Die Kunst des Möglichen - Management mit Kunst: Jahrbuch für Kulturmanagement 2013 [1. Aufl.] 9783839426883

The relationship between culture management and art has changed fundamentally since its beginnings in the 1990s. From an

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German Pages 428 Year 2014

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Sigrid Bekmeier-Feuerhahn, Karen van den Berg, Steffen Höhne (geschäftsführend), Rolf Keller, Birgit Mandel, Martin Tröndle, Tasos Zembylas (Hg.) Die Kunst des Möglichen – Management mit Kunst

Jahrbuch für Kulturmanagement | Band 5

Das Jahrbuch für Kulturmanagement initiiert und fördert einen übergreifenden Diskurs im Kulturmanagement im Hinblick auf eine methodologische und theoretische Fundierung des Faches. Als referiertes Journal positioniert es das Fach »Kulturmanagement« innerhalb übergreifender akademischer Debatten. Dabei werden insbesondere Problemstellungen im deutschsprachigen Raum fokussiert und mit internationalen Beiträgen und Fragestellungen verknüpft. Darüber hinaus fördert das Jahrbuch den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis. Die Reihe wird herausgegeben vom Fachverband für Kulturmanagement.

Sigrid Bekmeier-Feuerhahn, Karen van den Berg, Steffen Höhne (geschäftsführend), Rolf Keller, Birgit Mandel, Martin Tröndle, Tasos Zembylas (Hg.)

Die Kunst des Möglichen – Management mit Kunst Jahrbuch für Kulturmanagement 2013 (herausgegeben im Auftrag des FACHVERBANDES FÜR KULTURMANAGEMENT)

%LEOLRJUD¿VFKH,QIRUPDWLRQGHU'HXWVFKHQ1DWLRQDOELEOLRWKHN Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der 'HXWVFKHQ 1DWLRQDOELEOLRJUD¿H GHWDLOOLHUWH ELEOLRJUD¿VFKH 'DWHQ VLQG im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ‹WUDQVFULSW9HUODJ%LHOHIHOG Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, hEHUVHW]XQJHQ0LNURYHU¿OPXQJHQXQGIUGLH9HUDUEHLWXQJPLWHOHNtronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Hans-Dirk Hotzel Innenlayout: Hans-Dirk Hotzel Lektorat: Carsten Wernicke Satz: Stepan Boldt, Carsten Wernicke Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-2688-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Zur Einführung in das Jahrbuch für Kulturmanagement 2013 STEFFEN HÖHNE, BIRGIT MANDEL

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SCHWERPUNKT: DIE KUNST DES MÖGLICHEN – MANAGEMENT MIT KUNST VIRTUOSE, INTERPRET, KOMPONIST, IMPRESARIO Frei-gebunden – unter Erfolgszwang und vom Hunger bedroht. Beobachtungen aus dem Blick zurück … HELEN GEYER

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Learning from Bayreuth Richard Wagner als Kulturmanager JOACHIM LANDKAMMER

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Kunst und Kapital Was Künstler von der Zusammenarbeit mit Unternehmen haben – oder nicht haben RAPHAELA HENZE

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Art goes culture! Zum Handlungsfeld von Kulturmangern und Kulturmangerinnen im Kontext zeitgenössischer Kunst und kultureller Produktion SIGLINDE LANG

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Scheinbare Nebenschauplätze Neue Allianzen zwischen Kunst, Kulturtheorie und Kulturmanagement GERNOT WOLFRAM

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Der kreative Produzent Überlegungen zu einer Schnittstellenfunktion zwischen Kunst und Management in Kulturunternehmen am Beispiel des deutschen Theaters THOMAS SCHMIDT

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Arts Push Business Welchen Nutzen haben Kunst-Unternehmens-Kooperationen (KUKs) für Unternehmen tatsächlich? CARSTEN BAUMGARTH, MARINA KALUZA, NICOLE LOHRISCH

143

Manager oder Künstler Untersuchung der Vermittlung von kulturwirtschaftlichen Kompetenzen in künstlerischen Instrumentalstudiengängen an deutschen Musikhochschulen MARTIN LÜCKE

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WEITERE BEITRÄGE Die Bewertung eines Theaterbesuchs aus Zuschauerperspektive (LQHHPSLULVFKH$QDO\VH]XP(LQ¾XVV persönlicher Merkmale JOHANNA JOBST, SABINE BOERNER

191

Opern ‚live‘ im Kino Wird durch Opernübertragungen ins Kino ein neues und sozial ausgewogeneres Publikum erschlossen als durch Aufführungen im Opernhaus? KARL-HEINZ REUBAND

223

Analysis of the Market Environment in the Field of Music Agencies LUCIE ŠILEROVÁ, TEREZA SVOBODOVÁ, SIMONA ŠKARABELOVÁ

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Kulturstaat und Kulturpolitik Rechtliche Grundlagen MICHAEL KILIAN

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Auswahlverfahren in der Kunstförderung in Deutschland Ein Beitrag zur prinzipiengeleiteten Gestaltung und zur Verfahrensgerechtigkeit ECKHARD BRAUN

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BERICHTE/DOKUMENTATIONEN Academic Collaborations with Community Museums A Method for Incorporating Contemporary Visual Art and Art Education in Arts Administration MELISSA RACHLEFF

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Bericht zur 7th Conference of the European Research Network Sociology of Arts 5. bis 8. September 2012, Wien TASOS ZEMBYLAS

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Neue Studien zum Theater Ein Forschungsbericht zu aktuellen theaterhistorischen und -politischen Arbeiten STEFFEN HÖHNE

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REZENSIONEN Michael W. DRIESCH: Kunst und ökonomische Theorie FLORIAN GROTE

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Cecilia WIDENHEIM, Lisa ROSENDAHL, Michele MASUCCI, Annika ENQVIST, Jonatan Habib ENGQVIST (Hgg.): Work, Work, Work. A Reader on Art and Labour CHRISTINA BUCK

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Saskia REITHER: Kultur als Unternehmen. Selbstmanagement und unternehmerischer Geist im Kulturbetrieb WOLF-GEORG ZADDACH

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Michael PARZER: Der gute Musikgeschmack. Zur sozialen Praxis ästhetischer Bewertung in der Popularkultur CARSTEN WERNICKE

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Anita MOSER: Die Kunst der Grenzüberschreitung. Postkoloniale Kritik im Spannungsfeld von Ästhetik und Politik VERENA TEISSL

387

Heike MUNDER, Ulf WUGGENIG (Hgg.): Das Kunstfeld. Eine Studie über Akteure und Institutionen der zeitgenössischen Kunst am Beispiel von Zürich ROSA REITSAMER

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Patrick GLOGNER-PILZ: Publikumsforschung THOMAS RENZ

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Doug BORWICK (ed.): Building Communities, not Audiences. The Future of the Arts in the United States CLAUDIA STEIGERWALD

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Rene WETZEL, Julie CAURET: Online Marketing für die Musikbranche. Toolbox für die Online-Künstlervermarktung MARTIN LÜCKE

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H. Cecilia SUHR: Social Media and Music. The Digital Field of Cultural Production WOLF-GEORG ZADDACH

402

Olga KOLOKYTHA: Artistic Development of Young Professional Singers TOBIAS WALL

405

Mathis FISTER: Das Recht der Musik MARTIN LÜCKE

409

Verzeichnis der Adressen

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CfP: Beiträge für das Jahrbuch 2014

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Peer-Review-Verfahren

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Technisches

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Zur Einführung in das Jahrbuch für Kulturmanagement 2013 STEFFEN HÖHNE, BIRGIT MANDEL

Zweifellos spielen die Künste innerhalb jeglicher Art von Kulturmanagement eine zentrale Rolle, da sich Kulturmanagement primär auf die Entfaltung künstlerischer und kultureller Angebote bezieht und weil darüber hinaus die Eigenlogiken von Kunst und Kultur auch das Management für Kunst und Kultur bestimmen. Kulturmanagement kann daher nur bedingt mit kommerziellen betriebswirtschaftlichen Techniken und Strategien arbeiten, sondern muss vielmehr seinem spezifischen Gegenstandsbereich folgen, der sich in besonderer Weise durch Autonomie, Emotionalität, Komplexität, Mehrdeutigkeit und Zweckfreiheit auszeichnet. Das Verhältnis zwischen Kulturmanagement und Kunst hat sich seit seinen Anfängen in den 1990er-Jahren fundamental verändert: Vom Verständnis eines Kulturmanagements als bloße ‚Ermöglichung‘ der Kunst, darum bemüht, nicht die Autonomie von Kunst und Kunstschaffenden1 zu tangieren, erfolgte ein Rollenwandel hin zur aktiven Mitgestaltung in Prozessen künstlerischer Kreativität. Im Anschluss an die These einer Verflüssigung (Zygmunt Bauman) der Grenzen zwischen den Rollen und Funktionen von Kulturmanager und Künstler erfolgte zwangsläufig eine Neubestimmung im Verhältnis von Künstler und Kulturmanager. Hiervon ausgehend möchte das aktuelle Jahrbuch für Kulturmanagement „die Kunst des Möglichen – Management mit Kunst“ ausloten: Was bedeutet die Transzendierung der Grenzen zwischen Kunstwerk, Künstler und Kulturmanager oder – mit Beuys – zwischen Kunst und Lebenswelt für Akteure wie System? Welcher Stellenwert darf dem – so wichtigen – Optimierungs- und Aufmerksamkeitsmanagement im Verhältnis zu den künstlerischen Inhalten eingeräumt werden? Wo müssen – selbst- oder fremdbestimmte – Grenzen in strategischen Prozessen und Handlungsformen gesetzt werden, um nicht in komplexitätsreduzierender Weise auf die Kunstwelt einzuwirken? Dabei sind die in diesen Leitfragen angedeuteten Verschiebungen im Feld auch von der 1

Die im Jahrbuch verwendeten Genusmarkierungen erstrecken sich ausdrücklich auf EHLGH *HVFKOHFKWHU $XI HLQH VSH]L¿VFKH 0DUNLHUXQJ ZLUG L G 5 DXV VSUDFK|NRQRmischen Gründen verzichtet.

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STEFFEN HÖHNE, BIRGIT MANDEL

‚anderen‘ Seite zu beleuchten. Welche Konsequenzen hat eine gesamtgesellschaftliche Ökonomisierung in Zeiten von ‚Kreativitätsimperativen‘ (Andreas Reckwitz) für Kultur und Kunst? Und welche Konsequenzen hat eine wachsende Inanspruchnahme von Kultur und Kunst durch Unternehmen, die vermehrt künstlerischen Input für Techniken wie Guerillamarketing, Imagekreation, Storytelling etc. benötigen? Obwohl künstlerisches Denken und Handeln im Gegensatz zu einem strategischen, zielgerichteten und geplanten Managementhandeln auf Intuition und Ergebnisoffenheit basiert, erweist sich die Verbindung von beiden offenbar nicht länger als unvereinbar, sondern im Gegenteil als eine notwendige und höchst spannende interdependente Ergänzung. Die Beiträge des aktuellen Jahrbuches befassen sich aus historischer (Beiträge von Geyer und Landkammer), aus systematischer (Beiträge von Voesgen, Lang, Wolfram und Schmidt) und empirischer (Beiträge von Henze, Baumgarth/Kaluza/Lohrisch und Lücke) Perspektive mit dem Verhältnis Kunst und Management und entwickeln Konzepte für eine Neubestimmung im Verhältnis von Kulturproduktion und Management. Untersucht werden dabei die Paradigmen bzw. Leitideen, die das jeweilige Rollenverständnis der involvierten Akteure definieren und diese im Kontext aktueller gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen verorten. Hieran schließen sich Leitfragen an, die unmittelbar auf das Praxisfeld zielen: Wie nehmen Kulturschaffende diese Prozesse wahr und wie reagieren sie darauf? Welche neuen Akteure und Arbeitsformen entwickeln sich auf dem Kulturmarkt mit welchen Angeboten? Und schließlich: Was können Künstler vom Kulturmanagement lernen bzw. was können Kulturmanager von Künstlern und den Künsten lernen? Das Jahrbuch für Kulturmanagement möchte damit eine Diskussion eröffnen, in der nicht nur das Kulturmanagement explizit von den Künsten her ‚gedacht‘ wird, sondern in der Perspektiven für neue – kulturelle und ökonomische – Formate, Positionen, Strukturen und auch Utopien entwickelt werden sollen.

Virtuose, Interpret, Komponist, Impresario Frei-gebunden – unter Erfolgszwang und vom Hunger bedroht. Beobachtungen aus dem Blick zurück … HELEN GEYER

Erst mit dem 19. Jahrhundert, populärer Weise mit der Persönlichkeit eines Ludwig van Beethoven, zeige sich die Problematik der Unabhängigkeit des Künstlers von allen staatlichen Auftragsengagements – so die weit verbreitete Meinung: Beethoven galt und gilt vielen als Symbol für schwierige Fragen der künstlerischen Selbstfindung, heute und einst – für Fragen nach Kompromisszugeständnissen und eigenwilligem Verwirklichen eines inhärent wirkenden, möglicherweise wenig populistischen Kunstwillens, für Fragen nach jenem Selbstverständnis, dessen Problematik im Grunde stets in der Diskussion stand. Heute sind solche Fragen mit jenen des Eigenmanagements verknüpft – doch dies ist keineswegs ein modernes Phänomen, war doch derartiges stets in hohem Maße gefordert von einem Kunstschaffenden, der sein Selbstverständnis in der Vergangenheit weniger aus der Überzeugung des Genies, als vor allem aus dem Vermögen in seiner Kunst bezog, wobei jedoch stets die Inventio, also jenes kreative Moment, welches das Geniehafte bzw. den Genius umschreibt, zu einer alleinstellenden und unabdingbaren Größe erwuchs – so in Ansätzen thematisiert in Schriften Gioseffo Zarlinos (1517-1590) bis in das späte 18. und 19. Jahrhundert hinein, bis sich daraus vor allem ab der Mitte des 18. Jahrhunderts eine allgemeine Theorie entwickeln sollte, die zu einem anderen Selbstverständnis des Kunstschaffenden führen sollte.1 Um die hohen Anforderungen und damit verbundenen Möglichkeiten aufzuzeigen, denen sich ein Musiker, meist Komponist und Virtuose/ Interpret zu stellen hatte, sei ein Blick in die Vergangenheit gewagt, der collagenhaft und als Skizze zu sehen ist, wobei ich die Beispiele als partes pro toto ausgewählt habe, sie somit in der Auswahl zwar willkürlich

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S. hierzu ZARLINO  XQGGLHIROJHQGHQ1HXDXÀDJHQXQG%HDUEHLWXQJHQ*UpWU\V bX‰HUXQJHQLQVHLQHQ0pPRLUHVN|QQHQDOVSDUVSURWRWRJHOWHQLP-DKUKXQGHUW erfolgte die Auseinandersetzung nicht zuletzt über die Diskussion des Dilettanten bspw. in Ferdinand Hands Schriften (TISCHER JUXQGVlW]OLFK]XP*HQLHEHJULIIVGLH einschlägige Diskussion.

