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German Pages 242 Year 2015
Siglinde Lang Partizipatives Kulturmanagement
2015-05-26 11-44-17 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0202399032863166|(S.
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4) TIT3083.p 399032863174
Siglinde Lang (Dr. phil., M.A.) lehrt und forscht zu »Arts Management and Cultural Production« am Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst, einer Kooperation der Universität Salzburg mit dem Mozarteum Salzburg.
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Siglinde Lang
Partizipatives Kulturmanagement Interdisziplinäre Verhandlungen zwischen Kunst, Kultur und Öffentlichkeit
2015-05-26 11-44-17 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0202399032863166|(S.
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Stiftungs- und Förderungsgesellschaft der Paris-Lodron-Universität Salzburg Kooperationsschwerpunkt Wissenschaft & Kunst (Paris-Lodron-Universität Salzburg / Universität Mozarteum Salzburg)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 transcript Verlag, Bielefeld
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Inhalt
Einleitung Kunst, Kultur und Partizipation | 7 Kulturmanagement – Quo vadis? Aktuelle Ansätze mit Referenz auf zeitgenössische Kunst | 15
Vielfalt des Berufsfeldes Kulturmanagement | 17 (Mit) Kunst kommunizieren | 28 Vom betrieblichen Management zur kulturellen Vermittlung | 32 Fazit: Partizipation als Leitlinie kulturmanagerialen Handelns | 42 Kulturelle Bedeutungsproduktion Intervention, zivile Mitbestimmung, Wandel | 45
Kultur als dynamischer Verhandlungsprozess | 46 Zivilgesellschaftliche Mitbestimmung | 50 Intervention und kultureller Wandel | 56 Fazit: Kultur kollaborativ produzieren | 63 Herstellen von Öffentlichkeit Dissens, Diskurs und Kommunikationsräume | 65
Plurale Öffentlichkeiten und konfliktualer Konsens | 66 Diskurs als konstituierendes Element von Öffentlichkeit(en) | 76 Öffentlichkeit als dissensorientierter Kommunikationsraum | 81 Fazit: Partizipative Öffentlichkeit(en) und kultureller Wandel | 86 Zeitgenössische Kunst als kritische kulturelle Praxis Soziokulturelle Dimensionen und partizipative Strukturen | 89
Zum ,Kunstverständnis‘ der Cultural Studies | 90 Künstlerische Strategien und kulturelle Funktionen | 95 Kunst als soziokulturelles Handlungsfeld | 104 Partizipatorische Kunst | 109 Fazit: Kunst, Partizipation und soziokulturelle Intentionen | 115
Partizipatorische Kunst- und Kulturprojekte Fallstudien und Interviews | 119
ohnetitel: vorstadt vor ort | 124 Theater Hausruck: Theater gegen das Vergessen | 132 Podium Musikfestival Esslingen | 140 WochenKlausur: Turmtreff Goldegg | 150 AntikultiAtelier: Der Bleibeführer | 159 Fazit aus den Fallstudien | 169 Erkenntnisse und Ausblick Ablaufmodell, Kompetenzprofil und Verortung | 181
Fünf Prämissen für partizipatives Kulturmanagement | 182 Ablaufmodell partizipativer Kulturmanagementprozesse | 188 Grafische Darstellung: Von der Intervention zur Transformation | 194 Diskussion und Handlungsbedarf | 199 Danksagung | 207 Anhang: Interviewleitfaden | 209 09 Literatur | 213
Einleitung Kunst, Kultur und Partizipation
Aktuelle Tendenzen hin zu zivilgesellschaftlicher Mitsprache und aktiver kultureller Mitgestaltung bedeuten, dass vielfältigen, auch widersprüchlichen Perspektiven Raum für Artikulation gegeben wird. Speziell in partizipatorischen Kunstprojekten werden diese Entwicklungen virulent, da sich diese auf konkrete gesellschaftliche Phänomene beziehen: Ein spezifischer kultureller oder sozialer Ist-Stand wird in einem (zumeist) lokalen Kontext aufgegriffen und unter zivilgesellschaftlicher Beteiligung kollaborativ verhandelt. So verweisen partizipatorische Kunstprojekte auf den Anspruch, gesellschaftliche Fragestellungen unmittelbar in das Blickfeld des künstlerischen Schaffens zu rücken und mit Teilhabe ermöglichenden Strukturen Zugang und Kommunikationsräume zu kulturellen Zuschreibungen zu erschließen – und somit kulturelle Bedeutungsprozesse zu initiieren. In Hinblick auf aktuelle Debatten rund um Partizipation in Kunst und Kultur liegt es folglich nahe, Kommunikations- und folglich Managementprozesse partizipatorischer Kunstprojekte aus Sicht einer sich etablierenden akademischen Fachdisziplin Kulturmanagement genauer zu betrachten: Welche kommunikativen Strukturen, aber auch Herausforderungen lassen sich in diesen Projekten erfassen? Wie gestalten sich Prozesse der zivilgesellschaftlichen Mitsprache? Welche Herausforderungen sind mit diesen verbunden? Lassen sich über eine Analyse partizipatorische Kunstprojekte neue Erkenntnisse für die Kulturmanagementforschung und -praxis erschließen?
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Die grundlegende Herausforderung von Kulturmanagern1 liegt zunehmend in der Förderung der gesellschaftlichen Mitbestimmung, indem sie den Schritt vom primären Kulturkonsum zu einer aktiven Kulturproduktion begleiten und mit verantworten. Doch diese aktive Co-Produktion seitens zahlreicher Beteiligter wirft die grundlegende Frage dieser Arbeit auf, ob die Bezeichnung „Kultur managen“ im Kontext zeitgenössischer Kunstproduktionen angewandt werden kann und inwiefern sich „Kultur managen“ auf ein zeitgenössisches künstlerisches Produktionsfeld, das eine aktive (Mit-)Gestaltung kultureller Bedeutungsprozesse intendiert, beziehen kann. Die Beantwortung dieser Fragestellungen ist insofern schwierig, da eine klare Definition von Kulturmanagement kaum vorliegt. Beide Termini – sowohl „Kultur“ als auch derjenige des „Managements“ – sind in der kleinen, jedoch kontinuierlich wachsenden Fachliteratur nicht eindeutig abgegrenzt. Bei beiden Begriffen koexistieren unterschiedliche Zuschreibungen und schaffen eine inhaltliche Offenheit, die das Kulturmanagement zu einer nicht selten ziemlich vage bestimmten Angelegenheit macht. Das Berufsfeld des Kulturmanagers existiert in seiner Benennung zwar seit etwa 40 Jahren, Aufgabengebiet und Anforderungen haben sich jedoch laufend gewandelt: Bis in die 90er Jahre war Kulturmanagement durch eine strikten Trennung von künstlerischen Prozessen und somit durch seine kaufmännische Ausrichtung bestimmt (Heinrichs 1993: 186f.). Diese Trennung hatte vor allem zum Ziel, den (notwendigen) Professionalisierungsschub in kulturellen Betrieben und Organisationen zu leisten, diente jedoch ebenfalls dazu, das neue Berufsfeld des Kulturmanagers auf einer betriebswirtschaftlichen Grundlage gegenüber bereits etablierten Arbeitsbereichen von Kuratoren, Kunstschaffenden oder auch Programmgestaltern (künstlerischen Leitern) abzugrenzen und Interessenskonflikten vorzubeugen (Tröndle 2008: 62f.). Speziell seit Mitte der 90er Jahre gestalten sich diese Arbeitsbereiche und Rollenbilder fließender und vielfältiger (van den Berg 2007). Aktuell rückt der soziokulturelle Kontext wieder zunehmend in das Blickfeld des Kulturmanagements (vgl. Dewey 2004: 70; Mandel 2013). Der Kulturbegriff, auf den sich Kulturmanagement – oft latent und speziell in der Praxis – dennoch bezieht, ist zum Teil immer noch von einem
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In dieser Publikation wird nach langer Überlegung im Plural auf eine geschlechtsneutrale Schreibweise zu Gunsten der Lesbarkeit verzichtet, selbstverständlich sind stets alle Geschlechter gemeint.
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normativen Kulturverständnis geprägt, das Kultur vor allem wertend und vorschreibend auf jene ästhetische Phänomene bezieht, die als „Hochkultur“ in etablierten institutionellen Strukturen wie (Staats-)Theatern, Museen und Konzerthäusern verräumlicht sind. In der Kulturmanagementforschung und speziell auch auf aktuellen Konferenzen und Tagungen sowie mit Blick auf internationale und globale Perspektiven ist anhand der behandelten Themen- und Fragestellungen hingegen bereits eindeutig eine Tendenz in Richtung eines bedeutungs- und wissensorientierten Kulturverständnisses festzustellen. Das Kulturverständnis der Cultural Studies schwebt gewissermaßen als Hintergrundfolie in zahlreichen aktuellen Auseinandersetzungen mit Partizipation (im Kunst- und Kultursektor), bei der Ansprache neuer Publikumsschichten abseits klassischer Kulturnutzer sowie bei der Entwicklung niedrigschwelliger Programmangebote und Vermittlungsformate mit. Einige Artikel in der – deutschsprachigen – Fachliteratur (vgl. van den Berg 2009; Winter C. 2010) verweisen bereits auf jenes Kulturverständnis, das den Cultural Studies zugrunde liegt, und verstehen – wie speziell Carsten Winter – dieses als Perspektive für das Kulturmanagement: „Cultural Studies, verstanden als ‚generativer Diskurs‘, werden für die Kulturmanagementforschung dort wichtig, wo es um die zukunftsfähige Gestaltung und Entwicklung kultureller Kontexte geht.“ (2010: 167) Dass Kulturmanagement (irgendwie) mit Kunst zu tun hat, ist nach wie vor eine weitere unklare, ja offene Definition, die den fachlichen Diskurs rund um die Interdependenzen von Kunst und Kultur und das Managen eines folglich kaum definierten „Produktes“ bestimmen, aber auch jene „Sackgasse“ (Fachverband Kulturmanagement o.J.: o.S.) bedeuten, aus der das Kulturmanagement mit verstärkter Forschungsarbeit, auch Grundlagenforschung, zu entkommen sucht. Dass sich Kulturmanagement auf Kunst bezieht und oft in diesem synonymen Verständnis mit Kultur gleich oder nahe gesetzt wird, dürfte einerseits in dem traditionellen und eingeschränkten Verständnis von Hochkultur als kollektivem Wertestifter seine Wurzeln haben, aber auch in einem Avantgarde-Verständnis von Kunst als Vorreiter und Motor des Fortschritts und als wegweisendem Impulsgeber begründet sein. Demzufolge kann zumindest als eine geltende Betrachtungsweise angenommen werden, dass zeitgenössische Kunst – oder zumindest Strömungen dieser – als „Seismograph“ gesellschaftlicher Entwicklungen verstanden werden kann.
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Die synonyme Verwendung von Kunst und Kultur bedingt parallel auch eine fehlende Differenzierung und verhindert eine intensivere Auseinandersetzung mit einem zeitgenössischen Kunstverständnis und seinem Verhältnis zu Kultur als gelebter Alltagspraxis. Denn wenn Kultur gemäß der Cultural Studies als sich kontinuierlich entwickelnde Alltagskultur verstanden wird und sich in dieser manifestiert, muss sich „Kultur managen“ und die kontinuierliche Weiterentwicklung, ja Produktion von Kultur keineswegs auf einen Kunstkontext, sondern kann sich ebenfalls auf nachhaltige technische, soziale, politische oder mediale Veränderungsprozesse beziehen. Doch was ist das Spezifische der Kunst, das sie zu einer steten Bezugskonstante des Kulturmanagements macht? Die künstlerische Praxis als eine (mögliche) Form der Kulturproduktion weist als ein zentrales Spezifikum auf, dass sie sich in Relation zu anderen kulturellen Praktiken „weniger auf das Kollektive und auf Sozialität bildenden Sinn“ bezieht, „sondern eher auf die Irritation dessen, was als ‚common sense‘ beschrieben wird“ (van den Berg 2008: 79), ausgerichtet ist. Die künstlerische Praxis „braucht zugleich einen gewissen Abstand wie auch einen Bezug zur Alltagswelt“ (ebd.). Denn Kunst als kulturelle Praxis zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie gesellschaftliche Phänomene nicht erklären will und muss, wie es etwa kulturelle Symbole wie die Sprache, die Religion oder die Wissenschaft tun, sondern setzt sich (zumeist) zweckfrei mit diesen auseinander. Das Spezifikum von Kunst ist dabei ihre „Eigenart“(Cassirer 1990: 220), mit der sie einerseits Bezug zur Alltagswelt nimmt und sich andererseits gerade von dieser distanziert. Darin liegt jene Freiheit der Kunst, die ihr ermöglicht neue Perspektiven und Wahrnehmungsverschiebungen zu eröffnen. Aufgabe einer Kulturmanagementforschung und -praxis, die sich auf Kunst bezieht, ist und sollte es folglich sein, dieses Spezifikum nicht nur transparent zu machen, sondern auch als integrativen Teil ihrer Disziplin und ihres Handlungsfeldes anzuerkennen. Doch gerade dieses Spezifikum der Kunst und dieser notwendige Abstand erfordern öffentliche Teilhabe und eine aktive Mitgestaltung der initiierten kulturellen Bedeutungsprozesse durch betroffene Teilöffentlichkeiten. Erst eine Beteiligung an diesen Prozessen ermöglicht jene Teilhabe an kulturellen und symbolischen Ressourcen, die wiederum Voraussetzung ist, dass adaptierte Zuschreibungen erneut in der Alltagswelt und somit in und als (gelebte) Kultur ankommen können.
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Verstärkte Aufgabe von Kulturmanagern wird dabei die „Gestaltung kultureller Kontexte“ (Mandel 2009: 17) und somit die aktive Entwicklung, ja Produktion von Kultur „über den Kunstbetrieb hinaus“ (ebd.) sein. Diese antizipative Aufgabenstellung eröffnet eine weitere Fragestellung dieser Studie, ob nicht gerade die – vor allem freie – zeitgenössische Kunstszene, insbesondere partizipatorische Initiativen abseits des etablierten Kunstbetriebes neue Erkenntnisse über die zukünftigen Anforderungen an Kulturmanagementprozesse erschließen lassen. Denn einerseits ist es die freie und alternative Szene, die wichtige Impulse für Innovationen in Kunst und Kultur setzt. Andererseits ist es Merkmal einer zeitgenössischen Kunstszene, dass gerade diese aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen (kritisch) aufgreift und neue Sichtweisen zu produzieren sucht. In der Entwicklung oftmals neuartiger Formen der Zusammenarbeit, aber auch künstlerischer oder kultureller Vermittlungskonzepte sind es Akteure dieser freien zeitgenössischen Kunstszene, die oft jenem komplexen Rollenverständnis des Kulturmanagers entsprechen, „bei dem dieser nicht mehr nur Umsetzer und Vollstrecker vorgefertigter Ideen und Konzepte wäre, sondern neue Struktur-, Organisations-, Förder- und Vermittlungskonzepte für Kunst und das kulturelle Leben in der Gesellschaft entwickeln und umsetzen würde“ (Mandel 2009: 18). Erst dieses Rollenverständnis eröffnet „neue Perspektiven für eine interdisziplinär orientierte Kulturmanagementforschung“ (ebd.). Ein solches mehrdimensionales Rollenverständnis verlangt die Integration verschiedener Aspekte und muss in erster Linie den Spezifika von Kunst und Kultur (und ihrer Forschungsansätze) gerecht werden. Diese Komplexität impliziert aber auch die Notwendigkeit, einen Managementansatz zu entwickeln, der die Vermittlung und Moderation des Referenzfeldes von Kunst und bzw. zu Kultur unterstützt, begleitet und somit die Produktion von Kultur im Kontext zeitgenössischer Kunst ermöglicht. Ein solcher Ansatz umfasst die Integration von Aspekten unterschiedlicher Forschungsfelder wie der Cultural Studies, der Kommunikationswissenschaft und der Kunsttheorie, wird dabei aber vor allem auch aktuelle Fragestellungen der Kulturmanagementforschung und -praxis zu berücksichtigen haben. ‚Partizipatives Kulturmanagement‘ setzt folglich bei einer Unterscheidungslinie von „Kunst“ und „Kultur“ an und versucht aus einer Differenzierung von (zeitgenössischer) künstlerischer und kultureller Produktion neue Perspektiven für das Kulturmanagementfeld zu gewinnen. Das
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(Wechsel-)Verhältnis von zeitgenössischer Kunst und kultureller Produktion wird als kommunikativer Produktionsprozess und somit (auch) als differenziert zu definierender (kultureller) Kommunikationsmanagementprozess erfasst, um neue Aktionsräume für Kulturmanager aufzuzeigen, die eine aktive Mitgestaltung aller Beteiligten als gelebte partizipative Kultur als Prämisse ihres Handelns begreifen. Folgende vier Themenbereiche werden in dieser Studie, sowohl im theoretischen Teil als auch in den Fallstudien, folglich verhandelt: •
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Partizipation in der Kulturmanagementforschung: Aktuelle Ansätze der Kulturmanagementforschung in den Bereichen Audience Development, kulturelle Bildung und Kulturvermittlung widmen sich bereits der (vielfältigen) Teilhabe von verschiedenen Personengruppen, damit verbundenen Inklusions- und Exklusionsmechanismen sowie Barrieren im Kunst- und Kultursektor: Welcher Partizipationsbegriff liegt diesen Konzepten zugrunde? Welche aktuellen Entwicklungen und Konzepte in der Kunstvermittlung, der kulturellen Bildung sowie des Audience Development unterstützen die Entfaltung kollaborativer Bedeutungsprozesse? Wird dem ‚Publikum‘ in auf Partizipation ausgerichteten Konzepten tatsächlich ein eigenständiger Handlungsraum zugestanden? Kulturelle Bedeutungsproduktion als aktives Mitgestalten: Das aktive Mitbestimmen und Eingreifen in Prozesse kultureller Bedeutungsproduktion ist in der Kulturmanagementforschung bisher vereinzelt (vgl. Lüddemann 2008; Winter C. 2010; Voesgen 2005), im Bereich der Kommunikations- und Medienwissenschaften hingegen fokussiert untersucht worden. In diesem zweiten Forschungsbereich soll folglich erfasst werden, welche aktuellen Theorien aus diesen Disziplinen in Bezug auf das Kulturverständnis der Cultural Studies neue Forschungsansätze in Hinblick auf Prozesse kultureller Bedeutungszuschreibungen ermöglichen. Dabei werden vor allem die Konzepte der Cultural Citizenship sowie der Participatory Culture im Kontext ihrer Anwendbarkeit auf Prozesse in der zeitgenössischen Kunst- und Kulturproduktion untersucht und analysiert. Diskurse als konstituierendes Element von Öffentlichkeit: Wird das Moderieren von kommunikativen Prozessen als zentrales Handlungsfeld der kulturmanagerialen Praxis aufgefasst, sind es vor allem Diskurse, die kulturelle Bedeutungen ver- und aushandeln. Damit diese Dis-
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kurse stattfinden können, muss eine öffentliche Aufmerksamkeit bzw. Wahrnehmung vorhanden sein. Das Herstellen von Öffentlichkeit(en) kann folglich als Voraussetzung angesehen werden, damit kulturelle Teilhabe gewährleistet werden kann. Die Bedeutung einer zivilen Öffentlichkeit für gesellschaftliche Prozesse hat vor allem Jürgen Habermas in die Diskussion um das Verständnis von Öffentlichkeit eingeführt und hervorgehoben. Seine Überlegungen wurden von zahlreichen Kommunikationswissenschaftlern, aber auch seitens der Gender Studies weiterentwickelt, um kritisch und ergänzend sein Konzept einer zivilen Öffentlichkeit auszubauen und zu adaptieren. Diese aktuellen Debatten in den Kultur-, Medien- und Kommunikationswissenschaft(en) sollen – auch in Bezug auf die Ansätze einer Participatory Culture – neue Perspektiven in Hinblick auf die Bedeutung und Gestaltung von Handlungsräumen durch und für beteiligte (Teil-)Öffentlichkeiten erschließen. Partizipative Kunstproduktion und (Alltags-)Kultur: Die soziokulturelle Dimension von Kunst rückte vor allem seit und mit den 60er Jahren in das Blickfeld, aber auch Selbstverständnis von künstlerischen Aktivitäten. Ein erweiterter Kunstbegriff setzte sich durch, der Kunst im Wechselverhältnis mit gesellschaftlichen, ökonomischen, politischen, aber auch technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen und Bedingungen zu definieren und zu verhandeln suchte. Ein aktives Eingreifen in einen bestehenden kulturellen Status quo bildet zumeist Basis und Intention für künstlerisches Handeln. Dieses veränderte Kunstverständnis ist auch mit einer Verschiebung in der Wahrnehmung des Publikums verbunden. Die Funktions- und Wirkungsweisen, aber auch der Definitionsrahmen jener zeitgenössischen Kunstströmungen, die diesem Verständnis folgen, werden recherchierend erfasst, indem untersucht wird, wann und welchen Parametern folgend künstlerische Produktionen als kulturelle Interventionen aufgefasst werden können. Dieses als aktiv verstandene Verhältnis von zeitgenössischer Kunstproduktion zu kulturellen Entwicklungen wird durch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, Theorien und Diskurse seitens der Kunstwissenschaft, der Kunstvermittlung sowie (auch) der Kunstsoziologie erörtert.
Die Studie setzt sich zum Ziel, aus Querverbindungen dieser interdisziplinären Forschungsansätze und in Relation zu zeitgenössischen künstlerischkulturellen Praxen ein kulturmanageriales Tätigkeitsfeld zu erschließen, das
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Anforderungen an die Moderation kollaborativer Kommunikationsprozesse im Kontext zeitgenössischer Kunst und kultureller Produktion abbildet. Dieses Tätigkeitsfeld sucht kulturmanageriale Aufgaben mit den Eigenheiten künstlerischer Arbeitsprozesse und den Herausforderungen zivilgesellschaftlicher Beteiligungsformen strukturell und substanziell zu verbinden.
Kulturmanagement – Quo vadis? Aktuelle Ansätze mit Referenz auf zeitgenössische Kunst
Kulturmanagementforschung ist weniger eine eigenständige Disziplin denn eine Interdisziplin.
Strategien
künstlerischen
Denkens und Handelns können dabei innovative Impulse für die Weiterentwicklung geben. BIRGIT MANDEL2
Wird Kulturmanagement als Interdisziplin erfasst, sind es gerade die Cultural Studies, die als Referenzfeld neue Forschungsperspektiven eröffnen können: Denn Forschung im Sinne der Cultural Studies meint vor allem, dass fächerübergreifend und mit Bezug auf Alltagspraxen und ihrer Produktionsbedingungen kulturelle Phänomene und Entwicklungen reflektiert und analysiert werden. So kann, nach Carsten Winter, Kulturmanagement im Sinne der Cultural Studies und mit Bezug auf das Potential der Künste „zwischen den Interessen aller Anspruchsgruppen abwägen, […] Wertschöpfungen und die Beziehungen und das Wissen der Künste vielfach kontextualisieren“ und „dürfte zu einer Verbesserung vieler Lebenswelten und ihrer Kulturen beitragen können“ (2010: 167). Doch wie lässt sich Kulturmanagement in Prozessen kultureller Bedeutungsproduktion verorten? Die verbindende Basis von Kultur, Kunst und managerialem Handeln stellt Kommunikation dar: Kultur wird über kommunikative Praxen verhandelt; der kommunikative Kontext des Kunstsys-
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Vgl. Mandel 2009: 22 und 2008b: 57
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tems entscheidet, ob Kunst als Kunst wahrgenommen und rezipiert wird; Kunst selbst kann als kommunikative Praxis aufgefasst werden bzw. wird als solche aufgefasst; und wird Management vor allem als Koordinationsaufgabe verstanden, sind es kommunikative Kompetenzen, die diese Aufgabe bestimmen – denn gerade im Kunst- und Kultursektor entscheiden sowohl Engagement und Identifikation der Mitarbeitenden als auch öffentliche Aufmerksamkeit über Wirkungsradius und folglich auch die Legitimation kulturmanagerialer Tätigkeiten. Legitimation meint dabei jedoch weniger, dass ökonomische Kennzahlen erreicht, sondern vielmehr dass eine Wertsteigerung des kulturellen Lebens und Miteinanders intendiert und optimalerweise realisiert wird. Diese Legitimationsanforderung ist bis dato kaum multiperspektivisch erforscht worden. Teilaspekte innerhalb des Triangels Kunst, Kultur und Management sind im Doppelpass mit der und als Weiterentwicklung aus der Praxis zwar systematisch analysiert worden. Doch inwiefern unterstützen bestehende kulturmanageriale Ansätze und Konzepte Prozesse kollaborativer kultureller Bedeutungsproduktion? Welche Auswirkungen haben aktuelle Anforderungen nach zivilgesellschaftlicher Teilhabe und kultureller Mitgestaltung auf das Profil und die Handlungslogiken von Kulturmanagern? Und wie vertragen sich Ansprüche einer auch konfliktorientierten Partizipation (vgl. Miessen 2007; Mouffe 2006) mit der sogenannten „Doppelperspektive“ (Mandel 2009: 47) von Kulturmanagement zwischen Marketingstrategie und Kulturvermittlung? Kulturmanager bewegen sich stets in einem Spannungsverhältnis zwischen der Generierung von Aufmerksamkeit auf Basis finanzieller Tragfähigkeit und der Förderung teilgruppenspezifischer, durchaus auch kritischer Kunst- und Kulturteilhabe. Speziell die Segmentierung von vielfältigen Partizipationsangeboten eröffnet folglich (auch) gesellschaftskritische Konfliktpotentiale und kann zur Artikulation von Interessensdivergenzen führen. Gerade dieses Konfliktpotential steht in enger Relation zu den – ursprünglichen – Intentionen der Cultural Studies, in denen es darum ging, „bestimmte Aspekte und Facetten von Kultur überhaupt erst einmal zu verstehen sowie ihnen möglicherweise zu einer eigenen Stimme zu verhelfen“ (Winter 2010: 165). Ausgehend von der Vielfalt des Berufsfelds Kulturmanagement wird im folgenden Kapitel der Blick auf ein Verständnis der kulturmanagerialen Kommunikationsarbeit gerichtet, die sich als polyphoner Austauschprozess versteht und auch künstlerisch-kulturelle Dimensionen berücksichtigt. Die-
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ses Verständnis wird vor allem in der autonomen Kulturproduktion und in unternehmerischen Kunstinitiativen realisiert. Auch aktuelle Entwicklungen im Bereich eines interkulturellen Audience Developments und der kulturellen Bildung, speziell jedoch eine kritische Kunstvermittlung verweisen auf den Anspruch, künstlerische, partizipative und (selbst-)reflexive Praxen als integralen Teil des Handlungs- und Aufgabenkanons zu begreifen.
V IELFALT
DES
B ERUFSFELDES K ULTURMANAGEMENT
In Hinblick auf eine verstärkte öffentliche Teilhabe ist eine der zentralen Entwicklungen im zeitgenössischen Kunst- und Kultursektor, dass sich vormals eindeutig zugeschriebene Rollen und Rollenverteilungen fließender gestalten und oftmals nicht mehr Einzelpersonen oder spezifischen Teilöffentlichkeiten vorenthalten sind (vgl. Lang 2013a: 40). Ehemals klar zugeschriebene Aufgabenbereiche weichen neuen und zumeist arbeitsteiligen und kollektiven Rollenverteilungen: So sind Kunstschaffende oft selbst (etwa in Produzentengalerien) oder zusätzlich zu ihrem künstlerischen Schaffen kuratorisch tätig. Kuratoren, vor allem in der Freien Szene sichern als Ausstellungs- oder Festivalinitiatoren wiederum den ökonomischen Rahmen ab und entsprechen damit zumindest ansatzweise dem Rollenbild sogenannter Kulturunternehmer. Als eine Form des Crowdsourcing kuratiert das Publikum Ausstellungen3 oder agiert als Mitproduzent von Teilprozessen einer Opernaufführung4 und eines Filmes5. Als Crowdfunder übernimmt ebenfalls eine ‚Masse‘ an Einzelpersonen Aufgaben, die bisher öffentlichen Subventionsgebern, Sponsoren oder Mäzenen zugeschrieben waren6. In künstlerisch-edukativen Projekten werden Teilöffentlichkeiten zu Mitproduzenten von Kunst und agieren dabei als (Mit-)Initiatoren kultureller Werteverschiebungen. In diesem vielfältigen Aufgabenfeld von Kulturmanagern gibt Karen van den Bergs Typisierung von sieben verschiedenen Rollenbildern (2007)
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„Click! A crowd-curated exhibition“, Brooklyn Museum, 2008
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„Twitter opera“, Royal Opera House London, 2009
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„Life in a Day“, Ridley Scott, 2010
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„Hotel Desire“, Sergej Moya, 2011, oder „Sellaband“, Plattenaufnahme von Julia Marcell, 2008
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einen Überblick über ein differenziert wahrgenommenes Berufsverständnis, das durch individuelle Lebenswege maßgeblich den eigenen Handlungsraums bestimmt. Kulturmanager agieren demgemäß als (1) Kommerzialisierer mit betriebswirtschaftlichem Blick auf die Optimierung von (kultur-) betrieblichen Arbeitsprozessen; (2) als Institutionen, die einem Machertypus mit Medienimpetus und gesellschaftlicher Verankerung entsprechen; (3) als Dolmetscher, die sich als Vermittler zwischen Ökonomie und Kultur verstehen und als Brückenbauer in unterschiedlichen Systemen agieren; (4) als charismatische Inszenatoren, die künstlerische Strategien als Teil ihrer (Öffentlichkeits-)Arbeit einsetzen; (5) als Ermöglicher und somit koordinierende Dienstleister; (6) als postheroische Künstler, die die künstlerische Produktion als autonomes kulturelles Projekt begreifen und (7) als Forscher, deren Arbeit sich verstärkt an wissenschaftlichen Prämissen und Fragestellungen orientiert. (vgl. van den Berg 2007: 133 ff.) Mit dieser Differenzierung bringt van den Berg einen wesentlichen Aspekt für das vorab skizzierte Spannungsverhältnis von Kulturmanagern ein: Was mit diesen Differenzierungen deshalb vielleicht deutlich gemacht werden konnte ist, dass die Gesichtspunkte, von denen ausgehend Entscheidungen getroffen werden, sich erheblich unterscheiden und dass der Kulturmanager keinen Spagat macht zwischen den Systemen, sondern selbst jeweils eigene Handlungslogiken verfolgt. (van den Berg 2007: 146)
Diese dem Kulturmanager auferlegte Notwendigkeit, seinen Handlungsbereich selbst zu definieren, und die damit verbundene (Eigen-)Verantwortung erfordern differenzierte Ansätze des kulturmanagerialen Selbstverständnisses. Mit Blick auf den zeitgenössischen Kunstsektor sind es speziell drei sich abzeichnende Tendenzen, die zukünftig die kulturmanageriale Handlungslogik re-definieren werden: •
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Kulturmanageriale Initiativen suchen bis dato marginalisierte oder aufkommende zeitgenössische Kunstströmungen sichtbar zu machen und öffentliche Kommunikationsprozesse zu initiieren. Dieser Trend ist auch mit wandelnden Arbeitsformen, speziell verstärkter Selbstständigkeit verbunden. So stellen immer mehr Kulturmanager den Anspruch, selbst aktiv zu werden und als selbstständige Unternehmer eine eigene kulturelle ‚Mis-
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sion‘ und ihre individuelle Begeisterung für spezifische künstlerische Strömungen, Formate oder Vermittlungsformen in das Zentrum ihrer Tätigkeit zu stellen. Ebenfalls eine kulturelle Mission oder auch Vision verfolgen jene Kunstschaffenden, die ihre künstlerischen Produktionen (auch) als kulturelle Projekte begreifen und in diesen temporären Projekten organisatorische Aufgaben übernehmen. Zunehmend sind folglich auch immer mehr künstlerische Handlungslogiken als kulturmanageriale zu erfassen.
Sichtbar machen: Inszenieren als kulturmanageriale Handlungslogik Dass Kulturmanager je nach ihrem beruflichen Selbstverständnis eigene Handlungslogiken verfolgen, hängt vor allem auch damit zusammen, dass Kulturorganisationen und kulturelle Projekte im Kontext von Kunst „Sinnorganisationen“ darstellen, „die von künstlerischen Themen bestimmt sind“ (Tröndle 2008: 65). Zusätzlich zum künstlerischen Gehalt prägen auch der jeweilige künstlerische und kulturelle Kontext, in dem sich dieses Thema verortet, sowie der Wunsch nach kultureller Veränderung die Handlungsstrategie und die Arbeitspraxen von Kulturmanagern. Diese veränderten Ansprüche definieren jenen „Paradigmenwechsel“ der postuliert, dass Kulturmanagement „praxisrelevanter, d.h. künstlerischer werden“ (ebd.) muss. „Künstlerischer“ meint in diesem Zusammenhang, dass künstlerische Praxen und Strategien unmittelbar mit dem kulturellen Managementprozess, wie etwa mit der Öffentlichkeitsarbeit oder dem Vermittlungsprogramm verbunden, aber auch in interne Organisationsprozesse eingebunden sind. Dies impliziert, dass in der kulturmanagerialen Praxis „vermehrt Inhalte in den Mittelpunkt rücken, denn im Kunstbetrieb geht es um ästhetische und gesellschaftliche Phänomene und erst in zweiter Linie um arbeitsteilig gesteuerte Prozesse“ (ebd.: 62). Meiner Ansicht nach ist es primär diese auszubalancierende Verwobenheit ökonomischer, künstlerisch-kultureller und gesellschaftlicher Ansprüche, die das Berufsfeld bestimmt (bzw. bestimmen wird). Dies setzt in der Realisierung dieser Ansprüche wiederum ein integratives Verständnis von Kulturmanagement voraus, für das sich „das traditionelle Instrumentarium des Kulturmarketings und der Kulturfinanzierung als so nicht mehr geeig-
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net“ (van den Berg 2008: 76) erweist und abseits betriebswirtschaftlicher Adaptionen eigene Instrumentarien des Managens zu entwickeln sucht. Karen van den Berg schlägt diesbezüglich den Begriff (und den theoretischen Ansatz) der „Inszenierung“ (2008: 80) vor, der „ästhetisch bestimmte Kommunikationsformen mit der Setzung eines (institutionellen) Rahmens für bestimmte Wirkungen“ (ebd.) verknüpft. Sie bezieht sich dabei auf den deutschen Philosophen Martin Seel, der in seinem Verständnis von „Inszenieren als Erscheinenlassen“ (2001) drei wesentliche Eigenschaften des Inszenierens anführt: Inszenierungen sind (1) „absichtsvoll ausgeführte und eingeleitete sinnliche Prozesse“ und demgemäß Ergebnisse eines intentionalen Handelns, wobei der Prozess selbst jedoch „keineswegs durchgängig intentional“ (Seel 2001: 49) ist, sondern in seiner Komplexität (2) sinnlich, also sichtbar und hörbar vor Publikum präsentiert wird (vgl. ebd.: 50). Als drittes Element verweist Seel auf (3) die temporäre (Ab)Geschlossenheit von Inszenierungen, auf eine vorübergehende Präsenz: Etwas bewegt sich in einem begrenzten Raum und ereignet sich innerhalb eines definierten Zeitrahmens. Mit dieser Referenz wird ein theoretischer Ansatz skizziert, der eine eigenständige kulturmanageriale Logik erkennen lässt: Wird unter Inszenierung ein Sichtbarmachen verstanden, das etwas absichtsvoll zur Erscheinung bringt und Gegenwelten erzeugt, lassen sich unter diesem Begriff ästhetische, soziale und politische Dimensionen subsumieren (vgl. van den Berg 2008: 80). Das Handlungsfeld und somit der Aktionsradius von Kulturmanager fokussiert sich im Kontext weit reichender kultureller Entwicklungskreise auf einen bestimmten und begrenzten Zeit- und Aufgabenrahmen. Kulturmanagement erhält verstärkt den Charakter eines Projektmanagements, das sich neben den managerialen Aufgaben des Führens, Steuerns und Koordinierens durch ein Initiieren und Zum-Abschluss-Bringen von vorab definierten und konturierten Zielsetzungen auszeichnet. Die Umsetzung der stattfindenden Prozesse ist jedoch von Offenheit und Flexibilität gekennzeichnet. Für das Kulturmanagement bedeuten diese Überlegungen, dass sich vermehrt Managementansätze abseits betriebswirtschaftlicher Konzepte formieren, die auf Rationalisierung und ökonomische Effizienz zielen, und eine soziokulturelle Praxis in den Mittelpunkt des Berufsfelds gerückt wird: Das Anregen von selbstkritischen Diskursen, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Kulturverständnis und auch die Initiative neuer sozialer Inter-
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aktionen könnten vielmehr neue Parameter einer Managementpraxis werden, in der Kulturmanager nach wie vor als Entscheidungsinstanzen agieren, jedoch abseits eines reinen „Zweck/Mittel-Schemas“ (ebd.) initiieren: Für eine Zeitspanne schaffen sie inszenierte Räume, in denen bestimmte (kulturelle) Thematiken Präsenz erlangen und die Intention des kulturmanagerialen Handelns vor allem in einer Initiierung und Implementierung eines Prozesses des kommunikativen Aushandelns liegt. Der eigenen Mission folgen: Künstlerisch-kulturelles Unternehmertum Ein Drittel aller Kulturmanager ist bereits auf selbstständiger Basis tätig, wobei der Trend klar in eine Richtung weist, „die zu einem Verhältnis von Angestellten zu Selbstständigen von 50:50 führt“ (Heinze 2008: 179). Die Existenzgründung ist nicht die Ausnahme, sondern vielmehr bereits zentraler Bestandteil des Berufsfelds Kulturmanagement. Mit „Arts Management – The entrepreneurial style“ hat Giep Hagoort bereits 2003 praxisorientiert ein Handlungsfeld in die (anwendungsorientierte) Kulturmanagementforschung eingeführt, das sich vor allem durch künstlerisch-kulturelles Unternehmertum in Kleinstrukturen auszeichnet und Koordinationsgeschick, Visionsvermögen und Kunstverständnis seiner (initiierenden) Akteure fordert. Hagoort definiert diesen Typus von Kulturmanagern, der sowohl den erforderlichen Managementblick als auch soziokulturelle Dimensionen umfasst, folgendermaßen: Cultural Entrepreneurship is based on passion and affection around a clear cultural vision, an external market orientation with an emphasis on innovation and societal responsibility. The cultural entrepreneur stands for a radical and personal involvement in creative processes and programmes. (Hagoort 2003: 74)
Hagoort sieht in jedem kulturellen Projekt, in jeder kulturellen Unternehmung die eigene kulturelle „Mission“ beziehungsweise „passion“ (ebd.: 76ff.) als Kernelement des kulturellen Managementprozesses an. Als kulturelle Mission fasst er eine Leidenschaft, ja Begeisterung für eine spezifische künstlerische Strömung oder ein Format. Diese Passion führt dazu, dass ein Arts Entrepreneur seinen Auftrag darin sieht, mehr kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung zu generieren. Die Verortung in einem weit
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reichenden gesellschaftlichen Kontext, der ökonomische, politische, soziale und künstlerische Aspekte mit einschließt, macht eine Selbsterklärung, die Argumentation der eigenen gesellschaftlichen Legitimität erforderlich. So sieht Hagoort den eigenen kulturellen Auftrag als eine Art Mission Statement, das exakt jene Definition der eigenen Handlungslogik (als Arts Entrepreneur) meint, die im Kulturmanagement erforderlich ist: Denn ein solches Statement umfasst eine kulturelle und im jeweiligen Wunsch nach Veränderung stets kulturkritische Aussage über einen historischen und aktuellen gesellschaftlichen Kontext. Die eigene Positionierung in diesem verweist auf angestrebte Adaptionen. Da der Kunst- und Kultursektor stark von Widersprüchen und unterschiedlichen Interessen geprägt ist, zeichnet sich analog das Arbeitsfeld von Kulturmanagern durch ein Konfliktpotential von verschiedenen Meinungen und Standpunkten aus sowie durch die Spezifika künstlerisch-kreativer Prozesse und die damit verbundenen Ansprüche. Die Arbeit von Kulturmanagern kann nicht entkoppelt von diesen Konfliktpotentialen betrachtet werden, sodass hohes Koordinationsvermögen kombiniert mit der Fähigkeit, Entscheidungsprozesse steuern zu können, erforderlich ist (vgl. Hagoort 2003: 206f.). In dem Profil von Arts Entrepreneurs nehmen auch die Fähigkeiten, Netzwerke zu bilden, interkulturell kompetent agieren sowie global denken und lokal handeln („glocal“) zu können, zentralen Stellenwert ein (vgl. ebd.: 221). Der kreative Prozess, der (auch) den künstlerischen umfasst, wird als eigenes Kompetenzfeld gewertet. Mit Arts Entrepreneurship können (auch) jene Unternehmen und Institutionen bezeichnet werden, die soziokulturelle Ziele verfolgen und den künstlerischen Gehalt ins Zentrum ihrer Handlungslogiken stellen. Auch (zumindest) existenzsichernde Unternehmungen und Projekte von Kulturakteuren, die künstlerisch-kreative Prozesse und Kompetenzen als Basis ihrer Aktivitäten auffassen und sich folglich stark an Arbeitsweisen und -praxen von Kunstschaffenden orientieren, werden unter diesem Terminus subsummiert (vgl. Roberts 2010). Das Berufsfeld des Arts Entrepreneurs7
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Arts Entrepreneurship ist sowohl in der deutschsprachigen als auch internationalen Fachliteratur keineswegs eindeutig definiert, kann jedoch als spezifisches Segment (auch) dem kulturellen Unternehmertum zugeordnet werden. Hier sei auf unterschiedliche Anforderungen in der Quote der Eigenwirtschaftlichkeit
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kann dabei generell jenem „Boom der Selbständigen im Kultursektor“ (Mandel 2007: 7) zugeordnet werden, der sich durch viele kleine Unternehmensneugründungen jenseits traditioneller Kulturberufe entwickelt. Die Arbeitsweise dieser „neuen Kulturunternehmen“ (ebd.) ist geprägt durch interdisziplinäres Arbeiten und einen hohen gesellschaftlichen Dienstleistungsanspruch. Generell kooperieren diese Kulturunternehmer oft mit dem öffentlichen Kultursektor und verfolgen – zusätzlich zu ihren ökonomischen – gemeinnützige Ziele (vgl. Mandel 2007: 8f.). Arts Entrepreneurship als spezifische Form kulturelleren Unternehmertums kann als Segment innerhalb eines kunstorientierten Kulturmanagements gesehen werden, das kulturellen Wandel als Intention seines Handlungsraums begreift. Bezeichnet die UNESCO initiativ agierenden Kulturakteure als „Agenten kultureller Wandlungsprozesse“ (Mandel 2007: 59), da diese u.a. Defizite des öffentlichen Kulturbetriebs ausgleichen und neue kulturelle Bedürfnisse wecken (vgl. ebd.: 60f.), können Arts Entrepreneurs wiederum als spezifische Gruppe innerhalb dieser Akteure definiert werden: Ihr spezieller Anspruch ist, marginalisierte oder gerade aufkommende künstlerische Strömungen, Formate und Strategien sichtbar zu machen und dadurch neue Akzente für die Kunst- und Kulturlandschaft zu setzen. Professionell querdenken: Kunstschaffende als Kulturmanager Dass „künstlerische Denk- und Handlungsprinzipen in das Management einzubringen“ (Mandel 2008a: 57) sind, ist wie bereits erwähnt eine der stets wiederkehrenden Forderungen an neue Ansätze in der Kulturmanagementforschung. Diese Prämisse verweist auch auf den Anspruch, eigenständige kunstorientierte Managementtheorien und interdisziplinäre Handlungstheorien zu entwickeln. Denn „die Dominanz ökonomischer Betrachtungsweisen im Kulturmanagement verhindert […] einen kreativen und unideologischen Zugang von Künstlern zu Fragen der Organisation und aktiv partizipatorischen Rolle der schöpferischen Organisation und Distribution der eigenen Kunstprodukte, Performances und Projekte“ (Wolfram 2013: 245).
verwiesen: Arts Entrepreneurship wird sich stets mittels Mischfinanzierungen, die öffentliche Subventionen enthalten, charakterisieren (vgl. Lang 2015).
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Ohne ihre eigene Arbeitsweise mit Kulturmanagement in Verbindung zu bringen, ja vielmehr diesem Terminus mit Skepsis gegenübertretend, agieren zahlreiche Kunstschaffende als Initiatoren und Organisationsverantwortliche künstlerisch-kultureller Projekte. Von Karen van den Berg als „postheroischer Künstler“ (2007: 142) bezeichnet, steht dieser Typus von Kulturmanager „stellvertretend für diejenigen Kulturvorhaben […], in denen der Planungsprozess selbst künstlerisch motiviert ist“ (ebd.) und „an die Stelle eines ökonomisch aufgefassten Managements tritt“ (ebd.: 143). Aus einem gesellschaftlichen oder künstlerischem Anliegen heraus entwickelt sich ein künstlerisch-kulturelles Projektfeld, das über Begeisterung und soziale Dynamik funktioniert – und dennoch8 und parallel ökonomische Dimensionen zu integrieren vermag und gefordert ist, auch finanzielle Aspekte zu berücksichtigen. Dieses Profil von Kunstschaffenden als Kulturmanagern korreliert mit jenem von Arts Entrepreneurs. Ein oft zitiertes Erfolgsbeispiel künstlerisch-kultureller Unternehmungen bzw. Initiativen ist die Gründung des PODIUM Musikfestival Esslingen durch den Cellisten Steven Walter9. Als Kulturunternehmer und Künstler ist Walter Initiator, Gründer und Leiter eines Festivals, das (klassische) „Musik präsentiert, wie sie ist – frei, vielfältig und wegweisend“ (PODIUM o.J.: o.S.). Mit der Intention, jungen Musikern Raum abseits „der Morbidität des Systems“ (Walter 2013: 21) zu schaffen, setzte er seine Vision um, „junge, herausragende Nachwuchskünstler aus ganz Europa nach Esslingen zu bringen, um klassische Musik im neuen Gewand zu präsentieren“ (Podium Website o.J.: o.S.). Walter sieht es generell als unmittelbare Aufgabe von Kunstschaffenden, in seinem Fall von Musikern, ihr künstlerisches Schaffen mit kulturellen Projektinitiativen zu verbinden: „Wir brauchen also ganz neue Erlebnis-
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Van den Berg sieht dieses Format des Kulturmanagements, in dem Management und künstlerische Praxis identisch werden, durch Kraftvergeudung und Selbstausbeutung geprägt (vgl. 2007: 143) und auch Angela McRobbie (2002) spricht analog von dieser Tendenz mit Blick auf Kunstschaffende als Teil der New Econonmy. Dieser Ansicht stimme ich zu, jedoch stimmen einige erfolgreiche Beispiele positiv, dass der Balanceakt zwischen künstlerischen Identitätsansprüchen und managerialen Herausforderungen zu meistern ist. Die Kulturpolitik bleibt gefordert, diesen Balanceakt anzuerkennen (vgl. Lang 2015).
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Vgl. die gleichnamige Fallstudie in diesem Buch
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räume für unsere Musik. Und diese Räume müssen vor allem wir als Musiker schaffen, weil wir nun einmal die Vermittler sind zwischen Musik und Menschheit“ (Walter 2011: 4). Gerade Kunstschaffende – und hier betont Walter das Potential und die Notwendigkeit einer Freien Szene – sollten sich als Kulturschaffende begreifen, die aktiv und gestaltend ihre eigenen Räume und kraft ihrer Kunst kulturelle Bedeutungsmitsprache schaffen (vgl. Walter 2013: 21f.). Wie die Fallstudien exemplarisch zeigen werden, sind Kunstschaffende oft Initiatoren von temporären Projekten, in denen sie sowohl künstlerisch als auch koordinativ und organisatorisch agieren. In diesen Projekten und Unternehmungen, die der sogenannten Freien Szene zuzuordnen sind, bedingen sich künstlerisch-kreative und manageriale Prozesse. Autonom Kultur produzieren: Die unterschätzte Bedeutung Freier Szenen Sowohl das PODIUM Musikfestival Esslingen, das Theater Hausruck als auch die Projekte von ohnetitel, WochenKlausur und Der Bleibeführer verweisen auf eine weitere Perspektive, die die Cultural Studies in die Forschung sowie das Tätigkeitsfeld von Kulturmanagement einbringen: In den Cultural Studies wird speziell die Bedeutung von Subkulturen für kulturelle Bedeutungsprozesse analysiert und betont (vgl. Hebdige 1979). Subkultur meint in diesem Zusammenhang den Zusammenschluss von Gruppen oder Individuen, die in Opposition zu einer dominanten und vorherrschenden Kultur („Culture“) ihre eigenen kulturellen Praxen, Interessen und Vorstellungen teilen und sich dafür einen Raum bzw. Artikulationsformen schaffen (vgl. Hartley 2002: 220)10. So hat sich die Freie Szene in den späten 60er Jahren als eine Art Subkultur definiert und ist aus diesem Verständnis als Gegenkulturszene gegen ein etabliertes Kulturverständnis entstanden. Politische Zielsetzungen wurden oft mit ästhetischen und künstlerisch-aktionistischen Strategien und Aktivitäten verfolgt. Jedoch handelte und handelt es sich keineswegs um eine homogene Gruppierung, die kulturelle Alternativen zu etablieren
10 Ursprünglich wurde mit dem „Style“ als spezifischem Merkmal einer Subkultur seitens der Cultural Studies argumentiert, jüngere Beiträge und Auseinandersetzungen sehen dies für nicht mehr bedeutend an (vgl. Hartley 2007: 220).
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sucht, vielmehr sind es zahlreiche, durchaus verbundene, Initiativen und Projekte, die als Freie Szenen autonome Kulturarbeit leisten. Freie Szenen wollen sich starren Rahmenbedingungen staatlicher Institutionen entziehen und ihre eigenen künstlerischen und kulturellen Produktionsbedingungen zu schaffen. Das Berliner Netzwerk ‚Projekträume‘ verortet sich zum Beispiel in seiner Selbstbeschreibung als „Nährboden, auf dem eine vitale und kritische Kunstszene reift, sich ausprobiert und innovative Organisationsformen und Arbeitsweisen entwickelt“ (Projekträume 2011: o.S.). Dieses Netzwerk gibt „Raum für eine künstlerische Praxis, die mehr prozess- als produktorientiert ist, einen kollaborativen und/oder partizipativen Ansatz verfolgt, die dialogische und/oder diskursive Formate einsetzt“ (ebd.). „Der Austausch über gesellschaftlich relevante Themen“ (ebd.) erfordert, dass „künstlerische Arbeitsprozesse erfahrbar und ihre Produktionsbedingungen mit reflektiert werden“ (ebd.). Als Szene verortet agieren ihre Vertreter meist in lokalen Kontexten oder in spezifischen künstlerischen Sparten wie etwa des experimentellen Jazz, des partizipativen Theaters oder der Kunst im öffentlichen Raum. Dadurch haben Unternehmungen der Freien Szene(n) oft ihr eigenes Publikum, das Austausch und neue, auch unkonventionelle Zugänge schätzt und sich stark mit den jeweiligen künstlerischen Inhalten und Formaten sowie Produktionskontexten identifiziert. Diese Unternehmungen zeichnen sich oft durch ihren temporären und projektbezogenen Charakter aus, also durch einen freien, auch freiwilligen Produktionszusammenschluss. Die jeweilige Organisationsform abseits bereits bestehender und etablierter Strukturen wird dann erst in diesen temporären Konfigurationen erarbeitet. Unternehmungen der Freien Szene(n) vereint, dass sie aus einer Initiative, dem Entschluss entstehen, (selbst) aktiv zu werden. Die Entscheidung, sich zu formieren, resultiert zumeist aus einem Mangel heraus, aus dem Bedürfnis, einen als fehlend wahrgenommenen Beitrag zum Kunst- und Kulturgeschehen zu leisten. Da dieses Bedürfnis mit einem gesellschaftlichen Anspruch verbunden ist, wird dieser Kultursektor teilweise auch der Soziokultur zugeordnet (vgl. Bock/Lüddemann 2011). Mit dem Anliegen, auch Kunstprojekten abseits etablierter Pfade einen Raum zu geben, zeichnet sich der freie Sektor durch Risikobereitschaft und zuweilen auch durch ein seismografisches Gespür für künstlerische Trends aus. Gerade diese Freude am Ausprobieren und an Experimenten ist notwendiger Motor einer sich stets wandelnden Kunst- und Kulturszene. Öko-
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nomisch gesehen ist dieses Vorwagen in das Neue und Unbekannte die größte Herausforderung für Akteure der Freien Szenen. Denn oft lassen sich experimentelle Intentionen und gesellschaftliche Anliegen nicht mit kommerziellen Zielen vereinbaren. Noch weniger lässt sich aufgrund fehlender Erfahrungswerte die notwendige Überzeugungsarbeit bei öffentlichen und privaten Geldgebern leisten. Nicht nur das Dilemma der öffentlichen Kulturförderungen wird hier evident, sondern auch der Engpass an ‚Kulturmanagementmodellen‘, die abseits kommerzieller Zielsetzungen ein theoretisches Fundament für das Managen kultureller Prozesse bereitstellen. So spiegelt sich das kulturelle Entwicklungspotential der Freien Szenen auf kulturpolitischer Ebene nach wie vor kaum wider. Auch Steven Walter untermauert die Diskussion um eine Umverteilung öffentlicher Subventionen, wenn er die Bedeutung der Freien Szene in der Kulturlandschaft als notwendiges, ja essentielles „Parallelsystem“ beschreibt, das „auf Menschen baut anstatt auf Apparate“ (Walter 2013: 23) und in der Konzentration auf Themenfelder visionärer, autonomer und publikumsorientierter agieren kann (vgl. ebd.: 14f.). In Freien Szenen wären Kulturmanager absent, sofern eine (Selbst-) Bezeichnung als Kriterium in Anspruch genommen werden würde. Doch finden sich sehr viele Akteure, die kulturmanageriale Aufgaben über- und wahrnehmen. Denn um Projekte zu initiieren und zu realisieren, braucht es exakt jene Kompetenzen und Fähigkeiten, die dem ursprünglichen (Kern-) Profil von Kulturmanagern entsprechen: etwa Finanzierungs- und Ressourcenmanagement, Generierung der notwendigen öffentlichen Aufmerksamkeit oder auch Organisationsverantwortung für Programme und Inhalte. Zumeist werden diese Aufgaben von den Akteuren ergänzend zu ihrer Verantwortung für die künstlerische Produktion realisiert. Diese Umsetzung wird oft auch kollektiv oder arbeitsteilig umgesetzt. Parallel bestimmen jedoch jene für die Zukunft des Kulturmanagements so wesentlichen Aspekte des temporären Inszenierens, des Verfolgens einer eigenen Mission und eines professionellen Querdenken die Arbeit im freien Kultursektor. In der Fachliteratur zu Kulturmanagement werden die Freien Szenen jedoch kaum berücksichtigt. Vereinzelt finden sich Stimmen, die die Bedeutung des autonomen Kunst- und Kultursektors betonen (und auch ein erhöhtes öffentliches Subventionsbudget einfordern), jedoch sind diese meist von Vertretern eben dieser Szenen zu vernehmen. Gerade die Cultur-
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al Studies, ihre Themen, ihre (Kultur-)Perspektive, aber auch ihr Forschungs- und Methodenkanon können dabei ausgesprochen hilfreich für eine Kulturmanagementforschung sein, die gesellschaftliche und kulturell produzierende Dimensionen als integrative Bestandteile ihrer Disziplin ansieht – und ‚subkulturelle‘ Prozesse nicht ausschließt, ja vielmehr als aktiven und wesentlichen Part kultureller Entwicklungen ansieht.
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Kunst braucht Kommunikation braucht Öffentlichkeit: Ohne Öffentlichkeit wird Kunst nicht als Kunst wahrgenommen. Kunst ohne Kommunikation läuft ins Leere und verfehlt ihr Potential. Und ohne Kunst wäre unsere Gesellschaft in ihrer (selbst)reflexiven Auseinandersetzung eingeschränkt. (vgl. Lang 2013b: o.S.) Denn mittels sogenannter ästhetischer Erfahrungsprozesse setzt Kunst Kommunikationsprozesse in Gange, die ein Subjekt oder Individuum auffordern, in einen Dialog mit Kunst(werken) zu treten und eigene Wahrnehmungsperspektiven und -strukturen zu hinterfragen. Erst im Austausch mit Rezipienten kann, überspitzt formuliert, Kunst entstehen. Das Kunstwerk ist nicht abgeschlossen oder inhärent, wenn es der Öffentlichkeit präsentiert wird, sondern ist mit jener Öffentlichkeit, mit der es interagiert, im Entstehen. Dieses von Umberto Eco geprägte Verständnis eines offenen Kunstwerk verweist dabei auf eine zentrale Perspektive der Cultural Studies: Ein Kunstwerk ist innerhalb eines kontextuell verwobenen Bedeutungsprozesses verortet. Dieser Kontext ist einerseits durchaus von ökonomischen, politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Machtansprüchen dominiert, verweist aber auch auf die (potentielle) Dimension der Kunstrezipienten als Mitgestaltende eines kulturellen Bedeutungsprozesses. In diesem Kräftefeld unterschiedlicher Interessen ist es die Eigenart von Kunst11, dass sie mittels ihres symbolischen Gehalts Erfahrungsräume individueller Bedeutungszuschreibungen eröffnet. Doch welche Auswirkung hat diese bedeutungsoffene Eigenart des ‚Produktes‘ Kunst auf kulturmanageriale Logiken und Zielsetzungen?
11 Siehe dazu Kapitel „Kunst als kritische kulturelle Praxis“
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Marketing, nein danke!? Austauschprozesse abseits ökonomischer Vereinnahmung Die generell nicht auf Erklärung, sondern auf Wahrnehmung intendierende Dimension von Kunst unterscheidet die kulturmanageriale Marketing- und Kommunikationsarbeit grundlegend von konzeptionellen Ansätzen der Konsumgüterindustrie – trotz aller Versuche dieser, der Kunstwelt nachzueifern, und auch trotz der Ansätze (in) der Kunstwelt, einer Markenwelt zu entsprechen. Gilt es in der Markenwelt mittels Marketing und Werbung ein Produkt symbolisch aufzuladen, ist der symbolische Gehalt im Kunstwerk – idealerweise – angelegt, um sich im (individuellen) Prozess mit den Rezipienten entfalten zu können. Aus dieser Perspektive betrachten viele Kunstschaffende Marketing als eher unangenehme, ja kontroverse Begleiterscheinung des Künstler-Seins und argumentieren ihre Sorge damit, dass eine Ausrichtung auf den Markt ihre künstlerische Arbeit verzerren, inhaltlich und ästhetisch verändern und/oder in ihrer Komplexität reduzieren würde. Dennoch sind klassische betriebswirtschaftliche Marketingkonzepte, die meist auf den Marketingmix der sogenannten 4Ps, also einem strategischen Zusammenspiel der vier Marktfaktoren Product, Place, Promotion und Price (vgl. u.a. Kotler/Armstrong 1997: 51f.; Klein A. 2011a) und Methoden der Marktforschung, der Wettbewerbs- und Konkurrenzanalyse oder auch auf Aspekte der Markenführung (vgl. Geyer/Manschwetus 2008) aufbauen, in der Kulturmarketingliteratur (vgl. u.a. Klein A. 2011b; Geyer/ Manschwetus 2008; Bendixen 2002; Rentschler 1999) dominierend. Zumeist werden Fachtermini und Sprachjargon von der Betriebswirtschaftslehre, oft auch das Prinzip der Gewinnmaximierung als vorrangige Zielsetzung übernommen. Wird Kulturmanagement rein als Steuerung von Kulturbetrieben verstan12 den und dabei der kommerzielle Aspekt in den Vordergrund gestellt, hat der Transfer betriebswirtschaftlicher Konzepte sicherlich zumindest teilweise seine Berechtigung und kann auch unter dem Aspekt der Professionalisierung positiv gesehen werden. So definiert der strukturelle Rahmen des strategischen Kulturmarketing-Managementprozesses (vgl. Klein 2011b; Hagoort
12 Hier wäre deswegen die Bezeichnung Kulturbetriebslehre angebracht, in der Fachliteratur wird diese Unterscheidung jedoch selten gezogen.
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2003) als zentrale Parameter ein richtungsweisendes (1) Mission Statement, dem (2) eine Analysephase folgt, aus der (3) Ziele präzisiert werden, um daraus (4) Schritte des operativen Marketingmix entwickeln zu können. Als (5) Marketingcontrolling schließt sich eine Evaluationsphase an. Diese Phasen sind als Strukturvorgabe selbstverständlich für jede Unternehmung zielführend, da sie Aktivitäten nicht nur begründen, sondern auch steuerbar und messbar machen. Werden jedoch soziokulturelle Aspekte und künstlerische Ansprüche in den Vordergrund der künstlerisch-kulturellen Unternehmung gestellt und erhalten diese ihre notwendige Berücksichtigung, stellen gerade die kommerzielle Ausrichtung und der damit verbundene Sprachjargon der Betriebswirtschaft das Kernproblem dar: Denn in einer Dreidimensionalität von künstlerischen Intentionen, gesellschaftlicher Verantwortung und ökonomischer Tragfähigkeit können betriebswirtschaftliche Modelle kaum und eben nur eindimensional Orientierung schaffen. Perspektivenaustausch willkommen: Kommunikationsarbeit als Demokratisierungsprozess Ein Gros der Kunstschaffenden steht Öffentlichkeitsarbeit und PR-Aktivitäten13 (hingegen) positiv gegenüber. Kommunikative Maßnahmen wie etwa Corporate Publishing, Veranstaltungen, Austausch und Informationstransfer über neue Medien oder Pressearbeit werden als wesentliche Unterstützung für die eigene Arbeit wahrgenommen14. Der Unterschied mag darin begründet sein, dass Public Relations stets den Dialog mit der Öffentlichkeit gesucht haben und sich, wie die englische Bezeichnung vorgibt, als Beziehungsarbeit verstehen. So umfassen PR vor allem Aspekte des Differenzmanagements, also des Dialogs über unterschiedliche Auffassungen und die Akzeptanz anderer Meinungen (vgl. Bogner 1990). PR sind, positiv interpretiert, der systematische Aufbau und die professionelle, kontinuierli-
13 PR wird hierbei vereinfacht als Teilbereich des Marketings angesehen. Auf aktuelle Debatten und Konzepte der Kommunikationswissenschaft über oder abseits dieser Einordnung wird an dieser Stelle nicht eingegangen, da es den Rahmen der Auseinandersetzung sprengen würde. Verwiesen sei nur exemplarisch auf Manfred Bruhns Konzept der Integrierten Kommunikation (u.a. 2007). 14 Diese Einschätzung erfolgt aus jahrelanger Marketing- und Kommunikationspraxis der Autorin, kann aber nicht mit Zahlen oder Statistiken belegt werden.
