Körperbilder der Macht in Europa: 1300–1800: Beiträge zu einer Ikonographie des Politischen in Aktion 9783422800878, 9783422987678

The visualization of power takes place until today quite significantly via visualizations of the body. Expressed pointed

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German Pages 456 Year 2022

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Table of contents :
Inhalt
In Aktion: Körperbilder der Macht
a. Auf die Welt kommen / Kind sein
b. Anschauen und Wegschauen
c. Stehen und Schreiten
d. Sitzen und Liegen
e. Zuhören, Sprechen, Schweigen
f. Lieben
g. Essen und Trinken
h. Handwerkliches und künstlerisches Produzieren
i. Lernen
j. Jagen
k. Kämpfen
l. Beten und Büßen
m. Kranksein und Leiden
n. Lachen und Weinen
o. Musizieren und Tanzen
p. Mutter sein
q. Vater sein
r. Reiten
s. Fahren
t. Zuschauen (Theater und Kunst)
u. Schön und Hässlich sein
v. Steuern
w. Sport und Wettkampf
x. Hybride, artifizielle Körper
y. Ausdruckslosigkeit
z. Altern, Sterben und Totsein
Bildnachweis
Personenregister
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Körperbilder der Macht in Europa: 1300–1800: Beiträge zu einer Ikonographie des Politischen in Aktion
 9783422800878, 9783422987678

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KÖRPERBILDER DER MACHT: 1300–1800





KÖRPERBILDER DER MACHT: 1300 – 1800 Beiträge zu einer Ikonographie des Politischen in Aktion Herausgegeben von Jörge Bellin und Ulrich Pfisterer



ISBN 978-3-422-98767-8 e-ISBN (PDF) 978-3-422-80087-8 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet ­diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Skokloster-Hand. Rechte Kunsthand (Eiserne Hand), 16./17. Jahrhundert. Schloss Skokloster, Inv.-Nr. 12286. Creative Commons: Skokloster Castle / Jens Mohr / CC BY-SA 3.0 Satz: Rüdiger Kern, Berlin Druck und Bindung: Elbe Druckerei Wittenberg GmbH www.degruyter.com

Inhalt Jörge Bellin/Ulrich Pfisterer

In Aktion: Körperbilder der Macht . . . . . . . .

9

Jörge Bellin

a. Auf die Welt kommen / Kind sein . . . . . . . . 17 Matthias Müller

b. Anschauen und Wegschauen . . . . . . . . .

41

Nadja Horsch

c. Stehen und Schreiten . . . . . . . . . . . . 58 Ilaria Hoppe

d. Sitzen und Liegen . . . . . . . . . . . . . 72 María Ángeles Martín Romera/Hannes Ziegler

e. Zuhören, Sprechen, Schweigen . . . . . . . . Ulrich Pfisterer

f. Lieben . . . . . . . . . . . . . . . . .

84 98

Molly Taylor-Poleskey

g. Essen und Trinken . . . . . . . . . . . . . 123 Christina Posselt-Kuhli

h. Handwerkliches und künstlerisches Produzieren . . 137 Rahul Kulka

i. Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . .

148

5



Julia Saviello

j. Jagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Friedrich Polleroß

k. Kämpfen . . . . . . . . . . . . . . . .

176

Anna Lena Frank

l. Beten und Büßen . . . . . . . . . . . . . . 191 Bernhard Seidler

m. Kranksein und Leiden . . . . . . . . . . .

214

Jörge Bellin

n. Lachen und Weinen . . . . . . . . . . . . . 239 Marlen Schneider

o. Musizieren und Tanzen . . . . . . . . . . . Dagmar Probst

p. Mutter sein . . . . . . . . . . . . . . .

263 277

Andreas Plackinger

q. Vater sein . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Maurice Saß

r. Reiten . . . . . . . . . . . . . . . . . Anna Pawlak

s. Fahren . . . . . . . . . . . . . . . . . Claudia Olk

t. Zuschauen (Theater und Kunst) . . . . . . . . Ariane Koller

306 323 340

u. Schön und Hässlich sein . . . . . . . . . . . 354

6



Pablo Schneider

v. Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Romana Sammern

w. Sport und Wettkampf . . . . . . . . . . . . 389 Marisa Mandabach

x. Hybride, artifizielle Körper . . . . . . . . . . 401 Etienne Jollet

y. Ausdruckslosigkeit . . . . . . . . . . . . . 419 Birgit Ulrike Münch

z. Altern, Sterben und Totsein . . . . . . . . . . 431

Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Personenregister . . . . . . . . . . . . . .

451

7

8

Jörge Bellin/Ulrich Pfisterer

In Aktion: Körperbilder der Macht

Vom 4. bis zum 6. Januar 1378 fand ein bedeutender, ausnehmend gut dokumentierter ‚Staatsbesuch‘ in Paris statt: Der 62-jährige römisch-deutsche Kaiser Karl IV . hatte trotz seiner Gichtleiden die beschwerliche Reise von Prag auf sich genommen, um seinen französischen Neffen Karl V., König von Frankreich, zu sehen.1 Neben einem in der modernen Edition der Grandes Chroniques de France nahezu 90 Seiten umfassenden Bericht und 18 zugehörigen Miniaturen in einem persönlichen Exemplar Karls V.2 hat sich auch ein zeitgenössisches Memorandum erhalten, das die Zeit von der Begrüßung des Kaisers bis zum Festessen am dritten Tage umfasst.3 Der Ablauf der Ereignisse lässt sich nach den vorhandenen Quellen wie folgt zusammenfassen: Zunächst besucht der Kaiser die Messe in Saint-Denis, wo er betet und die dort aufbewahrten Reliquien verehrt. Danach erwartet er auf einer Liege die Ankunft von 2000 uniform und prächtig gekleideten Bürgern der Stadt Paris, gefolgt von

Abb. 1: Einzug Karls V., Karls IV. und Wenzels von Böhmen in Paris (Detail), aus: Grandes Chroniques de France (Paris, Bibliothèque nationale de France, Ms. fr. 2813, fol. 470v).

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Jörge Bellin/Ulrich Pfisterer

Abb. 2: Das große Festessen, aus: Grandes Chroniques de France (Bibliothèque nationale de France, Ms. fr. 2813, fol. 473v).

120 Offizieren. Mit diesem Empfangskommittee und zusammen mit den Herzögen von Burgund, Berry, Bourbon und Bar bricht der Kaiser zu Pferd auf. Die Entourage geleitet ihn nach La Chapelle und reiht sich dann nach Verlassen des Ortes auf dem Feld in Schlachtordnung auf. Der Kaiser, nun auf einem anderen Pferd reitend, wird erneut von den Prinzen von Geblüt zwischen La Chapelle und Paris empfangen. Nach der Begrüßung, während derer sowohl die Prinzen wie auch der Kaiser den Hut ziehen, halten sie gemeinsam in Paris Einzug, wo Charles du Poitiers und Bureau de la Rivière den Kaiser am Zügel bis zum Louvre-Palast geleiten. Dort trifft dieser auf den ebenfalls von zwei Hochadligen geleiteten Karl V., um mit großem Gefolge in den Palast einzuziehen (Abb. 1). Die Soldaten des Königs mit großen Schilden in der Hand folgen zu Fuß, „damit das Volk  Kaiser und König sehen kann“. An diesem Abend diniert Karl V. ohne den Kaiser, der sich wegen seiner Gichtschmerzen zurückzieht. Am nächsten, dem Epiphanias-Tag, wohnen beide Monarchen der Messe in der Sainte-Chapelle bei. Als Teil der liturgischen Handlung wird die Überreichung der Geschenke der Heiligen Drei Könige szenisch dargeboten, es folgt ein weiteres prachtvolles Festessen, an dem nun auch der Kaiser teilnimmt. Nach drei opulenten Gängen, die genau dokumentiert sind, schauen sich die Anwesenden schließlich eine Aufführung an, die von Gottfried von Bouillon und der Eroberung Jerusalems handelt, und deren aufwendige Inszenierung – unter anderem mit einem mehr als mannshohen Schiff – eine Miniatur der Grandes Chroniques festhält (Abb. 2). 10

In Aktion: Körperbilder der Macht

Abb. 3: Kaiser Karl IV. besucht die Königin Jeanne de Bourbon, aus: Grandes Chroniques de France (Bibliothèque nationale de France, Ms. fr. 2813, fol. 477r).

Die folgenden zwei Wochen sind zwar nicht mehr ganz so dicht durchorganisiert, warten aber gleichwohl mit zahlreichen weiteren repräsentativen Ereignissen auf: darunter eine Fahrt mit dem königlichen Schiff auf der Seine; das Anhören akademischer Lobreden an der Pariser Universität; das Besichtigen nahezu sämtlicher architektonischen Projekte, die Karl V. bauen und entwerfen lässt; ein Besuch des Wallfahrtsorts St-Maur-des-Fossés, wo Karl IV . und Wenzel die Reliquien des heiligen Maurus anbeten; und nicht zuletzt persönliche Begegnungen, die weniger die politische als vielmehr verwandtschaftliche Nähe beider Dynastien zelebrieren. Am 10. Januar etwa trifft der Kaiser die königliche Familie im Hôtel Saint-Pol, darunter Jeanne de Bourbon, Gemahlin des französischen Königs, und seine Schwägerin Isabella, Herzogin von Bourbon und Schwester der ersten Gemahlin des Kaisers, die er nach dem Bericht des Chronisten besonders herzlich und sogar mit Tränen in den Augen umarmt (Abb. 3). Diese summarische Zusammenstellung der Pariser Ereignisse des Jahres 1378 soll vor allem eines exemplarisch deutlich machen: Ein solcher ‚Staatsakt‘ wird wesentlich bestimmt von Aktionen und Interaktionen der Herrscher- und HerrscherinnenKörper: Reiten, Beten und Verehren, Fahren und Einzug halten, Essen und Trinken, (Zu-)Schauen, Kämpfen, Weinen und Berühren  – Tätigkeiten, die sich stets im Spannungsfeld von zeremonieller Vorgabe und tatsächlich-kontingenter Realisierung entfalten. Wobei diese Handlungen dann auch entscheidend die Texte und Bilder 11

Jörge Bellin/Ulrich Pfisterer

strukturieren, die das Geschehen im Nachhinein auf Dauer stellen, (teils) idealisieren und deuten.4 Dem folgenden Sammelband geht es genau darum: die Darstellungsformen von Herrschenden in Europa zwischen 1300 und 1800 in ihrer auf den Körper bezogenen und vom Körper bedingten Herrschaftspraxis. Es geht um Macht in actu, um die mannigfaltigen Formen einer die Herrschaft stützenden und legitimierenden, ritualisiert-zeremoniellen oder auch spontanen Aktivität des Herrscher- und Herrscherinnen-Körpers und deren mehr oder weniger exemplarische Überführung und Kodifizierung (oder eben auch bewusste Manipulation bzw. Unterdrückung) im Bild. In europäischen Gesellschaften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit steht der Herrscherkörper für die jeweilige politische Ordnung ein: Er ist ihr Garant und ihre bevorzugte Projektionsfigur. Mit diesem Körper wird die Macht des Fürsten nicht nur vorgeführt, sondern der Körper, seine Aktionen und die vielfältigen Repräsentationsformen konstituieren diese überhaupt erst – Macht bedeutet Verkörperung, Choreographien der Macht sind Aktionen der Herrscherkörper.5 Die Spannung, die zwischen der Kontingenz, Vergänglichkeit und Fragilität der natürlichen Körper der Herrschenden und ihren offiziellen ‚Herrschaftskörpern‘ entsteht, konnte seit dem 16. Jahrhundert explizit als Differenz von endlichem body natural und unsterblichem body politic thematisiert werden. Das aktuelle Interesse der Geschichtswissenschaften (aber auch der Soziologie, Politikwissenschaft, gender studies, Ethnologie usw.)6 an Zeremoniell, Ritual und der gesamten praxeologischen Dimension von Herrschaft hat die Beschäftigung mit allen Handlungen der Macht und mit fürstlichen Körpertechniken enorm intensiviert: Neben den alten Fokus auf die Mechanismen und ‚Bühnen‘ des Herrschens tritt eine Analyse der Mechanismen und Techniken der Körper der Herrschenden. Wie der Performanz-theoretische Ansatz sichtbar machen konnte, „dass jede Urkunde, jedes Gesetz, jeder Vertrag usw. in eine rituelle Umgebung eingebettet ist, ja möglicherweise überhaupt erst durch rituelle Akte seine Geltung erlangt“,7 so muss auch dem Körper in actu und dessen Überführung in machterzeugende Bilder eine entscheidende Rolle im Geflecht der dynamischen Prozesse aus Geltungsansprüchen, Ordnungsbehauptungen, spontanen Entscheidungen und Zufällen eingeräumt werden. Deutlich wird dabei zugleich, welch differenzierte Herausforderungen – etwa aufgrund von Geschlechts- oder Altersunterschieden – diese Körper und ihre Handlungen bereits für die Zeitgenossen darstellten. Die Rolle der Bilder in diesen Zusammenhängen ist nicht umfassend untersucht. Noch immer werden sie teils als bloßer ‚Spiegel der Wirklichkeit‘ illustrierend herangezogen und ihre immanenten Zusammenhänge und Dynamiken nicht ausreichend betont – ihre Nachzeitigkeit und Unabhängigkeit von den tatsächlichen Ereignissen, 12

In Aktion: Körperbilder der Macht

ihre ‚Sprachlosigkeit‘, zugleich ihre Wirkmacht, die ihnen eigenen Möglichkeiten, Zusammenhänge und Assoziationen aufzurufen, aber auch ihr Potential von vollkommener Fiktion über radikales Umdeuten bis hin zu fundamentalem Missverstehen.8 Das Anliegen der vorliegenden Publikation ist es, bildliche Darstellungen herrschaftlich repräsentativer Aktionen daraufhin zu untersuchen, wie im Kontext der spannungsvollen Mechanismen der Begründung und Stabilisierung von Macht der jeweilige Einsatz des Körpers in die eigenständige Logik, in die Beziehungs- und Aussagegefüge der Bilder transformiert wurde. Dies ist von bisherigen Publikationen, die sich mit „Körperbildern der Macht“ im weitesten Sinne befassen, noch nicht konsequent verfolgt worden: Im Unterschied zur Körpergeschichte – etwa der dreibändigen Histoire du corps9  – geht es im vorliegenden Band vorrangig um den Sonderfall der Körperlichkeit und der Körpertechniken der Herrschenden und deren bildliche Repräsentationen und Transmissionen. Es interessieren die Aktionen, nicht allein die stillgestellte „Projektionsfläche Körper“ oder die einzelnen Körperteile und ihre Metaphoriken, die vor einigen Jahren im Zentrum der Aufmerksamkeit standen.10 Freilich lassen sich kaum präzise Grenzen ziehen: ‚Abstrakte‘ Herrschaftstheorien und -metaphern konnten sich – so etwa bereits Mitte des 13. Jahrhunderts in einem Avis au Roi, im 16. Jahrhundert in der Rede vom zerstückelten Körper Roms oder dann 1651 auf dem Titelblatt zu Thomas Hobbes‘ Leviathan – der Wirkmacht visuell heraufbeschworener (Herrschafts-) Körper und ihres Handlungspotentials bedienen.11 Das Interesse an Köpertechniken ist dagegen erst punktuell auf Herrschaftspraktiken und -inszenierungen bezogen worden.12 Eine Ausnahme bilden Gesten – man könnte sagen: die Minimalbestandteile von Handlungen.13 Die politische Ikonographie hat spätestens seit den 1980er Jahren neben Dingen und (Herrschafts-)Zeichen selbstverständlich auch die Darstellung politischer Handlungen untersucht: wie der Papst den Boden küsst, wie sich Herrscher begegnen oder auch Sterben und Tod der Mächtigen.14 Aber weder hat die politische Ikonographie die praxeologischen und ‚körpertechnischen‘ Dimensionen der Macht, das Handeln im Laufe des Herrscher:innen-Lebens umfassend untersucht, noch hat sie in ihrer Tendenz, die normativ-idealen Aspekte der Darstellungen hervorzuheben, die auftretenden Ambivalenzen, die (implizite) Kritikfähigkeit und möglichen Anders- und Fehldeutungen der Bilder angemessen gewürdigt.15 Dagegen haben vor allem die verschiedenen Bereiche der gender studies in den letzten Jahren entscheidend dazu beigetragen, unterschiedliche Körperbilder der Macht in Aktion differenzierter zu analysieren.16 Im Folgenden werden für (vor allem West- und Mittel-)Europa und mit Fokus auf den Zeitraum von ca. 1300 bis 1800 diese körperbezogenen Aktivitäten herrschaftlicher Praxis und deren Umsetzung in Bilder untersucht. Die Wahl dieses 13

Jörge Bellin/Ulrich Pfisterer

chronologischen und geographischen Rahmens begründet sich aus dem Zusammentreffen zweier Faktoren: Im Hinblick auf die Herrschaftsverhältnisse markieren die Ereignisse und unmittelbaren Folgen der Französischen Revolution den ungefähren Endpunkt.17 Das Einsetzen einer neuen, naturnahen Darstellungsweise um 1300, die neue Möglichkeiten und Herausforderungen für die bildliche Repräsentation mit sich brachte, liefert einen ungefähren terminus post quem und begründet den geographischen Fokus auf die Teile Europas, in denen sich diese veränderte Bildsprache etablierte. Das ‚Durchbuchstabieren‘ in 26 Lemmata zielt dabei keineswegs auf eine wie auch immer geartete Vollständigkeit. Ganz im Gegenteil soll eher deutlich werden, dass es sich um ‚Bausteine‘ für zukünftige Forschungen handelt – sowohl was die Auswahl der Einträge als auch deren inhaltliche Schwerpunkte angeht. Gleichwohl wurde versucht, jeden Beitrag so aufzubauen, dass er möglichst die gesamte Zeitspanne, verschiedene geographische Räume und verschiedene künstlerische Medien exemplarisch einbezieht. Die vorliegende Publikation ist aus der Arbeit des kunsthistorischen Teilprojekts „Herrschernatur(en). Der ‚Fürst der Sinne‘ in der Frühen Neuzeit“ im Rahmen der Forschungsgruppe 1986 „Natur in politischen Ordnungsentwürfen: Antike– Mittelalter–Frühe Neuzeit“ an der Ludwig-Maximilians-Universität München hervorgegangen. Dies wäre ohne die großzügige Finanzierung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft nicht möglich gewesen, der unser besonderer Dank gilt.

14

In Aktion: Körperbilder der Macht

Anmerkungen 1  Vgl. zur gesamten Parisreise Karls IV. ausführlich Gerald Schwedler: Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen (= MittelalterForschungen 21), Ostfildern 2008, 297–317. 2  Chroniques des règnes de Jean II et de Charles V: les grandes chroniques de France, hg. von Roland Delachenal, Bd. 2, Paris 1910, 193–277. Zu den Bildern im Exemplar Karls (Bibliotheque nationale de France, fr. 2813) etwa Cornelia Logemann: Des Königs neue Räume. Genealogie und Zeremoniell in den „Grandes Chroniques de France“ des 14. Jahrhunderts, in: Ursula Kundert/Barbara Schmid/ Regula Schmidt (Hg.): Ausmessen–Darstellen–Inszenieren. Raumkonzepte und die Wiedergabe von Räumen in Mittelalter und früher Neuzeit, Zürich 2007, 42–71; Anne D. Hedeman: Visualizing history in medieval France, in:  Histoire de l’art 80 (2017), 25–36. 3  Heinz Thomas: Ein zeitgenössisches Memorandum zum Staatsbesuch Kaiser Karls IV. in Paris, in: Wolfgang Haubrichs/Wolfgang Laufer/Reinhard Schneider (Hg.): Zwischen Saar und Mosel. Festschrift für Hans-Walter Herrmann zum 65. Geburtstag, Saarbrücken 1995, 99–119. 4  Für wie wichtig der Besuch und dessen ‚Kodifizierung‘ gehalten wurden, zeigt eben auch der Umstand, dass der kaiserliche Besuch in Paris mit 18 Miniaturen auf 13 Blättern das am reichsten bebilderte Ereignis in den Grandes Chroniques Karls V. ist; vgl. Anne D. Hedeman: The Royal Image. Illustrations of the Grandes Chroniques de France 1274–1422, Berkeley u. a. 1991, 128 f. 5  Immer noch grundlegend Ernst H. Kantorowicz: Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, München 1990 [zuerst engl. 1957]; vgl. zu „Aktionsmacht“ als einer der „anthropologischen Grundformen von Macht“ Heinrich Popitz: Phänomene der Macht, 2. erw. Aufl. Tübingen 1992, 22–39. Zum Körper der Repräsentation, der die Macht – richtiger: die vielfältige Fiktion der Macht – überhaupt erst konstituiert Louis Marin: Das Porträt des Königs, aus dem Französischen von Heinz Jatho, Berlin 2005 [zuerst frz. 1982]. 6  Vgl. zu „Körpertechniken“ den grundlegenden Aufsatz von Marcel Maus: Les techniques du corps,

in: Journal des psychologie normale et pathologique 39 (1935), 271–293. Vgl. außerdem etwa Kornelia Hahn/Michael Meuser (Hg.): Körperrepräsentationen. Die Ordnung des Sozialen und der Körper, Konstanz 2002; Markus Schroer (Hg.): Soziologie des Körpers, Frankfurt a. M. 2005; zur ‚Bildmacht‘ siehe etwa Heike Kanter: Die Macht in Bildern– Habitus, Bildakt & ikonische Macht, in: Petra Lucht/Lisa-Marian Schmidt/René Tuma (Hg.): Visuelles Wissen und Bilder des Sozialen. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft, Wiesbaden 2013, 107–122. 7  Barbara Stollberg-Rilinger: Rituale, Frankfurt a. M./New York 2013, 39. 8  So spielen etwa für Lucas Haasis/Constantin Rieske: Historische Praxeologie. Zur Einführung, in: dies. (Hg.): Historische Praxeologie. Dimensionen vergangenen Handelns, Paderborn 2015, 7–54 oder Dagmar Feist: Diskurse – Körper – Artefakte. Historische Praxeologie in der Frühneuzeitforschung – eine Annäherung, in: dies. (Hg.): Diskurse – Körper – Artefakte. Historische Praxeologie in der Frühneuzeitforschung, Bielefeld 2015, 9–30, Bilder und die Repräsentation von Handlungen keine Rolle.  – Vgl. dagegen in verschiedenen Beiträgen Bernhard Jussen, etwa: Plädoyer für eine Ikonologie der Geschichtswissenschaft. Zur bildlichen Formierung historischen Denkens, in: Hubert Locher u. a. (Hg.): Reinhart Koselleck und die politische Ikonologie (= Transformationen des Visuellen, Schriftenreihe des Deutschen Dokumentationszentrums für Kunstgeschichte  – Bildarchiv Foto Marburg Bd. 1), München/Berlin 2013, 260–279; Dietrich Erben/Christine Tauber (Hg.): Politikstile und die Sichtbarkeit des Politischen in der Frühen Neuzeit, Passau 2016; Mariacarla Gadebusch Bondio/Beate Kellner/Ulrich Pfisterer (Hg.): Macht der Natur – gemachte Natur. Realitäten und Fiktionen des Herrscherkörpers zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit, Florenz 2019. 9 Alain Corbin u. a. (Hg.): Histoire du corps (= L’univers historique), 3 Bde., Paris 2005–2006 [v. a. Bd. 1: De la Renaissance aux Lumières]; vgl. auch Maren Lorenz: Leibhaftige Vergangenheit. Einführung in die Körpergeschichte, Tübingen 2000.

15

Jörge Bellin/Ulrich Pfisterer 10  Konzeptuell hat dies sowohl bei David Hillman/Carla Mazzio (Hg.): The Body in Parts. Fantasies of Corporeality in Early Modern Europe, New York/London 1997, die den Körper per se als ein Konglomerat an individuellen, autonomen Teilen (Organen) verstehen, die jeweils eine ganz eigene kulturelle Aufladung besitzen, wie auch bei Claudia Benthien/Christoph Wulf (Hg.): Körperteile. Eine kulturelle Anatomie, Reinbek 2001, welche das Phänomen der Fragmentierung wiederum stärker zu historisieren suchen, im Zentrum gestanden. 11  Vgl. dazu etwa Michael Camille: The king’s new bodies. An illustrated mirror for princes in the Morgan Library, in: Thomas W. Gaehtgens (Hg.): Künstlerischer Austausch, Berlin 1993, Bd. 2, 393– 405; Genevieve S. Gessert: A Giant Corrupt Body: The Gendering of Renaissance Rome, in: Marice Rose/Alison C. Poe (Hg.): Receptions of Antiquity, Constructions of Gender in European Art, 1300–1600, Leiden 2015, 98–130; Giulia M. Labriola (Hg.): La città come spazio politico. Tessuto urbano e corpo politico: crisi di una metafora, Neapel 2016; Horst Bredekamp: Thomas Hobbes – Der Leviathan. Das Urbild des modernen Staates und seine Gegenbilder: 1651–2001, Berlin/Boston 2020 [zuerst 1999]. 12  Vgl. etwa die verstreuten Beispiele in Rebekka von Mallinckrodt (Hg.): Bewegtes Leben. Körpertechniken in der Frühen Neuzeit, Wolfenbüttel 2008, sowie die Fallstudie von Horst Bredekamp: Der schwimmende Souverän. Karl der Große und die Bildpolitik des Körpers: eine Studie zum schematischen Bildakt, Berlin 2014. 13  Jean-Claude Schmitt: Die Logik der Gesten im europäischen Mittelalter, Stuttgart 1992 [zuerst frz. 1990]; Herman Roodenburg: The Eloquence of the Body. Perspectives on gesture in the Dutch Republic, Zwolle 2004. 14  Vgl. etwa die Einträge in Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hg.): Handbuch der politischen Ikonographie, München 2011, 2 Bde.; zur Beschäftigung aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive vgl. Percy E. Schramm: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik. Beiträge zu ihrer Ge-

16

schichte vom 3. bis 16. Jahrhundert, 3 Bde., München 1954–1978, sowie Barbara Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider: Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches, München 2013; speziell zum Papst Agostino Paravicini Bagliani: Der Leib des Papstes: eine Theologie der Hinfälligkeit, München 1997 [zuerst ital. 1994]; zur ‚Doppelwirkung‘ politischer Bilder, die nicht nur ein Idealbild der Herrschenden präsentieren, sondern diese auch zum idealen Handeln ermahnen, siehe Martin Warnke: Laudando praecipere. Der Medicizyklus des Peter Paul Rubens, Groningen 1993. 15  Vgl. etwa Hendrik Ziegler: Der Sonnenkönig und seine Feinde. Die Bildpropaganda Ludwigs XIV. in der Kritik, Petersberg 2010, sowie die Beiträge von Lisa Cordes und Birgit U. Münch in: Karina Kellermann/Alheydis Plassmann/Christian Schwermann (Hg.): Criticising the Ruler in Pre-Modern Societies – Possibilities, Chances, and Methods, Bonn 2019, 143–170 und 181–210. 16  Aus der Fülle neuer Publikationen sei nur verwiesen auf Regina Schulte (Hg.): Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt, Frankfurt a. M. 2002; Carlee A. Bradbury/ Michelle Moseley-Christian (Hg.): Gender, Otherness, and Culture in Medieval and Early Modern Art, Cham 2017; James Daybell (Hg.): Gender and Political Culture in Early Modern Europe, 1400– 1800, London/New York 2017; Helen Hills (Hg.): Architecture and the Politics of Gender in Early Modern Europe, London/New York  2017; Anna Becker u. a. (Hg.): Körper – Macht – Geschlecht. Einsichten und Aussichten zwischen Mittelalter und Gegenwart, Frankfurt a. M. 2020; Andreas Höfele/ Beate Kellner (Hg.): Natur–Geschlecht–Politik. Denkmuster und Repräsentationsformen vom Alten Testament bis ins 18. Jahrhundert, Paderborn 2020; Jacqueline Murray (Hg.): The Male Body and Social Masculinity in Premodern Europe, Toronto 2022. 17  Zur Bedeutung von Körper-Repräsentationen in diesem Kontext grundlegend Ewa Lajer-Burchhardt: Neckliness. The Art of Jacques-Louis David, New Haven/London 1999.

Jörge Bellin

a. Auf die Welt kommen / Kind sein

Die Geburt strukturierte über Jahrtausende gesellschaftliche Hierarchien, reglementierte den Zugang zu hohen und höchsten Ämtern und war genealogisch-dynastische Raison d’Être.1 Die Geburt eines zur Herrschaft bestimmten Menschen war keine gewöhnliche Geburt, sondern stets ein höchst bedeutsames Politikum. Sie bezieht sich immer ganz grundlegend auf eine Person, die außergewöhnlich schon deshalb ist, weil sich in ihr künftig eine Machtfülle, eine Aura, ein Charisma vereinen sollen, die das Alltägliche in jeder Hinsicht übersteigen und folglich eine Sonderstellung begründen, die ihrerseits nach Legitimation verlangt. Vormoderne Herrschaft lässt sich als eine Mischform aus „traditionaler“ und „charismatischer Herrschaft“ im Sinne Max Webers beschreiben. Sie wurzelt in „dem Alltagsglauben an die Heiligkeit von jeher geltender Traditionen und die Legitimität der durch sie zur Autorität Berufenen“, beruht aber zugleich ganz wesentlich „auf der außeralltäglichen Hingabe an die Heiligkeit oder die Heldenkraft oder die Vorbildlichkeit einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnungen“, die nach Weber durch eine „Veralltäglichung des Charismas“ auf Dauer gestellt werden kann.2 Ein halbes Jahrhundert später hat Louis Marin als wesentliches Movens sowohl der Konstituierung wie auch der Verstetigung und sichtbar machenden „Veralltäglichung“ von Herrschaft und Macht das vielfältige „Zeichenregime“ der Repräsentation identifiziert und als das fortgesetzte Unternehmen einer Überredung beschrieben, die sowohl die Untertanen wie auch die Herrschenden selbst adressiert.3 Einer Überredung wohlgemerkt, die allererst schafft, was so nicht ist und sein kann: den Herrscher als „Absolut der Macht“,4 als exemplum imperii et virtutis schlechthin. Die Arbeit an dem persuasiven Bild der Repräsentation, an dem semiotischen Körper der Herrschenden und die damit verbundene fortwährende Sorge um die (imaginäre) Aura beginnen folgerichtig bereits im Vor- und Umfeld der Geburt: In der textlichen wie bildlichen Narration pflegt das Auf-die-Welt-Kommen solch außeralltäglicher Menschen immer wieder mit ebenso außeralltäglichen Umständen, Omen und Wunderzeichen einherzugehen, die das sich ankündigende Leben – gleichsam ab ovo – als göttlich sanktioniert und schicksalhaft vorherbestimmt ausweisen. 17

Jörge Bellin

Abb. 1: Portland-Vase, Seite B mit der Darstellung von Apoll und Atia mit der Schlange, datiert zwischen 1–25 n. Chr. (London, British ­Museum).

Sueton etwa führt in seiner Beschreibung der Geburt des Augustus einen ganzen Katalog an Prodigien an, der in mancher Hinsicht wie ein Muster auch für die späteren Jahrhunderte erscheint. Der Autor widmet sich auf drei Seiten seiner Lebensbeschreibung den mirakulösen Ereignissen, die sich vor Augustus’ Geburt, an seinem Geburtstag und kurz danach ereignet haben sollen und die allesamt zugleich „seine künftige Größe und sein fortwährendes Glück“ zu erkennen gaben (futura magnitudo eius et perpetua felicitas).5 Suetons Schilderungen machen neben außergewöhnlichen Himmels- oder allgemeinen Naturphänomenen, präfigurierenden Traumgesichten und Weissagungen sowie erstaunlichen Formen einer  – geistigen wie körperlichen – Frühreife auch eine direkte, also prokreativ verstandene göttliche Abstammung oder Weihe geltend. Der Überlieferung des Asklepiades von Mendes folgend wird Augustus als Sohn des Apoll, also als Halbgott aufgefasst: Nach einem mitternächtlichen Gottesdienst zu Ehren des Gottes sei Atia, Augustus’ Mutter, im Tempel eingeschlafen, worauf sich ihr Apoll in Gestalt einer Schlange beigesellt habe. 18

a. Auf die Welt kommen / Kind sein

Die Zeugungsszene findet sich auf der berühmten Portland-Vase des British Museum dargestellt (Abb. 1). Im zehnten Monat nach diesen Vorgängen sei dann Augustus zur Welt gekommen, weshalb man ihn „für einen Sohn des Apollo gehalten“ hat.6 Dies und die weitere, geradezu überwältigende Fülle an Wundern im Kontext der Geburt und ersten Lebensjahre lassen bei Sueton keinen Zweifel zu: Hier wurde kein gewöhnlicher Mensch geboren, sondern eine zu ihrer Sonderstellung vorherbestimmte Herrscherpersönlichkeit, der sogar verstandeslose Kreaturen wie die Frösche auf dem väterlichen Landgut Folge leisten, die für immer schweigen, nachdem Augustus, „als er gerade zu sprechen anfing“, ihrem lärmenden Gequake Einhalt geboten hatte.7 Dass auch bereits die bloße Tatsache der Geburt als ein großes Wunder wahrgenommen werden konnte  – innig herbeigesehnt, aber kaum mehr für möglich gehalten –, zeigt etwa die Geburt Rudolfs (IV .) des Stifters im Jahre 1339 in Wien. Nachdem die Ehe Herzog Albrechts II . und der Johanna von Pfirt fünfzehn Jahre ohne Nachkommenschaft geblieben war, griff der bereits gelähmte Herzog 1337/38 zur ultima ratio und trat in einer Sänfte die beschwerliche Pilgerfahrt nach Aachen an, um göttlichen Beistand in der buchstäblich überlebenswichtigen Causa zu erbitten.8 Auf seinem Weg stiftete er der Heiligen Jungfrau in Königsfelden einen goldenen Kelch und empfahl sich in Köln dem Schutze der Heiligen Drei Könige, indem er Almosen spendete und der Kirche kostbare Weihegeschenke verehrte.9 Tatsächlich gebar Johanna im Herbst 1339 mit 39 Jahren den späteren Erzherzog – ein Wunder, an das nicht jeder glauben wollte, sodass Albrecht sich gezwungen sah, seine rechtmäßige Vaterschaft in öffentlichen Predigten beglaubigen zu lassen.10 Der Tag der Geburt dagegen sollte das Wunder wirkungsvoll bekräftigen: Rudolf kam am 1. November – also an Allerheiligen – zur Welt und wird die damit verbundene sakrale Bedeutungsdimension der Auserwähltheit zu einem „zentrale[n] ‚Programm‘ seiner Herrschaft und Selbstdarstellung“ machen.11 Wie eine christianisierte Version der Auratisierungsnarrative eines Sueton erscheint weitere 150 Jahre später die Text- und Bildproduktion, die rund um die Geburt des Habsburgers Maximilian I. (1459–1519) maßgeblich von ihm selbst in Gang gesetzt wurde.12 Große Bedeutung kam dabei stets – nicht nur bei Sueton – ungewöhnlichen Himmels- oder Naturphänomenen zu, die wichtige historische Ereignisse, so immer wieder auch Geburten, begleitet oder angekündigt haben sollen. Von außergewöhnlichen Himmelserscheinungen, von Blitzen, Kometen und „Königsgestirnen“ wird im Zusammenhang von Geburt und Tod sowohl des Augustus wie auch Julius Caesars oder Alexanders des Großen berichtet.13 Das im christlichen Abendland bekannteste Prodigium dieser Art fällt ebenfalls in die Zeit des Augustus und ist der „Stern von Bethlehem“, der nach dem Evangelium des Matthäus die drei magoi, also Sterndeuter oder Weisen – später dann „Könige“ – an den Ort der Ge19

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Abb. 2: Leonhard Beck: Wie die kunigin schwanger ward und ain sun geporen ward, Holzschnitt aus dem Weißkunig (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3033).

burt Jesu leitete (Mt 2,1–12).14 Die Annahme, dass es sich auch bei diesem „Stern“ tatsächlich um einen Kometen gehandelt haben könnte, wird bereits in der Antike formuliert und findet auch in der christlichen Ikonographie seit 1300 ihren Niederschlag.15 In einer solchen sowohl antiken wie auch christlichen Tradition steht auch die außergewöhnliche Himmelserscheinung, die in der fiktionalen Autobiographie Maximilians I. , dem Weißkunig, für dessen Geburt reklamiert wird: Als sich nun die Zeit nahend, der geperung des kindts, da wurde je zu Zeiten gesehen […] ain Comet, daraus manicherlay Rehenschafft gemacht wardt […].16 Derselbe Comet sei zur Stunde der Geburt nicht nur größer geworden, als es Schweifsterne sonst sind, sondern habe auch einen ungemein lautern liechten gelantz verbreitet: Er sei so ain besonder einflus zaichen und offenbarung des kindts gepurdt gewesen und die Königin habe in sölicher erscheinung des Comets, aus zugebung und verleihung götlichn genaden […] das kindt mit senfften smertzen zur Welt gebracht. Dass der Komet schließlich nach der Geburt in seinem hellen Schein wieder abnahm, gebe nur umso deutlicher zu erkennen, das derselb Comet, ain zaichen was des kindts, kunftig Regirung und wun20

a. Auf die Welt kommen / Kind sein

derlich sachen […].17 Der Text lässt also an der göttlichen Gnade dieser Geburt und der damit verbundenen Erscheinung des Kometen keinen Zweifel und bedient sich bewusst heilsgeschichtlicher Anleihen. Die Szene wird allerdings nicht nur ausführlich beschrieben, sondern zusätzlich auch in einem seitenfüllenden Holzschnitt kommemoriert und inszeniert, der die Christus-Analogie vollends augenscheinlich macht (Abb. 2): Die Szene spielt sich in einer antikisierenden Krippenarchitektur vor weiter Landschaft ab, wie dies aus unzähligen Gemälden mit der Geburt Christi und der Anbetung der Könige bekannt war; zudem leitet sich die Figurenkonstellation von Amme und Maximilian unverkennbar von Madonnenstatuen her18 und ist der Wiege im rechten Bildfeld – als wäre all dies noch nicht sprechend genug – auf der Stirnseite das Christusmonogramm „IHS “ eingefügt.19 Der Betrachter wohnt so einer die Heilsgeschichte adaptierenden Epiphanie bei: Auch hier wird nicht die Geburt eines gewöhnlichen Menschen, sondern eines Alter Messias und künftigen Weltenherrschers ins Bild gesetzt. Nur den im Text so ausführlich gewürdigten Kometen sucht man vergebens. Im Holzschnitt ist er durch drei Sterne und einen Mond ersetzt, die gleichermaßen intensiv auf die Amme und das Kind herabscheinen. Was zunächst irritierend wirkt, erklärt sich jedoch umstandslos, zieht man die Bedeutung in Betracht, die nicht nur von Maximilian der Astrologie beigemessen wurde. Die Frage, ‚unter welchen Sternen‘ ein Herrscher oder eine Herrscherin geboren wurde, spielte eine so zentrale Rolle, dass Horoskope und andere astrologische Berechnungen und Gutachten geradezu „die Funktion einer naturwissenschaftlichen Methode der Politikberatung“ einnahmen.20 Gerade Friedrich III ., Maximilians Vater, gilt als regelrecht „astrologiebesessener Kaiser“,21 der bereits in Joseph Grünpecks lateinischer Historia Friderici et Maximiliani, die ebenfalls im Auftrag Maximilians entstanden ist, als ein Herrscher geschildert wurde, der in der mathematischen Wissenschaft von den Bewegungen der Gestirne genauestens unterrichtet war.22 Friedrich ließ sowohl ein Horoskop über seine künftige Gemahlin, Eleonore von Portugal, erstellen, das auf seine Entscheidungen nachweislich Einfluss übte,23 als auch ein solches zur Geburt seines Sohnes und Nachfolgers. Im Weißkunig ist es dann Friedrich selbst, der sich gar kunstreich in dem erkennen des gestirns, […] darunder das kindt geporen was, hervortut. Die Konstellation der Gestirne erweist sich – zumindest im Weißkunig – als äußerst vielversprechend, sodass Friedrich der hoffnungsfrohen Zuversicht Ausdruck verleihen kann, dass das Kind in diser welt in die höchst regirung kumen, und durch Ine, vil wunderlich sachn, und grosse streit beschehn sollen.24 Es ist genau dieser Einfluss und die als äußerst bedeutend erachtete Wirkmacht der Gestirne, die auch im Holzschnitt – unter Verzicht auf den Kometen – zur Darstellung gelangt.25 Weiterhin wird im Weißkunig ein Orakelspruch geschildert, der noch in die Zeit vor der Geburt fällt: Wie Jesus im Bauch der Maria während der Heimsuchung 21

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Abb. 3: Albrecht Altdorfer oder Umkreis: Das erste Bad Maximilians I., aus: Historia Friderici III et Maximiliani I, ca. 1508–1510, Federzeichnung (Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Hs. Blau 9, fo. 38r).

erhebt sich das ungeborene Königskind genau zu dem Zeitpunkt das erste Mal im Mutterleib, da ein von den Türken vertriebener Fürst aus dem lannd Panto im Beisein der schwangeren Königin – und in deutlicher Anlehnung an das Lukas-Evangelium und das Magnificat – seine Hoffnung äußert, das kindt, des die kunigin Swanger ist, werde mich an meinen veindten rechen, und Sy diemuetigen, durch die genad gots, in unsern glauben.26 Durch das anschließende Sich-Aufbäumen des Kindes im Mutterleib sieht der Fürst seine Worte bestätigt. Auch die Zeit seines Lebens propagierte Kreuzzugsmission und die Stilisierung Maximilians zum christusgleichen Miles Christianus (wie du unser herr Jesu cristi, in deiner Marter gestriten, und den poesen veindt uberwunden)27 werden so bereits pränatal gesetzt. 22

a. Auf die Welt kommen / Kind sein

Wie der Weißkunig war auch Grünpecks nie erschienene Historia mit Illustrationen geplant, zu denen sich die Zeichnungen erhalten haben, die Albrecht Altdorfer und dessen Umkreis zugeschrieben werden. Eine dieser Zeichnungen, deren Thema „das erste Bad Maximilians“ ist, zeigt eine ähnliche Wiege mit dem Nomen sacrum wie der spätere Holzschnitt des Weißkunig, jedoch ein Wunder anderer Art (Abb. 3): Das eben erst geborene Kind steht – zum großen Erstaunen der kaiserlichen Eltern und anderer höfischer Augenzeugen – ohne fremde Hilfe aufrecht im Badezuber und erbringt so den physischen Beweis einer zur Herrschaft prädestinierenden Frühreife, die ebenfalls seit der Antike ein fester Topos der Herrscherinszenierung war. Die kaiserlichen Eltern fühlen sich von diesem außergewöhnlichen Anzeichen und in der Voraussicht seiner trefflichen Gesinnung und seines heldenhaften Charakters dazu veranlasst, das Kind Maximilian zu nennen, wie der Text der Historia erläutert.28 Auch diese wundersame Begebenheit rekurriert also einerseits auf antike Vorbilder und Narrative29 und andererseits auf einen ganz konkreten Topos der christlichen Legendarik und Heiligenikonographie: In der Legenda Aurea wird das Wunder zuerst dem Hl. Nikolaus von Myra zugeschrieben, geht dann als ein prominentes Motiv in die Ikonographie dieses Heiligen ein und wird später auch für eine Reihe anderer Heiliger in Anspruch genommen (so für Johannes, Maria und Remigius von Reims).30 Ähnliche Formen einer sowohl physischen wie auch intellektuellen Prämaturität prägen auch im Weißkunig die sich der Geburt und der Taufe anschließenden frühen Lebensjahre Maximilians, deren Beschreibung sich wiederum an der Kindheit Jesu und damit zugleich am Topos des puer senex orientiert und der lernung (i.e. Ausbildung) des jungen Königs gewidmet ist.31 Die Providenz erscheint dabei stets im Gewand eines nachgerade allumfassenden Voraus-Seins, einer Staunen erregenden Superiorität, die all die bedeutungsvollen Zeichen und all die kühnen Hoffnungen immer wieder aufs Neue zu bestätigen scheint.32 Dass solche Formen der Auratisierung freilich bedeutend von der Realität abweichen konnten und sich im eingangs beschriebenen Sinne einer ‚Überredung durch Repräsentation‘ subsumieren, lässt sich im Falle Maximilians durch einen Abgleich mit anderen zeitgenössischen Quellen verdeutlichen. In ihnen erscheint der junge Maximilian keineswegs als frühreifer Alleskönner und Überflieger, sondern im Gegenteil als das, was man heute als einen late bloomer bezeichnet – ein Spätzünder, der seinem Umfeld lange als schwächlich galt und aufgrund einer anhaltenden Sprachstörung sehr wortkarg war, was seinen Vater, Friedrich III ., sogar vermuten ließ, sein Sohn sei dumm und werde wohl stumm durchs Leben gehen.33 Die sehr weitgehende Identifikation mit Schlüsselmomenten der biblischen Geschichte, wie sie im Zusammenhang der die Geburt betreffenden Text- und Bildstrategien Maximilians I. aufgezeigt wurde, ist jüngst erstmals eingehend auch für 23

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Abb. 4a und 4b: Links: Juan Pantoja de la Cruz: Mariengeburt, 1603, Öl auf Leinwand (Madrid, Museo del Prado); rechts: Juan Pantoja de la Cruz: Verkündigung mit Königin Margarete von Österreich als Heilige Jungfrau, 1604, Öl auf Leinwand (Wien, Kunsthistorisches Museum).

die Geburtsriten am Hof der spanischen Habsburger beschrieben worden.34 Dabei erweist sich die königliche Geburt als ein in hohem Maße ritualisiertes kulturelles und semiotisches System: Liturgische Texte und Frömmigkeitspraxis veranschaulichen ebenso wie Gemälde und Skulpturen die symbolische Identifikation der dynastischen Bedeutung von Schwangerschaft und Geburt mit dem Leben Mariens und der Geburt Christi. Dieser Zusammenhang wird nicht nur durch die bei Hofe übliche Geburtsmatutin bei jeder königlichen Niederkunft greifbar, sondern kommt beispielhaft auch in zwei Gemälden Juan Pantoja de la Cruz’, einer Mariengeburt und einer Verkündigung, zum Ausdruck. So finden sich in der Mariengeburt von 1603 Kryptoporträts der Königinmutter, Maria Anna von Bayern, als Hebamme sowie der Schwestern der spanischen Königin Margarete von Österreich (1584–1611) als assistierende Geburtshelferinnen (Abb. 4a). Schon hier scheint eine Identifikation der spanischen Königin mit Maria denkbar, während de la Cruz’ Verkündigung von 1604 keinen Zweifel mehr an der intendierten Überblendung lässt (Abb. 4b): Es ist nun Margarete selbst, der die Annuntiatio Domini gilt, womit nicht nur sie als marien24

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Abb. 5: Anonym: Die Geburt des Dauphins Ludwig XIII., deutscher Kupferstich des 17. Jahrhunderts (Paris, Cabinet des Estampes, Bibliothèque nationale de France).

gleiche Frau, sondern auch bereits die Frucht ihres Leibes – der Thronfolger Philipp (IV .) erblickt 1605 das Licht der Welt – als ein Alter Messias gekennzeichnet wird. Zugleich aber veranschaulicht de la Cruz’ Mariengeburt ein sozialhistorisches Phänomen. Die auf den ersten Blick unstandesgemäß oder sogar befremdlich erscheinende Zuordnung der Rollenporträts – die Königinmutter als Hebamme, die Schwestern der Königin als Assistentinnen – spiegelt tatsächlich die herausragende Rolle und hohe Wertschätzung, die Hebammen im zeitgenössischen medizinischen Diskurs, vor allem jedoch im Kontext höfischer Geburten zukam.35 Während der – in aller Regel männliche – Arzt bei Fragen und Problemen im Zusammenhang von Fruchtbarkeit und Schwangerschaft konsultiert wurde, oblag der Hebamme die Überwachung der Geburt selbst, was nicht nur hohes Prestige, eine außergewöhnlich gute Bezahlung und andere materielle Zuwendungen mit sich brachte, sondern in nicht wenigen Fällen sogar die Erhebung in den Adelsstand. Ein bedeutendes Beispiel, zu dem sich ein deutscher Kupferstich des 17. Jahrhunderts erhalten hat, war die Geburt des lange ersehnten französischen Dauphins Ludwig (XIII .) am 27. September 25

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1601 im Schloss Fontainebleau (Abb. 5). Der Kupferstich macht zweierlei deutlich: Einerseits die herausgehobene Stellung und Funktion der höfischen Hebamme und andererseits den eingangs betonten Umstand, dass eine herrschaftliche, zumal royale Geburt keine ‚Privatangelegenheit‘, sondern stets ein – mehr oder weniger – öffentliches Ereignis, ein Politikum war, das nach eindeutigen Beweisen der Rechtmäßigkeit verlangen konnte. Im vorliegenden Fall sehen wir Louise Bourgeois, genannt „La Boursier“, die 26 Jahre lang Hebamme am französischen Königshof war und in dieser Zeit zu einer engen Vertrauten der französischen Königin Maria de’ Medici wurde und später u. a. ein bedeutendes Werk zur Geburtshilfe verfasste. Bildzentral und im elegant-anmutigen Habitus einer hochgestellten Hofdame präsentiert sie in der mit einem Prunkbett und Baldachinen ausgestatteten grand chambre des Schlosses den soeben geborenen Dauphin einem im Halbkreis um König Heinrich IV . versammelten Staatsrat, der beim Einsetzen der Wehen eilig herbeigerufen worden war, um in den nachfolgenden 22 Stunden bis zur Niederkunft die Rechtmäßigkeit des Geschehens durch Augenzeugenschaft zu beglaubigen. Zwar hatte die Königin vorab versucht, diesem empfindlichen Eingriff in ihre Intimsphäre vorbeugend zu begegnen, der König allerdings überzeugte sie, sich der überlieferten Tradition zu fügen, da sie sowohl ihrer eigenen wie auch der Größe des Kindes diene.36 Ein Brauchtum, das der offenkundig irritierten Florentinerin Maria de’ Medici vertrauter gewesen sein dürfte als diese zudringliche Form französischer ‚Nabelschnurschau‘, und zugleich eine italienische Sonderform im Zusammenhang einer die Geburt betreffenden Gabenkultur waren die in Florenz und Siena vom späten 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts in den städtischen Oberschichten gebräuchlichen deschi da parto, also Geburtstafeln.37 Diese dienten nach Vasari einer doppelten Funktion: Einerseits ein Gebrauchsgegenstand, sie wurden als Tablett verwendet, um der Frau im Wochenbett das Essen zu servieren, sind sie andererseits – beidseitig bemalt – Kunstwerke von teilweise hohem Rang, die meist im Rahmen einer der Niederkunft folgenden Gratulationszeremonie überreicht wurden und das Ereignis als wichtigen Moment im Lebenszyklus einer Familie kommemorierten und überhöhten.38 Eines der bedeutendsten Beispiele ist der desco da parto, den wahrscheinlich Piero di Cosimo de’ Medici vor der Geburt seines Sohnes Lorenzo („il Magnifico“) im Jahr 1448 anfertigen ließ (Abb. 6). Die später von Lorenzo in der zur Selbstdarstellung vorgesehenen camera principale des Medici-Palastes aufbewahrte Tafel wird allgemein Giovanni di Ser Giovanni Guidi, gen. Lo Scheggia, dem jüngeren Bruder von Masaccio, zugeschrieben. Durch ihre Größe (Ø 93 cm) und ebenso delikate wie kostbare Gestaltung war diese Tafel offenkundig nicht zu irgendeinem Gebrauch bestimmt, sondern ein autonomes Kunstwerk. Auf der Vorderseite zeigt sie einen an Petrarcas Trionfi und Bocaccios Amorosa Visione sowie – ikonographisch – an früheren 26

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Abb. 6: Giovanni di Ser Giovanni Guidi, gen. Lo Scheggia (zugeschrieben): ­Thriumph des Ruhms, um 1449, desco da parto auf die Geburt Lorenzo de’ Medicis (New York, The Metropolitan Museum of Art).

uomini famosi- sowie antiken Victorien-Darstellungen geschulten Trionfo della Fame: Inmitten einer ‚Weltlandschaft‘ und unterhalb einer nimbierten, geflügelten, weiß gekleideten Fama, die über einem mehrteiligen Postament auf einer Kugel steht und in den ausgebreiteten Armen ein Schwert sowie einen bogenschießenden Armor hält, steht im Zentrum ein junger barfüßiger Mann in gelbem Gewand. Um ihn ist eine Reiterschar in zeitgenössischen Rüstungen zu Pferd als anonymisierte Versammlung von uomini illustri und zugleich als ritterliche exempla virtutis gruppiert; diejenigen Ritter, die dem Postament am nächsten sind, berühren dieses wie zum Schwure mit erhobener rechter Hand. Während andere Geburtstafeln relativ schlichte häusliche Geburtsszenen zeigen, die sich ikonographisch an die Geburt Mariens oder die Ge27

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burt Johannes des Täufers anlehnen und so die jeweilige Niederkunft mit der schon bekannten biblischen Weihe versehen, verklärt die vorliegende Tafel die Ankunft Lorenzos in der Welt zu einem allegorischen Mysterium und dient einer vom dynastischen Gedanken geleiteten überbordenden Heroisierung des Erstgeborenen, dessen zukünftigen Ruhm die Personifikation der Fama verkündet. Die Tafel bringt auf diese Weise eine humanistisch unterfütterte, auf Nachruhm bedachte Geltungssucht – die cupiditas gloriae – zur Anschauung, die nicht Lorenzo allein, sondern die Familie als quasi-dynastischen Verbund meint, wie uns die Rückseite lehrt, die das Medici-Wappen mit jenem der Tuornaboni, der Familie von Lorenzos Mutter, vereint. Ein Geburtsteller wurde Maria de’ Medici in Fontainebleau offenbar nicht überreicht, zumindest schweigen sich die Quellen dazu aus. Die Frage der Legitimation allerdings, die im Zuge der Geburt des Dauphins durch die physische Präsenz von Augenzeugen gewährleistet wurde, blieb für sie Zeit ihres Lebens ein Thema von höchster Brisanz. Herrscher, zumal Monarchen haben sich bekanntlich selten durch besondere Monogamie hervorgetan. Heinrich IV . seinerseits noch weniger als viele seiner Vorgänger oder Nachfolger, was die Zeugung eines legitimen Erben, auch und gerade in der öffentlichen Wahrnehmung, in besonderer Weise erschwerte.39 So war die Italienerin und künftige Königin Maria de’ Medici nach ihrer Ankunft in Frankreich im November 1600 eine Fremde im ‚eigenen‘ Land, eine höfische „Außenseiterin par excellence“,40 die die französische Sprache zunächst kaum beherrschte, von der jedoch „so schnell wie möglich und vorbehaltlos die Metamorphose von einer [rangniederen] ausländischen Prinzessin in eine Königin Frankreichs“41 erwartet wurde. Zugleich musste sie sich aber nicht nur bei Hofe, sondern gewissermaßen auch im Bett des Königs behaupten gegen die ältere königliche Mätresse Henriette d’Entragues, Marquise de Verneuil, und ihre politischen Ambitionen. Diese konnte sich nicht nur auf einen Ehevertrag mit dem König berufen, sondern brachte zudem nur einen Monat nach der Geburt des Dauphins Ludwig ebenfalls einen Sohn zur Welt, den sie zäh als Thronfolger durchzusetzen versuchte. Zusätzliche Brisanz erhielt die Frage der Legitimation für Maria de’ Medici als Heinrich IV . 1610 – nur einen Tag nach ihrer langersehnten Krönung zur Königin – einem Attentat zum Opfer fiel und sie sich in der Folge gegen eine ganze Reihe konkurrierender Ansprüche auf die Regentschaft behaupten musste. Zudem wurden Stimmen laut, die sie in den Mordfall verwickeln wollten und mit ihrer eigenen auch die Legitimität ihres Sohnes in Frage stellten.42 Ein probates Mittel der Machtbegründung und des Machterhalts war auch für sie die Überredung durch Kunst. Ein besonderes Dokument dieser weitrechenden, die eigene wie auch die Macht des Thronfolgers Ludwig sichernden Repräsentationsbemühungen ist der umfangreiche Gemäldezyklus, den Peter Paul Rubens von 1622 28

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Abb. 7a und 7b: Peter Paul Rubens: Die Geburt Maria de’ Medicis (1622, links) und Die Geburt des Dauphins (1623, rechts), Öl auf Leinwand (Paris, Musée du Louvre).

bis 1625 für das Palais du Luxembourg in Paris schuf. Rubens’ Werk ist das einzige herausragende Beispiel eines großformatigen, halb-öffentlichen Gemäldezyklus in dieser Periode, der der glorifizierenden Schilderung des Lebens einer zeitgenössischen Frau gewidmet ist.43 Bei diesem Auftrag sah sich Rubens einer nicht leicht zu lösenden Aufgabe gegenüber – umso mehr, da die prekäre Stellung der Königin am französischen Hof auch während der Regentschaft ihres Sohnes bestehen blieb. Rubens jedenfalls meisterte die Aufgabe unter Einsatz des gesamten Repertoires barocker Allegorik, wie an den zwei Szenen gezeigt werden soll, die Geburten darstellen. Im Rahmen der Erzählstruktur des Zyklus steht das Schicksal der Herrscherin bereits vor ihrer Geburt unter einem guten Stern: Wohlwollend spinnen die drei Schicksalsgöttinnen den Lebensfaden der florentinischen Prinzessin und versprechen ein Goldenes Zeitalter unter ihrer zukünftigen Herrschaft, während Jupiter und Juno über der Szene schweben und als Symbol der Ehe die kommende Hochzeit mit dem französischen König antizipieren. Der Duktus mythischer Prophezeiung setzt sich im dritten Bild der Reihe fort, das der Geburt Maria de’ Medicis gewidmet ist (Abb. 7a).44 Die Nachtszene wird bedeutungsschwer erleuchtet durch das Sternzeichen des Sagittarius am Himmel, das Sternzeichen Heinrichs IV .,45 und eine Fackel 29

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in der Hand der Lucina, der Schutzgöttin der Geburt, die mit der Rechten behutsam das gerade geborene Kind umfasst, das am Fuße einer kolossalen Säule in den Armen der sitzenden Personifikation der Stadt Florenz seinerseits von einer hell leuchtenden Aureole umgeben ist und so als zentrale Lichtquelle fungiert. Darüber schweben zwei Horen, die Blumen auf das Kind herabstreuen, sowie ein jünglingshafter Genius, dessen Füllhorn mit Insignien der künftigen monarchischen Größe gefüllt ist. Rubens selbst hat diese Gestalt als guten Genius der Maria de’ Medici bezeichnet. Im Bildvordergrund betrachtet der Flußgott Arno als schilfbedeckter Greis die Szene, neben ihm der florentinische Marzocco und links davon zwei Putti, die mit dem Lilienwappen der Stadt spielen. Alles in allem ergibt sich eine bildliche Invention, die sich unter weitestgehendem Verzicht auf historische Faktizität ganz in den Dienst der Verherrlichung der Auftraggeberin stellt und zu diesem Zweck nahezu alle Register zeitgenössischer Allegorik, überkommener Mythologie, Heraldik, Astrologie und Emblematik zieht. Ein immenses sinnbildliches Aufgebot, das sich in der zweiten Geburtsszene des Zyklus fortsetzt und sogar noch gesteigert wird. Darin findet sich die Geburt des Dauphins so sehr in Allegorie überführt, „that a simple description of what one sees is almost impossible“ (Abb. 7b).46 Im Schatten einer von Lorbeer umrankten Eiche, um die ein roter Vorhang gewunden ist, sind sechs Figuren und das Kind versammelt. Bildzentral sitzt Maria de’ Medici, die offenbar soeben entbunden wurde, noch barfüßig auf einem reich gepolsterten, throngleichen Geburtsstuhl. Sie blickt zugleich erschöpft und verklärt auf den Dauphin, der von einem mit Herkules überblendeten Asklepios als geflügeltem Genius guter Gesundheit auf dem Arm getragen wird. Die den Gott begleitende Schlange, in die er sich einst verwandelte, windet sich um einen seiner Arme, statt wie üblich um einen Stab, und blickt genauso gebannt und verheißungsvoll auf das Kind wie der kleine Hund, klassisches Symbol ehelicher Treue, zu Asklepios’ Füßen.47 Hinter Maria steht die Göttermutter Kybele und legt ihren rechten Arm beschützend auf deren Schulter. Sie wird im Rahmen des Zyklus fortan – neben Minerva – als emblematisches Alter Ego der Auftraggeberin figurieren, während diese Rolle bis zur Geburt des Dauphins der Ehegöttin Juno zukam. Neben Kybele ist ein geflügelter Genius dargestellt, der den roten Vorhang hält, der sich so zu einem die Figuren überwölbenden Baldachin formt, und davor – direkt neben Maria – eine Personifikation der Fecunditas (Fruchtbarkeit), das Horn der Amaltheia in den Händen, das von reifen Früchten überquillt, die einen Kranz um fünf Kinderköpfe bilden, die jene Kinder symbolisieren, die Maria de’ Medici noch zur Welt bringen wird. Die ganze Szene überfängt schließlich ein Himmel, durch den unter einem funkelnden Fünfstern der Chimärenbezwinger Bellerophon auf dem geflügelten Pferd Pegasus sowie Apollo in seinem Sonnenwagen ziehen und so auf die Geburt eines neuen wehrhaften und himmelstürmenden ‚Sonnenkönigs‘ hinweisen. 30

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Abb. 8: Abraham Bosse: La Joye de la France, dédiée au Roy Louys le Juste, XIII du nom, 1638, Kupferstich (Paris, Bibliothèque nationale de France).

Was also an überlieferter und zeitgenössischer Symbolik und Allegorik zur Verfügung stand, wurde von Rubens zur Verherrlichung der Königin und des Thronfolgers nahezu erschöpfend bemüht. Erst die Geburt von Maria de’ Medicis Enkel, Ludwig XIV ., sollte diese persuasive Kunst noch einmal steigern.48 Ludwigs Ankunft in der Welt wurde noch zahlreicher bezeugt,49 noch ausgiebiger in Wort und Bild gefeiert, landesweit mit Feuerwerk, Glockengeläut und Kanonenschüssen, dem Singen des Te Deum, in Ballettchoreographien50 und Psalmparaphrasen51, in Reden und Gedichten zelebriert und wiederum als das Erscheinen eines neuen „Messias“ samt neuem Goldenen Zeitalter besungen.52 Bereits die Nachricht der Schwangerschaft und die ersten Bewegungen des Dauphins im Bauch seiner Mutter sind auch hier verklärt und Anlass für Feierlichkeiten und Deutungen gewesen, die geradezu frenetisch ausfielen, weil auch hier mit einem Nachkommen kaum noch gerechnet werden konnte, nachdem die Ehe von Ludwig XIII . und seiner Gemahlin Anna von 31

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Österreich zuvor 23 Jahre kinderlos geblieben war und die befürchtete Thronfolge des jüngeren Bruders Ludwigs XIII ., Gaston d’Orléans, sich zu verwirklichen schien. Der ersehnte Thronfolger wurde denn auch nach Ludwig IX . dem Heiligen benannt und erhielt den salbungsvollen Beinamen „der Gottgegebene“: Louis le Dieudonné. Der messianische, vom Gottesgnadentum geprägte Gehalt, der auch die Überhöhung dieser Königsgeburt maßgeblich bestimmte, fand wiederum zugleich in der bildenden Kunst bleibenden Ausdruck:53 Ein Kupferstich des Abraham Bosse aus dem Geburtsjahr 1638 zeigt unter dem Titel La Joye de la France Anna von Österreich, die dem versammelten Hofstaat den gerade geborenen, bekrönten und in einen lilienbesetzten Hermelinmantel gehüllten Dauphin präsentiert und dabei unmissverständlich auf die christlichen Darstellungskonventionen der Maestà und der Sedes sapientiae alludiert (Abb. 8);54 ein allegorischer Stich des Jean Froone von 1640 platziert den kleinen Dauphin in vollem Ornat bildzentral auf einem Podest zwischen seinen Eltern – direkt unter dem himmlischen, Gnadenstrahlen aussendenden Auge Gottes – und überblendet die Szene kompositorisch mit der Darbietung Christi im Tempel;55 ein Stich des Louis Spirinx von 1645 schließlich zeigt den siebenjährigen lorbeergekrönten Kindkönig als obersten Richter auf dem Löwenthron und setzt ihn so mit König Salomo gleich.56 In der Realität war es hingegen so, dass auch dieser „zukünftige junge Held […] langezeit in einer Art Betäubung des Geistes und der Intelligenz“ schlummerte,57 sodass der zeitgenössische Chronist Primi Visconti in seinen Mémoires sur la cour de Louis XIV offen bekannte, dass die Franzosen ihn, als er noch ein Kind war, für einen „Idioten“ gehalten und weitaus größere Hoffnungen in seinen viel lebhafteren Bruder Philippe gesetzt hatten.58 Zusammenfassend lässt sich über Schwangerschaft und Geburt der zur Herrschaft Bestimmten sagen, dass sich die Formen und Darstellungsmodi ihrer Auratisierung im Zeitraum von 1300 bis 1800 inhaltlich in hohem Maße von einer Adaption des christlichen Heilsgeschehens sowie der antiken Legendarik und deren Überhöhungstopoi herleiten. Das Narrativ in Text und Bild erfolgt stets providentiell, es materialisiert die künftige Bedeutung, Stellung und Aura und setzt auf diese Weise die Prädestination selbst ins Bild. Über allen diesen Texten und Bildern schwebt sinnbildlich das MAIORA TIBI („dich erwartet Größeres“) aus Tizians Porträt Philipps II ., der den gerade geborenen Infanten Fernando einer den Palmzweig überreichenden Victoria entgegenhebt.59 Bezieht man abschließend noch einmal das Kindsein dieser Mächtigen im Bilde in die Betrachtung ein, so ergibt sich im Hinblick auf den Providenzgehalt der Darstellungen ein analoger Befund. Mit dem Titel einer Ausstellung zum Kinderporträt seit 1500 lässt sich dieses Kindsein zutreffend als „Traum vom späteren Leben“ beschreiben.60 Das autonome Kinderbildnis hatte sich in Europa im ausgehenden 32

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Abb. 9a und 9b: Links: Henri Testelin: Bildnis König Ludwigs XIV. von Frankreich als Kind, 1649, Öl auf Leinwand (Versailles, Château Trianon); rechts: Hyacinthe Rigaud: Ludwig XIV. von Frankreich, 1701, Öl auf Leinwand (Paris, Musée du Louvre).

15. Jahrhundert – wie ein gutes Jahrhundert zuvor das autonome Porträt Erwachsener auch – zunächst als ein Prärogativ der herrschenden Eliten etabliert. Ikonographisch kamen dabei von Anfang an in hohem Maße normierte Darstellungsschemata zum Tragen, die das Kinderporträt als ein „Derivat des herrscherlichen repräsentativen Porträts“61 erscheinen lassen, dessen enge formale wie funktionale Anbindung an das ‚erwachsene‘ Fürstenporträt bildbestimmend blieb.62 Dargestellt werden weniger Kinder als Prinzen und Prinzessinen, dynastische Funktionsträger also, deren künftige Stellung und künftigen Verhaltensnormen bildlich antizipiert werden, kurzum: gemalte Fürstenspiegel.63 Unmittelbar anschaulich wird dies, wenn etwa Henri Testelin 1649 den zehnjährigen Ludwig XIV . als Erwachsenen en miniature darstellt. Dieses Porträt des Kindes nimmt in gewisser Hinsicht bereits Hyacinthe Rigauds portrait d’apparat von 1701 vorweg (Abb. 9a und 9b). Zwar ist dem noch ungekrönten Kind statt des Lilienzepters in Rigauds Porträt ein lilienbesetzter Kommandostab in die Hand gegeben und fehlen die Krone und das Krönungsschwert, die tänzerisch33

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Abb. 10: Francisco José de Goya y Lucientes: Pepito Costa y Bonells, um 1810, Öl auf Leinwand (New York, Metropolitan Museum of Art).

anmutige Pose, der distanzierte, dennoch feste Blick auf den Betrachter, das Säulenmotiv, der eine revelatio andeutende Baldachin bzw. Vorhang und nicht zuletzt das Ornat – der opulente Krönungsmantel zusammen mit Bestandteilen der Kleidung des Ordre du Saint-Esprit samt Ordenskollane  – zeigen jedoch eindrücklich, wie weitgehend Testelins Porträt den 63-jährigen Monarchen Rigauds präfiguriert.64 Der Weg von einer solcherart normierten, antizipatorisch-providentiellen Repräsentationskultur hin zu einer im Ansatz naturnahen und psychologischen Auffassung von Kindheit und kindlichem Bewusstsein findet im adligen Kinderbildnis erst im ausgehenden 18. Jahrhundert infolge der realistischen Tendenzen in der Malerei statt, etwa bei Francisco de Goya oder Antonio Carnicero in Spanien, den gefühlvollen, die Seele und das Individuum erkundenden Werken deutscher Romantiker oder der English school um Thomas Gainsborough oder Joshua Reynolds.65 Eine gewisse Abkopplung vom Erwachsenenporträt wurde dabei  – zumindest was die Knaben betrifft – auch vestimentär, durch sich verändernde Kleidungscodes und -stile be34

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günstigt: Unter dem prägenden Einfluss der englischen Mode begann sich die Kleidung der Kinder auch in Adelskreisen von jener der Erwachsenen zu unterscheiden und erfreute sich die Kindermode à la Matelote („nach Matrosenart“) bald in ganz Europa größter Beliebtheit (Abb. 10). Auswahlbibliographie

Leo Andergassen (Hg.): Der Traum vom späteren Leben. Kinderporträts von 1500 bis heute, Ausstellungskatalog des Landesmuseums Schloss Tirol, Tirol 2015. María Cruz de Carlos Varona: Nacer en palacio. El ritual del nacimiento en la corte de los Austrias (= Centro de Estudios Europa Hispánica), Madrid 2018. Sonja Fabian: Kinderbilder als Rollenbilder? Zur sozialhistorischen Aussagekraft früher Kinderbildnisse, in: Wolfgang Meighörner (Hg.): Nur Gesichter?, Innsbruck 2016, 190–210. Gerd Mentgen: Astrologie und Öffentlichkeit im Mittelalter (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 53), Stuttgart 2005. Jean Meyer: La naissance de Louis XIV, Bruxelles 1989. Jacqueline Marie Musacchio: The Art and Ritual of Childbirth in Renaissance Italy, New Haven 1999. Yannick Vu/Jutta Frings: Kleine Prinzen: Kinderbildnisse vom 16. bis 19. Jahrhundert aus der Fundación Yannick y Ben Jakober, Ausst.-Kat. Bonn, Ostfildern 2003.

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Anmerkungen dazu Karl Hauck: Geblütsheiligkeit, in: Bernhard Bischoff u. a. (Hg.): Liber Floridus. Mittellateinische Studien. Paul Lehmann zum 65. Geburtstag, St. Ottilien 1950, 187–240; Kilian Heck/ Bernhard Jahn (Hg.): Genealogie als Denkform in Mittelalter und Früher Neuzeit, Tübingen 2000; vgl. auch die Einträge zu „Vater sein“ und „Mutter sein“ in diesem Band, 277–290 und 291–305. 2  Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, 1. Halbband, Tübingen 1956, 124 sowie 142–148. 3  Vgl. Louis Marin: Das Porträt des Königs, aus dem Französischen von Heinz Jatho, Berlin 2005, 12–16. 4  Ebd., 15. 5  Siehe Sueton: Die Kaiserviten. Berühmte Männer/De vita Caesarum. De viris illustribus, hg. von Hans Martinet, Berlin 2011, hier und im Folgenden 294–300. Siehe vergleichend zur römischen Königszeit auch Astrid Khariouzov: Prodigien in der römischen Königszeit: eine motivgeschichtliche und narratologische Analyse im 1. Buch des Livius, Berlin 2013. 6 Sueton: Die Kaiserviten (wie Anm. 5), 297. 7  Ebd., 299. 8 Welche einschneidenden Konsequenzen das allzu lange Ausbleiben von Nachkommen haben konnte, lässt sich sehr eindrücklich etwa der Königsaaler Chronik (1305/38) entnehmen, die u. a. die „beweinenswerte Ehescheidung“ König Ottokars von Böhmen von seiner „geliebten“, jedoch für unfruchtbar befundenen Gattin Margaretha sowie dessen Wiederverheiratung zum Zwecke der dynastischen Überlebenssicherung beschreibt. Siehe Stefan Albrecht (Hg.): Die Königsaaler Chronik, Frankfurt a. M. 2014, 43–46. 9  Vgl. dazu Otto Frass: Quellenbuch zur österreichischen Geschichte 1, Wien 1956, Nr. 113, 157–159. 10 Vgl. Die Chronik des Mathias von Neuenburg, übers. von Georg Grandaur, Leipzig 1892, 102 f. 11  Lukas Wolfinger: Die Herrschaftsinszenierung Rudolfs IV. von Österreich. Strategien – Publikum – Rezeption, Köln 2018, 482–529, hier 523. Um seinen Geburtskult öffentlichkeitswirksam zu pflegen, nutzte Rudolf – entgegen den Gepflogenheiten seiner Zeit  – auch seine Siegel: So findet 1 Vgl.

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sich auf seinem ersten Reitersiegel gleich ein dreifacher Hinweis auf seine Geburt; der Revers gibt den Tag sogar ganz exakt an: NA (TUS) I (N) DIE OM (NIUM) SA (N)C (TORUM). Vgl. dazu auch Alexander Sauter: Fürstliche Herrschaftsrepräsentation. Die Habsburger im 14. Jahrhundert, Ostfildern 2003, 326. Zur ausufernden und planvollen Gegeninszenierung Kaiser Karls IV. im Zusammenhang der langersehnten Geburt seines Sohnes Wenzel, den es wirkungsvoll gegen Rudolf als Amtsnachfolger im Reich in Stellung zu bringen galt, und deren intensive sakrale Inszenierung als „Geschenk des Himmels“ vgl. wiederum Wolfinger 2018 (wie Anm. 11), 692–705. 12  Zur Vorbild gebenden Funktion der Kaiserviten Suetons vgl. Florens Deuchler: Maximilian I. und die Kaiserviten Suetons. Ein spätmittelalterliches Herrscherprofil in antiken und christlichen Spiegelungen, in: ders. (Hg.): Von Angesicht zu Angesicht: Porträtstudien. Michael Stettler zum 70. Geburtstag, Bern 1983, 129–149. 13  Sueton berichtet etwa von einem Blitz, der „in alter Zeit“ in die Stadtmauer von Augustus’ Geburtsstadt Velitrae eingeschlagen und der später als (bereits eingetroffene) Prophezeiung gedeutet worden sei, dass sich dereinst „ein Bürger dieser Stadt zum Herrn der Welt“ erheben wird. Vgl. Sueton: Kaiserviten (wie Anm. 5), 295. 14  Überhaupt zeigt der Evangelist Matthäus eine besondere Vorliebe für Prodigien, die auf die Person des Messias bezogen sind und die ihrerseits in einer sowohl hellenistisch-heidnischen wie auch jüdisch-apokalyptischen Tradition wurzeln. Vgl. dazu Klaus Berger: Hellenistisch-heidnische Prodigien und die Vorzeichen in der jüdischen und christlichen Apokalyptik, in: A NRW II .23.2: Religion (Vorkonstantinisches Christentum: Verhältnis zu römischem Staat und heidnischer Religion), Berlin/ New York 1980, 1428–1469, hier 1444 f. 15  Vgl. Origines: Contra Celsum, I. LV III – LIX . Eines der frühesten Beispiele der Kometen-Darstellung in der bildenden Kunst ist Giotto di Bondones Fresko zur Anbetung der Könige in der ScrovegniKapelle in Padua von 1302. Ein zeitgenössisches Beispiel um 1500 etwa Albrecht Altdorfers Geburt Christi von 1511 (Gemäldegalerie, Berlin), in der das

a. Auf die Welt kommen / Kind sein

stellare Ereignis zwischen Blitz und Komet changiert. 16  Der Weiß Kunig: Eine Erzehlung von den Thaten Kaiser Maximilian des Ersten, herausgegeben aus dem Manuscripte der kaiserl. königl. Hofbibliothek von Marx Treitzsaurwein auf dessen Angeben zsgetragen, nebst d. von Hannsen Burgmair dazu verfertigten Holzschnitten, Wien 1775, 54–56. Vgl. zu Maximilian als Christomimetes im Weißkunig auch Jan-Dirk Müller: Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I., München 1982, 147 und 264. 17  Der Weiß Kunig (wie Anm. 16), 55. 18 Selbst der verklärt-introspektive, das kommende Heilsgeschehen antizipierende Gesichtsausdruck Mariens, den zahlreiche Darstellungen zeigen, wird übernommen, obschon es sich bei der Geburt des Stammhalters natürlich, wie der Text mehrfach jubilierend hervorhebt, um ein für Eltern und Untertanen höchst freudiges Ereignis handelte. 19  Vgl. zum Holzschnitt und seiner Interpretation auch Larry Silver: Marketing Maximilian. The Visual Ideology of a Holy Roman Emperor, Princeton 2008, 136 f. 20  Daniel Carlo Pangerl: Sterndeutung als naturwissenschaftliche Methode der Politikberatung: Astronomie und Astrologie am Hof Kaiser Friedrichs III . (1440–1493), in: Archiv für Kulturgeschichte 92/2 (2010), 309–328, hier 311. Zur Geschichte der höfischen Astrologie von der römischen Antike bis zum 16. Jahrhundert und der Astrologie als politischer „Propaganda“ ausführlich Gerd Mentgen: Astrologie und Öffentlichkeit im Mittelalter, Stuttgart 2005, 159–269. 21  Vgl. zum „astrologiebesessenen“ Friedrich und seinen Sterndeutern Mentgen 2005 (wie Anm. 20), 235–242. 22  Vgl. Joseph Grünpeck: Die Geschichte Friedrichs III . und Maximilians I., hg. und übers. von Theodor Ilgen, Leipzig 1891, 20. 23  Zum Horoskop Eleonores von Portugal und dessen Einfluss auf Friedrichs Handlungen vgl. Pangerl 2010 (wie Anm. 20), 318–323. 24  Der Weiß Kunig (wie Anm. 16), 56. 25  […] des himel Einflus und der Stern wurckung, davon die menschen Ir Natur und wesen emphahen […]. Siehe Der Weiß Kunig (wie Anm. 16),

65. Vgl. dazu auch Franz Boll: Sternglaube und Sterndeutung: Die Geschichte und das Wesen der Astrologie, Wiesbaden 1926, 37. Zu Maximilian in astrologischen Druckwerken seiner Zeit vgl. Claudius Sieber-Lehmann: Maximilian I. in astronimisch-astrologischen Druckwerken und Prophezeiungen, in: Johannes Helmrath/Ursula Kocher/ Andrea Sieber (Hg.): Maximilians Welt. Kaiser Maximilian I. im Spannungsfeld zwischen Innovation und Tradition, Göttingen 2018, 61–82. 26  Der Weiß Kunig (wie Anm. 16), 54. Zum Vorbild des Lukas-Evangeliums und des Magnificat siehe Müller 1982 (wie Anm. 16), 147. Zur umfassenden Inszenierung als „Anführer der Christenheit“ vgl. Silver 2008 (wie Anm. 19), Kap. 4: Caesar Divus: Leader of Christendom. 27  Der Weiß Kunig (wie Anm. 16), 58. 28  Vgl. Grünpeck 1891 (wie Anm. 22), 33. 29  Der Aspekt einer die Vorsehung beglaubigenden physischen Frühvollendung kommt auch bei Sueton wiederholt zum Tragen, so etwa, wenn der „noch ganz kleine“ Augustus eines Nachts eigenmächtig aus seiner Wiege und einen Turm hinauf steigt, wo er schließlich am Morgen und im höchsten Zimmer „der aufgehenden Sonne zugewandt“ liegt. In analoger Weise heißt es später auch über Maria, sie sei als Kleinkind allein die Treppenstufen zum Tempel hinaufgestiegen. 30 Vgl. dazu Anne Bloemacher: Das erste Bad Maximilians I. in der „Historia Friderici et Maximiliani“, in: Kristina Deutsch/Claudia EchingerMaurach/Eva-Bettina Krems (Hg.): Höfische Bäder in der Frühen Neuzeit, Berlin/Boston 2017, 107–127. 31  Siehe dazu Silver 2008 (wie Anm. 19), 137 f. 32  Besonders eindrücklich etwa im Holzschnitt, der das Kapitel Wie der Jung Weyß kunig die siben freyen kunst in kurtzer zeit lernet begleitet, in dem der puer senex Maximilian erhöht und im Zentrum – mehr Lehrer denn Lernender – als ‚Christus unter den Doktoren‘ erscheint. Vgl. Der Weiß Kunig (wie Anm. 16), 63, Nr. 22. Zu erinnern ist in diesem Kontext auch an die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Wenzelfresken in der Nürnberger Moritz-Kapelle, die um 1370 auf Veranlassung Karls IV. entstanden waren und die Geburt und Jugend des avisierten Thronfolgers ebenfalls mit derjenigen Christi parallelisierten. Vgl. dazu Wolfinger 2018 (wie Anm. 11), 701 f.

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Jörge Bellin 33  So der kaiserliche Rat und Geschichtsschreiber Johannes Cuspinian: De Caesaribus atque imperatoribus romanis, opus insigne cum Wolfgangi Hungeri annotationibus, Frankfurt 1601 (vollendet 1528), 485: Ab infantia pene in nonum aetatis annum elinguis, vt pleriq; mutus iudicaretur. […] respondit Fridericus astantibus: Nescio, inquit blande, quo pacto vel legat, vel loquatur, hoc mihi certe constat, quod cum duodecimum aetatis ageret annum, subuerebar ipsum aut stultum futurum aut mutum. Gleichlautend auch Johann Jakob Fugger: Spiegel der Ehren des Höchstlöblichsten Kayser- und Königlichen Erzhauses Oesterreich […], Nürnberg 1668, 766. 34  María Cruz de Carlos Varona: Nacer en palacio. El ritual del nacimiento en la corte de los Austrias (= Centro de Estudios Europa Hispánica), Madrid 2018. 35  Vgl. dazu ausführlich ebd., Kap. 3 ›Honestíssima arte‹: comadres y autoridad femenina en la corte española, 133–175. 36  Der ganze Vorgang findet sich ausführlich bezeugt in einem Bericht Louise Burgeios’, der 1838 wiederveröffentlicht wurde: Comment et en quel temps la reine accoucha de Monsieur le Dauphin à présent Louis XIII , des ceremonies qui y furent observées, l’ordre y tenu, les discours intervenus entre le roy e la reine, et sur plusieurs autres occurrences, par Louise Burgeios, dite Boursier, sage-femme de la reine, Paris 1838. 37  Vgl. hierzu und im Folgenden Claudia Däubler-Hauschke: Geburt und Memoria. Zum italienischen Bildtyp der deschi da parto, München/ Berlin 2003. Zur soziokulturellen Komponente des Themas unter Einbeziehung sämtlicher Umstände und Objekte im Zusammenhang der Kindsgeburt vgl. Jacqueline Marie Musacchio: The Art and Ritual of Childbirth in Renaissance Italy, New Haven 1999. 38 Zur Doppelfunktion siehe Giorgio Vasari: Le opere di Giorgio Vasari, Bd. 7: Le vite dei più eccellenti pittori, scultori ed architettori, con nuove annot. e commenti di Gaetano Milanesi, Florenz 1881, 20–21. 39 Zur Spannung zwischen exponierter, mit Autorität und herrscherlicher potestas assoziierter Maskulinität und heroischer Tugendlehre und Selbstkontrolle, zwischen dem „Vert Galant“ und

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dem „Hercule Galois“ in der Repräsentation Heinrichs IV. vgl. Catherine B. Crawford: The Politics of Promiscuity: Masculinity and Heroic Representation at the Court of Henry IV, in: French Historical Studies 26.2 (2003), 225–252. Zur ersten Ehe Heinrichs IV. mit Margarete von Valois, die kinderlos blieb und deren Annullierung Heinrich seit 1593 betrieb, vgl. Klaus Malettke: Heinrich IV. Der erste Bourbone auf dem Thron Frankreichs (1553–1610), Zürich 2019, 37–39. Zu den gravierenden Folgen und  – nicht zuletzt repräsentativen  – Nöten royaler Kinderlosigkeit und infolgedessen „unerwarteter Erben“ im frühneuzeitlichen Europa vgl. den – wenn auch allenfalls das weite Feld öffnenden  – Sammelband von Valerie Schutte: Unexpected Heirs in Early Modern Europe. Potential Kings and Queens, Cham 2017. 40 Helga Hübner/Eva Regtmeier: Maria de’ Medici. Eine Fremde. Florenz–Paris–Brüssel–London–Köln, Frankfurt a. M. 2010, 30. 41  Malettke 2019 (wie Anm. 39), 155. 42  Ebd., 53–59. 43  Vgl. dazu auch Geraldine A. Johnson: Pictures fit for a Queen: Peter Paul Rubens and the Marie de’ Medici Cycle, in: Art History 16.3 (1993), 447–469, sowie Sarah R. Cohen: Ruben’s France: Gender and Personification in the Marie de Médicis Cycle, in: The Art Bulletin 85 (2003), 490–522. 44  Vgl. hierzu und im Folgenden Ronald Forsyth Millen/Robert Erich Wolf: Heroic Deeds and Mystic Figures. A new Reading of Rubens’ Life of Maria de’ Medici, Princeton 1989, 30–37. Außerdem Hübner/Regtmeier 2010 (wie Anm. 40), 120–121. 45 Kristen Lippincott dagegen hat nahegelegt, dass sich das Sternzeichen des Schützen, obwohl tatsächlich falsch, auf Maria selbst bezieht und Rubens sich dabei auf die astrologische Expertise des befreundeten, hofnahen Gelehrten Nicolas-Claude Fabri de Peiresc stützte. Vgl. Kristen Lippincott: Rubens, Peiresc, and the Birth of Maria de’ Medici, in: Art History 29/1 (2013), 563–570. 46  Forsyth Millen/Wolf 1989 (wie Anm. 44), 82. Zur Interpretation der Figuren im Folgenden ebd., 82–91. 47  Im Hinblick auf die Herkules-Allusion mag die Schlange zugleich an jene Schlangen erinnern, die Hera ihm sendet, um ihn zu töten, als der Heros noch ein Baby ist. Am nächsten Morgen findet

a. Auf die Welt kommen / Kind sein

man ihn jedoch glücklich in seinem Bett, in dem er mit den getöteten Schlangen spielt. 48  Vgl. dazu auch Peter Burke: The Fabrication of Louis XIV, New Haven/London 1992, 39, sowie Anuschka Tischer: Ludwig XIV., Stuttgart 2017, 11–12. 49  Bei Ludwigs Geburt waren rund 50 Personen unmittelbar zugegen; die Königin zog sich erst einige Stunden nach der Niederkunft mit einer Hebamme und einer Hofdame zurück. Ausführlich zu den Umständen der Geburt Jean Meyer: La naissance de Louis XIV, Bruxelles 1989, 135–177. Vgl. auch Anka Muhlstein: Königinnen auf Zeit. Katharina von Medici – Maria von Medici – Anna von Österreich, Frankfurt a. M./Leipzig 2003, 232– 236. 50  Vgl. dazu das Ballet de la félicité auf die glückliche Geburt des Dauphins, das zwei panegyrische Gedichte von Tristan L’Hermite enthält und am 6. März 1639 in St. Germain vor Ihren Majestäten aufgeführt wurde. Paul Lacroix: Ballets et mascarades de cour de Henri III à Louis XIV (1581–1652), Bd. 5, Paris 1968 (11870), 229–242. 51 Vgl. die bei Jean Camusat 1638 erschienene Paraphrase auf Psalm 71 von Nicolas Charpy de Sainte-Croix, die Ludwig XIII . anlässlich der Geburt des Dauphins präsentiert wurde (Bibliothèque nationale de France, Paris, FR BNF 36115158). 52  So in einem Gedicht des im französischen Exil lebenden italienischen Philosophen Tommaso Campanella. Vgl. Tommaso Campanella: Poésie, ed. G. Gentile, Bari 1915, 195–207. 53  George Duplessis zählt in seinem Inventar der Drucke, die 1863 aus der Sammlung Hennin an die Bibliothèque nationale de France übergingen, allein 14 druckgrafische Werke mit panegyrischdokumentarischem Bezug unter dem 5. September 1638, der Geburt Ludwigs (XIV.). In den Folgejahren erscheinen weitere allegorische Stiche auf die Geburt, die das Gottesgnadentum des kleinen Dauphins ausgiebig zelebrieren. Vgl. Georges Duplessis: Inventaire de la collection d’estampes relatives à l’ histoire de France, léguée en 1863 à la Bibliothèque nationale par M. Michel Hennin, Bd. 1, Paris 1877, Nr. 2727–2741, 353–355 und Nr. 2914– 2915, 373. 54  Abraham Bosse: La Joye de la France, dédiée au Roy Louys le Juste, XIII du nom, 1638, Kupfer-

stich (Bibliothèque nationale de France, Paris, FR BNF41501934). 55  Jean Froone: Pièce allégorique sur la naissance de Louis XIV, 1640, Kupferstich (Bibliothèque nationale de France, FR BNF41502119). 56  Louis Spirinx: Louis XIV, assis sur son trône, donne audience à des magistrats qui viennent le complimenter, 1645, Kupferstich (Bibliothèque nationale de France, Paris, FR BNF41502660). Vgl. dazu Friedrich Polleroß: Das sakrale Identifikationsporträt: ein höfischer Bildtypus vom 13. bis zum 20. Jahrhundert, 2 Bände, Worms 1988, 118 (Bd. I) und 403, Nr. 481 (Bd. II). 57  Louis Bertrand: Ludwig der Vierzehnte, aus dem Franz. übertragen von Gertrude Aretz, Dresden 1927, 18. 58 Ebd. 59  Tiziano Vecellio: Philipp II offering the Infante Fernando to Victory, 1573–1575, Öl auf Leinwand (Museo del Prado, Madrid, Inv.-Nr. P000431). Vgl. dazu Álvaro Soler del Campo/Miguel Falomir Faus (Hg.): El arte del poder. La Real Armería y el retrato de corte, Ausstellungskatalog Museo del Prado, Madrid 2010, 192. 60  Vgl. Leo Andergassen (Hg.): Der Traum vom späteren Leben. Kinderporträts von 1500 bis heute, Ausstellungskatalog des Landesmuseums Schloss Tirol, Tirol 2015. 61  Adolf Reinle: Das stellvertretende Bildnis: Plastiken und Gemälde von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, Zürich/München 1984, 162. 62  Vgl. dazu auch Sonja Fabian: DO ICH WAS ZWAYR IAR ALT … Zum frühen Kinderporträt im 15. und 16. Jahrhundert mit Blick auf Tirol, in: Andergassen 2015 (wie Anm. 60), 50–64. 63  Für einen gesamteuropäischen Überblick mit zahlreichen Beispielen siehe Yannick Vu/Jutta Frings: Kleine Prinzen: Kinderbildnisse vom 16. bis 19. Jahrhundert aus der Fundación Yannick y Ben Jakober, Ostfildern 2003. In eben diesem Sinne wird auch Maximilian I. im Weißkunig nie eigentlich als Kind und im Spiel gezeigt, sondern stets bei der vorbildlichen lernung all jener Aktivitäten und Körpertechniken, die dem künftigen Herrscher zu Ruhm und Nutzen gereichen werden (selbst die kurtzweil, also das tatsächliche Spiel, ist gänzlich providentiell aufgefasst und zeigt den jungen König beim Bogen-, Armbrust- und Kanonenschießen,

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beim spielerischen ‚Hauen und Stechen‘, Reiten und Ringen). Vgl. Der Weiß Kunig (wie Anm. 16), 58–101, insb. der Holzschnitt zur kurtzweil von Hans Burgkmair, Nr. 15. 64  Noch ausgeprägter erscheint der ‚Sample-Charakter‘ in zwei weiteren Porträts Ludwigs XIV. von 1648 bzw. 1685, die beide von der Hand Testelins stammen und den König thronend und im Modus der Rechtsprechung – mit einem Lorbeerkranz in der rechten, einem Szepter in der linken Hand  –

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zeigen (siehe Henri Testelin: Portrait de Louis XIV enfant en costume de sacre, Musée de l’Histoire de France, Versailles, MV 102, sowie Henri Testelin [zugeschrieben]: Ludwig XIV., König von Frankreich, als oberster Richter, Deutsches Historisches Museum, Berlin, Gm 93/60). 65  Vgl. zahlreiche Bildbeispiele zu der Zeit ab 1780 in Andergassen 2015 (wie Anm. 60), Katalog ab 130, sowie Vu/Frings 2003 (wie Anm. 63), Katalog ab 204.

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b. Anschauen und Wegschauen

Der Blick des Herrschers gehört zu den wirkungsvollsten Elementen, mit denen Regenten ihrer körperhaften Präsenz Ausdruck verleihen können. Wesentlich stärker als die körperliche Statur, die nicht immer dazu geeignet war, der herrscherlichen Autorität auch physischen Glanz zu vermitteln (vgl. hierzu unten das Beispiel Karls II . von Spanien), vermag der Blick eines Fürsten, Königs oder Kaisers Nähe und Distanz, Inklusion und Exlusion auszudrücken. Eine besonders radikale Form ist dabei die Blickverweigerung, beispielsweise gegenüber den Teilnehmern einer Audienz. Eine solche Form der Verweigerung bzw. Unterbrechung einer Blickbeziehung zwischen dem Herrscher und seinem rangniederen Gegenüber ist für das Hofzeremoniell des assyrischen Königshofes im 7. Jahrhundert v. Chr. (Regierungszeit des Königs Asarhaddon 680–669 v. Chr.) überliefert. Hier durften die Teilnehmer den assyrischen König während der Audienz nicht ansehen, weshalb ihnen die Augen mit einer Binde verbunden wurden.1 Eine solche Form der Hermetisierung des Herrschers durch Blickverweigerung ist für das europäische Hofzeremoniell – von der Antike bis zur Neuzeit – nicht bekannt. Soweit erkennbar, wird der Blick des Herrschers in der europäischen Zeremonialliteratur überhaupt nicht thematisiert, was wiederum auf seine geringe normative Bedeutung in der zeremoniellen Praxis schließen lässt. Der für das körperlich vermittelte Verhältnis zwischen Herrscher und Untertan so wichtige Vorgang des „Anschauens“ und „Wegschauens“ spielt in der zeremoniellen Praxis der europäischen Höfe keine erkennbare Rolle. Dafür findet das körperliche Organ der Augen und das Motiv des fürstlichen oder königlichen Schauens in der Regentenliteratur, so etwa in der für die Prinzenerziehung wichtigen Gattung der „Fürstenspiegel“, umso größere Beachtung. Metaphorisch werden die Augen und der Blick des Fürsten dabei als ein zentrales Element der Regentenethik ausgedeutet. So fordert der deutsche evangelische Theologe Reinhard Lorich in seiner Paedagogia Principum (1537), dass die Fürsten Hertzer / Augen / vnnd Waechter deß Vatterlandes [sein sollen] / welche allerest fuehlen / ersehen vnd vernemmen moegen / zufaelligen Vnraht.2 Das hier angesprochene Prinzip des nach allen Seiten wachsamen Herrscherblicks, der die Augen zu einem konstitutiven, symbolträchtigen Element von Person 41

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und Amt des Fürsten erhebt, hatte wenige Jahre zuvor Erasmus von Rotterdam in seiner Institutio principis christiani (1516) auf eine prägnante Formel gebracht: Fürsten sollen vorne und hinten Augen haben.3 Noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts gebraucht Martin Moller die Metapher des von oben in sein Land herabblickenden Herrschers, wenn er in seinem Regenten Büchlein (1605) mit der Diktion des protestantischen Predigers nachdrücklich die von demütiger Nächstenliebe bestimmte christliche Regentenethik einfordert und hierbei die Augen und das aktive, aufmerksame Sehen eines Regenten als Voraussetzung für gute Regierungspraxis benennt: Wer ist / wie der HERR vnser Gott / der sich so hoch gesetzt hat / vnd auff das Nidrige sihet / beyde im Himmel vnd auff Erden? An diesen Spruch sollen alle Hohe Regenten gedencken / wenn sie auff jhren hohen Schloessern herrschen / vnd auff jhren wol erbaweten Rath Haeusern sitzen / Auff das sie sich nicht erheben / sondern gleich wie der allerhoechste Gott / von seinem hoechsten Thron auff das nidrige sihet / vnd sich die Elenden annimmet / Also sie auch in demuetiger Furcht Gottes / von jhren Schloessern vnd hohen Rath-Haeusern herab sehen / vnd jhrer armen Vnterthanen / welche auch Gottes Kinder / vnd mit dem Blutt Christi erkauffet sein / hertzlich vnd Vaeterlich warnemen.4 Deutlich werden bei Moller der Blick des Herrschers und der Akt des herrscherlichen Sehens mit der Architektur verbunden: So definiert Moller die fürstlichen und königlichen Residenzschlösser sowie Rathäuser nicht nur allgemein als Regentensitze, sondern als Orte des aktiven herrschaftlichen Sehens, womit Schlösser und Rathäuser zu architektonischen Manifestationen und gewissermaßen physischen Gehäusen der wachsam blickenden Augen des Herrschers avancieren. Dieser Herrscher ist für Moller wiederum den Normen und Werten christlicher Regentenethik unterworfen, weshalb die herausgehobene Position der fürstlichen Residenzschlösser (und auch Rathäuser) und der von oben herab auf seine Untertanen gerichtete Blick des Fürsten als aufeinanderbezogene Elemente einer christlichen Herrschaftsikonographie zu verstehen sind: In der äußerlich erhöhten Stellung des Fürsten reflektiert sich einerseits seine göttliche Stellvertreterschaft und andererseits die hieraus zwingend abgeleitete Verpflichtung zu größter Demut vor Gott und den Menschen. In diesem Kontext dient der Blick des Fürsten nicht als Mittel der Distanzierung, sondern im Gegenteil als Element sichtbarer, anteilnehmender Zuwendung, die jedoch stets pervertiert zu werden droht: Von seinen – zur Zeit Mollers zumeist noch – hochgelegenen Schlössern aus soll der Regent seine Untertanen nach dem Vorbild Christi wie ein Vater aufmerksam anschauen und ihre Nöte erkennen (hertzlich vnd Vaeterlich warnemen), doch steht er zugleich permanent in der Gefahr, das zu seinen Füßen Liegende voll Gleichgültigkeit zu übersehen oder aber hochmütig statt demütig obsessiv kontrollieren zu wollen. Dann würde sich der väterlich-fürsorgliche Blick des guten Regenten in den Blick des Tyrannen verwandeln. 42

b. Anschauen und Wegschauen

Die in den Fürstenspiegeln vorgenommene metaphorische Ausdeutung des Herrscherblicks lässt sich in der Architektur der europäischen Residenzschlösser und auch Rathäuser des 15.–18. Jahrhunderts anhand von bestimmten architektonischen Elementen oder Gestaltungsformen tatsächlich nachweisen (hingewiesen sei an dieser Stelle auf die gezielte Gestaltung und Inszenierung von hochgelegenen exklusiven Räumen und Ausblicksituationen z. B. durch durchfensterte und mit allegorischen Bildprogrammen geschmückte Erker oder in Türmen untergebrachte fürstliche Wohnappartements, Rückzugsräume – darunter die Studierräume – und Tafelstuben).5 Von daher stellt sich die Frage, wie dieses Thema in anderen künstlerischen Medien behandelt wurde, so vor allem im Herrscherbildnis, jenem Medium, das den Blick des Regenten und den Vorgang des herrscherlichen Schauens und Wegschauens am unmittelbarsten darstellen konnte. Diese Frage wurde bislang nicht systematisch als Forschungsproblem behandelt und kann daher im Rahmen des vorliegenden Beitrags auch nur in ersten Ansätzen beantwortet werden. Das Problem erweist sich als durchaus komplex, ist doch bereits der Begriff des „Herrscherbildnisses“ oder des „Herrscherporträts“ sehr verallgemeinernd und sagt wenig aus über die konkrete Funktionalität der überlieferten und verschiedenartigen Bildnisse fürstlicher, königlicher oder kaiserlicher Regenten. Ohne hier erneut auf die von Angelica Dülberg aufgeworfene und verschiedentlich diskutierte Differenzierung zwischen offiziellem „Amtsporträt“ und „Privatporträt“ eingehen zu wollen,6 erscheint doch die Feststellung notwendig, dass nicht alle „Herrscherbildnisse“ für die Zwecke der unmittelbaren Herrschaftspraxis oder der herrschaftlich-dynastischen Ehepolitik geschaffen wurden und nur wenige im Rahmen zeremonieller Handlungen Verwendung fanden.7 Vielmehr scheint es Aufgabe zahlreicher wenn nicht sogar der meisten dieser Bildnisse gewesen zu sein, die Erinnerung an lebende oder verstorbene Mitglieder fürstlicher Familien, ihren politischen oder militärischen Status und ihre dynastische Herkunft sowie ihre Bedeutung für politisch-dynastische Allianzen wachzuhalten, weshalb sie nach Ausweis der Inventare auch vorwiegend in den Wohnappartements und nur teilweise in den Repräsentationsräumen von Schlössern aufgehängt wurden.8 Hiervon sind jene Bildnisse zu unterscheiden, die als Zeugnisse politisch-dynastischer Allianzen oder als „Amtsporträts“ in den nachgeordneten Amtssitzen und Rathäusern Verwendung fanden oder als Instrumente der politischen Propaganda – z. B. in den konfessionellen Auseinandersetzungen des Alten Reichs oder während der spanischen Thronfolgeregelung nach dem Tod Philipps IV . – zum Einsatz kamen.9 Angesichts der Vielfalt und Differenziertheit der Funktionen und des Gebrauchs von Herrscherbildnissen liegt die Annahme nahe, dass dieser Vielfalt auch eine entsprechend komplexe künstlerische Ausgestaltung des Herrscherblicks entsprach. 43

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Abb. 1: Piero della Francesca: Porträtdiptychon des Federico da Montefeltro und der Battista Sforza, Innenseiten, um 1474, Tempera auf Holz (Florenz, Uffizien).

Dies ist jedoch zunächst nicht der Fall, wurde doch in der Frühzeit des autonomen Herrscherbildnisses dessen Typologie noch wenig differenziert. So ist es aufgrund der überlieferten Bildnisse sehr wahrscheinlich, dass beispielsweise in Italien der 1466 geäußerte Wunsch von Ippolita Sforza, Bildnisse ihrer Eltern, Herzog Francesco Sforza und Bianca Maria Visconti, zur privaten Erinnerung zu erhalten,10 mit Doppelbildnissen erfüllt wurde, die dem aus Frankreich und Burgund übernommenen, streng im antikisierenden Profil gehaltenen offiziellen Typus folgten. Auf diesen Bildnissen ist der Blick der ins Bild gesetzten Eltern Ippolita Sforzas entsprechend starr nach links bzw. rechts gewendet, so dass sie in permanenter gegenseitiger Anschauung verharrten, statt aus dem Bild heraus zum Betrachter, in diesem Fall ihre Tochter, zu schauen. Dieser Fall ist vergleichbar mit einem anderen, ungleich berühmteren herrschaftlichen Bildnisdiptychon jener Zeit, das gegen 1474 Federico da Montefeltro in Erinnerung an seine kurz zuvor verstorbene Ehefrau Battista Sforza in Auftrag gab (Abb. 1).11 Auch hier wurden die von Piero della Francesca geschaffenen Bildnisse des Herzogspaares nach dem nobilitierenden Vorbild antiker Münzbildnisse ins Profil gesetzt, so dass der Akt des Schauens als Konfrontation der gegeneinander gerich44

b. Anschauen und Wegschauen

teten Blicke und somit als ausschließlich innerbildliches Geschehen stattfindet, von dem die Welt der Betrachter hermetisch ausgeschlossen wird. Immerhin gelingt es, das Motiv des wachsam sein Territorium kontrollierenden Fürstenblicks in Szene zu setzen, indem hinter den über die Horizontlinie hinaus erhobenen Köpfen des Herzogspaares die Ansicht einer von Burgen, Städten, Straßen und Wasserkanälen kultivierten Landschaft als Ausweis einer Guten Regierung erscheint. Der Raffinesse und Kunstfertigkeit Pieros della Francesca ist es darüber hinaus zu verdanken, dass sich das Motiv der formalisierten, typisierten Blickkonfrontation in diesem besonderen Fall zumindest in ein innerlich zugewandtes, gewissermaßen beseeltes Schauen verwandelt, wenn auch nur mit Hilfe des Tricks einer optischen Spiegelung. Denn um die innere Verbundenheit von Federico da Montefeltro und Battista Sforza auch über den Tod hinaus für die Nachwelt im Bild zu vergegenwärtigen, lässt Piero della Francesca den Herzog als miniaturhaft kleines Spiegelbild im Brustmedaillon der Herzogin aufscheinen12 und ermöglicht so über die physischen Grenzen des Tafelbildes hinaus eine posthume Vereinigung der Körper des Herzogspaares. Der Spiegeleffekt löst das tradierte starre, für körpersprachlich differenzierte, gar emotionale Aussagen ungeeignete offizielle Porträtschema zwar nicht auf, unterläuft aber die typusbedingte Starrheit der Blickkonfrontation und verleiht dem starr gegeneinander gerichteten Schauen einen tieferen, geradezu intimen Sinn: das gegenseitige Anschauen nicht mehr nur als Würdeformel, sondern als Ausdruck einer besonderen, durch Quellenzeugnisse verbürgten Verbundenheit eines Herzogspaares.13 Während in Italien im 15. Jahrhundert das Motiv des herrschaftlichen Schauens durch das Festhalten am antikisierenden Profilbildnis noch über lange Zeit nur sehr eingeschränkt thematisiert werden konnte, wurde diese Bildniskonvention weiter nördlich, in den burgundischen Niederlanden, zur gleichen Zeit bereits zugunsten des Dreiviertelporträts aufgegeben.14 Die genauen Hintergründe für diesen Wandel sind bislang unbekannt, doch dürften sie – neben einer Orientierung an der plastischen Büste – wesentlich mit jenen Innovationen in der ölfarbenen Tafelmalerei zusammenhängen, wie sie seit den 1420er Jahren Jan van Eyck und  – wenig später – Rogier van der Weyden entwickelten und dabei auch die Porträtmalerei revolutionierten. So war das am antiken Münzbildnis orientierte Profilbildnis deutlich schlechter geeignet, die Neuerungen einer mimetischen, die Oberflächen und Volumina von Objekten und Körpern modellierenden und hyperrealistisch nachahmenden Malerei zu rezipieren, als es das körperhaftere, die Dreidimensionalität (und damit den Bezug zur Bildnisbüste) betonende Dreiviertelbildnis zuließ. Die damit verbundene Möglichkeit, den Blick von Regenten – allen voran die burgundischen Herzöge – als einen Vorgang aktiver Kommunikation mit dem Bildbetrachter zu gestalten und den Regenten mit seinen Augen aus dem Bild herausschauen zu lassen, 45

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wurde jedoch für den Typus des Herrscherbildes nicht und für die „bürgerlichen“ Porträts nur eher selten genutzt ( Jan van Eycks aus dem Bild herausblickender „Mann mit rotem Turban“ ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Künstlerselbstbildnis). Diese Zurückhaltung gegenüber dem Potential des Dreiviertelporträts für die Darstellung des in den Betrachterraum gerichteten, sein Gegenüber fixierenden und damit gewissermaßen auch kontrollierenden Herrscherblicks wird wesentlich dem Bedürfnis nach Distinktion und einer maßvollen Hermetik geschuldet sein, womit der Typus des niederländischen Herrscherporträts, wie es in Rogier van der Weydens Bildnissen von Karl dem Kühnen (Abb. 2) überliefert ist, immer noch in Verbindung zum vorangegangenen, noch wesentlich hermetischeren antikisierenden Profilbildnis steht. Doch darüber hinaus bestehen auch Beziehungen zu jener Gattung des Porträts, wie sie Jan van Eyck – beispielsweise im Bildnis des „Kardinals Albergati“ – als Typus des „Erinnerungsbildes“ geschaffen hat. Diese Bildnisse inszenieren den Blick des Dargestellten gezielt als kontemplativen, gedankenverlorenen Blick, der nicht die Äußerlichkeiten der diesseitigen Welt im Sinn hat, sondern auf eine jenseitige Ferne oder auf eine Innenschau gerichtet ist. Ein wichtiger Prototyp dieses auf den Vorgang der Erinnerung und des Gedächtnisses genauso wie der spirituellen Kontemplation konzentrierten Bildniskonzeptes ist Jan van Eycks Gemälde „Leal Souvenir“, ein bis heute rätselhaftes Bildnis eines Mannes in reiferem Alter, der in ausgeprägter Lebensnähe hinter einer von den Spuren der Zeit gekennzeichneten steinernen Brüstung erscheint. Auf dieser deutet neben den (fiktiven) Beschädigungen vor allem die Inschrift „Leal Souvenir“ auf den Aspekt der Vergänglichkeit und die Notwendigkeit zur Erinnerung hin.15 Auffällig ist die Gestaltung der Augen des Mannes, die innerhalb des Bildraums nach links in eine imaginäre Ferne schauen und so – zusammen mit dem in der Hand gehaltenen Brief – das Thema der Erinnerung als Thema des introspektiven Blickens bzw. der Innenschau sprichwörtlich anschaulich werden lassen. Das beste Medium zur Erinnerung ist daher  – so die Aussage von „Leal Souvenir“ – das durch die Kunstfertigkeit der Malerei erzeugte lebensnahe Porträt. Wenn in diesem Typus des „Erinnerungsbildes“ auch ein Herzog wie Karl der Kühne dargestellt wird, erzeugt sein introspektiv nach innen und zugleich prospektiv in eine innerbildliche imaginäre Ferne gerichteter Blick nicht nur Distinktion, sondern auch die Aura des unsterblichen Ruhms, d. h. der Fama. Das solchermaßen in Szene gesetzte entrückte Schauen des Herzogs ist daher Teil einer umfassenden, vielfältigen höfischen Erinnerungskultur, die das Herrscherbildnis zu einem zentralen Medium für die Verpflichtung eines Landes und einer Dynastie werden lässt, dem Regenten ein die Zeiten und Generationen überdauerndes Andenken zu verschaffen. 46

b. Anschauen und Wegschauen

Abb. 2: Rogier van der Weyden: Herzog Karl der Kühne von Burgund, ca. 1450–1460, Öl auf Holz (Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie).

Das in den burgundischen Niederlanden um 1430 entwickelte Bildniskonzept des ruhmvoll entrückten Herrschers, dessen Blick die ästhetische Bildgrenze hin zur profanen Welt der Betrachter nicht überschreitet und so auch den direkten Blickkontakt vermeidet, sollte sich auch außerhalb der Niederlande durchsetzen und im 16. Jahrhundert zum Standardtypus des europäischen Herrscherbildnisses werden. Umso erstaunlicher sind daher jene Herrscherbildnisse dieses Typus, bei denen der Regent aus der Dreiviertelansicht in eine mehr oder weniger deutliche Frontalansicht gedreht wird und so geradezu zwangsläufig mit seinen Augen aus dem Bild herausschaut  – direkt in die Augen der Betrachter! Zu den frühesten solcher Bildnisse gehören das von Albrecht Dürer um 1496 gemalte Porträt Kurfürst Friedrichs III . von Sachsen, gen. der Weise, sowie das von Jean Clouet um 1525 geschaffene Porträt des französischen Königs Franz I. Dürers heute in Berlin aufbewahrtes Bildnis des sächsischen Kurfürsten (Abb. 3) ist das erste als Tafelgemälde ausgeführte Herrscherbildnis des Künstlers und verdankt seine Entstehung aller Wahrscheinlichkeit nach 47

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Abb. 3: Albrecht Dürer: Kurfürst Friedrichs III. von Sachsen, gen. der Weise, ca. 1496, Öl auf Leinwand (Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie).

der Empfehlung Dürers durch Konrad Celtis, dem damals bedeutendsten deutschen Humanisten.16 Wie Dürer den Blick bzw. das Schauen eines der mächtigsten europäischen Fürsten in Szene setzt und quasi zum Mittelpunkt seiner gesamten Bildkomposition erhebt, ist außerordentlich kühn und innovativ: Obwohl der Kopf Friedrichs des Weisen immer noch stark in die Dreiviertelansicht gedreht ist, erzeugt sein rechtes, nahezu im kompositorischen Zentrum der Kopfpartie sitzendes und hellaufleuchtendes Auge, das den Betrachter noch dazu unmittelbar ansieht, für den frappierenden Effekt einer scheinbar direkten Kontaktaufnahme des Kurfürsten mit seinem Betrachter. Möglicherweise hat Dürer dieses Motiv aus vergleichbar suggestiv wirkenden Bildnissen von Antonello da Messina entlehnt. Dieser hatte – in Abwandlung eines Porträtschemas von Hans Memling – erstmals den kontemplativentrückten, enigmatischen Blick der burgundisch-niederländischen Dreiviertelporträts ‚beseelt‘ und dadurch gewissermaßen ‚ins Leben‘ zurückgeholt,17 um ihn unter 48

b. Anschauen und Wegschauen

offensichtlichem Rückgriff auf die zeitgenössischen physiognomischen Diskurse18 zu einem Element der subtilen Kommunikation zwischen Porträtiertem und Betrachter zu entwickeln – allerdings nicht für herrschaftliche Bildnisse! In Dürers Bildnis Friedrichs des Weisen erinnert dieses Motiv zugleich an das wenig später entstandene Münchner Selbstbildnis des Künstlers, bei dem das frontal nach außen gerichtete Schauen noch radikaler inszeniert wurde. Wenn Thomas Schauertes Vermutung zutrifft, dass es sich bei diesem Selbstbildnis ursprünglich um ein humanistisch inspiriertes Werbebild handelte, das Dürer gegenüber Friedrich dem Weisen als einen neuen Apelles empfehlen sollte,19 würde sich zwischen den beiden Bildnissen eine höchst bemerkenswerte Beziehung ergeben. Bereits Hans Belting hatte das Bildnis Friedrichs des Weisen als Paradebeispiel für den Versuch angeführt, das damals aktuelle humanistische Konzept einer Unterscheidung von Körper und Geist auch im Herrscherporträt umzusetzen.20 Dafür würde auch sprechen, wie Dürer den fixierenden, Präsenz ausstrahlenden Blick des Fürsten – ebenfalls auf außergewöhnliche Weise – mit einer auffälligen Betonung seines Körpers verbindet und diesen in eine scheinbare Drehbewegung zum Betrachterraum hin versetzt. Dadurch wird seine illusionistisch-physische Gegenwart nochmals gesteigert und scheint die ästhetische Bildgrenze mit den weit nach vorne auf die Brüstung vorgeschobenen Unterarmen durchbrochen zu werden. In keinem anderen europäischen Regentenporträt dieser Zeit sind Blick und Körper bzw. die Suggestionskraft konzentrierten Anschauens und die Präsenz körperlich-physischer Stärke derart raffiniert kompositorisch aufeinander bezogen und damit zugleich zu einer inhaltlichen Aussage über die geistige wie physische Souveränität fürstlicher Macht ausgestaltet worden. Jean Clouets berühmtes Bildnis Franz I. (um 1525; Abb. 4) mag den französischen König in seinem äußerst kostbaren, voluminösen Gewand noch wesentlich prachtvoller inszenieren,21 doch eine stärkere geistige wie körperliche Präsenz als Dürers Friedrich der Weise vermag dieses Herrscherbildnis trotz der en face-Ansicht und dem damit verbundenen direkten Augenkontakt nicht zu vermitteln. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Dürer mit seinem Kurfürstenbildnis auf die bedeutende in jenen Jahren von Adriano Fiorentino geschaffene und heute in Dresden aufbewahrte Bronzebüste des sächsischen Kurfürsten reagierte und sie ganz im Sinne des Paragone mit den Mitteln der Malkunst – die hier vor allem die körperlich-geistige Intensität des Schauens pointiert herausarbeitet – zu übertreffen versuchte. Wie bei dieser Büste ist es auch bei Dürers Bildnis Friedrichs des Weisen unklar, an welchem Ort bzw. in welchem Raum es ursprünglich gezeigt wurde. Die Annahme der älteren Literatur, dass das Bildnis der dem dynastischen Gedächtnis gewidmeten „Stammstube“ des Wittenberger Schlosses zugedacht war, ist keineswegs abwegig.22 In die49

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Abb. 4: Jean Clouet: König Franz I. von Frankreich, um 1525, Öl auf Holz (Paris, Musée du Louvre).

sem Fall hätte das von Dürer dargestellte intensive Herausschauen des sächsischen Kurfürsten nicht zuletzt den Nachkommen gegolten, was das Motiv des fürstlichen Anschauens als rhetorisches Element der „Verlebendigung“ und der Stimulation des Gedächtnisses an Friedrich den Weisen verständlich werden ließe. Das bei Albrecht Dürer und Jean Clouet erkennbare Interesse an dem Problem des aus dem Fürstenporträt herausschauendenden Herrschers beschäftigte 1543 und 1548 auch Tizian in seinen Bildnissen von Papst Paul III . (Abb. 5) und Kaiser Karl V. (Alte Pinakothek München).23 Die Unterschiede zu Dürer und Clouet sind jedoch beträchtlich. Denn sowohl bei Paul III . als auch Karl V. wird das kraftvolldynamische, hochaktive Schauen, das in Verbindung mit der demonstrativ zur Schau gestellten jugendlichen Körperlichkeit bei Friedrich dem Weisen und Franz I. zum Symbol herrschaftlicher fortitudo avancierte, zu einem zurückgenommenen, introvertierten Schauen umgedeutet. Dazu trägt wesentlich die geradezu ermattete, gebrechlich wirkende, auf ihr menschliches Maß reduzierte Körperlichkeit des Papstes wie 50

b. Anschauen und Wegschauen

Abb. 5: Tizian: Papst Paul III., 1543, Öl auf Leinwand (Neapel, Gallerie Nazionali di Capodimonte).

des Kaisers bei. Denn obwohl auch Paul III . und Karl V. den Betrachter mit ihren Augen aus dem Bildraum heraus konzentriert fixieren (und Tizian die Augenpartie des Papstes nahezu in gleicher Weise gestaltet wie Dürer diejenige Friedrichs des Weisen), vermittelt die Haltung ihrer ganzfigurig sitzend wiedergegebenen Körper doch deutlich das fortgeschrittene Alter. Dass diese bemerkenswerte Spannung zwischen dem lebendigen Blick und dem alternden Körper in den Bildnissen nicht zu einer Konterkarierung der Autorität des Herrscheramtes führt, ist dem Kunstgriff Tizians zu verdanken, die Körper der beiden alternden Regenten durch Zeichen und Objekte der unantastbaren Herrscherwürde sprichwörtlich zu stabilisieren: Während es bei Paul III . die virtuose, höchst dynamische Inszenierung der päpstlichen Gewänder (Mozzetta und Camauro) ist, die – ähnlich wie beim zu Grunde liegenden Vorbild: Raffaels Bildnis von Papst Julius II . (1511) – die körperliche Gebrechlichkeit mit den Insignien der Macht umhüllt, dient bei Karl V. die Hintergrundkulisse aus Ehrentuch und Säulenpostament als hoheitsvolle, bildhafte Stütze kaiserlicher Autorität. 51

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Abb. 6: Diego Velázquez: Las ­Meninas, 1656, Öl auf Leinwand (Madrid, Museo del Prado).

Das in diesen beiden Bildnissen auf virtuose Weise zur Anschauung gebrachte latente Spannungsverhältnis zwischen herrschaftlicher Autorität und herrschaftlichem Körper und die Funktion der aus dem Bild heraus auf den Betrachter gerichteten Augen als Markierungen anhaltender geistig wacher, herrschaftlicher Präsenz sollten im 17. Jahrhundert in Spanien ihren Höhepunkt erleben. Denn sowohl in Diego Velázquez’ Las Meninas (1656) als auch in der von Juan Carreño da Miranda 1670 produzierten Bildnisserie für Karl II . von Spanien sind der Blick des Herrschers und das herrschaftliche Schauen zentrale Elemente, um die jeweils unterschiedlich prekäre Autorität der zentral ins Bild gerückten Herrscherpersönlichkeiten zu stabilisieren. In beiden Fällen handelt es sich um die Porträts von minderjährigen Kindern des spanischen Königs Philipp IV . und seiner Gemahlin Maria Anna von Habsburg: zum einen die fünfjährige Infantin Margarita und zum anderen der zehnjährige Karl II . Diese sollten in jeweils unterschiedlichen zeitlichen und dynastischen Situationen als 52

b. Anschauen und Wegschauen

potentielle Nachfolger des Königs bzw. potentielle königliche Braut aufgebaut und dargestellt werden. In diesem politischen Kontext ist das von Velázquez in Las Meninas (Abb. 6) so auffällig in Szene gesetzte Herausblicken aller Protagonisten weitaus mehr als die Darstellung eines Überraschungseffekts, der möglicherweise durch das in den Raum eintretende und im Spiegel an der Rückwand sichtbare elterliche Königspaar ausgelöst wurde.24 Der aus dem Bild heraus in letzter Konsequenz auf den Betrachter gerichtete Blick der Protagonisten25 – allen voran die Infantin Margarita – verstärkt vielmehr den Blick des Königspaares im Spiegel, dessen Reflexionsbild den Eltern der Infantin überhaupt erst Präsenz verleiht, da ihr physisches Urbild sich außerhalb des Bildraums befindet. Ohne diese Blickverstärkung durch die im Raum anwesenden Personen würde das im Spiegelbild nur schemenhaft erkennbare Schauen von Philipp IV . und Maria Anna vom Betrachter kaum bemerkt und auch die appellatorische Aussage, die in diesen raffiniert miteinander verschränkten Blickbeziehungen enthalten ist, nicht erkannt werden: So blickt der Betrachter von Las Meninas zwar vordergründig auf die im Bildzentrum stehende Königstochter Margarita, die ihn wiederum aus dem Bild heraus aufmerksam-überrascht anschaut, doch blickt er weiter in den Tiefenraum des Bildes, so trifft er dort auf den gespiegelten Blick des Königs und der Königin, die als Staats- und Familienoberhäupter die Szenerie von dort aus zu beobachten und zu überwachen scheinen. Erst dieses beobachtende Schauen des spanischen Königspaares und seine durch den Spiegel generierte physische Präsenz verleihen auch der erst fünfjährigen Infantin sichtbare königliche Autorität. In der komplexen Struktur und Logik der Bildkomposition vermittelt das Spiegelbild eine zweifach verschränkte Blickbeziehung bzw. eine doppelte Anschauung, bei der sich nicht nur die Infantin, sondern auch der Bildbetrachter vom Königspaar angeschaut wissen darf. Das in Las Meninas über den Spiegel vermittelte königliche Sehen bzw. Anschauen sollte fünfzehn Jahre später in einer für den Bruder der Infantin, Karl II ., von 1671 bis 1677 geschaffenen Bildnisserie rezipiert und wiederum für eine politische Aussage genutzt werden.26 Die von Juan Carreño de Miranda entworfene Bildkomposition zeigt (auf Abb. 7 in der Version des Museo del Prado) den noch minderjährigen künftigen spanischen König und Nachfolger seines 1665 verstorbenen Vaters, Philipp IV ., im Spiegelsaal (Salón de Espejos) des Madrider Königsschlosses (Alcázar) vor einem der berühmten Adlerspiegel stehend. Da sein schmächtiger, bekanntermaßen von Krankheiten geplagter Kinderkörper die königlichen Würden nur ungenügend zu repräsentieren vermochte, setzte Juan Carreño de Miranda  – wie vor ihm Velázquez in Las Meninas – das Spiegelbild als Hilfsmittel ein: Durch den Spiegel verwandelt sich zum einen das eigentlich en face wiedergegebene Gesicht Karls II . in ein Profilbildnis, womit unweigerlich die Erinnerung an die Form antiker 53

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Abb. 7: Juan Carreño de Miranda: Karl II. von Spanien, um 1675, Öl auf Leinwand (Madrid, Museo del Prado).

Kaiserbildnisse aufgerufen wird, und zum anderen erscheinen im Spiegel Fragmente der an der gegenüberliegenden Wand hängenden Gemälde, unter denen sich auch Rubens’ Reiterbildnis Philipps IV ., des Vaters Karls II ., befindet. Diesem Gemälde gilt letztlich  – wie die im Spiegel erkennbare Kopfhaltung zeigt – der Blick des kleinen Prinzen, der damit auf ein Bildnis seines verstorbenen Vaters schaut, das an dieser Stelle – ähnlich wie das königliche Spiegelbild in Las Meninas – in appellatorischer Absicht die dem Sohn noch fehlende königliche Autorität vergegenwärtigen soll. Diese wird zusätzlich verstärkt durch zwei weitere Blickmotive, die sich außerhalb des Spiegelbildes befinden: Zum einen ist es der Blick der gewaltigen Adler, die als vergoldete Figuren den Rahmen der Spiegel bilden, die sie wiederum mit ihren Krallen festhalten, und zum anderen ist es der Blick des den Konsoltisch stützenden Löwen, der mit seiner Tatze die Weltkugel hält. Das durchaus aggressive Schauen der 54

b. Anschauen und Wegschauen

beiden Adler und des Löwen, die als königliche Wappentiere per se die königliche Autorität symbolisieren, wirkt wie eine Verstärkung des zwar würdevollen aber zugleich kindlichen Schauens Karls II ., der erst dadurch – zumindest in der Realität des Herrscherbildnisses – glaubhaft die Statur eines künftigen Königs gewinnt. Unter den Herrscherbildnissen der Frühen Neuzeit gibt es kein Weiteres, welches das Motiv des Schauens aber auch des Wegschauens (vgl. die im Spiegel wiedergegebene Kopfpartie Karls II .) derart raffiniert und vielfältig thematisiert und in Szene gesetzt hat. Aus Gründen der politischen und dynastischen Raison schuf Juan Carreño de Miranda hier ein Meisterwerk des herrschaftlichen Schauens, das in dieser Hinsicht sogar sein Vorbild, Velázquez’ Las Meninas, übertrifft. Auswahlbibliographie

Svetlana Alpers: Interpretation ohne Darstellung – oder: das Sehen von Las Meninas, in: Thierry Greub (Hg.): Las Meninas im Spiegel der Deutungen. Eine Einführung in die Methoden der Kunstgeschichte, Berlin 2001, 194–206. Hans Belting: An Anthropology of Images, Cambridge (Princeton) 2011. Stephan Hoppe: Art. „Blickregie“, in: Werner Paravicini (Hg.): Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Bilder und Begriffe, Bd. 1: Begriffe (= Residenzenforschung, Bd. 15. II), Ostfildern 2005, 449–453. Matthias Müller: Das Schloß als Bild des Fürsten. Herrschaftliche Metaphorik in der Residenzarchitektur des Alten Reichs (= Historische Semantik, Bd. 6), Göttingen 2004, 259–279. Matthias Müller: Der idealbildliche Körper des kranken Königs. Die Staatsporträts des jungen Karls II. von Spanien als Erfindung eines charismatischen Rollenbildes für einen schwachen Regenten, in: Mariacarla Gadebusch Bondio/Beate Kellner/Ulrich Pfisterer (Hg.): Macht der Natur − gemachte Natur: Realitäten und Fiktionen des Herrscherkörpers zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit (= Micrologus Library 92), Florenz 2019, 255–278. Martin Porter: Windows of the soul. Physiognomy in European culture 1470–1780, Oxford 2005.

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Anmerkungen 1  Robert Rollinger: Herrscherkult und Königsvergöttlichung bei Teispiden und Achaimeniden. Realität oder Fiktion?, in: Linda-Marie Günther/Sonja Plischke (Hg.): Studien zum vorhellenistischen und hellenistischen Herrscherkult (= Oikumene. Studien zur antiken Weltgeschichte, Bd. 9), Berlin 2011, 11–54. 2 Reinhard Lorich: Junger Fürsten zu herzn Christlich erziehung, Marburg apud Eucharium Cervicornum 1537 (Neuauflage: Reinhard Lorich: Paedagogia Principum, Frankfurt a. M. 1595), zit. nach: Beatrice Weber-Kuhlmann/Reinhard Lorich: Paedagogia Principum. Wie man Herrn Kinder rechtschaffen unterweisen sol, 1595, in: Hans Otto Mühleisen/Theo Stammen/Michael Philipp (Hg.): Fürstenspiegel der Frühen Neuzeit (= Bibliothek des deutschen Staatsdenkens, Bd. 6), Frankfurt a. M. 1997, 22–85, hier 49. 3 Erasmus von Rotterdam: Institutio principis christiani [1515], zit. nach: Erasmus Desiderius von Rotterdam: Ausgewählte Schriften, Bd. 5, Darmstadt 1968, 218 f. 4  Martin Moller: Scheda Regia. Regenten Büchlein des hochlöblichen Röm. Käyser Iustiniani primi, Görlitz 1605, zit. nach: Mühleisen/Stammen/Philipp 1997 (wie Anm. 2), 264. 5  Siehe hierzu Matthias Müller: Das Schloß als Bild des Fürsten. Herrschaftliche Metaphorik in der Residenzarchitektur des Alten Reichs (Historische Semantik, Bd. 6), Göttingen 2004, 263–279, sowie Stephan Hoppe: Art. „Blickregie“, in: Werner Paravicini (Hg.): Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Bilder und Begriffe, Bd. 1: Begriffe (= Residenzenforschung, Bd. 15. II ), Ostfildern 2005, 449–453. 6 Angelica Dülberg: Privatporträts. Geschichte und Ikonologie einer Gattung im 15. und 16. Jahrhundert, Berlin 1990. 7 Zu diesen Funktionen von herrschaftlichen Bildnissen siehe für die Frühe Neuzeit Hubert Winkler: Bildnis und Gebrauch. Zum Umgang mit dem fürstlichen Bildnis in der frühen Neuzeit; Vermählungen, Gesandtschaftswesen, Spanischer Erbfolgekrieg, Wien 1993. 8  Für das Alte Reich siehe hierzu Matthias Müller: Die Konfessionalisierung höfischer Innenräume.