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HELEN GEYER

anmuten, ein jedes Beispiel jedoch durch viele vergleichbare Exempla und Schicksale ergänzt werden könnte. Beethoven wird meist jene Figur gegenübergestellt, die für viele Generationen mit einer gewissen ‚Verzopftheit‘ verbunden wurde, womit dem Schaffen und der beobachtbaren Kühnheit in der Bewältigung der kompositorischen Aufgaben in verachtend und kenntnisarmer WahrQHKPXQJHUKHEOLFKH*HZDOWDQJHWDQZXUGHíJHPHLQWLVWGDVÃ9lWHUFKHQµ Joseph Haydn. So geschah es auch aus anderem Grunde, nämlich vornehmlich wegen seiner kirchendienstlichen Verpflichtungen, einem anderen Großen: Johann Sebastian Bach, dessen brisante kompositorischen Experimente und neuen Wege sowohl auf dem Gebiet der Instrumental- wie der großformatigen Vokalmusik in der weitgehend populären und frömmelnden Interpretation, Bach als ‚Evangelisten‘ sehen zu wollen, wenig Wahrnehmung bzw. Anerkennung findet. Beide Persönlichkeiten eint, was Beethoven zeitlebens, oder bspw. Mozart für viele Jahre entbehren mussten: Sie befanden sich in festen Diensten, abhängig angestellt an Hof bzw. der Kirche. Beide fest bestallten Meister waren keine Einzelfälle und verkörperten zweifelsohne das, was als erstrebenswerte Position zumindest bis in das 19. Jahrhundert hinein erachtet wurde, verband sich mit einer festen Anstellung doch die Hoffnung auf ein Lebensauskommen, für sich selbst, für die Familie, verbunden mit einer weniger ausgeprägten Aussicht auf eine etwaige Alterspension, wenn man die beruflichen Verpflichtungen aus gesundheitlichen Gründen (im hohen Alter) nicht mehr erfüllen konnte. Daraus lässt sich jedoch ablesen, dass es einen weit verzweigten und vielfältigen Markt für Musiker, Komponisten und Interpreten gab, mit befristeten und teils auch unbefristeten bzw. verlängerbaren Stellen, dessen Spektrum vom Interpret bzw. Sänger in der Regel auf Zeitvertrag (Ausnahme waren die Sänger an den Capellae der großen Kirchen, wie bspw. Notre Dame, Sixtinische Kapelle, Capella Giulia oder San Marco), Hof-Kapellmeister auf Zeitvertrag, mit oder ohne Verlängerungsmöglichkeit und selten als wahrhaft feste Stelle (wie bspw. auch Heinrich Schütz in Dresden), als Kantor und Kirchenmusiker an den großen und kleineren Kirchenkapellen oder Kantoreien reichte. Dirigentenstellen entsprechend unserer traditionellen Vorstellung gab es erst im 19. Jahrhundert (GÜLKE 1995: 1263ff.), wie auch feste Lehrstellen an musikbildenden Institutionen eine Ausnahme waren, denn die relative Breitenausbildung an einer Hochschule oder an einem Konservatorium ist ebenfalls ein Phänomen seit dem 19. Jahrhundert, obgleich es einige wenige und vereinzelte entsprechende Erscheinungen

DER VIRTUOSE, INTERPRET, KOMPONIST UND IMPRESARIO

zuvor gab. Dies waren in erster Linie die Konservatorien in Venedig und Neapel, wobei die Lehrstellen gerade in Venedig befristet waren und sich zudem durch sehr kurze Zeitverträge auszeichneten, denn der Erfolgszwang war enorm.2 Der Wechsel zwischen den Sparten Hof bzw. Kirche war üblich, aber ansonsten gab es einen freien und sehr bewegten Markt. Interessanterweise einte alle Musiker, dass sie einerseits Virtuosen waren, andererseits viele Schüler an sich zogen bzw. darum bemüht waren, sehr viel Unterricht zu geben – solches gehörte zu den Säulen der Absicherung eines Lebens, und man sollte nur an die Widmungsträger bspw. vieler kammermusikalischer oder solistischer Kompositionen eines Mozart oder Beethoven denken, die zugleich den sog. Schülerkreis in der Widmung benennen, der sehr illuster sein konnte, und womit man sich zugleich eine gewisse werbewirksame Reputation erwarb. Es gab herausragende Lehrer, wie den großartigen Gesangslehrer Nicola Porpora (1686-1768), der eine große Zahl an Schülern um sich scharen konnte und damit im gewissen Sinne eine europäische Gesangsschule pflanzte. Die Regel waren sicher der herumreisende Musiker, Interpret, Sänger, Komponist und Impresario einer Operntruppe, einer Schauspieltruppe, oder auch diejenigen, die wie Schikaneder, mit seiner Truppe übrigens, Hoftheater und freie Theater für gewisse Zeiten übernahmen. Frauen gehörten auch zu den Reisenden und partiell verpflichteten Impresarii, wobei ihre gesellschaftliche Position oft sehr schwierig war. Häufig gehörten sie Operntruppen an und waren mit Musikern verheiratet, wobei man hier in erster Linie nur die sog. Spitze des Eisberges in den Blick nehmen kann, denn viele, gerade weibliche Schicksale bleiben im Unbekannten einer wenig studierten und vielleicht auch nur wenig belegten Existenz.3 Die Berechnung meiner Kasse war nur zu richtig gewesen, denn mit der Ankunft in Genf fand ich sie völlig geleert. Da nun mein Konzert dort auch nicht viel eintrug und ich im voraus wußte, daß bei der damals (im Frühjahr 1817) in der Schweiz herrschenden Hungersnot auch in den übrigen Schweizerstädten nicht 2

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S. zu Venedigs Frauenkonservatorien ff. Standardwerke (in Auszügen) ELLERO/ SCARPA/PAOLUCCI  ARNOLD  CONSTABLE  GEYER  ARNOLD/ARNOLD  AIKEMA/MEIJERS  BALDAUF-BERDES  GEYER/OSTHOFF  GEYER  GILLIO (2006), diese Studie EDVLHUWDXI$UFKLYPDWHULDOKLHUHLQHJXWH%LEOLRJUD¿H²=X1HDSHOV.RQVHUYDWRULHQV CAFIERO  XQGGLHGRUWDQJHJHEHQH/LWHUDWXULPPHUQRFKDOV6WDQGDUGZHUNJLOW GLH0RQRJUD¿HYRQFLORIMO  MQJVWKLHU]XBACCIAGALUPPI (2010). Herausragend gut erforscht sind große Solistinnen wie die Faustina (WOYKE 1998) oder Maddalena Lombardini-Sirmen (ARNOLD 2006) und bspw. Barbara Strozzi (STEINHEUER 2006).

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HELEN GEYER

viel zu gewinnen sein würde, so lernte ich zum ersten Mal in meinem Leben das Bittere der Nahrungssorgen kennen. Zwar besaßen wir einige Pretiosen, die wir an GHQ+|IHQJHVFKHQNWEHNRPPHQKDWWHQGRFKZDUGHU*HGDQNHGLHVHYHUNDXIHQ oder versetzen zu müssen, uns gar zu widerwärtig. Die Not zwang uns aber dazu [Dorette Spohr gelingt es, von einem befreundeten Pastor ohne Pfand Geld für die Weiterreise geliehen zu bekommen]. So war also die augenblickliche Not beseitigt, und die Reise konnte fortgesetzt werden. […] Es ging uns aber in der Schweiz sehr übel, denn allenthalben wurde wegen der herrschenden Hungersnot die Erlaubnis, öffentliche Konzerte zu geben, verweigert, und nur in Zürich wurde es uns gestattet, weil wir uns erboten, einen Teil der Einnahme an die Armen abzugeben. […] Der Konzertgewinn war aber auch in Deutschland […] wegen der allgemein herrschenden Not nur mittelmäßig, so daß kaum die Kosten der Reise gewonnen wurden. (SPOHR 1968: 44f.)

So der weltberühmte Violinvirtuose Louis Spohr über seine Rückreise aus Neapel im Sommer und Herbst 1817, die er gemeinsam mit seiner Frau Dorette, der nicht minder berühmten Harfenvirtuosin, die mit ihm auftrat und für die er zahlreiche Kompositionen schrieb und seinen Kindern, die er regelmäßig während der langjährigen Reisen unterrichtete, unternommen hatte. Diese Reise fand schließlich ein vorläufiges Ende in der Anstellung Spohrs in Frankfurt am Opernhaus. 1819 kündigte Spohr den Vertrag und trat eine weitere Konzertreise, diesmal nach England und in die Niederlande an. Und [Händel] wagte es allein, seine Opern auf dem Heumarkte, noch ein Jahr lang, auf eigne Kosten fortzusetzen […]. Da er aber befand, daß ihm dieser Versuch JDU QLFKW JHUDWKHQ ZROOWH YHUOLH‰ HU GHQ +HXPDUNW XQG GD VHLQH *HJQHU YRQ demselben alsobald Besitz nahmen, bezog er ohne Verzug das erledigte Theater zu Lincolns-Inn-Fields. Es währte aber nur kurze Zeit: denn er sahe wol, daß die Flut der Widerwärtigen nunmehro aufs Höchste gestiegen, und seine Stärke, so überwiegend sie auch sein mögte, sich derselben entgegen zu setzen, nicht hinreichte. Der Vorgeschmack, welchen er bereits von diesen Unfällen und Drangsalen empfand, verminderte merklich das Vertrauen in sich selbst, so sein bisheriges Glück unterstützet hatte. Er betrachtete, daß es nicht allemahl notwendig auf grosse Geschicklichkeit ankomme, und daß auch die grössesten Verdienste, wenn sie nicht von der Klugheit begleitet werden, in den menschlichen Gemüthern und Meynungen fast nichts bedeuten. […] nun ward er in unglückliche Zufälle verwickelt, die ihn zwar noch ein anderes Stück der Klugheit lehrten, […] welches er jedoch nimmer hätte in Übung bringen[…] sollen, nehmlich: daß er auf Kosten seiner Kunst die Gewinnsucht zu Rathe zog […]. (MAINWARING 1761: 87ff.)

Händel übernimmt Coventgarden: Seine Unkosten, zur Anschaffung der Sänger und andrer Bereitschaft, erstreckten VLFKVHKUZHLWGHU*HZLQQDEHUOLH‰VLFKPLWLKQHQJDUQLFKWYHUJOHLFKHQ$Q6WDWW daß er also, nach verflossenen drey oder vier Jahren, sein Vermögen so vermehret haben sollte, wie man es von seiner Sorgfalt,von seinem Fleisse und von seiner Geschicklichkeit mit Recht erwartete, befand er sich vielmehr genöthiget, fast alle seine Kapitalien aufzukündigen und einzuziehen, um seine Schulden abzutragen.

DER VIRTUOSE, INTERPRET, KOMPONIST UND IMPRESARIO

[…] Sein Verlust erstreckte sich nicht nur über sein Geld und Gut, sondern auch über seinen Verstand und seine Gesundheit. (MAINWARING 1761: 91ff.)4

Die hier aus John Mainwarings Biografie in der Übersetzung von Johann Mattheson zitierten Abschnitte beschreiben die Fortuna der Jahre 17331737, als Händel die beiden weniger erfolgreichen Opernunternehmen gegründet hatte und in beiden Fällen gescheitert ist. Bekanntermaßen hatte er sich nach seinem Aufenthalt in Aachen wieder erholt und gelangte abermals zu beträchtlichem Wohlstand, nun vor allem durch die erfolgreiche Produktion seiner Oratorien. Stets sicherte sich Händel jedoch durch eine lukrative Zahl an Schülern ab, und gab als Virtuose Konzerte. Zugleich gab er ihr aber den dringenden Rat, in Anbetracht der dürftigen Verhältnisse das Begräbnis doch ja so einfach wie nur möglich einzurichten. […] Es war […] ein Armengrab, das für gewöhnlich fünfzehn bis zwanzig Särge aufnahm und alle zehn Jahr neu besetzt wurde […]. Die Lage der Mozartschen Familie nach seinem Tode war traurig. An barem Geld fanden sich […] vor, wozu noch […] rückständige Besoldung kamen. […] Der ganze Hausrat, mit Mozarts Kleidung und Bibliothek, wurde […] geschätzt […]. Demgegenüber standen aber beträchtliche Schulden […] an Handwerker und Kaufleute aller Art. (ABERT 1975: 697f.)

Mozart war keinesfalls ein Einzelfall, der verarmt starb und dessen Leben erhebliche Höhen und Tiefen kannte. Berühmte Persönlichkeiten lassen sich anführen, zum Beispiel Antonio Vivaldi, glorreich, viel bewundert und letztlich ebenfalls am Ende seines Lebens sehr arm. Für Künstler bedeutete das Alter eine große Herausforderung, waren sie doch – falls sie fest angestellt waren – auf die Pension, die jederzeit politischen Entschlüssen zum Opfer fallen konnte, und bei Wegfall der Bezüge auf die Hilfe der Familie oder der Freunde angewiesen. Ein herausragender Fall war zum einen Heinrich Schütz, der hochangesehen sein Alter mit Pension und fast ohne Verpflichtung verleben konnte, allerdings mit Hilfe auch der Ersparnisse, die er sich im Verlauf seines Lebens erworben hatte, oder ein anderer Fall war Claudio Monteverdi, der das Glück hatte, bis zum Ende des Lebens aktiv seine Kapellmeisterstelle an San Marco versehen zu können, obgleich nicht mehr in voller Verpflichtung. Für solche Fälle bezahlte der Kapellmeister oft seine Substitution aus seinem Gehalt. Die wenigsten konnten aus ihren Kunstwerken und Kompositionen ausreichende Grundlagen für das Alter schöpfen und nur ganz wenigen war es vorbehalten, bis zum letzten Moment ihres eventuell auch langen Lebens aktiv zu wirken, in Ehren zu leben und den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, bzw. der Familie eine finanzielle 4

Händel erlitt einen ersten Schlaganfall, den er in Aachen kurierte.