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che Pflege kommunikativer Beziehungen und Prozesse. So werden PR auch von sozialen Bewegungen eingesetzt, die mit ihren Interessen antihegemoniale Ansprüche vertreten. PR sind dennoch primär als ein Steuerungstool einer Organisation oder Unternehmung anzusehen und vertreten folglich Interessen dieser. In einer solchen Interessensvertretung liegt scheinbar ein Konfliktpotential, da durch einen (zugänglichen) Dialog mit Öffentlichkeiten auch kontroverse und widersprüchliche Sichtweisen zur Sprache gebracht werden (können). Social Media als Teil der Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit haben dieses Konfliktpotential nachhaltig artikuliert und einen Diskurs über die Steuerbarkeit öffentlicher Kommunikationsprozesse initiiert. Die aktuellen Tendenzen hin zu ziviler Mitsprache und aktiver Mitgestaltung sind zu einem maßgeblichen Anteil (auch) von den technischen Entwicklungen im Online-Bereich und im Speziellen durch die Möglichkeiten medialer Plattformen, in denen der soziale und gesellschaftliche Charakter im Vordergrund steht, geprägt (vgl. Janner/Holst/Kopp 2011: 19). Dass dieses Potential der aktiven Mitgestaltung für eine Kulturmanagementpraxis, die Diskurse und eine aktive Partizipation anzuregen sucht (vgl. Frank 2010: 25f.), noch nicht ausgeschöpft ist, belegen zahlreiche Studien über den Einsatz von Social Media mit im Kunst und Kultursektor (u.a. Kaul 2011, Renz 2010; Schmid 2011; Smith 2011). Nach wie vor werden soziale Medien verstärkt als werbenahes Marketingtool, das Aufmerksamkeit generiert, und weniger als unmittelbares, dialogorientiertes und daher durchaus auch kritisches Kommunikationsmedien verstanden. Doch gerade in der Notwendigkeit eines diskursiven Austausches wird das Spezifikum von Öffentlichkeitsarbeit im Kunst- und Kultursektor evident. Setzt man/frau den Anspruch, der Eigenart von Kunst (auch) in der öffentlichen Kommunikationsarbeit zu entsprechen, und jenes der Kunst immanente kommunikative Potential in der öffentlichen Kommunikationsarbeit freizusetzen, muss Öffentlichkeitsarbeit konsequenterweise Raum für Widerspruch und Kritik ermöglichen, diesen sogar bewusst herstellen. Denn Kunst verlangt nach vielfältigen Interpretations- und Aushandlungsprozessen. Unterstützen PR im Kunst- und Kultursektor diese Anforderungen, werden sie auch jenem Anspruch gerecht, den Peter Bogner bereits 1990 folgendermaßen, die PR-Arbeit wohl idealisierend, formuliert hat: „Öffentlichkeitsarbeit ist demokratisches Verhalten.“ (Bogner 1990: 14)
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Diesen Anspruch Ernst nehmend erfüllt Öffentlichkeitsarbeit im Kulturmanagement jenen gesellschaftspolitischen Auftrag, den Kunst in einem kulturellen Kontext einnehmen sollte. Denn Öffentlichkeit braucht Kommunikation als Voraussetzung, um einen demokratischen Diskurs (oder demokratische Partizipation) als gesellschaftlichen Selbstverständigungsprozess (Klaus 1998) zu initiieren, in dem Normen und Werte ausgehandelt, Regeln für das gesellschaftliche Zusammenleben festgelegt sowie Identitäten entworfen werden (vgl. Klaus/Drüeke 2008), sowie auch widersprüchliche Sichtweisen ihre Berechtigung erhalten – und kulturelle Bedeutungen ausgehandelt werden. Wird das Kommunikationsziel im Kunst- und Kultursektor als Eröffnung eines multiperspektivischen Austausches gesehen, wird ein Raum für vielfältige, auch widersprüchliche Kommunikationsprozesse geschaffen, in dem unterschiedliche Interessenshaltungen artikuliert werden können. Der professionelle und methodische Umgang mit (auch widersprüchlichen) Interpretationen und Interessenshaltungen ist folglich Kernaufgabe von Öffentlichkeitsarbeit und Marketing im Kunst- und Kultursektor. Erst wenn Kunst als komplexes Produktionsfeld, das (vorerst) zweckfrei ästhetisch geprägte Erfahrungsräume öffnet, und Kultur als gelebter und dynamischer Aushandlungsprozess von kulturellen Bedeutungszuschreibungen, der stets auch Kulturkritik impliziert, in der kulturmanagerialen Handlungslogik als zentrale Parameter aufgefasst werden, werden Kulturmanager den Spezifika des Kunst- und Kultursektors gerecht. Aus diesen Überlegungen folgt, dass sich (auch) Marketing im Kunstund Kultursektor aus einer Kommunikationsperspektive zu definieren hat. Mit diesem Grundverständnis, einen öffentlichen und vielfältigen Kommunikationsprozess zu initiieren, können (wiederum) künstlerische, soziokulturelle und ökonomische Interessen übergreifend summiert werden. Ziel der (Kommunikations-)Arbeit muss das Herstellen eines polyphonen Austausch- und Aushandlungsprozesses sein.
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BETRIEBLICHEN M ANAGEMENT ZUR KULTURELLEN V ERMITTLUNG Die Legitimation von Kulturmanagement kann folglich damit definiert werden, dass gesellschaftliche Verantwortung übernommen und ein multi-
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perspektivischer Austausch initiiert wird. Dieser Anspruch wird verstärkt seitens der Kulturvermittlung, und hier speziell einer kritischen Kunstvermittlung, vertreten: Kulturmanager agieren demgemäß als Gestalter kultureller Kontexte, die Verbindungen „zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Sphären“ (Mandel 2008b: 55) schaffen und „Kunst als Katalysator in unterschiedliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens“ (ebd.) einbringen. Kulturmanagement lässt sich somit auch als indirekte Form der Kulturvermittlung begreifen (vgl. Mandel 2012d: 280). Generell bedeutet Kulturvermittlung, dass Zugang zu Kultur und Kunst ermöglicht wird. Kulturelle Teilhabe kann unterschiedliche Ausprägungen haben und reicht vom Abbau diverser Schwellen der Kulturnutzung bis hin zu einer aktiven Mitgestaltung des (eigenen) künstlerisch-kreativen Lebens und der damit verbundenen Kompetenzförderung der Kritik- und Handlungsfähigkeit. Verbindende Aufgabe ist, zu vermitteln, worin der besondere Wert besteht, den Kunst zum Leben beitragen kann und alle Menschen zu ermutigen, aktiv an der Gestaltung des kulturellen Lebens teilzuhaben (vgl. Mandel 2012c und 2012d: 12). Ziele der Kulturvermittlung korrelieren dabei oft grundlegend mit jenen des Kulturmanagements. Diese umfassen die Generierung von Aufmerksamkeit und Abbau von Barrieren, aber auch die Vermittlung von Wahrnehmungskompetenzen und kreativem Ausdrucksvermögen, die eine selbstermächtige Handlungsfähigkeit unterstützen (vgl. Mandel 2012s: 2018). Kulturvermittlung versteht sich in diesem Sinne primär als „Übersetzungsleistung“ (Mandel 2007), die Brücken baut zwischen künstlerischen Produktionen und – simpel gesprochen – der Gesellschaft. Inwiefern Marketing, Kommunikations- und Vermittlungsprozesse im Kulturmanagement integrativ aufzufassen sind, skizziert Birgit Mandel folgendermaßen: Kulturvermittlung, Kulturmanagement und Audience Development sind professionelle Funktionen des Kulturbetriebs, die vor allem im strategischen Zusammenspiel Rahmenbedingungen herstellen, unter denen Kulturelle Bildung stattfinden kann. Kulturvermittlung und Kulturmanagement gehen von der professionellen Seite des Vermittlers aus, Kulturelle Bildung von der Seite des sich bildendenden Subjekts. (Mandel 2012d: 281)
Aktuelle Entwicklungen in den Bereichen des Audience Developments und einer transferorientierten Kulturvermittlung tragen dazu bei, „Diskrepanzen
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zwischen Erlebniserwartungen potentieller Kulturbesucher und eher kunstimmanenten Zielen von Kunstschaffenden zu überwinden“ (Mandel 2008b: 48). Speziell das Audience Development orientiert sich in seiner Ausrichtung dabei verstärkt an Barrieren und Bedürfnissen seitens des Publikums und sucht dieses in kultureller Teilhabe zu unterstützen, zu ermutigen und zu fördern. Vor allem in der (zeitgenössischen) Kunstvermittlung nimmt aktuell die Forderung nach einer aktiven Mitgestaltung von kulturellen Bedeutungsprozessen kontinuierlich zu, denn wie Maren Ziese15 argumentiert, kann Partizipation nicht als „naives Mitbestimmungsparadigma“ (2010: 77), sondern muss als aktive „Teilhabe, die Intervention ermöglicht, statt die dominanten Erzählweisen zu reproduzieren und Beteiligung zu simulieren“ (ebd.) verstanden werden. Chantal Mouffe (2006 und 2014) und Markus Miessen (2007) sprechen in diesem Kontext auch von einer konfliktorientierten Partizipation. Trotz aller Schnittflächen soll folgende Übersicht die Kernkompetenzen und Aufgaben der einzelnen Felder skizzieren: Tabelle: Schnittstellen Kulturvermittlung, Quelle: eigene Darstellung • •
Audience Development
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Integrativer PR- und Marketingansatz, Kulturnutzungsforschung und Publikumsstudien Ziel: Aufmerksamkeit, Ansprache, Bindung und Integration diverser v.a. neuer Publikumsschichten Komplexer Methodenkanon aus PR und Marketing mit Fokus der Publikumsorientierung kombiniert mit Praktiken der Kultur- und Kunstvermittlung
15 In Bezug auf Carmen Mörsch und ihr Konzept einer kritischen Kunstvermittlung
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Kulturvermittlung
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Kulturelle Bildung
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Kunstvermittlung
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Überbegriff für ein „Bilden von Brücken“ zwischen Kunst und Gesellschaft bzw. künstlerischen/kulturellen Ausdrucksformen und dem Individuum Förderung und Verbreitung von kultureller Partizipation Ziel: Teilhabe und aktive Mitgestaltung am kulturellen Leben Der jeweiligen Funktion (Barriereabbau bis aktive Gestaltung) dienlicher Methodenkanon Prozess des lebenslangen Lernens im Medium künstlerischer und symbolhafter Ausdrucksformen (Selbst-)Bildungsprozess des Subjekts durch Erlebnisse ästhetischer Erfahrungen Ziel: Durch Kreativität neue Denk- und Handlungsmöglichkeiten ermöglichen und (so) Selbstbestimmtheit und Eigenaktivität fördern Basis der Methoden bilden Workshops sowie (interdisziplinäre) Projekte, wobei diese im schulischen wie auch außerschulischen Bereich stattfinden können Aktivitäten der diskursiven Auseinandersetzung im (unmittelbaren) Kontext von Kunst inkl. Vermittlung künstlerischer Leistungen und Produktionsbedingungen Ziel: Schärfung der eigenen Urteils- und Kritikfähigkeit Leitet ihr Methodenrepertoire teilweise aus der Kunst ab
Angrenzende Felder sind die ästhetische Bildung, die Kunsterziehung oder auch die Kunstpädagogik, wobei diese sich verstärkt auf schulische Kontexte beziehen. Alle Felder verbindet der Versuch, zwischen künstlerischer Produktion und Rezeption zu vermitteln und ein eigenes künstlerisches und kulturelles Gestalten auch außerhalb des professionellen Kunstbetriebs anzuregen.
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Audience Development zwischen gesellschaftlichem Inklusionsanspruch und institutionellem Legitimationsdruck Ab den 90er Jahren hat das im angelsächsischen Raum entwickelte Audience Development auch in Deutschland zu Umwälzungen in Kulturbetrieben geführt. Publikumsorientierung und Vermittlungsaufgaben sind seither zunehmend gewachsen. Interdisziplinär angesiedelt zwischen Betriebswirtschaftslehre, PR und der Kunstvermittlung sowie Konzepte der Sozialwissenschaften und Bildungsforschung aufgreifend, subsumiert Audience Development die strategische Entwicklung neuer Publika für Kultureinrichtungen (vgl. Mandel 2008b; Mandel 2012d). Zentrale Intention von Audience Development ist es „Neugier für und auf Kultur oder Kunst zu wecken, um am Ende des Prozesses dauerhafte Verbundenheit mit möglichst Vielen zu gewinnen“ (Siebenhaar 2007: 2). So umfassend der Methoden- und Handlungskanon in der Umsetzung sein kann, bilden Kulturnutzungsforschung und Publikumsstudien stets die Basis, um neue Nutzergruppen zu erreichen. Augenmerk wird auf Prozesse der Exklusion sowie kulturelle Barrieren gerichtet, wobei sich „vor dem Hintergrund der zunehmenden Ausdifferenzierung unserer Gesellschaft […] die Aufgabe des Audience Developments immer mehr zu einem interkulturellen Audience Development entwickeln wird“ (Mandel 2012a: 24). So sieht Mandel die Konzeption von Programmen, die in den Dialog mit neuen Zielgruppen treten und deren künstlerisch-kulturelle Interessen – durchaus auch inhaltlich – berücksichtigen, als wesentliche Zielsetzung an. In der Fachliteratur bezieht sich Audience Development (jedoch) zumeist auf Kulturbetriebe bzw. staatliche Kulturinstitutionen wie Museen, Theater oder Opernhäuser16. Mit sogenannten Outreach Projekten als strategischer Baustein wurde ein Format geschaffen, das Aktivitäten subsumiert, die außerhalb der Räume der jeweiligen Institution und sitespezifisch neue Publika ansprechen sollen. Gerade in dieser Erschließung exkludierter Besuchergruppen und der entsprechenden Gestaltung von Zusatzangeboten abseits des regulären Programmbetriebes würden sich Kooperationsmöglichkeiten mit all jenen selbstständig und auch kritisch ope-
16 Zum Teil (vgl. Siebenhaar 2008; interkultur.pro 2008) wird dezidiert der Sektor der „Hochkultur“ angesprochen.
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rierenden Kulturakteuren ergeben. Gezielt könnten spezifische (neue) künstlerisch-kulturelle Formate entwickelt und gestaltet werden. Auftraggeber dieser Projekte sind aktuell jedoch nach wie vor die Institutionen selbst. Im Sinne der Cultural Studies muss folglich eine kritische Perspektive auf Audience Development sowie auf das Format des Outreach eingebracht werden: Gerade in der kulturpolitischen Verteilung öffentlicher Gelder nehmen immer noch staatliche und etablierte Häuser sowie Festivals mit einer klassisch-traditionellen Ausrichtung das Gros an Subventionen ein. Die Freien Szenen sind mit einem Etat zwischen 3-5 Prozent und maximal 15 Prozent17 der Kulturförderung marginalisiert. Im Spiegel dieser Subventionsverteilung kann Audience Development auch als strategisches Instrument verstanden werden, dass die Legitimitätsansprüche bereits etablierten Institutionen unterstützt und ihren Machterhalt verfestigt. Denn trotz aller Inklusionsansprüche bedeutet die Intention, neue Publika zu erschließen, vor allem quantitativ Besucherzahlen zu erreichen. Anders formuliert: Im Kontext ökonomischer und kulturpolitischer Interessen bleiben die institutionellen Betriebe mit Hilfe eines Audience Developments (weiterhin) Selektionsorgan und Deutungshoheit über künstlerische, damit verbunden kulturelle Sichtbarkeit und somit kulturelle Bedeutungszuschreibungen. Das Konzept eines Interkulturellen Audience Developments greift dieses Dilemma auf, wenn es differenzierte Betrachtungsweisen explizit als kulturelles Selbstverständnis ansieht und das Schaffen von etwas „Neuem“ (Mandel 2013: 14) beziehungsweise die Neuverhandlung von kulturellen Bedeutungszuschreibungen als ein zentrales Ziel definiert, das eng mit einem In-Frage-Stellen der eigenen Programmatik, aber auch kritischen Reflexion der eigenen Institution verbunden ist (vgl. ebd.: 11ff.). Die Kritik an einer oft fehlenden Selbstreflexion etablierter Institutionen wird auch von einer Kunstvermittlung vertreten, die sich als kritische Praxis versteht. In der Fallstudie Der Bleibeführer wird ein Outreach Projekt vorgestellt, das
17 Verbindende, den gesamten deutschsprachigen Raum umfassende Zahlen konnten nicht gefunden werden. Diese Einschätzung bezieht sich auf verschiedene Etatausweisungen von österreichischen und deutschen Städten oder Bundesländern. Über 15 Prozent wurden jedoch niemals angegeben und dieser Wert umfasst stets Förderprogramme, die sich nicht unmittelbar auf autonome Kunstund Kulturproduktion beziehen, sondern diesen Sektor sehr breit oder ‚dehnbar‘ interpretieren.
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jenen Handlungsspielraum hat(te), um unabhängig von den Interessen der verbundenen Institution18 agieren zu können. Kunstvermittlung als selbstreflexive und kritische Praxis Die Kunstvermittlung unterscheidet sich von anderen Formaten in der Kulturvermittlung durch ihre Art der Arbeit an den Grenzen des Kunstfeldes. Sie generiert explizit Schnittstellen zu künstlerischen und künstlerischvermittelnden Prozessen. Aus Kulturmanagementperspektive wird die Kunstvermittlung dabei zumeist als spezifisches Segment der Kulturvermittlung ausgewiesen. So schreibt eines der größten universitären Kulturvermittlungsportale im deutschsprachigen Raum: „Kunstvermittlung im engeren Sinne will den Zugang zu professionellen künstlerischen Produktionen ermöglichen, indem diese zum Beispiel durch Führungen, Vorträge, Programmhefte oder auch durch eigene ästhetisch-praktische Auseinandersetzung in Workshops in ihren Inhalten und ihrer Ästhetik verständlich gemacht werden.“ (Kulturvermittlung-online.de o.J.: o.S.) Dass die Kunstvermittlung im Kontext einer Kulturvermittlung über die Schaffung von Zugängen hinausgehen muss, ist Basis einer Kunstvermittlung, die sich als kritische Praxis versteht (vgl. Mörsch 2009 und 2011). Gerade das Verständlich-Machen von programmatischen Inhalten und ästhetischen Zuschreibungen wird bewusst hinterfragt. Ziel ist vielmehr „hegemoniale Verfasstheit“ (Mörsch 2011: o.S.) und auch die Intention von Institutionen und ihrer künstlerischen Programmatik zu reflektieren. Ausgehend von einem museumspädagogischen Kontext unterscheidet Carmen Mörsch, als zentrale Vertreterin dieser kritischen Praxis, vier unterschiedliche „Diskurse“ (Mörsch 2009: 9) beziehungsweise Perspektiven, die die Ausrichtung, Ziele und Formate der Kunstvermittlung definieren: •
Unter dem Terminus ‚Affirmativer Diskurs‘ summiert Mörsch Kunstvermittlung, wie sie ihrer Einschätzung nach am geläufigsten ist: Kunstvermittlung unterstützt unter dieser Perspektive die Außenwahrnehmung eines Museums bzw. einer Kunst/-Kulturinstitution, indem sie deren (traditionelle) Aufgaben des Sammelns, Bewahrens, Erforschens
18 Die Institution war in diesem Fall auch nicht unmittelbarer Auftraggeber, sondern Kooperationspartner für ein extern finanziertes Vermittlungsprojekt.
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und Ausstellens sichtbar macht und extern kommuniziert. Dies wird durch Vorträge, Begleitveranstaltungen oder auch Kataloge realisiert. Der ‚Reproduktive Diskurs‘ setzt sich das „Ziel, das Publikum von morgen heranzubilden“ (Mörsch 2009: 9) und einem möglichst breiten Publikum „wertvolle Kulturgüter“ durch eine Institution „zugänglich“ (ebd.) zu machen. Mittels Workshops, Fortbildungsprogrammen bzw. zielgruppenspezifischer Angebote für Familien, Kinder, Lehrer oder Menschen mit besonderen Bedürfnissen sollen Kulturbarrieren abgebaut und Zugänge geschaffen werden. Als verbunden mit der Kritischen Museologie beschreibt Mörsch den ‚Dekonstruktiven Diskurs‘, in dem der Kunstvermittlung „die Funktion zugewiesen wird, dass [das] Museum, die Kunst und auch die Bildungsund Kanonisierungsprozesse, die in diesem Kontext stattfinden, gemeinsam mit dem Publikum kritisch zu hinterfragen“ (Mörsch 2009: 10) hat. In diesem Diskurs werden Kunst- und Kulturinstitutionen „in ihrer gesellschaftlich zurichtenden und disziplinierenden Dimension als Distinktions-, Exklusions- und Wahrheitsmaschinen begriffen“ (ebd.) und das dekonstruktive Potential von Kunst wird als Kernelement der Kunstvermittlung aufgefasst. Die methodische Umsetzung umfasst Interventionen in Ausstellungen ebenso wie auch Formate des reproduktiven und v.a. auch dekonstruktiven Diskurses, jedoch dominiert eine institutionskritische Perspektive der Kunstvermittler. Der ‚transformative Diskurs‘ setzt sich zur Aufgabe Ausstellungsorte oder Kunst- und Kulturinstitutionen als veränderbare Organisationen zu begreifen und diese an ihr lokales Umfeld heranzuführen. Dieser Diskurs ist autonom, also unabhängig von einer Institution zu führen, betont gleichzeitig „die Veränderung der Institution als mit der Förderung von Kritikfähigkeit und Selbstermächtigung verbundenes Ziel“ (ebd.: 11) und greift auf zahlreiche, diesem Ziel dienliche Methoden zurück, die auch der Kunst entlehnt werden (können).
Sieht Mörsch den affirmativen und reproduktiven Diskurs als institutionserhaltend und selbstreferentiell an, betont sie das selbstreflexive Bildungsverständnis jener Diskurse, die Kritik- und Handlungsfähigkeit sowie Selbstermächtigung fördern. Diese Diskurse integrieren Methoden, die künstlerischen Verfahrensweisen entlehnt sind, in die Kunstvermittlung. Eine kritische Kunstvermittlung meint diesen dekonstruktiven und trans-
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formativen Diskurs: Denn dieses Modell „verweist des Weiteren auf die Funktionen des Marktes bei der Strukturierung, Präsentation, Wahrnehmung und Bewertung von Kunst“, indem sie (auch) „das kulturelle und symbolische Kapital von Kunst und ihren Institutionen als Konstituenten für Inklusions- und Exklusionsprozesse im künstlerischen Feld“ (ebd.: 21) reflektiert und zur Sprache bringt. Diese Auffassung kann, zumindest teilweise, als Gegenposition zu Audience Development angesehen werden, denn „neue Publika tragen zunächst zur Legitimation der Institutionen in Zeiten neoliberalen Abbaus der Kulturförderung bei“ (Landkammer 2012: 2) und dienen somit dem Machterhalt von etablierten Kulturbetrieben. Aus diesem Grund plädieren Vertreter einer kritischen Kunstvermittlung „für eine Kunstvermittlung, die sich ‚künstlerisch‘ versteht“ und Differenzen bewusst zur Sprache bringt: „Eine differentielle Kunstvermittlung versteht sich als forschendes und verknüpfendes Vorgehen, das seine eigene Medialität, seine eigenen Voraussetzungen und sein Zusammengesetztsein je konkret befragt und thematisch macht.“ (Mörsch/Sturm 2010: 5) Verortet sich eine kritische Kunstvermittlung in (partiellem) Widerspruch zu Audience Development, könnte die kulturelle Bildung in ihrem zunehmenden Anspruch, (kritische) Selbstbildungsprozesse und folglich auch Empowerment zu fördern, als verbindendes Element zumindest von soziokulturellen Zielsetzungen angesehen werden. Kulturelle Bildung als (individuelle) Erfahrung von Diversität Kulturelle Bildung bezieht sich auf Prozesse des lebenslangen Lernens im Medium künstlerischer und symbolhafter Ausdrucksformen, in denen durch Kreativität neue Denk- und Handlungsmöglichkeiten ermöglicht und (so) Selbstbestimmtheit und Eigenaktivität gefördert werden. Aufgabe der Kulturellen Bildung ist, das kulturelle Bewusstsein zu unterstützen und kulturelle Praktiken zu fördern. Kulturelle Bildung findet formal in schulischen und institutionellen sowie informellen und individuellen Kontexten statt. (Vgl. u.a. Reinwand 2012; Brandstätter 2012; Deutscher Kulturrat 2007) Das sogenannte „Erlebnis ästhetischer Erfahrungen“ (vgl. Brandstätter 2012: 175) ist dabei Grundprinzip dieser Prozesse. Ästhetische Erfahrungen sind durch ihre sinnliche, oft auch synästhetische Wahrnehmung charakterisiert, die „frei von einer primären Bindung an äußere Aufgaben, Funktio-
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nen und Ziele“ (ebd.) ist und damit nicht nur das Wahrgenommene, sondern auch den Akt der Wahrnehmung selbst auf einer Reflexionsebene miteinschließt. Diese ästhetischen Erfahrungen ergeben sich sowohl im rezeptiven als auch im produktiven Umgang mit Objekten und Räumen, als Situationen, in denen Erfahrungen gemacht werden können. So meint kulturelle Bildung „im Ergebnis einen Zustand, in dem der Mensch selbstverantwortlich fähig ist, sein Leben erfolgreich zu gestalten“ und betrifft „die personale (Innen-)Perspektive ebenso wie die gesellschaftliche (Außen-)Perspektive“ (Ermert 2007: o.S.). Dies beinhaltet „Sachwissen, praktische Handlungskompetenzen, emotionale Kompetenzen und die Fähigkeit der Selbstreflexion, also Orientierungswissen“ (ebd.). Bildung unterscheidet sich folglich insofern von Erziehung, als sie sich auf einen lebenslangen Prozess bezieht, der vor allem durch „die Wechselwirkung von Subjekt und Welt“ also „sozialer Umwelt und Individuum“ (Reinwand 2012: 109) stattfindet und in erster Linie (freiwillige) Selbstbildung meint. Erziehung ist hingegen zumeist ein ,Top-Down-Prozess‘, der nicht vom Selbst initiiert wird. Kulturelle Bildung meint demzufolge vor allem (Selbst-)Bildungsprozesse des Subjekts durch Erlebnisse sogenannter ästhetischer Erfahrungen. Diese Prozesse erfordern Interesse und Neugierde, sodass nicht nur Zugänge zu Kunst und Kultur ermöglicht werden, sondern sich diese (Zugänge) vor allem auch an individuellen „Lebenslagen und biografischen Erfahrungen ihrer Akteure“ (Reinwand 2012: 96) zu orientieren haben. Kunst ermöglicht diese, auch individuellen, ästhetischen Erfahrungsprozesse, wobei dennoch angemerkt werden muss, dass ästhetische Erfahrungen durchaus auch als Ausdruck jenes Geschmackbildungsurteils aufgefasst werden können, das Pierre Bourdieu mit „taste“ als gesellschaftlich geprägten Sozialisierungsakt definiert hat (vgl. Bourdieu 1982). Unter Bildungsperspektive bedeutet das Einlassen auf ästhetische Phänomene (jedoch) vor allem, dass gelernt wird, „mit Pluralität, Heterogenität, Differenzen und Widersprüchen umzugehen“ (Brandstätter 2012: 179). Denn indem Kunst (auch) unterschiedliche ‚Wirklichkeiten‘ und alternative Entwürfe zu ‚Wirklichkeit‘ aufzeigt, wird in ästhetischen Erfahrungsprozessen Bewusstsein dafür geschaffen, dass „die Wirklichkeiten, in denen wir leben, in gewisser Weise nur ‚Bilder mit Rahmen‘ sind, die jederzeit durch andere ‚Bilder‘ mit anderen ‚Rahmen‘ ersetzt werden können“ (ebd.). Und genau dieses Potential unterstützt Prozesse der Selbstreflexion, die wiederum Voraussetzung für selbstermächtigtes Handeln darstellen.
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F AZIT : P ARTIZIPATION
ALS L EITLINIE KULTURMANAGERIALEN H ANDELNS
Aktuelle Debatten und Entwicklungen im Kulturmanagement beziehen sich vor allem auf gesellschaftliche Dimensionen von Kunst und Kultur, die durchaus auch technische Aspekte und dadurch bedingte Möglichkeiten implizieren. Betonung erfahren partizipative und vermittelnde Aspekte und die Vielfalt an Perspektiven, aus denen heraus sich Handlungslogiken eines oft sehr differenziert aufgefassten und praktizierten Kulturmanagements ableiten lassen. In der Fachliteratur lässt sich eine Diskrepanz bezüglich der Dynamiken eines sich laufend wandelnden Kunst- und Kultursektors konstatieren: Bis dato liegen kaum fundierte Studien über selbstständige Arbeitsformen und ihre autonomen Projektinitiativen vor. Kulturmanagement als akademische Disziplin fordert zwar Diversität und betont die Notwendigkeit von Prozessen kulturellen Wandels, bezieht sich aber weiterhin zentral auf Kulturbetriebe, also staatliche Museen, Theater und Konzerthäuser. Kaum und nur als Rand- oder Fußnote werden der autonome Kunst- und Kultursektor und Initiativen abseits etablierter Institutionen erforscht und in ihrer Bedeutung für kulturelle Entwicklungsprozesse erfasst. Doch gerade dieser Sektor trägt maßgeblich zur kulturellen Erneuerung bei. So entwickeln ökonomisch, dennoch stark ideenbezogen agierende Arts Entrepreneurs als Teil der und analog zu sogenannten Kulturunternehmer(n) neue künstlerische und kulturelle Dienstleistungsmodelle. Diese entstehen oft aus jenen autonomen künstlerisch-kulturellen Initiativen, die basal (noch) ohne Profitorientierung kulturelle Defizite projektorientiert zu verändern suchen. Diese Unternehmungen, die sich häufig in und aus Nischen des Kunst- und Kultursektors entwickeln, nehmen (oft) bereits jene gesellschaftliche Verantwortung wahr, in der Partizipation als aktive Teilhabe ermöglicht wird und offene sowie öffentliche Kommunikationsprozesse initiiert werden. Demgemäß stellt das Einleiten und Moderieren von diskursiven Kommunikationsprozessen ein übergeordnetes Ziel der kulturmanagerialen (Kommunikations-)Praxis dar: Für vielfältige, auch widersprüchliche Interpretationen und Sichtweisen wird ein Raum geschaffen, der Verhandlungen über kulturelle Bedeutungen eröffnet und kulturproduzierende Prozesse ermöglicht. Partizipationsangebote in vielfältigen Formaten bilden dabei die Prämisse des kulturmanagerialen Handlungskanons.
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Das Verständnis von Kulturmanagement als Moderationsfeld, das Aushandlungsprozesse vielfältiger Interessenslagen und Haltungen initiiert und professionell begleitet, bedeutet jedoch auch auf kulturpolitischer Ebene den Mut, in partizipativen Prozessen entstehende kritische Meinungen und Handlungsappelle als Impulse für Neuverhandlungen zu begreifen. Diese kulturpolitische Vermittlungsaufgabe rückt damit ebenfalls verstärkt in die (Mit-)Verantwortung von Kulturmanagern.
Kulturelle Bedeutungsproduktion Intervention, zivile Mitbestimmung, Wandel
Bei den Cultural Studies geht [es] um alltägliche Veränderungen in Bedeutungen, Einstellungen und Wertorientierungen, um die Entfaltung des produktiven und kreativen Potentials der Lebenswelt, um die Kritik an Machtverhältnissen, um Momente der Selbstermächtigung, die vielleicht schnell vergehen, aber trotzdem prägend und einflussreich sind. RAINER WINTER19
Kultur ist im Sinne der Cultural Studies Teil des Alltags und widersetzt sich dem traditionellen (hoch-)kulturellen Verständnis: Kultur findet nicht nur in sogenannten Artefakten wie literarischen Texten, musikalischen oder künstlerischen Werken ihren Ausdruck, sondern in alltäglichen Gewohnheiten, Handlungen und Gegenständen. Ausgehend von diesem Kulturbegriff20 fasst das folgende Kapitel den Terminus Cultural Production und den Circuit of Culture als theoretische Basis. Untersucht wird, inwiefern Prozesse des kulturellen Wandels zivile
19 Vgl. Winter, R. 2004: 203 20 Ergänzend werden theoretische Ansätze aus der Kommunikations- und Medienwissenschaft, der Soziologie, auch der Sozialpsychologie sowie der Produktionslehre partiell herangezogen, um Anknüpfungspunkte oder auch Potentiale für eine aktive Produktion von Kultur ausloten zu können.
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Mitbestimmung und kollaborative Bedeutungsprozesse sowohl ermöglichen als auch unterstützen können. Vice versa soll erfasst werden, inwiefern zivilgesellschaftliche Partizipation kulturelle Entwicklungen auslösen und prägen kann. Ziel ist, Kultur in ihrem dynamischen und rhizomartigen Charakter zu fassen, um Parameter für ein aktives Mitgestalten kultureller Bedeutungsproduktion ableiten zu können.
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ALS DYNAMISCHER
V ERHANDLUNGSPROZESS
Das Verständnis von Kultur als gelebte Alltagspraxis ist vor allem auf Raymond Williams und seine vielfach zitierte Formulierung Kultur als „whole way of life“ (Williams 1958) zurückzuführen. Kultur ist Williams Verständnis nach dabei immer auch Ausdruck eines bestehenden Machtverhältnisses. Anders formuliert: Die Bildung kultureller, aber auch sozialer und politischer Identitäten, die in alltäglichen Praxen und Einstellungen ihren Ausdruck finden, unterliegen Steuerungsmechanismen, die dem Machterhalt oder der Einforderung von Macht innerhalb der Gesellschaft dienen, und sind von diesen beeinflusst. So geht es den Cultural Studies um die widersprüchlichen und sich kontinuierlich vollziehenden sozialen Prozesse von kultureller Produktion, Zirkulation und Konsum. […] Die Cultural Studies arbeiten mit den historisch entstandenen und spezifischen Bedeutungen und weniger mit allgemeinen Verhaltenstypologien, sind eher prozess- als ergebnisorientiert und verfahrensinterpretativ statt erklärend. (Ang 1999: 318)
In ihrer kontextuellen Einbindung von Macht und Identität(-sbildung), die politische, legale, wirtschaftliche und soziale Dimensionen umfasst, ist Kultur von zahlreichen Interessensansprüchen geprägt und findet als Ordnungssystem – zumeist unbewusst/latent – in alltäglichen Praktiken, Handlungen und Perspektiven ihren (alltagsrealen) Ausdruck. Diese Perspektive auf Kultur macht sichtbar, inwiefern Kultur auch als gesellschaftspolitisches, machtgeprägtes, ja sogar manipulierendes Bedeutungsfeld aufzufassen ist. Aufgrund ihrer Komplexität und sich aufeinander beziehenden Machtund Interessensansprüchen kann Kultur nie als abgeschlossen oder statisch angesehen werden, sondern zeichnet sich durch ihren prozesshaften und
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stets wandelnden Charakter aus. Dieses Kontinuum laufender Verhandlungen über (kulturelle) Bedeutungszuschreibungen findet seinen Ausdruck in alltäglichen Praxen und ihren Adaptionen oder Verschiebungen. Cultural Production: Machterhalt oder Ausdruck einer Lebensweise? Der Terminus Cultural Production geht auf Pierre Bourdieu zurück, der in „The Field of Cultural Production“ (Bourdieu 2003) verdeutlicht, inwiefern sogenannte „multiple mediators“21 an kulturellen Bedeutungszuschreibungen mitwirken und durch ihre Einflussnahme Kultur produzieren. Diese (kulturellen) Vermittlungsinstanzen müssen dabei in Hinblick auf Bourdieus Verständnis von „Kultur“ verstanden werden. Denn Bourdieu definiert als zentrales Element von Kultur diese als „Ergebnis eines Kampfes“, der „hierarchisch organisiert“ (Steinrücke 2005: 26) ist und „zur Unter- und Überordnung von Menschen beiträgt“ (ebd.: 27). Kultur ist als ein gesellschaftliches Ordnungssystem zu verstehen, in dem Menschen je nach sozialer Zugehörigkeit über ein sogenanntes kulturelles Kapital verfügen. Dieses ist Ausdruck des jeweiligen sozialen Status. Als gesellschaftliche Individuen prägen uns dabei vor allem Eltern und Schule, die als zentrale Bildungsfaktoren bestimmen, welche „sinnlich-materiellen Erscheinungsweisen“ (Steinrücke 2005: 27) von Kultur für unsere Lebensweise, unseren Lebenskontext prägend sind. Diese (kulturelle) Prägung, die etwa in Titeln und Berufswahl aber auch in Kleidungs- oder Möbelstücken ihren Ausdruck findet (vgl. Steinrücke 2005: 27ff.) und sich als Habitus in Einstellungen, Lebensstilen und kulturellen Gewohnheiten widerspiegelt, ist Kennzeichen davon, „auf welcher Sprosse der sozialen und kulturellen Hierarchie sein Besitzer steht“ (ebd.: 27). „Sprosse“ definiert das kulturelle, soziale und ökonomische Kapital und folglich Mitbestimmungsrecht im hierarchischen Kräfteverhältnisse einer Gesellschaft. Speziell die Überlegungen eines kulturellen Kapitals sind von den Cultural Studies22 rezipiert und aufgegriffen worden: “The theory [des
21 Eigenübersetzung: ‚vielfach beteiligte Vermittlungsinstanzen‘ 22 Obwohl Pierre Bourdieus Kulturverständnis und der Circuit of Culture zwei unterschiedliche Theoriestränge darstellen, zeigen sich speziell bei den hier her-
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Cultural Capitals] outlines how education, taste and systematic patterns of consumption of cultural goods are not only socially stratified, but are also productive sources of power in their own right.“ (Hartley 2002: 45) Mit dem Terminus ‚kulturelles Kapital‘ können somit Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und menschlichen Akteuren inklusive ihren Handlungsweisen erklärt werden. Als Individuen und Teil einer sozialen Gruppe „schöpfen wir aus Vorhandenem“ (Steinrücke 2005: 33), also aus dem, was uns als (kulturelles) Kapital zur Verfügung steht beziehungsweise uns explizit zur Verfügung gestellt wird. Bourdieu betrachtet kulturelle Dispositionen analog zu sozialen, symbolischen und vor allem ökonomischen Dispositionen folglich als Kapitalformen. Unsere kulturellen Dispositionen werden (als Betrag) in ein komplexes gesellschaftliches System geschleust, das primär dem Machterhalt jener dient, die an der Beibehaltung kultureller Zuordnungen interessiert sind. Das bedingt den Erhalt sozialer Schichten und den damit verbundenen Mechanismen der Exklusion: „Im Bereich der Politik, aber nicht alleine dort, verurteilen die offiziöse Kultur und der von ihr beanspruchte Respekt diejenigen zum Schweigen, die nicht als Träger dieser Kultur anerkannt sind.“ (ebd.: 27) Eine Schlussfolgerung, die Bourdieus Gedanken im Kontext der Cultural Studies zu interpretieren sucht, könnte folgendermaßen lauten: Kultur wird in dem Sinne ‚produziert‘, dass in Produktionsprozessen immaterieller Produkte (wie Lebensstile, Einstellungen, Verhaltensmodi) Mechanismen analog zu einem materiellen Produktionsprozess erkennbar und vor allem systemerhaltend eingesetzt werden. Dieses (kulturelle) System kann (auch) als „System von Grenzen“ (Steinrücke 2005: 33) verstanden werden, das es bewusst zu reflektieren und in das es zu intervenieren gilt. Ein Bewusst-Werden ist der erste und wesentliche Schritt, um zu einer positiven Konnotation von Cultural Production zu gelangen: Denn Produktion von Kultur umschließt oder sollte umschließen, dass aus zivilgesellschaftlicher Perspektive kulturelle Prozesse nicht nur einem ‚Culture just happens‘ unterliegen, sondern, dass die aktive Mitgestaltung von zahlreichen Personengruppen und Individuen möglich ist.
ausgegriffenen Ansätzen Bourdieus Überschneidungen zu den im Folgenden skizzierten Auffassungen von Johnson und du Gay et al.
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Das Kontinuum der Bedeutungsproduktion: Der Kreislauf der Kultur Die Reproduktion kultureller Bedeutungszuschreibungen im Kontext bestehender Machtverhältnisse ist seitens der Cultural Studies mehrfach analysiert worden. Denn, wie es Oliver Marchart pointiert formuliert, diese Fragestellung definiert einen der Angelpunkte des Selbstverständnisses und gleichsam auch das Handlungsfeld der Cultural Studies: „Cultural Studies sind jene intellektuelle Praxis, die untersucht, wie soziale und politische Identität qua Macht im Feld der Kultur (re-)produziert wird.“ (Marchart 2008: 35) So hat bereits Stuart Hall, einer der zentralen Gründer und langjähriger Direktor des Centre for Cultural Studies (CCCS) an der Universität Birmingham, sich in seinen Forschungsfragen intensiv mit dem Verhältnis von Kultur, Identität und Macht beschäftigt. Eine seiner ersten Studien ist das sogenannte „Encoding/Decoding Modell“ (Hall 1993), das – entwickelt in den späten 70er, frühen 80er Jahren – traditionelle Sichtweisen der Massenkommunikationsforschung (Sender-Empfänger-Modell) kritisiert. Hall baut seine Überlegungen vielmehr auf Theorien der Semiotik auf. Denn die in der Kommunikation ausgetauschten Bedeutungen (=Zeichen) sind nach Hall keineswegs fix, sondern von steter Interpretation und Aneignung geprägt. Kommunikation kann daher nicht als kausales Geschehen betrachtet werden, sondern muss als relativ autonomer Prozess verstanden werden, der durch Codierung und – auch kontextuelle – Entschlüsselung bestimmt wird: So muss man, was man ausdrücken will, codieren, also in einen Zeichencode und nach dessen Regeln verpacken. Und wer Kommunikation verstehen will, muss die Zeichen, die sie oder er als sinnvoll und gemein versteht, decodieren, also in die selbst gewählten und akzeptierten Kontexte setzen. (Krotz 2009: 215)
Für die Weiterentwicklung dieses Modells sind vor allem Stuarts Überlegungen zum Deutungssystem, das den Encoding/Decoding-Prozess bestimmt, wesentlich: Sowohl Produktion, als auch Rezeption von Bedeutungen sind vom Wissensrahmen, den Produktionsverhältnissen sowie der technischen Infrastruktur bestimmt (vgl. Krotz 2009: 216 ff.). Der Kommunikationsprozess ist als Austausch von Zeichen zu verstehen, die keinen
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„objektiven feststellbaren Inhalt“ (ebd.: 215) haben und in dem Bedeutungen „aus den Kontexten, in denen das Zeichen steht“ (ebd.: 215) entstehen. Je nach (individuellem) Wissensrahmen und den technischen, aber auch medialen, infrastrukturellen, politischen, legalen und wirtschaftlichen Produktionskontexten werden Zeichen folglich gelesen, interpretiert und verstanden. Und speziell diese Kontexte bestimmen (sogenannte) unterschiedliche Leseweisen. Aufbauend auf Hall unterscheidet Krotz drei Kategorien: eine dominante, eine oppositionelle und eine zwischen beiden Dialogpartnern ausgehandelte Sichtweise (vgl. Krotz 2009: 216). In einer Weiterentwicklung von Stuart Halls Encoding/DecodingModell geht Richard Johnson (1985, 1986; Johnson et al. 2004) davon aus, dass „Kultur in einem Kreislauf von Produktion (1), Produkten als bedeutungstragende Texte (2), deren Lesarten (3) und der Einbettung dieser Produkte und ihrer Bedeutung in gelebte Kulturen (4) zu fassen ist“ (Hepp 2009: 249). In diesem „circuit of culture“ hängen alle Elemente interdependent zusammen. Der Kreislauf basiert auf der Annahme, dass erst im Zusammenwirken dieser vier Elemente Bedeutung generiert wird (vgl. Lünenborg 2005: 72). Paul du Gay et al. (1997) haben diesen Kreislauf der Kultur um den Begriff der Artikulation erweitert: „Artikulation meint […] vereinfacht formuliert, dass einzelne Elemente durch ein diskursives In-Beziehung-Setzen ihre Bedeutung verändern, wodurch sie zu Momenten von etwas ‚Größerem‘ werden, nämlich der diskursiven Formation“ (Hepp 2009: 253). Das Modell von Paul du Gay et al. beschreibt fünf Artikulationsebenen von Repräsentation, Identität, Produktion, Konsum und Regulierung, die in einer komplexen Beziehung zueinander stehen und eine Art Kreislauf bilden, innerhalb dessen bzw. in dem und durch den kulturelle Bedeutungen entstehen. (vgl. Zobl/Lang 2012: o.S.) Inwiefern in diesem Kreislauf zivilgesellschaftliche Mitbestimmung verankert ist und sein sollte, wurde vor allem im Konzept der Cultural Citizenship untersucht und erforscht.
Z IVILGESELLSCHAFTLICHE M ITBESTIMMUNG Das Modell des Circuit of Culture greifen die beiden Kommunikationswissenschaftlerinnen Elisabeth Klaus und Margreth Lünenborg mit Cultural Citizenship auf (2004a, 2004b, 2013), um die Notwendigkeit einer zivilge-
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sellschaftlichen Verankerung in der kulturellen Bedeutungsproduktion hervorzuheben und zivilgesellschaftliche Ansprüche auf eine Mitgestaltung im kulturellen Produktionskreislauf zu betonen. Das Konzept der Cultural Citizenship (vgl. u.a. Stevenson 2001; Klaus/Lünenborg 2004a, 2004b und 2013) stellt eine Erweiterung und Ausdifferenzierung des Staatsbürgerkonzeptes der Citizenship von Thomas M. Marshall dar (vgl. Marshall 1992), und „fokussiert besonders die zivilen Rechte der Bürgerinnen und Bürger und macht das Spannungsverhältnis zwischen Staat und Zivilgesellschaft sichtbar“ (Klaus/Lünenborg 2004b: 194). Außerdem umfasst es „all jene kulturellen Praktiken, die sich vor dem Hintergrund ungleicher Machtverhältnisse entfalten und die kompetente Teilhabe an den symbolischen Ressourcen der Gesellschaft ermöglichen“ (Klaus/Lünenborg 2004a: 103). Das Konzept der Cultural Citizenship Der Ausgangspunkt von Marshalls Untersuchungen sind die Widersprüche „zwischen einer demokratischen Ordnung, die auf Gleichheit hinsichtlich staatsbürgerlicher Rechte beruht […] und einer kapitalistischen Marktwirtschaft, in der soziale Ungleichheit zentrale Funktionen zu erfüllen hat“ (Marshall 1992/1949: 31). Dabei beschäftigt Marshall der Zusammenhang zwischen Demokratisierung und sozialer Sicherung sowie die Frage, ob und wie weit soziale Rechte ausgebaut werden können, ohne dabei in Widerspruch zu den wirtschaftlichen Freiheitsrechten zu geraten. Damit sich eine Gesellschaft in diesem Spannungsverhältnis von ökonomisch-orientierten staatlichen Interessen und autonomer Handlungsfreiheit weiterentwickeln kann, müssen allen Bürgern drei Dimensionen von Rechten eingeräumt werden: zivile (als Gewährleistung der individuellen Freiheit), politische (als Recht auf Teilhabe am Gebrauch der politischen Macht) und soziale (als Anspruch auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Wohlfahrt). Mit Bryan S. Turner wird dieses Konzept 1994 um die vierte Dimension der Cultural Citizenship (vgl. Klaus/Lünenborg 2004b: 196) erweitert, denn öffentliche Teilhabe basiert (auch) auf der „Möglichkeit einer umfassenden Aneignung der Kulturproduktion einer Gesellschaft“ (Klaus/Lünenborg 2004a: 108). Kultur als Vermittlungsinstanz wird in diesem erweiterten Modell als „historisch und sozial gebundener Vorrat an symbolischen Deutungs- und Interpretationsmöglichkeiten“ (ebd.: 197) verstanden, um zu betonen, dass zusätzlich zu sozialen, rechtlichen und politischen Hand-
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lungsräumen kulturelle Praxen Bürgerschaft konstituieren.23 Aufgrund ihrer flexiblen und auch offenen Struktur hat Kultur niemals eine abgeschlossene, starre Dimension und wird laufend neu verhandelt: „Cultural citizenship is about the status of culture as discursively constructed.“ (Delanty 2002: 64, zit. in Klaus/Lünenborg 2013: 201). Und diese Auffassung von Cultural Citizenship als (somit) diskursiven Prozess bringt auch einen „lernenden Aspekt“ (Klaus/Lünenborg 2013: 202f.) in das Konzept ein: Denn Cultural Citizenship ist analog zu Kultur als dynamischer und mehrstufiger Prozess aufzufassen, der die Bildung von Zugehörigkeit über „practices of citizenship“ (ebd.), also über eine Handlungsdimension, ermöglicht. Diese Handlungsdimension umfasst individuelle, alltägliche Praktiken, wie Leehyun Lim betont: „Cultural citizenship locates the substantial meaning of citizenship in the everyday practices of sharing space and forming and exchanging ideas.“ (Lim 2010: 221, zit. in Klaus/Lünenborg 2013: 202) Cultural Citizenship ermöglicht es unterschiedlichsten Gruppierungen, verstärkt individuelle Interpretationen vorzunehmen, sodass sich das bis dato vorherrschende Gleichheitspostulat24 nun mit vielfältigen kulturellen Identitäten auseinandersetzen muss. Damit reagiert das Konzept auf „ungerechte Ressourcenverteilung und eine hierarchische Beziehung zwischen verschiedenen Gesellschaftsgruppen“ (Klaus/Lünenborg 2004b: 198), die im dreidimensionalen Modell von Marshall unberücksichtigt blieben. Kulturelle Vielfalt und die Berücksichtigung kulturell kontextualisierter Handlungsräume sind somit zentral in dieser vierten Dimension von Citizenship verankert und damit auch die Anerkennung von kultureller Differenz. Denn Anerkennung impliziert (auch), dass Gleichberechtigung erst dann vorliegt, wenn – je nach kulturellen Rahmenbedingungen – polyseme Haltungen zum Ausdruck gebracht werden können. So kommt auch dem „respeto“ (Respekt) zentrale Bedeutung zu, ein Begriff, den der Kulturanthropologe Renato Rosaldo in Fachdebatten über Cultural Citizenship eingeführt hat: „Bridging the discourses of the state and everyday life, of citizenship and culture, the demand for respeto is a
23 Gleichzeitig wird mit dieser vierten Dimension Citizenship aus ihrer nationalen Bezogenheit gelöst, die in Marshalls Konzept verankert und einen wesentlichen Kritikpunkt an seinem Modell darstellt. 24 Hier beziehen sich Klaus und Lünenborg implizit kritisch auf das konsensorientierte Öffentlichkeitsverständnis von Jürgen Habermas.
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defining demand of cultural citizenship.“ (Rosaldo 1999: 260, zit. in: Klaus/Lünenborg 2013: 201) Anspruch auf kompetente Teilhabe an kulturellen Ressourcen Damit eine kompetente Partizipation an kulturellen Ressourcen realisiert werden kann, haben Klaus/Lünenborg vier zivile Ansprüche25 einer Gesellschaft (an die Medien) definiert. Diese umfassen (vgl. Klaus/Lünenborg 2004b: 202; Klaus/Lünenborg 2013): •
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Ansprüche auf Informationen als Zugang zu, aber auch Transparenz von Daten, Fakten, Informationen, um zu einer Entscheidungsgrundlage zu gelangen; Erfahrungen als Raum, in dem vielfältige Lebensweisen und Identitätskonzepte zum Ausdruck gebracht werden (können); Wissen als Einbringen von – auch subjektivem – Vorwissen und Anspruch auf Kompetenz, um eigenständige Interpretationen vornehmen zu können; Teilhabe als aktives und offenes Forum für Meinungsäußerungen und Interpretationen.
Zivile Ansprüche auf Information, Erfahrung, Wissen und schließlich Teilhabe werden in gleichbedeutender Dimension angesehen. Durchgängig bildet jedoch der individuelle kulturelle Kontext im Konzept der Cultural Citizenship die Ausgangsbasis für kulturelle Mitsprache: Der generelle Anspruch auf kulturelle Mitbestimmung kann nur dort realisiert werden, „wo Bezüge zur eigenen Lebenswirklichkeit sichtbar werden“ (Klaus/Lünenborg 2004b: 200). In die Produktion von kulturellen Bedeutungen integrieren Klaus und Lünenborg daher individuelle Deutungs- und Interpretationsprozesse in „staatsübergreifende Kommunikationsprozesse“ (ebd.) und spannen im Circuit of Culture jenen Raum von Individualität und Kollektivität auf, „in dem Bedeutungen ‚zirkulieren‘, also verhandelt und festgelegt werden“ (ebd.).
25 Graham Murdocks „rights“ folgend (Murdock 1999 bzw. 1994, zit. in Klaus/ Lünenborg 2004b: 202)
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Abbildung: Cultural Citizenship as part of the Circuit of Culture (Klaus/Lünenborg 2013: 203) cultural citizenship media text
production
reception
In diesem Modell stellt Cultural Citzenship einen Raum dar, innerhalb dessen Bedeutungsproduktion stattfindet und der den Rahmen schafft, um Bedingungen für Zugehörigkeit zu verhandeln. „Media“ bzw. mediale Erzeugnisse sind nicht mehr (rein) Produkte („text“) jener, die diese initiieren bzw. in die Sphäre kultureller Produktionsprozesse einführen, sondern stehen in Relation zu einer Rezeptionsseite („reception“). Die Rezipienten gestalten (mediale) Produkte („text“) explizit oder implizit mit und sind somit auch (Mit-)Produzenten („production“) dieser. So können hegemoniale Interessen, aber auch Strukturen im Kreislauf kultureller Bedeutungsproduktion aufgebrochen werden. Ferner wird Raum für individuelles sowie sozial-eigensinniges Handeln geschaffen (vgl. Klaus/Lünenborg 2013: 203). Die starre Rollenverteilung zwischen Produktion und Rezeption bzw. in persona zwischen jenen, die Bedeutungszuschreibungen herstellen und jenen, die diese rezipieren, weicht zugunsten eines Raums diskursiver Praxen, der nicht nur Verhandlungen über Bedeutungen, sondern auch über deren Produktionsbedingungen eröffnet. Mit einer solchen, potentiell möglichen, partizipativen Struktur und Praxis können sich folglich wechselwirkend auch Prozesse einer (kulturellen) Identitätsbildung und von (bisherigen) Regulationsmechanismen verschieben und ändern. (Vgl. ebd. 2013: 204)
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Aufmachen eines Raumes zwischen Wiedererkennen und Entdecken Mit diesem Modell beziehen sich Klaus und Lünenborg auf die Mediengesellschaft. Ihrem Verständnis nach stellen (Massen-)Medien („media“), eine spezifische Form kultureller Produktion dar, da sie Identitätsprozesse anstoßen und moderieren. Die oben angeführten vier zivilgesellschaftlichen Ansprüche, die für die Konstituierung („realization“) von Cultural Citizenship erforderlich sind, richten Klaus/Lünenborg an die Medien. Denn den Medien kommt in der Formierung gesellschaftlicher Identitäten eine zentrale Rolle zu, da sie den Verhandlungsort bzw. -raum, also jenen Raum, in dem sich individuelle, gruppenspezifische und soziale Identitäten bilden, maßgeblich konstituieren: „Jegliches Agieren in der Zivilgesellschaft, jede Teilhabe an Interessensgruppen und anderen öffentlichen Foren ist durch mediale Deutungsangebote vorgeprägt“ (Klaus/Lünenborg 2004: 105). Im Konzept der Cultural Citizenship sind die (Massen-)Medien folglich aufgefordert, ihren Bürgern auch solche Werkzeuge zu liefern, „die die widerständige, gegenläufige oder irritierende Bedeutungsproduktion“ (Klaus/ Lünenborg 2004a: 109) ermöglichen. Nur dadurch können Medien sowohl „regocnition“ (Wiedererkennen von Bekanntem und Vertrautem) als auch „discovery“ (Entdeckung des Neuen) ermöglichen. Denn nur innerhalb dieser beiden Pole können Prozesse der gesellschaftlichen und individuellen Bedeutungsentwicklung stattfinden. Medien werden so jenem Anspruch gerecht, den sie als Leitmedien im Herstellen von Öffentlichkeit haben sollten – speziell dann, wenn Öffentlichkeit, wie Elisabeth Klaus bereits 1998 und 2001 formuliert hat, als „ein Verständigungsprozess der Gesellschaft über sich selbst“ (Klaus 2001: 20) definiert wird. In diesem Sinne stellt das Konzept der Cultural Citizenship konkrete Bezüge zwischen dem Kulturverständnis der Cultural Studies und Modellen bzw. Ansätzen einer partizipativen Öffentlichkeit26 her.
26 Dieses Verständnis wird im Kapitel „Herstellen von Öffentlichkeit“ erläutert.
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I NTERVENTION
UND KULTURELLER
W ANDEL
Kultur als dynamischer Prozess ist, wie bereits erläutert, durch laufende Adaptionen, Verschiebungen und Veränderungen geprägt. Da Kultur in ihrem weitreichenden Bezugssystem mit sozialen, politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen sowie technischen und medialen Kontexten verbunden ist, können kulturelle Veränderungen durch zahlreiche dieser Kontextfaktoren ausgelöst werden. Das bedeutet, dass kultureller Wandel sowohl Ursache als auch Folge gesellschaftlicher Veränderungen sein kann. Kulturelle Entwicklungen werden somit zumeist nicht unmittelbar hergestellt, sondern sind Folge externer Einflüsse und gesellschaftlicher Umwälzungen oder reziproker Bedingungen von technischen, ökonomischen und politischen Entwicklungen. An einer aktiven Dimension kultureller Entwicklung interessiert, erforschen die Cultural Studies folglich „kulturelle Prozesse nicht um ihrer selbst willen, sondern vielmehr um Interventionen und Veränderungen kultureller Verhältnisse zu ermöglichen“ (Winter C. 2010: 167). Diese aktive Mitgestaltung ist ein Merkmal von Selbstermächtigung und demokratischer Mitsprache, wie auch der französische Philosoph Jaques Rancière in seinem Plädoyer „Der emanzipierte Zuschauer“ (2009) betont. Er verweist auf die Notwendigkeit, hierarchisierende Grenzen zu überschreiten und selbst aktiv „Geschichte“ zu interpretieren und mitzubestimmen: Denn „es gibt überall Ausgangspunkte, Kreuzungen und Knoten, die uns etwas Neues zu lernen erlauben, wenn wir erstens die radikale Distanz, zweitens die Verteilung der Rollen und drittens die Grenzen zwischen den Gebieten ablehnen“ (28). Aktiv „Geschichte“ mitzubestimmen, eine Veränderung eines gesellschaftlichen Status quo zu initiieren, ist Intention sogenannter kultureller Interventionen, die bewusst Prozesse der Reflexion und Diskurse über (als solche empfundene) kulturelle, soziale oder gesellschaftliche Missstände in Gang zu setzen suchen. Eingreifen in einen kulturellen Status quo Die Bedeutung eines aktiven Eingreifens für das Mitgestalten (eigener) Lebenswelten an, sieht auch der Kurator und Künstler Bruce Barber in seiner Analyse von Interventionen (2000: o.S.) in Kunst und Kultur an. Die Absicht der Veränderung, die dem Begriff innewohnt, zielt dabei weniger auf Widerstand, sondern sucht „mannigfaltige Positionen und Antworten zu
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fördern“. Barber grenzt dabei den Begriff von Aktionen ab, die zumeist exemplarisch, provokativ und spekulativ eine Konfrontation auslösen wollen. Interventionen suchen (hingegen) zumeist mittels partizipatorischer Praxen integrativ, vermittelnd und reflexiv einen Dialog und Kommunikationsprozesse zu mobilisieren. So weisen auch von Borries et al. in ihrem „Glossar der Interventionen“ (2012) darauf hin, dass Intervention stets mit einer vermittelnden Funktion verbunden ist. So geht der Begriff auch in seiner ursprünglichen Bedeutung der Intervention27 auf das lateinische „intervenire“ zurück, das mit „dazwischen-, dazukommen, hindernd oder vermittelnd (sic!) eingreifen, für jmdn. eintreten“ (von Borries et al. 2012, 72f.) übersetzt werden kann. Der Begriff ist in seiner aktuell polysemen Verwendung nicht eindeutig bestimmt, wird jedoch als Gegensatz zu „Konvention“ verstanden. Er umfasst verbindend ein „Eingreifen in Problemkonstellationen“ (von Borries et al. 2011: 1). Dieses Eingreifen ist auf eine befristete Zeitspanne begrenzt und mit sozialen und politischen Anliegen verbunden. Interventionen weisen ferner auch verschiedene Handlungsschwerpunkte auf: So greifen etwa urbane Interventionen vor allem in den von hegemonialen Interessen dominierten städtischen Raum ein, aktivistische Interventionen agieren wiederum verstärkt mit plakativen und subversiven Methoden an der Schnittstelle von Protest und Vermittlung, antirassistische Interventionen schaffen Aufmerksamkeit für soziale Ungleichheiten in migrationspolitischen Kontexten und unter ästhetisch-kreativer Intervention wird die Gestaltung von Veränderungsprozessen in Unternehmen oder wirtschaftlichen Kontexten verstanden (vgl. von Borries et al. 2012). Eng verbunden mit interventorischen Praktiken sind die Begriffe Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit28: So kann als übergreifendes Ziel von Interventionen das Herstellen einer „Gegenöffentlichkeit“ formuliert werden (vgl. Wege 2001: 25). Das bedeutet, dass ein Artikulations- und auch Handlungsraum für marginalisierte und bis dato kaum wahrgenommene
27 Im Kapitel „Kunst als kritische kulturelle Praxis“ wird explizit auf künstlerische Interventionen eingegangen. An dieser Stelle soll daher nur eine erste allgemeine Einführung in „Kulturelle Intervention“ gegeben werden, da dieser Begriff vor allem als Definition für bewusste, aktiv herbeigeführte Eingriffe in einen bestehenden Status quo herangezogen wird. 28 Siehe dazu das Kapitel „Herstellen von Öffentlichkeit“.