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Beobachtungen zur bildlichen Raumausstattung in den Schlössern von Wittenberg und Torgau, in: Dirk Syndram/Yvonne Wirth/Doreen Zerbe (Hg.): Luther und die Fürsten. Selbstdarstellung und Selbstverständnis des Herrschers im Zeitalter der Reformation, Aufsatzband, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Dresden 2015, 139–157. 9  Für Spanien siehe Álvaro Pascual Chenel: El retrato de estado durante el reinado de Carlos II . Imagen y propaganda, Madrid 2010, sowie Judith Wellen: Bilder wider das Ende der Dynastie. Kunst als Vermittlungsform der königlichen Herrschaft Karls II . von Spanien in El Escorial, Frankfurt a. M. 2015. Siehe hierzu auch weiter unten in diesem Beitrag. 10 Jan Lauts/Irmlind Luise Herzner: Federico da Montefeltro  – Herzog von Urbino. Kriegsherr, Friedensfürst und Förderer der Künste, München/ Berlin 2001, 351. 11  Zum Diptychon und seiner Datierung siehe zusammenfassend Andreas Beyer: Das Porträt in der Malerei, München 2002, 79; zum Forschungsstand mit bibliographischer Übersicht bis 2001 siehe Lauts/Herzner 2001 (wie Anm. 10), 389 f., sowie zuletzt Christiane J. Hessler: Zum Paragone: Malerei, Skulptur und Dichtung in der Rangstreitkultur des Quattrocento, Berlin 2014, bes. 261–272, und Matthias Müller: Clarus insigni vehitur triumpho – Panegyrische Inschrift und allegorische Bildform im Porträtdiptychon des Federico da Montefeltro und der Battista Sforza, in: Sahra Hübscher/Christopher Kreutchen (Hg.): ContactZone: Ein Prinzip „der guten Nachbarschaft“ (= Festschrift für Barbara Welzel), Bönen 2021, 350–360. 12  Hessler 2014 (wie Anm. 11), 287–300. 13  Zu den Quellenzeugnissen siehe Lauts/Hertzner 2001 (wie Anm. 10), 115–125. 14 Zur Herausbildung des neuen niederländischen Porträttypus nicht zuletzt durch Jan van Eyck siehe immer noch grundlegend Dieter Jansen: Similitudo: Untersuchungen zu den Bildnissen Jan van Eycks (= Dissertationen zur Kunstgeschichte, Bd. 28), Köln u. a. 1988. In jüngerer Zeit siehe Bart Fransen: The making of portraits before Jan van Eyck: the case of Wenceslas of Luxemburg, in: Marc De Mey u. a. (Hg.): Vision & Material: interaction

b. Anschauen und Wegschauen

between art and science in Jan van Eyck’s time, Brüssel 2012, 114–127. 15  Siehe hierzu Lorne Campell: National Gallery Catalogues: The Fifteenth-Century Netherlandish Paintings, London 1998, 218–233. 16 Thomas Schauerte: Dürer. Das ferne Genie. Eine Biographie, Stuttgart 2012, 102. 17  Elizabeth Perkins: „Sì bone che par vive“: Antonello’s faces, in: Michael W. Kwakkelstein/Bette Talvacchia (Hg.): Around Antonello da Messina. Reintegrating Quattrocento culture (= Italia e i Paesi Bassi, Bd. 10), Florenz 2014, 127–137. 18  Siehe hierzu Martin Porter: Windows of the soul. Physiognomy in European culture 1470–1780, Oxford 2005. Zum Wissensstand über den Bereich der Physiognomie und ihre Bedeutung für die bildenden Künste siehe Pomponius Gauricus’ Traktat De sculptura von 1504: Pomponius Gauricus: De Sculptura (= Le arti sorelle, Bd. 1), Neapel 1999; siehe hierzu auch Éva Vígh: Un fisionomo umanista: Pomponio Gaurico, in: Rinascimento meridionale 4 (2013), 35–55. 19  Schauerte 2012 (wie Anm. 16), 108–114, bes. 113. 20 Hans Belting: An Anthropology of Images, Cambridge (Princeton) 2011, 80. 21  Beyer 2002 (wie Anm. 11), 132–133; Lisa Mansfield: Representations of Renaissance monarchy: Francis I and the image-makers, Manchester 2016. 22  Von der jüngeren Literatur siehe Heiner Borggrefe: Die Bildausstattung des Wittenberger Schlosses: Friedrich der Weise, Albrecht Dürer und die Entstehung einer mythologisch-höfischen Malerei nach italienischem Vorbild, in: ders./Barbara Uppenkamp (Hg.): Kunst und Repräsentation. Studien zur europäischen Hofkultur im 16. Jahrhundert (= Materialien zur Kunst- und Kulturgeschichte in

Nord- und Westdeutschland, Bd. 29), Lemgo 2002, 9–68, hier 29 und 51. 23  Zum Bildnis Pauls III . siehe Tiziano e Paolo III : Il pittore e il suo modello, hg. von den Musei Civici agli Eremitani (Padova) und der Fondazione Centro Studi Tiziano e Cadore (Rom) 2012. Zum Bildnis Karls V., das Hans Ost Tizian ab- und Lambert Sustris zuschreiben wollte, siehe Hans Ost: Lambert Sustris: die Bildnisse Kaiser Karls V. in München und Wien, Köln 1985, sowie (unter Zurückweisung von Osts Schlussfolgerungen) Sylvia Ferino-Pagden: Des Herrschers „natürliches“ Idealbild: Tizians Bildnisse Karls V., in: Wilfried Seipel (Hg.): Kaiser Karl V. (1500–1558): Macht und Ohnmacht Europas, Mailand 2000, 65–75, hier 72. 24  Zu den Deutungen von Velázquez’ Las Meninas siehe die kommentierte Anthologie von Thierry Greub (Hg.): Las Meninas im Spiegel der Deutungen. Eine Einführung in die Methoden der Kunstgeschichte, Berlin 2001; siehe auch ders.: Der Platz des Bildes und der „Platz des Königs“: Diego Velázquez’ „Las Meninas“ im Sommer-Arbeitszimmer Philipps IV., in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 78/3 (2015), 441–487. 25 Siehe hierzu Svetlana Alpers: Interpretation ohne Darstellung – oder: das Sehen von Las Meninas,, in: Greub 2001 (wie Anm. 24), 194–206. 26 Siehe hierzu zuletzt Matthias Müller: Der idealbildliche Körper des kranken Königs. Die Staatsporträts des jungen Karls II . von Spanien als Erfindung eines charismatischen Rollenbildes für einen schwachen Regenten, in: Mariacarla Gadebusch Bondio/Beate Kellner/Ulrich Pfisterer (Hg.): Macht der Natur − gemachte Natur: Realitäten und Fiktionen des Herrscherkörpers zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit (= Micrologus Library 92), Florenz 2019, 255–278.

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c. Stehen und Schreiten

Der Scheinaltan an der Querhausfassade der Marienkirche von Mühlhausen (Abb. 1)1 ist Schauplatz einer außergewöhnlichen skulpturalen Inszenierung: Kaiser Karl IV . (1316–1378) und seine Gemahlin Elisabeth von Pommern (um 1345–1393), begleitet von einem Höfling und einer Hofdame, sind scheinbar an die Brüstung getreten und beugen sich lächelnd hinab, um die Huldigung ihrer Untertanen entgegenzunehmen. Zwar ist die Herrscherdarstellung in traditioneller Weise in einen legitimierenden ikonografischen Sinnzusammenhang gestellt,2 zugleich ist es jedoch offenkundig ihr Ziel, einen glaubhaften Eindruck kaiserlicher Präsenz zu vermitteln. Zu diesem Zweck sind die lebensgroßen Skulpturen von der Bindung an die Architektur befreit und so positioniert, dass sie die Bildsphäre zugunsten einer szenischen Kommunikation überschreiten. Sie erscheinen wie ein leibhaftiges Gegenüber, in dessen Angesicht der Rat des unter Karl zur Freien Reichsstadt erhobenen Mühlhausen wenigstens seit dem 18. Jahrhundert dem Kaiser den Treueschwur leistete. Die Skulpturengruppe evoziert mit der Huldigung ein klassisches Szenario der Begegnung zwischen Herrscher und Untertanen. Anders als bei Einzügen, bei denen der Herrscher in der Regel reitend oder fahrend in Erscheinung trat, oder bei Audienzen, wo er thronte, nahm er die Akklamationen während der Huldigungen im öffentlichen Raum oft stehend, an einem gut einsehbaren „Erscheinungsort“, gerahmt von Architektur und ephemerem Festdekor, entgegen.3 Lebensgroße Figuren stehender Herrscher, wie sie im gleichen Zeitraum auch im Auftrag der französischen Krone entstanden,4 können als lebendige, aktive Gegenstücke zu den liegenden Grabfiguren („Gisants“) und den im Totenkult eingesetzten Funeraleffigies gesehen werden. Indem sie den Körper des Souveräns ‚von Kopf bis Fuß‘ zur Anschauung bringen, machen sie das Paradox der „zwei Körper des Königs“ fassbar: die im individuellen Leib jedes einzelnen Herrschers materialisierte überpersonale königliche Würde.5 Auch in der Frühen Neuzeit wurden Einzeldarstellungen des stehenden Herrschers häufig dann eingesetzt, wenn die Illusion unmittelbarer leiblicher Präsenz – mitsamt der damit verbundenen Aura und Autorität – intendiert war: bei monumentalen Standbildern im öffentlichen Raum wie bei den lebensgroßen „Staatsporträts“.6 In genealogischen Bildnisserien, die sich ebenfalls häufig 58

c. Stehen und Schreiten

Abb. 1: Das Kaiserpaar Karl IV. und Elisabeth von Pommern in Begleitung einer Hofdame und eines Höflings, Skulpturen auf dem Scheinaltan des Südquerhauses von St. Marien in Mühlhausen, letztes Drittel 14. Jahrhundert, Muschelkalkstein mit Resten ursprünglicher Farbfassung.

stehender Ganzfiguren bedienten, standen die Körper der Souveräne für die kontinuierliche Abfolge und damit Legitimität der Dynastie ein.7 Die Darstellung eines stehenden Herrschers in ganzer Figur birgt darüber hinaus das Potential, die individuelle Charakterisierung des Porträtierten erheblich zu steigern. Eine ‚übersichtliche‘ Darstellung der vollständigen Person, wie sie nur im Stehen möglich ist, erlaubt es nicht nur, alle Details der Gewandung, Schmuck und Attribute in ihrer ganzen Pracht zu präsentieren,8 sondern den gesamten Körperbau, Haltung und Gestik zu ‚sprechenden‘ Elementen des Bildnisses zu machen. Wie gerade das Standmotiv die Aussage eines Porträts unterstreichen kann, zeigte eindrucksvoll Hans Holbeins des Jüngeren Wandgemälde Heinrichs VIII . von Eng59

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Abb. 2a und 2b: Links: Hans Holbein d. J.: Die Könige Heinrich VII. und Heinrich VIII. von England, Karton der linken Hälfte des Whitehall-Wandgemäldes, um 1536–1537, Karton auf Leinwand montiert, Federzeichnung in schwarzer Tinte, mit Grau, Braun, Schwarz und Rot laviert (London, National Portrait Gallery); rechts: Remigius van Leemput: Kopie des WhitehallWandgemäldes, 1667, Öl auf Leinwand (Royal Collection, Her Majesty The Queen Elizabeth II., Hampton Court Palace).

land (1491–1547), seiner Eltern und seiner Gemahlin Jane Seymour, das bis zu einem Brand 1698 die Privy Chamber im Palast von Whitehall schmückte und durch mehrere Kopien sowie Holbeins Karton der linken Bildhälfte (Abb. 2a) überliefert ist.9 Gerade im Vergleich zu der Darstellung seines hinter ihm stehenden Vaters Heinrich VII . (1457–1509), der in lockerer Haltung, mit hängenden Schultern und einem weit geschnittenen Mantel an der steinernen Inschriftentafel lehnt, tritt die Männlichkeit und Kraft ausstrahlende Dominierpose Heinrichs VIII . besonders effektvoll hervor: Der König steht breitbeinig, mit durchgedrückten Knien und nach außen gedrehten Fußspitzen, so dass seine angespannten Wadenmuskeln – bis zur Erfindung der langen Hose im 19. Jahrhundert eines der wichtigsten Schönheitsmerkmale des männlichen Körpers10 – überdeutlich hervortreten. Die Haltung der Beine scheint geradezu zwingend begründet als Stütze für den massigen Oberkörper, dessen Breitenausdehnung die Armhaltung und der Gewandschnitt betonen. Diese Inszenierung königlicher Körperkraft gipfelt in der Schamkapsel, die durch die Positionierung der Hände und die sie umgebenden Schleifen besonders hervorgehoben 60

c. Stehen und Schreiten

wird. Bezieht man – gestützt auf die Kopie von Remigius van Leemput (Abb. 2b) – die Darstellung der beiden Königinnen auf der rechten Seite des Wandgemäldes in den Vergleich mit ein, wird zudem deutlich, dass sich im Standporträt auch die Geschlechterrollen klar erfassen ließen. Von den individuellen Posen der beiden Könige ist die völlig regungslose, passive, in sich gekehrte Haltung der beiden Königinnen klar unterschieden. Gerade Jane Seymours Gewand mit seinem geometrischen Umriss und den senkrecht verlaufenden Falten wird zum Ausdrucksträger dieser dem Habitus einer Königin angemessenen Immobilität.11 Bereits bei Zeitgenossen rief das Gemälde nicht nur Bewunderung, sondern auch Unbehagen hervor, wurde doch zugunsten einer ‚leibhaftigen‘ Charakterisierung der imposanten Physis Heinrichs VIII . das decorum bis an seine Grenze ausgereizt. Gerade der breitbeinige Stand galt als vulgär und wurde eher mit einem Landsknecht assoziiert als mit einem König.12 Er widersprach jener komplexen Körpersprache, die sich an den europäischen Höfen der Frühen Neuzeit herausgebildet hatte und in der umfangreichen Literatur zum perfekten Höfling eine Kodifizierung erfuhr. In Reaktion darauf brachte die frühneuzeitliche Kunst ein beeindruckendes Repertoire von Stehhaltungen hervor, die den sozialen Stand einer Person ebenso auszudrücken vermochten wie deren repräsentative Ambitionen. Dahinter steht die Überzeugung, dass sich Nobilität in Haltung und Bewegungen des Körpers auf anschauliche Weise vermittle.13 Ein Jahrhundert nach Holbeins Whitehall Mural entstand in England ein königliches Porträt, das dieses Körperwissen in vollendeter Form zum Ausdruck brachte: Anthonis van Dycks Karl I. auf der Jagd (1635; Abb. 3).14 Eine der Pointen des Gemäldes besteht darin, dass der König gerade nicht auf dem Pferderücken sitzt, sondern abgestiegen ist und neben seinem Tier steht. Das vom Ritt erhitzte und unruhige Ross und der Diener, der es zu bändigen versucht, bilden die Kontrastfolie für die Darstellung des Königs, der sich zwar auch durch die kostbaren Stoffe des Jagdgewandes und das Schwert erkenntlich gibt, vor allem jedoch durch seinen ‚Stand‘, der eine selbstverständliche Eleganz ausstrahlt. Die Körperhaltung wirkt lässig, aber nichtsdestotrotz vollkommen kontrolliert. In der leichten Vorwölbung der linken Hüfte und dem entspannteren linken Bein ist noch ein Kontrapost angedeutet, dennoch erscheint das Körpergewicht durch den eine Fußlänge nach vorn gesetzen linken Fuß ausbalanciert. Dies und die leicht nach außen gestellten Fußspitzen alludieren eine Ballettpose, die jedoch nicht ostentativ wirkt; vielmehr drückt die gesamte Haltung vornehme Mühelosigkeit, sprezzatura, aus.15 Van Dycks Karl I. konnte, da er sowohl Standesdistinktion als auch ‚Natürlichkeit‘ verkörpert, sowohl zum Urbild des „Gentlemans“ werden, der die englische Porträtmalerei des 18. Jahrhunderts dominiert, als auch zum Vorbild der Staatspor61

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Abb. 3: Anthonis van Dyck: König Karl I. von England auf der Jagd, 1635, Öl auf Leinwand (Paris, Musée du Louvre).

träts des Absolutismus. In Hyacinthe Rigauds Bildnis Ludwigs XIV . (1701), dem Paradebeispiel des portrait d’apparat, ist der Kontrapost nun klar zugunsten der vierten Position der „dance classique“ aufgegeben, die während der Regierungszeit Ludwigs eine Kodifizierung erfahren hatte und zum unerlässlichen Bestandteil adliger Körpererziehung avanciert war.16 Die Beine sind durchgedrückt, der Körper ausbalanciert, die elegant beschuhten Füße mit nach außen gedrehten Spitzen mit leichtem Abstand voreinandergestellt. Die vollendet beherrschte Haltung ist weniger als Hinweis auf die tänzerischen Kompetenzen Ludwigs zu verstehen, sondern ergänzt die äußeren Attribute der königlichen Würde und Allmacht um deren adäquate VerKörperung. 62

c. Stehen und Schreiten

Je nach Kontext kann die stehende Position des Fürsten neben seiner dignitas auch seine Aktivität und Vitalität zum Ausdruck bringen. Der Herrscher als „Held“ und als uomo universale kann seine Kompetenz am ehesten stehend unter Beweis stellen. In den Schilderungen der res gestae zeitgenössischer Fürsten gibt es entsprechend typische Gelegenheiten für den Auftritt eines stehenden Herrschers. Dazu zählen etwa Szenen der Begegnung, der Versöhnung, des Verhandelns und des Gesprächs, oder auch solche, die den Herrscher als praktisch Lernenden zeigen. Im Weißkunig etwa, einer bebilderten Autobiografie Kaiser Maximilians I. (1459–1519), thematisiert eine Reihe von Holzschnitten die umfassende Ausbildung des Kaisers. Der vornehm gekleidete junge „Weißkunig“ steht als aufmerksamer Beobachter hinter einem Maler an der Staffelei, dem Steinmetz auf der Baustelle oder am Rand des Turnierplatzes. 17 Als eine weitere Tätigkeit des Fürsten ist auch das Befehlen und Beauftragen aus einer konkreten Situation heraus häufiger mit der stehenden Position assoziiert. Ein kurioses Beispiel – und eine der wenigen Darstellungen eines stehenden Papstes in szenischem Zusammenhang – ist Giorgio Vasaris Fresko Papst Paul III . befiehlt den Weiterbau St. Peters in der Sala dei cento giorni der Cancelleria in Rom (1547). Nach dem Vorbild der antiken Kaiserikonografie treten frühneuzeitliche Herrscher auch in ihrer Funktion als militärische Befehlshaber mitunter nicht zu Pferd, sondern in stehender Haltung in Erscheinung. So wurde etwa Alfonso d’Avalos, Marchese del Vasto (1502–1546), von Tizian in klarer Reminiszenz an die römisch-antike Ikonografie der „Adlocutio“ bei der Ansprache an seine Soldaten porträtiert (1540– 1541),18 ebenso Karl V. im Palazzo Caffarelli-Vidoni in Rom (nach 1577).19 Auch Einzelskulpturen wie Leone Leonis Bronzestatue Karl V. besiegt den Furor (1551–1555, Madrid, Museo del Prado) zeigen den Herrscher als antikischen Helden.20 Während der Kaiser hier die vollbrachte Tat in ruhiger Position reflektiert, geraten seit dem späten 17. Jahrhundert die Fürstenstatuen in Heldenmanier mitunter in Bewegung. Das als Nachguss überlieferte Bronzestandbild Kurfürst Friedrichs III . von Brandenburg (1657–1713) von Andreas Schlüter und Johann Jacobi beispielsweise (Abb. 4) übernimmt als Innovation die dynamische, zugleich aber tänzerisch leicht wirkende Schrittposition des Apoll von Belvedere, von der Joseph Spence 1742 schrieb, sie beweise, dass „ohne Bewegung keine Anmut möglich sei“.21 Neben dem Stehen ist auch das Schreiten eine essentielle Ausdrucksform des Herrscherkörpers – vor allem in den komplexen Choreografien des Zeremoniells. Positionen und Bewegungen des Herrschers im zeremoniellen Raum wurden geplant, aufmerksam registriert und interpretiert. Naturgemäß handelte es sich hier vorwiegend um Zeremoniellhandlungen in Innenräumen; bei Ereignissen im Außenraum wurden in der Regel allenfalls kleine Strecken zu Fuß bewältigt.22 Der neue französische König beispielsweise schritt am Morgen des Krönungszeremoniells in Reims 63

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Abb. 4: Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg (König Friedrich I. von Preußen), Nachguss (1971) der verlorenen Bronzestatue von Andreas Schlüter und Johann Jacobi, 1698.

geleitet von kirchlichen und weltlichen Würdenträgern vom Bischofspalast über eine abgeschrankte und mit Teppichen ausgelegte Rampe zur Kathedrale. Im Anschluss an die Krönung am Hauptaltar erstieg er über eine ephemere Treppe den Lettner, wo Inthronisierung und Akklamation stattfanden.23 Dass der König sich zu Fuß zu seiner Krönung begibt, ist – ähnlich wie „Prostratio“ und Knien – als Gestus der Unter-Ordnung gegenüber Gott zu verstehen. Begegnete hingegen ein gekröntes Haupt einem anderen, gehörte dies zu den kniffligsten Aufgaben der Zeremonienmeister, da die Rangfolge der europäischen Herrscherhäuser untereinander nicht abschließend 64

c. Stehen und Schreiten

Abb. 5: Die Begegnung König Ludwigs XIV. von Frankreich und König Philipps IV. von Spanien auf der Fasaneninsel im Grenzfluss Bidassoa im Jahr 1660, aus der Serie der Tentures de l’Histoire du Roy, Entwurf Charles Le Brun, 1680 (Paris, Collection du Mobilier national).

geklärt war.24 Die von Charles Le Brun für die Tentures de l’Histoire du Roy (1. Version 1665–1679) entworfene Szene der Begegnung Ludwigs XIV . und Philipps IV . am 6. Juni 1660 (Abb. 5) macht deutlich, wie die zeremonielle Ausgestaltung in der bildlichen Wiedergabe zum Ausdruck gebracht wird.25 Ziel der zeremoniellen Handlung, die die Beglaubigung des Pyrenäenfriedens und die damit verbundene Zusammenführung Ludwigs mit seiner Braut Maria Theresia umfasste, war es, „Concordia“ zu demonstrieren, Einmütigkeit und möglichst gleich bemessenen gegenseitigen Respekt. Bereits der Ort des Geschehens ist daher mit Bedacht gewählt: ein eigens erbauter Konferenzsaal auf der Fasaneninsel im Grenzfluss Bidassoa, in dessen Mitte eine Linie eingezeichnet wurde, die die Grenze zwischen den beiden Ländern und zugleich den Punkt der Begegnung sichtbar festschreibt.26 Zu dieser Linie nun, die in Le Bruns Darstellung durch die unterschiedlichen Teppiche markiert wird, bewegen sich die beiden Fürsten in annähernder Symmetrie hin. Der zurückgelegte Weg ist durch ein elegantes Schrittmotiv und die vorgebeugten Oberkörper angedeutet.27 Die Grenzlinie entspricht allerdings im Bildteppich nicht exakt der Symmetrieachse, sondern ist leicht nach links verschoben. Der spanische König ist zudem mit seinem 65

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linken Fuß bereits fast an die Linie herangetreten, während Ludwig XIV . noch etwas weiter davon entfernt ist. Zwar gebührt Philipp IV . damit der noblere Bildort in der Mittelachse der Komposition, in der subtilen Logik des Zeremoniells erweist er sich dadurch jedoch als der Schwächere, denn er hat den weiteren Weg zurückgelegt. Die durch den performativen Charakter des Zeremoniells bedingte Notwendigkeit, dass der Souverän Wegstrecken zu Fuß zu bewältigen hatte, steht in einem gewissen Widerspruch zum Ideal der würdevollen Immobilität, das seinen hohen Rang am ehesten zum Ausdruck zu bringen vermochte. Lösungen für dieses Dilemma bestanden darin, dass der Herrscher sich entweder in sitzender Position fortbewegte – auf dem Pferderücken oder im Wagen  – oder darin, dass er einen notwendigen Fußweg begleitet von Würdeträgern auf einer gestalterisch herausgehobenen Strecke und gemessenen Schrittes zurücklegte. Noch Balzac urteilt in seiner Théorie de la démarche: „Le mouvement lent est essentiellement majestueux.“28 Auch in der Medialisierung wird dem gehenden Herrscher deutliche Zurückhaltung entgegengebracht: Zwar wurden in der repräsentativen Profanarchitektur ranggemäße Gehäuse zur Inszenierung zeremonieller Performanz entwickelt (Treppenhäuser, Enfiladen!), jedoch findet sich vor dem 19. Jahrhundert keine diesem Anspruch entsprechende Darstellung eines gehenden Herrschers im Zeremoniell. Die gewaltige ephemere Treppe im Reimser Domchor etwa, wie sie im Album du sacre de Louis XV dokumentiert ist, lässt erahnen, wie eindrucksvoll der feierliche Aufstieg des Königs im vollen Krönungsornat gestaltet gewesen sein muss – im Bild erfasst ist jedoch jener Moment, in dem der Herrscher bereits thront und damit unmissverständlich die ihm zustehende höchste Position unter den Zeremoniellteilnehmern einnimmt.29 Selbst in einem anderen Zusammenhang, in dem gehende Herrscher dargestellt wurden – dem Spaziergang – wird die allzu deutliche Darstellung von Bewegung tunlichst vermieden. Der jeweilige Rang der dargestellten Personen ist an ihrem körperlichem Habitus abzulesen: Je kontrollierter die Körperhaltung, je zurückgenommener die Bewegung, desto höher der Rang.30 Dies ist einer der Hintergründe für die Kontroverse, die um Adolf Ulrik Wertmüllers Marie-Antoinette und zwei ihrer Kinder beim Spaziergang (Abb. 6) geführt wurde.31 Die Kritiker beanstandeten neben malerischen Mängeln insbesondere die unangemessene Art und Weise, wie hier die Königin von Frankreich dargestellt sei. Dass gerade die gezeigte Tätigkeit – das Gehen – als Decorums-Verstoß, ja sogar als Majestätsbeleidigung, beanstandet wurde, erstaunt auf den ersten Blick – war doch auch in Frankreich die „promenade de civilité“ seit den Zeiten Ludwigs XIV . als gesellschaftliche Praxis etabliert. Gerade Marie-Antoinette (1755–1793) war im Übrigen berühmt für ihren graziösen und zugleich königlichen Gang – warum also sollte diese Qualität nicht darstellungswürdig sein? Abgesehen davon, dass die Gestaltung 66

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Abb. 6: Adolf Ulrik Wertmüller: Königin Marie-Antoinette von Frankreich und zwei ihrer Kinder beim Spaziergang im Garten des Petit Trianon, 1785, Öl auf Leinwand (Stockholm, Nationalmuseum).

des Schrittmotivs durch Wertmüller tatsächlich eine gewisse Unsicherheit verrät, richtete sich die Kritik einerseits auf den Kontext des Gehens: Gezeigt ist nämlich keine höfische promenade mit angemessenem Gefolge, sondern das „private“ Spazierengehen auf eigene Initiative in Marie-Antoinettes eigenem Garten, nur in Begleitung ihrer Kinder und ohne protokollarischen Anlass. Weiteren Anstoß erregte aber auch, dass überhaupt in einem königlichen Porträt der Akt des Gehens gezeigt wurde. Die Körperhaltung der Königin wich damit von jener ehrfurchtgebietenden Bewegungslosigkeit ab, welche als ihrem Rang – und ihrer Rolle als passiver Begleiterin des Königs – angemessen empfunden wurde und sich für diese Gattung etabliert hatte.32 67

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An diesem Beispiel zeichnet sich wie in einem Brennglas der durch die Aufklärung in Gang gebrachte Wandel in der Körpersprache – auch der Herrschenden – ab, der sich, ausgehend von Schriften wie Rousseaus Rêveries d’un promeneur solitaire (1782) und in Einklang mit der Gestaltung der Wegführung im Landschaftsgarten, gerade am Thema des Gehens exemplifizieren ließ.33 Nicht umsonst sind zwei der Kontrastpaare in Daniel Chodowieckis Natürliche und affektierte Handlungen des Lebens von 1780 dem „Spaziergang“ gewidmet: Dem „affektierten“ Promenieren eines aufgetakelten höfischen Paars ist hier der „natürliche“ Spaziergang zweier halbnackter, an griechische Skulpturen gemahnender Menschenkinder gegenübergestellt.34 Dass der private Spaziergang allerdings nicht nur ein bürgerliches Phänomen war, zeigen nicht zuletzt die zahlreichen Porträts von Mitgliedern der englischen upper class beim Lustwandeln in der Natur, die auch für Wertmüllers Porträt vorbildlich gewesen sein dürften.35 Auch William Hogarth und Joshua Reynolds kritisieren in ihren Schriften die höfische Körpersprache und zeigen „natürliche“ Alternativen auf, die eine Orientierung an antiker Plastik – und damit auch wieder dem Kontrapost – erkennen lassen.36 Ebenso wie Marie-Antoinette die auch in adligen Kreisen etablierte Mode des „natürlichen“ Spaziergangs in ihrem nach englischer Manier gestalteten Garten gegen die Erwartungen an „königliches“ Verhalten für sich beanspruchte, entpuppte sich letztlich auch Wertmüllers geschmähtes Gemälde als Trendsetter – entstanden doch in der Folge eine ganze Reihe vergleichbarer Porträts von Fürstinnen, Fürsten und Fürstenfamilien beim Spaziergang im (Landschafts-)Garten.37 Auswahlbibliographie

Jörg Jochen Berns/Thomas Rahn (Hg.): Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und früher Neuzeit, Tübingen 1995. Jan Bremmer/Herman Roodenburg (Hg.): A Cultural History of Gesture, Ithaca (N.Y.) 1991. Mickaël Bouffard-Veilleux: Aristocratic standing and the five positions of French noble dance in portraiture, in: Artibus et historiae 33 (2012), H. 65, 167–202. Melissa Hyde: Watching her step. Marie-Antoinette and the art of walking, in: Susanna Caviglia (Hg.): Body narratives; motion and emotion in the French Enlightenment, Turnhout 2017, 119–155. Petra Kreuder: Die bewegte Frau. Weibliche Ganzfigurenbildnisse in Bewegung vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Weimar 2008.

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Anmerkungen Vgl. Andreas Puth: „Christus Dominus de hoc seculo“: Charles IV, Advent and Epiphany on the south transept façade of St Mary’s in Mühlhausen, in: Jiří Fajt/Andrea Langer (Hg.): Kunst als Herrschaftsinstrument: Böhmen und das Heilige Römische Reich unter den Luxemburgern im europäischen Kontext, Tagungsakten Prag 2006, Berlin 2009, 515–533; Hans-Peter Hilger: Die Skulpturen an der südlichen Querhausfassade von St. Marien zu Mühlhausen in Thüringen, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 22 (1960), 159–164. 2  Die Skulpturenensembles der Epiphanie und Parusie oberhalb verweisen auf den ikonografischen Kontext sakralen Kaisertums. Vgl. Puth 2006 (wie Anm. 1). 3  Vgl. Ernst H. Kantorowicz: Laudes regiae. A Study in Liturgical Acclamations and Mediaeval Ruler Worship, Berkeley/Los Angeles 1958, bes. Kap. II ; Ingo Herklotz: Der Campus Lateranensis im Mittelalter, in: Römisches Jahrbuch 22 (1985), 1–43; Gerrit Jasper Schenk: Zeremoniell und Politik. Herrschereinzüge im spätmittelalterlichen Reich, Köln/Weimar/Wien 2003, 400 und 665. 4  Vgl. Uwe Bennert: Ideologie in Stein. Zur Darstellung französischer Königsmacht im Paris des 14. Jahrhunderts, in: Katharina Corsepius (Hg.): Opus Tessellatum. Modi und Grenzgänger der Kunstwissenschaft; Festschrift für Cornelius Claussen, Hildesheim u. a. 2004, 153–163. 5  Vgl. Ernst H. Kantorowicz: Die zwei Körper des Königs: eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, Stuttgart 1992, 422–437. 6 Vgl. Hubertus Froning: Die Entstehung und Entwicklung des stehenden Ganzfigurenporträts in der Tafelmalerei des 16. Jahrhunderts, Diss. Würzburg 1971; Maria Kusche: „Der christliche Ritter und seine Dame“: das Repräsentationsbildnis in ganzer Figur, in: Bruckmanns Pantheon 49 (1991), 4–35. Zur Wirkmacht der Staatsporträts vgl. z. B. Victor Stoichita: Imago Regis: Kunsttheorie und königliches Porträt in den Meninas von Velázquez, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 49 (1986), H. 2, 165–189; Friedrich Polleroß: „Des abwesenden Prinzen Porträt“: Zeremonielldarstellung im Bildnis und Bildnisgebrauch im Zeremoniell, in: Jörg Jochen Berns/Thomas Rahn (Hg.): Zeremoniell 1 

als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und früher Neuzeit, Tübingen 1995, 382–409, bes. 394–407. Zu den Herrscherstatuen Dietrich Erben: Der steinerne Gast. Die Begegnung mit Statuen als Vorgeschichte der Betrachtung, Weimar 2005. 7  Vgl. z. B. zu den genealogischen Projekten Kaiser Maximilians I. in verschiedenen Medien Eva Michel/Maria Luise Sternath (Hg.): Kaiser Maximilian I. und die Kunst der Dürerzeit, Ausst.-Kat. Wien 2011, München/London/New York 2011. 8  Vgl. z. B. Petra Kreuder: Die bewegte Frau. Weibliche Ganzfigurenbildnisse in Bewegung vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Weimar 2008, 71–75; Melissa Hyde: Watching her step. Marie-Antoinette and the art of walking, in: Susanna Caviglia (Hg.): Body narratives; motion and emotion in the French Enlightenment, Turnhout 2017, 119–155, hier 137–145. 9 Vgl. Xanthe Brooke/David Crombie: Henry VIII Revealed: Holbein’s Portrait and its Legacy, Ausst.-Kat. Liverpool 2003, London 2003; Susan Foister: Holbein and England, New Haven/London 2004, 175–192. 10  Vgl. Marcia Pointon: Accessories as Portraits and Portraits as Accessories, in: Eva-Bettina Krems/ Sigrid Ruby (Hg.): Das Porträt als kulturelle Praxis, Berlin 2016, 45–59. 11  Vgl. Kreuder 2008 (wie Anm. 8), 40 f. (zu Cranach) und Hyde 2017 (wie Anm. 8), 125, zu Bildnissen französischer Königinnen des 18. Jh. 12  Vgl. Brooke/Crombie 2003 (wie Anm. 9), 32– 34. Zur Landsknecht-Assoziation Kusche 1991 (wie Anm. 6), 17. 13  Vgl. Jan Bremmer/Herman Roodenburg (Hg.): A Cultural History of Gesture, Ithaca (N.Y.) 1991; ferner Herman Roodenburg: The eloquence of the body. Perspectives on gesture in the Dutch Republic, Zwolle 2004. Zur Rezeption des Cortegiano vgl. Peter Burke: The Fortunes of the Courtier. The European Reception of Castiglione ’s Cortegiano, Cambridge 1995; zu den Standhaltungen Mickaël Bouffard-Veilleux: Aristocratic standing and the five positions of French noble dance in portraiture, in: Artibus et historiae 33 (2012), H. 65, 167–202. 14 Vgl. Ann Bermingham: Learning to Draw. Studies in the Cultural History of a Polite and Useful Art, New Haven 2000, 59–60; Gudrun Raatschen:

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Anton Van Dycks Porträts König Karls I. von England und Königin Henrietta Marias. Form, Inhalt und Funktion, Diss Bonn 2003, 84–110. 15  Baldesar Castiglione: Il libro del Cortegiano, hg. von Giulio Preti, Turin 1965, X X V I , 44; auf das Gemälde angewandt von Bermingham 2000 (wie Anm. 14), 59. 16  Vgl. Kirsten Ahrens: Hyacinthe Rigauds Staatsporträt Ludwigs XIV.: Typologische und ikonologische Untersuchung zur politischen Aussage des Bildnisses von 1701, Worms 1990; sowie BouffardVeilleux 2012 (wie Anm. 13). Dieser sieht (193 f.) speziell in den „offenen“ Ballettpositionen (2. und 4.) einen Ausdruck von Autorität und Macht. 17  Weißkunig, Holzschnitte von Leonhard Beck, Hans Burgkmair d. Ä. u. a. 1514–1516, Erstauflage 1775, fol. 136b, 138b, 154b (Angaben nach Schultz 1888). Vgl. Der Weisskunig nach den Dictaten und eigenhändigen Aufzeichnungen Kaiser Maximi­ lians I. zusammengestellt von Marx Treitzsauerwein von Ehrentreitz, hg. von Alwin Schultz, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 6 (1888), 1–420; sowie zuletzt Larry Silver: Marketing Maximilian. The Visual Ideology of a Holy Roman Emperor, Princeton 2008, 31–36, 136–139, 206–210. 18  Erwin Panofsky: Classical reminiscences in Titian’s portraits: another note on his “Allocution of the Marchese del Vasto”, in: Gert van der Osten/Georg Kaufmann (Hg.): Festschrift für Herbert von Einem zum 16. Februar 1965, Berlin 1965, 188–202. 19 Barbara Ullrich: Der Kaiser im „giardino dell’Impero“: zur Rezeption Karls V. in italienischen Bildprogrammen des 16. Jahrhunderts, Berlin 2006, 80–137. 20  Jennifer Liston: The performance of Empire: Leone Leoni’s Charles V as virtus subduing fury, in: Visual resources 28 (2012), H. 1, 24–42. 21  Joseph Spence: Crito, hg. von E. Goldsmid, Edinburgh 1885, 41, zit. in Kreuder 2008 (wie Anm. 8), 89. Zu der Bronzestatue vgl. Thomas Fischbacher: Die Kunst der Komposition. Die Bronzestatue Kurfürst Friedrichs III . von Andreas Schlüter und Johann Jacobi, in: Hans-Ulrich Kessler (Hg.): Andreas Schlüter und das barocke Berlin, Ausst.-Kat. Berlin 2014, München 2014, 94–117, sowie ausführlich ders.: Friedrich zu Fuß. Biografie einer Bronzestatue des brandenburgischen Kur-

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fürsten und preußischen Königs Friedrich III ./I . von Andreas Schlüter und Johann Jacobi, Weimar 2014. 22  Vgl. z. B. Janette Dillon: The Language of Space in Court Performance, 1400–1625, Cambridge 2010 (am Bsp. des englischen Hofes); Berns/Rahn 1995 (wie Anm. 6). 23  Vgl. zum französischen Krönungszeremoniell Patrick Demouy: Le sacre du Roi. Histoire, symbolique, cérémonial, Strasbourg 2016, Kap. 2. Ganz ähnlich verlief das Krönungszeremoniell der englischen Könige, vgl. dazu Dillon 2010 (wie Anm. 22), 36–49. 24  Vgl. Johann Christian Lünig: Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum […], 3 Bde. Leipzig 1719–1720, Bd. 1 (1719), 7–11. 25  Vgl. Fabian Stein: Charles Le Brun. La tenture de l’Histoire du Roy, Worms 1985, 24–29; Wolfgang Brassat: Monumentaler Rapport des Zeremoniells, in: Berns/Rahn 1995 (wie Anm. 6), 353–381. 26  Vgl. eine ausführliche Beschreibung bei Lünig 1719 (wie Anm. 24), 199–201. 27  Vgl. Stein 1985 (wie Anm. 25), 28–29, mit Vergleichsbeispielen. 28  Honoré de Balzac: Théorie de la démarche, Paris 1843, 55. 29  Album du sacre de Louis XV, 1722, Louvre, Département des Dessins et Art Graphiques: “La céremonie des offrandes”, INV 26321.1, recto. Abb. in: Demouy 2016 (wie Anm. 23), 152–153. 30  Z. B. Lucas van Valckenborch, Waldspaziergang Kaiser Rudolfs II ., 1590/95, Leipzig, Privatbesitz; Jan Brueghel d. Ä.: Die Infantin Isabella im Park von Mariemont, um 1620, Madrid, Prado, 1429, oder Jacques Callot: Parterre de Nancy, Radierung/Kupferstich, 1625. Vgl. Ursula Härting (Hg.): Gärten und Höfe der Rubenszeit, Ausst.-Kat. Hamm/Mainz 2001, München 2001, Kat.-Nrn. 16 (Alexander Wied), 28 (Krista de Jonge) und 35 (Joana A. Tomicka, Chris de Maegd). Zur Darstellung standestypischer Körperhaltungen in mehrfigurigen Darstellungen vgl. die Ausführungen bei Gérard de Lairesse: Het groot schilderboeck, Amsterdam 1707, dt. Ausgabe Nürnberg 1728, 2. Buch, 5. Kap., 58–65. 31  Vgl. ausführlich Hyde 2017 (wie Anm. 8). 32  Vgl. Hyde 2017 (wie Anm. 8), 125. 33  Vgl. mit Fokus auf dem Bürgertum: Gudrun König: Eine Kulturgeschichte des Spazierganges.

c. Stehen und Schreiten

Spuren einer bürgerlichen Praktik 1780–1850, Wien 1996; zur Wegführung im Landschaftsgarten vgl. Jeroen Leo Verschragen: Die „stummen Führer“ der Spaziergänger: Über die Wege im Landschaftsgarten, Diss. Marburg, 1997. 34  Vgl. Wolfgang Kemp: Die Beredsamkeit des Leibes. Körpersprache als künstlerisches und gesellschaftliches Problem der bürgerlichen Emanzipation, in: Städel-Jahrbuch N. F. 5 (1975), 111–134.

35  Vgl.

Hyde 2017 (wie Anm. 8), 150–152, sowie zahlreiche weitere Beispiele bei Kreuder 2008 (wie Anm. 8), Kap. 3. 36 Vgl. Bouffard-Veilleux 2012 (wie Anm. 13), 196–197. 37  Vgl. Hyde 2017 (wie Anm. 8).

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Ilaria Hoppe

d. Sitzen und Liegen

Die Körperpraktiken des Sitzens und Liegens markieren entscheidende Momente im monarchischen System, da sie mit der Thronbesteigung sowie mit Anfang und Ende des natürlichen Körpers der Herrscher:innen verbunden sind. Die Repräsentation dieser Stationen durch Rituale und visuelle Medien diente vorrangig der Darstellung von Kontinuität und Rechtmäßigkeit sowie der Feststellung von Rangunterschieden. Noch heute zeugen alltägliche Umgangsformen von einer höfischen Etikette, welche das Privileg des Sitzens genau regelt. Das Zeremoniell veranschaulichte und verkörperte die soziale Ordnung, in welcher der/die Herrschende saß, während alle ihm oder ihr Untergegebenen stehen, eine gebückte Haltung einnehmen („Proskynese“) oder sich in totaler Unterwerfung hinlegen mussten. Das rituelle Sitzen in majestate (dt. „in Zier und Würde sitzen“) bezog sich dabei auf die Thronbesteigung als symbolischem Akt der ‚Inbesitznahme‘ des Territoriums in einem seit dem 8. Jahrhundert sakralisierten Ritual der Herrscherweihe.1 Damit schloss sich die Symbolik des Sitzens an antike Kaiserkulte in einer translatio imperii an, die ebenso in der frühchristlichen Ikonographie der Maiestas Domini zur Veranschaulichung überirdischer Macht aufscheint. Für die Bildtradition relevant ist, dass der Herrscher auf dem Thron in Ausübung seines Amtes, an das sich Autorität und Gerichtsbarkeit knüpften, gezeigt wird.2 Der Typus verbreitete sich zuerst als eine Art ‚Logo‘ in mittelalterlichen Handschriften, auf Siegeln und Gesetzesbüchern.3 Als Monumentalstatue sowohl für Kaiser als auch Päpste setzte sich die majestätische Sitzfigur erst ab dem 13. Jahrhundert durch, suchte zur Repräsentation und Vergegenwärtigung jeweils aktueller Herrschaftsansprüche aber gleich eine größere Öffentlichkeit, etwa an italienischen Kommunalbauten.4 Der herausgehobenen Stellung der Thronsetzung entsprechend kam dem Möbel besondere Bedeutung zu, die über den Wechsel des Amtes hinaus bestehen blieb und so für dessen Kontinuität bürgte.5 Bis ins 16. Jahrhundert hinein diente den Kaisern und Königen des Hl. Römischen Reiches deutscher Nation der sogenannte Karlsthron in Aachen als Krönungssitz, als otius regni archisolium. Er hatte im Verlauf der Jahrhunderte den Status einer Reliquie angenommen, verlor aber an Bedeutung, einerseits aufgrund der Aufteilung des Reiches,6 andererseits verlagerte sich die Re72

d. Sitzen und Liegen

Abb. 1: Jean Fouquet: Le Lit de justice de Vendôme 1458, um 1460, (München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. Gall. 6, fol. 2).

präsentation zunehmend auf den individuellen Herrschaftskörper. Daneben hatten kostbar bespannte Paradestühle und antikisierende Faldistorien seine Funktion übernommen, auch bei Abwesenheit der Herrscher.7 In der Antike war ein leerer Sitz den Göttern und gottgleichen Kaisern vorbehalten, in einem als sellisternium ritualisierten Festmahl.8 Vergleichbar damit ist die frühchristliche Ikonographie der Hetoimasia, die eschatologisch auf die Wiederkehr Christi verweist. Wie sich an unterschiedlichen Darstellungen zeigt, war es dann der überspannende Baldachin, manchmal zu einem Vorhang im Hintergrund verkürzt, der die Würde auch eines leeren Thrones betonte. Seit dem 12. Jahrhundert werden Baldachine urkundlich erwähnt, um den religiösen Ritus sowie die Epiphanie des Herrschers zu inszenieren; daneben setzten sie sich aus praktischen Gründen auch für Betten durch.9 Die Würde des Sitzens drückt sich noch heute ebenso durch das zu ‚Gericht sitzen‘ aus. In der Vormoderne gehörte die ungeteilte Gerichtsbarkeit zur Ausübung der Lehnsherrschaft und war Ausdruck absoluter Souveränität über ein Territorium. Dies 73

Ilaria Hoppe

Abb. 2: Jan Tarvenier: Jean Miélot präsentiert sein Traktat Philipp dem Guten, nach 1457 (Brüssel, Königliche Bibliothek, ms. 9092, fol. 1r).

beruhte auf einer Konzeption göttlichen Naturrechts, die im tugendreichen Fürsten den gerechten Richter sah, der Gottes Wille erfüllte. Im französischen Hofzeremoniell kam es dafür ab dem 14. Jahrhundert zur besonderen Variante des lit de justice (Abb. 1). Dabei handelte es sich um eine Sitzung des Parlaments, die sich durch die Anwesenheit des Königs auszeichnete. Seine Präsenz wurde durch einen Baldachin mit Kissen betont, auf einem mit Stoff bespannten, bettähnlichen Podest.10 Man vermutet einen Zusammenhang mit dem Verlesen von Dekreten durch den hl. Ludwig vor seiner Bettstatt.11 In panegyrischen Texten deutet sich zudem die Idee einer Verschmelzung von weltlicher Herrschaft mit göttlichem Recht in einem Bett an.12 Das Zusammenwirken von Bett und Thron zeigte sich in dieser Zeit ebenfalls im Zeremoniell des burgundischen Herzoghofes, der aufgrund seiner kulturellen Entfaltung Vorbild für ganz Europa war. Wie zahlreiche Miniaturen aus den berühmten Stundenbüchern veranschaulichen, war der Empfang in der mit einem Prunkbett ausgestatteten grande chambre bereits um 1400 üblich (Abb. 2).13 Markant überschneiden sich Herrschaftskörper und Prunkbett, das sich durch einen üppigen Baldachin – wie man ihn vom Thron kennt – auszeichnet. Dabei dienten die Prunkbetten nicht zum Schlafen, sondern wurden vor allem für Akte der Repräsentation 74

d. Sitzen und Liegen

Abb. 3: Andrea Mantegna: Ludovico Gonzaga im Kreis seiner Familie, 1465/74, Fresko (Mantua, Palazzo Ducale).

zur Dynastiesicherung genutzt, wie Hochzeiten oder Geburten.14 Die Baldachinbetten waren Teil der Möblierung kleinerer Räumlichkeiten, die im Zuge des sich im weiter ausdifferenzierenden Zeremoniells auf der Achse zwischen Saal und dem eigentlichen Schlafraum befanden und den Zugang zum Herrschaftskörper regulierten, und häufig für Audienzen in kleinerem Kreis genutzt wurden. Diese Zweiteilung, die sich so auch für den Florentiner Hof im 16. Jahrhundert belegen lässt, ist symptomatischer Ausdruck einer eng an den Körper gebundenen Konzeption von Macht, die sich im modernen Verständnis von Privatheit und Öffentlichkeit verliert.15 Dies mag ein Grund dafür sein, dass man für die Darstellung der Herrschaftstätigkeit zunehmend der Audienz als Motiv den Vorrang gegenüber hieratischen Thronbildern gab. Zudem nutzt man die neuen Möglichkeiten der Malerei zur Rhetorisierung der jeweiligen Herrschaftsform, etwa durch die Kombination von ganzfigurigem Porträt und Ereignisbild in den Wanddekorationen oberitalienischer Höfe.16 Das von Andrea Mantegna in den 1460er Jahren ausgeführte Fresko in der camera picta zeigt Ludovico III . Gonzaga, Markgraf von Mantua, der sich im Kreis seiner stehenden Familie als Fürst während einer Audienz und pater familias in75

Ilaria Hoppe

szenieren ließ (Abb. 3). Im Zentrum der Komposition bestätigt das Sitzmotiv ebenso die herausgehobene Stellung seiner Gemahlin, Barbara von Brandenburg, die jedoch der Geschlechterhierarchie entsprechend niedriger angeordnet ist. Die Würdeformel des Vorhangs wurde von Mantegna als illusionistischer Kunstgriff gestaltet, der raffiniert mit den Realitätsebenen spielt und die Stellung des Condottieres stark überhöht. Die Kombination von Gruppenporträt und Ereignisbild wurde in der Folge vielfach rezipiert und häuft sich insbesondere bei Huldigungsszenen, die sich auf antike wie christliche Ikonographien zurückführen lassen sowie auf das Treueversprechen innerhalb mittelalterlicher Lehnsverhältnisse.17 Davon wurde besonders gerne Gebrauch gemacht, wenn der Anspruch auf Herrschaft umstritten war, da den Rezipient:innen so in einem Bildakt die gewünschte soziale Ordnung vor Augen gestellt wurde, etwa nach Kriegen oder bei weiblichen Regentschaften. Die zunehmende mimetische Kraft der Malerei war äußerst hilfreich, um die Realpräsenz von Herrschern zu vermitteln, zumal Bilder auch als Stellvertreter fungieren konnten. So wurde Raffaels berühmtes Bildnis von Papst Leo X. mit zwei Kardinälen wie in einem antiken sellisternium in der Mitte der Tischgesellschaft platziert, die anlässlich der Hochzeit von Lorenzo de’ Medici und Madeleine de la Tour d’Auvergne in Florenz 1518 zusammen gekommen war (Abb. 4).18 Dabei zeigt sich das Motiv des Sitzens, das im Rekurs auf antike Philosophen auch Weisheit transportierte, als grundlegende Würdeformel der Papstbildnisse, von denen Raffaels Gemälde als wegweisend gelten. Sie sind keine starren Maiestas-Darstellungen mehr, sondern komplexe Formulierungen weltlicher Herrschaftsansprüche, deren Verismus schon die Zeitgenossen zum Staunen brachte. Der jeweils schräg gestellte Sessel erlaubt dabei Raumtiefe zu entwickeln, in der die Figuren „rund und erhoben“ wirken, wie Vasari es formulierte.19 Die Päpste werden allerdings nicht in Ausführung ihrer geistlichen Tätigkeit gezeigt, sondern stets wie bei einer Audienz oder an einem Tisch mit allegorischen Attributen. Für weltliche Herrscher etablierten sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts zusätzlich das Stand- und Reiterbildnis, wobei sich eine gängige Formel für das Staatsporträt noch nicht durchgesetzt hatte.20 So gehörten ganzfigurige Sitzporträts weiterhin zum Repertoire herrscherlicher Repräsentation. Als besonders produktiv dafür gilt die Kooperation von Karl V. und Tizian.21 Das Sitzporträt von 1548 zeigt den Kaiser beispielsweise auf einem Faldistorium vor einem Ehrentuch, einer Säule und einem Landschaftsausblick. Im Sinne der vita contemplativa ist es als Gegenstück zum ebenfalls von Tizian ausgeführten Reiterbildnis diskutiert worden, doch scheint es vielmehr als eine dazu komplementäre Darstellung der höfischen Audienz zu fungieren. Die Zunahme von Herrscherbildnissen in dieser Zeit wird auch auf die veränderten Bedingungen innerhalb sich ausdehnender Großflächenstaaten zurückgeführt.22 76

d. Sitzen und Liegen

Abb. 4: Raffael: Papst Leo X. mit den Kardinälen Giulio de’ Medici und Luigi de’ Rossi, 1515/18, Öl auf Holz (Florenz, Uffizien).

Immer mehr Untertanen mussten von Rechtmäßigkeit und Fortdauer der jeweiligen Herrschaft überzeugt werden. Insbesondere für letztere Aufgabe eigneten sich die Darstellungen neugeborener Thronanwärter als festverschnürte Bündel auf kostbaren Stoffen sowie von Fürstinnen mit ihrem Nachwuchs, in denen sich die Allusion auf den fruchtbaren Schoß mit der Marienikonographie vereinte. Das von Bronzino 1545 ausgeführte Bildnis der Eleonora de Toledo als Herzogin von Florenz zählt sicherlich zu den berühmtesten dieser Art. Die dort von Giorgio Vasari für ihren Gemahl Cosimo I. de’ Medici entwickelte Herrscherikonographie kann überdies als eine der frühesten Umsetzungen antikisierender Apotheosen gelten. Hierbei wird das Sitzen des männlichen Herrschers auf bauschigen Wolken zum Motiv gottgleicher Hoheit. Der weitere große Bereich herrscherlicher Repräsentation, in denen Sitzen und Liegen eine zentrale Rolle übernahmen, war die Funeralkunst. Es waren weniger die weltlichen Herrscher, die sich thronend zeigten  – die mediceischen Grabfiguren von Michelangelo in der alten Sakristei von San Lorenzo in Florenz sind hier als 77

Ilaria Hoppe

Abb. 5: Jacques Callot: Der Tod Königin Margarethes von Österreich, Königin von Spanien, 1612, Kupferstich.

berühmte Ausnahmen zu nennen – als vielmehr die Päpste.23 Das Grabmal von Antonio del Pollaiuolo für Innozenz VIII . in St. Peter von 1498 nimmt hierbei eine besondere Stellung ein, da es den Körper des Papstes in cathedra zeigt und darunter als Liegefigur. Während sein natürlicher Körper als effigies der ewigen Ruhe überlassen wurde, sollte das Andenken an seine Tätigkeit als imago in lebhafter Erinnerung behalten werden.24 Damit wurde erstmals die doppelte Natur des Papstkörpers thematisiert, die im mittelalterlichen Krönungszeremoniell durch einen Sitz-Liege-Ritus vorgebildet war, um Vergänglichkeit sowie mystische Dauerhaftigkeit des Amtes zu versinnbildlichen.25 Darüber hinaus blieb die thronende Statue bis ins 19. Jahrhundert hinein vorbildlich für die päpstliche Memorialskulptur.26 Das Ableben von Herrschern war stets ein krisenhafter Moment, da Nachfolgen häufig umstritten waren. Wenn möglich, wurde der Leichnam männlicher Fürsten in vollem Ornat durch die Stadt getragen und danach in einer Kirche aufgebahrt, wo die Beisetzung stattfand. Konnte die eigentliche Bestattung noch recht bescheiden ausfallen, entwickelten sich Exequien-Feiern im Verlauf des 16. Jahrhunderts zu 78

d. Sitzen und Liegen

multimedialen Spektakeln. Wie bereits in der Antike üblich, wurde die sterbliche Hülle durch eine effigies27 ersetzt und Bildprogramme in Grisaille illustrierten die Biographie der Verstorbenen.28 Insbesondere für die Sterbeszenen bediente man sich bei religiösen Vorbildern, um eine christoforme Sakralisierung herzustellen, wie man es von Heiligenviten kannte (Abb. 5). Ausrichtung und Publikation solcher Feierlichkeiten übernahmen aber nicht nur die engsten Angehörigen, sondern auch fernere Verwandte oder Verbündete, die damit ihren politischen Allianzen Ausdruck verliehen. Im Gegensatz zum Mittelalter wurde in der Frühen Neuzeit der Zerfall des natürlichen Körpers mit dem der Herrschaft gleichgesetzt.29 Humanismus und Glaubensspaltung erschütterten eben nicht nur das religiöse Weltbild, sondern auch das Verständnis sakraler Herrschaft. Auffällig setzten ab dem 14. Jahrhundert fast zeitgleich die Produktion von Herrscherbildnissen und effigies an den Höfen in Prag und Paris, England und Italien ein. Die Wirkmacht der ‚neuen Medien‘ bot ein geeignetes Instrumentarium, um die Zweifel an der ewigen Herrschaft zu zerstreuen. Tatsächlich endete der Gebrauch von Funeraleffigies mit dem Absolutismus im 17. Jahrhundert, als Amt und Person wieder untrennbar im Gottesgnadentum aufgehoben waren.30 Zeitgleich hatten sich die Einbalsamierungstechniken derart verbessert, dass der Leichnam über Wochen hinweg auf einem Paradebett in der Residenz präsentiert werden konnte.31 Diese Verfahren waren so aufwendig, dass sie selbst zum Distinktionsmittel avancierten und entsprechend als Bilder publiziert wurden, die darauf abzielten, die staatliche Repräsentation insgesamt auf den Körper des Herrschers zu verdichten.32 In diesem Prozess der Verbildlichung des individuellen Fürstenkörpers gab man auch die Doppelung von verstorbenem und lebendigem Grabbildnis auf. Insbesondere in Frankreich hatte diese Kombination eine lange Tradition, die während der Renaissance gewissermaßen ‚beschönigt‘ wurde. Zumeist zeigten sich die Stifter:innen als betende Kniebildnisse auf den Grabmälern, während ihre Leichname als transi nun nicht mehr wie zuvor den Verfall betonten, sondern die Schönheit der Körper nach antikem Vorbild. Den Wendepunkt in dieser Tradition leitete Caterina de’ Medici in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein, die sich als Regentin Frankreichs um ihren Nachruhm sowie um die Darstellung ihres rechtmäßigen Anspruchs auf den Thron bemühte. Zuerst hatte sie den heute noch erhaltenen abbozzo von Girolamo della Robbia für ihren transi abgelehnt, da er zu realistisch einen vom Tod gezeichneten Körper darstellt.33 Er wurde ersetzt durch die antikisierenden Akte Germain Pilons, die das königliche Ehepaar in schlafender Schönheit überhöhen. Schließlich entschied sie sich mit dem Bau der Valois-Rotunde für einen ambitionierten Neubau.34 Obwohl dieser Plan nicht realisiert wurde, haben sich die Grabbildnisse erhalten. Sie verabschieden die Tradition der transi zugunsten eines 79

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Abb. 6: Anonym: Ludwig XVI. und seine Familie vor der Nationalversammlung, nach 1792, Kupferstich.

lebendigen Körpers mit voll geöffneten Augen, der Caterinas Präsenz über den Tod hinaus Gültigkeit verlieh. Der Hang zur Verlebendigung zeigt sich bis in den Barock hinein auch in halbaufrechten Liegehaltungen, welche die Wiederauferstehung von Leib und Seele (assumptio corporis et animae) thematisieren. Seit dem Spätmittelalter hatte sich außerdem eine Form mit nachdenklich aufgestütztem Kopf und überkreuzten Beinen ausgebildet. Diese ist einerseits auf etruskische und römisch-antike Grabmalfiguren zurückgeführt worden, andererseits auf mittelalterliche Darstellungen melancholischer Poeten und Philosophen.35 Auch am Julius-Grabmal, von Michelangelo und dem Papst monumental angelegt und Mitte des 16. Jahrhunderts wesentlich bescheidener ausgeführt, kam es zu einem demi-gisant, einem „bescheiden hingelagerten Papst“.36 Doch gibt es gute Gründe anzunehmen, dass in der ursprünglichen Planung für ein in Sankt Peter freistehendes Denkmal, welche die antiken Kaisermonumente übertreffen sollte, eine Sitzfigur als krönender Abschluss geplant war.37 Als Erscheinung und Vision gottgleicher Herrschaft verfügte das majestätische Thronen nach antikem 80

d. Sitzen und Liegen

Vorbild letztlich über die stärkste Symbolkraft. Die Relevanz des damit angezeigten Standesunterschieds und zugleich das Ende des monarchischen Systems lässt sich an einer Revolutionsgraphik der 1790er Jahre beobachten: Die nun ‚entsetzte‘ französische Königsfamilie muss vor der sitzenden Nationalversammlung stehen (Abb. 6). Auswahlbibliographie

Hajo Eickhoff: Himmelsthron und Schaukelstuhl. Die Geschichte des Sitzens, München 1993. Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hg.): Handbuch der politischen Ikonographie, 2 Bde., München 2011. Stephan Hoppe/Krista de Jonge/Stefan Breitling (Hg.): The Interior as an Embodiment of Power, Heidelberg 2018. Christina Posselt: Das Porträt in den Viten Vasaris. Kunsttheorie, Rhetorik und Gattungsgeschichte, Köln/Weimar/Wien 2013. Roberto Zapperi: Die Päpste und ihre Maler. Von Raffael bis Tizian, München 2014.

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Anmerkungen 1  Barbara Stollberg-Rilinger: Rituale, Frankfurt a. M./New York 2013, 92 und 107. 2  Ebd., 107. 3  Für Beispiele siehe Volker Herzner: Herrscherbild oder Grabfigur? Die Statue eines thronenden Kaisers und das Grabmal Heinrichs VII . von Tino di Camaino in Pisa, in: Bazon Brock/Achim Preiß (Hg.): Ikonographia. Anleitung zum Lesen von Bildern (= Festschrift Donat de Chapeaurouge), München 1990, 27–77, hier 41f., sowie das Kapitel „Thronen“ in: Barbara Stollberg-Rilinger/Matthias Puhle/Jutta Götzmann/Gerd Althoff (Hg.): Spektakel der Macht. Rituale im alten Europa 800– 1800, Darmstadt 2008, 174–180. 4  Herzner 1990 (wie Anm. 3), 40–42. 5  Dorothee Linnemann: Rituale der Einsetzung. ‚Äußere Formen‘, Funktionen und Bedeutung, in: Stolberg-R ilinger/Puhle/Götzmann/Althoff 2008 (wie Anm. 3), 68–75, hier 71; siehe auch Peter Thornten: Interni del rinascimento italiano, 1400– 1600, Mailand 1992 (zuerst 1991), 168–191. 6  Heinz Duchhardt: Krönungen außerhalb Aachens. Die Habsburger bis 1806, in: Mario Kramp (Hg.): Krönungen. Könige in Aachen. Geschichte und Mythos, 2 Bde., Mainz 2000, Bd. 2, 636–642; Caroline Horch: Königstuhl – Kaiserthron – Reliquiar. Forschungsgeschichte der Aachener sedes imperialis, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 213 (2010), 83–102. 7  Jochen Sander: Art. „Thron, leerer“, in: Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hg.): Handbuch der politischen Ikonographie, Bd. 2, München 2011, 424–429. 8  Anne Viola Siebert: Art. „Sellisternium“, in: Der kleine Pauly, Stuttgart/Weimar 2002, Bd. 11, 374. 9  Elisabeth Vavra: Art. „Baldachin“, in: Lexikon des Mittelalters, München/Zürich 1980, Bd. 1, 1362. 10  Elisabeth A. R. Brown/Richard C. Famiglietti: The lit de justice: Semantics, ceremonial, and the Parlament of Paris, 1300–1600, Sigmaringen 1994. 11  Ebd., 21. 12  Ebd., 28. 13  Krista De Jonge: Ceremonial ‘Grey Areas’: On the Placing and Decoration of Semi-Public and Semi-Private Spaces in Burgundian-Habsburg Court Residences in the Low Countries (1450–1550),

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in: Stephan Hoppe/Krista de Jonge/Stefan Breitling (Hg.): The Interior as an Embodiment of Power, Heidelberg 2018, 31–55. 14  Ebd., 41. 15  Ilaria Hoppe: Das Bett in der Frühen Neuzeit: Praktiken der Vergesellschaftung am Beispiel Florenz, in: Irene Nierhaus/Kathrin Heinz (Hg.): Matratze  / Matrize. Möblierung von Subjekt und Gesellschaft, Konzepte in Kunst und Architektur, Bielefeld 2016, 389–410. 16 Für einen Überblick siehe Beverly Louise Brown: Die Bildniskunst an den Höfen Italiens, in: Keith Christiansen/Stefan Weppelmann (Hg.): Gesichter der Renaissance. Meisterwerke italienischer Portrait-Kunst, Berlin 2011, 26–47. 17 Philipp Zitzlsperger: Art. „Huldigung“, in: Fleckner/Warnke/Ziegler (wie Anm. 7), Bd. 2, 513–519; Stollberg-Rillinger 2013 (wie Anm. 1), 103–105; für weitere Beispiele siehe auch „Schwören“, in: Stolberg-Rilinger/Puhle/Götzmann/Althoff 2008 (wie Anm. 3), 168–172. 18  Roberto Zapperi: Die Päpste und ihre Maler. Von Raffael bis Tizian, München 2014, 42. 19  Christina Posselt: Das Porträt in den Viten Vasaris. Kunsttheorie, Rhetorik und Gattungsgeschichte, Köln/Weimar/Wien 2013, 166. 20  Zusammenfassend ebd., 245. 21  Silvia Ferino-Pagden: Des Herrschers „natürliches” Idealbild: Tizians Bildnisse Karls V., in: Wilfried Seipel (Hg.): Kaiser Karl V. (1500–1558). Macht und Ohnmacht Europas, Bonn 2000, 65–75. 22  Martin Warnke: Art. „Herrscherbildnis“, in: Fleckner/Warnke/Ziegler (wie Anm. 7), Bd. 1, 481–490, hier 485. 23  Für einen Überblick siehe Adolf Reinle: Die sitzende Figur, in: ders.: Das stellvertretende Bildnis. Plastiken und Gemälde von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, Zürich/München 1984, 241–245. 24  Zur Differenz zwischen effigie und imago siehe zusammenfassend Michaela Völkel: Vom Körperbild zum Erinnerungsbild. Zum Bildgebrauch im fürstlichen Trauerzeremoniell der Frühen Neuzeit, in: Barbara Stollberg-Rilinger/Thomas Weißbrich (Hg.): Die Bildlichkeit symbolischer Akte, Münster 2010, 223–249, hier 225–228.

d. Sitzen und Liegen

Wright: The Pollaiuolo Brothers. The Arts of Florence and Rome, New Haven/London 2005, 389–408; Philipp Zitzlsperger: Art. „Tod des Herrschers“, in: Fleckner/Warnke/Ziegler (wie Anm. 7), Bd. 2, 440–447, hier 441. 26  Vgl. dazu auch die Datenbank „Requiem – Die römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit“, http://requiem-projekt.de/. 27  Kristin Marek: Die Körper des Königs. Effigies, Bildpolitik und Heiligkeit, München 2009; Völkel 2010 (wie Anm. 24). 28  Siehe z. B. Monica Betti (Hg.): La morte e la gloria. Apparati funebri medicei per Filippo II di Spagna e Margherita d’Austria, Ausst.-Kat., Livorno 1999. 29  Ulrich Pfisterer: Art. „Zwei Körper des Königs“, in: Fleckner/Warnke/Ziegler (wie Anm. 7), Bd. 2, 559–566, hier 561. 30  Petra Gördüren: Art. „Bildnis, stellvertretendes“, in: Fleckner/Warnke/Ziegler (wie Anm. 7), Bd. 1, 152–161, hier 157. 25  Alison

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Völkel 2010 (wie Anm. 24), 224. Bredekamp: Thomas Hobbes visuelle Strategien. Der Leviathan: Urbild des modernen Staates. Werkillustrationen und Porträts, Berlin 1999; Völkel 2010 (wie Anm. 24), 224. 33  Erwin Panofsky: Grabplastik, Köln 1993 (zuerst 1964), 88. 34  Zuletzt zusammengefasst bei Christina Strunck: Christiane von Lothringen am Hof der Medici. Geschlechterdiskurs und Kulturtransfer zwischen Florenz, Frankreich und Lothringen (1589–1636), Petersberg 2017, 233–240. 35  Panofsky 1993 (wie Anm. 33), 90. 36  Ebd., 100. 37  So schon von Panofsky 1993 (wie Anm. 33), 98, formuliert; Horst Bredekamp: Ende (1545) und Anfang (1505) des Juliusgrabes, in: ders.: Michelangelo. Fünf Essays, Berlin 2009, 20–38, 101–105. 32 Horst

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María Ángeles Martín Romera / Hannes Ziegler

e. Zuhören, Sprechen, Schweigen

Der römische Kultus der Bona Dea hat in der heutigen Provence etliche Spuren hinterlassen. Besonders eindrucksvoll zeigt sich dies an steinernen Altären, die zwei Ohren in einem Kranz aus Eichenblättern umgeben von flatternden Bändern zeigen (Abb. 1). Der aus dem ersten oder zweiten nachchristlichen Jahrhundert stammende Altar in Glanum enthält die Inschrift: „Auribus, Loreia Pia ministra“. Dieser doppelte Hinweis auf die Ohren der Göttin ist Ausdruck des frommen Wunsches, die Göttin möge ihre Priesterin erhören; sie verstärken die Anrufung der Göttlichkeit. Obwohl dieses Beispiel weit außerhalb des zeitlichen Fokus dieses Bandes liegt, dient es doch als guter Einstieg für diesen Beitrag, da es zwei zentrale Aspekte betont. Einmal die Tatsache, dass Akten des Zuhörens, Sprechens und Schweigens immer eine Geschlechterdimension innewohnt. In dieser Hinsicht bilden die römische Altäre der Bona Dea einen starken Kontrast zu einem christlichen Verständnis der Frau, in dem es ein männlicher Gott ist, der männliche Priester erhört, während Frauen – in Form etwa der Jungfrau oder der Heiligen – auf die Rolle der Betenden oder Fürsprecherin reduziert werden. Zum anderen, und zweitens, verweist das Beispiel auf die zentrale Rolle des Zuhörens und die Möglichkeit (oder Unmöglichkeit) gehört zu werden als zentrale Momente in der Beziehung zwischen Obrigkeiten (egal ob göttlich oder, wie im vorliegenden Essay, säkular) und Untertanen. In der Vormoderne rechtfertigt sich Herrschaft in erster Linie darüber, für das Gemeinwohl zu sorgen und Gerechtigkeit walten zu lassen. Dies ist, wie Erasmus in seiner einflussreichen Institutio Principis Christiani (1532) schreibt, des Fürsten natürliche Funktion: „Wie es Aufgabe der Augen ist zu sehen, der Ohren zu hören und der Nase zu riechen, so ist es Sache des Fürsten, für das Wohl des Volkes zu sorgen.“1 Dafür aber muss der Herrscher selbst seine Untertanen hören: „Die Könige der Hebräer nannten sich Richter, denn sie rühmten sich vor allem als Zuhörer und Richter, und in allen Völkern war dies die Hauptaufgabe von Königen.“2 Diese Ineinssetzung von Zuhören und Richten zeigt sich auch im hier betrachteten Zeitraum. In den Fürstenspiegeln und politischen Traktaten der Zeit gibt es zahllose Anweisungen, der Fürst müsse seinen Untertanen zuhören: „die untertanen in irem anligen gern zuhoren“, schreibt Melchior von Osse um 1550, „ist ein sondere hohe furstliche tugend“.3 Dies 84

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Abb. 1: Römischer Altar gewidmet AVRIBVS LOREIA PIA MINISTRA in Glanum (Provence), 1.–2. Jahrhundert n. Chr.

wird begleitet von Empfehlungen hinsichtlich der angemessenen Gesten und der passenden Haltung sowohl beim Zuhören als auch beim Sprechen. Nach Erasmus ist der ideale Fürst „für jedermann zu sprechen, freundlich im Umgang, mit einem offenen Ohr für alle, die ihn sprechen wollen“.4 Im Gerichtswesen hingegen gibt es ebenso zahllose Hinweise zu den Akten des Zuhörens und Sprechens, denen eine Schlüsselrolle in Rechtsprechung und Justiz zukommt. Zuzuhören und zu richten werden tatsächlich häufig synonym verwendet und die Begriffe mit denen Gerichtshöfe und darin stattfindende Handlungen bezeichnet werden haben ihre Wurzel oft genug im lateinischen audio (audiencia, audience, Audienz). Auch im Englischen hat das hearing eine gleichermaßen alltägliche wie justizielle Bedeutung; in Kastilien hingegen heißen bestimmte städtische Richter oidores (Zuhörer). 85

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Es ist darum kein Zufall, dass die königlichen Richter und Repräsentanten in John von Salisburys Polycraticus (ca. 1159) – einer der einflussreichsten und frühesten Darstellungen von König und Königtum als Körper – als seine Augen, sein Mund und seine Ohren dargestellt werden. Es ist unabdingbar, dass der Herrscher seinen Untertanen sein Gehör schenkt und da er dies nicht immer in eigener Person gewähren kann, ist er angehalten, dies durch seine Amtsleute und Richter zu tun. In seinem Espejo de Corregidores (ca. 1493) mahnt Alonso Ramírez de Villaescusa: „[…] passt auf ihr Könige und hört zu und ihr Richter überall lernt, schenkt euer Gehör und hört zu, die ihr Massen von Völkern habt“.5 Von diesen Völkern erhebt sich ein clamor, ein Ruf nach Gerechtigkeit, den der Herrscher erhören muss, will er nicht als nachlässig oder grausam erachtet werden oder, schlimmer, als ein Tyrann. Im 13. und 14. Jahrhundert gelten die königlichen enquetes als eine solche Antwort auf Volkes Stimme. Diese Form der inquisitio ist im 13. Jahrhundert bereits weit verbreitet. Mit dem Ziel der Bestrafung öffentlicher Vergehen waren diese eigentlich ein Akt ex officio, der keiner gezielten Anklage bedurfte. Dennoch wurden sie normalerweise gerechtfertigt als eine Antwort auf einen Skandal oder einen öffentlichen Aufruhr, der den Mächtigen zu Ohren gekommen war. Die Beschreibung der einzelnen Vergehen begann darum gewöhnlich mit Worten wie: „Es ist uns zu Ohren und zur Kenntnis gelangt […]“.6 Um Gerechtigkeit herzustellen und damit seine wichtigste Aufgabe zu erreichen, musste der Herrscher also auf die Belange und Nöte seiner Untertanen hören. Diese mittelalterliche Vorstellung entwickelte sich zu einer sehr viel komplexeren Aufgabe für frühneuzeitliche Könige und Fürsten. Politische Traktate des 15. und 16. Jahrhunderts gehen über die Erwähnung einer abstrakten Stimme des Volkes in Form von clamor, Skandalen, Gerüchten oder publica fama weit hinaus. Mehr und mehr Aufmerksamkeit wurde stattdessen dem komplexen Szenario des Hofes geschenkt, innerhalb dessen direkte Kontakte zwischen dem Fürsten und seinen Untertanen stattfanden, seien dies Adlige oder gewöhnliche Bittsteller. Wenn die zugrundeliegende Logik, dass der Fürst seinen Untertanen zuhören müsse, dieselbe blieb, so wurde doch das ‚Setting‘ konkreter, die Anweisungen ausführlicher und die Notwendigkeit der Erziehung des Prinzen in der Kunst der Kommunikation mit seinen Untertanen wichtiger. Jenseits direkter Kontakte hatte der Fürst zudem die Verpflichtung, sich über den Stand seines Territoriums wie über die Taten und den Charakter seiner Amtsleute und Berater informiert zu halten: „wi es in seinem lande […] zugehet, wi will ers erfaren, wan er nimands, dens angehet, horet?“7 Von Philip II . von Spanien über Ludwig XIV . von Frankreich bis hin zu Friedrich II . von Preußen pflegten darum Herrscher in der Frühen Neuzeit immer wieder bewusst das Image, ihr Ohr stünde den Untertanen jederzeit und überall zur Verfügung. 86

e. Zuhören, Sprechen, Schweigen

Als Herrscher muss der Fürst mithin Sorge tragen, gut beraten zu sein. Um zu richten, muss er Kenntnis seiner Untertanen haben, denn Verteilungsgerechtigkeit basiert auf dem Wissen um die Verdienste und Taten seiner Untertanen und Diener. Wenn der Fürst hingegen schlecht informiert ist, dann fällt dies normalerweise auf seine Berater, nicht aber auf ihn selbst zurück. Fürstliche oder königliche Amtsleute sind darum häufig selbst Gegenstand von Anklagen wegen Nachlässigkeit, Trägheit oder Parteilichkeit, wenn sie etwa den Wünschen von Bittstellern zu wenig Gehör schenken. Auch deshalb richtet sich ein großer Teil frühneuzeitlicher Fürstenspiegel auf die Auswahl guter und vor allem treuer Berater. Dabei steht jedoch weniger der mögliche Schaden jener im Vordergrund, die vom Fürsten gehört werden wollen als vielmehr der mögliche Schaden für den Fürsten als Zuhörer. Zu leicht können Schmeichler – ein zentraler Topos in der Fürstenliteratur – das Ohr des Fürsten für ihre eigenen Zwecke missbrauchen. Oft genug findet sich darum der Ratschlag, sich nicht in Abhängigkeit eines Rates – und damit: einer Stimme – zu begeben. Nur wenn er selbst gut beraten ist, wird der Fürst hören können, was zur Gerechtigkeit seines Regiments und dem Wohl seines Volkes beiträgt. Im Norte de Príncipes (ca. 1601)  – dem berüchtigten Sekretär Philipps II . von Spanien, Antonio Perez, zugeschrieben – bekräftigt der Autor jedoch die Unmöglichkeit, jeden zufriedenzustellen. Muss der Herrscher aber zwischen grandes und plebe wählen, dann soll er streben, das Volk  zufriedenzustellen, „denn sie sind es die brüllen, schreien und ihre Ansprüche öffentlich machen“. Vox populi, vox Dei. Diese Stimme des Volkes, verstanden als abstrakt und roh, bleibt im Verlauf der Frühen Neuzeit stets präsent, auch wenn im höfischen Kontext individuelle Bittsteller wesentlich sichtbarer werden. Derselbe Autor erklärt etwa, dass der König so viele Menschen wie möglich in seine Anwesenheit einladen und ihnen Gehör schenken muss. So wird er viele zufriedenstellen: „Ich wünsche Euch darauf aufmerksam zu machen, dass alle Menschen euch sehen wollen und euch ihre Wünsche präsentieren wollen und sich damit trösten wollen, gehört worden zu sein. Und von den zwei Dingen, die die minores stets erstreben (gehört zu werden und Genugtuung zu erlangen), erhält ersteres ihren guten Willen und tröstet sie und macht sie Letzteres guten Mutes erwarten.“8 Nur durch das Zuhören kann der Fürst, der Richter oder der Amtmann wissen, was gerecht ist. Nur durch das Gehörtwerden kann Gerechtigkeit, Gnade oder Genugtuung erwartet werden. Als zentraler Teil des Herrschaftsvertrages steht das Zuhören im Zentrum der Interaktion zwischen Herrschern und Untertanen. Deshalb wird die beständige Sorge darum, gehört zu werden, ebenso beständig begleitet von der Furcht, nicht gehört zu werden. In einem satirischen Gedicht aus dem 15. Jahrhundert, gerichtet gegen die Figur des corregidor als des Hauptvertreters königlicher Autorität in Kastilien, schreibt der jüdische Autor Antón de Montoro, 87

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Abb. 2: Satirische Darstellung weiblicher Supplikanten aus dem späten 16. Jahrhundert.

die Untertanen würden „lieber gesehen von Blinden und gehört von Tauben [denn vom corregidor]“. 9 Schlimmer noch als ungehört zu sein war es hingegen, sich in den Kategorien der Stimmlosen wiederzufinden. Weiblichkeit ist eine dieser Kategorien. Die Worte des Apostels Paulus hatten in dieser Hinsicht einen starken und andauernden Einfluss im mittelalterlichen Denken und waren Grundlage eines hartnäckigen Topos in der frauenfeindlichen Tradition des Mittelalters und der Frühen Neuzeit: Das Ideal der demütigen und schweigenden Frau als Kontrast zum geschwätzigen und vorwitzigen Frauenzimmer: „Wie in allen Versammlungen des Volkes Gottes sollen Frauen in den Gemeinden schweigen. Ihnen ist nicht gestattet zu sprechen, sondern sie müssen demütig sein, wie das Gesetz besagt. Wenn sie etwas wissen wollen, dann sollen sie ihre Ehemänner zuhause fragen; denn es ist schändlich für eine Frau, in der Gemeinde zu sprechen.“10 Die Worte Paulus’, wiederholt von zahllosen späteren Autoren, wiesen Frauen der Kategorie jener zu, die keine Stimme besaßen. Auf diese Weise schufen sie eine geschlechtlich konnotierte Vision von Sprechen und Schweigen, in der das Sprechen als ein aktiver und mächtiger Akt verstanden wurde, wohingegen das Schweigen oder Zuhören für die Machtlosen, 88

e. Zuhören, Sprechen, Schweigen

die Frauen und die Untertanen reserviert war. Ein satirischer Druck aus dem späten 16. Jahrhundert bringt dies darin zum Ausdruck, dass er der ungebührlich sprechenden und sich in Mannes-Dinge mischenden Frau Prügel als gerechte Strafe androht (Abb. 2). Im Kontext von Herrschaft hing der politische Wert des Zuhörens, Sprechens und Schweigens allerdings weitgehend vom Kontext ab. Erstens barg die Möglichkeit, zum Herscher zu sprechen, ein Paradox. Dem König oder seinen Amtsleuten eine Bitte oder Petition vorzubringen, wurde als Privileg verstanden. Gleichzeitig richteten sich derlei Kommunikationsakte an eine höhere Autorität und verstärkten daher die unterlegene Position des Bittenden und konnten genau darum auch als Akt der Unterwerfung verstanden werden. Zweitens war das Zuhören für den Fürsten das wichtigste Herrschaftsattribut, wohingegen das Sprechen ein Moment des potentiellen Autoritätsverlustes darstellte. Daher ist das Zuhören, seiner scheinbaren Passivität ungeachtet, in vieler Hinsicht die überlegene Haltung. Mit zahlreichen Unterschieden in unterschiedlichen Zeitabschnitten und höfischen Kontexten wurde dieses Verhältnis auch durch zeremonielle Arrangements verstärkt. Durch die sorgsame zeremonielle Ausrichtung des Hofes und seiner Räumlichkeiten wurde Sorge getragen, dass über die unterlegene Position des Bittstellers und die überlegene Position des Fürsten kein Zweifel bestand (Abb. 3). In einer durchaus typischen Darstellung zeigt etwa ein Fresco aus dem Duomo von Siena Piccolomini als Bittsteller am Hofe Jakobs I. von Schottland; das räumliche Arrangement verweist auf die unterlegene Position des Gesandten, wohingegen der König erhöht sitzend mit achtsam geneigtem Haupt zuhört. In Kastilien war der Kniefall vor dem König üblich, bevor die Zeremonie des besamanos (Handkusses) den Akt der Unterwerfung symbolisch verstärkte. Trotzdem das Schweigen eine dem Herrscher angemessenere und sicherere Haltung war, waren Fürsten – anders als ihre Untertanen – niemals ohne Stimme. Sie mussten sie jedoch stets sorgfältig einsetzen, denn während das Zuhören die Gefahr der Verführung barg, barg das Sprechen für einen Herrscher eine ungleich größere Zahl an Gefahren. Im Vergleich zu Erziehungsbüchern anderer sozialer Gruppen, die Wert legen auf die richtige Art zu sprechen, fokussiert die Prinzenerziehung stärker auf die Notwendigket, bestimmte Kommunikationsakte ganz zu vermeiden oder nicht mehr zu sagen als angebracht war. Zu große Vertraulichkeit verbot sich etwa aus politischen Gründen. Das Schweigen und das Geheimnis waren allemal die sicherere Strategie, wie die Empfehlung Kurfürst Augusts von Sachsen an seinen Sohn und Nachfolger Christian Ende des 16. Jahrhunderts verdeutlicht: Er empfiehlt, dass der Fürst „Jederman freundtlich, doch nicht Jederman heimlich sey“. Der Fürst, und hiermit gab August eine zentrale Tugend der Fürstenspiegel wieder, solle in allen Dingen „fürsichtig und verschwigen“ sein.11 89

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Abb. 3: Pinturicchio: Enea Piccolomini als Gesandter am Hofe Jakobs I. von Schottland, 1502–1507, Fresko (Siena, Dom, Piccolomini-Bibliothek).

So er aber spricht, gelten besondere Regeln: die kastilische Gesetzessammlung der Siete Partidas widmeten bereits im 13. Jahrhundert ein langes Kapitel der Frage „Wie der König in seinen Worten sein muss“. Besonnenheit und das rechte Maß waren, wie auch während der Frühen Neuzeit, die Leitideen: „Jeder und besonders der König muss vorsichtig mit seinen Worten sein, sodass sie abgewogen und durchdacht sind, bevor sie gesagt werden. Denn einmal aus dem Mund kann niemand sie ungeschehen machen.“12 Es war für den König nicht ratsam, redselig zu sein, oder zu schreien; er musste ansehnliche Worte verwenden, niemals törichte oder hässliche; auch durfte er 90

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nicht zu schnell sprechen, denn es schiene sonst, als mangele es ihm an Verständnis. Intonation, Rythmus und Gesten mussten gemäßigt und angemessen sein. Lügen, jemanden verleumden oder Unsagbares wiederzugeben war einem König gänzlich unangemessen. Verwende ein König üble Worte, so verfiele er der Macht des Geredes. Weil es folglich üble Konsequenzen für den König hatte, hässliche Worte zu verwenden, so musste er das Schweigen dem Sprechen vorziehen. Christine de Pizan berichtet beispielsweise die Anekdote, dass zu Karl V. von Frankreich bemerkt wurde, dass es eine gute Qualität sei, wenn jemand wisse, schön zu sprechen. Er soll geantwortet haben: „Sicherlich, aber es ist nicht weniger schön zu schweigen zu wissen.“13 Die Entwicklung neuer Ämter, die das öffentliche Sprechen vor Gericht oder in Universitäten seit dem 12. und 13. Jahrhundert erforderten, begünstigten auch die Reflektion über die Kunst der Rhetorik. Die Renaissance zog eine noch größere Aufmerksamkeit auf die öffentliche Rede nach sich: Wenn Umgangsformen einen Menschen ausmachten, dann zeigte die Rede gleichermaßen die Qualität des Sprechenden. Derlei Qualitäten sollten durch Reflektion und Übung erlangt werden, durch die Wiederholung guten Benehmens. In dieser Tradition beschäftigte sich Baldassare Castigliones Il Cortegiano (1528) hauptsächlich mit der Kunst der Unterhaltung und rühmte die sprezzatura, eine Weise sich mühelos glanzvoll in sozialen Kontexten zu zeigen. Für niemanden waren solche Fähigkeiten des Sprechens so wichtig wie für den Fürsten, der aufrichtig und gefasst sein musste und zugleich beständig auf der Hut, keine Schwäche zu zeigen und auf kluge Weise jede Unpässlichkeit und Indiskretion zu vermeiden, die Anlass geben könnte, verspottet oder verachtet zu werden. Zugleich aber ist das Modell des idealen Höflings nicht deckungsgleich mit dem idealen Fürsten. Castigliones Höfling darf nicht nur von ernsten Dingen sprechen, sondern muss auch von leichten sprechen, Witze machen und spielen, Dinge also, die dem Fürsten als unpassend empfohlen werden. Der Höfling muss auch über Frauen und mit Frauen zu sprechen wissen, auch dies Dinge, die in der Fürstenerziehung ignoriert werden. Schließlich empfiehlt Castiglione das Schweigen nur dann, wenn es gilt, durch Taten statt durch wortreiche Verkündungen zu glänzen. Ansonsten ist das Schweigen das Refugium jener, die nichts zu sagen haben oder zu faul sind, um etwas zur Unterhaltung beizutragen. Der Kontrast zum Fürsten ist hier besonders auffällig, schließlich ist die Knappheit und die Vorsicht im Sprechen für ihn der üblichste Ratschlag. Metaphorisch gesprochen, aber auch physisch und räumlich – im Falle etwa der Audienz – nimmt der Fürst einen privilegierten Platz ein. Dieser ist jedoch zugleich ein Ort unter besonderer Beobachtung. Erasmus schreibt: „So oft er in der Öffentlichkeit erscheint, soll er durch seinen Gesichtsausdruck, seinen Gang und vor allem durch seine Art zu reden das Volk  erheben, eingedenk, daß alle seine Worte und 91

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Taten von der gesamten Öffentlichkeit beobachtet und beurteilt werden.“14 Dies ist auch ein Ort, an dem jede Geste und jedes Wort Teil einer kodifizierten Semiotik ist, in der jede Abweichung vom Erwarteten und Erwünschten potentiell in einem Fauxpas endet, der nicht übersehen werden kann. Wenn eine gewisse Leutseligkeit des Fürsten erwünscht ist, dann nur innerhalb eines prekären Equilibriums, das zugleich Distanz wahrt und durch eine bestimmte Form von gravitas zur Schau gestellt wird, eine maiestas, die die Unverfügbarkeit erhöht, die von einem höheren Wesen erwartet wird. Denn nichts ist so schädlich für die Autorität wie Vertrautheit, weswegen die Autoren auf Regeln bestehen, die die Distanz zwischen dem Fürsten und seinen Untertanen sicherstellen. Im Rahmen des Gesprächs wird dieses Spiel von Autorität, Distanz und Nähe zur Macht sorgsam aufgeführt, angeleitet von etablierten Normen. Wenn der Fürst diese Regeln bricht, um eine größere Nähe zu einer Person zu zeigen, dann ist dies jedoch normalerweise kein Bruch des Protokolls, sondern ein Zugeständnis, gedacht, einen Gast zu ehren oder ihn zu gewinnen. Tatsächlich scheint die schwächere Position weiblicher Herrscherinnen und die Tradition frauenfeindlicher Vorwürfe dazu geführt zu haben, besonders genaue Aufmerksamkeit auf ihr Benehmen und ihr öffentliches Auftreten zu legen. Im Falle Isabellas von Kastilien (1474–1504) könnte die Suche nach Legitimität – sowohl aufgrund ihrer Weiblichkeit wie ihres umstrittenen Herrschaftsanspruchs – dazu geführt haben, zusätzliche Aufmerksamkeit auf die Darstellung ihrer Macht zu richten, die auch einen Zuwachs an Hofzeremonien nach sich zogen. Die Darstellung von Hierarchien und Machtabhängigkeiten erforderte in ihrem Fall komplexere Rituale. Königin Maria von Kastilien (1416–1458) agierte, in Abwesenheit ihres Ehemannes Alfons V. in Neapel, häufig als Statthalterin ihres Mannes im Königreich Aragon. Als König Alfons und Juna von Navarra 1435 in Gefangenschaft gerieten, fielen Maria die Herrschaftsrechte zu. Sie war es, die die Corts (das Parlament) berief um das Lösegeld für Alfons aufzutreiben. Regelmäßig agierte sie zudem an des Königs statt in den alltäglichen Regierungsgeschäften. Eine Illustration in den Commentaria super Usaticis Barchinone, die die Übergabe des Buches durch den Autor Jaume Marquilles an die Räte Barcelonas darstellt, zeigt Maria als royale Figur an des Königs Statt. Majestätisch sitzt sie auf dem Thron, in ihrer Hand ein Schwert als eigentlich männlich konnotiertes Attribut von Herrschaft, dem Akt der Übergabe zugleich vorsitzend wie ihn bezeugend (Abb. 4). Die besondere Beobachtung, unter der der Fürst stand, verlangte nicht nur die Fähigkeit, die richtigen – und nur diese – Worte zu sprechen und ansonsten zu schweigen, sondern auch, seine innersten Gedanken zu verbergen. Wenn das Schweigen als das Refugium der Machtlosen charakterisiert werden kann, so ist es doch genauso wahr, dass das Schweigen als ein Akt der Selbst-Kontrolle gesehen werden muss, der 92

e. Zuhören, Sprechen, Schweigen

Abb. 4: María von Kastilien, Königin von Aragon (1416–1458) mit ihren Beratern, Miniatur aus Bernat Martorell: Commentaria super Usaticis Barchinone, 1448 (Barcelona, Arxiu Històric).

jene auszeichnet, die nicht nur das Sprechen gemeistert haben, sondern auch die Technik, jenes zu verbergen, das nicht gesagt werden darf. Die Unterdrückung jedes natürlichen Gefühls war Teil des idealen Fürstenbildes seit dem Mittelalter, mit Ausnahme der bewusst inszenierten ira regia. Seit dem 16. Jahrhundert wurde daher die Simulation weithin diskutiert und als notwendige Tugend des Herrschers verstanden, auch wenn ihr Gegenpart – die Dissmulation – in der Nachfolge von Machiavellis Principe (1532) einen zweifelhaften Ruf genoss. Die eigenen Emotionen zu verbergen war eine intrinsische Qualität der maiestas regia, die einen unbeweglichen Körper und einen kontrollierten Gesichtsausdruck erforderte, die es der Öffentlichkeit nicht erlaubten, die Geheimnisse des Regierens zu entdecken. Besonders zentral war diese Wahrung der secreta für die absolutistischen Höfe des 17. Jahrhunderts. Der Fürst solle, so schreibt Carl Melchior Grottnitz Mitte des 17. Jahrhunderts, sich „nicht allen Leuten gemein machen/ noch offt öffentlich/ sondern nur bey sonderbahren Gelegenheiten/ und mit einer recht Maiestätischen Gestalt erzeigen: Wann er voller ungewöhnlichen Frewden/ oder voller Trawrigkeit/ oder voller Zorn ist/ 93

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Abb. 5: Antoine Caron (Entwurf): Einer der Valois-Wandteppiche, der Caterina de’ Medici im Palais des Tuileries anlässlich einer polnischen Gesandtschaft zeigt (Paris 1573), hergestellt in den spanischen Niederlanden, spätes 16. Jahrhundert.

sich gantz und gar nicht weisen/ sondern die erste Regung lassen vorüber gehen/ und von seinen Leuten abgewandt sich inmittels in seinem Zimmer innenhalten.“15 Auch wenn die Tugenden des sparsamen Sprechens und des Verbergens der Gedanken und Emotionen vornehmlich männliche Ideale waren, so wurden sie doch auch bei weiblichen Herrscherinnen erwartet und geschätzt. Zahlreiche Autoren priesen etwa Isabella von Kastilien für das Verbergen ihrer Emotionen, insbesondere Schmerz, ihre Zurückhaltung in den Gesten und ihr bescheidenes Lachen. Fernández Oviedo schreibt: „Sie sprechen zu sehen war göttlich aufgrund des Wertes ihrer Worte und der Kunst, weder mehr noch weniger zu sagen denn das was der Sache 94

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angemessen war.“16 Das gleiche Verhalten konnte jedoch auch, im Sinne der dissimulatio, kritisiert werden, wie etwa beim Chronisten Palencia, der die Königin „magistra dissimulationum simulationumque“ schalt.17 Auch Caterina de’ Medici wurde für Qualitäten, die ihre Beherrschung des situativen Wechsels zwischen Sprechen und Schweigen signalisierten, zugleich gepriesen und kritisiert. Der venezianische Gesandte Giovanni Michiel schrieb, dass sie „den Titel und den Namen einer Regentin erwarb durch die Fähigkeit zu wissen, wie jeder zu behandeln war, besonders der Adel“.18 Als Beweis für ihren königgleichen Status zitiert er zudem ihr Privileg, als Letzte zu sprechen, nach den Ratschlägen des Rates. Entgegen dieser positiven Töne berichtete der Gesandte Giovanni Correro hingegen 1569 von ihrer Duplizität: „Die Hugenotten sagen, dass sie sie mit schönen Worten getäuscht habe und mit ihrer vorgetäuschten Freundlichkeit, während sie zugleich daran arbeitete, ihren Ruin zusammen mit dem König von Spanien zu besiegeln.“19 Einer der Valois-Wandteppiche zeigt Caterina anlässlich einer polnischen Gesandtschaft sorgfältig arrangiert im Zentrum des Hofes, in dem sie – schwarz gekleidet und sitzend – alle Blicke auf sich zieht (Abb. 5). Die Fürstenspiegelliteratur, Regierungsratgeber, politische Testamente, sowie Erziehungs- und Hofbücher versammeln eine Vielzahl von Hinweisen, wann und wie ein Fürst oder eine Fürstin zuzuhören, zu sprechen und zu schweigen haben. Je nach intellektueller Tradition steht dabei der Fürst in seinen Beziehungen zu den Untertanen, zum Hof oder zu bestimmten sozialen Gruppen im Fokus. Dabei ist diesen Texten weithin gemein, dass sie auf den physischen Körper der Fürstin oder des Fürsten zentrieren und zahlreiche Regeln und Ratschläge für das öffentliche Auftreten bereithalten. Zuzuhören und zu schweigen sind dabei durchweg höhere Tugenden als zu sprechen. Hierin, aber auch in konkreten Anweisungen, unterscheiden sich Fürstin und Fürst, Königin und König von anderen sozialen Gruppen des selben Zeitraumes. Der Grund hierfür ist wesentlich darin zu suchen, dass – wie der Beitrag verdeutlicht – der Körper des Herrschers niemals aus seinen herrschaftlichen Funktionen gelöst betrachtet wird. Zuzuhören beschreibt einen physischen Akt – gemeint ist jedoch immer die auf Gemeinwohl und Gerechtigkeit zielende Funktion monarchischer Herrschaft, aus der sie zugleich einen wesentlichen Teil ihrer Rechtfertigung bezieht. Ebenso sind das Sprechen und das Schweigen – vorderhin ebenfalls physische Akte – hoch symbolische und darum zugleich symbolisch regulierte Herrschaftspraktiken, die die monarchische Willensbekundung in den notwendigen Schleier der Autorität hüllen, der wenigstens bis zur Französischen Revolution niemals dauerhaft gelüftet wird.

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Auswahlbibliographie

Éric Bousmar/Hans Cools/Jonathan Dumont/Alain Marchandisse (Hg.): Le Corps du Prince (= Micrologus: Natura, Scienze e Società Medievali XXII), Florenz 2014. Liz Oakley-Brown/Louise J. Wilkinson (Hg.): The Rituals and Rhetoric of Queenship: Medieval to Early Modern, Dublin 2009. Stanis Perez: Le corps du roi: incarner l’Etat de Philippe Auguste à Louis-Philippe, Paris 2018. Laurent Smagghe: Les émotions du prince. Émotion et discours politique dans l’espace bourguignon, Paris 2012. Jon R. Snyder: Dissimulation and the culture of secrecy in early modern Europe, Berkeley (Calif.), London 2009. Elena Woodacre/Lucinda H. S. Dean/Chris Jones/Zita Eva Rohr/Russel E. Martin (Hg.): The Routledge History of Monarchy, Abingdon/New York 2019.

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Anmerkungen 1  Vgl. Erasmus von Rotterdam: Fürstenerziehung. Institutio Principis Christiani – Die Erziehung eines christlichen Fürsten, Einführung, Übersetzung und Bearbeitung von Anton J. Gail, Padernborn 1968, 99. 2  Vgl. Juan de Santa María: Tratado de republica y policia christiana: para reyes y principes, y para los que en el gouierno tienen sus vezes, Valencia 1619, 140: „Los Reyes del pueblo Hebreo se llamaron juezes, porque de ninguna cosa se preciauan, como de oyr, y juzgar, y en todas las naciones, ha sido este el principal oficio de los Reyes“. 3  Vgl. Oswald Artur Hecker (Hg.): Schriften Dr. Melchiors von Osse mit einem Lebensabriss und einem Anhange von Briefen und Akten, Leipzig/ Berlin 1922, 329. 4  Vgl. Erasmus von Rotterdam 1968 (wie Anm. 1), 93. 5  Alonso Ramírez de Villaescusa: Espejo de corregidores, 1493: „oyd pues reyes y entended y apprehended juezes de los fines de la tierra dad oydo y escuchad vosotros que teneis muchedunbres de pueblos“. Biblioteca Histórica „Marqués de Valdecilla“ de la Universidad Complutense de Madrid, MSS 154, 3r. 6  Beispielsweise in der inquisitio im städtischen Rat Sienas im Jahr 1405: „ad aures et notitiam super dicti domini locum tenentis auditu pervenit quod“. Vgl. Archivio di Stato di Siena. Podestà di Siena, 391. 7  Vgl. Hecker 1922 (wie Anm. 3), 330. 8  Antonio Pérez : Norte de Príncipes, virreyes, presidentes, consejeros, y governadores, y advertencias politicas sobre lo publico y particular de una monarquia importantisimas a los tales: fundadas en materia y razon de estado, y govierno, Madrid 1969, 42: „Y quiero advertir a V. E. que el Pueblo todo desea poderle ver cada dia, y darle sus quejas, y consolarse con saber que las ha oído, y que de dos cosas, que siempre desean los menores, ser oídos, y remediados, la primera les entretiene, y consuela, y hace que se espere con buen ánimo la segunda.“ 9 Antón de Montoro: Cancionero, Einführung und Bearbeitung von Marcella Ciceri und Julio Rodríguez Puértolas, Salamanca 1991, 110. 10  1 Korinther 14, 33–35. 11  Zitiert nach Hannes Ziegler: Fürstliche Beratung zwischen Abhängigkeit und Kontrolle. Lutherische Obrigkeitslehre und persönliches Regiment unter

Kurfürst August von Sachsen (1553–1586), in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 86 (2015), 1–28. 12  Alfonso X, Partida II , Título IV, ley 1: „E por ende todo ome, e mayormente el Rey se deue mucho guardar en su palabra: de manera, que sea catada, e pensada ante que la diga. Ca despues que sale de la boca non puede ome fazer, que non sea dicha.“ 13  Christine de Pizan: Le livre des faits et bonnes mœurs du roi Charles V le Sage, Einführung, Übersetzung, Chronologie und Index von Eric Hicks und Thérèse Moreau, Paris 1991, 240–241: „quelqu’un dit que c’était une belle qualité que de savoir bien parler. Certes, lui dit le roi, mais ce n’en est pas une moindre que de savoir se taire“. 14  Vgl. Erasmus von Rotterdam 1968 (wie Anm. 1), 201. 15  Vgl. Carl Melchior Grottnitz von Grodnow: Teutsch gekleideter Regiments-Rath, Stettin 1647, 442. 16  Vgl. Miguel Ángel Ladero Quesada : Isabel la Católica vista por sus contemporáneos, in: España medieval 29 (2006): 225–286, hier 238: „Verla hablar era cosa divina el valor de sus palabras e con tanto e tan alto peso e medida que ni dezía menos ni mas de lo que hacía al caso de los negocios y a la calidad de la materia de que trataba.“ 17  Ebd., 264. 18  Portraits of the queen mother: polemics, panegyrics, letters / Catherine de Médicis and others, übers. und hg. von Leah L. Chang and Katherine Kong, Toronto 2014, 114. Giovanni Michiel: Botschafter Venedigs in Frankreich, nach seiner Rückkehr im Jahr 1561: „She obtained […] the title and name of regent, thanks to the skill with which she knows how to treat everyone, and particularly the nobility, by whom she has always been loved and revered […]. As regent, she leads the government with full and absolute power, as if she were King. […] She is the last to give her opinion in the council, and then answers in accordance with the council’s decisions, or with her own“. 19  Ebd., 131: „The Hugenots say that she deceived them with her pretty words and with her feigned friendliness, while at the same time she conspired to bring about their ruin with the King of Spain.“ Giovanni Correro, Botschafter am französischen Hof im Jahr 1569.

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Ulrich Pfisterer

f. Lieben

Alexander der Große beauftragte Apelles, seine Geliebte Campaspe nackt zu malen. Dabei verliebte sich der Künstler selbst in das Modell. Als der Herrscher dies bemerkte, überließ er ihm großzügig die Frau und erfreute sich stattdessen am Gemälde. Die Episode, wie sie unter anderem Plinius (Nat. 35, 85–87) überliefert, wurde offenbar erstmals um 1541/44 vom italienischen Maler Francesco Primaticcio für den französischen König Franz I. dargestellt (Abb. 1).1 Primaticcio visualisierte die Liebes-Rochade dadurch, dass sich Campaspe aus der Umarmung Alexanders wegdreht und ein Amor im Bett hinter dem Paar eingeschlafen ist, wogegen sich ein zweiter, aktiver Liebesgott an das Gewand des Malers vor der Leinwand klammert. Nun hatte zwar das Leben des Makedonen bereits in Antike und Mittelalter – und nicht nur in Europa, sondern etwa auch in Persien – als (ambivalentes) Exemplum für die Mächtigen gedient.2 Aber erst mit dem 16. Jahrhundert scheint das Liebesleben Alexanders ‚bildwürdig‘ und sogar zu einem positiven Rollenmodell der Herrschenden zu werden: Franz I. inszenierte sich mit einer Bildserie zu den erotischen Beziehungen des antiken Königs als eine Art neuer Alexander – und zwar in den repräsentativen Gemächern seiner Mätresse, der Duchesse d’Étampes, im Schloss von Fontainebleau.3 Dort war freilich nicht nur die Apelles-Campaspe-Szene zu sehen, sondern etwa auch die offizielle Hochzeit Alexanders mit der Prinzessin Roxane oder der Besuch der Amazonen-Königin Thalestris, die mit ihm ‚nur‘ und gezielt ein Kind zeugen wollte. Mit dem vermeintlichen Musterbeispiel einer auf männliche Vorbildfunktion und Fantasien zugeschnittenen Episode von Alexander, Apelles und Campaspe ließen sich aber auch andere Botschaften kodieren: In London etwa wurde von John Lyly „a most exellent comedy of Alexander, Campaspe and Diogenes“ für und vor Königin Elisabeth zur Aufführung gebracht und 1584 gedruckt.4 Das (von Kindern gespielte) Theaterstück zielte dabei auf die Selbstbeherrschung Alexanders über alle Leidenschaften ab – im Unterscheid zu seinem Hofmaler. An mehreren Stellen verdeutlicht es zudem, wo selbst ein Herrscher Dinge nicht erzwingen kann und sich besser fügt. Möglicherweise ließen sich solche Überlegungen einer „Virgin Queen“, die trotz ihres ‚falschen‘ Geschlechts an die Macht gekommen war, und ihrem Hof 98

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Abb. 1: Meister IQV: Kupferstich nach Francesco Primaticcio: Alexander, Apelles und Campaspe, um 1545 (New York, Metropolitan Museum of Art).

effizienter durch die doppelte Distanzierung vermittels Antike und männlichem Protagonisten präsentieren? Wenn dann der Große Kurfürst die Decke der Galerie zu seinem Appartement im Berliner Stadtschloss um 1680/88 mit zwei Szenen – der Alexander-Apelles-Cam­ paspe-Episode und dem Raub des Ganymed – ausmalen ließ, dann scheint dies offenbar in der Vorstellung geschehen, dass die Betrachtenden vom erotischen Gehalt beider Erzählungen weitestgehend absehen und diese vor allem als Sinnbilder für die Förderung der Künste und den tugendhaften Genuss verstehen können.5 Indem die Campaspe-Szene jedenfalls explizit das Ins-Bild-Setzen der Liebesaktivitäten der Herrschenden und zudem verschiedene Ausformungen von Liebe – außer­eheliches Verhältnis, ästhetische Begeisterung für ein Gemälde, (sublimierende) Selbstbeherrschung – thematisiert, steht sie emblematisch auch für die Herausforderungen dieses Beitrags: Gefragt wird, warum und welche (politischen) Botschaften durch Darstellungen von ganz unterschiedlichen Liebesaktivitäten der Herrschenden vermittelt werden sollten und was dies über Vorstellungen und Annahmen zu 99

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Abb. 2: Oberrheinischer Maler: Kraft I. von Toggenburg, in: Codex Manesse, fol. 22v, um 1300/40 (Heidelberg, Universitätsbibliothek).

Herrschaft, Gesellschaft, Gender und Körper besagt. Es liegt nahe, dass gerade im Hinblick auf das Lieben die für alle Bereiche der Macht geltenden Diskrepanzen zwischen den Realitäten des Lebens, den höfisch-zeremoniellen Inszenierungen bzw. Praktiken und den auf Dauer gestellten Visualisierungsformen  – zugespitzt: zwischen body natural, body politic und Körperbildern – besonders groß waren.6 Als zusätzliche Herausforderung erweist sich dabei die große semantische Spannweite, Pluralität und zugleich ‚Unschärfe‘ des Liebes-Begriffs in Mittelalter und Früher Neuzeit: Reicht dieser doch von christlicher Gottes- und Nächstenliebe über Freundschaft und das ideale Begehren von Personen und Dingen bis hin zu Ehe und allen Bereichen der Sexualität.7 Diese Konstellation potenziert sich noch mit der Renaissance, da insbesondere seit den Schriften Marsilio Ficinos „die Diskurse, die die Liebe als göttliches, körperliches, magisches oder medizinisches Phänomen betrachten“, enggeführt werden. „Diese Verkreuzung bleibt nicht ohne Auswirkung auf 100

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den Inhalt: Sinnliche und spirituelle Liebe rücken [noch] näher zusammen.“8 In jedem Fall stellte das ‚In-Liebe-Sein‘ für den aristokratischen und dann auch den Mann mit gesellschaftlichen Ambitionen einen zentralen ethischen Wert dar, motivierte ihn zu herausragenden Taten insgesamt und wurde von ihm bis zu einem gewissen Alter quasi regelhaft erwartet. In der Manessischen Liederhandschrift, entstanden zwischen ca. 1300 und 1340, die ihre Autoren nach sozialer Stellung beginnend mit Kaiser Heinrich VI . anordnet, sind ab dem Grafen-Rang – mit Kraft I. von Toggenburg und Konrad von Kirchberg – eindeutig Szenen liebender Verehrung einer Frau dargestellt (Abb. 2).9 Die um 1437 von Elisabeth von Nassau-Saarbrücken verfasste deutsche Übersetzung Hug Schapler der sagenhaften Geschichte des Gründers der kapetingischen Königsdynastie, Hugo Capet, aus den Chansons de gestes fasst den Zusammenhang von Minne und Aventiure – also den beiden entscheidenden Beschäftigungen des adeligen Mannes dieser Zeit – so zusammen: So komet ouch aile ere von liebeschafft / Dann der da bulschafft treyt / Der vnder stet bywlen gar künliche sachen / Die er sust nit gedencken dorfte / zwunge yne nit grosse liebde dar zu her vmb mag ich wol mit recht sprechen wer da lydig ist vnd ulschafft dreyt ist nit wonder / obe yme glucke vnd ere dauon entsteet.10 Gleich mehrere Diskurs-Kontexte mit einer Vielzahl von Texten und Bildern beschrieben und normierten so den Verhaltens- und Gefühlsmodus des Liebens. Ausgangspunkt aller dieser Liebestheorien und -vorstellungen war die Überzeugung, Amor entstehe durch den (An-)Blick und führe dazu, dass man sich im Herzen ein Abbild der geliebten Person tief einpräge und quasi ‚einzeichne‘.11 Die Legende von Apelles, der qua Profession nicht nur besonders geschulter Beobachter, sondern eben auch herausragender Maler war, lässt sich daher auch als exemplarischer Nachvollzug der Stufen des Sich-Verliebens vom ersten Sehen über das Sich-Einprägen und Festhalten im Bild bis hin zur körperlichen (den Tastsinn betreffenden) Erfüllung des Verlangens verstehen. Die Fiktion vom Sich-Verlieben auf den ersten Blick – und zwar insbesondere beim Blick auf ein Porträt des anderen – scheint dabei auch als geeignet angesehen worden zu sein, um die in aller Regel arrangierten Vernunft-Ehen der Herrschenden als ideale Liebesverhältnisse zu verklären. Denn sieht man einmal vom Zeremoniell der Hochzeitsnacht ab (s. u.), lassen sich im öffentlichen Nebeneinander des Herrscherpaares kaum Hinweise auf das Sich-Lieben finden. Bildnisse von Paaren, auf denen das Überreichen eines Ringes oder anderer Geschenke dargestellt wird bzw. auf denen sich beide die Hände halten, finden sich zwar ab dem späteren 15. Jahrhundert – vor allem jedoch in bürgerlichem Kontext. Für Herrscher dagegen stellt das Alabasterrelief des Jean Mone, das den jungen Karl V. in Umarmung mit Isabella von Portugal zeigt, die ihm ihr brennendes Herz offeriert, eine absolute Ausnahme 101

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Abb. 3: Jean Mone: Karl V. und Isabella von Portugal im Jahr ihrer Vermählung, 1526 (oder wenig später) (Belgien, Kasteel van Gaasbek).

dar (Abb. 3).12 Dass jedoch die ‚Liebe auf den ersten Blick‘, die Inszenierung der ersten Begegnung, für Potentaten als taugliches Bildmotiv erschien, belegt etwa Rubens’ Gemälde-Zyklus zum Leben der Maria de’ Medici von 1621–1625. Die fünfte Szene der insgesamt 24 Gemälde zeigt Heinrich IV . instantan hingerissen vom Porträt seiner zukünftigen Gattin (Abb. 4).13 Die vermutlich bekannteste Version dieser Idee sollte dann 1791 Mozart in seiner Oper Zauberflöte mit der Arie des jungen Prinzen Tamino realisieren: „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“. Dass der Moment der Eheschließung dagegen als ein Akt der religiösen und juristischen Verbindung, kaum aber als Ausdruck der Besiegelung von Liebe verstanden wurde, zeigt die Möglichkeit der Stellvertreter-Hochzeit, wie sie wiederum Rubens in seinem Zyklus der Maria de’ Medici darstellte. Insbesondere für die Herrscherin eröffnete das Porträt des Gatten noch weitere Möglichkeiten, ihre andauernde, tugendhafte Liebe zu demonstrieren: Ein antikes Modell dafür lieferte Laodameia, deren Gatte Protesilaos als erster im Kampf um Troia fiel, die sich daraufhin ein Abbild des geliebten Mannes schuf und von Ovid in 102

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Abb. 4: Peter Paul Rubens: Heinrich IV. empfängt das Porträt der Maria de’ Medici, 1621–1624, Öl auf Leinwand (Paris, Museé du Louvre).

seinen Heroides verewigt wurde.14 Die Idee wird spätestens um 1500 in Darstellungen wieder aufgegriffen. Auf einem um 1674/75 von einem unbekannten französischen Maler gefertigten Bildnis der Familie des Johann III . Sobieski ist dann der gerade zum polnischen König gewählte Potentat im Hintergrund nur als Büste aufgerufen, war er zu dem Zeitpunkt doch auf den Kriegsschauplätzen des polnisch-osmanischen Krieges (Abb. 5). Seine Frau dagegen, Maria Kazimiera, eine französische Adlige, mit schlafendem Baby im Arm, entblößter Brust und begleitet von vier weiteren Kindern, die mit einem zahmen Löwen spielen, erscheint als eine Art Caritas, die ihr Dasein in vorbildlicher Liebe für den abwesenden Gatten und die Kinderschar verbringt. Für Formen mütterlicher Liebe der Herrscherinnen, die sich in unterschiedlicher Weise mit der Idee verbinden, die Nachkommenschaft gesichert und damit die eigene wichtigste Aufgabe erfüllt zu haben, finden sich zahlreiche Bildbeispiele in der Frühen Neuzeit.15 Wenn jedenfalls Niklas Luhmann 1982 postulierte, „Liebe als Passion“ würde erst mit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu einer Art Epochensignatur, dann wird 103

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Abb. 5. Französischer Maler: Die Familie von Johann III. Sobieski, um 1674/75, Öl auf Leinwand (München, Staatsgemäldesammlungen).

dies weder der Zeit nach 1650 noch den vorausgehenden komplexen, pluralen LiebesVorstellungen der Frühen Neuzeit wirklich gerecht.16

Symbolische Liebe Dass die Herrschaft von Franz I. unter dem Zeichen der Liebe stand, war weithin bekannt und schon vor Primaticcio durch Rosso Fiorentino mit einem Bild beschworen worden. Der Florentiner Maler empfahl sich 1530 von Venedig aus beim König mit einer elaboriert-erotischen Zeichnung, die darstellt, wie ein jugendlicher Mars vom Liebesgott und einer Schar Amoretten seiner Rüstung und Waffen entledigt wird, um zur nackten Venus auf das Lager steigen zu können (Abb. 6).17 Die Szene ließ sich so verstehen, dass die Macht der Liebe selbst den Kriegsgott bändigt und allen Konflikt beendet. In den damit anbrechenden Zeiten des Friedens – wie sie angeblich unter Franz I. herrschten, auch wenn wohl keine unmittelbare Identifizierung 104

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Abb. 6: Rosso Fiorentino: Venus und Mars, Kreide mit Weißhöhungen, 1530 (Paris, Louvre).

des Königs mit Mars beabsichtigt war – florieren Wissenschaft und Künste, weshalb eben auch Rosso auf Aufträge hoffen durfte. Die Liebe besiegt alles – „omnia vincit amor“ (Vergil, Ecl. 10.69). Bei Dante regiert die Liebe dann gleich den gesamten Kosmos (Par. 33, v. 145). Unter diesem Deckmantel der ‚Macht der Liebe‘ verhandelte etwa die Liebesdichtung spätestens seit dem 12. Jahrhundert auch Herrschafts- und Gesellschaftsstrukturen. Die Werteund Handlungssysteme von „Lehnswesen und Liebe“ wurden in Beziehung gesetzt.18 Nachdem Petrarca in seinen (dann auch vielfach in Bildform umgesetzen) Triumphi – christlicher Moral verpflichtet – der irdischen Liebe noch fünf andere, mächtigere Qualitäten übergeordnet hatte, wird der Triumph Amors 1444 beim Markgrafen von Ferrara, Leonello d’Este, prominentes Bildthema eines fürstlichen self-fashioning. Der junge Potentat ließ sich von dem norditalienischen Maler Pisanello mindestens sechs Medaillen – das neueste Bildmedium der Zeit – entwerfen (Abb. 7). Von diesen bezieht sich eine auf die Hochzeit mit Maria von Aragon, der illegitimen Tochter des Königs von Neapel. Bei diesem Stück wird das Porträt des Markgrafen auf der anderen 105

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Abb. 7: Pisanello: Medaille auf Leonello d’Este, um 1444 (New York, Metro­politan Museum of Art).

Seite durch einen Löwen ergänzt, dem Amor das Singen beibringt.19 Selbst der wilde König der Tiere – dessen Namen Leonello trägt – wird durch die Macht der Liebe gezähmt und kultiviert. Botticellis um 1482/83 entstandenes Gemälde, das vermutlich Pallas zeigt, die einen Kentauren bändigt, vermittelt eine ähnliche Botschaft von der disziplinierend-kultivierenden Macht der Frau über die wilden Passionen des Mannes. Möglicherweise war die Tafel – wie auch Botticellis Primavera – im Zusammenhang der Hochzeit von Pierfrancesco de’ Medici mit Semiramide Appiano, der Tochter des Stadtherrn von Piombino, in Auftrag gegeben worden. Die Medici-Impresen auf dem Gewand der Frau signalisieren jedenfalls, dass auch in diesem Bild das Liebes-Verhältnis als machtpolitische Aussage zu verstehen war. Zeitlich zwischen diesen beiden Werken findet sich eine andere allegorisch-personifizierende Bilderzählung des Liebestriumphs im Buch vom liebentbrannten Herzen (Le Livre du cœur d’amour épris, um 1457/60) des – einmal mehr politisch wenig erfolgreichen – Königs René I. von Anjou: Amor entnimmt dem schlafenden König das Herz und übergibt es dem Knappen „Brennendes Verlangen“ (Désir ardent).20 Die im Buch entwickelte Traumvision des Königs handelt dann davon, wie er dieses Herz wiedergewinnt. Entworfen werden Wunschbilder eines ideal-höfischen Ritters, dessen Liebe in letzter Konsequenz auch die Genealogie des eigenen Hauses sichert. Im Vergleich zu diesem Idealentwurf erscheint das neue Bild-Vokabular gewaltsamer sexueller Unterwerfung, wie es in den Jahren um 1500 entsteht (s. u.), noch drastischer. 106

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In Andrea Alciatis 1531 erstmals gedruckter, bis ins 18. Jahrhundert unendlich erfolgreicher Sammlung der Emblemata wird dann jedenfalls die Liebe in Text und Bild-Element als „sterckest Bandt“ (potentissimum affectus) präsentiert. Der Holzschnitt zeigt, was etwa bereits in der Anthologia Graeca (9, 221) als Bild auf einer antiken Gemme beschrieben ist: Amor gelingt es mit seiner Macht, einen von Löwen gezogenen Wagen scheinbar spielend zu lenken. Alciatis Emblem ist nicht explizit auf Herrschaft bezogen. Aber anders als etwa in Ovids Amores (1, 1, 26), wo ein die „leere Brust“ jedes einzelnen regierender Amor beschworen wird, boten sich bei Alciati die Löwen als herrscherliches Sinnbild an. Im 17. und 18. Jahrhundert findet Amor auf dem Löwenwagen daher mehrfach in der politischen Ikonographie Verwendung.21 Auch hier zeigt sich im Übrigen semantische Variabilität: Das Dominieren eines von Raubtieren gezogenen Wagens ließ sich auch auf andere Bereiche – etwa die Stärke des Glaubens oder die Kunst, die die Natur beherrscht – übertragen. Vor diesem weithin etablierten Horizont erscheinen die Ausnahmen und Extreme umso bedeutsamer: So marschierte der als ‚liebessüchtig‘ berüchtigte Herzog Vincenzo Gonzaga von Mantua 1608 zur Hochzeit seines Sohnes nicht als Beherrscher, sondern als Liebes-Sklave neben dem Triumphwagen Amors einher. Hier sollte nicht die kultivierend-disziplinierende Macht der Liebe aufgerufen werden, sondern der Herzog bekannte sich öffentlich dazu, der Liebeslust verfallen zu sein. Dies war er im Übrigen so sehr, dass er – als er mit 46 Jahren das Gefühl hatte, seine Potenz würde nachlassen – nicht auf das reiche Sortiment europäischer Aphrodisiaka zurückgriff, sondern eigens einen Apotheker nach Südamerika schickte, um ein dortiges Wundermittel zu besorgen.22 Elizabeth I. entzog sich dagegen als ‚ewige Jungfrau‘ der männlichen Liebes- und Dominanz-Logik, evozierte Parallelen zur Jungfrau Maria im Himmel oder inszenierte sich als mit England verheiratet und sicherte u. a. dadurch ihre Macht.23 Die bislang beschriebenen Darstellungen, die die Macht der Liebe, ihre pazifikatorische und kultivierende Wirkung feiern, funktionieren vor allem symbolisch-allegorisch. Sie stellen den Herrscherkörper nicht in unmittelbar aus der Lebenswirklichkeit bekannten Liebes-Handlungen dar. Gerade die Liebe der Herrschenden zu den Künsten, die sie fördern, sammeln und bewundern, eröffnet aber auch vielfältige Bezüge zu sinnlichen Liebesformen. Wenn etwa 1543 Franz I. mit der Duchesse d’Éstampes im Arm die Werkstatt des Benvenuto Cellini im Schloss von Fontainebleau besucht, um sich die Bronzeabgüsse antiker Skulpturen und insbesondere eine Venusstatue anzusehen, dann führt dies in Reinform die doppelte Wirkung des Liebens vor. Die erotische Attraktivität der Kunstwerke signalisiert und erneuert quasi die friedensstiftende Macht der Liebe über den Herrscher, wie sie sich (auch) in der Mätresse manifestiert.24 Auch diplomatisch ließ sich dies ausnutzen: Der Mark107

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graf von Mantua sandte 1518 ein lebensgroßes weibliches Aktbild von Lorenzo Costa an den französischen König mit dem Hinweis, dessen Kennerschaft bei schönen Frauen und schöner Kunst sei gleichermaßen bekannt.25 Vor diesem Hintergrund lassen sich auch die in ganz Europa seit dem 16. Jahrhundert bei den Herrschenden weit verbreiteten Erotica-Sammlungen besser verstehen. Wenn etwa in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine Fassung von Tizians sogenannter Venus mit Musiker in allen bedeutenden europäischen Sammlungen von Venedig über Madrid bis Prag hing, und wenn zudem überliefert ist, dass die Sammler sehr darauf bedacht waren, möglichst das erotisch aufregendste Gemälde zu besitzen, dann geht es dabei nicht nur um eine Modeerscheinung und um Konkurrenz unter Männern.26 Die Beschäftigung mit Erotica erscheint gerade für Herrscher gerechtfertigt und demonstriert, wie hier das Reich der Venus dafür sorgt, dass Mars sein Kriegshandwerk ruhen lässt. Im Fall von Franz I. wird dabei die Diskrepanz von Panegyrik und tieferliegenden Gründen wieder besonders offensichtlich: Die vielgerühmte Blüte der Künste unter seiner Herrschaft, die Ausstattung seiner Schlösser und seine reiche (Erotica-)Sammlung erscheinen im Rückblick als Ausweichmanöver und Kompensationsversuche für die militärische Niederlage gegen die Truppen Karls V. in der Schlacht von Pavia 1525, die zum Verlust der italienischen Eroberungen führte. Die Idee vom sexuell dominierenden, fordernden König des Kampfes, die das nächste Kapitel untersucht, war aufgegeben und verlagert worden hin zum liebenden Friedens-Herrscher, der sich um die Damen am Hof und um die Künste kümmerte.

Sinnliche Liebe Die Liebesaktivitäten Franz I. und seine neuartige Stilisierung zu einem Liebes-König wurden keineswegs von allen Zeitgenossen positiv wahrgenommen. Nachdem schon Aeneas als exemplarischer Held und Herrscher sein Liebesverlangen hatte beherrschen müssen, und die antiken Kaiserbiographen eines Augustus, Tiberius, Nero oder Hadrian deren sexuelle Ausschweifungen kritisiert hatten, verwies etwa François de Belleforest für Franz I. entschuldigend auf das Menschliche von dessen Tun: Ist es wahr, dass nichts bekannt ist, was an diesem großen König nicht außergewöhnlich, herausragend und heroisch gewesen wäre – wenn die Liebe zu den Frauen nicht das Strahlen und den Glanz der Tugenden gemindert hätte […]? Auch die Vollkommensten sind nicht ohne Fehler. Und der Herrscher, der nicht den Lüsten zuneigt, ist dafür häufig grausam.27 Die Ausnahmestellung des Herrschers – das scheint Belleforest zu suggerieren – manifestierte sich in Grenzüberschreitungen, die alle sonst gültigen Tugend- und 108

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Abb. 8: Giulio Romano: Jupiter, Olympias und Philip II., um 1530, Fresko (Mantua, Palazzo del Tè).

Verhaltensnormen übersteigen: sei es durch Gewalt und Grausamkeit, sei es in ungehemmtem amourösem Agieren. Mythologisches Modell sind vor allem die Liebschaften des Göttervaters Jupiter. Insbesondere Markgraf Federigo Gonzaga von Mantua gefiel diese Idee. Er beauftragte bei Correggio um 1532/33 vier Gemälde mit Liebschaften des Jupiter.28 Unklar ist, ob diese zunächst für einen seiner Paläste oder von Anfang an als Geschenk für Kaiser Karl V. vorgesehen waren. In der Sala di Psiche des Palazzo del Tè hatte Federigo wenig zuvor schon eine Szene freskieren lassen, die Jupiter in allen Details beim Liebesakt mit Olympias zeigt, während der eifersüchtig durch die Tür spähende Ehemann, König Philipp von Makedonien, vom Blitzstrahl des Göttervaters geblendet wird (Abb. 8). Aus dieser (illegitimen) Verbindung soll angeblich Alexander der Große entsprossen sein.29 Jupiter suchte sich seine Sexualpartner_innen nicht nur ohne jede Rücksicht auf Tugendvorstellungen, Vorschriften oder deren soziale Stellung aus. Die schiere Zahl der Liebschaften demonstriert Jupiters unerschöpfliche Potenz. Sexuelle Stärke und 109

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politische Macht ließen sich in Beziehung setzen und durch die Darstellung eines nackt-erotisierten Idealkörpers (teils unter Betonung des Geschlechts des Herrschers) zum Ausdruck bringen: Bronzinos Bildnis des Admirals Andrea Doria als Neptun mit halb entblößter Scham visualisiert diese Vorstellung besonders demonstrativ. Dagegen wurden diese Vorstellungen um 1600 bzw. um 1700 für die promisken ‚Liebeshelden‘ Henrich IV . von Frankreich und August den Starken von Sachsen primär durch Texte befeuert.30 Jedenfalls verfolgte der Göttervater Jupiter mit seinen Liebschaften eine Handlungs-Alternative zu seinem eigenen Sohn Herkules, der als Tugendheld am Scheideweg die Keuschheit wählte. Und wenn Herkules sich doch der Liebe hingab wie mit Omphale, dann diente dies der Frühen Neuzeit zumeist als negatives Exemplum für die den Mann entwürdigende Macht der Frauen.31 Als karikierter Potenz-Protz, der in einer Nacht die 50 Töchter des Königs Thespios befriedigt, sollte Herkules erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Erscheinung treten.32 Tatsächlich eine visuelle Dokumentation seiner zahlreichen Liebschaften hatte dagegen bereits der Vor-Vorgänger von Franz I. angelegt: Als Karl VIII . nach der Schlacht bei Fornovo 1495 aus Norditalien fliehen musste, fanden die Soldaten der Heiligen Liga in seinem zurückgelassenen Zelt unter anderem ein Buch mit Bildnissen von Frauen vor. Zumindest die italienischen Chronisten deuteten diese als die ‚sexuellen Erfolge‘ (oder Vergewaltigungen) des Herrschers während des Feldzuges (eine Quelle spricht explizit von nach dem Leben gezeichneten Aktbildnissen). 33 Möglicherweise wollte der als kleinwüchsig und schwächlich charakterisierte König so seine Manneskraft unter Beweis stellen – das Bildnis des neu geborenen Thronfolgers führte er ebenfalls mit sich. Auf jeden Fall sollten sexuelle und militärische Eroberungen parallel gesetzt werden: Die Eroberung eines Territoriums – repräsentiert durch eine weibliche Orts- oder Landespersonifikation – ließ sich in dieser Vorstellung entsprechend an der sexuellen Unterwerfung von Frauen ablesen. 34 Umgekehrt dedizierte ein ansonsten unbekannter Maler Giovanni Ambrogio Noceto um 1518 Franz I. eine kostbare Handschrift, in der die schönsten Frauen der eroberten Stadt Mailand als Tugendpersonifikationen abgebildet sind. Anstelle der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die Frauen wurden dem Eroberer so Substitute in Bildform überreicht, wobei deren Etikettierung als Tugenden ihn wohl zugleich an seine eigene Virtus erinnern sollte. Appelliert wurde an das nostalgische ritterlich-höfische Ideal eines männlichen Liebes-Ethos, das sich beherrscht und als Diener der Geliebten versteht. Um 1600 wird Pierre de Brantôme berichten, schon Herzog Ludwig von Orléans habe um 1400 eine Schönheitsgalerie seiner sexuellen Eroberungen in einem Kabinett präsentiert – mit aller Wahrscheinlichkeit trifft das so früh nicht zu, könnte aber doch eine bis ins 15. Jahrhundert zurückreichende Tradition andeuten.35 Dagegen bleiben die auf „1500“ datierten Reliefs und Wandmalereien der Loggia des 110

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Abb. 9: Jörg Kölderer oder Meister FS (?): Liebes-Dialoge mit Narren, 1500 (Innsbruck, Goldenes Dachl).