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Sicherheit zu hinterlassen, wie es dem Groß-Impresario des venezianischen Musiklebens im 18. Jahrhundert Baldassare Galuppi (1706-1785) gelang, der bis kurz vor seinem Tode als 79-jähriger noch ein hochgeachteter aktiver Kapellmeister an San Marco war und zugleich eine enorm große Schülerzahl unterrichtete (GEYER 2010). Maddalena Lombardini-Sirmen/Syrmen (1735-1799) (ARNOLD/ BALDAUF-BERDES 2002) gehört zu den jüngst entdeckten Kapiteln einer erfolgreichen Virtuosinnen-Karrieristin: Ausgebildet am Ospedale dei Mendicanti in Venedig – wo sie mit 18 Jahren die Aufnahmeprüfung als Supranumeraria bestand – also an einem der vier Konservatorien für Frauen und Mädchen, die als karitative Einrichtung u.a. sich einen herausragenden musikalischen Überbau leisteten, weil hier begabte Kinder (ursprünglich Waisen- bzw. Halbwaisenstatus), Mädchen und Frauen in relativ geschützter Atmosphäre ein attraktives und europaweit beachtetes Leben als Musikerin, Virtuosin und Solistin führen konnten, heiratete sie 1767 als Violinvirtuosin und Komponistin – das Komponieren war den Frauen an den Konservatorien offiziell untersagt – den Violinvirtuosen Ludovico Maria Gaspar Syrmen/Sirmen, Kapellmeister an Santa Maria Maggiore in Bergamo. Zunächst zog sie mit ihm, und schon wenige Monate später alleine als reisende Virtuosin und Komponistin durch Europa, u. a. nach Paris, London, Dresden und St. Petersburg und konnte sich dank ihrer herausragenden Konzerttätigkeit, aber auch berühmt durch ihre Violinkonzerte und kammermusikalischen Kompositionen einen guten Lebensunterhalt verdienen, bis zu jenen Konzerten in Paris 1785, als man ihr einen veralteten Stil vorwarf (Kritiken in Mercure de France VLHEHVFKORVVNXU]GDUDXILKUH.DUULHUH]XEHHQGHQXQGVHW]WH sich in Ravenna und im Veneto zur Ruhe, um Unterricht zu erteilen. Die Lombardini-Sirmen ist ein herausragendes Beispiel, wie eine geglückte Virtuosinnenkarriere einen guten Verlauf nehmen konnte, so wie es auch für Faustina Hasse zutrifft und manche Beispiele, die als Erfolgsexempla für eine weibliche Musikerkarrierre zu sehen sind – aber dies waren wohl eher die herausragenden Ausnahmen, jene, um die man weiß. Virtuosenkarrieren waren für viele Jahre oft von großem Erfolg gekrönt, aber hinter ihnen verbarg sich manchmal eine bittere Lebensrealität, wie dies hauptsächlich für einige Virtuosinnen zutraf, wie für Constanze Mozart, Clara Schumann und viele andere verwitwete Musikerinnen, die auf diese Weise ihre Familien ernährten. Virtuosentum bedeutete zweifelsfrei ein gutes Betätigungsfeld für Frauen, wogegen sie als Komponistin häufig umstritten waren, der Domäne des männlich besetzten Berufes kritisch ausgesetzt und auch gesellschaftlich

DER VIRTUOSE, INTERPRET, KOMPONIST UND IMPRESARIO

wenig akzeptiert. Im Herbst 1741 mahnte der Hofkapellmeister Johann Melchior Molter aus Eisenach mit einer minutiösen Aufstellung für die Mitglieder der Hofkapelle: Die meisten Capellisten [seien] nicht im stande, […], sich nur wenige Wochen des nöthigen Unterhaltes allhier aufzuhalten, weil sie kein brod hätten und bey ferner ausbleibender Zahlung des Besoldungsrückstandes den Bettelstab ergreifen müssten. (OEFNER 2013/14: 29)5

Die Hofkapelle löste sich auf, die Musiker verstreuten sich in alle Lande, X D QDFK .DUOVUXKH %D\UHXWK 0HLQLQJHQ HLQH =DKOXQJ IDQG VWDWW aber ob in voller Höhe – das lässt sich nicht mehr erschließen. Solche Erfahrungen machten fast alle Musiker in fürstlich-höfischen Diensten: ob Claudio Monteverdi (in Mantua) oder Heinrich Schütz, der ebenfalls Bettelbriefe für seine Kapelle schrieb, oder auch die zahlreichen Verwandten Johann Sebastian Bachs – das Panorama ist oft ähnlich unerfreulich, bezeichnet jedoch sehr wohl eine Lebenswirklichkeit, die zu konfrontieren war, mit der stets aktuellen Konsequenz: a) umziehen zu müssen innerhalb des Wirkungsortes, weil wegen der ausbleibenden Gehälter die Miete nicht bezahlbar war, oder b) überhaupt stets den Ort wechseln zu müssen, ohne eine unmittelbar anknüpfende Stelle innezuhaben.

Fazit Diese knappen Beispiele vermögen nur ein buntes Schlaglicht auf eine Musikerrealität zu werfen, deren Selbstverständnis sich zum einen aus dem Handwerklichen definierte, jedoch zugleich einen erheblichen Tribut an Mobilität, Kompromissbereitschaft, großem Einsatz, Demütigung und auch Unsicherheit einforderte. Qualität war eine unerbittlich zu erfüllende Maxime, gepaart mit Modernität der Komposition und Darbietung, dem Erfüllen der vorherrschenden ästhetischen Vorlieben, die individuell von Wirkungsort zu Wirkungsort ausdifferenziert waren. Eine feste Stelle – einst wie heute – war das Ziel der meisten Musiker, vielleicht nicht der Virtuosen in jungen Jahren. Eine solche Stelle verbürgte eine gewisse Sicherheit, aber gewährte auch die Hoffnung, im Alter, wenn die Leistungskraft nachließ, oder das Gehör oder die Sehkraft, oder wenn die Sehnen nicht mehr mitmachten und die Stimme brüchig wurde, eine kleine Pension zu erhalten, um in 

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Würde den Lebensabend verbringen zu können, aus dem Leben zu scheiden und die Familie relativ gesichert zu hinterlassen. Dies war nur ganz wenigen Musikern beschieden, und nur wenigen Solisten gelang es, eine internationale Karriere haushälterisch so zu planen, dass die Alterssicherung gewährleistet werden konnte – vorausgesetzt, es fanden keine Naturkatastrophen oder Kriege statt, die alles zerstörten. Eine relativ sichere Karriere schlugen all jene ein, welche von Kindheit an Aufnahme in Capellae fanden: Es waren Knaben, die in den Kirchen- und teilweise auch Hofkapellen ausgebildet und als 1DFKZXFKV KHUDQJH]RJHQ ZXUGHQ VLH HUJlQ]WHQ DOV 5LSLHQR GHQ &KRU VLH ZDUHQ ]XU 1DFKIROJH YRUJHVHKHQ GLH $XVZDKO ZDU VWUHQJ Kinder aus Musikerfamilien – das war häufig ein Kennzeichen aller Musikerkarrieren – profitierten von einem gesicherten und fundierten Heranführen an Musik. Sie erhielten schon sehr früh durch die Familie eine profunde und zweckorientierte Ausbildung, bekamen häufig die Chance der weiterführenden Fremdausbildung, die Erfahrung frühzeitigen Wirkens bei Aufführungen oder auch die Möglichkeit, sich frühzeitig im Tonsatz und der Komposition zu üben – es musste keine Wunderkindkarriere sein wie bei den Kindern Leopold Mozarts. Trotzdem ist es auffällig, dass gerade in den Musikerfamilien darauf geachtet wurde, dass sich die junge Musikergeneration möglichst noch ein zweites Standbein erwarb, in Form der Universitätsreife (erstes Jahr, durch herausragende Gymnasien verbürgt, s. J. S. Bach) bzw. durch das Erstreben einer Juristenausbildung an der Universität, wie es auch für viele dem Musikerberuf fremde Familien mit herausragend begabten Kindern galt (s. Händel, Telemann und Schumann). Eine Musikerfamilie war im gewissen Sinne ein voll funktionierender Handwerksbetrieb, mit eigener Kopistenwerkstatt, wo jedes Mitglied der Familie, natürlich auch die Frauen, mitwirkte, mit einem möglichst zahlreichen Schülerkreis, der zugleich die Kopistenarbeiten ergänzend übernahm, eventuell einen Freitisch erhielt und der zugleich ein gewisses Maß an musikalischen Dienstleistungsangeboten verbürgte. Natürlich konnte man auch ‚entdeckt‘ werden, wie es im glücklichen Fall einem Heinrich Schütz geschah oder manchen anderen Knaben, deren Karrieren u. a. in Neapels Sängerkaderschulen, den Konservatorien, sich vollendeten, oder dort auch scheiterten. Musikerfamilien waren stets Teil der herumziehenden Schauspieltruppen, welche all jene Bedürfnisse nach Unterhaltung erfüllten, die zum gesellschaftlichen Selbstverständnis gehörten. Dies bedeutete ]XJOHLFKHLQHKRKH0RELOLWlWXQGHLQKRKHV5LVLNRWURW]GHPYHUEUJWH

DER VIRTUOSE, INTERPRET, KOMPONIST UND IMPRESARIO

GHU 9HUEXQG HLQ UHODWLY JHVFKW]WHV 'DVHLQ QDWUOLFK NRQQWH PDQ GLH Truppen wechseln – und es gab auch Frauen, die solche Truppen leiteten (wie bspw. Catharina Elisabeth Velten oder Friederike Caroline Neuber). In den ländlichen Gemeinden lässt sich entweder das Phänomen der herausragenden Laienmusiker beobachten, wie es die Adjuvanten in Mitteldeutschland exemplifizierten, die hier in dieser Dichte und Qualität wohl eine herausragende Erscheinung darstellten, aber auch derjenigen, die für die Festlichkeiten profaner und religiöser Art eine gewisse Kunstfertigkeit besaßen bzw. sich erwerben konnten. Sie spielten zum Tanz in der Schenke, zu den Festen etc. auf. Solche Aufgaben erfüllten in den Städten oft die Stadtpfeifer, eine hochangesehene, da repräsentative Funktion, oder auch Mitglieder der Hofkapellen, sollte es sich um höfische Städte handeln. Die Höfe selbst leisteten sich in der Regel eine meist nicht allzu große Anzahl an fest angestellten Musikern, aber stets und auch in großer Besetzung wurde Musik zu Gehör gebracht: Voraussetzung hierfür war eine Doppelfunktion vieler Bediensteten: Sie waren in der Regel tätig und eingestellt als Lakai – als Sekretär, Kopist für den Hof, Handwerker und jeweils als Musiker. Nach Bedarf musste aufgespielt werden, um die .DSHOOH]XHUJlQ]HQE]ZDXFKXPVROLVWLVFKDXI]XWUHWHQYRQLKQHQZXUden auch Kompositionen erwartet und geliefert. So war der Doppelberuf eine gewisse Normalität, und dies angesichts der Tatsache, dass man Tastenspieler war (d. h. Orgel, Cembali, Clavier, Clavichord usw. virtuos spielte, meisterhaft improvisieren konnte und von dieser Position aus oft eine Capella leitete, bzw. zu komponieren hatte) oder Violinist und damit alle Streichinstrumente beherrschte, oder Bläser, wobei im günVWLJVWHQ )DOOH ]ZLVFKHQ %OHFK XQG +RO]EOlVHUQ XQWHUVFKLHGHQ ZXUGH nur den Hoftrompetern war eine exorbitante, da repräsentative und zugleich oft diplomatische und militärische Stellung eigen. Selbstmanagement des Musikerberufes aus dem Blick zurück bedeutete einst: Über eine breite Palette an musikalischer Kunsthandwerklichkeit, inklusive Tonsatz, Komposition, Improvisation souverän zu verfügen, zudem noch über möglichst andere Fähigkeiten musikferner Art. Mobilität war angesagt, gepaart mit häufigen Entbehrungen und Risiken. Mit aufmerksamen Sinnen mussten der Musikmarkt, die neuesten Entwicklungen, die Geschmacksvorlieben, also die aktuellen ästhetischen Vorstellungen wahrgenommen werden. Man war außerdem den Willkürlichkeiten der Obrigkeit und der Willkür der Straße ausgeliefert. Dies setzte voraus, ein herausragendes Beziehungsnetz zu pflegen, wie es das Freimaurertum oder eine Art von Zunftvernetzung

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HELEN GEYER

zur Verfügung stellte. Beliebte Vermarktungsstrategien waren übrigens seit dem Ende des 19. und frühen 20. Jahrhunderts eine Flut von Eigenwerbungsfotografien und in moderneren Maßstäben PRMaßnahmen, wie flugartige Schriften.

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Learning from Bayreuth Richard Wagner als Kulturmanager JOACHIM LANDKAMMER1

1. Vorbemerkungen Wenn die 200-Jahrfeiern im großen Wagner-Gedenkjahr weltweit Gelegenheit lieferten, die mehr oder weniger überzeugenden Möglichkeiten und Leistungen zeitgenössischen Kulturmanagertums im Jubiläumsrausch zu bewundern,2 kann man sich auch die Frage stellen, ob und inwieweit heutige kulturmanageriale Denk- und Vorgehensweisen VLFK DXI GHQ -XELODU VHOEVW EHUXIHQ N|QQWHQ RE DOVR :DJQHUV PLWWOHUweile ja in allen Winkeln ausgeleuchtete Biografie auch Anlass gibt, um nicht nur über seine im engeren Sinne künstlerischen, sondern auch über seine im weiteren Sinne organisatorischen Kompetenzen nachzudenken. Immerhin wird man als nicht zu vergessendes (ja vielleicht sogar als wichtigstes) Resultat seiner Lebensleistung neben den hinterlassenen Opernpartituren und deren vermutlich unsterblichem künstlerischen Erbe auch das ganze, mindestens genauso epochemachende „Projekt Bayreuth“ (MILLINGTON 2012: 221) in den Blick nehmen müssen, in all seinen Stadien, von der Konzeptionierung und Planung, Revidierung und Neukonzeptionierung bis zur (nie ganz) definitiven Realisierung. Gerade in den unterschiedlichen Entwicklungsphasen dieses Projekts, die stark von biografischen Kontingenzen beeinflusst sind, und im impliziten Vergleich mit der Ausrichtung des post-wagnerschen Bayreuth-Betriebs in seinen verschiedenen dynastischen Epochen bis heute,3 lassen sich Visionen, Vorstellungen und Ideale aus-

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Eine wesentlich kürzere erste Skizze zum Thema dieses Essays wurde am 22.5.2013 im Onlinejournal der Zeppelin Universität, ZU-Daily, publiziert (). Als ganz subjektive Auswahl aus den interessanteren Projekten darf man vielleicht die Wagner-Blech-Comedy Hojotoho von Mnozil Brass () und die Züricher Video-Lecture von Drehli Robnik (W@³ :$*1(5%(55+XGHEQtDDUWLVWLFNi~VWĜHGQD@ZKLFKEURXJKWWRJHWKHU musicians, poets, and a variety of artists, dancers and entertainers (MACEK 1997). The nationalization of the art sector was, from the perspective of the government, the basic prerequisite for making culture accessible to the whole society (SZÁNTÓ 1985). In the 1950’s, it became clear that the VWDWHPRQRSRO\RIWKH0XVLFDQG$UWLVWLF%XUHDXZDVQRWDEOHWRUHÀHFW all the needs of society and thus, many reforms to existing institutions, and establishment of new ones, were made during the communist era â7ċ3È1(.  ,Q WKH ODWH ¿IWLHV WKHUH ZDV D VLJQL¿FDQW LQFUHDVH LQ GHPDQG IRU Czech artists abroad and also for foreign artists in this country. Business relations in the arts were made, not only with socialist, but also with capitalist countries. Following the example of other socialist countries, 0XVLF DQG 7KHDWHU $JHQF\ >+XGHEQt D GLYDGHOQt DJHQWXUD@ ZDV

ANALYSIS OF THE MARKET ENVIRONMENT

established in 1958 (SZÁNTÓ 1985). This agency had a monopoly on all kinds of international cooperation in the music sector. The Communist regime thus secured the supervision of all business transactions and contacts with foreign countries, and also the implementation of its policy on foreign economic relations (SZÁNTÓ 1985). In 1961, the Musical and Theatrical Agency was renamed as Pragokoncert %$5$1ý,&29È DQGDWWKHEHJLQQLQJRILWV activities in the area of professional musicians was appropriated and a new organization Tóncentrum established (SZÁNTÓ 1985). In the late sixties, there were efforts to democratize the political situation in Czechoslovakia, but this era of liberalization, the socalled Prague Spring, was abruptly ended by an invasion of Warsaw Pact troops. These events were followed by a repressive period called “normalization”, the intention of which was to bring back the social and political situation before 1968 (MARJÁNKO 2012). The following years were an era of purges in the Communist Party and the restoration and WLJKWHQLQJRIFHQVRUVKLS %$5$1ý,&29È  Popular music came to the forefront of the Communist Party’s PHWKRGV IRU ¿QGLQJ IDYRXU ZLWK WKH \RXQJHU JHQHUDWLRQ 0$5-È1.2 2012). Song lyrics were subjected to strict censorship and artists were also put under supervision. They had to pass a professional examination, as well as tests in Marxism and Leninism (MARJÁNKO 2012). Many singers and groups were banned from performing. Genres such as jazz, swing, rock, folk and country were not supported by the regime, but were tolerated in later years (MARJÁNKO 2012). This situation led to an increase in the number of small music clubs, which focused on these PLQRULW\JHQUHVVRPHPXVLFIHVWLYDOVDOVRHPHUJHG Despite all the reorganizations that had been carried out in government agencies, at the end of the eighties, Pelec highlights the inadequacy of the administrative directive management of artistic activity, which led to excessive bureaucratisation. Dissonance between real needs and the bureaucratic structures subsequently led to the formation of a parallel agency structure. Finally, the state agency commonly employed an XQRI¿FLDOQHWZRUNRIDJHQWVLQWKHLUDFWLYLWLHV3HOHF  VHHVWKLV situation as a result of “the liquidation of historical tradition and the professions of working impresarios, artists’ agents, etc” without taking into account their role in the socialist system. Even though it was an XQRI¿FLDOV\VWHPRIDJHQWVDQGDJHQFLHVLWZRUNHGTXLWHVDWLVIDFWRULO\ Musicians got used to it, which later helped in the expansion of private agencies in the nineties.