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Perspektiven geschaffen wird. Diese stellen von machtinnehabenden Instanzen zumeist bewusst ausgeblendete Haltungen dar. In ihrer vielschichtigen Ausprägung eröffnen kulturelle Interventionen somit die Möglichkeit, etablierte Sichtweisen in Frage zu stellen und Impulse zu einer Neuverhandlung kultureller Bedeutungen öffentlich zirkulieren zu lassen. Im Kontext von Kunst verweist dieser Begriff auch auf eine soziokulturelle und gesellschaftlich handlungsorientierte Kunstform, die analog zu allen kulturellen Interventionen aktiv Impulse für (kulturelle) Veränderungen setzt. Partizipative Kulturen und kollaborative Wissensproduktion Diese auf Mitsprache und Mitbestimmung ausgerichteten Prozesse können als Ausdruck eines partizipatorischen, sogar partizipativen Verständnisses29 von Kultur gefasst werden. Dieser Begriff einer Participatory Culture ist von Henry Jenkins (Henry Jenkins et al. 2005) in die wissenschaftliche Diskussion über Medienkonsum und Mediennutzung eingeführt worden. Jenkins et al. bezeichnen eine sich laufend weiterentwickelnde Participatory Culture als treibende Kraft gesellschaftlich-kultureller Entwicklungen. Bedingt durch die Möglichkeiten der neuen oder sozialen Medien wird kulturelle Bedeutungsproduktion zu einem kollaborativen und kollektiven Akt, der auf kommunikative Aushandlungsprozesse basiert. Denn „Bedeutungen entstehen, wenn wir gemeinsam über Dinge nachdenken“ (Jenkins 2012: o.S.). Auf Basis ihres Verständnis einer kollaborativen Wissensproduktion30 als diskursiver Prozess haben Jenkins et al. vier Parameter bzw. Formen einer Participatory Culture definiert (vgl. Jenkins et al. 2005: o.S.):
29 Silke Feldhoff verweist mit dieser Unterscheidung von partizipatorisch und partizipativ (vgl. Feldhoff 2009: 22) auf unterschiedliche Aspekte und Ebenen kultureller - in ihrer Analyse auch künstlerischer - Teilhabe: ‚Partizipatorisch‘ räumt die Möglichkeit zur Teilhabe ein und ermöglicht diese. ‚Partizipativ‘ meint die aktive Umsetzung dieser Teilhabe. In der zeitgenössischen Kunst wird Partizipation dabei generell mit „politisch motivierten Vorstellungen von Produktions- und Distributionsstrukturen verknüpft, die die künstlerische Arbeit jenseits eines als elitär erlebten Kunstbetriebs einem größeren Publikum öffnen wollten“ (vgl. Wege 2006: 236). 30 Am Beispiel einer Online-Diskussion zur Serie „Twin Peaks“ erläutert Jenkins den Unterschied zwischen einer „Weisheit der Vielen“ und kollaborativer Be-
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Affiliations als Zugehörigkeitsgefühl z.B. bei Online Communities oder Mitgliedschaften; Expressions als produktive Aktivität wie etwa die Gestaltung von Zines31 oder Filmen; Collaborative Problem-solving als kollektive Wissens- oder Ereignisproduktion wie etwa bei Wikipedia; Circulations als Weitergabe des (auch bisher entstandenen) Wissens und somit wiederum Ermöglichung von Teilhabe;
Innerhalb dieser vier Parameter einer Participatory Culture werden Räume für kollaborative Bedeutungsprozesse eröffnet und hierarchische Strukturen der Wissensproduktion aufgebrochen. Dadurch können gewisse Barrieren wie Alter, sozio-ökonomischer Status oder Bildung überwunden werden. Denn die Möglichkeit und der Zugang zu einer aktiven Kulturproduktion sind eng gekoppelt an eben diese Faktoren (vgl. Jenkins et al. 2005; Gee 2005). So sprechen Jenkins et al. auch von der Gefahr eines „participation gap“ (2005: online), wenn Ausschlussfaktoren nicht bewusst berücksichtigt werden. Trotz des Anspruchs, offene und partizipative Räume zu schaffen, werden dann Barrieren reproduziert. Ziel von kollaborativen Prozessen sollte nicht sein, analoge Lösungen zu (re-)produzieren, sondern stets ein
deutungsproduktion (vgl. 2012: online): Das Erlebnis in der Gruppe bzw. die gemeinsame Handlung in Form des gemeinsamen Anschauens verschiedener Folgen und die parallele bzw. daraus entstehende Diskussion in der Community führten zu einem erhöhten Gesprächsmaterial als das direkt in der Sendung produzierte. Die Sinn- bzw. Bedeutungsgenerierung in der Community bezog sich nicht rein auf den Inhalt der Sendung, sondern darüber hinaus auf Gesprächsfäden, Diskussionsverläufe und Statements innerhalb der Gruppe. Die Community beurteilte durch diesen kollaborativen Prozess die Serie konträr – nämlich als unkompliziert und einfach zu verstehen – zu Fernsehjournalisten, die die Serie solitär/singulär betrachtet hatten und die Inhalte als zu kompliziert kritisiert hatten. Der Gesprächs- und Diskussionsprozess hat folglich maßgeblich zum Verständnis und zur folgenden Beurteilung der Serie und somit einer Meinungsbildung beigetragen. 31 Zines sind nicht-kommerzielle Do-it-yourself Magazine, die vor allem in subkulturellen Szenen Ausdruck einer kollaborativen Kulturpraxis darstellen (vgl. Zobl 2008).
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Spektrum an Lösungsansätzen mittels einer individuellen Verantwortung für Aufgabenstellungen zu unterstützen. Dabei gilt es jedoch etwaige Barrieren vorab zu analysieren und diesen entgegenzuwirken. Doch auch Kritik32 an Jenkins’ et al. Verständnis und Konzept einer Participatory Culture wird zunehmend und speziell in Bezug auf Strukturen und Machtverhältnisse im Online-Bereich formuliert. So betont der Kommunikationswissenschaftler und Social Media-Experte Christian Fuchs33, dass gerade Jenkins’ Konzept Aspekte einer „partizipatorischen Demokratie“ ignoriere: Jenkins’ definition and use of the term ‚participatory culture‘ ignore aspects of participatory democracy, it ignores questions about ownership of platforms/companies, collective decision-making, profit, class and the distribution of material benefits. The cultural expressions of Internet users are strongly mediated by the corporate platforms owned by Facebook, Google and other large companies. Neither the users nor the waged employees of Facebook, Google & Co. determine the business decisions of these companies, they do not ‚participate‘ in economic decision-making, but are excluded from it. (Fuchs Ch. 2011: o.S.)
Durch und mittels neue(r) technologische(r) Entwicklungen entstehen – so Vertreter dieses kritischen Ansatzes – zunehmend Machtzentren, die wie etwa Google, Facebook oder YouTube monopolartig Produktionsbedingungen diktieren und mit ihren (ökonomischen) Interessen Partizipation nur eingeschränkt, in klar zugewiesenen Strukturen, ermöglichen. Partizipation kann innerhalb dieser Räume zwar noch als Mitsprache an (kulturellen) Bedeutungsprozessen angesehen werden, eine definitive Mitgestaltung an
32 Die Leitlinien einer Participatory Culture werden dennoch für die Analyse der Fallstudien herangezogen, da sich die Kritik v.a. auf globale, komplexe Machtstrukturen im Onlinebereich beziehen. In zahlreichen künstlerisch-kulturellen Projekten wird jedoch gerade in spezifische und klar konturierte Kontexte interveniert. Dabei werden hegemoniale Interessen - zumindest teil- bzw. ansatzweise – kritisch hinterfragt, reflektiert und Räume für gegenläufige Perspektiven (inklusive Handlungsoptionen) erschlossen. 33 Stellvertretend für Vertreter einer sogenannten „critical theory“ (vgl. Fuchs 2011; Schäfer 2011)
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weit reichenden (kultur-)ökonomischen Prozessen ist jedoch nur eingeschränkt gegeben. (Vgl. Fuchs Ch. 2011) Transformatorische Impulse und (kulturelles) Produktionsergebnis Kulturelle Interventionen greifen in kulturelle Bestände ein und evozieren eine Neuverhandlung von bestehenden Sichtweisen. Sie eröffnen Raum für Debatten, differenzierte Sichtweisen und alternative Bedeutungszuschreibungen. Doch wie lässt sich ein Ergebnis dieses Prozesses als Produktion von Kultur festhalten? Wie kann eine Veränderung, ein kultureller Wandel als „Ergebnis“ dieser initiierten Prozesse eruiert werden? Speziell in Hinblick auf ein Verständnis von Kulturmanagement, das die Cultural Studies als zentrale Perspektive in ihre Forschung und ihr (Selbst-) Verständnis integriert, sieht Carsten Winter die Notwendigkeit, dass sich zukünftig ein Managementverständnis etabliert, „das auf die Erforschung neuer Wertschöpfungs- wie auch neuer Interaktions- und Beziehungspotentiale, die oft Voraussetzung für neue Wertschöpfung sind, basieren muss“ (2010: 163). Diese Prämisse Winters aufgreifend, gehe ich in Anlehnung an die Begriffsdefinitionen der Produktionslehre im Folgenden von einem Produktionsbegriff aus34, bei dem im Mittelpunkt Transformationen als qualitative Veränderungen stehen (Dyckhoff/Spengler 2010: 14f.). Aus diesem betriebswirtschaftlichen Ansatz versuche ich, Rückschlüsse auf Prozesse kulturellen Wandels zu erörtern. In Hinblick auf immaterielle Güter versteht sich Produktion als Wertschöpfungsprozess35 (vgl. Dyckhoff/Spengler 2010; Witherthon 2005-2009; Berndt et al. 1998), bei dem (1) durch die Verwendung eines „bestehenden Materials“ und (2) den Einsatz „methodischer Produktionsfaktoren“ (3), als Ergebnis möglichst höherwertige „Output-Güter“ (Witherton 2005-2009: Stichwort Produktion, o.S.) entstehen.
34 An dieser Stelle sei auf die Herausforderungen bezüglich des verwendeten Fachjargons in Bezug auf die Cultural Studies verwiesen, die sich jedoch aufgrund des interdisziplinären Ansatzes der Fragestellung ergeben. 35 Der Begriff „Wert“ ist in diesem Zusammenhang im Sinne der Produktionslehre mit Ergebnis, Resultat bzw. auch Nutzen gleichzusetzen (so wird im Englischen unter „value“ im Kontext von „value chain“ „Output“ verstanden.)
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Dieses grundlegende Modell der Produktionslehre lässt sich meiner Ansicht nach auch für ein kulturelles Produktionsfeld heranziehen, speziell um sich den oben erwähnten Evaluierungs- und Wirkungsparametern annähern zu können: Wird dieser Transformationsprozess auf immaterielle und kulturelle Wertschöpfungsprozesse übertragen, könnte die Formel folgendermaßen lauten: Bezug nehmend auf einen kulturellen Status quo (1) und mittels Werkzeugen der Intervention, die sowohl künstlerische Aktivitäten und Verfahren als auch durch die kulturmanageriale Initiative gesetzte kulturvermittelnde, partizipative und kollaborative Prozesse umfassen (2), entstehen als Ergebnis neue, „höherwertige“ Perspektiven und Einstellungen (3). Im Rahmen eines Wertschöpfungsprozesses erfahren kulturelle Bedeutungen eine Veränderung; ein „höherwertiger Output“ entwickelt sich folglich aus den durch Interventionen initiierten Kommunikationsprozessen als eine von mehreren Personengruppen und Individuen ausgehandelte, differenzierte Sichtweise oder ein (auch widersprüchliches) Perspektivenspektrum. Die alltagskulturelle Relevanz ließe sich dann in einem – idealerweise – ‚verbesserten‘ Zustand für spezifische Teilöffentlichkeiten, Personengruppen oder auch für Individuen, in Inklusion anstatt Exklusion oder dem Aufbrechen bestehender Stereotype erkennen und auch messen. Anders, positiv, und im Sinne einer Wertschöpfungskette, interpretiert: Auf Basis einer kollaborativ ausgehandelten Akzeptanz von modifizierten kulturellen Bedeutungszuschreibungen oder von einem (veränderten) Bedeutungsspektrum, werden als ‚Ergebnis‘ kultureller Veränderungsprozesse solche (kulturellen) Alltagspraxen evident, die zu einer Verbesserung des gesellschaftlichen Zusammenlebens beitragen. Eine auf den kulturellen Managementprozess bezogene und gleichzeitig alltagsrelevante und evaluierbare Dimension von kultureller Produktion36 kann daher wie folgt formuliert werden: • • •
Eine bis dahin kaum oder so nicht wahrgenommene kulturelle Perspektive findet (nachhaltig) ein Sprachrohr; ein – offener – Prozess des öffentlichen Diskurses wird initiiert und neue Bedeutungszuschreibungen können in der Öffentlichkeit zirkulieren,
36 Im Kontext demokratischer und verfassungsrechtlicher Bedingungen
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• •
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sodass nachhaltig ein neues Bewusstsein für eine gesellschaftliche Teilgruppe entstehen kann, das alternative und (verstärkt) selbstbestimmte Handlungsoptionen – für eine gesellschaftliche Teilgruppe – evoziert.
Aufgrund ihrer Verflochtenheit mit Gesellschaft, Politik und Wirtschaft kann Kultur nicht (bzw. nur unter monopolisierten Machtverhältnissen) durch eine einzelne Person hergestellt – oder besser realisiert – werden: Kultur kann folglich nur mit einem partizipatorischen Ansatz und einem zumindest in Teilprozessen auf Kollaboration ausgerichteten Interventionsprozess (nachhaltig) produziert werden.
F AZIT : K ULTUR
KOLLABORATIV PRODUZIEREN
Wird kulturelle Produktion als ein aktives Mitbestimmen kultureller Bedeutungsprozesse aufgefasst, muss vor allem das Verhältnis von Kultur und Macht(-erhalt) mittels zivilgesellschaftlicher Mitsprache verschoben und zumindest partiell aufgebrochen werden. Durch das Konzept der Cultural Citizenship wird eine kompetente Partizipation an kulturellen Ressourcen dadurch ermöglicht, dass zivilgesellschaftliche Ansprüche auf Information, Erfahrung, Wissen und Teilhabe erfüllt werden. So kann sich ein Raum für diskursive Praxen öffnen. Aushandlungsprozesse über Bedeutungszuschreibungen und ihre alltagskulturellen Praxen werden in Gang gesetzt. Im Sinne einer zuweilen oppositionellen, jedoch stets dialogorientierten Lesart, können diese auch im Widerspruch zu bestehenden Machtverhältnissen stehen. Diese Aushandlungsprozesse sind dabei Ausdruck jener Participatory Culture, die sich durch (temporäre) Zugehörigkeit, einen individuellen Gestaltungsradius sowie eine kollaborativ verhandelte Wissensproduktionsprozesse auszeichnet. Dass kulturelle Bedeutungsprozesse stark von vielfältigen Machtansprüchen und Exklusionsmechanismen reguliert und geprägt sind, ist einer der zentralen Gründe für kulturelle Interventionen. Die Dominanz hegemonialer Interessen wird aufzubrechen und aktiv eine Neuverhandlung eines bestehenden (kulturellen) Status quo zu initiieren gesucht: Etablierte Sichtweisen, konventionelle Haltungen und konzentrierte Machtverhältnisse
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werden hinterfragt, dekonstruiert und Alternativen in den öffentlichen Meinungs(bildungs)apparat eingeschleust. Interventionen und damit eine aktive Mitgestaltung kultureller Prozesse zu ermöglichen, sehe ich daher analog zu Carsten Winter im Handlungsfeld von Kulturmanagern verankert. Wenn Winter konstatiert, dass „Interventionen und Veränderungen kultureller Verhältnisse […] heute zu den Aufgaben und Herausforderungen des neuen Kulturmanagements“ (Winter C. 2010: 167) zählen, würde ich jedoch noch etwas schärfer formulieren, dass das Herstellen von Interventionen die Basis und eine der Kernaufgaben von Kulturmanagern darstellt. Entsprechend einem Aufruf seitens der Cultural Citizenship an die Medien, sehe ich Kulturmanager in ihrer Vermittlerrolle zwischen bestehenden und alternativen Bedeutungszuschreibungen aufgefordert, einen Raum für diskursive Praxen zu herzustellen. Da Interventionen jedoch auch Raum für marginalisierte Positionen zu schaffen intendieren, bedeutet dies für die Kulturmanagementforschung und -praxis, dass minoritären Positionen und somit auch freien Initiativen sowie subkulturellen Szenen mehr Bedeutung zukommen sollte. Denn gerade diese zeigen oft jene alternativen Bedeutungszuschreibungen auf, die für kulturellen Wandel und somit (auch) kulturelle Entwicklungen wesentlich sind. Eine „Zukunftsaufgabe“ – wie Max Fuchs, Vorsitzender des deutschen Kulturrates, in Bezug auf kulturellen Wandel formuliert – wird „daher darin bestehen, Räume der Emanzipation im Rahmen subtiler werdender Machtverhältnisse zu erhalten“ (Fuchs Ch. 2012: 67) und als Kulturmanager diese bewusst zu erschließen. Im Sinne der von Stuart Hall formulierten drei Lesarten meint dies, Begegnungszonen zu schaffen, in denen eine dominante und eine oppositionelle Sichtweise aufeinandertreffen (können), sodass von beiden Dialogpartnern eine dritte, die jedoch nicht auf einen Konsens beruhen muss, ausgehandelt werden kann. Denn wird Kultur als „ein Kampf um Bedeutungen, ein nie zu beendender Konflikt, über Sinn und Wert von kulturellen Traditionen, Praktiken und Erfahrungen“ (Winter 1997: 47) verstanden, muss die Prämisse lauten, dass dieser Kampf verschiedene Sichtweisen erlaubt, ja das Ringen um und die folglich Artikulation und Existenz vielfältiger Sichtweisen Kultur bedeutet.
Herstellen von Öffentlichkeit Dissens, Diskurs und Kommunikationsräume
Öffentlichkeit ist also kein Konsensraum, sondern ein Dissensraum. OLIVER MARCHART37
Kultur und ihre laufenden Adaptionen werden über Kommunikationsprozesse in Gang gesetzt, über Kommunikation verhandelt. Das Herstellen von Öffentlichkeit kann somit als Voraussetzung angesehen werden, damit kulturelle Teilhabe und folglich kultureller Wandel gewährleistet werden können. Speziell in Hinblick auf eine aktive Mitbestimmung dessen, was als Kultur gelebt wird, sind vor allem jene (anderen) Räume wesentlich, die unkonventionelle, nicht alltägliche diskursive Foren abseits dominanter Kommunikationsinhalte und ihrer Strukturen bieten und sich aus dem Antrieb, ausgeblendete oder neuartige Perspektiven zu bündeln und sichtbar zu machen, formieren. Diese Räume stellen eine Art verräumlichte Vermittlerrolle zwischen bestehenden, etablierten kulturelle Zuschreibungen und alternativen Sichtweisen dar. Platz für Perspektivenaustausch wird geschaffen, ein Aushandlungsprozess in Gang gesetzt – und somit jene Infrastruktur errichtet, die kulturelle Teilhabe und Mitbestimmung ermöglicht.
37 Vgl. Marchart 1999: o.S.
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P LURALE Ö FFENTLICHKEITEN UND KONFLIKTUALER K ONSENS Aktuelle Öffentlichkeitstheorien sehen in der Tradition von Jürgen Habermas „Bürgerlichkeit“ und darauf aufbauend zivilgesellschaftliche Mitbestimmung als zentrales Element in der Konstitution und Konstituierung von Öffentlichkeit an, betonen jedoch die Notwendigkeit einer differenzierten gleichberechtigen Mitsprache38: Diese impliziert die Bedeutung von pluralen und somit auch divergenten Öffentlichkeiten. Speziell die Cultural Studies weisen auf die Komponente des Konstruierten hin: Öffentlichkeit („public“) wird als abstraktes Gebilde einer „imaginierten Community“ verstanden, anderseits ist diese in ihrer Konstitution einzelnen Bevollmächtigten und „Representatives“ (vgl. Hartley 2002: 189) vorbehalten. „Öffentlichkeit“ ist folglich stets mit Sichtbarmachen, Machtinteressen und Zugang zu Mitsprache verbunden, sodass ein homogenes Verständnis von Öffentlichkeit obsolet ist. Bürgerliche Öffentlichkeit und Lebenswelten Jürgen Habermas hat jene wissenschaftliche Auseinandersetzung geprägt, die das Handeln der Bürger als zentrale Dimension des Öffentlichkeitsbegriffs begreifen. Öffentlichkeit versteht Habermas als „hochkomplexes Netzwerk“, das als „eine intermediäre Struktur […] zwischen dem politischen Leben einerseits, den privaten Sektoren der Lebenswelt und funktional spezifizierten Handlungssystemen andererseits vermittelt“ (Habermas
38 Zentraler Kritikpunkt an Habermas‘ Öffentlichkeitsmodell und -verständnis war und ist seine Konzeption einer bürgerlichen Öffentlichkeit als homogenes Gebilde, das sich auch in seinem Verständnis einer „idealen Sprechsituation“ abbildet (vgl. Schäfer-Reese 2001: 25f.): Teilnehmer eines (vernunftgeleiteten) Diskurses sollten gleichberechtigt an diesem teilhaben (können), also nicht nur Zugang zu diesem haben, sondern auch analoge Kompetenzen für die Mitgestaltung des Diskurses einbringen. Dies würde jedoch voraussetzen, dass alle am Diskurs Beteiligten mit analogen kommunikativen Fähigkeiten, (Selbst)Reflexionspotential und Argumentationsstärke ausgestattet sind. Mit diesem Ideal ist auch die Konstituierung von der öffentlichen Meinung als einem – dem besseren Argument vorbehaltenen – Konsens verbunden.
H ERSTELLEN VON Ö FFENTLICHKEIT
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1992: 451) und sich nach Kommunikationsdichte, Organisationskomplexität und Reichweite differenzieren lässt. Aus einer demokratietheoretischen Perspektive heraus entwickelt Habermas ein Modell von Öffentlichkeit, in dem vor allem die Kommunikationsformen einer Zivilgesellschaft und „die Kommunikationsflüsse einer vitalen Öffentlichkeit“ die „Bürde normativer Erwartung“ (ebd.: 137) tragen. Öffentlichkeit ist damit – im Gegensatz zu dem seit der Aufklärung vorherrschenden Verständnis – „keine systematisch verfestigte Institution, sondern ein lebensweltlicher Zusammenhang von Inhalten und Stellungnahmen, letztlich also Meinungen“ (Schäfer-Reese 2001: 112). Öffentlichkeit wird mittels deliberativen, also themenverhandelnden, und diskursorientierten Formen und Mitteln hergestellt. Habermas‘ Ideal von Öffentlichkeit ist von herrschaftsfreien Debatten geprägt. Dieses Ideal stellt einen sozialen und kulturellen Raum dar, der die Artikulation und Verhandlung von Sichtweisen, Positionen und Haltungen und somit kommunikatives Handeln ermöglicht. Kommunikatives Handeln meint, dass an der Kommunikation Beteiligte verständigungsorientiert agieren. Dass bedeutet, dass ein gegenseitiges Einverständnis in Hinblick auf ein Handlungsziel oder eine Einstellung eine Art kommunikatives Ziel bildet. Kommunikatives Handeln grenzt sich dieser Auffassung nach von anderen Handlungsformen, die zielgerichtet, normativ oder selbstrepräsentativ sein können, dadurch ab, dass in einer „direkten Verständigung“ die „Bereitschaft zur Relativierung“ (Schäfer-Reese 2001: 51) der eigenen Aussage und Perspektive vorausgesetzt wird. Kommunikativ Handelnde nehmen so „nicht mehr geradehin auf etwas in der objektiven, sozialen oder subjektiven Welt Bezug, sondern relativieren ihre Äußerungen an der Möglichkeit, dass deren Geltung von anderen Akteuren bestritten wird“ (Habermas 1981/1987-1: 148). Schäfer-Reese spricht von einem „indirekt, reflexiven Weltbezug“ (2001: 52). In diesen Zusammenhang ist Habermas Begriff der Lebenswelt von Bedeutung. Eine Lebenswelt ist der „transzendentale Ort, an dem sich Sprecher und Hörer begegnen […], ihren Dissens austragen und Einverständnis erzielen können“ (Habermas 1992: 192). Sprache und Kultur bilden die zentralen „Hintergrundelemente“ (Schäfer-Reese 2001: 60) dieser Lebenswelt, die von „unterstellten Grundüberzeugungen“ (ebd.) geprägt sind. Diese Grundüberzeugen bilden die Referenz kommunikativer Aussagen.
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Öffentlichkeit bildet sich somit primär durch interaktive Prozesse einer bürgerlichen Zivilgesellschaft im Spiegel ihrer Lebenswelten. Lebenswelten und somit Öffentlichkeit sind jedoch mit Entscheidungsorganen wie politischen Machtzentren und Massenmedien verwoben (vgl. u.a. Gerhards 1997). Eine ‚ideale Öffentlichkeit‘ sollte Habermas‘ Verständnis nach folglich drei Bedingungen erfüllen: 1. Der Zugang zu Öffentlichkeit und öffentliche Diskurse sowie Offenheit für Themen kollektiver Bedeutung müssen gewährleistet sein. 2. Das Prinzip des besseren Argumentes bestimmt den diskursiven Prozess, sodass Öffentlichkeit als Resultat nicht durch Kompromisse, sondern durch Überzeugung zustande kommt. 3. Öffentlichkeit hat eine Legitimationsfunktion für die Politik, sodass öffentliche Diskurse einerseits der politischen Elite Entscheidungsressourcen einbringen, andererseits politische Entscheidungen im öffentlichen Diskurs legitimiert werden (können). (vgl. u.a. Drüeke 2013: 89; Iser/Strecker 2010: 155f.; Wimmer 2007: 73). Da dieses Konstrukt eine rein ideelle Gleichheit aller Bürger voraussetzt, wird in einer kritische Weiterentwicklung des Konzeptes von Habermas Öffentlichkeit nicht mehr als abstrakte Entität oder inhärente Formation verstanden, sondern in ihrer Komplexität, Fragmentiertheit und auch Widersprüchlichkeit analysiert. Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Verständigungsprozess Einen pluralistischen Ansatz vertritt Elisabeth Klaus, die Öffentlichkeit als „gesellschaftlichen Verständigungsprozess“ (1998) bezeichnet, der verschiedene Ebenen mit jeweils eigenen Funktionen und Wirksamkeiten umfasst und von verschiedenen Akteuren sowie vielfältigen Kommunikationsund Ausdrucksformen geprägt ist. Verschiedene Teilöffentlichkeiten haben Anteil an einem Selbstverständigungsprozess über das, was gesellschaftliches (Zusammen-)Leben ausmacht, bestimmt und reguliert. Mit diesem Ansatz hebt Klaus die aus aufklärerischen Öffentlichkeitsvorstellungen und bei Habermas noch angelehnte Dichotomie „privat“ versus „öffentlich“ auf und argumentiert, dass sowohl in privaten wie auch öffentlichen Bereichen Öffentlichkeit hergestellt wird und diese Prozesse reziprok bedingt sind. Das Herstellen von Öffentlichkeit obliegt nicht nur machtinnehabenden Instanzen, sondern wird von zahlreichen, auch privaten Instanzen mit konstruiert:
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Auch im Privaten wird Öffentlichkeit mitgestaltet, hergestellt und verwirklicht. Eine publizistische Aussage wird erst dann öffentlich, wenn sie wahrgenommen wird, das heißt im Alltagsleben wirkt und in Alltagsgespräche mit einfließt. Andersherum bestätigt jede private Unterhaltung jenseits des konkreten, persönlichen Inhaltes auch gesellschaftliche Normen, stellt traditionelle Werte in Frage oder modifiziert bestehende Traditionen. (Klaus 1998: 135)
Öffentlichkeit richtet diesem Verständnis nach „den Blick auf jene alltäglichen und informellen Gesprächsformen und -foren, in denen über akzeptierte und akzeptable Verhaltensmuster diskutiert wird“ (Klaus 2001: 21). Bestehende Einstellungen werden hinterfragt, verworfen oder bestärkt. Zwar wird Öffentlichkeit (weiterhin) von dominanten Interessensvertretern bestimmt, jedoch gilt es, auch oder gerade deswegen andere Teilöffentlichkeiten sichtbar (Klaus 1998: 136) zu machen. Denn diese übernehmen zunehmend aktiv gestaltende und meinungsprägende Funktionen in öffentlich zirkulierenden Themen- und Meinungsschwerpunkten. Teilöffentlichkeiten konstituieren sich dabei „auf der Basis gemeinsamer sozialer Erfahrungen, sich überschneidender Handlungsräume oder geteilter Interessen“ und „zeichnen sich durch ihre jeweiligen spezifischen Diskussionsweisen und Kommunikationsformen aus“ (Klaus 2001: 21). So bestimmen vielfältige Formen und Foren von Kommunikation Öffentlichkeit und wirken im Herstellen dieser mit. In dieser Vielfalt unterscheidet Klaus, abgeleitet aus dem sogenannten Arena-Modell von Gerhards und Neidhardt (vgl. Gerhards/Neidhardt 1990), vor allem nach sozialen und kommunikativen Beziehungen zwischen einfachen, mittleren und komplexen Teilöffentlichkeiten (vgl. Klaus 2001: 22 und 1998: 137f), die sie im 3Ebenen-Modell von Öffentlichkeit zusammenfasst: In „sich spontan entwickelnde[n] Kommunikationen im Alltag“ (Klaus 1998: 137) formieren sich einfache Öffentlichkeiten: Diese lassen sich vor allem mittels einer direkten, interpersonalen und narrativen Ausdrucks- und Gesprächsform kennzeichnen. Die Interaktion erfolgt primär hierarchiefrei, die Gesprächspartner agieren gleichberechtigt in wechselnden Sprecherund Zuhörerpositionen. Mittlere Öffentlichkeiten stehen häufig in Verbindung zu diesen einfachen Öffentlichkeiten, da sie ein strukturiertes, organisiertes Forum für gemeinsame Interessen und Handlungsfelder darstellen. Eine Versammlung stellt den Prototypus dieser Form von Öffentlichkeit dar: Der Rahmen des Zusammentreffes ist bestimmt durch Zweck, Thema
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und Regelvorgaben für den Kommunikationsverlauf. Oft werden in diesem Typus individuelle Lebenserfahrungen zu Gruppenerfahrungen gebündelt. Der interpersonale Austausch erfolgt zumeist zwischen einem Sprecher sowie mehreren Zuhörenden. Ein Tausch der Rollen ist zwar möglich, wobei jedoch Anforderungen an die Sachkompetenz das Rollenverhältnis maßgeblich definieren (vgl. Klaus 2001: 22). Massenmedien und professionalisierte Öffentlichkeitstrukturen in ihren arbeitsteiligen und stabilen Strukturen bilden den Typus komplexer Öffentlichkeiten und lassen sich vor allem über ihr weitreichendes Distributionsvermögen, ihre Kommunikationskompetenz sowie eine hierarchische Ausrichtung definieren. Ein Wechsel von Kommunikator- und Rezipientenrolle ist (fast) ausgeschlossen. Diese drei Typen von Öffentlichkeit stehen dabei in einem kontinuierlichen Wechselverhältnis und in einem ständigen Austausch: In ihrer „Vermittlerrolle“ (Klaus 2001: 24) greifen mittlere Öffentlichkeiten Themen auf, die eine alltagsweltliche Relevanz für einfache Öffentlichkeiten haben und folglich die Kommunikation auf dieser Ebene bestimmen. Mittels einer Bedeutungsfokussierung stellen sie diese Inhalte für komplexe Öffentlichkeiten bereit. Diese komplexen Öffentlichkeiten sind eng mit einfachen und mittleren Öffentlichkeiten verbunden, da sie für ihre eigene Authentizität und Glaubwürdigkeit auf die Unmittelbarkeit und den direkten, kommunikativen Austausch, in dem sich Bezug zu Alltagswirklichkeit ausdrückt, angewiesen sind. So wird Öffentlichkeit in dieser trialen Verbundenheit durch Themenauswahl, aber auch die Ausdrucksform der Übermittlung und die damit verbundenen Reaktionen der Öffentlichkeit bestimmt. „Kulturelle Übereinkünfte“ und „kulturelle Identitäten“ (Klaus 1998: 135) werden in diesem dynamischen, dreidimensionalen Prozess bestätigt und verworfen. Speziell „im kulturellen Kampf um gesellschaftliche Deutungsmacht“ (Klaus 2001: 24) stellen komplexe Öffentlichkeiten eine prägende und machtvolle Instanz dar. Doch gerade in der Umcodierung, im Einbringen von alternativen kulturellen Bedeutungszuschreibungen zu bestehenden, prägenden Sichtweisen und Haltungen kommt wiederum interpersonalen und alltagsbezogenen Kommunikationsprozessen eine zentrale Bedeutung zu. Denn ein Prozess des Wandels von bestehenden kulturellen Sichtweisen, Codes und Prägungen wird in seinem Anfangsstadium dadurch ausgelöst, dass einfache und (in Folge auch) mittlere Öffentlichkeiten komplexen Öffentlichkeiten kritisch gegenübertreten und die von diesen „konstruierte[n] soziale[n] Wirklichkeiten nicht länger mehrheitsfähig sind“
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(Klaus 1998: 143). Eine Form von Gegenöffentlichkeit entsteht, die sich oft gegen komplexe Öffentlichkeiten richtet und deren Glaubwürdigkeit in Frage stellt. Diesem Verlust an Authentizität folgt eine stärkere Konzentration und Formierung von direkten und interpersonalen Kommunikationsforen und -formen innerhalb einfacher Teilöffentlichkeiten. Alternative Kommunikationskanäle werden gesucht, aus denen wiederum mittlere Teilöffentlichkeiten entstehen (können), die diese kulturellen Entwicklungen formalisieren und strukturell aufgreifen. Erlangt der Umbruchprozess seinen Höhepunkt, öffnen sich komplexe Öffentlichkeiten für „neue Einflüsse“ und „andere Konstruktionen von Wirklichkeit“ (Klaus 1998: 145), um ihre Glaubwürdigkeit und den damit verbundenen Machteinfluss wieder zurück zu erlangen. Ein (kultureller) Wandel wird folglich von allen drei Typen von Öffentlichkeit mitgestaltet und auch wieder in das bestehende, im Prozess des Wandels temporär aufgebrochene Verhältnis integriert: Indem alternative Inhalte, neue Sichtweisen und Haltungen von professionellen Strukturen, etwa massenmedial, aufgegriffen werden, gelangen diese „in das Themenrepertoire komplexer Öffentlichkeiten“ und können nun als „öffentlich akzeptiert“ (Klaus 1998: 147) angesehen werden. Mit dieser öffentlichen Akzeptanz nimmt der aktive Einflussradius mittlerer und einfacher Öffentlichkeiten wieder ab, denn: „Mit der Diffusion der durch einfache und mittlere Öffentlichkeiten bereitgestellten neuen Sichtweisen in den etablierten Medien und Institutionen ist deren Funktion der Neubewertung und Initiierung von Themen erfüllt: Sie verlieren an Aufmerksamkeit, Wirkung und Resonanz.“ (Ebd.) Gegenöffentlichkeiten als Modernisierungsressource Gegenöffentlichkeiten können generell „als partikulare Parallelformationen von minoritärem und sogar untergeordnetem Charakter verstanden werden, in denen andere oder oppositionelle Diskurse und Praxen formuliert und verbreitet werden können“ (Sheikh 2004: o.S.). Als (spezifische) Formation von Öffentlichkeit haben sie zwar „viele Eigenschaften mit normativen oder dominanten Öffentlichkeiten gemeinsam“ (ebd.), stellen dabei jedoch „eine bewusste Spiegelung der Modalitäten und Institutionen“ dieser dar,
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„aber in Form eines Versuchs, andere Subjekte und tatsächlich andere Imaginarien anzusprechen“ (ebd.). Die Politikwissenschaftlerin und Feministin Nancy Fraser setzt bei dieser Vorstellung von Gegenöffentlichkeit(en) an und erweitert das Öffentlichkeitskonzept von Jürgen Habermas um nicht-bürgerliche und konkurrierende Öffentlichkeiten. Dem (eher) hegemonialen und homogenen Verständnis von Habermas setzt sie entgegen, dass gerade ungleiche Zugangsbedingungen Öffentlichkeiten prägen. Unter dem Begriff „subalterne Gegenöffentlichkeiten“ fasst sie jene Gruppen und Teilöffentlichkeiten zusammen, die (gerade) aufgrund ihrer marginalisierten Position in der Gesellschaft eine „Modernisierungsressource“ (Klaus/Drüeke 2012: 9) darstellen: Subalterne Gegenöffentlichkeiten versteht sie als „parallele diskursive Räume“, in denen untergeordnete soziale Gruppen „Gegendiskurse erfinden und in Umlauf setzen, die ihnen wiederum erlauben, oppositionelle Interpretationen ihrer Identitäten, Interessen und Bedürfnisse zu formulieren“ (Fraser 1996: 163). Fraser spricht dabei von einem Doppelcharakter subalterner Gegenöffentlichkeiten: „Einerseits ermöglichen sie das Zurückziehen und die Neugruppierung, andererseits sind sie Übungsfeld einer Umgestaltung, die auf breitere Öffentlichkeiten zielt“ (ebd.: 164). Gerade diese Dialektik bildet die Basis für das progressive Potential subalterner Gegenöffentlichkeiten: Indem diese aufgrund ihrer marginalisierten Position gezwungen sind, sich Stimme und Gehör zu verschaffen, bringen sie neue Themen, neue Sichtweisen und somit neue Diskussionsstränge ein. Indem sie Mitbestimmung erkämpfen und Privilegien dominanter Machtverhältnisse auszugleichen suchen, intervenieren sie in einen bestehenden Diskurs. Fraser fasst Diskurs folglich als eine explizit polare, auch widersprüchliche Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Öffentlichkeiten. Denn erst eine solche diskursive Auseinandersetzung erfordert kritisches Verständnis und Selbstermächtigung – und ist somit die Voraussetzungen für demokratische Funktionsweisen. Dass „Konsens durch Dialog“ (Mouffe 2007b: 157) nicht Intention von Öffentlichkeit sein kann, hat auch Chantal Mouffe mit dem Begriff „Antagonistische Öffentlichkeit“ betont und den ‚Konflikt‘ ins Zentrum von Öffentlichkeit gestellt. Aus demokratietheoretischen Überlegungen heraus argumentiert sie, dass „die Bedeutung des Dissens für die demokratische Gesellschaft übersehen“ wird (Mouffe 2007a: 42). Denn diese Bedeutung steht für sie im Widerspruch zu einer gesellschaftspolitischen Struktur, in der das
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Herstellen von Konsens stets mit hegemonialen Interessen verbunden ist. Fragen und Annahmen über Macht sind entscheidend für ein demokratisches Öffentlichkeitsverständnis, dessen zentrales Merkmal die Auseinandersetzung mit dem „Anderen“ (Mouffe 2007a: 45) darstellt. Diese Auseinandersetzung mit anderen, unterschiedlichen, auch widersprüchlichen Perspektiven und Interessen muss (folglich) in gesellschaftliche und politische Prozesse integriert werden. Mouffe spricht in diesem Zusammenhang von einem „konfliktualen Konsens“ (2007b: 158), der als Art verbindliche Übereinstimmung über Einstellungen interpretiert werden kann und die Akzeptanz von Diversität meint, jedoch widersprüchliche Interpretationen impliziert und implizieren muss: „Aus dieser Perspektive besteht der Zweck demokratischer Institutionen nicht in der Herstellung eines rationalen Konsenses in der Öffentlichkeit, sondern in der Entschärfung des Potenzials für Feindseligkeiten, das in menschlichen Gesellschaften existiert, indem die Transformation von Antagonismus in ‚Agonismus‘ ermöglicht wird.“ (Mouffe 2002: 104, zit. in Sheik 2004: o.S.) Partizipatorische Öffentlichkeiten und kultureller Wandel Der Kommunikationswissenschaftler Jeffrey Wimmer hat sich in seiner Promotionsschrift „(Gegen-)Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft“ (2007) intensiv mit Konzepten von Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit, darunter auch explizit Nancy Frasers Konzepten, auseinandergesetzt. In einem Fazit aktueller Entwicklungen und Ansätze zu Öffentlichkeit entwickelte er ein Modell39 (vgl. Wimmer 2007: 236; 243f.), das sich aus drei Komplexitätsebenen von (Gegen-)Öffentlichkeit zusammensetzt und auf das 3-EbenenModell von Klaus verweist: Wimmer geht bei diesem Modell von einer sozialen Mikroebene, die sich durch einfache, individuelle Interaktionssysteme kennzeichnet, einer organisationalen Mesoebene sowie einer gesellschaftlichen Makroebene aus – Gegenöffentlichkeit bezieht sich auf all diese drei Ebenen:
39 Wimmer geht – analog zu Klaus – von einem dreistufigen Modell zu Öffentlichkeit aus, das auf das Arena-Modell von Gerhard/Neidhardt (vgl. Wimmer 2007: 111) aufbaut.
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Erstens werden kritische Teilöffentlichkeiten definiert, die ihre als marginalisiert empfundenen Positionen, welche oft auch als Gegenöffentlichkeit bezeichnet werden, mit Hilfe von alternativen Medien und Aktionen innerhalb des massenmedialen Öffentlichkeit Gehör verschaffen möchten (= alternative Öffentlichkeit). Zweitens bezeichnet Gegenöffentlichkeit auch kollektive und dabei vor allem politische Lernund Erfahrungsprozesse innerhalb alternativer Organisationszusammenhänge wie z.B. neue soziale Bewegungen, nichtstaatliche Organisationen (= partizipatorische Öffentlichkeiten). Drittens verweist der Begriff auf die versuchten Einflussnahmen zumeist unorganisierter Aktivisten auf massenmediale Öffentlichkeit (= Medienaktivismus). (Wimmer 2007: 237)
Wimmers Modell bezieht sich (ebenfalls) auf einen medialen und hier vor allem massenmedialen Kontext. Die Grenzen zwischen den drei Ebenen sieht Wimmer als „stark fließend“ und „kontingent“ (Wimmer 2007: 237) an. Das bedeutet, dass der Prozess um das Herstellen von Gegenöffentlichkeit(en) nicht eindimensional verläuft. Die drei Ebenen bedingen sich vielmehr gegenseitig. In Bezug auf kulturellen Wandel formuliert dieses Modell ähnliche strukturelle Vorgänge und Zusammenhänge wie das 3-Ebenen-Modell von Elisabeth Klaus: Eine (medien-)aktivistische (Teil-)Öffentlichkeit stellt in einer Gegenposition zu den von komplexen Öffentlichkeiten und auf Makroebene vermittelten Inhalten die Basis zum Herstellen von (Gegen-) Öffentlichkeit dar. Auf Mikroebene sind es vor allem Individuen und engagierte Einzelpersonen, die eine bis dato so nicht wahrgenommene Perspektive oder ein marginalisiertes Thema öffentlich sichtbar machen wollen. Dazu „intervenieren“ sie in eine „massenmediale“ (Wimmer 2007: 241) Öffentlichkeit, die eben diese ausgeblendete Perspektive nicht wahrnimmt oder nichts zu ihrer Wahrnehmung beiträgt. Über dieser Mikroebene wird mittels einflussnehmender „Projekte“ (ebd.)40 versucht, eine spezifische Teilöffentlichkeit beziehungsweise Öffentlichkeiten der Mesoebene zu mobilisieren oder eine solche herzustellen. Diese Mesoebene, von Wimmer auch „partizipatorische Öffentlichkeit“ genannt, stellt als „Bewegungsöffentlichkeit […] in der Tendenz keine kommunikative Teilnahme zur Stabilitätsverbesserung des bestehenden
40 Wimmer führt u.a. Kommunikationsguerilla, Aufbau alternativer Medien, Kampagnen, subversive Maßnahmen (vgl. 2007: 241f.) an.
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Systems dar“ (Wimmer 2007: 240), sondern trägt vielmehr zu einem Aufbau von Gegenmachtspositionen bei. Die Einstellungen, die auf dieser Mesoebene zum Ausdruck gebracht werden, werden dabei „hauptsächlich intern medial vermittelt“. Anders formuliert: Es wird ein (medialer) Kommunikationsraum hergestellt, der eine „organisierende Funktion“ (Wimmer 2007: 241) hat und Raum für eine „Vielzahl partizipatorischer Öffentlichkeiten aus dem Bereich der Zivilgesellschaft“ (Wimmer 2007: 236) schafft. Über diese partizipatorische Öffentlichkeit als Mesoebene bildet sich in ihrer Verfestigung und Verbreiterung eine Makroebene aus, die als „alternative Gegenöffentlichkeit“ (Wimmer 2007: 239) zunehmend Sprachrohrfunktion und Resonanz innerhalb einer komplexen bzw. massenmedialen Öffentlichkeit einnimmt. Gegenöffentlichkeiten kennzeichnen sich folglich nicht nur durch eine „Gegenthematisierung“ (Wimmer 2007: 243), sondern verstärkt auch durch ihre eigene Infrastruktur und ihre eigene (mediale) strukturelle Formation. Ulla Wischermann, die sich mit dem Herstellen von (Gegen-)Öffentlichkeit in Bezug auf Frauenbewegungen um 1900 auseinandergesetzt hat (Wischermann 2003), unterstreicht wiederum die Bedeutung von persönlichen Beziehungen für Prozesse kulturellen Wandels. Zusätzlich zu Professionalisierungsanforderungen betont sie emotionale und erfahrungsbezogene Aspekte unter den Akteuren: In ihrem (ebenfalls) dreistufigen Modell wird dieser soziale Beziehungsaspekt auf Mikroebene von einer von persönlichen Netzwerken geprägten „Bewegungskultur“ hervorgehoben, auf Mesoebene von einer „Bewegungsöffentlichkeit“, die sich durch autonome Kommunikationsstrukturen, Organisations- und Versammlungsöffentlichkeit sowie bewegungseigene Medien bildet, und auf Makroebene von der „breiten Öffentlichkeit“, auf die vor allem Massenmedien einwirken (vgl. Wischermann 2003). Auch Wischermann betont die Notwendigkeit von miteinander konkurrierenden Öffentlichkeiten für ein (demokratisches) Verständnis von Öffentlichkeit, sodass Gegenöffentlichkeiten eine unverzichtbare Ressource für demokratische Entwicklungen darstellen. (Vgl. Wischermann 2003) Doch sowohl Wimmer als auch Wischermann sehen den Terminus Gegenöffentlichkeit(en) als im Grunde missverständlich an. Denn – und hier knüpfen beide dezidiert auch an die Überlegungen von Nancy Fraser, Chantal Mouffe und Elisabeth Klaus an – ein pluralistisches Verständnis von Öffentlichkeit impliziert nicht nur Teilöffentlichkeiten, sondern auch
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beziehungsweise gerade widersprüchliche und kritische Positionen. Gegenöffentlichkeiten sind somit stets integrativer Teil von Öffentlichkeit.
D ISKURS ALS KONSTITUIERENDES E LEMENT VON Ö FFENTLICHKEIT ( EN ) Über und als Diskurse wird Öffentlichkeit verhandelt und gebildet. Ein Diskurs repräsentiert als dieses konstituierende Element damit stets auch das, was als öffentlich wahr- und angenommen wird - und somit parallel auch konstitutiv ist. So wird in den Cultural Studies unter Diskurs ein „social process of making and reproducing sense(s)” (Hartley 2002: 73) verstanden, der sich sowohl auf einen interaktiven Prozess als auch auf ein „result“ (ebd.), im Sinne eines gedanklichen und kommunikativen Ergebnisses bezieht oder beziehen kann. Dabei fußt dieses Verständnis auf Überlegungen von Michel Foucault, der Diskurs als (Verhandlungs-)Ort von Machtinteressen ansieht. Ein Diskurs ist ihm zufolge eine Konstellation von Wissen, die institutionell etablierte komplexe Wissenssysteme mitsamt den zugehörigen Praktiken und ihren dadurch zum Ausdruck gebrachten Machtinteressen umfasst. Dieses Verständnis ruft folglich die Frage nach Machtverhältnissen innerhalb von Diskursen und ihren Akteuren hervor. Zwar folgen die Cultural Studies Foucaults Verständnis von Macht als „eine Kraft […], die immer in zwei Richtungen wirkt, ‚von oben‘ und ‚von unten‘“, fokussieren sich in ihrem Interesse jedoch auf die „Idee der Intervention in gesellschaftliche Machtverhältnisse“ (Thomas 2009: 65)41. Dies schließt speziell auch Diskurse jener Gruppierungen und über jene Inhalte ein, die von einem bestehenden Diskurs ausgeschlossen sind. Diskurse und ihre kommunikativen Kontexte Unter linguistischer Perspektive wird Diskurs als vielschichtiges, verwobenes Kommunikationsrepertoire beschrieben, das aus kommunikativen Akten, mündlicher und schriftlicher Art, besteht (vgl. Mills 1997). Diese Definition verweist primär auf eine inhaltliche Ebene, die umfasst, worüber
41 Dieser Ansatz findet sich vor allem auch in der Kritischen Diskursanalyse wieder.
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welche Aussagen getroffen werden, und sekundär auf eine Ausdrucksebene, die bestimmt, in welchen Formaten diese Aussage zum Ausdruck gebracht wird. Dieses Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten und Formaten kann als „Perspektive der Anschauungen, Werte und Kategorien“ (Mills 1997: 5) verstanden werden, die im Diskurs ihren Ausdruck findet und folglich diesen entscheidend definiert. Maßgeblich ist ein Diskurs dabei auch von seinem kommunikativen Kontext, in dem diese Aussagen und Formate artikuliert werden, bestimmt. So kann Diskurs „als ein Geflecht von Bedeutungen“ und als „das umfassende Feld der Produktion und Zirkulation regelbestimmter Aussagen“ (Mills 1997: 8) aufgefasst werden. Der Kontext, in dem ein Diskurs stattfindet, prägt diesen, indem „innerhalb von Machtbeziehungen produziert“ (ebd.) wird: „Es handelt sich um ein komplexes und wechselhaftes Spiel, in dem der Diskurs gleichzeitig Machtinstrument und -effekt sein kann, aber auch Hindernis, Gegenlager, Widerstandpunkt und Ausganspunkt für eine entgegengesetzte Strategie. Der Diskurs befördert und produziert Macht; er verstärkt sie, aber er unterminiert sie auch, er setzt sie aufs Spiel, macht sie zerbrechlich und aufhaltsam.“ (Foucault 1983: 100)
So kann Diskurs42 nicht als singuläres Phänomen verstanden werden, sondern findet als eine Vielzahl von Diskursen oder auch Diskurssträngen statt, die sich um einen Diskurs und innerhalb desselben bilden. Jeder Diskurs ist dabei in „ein Formationssystem von Wissenssegmenten“ eingebettet, „die die Produktionsbedingungen für Äußerungen steuern und Produktions-, Strukturierungs- und Ausschließungsmechanismen indizieren“ (Fraas/ Klemm 2005: 2). Ein Diskurs meint damit auch immer einen Artikulationsraum, der bestimmt, welcher Diskurs überhaupt geführt wird – und welcher nicht. Somit ist oft ein dominanter und auch hegemonialer Diskurs vorherrschend, der innerhalb einer Gesellschaft institutionell, etwa durch Gesetze
42 Im Gegensatz zu Habermas, dessen Diskursverständnis vor allem einen Verständigungs- und kommunikativen Handlungsprozess umfasst, hat Michel Foucault speziell diese Bedeutung von Machtverhältnissen analysiert und thematisiert und damit einen konstruktiv verwendeten Diskursbegriff in die wissenschaftliche Auseinandersetzung eingeführt.
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oder soziale Strukturen verankert ist und der prägenden Einfluss und die höchste Wirksamkeit auf gesellschaftliche Sichtweisen und diskursive Praxen hat. Diesen dominante Diskurs und die damit verbundenen Bedeutungen versuchen sogenannte Gegendiskurse anzugreifen. Es bilden sich neue Diskursstränge, die sich den vorherrschenden entgegenzusetzen suchen. Dies impliziert, dass ausgeblendete Themen und Anliegen, also jene, denen durch dominante Diskurse und ihre kommunikativen Kontexte kein Artikulationsraum gegeben wird, zur Sprache gebracht und öffentlich werden. Dabei sind Effekte auf das gesellschaftliche oder eigene Leben, die individuelle Lebenswelt, oft Ursache für die Entwicklung dieser gegenläufigen Diskurse. Gerade in dieser Wirkung auf das gesellschaftliche Leben von Individuen verweisen Diskurse auf eine interpersonale Dimension (vgl. Fraas/Klemm 2005: 1). Doch wie erlangen Diskurse, die auf einer persönlichen Mikroebene geführt werden, (wiederum) gesellschaftliche Bedeutung und werden öffentlich (verstärkt) wahrgenommen? Die Bedeutung diskursiver Ereignisse Bezogen auf Foucault manifestieren sich Diskurse über Aussagen (‚enconcé‘) als „Aussagenensembles, in denen auf gesellschaftlicher Ebene eine Thema verhandelt wird“ (Fraas/Klemm 2005: 4). Doch erst in einer Verdichtung (als Ereignis) und Regelhaftigkeit können sich diese etablieren und somit einen bestehenden Diskurs prägen, ja sogar nachhaltig verändern: „Wenn ein epistemistisches Element (enoncé, Anm.: eine Aussage) in einer diskursiven Umgebung, also in einer Äußerung spontan und unvorhergesehen auftritt, erscheint es als ‚Ereignis‘. Wenn solche Ereignisse häufiger auftreten und damit zu Keimzellen diskursiver Formationen werden bilden sich ‚Serien‘. Durch die Verdichtung von Serien diskursiver Ereignisse etablieren sich neue diskursive Strukturen und bilden so ‚Regelhaftigkeit‘.“ (Fraas/Klemm 2005: 3)
So impliziert die gesellschaftliche Dimension von Diskursen, dass Aussagen und Ereignisse distribuiert und öffentlich sichtbar gemacht werden. Dafür sind „Vermittlungsinstanzen“ erforderlich, die „Themenimpulse“ auf „Plattformen und in sozialen Medien“ (Fraas/Klemm 2005: 4) aufgreifen und ver-
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breiten43. Dieser Zusammenhang von individueller Mitsprache, Ereignis und dem Potential auf Veränderung im Kontext des Diskursbegriffs lässt sich auf Basis folgender zentraler Begriffe erörtern, die seitens Vertretern einer Kritischen Diskursanalyse verwendet werden (vgl. Jäger 2012: 80 ff.): •
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Diskursstränge: Innerhalb eines Diskurses existieren verschiedene Themenfelder, auf die sich der jeweilige Diskurs bezieht. Aus der jeweiligen Perspektive und Interessenshaltung von spezifischen Gruppierungen und auch innerhalb eines bestimmten zeitlichen Abschnittes bilden diese eine thematische Einheit innerhalb eines (breiteren) Diskurses. Diese Diskursstränge könnten auch als Diskurse innerhalb eines Diskurses bezeichnet werden. Diskursfragmente: Wie ein Puzzle setzt sich ein Diskursstrang – und somit auch jeder Diskurs – aus einzelnen Fragmenten zusammen, die häufig auch als Texte bezeichnet werden. Ein Diskursfragment meint einen bestimmten Bezugspunkt oder einen „Textteil“ (Jäger 2012: 80), der sich mit einem bestimmten Thema befasst. Mehrere Diskursfragmente zu ein und demselben Thema lassen sich zu einem Diskursstrang verbinden. Diskursive Ereignisse: Generell sieht Jäger Ereignisse dann als diskursiv an, wenn sie besonders hervorgehoben werden und wenn sich in einem Ereignis zahlreiche Diskursstränge bündeln und verdichten. So haben diese – zumeist von den Medien besonders betont – eine besonders prägende Wirkung und bestimmen den Diskursverlauf, oder können diesen sogar in eine neue, auch konträre Richtung beeinflussen. Diskursebene: Verschiedene Diskursstränge befassen sich mit unterschiedlichen Bezugsebenen eines Themas (Alltag, Politik, Medien etc.) und können auch als „soziale Orte“ (Jäger 2012: 84), von denen aus ein Diskursstrang artikuliert wird, bezeichnet werden. Diese Diskursebenen können sich auch aufeinander beziehen. Diskursposition: Dieser soziale Ort spiegelt sich auch, jedoch auf einer individuelleren und alltäglicheren Ebene, in der Kategorie der Diskursposition wider. Diese Kategorie umfasst somit den jeweiligen Stand-
43 Diese Vermittlungsinstanzen entsprechen der Mesoebene im Modell Wimmers oder den mittleren Öffentlichkeiten im Konzept von Elisabeth Klaus – und verweisen erneut auf die Notwendigkeit einer (kollektiven) Formierung.
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punkt, den ein Individuum oder eine Institution innehat und auf dessen Grundlage die Einschätzung eines Diskurses oder die Teilnahme an diesem erfolgt. Speziell die Kategorie der Diskursposition erläutert, inwiefern Individuen bei der Entstehung eines Diskurses und somit bei der Konstitution von ‚Wirklichkeit‘ eine zentrale Rolle einnehmen: Indem sie diskursive und nichtdiskursive Praxen44 ausführen, prägen sie den jeweiligen Diskurs (mit) und verfestigen diesen. Wird über das Handeln von Individuen ein Diskurs in bestimmter Weise geprägt und gefestigt, dann wird in und mittels Diskursen Macht ausgeübt, da diese durch individuelles und kollektives Handeln bestimmt werden. Diese Macht ist somit Ausdruck individueller und kollektiver Handlungen. Macht ist damit nicht nur – wie bei Foucault – institutionell besetzt, sondern bildet sich über ein komplexes Gebilde aus individuellem, kollektivem und institutionellem Handeln. Der Sprachwissenschaftler Norman Fairclough, ebenfalls Vertreter der kritischen Diskursanalyse, betont analog die soziale Konstitution und Konstituierung von Diskursen (vgl. Fairclough 1992: 64) wobei er diese in ihrer Veränderbarkeit in einem Wechselspiel von (vorherrschendem) Diskurs und Gegen-Diskursen verortet sieht: Social and cultural changes very often manifest themselves discursively through a redrawing of boundaries within and between orders of discourse […] These boundaries are also sometimes a focus of social struggle and conflict. Indeed, orders of discourse can be seen as one domain of potential cultural hegemony, with dominant groups struggling to assert and maintain particular structuring within and between them. (Fairclough 1992: 56)
Die soziale Konstitution eines Diskurses ist folglich mit ihrem Bestand, aber auch ihrem Wandel, also einem Aufbrechen des vorherrschenden Diskurses verbunden. Faircglouh sieht „Ereignisse“ ebenfalls als besonders wesentliche Komponente für den Diskursverlauf an. Er nennt sie „kommunikative Ereignisse“ (Fairclough 1992: 56) und versteht darunter kommunikative Produkte wie zum Beispiel das Vorwort einer Zeitung oder auch eine
44 Mit diskursiven Praktiken sind sprachliche Handlungen, mit nichtdiskursiven Praktiken Gesten oder Handlungstätigkeiten gemeint (vgl. Jäger 2012: 21f.).
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Fernsehdokumentation. Diese Ereignisse können bestehende kommunikative Formate und Gattungen aufgreifen, aber diese bekannten Elemente auch in neuer Art und Weise nutzen, also verändern. Speziell mit einer adaptierten Nutzung oder auch Schaffung neuer kommunikativer Formate und Gattungen wird nicht nur Raum für (neue) Diskurse geschaffen, sondern auch die Diskursstruktur und somit der kommunikative Kontext einer (vorherrschenden) Diskursformation aufgebrochen und folglich verändert. Dennoch bleiben sowohl der geläufige Diskursinhalt als auch sein Kontext stets Referenzrahmen. Diese kommunikativen Ereignisse entsprechen dem Verständnis des „diskursiven Ereignisses“ (Jäger 2012: 82) von Siegfried Jäger, wobei dieser zwischen einem „Diskursmoment“ und einem „diskursiven Ereignis“ (ebd.) unterscheidet. Denn ob ein „Diskursmoment“, das ebenfalls ein Ereignis im Diskursverlauf darstellt, zu einem diskursiven Ereignis wird, hängt von „dem weiteren Kontext, in dem es auftaucht“ (ebd.) ab. Speziell in Bezug auf Gegendiskurse und das Herstellen von Öffentlichkeit für marginalisierte oder ausgeblendete Positionen ist diese Unterscheidung wesentlich: Denn der kommunikative Kontext (wie institutionelle, soziale oder rechtliche Verankerungen) ist oft sogar ausschlaggebend für die „Aufwertung“ eines Moments zu einem diskursiven Ereignis. Oft kann erst ein diskursives Ereignis einem Gegen-Diskurs jenen Gehalt und jenes Gehör verschaffen, was ohne dieses kaum zu bewerkstelligen gewesen wäre.45 Speziell für jene Diskurse, die eine Neuverhandlung oder Adaption von bestehenden Perspektiven und Handlungen intendieren, ist folglich dieses diskursive Ereignis von zentraler Bedeutung. Es stellt das zentrale Verfestigungsmoment für die diskursive soziale Konstitution dar.