Goldenen Dachl in Innsbruck, die Maximilian I.  – ansonsten Inbegriff ritterlichen, höfischen und korrekt liebenden Verhaltens – mehr oder weniger eindeutig als sehnsüchtigen Liebhaber, wenn nicht als eine Art Liebesnarren im amourösen Dialog zeigen, ein absoluter Einzelfall (Abb. 9).36 Ganz anders lautet dagegen Niccolò Macchiavellis in etwa zeitgleicher Rat im Principe (1513): Wenn dort empfohlen wird, dass der Fürst seine Fortuna an den Haaren packen, niederzwingen und sich gefügig machen müsse, dann deutet diese machtpolitische Überlegung auch eine Verschiebung im Umgang mit Frauen auf anderen Ebenen an. Zu überlegen wäre, ob die in der Folge gefertigten Monumente und Bilder, die Szenen eines Frauenraubs in politischen Kontexten zeigen, nicht als Konsequenz dieser neuen Vorstellung von der sich durch den Erfolg selbstrechtfertigenden Herrschermacht zu verstehen sind: etwa der sogenannte Raub der Sabinerin von Giambologna an der Piazza della Signoria von Florenz oder aber Rubens Gemälde des Raubes der beiden Töchter des Leukippos durch die Dioskuren.37 Deutlich wird am Beispiel von Franz I. zudem, dass der visuelle InszenierungsHorizont als ‚Liebes-König‘ seinerseits zu Reaktionen und Neuerfindungen einlud. Nach der verheerenden Niederlage des französischen Königs bei Pavia 1525 wurde seine sexualisierte Eroberungs-Metaphorik gegen ihn selbst gerichtet. Ein Majolika111

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Teller kann nun darstellen, wie er vor dem heranreitenden Kaiser vom Pferd gestürzt am Boden liegt (die Beschriftung der Rückseite macht die Identifizierung der Szene eindeutig).38 Die ungewöhnlich verdrehte Haltung von Franz I. ist dabei offensichtlich aus einem Stich der Skandalserie I Modi des Marcantonio Raimondi übernommen, der die Stellung einer Frau vor ihrem Liebhaber zeigt. Der ehemalige potente Eroberer wird in die vermeintlich passive Frauenrolle versetzt und in der Niederlage auch sexuell ‚erniedrigt‘. Dass eine solche aggressiv-sexualisierte Botschaft von den Zeitgenossen verstanden wurde, belegen die zahlreichen, wenig späteren Majoliken mit allegorischen Darstellungen auf den Sacco di Roma. Denn auch hier wird vor allem mit Hilfe von Verführung, Obszönität und sexueller Gewalt Parteinahme und ethische Position markiert. Als öffentlicher Ausweis dieser potent-transgressiven Liebe und Sexualität der Mächtigen, die sich jenseits von Ehe und legitimen Kindern abspielte, dienten zunehmend ihre Bastarde, dann auch ihre Mätressen. Zu betonen ist nochmals, dass es hier vor allem um deren bildliche Inszenierung geht, nicht um die ‚historische Wirklichkeit‘. Denn die Mächtigen dürften immer schon hetero- und homoerotische Affären und außereheliche Beziehungen gehabt haben, aus denen auch Kinder hervorgingen. Wobei diese unehelichen, teils nachträglich legitimierten Kinder eine wichtige macht- und familienpolitische Rolle spielen konnten. So soll es etwa dem bereits genannten Hugo Capet laut den Grandes Chroniques insbesondere durch seine in zahllosen Liebschaften gezeugten Kinder gelungen sein, die Königsmacht in Frankreich zu erlangen und zu sichern.39 Für die Frühe Neuzeit wäre etwa – und das kann hier nur in knappsten Stichworten angedeutet werden – darauf zu verweisen, dass Bastarde im Laufe des 15. Jahrhunderts eine noch bedeutsamere Stellung gewannen.40 Die (offizielle) Geliebte des Königs konnte bereits im 16. Jahrhundert eine feste Rolle im Hofzeremoniell übernehmen, wie mehrere Festeinzüge demonstrieren, an denen die Mätresse neben der Gattin teilnahm.41 Um 1600 kursierte gar ein angebliches Bonmot von Franz I. , alle Männer am französischen Hof ohne Geliebte seien Idioten.42 Mit dem voll entwickelten Absolutismus des späteren 17. Jahrhunderts bekleidete die maitresse en titre des Königs dann mit die wichtigste Günstlingsposition. Nicht zu vergessen ist, dass die Herrschenden selbst teils illegitimer Abkunft waren, wie zahlreiche Fürsten Norditaliens oder Königin Elisabeth I. Letztlich ließen sich auch Praktiken wie die frühneuzeitliche Kavaliersreise oder Grand Tour des europäischen Adels als sexuelle ‚Bildungsreise‘ verstehen und als Möglichkeit, die jugendlichen Triebe fern der Heimat ‚auszutoben‘.43 Hier zu fragen ist vielmehr, ob und wie Bastarde, Geliebte und Mätressen als Ausweis der potent-transgressiven Liebe und Sexualität der Mächtigen visualisiert wurden. Dabei ergibt sich ein einseitiger Befund. Zwar existieren teils anspruchsvolle 112

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Porträts von Bastarden. In die offizielle (patrilineare) Genealogie eines Geschlechts aufnehmen ließen sich diese aber schlecht. Ansonsten bietet sich das Thema kaum für Darstellungen an. Dagegen sollten die Mätressen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts nicht nur vielfach porträtiert werden. Für die Mätressen wurden richtiggehende architektonische und landschaftliche ‚Handlungsräume der Liebe‘ geschaffen. Ein besonders frühes, vor Dezember 1535 entstandenes Beispiel bietet Pontormos Bildnis des Herzogs Alessandro de’ Medici, der das Bildnis einer Frau im Profil zeichnet. Dabei mag es sich um Taddea Malaspini handeln. Möglicherweise war aber für den unbeliebten Medici-Stadtherren wichtiger, sich durch die Rolle des Liebenden als höfischer Herrscher zu empfehlen.44 Ausführlich untersucht ist, wie dann die Bildnisse etwa der Madame de Pompadour, der Mätresse Ludwigs XV ., verführerische Schönheit und Keuschheit, Lebensklugheit, die femme savante und Schutzherrin der Künste gleichermaßen inszenierten.45 Wenig später entstanden schließlich Bildnisse, die offensiv mit dem Transgressiven dieser Stellung spielten: So waren im Salon von 1769 erstmals zwei Bildnisse der Nachfolgerin von Madame de Pompadour, der Madame Du Barry, zu sehen. Das eine zeigte sie als Flora, das andere travestiert in Männerkleidung. Diese doppelte Erscheinung der Du Barry – zumindest lautete so eine Reihe von SalonKritiken – würde beide Geschlechter in ihren Bann schlagen bzw. dafür sorgen, dass sich die männlichen Betrachter in ihrer Fantasie gerne einmal als Mann, einmal als Frau der Lust hingeben würden.46 Vor allem aber wurden für die Mätressen bzw. für Treffen mit ihnen eigens Lustgebäude und -anlagen errichtet: Mit dem im 17. Jahrhundert voll entwickelten Bautypus der maison de plaisance und davon abgeleitet im 18. Jahrhundert mit der petite maison als amourös-libertinem Rückzugsort – umgeben von mehr oder weniger ausgedehnten Parkanlagen – entstanden ‚Topographien der Liebe‘. Diese ließen sich – wie es in den Bildern von Fêtes Galantes geschah – als Orte der Galanterie und Liebe, des Rückzugs, des ländlichen und damit vermeintlich weniger normierten, ‚natürlicheren‘ Lebens, der Fantasie und teils Nostalgie wahrnehmen. Sie konnten aber genauso gut als Kulisse für Libertinage und Ausschweifung dienen, wie es Theatertücke und erotisch-pornographische Romane mit ihren Illustrationen vorführten.47 So zahlreiche Darstellungen es dazu aber auch gibt – von Watteau und Fragonard bis zu Illustrationen der zeitgenössischen ‚Ein-Hand-Literatur‘ –, dargestellt sind in solchen Liebeshandlungen wenn, dann unspezifische Adlige oder historische Herrschende, nie wiedererkennbare Personen. Der wohl wichtigste eine Moment schließlich, bei dem auch für die Ehe der Herrschenden demonstrative ‚Liebeshandlungen‘ eingefordert wurden, die Hochzeitsnacht, erinnert dagegen nochmals besonders offensichtlich an die Diskrepanzen zwischen body natural, body politic und Körperbildern. Gut nachvollziehen lässt sich 113

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Abb. 10: Isaac Cruikshank: The Wedding Night, 1797, handkolorierte Radierung (Farmington, CT, Lewis Walpole Library).

dies anhand der ausnahmsweise mehreren erhaltenen Zeugnisse, die schildern, wie diese Nacht am 25. Dezember 1615 für den 14-jährigen Ludwig XIII . und seine gleichaltrige Gattin, die spanische Prinzessin Anna von Österreich, ablief. Ludwig selbst wird zwar später seinem Beichtvater gestehen, dass der Versuch des Beischlafs fehlgeschlagen war. Und sein Leibarzt, Jean Héroard, hält in seinem minutiös geführten Tagebuch unter anderem fest, dass eine Gruppe junger Adliger zuvor versucht hatte, den jungen König durch aufreizende Gespräche und Erzählungen ‚in Stimmung‘ zu bringen und Mut zu machen.48 Gegen diese Unvorhersehbarkeiten des wirklichen Lebens hat der offizielle Bericht der Ereignisse nur den einen Sinn, das Zeremoniell und den ordnungsgemäßen Vollzug der Ehe zu dokumentieren: Die Königin-Mutter und eine kleine Gruppe von Hofbeamten begleiteten den 14-Jährigen ans Bett seiner Frau. Die Königin-Mutter redete der Schwiegertochter gut zu. Dann verließen – bis auf die zwei Ammen von Ludwig und Anna – alle den Raum, worauf Ludwig seine Pflicht angeblich zweimal vollzog, wie diese beiden bezeugten.49 Eine Darstellungstradition dieser und anderer liebender Herrscherkörper in der Hochzeitsnacht gibt es dagegen, wenig überraschend, aus der Frühen Neuzeit nicht. Zum Bildthema konnte 114

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diese Herrschafts-Handlung offenbar erst als Karikatur einer royalen „Wedding Night“ werden (Abb. 10). Isaac Cruikshank machte sich so über den Prince of Wales, den zukünftigen George IV ., als feisten Alkoholiker lustig, der seine unmittelbare und unverhohlene Abneigung gegen die neue Ehefrau, Caroline von Braunschweig, in der Hochzeitsnacht 1795 nur volltrunken und durch das Versprechen auf viel Geld überwinden konnte.50 Im Jahr 1797, da Cruikshanks Stich erschien, trennte sich das Paar bereits wieder.

Geistige Liebe Mit Thomas Hobbes’ Leviathan (1651) werden nicht nur die vorausgehenden, Herrschaft legitimierenden Vorstellungen von Abstammung, Gottesgnadentum oder herausragender Leistung und Tugend radikal in Frage gestellt zugunsten eines Gesellschaftsvertrags, der aus dem Selbsterhaltungstrieb heraus auf Furcht und Gewalt gründet. Auch die Fiktionen von Liebe und liebender Anziehung, mit denen bis dahin das Verhältnis der Herrschenden zu ihren Untertanen verklärt wurde, erscheint bei Hobbes allein als nützliches Mittel zum Zweck. Zählt er doch zu den Elementen der „natürlichen Macht“ neben der physischen Stärke auch die körperliche (und offenbar erotisierende) Schönheit der Herrschenden, „denn da sie Gutes verspricht, erwirbt man dadurch leicht die Gunst von Frauen und Fremden“.51 Die postulierte Zuneigung der Untertanen für ihren Herrscher, die etwa in Frankreich Karl VI . und dann noch Ludwig XV . zum Beinamen bien-aimé („Vielgeliebter“) verholfen hatte, und die umgekehrt darauf basierte, dass sich die Herrschenden liebevoll und wie ein Vater um seine Kinder kümmerten, wird bei dem englischen Staatstheoretiker auf einen nützlichen Machtfaktor reduziert.52 Allerdings blieb die Vorstellung, dass der Staat und der Herrscher-Hof zu führen seien wie im Kleinen ein Hauswesen, noch mindestens bis ans Ende des 18. Jahrhunderts geläufig.53 Die Denkfigur und Metapher der politischen Führungsgestalt als (Landes-)Vater (oder Landesmutter) hat sich bis heute gehalten. Damit zusammen gehen die Erwartungen an die christliche Liebe der Herrschenden. Nicht nur sollen diese vorbildlich in ihrer Gottesliebe sein. Nächstenliebe – vor allem in Form karitativer Handlungen – und Großzügigkeit zeichnen den Herrscher aus. Im Fürstenspiegel des Diego de Saavedra Fajardo, erstmals 1640 erschienen, erfährt man, wie die Liebe der Unterthanen mag gewonnen werden/ […] daß zu Erlangung dessen die Gottseeligkeit/ Gerechtigkeit und Freygebigkeit am meisten vermag.“ Allerdings wird gleich eingeschränkt, dass diese Liebe nicht zu viel Nähe stiften darf: weil die Liebe ohne sonderliche Furcht/ leichtlich könnte in eine Verachtung geraten/ und 115

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das Ansehen des Königs geschwächt werden. Als will sich eine Furcht den Unterthanen geziemen/ welche aus Gehorsam und Ehrerbietung herfliesset/ und nicht eine solche/ welche aus Gefahr der Tyranney oder Ungerechtigkeit zu entstehen pfleget.54 Umso mehr überrascht, dass Herrschende beim Spenden von Almosen oder anderen Werken der Barmherzigkeit selten dargestellt werden. Dies scheint vor allem ihren heiligen Vorfahren – etwa Elisabeth von Thüringen – vorbehalten und könnte als zu prätentiöse Darstellung für lebende Herrscher empfunden worden sein. Szenen wie die auf Domenico di Bartolos Fresken im Hospital S. Maria della Scala von Siena (1440–1442), wo reiche Bürger an den guten Werken teilnehmen, bleiben jedenfalls auf Stadtkommunen und bürgerliche Initiativen beschränkt.55 Die Veränderungen in den Liebesvorstellungen mit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts  – Liebe als eine absolute, ausschließlich emotionale, ethisch fundierte Macht, wie sie insbesondere das Bürgertum vorführt – sollten dann insbesondere Herrschende und Adel vor neue Herausforderungen stellen. Widersprachen sie doch vielfach den bisher verfolgten Konzepten und Kriterien für die Eheschließung. Besonders offensichtlich wird dies in Novalis’ Fragment Glaube und Liebe oder Der König und die Königin (1798). Niedergeschrieben wenige Monate, nachdem Friedrich Wilhelm III . offiziell als König von Preußen regierte, entwirft es eine Art Staatsphilosophie und -utopie des (proto-republikanischen) Liebens. Da die Ehe des Herrscherpaares als ‚Liebesheirat‘ auf einer starken Gefühlsbasis gründet, kann die Beziehung auch zum Modell der Verbindung autonomer Untertanen mit ihrem Staat werden: „Uneigennützige Liebe im Herzen und ihre Maxime im Kopf, das ist die alleinige, ewige Basis aller wahrhaften, unzertrennlichen Verbindung, und was ist die Staatsverbindung anders, als eine Ehe.“56 Das Verhältnis der Untertanen zu den Herrschenden ist daher auch keines der sozialen Differenz und das Zeremoniell soll nicht Distanz, Ehrfurcht und Aura erzeugen. Vielmehr leitet eine ‚natürliche Liebe‘ die Untertanen: „Ohne Etiquette kann kein Hof bestehn. Es giebt aber eine natürliche Etiquette, die schöne, und eine erkünstelte, modische, die häßliche. Herstellung der erstern wird also keine unwichtige Sorge des denkenden Königs seyn, da sie einen bedeutenden Einfluß auf den Geschmack und die Liebe für die monarchische Form hat.“ Die Königs-Familie agiert dabei als anspornendes Musterbeispiel für die Bürger, denn: „Alle Menschen sollen thronfähig werden.“ Konkret bedeute dies etwa: „Jede gebildete Frau und jede sorgfältige Mutter sollte das Bild der Königin, in ihrem oder ihrer Töchter Wohnzimmer haben. […] Ein liebenswürdiges Wesen unter tausendfachen Gestalten.“ Auch wenn Novalis‘ Entwurf zu diesem Zeitpunkt viel zu radikal war, um größere Rezeption zu erfahren, verdeutlicht er doch eine allgemeine Tendenz. Diese zeichnet sich etwa auch 1799 in Friedrich Georg Weitsch bemerkenswertem, bislang wenig 116

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Abb. 11: Friedrich Georg Weitsch: Friedrich Wilhelm III. und seine Frau Luise im Schlosspark von Charlotten­burg, 1799, Öl auf Leinwand (Schloss Pfaueninsel, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg).

beachtetem Doppelbildnis von Preußischem König und Königin, Friedrich Wilhelm III . und Luise von Mecklenburg-Strelitz, im Schlosspark von Charlottenburg ab: Das Paar – hinterfangen von einem hohen Sockel, auf dem eine Statue Amors erahnbar ist – hält sich vertraut an der Hand, Luise stützt zudem ihre andere Hand auf die Schulter des Gatten (Abb. 11).57 Diese intime (und relativ kleinformatige) Darstellung scheint entscheidend dadurch bedingt, dass das Gemälde von Anfang an für eine graphische Stichreproduktion für ein bürgerliches Publikum vorgesehen war, auch wenn diese letztendlich doch nicht zustande kam. Der Porträttypus eines ‚entspannten‘ Paares in der Landschaft war dabei zwar im conversation piece und vor allem den Bildnissen der englischen Malerei seit mehr als einem halben Jahrhundert vorbereitet worden. In Frankreich entstanden kurz vor der Französischen Revolution Darstellungen von Ludwig XVI . und Marie-Antoinette, die sich an den Händen fassen oder aber als liebende Familie mit dem Dauphin inszenieren. Und Maria Theresia und Franz Stephan präsentieren sich bereits 1740 auf einem exzeptionellen 117

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Doppelbildnis in den Rollen von Pallas Athena und Amor.58 „Liebe im Herzen“ aber als Prinzip von Ehe und Staat, von Herrschenden und Untertanen gleichermaßen scheint erst mit dem Bildnis des Preußischen Königspaares von Weitsch so demonstrativ ins Bild gesetzt. Das übergroße Bedeutungsspektrum, das mit der Vorstellung vom ‚Lieben‘ bis dato verbunden gewesen war und das die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten und Verbildlichungen im Kontext von Herrschaft in actu ermöglicht hatte, erscheint hier auf ein bürgerliches Liebesideal fokussiert. Zukünftig werden zumindest in der offiziellen Sprachregelung und Bildpolitik zunehmend andere Werte und Handlungsweisen das Image der Herrschenden bestimmen. Gleichwohl spielen auch weiterhin die Varianten von ‚väterlicher Liebe‘ bis hin zu ‚Erotik der Macht‘ eine nicht zu vernachlässigende Rolle in der Selbstdarstellung von Entscheidungstragenden wie ihrer Wahrnehmung gerade in einer breiten, heute mehr denn je von Bildern geleiteten Öffentlichkeit. Auswahlbibliographie

Kirsten Dickhaut (Hg.): Liebessemantik. Frühneuzeitliche Darstellungen von Liebe in Italien und Frankreich, Wiesbaden 2014. Valeria Finucci: The Prince’s Body. Vincenzo Gonzaga and Renaissance Medicine, Cambridge (MA)/London 2015. Sara E. Melzer/Kathryn Norberg (Hg.): From the Royal to the Republican Body. Incorporating the Political in Seventeenth- and Eighteenth-Century France, Berkeley u. a. 1998. Ulrich Pfisterer: Die Erotik der Macht. Visualisierte Herrscher-Potenz in der Renaissance, in: Andreas Höfele/Beate Kellner (Hg.): Menschennatur und politische Ordnung, Paderborn 2016, S. 177–201. Sigrid Ruby: Mit Macht verbunden – Bilder der Favoritin im Frankreich der Renaissance, Freiburg im Breisgau 2010. Andreas Tacke (Hg.): „… wir wollen der Liebe Raum geben“. Konkubinate geistlicher und weltlicher Fürsten um 1500, Göttingen 2006. Abby E. Zanger: Scenes From the Marriage of Louis XIV, Stanford 1997. Anmerkungen Ferino-Pagden: Alexander, Apelles and Campaspe, in: Nikos Chatzenikolau (Hg.): Alexander the Great in European art, Thessaloniki 1997, 135–149; Claudia Daniotti: Reinventing Alexander. Myth, legend, history in Renaissance Italian art, Turnhout 2022.

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2  Kenneth R. Moore (Hg.): Brill’s companion to the reception of Alexander the Great, Leiden/Boston 2018; auch Catherine Gaullier-Bougassas (Hg.): L’entree d’Alexandre le Grand sur la scène européenne. Théâtre et opéra (fin du XV e-XIX e siècle), Turnhout 2017. Christina Posselt-Kuhli: Heldenbilder im Kon-

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text der Querelle des Anciens et des Modernes – Alexander der Große als wechselvolle Identifikationsfigur, in: Iabelle Deflers/Christian Kühner (Hg.): Ludwig XIV. – Vorbild und Feindbild. Inszenierung und Rezeption der Herrschaft eines barocken Monarchen zwischen Heroisierung, Nachahmung und Dämonisierung, Berlin 2018, 59–83. 3  Sigrid Ruby: Mit Macht verbunden – Bilder der Favoritin im Frankreich der Renaissance, Freiburg im Breisgau 2010, 66–104. 4  Leah Scragg: „Campaspe“ and the Construction of Monarchical Power, in: Medieval & Renaissance Drama in England 12 (1999), 59–83. 5  Vgl. den Eintrag im Corpus der barocken Decken­ malerei in Deutschland [https://www.deckenmalerei.eu/c4d5ef95-9e82-412c-8 f32-e7662a4499e7 #d9d0a83d-e340-4e70-a2f4-150f43d7616e] 6  Diese dreifache Unterscheidung ausgehend von Ernst Kantorowiczs Kategorien body natural und body politic entwickelt Louis Marin: Das Porträt des Königs, Berlin 2005 [zuerst frz. 1982]. 7  Rüdiger Schnell: Causa Amoris. Liebeskonzeption und Liebesdarstellung in der mittelalterlichen Literatur, Bern 1985; Kirsten Dickhaut (Hg.): Liebessemantik. Frühneuzeitliche Darstellungen von Liebe in Italien und Frankreich, Wiesbaden 2014. 8  Sabrina Ebbersmayer: Die Blicke der Liebenden. Zur Theorie, Magie und Metaphorik des Sehens in „De Amore“ von Marsilio Ficino, in: Tilman Borsche u. a. (Hg.): Blick und Bild im Spannungsfeld von Sehen, Metaphern und Verstehen, München 1998, 197–211, hier 198; vgl. Dane E. Stewart: The Arrow of Love. Optics, gender, and subjectivity in medieval love poetry, Lewisburg 2003. 9  Dazu etwa Maria Effinger u. a. (Hg.): Der Codex Manesse und die Entdeckung der Liebe, Heidelberg 2010. 10  Der Huge Scheppel der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken nach der Handschrift der Hamburger Stadtbibliothek, hg. von Hermann Urtel/Robert Schmidt, Hamburg 1905, 5va. 11  Margot Kruse: Das Porträt der Geliebten und „Amor pictor“ – Tradition und Abwandlung einer petrarkistischen Motivkombination in Ronsards „Amours de Cassandre“, in: Andreas Kablitz/Ulrich Schulz-Buschhaus (Hg.): Literarhistorische Begegnungen. Festschrift zum sechzigsten Geburtstag von Bernhard König, Tübingen 1993, 197–212.

12  Es gibt auch noch eine weniger qualitätvolle Variante in Privatbesitz; siehe Berthold Hinz: Studien zur Geschichte des Ehepaarbildnisses, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 19 (1974), 139–218; Wilfried Seipel (Hg.): Kaiser Karl V. (1500–1558). Macht und Ohnmacht Europas, Wien 2000, 319, Kat.-Nr. 353 (H. von Dormael); vgl. zu ehelicher Liebe auch Birgit Witte: Raffael und das Bildnis der Ehefrau. Liebessemantik und „aequalitas“ in der Porträtmalerei des 16. Jahrhunderts, in: Doris Guth/ Elisabeth Priedl (Hg.): Bilder der Liebe. Liebe, Begehren und Geschlechterverhältnisse in der Kunst der Frühen Neuzeit, Bielefeld 2012, 67–97, weitere, teils in ihrer Identifizierung umstrittene Beispiele in Allmuth Schuttwolf (Hg.): Jahreszeiten der Gefühle. Das Gothaer Liebespaar und die Minne im Spätmittelalter, Ostfildern-Ruit 1998. Die Deutung von Tizians sogenannter Allegorie des Alfonso d’Avalos, die auf die Ehe bezogen wurde, ist immer noch unklar, siehe etwa Jósef Grabski: „Mundus Amor, Amor Mundus“. L’allegoria dell’amore di Tiziano nel Museo del Louvre, in: Artibus & Historiae 1 (1980), 43–61. 13  Ronald Forsyth Millen/Robert E. Wolf: Heroic Deeds and Mythic Figures. A new reading of Rubens Life of Maria de’ Medici, Princeton 1989, 49–52; insgesamt Martin Warnke: Laudando praecipere. Der Medicizyklus des Peter Paul Rubens, Groningen 1993; Sara Galletti: Rubens’ Life of Maria de’ Medici. Dissimulation and the Politics of Art in Early Seventeenth-Century France, in: Renaissance Quarterly 67 (2014), 878–916; Birgit U. Münch: La grosse banquière und nòstre bon rei Enric. Formen bildimpliziter Kritik an der / dem Herrschenden um Maria de’ Medici (1573–1642), in: Karina Kellermann/Alheydis Plassmann/ Christian Schwermann (Hg.): Criticising the Ruler in Pre-Modern Societies - Possibilities, Chances, and Methods, Bonn 2019, 181–210. 14  Maurizio Bettini: Il ritratto dell’amante, Turin 1992, v. a. 12–16; eine Darstellung um 1500 in einem Manuskript der französischen Übersetzung des Octavien de Saint-Gelais, BNF Paris, Département des Manuscrits, Français 874, fol. 105r [https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b10532597d/f215.item. r= H%C3%A9roides]. 15  Katherine B. Crawford: Catherine de Médicis and the Perfomance of Political Motherhood, in: Sixteenth Century Journal 31 (2000), 643–673; Carey Fleiner

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(Hg.): Virtuous or villainess? The image of the Royal mother from the early medieval to the early modern era, New York 2016. Vgl. auch Silke Segler-Messner: Caritas, in: Dickhaut 2014 (wie Anm. 7), 189–222. 16  Niklas Luhmann: Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität, Frankfurt a. M. 1982; zur kritischen Auseinandersetzung Dickhaut 2014 (wie Anm. 7). 17 Muriel Barbier/ Bertrand Bergbauer etal. (Hg.): Le roi et l’artiste. François Ier et Rosso Fiorentino, Paris 2013, 70–76 (Kat. 14–18); vgl. insgesamt Christine Tauber: Manierismus und Herrschaftspraxis. Die Kunst der Politik und die Kunstpolitik am Hof von François Ier, Berlin 2009. 18  Dietmar Frenz: ‚Omnia vincit Amor‘: feudale, religiöse und poetologische Herrschaftsstrukturen in der Liebesdichtung des 12. und 13. Jahrhunderts, in: Brigitte Burrichter/Laetitia Rimpau (Hg.): Diener–Herr–Herrschaft? Hierarchien in Mittelalter und Renaissance, Heidelberg 2009, 37–49, das Zitat 43; vgl. auch Schnell 1985 (wie Anm. 7). 19  Lionello Puppi (Hg.): Pisanello. Una poetica dell’ inatteso, Cinisello Balsamo (MI) 1996, 157 f., Kat. 9 (Ruggero Rugolo); vgl. zum Kontext Timothy McCall: Towards a history of signorial sexuality. Borso d’Este and the gesture of courtly masculinity, in: Jacqueline Murray (Hg.): The Male Body and Social Masculinity in Premodern Europe, Toronto 2022, 159–191 20  Eberhard König: Das liebentbrannte Herz. Der Wiener Codex und der Maler Barthélemy d’Eyck, Graz 1996. 21  Jochen Becker: “Amor vincit omnia”. On the closing image of Goethe’s ’Novelle’, in: Simiolus 18 (1988), 134–156; Andreas Tacke: „Alles besiegt Amor“. Zur Liebesthematik in zwei Heiligenrollenporträts der Cranach-Werkstatt. Kardinal Albrecht von Brandenburg und seine Konkubine, in: Andreas Tacke (Hg.): „… wir wollen der Liebe Raum geben“. Konkubinate geistlicher und weltlicher Fürste um 1500, Göttingen 2006, 359–368. 22  Valeria Finucci: The Prince’s Body. Vincenzo Gonzaga and Renaissance Medicine, Cambridge (MA)/London 2015, 121–149. 23  Eine differenzierte Darstellung der Veränderungen dieser Vorstellung während der Herrschaftszeit von Elizabeth und der vorausgehenden Forschung bei John N. King: Queen Elizabeth I.

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Representations of the virgin Queen, in: Renaissance Quarterly 43 (1990), 30–74. 24  Ruby 2010 (wie Anm. 3), 88 f. 25  Janet Cox-Rearick: The Collection of Francis I: Royal Treasures, Antwerpen 1995, 200 f. (Kat. CI -I). 26  Dazu Ulrich Pfisterer: Das Geschlecht der Wilden – Bartholomäus Sprangers erotische Neue Welt in der Sammlung Rudolfs II ., in: Andreas Höfele/ Beate Kellner (Hg.): Natur, Geschlecht, Politik. Denkmuster und Repräsentationsformen vom Alten Testament bis ins 18. Jahrhundert, Leiden u. a. 2020, 245–270. 27  Francois de Belleforest: Les grandes annales et histoire générale de France, Paris 1579, fol. 1455r: „[O]r est il vray qu’il n’a est’e cogneu rien en ce grand Roy qui ne fut rare, excellent & heroyque, si l’amour des femmes n’eut aucunement denigré ce lustre & splendeur des vertus de Roy qui n’avoit que soy-mesme de semblable: mais quoy? les plus parfaicts ne sont sans default. Et le Prince qui n’est addonné aux plaisirs, sera souvent cruel.“ 28  Egon Verheyen: Correggio’s „Amori di Giove“, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 29 (1966), 160–192; Jean-François Corpataux: ProCréation - pouvoirs de l’ image et fécondité dynastique à la Renaissance, Fribourg 2019 [https://folia. unifr.ch/unifr/documents/307581]. 29 James Grantham Turner: Eros Visible. Art, sexuality and antiquity in Renaissance Italy, New Haven 2017, 131–133; zur Vorgeschichte Lieselotte E. Saurma-Jeltsch: Wie die Bilder im ‚Roman d’Alexandre en prose‘ die dubiose Herkunft des Helden diskutieren, in: Christine Beier u. a. (Hg.): How do images work? Strategies of visual communication in medieval art, Turnhout 2021, 113–128. 30  George Gorse: Body politics and mythic figures. Andrea Doria in the mediterranean world, in: California Italian Studies 6/1 (2016) [https:// doi.org/10.5070/C361028459]; die Bedeutung der Bildnisse der nackten Mätresse Heinrichs, Gabrielle d’Estrées, im Bad (teils mit einer ihrer Schwestern), ist nicht abschließend geklärt, siehe dazu Katherine B. Crawford: The Politics of Promiscuity: Masculinity and Heroic Representation at the Court of Henry IV., in: French Historical Studies 26 (2003), 225–252; dies.: „Gabrielle d’Estrées et l’une de ses Soeurs“ and the pleasures of proliferative criticism, in: Angeliki Pollali/Berthold Hub (Hg.):

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Images of sex and desire in Renaissance art and modern historiography, New York/London 2018, 209– 221; Katrin Keller: Friedrich August von Sachsen als Herrscher, Mann und Mythos. Ein Versuch über den Beinahmen „der Starke“, in: Wolfgang Schmale (Hg.): MannBilder. Ein Lese- und Quellenbuch zur historischen Männerforschung, Berlin 1998, 79–112. S. auch Anthony Colantuono: Titian, Colonna and the Renaissance science of procreation. Equicola’s seasons of desire, Farnham u. a. 2010. 31  Gabriele Baumbach: „ SIC ECIAM INGENTIS ANIMOS INSANA VOLV PTAS “. Die Herkulesund-Omphale-Darstellungen der Cranach-Werkstatt und ein Gemälde Lucas Cranachs d. J. für Kardinal Albrecht von Brandenburg, in: Tacke 2006 (wie Anm. 21), 369–392. 32  Darius A. Spieth: The Printed Work of Vivant Denon (1747–1825), PhD diss. University of Illinois at Urbana, 2001, Bd. 1, 353; vgl. zuvor zu Spott über Herkules Élisa de Halleux: L’androgynie d’Hercule, entre dérision et glorification du prince, in: Philippe Morel (Hg.): Le miroir et l’espace du prince dans l’art italien de la Renaissance, Tours 2012, 145–164. 33  Ulrich Pfisterer: Die Erotik der Macht. Visualisierte Herrscher-Potenz in der Renaissance, in: Andreas Höfele/Beate Kellner (Hg.): Menschennatur und politische Ordnung, Paderborn 2016, S. 177–201; John Gagné: Collecting Women: Three French Kings and Manuscripts of Empire in the Italian Wars, in: I Tatti Studies in the Italian Renaissance 20 (2017), 127–184. 34  Vgl. auch Cristelle L. Baskins: Shaping Civic Personification: Pisa Sforzata, Pisa Salvata, in: dies./Lisa Rosenthal (Hg.): Early Modern Visual Allegory: Embodying Meaning, Burlington (V T ) 2007, 91–108; Richard Trexler: Sex and Conquest: Gendered Violence, Political Order, and the European Conquest of the Americas, Cambridge 1995. 35  Pierre de Bourdeille, seigneur de Brantôme: Les Dames galantes, hg. von Maurice Rat, Paris 1960, S. X X (6. Abhandlung). 36  Erwin Pokorny: Minne und Torheit unter dem Goldenen Dachl. Zur Ikonographie des Prunkerkers Maximilians I. in Innsbruck, in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien 4/5 (2002/03), 30–45. 37  Margaret D. Carroll: The Erotics of Absolutism: Rubens and the Mystification of Sexual Violence, in: Norma Broude/Mary D. Garrard (Hg.): The

Expanding Discourse: Feminism and Art History, Boulder 1992, 138–159. 38  Paola Migliorini: „Cadette il re Cristiã sotto Pauia“. L’allegoria della battaglia di Pavia in una maiolica di Urbino, in: Bollettino della Società Pavese di Storia Patria 109 (2009), 335–346; Dora Thornton/Timothey Wilson: Italian Renaissance Ceramics. A catalogue of the British Museum collection, London 2009, Bd. 1, 282–284 (Kat. 167). 39  Renate Blumenfeld-Kosinski: Rewriting History in the “Chanson de Hugues Capet”, in: Olifant 15 (1990), 33–46. 40 Simona Slanička: Bastarde als Grenzgänger, Kreuzfahrer und Eroberer. Von der mittelalterlichen Alexanderrezeption bis zu Juan de Austria, in: WerkstattGeschichte 51 (2009), 5–21 (https://werkstattgeschichte.de/wp-content/uploads/2017/02/ WG 51_005-021_ S L A N IC K A _G R E N Z G A E NGER .pdf). 41  Ruby 2010 (wie Anm. 3); vgl. auch Helen S. Ettlinger: Visibilis et Invisibilis: The Mistress in Italian Renaissance Court Society, in: Renaissance Quarterly 47 (1994), 770–792. 42  Brantôme 1960 (wie Anm. 35), 297 f. 43 Guido Ruggiero: Marriage, Love, Sex and Renaissance Civic Morality, in: James Grantham Turner (Hg.): Sexuality and Gender in Early Modern Europe. Institutions, Texts, Images, Cambridge 1993, 10–30; Antje Stannek: Telemachs Brüder. Die höfische Bildungsreise des 17. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 2001, 230–243. 44  Patricia Simons: Disegno and desire in Pontormo’s ‚Alessandro de’ Medici‘, in: Renaissance Studies 22 (2008), 650–668; Carl Brandon Strehlke (Hg.): Pontormo, Bronzino, and the Medici. The transformation of the Renaissance portrait in Florence, Philadelphia (PA) 2004. 45  Sabine C. Seufert: Porträts der Madame de Pompadour, Diss. München 1998; Elise Goodman: The Portraits of Madame de Pompadour. Celebrating the Femme Savante, Berkeley u. a. 2000; Nina Traut: Die Interessen der Mätressenforschung. Methodische Überlegungen zur Analyse des Mätressenporträts, in: Tacke 2006 (wie Anm. 21), 127–156; Claudia Denk: Illegitime Liebe, in: Dickhaut 2014 (wie Anm. 7), 425–476. 46  Melissa Lee Hyde: Troubling Identities and the Agreeable Game of Art: From Madame de Pompa-

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dour’s Theatrical ‚Breeches‘ of Decorum to Drouais’s ‚Portrait of Madame Du Barry en Homme‘, in: Andrea Pearson (Hg.): Women and Portraits in Early Modern Europe. Gender, Agency, Identity, Aldershot/Burlington (V T ) 2008, 161–181. – Zur Verkleidung des Königs etwa Mark Franko: The King Cross-Dressed: Power and Force in Royal Ballets, in: Sara E. Melzer/Kathryn Norberg (Hg.): From the Royal to the Republican Body. Incorporating the Political in Seventeenth- and Eighteenth-Century France, Berkeley u. a. 1998, 64–84. 47  Vgl. etwa die Beispiele in Philip Stewart: Engraven Desire. Eros, Image, and Text in the French Eighteenth Century, Durham/London 1992. 48  (Eugen Wilhelm alias) Numa Praetorius: Das Liebesleben Ludwigs XIII . von Frankreich, Bonn 1920; Abby E. Zanger: Making Sweat: Sex and the Gender of National Reproduction in the Marriage of Louis XIII , in: Yale French Studies 86 (1994), 187– 205, sowie dies.: Scenes From the Marriage of Louis XIV, Stanford 1997. 49  Détail singulier de ce qui se passa le jour de la consommation du mariage de Louis XIII (25. décembre 1615), abgedruckt in: Revue rétrospective ou bibliothèque historique contenant des mémoires et documents authentiques inédits et originaux 2/2 (1834), 250–252. 50  E. B. Krumbhaar: Isaac Cruikshank. A Catalogue Raisonné, Philadelphia (PA) 1966, 162 (Kat. 1294). 51 Thomas Hobbes: Leviathan, hg. von Iring Fetscher, übers. v. Walter Euchner, Frankfurt a. M. 1996, 66 f. (Kap. 10); vgl. zum großen Horizont Harald Nehr: Seelenliebe / amor spiritualis / amour pur, in: Dickhaut 2014 (wie Anm. 7), 223–261. 52  Andreas Köstler: Das Lächeln des Bien-Aimé. Zur Zivilisierung des Herrscherbildes unter Ludwig XV., in: ders./Ernst Seidl (Hg.): Bildnis und Image. Das Portrait zwischen Intention und Rezeption, Köln u. a. 1998, 197–214; Thomas E. Kaiser: Louis le ‚Bien-Aimé‘ and the Rhetoric of the Royal Body, in: Melzer/Norberg 1998 (wie Anm. 46), 131–161. 53  Volker Bauer: Hofökonomie. Der Diskurs über den Fürstenhof in Zeremonialwissenschaft, Hausväterliteratur und Kameralismus, Weimar/Köln/ Wien 1997. Vgl. auch den Beitrag von Andreas Plackinger zu „Vater sein“ in diesem Band, 291–305. Vgl. aber etwa auch Christine Coch: ‘Mother of my

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Contreye’: Elizabeth I and Tudor construction of Motherhood, in: English Literary Renaissance, 26 (1996), 423–460. 54  Diego Saavedra Faxardo: Abriß eines christlich-politischen Printzens in CI anmuthigen SinnBildern, Jena/Helmstedt 1700, 444; Christian Romanoski: Tacitus Emblematicus. Diego de Saavedra Fajardo und seine „Empresas políticas“, Berlin 2006; zum größeren Kontext André Holenstein: Die Huldigung der Untertanen. Rechtskultur und Herrschaftsordnung (800–1800), Stuttgart/New York 1991. 55  Vgl. auch die Beispiele in Christoph Stiegemann (Hg.): Caritas. Nächstenliebe von den frühen Christen bis zur Gegenwart, Petersberg 2015; Sven Rabeler: Historisierungen der Caritas? Karitatives Handeln zwischen Herrschaft und Gemeinde in residenzstädtischen Geschichtsbildern, in: Gerhard Fouquet u. a. (Hg.): Geschichtsbilder in Residenzstädten des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, Wien/Köln 2021, 273–315. 56 Novalis: Schriften, Bd. 2: Das Philosophische Werk I, hg. von Richard Samuel u. a., Stuttgart ³1981, 494 [36]; vgl. Dennis F. Mahoney: Romantische Staatsphilosophie: Glauben und Liebe, in: ders.: Friedrich von Hardenberg (Novalis), Stuttgart 2001, 69–80. 57  Gerrit Walczak: Luise von Preussen und ihre Porträtisten. Kunstmarkt, Hof und Publikum in Berlin um 1800, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 65 (2004), 207–247; Reimar F. Lachner: Friedrich Georg Weitsch (Braunschweig 1758–1828 Berlin). Maler, Kenner, Akademiker, Berlin 2005, 105 und 235 (Kat. W97). – Zum vorausgehenden Motiv des Hände-Haltens siehe Hinz 1974 (wie Anm. 12). – Im großen Format zeigt dann selbst ein revolutionäres Herrscher-Gemälde wie Goyas Familie Karls V. von 1800–1801 deutlich weniger Emotionen, siehe Victor I. Stoichita/Anna M. Coderch: Goya. Der letzte Karneval, München 2006, 259–279. 58  Gemälde von Johann Frederik Hörling (Berlin, Deutsches Historisches Museum, Gm 2004/24); siehe Sandra Hertel: Die Panegyrik auf Maria Theresia. Zum Wechselverhältnis von sprachlichen und visuellen Charakterisierungen, in: Werner Telesko u. a. (Hg.): Die Repräsentation Maria Theresias. Herrschaft und Bildpolitik im Zeitalter der Aufklärung, Wien u. a. 2020, 148–159, hier 154.

Molly Taylor-Poleskey

g. Essen und Trinken

Sing a song of sixpence, A pocket full of rye, Four and twenty blackbirds Baked in a pie. When the pie was opened The birds began to sing— Wasn’t that a dainty dish To set before the king?1

To make pies that the Bird may be alive in them, and flie out when it is cut up: Make the coffin of a great Pie or pasty, in the bottome whereof make a hole as big as your fist, or bigger if you will, let the sides of the coffin bee somewhat higher then ordinary Pies, which done, put it full of flower and bake it, and being baked, open the hole in the bottome, and take out the flower. Then hauing a Pie of the bignesse of the hole in the bottome of the coffin aforesaid, you shal put it into the coffin, withall put into the said coffin round about the aforesaid Pie as many small liue birds as the empty coffin will hold, besides the Pie aforesaid. And this is to be done at such time as you send the Pie to the table, and set before the guests: where vncouering or cutting vp the lid of the great Pie, all the Birds will flie out, which is to delight and pleasure shew to the company. And because they shall not bee altogether mocked, you shall cut open the small Pie, and in this sort you may make many others, the like you may do with a Tart.2 (Abb. 1)

Der eingangs abgedruckte Kinderreim und das Rezept aus dem 16. Jahrhundert darunter signalisieren etwas ganz Grundlegendes im Hinblick auf das Essen der Herrschenden im frühneuzeitlichen Europa: Es sollte eine erfreuliche Erfahrung mit überraschenden éntremets und Feinheiten sein, die mehrere Sinne stimuliert. Später in der Frühen Neuzeit konnte das Essen des Herrschers anspruchsvolle literarische und künstlerische Referenzen einschließen, nicht nur in den Gerichten selbst, ­sondern auch in der Tischdekoration, der Musik, die während des Essens ge123

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Abb. 1: Titelblatt von Giovanni de’ Rossellis Epulario betitelten Kochbuch mit einem Holzschnitt über das Preparieren von Vögeln zum Kochen, aus: Epulario quale tratta del modo de cucinare ogni carne Vcelli pesci de ognj sorte fare Sapore: torte, pastellj al modo de tutte le Proujncje, 1549 (London, The British Library).

spielt wurde, und in anderen Medien. Essen war ein biologisches Bedürfnis, das zugleich Geschmack, Gelehrsamkeit, Reichtum, Brauchtum und Ehrgeiz vermittelte. Wichtig war, dass der Herrscher beim Essen gesehen werden sollte: Der Tisch war eine der Hauptbühnen der Kommunikation und der Verkörperung von Macht. In diesem Beitrag sollen die Logik hinter dem herrschaftlichen Essen und Trinken, die zum Erreichen ihrer Zwecke eingesetzten Techniken sowie die Auswirkungen des Essens und Trinkens nicht nur auf den Herrscherkörper, sondern auch auf die Wahrnehmung dieses Körpers beleuchtet werden. Warum war es wichtig, dass der König gesehen wurde, während er sein Essen genoss? Warum sollte jemand darum bekümmert sein, einem König etwas Ausgesucht-Appetitliches vorzusetzen („a dainty dish / to set before the king“)? In einem deutschen Ernährungshandbuch des 17. Jahrhundert heißt es, dass die Gesundheit des Herrschers nicht nur ihm selbst, sondern mittelst derselben allen Einwohnern dieses gantzen Landes nützlich und zu Erhaltung ihrer Gesundheit ersprießlich seyn 124

g. Essen und Trinken

möchte,3 das Wohlergehen des Staatswesens also auf dem des Herrschers beruht. Der lustvolle Appetit eines Herrschers deutete auf eine robuste Gesundheit hin, die wiederum eine sichere Gesellschaftsordnung und sogar Fortpflanzungspotential vermittelte. Dennoch hatte die Trope vom fetten König wenig mit dem wahllosen Verzehr großer Mengen an Lebensmitteln zu tun (wie es etwa Charles Laughton 1933 in seinem chaotischen, aber Oscar-gekrönten Film The Private Life of Henry VIII darstellte). Stattdessen zeigte das Genießen einer Mahlzeit guten Geschmack und Kultiviertheit sowie Wohlstand und privilegierten Zugriff auf bestimmte Güter. Darüber hinaus hat das wiederholte Ritual des Essens die Zugehörigkeit und die sozialen Hierarchien bestätigt.4 Obwohl sich die Mahlzeiten des Herrschers im Laufe der Zeit in mancher Hinsicht änderten, konnten doch Rituale wiederbelebt und wiederholt werden, um ein Gefühl von Kontinuität und Tradition zu vermitteln. Um die Bedeutung der Mahlzeiten frühneuzeitlicher Herrscher zu interpretieren, sind die Methoden von Anthropologen und Sozialwissenschaftlern herangezogen worden. Norbert Elias’ klassische Interpretation der Lebenserinnerungen des Herzogs von Saint Simon am Hofe Ludwigs XIV . präsentieren einen Blick auf das Hofleben unter dem Sonnenkönig, bei dem selbst kleinste Gesten den „Zivilisationsprozess“ vorantreiben, innerhalb dessen der französische Adel vom König abhängig gemacht wurde.5 So beschreibt der Herzog etwa den Fall einer Mahlzeit am königlichen Tisch, der in Versailles „für viel Aufsehen sorgte“, und zeigt dabei recht deutlich, wie dieser Prozess in der Praxis funktionierte: Die Damen, die nach Marly eingeladen wurden, hatten das Privileg, mit dem König zu speisen. Tische wurden für sie aufgestellt, und sie nahmen Positionen entsprechend ihrem Rang ein. Auch die titellosen Damen hatten ihren besonderen Platz. So geschah es eines Tages, dass Madame de Torcy (eine Dame ohne Titel) sich über die Duchesse de Duras stellte, die einen Moment nach ihr an den Tisch kam. Madame de Torcy bot an, ihren Platz aufzugeben, aber es war ein wenig spät, und das Angebot ging in Komplimenten unter. Der König trat ein und setzte sich zu Tisch. Sobald er sich gesetzt hatte, sah er den Platz, den Madame de Torcy eingenommen hatte, und fixierte sie mit einem so ernsten und überraschten Blick, dass sie wieder anbot, ihren Platz der Herzogin von Duras zu überlassen; aber das Angebot wurde wieder abgelehnt. Während des gesamten Abendessens ließ der König Madame de Torcy kaum aus den Augen, sagte kaum ein Wort und zeigte einen zornigen Gesichtsausdruck, der alle sehr aufmerksam werden ließ und sogar die Herzogin von Duras beunruhigte.6

Kurz nach diesem Essen habe der König seiner Geliebten erzählt, er sei soeben Zeuge einer „unglaublichen Unverschämtheit“ [...] geworden, die ihn in eine solche Wut ver125

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Abb. 2: Kolorierter Kupferstich mit dem Baldachin und der Anrichte auf dem Hochzeitsfest Wilhelms V. von Bayern (1548–1626) und der Renata von Lothringen (1544–1602), aus: Johann Wagner: Kurtze doch gegründte beschreibung des … Herren Wilhalmen/ Pfaltzgrauen bey Rhein … Und … Frewlein Renata … Hochzeitlichen Ehren Fests …, 1569, fol. 37r.

setzt habe, dass er unfähig gewesen sei zu essen.7 Die Episode wurde erst beigelegt, nachdem dem König versichert worden war, dass Monsieur de Torcy informiert wurde und dieser einen langen Brief an den König geschrieben hatte, in dem er sich für die Verletzung der sozialen Ordnung durch seine Frau entschuldigte. In Übereinstimmung mit Elias’ Interpretation des Staatsaufbaus unter Ludwig XIV . hätte diese Episode dem Adel versichert, dass der König sogar auf sein Essen verzichten wird, um dessen jeweiligen Status zu verteidigen. Auf diese Weise überzeugte der Herrscher den Adel, seine Unterlegenheit gegenüber ihm, dem König, anzuerkennen, solange er selbst den überlegenen Status gegenüber anderen garantierte. Noch die kleinste Geste während einer Mahlzeit vermittelte den Platz in der Hierarchie und in der Gunst des Königs. Jeder, der an seinem Platz am richtigen Tisch und in der richtigen Reihenfolge speiste, hob den Herrscher der Frühen Neuzeit hervor – und zwar nicht als primus inter pares (wie es eher am Tisch des mittelalterlichen Herrschers zutraf ). Der Herrscher saß im Zentrum eines jeden Esstisches und wurde normalerweise durch ein Podium erhöht oder auf andere Weise physisch von den Gästen und Zuschauern abgehoben, was das „göttliche Recht“ seiner Herrschaft unterstrich. Wie in vielen 126

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Abb. 3: Unbekannter Meister: The Burghley Nef Salt Cellar, 1527–1528 (London, Victoria & Albert Museum).

Darstellungen von höfischen Banketten der Frühen Neuzeit zu sehen, befand sich über dem Herrscher häufig ein Stoffdach oder Baldachin, eine Ehrenbekundung, wie sie sich auch über seinem Bett oder Grab findet (Abb. 2). Aber auch andere materielle Aspekte der Mahlzeiten unterschieden den Gastgeber und beförderten die performativen Elemente der Herrschaft. Ebenso wie Baldachine waren auch Kredenzen ein wiederkehrendes Element bei der Darstellung von Banketten. Auf diesen Anrichten wurden die Gefäße und das Geschirr aus feinstem Silber und Gold ähnlich wie Kriegsbeute ausgestellt. Das Geschirr wurde von ihnen heruntergenommen, zum Transport der Lebensmittel benutzt, gewaschen und mehrmals während einer einzigen Mahlzeit ersetzt, um die Fülle an wertvollen Gütern hervorzuheben. Die Gefäße und Schalen waren oft selbst skulpturale Meisterwerke, und einige der besten Beispiele für solche Skulpturen der nördlichen Renaissance finden sich in Miniaturszenen, die sich auf Mahlzeiten beziehen. Verzierte Becher mit mechanischen Teilen, die sich bewegten oder Trinkspiele hervorbrachten, trugen zur Freude und Ehrfurcht bei, die diese Mahlzeiten vermitteln sollten. Am Hof Ludwigs XIV . ‚liefen‘ mechanische Spielzeuge über den Tisch, und wo immer beispielsweise die Gestalt einer berittenen Diana anhielt, musste der zunächst sitzende Teilnehmer den 127

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Wein aus dem Bauch von Dianas Hirsch trinken.8 Durch die Verleihung solcher Objekte als Geschenk an bevorzugte Gäste konnte die Reichweite solcher Botschaften der Dominanz weiter erhöht werden. Zudem ermöglichten Geschenke dem Geber oder Empfänger, virtuell anwesend, obwohl physisch abwesend zu sein (Abb. 3).9 Auch das Servieren des Essens bei Hofe war eine Aufführung der hierarchischen Verhältnisse. Essordnungen legten fest, wer täglich an welchen Tischen essen durfte, wie viele Gerichte jedes Amt erhalten sollte und welche Sorten an Wein, Bier und Brot. Eine solche Ordnung aus Brandenburg-Preußen von 1652 besagt, dass die unteren Bediensteten abzuwarten hätten, bis die kurfürstliche Familie ihren ersten Gang beendet hat, worauf die Gerichte in die Küche zurückzubringen, aufzufrischen und aufzuwärmen seien, um anschließend an den nach der Hofhierarchie nächsten Tischen serviert zu werden und so fort.10 In anderen Fällen, wie beispielsweise in Ferrara im 16. Jahrhundert, war die Abfolge der Verteilung der Reste vom Tisch des Herrschers eine weithin sichtbare Zeremonie, weil der Herrscher „imbued that food with his [or her] power“.11 Die meisten Aspekte der Mahlzeiten waren ephemer. Bis zum 18. Jahrhundert gab es in Europa keine ausgewiesenen Speisesäle und die Tische (oder einfach Bretter, je nach sozialem Status bei Hof ) und Stühle (oder Bänke) wurden für die Mahlzeiten aufgestellt und wieder entfernt, um die großen Säle zwischen den Mahlzeiten für andere Zwecke nutzen zu können. Selbst feinste Silber- und Goldwaren konnten umgestaltet werden, wenn sich die Mode änderte, oder wurden gar eingeschmolzen, wenn die Edelmetalle gebraucht wurden, um andere Kosten (etwa in Kriegszeiten) zu decken.12 Die Lebensmittel wurden selbstverständlich konsumiert und dabei auch kunstvolle Dekorationen aus Zucker (wie Tischskulpturen oder, in einem dokumentierten Fall, Zuckerkronleuchter) nicht verschont.13 Was jedoch die Dauerhaftigkeit der mit diesen Mahlzeiten zusammenhängenden Botschaften und deren ‚Reichweite‘ wirkungsvoll erhöhte, war die Druckkultur. Dank gedruckter und handschriftlicher Festbeschreibungen (sowie ausländischer Gesandter) konnte das Publikum der Bankette sogar ziemlich weit entfernt sein. Ken Albala hat argumentiert, dass nur jene Herrscher, die etwas zu beweisen hatten, sich auch bemühten, ihre Esskultur zu veröffentlichen, um so ein Bild von Macht und Status zu projizieren.14 Wenn die Botschaft des Banketts oder der Status des Herrschers in irgendeiner Weise umstritten waren, wurden Festbücher veröffentlicht und an andere Höfe verteilt, um die gewünschte Botschaft zu bekräftigen. Auch Helen Watanabe-O’Kelly, die herausragende Kennerin der europäischen Festliteratur, hat die Beobachtung gemacht, dass das Publikum für das Essen selbst zwar die Anwesenden (sowohl die Untertanen wie auch den Hof besuchende Würdenträger), das Publikum der Festliteratur, die das Essen bei Hofe ​​detailliert beschreibt, jedoch in 128

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der Regel auswärtige Höfe waren. Dies wird durch die hohe Anzahl an Festbüchern belegt, die nicht in der Muttersprache des geschilderten Hofes verfasst sind.15 Die Beschreibungen schufen dann eine dauerhafte, aber idealisierte Aufzeichnung dessen, was der ‚Herausgeber‘ (also der herausgebende Herrscher oder Hof ) über das Festessen verbreitet wissen wollte. Festbeschreibungen stellen das Essen in den Kontext anderer zeremonieller Kunstformen wie Musik, Tanz, Theater, Skulptur, Malerei und Architektur. Zusammen mit dem Essen beschrieben die Bücher Festelemente wie Feuerwerk, Gottesdienste, allegorische Theaterstücke, temporäre Architekturen usw., die häufig thematische Überschneidungen zwischen den verschiedenen Medien aufwiesen. So wurde etwa der Festeinzug von Karl IX . von Frankreich und der Caterina de’ Medici in Bayonne 1565, wo sie Elisabeth von Valois begegneten, unter einem pastoralen Thema zelebriert, das in das Bankett aufgenommen wurde, bei dem die Kellner als Hirten und Hirtinnen verkleidet waren.16 Die Festbeschreibungen vermittelten in erster Linie emblematische Referenzen und die Hierarchie der Teilnehmenden. Sehr selten beschreiben sie tatsächlich Lebensmittel, aber auch diese hatten eine soziale Bedeutung. Humorale Diätetik, Ökonomie und andere Messwerte bestimmten, ob ein Lebensmittel für einen König geeignet war. Offensichtlich zeigten seltene und exotische Lebensmittel bei Tisch, dass ein Herrscher über die Mittel und Verbindungen verfügte, um sie zu beschaffen. Aber auch andere Faktoren – etwa die Ernährungstheorie – beeinflussten die Bedeutung des Lebensmittels. Frühneuzeitliche Herrscher sollten nicht gesehen werden, wie sie schwere Handarbeit verrichten, und in ähnlicher Weise diktierte die galenische Humoral-Theorie, dass sie feinere Lebensmittel zu sich nehmen sollen, die ihrem Rang und der leichteren körperlichen Arbeit entsprechen, darunter etwa Singvögel. Ganz allgemein waren Lebensmittel, die näher an der Erde wachsen oder dort leben (z. B. Knollen und Schweine), nicht so elitär wie solche, die dem Himmel näher sind (etwa Baumfrüchte und Vögel).17 Auch Weine wurden unter Berücksichtigung humoraler Klassifikationen ausgewählt.18 Als Überbleibsel des mittelalterlichen Hofessens blieb jedoch auch Wild – da die Jagd ein ausschließlich adeliges Privileg war – ein Charakteristikum herrscherlicher Mahlzeiten, insbesondere in den stärker bewaldeten Gebieten Nordosteuropas. Obwohl die Überraschungen und Freuden des Essens auf übernatürliche Kräfte hindeuteten, erforderten sie in Wirklichkeit das Können und die Arbeit von Köchen und Versorgern. Tatsächlich gehörten Hofküchenmeister zu den bestbezahlten Hofbeamten, und sie konnten, ihrem Ansehen und Rang entsprechend, dem ganzen Hof Prestige verleihen. Der ‚Kochbuchautor‘ Bartolomeo Scappi schreibt, dass eine gut ausgestattete und zweckdienliche Küche eines der Kennzeichen eines angesehenen 129

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Hofes sei, und sein Buch lieferte anderen Hofköchen zugleich eine maßgebliche Liste der Werkzeuge, die für die ordnungsgemäße Einrichtung der Hofküche erforderlich waren.19 François Vatel, der maître d’hotel des Prinzen von Condé, hatte den auf ihm lastenden Druck, der darin bestand, Essen für den König und die Höflinge zuzubereiten, so sehr verinnerlicht, dass er sich in sein Schwert stürzte, als er dachte, dass der vorhandene Fisch für das Abendessen nicht ausreicht.20 Oder mit anderen Worten: Den größten Beitrag zur Durchführung der Mahlzeiten der Herrschenden lieferten nicht irgendwelche Technologien, sondern die – oft unsichtbaren – Arbeiten von Menschen. Der Verzehr von Nahrungsmitteln verändert den Körper des Konsumenten – und ein Herrscher war hier keine Ausnahme. Das Körperbild des Herrschers in seinem Verhältnis zum Essen und Trinken war ein Anliegen von öffentlichem Interesse und ein Punkt potenzieller Stärke oder Schwäche. Die Trope vom fetten König war ein Kennzeichen der Barockästhetik – der Zugang zum Konsum und das Speichern von Fett im Körper signalisierten ungewöhnlichen Reichtum. Auch ein Herrscher war jedoch nicht gegen die negativen Auswirkungen des Übergenusses gefeit. August der Starke (1670–1733) etwa konsumierte Essen und Trinken in solch großen Mengen, dass seine Ärzte ihm im Alter von 24 Jahren rieten, sich streng diätetisch zu ernähren, um gesundheitliche Probleme zu vermeiden.21 Auch zeigten Herrscher der frühen Neuzeit eine Neigung zur Gicht, die wahrscheinlich durch eine Ernährungsweise verstärkt wurde, die reich an rotem Fleisch und Alkohol war.22 Tatsächlich wurde die Gicht bestimmter Herrscher als Grund für einige ihrer schwerwiegendsten Fehltritte herangezogen, so etwa für die militärische Niederlage Kaiser Karls V., als er 1552 aufgrund eines Gichtanfalls in Metz außer Gefecht gesetzt wurde.23 Einige Forscher verbinden diesen Gichtanfall sogar mit Karls Entscheidung, kurz darauf abzudanken.24 Außerdem konnte übermäßiger Genuss ein Kritikpunkt an frühneuzeitlichen Herrschern oder an den Sozialstrukturen sein, denen sie vorstanden. Volksfeste wie die zu Weihnachten oder Karneval brachten die etablierte Hierarchie, wenn auch nur vorübergehend, aus ihrem Gleichgewicht, wenn die Rolle des Königs (oder Abtes oder eines anderen relevanten Herrschers) mit der des Bauern vertauscht werden konnte.25 Bevor es aus dem England der Tudor verbannt wurde, war das weihnachtliche „Feast of Fools“ von einem „Lord of Misrule“ angeleitet worden, dessen notorische Korpulenz auf den fetten Herrscher alludierte. Edward Muir interpretiert Pieter Bruegels Kampf zwischen Fasching und Fasten von 1559 als Widerstreit zwischen dem „Fest der Narren“ und der Selbstbeherrschung der Fastenzeit, der zwar die Formen höfischer Essgewohnheiten annehmen konnte, aber vor allem als Kritik von Reformen am Überkonsum selbst in den höchsten Gesellschaftsschichten gemeint war.26 130

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Abb. 4: Jacob Jordaens: Fest des Bohnenkönigs, um 1640/45, Öl auf Leinwand (Wien, Kunsthistorisches Museum).

Auch Jacob Jordaens moralisierendes Genrebild Fest des Bohnenkönigs (um 1640/45) fängt meisterhaft die groteske Orgie des Überkonsums ein, die traditionell mit dem flämischen Volksfest am Dreikönigstag verbunden ist (Abb. 4). Mit dem Aufstieg der Trope vom „Soldatenkönig“ im 18. Jahrhundert tauchte auch ein neuer idealer Körpertyp des Herrschers auf: der des dünnen Königs. Im Englischen ist mit dem Wort „regime“ tatsächlich sowohl eine Regierungsperiode wie auch eine kontrollierte Ernährungsweise gemeint. Nach dem Oxford English Dictionary ist die letztere Bedeutung drei Jahrhunderte älter als die erste, was auf einen grundsätzlichen Zusammenhang von körperlicher und staatlicher Kontrolle hindeutet.27 Im 18. Jahrhundert gibt es sehr bekannte Beispiele für dünne Könige – etwa Friedrich der Große von Preußen oder Georg III . von England –, die für Einfachheit und Kargheit plädierten. Friedrich der Große kritisierte sogar die mutwillige Extravaganz seiner Vorfahren.28 Aber auch die Körper dieser dünnen Herrscher waren 131

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Abb. 5a und 5b: Links: James Gillray: A Voluptuary under the Horrors of Digestion (Georg IV.), London: Hannah Humphrey 1792 (New York, Metropolitan Museum of Art); rechts: James Gillray: Temperance enjoying a Frugal Meal (Georg III. und Charlotte von Mecklenburg-Strelitz), London: Hannah Humphrey 1792 (New York, Metropolitan Museum of Art).

offen für Kritik – als Metaphern oder Verkörperungen der Sparsamkeit im weitesten Sinne. Der Karikaturist James Gillray persiflierte sowohl Georg IV . wie auch Georg III . von England: ersteren für seine Korpulenz und ausschweifenden Genuss, zweiteren für seine eher hagere Statur und maßvollen, nur aus Eiern und Sauerkraut bestehenden Essgewohnheiten (Abb. 5a und 5b).29 Das grundlegende Spannungspotential im Hinblick auf das Essen und Trinken eines Herrschers bestand darin, dass einerseits ein gesunder Appetit und eine Fülle an Nahrungsmitteln als Zeichen einer robusten Persönlichkeit und einer florierenden lokalen Wirtschaft und Landwirtschaft galten, später jedoch gerade diszipliniertes, moderates Essen und Trinken mit einer gemessenen und vernünftigen Regierungsführung assoziiert wurde. Das Essen war für einen Herrscher aber auch in anderer Hinsicht ein Moment physischer Verwundbarkeit, weil Herrscher immer der Gefahr einer Vergiftung ausgesetzt waren. Arbeitsverträge für Küchenangestellte reflektieren diese Unsicherheiten, indem sie beispielsweise Maßnahmen zur Überwachung und zur Verhinderung des Kontakts von Außenstehenden mit den für den König bestimmten Nahrungsmitteln vorsehen. Es gab Hunderte von Händen, die mit dem Essen und Trinken zu tun hatten, das für die Herrschenden bestimmt war, und höfische Arbeitsver132

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träge enthielten Klauseln, um zu verhindern, dass Außenstehende in die Nähe der höfischen Nahrungsmittel kamen.30 Herrscher von August dem Starken bis Ludwig XIV . waren zeitweise regelrecht paralysiert von ihrer gar nicht mal so paranoiden Angst, vergiftet zu werden.31 Königliche Verkoster waren beim Essen des Herrschers allgegenwärtig und verwendeten spezielle Schalen, mit denen Gift durch die sogenannte Salva-Zeremonie aufgespürt werden konnte.32 Natürlich waren Art und Inhalt des Essens und Trinkens der Herrschenden je nach Zeit und Ort verschieden, aber es gibt nur wenige wirklich bedeutende Einschnitte oder klare stilistische Zäsuren. Die stark gewürzten Aromen von Renaissance-Banketten ähnelten in vielerlei Hinsicht den mittelalterlichen. Diese machten dann dem barocken Bankettstil mit seiner größeren Auswahl an Speisewerkzeugen – wie der Gabel und bestimmten Tellern und Gefäßen für bestimmte Lebensmittel – Platz. Durch den Ausbau der Handelsnetzwerke tauchten nach und nach neue Lebensmittel auf den europäischen Königstischen auf. Zucker, einst als Gewürz in der europäischen Eliteküche verwendet, wurde mit dem Ausbau der Zuckerplantagen zu einem hervorragenden Bestandteil höfischer Ernährung.33 Auch wurden spezielle Rituale und Geräte für den neuartigen Konsum von Tabak, Schokolade, Tee und Kaffee eingeführt, was zugleich zu neuen Formen der Sozialisation und einer geschlechtsspezifischen Raumteilung führte.34 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Art und Weise, wie ein frühneuzeitlicher europäischer Herrscher aß und trank, Bände über sein kulturelles Erbe und seine politischen Ambitionen sprach. Die Ernährungsweise des Herrschers war eine potenzielle Stärke und eine potenzielle Schwäche. Das Essen in Anwesenheit des Herrschers erforderte die strikte Einhaltung sowohl schriftlich kodifizierter wie auch ungeschriebener Regeln in Bezug auf Handwäsche, Tischdekoration, Musik und sogar das Timing des Schluckens und Kauens – und all dies kennzeichnete den Platz eines Jeden in der Hofgesellschaft und die Position des Herrschers als davon unterschieden. Doch wie der abschließende Auszug aus Shakespeares Hamlet zeigt: Obwohl die Art des Essens den Herrscher auszeichnet, ist Essen doch ein universelles Bedürfnis; alle Lebewesen essen und ihr Körper ist von diesem Verzehr betroffen. Was Shakespeare durch Hamlet so deutlich zum Ausdruck bringt, ist die Tatsache, dass sowohl das Essen wie auch der Tod Mittel waren, um soziale Unterschiede endgültig zu egalisieren: King: Hamlet: King:

Now, Hamlet, where’s Polonius? At supper. At supper? Where? 133

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Hamlet: Not where he eats, but where he is eaten: a certain convocation of politic worms are e’en at him. Your worm is your only emperor for diet: we fat all creatures else, to fat us; and we fat ourselves for maggots: Your fat king, and your lean beggar, is but variable service; two dishes, but to one table; that’s the end.35 Übersetzt aus dem Englischen von Jörge Bellin

Auswahlbibliographie

Ken Albala: The Banquet: Dining in the Great Courts of Late Renaissance Europe, Urbana 2007. B. Michael Andressen: Barocke Tafelfreuden: Tischkultur an Europas Höfen, Niedernhausen 2001. Ilsebill Barta-Fliedl/Andreas Gugler/Peter Parenzan: Tafeln bei Hofe: zur Geschichte der fürstlichen Tafelkultur, Hamburg 1998. Sergio Bertelli: The King’s Body: The Sacred Rituals of Power in Medieval and Early Modern Europe, University Park (Pa.) 2001. Peter C. D Brears: All the King’s Cooks: The Tudor Kitchens of King Henry VIII at Hampton Court Palace, London 1999. Allen J. Grieco: Medieval and Renaissance Wines: Taste, Dietary Theory, and How to Choose the Right Wine (14th–16th Centuries), in: Mediaevalia 30 (2009): 15–42. Helen Watanabe-O’Kelly: The Renaissance Festival Book, in: Renaissance Festival Books, British Library Treasures in Full. https://www.bl.uk/treasures/festivalbooks/festbookshist.html (abgerufen am 07.12. 2020). Barbara Ketcham Wheaton: Savoring the Past: The French Kitchen and Table from 1300 to 1789, Philadelphia 1983.

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Anmerkungen 1 Anonymes englisches Kinderlied, vgl. dazu Iona Opie/Peter Opie (Hg.): The Oxford Dictionary of Nursery Rhymes, Oxford/New York 1997, 470 f. 2 Giovanni de’ Rosselli: Epulario, Or the Italian Banquet Wherein is Shewed the Maner how to Dresse and Prepare all Kind of Flesh, Foules Or Fishes. as also how to make Sauces, Tartes, Pies, &c. After the Maner of all Countries. with an Addition of Many Other Profitable and Necessary Things. Translated Out of Italian into English, London: Printed by A[dam] I[slip] for William Barley, and are to bee sold at his shop in Gratious street, neere Leadenhall, 1598, [8]. (https://www.proquest.com/eebo/ docview/2248568347/Sec0016) 3  Johann Sigismund Elsholtz: Diaeteticon, das ist Newes Tischbuch oder Unterricht von Erhaltung guter Gesundheit durch eine ordentliche Diät, Cölln an der Spree 1682, [o. S.]. 4  Mary Douglas: Deciphering a Meal, in: Daedalus 101/1 (Januar 1972), 61–81, sowie Stephen Mennell: All Manners of Food: Eating and Taste in England and France from the Middle Ages to the Present, Oxford/New York 1985. 5  Norbert Elias: Court Society, translated by Edmund Jephcott, New York 1983. 6 Vgl. Duc de Louis de Rouvroy Saint-Simon: Memoirs of Louis XIV and His Court and of the Regency – Complete, trans. by Bayle St. John, in: Project Gutenberg ebook, produced by David Widger, 2006, vol. 6, chapt. X X XIX . https://www.gutenberg.org/cache/epub/3865/pg3865-images.html (abgerufen am 07.12.2020). Übersetzt ins Deutsche von Jörge Bellin. 7 Ebd. 8  Peter Metz: Ein automatisches Tafelspielzeug der Renaissance, in: Jahrbuch der Berliner Museen 12 (1970), 8. 9 Siehe dazu etwa Maureen Cassidy-Geiger: European Diplomatic Gifts, Sixteenth-Eighteenth Centuries: Guest Editor’s Introduction, in: Studies in the Decorative Arts 15/1 (2007), 2–3, und weitere Beiträge in dieser Sonderausgabe sowie Barbara Stollberg-Rilinger: Zur moralischen Ökonomie des Schenkens bei Hof, in: Werner Paravacini (Hg.): Luxus und Integration. Materielle Hofkultur West-

europas vom 12. bis zum 18. Jahrhundert, München 2010, 187–204. 10  Hessisches Staatsarchiv Marburg, Bestand 117: Politisches Archiv des Fürsten Georg Friedrich, Nr. 89. 11  Sergio Bertelli: The King ’s Body: The Sacred Rituals of Power in Medieval and Early Modern Europe, University Park (Pa.) 2001, 197. 12  Valerie Taylor: Banquet Plate and Renaissance Culture: A Day in the Life, in: Renaissance Studies 19/5 (2005), 621–633. 13  Michelangelo Buonarroti/Giorgio Marescotti: Descrizione delle felicissime nozze della cristianissima maestà di madama Maria Medici regina di Francia e di Nauarra. Di Michelagnolo Buonarroti, Firenze: Appresso Giorgio Marescotti 1600, 18, sowie La tresadmirable, tresmagnificque, [et] triumphante entree, du treshault [et] trespuissant Prince Philipes, Prince d’Espaignes, filz de Lempereur Charles V e, ensemble la vraye description des spectacles, theatres, archz triumphaulx [et]c. lesquelz ont este faictz [et] bastis a sa tresdesiree reception en la tresrenommee florissante ville d’Anuers. Anno 1549, Antwerpen: Pieter Coecke van Aelst 1550, [105]. https://www.bl.uk/ treasures/festivalbooks/BookDetails.aspx?str Fest=0116 (abgerufen am 14. 01. 2021). 14  Ken Albala: The Banquet: Dining in the Great Courts of Late Renaissance Europe, Urbana 2007. 15  Helen Watanabe-O’Kelly: The Renaissance Festival Book, in: Renaissance Festival Books, British Library Treasures in Full. https://www.bl.uk/treasures/festivalbooks/festbookshist.html (besucht am 07.12.2020). 16  Olivier Codoré/Michel de Vascosan: Recueil des choses notables qui ont esté faites à Bayonne, à l’entreueuë du roy treschrestien neufieme de ce nom, [et] la royne sa treshonoree mere, auec la royne catholique sa soeur, Paris 1566. British Library 286.i.2. Besucht über die Renaissance Festival Books, British Library Treasures in Full. https:// www.bl.uk/treasures/festivalbooks/BookDetails. aspx?strFest=0026 (abgerufen am 15.12.2020). 17  Ken Albala: Eating Right in the Renaissance, Berkeley 2002. 18  Allen Grieco: Medieval and Renaissance Wines: Taste, Dietary Theory and How to Choose the ‘Right’

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Wine (14th–16th Centuries), in: Mediaevalia 30 (2009), 15–42. 19  Deborah Krohn: Food and Knowledge in Renaissance Italy: Bartolomeo Scappi’s Paper Kitchens, London 2018. 20  Vgl. dazu die Briefe der Madame de Sévigné: Madame de Sévigné in Paris an Madame de Grignan (ihre Schwiegertochter) in Grignan, Provence, Friday, 24 April 1671. 21  Mario Süssenguth: Der kulinarische König. Essen und trinken wie August der Starke, Berlin 2004, 14. 22  Roy Porter/George Sebastian Rousseau: Gout: The Patrician Malady, New Haven/London 2000. 23  Ligaya Mishan: Once the Disease of Gluttonous Aristocrats, Gout Is Now Tormenting the Masses, in: The New York Times, 13. November 2020, sec. T Magazine, https://www.nytimes.com/2020/ 11/13/t-magazine/gout-tormenting-masses.html (abgerufen am 17.12.2020). 24 Jaume Ordi u. a.: The Severe Gout of Holy Roman Emperor Charles V, in: The New England Journal of Medicine 355/5 (2006), 516–520. Vgl. dazu auch den Beitrag von Bernhard Seidler zu „Kranksein und Leiden“ in diesem Band, 214–238. 25  Natalie Zemon Davis: Society and Culture in Early Modern France: Eight Essays, Stanford 1975, 75. Zemon Davis argumentiert dahingehend, dass Karneval nicht nur eine Gelegenheit war, um von Stress zu entlasten, sondern auch um Protest zu artikulieren.

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Edward Muir: Ritual in Early Modern Europe, Cambridge/New York 1997, 84. 27  Art. „Regime, n.“, in: OED Online (Oxford University Press). http://www.oed.com/view/Entry/161266 (abgerufen am 19.10.2020). 28 Frederick II (King of Prussia): Memoirs of the House of Brandenburg: From the Earliest Accounts, to the Death of Frederick I. King of Prussia, J. Nourse: 1751, 156–157. 29  Nancy Siegel: Feeding the Body Politic: Culinary Satire in the Reign of George III , Vortrag beim Institute of Historical Research Food History, 10. November 2020. https://youtu.be/-Pl1 HHO rxzs (abgerufen am 18.12.2021). 30  Siehe hierzu etwa die Anstellungsverträge der „Beischenken“ in den Palästen von Cleve und Königsberg in den 1640er Jahren: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. Rep. 36 991. 31  Anne Somerset: The Affair of the Poisons: Murder, Infanticide, and Satanism at the Court of Louis XIV, London 2004. 32  Valerie Taylor: Designed for Living: Silver at the Gonzaga Court of Mantua (1400–1600), Vortrag auf der Renaissance Society of America-Konferenz in San Diego (CA) 2013. 33  Sidney Mintz: Sweetness and Power: The Place of Sugar in Modern History, New York (N.Y.) 1985. 34  Amanda Vickery: Behind Closed Doors in Georgian England, New Haven 2009. 35  William Shakespeare: Hamlet, in: The Works of William Shakspere, ed. by Charles Knight, Vol. II , London 1875, 267. 26 

Christina Posselt-Kuhli

h. Handwerkliches und künstlerisches Produzieren

Die Bedeutung der Kunst für die Repräsentation des Herrschers stand zu allen Zeiten außer Frage, die Unterstützung von Künstlern war dem Image des klugen und gebildeten Regenten förderlich. Für diese Herrschaft stabilisierende Intention scheinen zunächst Mäzenatentum und Kunstsammeln zu genügen, um die positive Wirkung von Kunst  – ihre friedensstiftende und zivilisatorische Kraft, ihre Bedeutung für das Gemeinwohl  – für die eigene Herrschaft zu reklamieren. Aus der Perspektive des souveränen Herrschers zumal scheint allenfalls die lenkende Kompetenz bei der künstlerischen Produktion den staatspolitischen Aufgaben angemessen. Bereits in Kaiser Maximilians I. Anfang des 16. Jahrhunderts entstandener hagiographischer Biographie Weißkunig wird auf diese Weise das Ideal eines allseitig gebildeten und

Abb. 1: Hans Burgkmair d. Ä.: Maximilian I. im Atelier des Malers, um 1514–1516, Holzschnitt (Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett).

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künstlerisch tätigen Fürsten vorgestellt, so wie es später durch Castigliones Libro del Cortegiano 1528 kanonisch werden sollte.1 Der hinter dem Maler im Atelier stehende Weißkunig legt dem Künstler eine Hand auf die Schulter, inspiriert und leitet ihn an zu dem Bild, das er auf die Leinwand bannt (Abb. 1). Maximilians Sekretär Marx Treitzsaurwein berichtet darüber hinaus jedoch noch von weitreichenden Kenntnissen des Kaisers in den sieben freien Künsten sowie in der Malerei, der Steinbaukunst und im Zimmerhandwerk. Damit verband sich ein konkreter Nutzen, denn als „Kriegsherr vermag der Weißkunig strategisch zu planen, als Architekt lässt er im ganzen Reich Gebäude ‚nach seinem angeben‘ errichten, als kunstvoller und erfindungsreicher Konstrukteur ersinnt er neue Eroberungstechniken, die er ‚gegen seinen veindn gebpraucht, und Ime albeg zu grossem Nutz kumen sein‘, und als Handwerker erfindet er schließlich ‚vil Newer kunst, die allen anndern verporgen waren‘“.2 Die Holzschnitte Hans Burgkmairs zu Maximilians alias Weißkunigs künstlerischen und handwerklichen Tätigkeiten visualisieren jedoch das Problem konkreter Autorschaft, das sich generell im Kontext des herrscherlich handwerklichen und künstlerischen Schaffens stellt. Die Frage nach Authentizität bleibt dabei nicht selten schwierig zu beantworten, was nicht zuletzt ein Problem der Quellenlage ist. Auch eine Repräsentation bei aktiver Kunstausübung ist eher selten und wirkt meist attributiv. So lässt sich zwar eine konkrete künstlerische Tätigkeit, die händisches Geschick verlangt, durchaus als self-fashioning und Habitus vieler Fürsten beobachten. Allerdings wurde weniger auf ein konkretes ästhetisches Ergebnis abgezielt als auf die dadurch erworbenen Kompetenzen, nämlich Konzentration, schnelles Erfassen, formales Verständnis und Beurteilungskompetenz. Dies wiederum war hilfreich sowohl für die Regierungsgeschäfte als auch in Fragen des eigenen Mäzenatentums – welche Künstler auszuwählen, welche Raumausstattung adäquat und welche Architekturpläne fördernswert waren. Auf allen Gebieten sollte der Fürst souverän sein. Dennoch bleibt der Status der Tätigkeit im Einzelfall zu bestimmen – wurde die Hand geübt zum Studium der genannten Fähigkeiten oder zur wirklichen Anwendung einer Kunst?

I. Architektur In der Sala di Cosimo I. im Palazzo Vecchio weisen gleich zwei um 1560 geschaffene Deckenmedaillons den Herrscher als Künstler aus. In dem einen erscheint Cosimo I. im Kreise seiner Architekten, Ingenieure und Bildhauer und ist selbst mit Zirkel und Winkelmaß ausgestattet (Abb. 2). Diese Attribute sind dem Herzog auch im Deckenfresko der Sala dei Cinquecento beigegeben, das Cosimo bei der Planung der Einnahme von Siena zeigt (Abb. 3). Doch während der Herrscher inmitten seiner 138

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Abb. 2: Giorgio Vasari: Cosimo I. umgeben von seinen Architekten, Ingenieuren und Bildhauern, um 1559, Öl auf Leinwand (Florenz, Palazzo Vecchio, Sala di Cosimo I).

Abb. 3: Giorgio Vasari und Jan van Straet: Cosimo I. bei der Planung zur Einnahme Sienas, 1563–1565, Öl auf Leinwand (Florenz, Palazzo Vecchio, Sala dei Cinquecento).

Künstler die Rolle des leitenden Ideengebers einnimmt und seine Rolle sowohl als gerechter Fürst wie auch als kompetenter Sachverwalter in Kunstdingen durch die Attribute Zirkel und Winkelmaß sowie seine Befehl gebende Geste als Bauherr der Festungsanlage Cosmopolis (Elba) zum Ausdruck gebracht werden,3 sitzt er in der anderen Darstellung allein über eine Zeichnung gebeugt. Die geistige Urteilskraft (die geistig-intellektuelle Kompetenz des disegno, dessen Bedeutung sowohl mit Zeichnung als auch mit Planung in Verbindung steht) und die daraus erwachsende Lenkungskraft des in der Architektur geschulten Fürsten erhalten hier noch weitere Dimensionen. In der Verbindung mit dem am Boden liegenden Brustpanzer schreibt sich Cosimo in den Topos von arma et litterae ein.4 So wird die vordergründig als künstlerisch-sinnierend zu bewertende Aktivität des Florentiner Herzogs in ein weiteres Bezugsfeld eingebunden, das stärker die staatsmännischen Bereiche, nicht zuletzt das Kriegswesen, alludiert. Generell lässt sich die künstlerisch tätige Hand des Fürsten nicht ohne die Wechselseitigkeit von dem Bestreben der Aufwertung der künstlerischen Tätigkeiten (als artes liberales) und dem künstlerisch tätigen Herrscher als Ausweis dieser Nobilitierung betrachten. Durch den theoretischen und literarischen Diskurs und die Vermittlung von Regeln in den künstlerischen Traktaten seit Beginn des 15. Jahrhunderts zunächst in Italien erhielt die bildende Kunst mehr und mehr den Rang einer auch intellektuellen Betätigung. Ebenso wie künstlerische 139

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und politische Dimensionen sind damit auch Hand und Geist aufs Engste miteinander verknüpft. Um dem Vorwurf zu begegnen, das einem Herrscher unwürdige Handwerk zu betreiben, konnte die künstlerische Tätigkeit in diesem Sinne ideell geprägt als Sinnbild der Regierungskunst (Gott als erster Künstler) beschrieben werden. Insbesondere auf dem Gebiet der Architektur wird der Auftraggeber häufig zum Urheber stilisiert, der seine gedankliche Konzeption auf den Architekten überträgt. Ebenso wurde die Qualität der Rekreation durch Kunst gewertet, die bereits den antiken Feldherren attestiert wurde. 1646 wird diese Würde und Nützlichkeit in einer Hofmeister-Instruktion für den Kurprinzen Ferdinand Maria von Bayern so formuliert: Es sei nicht wider die reputation eines fürssten, sondern demselben vilmehr ein Zierd und in allerley weg nuzlich, ia etlicher masß nothwendig […], das Er sich auf die Architectur, Mallerey, joeleria, Goldschmidt- und Stucatoarbeit, auch andere dergleichen mechanica verstehen thüe und nicht allein eins und anders mit seinen terminis technicis oder vocabulis artis nennen, sondern auch vernünfftig darvon iudicirn und es an statt einer recreation gebrauchen könde.5 Auch dynastisch konnte eine künstlerische Tätigkeit identifikatorisch eingesetzt werden und vermittelte bestimmte Tugend- und Wertvorstellungen. Diese Struktur des Verhältnisses zwischen Fürst und Künstler, die die Parallelität in der theoretischen Sachkenntnis und in der Übersicht der nötigen Mittel und Abläufe betont, vermittelt auch die fürstliche Literatur. So erklärt der französische Erzbischof und Prinzenerzieher François Fénélon in seinem Telemach dem Enkel Ludwigs XIV . und möglichen Thronfolger Duc de Bourgogne, dass ein König sein Genie durch Pläne und vorausschauende Ideen zeige und die Ausführung seiner Projekte geeigneten Männern überlasse. Darin sei er dem Architekten und dem Maler gleich.6 Die Dominanz des Geistig-Intellektuellen in der Parallelisierung von Herrscher und Künstler vermittelt auch die Fürstenspiegel-Literatur und Emblematik. Während Diego Saavedra Fajardo den Geist des jungen Fürsten mit einer leeren Leinwand vergleicht (in Abwandlung der antiken tabula rasa-Metapher),7 hebt Castiglione auf die Entwicklung einer Haltung ab. So sollte eine Tugend im Kanon mit den anderen Tugenden hervorstehen, gleich wie der Maler im Bild manche Partien im Licht erscheinen und andere im Schatten zurücktreten lasse.8 Ebenso lässt sich jedoch auch eine kompensatorische Perspektive ausmachen vor dem Hintergrund einer Prestigekonkurrenz durch einen bestimmten kulturellen Habitus.9 So ist Giovanni de’ Medici, illegitimer Sohn Cosimos I. , als Architekt an zahlreichen Projekten nachweislich beschäftigt gewesen: Nach einem Studium an der Accademia del Disegno finden sich ab 1590 diverse Entwürfe, die zum Teil auch realisiert wurden, so für die Fortezza Nuova im Hafen von Livorno oder für die Fassade von S. Stefano (Chiesa dei Cavalieri) in Pisa.10 140

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Verbale und zeichnerische Mitsprache bei Bauprojekten fand selbstverständlich auch Eingang in die absolutistische Herrschaftspraxis deutscher Fürsten. Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Kurfürst-Erzbischof Lothar Franz von Schönborn und August der Starke griffen durch eigenhändige Skizzen von Anfang an in den Planungsprozess ein.11 Besonders Friedrich II . leitete durch seine Anordnungen, Aufsicht und Eingriffe in die Planungen seiner Architekten maßgeblich die Umgestaltung von Potsdam (Stadtschloss, Schloss Sanssouci, Neues Palais) und Berlin (Oper, Hedwigskirche, Palais des Prinzen Heinrich). Neben eigenhändigen Zeichnungen (Grund- und Aufrisse), die seine Invention vor allem von Fassadenentwürfen vermitteln, gründete er seine Entscheidungen auf die Zeichnungen seiner Architekten, die er durch Anregungen aus einschlägigen Architekturtraktaten und Stichwerken korrigierte – ein nicht immer spannungsfreies Vorgehen mit selbstbewussten Architekten wie Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff.12 II . Drechseln

Messen, Maßhalten, Übung in Geduld – diese tugendhaften Eigenschaften wurden mit der Tätigkeit des Drechselns verbunden. Als drechselnde Herrscher sind u. a. Rudolph I. von Österreich, Kaiser Maximilian I., Erzherzog Ferdinand von Tirol, Kurfürst Maximilian I., Herzog Anton Ulrich, die sächsischen Kurfürsten oder Zar Peter I. bekannt. Da dem Drechseln, das an einer Drehbank vollzogen wurde, ein geometrischer Plan und die Programmierung einer Maschine zugrunde lag, konnte auch diese Tätigkeit neben handwerklichem Geschick besonders die geistigen Kompetenzen des Fürsten schulen. Das Geregelte, Geordnete, das vor allem das 18. Jahrhundert an der Mechanik insgesamt bewunderte,13 war zudem gut geeignet, um die Analogie zum Fürstenstaat zu bilden, ein ebenfalls geregeltes und regelhaftes Gebilde. Auch dem Bild von Gott als erstem Maler bzw. erstem Architekten wurde bereits im 16. Jahrhundert ebenfalls die Mechanik zur Seite gestellt, der Kosmos als nach Maß und Zahl geordnet imaginiert. So wie die Schöpfung der Welt als mechanisches Werk Gottes proklamiert wurde, so sei auch der Mensch als sein Ebenbild dazu erschaffen: „darum verlieh er ihm zum Geist auch die Hand, daß der Mensch Werkzeuge und Maschinen fertigen könne“.14 Die Vorstellung eines drechselnden Gottes lässt sich mit einem Gedicht Hans Webers aus dem Jahr 1589 (1683 durch den Kunstdrechsler Friedrich Kleinert in Nürnberg veröffentlicht) bis ins 18. Jahrhundert belegen. Neben Gott werden in den Versen auch drechselnde Herrscher erwähnt, die durch diese Engführung ihre Gottesebenbildlichkeit unter Beweis gestellt sehen konnten. Nach Gottes Vorbild konnte das Drechseln schließlich auch als eine Tätig141

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Abb. 4: Jean-Étienne Liotard: Prinzessin Karoline Luise von Baden, 1745, Pastell auf ­Pergament (Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle).

keit zur Veredelung der unvollkommenen Natur gedeutet werden.15 So lassen sich diverse gedrechselte Stücke in fürstlichen Kunstkammern finden, deren Signaturen den Herrscher als Künstler ausweisen.16 III . Zeichnen/Malen

Der generelle Rechtfertigungszwang künstlerischer Produktion durch den Herrscher konnte auch im Falle des Zeichnens und Malens im Rückgriff auf die Antike eingelöst werden.17 So verweist Castiglione darauf, dass bereits antike Autoren das Zeichnen als Bestandteil des Unterrichts empfohlen hätten und somit diese Kunst seit alters her als ehrenhaft und nützlich bewertet wurde.18 Besonders der akademische Zeichenunterricht wurde im 18. Jahrhundert zu einem festen Bestandteil des Curriculums. Im Gegensatz zu den anderen Gebieten waren hier seit dem 18. Jahrhundert auch insbesondere weibliche Fürsten und Herrscherinnen aktiv. Besonders bekannt 142

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Abb. 5: Giovanni Battista Lampi: Maria Fjodorowna im Park von ­Pawlowsk, 1795, Öl auf Leinwand (Pavlosk, Palazzo-Museo).

für ihr zeichnerisches und malerisches Geschick, angeleitet durch berühmte Künstler wie Jean-Étienne Liotard, waren etwa Karoline Luise von Baden (Abb. 4) oder Erzherzogin Marie Christine.19 Nutzten Fürstinnen ihre Hände zur künstlerischen Tätigkeit, standen Kultiviertheit und Selbstdisziplin im Vordergrund  – Karoline Luise lässt es weder an Haltung und repräsentativem Beiwerk wie dem hermelingesäumten Mantel fehlen noch am selbstbewussten Blick zum Betrachter. Dabei erprobten Fürstinnen auch besondere Techniken wie das Pastell und das Aquarell, die Lackmalerei zur Verzierung von Möbeln sowie das Silhouettenschneiden.20 So wie bei den künstlerisch tätigen Fürsten der Konnex von Kunst und Herrschaft betont wurde, blieb auch bei den Frauen die Kunstausübung nicht rein privater Zeitvertreib. Besonders wenn die künstlerische Tätigkeit nicht alleine im Privaten, sondern unter Anleitung stattfand oder im Bild der „Öffentlichkeit“ überliefert wurde, konnte der performative Akt als Äquivalent anderer symbolischer Kommunikationsformen wie Zeremoniell und Prozessionen betrachtet werden.21 Wilhelmine Friederike Sophie von Preußen etwa engagierte sich nicht nur in der Ausstattung ihrer Eremitage in 143

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Bayreuth, sie lernte auch die Pastellmalerei unter Anleitung von Alexander Roslin und entwickelte auf diesem Gebiet auch Forschergeist und Experimentierfreude.22 Auch die russische Großfürstin Maria Fjodorowna vereinte mehrere künstlerische Begabungen. Ihr Porträt von Giovanni Battista Lampi, das sie im Park von Pawlowsk zeigt, rahmt ihre Ganzfigur in einer Achse zwischen einem Freundschaftstempel und einer Leier (Abb. 5). Sie selbst präsentiert mit ihrem Zeichenstift eine Serie von Silhouetten ihrer sechs Kinder – eine eigenhändige künstlerische Arbeit, die sie ihrem Ehemann Zar Paul I. 1790 zum Geburtstag schenkte. Dieser ist in der Büste auf dem Tisch repräsentiert. Ein weiterer dynastischer Hinweis, den sie durch ihre Kunstausübung pflegte, findet sich in der großen Jaspis-Kamee um ihren Hals. Die Großfürstin hatte dieses Stück, das das Bildnis ihrer Schwiegermutter Katharina II . als Minerva zeigt, eigenhändig geschnitten und der Zarin vermacht, das Motiv zudem mehrfach in Paste kopiert.23 Die fürstliche Hand führte den Stift oder Pinsel dabei häufig in nachahmender Tätigkeit, nur selten mit eigener Invention – wie etwa die Erfindung der Schabkunst durch Ludwig von Siegen. So sind von Graf Simon zur Lippe Werke nach niederländischen Meistern des 16. Jahrhunderts überliefert, von Friedrich Wilhelm I. diverse Porträts u. a. nach Rembrandt. Anhand der überlieferten Zeichnungsbücher von Friedrich Christian von Sachsen lässt sich sein Unterricht mit Johann Daniel Preißlers Schrift Die durch Theorie erfundene Practic (Nürnberg 1721–1725) nachvollziehen. Die frühesten Zeichnungen zeigen schematisch-geometrische Grundformen, die sich zu modellierten anatomischen Formen und schließlich zu menschlichen Figuren entwickeln. Friedrich Christian fertigte hernach auch Architekturzeichnungen und elaborierte Kompositionen von Frontispizen an, die neben der sicheren Hand auch das intellektuelle Rüstzeug veranschaulichen, das durch ikonographische Inhalte vermittelt wurde. Hand und Geist, Kreativität und Rekreation, Erfindungsreichtum und Imitatio – der handwerklich und künstlerisch tätige Herrscher konnte Hand und Kopf auf verschiedenste Weise gebrauchen. Welches Körperbild dabei dominierte – und vornehmlich in Fürstenspiegeln, Erziehungstraktaten und weit seltener in bildlicher Repräsentation vermittelt wurde – war sowohl abhängig von Begabung und Neigung, vor allem aber von machtpolitischen Strategien.

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Auswahlbibliographie

Annette C. Cremer/Matthias Müller/Klaus Pietschmann (Hg.): Fürst und Fürstin als Künstler. Herrschaftliches Künstlertum zwischen Habitus, Norm und Neigung (= Schriften zur Residenzkultur 11), Berlin 2018. Birte Frenssen: „… des großen Alexanders weltliches Königsscepter mit des Apelles Pinsel vereinigt“. Ikonographische Studien zur „Künstler/Herrscher-Darstellung“, phil. Diss. Univ. Köln 1995. Hans-Joachim Giersberg: Friedrich als Bauherr. Studien zur Architektur des 18. Jahrhunderts in Berlin und Potsdam, Berlin 1986. Wolfgang Kemp: „… einen warhhaft bildenden Zeichenunterricht überall einzuführen“. Zeichnen und Zeichenunterricht der Laien 1500–1870. Ein Handbuch (= Beiträge zur Sozialgeschichte der ästhetischen Erziehung, Bd. 2), Frankfurt a. M. 1979. Klaus Maurice: Der drechselnde Souverän. Materialien zu einer fürstlichen Maschinenkunst, Zürich 1985. Alexander Rosenbaum: Der Amateur als Künstler. Studien zu Geschichte und Funktion des Dilettantismus im 18. Jahrhundert (= humboldt-schriften zur kunst- und bildgeschichte XI), Berlin 2010.

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Anmerkungen Das unabdingbare ornamento des tugendhaften und gelehrten Hofmannes „è il saper disegnare ed aver cognizion dell’arte propria del dipingere“. Siehe Baldassare Castiglione: Il Libro del Cortegiano [1528], hg. von Walter Barberis, Turin 1998 (I, 49), 103. 2  Der Weiß Kunig: Eine Erzehlung von den Thaten Kaiser Maximilian des Ersten, herausgegeben aus dem Manuscripte der kaiserl. königl. Hofbibliothek von Marx Treitzsaurwein auf dessen Angeben zsgetragen, nebst d. von Hannsen Burgmair dazu verfertigten Holzschnitten, Wien 1775 (30), 76 (31), 77 und (48), 97. Zit. nach Alexander Rosenbaum: Der Amateur als Künstler. Studien zu Geschichte und Funktion des Dilettantismus im 18. Jahrhundert (= humboldt-schriften zur kunstund bildgeschichte XI), Berlin 2010, 35. Siehe auch Wolfgang Kemp: „… einen warhhaft bildenden Zeichenunterricht überall einzuführen“. Zeichnen und Zeichenunterricht der Laien 1500–1870. Ein Handbuch (= Beiträge zur Sozialgeschichte der ästhetischen Erziehung, Bd. 2), Frankfurt a. M. 1979, 39 f. 3 Rosenbaum 2010 (wie Anm. 2), 43 f. Die Attribute des Architekten sind ebenso diejenigen des gerechten Herrschers und auch der Personifikation des Giuditio beigegeben, den Cesare Ripa in seiner Iconologia 1603 als einen Mann auf einem Regenbogen sitzend entwirft. Die Vorstellung des Taktgebers kommt auch im Kontext des musizierenden Fürsten zur Anwendung  – so ist etwa Maximilian I. im Weißkunig der Mensurstab beigegeben, der zugleich den Kommandostab und damit die Feldherrnkompetenz alludiert. Vgl. hierzu Nicole Schwindt: „alle seitten spyel erlernt“. Maximilian I. zwischen inszeniertem und faktischem Musikertum, in: Annette C. Cremer/Matthias Müller/Klaus Pietschmann (Hg.): Fürst und Fürstin als Künstler. Herrschaftliches Künstlertum zwischen Habitus, Norm und Neigung (= Schriften zur Residenzkultur 11), Berlin 2018, 261–282. 4  Zu dem Topos ausführlich August Buck: Arma et litterae  – Waffen und Bildung. Zur Geschichte eines Topos, Stuttgart 1992. Aus den künstlerischen Traktaten des 15. Jahrhunderts lässt sich zudem das Wortfeld campo als wichtige Referenz miteinbezie1 

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hen. Campo bezeichnet sowohl den Malgrund als auch das Feld – im Sinne von Schlacht- oder Spielfeld bzw. dem Feld, auf dem man Ruhm erlangen kann. In den unterschiedlichen Konnotationen etwa bei Cennino Cennini, Benedetto Varchi oder Francesco Guicciardini, vgl. Matteo Burioni: Die Renaissance der Architekten. Profession und Souveränität des Baukünstlers in Giorgio Vasaris Viten (= Neue Frankfurter Forschungen zur Kunst, Bd. 6). Berlin 2008, 23–30. 5 Friedrich Schmidt: Geschichte der Erziehung der Bayerischen Wittelsbacher von den frühesten Zeiten bis 1750. Urkunden nebst geschichtlichem Überblick und Register (= Monumenta Germaniae Paedagogica, Bd. XIV ), Berlin 1892, 170. Besonders der Aspekt der Erholung wird den malerischen Erzeugnissen Friedrich Wilhelms I. zugesprochen, der unter einer schweren Gichterkrankung litt; vgl. Friedrich Wilhelm I. Der Soldatenkönig als Maler, hg. von der Generaldirektion der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci, Potsdam 1990; Rosenbaum 2010 (wie Anm. 2), 172–174. 6  „[…] celui qui a pensé tout l’édifice, & qui en a toutes les proportions dans sa tëte, est le seul architecte. […] Croyez-vous, Télémaque, qu’il faille moins d’élévation de génie & d’efforts de pensées pour faire un bon roi, que pour faire un bon peintre? Concluez donc que l’occupation d’un roi doit ëtre de penser, de former de grands projets, & de choisir les hommes propres à les exécuter sous lui.“ François Salginac de la Mothe Fénélon: Les aventures de Telemaque, fils d’Ulysse, London 1787, Liv. X XII , 336 f. Siehe auch Birte Frenssen: „… des großen Alexanders weltliches Königsscepter mit des Apelles Pinsel vereinigt“. Ikonographische Studien zur „Künstler/Herrscher-Darstellung“, phil. Diss. Univ. Köln 1995, 181. 7  Diego de Saavedra Fajardo: Idea de un principe politico christiano representada en cien empresas, München 1640, 7–15. 8  Castiglione 1998 (wie Anm. 1), Libro secondo, 128. 9  So nutzte Landgraf Moritz von Hessen-Kassel seine selbst angefertigten Architekturzeichnungen als Medium der Verortung und persönlichen Kar-

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tierung seiner auch nicht mehr beherrschten Lustschlösser und Gärten. Allerdings war diese Form der Einschreibung weniger politisch motiviert als persönlich im Sinne der Selbstvergewisserung und eigenen Verortung. Dazu Sebastian Fitzner: Zwischen Unterrichtung und künstlerischer Produktion. Überlegungen zur fürstlichen Architekturzeichnung im Alten Reich 1500–1700, in: Cremer/Müller/ Pietschmann 2018 (wie Anm. 3), 142–159; Rosenbaum 2010 (wie Anm. 2), 165 f. 10  Rosenbaum 2010 (wie Anm. 2), 49. 11 Hans-Joachim Giersberg: Friedrich als Bauherr. Studien zur Architektur des 18. Jahrhunderts in Berlin und Potsdam, Berlin 1986, 12–14. 12  Ebd. Eine Zusammenstellung der Zeichnungen Friedrichs II . sowie der in seinen Bibliotheken ehemals vorhandenen Architekturstichwerke im Katalogteil: 316–319 und 320–322. Siehe auch Rosenbaum 2010 (wie Anm. 2), 180. 13 Klaus Maurice: Der drechselnde Souverän. Materialien zu einer fürstlichen Maschinenkunst, Zürich 1985, 28. 14  Ebd., 16. 15  Rosenbaum 2010 (wie Anm. 2), 54. 16  Im Gegensatz zur reichhaltigen Objektüberlieferung sind Darstellungen drechselnder Souveräne eher selten. Eine Ausnahme bildet z. B. das Porträt des bayerischen Kurfürsten Max III . Joseph an der Drechselbank von J. J. Dorner d. Ä. (München, Schloss Nymphenburg). 17  Zum Zeichnen als Bestandteil der Erziehung französischer Könige vom 16.–18. Jahrhundert vgl. Kemp 1979 (wie Anm. 2), 41–50. 18  Castiglione 1998 (wie Anm. 1), Libro primo, 103 f. Als Beispiel führt er Konsul Fabius an, der

sogar öffentlich malte und seine Bilder im SaluteTempel ausstellte – ohne seine adelige Würde dadurch zu schmälern. 19  Zu Karoline Luise zuletzt umfangreich Christoph Frank (Hg.): Aufgeklärter Kunstdiskurs und höfische Sammelpraxis. Karoline Luise von Baden im europäischen Kontext, Ausst.-Kat. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe), Berlin/München 2015; zu Marie Christine vgl. Sandra Hertel: „Die Dame die den Brief zerreißt.“ Die Zeichnungen der Erzherzogin Marie Christine von Österreich (1742– 1798), in: Cremer/Müller/Pietschmann 2018 (wie Anm. 3), 219–328. 20  Rosenbaum 2010 (wie Anm. 2), 188 f. 21  Barbara Stollberg-Rilinger: Zeremoniell, Ritual, Symbol. Neue Forschungen zur symbolischen Kommunikation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung 27 (2000), 389–405; Ulrich Schütte: Wahrnehmung und Wissen. Enzyklopädische Kenntnisse und das Schloss der Fürsten um 1700, in: Berthold Heinecke (Hg.): Residenz der Musen. Das barocke Schloss als Wissensraum (= Schriften zur Residenzkultur 7), Berlin 2013, 34–52. 22  Vgl. dazu den Marquis D’Adhemar: GedenkLobrede auf die sehr hohe und sehr mächtige Fürstin Friedrike Sophie Wilhelmine, königliche Prinzessin von Preußen und Markgräfin von Bayreuth (1758), zit. in: Wilhelm Müller (Hg.): Im Glanz des Rokoko. Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth (= Archiv für Geschichte von Oberfranken 38). Bayreuth 1958, 9 f.; Rosenbaum 2010 (wie Anm. 2), 190/192. 23  Rosenbaum 2010 (wie Anm. 2), 216.

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„Die Geburt macht die Fürsten, aber nur eine gute Erziehung kann sie auch zum Regieren instandsetzen.“ Wirklicher Geheimer Rat Paul von Fuchs, Ansprache 1695 anlässlich der Einstellung Alexander von Dohnas als Erzieher Friedrich Wilhelms (I.) von Brandenburg-Preußen vor versammeltem Hofstaat.1

Angehende Herrscher oder Herrscherinnen sind außergewöhnliche Schüler. Ihre Erziehung dient dem denkwürdigen Zweck, sie auf eine Rolle vorzubereiten, welche ihnen dank ihrer Stellung in der Thronfolge und ihres fürstlichen Geblüts ohnehin gewiss ist: La royauté ne s’enseigne pas, elle se vit.2 Nichtsdestotrotz war der Unterricht von Prinzen und Prinzessinnen kaum überflüssig. Vielmehr offenbart die Bedeutung, welche im hier behandelten Zeitraum der Erziehung des königlichen Nachwuchses beigemessen wurde, ein doppeltes Verständnis der Herrscherrolle, nicht nur als Recht, welches sich von der fürstlichen Abstammung ableitete, sondern auch als Pflicht, die es bestmöglich zu erfüllen galt. In der bildlichen Tradition Europas ist Alexander der Große der Urtypus des fürstlichen Eleven. Mit der Bestellung keines Geringeren als des griechischen Gelehrten Aristoteles zum Lehrer seines Sohnes gelang es Philipp von Makedonien im 4. Jahrhundert v. Chr., den ersten bedeutenden Theoretiker der Kindeserziehung für sich zu gewinnen. In den Büchern VII und VIII der Politik formulierte Aristoteles seine einflussreiche Idee von den drei Phasen der Kindheit (vornehmlich von Jungen) und ordnete diesen jeweils ein altersgemäßes Erziehungsprogramm zu. Bis zum Alter von 5–7 Jahren empfahl er die Stärkung des kindlichen Körpers durch Bewegung und Abhärtung gegen Kälte, darüber hinaus ein Beschützen vor den Lastern der Erwachsenen. Der eigentliche Unterricht sollte daraufhin in zwei Phasen bis zur Pubertät und anschließend bis zum Alter von 21 Jahren erfolgen und beinhaltete Lesen und Schreiben, körperliche Ertüchtigung, Musik und Malerei. Nach Jahrhunderten relativer Stille erschienen seit dem 12. Jahrhundert vermehrt Texte, welche die Grundsätze und Methoden fürstlicher (und adliger) Erziehung besprachen. Unter diesen erfreute sich ein Traktat besonderer Beliebtheit, welcher die vermeintlichen Lektionen des Aristoteles an Alexander den Großen enthielt. Der 148

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Abb. 1: Der schlafende Alexander der Große, Aristoteles und zwei Ritter an seiner Seite, Malerei auf Pergament, aus: Pseudo-Aristoteles: Secretum secretorum, übersetzt von Philippus Tripolitanus, 1326/27 (London, British Library, Add MS 47680, fol. 61v).

Schlüssel zum Erfolg dieses sog. Secretum Secretorum scheint sein handbuchartiger Charakter gewesen zu sein, welcher ein breites Themenspektrum von Regierungsangelegenheiten bis hin zur Stein- bzw. Sternkunde oder körperlichen Belangen wie Gesundheit und Ernährung abdeckte. In einer reich ausgemalten englischen Handschrift aus dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts wird dem Betrachter jede Lektion in einer eigenen Vignette vor Augen geführt.3 Gemäß der apokryphen Tradition des Secretum Secretorum erscheint der lernende Alexander nicht mehr als Kind, sondern in Gestalt eines erwachsenen Mannes. Fol. 61v scheint eine langersehnte Unterbrechung des Unterrichts darzustellen: Der erschöpfte Herrscher ist in einem Bett eingeschlafen, welches seinem royalen Status gemäß mit teuren Blaupigmenten koloriert ist (Abb. 1). Doch der Schein der Ruhe trügt. Auch hier steht Aristoteles am Bettrand und wendet sich mit belehrender Geste an zwei beistehende Ritter. Selbst den untätigen, bewusstlosen Zustand gilt es bewusst ‚auszuüben‘, bergen doch beispielsweise auch verschiedene Schlafpositionen Vor- und Nachteile. 149

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Abb. 2: Master of the Royal Alexander: Alexander der Große in der Schule des Aristoteles, Malerei auf Pergament, aus: Le livre et la vraye hystoire du bon roy Alixandre, ca. 1420–1425 (London, British Library, Royal MS 20 B XX, fol. 10v).

Neben spezialisierten Traktaten spielten narrative Texte wie Historien, Heiligenviten oder frühe Romane mit ihren oft illustrierten Ausführungen über die Kindheit der Protagonisten ebenfalls eine wichtige Rolle in der Verbreitung gängiger Vorstellungen zur fürstlichen Erziehung.4 Als beispielhaft können hier die sog. Alexanderromane gelten, apokryphe Biographien Alexanders des Großen mit oft reicher Bebilderung. Eingangs erschien meist eine Darstellung des sich in die Lehre des Aristoteles begebenden jungen Alexander. Eine im frühen 15. Jahrhundert in Paris angefertigte Handschrift verlegt diese Szene in eine zeitgenössische Stube (Abb. 2). Auf einem großen Stuhl am linken Bildrand thronend ist der Gelehrte im Begriff, den Prinzen aus einem Buch zu unterweisen. In der rechten Bildhälfte sitzen drei weitere Knaben, ebenfalls in ihre Lektüre vertieft. Gemäß mittelalterlichem Brauch vollzieht sich die Erziehung des Fürstensohns nicht in Isolation, sondern in Gesellschaft und vor dem Publikum gleichaltriger Jungen aus dem Hochadel. Häufig illus150

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trierten Handschriftenmaler die Schule des Aristoteles, indem sie den König Philipp darstellten, wie er seinen Sohn in die Obhut des Aristoteles gibt; auch hier stets in Begleitung gleichaltriger Jungen.5 In der Pariser Handschrift jedoch scheint der Gelehrte geradezu selbst die Rolle des Vaters zu spielen. So steht der junge Prinz vor – beinahe zwischen – den gespreizten Beinen des Lehrers: eine Position, welche noch im Jahre 1609 der Erzieher des Dauphins Ludwig (XIII .) gegenüber seinem Schützling einnahm, freilich nicht ohne Aufsehen bei Hofe zu erregen. Pikiert vermerkte der Hofarzt Jean Héroard, dass der König höchstpersönlich den Knaben bei öffentlichen Auftritten zwischen seinen Beinen gehalten habe und allein hierzu berechtigt sei. Ihm zufolge war der körperliche Kontakt mit dem Thronfolger ausschließlich Mitgliedern des Königshauses vorbehalten.6 Auch der Verdacht der Sodomie haftete Lehrern nicht selten an.7 Entsprechend kompliziert stellte sich bei fürstlichem Nachwuchs auch die körperliche Züchtigung dar, welche zu den gängigsten Disziplinarmaßnahmen der frühneuzeitlichen Erziehung gehörte.8 Jenseits der Frage, ob solche Praktiken sich angesichts bedeutender Standesunterschiede ziemten, stellten Prügel ein Risiko für die körperliche Unversehrtheit der Prinzen dar, welche wiederum das oberste Gebot ihrer Erziehung war. Um diese zu gewährleisten, wurden allerhand Vorkehrungen getroffen. Am französischen Hof errichtete man beispielsweise Geländer um die Betten der Königskinder, um ihre Körper vor Stürzen zu bewahren und zugleich dem höfischen Publikum zu entrücken bzw. als wertvoll und beschützenswert zu inszenieren.9 Wie die Initialen „HR “ im vorderen Deckel des oben genannten Pariser Alexanderromans bezeugen, gehörte der Band einst dem englischen König Heinrich VIII . (reg. 1509–1547). Gerade dieser war erst durch den tragischen Tod seines älteren Bruders zum Thronfolger aufgestiegen und hatte daher auch eine andere Erziehung erhalten. Diese folgte mit ihrem neuartigen Fokus auf das Studium der Sprachen und der Autoren der klassischen Antike den gelehrten Idealen der europäischen Humanisten. Der königliche Erzieher John Holt (gest. 1504) maß dem Lernen alter Sprachen gar denselben Wert bei wie der Muttermilch und empfahl daher, möglichst früh hiermit zu beginnen. In seiner 1498/99 verfassten, Lac puerorum („Milch für Kinder“) betitelten lateinischen Grammatik empfahl er, den verschiedenen Zonen der Hand jeweils einen Kasus zuzuteilen und dadurch das Deklinieren von Nomen und Pronomen zu erleichtern. Der Daumen erhielt den Nominativ, der Zeigefinger den Genitiv usw. Der Daumenballen stand schließlich für den Ablativ. Zur Illustration dieser Methode fügte Holt seinem Werk drei Holzschnitte bei (Abb. 3). Es ist wahrscheinlich, dass er bei der Unterweisung Heinrichs ähnliche Methoden verwendete und dadurch den Körper des Prinzen zum Unterrichtsinstrument umfunktionierte. Führenden Humanisten wie Thomas More oder Erasmus von Rotterdam zufolge of151

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Abb. 3: Illustration zur Deklination von Pronomen. Holzschnitt aus John Holte: ­ Lac puerorum. Mylke for children, London 1510 (London, British Library).

fenbarte sich wahrer Adel nicht mehr allein durch Abstammung, sondern vor allem durch Tugenden und Bildung, welche es durch eine gründliche Erziehung zu kultivieren galt. So gab es in Mores idealer Gesellschaft Utopia „very few laws, for their training is such that very few suffice“.10 Im Laufe des 16. Jahrhunderts avancierte das von Erasmus u. a. in der Institutio principis Christiani (1516) propagierte Bildungsprogramm zum einflussreichsten Kurrikulum seiner Zeit und prägte nachweislich auch die Erziehung Heinrichs VIII .11 Freilich erforderte die Erziehung von Fürstenkindern das Lernen weitaus anspruchsvollerer Körpertechniken als jene in Holts Traktat. In seinem dem Prinzen Ladislaus V. von Ungarn gewidmeten Fürstenspiegel De liberorum educatione (1450) besprach Enea Silvio Piccolomini (der spätere Papst Pius II .) ausführlich das Thema der Körperhaltung und wie man verschiedenste Körperteile, selbst die Augen, kontrollieren soll. Diesem Rat lag der Glauben zugrunde, dass der Körper und seine 152

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Abb. 4: Giovanni Pietro da Birago: Massimiliano Sforza als Schüler mit seinem Erzieher Gian Antonio Secco, in: Ars Grammatica des Aelius Donatus, ca. 1496–1499 (Mailand, Biblioteca Trivulziana, Cod. Triv. 2167, fol. 13v).

Bewegungen Ausdruck der Seele seien und somit den Charakter einer Person offenbaren. Der Unterricht frühneuzeitlicher Tanzmeister zielte daher nicht nur darauf ab, im Ballsaal, sondern auch im höfischen Alltag Haltung und dadurch Adel zu verkörpern. Trotz aller Mühe musste dabei vor allem der Eindruck von Natürlichkeit entstehen, schließlich galten Anmut und Erhabenheit als dem Adel angeborene, standesgemäße Merkmale. Um sich diese Qualitäten anzueignen und sie zugleich zu demonstrieren, traten Mitglieder europäischer Fürstenhäuser schon als Kinder bei Theateraufführungen oder Balletten auf.12 Als Genreszene kaschiert wird dieser Gedanke ebenfalls in einer reich illuminierten Handschrift der Ars Grammatica des Donatus thematisiert, welche Ludovico „il Moro“ Sforza (1452–1508) für seinen Sohn Massimiliano herstellen ließ. Hier wird der bekannte Typus der Schulstube um die Figur eines fächerschwenkenden Kleinwüchsigen erweitert (Abb. 4). An italienischen Renaissancehöfen dienten sog. „Zwerge“ vor allem der Repräsentation und Unterhaltung. Da sie als lasterhafte Krea153

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Abb. 5: Johann Jakob Dorner d. J.: Kurfürst Max III. Joseph an der Drechselbank, 1765, Öl auf Leinwand (München, Bayerische Schlösserverwaltung, Schloss Nymphenburg).

turen angesehen wurden, galten sie als besonders eindrückliche Beispiele der neuplatonischen Idee vom Körper als einem Spiegel der Seele, der Erscheinung als einem Abbild der inneren Natur. Hier mag die Gegenüberstellung von kleinwüchsiger Gestalt und halbwüchsigem Fürstensohn auf die geistig-moralische Überlegenheit des letzteren hinweisen, welcher durch eine angemessene Erziehung – nicht zuletzt das Studium der Grammatik – zur Blüte verholfen werden sollte. Da der junge Massimiliano Sforza nicht nur nach Kaiser Maximilian I. umbenannt worden war, sondern in den späten 1490ern auch zu dessen Mündel wurde, ist ein Einfluss seiner reich bebilderten Schullektüre auf die etwas später entstandenen autobiographischen Veröffentlichungen des Kaisers anzunehmen. Vor allem die Holzschnitte zur Erziehung des jungen Weißkunig (1505–1516) lassen dies vermuten, obschon sich hier ein viel größeres Spektrum praktischer Tätigkeiten auftut (Bau154

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kunst, Zimmermannshandwerk, Münzprägung, Waffenherstellung u. a. m.)  – und so neben den herkömmlichen artes liberales dezidiert pragmatische artes mechanicae in die Prinzenerziehung eingeführt werden.13 In Anlehnung an den schöpferischen Akt Gottes, welcher als „erster Drechsler“ das Erdenrund geschaffen hatte, waren beispielsweise das Drechseln und Drehen ein häufiger Bestandteil der Fürstenerziehung, da sie nicht nur geometrische Kenntnisse erforderten, sondern auch wichtige Tugenden wie Geduld und Sorgfalt einübten.14 Von Innsbruck und Florenz bis Sankt Petersburg und Kopenhagen wurden Fürstensöhne und -töchter an Drechselbänke herangeführt, deren oftmals repräsentative Ausgestaltung zugleich den hohen symbolischen Wert ihrer Nutzung widerspiegelt.15 Während die Forschung hierbei meist auf die Unterwerfung der Materie als Herrschaftsmetapher verweist, so suggeriert die zentrale Rolle des Drechselns in der Fürstenerziehung, dass hier nicht nur verschiedene Medien wie Holz, Elfenbein oder Bernstein in kunstvolle Gebilde verwandelt wurden, sondern im übertragenen Sine auch der fürstliche Lehrling eine Art Feinschliff erhielt. Dass selbst erwachsene Fürsten und Fürstinnen sich beim Drechseln zuschauen oder darstellen ließen, deutet auf das repräsentative Potenzial der Tätigkeit hin, welches sich mit der Jugend keineswegs erschöpfte, wie etwa ein Gemälde Johann Jakob Dorners d. J. von 1765 verdeutlicht, das Kurfürst Max III . Joseph an seiner Drechselbank zeigt (Abb. 5). Das Lernen wurde folglich auch als ein lebenslanger Prozess verstanden und inszeniert. In der frühen Neuzeit kannten Jugend und Erziehung noch keine fixen Altersgrenzen und endeten in der Regel mit der Eheschließung oder dem Amtsantritt. Vor allem im adligen Milieu markierte eine sogenannte Kavaliersreise in kulturelle Zentren wie Rom, Paris oder Amsterdam oft das Erreichen der Reife.16 Einer der bekanntesten reisenden ‚Schüler-Fürsten‘ der frühen Neuzeit dürfte Zar Peter I. (reg. 1682–1725) gewesen sein. Seine Große Gesandtschaft von 1697/98 verfolgte das doppelte Ziel, Allianzen gegen die Osmanen zu knüpfen sowie Fachleute anzuwerben, um den Aufbau von Flotte und Heer voranzutreiben. Während der Reisen benutzte der Zar ein Siegel mit dem Motto „Ich bin ein Lernender und suche Lehrende“17 und absolvierte sogar eine Ausbildung zum Schiffszimmermann im holländischen Zaandam.18 Durch diesen höchst eigenwilligen Rollentausch hoffte er seinen Untertanen am eigenen Beispiel Demut und Fleiß vorzuleben.19 Im Jahre 1784 stellte Johann Matthias Schröckh diese Ausbildung in seiner Allgemeinen Weltgeschichte für Kinder dar (Leipzig 1784; Abb. 6). Zar Peter bearbeitet hier vor den Augen zweier Männer mit Hammer und Keil den Rumpf eines Schiffs. Die Betrachterfiguren unterstreichen den performativen Charakter der Handlungen des Zaren. Erst die Gegenwart eines Publikums scheint den Handlungen den gewünschten Vorbildcharakter zu verleihen. Während die Körperformen des vorderen Zuschauers unter 155

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Abb. 6: Bernhard Rode: XXV. Peter der Grosse lernt den Schiffbau, Kupferstich, aus: Johann Matthias Schröckh: Allgemeine Weltgeschichte für Kinder, II. Haupttheil, Neuere Geschichte, XVI. Buch, Leipzig 1784.

einem opulent aufgebauschten Mantel regelrecht verschwimmen, trägt der Zar als Zeichen seiner reinen, jeglichen Standesdünkel überwindenden Wissbegierde lediglich eine zerschlissene Schürze. Was um 1700 aufgrund seiner Unkonventionalität noch Befremden auslöste, ist mit dem Fortschreiten der Aufklärung als eine sinnreiche volkspädagogische Maßnahme erkannt und in dieser Publikation den Kindern entsprechend vor Augen geführt worden. Im Geiste ihres Vorgängers und der von ihr verehrten zeitgenössischen französischen philosophes hatte Zarin Katharina II . (reg. 1762–1797) noch im Jahre ihres Herrschaftsantritts einen Erlass zur Erziehung beider Geschlechter erteilt. Wenn auch der Großteil des pädagogischen Interesses in unserem Zeitraum Jungen galt, so gründete die Zarin 1764 mit dem sogenannten Smolny-Institut eine der ersten höheren Bildungsanstalten für Frauen in Europa. Das Vorbild für die Erziehung von Mädchen war seit dem Mittelalter die Kindheit der Jungfrau Maria, welche apokryphen Texten zufolge bereits als Kleinkind in den Tempel geschickt wurde, um dort 156

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die Jahre bis zu ihrer Vermählung mit Joseph zu verbringen. In der Kunst des Mittelalters bildeten sich hierzu die gängigen Ikonographien der Präsentation im Tempel sowie der Unterrichtung Mariens durch die Hl. Anna heraus, welche dann auch die Beteiligung der Mutter in der Erziehung des fürstlichen Nachwuchses im Bilde vorprägte.20 Im Mittelpunkt der weiblichen Erziehung standen Lesen und Schreiben, welche zumal ein angemessenes Verständnis der Bibel gewährleisten sollten, sowie Sprachen, Instrumente und Handfertigkeiten wie Nähen und Sticken. Eine Ausnahme stellte die Erziehung der Königin Christina von Schweden (1626–1689) dar, welche bereits in jungen Jahren zur Thronfolgerin erklärt und entsprechend auch in Geschichte und Politik instruiert worden war.21 Da Frauen prinzipiell jedoch als unfähig galten, ein öffentliches Amt auszuüben, war der ihnen angemessene Platz an der Seite eines Mannes bzw. im Dienste Gottes und deshalb zumeist eine anspruchsvolle Bildung von nachrangiger Bedeutung. Auch Zarin Katharina äußerte sich gegenüber Denis Diderot kritisch über ihre eigene Erziehung, indem sie bemerkte, ihr großer Wissensdrang sei vor allem ihren zwei besten Lehrern, der Traurigkeit und der Einsamkeit, geschuldet.22 Dem ungeachtet waren weibliche Herrscher dennoch keine Seltenheit, sei es als Regentin für einen abwesenden, verstorbenen oder unmündigen Mann bzw. Sohn oder als Herrscherin aus eigenem Recht. Um ihre Aussichten auf Erfolg zu steigern, musste eine Herrscherin lernen, ihre Weiblichkeit zu überspielen und sich teilweise „wie ein Mann“ zu geben – ein komplizierter Balanceakt, der fast unweigerlich immer wieder Kritik heraufbeschwor.23 Genau dieses Dilemma prägt auch einen Gemäldezyklus, den Peter Paul Rubens 1622–1625 im Auftrag der Königinwitwe und ehemaligen Regentin Maria de’ Medici für das Palais du Luxembourg in Paris ausführte.24 In dem Gemälde, das der Erziehung der Maria de’ Medici gewidmet ist und dessen Geschehen sich – analog zur Kindheit des Zeus – in einer entrückten Grotte abspielt, überreichen die drei dramatisch beleuchteten Grazien, Idealbilder weiblichen Liebreizes, der Protagonistin einen Rosenkranz, während sich diese lernend und schreibend Minerva, Merkur und Orpheus zuwendet (Abb. 7). Trotz des eindeutigen Schwerpunkts auf den bildenden Künsten hatte die junge Maria ausnahmsweise auch Mathematik und Rhetorik gelernt, worauf im Gemälde die Figur des gleichsam in die Feder diktierenden Merkur anspielt. 25 Die Assoziation mit Minerva bot sich jedoch nicht nur an, weil es sich bei dieser um die Schutzherrin der Künste handelte, sondern auch weil ihre martialische Erscheinung traditionelle männliche Attribute mit weiblichen Eigenschaften kombinierte. Nicht nur Rubens stilisierte seine Auftraggeberin in seinem Zyklus zu einer Minerva, auch Christina von Schweden und Zarin Katharina gefielen sich in diesem ‚Rollenporträt‘.26 Aber gerade in Frankreich, wo die 157

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Abb. 7: Peter Paul Rubens: Die Erziehung der Maria de’ Medici, 1622/23, Öl auf Leinwand (Paris, Musée du Louvre).

Lex Salica Frauen von der Erbfolge ausschloss, verdeutlicht Rubens’ Erziehung der Maria de’ Medici, dass das eingangs skizzierte Spannungsfeld von Recht und Pflicht, in welchem sich das fürstliche Lernen abspielte, um einen dritten Spannungspol erweitert werden muss: Gender. Wenn Maria de’ Medici sich – wie ihre männlichen Standesgenossen auch  – als Schülerin inszenierte, so handelte es sich hierbei vor allem auch um den Versuch, sich männlich konnotierte Attribute – darunter ratio (Vernunft) – anzueignen und sich auf diese Weise von Eigenschaften, die als typisch weiblich galten und negativ konnotiert waren (etwa Wankelmut oder Willkür), im Bilde nachdrücklich zu distanzieren.

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Auswahlbibliographie

Desiderius Erasmus: Fürstenerziehung: Die Erziehung eines christlichen Fürsten (Institutio principis christiani), Einführung, Übersetzung und Bearbeitung von Anton J. Gail, Paderborn 1968. Nicolas Orme: From Childhood to Chivalry: The Education of the English Kings and Aristocracy, 1066–1530, London 1984. Sylvène Edouard: Les devoirs du prince: L’éducation princière à la Renaissance, Paris 2014. Pascale Mormiche: Devenir prince: L’école du pouvoir en France, XVIIe – XVIIIe siècles, Paris 2009. Werner Paravicini/Jörg Wettlaufer (Hg.): Erziehung und Bildung bei Hofe: 7. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Celle, 23. bis 26. September 2000, Stuttgart 2002. Regina Schulte (Hg.): The Body of the Queen. Gender and Rule in the Courtly World, 1500–2000, New York 2005.

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Anmerkungen nach Eva Bender: Die Prinzenreise. Bildungsaufenthalt und Kavalierstour im höfischen Kontext gegen Ende des. 17. Jahrhunderts, Berlin 2011, 42. 2  Pascale Mormiche: Devenir prince. L’école du pouvoir en France, XVII e–XVIII e siècles, Paris 2009, VII . 3  Die Handschrift British Library Add MS 47680 wurde anlässlich der Krönung Edwards III . zusammen mit einem selbst verfassten Traktat (De Nobilitatibus, Sapientiis, et Prudentiis Regum, Christ Church MS . 92, Oxford) von Walter von Milimete für den König beauftragt. 4  Vgl. dazu Nicolas Orme: From Childhood to Chivalry: The Education of the English Kings and Aristocracy, 1066 – 1530, London 1984, 81 ff. 5  Vgl. Berliner Alexanderroman (Berlin, Kupferstichkabinett Staatliche Museen, HS 78 C1) oder Bodleian Roman d’Alexandre (Oxford, Bodleian Library, MS . Bodl. 264, fol. 2v.). 6  Mormiche 2009 (wie Anm. 2), 179. 7  Siehe Robin O’Bryan: Virtue, Vice, and Princely Pleasure: The Dwarfs in a Sforza Grammatica, in: Libri & Documenti X X XIV – X X XV (2008/09), 20; Alan Stewart: Humanism and Sodomy in Early Modern England, Princeton 1997. 8  Zum Thema der körperlichen Züchtigung von Königskindern an verschiedenen europäischen Höfen siehe Martha K. Hoffman: Childhood and Royalty at the Court of Philip III , in: Grace E. Coolidge (Hg.): The Formation of the Child in Early Modern Spain, Farnham 2014, 124. 9  Mormiche 2009 (wie Anm. 2), 176. 10  Thomas More: Utopia, II . Buch, hg. von G. M. Logan und R. M. Adams, Cambridge 2002, 82. 11  Orme 1984 (wie Anm. 4), 51. Zur Entwicklung des Verhältnisses zwischen Erasmus von Rotterdam und Heinrich VIII . von England, siehe Aysha Pollnitz: Princely Education in Early Modern Britain, Cambridge 2015, insbes. Kap. 3. 12  Zur Ideengeschichte des höfischen Tanzes siehe Jennifer Nevile: Eloquent Body: Dance and Humanist Culture in Fifteenth-Century Italy, Bloomington 2004. Vgl. auch Mormiche 2009 (wie Anm. 2), 170; Ellen R. Welch: A Theater of Diplomacy: International Relations and the Performing Arts in Early Modern France, Philadelphia 2017. 1  Zitiert

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Der Weisskunig, hg. von Alwin Schultz, Wien 1888, 74–112. 14  Klaus Maurice: Der drechselnde Souverän, Zürich 1985; Noam Andrews: The Ivory Turn: Of Solids, Curves, and Nests, in: Wolfram Koeppe (Hg.): Making Marvels: Science and Splendor at the Courts of Europe, Ausst.-Kat. Metropolitan Museum, New York 2019, 121–128. 15 Neben den mutmaßlichen Drechselbänken Kaiser Maximilians I. auf der Burg Kreuzenstein (1500/18) sowie Großherzog Francesco I de’ Medici (Opificio delle Pietre Dure) seien die Kopierbank Zar Peter der Große (1718–1729, Eremitage) sowie die prächtigen Drechselbänke Kurfürst Max Emmanuels (1712, Bayer. Nationalmuseum) und Königin Sophia Magdalenas von Dänemark (1736, Rosenborg) erwähnt. 16  Norbert Conrads: Das Incognito: Standesreisen ohne Konventionen, in: Rainer Bebel/Werner Paravicini (Hg.): Grand Tour. Adeliges Reisen und Europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jh., Ostfildern 2005, 602. 17  Zitiert nach Peter Hoffmann: Peter der Große als Militärreformer und Feldherr, Frankfurt a. M. 2010, 47. 18  Der Zar versuchte, einen Großteil seiner Reise inkognito zu absolvieren, um den Zwängen des Protokolls zu entgehen, welche dem Lernziel der Reise abträglich gewesen wären. Freilich misslang ihm dies größtenteils. Leider sprengt eine angemessene Besprechung der wichtigen Körpertechnik des Inkognito den Rahmen, eine Einführung bietet jedoch Conrads 2005 (wie Anm. 14), 591–607. 19  Gundula Helmert: Der Staatsbegriff im petrinischen Russland, Berlin 1996, 86. 20  Ebenso ungewöhnlich wie eindrucksvoll der politische Traktat Unterricht und Ordnung (1545), welchen Herzogin Elisabeth von BraunschweigLüneburg als Regentin an ihren Sohn adressierte. Auffällig ist der emaillierte Silbereinband, welcher mit Verweisen auf Esther und Sarah ihr Selbstbild als göttlich inspirierte Autorin vorstellt. Siehe auch Cornelia Niekus Moore: Die adelige Mutter als Erzieherin. Erbauungsliteratur adeliger Mütter für ihre Kinder, in: August Buck u. a. (Hg.): Euro13 

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päische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert, Wolfenbüttel 1981, 505–510. 21  M. L. Clarke, The Making of a Queen: The Education of Christina of Sweden, in: History Today 28, 4 (April 1978), 228–235. 1649 gelang es der jungen Königin gar, René Descartes nach Schweden zu bemühen, wo sie einige philosophische Vorlesungen erhielt, bevor der Philosoph verstarb. Trotz ihrer relativen Kürze wurde diese Begegnung im 18. und 19. Jh. wiederholt inszeniert und festigte nachträglich den Ruf der Monarchin als „Minerva des Nordens,“ siehe Louis-Michel Dumesnils Ölgemälde Christine de Suède écoutant Descartes (1700–1750, Château de Versailles). 22  Robert Zaretsky: Catherine and Diderot. The Empress, the Philosopher, and the Fate of the Enlightenment, Cambridge (MA) 2019, 149. 23  Beispielhaft John Knox: The First Blast of the Trumpet Against the Monstruous Regiment of Women (1558), der sich gegen die simultane Herrschaft der Maria Tudor, der Maria von Guise und Maria Stuart richtete. Für eine klassische Fallstudie zum Thema der Repräsentation weiblicher Herrscher

siehe Carole Levin: Heart and Stomach of a King. Elizabeth I and the Politics of Sex and Power, Philadelphia 22013. Vgl. auch Brenda Meehan-Waters: Catherine the Great and the Problem of Female Rule, in: The Russian Review, 34/3 (Jul. 1975), 293–307. 24  Geraldine Johnson: Pictures Fit for a Queen: Peter Paul Rubens and the Marie de’ Medici Cycle, in: Art History 16/3 (Sept. 1993), 447–469. 25  Deborah Marrow: The Art Patronage of Maria de’ Medici, Ann Arbor 1982, 6. 26 Annette Dixon (Hg.): Women Who Ruled. Queens, Goddesses, Amazons in Renaissance and Baroque Art, Ausst.-Kat. Ann Arbor 2002, London 2002; Nathan Popp: Beneath the Surface: The Portraiture and Visual Rhetoric of Sweden’s Queen Christina, Masterarbeit University of Iowa, 2010; Susan Tipton: Die russische Minerva: Katharina die Große und die Ikonographie der Aufklärung, in: Hans Ottomeyer (Hg.): Katharina die Große, Ausst.-Kat. Staatl. Museen Kassel, Kassel 1997, 73–80.