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For the entire music economy in the Czech Republic, the nineties meant a radical turnaround from a centrally planned economy of state monopolies to an expansion of private businesses and the entry of international companies. In 1994, the state agency Pragokoncert was privatized (%$5$1ý,&29È 2009) and began focusing only on the organization of big concerts by international stars. Great development in festival organizing and production also took place. In 2008, ASUMA – the Czech Association of Arts Managements was founded. The association connects the four biggest music agencies in the ¿HOGRIFODVVLFDOPXVLF $680$ 7KHSXUSRVHVRILWVH[LVWHQFHDQG its aims are: the assertion and defence of ethical principles and norms, and of correct business dealings [...], the organization and promotion of joint projects, assertion of FRPPRQLQWHUHVWVLQUHODWLRQWRDOORUJDQVDQGLQVWLWXWLRQV>@WKHMRLQWGH¿QLWLRQ of representative and objective artistic quality, obtaining grants for joint projects (ASUMA 2008).

However, ASUMA does not unite a substantial number of industry participants, does not collect statistical data about its members and the industry, and does not engage in research activities. With regard to the absence of any statistics about music agencies, LWLVLPSRVVLEOHWRGHWHUPLQHWKHVSHFL¿FQXPEHURIDJHQFLHVWKDWZHUH IRXQGHGGXULQJWKH¿UVWKDOIRIWKHQLQHWLHV7KHRQO\GDWDUHVRXUFHLV the commercial database Albertina. There, it is apparent that more than half of the music agencies in the South Moravian region were founded in the nineties. Namely from 1990 to 1995 almost half of all agencies were founded, from 1996 to 2000 there was a decline to 18.2 %, followed by a small boost in the period from 2001 to 2005, when 21.2 % of the agencies were established. The years 2006 to 2010 saw another decline to 12.1 %, and situation is not getting any better, as only 3 % of the agencies were founded from 2011 to the present. There is an assumption that the development in recent years correlates with the general economic climate in the Czech Republic and in Europe as a whole.

2.

Research methodology and basic terms

Due to the descriptive nature of the research objectives, quantitative methods of research have been used – analysis of documents and a survey questionnaire. Business entities were included according to the main criterion, which was their active on-going commercial activity in

ANALYSIS OF THE MARKET ENVIRONMENT

WKH¿HOGVRIWKHUHSUHVHQWDWLRQRIPXVLFLDQVDQGWKHSURGXFWLRQRIPXVLF events in the South Moravian region. Music agencies often combine many activities together, so it is unclear to which part of the music economy they belong. Leyshon eliminates this doubt by using a model of the music economy as a system of mutually overlapping networks. He distinguishes networks of creativity, within which “music is made and performed, before it is stabilized within networks of reproduction,” (LEYSHON et al. 2005: 186) then networks of distribution and consumption. According to Leyshon’s model of the music economy, music agencies are located in an area where networks RI FUHDWLYLW\ DQG UHSURGXFWLRQ RYHUODS 0DFHN VSHFL¿HV WKH SRVLWLRQ RI agencies in the market as “offering services to both organizers and to other agencies.” (MACEK 1997: 21) A music agency can be characterized as a business entity that provides musical performances, either acting as an artist’s agent, or as an event organizer.

2.1 Secondary data collecting Data was collected from the agencies of the South Moravian region. It is one of the thirteen regions of the Czech Republic and is located in the south-eastern part. The region also borders two other European countries – Austria and Slovakia. The city of Brno is the seat of the regional authority and of many cultural institutions, such as museums, orchestras, opera, theatres, etc. The commercial database Albertina, which collects data from state registers about every registered company in the Czech Republic, was XVHGWR¿QGQDPHVDQGFRQWDFWVRIDOOEXVLQHVVHQWLWLHVIURPWKH6RXWK Moravian region which are involved in at least one activity from the category 90.0 – “Creative, arts and entertainment activities” according WRWKHHFRQRPLFDOFODVVL¿FDWLRQRIEXVLQHVVDFWLYLWLHV&=1$&( Entities focusing on the management of musicians and the producing of musical events were selected, and further data about these subjects was obtained from the Albertina database – namely, information about an agency’s legal entity, year founded, and the number of employees. Research focused on currently active agencies operating in the local PDUNHW ZKRVH DFWLYLWLHV FRXOG EH YHUL¿HG DQG IROORZHG RQOLQH ZHE pages – provided by business contacts in the database). Thus, the crucial FULWHULRQIRUDQDO\VLVZDVRQJRLQJFRPPHUFLDODFWLYLWLHVLQWKH¿HOGRI

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musicians’ representation or music events’ production in the region. 7KHVHDFWLYLWLHVZHUHYHUL¿HGE\WKRURXJKUHVHDUFKRIWKHLUZHESDJHV The last phase of research was the survey questionnaire, which was carried out among subjects selected with the criteria described above. The main aim of the survey was to gain descriptive information about WKH PDUNHW 7KH UHVSRQGHQWV ZHUH DVNHG ¿IWHHQ TXHVWLRQV DERXW WKHLU agency’s length of existence, legal entity, number of employees, music genre specialisation, main and supplementary activities, activities’ share RI DQ\ SUR¿WV PDGH RXWVRXUFLQJ VRXUFHV RI ¿QDQFLQJ DQG VXEVLGLHV long-term economic results, internationalisation, cooperation with IRUHLJQVXEMHFWVDQGWKHLPSDFWRIWKH¿QDQFLDOFULVLV $VVXPSWLRQVDERXWFRQQHFWLRQVDQGLQÀXHQFHVEHWZHHQHDFKRIWKH UHVHDUFKHG IDFWV ZHUH DOVR IRUPXODWHG DQG YHUL¿HG 7KH TXHVWLRQQDLUH was available on-line and a link was sent to respondents via email. This method ensured respondents the highest possible anonymity, because the on-line questionnaire did not collect any of the respondent’s LGHQWL¿FDWLRQ GDWD 7KH IDFWRU RI DQRQ\PLW\ ZDV YHU\ LPSRUWDQW VLQFH the research was aimed at commercial subjects that are very cautious about giving out any information about their business.

3.

Results

According to the Albertina database and the following research of the music agencies’ on-line presentation, 32 music agencies were selected as currently active and were included in the survey questionnaire. The questionnaire was accepted and answered by 14 subjects.

3.1 Length of existence 2QH KDOI RI WKH VXEMHFWV IURP WKH ¿HOG RI PXVLF DJHQFLHV KDYH H[LVWHG IRU ¿IWHHQ RU PRUH \HDUV 7KH OHQJWK RI H[LVWHQFH DW WKH RSSRVLWH HQG of the scale (less than two years, or from two to six years) was stated by only one single respondent. The considerable number of agencies ZKLFKKDYHH[LVWHG¿IWHHQRUPRUH\HDUVLVSUREDEO\LQÀXHQFHGE\WKH era of their founding, because the nineties’ were years of entrepreneurial enthusiasm caused by the transformation of the national economy into a market-oriented one in the Czech Republic. The urge for new distribution

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FKDQQHOVDQGRUJDQLVDWLRQVDURVHSDUWLFXODUO\LQWKH¿HOGRIPXVLFZKLFK KDGEHHQVXEMHFWHGWRDVWDWHPRQRSRO\ %$5$1ý,&29È  On the contrary, it is possible to ascribe the short existence of a small QXPEHURIDJHQFLHVWRWKHJOREDO¿QDQFLDOFULVLVDQGVXEVHTXHQWHFRQRPLF recession. Nowadays in the Czech Republic, where unemployment is constantly on the rise, politicians urge people to save (MAREK 2012), DQGWKHUHGXFWLRQRI¿QDQFLDOUHVRXUFHVDOVROHDGVWRDUHGXFWLRQLQVWDWH VXEVLGLHVVRLWLVQRWHDV\WRUXQDEXVLQHVVLQWKH¿HOGRIFXOWXUDOVHUYLFHV Also, culture is considered by consumers as a kind of supplementary VHUYLFHVRLWLVWKH¿UVW¿HOGZKHUHKRXVHKROGVDQGPXQLFLSDOLWLHVORRN for an opportunity to make savings. Even if it seems logical that agencies with a longer length of existence do have much more experience and a more stable market position, there is no evidence connecting the length of a subject’s existence and LWVSUR¿WV$OVRDORQJH[LVWHQFHLVQRWDQHFHVVLW\ZKHQLWFRPHVWRDQ agency’s expansion into other regions and countries.

3.2 Legal entity The survey questionnaire has revealed that the self-employment legal entity is more popular than the Limited Liability Company form. Ten of the investigated subjects are run by self-employed people, while the UHVW DUH UXQ DV /LPLWHG /LDELOLW\ &RPSDQLHV 7KLV ¿QGLQJ LV VOLJKWO\ inconsistent with data from the Albertina database research, which revealed a more balanced ratio of self-employed (58 %) to Limited Liability Company (42 %). This disproportion is caused by the fact that the database provides information about all investigated subjects, while the number of survey questionnaire respondents is limited by the number of returned questionnaires.

3.3 Number of employees A natural person who is doing business using a trade license as selfemployed (if the person does not employ anybody else) is their RZQ HPSOR\HU 7KDW VLWXDWLRQ EULQJV D VLJQL¿FDQW VLPSOL¿FDWLRQ RI DGPLQLVWUDWLRQ LQ WKH ¿HOG RI HPSOR\PHQW UHODWLRQV DQG DOVR ORZHUV statutory social security and health insurance contributions. A selfemployed person is obliged to pay contributions to health and social

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insurance (pension insurance, and contributions to the state employment policy), and of course income tax too. Also, employees and employers are obligated to pay health, sickness and social insurance. On top of that, an employer has to pay employer liability insurance for work injuries or occupational diseases. The activity of running a music agency falls under the category “Other economic activities NACE” where the rate is set on ÅRIWKHDVVHVVPHQWEDVH 9&]HFK 6WDWLVWLFDO 2IILFH@   KWWSZZZF]VRF]! [11.4.2013].

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Kulturstaat und Kulturpolitik Rechtliche Grundlagen MICHAEL KILIAN

1.

Einführung

Weimar bildete ein deutsches kulturstaatliches Ideal ab: Johann Wolfgang von Goethe als Staatsminister und Theaterintendant, Regisseur, Dramaturg und Autor zugleich – eine deutsche Möglichkeit. Das Kulturstaatsideal des Fürstentums Weimar: der Dichterfürst als tätiger Staatsminister, der „ästhetischen Staat“ bei Schiller in dessen ästhetischen Briefen (SCHILLER 1962a: 653). Die Rechtsordnung und die Kultur, diese wiederum geprägt von der Kunst, sind zwei eigenständige Ordnungsbereiche, die jeweils ihren eigenen Regeln folgen, nach Art Luhmann’scher geschlossener Systeme. Das Recht ist eine Regelordnung des Staates zum Schutz von Rechtsgütern (Leben, Freiheit, Eigentum usw.), Kunst und Kultur setzen sich eigene Regeln, völlig unabhängig von denen des Staates. Wie verhalten sich aber diese Bereiche zueinander? Und wie unterscheiden sich Kulturrecht und Kulturpolitik, und wie grenzen sie sich voneinander ab? Am besten so reibungslos wie möglich, wenngleich es immer eine vornehme Aufgabe der Kunst war, das Bestehende, und somit auch den Staat, zu kritisieren. Allerdings sind die Kultur und auch die Kunst auf das Recht des Staates oft angewiesen, umgekehrt ist dies – leider – kaum der Fall.

2.

Staat und Kultur

Bis zur Aufklärung deckten sich in Europa Staat und Christentum als Staatsreligion weitgehend, die Kunst war im wesentlichen Staatskunst und damit christliche Kunst (Erbauungsliteratur, Musik, bildende Kunst, Kirchenbau), daneben herrschte das staatliche – barocke – Repräsentationsbedürfnis und das Mäzenatentum kunstsinniger, reicher Fürsten, Kirchenfürsten und später auch Patrizier und Stadtbürger.1

1

Überblick bei FRIEDELL (1974), spezieller zum Verhältnis Kunststaat und Kunstgesellschaft HAUSER (1990, zum Europa der Neuzeit 127ff., zu Renaissance und Barock 283ff., zu Rokoko, Klassizismus und Romantik 513ff.).