Ö FFENTLICHKEIT ALS DISSENSORIENTIERTER K OMMUNIKATIONSRAUM In einem demokratischen Verständnis sind, wie Mouffe, Wimmer, Klaus und Fraser verdeutlicht haben, gegenläufige, widerständige Diskurse Be-
45 Siegfried Jäger erläutert dies am Beispiel des Atomreaktorunfalls in Tschernobyl, der als diskursives Ereignis im Diskurs rund um Atomenergie und seiner Diskursstränge diesen radikal verändert und beeinflusst hat.
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standteil, ja Wesenszug von Öffentlichkeit. In diesem Sinne kann von Öffentlichkeit auch als Dissensraum gesprochen werden kann. So wird Raum46 seitens der Cultural Studies „als soziale Konstruktion“ (Marchart 1999: o.S.) gefasst, wobei sich vice versa ein Verständnis des Sozialen „als räumlich konstruiert“ (ebd.) durchsetzt. Das Verständnis von Raum, der sich über soziale Praxen, aber auch Veränderbarkeit und Gestaltbarkeit definiert, greift auch die Kommunikationswissenschaftlerin Ricarda Drüeke in ihrer Analyse und Auseinandersetzung über politische Kommunikationsräume (2013) auf. Unter dem Begriff (politische) „Kommunikationsräume“ versteht sie – bezogen auf das Internet – Folgendes: Sie sind „einerseits bestimmt durch eine Zuordnung der Akteure zu verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Bereichen – sie sind aber […] geschaffene symbolische Räume, auf die sich soziale Subjekte in ihrer Identitätskonstruktion beziehen“ (Drüeke 2013: 121). Diese Räume können vielfältig strukturiert sein; unterschiedliche Funktionsweisen vorweisen und sich gezielt, dabei auch verbindend, an einfache, mittlere und/oder komplexe Öffentlichkeiten richten. Wird Kommunikation folglich weniger als „homogene Sphäre“, sondern mehr als ein „Forum des Konflikts“ (ebd.) verstanden, in dem um Bedeutungen, Werte und Identitäten diskutiert und gerungen wird, also ein Diskurs stattfindet, müssen vielfältige Akteure sowie diverse Formen der Kommunikation und Themen mit einbezogen werden. Für Prozesse, die Öffentlichkeit in einem demokratischen Sinne herstellen und leben, sind folglich „insbesondere solche Räume wichtig, die eine Verbindung zwischen verschiedenen Öffentlichkeiten herstellen können, die somit Teil des gesellschaftlichen Aushandlungsprozess[es] sind“ (Drüeke 2013: 120).
46 Der Raumbegriff ist in den letzten Jahren zunehmend in das Forschungsinteresse verschiedener Disziplinen, speziell der Soziologie, gerückt (vgl. Würmann et al. 2007: 9). Vor allem der Soziologe Henri Lefebvre mit seinen Überlegungen die Basis für neue Zugänge eines Raumverständnisses geschaffen, die in unmittelbarem Zusammenhang zu Öffentlichkeit und Diskurs stehen. So versteht Lefebvre Raum losgelöst von seiner materiellen oder geographischen Verortung als Produkt konkreter sozialer Praxen: Raum wird aktiv über individuelle und kollektive (Handlungs-)Prozesse konstituiert, wobei vice versa spezifische soziale Prozesse und Praktiken sich wiederum verräumlichen (vgl. Drüeke 2013: 45).
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Doch nicht nur im Online-Bereich, sondern, wie Oliver Marchart in „Kunst, Raum und Öffentlichkeiten“ (1999) konstatiert, an all jenen Orten und Räumen „wo Konsens zusammenbricht (= disloziert wird) und immer wieder vorübergehende Allianzen artikuliert werden müssen“ entsteht „so etwas wie öffentlicher Raum“ (Marchart 1999: o.S.). Denn der öffentliche Raum als stets auch politischer Raum bildet sich nicht dort, wo Konsens gefunden wurde und wird, sondern in Räumen, die Widerstand, Gegendiskursivität und Konflikt ermöglichen, teilweise sogar hervorrufen. Und gerade diese Räume zeichnet Öffentlichkeit in einem demokratischen Verständnis aus. Dieses Verständnis spiegelt exakt das Konzept der agonistischen Öffentlichkeit von Chantal Mouffe wider: Denn die Spezifizität der modernen Demokratie liegt „in der Anerkennung und Legitimierung des Konflikts sowie in der Weigerung, ihn durch Setzung einer autoritären Ordnung zu unterbinden“ (Mouffe 2007: 46). Und dies bedeutet, dass Demokratie und demokratische politische Strukturen aufgefordert sind, solche Räume zu eröffnen, die „konfligierende Interessen und Werte zum Ausdruck zu bringen“ (ebd.). ‚Andere Räume‘ als intervenierender Diskurstyp Raumkonzepte, die diese Konfrontation mit anderen Perspektiven und Gegendiskursivität thematisieren, greifen zumeist Foucaults grundlegende Überlegungen zu sogenannten Heterotopien auf. Bereits im Vorwort zu „Die Ordnung der Dinge“ führt Foucault47 Heterotopien – in Bezug auf Sprache – als (Sprach-)Räume bzw. „klumpige und fragmentarische Gebiete“, die „die Syntax verstören“ und die „beunruhigen“ (Foucalt 1973: 20), in seinen Überlegungen an. Er sucht damit einen „Diskurstyp“ zu bezeichnen, in dem herrschende Ordnungen anderen Ordnungen entgegengesetzt werden, die mit den Mitteln der vertrauten Diskurse nicht begriffen werden können […], das, was in unserem Denken Vertrautheiten aufrüttelt, die Ordnungen des Denkens und des Le-
47 Der Zusammenhang von Heterotopie und Sprache wird in „Die Ordnung der Dinge“ (Foucault 1973) jedoch nur kurz umrissen und speziell das Konzept der Heterotopie nur flüchtig skizziert.
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bens erschüttert, unsere Handhabung des Gleichen und des Anderen ins Schwanken bringt und uns folglich mit den Grenzen unseres Denkens und zugleich mit einem anderen Denken konfrontiert. (Tafalozy/Gray 2012: 8)
In „Von anderen Räumen“ (1967) definiert Foucault diese „Heterotopien“ als jene lokalisierbaren räumlichen Strukturen, in denen herrschenden Ordnungen andere Ordnungen entgegengesetzt und konventionelle Denkstrukturen aufgebrochen werden. Sie stellen räumliche Herausforderungen für die gesellschaftliche Ordnung dar, da sie innerhalb der Gesellschaft aus ihr heraustreten bzw. als Ort in Widerspruch zu allen anderen Orten stehen (vgl. Foucault 1967). Sie sind Räume, die einen Kontrapart zu dem „Normalen“ darstellen, die „anders in Bezug auf uns vertraute räumliche Organisationen“ (Warning 2009: 12) sind. Dieser gesellschaftliche Normalraum kann wiederum (auch) als jener Kontext angesehen werden, in dem prägende und dominante Diskurse strukturell verortet sind. Heterotopien zeichnen sich somit dadurch aus, dass sie sich abseits einer gesellschaftlichen Norm bewegen, eine Art eigenen Mikrokosmos bilden und oft mit dem Imaginären in Verbindung stehen. Sie sind ein „Inbegriff für imaginative Freiräume“ (Foucault 2012: 320), nehmen dabei aber ein konkretes, lokalisierbares Format an. Heterotopien sind dabei integrativer Teil jenes umfassenden Raumes48, der sowohl den Normalraum als eben auch Heterotopien umfasst. Heterotopien sind jedoch zumeist flüchtiger Natur, sie entstehen und verschwinden wieder, verwandeln sich oder fügen sich als Homotopien in den Normalraum ein. Temporäre Räume zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte Zentrales und wesentliches Merkmal von Heterotopien ist, dass sich in ihnen unterschiedliche Raumebenen von sozialen Konstrukten verdichten können und mehrere soziale Konstitutionen, die keine unmittelbaren Verknüpfungspunkte haben, lokal vereint werden können: „So wird das als
48 Foucault auf diesen Aspekt in „Von anderen Räumen“ nicht näher ein. Dieser umfassende Raum könnte jedoch mit „Öffentlichkeit“ erfasst werden - als jener Raum, der unsere Vorstellung von dem, was uns umgibt, prägt, strukturiert und primäre Orientierung verschafft.
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unmöglich geltende Nebeneinandertreten von Elementen in einem anderen Raum möglich gemacht, in dem Dinge in sich selbst geordnet werden können.“ (Tafazoly/Gray 2012: 11) Dabei beziehen sich diese Heterotopien zwar stets auf das, was als „gesellschaftlicher Normalraum“ verstanden werden kann, durchbrechen diesen aber in ihrer Illusion und Verdichtung. Aufgrund ihrer Andersheit eröffnen sie einen Erfahrungsraum, der sich nicht in und mit konventionellen Wahrnehmungsstrukturen und geläufigen Interpretationsschemata (per se) erschließen lässt. Derart lassen Gegenräume gedankliche Leerstellen entstehen, die jene illusionären Freiräume eröffnen, die imaginative Prozesse in Gang setzen. So pendeln diese Räume zwischen „Fakt und Fiktion“ (Wetzel 2009: o.S.), wobei Fiktion eine „undurchschaubare Illusion“ und einen „reflektierten Kompensationsraum“ (Warning 2009: 13) meint. Dieses Verhältnis von „Fakt und Fiktion“49 initiiert ästhetische Erfahrungsprozesse oder hat das Potential diese zu initiieren. Denn speziell in ästhetischen Erfahrungsprozessen spielen Raumkonstellationen eine wesentliche Rolle: „Wenn wir uns einer ästhetischen Erfahrung hingeben, so begeben wir uns damit in ästhetische Räume, die von den faktischen Räumen durchaus unterschieden sind“ (Brandstätter 2012: 176), womit die Bedeutung von diesen anderen Räumen für ästhetische Prozesse umschrieben wird. Künstlerischen Strategien wie etwa der Verdichtung, Verfremdung, Erhöhung oder Subversion unterstützen jene Prozesse der Imagination, die einen Erfahrungsraum bieten, der abseits einer kollektiven Norm oder individuellen Normvorstellungen Deutungs- und Handlungsoptionen eröffnet und Alternativen zum Gängigen zulässt.
49 In der Kommunikationswissenschaft bezieht sich das Verhältnis von Fakt und Fiktion primär auf Fragestellungen des Infotainments bzw. Unterhaltungsaspekte in medialen Vermittlungsformaten. Diese Debatte ist hier nicht gemeint, vielmehr orientiert sich Warning an dieser Stelle an literaturtheoretischen Begriffsbestimmungen: Mit ,Fiktion‘ ist eine Aussage und Darstellung eines Sachverhalts oder Geschehens ohne überprüfbare Referenz gemeint, und verweist – wie bereits Aristoteles formuliert hat – auf etwas, das geschehen könnte. Durch ihre ,Kontextfaktoren‘ bezieht sich Fiktion als gedankliches Konstrukt zwar auf das, was unter ,Wirklichkeit‘ verstanden wird, bleibt dabei aber eine (rein) imaginäre Vorstellung dessen, was auch ,Wirklichkeit‘ sein könnte.
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Diese Mikrokosmen, wie ich diese anderen Räume (in) der Kunst vorerst bezeichnen möchte, sind dabei von einer Zeitspanne geprägt, einer sogenannten Diskontinuitätserfahrung, die Zeit abseits eine traditioneller Zeitwahrnehmung erfahren lässt. Denn diese Mikrokosmen weisen einen ereignishaften Charakter auf, der sich vor allem über seine „Öffnung“ und „Schließung“ (Warning 2009: 13) markiert und somit ein bewusstes Eintreten und eine Teilhabe für eine bestimmte Zeitspanne bedingt. Für den Zeitraum, in dem ein Individuum (oder eine Gruppe) diesen Raum betritt und sich auf diesen Raum einlässt, wird dieser zu einer Art eigenen Welt, zu einer Parallelwelt. Als Ort eines perspektivischen Umwertens eröffnen kunstkontextuierte Mikrokosmen folglich mittels ästhetischer Erfahrungsprozesse alternative Deutungsoptionen und zeigen in diesen Optionen auch neue Handlungsräume auf. In diesem Sinne sind sie als temporäre Kommunikationsräume zu verstehen, die verschiedene Diskursstränge verdichten und alternative, vielschichtige Diskurse eröffnen – und als Nährboden für kulturelle Produktionsprozesse angesehen werden können.
F AZIT : P ARTIZIPATIVE Ö FFENTLICHKEIT ( EN ) UND KULTURELLER W ANDEL Öffentlichkeit wird über Diskurse hergestellt und bildet sich parallel über diese ab. Diskurse sind durch ihre Mehrdimensionalität, in Form von mehreren Diskurssträngen, unterschiedlichen Diskursorten und Diskursebenen, sowie kommunikative Kontexte gekennzeichnet. Prägende Diskurse (als dominanter Diskursstrang) sind dabei oft kulturell historisch verankert und spiegeln einen vorherrschenden kommunikativen Kontext wider. Dieser Kontext dient dem Erhalt bestehender (Macht-)Verhältnisse und blendet alternative und widerläufige Diskurse demgemäß (bewusst) aus oder unterbindet diese. Speziell für Diskurse, die eine kritische Haltung gegenüber vorherrschenden Diskursen (oder ihrer Ausblendung) einnehmen, müssen folglich ein Rahmen und eine Infrastruktur in Form von Kommunikationsräumen für Austausch und (diskursive) Ereignisse geschaffen werden. Diese Räume spiegeln eine Organisationsformation wider, in der sich eine alternative, kritische und oft temporäre Teilöffentlichkeit versammelt. Diese sucht
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Themenimpulse zu bündeln, zu distribuieren und zu verfestigen. Als partizipatorische Öffentlichkeit (Wimmer 2007) bietet sie eine strukturierte Plattform, in der individuelle, auch marginalisierte oder exkludierte Perspektiven aus ihre privaten und öffentlich kaum sichtbaren Interaktionen zusammengeführt werden. Als Raum für die Artikulation und den Austausch spezifischer Interessen übernimmt diese Plattform eine öffentliche Sprachrohrfunktion. Diese Ebene der Vermittlung greift jene interpersonalen Diskursebenen auf, die sich aus einem Widerstand und einer widerläufigen, alternativen Position gegenüber vorherrschenden Diskursen (und ihren Kontexten) bilden. Das Schaffen neuer sozialer und räumlicher Konstitutionen, die Perspektivenaustausch, Diskurs und Distribution ermöglichen, ist nicht nur unmittelbar mit dem Herstellen von Öffentlichkeit verbunden. Als dynamisches Distributionsorgan und verfestigendes Sprachrohr alternativer, dabei oft auch antizipativer Perspektiven kommt diesen alternativen Formen von Öffentlichkeit auch eine zentrale Rolle in kulturellen Produktionsprozessen zu. In ihrer meist temporären Erscheinung bilden sie eine Zwischenzone zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte. Im Wechselspiel und Doppelpass mit dem Imaginär-Ästhetischen entsteht ein (Zwischen-)Raum, der zwischen ‚Fakt‘ und ‚Fiktion‘, zwischen der Welt des Seins und des Möglichen verortet ist. Ein temporärer Mikrokosmos entsteht, der abseits gängiger Wahrnehmungsparameter und konventioneller Interpretationsschemata Raum für gedankliche Leerstellen eröffnet. Gerade die Zeitspanne und die Möglichkeit des (bewussten) Ein- und Austretens ist dabei wesentliches Kriterium, um ein Einlassen auf Prozesse ästhetischer Erfahrungen zu ermöglichen und neue (kulturelle) Deutungsoptionen, auch neue Handlungswege nicht nur erschließbar zu machen, sondern auch entstehen und wachsen zu lassen.
Zeitgenössische Kunst als kritische kulturelle Praxis Soziokulturelle Dimensionen und partizipative Strukturen
Kunst als Einladung zur Selbsterfahrung, als Dienstleistung, Sozialarbeit, politisch motivierte Intervention oder Kunstvermittlung – Phänomene wie diese prägen die Kunst besonders seit den 1990er Jahren. SILKE FELDHOFF50
Was kann Kunst? Brauchen wir Kunst? Wenn ja, wozu? Und sind solche Fragen in Bezug auf Kunst überhaupt relevant? Der Kunst wird mit Blick auf ihre gesellschaftliche Dimension das Potential zuerkannt „Unsichtbares sichtbar zu machen“ (Göschel 2012: 231). Positiv interpretiert unterstützt Kunst die Gesellschaft „auf dem Weg zu einer gerechteren Welt“ (Weibel 1999: o.S.). Vor allem ist es jedoch eine Vielzahl an Funktionen (vgl. u.a. Ursprung 2012, Kleimann/Schmücker 2001), die Kunst51 hat und haben kann. Eine soziokulturelle Dimension von Kunst ist vor allem seit und mit den 60er Jahren in das Blickfeld, aber auch Selbstverständnis von künstlerischen Aktivitäten gerückt. Speziell im Bereich der bildenden und darstellenden Künste hat sich mit und aus der Pop Art der 50er Jahre eine Kunst-
50 Vgl. Feldhoff 2009: 16 51 Der Lesbarkeit wegen wird in dieser Arbeit stets von Kunst im Singular gesprochen, umfasst jedoch die Künste in ihrer Pluralität und Vielfalt.
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strömung entwickelt, die sich vor allem als Rebellion gegen die bis dahin geltenden ästhetischen Normen verstanden hat. Kunstschaffende wie Andy Warhol, John Cage und Allan Kaprow setzen sich auf überironisierte Weise mit Themen der Alltagskultur, der Konsumgüterindustrie und Unterhaltungsbedürfnissen auseinander. Ein erweiterter Kunstbegriff manifestiert sich, Kunst wird in einem Wechselverhältnis mit gesellschaftlichen, ökonomischen, politischen, aber auch technischen und wissenschaftlichen Bedingungen zu definieren und zu verhandeln gesucht. Dieses Verständnis von Kunst weist zahlreiche Schnittstellen zu Ansprüchen und Untersuchungsfeldern der Cultural Studies auf. Das Spezifikum von Kunst, ihre Distanz, wird dabei vor allem in soziokultureller Perspektive als Verhältnis zum Alltagsgeschehen reflektiert. Denn in und aus der Distanz als Eigenart von Kunst lässt sich ihr Potential, Kommunikationsprozesse zu initiieren, erschließen. Öffentlichkeit über künstlerisches als kommunikatives Handeln aktiv herzustellen, ist vor allem eine Prämisse partizipatorischer Kunstprojekte. In ihren dialogorientieren Kunstpraxen wird der Anspruch evident, sich bewusst mit gesellschaftlichen Thematiken und Problemfeldern kritisch auseinanderzusetzen. Speziell in partizipativen künstlerischen Interventionen lässt sich dabei das Bedürfnis konstatieren, einen sozialen oder kulturellen Wandel zu initiieren – und somit aktiv in den Prozess kultureller Bedeutungsproduktion einzugreifen.
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Der Kulturbegriff der Cultural Studies bricht mit der Dichotomie einer Hochkultur52 und einer Alltags- sowie Populärkultur. Er richtet sich „gegen ein traditionelles ästhetisches Kulturverständnis“, „das einen hochkulturellen Kanon zum Maßstab für kulturelle Ausprägungen nimmt“ (Goldbeck 2004: 31). Diese Auflösung impliziert auch ein Kunstverständnis, das offen ist für unterhaltsame und leicht(er) rezipierbare Kunstformen und -praxen. Indirekt nehmen die die Cultural Studies damit auch Stellung zu einem Kunstverständnis (und in weiterer Folge Kulturverständnis), das von Theo-
52 Im Sinne von Kunst als elitäres Bildungsgut
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dor Adorno mit dem „Ende der Kunst“ (Adorno 1974: 33) bezeichnet worden ist. So definiert(e) die Frankfurter Schule (wahre) Kunst als autonomes, gesellschaftlichen und ökonomischen Einflüssen sich zu entsagendes Phänomen, als „gesellschaftliche Antithesis zur Gesellschaft“ (ebd.). Speziell Adorno vertritt dabei die Auffassung, dass Kunst als notwendiger Gegenpol zu einer speziell nach 1950 von ökonomischen Prinzipien geprägten Gesellschaft losgelöst agieren müsse. Mit diesem Postulat richtet er sich vor allem gegen eine zunehmende Professionalisierung des Kulturbetriebs und die daraus resultierenden „Verbreitung des Kulturkonsums“ (Menger 2006: 20). Denn die Tendenz Kunst (auch) unter ökonomischer53 Perspektive zu betrachten, diene nicht der Kunst, sondern entkräfte und verzerre den kritischen und künstlerischen Innovationsgehalt: Die von der Kulturindustrie Überlisteten und nach ihren Waren Dürstenden befinden sich diesseits der Kunst: darum nehmen sie ihre Inadäquanz an den gegenwärtigen gesellschaftlichen Lebensprozess – nicht dessen eigene Unwahrheit – unverschleierter wahr als die, welche noch daran sich erinnern, was einmal ein Kunstwerk war. (Adorno 1974: 32)
Adorno sieht die Kulturindustrie und mit ihr das Aufkommen einer Massenkultur als Instrument hegemonialer Machtinteressen, die eine Bedrohung für eine autonom und kritisch agierende Kunst(-Szene) darstellen. Die „Andersheit der Kunst“ (Bertram 2005: 142), die Adorno in der „ästhetischen Erfahrung“ als Bruch mit den alltäglichen Formen des Verstehens verortet, wird im Konsumieren, das Adorno in Widerspruch zum Wahrnehmen und Anerkennen sieht, vernichtet. Konsumieren subsumiere stets eine Projektion eigener Verstehens- und Interpretationsweisen und lösche exakt jenen – für die Kunst wesentlichen – Moment des Bruchs mit eigenen und traditionellen Sichtweisen aus. Adorno vertritt dabei jedoch ein Kunstverständnis, das sich an einem „Stimulus-Response-Ansatz“ (Goldbeck 2004: 103) orientiert, und das Publikum weniger als mündiges Wesen mit Urteilsvermögen und Kritikfähigkeit, sondern vielmehr als Kunstrezipienten begreift, die den „ideologischen
53 Wobei hier durchaus auch eine kulturökonomische Perspektive gemeint ist beziehungsweise gemeint sein kann.
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Inhalten“, die über Kunst vermittelt bzw. aufgegriffen werden, „hilflos ausgeliefert“ (ebd.) sind. Dieses Verständnis wird unter einer Cultural Studies Perspektive sehr kritisch verhandelt, da gerade populär-kulturelle Texte, zu denen u.a. auch künstlerische Produktionen mit niedrigschwelligem Zugang oder alltägliche Kulturgüter zu zählen sind, ein hoher Stellenwert in kulturellen Entwicklungsprozessen einzuräumen ist. So wird auch die Unterscheidung von Unterhaltung und Kunst, die Adorno gezogen hat, seitens der Cultural Studies aufgehoben. Das Kunstverständnis hat sich seit Adorno jedoch auch in der Kunstwissenschaft und Kunstwelt kontinuierlich verändert.54 So schreibt die österreichische Kuratorin und Kunstwissenschaftlerin Stella Rollig über Adornos Kunstverständnis im Kontext partizipativer Kunstpraxen: Theodor W. Adorno ging davon aus, dass Kunst im Zeitalter der Massenmedien und der Kulturindustrie zerfällt in eine den Massen zugängliche, das heisst verständliche, also populäre Kultur und eine sperrige, verschlüsselte, sich entziehende Avantgarde, deren Hermetik und Elitismus er als Reservoir von Widerstand verteidigt. Damit leugnet er die Möglichkeit einer emanzipatorisch-partizipativen Kunstpraxis. (Rollig 2000: online)
Gerade diesem Verständnis einer partizipativen Kunstpraxis stehen die Cultural Studies nahe. Denn die Bedeutung kultureller Praxen als das, was als Kultur gelebt, ständig neu verhandelt, aber auch produziert wird, steht im Vordergrund. Der Kunst als eine (spezifische) dieser kulturellen Praxen kann dabei eine zentrale Rolle zukommen. Diese soziokulturelle Funktion (von Kunst) ist seitens der Cultural Studies bisher vor allem im Bereich der sogenannten Populärkultur und in subkulturellen Szenen und ihren Praxen untersucht worden. So wird gerade die Populärkultur als aktives kulturelles Handeln (vgl. Fiske 1989) angesehen. In diesen Szenen sind künstlerisch-kulturelle Praxen wie Culture Jamming, Graffiti oder Hip-Hop Ausdruck und Handlungsraum einer spezifischen Lebensumwelt (vgl. Vogelsang 2006). Die gesellschaftliche und vor
54 Partizipatorische Kunstprojekte werden im und seitens des (zeitgenössischen) Kunstsektors) auch sehr kritisch betrachtet. Diese Debatte wird in dieser Arbeit jedoch nicht verhandelt.
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allem auch gesellschaftspolitische Dimension von Kunst55 kann damit als Interessensschwerpunkt der Cultural Studies angesehen werden. Denn in dieser kommt indirekt ein Kunstverständnis zum Ausdruck, das Kunst in einem soziokulturellen Kontext verortet und verschiedene, auch niedrigschwellige und dennoch kritische Kunstformen in den Kunstbegriff integriert. Im „Cultural Studies Reader“ stellt Simon During fest, dass die Cultural Studies sich relativ wenig auf Fragen der Kunst und noch weniger der Ästhetik beziehen: Die Cultural Studies „have pretty much refused to engage the question of aesthetics“ (2007: 416). During lässt den Kulturkritiker Cyril Lionel Robert James mit dessen Essay aus dem Jahre 1963 die Frage „What is Art?“ (ebd.: 416ff.) beantworten56. In „Beyond a Boundary“ stellt James die These auf, dass die Sportart Cricket Kunst sei und ähnliche, sogar analoge ästhetische Werte („values“) aufweise, wie Skulpturen, Theaterstücke oder Gemälde (vgl. James 1963, zit. in During 2007: 416). James‘ Verständnis folgend, zeichnet sich Kunst vor allem durch ein Spannungsfeld von dramaturgischen Komponenten wie Erwartung und Überraschung, durch „quality of style“ (ebd.: 422) aus. Dieses Zusammenspiel von Form und Inhalt bleibt durch ihre stete Bewegung57 offen und löst Emotionen aus. In ihrem Kunstbegriff, sofern von einem solchen überhaupt gesprochen werden kann, folgen die Cultural Studies daher (eher) dem Kunstverständnis von Umberto Eco. In „Das offene Kunstwerk“ (1998) betont er das Interpretationsspektrum und die Deutungsvarianten in (modernen) künstlerischen Arbeiten und sieht die Rezipienten58 als am Entstehungsprozess von
55 Unter Soziokultur versteht man die Summe aus kulturellen, sozialen und politischen Interessen und Bedürfnissen einer Gesellschaft beziehungsweise einer gesellschaftlichen Gruppe, eine „kulturelle Praxis mit starkem Gesellschaftsbezug“ (Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V. 2009: o.S.). Mit dem Begriff wird – im Kunst- und Kultursektor – eine direkte Hinwendung von Akteuren und Kunstschaffenden zu gesellschaftlichen und alltäglichen Themenstellungen bezeichnet. 56 Im Grunde wird damit die Frage nach einem Verständnis von Kunst im Sinne der Cultural Studies als Verweis gestellt und indirekt beantwortet. 57 Auch ein In-Bewegung-Sein 58 Umberto Eco bezeichnet diese als „Leser“ (Eco 1998).
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Kunst beteiligt an (vgl. Goldbeck 2004: 69ff.). Eco betrachtet ein Kunstwerk als „mehrdeutige Botschaft“ und als „Mehrheit von Signifikaten, die in einem einzelnen Signifikanten enthalten sind“ (Eco 1998: 8). Er weist somit Offenheit als zentrale ästhetische Kategorie der modernen Kunst aus. Das bedeutet, dass jedes Kunstwerk „in wechselnden Rezeptionen immer anders interpretiert werden kann“, dabei jedoch stets „die eine [Herv. d. Verf.] ästhetische Form“ (Schalk 2002: 6) bleibt.59 Seitens der (zeitgenössischen) Kunst ist „die Funktion von Cultural Studies in künstlerischer Praxis und kunsttheoretischen Diskursen […] allerdings nicht einfach zu bestimmen“ (Holert 2006: 53). DuMonts „Begriffslexikon zur zeitgenössischen Kunst“ (Butin 2006) fasst verschiedene Perspektiven auf die Cultural Studies im Kunstkontext zusammen. So greifen einerseits zahlreiche Kunstschaffende „eine gewisse Motivik und Thematik“ (Holert 2006: 53) aus den Cultural Studies unmittelbar in ihren Arbeiten auf, während andererseits viele Kunstschaffende über „Inspiration“ und „die Vermittlung von Denkanstößen“ im Sinne der Cultural Studies (ebd.: 54) kaum hinausreichen. Die Cultural Studies werden vor allem „als eine Provokation herrschender kunstkritischer Verfahren“ (ebd.: 55) betrachtet und ihr Potential, „(die Kunst) zu einer „gesellschaftspolitischen Dimension“ (ebd.) zu verpflichten, betont. Das in diesem Kapitel verhandelte (partizipatorische) Kunstverständnis als kritische (sozio-)kulturelle Praxis60 lässt zahlreiche Schnittstellen zu den Cultural Studies erkennen. Verbindend ist etwa das Interesse an jenen Strömungen und Aktivitäten, die sich abseits etablierter Strukturen formieren61 und aus ihrer minoritären Position heraus aktiv in den Kreislauf kultureller Bedeutungsprozesse einzugreifen suchen. Die in der (zeitgenössischen) Kunst verwendeten Strategien verweisen dabei auf Taktiken, die durchaus auch in neuen sozialen Bewegungen oder der (freien) Kulturarbeit zum Einsatz kommen.
59 Speziell John Fiske greift diese Perspektive des offenen Kunstwerkes in seinen Texten auf, nimmt gleichzeitig aber auch Abstand von Hierarchien zwischen Kunst und Populärem. (vgl. Goldbeck 2004: 70) 60 Dieses Kunstverständnis und die damit verbundenen Kunstpraxen verweisen und beziehen sich selbstverständlich nur auf eine spezifische Sichtweise von und auf Kunst. 61 Oft auch kunstimmanente Aspekte betreffend
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K ÜNSTLERISCHE S TRATEGIEN UND KULTURELLE F UNKTIONEN „Art – Das Kunstmagazin“ beantwortet die Frage „Verstehen Sie Kunst?“ mit einer simplen Auflistung der „10 wichtigsten Strategien der Gegenwartskunst“ (Briegleb 2011). Die von Till Briegleb eher plakativ angeführten Verfahren zeitgenössischer Kunstschaffender liefern als deskriptiver Strukturrahmen jedoch einen guten Überblick über zentrale künstlerische Methoden und Strategien von Gegenwartskünstlern62. In Bezug auf soziokulturelle Funktionen von Kunst ist vor allem das Potential, Kommunikationsprozesse zu initiieren, von Bedeutung. Strategien und Praxen in der zeitgenössischen Kunst Nach wie vor zeigen sich die 60er Jahre als wesentlicher Motor und Basis jener „neuen Unübersichtlichkeit“ (Trescher 2003: 7), die eine Kategorisierung im zeitgenössischen Kunstsektor kaum zulässt. Festhalten lässt sich jedoch, dass die Kunstgeneration der Nachkriegszeit „die große Wende“ (Poetter 2004: 8) initiiert und damit eine „Kettenreaktion nach der Aufspaltung des Kunstbegriffs“ (ebd.: 9) ausgelöst hat. Zentrale Strategien der 60er Jahre sind weiterhin Bestandteil der zeitgenössischen künstlerischen Praxis, wobei diese medial, formal und konzeptionell laufend weiterentwickelt wurden. Die sich jedoch „ergebenden Entwicklungslinien“ bilden „keine wie auch immer geartete Kausalkette, sondern sie verlaufen meist dialektisch oder parallel zu einander“ (Poetter 2004: 10). Der zentrale Bruch der Moderne ist in der künstlerischen Strategie der Transformation begründet und hat seinen Ursprung bereits in Duchamps Ready-mades. Seit den 30er Jahren hat sich die Methode der Umformung
62 Briegleb bezieht sich auf Strategien der Bildenden Kunst. In der kunstwissenschaftlichen Fachliteratur (vgl. Klein 2011: 3) finden sich zu einzelnen Strategien bzw. spezifischen „Kunstsparten“ sehr umfangreiche und detaillierte Beschreibungen, eine Auflistung bzw. übersichtliche spartenübergreifende Darstellung konnte jedoch nicht gefunden werden. Der vorliegende Überblick des Art Magazins weist jedoch ein relativ breites Strategiefeld auf, unter dem sich auch Schnittstellen zu anderen Sparten wie Theater, Performance, Literatur oder auch Musik(-vermittlung) erkennen lassen.
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und Veränderung – „ein Objekt findet in einem neuen Zusammenhang eine andere Bedeutung, sein Ursprung bleibt aber erkennbar“ (Briegleb 2011: 24) – kontinuierlich weiterentwickelt. In Kombination mit weiteren künstlerischen Verfahren und Strategien erlangt ein Kunstwerk einen oft so hohen Komplexitätsradius, dass die Werke ohne ergänzende Erklärung kaum verständlich sind. Als „Störung unserer Routinen“ (Briegleb 2011: 21) nimmt die Irritation für transformatorische Prozesse in und mittels der Kunst eine zentrale Rolle ein. Sie spielt mit unseren Erwartungen und täuscht unsere Gewohnheiten auf oft humorvolle Weise. Diese Strategie spiegelt jenes grundlegende Kommunikationspotential von künstlerischen Handlungen und Werken wider, das das Aufbrechen von eingefahrenen Wahrnehmungsstrukturen ermöglicht und als eines ihrer zentralen instrumentellen Merkmale begriffen werden kann. Mit Verweis auf John Cage und Joseph Beuys führt Briegleb die „konkrete Teilhabe in Form von Mitmachen“ (Briegleb 2011: 22), also Partizipation, als weitere zentrale Strategie an: „Partizipative Kunstwerke sind als Prozess angelegt und setzen immer voraus, dass der Betrachter seine Rolle überwindet und aktiv an der Gestaltung einer Idee mitwirkt.“ (Ebd.) Ebenfalls mit Bezug auf John Cage fasst Briegleb unter Inszenierung als „Mittel des Theaters“ (ebd.: 24) wiederum all jene Verfahren der Künste zusammen, die mittels „Theatralik“, „die Überforderung des Daseins darstellen und dabei ein publikumswirksames Spektakel erzeugen“ (ebd.) wollen. Die Inszenierung von Erlebnissen, die Emotionalisierung und Involvierung des Kunstpublikums sind jene Grundpfeiler, auf denen das Happening in den späten 50er/frühen 60er Jahren gründete. Inszenatorische Strategien haben maßgeblich Strömungen der Performance Art oder der Aktionskunst beeinflusst. Die Konnektivität von Alltags- und Kunstwelt ist hierbei wesentliches Postulat eines Kunstverständnisses, das Grenzen aufzuheben und neue Erfahrungsweisen zu vermitteln sucht. Inszenatorische Strategien setzen auch zentrale Impulse für die Partizipation sowie die Narration. Mit der Strategie der Inszenierung ist folglich oft die der Narration verbunden, die kaum isoliert von anderen Strategien erfasst werden kann. Denn als „strukturierte Abfolge von Bildern, die sich chronologisch aufeinander beziehen,“ (Briegleb 2011: 27) wird sie von fast allen künstlerischen Verfahren (mit-)eingesetzt. Verschiedene Elemente treten miteinander in Beziehung und müssen unter Einbeziehung einer zeitlichen Komponente
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von den Rezipienten verknüpft werden. Als Kunst des Erzählens wird die Narration in verschiedenen Kunstsparten traditionell „als Darstellung des Verlaufs von wirklichen oder erdachten Ereignissen“ (Dinkla o.J.: online) verstanden und „hat durch die Jahrhunderte gesellschaftlichen und politischen Wandel nicht nur thematisiert, sondern auch durch formale Änderungen gesellschaftlichen Wandel signalisiert, und war selbst Ausdruck dieses Wandels“ (ebd.). Aktuell erlebt diese künstlerische Praxis „eine Renaissance“ (ebd.). Dinkla führt dies vor allem auf die Entwicklungen in den Telekommunikationstechniken zurück, die kollektive und auch non-lineare Erzählformen ermöglichen. Als spezifische „Erzählform“ in vor allem zweidimensionaler Form kommt dabei der Collage eine zentrale Rolle im Methodenkanon der zeitgenössischen Kunst zu. Diese löst, oft in Kombination mit Irritation, vor allem durch ihre divergierende Lesbarkeit „Staunen durch Merkwürdigkeit“ (Briegleb 2011: 25) aus. Denn verschiedene Elemente werden etwa bei Neo Rauch oder Daniel Richter in einer bei loser Betrachtung unzusammenhängenden Weise derart in Beziehung gesetzt, dass erst bei detaillierter Auseinandersetzung eine neuartige Betrachtungsweise zu erkennen ist.63 Als Inspektion oder Untersuchung wird jene Methodik subsumiert, die (auch) dem (aufkommenden) Bereich der Artistic Research zugeordnet werden kann. Mit Methoden der Dokumentation, der Variationsfolge, der Erstellung von Archiven oder Serien (vgl. Briegleb 2011: 23), generell auch der Recherche, Erhebung, Interpretation und Deutung sowie einer Modellbildung oder eines Experiments (vgl. Klein 2011: 3) suchen Kunstschaffende eine Systematik zu erfassen, „die dem Wesen von Phänomenen auf den Grund geht“ (Briegleb 2011: 23). Gemeinsam ist dieser systematischen Erforschung einer spezifischen Frage- und Themenstellung „der Perspektivenwechsel von einer retrospektiven Betrachtung des künstlerischen Werks
63 Die Collage wird vor allem seit Beginn des 20. Jahrhunderts in der Kunst eingesetzt, wobei sich der Begriff Collage „mit der künstlerischen Auseinandersetzung über Fragmentierung, Komplexität und Ordnung – Ordnung verstanden nicht nur als symbolische Orientierung innerhalb einer unübersichtlichen Realität, sondern als Ergebnis des Sammelns und Auswählens“ (Berlinische Galerie 2012: o.S.) verbindet. Die Collage rückt damit auch in die Nähe des Verfahrens der Dokumentation und Untersuchung und kann auch als Teil der Inspektion verstanden werden.
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– des wissenschaftlichen Ergebnisses, wirtschaftlichen Produkts – auf den vorgelagerten (Schaffens-, Forschungs-, Produktions-)Prozess“ (Joly/Warmers 2011: IX). Der Prozess selbst wird als künstlerisches Werk oder maßgeblicher Teil von diesem verstanden und in seiner Dokumentation, und oft Inspektion, als künstlerisches Werk sichtbar gemacht. Als „Antikunst“ (Briegleb 2011: 28) sucht das Prinzip der Negation sich bekannten oder konventionellen Regeln des Kunstsystems zu entsagen. Erst durch und in dieser Entsagung kann Neues entstehen, können neue Sichtweisen auf die Kunst in all ihren Facetten generiert werden. Diese Negation ist auch in Zusammenhang mit der Distanz als Eigenart der Kunst zu sehen. Sicherlich nicht nur als Strömung zeitgenössischer Kunststrategien ist Provokation dabei als bewusstes Überschreiten von bestehenden Konventionen nach wie vor ein gängiges Mittel, um durch emotionelle Reize und Empörung primär (öffentliche) Aufmerksamkeit auf eine (oft gesellschaftliche) Themen- oder Fragestellung zu lenken. Ihre Wurzeln hat auch diese Strategie im Aufbruch der Moderne, war aber speziell in der künstlerischen Reflexion gesellschaftlicher Prozesse rund um den Zweiten Weltkrieg unumstößliches Werkzeug.64 Heutzutage ist das Mittel der Provokation eher kritisch zu hinterfragen. Denn im „alltäglichen ‚Anything goes‘ der Postmoderne“ (Poschardt 2008: o.S.) ist die „Tabubruchroutine zur Herausforderung der zeitgenössischen Kunst“ (ebd.) geworden. Auch Hanno Rauterberg, einer der bekanntesten deutschen Kunstkritiker, warnt davor, der „Überbietungslogik“ (Rauterberg 2008: 109) in Form der Provokation zu verfallen. Als „kritische Stimme“ hält er es für einen Irrtum, „in der Irritation65 die eigentliche Aufgabe von Kunst“ (ebd.: 104) zu sehen. Einen spielerischen Zugang zu Provokation und Irritation führen Erwin Wurm, Pipilotta Rist oder auch Jeff Koons mit Bravour in den Me-
64 Die 60er Jahre waren Höhepunkt verschiedener Kunstbewegung, jedoch speziell des Aktionismus, die Provokation gezielt einsetzten, um – nach dem Zweiten Weltkrieg und in Zeiten aufkommenden Wohlstands – gesellschaftliche Strukturen zu thematisieren und aufzubrechen und gegen eine konservative Verdrängungsgesellschaft aufzubegehren. 65 Rauterberg spricht an dieser Stelle zwar von „Irritation“, dürfte jedoch angesichts der angeführten Beispiele „Provokation“ meinen und verwendet diese beiden Termini zum Teil synonym.
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thodenkanon zeitgenössischer Kunst ein, wenn sie Humor und Ironisierung als Mittel der Dekonstruktion einsetzen. Ergänzend können auch die Subversion, der Fake, die Bedeutungsüberhöhung sowie die Verfremdung, die Verdichtung oder auch das Prinzip der Überidentifikation als zentrale Methoden der Kunst, nicht nur der zeitgenössischen, genannt werden.66 Kulturfunktionen von Künsten Dass Kunst Funktionen hat, war lange Zeit umstritten. Ihre Funktionslosigkeit, verstanden als Autonomie, wurde als zentrales Merkmal von Kunst angesehen (vgl. Bahr 2012: 189). Erst mit dem veränderten Kunstverständnis der (Post-)Moderne hat sich diese Auffassung verändert oder zumindest partiell verändern können. So nehmen soziale Dimensionen und ein damit verbundenes intendiertes (Ein-)Wirken auf gesellschaftliche Prozesse zunehmend einen erhöhten Stellenwert in der zeitgenössischen Kunst ein, zumindest in Strömungen dieser. (vgl. Feldhoff 2006: 15f.) Dieses soziale Wirkungsfeld der Künste hat der deutsche Soziologe und Kulturwissenschaftler Max Fuchs untersucht. Er definiert Kulturfunktionen folgendermaßen: „Kulturfunktionen […] beziehen sich auf Wirkungen in der Gesellschaft, ohne die diese nicht existieren kann. Es geht um Zusammenhalt, durchaus auch um ‚Ordnung‘, und dazu […] ist es nötig, dass sie über die Möglichkeiten der Identifizierung und Unterscheidung verfügt.“ (Fuchs M. 2002: 4). Bezogen auf die Kulturfunktionen der Künste, vertritt Fuchs die Auffassung, dass „Künste wirken“ (ebd.: 1), doch ist ihr Wirkungsfeld weitreichend und steht in Relation zu jener Perspektive, unter der Kunst betrachtet wird: Denn diese reicht von einem politisch motivierten, über einen sprachwissenschaftlichen, philosophischen, soziologischen oder
66 Generell kann diese übersichtartige Beschreibung von strategischen Methoden keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit oder Systematik erheben. Auch spiegelt sie nur eine – mögliche – Perspektive zur Erfassung künstlerischer Strategien wider. Jedoch lässt sich mittels dieses Überblicks erkennen, inwiefern Kunst mit den ihr spezifischen Mitteln und Strategien auf gesellschaftliche Phänomene Bezug nimmt.
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kulturtheoretischen bis hin zu einem ökonomischen Blickwinkel auf Kunst.67 Diese Betrachtungsvielfalt drückt sich analog in den (auch potentiellen) Kulturfunktionen von Künsten aus. Ausgehend von der Frage „Wozu Kunst?“ (2001) versuchen die Kunstphilosophen Bernd Kleimann und Reinold Schmücker diese weitreichenden Funktionen von Kunst darzustellen. Als ein Ergebnis ihrer Untersuchungen stellen sie eine Übersicht an potentiellen, unter anderem kommunikativen und sozialen Funktionen auf. Auch diese Übersicht weist eine Bandbreite von den eben erwähnten gesellschaftlichen, über (rein) ästhetische hin zu politischen und ökonomischen Dimensionen auf. 68 Wenn Kunst hier im Kontext gesellschaftlicher Bedeutungsprozesse und somit primär unter soziokulturellen und kommunikativen Aspekten untersucht wird, ist dies folglich eine von zahlreichen Perspektiven, mit der Kunst betrachtet, wahrgenommen und reflektiert werden kann. Denn die Kritik einer Instrumentalisierung und Funktionalisierung ist in diesem Zusammenhang durchaus berechtigt. Speziell Kunstschaffende stehen einer systematischen, und damit einer Bedeutung zuschreibenden Einteilung widersprüchlich gegenüber. Das hängt wohl auch mit dem eingangs skizzierten historisch bedingten Autonomieverständnis von Kunst zusammen. Dies kann jedoch auch als ein Nahverhältnis zu einem hochkulturellen und traditionellen Kunstverständnis interpretiert werden: Möglicherweise stehen sich die Künste und ihre Vertreter selbst im Weg sich offensiv zu den Kulturfunktionen zu bekennen. Gerade in Deutschland steht der in der Philosophie Kants nachvollziehbare, im 19. Jahrhundert jedoch zu einem ideologi-
67 Diese zahlreichen Zugänge spiegelt eine Übersicht von Max Fuchs „Die Künste als Gegenstand verschiedener Disziplinen“ (Fuchs 2002: 17) wider. Diese bildet zwar ein eher essentialistisches Kunstverständnis ab und blendet interdisziplinäre Bezüge und Kontexte eher aus, dennoch erfasst sie das vielschichtige Bedeutungs- und folglich auch Wahrnehmungsspektrum von Kunst/ Kunstwerken. 68 In dieser Überblicksdarstellung (Kleimann/Schmücker 2001:28) werden die Künste mit (potentiellen) Funktionen meines Erachtens überfrachtet, dennoch zeigt sie auf, inwiefern die Künste aus (v.a.) Rezeptionssicht verschiedene Lesarten einnehmen können.
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schen Topos gewordene Autonomiebegriff im Zusammenhang mit den Künsten jeder Rede von ‚Wirkung‘ oder gar ‚Funktion‘ im Weg. (Fuchs M. 2002: 10)
Die Funktionen von Kunst stehen somit immer in Relation zu einem gesellschaftlich gängigen, auch individuell durch Kunstschaffende in und über ihre Kunst zum Ausdruck gelangenden Kunstverständnis. Der (eigene) Anspruch von Kunstschaffenden, aktiv an gesellschaftlichen Prozessen mitzuwirken, wird jedoch zunehmend als Aufgabe und Legitimation der (eigenen) Arbeit wahrgenommen. Distanz als Eigenart von Kunst (als symbolische Form) Die gesellschaftliche und soziale Dimension von Kunst kann mit „Selbstreflexion der Gesellschaft“ (Fuchs M 2011: 166) umschrieben werden. Um an diesen Reflexionsprozessen, die stets auch mit bestehenden und alternativen Bedeutungszuschreibungen in Verbindung zu setzen sind, partizipieren zu können, muss – wie der deutsche Kulturphilosoph Ernst Cassirer (vgl. Paetzold 2008: 89ff.) formuliert hat – ein Individuum die Möglichkeit haben, an den symbolischen Formen von Kultur, zu denen auch die Kunst gezählt wird, teilzuhaben. Erst dann können diese Formen in individueller Aneignung als Ausdruck eines selbstbestimmten Handlungsfeldes interpretiert werden. Für das Verständnis des Verhältnisses von Kunst zu Kultur ist dabei das „Problem der Eigenart der Kunst“ (Paetzold 2008: 92) von wesentlicher Bedeutung. Ernst Cassirer beschreibt diese „Eigenart“ als „Wiederentdeckung von Wirklichkeit“ (Cassirer 1990: 220), die primär intentionslos ist: „Die Kunst lässt die Formen der Welt sehen, ohne diese zu erklären.“ (Paetzold 2008: 92) Während andere kulturelle Symbole – wie etwa die Wissenschaft oder auch Sprache – die „Wirklichkeit strukturell zu erklären“ suchen, „evoziert der Symbolismus der Kunst im Betrachter ästhetische Erlebnisse, die reicher und komplexer sind als die Sinneserfahrungen des Alltags“ (Cassirer 1990: 223). Denn: „Unsere ästhetische Wahrnehmung […] schließt unendliche Möglichkeiten in sich, die in der gewöhnlichen Sinneserfahrung unverwirklicht bleiben.“ (Ebd.) In dieser Möglichkeit, sich mit Wirklichkeit und Formen dieser abseits der „gewöhnlichen Sinneserfahrung“ (ebd.) auseinandersetzen zu können, liegt das Spezifikum von Kunst. Gerade dadurch, dass künstlerische Praxen
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als kulturelle Praxen nicht – primär – den Anspruch erheben, Lösungen, Erklärungs- oder auch Handlungsmodelle, sondern sinnliche Erfahrungsräume zu generieren, kann die (zeitgenössische) Kunst Perspektiven (auch) abseits konventioneller und gängiger Erfahrungs- und Wahrnehmungsstrukturen eröffnen. Da Kunst primär die ‚Wirklichkeit‘ nicht erklären will, braucht sie Distanz69 zu dieser: Kunst nimmt nicht unmittelbar Bezug zur Alltagswirklichkeit, ja entzieht sich dieser (scheinbar), aber gerade dadurch greift sie auf ‚Wirklichkeit‘ zu – oder auch in diese ein. Kunstschaffende nehmen Bezug zu einer Alltagswirklichkeit, gerade dadurch, dass sie als Spezifikum der künstlerischen Praxis in Distanz zu ihr treten. In einer oft verdichteten und subversiven Auseinandersetzung mit (sozialen) Phänomenen und Konstruktionen von ‚Wirklichkeit‘ bringen Kunstschaffende eine differenzierte Sichtweise ein. Die vorab skizzierten zeitgenössischen künstlerischen Strategien wie Irritation, Narration, Verfremdung, Subversion und Negation können meines Erachtens als Ausdruck dieser Distanz interpretiert werden – und kommunikative Prozesse in Gang setzen. Kunst als Initiatorin von Kommunikation Wenn Kunst und Kommunikation – begrifflich – einander treffen, ist oft von einer „Ästhetisierung des Kommunikationsbegriffs“ (Baecker 2005: 17) die Rede. Damit ist gemeint, dass gerade das Einlassen auf Kunst, das Zulassen einer Auseinandersetzung mit differenzierten Wahrnehmungssträngen eine Schärfung des Kommunikationsverständnisses ermöglicht: Wird der kulturelle Bedeutungskreislauf vor allem als Kommunikationsprozess verstanden, der über Artikulation vermittelt wird, kann Kunst in diesem Prozess als Initiator von Kommunikation angesehen werden (vgl. Lang 2013: online).
69 Dieser Distanzbegriff, auf den auch Cassirer seine Überlegungen aufbaut, geht (zwar) auf Theodor Adorno und sein Verständnis eines „Doppelcharakters von Kunst“ (Adorno 1996: 340) zurück, Cassirer sieht Kunst jedoch, trotz ihr Eigenart, als eine im Verhältnis zu anderen kulturellen Symbolen analoge symbolische Form und kulturelle Praxis (und nicht wie bei Adorno im Widerspruch zu anderen kulturellen Praxen).
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Denn das bewusste Reflektieren einer neuartigen, vielleicht irritierenden Wahrnehmungsperspektive, das Einbringen und Überprüfen eigener Erfahrungsmodi, und das folgliche Aushandeln und Konstruieren von Bedeutungen weist erstaunliche Parallelen zu kommunikativen Abläufen auf. Kunst als Kommunikation kann verstärkt als aktiver Prozess einer sozialen Positionierung begriffen werden. Pointierter formuliert dies der Soziologe und Kulturtheoretiker Dirk Baecker: „Die Ästhetik positioniert das Individuum für die Kommunikation.“ (2005: 29) In seiner Frage nach dem Gelingen von Kommunikation spricht Baecker Künstlern die Fähigkeit und Aufgabe zu „die eigenen Wahrnehmungen für die Wahrnehmung durch andere, also für Kommunikation, zu präparieren“ (ebd.: 46). Er formuliert Kommunikation als einen Begriff, „der für Information, Mitteilung und Verständigung primär nicht die Referenz auf das Bewusstsein, sondern zunächst eine soziale Referenz in Anspruch nimmt“ (ebd.: 20) und greift „das Dilemma der Ästhetik als Folie zur Bestimmung eines Kommunikationsbegriffes“ (ebd.: 21) auf. Die Differenz zwischen dem „Individuum und seinem Bewusstsein einerseits“ (ebd.) und „der Gesellschaft andererseits“ (ebd.: 68) beschreibt er als analog bestimmendes Merkmal von sowohl Kommunikation als auch Ästhetik. Eine ästhetischen Erfahrung birgt das Potential eigene Sichtweisen zu hinterfragen, die Chance mit eingefahrenen Verstehensmustern zu brechen: So initiiert – laut Baecker – die Kunst eine offene Gesprächskultur, welche die Basis für das Gelingen von Verständigung und Vermittlung bedeute. Denn indem Kunst die Betrachter dazu auffordert zu urteilen, über das Kunstwerk zu sprechen, Bedeutungen auszuhandeln, lernen sie (über sich), dass sie nicht von sich aus kommunizieren, sondern zur Kommunikation gebracht werden müssen: Die Ästhetik und die ästhetische Erfahrung gibt dem Individuum somit die Möglichkeit, Gestaltungskriterien von Kommunikation wahrzunehmen. Der Dialog mit und über Kunst eröffnet ein prototypisches Kommunikationsfeld, das die Beteiligten in „einen Sog der Herstellung einer gemeinsamen Basis“ (Baecker 2005.: 38) ziehe. Vereinfacht ausgedrückt (vgl. Lang 2013: online): Der Kunst selbst ist Kommunikation immanent, aus und mit ihr entsteht die Notwendigkeit sich auszutauschen, in einen Dialog zu treten.
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Der Kunst als ein Feld symbolischer Formen kommt vor allem in der Gegenwartskunst eine spezielle, ja reziproke Rolle zu. Denn seit dem Aufbruch der Moderne können Kunstwerke nicht (mehr) nur als Symbol, also Bedeutungsträger, sondern vor allem auch als Bedeutungsgeneratoren verstanden werden. Mit dem Anspruch der Künstlergeneration der 60er Jahre, die Grenzen zwischen Kunst und Alltag aufzulösen suchte, hat sich das Verhältnis von Kunst zu Gesellschaft prägend verändert. Ausgehend von Allan Kaprows Ansatz, dass das Publikum selbst zum Akteur wird, dass es „buchstäblich Teil des Werkes wird“ (Ursprung 2003: 41), begreifen (seither) zahlreiche Kunstschaffende selbst ihre künstlerische Praxis als – verstärkt auch – sozio-kulturelle Praxis. Auf das veränderte Kunstverständnis der 60er Jahre aufbauend und an Ecos Verständnis eines offenen Kunstwerkes als „ein offenes System“ angelehnt, hat sich seither kontinuierlich ein aktionsbetonter und gesellschaftskritischer Strang in der Gegenwartskunst formiert: „Die Spielregeln der Kunst wurden mit aktionsbetonten Ereignissen und Situationen, von Fluxus bis Happening, von Aktionismus bis Performance, von rein ästhetischen Regeln der Objektkonstruktion in die Rahmenbedingungen sozialer Handlungsfelder übertragen.“ (Weibel 1999: 11) Anstatt Kunstwerke als abgeschlossene Zeichensysteme zu verstehen, wurden und werden Aktionen mit Ereignis- und Prozesscharakter konzipiert: „Das statische, vorab erzeugte Endprodukt wird von einem hybriden, dynamischen Produktionsprozess und wandlungsfähigen Work-in-Progress abgelöst.“ (Kleine-Benne 2006: 6) Kunst wird verstärkt in ihrem (interdisziplinären) Verhältnis zu gesellschaftlichen, sozialen und politischen Kontexten erfasst und realisiert. Zeitgenössische Kunst und soziokultureller Kontext Zentral ist das veränderte Kunstverständnis seit den 60er Jahren folglich mit einer Verschiebung in der Wahrnehmung des Publikums verbunden. Die bis dahin passiven Betrachter und Kunstrezipienten werden zu einem zentralen, teilnehmenden Part des Kunstwerks und der künstlerischen Produktion. Sie werden als Mitschöpfer und Mitspieler verstanden. Parallel entwickelt sich der Anspruch, ein breites, nämlich (auch) bürgerliches Publikum anzusprechen. Die Anbindung an soziale Kontexte, eine Verortung in
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gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wird zur Prämisse zahlreicher Aktionen, die das Publikum aktiv in den künstlerischen Produktionsprozess miteinbeziehen. Dieses veränderte Kunstverständnis bedeutet parallel auch, dass die Kunstschaffenden selbst die Produktionsbedingungen von Kunst mitbestimmen wollen. Die hegemonialen Interessen des Kunstmarktes und seiner Beteiligten werden hinterfragt und aufgebrochen (vgl. Bonnett 2004: 34). In ihrem Anspruch, dass Kunst gesellschaftlich wirken könne und solle, suchen Kunstschaffende auf „die sozialen Randzonen und die marginalisierten Problemfelder hinzuweisen“ (Weibel 1999: 14). Kunst wird damit auch immer mehr zu einer kulturkritischen Stimme und zu einem gesellschaftskritischen Sprachrohr. Aus diesem Kunstverständnis heraus hat sich eine Kunstpraxis entwickelt, die die soziokulturelle Dimension von Kunst ins Zentrum ihrer Aktivitäten und ihrer Arbeitsweise stellt. Soziokulturelle Projekte zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie sich als Kulturpraxis begreifen, die auf einen freien Zugang für ein breites Publikum angelegt ist und zur Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft und politischer Einflussnahme beizutragen sucht (vgl. Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V. 2009: o.S.). Speziell Strömungen einer partizipatorischen Kunst wollen diese Ansprüche verwirklichen, wenn sie gesellschaftliche Fragestellungen unmittelbar in das Blickfeld ihres künstlerischen Schaffens rückt und mit Teilhabe ermöglichenden Strukturen Zugang und Kommunikationsräume erschließen. Relationale Ästhetik Eine im zeitgenössischen Kunstsektor vielfach rezipierte Kunsttheorie, die das Verhältnis von Distanz und Bezogenheit unter dem Aspekt sozialer Interaktionsprozesse zu erläutern sucht, ist die sogenannte relationale Ästhetik des französischen Kurators und Kunstkritikers Nicolas Bourriaud. Seine Theorie fußt auf dem Verständnis von Kunstrezipierenden als integralem Teil des Kunstwerkes. Denn mit Blick auf die Kunstproduktion der 90er Jahre sieht Bourriaud als deren zentrales Merkmal an, dass diese mehrdimensionale Interaktionen und einen „Rahmen für Begegnungen“ (Ziese 2010: 80) schaffe. Relationale Kunst definiert er als „an art taking as its theoretical horizon the realm of human interactions and its social context“ (Bourriaud 2009: 14). Relational betont die Eigenschaft von Kunst, vielfältige Bezie-
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hungen in sich zu tragen und herzustellen: „Unter Relationen definiert Bourriaud die durch das Kunstwerk zustande gekommenen Beziehungen zwischen Individuen und Gruppen, zwischen Künstlern und der Welt sowie zwischen Betrachtern und der Welt.“ (Ziese 2010: 81). Das Kunstwerk wird verstärkt in seinem Bezug zu – einer subjektiv wahrgenommenen – Wirklichkeit erfasst. In dieser Bezogenheit werden Austauschprozesse dadurch initiiert, dass sie einen Raum herstellen, der zu einer „geteilten Aktivität“ (ebd.) einlädt. Konkret bezeichnet Bourriaud ein Kunstwerk als „social interstice“ (Bourriaud 2009: 14), also als einen sozialen Zwischenraum, in dem „Lebenswege und Modelle für eine Aktivität in der realen Welt“ (Ziese 2010: 81) auf- und angezeigt werden. Dieser Raum, der durchaus dem bereits skizzierten Mikrokosmos70 entspricht, bietet „alternative Austauschmöglichkeiten zu den innerhalb des Systems wirksamen“ (Milevska 2006: o.S.). Künstlerische Interventionen Im zeitgenössischen Kunstsektor sind es vor allem sogenannte künstlerische Interventionen, die den Anspruch soziokultureller Praxen in ihren künstlerischen Aktivitäten zu realisieren suchen. Im Kunstsektor wurde der Begriff der Intervention in und seit den 90er Jahren vor allem für eine (Bildende) „Kunst des Handelns“ (Steyerl 2002) verwendet, deren Potential und auch Ziel darin besteht, „dass sie der Gemeinschaft etwas bieten kann, das auch Wirkung erzielt“ (von Borries 2011: 5). Doch bereits in der sogenannten „New Genre Public Art“ (Lazy 1995) lässt sich eine soziokulturelle Tendenz feststellen, die sich – ab den 1970er Jahren als eine sich kontinuierlich entwickelnde partizipatorische Strömung der zeitgenössischen Kunstproduktion – mit Themenstellungen des kulturellen Alltags befasst. Diese rückt in ihrer künstlerischen Praxis „das Soziale in den Mittelpunkt“ (Kravagna 1998: o.S.). Ihrem künstlerischen Selbstverständnis entsprechend, erfordert diese Form des künstlerischen Handelns, „von der symbolischen Ebene auf die ‚reale‘ zu wechseln, also an die Stelle der Deutung und Kritik des Sozialen die soziale Praxis zu setzen“ (Kravagna 1998: o. S.). Kunstschaffende der New Genre Public Art setzen
70 Siehe dazu das Kapitel „Herstellen von Öffentlichkeit“ und den darin verhandelten Raumbegriff.
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sich mit sozialen, politischen und ökonomischen Bedingungen auseinander und intendieren in gesellschaftliche Kommunikations- und Gestaltungsprozesse zu intervenieren (vgl. Lang/Zobl 2012). Ihre künstlerischen Strategien und Methoden zielen auf Kommunikation, Diskurs und Partizipation. In den 90er Jahre mehrt sich die Tendenz, unmittelbar in die Umwelt einzugreifen und gesellschaftliche Missstände transparent zu machen. (vgl. Steyerl 2002) So bezieht sich ‚Intervention‘ auf „künstlerische Arbeiten, die dezidiert in ihr soziales Umfeld eingreifen“ und „die Auseinandersetzung mit dem Aussen, mit dem lokalen Kontext, mit politischen und sozialen Bewegungen“ (Institute for Art Education 2013: o.S:) suchen. Kristina Volke beschreibt kulturelle Interventionen im Kontext von (zeitgenössischer) Kunst als „absichtsvolles, geplantes, auf konkrete Fragen und Rezipienten ausgerichtetes kulturelles Handeln“ und sieht dieses als „Teil des Spektrums, in dem die Wirkungsmächte von Kunst und Kultur beschrieben werden können“ (Volke 2010: 12). Gerade künstlerische als kulturelle Interventionen machen ihrer Ansicht nach evident, welche Rolle Kunst in der Gesellschaft einnehmen kann: Sie reagieren auf gesellschaftliche Probleme und mischen sich ein. Dabei sind sie – wie es Eigenart der Kunst ist – nicht (primär) auf Problemlösung ausgerichtet, sondern suchen, zumeist impulshaft, „Prozesse in Gang zu setzen, um ein Problem zu lösen“ (ebd.), wobei dies jedoch auch ein „konkretes Ausloten von Möglichkeiten“ (ebd.) umfasst. Als eine sehr bekannte künstlerische Intervention sei beispielhaft auf die Aktion „Nike Ground“ (Wien 2003) der Künstlergruppe 0100101110101101.ORG71 verwiesen, die – auf Initiative von public netbase – den Karlsplatz zu einem „Austragungsort eines dramatisierten Gedankenexperimentes“ (Wassermair 2005: o.S.) machte: Passanten und Medien wurde suggeriert, dass der Karlsplatz kurz vor einer Übernahme durch den Markenartikelkonzern Nike stehe. Mittels künstlerischen Strategien der Narration, Partizipation und Irritation, aber auch Verdichtung, Erhöhung sowie des Fakes wurde ein breiter öffentlicher Diskussionsprozess über den öffentlichen Raum initiiert. Die zunehmende Aneignung durch globale Konzerne und ihre kapitalistischen Interessen sollten sicht- und erfahrbar gemacht werden, „um durch diese hyper-reale Inszenierung […] Wahrnehmung zu verändern“ (ebd.).