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j. Jagen

Die Jagd war im 14. Jahrhundert eine wichtige herrscherlicher Praxis und hatte als solche eine lange Tradition. Schon im alten Ägypten, in Mesopotamien und in Griechenland, hier vor allem in Makedonien, war das Jagen längst nicht mehr nur auf die Beschaffung von Nahrung, von Häuten und Fellen sowie den Schutz vor wilden Tieren beschränkt und in dieser Funktion einem breiten Gesellschaftskreis zugänglich gewesen. Es galt vielmehr früh als eine repräsentative Tätigkeit, mit der Könige ihre besondere Eignung unter Beweis stellen konnten.1 Xenophon beschreibt die Jagd in seiner Schrift Kyrupädie etwa als eine angemessene Vorbereitung für den Kriegsdienst, mit der körperliche Extremzustände bei Hitze, Kälte oder Hunger eingeübt und Charakterzüge wie Tapferkeit gestärkt werden könnten.2 Im Römischen Reich wurde das Jagen zunächst als sportliche Betätigung, spätestens seit flavischtrajanischer Zeit aber auch als repräsentative Tätigkeit von Herrschern geschätzt. Hiervon zeugt das für Hadrian geschaffene Jagddenkmal, von dem Teile später in den Konstantinsbogen überführt wurden.3 Nach einer längeren Phase der Jagdfreiheit während der Völkerwanderung wurde die Jagd im Frühmittelalter, einsetzend mit den Merowingern und in noch deutlicherer Ausprägung bei den Karolingern, erneut zu einem königlichen Privileg. Dieses wurde zunächst durch den Forst-, später dann durch den weiter greifenden Wildbann geschützt.4 Die Inszenierung der Jagd bzw. ihre Indienstnahme zur Veranschaulichung von königlichen Tugenden schloss dabei an antike wie byzantinische Vorbilder an.5 Um 1200 erfuhr die herrscherliche Jagd durch das erstarkende Rittertum eine entscheidende Weichenstellung, die bis ins 19. Jahrhundert nachwirken sollte.6 Wie das Turnier wurde die Jagd – trotz weiterhin scharfer Kritik seitens des Klerus – zu einem festen Bestandteil des höfischen Zeremoniells. Sie wurde konkreten Regeln und einem auf ritterlichen Idealen wie Klugheit, Tapferkeit und Sittsamkeit fußenden Verhaltenscodex unterworfen. Dies geht aus einer Reihe von Traktaten hervor, die – nun teils auch im Rückgriff auf persische Vorbilder – die einzelnen Etappen der Jagd genau festlegen und den richtigen Umgang sowohl mit den zur Jagd eingesetzten Tieren als auch mit den verschiedenen Beutetieren behandeln. 162

j. Jagen

Friedrich II . aus dem Geschlecht der Staufer, seit 1198 König von Sizilien und ab 1212 Herrscher über das Heilige Römische Reich, widmete sich in seinem vor 1248 entstandenen Traktat De arte venandi cum avibus dezidiert der Jagd mit Falken, die er selbst mit großer Leidenschaft betrieb.7 In seinem Falkenbuch erhebt er die Beizjagd zu einer Kunst bzw. Wissenschaft (ars) und leitet aus dem Verhalten der Raubvögel einen tiefer gehenden Einblick in die Natur und ihre Gesetze ab.8 Der französische Edelmann Henri de Ferrières rühmt in seinem um 1370 verfassten Livre du roy Modus dagegen die Hirschjagd an erster Stelle; die Vorzüge des Jagens verortet er eher in der moralischen Erbauung. Wie der Lehrer König Modus seinen fiktiven Schülern zu Beginn des Dialogs mitteilt, bewahre die Jagd – so lange sie mit Mäßigung, für die der König namentlich einsteht, betrieben werde – die Reichen vor dem Müßiggang, der „ein sehr verderbliches Laster und Ursache allen Übels“ sei.9 Gaston Phoebus, Graf von Foix und Herr von Béarn, schließt in seinem Livre de la Chasse, in das zwischen 1388 und 1389 seine langjährige Erfahrung als Jäger mündete, an Henri de Ferrières’ Traktat und sein Lob der erzieherischen Qualitäten der Jagd an. Die Vermeidung von Müßiggang ist dabei nur eine der Konsequenzen, die sich für ihn aus dieser Betätigung ergeben. Man entgehe durch die Jagd darüber hinaus den sieben Todsünden und erreiche neben einer größeren Kenntnis des Landes auch größere Lebensfreude ebenso wie Kühnheit und Leichtigkeit. Selbst auf die Gesundheit wirke sich das Jagen positiv aus.10 Obgleich sich die Autoren der drei genannten Jagdbücher auch in der Praxis intensiv dem Weidwerk widmeten, treten sie in den Miniaturen ihrer Traktate ausschließlich als gelehrte Jäger und Vermittler weidmännischer Kompetenzen auf. Schon Friedrich II . erscheint in der ältesten erhaltenen, partiellen Abschrift seines Jagdbuches, die wohl im Auftrag seines Sohnes Manfred angefertig wurde und sich in der Biblioteca Vaticana Apostolica in Rom befindet, in einer Kombination aus Herrscher- und Autorenbild auf einem Thron sitzend, wobei nur durch den Gestus seiner linken Hand und den rechts neben ihm befindlichen, jagdbereiten Falken ein Bezug zum Text hergestellt wird.11 In vergleichbarer Pose wird auch Phoebus in der um 1407 entstandenen Handschrift seines Livre de la Chasse gezeigt (Abb. 1). Den Körper in kostbare Brokatstoffe und Felle gehüllt, mit einer schweren Kette um den Hals und einer schwarzen, mit Edelsteinen besetzten Kopfbedeckung thront der Autor unter einem Baldachin, der das Zentrum der oberen Bildhälfte ausfüllt. Zu beiden Seiten des Herrschers wie auch zu seinen Füßen sind mehrere Jäger in verschiedenfarbigen Roben dargestellt; sie tragen Jagdhörner an ihren Gürteln und Schärpen, sind mit Schwertern, Messern oder Stöcken bewaffnet und werden von unterschiedlichen Jagdhunden begleitet. Es sind solche Jägerfiguren, die auf den folgenden Seiten wiederkehren, während sich Phoebus nur einmal unter sein Gefolge mischt, um einen 163

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Abb. 1: Frankreich, Autorenbildnis, in: Gaston ­Phoebus, Livre de la chasse, ca. 1407 (Paris, Bibliothèque nationale de France, Ms. Français 616, fol. 13r).

jungen Jäger anzuleiten.12 Diese Aufgabe wird ihm gewissermaßen auch in der einleitenden Miniatur zuteil, in der er mit erhobener rechter Hand die ihn umringenden Jäger und seine Leser:innen gleichermaßen anzusprechen scheint. Nicht als Autor, sondern als aktiver Jäger wird dagegen Maximilian I., Erzherzog von Österreich, später dann auch Herzog von Burgund, seit 1486 römisch-deutscher König und schließlich Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, in den auf Grundlage seiner Biografie geschaffenen Schriften Weißkunig und Theuderdank inszeniert. Maximilian widmete sich, wie aus dem ca. 1505 begonnenen, 1516 unvollendet abgebrochenen Weißkunig hervorgeht, den unterschiedlichsten Formen der Jagd und dies von Kindesbeinen an.13 Mit Pfeil und Bogen, Armbrust oder Spieß habe er Hirschen, Wildschweinen, Bären und selbst Gämsen in schwer zugänglichen Gebirgsabschnitten nachgestellt und auf diese Weise seinen Körper und Geist optimal auf kriegerische Auseinandersetzungen vorbereitet. Während hier die schon aus der 164

j. Jagen

Antike bekannte und später auch von Niccolò Machiavelli geteilte Einschätzung der Jagd aufgegriffen wird,14 hallt zugleich Phoebus’ Lob des großen moralischen Werts dieser Tätigkeit im Weißkunig nach. Zweimal heißt es dort, dass die Jagd ein probates Mittel gegen die sundtlichen und weltlichen laster sei.15 Mit vil lust und kurzweil habe sich der weiße König alias Maximilian selbst z. B. der Falkenbeiz gewidmet, um deren verporgne weishait zu enthüllen und daraus Maßgaben für seine Aufgaben und Pflichten als Herrscher abzuleiten. Gerade in der Jagd, die er nicht aus gewohnheit oder hoffart, sondern aus natürlicher Neigung betrieben habe, zeige sich sein königliches Gemüth. Das im Text des Weißkunig mehrfach betonte weidmännische Geschick des Kaisers und die beim Jagen ebenfalls unter Beweis gestellte körperliche Agilität werden in den von Leonhard Beck geschaffenen Holzschnitten zu dieser Thematik zusätzlich hervorgehoben. Sie zeigen den Herrscher in unterschiedlichen Altersstufen bei der Jagd auf Gämsen, bei der Beizjagd mit Falken, bei der Hetzjagd mit Hunden und schließlich auch beim Fischfang. Stets ist er der Protagonist der dargestellten Handlung; die ihn begleitenden Jäger halten hingegen Waffen für ihn bereit und kümmern sich um Hunde und Beizvögel. Im 1517 tatsächlich gedruckten Theuerdank, der literarischen Bearbeitung von Maximilians Brautfahrt zu Maria von Burgund nach Gent, wird die Jagd in 34 der insgesamt 118 Holzschnitte ein weiteres Mal thematisiert. Besondere Aufmerksamkeit erfährt die Jagd auf Gämsen. In den 15 Kapiteln und dazugehörigen Drucken, die dieser Jagdform gewidmet sind, erscheint Theuerdank, nun das Alter Ego des Kaisers, immer neuen Gefahren ausgesetzt, die er durch Vorsicht und Geschick aber stets zu meistern versteht.16 Der Holzschnitt zu Kapitel 18 des Theuerdank zeigt ihn etwa auf einem schmalen Felsvorsprung im Hochgebirge, auf dem er nur mit seinem rechten Fuß Halt findet (Abb. 2). Dies hindert ihn jedoch nicht daran, mit einem langen Spieß eine an der gegenüberliegenden Wand befindliche Gämse sicher zu erlegen. Sein treuer Begleiter Ehrenhold und sein auf einem Pferd sitzender Widersacher Fürtwittig wohnen dem Geschehen im Vordergrund bei. Wie Theuerdank, der in Kapitel 20 in Gegenwart dreier Damen und einiger anderer Personen eine Gämse im Hochgebirge jagt, stellte Maximilian in Schaujagden seine jagdlichen Fähigkeiten vor den Augen von Gesandten anderer Länder unter Beweis.17 Diese zentrale Bedeutung der Jagd schlug sich auch in Maximilians Selbstcharakterisierung als „großer Waidmann“ und in dem ihm 1512 verliehenen Titel des „obersten Jägers des Römischen Reiches“ (Romani Imperii supremus venator) nieder.18 Mythologisch überhöht, wird sie in den beiden autobiografischen Schriften Weißkunig und Theuerdank für die Nachwelt festgehalten und einem breiteren Rezipientenkreis zugänglich gemacht.19 165

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Abb. 2: Leonhard Beck: Theuerdank bei einer Gämsenjagd im Hochgebirge, in: Maximilian I., Theuerdank, Nürnberg 1517 (Berlin, Staatsbibliothek, Libri in membr. impr. fol. 19, Kap. 18).

Maximilians Nachkommen Karl V., Ferdinand I. und Maria von Ungarn begeisterten sich in ähnlicher Weise wie ihr Großvater für die Jagd. Einen besonderen Niederschlag fand dies in der heute unter dem Titel Les chasses de Maximilien bekannten Serie von zwölf Tapisserien, die von dem Brüsseler Hofkünstler Bernard van Orley um 1531 entworfen und zwischen 1531 und 1533 von einer ebenfalls in Brüssel ansässigen Werkstattt, womöglich jener von Jean und Guillaume Dermoyen, gewebt wurden.20 Über die genaue Auftragslage und die anfängliche Hängung der kostbaren Tapisserien ist nichts bekannt; erst seit einem Eintrag im Inventar von Charles de Lorraine aus dem Jahr 1644 werden sie mit Maximilian I. in Verbindung gebracht, 166

j. Jagen

was die Deutung ihres Inhalts aber eher behindert, denn gefördert hat. 1665 wurden sie von dem französischen König Ludwig XIV . angekauft und auf dessen Weisung hin im Schloss von Versailles ausgestellt. Dass die Serie im 17. Jahrhundert an den französischen Hof gelangte, birgt ein gewisses Maß an Ironie. Nach Claire Billen und Sabine van Sprang waren die Tapisserien und ihr jagdlicher Inhalt nämlich ursprünglich als Pendants zu der kurz zuvor entstandenen Tapisserienfolge zur Schlacht bei Pavia gedacht, in der Karl V. und der französische König Franz I. aus dem Haus der Valois 1525 um die Vorherrschaft in Europa stritten. Während in den sieben Tapisserien zu diesem Feldzug einzelne Schritte zum Sieg der Habsburger geschildert werden, vereinen die Chasses de Maximilien insgesamt drei verschiedene Jagdformen, die teils über mehrere Tapisserien hinweg in ihren einzelnen Etappen wiedergegeben sind, mit einer abschließenden allegorischen Huldigungsszene – und dies alles unter der Ägide der zwölf Tierkreiszeichen, die in Form von goldenen Medaillons den umlaufenden Ghirlanden eingefügt sind. Bei dieser umfassenden Darstellung der Beiz-, Hirsch und Wildschweinjagd wird eine ähnlich repräsentative Vereinnahmung des Weidwerks deutlich, wie sie für Franz I. überliefert ist,21 der sich nun – zumindest in visueller Hinsicht – auch in diesem Bereich geschlagen geben musste. Wie Arnout Balis gezeigt hat, beginnt die Serie der Chasses de Maximilien mit dem Monat März, in dem die städtische Kulisse im Hintergrund keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass die hier und auf den folgenden Tapisserien dargestellten Jagdszenen im unmittelbaren Umfeld Brüssels, d. h. im nahegelegenen Sonienwald zu verorten sind.22 Bereits Karel van Mander stellte diesen Kontext in seinem Schilderboek von 1604 heraus und erkannte inmitten der gezeigten Jagdgesellschaft sowohl Karl V. als auch weitere Prinzen und Prinzessinnen, die nach dem Leben gezeichnet seien.23 Im Anschluss an diese frühe Nennung stand die Identifizierung einzelner Figuren immer wieder zur Diskussion. Die These, dass in der nur in Rückansicht gezeigten Falknerin im Monatsbild des April Maria von Ungarn zu erkennen sei, wurde jüngst von Billen und Sprang abgelehnt.24 In dem zur Jagd aufbrechenden Reiter im März ebenso wie in der Bankettszene des Junis haben die Autorinnen hingegen mit guten Gründen Karl V. ausgemacht. In letzterer ist der Kaiser in Begleitung seines Bruders Ferdinand I. dargestellt, dem er in einem Gespräch am Ende der reich gedeckten Tafel scheinbar Ratschläge für die bevorstehende Jagdpartie erteilt. Ab dem Monatsbild Juli erscheint dann nur noch Ferdinand I. als identifizierbare Figur innerhalb der vielfigurigen Jagdgesellschaften, besonders prominent bei der nicht ungefährlichen Erlegung eines Keilers (Dezember). Karl V. wird hingegen ausschließlich über die für ihn charakteristischen Embleme auf dem Halsband eines Windhundes aufgerufen. Diese auffällige Verteilung bringen Billen und Sprang überzeugend mit 167

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Abb. 3: Bernard van Orley (Entwurf), Jean und Guillaume Dermoyen (?): Der Monat Februar aus den ‚Chasses de Maximilien‘, 1532–1533 (Paris, Musée du Louvre).

der Ernennung Ferdinands I. zum römisch-deutschen König durch seinen Bruder im Jahr 1531 in Verbindung. Viele der Jagdszenen greifen Episoden aus dem Jagdbuch Gaston Phoebus’ auf, das dieser dem Herzog von Burgund, Philipp dem Guten, gewidmet hatte und das im Bestand der Brüsseler Hofbibliothek mit großer Wahrscheinlichkeit auch Van Orley zugänglich war.25 Mit dem Monatsbild des Februar finden die an diesem Traktat orientierten Szenen, in denen Karl V. und Ferdinand I. nahezu lebensgroß ihren besonderen Mut und ihre körperliche Stärke vor Augen führen und die politische Festigung des Hauses Habsburg über den dargestellten Austausch der beiden Brüder gleichnishaft auf die Jagd übertragen wird, einen allegorisch überhöhten Abschluss (Abb. 3).26 Von rechts kommend huldigt in dieser Szene ein eventuell von Ferdinand selbst angeführter Jagdtross einem am linken Bildrand thronenden Königspaar, das mit seinen Füßen die Personifikationen von Müßiggang und Völlerei niederdrückt. Wie durch die Inschriften eindeutig herausgestellt wird, handelt es sich hierbei um König Modus und Königin Ratio, die Henri de Ferrières in seinem Traktat zu den letzten Instanzen in Fragen der Jagd erhoben hatte.27 Bei aller Körperlichkeit, die in 168

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den Tapisserien facettenreich und raumgreifend inszeniert wird, ist es also letztlich doch erneut der moralische Mehrwert, der die Jagd im Hause Habsburg zu einem wichtigen Bestandteil der royalen Selbstdarstellung machte. Dieses Ideal einer sittlichen Erhebung durch die Jagd trat gegen Ende des 17. Jahrhunderts zunehmend in den Hintergrund. Die herrscherliche Jagd wurde mehr und mehr zu einem höfischen Spektakel, in dem körperliche Einschränkungen und Gefahren auf ein Mindestmaß reduziert werden sollten.28 Julius Bernhard von Rohr beschreibt das Jagen in seiner 1733 erschienenen Ceremoniel-Wissenschafft der grossen Herren vor allem als einen lustvollen Zeitvertreib.29 Neben der eingestellten Jagd, bei der Wildtiere von professionellen Jägern in ein Gehege getrieben wurden, wo sie von den in einem Pavillon wartenden Adeligen mit Schusswaffen in großer Zahl erlegt werden konnten, und dem sog. Fuchsprellen, bei dem zuvor eingefangene Füchse mit Tüchern in die Luft geschleudert wurden, bis sie kläglich verendeten, erfreute sich die Parforcejagd, eine Hetzjagd zu Pferd, nach dem von Ludwig XIV . entwickelten Modell besonderer Beliebtheit.30 So auch im deutschsprachigen Raum, wo verschiedene Herrscherhäuser aufwendige und kostspielige Jagdereignisse dieser Art veranstalteten.31 Der sächsiche Kurfürst und polnische König August III ., wie sein Vater August der Starke ein passionierter Jäger, widmete sich sowohl dem eingestellten Jagen als auch der Parforcejagd. Letztere galt meist einem Hirsch, der von professionellen Jägern vorab ausfindig gemacht wurde und den der Jagdherr in Begleitung seiner Equipage hetzte, bis er sich erschöpft den Hunden stellte und schließlich von zwei Berufsjägern an den Hinterläufern verletzt wurde, damit der Jagdherr ihm sicher den Fangstoß geben konnte. Ein Aufsatz aus fünf Deckel- und vier Bechervasen, der für ein Kaminsims auf Schloss Hubertusburg bestimmt war und 1739 nach den Entwürfen von Johann Joachim Kaendler von Johann Friedrich Eberlein und Johann George Heintze gestaltet wurde, hält verschiedene Etappen einer Parforcejagd fest. August III . erscheint in mehreren der Szenen, etwa inmitten von anderen berittenen Jägern, die einen Hirsch in ein Gewässer treiben, oder kurz vor der Erlegung des Tieres, das sich bereits den es umringenden Hunden zuwendet. Auch in der Darstellung des der Jagd vorausgehenden Mahls ist August III .  – in Begleitung seiner ebenfalls jagdbegeisterten Gattin Maria Josepha und seines Sohns, Kurprinz Friedrich Christian, – auszumachen (Abb. 4). Die Herrscherfamilie sitzt an einem runden Tisch unter einem Baum, umringt von mehreren Jägern, Piqueuren, Parforcehornbläsern und Reitknechten, die auf den Beginn der Jagd warten, und umsorgt von weiteren Bediensteten, die Getränke herantragen. Selbst der Hofnarr Joseph Fröhlich ist zugegen, um den Jagdherrn und sein Gefolge vom Boden vor dem Tisch aus zu belustigen; er kehrt in späteren Etappen der Parforcejagd wieder, sowohl 169

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Abb. 4: Johann Joachim Kaendler (Entwurf), Johann Friedrich Eberlein und Johann George Heintze: Deckelvase mit Darstellung des Frühstücks als Auftakt zur Parforcejagd, 1739 (Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Porzellan­ sammlung).

bei der Verkündung der erfolgreichen Erlegung des Hirsches als auch bei der anschließenden Fütterung der Hunde. Gerade die Präsenz des Hofnarren verdeutlicht den veränderten Charakter der herrschaftlichen Jagd im 18. Jahrhundert. Die repräsentative Zurschaustellung körperlicher Agilität und charakterlicher Stärke rückte zunehmend in den Hintergrund, die Jagd wurde zum kostspieligen Zeitvertreib und allein in dieser Form für die höfische Selbstdarstellung vereinnahmt. Dieser neue Anspruch findet im Vasenset für 170

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Hubertusburg aus luxuriösem Meißener Porzellan ein kongeniales Medium. Nicht nur wird hier, verteilt auf je zwei Bildflächen pro Vase und ergänzt um plastisch gearbeitete Deckel mit Hunden und Piqueuren, der personale ebenso wie der tierische Aufwand der von August III . veranlassten Parforcejagden augenscheinlich. Die farbliche Gestaltung der Vasen in Blau und Gelb greift zudem die bereits von August dem Starken eingeführte Parforcejagdlivree auf, in die auf den Bildfeldern der Vasen der Jagdherr ebenso wie seine Equipage gekleidet sind und die in ihrer auffälligen Farbgebung einmal mehr den gewünschten visuellen Effekt der Jagd hervorkehrt.32 Auch in den Porträts des englischen Königspaares Karl I . und Henrietta Maria, die der aus Antwerpen stammenden Künstler Anthonis van Dyck während seines zweiten Aufenthaltes in London schuf, erscheint die Jagd primär als ein Mittel sozialer Distinktion. Dieses wird von Van Dyck im Unterschied zu anderen Porträts adeliger Herrscher – etwa Diego de Velázquez’ Porträt König Philipps IV . von Spanien (1632–1633, Madrid, Museo del Prado) oder Robert Peakes Porträt Henry Fredericks, des Prinzen von Wales (1603, New York, Metropolitan Museum of Art) – aber sehr subtil eingesetzt. Keine Waffen, Jagdhunde oder erlegten Tiere rufen hier nämlich einen jagdlichen Kontext auf, ein solcher Verweis erfolgt ausschließlich über die Kleidung der Dargestellten.33 Diese Zurücknahme eindeutiger Attribute der Jagd kann mit Julius S. Held und mit Blick auf Van Dycks berühmtes Porträt Karls I . à la chasse („bei der Jagd“), wie es vom Künstler selbst 1638 beschrieben wurde, als Resultat einer sich bereits zuvor in England abzeichnenden Bildtradition gewertet werden.34 Das Porträt Henrietta Marias, ebenfalls von der Hand Van Dycks, zeugt von dieser Entwicklung (Abb. 5). Anders als ihre Schwiegermutter Anna von Dänemark, die Paul van Somer 1617 als Jägerin mit Pferd und Hunden vor ihrem Landsitz Oatlands House in Szene setzte (Royal Collection),35 und zu anderen jagdbegeisterten Herrscherinnen, wie etwa Elisabeth I. , gab sich Henrietta Maria dieser Tätigkeit wohl nur selten oder gar nicht hin.36 In den Jahren 1630 bis 1632 stellte Daniel Mytens sie und ihren Gatten Karl I. , beide in kostbare Gewänder und schwarze Hüte gekleidet, dennoch vor dem Aufbruch zur Jagd dar, wobei der Blumen verstreuende Putto und die Präsenz des Hofzwerges Jeffrey Hudson, der zwei kleinere Hunde an der Leine hält, schon hier die Jagd eher als Teil der höfischen Etikette, denn als Ausweis von Mut und körperlicher Stärke erscheinen lässt (Royal Collection). In Van Dycks Porträt Henrietta Marias rufen nurmehr das blaue, mit goldenen Borten, rosa Schleifen und weißen Rüschen versehene Kleid, dem der Künstler zuvor eine eigene Studie widmete, sowie der schwarze, breitkrempige Hut mit einer weißen Feder den Kontext der Jagd auf. Alle anderen Details, wie der gänzlich in Rot gekleidete Höfling Hudson links im Bild, der nun ein Äffchen auf seinem linken Arm trägt, die von einem gelben Vorhang umfangene Krone auf der rechten Seite, die dahinter emporragende 171

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Abb. 5: Anthonis van Dyck: Königin Henrietta Maria mit Sir Jeffrey Hudson, 1633, Öl auf Leinwand (Washington, National Gallery of Art, Samuel H. Kress Collection).

Säule sowie der den Kopf der Dargestellten von links rahmende Orangenbaum veranschaulichen ihren königlichen Status. Als Privileg des Adels hat die Jagd unter solchen Statussymbolen ihren festen Platz – und bedarf, wie Van Dycks Porträt Henrietta Marias bezeugt, nicht immer einer figurenreichen bildlichen Inszenierung wie bei Maximilian I., Ferdinand I. und August III . Damit avanciert sie allerdings zu einer leeren Hülle, die weder über weidmännisches Fachwissen, wie im Fall der genannten Autorenbildnisse, noch über jagdliche Fähigkeiten Aufschluss gibt, sondern allein der Visualisierung herrscherlicher Noblesse dient.

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Auswahlbibliographie

Claude d’Anthenaise/Monique Chatenet (Hg.): Chasses princières dans l’Europe de la Renaissance, Arles 2007. Katharina Fietze: Im Gefolge Dianas. Frauen und höfische Jagd im Mittelalter (1200–1500), Köln 2005. Amy Freund: Sexy Beasts: The Politics of Hunting Portraiture in Eighteenth-Century France, in: Art History 42/1 (2019), 41–67. Wolfram Martini (Hg.): Die Jagd der Eliten in den Erinnerungskulturen von der Antike bis in die frühe Neuzeit, Göttingen 2000. Michael Menzel: „Die Jagd als Naturkunst. Zum Falkenbuch Kaiser Friedrichs II.“, in: Peter Dilg (Hg.): Natur im Mittelalter. Konzepte – Erfahrungen – Wirkungen, Berlin 2003, 342–359. Andrea Merlotti (Hg.): Le cacce reali nell’Europa dei principi, Florenz 2017. Werner Rösener: Die Geschichte der Jagd. Kultur, Gesellschaft und Jagdwesen im Wandel der Zeit, Düsseldorf/Zürich 2004. Maurice Saß (Hg.): Hunting without Weapons. On the Pursuit of Images, Berlin/Boston 2017. Wilhelm Schlag (Hg.): Das Jagdbuch des Mittelalters. Ms. fr. 616 der Bibliothèque Nationale in Paris, komm. von dems. und Marcel Thomas, Graz 1994.

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Anmerkungen 1  Vgl. Werner Rösener: Die Geschichte der Jagd. Kultur, Gesellschaft und Jagdwesen im Wandel der Zeit, Düsseldorf/Zürich 2004, 51–61. 2 Xenophon: Kyrupädie, I, 2,10. 3  Vgl. dazu Wolfram Martini/Eva Schernig: Das Jagdmotiv in der imperialen Kunst der hadrianischen Zeit, in: Wolfram Martini (Hg.): Die Jagd der Eliten in den Erinnerungskulturen von der Antike bis in die frühe Neuzeit, Göttingen 2000, 129–156. Vgl. auch Andreas Gutsfeld: Hadrian als Jäger. Jagd als Mittel kaiserlicher Selbstdarstellung, in: ebd., 79–99. 4  Vgl. Rösener 2004 (wie Anm. 1), 87–91. Zu den damit einhergehenden territorialen Ansprüchen und ihrer Visualisierung in der sog. ‚Jagdlandschaft‘ etwa Harald Wolter-von dem Knesebeck: Art. „Jagd“, in: Uwe Fleckner/Martin Warnke/ Hendrik Ziegler (Hg.): Handbuch der politischen Ikonographie, Bd. 2, München ²2011, 20–25. 5  Vgl. Werner Rösener: Der König als Jäger. Antike Einflüsse auf die herrschaftliche Jagd im Mittelalter, in: Martini 2000 (wie Anm. 3), 15–37. 6  Vgl. Rösener 2004 (wie Anm. 1), 125–149. 7 Vgl. Johannes Fried: Kaiser Friedrich II . als Jäger, in: Werner Rösener (Hg.): Jagd als höfische Kultur im Mittelalter, Göttingen 1997, 149–166. 8  Vgl. Michael Menzel: Die Jagd als Naturkunst. Zum Falkenbuch Kaiser Friedrichs II ., in: Peter Dilg (Hg.): Natur im Mittelalter. Konzepte  – Erfahrungen  – Wirkungen, Berlin 2003, 342–359. Zum politischen Gehalt der Falkenjagd außerdem Yannis Hadjinicolaou: Macht wie die des Königs. Zur politischen Ikonographie der Falknerei, in: Maurice Saß (Hg.): Hunting without Weapons. On the Pursuit of Images, Berlin/Boston 2017, 87–106. 9  Henri de Ferrières: Le livre du roy Modus (= Das Jagdbuch des Königs Modus). Aus der Handschrift Ms. 10.218-19 (Bibliothèque Royal Albert Ier, Bruxelles), 2 Bde., Graz 1989, fol. 1r. 10  Wilhelm Schlag (Hg.): Das Jagdbuch des Mittelalters. Ms. fr. 616 der Bibliothèque Nationale in Paris, Graz 1994, fol. 13r. 11 Vgl. Joachim Poeschke: Der Herrscher als Autor. Zu den Miniaturen im Falkenbuch Kaiser Friedrichs II . (Cod. Pal. lat. 1071), in: Gundula Grebner/Johannes Fried (Hg.): Kulturtransfer

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und Hofgesellschaft im Mittelalter. Wissenskultur am sizilianischen und kastillischen Hof im 13. Jahrhundert, Berlin 2008, 99–129. Zu früheren Bildern herrscherlicher Jagd: Harald Wolter-von dem Knesebeck: Bildliche Darstellungen der Jagd zwischen Antike und Mittelalter als Teil der Erinnerungskultur und Repräsentation von Eliten, in: Martini 2000 (wie Anm. 3), 39–78. 12  Schlag 1994 (wie Anm. 10), fol. 70r. 13 Für einen Überblick: Rösener 2004 (wie Anm. 1), 233–251. 14  Niccolò Macchiavelli: Il Principe/Der Fürst. Italienisch/Deutsch, übers. und hg. von Philipp Rippel, Stuttgart 2011, Kap. XIV, 115: „Was nun die Handlungen angeht, so muß er [der Fürst], außer daß er eine gute Disziplin und Ausbildung seiner Soldaten aufrechterhält, stets auf die Jagd gehen und dadurch seinen Körper an Entbehrungen gewöhnen, dabei auch die Beschaffenheit des Geländes erkunden, um sich einzuprägen, wie die Berge emporsteigen, die Täler auslaufen, die Ebenen sie erstrecken, und um die Beschaffenheit der Flüsse und Sümpfe ausfindig zu machen; hierauf muß er größte Sorgfalt verwenden.“ 15  Dieses Zitat und die folgenden stammen aus: Maximilian: Der Weiß Kunig. Eine Erzehlung von den Thaten Kaiser Maximilian des Ersten, Neudruck der Ausgabe Wien 1775, Leipzig 2006, 85–88. 16  Maximilian: Die ruhmreichen Taten des Ritters Theuerdank, hg., eingel. und komm. von Anja Grebe, Darmstadt 2015, Kap. 15, 18, 20, 22, 31, 37, 49, 53, 55, 56, 59, 62, 66, 69, 71 (nach der Berliner Handschrift). 17  Vgl. Hermann Wiesflecker: Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, Bd. 5: Der Kaiser und seine Umwelt. Hof, Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, München 1986, 399–401. 18  Theodor Georg von Karajan (Hg.): Kaiser Maximilian’s I. geheimes Jagdbuch und von den Zeichen des Hirsches. Eine Abhandlung des vierzehnten Jahrhunderts, Wien 1858, 40, 44, 48, 50. 19 Vgl. Larry Silver: Marketing Maximilian. The Visual Ideology of a Holy Roman Emperor, Princeton 2008, 170–182.

j. Jagen 20  Hierzu: Claire Billen/Sabine van Sprang: ‚Les Chasses de Maximilien‘ parlent en français: réévaluation d’une tenture à la gloire de la dynastie des Habsbourg, in: Élisabeth Crouzet-Pavan/JeanClaude Maire Vigueur (Hg.): L’art au service du prince. Paradigme italien, expériences européennes (vers 1250–vers 1500), Rom 2015, 283–304, bes. 283; Véronique Bücken/Ingrid De Meûter (Hg.): Bernard van Orley, Ausst.-Kat. Palais des Beaux-Arts Brüssel, Brüssel 2019, 194–219. Für den größeren Zusammenhang vgl. auch Birgit Franke: Jagd und landesherrliche Domäne. Bilder höfischer Repräsentation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Martini 2000 (wie Anm. 3), 189–218. 21  Vgl. Daniela Boccassini: ‚Le deduit du Roy‘: Les chasses de François Ier, in: Jean Céard/Marie Madeleine Fontaine/Jean-Claude Margolin (Hg.): Le corps à la Renaissance, Paris 1990, 321–335; Monique Chatenet: Un portrait du ‚père des veneurs‘, in: Claude d’Anthenaise/Monique Chatenet (Hg.): Chasses princières dans l’Europe de la Renaissance, Arles 2007, 17–39. 22  Arnout Balis: De ‚Jachten van Maximiliaan‘, kroonstuk van de hoofse jachticonografie, in: Gentse bijdragen tot de kunstgeschiedenis 25 (1979/80), 14–41. 23  Karel van Mander: Het Schilder-boeck, Haarlem 1604, fol. 211r. 24  Hierzu sowie zu den im Anschluss dargelegten Thesen: Billen/Sprang 2015 (wie Anm. 20), 290– 292. 25  Vgl. Balis 1979/80 (wie Anm. 22), 31 f. 26  Vgl. Arnout Balis u. a.: Les chasses de Maximilien, Paris 1993, 36 f. 27  Ferrières 1989 (wie Anm. 9). 28 Vgl. Rösener 2004 (wie Anm. 1), 261–264, 280 f. 29  Julius Bernhard von Rohr: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der grossen Herren [1733], hg. von Monika Schlecht, Weinheim 1990, 859. 30  Vgl. Ulrich Pietsch: Porzellan und Jagd – Die Leidenschaften der sächsischen Kurfürsten, in:

ders. (Hg.): Porzellan Parforce. Jagdliches Meißner Porzellan des 18. Jahrhunderts, Ausst.-Kat. Barockmuseum Schloss Moritzburg, München 2005, 10– 21, bes. 12–17. 31 Vgl. etwa Rudolf von Wagner-Frommenhausen: Das Jagdwesen in Württemberg unter den Herzogen. Ein Beitrag zur deutschen Kultur- & Rechts-Geschichte, Tübingen 1876, 296. 32  Vgl. Jutta Bäumel: Die kurfürstlich-sächsische und königlich-polnische Parforcejagdlivree, in: Pietsch 2005 (wie Anm. 30), 42–47. 33  Zur Inszenierung von Jagdbekleidung als sozialer Marker in der französischen Porträtmalerei, in der eine vergleichbare Maskerade zu beobachten ist: Claude d’Anthenaise: Undressing the Hunter. Social Functions of Hunting Costumes in French Portrait Paintings of the 18th Century, in: Saß 2017 (wie Anm. 8), 143–159. 34  Julius S. Held: Le roi à la chasse, in: The Art Bulletin 40 (1958), 139–149, bes. 145 f. 35  Vgl. Jemma Field: Anna of Denmark: A Later Portrait by Paul van Somer (c1577–1621), in: The British Art Journal 18/2 (2017), 50–55; Sara Ayres: A Mirror for the Prince? Anne of Denmark in Hunting Costume with Her Dogs (1617) by Paul van Somer, in: Journal of Historians of Netherlandish Art 12/2 (2020), DOI : 10.5092/jhna.12.2.2. 36  Arthur Wheelock: The Queen, the Dwarf and the Court: Van Dyck and the Ideals of the English Monarchy, in: Hans Vlieghe (Hg.): Van Dyck 1599–1999: Conjectures and Refutations, Turnhout 2001, 151–166, hier 161. Zur Jagd als Betätigung von Frauen im höfischen Kontext allgemein Katharina Fietze: Im Gefolge Dianas. Frauen und höfische Jagd im Mittelalter (1200–1500), Köln 2005 sowie mit Blick auf Elizabeth I. Simon Adams: ‚The Queenes Majestie… is now Become a Great Huntress‘. Elizabeth I and the Chase, in: Andrea Merlotti (Hg.): Le cacce reali nell’Europa dei principi, Florenz 2017, 21–35.

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Der Fürst als Kämpfer Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Gesellschaft basierte auf dem Prinzip des Lehenswesens bzw. der Feudalherrschaft, wonach der Herrscher bzw. der Adel das Land seinen Untertanen zur Bearbeitung überließ. Die Bauern sorgten für die Ernährung, die Geistlichen für die Seelsorge und der Adel für den Schutz. Die Garantie der öffentlichen Sicherheit im Inneren und der Kampf gegen die Feinde von außen waren daher zentrale Aufgabe und Legitimation der herrschenden Elite.1 In der Neuzeit verlor das Rittertum zwar seine militärische Bedeutung, aber die heroischen Tugenden bzw. die Qualitäten als Heerführer wurden dennoch zahlreichen Fürsten zugeschrieben bzw. von ihnen gefordert. Dies betraf zunächst die Religionskriege, wo Karl V. oder König Gustav Adolf von Schweden als Kämpfer für den „wahren Glauben“ verehrt wurden. König Ludwig XIV . von Frankreich und König Friedrich II . wurden später hingegen wegen ihrer Territorialgewinne gefeiert.2 Sofern zweitgeborene Adelssöhne nicht in den Dienst der Kirche traten, blieb ihnen ebenfalls der Militärdienst als standesgemäße Lebensform. Der kämpfende Fürst war daher eine der dominanten Darstellungsformen des 14. bis 18. Jahrhunderts. Einige der wichtigsten Bildtypen sollen im Folgenden an einigen markanten Beispielen vorgestellt werden.

I. Ritter Der Begriff Ritter (miles, chevalier, knight, vitez) bezeichnete einen schwer gerüsteten und berittenen Krieger des europäischen Mittelalters. Ab dem 11. Jahrhundert etablierten sich neben adeligen Grundherren auch unfreie Hofbeamte (Ministerialen) als Ritter. Aus dieser meist ebenfalls von Einkünften aus dem Feudalsystem lebenden Schicht bildete sich im 14. Jahrhundert der niedere Adel, der sich expressis verbis als Ritterstand bezeichnete.3 In einem feierlichen Akt der Schwertleite bzw. 176

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des Ritterschlages wurde man vom Herrscher oder einem anderen Adeligen zum Ritter erhoben. Der Begriff verweist auf den Ursprung des Rittertums aus der Reiterei, der seit dem 12. Jahrhundert in den Reitersiegeln visualisiert wurde, und bezeichnete zunächst einen Berufsstand und schließlich einen Adelsrang.4 Das Schwert war neben der Lanze die am weitesten verbreitete Waffe des Ritters, und der Topfhelm, der das Gesicht völlig verdeckte, beförderte auch die Entwicklung der Wappen, um sich trotz Rüstung gegenseitig erkennen zu können. Der Begriff „gewappnet“ verweist auf die Tatsache, dass Wappen und Waffen die gleiche Wortwurzel haben. Ab dem 13. Jahrhundert machte die Entwicklung und der zunehmende Einsatz von Fernwaffen wie Armbrust und Langbogen eine immer stärkere Körperpanzerung erforderlich. Daher wurden Brustpanzer sowie Arm- und Beinschienen zum Kettenhemd getragen und schließlich der Körper fast vollständig vom Plattenpanzer bedeckt.5 Das Wappen wandelte sich hingegen von einem schlichten Erkennungszeichen zu einem immer stärker formalisierten sozialen Disktinktionsmittel, wobei der Wappenschild auf familiäre Herkunft und/oder territoriale Besitztümer verwies, während die Helmzier den Adelsrang anzeigte.6 Abgesehen von dieser militärischen und sozialen Bedeutung gehörte der Ritter zu den zentralen Figuren der höfischen Literatur im Mittelalter und wurde „Ritterlichkeit“ zur wesentlichen Tugend – visualisiert vor allem im Codex Manesse. Dies betraf einerseits den nur in wenigen Fällen realisierten christlichen Auftrag für einen Kreuzzug gegen die Heiden und die Befreiung des Heiligen Landes, andererseits die Verteidigung der Schwachen und den Minnedienst, also die meist nur platonisches Ideal gebliebene Verehrung hochgestellter Frauen. Diese Vorstellungen wurden schließlich in den weltlichen Ritterorden kultiviert, die seit dem 14. Jahrhundert in vielen Ländern Europas entstanden und u. a. der Bindung der politischen Eliten an die sich zunehmend verstetigenden Höfe dienten.7 Das zentrale Bildmedium der Ritterlichkeit bildeten wohl die Figuralgrabsteine, die – wahrscheinlich im Zeitalter der Kreuzzüge aufgekommen – seit dem 13. Jahrhundert den verstorbenen Ritter in Lebensgröße in Rüstung sowie mit Wappen und weiteren individuellen Kennzeichen festhielten. Wurden die Verstorbenen zunächst mit betenden Händen dargestellt, so wurde diese Gestik bald vom Griff an die Waffen ersetzt. Eine besondere Blüte erreichte diese Kunstform im Rahmen der gotischen Skulptur des 14. und 15. Jahrhunderts.8 Bekannte Beispiele bilden etwa das Grabmal des Grafen und Gegenkönigs Günther von Schwarzburg (gest. 1349) im Frankfurter Dom, die Grabplatte des Oswald von Wolkenstein von 1408/9 im Dom zu Brixen oder das in der Kunst Ostösterreichs isolierte Rotmarmorrelief des Erzherzogs Ernst des Eisernen vor 1424 (?) im Zisterzienserstift Rain in der Steiermark, welches einem Salzburger oder bayerischen Meister zugeschrieben wird. Da der Vater 177

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Abb. 1: Herzog Ludwig VII. von BayernIngolstadt als Ritter, Modell für das Grabmal von Hans Multscher, 1435 (München, Bayerisches National­ museum).

von Kaiser Friedrich III . 1414 in Jerusalem zum Ritter vom Heiligen Grab geschlagen worden war, ließ er sich zwar mit dem Erzherzogshut des Landesfürsten, aber im ritterlichen Plattenharnisch mit Schwert und (abgebrochener) Lanze bzw. Fahnenstange porträtieren.9 Ein sehr eindringliches Bild dieser ritterlichen Kultur bietet auch das Modell zum Grabstein von Herzog Ludwig VII . von Bayern-Ingolstadt (1368–1447) von Hans Multscher (um 1400–1467) in Ulm aus dem Jahre 1435 (Solnhofener Kalkstein, Höhe 58 cm / Breite 31 cm / Tiefe 6,0 cm) im Bayerischen Nationalmuseum in München (Abb. 1). Der Herzog mit dem Beinamen „der Bärtige“ lebte von 1391 bis 1393 sowie von 1402 bis 1415 am Pariser Hof, da seine Schwester Isabella mit dem französischen König Karl VI . und er mit Anna von Bourbon vermählt war. Aufgrund 178

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der Krankheit seines Schwagers stieg er gleichsam zum Regenten Frankreichs auf, und diese Erfahrungen flossen auch in seine Architekturprojekte wie das Schloss und die Liebfrauenkirche in Ingolstadt sowie in das Grabmalsprojekt ein.10 Eine Urkunde von 1438 erwähnt den roten großen märbelstein, den wir dazu hieher gen Ingolstadt haben fürn lassen – der fast vier Meter große Stein ist bis heute in der Ingolstädter Liebfrauenkirche erhalten geblieben. Das Grab wurde jedoch nie ausgeführt, weil der Herzog, 1438 durch den eigenen Sohn entmachtet, von 1443 bis zu seinem Tod 1447 in Gefangenschaft in Burghausen lebte. In seinem Testament vom 6. Juli 1429 legte Ludwig Form und Bildprogramm für das in der von ihm gestifteten Kirche zu errichtende Grabmal fest. Demzufolge sollte das Relief die Verehrung der Hl. Dreifaltigkeit durch einen gewappenten Man mit vnsern Helm vnd schilt von vnserm Wappen zeigen, mit die Paner in der Handt und die Wort für die Trinitet gehaven, O sancte Trinitas misere mei. Vnnd vergieb mir all mein Sundt.11 Tatsächlich kniet der Ritter mit dem gevierteilten bayerischen Wappenschild mit Löwe und Rauten auf einem Löwen. Die vom Herzog im Testament als Liberey bezeichneten emblematischen Symbole, nämlich der Rabe des Hl. Oswald und die Sonnenscheibe, sollten den Plattengrund schmücken und gelten als persönliche Embleme. Es scheint jedoch naheliegend, den von Ludwig für diese heraldischen Bilder verwendeten Begriff mit „Livrée“ zu übersetzen. Tatsächlich leitet sich die Bezeichnung für die höfische Dienstkleidung von den Pelzmänteln her, die der französische König an den großen Jahresfeierlichkeiten den Bannerherren und Rittern überreichte. Seit der Hochzeit von Karl VI . mit Isabella von Bayern im Jahre 1385 in Paris wurde der französische König von 29 Rittern begleitet, die nach der königlichen Sonnendevise als Chevaliers du soleil d’or bezeichnet wurden.12 Der ebenso mit dem französischen Königshaus wie mit dem Bayernherzog verschwägerte Gian Galeazzo Visconti trägt auf dem Stiftungsfresko von Ambrogio da Fossano in der Certosa di Pavia offensichtlich einen solchen Ordensornat.13 Da auch Ludwig von Bayern 1392 in diesen französischen Orden aufgenommen wurde, standen ihm dessen Symbole als Auszeichnung zu.14 Der englische König Oswald galt hingegen als Patron der Kreuzfahrer und soll gleichfalls ein Sonnensymbol auf seiner Brust getragen haben. Seinen Raben führte der Bayernherzog im Wappen. Nimmt man die Aussage des Testaments wörtlich, dann wollte der Herzog – also etwa im Unterschied zu Oswald von Wolkenstein, der auf seinem Grabstein auch sein im Kampf verletztes Auge darstellen ließ – nicht unbedingt mit individuellen Gesichtszügen porträtiert werden,15 sondern nur durch seinen „politischen Körper“,16 d. h. durch Rüstung, Helm, Wappenschild und Ordensinsignien! Die bildhaft aufgefasste Komposition der Grabplatte verbindet allerdings diese Motive mit einer eindringlichen Charakterisierung des Gesichtes des bärtigen Herzogs.17 Aber vielleicht 179

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war dies damals schon eine solche Selbstverständlichkeit, dass der Auftraggeber dies nicht extra betonen musste. II . Rüstung

Zumindest indirekt lebte die Vorstellung von der Rüstung als „politischem Körper“ eines Herrschers auch in der „Heldenrüstkammer“ von Erzherzog Ferdinand II . von Tirol im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts weiter. Neben insgesamt 1077 kleinen Porträts trug der Habsburger nämlich über 120 Harnische und Waffen berühmter Feldherren dafür zusammen, die in Schaukästen präsentiert wurden. Schon 1577 gab es den Plan, Darstellungen dieser Objekte zu publizieren. Das Werk konnte allerdings erst nach dem Tod des Besitzers realisiert werden: 1601 bzw. 1603 publizierte Ferdinands Privatsekretär Jacob Schrenck von Notzing (gest. 1612) eine lateinische und deutsche Ausgabe des Armamentarium heroicum, wobei die Rüstungen mit den Porträts der ursprünglichen Eigentümer zu ganzfigurigen Bildnissen umgestaltet wurden. Auf großformatigen Kupferstichen mit gegenüber oder auf der Rückseite gedrucktem Text wurden 125 Rüstungen bzw. Rüstungsteile unter dem Titel Der […] Kayser […] unnd anderer treflicher berühmter Kriegsshelden […] Bildtnussen und […] Beschreibungen ihrer […] thaten, […] Waffen und Rüstungen, so von […] weilandt […] Ferdinanden Ertzherzogen zu Österreich […] mit grosser mühe und kosten zusammengebracht unnd […] in […] Schloß Ombraß […] auffbehalten werden veröffentlicht. Dort wurden die militärischen Anführer nicht nur der eigenen, sondern auch der gegnerischen Heere verewigt. Das soziale Spektrum reichte von Kaisern bis zu Kleinadeligen und Landsknechten, die aufgrund ihrer militärischen Verdienste in den Adelsrang erhoben worden waren. Nach längerem Zögern übermittelte König Philipp II . von Spanien um 1585 seinem Cousin Ferdinand von Tirol den leichten Halbharnisch von Desiderius Helmschmid (1513–1579) aus dem Jahre 1543, einen Teil jener Rüstung, mit der Karl V. im August dieses Jahres im Geldrischen Erbfolgekrieg Herzog Wilhelm von Jülich, Kleve und Berg (1516–1592) besiegt hatte (Wien KHM , Hofjagd- und Rüstkammer Inv.-Nr. A 546)18. Mit dieser durch ein historisches Ereignis geadelten Rüstung wurde Karl V. daher auch in Ambras präsentiert und im Katalog der Sammlung porträtiert (Abb. 2). Der Herrscher trägt zwar Krone, Herrschermantel und Reichsapfel, aber anstelle des Szepters den Kommandantenstab, während Helm und Handschuhe zu seinen Füßen das kriegerische Element verstärken. Der Titel des Ambraser Tafelwerkes erlaubt es wohl ebenso wie die Sorgfalt, mit der etwa auch in den Bildern des Kaisers Maximilian I.,19 des Freiherren Wilhelm 180

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Abb. 2: Gaspar Patavinus nach Francesco Terzio: Kaiser Karl V im Harnisch der Schlacht im Geldrischen Erbfolgekrieg (1543), Kupferstich aus: Imagines Gentis Austriacae, um 1568 (Privatsammlung).

von Rog(g)endorf20 oder des Georg Kastriota gen. Skanderbeg21 deren Rüstungen bzw. Waffen wiedergegeben wurden, hier vom „ersten illustrierten und gedruckten Sammlungskatalog“ zu sprechen.22 Das großformatige Werk des Erzherzogs mit seinen qualitätvollen Illustrationen bildet in typologischer Hinsicht einerseits einen abschließenden Höhepunkt des humanistischen Porträtbuches,23 andererseits einen fulminanten Auftakt fürstlicher Sammlungskataloge.24 Der offenbar sehr geschäftstüchtige Verleger Dominicus Custos adaptierte die Idee von Erzherzog Ferdinand, indem er parallel zum Armamentarium heroicum 1600–1602 ein vierbändiges Atrium heroicum auf den Markt brachte.25 Das Bildformat war zwar vom ganzfigurigen Großfolio auf Brustbilder in Kleinfolio geschrumpft, aber dafür die Anzahl der Porträtierten auf 171 Personen gestiegen. Die Idee war jedoch die gleiche: In einer etwas beliebigen Auswahl, aber konfessionell und national sowie zeitlich nicht eingeschränkt, wurden hier wie in Ambras und im Atrium eines römischen Hauses die Bildnisse der hervorragenden Vorfahren präsentiert, um den Betrachtern deren Taten sowie Tugenden vor Augen zu stellen und zur 181

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Nachahmung anzuregen. Parallel dazu war 1596 in Italien mit den Ritratti di capitani illustri von Aliprando Capriolo ein Werk mit Kurzbiographien und Porträts bedeutender Heerführer von Friedrich Barbarossa bis Alessandro Farnese erschienen, dem später zahlreiche Auflagen bzw. ähnliche Werke folgten.26 Im Zeitalter der Söldnerheere und Kanonen hatte der Harnisch zwar seine Schutzfunktion teilweise verloren, aber nicht zuletzt in der besonders repräsentativen Form des Turnier- bzw. Kostümharnischs wirkte das symbolische Kapital der Rüstung27 und die Darstellung als Ritter in zahlreichen Porträts des 16. Jahrhunderts fort (so etwa bei Kurfürst Joachim II . von Brandenburg oder Alessandro Farnese).28 Die Rüstung dürfte jedenfalls zwischen 1530 und 1750 das wesentlichste Element im Bildnis europäischer Herrschers gewesen sein, wobei zumal Karl V. und Tizian eine kaum zu unterschätzende Rolle bei der Verbreitung dieses Porträttypus spielten. Das gilt insbesondere für die Darstellungen Karls in jener Rüstung, die er in der Schlacht bei Mühlberg getragen hatte.29 Das Porträt des Herrschers im Ganzkörperharnisch blieb bis weit ins 18. Jahrhundert in Gebrauch, etwa bei Kaiser Karl VI .30, der möglicherweise in diesem Zusammenhang direkt auf das Vorbild seines gleichnamigen Amtsvorgängers zurückgegriffen hat. III . Reiter

Tatsächlich kennzeichnet die Vorstellung von der Rüstung als Erinnerungsstück an ein historisch bedeutsames Ereignis auch das bekannte Reiterporträt Karls V. von Tizian im Prado. Denn dieses Gemälde sollte den Sieg der katholischen Truppen über die protestantische Liga von Schmalkalden festhalten. Einige Monate nach der Schlacht bei Mühlberg gab der Kaiser bei Tizian das Gemälde in Auftrag und es wurde auch jene Rüstungsgarnitur dokumentiert, die Karl V. und sein Pferd am 24. April 1547 getragen hatten.31 Während die Lanze als Hinweis auf die antike oder mittelalterliche Tradition zu deuten ist, bildeten die hohen Reiterstiefel sowie die purpurrote Schärpe der Katholiken das Kennzeichen der höchsten Infanterieoffiziere.32 Parallel dazu veränderte sich auch die Symbolik des fürstlichen Reiters vom Ritter im Schlachtengetümmel zum Feldherrn und Staatslenker: Die antike Metapher, derzufolge ein guter Herrscher sein Volk  ebenso wie sein Pferd zu lenken versteht, wurde u. a. 1623 vom Juristen Jéronimo de Cevellos in seinem Traktat Arte real para del buen govierno de los Reyes, y Principes, y de sus vasallos expressis verbis unter Bezugnahme auf Valerius Maximus formuliert: El reynar, señor, es como domar un cavallo desbocado, y feroz ‚que sino se rige con prudencia, y arte, derribarà al que subiere en el. ‚Qui regnum adipiscitur simile est ei, qui equm habet indomitum, à quo nisi cum arte 182

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Abb. 3: Pietro Tacca: Reiterstandbild von König Philipp IV. von Spanien, um 1635 (Madrid, Plaza de Oriente).

et perittà noverit, tergo eius insidere.‘ (Val. Max. lib. 7).33 Und die Reiterporträts des Velázquez zeigen Philipp IV . und vor allem dessen Sohn im Gemälde Baltasar Carlos in der Reitschule von 1636 explizit bei der sogenannten „corveta“ oder „levade“, einer besonders schwierigen Aufgabe der Reitkunst, da dabei das steigende Pferd mit nur einer Hand geleitet werden musste.34 Neben dem Denkmal des Marc Aurel mit schreitendem Pferd auf dem Kapitol, das lange Zeit als ein Monument des ersten christlichen Kaisers Konstantin galt und daher auch für Karl V. als Modell diente, wurde die Darstellung des Fürsten auf courbettierendem Pferd vor allem in der Malerei, aber auch als Denkmal zum Inbegriff des absolutistischen Herrschers.35 Der Typus beginnt mit zwei Monumentalskulpturen des frühen 17. Jahrhunderts, die jedoch nicht auf einem öffentlichen Platz, sondern im Garten einer Residenz aufgestellt wurden. Dies gilt sowohl für das um 1625 geschaffene, aber wegen des frühen Todes des Auftraggebers nicht mehr vollendete Monument Erzherzog Leopolds von Caspar Gras in Innsbruck36 wie auch für das von 1634–1640 nach dem Gemälde von Velázquez gestaltete und im Garten des Buen Retiro-Palastes aufgestellte Denkmal 183

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Philipps IV . von Giambolognas Meisterschüler Pietro Tacca (Abb. 3),37 das zu Unrecht und zum Nachteil des Innsbrucker Reiterdenkmals als das erste Standbild mit der technisch schwierig zu bewältigenden Darstellung eines steigenden Pferdes gilt.38 Gegenüber dem Reiterbildnis Karls V. sind zwei weitere wesentliche ikonographische Neuerungen zu konstatieren, die sich aus dem Offiziersporträt ableiten lassen: Der Harnisch bleibt auf den Oberkörper oder überhaupt nur auf die Brust (Kürass) beschränkt und wird mit einem Lederwams kombiniert, während der Unterkörper mit den von den Landsknechten eingeführten hohen Becherstiefeln mit oder ohne Stulpen sowie mit der aus der spanischen Männermode übernommenen Pluderhose, den sog. „Heerpauken“, bekleidet ist. Als Kennzeichen des Generalissimus erscheint der von der Antike übernommene Feldherrenstab in der rechten Hand des Herrschers.39 Ein weiteres Beispiel für diese Kombination von kurzer Hose, Brustpanzer, Stiefeln und Kommandantenstab zeigt das Bildnis von König Philipp II . von Anthonis Mor um 1559/60 im Escorial. Der spanische König wird auf dem Bildnis mit der von Wolfgang Grosschedel 1551 angefertigten Rüstung, die er in der Schlacht bei San Quentin gegen Heinrich II . von Frankreich getragen hatte, dargestellt.40 In der Ambraser „Heldenrüstkammer“ wurden bald danach die einander bekriegenden Statthalter der nördlichen und der südlichen Niederlande, Moritz von Oranien (1567–1625) und Erzherzog Albrecht VII . (1559–1621), in dieser Generalsuniformierung porträtiert. IV. Uniform

Die Anfänge einer Uniformierung von Soldaten reichen ins frühe 16. Jahrhundert zurück, als die Landsknechte ihre militärische Bedeutung mit einer ausgefallenen Kleidermode demonstrierten, von der einzelne Teile wie der Brustpanzer und die Kniehosen in die Offizierstracht übernommen wurden.41 Es dauerte jedoch ein Jahrhundert bis diese Kennzeichen in das allgemeine Herrscherporträt Eingang fanden. Dann sollten sie den Zeitgenossen offensichtlich veranschaulichen, dass der König nicht nur über ritterliche Tugenden verfügt, sondern auch über militärische Kompetenz – selbst wenn dies, wie etwa bei Philipp IV ., nicht der Fall war. Diese Darstellungsform wurde parallel zum Reiterporträt im Laufe des 17. Jahrhunderts immer beliebter, wenn man etwa an die Bildnisse von Ludwig XIII . von Frankreich, Christian IV . von Dänemark sowie Kaiser Ferdinand II . und Kurfürst Maximilian I. von Bayern denkt. Noch deutlicher ist jedoch der nächste Entwicklungsschritt hin zur modernen Uniform, der parallel zur Ausbildung stehender Heere seit der zweiten Hälfte des 184

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Abb. 4: Soldatenuniform von König Karl XII. von Schweden, die er am Tag seines Todes trug, 1718 (Stockholm, Royal Armoury).

17. Jahrhunderts erfolgte.42 Der erste Herrscher, der sich fast ausschließlich in der modernen Variante einer Felduniform porträtieren ließ, war König Karl XII . von Schweden (1682–1718). Er konnte auf den Militärreformen seines Vaters aufbauen, als er 1697 mit 15 Jahren die Regierung übernahm, und er kämpfte ab 1700 im Großen Nordischen Krieg. Er war stolz auf seine schlichte Soldatenkleidung und ließ sich nach Kriegsbeginn ohne Perücke, mit blauem Uniformrock, Stiefeln, Stulpenhandschuhen und schmucklosem Degen porträtieren (Abb. 4). Der Militärmonarch beendete folgerichtig sein Leben in einer Schlacht.43 Seinem Porträtvorbild folgten der preußische „Soldatenkönig“ Friedrich I. und dessen Sohn Friedrich der Große. Nach dessen Vorbild wurde auch Kaiser Joseph II . nach 1765 fast ausschließlich in Uniform porträtiert. Ein Jahr nach dem Tod seines Vaters und dem Beginn seiner Herrschaft als Kaiser ordnete Joseph II . am 8. November 1766 die Abschaffung des spanischen Mantelkleides am Wiener Hof an. Die Porträtisten zeigten den Herrscher daraufhin zunächst meist in der Paradeuniform eines Infanterie-Feldmarschalls mit weißer Jacke, scharlachroter Hose und goldbetreßter Weste. Ein dem römischen Maler Anton von Maron zugeschriebenes Porträt in Versailles porträtiert den Römischen König mit 185

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Uniform und Kürass vor einem Feldlager mit der Reichskrone auf einem Polster. Die Pose und die Hand mit dem Feldmarschallstab in der schon beschriebenen Form lässt sich gut mit einem Bildnis Friedrichs des Großen als Kronprinz nach Antoine Pesne vergleichen. Ein späteres Beispiel für diesen Typus vollendete Anton von Maron 1775, es diente als Gegenstück zu einem Witwenporträt von Maria Theresia im Festsaal des Oberen Belvedere. Im Unterschied zum älteren Bildnis erscheint nun auch der militärische Dreispitz, der – aus flandrisch-französischer Soldatentradition kommend – auch zur bevorzugten Kopfbedeckung des preußischen Königs geworden war. Anstelle der Perücke trägt der Herrscher die Haare zu einem Zopf gebunden, „nach Art der Offiziere“, und das Militärische wird auch durch die vielleicht auf die polnischen Teilungen von 1772 anspielende Schlachtenszene im Hintergrund sowie die römische Statue des Mars aufgerufen. Die rot-weiß-rote Schärpe kennzeichnet ihren Träger als Großmeister des 1757 nach der siegreichen Schlacht gegen die Preußen bei Kolin gegründeten Militär-Maria-Theresien-Ordens. Für den geübten Betrachter wurde damit eine doppelte martialische Botschaft vermittelt: Der Kaiser präsentierte sich als oberster Heerführer seiner Armee und der Orden bot einen indirekten Hinweis auf den Triumph über den preußischen Rivalen. Dies war allerdings nicht nur Symbolik.44 Denn als Maria Theresia ihren Sohn 1765 zum Mitregenten ernannte, hat sie ihm vor allem bzw. ausschließlich die Militärangelegenheiten übertragen, und ab 1770 plante Joseph seine eigenen Reformen des Heerwesens.45 Gleichsam die ‚aufgeklärte‘ Variante bietet jener Typus, der den Herrscher nicht mehr im Kriegszelt und vor der Schlacht im Hintergrund zeigt, sondern mit Landkarten und Aufmarschplänen auf einem Tisch im „Heereshauptquartier“ – ein Motiv, das noch für Propagandafotos von Adolf Hitler herangezogen wurde. Auswahlbibliographie

Raphael Beuing: Reiterbilder der Frührenaissance. Monument und Memoria (= Symbolische Komunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 26), Münster 2010. Karl Brunner und Falko Daim: Ritter, Knappen, Edelfrauen. Ideologie und Realität des Rittertums im Mittelalter, Wien/Köln/Graz 1981. Joachim Ehlers: Die Ritter. Geschichte und Kultur, München 2006. Marcello Fantoni (Hg.): Il „perfetto capitano“. Immagini e realtà (secolo XV–XVII). Atti del seminari di studi Georgetown University a Villa „Le Balze“. Istituto di Studi Rinanscimentali di Ferrara 1995–1997 („Europa delle Corti“. Centro studi sulle società di antico regime. Biblioteca del Cinquecento 98), Roma 2001. Sabine Haag und Veronika Sandbichler (Hg.): Maximilian I. „Zu lob und ewiger gedachtnus“, Ausst.-Kat. Ambras, Innsbruck 2019.

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Walter Liedtke: The Royal Horse and Rider. Painting, Sculpture and Horsemanship 1500–1800, New York 1989. Friedrich Polleroß: From the “exemplum virtutis” to the Apotheosis. Hercules as an Identification Figure in Portraiture: an Exemple of the Adoption of Classical Forms of Representation, in: Allan Ellenius (Hg.): Iconography, Propaganda, Legitimation (= The Origins of the Modern State in Europe 13th–18th Centuries 7), Oxford/New York 1998, 37–62. Friedrich Polleroß: „Theatro della Gloria Austriaca“. Das Reiterporträt als Herrschaftszeichen der Casa de Austria, in: Alexandra Merle/Éric Leroy du Cardonnoy (Hg.): Les Habsbourg en Europe. Circulations, échanges, regards croisés (= Studia Habsburgica 1), Reims 2018, 79–92. Friedrich Polleroß: La militarización de los retratos de los Habsburgo en el siglo XVIII., in: Inmaculada Rodríguez Moya/Víctor Mínguez (Hg.): Rex Bellum. Visiones artísticas de guerra y conquista (Colección Piedras angualres), Somonte-Cenero 2021, 345–369. Friedrich Polleroß: „Virtus Coronata Ex Augustissima et Serenissima Domo Austriaca et Hispana“. El retrato ecuestre como símbolo de la Casa de Austria / Das Reiterporträt als Herrschaftszeichen der Habsburger, in: Potestas 20 (2022), 131–198 (=https://www.e-revistes.uji.es/index.php/ potestas/article/view/6158). Andreas Schlunk/Robert Giersch: Die Ritter. Geschichte, Kultur, Alltagsleben, Stuttgart 2003. Wilfried Seipel (Hg.): Wir sind Helden. Habsburgische Feste in der Renaissance, Ausst.-Kat. Ambras, Wien 2005. Álvaro Soler del Campo (Hg.): El arte del poder. La Real Armería y el retrato de corte, Ausst.-Kat. Madrid, Madrid 2010. Martin Wrede (Hg.): Die Inszenierung der heroischen Monarchie. Frühneuzeitliches Königtum zwischen ritterlichem Erbe und militärischer Herausforderung (= Historische Zeitschrift Beihefte NF 62), München 2014.

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Anmerkungen 1 Karl Brunner/Falko Daim: Ritter, Knappen, Edelfrauen. Ideologie und Realität des Rittertums im Mittelalter, Wien/ Köln/ Graz 1981. 2  Marcello Fantoni (Hg.): Il „perfetto capitano“. Immagini e realtà (secolo XV–XVII). Atti del seminari di studi Georgetown University a Villa „Le Balze“. Istituto di Studi Rinanscimentali di Ferrara 1995–1997 („Europa delle Corti“. Centro studi sulle società di antico regime. Biblioteca del Cinquecento 98), Roma 2001; Diane H. Bodart: Art. „Feldherr“, in: Uwe Fleckner/Martin Warnke/ Hendrik Ziegler (Hg.): Politische Ikonographie. Ein Handbuch, Bd. 1, München 2014, 306–315; Martin Wrede (Hg.): Die Inszenierung der heroischen Monarchie. Frühneuzeitliches Königtum zwischen ritterlichem Erbe und militärischer Herausforderung (= Historische Zeitschrift Beihefte NF 62), München 2014. 3  Werner Hechberger: Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter (= Enzyklopädie deutscher Geschichte 72), 2. Auflage München 2010, 91–106. 4  Joachim Ehlers: Die Ritter. Geschichte und Kultur, München 2006, 13 und 26. 5  Andreas Schlunk/Robert Giersch: Die Ritter. Geschichte, Kultur, Alltagsleben, Stuttgart 2003, 44–59 und 74–79. 6  Ludwig Freidinger: Wappen  – Bildzeichen der mittelalterlichen Gesellschaft, in: Falko Daim/ Thomas Kühtreiber (Hg.): Stein & Sinn. Burg & Mensch, Ausst.-Kat., St. Pölten 2001, 461–468. 7 Schlunk/Giersch 2003 (wie Anm. 5), 40–43; Ehlers 2006 (wie Anm. 4), 31–41; Werner Paravicini: Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters (= Enzyklopädie deutscher Geschichte 32), 2. Auflage München 1999; Karl-Heinz Spieß: Idealisiertes Rittertum. Herzog Karl der Kühne von Burgund und Kaiser Maximilian I., in: Wrede 2014 (wie Anm. 2), 57–75. 8 Kurt Bauch: Das mittelalterliche Grabbild. Figürliche Grabmale des 11. bis 15. Jahrhunderts in Europa, Berlin/ New York 1976, Reprint Berlin/ Boston 2011, 120–140 („Krieger“); Andreas Zajic: „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“. Grabdenkmäler als Quelle für Memoria und Repräsentation von Adel und Bürgertum im Spätmittelalter und in

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der Frühen Neuzeit. Am Beispiel Niederösterreichs (MIÖG Ergänzungsband 45), Wien/München 2004. 9  Günter Brucher (Hg.): Gotik (= Geschichte der bildenden Kunst in Österreich 2), München/London/New York 2000, 395, Kat.-Nr. 162. 10  Theodor Straub: Ludwig der Bärtige. Mythos und Wirklichkeit, in: Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt 110 (2001), 75–90. 11  Brigitte Reinhardt/Michael Roth (Hg.): Hans Multscher. Bildhauer der Spätgotik in Ulm, Ausst.Kat., Ulm 1997, 302–306. 12  Alexandre Dumas: Isabel de Bavière, Paris 1836, 79–80: „Sur ces trente chevaliers qui devaient faire les armes de ce jour (*) et qui étaient appelés les chevaliers du soleil d’or, parce qu’ils portaient sur leurs boucliers un soleil rayonnant; vingt-neuf attendaient, déjà tout armés, dans la lice. Le tren tième entra, toutes les lances s’abaissèrent pour le recevoir : c’était le roi.“ * „C’étaient le roi, le duc de Berry, le duc de Bourgogne, le duc de Bourbon, le comte de la Marche, messire Jacquemart de Bourbon, son frère, messire Guillaume de Namur, messire Olivier de Clisson, messire Jean de Vienne, messire Jacquemin de Vienne, son frère, messire Guy de la Trimouille, messire Guillaume, son frèrè, messire Philippe de Bar, le seigneur de Rochefort, le seigneur de Rais, le sire de Beaumanoir, messire Jean de Barbançon, le halze de Flandre, le seigneur de Coucy, messire Jean de Bares, le seigneur de Nantouillet, le seigneur de la Rochefoucault, le seigneur de Garancières, messire Jean Harpedanne, le baron de Saint-Véry, messire Pierre de Craon, messire Regnault de Roye, messire Geoffroy de Charny, et messire Guillaume de Lignac.“ 13  Vgl. Die Abbildung bei Gianni Carlo Sciolla (Hg.): Ambrogio da Fossano detto il Bergognone: un pittore per la Certosa, Mailand 1998, 287. 14 Claudia Märtl: Frankreich. Herzog Ludwig VII . von Bayern-Ingolstadt (1368–1447) und seine Schwester Isabeau am französischen Königshof, in: Alois Schmid/Katharina Weigand (Hg.): Bayern mitten in Europa. Vom Frühmittelalter bis ins 20. Jahrhundert, München 2005, 107–120. 15  Zajic 2004 (wie Anm. 8), 184.

k. Kämpfen 16  Zur Zweikörperlehre siehe Ernst H. Kantorowicz: Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters (Princeton 1957), München 2. Auflage 1994; Ulrich Pfisterer: Art. „Zwei Körper des Königs“, in: Fleckner/ Warnke/Ziegler 2014 (wie Anm. 2), Bd. 2, 557– 564. 17 Katharina Hantschmann/Michael Koch/ Peter Lüdemann/Sigrid Sangl/Astrid Scherp/ Annette Schommers/Lorenz Seelig/Matthias Weniger: Bayerisches Nationalmuseum Highlights, München 2009, Nr. 217. Franz Niehoff (Hg.): Das goldene Jahrhundert der reichen Herzöge, Folge 34, Landshut 2014, 80–93, Abb. 1. 18  Wilfried Seipel (Hg.): Kaiser Karl V. (1500– 1558). Macht und Ohnmacht Europas, Ausst.-Kat. Wien, Mailand 2000, 260–261, Kat.-Nr. 248. 19  Sabine Haag/Veronika Sandbichler (Hg.): Maximilian I. „Zu lob und ewiger gedachtnus“, Ausst.Kat. Ambras, Innsbruck 2019, 62–63. 20  Stefan Krause: Mode in Stahl. Der Kostümharnisch des Wilhelm von Rogendorf, Wien 2016. 21 Christian Beaufort-Spontin: Die „Ehrliche Gesellschaft“ Erherzog Ferdinands von Österreich. Die originellste Sammlung des 16. Jahrhunderts, in: Hans Ottomayer (Hg.): Das Exponat als historisches Zeugnis. Präsentationsformen politischer Ikonographie, Dresden 2010, 121–130. 22  Jakob Schrenk von Notzing: Die Heldenrüstkammer Erzherzog Ferdinands II . auf Schloß Ambras bei Innsbruck, Faksimiledruck der lateinischen Ausgabe und der deutschen Ausgabe des Kupferstichinventars von 1601 bzw. 1603, hg. von Bruno Thomas, Osnabrück 1981; Susanne E. L. Propst: Dall’arte della guerra all’arte dell’ immagine. L’arciduca Ferdinando del Tirolo e la „Galleria degli Eroi“ nel castello di Ambras, in: Fantoni 2001 (wie Anm. 2), 471–489. 23  Paul Ortwin Rave: Paolo Giovio und die Bildnisvitenbücher des Humanismus, in: Jahrbuch der Berliner Museen 2 (1958/59), 105–139; Milan Pelc: Illustrium Imagines. Das Porträtbuch der Renaissance (= Studies in Medieval and Reformation Thought 88) Leiden/Boston/Köln 2002, 250–251, Kat.-Nr. 50. 24  Friedrich Polleroß: Die Kunstgeschichte und ihre Bilder im 17. Jahrhundert. Reiseführer und Sammlungskataloge, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 41 (2014), Marburg 2015, 117–157.

Hofbauer: Dominicus Custos und der frühe Augsburger Kupferstich, Magisterarbeit Wien 2012, 23–25 und 49. 26  Bodart 2014 (wie Anm. 2), 306. 27  Wilfried Seipel (Hg.): Wir sind Helden. Habsburgische Feste in der Renaissance, Ausst.-Kat. Ambras, Wien 2005; Matthias Pfaffenbichler: Die deutsche Harnischgarnitur im 16. Jahrhundert, in: Stefan Krause/Matthias Pfaffenbichler (Hg.): Turnier. 1000 Jahre Ritterspiele, Wien 2017, 222– 239. 28 Mathis Leibetseder: Kurfürst im Harnisch. Rittertum und Repräsentation am Hofe Joachims II . von Brandenburg, in: Wrede 2014 (wie Anm. 2), 76–106; Bodart 2014 (wie Anm. 2), 306–312. 29  Miguel Falomír: Carlos V, Tiziano y el retrato en armadura, in: Álvaro Soler del Campo (Hg.): El arte del poder. La Real Armería y el retrato de corte, Ausst.-Kat., Madrid 2010, 40–53. 30  Friedrich Polleroß: Karl VI . im Porträt – Typen und Maler, in: Stefan Seitschek/Sandra Hertel (Hg.): Herrschaft und Repräsentation in der Habsburgermonarchie (1700–1740). Die kaiserliche Familie, die habsburgischen Länder und das Reich (= bibliothek altes Reich 31), Berlin/Boston 2020, 347–373. 31  Fernando Checa Cremades: Carlos V, a caballo, en Mühlberg, de Tiziano, Madrid 2001, 35–51; Álvaro Soler del Campo: La batalla y la armadura de Mühlberg en el retrato ecuestre, in: Fernando Checa Cremades (Hg.): La Restauración de El emperador Carlos V a caballo en Mühlberg de Tiziano, Madrid 2001, 87–102. 32  Jörg Oberhaidacher: Zu Tizians Reiterbildnis Karls V. Eine Untersuchung seiner Beziehungen zum Georgsthema, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 78 (1982), 69–90; Hermann Fillitz: Zu Tizians Reiterbildnis Kaiser Karls V., in: Günther Brucher /Wolfgang T. Müller (Hg.): Orient und Okzident im Spiegel der Kunst, Graz 1986, 81–86; John F. Moffitt: The Forgotten Role of a „Determined Christian Knight“ in Titian’s Depiction of Charles V, Equestrian, at Mühlberg, in: Gazette des Beaux Arts 137 (2001), 37–52. 33  Jéronimo de Cevallos: Arte real para del buen govierno de los Reyes, y Principes, y de sus vasallos, Toledo 1623, fol. 96r. 25 Claudia-Maria

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Friedrich Polleroß 34  Martin Warnke: Das Reiterbildnis des Baltasar Carlos von Velázquez, in: Kurt Badt/Martin Gosebruch (Hg.): Amici amico, München 1968, 217–227.Vgl. auch den Beitrag von Maurice Saß zu „Reiten“ in diesem Band, 306–322. 35  Walter Liedtke: The Royal Horse and Rider. Painting, Sculpture and Horsemanship 1500–1800, New York 1989; Jessica Mack-Andrick: Pietro Tacca. Hofbildhauer der Medici (1577–1640). Politische Funktion und Ikonographie des frühabsolutistischen Herrscherdenkmals unter den Großherzögen Ferdinando I ., Cosimo II . und Ferdinando II ., Weimar 2005; Raphael Beuing: Reiterbilder der Frührenaissance. Monument und Memoria (= Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 26), Münster 2010; Ulrich Keller: Art. „Reiterstandbild“, in: Fleckner/Warnke/ Ziegler 2014 (wie Anm. 2), Bd. 2, 301–307; Volker Hunecke: Fürstliche Reiterstandbilder in Europa (16.–19. Jahrhundert), in: Wrede 2014 (wie Anm. 2), 236–265. 36  Artur Rosenauer (Hg.): Spätmittelalter und Renaissance (= Geschichte der bildenden Kunst in Österreich 3), München u. a. 2003, 393, Nr. 186 (Cornelia Plieger). 37  Karin Hellwag-Konkerth: La estatua ecuestre de Felipe IV de Pietro Tacca y la fachada del Alcázar de Madrid, in: Archivo Español de Arte 250 (1990), 233–241; José Manuel Matilla: El Caballo de Bronce. La estatua de Felipe IV. Arte y técnica al servicio de la Monarquía, Madrid 1997.

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38  Einen Überblick zum habsburgischen Reiterporträt bei Friedrich Polleroß: „Theatro della Gloria Austriaca“. Das Reiterporträt als Herrschaftszeichen der Casa de Austria, in: Alexandra Merle/Éric Leroy du Cardonnoy (Hg.): Les Habsbourg en Europe. Circulations, échanges, regards croisés (= Studia Habsburgica 1), Reims 2018, 79– 92, Fig. 1–29. 39 Godehard Janzing: Le pouvoir en main. Le bâton de commandement dans l’ image du souverain à l’aube des Temps modernes, in: Thomas W. Gaehtgens: L’ image du roi de François I er à Louis XIV, Paris 2006, 245–280. 40  Soler del Campo 2010 (wie Anm. 29), 166–171. 41  Krause 2016 (wie Anm. 20), 30–43. 42  Klaus Ulrich Keubke: 1000 Uniformen, Köln 2008, 24–26. 43  Joachim Krüger: Karl XII .  – Der „heroische“ Militärmonarch Schwedens, in: Wrede 2014 (wie Anm. 2), 358–381. 44  Siehe dazu den Beitrag von Friedrich Polleroß: Husaren & Uniformen. Zur Militarisierung des habsburgischen Herrscherporträts in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts unter preußischem Einfluss (im Druck). 45  Claudia Reichl-Ham: Die Armee Maria Theresias (1740–80) und Josephs II . (1780–90), in: Peter Fichtenbauer/M. Christian Ornter (Hg.): Die Geschichte der österreichischen Armee von Maria Theresia bis zur Gegenwart in Essays und bildlichen Darstellungen, Wien 2015, 12–21.

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Der heute sprichwörtlich gewordene Gang nach Canossa1 geht auf einen Akt der politischen Unterwerfung und kirchlichen Buße zurück: Das historische Ereignis (25.– 28. Januar 1077) löste eine Erschütterung des Gefüges „von Kirche und Welt, Papst und König, von Geistlichkeit und Laien“2 aus. Hier interessieren jedoch weniger die politischen Folgen des Ereignisses als vielmehr dessen symbolischer Gehalt. In der Folge des Investiturstreits und seiner daraus resultierenden Exkommunikation unterwarf sich der damalige römische König und spätere Kaiser Heinrich IV . (1050–1106) Papst Gregor VII . (Papst von 1073–1085). Drei Tage harrte Heinrich barfüßig und im Büßergewand im Schnee aus und flehte unter Tränen um Erbarmen, bis er wieder in den Schoß der Kirche aufgenommen wurde. Mögen die berichteten Geschehnisse nun stilisiert sein oder nicht, derartige Bußhandlungen hatten durchaus Tradition3 und besaßen einen immensen Symbolgehalt. Unumstritten ist insofern die Bedeutung Canossas für die symbolischen Zeichen und ‚Spielregeln‘ herrscherlicher Bußpraxis und Unterwerfung der folgenden Jahrhunderte.4 Der Einfluss dieser Begebenheit auf die politische Ikonographie fällt dagegen äußerst marginal aus, was vor allem dem Umstand geschuldet sein dürfte, dass sich eine solch erniedrigende Geste kaum dazu eignete, herrscherliche potestas zu inszenieren. Mit Ausnahme einer Miniatur in der Vita der Matilde von Tuszien (ca. 1046–1115) ist keine zeitgenössische Darstellung bekannt: Bezeichnenderweise ist Heinrich hier in edle Gewänder und nicht in ein Büßerhemd gekleidet. Ein Bein in Unterwerfungshaltung gebeugt – also nicht betend oder flehend –, kniet Heinrich vor Matilde und Abt Hugo von Cluny (1024–1109) nieder, um ihrer beider Vermittlung bei Papst Gregor zu erbitten. Die eigentliche Bußhandlung steht ihm also erst noch bevor. Wie im Falle Heinrichs finden sich auch sonst kaum zeitgenössische Darstellungen, die büßende Herrscher – etwa bei der Beichte, beim Fasten oder Geißeln – zeigen. Anders verhält es sich mit Historiengemälden und biblischen Darstellungen, die auch die herrscherliche Bußpraxis immer wieder eingehend schilderten – so ist beispielsweise die eben beschriebene Canossa-Szene in der Kunst des 19. Jahrhunderts ebenso beliebt wie Darstellungen vom reumütigen König Heinrich II . (1133–1189) am Grabmal des Thomas Beckett, der demütig in Bußgewand das Kreuz nach Jeru191

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salem zurückführende Kaiser Herakleios (um 575–641)5 findet sich u. a. auf einem Altarretabel des 16. Jahrhunderts im Dom zu Meißen (Kreuzretabel aus der Cranach-Werkstatt von 1520) und schließlich gibt es zahlreiche Darstellungen des biblischen und gottesfürchtigen Königs David (2 Samuel 24,13–25).6 Ein Grund für den Mangel an zeitgenössischen Darstellungen dürfte das Fehlen einer ähnlichen ikonographischen Tradition der Buße sein, wie sie etwa für die Beichte als dem zentralen Bußsakrament existiert. Auch die biblischen Büßer wurden nicht einheitlich bei der Ausführung bestimmter Bußriten (Geißeln, Fasten, Tragen von Bußkleidern7), sondern durch ihre individuellen Attribute ausgewiesen. So findet man büßende Herrschende nahezu ausnahmslos als Betende, deren Gebärden nach Thomas Lentes der Steigerung der Andacht dienen, weil sich in ihnen Innen und Außen, Körper und Seele miteinander verbinden.8 Diese Darstellungskonvention lässt sich u. a. anhand der zahlreichen Stifterbildnisse durch das gesamte Mittelalter und die Frühe Neuzeit nachvollziehen.9 Herrschaft und gesellschaftliche Ordnung wurden in der Vormoderne vor allem durch Gesten, Bewegungen im Raum und durch Kleidung visualisiert und choreografiert. Auch Beten und Büßen waren inszenierte Körpertechniken, die nicht nur ein frommes Bild von den Dargestellten zeichnen sollten.10 Ganz gleich, ob es sich um historische Wirklichkeit oder um inszenierte Formen einer „ostentativen Religiosität“11 handelte: Herrschern und Herrscherinnen war es immer wieder ein besonderes Anliegen, ihre Religiosität, ihr Beten und Büßen im Bild zu inszenieren und dauerhaft festzuhalten. Im Folgenden soll es anhand verschiedener konkreter Beispiele um die damit verbundenen Intentionen und Botschaften gehen. […] und als der König [Karl V. von Frankreich] den Heiligen Schrein öffnete, zog […] Kaiser [Karl IV .] den Hut, faltete die Hände und betete dort lange und in Tränen gar inbrünstig. Dann ließ er sich aufheben und näher bringen, um die heiligen Reliquien zu küssen.12 Das Zitat aus den Grandes Chroniques de France beschreibt den Besuch Kaiser Karls IV . (1316–1378) im Januar 1378 in der Pariser Sainte-Chapelle, dem seinerzeit bedeutendsten Verwahrungsort von Passionsreliquien. Es verdeutlicht das zeitgenössische Frömmigkeitsideal, für das der Reliquienkult von Heiligen zentral war. Dem französischen Vorbild folgend sammelte auch Karl IV . in großem Maßstab Reliquien13 und suchte sein Gottesgnadentum14 und seine Religiosität vielfältig zu inszenieren.15 Die Fresken auf Burg Karlstein etwa legen Zeugnis von Karls Auffassung sakraler Herrschaft ab; besonders prägnant und zugleich privat wird dies in der Wandmalerei der Altarnische an der Ostwand der kleinen Marienkapelle ersichtlich (um 1357; Abb. 1): Karl kniet betend neben der thronenden Madonna mit dem Jesuskind, das ihn mit der Rechten segnet und mit der Linken nach den betenden Händen des Herrschers greift. Ihm gegenüber kniet seine Gemahlin Anna von Schweidnitz 192

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Abb. 1: Altarnische Marienkapelle, um 1357, Wandmalerei (Burg Karlstein).

(1339–1362), deren betende Hände von der Muttergottes berührt werden. Es handelt sich bei der Darstellung also nicht um „eine klassische Anbetung der thronenden Mutter Gottes durch die Stifter, sondern im Grunde um eine Weltherrschaftsübergabe ohne päpstliche Vermittlung, die das Kaiserpaar von Christus und der Jungfrau Maria empfängt“.16 Ohne die Fürsprache durch Interzessoren wird Karls Herrschaft durch das Jesuskind geradezu körperlich vermittelt und legitimiert. Den Herrschaftsanspruch unterstreicht auch Karls Wiedergabe in vollem Ornat und mit Krone, die dem Gebot der humilitas entsprechend eigentlich entfallen müsste.17 Betont öffentlichkeitswirksam inszenierte Kaiser Maximilian I. (1459–1519) einen ganz ähnlichen Anspruch. Ihm war es bekanntlich ein besonderes Anliegen, das Ge193

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Abb. 2: Hans Springinklee: sog. Apotheose ­Maximilians I., 1519, Holzschnitt (New York, The Metropolitan Museum).

dächtnis an die eigene Person über seinen Tod hinaus zu erhalten. Dafür nutzte er mit Vorliebe auch das neue und potentiell massenhaft zu verbreitende Medium der Druckgraphik. Dass er dabei auch als von Christus erwählter Herrscher erinnert werden wollte, verdeutlicht die von Johannes Stabius (1468–1522) entworfene und von Hans Springinklee ausgeführte sogenannte Apotheose Maximilians (Abb. 2). Dieser Holzschnitt, der kurz nach Maximilians Tod 1519 entstand, aber eventuell noch von ihm selbst in Auftrag gegeben worden war, besteht aus drei sich wechselseitig bedingenden Bestandteilen: einem Bild, einem Lobgedicht und Spruchbändern. Der Schnitt zeigt Maximilian, der betend vor Christus inmitten verschiedener Heiliger kniet. Der Kaiser trägt die sogenannte Privatkrone sowie eine Kette mit dem Georgskreuz, seine 194

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Insignien – Reichsapfel, Zepter und Schwert – hat er zu Füßen Christi niedergelegt. Christus hält die Weltkugel in der linken und segnet den Monarchen mit der rechten Hand. Die Spruchbänder zitieren Psalmen: Maximilian verkündet sein Gottvertrauen durch Ps 3,4 („Aber du, Herr, bist der Schild für mich und der mich zu Ehren setzt und mein Haupt aufrichtet“), die Heiligen leisten Fürbitte für ihn durch Ps 20,10 („Hilf, Herr, dem König und erhöre uns, wenn wir dich rufen“) und Christus erweist dem Kaiser Gnade durch Ps 21,4 und 21,7 in der Ich-Form („Ich habe ihn überschüttet mit guten Segen, ich habe auf sein Haupt eine Krone aus Edelstein gesetzt und ich werde ihn in Freude mit meinem Antlitz erfreuen“). Dabei gehören die Psalmen 20 und 21 zu den sogenannten Königspsalmen, die das Ideal der christlich Herrschenden vermitteln. Das sich im unteren Drittel des Blattes befindende Lobgedicht verweist auf die Tugenden und Taten Maximilians.18 Das Bild zeigt jedoch nicht, wie sonst für die Ikonographie der Apotheose üblich, eine Art Himmelfahrt. Stattdessen werden die Eigenschaften Maximilians aufgerufen, die ihn als Herrscher von Gottes Gnaden auszeichnen und auf seine Demut verweisen – er ist der Einzige, der kniet. Das Pluviale des Kaisers, das dem von Christus auffallend ähnelt und so ihre Körper bedeutungsvoll in Beziehung setzt, kündet jedoch zugleich von dem selbstbewussten Anspruch, in den Kreis der Heiligen aufgenommen zu werden.19 Ikonographisch leitet sich die Darstellung betender Herrscher vor allem von der christlichen Bildtradition der Anbetung der Heiligen Drei Könige ab. Das Bildmotiv ist nicht nur eines der zentralen Themen christlicher Kunst, sondern zugleich auch der Prototyp der Darstellung betender Herrscher. Das Motiv bezieht sich auf die Erzählung von den drei Weisen aus dem Morgenland im Evangelium des Matthäus (Mt. 2, 1–12), die in zahlreichen apokryphen Texten aufgegriffen und erweitert wurde. Die Bibel berichtet, dass die Weisen einem Stern folgten, der sie zu Maria mit dem Kind führte, wo sie niederfielen und es anbeteten. Die geschilderten körperlichen Aktionen bestimmen dabei maßgeblich die Ikonographie dieser Episode. Erste Darstellungen der in der Bibel als magi („Weise“) bezeichneten Personen als Könige sind ab dem Ende des 10. Jahrhunderts bekannt. Der Grund für diesen Bedeutungswandel liegt im Selbstverständnis der christlichen Herrschaft im Mittelalter, das die Weisen als vorbildliche Herrscher von Gottes Gnaden verstand.20 Seit dem 14. Jahrhundert wurde die Szene zudem vermehrt vom höfischen Zeremoniell geprägt. So nahm nicht nur die Prachtentfaltung der Kleidung zu, auch die Physiognomie der Könige wurde individualisiert bzw. reale Persönlichkeiten – weltliche und sakrale Würdenträger – in das Bildgeschehen integriert.21 Solche „Kryptoporträts“ wurden immer wieder dafür eingesetzt, sakrale Herrschaft typologisch zu inszenieren. Ein berühmtes Beispiel ist Sandro Botticellis Anbetung der Heiligen Drei Könige von ca. 1475, das sich heute in den Uffizien zu Florenz befindet.22 Vor einer anti195

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kischen Architektur- und Landschaftsbühne entfaltet sich die Anbetungsszene dieses repräsentativen und doch relativ kleinformatigen Andachtsbildes. Die erhöhte Positionierung Marias mit dem Kind und Josephs schafft Platz für das zahlreiche Bildpersonal, bei dem es sich vor allem um zeitgenössische Florentiner Protagonisten in bilblischer ‚Verkleidung‘ handelt. Den Auftrag für das Gemälde erteilte Guasparre di Zanobi del Lama (1409–1481), der keiner der namhaften Florentiner Familien entstammte, aber wohl aufgrund seines Berufes als Geldwechsler mit den Medici in Verbindung stand.23 Die Medici selbst sind mit gleich mehreren Krypto- oder Rollenporträts in Botticellis Werk vertreten.24 Die Heiligen Drei Könige, die vor der Mutter mit Kind gebeugt knien und diesem demütig huldigen, werden von Cosimo il Vecchio (1389–1464) und seinen Söhnen Piero (1416–1469) und Giovanni (1421–1463) verkörpert, die die Machtstellung der Medici wesentlich begründet hatten. Die beiden wichtigsten noch lebenden Vertreter der Familie, Lorenzo (1449–1492) und Giuliano (1453–1478), führen rechts und links jeweils das königliche Gefolge an. Obwohl es sich bei den Medici nicht um Monarchen handelte, waren sie doch die faktischen Regenten der Republik Florenz. Das Werk Botticellis erhebt sie nachdrücklich in den Rang sakraler Herrscher und stellt sie zugleich in eine Reihe mit den traditionellen europäischen Adelsdynastien.25 Eine solche visuelle Argumentation hatte bereits Tradition: Während des alljährlichen Epiphaniefestes verkörperte stets ein Mitglied der Medici-Familie einen der Heiligen Drei Könige.26 Eine ebensolche Argumentation findet sich auch in der Kapelle des Palazzo Medici-Riccardi. Dieses außergewöhnlich frühe Beispiel einer Palastkapelle wurde von 1459 bis 1462 von Benozzo Gozzoli (1420–1497) mit einem monumentalen und farbenprächtigen Fresken-Zyklus zu den Heiligen Drei Königen ausgemalt.27 Dabei sind auch diese Szenen mit der Florentiner Gegenwart des 15. Jahrhunderts verknüpft. Die Forschung hat nicht nur die gesamte Medici-Familie, sondern auch eine ganze Reihe anderer Zeitgenossen identifiziert, wobei im jungen König zumeist eine idealisierte Version Lorenzos erkannt wird.28 Die Palastkapelle diente offenbar als sichtbares Zeichen des religiösen Fundaments der Familie und wurde auch für Empfänge politischer Gesandter genutzt. Zudem besaß der Initiator der Palastkapelle, Cosimo il Vecchio, eine private, doch öffentlich einsehbare Zelle im Kloster von St. Marco, die wiederum ein Fresko der Heiligen Drei Königen zierte.29 In allen genannten Fällen wird die (noch) bürgerliche Familie der Medici mit den sakralen Königen par excellence überblendet und damit zugleich die sakrale Herrschaft, eine Art ‚Kryptomonarchie‘ der Medici postuliert. Ebenso wie die Medici schlüpften auch andere Herrscher mit Vorliebe in die Rolle biblischer Könige. So etwa Heinrich VIII . (1491–1547) von England, der sich wiederholt als König David abbilden ließ.30 Eine Miniatur aus seinem Psalter von 1540 zeigt Heinrich auf fol. 79r als eben diesen bei der Buße (Abb. 3). Die Szene ist 196

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Abb. 3: Jean Malland: Heinrich VIII. als büßender König David, Miniatur aus dem Psalter Heinrichs VIII., 1540 (London, British Library).

dem 68. Psalm, der mit Salvum me fac Deus („Schütze mich, oh Gott!“) beginnt, gegenübergestellt. David bzw. Heinrich, der ihn hier verkörpert, kniet in Rüstung, mit einem schwarzen Hut und einem blauen Umhang bekleidet und ausgestreckten Armen in Orantenhaltung auf dem Boden inmitten einer ruinösen Palast-Architektur. Seine Krone hat er neben sich abgelegt. Er blickt nach links oben zu einem Engel, der aus dem Himmel hervorzubrechen scheint. Die Szene bezieht sich auf Samuel 2, wo David drei alternative Urteile für sein sündiges Verhalten angeboten werden. Der Engel präsentiert hier Gegenstände, welche die Strafen symbolisieren: eine Birkengeißel (drei Jahre Hungersnot), ein Schwert (drei Monate Flucht vor seinen Feinden) und einen Schädel (drei Tage Pest). David entschied sich für die Pest, weil er lieber in die Hände des Herrn, als in die der Menschen fallen wollte. Jean Mallard, bei dem Heinrich das Buch in Auftrag gegeben hatte, gab der Szene einen Titel, der Davids/ Heinrichs Leiden typologisch mit jenen Christi im Garten Gethsemane in eins setzt: Christus in angustia mortis invocat Deum („In seiner Not ruft Christus Gott an“). Die Psalmen im Allgemeinen und die König Davids im Besonderen spielten bei der Inszenierung frommer Herrschaft im vormodernen Europa eine bedeutende 197

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Rolle. Sie boten auch deshalb eine beliebte Projektionsfläche, weil sie aus der IchPerspektive eines Königs geschrieben worden sind.31 Heinrich VIII . gebrauchte sie in unterschiedlichen Medien immer wieder, um seine Machtansprüche zu verdeutlichen.32 Gerade in unruhigen Zeiten, genauer gesagt Kriegszeiten, nutzte er solche biblischen Kryptobildnisse als Repräsentationen, da er der Meinung war, dass Gott allein helfen könne.33 Die oben beschriebene Miniatur sowie eine weitere aus dem Psalter, die Heinrich als David vor Goliath (fol. 30r) zeigt,34 können als Anspielung auf die Exkommunikation Heinrichs durch Papst Paul III . im Jahr 1534 und somit seinen Wunsch gedeutet werden, diesen Giganten ebenso wie sein Vorbild – ganz im Vertrauen auf Gott – zu besiegen und somit seine Herrschaft zu stabilisieren.35 Dabei ist jedoch zu bedenken, dass gerade diese Darstellungen zu Lebzeiten vor allem vom König selbst gesehen wurden. Was jedoch dem Wunsch und Anspruch einen gewissen Nachdruck verleiht, da sie weniger der öffentlich zur Schau gestellten Repräsentation dienten, sondern das persönliche und vom Papst unabhängige sakrale Selbstverständnis von Heinrichs Herrschaft offenlegen. Darstellungen, die weniger die eigene sakrale Herrschaft als vielmehr die Abhängigkeit von der Gnade Gottes in den Mittelpunkt rücken, sind die bereits angesprochenen Stifterbildnisse. Um am Jüngsten Tag zu den Seligen zu gehören, hatte man die begangenen Sünden durch gute Werke aufzuwiegen. Zahllose Arbeiten mittelalterlicher Sakralkunst – als materielle Stiftungen – verdanken dieser religiösen Praxis ihre Existenz.36 Neben guten Werken und Stiftungen waren aber auch tatsächliche Bußübungen ein Weg, um Seelenheil zu generieren. Eine sich hartnäckig haltende Legende über die Bußfertigkeit eines Herrschers besagt, Kaiser Karl V. (1500–1558) habe nach seiner Abdankung im Jahr 1555 in Yuste das Leben eines büßenden Einsiedlers geführt.37 Er lebte dort in einem Haus, das an das Hieronymiten-Kloster San Jerónimo angeschlossen war, dessen Mönche – wie der Ordensgründer – in strenger Askese und Weltabgeschiedenheit lebten. Zwar trat Karl weder dem Orden bei, noch lebte er ein völlig karges Leben, aber sein Rückzug ins Kloster stimmt als Signal doch mit der Bußfertigkeit überein, die er auch in seiner Abdankungserklärung ausdrückte, als er am 25. Oktober 1555 in Brüssel in Trauerkleidung verkündete: „Ich für meinen Teil muss bekennen, dass ich mich zu mannigfachen Irrtümern habe verleiten lassen, sei es durch jugendliche Unerfahrenheit oder durch den Stolz des reiferen Alters oder durch eine andere Schwäche der menschlichen Natur […]. Wenn trotzdem Handlungen dieser Art mit Recht mir zu Last zu legen sein mögen, […] bitte ich diejenigen, welchen ich in dieser Weise zu nahegetreten bin, […] mir zu vergeben.“38 In derselben Rede erklärte Karl auch, dass er sich schon lange nach einem dem Mönchsideal entsprechenden Leben gesehnt habe. Damit der von der Gicht Gezeichnete in Yuste nicht auf die Teilnahme an der Messe verzichten musste, führte eine Tür seiner 198

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Abb. 4: Tizian: Gloria, 1554, Öl auf Leinwand (Madrid, Museo del Prado).

Kammer direkt in die Klosterkirche, sodass er auch im Liegen in den Altarraum blicken und am Gebet teilnehmen konnte.39 Auch wenn sich in der Anekdote vom in strenger Askese und Weltabgeschiedenheit lebenden emeritierten Kaiser Realität und Legende vermischen, wird die Bußfertigkeit des Herrschers doch auch in einem berühmten Gemälde in Szene gesetzt: Tizians Gloria von 1554 ist eine der ganz wenigen Darstellungen, in denen ein Herrscher im Büßergewand auftritt (Abb. 4).40 Die Gloria war zudem das einzige großformatige religiöse Werk, das Karl jemals in Auftrag gegeben hatte; zugleich das einzige Werk, das Karl nach Yuste mitnahm, und vor dem er – so die Überlieferung – direkt vor seinem Tod meditierte. Karl wünschte sich das Gemälde überdies als Altarbild 199

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über seinem Grab.41 Das Werk zeigt in ungewöhnlicher Anordnung die Dreifaltigkeit mit Maria und Johannes (Deesis) im oberen Bildsegment. Darunter sind halbkreisförmig Figuren aus dem Alten Testament und rechts, nahe der Deesis-Gruppe, Engel zusammen mit der Herrscherfamilie dargestellt. Sowohl Karl wie auch seine nächsten Angehörigen – u. a. seine Frau Isabella von Portugal, sein Sohn Philipp II . und seine Tochter Johanna – sind nicht kostbar gekleidet, sondern allesamt barfüßig und in einfachen Gewändern gezeigt. In der Literatur werden diese verschiedentlich als Leichentücher gedeutet, man kann sie jedoch ebenso gut als Büßergewänder verstehen, da alle Dargestellten zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe noch lebten.42 Während der großen religiösen Umwälzungen im Zuge der Reformation sah sich der Kaiser als Verteidiger der römisch-katholischen Kirche und versuchte mit allen – auch kriegerischen  – Mitteln eine konfessionelle Spaltung zu verhindern. Als ein solcher Miles Christianus erscheint Karl in Tizians Schlacht bei Mühlberg von 1548, in der Gloria dagegen als demütig betender Sünder, der in ein einfaches (Büßer-)Gewand gekleidet ist, seine Krone abgelegt hat und seine betenden Hände hilfesuchend zur Dreifaltigkeit ausstreckt. Von büßenden Herrschenden künden auch die höfischen Eremitagen, bevor sie im Laufe des 18. Jahrhunderts ihre religiöse Funktion zunehmend verloren. So ließ die strenggläubig-katholische und verwitwete Markgräfin von Baden-Baden, Sibylla Augusta (1675–1733), auf dem Gelände ihres neuerbauten Sommerschlosses Favorite eine Eremitage errichten.43 Als ein Satellitenbau liegt sie in der ‚Wildnis‘ des Jagdparks. Ursprünglich war sie nur über verschlungene Wege erreichbar, sodass der Eindruck der Abgeschiedenheit verstärkt wurde. Zudem war sie mit Baumrinde verkleidet, weil nur verwendet werden sollte, was in der Wildnis zu finden ist – durch bewusste Kargheit sollte also Demut ausgedrückt werden. In ihrem Zentrum befindet sich eine Maria Magdalena geweihte Kapelle, die ausschließlich gebückt, also in reumütiger Haltung betreten werden kann. Um die Kapelle herum sind kleine (Wohn-)Räume angeordnet. Hier sind Wachsfiguren in Lebensgröße, mit echten Haaren und Kleidern, zu einem biblischen tableau vivant versammelt. In einem der Räume sitzt etwa die Heilige Familie zu Tisch. Davor steht ein freier Hocker. Überlieferungen berichten, Sibylla Augusta habe sich manchmal für eine karge Mahlzeit zu den Figuren an den Tisch gesetzt. Es haben sich auch Geißelwerkzeuge erhalten, von denen jedoch nicht klar ist, ob sie zur ursprünglichen Ausstattung gehörten.44 Sowohl Architektur wie auch Ausstattung bezogen den Körper der büßenden Sibylla – auf ihrer Grabplatte stand ihrem Wunsch entsprechend: Bettet für die grose Sünderin – aktiv in das Geschehen ein. In den Jahrhunderten zuvor traten Kaiserinnen, Königinnen und Fürstinnen zumeist lediglich als die Frauen an der Seite ihrer die Herrschaft ausübenden Männer 200

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in Erscheinung, wobei Ausnahmen – so etwa die Kaiserin Mathilda (1102–1167) – allenfalls die Regel bestätigten. Auch die Töchter der Herrscher waren vor allem dynastisches ‚Verhandlungsgut‘ der Heiratspolitik ihrer Väter.45 Für sich stehende Bilder betender Herrscherinnen finden sich deshalb vor allem in Form der bereits genannten Stifterbildnisse einerseits und in Gebetbüchern andererseits. Ein Beispiel bietet das Gebetbuch Elisabeths I. von England (1533–1603) von 1569, das prächtig mit kolorierten Holzschnitten ausgestattet ist. Anders als ihr Vater Heinrich VIII . schlüpft sie dabei nicht in die Rolle einer biblischen Figur, sondern wird in einem privaten Gemach gezeigt, in dem sie in einem aufwendig bestickten Kleid vor einem Betpult kniet. Vor ihr liegen Schwert und Zepter, ihr Wappen ist rechts unten in der Ecke zu sehen. Ihr Gebet wird durch einen geöffneten Vorhang theatralisch inszeniert. Ob die Gebete des Buches tatsächlich von der Königin stammen, die durchaus als Verfasserin von Gebeten hervorgetreten ist, konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden. Die Herrscherin wird hier jedenfalls als religiöses Vorbild für das Volk  inszeniert. Das Booke of Christian Prayers […] worthy to be read with an earnest mind of all Christians, in these dangerous and troublesome daies wurde mit seiner Bebilderung mehrfach aufgelegt und sollte nicht zuletzt den von ihrem Vater, Heinrich VIII ., neu etablierten anglikanischen Glauben festigen, nachdem es unter ihrer Schwester Mary zu einem Rekatholisierungsversuch gekommen war.46 In die entgegengesetzte Richtung bewegte sich 1655 Christina von Schweden (1626–1689), als sie zum katholischen Glauben konvertierte. Da Christina die Tochter Gustavs II . Adolf war, eines der bedeutendsten protestantischen Fürsten des Dreißigjährigen Krieges, der für seinen Glauben im Kampf starb, erregte dieser Schritt umso größeres Aufsehen. Die Konversion wurde bereits am Weihnachtsabend 1654 in Brüssel inoffiziell vollzogen, dann jedoch öffentlichkeitswirksam nicht nur in Innsbruck, sondern am 23. Dezember 1655 in Rom vor Papst Alexander VII . (1599–1667) wiederholt.47 Am ersten Weihnachtstag empfing Christina vom Papst das erste Mal offiziell die Eucharistie.48 Die Terminierung auf das Fest der Geburt Christi macht aus dieser Bekehrung eine Art Neugeburt der ehemaligen Königin, die am 6. Juni 1654 in Uppsala abgedankt hatte.49 Christina hatte dem Papst im Vorfeld geschrieben, dass sie „[…] den Ruhm, Euer Heiligkeit zu gehorchen, höher schätze, als den des glänzendsten Thrones“.50 Ihre Ankunft am 21. Dezember in der Ewigen Stadt wurde am 23. Dezember mit viel Pomp durch einen theatralisch inszenierten Einzug wiederholt und die symbolträchtige Konversion als ein Sieg der katholischen über die evangelische Kirche gefeiert, wie ein Stich von Horatio Marinari deutlich macht (Abb. 5): Das obere Drittel nimmt eine hochovale Kartusche ein, die Christina zeigt, wie sie von Kardinälen begleitet in Rom einreitet. Im unteren Drittel ist sie in drei rechteckigen Bildfeldern auf ihrem Weg durch Rom zu sehen. Zunächst wird 201

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Abb. 5: Horatio Marinari: Königin Christinas feierlicher Einzug in Rom, 1656, Radierung (Stockholm, Kunglia Bibliotheket).

sie vom Kardinalskollegium an der Porta del Popolo begrüßt, dann vom Kapitel des Petersdoms auf den Stufen der Basilika empfangen und schließlich in einer öffentlichen Versammlung vom Papst in die katholische Kirche aufgenommen. Mit dieser ‚Klimax‘ sakraler Würdenträger geht eine sich steigernde Demut der Konvertitin einher: Bei ihrem Einzug reitet sie zu Pferd, kniet dann mit zum Gebet zusammengelegten Händen und nach oben gerichtetem Blick, um schließlich in tief gebeugter Haltung dem Papst die Füße zu küssen. In diesem ‚comicartigen‘ Strip artikuliert sich die Unterwerfung der (ehemaligen) Herrscherin51 unter den katholischen Glauben also auch in körperlicher Gestalt durch die sich in publico vollziehende und sukzessive entwickelnde Gebetshaltung bzw. Demutsgeste. Dass Herrschende ihren betenden Körper im Bild auch als Propagandamittel einzusetzen wussten, verdeutlicht ein Flugblatt von 1632: 52 Das Eingreifen des schwedischen Königs Gustav II . Adolf (1594–1632), Vater der später konvertierten Christina, in den Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) in den Jahren 1630 bis 1632 be202

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Abb. 6: Gustav II. Adolf auf dem Schlachtfeld, Königlicher Majestät zu Schweden, etc. von Gott zugeordnete Englische Wagenburg, 1632, Radierung (München, Bayrische Staatsbibliothek).

deutete das Ende einer Reihe militärischer Niederlagen der protestantischen Union. Flugblätter wie das Königlicher Majestät zu Schweden  / etc. von Gott zugeordnete Englische Wagenburg53 betitelte feierten Gustav Adolf als Streiter für seinen Glauben und wurden massenhaft verbreitet (Abb. 6). Der im Zentrum in voller Rüstung betende König wird, wie zuvor Kaiser Karl V. unter anderem Vorzeichen, ebenfalls als Miles Christianus gezeigt. Engel umgeben ihn, die mit Wagenrädern eine Art Schutzwall gegen die Feinde bilden. Der himmlische Schutz offenbart den christlichen Charakter des Kampfes. Das Gebet des Königs während der Schlacht, also in einer Zeit größter Bedrängnis, verdeutlicht seine tiefe Religiosität, die typologisch mit dem konstantinischen in hoc signo vinces durch ein im Lichtkranz erstrahlendes Kruzifix am Himmel überblendet wird. Das Flugblatt, das paradoxerweise Gustav Adolfs Tod öffentlich machte, zeigt ihn also unbezwungen und voller Gottvertrauen und diente so zugleich als ein bleibendes Denkmal kriegerischer und religiöser Standhaftigkeit. 203

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Abb. 7: Lucas Cranach der Jüngere: Gesetz-und-Gnade-Triptychon der sächsischen Herzöge, 1555, Öl auf Holz (Weimar, Stadtkirche St. Peter und Paul).

Die Darstellung Gustav Adolfs war nicht zuletzt ein konfessionelles Bekenntnis. Ähnliches gilt auch für das Triptychon54 aus der Weimarer St. Peter und Paul Kirche, das Lucas Cranach der Jüngeren (1515–1586) im Jahr 1555 schuf (Abb. 7).55 Die Mitteltafel zeigt eine Gesetz-und-Gnade-Darstellung: Zur Linken des Gekreuzigten im Zentrum stehen neben Johannes dem Täufer der verstorbene Vater des Malers, Cranach der Ältere (1472–1553), der aus dem Bild auf die Betrachtenden blickt und auf dessen Kopf der Blutstrahl aus der Seitenwunde Christi trifft, sowie Martin Luther (1483–1546). Folglich sind hier zwei der „wichtigsten Repräsentanten der Vermittlung reformatorischer Inhalte“56 versammelt – der Reformator und der Maler, Wort und Bild. Auf der Innenseite des linken Flügels sind der sächsische Kurfürst Johann Friedrich I. (1503–1554) und seine Frau Sibylle von Cleve (1512–1554) sowie auf dem rechten Pedant deren Söhne Johann Friedrich II . (1529–1595), Johann Wilhelm I. 204

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(1530–1573) und Johann Friedrich III . (1538–1565) als Adoranten dargestellt. Durch den einheitlichen Goldbrokat-Vorhang im Hintergrund und den Marmorboden werden sie in einem Raum verortet und sind nur durch die quasi-visionäre Mitteltafel getrennt. Über Johann Friedrich I. ist die ernestinische Devise V[erbum] D[omini] M[anet] I[n] Æ[ternum] („Das Wort des Herren bleibt in Ewigkeit“) auf dem Vorhang angebracht. Das Triptychon ist folglich ein ernestinisches Bekenntnis zur lutherischen Glaubenslehre.57 Zugleich fungiert die fürstliche Familie als Vermittler des – in ihren Augen – richtigen Glaubens an ihr Volk . In der Inschrift der Predella58 wird auf die standhafte Frömmigkeit der Verstorbenen hingewiesen, die der Waffengewalt zum Trotz – Johann Friedrichs Narbe ist ein physischer Beweis – an ihrem protestantischen Glauben festhielten.59 Damit ist die Schlacht am Mühlberg 1547 gemeint, bei der der Kurfürst den katholischen Truppen Kaiser Karls V. unterlag und das Herzogtum Sachsen-Wittenberg seine Kurwürde verlor. „Das Triptychon ist ein Denkmal des ‚bewahrten‘ und ‚bestätigten‘ Glaubens – ‚bewahrt‘ von Johann Friedrich und in der als Martyrium interpretierten Niederlage von 1547 göttlich ‚bestätigt‘.“60 Zusammen mit der vor dem Altar errichteten herzoglichen Grabtumba verschmilzt das Triptychon zu einem „hybriden Bildsystem, das zwischen einer Bestimmung als Gedächtnismal und Retabel [sowie einem religiösem Bekenntnis, die Verf.] oszilliert“.61 Neben den Stifterbildern und -bildnissen finden sich Darstellungen betender Herrscher und Herrscherinnen zumal in der europäischen Sepulkralkunst. Solche Abbilder der Herrschenden im Rahmen ihrer Grabdenkmäler zeigen diese nicht nur als fromm und gottbegnadet, sondern argumentieren als dynastische Grablegen immer wieder auch genealogisch. Einer der eindrücklichsten Orte für eine solche auf Kontinuität bedachte Inszenierung, ein monarchischer Memorialort par excellence, ist die Grablege der französischen Könige in Saint-Denis.62 Die Erinnerung an die einzelnen Herrscher wurde mit der Reihe der Vorgänger und Nachfolger zu einer sakralen Genealogie verbunden. Fast jeder französische König seit den Merowingern liegt in Saint-Denis begraben und die meisten von ihnen sind als gisants oder priants mit zum Gebet zusammengelegten Händen dargestellt. In ebensolcher Weise hatten zuvor bereits die Anjou in Neapel die Sepulkralkunst eingesetzt, um die Legitimtät ihrer neu zu etablierenden beata stirps wirkungsvoll zu untermauern. Der Komplex der programmatisch konzipierten Grabmäler in Santa Chiara, der Kirche einer franziskanischen Doppelkloster-Anlage (Zweiter und Dritter Orden der Franziskaner), legt hierfür beredtes Zeugnis ab. Tanja Michalsky hat gezeigt, dass sich gerade „das Grabmal in besonderer Weise als Medium monarchischer Repräsentation [eignet], da sich die Rechtfertigung von Herrschaft im Königtum ja gerade durch die erblich geregelte Thronfolge, also aus der Verbindung 205

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Abb. 8: Giovanni und Pacio Bertini: Grabmal Roberts von Anjou, 1343–1346 (Neapel, Basilica di Santa Chiara).

mit vorangegangenen Generationen speist, deren Erinnerung durch die Gräber der Dynastie wachgehalten wird“.63 Neben der Memoria, die die Lebenden und Toten verbindet, gehe es dabei vor allem auch um ein „Zur-Schau-Stellen von Herrschaft“.64 Das lässt sich am Grabmal Roberts von Anjou (1278–1343) in besonderer Weise nachvollziehen (Abb. 8). Es befindet sich an der Ostwand des Chores, die zugleich die Trennwand zum Nonnenchor war. Das Grabmal ist nicht nur das größte, sondern bildet auch das Zentrum der von Robert und seiner Frau Sancha (1281–1345) als dynastische Grablege errichteten Kirche.65 Als Nachfahre Ludwigs des Heiligen (1214–1270) und Bruder des 1317 ebenfalls heiliggesprochenen Franziskanerbischofs Ludwig von Toulouse (1274–1297) arbeitete auch Robert von Anjou energisch an der „Verklärung der eigenen Person“.66 Das nach einem Bombenangriff 1943 heute nurmehr als Fragment erhaltene fünfstöckige Grabmal unter einem rahmenden marmornen Baldachin, das erst nach Roberts Tod in Auftrag gegeben wurde, aber bereits von ihm geplant worden war,67 zeigt fünf Darstellungen seiner Person und themati206

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siert dabei vor allem die Ambivalenz zwischen sakralem und weltlichem Herrschaftsanspruch. Neben einer überlebensgroßen Darstellung als repräsentativ Thronender in „unerschütterlicher Majestät“68, die einstmals von beiden heiligen Ludwigs flankiert war,69 sowie einer weiteren thronenden Darstellung auf dem Sarkophag, umgeben von Familienangehörigen, ist im vorliegenden Kontext vor allem die Liegefigur des Verstorbenen auf dem Sarkophag von Interesse: Robert trägt zwar eine Krone auf dem Haupt und ein Zepter in den Händen, ist jedoch barfüßig und in der Kutte der Franziskaner dargestellt.70 Der Orden war nicht nur in dem Doppelkloster angesiedelt und Roberts Bruder ein heiliggesprochener Franziskanermönch, sondern er selbst war kurz vor seinem Tod in den Bettelorden eingetreten und hatte die Überführung seiner Leiche in besagtem Habit in die Kirche Santa Chiara verfügt. Die Darstellung rekurriert also auf den realen Akt der Aufbahrung.71 Die demütige Geste der Präsentation des Toten im Gewand des Bettelordens als einem Bußgewand – eine tatsächlich gebräuchliche Formel72 – ist wiederum sowohl Fürbitte und Seelsorge wie auch politisches Argument. Dass sich das Grab direkt hinter dem Altar und somit ad sanctos befand und Robert im obersten Segment des Denkmals durch den Hl. Franziskus Christus anempfohlen wird, verleiht dem Argument zusätzlich Nachdruck:73 Das Grabmal konserviert das Bild eines frommen und geläuterten Königs für die Nachwelt, der die Nachkommen als Mitglieder einer beata stirps legitimiert, und macht so das Ende zu einem Anfang. Die vorgestellten Beispiele zeigen deutlich, wie sehr Herrschaft – auch und gerade nach ihrem faktischen Ende – an den Körper der Herrschenden gebunden blieb. Macht konstituierte sich ganz wesentlich durch repräsentative Akte. Da sich Herrschaft jahrhundertelang vor allem sakral legitimierte, waren choreografierte und inszenierte Handlungen  – in Bildern, aber auch in der Realität – zentrale Instrumente, um die geforderte Religiosität und Frömmigkeit ostentativ zu inszenieren. Den Gesten der Buße und des Betens kam dabei eine besonders prominente Rolle zu. Es gilt zu beachten, dass bereits feine Unterschiede in der Körpersprache, aber auch der Handlungsraum und das Medium der Darstellung dieser Akte die individuelle Aussage entscheidend beeinflussen konnten. Die Inszenierungen des Betens und der Buße konnten Herrschaft legitimieren, stabilisieren, überhaupt erst etablieren und konfessionell abgrenzen.

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Auswahlbibliographie

Martin Bauch: Der fromme Herrscher. Heiligenverehrung und ostentative Religiosität als Mittel zur Machtfestigung und Herrschaftslegitimierung, in: Jiří Fajt/Markus Hörsch (Hg.): Kaiser Karl IV. 1316–2016, Ausst.-Kat. zur Bayerisch-Tschechischen Landesausstellung in Prag und Nürnberg 2016, Prag 2016, 79–85. Kurt Bauch: Das mittelalterliche Grabbild: figürliche Grabmäler des 11. bis 15. Jahrhunderts in Europa, Berlin 1976. Peter Bloch: Bildnis im Mittelalter. Herrscherbild–Grabbild–Stifterbild, in: Brigitte Hüfler (Hg.): Bilder vom Menschen in der Kunst des Abendlandes, Ausst.-Kat. Berlin 1980, Berlin 1980, 105– 120. Ingrid Falque: Devotional Portraiture and Spiritual Experience in Early Netherlandish Painting, Boston 2019. Lutz Rickelt: Herrscherbuße. Schuld und Sühne byzantinischer Kaiser (= Byzantinistische Studien und Texte 11), Berlin 2020. Alexa Sand: Vision, Devotion, and Self-Representation in Late Medieval Art, New York 2014.

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Anmerkungen Vgl. Wolfgang Hasberg: Nach Canossa sollen wir gehen? Zur Wandlung einer sprachlichen Wendung, in: ders./Herman-Josef Scheidgen (Hg.): Canossa. Aspekte einer Wende, Regensburg 2012, 15–38. 2  Bernd Schneidmüller: Canossa. Das Ereignis, in: Christoph Stiegemann/Matthias Wemhoff (Hg.): Canossa 1077. Erschütterung der Welt. Geschichte, Kunst und Kultur am Aufgang der Romanik, Bd. 1: Essays, München 2006, 36–46, hier 36. 3  Vgl. zur Herrscherbuße byzantinischer Kaiser Lutz Rickelt: Herrscherbuße. Schuld und Sühne byzantinischer Kaiser (= Byzantinistische Studien und Texte 11), Berlin 2020. 4  Vgl. zur rituellen Unterwerfung und Buße sowie weiteren Verhaltensmustern der Herrschenden Gerd Althoff: Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter, Darmstadt 22015, hier bes. 68–160. 5  Vgl. dazu Rickelt 2020 (wie Anm. 3), 168–194. 6 Vgl. zur Buße etwa Arnold Angenendt: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 42009, 626–659; Joseph Braun: Art. „Büßer, Büßerin“, in: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 3: Buchpult–Dill, hg. von Ernst Gall und Ludwig H. Heydenreich, München 1954, 254–254; Jan Joseph Marie Timmers: Art. „Busse, Buss-Sakrament“, in: Lexikon der Christlichen Ikonographie, Bd. 1: Allgemeine Ikonographie. A–Ezechiel, hg. von Engelbert Kirschbaum, Sonderausgabe Darmstadt 2015, 343–348; Hans Wißmann: Art. „Buße I. Religionsgeschichtlich“, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. VII : Böhmische Brüder–Chinesische Religionen, hg. von Horst Robert Balz u. a., Berlin/New York 1981, 431–433. 7  Das Büßergewand (cilicium) ist ein sackartiges grobes Kleidungsstück, das ursprünglich aus kilikischen Ziegenhaaren bestand und das sich der Büßer oft über den ansonsten nackten Leib streifte. Vgl. dazu etwa Ilse Wirth: Art. „Fellkleid als Attribut“, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. 7: Farbe, Farbmittel–Fensterladen, München 1982, 1170–1210. 8  Vgl. dazu auch Thomas Lentes: „Andacht“ und „Gebärde“. Das religiöse Ausdrucksverhalten, in: Bernd Jussen/Craig Koslofsky (Hg.): Kulturelle Reformation. Sinnformationen im Umbruch 1400– 1 

1600 (= Veröffentlichungen des Max-Plack-Instituts für Geschichte 145), Göttingen 1999, 30–67, hier 30–33. 9  Vgl. etwa Peter Bloch: Bildnis im Mittelalter. Herrscherbild–Grabbild–Stifterbild, in: Brigitte Hüfler (Hg.): Bilder vom Menschen in der Kunst des Abendlandes, Berlin 1980, 105–120, hier 112–119. Auch wenn Martin Warnke die betenden Herrschenden in seiner Aufzählung der unterschiedlichen Bildnistypen nicht nennt, sind sie doch elementarer Bestandteil der visuellen Repräsentation. Vgl. Marin Warnke: Art. „Herrscherbildnis“, in: Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hg.): Handbuch der politischen Ikonographie, Bd. 1, München 2011, 481–490. Vgl. außerdem Bruno Reudenbach: Die Kunst des Mittelalters, Bd. I: 800–1200, München 2008, 79–90. Zu frommen Stifterbildnissen in der niederländischen Malerei vgl. etwa Ingrid Falque: Devotional Portraiture and Spiritual Experience in Early Netherlandish Painting, Boston 2019. 10  Vgl. Birgit Franke/Barbara Welzel: Paläste und Zelte voller Kunst. Zur Hofkultur Karls des Kühnen, in: Susan Marti u. a. (Hg.): Karl der Kühne (1433–1477). Kunst, Krieg und Hofkultur, Stuttgart 2008, 51–61, hier 53; Martin Schulz: Körper sehen – Körper haben? Fragen der bildlichen Repräsentation. Eine Einleitung, in: Hans Belting (Hg.): Quel Corps? Eine Frage der Repräsentation, München 2002, 1–25. 11  Martin Bauch: Der fromme Herrscher. Heiligenverehrung und ostentative Religiosität als Mittel zur Machtfestigung und Herrschaftslegitimierung, in: Jiří Fajt/Markus Hörsch (Hg.): Kaiser Karl IV. 1316–2016, Prag 2016, 79–85. 12  Les grandes chroniques de France: Chronique des règnes de Jean II et de Charles V. Zit. nach Fajt/ Hörsch 2016 (wie Anm. 11), 340, Kat. Nr. 5 (Jiří Fajt). 13  Vgl. Karel Otavsky: Drei wichtige Reliquienschätze im luxemburgischen Prag und die Anfänge der Prager Heiltumsweisungen, in: Jiří Fajt/Andrea Langer (Hg.): Kunst als Herrschaftsinstrument. Böhmen und das Heilige Römische Reich unter den Luxemburgern im europäischen Kontext, Berlin/ München 2009, 300–308, hier 300.