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1DFKGHU$XINOlUXQJWUHQQWHQVLFK6WDDWXQG*HVHOOVFKDIWHVEHJDQQ eine Ablösung von den christlichen Staatskirchen, auch die Kunst emanzipierte sich, soweit sie nicht Gegenstand staatlichen (Staatsoper, Fürstenbildnisse, Denkmäler) und städtischen (Stadttheater, städtische Galerien) Repräsentationsbedürfnis blieb. Daneben wuchs das Mäzenatentum des Bürgertums rasch an. Bis 1918 steuerte der Staat in Deutschland Kunst und Kultur mit Aufträgen, Zensur und anderen Mitteln. Daneben führte die Kunstszene zunehmend ein – zuweilen gesellschafts- und staatskritisches – Eigenleben. Avantgarde und akademische Kunst, Salonkunst trennen sich. Kunst, Kultur und Staat beginnen sich auseinanderzuleben. Sie existierten zunehmend getrennt voneinander, sofern der Staat nicht in Schulen und Hochschulen, in Akademien, Museen und Sammlungen seinem Bildungsauftrag nachzukommen suchte. Kultur ist Teil der Gesellschaft, sie ist nicht notwendig eine Gegenwelt zum Staat, aber eine eigene, eigenständige Welt. Der Gedanke, dass es so etwas wie Staatskunst geben könnte, wurde zunehmend abgelehnt – nicht zuletzt auch vom Verfassungsstaat selbst (HÄBERLE 1998). Dem Staat blieben nur wenige Funktionen, im Übrigen gilt das Postulat strikter Staatsferne. Die Weimarer Republik als moderner Verfassungsstaat ließ der Kultur große Freiheiten, behielt aber den staatlichen Kunstfördergedanken an der langen Leine bei (Art. 142, 148, 150 WRV) und beschäftigte sogar einen Reichskunstwart. Immer aber waren die Länder in Deutschland die maßgeblichen Träger der Kultur (Kulturhoheit, Kultuskompetenz) und sind es bis heute – im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen Kunst und Kultur Belange des Zentralstaats sind: Frankreich, Großbritannien, Italien, auch Österreich. Unterbrochen vom Zwischenspiel des Nationalsozialismus mit seiner ideologischen Kultur- und Kunstpolitik2 und vom Sonderweg der DDR3 geht die Bundesrepublik des Grundgesetzes ab 1949 den schon zuvor in Weimar 2

3

Hierzu gehörte auch der Missbrauch von Kunst zu Staatszwecken, man denke an die Benutzung eines Motivs aus der Symphonischen Dichtung /HV3UpOXGHV als Siegesfanfare im Radio. S. zum Vergleich Art. 18 I der DDR-Verfassung von 1974: „Die sozialistische Nationalkultur gehört zu den Grundlagen der sozialistischen Gesellschaft. Die Deutsche Demokratische Republik fördert und schützt die sozialistische Kultur, die dem Frieden, dem Humanismus und der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft dient. Sie bekämpft die imperialistische Unkultur, die der psychologischen Kriegführung und der Herabwürdigung des Menschen dient. Die sozialistische Gesellschaft fördert das kulturvolle /HEHQGHU:HUNWlWLJHQSÀHJWDOOHKXPDQLVWLVFKHQ:HUWHGHVQDWLRQDOHQ.XOWXUHUEHV und der Weltkultur und entwickelt die sozialistische Nationalkultur als Sache des ganzen Volkes.“

KULTURSTAAT UND KULTURPOLITIK

eingeschlagenen Weg zur Neutralität des Staates in Belangen von Kunst und Kultur weiter. Das Grundgesetz verzichtet sogar ausdrücklich auf ein Kulturstaatsziel analog dem Rechtsstaats- oder dem Sozialstaatsprinzip.4 Dies liegt nicht zuletzt an den Ländern, die eifersüchtig über ihre Kulturhoheit wachen und sie bewahren wollen. Dem Bund bleiben nur wenige, ihm ausdrücklich zugestandene Teilmaterien und Teilkompetenzen im Kulturbereich (Auswärtige Kulturpolitik/AKP, Hauptstadtkultur Berlins, Kulturerbe Preußens, Kulturförderung durch Stiftungen/Kulturstiftung des Bundes). Man vermied wegen der Gespenster der Vergangenheit tunlichst sowohl eine Ästhetisierung des Politischen wie auch eine Politik der Ästhetik (KILIAN 2004a). Der Staat in Bund und Ländern scheute die bVWKHWLNZRHUHVLUJHQGNRQQWHVLFKHU]XZHLOHQDXFK]XVWULNWXQG]XP Schaden des Staats- und Gemeinwohlbewusstseins seiner Bürgerinnen und Bürger.5 Vorherrschend wurde auf allen staatlichen Ebenen, Bund wie Länder und Kommunen, ein Prinzip der Staatsferne in der unmittelbaren Ausgestaltung der Kultur- und der Kunst verfolgt. Dies führt auf der Gegenseite zu einer viel beklagten Abstinenz des Staates in Fragen der Ästhetik und der Akzentsetzung, wo man sie sich gewünscht hätte (z. B. Denkmalschutz, KILIAN [2008], Staatsbauten). Bevor jedoch die staatliche Kulturpolitik zu behandeln ist, müssen die verfassungsrechtlichen Rahmensetzungen dargestellt werden, denn die Kulturpolitik ist an diesen Rahmen und die Grenzen, die dieser Rahmen setzt, rückgebunden. Während die Weimarer Verfassung im Bereich der Kultur breiter angelegt war und selbst einen Schutz- und Kulturpflegeauftrag des Staates enthielt, ist das Grundgesetz in dieser Hinsicht eher karg: Art. ,,,**VFKW]WGLH)UHLKHLWGHU.XQVW Ä.XQVWXQG>:LVVHQVFKDIW@ sind frei“) – mehr nicht. Die Kompetenzordnung der Verfassung in Art. 30, 70ff. GG nennt ein paar Zuständigkeiten des Bundes – mehr nicht. Dies geschah zum einen aus der erwähnten Zurückhaltung gegenüber der Kunstdiktatur des Nationalsozialismus, zum anderen aus

4

5

Eine von den Bundesministern des Innern und der Justiz 1982 eingesetzte Sachverständigenkommission Staatszielbestimmungen Gesetzgebungsaufträge empfahl in ihrem Abschlussbericht von 1983 keine Aufnahme einer solchen Bestimmung ins Grundgesetz. Ebenso wenig geschah dies im Zuge der Verfassungsreform nach der deutschen Einheit im Jahre 1994. Z. B. Bauvorhaben Dresdner Waldschlösschenbrücke oder Stuttgart 21 mit Eingriffen in ein ästhetisches Gesamtgefüge.

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Rücksicht auf die Länder, denen nach deutscher Verfassungstradition die Kulturhoheit in erster Linie zukommt. In deren Landesverfassungen findet man deshalb sog. Staatszielbestimmungen zugunsten der Kultur und die sog. Erziehungsziele der Schulen. Die bayerische Verfassung enthält in Art. 131 II sogar ein ganzes schöngeistiges Programm.6 Kulturelle Regelungen enthalten aber auch der AEUV in Art. 167,7 die EU-Grundrechte-Charta und auch etliche völkerrechtliche Verträge, etwa die UNESCO-Kulturschutz-Konventionen.8 In den Verfassungen anderer Staaten ist die Kunstfreiheit Teil einer allgemeinen Kulturfreiheit. Kultur ist in Deutschland also Ländersache – immer noch und weiterhin. Umfassender geregelt ist der Bereich der Kultur somit in den Verfassungen der alten und der neuen Länder, einige davon enthalten die schon benannten Kulturstaatsziele. Ein solches Staatsziel hatte man in den Achtzigerjahren für das Grundgesetz abgelehnt.9 Freilich verstehen sich sowohl die deutschen Länder wie auch der Gesamtstaat Bundesrepublik Deutschland als Kulturstaaten, analog etwa der Bezeichnung Rechtsstaat oder Sozialstaat. Kulturstaat ist somit HLQRIIL]LHOOHURGHUIUGHQ%XQG]XPLQGHVWRIIL]L|VHU9HUIDVVXQJVEHJULII zuweilen hat man allerdings den Eindruck, dass dieser Begriff in der Öffentlichkeit – anders als der Rechts- oder gar der Sozialstaat – wenig bekannt ist, manche kennen allenfalls den ‚Kulturkampf‘. Auch inhaltlich ist der Begriff unbestimmt und eher irreführend. Peter Häberle, einer der führenden zeitgenössischen Staatsrechtler spricht deshalb lieber vom Kulturförderstaat mit einer Kulturpflichtigkeit statt einer missverständlichen Kulturstaatspflicht.10 Zwar kann der Staat in der Staatsphilosophie selbst als Kunstwerk gelten, der moderne Verfassungsstaat muss sich jedoch der Aufgabe enthalten, selbst Kunst (Staatskunst) gestalten zu wollen. Ein Selbstverständnis als Kulturstaaten prägt auch Länder wie 6

„Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewußtsein für Natur und Umwelt.“ 7 Art. 167 AEUV fördert die Entfaltung der europäischen Kulturen aus dem gemeinsamen Kulturerbe heraus unter Wahrung der nationalen und regionalen Vielfalt. Inhalte VLQG GDEHL GDV JHJHQVHLWLJH NXOWXUHOOH .HQQHQOHUQHQ GLH (UKDOWXQJ XQG GHU 6FKXW] GHV NXOWXUHOOHQ (UEHV GHU QLFKWNRPPHU]LHOOH .XOWXUDXVWDXVFK XQG GDV NQVWOHULVFKH und literarische Schaffen. Diese Förderung soll ohne Harmonisierung (Angleichung) geschehen und ist auf Empfehlungen beschränkt. 8 Zur internationalen und menschenrechtlichen Dimension der Kunstfreiheit s. PERNICE (2004: Rd. 5-11). 9 S. oben zur Kommission Staatszielbestimmungen, Gesetzgebungsaufträge. 10 Mdl. Zitat Peter Häberles.

KULTURSTAAT UND KULTURPOLITIK

Frankreich und Italien und besonders auch Österreich. Sie beziehen einen beträchtlichen Teil ihrer Identität aus ihrer nationalen Kultur. Dies allerdings in sehr viel prägnanterer Weise als in Deutschland – selbst als in Bayern, das noch am ehesten auf seine kulturelle Landesidentität achtet.

3.

Kultur und Verfassungsrecht

Für den Rechtsstaat des Grundgesetzes ist die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft sowie von Recht und Moral grundlegend. Der Staat ist weder eine gesellschaftliche Veranstaltung, noch hat er die Gesellschaft ideologisch zu dominieren. Seine Rechtsordnung ist auch keine Moraloder Sittenordnung. Verfassungsideal ist der selbstverantwortliche, freiheitliche, wenngleich gemeinschaftsgebundene Mensch (ausgesagt VFKRQ  LP ,QYHVWLWLRQVKLOIHXUWHLO GHV %XQGHVYHUIDVVXQJVJHULFKWV BVerfGE 4/7: 15f., Investitionshilfe). Freilich wird in den Grundrechten zugleich eine Werteordnung beigelegt, was allerdings zunehmend rechtsdogmatischer Kritik unterzogen wird. Für den Rechtsstaat ist der Unterschied von Staat und Gesellschaft grundlegend, der Staat ist allein am Gemeinwohl ausgerichtet. Dies bedeutet, es gibt keine Identifizierung mit einer Partei oder Weltanschauung, einer Kirche, einem Verband oder einer gesellschaftliche Gruppe beim Umgang mit Interessengegensätzen. Der Staat darf somit auch in kulturellen Interessengegensätzen keine Identifikation mit einer bestimmten 5LFKWXQJDQVWUHEHQHUPXVVQHXWUDOEOHLEHQ]XJOHLFKDEHU)UHLKHLWXQG Sicherheit aller Beteiligten anstreben. Er muss Gegensätze im großen Ganzen – pluralistisch – zu integrieren suchen und einen objektiven Umgang mit Interessengegensätzen pflegen. Dies ist im konkreten Fall freilich leichter gesagt als getan. Der Staat bleibt weiterhin – schon kraft seiner Finanzierungsmacht (er ist ja auch Steuerstaat und kann sich verschulden) – Träger der kulturellen Infrastruktur (Beispiele: Nachwuchs- und Begabtenförderung, Kultursubventionen, auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gehören dazu), soweit ihm nicht Wirtschaft und Gesellschaft diese Aufgabe in Privatmuseen, privaten Förderstiftungen, privaten Hochschulen, Privattheatern, Privatfunk usw. zunehmend streitig machen, allzu oft unter dem Aufatmen der staatlichen Kulturträger selber. Mit der allgemeinen Kulturaufgabe des Staates geht die Aufgabe der kulturellen Bildung einher: dies geschieht in den Schulen im

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Deutschunterricht, in der Kunsterziehung und im Musikunterricht (SCHEYTT 1989), in speziellen Kunstgymnasien (z. B. in der Kleinstadt Wettin bei Halle), in Kreismusikschulen, in städtischen Büchereien mit der Aufgabe der Leseförderung – und natürlich in den Kunst- und Musikhochschulen wie in Weimar oder in Halle (Kunsthochschule Burg Giebichenstein). Der Staat ist jedoch verpflichtet, einen Ordnungsrahmen auch für die Kultur zu bieten: durch Grundrechtsschutz, durch Rechtsschutz allgemein, durch die Förderung der freiheitlich sich entfaltenden Kultur in vielgestaltiger Weise und durch den Erhalt der kulturellen Infrastruktur. Dies steht jedoch unter dem grundsätzlichen Vorbehalt des Möglichen: der Staat folgt dem Prinzip der Subsidiarität. Er wird nur aktiv, wo es nötig erscheint, um seiner Kulturförderungsaufgabe nachzukommen (WECK  BRITZ 2000). Und er ist an verfassungsrechtliche Schranken gebunden: an die Kompetenzordnung der Verfassung, die den Ländern die maßgebliche Kulturhoheit zuweist (auch Kultuskompetenz genannt, die neben der eigentlichen Kultur auch Bildung, Schule und Hochschule sowie die Kirchen mit einschließt), und vor allem an den Haushaltsvorbehalt. Dies bedeutet, er kann nicht mehr Mittel bereitstellen, als ihm selbst zufließen, und er muss Schwerpunkte setzen, da die Mittel begrenzt sind. Entscheidend ist die Kunstfreiheitsgarantie in Art. 5 III 1 GG als eigenständigem Grundrecht neben der allgemeinen Meinungsfreiheit in Art. 5 I GG, parallel dazu steht die Garantie der Wissenschaftsfreiheit. Die Inhalte sind zweifach: Zunächst wird eine (subjektive) Individualfreiheit als auch eine (objektive) sog. Institutionelle Freiheit postuliert. Die Freiheit ist zum einen Abwehrrecht gegen den Staat, sie kann aber auch ein Teilhaberecht an bestimmten Gewährleistungen des Staates sein. Damit ist ein allgemeiner, möglichst staatsfern organisierter und pluralistischen Grundsätzen gehorchender Fördergedanke für Kunst und Kultur eingeschlossen. Hinzu kommt freilich immer drängender der Haushaltsvorbehalt: Förderung nur, soweit die dafür nötigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden können. Beispiele sind Filmförderung, Kunstpreise, Stipendien, Kultursubventionen usf. Man nennt dies den Parlaments-, bzw. enger Haushaltsvorbehalt, d. h., derartige Förderungen liegen im Ermessen des Haushaltsgesetzgebers. Die Kunst als der Kernbereich der Kultur ist nach deutscher Grundrechtsdogmatik ein „innerstes Menschenrecht“ und so auch Teil der Menschenwürde. Sie beinhaltet Schöpfertum und Selbstverwirklichung und ist subtiles Mittel der Kommunikation (BVerfGE 30/173: 188ff.,

KULTURSTAAT UND KULTURPOLITIK

Ä0HSKLVWR³ 6LHLVWIUHLYRQVWDDWOLFKHU%HYRUPXQGXQJ]XKDOWHQVFK|Sferische Entfaltungsfreiheit gibt es nur fern von staatlicher Einwirkung. Die freie Persönlichkeit des Künstlers wendet sich, ebenso wie die im Werk verkörperte Mitteilung, direkt an den Betrachter. Der Staat darf sich nicht dazwischen schieben, etwa als Zensor, denn die Verfassung enthält in Art. 5 I 3 GG zusätzlich ein striktes Zensurverbot.11 Art. 5 III GG schützt den gesamten Lebensbereich von Kunst und Kultur: Produktion wie Präsentation des Kunstwerks. Das Bundesverfassungsgericht nennt dies „Werk- und Wirkbereich“ des Kunstwerks. Die Staatsfreiheit der Kunst bedeutet allerdings nicht völliges Unbeteiligtsein des Staates. Im Kulturstaat sind Schutz und Pflege der Kultur staatliche Aufgabe, umschrieben in der Staatszielbestimmung des „Kulturstaats“. Denn die Kultur prägt die kollektive Identität der Gesellschaft des modernen Verfassungsstaats. Der Staatsrechtler Peter Häberle hat deswegen die Verfassung selbst als Kulturleistung bezeichnet.12 Kunstwerke gelten als Kristallisierungen und Verdichtungen, die den pluralistischen Verfassungsstaat inhaltlich mittragen. So ist die Kultur und Kunst etwa im Städtebau ein Faktor, der gegenüber anderen Belangen, etwa denen des Verkehrs, abgewogen werden muss (PERNICE 2004: Rd. 15/41). Kulturdenkmäler sind vor Verfall und Vandalismus vom Staat zu schützen. Allerdings ist nach h. A. die Kunstförderung und der Schutz der Kultur, etwa gegen deren Abwanderung ins Ausland, nicht als Handeln aufzufassen, das der Staat für seine eigenen Erhaltung bezweckt (PERNICE 2004: Rd. 15/16). Er ist auch hier nur Wahrer des Gemeinwohls seiner Bürger. Ein Beispiel ist etwa die Frage, ob staatliche Museen Kunstwerke aus ihren Beständen auf dem Markt zugänglich machen dürfen. Denn hier hat der Staat eine Bewahrungs- und Pflegeaufgabe z. B. zu volkspädagogischen Bildungszwecken, die er nicht für sich selbst, sondern stellvertretend für die Allgemeinheit ausübt (KILIAN 2010). Hintergrund dieser restriktiven Auffassung – die in anderen Ländern, etwa Frankreich, in dieser strikten Form nicht geteilt wird – ist der Gedanke, dass Kunst grundsätzlich grenzenlos, international zu ver-

11 *HPHLQWLVWKLHUGLHÃ9RU]HQVXUµDOVRHLQH9RUJDEHSÀLFKWDQHLQH=HQVXUEHK|UGHZHOche dann das Werk frei für die Öffentlichkeit gibt oder aber kassiert. Demgegenüber ist eine ‚Nachzensur‘ immer möglich, etwa wenn durch ein Kunstwerk Straftatbestände erfüllt sind, Persönlichkeitsverletzungen begangen werden oder gegen das Urheberrecht verstoßen wird. Hier können dann staatliche Sanktionen erfolgen, etwa Strafen YHUKlQJWRGHU6FKDGHQVHUVDW]SÀLFKWHQYHUIJWZHUGHQ 12 Dies geschah in zahlreichen Publikationen, s. zuletzt Häberle (2011: 6, 461, 634, 640).