71 In Persona: Eva und Franco Mattes Franco
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Auch jene Strömung zeitgenössischer Kunst, die analog zum ComputerHacking als „Cultural Hacking“ interpretieren wird, zielt als eine „Kunst des strategischen Handelns“ (Düllo/Liebl 2005) darauf ab, bestehende Sichtweisen umzudeuten und umzucodieren. Sie schafft sich „auf unorthodoxe Weise ihre eigenen kulturellen Wertesysteme“ und will „gegenüber der herrschenden Kultur“ eine „Gegenkultur propagieren“ (ebd.: 15). Die Produktion veränderter kultureller Haltungen ist folglich zentrales Ziel von „Cultural Hackern“. Eine weitere interventorische Praxis ist Culture Jamming, dessen Initiatoren sich im weitesten Sinne als politisch-kulturelle Bewegung verstehen (vgl. Prantl 2012: o.S.). Sie zielen nicht nur darauf ab, bestehende Machtverhältnisse und gesteuerte Konsummechanismen bewusst und erfahrbar zu machen, sondern streben oft auch die aktive Beteiligung und einen eigenständigen Aktionismus der Bürger an (vgl. Zobl/Lang 2012: o.S.). Ziel ist auch hierbei, Prozesse einer Neuverhandlung von kulturellen Bedeutungszuschreibungen in Gang zu setzen. Den Schritt zur kollaborativen Problemlösung als Bestandteil der künstlerischen Arbeit geht die österreichische Künstlergruppe WochenKlausur72. Sie sieht die „Veränderung der Verhältnisse“ konkret als „künstlerische Aufgabe“ an (Zinggl 1999: 36). Damit künstlerische Interventionen Einfluss auf ein gesellschaftliches Umfeld haben (können), ist eine Spezifizierung, oft auch unter lokaler Hinsicht, und Konkretisierung des künstlerischen Projektes notwendig: „Künstlerinnen und Künstler haben die Grenzen ihrer Möglichkeiten erkannt, um die sozialen Verhältnisse zu verändern, und sie sehen ihre Chance, die Gesellschaft zu beeinflussen, indem sie sich auf kleine aber sehr konkrete Probleme einlassen, die lösbar sind.“ (Ebd.: 38) Gerade künstlerische Interventionen verweisen auf ein Verständnis von Kultur als einen (temporären und prozesshaften) Bestand von Bedeutungszuschreibungen. Denn die Auswirkungen, die eine bestehende gesellschaftliche Sichtweise auf den Alltag als gelebte Kulturpraxis hat, stellt zumeist die Ausgangsbasis: Künstlerische Interventionen greifen in bestehende kulturelle Bedeutungszuschreibungen ein und bringen erstarrte Wahrnehmungsmechanismen zur Sprache. In ihrer Intention, kulturellen und sozialen Wandel zu evozieren, können künstlerische Interventionen daher als analog kulturelle Interventionen interpretiert werden (vgl. u.a. Zobl/Lang
72 Siehe dazu die Fallstudie „Turmtreff Goldegg“ des Künstlerkollektivs
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2012 sowie Lang 2013a). Dabei sind es vor allem partizipatorische Strukturen und Praxen, die diese künstlerischen Interventionen in ihrem soziokulturellen Anspruch prägen.
P ARTIZIPATORISCHE K UNST In der Kunst spielt Partizipation als Praxis oder Postulat zumeist dann eine Rolle, wenn es, wie bereits erläutert, um eine Selbstkritik der Kunst geht und das Subjekt des Autors zentral in Frage gestellt wird (vgl. Zobl/Lang 2012: o.S.). Als partizipatorische Kunst werden künstlerischen Aktivitäten „mit der Absicht, ihr Publikum an Bedeutung generierenden Prozessen zu beteiligen oder Teil haben zu lassen“ (Feldhoff 2009: 15) definiert. Diese Beteiligung erfordert sowohl auf Seiten der Produzenten als auch Rezipienten73 „eine Art der Annäherung, die von vornherein den Kontext mit einbezieht und Kunstwerke nicht vorrangig als ästhetische, sondern in erster Linie als geschichtlich-gesellschaftlich bedingte Hervorbringungen sieht“ (Feldhoff 2009: 15). Jedoch ist partizipatorische Kunst nicht per se mit einer gesellschaftskritischen Haltung gleichzusetzen, wie Silke Feldhoff in ihrer umfassenden Studie (2009) konstatiert: Kritisch-emanzipatorische Beteiligungsprojekte machen zwar einen wichtigen Teil des Gesamtvolumens partizipatorischer Strategien und Praxen in der Kunst aus; aber eben nur einen Teil. Ebenso gibt es partizipatorische künstlerische Praktiken, die nicht gesellschaftsbezogen oder gesellschaftsverändernd agieren, sondern sich auf kunstimmanente und philosophische Themen beziehen. (Ebd.: 22)
Ein Gros der partizipatorischen Praxen lässt sich jedoch gesellschafts- und kulturpolitisch verorten (vgl. ebd.: 23). Dabei werden diese Praktiken in der Kunst „grundsätzlich als Folge einer Unzufriedenheit mit dem Status quo entwickelt“ (Rollig 2000: o.S.), sodass eine Intervention in diesen Status quo die künstlerischen Aktivitäten und Produktionskontexte (mit-)bestimmt. Folglich suchen zahlreiche partizipatorische Kunstprojekte Barrieren „zwischen Kunst(-raum), sozialer Umwelt und Außenraum“ sowie „zwischen Besucher und Produzent“ (Ziese 2010: 77) aufzuheben, um da-
73 Diese werden teilweise zu Co-Produzenten.
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durch parallel die Grenzen zwischen Kunst und alltäglicher sozialer Umwelt (vgl. Höller 2007: 418) aufzulösen, wobei „das Beharren auf dem Kunststatus mit einem Durchsetzungsanspruch verknüpft“ (Rollig 2000: o.S.) ist. DuMonts „Begriffslexikon zur zeitgenössischen Kunst“ (Butin 2006) definiert „Partizipation“ als „Teilhabe einer Gruppe oder eines Individuums an Entscheidungsprozessen oder Handlungsfeldabläufen in übergeordneten Strukturen“ (Wege 2006: 236). Zentral für das Verständnis von Partizipation in der Kunst und auch eine partizipatorische Kunstpraxis ist folglich ihre Abgrenzung zu „Interaktion“. Sowohl Maren Ziese (2010), Suzana Milevska (2006) als auch Christian Kravagna (1998) verweisen auf die Notwendigkeit dieser Unterscheidung: Zwar verfolgen beide Praktiken das Ziel, den Besuchern oder Rezipienten eine aktive Beziehung zum Kunstwerk zu ermöglichen. Denn beide erlauben eine „Spannweite an Reaktionen gegenüber dem Kunstwerk“ (Ziese 2010: 77) und offerieren ein erweitertes Wahrnehmungsspektrum. Jedoch hat die Teilnahme durch die Rezipienten in interaktiven Prozessen keinen Einfluss auf die Struktur und Entwicklung des Werks (Vgl. Kravagna 1998: 1). Es bleibt in seinem „(Re-)Aktionsradius konditioniert“ (Daniels 2000: o.S.). Diese Unterscheidung bringt auch eine Studie des Marktforschers Alan S. Brown über „Arts Participation“ (2004) zum Ausdruck. Er zieht vor allem den Grad der kreativen Kontrolle (vgl. ebd.: 11) und im weiteren Sinne den Grad der Mitbestimmung durch die Teilnehmenden heran, um verschiedene Formen von Partizipation zu beschreiben: •
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Inventive Arts Participation bindet das Publikum unabhängig von seinem Vorwissen auf vielfältige Weise in den künstlerischen Schaffensprozess ein; Interpretive Arts Participation ist ein kreativer Akt der Selbstdarstellung, der durch die Teilhabe eines Individuums oder einer Gruppe dem bereits existierenden Kunstwerk eine Wertsteigerung oder auch Bedeutungserweiterung zuführt; Curatorial Arts Participation stellt „einen kreativen Akt des Auswählens, Organisierens und Sammelns von Kunst nach Kriterien des eigenen künstlerischen Empfindens dar“ (Milevska 2006: o.S.), in Bezug auf Brown 2004);
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Observational Arts Participation ist als beobachtende Teilhabe an Kunst zu verstehen, die mit der Motivation einer Wertsteigerung verbunden ist; Ambient Arts Participation umfasst jene Wahrnehmung und Erfahrung von Kunst, die nicht bewusst ausgesucht wird.
Diese Unterteilung ist vor allem in Hinblick auf eine kritische und erweiterte Auffassung von Partizipation interessant. Erst wenn Rezipienten die Möglichkeit erhalten, „gestaltend an der Konzeption oder dem weiteren Verlauf einer Arbeit (ebd.: 77) mitzuwirken, handelt es sich um Partizipation.74 Partizipatorische Kunstprojekte zielen dabei „auf die Herstellung neuer Kollektivitäten“ (Höller 2007: 419) ab; demzufolge entstehen „neue Interessen- und Aktionsgemeinschaften“ (ebd.). Nicht mehr die Künstler stehen als singuläre Subjekte und Autoren für die Herstellung eines Werkes im Vordergrund, sondern die „kollektive Verantwortlichkeit“ (Ziese 2010: 75) und Reziprozität bestimmen den künstlerischen und in Folge kulturellen Schaffensprozess. Kollaborative und kollektive Autorenschaft Die Intention, Produktionsbedingungen zu hinterfragen und bestehende Kraftverhältnisse aufzubrechen, hatte nicht nur neue Formen und Bewertungen der Kunstrezeption zur Folge. Auch auf Produzentenseite entwickeln sich neue Formationen. So konzipieren zahlreiche Kunstschaffende partizipatorische Kunstprojekte im Kollektiv und realisieren diese als kollaborative Praxis. Als Strömung des sogenannten „partizipatorischen Wechsels“ (Milevska 2006: o.S.) haben sich daher Formen entwickelt, die in ihrer Selbstorganisation das Verhältnis hierarchischer Organisations- und Kommunikationsformen in der Kunst zu brechen suchen. Das Fundament partizipatorischer Kunstformen ist dabei auch in Zusammenhang mit dem
74 Dieses Verständnis von Partizipation umfasst folglich jene Eigenschaft der aktiven Mitbestimmung an Entscheidungsprozessen, die von den Cultural Studies gefordert wird und auch in Feldhoffs Unterscheidung in „partizipativ“ im Gegensatz zu „partizipatorisch“ zum Ausdruck kommt.
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Bedürfnis nach einer anderen Art von Gesellschaft, die auf Teilhabe und Kooperation basiert, zu sehen (vgl. Ziese 2010: 73). Die Entstehung kollektiver Autorenschaft ist vor allem im Anspruch begründet, durch einen gleichberechtigen Austausch kollaborativ zu agieren. Die Kuratorin und Kunsttheoretikerin Maria Lind bündelt unter Kollaboration jene partizipativen Strukturen und Methoden, die mittels eines kommunikativen Austausch einen Prozess künstlerischen Schaffens entstehen lassen (vgl. Lind 2007: 16). Sowohl bei partizipatorischen Projekten, die das Verhältnis Produzent und Rezipient neu zu definieren suchen, als auch bei kollektiver Autorenschaft steht das intendierte Herstellen von vielfältigen Bezügen und Verbindungen im Vordergrund. Intention ist es, gleichberechtigte zwischenmenschliche Austauschprozesse zu initiieren. Bezieht sich Lind in ihrer Analyse vor allem auf die Genese kollaborativer Kunstpraxen sieht die Choreographin und Performerin Martina Ruhsam in der aktuellen Entwicklung kollaborativer Arbeitsformen vor allem auch eine Praxis- und Realisierungskomponente evident werden: „Der Grund für ein gemeinsames Arbeiten ist weniger die Illusion eines glücklichen Zusammenseins, als vielmehr Bedürfnis und Bedarf, Dringlichkeit und Not(-wendigkeit).“ (Ruhsam 2012: o.S.) Veränderte Lebens- und auch politische Umstände würden die Zusammenarbeit per se notwendig machen und den Zugang zu Netzwerken, geteilten Ressourcen und Wissensaustauch erforderlich machen. So sind kollaborative Praxen auch als politisches Statement oder Handeln einzuordnen. Denn gerade dadurch, dass die kollaborative Form eher in einer anwendungsorientierten denn ideologischen Struktur begründet sei, sieht Ruhsam das Potential gegenwärtiger kollaborativer Praktiken: Produktive kollaborative Praktiken lösen sich von der Prämisse der Gleichheit der Beteiligten. Sie zeichnen sich durch die Singularität der einzelnen Involvierten aus, die beisammen in heterogenen Sprachen artikulieren können, was keinem Wir der Gruppe untergeordnet oder auf ein solches angewiesen ist. In einer solchen Szenerie des Zwischen-uns können Wissensformen, Fähigkeiten, Affekte und Imaginationen (mit-)geteilt und zu neuen sinnlichen Gebilden und Praktiken verstrickt werden. (Ruhsam 2012: o.S.)
Unter dem Blickwinkel der geteilten Verantwortlichkeit untersucht wiederum die Kulturtheoretikerin Gesa Ziemer (2011) aktuelle Entwicklungen in
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kollektiven Arbeitsgemeinschaften. Sie sieht vor allem den Begriff der „Komplizenschaft“ geeignet, um eine zeitgemäße gemeinschaftliche Tätigkeit zu beschreiben. In positiver Deutung – Ziemer verweist auf den strafrechtlichen Kontext des Begriffs und seinen Transfer auf den Kunstsektor – sei Komplizenschaft als „spezifischer Typus des Netzwerkes“ (Ziemer 2011: 85) zu beschreiben, der als „kleinere soziale Konfigurationen“ (ebd.) agiert. Im Gegensatz zum Netzwerk erfordere diese Struktur jedoch eine aktive und bewusste Beteiligung ihrer Mitglieder. Kann ein Netzwerk etwa rein auf den Austausch, synergetische Ressourcennutzung oder Informationstransfer beschränkt sein, sieht Ziemer in der Komplizenschaft die Notwendigkeit, „praktisch gefasst zu sein“ (ebd.), also etwas zur Realisierung zu bringen. Denn – und da lehnt sich Ziemer an die strafrechtliche Definition an – Komplizenschaft bedeutet, dass gemeinsam ein Entschluss gefasst und eine Tat geplant werde, um diese dann gemeinsam auszuführen. Die schöpferische Leistung ist getragen durch kollektiven Austausch und auch gemeinsame Verantwortung. Ziemer sieht diese Leistung als eine Komposition, „eine Zusammenfügung von verschiedenen schon vorhandenen Elementen, aus denen anderes entsteht“ (Ziemer 2011: 87). Und genau dieses Andere ist wesentlicher Kern und Angelpunkt kollektiver Arbeitsformen: Innerhalb des Netzgefüges und damit verbundenen individuellen und folglich kollektiv auszuhandelnden Realitäten greifen die Akteure nicht als Einzelpersonen, sondern – aufgrund des notwendigen internen Aushandlungsprozesses – als bereits involvierte Figuren in vorhandene Realitäten ein. Als Komplizen adressieren sie daher nicht nur Öffentlichkeit, sondern stellen – im Sinne einer partizipatorischen Öffentlichkeit – aktiv eine andere Öffentlichkeit her. Die kollektive Autorenschaft siedelt sich „also nicht nur im Bereich des reinen Denkens an, sondern versteht sich als interventionistisches Modell, das an Täterschaft und damit aktives Gestalten von Kultur appelliert“ (ebd.: 86). Partizipation und kollaborative Wissensstrukturen Dieses Verständnis von Partizipation als kollaborative Praxis zeichnet sich durch ihren Anspruch aus, gleichberechtigte Aushandlungsprozesse zu evozieren. Dieser Anspruch impliziert – positiv gesehen – jenes Konfliktpotential, das überhaupt erst Wissensaustausch und Veränderung ermöglicht (vgl. Miessen 2012: 79). Anders formuliert: Aushandlungsprozesse – auch in
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partizipatorischen Kunstprojekten – brauchen divergierende Interessenshaltungen, unterschiedliche Perspektiven und Intentionen, damit eine gesellschaftlichen Wirkung, die zumeist kulturellen Wandel intendiert, evoziert werden kann. Dieses Verständnis von Partizipation korreliert mit dem Verständnis einer dissensorientierten Öffentlichkeit: Konfligierende Perspektiven sind als Grundvoraussetzung für (demokratische) kulturelle Entwicklungen anzusehen75. Konflikt meint dabei den „Zusammenstoß von Interessen, Absichten und Zielen“ (Miessen 2012: 78) und wird als „Antriebsmaschine für eine kritische und produktive Kollaboration“ (ebd.: 80) verstanden. Oft richten sich partizipatorische Projekte daher auch weniger an das Individuum selbst als vielmehr an eine Gruppe. So ist die Beteiligung mehrerer Menschen erste Voraussetzung, um durch eine kollaborative Kommunikationsstruktur offene Aushandlungsprozesse in Gang setzen zu können. Partizipation ist somit auch – wie es Suzana Milevska formuliert – als „Wagnis der Aktivierung bestimmter Beziehungen“ (2006: o.S.) zu verstehen. Dieses „Wagnis“ kann sowohl von Künstlern als auch von Kunstinstitutionen oder Kulturmanagern initiiert und koordiniert werden. Ein konfliktorientiertes Verständnis von Partizipation stellt sich dabei vor allem der Frage, „wie man von außen – nicht von innen – an klar definierten und bereits bestehenden Machtstrukturen partizipieren kann“ (Miessen 2012: 19). Denn erst durch ein externes Engagement „einer von außen kommenden kritischen Stimme“ (ebd.: 79) können neue Formen von Wissensproduktion entstehen. In der „Autonomie der Kunstwelt“ sieht Miessen diese Infrastruktur „bereitgestellt“ (ebd.: 80), was wiederum Carmen Mörsch keineswegs als gegeben ansieht76: Sie sieht das Hinterfragen und Aufbrechen bestehender Machtstrukturen im Kunstproduktionsfeld nicht als gegeben, vielmehr muss die zu bewerkstelligende Infrastruktur erst hergestellt werden. Denn durch (vor-)gegebene Strukturen, die jeder Initiative, auch partizipatorischen Kunstprojekten, immanent sind, werden bereits Selektions- und somit Exklusionsmechanismen in Gang gesetzt. Das Institute for Art Education an der Züricher Hochschule greift dieses Dilemma spezi-
75 Dazu sei nochmals auf das Kapitel „Herstellen von Öffentlichkeit“, vor allem auf Chantal Mouffes Öffentlichkeitsbegriff verwiesen. 76 Siehe dazu den Beitrag zur Kritischen Kunstvermittlung im Kapitel „Kulturmanagement – Quo Vadis“.
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ell für die Kunst- und Kulturvermittlung auf, wenn sie der „partizipativen Beteiligung“ die Möglichkeit zur „eigenständigen Gestaltung“, „zum Umarbeiten von Inhalten und Formen oder auch der Handlungsregeln selbst“ (Institute for Art Education 2012: o.S.) einräumt, jedoch auf einen begrenzten Gestaltungsraum innerhalb eines „Rahmens“ (ebd.) verweist. Die Fragen, „wer in welchem Umfang woran partizipiert“ und „vor allem auch, wer in der Position ist, Partizipation zu erlauben, und wer die Verantwortung für deren Wirkungen trägt“ (ebd.), erfassen exakt diese Begrenzung. Erst in (Vermittlungs-)Projekten mit kollaborativer Beteiligung, in denen Rahmen, Methodik und auch Thematik von einer Gruppe erarbeitet werden, können auch eigene bzw. der künstlerisch-kulturellen Unternehmung anhaftende Legitimitäts- und Existenzansprüche und somit neue Kraftverhältnisse verhandelt werden.77 Analog zu Miessen verweist das Institute for Art Education (2012) somit auf die Notwendigkeit einer Außenperspektive, wenn es eine „reklamierende Beteiligung“ (ebd.) jenen Gruppen zuspricht, die von außen an eine Kunstinstitution oder eine künstlerisch-kulturelle Unternehmung herantreten und (aktiv) Mitsprache und Mitgestaltung einfordern. Erst unter Involvierung dieser externen Perspektive kann von Kollaboration als einer Form der partizipativen Zusammenarbeit mit einer „Wirkungsmacht“ bzw. auch „Instrumentalität“, „mit der man nicht unmittelbar verbunden ist“ (Miessen 2012: 79), gesprochen werden. Indem zahlreiche partizipatorische Kunstprojekte autonom und abseits institutioneller Rahmenbedingungen realisiert werden, weisen sie sich selbst eine Art „Außenperspektive“ zu und suchen sich abseits (auch) im Kunstfeld gängiger Machterhaltungsanspruche zu verorten.
F AZIT : K UNST , P ARTIZIPATION UND S OZIOKULTURELLE I NTENTIONEN Zahlreiche (zeitgenössische) künstlerische Aktivitäten nehmen Bezug zu gesellschaftlichen Phänomenen. Dies resultiert aus einer kritischen Beobachtung bestehender gesellschaftlicher Zusammenhänge und der Analyse
77 Exakt diesen Anspruch zu realisieren, ist in der Fallstudie „Der Bleibeführer“ intendiert worden.
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dieser. So greift Kunst – latent oder aktiv – in einen kulturellen Status quo dessen ein, was wir als Wirklichkeit begreifen und leben. Mittels künstlerischer Strategien, Verfahren und Prozesse werden ästhetische Erfahrungsräume hergestellt, die Kommunikationssituationen schaffen und damit jener Vorstellung eines (Gegen-)Raums entsprechen, der neue Perspektiven und Handlungsoptionen eröffnet. Dies bildet sich nicht nur in zentralen künstlerischen Strategien der Gegenwartskunst ab, sondern lässt sich auch durch die der Kunst eigenen ästhetischen und kommunikativen Dimensionen nachvollziehen. Denn aufgrund ihres kommunikativen Potentials, der ihr immanenten kommunikativen Struktur, hat Kunst die Fähigkeit, Aushandlungsprozess über das, was als Kultur gelebt wird, aktiv in Gang setzen – und auch Widersprüche zuzulassen. Dass dabei oft auf strategische Mittel wie etwa die Irritation, Provokation, Narration oder auch Ironisierung zugegriffen wird, unterstützt den Prozess eines kommunikativen Austausches und ist im Zusammenhang mit der Distanz als Eigenart von Kunst zu interpretieren. Speziell in partizipatorischen, kollaborativen und intervenierenden Kunstpraxen lässt sich erkennen, wie gezielt und vor allem kritisch in einen kulturellen Status quo eingegriffen wird und Impulse für kulturelle Neuverhandlungen gesetzt werden können. Aus dem Anspruch, Barrieren zwischen Kunst und Publikum sowie Kunst und Umwelt aufzuheben, entstehen künstlerische Praxen, die unmittelbar und aktiv Bezug auf gesellschaftliche (und auch politische, kulturelle, mediale) Umstände zu nehmen suchen. Diesen Praxen ist verbindend, dass sie ihr Handeln unter soziokultureller Perspektive definieren und teilweise auch als politisches Handeln begreifen. Speziell künstlerische Interventionen erheben den Anspruch, sich in gesellschaftliche Probleme einzumischen und Impulse für eine Neuverhandlung gegebener kultureller Zuschreibungen zu setzen. So wird ein soziokultureller Anspruch markiert, der exakt jenen Raum, zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte, eröffnet. Dieser kann im Sinne einer relationalen Ästhetik als relationaler, und im Sinne der Distanz als wesentliche Eigenschaft von Kunst, als temporärer Zwischenraum verstanden werden und folglich – in seiner zeitlichen Begrenztheit – als imaginativrelationaler Mikrokosmos interpretiert werden. Eine künstlerische Intervention als kulturelle Intervention kann jedoch nicht per se als kulturelle Produktion erfasst werden. Im Kapitel „Kulturelle Produktionsprozesse“ wurden kulturelle Produktionen dadurch definiert,
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dass bezugnehmend auf einen kulturellen Status quo ein öffentlicher Diskurs initiiert wird und neue Bedeutungszuschreibungen in der Öffentlichkeit zirkulieren können. Intention dieses Prozesses ist es, nachhaltig ein neues Bewusstsein für eine gesellschaftliche Teilgruppe entstehen zu lassen, das – idealerweise – in einem Zustand des verbesserten gesellschaftlichen Zusammenleben virulent wird. Aus dieser Definition heraus kann folgender Parameter für künstlerische als kulturelle Interventionen als kulturelle Produktionen konstatiert und ergänzt werden: Erst wenn die von der Kunst gesetzten Impulse einer Neuverhandlung in der Alltagskultur angekommen sind, also auf die Sichtweise einer Teilöffentlichkeit Einfluss nehmen, und langfristig eine Veränderung in den individuellen, jedoch kollektiv als Lebensweise zum Ausdruck gebrachten Wertvorstellungen evident wird, kann von einer kulturellen Produktion gesprochen werden. Auf den (zeitgenössischen) Kunstsektor bezogen, eröffnen so verstanden künstlerische Produktionen als kulturelle Interventionen die Möglichkeit, etablierte Sichtweisen in Frage zu stellen und Impulse zu einer Neuverhandlung kultureller Bedeutungen öffentlich zirkulieren zu lassen. So greifen sie unmittelbar in den Kreislauf kultureller Bedeutungsprozesse ein. Damit diese Impulse eine nachhaltige Verschiebung und Etablierung im – wenn auch temporären – kulturellen Bestand bewirken können, müssen konsequenterweise sämtliche in den Bedeutungsprozess involvierte Öffentlichkeiten an den Verhandlungen über eine alternative Bedeutung und Perspektive beteiligt werden (vgl. Lang 2013 und 2014). Der Prozess jener öffentlichen (Neu-)Verhandlung wird somit zwar oft von Kunstschaffenden initiiert und öffentlich vermittelt, über die Aufnahme in den kulturellen Bestand entscheiden jedoch zahlreiche (betroffene) Teilöffentlichkeiten. Der Kreislauf kultureller Bedeutungsproduktion wird somit (verstärkt) als kollaborativer Prozess verhandelt, der sich (zumindest in seiner Intention) durch heterarchische, auch konfliktreiche Strukturen auszeichnet. Anders formuliert: Es handelt sich – im Idealfall – um eine gleichberechtige Teilhabe und Mitgestaltung von Akteuren, die divergierende Interessen vertreten und diese im Sinne eines vielfältigen Bedeutungsspektrums verhandeln.
Partizipatorische Kunst- und Kulturprojekte Fallstudien und Interviews
Alle Arten von produktivem Engagement zur Störung des Konsens sind wichtig, um jene Dinge zum Vorschein zu bringen, die der Konsens beiseite schaffen wollte. Künstler, oder Leute, die sich im weiteren Sinne für Kultur engagieren, spielen dabei eine sehr wichtige Rolle, weil sie andere Formen von Subjektivität einbringen, als die gegenwärtig existierenden. CHANTAL MOUFFE78
Projekte, die Kunst und Alltag zu verbinden suchen, werden oft von Kunstschaffenden initiiert: Aus einer künstlerischen Idee oder Gedankenskizze entwickeln sich komplexe partizipatorische Produktionen. Diese werden abseits etablierter und institutioneller Rahmenbedingungen von Kunstschaffenden, jedoch zumeist im Team, konzipiert und umgesetzt. Neben der künstlerischen Programmatik sind die Kunstschaffenden auch für den Organisationsprozess sowie die Moderation von Beteiligungsprozessen verantwortlich. Das Publikum wird als aktiver Part des Projektgeschehens begriffen. Den fünf vorgestellten partizipatorischen Produktionen ist basal verbindend, dass sie sich mit einer aktuellen gesellschaftsrelevanten79 Thematik
78 Vgl.: Chantal Mouffe, zit. in Miessen 2012: 101
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auseinander setzen. Diese wird in einer wiederum mit Alltagsthemen verknüpften narrativen Struktur80 künstlerisch umgesetzt. Die aktive Beteiligung von betroffenen Teilöffentlichkeiten wie etwa die lokale Bevölkerung, spezifische oder marginalisierte Personengruppen lässt sich als Bildung einer temporären, aktiven, dennoch auch (im weiteren Sinne) losen Community81 beschreiben. Über den und mittels des gesamten Produktionsverlauf(s) wird ein öffentlicher Diskurs initiiert – etwa in den Medien, im Online-Bereich und/oder als regionale Debatten, der zumindest projektspezifisch alternative Perspektiven und Sichtweisen82 hervorruft. Die fünf Fallstudien zeichnen sich folglich dadurch aus, dass in diesen Projekten eine partizipatorische Öffentlichkeit und Kultur hergestellt und ein Prozess kultureller Bedeutungsproduktion evoziert wurde: •
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vorstadt vor ort: Die Projektreihe wird seit 2008 von dem Kollektiv ohnetitel konzipiert sowie realisiert und stellt über theatrale Produktionen im öffentlichen Raum eine Verbindung von Kunst und Alltag her. Das Kollektiv besteht aus Theater- und Kunstschaffenden und ist in Salzburg, Österreich, stationiert. Dort finden die einzelnen Projekte auch statt. Für das Gespräch stand Dorit Ehlers zur Verfügung. Sie ist Gründungsmitglied der Gruppe und freischaffend im Bereich Schauspiel und Tanz tätig. Das Gespräch bezog sich auf alle im Rahmen der Projektreihe vorstadt vor ort realisierten Projekte. Theater Hausruck: Das Sommertheater ist 2005 aus einer regionalen Initiative entstanden und führt seither partizipative Theaterprojekte mit
79 Die gesellschaftliche Relevanz lässt sich zumeist daraus erschließen, dass das behandelte Thema in den Medien oder in spezifischen Öffentlichkeiten mehrfach diskutiert wurde. 80 Henry Jenkins et al. bezeichnen diese Umsetzung im Sinne des Aufbaus einer participatory culture als „low barriers to artistic expression“ (2005: 7). 81 Im Sinne von „they feel some degree of social connection with one another” (Jenkins et al. 2005: 7) 82 Henry Jenkins et al. formulieren diesen Parameter einer participatory culture etwas vorsichtiger und gemäßigter: „At the least they care what other people think about what they have created.“ (2005: 7)
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regionalem Bezug durch. Das Leitungsteam besteht bzw. bestand83 aus einem Künstler, einem Regisseur und dem Vorsitzenden des Trägervereins. Die Projekte finden im oberösterreichischen Hausruck (Österreich) statt. Das Gespräch wurde mit Chris Müller, einem Bildenden Künstler und Aktivisten, geführt, der als Intendant vor allem für organisatorische Agenden des Theater Hausruck verantwortlich ist. PODIUM Musikfestival Esslingen: Das Festival wurde 2009 vom international tätigen Cellisten Steven Walter und einem Studienkollegen gegründet. Ihre Intention war und ist, klassische (Kammer-)Musik in einem neuen kulturellen Format zu präsentieren. An der Konzeption, Vorbereitung und Realisation sind zahlreiche ehrenamtliche Mitarbeiter und Teilöffentlichkeiten beteiligt. Social Media werden zentral eingesetzt und bilden den Kern der Projektstruktur. Das Festival findet in Esslingen, Deutschland, statt. Das Interview wurde mit Steven Walter geführt. Turmtreff Goldegg: Das Projekt ist eines von zahlreichen, die das österreichischen Kollektiv WochenKlausur 2009 realisiert hat. Der Gruppe gehören Kunstschaffende und Kulturakteure an. Die Projekte von WochenKlausur sind durch ein Kunstverständnis definiert, das künstlerische Gestaltung als gesellschaftlichen Eingriff versteht und die Beteiligung betroffener Teilöffentlichkeiten am Kunstgeschehen voraussetzt. Das Projekt, an dem Nadja Klement, meine Interviewpartnerin, beteiligt war, wurde im Bundesland Salzburg, Österreich, im ländlichen Raum durchgeführt. Bleibeführer Zürich: Das Projekt wurde nicht von Kunstschaffenden, sondern im Rahmen eines Forschungsprojektes zu transformativer Vermittlungsarbeit initiiert. Im Zuge dieser Forschungsarbeit wurde 2010 als künstlerisch-edukatives Kooperationsprojekt mit einem Museum und einem lokalen Verein als ‚Ergebnis‘ eine Broschüre herausgegeben, die Asylanten den Aufenthalt in Zürich erleichtern soll. Herausgeber war und ist das AntikultiAtelier, eine Gruppe von etwa 15 Personen, die sich erst im Rahmen des Projektverlaufs formiert hat. Der Bleibeführer unterscheidet sich nicht nur mittels seines wissenschaftli-
83 2011/2012 hat Chris Müller, der in dieser Fallstudie befragte Intendant des Theaters, seine Funktion und Aufgaben zurückgelegt. Die Antworten und Fragen beziehen sich daher auf die Programmperiode 2005 – 2011.
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chen Kontext von den anderen vier Projekten: Erst im Rahmen der Teambildung mit verschiedenen Teilöffentlichkeiten, primär Asylanten, wurden Projektinhalt, -verlauf und die -zielsetzung kollaborativ erarbeitet. Das Interview wurde mit Nora Landkammer, einer der wissenschaftlichen Projektinitiatorinnen und Projektmitglied, sowie John M. Njuguna, einem zentralen Teammitglied des AntikultiAteliers, geführt. Die Fallstudien84 basieren auf Interviews. Die Befragten gaben als Experten ihrer eigenen Projekte Einsicht in die abgelaufenen Produktionsprozesse. Ein Leitfaden85 diente als strukturierte Vorlage, um eine gewisse Vergleichbarkeit und Stringenz der Analyse zu gewährleisten. So waren analoge Fragen und ihre Reihenfolge vorgegeben. Es bestand jedoch die Möglichkeit nachzufragen, sich im Dialog zu vertiefen und spezifische Aspekte intensiver zu behandeln. Fokus der Gespräche bildete die Auseinandersetzung mit partizipativen und an Inklusion orientierten (kommunikativen) Produktionsprozessen. Die Leitlinien einer Participatory Culture sowie die vier Ansprüche einer Cultural Citizenship86 wurden dabei als Hintergrundfolie verwendet, um her-
84 Fallstudien werden als wissenschaftliche Methode eingesetzt, wenn explorativ und beschreibend Aussagen über einen komplexen Untersuchungsgegenstand erlangt werden sollen. 85 Aufgrund des jeweils individuellen Charakters der Projekte wurden die Leitfadeninterviews als halbstandardisierte Tiefeninterviews (vgl. Brosius/Koschel/ Haas 2009: 115) geführt. Die etwa 40-minütigen Interviews fanden im Zeitraum März 2012 bis Juni 2013 statt. Die per Ton aufgezeichneten Gespräche wurden nach dem allgemeinen inhaltsanalytischen Ablaufmodell (vgl. Mayering 1983) ausgewertet: Zuerst wurde das erhobene Material paraphrasiert und in einer ersten Reduktionsphase gestrichen und gekürzt, um dann in einer zweiten Phase ähnliche Paraphrasen gebündelt zusammenzufassen. In der Aufbereitung als Fallstudien wurden ergänzend Materialien wie Texte auf Websites, Presseartikel, Artikel oder Vorträge verwendet. 86 Für den Leitfaden wurden die vier Ansprüche von Bürgern und Bürgerinnen (vgl. Klaus/Lünenborg 2004b: 202; Klaus/Lünenborg 2013) einer Cultural Citizenship an die Medien auf den künstlerisch-kulturelleren Produktionsprozess und auf den verantwortlichen Künstler oder das (Leitungs-)Team übertragen. Denn in ihrer Rolle als Moderatoren der künstlerisch-kulturellen als Bedeu-
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auszufinden, inwiefern eine kompetente und selbstermächtigende Teilhabe gewährleistet wurde: Wie wurde in den Projekten ein Zugehörigkeitsgefühl entwickelt? Welcher Gestaltungsraum wurde den Partizipanten in künstlerischen und organisatorischen Prozessen gegeben? Wurde ein gemeinsames Ziel definiert? Wurde dieses von allen er-, ge- und anerkannt? Konnten die Teilnehmenden ihre Erfahrungen und ihr Vorwissen einbringen? Und auch: Was zeichnet partizipatorische Projekte aus? Was würden die Verantwortlichen rückblickend anders und besser machen?
tungsproduktionsprozesse können sie analog als Vermittlungsinstanz (Medium) angesehen werden.
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OHNETITEL : VORSTADT VOR ORT Tatsächlich sind es die persönlichen Begegnungen, die am meisten Spuren hinterlassen. DORIT EHLERS, OHNETITEL
Ein leer stehendes Geschäftslokal im Salzburger Stadteil Itzling ist Bühne und zugleich sich wandelnder Schauplatz einer Projektserie des Künstlerkollektivs ohnetitel: Auftakt der Serie vorstadt vor ort war der Warteraum für Winterreisende – ein Adventkalender (1.-24. Dezember 2008). Ein kleiner ehemaliger Einkaufsladen mutiert für die Dauer der Adventszeit zur Wartezone der davorliegenden Busstation und bot Raum für 24 sogenannte ‚Theaterminiaturen‘. Passanten, Anrainer, Buswartende, befreundete Kunstschaffende, Bekannte und/oder Kunstaffine waren eingeladen, reinzuschauen, mitzumachen oder sich bei einer Tasse Tee zu erwärmen. Im Folgejahr eröffnete im selben Geschäftslokal für zehn Tage das Postamt Mitzi (6.-14. November 2009), in dem „außergewöhnliche Dienstleitungen und Postartikel […] auf die Kunden“ warteten und „Briefe […] auf Wunsch verfasst und ausgetragen“ (ohnetitel: online) wurden. Beim Grand Hotel Itzling – Broadway Itzling (24.-31. März 2011) wurde dann das Geschäftslokal zum Hotelfoyer eines fiktiven Hotels umgestaltet. Die umliegenden, leer stehenden Geschäfte entlang der Itzlinger Hauptstraße fungierten als Hotelzimmer: In den Schaufenstern wurden ganzflächige Projektionen, kurze Filmsequenzen und „poetische Einblicke in Geschichte und Leben eines Stadtteils“ (ebd.) gezeigt. ohnetitel hat sich 2007 als Verein in Salzburg, Österreich, konstituiert und besteht aus einer Gruppe von Schauspielern, Bildenden Künstlern, Tänzern, Musikern, Lichtdesignern, Bühnenbildnern sowie einem erweiterten Kreis aus Filmemachern, Graphikern und Webdesignern (vgl.: ohnetitel o.J.: online). Als Netzwerk und Plattform plant und realisiert das Kollektiv Theater- und Kunstprojekten „an spannenden Orten mit spannenden Themen“ (ebd.) und hat neben anderen Projekten seit 2008 die Reihe vorstadt vor ort in seinem Programm. Je nach öffentlichen Finanzierungszusagen und somit in unregelmäßigen Abständen werden Projekte an der Schnittstelle von Theater und Alltag umgesetzt und „sehr bewusst in die Vorstadt
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platziert“.87 Die Projekte sind mit genauen thematischen Recherchen verbunden und spüren spezifischen Situationen und Momenten des jeweiligen Ortes und Lebensraumes nach. Die Reihe vorstadt vor ort wird ausschließlich über Subventionen finanziert. Die Eigenleistung der Projektinitiatoren und des Kernteams kann als wesentliche zusätzliche Ressource angesehen werden, da zumeist nur etwa 60-80 Prozent der eingereichten Summe bewilligt werden. Einnahmen werden keine generiert. Alle Mitglieder von ohnetitel sind beruflich in ergänzenden Arbeitsverhältnissen engagiert, die ihren Lebensunterhalt finanzieren. Gastgebende mit künstlerischem Führungsanspruch: Aufgabendefinitionen und Rollenverständnis Der Planungsprozess läuft in einem Kernteam aus vier Personen ab, pro Projekt werden zumeist zwei Personen als Projektleitende („Oberaufsicht“) bestellt. Diese sind für organisatorische Aufgaben wie etwa „Grafik oder Raumplanung“ ebenso zuständig wie für die „gesamte inhaltliche Koordination“. Ehlers betont im Gespräch explizit, dass die „Dramaturgie immer in die Leitung gehört“, da diese den roten Faden bestimmt. Zusätzlich ist bei allen Projekten eine Person für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Eine technische Leitung wird als externe Ressource hinzugezogen. Ehlers selbst sieht sich, speziell wenn sie eine Leitungsposition in den Projekten einnimmt, in der Rolle einer „Gastgeberin“, „die sich um alles kümmert und die Herzen aufmacht“ bzw. „für die Atmosphäre sorgt“. Sie ist auch diejenige, die eine Einladung ausspricht, aber Regeln vorgibt. Drei Personen des Kernteams sind zusätzlich zu organisatorischen Aufgaben auch in der künstlerischen Umsetzung, als Schauspielende, aktiv, eine Person wird mehr als künstlerischer „Konzeptdenker“ angesehen.
87 Quelle aller ab hier in diesem Abschnitt unter Anführungszeichen gesetzten Formulierungen und Zitate ist ein Interview mit Dorit Ehlers im Feburar 2012 – und wird aufgrund der einfacheren Lesbarkeit nicht einzeln angegeben. Inhaltliches Bezugsfeld waren alle bis 2011 realisierten Produktionen der Serie vorstadt vor ort.
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Der Moment des ‚Go/No-Go‘ und der ‚Mehrwert‘ von Kunst: Projektkontext, Verlauf und Ziele Die Gruppe hat sich den Ortsteil Itzling, der als Randbezirk im Salzburger Stadtleben eine „Verödung“ und „Abwanderung“ (Ehlers 2012: online) erlebt, sehr bewusst ausgesucht. Die Entwicklung des Absterbens eines ehemals florierenden Gewerbe-, Lebens- und Wohnraums sieht die Gruppe in aktuellen ökonomischen und kapitalistischen Entwicklungen begründet. Daher war und ist zentrale Intention „aus der realen Situation heraus eine Kunstform zu entwickeln, die die Unwahrscheinlichkeit von Geschäftsideen bis ins Fiktive treibt und damit gleichzeitig einen neuen Raum für die Wahrnehmung öffnet“ (ebd.). So sollte „ein Impuls fürs Stehenbleiben und Innehalten, für neuen Austausch und Ortsgespräch“ (ebd.) gegeben werden. Auf bis dato drei Projekte im Rahmen von vorstadt vor ort zurückblickend sieht Ehlers den Projektverlauf in folgende Phasen unterteilt: • •
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Planung/Konzeption: In dieser Phase entsteht die Idee und ein Erstkonzept für das Einreichungsverfahren wird entwickelt. Go/No-Go Moment: Diesen Moment bezeichnet Ehlers als „Trichter“, der - sofern eine Finanzierungszusage vorliegt - die weiteren Phasen ermöglicht. Konkretisierende Projektentwicklungsphase: In dieser werden Ideen verfeinert, Mitwirkende und Kooperationspartner fixiert, ein Technikund Zeitplan erstellt. Darauf fußt die nächste Phase. Projektdurchführung: In dieser findet das theatrale Ereignis statt, kann dabei aber mehrere Tage und Wochen umfassen. Abschluss- und Dokumentationsphase: Als letzte Phase nennt Ehlers „Aufräumen und Dokumentation“. Diese Phase wird im Interview nicht näher besprochen, umfasst jedoch (zumindest) einen Projektbericht. Da es sich um ein gefördertes Projekt handelt, muss der Subventionsstelle eine Dokumentation vorgelegt werden muss. Die Aufarbeitung für die Website in Form von Kurzberichten und Archivierung von Fotomaterial werden im Laufe des Interviews jedoch auch erwähnt.
Auf das zentrale Ziel der Projektreihe angesprochen, hebt Ehlers im Interview „die Schnittstelle zwischen Theater und Alltag“ hervor, in der neue Theaterräume „eröffnet, entdeckt, poesiert“ werden. Sie verweist auch auf
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eine soziale und politische Komponente. „Dass Kunst notwendig ist und bereichert“ betrachtet Ehlers wiederum als zentrale gesellschaftliche Aussage der Projektreihe an. Diesen „Mehrwert von Kunst“ sieht sie in ihren „Herzprojekten“ in einer sehr „persönlichen“ Dimension verortet. Es gehe darum, konkret Individuen anzusprechen und zu berühren, etwas zu schaffen, dass „anderen Leuten auch etwas bringen muss“. Die Intention, Teilöffentlichkeiten am Projektgeschehen zu beteiligen, korreliert mit dem Gesamtziel der Projektreihe, eine „künstlerische Neugier zu befriedigen“, wobei Ehlers selbstreflektiert einräumt, dass dies (auch) die eigene Neugierde meint. Aus einer subjektiven Perspektive heraus sind es vor allem die Prozesse und Reaktionen, die durch die Beteiligung und die Verbindung von Kunst und Alltag entstehen, die sie als Künstlerin und Projekt(mit)initiatorin interessieren. Einerseits hat sie eine klare Erwartungshaltung, welche Reaktionen und Prozesse entstehen, andererseits sind es gerade die nicht „konkreten Erwartungen“, „das Persönliche, was die Leute damit tun“, „was die Leute zusätzlich reinbringen“, was das Kernteam an der Beteiligung interessiert. Ehlers formuliert im Gespräch aber auch klar ihre eigene Rollenauffassung und die ihres Teams: Während des Projektes und seiner Umsetzung „legen wir uns mächtig ins Zeug“, die theatrale Rolle in ihrer partizipativen Struktur wird eingenommen, aber danach ist das „Projekt zu Ende“. Die Mitgestaltung durch Teilöffentlichkeiten und das Publikum sieht Ehlers teilweise als Zusammenarbeit an, vor allem dann, wenn diese einen Bezug entwickeln und aktiv Teil des theatralen Ereignisses sind. Jedoch betont sie, dass „wir uns nicht ins Konzept eingreifen lassen“. Das Kernteam ist eindeutig für die künstlerische Gestaltung, Dramaturgie und das Konzept verantwortlich. Im weiteren Verlauf des Gesprächs relativiert sie diese Aussage ein wenig. Ehlers verweist an dieser Stelle erneut auf ihre Rolle als Gastgeberin, die eine Einladung ausspricht, aber Regeln vorgibt. Jedoch räumt sie auch eine flexible Struktur ein: „Da kommt ganz viel an Information und dann fließt das wieder in die dramaturgische Gestaltung ein.“ Das bedeutet, dass sich im konkreten Austausch auch Mitgestaltungsformen der konzeptionellen Projektentwicklung eröffnen, wobei sich das Leitungsteam dann konkret überlege: „Wie bringen wir das ein, wo schaffen wir da Raum dafür?“ Ehlers erläutert dies an einem Beispiel, in dem Aufzeichnungen von Gesprächen nicht nur wie geplant als Filmmaterial,
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sondern darüber hinaus auch mündlich tradiert und in Form eines Gästebuches festgehalten wurden. Persönliche Netzwerke und individuelle Ansprache von Meinungsbildnern: Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit Sowohl die „interne als auch externe Zusammenarbeit baut auf ein enges persönliches Kennen und Kommunizieren“ auf. Kommunikationsprozesse im Kernteam beschreibt Ehlers als „sehr chaotisch“, sie würden dennoch gut funktionieren. Diese persönliche Basis als das Kernverständnis einer kollaborativen Arbeitsweise überträgt sich auch auf die externe Kommunikation. So sind Informationskanäle wie E-Mail oder Internet zwar Teil des Arbeitsprozesses, die „analoge“ Kommunikation, das unmittelbare, direkte Gespräch bildet jedoch auch in und für die Öffentlichkeit zentrales Kommunikationsinstrument. Die Partizipanten werden mittels persönlichem Anruf, Anschreiben oder Rundmail direkt angesprochen und zur Mitarbeit und Mitgestaltung eingeladen. Oft werden auch Vermittlungspersonen eingesetzt, die als Vertreter einer Teilöffentlichkeit eine Art Schaltstelle darstellen und die weitere Vernetzung übernehmen. Ehlers spricht auch von der „Verbreiterrolle“, in der diese meinungsbildenden Vertreter bewusst als Kommunikationsdistributoren angesprochen werden. Bei der Konzeption von Beteiligungsformen betont sie, die Notwendigkeit, sich „die Herangehensweise genau zu überlegen“, damit sich die Leute „nicht engagiert fühlen“ womit Ehlers „engagieren“ im Sinne von „anheuern“ und „anstellen“ meint. Dies impliziert, dass eine überlegte „Auswahl der Leute, die du ansprichst“ getroffen wird. Diese Phase des Einladens, die Initiierung von Partizipation, bedeute eine intensive Arbeitsperiode: „viel telefonisch, viel Internet und viel ganz persönlich“. Jedes Mitglied bringt dabei seine persönlichen Netzwerke in die Ansprache von Teilöffentlichkeiten ein. Ein Mitglied der Gruppe engagiere sich jedoch besonders in der Vernetzung und informellen Kommunikation („hat überall seine Finger“). Die Projekte setzen aus ihrer Struktur heraus auf die Beteiligung des Publikums. Aus den Projektinhalten, den persönlichen Netzwerken und dem unmittelbaren Austausch vor Ort ergeben sich projektrelevante Partizipationsgruppen und Formate. Pressemitteilungen, Plakate, Postkarten und ein E-Mailverteiler sind zentraler Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit.
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Speziell die Medienarbeit („massiv“, und die Plakatreihen („treten etwas los, schaffen Neugierde“) schaffen im Vorfeld, aber auch während der Umsetzungsphase Aufmerksamkeit. Zusätzlich bezeichnet Ehlers „Mundpropaganda“, den „persönlichen Austausch“ als wesentlichen Kanal, um Öffentlichkeit herzustellen. In diesem Öffentlichkeitsprozess sieht Ehlers das Kernteam als „Impulsgeber“, die eine „Erstinformation sehr deutlich und klar formulieren“ und Diskurse „anpushen“. Der weitere Verlauf der Gespräche und Diskussionen, die in den mehrtägigen Projektereignissen entstehen und stattfinden, werden verfolgt, aber nicht mehr aktiv in diese eingegriffen. Soziale Medien werden „bewusst nicht“ eingesetzt. Wachsende Verbundenheit, temporäre Verantwortlichkeit: Beteiligungsformate und konkrete Aufgabenverteilung In allen Projekten hat die Gruppe mit zahlreichen Partnern aus der Kunstund Kulturszene, sowie soziokulturellen Vereinen (etwa dem Arbeiter_innen Begegnungszentrum Salzburg), Schulen, aber auch mit „involvierten Künstlern“, und, je nach Themenstellung und Inhalt, mit spezifischen Gruppierungen wie etwa mit der „Kaufmannschaft Itzling“ oder auch Einzelpersonen (der „Herr Weiser, als wahnsinniger Netzwerker“) kooperiert. Diese Kooperationen entstehen aus einem „persönlichen Netzwerk“, durch „persönliche Anknüpfungspunkte“, ebenso aus thematischen Verknüpfungen, aus denen heraus die Gruppe dann „eine fremde Institution anspricht“. Bei allen drei Einzelprojekten von vorstadt vor ort ist „unbedingt“ eine „ziemliche“ Community entstanden. Da die Projekte immer am selben Ort stattgefunden haben, ist dieses temporäre, projektbezogene Zugehörigkeitsgefühl kontinuierlich gewachsen und hat sich weiterentwickelt. Diese Verbundenheit mit der Projektreihe und ihren Einzelprojekten wird bewusst durch die Projektinitiatoren herzustellen gesucht. Der Prozess der Verbundenheit und der darauf aufbauenden Mitgestaltung wird laut Ehlers durch eine erste Phase der Annäherung in Gang gesetzt. In einem Antasten und Verstehen wird Zugang zum Projektvorhaben hergestellt, das Projekt kennengelernt und werden mit den jeweiligen Teilöffentlichkeiten Inhalte und Formate besprochen. In einer zweiten Phase „ist es wichtig, dass jemand eine Verbundenheit darüber hinaus entwickelt und „sich in dem Projekt wiederfindet“. Dies zeigt sich etwa, wenn „der Ort des Vorhabens individu-
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ell konkret besichtigt wird“. Es folge eine Nachphase, eine „nachträgliche Verbundenheit“, die eher „untereinander“ entsteht. Eine Pluralität von Interessen sowie damit verbundene Haltungen und Meinungen werden bereits in der Konzeption und Phase der konkreten Ansprache berücksichtigt, wobei der Handlungsraum von Individuen auf das Vorwissen dieser ausgerichtet ist. In einem detaillierten Analyseprozess wird in der Konzeption durch das Kernteam sehr genau überlegt, wer sich wie mit welchen Kompetenzen und Wissen einbringen könnte. Nach dieser Analyse wird bestimmt, wer aus dem Kernteam wiederum Kompetenzen und Netzwerke in der Ansprache dieser Gruppe einbringen kann und folglich auch die konkrete Zusammenarbeit mit der jeweiligen Gruppe koordiniert. Diesen werden dann konkrete Aufgaben („macht inhaltlich sehr konkrete Zusammenstellungen“) zugeteilt und angeboten. Es werde „eine konkrete Aufgabe“ gestellt. Der Handlungsraum der Individuen wird somit vorab klar definiert. Erwünschte Abweichungen oder Reflexion seitens mitwirkender Individuen werden zwar interessiert und bewusst angenommen („wir kümmern uns darum“, sind „zuständig“) und auch in Einzelgesprächen diskutiert, haben jedoch primär geringe Auswirkungen auf den Programmverlauf („das geben wir nicht ab“). Jedoch räumt Ehlers (erneut) ein, dass „so ein Konzept nicht bis zum Ende im Voraus“ durchgedacht werden kann, dass eine gewisse Offenheit und Flexibilität im Verlauf gegeben ist. Stolz auf kleine Aktionen mit bleibender Wirkung: Wirkungsradius und Optimierungspotential Persönlich ist es vor allem „unglaublicher Stolz, weil es immer noch das Gefühl ist, als ob da irgendetwas eigentlich aus dem Nichts entsteht“, den Ehlers empfindet. Sie bemerkt, dass es „nicht die großen Aktionen“ sind, die wirken, sondern die unmittelbaren Begegnungen mit den Menschen. Optimierungspotential sieht Ehlers im organisatorischen Bereich. Die Koordination, Planung und technischen Vorbereitung wäre für die Mitglieder von ohnetitel ein sehr hoher Aufwand, da „nebenbei“ der Berufsalltag bewältigt werden muss. Trotz der umfangreichen Medienarbeit, die bereits geleistet wird, sieht sie hier auch Verbesserungsmöglichkeiten: „Es hat durchaus etwas mit Öffentlichkeit zu tun, die mehr optimiert gehört.“ Ein
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weiterer Punkt umfasst die „Dokumentation“ („Da gäbe es durchaus Potential“). Sie betont, wie fruchtbar sie die interdisziplinären, spartenübergreifende Denkprozesse und Konzeptionsaspekte für partizipatorische Projekte ansieht. So spiegelt sich bereits im Team die im Projekt angelegte Pluralität („das jeder eigentlich immer einen anderen Aspekt mit rein gibt“) wider. Positive Auswirkungen auf Mitwirkende sieht Ehlers vor allem in einem zumindest temporären Perspektivenwechsel („mal ganz kurz Sachen anders zu sehen“), der aber auch durch die räumliche und körperliche Erfahrung („mal ganz kurz sich in was befinden, was nicht das Normale ist, aber irgendwie ist es doch normal“). Dieser Erfahrung spricht Ehlers auch eine nachhaltige Wirkung zu: „Da bleibt etwas.“
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T HEATER H AUSRUCK : T HEATER GEGEN DAS V ERGESSEN Dem Publikum die Hand geben und gemeinsam dort hingehen, wo noch keiner vorher war. CHRIS MÜLLER, THEATER HAUSRUCK
Seit Sommer 2005 konzipiert und inszeniert das als Verein eingetragene Theater Hausruck Theaterstücke, die aus und für die ländliche, gleichnamige Region in Oberösterreich entwickelt werden. Das Theater Hausruck versteht sich „nicht nur [als] eine polarisierende, politische Initiative, es ist auch ein mehrfach ausgezeichnetes Modellprojekt für gesellschaftliche Partizipation und Publikumseinbindung“ (Theater Hausruck o.J.: o.S.). Die erste Produktion hunt oder Der totale Februar des österreichischen Schriftstellers Franzobel - als regionales Leaderprojekt seitens der EU finanziert wurde mehrfach ausgezeichnet. Auf Basis dieses erfolgreichen Projektes hat sich ein Theateranspruch entwickelt, der Theater „als multi- und interdisziplinäre Versuchsanordnung“ (Theater Hausruck o.J.: o.S.) auffasst und Kunstformen wie Film, Performance, Literatur sowie den wissenschaftlichen und politischen Diskurs miteinbezieht. Die regionale Partizipation ist Basis jedes Theaterprojektes und umfasst Recherchen vor Ort, lässt individuelle Hintergründe und persönliche Erfahrungen in das Drehbuch einfließen und involviert die Bevölkerung und ihr Vorwissen als Laiendarsteller oder ehrenamtliche Hilfskräfte in den gesamten Produktionsprozess. Zahlreiche Kooperationen mit Vereinen, Institutionen und Unternehmen aus der Region unterstützen ebenfalls das Projekt. Von 2005 bis 2011 wurden vier Theaterprojekte (ur)aufgeführt. Diese Stücke setzten sich u.a. mit der eigenen NS-Geschichte (hunt oder Der totale Februar sowie ZIPF), Migration (A Hetz) sowie den Ursachen und Folgen des Kapitalismus (€AT) auseinander. Als Verein agiert das Theater nicht gewinnorientiert, versucht jedoch Rücklagen aufzubauen. Einnahmen werden über öffentliche Fördergelder, Wirtschaftskooperationen und Sponsoring, Ticketverkauf sowie Verkauf von Zusatzprodukten, aber auch Spenden generiert. Im ersten Vereinsjahr konnte ein solides finanzielles Fundament durch eine EU-Förderung sowie eine Parteiförderung des Landes erreicht werden. Im Folgejahr, in dem die Wiederaufführung von hunt
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auf dem Programm stand, war die finanzielle Situation „deutlich anders“88. die Wiederaufführung konnte aufgrund zu geringer Förderungen fast nicht durchgeführt werden. Die meisten Jahre waren – trotz zahlreichen Sponsoren und ausverkauften Vorstellungen – von einem Ringen um öffentliche Subventionen geprägt. Kollaborative Strukturen mit klar konturierten Profilen: Aufgabenverteilung und Teamstrukturen Die Intention, Theater aus und mit der Region für die Region zu machen und dabei etwas Neues zu schaffen ist, ist verbindliche Prämisse des Theater Hausruck. Diese ist im Leitungsteam jedoch individuell nuanciert: Für Roland König als Vereinsvorsitzenden stehen Entwicklungen in der Region im Vordergrund, für Georg Schmiedleitner als Regisseur der Anreiz „anderes Theater zu machen“. Chris Müller selbst agiert vor allem aus politischen Gründen: „Ich will die Welt verbessern.“ Das Leitungsteam des Theater Hausruck bestand von 2005 bis 2011 aus drei Personen: Chris Müller als Intendant, Georg Schmiedleitner als Regisseur bilden das künstlerische Leitungsteam und Roland König als Vorsitzender des Vereins fungiert als kaufmännischer Leiter. Dieses Leitungsteam zeichnet maßgeblich für die jährliche Projektinitiative und Konzeption verantwortlich, arbeitet dabei stets mit einem Kernteam in der Organisation sowie teilweise auch mit einem Stammbestand an Schauspielern und Laiendarstellern zusammen. Je nach Themenstellung werden involvierte Gruppierungen in die Arbeitsprozesse einbezogen. Das Theater versteht sich als „offener Kreis“, der sich der „Auseinandersetzung mit zentralen gesellschaftlichen Fragen und ihren regionalen Ausprägungen verschrieben“ habt (Theater Hausruck o.J.: o.S.). Im Interview zu seinem eigenen Arbeitsprofil in diesem Prozessverlauf befragt, sieht sich Müller in der Rolle eines „Mittelfeldmotors, der nach vorn und hinten arbeitet und der den Laden im Zaum hält“. Müller interpre-
88 Quelle aller ab hier in diesem Abschnitt unter Abführungszeichen gesetzten Formulierungen und Zitate ist ein Interview mit Chris Müller im März 2012 – und wird aufgrund der einfacheren Lesbarkeit nicht einzeln angegeben. Inhaltliches Bezugsfeld waren alle in seiner Periode (2005-2011) realisierten Theaterproduktionen.