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Vgl. zur Göttlichkeit des Herrschers u. a. Sergio Bertelli: The King’s body. Sacred Rituals of Power in Medieval and Early Modern Europe, Philadelphia 2001, 10–34. 15  Vgl. Bauch 2016 (wie Anm. 11), 80. 16  Jiří Fajt: Karlstein revisited, Überlegungen zu den Patrozinien der Karlsteiner Sakralräume, in: Fajt/Langer 2009 (wie Anm. 13), 250–288, hier 256. 17 Vgl. zu solchen Bildern der Legitimation der Herrschaft durch Christus: Bloch 1980 (wie Anm. 9), 109–111. 18  Vgl. hierzu etwa Heidrun Lange-Krach (Hg.): Maximilian I. Kaiser, Ritter, Bürger zu Augsburg, Ausst.-Kat. Augsburg 2019, Regensburg 2019, 196 f, Kat. Nr. 7 (Marion Höchstötter). 19  Ein ganz anderes Bild zeichnet dagegen ein Holzschnitt, der Maximilian die Messe hörend zeigt. Vgl. hierzu Lange-Krach 2019 (wie Anm. 18), 195, Kat. Nr. 6 (Franz Körndle); Herbert C. Turrentine: Hans Weiditz’s „Emperor Maximilian at Mass“. An intriguing Liturgical Scene in the Chapel of Annakirche in Augsburg, in: Explorations in Renaissance Culture 27 (1/2001), 21–30. Der Kaiser ist im rechten Hintergrund zu sehen. Am Altar zelebriert ein Priester die Messe. Maximilian kniet auf einem Betstuhl, sodass seine markante Nase im Profil zu sehen ist. Als Auszeichnung trägt er lediglich die Kette mit dem Orden des Goldenen Vlieses und einen pelzverbrämten Mantel. Ganz in die Messe versunken scheint der alternde Herrscher  – das Blatt entstand kurz vor Maximilians Tod 1519 – hier ein Teil der Gemeinde zu sein. Sein wenig idealisierter Körper macht ihn zu einem frommen Gläubigen, der kaum aus der Gemeinschaft herausgehoben ist. Hierdurch stellt dieses Bild einen deutlichen Gegensatz zu dem oben Genannten dar. Obwohl das gleiche Medium genutzt wurde und beide Bilder kurz nacheinander entstanden, wird deutlich, dass das eine Bild den demütigen Herrscher am Ende seines Lebens zeigt und das andere auf die überdauernde repräsentative Memoria angelegt ist. 20  Besonders die ottonischen Kaiser meinten, ihre Kronen und ihre Macht unmittelbar von Christus, dem König der Könige, empfangen zu haben und agierten folglich als dessen Stellvertreter. Aus diesem Grund wurden die Weisen als christliche Könige, die von Christus selbst ihre Legitimation

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empfangen, gezeigt. Vgl. Manuela Beer/Moritz Woelk: Die Heiligen Drei Könige. Mythos, Kunst und Kult. Zur Einführung, in: dies. (Hg.): Die Heiligen Drei Könige. Mythos, Kunst und Kult, Ausst.Kat. Köln 2014, München 2014, 13–21, hier 15 und 18. 21  Ebd., 20. Zu Kryptoporträts vor allem in Darstellungen der Heiligen Drei Könige vgl. auch Bloch 1980 (wie Anm. 9), 119–120. 22  Vgl. Rab Hatfield: Botticelli’s Uffizi „Adoration“. A Study in Pictorial Content, Princeton 1976; Tobias Leuker: Bausteine eines Mythos. Die Medici in Dichtung und Kunst des 15. Jahrhunderts, Köln u. a. 2007, 193–197; Ulrich Rehm: Botticelli. Der Maler und die Medici. Eine Biographie, Stuttgart 2009, 149–150; Andreas Schumacher: „Opera certa Mirabilissima“. Bemerkungen zu einem Paradebeispiel der Florentiner Renaissancemalerei. Eine Einführung, in: ders. (Hg.): Florenz und seine Maler. Von Giotto bis Leonardo da Vinci, Ausst.-Kat. München 2018, München 2018, 17–23. 23  Allerdings gibt es keinerlei Belege für einen Kontakt zwischen ihnen. Vgl. Leuker 2007 (wie Anm. 22), 194. 24  Diese Zuordnung geht auf Vasari zurück. Vgl. Giorgio Vasari: Botticelli, in: ders.: Lebensläufe der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten, aus dem Italienischen von Trude Fein, Nachwort von Robert Steiner, München 2010, 267–279, hier 272. 25  Bevor sie dann tatsächlich im 16. Jh. mit Cosimo I. (1519–1574) zu Herzögen von Florenz und Großherzögen der Toskana wurden. 26  Der in Florenz florierende Kult um die Heiligen Drei Könige sowie das Epiphaniefest wurden maßgeblich durch die Compagnia dei Magi, dessen Schirmherr Cosimo war, verantwortet. Vgl. dazu Schumacher 2018 (wie Anm. 22), 20. 27  Vgl. zur Kapelle im Palazzo Medici-Riccardi und deren Fresken von Benozzo Gozzoli etwa Franco Cardini: Die Heiligen Drei Könige im Palazzo Medici, Florenz 2004, sowie Christina Acidini Luchinat: The Chapel of the Magi, in: dies. (Hg.): The Chapel of the Magi. Benozzo Gozzoli’s Frescos in the Palazzo Medici-Riccardi Florence, New York 1994, 7–24. 28  Vgl. Christina Acidini Luchinat: The Medici and Citizens in The Procession of the Magi. A Por-

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trait of a Society, in: Luchinat 1994 (wie Anm. 27), 363–370. 29  Vgl. Allie Terry-Fritsch: Florentine Convent as Practiced Place. Cosimo de’ Medici, Fra Angelico, and the Public Library of San Marco, in: Medieval Encounters 18 (2012), 230–271, hier 258–269. 30  Dass gerade David wohl eines der bedeutendsten Vorbilder für büßende Herrscher war, macht auch Rickelt in seinem Buch über Herrscherbuße deutlich, indem er ein Kapitel zu den biblischen königlichen Büßern, zu denen insbesondere David gehört, seinen Ausführungen voranstellt. Vgl. Rickelt 2020 (wie Anm. 3), 28–48. 31  Vgl. Micheline White: The psalms, war and royal iconography. Kathrine Parr’s Psalms or Prayers (1544) and Henry VIII as David, in: Renaissance studies 29 (4/2015), 554–575. 32  Ebd., 554. 33  Ebd., 558–560. 34  Ebd., 560. 35  Ebd., 558. 36 Siehe etwa Bruno Reudenbach: Stiften für das ewige Leben. Stiftung, Memoria und Jenseits in mittelalterlicher Bildlichkeit, in: Stiegemann/ Wemhoff 2006 (wie Anm. 2), 513–527, hier 513. 37  Um diese Zeit ranken sich sehr viele Legenden, die ein romantisiertes Bild späterer Geschichtsschreibung sind. Vgl. Marina Fuchs: Kaiser Karl V. in Yuste. Mythos und Wahrheit, in: Congresso Internacional. Carlos V y la quiebra del humanismo político en Europa (1530–1558), Vol. III , hg. von Jesús Bravo Lozano, Félix Labrador Arroyo, Madrid 2001, 85–104. 38  Abdankungserklärung Karls vom 25. Oktober 1555. Zit. nach Heinz Schilling: Karl V. Der Kaiser, dem die Welt zerbrach. Biographie, München 2020, 332. 39  Vgl. Schilling 2020 (wie Anm. 38), 354–357. 40 Vgl. Fernando Checa Cremades: Außerhalb Venedigs. Tizian und der spanische Hof, in: Sylvia Ferino-Pagden (Hg.): Der späte Tizian und die Sinnlichkeit der Malerei, Ausst.-Kat. Wien/Venedig 2008, Wien 2007, 53–59; Fernando Checa Cremades: Kunst und Macht in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts: Karl V. und die Kunst, in: Wilfried Seipel (Hg.): Kaiser Karl V. (1500–1558). Macht und Ohnmacht Europas, Ausst.-Kat. Wien 2000, Mailand 2000, 35–45, hier 35; Artur Rose-

nauer: Karl V. und Tizian, in: Alfred Kohler u. a. (Hg.): Karl V. 1500–1558. Neue Perspektiven seiner Herrschaft in Europa und Übersee (= Zentraleuropa-Studien 6), Wien 2002, 57–66, hier 65. 41  Vgl. Checa Cremades 2000 (wie Anm. 40), 35 und 43–44; Schilling 2020 (wie Anm. 38), 363. 42  Auch Jahns meint, dass es sich um ein Büßerhemd handeln könnte. Vgl. Antonie H. Jahns: Ikonographie der Bildnisse Kaiser Karls V. (1500–1558), Diss. Kassel 2014, 348. 43  Die Regentin ließ zudem zahlreiche weitere Sakralbauten errichten, kaufte Reliquien, betrieb einen Kreuz-Jesu- und Helena-Kult (sie ließ sich im Deckenfresko der Hofpfarrkirche zum Heiligen Kreuz in der Rastatter Residenz als Heilige Helena porträtieren) und unternahm regelmäßig Wallfahrten. Vgl. dazu etwa Sigrid Gensichen: Die Hofkirchen der verwitweten Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden in Rastatt und Ettlingen als Orte herrschaftlicher Repräsentation, in: Ulrike Ilg (Hg.): Fürstliche Witwen in der Frühen Neuzeit. Zur Kunst und Kulturgeschichte eines Standes, Petersberg 2015, 55–72; Wolfgang E. Stopfel: Das Andachtsstätten-Ensemble der Markgräfin Sibylla Augusta und die Favoritische Eremitage, in: Ausst.Kat. Repräsentation und Rückzug. Die Eremitage von Schloss Favorite Rastatt, hg. von den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg, Petersberg 2018, 103–118. 44 Vgl. hierzu Ausst.-Kat Repräsentation und Rückzug 2018 (wie Anm. 43), 184 f, Kat. Nr. III .4 (Moma Zimmer). 45  Vgl. etwa Jörg Rogge: Nur verkaufte Töchter? Überlegungen zu Aufgaben, Quellen, Methoden und Perspektiven einer Sozial- und Kulturgeschichte hochadeliger Frauen und Fürstinnen im deutschen Reich während des späten Mittelalters und am Beginn der Neuzeit, in: Cordula Nolte (Hg.): Principes. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter (= Residenzenforschung 14), Stuttgart 2002, 235–276, hier 237. 46  Vgl. hierzu A. Hyatt Mayor: Elizabeth’s Prayers, in: The Metropolitan Museum of Art Bulletin, New Series 1, 8/1943, 237–242; Tucker Brooke: Queen Elizabeth’s prayers, in: Huntington Library Quarterly 2 (1/1938), 69–77; Robert Harding: The Prayer Book of Elizabeth I, in: Lambeth Palace Library. Treasures from the collection of the Arch-

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bishops of Canterbury, ed. by Richard Palmer and Michelle P. Brown, London 2010, 110–111. 47  Vgl. Gabriela Hart: Die Konversion der Königin Christina von Schweden, in: Ulrich Hermanns (Hg.): Christina. Königin von Schweden, Ausst.-Kat. Osnabrück 1998, Osnabrück 1997, 151–165, hier 160. 48  Ebd., 162. 49  Ebd., 159. Vgl. dazu auch Veronica Biermann: Von der Kunst abzudanken. Die Repräsentationsstrategien Königin Christinas von Schweden (= Studien zur Kunst 24), Köln u. a. 2012, hier besonders 36–58. 50  Brief von Christina aus Innsbruck an Papst Alexander VII . Zit. nach Hart 1997 (wie Anm. 47), 160. 51  Dass sie nach wie vor als solche wahrgenommen wurde, zeigen etwa die Bildbeischriften. 52  Astrid Heyde: Die Darstellungen König Gustav II . Adolfs von Schweden, Studien zum Verhältnis von Herrscherbild und Herrschermythos im Zeitraum von 1607 bis 1932, Diss. Kiel, 2. Bde., Kiel 1995. 53  Zu diesem und weiteren Flugblättern Gustav Adolphs vgl. Jan Hillgaertner: The King is Dead. German Broadsheets Printed on the Death of Gustav Adolphus and Charles I, in: Andrew Pettegree (Hg.): Broadsheets. Single-Sheet Publishing in the First Age of Print (= Library of the Written Word 60), Leiden/Boston 2017, 295–315, hier 301–303. Vgl. auch Heyde 1995 (wie Anm. 52), Bd. 1, 222. 54  Vgl. etwa Christian Hecht: Bildpolitik im Weimar der Reformationszeit. Das Cranach-Triptychon in der Weimarer Stadtkirche St. Peter und Paul, in: Franziska Bomski u. a. (Hg.): Bild und Bekenntnis. Die Cranach-Werkstatt in Weimar (= Klassik Stiftung Weimar Jahrbuch), Göttingen 2015, 55–74, hier 67–70; Peter Poscharsky: Die Einbindung des Weimarer Cranach-Altars in Zeit und Raum, in: Ebd., 129–139. 55  Die Art und Weise der Darstellung des Gesetz-und-Gnade-Themas  – weniger Antithese als Hervorhebung der Gnade – unterscheidet sich in diesem Werk von vorausgehenden Darstellungen desselben Sujets bei Cranach d. Ä. Für Deutungen vgl. Hecht 2015 (wie Anm. 54), 70–71; Daniel Görres: Cranach, Luther und die Ernestiner. Der Epitaphaltar der Stadtkirche St. Peter und Paul in Weimar, in: Bomski 2015 (wie Anm. 54), 37–53, hier 49; ders.: Von Fürsten und Bürgern, Theo-

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logen und Malern. Repräsentation und Memoria in Bildprogrammen Cranachs des Jüngeren, in: Elke A. Werner u. a. (Hg.): Lucas Cranach der Jüngere. Und die Reformation der Bilder, München 2015, 244–255, hier 244–247 und 253; Poscharsky 2015 (wie Anm. 54), 134–136. 56  Görres 2015 (wie Anm. 55), 38. 57  Vgl. Thomas Kaufmann: Ewiges Wort und zeitliches Bild. Das Bild in der frühen Reformation, in: Bomski 2015 (wie Anm. 54), 17–36, hier 36; Hecht 2015 (wie Anm. 54), 68–70. 58 Transkription und Übersetzung bei Hecht 2015 (wie Anm. 54), 64. Ghermani verweist auf die Bedeutung des Verhältnisses von Bild und Schrift für das protestantische (Herrscher-)Porträt. Der Abgebildete konnte sich tatsächlich zu Wort melden und ein Bekenntnis formulieren. Vgl. Naïma Ghermani: Das sprechende Porträt. Fürstenbildnisse und Konfession zwischen 1520 und 1550, in: Günter Frank/Maria Lucia Weigl (Hg.): Reformation und Bildnis. Bildpropaganda im Zeitalter der Glaubensstreitigkeiten (= Kunst und Konfession in der Frühen Neuzeit 3), Regensburg 2015, 81–98, hier 81–82. 59  Vgl. Görres 2015 (wie Anm. 55), 39. 60  Hecht 2015 (wie Anm. 54), 67. 61  Jochen Hermann Vennebusch: Neuer Wein in alten Schläuchen? Das Hochaltarretabel der Stadtkirche St. Peter und Paul in Weimar zwischen Innovation und Konvention, in: Theologie und Glaube 107 (1/2017), 55–84, hier 55. 62  Vgl. etwa Eva Leistenschneider: Die französische Königsgrablege Saint-Denis. Strategien monarchischer Repräsentation 1223–1461, Weimar 2008; Julian Blunk: Das Taktieren mit den Toten. Die französischen Königsgrabmäler in der frühen Neuzeit (= Studien zur Kunst 22), Köln u. a. 2011. 63  Tanja Michalsky: Memoria und Repräsentation, Die Grabmäler des Könighauses Anjou in Italien (= Veröffentlichungen des Max-Plack-Instituts für Kunstgeschichte 157), Göttingen 2000, 9. 64  Ebd., 22. 65  Ebd., 23. 66  Ebd., 36 67  Ebd., 327. 68  Erwin Panofsky: Grabplastik. Vier Vorlesungen über ihren Bedeutungswandel von Alt-Ägypten bis Bernini, Köln 21993, 72.

l. Beten und Büßen 69 

Vgl. Michalsky 2000 (wie Anm. 63), 335. Unter dieser monumentalen Darstellung des Thronenden befindet sich eine Inschrift, die die Betrachtenden auffordert, König Robert zu sehen, der reich an Tugenden ist. Diese Tugenden sind in Form von Personifikationen in der untersten Etage als Träger des Sarkophags zu sehen. 70  Ebenso ist er auch im Nonnenchor dargestellt. 71  Vgl. Michalsky 2000 (wie Anm. 63), 333. 72  Vgl. Wolfgang Brückner: Sterben im Mönchsgewand. Zum Funktionswandel einer Totenkleidsitte, in: Hans-Friedrich Foltin (Hg.): Kontakte und Grenzen. Probleme der Volks-, Kultur- und Sozialforschung. Festschrift für Gerhard Heilfurth zu 60. Geburtstag, Göttingen 1969, 259–278, bes. 270–271. Als Beispiel sei hier auf das um 1450 im Hamburger Maria-Magdalenen-Kloster entstandene und sich ergänzende Gedenktafel-Paar für Graf Adolf IV. von Schauenburg und Holstein (vor

1205–1261) verwiesen: Zum einen ist er, der seinen Lebensabend als Mönch bestritt, auf einer querformatigen Holztafel in einer Franziskanerkutte in seinem Sarg aufgebahrt zu sehen (heute im Museum für Hamburgische Geschichte). Darüber wurde er zum anderen auf einer hochformatigen Tafel stehend, in ein Prunkgewand und einen Harnisch gekleidet, gezeigt (im 2. W K zerstört, aber durch einen Kupferstich bei Peter Lambeck: Origines Hamburgenses (Bd. 2), Hamburg 1652, [nach 48] überliefert). In dieser posthumen Würdigung wurden die zwei ‚Rollen‘ (nicht Körper!) des Fürsten und zugleich Stifters des Klosters geehrt. Vgl. Matthias Landt: Das Bildnis „Adolf IV. von Schauenburg im Grabe liegend“ im Museum für Hamburgische Geschichte, in: Beiträge zur deutschen Volks- und Altertumskunde 25 (1986), 7–15. 73  Vgl. Michalsky 2000 (wie Anm. 63), 136–146 und 151.

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m. Kranksein und Leiden Einleitung: Kranksein und Leiden als Praktiken des Herrscherkörpers? Krankheit und Leid bezeichnen schon im Altdeutschen Zustände und Empfindungen körperlichen und seelischen Elends und der Schwäche. Krankheit betont dabei mehr den von außen wahrnehmbaren Zustand, Leiden die subjektiven Empfindungen. Beide bringen oft eine Einschränkung in der Spannweite des Handlungsspielraums und der Leistungskraft mit sich, bisweilen sogar ihren Verlust. Seit Menschengedenken wurden Phasen leichter sowie schwerer Krankheit als alltäglicher oder rätselhaft-erklärungsbedürftiger Teil der irdischen conditio humana betrachtet. Zustände von Krankheit und Leid standen im Kontrast zu Glorie, Stärke, Selbstbeherrschung und dem aktiv-agonalen Habitus, die den Herrscher auszeichnen sollten. Überdies wurden körperliche Gebrechen und gesundheitliche Einschränkungen häufig auf eine unvernünftige Lebensführung oder religiöse Schuld zurückgeführt. Dennoch sind natürlich auch Europas Fürstinnen und Fürsten krank geworden. Manchmal hat das ihre Herrschaft unmittelbar bedroht, manchmal aber auch nicht. In jedem Fall erweist es sich als zu einseitig, wenn eine romantisierende Geschichtswissenschaft die Herrscherkrankheit als ein von Leibärzten überliefertes, privates und apolitisches Faktum eines ‚Königs(helden)lebens‘ betrachtete, sie in den Augen sozialdarwinistisch beeinflusster Historiker mit Herrschaft unvereinbar und ein Anlass für die Ablösung körperlich schwacher Könige und Dynastien war oder aber in der ideengeschichtlichen Perspektive rund um Ernst Kantorowicz als geschichtlichokkasionelles Problem ohne politisch-metaphysischen Gehalt, als ein bloßes Randphänomen erschien.1 Diese Positionen spiegeln viel eher die Eindimensionalität der Quellen wider: Leibärzte rechtfertigen ihre Maßnahmen, Chronisten werten die vorangegangene zugunsten der sie protegierenden Dynastie ab, Höflinge berichten aus der Sicht ihrer Partei und politische Traktate und Fürstenspiegel fordern zwar, der Herrscher solle physisch gesund und unbeschwert sein, preisen jedoch den nahe­ liegenden Fall nicht ein, dass der Herrscher erkrankt.2 Als methodisch problematisch offenbart sich auch der Versuch, die vormodernen Erkrankungen retrospektiv mit 214

m. Kranksein und Leiden

modernen Krankheitsbegriffen ins Verhältnis zu setzen. Denn bereits das heute geläufige Krankheitsverständnis, das voraussetzt, dass ein Mensch eine bestimmte Krankheit hat, die zugleich auch andere haben, die mithin unabhängig vom einzelnen Kranken existiert, war vor dem 19. Jh. weitgehend unbekannt.3 Es ist deshalb notwendig, wie die damalige Medizin von der Singularität des Herrscherkörpers, seiner Lebensweise und Fragilität auszugehen und dabei von Fall zu Fall das nicht per se idealtypisch festgelegte vormoderne Körperbild in den Blick zu nehmen.4 In jüngerer Zeit hat die politische Geschichtswissenschaft den Krankheitsfall des Fürsten eher als komplexes Szenario betrachtet, in dem Herrscher- und Herrschaftskonzepte mit den jeweiligen Machtverhältnissen in Wechselwirkung treten.5 Bedenkt man dabei die herausragende Rolle des Körpers und seines Handelns bei der Verkörperung von Herrschaft zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit, lassen sich als eine ‚Körpertechnik herrscherlichen Krankseins‘ einerseits die Praktiken beschreiben, mit denen Fürsten ihre Beschwerden zeigten oder verbargen. Andererseits wurde auch die Unpässlichkeit selbst, das Krank- und Schwachsein, als eine Körpertechnik der Unverfügbarkeit eingesetzt.6 Bilder wirkten als Teil dieser Strategien körperlicher oder medialer Präsentation und Repräsentation realer oder fingierter Krankheiten. Sie konnten in Phasen der Krankheit das Bild des gesunden Herrschers aufrechterhalten. Es lässt sich allerdings vielfach kaum entscheiden, ob ein Bild zum Zweck solcher Dissimulation hergestellt wurde oder nicht einfach die etablierten Würdeformeln und den herrscherlichen Idealtypus fortführte. Um solche Bilder geht es im Folgenden nicht. Es soll auch nicht um Herrscherportraits gehen, in denen die Forschung gerne Symptome retrospektiv diagnostizierter (Erb-)Krankheiten erkannt hat – bisweilen in Details, die zugleich auszeichnende Portraitformeln sein könnten.7 Stattdessen möchte der Beitrag auf einige bisher nicht systematisch untersuchte Bilder hinweisen, die bewusst körperliche Gebrechen von Fürsten und damit jene ‚Körpertechnik herrscherlichen Krankseins‘ zeigen, und deren sinnstiftenden Kontext erörtern.

Die rituelle Krankheit des Herrschers und die Krone des Reiches Jacques Le Goff hat 1988 das Kranksein des Herrschers in eine aufschlussreiche Beziehung mit der von Marc Bloch beschriebenen Vorstellung gesetzt, nach der Herrscher die „königliche Krankheit“ heilen konnten. Le Goff zeigt, dass der morbus regius ursprünglich die Könige selbst befiel und dass der Begriff zumeist die Lepra bezeichnete. Diese Erkrankung konnte als Zeichen der Sündhaftigkeit und Unwürdigkeit ausgelegt werden – wie es Papst Alexander III . in seinem Rundschreiben Cor 215

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Abb. 1: Jesaja-Hiskia-Bildplatte der Reichskrone, wohl um 962 oder um 1027 entstanden (Wien, Kunsthistorisches Museum, Weltliche Schatzkammer).

nostrum im Hinblick auf König Balduin IV . von Jerusalem tat.8 Im Laufe des 12. und 13. Jh. wechselte der morbus regius das Vorzeichen und verband sich mit dem Glauben an die thaumaturgische Kraft der französischen und englischen Könige, die bis ins 18. Jh. zeremonielle Heilungsberührungen durchführten. Für Le Goff geht diese Bedeutungsverschiebung nicht nur damit einher, dass die Könige nun aktiv heilen, sondern sie beugt auch einer potentiellen Entwürdigung durch die Krankheit vor. Stattdessen entsteht der Typus des wie Christus leidenden Königs, der nicht mehr aufgrund eigener Schlechtigkeit, sondern für andere sichtbar erkrankt ist.9 Die Sichtbarkeit royaler Gebrechlichkeit, die sich nach Le Goff als textuell-diskursive Idee im 12. und 13. Jahrhundert entfaltete, fand allerdings bereits in den Jahrhunderten zuvor Ausdruck in den rituellen Praktiken rund um die Salbung und Krönung der Könige. So sah der um 960 entstandene und für Europa beispielhafte 216

m. Kranksein und Leiden

Mainzer Krönungsordo vor, dass der Thronkandidat in einem eigens für die Zeremonie aufgestellten Bett von zwei Bischöfen geweckt, dann aufgerichtet und beidseitig gestützt zum Altar geführt wird.10 Auch die Salbung, die nach dem Karolinger Pippin zum festen Bestandteil europäischer Krönungszeremonien avancierte und die Heils- und somit Machtübertragung auf den physischen Körper des Herrschers und – in Frankreich und England – auch dessen wundertätigen Heilungskräfte bewirkte, war in ihrer Körpersymbolik ambivalent, wenn der Thronfolger erst ent-, dann in ein Seidenhemd eingekleidet und schließlich halbnackt kniend mit dem Öl bestrichen wurde, so als würde ein Kranker therapiert.11 Und noch im Krönungsakt selbst drückt der Königskörper durch seine von Bischöfen gestützte vorgebeugte Haltung (inclinatio semiplena) Schwäche aus.12 In ähnlichem Sinne wurde auch eine der vier Emailplatten interpretiert, die neben Edelsteinen und Perlen die Krone schmückt, mit der seit ca. 960 n. Chr. die Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt wurden (Abb. 1).13 Sie zeigt neben dem Propheten Jesaja König Hiskia von Juda, der seinen Kopf in seine rechte Hand, seine linke auf das Herz legt und bitterlich weint, da er todkrank ist ( Jesaja 38:2). Durch Jesaja wird ihm jedoch verkündet: „Siehe ich füge deinen Tagen 15 Jahre hinzu“ (Ecce adiciam super dies tuos xv annos). Über die traditionellen Deutungen royaler Gottesnähe und humilitas hinaus hat Annette Kehnel die Hiskia-Platte erstmals im Rahmen der rituell inszenierten körperlichen Schwäche des Königs interpretiert und gezeigt, dass bei jeder Krönung das Bild des Herrschers als kranker Gottesknecht durch die Reichskrone vergegenwärtigt wurde.14 Auch in anderen Medien wurde der unter den Ottonen noch relativ neue Hiskia-Topos als alttestamentarische Stilisierung des kranken Fürsten bis ins späte 18. Jahrhundert genutzt.15

Erblinden – Prophetie und Narbenschau? Beim „Kranksein des Königskandidaten“ in der Krönungszeremonie handelt es sich um symbolische Gesten.16 Was aber, wenn ein Fürst tatsächlich durch Krankheit seine körperliche Unversehrtheit verlor? In Rechtstexten wie der Lex Baiuvariorum, dem Sachsen- und Schwabenspiegel und nicht zuletzt in der Goldene Bulle, dem ab 1356 bis 1806 für die römisch-deutsche Königs- und Kaiserwahl bedeutendsten Gesetzestext, wird als Paradebeispiel für die Untauglichkeit eines Herrschaftskandidaten (inutilitas) dessen Blindheit genannt.17 Allerdings stehen diese normativen Texte in unsicherem Verhältnis zur historischen Realität. Dies belegt die stattliche Zahl vollständig oder teilweise blinder Herrscher, von höchsten Würdenträgern  – der ungarische König Béla II . (1131–1141) oder in Norwegen Magnus IV ., der seine 1135 217

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Abb. 2: Janíček Zmilelý (attr.), Jan Žižka an der Spitze des hussitischen Heeres, nach 1491 und vor 1510, Jenaer Handschrift (Prag, Národní muzeum).

verlorene Macht trotz Blindheit 1137 zurückgewann – bis hin zu kleineren Fürsten, etwa dem luxemburgischen Grafen Heinrich IV . (1138–1196) oder dem Pfalzgrafen am Rhein Rudolf II . (1329–1353).18 In der Reihe von Fürsten, die mit ihrer Augenschwäche dargestellt wurden, erscheint Johann von Böhmen wie ein bemerkenswerter Vorläufer ohne Bild. Der 1337 am rechten Auge und 1340 vollständig erblindete König war nicht nur populär, sondern wurde als Blinder „zur Zierde des Adels schlechthin“, da er seine Soldaten – obschon blind – in die Schlacht von Crécy geführt und in vorderster Reihe mitgekämpft haben soll.19 In der bildlichen Repräsentation des Herrschers wurde gleichwohl versucht, die körperliche Integrität zu wahren – so, wenn etwa Federico da Montefeltro, der trotz eines verlorenen Auges Herrscher und Feldherr blieb, nur seine intakte Gesichtshälfte porträtieren ließ.20 Wie unterschiedlich körperliche Versehrungen beurteilt werden konnten, zeigt der Fall des hussitischen Heerführers Jan Žižka, der 1421 ein Auge verlor, aber weiterhin 218

m. Kranksein und Leiden

Abb. 3: Anonym, Grabplatte Wilhelms I. von Meißen, aus: Samuel Reyher: Monumenta ­Landgraviorum Thuringae et Marchiorum Misniae, Gotha 1692.

Feldherr blieb. Seine Gegner bezeichneten ihn als monoculus et ignobilis (einäugig und unedel), projizierten also in Žižkas Blindheit eine entehrende Führungsuntauglichkeit. Zwei hussitische Handschriften jedoch heben die Blindheit ihres mit einem Streitkolben in der Hand reitenden Anführers durch eine deutlich sichtbare Augenbinde gerade hervor (Abb. 2).21 Der Blinde wird so zu einem ‚Körperbild der Macht‘: Žižka ist – wie ein Prophet – nicht dank seiner physischen, sondern geistigen Augen weitsichtiger als seine Konkurrenten und unbesiegt geblieben, bis er 1424 erkrankte und starb. Ein ergänzendes Beispiel bietet das Relief am Grab des 1407 verstorbenen Markgrafen Wilhelm I. von Meißen, das sich im Chor des dortigen Doms zwischen den Naumburger-Meister-Figuren Kaiser Ottos I. und der Adelheid befindet. Das Messingrelief war ursprünglich in die Grabplatte eingelassen und diente der Binnenzeichnung für Wilhelms Relieffigur. Das ursprüngliche Aussehen des heute verlorenen Reliefs ist durch eine Zeichnung und einen Kupferstich des 17. Jh. überliefert (Abb. 3).22 Wilhelms linkes Auge ist jeweils geschlossen dargestellt. Er litt seit Mitte 219

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Abb. 4: Anonym, Herzog Georg I. von Pommern, aquarellierte Federzeichnung aus dem Visierungsbuch Herzog Philipp II. (verschollen, ehemals Stettin, Pommersches Landesmuseum).

der 1380er Jahre an einem Augenleiden und wird in zeitgenössischen Quellen als einäugig – monoculus oder cocles – bezeichnet. Seine Regierung währte gleichwohl bis zu seinem Tod im Februar 1407. Die Sage, der Hl. Benno habe ihm wegen seiner Streitigkeiten mit der Kirche im Traum ein Auge ausgestochen, verdeutlicht allerdings die Gefahr einer politischen Vereinnahmung des kranken Herrscherkörpers. Dennoch ließen Wilhelm I. oder dessen Nachfahren das Grabbild mit besagtem Augendefekt herstellen. Vermutlich auch deshalb, weil die ophthalmische Anomalie ihn Johann von Böhmen, dem blinden Vater Kaiser Karls IV ., mit dessen Nichte Elisabeth Wilhelm verheiratet war und mit dessen Söhnen die Meißener das Bündnis suchten, in einem quasi-heraldischen Sinne ähnlich machte.23 Komplementär dazu lässt sich eine zwischen 1527 und 1531 entstandene Federzeichnung Herzog Georgs I. von Pommern betrachten, die sein Großenkel Philipp II . in einem Visierungsbuch bewahrte, die im Zweiten Weltkrieg verloren ging und heute nur noch durch eine Fotografie überliefert ist (Abb. 4).24 Die lebensgroße Kopfstudie gibt nicht allein Georgs Augenfältchen und einzelne Barthaare en detail wieder, sondern zeigt auch, dass das linke Augenlid des Herzogs merklich herunter220

m. Kranksein und Leiden

hängt. In diesem Fall sind wir über die Umstände aus erster Hand informiert. Sein Sekretär Thomas Kantzow beschreibt in der Chronik von Pommern die Folgen eines Jagdunfalls, der sich 1527, drei Jahre vor Georgs Tod, ereignete: Das Auge, das er ausgestochen, was ime doch so widder geheilet, das mans ime nicht wol ansehen khonte, das er nichts mit sahe. Aber dennoch sahe er ein weinig grewlicher domit wan mit dem andern.25 Da solche Zeichnungen von Fürsten in aller Regel als Vorlage für danach entstandene Porträts dienten und die Zeichnung auch später prominent im Visierungsbuch des Großenkels aufbewahrt wurde, kann auch hier keine Rede von einer ‚Verheimlichung‘ des Defekts sein. Im Gegenteil wirkt Georgs Augendefekt durch die anderen individualisierenden körperlichen Details wie die minutiös abgebildeten Barthaare, mit welchen die Zeichnung einen starken Anschein von Natürlichkeit erzeugt, umso wahrhaftiger, zumal er ohne jede Kaschierung durch eine Augenklappe oder, wie bei Wilhelm, den Anschein eines Zwinkerns gezeigt wird. Die genannten Bildnisse, deren dargestellte körperliche Defekte die Forschung lange kaum benannte, lenken den Blick auf eine verbreitete Forschungsthese zum Herrscherportrait. Es wurde immer wieder davon ausgegangen, dass eine Vermenschlichung und Individualisierung des Herrschers im Portrait mit einer Infragestellung seines gottbegnadeten, überindividuellen „body politic“ gleichzusetzen wäre.26 Gerade wenn die physische Integrität eines Herrschers Makel aufwies, kam in dieser Deutung seinem Bildnis die Aufgabe zu, „die Sichtbarkeit der Autorität und Tugendhaftigkeit des Amtskörpers“ zu gewährleisten.27 In der Kopfstudie Georgs I. , aber auch im Grabbild Wilhelms I. und der Miniatur des Jan Žižka ist von dem vorgeblichen Zwang, die Deformitäten zu kaschieren, jedoch gerade nichts zu sehen. Sie werden stattdessen offensiv ins Bild gesetzt. Synoptisch zeigen die Darstellungen dieser ‚Blinden‘ aber auch, dass das wohl berühmteste Portrait eines Einäugigen in der europäischen Kunstgeschichte, dasjenige Oswalds von Wolkenstein in der Innsbrucker Liederhandschrift B (um 1435), in seiner Art der Körperdarstellung nicht nur die bildkünstlerischen Innovationen eines ‚individuell-expressiven‘ Dichters und Komponisten ausdrückt.28 Sondern vielmehr auch die Offenheit frühneuzeitlicher Konzepte des adeligen Körpers und womöglich zugleich den Wunsch, als einer dieser großen Blinden zu erscheinen.29

Die Beinamputation Kaiser Friedrichs III . Die Krankheiten der Herrscher dürften insgesamt weniger durch Bilder als durch ‚Hofklatsch‘ und verschiedene Gesprächskontexte über das ungesunde Leben bei Hof sowie die fürstlichen Leibärzte präsent gewesen sein. Es ging um die Gesund221

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Abb. 5: Anonymer Österreichischer Meister, Fußamputation an Kaiser Friedrich III., um 1493, Deckfarbenmalerei auf Papier (Wien, Albertina)

erhaltung des Herrschers. Daher gibt es viele Bilder mit solchen präventiven Maßnahmen, aber nur wenige Darstellungen von der konkreten Therapie des kranken Herrscherkörpers. Eine Ausnahme stellt die Beinamputation Kaiser Friedrichs III . dar. Im März 1493 befielen den in Linz weilenden 77-jährigen Friedrich Taubheitsgefühle im linken Bein. Es wurde ein Altersbrand mangels natürlicher Wärme diagnostiziert, sein Bein verschlechterte sich und wurde am 8. Juni 1493 in Anwesenheit zahlreicher Grafen, Freiherrn und Ritter von fünf Wundärzten sowie zwei Leibärzten Friedrichs und Maximilians amputiert.30 Die Krankheit und die Operation sind in Joseph Grünpecks Historia Friderici et Maximiliani sowie in einer Handschrift des an der Amputation beteiligten Wundarztes Hans Seyff überliefert. Seyffs Bericht ging wie ein Titelbild eine Miniatur voraus, die später aus der Handschrift herausgelöst wurde und in die Wiener Albertina gelangte (Abb. 5).31 Die ganzseitige Miniatur zeigt die Operation des Kaisers vor blauem Grund. Im Zentrum sitzt Kaiser Friedrich umgeben 222

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von seinen Ärzten, durch Krone, Mantel und seine typische Physiognomie kenntlich gemacht, die Beine angewinkelt, die Füße auf einem Schemel.32 Vor ihm knien zwei Wundärzte und bearbeiten die Wade des Kaisers mit einer Säge. Hinter ihm stehen sechs weitere Figuren, die den Kaiser festhalten. Da Seyff den dargestellten Inhalt auf der Rückseite des Blattes beschrieben hat, liegt die Vermutung nahe, dass das eingeklebte Bild früher als die Handschrift, womöglich bereits 1493 im Kontext seines Aufenthalts in Linz, als eine Art Erinnerungsstück, entstand. In der Medizingeschichte wurde der Darstellung oft ein dokumentarischer Charakter unterstellt. Dem steht allerdings die augenfällige Stilisierung entgegen: Der Kaiser wird kaum mit Krone und Pelz operiert worden sein, wohl auch nicht unbedingt von Chirurgen in bunten Mänteln, die ihm zudem wohl die Augen verdeckt und sein Bein nicht mit einer derart großen, zweigriffigen Säge operiert hätten.33 Die formale Bildanlage mit Friedrichs frontal wiedergegebenem Oberkörper und den ihn halbmondförmig umgebenden Ärzten ist nicht an Operations-, sondern eher an Andachtsbildern vom Typus der Engelspietà oder der Beweinung Christi orientiert.34 Friedrich III . als Schmerzensmann – zu diesem Leitmotiv passen auch die paritätische Arbeitsteilung der am Bein operierenden oder sich anderweitig um den Kaiser kümmernden Chirurgen, die neben spezifisch wundärztlichen Tätigkeiten das Handanlegen an den sakralen Körper des Herrschers verdeutlichen, wie man es von Beweinungen oder Kreuzabnahmen kennt. Auch demonstrieren die zwei aus dem Bild blickenden Chirurgen keine sträfliche Unaufmerksamkeit, sondern fordern den Betrachter wie beim Andachtsbild zur Anteilnahme auf. Die Beschreibungen Hans Seyffs und Joseph Grünpecks weisen vergleichbare Stilisierungen auf, wenn sie betonen, dass Friedrich die Amputation demütig ertrug und im Anschluss entgegen dem ärztlichen Rat daran festhielt, das Fasten zu Maria Himmelfahrt einzuhalten.35 Die Forschung hat Friedrichs Behandlung mit seiner medizinischen Ordnungspolitik in Zusammenhang gebracht.36 Hingegen verweisen Datum, Diagnose und ihre Stilisierung in Text und Bild auch auf eine politische Dimension der kaiserlichen Krankheit und Amputation, die mit einer hohen Sterbewahrscheinlichkeit verbunden war. Friedrich wurde sicher auch aus medizinischen Gründen nicht vorschnell, aber zugleich erst zu dem Zeitpunkt operiert, als Maximilian am 23. Mai mit Karl VIII . den Frieden von Senlis geschlossen hatte und es der habsburgischen Hausmachtpolitik so gelungen war, die territoriale Machtbasis gegenüber Ungarn und Frankreich abzusichern.37 Durch die Diagnose Altersbrand stellten die Berichte Grünpecks und Seyffs zugleich das hohe Alter des Kaisers, seine lange Regierungszeit und die Tauglichkeit der Habsburger für das höchste politische Amt heraus. Zehn Wochen später vollendete der demütig fastende Kaiser sein Leben durch die Kunst des guten Sterbens am 19. August 1493, dem Todestag von Kaiser Augustus. Wenn 223

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zeitgenössische Quellen betonen, dass dieser zwar drei Jahre länger regiert, aber auch drei Jahre weniger gelebt habe, erscheint Friedrichs ‚christoforme‘ Amputation auch vor diesem Hintergrund ausgezeichnet.38

Prothesen der Krankheit oder der Macht? – Papst Pius II . und die sedia gestatoria Kaum eine Herrschergruppe musste regelmäßiger repräsentative Verkörperung und körperliche Gebrechlichkeit austarieren als die oft erst im höheren Alter in ihr Amt gewählten Päpste. Als Silvio Enea Piccolomini, der ehemalige Sekretär Friedrichs III ., 1458 als Papst Pius II . gewählt wurde, litt der 52-Jährige bereits stark an Gicht. Seine Wahlgegner führten diese Erkrankung gegen ihn an und ahnten nicht, welche Folgen sie für Pius’ Pontifikat haben würde. Diese lassen sich 50 Jahre später in dem 1502–1507 entstandenen Freskenzyklus zum Leben Silvio Eneas erkennen, den sein Neffe Francesco, der künftige Papst Pius III ., als Erzbischof von Siena in der dortigen Kathedrale unter der Leitung von Pinturicchio malen ließ (Abb. 6a und 6b).39 Die siebte und zehnte biographische Episode zeigt den frisch gekrönten Pontifex beim Einzug in die Lateransbasilika und als Dirigenten des Kreuzzugs in Ancona auf einem Tragethron, der sedia gestatoria. Während Pius bei seinem Krönungszug, dem possesso, noch auf einem weißen Schimmel ritt, der den Päpsten als kaiserliches Privileg seit der Konstantinischen Schenkung zustand, saß er bereits im Januar 1459, auf dem Weg zu dem von ihm einberufenen Kreuzzugskonzil von Mantua, während der feierlichen Einzüge in die auf der Reiseroute gelegenen Städte auf der sedia gestatoria. In Florenz, der mächtigsten Stadt auf dem Weg, traf die zeremonielle Neuerung zunächst auf Widerstand. Nach schwierigen diplomatischen Verhandlungen vor der Stadt wurde der Einzug dann jedoch mit dem Tragethron vollzogen. Dass dies trotz der komplizierten Machtverhältnisse und ihrer repräsentativen Erfordernisse stattfand, ist vor allem auf Pius’ Gichterkrankung zurückzuführen, die zum zentralen Argument wurde.40 Zwar ist es vorher bereits vorgekommen, dass Frauen oder Fürsten in einer Pferdesänfte einzogen, wie etwa der Sohn des blinden Johann von Böhmen, Kaiser Karl IV ., in St. Denis. Jedoch galt dies als Zeichen der Schwäche, denn normalerweise ritten Fürsten als Zeichen ihrer Macht hoch zu Pferd in die Stadt.41 Dabei kann die Repräsentationswirkung, die von dem vergoldeten, auf Schultern getragenen und alle überragenden Papstthron ausging, den Florentinern nicht entgangen sein. Pius selbst nutzte sein neues Vehikel seit 1459 gezielt zur pompa triumphalis, wie er selbst schreibt, und ließ bei seiner Rückkehr aus Mantua den Thron von rebellischen rö224

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Abb. 6a und 6b: Bernardino di Betto di Biagio gen. Pinturicchio: Pius II. zieht als gekrönter Pontifex in den Vatikan ein (links) und Pius II. kommt nach Ancona um den Kreuzzug zu beginnen (rechts), 1502–1507, Fresko (Siena, Libreria Piccolomini, Cattedrale Metropolitana di Santa Maria Assunta).

mischen Adligen tragen. Vor allem aber manifestiert sich die Repräsentationsabsicht der sedia gestatoria in der Geschwindigkeit, mit der ihr Gebrauch auch während der Pontifikate nach Pius üblich und 1488 im Caeremoniale Romanum des Agostino Patrizi Piccolomini für das päpstliche Zeremoniell festgeschrieben wurde. Im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts, als Pinturicchios Fresken entstanden, war die sedia gestatoria im päpstlichen Zeremoniell kein Novum mehr, im Bilde dagegen sehr wohl. 42 Indem Pius vom Tragethron aus segnet und Fürsten dirigiert, überhöhen die Fresken symbolisch den religiösen wie politischen Führungsanspruch des Papstes. Die Überhöhung wird jedoch zugleich konterkariert: Denn die Krönungszeremonie wird zum Zeitpunkt der combustio stipulae, der sog. Wergverbrennung, gezeigt. Ein in weiß gekleideter Zeremonialkleriker kniet vor dem hoch aufragenden Pius und weist ihn auf ein verbrennendes Stück Wollwerg hin – „So vergeht der Ruhm der Welt“ (sic transit gloria mundi), wird der Papst dreimal ge225

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warnt.43 Dadurch, dass sich die Blicke des Thronenden mit dem Knienden genau in den Flammen des Wergs treffen, rückt Pinturicchio den Hinweis auf die Vergänglichkeit wie in ein Brennglas und lässt mit der Überhöhung des Papstkörpers auch dessen baldigen Verfall anklingen. Das letzte Bild im Zyklus wiederum, das ohnehin unter dem Vorzeichen von Pius’ Tod in Ancona steht, stellt den Papst, der oft betont hatte, dass er trotz seiner Gicht den Kreuzzug propagieren und die Reise nach Ancona auf sich nehmen müsse, als den auf seinem Gichtthron für die Kreuzzugsidee streitenden Märtyrer dar.44 Dass Pinturicchios Inszenierung des Tragethrons die Krankheit des Papstes als ursprünglichen Anlass für die mobile ‚Inthronisation‘ nicht ausblendet, ist besonders bezeichnend, weil beide abgebildeten Ereignisse sich anders begeben hatten als auf den Bildern dargestellt: Bei seinen Krönungsfeierlichkeiten hatte der Papst den Tragethron nicht benutzt und als die venezianische Flotte in Ancona eintraf, lag der Papst bereits im Sterben und zeigte sich nicht öffentlich.45 Dem Auftraggeber Francesco Piccolomini war dies sicherlich bewusst. Als Papstkandidat wies er in zwei imaginären Darstellungen, welche körperliche Überhöhung und Hinfälligkeit verbinden, auf die triumphale Erneuerung des Papstzeremoniells hin, die seinem Onkel – und dessen Gicht – zu verdanken war. Die bei Pius II . beobachtete Instrumentalisierung seiner Krankheit hing nicht speziell mit dem Konzept des hinfälligen Körpers der Päpste zusammen.46 Pius’ Idee des Tragethrons war bereits von Kaiser Sigismunds Einzug in Viterbo 1433 auf einem Tragsessel inspiriert.47 Insbesondere jedoch seit dem 16. Jh. lässt sich auch bei weltlichen Herrschern der Gebrauch der Tragsessel und -throne als ‚schmerzlindernde Gichtprothese‘ und Repräsentationsinstrument in einem nachweisen. Frühzeitig wird der Tragethron in das sich rasch entwickelnde Hofzeremoniell Philipps II . aufgenommen. 1585 wurde der König in Barcelona von Stadtvertretern mit mehreren Tragsesseln beschenkt, 1595 empfing er den Prinzen von Oranien im Tragsessel und 1598 wohnte er der Fronleichnamsprozession bei estando en su silla de la gota.48 Die beobachtete Dialektik aus Macht und Krankheit, einer Praxis, die zwischen der Erhaltung des königlichen Körpers und dessen zeremonieller Präsentation schwankt, kam also auch im Bereich der weltlichen Herrschaft vor.

Krankheit und Genesung als (Bio-)Politik Ludwigs XIV. Zu einer regelrechten (Bio-)Politik entwickelt sich die öffentlichkeitswirksame Darstellung von Krankheit und Genesung unter Ludwig XIV ., wie ein Kupferstich aus dem Almanach von 1659 verdeutlichen kann (Abb. 7): Bildzentral positioniert rich226

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Abb. 7: Jean Lepautre, Nicolas de Poilly und Nicolas Regnesson: La France ressucitée par le remede, envoyé du ciel, au plus grand monarque de la terre pour la paix de son peuple et a la confusion de ses ennemis, 1659, Kupferstich (Paris, Bibliothèque nationale de France).

tet sich der sichtlich geschwächte 20-jährige Monarch in einem Baldachinbett auf. Das Blatt verkündet auf einer Banderole die „Genesung Frankreichs durch das dem größten Monarchen vom Himmel geschickte Heilmittel“ (La France ressucité par le remede, envoyé du ciel, au plus grand monarque). Gemeint ist Ludwigs Erkrankung in Calais im Juli 1658, als seine Truppen am Ärmelkanal die entscheidenden Schlachten im Krieg gegen Spanien fochten. In drastischen Worten beschrieb das höfische Umfeld den fiebernden und extrem geschwächten Zustand des Königs, der bereits die Sterbesakramente erhalten haben soll. Als Ursache diagnostizierte der premier médecin du roi, Antoine Vallot, ein „verborgenes Gift“ der Umwelt.49 Der mehrere Monate nach Ludwigs Genesung erschienene Almanach interpretiert dessen Krankheit einerseits religiös: Wenn der Himmel sich öffnet und ein Engel eine Karaffe mit der Aufschrift LE REM [È]DE DIVIN herabbringt, so erklärt der Stich Ludwigs Genesung zum Ergebnis eines Wunders auf göttliche Veranlassung. Zugleich spielt er auf die Legende der Saint Ampoûle an, nach der ein Engel zur 227

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Salbung Chlodwigs und der diesem nachfolgenden französischen Könige ein Gefäß mit himmlischem Öl herabtrug. So stellt der Stich eine Parallele zwischen Heilung und Salbung her. Und tatsächlich hatte Ludwig nach seiner Genesung die traditionelle Berührung der Kranken vollzogen und damit öffentlich bewiesen, dass seine thaumaturgischen Heilkräfte unvermindert fortbestanden.50 Andererseits aber besitzt der Kupferstich auch eine betont weltliche Komponente: An Ludwigs Bett kniet der Arzt François Guénault und hält dessen Hand; hinter diesem eine weitere bislang nicht identifizierte Person, bei der es sich wahrscheinlich um den besagten Leibarzt Antoine Vallot handelt.51 Guénault, der Anfang Juli zur Behandlung des Königs hinzugezogen wurde, war ein Verfechter des antimonhaltigen und deshalb höchst umstrittenen Brechweines, dessen Einnahme durch die Evakuation schädlicher Stoffe die Genesung des Königs in die Wege leiten sollte. Durch die zu Seiten des Himmels rankenden Weinreben, in denen geflügelte Putti schweben und Kannen mit der Aufschrift VIN EMETIQUE (Brechwein) herabreichen, verdeutlicht das Bild, wie auch die Medizin zur Gesundung des Königs beitrug. Die Weinranken, die die klug eingerichtete Natur als Salomonische Säulen der Medizin anschaulich machen, scheinen dabei alchemistischen Traktaten entlehnt.52 Tatsächlich wurde Brechwein bzw. Antimon als alchemistisches, der antiken Medizin unbekanntes Naturgeheimnis stilisiert, dessen Wirksamkeit nun, wie Vallot schrieb, durch den „Erfolg bei einem so großen Monarchen“ endgültig bewiesen sei und noch die letzten Kritiker überzeugen werde.53 Die dabei zugrunde gelegte Vorbildlichkeit des Herrscherkörpers ist bereits ein antiker Topos, der quasi-experimentelle Charakter jedoch eine nachantike Strategie, auf die sich auch Ludwigs öffentlichkeitswirksamer Einnahme von Chinin stützte.54 Das vormals verteufelte Antimon ist nun eine Medizin des Königs, der Hof ein therapeutischer Gnadenbringer. Diese Verbindung von Wunder und Medizin kommt im Kupferstich auch durch den Arzt Guénault und die Königinmutter, Anne d’Autriche, zum Ausdruck. Letztere erinnert am Bett ihres Sohnes daran, dass ihr mit Ludwigs Geburt bereits ein Wunder widerfahren ist und dass seine wundertätige Genesung einer ‚zweiten Geburt‘ gleichkommt. Wie passt nun aber die Erklärung, dass der König über die Geheimnisse der Natur und die Erwählung Gottes gleichermaßen verfügt, zur Darstellung des kranken Herrschers? Im Bett, im einfachen Nachthemd und ohne klassische Pose drückt die ungewöhnliche Ikonographie – kein Herrscher hatte sich zuvor krank im Bett darstellen lassen – Ludwigs körperliche Schwäche deutlich aus. Details wie der Sensenmann, der den Vorhang lüftende Putto sowie die Bildkomposition, in deren Zentrum der Monarch wie in einer Höhle zu verschwinden scheint, steigern die Dramatik noch. Diese öffentliche Darstellung der Krankheit des Herrschers erscheint wie eine Re228

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aktion auf frühere Entwicklungen. Nachdem der Körper der französischen Monarchen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zunehmend glorifiziert wurde, erlitt sein Image durch den tödlichen Turnierunfall Heinrichs II . eine Verunsicherung. Seinem Nachfolger Franz II . wurde eine Lepraerkrankung nachgesagt und mit diesem Argument die Tauglichkeit und Legitimation abgesprochen.55 Die absolutistischen Monarchen seit dem 17. Jahrhundert versuchten die Deutungshoheit zurückzugewinnen, indem bereits unter Ludwig XIII . die Gazetten scheinbar transparent über dessen Krankheiten und Symptome – bis hin zu Problemen mit dem Stuhlgang – berichteten.56 Unter Ludwig XIV . wurden die Erkrankungen des Königs und deren Überwindung dann wie militärische Siege zelebriert.57 Der kranke Ludwig im Bett ist keine Entsakralisierung der königlichen Persona, sondern eine Sakralisierung von dessen Krankheit. Gemäß der absolutistischen Staatsraison verkörpert Ludwig den Staat so sehr, dass auch seine Krankheit diese Verkörperung nicht infrage stellen kann. Die Episoden der Krankheit werden zu einem affirmierenden Teil nicht nur der heroischen Biographie des Königs, sondern auch des vom höfischen Kunstapparat produzierten Glorienkörpers. Ludwig hat daran bis an sein Lebensende festgehalten. So zeigen einige der Bilder des Schlossgartens von Versailles, die weithin sichtbar im Grand Trianon hingen, Ludwig in der roulette, einem rollstuhlartigen Gefährt, das ihm trotz eklatanter Gehschwierigkeiten Bewegung gestatten sollte.58 Aber ging diese patho-ostentative Bildstrategie vollends auf? Nicht allenthalben: Im Lager der politischen Gegner stellten Künstler wie Romeyn de Hooghe Ludwig XIV . ebenfalls im Bett dar, nun jedoch unter umgekehrtem Vorzeichen: krank und verrückt, schwach ergo regierungsunfähig. Die inszenierte Glorifizierung der Krankheit wendet sich gegen den König, der erbarmungswürdige Herrscherkörper wird zur politischen Satire.59

Schluss: Das Herrscherbild in den Wogen der Krankheit Dieser Eintrag hat an verschiedenen Beispielen aus unterschiedlichen Epochen und Regionen zu zeigen versucht, wie mit der Krankheit eines Herrschers im Bilde umgegangen wurde. An der ottonischen Reichskrone sind Krankheit und Leiden als eine rituell inszenierte körperliche Schwäche des Königs sehr früh begegnet. Infolge seiner Blindheit wird später Jan Žižka als christlicher Prophet und Kaiser Friedrich III . im Zuge seiner leidvollen Beinamputation als christusgleicher ‚Schmerzensmann‘ und Dulder inszeniert. Bei Herzog Wilhelm I. von Meißen wird sein Augendefekt zu einer Zierde des Adels und auch Georg I. von Pommern war offensichtlich nicht sehr darum bemüht, seinen Makel zu verstecken, wie die ausgesprochen veristische Por229

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Abb. 8a und 8b: Franz Hogenberg: Karl V. übergibt seine Herrschaft über die Niederlande an Philipp II. (links) und Karl V. verlässt die Aula magna (rechts), 1558, Kupferstiche (Paris, Bibliothèque nationale de France).

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trätzeichnung zeigt, die in das Visierungsbuch des Großenkels gelangte. Auch Pius II . machte aus seiner körperlichen Not eine Tugend und verband damit eine Neuerung des päpstlichen Zeremoniells, die sich dem Triumph römischer Kaiser annähert. Und Ludwig XIV . inszenierte Krankheit und Genesung als eine regelrechte (Bio-)Politik und integrierte die Krankheit auf diese Weise in den repräsentativen Leib des Monarchen. Schließlich finden sich auch Bilder des kranken Herrschers, wenn es zu seiner Abdankung kam. Krankheit hatte hier systemische Bedeutung. Denn ein Fürst konnte auf sein Amt, da es ihm von Gottes Gnade zukam, nicht einfach verzichten. Er musste gut begründen, warum er es nicht mehr ausführen konnte. Neben einer religiösen Gewissensentscheidung lieferte Krankheit hierfür die Hauptbegründung.60 Im offiziellen Zeremoniell der Abdankung sollten daher die Gebrechen des Herrschers nicht verschwiegen und doch die Würde seiner Dynastie gewahrt werden, wie abschließend am Beispiel Karls V. gezeigt werden soll. Die Ambivalenz, die dabei die Krankheit selbst prägt, konnte auch ambivalente Bildstrategien in Gang setzen, wie abschließend an drei Bildbeispielen kurz erläutert werden soll. Diese Ambivalenz lässt sich an zwei Kupferstichen Frans Hogenbergs von verdeutlichen, die den feierlichen Verzicht Karls V. auf die Regentschaft der Niederlande im Oktober 1555 zeigen (Abb. 8a und 8b). Während Karl selbst den Herrschaftsverzicht mit seiner Gichterkrankung begründete und Augenzeugen dieses tränenreichen, „ergreifendsten Schauspiels, das der Welt jemals geboten wurde“, seine während der Zeremonie deutlich zur Schau gestellte Schwäche und schmerzbedingte Bewegungseinschränkung eindrücklich schildern, tritt der Kaiser in den Bildern weitgehend agil und körperlich unversehrt in Erscheinung (Abb. 8b).61 Hogenbergs Stiche blenden also die Krankheit Karls V. nahezu vollständig aus und konzentrieren sich ganz „auf den Rechtsakt“.62 Einen Kontrapunkt könnte jedoch das Kissen setzen, auf dem Karls Füße ruhen und das hier erstmals in einem Bild des Kaisers auftaucht (Abb. 8a). Derartige Fußkissen sind aus Miniaturen thronender Herrscher bekannt, aber auch für die zeitgenössische Darstellung Gichtkranker typisch.63 Karls Fußkissen ist also einerseits eine Würdeformel, lässt sich jedoch andererseits auch als subtiler Hinweis auf seine Erkrankung deuten, deren Folgen auch die Bildunterschrift als Abdankungsmotiv nennt: Als Carl den 5. gar wol betracht / Daß er nam ab, an leibes macht. Eine andere Perspektive auf den kranken, abdankenden Karl V. eröffnet ein Gemälde auf Schloss Ambras (Abb. 9). Es zeigt die Reise Erzherzog Ferdinands von Tirol nach Brüssel, auf die er von seinem Vater, König Ferdinand I. , geschickt worden war, um die angekündigte umfassende Abdankung Karls V. zu verhindern.64 Das Simultanbild stellt fast über die ganze Breite die von Ferdinand dynamisch angeführte Reitergesandtschaft dar. Nur in einer kleinen Fensterszene am linken Bildrand, die 231

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Abb. 9: Anonym, Postreise des E. H. Ferdinand von Tyrol nach Brüssel, um 1560, Öl auf Leinwand (Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie).

Ferdinands Ankunft am Krankenbett seines Onkels wiedergibt, ist der Kaiser – und also das Ziel der Reise – zu sehen. Dieses Abdankungs-Abwendungs-Bild dient bereits nicht mehr der Aushandlung repräsentativer Erfordernisse Karls V., sondern verdeutlicht den tugendhaften Einsatz seiner Nachfolger für die dynastische Stabilität – der kranke Kaiser selbst wird gewissermaßen zu einer Randfigur. Auswahlbibliographie

Oliver Auge: Physische Idoneität? Zum Problem körperlicher Versehrtheit bei der Eignung als Herrscher im Mittelalter, in: Cristina Andenna/Gert Melville (Hg.): Idoneität–Genealogie–Legitimation. Begründung und Akzeptanz von dynastischer Herrschaft im Mittelalter, Köln 2015, 39–59. Alain Boureau: Le simple corps du roi: l’impossible sacralité des souverains français, XVe–XVIIIe siècle, Paris 1988. Annette Kehnel: Le corps fragile du prince. Dans les rites d’investiture médiévale, in: Agostino Paravicini Bagliani (Hg.): Le corps du prince, Florenz 2014, 679–704. Stanis Perez/Xavier Le Person (Hg.): Maladies diplomatiques: souverains et puissants face à la maladie de l’Antiquité à nos jours, Lyon 2018. Stanis Perez: La santé de Louis XIV. Une biohistoire du roi-soleil, Seyssel 2007.

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Anmerkungen Stanis Perez: Qu’est-ce que la biohistoire politique? Retour sur un nouvel outil historiographique, in: Anne Gangloff (Hg.): La Santé du prince: corps, vertus et politique dans l’Antiquité romaine, Grenoble 2020, 17–30; Gesine Jordan: Kranke Herrscher und Herrschaftsanwärter in der Karolingerzeit, in: Cordula Nolte (Hg.): Homo debilis: Behinderte – Kranke – Versehrte in der Gesellschaft des Mittelalters, Korb 2009, 243–262; Achim T. Hack: Alter, Krankheit, Tod und Herrschaft im frühen Mittelalter. Das Beispiel der Karolinger, Stuttgart 2009, 16–20. 2 Vgl. Cordula Nolte: Der kranke Fürst. Vergleichende Beobachtungen zu Dynastie- und Herrschaftskrisen um 1500, ausgehend von den Landgrafen von Hessen, in: Zeitschrift für Historische Forschung 27 (2000), 1–36. 3  Vgl. Axel Karenberg/Ferdinand Peter Moog: Next Emperor Please! No End to Retrospective Diagnostics, in: Journal of the History of the Neurosciences 13 (2004), 143–149; Michael Stolberg/Tilmann Walter: Martin Luthers viele Krankheiten. Ein unbekanntes Konsil von Matthäus Ratzenberger und die Problematik der retrospektiven Diagnose, in: Archive for Reformation History 109 (2018), 126–151. 4  Zur Frage der Gender-Spezifität dieses Herrschaftskörperbildes vgl. Laura Gaffuri: Eine Definition der weiblichen Regentschaft im Herzogtum Savoyen am Ende des Mittelalters, in: Cristina Andenna/Gert Melville (Hg.): Idoneität‒Genealogie‒Legitimation. Begründung und Akzeptanz von dynastischer Herrschaft im Mittelalter, Köln 2015, 273–290 mit weiterführender Literatur. Gebotener Kürze, dürftiger Literaturlage und verfügbaren Bildmaterials wegen beschränkt sich diese Übersicht auf Darstellungen männlicher kranker Herrscher. Einen Ausgangspunkt für eine Studie zu weiblichen Herrscherdarstellungen böte die umsichtige Studie von Joanna Woodall: Anthonis Mor: Art and Authority, Zwolle 2007. 5 Diese neuen Ansätze zu vergleichen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Vgl. Stanis Perez: La santé des dirigeants Français. De François 1er à nos jours, Paris 2016; Gilles Lecuppre: Déficience du corps et exercice du pouvoir au XIV e siècle, in: Agostino Paravicini Bagliani (Hg.) Le corps du 1 Vgl.

prince, Florenz 2014, 705–719; Edward Peters: The shadow king rex inutilis in medieval law and literature 751–1327, New Haven 1970, 245 f. 6  Vgl. Xavier Le Person: Les symptômes de la temporisation. Langages et significations des maladies indoines d’un Grand: Louis de Gonzague, duc de Nevers (1585–1588), in: Bibliothèque d’Humanisme et Renaissance 62 (2000), 259–302; ders.: Practiques et practiquers. Le vie politique à la fine du règne de Henri III , Genf 2002. 7  Man denke an die wegen Porphyrie unnatürlich roten Wangen in den Portraits König Georgs III . von England. 8  Vgl. Kay Peter Jankrift: Cor nostrum. Der leprakranke Herrscher und die Vorstellungen über den Aussatz in der mittelalterlichen Medizin, in: Mariacarla Gadebusch Bondio/Beate Kellner/ Ulrich Pfisterer (Hg.) Macht der Natur – gemachte Natur: Realitäten und Fiktionen des Herrscherkörpers zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit (= Micrologus Library 92), Florenz 2019, 235–255. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Kritik an dem leprakranken Herrscher sowie ihre praktische Relevanz sich durchaus in Grenzen hielt. Vgl. Antje M. Schelberg: Leprosen in der mittelalterlichen Gesellschaft. Physische Idoneität und sozialer Status von Kranken im Spannungsfeld säkularer und christlicher Wirklichkeitsdeutungen, phil. Diss., Göttingen 2000, 391–414. 9  Vgl. Jacques Le Goff: Le mal royal au moyen âge: du roi malade au roi guerisseur, in: Mediaevistik 1 (1988), 101–109. Außer Marc Blochs Standardwerk vgl. Stanis Perez: Le toucher des écrouelles. médecine, thaumaturgie et corps du roi au Grand Siècle, in: Revue d’ histoire moderne & contemporaine 53 (2006), 92–111, und Stephen Brogan: The Royal Touch in Early Modern England, London 2015, mit weiterführender Literatur. 10  Vgl. Annette Kehnel: Le corps fragile du prince. Dans les rites d’ investiture médiévale, in: Paravicini Bagliani 2014 (wie Anm. 5), 679–704, hier 687– 694. Die französischen ordines beschreiben den Akt gleichlautend und zeigen im Ordo Karls V. den schwachen Körper sogar als Miniatur. Vgl. Eric Palazzo: La litugie du sacre, in: Jacques Le Goff (Hg.): Le Sacre royal à l’ époque de Saint Louis, Paris 2001,

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37–90. Zum Mainzer als am nachhaltigsten wirksamen Krönungsordo Europas und seinem Quellenstatus vgl. Andreas Büttner: Der Weg zur Krone. Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich, 2 Bde., Ostfildern 2012, Bd. 1, 96–107. 11 Vgl. Kehnel 2014 (wie Anm. 10), 689–692. Zur Salbung im deutschen Reich vgl. Ernst Percy Schramm: Kaiser, Könige und Päpste, Bd. 3, Stuttgart 1968, 59–107, 72. Zu ihrer Ausbreitung im Mittelalter vgl. Franz-Reiner Erkens: Herrschersakralität im Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Investiturstreit, Stuttgart 2006, 122. 12 Vgl. Kehnel 2014 (wie Anm. 10), 693–694; Evan Gatti: In a Space Between: Warmund of Ivrea and the Problem of (Italian) Ottonian Art, in: Peregrinations: Journal of Medieval Art and Architecture 3 (2011), 8–48. 13  Vgl. Erkens 2006 (wie Anm. 11), 157–167. Eine Alternativhypothese setzt die Entstehung im 12. Jh. an. 14  Zu dieser Deutung vgl. Annette Kehnel: Defizienz und Zivilisationsprozess. Überlegungen zur „Macht der Schwäche“ am Beispiel des kranken Königs Hiskia auf der Wiener Reichskrone, in: Cordula Nolte (Hg.): Homo debilis: Behinderte – Kranke – Versehrte in der Gesellschaft des Mittelalters, Korb 2009, 263–289. Allgemein zur Herrscherkrankheit im Frühmittelalter vgl. Hack 2009 (wie Anm. 1). 15  Etwa wenn der Mannheimer Prediger Johann Wilhelm Nister über Karl Theodor von der Pfalz predigt, vgl. Johann Wilhelm Nister: Das freuden-volle Lob- und Dank-Gebät des tödlich-krank gewesenen Königs Hiskia […], Mannheim 1775. Zur mittelalterlichen Hiskia-Rezeption vgl. Annie Montgomery Labatt: Emerging Iconographies of Medieval Rome. A Laboratory of Images in the Eighth and Ninth Centuries, London 2019, 227– 283. Zu den jüdischen Königen als Gottesknechte vgl. Herbert Haag: Der Gottesknecht bei Deuterojesaja, Darmstadt 1985. 16 Speziell zur inclinatio semiplena bei der Krönung im größeren Kontext der Geste vgl. Jean-Claude Schmitt: Die Logik der Gesten im europäischen Mittelalter, Stuttgart 1992, 110–114 und 285–286. 17  Zum Sachsenspiegel vgl. Karl August Eckhardt (Hg.): Das Landrecht des Sachsenspiegels, Göttingen 1955, 76 f. Zum Schwabenspiegel vgl. Karl Au-

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gust Eckhardt (Hg.): Schwabenspiegel. Kurzform, 3 Bde., Hannover 1974, Bd. 2 zweiter Teil, 212–213. Zur Goldenen Bulle vgl. Lorenz Weinrich (Hg.): Quellen zur Verfassungsgeschichte des RömischDeutschen Reiches im Spätmittelalter (1250–1500), Darmstadt 1983, 332–334. 18 Vgl. Oliver Auge: Physische Idoneität? Zum Problem körperlicher Versehrtheit bei der Eignung als Herrscher im Mittelalter, in: Andenna/Melville 2015 (wie Anm. 4), 39–59. 19 Alexander Kagerer: Macht und Medien um 1500. Selbstinszenierungen und Legitimationsstrategien von Habsburgern und Fuggern, Berlin 2017, 17. Zu Johanns Blindheit vgl. Liliane Bellwald: Das Augenleiden Johanns des Blinden aus medizinischer und medizinhistorischer Sicht, in: Michel Pauly (Hg.): Johann der Blinde, Graf von Luxemburg, König von Böhmen 1296–1346, Luxemburg 1997, 545–566. Zum politischen Kontext der Schlacht vgl. die Beiträge von Andrew Ayton und Michael Prestwych in: Andrew Ayton/Philip Preston (Hg.): The Battle of Crécy, 1346, Woodbridge 2005. Zur romantischen Rezeption Günter Metken: Das Grab des blinden Königs: Karl Friedrich Schinkels Kapelle für Johann von Böhmen, in: Christian Beutler/Peter-Klaus Schuster/Martin Warnke (Hg.): Kunst um 1800 und die Folgen. Werner Hofmann zu Ehren, München 1988, 159–168. 20  Vgl. Auge 2015 (wie Anm. 18), 51–52. Zu Federico da Montefeltro vgl. Bernd Roeck und Andreas Tönnesmann: Die Nase Italiens, Berlin 2005, 7–17. Zur physischen Idoneität im Mittelalter vgl. nun auch Manuel Kamenzin: Die Tode der römischdeutschen Könige und Kaiser (1150–1349), Ostfildern 2020, 216–218 und 244–249. 21  Vgl. Georg Leidinger (Hg.): Andreas von Regensburg. Sämtliche Werke, Aalen 1969, 349; Alena Hadravová/Dana Martínková/Jiři Matl (Hg.): Aeneae Silvii Historia Bohemica, Prag 1998, 108. Zu den Codizes vgl. Kamil Boldan (Hg.): Jenský kodex  / The Jena Codex, 2 Bde., Prag 2009, Bd. 1, 167–169; Victor Svec: Bildagitatio: antipäpstliche Bildpolemik der böhmischen Reformation im Göttinger Hussitenkodex, Weimar 1994, 88–91. 22  Samuel Reyher: Monumenta Landgraviorum Thuringae et Marchiorum Misniae, Gotha 1692; Die auf 1630 datierte Zeichnung befindet sich in der Forschungs- und Landesbibliothek Gotha,

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Manuskript A533. Vgl. Matthias Donath (Hg.): Die Grabmonumente im Dom zu Meißen, Leipzig 2004, 285–287. 23  Zu Wilhelm I. und Karl IV. vgl. Günter Donath: Getreu bis in den Tod: Markgraf Wilhelm I. von Meißen und „der lange Schatten des Kaisers“, in: Epigraphica & sepulcralia. Fórum epigrafických a sepulkrálních studií 5 (2014), 91–105. Zu einem quasiheraldischen Konzept der Familienähnlichkeit vgl. Jörge Bellin: Heraldische Gesichter. Zur Funktionalisierung von Ähnlichkeit in habsburgischen Herrscherporträts um 1500 und in den Anfängen der Portätgenese, Heidelberg University Publishing 2023 [im Erscheinen]. 24  Vgl. Justyna Bądkowska: Malarstwo ne dworze książąt pomorskich w XVI i XVII wieku ze zbiorów Muzeum Narodowego w Szczecinie, in: Rafał Makała (Hg.): Das goldene Zeitalter Pommerns. Kunst am Hofe der pommerschen Herzöge im 16. und 17. Jahrhundert, Stettin 2013, 43–61, hier 46 f. Die oft in Cranachs Umfeld verortete Zeichnung erstmals erwähnt in Julius Lessing: Der CroyTeppich, im Besitz der Königlichen Universität Greifswald, in: Jahrbuch der Königlich Preussischen Kunstsammlungen, 13 (1892), 146–160, hier 157. 25  Vgl. Georg Gaebel (Hg.): Des Thomas Kantzow Chronik von Pommern in hochdeutscher Mundart, letzte Bearbeitung, Stettin 1897, 402 f.; Jürgen Petersohn: Die dritte hochdeutsche Fassung von Kantzows pommerscher Chronik. Identifikation eines verkannten Geschichtswerks, in: Baltische Studien NF 59 (1973), 27–41. Zur Jagd als Gesundheitsrisiko für Herrscher vgl. Hack 2009 (wie Anm. 1), 133–152. 26  Vgl. Matthias Müller: Die Individualität des Fürsten als Illusion der Malerei: zum Verhältnis von Individualität, Typus und Schema in Regentenporträts der beginnenden Frühen Neuzeit, in: Oliver Auge (Hg.): Fürsten an der Zeitenwende zwischen Gruppenbild und Individualität: Formen fürstlicher Selbstdarstellung und ihre Rezeption (1450–1550), Ostfildern 2009, 103–128, 122 mit weiterführender Literatur. 27  Matthias Müller: Der idealbildliche Körper des kranken Königs. Staatsportraits des jungen Karls II . von Spanien als Erfindung eines charismatischen Rollenbildes für einen schwachen Regenten, in: Gadebusch Bondio/Kellner/Pfisterer 2019 (wie Anm. 8), 255–278, 257.

28  Zum Portrait vgl. Leo Andergassen: Oswald von Wolkenstein und die Kunst: Selbstdarstellung und Repräsentation, in: Ulrich Müller/Margarete Springeth (Hg.): Oswald von Wolkenstein. Leben – Werk – Rezeption, Berlin 2011, 77–88, 80 ff.; Heiko Weiß: Das Bildnis des Einäugigen. Beobachtungen zum Porträt Oswalds von Wolkenstein in seiner Liederhandschrift B, in: Wolfgang Augustyn (Hg.): Kunst und Humanismus: Festschrift für Gosbert Schüßler zum 60. Geburtstag, Passau 2007, 51–74. 29  Die Narbe am Philtrum Vespasiano Gonzagas hingegen erscheint im Portrait als Spur seiner konkreten militärischen Glanztat, bei der sich auch das von Johann dem Blinden bekannte Motiv des im Nahkampf unbesiegten, durch Ferngeschosse verwundeten Fürsten findet, vgl. Ugo Bazzotti: Nobilis cicatrix: un nuovo ritratto e una nota impresa di Vespasiano Gonzaga, in: Civiltà mantovana 12 (1986), 9–22. Zur Frühgeschichte des Narbenkultes in Norditalien vgl. Irene Barbiera: Sexy scars and striking wisdom: the construction of masculinity in Gothic Italy, in: Irene Barbiera/Francesco Borri/Annamaria Pazienza (Hg.): I Longobardi a Venezia: scritti per Stefano Gasparri, Turnhout 2020, 29–37. Zur physiognomischen Anomalie im Portrait ohne Narben vgl. Angela Huguenin: Hässlichkeit im Portrait: Eine Paradoxie der Renaissancemalerei, Hamburg 2012. 30  In der Fuggerschen Ehrenchronik ist vom rechten Bein die Rede, vgl. Hans Peter Zelfel: Ableben und Begräbnis Friedrichs III ., Wien 1974, 66. Manfred Gröbers retrospektiv diagnostizierende Mutmaßung, es habe sich wohl um eine Arteriosklerose gehandelt, „denn er [Seyff] spricht von opilacio“ (15), ist weder auszuschließen noch zu bestätigen. Vgl. Manfred Skopec: Die Beinamputation an Friedrich III . in Linz im Spiegel der Chirurgie seiner Zeit, in: Willibald Katzinger (Hg.): Kaiser Friedrich III . Innovationen einer Zeitenwende, Linz 1993, 10–14, hier 10. 31  Vgl. Harry Kühnel: Die Leibärzte der Habsburger bis zum Tode Kaiser Friedrichs III ., in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11 (1958), 1–36, hier 25–29; Manfred Gröber: Das wundärztliche Manual des Meisters Hans Seyff von Göppingen (ca. 1440–1518). Der Cod. med. et phys. 2° 8 der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Göppingen 1998.

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Bernhard Seidler 32  Vgl. Gerhard Schmidt: Porträt oder Typus. Zur Frage der Ähnlichkeit in den Darstellungen Kaiser Friedrichs III ., in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien 8/9 (2006/07), 10–59, 44–47. Allgemein zu den Bildern des Kaisers vgl. Hanna Dornik-Eger: Kaiser Friedrich III . in Bildern seiner Zeit, in: Peter Weninger (Hg.): Ausstellung Friedrich III . – Kaiserresidenz Wiener Neustadt: St. Peter an der Sperr, Wiener Neustadt; 28. Mai bis 30. Oktober 1966, Wien 1966, 64–86. 33  In Seyffs Text ist explizit von einer „kleinen Säge“ die Rede, vgl. Skopec 1993 (wie Anm. 30), 10. Zu den bei Operationen verfügbaren Betäubungsmethoden vgl. Theodor Husemann: Die Schlafschwämme und andere Methoden der allgemeinen und örtlichen Anästhesie im Mittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte der Chirurgie, in: Deutsche Zeitschrift für Chirurgie 42 (1896), 517–596. 34  Vgl. Carola Hagnau: Der Meister der Lindauer Beweinung: das Kölner Tafelgemälde „Christus als Schmerzensmann und die Stigmatisation des Hl. Franziskus“ in Werk und regionalem Kontext, Berlin 1998, 47–56. Vgl. die Amputationsbilder in Hans Gersdorff: Feldbuch der Wundarzney, Straßburg 1517, fol. 69r. oder in der Eisenberger-Chronik, vgl. Hartmut Bock: Die Chronik Eisenberger: Edition und Kommentar. Bebilderte Geschichte einer Beamtenfamilie der deutschen Renaissance, Aufstieg in den Wetterauer Niederadel und das Frankfurter Patriziat, Frankfurt 2001, 277 f. 35  Joseph Grünpeck: Historia Friderici et Maximiliani, hg. von Joseph Chmel, Wien 1838, 64–97, 27. Auch spätere Chroniken, wie etwa die Habsburger Ehrenchronik, bemühen Grünpecks Stilisierung des Kaisers. 36  Eine solche aus der politischen in die Medizingeschichte sich rettende Darstellung bietet Heinrich Koller: Kaiser Friedrich III ., Darmstadt 2005, 233: „Diese vorbildliche Betreuung war wohl weniger auf die kaiserliche Würde des Habsburgers zurückzuführen als darauf, dass Friedrich das medizinische Studium entscheidend gefördert hatte […]. Der Habsburger war jetzt selbst in die Lage versetzt, deren modernste Methoden zu erfahren, was er vielleicht gar nicht erwartet hatte. Die bevorstehende Operation erregte viel Aufsehen,

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wurde dann genau verfolgt und gut dokumentiert, da sie ein Markstein in der Entwicklung der Amputationen war.“ 37  Vgl. Susanne Wolf: Die Doppelregierung Kaiser Friedrichs III . und König Maximilians (1486– 1493), Köln 2005, 561 f. Nach Osten im Preßburger Friedensvertrag vom 7. November 1491. 38  Zum Leiden, das die Sünden hinwegnimmt und in theologischer Tradition „solo Christo“ vorbehalten war, vgl. Philipp Stoellger und Marco Gutjahr: Einleitung. Theologie der Verkörperung. Erkundungen an den Grenzen des Bildes, in: dies. (Hg.): An den Grenzen des Bildes, Würzburg 2014, 1–57, 32 f. Zum positiv bewerteten Herrschertod im hohen Alter vgl. auch Kamenzin 2020 (wie Anm. 20), 190–193. 39  Zum Folgenden vgl. Claudia Märtl: Die sedia gestatoria der Päpste, in: Mario Döberl/Alejandro López Álvarez (Hg.): Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren. Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts, Wien 2020, 17–48. 40  Vgl. Märtl 2020 (wie Anm. 39), 33. 41  Ein Bild in Fouquets Grandes Chroniques etwa zeigt die Ankunft Kaiser Karls IV. vor St. Denis in einer Pferdesänfte, vgl. Claude Schaefer: Jean Fouquet: An der Schwelle zur Renaissance, Dresden 1994, 179. 42  Neben einem Wandgemälde aus dem Ospedale Santo Spirito in Sassia sind sie die zwei frühesten erhaltenen Bilder, die einen Papst auf einer sedia gestatoria zeigen. 43  Zum Konzept des Papstkörpers in der Wergverbrennung vgl. Agostino Paravicini Bagliani: Der Leib des Papstes. Eine Theologie der Hinfälligkeit, München 1997, 42–50. 44  Vgl. Johannes Helmrath: Pius II . und die Türken, in: Bodo Guthmüller/Wilhelm Kühlmann (Hg.): Europa und die Türken in der Renaissance, Tübingen 2000, 79–137, hier 119–136. 45  Vgl. Christiane Esche: Die Libreria Piccolomini in Siena: Studien zu Bau und Ausstattung, Frankfurt 1992, 198. 46  Dazu vgl. Bagliani 1997 (wie Anm. 43), 68–72. 47  Vgl. Claudia Märtl: Papst Pius II . (1458–1464) in der Kapelle des Palazzo Medici Riccardi zu Florenz. Ein Beitrag zu Ikonographie und Zeremoniell der Päpste in der Renaissance., in: Concilium medii aevi. Zeitschrift für Geschichte, Kunst und Kultur

m. Kranksein und Leiden

des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 3 (2000), 155–183, hier 163 f. 48 Vgl. Alejandro López Alvarez: Zeremoniell, soziale Integration und Luxusgesetze: Tragsessel in der spanischen Monarchie des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Mario Döberl/Alejandro López Álvarez (Hg.): Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren. Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts, Wien 2020, 71–177, hier 76. Zudem geht aus Hochzeitsvorbereitungen am spanischen Hof hervor, dass Tragsesseln ein hoher Repräsentationswert beigemessen wurde. Zum repräsentativen Gebrauch unter dem kranken Ferdinand III . vgl. Mark Hengerer: Kaiser Ferdinand III . (1608–1657): eine Biographie, Wien 2012, 304 f. 49 Vgl. Vallots 25-seitigen Bericht in: Joseph Adrien Le Roi (Hg.): Journal de la Santé du Roi Louis XIV. De l’année 1647 à l’année 1711, Paris 1862, 49–73. Zu der Episode vgl. Stanis Perez: La santé de Louis XIV. Une biohistoire du roi-soleil, Seyssel 2007, 54–63. Die Sakramente erwähnt in: „La Grande Mademoiselle“ Duchesse de Montpensier: Mémoires, eingel. von Christian Bouyer, 2 Bde., Paris 1985, Bd. 2, 53. 50  Zum ähnlichen Einsatz der Skrofelnheilung als Beweis vgl. Annette Finley-Croswhite: Henry IV and the Diseased Body Politic, in: Martin Gosman/ Alasdair MacDonald/Arjo Vanderjagt (Hg.): Princes and Princely Culture 1450–1650, Leiden 2003, 131–146. Die 92.000 von Charles II . sind ebenso als Teil seiner Restauration zu erwägen, vgl. David J. Sturdy: The Royal Touch in England, in: Heinz Duchhardt (Hg.): European monarchy: its evolution and practice from Roman antiquity to modern times, Stuttgart 1992, 171–184. Zur Rezeption der Saint Ampoule zu Zeiten Ludwig XIV. vgl. Josef Johannes Schmid: Sacrum monarchiae speculum: der Sacre Ludwigs XV. 1722. Monarchische Tradition, Zeremoniell, Liturgie, Münster 2007, 35–53. 51 Die Identifikation von Guénault, bei Perez 2007 (wie Anm. 49), 308, noch fälschlich als Mazarin bezeichnet, wird nachgewiesen bei Natalie Hawkes: Beyond the Sun King’s bedside: Antoine Vallot and the broader identity of the premier médecin du roi in Louis XIV ’s reign, Diss. Newcastle 2014, 184–191. Zu der bei Hawkes nicht identifizierten Person vgl. Philippe de Champaignes Portrait Vallots nach dem Stich von René Lochon von

1653. (siehe https://www.biusante.parisdescartes. fr/histmed/image?2012096) 52  Zur medizinischen Natursymbolik rund um Ludwigs Krankheit von 1658 vgl. Stanis Perez: Antimoine, médecine et alchimie à la cour autour de la guérison de Louis XIV en 1658, in: Jacqueline Vons/Stanis Perez (Hg.): Santé et médecine à la cour de France (XVI e – XVIII e siècles), Paris 2018, 95–111. Salomonische Säulen mit Weinranken und Putti in den Windungen finden sich ähnlich bspw. in Raphaels Heilung des Lahmen. Zur Rezeption der Säulenordnung im 17. Jh. vgl. Hubertus Günther: Die Salomonische Säulenordnung. Eine unkonventionelle Erfindung und ihre historischen Umstände, in: RIHA journal 15 (2011), 1–35. 53 Vgl. Journal de la Santé 1862 (wie Anm. 49), 123 f. 54  Vgl. Stanis Perez: Louis XIV et le quinquina, in: Versalius: acta internationalia historiae medicinae 9 (2003), 25–30. Zu Philipps II . Bemühungen, durch seine Ärzte ein pharmazeutisches Monopol am Hof zu verankern, vgl. Mar Rey Bueno: The Health of Philip II , a Matter of State. Medicines and Medical Institutions in the Spanish Court (1556–1598), in: Elisa Andretta/Marilyn Nicoud (Hg.): Etre médecin a la cour (Italie, France, Espagne, XIII e– XVIII e siecle), Florenz 2013, 149–159. Zu den Vorgängern Ludwigs vgl. Jacob Soll: Healing the Body Politic: French Royal Doctors, History, and the Birth of a Nation 1560–1634, in: Renaissance Quarterly 55 (2002), 1259–1286. 55  Zur Anpassung im Diplomatie- und Politikstil als Reaktion auf die Franz II . unterstellte Lepraerkrankung vgl. Sophie Tejodor: « Dieu […] m’a donné cognoissance du mal et du remede » : les leçons politiques de la maladie de François II (1559–1560), in: Xavier Le Person/Stanis Perez (Hg.): Maladies diplomatiques: souverains et puissants face à la maladie de l’Antiquité à nos jours, Lyon 2018, 29–44. Zur Glorifizierung bis Heinrich II . vgl. Arlette Jouanna: Le pouvoir absolu. Naissance de l’ imaginaire politique de la royauté, Paris 2013, 137–144. 56  Vgl. Perez 2016 (wie Anm. 5), 75–86. Die Deutung der Vorgeschichte des absolutistischen Staates bei Arlette Jouanna 2013 (wie Anm. 55). 57  Vgl. Perez 2007 (wie Anm. 49), 274–287 und 301–318. Auf die Episode von 1658 gehen etwa auch Claude-François Ménestriers Ballett L’Autel

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Bernhard Seidler

de Lyon oder die Gedichtsammlung Sonnets et épigrammes sur la maladie et sur la convalescence du Roy von Guillaume Caignet (Paris, bei Florentin Lambert, 1659) ein. 58  Vgl. etwa Charles Chatelain: Le Parterre du Trianon sowie Pierre Denis Martins Vue du bosquet de la Fontaine de l’Obélisque dans les jardins de Versailles en 1713, in: Antoine Schnapper: Tableaux pour le Trianon de Marbre (1688–1714), Paris 1967. Dazu Perez 2007 (wie Anm. 49), 362 f. In diesem Kontext ist auch Peter Jakob Horemans Hofkonzert der kurbayerischen und kursächsischen Familie von 1761 in Nymphenburg zu erwähnen, welches den Kurprinzen und baldigen Kurfürsten Friedrich Christian von Sachsen in einem Rollstuhl sitzend darstellt. 59  Zum kranken Herrscherkörper in der Satire vgl. Meredith McNeill Hale: The Birth of Modern Political Satire. Romeyn de Hooghe (1645–1708) and the Glorious Revolution, Oxford 2020, 94–120. 60 Vgl. Susan Richter: Zeremonieller Schlusspunkt. Die Abdankung als Herrschertod, in: dies./ Dirk Dirbach (Hg.): Thronverzicht: die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, Köln 2010, 75–94, 83 f. Da ein Monarch nur aus eigenem, freiem Willen abdanken durfte, wurden auch eigentlich erzwungene Abdankungen, etwa jene Johann Casimirs von Polen, mit Gebrechen begründet. Vgl. Markus Bauer: Das große Nein. Zum Zeremoniell der Resignation, in: Jörg Jochen Berns/Thomas Rahn (Hg.): Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Tübingen 1995, 99–124, hier 108 f. 61  Vgl. Louis Prosper Gachard: Retraite et mort de Charles-Quint. Lettres inédites publiées d’après les

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originaux conservés dans les archives royales de Simancas, 2 Bde., Brüssel 1854, Bd. 1, 83 und 104. Zur Anlehnung der Inszenierung an eine literarische Vorlage vgl. Daniel Eisenberg: A Study of Don Quixote, Newark 1987, 21 (zit. nach Stanis Perez: Maladie et diplomatie: les stratégies plurielles de Charles Quint et Louis XIV, in: Le Person/Perez 2018 (wie Anm. 55), 97–109, hier 104). 62  Vgl. Ariane Koller: Die letzte Feier der Monarchia Universalis, in: Francine Giese/Anna Pawlak/ Markus Thome (Hg.): Tomb–Memory–Space. Concepts of Representation in Premodern Christian and Islamic Art, Berlin-Boston 2018, 307–344, hier 310 f.; so auch Martin Schieder: „Ay, no; no, ay; for I must nothing be“. Die Abdankung des Monarchen – eine Leerstelle in der Herrscherikonographie, in: Richter/Dirbach 2010 (wie Anm. 60), 291–304; ders.: Art. „Abdankung“, in: Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hg.): Handbuch der politischen Ikonographie, Bd. 1, München 2011, 15–21. 63  Vgl. Helmut Vogt: Das Bild des Kranken. Die Darstellung äußerer Veränderungen durch innere Leiden und ihrer Heilmaßnahmen von der Renaissance bis in unsere Zeit, München 1969, 170–172. Gicht wurde mit Wärme behandelt. Kalte Füße, etwa durch ein Fußkissen, zu verhindern, gehörte ebenfalls dazu. 64  Vgl. vgl. Susan Richter: Um die Abdankung des Kaisers zu verhindern: Die bildliche Inszenierung der Postreise des jungen Erzherzogs Ferdinand 1555 nach Brüssel, in: dies. (Hg.): Entsagte Herrschaft. Mediale Inszenierungen fürstlicher Abdankungen im Europa der Frühneuzeit, Wien 2019, 20–49.

Jörge Bellin

n. Lachen und Weinen

„Ich habe vollen Grund zum Weinen, aber dieses Herz soll in hunderttausend Sprünge brechen, eh daß ich weine.“ William Shakespeare, König Lear (1606)

Einleitung: Lachen und Weinen als Körpertechniken „Emotionen und Gefühle sind keine geschichtlichen Grundbegriffe“,1 aber doch Grundphänomene. Das gilt auch für das Lachen und Weinen: Beide sind zutiefst menschliche Körperreaktionen der Emotionalität und in diesem Sinne anthropologische Konstanten; sie sind jedoch zugleich auch Körpertechniken,2 die sich zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten in Abhängigkeit von bestimmten soziokulturellen Gefühlsprogrammatiken und -diskursen entfalten. Lachen und Weinen sind Elemente einer universalen conditio humana,3 gleichzeitig aber immer auch sozial vermittelt und insofern das Produkt bestimmter Gesellschaftsordnungen, ihrer Diskurse und internalisierten Normen, mithin „der Emotionalitätsprogramme der verschiedenen Jahrhunderte“.4 Norbert Elias hat den Prozeß der Zivilisation im Wesentlichen als einen Prozess gesellschaftlich erzwungener „Affektkontrolle“, als die Geschichte soziokulturell vermittelter „Manieren“ beschrieben und am Beispiel der höfischen Gesellschaft des Ancien Régime exemplifiziert.5 Vernunft ist dabei für Elias nur als ein Element – oder richtiger: Resultat – des Sozialen denkbar, sie „tritt allemal dann auf, wenn die Einpassung in eine bestimmte Gesellschaft und das Durchsetzen, das Aufrechterhalten innerhalb ihrer eine spezifische Voraussicht oder Berechnung fordert, und damit ein Zurückstellen der kurzfristigen individuellen Affekte“.6 Jede gesellschaftliche Figuration gehorcht insofern einer Logik strukturierter Zwänge.7 Dabei kommt jedoch zumal dem Lachen eine komplexe, ja paradoxe Rolle zu. Auch das Lachen war als affektive Äußerungsform stets Gegenstand gesellschaftlicher Verhandlung und erfuhr unterschiedliche Grade der Akzeptanz und Freiheit. Zugleich aber ist das Lachen 239

Jörge Bellin

eine natürliche Disposition des Menschen und besitzt einen ungelernten Kern, was seine gesellschaftliche Kontrolle ungleich schwieriger gestaltet als etwa die Kontrolle bestimmter Umgangsformen, Tischmanieren etc. Das Lachbedürfnis lässt sich vielfach kaum oder gar nicht beherrschen, das Phänomen fügt sich nicht ohne Weiteres in Elias’ Theorie und wird so weder im Prozeß der Zivilisation noch in der Höfischen Gesellschaft behandelt. Gleichwohl war sich Elias der Bedeutung des Lachens bewusst, wie sein unvollendet gebliebener Essay on Laughter zeigt, in dem er das komplexe Phänomen nicht allein soziologisch, sondern auch biologisch, behavioristisch, psychologisch und medizinisch zu fassen suchte.8 Die folgenden Ausführungen handeln vom Lachen und Weinen der Mächtigen und deren Repräsentationen in exemplarischen Text- und Bildwerken vornehmlich des 13. bis 18. Jahrhunderts. Beide Ausdrucksformen unterliegen zwar einem gesellschaftlich-diskursiven Wandel, dem steht jedoch eine ziemlich weitreichende Kontinuität der Darstellungsweise gegenüber, weil beide „in der Regel in bestimmte Darstellungskonventionen eingebettet sind, die auf eine möglichst eindeutige Erkennbarkeit“ abzielen, und sich auf diese Weise überhaupt erst zutreffend benennen lassen.9

Antike Präfigurationen Tränen finden sich zwar weder in den bildnerischen Werken antiker noch vorkarolingischer, germanischer oder keltischer Künstler.10 Schenkt man jedoch der kaiserzeitlichen Historiographie Glauben, so weinten die römischen Kaiser und Machteliten – anders als Shakespeares König Lear – viel und zu zahlreichen öffentlichen bzw. öffentlichkeitswirksamen Anlässen: im Krieg, vor ergebenen oder revoltierenden Soldaten, bei Begrüßungen und Abschieden, im Amphitheater, als Geste der Loyalität, aus Trauer um Verstorbene, bei Machterhalt oder Machtverzicht.11 Ganz gleich, ob diese Tränen nun tatsächlich geflossen sind oder vor allem ein literarischer Topos waren: Die Tränen der Mächtigen und die Macht der Tränen besaßen eine immense Bedeutung. Sie wurden nicht zunächst als ein Zeichen der Schwäche angesehen, sondern waren integraler Bestandteil einer soziokulturell bedingten Verhaltenserwartung, ein wichtiges Element der (symbolischen) Kommunikation und in bestimmten Situationen geradezu notwendig.12 Anders das Lachen, das wesentlich dosierter einzusetzen war: In seiner Schrift De officiis („Über die Pflichten“) bemerkt Cicero – darin Platon folgend –, dass der Mensch nicht zu Scherz und Spiel, sondern zu Ernst und höheren Aufgaben geboren sei. Erst wenn das Höhere erledigt ist, dürfe zur Erholung auch ein wenig – vorneh240

n. Lachen und Weinen

Abb. 1: Herme des Perikles, ca. 430 v. Chr. (Rom, Vatikanische Museen).

mer, kultivierter – Scherz getrieben werden.13 Dasselbe gilt für den Redner, der das Scherzen ebenfalls nur sehr sparsam einsetzen und auch dann stets alles Billige und Possenhafte (scurrilia) vermeiden soll. Niemals dürfe der Rhetor, wie der Herrscher eine Person des öffentlichen Lebens, zum Clown verkommen und unwürdige Grimassen schneiden.14 In eben diesem Sinne berichtet Plutarch über den athenischen Staatsmann Perikles, er habe sich in seiner Haltung stets an dem – niemals lachenden oder auch nur lächelnden – Philosophen Anaxagoras orientiert, namentlich in der Ausbildung „eines beherrschten Mienenspiels, das sich nicht im Lachen preisgibt“.15 Der normative Charakter solcher Affektkontrolle bestimmte auch die bildhafte Repräsentation (Abb. 1): Das ideale Herrscherbild zeigt gewissermaßen einen Nullpunkt an Bewegtheit der Gesichtszüge, ist geprägt von einer feierlich-ernsten, hoheitsvollen Ausdruckslosigkeit, die sich umstandslos mit dem bevorzugten Konzept des Verhältnisses zur Macht in der griechisch-römischen Antike verbinden lässt: gravitas.16 Wie allen anderen antiken Porträts auch ist dem antiken Herrscherbildnis 241

Jörge Bellin

der Ausdruck des Lachens fremd – und das hier „begründete ‚Lachverbot‘ [sollte] lange Schatten“ werfen.17

Lachen und Weinen im Mittelalter: ein ungleiches Paar Per risum multum debes cognoscere stultum, lautet ein weit verbreiteter lateinischer Vers des Mittelalters („Am vielen Lachen erkennst du den Narren). 18 Die damit exemplarisch zum Ausdruck gebrachte Lachfeindlichkeit des Mittelalters, die die antike Auffassung fortschreibt, wird besonders eindrücklich fassbar etwa in der diesbezüglichen Beurteilung Christi, dem „König der Könige“ und Universorum Rex, der seit dem 4. Jahrhundert immer wieder als lachfeindlich charakterisiert wurde. So hat er nach dem Ausweis der Evangelien zwar wiederholt geweint, aber nicht einmal gelacht oder auch nur gelächelt.19 Diese theologisch unterfütterte, vor allem monastisch geprägte Ablehnung des Lachens, die allenfalls ein sehr gemäßigt-zurückhaltendes Lächeln zugesteht („Der Tor lacht mit lauter Stimme, / der Weise dagegen lächelt nur still vor sich hin“ Sir 21, 20), erfährt erst im späten 12. und dann vor allem im 13. Jahrhundert eine teilweise Neubewertung. Ein früher Ort dieses Wandels scheint der mittelalterliche Hof gewesen zu sein: Jean de Joinville beschreibt den Hl. Ludwig IX . (1214–1270) nicht nur als einen Mann, der gerne lachte, sondern als einen regelrechten rex facetus, einen spaßhaften, heiteren König.20 Im Kontext des Hofes findet sich so eine Funktion des Königs, „die scheinbar obligatorisch ist – das Witze reißen“.21 Wie ein früher Prototyp des rex facetus erscheint dabei Heinrich II . von England (1133–1189), über den in Chroniken und andernorts viel Geistreiches aufgezeichnet und so manche Gelegenheit festgehalten wurde, bei der er und worüber er lachte. Man spüre daran, so Jacques Le Goff, „daß das Lachen fast zu einem Instrument der Herrschaft oder zumindest zu einem Bild der Macht wurde“.22 Wegweisend für die Nobilitierung des Lachens war überdies die Auseinandersetzung der Theologen des 12. und 13. Jahrhunderts mit den Schriften des Aristoteles, zumal der Nikomachischem Ethik. Darin wird auch die positive Wirkung des entspannenden Lachens auf den Menschen und die Tugend der sog. Eutrapelie, d. h. der gewandten, aber stets maßvollen Kunst der scherzhaften Rede und Unterhaltung gewürdigt.23 Das veranlasste Scholastiker wie Alanus ab Insulis, Albertus Magnus und Thomas von Aquin das Lachen graduell zu nobilitieren: Thomas etwa erneuert die aristotelische Eutrapelie unter dem lateinischen Begriff iocunditas und trägt so entscheidend dazu bei, dass Humor und Lachen aus dem Bereich des Sündhaften entlassen und der nahezu tausendjährige theologische Bannstrahl teilweise überwunden wird.24 242

n. Lachen und Weinen

Die skizzierte Entwicklung lässt sich auch an den Bildkünsten ablesen: Lachen und Weinen bilden in Mittelalter und Früher Neuzeit zwar keine gleichwertigen Darstellungsmotive, sondern befanden sich in einer eklatanten Schieflage zueinander: „Im Gegensatz zum Weinen wurde dabei dem Lachen, besonders im Mittelalter, nur wenig Raum gegeben – trotz einer ausgeprägten Lachkultur, wie sie sich deutlich in den literarischen Künsten spiegelt.“25 Dennoch finden sich auch in den Bildkünsten – gleichsam im Schulterschluss mit der Scholastik – seit dem frühen 13. Jahrhundert positiv konnotierte lachende oder doch immerhin lächelnde Gestalten. Wie bei der vorangehenden theologischen „Kodifizierung der Praxis des Lachens“,26 die das gute vom schlechten Lachen unterschied, kann auch für die Bildkünste eine Dichotomie von ‚seligem Lächeln‘ und ‚höllischem Gelächter‘ – also erlaubten, positiv besetzten und verbotenen, sündhaften Formen des Lächelns/Lachens – geltend gemacht werden.27 In der Nachfolge des auch in dieser Hinsicht äußerst innovativen Skulpturenschmucks der Kathedralen von Chartres, Reims, Amiens und Paris zeigt sich etwa an dem um 1230/40 entstandenen Fürstenportal des Bamberger Doms, dass der Stellenwert des Lächelns/Lachens nun ein anderer geworden ist: Die beim Weltgericht Auserwählten wie auch die Auferstehenden in spe strahlen ohne Unterschied glückselig lächelnd, während Schurken, Teufel und andere Verdammte das verbotene ‚höllische Gelächter‘ zeigen – meist mit weit geöffnetem Mund und entblößten Zähnen, also pathognomisch übersteigert.28 Im Bereich der Herrscher:innenikonographie lässt sich dieser Wandel etwa an der berühmten, um 1255/60 entstandenen Standfigur der heiligen Kaiserin Adelheid, Gemahlin Ottos I. , an der nördlichen Chorwand des Meißener Doms nachvollziehen (Abb. 2a). Durch ihre Attribute und die Statussymbole höfischer Mode (Schleier, Stoffgebinde, Krone und Hermelinmantel) sowie die räumliche Nähe und körperliche Zuwendung zu der benachbarten Skulptur Ottos I. erweist sich die Standfigur einerseits als Teil einer Herrscherpaargruppe und andererseits als zeitgenössisches Idealbild einer höfischen Dame.29 Dasselbe gilt für ihren erstaunlichen gestischen und mimischen Ausdruck, zumal ihr zunächst geradezu mysteriös erscheinendes Lächeln. Es ist nicht als Ausdruck einer augenblicklichen Freude zu verstehen, sondern vor allem ein „Beweis dafür, dass die Dargestellte […] die zeitgemäße weibliche Etikette vollkommen beherrscht – womöglich zugleich ein Hinweis auf ihren Namen: Adelheid heißt so viel wie von edlem Stand“.30 Wie der ernste Gesichtsausdruck ihres Gemahls, der wohl männliche Entschlossenheit repräsentiert, soll das sanfte, selige Lächeln der Figur Adelheids eine „entsprechende weibliche Respektabilität“31 verleihen. Die ganze Figur verkörpert so eine Art ‚Fürstinnenspiegel in Stein‘. Dasselbe gilt für die fast gleichzeitig entstandene Standfigur der sog. Markgräfin Reglindis vom Westchor des Naumburger Domes (Abb. 2b), deren korrespondierendes Lächeln 243

Jörge Bellin

Abb. 2a und 2b: Links: Kaiserin Adelheid, Gemahlin Ottos I., ca. 1255–1260 (Meißen, Dom, nördliche Chorwand); rechts: Sog. Markgräfin Reglindis, ca. 1250 (Naumburg, Dom, Westchor).

ebenfalls keinen individuellen, spontanen Gefühlsausbruch, sondern die Erfüllung von zeitgenössischen Verhaltensnormen visualisiert. Das sanfte, selige Lächeln und der damit einhergehende Eindruck fürsorglicher Milde, Herzensgüte und Gottgefälligkeit wurde jetzt offenbar als einer adeligen Frau angemessene Körpersprache aufgefasst.32 Zudem war die neuartige Darstellungspraxis maßgeblich dadurch gerechtfertigt, dass derselbe mimische Ausdruck kurz zuvor auch Besitz von der Muttergottes ergriffen hatte, die ebenfalls erst seit dem beginnenden 13. Jahrhundert lächelnd dargestellt wurde.33 Ein solches Lächeln blieb jedoch nicht auf die Darstellung von Herrscherinnen beschränkt: In der Nachfolge Ludwigs IX . entwickelte sich in Frankreich eine Ikonographie des lächelnden Königs, die zuerst in der Sepulkralskulptur, namentlich der Liegefigur von Ludwigs Sohn, Philipp III . (1245–1285), auftaucht (Abb. 3a), um fortan nicht nur konstituierend für herrscherliche – männliche wie weibliche – Gisants zu sein, sondern zu einem Jahrhunderte überdauernden Spezifikum französischer Herrscherporträts zu werden.34 Dabei dürften für das 13. und 14. Jahrhundert mit dem neuartigen königlichen Lächeln vor allem drei Bedeutungsebenen verbunden sein: Einerseits wird eine Ausdrucksform adaptiert, die zuvor „ein Privileg von 244

n. Lachen und Weinen

Abb. 3a und 3b: Links: Gisant Philipps III. (Kathedrale von Saint-Denis); rechts: Stifterfigur Karls V., 1365/70 (Paris, Musée du Louvre).

Engeln, Heiligen und Seligen“ war und so eine unmittelbare „Partizipation an der himmlischen Glückseligkeit“ wie auch ein privilegiertes Vermögen des Herrschers zur Gottesschau (visio beatifica) inszeniert,35 andererseits schrieb sich der lächelnde Herrscher aber auch in das Ideal des rex facetus ein und konnten primäre christliche Herrschertugenden wie Milde und Gnade wirkungsvoll ins Bild gesetzt werden. Im Sinne dieser clemence et benigneté de roy hat Bernd Carqué etwa die um 1370 entstandene Stifterskulptur Karls V. von Frankreich vom östlichen Louvre-Portal interpretiert (Abb. 3b).36 Anders als in Frankreich findet sich der neuartige Darstellungsmodus im Heiligen Römischen Reich nur vereinzelt und bildet keine überdauernde Ikonographie aus. Eine bedeutende Ausnahme bildet etwa das Grabmal Ottos III . von Ravensburg in der Marienkirche zu Bielefeld (nach 1305), das Otto ebenfalls lächelnd und also wohl der himmlischen Glückseligkeit teilhaftig präsentiert (Abb. 4a).37 Ein pathognomisch regelrecht übersteigertes und in seiner Seligkeit mit den ihn bekrönenden Engeln konkurrierendes Lächeln zeigt um 1340 auch Kaiser Ludwig der Bayer auf dem Adlerthron (Abb. 4b). Dabei dürfte nicht nur das Auszeichnungsmotiv der einen Vorhang tragenden Engel aus Frankreich entlehnt sein, wo das Motiv seit Ludwig 245

Jörge Bellin

Abb. 4a und 4b: Links: Grabmalsfigur Ottos III. von Ravensburg, um 1305 (Bielefeld, Marienkirche); rechts: Kaiser Ludwig der Bayer auf dem Adlerthron, Relief nach Gipsabguss, um 1340 (München, Bayerisches Nationalmuseum; ehem. Nürnberg, Rathaus, Großer Saal).

dem Heiligen begegnet,38 sondern auch das transzendierende Lächeln dort seinen Ursprung haben. Im Unterschied zum Lachen/Lächeln ist das Weinen im Mittelalter nahezu omnipräsent. Wie die antiken Kaiser und Machteliten haben auch die mittelalterlichen viel, ausgiebig und öffentlichkeitswirksam geweint. Überfließende Tränen und – allgemeiner – überbordende Emotionen waren ein wichtiges und probates Mittel öffentlicher Kommunikation. Dass es sich auch hier in vermutlich eher seltenen Fällen um tatsächlich spontane, unkontrollierte, gleichsam eskalierende Gefühlsausbrüche gehandelt hat, die „gezeigten Emotionen [vielmehr] vorrangig eine Demonstrationsfunktion, Signalcharakter hatten und von den Akteuren auf der politischen Bühne in diesem Sinne und Verständnis eingesetzt wurden“, hat Gerd Althoff gezeigt.39 Die große Bedeutung der Tränen zeigt sich auch in den Werken der weltlichen Literatur des Mittelalters, in denen das Weinen – wie zuvor in den griechischen Epen – „die am häufigsten vorkommende Gebärde“ ist. Außerdem waren Tränen „für das religiöse Leben zu jener Zeit […] von herausragender Bedeutung“40: Einerseits eine „natürliche Gegebenheit, ein Urphänomen des Menschenlebens, ein Ausdruck all seiner 246

n. Lachen und Weinen

Abb. 5: Codex Aureus: Kaiser Konrad II. und Kaiserin Gisela knien vor der Majestas Domini und flehen um Vergebung für ihre Sünden (Escorial, Cod. Vitrinas 17, fol. 2v).

menschlichen Erbärmlichkeit“, waren sie andererseits auch das Signum einer zutiefst religiösen Haltung, „Zeichen einer frommen Schwermut, Ausdruck einer demütigen Haltung der Kreatur im Angesicht ihres Schöpfers“.41 Die vielen Tränenkataloge des Mittelalters – von Johannes Cassian bis Bonaventura – legen davon beredtes Zeugnis ab und unterstreichen die kaum zu überschätzende Bedeutung einer mittelalterlichen Lacrimologie in eindrücklicher Weise.42 Während die literarische und sozial-performative Tränenflut allerdings weit in die Antike zurückreicht,43 werden Tränen als Gegenstand der Malerei erst im frühen 15. Jahrhundert durch die Altniederländer, allen voran Robert Campin und Rogier van der Weyden, dargestellt und prägten dann als mimetisch brillanter, eindringlich an den Betrachter gerichteter CompassioApell vor allem die Darstellungen der Leiden Christi und der Marienklage – in deren Nachfolge dann auch das menschliche Antlitz nach außen hin in ein Ebenbild des Passions-Christus transformiert werden konnte.44 Zu einem bildkünstlerischen Darstellungsmotiv und repräsentativen Bestandteil der politischen Ikonographie sind auch die Tränen und das Weinen dennoch nur bedingt geworden. Sie waren ein allgegenwärtiger literarischer, religiöser und sozial247

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performativer, aber seltener bildkünstlerischer Topos der Herrschaftsinszenierung. Eine Ausnahme bildet etwa das berühmte erste Herrscherbild des Codex Aureus aus dem 11. Jahrhundert (Abb. 5): Es zeigt einen weinenden Herrscher, gerahmt von einer Inschrift, die die dargestellte Szene in aller Deutlichkeit apostrophiert: Ante tui vultum / mea defleo crimina multum. / Da veniam, merear, / cuius sum munere caesar („Vor deinem Angesicht weine ich heftig über meine Sünden. Gewähre mir Verzeihung, du, durch dessen Gnade ich Kaiser bin“).45 Unterhalb des Christus Pantokrator in der Mandorla sind Kaiser Konrad II . und seine Gemahlin Gisela dargestellt, ihre weinenden Gesichter scheinen die Füße des Himmelskönigs wie zu einem Kuss zu berühren. Eine ähnliche Demutshaltung zeigt sich auch in späteren vergleichbaren Darstellungen des Papstes (etwa dem Apsismosaik in S. Paolo fuori le mura in Rom im 13. Jahrhundert) und kann schon im Hinblick auf die körperliche Nähe des Herrscherpaares zum himmlischen König sowie ihr Hineinragen in die Sphäre der Mandorla „als ein starkes Signal für ein hochgesteigertes Amts- und Herrschaftsverständnis angesehen werden“.46 Die Selbstdemütigung und das demonstrative Bußweinen sind hier nicht nur Ausweis tiefempfundener Frömmigkeit, sondern für den König der Gnade und in der Gnade, die er im Bilde vom Höchsten neuerlich erfleht, auch eines der stärksten politischen Instrumente der Zeit: „Damit konnte die Folgebereitschaft der Großen im Reich, sowohl der geistlichen wie der weltlichen, geradezu erzwungen werden. Seine ‚Bitte‘ war gleichsam ein ‚geweinter Befehl‘, dem man folgen musste. Wenn der König weinte, dann weinte […] Christus in ihm.“47 Auch Päpste konnten viel und äußerst öffentlichkeitswirksam weinen, wie das Beispiel Clemens VIII . (1536–1605) zeigt, der sich „durch eine bis dahin selten gesehene und auch deshalb sprechende Weinerlichkeit“ auszeichnete,48 die nicht nur den venezianischen Botschafter am Heiligen Stuhl, Giovanni Delfi, in Erstaunen versetzte, der berichtet, dass Clemens in seinen täglichen Messen stets geweint habe.49 Ein bildgewordenes Beispiel solch päpstlichen Tränenflusses ist der weinende Papst Gregor der Große in Bernt Notkes Gregorsmesse (um 1500), die die oben angedeutete ebenbildliche Transformation zum Passions-Christus virtuos inszeniert (Abb. 6a und 6b). Unterhalb der visionären Erscheinung des Schmerzensmannes erscheint der am Altar kniend betende Papst während der Karfreitagslithurgie in Tränen aufgelöst, was innerhalb der Ikonographie zur Gregorsmesse eine singuläre Erscheinung, „ein Bruch mit der Norm“ war.50 Auch hier können die Tränen des Papstes kaum als spontane Gefühlsäußerung oder momentane Ergriffenheit gedeutet werden – dem widerspricht schon die ansonsten regungslose Mimik des Dargestellten. Vielmehr ist der Papst in Notkes Gemälde in eine Rolle geschlüpft, die zuvor ausschließlich Maria und anderen unmittelbaren Zeugen des Leidens Jesu vorbehalten war. Zum ersten Mal ist es ein Visionär, der im Bilde beim Anblick einer Erscheinung des Passions248

n. Lachen und Weinen

Abb. 6a und 6b: Bernt Notke: Gregorsmesse, um 1500, Eichenholz (Ehem. Lübeck, Marienkirche, 1942 verbrannt); Links: linke Bildhälfte; Rechts: Detail mit dem weinenden Gregor.

Christus in Tränen ausbricht. Zugleich nimmt das Weinen Gregors durch seine „planimetrische Einschreibung in das Rechteck der Altarmensa selbst den Stellenwert eines Bildzeichens von quasi-sakramentaler Qualität an, die Tränen, welche das Antlitz des Papstes zugleich zeichnen und reinigen, sind das Gegenstück der Blutströme, die im Messkelch münden. Die Christusähnlichkeit qua Amt, für die das Bild des Gekreuzigten auf dem Pluviale Gregors […] einsteht, wird durch die herabfließenden Tränen zu einer Christusähnlichkeit qua visionärer Offenbarung“.51

Höfisches Lachen und Weinen in der Frühen Neuzeit In der Anstands- und Höflichkeitsliteratur der Frühen Neuzeit, zumal in Baldassare Castigliones europaweit wirkmächtigen Il libro del Cortegiano („Buch vom Hofmann“, 1528),52 vollzieht sich ein weiterer lachsoziologischer Wandel und nimmt die Behandlung des Lachens breiten Raum ein. Sie beruhte dabei inhaltlich – wie zuvor bereits das mittelalterliche Idealbild des allenfalls gemäßigt-kontrolliert Lachenden – zu weiten Teilen auf der Rezeption der bekannten klassischen Texte der 249

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antiken Rhetorik (Aristoteles, Cicero, Quintilian): Neben einer Adaption des unter dem Begriff der sprezzatura auftretenden celare artem-Prinzips aus Aristoteles Rhetorik, also der Kunst, die Kunst bzw. Anstrengung zu verbergen (zugleich Prinzip der dissimulatio),53 dürfte Castiglione von Aristoteles in einem weiteren Punkt angeregt worden sein: Auch sein Hofmann ist ein ausgeprägter ‚Eutrapeliker‘! Scherzen und Lachen werden zu einer regelrechten Kunstform erhoben, bestimmten Regeln unterworfen und bedeutender Teil eines am höfischen decorum orientierten neuen Elitenideals. Die geforderte sprezzatura, also der Eindruck lässig-leichter Unangestrengtheit, bedeutet dabei auch für das Scherzen und daraus resultierende Lachen, dass es niemals nach Mühe, Anstrengung, etwas Forciertem aussehen darf, weshalb auch hier jedes ‚homerische‘, die Gesichtszüge entstellende Gelächter per se ausscheidet: Vom idealen Hofmann erwartet Castiglione, daß er mit einer gewissen Anmut die Herzen der Hörer zu ergötzen und sie mit gefälligen Aussprüchen und Scherzen zurückhaltend zu Heiterkeit und Gelächter zu verleiten versteht, sodaß er fortgesetzt erfreut, ohne je Verdruß zu erwecken oder gar zu übersättigen.54 Die Grenzen dieser ars iocandi et ridendi – und nur hier geht Castiglione über den schon bekannten Nomos der antiken Lachkultur hinaus – setzen vor allem Kriterien der politischen Klugheit und der religiösen Opportunität, womit sein Konstrukt des idealen Hofes offenbar „die Situation an den realen Höfen der Zeit mit ihren realen Hierarchien“55 reflektiert: Man muß auch auf diejenigen Rücksicht nehmen, die von jedermann allgemein wertgehalten und geliebt werden oder mächtig sind, weil man sich manchmal gefährliche Feindschaften zuziehen kann, wenn man sie neckt.56 Die alles überwölbende sprezzatura ist bei Castiglione „eine Variante von Anmut und Grazie und markiert für ihn zugleich die Grenze zwischen Kunst und Künstelei“,57 die sein affektiert-unaffektierter Hofmann unbedingt zu vermeiden hat: Das Erzwingen und, wie man sagt, an den Haaren Herbeiziehen erweckt […] den Eindruck höchster Ungeschicklichkeit und läßt alles, so groß es auch sein mag, für gering geachtet werden.58 Castiglione propagiert einen Reiz scheinbarer Nachlässigkeit und erklärt so den im celare artem-Prinzip angelegten „Anschein von Natürlichkeit zum Ziel, der kunsthaft erzeugt wird, aber sein kunsthaftes Tun verbirgt“.59 Auch die sprezzatura verbindet sich insofern mit einer kontrollierten Selbstzurücknahme, die den Hofmann dazu bringen soll, stets das Maß der Mitte zu beachten und neben dem allzu exzessiven, angestrengten Scherzen auch jedes exzessive, wiehernde, Kopf und Gesicht verzerrende Lachen zu unterlassen. Wie eine Vorwegnahme des kultiviert-heiteren, selbstbeherrscht-selbstsicheren Lachens der sprezzatura erscheint das subtile Lächeln in den nach 1525 entstehenden Porträts Franz’ I. von Frankreich (1494–1547), so in dem berühmten Bildnis des Jean Clouet von 1526, das die französische Tradition des lächelnden Königs zugleich fortsetzt und neu akzentuiert (Abb. 7): Ein Lächeln, 250

n. Lachen und Weinen

Abb. 7: Jean Clouet: Franz I., König von Frankreich, um 1530, Öl auf Holz (Paris, Musée du Louvre).

das sich einer „Ikonographie der Verschmitztheit und ironischen Überlegenheit“60 einschreibt, aber die gravitas nicht stört; die Maske eines Menschen, dessen Urteil für andere undurchdringlich bleibt (und bleiben soll) – und insofern ein geradezu modellhafter rex facetus Castiglionescher Prägung.61 Im Übergang vom idealtypisch und zumindest der Tendenz nach egalitär geprägten Hof Castigliones zum realen Hof der absolutistischen Epoche, wie er bei Matteo Peregrini, Nicolas Faret, Balthasar Graciàn oder François de La Rochefoucauld beschrieben wird, verschob sich auch das lachsoziologische Modell ein weiteres Mal. Obsolet geworden war das Ideal der sprezzatura, das aufgrund eines gnadenlosen Verdrängungswettbewerbs aller Rivalen um die Gunst des Herrschers dem Prinzip der disprezzo (Verachtung), einem regelrechten Wolfsgesetz der höfischen Selbstinszenierung weichen musste. Der zwar maßvolle, aber allzeit heiter scherzende und lachende homo facetus bei Castiglione wird vom ernsten und stets wachsamen stoischen Weisen (homo sapiens) abgelöst. „Damit war die neue Leitfigur des Hoflebens 251

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der höfische Funktionär, der stoische Zyniker, der lächelnd über die eigene Leiche geht.“62 Ein Lachen auf Augenhöhe war nun unmöglich, der absolutistische Höfling hatte zwar die Scherze seines Königs über sich ergehen zu lassen, konnte diese aber nicht mehr erwidern, da der absolutistische Herrscher auch im Scherzen und Lachen legibus absolutus war, auch hier über dem Gesetz stand.63 Der „Zwang zum Selbstzwang“ (Norbert Elias), der bereits Ciceros Rhetorik wie auch Castigliones ars iocandi prägte, wird weiter forciert und zum obersten Gebot erhoben – eine der wichtigsten und allgemeinsten Maximen, die man als Hofmann zu beachten hat, besteht darin, seine Affekte zu kontrollieren.64 Auch das Scherzen und Lachen gehorcht dabei einer strikten Stratifikation oder, wie es Lenz Prütting treffend formuliert, „es gibt am absolutistischen Hof nur noch Lach-Opfer für einen einzigen Lach-Täter, also für den Herrscher“, der sein gottgleiches Lachen von seinem Thron herab lachen darf wie einst nur Zeus oder Jahwe.65 Man mag einen bildgewordenen Ausdruck solch gottgleichen Lachens – auch hier freilich in den äußerst gemäßigten Formen des höfischen decorum – in dem feinsinnig-spöttischen, überlegen-machtbewussten Herablächeln Ludwigs XIV . im Porträt Hyacinthe Rigauds von 1701 erkennen. Auch hier ein nur angedeutetes Lächeln, das dem gravitätisch-unbewegten Gesicht wie beiläufig mitgegeben ist, aber doch den „einzigen Lach-Täter“ in subtiler Weise reflektiert (vgl. Abb. 9b im Beitrag von Jörge Bellin „Auf die Welt kommen/Kind sein“). Im Sinne eines geschlechterspezifischen Ausdruckspotenzials hat Helen Watanabe-O’Kelly im Hinblick auf frühneuzeitliche Festbeschreibungen einige im gegebenen Zusammenhang interessante Beobachtungen gemacht.66 Solche Festbeschreibungen waren ab etwa 1550 „ein wichtiges Element der fürstlichen, städtischen und religiösen Festlichkeiten in ganz Europa“, deren wichtigster Zweck die Beschreibung der Ereignisse war, obgleich sie viele Funktionen haben konnten, die über eine reine Darstellung hinausreichten.67 Ihre Schilderungen waren in aller Regel äußerst minutiös und enthielten immer wieder auch die Beschreibung von Emotionen.68 So berichtet etwa Johann Ulrich König in seiner Vollständige[n] Beschreibung aller Solennitäten bey dem hohen Königlichen Sicilianischen Vermählungs= Feste, die im Mai 1738 in Dresden anlässlich der Hochzeit der 13-jährigen Maria Amalia von Sachsen mit dem Bourbonen Carlo VII ., König beider Sizilien, stattfanden, ausführlich vom Abschied der jungen Prinzessin von ihren Eltern, der sich sichtbar durch körperliche Gefühlsausbrüche manifestierte: Maria Amalias zärtliche aufwallende Regungen des Geblütes führten zu einem Ausbruch der mit Gewalt hervor gedrungenen Thränen, welchen, bey nunmehr herankommendem Scheiden, diese beyde dadurch am allerempfindlichsten gekränckte Königinnen [die Königinmutter und die Prinzessin, J. B.], nicht länger zu wiederstehen vermochten. Zwar versuchten auch sie ihre Emotionen mit einer großmüthigen Standhafftigkeit zu kontrollieren, was aber nur umso 252

n. Lachen und Weinen

größeres Mitleid bei den Anwesenden erzeugte, da Sie den heimlichen Kummer dermassen zu verbergen wusten, daß man kaum, an ihren in etwas errötheten Augen, einiges äusserliche Merckzeichen der innerlichen Hertzens= Beklemmung gewahr werden konnte.69 Im Weiteren vergießen auch die Hofdamen bittere Tränen und selbst die Augen einiger Herren werden feucht. Königs bewegte und bewegende Beschreibung der Emotionen signalisiert dem Leser, dass auch die Höchsten des Landes Menschen aus Fleisch und Blut sind und normale menschliche Gefühle haben, die offenbar nicht mehr ganz so krampfhaft und künstlich kontrolliert wurden wie ehedem. Das deutet einen neuerlichen Wandel an: Die adelige Affektkontrolle scheint ein Stück weit ausgehebelt, das allzu Affektierte, das im Gewand des Dissimulativ-Unaffektierten aufzutreten pflegte, weicht menschlichen Emotionen und begegnet auf diese Weise zugleich möglichen Kritikern, die seit dem frühen 18. Jahrhundert zunehmend argwöhnten, dass die Herrschenden „Masken trüge[n] […], unauthentisch und unehrlich“ sind und „ihre wahren Gefühle hinter einer unechten Fassade“ verbergen.70 Angesichts dieser und ähnlich lautender Festbeschreibungen betont Watanabe-O’Kelly den herrschaftslegitimierenden Aspekt einer Volksnähe, der die Fürstin zu einer Projektionsfläche macht: „Die Rolle der Gemahlin bestand unter anderem darin, für das Emotionsleben ihrer Untertanen ein Referenzpunkt zu sein. Neben ihrer Verpflichtung, Kinder zu gebären und Frömmigkeit und Wohltätigkeit sichtbar zu praktizieren, musste die ‚Landesmutter‘ auch die ‚Leidensmutter‘ verkörpern.“71

Entlastung: der Hofnarr – Projektionsfigur und Lachventil Wenn in den vorangehenden Kapiteln der Eindruck erweckt wurde, dass dem Lachen bei Hofe letztlich wenig Raum gegeben war, so ist dieser Eindruck zugleich richtig und falsch. Jeder Mensch kennt die entlastende Funktion befreiten, unbändig-unkontrollierten Lachens. Eben diese Entlastungsfunktion erfüllte bei Hofe ein Amt: der Hofnarr. Diese paradoxe Figur eröffnete gewissermaßen einen Freiraum des Lachens in den weitgehend lachfreien Räumen des höfischen decorum und der dezidierten Affektkontrolle. Einerseits ein Außenseiter mit sprichwörtlicher Narrenfreiheit, war er andererseits integraler Bestandteil fürstlicher Repräsentation, dem Herrscher vielfach so nah und vertraut wie kaum jemand sonst bei Hofe und zugleich eine wichtige und komplexe Projektionsfigur. Hofnarren existierten „seit urdenklichen Zeiten. Bereits bei den Göttern des Olymp findet man ihn in Gestalt des Momus; er ist Sohn der Nacht, Gott der Kritik und des Spottes, Zensor der Göttersitten, der mit seinen Sticheleien auch Jupiter 253

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Abb. 8: Francesco Laurana: Der Hofnarr Triboulet, Bronzemedaille, 1461 (Paris, Bibliothèque nationale de France).

nicht verschonte.“72 Man findet sie dann durch das gesamte Mittelalter und spätestens seit Mitte des 15. Jahrhunderts ist die höfische Gepflogenheit, sich Narren zu halten, endgültig Usus geworden. Dass sie ein wichtiger Bestandteil höfischen Lebens und höfischer Repräsentation waren, zeigt beispielhaft die Geschichte des Triboulet, Hofnarr Renés I. (1409–1480), der am hochkultivierten angiovinischen Hof nicht nur mit Aufmerksamkeiten aller Art überhäuft und prächtig ausstaffiert, sondern von seinem Herrn sogar mit einer Bildnismedaille bedacht wurde, die das Andenken des verehrten Narren auf Dauer stellen sollte (Abb. 8).73 Hofnarren wie Triboulet gab es in den folgenden Jahrhunderten an nahezu allen Höfen Europas, nicht wenige von ihnen europaweit berühmte ‚Celebrities‘. Waren sie einerseits Teil der fürstlichen Kuriositätensammlungen und bedienten als mirabilia ein teratophiles Interesse des Hofes, erfüllten sie andererseits doch auch eine tiefer reichende, symbolische Funktion: Der König und sein Narr bildeten ein archetypisches und konträres Paar – die Macht und ihre Verspottung, die sich zueinander verhielten wie die Vorder- und Rückseite einer Medaille.74 Die Gegenüberstellung hatte eine lange Tradition, die im frühen 13. Jahrhundert einsetzte und sich dann zu einem Topos verfestigte. Ein frühes Bildzeugnis dieser Spiegelung ist die D-Initial zu Psalm 52 aus einer Psalterhandschrift, die zwischen 1220 und 1230 in Paris entstanden ist und den biblischen König David und einen Narren zeigt, die mit jeweils erhobener rechter Hand ein ungleiches Streitgespräch über die Existenz Gottes führen (Abb. 9). Während David prunkvoll gekleidet ist, tritt der Narr halbnackt auf; des Königs Gesicht ist gravitä254

n. Lachen und Weinen

Abb. 9: Narr vor König David, D-Initial zu Psalm 52 aus einer Psalterhandschrift um 1230 (Paris, Bibliothèque nationale de France, NAL 1392, fol. 79v).

tisch unbewegt, der Narr lächelt spöttisch; beide halten einen Stab in der Hand: der König ein Szepter, Zeichen seiner Herrschaft und Verantwortung vor Gott, der Narr eine Narrenkeule oder „Marotte“, Zeichen seiner törichten Selbstgefälligkeit, die ihn für Gott blind macht.75 König und Narr verbindet ein typologisches Verhältnis: „In der Gestalt des weisen Herrschers wird dem Typus des törichten Narren ein Antitypus gegenübergestellt“,76 der dessen Unzulänglichkeiten überwindet. Dazu passt, dass die Narren oft wohlklingende Namen und Titel trugen, die sie ihrerseits als vom Schicksal entmachtete Fürsten auswiesen. Der Narr am Mailänder Hof des Ludovico il Moro (1452–1508) wurde stets nur als „il Signore“ angeredet und von ihm behauptet, dass er eigentlich Sultan Mahomet II . sei. Den Narren kam so die Rolle von ‚Negativ-Herrschern‘ zu, die neben ihrer Aufgabe als professionelle Spaßmacher eine sehr ernste Mahnung verkörperten, als Künder der vanitas und lebendiger Hinweis darauf dienten, dass es vom gefeierten Herrscher zum verlachten Toren mitunter nicht weit war.77 Ihre eigentliche, „historisch invariante Hauptaufgabe“ erfüllte sich jedoch im Kontext einer höfischen Lachökonomie – „über die Lizenz zu normabweichendem Körper- und Sprachverhalten […] auf vielfältige Weise den Hof zu unterhalten und Lachen zu erregen“.78 Als institutionalisierte Lacharbeiter hatten Hofnarren eine wichtige Integrations-, Ventil- und Entschärfungsfunktion. Sie inkludierten das Exkludierte, lockerten das enge Korsett der Affektkontrolle, kanalisierten das dem Höfling ansonsten verbotene Spotten und Lachen und regulierten höfisches Konkur255

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renzverhalten durch die Möglichkeit des ‚Ablachens‘. Sie waren ‚Witzableiter‘ mit der exklusiven Lizenz zum „permitted disrespect“79 und zugleich Prell- und Sündenbock innerhalb der sich seit dem 14. Jahrhundert verschärfenden höfischen Konkurrenzgesellschaft.80 Im Zusammenhang des vorliegenden Bandes, der von „Körperbildern der Macht“ handelt, ist der Hofnarr aber auch deshalb eine zentrale Figur, weil er selbst vor allem Körperbilder produzierte. Wie Hans Rudolf Velten zeigte, war für seine Hauptaufgabe, nämlich Lachen auszulösen, sein Körper unverzichtbar. Es lasse sich von einer „soziokorporellen Form“ seiner Aufführungen und Handlungen sprechen, bei denen das mimetisch-performative Potenzial des Körpers im Vordergrund stand:81 Verkleidung und Rollenspiel, Tanz und spöttische Imitation, Deformationen des eigenen Körpers, Zurschaustellung von Fresslust, gula und Obszönitäten, Stürze, Würfe und Prügel – das war der körperliche Stoff, aus dem sich das unbändige, befreiende, ‚verbotene‘ Lachen der höfischen Lachgesellschaft speiste, das in der Figur des Hofnarren zugleich marginalisiert und integriert wurde. Eine vergleichbare Funktion als „Lachreservat“,82 die das Hofnarrentum über Jahrhunderte ausfüllte, bis es zu Beginn des 18. Jahrhunderts als höfische Institution schließlich verschwand, kam im 17. und 18. Jahrhundert auch der Komödie des höfischen Theaters zu.83

Schluss: Lachen und Weinen als Topos der politischen Ikonographie Lachen und Weinen spielten sowohl in literarischen, religiösen wie auch (sozial-) performativen Narrativen herrschaftlicher Repräsentation von der Antike bis in die Frühe Neuzeit eine eminent wichtige Rolle, waren jedoch als Darstellungsmotive der politischen Ikonographie weit weniger omnipräsent: einer jener Fälle, in denen literarische und sozial-performative mit den visuellen Topoi der bildenden Künste nicht zu vollständiger Deckung gelangen. Eher selten sind etwa Fälle maskulinen Weinens im Bilde, wo die Herzen wie bei Shakespeare offenbar tatsächlich eher in hundertausend Sprünge brechen sollten, bevor Tränen zu bildlicher Darstellung gelangten. Dass auch hier begründete Ausnahmen die Regel bestätigen, konnte im Vorangehenden gezeigt werden. Gleichwohl wurde in der bildenden Kunst generell und zumal in der Herrscherdarstellung seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert der lange währenden innerlichen Traurigkeit – d. h. der Melancholie, die von Humanisten wie Marsilio Ficino im Sinne einer melancholia generosa geadelt worden war84 – und damit letztlich der Darstellung würdevoll-introvertierter Selbstbeherrschung eindeutig der Vorzug gegeben gegenüber dem momenthaften, eruptiven Ausbruch, dem vom Schmerz oder von der Freude verzogenen Gesicht eines hemmungslos Schluchzenden, „dessen Züge ins unkontrolliert Hässliche abgleiten können“85 und so zur Grimasse werden. 256

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Ähnlich wie im religiösen Bild, zumal dem hyperrealistischen seit dem 15. Jahrhundert, das in der Imago pietatis ausgiebig den „Schmerzensmann“ und die „Schmerzensmutter“ zelebrierte, handelt es sich – trotz der neuartigen, malerisch virtuosen Wiedergabe von Tränen – doch niemals „um das verzerrte Gesicht des plötzlich affektiv Weinenden, sondern um ein im Schmerz (wie auch im Lachen, J. B.) würdevoll beherrschtes Gesicht“.86 Moshe Barasch hat gezeigt, dass sowohl das Mittelalter wie auch die Renaissance in unmittelbarer Anlehnung an die archaisch-griechische Kunst große innere Erregung durchaus exklamatorisch, gewaltvoll und grimassierend darzustellen wusste,87 dies aber nicht in gleicher Weise für die Gesichter von Märtyrern oder Heiligen – und es wäre zu ergänzen: von Herrschenden – gilt: Sie dürfen nicht als Zerrbilder dargestellt werden, weil sie andernfalls ihren ikonischen Charakter verlören, was einer blasphemischen Zerstörung des Gegenstands gleichkäme.88 Das repräsentative Herrscherbild blieb im Weinen wie im Lachen eine säkularisierte Ikone gravitätischer Gemäßigtheit. Auswahlbibliographie

Moshe Barasch: Gestures of Despair in Medieval and early Renaissance Art, New York 1976. Ders: The Crying Face, in: Artibus et Historiae 8/15 (1987), 21–36. Norbert Elias: Essay on Laughter, unveröffentlichtes Manuskript, Leicester 1956 (Deutsches Literaturarchiv Marbach, Nachlass Norbert Elias). Judith Hagen: Die Tränen der Mächtigen und die Macht der Tränen. Eine emotionsgeschichtliche Untersuchung des Weinens in der kaiserzeitlichen Historiographie, Stuttgart 2017. Jacques Le Goff: Das Lachen im Mittelalter, aus dem Franz. von J. Grube, Stuttgart 2004. Maurice Lever: Zepter und Narrenkappe. Geschichte des Hofnarren, übers. von Evelin Roboz, München 1983. Marcel Maus: Les techniques du corps, in: Journal des psychologie normale et pathologique 39 (1935), 271–293. August Nitschke/Justin Stagl/Dieter R. Bauer (Hg.): Überraschendes Lachen, gefordertes Weinen, Wien 2009. Lenz Prütting: Homo ridens: eine phänomenologische Studie über Wesen, Formen und Funktionen des Lachens, Freiburg/München 2016. Hans Rudolf Velten: Scurrilitas. Das Lachen, die Komik und der Körper in Literatur und Kultur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, Tübingen 2017. Winfried Wilhelmy (Hg.): Seliges Lächeln und höllisches Gelächter. Das Lachen in Kunst und Kultur des Mittelalters, Ausst.-Kat. Dom- und Diözesanmuseum Mainz, Regensburg 2012.

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Anmerkungen 1  So

Gerd Althoff im Rekurs auf eine Feststellung Peter Dinzelbachers: Gerd Althoff: Empörung, Tränen, Zerknirschung. ‚Emotionen‘ in der öffentlichen Kommunikation des Mittelalters, in: Frühmittelalterliche Studien 30/1 (1996), 60–79, hier 60. Siehe Peter Dinzelbacher: Gefühl und Gesellschaft im Mittelalter, in: Gert Kaiser/Jan-Dirk Müller (Hg.): Höfische Literatur, Hofgesellschaft, höfische Lebensformen um 1200 (= Studia humaniora 6), Düsseldorf 1986, 213–241, bes. 235 ff. 2  Vgl. dazu grundlegend Marcel Maus: Les techniques du corps, in: Journal des psychologie normale et pathologique 39 (1935), 271–293. 3  Vgl. dazu etwa die ritual-kritische Analyse von Peter Dinzelbacher: Warum weint der König?: Eine Kritik des mediävistischen Panritualismus, Badenweiler 2009. 4  Klaus P. Hansen: Die Geschichte der Emotionalität: Eine Skizze, in: Psychologie und Geschichte I/2 (1989), 37–48, hier 37. Vgl. dazu auch Eckart Schörle: Die Verhöflichung des Lachens: Lachgeschichte im 18. Jahrhundert, Bielefeld 2007, 14 f. 5  Vgl. Norbert Elias: Über den Prozeß der Zivilisation, Bd. 1 (= Gesammelte Schriften, Bd. 3), Frankfurt a. M. 1997, sowie ders.: Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, Frankfurt a. M. 71994. 6  Elias 1994 (wie Anm. 5), 168. 7  Ebd., 141. Siehe dazu auch Antony La Vopa: Der Höfling und der Bürger. Reflexionen über Norbert Elias, in: Historische Anthropologie 8/1 (2000), 119–134, hier 128. 8 Vgl. Norbert Elias: Essay on Laughter, unveröffentlichtes Manuskript, Leicester 1956 (Deutsches Literaturarchiv Marbach, Nachlass Norbert Elias). Siehe hierzu auch Schörle 2007 (wie Anm. 4), 14–17, sowie Michael Schröter: Wer lacht, kann nicht beißen. Ein unveröffentlichter „Essay on Laughter“ von Norbert Elias, in: Merkur 56 (2002), Heft 9/10, 860–873. 9  Ulrich Rehm: Zur Geschichtlichkeit des Lachens im Bild, in: August Nitschke/Julian Stagl/Dieter R. Bauer (Hg.): Überraschendes Lachen, gefordertes Weinen. Gefühle und Prozesse. Kulturen und Epochen im Vergleich, Wien/Köln/Weimar 2009, 641–676, hier 642 f.