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VWHKHQ LVW DOV RIIHQHU 3UR]HVV LVW VLH 6DFKH GHU :HOWJHVHOOVFKDIW QLFKW Angelegenheit des Staates oder einzelner Staaten (KILIAN 2004b). Die Folge ist, dass der Staat die Kunstfreiheit nicht instrumentalisieren und Künstler und Werke nicht für spezifische staatliche Zwecke vereinnahmen darf. Kunst kann Integration bewirken (ein staatstheoretischer Begriff), ihr Zweck ist es nicht und darf es nicht sein, so jedenfalls der Staatsrechtler Ingolf Pernice (2004: Rd. 15/16). Kulturstaatlichkeit muss danach uneigennützig und offen auch für äußere Einflüsse sein. Was umfasst das Kulturrecht? Hier sind die Ränder unscharf (so ist z. B. Rundfunkrecht Teil des Kulturrechts), und sicher gibt es einen harten Kern und einen weicheren Rand.13 Viele Rechtsgebiete haben Berührungen mit der Kultur und mit der Kunst: Rechtsgeschichte (in der Form der Rechtsikonografie, in der Forschungsrichtung Law and Literature bzw. Law as Literature), Völkerrecht, Urheberrecht, Verlagsrecht, Rundfunkrecht, nicht zuletzt das Verfassungsrecht. Was trennt Kulturpolitik von Kulturrecht? Kulturrecht ist die verbindliche Normsetzung mit Geboten, Verboten, Gewährleistungsrechten, Rechtsansprüchen, Schutzpflichten des Staates (etwa im Urheberrecht),14 Organisationsfestlegungen und haushaltsrechtlichen Mittelansätzen. Kulturpolitik ist das weitgehend gesetzesfreie Fördern von Kunst und Kultur: der klassischen Hochkultur als auch der Kultur in der Breite (Film, Fotografie, Jazz, Trivialkultur, Massen- und Popkultur) wie in der Tiefe (Alltagskultur, Kultur der Arbeit, Soziokultur, Alternativund Gegenkultur, multikulturelle Kultur, Frauenkultur usw.) (KILIAN 2006: 1367-1370). Kunstpflege ist – wie erwähnt – zulässige Staatsaufgabe und zählt zum objektiven Gehalt des Art. 5 III GG (zum Subjektiven kommen wir noch), hierzu gehörte und gehört auch der Nachholbedarf in den neuen Ländern, die Sicherungsaufgabe der hier vorhandenen Kunstschätze (etwa in staatlichen Stiftungen) und vieles andere mehr. Zu ihr gehören auch sog. verfassungsrechtliche Schutzpflichten des Staates wie der Schutz des geistigen Eigentums (das derzeit für das Internet in der 13 Die erste umfassende Untersuchung von 1969 zählte so unterschiedliche Materien wie Schulrecht, Jugend- und Erwachsenenbildungsrecht, Naturschutz- und LandschaftsSÀHJH +RFKVFKXO XQG :LVVHQVFKDIWVUHFKW GDV 5HFKW GHU 0DVVHQPHGLHQ XQG GLH Staatsymbole dazu, und natürlich auch die Kunst und ihr Recht – hinzutritt das Recht der Kirchen. 14 S. dazu die Hallenser Antrittsvorlesung von Malte Stieper zum Thema „Geistiges Eigentum an Kulturgütern“ – Möglichkeiten und Grenzen der Remonopolisierung gemeinfreier Werke – vom Mai 2012, die Publikation in der Zeitschrift GRUR ist in Vorbereitung.

KULTURSTAAT UND KULTURPOLITIK

Diskussion steht), die Sozialversicherung für Künstler, der Verkauf von Kunst ans Ausland, der Schutz vor Verfall (die Deutsche Stiftung Denkmalschutz wurde als private Stiftung bewusst staatsfern gehalten, Schirmherr ist aber stets der Bundespräsident). Kunst ist zwar primär Ländersache, in bestimmten Bereichen, die für die Länder finanziell zu aufwendig wären (s. etwa Kulturleuchttürme des Blaubuchs als den gesamtstaatlich bedeutsamsten Kultureinrichtungen im Osten Deutschlands). Der Bund trägt dabei bis zu 90 % der Kosten einer Ländereinrichtung. Diese kulturelle Förderung der Länder ist Teil des sog. kooperativen Föderalismus im Bundesstaat. Nur ausnahmsweise gestehen die Länder dem Bund einige begrenzte Bereiche als eigene Bundeskulturkompetenzen zu, so die sog. Auswärtige Kulturpolitik (AKP),15 die Kulturstiftung des Bundes in Halle oder die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halle. Auch die Förderung der Hauptstadtkultur in Berlin ist Bundessache, und auch das Preußische Kulturerbe wird in einer Bundesstiftung Preußischer Kulturbesitz verwaltet. Allerdings gibt es im Bundeskabinett keinen Kultur- oder Kultusminister, sondern nur einen niederrangigeren Bundesbeauftragten für Medien und Kultur, der beim Bundeskanzleramt ressortiert. Die Länder wachen eifersüchtig darüber, dass sich dies alles in Grenzen hält. Der Staat schützt die Kunst aber auch vor Angriffen aus dieser selbst heraus. Beispiele sind übermäßige Schulenbildungen, etwa in Akademien und Hochschulen, durch die neue Entwicklungen blockiert werden, um so den künstlerischen des Pluralismus zu erhalten. Der Schutz geschieht auch z. B. als bau- und denkmalrechtlicher Umgebungsschutz für bestehende Baukunstwerke, als Schutz von Museumsgut vor Veräußerung (KILIAN 2010), als Förderung von Außenseitern und der Avantgarde, von Newcomern, durch Nachwuchsförderung. Auf diese Weise soll die „Offenheit des Kulturlebens“ bewahrt werden (PERNICE 2004: Rd. 12ff.). Aus diesen Förderungen kann aber jeweils kein konkreter Rechtsanspruch auf eine konkrete Kunstförderung abgeleitet oder gar vor Gericht eingeklagt werden, wenngleich einige Landesverfassungen allgemeine „Kulturförderklauseln“ enthalten, die aber in der Regel ebenfalls nicht einklagbar sind. Soweit der Staat im Rahmen seiner Kulturaufgabe oder als Mäzen fördernd tätig wird, ist dabei das Prinzip staatlicher Neutralität, nach dem

15 S. dazu etwa die Broschüre des Auswärtigen Amts Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in der Schriftenreihe des Auswärtigen Amts, Berlin, o. J.

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Staatsrechtler Herbert Krüger (1966: 178ff. und passim) auch Prinzip der „staatlichen Nicht-Identität“ genannt, strikt zu wahren. Dabei sind eine sachliche Auswahl und eine Differenzierung freilich unumgänglich und auch notwendig. Der Staat kann seinen Entscheidungen auch durchaus qualitativ-wertende Kriterien zugrunde legen (PERNICE 2004: Rd. 17ff.). Allerdings muss dies vor dem Hintergrund von Art. 3 GG (Diskriminierungsverbote) und vor der Neutralitätspflicht aus Art. 5 III GG geschehen, die jede einseitige Parteinahme für bestimmte Schulen, Methoden oder Kunstrichtungen (Bsp. sozialistischer Realismus, Neorealismus, Zwölftontechnik) ausschließt. Dies geschieht zum einen durch bestimmte Verfahrensvorkehrungen für jede einzelne Auswahl- oder Förderentscheidung (z. B. durch öffentliche Ausschreibung von Preisen und Stipendien, durch Festlegung rational nachvollziehbarer Kriterien, durch Berufung von unabhängigen Jurys aus Sachverständigen, durch Abstimmungsverfahren). Zum anderen wird diese Sicherung der Pluralität durch die parallele Zuständigkeit von 16 Ländern (und Hunderten von Kommunen) gewährleistet. So kommt es zu einer Vielzahl von Förderkonzepten: konservative oder progressiYHUHMHGHV/DQGNDQQHLJHQH3UHLVHVWLIWHQXQG6WLSHQGLHQSURJUDPPH auflegen, Künstler auf eigene Lehrstuhle berufen und damit die Vielfalt der Kunst absichern helfen (Konzepte des Binnen- bzw. des Außenpluralismus bei der Herstellung von Vielfalt und der Vermeidung von Diskriminierungen aller Art). Zulässig sind weiter steuerliche Privilegien je nach industrieller oder handwerklicher Herstellung eines Kunstwerks oder der reduzierte Mehrwertsteuersatz für Bücher. Wird eine staatliche Förderinstitution errichtet, etwa eine Stiftung, so sind der Förderungszweck und das Vergabeverfahren gesetzlich festzulegen. Bei Gemeinden bedarf es einer Satzung bzw. eines Gemeinderatsbeschlusses für individuelle Förderentscheidungen (Bsp. Auftrag für einen Brunnen). Fördert der Staat private Fördereinrichtungen durch Zuwendungen, muss er sich einen satzungsmäßigen Einfluss auf die Mittelverwendung sichern, da es sich um öffentliche Gelder handelt. Zudem ist er an Art. 3 GG gebunden. Auch gehört dazu die Kontrolle durch die Rechnungshöfe, die keineswegs nur eine Rechts- sondern eine Voll-(d. i. eine Zweckmäßigkeits)-Kontrolle darstellt. Wo die Kunst in staatlichen oder kommunalen Einrichtungen ausgeübt wird (Museen, Sammlungen, Archiven, Festivals, Theater, Konzert, Oper, öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Fernsehen), gelehrt wird (Kunst- und Musikhochschulen, Architekturfachbereiche) oder geför-

KULTURSTAAT UND KULTURPOLITIK

dert wird (staatliche Stiftungen, Goethe-Institut usw.) zwingt der objektive Gehalt der Kunstfreiheit den Staat und die Kommunen (d. i. die Gemeinden und Landkreise) dazu, die Organisationsvorkehrungen, die Auswahl und das Verfahren der Personalgewinnung so zu gestalten, dass die Freiheitsinteressen der Veranstalter (Geschäftsführer, Intendanten, Rektoren usw.) mit der Kunstfreiheit der daran Beteiligten (Künstler, Hochschullehrer) in Einklang gebracht werden können. Dies ist oft nicht einfach und erklärt z. B. auch die Kompliziertheit der Berufungsverfahren in den Hochschulgesetzen, der Rundfunkgesetze und Rundfunkstaatsverträge. Die staatliche Neutralitätspflicht zwingt auch z. B. dazu, bei einer Stadtgestaltung ein Verfahren festzulegen, das offene Entscheidungen ermöglicht und das dem Staat oder der Kommune verwehrt, inhaltliche Entscheidungen selbst zu treffen (Bsp. Gestaltung des Neuen Museums in Berlin und der Berliner Museumsinsel insgesamt, Bauhausmuseum Weimar): Gebot der „ästhetisch-unparteiischen Argumentation bei Entscheidungen“ beim Schutz künstlerischer Werke und im Städtebau. Neben dem Personalvertretungsund Betriebsverfassungsrecht bleibt als letztes Mittel zum Schutz der Autonomie der Kunst und der Kunstschaffenden immer auch der Rechtsschutz vor den Arbeits- oder Verwaltungsgerichten und im äußersten Fall der Verfassungsgerichte.

4.

Der Kunstbegriff als Rechtsbegriff

Der Begriff der Kunst gehört zu den schwierigsten Begriffen der Rechtswissenschaft überhaupt (so der Staatsrechtler Günter Dürig) und ähnelt Begriffen wie der Menschenwürde und dem Gewissen in ihrer Komplexität. Dennoch darf sich das Recht nicht um eine Kunstdefinition drücken, soll es sich seiner Ordnungsaufgaben nicht entkleiden. Zudem dienen möglichst eindeutig definierte Begriffe der Rechtssicherheit, die – neben der Gerechtigkeit und der Zweckmäßigkeit des Rechts – ein hohes Gut im Rechtsstaat und im Rechtsleben darstellt. Es besteht also kein Definitionsverbot für Kunst (WITTRECK 2013: Rd. 36), und die deutschen Gerichte bis hoch zum Bundesverfassungsgericht haben sich vielfach und redlich um eine solche Definition bemüht – mit der dabei stets immanenten Gefahr, sich lächerlich zu machen (BAYER 1981: 1ff.). Kunst muss also normativ gefasst werden, was freilich dem steten Wandel unterworfen ist. Nötig sind Kriterien, um Kunst von Nichtkunst zu unterscheiden, dies ungeachtet der Tatsache, dass man heute von

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einem „offenen Kunstbegriff“ ausgeht. Kunst ist daher ein „rechtlicher Zweckbegriff“, denn die Qualitäts- und Niveaukontrolle eines Werks als Kunst (Bsp. Förderungswürdigkeit eines Werkstücks als Kunst, pornografisches Schriftstück als Kunstwerk) muss im Rechtsstaat offengelegt werden, um Transparenz und damit Kontrolle durch die Öffentlichkeit zu ermöglichen. Auch das Bundesverfassungsgericht ist nicht der unfehlbare (Kunst-)Papst. Im Mephisto-Urteil von 1971, bis heute eine Leitentscheidung, hat es das Bundesverfassungsgericht wie folgt versucht: Der Lebensbereich ‚Kunst‘ ist durch die vom Wesen der Kunst geprägten, ihr allein eigenen Strukturmerkmale zu bestimmen. Von ihnen hat die Auslegung des Kunstbegriffs der Verfassung auszugehen. Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und .XQVWYHUVWDQG]XVDPPHQHVLVWSULPlUQLFKW0LWWHLOXQJVRQGHUQ$XVGUXFNXQG zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers. (BVerfGE 30/173: 188f.)