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tiert seinen Handlungsraum als spielerisches Koordinationsfeld, in dem er stets den Überblick hat und die Fäden in der Hand hält. Von ersten Metaphern zur filmischen Dokumentation: Der Projektverlauf in fünf Phasen Für den Projektverlauf lassen sich aus dem Gespräch mit Chris Müller primär vier Phasen eruieren, wobei eine fünfte –wie auch auf der Website ersichtlich -, nämlich eine Dokumentationsphase, ergänzt werden kann. Diese sind: •
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Phase der Ideengenerierung: Bei Müller als Intendant entstehen Ideen „meistens aus meinem Kopf“, die dann in einem intensiven Prozess mit dem Regisseur und ebenfalls künstlerischen Leiter Georg Schmiedleitner weiterentwickelt werden. Ist die Idee von Müller meist eher politisch-konzeptionell und thematisch gefasst, so ist Schmiedleitner derjenige, der diese Idee theatral einzufassen sucht. „Metaphern und Bilder“ spielen in diesem Prozess eine wesentliche Rolle. Zusätzlich wird jede Idee mit bekannten Projekten oder Inszenierungen abgeglichen. Von Beginn an wird die organisatorische Realisierbarkeit mitbedacht. Phase der Recherche: Die Phase der Recherche ist eng an die Phase der Idee gekoppelt und macht ein Kernstück der Projektentwicklung aus: „Der Erfolg der Theaterproduktionen gründet auf einer peniblen zeithistorischen Recherche und der Aufbereitung des Materials für die öffentliche Diskussion“ (Theater Hausruck o.J.: o.S.). Diese zeithistorische Recherche umfasst auch eine detaillierte Analyse vor Ort, die dann vor allem bereits die nächste Phase einleitet. Phase der Konzeption: Speziell in dieser Phase sind künstlerische Konzeption, Dramaturgie und pragmatische Organisation eng verwoben. Müller erläutert dies an einem Beispiel aus dem Stück „A Hetz“, in dem ein erstes Textfragment am Ort der Umsetzung an der Wegstrecke gemessen wird – und folglich adaptiert werden musste. Pragmatische Umsetzung und künstlerische Idee werden dramaturgisch auf einander abgestimmt: „Es läuft parallel. Die künstlerische Konzeption muss die Realitäten mit bedenken. Dieses Konzentrat aus Realität und Fiktion ist Theater.“ Diskussionen, intern und extern, prägen die gesamte Konzeptionsphase. Chris Müller beschreibt diese Phase auch mit „Wahlkampf“,
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in dem „ein Gefühl der Entwicklung für die Gesellschaft erforderlich ist und ein politischer Diskurs stattfindet“. Alle diese Prozesse folgen jedoch einer Vision („das große leuchtende Bild“), in der Änderungen jedoch Raum haben und Flexibilität gegeben sein muss: „Man muss Teile dazu erfinden, es geht nur gemeinsam mit vielen Fäden - und du drehst das Tau, und irgendwann ist es stark genug, dass du einen roten Faden hast“. Speziell die Phasen der Konzeption und Organisation bezeichnet Müller als „prozesshaft“. Phase der Umsetzung, die vor allem die konkrete Theateraufführung und das Theaterereignis meint. Phase der Dokumentation: Diese Phase erwähnt Müller nicht im Interview, sie wird jedoch aus der Website ersichtlich: „So wird zu jeder Produktion eine filmische Dokumentation produziert, in der der politische und historische Kontext des jeweiligen Stückes aufgerollt, die Bearbeitung durch das Theater Hausruck sowie das Making-Of der theatralen Umsetzung dokumentiert werden.“ (Theater Hausruck o.J.: o.S.)
Kooperationen sind ebenfalls fixer Bestandteil jedes Theaterereignisses des Theater Hausruck. Neben finanziellen Partnern, zu denen Müller „Land, Bund, Privatpersonen (Sponsoren)“ zählt, werden Kooperationen mit Medien, Vereinen, wissenschaftlichen Institutionen, politischen Parteien, Aktivisten, kommunalpolitischen Entscheidungsgremien und Teilöffentlichkeiten eingegangen. Kommunikation und Öffentlichkeit herstellende Organe: Versammlungen, Botschafter, Medien Kooperationen und die Integration betroffener Personengruppen erfolgen bereits in der Phase der Konzeption: „Das sind etwa die Blasmusikkapelle, die Rettung, die Feuerwehr, Laiendarsteller, als auch Arbeitslose, die Trachtenkapelle, der Singverein, Goldhauben“, die Müller angeführt. Diese Kooperationen „bedeuten ganz viel Arbeit, sind aber für die Stimmung notwendig. Du musst die Stimmung eines Landes, einer Region fühlen, sonst funktioniert nichts. Sonst erzeugst du nicht diesen Schmäh, den du brauchst.“ Müller verwendet an dieser Stelle das Wort „Politik“, um zu verdeutlichen, wie Kooperationspartner und Verbündete gewonnen werden.
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Speziell zu Projektstart und in der Konzeptionsphase sei er von einem Vortrag zum nächsten unterwegs. Der externe Informations- und Kommunikationsfluss werde vor allem über „Ansprachen“ und „Versammlungen“ in Gang gesetzt. Auch Workshops werden veranstaltet. Hinzu kommen Einzelgespräche sowie ein bewusstes Ansprechen der Medien. Speziell in der Konzeptionsphase werden Ereignisse und Events initiiert. Diese Kommunikationsveranstaltungen, die Müller durchaus auch als Inszenierungen versteht, stellen somit bereits zu Projektstart Öffentlichkeit her: „Im Gemeinderat, im Wirtshaus, im Vereinshaus, bei der Feuerwehr in jeder Versammlung muss das Gefühl gegeben werden, dass da etwas passiert.“ Narrative Strukturen sowie das Aufgreifen von persönlichen, individuellen Schicksalen und Erlebnissen spielen dabei eine wesentliche Rolle: „Man muss beginnen mit ganz vielen Geschichten ins Gespräch zu kommen und diese medial weiterzuspielen.“ So werden zu den Versammlungen auch immer Vertreter von regionalen, teilweise auch nationalen oder fachspezifischen Medien eingeladen. Zusätzlich werden auf Veranstaltungsformaten dieser Art auch Finanzierungsquellen konstruiert – wie Müller an einer Spendenaktion für die Produktion „hunt“ erläutert. In den Versammlungen des zweiten Produktionsjahres konnte ein Stück gebrandmarkte Kohle als Merchandisingartikel gegen eine Spende erworben werden. Auf diesen Versammlungen werden parallel Informationen zu Formen der Beteiligung gegeben und Informationsmaterialien an die Medien distribuiert. Dabei wird bewusst darauf geachtet, dass „die Thematik erspürt“ und „die Geschichte erfahren“ werden kann. „Neue Formate“ werden „erfunden“, um diesen Anspruch erfüllen zu können. Auch die aktive Mitgestaltung durch Laiendarsteller sieht Müller eng mit dem Herstellen von Öffentlichkeit verbunden: „In der Mitwirkung als Darsteller oder als Helfer ist jeder der Beteiligten auch als Botschafter, als Generator für den Sog, den man braucht, also als Sprachrohr, als lebendiger Flyer, anzusehen.“ Der/die Mitwirkende fühlt sich als Teil des Gesamtprojektes („da bin ich dabei“) und „ist ganz wichtig“. Er/Sie agiert als „Zeitungsjunge“, als „Zeitungsdame“. Zusätzliche werden regionale Entscheidungsträger, wie Obmänner von Vereinen oder Institutionen aktiv von Müller und dem Leitungsteam angesprochen und motiviert. Auch diese Personen – „Leute, die kennen jeden, also ganz wichtige Leute in der Region“ – werden als Botschafter verstanden. Als Sprachrohr sind sie in Folge Motivatoren für eine spezifische Personengruppe oder Teilöffentlichkeit.
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Emotionale Betroffenheit, Wir-Gefühl und Parallelwelt: Aufbau einer temporären Verbundenheit Botschafter wie auch generell alle zu involvierenden Personengruppen werden mit der Ansprache eines Zugehörigkeitsgefühls motiviert: „Wir haben immer gesagt: Ihr seid das Theater Hausruck. Wir und ihr seid das Theater Hausruck und tut mit und macht und tut.“ So ist das Herstellen von Öffentlichkeit stets mit dem Aufbau eines Zugehörigkeitsgefühls verbunden – und dieses bewusste Herstellen einer Verbundenheit mit dem Projekt „hat irgendwie total gut funktioniert“. Das Einbringen von individuellen Kompetenzen sieht Müller als sehr wichtig an. So konnte Vorwissen in vielfältiger und sehr individueller Form eingebracht werden: Als „Experten des Lebens“ sind Bewohner der Region stets gefragt, das Drehbuch mitzuschreiben, je nach Inhalten stellen Anrainer und Unternehmer Felder, Häuser, Busse, Materialien und vieles mehr zur Verfügung, und handwerkliche Kompetenzen beim Bühnenaufbau sind stets gefragt – „beim Mithelfen, als Organisator in den Organisatorien, als Handwerker, als Schneider, als Bühnenhelfer“. Explizit auf die Bildung einer Community angesprochen, vergibt Müller zehn Punkte in einer Skala von eins bis zehn, um zu beschreiben, wie intensiv und hoch das entstandene Zugehörigkeitsgefühl war. Jedoch drückt sich seiner Meinung nach dieses Gefühl „in Zuneigung und in Ablehnung“ aus. Er führt damit die Dimension einer sowohl positiv als auch negativ konnotierten Betroffenheit für das Entstehen eines temporären Verbundenheitsgefühls ein. Dennoch sieht Müller für das Kernteam und die (politische) Ausrichtung des Projektes widerläufige Meinungen als „völlig unproblematisch“ an. Eine Ausnahme sei jedoch „A Hetz“ gewesen, das Migration zum Thema hatte. Bei dieser Theaterproduktion seien in der lokalen Bevölkerung sehr emotionale Diskurse entstanden („Was da spielst du mit?“). Zwiespältige Positionen hätten diese Produktion fast zum Scheitern gebracht. Doch gerade auch diese widersprüchlichen, gegenläufigen Meinungen und Diskurse unterstützen den gesamten öffentlichen Prozess: „Grundsätzlich“ sei „sehr viel diskutiert worden“ und dann „hat sich auch was geändert“: „Und das war die große Kraft.“ Das Entstehen von Zugehörigkeit ist für Müller eng verbunden mit einem „Emotionalitätsfaktor“, der sowohl durch die ausgewählten Themen, durch den konkreten Bezugs zum regionalen Umfeld als auch durch die in-
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szenatorische Praxis in der Projektentwicklung und des konkreten Theaterereignisses hergestellt wird. Müller verwendet mehrfach den Vergleich mit „Sekten“, um die Prozesse und die emotionale Verbundenheit, die jeweils rund um die Projekte des Theater Hausruck entstanden sind, zu erläutern: „Wenn jemand einmal dabei gewesen war, hat er dieses großartige Gefühl, das Gemeinschaftsgefühl erlebt.“ Die Beteiligten seien ganz stark „aufgeladen“. Durch eine „gemeinsame Tätigkeit, ein gemeinsames Ziel, und die gemeinsame Produktion wird ein Tor zu einer Welt, die man gerne mal gelebt hätte, geschaffen.“ So habe jeder und jede Beteiligte „für kurze Zeit die Chance ein anderes Leben zu leben“. Für diese Zeitspanne sei es dann zum Beispiel „normal“, dass „Karl Markovic neben dir sitzt“ oder andere prominente Schauspieler beim Bäcker, am Dorfplatz oder einem Spaziergang Teil (sonst alltäglicher) Erfahrungswelten sind. Diese temporäre „andere Welt“ versteht Müller als eine Art „Alltagsflucht“, der er auch nachhaltige Wirkung zuspricht: „Und das, glaube ich, formt.“ Das Potential, aber auch der Mut, etwas zu verändern: Reflexionen und Herausforderungen Als persönliche Erfahrung konnte Müller – „abgesehen von dem Handwerklichen, was man in Kunst und Kultur braucht“ - vor allem viel „soziologisches Wissen“ erwerben, also „wie man Prozesse initiieren kann, wie man Prozesse verstärken kann“. Unter anderem habe er gelernt, „wie Gruppen ticken, was Psychologie ausmacht, was Haltungen ausmachen, was Vorbilder ausmachen und natürlich auch, was man sagen muss, was bei Medien ankommt“. Optimierungspotential sieht er wenig, aber er erachtet als wesentlich, dass „man sich diesen Mut nie nehmen muss“, dass „man sich traut zu scheitern“. Er spricht auch die „dünne Personaldecke“ an, und dass er sich nie sicher war, „ob ich das nochmals schaffen kann, als Kraftfigur“. Generell spricht er partizipatorischen Kunst- und Kulturprojekten ein hohes gesellschaftliches Potential zu, da in diesen Strukturen „eine gute Chance besteht, tatsächlich die Gesellschaft zu ändern, zu verändern.“ Dies ist für ihn der Unterschied zu jenen Kunst- und Kulturangeboten, die „oft nur Unterhaltung“ sind. Auf weitere Optimierungsvorschläge angesprochen, ist es vor allem der Bereich der (realen) politischen Entscheidungs-
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ebene, die er als „ein Hauptproblem“ ansieht: dass „sich die Leute nichts zu sagen trauen gegen den Bürgermeister“, aber auch dass jedes Kulturprojekt stets auf politische Unterstützung, die gleichzeitig finanzielle Unterstützung bedeutet, angewiesen ist.
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P ODIUM M USIKFESTIVAL E SSLINGEN Wir
wollen
das
kulturelle
Format
umdenken. STEVEN WALTER
Das PODIUM Musikfestival wurde 2009 von Steven Walter und Minh Schuhmacher in Esslingen gegründet und hat sich in kurzer Zeit als ein vielbeachtetes Erfolgsmodell in der Festivallandschaft etabliert. Das jährlich im Frühjahr stattfindende Kammermusikfestival „denkt Parameter des klassischen Musikschaffens neu“ (PODIUM o.J.: o.S.) und sucht neue Vermittlungs- und Rezeptionsformate zu kreieren. Sowohl in der Organisationsstruktur als auch im Ausprobieren diverser Kommunikationswege bis zu vielfältigen Konzertkonzeptionen werden neuartige und erlebnisstarke Formate entwickelt. Mit Erfolg wird dabei auch ein junges Publikum mit anspruchsvollen Inhalten erreicht. Das PODIUM Musikfestival wurde bisher mit zahlreichen renommierten Preisen ausgezeichnet, darunter der ECHO Klassik, red dot award und Kulturmarken Award (vgl. Lang/Walter 2013: o.S.). Im Gründungsjahr 2009 dauerte das Festival vier Tagen und umfasste 12 Konzerte. Von Beginn an bestimmten Internationalität und eine europäische Ausrichtung das künstlerische Programm. Seither ist PODIUM in seiner Länge, Programmatik und Organisation kontinuierlich gewachsen. Das PODIUM hat zum Ziel, durch ein neuartiges Festivalkonzept nicht nur Klassikliebhaber zu bedienen, sondern auch jungen Menschen die Vielfalt der klassischen Musik nahezubringen sowie ein unabhängiges Podium für europäische Nachwuchsmusiker zu schaffen. Den Anspruch, neue Wege der klassischen Musikdarbietung und -vermittlung auszuprobieren, sieht Steven Walter dabei vor allem aus einem soziokulturellen Ansatz begründet: „Wir dürfen nicht vergessen, dass das Konzert seinem Wesen und Existenzgrund nach eine sozial-ästhetische Plattform ist. Das heißt, sie dient dem Menschen immer auch zu einer gewissen sozialen und ästhetischen Selbstverortung. Wenn wir mit klassischer Musik aus dem immer enger werdenden bildungsbürgerlichen Schema ausbrechen wollen, so müssen wir uns sehr bewusst überlegen, wie wir die Konzertsituationen und die Kommunikation gestalten, um in heutigen Kontexten einen grö-
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ßere gesellschaftliche Relevanz zu schaffen. Dies muss ohne jede Anbiederung und Verwässerung der Inhalte passieren. Das Angebot lautet: erlebt etwas Neues in einer Rezeptionssituation, in der ihr euch wohl fühlt. Das muss das Versprechen sein – und es funktioniert.“ (Walter 2013: o.S.)
Das Festival wird maßgeblich von einem jungen, größtenteils ehrenamtlich arbeitenden Team getragen. Von der Organisation über die Bewerbung bis zur Durchführung geschieht alles in Eigenregie. Neben traditionellen sind auch unkonventionelle Konzertkonzepte wie das Bach & Breakfast, Nachtkonzerte, Klassik trifft Jazz, Podium 360° sowie Kinder- und Jugendkonzerte Bestandteile des PODIUM-Festivals. Solide Finanzstruktur, Volunteers, künstlerische Entscheidungsinstanz: Projekt- und Aufgabenstruktur Künstlerischer Leiter des Festivals ist Steven Walter. Die administrative Leitung hat Minh Schumacher inne. In die Planung und Durchführung der Festivals sind zahlreiche Schüler und Studierende als ehrenamtliche „Volunteers“ involviert. Das PODIUM wird als Verein Podium junger Musiker e.V. geführt und kann auf eine sehr solide Finanzstruktur aufbauen. Etwa 70 Prozent der benötigten Gelder werden über Sponsoring und Mäzenatentum eingenommen, etwa 10 Prozent durch öffentliche Gelder („kommunale Landesmittel“ 89) subventioniert und etwa 20 Prozent der Einnahmen werden über Ticketverkauf sowie Angebote an Zusatzleistungen und Merchandisingprodukte erwirtschaftet. Die Verantwortungsbereiche sind strukturell vorgeben und in einem Organigramm festgehalten (vgl. Flyer PODIUM 2012): Steven Walter als künstlerischer Leiter verantwortet das Programm, ist aber auch für Finanzierung und Akquise verantwortlich. Im Gespräch betont er jedoch, dass das Team diese Verantwortungsbereiche mitgestaltet: „Das machen wir zwar alle zusammen, aber ich bin quasi die federführende Person.“ Walter
89 Quelle aller ab hier in diesem Abschnitt unter Abführungszeichen gesetzten Formulierungen und Zitate ist ein Interview mit Steven Walter im Juni 2013 – und wird aufgrund der einfacheren Lesbarkeit nicht einzeln angegeben. Inhaltliches Bezugsfeld waren alle in seiner Periode von 2009 bis 2013 realisierten PODIUM Festivals.
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sieht sich als entscheidende Instanz in der künstlerischen Programmatik: „Am Ende entscheide ich dann doch.“ Er verweist aber auch hier auf vorangegangene kollaborative Prozesse: „Manchmal, aber meistens kommen wir im Team dann zu diesen Entschlüssen“. „Repräsentationsaufgaben“ gilt es für ihn ebenfalls wahrzunehmen, wobei diese vor allem Fundraising und Kooperationen, finanziell als auch koproduzierend, umfassen. „Vernetzung“ ist zentral in seinem Aufgabengebiet verankert. Walter war vor allem in der Gründungsphase maßgeblicher Projektinitiator („am Anfang ich im Alleingang“) wurde aber recht bald von seinem Kollegen Minh Schumacher unterstützt. Das Team ist rasch gewachsen, „schon beim ersten Jahr hatten wir eine große Truppe“. Die Konzeption und Organisation der laufenden Festivals sieht Walter als „Werk von diesem Team, von so zehn, elf, zwölf Leuten“ an, wobei in dieser Kerntruppe einzelne Personen jeweils „für gewisse Abteilungen, Bereiche, Teilgebiete Verantwortung übernehmen“. Walter nennt dieses Team „interdisziplinär“. „Leitend verantwortlich“ bleiben jedoch stets er und sein Kollege Schuhmacher. Vom Brainstorming zur Evaluation: Das Festival im Jahreszyklus Da das Festival jährlich stattfindet, beschreibt Walter den Projektverlauf in einem Jahreszyklus. In etwa lassen sich fünf bzw. sechs zentrale Phasen eruieren: •
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Brainstormingphase: Im Juni erfolgt die Evaluation des abgeschlossenen Festivals, aus der heraus sich neue Ideen für das Folgejahr generieren. Konzeptentwicklungsphase: Auf Basis der ersten assoziativen Ideen werden dann über den Sommer (Juli/August) in Teams unter einer/einem Verantwortlichen einzelne Stränge entwickelt. Diese umfassen eine programmatische Schiene („heißt künstlerisches Programm entwickeln“) sowie auch eine damit verbundene organisatorische Ebene („aber eben alles Mögliche entwickeln“, „ein Programmbuch“, „was für Veröffentlichungen“, „Marketing im weitesten Sinne“). Diese Entwicklung der einzelnen Programmformate liegt primär beim zwölfköpfigen
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Kernteam, aber auch Ideen der Community fließen mit ein („da gibt es ein paar Leute, die da mitdenken“). Verfestigungs- und Kontrollphase: Im Oktober gibt es „ein großes Meeting“, in dem „diese Formate, die dann in der Idee schon stehen, festgeklopft und hart durchgenommen“ werden. Dies erfolgt erneut im Kernteam: „Mit diesem Meeting muss das Programm stehen und Konzertideen werden auf Herz und Nieren geprüft.“ Mit diesem Meilenstein im Projektverlauf beginnt dann der Prozess der „peniblen Kleinarbeit, in der man alles durchdenkt“. Dieser Prozess sollte mit Januar abgeschlossen sein. Veranstaltungsplanung und Organisation: Der Zeitraum Januar bis April ist von organisatorischen Aufgaben geprägt („die ganze Organisation quasi“) und umfasst „Marketing“, „Probenplan“ und „Projektmanagement“. Umsetzungsphase: Ende/April oder Anfang Mai findet dann über eine Zeitspanne von etwa zwei Wochen das Festival statt. (Evaluationsphase): Die letzte Phase verläuft wiederum parallel zu der Brainstormingphase für das kommende Jahr.
Das zentrale Ziel des Festivals ist es, „eine Art Plattform für Innovationen im Klassik- bzw. Kammermusikbereich“ zu etablieren, wobei sich diese als „Ort für Experimente“ versteht. „Das kulturelle Format umzudenken“ steht im Vordergrund, um neue Akzente, „eine neue Form der Organisation von klassischer Musik“ sowie auch der „Vermittlung, Kommunikation und Inszenierung“ zu setzen. Die Projektziele korrelieren mit der Botschaft und gesellschaftlichen Aussage, wobei aus einem Artikel von Walter folgender Gedanke ergänzt werden kann: [Wir wollen] eine Plattform für Innovationen in der klassischen Musik, der Kammermusik, etablieren. Dabei nicht dogmatisch nur eine Richtung einschlagen, sondern experimentell neue Wege bestreiten. Ausprobieren. Neue Formen der Organisation und der Vermittlung von klassischer Musik. Das umfasst auch Kommunikation und Inszenierung. (Vgl. Walter 2013: o.S.)
Auf das Publikum angesprochen, sieht Walter als Zielgruppe vor allem „junge Studenten mit akademischen Hintergrund, die sich sonst eher in der
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anspruchsvollen Clubkultur tummeln“. Über das „klassikinteressierte Publikum“ hinaus werden „Kulturaffine, die aber nicht Klassikgänger sind“ angesprochen. Für Schulen gibt es ein eigenes ‚Education Programm‘. In kollaborativen Strukturen denken und handeln: ‚Kooperationen‘ als Fundament des Festivals Von der Programmgestaltung über öffentliche Subventionen bis hin zur konkreten ehrenamtlichen Mitarbeit des Flyer-Austragens reicht Walters Auffassung von Kooperation: „Auf künstlerischer Ebene“ kooperiert PODIUM „längerfristig mit dem Bundesjugendballett“, mit einer „internationalen Musikszene“, dabei vor allem mit „Nachwuchsmusikern, hauptsächlich in der Generation so 18 bis 30 Jahre, von ganz Europa“. Im Finanzbereich werden „längerfristige Kooperationen mit der Stadt, der Stadtverwaltung“ eingegangen. Mit dem Rotary Club besteht eine „enge Kooperation“. Manche „regionale Wirtschaftsunternehmen spenden einfach“, zunehmend werden finanzielle Kooperationen jedoch als Sponsoring interpretiert, „also auf Gegenleistung beruhend“. Generell pflegt das PODIUM enge Kontakte mit der „regionalen Wirtschaftselite“. Medienkooperationen werden regional und national eingegangen. Konkret nennt Walter den SWR, „Lokal- bzw. Stuttgarter Zeitung“, ZDF, 3SAT. Auf organisatorischer Ebene zählt Walter „viele lokale Kooperationen“, mit „Veranstaltungsstätten“, „Festivalhotels und so weiter“ auf. Die sogenannten „Volunteers“ sind wiederum „Leute, die quasi über das Jahr Verantwortung übernehmen, einfach zum Festival kommen und anpacken“ und als zentrale organisatorische Stütze das Kernteam maßgeblich in operativen Abläufen und Aufgaben unterstützen. (Soziale) Netzwerke, Fans, Influencer: Über informellen Austausch zu strategischer Kommunikationspolitik Der Kommunikationsaustausch erfolgt im Kernteam, dessen Mitglieder verstreut in ganz Europa ihre studentischen, künstlerischen und/oder beruflichen Aktivitäten ausüben. Dafür wurde „eine Art Intranet“ eingerichtet, das extra auf die Bedürfnisse der Mitglieder ausgerichtet und programmiert ist. Für den externen Kommunikationsfluss sind vor allem – mit Bezug auf
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„diese jüngeren Zielgruppen“– „die bestehenden sozialen Netzwerke wesentlich, wobei nicht auf die klassische Kommunikation verzichtet wird“. So baut der Kommunikationsfluss, sowohl extern als auch analog, auf die Strukturen von Social Media auf. Diese stellen die Kommunikationsbasis für organisatorische, sich vernetzende, aber auch öffentlich wirksame PR- Maßnahmen. Walter sieht sich jedoch nicht als verantwortlichen Initiator von Kommunikationsvorgängen, vielmehr verweist er auf den „automatischen Prozess“ auf das „Wesen von Social Media“, „dass man nicht als Institution unbedingt so viel einwegkommuniziert, sondern dass man die Fans quasi sprechen lässt.“ Diese Mit- und Fürsprache versucht das Team zu „entanonymisieren“, indem es „die ganze Community einfach, ja für uns, sprechen“ lässt. Für die Bekanntgabe von Informationen sieht Walter folglich „die Fans, die Fans“ als zentrales Vermittlungsorgan an. Dabei sind es konkret auch Einzelpersonen als sogenannte „Influencer“, die eine wesentliche Rolle spielen. Diese werden konkret angesprochen: „War zum Beispiel eine Person bei fünf Konzerten hintereinander, dann versuchen wir diese Person wirklich auch kennenzulernen.“ Diesen „Dauernutzern, diesem Hardcore versuchen wir so viel Platz und Raum wie möglich zu geben“, wobei diese Einbindung dann durchaus auch wieder als PR-Effekt genutzt werden kann: „Das machen wir auch wieder bekannt, wird beworben.“ Aber auch „ältere Personen“, die einen konkreten Bezug zum Festival aufgebaut haben, werden in das Netzwerk eingebaut, zum Beispiel über einen „Stapel Flyer“: „Wir nutzen die, um an andere ranzukommen“, weil diese „am glaubhaftesten vermitteln können“. So wird ein öffentlicher Austausch konkret über „Fans“ und „Influencer“ aufgebaut. Begeisterung teilen und Wertschätzung vermitteln: Zugehörigkeitsgefühl und Verbundenheit Die „Community hat viele Schnittstellen von verschiedenen Milieus“. Als beteiligte Teilöffentlichkeiten, die das Projekt aktiv mitgestalten, listet Walter „die Künstler“, „die Mitwirkenden“ und „den Freundeskreis“, wobei er speziell die „Volunteers“ und „Teamleute“ als diejenigen ansieht, die das Festival „in der Hilfe der Arbeit mitfinanzieren“. Diese Beteiligten würden „zwar künstlerisch und inhaltlich nicht mitreden“, jedoch zusätzlich zu or-
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ganisatorischen Ressourcen und fachlichen Kompetenzen „ihre Netzwerke einbringen“. Zu „einhundert Prozent“, denn das sei „Sinn der Sache“, wurde eine Community gebildet. Dieses Zugehörigkeitsgefühl ist „ständig in Bewegung, weitet sich aus und wächst in die Breite wächst“: „In der Regel sind sogar die, die jetzt nicht mehr so aktiv sind, immer noch dabei und teilen unsere Sachen und geben Feedback.“ Neben dem Publikum spricht Walter auch explizit die Kunst- und Musikschaffenden als maßgebliche Personengruppe der Community an. „Schön“ sei, dass diese - und hier ist indirekt der Social Media-Bereich referenziert – „auch weiterhin mitdenken und mitmachen, auch wenn sie mal nicht mitspielen“. Über „Credits“ wird versucht, Verbundenheit herzustellen und dem Engagement Respekt zu zollen. All jene, die sich in ihrer freiwilligen Mitarbeit beteiligen, „sind dann hinten [Anm.: im Programmheft] aufgelistet. Denn das tue „gut“, „das ist wichtig für die Leute“, dass sie „als Mitträger, als Mitmacher wahrgenommen werden“. Die Mitarbeit wertzuschätzen, aber auch Vertrauen in die Kompetenzen der Volunteers zu haben, sieht Walter für den partizipativen Prozess als sehr wesentlich an. Aber auch die Passion („der Funke springt einfach über“) müsse geteilt werden, sodass Mitwirkende „schlicht begeistert sind, von dem, was passiert“. Es seien vor allem „dialogische“ Prozesse, die sich durch die Mitgestaltung ergeben („Wir tauschen uns über sehr viel aus“). Und diese Prozesse würden – für das Team – eine „schonungslose Evaluation“ bedeuten. Denn alle Mitwirkenden, Künstler ebenso wie Volunteers, werden gebeten, „anonymisiert“ auf spezifische Fragen „Feedback“ zu geben. Auch über den unmittelbaren Austausch „einfach vor Ort“ „entsteht ganz viel Wissen“, welche Bereiche „funktioniert und weniger gut funktioniert“ haben und „wo es langgehen kann“. Individueller Gestaltungsraum und Offenheit gegenüber Kritik: Erfahrungen ermöglichen, Vorwissen anerkennen Über „Empfehlungen“ wird „die große Mehrheit“ an Mitwirkenden, sowohl Musikschaffende als auch Volunteers, erreicht. Dies ergibt sich aus „Netzwerkeffekten“ und dem sogenannten „Social Proove“: „Also ich hör von drei Leuten, dass wir diese Person ansprechen sollten, die würde super gut hier hin passen.“
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Um Beteiligung zu ermöglichen und zu dieser zu motivieren, wird Raum für individuelle Kenntnisse und Fähigkeiten gegeben oder bewusst geschaffen: „Wir haben versucht, einen Raum zu bieten, wo jeder reingehen kann und sagen kann ‚ich will das und das machen‘“. Es werden weniger „Posten“ vergeben, die „befüllt“ werden, sondern „jeder macht so viel er kann und so viel er will“. Dies entspräche einem „genuinen Teamgedanken“, „wo es wirklich offen ist“ und sich um einen „offenen Prozess von Involvierung“ handelt. Für Ideen, um sich einzubringen, sei „100 % Platz da“. „Die kritische Auslese“ erfolge dann in einem Prozess, denn „es gibt ganz viele, die dann aussteigen“. In diesem Fall sei es vor allem die fehlende „Leidenschaft oder Lust“. Es würden aber immer genug freiwillige Helfer und Mitgestalter bleiben, wobei diese Beteiligung „zum Beispiel Social Media mitgestalten“, ein „Programmheft mitgestalten“ oder „wie auch immer, irgendetwas mitmachen“ umfassen kann. Der Fokus dieser Mitarbeit liegt jedoch auf organisatorischer Ebene. Die Beteiligungsformen berücksichtigen spezifisches Vorwissen, indem Aufgaben und Tätigkeiten individuell gestaltet werden können. Walter erläutert dies konkret an einem Beispiel: Eine Person verfügte über journalistische Kompetenzen und Erfahrung, sodass sich aus ihrem Interesse an einer Mitarbeit, die „quartalsmäßige Zeitung“ ergeben hat. Kompetenzen von (potentiell) Beteiligten führen somit zum Teil zu spezifischen Projekten: „Wir schaffen durchaus Projekte, die angepasst sind, an die Kompetenz, die diese Person mitbringt.“ „Dass sie dabei viel lernen“ sieht Walter als „wesentlichen Antrieb“ für das Engagement der Volunteers an. Da „alle möglichen Prozesse im Gang“ sind und Einblick in zahlreiche Geschäftsfelder gegeben wird (u.a. wie mit Geschäftsführern umgegangen wird, wie „Anträge geschrieben“ werden, wie „Dinge“ präsentiert werden, wie vermittelt wird) sieht Walter eine Mitarbeit als eine Art „Lernmaschine“, ein „Learning by Doing“ an. Der „soziale Aspekt“, diese „archaische Sache“, nämlich „Teil einer Gruppe zu sein“, die „irgendetwas […] mit Erfolg macht, das ist schon an und für sich eine Erfahrung, die sehr wertgeschätzt wird“. „Kontroverse“ Meinungen und Perspektiven („wenn jemand zum Beispiel reinkommt und eine Darstellungsform oder Musikform nicht haben will“) kommen „durchaus“ vor. Walter sieht dies positiv („das ist aber gut“) und versteht diese „störenden Elemente“ als Teil des Prozesses, als ein „Hinterfragen“ eines „Warum so und nicht anders“. Gerade diese unter-
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schiedlichen Meinungen werden „ausgehandelt“ und erlangen meistens „gute Ergebnisse“. „Recht früh im Prozess“ werden auch programmatische Ideen, die zumeist von Walter kommen, reflektiert und dann „weil zu viele dagegen sind“ nicht oder anders als geplant umgesetzt. Der Community, aber auch den Individuen „darin“, spricht Walter viel Mitsprache zu. Generell werden „Konflikte“ mit „stichhaltigen Argumentationen“ ausgetragen, wobei zumeist eine „friedliche Lösung“ und ein „Kompromiss“ gefunden werden. „Ganz selten“ hat Walter in seiner Verantwortung und „Autorität“ als künstlerischer Leiter jedoch auch eine singuläre Entscheidung getroffen, weil er „da nicht dahinter stehen“ konnte, also eine andere Meinung oder programmatische Idee nicht akzeptieren konnte: „Das ist aber ganz selten und eigentlich dann auch kein Problem.“ Es käme „manchmal“ vor, dass seitens (potentiell) beteiligter Personen Handlungen und Meinungsäußerungen gänzlich wider die Erwartungen oder Vorstellungen des Leitungsteams gesetzt oder geäußert werden. Diese als grundlegend widerläufig wahrgenommenen Perspektiven sieht Walter als „eine Selbstselektion“ an. Diese Personen waren dann „so gegen die Linie“, dass die Zusammenarbeit „so dann nicht passte“. Re-Definition zentraler und dezentraler Prozesse: Entscheidungsstrukturen als Optimierungsfaktor Für Walter persönlich war und ist es, „Selbstbewusstsein“, das er bisher als Festivalgründer und -leiter sammeln konnte. Er habe die Erfahrung gemacht, dass „man Eigenes umsetzen kann, dass es im Grunde keine Grenzen gibt, was man zusammen mit Gleichgesinnten machen kann“. Es sei ein „Urvertrauen in die Gestaltbarkeit der Dinge“, das er „mitgenommen habe“. Dabei spricht er auch eine ökonomische und unternehmerische Dimension an – „dass es möglich ist, das Ideen Geld generieren“. Ein zentraler Lernprozess für ihn und sein Team bezieht sich (auch) auf soziale und psychologische Aspekte: „Wir lernen ständig dazu, was die Leute motiviert, weil das ist ja das, was wir brauchen“. „Diese Struktur von ehrenamtlichen Leuten“ sieht Walter als „psychologische Sache“, zu wissen, was „unter welchen Umständen“ wen aktiv werden lässt, „weil es manchmal sehr faszinierend ist, wie ein- und dieselbe Person plötzlich Feuer fängt“, die sich bis dahin „nicht wirklich engagiert hat“. Dieser Prozess der Entfaltung und Begeisterung habe viel damit zu tun, dass das Team
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„der Person den Rücken freihält“ und zu einer moderaten „Selbstwirksamkeit“ (u.a. „dass es nicht zu schwer oder zu leicht ist“) motiviert. Walter findet dabei die Frage, „wie findet man auch selbst ungeahnten Talente einer Person“ ausschlaggebend, um dadurch „quasi ein Paket, das für uns selbst und für die Person sinnvoll ist“ zu kreieren. Optimierungspotential sieht er in der „Schnittstelle nach außen“, in den kommunikativen Prozessen aus der Community heraus in die „breitere“ Öffentlichkeit. Diese Möglichkeit einer Verbesserung verortet Walter vor allem „durchaus technisch“, also im IT-Bereich. Es gilt „noch mehr Schnittstellen zu schaffen“, um über „Crowdvoting“ und „Crowdsourcing“ optimierte Kommunikationsflüsse generieren zu können und zu ermöglichen, dass „mehr Leute teilnehmen“. Hierbei geht es darum, „eine große Hemmschwelle“ abzubauen, was sich Walters Meinung nach primär über „leichte“ Technik, aber auch „elegantes“ Design bewerkstelligen lässt. Ziel ist, den Zugang zu optimieren und technische Barrieren abzubauen: „Hardcore-Leute“ werden derzeit gut erreicht, um jedoch einem breiteren Kreis den Zugang zu erleichtern, muss „höhere, größere Anschlussfähigkeit“ ermöglicht werden. Im Projektverlauf liegt Verbesserungspotential in der Definition von zentralen und dezentralen Feldern. Zukünftig soll stärker festgelegt sein, welche Aufgaben und Verantwortungen „community-bestimmt“ sind, und welche „geschäftsführungsmäßig“ umgesetzt werden. Walter sieht in einer „gewissen Zentralisierung“ eine Notwendigkeit, speziell im finanziellen und programmatischen Bereich. Walter sieht sich generell als „Verfechter“ von „Multiple Minds“ („mehr Gehirnleistung“), da durch diese kollaborativen Prozesse („wenn viele Leute mitdenken“, „es quasi das Projekt von vielen Leuten ist“) bessere Ergebnisse („inhaltlich mehr Möglichkeiten“, „ein viel breiterer Radius“) in der Projektentwicklung und -umsetzung erzielt werden. Parallel unterstützen diese „viralen Effekte“, dass „viele Leute sich damit identifizieren“ können. Partizipative Kunst- und Kulturprojekte findet er folglich „schlicht besser“. Für den Kultursektor sieht er in diesen, gekoppelt an aktuelle Technologien und ihren Entwicklungen („immer intelligentere und elegantere Medien“) ein hohes Potential („eine Riesenchance“). Speziell im „klassischen Hochkulturbereich“ würden diese Möglichkeiten jedoch noch viel zu wenig genutzt werden.
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W OCHEN K LAUSUR : T URMTREFF G OLDEGG Aber was hat das jetzt mit Kunst zu tun? NADJA KLEMENT
Seit 1993 entwickelt die Wiener Künstlergruppe WochenKlausur auf konkrete Einladung von Institutionen „kleine, aber sehr konkrete Vorschläge zur Verringerung gesellschaftspolitischer Defizite und setzt diese Vorschläge auch um“ (WochenKlausur Website: o.S.). In dieser pragmatischen Sichtweise wird künstlerische Gestaltung nicht als formaler Akt, sondern als Eingriff in die Gesellschaft gesehen: „WochenKlausur knüpft an den Pionierleistungen aus den 70er Jahren und namentlich an Josef Beuys an, versucht jedoch „Fehler von damals wie die Neigung zu Weltveränderungspathos oder Totalitarismen zu vermeiden“ (Kurt/Wolf 2010: 62). Ziel der künstlerischen Aktivitäten von WochenKlausur ist es, Gesellschaft aktiv mitzugestalten, wobei das Spektrum durchaus breit gefächert interpretiert wird und Bereiche wie Bildung, Ökologie, Wirtschaft, Städteplanung oder soziale Agenden umfasst. Für konkrete Konfliktsituationen unkonventionelle Lösungen, zumeist mit künstlerischen Methoden verbunden oder diesen entlehnt, herzustellen, hat sich mittlerweile als internationales Markenzeichen dieser österreichischen Künstlergruppe etabliert. Alle Projekte von WochenKlausur basieren darauf, dass eine Kunst-, Kultur- bzw. öffentliche Institution, die an einem konkreten Ort einen konkreten Handlungsbedarf sieht, eine Einladung für eine Klausurarbeit an die Gruppe richtet. Nur in Ausnahmen wird auch an Wettbewerben teilgenommen. Jede einladende Institution ist als Auftraggeber auch für die Gewährleistung und Sicherstellung einer Basisfinanzierung verantwortlich. Diese Auftragssumme versteht sich als Basisfinanzierung, da zusätzliche Projektgelder über Kooperationen, zumeist Sachsponsoring lukriert werden. Im Fall von Turmtreff Goldegg war der Auftraggeber der lokale Kunst- und Kulturverein der Gemeinde Goldegg. WochenKlausur (WK) wurde im Rahmen der 28. Goldegger Dialoge, einem jährlichen interdisziplinären Veranstaltungsformat im österreichischen Bundesland Salzburg, eingeladen, für vier Wochen in die Gemeinde zu kommen. Der Auftrag lautete, gemeinsam mit unter 16-jährigen lokalen Jugendlichen vor Ort einen Vorschlag beziehungsweise eine Lösung für die Lebensqualität eben dieser Personengruppe umzusetzen. Entstanden ist ein autonomer Jugendraum im
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Rundturm Schloss Goldegg. Dieser dient seither als Treffpunkt zur Kommunikation der Jugendlichen, um gemeinsame Aktivitäten auszuüben. (Vgl. WochenKlausur o.J.: o.S.) Das Gespräch wurde mit der Kunstwissenschaftlerin Nadja Klement, Gruppenmitglied von 2008 bis 2012, geführt und bezog sich vor allem auf das Projekt Turmtreff Goldegg als ein Beispiel für die Arbeitsauffassung und -weise von Wochenklausur. Bezüge, aber auch Abweichungen zu anderen Projekte wurden im Gesprächsverlauf thematisiert und werden dementsprechend ausgewiesen. Auftrag erfolgt, Erstkonzept entwickelt, Reisetasche gepackt: Routine und Professionalität im Projektverlauf Bei allen Projekten sind für die Entwicklung eines ersten, groben Konzeptes zumeist drei WK-Mitglieder maßgeblich beteiligt, in Persona Wolfgang Zinggl, Martina Reuter und Claudia Eipeldauer („die sind immer bei der Konzeption dabei“). Dieses Konzept wird im Austausch untereinander erstellt. Pro Projekt wird dann „so eine Art Projektleitung“ 90, bestellt, die für den Verlauf vor Ort verantwortlich zeichnet. Bei Turmtreff Goldegg war an der Feinkonzepterstellung („das ausgefeilte Konzept“), die auch eine Recherche vor Ort beinhaltete, Nadja Klement als Projektmitglied, gemeinsam mit der zugeteilten Projektleiterin Claudia Eipeldauer beteiligt, wobei sich Wolfgang Zinggl wiederum inhaltlich einbrachte („der Wolfgang das gegengelesen hat“). Im Interview greift Klement die oft gestellte Frage „Was hat das mit Kunst zu tun“ (Wochenklausur o.J.: o.S.) sowie den Aspekt einer künstlerischen Leitung auf und verweist darauf, dass „der künstlerische Aspekt eine wichtige Rolle spielt“, „sobald etwas gestaltet wird“ und „sichtbar wird“. Dabei kann es sich um „Innenräume“ ebenso wie um „irgendwelche Szenarios“ handeln. Hier vertritt ihrer Meinung nach verstärkt Wolfgang Zinggl den ästhetischen und künstlerischen Anspruch. Die Verantwortung für die ästhetische Dimension liegt eindeutig bei WochenKlausur („unter Kontrolle haben“), eine Rollenverteilung in künstlerische und organisatorische Produktionsinstanz ist jedoch gemäß dem Kunst- und Arbeitsverständnis von WochenKlausur obsolet.
90 Quelle aller in diesem Abschnitt angeführten Zitate ist, sofern nicht anders angegeben, ein Interview mit Nadja Klement vom Juni 2013.
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Auf ihre eigene Rolle in diesem Projekt angesprochen, versteht Klement sich als ein WK-Mitglied, das sich vor allem durch „gute Kommunikationskompetenzen“, „gute Präsentationskompetenz“ und organisatorisches Geschick eingebracht hat. Sie habe sich vor allem für Kommunikation und Planung (mit)verantwortlich gefühlt und auch stets konkrete Realisierungsaufgaben übernommen. Den Projektverlauf unterteilt Klement grob in drei zentrale Phasen: •
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Vorabphase: In dieser Phase wird recherchiert, erste Kontakte werden hergestellt und ein Konzept, zuerst grob - dann übergehend in Phase 2 verfeinert vor Ort - entwickelt. Hauptphase (vor Ort): Diese Phase findet am jeweiligen Auftragsort statt und hat die konkrete Umsetzung des Konzeptes zum Ziel. Klement unterteilt hier nochmals in drei Stufen: Mit „Ankommen“ beschreibt sie die erste Etappe, in der ein Überblick gewonnen wird („Leute treffen, Informationen sammeln, irgendwie erspüren, wie ticken die da, an wen muss man sich wenden“). Diese Startstufe schafft „deine Basis, auf der du anfängst“. In der folgenden Verdichtungsperiode werden Mitwirkende und Kooperationspartner getroffen und zahlreiche Gespräche geführt. Dann folgt, zumindest im Projekt Turmtreff Goldegg, der finale Abschnitt („die anstrengendste und dichteste Phase“), in der auf den Abschluss hingearbeitet wird. Generell spricht Klement in dieser Hauptphase auch von „Orientierungsphasen“, „Knackpunkten“ und „klärenden“ Etappen, die sich abwechseln und den Projektverlauf bestimmen. Bei Turmtreff Goldegg war diese Hauptphase von konkreter Umsetzung geprägt, „in der viel gemacht wird“ und in der gemeinsam mit den beteiligten Jugendlichen an der Realisierung gearbeitet wurde. Abschlussphase: Die Abschlussphase – so hat Klement es in einem Gastvortrag (vgl. Klement 2013a) dargestellt – besteht vor allem in der Reflexion und Dokumentation des Projektes, also u.a. Textierungen, öffentlichen Vorträgen oder Darstellung auf der Website.
Die Projektzielsetzung – einen autonomen Raum für die Jugendlichen herzustellen – korreliert ebenfalls mit dem pragmatischen und sehr konkreten Kunstverständnis von WochenKlausur. Dieses Projektziel war bereits im Konzeptpapier festgehalten worden. Die gesellschaftliche Aussage des Projektes formuliert Klement folgendermaßen: „Hab Vertrauen in die Jugend“,
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sieht aber auch eine Art Imagetransfer für das gesellschaftliche Bild von Jugendlichen gegeben: „Die Jugend ist nicht so schlecht wie die Erwachsenen sie wahrnehmen.“ In dieser unmittelbar auf das Einzelprojekt bezogenen Aussage zeigt sich der Anspruch der Künstlergruppe, „kleine, modellhafte Beiträge zu gesellschaftlichen Fragestellungen“ (Kurt/Wulf 2010: 62) zu erarbeiten. Lokaler Bezug definiert Mitwirkende und Kooperationen Die Beteiligung von betroffenen Teilöffentlichkeiten und Entscheidungsträgern vor Ort ist Projektmethodik und korreliert mit dem Projektverständnisses, dass „das alleine zu machen […] völlig ausgeschlossen ist“. Das Projekt, wie jedes von WochenKlausur, habe „immer schon einen öffentlichen Charakter gehabt“. Vor Ort hatte die Gruppe einen Bereich, „wo die Leute auch reinkommen konnten, wenn sie wollten“, wodurch sich Aufmerksamkeit für das Projekt rasch eingestellt hat: „Es hat sich auch rumgesprochen […] über den Kunst- und Kulturverein, die Künstlergruppe ist da, dann geht man in so einen kleinen Tante-Emma-Laden und die Kassiererin ist die Mutter von einer Tochter, die da mitmacht.“ Öffentlichkeit wurde somit über die Projektbeteiligung der Jugendlichen als (auch) kommunikative Distributoren hergestellt, wobei die dörflichen Strukturen diesen Prozess unterstützt haben. Die Künstlergruppe fühlte sich in ihrem Projekt von der lokalen Bevölkerung sehr angenommen („das war einfach klar, da ist diese Künstlerinnengruppe und die machen das“). Klement erläutert dies daran, dass sie gegrüßt worden ist. Dass ein öffentlicher Diskurs initiiert wurde, sieht Klement – bei diesem Projekt – nicht als unmittelbares Anliegen von WK an („war nicht unser Hauptanliegen diesen Diskurs zu initiieren“), dies habe sich eher „irgendwie so nebenbei“ ergeben. So hätten im Laufe des Projektes innerhalb der „drei Hauptgruppen“, den „Eltern“, „dem Kulturverein“ und „Gemeindepolitikern“ auch zahlreiche Gespräche stattgefunden, die primär ohne die Beteiligung von WochenKlausur stattgefunden haben („irgendwie bin ich mir ziemlich sicher, dass sie darüber gesprochen haben“). Auf Mitwirkende angesprochen definiert Klement diese als „Leute, die dazu beigetragen haben, dass der Jugendtreff verwirklicht werden konnte“. Konkret zählt sie folgende Gruppierungen und Personen auf: „Kunst- und
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Kulturverein Goldegg“, „Jugendliche Goldegg“, „Eltern der Jugendlichen“, „Volkschule“, „Steuerberater“, „Erwachsenenkommitee“, örtliche „Betriebe“ und „Gewerbetreibende“ wie etwa „Tischler“, die „Landesjugendrätin“ und einen „Bauunternehmer“. Ergänzend spricht sie noch „Lehrer“ und „Gemeindepolitiker“ an. Speziell Vereine, öffentliche Institutionen und Gewerbetreibende brachten sich ein und kooperierten, indem sie benötigte Materialien oder Infrastruktur zur Verfügung gestellt haben. Inwiefern die lokalen Strukturen die Kommunikation in und über das Projekt bestimmen, zeigt sich einerseits in der Bedeutung des persönlichen Austausches: So war der zentrale Kanal des Kommunikationsflusses neben „Telefon“ und „E-Mail“ die „Face to Face“-Kommunikation. Der Austausch fand vor allem „am Arbeitsplatz mit den Leuten“ oder in „irgendeinem Lokal“ statt. Andererseits wurde das Projekt vor allem in den lokalen und regionalen Medien – speziell seitens des Kulturvereins als Auftraggeber - sehr umfangreich lanciert. Eine „Beilage für die Goldegger Dialoge bei den Salzburger Nachrichten“ wurde gestaltet, in der das Projekt und die Gruppe bereits im Vorfeld vorgestellt wurden. Der Verein unterstützte das Projekt laufend durch personalisierte Medienarbeit, unter anderem spielte das regionale Fernsehstudio einen Beitrag vor Ort ein, indem ein Interview „mit einem Jungen, der da sehr engagiert war“ gemacht wurde. Zusätzlich wurde das Projekt seitens der Gemeinde über eine Aussendung bekannt gemacht. Social Media wurden in diesem Projekt nicht verwendet. Der Ort lebt: Beteiligungsformen und Community Building Klement ist „natürlich der Meinung, dass eine temporäre Community, ja mehrere sogar gebildet wurde“. Sie spricht von einer „Ober“-Community, als diejenigen, die „irgendwie etwas zu dem Projekt beigetragen haben, uns eingeschlossen“ und einer Art „Unter-Community, die nicht so unmittelbar in das Projekt involviert“ war. Diese Gruppe verband eine Art „freundschaftliche Gemeinschaft“, sie stand dem Projekt durch „offene“ und „freundliche“ Verbundenheit gegenüber. Generell haben sich Zugehörigkeitsgefühl und Verbundenheit oft „einfach“ ergeben, seien aus der „Arbeitsweise […] automatisch“ entstanden. Eine „Atmosphäre“ der Verbundenheit („das irgendwie Zusammensein“) habe sich im ganzen Ort verbreitetet: „Also meine Wahrnehmung war, dass [….] der halbe oder wir können
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auch sagen, der ganze Ort beteiligt war“. Diese Atmosphäre habe den Ort selbst „belebt“. Auf Beteiligungsformen angesprochen, bezieht sich Klement auf verschiedene Teilöffentlichkeiten. Die Teilöffentlichkeit „Eltern“ habe u.a. die „moralische Unterstützung“ beigetragen, indem diese sowohl WochenKlausur als auch ihren Kindern „Vertrauen“ schenkten und sie „freistellten“. Eltern unterstützten das Projekt auch mit Sachspenden („ haben mit Material ausgeholfen“, wie „Nähmaschinen“, „Mobiliar“, „Werkzeug“). Speziell um Eltern stärker in das Projekt zu involvieren, wurde auch ein sogenanntes „Elternkomitee“ gegründet. Zusätzlich wurde der Leiter des Kunst- und Kulturvereins zur Vertrauensperson ernannt, der „konnte sich auch noch einbringen“. „Gemeindepolitiker“ haben „sich insofern beteiligt“, als sie das Projekt mittels Einzelentscheidungen im Projektverlauf genehmigt haben („dass sie ihr Ok gegeben haben“). Der „Kunst- und Kulturverein“ stellte „die Infrastruktur“ zur Verfügungen, ebenso die „Volksschule“. Der „lokale Bauunternehmer“ hat „Material gesponsert“ und „einen neuen Fußboden“. Auf Konflikte angesprochen, verweist Klement auf eine temporäre Meinungsverschiedenheit mit dem Auftrag gebenden Kunst- und Kulturverein. Dieser habe vorerst divergierende Interessen bezüglich des Standortes gehabt und sei „nicht erfreut“ darüber gewesen, dass „die Jugendlichen ausgerechnet in ihrer Nachbarschaft“ einen Jugendtreff erhalten sollten. Diese Konfliktsituation wurde bewältigt und gelöst, „indem man einen Kritiker zu einem Verantwortungsträger macht“ und diese Person „einbindet“ und „ins Boot holt“, „um da den Widerstand zu brechen“. Anders formuliert: Über konkrete Einbindung und damit auch Mitsprache wurde versucht, auf eine gemeinsame Basis zu kommen und „emotionale Involvierung herzustellen“. Klement spricht an dieser Stelle auch „die Angst vor Kontrollverlust“ an, die ihrer Ansicht nach mit kritischen Haltungen verbunden sein kann. Konfliktsituationen mit den Jugendlichen habe es keine gegeben („so etwas ist nicht vorgekommen“). Vertrauen schenken und Verantwortung übertragen: Selbstermächtigung der Jugendlichen Die wesentliche Erfahrung, die die Jugendlichen durch die Projektbeteiligung machen konnten, sieht Klement darin, dass „sie […] ernst genommen
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worden“ sind „in ihren Bedürfnissen und Wünschen“ - „nicht nur von uns“ sondern von „Eltern“ und „Gemeindepolitikern“. Zusätzlich spricht sie die Erweiterung des Horizonts an, wenn sie den Jugendlichen die Erfahrung zuschreibt, „über den eigenen Tellerrand hinaus schauen“ zu können. Sie beschreibt anschaulich, wie die Jugendlichen durch die WK-Mitglieder ermutigt wurden, „weiter zu denken und sich auch etwas anderes vorzustellen“ und Alternativen in ihre Überlegungen mit einzubeziehen („vielleicht gibt es auch noch etwas [Anm. anderes])“. Dadurch dass die Jugendlichen „emotional involviert waren“ und „an so einem Entstehungsprozess“ beteiligt waren, haben sie Verantwortung übernommen. Die Beteiligung der Jugendlichen war im Verlauf jedoch nicht konstant, sondern fließend („manche sind mal gekommen, haben geguckt und sporadisch mitgemacht“). „Andere waren immer da“, bei denen habe sich auch eine „konkrete Beziehung“ eingestellt. Speziell diese Gruppe habe über das „selber machen“ und das, „was sie da schaffen“ „Wertschätzung“ erfahren sowie auch Selbstbestätigung in den eigenen Gestaltungsraum erhalten – „dass man schon etwas in Bewegung setzen kann, wenn man […] will“. Die Intention der Beteiligung, speziell der Jugendlichen, formuliert Klement wiederum sehr pragmatisch damit, dass „das Ganze […] nicht funktionieren“ kann, „wenn wir es alleine machen“. „Es ist wichtig, eine Beziehung dazu zu haben“. Indem die Jugendlichen Eigenverantwortung für die Herstellung ihres eigenen Raumes übernehmen, sollte eine Bindung zu diesem Projekt entstehen – was auch gelungen ist, jedoch durchaus mit Anlaufschwierigkeiten verbunden war. So sind die Jugendlichen zu Projektstart mit einem Brief angeschrieben und zu einer Beteiligung eingeladen worden. Der erste Rücklauf war jedoch gering, es sind „zwei Mails zurückgekommen“. Doch auf diese beiden Kontakte wurde in einem „zweiten Schritt“ aufgebaut, um über diese beiden Interessierten deren Freundeskreis für das Projekt zu motivieren („sag es deinen Freunden“). Dadurch hat sich „dann doch wider Erwarten […] eine größere Runde vor Ort“ getroffen und das Projekt konnte starten. Die Jugendlichen konnten ihre individuellen handwerklichen Fähigkeiten in das Projekt einbringen, sodass konkretes Vorwissen der Beteiligten für den Projektverlauf und die Umsetzung des Projektes ausschlaggebend war. Die Erfahrungen, die die Jugendlichen machen konnten, beschreibt Klement folgendermaßen: „Ernst genommen zu werden […] in ihren Bedürfnissen, in ihren Ideen, mit ihren Fähigkeiten, auch als Partner, […] Be-
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teiligte, also Leute, die mitmachen einfach.“ Als ein Beispiel, inwiefern das Selbstvertrauen gestärkt wurde, führt Klement an, dass die Jugendlichen die Erfahrung machen konnten, dass „die Gemeinderäte sich haben überzeugen lassen und das gut finden“. Diese Selbstvertrauen umfasst somit auch die Erfahrung, den eigenen (kulturellen) Raum mitbestimmen und mitgestalten zu können. Bezogen auf all jene, die sich durch Sachspenden oder Leihgaben an dem Projekt beteiligt haben, sieht Klement die Erfahrung gegeben, „dass man etwas beitragen kann“. Wertschätzung, Anbindung an die Lebenswelten, Zuhören können: Erfolgsfaktoren partizipatorischer Kunstprojekte Ihre eigene Erfahrung als WK-Projektmitglied („dass man tatsächlich Dinge bewegen kann“) korreliert mit den von ihr innerhalb der Jugendlichen beschriebenen Prozessen. Klement betont, dass sie über ihr eigenes kommunikatives Verhalten und über kommunikative Prozesse viel gelernt habe – „dass man tatsächlich durch das Sprechen, aber nicht irgendein Sprechen ganz viel erreichen kann“. Dieses „nicht irgendein Sprechen“ umfasst, „wie man auf die Leute zugeht“ und „diese nicht zwingen kann“, wobei in erster Linie Anerkennung gemeint ist: „Also es ist immer wichtig, den anderen anzuerkennen und zu respektieren, auch wenn er eine ganz andere Ansicht hat als meine.“ Wertschätzung aufzubringen hält sie für besonders wesentlich: „Leute wollen Wertschätzung erfahren […], indem man sich Zeit nimmt und mit ihnen spricht und sich ihre Sachen anhört, die vielleicht gar nicht unmittelbar mit dem Projekt zu tun haben.“ Diese Gespräche haben „so ein bisschen etwas Therapeutisches“. Turmtreff Goldegg empfindet sie als „rundum gelungenes Projekt“, wobei sie kurz die „langfristige Dimension“, die Nachhaltigkeit über die „Generation“ der unmittelbar beteiligten Jugendlichen hinaus hinterfragt. Kommunikation („unglaublich viel reden“) sei ganz zentral für und in partizipatorische(n) Kunst- und Kulturprojekte(n), wobei sie der laufenden kommunikativen Präsenz einen hohen Energieaufwand zuspricht: „Man muss wahnsinnig viel reden“, „sich den Mund fusselig reden“ und „das kostet auch viel Kraft“ und ist „anstrengend“. Diese Kommunikationsarbeit bedeutet, „Vermittlungsarbeit“ zwischen verschiedenen Teilöffentlichkeiten und Interessenslagen zu leisten, macht aber auch den Erfolg des Projektes aus („lohnt sich auf jeden Fall“). Die Wahrscheinlichkeit, dass partizipa-
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torische Kunstprojekte gelingen, steigt Klements Ansicht nach, wenn ein gewisser Zeitdruck herrscht und eine gesetzte Zeitspanne vorgegeben ist. Wichtig sei aber auch, dass sich alle Beteiligten sich an einem gemeinsamen Ziel orientieren. Auch das „Zuhören“ spricht sie konkret an. Es werde ein Lernprozess durchlaufen, in dem es gelte, auch andere Interessen nachvollziehen zu können. Sie spricht in diesem Zusammenhang von „Konfliktmanagement“. Indem Begeisterung geschaffen wird, indem man miteinander spricht, etwas gemeinsam erarbeitet, können auch kritische oder bis dato unbeteiligte Personen „auf so eine Welle“ geholt werden. Dadurch würden sich dann auch Skeptiker dem Projekt – zumindest – verbunden fühlen und sich sogar partiell daran beteiligen. Klement spricht auch konkret die „Lebenswelt“ der „Leute“ an, in die sie als Projektmitglied „zum Teil eingeladen“ wurde. Dadurch fände „so ein Austausch statt“, der durch diese Lebenswelt geprägt sei, aber auch „Wertschätzung“ ausdrücke. Und darin sehe sie „die Basis für ein gutes Zusammenleben“.