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10 Vgl. August Nitschke: Trauernde und Weinende in der Kunst des Mittelalters: ein Zugang zum Wandel der Gesellschaften?, in: Nitschke/Stagl/ Bauer 2009 (wie Anm. 9), 677–746, hier 680 f. 11  Ebenso verhält es sich mit den Heroen der homerischen Epen: „Heroen weinen am Anfang wie am Ende der Ilias. Heroen weinen am Anfang wie am Ende der Odyssee. Heroen in Tränen am Anfang wie am Ende der Ilias und der Odyssee.“ Siehe Matteo Nucci: Von Achill zu Odysseus. Der Lebenssaft der Tränen, in: Renate Möhrmann (Hg.): „So muß ich weinen bitterlich“. Zur Kulturgeschichte der Tränen, Stuttgart 2015, 1–26, hier 2. 12 Vgl. dazu Judith Hagen: Die Tränen der Mächtigen und die Macht der Tränen. Eine emotionsgeschichtliche Untersuchung des Weinens in der kaiserzeitlichen Historiographie (= Altertumswissenschaftliches Kolloquium 25), Stuttgart 2017. Siehe außerdem Helmut Krasser: Statius und die Tränen des Kaisers (Silvae 2.5), in: Thorsten Fögen (Hg.): Tränen und Weinen in der griechisch-römischen Antike (= Zeitschrift für Semiotik, Bd. 28 Heft 2–4), Tübingen 2006, 271–292. 13 Cicero: De officiis 1, 103f; Aristoteles: Nikomachische Ethik 10,6. Zum Lachen bei Aristoteles ausführlich Lenz Prütting: Homo ridens. Eine phänomenologische Studie über Wesen, Formen und Funktionen des Lachens, Freiburg/München4 2016, 142–246. 14 Cicero: De oratore 2, 216–290. 15 Plutarch: Perikles 5,1. Zu Anaxagoras siehe Aelian: Varia historia 8,13. Zit. nach Rolf Michael Schneider: Gegen die Norm? Lachen im Medium antiker Bilder, in: Nitschke/Stagl/Bauer 2009 (wie Anm. 9), 539–588, hier 547. 16  Vgl. dazu den Beitrag von Etienne Jollet zu „Ausdruckslosigkeit“ in diesem Band, 419–430. 17  Schneider 2009 (wie Anm. 15), 577. 18  Zit. nach Marius Reiser: Das Lachen in der Bibel und die christliche Lachkultur, in: Nitschke/ Stagl/Bauer 2009 (wie Anm. 9), 26–37, hier 29. 19 So u. a. bei Johannes Chrysostomos, Petrus Cantor, Ludolf von Sachsen bis hin zur Rezeption bei Umberto Eco. Vgl. dazu Reiser 2009 (wie Anm. 18), 30–34. Siehe auch Lk 6, 24: „Weh euch,

n. Lachen und Weinen

die ihr jetzt lacht! Denn ihr werdet weinen und klagen.“ 20  Jean de Joinville: Histoire de Saint Louis [1305– 1309], hg. von N. de Wailly, Paris 1874. 21  Jacques Le Goff: Lachen im Mittelalter, in: Jan Bremmer/Herman Roodenburg (Hg.): Kulturgeschichte des Humors. Von der Antike bis heute, Darmstadt 1997, 43–56, hier 48. 22 Ebd. 23  Vgl. dazu Winfried Wilhelmy: Das leise Lachen des Mittelalters  – Lächeln, Lachen und Gelächter in den Schriften christlicher Gelehrter (300–1500), in: Winfried Wilhelmy (Hg.): Seliges Lächeln und höllisches Gelächter. Das Lachen in Kunst und Kultur des Mittelalters, Ausst.-Kat. Dom- und Diözesanmuseum Mainz, Regensburg 2012, 38–55, hier 46–49. Dazu ausführlich auch Prütting 2016 (wie Anm. 13), bes. Kap. „Die Scholastiker oder Die Frage nach der christlichen risibilitas“, 457–588. 24  Wilhelmy 2012 (wie Anm. 23), 46–49. 25  Rehm 2009 (wie Anm. 9), 642. 26  Le Goff 1997 (wie Anm. 21), 47. 27  Vgl. dazu Monika E. Müller: Das Lachen ist dem Menschen eigen … Seine Darstellung in der Kunst des Mittelalters, in: Wilhelmy 2012 (wie Anm. 23), 68–91, bes. 76–88. 28  Ebd., 73. Vgl. dazu im Sinne eines ausdruckhaften Laboratoriums die berühmten Masken von Reims (vor 1240) und  – als Beispiel für das ‚höllische Gelächter‘ – die Teufel vom Tympanon des Westportals der Kathedrale Saint-Étienne in Bourges (1. Hälfte 13. Jahrhundert). Siehe Wilhelmy 2012 (wie Anm. 23), 94–95 und 25, Abb. 57 a–h und 7. 29  Das kaiserliche Paar im Meißener Dom visualisiert zugleich einen Rechtsanspruch: Das Bistum beruft sich in der Abwehr der Suprematieansprüche der konkurrierenden Landesherrschaft auf das Reichsrecht und die damit verknüpfte Autonomie. Vgl. dazu Rehm 2009 (wie Anm. 9), 655. 30  Ebd., 657. 31 Ebd. 32 Für das Lächeln der Reglindis hat Ulrich Rehm eine alternative Lesart vorgeschlagen, die im Gegenteil die Konnotation des Sündhaften, also des Abweichens vom Verhaltensideal (das verbotene Lachen) hervorhebt: Im Zusammenhang

der insgesamt 12 Stifterfiguren in Naumburg, die allesamt sehr expressive Gesichtsausdrücke zeigen, stünde Reglindis demnach „im Sinne der antiken Temperamentenlehre“ für die Veranlagung zum Sündhaften, das der Fürbitte bedarf. Rehm 2009 (wie Anm. 9), 658 f. 33 Siehe etwa die Vierge Dorée vom südlichen Querhausportal der Kathedrale Notré-Dame in Amiens (um 1235). Abb. 88 in: Wilhelmy 2012 (wie Anm. 23), 182 f. 34  Vgl. zum Gisant Philipps III . und der damit begründeten Erscheinungsform des lächelnden Königs etwa Tanja Praske: Ludwig IX . der Heilige – eine Zäsur für die monumentale französische Königsdarstellung. Bildkonzepte der Zeit Philipps IV., Diss. Frankfurt a. M. 2015, 174–178. 35  Ebd., 174 f. 36 Siehe Bernd Carqué: Stil und Erinnerung. Französische Hofkunst im Jahrhundert Karls V. und im Zeitalter ihrer Deutung, Göttingen 2004, 336–338. 37 Vgl. dazu Kurt Bauch: Das mittelalterliche Grabbild. Figürliche Grabmäler des 11. bis 15. Jahrhunderts in Europa, Berlin/New York 1976, 112–115, sowie Rehm 2009 (wie Anm. 9), 657, Fußnote 34. 38  Vgl. dazu Lieselotte E. Saurma-Jeltsch: Zeichen des Reiches im 14. und frühen 15. Jahrhundert, in: Matthias Puhle/Claus Peter Hasse (Hg.): Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 962 bis 1800. Von Otto dem Großen bis zum Ausgang des Mittelalters, Bd. 2: Essays, Dresden 2006, 336–347, hier 340–342. 39  Siehe Althoff 1996 (wie Anm. 1), mit zahlreichen Beispielen und ‚Anwendungsfällen‘, 60–79, hier 63 f. Althoff resümiert: „Immer wieder stößt man also auf den gleichen Befund, die Emotionen haben zumindest auch, wahrscheinlich in erster Linie, Zeichencharakter  – sie transportieren Botschaften. Es sind ritualisierte Verhaltensweisen, bei denen ein Extrem das andere deshalb schnell ablösen kann. Ist der Zweck erfüllt, legt sich die rituell gezeigte Emotion eben schneller als eine echte.“ (75) 40  Geraldine Spiekermann: Die Tränen aus kunsthistorischer Sicht, in: Ophthalmologe 106 (2009), 603–608, hier 603. 41  Heinz Gerd Weinand: Tränen. Untersuchungen über das Weinen in der deutschen Sprache und Literatur des Mittelalters, Bonn 1958, 31.

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Vgl. hierzu Joseph Imorde: Die ›Gabe der Tränen‹ in der religiösen Kultur der frühen Neuzeit, in: Beate Söntgen/Geraldine Spiekermann (Hg.): Tränen, München 2008, 41–56, hier 42. 43  Vgl. Anm. 11. 44  Vgl. dazu Moshe Barasch: The Crying Face, in: Artibus et Historiae 8/15 (1987), 21–36. Außerdem Spiekermann 2009 (wie Anm. 40), 603, sowie David Ganz: Spuren der Bildwerdung. Zur Medialität gemalter Tränen im Spätmittelalter, in: Söntgen/ Spiekermann 2008 (wie Anm. 42), 27–40, hier 28. 45  Siehe hierzu und im Folgenden Stefan Weinfurter: Herrschen durch Gnade. Die Autorität des Königs im frühen 11. Jahrhundert, in: Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste/Geisteswissenschaftliche Klasse: Forschungsbeiträge der Geisteswissenschaftlichen Klasse (2009), 109–126. 46  Ebd., 4. 47  Ebd., 15. 48  Imorde 2008 (wie Anm. 42), 42. 49  Relazione di Roma dell’Illustrissimo Signore Giouanni Delfino Caualiere e Procuratore, ritornato d’Ambasciatore per la Serenissima Republica di Venezia l’Anno 1600. Abgedruckt im Urkundenteil des Buches 6–7, hier 7. 50  Vgl. hier und im Folgenden die Interpretation von Ganz 2008 (wie Anm. 44), 30. 51  Ebd., 38. 52  Ein Vorläufer Castigliones war der 1455 von Giovanni Pontano im Auftrag des neapolitanischen Königshaues für den Thronfolger Alfonso verfasste Fürstenspiegel De Principe, ebenfalls europaweit einflussreich war Giovanni della Casas (gegenreformatorischer) Galateus von 1558. Im deutschen Reich des 17. Jahrhunderts fand auch die spanische Höflichkeitsliteratur, etwa Antonio de Guevaras Aviso de privados y doctrina de cortesanos von 1538, breite Rezeption. Weite Verbreitung fanden auch die französischen Verhaltenslehren eines La Rochefoucauld oder La Bruyère. Zur Rezeptionsgeschichte von Castigliones Hofmann siehe Peter Burke: Die Geschichte des „Hofmann“. Zur Wirkung eines Renaissance-Breviers über angemessenes Verhalten, Berlin 1996. 53  Vgl. dazu Romana Sammern: Baldassare Castiglione: Der Reiz der Nachlässigkeit (1528), in: Romana Sammern /Julia Saviello (Hg.): Schönheit – Der Körper als Kunstprodukt. Kommentierte 42 

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Quellentexte von Cicero bis Goya, 2018, unter: http://books.ub.uni-heidelberg.de/arthistoricum/ catalog/book/425 (abgerufen am 11.11.2020), 160. Vgl. auch Klaus W. Hempfer: Rhetorik als Gesellschaftstheorie: Castigliones ‚Il libro del Cortegiano‘, in: Andreas Kablitz/Ulrich Schulz-Buschhaus (Hg.): Literarhistorische Begegnungen: Festschrift zum sechzigsten Geburtstag von Bernhard König, Tübingen 1993, 115: „Die sprezzatura erweist sich solchermaßen als die gesellschaftstheoretisch generalisierte rhetorische Kategorie des celare artem.“ 54  Baldesar Castiglione: Das Buch vom Hofmann, übers., eingel. und erl. von Fritz Baumgart, München 1986, 166. 55  Prütting 2016 (wie Anm. 13), 642. 56  Castiglione 1986 (wie Anm. 54), 173. 57  Prütting 2016 (wie Anm. 13), 644. 58  Castiglione 1986 (wie Anm. 54), 53f 59  Sammern 2018 (wie Anm. 53), 161. 60 Christine Tauber: Manierismus und Herrschaftspraxis. Die Kunst der Politik und die Kunstpolitik am Hof von François Ier, Berlin 2009, 35. 61  Zur Ikonographie des „lächelnden Königs“ bei Franz I. vgl. Jean-Jacques Leveque: L’ école de Fontainebleau, Neuchâtel 1984, 79; außerdem Tauber 2009 (wie Anm. 60), 31–40; Yann Lignereux: Le sourire, la grâce et la gloire: le visage du roi, de François I er à Louis XIV, in: Revue d’ histoire moderne et contemporaine 57/4 (2010), 30–50, insb. 34–36, sowie zuletzt Lisa Mansfield: Representations of Renaissance Monarchy. Francis I and the ImageMakers, Manchester 2016, 48–50. 62  Prütting 2016 (wie Anm. 13), 650. 63  Siehe dazu Prütting 2016 (wie Anm. 13), 650– 659, sowie Manfred Hinz: Rhetorische Strategien des Hofmannes. Studien zu den italienischen Hofmannstraktaten des 16. und 17. Jahrhunderts, Stuttgart 1992, 423. 64  Nicolas Faret: L’Honneste Homme ou l’Art de plaire à la Court (1665), Reprint-Ausgabe von Maurice Magendie, Genf 1970, 68. 65  Prütting 2016 (wie Anm. 13), 652. 66 Helen Watanabe-O’Kelly: „Mit offentlichausgebrochenen Liebes-Thränen“. Emotionen in frühneuzeitlichen Festbeschreibungen, in: MaxPlanck-Institut für Bildungsforschung: Geschichte der Gefühle – Einblicke in die Forschung, November 2014, unter: https://www.history-of-

n. Lachen und Weinen

emotions.mpg.de/texte/emotionen-in-fruehneuzeitlichen-festbeschreibungen (abgerufen am 11.11.2020). 67  Ebd. / Vgl. auch Helen Watanabe-O’Kelly: The Early Modern Festival Book – Function and Form, in: dies./J. R. Mulryne/Margaret Shewring (Hg.): Europa Triumphans. Festivals and Festival Books of the Renaissance and Baroque, 2 Bde., London 2004, Bd. 1, 3–17. 68  Watanabe-O’Kelly 2014 (wie Anm. 66). 69  Johann Ulrich König: Vollständige Beschreibung aller Solennitäten bey dem hohen Königlichen Sicilianischen Vermählungs= Feste, welches im May= Monat des Jahres 1738. an dem Königl. Pohln. und Churfürstl. Sächsischen Hofe zu Dreßden in Vollmacht prächtigst vollzogen worden […], Dresden und Leipzig 1738. Zit. nach Watanabe-O’Kelly 2014 (wie Anm. 66). 70  Ute Frevert: Gefühle definieren: Begriffe und Debatten aus drei Jahrhunderten, in: dies./Christian Bailey/Pascal Eitler u. a. (Hg.): Gefühlswissen. Eine lexikalische Spurensuche in der Moderne, Frankfurt a. M. 2011, 14. 71  Watanabe-O’Kelly (wie Anm. 66). Vgl. auch die eingehende Untersuchung zu einer anderen großen „Weinerin“ des 18. Jahrhunderts von Claudia Ulbrich: Tränenspektakel. Die Lebensgeschichte der Luise Charlotte von Schwerin (1731) zwischen Frömmigkeitspraxis und Selbstinszenierung, in: L’Homme 23/1 (2012), 27–42. 72  Maurice Lever: Zepter und Narrenkappe. Geschichte des Hofnarren, übers. von Evelin Roboz, München 1983, 88. 73  Dass solches Angedenken kein Einzelfall war, zeigen auch die zahlreich erhaltenen Porträts von europäischen Hofnarren; vgl. dazu Erica TietzeConrat: Dwarfs and Jesters in Art, London 1957. 74  Lever 1983 (wie Anm. 72), 111 f. 75  Vgl. dazu Werner Mezger: Hofnarren im Mittelalter. Vom tieferen Sinn eines seltsamen Amts, Konstanz 1981, 15 f. 76  Vgl. Lever 1983 (wie Anm. 72), 16 und 35–43. 77  Ebd., 17. 78  Hans Rudolf Velten: Scurrilitas. Das Lachen, die Komik und der Körper in Literatur und Kultur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, Tübingen 2017, Kap. „Hofnarren“, 194–221, hier 194.

Albert R. Radcliffe-Brown: On joking relationships [1940], in: Adam Kemper (Hg.): The Social Anthropology of Radcliffe Brown, London 1977, 174–188. 80  So kam es gerade im Falle der sogenannten „natürlichen“ Narren (also Menschen mit angeborenem geistigen und/oder körperlichen Defekt) auch zu vielfältigen Demütigungen und Züchtigungen von Seiten ihrer Herren und der Hofgesellschaft. In der Person des Hofnarren ventilierte sich so auch Gewalt. Vgl. dazu Edgar Barwig/Ralf Schmitz: Narren – Geisteskranke und Hofleute, in: Bernd-Ulrich Hergemöller (Hg.): Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft. Ein Handund Studienbuch, Warendorf 1994, 220–252, hier 221. Siehe auch Velten 2017 (wie Anm. 78), 200. 81  Siehe Velten 2017 (wie Anm. 78), 206. Der Begriff der „soziokorporellen Form“ stammt von bei Paul Zumthor: Körper und Performanz, in: Hans Ulrich Gumbrecht/Karl Ludwig Pfeiffer (Hg.): Materialität der Kommunikation, Frankfurt a. M. 1988, 703–713, hier 707. 82  Manfred Pfister: „An Argument of Laughter“: Lachkultur und Theater im England der Frühen Neuzeit, in: Lothar Fietz/Joerg O. Fichte/HansWerner Ludwig (Hg.): Semiotik, Rhetorik und Soziologie des Lachens. Vergleichende Studien zum Funktionswandel des Lachens vom Mittelalter zur Gegenwart, Tübingen 1996, 203–227, hier 215. 83  Vgl. dazu Schörle 2007 (wie Anm. 4), 164–173, sowie Philip Freund: Stage by Stage. Laughter and Grandeur. Theatre in the Age of Baroque, London 2008. 84  Zur Melancholie bei Ficino vgl. Antje Wittstock: Melancholia translata: Marsilio Ficinos Melancholie-Begriff im deutschsprachigen Raum des 16. Jahrhunderts, Göttingen 2011. Zur Interpretation Kaiser Maximilians I. als Melancholiker im Porträt Albrecht Dürers von 1519 vgl. etwa Eva Michel in der Fernseh-Dokumentation „Ich – Albrecht Dürer“ (von Stefanie Appel, 2013). Siehe auch Ernst Rebel: Albrecht Dürer. Maler und Humanist, München 1996, 309: „Ja, in der Verkörperung des schmerzlichen Kampfs zwischen zwei Realitäten mochte ihm (Dürer, J.B.) der Kaiser so etwas wie ein lebender Inbegriff der ‚Melencolia‘ vorgekommen sein. Und wirklich: Zeitlebens litt Maximilian unter einem widrigen Horoskop. Er 79 Vgl.

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Jörge Bellin

sah sich selbst als Melancholiker. […] Dürer wird auf eigene Art über ihn nachgedacht haben. Für ihn war er wahrscheinlich der von Schwermut heimgesuchte Staatskünstler.“ 85  Vgl. zu Tränen und Weinen in bildender Kunst und Wissenschaft zumal seit dem 17. Jahrhundert Geraldine Spiekermann: Auf der Spur der Tränen. Darstellungen des Weinens zwischen Kunst und Wissenschaft, in: Möhrmann 2015 (wie Anm. 11), 233–263, hier 244 f. 86  Ebd., 250.

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87  Moshe Barasch: Gestures of Despair in Medieval and Early Renaissance Art, New York 1976. 88 Barasch 1987 (wie Anm. 44). Dazu auch Spiekermann 2015 (wie Anm. 85), 249 f.  Eine interessante und zugleich paradoxe Ausnahme bilden Darstellungen der Herrschenden mit hybriden Körpern, etwa in anamorphotischen Vexierbildern: Vgl. dazu den Beitrag von Marisa Mandabach über „Hybride, artifizielle Körper“ in diesem Band, 401–418.

Marlen Schneider

o. Musizieren und Tanzen

Ein junger Tänzer dehnt und lockert seine grazilen, in Seidenstrümpfe gekleideten Beine, auf den nahenden Einsatz wartend. Musik ertönt. Bühnenbeleuchtung und funkensprühende Fackeln verleihen der Szene einen spektakulären Charakter. Die Kamera lenkt den Blick auf das prunkvolle, goldschimmernde Kostüm des 14-Jährigen, bei dem es sich um keinen Geringeren als Ludwig XIV . von Frankreich handelt. Wie ein Deus ex machina wird der Kindkönig auf einer Hebebühne von den unter der Tanzfläche befindlichen Kulissen nach oben, ins Zentrum der höfischen Bühne gehoben. Die ersten Minuten des von Gérard Corbiau gedrehten Films Le Roi danse (2000) zeigen in verklärender Rückschau den imposanten Auftritt Ludwigs XIV . im Ballet royale de la nuit, in welchem der König am 23. Februar 1653 im Kostüm Apollons die aufgehende Sonne tanzte (Abb. 1).1 Im Film sind es die prächtige, alle Sinne

Abb. 1: Unbekannter Künstler: Der junge Ludwig XIV. in der Rolle des Apollo im Ballet royal de la nuit von Jean-Baptiste Lully (1653), nach 1653, Zeichnung (Paris, Bibliothèque Nationale de France).

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ansprechende Inszenierung und vor allem die beeindruckende Körperbeherrschung des jungen Monarchen, die die anwesenden Höflinge davon überzeugen, dass es sich bei dem Tänzer nicht mehr um ein Kind, sondern einen König handelt. Der tatsächlichen politischen Alleinherrschaft Ludwigs geht hier die theatrale Inszenierung des fürstlichen Körpers um mehrere Jahre voraus. Während seiner gesamten Regierungszeit, insbesondere in den ersten zwei Jahrzehnten, nahm der Tanz einen bedeutenden Platz in Ludwigs Herrschaftsrepräsentation ein  – Spiegel und Ausdruck der höfischen Ordnung zugleich. Einige Filmsequenzen später tritt der nunmehr 31-jährige Herrscher abermals in der Rolle einer mythologischen Gottheit zu der Musik Jean-Baptiste Lullys im Ballett Les amants magnifiques auf. Der vermutlich letzte Auftritt Ludwigs XIV . in einem höfischen Ballett2 endet jedoch weniger glücklich: Regisseur Gérard Corbiau lässt seinen Protagonisten bei einer schwierigen Drehung das Gleichgewicht verlieren und stolpern, was umgehend eine spitze Bemerkung von einem der anwesenden Höflinge nach sich zieht – „on dirait que l’État vacille“. Die historisch nicht immer haltbare und dem Publikumsgeschmack des 21. Jahrhunderts angepasste Darstellung in Le roi danse macht gleichwohl zutreffend ein Kernelement höfischer Repräsentation in der Frühen Neuzeit kenntlich: die bedeutende Rolle von Musik und Tanz und damit zugleich – im konkreten Fall des ballet de cour unter Ludwig XIV .  – den Körper des Herrschers „als Medium höfischer Kommunikation“.3 Gerade dieses Beispiel macht deutlich, warum sich in der Forschung neben einem „performative“ und „iconic turn“, die die visuelle Dimension solcher Kommunikation gegenüber dem Wort herausgestellt haben, auch ein „body turn“ feststellen lässt, der die visuelle Dimension um den „Körper als spezifisches, bedeutungsträchtiges Medium“4 ergänzt. Zumal die Inszenierungsstrategien des Sonnenkönigs sind im kollektiven Gedächtnis, das macht die Verfilmung deutlich, eng mit der gesellschaftlichen und politischen Nutzbarmachung solcher künstlerisch-performativen, auch und vor allem körperlichen Ausdrucksformen verbunden. Das höfische Ballett und andere Musik- und Bühnenkünste erlebten im Frankreich des 17. Jahrhunderts eine außerordentliche Blütezeit: 1661 wurde die Académie royale de danse und 1669 die Académie royale de musique in Paris gegründet, was keineswegs zufällig mit den ersten Regierungsjahren Ludwigs XIV . zusammenfiel.5 Dem jungen König dienten beide Künste keineswegs als bloße Unterhaltungsformen, vielmehr knüpfte der Monarch sowohl durch seine aktive Teilnahme an den offiziellen Ballettaufführungen wie auch die musikalische Prachtentfaltung an ein idealtypisches Herrscherbild an, dessen Wurzeln bis ins Mittelalter zurückreichen. Während der Tanz Eigenschaften wie Grazie, Selbstdisziplin und Kontrolle förderte und zugleich jedermann vor Augen stellte, versinnbildlichte Musik auch die universelle Harmonie, in die sich der Regent einzuschreiben suchte. Majestätische Klänge 264

o. Musizieren und Tanzen

Abb. 2: Hans Burgkmair d. Ä.: Die geschicktheit der mumerey und kurzweil, Holzschnitt, Illustration aus dem Weißkunig (fol. 147b).

intonierten auch das überzeitliche Bestehen der Dynastie und die Beherrschung des eigenen Körpers beim Tanz stand für die Herrschaft des Königs über das ganze Land: Das Stolpern des tanzenden Monarchen konnte also durchaus – wie im Film dargestellt – als ein „Wanken des Staates“ wahrgenommen werden. Beide Kunstformen, Musik und Tanz, spielten in der höfischen Gesellschaft des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit eine zentrale Rolle und wurden nicht nur in Frankreich ausgiebig als Medium höfischer Repräsentation genutzt, obschon die französische Festkultur seit dem 16. Jahrhundert Maßstäbe für ganz Europa setzte.6 „Ein Dasein ohne Tanz und Feste galt“, so hat es Walter Salmen resümiert, „als arm und gemein, als kommunikationsgestört“.7 Feste und – damit verbunden – Tanz und Musik waren Kernelemente des höfischen Lebens und Selbstverständnisses und zugleich Kommunikationsmedien, die „einen besonders wirkmächtigen Symbolraum“ formten.8 In dem rhythmisch regulierten Gebaren „spiegelte sich […] der soziale Rang des Handelnden“.9 Zudem dienten Tanz und Musik der politischen Agitation. Die wichtige Rolle höfischer Tanzfeste und ihr nicht zuletzt aemulativer Gehalt werden exemplarisch in den autobiografischen Repräsentationsschriften Kaiser Ma265

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ximilians I. fassbar. Im Weißkunig etwa wird berichtet, Maximilian habe alle anderen Herrscher bei der Organisation prachtvoller und einfallsreicher „mumereyen“ (Maskenfeste) übertroffen, was auch der beigefügte Holzschnitt zur Anschauung bringen soll, der den Herrscher nicht nur als zentrale Figur der Festlichkeit, sondern zugleich auch als handelnden ‚Regisseur‘ derselben inszeniert (Abb. 2).10 Eine solche Überhöhung ist zwar ein durchaus gängiger Lobtopos, sie veranschaulicht aber dennoch die enge Einschreibung von Tanz in das Gesamtprogramm höfischer Repräsentation. Auch Maximilian trat im Zuge solcher Feste immer wieder selbst ins Rampenlicht, wie etwa Johannes Reuchlins zeitgenössische Beschreibung der Festlichkeiten zu Köln zeigt, die anlässlich der Krönung Maximilians zum römisch-deutschen König im Jahr 1486 stattfanden. Während der erste Teil des dargebotenen Tanzprogramms von professionellen Moriskentänzern gestaltet wurde, nahm der König dann am zweiten Teil aktiv teil: Item darnach fing man ain andern franzosischen tanz an und kam us dem gezelt gangen in ainer silberin schiemen mit ainer langen spitzen nasen, eber als ain storkenschnabel, und was der Kg. Hett uf sinem har ain klains barret mit aim wysen federlin und tanzt mit ainer schönen frowen, die die welschen tenz gar wol und höflich kunt tanzen.11 Das bunte Treiben ging schließlich in einen Tanz der ganzen Hofgesellschaft über, der vom maskierten König angeführt wurde.12 Der sozial eindeutig hierarchisierende Impuls solcher Choreografien konnte aber auch einem Moment betonter Volksnähe weichen, wenn – wie immer wieder geschehen – Maximilian im Zuge solcher Festlichkeiten auch mit Bürgersfrauen tanzte.13 Freilich waren die Herrscher nicht immer selbst als Tänzer oder gar als Musikanten aktiv an der Gestaltung der Festlichkeiten beteiligt. In den meisten Fällen wohnte der Herrscher dem performativen Spektakel lediglich bei – aber auch dann spielte er gewissermaßen die ‚Hauptrolle‘, indem die Aufführungen in der einen oder anderen Weise nahezu ausnahmslos auf diesen privilegiertesten Zuschauer und Zuhörer ausgerichtet, Sinnbilder seiner Regierung und Tugenden waren. Der Zusammenhang lässt sich an der Darstellung einer Ballszene am Hof Heinrichs III . veranschaulichen (Abb. 3):14 Im Zentrum des Gemäldes ist ein tanzendes Paar zu sehen, das sich, dem Betrachter zugewandt, mit anmutiger Haltung in Richtung der linken Bildhälfte bewegt. Hier befindet sich eine weitere Figurengruppe, die im Gegensatz zu den in leuchtenden Farben auftretenden Tanzenden ganz in schwarz gekleidet ist. Darunter befindet sich auch der Herrscher, Heinrich III ., dessen privilegierte Stellung durch den roten Baldachin über ihm eindeutig markiert wird. Der König ist umgeben von seinen Familienangehörigen und Favoriten, tanzt allerdings nicht selbst. Dies ist dem Paar in der Bildmitte vorbehalten, den Protagonisten der Feierlichkeit, bei der es sich um den Hochzeitsball des Duc de Joyeuse und der Schwester der Königin handelt, der am 24. September 1581 im Louvre ausgerichtet wurde. Die Organisatorin des 266

o. Musizieren und Tanzen

Abb. 3: Hieronymus Francken I. (zugeschrieben): Der Hochzeitsball des Duc de Joyeuse, um 1581/82, Öl auf Leinwand (Paris, Musée du Louvre).

Festes ist ebenfalls Teil des höfischen Gruppenporträts: Caterina de’ Medici, die Königinmutter, die neben dem Dauphin sitzt, wie dieser zum König blickt und mit erhobener Hand auf das Brautpaar weist. Sowohl ihr Gestus wie auch ihr Blicken unterstreichen auf subtile Weise die Bedeutung der Veranstaltung als herrschaftliche Machtdemonstration. Zwar ist der König gegenüber dem farbenfroh und besonders kostbar gekleideten Brautpaar, aber auch einiger weiterer Gäste in vestimentärer Hinsicht geradezu unauffällig dargestellt, die Geste und das Blicken der Königinmutter ebenso wie der Baldachin erinnern den Betrachter jedoch unzweideutig daran, dass die visuell inszenierte Pracht vor allem den Herrscher selbst auszeichnet und als ein Spiegel seines florierenden und kultivierten Hofstaats zu verstehen ist.15 Der vor Heinrich III . als Auftakt des Balls ausgeführte Tanz im Kreis der Familie und geladenen Gäste entspricht dabei zugleich den Idealen einer höfischen Gruppenkultur, innerhalb derer Körperbeherrschung und das harmonische Sich-Einfügen in den corps bien proportionné des Hofes grundlegend waren.16 Sowohl die Tänzer wie auch die stehenden Höflinge und die sitzenden Mitglieder der königlichen Familie bringen durch ihre aufrechte Haltung und die mit Bedacht ausgeführten Gesten die moralische und identitätsstiftende Bedeutung körperlicher Disziplin in der aristokra267

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tischen Gesellschaft zum Ausdruck, die sich im Herrscher bündelte und auf diesen ausgerichtet war. Wie Mickaël Bouffard gezeigt hat, stand in der frühneuzeitlichen Hofkultur die aufrechte und disziplinierte Körperhaltung zugleich für die moralische Integrität der Person, eine nachlässige Pose beim Tanz oder andernorts galt als ein Zeichen von Lasterhaftigkeit.17 Die Gegenüberstellung von tanzendem Paar und unbewegtem Herrscher ist Ausdruck dieser im höfischen Kontext der Renaissance allgegenwärtigen Verhaltensnorm, deren Beherrschen Zugehörigkeit zur gesellschaftlichen Elite signalisierte und zugleich eine Legitimationsgrundlage der königlichen Macht war. Auch noch im 17. Jahrhundert zählten die beim Tanz zur Schau gestellten körperlichen und moralischen Tugenden zu den Grundzügen höfischer Identität. Allerdings stellte die eingangs anhand der Filmsequenz beschriebene Sonderform des aristokratischen Tanzes, das ballet de cour, das sich unter Ludwig XIV . fest ins Zeremoniell des französischen Hofes einschrieb und Spiegel der gesellschaftlichen Machtverhältnisse war, ganz besonders dezidiert den Körper des Fürsten in den Mittelpunkt des Geschehens.18 Während Heinrich III . als unbeteiligter, aber zweifelsfrei privilegierter Zuschauer gezeigt wird, verschob sich das Augenmerk am Hof des Sonnenkönigs vollends auf die Person des Herrschers, der nicht nur die politische Szene uneingeschränkt beherrschte, sondern auch auf der Theaterbühne im Zentrum stand. Zwar gab es durchaus Aufführungen, in denen der König nicht die Hauptrolle tanzte, sondern sich in die Gesamtchoreografie einfügte. Doch waren auch weniger prestigeträchtige Figuren wie der Auftritt als espagnol oder als einer von mehreren bergers von gesellschaftlicher Bedeutung, da auch in solchen Rollen die idealen Eigenschaften des Herrschers – Grazie und Selbstkontrolle – tanzend vor Augen geführt und mit der Vorstellung vom Hof als einem harmonischen Gesamtkörper verbunden wurden.19 Mit welchem Aufwand dabei die Bühnenauftritte des Herrschers gestaltet wurden, zeigen etwa die opulenten Kostümentwürfe Henri Gisseys oder Jean Bérains, deren Aufgabe es als dessinateurs de la Chambre et du Cabinet du Roi war, prächtige Bühnenbilder und Gewänder für die höfischen Inszenierungen zu entwerfen und so die sinnlich überwältigende Gesamtwirkung des Spektakels zu gewährleisten.20 Diese ephemeren Inszenierungen des Herrscherkörpers fanden auch Eingang in das beständigere Medium der Malerei, obschon keine unmittelbaren Darstellungen des tanzenden Königs überliefert sind, sondern vielmehr Werke, die implizit auf die höfische Tanz- und Körperkultur anspielen. Insbesondere das Porträt legt auf diese Weise Zeugnis von der allgegenwärtigen Bedeutung des Tanzes im Hinblick auf den Habitus und die physische Erscheinung des Herrschers ab, die sich auch außerhalb der höfischen Feierlichkeiten manifestierte.21 Ein eindringliches Beispiel für den Transfer der Bühnenpraxis ins Bild stellt Hyacinthe Rigauds berühmtes Por268

o. Musizieren und Tanzen

trät Ludwigs XIV . im Krönungsornat von 1701 dar (siehe Abb. 9b im Beitrag von Jörge Bellin zu „Geboren werden/Kind sein“). Im prachtvollen, mit den Lilien der französischen Monarchie geschmückten Hermelinmantel präsentiert sich der König ganzfigurig unter einem purpurnen Baldachin. Attribute wie Szepter, Krone und das symbolträchtige Säulenpaar hinter ihm vervollständigen die Darstellung des absolutistischen Monarchen. Die geradezu ausufernde Ikonographie des Gemäldes wurde bereits vielfach interpretiert und von der Palastarchitektur im Hintergrund bis hin zum Schwert Karls des Großen, das Ludwig um die Hüfte trägt, ausgedeutet.22 Besondere Beachtung verdient jedoch die Pose, die der König einnimmt und die durch den Krönungsmantel als eine regelrechte revelatio inszeniert wird: Der König ist in der vertikalen Bildachse zentral im Gemälde positioniert, während der Mantel den Blick des Betrachters auf seine athletischen Beine freigibt, die in kostbare weiße Seidenstrümpfe gehüllt sind und elegantes Schuhwerk tragen. Die prima vista ungewöhnlich anmutende Fußstellung – der rechte Fuß leicht in den Bildhintergrund gedreht, der linke im 90°-Winkel dazu nach vorne zeigend – ist tatsächlich eine Tanzstellung und entspricht exakt der vierten von insgesamt fünf justes positions des höfischen Balletts, die Ludwigs persönlicher Tanzmeister, Pierre Beauchamps, definiert hatte.23 Es handelt sich dabei um den klassischen Eröffnungsschritt fast aller aristokratischen Tänze zur Zeit des Sonnenkönigs, der sich also auch in seinem offiziellen Staatsporträt mit der höfischen Tanzkunst identifiziert. Die Beherrschung der Tanzpositionen und die damit einhergehende souveräne Körperhaltung bilden auch im Porträt einen herausgehobenen Aspekt der Herrschaftsrepräsentation und sie setzen den König gleichermaßen als versierten Tänzer, vorbildlichen homme de cour und legitimen ‚Staatskünstler‘ in Szene. Dem Tanzlehrer kam jedoch nicht nur in Frankreich, sondern an zahlreichen Höfen in ganz Europa eine besondere Stellung zu. Sie bildeten nicht lediglich im Tanz aus, sondern vermittelten damit zugleich aristokratische Körper- und Verhaltensideale, die der Herrscher in besonderer Weise zu beherzigen und vorzuleben hatte.24 Dabei waren zunächst vor allem italienische, dann hauptsächlich französische Tanzlehrer an nahezu allen Höfen Europas gefragt und sorgten so im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts für eine weitreichende Rezeption der Versailler Praktiken und gesellschaftlichen Codes. Der Tanzmeister Pierre Rameau, dessen grundlegende Schrift Le Maître à danser (1725) bereits 1728 in England als The Dancing-Master erschien und dann zu einer internationalen Instanz höfischer Tanz- und Körperkultur avancierte, führte den Erfolg des französischen Vorbilds expressis verbis auf den Tanz zurück: C’est par elle [la danse] que nous nous comportons dans le monde avec cette bonne grace & cet air qui fait briller notre Nation.25 Im 17. Jahrhundert waren etwa François de la Marche und dann Jean Baptiste Tayault am hessischen Hof in Darmstadt und Hugo 269

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Abb. 4: Jean-BaptisteAndré Gautier-Dagoty: Marie-Antoinette Harfe spielend, 1775, Gouache auf Papier (Versailles, Musées du chateaux de Versailles et du Trianon).

Bonnefond in Braunschweig-Wolfenbüttel tätig. Ein Beispiel des 18. Jahrhundert ist Etienne Lauchery, der am Mannheimer Hof als maître à danser und Direktor der örtlichen Tanzakademie beschäftigt war.26 Der gesellschaftlichen und politischen Bedeutung des Tanzes entsprach jene der Musik. Nicht wenige Regenten griffen selbst zum Instrument. Obschon etwa die musikalischen Aktivitäten Heinrichs VIII . von England, Maximilians II . Emanuel von Bayern oder auch Friedrichs des Großen von Preußen recht gut belegt sind, fand das Musizieren als Bildgegenstand kaum Eingang in die politische Ikonographie.27 Eine der wenigen Ausnahmen bildet etwa das genrehafte Porträt der Marie-Antoinette von Jean-Baptiste-André Gautier-Dagoty (Abb. 4), eine um 1775 entstandene Gouache, die als Geschenk für den Wiener Hof geschaffen wurde.28 Die junge Herrscherin ist in ihren privaten Appartements im Versailler Schloss zu sehen, ein Ort, an dem sie 270

o. Musizieren und Tanzen

Höflinge, Freunde und Familienmitglieder empfing, sich der Toilette widmete und Konzerte organisierte. Gautier-Dagotys Porträt ist von einer entsprechend intimen, zwanglosen Grundstimmung geprägt und gibt einen – wenngleich anekdotisch anmutenden – Einblick in die gesellschaftlichen Praktiken am Versailler Hof des späten 18. Jahrhunderts. Marie-Antoinette, die mit musikalischer Erziehung groß geworden ist und ihren ausgeprägten Hang zu performativen Kunst- und Unterhaltungsformen zeitlebens kultivierte, wird Harfe spielend in einer legeren robe de chambre wiedergegeben, sie ist umgeben von Höflingen und Modisten sowie dem Porträtmaler und seiner Frau, die prominent im Bildvordergrund zu sehen sind, und einer Gruppe von Herren – unter anderem der maître de musique der Königin – die mit Notenblättern beschäftigt sind.29 Hinter ihr befinden sich weitere Musikinstrumente, die sie zum Teil ebenfalls beherrschte (so spielte sie neben der Harfe auch Cembalo und Laute). Die Königin bildet das Zentrum der Gesellschaft, die sich um das herausgehobene musische Talent ebenso wie den Kunst- und Modesinn der Regentin gruppiert. Nicht vor allem politische Macht, sondern vielmehr Tugenden wie Schönheit, Grazie und musische Kultiviertheit, mithin gesellschaftliches und kulturelles Prestige werden am musizierenden Körper der Herrscherin inszeniert. Zugleich aber knüpft die Darstellung Gautier-Dagotys an eine ikonographische Tradition an, die während der gesamten Frühen Neuzeit den Topos einer harmonischen Herrschaft evoziert. Wie Alain Mérot gezeigt hat, waren indirekte Anspielungen auf den musizierenden König beispielsweise im Dekor des Versailler Schlosses bereits zur Zeit Ludwigs XIV . omnipräsent.30 Insbesondere die Apollon- und Musenikonographie sowie das Thema des Harfe spielenden Königs David wurden im Bildprogramm der königlichen Residenz immer wieder aufgegriffen. Während die Lyra als Attribut des Sonnengottes für musikalische Prachtentfaltung, poetische Inspiration und harmonische Ordnung stand, stellte David ganz unmittelbar einen musizierenden Herrscher vor Augen, in dessen biblische Tradition sich nicht nur die französischen Regenten des 17. und 18. Jahrhunderts einschrieben. Schon in der mittelalterlichen Buchmalerei war das Thema weit verbreitet und diente Herrschern wie dem Burgunderherzog Philipp dem Guten als bildhafte Legitimation ihrer Herrschaft dei gratia. Eine Miniatur in einer um 1455 für Philipp angefertigten Handschrift zeigt den Herzog schlafend im unteren Teil des Bildes, das eine Visionsdarstellung mit der Ikonographie der Wurzel Jesse verbindet (Abb. 5). Aus dem Fürstenkörper wächst der Stammbaum des Hauses David empor, der dem Betrachter die königlich-biblischen Ahnen des Schlafenden präsentiert. Wie David, der selbst die Harfe spielt, sind auch alle anderen musizierend dargestellt.31 Philipp selbst musiziert zwar nicht, doch wächst das nachgerade himmlische Konzert aus seinem Leib hervor, an dem er traumhaft-visionär und zugleich zuhörend teilnimmt. Tatsächlich waren 271

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Abb. 5: Jean le Tavernier: Breviarium ad usum Parisiorum (= Bréviaire dit de Philippe le Bon), um 1460 (Brüssel, Bibliothèque royale de Belgique, ms. 9511, fol. 15r).

in der Frühen Neuzeit fast ausschließlich Darstellungen verbreitet, die den König als Zuhörer, nicht als Musizierenden zeigen. Für die musische Unterhaltung sorgen zumeist fest bestallte Berufsmusiker, die ein ebenso selbstverständlicher Teil des höfischen Haushalts waren wie Kammerdiener, Dichter oder Hofmaler. Ihr ‚Dirigent‘ war in gewisser Weise dennoch der Herrscher, auf dessen Geheiß hin die Musik einsetzte und endete (Abb. 6). Die in farbenfrohen Gewändern gezeigten Musikanten tragen sowohl zur visuellen wie akustischen Prachtentfaltung und Magnifizienz des Hofes bei, in deren Zentrum der Herrscher thront, der die Musikanten ebenso wie den ganzen Hof und das Königreich befehligt. Wie beim Tanz stellen auch die Darstellungen von Herrschenden in musikalischem Zusammenhang einen engen Konnex zwischen dem künstlerischen Akt und dem Herrschaftskörper her. Aber erst im ausgehenden 18. Jahrhundert und im Zuge einer gewissen ‚Verbürgerlichung‘ wurden 272

o. Musizieren und Tanzen

Abb. 6: Hayton: Fleur des estoires de la terre d’Orient (= hommage à l’empereur de Rome), um 1402/03 (Paris, Bibliothèque nationale de France, ms. Français 12201, folio 10v).

aktiv tanzende und musizierende Herrscher und Herrscherinnen bildwürdig und zu einem expliziten Thema der politischen Ikonographie. In der vorausgehenden Epoche war die Darstellung von Regent:innen im Zusammenhang beider Künste vor allem eine Visualisierung der gesellschaftlichen Hierarchie und der politischen Ordnung, die vom Herrscher ebenso dominiert wurden wie die für ihn aufgeführten musikalischen und tänzerischen Darbietungen. Auswahlbibliographie

Mickaël Bouffard: Du Theatrum Mundi au portrait d’apparat: l’aristocrate français dans ses cinq justes positions, in: Sabine Chaouche (Hg.): Le „théâtral“ de la France d’Ancien Régime: de la présentation de soi à la représentation scénique, Paris 2010, 81–105.

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Rudolf Braun/David Gugerli: Macht des Tanzes – Tanz der Mächtigen: Hoffeste und Herrschaftszeremoniell 1550–1914, München 1993. Martine Clouzot: Images de musiciens (1350–1500). Typologie, figurations et pratiques sociales, Turnhout 2007. Sarah R. Cohen: Art, dance, and the body in French culture of the Ancien Régime, Cambridge/New York 2000. Jean Duron (Hg.): Le prince et la musique. Les passions musicales de Louis XIV. Wavre 2009. Doris Fischer: Fürstliche Feste: höfische Festkultur zwischen Zeremoniell und Amüsement, Petersberg 2020. Vera Jung: Körperlust und Disziplin: Studien zur Fest- und Tanzkultur im 16. und 17. Jahrhundert, Köln 2001. Marie-Thérèse Mourey: Der Körper als Medium höfischer Kommunikation am Beispiel des Hofballets, in: Daphnis 42 (2013), 491–513. Walter Salmen: Tanz und Tanzen vom Mittelalter bis zur Renaissance, Hildesheim 1999.

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o. Musizieren und Tanzen

Anmerkungen Isaac de Benserade: Ballet royal de la nuit, Paris 1653, 44. 2  In der Forschung sind Zeitpunkt und Beweggründe für den Rückzug des Königs aus dem höfischen Ballett umstritten. In der Regel wird das 1669 aufgeführte Ballet de Flore als letzter Auftritt Ludwigs XIV. gehandelt, vgl. Rebecca Harris-Warrick: Louis XIV et la danse, in: Jean Duron (Hg.): Le prince et la musique. Les passions musicales de Louis XIV, Wavre 2009, 117–136, hier 119. Erwogen wurde jedoch auch dessen Beteiligung am 1670 gezeigten Les amants magnifiques, in dessen Livret der König als Interpret Neptuns genannt wird. Siehe Molière/Jean-Baptiste Lully: Intermèdes des amants magnifiques, Paris 1670, 5. 3  Vgl. dazu Marie-Thérèse Mourey: Der Körper als Medium höfischer Kommunikation am Beispiel des Hofballetts, in: Daphnis 42 (2013), 491–513. 4  Ebd., 492. 5  Vgl. Harris-Warrick 2009 (wie Anm. 2), 128. 6  Vgl. Vera Jung: Körperlust und Disziplin. Studien zur Fest- und Tanzkultur im 16. und 17. Jahrhundert, Köln 2001, 196 und 273. 7  Walter Salmen: Tanz und Tanzen vom Mittelalter bis zur Renaissance, Hildesheim 1999, 3. 8  Moritz Kelber: Die Musik bei den Augsburger Reichstagen im 16. Jahrhundert, München 2018, 122. 9  Walter Salmen: Musikleben im 16. Jahrhundert, Leipzig 1976, 36. 10  Der Weisskunig, hg. von Alwin Schultz, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 6 (1888), 82–84. 11 Reinhard Seyboth: Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I. Reichstag zu Frankfurt 1486 (= Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe 1), Göttingen 1989, 836. 12  Siehe dazu Kelber 2018 (wie Anm. 8), 124. 13  Vgl. dazu etwa Walter Salmen: Musik und Tanz bei Hochzeiten um 1500, in: ders. (Hg.): Musik und Tanz zur Zeit Kaiser Maximilians I., Innsbruck 1992, 21–35, hier 29 f. 14  Zu dem bislang kaum erforschten Gemälde und dem Bildtypus der Ballszene zur Zeit der Valois siehe einführend Lucienne Colliard: Tableaux représentant des bals à la cour des Valois, in: Gazette des beaux-arts 1130 (1963), 147–156, die 1  Vgl.

insbesondere die Identifikation der Dargestellten diskutiert. 15  Siehe dazu auch Jung 2001 (wie Anm. 6), 274. 16  Ebd., 275. 17 Mickaël Bouffard: Du Theatrum Mundi au portrait d’apparat: l’aristocrate français dans ses cinq justes positions, in: Sabine Chaouche (Hg.): Le „théâtral“ de la France d’Ancien Régime: de la présentation de soi à la représentation scénique, Paris 2010, 81–105, hier 95. 18 Zur Entwicklung der ballets de cour unter Ludwig XIV. siehe Marie-Françoise Christout: Le ballet de cour de Louis XIV. 1643–1672. Mises en scène, Paris 2005; Philippe Hourcade: Mascarades et ballets au Grand siècle (1643–1715), Paris 2002; Christian Quaeitzsch: „Une Société de Plaisirs“. Festkultur und Bühnenbilder am Hofe Ludwigs XIV. und ihr Publikum, Berlin 2010. 19  Vgl. Harris-Warrick 2009 (wie Anm. 2), 119–128. 20  Zur Arbeitsweise und Organisation der Menus Plaisirs du Roi siehe Jérôme de La Gorce/Pierre Jugie (Hg.): Dans l’atelier des Menus Plaisirs du Roi. Spectacles, fêtes et cérémonies aux XVII e et XVIII e siècles, Ausst.-Kat. Archives Nationales, Paris 2010; Jérôme de La Gorce: Féeries d’opéra. Décors, machines et costumes en France 1645–1765, Paris 1997. 21  Vgl. hierzu sowie zur folgenden Analyse des Porträts Ludwigs XIV. Mickaël Bouffard: Aristocratic Standing and the Five Positions of French Noble Dance in Portraiture, in: Artibus et Historiae 65 (2012), 167–202. 22  Vgl. Christiane Hille: Art. „Herrscherinsignien“, in: Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hg.): Handbuch der politischen Ikonographie, Bd. 1, München 2008, 491–498. Einen Überblick über den Forschungsstand bietet Sylvène Édouard: Le portrait du roi, de la tête aux pieds, in: Bulletin du Centre de recherche du château de Versailles (En ligne), Le promeneur de Versailles, mis en ligne le 03 avril 2018. UR L : http://journals.openedition.org/crcv/14785 (besucht am 02.03.2020). 23  Vgl. Bouffard 2010 (wie Anm. 17), 83–93. 24  Eine Einführung bietet Walter Salmen: Der Tanzmeister: Geschichte und Profile eines Berufes vom 14. bis zum 19. Jahrhundert, Hildesheim 1997. 25  Pierre Rameau: Le Maître à danser, Paris 1725, 2.

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Vgl. Salmen 1997 (wie Anm. 24), 35–54. bekannten Darstellungen der Flötenkonzerte am preußischen Hof Daniel Chodowieckis oder Adolph von Menzels, die den musizierenden Friedrich als volksnahen Bürgerkönig vor Augen führen, sind postum angefertigt worden und geben lediglich Aufschluss über die spätere Legendenbildung. 28  Vgl. die Bildbeschreibung von Juliette Trey: http://collections.chateauversailles.fr/#fd53ef139936-42b7-8f98-cc225fa32268 (besucht am 05.02. 2020). 29  Zu dem wenig kommentierten Bild GautierDagotys siehe Pierre Arizzoli-Clémentel/­X avier 27  Die

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Salmon (Hg.): Marie-Antoinette, Ausst.-Kat. Paris, Paris 2008, 264. Eine gattungs- und sozialgeschichtliche Kontextualisierung bietet Philippe Bordes: Portraiture in the mode of genre: a social interpretation, in: Studies in the History of Art 72 (2007), 257–273. 30  Vgl. Alain Mérot: La lyre et la harpe: deux visages du roi musicien, in: Duron 2009 (wie Anm. 2), 211–230. 31  Zur Identifikation der einzelnen Instrumente siehe Martine Clouzot: Images de musiciens (1350– 1500). Typologie, figurations et pratiques sociales, Turnhout 2007, 279.

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p. Mutter sein

Neben der Verfolgung politischer Interessen war es das Ziel jeder hocharistokratischen Hochzeit, den Fortbestand der folgenden Generation(en) zu sichern. Die Geburt von Nachkommen galt als Pflicht einer christlichen Monarchin und das bedeutete im Kontext frühneuzeitlicher Dynastien vorrangig die Sicherung des Mannesstammes. Adelige Frauen gewannen in der Aufgabe, die jeweilige Nachfolge zu sichern, genauso viel Bedeutung wie ihre männlichen Pendants, allerdings mit dem Unterschied, dass eine in der Schwangerschaft oder während der Geburt eines Kindes verstorbene Frau ohne große Hindernisse ersetzt werden konnte.1 Die Geburt männlicher Nachkommen sicherte die Stabilität des Herrscherhauses, während die Stellung der Frau als gefährdet gelten musste, wenn sie keine Söhne gebar oder die Kinder wiederholt einem frühen Tod erlagen. Louis de Serres geht in seinem 1625 in Lyon veröffentlichten Traktat Discours de la nature, cause, signes et curation des empeschements de la conception, et de la stérilité des femmes auf die Unfruchtbarkeit der Frau ein und ist der Ansicht, dass nichts den Ruhm eines Herrscherhauses mehr zerstört als die Unfähigkeit, seinesgleichen auf die Welt zu bringen und dass diejenigen, die zur Fortpflanzung unfähig sind, verachtet werden und als unvollständig und fehlerhaft gelten müssen.2 Die adeligen Ehefrauen standen unter enormem Erwartungsdruck, denn von ihrer Fruchtbarkeit und von der Geburt eines männlichen Erben hing der Fortbestand der herrschenden Dynastie unmittelbar ab. Mutter zu werden galt indirekt als Gnade Gottes. Das Ausbleiben eines Erben wurde demnach als eine Strafe Gottes betrachtet, die das Ansehen der Dynastie beträchtlich in Frage stellen konnte. Blieb die Nachkommenschaft aus, bedeutete das für das betroffene Land meist Krieg, Fremdherrschaft oder zumindest die Übernahme durch eine andere Dynastie. Der legitime Herrschaftsanspruch basierte in der frühen Neuzeit vorrangig auf der Erbfolge.3 Aristokratische Ehefrauen, die nicht schwanger wurden oder keinen männlichen Nachkommen zur Welt brachten, mussten mit der Angst leben, dass die Dynastie durch ihre mangelnde Gebärfähigkeit aussterben und sie deshalb aus naheliegenden Gründen durch eine in diesem Sinne ‚potenetere‘ Nachfolgerin ersetzt werden könnte, was vielfach geschah. Je mehr Kinder eine Frau zur Welt brachte, desto 277

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Abb. 1: Jacopo de Monte: Epitaphbild Erzherzog Karls II. von Innerösterreich, 1591/93 (Graz, Dom).

wertvoller war sie für das Herrscherhaus.4 Mutterschaft bedeutete die Garantie für den Fortbestand des Herrscherhauses. Demnach spielten bei der Auswahl der Heiratskandidatin nicht nur politisch-territoriale Erwägungen eine wesentliche Rolle, sondern auch die Frage der wahrscheinlichen Gebärfähigkeit, sodass man vielfach bemüht war, vorab über die Körperbeschaffenheit und das Funktionieren der Gebärorgane der potentiellen Gattin genaueste Erkundigungen einzuziehen.5 Die Stellung der Frau basierte also vor allem auf ihrer wichtigsten Pflicht als Fürstin, Kinder zu gebären und dadurch den Bestand des Herrscherhauses abzusichern. Ihre Bedeutung als Mutter und die politische Funktion ihrer Fruchtbarkeit visualisieren schon spätmittelalterliche Stifterbilder und Epitaphien, welche die Herrscherin und den Herrscher mit ihren Nachkommen abbilden. Über einen „gewissen Familiencharakter“6 verfügt das von Erzherzogin Maria von Innerösterreich (1551–1608) nach dem Tod ihres Gemahls Karl II . 1590 in Auftrag gegebene Epitaphbild im Chor des Grazer Doms (Abb. 1). Es zeigt den Erlöser am Kreuz, unter dem das erzherzogliche Paar mit seinen zahlreichen Nachkommen kniet. Das von Jacopo de Monte 1591 bis 1593 ausgeführte Gemälde zeigt die hochadelige Stifterin in Witwentracht rechts 278

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und ihr gegenüber den verstorbenen Gatten Erzherzog Karl, die sich beide kniend dem Schutze Gottes und der Heiligen anvertrauen. Hinter dem Erzherzog knien die sechs Söhne des Paares, hinter der Erzherzogin die neun Töchter. Die drei verstorbenen Kinder werden in weißer Kleidung gezeigt. Alle beten vor dem Kruzifix, an dessen Kreuzstamm die Büßerin Maria Magdalena zu sehen ist. Hinter jedem Mitglied der erzherzoglichen Familie wacht der bzw. die persönliche Schutzheilige. Über dem Kreuz sind, umgeben von Engelsgestalten, in Wolken Gottvater und der Heilige Geist sichtbar. Erzherzogin Maria war die Tochter des bayrischen Herzogspaares Albrecht V. und Anna, einer Tochter Kaiser Ferdinands I. Ihr Leben am Grazer Hof galt nicht nur der Repräsentation und dem Gebären von Kindern, sondern sie widmete sich auch politischen Funktionen und vor allem der Festigung des katholischen Glaubens im weitgehend protestantischen Innerösterreich.7 Das erzherzogliche Paar führte eine gute Ehe, wovon auch die stetig wachsende Zahl an Kindern zeugt. Für Maria, die insgesamt 15 Schwangerschaften überlebte, waren die glücklichen Geburten nicht nur Zeichen einer von Gott gesegneten Ehe, sondern die Erfüllung ihrer primären Pflicht als Landesfürstin. Im Jahr nach der Hochzeit am 15. Juli 1572 gebar Maria ihren ersten Sohn, der allerdings nur wenige Wochen alt wurde. Nach einigen Geburten von Mädchen kam erst 1578 der ersehnte männliche Nachkomme Ferdinand zur Welt. Quellen charakterisieren Erzherzogin Maria als liebende und fürsorgende Mutter, die vom Tod dreier ihrer Kinder tief getroffen war.8 Ihr politischer Einfluss endete mit dem plötzlichen Tod ihres Gatten im Juli 1590 nicht. Sie übernahm gemeinsam mit den Geheimen Räten die Regierungsgeschäfte, bis die von Karl testamentarisch bestimmten Vormunde des ältesten Sohnes Ferdinand sich über die Regentschaft geeinigt hatten. Während sich der zwölfjährige Ferdinand zum Studium in Ingolstadt aufhielt, war die Erzherzogin nun im Besitz der landesherrlichen Macht, bis Erzherzog Ernst nach langen Debatten Ende Dezember 1590 die Regentschaft über Innerösterreich übernahm. Die Beziehung zwischen der Erzherzogin und ihrem Erstgeborenen war eine besondere. Durch den frühen Verlust des Vaters blieb sie für den 1596 die Volljährigkeit erreichenden Landesfürsten und späteren Kaiser zentrale familiäre Bezugs- und Vertrauensperson und beriet und unterstützte ihn in heiklen politischen Fragen.9 Die Fruchtbarkeit einer Aristokratin stellte jedenfalls eine wesentliche politische Eigenschaft dar und wurde dementsprechend in verschiedensten medialen Darstellungen propagiert. So finden sich in der höfischen Porträtkunst immer wieder Symbole, die auf die Fruchtbarkeit der Dargestellten verweisen. Folgerichtig greift etwa die junge Erzherzogin und spätere Regentin Maria Theresia in einem berühmten Porträt von Andreas Möller, das um 1727 entstanden ist und sich heute im Kunsthistori279

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schen Museum in Wien befindet, nach Blumen, die als symbolische Anspielung auf ihre Fertilität und zukünftige Mutterschaft sowie den politischen Wert ihres Körpers zur potentiellen Absicherung der Erbfolge zu deuten sind.10 Auch das mit einem zentral angeordneten Granatapfelmuster versehene Brokatkleid der Eleonora von Toledo (1522–1562) im Doppelporträt mit ihrem Sohn Giovanni aus der Werkstatt des Agnolo Bronzino von 1545 betont die Fruchtbarkeit der sitzend und in Dreiviertelansicht gezeigten Gattin des Großherzogs Cosimo I. de’ Medici auf subtile Weise (Abb. 2). Das Bildnis zeigt die beiden Protagonisten vor einem blauen Hintergrund. Die Herzogin mit schönen und klaren Gesichtszügen wirkt in ihrer Haltung streng-konzentriert und zugleich ruhig und ausgewogen. Sie blickt dem Betrachter frontal entgegen, ihre rechte Hand legt sie liebevoll auf die rechte Schulter ihres Sohnes. Die Komposition vereint mütterliche und dynastische Aspekte. Die kostbaren Perlen, das goldene Haarnetz und das edle weiße Seidenkleid mit Samtarabesken und dem Granatapfelmuster aus Goldbrokat nehmen auf ihren Status als Herzogin Bezug. Das Kleid mit dem sprechenden Emblem wird dominant in Szene gesetzt und so zu einem wichtigen Bildmotiv. Der Granatapfel als traditionelles Symbol für die Fähigkeit, Nachkommen hervorzubringen, wird gleichsam durch die Anwesenheit ihres zweitgeborenen Sohnes verifiziert. Die solchermaßen inszenierte Fertilität garantierte die Sicherung und Fortführung der Medici-Dynastie. Eleonora wurde ihrer Mutterrolle mit insgesamt elf Kindern und der Geburt zweier künftiger Großherzöge der Toskana allemal gerecht. Das Bildnis visualisiert die wichtige Funktion der Gebärerin, der indirekt die Verantwortung für die Fortführung der Dynastie in Florenz oblag. Das Porträt nimmt aber nicht nur Bezug auf ihre Funktion zur Sicherung der Nachfolge, sondern postuliert auch ihren Herrschaftsanspruch an der Seite Cosimos. Eine wesentliche Voraussetzung für die Hochzeit von Cosimo und Eleonora war die spanische Herkunft der Braut und somit ihre Nähe zum Kaiserhaus. Durch diese Abstammung sollte die Herrschaft des neuen Medici-Zweiges unter Cosimo I. abgesichert werden. Die Nähe zum habsburgischen Kaiserhaus kommt ebenfalls durch das dominante Granatapfelmotiv zum Ausdruck: Der Granatapfel war die persönliche Imprese Kaiser Maximilians I. , der durch die Ausweitung des Herrschaftsbereiches durch seine geschickte Heiratspolitik das territoriale Fundament für die habsburgische Kaiserdynastie schuf. Durch die Wahl des Motivs auf ihrem Kleid wird also auf zwei wesentliche Faktoren hingewiesen, die für die Stabilität der Herrschaft von Bedeutung sind – einerseits auf Eleonoras Fruchtbarkeit, die den Bestand der Dynastie sichert, andererseits auf ihre dynastische Nähe zum Kaiserhaus.11 Derartige offizielle höfische Porträts der frühen Neuzeit, die die Herrscherin mit ihren Nachkommen präsentieren, inszenieren Mutterschaft als eine wesentliche Stütze und sogar conditio sine qua non politischer Macht. 280

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Abb. 2: Agnolo Bronzino (Werkstatt): Eleonora von Toledo mit ihrem Sohn Giovanni, 1545, Öl auf Leinwand (Florenz, Uffizien).

Eine tragende Rolle erfüllten auch jene Frauen, die für ihre minderjährigen Söhne als Regentinnen in Erscheinung traten und dieser Rolle die Zeit bis zur Mündigkeit des legitimen Herrschers ‚überbrückten‘. Meist waren sie weniger frei in ihren Entscheidungen als ihre männlichen Pendants und bekamen dementsprechend Regentschaftsräte oder Berater zur Seite gestellt.12 Wenn der Sohn die Regierungsfähigkeit erlangt hatte, war ihre eigene Regentschaft faktisch beendet. Die Machtübergabe an den Sohn konnte schrittweise und harmonisch, aber auch abrupt und sogar gewaltsam geschehen.13 Zwei der bekanntesten Königinnen, die Frankreich für ihre noch minderjährigen Söhne regierten, stammten aus der Dynastie der Medici  – nämlich Caterina und Maria de’ Medici. Ihre Regentschaft wurde und wird sehr kritisch gesehen. Der Charakter beider Herrscherinnen wird als von Machtwillen geprägt, intrigant und von mangelnder Problemlösungskompetenz beschrieben.14 Beiden ist gemeinsam, dass sie die Darstellung ihrer Mutterschaft für ihre Bildpolitik gezielt einsetzten und dadurch ihren Herrschaftsanspruch zu fundieren suchten. 281

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Abb. 3: François Clouet (Werkstatt): Caterina de’ Medici mit ihren Kindern Hercule-Franz, Karl, Marguerite und Heinrich, um 1561, Öl auf Leinwand (Aufbewahrungsort unbekannt).

Durch die Heirat Caterinas de’ Medici (1519–1589) mit Heinrich II . im Jahr 1533 wurde sie nach dem Tod Franz’ I. 1547 Königin von Frankreich. Die Ehe blieb sehr lange kinderlos, weshalb bereits erwogen wurde, sie zu annullieren. Nach einigen medizinischen Prozeduren kam 1544 der ersehnte Thronfolger zur Welt, dem noch neun weitere Geschwister folgten. Somit war die Stellung Catarinas bei Hofe gesichert. Drei von ihren Söhnen waren dazu bestimmt, später als Franz II ., Karl IX . und Heinrich III . über Frankreich zu herrschen. Durch die kriegsbedingte Abwesenheit Heinrichs II . übernahm Caterina schon im Jahr 1552 die Aufgaben einer Regentin. Als Heinrich II . 1559 infolge einer Turnierverletzung und kurz darauf der Thronfolger Franz II . nach nur eineinhalbjähriger Regierungszeit starben, übernahm sie als 282

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Königinmutter erneut die Regentschaft Frankreichs für ihren minderjährigen Sohn Karl IX . (1560 bis 1563). Nach dessen Tod 1574 regierte sie schließlich für den neuen Thronfolger Heinrich III . und blieb bis zu ihrem Ableben 1589 eine engagierte und politisch einflussreiche Königinmutter.15 Caterina hatte dabei jedoch immer wieder mit außerordentlichen politischen und religiösen Widerständen zu kämpfen. Offiziell trug die Königinmutter nur den Titel Gouvernante de France. Da sie allerdings alle Regierungsaufgaben des minderjährigen Königs übernahm, galt es, ein Bild von ihr zu entwerfen, das ihre stets fragile Autorität stützte. Ein Aspekt ihrer politischen Überlebensstrategie war die Inszenierung als fürsorgliche Mutter von Thronfolger und Staat. So wurde sie etwa auf Triumphbögen als Kybele oder als Juno, die ranghöchste Göttin und Gattin des Göttervaters Jupiter, gezeigt.16 Als treusorgende Mutter wird sie etwa in einem um 1561 entstandenen Gemälde aus der Werkstatt von François Clouet dargestellt (Abb. 3). Es zeigt Caterina in Witwentracht mit ihren vier Kindern Hercule-Franz, Karl, Marguerite und Heinrich. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der linken Bildhälfte, die die Königinmutter mit dem noch minderjährigen Thronfolger Karl einnimmt. Beide sind Mutter und Sohn und zugleich Regentin und König in spe, die zusammen die legitime Herrschaft repräsentieren. Ihre linke Hand legt Catarina schützend auf die linke Schulter ihres Sohnes, ihre rechte fasst zärtlich seine rechte Hand. Durch diese Gesten wird dem Betrachter zugleich eine fürsorgliche Mutter und eine verlässliche Herrscherin vorgeführt, eine Frau, die den noch minderjährigen König durch ihre Vormundschaft stützt und als Regentin den Staat repräsentiert. Dabei legitimiert ihre Mutterrolle ihre Funktion als Regentin und erscheint die Königinmutter als Garantin für den Fortbestand und das Glück des Staates als Ganzem. Auch Maria de’ Medici (1575–1642) beanspruchte nach dem Tod ihres Gatten Heinrich IV . die Vormundschaft für ihren Sohn Ludwig XIII . Sie hatte im Jahr 1600 den französischen König geehelicht, dessen erste Ehe mit Margarete von Valois infolge ihrer Kinderlosigkeit aufgelöst worden war. Anders als Caterina gebar Maria jedoch bereits ein Jahr nach der Hochzeit den Thronfolger Ludwig.17 Als Heinrich IV . im Mai 1610 einem Attentat zum Opfer fiel, hatte Maria sechs Kinder geboren. Ihre Mutterschaft lässt sich nach heutiger Auffassung als besonders lieblos beschreiben. Sie galt ihren Kindern gegenüber als distanziert und baute nur zu ihrem Sohn Gaston eine herzliche Verbindung auf. Nach dem Tod Heinrichs gelang es ihr nicht ohne Mühe, sich die Regentschaft an der Stelle ihres noch minderjährigen Sohnes zu sichern. In der Folge betrieb Maria eine wohldurchdachte Bündnispolitik, indem sie ihre drei Töchter an die wichtigsten Königshäuser ihrer Zeit verheiratete.18 Zugleich untermauerte sie ihren fragilen Status als legitime Regentin und treusorgende Mutter von König und Staat, wie zuvor bereits Caterina, auch und vor allem bild283

Dagmar Probst

Abb. 4: Nicolas de Mathonière nach François Quesnel: La Reine entretient et instruit le roi des affaires de l’Etat, 1610, Kupfterstich (Paris, Bibliothèque nationale de France).

politisch. Dabei kamen auch druckgraphische Blätter wiederholt und ‚massenwirksam‘ zum Einsatz. Ein solches Beispiel ist der Kupferstich von Nicolas de Mathonière nach einem Gemälde von François Quesnel (Abb. 4). Das Blatt zeigt die thronende Maria mit Krone und Hermelinmantel, zu ihrer Rechten der neunjährige Dauphin, beide von einem Baldachin überfangen. Sie legt ihre rechte Hand schützend auf Ludwigs Schulter, der im Krönungsmantel und mit der Kollane des Ordre du SaintEsprit gezeigt wird. Marias Rolle als Beschützerin des Königs, die ihre Regentschaft legitimieren soll, wird wiederum durch diese mütterliche Geste, die vom Bildnis der Eleonora von Toledo und von Catarina de’ Medici bereits bekannt ist, inszeniert. Der ebenfalls bekrönte Ludwig ergreift mit seiner rechten Hand das Lilienzepter, das mit einer weiteren Krone und der Main de Justice auf einem Podest zu seiner Rechten platziert ist.19 Der Stich führt ein Regentschaftskonzept vor Augen, demzufolge Mutter und Sohn zusammen die legitime Herrschaft repräsentieren und betont dabei 284

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kompositorisch geschickt die Bedeutung der Regentin in procuratione. Neben Caterina und Maria de’ Medici ließ auch Marias Schwiegertochter, Anna von Österreich (1601–1666), die 1643 die Regentschaft für ihren damals vierjährigen Sohn Ludwig XIV . übernahm, ihre Rolle als Mutter vielfältig visualisieren und die ‚staatstragende‘ Beziehung von Mutter und Kind in den Vordergrund stellen.20 Auch die Habsburgerin Maria Theresia (1717–1780) suchte ihre Herrschaft bildpolitisch vor allem dadurch zu legitimieren, dass sie Herrschaft und Mutterschaft miteinander verschränkte, indem sie bemüht war, „ihren mütterlichen Körper politisch in Szene zu setzen“.21 Aufgrund des Fehlens eines männlichen Erben übernahm sie nach dem Tod ihres Vaters Karl VI . im Jahr 1740 den Thron. Sie war fortan Regentin, der Titel „Kaiserin“ wurde ihr offiziell nie verliehen. Die Kaiserwürde kam ihrem Gemahl Franz Stephan von Lothringen zu. Der Beginn ihrer Herrschaft war von großen Unsicherheiten geprägt, Maria Theresia befand sich nach dem Tod ihres Vaters in einer politisch höchst prekären Lage. Einerseits war die „Pragmatische Sanktion“ von 1713, die ihr erst die faktische Thronfolge ermöglichte, in Europa höchst umstritten, zum anderen marschierte Friedrich II . von Preußen 1740 in Schlesien ein.22 Ihr eigener Herrschaftsanspruch ebenso wie die dynastische Kontinuität wurden durch das Aussterben des habsburgischen Mannesstammes fundamental in Frage gestellt.23 Auf diese existenzbedrohende Situation musste Maria Theresia auch bildpolitisch reagieren. Eine Strategie war wiederum, die Fertilität der Regentin und damit eine zutiefst weibliche Möglichkeit von Herrschaftssicherung und Kontinuitätsbildung zu inszenieren. Zugleich konnte sich eine Situation wie im Jahre 1740 nicht wiederholen, wenn durch reiche Nachkommenschaft der Bestand der Dynastie fortan wieder gesichert war.24 Die Visualisierung Maria Theresias als Mutter und ihres tatsächlich stupenden Kinderreichtums – sie gebar 16 Kinder – waren denn auch ein bevorzugtes Sujet der theresianischen Repräsentation. Um den Bruch in der männlichen Nachfolge zu kaschieren, war es für Maria Theresia äußerst wichtig, rasch einen männlichen Thronfolger zu gebären. Im Jahr 1737 brachte sie ihr erstes Kind, Maria Elisabeth, zur Welt und bewies dadurch ihre Fruchtbarkeit. Wichtiger allerdings war es, wie ihr Vater Karl VI . es ausdrückte, das „Hauß mit einem jungen Ertz-Herzog beselligt zu sehen“.25 Auch die nächsten beiden Kinder waren allerdings Töchter, was ihren Gatten Franz Stephan, der offenbar nur Mädchen zeugen konnte, in eine kritische Lage brachte. Im Jahr 1741 wurde dann endlich der ersehnte Thronfolger Joseph geboren, der zugleich die Regentschaft Maria Theresias rückwirkend legitimierte. Maria Theresia setzte bereits den Säugling politisch gezielt ein, so etwa bei Verhandlungen, um die Anwesenden milde zu stimmen oder auch mithilfe seines Bild285

Dagmar Probst

Abb. 5: Johann Martin Schmidt: Maria Theresia mit Erzherzog Joseph als Kind, 1745, Öl auf Leinwand (Seitenstetten, Stift).

nisses, um die Soldaten zu motivieren. Der politische Einsatz des männlichen Erben für Herrschaftszwecke zeigt sich auch in repräsentativen Doppelporträts von Maria Theresia und Erzherzog Joseph als Kind.26 Wurde Maria Theresia mit nur einem ihrer Kinder dargestellt, war dies fast ausnahmslos und folgerichtig der Thronerbe Joseph.27 Mit diesem sollte Maria Theresia nach dem Tod ihres kaiserlichen Gemahls Franz Stephan im Jahr 1765 noch weitere 15 Jahre gemeinsam regieren und bis zu ihrem Tod sowohl Landesfürstin wie auch Trägerin aller habsburgischen Kronen – mit Ausnahme der kaiserlichen – bleiben. In den Porträts mit dem kindlichen Thronfolger erscheint sie als Gründerin einer neuen Dynastie und als Mutter des zukünftigen Kaisers, durch den der Fortbestand der Familie im Mannesstamm wieder gesichert war. Ein Gemälde im Stift Seitenstetten von 1745, das von Johann Martin Schmidt gefertigt wurde, zeigt die Monarchin mit dem kleinen Joseph, der die ungarische Husarenuniform und die Kollane des Ordens vom Goldenen Vlies trägt; zu seiner Rechten die ungarische Stephanskrone (Abb. 5). Maria Theresia, die in der rechten 286

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Bildhälfte thront, hält in ihrer linken Hand ein Zepter und mit der rechten eine Hand ihres Sohnes, dessen andere den Reichsapfel umfasst. Neben einigen weiteren Insignien habsburgischer Macht findet sich auch die oktogonale Reichskrone auf einem gepolsterten Tischchen im Vordergrund, die sich auf Einzeldarstellungen Maria Theresias niemals findet, weil sie nur ihrem Gemahl zukam, deren Anwesenheit allerdings durch den Thronfolger und späteren Kaiser legitimiert ist. Auch dieses Gemälde präsentiert Maria Theresia gezielt sowohl als Herrscherin wie auch als Mutter und betont zugleich ihre dynastischen Ansprüche. Die ungarische Uniform, die der kleine Prinz trägt, und die Stephanskrone an seiner Seite visualisieren überdies die enge Beziehung, die Maria Theresia zu Ungarn pflegte. Mit der Mutterrolle Maria Theresias, die zugleich Metapher für die von ihr ausgeübte Herrschaft ist, wird außerdem die Kontinuität der Reichswürde zwischen Habsburgern und Habsburg-Lothringern bildpolitisch demonstriert und ihre Rolle als starke Landesmutter und das Bild der guten Herrschaft assoziiert.28 Unter Maria Theresia erlebte folgerichtig auch das Familienporträt eine bis dahin ungekannte Konjunktur. Zwar gab es auch zuvor Gemälde, welche die adelige Familie präsentierten (so etwa Stifterbilder), allerdings verfolgten die Familienporträts unter Maria Theresia einen anderen Zweck. Ein sehr frühes Beispiel solcher Familienporträts bei den Habsburgern ist Bernhard Strigels Gemälde Maximilian I. mit seiner Familie von 1520, das vor allem dynastische Aspekte inszeniert (siehe Abb. 3a im Beitrag „Vater sein“ von Andreas Plackinger). In dem 1553 wahrscheinlich von Giuseppe Arcimboldo geschaffenen Familienbildnis Maximilian II . und seine Frau Maria von Spanien mit den drei ältesten Kindern liegt dann der Fokus auf der Präsentation Maximilians als Thronfolger, wobei die Interaktion zwischen den Dargestellten und Gesten der Emotionalität auffallen. Nach der Tradition altertümlicher Stifterbilder ließ im ausgehenden 16. Jahrhundert Maria von Bayern das bereits bekannte Epitaphbild im Grazer Dom anfertigen (Abb. 1). Die Grundlage der gemeinsamen Regentschaft von Maria Theresia und Franz Stephan bildete das glückliche und herzliche Familienleben des Kaiserpaares, das nahezu bürgerlich anmutete und für einen Hof des 18. Jahrhunderts unüblich war. Maria Theresia, deren Maxime war, dass man nie genug Kinder haben könne,29 liebte ihre Nachkommen zwar innig, tat aber zugleich alles, um zu verhindern, dass sich ihre Kinder gegen ihr ebenso strenges Regime auflehnten.30 Der ausgreifende bildpolitische Einsatz des Familienporträts, der nicht nur die zahlreiche Kinderschar des Herrscherpaares und damit die Kontinuität der Dynastie dokumentiert, sondern auch stark topisch gefärbte weibliche Eigenschaften Maria Theresias – die Liebe zu ihrem Gatten und ihren Kindern – in den Vordergrund rückt, erscheint vor diesem Hintergrund nur konsequent und war dennoch 287

Dagmar Probst

Abb. 6: Martin van Meytens: Maria Theresia im Kreise ihrer Familie, 1754, Öl auf Leinwand (Wien, Schloss Schönbrunn).

ein Novum in der fürstlichen Repräsentation des Absolutismus.31 Bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts sind vermehrt Aufträge für Familienporträts am Wiener Hof nachweisbar. Bekannt sind vor allem jene Porträts der kaiserlichen Familie, die der Hofmaler Martin van Meytens und seine Werkstatt gefertigt haben. Das wohl bekannteste ist das Gemälde Die kaiserliche Familie mit neun Kindern (Abb. 6) in der Innsbrucker Hofburg, das nach 1751 entstanden ist. Eine weitere Version, die allerdings zwei Kinder mehr darstellt und nach 1754 entstanden ist, befindet sich im Schloss Schönbrunn. Das Innsbrucker Gemälde zeigt die Familie auf einer Terrasse, im Hintergrund sind der Ehrenhof von Schloss Schönbrunn und der Wienerwald zu sehen. Mit Ausnahme von Erzherzog Karl stehen alle Kinder zwischen dem thronenden Elternpaar. Maria Theresia verweist mit der rechten Hand auf sich, mit der linken auf die im Vordergrund befindlichen Hündchen, die die eheliche Treue symbolisieren. Franz Stephan und die Söhne Joseph und Karl zeigen auf die Regentin, Ehefrau und Mutter, die von allen ihren Söhnen umgeben ist. Sie bildet das Machtzentrum und verkörpert das Erbe. Der Thronfolger Joseph steht zu ihrer rechten Seite zentral 288

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über dem Stern des marmorierten Fußbodens. Neben ihrem Thron finden sich ihre Insignien, nur die Kaiserkrone ist Franz Stephan zugeordnet. Das Familienporträt in Innsbruck visualisiert einerseits die gleichsam ‚überabgesicherte‘ Nachfolge, andererseits die Mutterschaft als legitime Form weiblicher Autorität. Maria Theresia wird als Garantin der Erbfolge und als eigentliches Haupt der Familie in Szene gesetzt, worauf auch ihr Gatte und ihre Söhne bedeutungsvoll verweisen.32 Das Gemälde transportiert – trotz des scheinbar privaten Rahmens – vor allem politische Inhalte, innerhalb deren die Mutterschaft zu einer wirkmächtigen Chiffre legitimer weiblicher Herrschaft wird. Ein unabhängiger Umgang miteinander ist den Dargestellten noch verwehrt, das Familienbildnis noch stark den Anforderungen und Bedingungen herrschaftlicher Repräsentation unterworfen.33 Erst im Zuge einer teilweisen ‚Verbürgerlichung‘ der Herrscherhäuser im 19. Jahrhundert wird sich dies ändern. Schon unter Maria Theresias Tochter MarieAntoinette wandeln sich die Bildnisse der Königin mit ihren Kindern vom streng Höfisch-Repräsentativen hin zur Inszenierung eines betont emotionalen Verhältnisses zwischen der Mutter und ihren Kindern, das durch die Kommunikation der Dargestellten untereinander, durch die Körpersprache und Gestik unterstrichen wird. Auswahlbibliographie

Ilsebill Barta: Familienporträts der Habsburger. Dynastische Repräsentation im Zeitalter der Aufklärung, Wien/Köln/Weimar 2001. Barbara Gaehtgens: Art. „Regentin“, in: Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hg.): Politische Ikonographie. Ein Handbuch, Bd. 2, München 2011. Regina Schulte/Pernille Arenfeldt/Martin Kohlrausch/Xenia von Tippelskirch (Hg.): Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt, Frankfurt a. M./New York 2002. Christina Strunck (Hg.): Die Frauen des Hauses Medici. Politik, Mäzenatentum, Rollenbilder (1512–1743), Petersberg 2011. Štěpán Vácha: Der Herrscher auf dem Sakralbild zur Zeit der Gegenreformation und des Barock, Prag 2009. Aneta Zahradnik (Hg.): Höfische Porträtkultur. Die Bildnissammlung der österreichischen Erzherzogin Maria Anna (1738–1789), Berlin/Boston 2016.

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Anmerkungen 1  Vgl. dazu Matthias Schnettger: Bräute, Mütter, Töchter: Eine weibliche Dynastiegeschichte der Medici, in: Christina Strunck (Hg.): Die Frauen des Hauses Medici. Politik, Mäzenatentum, Rollenbilder (1512–1743), Petersberg 2011, 17. 2  Vgl. Jean Delumeau, Daniel Roche (Hg.): Histoires des pères et de la paternité, Paris 1990, 74. 3  Vgl. Ilsebill Barta: Familienporträts der Habsburger. Dynastische Repräsentation im Zeitalter der Aufklärung, Wien/Köln/Weimar 2001, 62. 4  Vgl. Sabine Weiss: Die Österreicherin. Die Rolle der Frau in 1000 Jahren Geschichte, Graz Wien Köln 1996, 46 f. 5  Vgl. Barta 2001 (wie Anm. 3), 62. 6  Štěpán Vácha: Der Herrscher auf dem Sakralbild zur Zeit der Gegenreformation und des Barock, Prag 2009, 58. 7  Vgl. Katrin Keller: Erzherzogin Maria von Innerösterreich (1551–1608). Zwischen Habsburg und Wittelsbach, Wien/Köln/Weimar 2012, 65. 8  Ebd., 42–49. 9  Ebd., 113–128. 10  Vgl. Stefanie Kitzberger: Maria Anna als junges Mädchen, in: Eva Kernbauer/Aneta Zahradnik (Hg.): Höfische Porträtkultur. Die Bildnissammlung der österreichischen Erzherzogin Maria Anna (1738–1789), Berlin/Boston 2016, 101. 11  Siehe dazu Jutta Götzmann: Eleonora von Toledo (1522–1562). Die ‚starke Frau‘ an der Seite des ersten Medici-Großherzogs Cosimo I., in: Strunck 2011 (wie Anm. 1), 41–45. 12  Vgl. Schnettger 2011 (wie Anm. 1), 20. 13  Siehe etwa Anka Muhlstein: Königinnen auf Zeit. Katharina von Medici, Maria von Medici, Anna von Österreich, übers. aus d. Franz. v. Ulrich Kurzmann, Frankfurt a. M./Leipzig 2003, 11. 14  Vgl. Schnettger 2011 (wie Anm. 1), 20. 15  Vgl. etwa Sheila Ffolliott: Cararina de’ Medici (1519–1589). Königin aus Zufall, in: Strunck 2011 (wie Anm. 1), 33. 16  Siehe Barbara Gaehtgens: Art. „Regentin“, in: Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hg.): Handbuch der politischen Ikonographie, Bd. 2, München 2011, 296.

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17 

Anka Muhlstein: Königinnen auf Zeit, a. a. O., S. 122. 18  Elisabeth Oy-Marra: Maria de’ Medici (1575– 1642), Regentin von Frankreich. Oder: Von der Kunst der Repräsentation, in: Strunck 2011 (wie Anm. 1), 95. 19  Ebd., 97 f. 20  Gaehtgens 2011 (wie Anm. 16), 293–298. 21  Vgl. Regina Schulte: Der Körper der Königin – konzeptuelle Annäherungen, in: Regina Schulte/ Pernille Arenfeldt/Martin Kohlrausch/Xenia von Tippelskirch (Hg.): Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt, Frankfurt a. M./New York 2002, 20. 22  Vgl. dazu etwa Werner Telesko: Herrschaftssicherung mittels visueller Repräsentation. Zur Porträtkultur Maria Theresias, in: Aneta Zahradnik (Hg.): Höfische Porträtkultur. Die Bildnissammlung der österreichischen Erzherzogin Maria Anna (1738–1789), Berlin/Boston 2016, 41. 23  Vgl. Barta 2001 (wie Anm. 3), 7. 24  Telesko 2016 (wie Anm. 22), 41–44. 25  Zit. nach Barta 2001 (wie Anm. 3), 68. 26  Ebd., 68–73. 27  Anne-Sophie Banakas: Frau und „Herrscher“: Maria Theresia und ihre Porträts (1740–1780), https://www.univie.ac.at/fernetzt/frau-und-herr scher-maria-theresia-und-ihre-portraets-17401780/ [16.08.2019]. 28 Ebd. 29  Vgl. Egon Caesar Conti: Maria Theresia. Ein Lebensbild in Anekdoten, Graz/Wien/Köln 1980, 39. 30  Siehe dazu Theresia Hauenfels: Visualisierung von Herrschaftsanspruch. Die Habsburg und Habsburg-Lothringer in Bildern, masch. phil. Diss., Wien 2004, 251, sowie Adam Wandruszka: Maria Theresia, in: Walter Koschatzky (Hg.): Maria Theresia und ihre Zeit, Ausst.-Kat. Schloss Schönbrunn, Wien 1980, 6. 31  Hauenfels 2004 (wie Anm. 30), 252. 32  Banakas (wie Anm. 27). 33  Barta 2001 (wie Anm. 3), 89.

Andreas Plackinger

q. Vater sein

In der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 1791 verließen Ludwig XVI . und seine Familie in aller Heimlichkeit den im Herzen des revolutionären Paris gelegenen Tuilerienpalast – der Fluchtversuch des französischen Königs fand etwa 24 Stunden später im lothringischen Dorf Varennes ein jähes Ende. In der Hauptstadt hatte der Monarch eine Deklaration zurückgelassen, in der er seine Untertanen zur Gefolgschaft aufforderte: „Franzosen und vor allem ihr, Pariser, […] kehrt zurück zu Eurem König, er wird immer Euer Vater sein […]“.1 Mit der erfolglosen Beanspruchung der Vaterrolle griff Ludwig XVI . auf eine uralte Formel der Konzeptualisierung von Herrschaft zurück. Bereits im Alten Testament wurde das Verhältnis Jahwes, des einen Gottes, zum Volk  Israel als Vater-Kind-Beziehung gedeutet.2 Aristoteles umschrieb in seiner Nikomachischen Ethik die Staatsform der Monarchie als eine hierarchisch gegliederte „Gemeinschaft des Vaters mit den Söhnen […], eine väterliche Herrschaft“.3 Vor einem solchen Hintergrund musste die Trias von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit geradezu als „Ausdruck einer Zerstörung des Vaterprinzips“ anmuten: „Die Freiheit entbindet von der Bevormundung durch den Vater […].“4 Die Enthauptung Ludwigs XVI . wäre demnach auch ein Vatermord. Allerdings hatte die Dekonstruktion der Vaterrolle des Monarchen und damit auch seiner Autorität bereits deutlich früher eingesetzt, als seine über sieben Jahre andauernde Kinderlosigkeit in der Ehe mit Marie-Antoinette Gegenstand hämischer Kommentare geworden war.5 Wenn in einer Karikatur von Charles-Germain de Saint-Aubin die junge Königin mit einem Holzklotz im ehelichen Bett liegt – „Sie glaubte einen Mann/Menschen (homme) geheiratet zu haben, und doch war es nur ein Holzscheit“6 –, wird dem scheinbar zeugungsunfähigen Fürsten Männlichkeit und Menschlichkeit gleichermaßen abgesprochen (Abb. 1). Bereits 1625 hatte Louis de Serres in seinem Traktat über weibliche Unfruchtbarkeit konstatiert, dass nichts den „Ruhm mehr zerstört als die Unfähigkeit seinesgleichen zu produzieren“ und „dass diejenigen, die zur Fortpflanzung unfähig sind, verachtet werden müssen, zu keinem Amt gelangen können […] und schließlich für Monstren, für unvollständig und fehlerhaft gehalten werden“. 7 Genetisch-biologische Vaterschaft, moralisch-emotionale Befähigung zu Väterlichkeit und sozial bzw. rechtlich fundierte väterliche Autorität überlagerten sich im Europa 291

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Abb. 1: Charles-Germain de Saint-Aubin: Ludwig XVI. als Holzscheit in ehelicher Umarmung, aus: Livre de caricatures tant bonnes que mauvaises, nach 1770/vor 1778, Gouache (Waddesdon Manor, Rothschild Collection).

der Frühen Neuzeit bis zur Ununterscheidbarkeit. Mittels Verweis auf das Vatersein ließen sich vollwertige Männlichkeit, Gestaltungskraft, Kontinuitätsverheißung, Verantwortung, affektive Bindung sowie Zugehörigkeitsangebote inszenieren und damit ein vermeintlich naturgegebener Vorrang und Führungsansprüche begründen. Je nachdem, welche der genannten Aspekte im Fokus standen, konnte die Modellierung von Körperbildern des Herrschers als Vater bzw. die körperliche Interaktion des Herrschers mit anderen Akteuren unterschiedliche Akzentuierungen erfahren. Das der Idee der Vaterschaft eingeschriebene Prinzip physisch basierter Fortdauer über Generationen hinweg wird besonders anschaulich an einem auf Pergament gemalten, zwischen 1486–1494 entstandenen Stammbaum im Bayerischen Nationalmuseum in München (Abb. 2).8 Über eine Höhe von über 2 Meter entwickelt 292

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Abb. 2: HabsburgerStammbaum (Ausschnitt), vor 1494, Malerei auf ­Pergament (München, Bayerisches National­ museum).

sich die Ahnenfolge von Rudolf I. von Habsburg bis zu Kaiser Maximilian I. und seinen Kindern von unten nach oben. Damit ergibt sich ein eklatanter Gegensatz zu einer von oben nach unten organisierten Stammtafel, die nobilitierende Vorfahrenschaft ins Bild setzt, also auf Rückschau ausgerichtet ist: Der Münchner HabsburgerStammbaum entfaltet eine Baum- oder zumindest Pflanzenstruktur. Das potentielle ‚In den Himmel-Wachsen‘, also das prospektive Moment künftiger weiterer Nachkommenschaft ist hier inhaltlicher Kern.9 Bei dem Pergament in München handelt es sich um ein frühes Beispiel eines figuralen Stammbaums einer regierenden Dynastie – ein Schema, das auf die ikonographische Tradition der Wurzel Jesse rekurriert. Einzelne Familienmitglieder sind nicht mehr nur durch Namenszüge oder Wappen vertreten, sondern – wenn auch stark stilisiert – in menschlicher Gestalt wiedergege293

Andreas Plackinger

ben. Die in Halbfigur gezeigten Personen wachsen aus Blütenkelchen hervor, wobei angeheiratete Partner (auch jene aus zweiter Ehe) in die Kelche mit aufgenommen werden. Abstammung wird durch Pflanzenstängel veranschaulicht, die sich ausschließlich von männlichen Figuren fortentwickeln. Das Prinzip der Patrilinearität wird durch ein weiteres Element verdeutlicht: Männliche Nachkommen wachsen aus Ranken hervor, die direkt aus der Brust ihres Vaters sprießen. Weibliche Nachkommen, mit denen eine Mannesfolge zwangsläufig abbricht, blühen aus abgeschnittenen Stängeln, die von den Vätern in Händen gehalten werden. Der väterliche Leib wird so zum physischen Urgrund für die Körper der Söhne. Die Idee der Fortpflanzung ist im vegetabilen Motiv unmissverständlich. Vaterschaft erscheint somit als dezidiert leibliche Angelegenheit, indem der Sohn als im wahrsten Sinne des Wortes Sprössling letztlich Bestandteil der Physis seines Vaters bleibt. Gebrauchsspuren an den insgesamt fünf auf Pergament und Leinwand erhaltenen figürlichen HabsburgerStammbäumen der Zeit um 1500 weisen darauf hin, dass diese Verbildlichungen von Vaterschaft keinesfalls in Form fester Wanddekoration rezipiert, sondern gerollt aufbewahrt und wohl anlassbezogen betrachtet wurden. Der spektakuläre habsburgische Porträtstammbaum auf Schloss Tratzberg in Tirol (um 1507/08), der sich über vier Wände eines Saales erstreckt, ist als monumentaler Nachkomme von Schöpfungen wie dem Porträtstammbaum im Bayerischen Nationalmuseum ein Solitär.10 Die Entstehung elaborierter und raffinierter Vater-Sohn-Folgen im Umfeld Kaiser Maximilians I. entspricht den auf die Demonstration historischer Kontinuität abzielenden genealogischen Interessen des Habsburger Kaisers, für den der Freiburger Humanist und Historiograph Jakob Mennel ‚Ahnenforschung‘ betrieb und die Ursprünge der Dynastie sogar im homerischen Troja verortete. Dass in der habsburgisch-maximilianischen Bildwelt Vaterschaft auch jenseits diachronisch angelegter Stammbäume sinnfällig visualisiert wurde, belegt das berühmteste Gemälde Bernhard Strigels (Abb. 3a). Das inschriftlich auf 1520 datierte halbfigurige Gruppenporträt zeigt den Kaiser mit seiner bereits verstorbenen Gattin Maria von Burgund, ihrem gemeinsamen Sohn, Philipp dem Schönen, den Enkeln und späteren Kaisern Ferdinand I. und Karl V. sowie dem Kindkönig Ludwig (Lajos) II . von Böhmen und Ungarn, der von Maximilian I. 1515 adoptiert wurde.11 Die einzelnen Personen werden auf der Rückseite des einstigen Pendants identifiziert, auf dem das formal direkt vergleichbare Gruppenbildnis des Humanisten Cuspinian mit Gattin und Söhnen zu finden ist (Abb. 3b) – die ihrerseits umseitig einzeln namentlich erwähnt werden. Das 1919 abgetrennte Verso des Familienporträts von Kaiser Maximilian wiederum präsentiert die Heilige Familie mit Anna und Joachim sowie die Familie von Annas Schwester Esmerias einschließlich Elisabeths und Johannes des Täufers. Sie sind durch Inschriften benannt und Inschriften in exakt der gleichen 294

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Abb. 3a und 3b: Bernhard Strigel: Die Familie Kaiser Maximilians I. (links) und Die Familie Cuspinians (ehemals als Diptychon zusammengehörig), 1520, Öl auf Holz (Wien, Kunsthistorisches Museum und Memmingen, Strigel-Museum).

Schriftart umgeben sowohl die Porträts Maximilians und der Seinen als auch die Bildnisse der Cuspinian-Familie, wobei der Kaiser als „Cleophas, leiblicher Bruder Josephs, des Gatten der göttlichen Junfgrau Maria“, Maria von Burgund als Maria Cleophas und alle anderen als die Söhne von Cleophas und Maria Cleophas benannt werden – auf dem Gegenstück werden Cuspinian als Zebedäus, seine Gattin als Maria Salome und die Söhne als die Jünger Jakobus d. Ä. und Johannes bezeichnet. Die Familie des Kaisers und des Humanisten bilden also zusammen mit der Darstellung auf dem Verso der Maximilians-Tafel durch die Namensbeischriften eine vollständige Heilige Sippe, wobei die Diskrepanz zur Namensnennung auf der Rückseite der Cuspinian-Tafel unaufgelöst bleibt. In der Rolle des Cleophas wird der Kaiser zum Vater seiner Enkel. Als Familienoberhaupt und Herrscher ist Maximilian/Cleophas durch seine überdimensionierte Körpergröße ebenso hervorgehoben wie durch das Ehrentuch, das ihn hinterfängt. Strigels Gruppenbildnis ist eine additive Komposition, in die unterschiedliche Porträtvorlagen Eingang gefunden haben. Dennoch und obwohl Maximilian im Profil, seine Nachkommen hingegen im Halbprofil bzw. annähernd en face gegeben sind, bleibt die Familienähnlichkeit unverkennbar. Mit habsburgischem Unterbiss, ausgeprägter Nase und nicht zuletzt auf Grund ihrer Frisur erscheinen Sohn und Enkel als Variationen auf die Figur des Herrschers. Dessen 295

Andreas Plackinger

Abb. 4: Diego Velázquez: Las Meninas, um 1656, Öl auf Leinwand (Madrid, Museo Nacional del Prado).

väterlicher Körper hat sich in ihnen gleichsam multipliziert. Seine durch Körpergröße sinnfällig gemachte Autorität und die physisch-genealogische Kontinuität wird ergänzt durch das Moment väterlicher Fürsorglichkeit – Erzherzog Ferdinand (oder Joseph Justus als Sohn des Cleophas) schmiegt sich in den Arm des pater familias. Emotionale Bindung und Vertrauen werden durch die körperliche Interaktion unmittelbar anschaulich – ebenso wie die Aufnahme des Adoptivsohns Ludwig von Ungarn durch die Berührung durch Erzherzog Karl alias Simon Zelotes. Maximilians väterlicher Gestus findet sein Echo im Familienbild Cuspinians, der gleichfalls seinen jüngeren Sohn durch seinen Arm beschirmt. Vermutlich war der Gelehrte selbst, der als Unterhändler die Eheschließung Erzherzog Ferdinands mit Anna, der Schwester Ludwigs von Ungarn, und Ludwigs mit Ferdinands Schwester Maria vorbereitet hatte – Ferdinand und Ludwig tragen Kränze, die auf ihren Status als Bräutigame 296

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verweisen könnten –, Urheber des komplexen Bildprogramms, das die Nähe zu seinem Herrscher ebenso zelebriert wie Maximilians vorbildliche väterliche Autorität. Das Vatersein des Herrschers ist auch zentral in einem der rätselhaftesten und bekanntesten Schöpfungen der westlichen Malerei schlechthin (Abb. 4): Velázquez’ Gemälde Las Meninas (Die Hoffräulein) von 1656, das die spanische Infantin Margarita inmitten ihres Hofstaates  – Ehrendamen, Zwerge und den Künstler selbst eingeschlossen – präsentiert, wurde 1735 als „Darstellung der Familie unseres Herrn Philipp IV .“ und 1794 und 1814 als „Die Familie Philipps IV .“ inventarisiert.12 Auffällig ist an derartigen Benennungen zum einen der erweiterte Familienbegriff, bei dem die familia im ausgedehnten lateinischen Wortsinn auch die familiares, also die Hausgenossen umfasst, für die der pater familias als oberste Autorität Sorge trägt. Zum anderen ist die körperliche Abwesenheit des Herrschers und Vaters in Velázquez’ Bild bemerkenswert. König Philipp IV . tritt in den Meninas nur indirekt in Erscheinung, an der Seite seiner Gattin als verschwommenes Spiegelbild im Hintergrund. Doch diese immaterielle Spur von Präsenz reicht aus, um die im Mittelpunkt des Bildes stehende Infantin in einen genealogischen Zusammenhang zu stellen. 13 Der Betrachter sieht somit weniger die Infantin Margarita als vielmehr die Tochter des spanischen Königs. Durch den Herrscher im Spiegel ist das Gemälde als eine Szene erkennbar, die sich dem königlichen Adressaten darbietet, der – um mit M ­ ichel Foucault zu sprechen – „außerhalb des Bildes stehend in eine essentielle Unsichtbarkeit zurückgezogen“ ist.14 Die Dargestellten sind damit seinem kontrollierenden Blick unterworfen.15 Velázquez’ König bedarf nicht der physischen Gegenwart im Bildfeld, um dort omnipräsent zu sein. Die einzelnen Glieder seines Hofstaates veranschaulichen bereits den Herrschaftsorganismus als Ganzes, der sonst im Körper des Monarchen seine Repräsentation findet. Umgekehrt steht der Monarch als Einzelperson für all jene, die seiner Befugnis unterstellt sind – im Kompositkörper auf dem Titelblatt zu Thomas Hobbes’ Leviathan hatte die Idee der Ausübung von Herrschaft im Zusammenwirken der Beherrschten nach einem Willen bereits 1651 menschliche Gestalt angenommen.16 Die besondere Qualität der Konzeptualisierung von Herrschaft in den Meninas ergibt sich auch aus der erwähnten Betonung genealogischer Kontinuität. Es ist wohl kein Zufall, dass die Entstehung von Velázquez’ Hauptwerk mit einem brisanten Moment der Herrschaft Philipps IV . korreliert: 1656 hatte das iberische Königreich keinen männlichen Thronfolger aufzuweisen – Infant Baltasar Carlos war 10 Jahre zuvor verstorben. Gleichzeitig wurde die erbberechtigte erwachsene Tochter des Königs, Maria Teresa, ältere Schwester der Infantin Margarita, zu einem Risikofaktor, forderte doch Spaniens Erzfeind Frankreich aus einer Position militärischer Überlegenheit jene Maria Teresa zur Braut Ludwigs XIV . als Bedingung für das dauerhafte Ende jahrelanger kriegerischer Auseinandersetzungen.17 Dem297

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Abb. 5: François Lemoyne: Ludwig XV. bringt Europa den Frieden, 1729, Öl auf Leinwand (Château de Versailles).

entsprechend inszeniert Velázquez – möglicherweise im Hinblick auf eine künftige vertragliche Erbfolgeregelung zu Gunsten der jüngeren Tochter mit Billigung der Ständeversammlung von Kastilien und Léon18 – die etwa fünfjährige Margarita in Hoffnung verheißendem Lichtschein als Herrscherin en miniature in einem später von dem Chronisten Antonio Palomino als Cuarto del Principe identifizierten Saal, der zu den Gemächern des verstorbenen Kronprinzen gehörte.19 Die kleine Infantin nimmt also zumindest in räumlicher Hinsicht den Platz des verstorbenen Kronprinzen ein. Wie die Spiegeloberfläche, die Philipp IV . zeigt, wird die Prinzessin zum Abbild ihres Vaters und durch den Hinweis auf seine väterliche Autorität zur Garantin des Fortbestands der Casa de Austria in Spanien auch bei Aufgabe des Prinzips männlicher Erbfolge. Mit der Geburt des Infanten Felipe Próspero Ende des Jahres 1657 verlor die politische Dimension des mit fast neun Quadratmetern Fläche monumentalen Leinwandbildes an Relevanz, womit sich für Velázquez die Möglichkeit zu 298

q. Vater sein

einer stärker kunsttheoretisch akzentuierten teilweisen Neukonzeption der Meninas ergab.20 Deutlich weniger subtil fällt die Verherrlichung von Herrschertum in Verbindung mit dem Aspekt des Vaterseins aus in François Lemoynes gleichfalls großformatigem ovalen Ölgemälde Ludwig XV . bringt Europa den Frieden (Abb. 5). 1729 wurde das Bild über dem Kamin des Salon de la Paix (Salon des Friedens) im Schloss von Versailles installiert und befindet sich heute noch an seinem ursprünglichen Bestimmungsort.21 Der Raum, der als Gegenstück zum Salon de la Guerre (Salon des Krieges) an den berühmten Spiegelsaal angrenzt, in dem Plafondgemälde Charles Le Bruns die militärischen Erfolge des roi soleil Ludwigs XIV . feiern, gehört zu den zentralen Orten royaler Repräsentation und ist seinerseits mit einem Deckenbild Le Bruns ausgestattet. Lemoynes bei allen Unterschieden in Kolorit und Figurengestaltung formale und ikonographische Orientierung am barocken Apparat Le Bruns entspricht der programmatischen Entscheidung Ludwigs XV ., als Urenkel des Sonnenkönigs und der spanischen Infantin Maria Teresa, den Hof von Paris nach Versailles zurückzuverlegen und damit demonstrativ an das unbestrittene Prestige seines Vorgängers anzuknüpfen. Der junge Monarch, dessen Regierung als Vermittler des Präliminarfriedens von Paris zwischen England und Spanien im Mai 1727 hervorgetreten war, überreicht einer im Profil gezeigten Europa einen Olivenzweig. Im Hintergrund versucht Merkur, Gott des geschickten Verhandelns unter Anweisung Minervas, der Göttin der Weisheit, die Zwietracht (Discordia) daran zu hindern, die Türen des Janustempels aufzureißen, dessen Pforten im Kriegsfall im antiken Rom stets offenstehen. Der imperial-römische Bezug ist auch im antikisierenden Brustharnisch des Monarchen gegeben. Ludwig XV . dominiert das Bildfeld in selbstbewusster Feldherrnpose. Zeitgenössischen Kommentaren zufolge, etwa in Piganiol de la Forces Description de Paris von 1742 und in gleichem Wortlaut in der Biographie Lemoynes aus der Feder des Grafen Caylus von 1752, handelt es sich bei der rechten Figurengruppe um Pietas, die Europa Fecunditas mit zwei Säuglingen im Arm empfiehlt. Diese beiden Säuglinge im Gefolge des royalen Bringers eines Friedens à la française seien niemand anderes als die im August geborenen Zwillingstöchter Ludwigs XV ., Mesdames Henriette und Élisabeth, die ersten Kinder des Königs.22 Diese Lesart legt einen Zusammenhang zwischen der durch die Vaterschaft erwiesenen Zeugungsfähigkeit des Herrschers, seinem gesunden, kräftigen Körper und seinen Führungsqualitäten nahe. Ludwig XV ., der 1729 gerade einmal 19 Jahre alt war, scheint demnach sowohl im Hinblick auf seine Wehrhaftigkeit wie auch seine Prokreativität als vollwertiger Mann und Souverän präsentiert. Ihm zu Füßen sind drei weitere nackte Kinder zu sehen, allerdings keine Säuglinge, sondern wie Erwachsene agierende Putti, „Genien der Künste und des Handels, Kinder des Friedens“.23 299

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Abb. 6: Johan Tobias Sergel: Gustav III. zeigt seinem Sohn die Büste Gustavs II. Adolf, Anfang 1780er Jahre, ­Pinselzeichnung (Stockholm, Nationalmuseum).

Das ruhmvolle, aber kriegerische Frankreich Ludwigs XIV . scheint in dessen nun erwachsenem Urenkel, der seit 1715 als Kind bloß nominell regierte, einem Zeitalter des Friedens, der Blüte und Fruchtbarkeit entgegenzusehen. Bedenkt man, dass die direkten weiblichen Nachkommen des Königs den Titel Filles de France (Töchter Frankreichs) führten, so wird Ludwig XV ., auf dessen Gesinnung die Präsenz der Pietas (lat. Pflichtgefühl bzw. Liebe gegen Götter und Familie, Mitleid, Milde) hindeutet, in seiner Eigenschaft als Vater indirekt zu einer regelrechten Inkarnation seines Landes. Eine affektiv-emotionale Vater-Kind-Beziehung ist in Lemoynes hochoffizieller, allegorisch verbrämter und für ihre Entstehungszeit wohl kaum als progressiv zu bezeichnenden Darstellung Ludwigs XV . nicht erkennbar. Vaterschaft und Väterlichkeit gleichermaßen setzt hingegen der Bildhauer Johan Tobias Sergel in einer kleinformatigen, flüchtig anmutenden Federzeichnung in Szene, die vermutlich vom Beginn der 1780er Jahre datiert (Abb. 6). Das Blatt stellt Gustav III . von Schweden dar, der seinem kleinen Sohn und Nachfolger, dem späteren Gustav IV ., mit pathetisch ausholender Geste die Büste des als Hjältekung (Hel300

q. Vater sein

denkönig) gefeierten Gustav II . Adolf zeigt.24 Die in römischen Ziffern angegebenen Zahlen II , III , IV bei den drei Figuren betonen die Zusammengehörigkeit der drei königlichen Namensvettern über die Zeitläufte hinweg. Die momenthafte Szene des Rückblicks in eine ruhmvolle Vergangenheit ist zugleich eine Zukunftsvision, wird hier doch der Grundstein gelegt für das Ruhmstreben des künftigen Herrschers. Der kleine Junge scheint begierig den Worten seines Vaters zu lauschen, dessen Arm das Antlitz des legendären Wasakönigs mit dem Gesicht des Kronprinzen aus dem Haus Holstein-Gottorf formal verbindet. Zwar versehen das in Bildnissen Gustavs III . stets gezeigte und bei Sergel rasch skizzierte Ordensband und der Ordensstern des königlichen Seraphinenordens den Monarchen mit bekannten Abzeichen seiner herrscherlichen Würde, doch sind der Eindruck enthusiastisch-inspirierter, gefühlsbetonter Rede und das Beisammensein von Vater und Sohn das zentrale Moment. Dem Tjusarkung (Zauberkönig/Verzaubernder König), wie Gustav III . wegen seiner Vorliebe für Theater und effektvolle Selbstinszenierung genannt wurde,25 gelingt es offenbar, die Imagination seines Sprosses zu fesseln und ihm die Vorbildhaftigkeit des namensgleichen Ahnherrn zu veranschaulichen. Mit selbstverständlicher Vertrautheit berührt Gustav die Schulter seines Sohnes. Die Atmosphäre informellen Zusammenseins wird durch die offenbar beiläufig auf dem Tisch abgelegten Gegenstände (Hut? Amtspapiere?) ebenso betont wie durch die Haltung des Knaben, der sich in den Schoß des Vaters schmiegt. Die Position des Jungen zwischen den Beinen des Vaters verweist auf die durch den Zeugungsakt gegebene biologische Verbindung zwischen den Dargestellten. Offensichtlich jedoch ist in Sergels Zeichnung königliches Vatersein mehr als bloße Vaterschaft, der Sohn mehr als das Produkt der väterlichen Lenden. Als Geschichtenerzähler vermittelt Gustav III . seinem Thronfolger Werte und Tugenden. Der König – ganz dem neuen zeitgenössischen Elternideal à la Rousseau verpflichtet26 – ist auch in seiner Eigenschaft als Pädagoge auf erzieherischer und intellektueller Ebene Vater seines Sohnes, dynastische Kontinuität nicht alleiniger Anspruch einer königlichen Generationenfolge. Sergels Zeichnung kann schwerlich als Vorlage eines nie ausgeführten genrehaften Doppelporträts gedeutet werden, sondern vielmehr als phantasievoller schizzo – vielleicht eine Etappe zur Konzeption seiner Gipsbüste Gustavs II . Adolf, den ein Putto mit den Zügen des künftigen Gustav IV . umkränzt.27 Das Blatt zeugt von der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts europaweit festzustellenden Tendenz des Eingangs bürgerlicher Familiarität in die Darstellungen regierender Herrscher und ihrer Sippschaft – sei es in Form von Gruppenporträts oder genrehaften Szenen, die für die druckgraphische Verbreitung produziert wurden.28 Doch auch diese zur Identifikation einladenden Inszenierungen vorgeblich natürlich-universaler Eltern-Kind-Beziehungen sind letztlich nichts anderes als Fiktionen zur Legitimation bestehender Machtverhältnisse. 301

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Auswahlbibliographie

Antoine de Baecque: Le corps de l’histoire. Métaphores et politique 1770–1800, Paris 1993. Jaime Blanco Aparicio: De la idea de la guerra al concepto de paz en la obra de François Lemoyne, Luis XV dando la paz a Europa (1729). Las transformaciones en el poder y su reflejo en la pintura francesa del siglo XVIII, in: Locus Amoenus 15 (2017), 139–157. Jean Delumeau und Daniel Roche (Hg.): Histoires des pères et de la paternité, Paris 1990. Thierry Greub (Hg.): Las Meninas im Spiegel der Deutungen. Eine Einführung in die Methoden der Kunstgeschichte, Berlin 2001. Ragnar Josephson: Sergels Fantasi, 2 Bde, Stockholm 1956. Dieter Lenzen: Vaterschaft. Vom Patriarchat zur Alimentation, Reinbek 1991. Lukas Madersbacher: Dynastie und Bildnis. Ein früher Habsburger Stammbaum in München und seine Stellung in der Gruppe der maximilianischen Porträtstammbäume, in: Leo Andergassen/ Lukas Madersbacher (Hg.): Geschichte als Gegenwart. Festschrift für Magdalena HörmannWeingartner, Innsbruck 2010, 209–231. Hans Georg Thümmel: Bernhard Strigels Diptychon für Cuspinian, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 76 (1980), 97–110.

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Anmerkungen Christian Petitfils: Louis XVI , Paris 2005, 812. 2  Dieter Lenzen: Vaterschaft. Vom Patriarchat zur Alimentation, Reinbek 1991, 56 f. 3  Aristot. Eth. Nic. V III . 12, 1161 a; Aristoteles: Die Nikomachische Ethik. Griechisch–Deutsch, übers. von Olof Gigon, hg. von Rainer Nickel, Düsseldorf ²2007, 353. 4  Lenzen 1991 (wie Anm. 2), 175. In der feministischen Theoriebildung wurde die ‚Herrschaft der Väter‘, das Patriarchat, zum Inbegriff autoritärer, auf männlicher Dominanz beruhender Machtverhältnisse, die es zu bekämpfen galt. Vgl. Eva Cyba: Patriarchat. Wandel und Aktualität, in: Ruth Becker/Beate Kortendiek (Hg.): Handbuch Frauenund Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie, Wiesbaden 2010, 17–22. 5  Dazu ausführlich Antoine de Baecque: Le corps de l’ histoire. Métaphores et politique 1770–1800, Paris 1993, 43–98. 6 Graphit, Tusche, Gouache auf Papier aus Charles-Germain de Saint-Aubins Livre des caricatures tant bonnes que mauvaises. Waddesdon Manor, Rothschild Collection, Accession number 675. Vgl. Xavier Salmon: Donner un héritier au royaume, in: Xavier Salmon/Pierre Arizzoli-Clémentel (Hg.): Marie-Antoinette, Ausst.-Kat. Grand Palais Paris), Paris 2008, 122–125, 122 und 124. 7  Louis de Serres: Discours de la nature, cause, signes et curation des empeschements de la conception, et de la stérilité des femmes, Lyon 1625. Textstelle übers. und zit. nach Jean Delumeau und Daniel Roche (Hg.): Histoires des pères et de la paternité, Paris 1990, 74. 8  München, Bayerisches Nationalmuseum, Inv.Nr. NN 1002. Vgl. Lukas Madersbacher: Dynastie und Bildnis. Ein früher Habsburger Stammbaum in München und seine Stellung in der Gruppe der maximilianischen Porträtstammbäume, in: Leo Andergassen/Lukas Madersbacher (Hg.): Geschichte als Gegenwart. Festschrift für Magdalena Hörmann-Weingartner, Innsbruck 2010, 209– 231; Christiane Klapisch-Zuber: Stammbäume. Eine illustrierte Geschichte der Ahnenkunde, übers. von Egbert Baqué, München 2004, 109. Die im Folgenden referierten Sachinformationen 1  Jean

zu diesem Werk basieren auf diesen beiden Publikationen. 9  Zu den Implikationen der Baumform sowie zur Herkunft des Bildschemas aus der ikonographischen Tradition der Wurzel Jesse siehe Christiane Klapisch-Zuber: De la nature végétale de l’arbre généalogique, in: Agostino Paravicini Bagliani (Hg.): Le monde végétal. Médecine, botanique, symbolique, Florenz 2009, 433–446, siehe insbesondere 436f und 444. 10  Artur Rosenauer (Hg.): Geschichte der bildenden Kunst in Österreich, München u. a. 1998–2002, 6 Bde., Bd. III .: Spätmittelalter und Renaissance (2003), 457–459, Kat. Nr. 224 (Lukas Madersbacher). 11  Öl auf Holz, 72,8 × 60,4 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv.-Nr. 832. Vgl. Sabine Haag u. a. (Hg.): Dürer, Cranach, Holbein. Die Entdeckung des Menschen. Das deutsche Porträt um 1500, Ausst.-Kat. Kunsthistorisches Museum Wien, Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, München 2011, 252 f., Kat.-Nr. 159 f. (Karl Schütz). Die ausführlichste Beschäftigung mit dem Werk und seinem Kontext bei Hans Georg Thümmel: Bernhard Strigels Diptychon für Cuspinian, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 76 (1980), 97–110. 12  José Lopez-Rey: Velázquez. Catalogue raisonné, Köln 1996, 306–311, Kat. Nr. 124, siehe 310 f. Der Titel Las Meninas ist ab 1843 nachweisbar. Einen nach wie vor hervorragenden Überblick zu zentralen Aspekten des Gemäldes bietet Hermann Ulrich Asemissen: Las Meninas von Diego Velazquez, Kassel 1981. Zu den Meninas und dem königlichen Porträt in der Spätzeit des Künstlers und seiner Nachfolge siehe Javier Portús Pérez (Hg.): Velázquez y la familia de Felipe IV, 1650–1680, Ausst.-Kat. Museo Nacional del Prado Madrid, Madrid 2013. 13  Vgl. Svetlana Alpers: Interpretation ohne Darstellung – oder: Das Sehen von Las Meninas [1983], in: Thierry Greub (Hg.): Las Meninas im Spiegel der Deutungen. Eine Einführung in die Methoden der Kunstgeschichte, Berlin 2001, 196–204, hier 203; Victor I. Stoichita: Imago Regis. Kunsttheorie und königliches Poträt in den Meninas von Velázquez [1986], in: ebd., 208–234, hier 225.

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Foucault: Die Hoffräulein [1965], in: Greub 2001 (wie Anm. 13), 136–149, hier 147. Vgl. auch Ellen Harlizius-Klück: Der Platz des Königs. Las Meniñas als Tableau klassischen Wissens bei Michel Foucault, Wien 1995. 15  Die privilegierte Betrachterposition des Herrscherpaares liefert eine Parallele zu seiner Platzierung bei Theateraufführungen. In Caldérons Fiesta Hado y divisa de Leonido y Marfisa am 3. März 1680 im Palast Buen Retiro etwa war während des Vorspiels ein Doppelporträt von König und Königin im hintersten Bereich der Szene, spiegelbildlich zum real im Raum anwesenden Herrscherpaar angebracht. Vgl. Sebastian Neumeister: Mythos und Repräsentation. Die mythologieschen Festspiele Caldérons, München 1978, 268 und 278 ff. 16  Dazu Horst Bredekamp: Thomas Hobbes Der Leviathan. Das Urbild des modernen Staates und seine Gegenbilder 1651–2001, Berlin 2003. 17  Zum historischen Hintergrund Ludwig Pfandl: Karl II . Das Ende der spanischen Machtstellung in Europa, München 1940, 52; Helga Widorn: Die spanischen Gemahlinnen der Kaiser Maximilian II ., Ferdinand III . und Leopold I., Diss. Universität Wien 1959 (unveröffentlichtes Typoskript, Universitätsbibliothek Wien), 129; Enriquetta Harris: Velázquez, Stuttgart 1982, 174; Manuela B. Mena Marqués: La restauración de Las Meninas de Velázquez, in: Boletín del Museo del Prado 5 (1984), 87–107, insbesondere 96. 18  Harlizius-Klück 1995 (wie Anm. 14), 80; Manuela B. Mena Marqués: Die Spitze am Ärmel der Zwergin Mari-Barbola [1997], in: Greub 2001 (wie Anm. 13), 249–279, hier 260 ff. 19  Stoichita [1986] 2001 (wie Anm. 13), 210; Antonio Palomino: Worin das berühmteste Werk von Don Diego Velázquez beschrieben wird [1724], in: Greub 2001 (wie Anm. 13), 36 ff., hier 37. 20 Dazu Mena Marqués [1997] 2001 (wie Anm. 17), 267 f. und 275. 21  Öl auf Leinwand, oval 382 × 235 cm. Château de Versailles, Inv.-Nr. M V 2091. Vgl. Jean-Luc Bordeaux: François Le Moyne 1688–1737 and his Generation, Paris 1985, 114, Kat.-Nr. 76; Xavier Salmon: François Lemoyne à Versailles, Ausst.-Kat. Château de Versailles, Paris 2001, 21 f. Zum geistesgeschichtlichen und tagespolitischen Hintergrund des Auftrags und der spezifischen Ikonographie 14  Michel

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des Werkes Jaime Blanco Aparicio: De la idea de la guerra al concepto de paz en la obra de François Lemoyne, Luis XV dando la paz a Europa (1729). Las transformaciones en el poder y su reflejo en la pintura francesa del siglo XVIII , in: Locus Amoenus 15 (2017), 139–157. 22  Jean-Aymar Piganiol de la Force: Description de Paris, de Versailles, de Marly, de Meudon, de S. Cloud, de Fontainebleau, et de toutes les autres belles Maisons et Châteaux des Environs de Paris, Paris 1742, 8 Bde, Bd. III , 51 f.; Anne Claude Philippe de Caylus: Vie des premiers peintres du roi depuis M. Le Brun jusqu’ à présent, Paris 1752, 2 Bde, Bd. II , 101 f. 23  Caylus 1752 (wie Anm. 22), 102. 24  Federzeichnung in brauner Tinte auf Papier, 23 × 19 cm. Stockholm, Nationalmuseum, Inv.Nr. NMH 683/1875. Vgl. Ragnar Josephson: Sergels Fantasi, Stockholm 1956, 2 Bde, Bd. II , 346. 25  Zur nachträglichen Verklärung Gustavs III . und seiner Regierungsjahre als gustavianisches Zeitalter Ronald D. Gerste: Der Zauberkönig. Gustav III . und Schwedens Goldene Zeit, Göttingen 1996. 26  Jean-Jacques Rousseau: Émile oder Über die Erziehung [1762], Stuttgart 1980. Vgl. Delumeau/ Roche 1990 (wie Anm. 7), 259–268. 27  Stockholm, Nationalmuseum, Inv.-Nr. NMS k 609. 28  Dabei gilt es die Aufträge von Seiten des Hofes mit politisch-propagandistischer Funktion – dazu am Fallbeispiel des theresianischen Österreich Ilsebill Barta: Familienporträts der Habsburger. Dynastische Repräsentation im Zeitalter der Habsburger, Wien u. a. 2001 – zu unterscheiden von aus kommerziellem Interesse hergestellten Blättern, die einem neugierigen Publikum Einblick in die privaten Welten des Herrscherhauses versprachen, wie den aus der Silhouettenpraxis entwickelten Graphiken des Wieners Löschenkohl, vgl. Reingard Witzmann: Hieronymus Löschenkohl. Bildreporter zwischen Barock und Biedermeier, Ausst.-Kat. Historisches Museum Wien, Wien 1978. Den Schöpfungen Löschenkohls unmittelbar an die Seite zu stellen ist die in mindestens zehn Abzügen überlieferte Radierung Johan Fredrik Martins mit der höchst arrangiert anmutenden Darstellung häuslichen Beisammenseins Gustavs III . und seiner Familie in Schloss Haga aus der ersten Hälfte

q. Vater sein

der 1780er Jahre (ein Exemplar in der KöniglichDänischen Sammlung, Schloss Rosenborg, Inv.Nr. 14-131; vgl. Hans Frölich: Bröderna Elias og Johan Fredrik Martins gravyrer, Stockholm 1939, 75

und 173, Kat.-Nr. 4. Auch hier tritt Gustav III . in erzieherischer Funktion auf: Er gibt seinem Sohn und Thronfolger Erläuterungen an einem Globus.