Ergänzt wird dieser materielle Kunstbegriff durch formale Kriterien als Hilfskriterien (Verwendung künstlerischer Methoden u. dgl.) und durch das zusätzliche Kriterium der Interpretationsoffenheit, die gerade das Kunstwerk im Gegensatz zur festgelegten Meinungsaussage auszeichnet. Elemente des verfassungsrechtlichen Kunstbegriffs sind daher: •

• •





Das Menschlich-Schöpferische: Es geht nicht um die vordergründige Wahrheit oder Richtigkeit (obwohl es in der Kunst ja auch um Wahrheit geht), sondern um die Verkörperung einer Idee. Diese kann gelungen, aber auch missglückt sein, der Staat darf weder Geschmacks- noch Qualitätsrichter sein. Das Kunstwerk kann auf Dauer angelegt oder auch nur zeitgebunden sein. Es geht in Art. 5 GG nicht allein um die reine Kunst (l’art pour l’art), sondern auch um das Bewirken, die Motive und Inhalte von Kunst. Wichtig sind auch Stil- und Ausdrucksmittel, die Form hat dabei aber dienende Funktion, wichtig sind Deutungsoffenheit und Vielfalt (die Frage der Trivialkunst). Nötig ist auch ein transzendierender Sinn (sonst ist es nur Kunstgewerbe und Werbemanier – wenngleich auch diese Kunst sein kann). Kunst ist ein kommunikativer Prozess, bei dem im Unterschied zur Meinungsfreiheit das Ästhetische überwiegt.

KULTURSTAAT UND KULTURPOLITIK





Weitere Hilfskriterien können in eingeschränkter Form auch das Selbstverständnis des Künstlers sein (Joseph Beuys: alle sind Künstler), die Anerkennung durch Rezensenten und Kritiker sowie der Kunstszene. Das Kunstwerk ist offen für den Wandel der Kunstanschauungen (Bsp. Fotografie, Comics).

Der Schutzumfang des Kunstfreiheitsgrundrechts umfasst sowohl den sog. Werkbereich: überkommene Kunstformen wie auch Neues, etwa die Kunstperformance, und bezieht auch politische und engagierte Kunst (Happening) mit ein, auch anstößige und provokative Kunst, Karikatur, Satire. Hier besteht aber eine Grenze, welche durch die Menschenwürde gesetzt ist, und die der Kunstfreiheit rechtliche Schranken setzt. Geschützt ist weiter der sog. Wirkbereich, also das Ausstellen von Kunst in der Öffentlichkeit bis zum Kunsthandel (der Künstler will ja leben) und der Kunstveranstaltung sowie alle Verbreitungsformen von Kunst, um an die Öffentlichkeit zu gelangen (Galerien, Kunstmessen, Veranstaltungen). Deshalb sind auch die Verbreiter von Kunst vom Schutzbereich umfasst, etwa die ausübenden Künstler selbst als Propagandisten ihrer Werke, aber auch die Agenturen die Galeristen, Verleger, der Kunsthandel bis hin zum Straßenverkäufer. Beispiel ist der Verkäufer von T-Shirts mit einem satirischen aufdruck. Nicht dagegen umfasst sind das Publikum, der Kunstkritiker (hier gibt es andere Grundrechtsbereiche), auch nicht die Reaktion auf Kunst, ihr Erfolg oder ihr Konsum. Es gibt also keine Grundrechtspflicht zum Kunstgenuss (an sich schade: Warum steht etwa in vielen Landesverfassungen die Sportförderung, aber nicht z. B. die Leseförderung?). Allerdings hat sich ein Münchener Kollege erfolgreich einen Platz in der Bayerischen Staatsoper eingeklagt. Die Kunstfreiheit ist in erster Linie ein Abwehrrecht und richtet sich gegen alle Träger öffentlicher Gewalt, nicht an Private. An diese wendet sie sich nur mittelbar. Abwehr bedeutet Abwehr gegen Zensur, gegen Sanktionen aller Art, gegen diskriminierende Nichtförderung wie Förderung, gegen Verbote und gegen staatliches Kunstrichtertum in Gestalt einer staatlichen Stil- und Niveaukontrolle. Allerdings gibt es auch Schranken der Kunstfreiheit, obgleich der Wortlaut der Grundrechtsnorm keine Schranken enthält. Man spricht deshalb von sog. „immanenten Schranken“: Dies sind Schranken, die sich aus den hohen Verfassungsgütern selbst ergeben. Dazu gehören vor allem der öffentliche Friede, d. h. die Achtung vor der allgemeinen Rechtsordnung, die Völkerverständigung und Kriegsverhütung, die Men-

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schenwürde, das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Ehrenschutz), der Schutz Minderjähriger, das Elternrecht und auch der Eigentumsschutz etwa in Gestalt des Urheberrechts. Stehen der Kunstfreiheit des einen Grundrechte anderer gegenüber, so sind die dabei entstehenden Konflikte im Sinne der sog. praktischen Konkordanz aufzulösen: d. h., dass dem Kunstfreiheitsgrundrecht, auch wenn ihm Grundrechte anderer Schranken setzen, soweit wie möglich gerecht zu werden ist (sog. Optimierungsgebot), und dass der Wesensgehalt des Grundrechts der Kunstfreiheit nicht angetastet werden darf, Kunst also grundsätzlich möglich sein muss. Das klingt reichlich abstrakt, funktioniert aber in der juristischen Praxis ganz gut. Und im Unterricht und Staatsexamen werden durchaus auch Klausuren zur Kunstfreiheit gestellt. Hierzu nur Stichworte: Vorrang haben stets Leib und Leben anderer Menschen sowie der Kinderschutz. Auch im Ehrenschutz muss die Kunstfreiheit weichen, da die persönliche Ehre als Teil der Menschenwürde gilt. Probleme bereiten hier Karikatur und Satire: Diese dürfen nicht Charakterverletzungen hervorrufen, wobei hier das Privatleben der Karikierten stärker geschützt ist als das Wirken in der gIIHQWOLFKNHLW9RUUDQJKDWDXFKGHU6FKXW]GHU-XJHQGXPVWULWWHQLVW der Schutz staatlicher Symbole, hier lassen die Gerichte auch satirische Verzerrungen zu. Beim Eigentumsschutz ist abzuwägen (Sprayer von Zürich), ebenso beim Urheberrecht (Zitate, Stilmittel), bei Plastik und Architektur gibt es einen Umgebungsschutz, beim Urheberrecht ist aber für Fotoaufnahmen von Bauwerken der sog. Panoramablick erlaubt. Straßenkunst ist mit den Belangen des Verkehrs abzuwägen, wobei sog. Spontankunst hier privilegiert ist (sog. Happening). Für Juristen ist die Kunst ein delikates und interessantes Feld, dies gilt besonders für das (Kunst-)Urheberrecht, das zum Zivilrecht gehört.

5.

Kulturpolitik

Der Verfasser hat im Evangelischen Staatslexikon versucht, Kulturpolitik von der Rechtswissenschaft her zu definieren (KILIAN 2006: 1367): Sie bedeutet danach ein „Übereinkunfts- und Sammelbegriff für bestimmte, zum Staat in einer Sonderbeziehung stehende geistig-schöpferische Betätigungsfelder.“ Sie ist ein „Teil der Politik, der in die Bereiche der Kultur mittelbar oder unmittelbar mitgestaltend einwirkt“, sei dies rechtlicher, organisatorischer oder finanzieller Art (GAUFRANK 1990). Als staatliches Handeln bleibt auch die Kulturpolitik (s. bereits

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oben) gebunden an die Verfassungsordnung in Bund und Ländern. Dies geschieht in Gestalt einer Kulturverfassungsordnung mit ihrem Grundrechtsschutz und mit der Förderaufgabe des Staates, die ihrerseits wiederum eingebunden ist in die Prinzipien der Pluralitätssicherung und der staatlichen Neutralität bzw. Nichtidentifikation. Die Staatsrechtswissenschaft unterscheidet vier Formen der Kulturpolitik (GRIMM 1984: 46, 58ff.): die Trennung von Kultur und Staat (dualistische Theorie), die Förderung der Kultur zu Zwecken außerhalb der Kultur (utilitaristische Theorie), die politische Staatskultur (dirigistische Kulturtheorie) und die Förderung der Kultur um ihrer selbst willen (kulturstaatliche Theorie). Die Bundesrepublik Deutschland sucht einen Mittelweg in der Kulturpolitik dadurch, dass sie ein staatlich gewährleistetes Prinzip pluralistischer kultureller Trägerschaft aller an der Kultur beteiligten staatlichen wie gesellschaftlichen Kräfte anstrebt: Der Kulturstaat als „Staat mit der Verantwortung und mit Aufgaben im Bereich der Kultur“, so der Staatsrechtler Udo Steiner. Die Schutz- und Förderaufgabe der Kulturpolitik zielt aber nicht auf die Förderung der Kultur schlechthin ab, sondern auf den Schutz und die Förderung der Freiheit der Kultur: Kultur als Entfaltungsrahmen für die Menschenwürde des Einzelnen, wie eine neuere Richtung in der Staatsrechtslehre betont. Das Bundesverfassungsgericht umschreibt die staatliche Kulturpolitik wie folgt: Der Gleichheitssatz in Verbindung mit der Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 III GG verpflichtet den Staat nicht, jede wirtschaftliche Förderungsmaßnahme oder jede steuerliche Begünstigung allen Bereichen künstlerischen Schaffens (hier ging es um einen vergünstigten Mehrwertsteuersatz für Schallplatten) gleichermaßen zugute kommen zu lassen. Er darf vielmehr eine sachgerechte Auswahl der einzelnen Medien und anderen Träger des Kulturlebens treffen, wobei für die Beurteilung der Förderungsbedürftigkeit auch wirtschaftliche und finanzpolitische Gesichtspunkte berücksichtigt werden können. (BVerfGE 36/321: 330ff.)

Den Auftrag, Kulturpolitik zu betreiben, teilen sich Bund, Länder und Gemeinden. Dann haben auch ausgegliederte staatliche Einrichtungen besondere kulturelle Aufgaben: so die vom Staat unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit ihrem besonderen Kulturauftrag, oder privatrechtlich organisierte, aber vom Staat getragene Institutionen wie etwa vom Staat finanzierte Stiftungen (die Stiftung Weimarer Klassik, die Villa Massimo oder die Landeskunststiftungen, VR LQ 6DFKVHQ$QKDOW EGER 2012: 26) oder das Goethe-Institut. Und

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schließlich tragen weitere verselbständigte staatliche Einrichtungen zu diesem Auftrag bei, so etwa die Ostdeutsche Sparkassenstiftung.16 Maßgeblich Aufgabe des modernen Staates ist die Daseinsvorsorge, also die Gewährleistung einer Infrastruktur, welche die Existenz des Menschen absichert. Hierzu zählt auch die kulturelle Daseinsvorsorge, denn der Mensch lebt bekanntlich nicht von Brot allein – aber wie viel und für wie viele öffentliche Mittel? Dies ist die Aufgabe der Kulturpolitik: staatliche Planung: man hat zu wählen zwischen staatlicher Kulturplanung oder Kultur als Marktereignis – oder einer möglichst ausgewogenen Mischung von beiden? Wir leben im Zeitalter des städteplanerischen Rückbaus, des demografischen und finanziellen Niedergangs, der Staatsverschlankung und der Privatisierung von Staatsaufgaben. Der Staat und seine Kommunen finden sich in ihren Kulturaufgaben überfordert und überlastet und tendieren dazu, das, was irgend geht, auf das Mäzenatentum der Gesellschaft (BÜRGERSCHAFTLICHES ENGAGEMENT  GAUGER/ RÜTHER 2006) und vor allem auf das wirtschaftliche Sponsorentum abzuwälzen. Ich las kürzlich das Buch von Ralph Bollmann Walküre in Detmold mit der Opernreise durch die überaus reichhaltige, in der Welt einmalige deutsche Kulturlandschaft der Provinz: Überall ist von Einsparungen, Kürzungen, Fusionen, Streichungen, Schließungen die Rede, kaum etwas über vollständige Erhaltung des Status quo oder gar über Ausbau der Kultur. Erst vor kurzem wurde eine ‚Rote Liste‘ als Warnliste von der Schließung bedrohter kultureller Einrichtungen aufgestellt.17 Öffentliche Armut: zu der Zeit kultureller Hochblüte in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert waren Deutschland (und Österreich) sehr arme Länder mit armen Provinzen, noch vor der industriellen Revolution stehend. Und dennoch waren es ungeachtet der öffentlichen Armut, man denke an die kleinen Länder Sachsen-Weimar und Anhalt, echte Kulturlandschaften. Dieser Reichtum gilt heute als eine Last – es sei denn, Kultur dient der Repräsentation, dem (Kultur-) Tourismus18 oder dem Marketing großer Unternehmen. Kultur und

16 S. Ostdeutsche Sparkassenstiftung Kultur 2011 und die Broschüren der vergangenen Jahre. 17 S. Pressenotiz: [Deutscher] Kulturrat startet ‚Rote Liste Kultur‘ (Mitteldt. Ztg., 04.07.2012: 30). Erst vor kurzem wurde von der überschuldeten Stadt Halle das Kinder- und Jugendtheater Thalia-Theater geschlossen. 18 Bsp. Bundesland Hessen, Hessen-Agentur: „Wir bieten die schönsten KulTour-Reisen“ (Februar 2012).

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Kunst gelten heute als zweitschönste Nebensache der Welt – nach dem Sport, insbesondere dem Fußball. Um die staatliche und kommunale Kulturinfrastruktur zu sichern, wenden Bund und Länder immer noch erhebliche Haushaltsmittel auf, diese stehen aber unter stetem Rechtfertigungszwang und steigen in der Tendenz schon lange nicht mehr an. Für die Bürgerinnen und Bürger der ‚örtlichen Gemeinschaft‘, wie das Grundgesetz die Gemeinden umschreibt, bleiben diese die maßgeblichen Träger der Kultur, der Hochkultur wie der Kulturvermittlung im Alltag in Museen, Schulen, Stadtteilbüchereien, Galerien, Theatern, Volkshochschulkursen und Laienspielgruppen. Allerdings sind die Gemeinden seit geraumer Zeit durch die Fülle der – vor allem sozialen – Aufgaben überfordert, die man auf sie abgewälzt hat und die sie in zum Teil hoffungslose Überschuldung getrieben hat. Hatten die Gemeinden früher eine sog. freie Spitze von 10-12 % ihres Etats, die maßgeblich der Kulturförderung diente, so sind es heute mit Mühe um die 1-2 %. Endlose Ketten von Schließungen und Entlassungen sind die Folge. Immerhin ist hier Sachsen mit seinem Kulturraumgesetz vorbildlich in dem Versuch, die sächsischen Kulturlandschaften auch in der Fläche abzusichern.19 Bayern und Baden-Württemberg lassen der örtlichen Wirtschaft als Kultursponsoren freie Hand. Die neuen Länder stehen mit leeren Händen da oder sind auf Bundeshilfe angewiesen. In SachsenAnhalt z. B. gibt es einen Landeskulturrat und einen Kulturkonvent als Beratungsgremien der Landesregierung20 sowie eine Kunststiftung. Ähnlich gibt es in Österreich ein Kulturfördergesetz. Aber alles unterliegt VWHWV GHP +DXVKDOWVYRUEHKDOW .XOWXU LVW DXFK NHLQ :DKONDPSIWKHPD Und wo kein Geld (mehr) da ist, hilft auch der beste Wille nichts. Man versucht, durch Änderungen des Stiftungsrechts (Förderung von Bürgerstiftungen) und des Steuerrechts die Gesellschaft wieder in ihre alte Rolle als Förderin der Künste einzusetzen, wie es bis 1914 der Fall gewesen war. Ob dies gelingen kann ist eine offene Frage. Immerhin gibt es heute zahlreiche freie und kommunale Bürgerstiftungen, die sich kultureller und denkmalschützerischer Aufgaben annehmen und so den Staat entlasten. Und man macht sich immerhin die Mühe, eine Bestandsaufnahme des Zustands der Kultur in Deutschland zu unternehmen, wie es der Bundestag mit seiner Enquete-Kommission im Jahre 2007 getan hat. 19 Gesetz über die Kulturräume in Sachsen – SächsKRG – vom 20.01.1994, SächsGVBl. 1994, S. 1016. Es gibt danach acht Kulturräume und drei Kulturstädte. 20 Beide sollen zusammengelegt werden.