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ANTIKULTI ATELIER : D ER B LEIBEFÜHRER Man lernt, wenn Leute zusammen sind und teilen. JOHN MWANGI NJUGUNA
Seit Februar 201091 entwickelt eine Gruppe „von Menschen, die in der Schweiz leben und sich mit der Asyl- und Migrationspolitik, mit Rassismus und Repräsentation beschäftigen“ gemeinsam „gestalterisch-politische Projekte“ (Landkammer 2013: o.S.). Bestehend aus „Flüchtlingen, Migrant_innen und/oder Schweizer_innen“ (AntikultiAtelier 2013: o.S.) versteht sich das AntikultiAtelier „als Raum für Kunst und politische Solidarität“ (AntikultiAtelier 2013: o.S.). In regelmäßigen Treffen werden Ideen diskutiert, Projekte entworfen und realisiert. Die Gruppe entstand im Zuge der Umsetzung des Projektes Der Bleibeführer und formulierte auch erst im Laufe dieser Formierung ihr eigenes Selbstverständnis: Der Name der AntikultiAteliergruppe richtet sich bewusst gegen ein „Abfeiern“ von „Multi-Kulti“ – gerade in einer Stadt wie Zürich, in der einer folkloristisch inszenierten Weltoffenheit alltägliche rassistische Ausgrenzung gegenübersteht. Wir kritisieren die Festschreibung von Menschen auf eine homogene „Herkunfts-Kultur“ und das Reden von Kultur, wenn es um Politik und Menschenrechte geht. Antikulti bedeutet nicht „gegen Kultur“, sondern die Arbeit an Gegenkultur! (Vgl.: AntikultiAtelier 2013, o.S.)
Das Projekt ist als Teil eines Teamforschungsprojektes zu „Kunstvermittlung in Transformation“ anzusehen, das „Strategien für eine transformative Vermittlungsarbeit in Museen und Ausstellungen“ auslotet und durch „eine Forschungsgruppe der Kunsthochschulen in Basel (HGK/FHNW), Bern (HKB/BFH), Luzern (HSLU/Institut Kunst) und Zürich (ZHdK) getragen“ (AntikultiAtelier 2011: 56) wurde. Kooperationen mit zeitgenössischen
91 Das AntikultiAtelier hat im Frühjahr 2014 die Arbeit als Kollektiv beendet, wobei die Beteiligten in unterschiedlichen Konstellationen weiter zusammenarbeiten.
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Kunstmuseen der Schweiz sind fixer Bestandteil des gesamten Forschungsprojektes. Ermöglicht wurde das Gesamtprojekt durch das vom Schweizerischen Nationalfonds ausgeschriebene Programm DORE, das Praxis und Forschung verbindet. Das AntikultiAtelier ging aus diesem Projekt hervor, nach dem Ende des Forschungsprojekts definierte sich die Gruppe als eigenständiges Kollektivs: „In der Reflexion zum Projekt steht die Frage im Zentrum, wie die Kooperation zwischen einer Kulturinstitution und einer selbstorganisierten Bildungsinitiative für beide Partner produktiv sein kann und was Vermittlung in diesem Zusammenhang bedeutet.“ (AntikultiAtelier 2011: 56) Das Projekt wurde folglich aus öffentlichen Forschungsgeldern finanziert und ist nicht gewinnorientiert. Der Bleibeführer Zürich ist dabei aus einem von mehreren Projektsträngen und als Kooperation zwischen dem Institute for Art Education an der Zürcher Hochschule der Künste, dem Verein „Bildung für alle“ und dem Museum für Gestaltung Zürich entstanden. Das Institute for Art Education fasst das Projekt auf seiner Website zusammen: Gemeinsam mit Teilnehmer_innen und Moderierenden der Deutschkurse des Vereins Bildung für Alle wurde im Februar 2010 das Atelier initiiert. Die Ateliergruppe hat sich ausgehend von der Ausstellung Global Design am Museum für Gestaltung mit dem globalisierten Zürich auseinandergesetzt und in wöchentlichen Treffen seit Februar 2010 recherchiert, diskutiert, Piktogramme entwickelt und fotografiert. Entstanden ist aus der Arbeit der Bleibeführer Zürich. Der Bleibeführer enthält Informationen über Zürich für alle, die hier bleiben wollen: Wo kann man Deutsch lernen? Wo trifft man Leute? Wo gibt es gratis Internet? Mit wem kann man um Rechte kämpfen? Die Ateliergruppe teilt im Bleibeführer ihr Wissen über die Stadt mit anderen Flüchtlingen und Bewohner_innen von Zürich. (Institute for Art Education/Atelier o.J.: o.S.)
Das Interview wurde mit Nora Landkammer und John Mwangi Njuguna geführt. Landkammer ist für die „Koordination“ (AntikultiAtelier 2011: 56) zuständig und aus Forschungsperspektive für diesen Projektstrang „verantwortlich“ (Institute for Art Education/Atelier o.J.: o.S.), bzw. war sie in der ersten Phase, als das Atelier im Rahmen des Forschungsprojekts Kunstvermittlung in Transformation gegründet wurde, gemeinsam mit Felipe Pola-
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nia für die Projektorganisation zuständig. John Mwangi Njuguna ist Mitglied des AntikultiAteliers92.“ Ab 2012 definierte sich das AntikultiAtelier als Kollektiv. Inhalt des Gesprächs war explizit der Bleibeführer Zürich und damit das erste Projekt des Ateliers im Rahmen von Kunstvermittlung in Transformation.93 Experimenteller Konzeptansatz, offene Zielsetzung, flexible Rollenbilder: Ein Projektverlauf mit Laborcharakter Vor dem Interview erläutert Landkammer informell, dass bereits im Forschungsantrag der laborhafte, experimentelle Charakter des Projektes formuliert worden sei. Aus einer Dokumentation des Verlaufs sollten sich neue Ansätze erkennen lassen, die wiederum Basis für weitere Forschungen zu transformativer Vermittlung bilden. In diesem Projekt, so Landkammer, sei Aktionsforschung angewandt worden, mit dem Ziel neue Vermittlungskonzepte zu entwickeln und zu entdecken. Die Zusammenarbeit zwischen den Vermittlern und Teilnehmende der Deutschkurse der Autonomen Schule war als Kooperation gedacht, in der projektimmanente Interessen und operativen Zielsetzungen erst im Prozess entwickelt werden. Das offene Projektkonzept beinhaltete vorerst einen Ausstellungsbesuch und einen Fotoworkshop. Der weitere Projektverlauf sollte im Prozess entstehen. Aus einer Forschungs- und Koordinationsperspektive sieht Landkammer „das Bleibeführer-Projekt“ rückblickend in folgende Phasen unterteilt: •
Konzeptionsphase: In dieser wurde mit dem Forschungsteam von Kunstvermittlung in Transformation Zürich (Forschende und Kulturarbeiter vom Institute for Art Education und Museum für Gestaltung Zü-
92 In der Interviewdokumentation wird Nora Landkammer zitiert, da sie da sie als erste Interviewpartnerin angesprochen wurde und die meisten Fragen an sie gerichtet waren und sie folglich quantitativ den Hauptanteil des Interviews gesprochen hat. Sofern John Mwangi Njuguna zitiert wird, ist dies explizit vermerkt. Da Landkammer in dem Interview eine geschlechtsneutrale Sprache verwendet hat, werden direkte Zitate von ihr dementsprechend widergegeben. 93 Die Gruppe hat seither in wechselnder Zusammensetzung als AntikultiAtelier weitere page.html
Einzelprojekte
realisiert:
http://antikultiatelier.blogspot.de/p/blog-
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rich) eine erste Richtung „ausgehend vom bisherigen Vermittlungsprogramm des Museums für Gestaltung“ avisiert. Phase eines intensiven Aushandlungsprozesses: Dieser hat vor allem zwischen Nora Landkammer und Felipe Polania vom Verein „Bildung für alle“ stattgefunden. In dieser Phase wurden Interessenshaltungen und der „Sinn so einer Kooperation“ diskutiert und reflektiert, um daraus „Bedingungen und Grundsätze einer solchen Zusammenarbeit“ und die möglichen Effekte für verschiedene Teilöffentlichkeiten ableiten zu können. Gruppenbildungsphase: Nachdem eine Einladung an verschiedene zu involvierende Gruppierungen, speziell an die Gruppe der Kursteilnehmer und Moderatoren von Kursen des Bildungsverein, ausgesprochen worden war, entwickelte sich ein Prozess, in dem sich die Gruppe als solche kennenlernte, sich formierte und sich selbst, aber auch den weiteren Projektverlauf definierte. Umsetzungsphase: Diese beschreibt Landkammer im Interview als offene, flexible, dennoch verbindliche und zielorientierte Realisierungsphase. Neupositionierungsphase: Den Abschluss des „formalen Projektes“ sieht Landkammer fließend in eine Phase der Neudefinition der Gruppe übergehen, in der „eine gemeinsame Konzeptionsphase, irgendwie, in der ganzen Gruppe, angefangen hat“.
Auf ihre eigene Rolle in dem Projekt angesprochen, bezieht sich Landkammer auf den Begriff „radical diplomat“, radikale Diplomatin, die als „Moderatorin“ „zwischen den unterschiedlichen Ideen und Interessen für das Projekt“ vermittelt und ihre Expertise, aber auch ihre Wissen im Bereich „Gestaltungstechniken“ einbringt. Njuguna definiert seine Rolle in Hinsicht auf künstlerisch-pragmatische Aufgaben (etwa “Fotos gemacht“), aber auch durch seine ideelle und konzeptionelle Mitarbeit („ich habe auch meine Meinung geben“, „ich war immer dabei und bereit Ideen und Energie einzubringen“). An dieser Stelle des Interviews verweist Landkammer darauf, dass die „weitere Entwicklung […] auch einen Wandel in den Rollen […] mit sich gebracht hat“. Dieser Prozess des Wandels war „von einer pädagogischen Situation zu einem Kollektiv zu kommen“ geprägt und „nicht immer ganz so einfach zu bewerkstelligen“. Sie erläutert dies daran, dass unter anderem „die Idee aufgekommen ist“, dass die Moderatorenrolle wäh-
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rend der Treffen rotierend übernommen werden könnte. Die Projektinitiative selbst ist „zuerst einmal von mir ausgegangen“, Felipe Polania vom Verein „Bildung für alle“ war als Co-Leiterin an der Konzeption und dem Aufbau beteiligt, sodass ein „Aushandlungsprozess zu zweit“ eingesetzt hat. Die „weitere Konzeption“ und „Organisation“ hat dann „in der ganzen Gruppe stattgefunden“, wobei auch Mitarbeiter des Instituts und des Museums beteiligt waren. Die „institutionelle Organisation“ war jedoch in Landkammers „Hand“. Die künstlerische Produktion sieht Landkammer als Gemeinschaftswerk („alle“) an, wobei in der grafischen Umsetzung eine „weiterer Kollege“ das Team unterstützte. Eine Re-Definition linearer Zielsetzungen: Multiperspektivische Intentionen als projektimmanente Prämisse Auf das Ziel des Projektes angesprochen, verweist Landkammer auf unterschiedliche Ziel-Perspektiven („Ja, von wem wurden welche Ziele verfolgt“) sowie darauf, dass „von den unterschiedlichen Beteiligten unterschiedliche Ziele“ im Vordergrund standen. Sie könne daher nur schwer die „Forschungsperspektive als die relevanteste“ betrachten. Genau diese kritische (Selbst-)Reflexion war „eine wichtige Perspektive, […] die sich für mich im Projektverlauf auch wieder in Frage gestellt hat“ und auch als „Reflexion für das Forschungsprojekt“ neue Fragen nach „Berechtigungen“ von „Rollenzuweisungen“ aufwirft. Die „wichtige“, die wesentliche Projektbedingung war ihrer Meinung nach, „dass die Möglichkeit bestehen muss, dass genau nichts dabei rauskommt, also dass alle sich ein paar Mal treffen und sagen: Wir finden das nicht interessant.“ Das spezifische Ziel des Vereins „Bildung für alle“ war „am Anfang, in der Konzeptionsphase“ von einer „ressourcenorientierten Perspektive“ geprägt, sodass Forderungen nach Nutzung von Räumlichkeiten und Tickets für öffentliche Verkehrsmitteln gestellt wurden, wie Landkammer als Beispiel erläutert, um die unterschiedlichen Zielvorstellungen je nach Interessenslage zu verdeutlichen. Die „gesellschaftliche Message“ – wobei Landkammer wiederum auf „Kategorien und Perspektiven“ und die damit verbundene Schwierigkeit verweist, auf Fragen nach einer (definitiven) Zielorientierung des Projektes zu antworten – habe „sich dann als Kommunikationsziel mit dem Bleibeführer herausgestellt“, nämlich, dass „die Leute, die als Asylsuchende oder Flüchtlinge nach Zürich kommen über Handlungsmöglichkeiten und Orte
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informiert“ werden und dass „andere Bewohner_innen von Zürich […] andere Perspektiven auf ihre Stadt […] bekommen“. Gefragt nach einer speziellen Zielsetzung, die durch die Beteiligung von verschiedenen Personengruppen verfolgt wurde, spricht Landkammer ebenfalls die „persönliche“ Perspektive an, den hohen (Selbst-)Reflexionsgrad und die Notwendigkeit eigene Legitimationsinteressen zu hinterfragen: „Ich habe mit dieser Art der Beteiligung, also mit der Idee einer gleichberechtigen Zusammenarbeit das Ziel verfolgt, auch meine eigenen Vorannahmen zu reflektieren und überdenken zu müssen.“ So habe sie „zu Beginn des Projektes eine Art möglichen Plan aufgestellt, in welche Richtung es gehen könnte“. Dieser Plan war „viel konkreter auf die Themen der Ausstellung ausgerichtet und hat sich dann in der Konkretisierung der Kooperation eigentlich wieder dekonstruiert“. Kontextspezifische Impulse setzen: Perspektivenaustausch und potentielle Veränderungsprozesse Konkret auf einen öffentlichen Transfer angesprochen, meint Landkammer, dass es generell „keinen Versuch einer Ansprache einer allgemeinen Öffentlichkeit gegeben“ habe. Die öffentliche Bekanntmachung sei „im Wesentlichen über die kooperierenden Institutionen und die Teilnehmer_innen“ erfolgt, und der „Bleibeführer in unterschiedlichen Kontexten […] verteilt worden“, wobei sie exemplarisch den „Hochschulkontext“ als auch „aktivistischer Kontext“ anspricht. Dies entspreche einer „Idee von Netzstruktur“. Der öffentliche Diskurs habe „schon“, jedoch in „unterschiedlichen, spezialisierten Diskursen“ als „fachöffentlicher Diskurs“ stattgefunden: Erneut verweist sie auf den „Kunstvermittlungs- und Hochschulkontext“, auch auf „Tagungen“. Öffentlichkeit wurde dort hergestellt, wo bereits ein Interesse an Migrationsthemen bestehe: „Andererseits eben in Zürich in der Stadt […], mit Leuten, die sich für Migrationspolitik, und ja, den Umgang damit interessieren“. „Für viele im weiteren Sinn Beteiligte“ ergaben sich zwar „neue Perspektiven durch das Projekt“, wobei speziell im „direkten Gespräch“, in „konkreten Treffen“ ein „Austausch von Perspektiven statt[fand]“. Landkammer nennt in diesem Zusammenhang Einzelpersonen sowie dem Projekt verbundene Gruppen (u.a. „die Kuratorin“, „ein paar andere Mitarbeiter_innen des Museums“ und „Studierende“). Auf Lernprozesse angespro-
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chen, sieht John Mwangi Njuguna den Austausch an unterschiedlichen Perspektiven („Wissen“, „Kultur“, „Informationen“) gegeben und verweist auf einen Prozess des kontinuierlichen Lernens von und über andere Kulturen und Wissenszugänge, in den er auch seine eigenen Erfahrungen („ich habe etwas gewusst und gegeben“) einbringen konnte. Einer Aussage über Veränderungsprozesse steht Landkammer jedoch skeptisch gegenüber („… kann man das ja nie wissen“): Sie schätzt es „eher kritisch ein“, dass „jetzt in dem Hochschul- oder Museumkontext, eben in seiner breiteren Mitarbeiter_innenperspektive, durch das Projekt […] ein Perspektivenwechsel stattgefunden hat“. Sie fügt an, dass es dafür „mehr Zusammenarbeit, mehr Kommunikationsarbeit gebraucht“ hätte. Verbindlichkeiten, Zugehörigkeit und Aneignungsprozesse: Verbundenheit über der Projektrahmen hinaus Als involvierte Personengruppen zählt Landkammer Mitarbeiter des Museums für Gestaltung, Mitarbeiter der Hochschule, Teilnehmende und „Moderatoren von Kursen an der autonomen Schule“ und dann – „im weiteren Sinn“ – „Bewohner_innen“ von Zürich auf. „Über einen Flyer“ wurden potentiell Interessierte der Autonomen Schule über das Projekt und eine mögliche Beteiligung informiert. Diese „Einladung“ wurde „in der Schule aufgelegt“, zusätzlich hat Nora Landkammer das Projekt persönlich („ich war mal da und habe erzählt, was wir machen könnten“) vorgestellt. Generell „gab es die Möglichkeit mitzumachen und es hat auch verschiedene Formen angenommen“. Konkret erwähnt Landkammer die Form der (un-)regelmäßigen Beteiligung an den Treffen („vorbeischauen“, „sich punktuell […] an einem Schritt beteiligt haben“), „andere, die regelmäßig dabei waren“ und auf „breiterer Ebene“ mitgewirkt haben, sowie jene, die durch „Austausch und Diskussion“, die „Ergebnisse“ des Projektes distribuiert haben. Diese Präsentationen verbunden mit Workshops haben „in anderen Kontexten“, wie etwa „Schulen“ oder dem „Altersheim“ stattgefunden. Speziell bei jenen, die „aktiv mitgemacht haben“ hat sich eine tiefere Verbundenheit hergestellt. Dies waren „ca. 15 Personen mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus in Zürich, die sich entweder über die Zugehörigkeit zur Hochschule, zum Museum oder eben über den Besuch von Kursen bei der autonomen Schule dem Projekt angeschlossen haben“. Die Beteili-
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gungsformen dieser Personen reichen von „gestalterischen“ und „inhaltlichen Beiträgen“ zu „Beiträgen zur Planung und zur Konzeption“, sowie einer „Vorbereitung vom Film für das Projekt“. So ergänzt auch Njuguna, dass er „meine Zeit, meine Energie und Meinung“ in das Projekt eingebracht habe. Eine Community wurde „sehr“ gebildet, „nicht nur eine temporäre“. Denn im Laufe des Projektes hat sich das „Interesse […] von allen Beteiligten […] an einem längerfristigem Engagement“ entwickelt und „ist immer wichtiger geworden“. Njuguna spricht in diesem Zusammenhang von dem „Gefühl wie eine Familie“ und auch „wie eine kulturelle Schule“, „weil man bekommt verschiedene Ideen von jeder Ecke von dieser Welt und ja für mich ist es wie eine Familie“. Diese Verbundenheit herzustellen kann als Intention des Projektes angesehen werden, wobei sie „auch viel mit Verbindlichkeit zu tun“ hat. Für die Planung und Zielsetzungen war die kontinuierliche Teilnahme einer „konstanten Gruppe“ wesentlich, denn nur dadurch – so Landkammer – konnte „eine Verbundenheit mit dem Museum und seinen Mitarbeitern“ aufgebaut werden. Die Entwicklungen, „die sich in und durch die Mitarbeit ergeben haben“ beschreibt Landkammer als „einen sehr tastenden Prozess mit vielen Auf und Abs, der auch immer von einer gewissen Unsicherheit geprägt war“. Es seien vor allem („im Endeffekt“) „diese unterschiedlichen Interessen“ gewesen, „die das Projekt beeinflusst haben“ - ebenso das Ergebnis („was dabei rauskommen wird“). Sie betrachtet dies „als einen fragilen Prozess“. Die Beteiligung sieht Landkammer generell als „gleichberechtigte“ Zusammenarbeit an. Landkammer ergänzt in diesem Zusammenhang noch, dass „ein Aneignungsprozess von den Räumlichkeiten“ stattgefunden habe. Jener „Vermittlungsraum im Museum für Gestaltung“, in dem sich die Gruppe regelmäßig getroffen hat, wurde dann „von einer Kollegin“ als „unser Raum“ bezeichnet. Es wurde bewusst Wert darauf gelegt, das Vorwissen aller Projektbeteiligten eingebracht werden kann: „Wir haben immer versucht, möglichst, dass alle sich dort einbringen können, […] wo sie ihre speziellen Interessen oder Expertise dafür haben.“ Njuguna hat zum Beispiel „in verschiedenen Asylheimen gewohnt“ und da er dort Fotos gemacht hatte, konnte er dieses Wissen in die Gruppe einbringen, aber auch durch „die Übersetzung in meine Sprache“ einen wesentlichen Beitrag für den Bleibeführer leisten, der ohne seine Vorkenntnisse nicht realisierbar gewesen wäre.
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An einem (weiteren) Beispiel erläutert Landkammer, wie wesentlich dieses Einbringen von spezifischen Kompetenzen für die Beteiligung von Einzelpersonen sein kann: „Ein Kollege z.B. hat sich generell bei Diskussionen und Gesprächen immer wenig beteiligt, aber dann, ganz am Ende so fantastische Pläne für ein mögliches Schulhaus für die autonome Schule gestaltet.“ Es sei notwendig, „den Prozess so flexibel wie möglich zu gestalten“, sodass es möglich sei, „mit einer unterschiedlichen Herangehensweise Beiträge zu machen“. Konflikte als Projektkomponente: Divergierende Sichtweisen, individuelle Arbeitsweisen und Kompromissbereitschaft Konfliktsituationen gab es während des Projektverlaufs („konfliktfrei geht das natürlich nie“), wobei Landkammer diese weniger kulturellen „Hintergründen“ zuschreibt, als aus „Denkarten über Prozesse“ und „in Arbeitsweisen“ entstehen sieht. Als Beispiel führt sie an, dass es divergierende Auffassungen in der Projektkoordination und zentralen Organisation gab. So hätten manche Teilnehmer gefordert „Wir machen jetzt ein Projekt und eine Person, die die Idee gehabt hat, sollte dann sozusagen Regie führen in diesem Prozess, während andere der Meinung sind, alle Schritten müssen gemeinsam diskutiert und beschlossen werden.“ Diese Diskrepanz an Erwartungshaltungen verdeutliche so „unterschiedliche Perspektiven“ in der Arbeitsweise. Eine andere Situation, in der es Meinungsverschiedenheiten gab, beschreibt Landkammer folgendermaßen: Bei der Erstellung des Bleibeführers wollte ein Teil der Gruppe günstige Einkaufsmöglichkeiten als zentralen Beitrag einbringen. Diese Gruppe habe „viel Energie da hinein gesteckt […] Einkaufsmöglichkeiten zu sammeln und zu dokumentieren“. Jedoch habe sie, „und auch Felipe“, es „sehr problematisch gefunden […], wenn das ein Shopping-Guide wird“. Diese unterschiedlichen Einstellungen wurden in der Gruppe diskutiert, dann haben auch „ein paar andere Teilnehmer_innen“ die Meinung vertreten, „dass es nicht so einen großen Platz in dem Heft einnehmen soll“. Es wurde folglich eine Kompromisslösung erzielt, in der dieser Beitrag ein im Umfang zu anderen Beiträgen analoges Seitenvolumen erhalten sollte.
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Exklusionsmechanismen wahrnehmen, kommunikative Transparenz herstellen, Dialogstruktur erweitern Nora Landkammers persönliche Erkenntnisse und Erfahrungen aus diesem Projekt beziehen sich vor allem auf das (eigene) kommunikative Verhalten in einem Projekt, das auch von Sprachbarrieren gekennzeichnet war. Sie analysiert ihr eigenes „Sprechen“ als eine Kommunikationsform, die intendiert „Ambivalenzen zu produzieren“ und „mehrere Deutungsmöglichkeiten für ein Objekt anzubieten“ sucht. Sie wollte so, „einen Dialog öffnen, um mit den anderen Leuten ins Gespräch zu kommen“. Sie habe „in dem Projekt gelernt“, dass „diese Art von […] deutungsoffenem Sprechen und sich nicht festlegen auf eine Interpretation auch etwas sehr Ausschließendes hat“. Denn „um mit einer unklaren Aussage umgehen“ zu können, „muss man eine Sprache sehr gut beherrschen“. Sie habe durch die Tätigkeit im Atelier auch dieses aus dem Kunstfeld kommende Sprechen ein Stück weit "verlernt" und versucht, sich im Sprechen über komplexe Themen in einfachen Satzstrukturen zu üben. John Mwangi Njuguna wiederum sieht kollaborative Prozesse generell als einen Raum des Lernens an („man lernt, wenn Leute zusammen sind und teilen“) wobei ein Austausch bezogen auf ein Ziel („mit einem Ziel“) diesen Prozess unterstützt. Bezogen auf den Projektverlauf würde Landkammer im Nachhinein betrachtet „am Anfang des Prozesses mehr Informationsinputs einbauen“ auch „über den Gesamtkontext“. Sie spricht an, dass gleichberechtige Arbeitsstrukturen („so Arbeiten auf einer Ebene“) „nicht mit Intransparenz verwechselt“ werden sollten. Zusätzlich würde sie „mehr Treffen mit verschiedenen Bereichen und Abteilungen vom Museum organisieren“. Sie würde somit die Planung dahingehend optimieren, dass der „Dialog ausgeweitet“ wird. Optimierungspotential sieht Landkammer auch in der „Evaluation“ und „Reflexion direkt über den Verlauf“. Partizipatorische Projekte sieht Landkammer dann als gelungen an, wenn es zu „keiner Instrumentalisierung der Teilnehmer_innen“ kommt, sondern „wenn Beteiligung auch tatsächlich Mitgestaltung in den Inhalten, Zielsetzungen und Ergebnissen des Projektes bedeutet“.
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Alle fünf Projekte zeichnen synergetische Effekte aus, die sich durch die Beteiligung und Involvierung von spezifischen Teilöffentlichkeiten ergeben. Der Anspruch, Teilöffentlichkeiten in das Projektgeschehen zu integrieren, war in den Projektzielen (indirekt) definiert oder mit diesen korrelierend. Die partizipativen Strukturen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass Öffentlichkeit für die Projekte hergestellt wird. Die Projekte und ihr Verlauf werden von allen Interviewpartnern generell positiv reflektiert und erfüllen die Initiatorinnen und Mitglieder eines Kernteams mit ‚Stolz‘. Eines der zentralen (Forschungs-)Ziele der Interviews war, zu prüfen, ob und inwiefern die Ansprüche einer Cultural Citizenship an eine kompetente Teilhabe an kultureller Mitsprache sowie Leitlinien einer Participatory Culture in partizipatorischen Kunst- und Kulturprojekten gewährleistet und umgesetzt werden. Dies wurde in den Fallstudien bestätigt, Ansprüche und Parameter sind deutlich erkennbar geworden. Unisono bildet Kommunikation das zentrale Handlungsfeld, die Projektstrukturen zeichnen sich durch eine klare Kontur aus, lassen dabei aber Raum für Änderungen, Adaptionen und/oder Gestaltungsprozesse offen. Trotz des individuellen Charakters der fünf Initiativen lassen sich mit Blick auf ein partizipatives Kulturmanagement verbindende Merkmale eindeutig eruieren: Flexible, dennoch klar konturierte Projektstrukturen bestimmen den Ablauf, Kommunikation wird als zentrales Handlungsfeld beschrieben, ein Zugehörigkeitsgefühl und Verbundenheit entsteht über und in kollaborativ wahrgenommene(n) Gestaltungsprozesse(n), Beteiligungsangebote und Formate werden vor allem als strukturierte, dabei individuelles Vorwissen aufgreifende Aufgabenstellungen entwickelt und trotz oder gerade wegen ihrer temporären Begrenztheit als (Kunst-)Projekte wird diesen eine nachhaltige Wirkung durchaus zugesprochen. Flexible, dennoch klar konturierte Projektstrukturen Die einzelnen Projekte weisen einen unterschiedlichen Finanzierungsmodus auf, wobei jedoch alle mittels öffentlicher Subventionen teil- oder voll finanziert werden: Beim Turmtreff Goldegg kann von einer indirekten (Teil-) Finanzierung durch öffentliche Gelder gesprochen werden, da die Basisfinanzierung von öffentlichen Institutionen gestellt wird, von denen ange-
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nommen werden kann, dass sie wiederum zumindest teilweise gefördert wird. Die beiden Projekte Theater Hausruck und PODIUM Musikfestival weisen in ihrer Struktur als mehrjährige Unternehmungen, die bereits teilweise über eine Art institutionellen Charakter - wenn auch nicht finanziell verfügen, eine mehrdimensionale Finanzstruktur auf. Einerseits werden über Ticketverkauf, unterstützt von Merchandisingprodukten (speziell PODIUM Musikfestival), Erlöse generiert, andererseits werden über Sponsoring und Wirtschaftskooperationen zusätzliche finanzielle Einnahmequellen erschlossen. Die anderen beiden Projekte, der Bleibeführer sowie vorstadt vor ort, weisen (fast) 100 Prozent öffentliche Subventionierungen auf. In fast allen Projekten spielen (unbezahlte) Leistungen, ob vom Kernteam oder von ehrenamtlichen Mitarbeitern, jedoch eine wesentliche Rolle. In allen Projekten wird im Team gearbeitet. Eine singuläre Position auf Führungsebene ist in keiner der Fallstudien gegeben, alle Unternehmungen werden durch zumindest zwei primäre Entscheidungsträger auf einer Leitungsebene präsentiert. Diese zeichnen als Team maßgeblich für Initiativen und Projektkonzeption verantwortlich. Entscheidungen, speziell die grundsätzliche Projektstruktur betreffend (Ausnahme: Bleibeführer Zürich), werden in dieser Leitungskonstellation getroffen, Feinkonzeptionen und Projektdetailentscheidungen zuweilen in einer erweiterten Kernteamstruktur diskutiert. Verantwortungsbereiche sind auf Basis der individuellen Kompetenzen der Teammitglieder erkennbar, oft auch dementsprechend betitelt. Bei allen fünf Fallstudien konnten die Interviewpartner klare Phasen der Projektverlaufs benennen, wobei diese grob einem ähnlichen Aufbau folgen und einer klassischen Projektstruktur entsprechen: •
Ideenphase (Erstkonzept, Basisrecherche, Finanzierungsfragen): Drei der fünf Interviewpartner (vorstadt vor ort, Theater Hausruck, Turmtreff Goldegg) verwenden den Ausdruck „Idee“, um diese Phase zu beschreiben, in der auch stets eine Erstkonzeption des Projekts erstellt wird. Diese Phase erfolgt in allen fünf Fallstudien in einem internen Zirkel, also primär im Austausch des Leitungs- oder Kernteams. Teilweise wird die Recherche bereits dieser Phase zugeordnet oder als eigene, der Erstkonzeption folgend, beschrieben. In dieser Ideenphase gilt es auch Finanzierungsfragen zu klären, da erst eine Basisfinanzierung die folgenden Projektschritte möglich macht. Diese Aufgabe wird nur in vorstadt vor ort explizit erwähnt, kann jedoch aufgrund der erwähnten
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Finanzstrukturen auf alle Unternehmungen transferiert werden. In vorstadt vor ort wird diesbezüglich ein sogenannter „Go/No-Go Moment“ als Zwischenstufe formuliert. Konkretisierungsphase (Detailkonzept, künstlerische Programmentwicklung, pragmatischer Realisierungsrahmen, Kooperationen, Projektpläne, Initiierung von Beteiligungsprozessen): In allen fünf Fallstudien wird als eine Folgestufe die Konkretisierung und Verfeinerung des Erstkonzeptes oder der Idee genannt. Diese Phase, die im Vorfeld des Projektereignisses stattfindet, ist durch die Ausarbeitung und Spezifizierung des Projektvorhabens charakterisiert, sodass Detailrecherchen, der Aufbau von Kooperationen und Organisationsplanung zu den zentralen Aufgaben zu zählen sind. Bei dieser Konkretisierung sind künstlerischprogrammatische Konzeption und kulturmanageriale Organisation eng „verwoben“ (Theater Hausruck) oder nicht zu trennen (vorstadt vor ort). In dieser Phase öffnet sich das Projekt einer breiteren Öffentlichkeit. Es werden bereits Teilöffentlichkeiten mittels Kooperationen sowie teilweise auch mittels einer konkreten, aufgabenspezifischen Mitarbeit von Individuen eingebunden. Nora Landkammer (Bleibeführer Zürich) spricht daher in dieser Phase auch von „Gruppenbildungsprozessen“. Diese Konkretisierungsphase kann nochmals gegen Ende um eine Verfestigungs- und Kontrollinstanzebene (PODIUM Musikfestival) ergänzt sein. Projektereignisphase (Realisierung, Umsetzung, Durchführung): Diese Phase wird von vier der fünf Interviewpartner als Umsetzungsphase, von einer (vorstadt vor ort) als Projektdurchführungsphase bezeichnet. Die pragmatische und konkrete Umsetzung eines Ereignisses – des Festivals, des Theaterprojektes vor Ort, die konkrete Realisierung des Turmtreffs, die Entwicklung und Gestaltung des Bleibeführers – steht dabei in allen Fallstudien im Zentrum des Projektgeschehens. In dieser Phase sind in allen fünf Fallstudien Teilöffentlichkeiten aktiv beteiligt. Dokumentations- und Abschlussphase (Reflexion, Evaluation, Aufarbeitung, Transfer): In allen Fallstudien schließt sich eine weitere Phase an das Ereignis an, in der der Projektverlauf und das Projektgeschehen aufgearbeitet, dokumentiert und zuweilen auch evaluiert werden. Diese Phase mündet teilweise (dezidiert angesprochen bei PODIUM Musikfestival und Bleibeführer Zürich) in eine Art Neupositionierung, die gleichzeitig auch wieder eine weitere Phase der Ideengeneration bedeu-
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tet. Die Abschlussphase dürfte - explizit wird dies jedoch nicht formuliert - wieder verstärkt in einem internen Kreis und auf Leitungsebene erfolgen, wobei, wie es beim PODIUM Musikfestival angesprochen wird, zahlreiche Rückmeldungen durch Partizipanten in den Evaluationsprozess einfließen. Die eigenen Rollenbeschreibungen sprechen hohes Koordinationsgeschick an, betonen die Bedeutung der Kommunikation, implizieren aber vor allem aber auf programmatisch-künstlerischer Ebene das Innehaben einer Entscheidungsinstanz. Speziell Nora Landkammer, die sich als „Moderatorin“ bezeichnet, hat diese Entscheidungsinstanz bewusst zu unterbinden gesucht, wodurch in dieser Fallstudie auch dezidiert der Wandel und das Hinterfragen von Rollen während des Projektverlaufs erwähnt wird. Der Projektverlauf scheint bei den meisten Projekten in strukturierten Bahnen und nach einem eher unbewussten, erst durch das Gespräch bewusst werdenden Strukturplan abzulaufen. Summa Summarum kann der Projektverlauf mittels eines zielfokussierten Projektplans als klar konturiert beschrieben werden. Dorit Ehlers nennt es „den roten Faden“ und Chris Müller spricht vom „leuchtende(n) Ganze(n)“, das den Projektverlauf bestimmt, und speziell in einer fortgeschrittenen Phase mit öffentlicher Beteiligung offen und flexibel bezüglich seiner Konkretisierung ist. Kommunizieren als zentrales Handlungsfeld Die internen Strukturen und die kollaborative Arbeitsweise erfordern bereits einen erhöhten Kommunikationsbedarf. Die Projektkonzeption, auch in ihrer Grobfassung, zeichnet sich durch einen kontinuierlichen kommunikativen Austausch, ein „Ping-Pong“ an Ideen aus. Dies wurde in allen Interviews indirekt oder explizit zur Sprache gebracht. Der hohe Kommunikationsbedarf der internen Strukturen setzt sich in den Projektrealisierungsprozessen fort und kann als zentrales Merkmal partizipatorischer Kunstund Kulturprojekte festgehalten werden. Kommunizieren kann folglich als zentrales Handlungsfeld formuliert werden und wird von drei Interviewpartnern (Dorit Ehlers, Chris Müller, Nadja Klement) als solches dezidiert angesprochen. Kommunikationsaufgaben umfassen vor allem Dimensionen des Informationstransfers, des Herstellens von Öffentlichkeit über konkrete Kommunikationsmaßnahmen,
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das Einlassen auf dialogische und diskursive Kommunikationssituationen und die Vermittlung zwischen unterschiedlichen Interessenshaltungen. Dieses kommunikative Aufgabenspektrum lässt sich in allen fünf Fallstudien erkennen, die konkrete Realisierung unterscheidet sich jedoch in ihrem Umfang und ihrer strategischen - also bewusst intendierten (Theater Hausruck, PODIUM Musikfestival) - oder eher beiläufigen (vorstadt vor ort, Turmtreff Goldegg), zumindest nicht konkret artikulierten Ausrichtung. Speziell Theater Hausruck und PODIUM Musikfestival lassen dabei eine hohe Professionalität in der Öffentlichkeitsarbeit und im Herstellen von Öffentlichkeit erkennen: Chris Müller erläutert im Detail, wie über eine bewusste Ansprache und Involvierung von sogenannten mittleren Öffentlichkeiten („Versammlungen“) nicht nur Aufmerksamkeit für sowohl einfache als auch komplexe Öffentlichkeiten geschaffen wird, sondern bewusst über Emotionalisierung und Inszenierung Kommunikationsräume hergestellt und Kommunikationsprozesse in Gang gesetzt werden. Bestehende mittlere Öffentlichkeiten werden aktiv angesprochen. Der Verwobenheit der drei Stufen von Öffentlichkeit wird bewusst ein Raum gegeben, der das Projektvorhaben in einen öffentlichen Kommunikationsprozess zu transferieren sucht. Dieser Transfer in einen öffentlichen Diskurs korreliert mit dem Aufbau eines – temporären – Zugehörigkeitsgefühls. Ein ähnliches Vorgehen lässt sich im PODIUM Musikfestival erkennen, das Social Media gezielt nicht nur als Kommunikationsmedium, sondern als Teil der Projektstruktur begreift. Über einen „Hardcore“, der durch Affinität zum Thema oder durch analoge Beteiligung am Festivalgeschehen mit dem Projekt eng verbunden ist, wird verstärkt versucht, Öffentlichkeit herzustellen und den zentralen Kern an Beteiligten als Bezugsfeld zum Erschließen neuer Publikumssegmente zu begreifen. Indem sich das PODIUM Musikfestival die virtuelle Netzstruktur auch für das gesamte Projektvorhaben zu Nutze macht, fließen Effekte des Online-Bereichs unmittelbar in die ‚analoge‘ Projektstruktur ein. Die Bedeutung von „Einzelgeschichten“ (Chris Müller) und eines personalisierten Themenbezuges wird in den Fallstudien mehrmals angesprochen, besonders wenn es gilt, komplexe Öffentlichkeiten zu erreichen. Dabei werden im Rahmen der Projekte bestehende mittlere Öffentlichkeiten bewusst integriert, die exakt jene „Vermittlerrolle“ einnehmen, in der komplexe Öffentlichkeiten auf Geschichten und Schicksale einfacher Öffentlichkeiten aufmerksam gemacht werden. Die temporäre Bildung einer
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Community, speziell eines „Hardcore“ (PODIUM Musikfestival) oder einer „Ober-Community“ (Turmtreff Goldegg) kann ebenfalls als temporär hergestellte mittlere Öffentlichkeit verstanden werden. In dieser Kerncommunity (und auch in ihrem erweiterten Kreis) sammeln sich an einem Thema in diesem Fall am Projekt - orientierte Interessenshaltungen, ein gemeinsames Ziel steht im Vordergrund und Einzelpersonen haben meist (dennoch) eine Art Sprachrohrfunktion. Die Bedeutung von Einzelpersonen als zentral agierende Kommunikationsdistributeure wird in den Fallstudien mehrfach hervorgehoben. Diese Personen zeichnet ein hoher Vernetzungsgrad aus, sowie die Kompetenz, den Prozess der Herstellung von Öffentlichkeit massiv zu unterstützen. Doch nicht nur diese meinungsbildenden Personen unterstützen den Öffentlichkeitsprozess, sondern auch jeder und jede Beteiligte ist als Botschafter des Projektes zu begreifen. Kommunikationsprozesse erfolgen auch abseits und ohne Beteiligung des Leitungs- und Kernteams, sind jedoch durch das Projekt initiiert worden. Die Kommunikationsformen und -kanäle sind als mehrdimensional zu bezeichnen, wobei die informelle Kommunikation („das persönliche Gespräch“, die „Face-to-Face Kommunikation“) in ihrer Bedeutung fast immer als wesentliche Kommunikationsform hervorgehoben wird. Social Media spielen im PODIUM Musikfestival, SMS im Bleibeführer Zürich, Telefonate und persönlichen Anschreiben in vorstadt vor ort und im Turmtreff Goldegg eine zentrale Rolle, ein Konglomerat aus Eventinszenierung und „Ansprachen“ prägt die Kommunikationsstruktur des Theater Hausruck. Die Bedeutung der Medien für öffentliche Kommunikationsprozesse wird, bis auf Nora Landkammer, von den Interviewpartnern öfters angesprochen. Beteiligungsprozesse als strukturierte Handlungsaufforderung Die Ansprüche einer Zivilgesellschaft auf kompetente kulturelle Teilhabe, die die Cultural Citizenship formuliert, werden graduell unterschiedlich, jedoch in allen fünf Projekten und ihren Beteiligungsprozessen evident. In einer konkreten Analyse und mit hohem Reflexionsgrad werden Teilöffentlichkeiten und auch Individuen für eine Beteiligung selektiert und motiviert. Um eine Beteiligung zu initiieren, bildet Informationstransfer die Basis – wie von fast allen Interviewpartnern formuliert wurde. Dem An-
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spruch auf Information wird Rechnung getragen, wobei der Umfang an Transparenz in den Interviews nicht zur Sprache gekommen ist. Nur seitens Nora Landkammer werden die Bedeutung des Informationstransfers, gleichzeitig auch der Gehalt und Umfang, explizit angesprochen („am Anfang des Prozesses mehr Informationsinputs einbauen“, speziell auch „über den Gesamtkontext“). Dieser Informationstransfer, der unter anderem auch Beteiligung initiieren soll, ist dabei in allen Projekten mit einer personalisierten Ansprache und persönlichen Kontaktaufnahme verbunden. Das Einbringen von (Vor-)Wissen und individuellen Kompetenzen ist explizit erwünscht und Teil der Beteiligungsstrukturen. Dieses Einbringen von Wissen und Kompetenzen schärft das Zugehörigkeitsgefühl und ist als projektimmanenter Baustein partizipatorischer Initiativen zu interpretieren. In allen fünf Fallstudien wurde mittels des Projekts ein Handlungsraum generiert, der es ermöglicht, (neue) Erfahrungen zu machen. Um individuelles Vorwissen und bestehende Kompetenzen einbringen zu können, wurde teilweise ein Raum in Form von Vergabe eigens darauf abgestimmter Aufgaben geschaffen. Speziell bei Theater Hausruck, vorstadt vor ort und beim Bleibeführer Zürich wurden Prozesse einer Auseinandersetzung mit vielfältigen Perspektiven angeregt und fanden Diskussionen über polyseme Haltungen und Einstellungen statt. Beim Bleibeführer Zürich und Turmtreff Goldegg, teilweise auch beim Theater Hausruck und PODIUM Musikfestival, waren (zivile) Beteiligte bereits konkret in die Projektkonzeptions- und Konkretisierungsphase mit eingebunden und konnten das Projektereignis zumindest teilweise mitbestimmen. Raum für Adaptionen des Erstkonzeptes wurde gegeben, wobei die grobe Linie stets als Orientierung dient oder eine verbindliche Leitlinie bildet. Als Ausnahme ist der Bleibeführer Zürich anzusehen. Speziell in Fragen der künstlerischen Programmatik und Konzeption wurde von Dorit Ehlers und Steven Walter, aber auch zum Teil von Nadja Klement, die Kompetenz des Leitungsteam betont. Zwar wird auch in künstlerischen Belangen Raum für Mitsprache und Beteiligung (zumeist in der unmittelbaren Umsetzung) gegeben, hier wird jedoch auf die eigene Entscheidungsinstanz des Leitungsteams verwiesen (speziell bei vorstadt vor ort und dem PODIUM Musikfestival). Dass diese Entscheidungsrolle nicht nur aus Kompetenz, sondern auch aus einem Verantwortungsbewusstsein wahrgenommen wird, kommentiert Steven Walter folgendermaßen: „Dafür stehe ich als künstlerischer Leiter.“
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Als aktives und offenes Forum für Meinungsäußerungen und polyseme Interpretationen kann die Teilhabe in allen fünf Projekten angesehen werden, wobei auf interpretativer Ebene die Gefahr einer Instrumentalisierung angesprochen wird. Beteiligte dürfen und sollen sich nicht „engagiert“ (Dorit Ehlers) fühlen. Nora Landkammer hat diese Gefahr einer Instrumentalisierung sehr bewusst in die Projektkonzeption und das Projektgeschehen eingebunden, wobei die „gleichberechtigte Arbeitsweise“ intendiert, hierarchische Konstellationen und Entscheidungsinstanzen aufzulösen. Steven Walter wiederum spricht gerade die Notwendigkeit von Entscheidungsinstanzen an: Mit Blick auf Optimierungspotentiale wird eine „gewisse Zentralisierung“ auf programmatischer sowie finanzieller Ebene als durchaus positiv gesehen und von dezentralen Prozessen abzukoppeln gesucht. Dorit Ehlers betont die Notwendigkeit, Beteiligten konkrete Aufgaben zu stellen, die zwar einen offenen Handlungsraum bieten, sich dabei aber an vorgegebenen Parametern und - wie auch Chris Müller und Nadja Klement artikulieren – an einem Gesamtziel als Anker orientieren. In vorstadt vor ort, Theater Hausruck und PODIUM Musikfestival kommt verstärkt zur Sprache, dass eine Vision und eine konkrete Vorstellung des Projektereignisses von einem Kernteam formuliert und vorgegeben werden. Auf dieses aufbauend werden Handlungsräume, - durchaus sehr individuelle - für Beteiligte eröffnet und geschaffen. Auch Nadja Klement formuliert bereits in der Erstkonzeptionsphase ein klares Ziel des Projektverlaufs, die Konzeption des Projektereignisses wird jedoch maßgeblich von Beteiligten mitgestaltet und definiert. Bleibeführer Zürich wiederum versucht, gerade diese Zielorientierung, der sich dann auch Beteiligungsprozesse und Räume für Beteiligungserfahrungen unterordnen, aufzubrechen. Das Projektereignis, auch die Projektziele werden bei diesem Projekt in der Gruppe verhandelt, Rahmenfaktoren sind (durch den Forschungskontext) dennoch vorgegeben. Zugehörigkeitsgefühl in kollaborativ wahrgenommen Gestaltungsprozessen In allen fünf Fallstudien wird bestätigt, dass sich ein sehr ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl gebildet hat. Bei vier Projekten wurde dieses bewusst hergestellt, nur bei Turmtreff Goldegg wurde diese Intention „nicht aktiv verfolgt“, sondern hat sich vielmehr „automatisch“ ergeben. Von Nadja
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Klement explizit als „Ober-“ und „Untercommunity“ bezeichnet, unterteilen auch Steven Walter und Nora Landkammer die Intensität der Zugehörigkeit: Ein Kern an Beteiligten ist dem Projekt durch regelmäßige Teilhabe sehr eng verbunden und bildet einen „Hardcore“ (Steven Walter), zahlreiche weitere Personengruppen oder Individuen sind ebenfalls Teil der Community, wenn auch loser oder „freundschaftlich“ (Nadja Klement) verbunden. Chris Müller führt die Dimension der Betroffenheit ein, wenn er Verbundenheit zwischen „Zuneigung und Ablehnung“, aber nur an diesen Polen, nicht „dazwischen“ verortet. Bei dieser Fallstudie sind ein hoher Emotionalitätsfaktor und die persönliche Betroffenheit, im bekräftigenden wie auch im ablehnenden Sinne, erkennbar, wobei beide Ausformungen den Kommunikationsprozess, der über und durch das Projekt stattfindet, prägen. Emotionelle Komponenten nehmen in Theater Hausruck generell eine hohe Bedeutung ein, werden aber auch in vorstadt vor ort, PODIUM Musikfestival und Turmtreff Goldegg dezidiert angesprochen: Nadja Klement und Dorit Ehlers sehen vor allem den Austausch mit einfachen Öffentlichkeiten, die persönlichen Begegnungen, als sehr emotionale Situationen an: So beschreibt Ehlers ihre Rolle, als diejenige, die „die Herzen aufmacht“ und sich für die Atmosphäre verantwortlich zeigt, Klement hebt die gegenseitige Wertschätzung, das „Anhören“ und Einlassen auf persönliche Gespräche hervor. Emotionalität in Form von „Begeisterung“ wird sowohl von Chris Müller, als auch speziell von Steven Walter mehrfach angesprochen. Interessant ist, dass fast alle Interviewpartner in der Reflexionsphase des Interviews „psychologisches“ (Müller) und „soziologisches“ (Klement) Wissen ansprechen und dessen Bedeutung für Beteiligungsprozesse betonen: Gruppendynamik (PODIUM Musikfestival), die Entwicklung eines Wir-Gefühls (Theater Hausruck) und unterstützende Maßnahmen, um Gruppenbildungsprozesse zu verstärken (Bleibeführer Zürich), werden erwähnt. Die Beteiligungsformen reichen bei allen Projekten von Kooperationen (als mittlere Öffentlichkeiten), Einbringen von Sachspenden und Materialien bis hin zu Mitarbeit in der Projektereignisumsetzung oder in der (organisatorischen) Vorbereitung. Welche Personen oder Gruppen bezüglich einer Beteiligung angesprochen werden und welche Räume sich für eine Beteiligung öffnen, wird im Vorfeld, teilweise sehr detailliert, analysiert. Die Projektziele prägen dabei (speziell bei vorstadt vor ort und Turmtreff Goldegg)
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diese Analyse und die daraus resultierende Ansprache potentieller Beteiligungsgruppen. Das Spektrum an involvierten Teilöffentlichkeiten ist daher sehr vielfältig und reicht von mittleren Öffentlichkeiten, bis hin zu dem jeweiligen künstlerischen Schwerpunkt affin verbundenen Personen. Ein lokaler Bezug ist in (fast) allen Fallstudien gegeben. Bezogen auf die vier Parameter, die notwendig sind, damit sich eine Participatory Culture entwickeln kann, werden speziell „Affiliations“ und „Expressions“ aktiv hergestellt und ermöglicht. Eine kollektive Wissensund Ereignisproduktion kann als gegeben interpretiert werden, wobei jedoch graduell der Umfang und die Bestimmung der Rahmenfaktoren in den einzelnen Projekten unterschiedliche Mitsprache und Mitgestaltung zulässt. Im Bleibeführer Zürich ist diese Mitbestimmung am stärksten ausgeprägt: Der Ereignisproduktion als Ausdruck kollektiver und auch kollaborativer Wissensproduktion wird in hohem Ausmaß Raum gegeben beziehungsweise wird dieser Raum konkret hergestellt. Hierarchische Strukturen in der Wissensproduktion werden bewusst aufzubrechen gesucht. In den anderen Fallstudien bleiben diese teilweise erhalten oder werden bestimmte Entscheidungsinstanzen, zumeist künstlerische Prozesse betreffend, vorsätzlich dem Leitungsteam zugesprochen. Dies wird unter anderem damit argumentiert, dass eine Art Einladung zur Beteiligung ausgesprochen wird, in der eine „komplett widersprüchliche“ (!) Haltung zwar als „interessant“ (Dorit Ehlers) und auch „wichtig“ (Steven Walter) wahrgenommen und dieser durchaus auch Raum für Gespräche und Diskussionen gegeben wird, aber letztlich als Ablehnung der Einladung („Art Selbstselektion“, Steven Walter) verstanden wird oder werden kann. Dass die Entscheidungsinstanz speziell in künstlerischen Belangen beim Kernteam liegt, wird auch damit argumentiert, dass darin das eigene Kompetenzfeld gesehen wird, das es bewusst einzubringen gilt. Bei widersprüchlichen Haltungen, die nicht als definitiv kontrovers empfunden werden und bei denen sich (dennoch) ein Verhandlungsraum eröffnet, werden entweder Kompromisse (Bleibeführer Zürich) oder die stärkere Integration dieser Person oder auch Gruppe angestrebt (Turmtreff Goldegg, Theater Hausruck). In Turmtreff Goldegg wird ein Konfliktverhalten und die Einnahme einer kontroversen Position auch mit einer „Angst vor Kontrollverlust“ (Nadja Klement) in Verbindung gebracht, die dadurch behoben versucht wurde, dass mehr Verantwortung gegeben wurde: Der Konfliktträger wurde zum Partner gemacht.
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Sowohl individuell eingebrachtes als auch in den kollektiven Prozessen entstandenes Wissen wird durch das Projekt weitergegeben: In Form von Filmen, einem Gästebuch, Vorträgen und anderen Formen von Öffentlichkeitsarbeit wird dieses im Anschluss an das Projektereignis an eine breitere Öffentlichkeit oder auch (fach-)spezifische Teilöffentlichkeiten distribuiert. Temporäre Räume und Nachhaltigkeit von partizipatorischen Projekten Genuin kann konstatiert werden, dass in allen fünf Fallstudien temporäre, und bis dato in dieser Konstellation nicht vorhandene Räume geschaffen werden, die Kommunikationsprozesse mittels Beteiligung, Mitsprache und teilweise auch aktive Mitgestaltung ermöglichen. In diesen Prozessen werden Perspektiven ausgetauscht, reflektiert und neue Zugänge ermöglicht. Vier der fünf Fallstudien sprechen diesen Prozessen eine nachhaltige Wirkung zu, die eher als eine indirekte, im Sinne von „da bleibt etwas“ (Ehlers) oder „das formt“ (Müller), verstanden wird. Nora Landkammer äußert sich skeptisch in Bezug auf einen „Perspektivenwechsel“, räumt aber ein, dass hier möglicherweise auch Defizite in der Kommunikationsarbeit einen intensiveren Austausch unterbunden haben. Auf den temporären Charakter der Projekte wird mehrfach verwiesen. Dorit Ehlers drückt dies sehr pointiert aus, wenn sie davon spricht, dass sie und ihr Team sich während des Projektes „mächtig ins Zeug legen“ und sich verantwortlich für Prozesse und Vorgänge fühlen, nach dem Projektereignis jedoch ist das „Projekt zu Ende“ – und auch die Verantwortlichkeit. Speziell in Turmtreff Goldegg wird das Verhältnis von temporärer Verantwortung und Nachhaltigkeit thematisiert, da das Projektereignis als Jugendtreff realen Bestand über das Projektgeschehen hinaus hatte. Der temporär geschaffene Raum ist als kultureller Kommunikationsraum aufzufassen, in dem über Perspektiven, Haltungen und Meinungen verhandelt werden kann. Dieser Aushandlungsprozess wird seitens der Projektinitiatorinnen veranlasst. In diesem Prozess wird vor allem die eigene Rolle als die eines Impulsgebers aufgefasst, der Kommunikationsprozesse über das Herstellen eines verdichteten, inszenierten Raumes eröffnet. Diese Verdichtung und auch Inszenierung wird speziell in vorstadt vor ort („sich mal ganz kurz in was befinden, was nicht das Normale ist, aber irgendwie
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ist es doch normal“) und Theater Hausruck („andere temporäre Welt“) zur Sprache gebracht. Diese Räume entsprechen damit temporären Zwischen-Räumen, die zwischen ‚dem, was ist‘ und ‚dem, was sein könnte‘ eine Art Mikrokosmos entstehen lassen, der sich zwar auf bestehende Konstellationen und Kontexte bezieht, parallel aber imaginative und ästhetische Prozesse und Erfahrungen freisetzt. Es öffnet sich exakt jener Raum, in dem polyseme Interpretationen, alternative Sichtweisen, neue Zuschreibungen fiktiv und gedanklich Platz haben und einen Verhandlungsprozess über divergierende Bedeutungszuschreibungen ermöglichen.
Erkenntnisse und Ausblicke Ablaufmodell, Kompetenzprofil und Verortung
Zielte die Eingangsfrage dieser Studie vor allem darauf, mittels einer kritischen Reflexion des Verhältnisses von Kunst und Kultur und mit Referenz auf die Cultural Studies neue Perspektiven auf das Handlungsfeld Kulturmanagement zu erschließen, hat sich durch die interdisziplinäre Verhandlung der Blickwinkel kontinuierlich auf das damit verbundene Herstellen von Öffentlichkeit fokussiert. Kunst und Kultur zu differenzieren und die jeweils zugrunde gelegten Definitionen zu spezifizieren, ist nicht nur Voraussetzung für die Generierung neuer methodischer Erkenntnisse für die Kulturmanagementforschung (vgl. u.a. Tröndle 2006; van den Berg 2008; Zembylas 2004: 14f.), sondern ebenso für das Praxisfeld Kulturarbeit. Denn erst aus einer Differenzierung von Kunst und Kultur lassen sich jene Schnittstellen und Querverbindungen erschließen, die zu neuen Arbeitsformen und Modellen der Zusammenarbeit zwischen künstlerischen und managerialen Produktionsprozessen führen (können). Jener „generative Diskurs“ (2010: 167), als den Carsten Winter die Cultural Studies bezeichnet, hat sich als dabei als zentrales Element kristallisiert: Denn wesentliche Erkenntnis sowohl aus dem Literaturreview als auch der Fallstudienanalyse war, dass eine zentrale Querverbindung von Kunst, Kultur und Management das Herstellen polyphoner und multivokaler Kommunikationsprozesse bedeutet. Diese Kommunikationsprozesse benötigen Zwischenräumen von dem, was ist oder zu sein scheint (‚Fakt‘) und dem, was möglich wäre oder alternativ vorstellbar sein könnte (‚Fiktion‘), damit eine kollaborative Aushandlung kultureller Bedeutungszu-
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schreibungen stattfinden kann. Was bedeutet diese Erkenntnis für die Kulturmanagementforschung und Praxis?