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Maurice Saß

r. Reiten

Kulturgeschichtlich betrachtet ist die Domestikation von Pferden ein relativ junges Phänomen, dessen ältesten Zeugnisse gewöhnlich ins 4. Jahrtausend v. u. Z. datiert und mit der kupferzeitlichen Botai-Kultur im heutigen Kasachstan zusammengebracht werden.1 Reiten gehört zu den epochalen technischen Neuerungen der Kupferzeit und bedeutete einen immensen Mobilitätsgewinn, der seinen Nachklang in mythischen Figuren wie dem geflügelten Pegasus fand. Dessen berühmter Huftritt am Musenberg steht sinnbildlich für die kulturellen Folgeentwicklungen, die das Reiten ermöglichte. Herkules Bändigung der menschenfressenden Pferde oder die Zähmung von Bukephalos durch Alexander den Großen wiederum erzählen vom Machtgewinn, der aus der Kulturtechnik des Reitens resultierte und der die frühen Großreiche etwa der Assyrer und Hethiter maßgeblich ermöglichte. Reiten ist eine ‚Naturkunst‘, die ein vertieftes Verständnis für Pferde und eine wortlos gelingende Kommunikation mit dem Tier voraussetzt.2 Vor allem aber ist sie eine Technik der Beherrschung und des Souveränitätsgewinns. Entsprechend zahlreich sind im ‚Pferdezeitalter‘ die berittenen Götter, geistigen Mächte und Heroen.3 Beispiele dafür aus der Vorstellungswelt der Christenheit sind die apokalyptischen Reiter, das wilde Heer oder die heiligen Georg, Martin und Eustachius, denen Christi wie Mariens demütiger Ritt auf einem Esel nach Jerusalem bzw. Ägypten an die Seite zu stellen ist. Und problemlos findet die pferde- und kamelreiche Ikonographie der Heiligen Drei Könige ihre nachmittelalterliche Fortsetzung in den vielen berittenen Darstellungen außereuropäischer Herrscher:innen. Bis ins 20. Jahrhundert waren Pferde unersetzliche Arbeitskräfte, Transportmittel und Rückgrat von Gesellschaft und Staat. Aufgrund dieser infrastrukturellen Funktion war Reiten ein Mittel sozialer Segregation, das heißt eine Frage des Reichtums, der politischen Teilhabe, aber auch des Geschlechts. Der Geschichte des ‚Damensattels‘ ist dies ebenso deutlich zu entnehmen wie der misogynen Legende von Aristoteles und Phyllis, in der Geritten-Werden ein Synonym von Kontrollverlust und Unterordnung ist.4 Realer und symbolischer Machtgewinn reichen sich beim Reiten die Hand, das daher eine Schlüsseltechnik des Adels bildete, die in vielfältigen Bereichen höfischen Lebens zur Geltung kam. „Es bekommt einem Prinzen besser als ir306

r. Reiten

Abb. 1: Paolo Uccello: Niccolò da Tolentino in der Schlacht von San Romano, ca. 1438/40, Tempera und Öl auf Pappelholz (London, The National Gallery, Inv. NG583).

gendeinem anderen Mann,“ riet angeblich Jakob I. von England (1566–1625) seinem Sohn, „ein anständiger und guter Reiter zu sein.“5 In der Frühen Neuzeit erfuhr diese lang tradierte Wahlgemeinschaft von Adel und Pferd einen grundsätzlichen Wandel.6 Dieser führte, wie im Folgenden darzustellen ist, einerseits zu einem Verlust der funktionalen Bedeutung des Reitens als Körpertechnik der Macht und andererseits zu einem daraus hervorgehenden Wertzuwachs der performativen und medialen Repräsentationen der Herrschaft über Pferde. Nicht nur im europäischen Kulturraum resultiert der Zusammenhang von Herrschaft und Reiten aus der militärischen Bedeutung des Pferdes und anderer Reittiere. Hannibals Elefanten, die arabischen Kamelreiter oder Dschingis Khans Reiterheer sind dafür illustre Beispiele, die zugleich an Innovation und Wandel tierlicher Militärtechnologien erinnern.7 Der zentrale Stellenwert, den die schwere Kavallerie das ganze europäische Mittelalter hindurch besaß, lässt sich gut an Paolo Uccellos (1397–1475) dreiteiliger Darstellung der Schlacht von San Romano ablesen.8 Denn auf den monumentalen Temperagemälden, die den von Florenz beanspruchten Sieg über das mit Lucca und Mailand verbündete Siena schildern, ist Infanterie nur am Rande und im Hintergrund zu sehen. Bestimmt wird das Geschehen von Reitern in gepanzerten Rüstungen, die mit ihren erhobenen, angelegten oder auch gebrochenen Lanzen den Bildraum rhythmisieren. Darin sind die großen Schlachtrosse die 307

Maurice Saß

buchstäblichen Träger der Handlung. Uccello dynamisiert sie durch die für ihn charakteristischen Verkürzungen und Stellungen und rückt etwa auf der in London aufbewahrten Tafel den Florentiner Heerführer Niccolò da Tolentino († 1435) durch ein steigendes Pferd in den Mittelpunkt (Abb. 1). Von dieser ‚Kommandozentrale‘ aus befiehlt er den hinter ihm versammelten Rittern, der in Bedrängnis geratenen Vorhut zur Hilfe zu kommen. Das Wiehern und Aufbäumen seines Schimmels stehen dabei im Kontrast zu seiner ruhigen Haltung und unterstreichen damit seine überlegte Befehlsgewalt. Rechts davon sieht man einen Ritter, der mit gleich drei Widersachern zu tun hat. Im vollen Galopp – den die Beinstellung des Pferdes anzeigen soll – reitet er gegen einen Rappen, dessen Reiter ihn mit einem Schwerthieb empfängt. Zugleich galoppiert von links ein weiterer Ritter heran, der mit seiner Lanze knapp sein Ziel verfehlt hat und nun mit voller Wucht in die Gruppe stoßen wird. Im Hintergrund schließlich sieht man zwei Ritter in die Ferne galoppieren, bei denen es sich wohl um jene Florentiner Boten handelt, die die notwendige Verstärkung herbeirufen sollten. Zweifelsohne vermitteln Uccellos Gemälde keinen realistischen Eindruck des stundenlangen Kampfgeschehens. Niccolò da Tolentino trägt schon den aufwendigen Hut, mit dem in Florenz erfolgreiche condottieri geehrt wurden. Und gezielt rufen einige Kampfhandlungen Bildformeln mittelalterlicher Tjoste auf. Die visuelle Präsenz der Reiter allerdings entspricht der Rolle, die ihnen zeitgenössische Chroniken zuschreiben, in denen beispielsweise die Gefangennahme des stattlichen Kapitals von 600 Pferden als untrügliches Zeichen des Sieges angeführt wird. Die Gemälde veranschaulichen insofern treffend, was Ulrich Raulff als „kentaurischen Pakt“ bezeichnet hat.9 Mit Pferd ist der Mensch größer, stärker und schneller. Er hat einen besseren Überblick, wird leichter gesehen und kann weitere Distanzen zurücklegen. Im Kampf kann das Pferd ein Schild und auch eine Waffe sein. Dem ritterlichen Ideal nach ist das Pferd aber weder Instrument noch Prothese. Vielmehr hybridisieren Reiter und Pferd zu einer Einheit übermenschlichen Vermögens. In dieser wurzelt die politische Ikonographie des Reitens. Eques, Cavaliere und Ritter waren nicht nur Heereseinheiten, sondern auch adelige Standesbezeichnungen, die sich von Pferd und Reiten ableiteten. Deren militärische Bedeutung produzierte einen semantischen Überschuss, der in vielfältiger Form für die Zurschaustellung fürstlicher Macht dienstbar gemacht wurde. Unmittelbar offensichtlich ist dies bei Triumphzügen oder dem ritualisierten adventus des Herrschers sowie im Turnier- und Jagdwesen, den beiden großen Substituten des Kriegs in Friedenszeiten. Diesen performativen Praktiken, in denen Reiten zur Exemplifikation fürstlicher Macht diente, korrespondiert die sich im 15. Jahrhundert sprunghaft mehrende Würdigung erfolgreicher Feldherren durch Reiterstandbilder und -porträts.10 Diese wurden als praemia und exempla virtutis errichtet und adressierten folglich nicht 308

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Abb. 2: Paolo Uccello: Reiterportrait von Sir John Hawkwood, 1436, Fresko übertragen auf Leinwand (Florenz, S. Maria del Fiore).

vorrangig den militärischen Erfolg, sondern die persönliche Tugendhaftigkeit des Heroen.11 Die von Uccello und Andrea del Castagno (1419–1457) freskierten Reiterdenkmäler für John Hawkwood (ca. 1320–1394; Abb. 2) bzw. Niccolò da Tolentino im Florentiner Dom sind dafür ebenso anschauliche Beispiele wie die Bronzestatuen von Donatello (1386–1466) und Andrea del Verrocchio (1435/36–1488).12 Diese standen in der Tradition von antiken Denkmälern wie dem Regisole-Monument in Pavia und mehr noch der Reiterstatue von Kaiser Marc Aurel (121–180 u. Z.) in Rom, die auch für mittelalterliche Reiterstandbilder vorbildlich gewesen waren.13 Im Gegensatz zu den antiken Kaiserstatuen handelt es sich bei den Reiterporträts des 15. Jahrhunderts allerdings überwiegend um Werke in funeralem Kontext, die zudem der Würdigung von Söldnern dienten, die durch ihre militärischen Erfolge ein Maß an Ansehen und Wohlstand erreicht hatten, welches dasjenige ihrer bürgerlichen oder kleinadeligen 309

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Eltern weit übertraf. Man kann dies einerseits mit Jacob Burckhardt als Zeichen der ‚Entdeckung des Individuums‘ verstehen und im souveränen Reiten eine Chiffre sozialer Mobilität erkennen.14 Andererseits sind diese kaisergleichen Denkmäler für Emporkömmlinge auch Symptom einer grundlegenden Krise des Adels und seiner ritterlichen Ideale. Söldnerheere ließen die aristokratische Macht, die sich nicht zuletzt durch die adelige Aufgabe der Landesverteidigung legitimierte, ein Stück weit fragwürdig erscheinen. Vor allem aber verlor die schwere Kavallerie im Laufe der Renaissance aufgrund der Weiterentwicklung von Armbrusten und Handfeuerwaffen sowie dem strategischen Einsatz weniger kostspieliger Truppen – etwa der Pikeniere und leichten Kavallerie – zunehmend ihren militärischen Wert, von dem sich die gesellschaftliche Sonderstellung und Nobilität der Ritter abgeleitet hatte. In der folgenden Neudefinition von Nobilität büßte das Reiten aber nicht seine Bedeutung für das adelige Selbstverständnis ein. Vielmehr wurde es zum Vehikel, durch das alte ritterliche Tugenden Eingang in das neue Ideal des Hofmanns fanden, das Baldassare Castiglione (1478–1529) in seinem Libro del Cortegiano (1528) exemplarisch beschrieben hat.15 „Ich möchte daher, dass unser Hofmann ein vollkommener Reiter in jedem Sattel sei.“16 Reiten wurde an den europäischen Höfen des 16. bis 18. Jahrhundert zu einer freien Kunstform kultiviert, deren vermeintlich militärischer Nutzen zwar fortwährend betont wurde, deren eigentlicher Zweck aber in der Demonstration adeliger Tugenden lag. Kunstvolles Reiten rief martialische Legitimationen von Macht auf, eignete sich jedoch vornehmlich für die Zurschaustellung von Selbstbeherrschung, Geistesgegenwart, Entschlossenheit und Ruhe sowie von grazia und sprezzatura. „In einem Königreich ist das Höchste, was man von einem Fürsten sagen kann, dass er gut reitet, was seine Tugend und Tapferkeit einschließt“, pointiert es Bernardo de Vargas Machuca (1555/57–1622), der Autor zweier Inkunabelwerke der spanischen Reitliteratur.17 Die Entstehung dieser ars equitandi lässt sich auf die Rezeption arabischer Formen des Reitens und Züchtens von Pferden zunächst in Spanien und dann in Süditalien zurückführen.18 In den 1530er Jahren gründete Federico Grisone (vor 1498–nach 1550) die erste spanische Reitschule und resümierte seine Erkenntnisse in den Ordini di cavalcare (1550), dem ersten Reittraktat des 16. Jahrhunderts, das sich an Xenophons (430–354 v. u. Z.) antiker Pferdeschrift ebenso wie an zeitgenössischen Tanz- und Fechttraktaten orientierte.19 Aus der von Giovanni Battista Pigantelli (ca. 1525–vor 1600) fortgeführten Reitschule gingen sowohl Salomon de la Broue (ca. 1530–ca. 1610), der die neue Reitkunst an den französischen Königshof brachte, als auch Antoine de la Baume Pluvinel (1555–1620) hervor.20 Dieser gründete 1594 in Paris eine Reitakademie, die zum Vorbild der Erziehung junger Adeliger in ganz Frankreich werden sollte.21 Zudem kann Pluvinel als Urheber der einflussreichsten 310

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Schrift der klassisch-barocken Hohen Schule des Reitens gelten, die posthum 1623 und – stark erweitert – 1625 unter dem Titel L’Instruction du Roy, en l’Exercice de monter à Cheval publiziert und mit aufwendigen Stichen von Crispijn de Passe d. J. (1593–1670) versehen wurde. Ideal dieser Reitschule war die Lenkung des Pferdes durch möglichst unsichtbare Hilfen, die glauben lassen, das Pferd stelle sich aus eigenem Willen in den Dienst des Menschen. Angestrebt war ein Minimum an Bewegung, sodass die Reitenden graziös bzw. ruhig, mühelos und kontrolliert wirken. Entsprechend setzte Pluvinel im Gegensatz zu seinen italienischen Lehrern nicht auf gewaltvolle Dressurmethoden, sondern auf geduldige Einfühlung in Gemüt, Charakter und Verstand des einzelnen Pferdes. Dieses symbiotische Verständnis von Mensch und Pferd ermöglichte es, dass das Dressurreiten ins Zentrum der Prinzenerziehung rückte.22 In der Kontrolle über das Pferd nämlich übe und demonstriere der vornehmlich männlich gedachte Reiter nicht nur seine Fähigkeit zur Staatslenkung, sondern schule auch seine körperliche, emotionale und kognitive Selbstbeherrschung. Für Pluvinel war das Reiten „ein Spiegel und Modell aller Tugend und Rittermässigkeit“, da sie „Geist- und Sinnreichen Verstand / und Sattsames Urtheil der Vernunfft“ lehre, „nicht allein keck und muthig / sondern auch fürsichtig“ mache und „der Mensch hierdurch nüchtern unnd m[ä]ssig zu leben Ursache bekompt“.23 In genau diesem Sinne konstatierte etwas später auch William Cavendish (1592–1676), der im ehemaligen Anwesen von Rubens in Antwerpen eine Reitschule führte,24 dass es „nichts Nützlicheres“, „nichts Staatsmännischeres, Maskulineres oder Vergnüglicheres als Reiten“ gäbe, da hierbei „ein Geschöpf mit so viel Geist und Stärke seinem Reiter so gehorsam ist, als hätte es keinen eigenen, sondern nur dessen Willen und als hätten sie nur einen Körper und einen Geist, wie ein Kentaur[.] Vor allem aber: Was setzt einen König in besseres Licht, als auf einem schönen Pferd an der Spitze seiner Armee zu reiten?“25 Die darin anklingende Gleichsetzung von Reiten und Regieren, die sich in Machtmetaphern wie Sattel, Zügel und Managen (d. h. Manege-Reiten) bis in die Alltagssprache der Gegenwart tradiert hat, ist ein bis in die Antike zurückverfolgbarer Gemeinplatz innerhalb der Apologien der Hohen Schule.26 Angesichts dieses Symbol- und Repräsentationscharakters des Reitens, der seine prunkvollste Ausprägung in den barocken Rossballetten, Karussellen und Reiterfesten fand, überrascht es nicht, dass die Etablierung und Verbreitung der Hohen Schule mit neuen Formen des Reiterporträts einherging.27 Ab dem späten 16. Jahrhundert mehrten sich sprunghaft Gemälde und Statuen, die Adelige zu Pferde porträtierten. Wie diese ihre Waffen nicht mehr vorrangig als militärische Instrumente, sondern als Insignien legitimer Macht trugen, war auch die Beherrschung ihrer Reittiere nun vorrangig ein Ausdruck ihrer Führungskompetenz. Als Meilenstein kann in dieser Hinsicht das Reiterstand311

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Abb. 3 Giovanni da Bologna: Reitermonument von Cosimo I. de’ Medici, 1587–1594, Bronze (Florenz, Piazza della ­Signoria).

bild von Cosimo I. de’ Medici (1519–1574) gelten (Abb. 3), das 1594 auf der Piazza della Signoria in Florenz aufgestellt wurde und die Vorlage für die absolutistischen Staatsporträts lieferte, die Giambologna (ca. 1524/29–1608) dann von Großherzog Ferdinand I. (1549–1609), König Heinrich IV . von Frankreich (1553–1610) und König Philipp III . von Spanien (1578–1621) schuf.28 Diese zeigen alle kein Schlachtross mehr, sondern ein für die Hohe Reitschule geeignetes, kleineres Pferd in der Piaffe oder Passage, das heißt einer der grundlegenden ‚Lektionen auf der Erde‘, bei der das Pferd die Unterarme bis zur Waagerechten trabartig anhebt und entweder keinen oder kaum Raumgewinn macht. Während diese Schrittstellung, die eine hohe Versammlung des Pferdes voraussetzt, auch auf älteren Reiterporträts zu finden ist, macht Pietro Taccas (1577–1640) 1642 im Hof des Buen Retiro-Schlosses aufgestellte Reiterstatue von Philipp IV . von Spanien (1605–1655) den Zusammenhang mit der Hohen Schule noch offensichtlicher (Abb. 4).29 Diese zeigt ein nur auf der Hinterhand stehendes Pferd, das sich aber nicht wild aufbäumt, sondern – mit konzentriert 312

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Abb. 4: Pietro Tacca: Reitermonument von König Philipp IV. von Spanien, 1634–1640, Bronze (Madrid, jetzt Plaza de Oriente).

zum Reiter gerichteten Ohren – nach heutiger Diktion eine Levade vollführt. Bei dieser Grundfigur aller ‚Lektionen über der Erde‘, die einen Trieb aus dem Paarungsverhalten von Pferden kultiviert, erhebt das Pferd seinen Rumpf und zieht dabei die Vorderbeine in gleichmäßigem Winkel zum Körper. Für eine schulbuchartige Levade müsste Taccas Pferd also eigentlich stärker auf der Hinterhand stehen und die Vorderbeine noch gleichmäßiger beugen. Mit einer für Reiterporträts typischen Autonomie gegenüber der Hohen Schule dynamisiert die Statue stattdessen die Situation und evoziert so den Eindruck, dass sich das Pferd entweder gerade erhebt bzw. gerade wieder senkt oder aber im Galopp befindet, der bis zu den Momentphotographien von Eadweard Muybridge (1830–1904) mit einer vergleichbaren Sprunghaltung dargestellt wurde.30 Die von Tacca erstmals in Bronze gegossene, zuvor aber bereits in Graphik und Malerei etwa durch Antonio Tempesta (ca. 1555–1630), Peter Paul Rubens (1577– 1640) und Diego Velazquez (1599–1660) erprobte Levade erfreute sich während des 313

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Abb. 5 Juan Bautista Martínez del Mazo (?) nach Peter Paul Rubens: Reiterportrait von König Philipp IV. von Spanien, um 1645, Öl auf Leinwand (Florenz, Le Gallerie degli Uffizi, Inv. 1890-792).

17. und 18. Jahrhunderts in Porträts und anderen Bildern mit Reitenden großer Beliebtheit.31 In ihr verdichten sich jene Herrschertugenden, die reitende Fürst:innen zur Anschauung bringen sollten. Denn die Levade verkörpert idealtypisch die unter anderem von Pluvinel verfochtene Ästhetik des mittleren Maßes, die für alle Körperteile und Bewegungen von Pferd wie Mensch genaue Vorgaben macht und auf eine harmonische Gesamtwirkung abzielt, die ganz aristotelisch alle Extreme vermeidet. Vor allem aber impliziert die bei der Levade eingenommene ‚Schwebestellung‘, die auf einem ausbalancierten Kontrapost von Mensch und Pferd beruht, eine vorübergehende Stillstellung oder Bildwerdung. Im Gegensatz zu allen anderen Lektionen auf und über der Erde verharren nämlich Reitende bei der Levade für einen kurzen Augenblick. Wie bei einem Bild beruht die Wirkung dieser Reitfigur auf einer körperlichen Spannung bzw. latenten Bewegungspotenz. Insofern überrascht es wenig, wenn Filippo Baldinucci (1625–1696/97) in seiner ausführlichen Schilderung der hippologischen Kenntnisse, die Taccas Reiterstandbild voraussetzte, festhält, dass 314

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„alle Professoren der Bildhauerkunst“ sich einig seien, dass „jede andere Stellung […] weniger graziös“ als die Levade gerate.32 Ähnlich, aber merklich emphatischer äußert sich der spanische Schriftsteller López de Zárate († 1658) in einem Lobgedicht auf das verlorene, aber durch historische Kopien bekannte Reiterporträt Philipps IV . von Rubens (Abb. 5), das Baldinucci explizit als Vorbild Taccas anführt.33 In seiner (aufgrund der ungewissen Stellung des rechten Hinterbeins auch an einen stark versammelten Galopp erinnernden) Levade, die Reiter und Maler kontrollierten, verkünde das Pferd, dass es „glücklich in untertänigem Gehorsam“ sei. „Es weicht von seinem Künstler nicht ab, denn es übergibt dem Zügel seinen brennenden Zorn. Rubens schließlich zeigt in einem Pferd, was ein Lehnsmann mit seinem Prinzen zu tun hat.“34 Wenn de Zárate hier die Kunst des Regierens, Reitens und Malens miteinander in Beziehung setzt, wirft dies die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis des repräsentativen Gebrauchs des fürstlichen Körpers beim Reiten und dessen Repräsentation im Bild auf. Speziell Rubens’ Reiterporträts stellen ihre Helden als moralische Exempla dadurch vor Augen, dass sie die Zügelung des feurigen Pferdetemperaments durch den tugendhaften Reiter für die Betrachtenden als Bändigung der durch das Bild evozierten Regungen am eigenen Leibe erfahrbar und erlernbar machen. Entsprechend ist es zu kurz gegriffen, wenn spätestens seit Walter Liedtkes grundlegender Studie zum Royal Horse and Rider frühneuzeitliche Reiterporträts und -denkmäler als „Illustration dieses höfischen Pferdekults“ marginalisiert werden.35 Vielmehr konstituierten diese zusammen mit den Reiterfesten, der repräsentativen Marstallarchitektur, den dynastische Prinzipien verkörpernden Zuchtbetrieben und den gedruckten Reitschulen erst jenes symbolische System, innerhalb dessen die Beherrschung der ars equitandi eine soziale Währung und ein Distinktionsmerkmal höfischen Lebens war.36 Mit Blick auf die große Anzahl an Porträts von Regent:innen in der Levade ist daher keineswegs ausgemacht, dass diese immer den reiterlichen Fähigkeiten der Dargestellten entsprachen. Bei keinem der opulenten und vielfältig rezipierten Reiterfeste der Medici etwa ritt ein amtierender Souverän mit.37 Dies mag an der Ausrichtung der Spektakel auf den Großherzog als ersten und vornehmsten Zuschauer liegen, steht aber dennoch in einem gewissen Kontrast zur Präsenz der Reiterstandbilder auf der Piazza della Signoria und Piazza SS . Annunziata. Es mangelt nicht an panegyrischen Berichten über fürstliche Reitkünste, aber eben auch nicht an Zeugnissen, in denen sich das Gegenteil andeutet oder offen zur Sprache kommt.38 Zunächst ist dies damit zu erklären, dass zwar Autoren von Traktaten der Hohen Reitschule nicht müde wurden, deren Nützlichkeit zu preisen und sie zum Schlüssel für alle Arten des Reitens zu erklären, jedoch de facto Krieg oder Jagd anders gelagerte Befähigungen im Umgang mit Pferden erforderten. Vor allem aber 315

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Abb. 6: In adulari nescientem, Holzschnitt aus Andrea Alciato: Emblemata, Lyon 1550.

war die buchstäbliche Fallhöhe groß. Gerade da die Glaubwürdigkeit des Reitens als Herrschaftsmetapher sich aus der Unbestechlichkeit der Tiere speiste, sprich Reitende ihre Pferde buchstäblich und nicht nur symbolisch beherrschen mussten, war die Gefahr für Regent:innen groß, bei der Vollführung von Lektionen der Hohen Schule hinter den repräsentativen Ansprüchen zurückzubleiben. Dies galt besonders für den auch gesundheitlich bedrohlichen Fall eines Sturzes vom Pferd, den Georg Simon Winter (1629–1701) in seinem Wolberittenen Cavallier (1678) illustriert und auf ein „Disordre“ im „ganzen Leib“ des Reiters zurückführt.39 Die naheliegenden politischen Implikationen sind u. a. in der emblematischen Literatur verschiedentlich bemüht worden. Cesare Capaccio (1552–1634) etwa erklärt zu einem Emblem 316

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aus Andrea Alciatos (1492–1550) Sammlung (Abb. 6): „Fallen wird derjenige Fürst, der nicht zu regieren versteht, so wie ein ungeschickter Reiter, der die Zügel nicht zu führen […] weiß, leicht rücklings zu Boden stürzt […].“40 Der vor dem Bürgerkrieg geflohene William Cavendish wiederum brach mit dieser Bewertung und lancierte eine Apologie des politischen Exils, wenn er zu dem Schluss kommt, dass es vorteilhafter sei unter Einhaltung der noblen Reitregeln der Hohen Schule den Saulus zu geben, als sich krampfhaft im Sattel zu halten und seine höfische Ungezwungenheit zu verlieren.41 Während also die fürstliche Darbietung von Lektionen der Hohen Schule das Risiko symbolträchtigen Scheiterns mit sich brachte, waren Reiterporträts eine vergleichsweise gefahrlose Angelegenheit. Besonders gilt dies für solche Denkmäler und Gemälde, die durch das weitere ikonographische Programm unmissverständlich eben jene fürstlichen Tugenden ausbuchstabierten, die das Reiten verkörperte und die bereitwillig von Reitliteratur wie Panegyrik aufgegriffen wurden.42 Wie sehr Reiterporträts dadurch zum Sinnbild absolutistischer Macht werden konnten, verdeutlichen ex negativo die Bilderstürme der französischen Revolution.43 Denn mit der aufklärerischen Betonung von Natürlichkeit und der zunehmenden Popularität des Sportreitens hatte die klassisch-barocke Hohe Schule in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zwar ihren Zenit schon überschritten, deren ästhetischen Ideale aber dominierten weiterhin jene Reiterstandbilder, die vielerorts das dynastische Selbstverständnis der Herrschenden auf zentralen Plätzen zur Schau stellten. 1792 beschloss deswegen die französische Nationalversammlung in einer dringlichen Sitzung, dass alle Königsdenkmäler abgerissen und soweit nicht von überragendem künstlerischen Wert „zu Kanonen […] [für die] Verteidigung des Vaterlandes“ umgeschmolzen werden sollen, da „die geheiligten Grundsätze der Freiheit und der Gleichheit es nicht dulden, die dem Standesdünkel, dem Vorurteil und der Tyrannei errichteten Monumente weiterhin den Augen des französischen Volkes auszusetzen“.44 Die folgenden Denkmalstürze vernichteten nicht nur in Paris und in weiten Teilen Frankreichs die Reiterporträts der früheren Monarchen bis zurück zur erwähnten Statue Heinrichs IV . aus der Werkstatt Giambolognas. Vielmehr trugen die Truppen Napoleons (1769–1821) diesen revolutionären Ikonoklasmus auch über die Landesgrenzen und zerstörten beispielsweise das Regisole-Monument und das erste Reiterstandbild der Renaissance von Niccolò d’Este (1383–1441). Die Ära des Reiterbildnisses war damit allerdings noch lange nicht beendet, sondern sollte etwa mit Jacques-Louis Davids (1748–1825) berühmtem Porträt Bonapartes am Großen St. Bernhard sowie einer Fülle imperialistischer Reiterstandbilder ihre globale und bis in die Gegenwart reichende Fortsetzung finden.45 317

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Auswahlbibliographie

Laura Camins: Glorious Horsemen. Equestrian Art in Europe, 1500–1800, Springfield 1981. Peter Edwards/Karl A. E. Enenkel / Elspeth Graham (Hg.): The Horse as Cultural Icon. The Real and the Symbolic Horse in the Early Modern World, Leiden u. a. 2012. Patrice Franchet d’Espèrey/Monique Chatenet (Hg.): Les arts de l’équitation dans l’Europe de la Renaissance, Arles 2009. Volker Hunecke: Europäische Reitermonumente. Ein Ritt durch die Geschichte Europas von Dante bis Napoleon, Paderborn 2008. Walter Liedtke: The Royal horse and rider. Painting, sculpture, and horsemanship 1500–1800, New York 1989. Friedrich Polleroß: „Virtus Coronata Ex Augustissima Et Serenissima Domo Austriaca Et Hispana“. Das Reiterporträt als Herrschaftszeichen der Habsburger, in: Potestas 20 (2022), 171–198 (= http://dx.doi.org/10.6035/10.6035/potestas.6158). Karen Raber/Treva J. Tucker (Hg.): The Culture of the Horse. Status, Discipline, and Identity in the Early Modern World, New York 2005. Stefanie Stockhorst: Ars Equitandi. Eine Kulturgeschichte der Reitlehre in der Frühen Neuzeit, Hannover 2020.

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Anmerkungen 1  Vgl.

dagegen jüngst kritisch William T. Treal Taylor/Christina I. Barrón-Ortiz: Rethinking the evidence for early horse domestication at Botai, in: Scientific reports 11.7440, 2021 (11 Seiten; https:// doi.org/10.1038/s41598-021-86832-9 [abgerufen am 25.05.2021]). 2  Für einen ähnlich gelagerten Fall vgl. Michael Menzel: Die Jagd als Naturkunst. Zum Falkenbuch Kaiser Friedrichs II ., in: Peter Dilg (Hg.): Natur im Mittelalter. Konzeptionen, Erfahrungen, Wirkungen, Berlin 2003, 342–359. 3  Zum Begriff des „Pferdezeitalters“ bzw. der rudimentären Dreiteilung der Menschheitsgeschichte nach der Rolle des Pferdes vgl. Reinhart Koselleck: Der Aufbruch in die Moderne oder das Ende des Pferdezeitalters, in: Historikerpreis der Stadt Münster 2003. Dokumentation der Feierstunde am 18. Juli 2003, Münster 2003, 23–37. 4  Einführend sowohl zur Diskriminierung von Frauen beim Reiten als auch zur Aneignung vornehmlich männlich kodierter Repräsentationsmittel reitender Fürstinnen vgl. Bettina E. Keil-Steentjes: Die Frau in der höfischen Reiterei, in: Doris Fischer (Hg.): Fürstliche Feste. Höfische Festkultur zwischen Zeremoniell und Amüsement, Petersberg 2020, 154–168; Alexandra Demberger: Damen hoch zu Ross. Vom königlichen Herrscherportrait zum bürgerlichen Adelsportrait. Reitkultur im Hause Thurn und Taxis, Regensburg 2018. 5  Der seit dem 19. Jahrhundert regelmäßig in der englischen Ratgeberliteratur abgedruckte Ausspruch ist zitiert nach Max M. Reese: The Royal Office of Master of the Horse, London 1976, 166. 6  Für einen guten Überblick und eine einschlägige Bibliographie vgl. Peter Edwards/Elspeth Graham: Introduction. The Horse as Cultural Icon. The Real and the Symbolic Horse in the Early Modern World, in: dies./Karl A. E. Enenkel (Hg.): The Horse as Cultural Icon. The Real and the Symbolic Horse in the Early Modern World, Leiden u. a. 2012, 1–33. 7  Für einen Überblick vgl. Rainer Pöppinghege (Hg.): Tiere im Krieg. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2009; weiterführend zur militärischen Bedeutung des Reitens in der nachantiken Geschichte Europas vgl. u. a. Francesco Zambon/ Luca Mantelli (Hg.): Cavalli e cavalieri. Guerra,

gioco, finzione, Pisa 2011; Daniel Roche: Le cheval et la guerre du XV e au X X e siècle, Paris 2002; Ann Hyland: The Warhorse, 1250–1600, Stroud 1998; Richard Barber: The Reign of Chivalry, London u. a. 1980, 9–54. 8  Zu den drei Gemälden und den historischen Hintergründen vgl. Mauro Minardi: Paolo Uccello, Mailand 2017, 172–215; Volker Gebhardt: Paolo Uccellos „Schlacht von San Romano“. Ein Beitrag zur Kunst der Medici in Florenz, Frankfurt a. M. u. a. 1991. 9  Ulrich Raulff: Das letzte Jahrhundert der Pferde. Geschichte einer Trennung, München 2015, 24 et passim. 10  Zum Reiterporträts des 15. Jahrhunderts vgl. etwa Raphael Beuing: Reiterbilder der Frührenaissance. Monument und Memoria, Münster 2010; Armelle Fémelat: Le portrait équestre italien de la fin du Moyen Age au début de la Renaissance, Diss. Université de Tours 2010. 11  Vgl. die Beiträge von Victoria Avery, Volker Hunecke, Joachim Poeschke und Peter Seiler in: Joachim Poeschke u. a. (Hg.): Praemium virtutis III :. Reiterstandbilder von der Antike bis zum Klassizismus, Münster 2008. 12  Zu Uccellos gemaltem Reitermonument von John Hawkwood vgl. Minardi 2017 (wie Anm. 8), 134–145. 13 Zum Reiterstandbild in der Antike vgl. Johannes Bergemann: Römische Reiterstatuen. Ehrendenkmäler im öffentlichen Bereich, Mainz 1990; speziell zur Objekt- und Rezeptionsgeschichte der Reiterstatue von Marc Aurel vgl. Reinhold Baumstark: Das Nachleben der Reiterstatue. Vom caballus Constantini zum exemplum virtutis, in: Detlev von Burg/Ulrich Hommes (Hg.): Marc Aurel. Der Reiter auf dem Kapitol, München 1999, 78–115; zu den mittelalterlichen Reiterstandbildern vgl. Achim Hubel: Der Magdeburger Reiter zwischen dem Bamberger Reiter und den Regensburger Reitern, in: Gabriele Köster (Hg.): Der Magdeburger Reiter. Bestandsaufnahme, Restaurierung, Forschung, Regensburg 2017, 200–229; Peter Seiler: Mittelalterliche Reitermonumente in Italien. Studien zu personalen Monumentsetzungen in den italienischen

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Kommunen und Signorien des 13. und 14. Jahrhunderts, Heidelberg 1989. 14  Zu Burckhardts Charakterisierung des Condottiere vgl. u. a. Dietrich Erben: Das Bild des „Condottiere” bei Jacob Burckhardt. Militarisierung und Renaissancerezeption um 1900, in: Maurizio Ghelardi  / Max Seidel (Hg.): Jacob Burckhardt. Storia della cultura, storia dell’arte, Venedig 2002, 147–158; Stephan Selzer: „Renaissancemenschen“ gesucht. Italienische Condottieri (1380–1480) im Porträt bei Jacob Burckhardt und im prosopographischen Gruppenbild, in: ders./Ulf-Christian Ewert (Hg.): Menschenbilder, Menschenbildner. Individuum und Gruppe im Blick des Historikers, Berlin 2002, 241–275. 15  Zur Krise des Adels und zur Rolle des Reitens in der frühneuzeitlichen Neudefinition von Nobilität vgl. Mackenzie Cooley: Marketing Nobility. Horsemanship in Renaissance Italy, in: Mark Hengerer/Nadir Weber (Hg.): Animals and Courts. Europe, c. 1200–1800, Berlin 2020, 111–128; Jennifer Jobst: How to Ride before a Prince. The Rise of Riding as a Performance Art, in: Anastasija Ropa/ Timothy Dawson (Hg.): The Horse in Premodern European Culture, Berlin u. a. 2019, 123–146; Pia F. Cuneo: Das Reiten als Kriegstechnik, als Sport und als Kunst. Die Körpertechnik des Reitens und gesellschaftliche Identität im frühneuzeitlichen Deutschland, in: Rebekka von Mallinckrodt (Hg.): Bewegtes Leben. Körpertechniken in der Frühen Neuzeit, Wolfenbüttel 2008, 167–187; Treva J. Tucker: Early Modern French Noble Identity and the Equestrian „Airs above the Ground“, in: dies./ Karen Raber (Hg.): The Culture of the Horse. Status, Discipline, and Identity in the Early Modern World, New York 2005, 273–309; Bruce Boehrer: Shakespeare and the Social Devaluation of the Horse, in: ebd., 91–112. 16 Baldassare Castiglione: Das Buch vom Hofmann, hg. von Fritz Baumgart, Bremen 1960, 47. 17  Bernardo de Vargas Machuca: Teorica y exercicios de la gineta, Madrid 1619, unpaginierter Einleitungsbrief. Übersetzung nach Martin Warnke: Das Reiterbildnis des Balthasar Carlos von Velazquez, in: Kurt Badt/Martin Gosebruch (Hg.): Amici amico, München 1968, 217–227, hier 221. 18  Zur (Kultur-)Geschichte der ars equitandi vgl. Stefanie Stockhorst: Ars Equitandi. Eine Kultur-

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geschichte der Reitlehre in der Frühen Neuzeit, Hannover 2020; Bertrand-Pierre Galey (Hg.): Le cheval et ses patrimoines, in: In Situ. Revue des patrimoines (https://doi.org/10.4000/insitu.9542 [abgerufen am 27.05.2021]); Patrice Franchet d’Espèrey/Monique Chatenet (Hg.): Les arts de l’ équitation dans l’europe de la Renaissance, Arles 2009; Giovanni B. Tomassini: The Italian Tradition of Equestrian Art. A Survey of the Treatises on Horsemanship from the Renaissance and the Centuries Following, Franktown 2014; Bertold Schirg: Die Reitkunst im Spiegel ihrer Meister, 2 Bde., Hildesheim 1987–1992. 19 Zu Grisone und seiner Bedeutung für die frühneuzeitliche Reitkunst vgl. einführend Elizabeth M. Tobey: The Legacy of Federico Grisone, in: Edwards/Enenkel/Graham 2012 (wie Anm. 6), 144–171. 20  Zu Pluvinel vgl. Maria Platte: Die „Maneige royal“ des Antoine de Pluvinel, Wiesbaden 2000. 21 Zur Geschichte der Reitakademien (v. a. in Frankreich) vgl. Corinne Doucet: Les académies d’art équestre dans la France d’Ancien régime, Paris 2007; Daniel Roche (Hg.): Les écuries royales. Du XVI e au XVIII e siècle, Versailles 1998. 22  Einführend zum Reiten in der Erziehung des frühneuzeitlichen Adels vgl. Juliana Schiesari: Pedagogy and the Art of Dressage in the Italian Renaissance, in: Pia F. Cuneo (Hg.): Animals and Early Modern Identity, Farnham 2014, 375–390. 23  Antoine de la Baume Pluvinel: Reitkunst […], hg. von Matthäus Merian, Frankfurt 1628, 2 f. und 6. 24  Zu Cavendishs Reitschule in Antwerpen vgl. Ben van Beneden (Hg.): Royalist refugees. William and Margaret Cavendish in the Rubens House 1648–1660, Ausst.-Kat. Antwerpen, Antwerpen 2006. 25  William Cavendish of Newcastle: A new method, and extraordinary invention, to dress horses […], London 1667, 13 f.: „What can be more Comely or Pleasing, than to see Horses go in all their several Ayres? and to see so Excellent a Creature, with so much Spirit, and Strength, to be so Obedient to his Rider, as if having no Will but His, they had but one Body, and one Mind, like a Centaur? But above all, What sets Off a King more, than to be on a Beautiful Horse at the Head of his Army? | Thus it is Proved, That there is nothing of more Use than

r. Reiten

A Horse of Mannage, nor any thing of more State, Manliness, or Pleasure, than Rideing; and as it is the Noblest, so it is the Healthfullest Exercise in the World.“ 26  Zum Reiten als politischer Metapher vgl. u. a. Marie-Louise von Plessen: Die Kunst des Regierens, ein Kulturtransfer. Von orientalischen Reiterkriegern zu Europas Rösserfesten, in: Doris Fischer/ Susanne Rott (Hg.): Hippomanie am Hofe, Petersberg 2019, 101–110; Monica Mattfeld: Becoming Centaur. Eighteenth-Century Masculinity and English Horsemanship, Philadelphia 2017; Kevin de Ornellas: The Horse in Early Modern English Culture. Bridled, Curbed, and Tamed, Lanham u. a. 2014, 282–373; Elspeth Graham: The Duke of Newcastle’s „Love […] For Good Horses“. An Exploration of Meanings, in: Edwards/Enenkel/Graham 2012 (wie Anm. 6), 37–70; Pierangelo Schiera: Socialità e disciplina. La metafora del cavallo nei trattati rinascimentali e barocchi di arte equestre, in: Walter Euchner/Francesca Rigotti/Pierangelo Schiera (Hg.): Il potere delle immagini. La metafora politica in prospettiva storica, Bologna u. a. 1993, 143–182. 27  Zur Geschichte repräsentativer Reiterporträts seit dem späten 16. Jahrhundert vgl. u. a. Nicolas Chaudun: La Majesté des centaures. Le portrait équestre dans la peinture occidentale, Arles 2006; Charles Dumas (Hg.): In het zadel. Het Nederlands ruiterportret van 1550 tot 1900, Ausst.-Kat. Leeuwarden (Fries Museum) u. a., ’s-Hertogenbosch 1979; Ulrich Keller: Reitermonumente absolutistischer Fürsten. Staatstheoretische Voraussetzungen und politische Funktionen, München u. a. 1971; Jörg Traeger: Der reitende Papst. Ein Beitrag zur Ikonographie des Papsttums, München 1970. 28  Zu den Reiterstandbildern Giambolognas und seiner Werkstatt vgl. Alessandro Leoncini: Considerazioni sul monumento a Cosimo I del Giambologna, in: Accademia dei Rozzi 26.51 (2019), 72–79; Sarah B. McHam: Giambologna’s equestrian monument to Cosimo I. The monument makes the memory, in: Kathleen W. Christian (Hg.): Patronage and Italian Renaissance sculpture, Farnham 2010, 195–221; Dietrich Erben: Die Reiterdenkmäler der Medici in Florenz und ihre politische Bedeutung, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 40 (1996), 287–361.

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Den diplomatisch bedeutenden Entstehungskontext beschreibt schon die klassische Studie von Carl Justi: Die Reiterstatue Philipps IV. in Madrid von Pietro Tacca, Leipzig 1883; vgl. ferner: Kelley Helmstutler di Dio: Sculpted Diplomacy. State Gifts of Sculpture from Italy to Spain in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, in: Marieke von Bernstorff/Susanne Kubersky-Piredda (Hg.): L’arte del dono. Scambi artistici e diplomazia tra Italia e Spagna, 1550–1650, Mailand 2013, 51–65, insb. 57–63; Dimitrios Zikos: „Ars sine scientia nihil est“. Il contributo di Pietro Tacca al bronzo italiano, in: Franca Falletti (Hg.): Pietro Tacca. Carrara, la Toscana, le grandi corti europee, Ausst.-Kat. Carrara, Florenz 2007, 55–73, insb. 68–70. 30  Die aus Sicht der Hohen Schule hybride Formation des Reiterdenkmals von Philipp IV. wurde bereits von Baldinucci diskutiert (wie Anm. 32). 31  Allgemein zur Levade in gemalten Reiterporträts: Walter Liedtke: The Royal horse and rider. Painting, sculpture, and horsemanship 1500–1800, New York 1989, 49–59; speziell zur Bedeutung von Tempestas Druckgraphiken vgl. Lars O. Larsson: Antonio Tempesta und das Reiterporträt im 17. Jahrhundert. Eine typologische Studie, in: Adrian von Buttlar/Ulrich Kuder/Hans-Dieter Nägelke (Hg.): Wege nach Süden, Wege nach Norden, Kiel 1998, 26–35; weiterführend zur Levade und ähnlichen Figuren in frühneuzeitlichen Bildern mit reitenden Figuren vgl. Bleuenn Ricordel: Un cheval pour mon royaume! La place du cheval dans la représentation équestre du roi (XVI e–XVIII e siècles), Diss. Université de Rennes 2012. 32  Filippo Baldinucci: Notizie dei professori del disegno […], hg. von Ferdinando Ranalli, 5 Bde., Florenz 1845–1847, Bd. 4, 92–96, hier 95: „Diremo dunque, che questo cavallo fu rappresentato […] in atto d’una semplice levata […] fece il Tacca con saggio avvedimento, perché s’è osservato tra’ professori dell’arte della scultura, che ogni altro moto, in che egli lo avesse voluto rappresentare, sarebbe riuscito meno grazioso.“ 33  Zum verlorenen Rubens-Gemälde vgl. Frances Huemer: Portraits I, Brüssel 1977 (Corpus Rubenianum Bd. 19.1), 150–154, Nr. 30. 34  Zitiert aus Simon A. Vosters: Das Reiterbild Philipps IV. von Spanien als Allegorie der höfischen

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Maurice Saß

Affektregulierung, in: Ulrich Heinen/Andreas Thielemann (Hg.): Rubens Passioni. Die Kultur der Leidenschaften im Barock, Göttingen 2001, 180–191, hier 185. 35  So selbst Ulrich Keller, der immerhin eine Monographie über Reiterstandbilder geschrieben hat (vgl. Anm. 27), in Uwe Fleckner/Martin Warnke/ Hendrik Ziegler (Hg.): Handbuch der politischen Ikonographie, Bd. 2, München 2011, Art. „Reiterstandbild“, 307. 36 Vgl. diesbezüglich die exemplarische Studie von Magdalena Bayreuther: Pferde und Fürsten. Repräsentative Reitkunst und Pferdehaltung an fränkischen Höfen (1600–1800), Würzburg 2014. 37  Zu den Florentiner Reiterfesten vgl. Martina Papiro: Choreographie der Herrschaft. Stefano Della Bellas Radierungen zu den Reiterfesten am Florentiner Hof 1637–1661, Paderborn 2016. 38  Vgl. etwa Stockhorst 2020 (wie Anm. 18), 192– 195. 39  Georg Simon Winter: Bellerophon sive […] Wolberittener Cavallier […], Nürnberg 1678, 21; vgl. dazu ausführlich Pia F. Cuneo: Visual Aids. Equestrian Iconography and the Training of Horse, Rider and Reader, in: Edwards/Enenkel/Graham 2012 (wie Anm. 6), 71–97, hier 91–95. 40  Cesare Capaccio: Il Prencipe. Tratto da gli Emblemi dell’Alciato, Venedig 1620, 61, Nr. 35: „[…] o dapocagine di Prencipi, a i quali, governar non sapendo, ac cader suole quello, che adiviene al mal pratico cavalcatore, che ignorante di saper trattar il freno come si dee […], facilmente misura la terra con le spalle.“ Übersetzung nach Warnke 1968 (wie Anm. 17), 221.

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41 

Stockhorst 2020 (wie Anm. 18), 185 f. ausführliche Würdigungen frühneuzeitlicher Reiterporträts vgl. u. a. Ann Jensen Adams: Thomas de Keyser’s Equestrian Portrait of Pieter Schout, 1660, in: Journal of Historians of Netherlandish Art 9.1 (2017), 17 Seiten (DOI : 10.5092/ jhna.2017.9.1.9 [abgerufen am 27.05.2021]), 7 f.; Vosters 2001 (wie Anm. 34); Liedtke 1989 (wie Anm. 31), 28. 43  Einführend zum Sturz von Reiterstandbildern nicht nur während der französischen Revolution vgl. Volker Hunecke: Europäische Reitermonumente. Ein Ritt durch die Geschichte Europas von Dante bis Napoleon, Paderborn 2008, 279–293. 44  Archives Parlementaire de 1787 à 1860, 1. Serie, Bd. 48, Paris 1896, 115 f.; Übersetzung aus Hunecke 2008 (wie Anm. 43), 280. 45  Zu Davids in mehreren Versionen ausgeführtem Reiterporträt von Napoleon vgl. Gerrit Walczak: David, der General, Carteaux und sein König. Über „Bonaparte am Großen St. Bernhard“, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 73 (2012), 207–230; zu den Reiterstandbildern des 19. und 20. Jahrhunderts vgl. etwa die Zusammenstellung von Kees van Tilburg (https://equestrianstatue.org/ [abgerufen am 03.06.2021]); für ein jüngeres Monument wie das etwa 30 m hohe Reiterstandbild von Dschingis Khan, das 2008 in der Mongolei eingeweiht wurde, vgl. Dan Levin: Genghis Khan Rules Mongolia Again, in a P.R. Campaign, in: New York Times 3. August 2009, S. A6 (https://www.nytimes. com/2009/08/03/world/asia/03genghis.html [abgerufen am 03.06.2021]) 42  Für

Anna Pawlak

s. Fahren

Am 29. März 1764 zog der habsburgische Thronfolger Joseph (II .) zusammen mit seinem Vater Franz I. Stephan anlässlich seiner Krönung zum Römischen König in Frankfurt am Main ein. Während der feierlichen Einholung begleiteten die Kurfürsten, Wahlbotschafter sowie der Magistrat der Stadt den zukünftigen Kaiser, der in einer von sechs Pferden gezogenen grand carosse zum Ort seiner Inthronisation gefahren wurde.1 Nicht nur dieses aus kostbaren Materialien hergestellte und aufwändig gestaltete Objekt höfischer Machtentfaltung an sich, sondern auch seine programmatische Funktion innerhalb des Festzuges erregte die Aufmerksamkeit eines prominenten zeitgenössischen Augenzeugen: „Der prächtigste Staatswagen, auch im Rücken mit einem ganzen Spiegelglas versehen, mit Malerei, Lackierung, Schnitzwerk und Vergoldung ausgeziert, mit rotem, gestickten Samt obenher und inwendig bezogen, ließ uns ganz bequem Kaiser und König, die längst erwünschten Häupter, in aller ihrer Herrlichkeit betrachten. Man hatte den Zug einen weiten Umweg geführt, teils aus Notwendigkeit, damit er sich nur entfalten könne, teils um ihn der großen Menge Menschen sichtbar zu machen.“2 Mit diesen Worten beschrieb Johann Wolfgang von Goethe Jahrzehnte später in Dichtung und Wahrheit die hochrangige, in umgearbeiteter Form noch heute in der Wiener Wagenburg aufbewahrte Karosse, deren ästhetisches, von technischer Innovation getragenes Konzept eine sinnstiftende Dialektik des Ent- und Verhüllens erkennen lässt. 3 Der herrschaftliche Körper, dessen Dignität alleine durch den seit der Antike bekannten Akt des Gefahrenwerdens beständig betont wurde, bewegte sich unter Verwendung eines komfortablen Fuhrwerks, das ihn gleichermaßen vor der Außenwelt schützte wie auch dieser in besonderer Weise präsentierte.4 Dank der neuartigen Konstruktion des Krönungswagens konnten der Thronfolger und sein Vater durch acht großflächige Scheiben aus venezianischem Spiegelglas von allen Seiten erblickt werden und wirkten aufgrund der aufwändigen ornamentalen Rahmung der Fenster wie lebendige Porträts ihrer selbst.5 Auf dieses rezeptionsästhetische Phänomen rekurriert ein in der Werkstatt von Martin van Meytens d. J. angefertigtes Gemälde aus einer fünfteiligen Serie zum Thema der Frankfurter Krönung Josephs (II .) (Abb. 1):6 Sowohl der amtierende Kaiser als auch der Kronprinz werden darauf nicht nur in je 323

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Abb. 1: Werkstatt von Martin van Meytens d. J.: Einzug von Joseph II. zur Krönung in Frankfurt am Main, 1764–1767, Öl auf Leinwand (Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie).

eigenen, durch die vergoldeten Dachstützen geformten Bildfeldern präsentiert; sie wenden sich darüber hinaus den Betrachtenden zu, die sie unmittelbar anblicken und dadurch dezidiert in die Position von Augenzeugen des sich im Bild beständig vollziehenden Fahrtgeschehens versetzen. In der Wahrnehmung der Zuschauer:innen und Teilnehmer:innen des ephemeren Ereignisses kulminierte die temporäre Inszenierung der beiden Habsburger mit und durch die Karosse in der Verschmelzung der herrschaftlichen Körper mit den darunter auf dem Kasten angebrachten allegorischen Bildern von Michelangelo Unterberger.7 Bereits die Darstellung des auf einem von Pegasus gezogenen Wolkengebilde sitzenden und von Genien begleiteten Apoll auf der Vorderseite der im Schritttempo fahrenden Kutsche ließ diese real wie metaphorisch zum Sonnenwagen des antiken Gottes und somit zu einem materialisierten Sinnbild des Aufgangs einer neuen imperialen Macht werden.8 Diese gezielte sym324

s. Fahren

bolische Überhöhung der Frankfurter Inthronisation wurde sowohl an den Seiten als auch am Rückpaneel der Karosse mit Hilfe der im siegreichen Kampf gezeigten exempla virtutis Pallas Athene, Perseus und Herkules, dem mythologischen Urahnen der habsburgischen Dynastie, fortgeführt.9 Über ihre Bedeutung als staatspolitischkonfessionelle Programmbilder hinaus, welche allegorisch die Überwindung der Laster durch die fürstliche Tugendhaftigkeit thematisieren, verwiesen insbesondere die seitlich angebrachten, den Medusa-Mythos aufgreifenden Szenen auf eine spezifische Form der bild- respektive objektimpliziten Kunsttheorie.10 Im semantischen Wechselspiel mit den zur Ausstattung des Wagens gehörenden realen Textilien wie auch den wiederholt vorkommenden, gemalten und geschnitzten Motiven des Zeltes und Vorhangs, die sich unverkennbar auf die den fürstlichen Körper beschirmende und präsentierende Funktion des Fuhrwerks bezogen, reflektierten die profanen Historien sowohl die apotropäische Wirkung des Artefakts als auch den Komplex um den (un-)verstellten Blick.11 In diesem Kontext visualisiert das Gemälde der MeytensWerkstatt eine Eigenart der Karosse, die in signifikanter Weise ebenfalls der Zurschaustellung herrschaftlicher Magnifizenz diente: Um den sechsspännigen Wagen lenken zu können, hätte ein Kutschbock deutlich höher als die fürstlichen Sitzbänke im Inneren gebaut werden müssen, was jedoch nicht mit dem spanischen Hofzeremoniell zu vereinbaren war. Daher ritten, wie auf dem Bild gezeigt, zwei Kutscher direkt auf den Schimmeln aus dem Hofgestüt Kladrub und handhabten das Gespann gemeinsam mit den für das Stoppen des Gefährts zuständigen sogenannten Mitteljungen.12 Die Übertragung der zeremoniellen Vorgaben auf die Konstruktion und Verwendung des Wagens bewirkte, dass dieser scheinbar nur dank der antreibenden herrschaftlichen Kraft dem ihm vorherbestimmten Weg folgte und damit im Sinne einer seit der Antike tradierten Vorstellung und semantischen Polyvalenz der lateinischen Verben regere und gubernare, die sowohl ‚regieren‘ als auch ‚(einen Wagen, ein Schiff ) lenken, steuern‘ bedeuten, die Rolle des Souveräns von Gottes Gnaden als Lenker des Reiches inszenierte.13 Eine solche Inszenierung stand zwar im eklatanten Widerspruch zu den von Joseph II . vertretenen Idealen eines aufgeklärten Absolutismus, wird jedoch in dem im Auftrag seiner Mutter, Kaiserin Maria Theresia, entstandenen Gemälde, das als Repräsentationsform zweiter Ordnung fungiert, mehr als manifest.14 Diese paradigmatische Art des Umgangs mit ästhetisch ausgestalteten Fahrpraktiken des Herrschers als zentralen machtkonstituierenden Elementen performativer Akte hatte innerhalb der habsburgischen Dynastie seit Jahrzehnten Konjunktur. In präzedenzloser Weise veranschaulicht dies der heute ebenfalls in der Kaiserlichen Wagenburg Wien aufbewahrte ‚Imperialwagen‘, der vermutlich um 1735/40 für Karl VI . gebaut und 1763 von Franz Xaver Wagenschön mit allegorischen, sich auf 325

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Abb. 2: Johann Erdmann Gottlieb Prestel: Imperialwagen mit Achterzug vor dem Wiener Stephansdom, um/nach 1851 (Wien, Kunsthistorisches Museum, Wagenburg).

die herrschaftlichen Tugenden Maria Theresias beziehenden Gemälden ausgestattet wurde.15 Die vier Tonnen schwere und daher nur im Schritttempo bewegliche Karosse war alleine der Nutzung durch die Kaiserin, den Kaiser sowie den Kronprinzen vorbehalten und wurde ausschließlich zu herausragenden staatspolitischen Anlässen wie Erbhuldigungen und Krönungen eingesetzt, zu denen sie aufgrund ihres symbolischen Stellenwerts zerlegt auf anderen Wagen transportiert wurde.16 Der damit verbundene Status als herrschaftliche Insignie der habsburgischen Dynastie äußerte sich unter anderem darin, dass dem leer fahrenden Gespann die gleiche Ehrerbietung entgegengebracht werden musste wie dem Herrscher selbst und ein Angriff auf die Kutsche als eine Majestätsbeleidigung galt;17 ein historisches Faktum, das den unbesetzten Krönungswagen um 1850 zum bildwürdigen Gegenstand einer gemalten Darstellung machte: Das Gemälde des Wiener Hofmalers Johann Erdmann Gottlieb Prestel zeigt die mit acht Schimmelhengsten bespannte Kutsche am Riesentor des Stephansdomes, vor dessen in Erdtönen gestalteter Fassade sich die edlen Materialien des bis heute erhaltenen ‚Imperialzuges‘ der Pferde, der Spanischen Livree der Kutscher sowie vor allem der vergoldeten Karosse eindrucksvoll abheben (Abb. 2).18 Allein die Präsenz des wartenden Wagens verweist auf die besondere Bedeutung und gesellschaftliche Exklusivität des sich in der Kirche vollziehenden rituellen Geschehens, dessen Unzugänglichkeit für die Betrachter:innen zugleich sowohl durch die Positionierung des den Weg in das Gotteshaus versperrenden Pferdegespanns als auch die Gestaltung des dunklen Innenraums angedeutet wird, der durch die Portalöffnung nur schemenhaft wahrgenommen werden kann. 326

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Abb. 3: Adam Frans van der Meulen: Fahrt Ludwigs XIV. über den Pont Neuf, um 1666, Öl auf Leinwand (Grenoble, Musée de Grenoble).

Eine bezeichnende Parallele zu dieser engen Verknüpfung wichtiger Staatsakte mit repräsentativen Formen des fürstlichen Fahrens, die geradezu metonymisch für die jeweiligen Ereignisse stehen konnten, lässt die bildliche Inszenierung der Aufsehen erregenden Kutschfahrt Ludwigs XIV . über den Pariser Pont Neuf erkennen, die Adam Frans van der Meulen um 1666 schuf (Abb. 3):19 Das Gemälde hält jenen Moment fest, in dem der von sechs Pferden gezogene vergoldete Wagen des Souveräns unter dem Schutz der königlichen Garde und in Begleitung des anwesenden Volkes demnächst das auf der Brücke aufgestellte Reiterstandbild Heinrichs IV . passieren wird, in dessen Regierungszeit der imposante Brückenbau vollendet worden war. Während die auf dem Bild dargestellte Begebenheit nicht eindeutig identifiziert werden kann, benennt die Inschrift einer um 1670 von Jan van Huchtenburg in Kupfer gestochenen Reproduktion des Kunstwerks den königlichen Palast auf der Île de la Cité als Ziel des gezeigten Marche du Roy.20 Damit verdeutlicht die Druckgraphik nicht nur, dass es sich bei dem Geschehen um die herrscherliche Fahrt zum Lit de justice, einer außerordentlichen Parlamentssitzung in Anwesenheit des Königs, handeln muss,21 sondern dokumentiert zugleich einen entscheidenden zeremoniellen Wandel in der Gestaltung des feierlichen Ereignisses: Während alle früheren Regenten aus diesem Anlass reitend zum Palais gezogen waren, etablierte sich unter Ludwig XIV . die unübersehbar auf die Tradition des Herrschereinzugs rekurrierende Fahrt 327

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zum Parlament, welche der König 1715 testamentarisch auch für seinen Urenkel als künftigen Monarchen festschreiben ließ.22 Wenige Jahre nach der Niederschlagung der Fronde sowie der offiziellen Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Ludwig 1661 manifestiert sich demnach sowohl in van der Meulens Gemälde als auch in dessen druckgraphischer Wiedergabe eine spezifische symbolische Aufladung des fürstlichen Fahraktes: Die programmatische Gegenüberstellung des den Fluchtpunkt des Bildes markierenden Reiterstandbildes mit dem Gespann, in dem neben Ludwig XIV . noch weitere Mitglieder der königlichen Familie Platz genommen haben, avanciert zum wirkmächtigen Sinnbild einer von dynastischer Kontinuität getragenen, sich stetig ausdehnenden königlichen Autorität. Der durch seine Statue vergegenwärtigte, mit Rüstung und Feldherrenstab ausgestattete Heinrich IV ., der sich über der Spalier stehenden Garde erhebt, fungiert dabei gleichsam als Verkörperung der ‚in Reserve‘ gesetzten, jedoch beständig aktualisierbaren militärischen Stärke des Hauses Bourbon.23 Ludwigs Kutschfahrt wird vor diesem Hintergrund spätestens durch ihre intermediale Übersetzung ins Bild zur ephemeren Metapher jener konsolidierten Herrschaftsordnung, deren positive wirtschaftliche, kulturelle und religiöse Folgen in der Darstellung – in Anlehnung an das tradierte Thema der ‚Segnungen des Friedens‘ – durch die arbeitenden Schiffer, die eindrucksvolle Stadtkulisse sowie die im Bau befindliche Theatinerkirche erkennbar sind. Die von Ludwig XIV . veranlasste signifikante Änderung des Zeremoniells belegt exemplarisch, wie die Entfaltung herrschaftlicher Dignität in der Frühen Neuzeit gerade im Rahmen performativer Akte zunehmend an das Fahren als zentrale Aktion des fürstlichen Körpers gebunden war. In programmatischer Weise zeigt sich dies auch und vor allem in Fällen physischer Abwesenheit des Souveräns während der Feierlichkeiten, dessen Macht multisensorisch mit Hilfe eines sich in Bewegung setzenden Körpersubstituts beschworen wurde. Ein denkwürdiges Beispiel hierfür bildet jene repraesentatio in effigie, die im Rahmen aufwändiger Feierlichkeiten inszeniert wurde, welche der spanische Botschafter beim Vatikan Manuel de Moura y Corte Real Anfang Februar 1637 anlässlich der im Dezember erfolgten Wahl Ferdinands III . zum Römisch-Deutschen König in der Ewigen Stadt veranstaltete.24 Den Höhepunkt des auf der Piazza di Spagna dargebotenen Feuerwerks, welches der französische Künstler Claude Lorrain in einer ungewöhnlichen Folge von dreizehn Radierungen festhielt,25 stellte die Vorführung eines etwa acht Meter hohen, aus Holz und Pappmaché gefertigten und mit dem habsburgischen Adler bekrönten Festungsturmes dar.26 Das breite Postament, auf dessen Ecken die Personifikationen der vier Erdteile angebracht waren, symbolisierte die auf der weltumspannenden Suprematie des Herrscherhauses basierende Stabilität und Wehrhaftigkeit des Imperiums. Diese wurde jedoch sogleich in einem kalkulierten ikonoklastischen Akt in Frage ge328

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Abb. 4: Claude Lorrain: Die Reiterstatue des Königs der Römer wird in den Palazzo di Spagna geleitet, 1637, Radierung (Amsterdam, Rijksmuseum).

stellt, bei dem die Explosion unzähliger Feuerwerkskörper nicht nur den Festungsturm, sondern auch einen darin verborgenen Rundbau auseinanderriss. Inmitten des Feuerinfernos erschien plötzlich ein unversehrter Reiter in voller Rüstung, der sich mit dieser Form der ästhetischen revelatio als jene Macht zu erkennen gab, welche mit der komplexen Brennfolge ihre Beherrschung der Naturgewalten unter Beweis stellte. Die herrschaftliche Epiphanie Ferdinands III . als König der Römer markierte jenen entscheidenden Wendepunkt der Feierlichkeiten, an dem das Ephemere des Feuerwerks in das Dauerhafte des fürstlichen Reiterstandbildes überführt wurde. Der Prozess der dramatischen Machttransformation wurde jedoch erst durch die unerwartete Fahrbewegung des Kunstwerks vollendet: Das letzte Blatt der Radierfolge zeigt, wie die Statue, welche sich zuvor laut den zeitgenössischen Quellen mit Hilfe eines unsichtbaren Mechanismus (occulte machine) von selbst in Bewegung gesetzt hatte, in Begleitung der Schweizer Garde unter dem Jubel des Volkes in den Palast des spanischen Botschafters zog, der sie an der Schwelle feierlich empfing (Abb. 4). Spätestens diese fürstliche pompa introitus verdeutlicht den Status des ferdinandischen 329

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‚Fahrreiters und Reiterfahrzeugs‘ in seiner „divine[n] Selbstbewegtheit“27 nicht nur als Verkörperung des body natural und body politic des zukünftigen Kaisers, sondern auch der realpolitisch im Zuge des Dreißigjährigen Krieges längst Utopie gewordenen Vorstellung einer uneingeschränkten habsburgischen Hegemonie. Demnach entfalteten herrschaftliche Fahrpraktiken in der Frühen Neuzeit ihre spezifische repräsentative Wirkmacht gerade im Kontext jener historischen Transformationen, die in krisenhaften Zeiten politischer, religiöser und ökonomischer Instabilität stattfanden. Angesichts des prekären Zustandes der Liminalität dienten sie wiederholt der Stabilisierung gesellschaftlicher Ordnung durch die ephemere Zurschaustellung eines heilsgeschichtlich legitimierten Wandels im Machtkontinuum. Insbesondere die herrscherlichen pompae funebres, bei denen der Leichnam des verstorbenen Regenten üblicherweise in einem mit schwarzem Stoff verhüllten Sarg in Begleitung von zahlreichen Würdenträgern zum Beisetzungsort gebracht wurde, stellen in diesem Zusammenhang mitunter die wichtigsten Akte fürstlichen Fahrens dar:28 Der mit großem technischen Aufwand hergestellte, oft mit einem Baldachin als traditionelles Hoheitszeichen bekrönte Leichenwagen fungierte durch seine Positionierung innerhalb des minutiös choreographierten Trauerzugs als zentraler Bezugspunkt und wichtigstes Bindeglied zwischen der in der Prozession repräsentierten dynastischen Vergangenheit und Zukunft. Eine der ästhetisch anspruchsvollsten letzten Fahrten dieser Art wurde im Rahmen der Brüsseler pompa funebris für Kaiser Karl V. Ende Dezember 1558 veranstaltet, die in mehrfacher Hinsicht ein singuläres Festgeschehen darstellte:29 Nicht nur hatte der Kaiser ab 1555/56 in einigen präzedenzlosen Staatsakten seine Herrschaft niedergelegt, wodurch die Nachfolger – sein Bruder Ferdinand I. als Kaiser und sein Sohn Philipp II . als Herzog von Burgund und spanischer König – die Sukzession bereits zu dessen Lebzeiten antraten. Auch war der Leichnam des am 21. September 1558 in Yuste verstorbenen Habsburgers in der Krypta unter dem Hauptaltar der Klosterkirche beigesetzt worden. Die von Philipp II . in der niederländischen Residenzstadt beauftragten Exequien sollten daher eine zeremonielle Bewältigung sowohl der bereits vollzogenen Machtübergabe als auch der Abwesenheit des Leichnams darbieten, die einerseits die aus der Abdankung bezogene Legitimität der Herrschaft des spanischen Königs bekräftigte und ihn paradoxerweise andererseits entgegen den tatsächlichen politischen Folgen des Rücktritts als einzigen rechtmäßigen Nachfolger inszenierte. Trotz des dadurch bedingten Fehlens eines klassischen Leichenwagens kulminierte der Trauerkondukt in einem spektakulären Fahrzeug, dessen Gestaltung in einem von Johannes und Lucas van Doetecum nach einer Zeichnung Hieronymus Cocks angefertigten Kupferstich überliefert ist, welchen der Antwerpener Verleger Christoph Plantin 1559 in der Graphikfolge La magnifique et sumptueuse pompe fu330

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Abb. 5: Johannes und Lucas van Doetecum nach Hieronymus Cock: Das Triumphschiff Victoria, aus: La magnifique, et sumptueuse Pompe Funebre, faite aus Obseques & Funerailles du tresgrand & tres-victorieus Empereur Charles Cinquième, verlegt von Christoph Plantin, Kupferstich und Radierung, koloriert (Amsterdam, Rijksmuseum).

nebre faite aus obseques et funerailles du tresgrand et tresvictorieus empereur Charles Cinquieme […] publizierte (Abb. 5):30 Ein von zwei Hippokampen gezogenes, auf mehreren unter einem artifiziellen Meeresspiegel verborgenen Rädern rollendes Triumphschiff mit dem Namen Victoria überhöhte mit Hilfe eines komplexen Bildprogramms den verstorbenen Herrscher zum miles christianus und defensor fidei. So verwiesen unter anderem die am Rumpf des etwa zehn Meter langen Fuhrwerks angebrachten Darstellungen von Karls militärischen Siegen, die an Bord als lebendige Figuren auftretenden christlichen Tugenden sowie die hinter dem Schiff aufragenden Säulen des Herkules auf den göttlich legitimierten Herrschaftsanspruch der Habsburger.31 Der ebenfalls an Deck stehende leere Kaiserthron als Allusion auf die hetoimasia markierte vor diesem Hintergrund sowohl die körperliche Absenz des verstorbenen Kaisers als auch die durch Karls Tod erzeugte „Leerstelle der Macht“32, 331

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Abb. 6: Einzug von Alfonso d’Aragona in Neapel, florentinische cassone-Tafel, 1452 (?), (Privatbesitz).

die von seinem am Ende des Trauerzugs schreitenden und am folgenden Tag  – gleichsam als habe Karl nicht bereits zuvor abgedankt – erneut zum rechtmäßigen Nachfolger seines Vaters ausgerufenen Sohn Philipp zu füllen war.33 Diese durch die Straßen Brüssels fahrende Apotheose einer vom wahren Glauben geleiteten und dadurch beständig Grenzen überschreitenden Regentschaft war daher weniger als ein allegorisches Körpersubstitut Karls V. zu verstehen, sondern vielmehr eine triumphale Beschwörung der mit seiner Person untrennbar verbundenen, doch mit seiner Abdankung endgültig zerfallenen monarchia universalis. Unübersehbar generierten alle die oben angesprochenen höfischen Feierlichkeiten einen wesentlichen Teil ihres erkenntnisstiftenden Potenzials im Dienste fürstlicher Magnifizenz aus dem bewussten Rekurs auf antike Festpraktiken, innerhalb derer vor allem der herrscherliche Adventus sowie der Triumphzug eine fast ununterbrochene kulturhistorische Relevanz besaßen.34 Der Einzug Alfonsos d’Aragona nach Neapel am 26. Februar 1443 stellt insofern ein paradigmatisches Beispiel einer solchen kreativen Aneignung dar, als er die beiden auf die Antike zurückgehenden zeremoniellen Formen erstmalig nicht nur untereinander, sondern auch mit ausgewählten Elementen zeitgenössischer Festkultur verschränkte; eine Zäsur in der Gestaltung höfischer Feierlichkeiten, die sich ebenfalls in der beispiellosen medialen Rezeption des Festaktes manifestiert.35 Bei dem feierlichen Ereignis, welches den Sieg des Aragonesen über die Herrschaft der Anjou feierte, ritt der Triumphator nach dem Vorbild römischer Feldherren zunächst durch eine in die Stadtmauer geschlagene Bresche, um kurz danach auf einen von den Bürgern präsentierten Triumphwagen zu steigen, der im Anschluss an die Vorführung einiger lebender Bilder (rappresentazioni) in Begleitung von Alfonsos Sohn Ferrante sowie zahlreichen Musikern, Würdenträgern, Botschaftern und Kaufleuten durch alle Viertel der Stadt fuhr.36 Gerade in diesem von vier weißen Pferden gezogenen und durch den von etwa 20 Adeligen getragenen goldenen Baldachin überfangenen carro triunfale, auf dem ein Thron in Gold 332

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Abb. 7: Isaia da Pisa, Pietro da Milano, Domenico Gagini und Francesco Laurana: Einzug von Alfonso d’Aragona in Neapel, 1450–1471, Relieffries (Neapel, Castel Nuovo).

und Purpur angebracht war, offenbarte sich der bereits von den zeitgenössischen Chronisten wiederholt hervorgehobene Antikenbezug,37 welcher durch eine Aufführung der Florentiner Kaufleute nochmals unterstrichen wurde:38 Nachdem unter anderem die allegorische Figur der Fortuna auf einer goldenen Kugel sowie die Personifikationen der Spes, Fides, Caritas, Fortitudo, Temperantia, Prudentia und Iustitia aufgetreten waren, stellte die Inszenierung der überraschend auf einem Gerüst erscheinenden, in Rüstung und Feldherrenstab bekleideten Figur Julius Caesars den Höhepunkt dieser performativen Sequenz dar. Die Gestalt des römischen Feldherren, unter deren Füßen sich eine Weltkugel drehte, richtete einige Verse an Alfonso, in denen sie diesen als ‚neuen Caesar‘ und fürstliches Exemplum der zuvor gezeigten Tugenden adressierte.39 In der sinnstiftenden Parallelisierung beider hinter der Fortuna fahrenden Triumphatoren, die eine um 1452 angefertigte, das ephemere Ereignis wiedergebende cassone-Tafel augenfällig macht (Abb. 6),40 wird demnach ein gleichsam genealogischer Anspruch einer Raum und Zeit übergreifenden herrschaftlichen Macht manifest,41 die mit dem folgenden Festzug pars pro toto in die neapolitanische Stadttopographie eingeschrieben wurde. Einen materialisierten, ebenfalls an die antike Tradition angelehnten Ausdruck dieser dauerhaften fürstlichen Einschreibung 333

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in die Stadttopographie bildete ein monumentaler Triumphbogen, den Alfonso beim Wiederaufbau des Castel Nuovo ab etwa 1450 an dessen Portal errichten ließ.42 An dem erst 13 Jahre nach dem Tod des Herrschers 1471 fertiggestellten Bogen ist auf dessen ganzer Breite ein Relief mit der Darstellung des Triumphzuges zu sehen, die kompositorisch um die Gestalt des fahrenden Königs zirkuliert (Abb. 7). Das auffällige Hinausragen des Baldachins des Triumphwagens über den Ornamentfries markiert eine visuelle Aufhebung der ästhetischen Grenze, wodurch das feierliche Ereignis bis heute kontinuierlich in den städtischen Raum Neapels hineinzuwirken scheint: Durch die Anbringung der triumphalen Fahrt Alfonsos am liminalen Ort des Portals avanciert letztlich jedes Passieren des Baus zu einer rezeptionsästhetischen Reinszenierung des sich dank der Bewegung der Betrachtenden selbst bewegenden Festumzugs.43 In seiner 1860 veröffentlichten Kultur der Renaissance in Italien konstatierte Jacob Burckhardt mit Bezug auf den triumphalen Einzug Alfonsos und weitere höfische Fahrten dieser Art nicht ohne Sarkasmus, dass zu jener Zeit „überhaupt des mythologischen und allegorischen Herumkutschierens kein Ende“44 gewesen sei. Damit wies er zwar zutreffend auf die sich in ihrer weiten Verbreitung niederschlagende gesellschaftliche Relevanz solcher an der Antike orientierter Festumzüge hin; übrigens ganz in Übereinstimmung mit der damaligen auf die Ereignisgeschichte fokussierten Historiographie, für welche das höfische Zeremoniell „als Parasit im Feld des politischen Handelns“45 galt. Er marginalisierte jedoch zugleich die spezifischen Funktionen feierlicher Fahrpraktiken im Kontext komplexer Repräsentationsstrategien der Frühen Neuzeit: Als eine Form der Sichtbarmachung fürstlicher dignitas unterstrich der mit dem Fahren verbundene „Modus des bewegten Erscheinens“46 innerhalb der symbolischen Kommunikation am frühneuzeitlichen Hof sowohl die selbstbestimmte Bewegungs- und damit auch Handlungsfähigkeit des Souveräns als auch dessen Allgegenwart.47 Vor diesem kulturgeschichtlichen Hintergrund führte die beständige Auseinandersetzung mit den Fahrpraktiken der Regenten wiederholt zu wissenschaftlichen und künstlerischen Innovationen, zumal gerade in ästhetischen Imaginationen – sich nicht nur zu Land vollziehender – herrscherlicher Fahrten wie vor allem den legendären Tauch- und Luftfahrten Alexanders des Großen bereits seit Jahrhunderten die Grenzen des technisch Machbaren und der zu erobernden Regionen nicht nur überblendet, sondern vor allem ausgelotet wurden.48 An diese lange höfische Tradition anschließend demonstrierte etwa ein von dem niederländischen Gelehrten Simon Stevin entwickelter, für seine außergewöhnliche Geschwindigkeit und Reichweite gerühmter Segelwagen, dessen Nutzung durch Moritz von Oranien 1602 in mehreren Kupferstichen festgehalten wurde,49 oder der für dessen Halbbruder Frederik Hendrik im Jahr 1647 angefertigte, durch seine ausgefeilte Konstruk334

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tion schwebend erscheinende Leichenwagen,50 nachdrücklich die Möglichkeit einer Überschreitung der von der Natur vorgegebenen Beschränkungen menschlicher Fortbewegung und betonten zugleich den dynastischen Machtanspruch der Statthalter innerhalb der sich konsolidierenden Republik.51 Die Praxis fürstlichen Fahrens war demnach in unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen eine zentrale performative Aushandlungsform von Herrschaftsansprüchen, ein Motor für Innovationen, aber auch ein Katalysator dynastischer Krisen und barg gerade deshalb – wie der sog. Londoner Kutschenstreit von 1660 nachdrücklich belegt – ein wiederholt von den Regenten instrumentalisiertes Konfliktpotenzial.52 Innerhalb der höfischen Kultur der Frühen Neuzeit, in welcher der Herrschaftsraum erst durch die somatische Präsenz des Souveräns konstituiert wurde, fungierten die aufwendig inszenierten Fahrten nicht nur als Affirmationen von Macht, sondern verwiesen zugleich sinnfällig auf deren bemerkenswerte Wandlungsfähigkeit und kontinuierliche Erweiterbarkeit. Auswahlbibliographie

Hubert Adolph-Paburg: Die Blüte des Fahrzeugschmucks, in: Walter Koschatzky (Hg.): Maria Theresia und ihre Zeit. Eine Darstellung der Epoche von 1740–1780 aus Anlass der 200. Wiederkehr des Todestages der Kaiserin, Salzburg/Wien 1979, 320–328. Jörg Jochen Berns: Die Herkunft des Automobils aus Himmelstrionfo und Höllenmaschine, Berlin 1996. Dagmar Böcker: Mobilität. Fortbewegungsmittel, in: Werner Paravicini (Hg.): Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Bilder und Begriffe, Teilbd. 1: Begriffe, Ostfildern 2005, 115–133. Peter Johanek/Angelika Lampen (Hg.): Adventus. Studien zum herrscherlichen Einzug in die Stadt, Köln u. a. 2009. Rudolf H. Wackernagel: Der französische Krönungswagen von 1696–1825. Ein Beitrag zur Geschichte des repräsentativen Zeremonienwagens, Berlin 1966.

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Anmerkungen 1  Zur

Wahl, Krönungsreise und Inthronisation Josephs II . vgl. Gerda Mraz: Die Krönungsreise Josephs II ., in: Walter Koschatzky (Hg.): Maria Theresia und ihre Zeit. Eine Darstellung der Epoche von 1740–1780 aus Anlass der 200. Wiederkehr des Todestages der Kaiserin, Salzburg/Wien 1979, 186– 191; Bernhard A. Macek: Die Krönung Josephs II . zum römischen König in Frankfurt am Main. Logistisches Meisterwerk, zeremonielle Glanzleistung und Kulturgüter für die Ewigkeit, Frankfurt a. M. u. a. 2010. 2  Johann Wolfgang von Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, hg. von Klaus-Detlef Müller, Frankfurt a. M. 2007, 211. 3 Zu Josephs Krönungswagen sowie dessen späterer Umarbeitung zum sog. Trauer-Huldigungswagen (Kaiserliche Wagenburg Wien, Inv. Nr. W 2 1), vgl. dazu Macek 2010 (wie Anm. 1), 54. 4  Zum Gefahrenwerden als gesellschaftlichem Privileg vgl. Rudolf H. Wackernagel: Zur Geschichte der Kutsche bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, in: Wilhelm Treue (Hg.): Achse, Rad und Wagen. Fünftausend Jahre Kultur- und Technikgeschichte, Göttingen 1986, 197–235, hier 212; Dagmar Böcker: Mobilität. Fortbewegungsmittel, in: Werner Paravicini (Hg.): Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Bilder und Begriffe, Teilbd. 1: Begriffe, Ostfildern 2005, 115–133, hier 124. 5  Zur Entwicklung und besonderen Konstruktionsweise des aus Frankreich stammenden Wagentyps grand carosse resp. carosse moderne, der sich u. a. gerade durch die Ausstattung mit Fensterwänden auszeichnete, vgl. Rudolf H. Wackernagel: Der französische Krönungswagen von 1696–1825. Ein Beitrag zur Geschichte des repräsentativen Zeremonienwagens, Berlin 1966, 30–172; Wackernagel 1986 (wie Anm. 4), 222–227. 6  Zu Meytens’ Gemäldezyklus vgl. Bernhard A. Macek: Der Krönungszyklus aus der Meytens-Werkstatt, in: Wolfgang Schmale (Hg.): Time in the Age of Enlightenment. 13th International Congress for Eighteenth-Century Studies, Bochum 2012, 213– 225; Georg Lechner: Martin van Meytens d. J., in: Agnes Husslein-Arco/Georg Lechner: Martin van Meytens der Jüngere, Ausst.-Kat., Wien 2014, 8–21, hier 19 f.

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7 Zur

in vergleichbarer Weise als Versinnbildlichung königlicher Tugenden fungierenden Karosse Ludwigs X I V. vgl. Wackernagel 1966 (wie Anm. 5), 59–61. Zu den von Unterberger geschaffenen Gemälden für Josephs Krönungswagen vgl. Hubert Adolph-Paburg: Die Blüte des Fahrzeugschmucks, in: Koschatzky 1979 (wie Anm. 1), 320–328, hier 323 f.; Johann Kronbichler: Michael Angelo Unterberger. 1695–1758, Salzburg 1995, 149– 154. Die Gemälde, die im Zuge der Umarbeitung der Karosse zum Hoftrauer-Galawagen schwarz übermalt wurden, sind erst 1920 wieder freigelegt worden. Vgl. Macek 2010 (wie Anm. 1), 54. 8  Mehr als ein Jahrzehnt später griff auch der Krönungswagen Ludwigs X VI . die SonnenwagenSymbolik auf. Vgl. Wackernagel 1966 (wie Anm. 5), 233. Die religiöse Dimension des herrscherlichen Einzugs als eine Form fürstlicher Epiphanie sowie als Beginn einer neuen Zeit(rechnung) geht bereits auf die antiken Ursprünge des Adventus-Rituals zurück. Vgl. Winfried Dotzauer: Die Ankunft des Herrschers. Der „fürstliche“ Einzug in die Stadt (bis zum Ende des alten Reiches), in: Archiv für Kulturgeschichte 55 (1973), 245–288, hier 245–248. 9  Zur Relevanz mythologischer Bezüge für die Repräsentation der habsburgischen Herrscher vgl. u. a. Guido Bruck: Habsburger als „Herculier“, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien 50 (1953), 191–198; William C. McDonald: Maximilian I of Habsburg and the Veneration of Hercules. On the Revival of Myth and the German Renaissance, in: The Journal of Medieval and Renaissance Studies 6 (1976), 139–154; Marie Tanner: The Last Descendant of Aeneas. The Hapsburgs and the Mythic Image of the Emperor, New Haven 1993. 10  Zur Darstellung der Medusa im Kontext einer bildimpliziten Kunsttheorie vgl. u. a. Gerhard Wolf: Schleier und Spiegel. Traditionen des Christusbildes und die Bildkonzepte der Renaissance, München 2002, 345–355; Eveliina Juntunen: Peter Paul Rubens’ bildimplizite Kunsttheorie in ausgewählten mythologischen Historien (1611–1618), Petersberg 2005, 100–118. 11 Zu Praktiken und Darstellungen der Enthüllung des Herrschers vgl. grundlegend Johann Konrad Eberlein: Apparitio regis  – revelatio ve-

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ritatis. Studien zur Darstellung des Vorhangs in der bildenden Kunst von der Spätantike bis zum Ende des Mittelalters, Wiesbaden 1982. 12  Zur Praxis des scheinbar kutscherlosen Fahrens vgl. Georg Kugler: Die Wagenburg im Schloss Schönbrunn (Winterreitschule), in: Österreichs Museen stellen sich vor 9 (1978), 7–24, hier 20; Adolph-Paburg 1979 (wie Anm. 7), 324. 13  In diesem Sinne wurden die mittelalterlichen Kaiser bei ihren Krönungen als gubernator imperii eingesetzt. Vgl. Anton Diemand: Das Ceremoniell der Kaiserkrönungen von Otto I . bis Friedrich II ., München 1894, 106. Zum Herrscher als Steuermann (des Staatssschiffs) vgl. Dietmar Peil: Untersuchungen zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik in literarischen Zeugnissen von der Antike bis zur Gegenwart, München 1983, 778–780. Vgl. zum „Steuern“ auch den Beitrag von Pablo Schneider in diesem Band, 369–388. 14  Zur Herrschaftsauffassung Josephs II . sowie seinem Verhältnis zur Aufklärung vgl. u. a. Saul Kussiel Padover: Joseph II . Ein Revolutionär auf dem Kaiserthron, Düsseldorf 1969; Lorenz Mikoletzky: Kaiser Joseph II . Herrscher zwischen den Zeiten, Göttingen 21990; Helmut Reinalter: Joseph II . Reformer auf dem Kaiserthron, München 2011, 20–34. Zu den vom Kaiser angestoßenen Reformen des höfischen Zeremoniells vgl. ebd., 45–58; Helmut Reinalter: Am Hofe Josephs II ., Leipzig 1991, 78–100. 15  Kaiserliche Wagenburg Wien, Inv. Nr. W 1. Die Gemälde von Franz Xaver Wagenschön zeigen in den vier Hauptfeldern Allegorien der Gottesfurcht, Enthaltsamkeit, Tapferkeit und Gerechtigkeit. Zum ‚Imperialwagen‘ vgl. Georg Kugler: Führer durch die Wagenburg, Wien 1974, 30 f.; Yvonne de Brazay: The Wheels of an Empire. An Account of the Carriages in the Wagenburg of Schonbrunn Palace, Vienna, in: The Carriage Journal 15 (1977), 348–354, hier 348 f.; Adolph-Paburg 1979 (wie Anm. 7), 324–328; Rudolf H. Wackernagel: Art. „Festwagen“, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. 8, München 1987, Sp. 348–421 (UR L : http://www.rdklabor.de/w/?oldid=89175, letzter Zugriff: 15.12.2020). 16 Der ‚Imperialwagen‘ wurde zuletzt bei den Krönungen in Budapest 1867 und 1916 eingesetzt. Vgl. Wackernagel 1987 (wie Anm. 15) sowie den Ka-

talogbeitrag in der Online-Sammlung des Kunsthistorischen Museums (UR L : https://www.khm. at/objektdb/detail/1289843/?offset=0&lv= list, letzter Zugriff: 15.12.2020). Zum Zerlegen des Wagens vgl. Kugler 1978 (wie Anm. 12), 20. 17  Zum Status des fürstlichen Wagens als herrschaftliche Insignie vgl. in Bezug auf Frankreich Wackernagel 1966 (wie Anm. 5), 4 f.; Wackernagel 1986 (wie Anm. 4), 227. 18  Der aus rotem Samt und Goldstickereien angefertigte Achterzug für den ‚Imperialwagen‘ wird heute in der Kaiserlichen Wagenburg Wien aufbewahrt (Inv. Nr. Wagenburg, G 1). Zu Prestel vgl. Art. „Prestel, Johann Erdmann Gottlieb“, in: Allgemeines Künstlerlexikon – Internationale Künstlerdatenbank Online (UR L : https://db.degruyter.com/ view/ AKL /_00136628, letzter Zugriff: 15.01.2021). 19  Zu dem Gemälde vgl. u. a. Charles Maumené/ Louis d’Harcourt: Iconographie des rois de France. Seconde partie: Louis XIV, Louis XV, Louis XVI , Paris 1932, 124 f., Nr. 166; Isabelle Richefort: AdamFrançois Van der Meulen (1632–1690). Peintre flamand au service de Louis XIV, Antwerpen 2004, 116, 235, Nr. 99; Gilles Chomer/Jacques Thuillier: Peintures françaises avant 1815. La collection du Musée de Grenoble, Paris 2000, Nr. 106; Guy Tosatto: Musée de Grenoble. Guide des collections: Antiquité–XIX e siècle, Lyon 2015, 112 f. 20  Vgl. Jan van Huchtenburg nach Adam Frans van der Meulen: Marche du Roy accompage de ses gardes paßant sur le pont neuf et allant au Palais, Radierung und Kupferstich (Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. R P-P-OB -70.759). 21  Die Darstellung bezieht sich vermutlich auf das Lit de justice am 22. Dezember 1665. Vgl. Maumené/d’Harcourt 1932 (wie Anm. 19), 125; Chomer/Thuillier 2000 (wie Anm. 19), Nr. 106. 22  Vgl. Wackernagel 1966 (wie Anm. 5), 149–151. 23 Zum „In-Reserve-setzen der Kraft in den Zeichen“ vgl. Louis Marin: Das Sein des Bildes und seine Wirksamkeit, in: Vera Beyer/Jutta Voorhoeve/Anselm Haverkamp (Hg.): Das Bild ist der König. Repräsentation nach Louis Marin, München 2006, 15–23, hier 19. 24 Zu den Festberichten, welche die Feierlichkeiten beschreiben, vgl. Peter Krüger: The ‚Feux d’artifice‘ by Claude Lorrain, in: Print Quarterly 7/4 (1990), 424–433.

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Anna Pawlak 25 Zu

der Graphikfolge vgl. u. a. Krüger 1990 (wie Anm. 24); Sergio Bettini: I ‚Feux d’artifice’ di Claude Lorrain. Fortuna e altre considerazioni, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana 34 (2001), 221–254; Martin Sonnabend/Jon Whiteley (Hg.): Claude Lorrain. Die verzauberte Landschaft, Ausst.-Kat., Ostfildern 2012, 200–215; Martin Sonnabend: Claude Lorrain als Radierer, in: ebd., 155–159; Anna Pawlak: Das Feuerwerk der Linie. Claude Lorrains explosive Druckgraphik, in: Lilian Haberer/Karina Nimmerfall (Hg.): Movement/ Mouvement. Handlungsfelder des Ästhetischen und Politischen in der Kunst. Festschrift für Ursula Frohne, München 2022, 113–119. 26  Die folgende Deutung der Inszenierung sowie ihrer druckgraphischen Wiedergabe durch Lorrain folgt Pawlak 2022 (wie Anm. 25). 27 Jörg Jochen Berns: Die Herkunft des Automobils aus Himmelstrionfo und Höllenmaschine, Berlin 1996, 8. 28  Zum Herrschertod als Moment dynastischer Instabilität vgl. Ariane Koller: Die letzte Feier der monarchia universalis. Abdankung, Tod und Begräbnis Kaiser Karls V., in: Francine Giese/Anna Pawlak/Markus Thome (Hg.): Tomb–Memory– Space. Concepts of Representation in Premodern Christian and Islamic Art, Berlin/Boston 2018, 307–324, hier bes. 307. Zu Begräbniszeremonien frühneuzeitlicher Herrscher vgl. u. a. Magdalena Hawlik-van de Water: Der schöne Tod. Zeremonialstrukturen des Wiener Hofes bei Tod und Begräbnis zwischen 1640 und 1740, Wien/Freiburg/Basel 1989; Koller 2018; Barbara Arciszewska: Pompa funebris in the Polish-Lithuanian Commonwealth c. 1650–1750. Politics of Court Ritual and the Realm of the Senses, in: Herbert Karner/Eva-Bettina Krems/Jens Niebaum/Werner Telesko (Hg.): Sakralisierungen des Herrschers an europäischen Höfen. Bau – Bild – Ritual – Musik (1648–1740), Regensburg 2019, 159–182; Ariane Koller: Performativität und Materialität geteilter Macht. Die Delfter Pompa funebris für Wilhelm von Oranien (1533–1584) und die Memorialkultur der niederländischen Statthalter, in: Gerhard Fouquet/Matthias Müller (Hg.): Die Stadt im Schatten des Hofes? Bürgerlich-kommunale Repräsentation in Residenzstädten des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, Ostfildern 2020, 127–141.

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29  Vgl. zu der Begräbnisfeier Achim Aurnhammer/Friedrich Däuble: Die Exequien für Kaiser Karl V. in Augsburg, Brüssel und Bologna, in: Archiv für Kulturgeschichte 62/63 (1980/81), 101–157, hier 116–135; Stephanie Schrader: „Greater than Ever He Was“. Ritual and Power in Charles V’s 1558 Funeral Procession, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 49 (1998), 68–93; Koller 2018 (wie Anm. 28), 316–324. 30 Vgl. Wilfried Seipel (Hg.): Kaiser Karl V. (1500–1558). Macht und Ohnmacht Europas, Ausst.Kat., Mailand/Wien 2000, 351 f. 31 Diese Deutung des allegorischen Triumphschiffs folgt Koller 2018 (wie Anm. 28), 319 f. 32  Ebd., 319. 33  Vgl. ebd., 321 f. 34  Zu antiken Triumphzügen und ihrer Rezeption vgl. u. a. Ernst Künzl: Der römische Triumph. Siegesfeiern im antiken Rom, München 1988; Fabian Goldbeck/Johannes Wienand (Hg.): Der römische Triumph in Prinzipat und Spätantike, Berlin u. a. 2017; Alexandra Ortner: Petrarcas „Trionfi“ in Malerei, Dichtung und Festkultur. Untersuchung zur Entstehung und Verbreitung eines florentinischen Bildmotivs auf cassoni und deschi da parto des 15. Jahrhunderts, Weimar 1998; Margaret Ann Zaho: Imago triumphalis. The Function and Significance of Triumphal Imagery for Italian Renaissance Rulers, New York 2004; Veronika Sandbichler: Bilder des Triumphs im höfischen Fest der Habsburger des 16. Jahrhunderts, in: Michaela Fahlenbock (Hg.): Inszenierung des Sieges  – Sieg der Inszenierung. Interdisziplinäre Perspektiven, Innsbruck 2011, 143–155. Zum Adventus-Zeremoniell vgl. u. a. Dotzauer 1973 (wie Anm. 8); Klaus Tenfelde: Adventus. Zur Ikonologie des Festzugs, in: Historische Zeitschrift 235 (1982), 45–84; Peter Johanek/Angelika Lampen (Hg.): Adventus. Studien zum herrscherlichen Einzug in die Stadt, Köln u. a. 2009. 35  Vgl. Philine Helas: Der Triumph von Alfonso d’Aragona 1443 in Neapel. Zu den Darstellungen herrscherlicher Einzüge zwischen Mittelalter und Renaissance, in: Johanek/Lampen 2009 (wie Anm. 34), 133–194. 36  Zum Ablauf des Triumphzugs vgl. Helas 2009 (wie Anm. 35), 133–139. 37  Vgl. ebd., 137 f.

s. Fahren 38 

Zur Aufführung der Florentiner Kaufleute vgl. ebd., 134 f.; Philine Helas: Lebende Bilder in der italienischen Festkultur des 15. Jahrhunderts, Berlin 1999, 71–74. 39  Eine Übersetzung der Verse findet sich bei Helas 1999 (wie Anm. 38), 72. 40 Zur cassone-Tafel vgl. Helas 2009 (wie Anm. 35), 184–192. 41  Zur auf antike Traditionen rekurrierenden Bezugnahme der Figuren von Caesar und Fortuna vgl. Helas 2009 (wie Anm. 35), 186 f. sowie allgemein zur Relevanz der Fortuna-Occasio im Kontext von Alfonsos Einzug Helas 1999 (wie Anm. 38), 78–86. Im Gegensatz zu dieser bildlichen Inszenierung schränkten die während der Aufführung gesprochenen Verse den Machtanspruch Alfonsos insofern ein, als darin dezidiert auch die Unterlegenheit Caesars gegenüber dem Schicksal thematisiert wurde. Vgl. Helas 1999 (wie Anm. 38), 72; Helas 2009 (wie Anm. 35), 186 f. 42  Zum Triumphbogen vgl. Hanno Walter Kruft/ Magne Malmanger: Der Triumphbogen Alfonsos in Neapel. Das Monument und seine politische Bedeutung, in: Acta ad Archaeologiam et Artium Historiam Pertinentia Institutum Romanum Norvegiae 6 (1975), 213–305; Andreas Beyer: „mi pensamiento e invención…“. König Alfonso I. von Neapel triumphiert als Friedensfürst am Grabmal der Parthenope, in: Georges-Bloch-Jahrbuch des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Zürich 1 (1994), 93–107; Helas 2009 (wie Anm. 35), 147–150. 43  Ein vergleichbares ästhetisches Konzept weist auch das an einer Supraporte der Sala dei Baroni angebrachte Relief mit einer Darstellung des Umzugs auf. Zu dem Relief vgl. Helas 2009 (wie Anm. 35), 150–158. 44  Jacob Burckhardt: Die Kultur der Renaissance in Italien, Frankfurt a. M. 2009, 391. 45  Thomas Rahn: Herrschaft der Zeichen. Zum Zeremoniell als „Zeichensystem“, in: Hans Otto-

meyer (Hg.): Die öffentliche Tafel. Tafelzeremoniell in Europa 1300–1800, Berlin 2002, 22–32, hier 22. 46  Berns 1996 (wie Anm. 27), 8. 47  Zur Relevanz von Bewegung im Kontext herrscherlicher Repräsentation vgl. ebd.; Ariane Koller: Objektwelten in Bewegung. Die Performativität der Macht am Hof des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 09/10 (2018), 513–529. 48  Zu den imaginären Fahrten Alexanders des Großen und ihrer Rezeption vgl. u. a. Willem J. Aerts/Martin Gosman (Hg.): Exemplum et similitudo. Alexander the Great and Other Heroes as Points of Reference in Medieval Literature, Groningen 1988; Jan Cölln/Susanne Friede/Hartmut Wulfram (Hg.): Alexanderdichtungen im Mittelalter. Kulturelle Selbstbestimmung im Kontext literarischer Beziehungen, Göttingen 2000; Anna Pawlak: Leonardos submarine Körpermaschinen. Tauchen und die Kunst der Grenzüberschreitung, in: Ernst Seidl/Frank Dürr/Michael La Corte (Hg.): Ex Machina. Leonardo da Vincis Maschinen zwischen Wissenschaft und Kunst, Tübingen 2019, 81–93. 49  Zum von Stevin konstruierten zeilwagen sowie den darauf bezogenen zeitgenössischen Publikationen vgl. E. J. Dijksterhuis: Simon Stevin. Science in the Netherlands around 1600, Den Haag 1970, 104 f.; Ger Luijten/Ariane van Suchtelen (Hg.): Dawn of the Golden Age. Northern Netherlandish Art 1580–1620, Ausst.-Kat., Zwolle 1993, 533–536, Nr. 209. 50  Vgl. Koller 2020 (wie Anm. 28), 138. 51 Zur pompa funebris für Frederik Hendrik im Kontext der Machtaushandlungen innerhalb der niederländischen Republik vgl. Koller 2020 (wie Anm. 28). 52  Zu dem Ereignis und seiner künstlerischen Rezeption vgl. Peter Burke: The Fabrication of Louis XIV, New Haven/London 1992, 64.

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t. Zuschauen (Theater und Kunst) I. Theatralität und Macht In der Frühen Neuzeit steht der Körper des Souveräns am Schnittpunkt kultureller Diskurse und politischer Praktiken, die das Verhältnis zwischen Sichtbarkeit, Wissen, Präsenz und Performanz definieren. In seinem Stück When you see me you know me (1603/04) präsentiert Samuel Rowley eine Geschichte von Verrat, Verstellung und Intrige am Hofe eines launischen Königs Heinrich VIII ., die nach einigen Schicksalswendungen jedoch ein glückliches Ende findet. Die in Rowleys Titel, wenngleich in ihrer Tragweite unbeabsichtigt, evozierte Äquivalenz von Sehen und Wissen verweist auf grundlegende Fragen der Darstellung von Macht sowie der Reichweite des Sehens und Zuschauens. Zwar besitzt der Machthaber eine privilegierte Sichtbarkeit aber seine Herrschaft ist nicht selbstevident, sondern bedarf der Inszenierung.1 Ebenso wird Zuschauen als Weg zur Erlangung epistemischer Gewissheit problematisch, wenn es zu einem Teil des Spiels und zunehmend reflexiv wird. In allgemeiner Analogie zur Heisenbergschen Unschärferelation in der Quantenphysik affiziert der Akt der Beobachtung dasjenige, was beobachtet wird, wirkt das Wissen darum, beobachtet zu werden, auf das performative Selbstverständnis des Subjekts zurück. Die Präsenz von Zuschauern verändert mithin das Verhalten der Schauspieler:2 „Das Theater ist ein Spielen vor Zuschauern oder ein Schauen von Spielen.“3 Diese Wechselseitigkeit ist es, laut Menke, die die Gegenwärtigkeit des Spielens und Zuschauens in einem geteilten raumzeitlichen Gefüge ‚füreinander‘ konstituiert.4 Nicht nur ist das Theater ein soziales Gefüge, ein Ort des Sehens und Gesehen-Werdens, sondern Körperbilder der Macht stehen in einem reziproken Verhältnis zu ihrer theatral-performativen Repräsentation. Stephen Greenblatt fragt: „What is the effect of representation on the object or practice represented?“,5 und auch Christopher Pye betont den prägenden Einfluss der Bühne auf die Politik: „its power to constitute, as well as mediate between, subjects and sovereigns“.6 Ohne den Königshof und dessen Patronat hingegen, hätte das englische Theater der Frühen Neuzeit sich nicht in dieser Form entwickeln können.7 340

t. Zuschauen (Theater und Kunst)

Abb. 1: Hans Holbein d. J.: Heinrich VIII. von England, um 1536, Öl auf Holz (Madrid, Sammlung ThyssenBornemisza).

Könige wie der historische Heinrich VIII ., wussten um die Wirkungsmacht der gleichsam stellvertretenden königlichen Portraits auf die Imagination der Untertanen und setzten diese absichtsvoll ein (Abb. 1). Auch wurde Heinrich VIII . selbst von der Macht der Bilder in den Bann gezogen, als er z. B. den Maler Hans Holbein d. J. (1497/98–1543) auf den Kontinent sandte, um für ihn Brautbildnisse zu malen. Mutmaßlich habe Holbeins Portrait der Anna von Cleve Heinrich sogar zur Eheschließung mit ihr bewogen.8 II . Signaturen des Unsichtbaren

Die stellvertretende Zeichenhaftigkeit von Herrscherbildern wurde bereits in der Theatertradition des Mittelalters erkannt und genutzt. In den Passions- und Mysterienspielen in England und Deutschland wurden Körper von Herrschenden im Rahmen einer tradierten Ikonographie lesbar. Wurden Figuren weltlicher Herrscher, 341

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wie Herodes, durch ihre pompöse Rhetorik und ihren Ornat als lächerlich markiert, so wird der Körper Christi als menschlich, leidend und verletzlich präsentiert, um Formen der compassio, des mitleidenden Nachvollzugs, der Zuschauer als einer affektiven Gemeinschaft zu begünstigen. Der sakramentale ‚Corpus Christi‘ wurde in den Aufführungen überdies zu einer Metapher für die gemeinschaftliche dramatische Erfahrung der Zuschauer am Fronleichnamstag und konstituierte eine ‚corporate identity‘ in Ausrichtung auf ein zentrales Symbol.9 Im spanischen Drama des 17. Jahrhunderts, in den autos sacramentales wie den comedias Pedro Calderón de la Barcas und Lope de Vegas wurden Könige wie Belsazar oder Herodes ebenfalls als despotische und teufelsähnliche Figuren präsentiert, das Auftreten spanischer Herrscherfiguren hingegen mit einer Aura des Sakralen umgeben. Dies war zum einen der strengen Zensur des spanischen Barockdramas, speziell seiner massenmedialen Form der autos sacramentales geschuldet und diente nicht zuletzt der absolutistischen Propaganda des Gottesgnadentums.10 Vergleichbar mit den englischen Saints’ Plays spielt Andreas Gryphius’ Barockstück Catharina von Georgien11 (1647) am letzten Lebenstag Catharinas, die durch ihre beständige Ablehnung der Eheschließung mit Chach Abas, dem König von Persien, zur Märtyrerin wird. Peter André Alt betont die im Stück ausagierte enge Verbindung von Körper und Politik: „Sie tritt […] in der Konstruktion einer Repräsentationslogik zutage, die den Leib zum Schauplatz herrscherlicher Macht und Ohnmacht werden läßt“.12 Die paradoxe metaphorische Überlagerung von Körper und Land der beiden Antagonisten wird bis hin zur Zerstörung von Catharinas Körper auf dem Scheiterhaufen ausagiert: „Wir haben zwar dein Land;/ Doch hast du unser Hertz (Rach ue ber Rach!) verbrand’t!“ (II , 55–56). Das Stück ruft ein martyrologisches Schema auf, durchbricht dieses jedoch stets.13 Es konfrontiert die Zuschauer mit Akten der Grausamkeit und macht sie zu Augenzeugen des sukzessiven Verlusts aller Insignien der Macht Catharinas, auf deren irdisches Leiden möglicherweise die erhoffte Apotheose im Jenseits folgt.14 Im englischen Theater der Frühen Neuzeit, speziell in den Werken William Shakespeares, ist der Bezug zwischen dem Sichtbaren und dem Göttlichen ebenfalls gebrochen. Zuschauen begründet weder notwendig Glauben noch Wissen, sondern problematisiert die Validität der Gleichsetzung von Sehen und Wissen insbesondere auch dann, wenn es bewusst zu manipulativen Zwecken der Überwachung eingesetzt wird. Viele Dramen Shakespeares zeigen und thematisieren Modi des Zuschauens in szenischen Konstellationen, die das Zuschauen selbst zum Teil der Performanz wie der dramatischen Erfahrung werden lassen. Sie exponieren die theatrale Verfasstheit des Körpers und verweisen auf die Diskrepanz zwischen seiner Erscheinung und einem möglicherweise dahinter liegenden Wesen. In Othello formuliert der 342

t. Zuschauen (Theater und Kunst)

Abb. 2: English School: King James I/VI von England, 1604, Öl auf Holz (Kent, UK, Hever Castle Ltd).

doppelzüngige Iago diesen Selbstwiderspruch programmatisch: „I am not what I am“ (1, 1, 66).15 Der Körper des Herrschers wird, wie der des Schauspielers, für die Zuschauer zu einem unzuverlässigen Zeichen. Während Rowleys Herrschaftschronik das Tudorzeitalter und die Monarchen dieser Zeit für das Theater wiederentdeckt, so sind z. B. Shakespeares frühe Jakobäische Stücke durch den Rückzug oder die demonstrative Absenz von Herrschern gekennzeichnet, die das Geschehen beobachten und lenken. In hochartifiziellen Arrangements durchdringen sich in Stücken wie Measure for Measure (1603/1604) die rechtliche, die religiöse wie die theatrale Sphäre. Ästhetische und performative Dimensionen der ostentativen Zur-Schau-Stellung von Macht verweisen zugleich auf eine dahinter liegende Zone des Unsichtbaren.16 Herfried Münkler beschreibt dieses Auseinandertreten unsichtbarer Herrschermacht und sichtbarer Ordnungsmacht: „Macht, die nur unsichtbar bleibt, kann keine Strukturen ausbilden, bleibt folglich wirkungslos; sie bedarf daher eines externen Bildes, durch das sie sich vermittelt“.17 In Measure for Measure überträgt Herzog Vincentio dem Staatsrat Escalus eine Regierungsvollmacht und befindet, dass ein gewisser Angelo in der Zeit temporärer Abwesenheit des Herzogs zu dessen Stellvertreter ernannt werden sollte. Er selbst 343

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wird in Verkleidung eines Mönchs zum Zuschauer der von ihm etablierten Versuchsanordnung. Die Shakespeare-Forschung hat die Bezüge zwischen Herzog Vincentio und König James I. häufig benannt. Leonard Tennenhouse analysiert die Verbindung der Regentschaft James I. mit der Form der court masque: „This visiblity of the king was not only central to the Renaissance notion of monarchy, but during James’s reign, this belief found expression in the court masque where the king watched as he was turned into an icon of the virtues the culture endorsed“.18 Auch Jonathan Goldberg betont die implizite Verbindung von Zuschauen und Überwachen sowie die inhärente Theatralität der repräsentativen Praktiken am Jakobäischen Hof: „What he [ James I. ] offered was not simply an image of his power, but the power of himself as image“.19 Im Körperbild des Souveräns wird die Staatsmacht personifiziert. In der Betrachtung des Herrschers wird, wie auch Albrecht Koschorke argumentiert, zugleich der absolutistische Staat angeschaut (Abb. 2).20 Shakespeares Vincentio agiert im Verborgenen und bekennt gleich zu Beginn des Stückes: „I love the people,/ But do not like to stage me to their eyes“ (1, 1, 67–68).21 Zeitgenössische Quellen bezeugen ebenso die Zurückgezogenheit James’ I. und seine Scheu vor der Öffentlichkeit: „The King’s first going abroad was privately to visit some of his Houses, for naturally he did not love to be looked on; and those Formalities of State, which set a Lustre upon Princes in the Peoples Eyes, were but so many Burthens to him; for his private Recreations at home, and his Hunting ­Exercises ­abroad both with the least Disturbance were his Delights.“22 In seinem Traktat über die Regierungskunst, dem Basilikon Doron (1599), das James I. in Form eines Briefes an seinen Sohn verfasst hat, hingegen rät er diesem: „let your owne life be a law-booke and a mirrour to your people; that therein they may read the practise of their owne Lawes; and therein they may see, by your image, what life they should leade“.23 Das Werk selbst, das der Intention von Shakespeares Vincentio nicht unähnlich ist: „Of government the properties to unfold“ (1, 1, 3), wird mit großer Geste als Offenbarung der arcana imperii eingeführt: „Kings being publike persons, by reason of their office and authority, are as it were set (as it was said of old) upon a publike stage, in the sight of all the people; where all the beholders eyes are attentiuely bent to looke and pry in the least circumstance of their secretest drifts“.24 Die moralische Transparenz des Königs und die seinen Untertanen gewährte, unmittelbare Einsicht in sein Wesen werden mit Bildern von Glas und Spiegeln belegt. Die Brust des Königs sei ein „Christall window“ (285), die es seinem Volk  ermögliche: „to see the heart of your king“ (306). Die calvinistisch geprägte Rhetorik der Eindeutigkeit und Durchsichtigkeit einer Figur wird in Measure for Measure hingegen fragwürdig.25 Die Stellvertreterfigur erweist sich als korrumpierbar. Angelos wenig engelsgleiches Verhalten wird von Isabella als „glassy essence“ 344

t. Zuschauen (Theater und Kunst)

(2, 2, 124), als fehlbar und trügerisch entlarvt. Zuschauen und Betrachten beruht in Measure for Measure von Beginn an auf einer Hermeneutik des Verdachts. Vincentio fürchtet sich vor Verrat und misstraut den auf ihn gerichteten Augen: „Oh place and greatness, millions of false eyes/Are stuck upon thee“ (4, 1, 56–57). In ähnlicher Weise instruiert König James I. in seiner ersten Rede vor dem Parlament im März 1603 seinen Rechtsapparat, nicht nur unparteiisch zu sein, sondern in gleichsam körperlicher Extension seiner selbst, Überwachung auszuüben: „you that are Iudges and Magistrates vnder mee, as mine Eyes and Eares in this case“.26 Die Zuschauer werden Teil von Vincentios Experiment, das vordergründig zu glücken scheint. Gleichwohl inspiriert die Absenz des Herrschers sowohl Vertrauen als auch Zweifel an den Absichten und der Inszenierung des „old fantastical Duke of dark corners“ (4, 3, 147–148), die selbst seine Rückkehr als deus ex machina nicht auszuräumen vermag. Während Herzog Vincentio sowohl als Zuschauer handelt als auch als Handelnder zuschaut, beschreibt Christoph Menke Hamlet als den „Held als Zuschauer“: „Hamlet ist der Held als Zuschauer, der Zuschauer, der zum Helden geworden ist (und darum ein Held, das heißt, ein Handelnder, nicht mehr sein kann).“27 Von den ersten Szenen der Tragödie an, in denen Hamlet dem Auftritt der Geisterscheinung zuschaut, stellt das Stück eine Reihe von szenischen Anordnungen auf, in denen die Rollen von Akteuren und Zuschauern füreinander durchlässig werden und in denen es nicht möglich ist, zwischen Wesen und Erscheinung zu unterscheiden. Figuren erfahren sich sowohl als Zuschauer als auch als Agierende in Inszenierungen anderer. Polonius arrangiert ein Treffen zwischen Ophelia und Hamlet, in dem er seine Tochter auf letzteren ‚loslässt‘ („I’ll loose my daugher to him“ [2, 2, 160]),28 um dies gemeinsam mit Claudius zu beobachten. Hamlet wiederum beobachtet den schutzlosen Claudius in der Haltung eines Betenden und ist unfähig, ihm Gewalt anzutun. Hamlets Jugendfreunde Rosencrantz und Guildenstern werden von Claudius darauf angesetzt, Hamlet auszuspionieren und zu beseitigen. Schließlich potenziert das Stück weitere Ebenen des Zuschauens, wenn das Schauspiel, als Spiel im Spiel, selbst thematisch wird. Hamlet, erfreut über die Ankunft der Schauspieler in Schloss Elsinore, bittet sie zunächst, die Geschichte vom Fall Trojas zu erzählen. Diese weist durch das Dreieck von Priamus, seiner Frau Hecuba und Pyrrhus, dem rächenden Sohn, eine Strukturparallele zur Konstellation zwischen Hamlet, Gertrude und Claudius auf. Der erste Schauspieler spricht einen ausgedehnten Monolog, in dem er seine Zuschauer mit dem Fall des Priamus vertraut macht, wie ihn nur die Götter und die Frau des Priamus, Hecuba, bezeugen konnten: „But if the gods themselves did see her then,/When she saw Pyrrhus make malicious sport/In mincing with his sword her husband’s limbs,/The instant burst of clamor that she made,/Unless things 345

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mortal move them not at all,/Would have made milch the burning eyes of heaven,/ And passion in the gods“ (2, 2, 470–476). Der Schauspieler erschafft die Situation durch die rhetorische Kraft seiner Worte und adressiert eine gestaffelte Reihe imaginierter Zuschauer: Die Götter, die das Geschehen und Hecuba möglicherweise (‚if ‘) sehen, Hecuba, die den Mord an ihrem Gatten als Augenzeugin miterlebt, Hamlet und Polonius, die zuschauen, wie der Schauspieler die Szene beschreibt und schließlich, das Publikum im Theater, das sieht, wie diese Beschreibung im Stück Hamlet ausagiert wird. Die Rede vervielfältigt ihre Zuschauerschaft und beschreibt deren Reaktionen auf das was geschehen ist oder geschehen sein könnte. Damit lenkt sie, anders als z. B. in Catharina von Georgien, die Aufmerksamkeit weg von der Figur der Königin Hecuba, die den Anblick direkt erleidet. Die Darstellung der Ereignisse durch den Schauspieler überwältigt die Zuschauer in Hamlet. Polonius bittet den Schauspieler aufzuhören und bezweifelt, ob er tatsächlich nur spielt: „turn’d his colour and has tears in’s eyes. Prithee no more“ (2, 2, 477–478). Hamlet ist ebenso frappiert von der Kunst des Schauspielers der um jemanden weinen und für jemanden fühlen kann, den er noch nicht einmal kennt, und dies alles als jemand, der er gar nicht ist. Wieviel mehr Grund, seine Trauer auszudrücken hätte er selbst, der dies jedoch nicht vermag. Als Zuschauer, affiziert von der Kunst des Schauspielers, beschließt Hamlet auch König Claudius zum Zuschauer zu machen, um ihn mit den Mitteln des Theaters dazu zu bewegen, seine Schuld am Mord seines Vaters zu verraten. Er schaut Claudius beim Zuschauen seiner Inszenierung des Königsmordes zu, hofft, dass sich dieser mit dem Bühnengeschehen identifiziert, gewinnt aber letztlich keine Gewissheit darüber. Hamlet etabliert eine Struktur interner dramatischer Korrespondenzen. Alle vier Stücke ‚im Stück‘: „The Death of Priam“, die Pantomime, die der Aufführung von „The Murder of Gonzago“ vorangeht wie auch im Spiel selbst und schließlich Shakespeares Stück Hamlet präsentieren Variationen auf das Thema des Königsmords und kommentieren sich gegenseitig. Figur, Schauspieler und Zuschauer tauschen die Rollen und zeigen Arten, in denen das Drama Handlung entstehen lassen kann und Emotionen evoziert. Zugleich zeigt es auch, dass die Darstellung einer Emotion nicht das Gleiche ist wie deren Erfahrung. Zweifel an der Erkennbarkeit der Absichten der anderen bedingen, wie Christoph Menke gezeigt hat, die Einstellung des reflektierenden Zuschauens: „Die Einstellung reflektierenden Zuschauens ist der Grund des epistemischen Skeptizismus, und der epistemische Skeptizismus ist die Folge der Einstellung reflektierenden Zuschauens.“29 Dieses, so formuliert Menke, unterscheide die klassische Tragödie von der modernen: „die klassische Tragödie ist die Tragödie des handelnden Helden, die neuere die Tragödie des reflektierenden Zuschauers“.30 346

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Das Theater der Frühen Neuzeit reflektiert mithin in seinen Konstellationen des Zuschauens auf sich selbst. Insbesondere in der Darstellung der körperlichen Materialität von Herrscherfiguren konstituiert sich das Theater als Ort zwischen Präsenz und Absenz, als Ort, in dem Distanz zugleich aufgebaut und suspendiert wird. III . Schlafende Herrscher „The body is with the king, but the king is not with the body“ (Ham 4, 2, 24)

Im Theater der Frühen Neuzeit ist der Schlaf nicht lediglich ein wiederkehrendes Motiv, sondern wird auf der Ebene der dramatischen Strukturen der Stücke wirksam. Er erzeugt Momente der Reflexion, in denen das Theater sich auf seinen eigenen Status als Theater bezieht. Schlafende Figuren auf der Bühne sind ambivalent. Die körperliche Präsenz des Schlafenden verweist zugleich auf eine mentale Abwesenheit. Die Schlafenden sind der sie umgebenden Welt entrückt und ihr Körper wird zu einem Signifikanten dieser performativen Unterminierung von Gegenwart. Schlaf auf der Bühne potenziert die Erfahrung des Zuschauens und Beobachtens. Er eröffnet eine weitere Ebene theatraler Erfahrung von Sehen und Gesehenwerden, von Aktivität und Passivität. Für die Zuschauer sind die Schlafenden auf der Bühne anwesend und abwesend zugleich,31 ihre körperliche Materialität wird zu einem objektiven Korrelat ihrer immateriellen Gedanken und Träume. Der Schlaf des Herrschers markiert z. B. dessen Rückzug in seine private Sphäre, fern von seinen königlichen Pflichten in einen Bereich, in dem er sich unbeobachtet wähnt. Gleichwohl ist er im Schlaf besonders angreifbar und verletzlich. In Hamlet wird König Hamlet seine Gewohnheit, einen Mittagsschlaf in seinem Obstgarten zu halten, zum Verhängnis: „Sleeping within my orchard,/My custom always of the afternoon“ (1, 5, 59–60). In The Tempest soll Prospero, der Herrscher über die namenlose Insel, ebenfalls im Schlaf umgebracht werden: „’tis a custom with him/I’th’afternoon to sleep. There thou mayst brain him“ (3, 2, 79–80). Macbeths Königsmord an Duncan, der auf Macbeths Schloss Station macht, erscheint dadurch umso ungeheurer, dass er nicht nur ein Sakrileg darstellt und das Gastrecht verletzt, sondern auch den König wehrlos, im Schlaf, trifft. Macbeth büßt dafür mit entmenschlichender Schlaflosigkeit, seine Frau, Lady Macbeth, mit einem schlafwandlerischen Wahn. Beide befinden sich für den Rest des Stückes in einem scheinbar unentrinnbaren Zwischenzustand, einer Welt ohne Schlaf. Die Gleichzeitigkeit von Schlaf und Wachen auf der Bühne lässt beide Bewusstseinszustände ineinanderfließen und ermöglicht Gleichzeitigkeit und Kopräsenz ver347

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Abb. 3: A Midsummer Night’s Dream, Ayesha Darker als Titania und Chris Clarke als Bottom, Stratford-upon-Avon, Royal Shakespeare Theatre, 2016.

schiedener Welten. Die Hauptakte von A Midsummer Night’s Dream sind durch ein kontinuierliches Einschlafen und Erwachen verschiedener Figuren gekennzeichnet. In keinem anderen Stück Shakespeares wurden Schlaf, Traum und Erwachen zu elementaren Konstruktionselementen der Handlung. Überdies wird Schlaf in A Midsummer Night’s Dream nicht nur Bestandteil der Handlung, sondern erschafft eine metatheatrale Konstellation, die die Erfahrung des Publikums miteinschließt. Die schlafenden Körper in A Midsummer Night ’s Dream (1595/1596) erinnern das Publikum an die Existenz einer Wirklichkeit, in der die Grenze zwischen Wachen und Träumen durchlässig geworden ist. In den ersten Akten des Stücks wird diese Funktion des schlafenden Körpers evoziert, wenn die Handwerker des Spiels im Spiel über die Schwierigkeit räsonieren, wie viel Imagination sie ihren Zuschauern abverlangen können. In genau der Szene, in der die Handwerker die Erzeugung theatraler Illusion ablehnen, beruht das Stück jedoch auf dieser Illusion. Während der gesamten Szene, in der Bottom vorschlägt, dass ein Prolog geschrieben wird, der erklärt, dass durch sein Schwert niemand verletzt werden würde und dass er eigentlich nicht Pyramus sei, sondern Bottom der Weber (3, 1, 15–20), ist die Feenkönigin Titania schlafend anwesend (Abb. 3). 348

t. Zuschauen (Theater und Kunst)

Abb. 4: Marcus Gheeraerts d. J. oder Isaac Oliver (zugeschrieben): Queen Elizabeth I, sog. Rainbow Portrait, um 1600, Öl auf Leinwand (Hatfield, Hatfield House).

Der schlafende Körper der Königin steht nicht nur im Dienst einer spannungssteigernden dramatischen Ironie, sondern setzt bei den Zuschauern Reflexions- und Projektionsprozesse in Gang, verweist Titania doch auf Elizabeth I. und die ihr zugeschriebene Rolle der ‚Faerie Queene‘, wie sie in Edmund Spensers gleichnamigem Epos (1590–1596) apostrophiert wird. Das sogenannte Rainbow Portrait (Abb. 4) exponiert eine Vielfalt an Machtsymbolen, u. a. wird die Jungfräulichkeit Elizabeths I. durch den Perlenschmuck hervorgehoben, die Blumenstickereien auf ihrem Gewand verweisen nicht nur auf die Rose des Hauses Tudor, sondern korrespondieren auch mit den im Sommernachtstraum erwähnten Kräutern und Pflanzen im Gemach Titanias. Das Schlangenornament auf ihrem Ärmel sowie die Augen, Münder und Ohren auf dem Futter ihres Mantels verweisen auf ihre Klugheit und Allwissenheit. Das zeitlose Gesicht der um die Entstehungszeit des Gemäldes bereits 67-jährigen Königin steht im Zusammenspiel mit dem elaborierten Reichtum von Attributen, die sie als dem Raum und der Zeit enthobene Herrscherin darstellen. 349

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Wie Elizabeth I. wird Titania zum sichtbaren Signifikanten der märchenhaften Gegenwelt zu Athen, der Welt des Traumes und der Imagination, mit der sich die Handwerker schwertun. Titanias schlafender Körper vereint unterschiedliche Referenzbereiche und suggeriert ihre Gleichzeitigkeit und wechselseitige Durchdringung. Die schlafende Titania verkörpert die theatrale Illusion, in der Assoziationsräume freigesetzt werden, die über den Körper der Schauspielerin sowie die Bühne hinausweisen. Die Durchlässigkeit der Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Athen und ‚Faerieland‘, wird durch die schlafenden Figuren auf der Bühne markiert, die sich von der zweiten Szene des zweiten Aktes bis in den vierten Akt hinein dort befinden. Sie erhalten die Sphären des weltlichen Athens und des fantastischen Feenreichs simultan präsent und stellen die Frage danach, wer träumt und von wem geträumt wird. Schlaf wird zu einer geteilten Erfahrung, die intermittierend nur im Erwachen suspendiert wird: „Are you sure that we are awake? / It seems to me / That yet we sleep, we dream“ (4, 1, 189–191).32 A Midsummer Night’s Dream inszeniert sich als Traum des Publikums, das an beiden Welten partizipiert und durch den Kobold Puck geleitet wird. Puck beobachtet die Probe der Handwerker, beschließt sowohl mitzuspielen als auch zuzuschauen und kommentiert die Szene für das Theaterpublikum. Puck, „I’ll be an auditor,/An actor too perhaps, if I see cause.“ (3, 1, 62–63). Am Ende des Stücks wendet er sich direkt an das Publikum mit einer finalen apologetischen Geste, die in der Tradition poetischer Invention steht, die den Text als Traum der Zuschauer betrachtet: „I f we shadows have offended,/ Think but this, and all is mended,/That you have but slumbered here,/While these visions did appear“ (5, 1, 401–404). Shakespeares Theater begründet eine ästhetische Realität, an der die Zuschauer beteiligt sind und auf die sie als Referenzbereich von Sehen und Wissen verwiesen bleiben. Diese Immanentisierung der Zuschauerhaltung entlässt das Publikum nicht aus der Unentscheidbarkeit zwischen Wesen und Repräsentation. Auswahlbibliographie

Peter-André Alt: Der Tod der Königin. Frauenopfer und politische Souveränität im Trauerspiel des 17. Jahrhunderts, Berlin/New York, 2004. Stephen Greenblatt: Shakespearean Negotiations: The Circulation of Social Energy in Renaissance England, Oxford, 1988. Ronald Huebert and David McNeil: Early Modern Spectatorship: Interpreting English Culture, 1500–1780, Montreal & Kingston/London/Chicago, 2019. Albrecht Koschorke: Der Fiktive Staat: Konstruktionen des politischen Körpers in der Geschichte Europas, Frankfurt a. M., 2007.

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Christoph Menke: Tragödie und Skeptizismus. Zu Hamlet, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 75/4 (2001), 561–586. Christopher Pye: The Regal Phantasm: Shakespeare and the Politics of Spectacle, London/New York, 1990.

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Anmerkungen Stephen Greenblatt: Shakespearean Negotiation, Oxford 1988, 64. Siehe auch Greenblatts zentrales Argument in: Renaissance Self-Fashioning: From More to Shakespeare, Chicago/London 1980, 2: „in the sixteenth century there appears to be an increased self-consciousness about the fashining of human identity as a manipulable, artful process.“ 2  Ronald Huebert/David McNeil: Early Modern Spectatorship: An Overview, in: dies. (Hg.): Early Modern Spectatorship. Interpreting English Culture, 1500–1780, Montreal & Kingston/London/Chicago 2019, 6. 3  Christoph Menke: Das Spiel des Theaters und die Veränderung der Welt, in: Christoph Menke/ Olivia Evert/Nikolaus Müller-Schöll u. a. (Hg.): Theater als Kritik, Bielefeld 2018, 37–48, hier 38. 4  Ebd., 39. 5  Greenblatt 1988 (wie Anm. 1), 11. 6  Christopher Pye: The Regal Phantasm. Shakespeare and the Politics of Spectacle, London/New York 1990, 2. 7  Richard Dutton: Shakespeare, Court Dramatist, Oxford 2016, 13 f. 8 Stephanie Buck: Holbein am Hofe Heinrichs VIII ., Berlin 1997, 29. 9 Claudia Olk: Performing Transition – Word and Image in the York Cycle, in: Anglistentag 2008 (Trier: W VT, 2009), 149–158, hier 152. 10  Joachim Küpper: Diskurs-Renovatio bei Lope de Vega und Calderón – Untersuchungen zum spanischen Barockdrama. Mit einer Skizze zur Evolution der Diskurse in Mittelalter und Renaissance und Manierismus, Tübingen 1990, 21 ff. 11  Andreas Gryphius: Dramen, hg. von Eberhard Mannack, Frankfurt a. M. 1991. 12  Peter-André Alt: Der Tod der Königin. Frauenopfer und politische Souveränität m Trauerspiel des 17. Jahrhunderts, Berlin/New York 2004, 63. 13 Albrecht Koschorke: Das Begehren des Souveräns. Gryphius’ ‚Catharina von Georgien’, in: Daniel Weidner (Hg.): Figuren des Europäischen. Kulturgeschichtliche Perspektiven, München 2006. 149–162. 14  Alt 2004 (wie Anm. 12), 70. 15  William Shakespeare: Othello, hg. von Norman Sanders, Cambridge 2003. 1 

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16  Michel Foucault hat z. B. in seinem Essay über den „Panoptismus“ die Erforschung von Diskursen und Praktiken der Überwachung in der Kultur der Frühen Neuzeit entscheidend geprägt. Michel Foucault: Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a. M. 1976, 251–294. 17  Herfried Münkler: Die Visibilität der Macht und die Strategien der Machtvisualisierung, in: Gerhard Goehler (Hg.): Macht der Öffentlichkeit – Öffentlichkeit der Macht, Baden-Baden 1995, 213–230, hier 213. 18 Leonard Tennenhouse: Representing Power: ‘Measure for Measure’ in its Time, in: Stephen Orgel/Sean Keilen (Hg.): Shakespeare and History, New York/London 1999, 321–339, hier 323. 19  Jonathan Goldberg: James I and the Politics of Literature, Baltimore 1983, 33. 20  Pye 1990 (wie Anm. 6), 3. Albrecht Koschorke: Der Fiktive Staat. Konstruktionen des politischen Körpers in der Geschichte Europas, Frankfurt a. M. 2007, 103–113. 21  William Shakespeare: Measure for Measure, hg. von Brian Gibbons, Cambridge 2006. 22  Robert Aston (Hg.): James I by His Contemporaries, London 1969, 63. 23  Basilikon Doron, The Political Works of James I. Reprinted from the Edition of 1616 with an introduction by Charles Howard Mcilwain, Cambridge 1918, 30. 24  Ebd., „To the reader“, 4. 25  Die zeitgenössische calvinistische Lehre propagierte eine Betrachtung der Welt als sichtbares Zeichen der Unergründlichkeit Gottes: „For our capacitie is not able to comprehende his Diuine substaunce, therefore he hath made the worlde as a Glasse, wherein wee maie beholde hym in such sorte, as it is expedient for us to knowe hym“. John Calvin: The Catechisme, or maner to teache Children in Christian Religion, London 1580, A4v. Patrick Collinson: Godly People: English Protestantism and Puritanism, London 1983, 213–244. 26  The Political Works of James I (wie Anm. 23), 277. 27  Christoph Menke: Tragödie und Skeptizismus. Zu Hamlet, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 75/4 (2001), 561–586, hier 578.

t. Zuschauen (Theater und Kunst) 28  William Shakespeare: Hamlet. Prince of Denmark, hg. von Philip Edwards, Cambridge 2003. 29  Menke 2001 (wie Anm. 27), 581. 30  Ebd., 586.

31 

Jacques Rancière betont Zuschauen als Aktivität. Vgl. Jacques Rancière: The Emancipated Spectator, trans. by Gregory Elliott, London 2006, 15. 32  William Shakespeare: A Midsummer Night’s Dream, hg. von R. A. Foakes, Cambridge 2003.

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Ariane Koller

u. Schön und Hässlich sein

In William Makepeace Thackerays berühmter Karikatur, die er seinem 1840 publizierten Reisetagebuch Paris Sketchbook beigab, verwandelt sich eine royale Bekleidungsszene im Zuge der Betrachtung zu einem irritierenden Akt der Entblößung (Abb. 1):1 Erst durch das Tragen der links auf einem Mannequin (Rex) drapierten königlichen Attribute – Perücke, Krönungsmantel und hohe Schuhe – wird der im Zentrum des Bildes als klein, greise und gebrechlich gezeigte Ludovicus zum Ludovicus Rex, zu einem mit potestas und dignitas ausgestatteten, absolutistischen Monarchen. Es ist demnach gerade die im Bild vollzogene, buchstäbliche Investitur Ludwigs XIV ., die seine Devestitur zum gewöhnlichen Menschen nach sich zieht, entlarvt sie doch mit

Abb. 1. William Makepeace Thackeray: The Paris Sketch Book. By Mr. Titmarsh. With numerous designs by the author, on copper and wood. Vol. II, London 1840.

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u. Schön und Hässlich sein

Abb. 2: Francisco José de Goya y Lucientes: Die Familie Karls IV., 1800–1801, Öl auf Leinwand (Madrid, Museo del Prado).

bissigem Sarkasmus, dass sich hinter der strahlenden, mittels Kleidung konstituierten königlichen Majestät nichts anderes verbirgt als ein alternder, kränklicher Körper. Unübersehbar alludiert die Karikatur auf Hyacinthe Rigauds 1701 geschaffenes Porträt des Sonnenkönigs, das letztlich genauso dekonstruiert wird wie der darin zum Ausdruck gebrachte absolutistische Herrschaftsanspruch. Für den postrevolutionären Thackeray kaum mehr als lächerliche Verkleidung, diente der königliche Ornat im offiziellen Staatsbildnis Ludwigs XIV . der Erzeugung einer auratischen „Realpräsenz“ des Königs im Bild.2 Denn gerade in der auf Leinwand gebannten Verbindung herrschaftlicher Insignien – Krönungsmantel, Krone, Schwert, Zepter, main de justice – und dem eigentlichen Porträt des alternden Monarchen wird nicht nur die von Ernst H. Kantorowicz so eindrucksvoll analysierte, frühneuzeitliche Doktrin der zwei Körper des Königs greifbar – eines sterblichen body natural und eines unsterblichen body politic, „dessen mythische Dimension mehr als nur die Summe 355

Ariane Koller

aus natürlichem Körper und Insignien darstellt“.3 Manifest wird darin nach Louis Marin auch eine Theorie der Macht, „einer Macht, die ihre Wirksamkeit erst und eigentlich in der königlichen Darstellung zur vollen Entfaltung bringt.“ 4 Die schiere Größe des Herrschers, die Anmut seiner Haltung, die Kostbarkeit der Attribute und der Reichtum der Kleidung sollen in Rigauds berühmtem Staatsporträt die ideale Schönheit Ludwigs XIV . und damit den König als vollkommene Verkörperung der französischen Monarchie gleichermaßen konstituieren wie konservieren. Wie wirkmächtig diese Vorstellung von körperlicher Schönheit als adäquatem Träger der Dignität in der Folge war, belegt nachdrücklich die Rezeption von Goyas vieldiskutiertem, um 1800 gemalten Porträt der Familie Karls IV . Bourbon (Abb. 2).5 Die ältere kunsthistorische Forschung attestierte der Darstellung der Mitglieder des spanischen Königshauses eine politisch motivierte Karikaturhaftigkeit, die wiederholt zum visuellen Ausweis des gesellschaftlichen Paradigmenwechsels erklärt wurde. In der vermeintlichen Zurschaustellung von Hässlichkeit und damit des Unvermögens der Bourbonen-Familie wurde dabei eine programmatische Dekonstruktion tradierter Repräsentationskonventionen erkannt, die den Machtanspruch des schwer von Krisen erschütterten Hofes subversiv infrage stellte. Obwohl die Forschungen der letzten drei Jahrzehnte diese diffamierende Funktion des Gruppenporträts – das konzeptuell unübersehbar an Las Meninas von Velázquez angelehnt ist – widerlegten,6 fungiert das Bild bis heute in der allgemeinen Wahrnehmung als physiognomische Diagnose des unumkehrbaren Verfalls der absolutistischen Herrschaft in Europa. Als Ausweis königlicher, auf mythologische und/oder biblische Urahnen zurückgeführter Abstammung und Beleg der Eignung zum Königsamt war (und ist) Schönheit als zeitgebundenes Konzept epochen-, kulturen- und regionenübergreifend ein zentrales Element der Herrschaftslegitimation. Mit einer auf unterschiedlichen Ebenen als schön wahrgenommenen Erscheinung verband sich bereits in altorientalischen Kulturen die religiöse Vorstellung der Gottgleichheit des Herrschers, ein Gedanke, der im Alten Testament (etwa Ps 45,3) eine modifizierte Wendung erfährt, indem die einzigartige übermenschliche Schönheit des Königs zum Grund für seine Gottesauserwähltheit erhoben wird.7 Auf der anderen Seite bildet gerade der Verlust der Schönheit, wie exemplarisch das im 6. Jh. v. Chr. entstandene Klagelied Hesekiels über den Sturz des Königs von Tyrus zeigt, jene Form der göttlichen Bestrafung, durch welche die körperliche Versehrtheit zur somatischen Äußerungsform innerer geistiger Verdorbenheit wird. Der Vollzug dieser Strafe – die Transformation des Schönen ins Hässliche – bedarf dabei der Augenzeugenschaft derjenigen, die selbst als Auserwählte herrschen und beständig den Gefahren der Hybris ausgesetzt sind. So heißt es bei Hesekiel 28,17 über die durch Schönheit ausgelöste Verwandlung der tugendhaften Gottesnähe in die laster356

u. Schön und Hässlich sein

hafte Gottesferne: „Weil sich dein Herz erhob, dass du so schön warst, und du deine Weisheit verdorben hast in all deinem Glanz, darum habe ich dich zu Boden gestürzt und ein Schauspiel aus dir gemacht vor den Königen.“ Die damit sich zunehmend konsolidierende Vorstellung einer Identität von äußerer Erscheinung und innerer Haltung wird nur Jahrzehnte später im Athen des 5. Jh. v. Chr. unter dem eigenen (natur)philosophisch-politischen Begriff der kalokagathaía („Schönundgutheit“) gefasst, der wirkmächtig die untrennbare Verbindung von Schönheit und Tugendhaftigkeit postulierte.8 Die kontinuierlich in unterschiedlichen Kontexten vorgenommene Gleichsetzung von Gott und Schönheit (der Schöpfer als omnis pulchri causa) verbunden mit der Vorstellung moralischer Integrität blieb für die Repräsentations- und Legitimationsstrategien mittelalterlicher wie frühneuzeitlicher Souveräne nicht ohne Folgen. Denn dieses staatspolitisch-religiös determinierte Körperbildkonzept erforderte nicht nur vor dem eigenen Hof und den Untertanen, sondern insbesondere auch im Rahmen der dynastischen Netzwerke Europas ein beständiges Zurschaustellen der eigenen körperlichen Vorzüge, eine bewusst gesteuerte, mit unterschiedlichen Objekten und Medien der Kunst vollzogene Inszenierung als schöner und damit rechtmäßiger Herrscher von Gottes Gnaden. Wie eine programmatische Ästhetisierung der Körper gezielt als Auslöser eines zeremoniellen Skandalons eingesetzt wurde, belegt exemplarisch das aufsehenerregende Trierer Fürstentreffen von 1473, bei dem Kaiser Friedrich III . und der burgundische Herzog Karl der Kühne u. a. über die dynastische Verbindung beider Herrschaftshäuser verhandelten.9 Um seinen Machtanspruch zu untermauern, setzte Karl der Kühne der kaiserlichen Dignität einen derart immensen repräsentativen Aufwand entgegen, dass dieser geradezu als Beleidigung des habsburgischen Hofes angesehen wurde. Bereits während der ersten Begegnung am 30. September trug er einen überaus kostbaren Mantel, den der Hofgoldschmied Gerard Loyet mit 1400 großen Perlen, 23 persischen Rubinen und insgesamt 3 Unzen und 14 Sterling Gold versehen hatte und der von den Zeitgenossen als „kostlichait“ beschrieben wurde, die „in dem lant vor nie gesehen wart“.10 Wohl um die Aufmerksamkeit auf das ungewöhnliche Textil noch zusätzlich zu steigern, musste der burgundische Zug auf der Ebene vor Trier angehalten werden, um den vermeintlich vergessenen Mantel in Luxemburg abholen zu lassen – ein insofern zeremoniell prekärer Akt, als der Herzog sich konsequent verweigerte, Friedrich III . in einer anderen als der geplanten Aufmachung zu begegnen. Weder der wartende kaiserliche Hof noch ein plötzlich einsetzender Platzregen konnten den Burgunder von seinem minutiös choreographierten Auftritt abhalten: Während die habsburgischen Gesandten Schutz unter Regenmänteln suchten, verbot Karl auch seinem kompletten Gefolge, die für die ex357

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orbitante Summe von 38.819 flandrischen Pfund neuangeschaffte Kleidung zu verdecken.11 Diese vestimentäre Verletzung der Rangordnung markierte den Auftakt einer ganzen Reihe zeremonieller Verstöße, bei denen insbesondere der burgundische Herzog durch den kalkulierten Einsatz von Objekten, wie dem bereits erwähnten Mantel, dem goldenen, mit Edelsteinen besetzten Herzogshut oder der von den Zeitgenossen bewunderten goldenen Rüstung, sich materiell und performativ als jener königliche Machtkörper inszenierte, dessen realpolitische Stellung den eigentlichen Gegenstand der Verhandlungen bildete.12 Diese Entfaltung der Magnifizenz ist insofern signifikant, als die ästhetische Optimierung des Körpers mit Hilfe von Kostüm und Schmuck nicht alleine Karl als Souverän, sondern das ganze, durch seinen Hof repräsentierte Herzogtum Burgund betraf. Die Betonung der ‚Schönheit‘ des herzoglichen Gefolges war gerade auch deshalb ein politischer Drahtseilakt, weil sie zwangsläufig – beabsichtigt oder nicht – die Repräsentationsmodi der Gegenseite unterminierte und damit auch deren Machtbefugnisse infrage stellte. Die weitreichenden Folgen dieser präzedenzlosen Prachtentfaltung zeigten sich paradigmatisch nach dem tragischen Tod Karls des Kühnen in der Schlacht von Nancy 1477.13 Der Sieger der Schlacht René II . von Lothringen musste zwei Tage lang nach dem bis zur Unkenntlichkeit entstellten Leichnam des Burgunders suchen lassen, weil dieser nicht nur halb gefroren und von Wölfen angefressen, sondern allen voran völlig entkleidet war. Erst ein Page des Herzogs vermochte anhand auffälliger körperlicher Merkmale wie Narben den toten Herzog zu identifizieren, dessen entwürdigender Zustand für allgemeines Entsetzen sorgte. Gerade die Entblößung und das Fehlen der Rüstung mit den dazugehörigen Kleidungsstücken bedeutete einen solch ungeheuren Verlust an herrschaftlicher Würde, dass sich dieser auch auf die siegreiche Seite auszubreiten drohte. Die unübersehbar vom äußerlichen Erscheinungsbild abhängigen Status des Besiegten und des Siegers scheinen hier paradoxerweise in einem reziproken Verhältnis zu stehen. René II . ließ den Gefallenen deshalb nach Nancy bringen und drei Tage lang öffentlich aufbahren, wobei der Leichnam zu diesem Zweck nicht nur gewaschen, sondern auch, den gesellschaftlichen Rang wiederherstellend, mit exklusiven Gewändern bekleidet wurde. Die Herausgabe des gleichsam in die dignitas erneut eingehüllten Leichnams verweigerte René entgegen allen zeremoniellen Konventionen der Zeit dem burgundischen Hof konsequent und bestattete ihn als memoriale Siegestrophäe in der Hofkirche St. Georges. Das damit ausgelöste politisch-memoriale Trauma der Habsburger konnte erst fast ein Jahrhundert später mit der Überführung des Körpers nach Brügge und der Aufstellung eines Grabmals überwunden werden, auf dem die vergoldete Liegefigur des Burgunders programmatisch in einen Paradeharnisch gekleidet ist. 358

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Abb. 3: Marcus Gheeraerts d. J.: Elisabeth I. (sog. Ditchley-Porträt), um 1592, Öl auf Leinwand (London, National Portrait Gallery).