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Ergebnis war ein 560 Seiten starker Abschlußbericht, der im Internet herunterzuladen ist (BTgs-Drs. 15/5560). Immer wenn ein Zustand prekär wird, setzt man eine solche Kommission ein, die dann umfangreiche Berichte erarbeitet, so war es 2003 auch mit der Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements (sprich: des Ehrenamts) der Fall gewesen. Es passiert dann eher wenig, seit 2008 kam die Finanzkrise dazwischen.

6.

Perspektiven

Oberste Maxime im Verfassungsstaat muss die Freiheit der Kunst und die Bewahrung der Vielfalt der Kultur sein – man sagt auch: deren Pluralismus. Beides gilt es zu erhalten gegenüber den größten Bedrohungen, denen sich beide derzeit gegenübersehen: der Kommerzialisierung und Ökonomisierung allen Lebens, und der materiellen Aufzehrung des Staates in der derzeitigen Finanz- und Schuldenkrise.21 Freiheit vom Staat wie von privaten kommerziellen Interessen, es sei denn, staatliches wie privates Mäzenatentum dienen gerade dazu, die Unabhängigkeit von Kunst und Kultur zu sichern. Denn eine – allerdings nicht die einzige – Aufgabe der Kunst und der Kultur ist es, das Bestehende in Frage zu stellen und die Möglichkeiten des Menschen auszumessen.

7.

Fazit

Zum Schluss soll das komplexe System in knappen Sätzen umrissen werden: Im modernen Kulturstaat des Grundgesetzes ist •

• •

der Staat nicht mehr der maßgebliche Steuermann und Schirmherr der Kunst und der Kultur. Auch seine Rolle als Träger vieler Kultureinrichtungen wankt in der Finanz- und Schuldenkrise, er ist daher zunehmend auf gesellschaftliche Kräfte, Privatwirtschaft und %UJHUVFKDIWDQJHZLHVHQ seine Rolle ist fördernd und – in Maßen – schützend und RahmenEHGLQJXQJHQVHW]HQG selbst diese eingeschränkte Rolle ist von ihm offen und pluralistisch DXV]XIOOHQ

21 Man könnte noch die Bedrohung des Individuums durch die technischen Überwachungsmöglichkeiten hinzufügen.

KULTURSTAAT UND KULTURPOLITIK







nur sehr punktuell betreibt er selbst unmittelbar oder mittelbar Kulturpolitik, so in der Auswärtigen Kulturpolitik, im Denkmalschutz, GXUFK6WLIWXQJVJUQGXQJHQXQGDOV0l]HQ grundsätzlich hat er neutral zu bleiben, er identifiziert sich nicht mit einer Kunstströmung oder einer Kunstform. Auszugehen ist damit auch weiterhin von einer Trennung von Staat und Gesellschaft, wobei .XQVWXQG.XOWXUGHU6SKlUHGHU*HVHOOVFKDIW]XJHZLHVHQVLQG Die Werteordnung der Verfassung stellt in Form einer „Zivilreligion“ ein für alle verbindliches Minimum bereit und gewährleistet so den Pluralismus der freien Lebens- und Kunstentwürfe. Damit soll Kultur nicht als schönste Nebensache der Welt marginalisiert werden, sondern bietet die Chance, zur einzig möglichen Rechtfertigung des Daseins zu werden.

Es ist ein weiter Weg vom Weimarer Staat Goethes und Schillers bis zum modernen Kulturstaat. Dieser „schöne Staat“ bleibt auch weiter unsere eigene Aufgabe als Bürgerinnen und Bürger. Der Verf. möchte deshalb mit Friedrich Schiller schließen, so wie er mit ihm begonnen hat: Mitten in dem furchtbaren Reich der Kräfte und mitten in dem heiligen Reich der Gesetze baut der ästhetische Bildungstrieb an einem dritten, fröhlichen Reiche des Spiels und des Scheins, worin der Mensch die Fesseln aller Verhältnisse abnimmt und sie von allem, was Zwang heißt, sowohl im physischen als im Moralischen entbindet. […] Wenn in dem dynamischen Staat der Rechte der Mensch dem Menschen als Kraft begegnet und sein Wirken beschränkt – wenn er sich ihm in dem ethischen Staat der Pflichten mit der Majestät des Gesetzes entgegenstellt und seinem Wollen fesselt, so darf er ihm im Kreise des schönen Umgangs, in dem ästhetischen Staat, nur als Gestalt erscheinen, nur als Objekt des freien Spiels gegenüberstehen. Freiheit zu geben durch Freiheit ist das Grundgesetz dieses Reiches (SCHILLER 1962b: 643).

Dies ist, wie anhand der Grundrechtsdogmatik gezeigt, bereits sehr modern gesehen. Schiller führt an anderer Stelle, ebenfalls hochaktuell, folgendes aus: Der Lauf der Begebenheiten hat dem Genius der Zeit eine Richtung gegeben, die ihn je mehr und mehr von der Kunst des Ideals zu entfernen droht. Diese muß die Wirklichkeit verlassen und sich mit anständiger Kühnheit über das Bedürfnis HUKHEHQGHQQGLH.XQVWLVWHLQH7RFKWHUGHU)UHLKHLWXQGYRQGHU1RWZHQGLJNHLW der Geister, nicht von der Notdurft der Materie will sie ihre Vorschrift empfangen. Jetzt aber herrscht das Bedürfnis und beugt die gesunkene Menschheit unter sein tyrannisches Joch. Der Nutzen ist das große Idol der Zeit, dem alle Kräfte fronen und alle Talente huldigen sollen. Auf dieser groben Waage hat das geistige Verdienst der Kunst kein Gewicht, und aller Aufmunterung beraubt verschwinden sie von dem lärmenden Markt des Jahrhunderts (SCHILLER 1962b: 572).

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Damit wäre man aus dem 18. Jahrhundert unmittelbar in der eher betrüblichen Gegenwart angelangt: nur die Kunst kann die Welt vor der „Verzifferung“ (Ernst Jünger) retten.

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Auswahlverfahren in der Kunstförderung in Deutschland Ein Beitrag zur prinzipiengeleiteten Gestaltung und zur Verfahrensgerechtigkeit ECKHARD BRAUN

1. Einleitung Öffentliche Kunstförderung ist Teil des staatlichen1 Auftrags zur Kulturförderung, so wie er sich als Handlungskompetenz für Bund, Länder und Kommunen aus dem Grundgesetz und den einzelnen Verfassungen der Bundesländer ergibt. Doch regelt dieser Auftrag nicht, wie die öffentliche Hand und ihre Akteure die zu fördernde Kunst auswählen. Bisweilen taucht die Frage auf, ob Kunst – zu Förderzwecken – staatlicherseits überhaupt beurteilt werden darf und wenn ja, wer genau künstlerischästhetische oder ethische Geschmacks- und Werturteile trifft. Dürfen dies gewählte Politiker z. B. Mitglieder eines Kulturausschusses, tun oder Verwaltungskräfte eines Kulturamtes, Künstleragenturen, Vertreter von Künstlerverbänden oder die Künstler selbst, vielleicht Experten aus den jeweiligen Kunstwissenschaften? Kurz: Wer ist in der Lage, in einer der Sache der Kunst und der Kunstfreiheit gerecht werdenden Weise zu entscheiden, was und in welchem Maße gefördert wird, was qualitativ hochwertig ist, aber auch welche zu fördernde Kunst dem Gemeinwohl dienlich ist? Dem schließen sich Fragen an, in welchen Verfahren Auswahlentscheidungen getroffen werden und wer dafür verantwortlich ist, wer sie festlegt und wer sie kontrolliert. Da es für dieses Betätigungsfeld des Leistungsstaates derzeit kaum gesetzliche Regelungen gibt,2 ist man auf grundsätzliche Handlungs-

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Der Begriff des Staatlichen umfasst hier aus Gründen der Verständlichkeit und des 7H[WÀXVVHVVWHWVDOOH(EHQHQGHVGHXWVFKHQ6WDDWHVYRQGHQ.RPPXQHQDQJHIDQJHQ über die Bundesländer bis hin zum Bund. Das bislang einzige Kulturfördergesetz in Deutschland ist das am 01.08.1994 in Kraft getretene Sächsische Kulturraumgesetz (SächsKRG), das Regelungen zur Auswahlkompetenz (Kulturraum als Zweckverband mit Kulturkonvent, Kulturbeirat) und zum Auswahlverfahren bei Förderanträgen enthält. Die nordrhein-westfälische Landesregierung plant derzeit ein Kulturfördergesetz, das kulturpolitische Forderungen im Sinne der Versorgungsgerechtigkeit, der kulturellen Teilhabe, der Förderung kultureller ,GHQWLWlW XQG GHU 6LFKHUVWHOOXQJ NRPPXQDOHU .XOWXU¿QDQ]LHUXQJ IHVWVFKUHLEHQ VROO

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anweisungen, Maßstäbe und Prinzipen angewiesen, die sich aus dem Recht auf Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG – zu ihrem Schutz und zu ihrer Förderung – ableiten lassen oder mindestens verfassungskonform sind. Danach gilt es die der Kunst immanenten Erscheinungsformen, nämlich ihre Autonomie und Pluralität, zu achten. Aus der Autonomieachtung leitet sich das Sachlichkeits- und das Fachlichkeitsgebot, im Umkehrschluss das Willkürverbot allen staatlichen Handelns gegenüber der Kunst ab. Öffentliches Handeln muss sich gleichzeitig am Gemeinwohl orientieren und dabei subsidiär sein. Weiterhin sind demokratische und freiheitsrechtliche Standards in der Organisation der Kulturverwaltung, in Verfahren der kulturpolitischen Planung und der künstlerischen Auswahl einzuhalten. Alle diese handlungsleitenden Mindestanforderungen können unter dem Oberbegriff der staatlichen Neutralität gegenüber dem Lebensbereich der Kunst zusammengefasst werden. Die auf diesen Maßstäben aufbauende neutrale Grundeinstellung des Staates3 ist aber keine negativ-distanzierte, desinteressierte, nur passiv-tolerante, sondern eine aktive, der Kunst ]XJHZDQGW VLH SRVLWLY I|UGHUQGH GHQQRFK GUIHQ ZHGHU SROLWLVFKH Kräfte noch staatliche Organe Einfluss auf Inhalte der Kunst nehmen, Stile oder Richtungen vorgeben oder gar als Staatskunst deklarieren. 4 Prinzipiengeleitete Auswahlverfahren dienen dem Ziel, FreiheitsVLFKHUXQJ XQG 9HUWHLOXQJVJHUHFKWLJNHLW ]X JHZlKUOHLVWHQ VLH YHUODQ gen nach einer planvollen, strukturierten und konzeptgestützten Kulturarbeit. Sachgerechte, transparente, objektive und neutrale Verfahren sichern und legitimieren Planung und Auswahl kunstfördernder Maßnahmen und Projekte.5 Die Prinzipien öffentlicher Kunstförderung strahlen in alle Bereiche der Kulturförderung aus. Für den Verwalter wie für den Manager im Bereich der Kulturförderung sind sie hilfreich und handlungsleitend.

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und alle die Regionen des Landes umfassende Kulturleit- bzw. -förderplanung und regelmäßige Evaluierung vorsieht. Man kann auch vom Prinzip der Staatsferne oder wie in angelsächsischen Ländern vom „arms length principle“ sprechen. Schlaich (1972: 24, 220ff., 244) meint, dass sich die Ambivalenzen steigern ließen bis hin zur Negation eines „keiner von beiden“ gegenüber der Positivierung im „jeder von beiden.“ +LHU]X+|ÀLQJ II PLWHLQHUhEHUVLFKW]XGHQ)|UGHUXQG9HUIDKUHQVPRdellen nach Graul (1970) und weiteren Literaturnachweisen. Zur Legitimation durch Verfahren s. Luhmann (1993).

AUSWAHLVERFAHREN IN DER KUNSTFÖRDERUNG IN DEUTSCHLAND

2. Prinzipiengeleitete Auswahlverfahren Rechtlich abgesicherte Verfahrens- und Organisationsgestaltung im Bereich öffentlicher Kunst- und Kulturförderung balancieren den Konflikt zwischen staatlicher Neutralität und künstlerisch-ästhetischen Bewertung aus. Nicht das Urteil von Politikern und Kulturverwaltungen soll über qualitative Fördermaßnahmen entscheiden, sondern das jener Mitglieder des Gemeinwesens, die über Fachkenntnisse aus dem betroffenen Lebensbereich der Kunst verfügen. Die befürchtete Fehlerhaftigkeit des qualitativen Werturteils einer öffentlichen Verwaltung kann dann verringert oder sogar aufgehoben werden, wenn man den Vorschlag Niklas Luhmanns aufgreift und den Selbstbeschreibungen des Kunstsystems folgt (LUHMANN 1995: 393ff., 506). Die dieses Kunstsystem bildenden Menschen haben aus Gründen der Achtung von Autonomie und Vielfalt der Kunst bei kulturpolitischen Planungen und bei Auswahlverfahren einen Anspruch auf Mitsprache und Auswahlkompetenz. Daher ist es eine die Autonomie und Pluralität in zureichender Weise beachtende Form der Urteilsfindung in Auswahlverfahren, wenn künstlerische Wertund Geschmacksurteile auf pluralistisch besetzte Expertengremien übertragen werden, deren Urteil sich die zuständigen staatlichen Organe zu Eigen machen (GRAUL 1970: 73ff.).6 Diesem Konzept folgen heute die allermeisten rechtswissenschaftlichen und kulturpolitischen Autoren. Sie fordern, dass Auswahlentscheidungen im Bereich öffentlicher Kunst- und Kulturförderung: (a) aufgrund kulturpolitischer Pläne sowie verbindlicher Organisations- und Verfahrensregeln getroffen werden (gemeinwohlorientiert und nach demokratischen Standards), (b) dass sie fachlich begründet werden, indem in den Auswahlprozessen Vertreter des Lebensbereichs der Kunst aus den verschiedenen Kunstbereichen und -szenen integriert werden (autonome und pluralistische Komponente), (c) dass – wo immer dies möglich ist – Kompetenzen der Förderung auf unabhängige

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Die Vorschläge von Graul greifen Rechtswissenschaftler auf und formulieren sie weiter DXV 6&+5(