F ÜNF P RÄMISSEN FÜR K ULTURMANAGEMENT
PARTIZIPATIVES
Partizipatives Kulturmanagement im Kontext zeitgenössischer Kunst erschließt seine Handlungsmaximen aus der Eigenart von Kunst als symbolische kulturelle Form und Praxis und übernimmt als kulturelle Vermittlungs- und Moderationsinstanz gesellschaftliche Verantwortung. Das bedeutet: Partizipativ agierende Kulturmanager (1) interagieren an Schnittstellen von künstlerischer und kultureller Produktion, (2) schaffen partizipative Kommunikations- und Handlungsräume, (3) vermitteln zwischen hegemonialen und alternativen kulturellen Bedeutungszuschreibungen, (4) moderieren kollaborativ wahrgenommene kulturelle Produktionsprozesse und (5) fassen das Herstellen eines polyphonen Diskurses als ihr zentrales Handlungsziel auf. An der Schnittstelle von künstlerischer und kultureller Produktion interagieren Künstlerische Produktionen bezeichnen, wie bereits erwähnt, einen komplexen Herstellungsprozess, bei dem mit künstlerischen und ästhetischen Mitteln Artefakte produziert werden, wobei Artefakte auch immaterielle Produkte darstellen oder einen ausgelösten Prozess umfassen (können). In diesem Fall verschwimmen auch die Grenzen von Produktion und Rezeption. Dieser künstlerische Herstellungsprozess unterliegt – analog zu kulturellen Produktionen – Bedingungen, die durch rechtliche, ökonomische und politische Kontexte und Reglementarien mitbestimmt sind. Eine kulturelle Produktion wurde bereits als jener Prozess definiert, in dem Sichtweisen und Einstellungen erzeugt, aufgenommen und in einem öffentlichen Zirkulationsprozess distribuiert werden, dabei aber auch kontinuierlich reproduziert und/oder in der Gesellschaft neu verhandelt werden. Die aktive Mitbestimmung von Kultur steht im Vordergrund beziehungsweise muss im Vordergrund stehen, wenn Kultur im Sinne der Cultural
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Studies als eine Art Lebensweise und dynamisches sowie verhandelbares Navigationssystem durch den Alltag verstanden wird. Basierend auf diesem Differenzierungsansatz von Kunst und Kultur interagieren Kulturmanager an den Schnittstellen von künstlerischer Produktion und kulturellen Bedeutungsprozessen, wobei diese beiden Felder in einem dynamischen Bezug zueinander stehen: So referenzieren künstlerische Produktionen Phänomene jener Welt, die uns umgibt. Sie reflektieren einen kulturellen Status quo und beziehen sich damit auf das, was in Alltagspraxen als gängige kulturelle Bedeutungszuschreibungen sichtbar wird. Sie intervenieren – oft explizit, zuweilen nur implizit – in das, was aktuell als Kultur verstanden und gelebt wird. Gleichzeitig weisen künstlerische Produktionen und ihre Artefakte in Form imaginativer Interpretationen und künstlerischer Verfahren über diese Alltags- bzw. phänomenalen Bezüge hinaus. Diese Distanz, in die Kunst parallel und analog zu dem, auf das sie sich bezieht, tritt, wird als Spezifikum von Kunst verstanden. Künstlerische Produktionen reflektieren somit (stets) kulturelle Lebensweisen und stellen Alternativen zu bestehenden Haltungen und Sichtweisen in Aussicht. In dieser Reflexion ist die seismographische Funktion von Kunst zu verorten, wobei Kunst selbstverständlich zahlreiche weitere Funktionen innehaben kann und aufweist. Partizipativ agierende Kulturmanager sind aufgefordert, diese seismografische Dimension als Bezug zu einem gelebten Alltag und den spezifischen Lebenswelten des Publikums sichtbar und erfahrbar zu machen. Denn gerade diese Lebenswelten entsprechen dem, was wir als Kultur leben und die wir aktiv mitgestalten (sollten). Im Kontext zeitgenössischer künstlerischer Produktionen ist daher der Typus eines aktiv gestaltenden und folglich partizipativ agierenden Kulturmanagers erforderlich. Aktiv gestaltend bedeutet, dass er mitverantwortlich ist für die Konzeption dessen, was als Kultur gelebt wird, und dass er somit gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Partizipativ agierend meint, dass er/sie die kollaborative Produktion von Kultur ermöglicht und darin eine zentrale Intention sieht. Denn die Produktion von Kultur impliziert, dass Kultur nicht einem ‚culture just happens‘ unterliegt, sondern die aktive Mitsprache, eben (Mit-)Produktion betroffener Öffentlichkeiten erfordert. Dies erfordert, dass die seismografische Dimension von Kunst in ihrer Distanz sowohl zu bestehenden als auch potentiellen Bezügen, die sich aus, in und mittels der künstlerischen Produktion zu (alltäglichen)
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Phänomenen und Lebensumwelten erschließen lassen, sichtbar und erfahrbar gemacht wird und dem entsprechend Zugänge geschaffen werden. Partizipative Kommunikationsund Handlungsräume schaffen Indem Kunst durch künstlerische und (zumeist) ästhetische Mittel und Verfahren in einen distanzierten Dialog mit der Wirklichkeit tritt, stößt sie Kommunikationsprozesse an, die (primär) auf ästhetische Erfahrungen beruhen. In künstlerischen Strategien und Methoden wie etwa der Verdichtung, Visualisierung, Erhöhung oder der Verfremdung wird diese Distanz evident: Im Wechselspiel und Doppelpass mit dem Imaginär-Ästhetischen entsteht jener Raum, der zwischen der Welt des Seins und des Möglichen verortet ist. In seiner Abgeschlossenheit als Kunst(-projekt) wird ein temporärer Raum entworfen, der abseits gängiger Wahrnehmungsparameter und Interpretationsschemata gedankliche Leerstellen und Assoziationen eröffnet. Diesen imaginativ-relationalen Mikrokosmos, der durch die Kunst und ästhetische Prozesse hergestellt wird, gilt es für den kulturellen Prozess bewusst und reflektiert aufzugreifen, gegebenenfalls räumlich und diskursiv zu erweitern und mittels Vermittlungs- und Partizipationsangeboten (unmittelbar) erfahrbar und (mit-)gestaltbar zu machen. Denn das Einlassen auf Kunst und auf den von ihr eröffneten temporären Zwischenraum erfordert, die Auseinandersetzung mit differenzierten Wahrnehmungssträngen zu zulassen und sich auf neuartige Perspektiven einzulassen. Diese Auseinandersetzung meint Kommunikation - nicht nur im klassischen Sinne zwischen Artefakt/Kunstproduzent und Kunstrezipient, sondern auch im Austausch mit all jenen Personen, die Teil des Mikrokosmos sind oder werden: Denn wird Kommunikation als Interaktionsprozess über die Bedeutung von Zeichen und somit über Zuschreibungen verstanden, ist damit gerade dieser Prozess, der über Kunst initiiert und in Gang gesetzt wird, gemeint – und diesen gilt es seitens der Kulturmanager aktiv zu unterstützen, zu intensivieren und mittels professioneller Rahmenbedingungen (mit) zu initiieren und zu moderieren. Dazu bedarf es partizipativer Kommunikations- und Handlungsräume, die analog zum Verständnis der Cultural Citizenship und aktueller demokratiepolitischer Öffentlichkeitstheorien einen offenen, auch widersprüchlichen Diskurs initiieren.
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Zwischen hegemonialen und alternativen Bedeutungszuschreibungen vermitteln Aushandlungsprozesse in einem partizipativen Sinne erfordern ein Spannungsverhältnis divergierender Interessenshaltungen, und setzen unterschiedliche Perspektiven und Intentionen voraus. Partizipation im Kultursektor impliziert somit jenes Konfliktpotential, das „Wissensaustausch“ (Miessen 2012: 79) und Veränderung überhaupt erst ermöglicht. Diese Auffassung von Partizipation korreliert mit einer als transformatorischer Diskurs verstandenen Kunst- und Kulturvermittlung (Mörsch 2009) und mit jenem Verständnis einer dissensorientierten Öffentlichkeit, das konfligierende Perspektiven explizit als Grundvoraussetzung für (demokratische) kulturelle Entwicklungen ansieht. Diese kulturellen Entwicklungen manifestieren sich in Form von kulturellen Zuschreibungen und deren Relevanz auf unser gesellschaftliches Zusammenleben. Damit der initiierte Diskurs jenem Verständnis einer kulturellen Mitbestimmung entspricht, die sich aus den jeweiligen individuellen kulturellen Kontexten und Lebensbezügen (auch) als widersprüchliche Interpretation artikulieren und formieren kann, kann Partizipation nicht (per se) als Bestätigung der „bereits vorhandenen Praxisparadigmen“ (Miessen 2012: 81), sondern muss (auch) als konfliktorientiertes Produktionsfeld neuer und veränderter kultureller Sichtweisen verstanden werden. Dieses Verständnis hat in den letzten Jahren in der Kulturmanagementforschung (in Ansätzen) darin seinen Ausdruck gefunden, dass Kulturvermittlung als Kernaufgabe des Kulturmanagements angesehen wird, wobei Kulturmanagement „als indirekte Form der Kulturvermittlung“ begriffen wird, „die vor allem in der Funktion des Kulturmarketings als Steuerung von Aufmerksamkeit virulent wird“ (Mandel 2012a: 280). Umfasst diese Steuerung von Aufmerksamkeit (auch), dass bis dato unberücksichtigte Interessenslagen und polyseme Interpretationsansätze im und als Diskurs virulent werden, bedeutet dies, allen beteiligten Individuen und Personengruppen jene seitens der Cultural Citizenship formulierten Ansprüche auf Information, Erfahrung, Wissen und Teilhabe zu gewähren und (dadurch) Prozesse und die Entwicklung einer partizipatorischen Kultur zu ermöglichen, durchaus auch herzustellen. Die Vermittlungsaufgabe von Kulturmanagern besteht somit in einem Interaktionsprozess, der nicht nur zwischen Kunst und Gesellschaft statt-
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findet, sondern auch in einer kulturpolitischen Dimension verankert ist. So sind partizipativ agierende Kulturmanager gefordert, zwischen hegemonialen kulturellen Bedeutungszuschreibungen, die oft mit etablierten Machtverhältnissen in Verbindung stehen, und alternativen und zumeist divergierenden Konnotationen zu vermitteln. Kollaborativ wahrgenommene kulturelle Produktionsprozesse moderieren Aktuelle Entwicklungen im Praxisfeld Kulturmanagement wie das Aufbrechen traditioneller Rollenbilder hin zu arbeitsteiligen, multiplen Aufgabenbereichen sowie technologische und (damit zumindest teilweise auch verbundene) demokratiepolitische Möglichkeiten verweisen ebenfalls auf kollaborative Prozesse der Bedeutungsproduktion. Kulturmanager sind dementsprechend gefordert, als Botschafter eines zumindest partizipatorischen, im Idealfall partizipativen Kulturverständnisses zu agieren. Leitlinien einer Participatory Culture (Jenkins et al. 2005) können eine Grundlage bieten, um als integrativer Bestandteil der Managementkonzeption einen Handlungsrahmen für kulturelle Produktionsprozesse zu definieren, der eine gleichberechtige Teilhabe von betroffenen Teilöffentlichkeiten intendiert. Mit dem Ziel zivilgesellschaftlicher Mitbestimmung können in Anlehnung an die von Jenkins et al. formulierten vier Parameter (1) der Aufbau eines Zugehörigkeitsgefühls, (2) das Ermöglichen einer produktiven Mitgestaltung, (3) die Orientierung an einer verbindlichen Zielsetzung, die dennoch individuellen Gestaltungsraum gibt, und (4) die Koordination von mehrdimensionalen Zirkulationsmechanismen auf das Handlungsfeld Kulturmanagement projektiert werden. Die Moderation von kollaborativ wahrgenommenen Bedeutungsprozessen ist somit Aufgabe und zugleich maßgebliches Handlungsfeld von Kulturmanagern. Moderieren meint in diesem Sinne Initiieren, Ermöglichen, aber auch Koordinieren und kann als „Synonym für Prozessgestaltung“ (Seifert 2003: 76) angesehen werden. Dieser Auffassung nach bedeutet Moderieren vor allem einen Prozess zu begleiten, bei dem Verständnis und Transparenz aufgebaut, Räume für Kommunikationsprozesse kreiert und erweitert werden, Wissen ausgetauscht, eine aktive Mitgestaltung unterstützt sowie alltagsrelevante Handlungsoptionen sichtbar und erfahrbar werden.
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Diese Moderationsfunktion umfasst vielschichtige Vermittlungsinstanzen zwischen den an Bedeutungsprozessen beteiligten, und den oft erst zu beteiligenden Interessensgruppen: Kunstschaffende, kulturpolitische Entscheidungsträger, Auftraggeber, (Kooperations-)Partner aus Wirtschaft, Kommunen und Gesellschaft sowie sich aus Programmatik und/oder Kontextbedingungen erschließende Teilöffentlichkeiten und all jene Dialoggruppen, die unter PR- und Audience Development-Perspektive zu berücksichtigen sind. Speziell die Involvierung bisher von kultureller Mitbestimmung ausgeschlossener Teilöffentlichkeiten setzt Wissen um demographischen Wandel und seine Auswirkungen auf kulturelle und gesellschaftliche Phänomene sowie interkulturelle Kompetenzen (auch) im Kontext programmatischer Ausrichtungen (vgl. Mandel 2013) voraus. Einen polyphonen Diskurs herstellen Das Spezifikum von Kunst als symbolische Form ist, dass sie keine Erklärung abgeben möchte, sondern sich gerade einer eindeutigen Zuschreibung auf das, worauf sie sich bezieht, (mittels der Distanz) entzieht. So initiiert Kunst eine offene Gesprächsatmosphäre und mobilisiert Kommunikationsprozesse, die eine Reflexion der eigenen Sichtweise erfordern. Sowohl im Austausch mit dem Artefakt als auch mit jenen am und im Mikrokosmos Beteiligten werden Aushandlungsprozesse über das, was in diesem temporären Raum artikuliert, was wahrgenommen und als gedankliche Alternativen entworfen wird, evoziert. Dieser imaginativ-relationale Mikrokosmos ist folglich als temporärer, inszenierter Kommunikationsraum zu verstehen, der verschiedene Perspektiven verdichtet und alternative, polyseme Deutungsoptionen eröffnet. Damit verfügt dieser Zwischenraum über jene „auf Interaktion und Differenz beruhende Raumkonstitution“, die als „Quelle von Widerständigkeiten […] Voraussetzungen für alternative Entwicklungspfade“ und so „eine Basis für das Neue“ (Massey 2003: 40) schafft oder schaffen kann – und somit kulturelle Bedeutungsprozesse in Gang setzt. So kommt diesen Mikrokosmen im Herstellen von Öffentlichkeit eine zentrale Bedeutung zu: Wird Öffentlichkeit als dissensorientierter Verhandlungsraum verstanden, in dem konfligierende Interessen und Werte zum Ausdruck (vgl. Mouffe 2007) gebracht werden, ist es exakt das Format eines Raumes zwischen dem, was ist und
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dem was, sein könnte, das als Motor kollaborativer Bedeutungsproduktion aufgefasst werden kann. Mit diesem Ansatz nähert sich der in partizipatorischen Projekten stattfindende Kommunikationsprozess jenem Verständnis von Öffentlichkeit, das polyseme Interpretationen und gegenläufige Sichtweisen als integrative Bestandteile von Diskurs auffasst. Polysem bezieht sich in diesem Zusammenhang darauf, dass mehrdeutige Interpretationen innerhalb eines Diskurses Raum haben und diesen ausmachen, wie vor allem in demokratiepolitischer Öffentlichkeitstheorien (vgl. Fraser 2007; Mouffe 2007; Klaus 1998 und 2001) argumentiert worden ist. In diesen aktuellen Ansätzen bestimmen vielfältige Formen und Foren von Kommunikation Öffentlichkeit und wirken im Herstellen von Öffentlichkeit mit. Ziel ist, einen multiperspektivischen Diskurs zu initiieren, der auch und explizit gegenläufige Sichtweisen und oppositionelle Interessen umfasst. Diesen polyphonen Diskurs verstanden als (Artikulations-)Raum für vielfältige, auch widersprüchliche Haltungen und Perspektiven - zu ermöglichen, ist folglich als zentrale Prämisse künstlerisch-kultureller Produktionsprozesse aufzufassen. Integrativer Bestandteil dieses Kommunikationsprozesses ist und sollte sein, mittels Mitsprache und Mitbestimmung alternativen und vielfältigen Interpretationen zu einem (spezifischen) kulturellen und/oder gesellschaftlichen Phänomen Raum zu geben.
ABLAUFMODELL PARTIZIPATIVER K ULTURMANAGEMENTPROZESSE Partizipativ agierende Kulturmanager intervenieren folglich in ein bestehendes und oft von hegemonialen Machtinteressen geprägtes Diskursfeld und suchen einen Transformationsprozess im Kontext von Kunst und Kultur initiieren. Auf Basis der empirischen Studie konnten fünf Phasen erfasst werden, die diesen kommunikativen Prozess nicht als abgeschlossene Entitäten, sondern als fließende und überlappende Teilprozesse zusammenführen – wie folgende tabellarische Übersicht nochmals zusammenfasst, wobei die projektmanageriale Perspektive als Moderationsinstanz die primäre Sichtweise darstellt94:
94 Quelle der nun folgenden Tabellierungen: eigene Abbildung.
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Phase 1 // Idee & Recherche Diese erste Phase dient primär dem Ausloten der Projektidee: Ein spezifisches (kulturelles) Themenfeld wird aufgegriffen, erste Ideen für die künstlerische Programmatik werden entwickelt, Beteiligungsformen sondiert.
partizipatorische
Produktionsebene
künstlerische
projektmanageriale
Projektvorbereitung: Brainstorming; Selektion und Eingrenzung des Themen- und Projektfeldes; Kernteambildung --Erstellen Projektexposé: Sondierung einer erweiterten Teambildung mit Kooperationspartnern und potentiellen Botschaftern; Analyse von finanziellen, personellen Ressourcen; Spezifizierung des räumlich-zeitlichen Projektrahmens; vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Projektthema Austausch mit (anderen) Kunstschaffenden: Ideengenerierung über ein künstlerisches Format und Programmatik; Sondierung der Bezüge zu Alltagspraxen und Lebensumfeld --Austausch über Konzeption: Entwicklung einer ersten künstlerisches Expositur; künstlerische Verortung; Analyse des kunstwissenschaftlichen Kontextes; Spezifizierung der Projekt- und Ereignisparameter und der lebensweltlichen Bezüge (zumeist) keine unmittelbare Beteiligung: jedoch indirekte Rückkoppelung durch Alltagspraxen betroffener und marginalisierter Teilöffentlichkeiten --Analyse, Spezifizierung und Eingrenzung betroffener Teilöffentlichkeiten: Segmentierung nach Zugang, Interessen, Positionen; Erstgespräche mit Kooperationspartnern/Botschaftern (meist Opinion Leader einer spezifischen Personengruppe)
diskursive Ebene
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Aufgreifen eines bestehenden Diskursfeldes: (individuelle) Positionierung einer gegenläufigen oder differenzierten Sichtweise als (kritische) Stellungnahme --Erfassen von Diskurspositionen und ihren spezifischen kommunikativen Kontexten: Analyse (dominanter) Diskursstränge und Diskursfragmente; Recherche der Diskurspositionen einfacher Öffentlichkeiten und diese vertretender mittlerer Öffentlichkeiten; beginnender Aufbau einer partizipatorischen Öffentlichkeitsebene
Diese erste Phase kann von einer ‚Go/NoGo-Linie‘ (---) unterbrochen sein, da erst mit einer gesicherten Basisfinanzierung der (weitere) Phasenverlauf stattfinden kann. Phase 2 // Konzeption & Konkretisierung
Produktionsebenen
künstlerische
projektmanageriale
Nun gilt es das bisherige Grobkonzept zu konkretisieren, partizipatorische und partizipative Prozesse zu initiieren und den professionellen Rahmen für vielfältige Beteiligungsformate zu schaffen. Dies bedeutet auch auf künstlerischer Ebene festzulegen, inwiefern Partizipanten (aktiv) die künstlerische Realisierung mitgestalten können. Festlegung der Projektstruktur: Differenzierung von flexiblen und variablen Projektbausteinen; intensive Zusammenarbeit mit Projektbotschaftern und Kunstschaffenden; Vorfeldkommunikation, Distribution und Information der Projektidee; Initiierung von Beteiligungsprozessen; Aufbau einer Kommunikationsplattform und von spezifischen Kanälen Künstlerische Programmentwicklung: Formalisierung und Symbolisierung; kontinuierliche Verfestigung und Ausgestaltung des künstlerischen Programms; Integration von Vorwissen/Kompetenzen der Partizipanten in die künstlerische Programmatik; Transfer künstlerischer und/oder kunstvermittelnder Methoden, Kenntnisse und Werkzeuge; optional: integrative Mitgestaltung des künstlerischen Programms
partizipatorische
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umfassender Kontaktaufbau und Intensivierung der Kollaboration: Informationstransfer und Austausch; Eröffnen von Interaktionsprozessen durch Abbau von Barrieren, Schaffen von Zugängen, Einbringen von Vorwissen der Partizipanten; Aufbau und bereits teilweise Umsetzung vielfältiger Partizipationsformate
diskursive Ebene
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Verdichtung von relationalen, imaginativen und alternativen Diskurssträngen: Herstellen einer partizipatorischen Öffentlichkeit durch Bildung einer temporären Community (eng verbunden mit der partizipatorischen Produktionsebene)
Phase 3 // Inszenierung & Ereignis Das konkrete Ereignis und die Inszenierung als künstlerisch(-kulturelles) Programm bestimmt diese verstärkt öffentlich sichtbare Projektphase.
partizipatorische
Produktionsebenen
künstlerische
projektmanageriale
Implementierung: umfassende u.a. technische, personelle, zeitliche Koordination und Monitoring des Projektereignisses; (erneute) Motivation und Betreuung aller Beteiligten; Ausweitung des Partizipantenkreises (Publika); Implementierung des Ereignisses; (auch) operatives Veranstaltungs- und Eventmanagement Umsetzung des künstlerischen Programmes, das auch kunstvermittelnde Aktivitäten umfassen kann; eventuell auch eigene künstlerische Aktivität; oft hohe Konzentrationsphase bei wiederholter Inszenierung Beteiligung am Realisierungsprozess von aktiver (Mit-) Produktion bis hin zur passiven Zuschauerrolle reichend; ästhetische Wahrnehmungs- und verdichtete, mehrdimensionale Erfahrungsprozesse
diskursive Ebene
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Diskursives Ereignis inklusive Diskursbrüchen: Herstellen eines Konnex zu komplexer Öffentlichkeitsebene mittels Verdichtung aller drei Öffentlichkeitsebenen
Phase 4 // Distribution & Zirkulation Nun folgt jene Phase, in der das Projektereignis und seine kontextuellen Bezüge öffentlich kommuniziert und vielfältige Interpretationen distribuiert werden. Dazu zählen auch (weitere) Kunst- und Kulturvermittlungsangebote.
Produktionsebenen
diskursive Ebene
partizipatorische
künstlerische
projektmanageriale
Mediale und interpersonale Nachfeldkommunikation: Intensive Berichterstattung in (Massen-)Medien; Informationstransfer über das Ereignis in digitalen Medien bzw. über die projektspezifischen Kommunikationskanäle; Verfestigung über Bildsymboliken und mediale Dokumentation
geringe (unmittelbar künstlerische) Beteiligung, jedoch je nach künstlerischem Ereignisformat kunstvermittelnde Aktivitäten im Anschluss bzw. Distribution in kunstspezifischen Kanälen inkl. Verfestigung der künstlerischen Symbolik Angebote zur Reflexion, Artikulation und Verfestigung der individuellen und kollektiv wahrgenommenen Erfahrungsprozesse, Eindrücke und Bilder; Vermittlungsprogramme (u.a. Aufzeigen von alltagsrelevanten Handlungsoptionen)
Distribution und Artikulation der vielfältigen Interpretationen und Erfahrungen als (zum Teil) fokussierter und gebündelter Diskursstrang: verstärkte Interaktion mit und Transfer in komplexe Öffentlichkeitsebene(n)
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Phase 5 // Reflexion & Dokumentation Zu Projektabschluss werden der Verlauf und das Projektereignis dokumentiert und oft nochmals für verschiedene Öffentlichkeiten aufbereitet. In dieser Phase kann auch die kulturpolitische Vermittlungsaufgabe des Kulturmanagers besonders gefordert sein, wenn etwa konkrete Handlungsappelle an kulturelle Kontexte im Projektverlauf artikuliert worden sind.
Produktionsebenen
diskursive Ebene
partizipatorische
künstlerische
projektmanageriale
Analyse und Evaluation des Projektes und seines Verlaufes: Selbstreflexion und Auslotung des Optimierungspotentials; reflexive Aufbereitung des Projekts in (ergänzenden) Medien und für (weitere) betroffene bzw. interessierte Teilöffentlichkeiten; Kommunikation in einem kulturpolitischen Kontext; Ideengenerierung für Folgeprojekte Dokumentation, Aufbereitung und Reflexion des (primär) künstlerischen Ereignisses sowie (Austausch über) Ideengenerierung für Folgeprojekte
Integration von Artikulationen in die Dokumentation: u.a. Erfahrungsberichte, Fotos, Bilder, Filme, Workshops
Im Idealfall: Transformatorische Impulse auf ein bestehendes Diskursfeld oder Stränge von diesem; (potentielle) Rückkoppelung auf alle drei Öffentlichkeitsebenen
Diese Phase der Reflexion führt oft zu neuen Projekten und Ideen oder bedingt Adaptionen im (konkreten) Projektverlauf bei wiederholter Durchführung.
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G RAFISCHE D ARSTELLUNG : V ON DER I NTERVENTION ZUR T RANSFORMATION Mit Blick auf kommunikative Prozesse und auf Basis der fünf Phasen bildet das folgende Modell95 einen prototypischen partizipativen Kulturmanagementprozess ab96: Aus (1) Perspektive von Kulturmanagern wird das kommunikative Handlungsfeld im Kontext zeitgenössischer Kunst und kultureller Produktion beschrieben: Unter Kulturmanagern werden dabei jene Handlungsakteure verstanden, die (2) kommunikative Transformationsprozesse im Kontext von Kunst und Kultur moderieren und koordinieren, teilweise sogar initiieren. Inhalt dieses Kommunikationsprozesses ist, mittels Mitsprache und Mitbestimmung alternativen und vielfältigen Interpretationen zu einem (spezifischen) kulturellen und/oder gesellschaftlichen Phänomen Raum zu geben, wobei die Moderation, Erschließung und Distribution eines (5) polyphonen Diskurses, der den Spezifika von Kunst entspricht und diese erschließt, zentrales Handlungsziel darstellt. Dabei interagieren die Moderatoren mit unterschiedlichen beteiligten und betroffenen Personengruppen, die als (3) Partizipanten den Kommunikationsprozess
95 Modelle dienen vor allem dazu, komplexe (wissenschaftliche) Zusammenhänge auf reduzierte und abstrahierte Weise abzubilden und Orientierung zu schaffen. Im Kontext des anwendungsorientierten Forschungsfeldes Kulturmanagement bedeutet Modellentwicklung somit (auch), dass Erkenntnisse aus der Forschung für die Kulturarbeit handlungsevident aufbereitet und ihren Akteuren methodisches Wissen und praxisbezogene Erläuterungen vermittelt werden. Für die Modellentwicklung von ‚Partizipatives Kulturmanagement‘ wurden grundlegende Aspekte der Modelltheorie (v.a. Stachowiak 1973; Spelten 2010; Bergmann et al. 2010) herangezogen, wobei vor allem Überlegungen einer kommunikationswissenschaftlichen Modellierung (Schmidt/Zurstiege 2000) in die methodologische Herangehensweise einfließen. Dies wird im folgenden Kapitel jedoch nicht explizit ausgewiesen, war jedoch Teil der wissenschaftlichen Analyse und Aufbereitung. 96 In Anlehnung an die sogenannte Lasswell-Formel (Lasswell 1984), die – oft in adaptierter oder kritischer Weiterentwicklung (vgl. u.a. McQuail/Windahl 1993: 13f.; Schmidt/Zurstiege 2000: 60ff.; Merten 1974: 155) die Basis für kommunikationswissenschaftliche Modelle darstellt, wird festgehalten, (1) wer (2) was (3) in welchem Kanal (4) zu wem (5) mit welchem Effekt sagt/kommuniziert.
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(mit-)gestalten. Die (4) Wege und Instrumente dieses Interaktionsprozesses sind vielfältig, ergeben sich aus der jeweiligen künstlerischen Produktion, dem Grad der Partizipation sowie dem Verlauf des Interaktionsprozesses und umfassen folglich ein weitreichendes, oft auch unkonventionelles Repertoire an sprachlichen und nicht-sprachlichen Kommunikationswegen und -situationen. Modellierung des Produktionsprozesses Die folgende Modellierung97 intendiert den kommunikativen Handlungsprozess aus der Perspektive des Kulturmanagers abzubilden. Dabei sucht dieses Abbildung zwischen Ist- und Soll- Zustand zu vermitteln: Die aus der Praxis generierten Daten bilden das Fundament, um im Spiegel der wissenschaftlichen Erörterung einen praxisnahen und prototypischen Kommunikationsprozess abzubilden. Auf Basis der erfolgten Tabellierung können für die Darstellung des Prozessverlaufs folgenden Bausteine komprimiert werden: •
•
•
•
Die kulturelle Bedeutungssphäre, die ein spezifisches, vom Projekt aufgegriffenes Diskursfeld und auch die (individuellen) Lebenswelten von Beteiligten kontextualisiert, bildet kontinuierliches Bezugsfeld. Drei zentrale (kommunikative) Produktionsebenen, eine (primär) organisatorische, eine künstlerische und eine partizipatorische, können trotz ihrer temporären, je nach Projektstruktur und Integration in den künstlerischem Produktionsprozess auch nur phasenweisen Überlappung, als parallele und eng verwobene Produktionsprozesse abstrahiert und simplifiziert werden. Das Projektereignis stellt als verdichteter imaginativ-relationaler Mikrokosmos und ästhetischer Erfahrungsraum einen wesentlichen Baustein, auch kontinuierlichen Bezugspunkt im Projektverlauf dar. Das intentionale (Kommunikations-)Ziel, einen polyphonen Diskurs herzustellen, bildet die Basis, um (kommunikative) Zwischenziele der einzelnen Projektetappen zu spezifizieren.
97 Unter Modellierung wird (hier) jener Prozess verstanden, der hermeneutisch oder empirisch gewonnene und auch abgeleitete Erkenntnisse methodisch in Form einer modellhaften grafischen Darstellung aufbereitet.
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Erst durch diese Koppelung aller drei Produktionsebenen und unter Berücksichtigung der Verwobenheit und des Zusammenwirkens projektmanagerialer, künstlerischer und partizipatorischer Prozesse, kann kulturelle Bedeutungsproduktion als kollaborative Aufgabe wahrgenommen und moderiert werden. Das bedeutet, dass in ein bestehendes Diskursfeld interveniert wird und dieses zu transformieren intendiert wird: Modellbeschreibung Kreis- beziehungsweise kreislaufförmig wird der kommunikative Prozessverlauf von künstlerisch-kulturellen Projekten abgebildet: Ein spezifisches kulturelles Phänomen wird als Themenfeld aufgegriffen und kollaborativ verhandelt. Das Zentrum dieses Austauschprozesses – und Modells – bildet jener (temporärer) imaginativ-relationale Mikrokosmos, der als ästhetischer Erfahrungsraum einen Kommunikations- und Handlungsraum darstellt und vielfältige Assoziationen und Interpretationen evoziert und artikulieren lässt. Dieser Mikrokosmos wird speziell im und als Projektereignis (Phase 3) evident, bildet jedoch im gesamten Projektverlauf eine räumliche Bezugskonstante für den kollaborativen Produktionsprozess. Im Vorfeld des konkreten Projektereignisses (Phase 1 und 2) sind es vor allem kuratorische (in Form der Themenselektion und einer umfassenden Analyse und Recherche) und integrative (in der Einbindung von Kooperationspartner und Partizipanten) Aufgaben, die es parallel zu ökonomischen Aufgaben zu erfüllen gilt. Mit dieser Selektion eines Themenfeldes, die die (geplante) Inszenierung eines spezifischen (kulturellen) Phänomens impliziert und damit einen Aushandlungsprozess über eine (bestehende) kulturelle Bedeutungszuschreibung zu initiieren sucht, setzt die Intervention in einen aktuellen kulturellen Status quo ein. In Interaktion mit dem künstlerischen Produktionsprozess gilt es Bezüge zu Alltagserfahrungen und Lebensumwelten betroffener Personengruppen zu analysieren und sichtbar zu machen. In Hinblick auf zivilgesellschaftliche Produktionsprozesse ist es Aufgabe des Moderators Zugang für spezifische Teilöffentlichkeiten zu schaffen, sowohl zum Themenfeld als auch zum Projekt selbst. Mittels des Aufbaus eines Zusammengehörigkeitsgefühls wird eine (temporäre) partizipatorische Öffentlichkeit hergestellt.
Abbildung: Moderation partizipativer künstlerisch-kultureller Produktionsprozesse (eigene Darstellung)
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Im Anschluss an das Projektereignis (Phase 4) ist der Moderator gefordert, jenen im Mikrokosmos mittels alternativer und polysemer Bedeutungsinterpretationen initiierten Transformationsprozess für eine komplexe(re) Öffentlichkeitsebene zu bündeln, zu fokussieren und erneut sichtbar und erfahrbar zu machen. Dies umfasst Aufgaben der (medialen) Dokumentation ebenso wie kommunikative (PR-)Maßnahmen sowie kunst- und kulturvermittelnde Angebote der Reflexion und Artikulation. Im Idealfall mündet diese Phase in Rückkoppelungsprozesse (Phase 5) auf Alltagspraxen einfacher (und mittlerer) Öffentlichkeiten, wobei die Ebene komplexer Öffentlichkeiten in dieser Phase wiederum eine zentrale Rolle spielt: Denn diese entscheidet über die Integration divergierender Sichtweisen in ein kulturelles Bedeutungsfeld und schließlich über die Annahme von Verschiebungen innerhalb eines Diskursfeldes. (Kritische) Erläuterungen zum Modell Das Modell bildet – wie bereits erwähnt einen prototypischen und (teilweise) idealisierten Prozessverlauf von partizipativen kulturmanagerialen Projekten ab, in denen die künstlerische Produktion und zivilgesellschaftliche Mitbestimmung integrativer Bestandteil dieses Projektverlaufs sind. In Hinblick auf das (generelle) Verhältnis von künstlerischer Produktion zu kulturmanagerialer Koordination ist diese direkte Verwobenheit der Prozesse nicht per se gegeben. So kann eine unmittelbare Interaktion der künstlerischen und projektmanagerialen Ebene zum Beispiel erst in der Projektereignisphase erfolgen, wobei wiederum bereits vorab organisatorische und (zivilgesellschaftliche) partizipatorische Prozesse kollaborativ verbunden (gewesen) sein können. Für die Anwendbarkeit als Modell bedeuten diese Überlegungen und die stattgefundene Simplifizierung jedoch kaum Einschränkungen, da es aus Sicht des Kulturmanagers gilt, analoge Interaktionsprozesse mit dem künstlerischen Produktionsprozess – auch rückwirkend, wenn das Artefakt an sich bereits vorliegt – herzustellen. In der Projekt- und Kommunikationsendphase stellt das Modell einen idealisierten Prozessverlauf dar, da eine Transformation des Diskursfeldes kaum oder nur sehr begrenzt von einem und mittels eines singulären künstlerisch-kultureller Projektes evoziert werden kann. Vielmehr sind dieser Transformationsprozess beziehungsweise diese idealisierte Vorstellung als Projekt(end)phase und folglich der gesamte Produktionsprozss kaum von
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Kontextfaktoren kultureller Bedeutungsproduktion zu isolieren. Impulse polysemer, also (auch) konfligierender und divergierender Bedeutungsinterpretationen in einen (bestehenden) Diskurs einzubringen und einzelne Diskurselemente innerhalb eines bestehenden Diskursfeldes aufzubrechen oder zu verschieben und/oder einen (generell) marginalisierten Diskurs sichtbar(er) zu machen, kann jedoch sehr wohl als Wirkungsfeld künstlerisch-kultureller Projekte formuliert werden.
D ISKUSSION
UND
H ANDLUNGSBEDARF
Die Modellierung partizipativer kulturmanagerialer Prozesse hat die abstrahierte und komprimierte Darstellung der gewonnenen Erkenntnisse umfasst. Im folgenden letzten Abschnitt soll folglich ein knappes Resümee vor allem jene Diskussionspunkte aufwerfen, die im Kontext aktueller kulturmanagerialer Forschungsfragen relevant erscheinen. Ein stetes Thema in der Forschung bilden dabei auch Anforderungen an die Kulturmanagementausbildung, die ja wiederum eine Schnittstelle zum kulturellen Praxisfeld darstellt, sodass zusätzlich ein Ausblick auf die (Weiter-)Entwicklung von Kompetenzprofilen gesellschaftlich verantwortungsvoll agierender Kulturmanager gegeben wird – aber auch die konkrete Handlungsarbeit für aufbauende Forschungsarbeiten kurz skizziert werden soll. Zentrale Forschungsfrage war, inwiefern ‚Kultur managen‘ ein Handlungsfeld an den Schnittstellen zeitgenössischer Kunst und kultureller Bedeutungsproduktion bedeuten und als solches reüssieren kann. Als spezifischer Untersuchungsbereich wurden dafür partizipatorische Projekte analysiert, wodurch sich aus dieser Auswahl bereits ein wesentlicher Diskussionsaspekt erschließen lässt. Denn partizipatorische Kunst fußt (meistens) bereits auf einem Kunst- und Kulturverständnis, das den Konnex zu einer Alltagswirklichkeit impliziert und damit Kunst und Gesellschaft in einem Wechselverhältnis sieht. Parallel rückt die gesellschaftliche Verantwortung von Kulturmanagern und eine damit verbundene interdisziplinäre Theoriebildung verstärkt ins Blickfeld der Kulturmanagementforschung. Für diese aktuelle Auseinandersetzung bildet das Modell ‚Partizipatives Kulturmanagement‘ eine Basis, die auch mit Bezug auf das angesprochene eingegrenzte Forschungsfeld Anknüpfungspunkte für Folgeprojekte aufzeigt. Den Praxisbezug und die Anwendbarkeit auf ein erweitertes (zeitge-
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nössisches) Kunstfeld empirisch zu (über-)prüfen, würde die gewonnenen Erkenntnisse über allgemeine Interdependenzen von Kunst, Kultur, Management und Gesellschaft vertiefen bzw. spezifizieren und notwendige Adaptionen ersichtlich machen. Für ein spezifisches Feld, nämlich partizipatorische Strömungen in der zeitgenössischen Kunst wurden konkrete Erkenntnisse gewonnen. Für das generelle Verhältnis von Kunst, Kultur und Management kann diese Arbeit erste Ansätze liefern, da das spezifische Untersuchungsfeld über sich hinausweist und eine Basis für breiter aufgestellte Untersuchungen bietet. Rückschlüsse auf das Berufsfeld Kulturmanagement verweisen auf ein Kompetenzprofil für aktiv gestaltende Kulturmanager, das auf die Moderation von Interaktionsprozessen und polysemen Interpretationen ausgerichtet ist. Auch hier ergeben sich neue Anknüpfungspunkte für eine an didaktischen Fragestellungen interessierte Kulturmanagementforschung, die soziologische, kunstspezifische sowie kommunikationswissenschaftliche Kompetenzen in die Curricula zu integrieren sucht. Speziell aktuelle Theorien aus der Kommunikations- und Medienwissenschaft, die kollaborative (und mediale) Produktionsprozesse im Kontext technologischer und gesellschaftlicher Entwicklungen untersuchen, erweisen sich dabei als relevant für das Forschungsfeld Kulturmanagement und in Folge Handlungsbedarf besteht neben der erwähnten empirischen Überprüfung der Modellanwendbarkeit für ein Kunstfeld abseits eines partizipatorischen Selbstverständnisses in der Erstellung eines konkreten, umfassenderen Leitfadens für die Praxis. Verortung in der kulturmanagerialen Forschung Aktuelle Debatten in der Kulturmanagementforschung lassen drei zentrale Themenschwerpunkte erkennen, die sich (auch) aus den vorherrschenden kulturvermittelnden und bildungsorientierten Forschungsfeldern der letzten Jahre ergeben haben: Erstens rückt die kulturpolitische Dimension von Kulturmanagement verstärkt in das akademische Blickfeld, wobei zweitens sich (auch) inter- und transkulturelle Fragestellungen der Wirkung und dem Einfluss des Kulturmanagements auf gesellschaftlichen Wandel widmen98.
98 Die 9. Jahrestagung des Fachverbands Kulturmanagement 2014 hat sich unter anderem kulturpolitischen Fragestellungen gewidmet und die ‚8th International
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Drittens werden im Kontext (dieser) kulturpolitischen und transkulturellen Fragestellungen ökonomische Kompetenzen vermehrt am Profil eines sozial und/oder wirtschaftlich agierenden Cultural oder Arts Entrepeneurs99 diskutiert. Bei allen drei Themenstellungen spielt die gesellschaftliche Verantwortung und Dimension von Kulturmanagement eine wesentliche Rolle. ‚Partizipatives Kulturmanagement‘ sucht mit Blick auf alle drei Themenschwerpunkte einen Beitrag für die Kulturmanagementforschung und Praxis zu leisten, wobei sich dieser vor allem auf den deutschsprachigen Raum bezieht. In einem internationalen und transkulturellen Kontext lassen sich – nicht nur in Hinblick auf Förder- und Finanzstrukturen – voraussichtlich differenzierte Erkenntnisse über die Interdependenzen von künstlerischer, kultureller und unternehmerischer Produktionsebene erschließen. In Bezug auf kulturelle(n) Vielfalt und Austausch bietet das Modell mit seiner Zielsetzung eines polyphonen Diskurses Anknüpfungspunkte an die erwähnte Fragestellung nach kulturellem Wandel, aber auch die interkulturelle Forschungsarbeit. Da als ‚Arts Entrepreneurs‘ (auch) jene Kulturakteure bezeichnet werden, die mit künstlerischen Strategien, Methoden und Werkzeugen kulturelle Projekte und Unternehmungen initiieren, sich dabei auch eigene individuelle professionelle Erwerbsstrukturen schaffen (vgl. Lang 2015), kann die vorliegende Arbeit auch einen Beitrag zu Fragestellungen nach der Trialität von gesellschaftlicher, künstlerischer und wirtschaftlicher Verantwortung und Handlungsmaximen leisten. Handlungsbedarf: Leitfaden für die operative Praxis Die Tabellierung der Produktionsebenen bietet ein Fundament, um einen Leitfaden für die partizipative Kulturmanagementpraxis zu erstellen. Für die Kulturmanagementforschung wäre es empfehlenswert, verschiedene partizipatorische künstlerisch-kulturelle Unternehmungen während eines gesamten Projektverlaufs wissenschaftlich und methodisch zu begleiten,
Conference on Cultural Policy Research 2014‘ in Hildesheim kann als Beispiel für transkulturelle Thematiken angeführt werden. 99 Das 2014 eingeführte EU-Förderprogramm „Creative Europe“ verweist – auch aufgrund der ausgelösten durchaus kritischen Diskussionen – auf dieses Themenfeld.
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um aus dieser Analyse heraus die gewonnenen Erkenntnisse vertiefen und den Praxisaspekt (noch besser) erschließen zu können. Auf organisatorischer Ebene lassen sich für diesen Leitfaden sicherlich noch wesentliche Aufgabenfelder konkretisieren – wie etwa in finanzieller, technischer und ressourcenkoordinierender Hinsicht. Auch wäre es wünschenswert, kultur- und kunstvermittelnde Aktivitäten und Methoden noch expliziter auszuformulieren, um konkrete Handlungsoptionen pro Phase aufzeigen zu können. Das Modell ‚Partizipatives Kulturmanagement‘ bildet trotz eines eindeutigen Bezugs zu den Fallstudien den Moderationsprozess eher theoriegeleitet ab, da zahlreiche Erkenntnisse aus aktuellen wissenschaftlichen Debatten einfließen, die (primär) nicht empirisch gewonnen sind. Durch die Erstellung eines Leitfadens, der aus einer wissenschaftlichen, jedoch noch stärker praxisverbundenen Studie entwickelt werden würde, könnte eine pragmatische Sichtweise rückkoppelnd in das Modell einfließen und idealisierte Elemente anwendungsorientiert gegenprüfen. Dies würde nicht nur eine positive Auswirkung auf den unmittelbare Nutzen für die Kulturarbeit haben, sondern könnte jenes in dieser Arbeit verhandelte Tätigkeitsfeld innerhalb des Kulturmanagements in Theorie und Praxis konkretisieren – und ‚Partizipatives Kulturmanagement‘ analog zu anderen Subfeldern wie Festivalmanagement, Musikmanagement oder Interkulturelles Kulturmanagement als spezifischen Aufgabenbereich etablieren. Skizzierung eines Kompetenzprofils partizipativer Kulturmanager In der Fachliteratur korrelieren aktuelle Debatten um Kompetenzprofile von Kulturmanagern mit jener seitens der Kulturmanagementforschung formulierten Forderung nach gesellschaftlicher Verantwortung. Diese kulturpolitische Dimension rückt bei einer partizipationsorientierten Berufsdefinition verstärkt als Vermittlungsaufgabe in das kulturmanageriale Betätigungsfeld. Denn das Verständnis eines Moderationsfeldes, das Aushandlungsprozesse vielfältiger Interessenslagen, Haltungen und Anliegen initiiert und professionell begleitet, bedeutet den Mut, (auch) kritische Meinungen als idealerweise geschätzte Impulse für (kulturpolitische) Neuverhandlungen zu begreifen. Denn jene (auch) widerläufigen Interpretationen, die in partizipativen und kollaborativen Prozessen entstehen, bedeuten oft Handlungs-
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appelle an bestehende Rahmenbedingungen oder Produktionskontexte aufzugreifen. Der Kulturmanager agiert in diesem Vermittlungsprozess als Sprachrohr unterschiedlicher Interessenslagen. Dem Vorschlag des Kulturmanagers, Kulturjournalisten und Kulturwissenschaftlers Stefan Lüddemann, „Kopplung, Koordinierung und Kreation“ (2008: 65) als wesentliche Aufgaben von Kulturmanagern zu definieren, wobei „Partizipation, Prozesshaftigkeit und Vielstimmigkeit“ (ebd: 67) die Kriterien einer Arbeitsweise bilden, die sich als „kreative Gestaltung eines Feldes versteht“ (ebd.: 67), ist folglich zuzustimmen – sofern die damit verbundene kulturelle Bedeutungsproduktion in einem kollaborativ wahrgenommenen Prozess verankert ist. Werden die wesentlichen Steuerungselemente von aktiv gestaltenden bzw. „aktivierenden“ (Scheytt 2008) Kulturmanagern (hingegen) mit „Koordination, Kooperation, Kommunikation und Konsens (!)“ (Scheytt 2008: 133) definiert, muss sich „Kooperation“ konsequenterweise auf kollaborative Praxen beziehen, die einen „Konsens“ nicht als kulturelle Hegemonie, sondern im Herstellen einer gleichberechtigten Verhandlungsbasis durch den Austausch vielfältiger Interessensansprüche zu erzielen suchen. So grenzt sich Konsens als „strukturierte Uneinigkeit“ von Zustimmung ab: „Konsens definiert den gemeinsamen Hintergrund, vor dem Zustimmung oder Ablehnung, d.h. auch möglicherweise Konflikte entstehen können“. (Marchart 2008: 167). In diesem Sinne versteht sich Konsens als Übereinkunft und Bekenntnis für einen (auch) dissensorientierten Artikulationsraum. Neben der Kompetenz, Konflikte und Konfliktsituationen professionell handhaben und moderieren zu können, zeichnet sich mit Reflexionsvermögen eine weitere zentrale Fähigkeit für Kulturmanager, aber auch ein (ergänzendes) Rollenverständnis ab: Partizipation in kulturellen Managementprozessen verlangt von Kulturmanagern, sich (auch) mit eigenen Legitimitätsansprüche, nicht nur der zu vertretenden Organisation, des Betriebes oder des Projektes, sondern auch mit persönlichen Intentionen auseinanderzusetzen. Gefordert ist die Fähigkeit, Widersprüchlichkeiten und Konfliktpotentiale als positive und produktive Kräfte zu begreifen. „SelfReflection“ (DeVereaux 2003: 70), die Fähigkeit sich mit eigenen Handlungslogiken, Interessen und Machtansprüchen kritisch auseinanderzusetzen, und diese laufend in Bezug auf den jeweiligen Kontext zu prüfen, wird
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folglich zu einer der zentralen Soft Skills, über die Kulturmanager verfügen müssen. Da partizipative Kulturmanager unmittelbarer mit künstlerischen Produktionsprozessen interagieren, sind auch kunsttheoretische Kenntnisse und künstlerisch-gestaltende sowie kunstvermittelnde Kompetenzen in das Profil zu integrieren. Denn nur so werden sie den Spezifika des Kunst- und Kultursektors gerecht und können als moderierendes Verbindungselement von Kunst und Kultur agieren: Als kommunikative Vermittler künstlerischer Aktivitäten hin zu öffentlicher Teilhabe und Integration in den Alltag als gelebte kulturelle Praxis bilden partizipativ agierende Kulturmanager exakt jene gesellschaftliche Verantwortung ab, die aktuell diskutiert und gefordert wird. Auf der partizipatorischen Interaktionsebene ist vor allem seitens der Interviewpartner mehrfach soziologisches Wissen genannt worden, das die Moderation - und auch Steuerung - von gruppendynamischen Prozessen erleichtern und unterstützen würde. Von partizipativ agierenden Kulturmanagern ist nicht nur ein enormes Koordinationsvermögen, sondern auch ein neues Verständnis der strategischen Kommunikationsarbeit gefordert: Wird das Kommunikationsziel als Eröffnung eines Diskurses, als ein RaumSchaffen für vielfältige, auch widersprüchliche Kommunikationsprozesse aufgefasst, können kontroverse Perspektiven nicht als unerwünscht und institutionsgefährdend, sondern vielmehr als notwendig und zielfördernd erachtet werden. Für die anwendungsorientierte Kulturmanagementforschung besteht in der Entwicklung operativer Kommunikationsmanagementmodelle, die sowohl gruppendynamische Prozesse als auch vielfältige individuelle Intentionen im Kontext eines verbindlichen Kommunikationszieles berücksichtigen, ebenfalls Handlungsbedarf. Zwar verweist ein Kompetenzprofil, das zusätzlich zu den breit gefächerten Anforderungen an Kulturmanager (vgl. u.a. KM-Magazin 11/2012, Winter C./Buschow 2010 und 2011) die skizzierten kommunikationswissenschaftlichen, kunstspezifischen und soziologischen Kompetenzen umfassen sollte, auf jenes von Carsten Winter und Christopher Buschow aus aktuellen Arbeitsmarktstudien gewonnene Berufsbild einer „eierlegende Wollmilchsau“ (2012), zeigt in seiner Idealisierung jedoch notwendige und sich bereits abzeichnende Veränderungen in der Kulturmanagementausbildung auf: Ein homogenes Berufsbild des Kulturmanagers ist real kaum existent. In der Praxis und der damit verbundenen ‚Berufsbezeichnungen‘
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lässt sich bereits eine erste Spezifizierung unterschiedlicher Tätigkeitsfelder wie etwa Kulturbetriebsleiter, Festivalmanager, kommunaler Kulturarbeiter, Kulturunternehmer oder Arts Entrepreneur erkennen – die Curricula im deutschsprachigen Raum lassen diese Segmentierung jedoch maximal erahnen. In einer abschließenden Perspektive kann ‚Partizipatives Kulturmanagement‘ als Beitrag verstanden werden, der nicht nur die Bedeutung von Kulturmanagement für die ‚Kunst‘ sowie auch die ‚Kultur‘ zu stärken, sondern vice versa auch die Bedeutung der zeitgenössischen, und auch frei agierenden Kunstszene in ein sowohl alltags- als auch forschungsrelevantes Blickfeld zu rücken sucht.
Danksagung
Die Arbeit an dieser Studie, deren Basis meine Dissertation dargestellt hat, war eingebettet in ein ausgesprochen motivierendes und sympathisches Betreuungsumfeld: So möchte ich mich an erster Stelle bei meiner Hauptbetreuerin Prof. Dr. Elisabeth Klaus bedanken. Als Kommunikationswissenschaftlerin mit Schwerpunkt auf Cultural Studies sowie Öffentlichkeitstheorien hat ihre Fachexpertise sehr zum Erstellen und der Qualität dieser Arbeit beigetragen. Ihr Rat und ihre zahlreichen Literaturempfehlungen haben mir stets geholfen, (neue) Bezugspunkte zu erschließen und Gedankengänge zu präzisieren. Meiner Nebenbetreuerin Ass.-Prof. Dr. Elke Zobl sei an dieser Stelle besonders herzlich gedankt, da sie in vielerlei Hinsicht zum Gelingen dieser Publikation beigetragen hat: Fachlich hat sie mit ihren sehr umfangreichen kritischen Anmerkungen die Fokussierung auf die Cultural Studies geprägt. Durch ihr weit reichendes internationales Fachwissen in Form von Literaturhinweisen sowie konstruktiven Diskussionen hat sie die Blickwinkel meiner Arbeit stets erweitert und intensiviert. Im wissenschaftlichen Arbeiten hat sich mich exzellent geschult. Vor allem aber hat sie mich durch ihre persönliche, wertschätzende, geduldige und kooperative Art stets in der Umsetzung meines Vorhabens gefördert und begleitet. Auch ohne die Mitarbeit von Julia Jung und Roswitha Gabriel wäre die Arbeit in dem gesetzten Zeitrahmen nicht möglich gewesen. Allen beiden gilt mein Dank für ihr unermüdliches, stets freundliches und hilfsbereites Engagement. Dorit Ehlers, Chris Müller, Steven Walter, Nadja Klement, Nora Landkammer und John Mwangi Njuguna danke ich besonders. Nicht nur haben sie durch ihre Arbeit und Initiativen mein wissenschaftliches Interesse an ,Partizipativem Kulturmanagement‘ ausgelöst, sondern durch ihre Inter-
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viewbereitschaft sowie darüber hinausgehende Gespräche einen zentralen Beitrag für diese Studie und Publikation geleistet. An dieser Stelle möchte ich allen meinen Gesprächspartnern auch meine persönliche Wertschätzung für ihr hohes Engagement, ihr stetes Durchhaltevermögen und ihre Passion für Kunst verbunden mit einem hohen Qualitätsanspruch ausdrücken! Ihr macht das großartig! Die Fördergesellschaft der Universität Salzburg, der Programmbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion sowie der Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst haben durch ihre finanzielle Unterstützung diese Publikation ermöglicht. Dafür möchte ich mich ebenfalls bedanken. Ich hätte diese Studie jedoch nicht durchführen und verfassen können, wenn meine Familie mich nicht kontinuierlich unterstützt und meine Defizite mütterlicher und partnerschaftlicher Präsenz damit ausgeglichen hätte, mich stets liebevoll zu umsorgen, aufzumuntern und alltagsorganisatorisch zu entlasten. Danke!
Anhang: Interviewleitfaden
A. Projektverlauf– und Projektstruktur A.0. Wie wurde dieses Projekt finanziert? (Wie sah/sieht die Finanzstruktur des Projektes aus?) A.1. Welche Phasen des Projektverlaufs (von der Konzeption bis hin zur Dokumentation) gab es? (Kannst du das im Detail beschreiben) A.2. Wie würdest du deine Rolle in diesem Projekt beschreiben? (Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortungsbereiche) A.3. Wer war bei dem Projekt maßgeblich an der Projektinitiative, Konzeption und Organisation beteiligt? A.4. Wer war für die künstlerische Produktion verantwortlich? (Wer hat diese (mit)gestaltet?) A.5. Welche Kooperationen gab es in diesem Projekt? (auch Sponsoring, Medienkooperationen, Ressourcensharing, usw. kann angesprochen werden) A.6. Welche Gruppierungen (Teilöffentlichkeiten) waren in diesem Projekt involviert? (eventuell eine Begriffserklärung geben) A.7. Wie würdest du das zentrale Ziel des Projektes beschreiben? (Welche Ziele wurden verfolgt?) B. Kommunikationsstruktur B.1. Welche Botschaft bzw. gesellschaftliche Aussage wurde mit dem Projekt verfolgt? B.2. Wir würdest du den Kommunikationsaustausch und Informationsfluss des Projektes beschreiben? (Wie – und wie oft, mit welchen Medien bzw. Kanälen habt ihr intern aber auch mit unterschiedlichen Teilöffentlichkeiten kommuniziert?)
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B.3. Wer hat Kooperationen und kommunikative Netzwerke verantwortet und/oder diese maßgeblich initiiert und betreut? (auch Social Media, aber auch Sponsoring, Wettbewerbe oder ähnliches) B.4. Welche Formen der Beteiligung (für verschiedene Teilöffentlichkeiten) gab es in diesem Projekt? (als Publikum, als Akteur, als Kooperationspartner, im Rahmen eines Wettbewerbs, usw.) B.5. Wie wurde generell das Projekt in der Öffentlichkeit bekannt gemacht? (PR-Arbeit, informelle Weitergabe, Kanäle) B.6. Wie wurde ein öffentlicher Diskurs zu dem Projekt initiiert bzw. aufgebaut? (nachfragen: Medien, Kanäle, Dialog, Veranstaltungen,...) C. Kulturelle Teilhabe und Zugehörigkeitsgefühl C.1. Inwiefern bist du der Meinung, dass durch das Projekt – temporär – eine Community gebildet wurde? C.2. Wurde versucht im Rahmen des Projektes eine Verbundenheit zu dem Projekt durch verschiedene Gruppierungen/Teilöffentlichkeiten herzustellen? (Wenn ja, wie?) C.3. Hat sich bei den involvierten Teilöffentlichkeiten im Rahmen der Projektbeteiligung ein Zugehörigkeitsgefühl zu dem Projekt entwickelt? (Wenn ja, bitte beschreiben?) C.4. Welche Gruppierungen/Teilöffentlichkeiten haben deiner Meinung nach das Projekt aktiv mitgestaltet? C.5. Wie haben diese Teilöffentlichkeiten das Projekt mitgestaltet? (falls nicht bereits in B.4. enthalten) C.6. Wie würdest du die Prozesse/Vorgänge beschreiben, die sich in und durch die Mitgestaltung ergeben haben? (detaillierte Beschreibung der Beteiligung zulassen) C.7. Würdest du diese Form(en) der Mitgestaltung als „Zusammenarbeit“ im Rahmen des Projektes ansehen? (Wenn ja, warum) C.8. Welche Ziele wurden – speziell durch die gewünschte – Beteiligung von Teilöffentlichkeiten verfolgt? (Was habt ihr erwartet, dass durch die Beteiligung „passiert“?) C.9. Haben sich durch die Beteiligung neue Sichtweisen für die involvierten Teilöffentlichkeiten ergeben? (Hat sich für diese etwas „verändert“?)
A NHANG : I NTERVIEWLEITFADEN
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D. Das Individuum & sein/ihr Handlungsraum D.1. Wie wurden betroffene/anzusprechende Teilöffentlichkeiten über das Projekt und eine mögliche Beteiligung informiert? (Wann und mit welchen Materialien?) D.2. Wie wurde mit unterschiedlichen Einstellungen von Individuen (jener der involvierten Teilöffentlichkeit) im Rahmen des Projektes umgegangen? (Wie gingen die beteiligten Individuen an das Projekt heran?) D.3. Wie konnte Vorwissen von Individuen (der involvierten Teilöffentlichkeit) in das Projekt eingebracht werden? D.4. Welche Erfahrungen konnten im Rahmen der Projektbeteiligung gemacht werden? (Kannst du Beispiele nennen?) D.5. Gab es auch Meinungsäußerungen oder Handlungen, die wider den Vorstellungen/Erwartungen der Projektorganisatoren geäußert wurden? (Wenn ja, wie wurde damit umgegangen?) E. Reflexion und Optimierungspotential E.1. Was ist deine persönliche Erkenntnis bzw. Erfahrung aus diesem Projekt? (Was nimmst du für dich aus dem Projekt mit?) E.2. Was würdest du generell im Nachhinein bei diesem Projekt gerne anders machen? (Was hätte deiner Meinung nach optimiert werden können?) E.3. Was würdest du speziell in Hinblick auf die Involvierung von Teilöffentlichkeiten anders bzw. „besser“ machen? E.4. Was würdest du speziell in Hinblick auf den Projektablauf verbessern? E.5. Was zeichnet deiner Meinung nach generell Kulturprojekte aus, die eine (aktive) Beteiligung von Teilöffentlichkeiten anstreben? E.6. Gibt es weitere Optimierungsvorschläge, die du Projekten mit öffentlicher Beteiligung geben könntest? E.7. Sonstige Anmerkungen
Literatur
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Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement Patrick S. Föhl, Patrick Glogner Kulturmanagement als Wissenschaft Überblick – Methoden – Arbeitsweisen. Einführung für Studium und Praxis Oktober 2015, ca. 150 Seiten, kart., ca. 13,80 €, ISBN 978-3-8376-1164-9
Andrea Hausmann (Hg.) Handbuch Kunstmarkt Akteure, Management und Vermittlung 2014, 480 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2297-3
Carl Christian Müller, Michael Truckenbrodt Handbuch Urheberrecht im Museum Praxiswissen für Museen, Ausstellungen, Sammlungen und Archive Januar 2016, ca. 200 Seiten, kart., ca. 25,99 €, ISBN 978-3-8376-1291-2
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Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement Ina Roß Wie überlebe ich als Künstler? Eine Werkzeugkiste für alle, die sich selbst vermarkten wollen (2., unveränderte Auflage 2014) 2013, 192 Seiten, kart., zahlr. Abb., 19,80 €, ISBN 978-3-8376-2304-8
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Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement Carsten Baumgarth, Berit Sandberg (Hg.) Handbuch KunstUnternehmens-Kooperationen
Susan Kamel, Christine Gerbich (Hg.) Experimentierfeld Museum Internationale Perspektiven auf Museum, Islam und Inklusion
Oktober 2015, ca. 300 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3026-8
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Lorraine Bluche, Christine Gerbich, Susan Kamel, Susanne Lanwerd, Frauke Miera (Hg.) NeuZugänge Museen, Sammlungen und Migration. Eine Laborausstellung
Reinhold Knopp, Karin Nell (Hg.) Keywork4 Ein Konzept zur Förderung von Partizipation und Selbstorganisation in der Kultur-, Sozialund Bildungsarbeit
2013, 200 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-2381-9
Michaela Conen Strategisches Management in Museen Mit Change Management und Balanced Scorecard aktiv gestalten März 2015, 232 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2843-2
Nina Johanna Haltern Jenseits des konventionellen Kultursponsorings Chancen alternativer Kooperationen zwischen Unternehmen und Kulturorganisationen 2014, 376 Seiten, kart., 36,99 €, ISBN 978-3-8376-2641-4
Julia Hilgers-Sekowsky Kooperationen zwischen Museen Hemmnisse in der Zusammenarbeit und ihre Überwindung August 2015, ca. 320 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3073-2
2014, 350 Seiten, , 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2679-7
Klaus Georg Koch Innovation in Kulturorganisationen Die Entfaltung unternehmerischen Handelns und die Kunst des Überlebens 2014, 398 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2621-6
Birgit Mandel Interkulturelles Audience Development Zukunftsstrategien für öffentlich geförderte Kultureinrichtungen 2013, 254 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN 978-3-8376-2421-2
Wolfgang Schneider (Hg.) Künstler. Ein Report Porträts und Gespräche zur Kulturpolitik 2013, 302 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN 978-3-8376-2287-4
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