Die bereits bei Karl dem Kühnen feststellbare kalkulierte Aufwertung der äußeren Erscheinung durch aufwändige Kleidung und Ausstattung zeigt sich in paradigmatischer Weise auch bei Elisabeth I. Tudor. In zahlreichen ihrer um 1600 entstandenen Porträts ist eine sinnstiftende Verbindung eines möglichst perfekten Körpers, dessen einziges Defizit aus Sicht der Zeitgenossen das weibliche Geschlecht war, und der auf ihn bezogenen, symbolisch aufgeladenen Attribute feststellbar  – eine mittels Schminke, Perücken, luxuriöser Textilien und kostbarer Schmuckstücke vorgenommene Transformation Elisabeths in ein gleichermaßen makelloses wie überzeitliches Körperbild Englands. Eindringlich vermittelt diese metaphorische Gleichsetzung u. a. das um 1592 gemalte Ditchley-Porträt, welches die Monarchin in einem weißen, mit Perlen bestickten Kleid zeigt (Abb. 3).14 In voller Figur auf einer Landkarte stehend, besetzt sie somatisch als überdimensionales Sinnbild der Standhaftigkeit und universeller Macht jenen Teil des Erdglobus, der ihr Königreich abbildet, und wird somit als treibende, buchstäblich maßlose Kraft seiner Expansion charakterisiert. 359

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Abb. 4: Werkstatt Nicolas Hilliard: Elisabeth I. (sog. Hardwick Hall-Porträt), um 1599, Öl auf Leinwand (Derbyshire, Hardwick Hall).

Solche herrschaftlichen Ansprüche wurden dabei signifikanterweise auch in die auf den Gemälden überlieferten Kleiderstoffe eingeschrieben, die aufgrund ihrer allegorischen Funktion einerseits die hegemonialen Aspirationen der Regentin und andererseits ihr paradoxes Selbstverständnis als ‚König‘ von England und zugleich als Gloriana, die jungfräulich-tugendhafte Schutzherrin des Landes, verdeutlichen.15 So kann etwa das über und über mit Motiven von Wassertieren und -pflanzen bestickte Kleid, das die mit auffällig androgynen Gesichtszügen dargestellte Elisabeth auf dem um 1599 geschaffenen sog. Hardwick-Porträt16 trägt, als unmissverständliches Postulat der Suprematie Englands über die Weltmeere gedeutet werden, von denen sie als Staatskörper einer aufstrebenden Seemacht regelrecht umgeben ist (Abb. 4). Eine programmatische Verbindung dieses vestimentären Repräsentationsmodells mit dem nach 1592 in den Bildnissen der Königin dominanten Konzept der Mask of Youth,17 die sie mit Hilfe bleihaltiger weißer Schminke regelmäßig aufsetzte, lässt das zwischen 1600 und 1603 gemalte, Marcus Gheeraerts d. J. oder Isaac Oliver zu360

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geschriebene Rainbow-Porträt erkennen (Abb. 4 im Beitrag von Claudia Olk).18 In der Darstellung korrespondiert die auf den linken Ärmel gestickte Schlange als Symbol der Weisheit und Unendlichkeit mit den unzähligen Augen und Ohren, die den Futterstoff von Elisabeths Mantel zieren. Gezielt in ihrer Bedeutung ambig, spielen diese sowohl auf die fama der Regentin, als auch auf die von ihr vertretene Politik der Staatsräson an, deren Personifikation in Cesare Ripas Iconologia ebenfalls einen mit Ohren und Augen geschmückten Mantel trägt. Ganz konkret macht die motivische Gestaltung des Kleidungsstücks zugleich auf Elisabeths berühmt-berüchtigtes ‚Spionagenetzwerk‘ aufmerksam, welches sie jahrzehntelang über alle Geschehnisse am Hof und in ihrem Land unterrichtete und mit dessen Hilfe sie nicht nur einige Attentate überlebte, sondern auch den durch einen Regenbogen in ihrer rechten Hand symbolisierten Frieden im Königreich zu sichern glaubte. In präzedenzloser Weise vermitteln die Bildnisse der Herrscherin jene gegen den biologischen Verfall gerichtete, betont artifizielle Schönheit und ewige Jugend eines Idealkörpers, in dem die zeitlose dignitas Englands eine adäquate anthropomorphe Ausdrucksform finden sollte. Die historische Radikalität einer solchen voranschreitenden Überschreibung des body natural der alternden Königin durch den unsterblichen body politic zeigt sich gerade darin, dass die andauernde Übertünchung des Gesichts mit giftigen Substanzen den eigentlich aufzuhaltenden Alterungsprozess entscheidend beschleunigte: Der Preis der scheinbaren äußeren Makellosigkeit, die in den Porträts so eindringlich zur Schau gestellt wurde, war letztlich die zunehmende Hässlichkeit eines von Wunden übersäten königlichen Antlitzes unter der Staatsmaske. Doch angesichts der Kinderlosigkeit der letzten Regentin aus dem Hause Tudor war eine solche Inszenierung des Körpers weniger ein Ausdruck individueller Eitelkeit, sondern eine realpolitische Notwendigkeit, eine gezielte Bewältigungsstrategie der sich anbahnenden dynastischen Krise. Eine komplexe Form der Maskierung zeigt auch das berühmte Bildnis Kaiser Rudolfs II . als Vertumnus von Giuseppe Arcimboldo (Abb. 5). In kaum einem anderen frühneuzeitlichen Herrscherporträt wird so eindrücklich über die Hässlichkeit der Schönheit respektive die Schönheit der Hässlichkeit und ihre metaphorische Verkleidung reflektiert. Weit mehr als ein visuelles Capriccio, zeigt das um 1591 entstandene Bild, ohne die eigentliche Porträtähnlichkeit zum Souverän gänzlich aufzugeben, eine singuläre ästhetische (De-)Figuration des Kaisers zu einer Art anthropomorphen Stillleben.19 Einem vegetabilen Mikrokosmos aus Früchten und Gemüse einverleibt, wird Rudolf II . nicht nur als der etruskisch-römische Gott der Verwandlung, der Jahreszeiten und der Fruchtbarkeit verherrlicht, sondern auch als körperliches Spiegelbild und imperialer Garant der gesamten kosmologischen Ordnung, über die er zu gebieten vermag, stilisiert. Diese ungewöhnliche bildliche Apotheose des 361

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Abb. 5: Giuseppe Arcimboldo: Rudolf II. als Vertumnus, 1591, Öl auf Leinwand (Skokloster, Skoklosters slott).

Kaisers als prima causa des ewigen Wiedererwachens, Erblühens und Wohlstands komplementiert das in 257 Versen verfasste panegyrische Gedicht des Mailänder Gelehrten Gregorio Comanini, das dem Gemälde als Begleitschreiben beigefügt wurde. Der Text beschreibt nicht nur detailreich die einzelnen Elemente des ‚Kryptoporträts‘, sondern thematisiert explizit auch die kalkulierte abschreckende Wirkung des Dargestellten als jene verschleiernde höfische Repräsentationsform, die konträr zu ihrer äußerlichen Erscheinung das wahre Innere des Souveräns offenbart: „Schein ich außen Ungeheuer, / Trag ich innen hehre Züge / Und verberge Königsbild / Sag mir nun, ob Du gewillt, zu erkennen, was Ich hehle: itzt entblößt’ ich meine Seele.“20 Auf die poetisch vermittelte Dialektik des Verhüllens und Zeigens folgt eine emphatische Parallelisierung von kaiserlicher Tugendhaftigkeit und künstlerischer Virtuosität: „Großer, hehrer, unbesiegter, glücklicher, erhabener frommer Rudolf, deines Österreichs Schild und Ehre, Ruhm des kampferprobten Deutschen, dem ergeben sich die Welt beugt, dessen Brust noch wahret alle Tugend Goldnen Vlieses, das dir Bürde, 362

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Tugend, die verbannt schon war vordem von Erden, wert des Thrones, den du, großer Herrscher, zierest: dir gleiche ich, dich zeichne ich, dich stell’ ich dar: Ich, der ich in Einheit Mannigfaches fasse, was an Früchten aller Arten schafft und malet […]“.21 Im Sinne der modellhaften Lenkung des Rezeptionsprozesses richten sich die letzten Zeilen dezidiert an den Betrachter, der edel in seiner Seele vom Ruhm des Malers zeugen und sich vor Rudolf verneigen solle. Gerade durch das visuelle Spiel zwischen Ähnlichkeit und Unähnlichkeit, zwischen Ganzheit und Fragment, zwischen Mikround Makrokosmos spiegelt das auf den ersten Blick monströs und entindividualisiert wirkende Porträt nicht nur das Interesse des Kaisers an der alchemistischen Eigenschaft der Materie, beständig ihre Erscheinungsformen zu wechseln, wider. Darüber hinaus kann es als innovativer Ausdruck seiner legendären, im Bild gleichsam anthropomorphisierten Sammelleidenschaft gedeutet werden,22 die von ihm zur persönlichen Herrschertugend erhoben, von der antirudolfinischen Historiographie jedoch wiederholt als eine der Ursachen seiner politischen Ohnmacht postuliert wurde. Liegt bereits all den oben angeführten Beispielen auf unterschiedlichen Ebenen eine programmatische Subsumierung von fürstlicher Körperlichkeit und materiell überhöhter Dignität unter einen allegorisch idealisierten Staatskörper zugrunde, lässt sich ab der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts im Zuge sich konsolidierender absolutistischer Herrschaftsdiskurse eine zunehmende Fokussierung auf dieses Phänomen in Kunstwerken und Objekten höfischer Repräsentation beobachten. Das sog. Landschaftskleid des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. verdeutlicht in diesem Kontext beispielhaft, welche zentrale, in der kunsthistorischen Forschung nach wie vor unterschätzte Relevanz gerade Textilien innerhalb der symbolischen Kommunikation der frühneuzeitlichen Höfe besaßen (Abb. 6).23 Das exklusive Herrenkleid war der Hauptbestandteil eines zu Weihnachten 1611 als Geschenk der Kurfürstenmutter Sophie überreichten textilen Ensembles, dessen Gesamtkonzept eine ungewöhnliche Verbindung naturwissenschaftlicher und staatspolitischer Diskurse aufweist. Gestickte Darstellungen von Inselwelten, Schiffen in Seenot, wilden Tieren und Seeungeheuern auf Wams und Hose korrelieren dabei mit dem leuchtend blauen Mantel, der in einer Kombination aus Landschaftsbild und Stadtvedute das prosperierende Elbtal sowie die Ansichten von Dresden, Altendresden und Meißen zusammen mit den fruchtbaren Jagd- und Ackerbaugebieten des sächsischen Territoriums zeigt. Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei auf die Schilderung der kurfürstlichen Residenz mit der steinernen Brücke im Vordergrund, welche die Frontansicht des Mantels auf beiden Seiten dominiert. Die ungewöhnliche Detailliertheit der Wiedergabe wird durch die Setzung klarer Farbakzente unterstrichen; um wichtige Elemente wie etwa die Türme der kurfürstlichen Residenz hervorzuheben, wurden pointiert Gold- und Silberfäden eingesetzt. Das optische und haptische Zusammenspiel der kostbaren 363

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Abb. 6: Hans Erich Friese et. al.: Sog. Landschaftskleid Kurfürst Johann Georgs I., Dresden 1611, Seiden-, Goldund Silberstickerei (Dresden, Rüstkammer).

Seiden- und Metallfäden verdeutlicht bereits auf materieller Ebene den immensen Repräsentationsanspruch, der mit der Konzeption und Gestaltung des Herrenkleides verbunden war. Gleiches kann für die ausgewählten Darstellungen festgehalten werden, die mit ihrer Thematik auf die Voraussetzungen und Folgen einer idealen Herrschaft verweisen. Nicht nur das harmonische Verhältnis zwischen Stadt und Land, Machtzentrum und Peripherie wird hier reflektiert, sondern – gerade durch die Vorführung dieser Symbiose – die Rolle des über allem stehenden Fürsten, dessen Regentschaft den Reichtum des Landes und den Wohlstand der Untertanen zur Folge hat. Der Träger des Gewandes wurde daher zur Verkörperung der sogenannten guten Regierung, eines politischen Themenkomplexes, der bereits im Friedenssaal des Sieneser Palazzo Pubblico in einem monumentalen Fresko des 14. Jahrhunderts von Ambrogio Lorenzetti eine bildhafte Form angenommen hatte.24 Die in Lorenzettis Werk von Tugenden begleitete Gestalt des Regenten als Personifikation der Kom364

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mune im Zentrum der Komposition fehlt jedoch in der programmatischen Ikonographie des Gewandes, weil diese semantisch aufgeladene (Leer-)Stelle durch den realen Körper des Kurfürsten ausgefüllt wurde. Der mit seinen detailliert wiedergegebenen Ländereien im wahrsten Sinne des Wortes bekleidete Souverän wird in seiner Dignität als Regent zum lebendigen Sinnbild Kursachsens. Es ist zudem vor allem der Aspekt der Performativität, der die Besonderheit dieses textilen Objektes im Kontext herrschaftlicher Repräsentation ausmachte. Die Bewegung des mit dem Landschaftskostüm bekleideten Kurfürsten im Zusammenspiel mit den Lichtreflexen, welche die unterschiedlichen edlen Materialien erzeugten, verliehen den wiedergegebenen Landschaften sowie Stadtveduten mit den darin agierenden Untertanen eine fiktionale Vitalität, die den Eindruck erweckte, Johann Georg I. sei vom lebendigen Mikrokosmos seines Kurfürstentums umhüllt. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die mit dem Anlegen des Landschaftskleides performativ konstituierte Einheit von Souverän, Untertanen und Territorium eine bezeichnende Entsprechung in einer der wichtigsten staatstheoretischen Schriften des 17. Jahrhunderts aufweist, dem etwa vier Jahrzehnte später publizierten Leviathan or the Matter, Forme and Power of a Commonwealth Ecclesiastical and Civil von Thomas Hobbes.25 Der vormoderne Hof als komplexer kultureller Aushandlungsraum von Machtansprüchen war stets auf die Setzung visueller, materieller und performativer Zeichen der Herrschaft angewiesen, um diese dauerhaft zu beglaubigen, zu konsolidieren und nicht zuletzt zu feiern. Vor diesem kulturhistorischen Hintergrund ist der fürstliche Körper selbst als das Hauptmedium diverser Repräsentationsstrategien zu begreifen: Der natürliche Leib wird durch die artifizielle Herstellung sowie Betonung von Schönheit und Makellosigkeit in einen zeitgemäßen Kunstkörper der Dignität transformiert, dessen Zurschaustellung in Hinblick auf die Legitimation und Sicherung der Herrschaft seit der Antike eine politische, religiöse und juristische Pflicht war. Daher dienten auch Kunstwerke, Objekte und Artefakte, die gezielt auf eine somatische Interaktion mit dem Fürsten hin konzipiert waren und in performativen Akten selbst als handelnde Akteure fungieren konnten, nicht nur der temporären sinnfälligen Präsentation fürstlicher Magnifizenz. Mit ihrer den Souveränskörper ästhetisierenden, schützenden und duplizierenden Funktion fungierten insbesondere die aufwändig aus kostbaren Materialien hergestellten und symbolisch aufgeladenen Kostüme auch als identitätsstiftende Konkretisierungen dynastischer und individueller Herrschaftsvorstellungen. Zugleich konservierten sie eine Spur der Körperpräsenz einzelner Vertreter:innen der Dynastie und wurden an den europäischen Höfen der Frühen Neuzeit aus diesem genealogisch-politischen Verständnis heraus über Generationen gesammelt, ausgestellt und zahlreich gerade in Herrscher:innenporträts als Träger einer materialisierten Geschichtsschreibung wiedergegeben. 365

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Auswahlbibliographie

Andreas Beyer: Das Porträt in der Malerei, München 2002. Umberto Eco: Die Geschichte der Schönheit, München 2006. Ders.: Die Geschichte der Häßlichkeit, München 2007. Eva Horn: Vom Porträt des Königs zum Antlitz des Führers. Zur Struktur des modernen Herrscherbildes, in: Alexander Honold (Hg.): Das erzählende und das erzählte Bild, München 2010, 129–159. Ernst H. Kantorowicz: Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, München 1990. Louis Marin: Das Porträt des Königs, aus dem Französischen von Heinz Jatho, Berlin 2005. Pierangelo Schiera: L’icona politica, in: Visual history. Rivista internazionale di storia e critica dell’immagine 1 (2015), 13–24. Hermann Wankel: Kalos kai agathos, Diss. Würzburg 1961.

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Anmerkungen William Makepeace Thackeray: The Paris Sketch Book. By Mr. Titmarsh. With numerous designs by the author, on copper and wood. Vol. II , London 1840. 2  Louis Marin: Das Porträt des Königs, aus dem Französischen von Heinz Jatho, Berlin 2005, 20. 3  Michael Bernsen: Das Porträt des Königs. Zwei Körper, zwei Diskurse, in: Angela Fabris/Willi Jung (Hg.): Charakterbilder. Zur Poetik des literarischen Porträts, Göttingen 2012, 197–214, hier 201. Vgl. auch Ernst H. Kantorowicz: Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, München 1990. 4  Eva Horn: Vom Porträt des Königs zum Antlitz des Führers. Zur Struktur des modernen Herrscherbildes, in: Alexander Honold (Hg.): Das erzählende und das erzählte Bild, München 2010, 129–160, hier 132. 5  Vgl. u. a. Victor I. Stoichiță: Goya. Die Familie Karls IV., in: Reinhardt Brandt (Hg.): Meisterwerke der Malerei. Von Rogier van der Weyden bis Andy Warhol, Leipzig 2001, 141–170; Andreas Beyer: Das Porträt in der Malerei, München 2002, 282–285. 6  Victor I. Stoichiță/Anna Maria Coderch: Goya. The Last Carnival, London 1999, 245–264. 7  Art. „Schönheit“, in: Enzyklopädie der Neuzeit, hg. von Friedrich Jaeger, Bd. 11, Stuttgart/Weimar 2010, Sp. 835–837. 8  Ebd., Sp. 837. 9  Petra Ehm: Burgund und das Reich. Spätmittelalterliche Außenpolitik am Beispiel der Regierung Karls des Kühnen (1465–1477), München 2002, 132–196. 10  Ebd., 151. 11  Ebd., 150–152. 12  Ebd., 165–166. 13  Christoph Brachmann: Memoria  – Fama  – Historia. Schlachtengedenken und Identitätsstiftung am lothringischen Hof (1477–1525) nach dem Sieg über Karl den Kühnen, Berlin 2006, 35–43; Ariane Koller/Anna Pawlak: Stahl  – Farbe  – Photographie. Die medialen Inszenierungen der Mühlberg-Rüstung Kaiser Karls V. und die Materialität der Macht, in: Martin Mulsow/Annette Cremer (Hg.): Objekte als Quellen der historischen Kulturwissenschaften, Wien/Köln/Weimar 2017, 93–112. 1 

Montrose: Elizabeth hinter dem Spiegel: Die Ein-Bildung der zwei Körper der Königin, in: Regina Schulte (Hg.): Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt seit 1500, Frankfurt a. M. 2001, 67–98; James R. Jewitt: ‚Eliza Fortuna‘. Reconsidering the Ditchley Portrait of Elizabeth I., in: The Burlington Magazine 156 (2014), 293–298. 15  Janet Arnold: Queen Elizabeth’s wardrobe unlock’ d, Leeds 1988; Roy Strong: Gloriana. The Portraits of Queen Elizabeth I, London 2003. 16  Lionel Cust: Queen Elizabeth’s Kirtle, in: The Burlington Magazine for Connoiseurs 33 (1918), 96–201; Rob Content: Fair Is Fowle: Interpreting Anti-Elizabethan Composite Portraiture, in: Julia M. Walker (Hg.): Dissing Elizabeth. Negative Representations of Gloriana, London 1998, 229–251. 17 Strong: Gloriana, 147–152. 18  Ebd., 157–162. 19  Thomas Da Costa Kaufmann: Arcimboldo’s Imperial Allegories, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 39 (1976), 275–296; Thomas Da Costa Kaufmann: Arcimboldo and Propertius. A Classical Source for Rudolf II . as Vertumnus, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 48 (1985), 117–123; Andreas Beyer: Das Porträt in der Malerei, München, München 2002, 183. 20 Benno Geiger: Die skurrilen Gemälde des Giuseppe Arcimboldi, Wiesbaden 1960, 80. Für das ganze, auf italienisch verfasste Gedicht vgl. Pontus Hultén (Hg.): The Arcimboldo Effect. Transformations of the face from the sixteenth to the twentieth century, Mailand 1987, 185–189. 21  Geiger 1960 (wie Anm. 20), 80–81. 22  Eliška Fučiková: Die Sammlungen Rudolfs II ., in: Jiří Dvorský (Hg.): Die Kunst am Hofe Rudolfs  II ., Hanau/Prag 1988, 209–246. 23  Ariane Koller: Objektwelten in Bewegung. Die Performativität der Macht am Hof des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 09/10 (2018), 513–529, hier 524–529. 24  Jean C. Campbell: The city’s new clothes. Ambrogio Lorenzetti and the poetics of peace, in: The Art Bulletin 83 (2001), 240–258; Gerhard Wolf: Die Frau in Weiß. Visuelle Strategien und künstlerische 14  Louis

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Argumentation in Ambrogio Lorenzettis Fresken in der Sala die Nove, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 55 (2013), 27–53; Pierangelo Schiera: L’ icona politica, in: Visual history. Rivista internazionale di storia e critica dell’ immagine 1 (2015), 13–24.

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Hobbes: Leviathan or the Matter, Forme and Power of a Commonwealth Ecclesiasticall and Civil, London 1651. Vgl. dazu Horst Bredekamp: Thomas Hobbes visuelle Strategien. Der Leviathan: Urbild des modernen Staates, Berlin 1999.

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v. Steuern Einleitung – auf See Am 8. April 1893 wurde die Staatsyacht Hohenzollern in Dienst gestellt. Sie diente dem deutschen Kaiser Wilhelm II . bis zum Ende des I. Weltkriegs und der Abdankung des Monarchen nicht nur als Repräsentationsschiff, sondern wurde ebenso in der Liste der Kriegsschiffe des Reichs geführt. Über die unmittelbare Verbindung mit der Person des Kaisers sowie ihrem Rang als Einheit der Marine war ein Verständnis der S.M.S. Hohenzollern als Staatsschiff, insbesondere im Kontext der politischen Repräsentation, naheliegend. Eine vor dem I. Weltkrieg entstandene Bildpostkarte spielt auf das Wasserfahrzeug an und setzt Wilhelm II . bedeutungsvoll in Szene (Abb. 1). Dass es sich um ein Schiff handelt, wird durch die geschwungene, niedrige Bordwand im Hintergrund, das Motiv der in der Vertikalen durchlaufenden Taue sowie die bewegte See herausgestellt. Den gesamten linken Vordergrund der Fotografie füllt das hölzerne Steuerrad aus. Dessen Befestigung an Deck ist nicht zu erkennen und das zweite sowie dritte Steuer der Hohenzollern fehlen gänzlich. So weisen bereits diese fragwürdigen technischen Details auf die metaphorische Ausrichtung der gesamten Szenerie hin. Das prominent herausgestellte Steuerrad selbst wird vom Schriftzug „S.M.S. Hohenzollern“ geziert, sodass den Betrachtern, trotz Unzulänglichkeiten im Detail, unmissverständlich angezeigt wurde, auf welchem Fahrzeug der Kaiser sich befand: dem maritimen Repräsentationsobjekt des Deutschen Reichs. Der Leib des Monarchen wurde in der Darstellung in eine kraftvolle Erscheinung überführt. So ist der gut ausgeprägte Oberkörper von dunklem Ölzeug umgeben. Den Kopf schützt ein Südwester, sodass Wilhelm II . in seemännischer Kleidung erscheint. Arme und Hände sind dem Steuerrad zugeordnet und Wilhelms angeborene Verkürzung des linken Arms ist negiert. Es handelt sich letztlich um einen Idealkörper, auf den das fotografisch festgehaltene Porträt montiert wurde. Der Kaiser sieht den Betrachter unvermittelt an. Die leicht zusammengekniffenen Augen erzeugen einen konzentrierten, durchdringenden Blick. So erscheint die Situation als von einem ernsthaften Grundton getragen. 369

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Abb.1: Unser Steuermann (Bildsammlung Karl Fritz, Landesarchiv Baden-Württemberg).

Bemerkenswert an der Darstellung ist ein Widerspruch zwischen der Inszenierung Wilhelms sowie der Bildunterschrift. Letztere lautet: „Unser Steuermann. Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser.“ Gezeigt wird der Kaiser allerdings nicht als Steuermann der S.M.S. Hohenzollern, sondern als sogenannter Rudergänger. Ein feiner, aber bedeutender Unterschied. Der Steuermann ist zumeist der befehlshabende Offizier, während Rudergänger jene Person bezeichnet, die tatsächlich das Ruder in Händen hält und de facto lenkt. Wilhelm II . steuert dementsprechend selbst und lässt nicht steuern – obschon dies grundsätzlich als eine Rangabstufung interpretiert werden könnte. Für die gewünschte Bildaussage war es jedoch offenbar wichtiger, den Kaiser als einen Menschen zu inszenieren, dessen körperliche Verfasstheit ihn nicht nur als Steuermann, sondern auch als tatkräftig zupackenden Rudergänger prädestiniert. Gerade dieser deutsche Kaiser hat sich immer wieder im Kontext maritimer Szenerien gezeigt und dabei als dezidiert physisch agierende Person darstellen lassen.1 Inwieweit hierbei bewusst eine ikonographische Leitidee verfolgt 370

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wurde oder eine leicht zu rezipierende Bildsprache zur Anwendung kam, lässt sich nicht eindeutig entscheiden. Zumindest wurde interpretatorischen Untiefen keine Beachtung geschenkt: Wilhelm II . ist als Figur am Steuerrad zu identifizieren und er bringt seine Körperlichkeit geschickt ein, um das (Staats-)Schiff lenken zu können. Die Tätigkeit des Steuerns visualisiert auch das Lenken der aktuellen Politik, in der sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vielschichtig ineinander verweben. Die Begriffe „lenken“ und „steuern“ bilden nach dieser Interpretation äußerst kraftvolle Metaphern aus, die immer auch die Physis des Dargestellten thematisieren. Der Motivkomplex verfügt dabei über einen inhaltlichen Unterbau, der sich in der Frühen Neuzeit vielfältig ausgestaltet hatte und dessen Bild- und Körpergeschichte sich bis heute fortschreibt.

Parameter Die Begriffe „steuern“ und „lenken“ werden in der Frühen Neuzeit nahezu synonym gebraucht. Sie beziehen sich dabei zumeist auf etwas anderes, das gesteuert bzw. gelenkt wird. Bevorzugte Motive sind das Pferd, aber auch der Wagen oder das Schiff. Dadurch eröffnen sich tiefere Sinnschichten. Das vom Herrscher versiert gelenkte Pferd kann als Symbol des Volkes oder Staatswesens und die Interaktion von Mensch sowie Tier als Repräsentation eines politischen Zustands gedeutet werden. Die stärker oder schwächer herausgestellte Führung der Kreatur bewertet die Qualität der Regierung, die Staatskunst. Ein Lebewesen, das sich ohne Zwang steuern bzw. lenken lässt, ist demnach Ausdruck einer idealen Herrschaft. Der Wagen wiederum wird in Bildern oder bei Festlichkeiten zumeist in besonders prunkvoller Ausführung verwendet und entfaltet dabei bereits als Statussymbol seine visuelle Wirkung. Einfache Fahrzeuge fanden erst spät Aufnahme in die frühneuzeitlichen Bildwelten. Dies liegt auch in der Person des Lenkenden begründet. Für mythologische Figuren, wie etwa Phaeton, der den Sonnenwagen lenkte, wäre ein simples Gefährt kaum logisch gewesen. Pferdewagen galten lange Zeit als überaus beschwerliches und gefährliches Fortbewegungsmittel. Zum interessanten Motiv wurden Kutsche und Wagen vor allem in einem repräsentativen Umfeld. So lässt sich eine Diskrepanz zwischen den Gefährten beobachten, die auf unterschiedliche Zusammenhänge verweisen: Festwesen sowie Mythologie in Städten und an adeligen Höfen auf der einen, das beschwerliche Reisen über Land auf der anderen Seite. Diese Opposition entschied auch über die Verwendung des Motivs. Im Kontext der Tätigkeit des Steuerns ist sodann das frühneuzeitliche Schiff in seinen unterschiedlichen Typen sowie Deutungsformen von Bedeutung. Die Seeschifffahrt konnte hierbei gegenüber der Flussschifffahrt eine 371

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deutlich höhere inhaltliche und visuelle Attraktivität entwickeln. Segelschiffe waren die mit Abstand größten Fahrzeuge der Zeit. Ihre unterschiedlichen Formen – Galeeren im Mittelmeer und Segler auf den Ozeanen – führten auch zu verschieden konstruierten Ruderanlagen. So dienten links und rechts am Heck angebrachte Ruder zum Steuern. Parallel wurde das zentrale Heckruder verwendet, welches über eine Pinne gelenkt werden konnte. Letzteres war für die frühneuzeitlichen Bildwelten weitaus interessanter, da sich, vergleichbar dem Reiter, eine Person als zentraler Entscheidungsträger inszenieren ließ. Diesen Ansatz verbürgte später auch das Motiv des Steuerrades, das überdies weitere Bedeutungsebenen eröffnete. Im Sinne einer differenzierten Objektgeschichte gehören zu den Instrumenten des Lenkens auch die Zügel, welche nicht nur auf das Pferd verweisen. Wie bereits der deutsche Begriff des (Sich-) Zügelns zeigt, sind damit auch die Bedeutungsebenen der Selbstlenkung und Mäßigung – temperantia – assoziiert. Ebenso ist ein Abgleiten bis in sozial-satirische Themen möglich. Etwa dann, wenn die Frau dem Mann die Zügel anlegt – wie in der im 13. Jahrhundert verfassten und in der Folgezeit ausgiebig rezipierten Geschichte von Aristoteles und Phyllis. Die Darstellungen des Steuerns oder Lenkens gewinnen ihre Bedeutungen insbesondere von den Personen her, die diese Handlungen ausführen. Dass dabei ein Monarch ein besonders prädestinierter Bildgegenstand ist, vermag kaum zu überraschen. Immer beeindruckt schon der Steuerakt selbst. Er vermag seine höchste Prägnanz paradoxerweise genau in dem Moment zu entfalten, da er subtil negiert wird oder sich in der Körpersprache nur erahnen lässt. Vollendete Herrschaft zeigt sich dann, wenn das Steuern oder Lenken nicht unmittelbar und aktiv vollzogen wird, aber das Potenzial hierzu vorhanden ist.2 Die eingangs beschriebene Szene mit Wilhelm II . als Rudergänger kann insofern als ein vorläufiger Endpunkt betrachtet werden, weil hier die Sehnsucht nach Eindeutigkeit gegenüber dem rezeptionsästhetischen Reiz des Vagen überwiegt. Dem Steuern und Lenken ist als Handlung jedoch stets ein Restrisiko eingeschrieben: Die Offenheit der Zukunft erscheint dabei stets als der machtvolle Gegenspieler des Steuernden.

Occasio und Fortuna – Steuern als Option Nicoletto da Modena schuf zwischen 1500 und 1510 einen Kupferstich (Abb. 2), dessen zentrales Motiv eine unbekleidete weibliche Figur ist. Diese steht mit ihrem rechten Bein auf einer Kugel, die auf ihrer Oberfläche eine stilisierte Landkarte zeigt. Kleinere und größere Befestigungen sind zu erkennen, die Städte und Stadtstaaten andeuten, sodass der Globus wenn nicht die Welt, dann doch immerhin Italien ver372

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Abb. 2: Nicoletto da Modena: Fortuna, um 1500–1510, Kupferstich (London, British Museum).

anschaulicht. Mit ihrem linken Fuß berührt die Figur die Pinne eines Steuerruders, wodurch sie offensichtlich in der Lage ist zu steuern. Denn beide Objekte befinden sich im Wasser und dienen als metaphorisches Fortbewegungsmittel. Die hochaufragende Figur mit selbstbewusster Körperhaltung ist nur von einem bewegten Tuch umgeben. Dieses Segeltuch imaginiert die Kraft des Windes und zugleich das Vermögen, sich dieser zu bemächtigen. Der Blick der weiblichen Figur geht in die Ferne und meint die kommende Zeit. Ihr linker Arm und der Zeigefinger sind nach oben gerichtet. Hier manifestiert sich Konzentration, die Herausforderungen wahrzunehmen weiß. In der Beuge des Handgelenks ihres rechten Arms hält sie mit souveräner Geste einen Stab, der von einem kleinen Kopf bekrönt wird. Dessen Haarschopf weht nach vorn in die Stirn und widerspricht dialektisch der im Motiv vorherrschenden Windrichtung. Aby Warburg verortet die Fortuna des 15. und 16. Jahrhunderts zwischen den Polen „Vernichtungsdämon“ und „Reichtumsgöttin“ im Kontext der wirtschaftlich erfolgreichen Gruppe italienischer Fernhandelshäuser. 3 Neben der 373

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selbstbewussten Fortuna war für diese auch Occassio ein bevorzugtes Repräsentationsmotiv, wobei sich der Vorgang des Steuerns dynamisch steigern ließ. So skizziert Warburg in seinen Arbeiten zum Mnemosyne-Atlas den Kontext, wenn er vermerkt: „Ambivalenz im Kampf mit dem Schicksal / Fortuna / Mittelalter / Rucellai mit dem Segel  / Machiavelli und Occasio“.4 Bemerkenswert ist hier die Kombination von Zukunft, Fortuna, Occasio (Gelegenheit im Sinne aktiven Handelns) und politischen Reflexionen (Machiavelli). Der Akt des Steuerns vereint diese und führt sie weiter. Warburg bezeichnete das vorausblickende Motiv als „Fortuna. Auseinandersetzungssymbol des sich befreienden Menschen (Kaufmann)“, womit sich Tafel 48 der dokumentierten dritten Fassung des Mnemosyne-Atlas auseinandersetzt, auf der sich auch der Stich Nicoletto da Modenas findet.5 Wichtig sind hierbei vor allem zwei Details: einerseits die Verbindung mit der Fortuna Maris durch das nie vollständig zu beherrschende Wasser bzw. Meer, andererseits der Kairos-Zepter, der den Aspekt der Occasio, also der Gelegenheit, die ergriffen werden muss, integriert. Die Vermischung der genannten Thematiken wird für die europäische Kaufmannschaft der Frühen Neuzeit auch deshalb wichtig gewesen sein, weil sie entschieden die Eigenwirksamkeit des Individuums propagierte. Galt es doch, das Schicksal (Fortuna) durch eine Handlungsoption (Occasio) günstig zu beeinflussen.6 In diesem Verständnisrahmen meint Steuern auch die Befähigung des Menschen, dem eigenen Lebenslauf eine Richtung geben zu können: Aktion, nicht Reaktion, ist das Ideal der Zeit und der europäischen Kaufmannschaft. Die Gelegenheit muss beim Schopf gepackt werden, weshalb der Hinterkopf Occasios rasiert ist. Es ist also nicht ganz einfach, sein (merkantiles) Glück zu realisieren. Es bedarf Wagemutes und des richtigen Zeitpunkts, um Occasio bei den Haaren zu fassen. Die Dynamik des kaufmännischen Lebens manifestiert sich in der Figur, ihres Tuches sowie der Haare. Hierbei lässt sich eindrücklich begreifen, dass dieses bewegte Beiwerk keinesfalls nur ein schmückendes ist. Vielmehr handelt es sich um „Energiesymbole“ im Sinne Warburgs, die die Lebenswirklichkeit jener versinnbildlichen, die in Verbindung zu Fortuna-Occasio treten. Die selbstreflexive Interaktion mit Fortuna-Occasio ist ein Prozess der Auseinandersetzung. Dessen zwei Pole werden etwa durch den betrachtenden Kaufmann auf der einen Seite und die bewegte, weibliche Figur auf der anderen Seite, angezeigt. Dass diese Gestalt sich wiederum auf dem unablässig bewegten Wasser befindet, ist von zentraler Bedeutung. Die Verkörperung der Lebenswirklichkeit des Kaufmanns ist eine nackte, weibliche Figur, die in der Logik der Frühen Neuzeit zunächst einmal geheimnisvoll ist. Hinzu tritt die Verbindung mit dem Wasser bzw. dem Meer, welches als rätselhaft und gefährlich verstanden wurde. Doch der Ideengehalt konnte letztendlich nur durch die Wahl einer weiblichen Personifikation realisiert werden, da diese in der Geschlechterlogik der Zeit als „bezwingbar“ galt. 374

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Die Florentiner Kaufleute wählten die Personifikation der Fortuna-Occasio als eine bildkritische Figur. Diese verweist auf die Dynamik des Lebens ohne sich für eine Seite – gut oder schlecht – zu entscheiden. Das individuelle Schicksal kann somit nur günstig beeinflusst, nicht aber bestimmt werden. Die Befähigung zum Steuern ist gleichwohl von zentraler Bedeutung. In dieser manifestiert sich die überlegte und in die Zukunft gerichtete Handlungsfähigkeit des Kaufmanns, die jedoch mit den Variablen des Schicksals umzugehen hat.

Der Souverän – Steuern als Bestimmung Für die Frühe Neuzeit lassen sich im Kontext von „steuern“ und „lenken“ zwei visuelle Ausrichtungen beobachten, die auch vielgestaltige Varianten integrieren. Beim Reiten ist es insbesondere die Haltung der Zügel bzw. die Interaktion zwischen Reiter und Pferd.7 Der wichtige Unterschied liegt hier in der Art und Weise des Lenkens. Dabei lässt sich grundsätzlich zwischen „natürlichen“, gottgegebenen Formen des Lenkens (etwa Erbfolge) und proaktiven unterscheiden, die ein Ergreifen und SichAneignen voraussetzen. Letzteres setzt Andrea del Verrocchios Reiterstandbild des Bartolomeo Colleoni auf dem Campo Santi e Paolo in Venedig ins Bild (Abb. 3). Das zwischen 1480 und 1488 entstandene Monument für den Condottiere betont dessen Präsenz durch das durchgestreckte Rückgrat, den nach vorn gerichteten Leib und die angezogenen, kurz gehaltenen Zügel. Dadurch wird nicht nur die Befähigung zum Lenken des Tieres, sondern auch dessen wachsame Kontrolle angezeigt. Colleoni lenkt aktiv und verwendet hierfür seine körperliche Energie. Das Pferd folgt ihm nicht aus Eigenantrieb, sondern es wird vom Reiter aktiv dazu veranlasst. Die Intensität der Steuerung richtete sich am Verhalten des Tieres aus. Dessen Stellvertreterrolle war den Betrachtern wohlbekannt: In der Interaktion von Reiter und Pferd spiegelte sich jene von Herrscher und Beherrschten.8 Ein Gegenmodell zum aktiv zügelnden Colleoni kann in Diego Velazquez’ Reiterbildnis Philipps IV . von 1635 erkannt werden: Der spanische König ist auf einem steigenden Pferd dargestellt, die Zügel hält er ohne Spannung, beinahe nonchalant. Das Tier muss nicht aktiv gelenkt werden und folgt der ihm übertragenen Aufgabe scheinbar aus eigenem, natürlichem Antrieb. Peter Paul Rubens vollendete zwischen 1612 und 1615 das Reiterporträt des Don Rodrigo Calderón. Dieser war habsburgischer Botschafter in Antwerpen, was die Silhouette der Stadt im Hintergrund erklärt (Abb. 4). Calderon sitzt aufrecht auf dem mächtigen Pferdekörper und wendet diesen mit einer leichten Drehung zum Betrachter. Der Reiter selbst nimmt diese Blickrichtung auf. Präsenz und Selbstbewusstsein werden visualisiert und durch ein 375

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Abb. 3: Andrea del Verrocchio: Reiterstandbild des Bartolomeo Colleoni auf dem Campo Santi e Paolo, Venedig, um 1480–1488.

Abb. 4: Peter Paul Rubens: Reiterporträt des Don Rodrigo Calderon, um 1612–1615, Öl auf Leinwand (Windsor Castle, Royal Collection Trust).

für Reiterbildnisse ungewöhnliches Detail verstärkt.9 Denn mit seiner rechten Hand präsentiert Calderón mit einer betont eleganten, beiläufigen Geste die zusammengeknoteten Zügel. Der Reiter muss offenkundig keinerlei Kraft oder Anstrengung aufwenden, um das mächtige Tier zu lenken. Es folgt aus einem natürlichen Impuls. Reiter und Pferd – Herrscher und Beherrschte – befinden sich in einem Idealzustand vollendeter Herrschaftskunst: körperliche Präsenz als eine Kraft, die nur als Potenzial vorhanden ist. Steuern und lenken erreichen ihre Perfektion, wenn sie gar nicht erst angewendet werden müssen, aber als Option visuell erfahrbar werden. Denn der Herrscher zeigt sich nur dann in vollendeter Souveränität, wenn er sein Machtpotenzial gar nicht beständig ausüben muss. So rückt nicht nur die Selbstbestimmung in den Vordergrund, sondern auch die Potenzialität zu handeln. Aber, und dies ist von zentraler Bedeutung, nicht als Reaktion auf einen äußeren Impuls, sondern rein aus eigenem Antrieb, aus eigener Entscheidung. In seinen Unterweisungen für den Herzog von Anjou, den späteren Philipp V., König von Spanien, beschrieb Ludwig XIV . 376

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Abb. 5: Peter Paul Rubens: Die Übergabe der Regentschaft an den Dauphin, Medici-Zyklus, nach 1622, Öl auf Leinwand (Paris, Musée du Louvre).

diesen Kernaspekt des Regierens deutlich, wenn er ausführte: „Ich schließe mit den wichtigsten Ratschlägen, die ich Ihnen geben kann: lassen Sie sich nie beherrschen; seien Sie selbst der Herr.“10 Beherrscht zu werden und selbstbewusst zu herrschen sind körperliche Kategorien. Doch werden diese in der Politik und Repräsentation nicht ostentativ zur Schau gestellt, sondern in fein gesetzten visuellen Argumentationen ausgestaltet. Einen weiteren Akt des Steuerns stellen diese dennoch dar, indem sie die Thematik bemerkenswert nuancieren. Peter Paul Rubens fertigte ab 1622 die monumentale Bilderfolge des sogenannten Medici-Zyklus für das Palais du Luxembourg in Paris an. In 22 Gemälden wurde das Leben der nach dem Tod Heinrichs IV . über Frankreich regierenden Maria de Medici idealisiert. Mit der Volljährigkeit Ludwigs XIII . sollte dieser die Regierung übernehmen, was in der Realität keineswegs störungsfrei vonstattenging, im Bildzyklus aber dennoch als Übergabe der Regentschaft an den Dauphin ins Bild gesetzt wurde (Abb. 5). Das Gemälde zeigt ein fantasievolles Schiff, in welchem sich acht weibliche 377

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Personen sowie ein junger Mann befinden. Dabei handelt es sich um Maria de Medici und fünf Personifikationen sowie den König. Zwei Figuren sind nicht mit Attributen ausgestattet, sodass diesen nur eine maritime Assistenzfunktion zukommt.11 Am Heck des Schiffes ist der Monarch zu erkennen, dem von seiner regierenden Mutter das Steuerruder überantwortet wurde. Ein zentrales politisches Motiv.12 Ludwig berührt das Steuerruder mit seiner rechten Hand und schaut dabei mit leicht gesenktem Kopf zu seiner Mutter, die den Augenkontakt allerdings nicht erwidert. Eine Gruppe aus weiblichen Personifikationen bevölkert das Gefährt. In den Wolken über der Szene ist Fama gleich zweimal zu erkennen, die den kommenden Ruhm des Königs ankündigt. Das Staatsschiff selbst wird von vier Frauen nur auf der Steuerbordseite gerudert, was dem Bildaufbau geschuldet ist. Es sind diese von vorn nach hinten: Fortitudo, Spes, Iustitia und Unitas (Stärke, Glaube, Gerechtigkeit und Einheit), die anhand beigefügter Schilde eindeutig zu identifizieren sind. Die Figur mit dem roten Umhang am Segel ist möglicherweise als Klugheit oder Mäßigung zu deuten. An höchster Stelle unmittelbar vor dem Mast steht Francia, die Personifikation Frankreichs, ausgestattet mit Schwert und Kosmoskugel. So sind alle wichtigen Tugenden vorhanden, die ein Regent zu guter Regierung befähigen. Der Staat selber wird hier als Schiff vorgestellt, was den Aspekt des agierenden Monarchen betont. Dem jungen König wurde die Verantwortung von der Mutter übertragen, er führt nun das Ruder und bestimmt die Fahrtrichtung.13 Doch bestehen Details, die die Repräsentation eines absolutistischen Staatsgefüges zu problematisieren scheinen. Diese waren von Rubens zwar kaum als offene Herrschaftskritik eingefügt worden, aber als Andeutungen zu verstehen, welche die Betrachtung des Gemäldes im Kontext der höfischen Zivilisation beleben konnte. Die Kunst der Dissimulatio (des Verbergens) war hierfür grundlegend und sowohl dem Maler wie auch dem Diplomaten Rubens bestens vertraut.14 Es ist ein Potenzial der Andeutung von körperlich formulierten Kompetenzen, welches sich auch visuell inszenieren lässt. Aus einer dynamischen Ausrichtung heraus wird mit Details gearbeitet, anhand derer eine spielerische Auslegung betrieben werden kann, die nie zu einem eindeutig zu benennenden Endpunkt gelangt. Das Sichtbare wird hierbei nicht als Realität aufgefasst, sondern eher als eine Ausdeutung derselben. Es ist eine Kunst des Sowohl-als-auch, die sich letztendlich aus hinterlegten Inhalten speist. Dieses wären etwa die fundamentalen Spannungen über die weitere Regentschaft in Frankreich zwischen Maria de’ Medici und Ludwig XIII ., die 1625 allen Betrachtern vollkommen bewusst waren. Der Körper des jungen Monarchen wirkt unter dem gewaltigen Umhang schmächtig und das puppenhafte Gesicht kündet eindrücklich von der fehlenden Lebenserfahrung. Auch ist er im Kreis der weiblichen Personifikationen, die Mutter mit eingeschlossen, eine Figur mit auffal378

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lend geringer körperlicher Präsenz. Dies wäre für einen König nicht problematisch und könnte auch positiv rezipiert werden. Doch zeigt sich die prunkvolle Barke dem Betrachter als Staatsschiff, welches gelenkt werden muss. Das Steuer hat ihm seine Mutter, welche ihn nur politisch vertreten hatte, überantwortet, um zu steuern respektive zu regieren. Doch irritiert die zierliche Hand Ludwigs XIII . auf dem Steuerruder, welches zudem in seiner perspektivischen Anlage irritierend verläuft. Es besteht ein auffälliger visueller Kontrast zwischen dem kleinen, kaum vorgestellten Körperteil und dem gewaltigen Blatt des Ruders im Wasser. Die Materialität des Schiffes tritt hinzu, welches in seiner herausgearbeiteten Ornamentik wenig elegant wirkt. Ganz in der Logik der Dissimulatio treffen in diesem Motiv gottgegebene Herrschaftskompetenz, die keiner körperlichen Kraft bedarf und eine gewisse körperliche Überforderung aufeinander. Es bedarf schon eines hohen Maßes an Vertrauen, hier einen kompetenten und physisch adäquaten Steuermann erkennen zu wollen. Denn die Metapher vom Staatsschiff, das vom König gesteuert wird, stellt sich auf der Seite des Betrachters unmittelbar ein und entfaltet ihre visuelle Kraft. Die eingängige Metapher entwickelt gleichsam ein Eigenleben, welches sich nicht mehr – der Büchse der Pandora vergleichbar – bändigen lässt. Ludwig XIII . hat die Hand an der Pinne des Ruders, doch weckt der Szenenaufbau Zweifel, welche eigentlich nicht entstehen sollten. Aus dieser Kippfigur entsteht eine Kraft, die das Motiv nicht nur bereichert, sondern auch mit der offenen Frage nach der Zukunft bzw. dem Staatsschicksal verbindet. Denn der König steuert beziehungsweise regiert bereits unmittelbar auch das weibliche Ruderpersonal an Bord. So setzen sich an diesem Punkt die visuellen Störungen in bemerkenswerter Art und Weise fort, die gerade im Kontext der frühneuzeitlichen Dissimulatio sowie der politischen Ikonographie durchaus eine schwer zu kontrollierende Eigendynamik entfalten konnten. Insbesondere im inhaltlichen Kontext der Tätigkeiten des Steuerns oder Lenkens gewinnt die Dissimulatio an Bedeutung. Denn der Souverän sollte nicht bei einer Aktion dargestellt werden, die eine forcierte körperliche Reaktion seinerseits hervorgerufen hätte. Die Beredsamkeit des Leibes sollte im Unbestimmten verbleiben.15 Dennoch vollzieht bzw. zeigt sich Herrschaft etwa durch das Steuern, auch wenn jene, die gesteuert werden, im Idealfall einem inneren, gemeinhin natürlichen Impuls folgen. In Rubens Gemälde würde sich dies in der Bewegung des Staatsschiffes sowie den Ruderinnen manifestieren. So spritzt auch am Bug etwas Gischt auf und berichtet von der bisher gelungenen Fahrt. Doch ist nunmehr das Ruder gerade übergeben worden und diese kurze Phase des Interregnums hat bereits seine Spuren hinterlassen. Es sind die vier Tugenden, die dem Staatsschiff den nötigen Antrieb geben sollen, das jetzt von Ludwig XIII . gesteuert wird. Allerdings erscheinen Fortitudo, Spes, Iustitia und Unitas allesamt inkompetent. Die „Stärke“ unmittelbar am Ruder stochert völlig sinnfrei im 379

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Meer herum, obgleich sie möglicherweise versucht, ein kleines Seeungeheuer zu vertreiben. Der „Glaube“ hat nur Augen für den jungen König und behindert sogar die folgende „Gerechtigkeit“, die ihrerseits nicht gerade von Tatendrang beseelt zu sein scheint. Einzig die „Einheit“ verfolgt ihre Aufgabe mit der nötigen Konzentration, sieht dabei jedoch mit geradezu flehentlichem Blick nach oben bzw. in die Zukunft. So entsteht ein chaotischer Gesamteindruck, der eben jetzt durch die Regierung des jungen Königs geordnet werden müsste. In diesem Sinne würde Rubens auf die kurze Phase des Interregnums anspielen, welches sich bei jeder Machtübergabe einstellt. Und selbst Francia ist wohl noch in der Vergangenheit, also der Regierung Maria de’ Medicis, gefangen, auf die sie zurückblickt. Es kann hier durchaus von einer gewissen Parteinahme Rubens’ für seine Auftraggeberin Maria de’ Medici ausgegangen werden. Doch ist kein Detail so angelegt, dass es in den Modus politischer Propaganda kippen bzw. einer eindeutigen Lesart anheimfallen würde. Was ausgespielt wird, ist eine visuelle Diskrepanz der Körperlichkeit. So ist Ludwig XIII . nicht nur die einzige männliche Figur innerhalb der Besatzung des Staatsschiffs, sondern auch von einer auffällig schmächtigen Gestalt. Verglichen damit sind die halbentblößten weiblichen Personifikationen muskulös und präsent. Die aufrechtstehende Francia verkörpert geradezu die Tugend einer wachsamen Herrschaft. Der König steht hierzu in einem deutlichen Kontrast und überlässt die sich unmittelbar einstellende Frage nach seiner Kompetenz den Betrachtern. Eine Frage, die sich so nicht ergeben sollte. 16 Da aber keine mehr oder weniger stabile Ikonographie des steuernden oder lenkenden Monarchen in der Frühen Neuzeit existierte, entstand ein Interpretationsraum. In Velazquez’ Reiterbildnis Philipps IV . befanden sich die Details in einem harmonischen Verhältnis, sodass sich die Deutungen in einem positiven Rezeptionsrahmen bewegen konnten. Bei dem Beispiel mit Ludwig XIII . auf der einen und den weiblichen Personifikationen auf der anderen Seite entstehen dagegen Störungen, die weitere Aspekte eines frühneuzeitlichen Körperbildes aufzeigen. Die mangelnde Präsenz des Königs und die stattliche Physis der weiblichen Figuren lässt Gedanken an eine ungewisse Zukunft entstehen. Körperbild und Gestik müssen keineswegs übereinstimmen. Doch müssen sie sich in einem harmonischen Verhältnis zueinander befinden, das beispielsweise der Körperlichkeit des Herrschers einen angemessenen Raum gibt, um Souveränität überhaupt erst entstehen zu lassen. Im frühneuzeitlichen Körperverständnis manifestiert sich auch ein reales Politikverständnis. Die visuelle Metapher des Schiffes als Staat sowie dem Steuern als politischer Herrschaftsform erzeugte ein Motiv, dessen Deutung sich unmittelbar einstellen konnte. Parallel hierzu wurde aber mit dem Fahrzeug Schiff, das zeigte bereits das Beispiel der Florentiner Kaufleute, ein überaus problematischer Themenkomplex angesprochen. Denn das Unglück des Schiffbruchs war in der Frühen Neuzeit all380

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gegenwärtig und resultierte oftmals aus den überaus schwierigen Navigationsmöglichkeiten.17 So ist die metaphorische Verknüpfung risikobehaftet, da die Kräfte des Meers nicht völlig kontrolliert werden konnten und sich der vollständigen Beherrschung entzogen. Steuern und lenken in diesem Raum führte nicht immer zum Ziel, sondern oftmals in menschliche Katastrophen. Daher ist das Steuern im Meer in der Frühen Neuzeit durchaus kritisch verstanden und letztendlich als ein Akt menschlicher Hybris gedeutet worden.18 Gleichzeitig bot das Wagnis der Fahrt auch die Option, zu enormem Reichtum zu gelangen oder diesen zu verlieren. In diesem Kontext wird ein weiteres Steuerungsinstrument interessant: die Zügel.

Zwischen Temperantia und Satire – (Sich) zügeln Albrecht Dürers Kupferstich Nemesis (auch Das große Glück), entstanden um 1502, zeigt die weibliche Personifikation auf einer Kugel balancierend (Abb. 6). Sie befindet sich hoch über einer besiedelten Landschaft. Himmel und Erde werden durch ein Wolkenband gut sichtbar voneinander getrennt. Mit ihren wehenden Stoff-

Abb. 6: Albrecht Dürer: Nemesis (auch Das große Glück), um 1502, Kupferstich (London, British Museum).

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Abb. 7: Philipp Galle nach Pieter Bruegel d. Ä.: Temperantia, 1560, Kupferstich (London, British Museum).

bahnen erinnert die Figur an Nicoletto da Modenas im selben Zeitraum entstandene Fortuna und fügt sich in denselben Deutungsrahmen ein. Der Blick der Nemesis ist bildparallel nach rechts gewendet, mit ihrer rechten Hand präsentiert sie einen Pokal. Mit ihrer Linken hält sie Zaumzeug und Zügel. Diese Objekte des Lenkens sind hier jedoch nicht mit einem Tier assoziiert, sondern metaphorisch aufgefasst. Der Deutungsraum von Fortuna und Occasio findet sich eingeschichtet, indem ein zukünftiger Lebenswandel oder Erfolg auch als ein psychologischer Akt der Selbstzügelung entworfen wird. Die Gegenstände richten sich in ihrer interpretatorisch eingeschichteten Verwendung unmittelbar an den individuellen Betrachter. Es ist ein selbstreflexives Motiv, welches nur in dieser Ausrichtung sein vollständiges Potenzial zu entfalten vermag. Ein Philipp Galle zugeschriebener Kupferstich nach Pieter Bruegel d. Ä., entstanden um 1560, stellt diesen Aspekt noch deutlicher heraus (Abb. 7). Im Zentrum ist Temperantia zu erkennen, die sich selbst Zügel angelegt hat. Umgeben wird sie von Darstellungen der freien Künste, deren Wissensdurst und 382

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Abb.  8: ­Johannes Torrentius: Allegorie der ­Mäßigung, 1614, Öl auf Holz (Amsterdam, Rijksmuseum).

Erfindergeist sich wohl an der Selbstmäßigung orientieren sollte. Die Tätigkeit des Steuerns ist hier nicht nur als ein Akt tätiger Zurückhaltung zu verstehen, sondern vor allem in einer vernunftbetonten Lenkung seiner selbst zu beobachten. Im Hintergrund wiederum sind unterschiedliche Instrumente zu erkennen, welche der Entfernungsmessung dienen. Diese wurden nicht nur für die Erkundung weit entfernter Sterne gebraucht, sondern konnten ebenso für die Navigation genutzt werden. In unmittelbarer Nähe befinden sich Karten und Objekte der Standortbestimmung, die auch im Themenbereich des Steuerns angesiedelt sind. All dies ist aber in enger Verbindung mit der Temperantia zu interpretieren, die mit ihren Zügeln die Fähigkeit der Selbstlenkung anspricht und diese wiederum im Bereich der Tugenden situiert. Die Steuerungsfähigkeit des Menschen wird hier zum Gegenstand der Überlegungen und verweist auch auf das Ideal des selbstbestimmten Herrschers. Bemerkenswert ist dabei allerdings die Abstufung von der Selbstbestimmung des Monarchen zur Selbstzügelung der Untertanen – ein Akt politischer Differenzierung. Auch Johannes Torrentius’ als Allegorie der Mäßigung betiteltes emblematisches Stillleben von 1614 nimmt auf beredte Art und Weise an der Frage nach dem früh383

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neuzeitlichen Körperverständnis teil (Abb. 8). Das Gemälde versammelt verschiedene Objekte – etwa einen Römer, zwei unterschiedliche Kannen, ein Notenblatt und ein sich beinahe im dunklen Hintergrund auflösendes Zaumzeug. Die runden Formen der drei Gefäße affizieren die Wahrnehmung der Betrachter. Hinzu tritt ihr Standpunkt, welcher über die Kante eines Absatzes hinausragt und ein Fallen oder Kippen möglich macht und so die Bildsituation dynamisiert. Ein Ergreifen wird zur Option, welches sich sogleich in einer moralischen Doppeldeutigkeit wiederfindet.19 Wie würde gehandelt, um einem Unglück vorzubeugen oder den möglicherweise alkoholischen Inhalt zu erhalten? Die schwellenden Formen provozieren das Auge geradezu und fordern es mit ihrem Volumen, ihrer Körperlichkeit, heraus. Aber ein Detail von geradezu provozierender Unmittelbarkeit scheint den Rahmen einer angemessenen Betrachtungsweise zu sprengen. So erinnern die beiden Tabakpfeifen links und rechts des Römers an gespreizte Schenkel und sexualisieren das Motiv in einer zwar zeichenhaft verbrämten, aber dennoch eindeutigen Weise.20 Ein möglicherweise lustbetontes Schauen löst sich jedoch bei eingehender Betrachtung auf, wenn sich vor dem dunklen Hintergrund das Zaumzeug abzeichnet bzw. allmählich in die Wahrnehmung einschleicht. Der Appell an die Selbststeuerung ist nicht mit einem großen interpretatorischen Aufwand verbunden. Er stellt sich über die körperliche Auseinandersetzung ein, welche durch die Objekte ausgelöst wird und in der subtilen Sichtbarkeit des Zaumzeugs ihren Höhepunkt findet. Die Beschäftigung mit den Bildinhalten und die potenzielle Verführung der Betrachter geschieht hier mittels einer sublimierten Ansprache, welche durch die Gefäße geleistet wird. Die körperliche Adressierung entsteht auf Seiten der Betrachtenden und entfaltet ihre moralische Gewalt. Hierfür wird eine leiblich-visuelle Situation der Interpretation geschaffen, welche in einer körperbetonten Aufmerksamkeit sowie Deutung gründet. Die Frage nach der Selbststeuerung bleibt als immerwährende Herausforderung existent.21 Mit einem satirischen Tenor begegnet das Motiv der Zügel in der mittelalterlichen Erzählung von Aristoteles und Phyllis. Hier entwickelte sich eine eigene Ikonographie, durch die die Bildidee bis ins frühe 18. Jahrhundert aktuell blieb. Hans Baldung Grien fertigte 1513 einen Holzschnitt an (Abb. 9), der einen verbreiteten Darstellungsmodus zeigt.22 In einem etwas verwildert erscheinenden Garten sind die unbekleideten Figuren von Aristoteles und Phyllis im Vordergrund zu sehen. Der augenscheinlich ältere Gelehrte dient der Frau als eine Art Reittier, dem sie Zaumzeug und Zügel angelegt hat. Mit der linken Hand steuert sie Aristoteles und in ihrer Rechten befindet sich zusätzlich eine Peitsche, die sie auf der Höhe des Gesäßes schwingt. Die zugrundeliegende Erzählung variiert sowohl das Thema der Temperantia wie auch das der Manipulation eines Individuums. Obwohl Aristoteles 384

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Abb. 9: Hans Baldung Grien: Aristoteles und Phyllis, 1513, Holzschnitt (London, British Museum).

aufgrund seiner Gelehrsamkeit hätte ahnen müssen, dass Phyllis sich kaum für ihn begeistern wird, verfällt er ihrem Erscheinungsbild. Das geht so weit, dass der Philosoph als ihr nacktes Reittier dient und sich sogar mit dem notwendigen Geschirr versehen lässt. Der völlige Kontrollverlust stellt Aristoteles auf die Stufe eines Tieres. Die als Weiberlist interpretierte Erzählung führt genau das vor und visualisiert anhand der Zügel die Steuerungsmacht der Reiterin. Baldung Grien verdeutlicht dies auch anhand der Gesichtsausdrücke. Während Phyllis sehr selbstbewusst auf Aristoteles blickt, schaut dieser zum Betrachter und lässt so die Dramatik dieser peinlichen Situation noch deutlicher fassbar werden. Die Szene visualisiert einen umgekehrten Herrschaftsanspruch, der in der gesellschaftlichen Logik der Frühen Neuzeit auf der verminderter Steuerungsfähigkeit beruht. Die Körpermetapher des Steuerns verkehrt sich in ihr Gegenteil und ist der Lächerlichkeit preisgegeben. 385

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Resümee Der sogenannte Gottorfer Globus vereint dieses Verständnis mit der fortschrittlichsten Mechanik der Zeit, ohne dabei die Faszination der kraftbefreiten Herrschaft einzubüßen. In den Jahren 1650 bis 1664 ließ Herzog Friedrich III . von SchleswigHolstein-Gottorf den Globus errichten, der drei Meter Durchmesser misst und nicht nur von außen zu betrachten war, sondern dem Herzog und seinen Gästen auch in seinem Inneren Platz bot. Durch eine komplizierte, von Wasserkraft angetriebene Mechanik bewegte sich die Konstruktion und die Besucher konnten den Lauf der Erde betrachten. Auf seiner Innenseite war das Firmament angebracht und mit kleinen Öffnungen versehen, welche die Lage der Sterne anzeigten. So konnten die natürlichen Bewegungen von Welt und Kosmos simuliert werden. Der Konstrukteur der Anlage, Adam Olearius, wies in seiner Beschreibung von 1656 allerdings auf ein bemerkenswertes Detail hin: „Man kann auch, wenn man will, im Globo sitzend, das schwere Corpus mit einem Finger gar leicht durch Fortel [mit Hilfe] des Archimedis Schraube, ohn Ende umbdrehen.“23 Diese Steuerung führte Friedrich III . jenen ausgesuchten Gästen vor, die mit ihm im Inneren des Globus Platz genommen hatten. Der Herzog agierte gleichsam als unbewegter Beweger und bestimmte über den Lauf von Kosmos und Welt. Von besonderer Bedeutung aber war auch hier, was Olearius als „mit einem Finger gar leicht“ beschrieb. Friedrich III . vermochte ohne Kraftaufwand die Bewegung der Erde und des Himmels zu veranlassen. Auch hier vereinigen sich frühneuzeitliches Körperverständnis und ein weit über die politische Ikonographie hinausreichendes Repräsentationsverständnis. Die Negation körperlichen Kraftaufwands beschreibt das vollendete Ideal einer Herrschaft ohne – sichtbare – Kraft. Auswahlbibliographie

Pia F. Cuneo: Das Reiten als Kriegstechnik, als Sport und als Kunst: die Körpertechniken des Reitens und gesellschaftliche Identität im frühneuzeitlichen Deutschland, in: Rebekka von Mallinckrodt (Hg.): Bewegtes Leben. Körpertechniken in der Frühen Neuzeit, Wolfenbüttel 2008, 167–187. Nicole Hegener/Lars U. Scholl (Hg.): Vom Anker zum Krähennest. Nautische Bildwelten von der Renaissance bis zum Zeitalter der Fotografie, Bremen 2011. Louis Marin: Das Porträt des Königs, aus dem Französischen von Heinz Jatho, Berlin 2005. Herman Roodenburg: The Eloquence of the Body, Zwolle 2004.

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Anmerkungen 1  Zur satirischen Rezeption siehe Stephan Leibfried: Bismarcks Fall 1890 und die Erfindung des deutschen Staatsschiffs: „Der Lostes geht von Bord“ als Schiffsurbild der deutschen Politik, in: Nicole Hegener/Lars U. Scholl (Hg.): Vom Anker zum Krähennest. Nautische Bildwelten von der Renaissance bis zum Zeitalter der Fotografie, Bremen 2011, 120–128. 2  In diesem Verständniskontext siehe Louis Marin: Das Porträt des Königs, Berlin 2005, bes. 13–16. 3  Aby Warburg: Francesco Sassettis Letztwillige Verfügung, in: Horst Bredekamp u. a. (Hg.): Aby Warburg. Die Erneuerung der heidnischen Antike, Berlin 1998, 127–158, bes. 148–151. 4  Warburg Institute Archive, London, III .102.2.1 Mnemosyne 1928, Überschriften, Notizen. 5 Martin Warnke und Claudia Brink: Aby Warburg. Der Bilderatlas MNEMOSYNE , Berlin 32008, 88–89. 6  Siehe Philine Helas: Fortuna-Occasio. Eine Bildprägung des Quattrocento zwischen ephemerer und ewiger Kunst, in: Städel Jahrbuch 17 (1999), 101– 124; Volker Herzner: Die Segel-Imprese der Familie Pazzi, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 1 (1976), 13–32. 7  Siehe hierzu auch den Beitrag von Maurice Saß zu „Reiten“ in diesem Band, 306–322. 8  Siehe Ulrich Keller: Art. „Reiterstandbild“, in: Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hg.): Handbuch der politischen Ikonographie, München 2011, Bd. 2, 303–309. 9 Zum Gemälde siehe Justus Müller-Hofstede: Rubens’ Reiterporträt des Don Rodrigo Calderón, Favorit des Herzogs von Lerma, in: Wallraf-­ Richartz-Jahrbuch 63 (2002), 259–282, hier bes. 268–269. 10 Ludwig XIV.: Unterweisungen für den Herzog von Anjou (1700), in: Ludwig XIV.: Memoiren, Basel/Leipzig 1931, 302. 11  Zur Bilderfolge siehe Bernhard Wehlen: „Antrieb und Entschluss zu dem was geschieht“. Studien zur Medici-Galerie von Peter Paul Rubens, München 2008, sowie Otto von Simson: Zur Genealogie der weltlichen Apotheose im Barock besonders der Medicigalerie des P. P. Rubens, Straßburg 1936. 12 Zur Verbindung von Herrschaftsrepräsentation und maritimen Motiven siehe exemplarisch

Damian Dombrowski: Eine maritime Renaissance. Neapel, das Meer und die Kunst unter Vizekönig Pedro de Toledo, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 75 (2014), 185–228. 13 Zur wichtigen Verbindung von Staats- und Kirchenschiff siehe Vera Wolff: Art. „Schiff“, in: Fleckner/Warnke/Ziegler 2011 (wie Anm. 8), Bd. 2, 323–329, bes. 327. 14 Martin Warnke: Kommentare zu Rubens, Berlin 1965, sowie Safra Galletti: Rubens’s Life of Maria de’ Medici. Dissimulatio and the politics of art in early seventeenth-century France, in: Renaissance Quaterly 3 (2014), 878–916. 15  Diese Überlegungen beruhen prinzipiell auf der Theorie des Hofmanns, wie diese von Castiglione vorgestellt wurde. Siehe hierzu Baldassare Castiglione: Der Hofmann. Lebensart in der Renaissance, Berlin 1996, sowie Herman Roodenburg: The eloquence of the body, Zwolle 2004. 16 Zur Rückbindung der Deutung von Steuermann, Schiff und einem in die Zukunft gerichtetem Handeln siehe Friedrich Möbius: Navis Ecclesiae. Sinnschichten des zeitgenössischen Sprachgebrauchs, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 22 (1989), 15–22. 17 Exemplarisch siehe Stefan Neuner: Malerei und Navigation. Kleines Logbuch zu Carpaccios „Ursula-Zyklus“, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 72 (2011), 137–192. 18  Hierzu Hans Blumenberg: Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigma einer Daseinsmetapher, Frankfurt a. M. 1979. 19  Siehe Pablo Schneider: Das Kreuz im Glas. Die Moral des Deutungsrahmens in der holländischen Stillebenmalerei, in: Philipp Stoellger/Martina Kumlehn (Hg.): Bildmacht – Machtbild. Zur Deutungsmacht des Bildes. Wie Bilder glauben machen, Würzburg 2018, 263–293. 20 Ivan Gaskell: Tobacco, social deviance and Dutch art in the seventeenth century, in: Hennig Bock/Thomas W. Gaehtgens (Hg.): Holländische Genremalerei im 17. Jahrhundert, Berlin 1987, 117– 137; Wolfgang Martens: Über die Tabakspfeife und andere erbauliche Materien. Zum Verfall geistlicher Allegorese im frühen X V III . Jahrhundert, in: Verbum et Signum 1 (1975), 517–538.

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Pablo Schneider 21 Zur bemerkenswerten Biographie Johannes Torrentius siehe den Eintrag in der Allgemeinen Deutschen Biographie (1894): https://www.deutsche-biographie.de/sfz82841.html (3.10.2021) sowie Christopher Brown: The strange case of Jan Torrentius. Art, sex and heresy in seventeenth-century Haarlem, in: Roland E. Fleischer/Susan C.

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Scott (Hg.): Rembrandt, Rubens and the art of their time, University Park 1997, 224–233. 22 Holger Jacob-Friesen (Hg.): Hans Baldung Grien. heilig / unheilig, Berlin 2019, 362. 23 Ernst Schlee: Der Gottorfer Globus Herzog Friedrichs III ., Heide 1991, 31.

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w. Sport und Wettkampf

In der Tradition der Planetenkinderbilder verbindet die unter dem Einfluss der Sonne geborenen Menschen eine Disposition zur Regierung und zum Sport.1 Auf der wohl vor 1475 geschaffenen Federzeichnung des mittelalterlichen Hausbuchs (Abb. 1) reitet die Personifikation des Planeten Sol als Sonnenkönig mit Krone und Zepter über den Planetenkindern, die neben dem Besuch des Gottesdienstes mit höfischen Vergnügungen beschäftigt sind:2 Innerhalb eines durch eine Mauer begrenzten Gartens musizieren sie, trainieren ihren Falken für die Jagd und lesen gemeinsam (Liebes-) Literatur. Auf dem Feld im Hintergrund üben sie sich im Steinwurf, im Ringen und

Abb. 1: Hausbuchmeister: Sol und seine Kindervor 1475, Pergament, fol. 14r (Privatsammlung).

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Fechten. Sol ist seit der römischen Kaiserzeit mit Herrschen verbunden.3 Die Beschreibung und Darstellung der sportlichen Fähigkeiten bzw. der hervorragenden physischen Konstitution der Herrschenden ist eine Prämisse politischer Ikonographie, weil sie wesentliche Herrschaftskompetenzen unter Beweis stellt: Mut, Kraft, Geschicklichkeit, Ausdauer und physische Unversehrtheit. Der Herrscher reüssiert zudem im Kampf, im Turnier und – hier auch die Herrscherin – bei der Jagd und beim Tanz.4 Der Ausdruck ‚Sport‘ (vom anglo-normannischen se desportes, franz. se deporter = sich vergnügen, zerstreuen) kennt in Mittelalter und Früher Neuzeit keine sprachliche Entsprechung. Wettkämpfe und die dafür vorbereitenden Leibesübungen (exercitia corporis), aber auch Tierkämpfe und Spiele aller Art, darunter auch das Glücksspiel, zählten zum Müßigang (otium) bzw. zur Kurzweil (sublevamen temporis).5 Die patristische Literatur bewertet körperliche Aktivitäten ambivalent: Tertullian (um 160–nach 220) verdammte in seiner Schrift über das Schauspiel jede Form sportlichen Wettkampfs als Idolatrie (De spectaculis, 11, 2). Jedoch bedienten sich Kirchenväter gerne bei Metaphern aus dem Sport. Ambrosius etwa verglich Prediger mit Athleten (Hexameron 6, 1) und Augustinus (354–430) setzte das Öl von Ringkämpfern bildhaft mit dem bei der Priesterweihe verwendeten Salböl als Vorbereitung für den Kampf mit dem Teufel gleich (Tractatus in Iohannis Euangelium 33, 3). Erst Thomas von Aquin (1224/1225–1274) urteilte um 1271 eindeutig positiv über die Beschäftigung mit der physischen Konstitution des Menschen. In Auseinandersetzung mit Aristoteles’ Seelenlehre (De anima, 413a) stellte er fest, dass eine gute körperliche Verfassung notwendig sei, um die „Erhebung des Geistes“ (elevationem mentis) nicht zu behindern (Summa theologica, II /1, 4, 6). In diesem Sinne befürworteten mittelalterliche Fürstenspiegel, wie jener seines Schülers Aegidius Romanus für Philipp den Schönen von Frankreich (De regimine principum, um 1280), körperliche Betätigung von Kindheit an. 6 Humanistische Fürstenspiegel wie etwa das ebenfalls breit rezipierte Werk des Enea Silvio Piccolomini, dem späteren Papst Pius II ., für den jungen Ladislaus von Ungarn (De liberorum educatione, um 1450) betonen die Bedeutung der Ausbildung von Körper und Geist, wobei erstere besonders für die Schulung in militärischen Fähigkeiten von Bedeutung sei.7 Mit beispiellosem Erfolg in Europa erklärte der Diplomat Baldassare Castiglione in seinem Buch vom Hofmann (Il libro del Cortegiano), das zwischen 1508 und 1516 als Manuskript entstand und 1528 gedruckt wurde, Sportlichkeit zum Ideal: Der Hofmann sei in guter Verfassung und wohlgestaltet an Gliedern, zeige Kraft, Leichtigkeit und Gewandtheit und kenne alle körperlichen Übungen […], die einem Kriegsmann zukommen. Dabei, denke ich, muß das erste sein, jede Art von Waffen zu Fuß und zu Pferde gut zu handhaben und um die in 390

w. Sport und Wettkampf

ihnen liegenden Vorteile zu wissen und vorzüglich von jenen Waffen Kenntnis zu besitzen, die gewöhnlich unter Edelleuten gebraucht werden. 8 Diese Fähigkeiten sollen im Krieg oder bei Streitigkeiten mit anderen, gleichrangigen Edelleuten zum Einsatz kommen können. Im Ernstfall gehe es immer darum, sich dem Konflikt tatsächlich und handgreiflich zu stellen um nicht in Worten Ausflüchte finden zu müssen.9 Sportliche Aktivitäten dienen dazu, die „Anmut (grazia)“ und das „sichere Urteil (bon giudicio)“ aller körperlicher Bewegungen zur Schau zu stellen, die den Edelmann jene allgemeine Gunst verdienen lassen, die man so sehr schätzt.10 In Friedenszeiten eignen sich dazu besonders Festveranstaltungen, bei denen der gute Umgang zu Pferde von Bedeutung ist (etwa Turniere), aber auch das Stockspiel, Stierkämpfe, Lanzen- und Wurfspieß-Werfen sowie Ringen. Außerdem rät Castiglione, sich bei der Jagd, im Schwimmen, Springen, Laufen und Steinewerfen zu üben, da man sich darin häufig beweisen müsse. Das Voltigieren und das Ballspiel empfiehlt er, da sie die körperliche Veranlagung, die Schnelligkeit und die Gewandtheit jedes Glieds sichtbar machten.11 Der Hofdame dagegen rät Castiglione – abgesehen vom Tanzen  – ohne weitere Begründung von sportlichen Aktivitäten wie dem Fechten, Reiten, Ringen oder dem Ballspiel ab.12 Idealtypisch scheint die in den Fürstenspiegeln beschriebene sportliche Erziehung bei Kaiser Maximilian I. (1459–1519) im ersten Teil seiner autobiographischen Trilogie, dem Weißkunig, umgesetzt.13 Dieser beschreibt die Jugend, Erziehung und Heirat sowie die politischen und kriegerischen Unternehmungen seines idealisierten Alter Egos Weißkunig bis zum Jahr 1513 in Prosa und ganzseitigen Holzschnitten.14 Zu seiner umfassenden Ausbildung, darunter in den sieben freien Künsten, der Malerei, Medizin (Ertzney),15 den Staatsgeschäften sowie der Plattnerei und dem Militärwesen gehören sportliche Fähigkeiten, die Training erfordern: Reiten, Schießen mit Bogen und Armbrust, Fechten mit verschiedenen Waffen. In den Holzschnitten lässt sich seine Ausbildung vom Spiel mit Spielzeug-Turnierrittern und BogenschießÜbungen als Kleinkind über das Training des jugendlichen zukünftigen Kaisers beim Bogenschießen zu Pferde bis zum Training im Schwertkampf (Abb. 2) und zum Kampf in voller Rüstung verfolgen.16 Ziel dieser Übungen ist die Kriegsführung und das Trainieren der Kampfkunst für die Konfrontation mit Gegnern im Krieg und im sportlichen Wettkampf.17 Nachdem er darin Meisterschaft erlangt hatte,18 habe er auch mit grossen frewden und mit seiner personn selbs Ritterspiele veranstaltet, daran teilgenommen und derart Ruhm erworben.19 Das Resultat dieser Erziehung lässt sich in den weiteren autobiographischen Werken Kaiser Maximilians verfolgen: dem 1517 gedruckten Theuerdank sowie dem unvollendet gebliebenen Turnierbuch Freydal (Kunsthistorisches Museum, Wien, um 1512/15).20 Beide erzählen nach dem Vorbild der Ritterepen in Bild und Text von 391

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Abb. 2: Leonhard Beck: Wie der junge weisse König das Fechten mit Schwertern und anderen Waffen erlernte, Holzschnitt aus Der Weiß Kunig, um 1515.

der Brautwerbung und Brautfahrt zu Maria von Burgund. Maximilian stellt bei der Konfrontation mit seinen Gegnern im Duell Heldentum und bei der Jagd auf Hirsche, Bären und Gamsen im Hochgebirge und auf dem flachen Land Mut, Stärke, Ausdauer und Körperbeherrschung unter Beweis. Im Holzschnitt zur Gamsjagd im Hochgebirge in Kapitel 18 des Theuerdank balanciert Maximilian auf dem rechten Fuß, um das Tier auf dem gegenüberliegenden Felsvorsprung mit einem langen Spieß zu stellen (Abb. 2 im Beitrag von Julia Saviello zum „Jagen“). Etwa gleichzeitig empfiehlt Niccolò Machiavelli dem Fürsten als sportliche Aktivität in Friedenszeiten die Jagd, da sie seinen Körper für den Kriegsdienst abhärte und dabei kriegsrelevante Geländekenntnisse vermittele.21 Damit wiederholte er schon Etabliertes. Die Darstellung Maximilians als hervorragender Ritter bildet die Grundlage für seine erfolgreiche Memoria als ruhmreicher Herrscher und ist so, über die mediale Inszenierung in Bild und Text hinaus, im realen Körpereinsatz bei Turnieren und Jagden begründet.22 Sie verdichtet sich in seiner Inszenierung als Hercules germa­ nicus mit ihrer Referenz auf den vorgeblichen Ahnen, der zugleich das antike Urbild heroischer Sportlichkeit war.23 Die Vorstellung des beispielhaft sportlichen Herrschers beim Ritterspiel ist zeittypisch: Dem kampfsportbegeisterten Heinrich VIII . von England schenkte Maximilian einen Kostümharnisch.24 Franz I. von Frankreich inszenierte sich als ein königlicher Ritter (le roi chevalier).25 392

w. Sport und Wettkampf

Abb. 3a und 3b: Leone Leoni: Kaiser Karl V. triumphiert über die Raserei (mit und ohne ­Harnisch), 1551/55, von Pompeo Leoni 1564 vollendet, Bronze (Madrid, Museo del Prado).

Kostbare, kunstvoll auf den Leib geschmiedete Rüstungen wie etwa Lorenz Helmschmids Prunkharnisch für Maximilian, damals Herzog von Burgund (um 1484, Kunsthistorisches Museum Wien), repräsentieren die physische Präsenz ihres Trägers und verkörpern ein athletisches Herrschaftsideal. Diese Auffassung gipfelte in den an den italienischen Höfen beliebten Brustpanzern all’antica, die der Körperform nachgebildet sind und mit deutlich artikulierten Bauch- und Brustmuskeln das physische Ideal der Antike im Sinne eines vollendet gestalteten Körpers darstellen. Eines der frühesten Beispiele schuf Benvenuto Cellini 1557 in der Bronzebüste Cosimo I. de’ Medici, die sich heute im Museo Nazionale del Bargello in Florenz befindet.26 In eben dieser Tradition gestaltete Leone Leoni 1551/55 für Kaiser Karl V. das monumentale bronzene Standbild des Kaisers als skulpturales Pendant zu Tizians Porträt des Kaisers zu Pferde in Erinnerung an den Sieg bei Mühlberg (1548, Museo del Prado, Madrid).27 Leoni zeigt den Kaiser auf seine Lanze gestützt, als Sieger über 393

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den Furor, der durch eine nackte, angekettete und hochathletische männliche Figur zu seinen Füßen personifiziert wird (Abb. 3a). Der Sockel trägt die titelgebende Inschrift CAESARIS VIRTUTE DOMITUS FUROR („Die Virtus des Kaisers bezwingt den Furor“). Die Schulterstücke des Kürasses und die Sandalen all’antica sind mit Löwenköpfen besetzt und evozieren  – neben der Anspielung auf Leoni selbst – Herkules, von dem Karl V. wie sein Großvater Maximilian I. abzustammen beanspruchte. Der Brustpanzer sowie das Beinzeug seiner Rüstung sind abnehmbar, die darunter liegenden Körperpartien vollständig durchgebildet. Die Ansicht mit abgenommener Rüstung (Abb. 3b) zeigt einen ostentativ durchtrainierten Mann mit wohldefinierter Arm-, Brust-, Bauch- und Oberschenkelmuskulatur, sodass das Entkleiden der Statue gleichsam die ‚zwei Körper des Kaisers‘ sichtbar zu machen erlaubt: Die Rüstung des siegreichen Feldherren entspricht dabei zugleich der physischen Konstitution des klassischen nackten Tugendhelden. Die Entwicklungen in der Waffen- und Militärtechnik im Laufe des 16. Jahrhunderts, zumal die Verbreitung von Handfeuerwaffen, ließen die traditionellen Kampfsportarten als militärische Übungen obsolet werden. In Frankreich waren Ritterspiele mit scharfen Waffen seit dem Turniertod Heinrichs II . 1559 zudem verboten. Aus den Ritterspielen als Inszenierungen höfischer Festkultur und öffentlicher Herrschaftsdemonstration entwickelten sich alternative theatrale Formen wie die Karusselle und die am Florentiner Hof entwickelten Rossballette sowie in weiterer Folge die getanzten Ballette.28 Als Verkörperung des Absolutismus und zugleich Zentrum einer komplexen Choreographie inszenierte sich der junge König Ludwig XIV . von Frankreich 1653 nach langem Training erstmals im Ballet de la Nuit als Tänzer in der Rolle Apollos und zeigte sich so zugleich als ein Modell vollendeter Körperbeherrschung. 29 Neben den martialischen Sportarten waren Ballspiele ein gängiger Bestandteil der Prinzenerziehung und zugleich der öffentlichen Herrschaftsausübung. So ließen sich etwa König Heinrich VIII . von England und König Karl IX . von Frankreich von Gesandten beim Tennisspiel beobachten.30 1522 spielten Heinrich VIII . und Kaiser Karl V. gegeneinander.31 Im Jahr 1632 beschrieb Charles Hulpeau das Tennis in einer erfolgreichen Neuauflage bewährter französischer Regelbücher als das königliche Spiel schlechthin.32 Bereits in der um 1350 vermutlich in Paris entstandenen Miniatur des Fürstenspiegels Avis aus Roys in der Pierpont Morgan Library (Abb. 4) ist das Ballspiel als Königsspiel eingeführt.33 Die obere Bildhälfte zeigt links das Bad des kindlichen Königs – er trägt eine Krone im Waschzuber – und rechts die Unterweisung zu Füßen seines Lehrers. Die ganze untere Hälfte der Miniatur ist dem jeu de paume gewidmet, einer Vorform von Tennis und Squash, bei der ein kleiner Ball mit der flachen Hand gegen eine Wand bzw. eine Schräge gespielt wurde.34 Jeweils ein Lehrer begleitet den 394

w. Sport und Wettkampf

Abb. 4: Französisch: Avis aus Roys, um 1347/50, Pergament (New York, Pierpont Morgan Library, Ms. M.456, fol. 68v).

jungen König bei zwei Lektionen: Links üben sie den Aufschlag, wobei der Ball das Dach des Häuschens im Hintergrund zu treffen hat; rechts unten holt der junge König zum Rückschlag mit der flachen Hand aus.35 Anders als die militärischen Übungen fördere das Ballspiel die Gesundheit, die Beweglichkeit sowie die Entwicklung – so Aegidius in seinem oben erwähnten Fürstenspiegel mit Verweis auf das Tacuinum sanitatis und die darin vermittelte antike bzw. arabische Gesundheitslehre.36 In seiner humanistischen Verhaltenslehre für die höheren klerikalen Ämter empfiehlt der Schriftsteller und apostolische Protonotar Paolo Cortese im Kapitel über die Erhaltung der Gesundheit unter Verweis auf Galen ebenfalls das Ballspiel (De Cardinalatu, um 1504/10). Besonders Tennis – das „Schnurspiel (ludus funarius)“ – sei für Fürsten geeignet, da es den Geist anrege, alle Körperteile gleichmäßig bewege, dabei abwechslungsreich und in den Bewegungen anmutig (venusta) sei.37 Ballspiele sind als Beleg für die zunehmende ‚Sportifizierung‘ ursprünglich militärischer Übungen und Volksbelustigungen im Sinne eines Transformationsprozesses hin zu geregeltem Wettkampf interpretiert worden.38 Ein Paradebeispiel hierfür erkennt Wolfgang Behringer im Florentiner Calcio. Die Medici adaptierten das wilde, republikanische Mannschaftsspiel und instrumentalisierten es seit dem 16. Jahrhundert für ihre Herrschaftsrepräsentation. Aufgrund dieser Bindung an die Dynastie 395

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fand das Calcio in Florenz mit den letzten Medici 1739 sein Ende.39 Beim Calcio mussten zwei Teams aus je dreißig Spielern einen Ball mit allen Mitteln über die gegnerische Linie bringen. Es wurde seit seiner Adaption durch die Medici auf der Piazza Santa Croce anlässlich von Hochzeiten und anderen Festivitäten vor großem Publikum ausgetragen. Die Spieler kamen aus Florentiner Adelsfamilien. Anlässlich der Hochzeit von Cosimo II . de’ Medici mit Maria Magdalena von Habsburg 1608 spielte der Bräutigam neben seinem Bruder Francesco selbst.40 In der Widmungsschrift an Cosimo III . de’ Medici zur Neuauflage von Giovanni Maria de’ Bardis Discorso sopra il giuoco del calcio fiorentino (1673) erklärt Orazio Capponi das Calcio zu einem Spiel adeliger Tugenden, das wie die Ritterspiele den Körper für den Kriegsdienst bilde und stärke und den Spielern zugleich die Gelegenheit biete, Fähigkeiten wie Kraft, Geschicklichkeit und Schnelligkeit zur Schau zu stellen.41 Eine geschickte Bildpolitik in den Residenzen der Medici und in der Druckgraphik verknüpfte Darstellungen des Spiels mit der politischen Ikonographie der Familie und der Stadt, sodass die Kugeln im mediceischen Wappen gar mit Fußbällen assoziiert wurden und diese Deutung die ältere, etymologische Assoziation mit Pillen, die der Wortherkunft des Familiennamens Medici („Ärzte“) entsprang, ersetzte.42 Altertumswissenschaftliche Forschungen der Renaissance nobilitierten das Ballspiel zusätzlich. Leon Battista Alberti empfiehlt es in seinen Büchern über das Hauswesen (I libri della famiglia, 1433/35), da es die einzelnen Glieder des Körpers in Bewegung bringe und bereits in der Antike von Fürsten wie Julius Cäsar gespielt worden sei.43 Der Arzt Girolamo Mercuriale leitet das Calcio in seinem viel gelesenen Kompendium über die Bewegungslehre der Antike (De arte gymnastica, 1569) vom antiken harpastum ab.44 Wenn Cosimo I. de’ Medici aus Anlass der Verleihung der Großherzogswürde in den römischen Diokletiansthermen ein Calcio-Spiel austragen ließ, inszenierte er sich also zugleich auch als Erbe der römischen Tradition.45 Zu den Repräsentationen der sportlichen Fähigkeiten eines Herrschers zählen schließlich die Bauten, die zum Zweck körperlicher Betätigung und für den Wettkampf gebaut wurden. Im 15. Jahrhundert errichtete man an den italienischen Fürstenhöfen in Mantua, Ferrara, Urbino und Mailand eigens Räume (sale della balla) für Tennis und das Spiel mit dem großen Ball (pallone). Daraus entwickelten sich Ballhäuser in den Residenzen der europäischen Fürstenhöfe, unter anderem in Fontainebleau, Versailles, Paris, in Hampton Court Palace bei London, Wien, Innsbruck, Den Haag, Ferrara und Rom sowie Außenanlagen für das PallamaglioSpiel, bei dem eine Kugel mit einem Holzschläger mit möglichst wenigen Schlägen in ein Tor zu bringen war.46 Heinrich VIII . verfügte im Londoner Whitehall Palace über einen Turnierhof, einen Tennisplatz, eine Arena für Hahnenkampf sowie über einen privaten Garten.47 396

w. Sport und Wettkampf

Als die Tennisbegeisterung im 17. Jahrhundert nachließ, wurden die Ballhäuser vielfach zu Theatern, Opernhäusern und Kasinos umgebaut oder als Ensembles von Sportstätten in die Schlossanlagen integriert und zum Bildgegenstand von Gartendarstellungen (vgl. etwa Herri met de Bles: David und Bathseba, um 1535/40, Boston, Isabella Stewart Gardner Museum). So ließ etwa Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs in Schleißheim und Nymphenburg Sportanlagen mit Ballhäusern, Reit- und Schießbahnen sowie Gärten für Spaziergänge errichten.48 In England, dem Ursprungsland des modernen Sports, verlagerten sich bildliche Darstellungen der sportlichen Fähigkeiten der Herrschenden im 18. Jahrhundert vom Körper auf die Sportausstattung: Monumentale Porträts von preisgekrönten Jagdhunden und Rennpferden wurden neben Jagdstücken im repräsentativen baulichen Rahmen der Sporting Entrance Halls als Derivate herrschaftlicher Privilegien inszeniert.49 Die Bedeutung der sportlichen Konstitution des Herrschers blieb in der politischen Ikonographie auch nach der Französischen Revolution bestehen, kehrte sich jedoch um: Seitdem König Heinrich II . 1549 als Hercule gaulois in Paris eingezogen war, hatten die französischen Könige beansprucht, über Alexander den Großen von Herkules abzustammen. Erst Ludwig XVI . verfolgte diesen genealogisch-mythologischen Anspruch nicht mehr.50 Nach 1789 übernahm das französische Volk  die Ikonographie des athletischen Tugendhelden für die Republik.51 Mit der damit verwobenen Körpermetaphorik übertrug sich die Aufmerksamkeit in der Folge vom body politic des einen Königs auf die physische Konstitution ihrer Bürger.52 Auswahlbibliographie

Wolfgang Behringer: Kulturgeschichte des Sports. Vom antiken Olympia bis zur Gegenwart, München 2012. Sophie Caflisch: Spielend lernen. Spiel und Spielen in der mittelalterlichen Bildung, Ostfildern 2018. John McClelland: Body and Mind. Sport in Europe from the Roman Empire to the Renaissance, London/New York 2007. Rebekka von Mallinckrodt (Hg.): Bewegtes Leben. Körpertechniken in der Frühen Neuzeit, ­Wolfenbüttel 2008. Rebekka von Mallinckrodt/Angela Schattner (Hg.): Sports and Physical Exercise in Early Modern Culture. New Perspectives on the History of Sports and Motion, London 2016. Helen Watanabe-O’Kelly: Tournaments in Europe, in: dies./Pierre Béhar (Hg.): Spectaculum ­Europaeum. Theatre and Spectacle in Europe (1580–1750), Wiesbaden 1999, 591–639.

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Anmerkungen 1 Kurt Grasshoff: Leibesübungen in Planetenkinderbildern des 15. und 16. Jahrhunderts. Die Kinder des Planetengottes Sol, in: Stadion 2 (1976), 218–232. 2 Zur umstrittenen Datierung und Zuschreibungsgeschichte siehe mit weiteren Planetenkinderdarstellungen Annett Klingner: Die Macht der Sterne. Ein astrologisches Bildmotiv in Spätmittelalter und Renaissance, Berlin 2017, 117–139; sowie mit einem alternativen Datierungsvorschlag um 1485, der die Entstehung im höfischen Kontext verortet, Stephan Hoppe: Das Wolfegger Hausbuch, der Bellifortis des Konrad Kyeser und der junge Maximilian von Habsburg. Höfische Buchprojekte in einer Zeit des Wandels, in: Maria Effinger/Stephan Hoppe/Harald Klinke/Bernd Krysmanski (Hg.): Von analogen und digitalen Zugängen zur Kunst. Festschrift für Hubertus Kohle zum 60. Geburtstag, Heidelberg 2019, o. S. (36 Seiten). 3  Hendrik Ziegler: Art. „Sonne“, in: Uwe Fleckner/Martin Warnke/ders. (Hg.): Politische Ikonographie. Ein Handbuch, Bd. 2, München 2011, 356–363, hier 358. 4 Rebekka von Mallinckrodt: Schwimmende Prinzen und schwimmende Revolutionäre  – Zur politischen Ikonologie einer Körpertechnik, in: Mariacarla Gadebusch Bondio/Beate Kellner/Ulrich Pfisterer (Hg.): Die Macht der Natur  – gemachte Natur. Realitäten und Fiktionen des Herrscherkörpers zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit, Florenz 2019, 301–341. Systematische Untersuchungen zur physischen Konstitution von Herrscherinnen sind bislang, mit der Ausnahme von Wolfgang Behringers Einschätzung zu Elisabeth I. von England und ihrer Sportlichkeit als Ausweis einer gesunden physischen Verfassung, ein Desiderat. Vgl. Wolfgang Behringer: Kulturgeschichte des Sports. Vom antiken Olympia bis zur Gegenwart, München 2012, 194 f. 5  Wolfgang Behringer: Art. „Sport“, in: Enzyklopädie der Neuzeit, hg. von Friedrich Jaeger. Stuttgart 2005–2012, 16 Bde., Bd. 12 (2010), Sp. 381–399; Rebekka von Mallinckrodt: Art. „Leibesübungen“, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Stuttgart 2005–2012, 16 Bde., Bd. 7 (2008), Sp. 817–821; Rolf Sprangel/ Walter Endrei: Art. „Spiele“, in: Lexikon des

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Mittelalters, 9 Bde, Bd. 7, hg. von Norbert Angermann und Robert-Henri Bautier, Stuttgart 1999, Sp. 2105–2111. 6 Sophie Caflisch: Spielend lernen. Spiel und Spielen in der mittelalterlichen Bildung, Ostfildern 2018, 136–141. 7  Franz Thaller: Der Traktat des Enea Silvio Piccolomini über Kindererziehung. Ein Beitrag zur Geschichte der Leibeserziehung in Österreich im 15. Jahrhundert, in: ders./Heinz Recla (Hg.): Signale der Zeit. Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Josef Recla, Schorndorf 1975, 227–241. 8  Baldesar Castiglione: Das Buch vom Hofmann, übers. und erläutert von Fritz Baumgart, Bremen 1986, 1. Buch, Kap. 20, 45. 9  Castiglione 1986 (wie Anm. 8), 1. Buch, Kap. 21, 46. Vgl. auch Niccolò Machiavelli: Il principe [1532], übers. von Rudolf Zorn, Stuttgart 1978, Kap. 14, 59–62. 10  Castiglione 1986 (wie Anm. 8), 1. Buch, Kap. 21, 47. 11  Ebd., 48. 12  Ebd., 3. Buch, Kap. 7, 250. Vgl. aber auch Darstellungen höfischer Kultur, die Frauen und Männer gemeinsam bei sportlichen Aktivitäten zeigen, wie etwa um 1395 die Südwand des Turniersaals von Burg Runkelstein bei Bozen mit einer Gesellschaft beim Turnier, beim Ballspiel und im Tanz. 13  Der Weiß Kunig. Eine Erzehlung von den Thaten Kaiser Maximilian des Ersten. Von Marx Treitzsaurwein auf dessen Angaben zusammengetragen, nebst den von Hannsen Burgmair dazu verfertigten Holzschnitten, hrsg. aus dem Manuscripte der kaiserl. Hofbibliothek, Neudr. der Faksimile-Ausg. Wien 1775, Leipzig 2006. 14  Das Unternehmen wurde um 1505 begonnen und 1516, nachdem 215 Holzschnitte von namhaften Künstlern seiner Zeit wie Hans Burgkmair, Leonhard Beck und Hans Schäuffelein vorlagen, eingestellt. Vgl. Karl Rudolf: Illustration und Historiographie bei Maximilian I.: Der „Weisse Kunig“, in: Römische Historische Mitteilungen 25 (1983), 35–108. 15  Weiß Kunig 2006 (wie Anm. 13), 70 f. 16  Ebd., Holschnitte 10, 25, 26, 27, 31, 32.

w. Sport und Wettkampf 17 Zur Inszenierung Maximilians siehe bes. Christian Gastgeber/Katharina Kaska (Hg.): Kaiser Maximilian I. Ein großer Habsburger, Ausst.Kat., Salzburg/Wien 2019, sowie Larry Silver: Marketing Maximilian. The Visual Ideology of a Holy Roman Emperor, Princeton 2008. 18  Weiß Kunig 2006 (wie Anm. 13), 94. Zum perfektionistisch-universalen Anspruch Maximilians siehe Claudius Sittig: Adelige aemulatio. Die soziale Grammatik der frühneuzeitlichen Adelskultur und ihre Formulierung in Georg Rüxners Turnierbuch (1530) und seiner lateinischen Übersetzung durch Franciscus Modius (1586), in: Anna Kathrin Bleuler/Fabian Jonietz/Jan-Dirk Müller/Ulrich Pfisterer (Hg.): Aemulatio. Kulturen des Wettstreits in Text und Bild (1450–1620), Berlin 2011, 863–889. 19  Weiß Kunig 2006 (wie Anm. 13), 95. Siehe auch Peter Niederhäuser: „In allen Ritterspielen unübertrefflich“ – Kaiser Maximilian als Turnierkämpfer, in: Peter Jezler/ders./Elke Jezler (Hg.): Ritterturnier. Geschichte einer Festkultur, Ausst.-Kat. Schaffhausen, Luzern 2014, 93–101, hier 96. 20  Die ruhmreichen Taten des Ritters Theuerdank, hg., eingel. und komm. von Anja Grebe, Darmstadt 2015; Stefan Krause: Freydal  – Medieval Games. Das Turnierbuch Kaiser Maximilians, Köln 2019. 21  Machiavelli 1978 (wie Anm. 9), Kap. 14, 59–62. 22  Silver 2008 (wie Anm. 17), 166 f.; Niederhäuser 2014 (wie Anm. 19), 96. 23 Michael Eissenhauer: Art. „Herkules“, in: Fleckner/Warnke/Ziegler 2011 (wie Anm. 3), Bd. 1, 465–467. 24  Claude Blair: The Emperor Maximilian’s Gift of Armour to King Henry VIII and the Silvered and Engraved Armour at the Tower of London, in: Archaeologia, 99 (1965), 1–52. 25  Henry Lemonnier: Charles VIII , Louis XII , François Ier et les guerres d’Italie, 1492–1547 [1903], Paris 1982, 208. Vgl. auch Norbert Elias: Das höfische Ritterspiel als ein Symbol gesamtgesellschaftlicher Machtbalance [1971], in: ders./Eric Dunning: Sport im Zivilisationsprozess. Studien zur Figurationssoziologie, hg. von Wilhelm Hopf, Münster 1983, 79–84, hier 81. Zur Sportbegeisterung von Fürsten in der Frühen Neuzeit allgemein Behringer 2012 (wie Anm. 4), 184–197. 26 Vgl. Carolyn Springer: Armour and Masculinity in the Italian Renaissance, Toronto 2010,

25–27. Zur antiken Skulptur als Vermittlerin eines antiken Körperbildes vgl. Romana Sammern: Peter Paul Rubens: Die Schönheit trainierter Körper (ca. 1610), in: dies./Julia Saviello (Hg.): Schönheit  – Der Körper als Kunstprodukt. Kommentierte Quellentexte von Cicero bis Goya, Berlin 2019, 261–272. 27  Springer 2010 (wie Anm. 26), 114–122. 28 Rebekka von Mallinckrodt: Art. „Turnier“, in: Enzyklopädie der Neuzeit, hg. von Friedrich Jaeger, Stuttgart 2005–2012, 16 Bde., Bd. 13 (2011), Sp. 844–846; Helen Watanabe-O’Kelly: Tournaments in Europe, in: dies./Pierre Béhar (Hg.): Spectaculum Europaeum. Theatre and Spectacle in Europe (1580–1750), Wiesbaden 1999, 591–639, hier 605–608. 29  Rudolf Braun/David Gugerli: Macht des Tanzes – Tanz der Mächtigen. Hoffeste und Herrschaftszeremoniell, 1550–1914, München 1993, 96–165, hier 102. 30  Zu Heinrich V III . vgl. Behringer 2012 (wie Anm. 4), 187; zu Karl IX . John McClelland: Body and Mind. Sport in Europe from the Roman Empire to the Renaissance, London/New York 2007, 57 und 101. 31  Behringer 2012 (wie Anm. 4), 189. 32  Charles Hulpeau: Le jeu royal de la paume, Paris 1632. 33  Caflisch 2018 (wie Anm. 6), 140–142. 34  Heiner Gillmeister: Kulturgeschichte des Tennis, München 1990, 72 f. 35 Ebd. 36  Caflisch 2018 (wie Anm. 6), 137 f. 37  Paulus Cortesius: De Cardinalatu, Castro Cortesio 1510, S. 76v–77v. Siehe auch Martin Dolch: Paolo Corteses Bemerkungen über das Ballspiel der geistlichen Würdenträger (1510), in: Stadion 8–9 (1982–1983), 85–97. 38  Wolfgang Behringer: The Invention of Sports: Early Modern Ball Games, in: Rebekka von Mallinckrodt/Angela Schattner (Hg.): Sports and Physical Exercise in Early Modern Culture. New Perspectives on the History of Sports and Motion, London 2016, 21–63, hier 37. 39 Horst Bredekamp: Florentiner Fußball. Die Renaissance der Spiele, Berlin 2001, 9. 40  Ebd., 195. 41  Ebd., 91 f.

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Romana Sammern 42 

Ebd., 50–58 und 80 f. Battista Alberti: Vom Hauswesen (Della famiglia), übers. von Walther Kraus, Zürich/Stuttgart 1962, 90. 44  Bredekamp 2001 (wie Anm. 39), 82. 45 Ebd. 46 Rebekka von Mallinckrodt: Art. „Tennis“, in: Enzyklopädie der Neuzeit, hg. von Friedrich Jaeger, Stuttgart 2005–2012, 16 Bde., Bd. 13 (2011), Sp. 363–366. 47  Behringer 2012 (wie Anm. 4), 207. 48  Ebd., 209. 43  Leon

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Deuchar: Sporting Art in EighteenthCentury England. A Social and Political History, New Haven/London 1988, 86–91, hier 88. 50  Lynn Hunt: Hercules and the Radical Image in the French Revolution, in: Representations 1 (1983), 95–117, hier 104. 51  Mallinckrodt 2019 (wie Anm. 4). 52  Zur Vorgeschichte mit Michel Foucaults Sexualität und Wahrheit, siehe Jacques Gleyse: La fabrication du corps? Le discours de l’ âge classique sur le mouvement de l’exercice, in: Stadion 23 (1997), 60–82. 49  Stephen

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x. Hybride, artifizielle Körper

Folgt man Ernst Kantorowicz, so sind die Körper der Herrschenden auf einer grundsätzlichen Ebene immer schon Hybride: ein natürlicher Körper („body natural“), der stets in einem symbolischen Verhältnis zu seinem politischen Körper steht („body politic“).1 Die spezifische Hybridität der im Folgenden behandelten artifiziellen Kompositkörper ist jedoch von anderer Art und konnte sowohl der Verspottung wie auch der Idealisierung der Herrschenden dienen. Der Beitrag wird sowohl Darstellungen, die sich nicht notwendig auf eine bestimmte historische Figur beziehen wie auch Porträts und Karikaturen berücksichtigen, die in ihrer Konzeption des Körpers auf weit mehr zielen als bloße Ähnlichkeit. In vielfältigen Medien ausgeführt, zeigen die Arbeiten ebenso vielfältige Formen der Hybridität, darunter etwa geschlechtsmäßige Ambiguität, die Kombination von menschlichen und tierischen Körpern, aber auch visuelle Techniken, die den Herrscherkörper verzerren oder seine Grenzen verschwimmen lassen. Die Ränder mittelalterlicher Handschriften zeigen eine Fülle an grotesken Hybriden, denen der Kopf eines imaginären Königs oder einer imaginären Königin aufgesetzt ist. Im Luttrell Psalter zum Beispiel, einer in England zwischen 1325–1340 entstandenen illuminierten Handschrift, findet sich in einem der seitlichen Ränder die Darstellung einer Königin, deren Unterkörper durch einen gefiederten Flügel und einen schuppigen Schwanz ersetzt wurde (Abb. 1).2 Mit ihrer Krone und dem kostbaren ultramarinblauen Schleier erinnert sie an Horaz’ berühmtes Beispiel einer klassischen Groteske: einer Kreatur mit dem Kopf einer schönen Frau und einem Fischschwanz.3 Ein männliches Gegenstück zu dieser ‚Meerjungfrau-Königin‘ lässt sich in einem bärtigen König aus dem Gorleston Psalter erkennen, der zwischen 1310–1323 ebenfalls in England geschaffen wurde.4 Aus einer E-Initiale sprießt ein ornamentaler Stiel, der mit einem orange-grünen Tuch bedeckt ist und im bekrönten Kopf des Königs endet. Seines menschlichen Körpers bereits beraubt, schaut der König besorgt auf ein grinsendes Kaninchen, das sich ihm mit einer erhobenen Axt nähert. Wie bei vielen solcher mittelalterlichen Grotesken erscheint der König als ein fantastischer Auswuchs der Schrift, ein Hybrid aus Text und Bild, geformt aus menschlichen, tierischen, vegetabilen und ungegenständlichen Formen, die zugleich eine karnevaleske Umkehrung der sozialen und natürlichen Ordnung bewirken.5 401

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Abb. 1a: Luttrell Psalter (London, British Library, MS 42130, fol. 82r).

Vor dem 16. Jahrhundert verblieben solche grotesken Darstellungen vornehmlich im Bereich der Imagination. Mit der Ausnahme antiker oder außereuropäischer Herrscher:innen – etwa der Königin von Saba, die aus Äthiopien stammte und der mittelalterlichen Legende nach den Fuß einer Gans und übermäßig behaarte Beine hatte  – war die Idee, dass ein Herrscher oder eine Herrscherin tatsächlich einen monströsen Körper haben könnte, undenkbar oder doch immerhin nicht darstellbar im Kontext des vorherrschenden Patronagesystems und angesichts der Bedeutung, die in mittelalterlichen europäischen Gesellschaften dem Körper des Herrschers als Modell physischer und spiritueller Perfektion beigemessen wurde. In der frühen Neuzeit fand diese Perfektion, obwohl sie immer noch das herrschende Ideal war, dann jedoch gelegentlich Ausdruck in seltsam hybriden Begriffen. Ein Gouache-Porträt von Franz I. (1494–1547), das um 1550 von einem unbekannten Künstler gemalt wurde und sich heute in der Bibliothèque nationale zu Paris befindet, zeigt den König von Frankreich mit den Attributen von fünf verschiedenen 402

x. Hybride, artifizielle Körper

Abb. 2: Unbekannter Künstler: Kompositporträt Franz I., um 1550, Gouache auf Leinwand (Paris, Bibliothèque nationale de France, Département des Estampes et de la photographie).

klassischen Gottheiten (Abb. 2).6 Vor einem schwarzen Hintergrund steht Franz I. zentral auf einer Kartusche mit acht Zeilen eines französischen Gedichts. Porträts in voller Länge waren Mitte des 16. Jahrhunderts selten; die Darstellung des gesamten, stehenden Königskörpers gemahnt an eine klassische Statue – eine fantastische, die plurale Lesarten ermöglicht. Franz trägt einen Federhelm und hebt das Schwert des Mars mit der rechten Hand, während die linke den Caduceus des Merkur hält, dessen geflügelte Sandalen auch an Franz’ Füßen erscheinen. Sein Kürass ist mit Minervas gorgoneion, dem apotropäischen Kopf der Medusa, geschmückt. Der Bogen zu seiner Linken und der Köcher auf seinem Rücken scheinen auf die verliebten Beschäftigungen des Cupido und der Jägerin Diana hinzudeuten, deren Attribut auch in dem Jagdhorn zu erkennen ist, das Franz zu seiner Rechten trägt. Während sein rechter Arm in eine glänzende Rüstung gehüllt ist, ist sein linker Arm nackt und zeigt eine blasse, marmorne Haut, die an Darstellungen der Venus erinnert. Die Verse auf der Kartusche lauten: Im Krieg ist Franz ein wütender Mars / Im Frieden Mi403

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nerva / & Diana auf der Jagd / Ein üppiger Merkur, um [so] gut zu sprechen / Ein wahrer Amor voller Gnade, um [so] gut zu lieben / Oh glückliches Frankreich, ehre so das Gesicht / deines großen Königs, der die Natur übertrifft / Da du, indem du ihn ehrst, zugleich / Minerva, Mars, Diana, Amor und Merkur dienst.7 Mit ihrer Betonung einer Überschreitung der Natur erinnert die Inschrift an die berühmte Legende über Zeuxis, den berühmtesten Maler der griechischen Antike, der nach Plinius eine Figur von idealer Schönheit schuf, indem er die fünf schönsten Mädchen aus Croton studierte und durch seine Fähigkeit, aus diesen zu wählen und zu kombinieren, die Natur übertraf.8 Franz trägt eine Tunika über einem langen Untergewand, sein leicht gerundeter Bauch, der durch die purpurrote Draperie hervorgehoben wird, spiegelt die weiblichen Körperideale des Hofes von Fontainebleau wider.9 Ein solch unverhohlen androgynes Bild eines männlichen europäischen Herrschers scheint – prima vista – mit den männlichen Idealen des Königtums unvereinbar zu sein. Das Porträt entsprach jedoch sehr wohl der visuellen Kultur des Hofes von Franz I. und seines Palastes in Fontainebleau, dessen verschwenderische Verzierungen die Fruchtbarkeit der Natur und die geschlechtsmäßig ambigen Aspekte der Antike betonten.10 Darüber hinaus könnte das Porträt, indem es sowohl männliche Heldentugend als auch weibliche Fruchtbarkeit verkörpert, auch eine Personifikation Frankreichs implizieren, die sich auf eine bereits etablierte Tradition solcher weiblichen Personifikationen des Staatskörpers in der französischen Literatur stützten konnte.11 Jahrzehnte später wurde das Bild zu einem Porträtmedaillon von Franz’ Sohn Heinrich II . (1519–1559) umgearbeitet. Obwohl Heinrich II . in eher maskuliner Gestalt als militärischer Held auftritt, behält er doch die Attribute der Göttinnen. Und Heinrichs eigener Sohn Heinrich III . (1551–1589), dessen Effeminiertheit europäische Hofkreise lebhaft diskutierten, wird postum in einem Werk von Thomas Artus (ca. 1550–1614) gar als Hermaphrodit dargestellt (Abb. 3).12 Diesem satirischen Angriff gingen jedoch frühere französische höfische Gedichte voraus, die die Androgynie Heinrichs III . in ein komplexeres und mehrdeutigeres Licht gerückt hatten und sich auf den alchemistischen Glauben stützten, wonach die Körper männlicher und weiblicher Herrscher als Metaphern für das Mischen von Metallen oder Elementen fungierten und der göttliche Zwitter oder rebis als Endprodukt der alchemistischen Schöpfung angesehen wurde.13 Das frühere ‚geschlechterübergreifende‘ Porträt von Franz I. entspricht solchen Vorstellungen und allgemeiner der universellen, gottgleichen Stellung, den die französischen Könige des 16. Jahrhunderts während der frühen Staatsbildung in Frankreich anstrebten. Indem es mannigfaltige Tugenden einem einzigen Körper zuschreibt, verbindet das Bild Mann und Frau, Antike und Gegenwart – und präsentiert den König so als in jeder Hinsicht universell. 404

x. Hybride, artifizielle Körper

Abb. 3: Heinrich III. als Hermaphrodit, aus: Thomas Artus: Description de l’isle des hermaphrodites, Köln 1724.

Trotz seiner vielfältigen Ausstaffierungen wird doch gezeigt, dass Franz noch immer einen einzigen, zusammenhängenden menschlichen Körper besitzt. Eine ‚bruchstückhaftere‘ Herangehensweise verfolgte Giuseppe Arcimboldo (ca. 1526–1593) in einem Ölgemälde von 1591, einem allegorischen Porträt Rudolfs II . (1552–1612), das den Heiligen Römischen Kaiser in der Gestalt des Vertumnus, des römischen Gottes der Jahreszeiten, darstellt (siehe Abb. 5 im Beitrag von Ariane Koller zu „Schön und Hässlich sein“).14 Die erkennbar menschliche Form des Gottes besteht aus einer schillernden Vielfalt an Obst, Gemüse und Getreide. Das Bild kombiniert eine ganze Reihe kluger visueller Tropen: ein Paar Frühlingszwiebeln als sehnige Muskeln des Halses; eine Birne ersetzt die Nase; die pralle Unterlippe bilden zwei reife Kirschen.15 Obwohl Rudolfs ganzer Körper nicht gezeigt wird, ist er doch metonymisch in den implizierten Formen der Schultern und der Brust vorhanden, über die ein Blumenkranz drapiert ist, der eine mehrdeutige Grenze zwischen Körper und Ornament zieht. Das Stillleben, das kurz davorsteht, sich als eigenständiges Genre zu etablieren, ist ins Zentrum der Auf405

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merksamkeit gerückt und verschmilzt spielerisch mit der Porträtmalerei. Das Brustporträt spielt auf die klassische Skulptur an, und die physische Präsenz der versammelten Objekte wird durch den schwarzen Hintergrund verstärkt, der die hell beleuchteten und farbenfrohen Komponenten im Raum nach vorne zu treiben scheint. Das Gemälde wurde nach seiner Fertigstellung von Mailand nach Prag geschickt, wo es nach Gian Paolo Lomazzo (1538–1592) vom Kaiser mit Spannung erwartet wurde.16 Der Humor von Arcimboldos Kompositköpfen ging Autoren der Frühen Neuzeit nicht verloren, auch sein Vergleich von Rudolf II . mit einem Haufen Naturprodukte könnte durchaus beabsichtigt haben, Lachen zu erregen.17 Der Vertumnus beinhaltete jedoch auch Schichten klassischer Referenz, die von gelehrten Betrachtern zweifellos erkannt und ernst genommen wurden. Die Bildsprache überreicher Fülle zeugt von einem kaiserlichen goldenen Zeitalter, das den Kaiser positiv mit wirtschaftlicher und landwirtschaftlicher Prosperität verbindet und seinen Körper mit der Freigebigkeit der ganzen Natur in eins setzt. Diese Freigebigkeit drückt sich nicht nur in der Fülle an Objekten, sondern auch als unendliches Potenzial materieller Transformation aus. In der Tat war Vertumnus nicht nur der Gott der Jahreszeiten, sondern auch der Elemente, die Arcimboldo in zwei früheren Gemäldeserien allegorisiert hatte.18 Sein Vertumnus bezog sich daher auch auf die visuellen Praktiken rund um die berühmte Kunst- und Wunderkammer Rudolfs II ., deren Zusammenstellung von Natur in ihrer unendlichen Vielfalt imperiales Wissen und universelle Macht zum Ausdruck brachte, aber auch den Begriff der natura naturans, der Natur im Wandel, in sich trug.19 ‚Merkurial‘, offen und unmöglich zu fassen, wird der Körper des Kaisers zu einer Allegorie des Makrokosmos der Natur, in dem alle seine Untertanen leben.20 Arcimboldo lädt seine Betrachter ein, Rudolfs Porträt aus einer Reihe unwahrscheinlicher Gegenstände, den fiktiven Körper des Herrschers im Prozess des Sehens zusammenzusetzen. Eine ähnlich ‚puzzleartige‘ Herangehensweise an den Körper des Herrschers zeigt sich in anamorphotischen Porträts, deren Herstellung im 16. bis 18. Jahrhundert in Europa ihren Höhepunkt erreichte. Bei der Anamorphose wird mithilfe der perspektivischen Projektion ein absichtlich verzerrtes Bild erstellt, das sich nur dann ‚korrigiert‘, wenn es von einer bestimmten Position aus oder unter Verwendung eines Spiegels betrachtet wird.21 In seltenen Fällen wurden anamorphotische Porträts erstellt, um Bilder von Herrschern zu ‚verstecken‘, die abgesetzt wurden oder sich im Exil befanden. Die überwiegende Mehrheit dieser Porträts sollte jedoch wahrscheinlich erkannt werden. Eines der frühesten derartigen Bilder ist ein Holzschnitt-‚Bildrätsel‘, das vor 1535 vom Nürnberger Grafiker Erhard Schön (ca. 1491– 1542) hergestellt wurde (Abb. 4).22 Schöns Holzschnitt, einer von mehreren solcher Vexierbilder, die der Künstler geschaffen hat, ist auf mehreren Blättern und von mehreren Blöcken gedruckt und zeigt eine bizarre Landschaft, in die verschiedene Ge406

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Abb. 4: Erhard Schön: Vexierbild, Kupferstich, Nachdruck von 1963 (Berlin, Kupferstichkabinett).

sichtszüge ‚eingestreut‘ wurden. Aus bestimmten Blickwinkeln betrachtet, schlägt die Darstellung in vier Porträts von Karl V. (1500–1558), Ferdinand I. (1503–1564), Papst Paul III . (1468–1549) und Franz I. (1494–1547) um.23 Anamorphotische lateinische Inschriften bestätigen die Identifikation. Frontal betrachtet, wirken die Gesichtszüge der Herrscher jedoch völlig deformiert: seitlich gestreckt, in die Zick-Zack-Topographie der Landschaft verschlüsselt und in ihren mannigfaltigen Formen (Wolken, Berge, Felder, Schiffe, winzige Figuren) zerstreut. In der ‚unkorrigierten‘ Ansicht, die jeder Betrachter zuerst gesehen hätte, ist durch die Unbestimmtheit der Gesichter auch unklar, wo die Körper beginnen oder enden, was die Grenze zwischen den Körpern der Herrscher und der Landschaft verwischt und letztere als territoriale Ausdehnung der ersteren impliziert. In England wurden anamorphotische Porträts einer ganzen Reihe von Königen geschaffen, darunter Edward VI . (1537–1533) und Charles Edward Stuart oder „Bonnie Prince Charlie“ (1766–1788).24 Das Nationalmuseum in Stockholm besitzt ein doppelseitiges Gemälde auf einer Holztafel mit anamorphotischen Porträts von Karl I. (1600–1649) und Karl II . (1630–1685), die jeweils mit einem zylindrischen Spiegel betrachtet werden müssen (Abb. 5a und b).25 Auf der Vorderseite der Tafel ist der abgesetzte Karl I. mit einem Totenschädel dargestellt, der zugleich angibt, wo das 407

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Abb. 5a und 5b: Unbekannter Künstler: Anamorphotische Porträts von Karl I. und Karl II., Öl auf Holz (Stockholm, Nationalmuseum).

Ende des Spiegels zum Betrachten platziert werden muss. Auf der anderen Seite ist der Restaurator der Monarchie, Karl II ., mit dem Globus cruciger dargestellt. Ohne die Hilfe des Spiegels betrachtet, erscheinen die Gesichter beider Könige knorrig und deformiert. Das doppelseitige Bild vereint die beiden Könige zu einem einzigen Bildkörper, der selbst ein Hybrid ist, ein Gemälde, das eine dreidimensionale Sehhilfe mit einbezieht. Indem sie das Bild des Herrschers mit einer gewissen Jenseitigkeit und der Aura des technologischen Wunders versehen, konstruieren solche Bilder den Körper des Herrschers als etwas, das nur indirekt repräsentiert und betrachtet werden kann. Gleichzeitig wird das Betrachten des Herrscherkörpers zu einem höchst persönlichen und subjektiven Ereignis. Frühneuzeitliche anamorphotische Porträts, die zwischen Gestaltung und Verformung, Verschleierung und Zurschaustellung oszillieren, artikulieren eine Vermittlung des herrscherlichen Körpers durch Perspektivtechniken und ebenso ritualisierte wie regulierte Wahrnehmungsakte. Anamorphotische Porträts blieben ein relativ seltenes Nischengenre. Im Gegensatz dazu wurde und wird ein anderer wegweisender Druck eines hybriden Herrscherkörpers geradezu zum „Archetyp des modernen Staates“: das Titelbild von Thomas Hobbes’ Abhandlung zur politischen Philosophie, dem Leviathan von 1651 (Abb. 6).26 Das von dem französischen Radierer Abraham Bosse (ca. 1604–1676) unter Beteiligung von Hobbes geschaffene Titelbild zeigt in seinem oberen Register eine gigantische Figur mit einer Krone auf dem Haupt und einem Schwert in der rechten, einem Bischofsstab in der linken Hand. Die Figur thront über einer Landschaft und einem Stadtbild und ist von der Taille an zu sehen. Ihr Unterkörper ist hinter den Bergen verborgen, ihre Arme sind über den Horizont ausgestreckt. Der Oberkörper und die 408

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Abb. 6: Abraham Bosse: Leviathan, Frontispiz aus Thomas Hobbes: Leviathan (1651).

Arme sind aus über dreihundert kleinen menschlichen Figuren gebildet – ein Monstrum, das an Arcimboldos Kompositkörper erinnert.27 Das Monstrum blickt geradeaus auf den Betrachter, das Gesicht von wirbelnden Wolken umgeben. Hobbes’ Abhandlung konzentrierte sich auf die Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft und war eines der frühesten Beispiele für das, was später als „Gesellschaftsvertragstheorie“ bezeichnet wurde. Seine ikonische Titelfigur, eine Referenz auf das alttestamentliche Monstrum, das über die Kinder des Stolzes herrscht, kann als eine der unauslöschlichen Visualisierungen des Konzeptes vom politischen Körper („body politic“) gelten, jenes Kollektivs aus Individuen, die der Autorität des Staates unterliegen.28 Die Metapher des englischen Commonwealth als eines Kompositkörpers vermag die Idee des Herrschers als Verkörperung des Staates wie auch als Vertreter der Gesellschaft anschaulich zu illustrieren. Die hoch aufragende Figur in Bosses Titelbild inkorporiert jedoch nicht nur die Personen unter ihrer Herrschaft, sondern ist auch eindeutig mehr als die Summe ihrer Teile – ein unabhängi409

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Abb. 7: Tobias Stimmer: Gorgonevm capvt (Karikatur des Papstes), ca. 1570/71, Einblatt-Holzschnitt ­(Amsterdam, Rijksmuseum).

ger Akteur, der eine schreckliche imaginäre Macht über seine ‚Bestandteile‘ ausübt. Die Notwendigkeit eines solchen Schreckgespenstes – oder auch Spektakels – allumfassender Staatsmacht wird im Text ausführlich erläutert. Laut Hobbes sind die Menschen, die von dem angeborenen Wunsch getrieben werden, Macht zu erlangen und Hierarchien aufzubauen (a perpetuall and restlesse desire of Power after power), in ihrem natürlichen Zustand dazu verdammt, ein Leben voller Armut und Gewalt zu führen; sie verlangen deshalb nach dem terrour of some Power, um ein weitgehend friedliches Leben führen zu können.29 Der monströse Leviathan repräsentiert so eine historische Entwicklung, durch die der menschliche Stolz und die aus ihm resultierende Gewalt nicht nur vom Staat, sondern auch vom Bild des Staates eingedämmt werden können. Paradoxerweise blicken die Figuren der Menge tatsächlich auf das Monstrum, obschon sie dessen Körper konstituieren, wie Horst Bredekamp gezeigt hat.30 Obwohl das Monstrum offensichtlich künstlich ist, hat es doch das Potenzial, Terror auszuüben und die menschliche Natur im Zaum zu halten. 410

x. Hybride, artifizielle Körper

Die meisten Bilder von Herrschern mit hybriden Körpern sollten jedoch nicht erschrecken, sondern verspotten. Wenn die mittelalterlichen Grotesken, die eingangs besprochen wurden, bereits ein Element der sozialen Satire enthielten, ermöglichten die Drucktechnologien im 16. und 17. Jahrhundert dann die Massenproduktion satirischer Bilder – und da in Europa überdies Religionskriege tobten, fanden sich Herrscher, darunter viele kirchliche Autoritäten, immer häufiger ‚auf der falschen Seite des Stichels‘ wieder. Zum Beispiel verhöhnt ein polemisches Flugblatt, das von dem Schweizer Grafiker Tobias Stimmer (1539–1585) illustriert und 1571/72 in Straßburg zusammen mit einem Gedicht des Straßburger Satirikers und Publizisten Johann Fischart (1545–1591) gedruckt wurde, den Papst in der Art von Arcimboldos Kompositköpfen (Abb. 7).31 Während des Papsttums von Pius V. (1504–1572) oder Gregor XIII . (1502–1585) geschaffen, zeigt das Flugblatt eine groteske Papstbüste, die von einer ovalen Kartusche umgeben ist, deren verschlungenes Rollwerk die durcheinandergewürfelten Formen des Kopfes widerspiegelt. Die Kartusche wird von Tieren bevölkert, die verschiedene katholische Eliten verhöhnen: eine Gans mit einem Rosenkranz im Schnabel, ein Esel mit Brille und Buch und ein Schwein, das ein mit Exkrementen gefülltes Weihrauchgefäß schwenkt. Die päpstliche Tiara besteht aus zahlreichen Gegenständen, die während der katholischen Zeremonie verwendet wurden, darunter Fackeln, ein aspergillum (ein liturgisches Gerät zum Besprengen mit Weihwasser), ein Rosenkranz und eine Jakobsmuschel, wie sie von Pilgern getragen wurde. Unter dem Bild verspotten 87 Zeilen gereimter deutscher Verse, die in drei Spalten angeordnet sind, den Papst – den „betrügerischen Schurken Roms“ – als ein abscheuliches Monstrum, das nur von den Reichen verehrt wird. Der Titel des Flugblatts bezeichnet dieses Monstrum als gorgonevm capvt, also den Kopf der Medusa: Ein new seltzam Meerwunder aus den newen erfundenen Inseln / von ettlichen Jesuitern an ire gute gönner geschickt. Gleich wie der heilig ist / Also steht er gerüst.32 Andere Flugblätter verspotteten Herrscher durch die Verwendung von Formen der Mensch-Tier-Hybridität. Ein häufiges Ziel solcher Drucke war Friedrich V. (1596–1632), Kurfürst bei Rhein von 1610–1623 und von 1619–1620 König von Böhmen, eine bekanntermaßen kurze Regierungszeit, die ihm den Beinamen „der Winterkönig“ einbrachte. Ein Flugblatt von etwa 1621 zeigt Friedrich V. mit dem Körper und dem Gesicht eines Löwen (Abb. 8). Melancholisch über einen Tisch gebeugt, wird er von inschriftlich als solche benannten „spanischen Fliegen“ angegriffen und von Affen verspottet, während ein anderes Tier, vermutlich ein Fuchs, eine Urinflasche inspiziert, die einen kleinen Teufel enthält.33 Friedrichs Krone und sein zerbrochenes Zepter liegen auf dem Boden. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts drückten sich Unzufriedenheit oder Wut über Herrscher:innen häufig in Karikaturen aus, von denen die meisten anonym ge411

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Abb. 8: Unbekannter Künstler: Satirisches Flugblatt mit der ­Darstellung Fredericks V. als Löwe, der von Spanischen Fliegen heim­ gesucht wird, ca. 1621.

schaffen wurden und die die Herrschenden in vielen Fällen ebenfalls als zoomorphe Hybride darstellten. Eine handkolorierte Radierung des in London geborenen Karikaturisten James Gillray (1756–1815), die am 20. Dezember 1791 veröffentlicht wurde und den Titel An Excrescence; a Fungus; Alias – A Toadstool upon a Dung-hill trägt, etwa zeigt den Tory-Premierminister William Pitt den Jüngeren (1759–1806) als monströse Kreatur: Ein menschlicher Kopf, dessen Körper sich in Oktopus-Tentakeln auflöst, die die Form einer Krone ausbilden (Abb. 9).34 Der Misthaufen (Dunghill) wird durch aufsteigende, offenbar übelriechende Dämpfe gekennzeichnet. Vielleicht hatte kein Herrscher und keine Herrscherin des 18. Jahrhunderts eine schlechtere Presse als Marie-Antoinette (1755–1793). In den zehn Jahren vor der Französischen Revolution zeigten zahlreiche Karikaturen den Kopf der französischen Königin, der an den Körpern verschiedener Tiere befestigt war. Eine dieser anonymen Radierungen gibt Marie-Antoinette mit dem Körper einer weiblichen Hyäne und einem medusenartigen Kopfschmuck aus Schlangen wieder.35 Eine andere beliebte Wahl war der Strauß, der zugleich das österreichische Erbe der Königin wie auch die 412

x. Hybride, artifizielle Körper

Abb. 9: James Gillray’s An Excrescence; A Fungus; Alias – A Toadstool upon a Dung-hill, publiziert von Hannah Humphrey 1791, kolorierte Radierung (New Haven, Yale University Library, Beinecke Rare Book and Manuscript Library).

modischen Federn verspottete, die sie in ihren Haaren trug. Eine Radierung von etwa 1789 mit dem Titel La Poulle d’Autru/yche zeigt den kunstvoll frisierten Kopf der Königin auf dem Körper eines Straußes mit einer Kopie der (damals noch unvollständigen) Verfassung im Mund (Abb. 10). Die Inschrift des Blattes lautet: „Ich verdaue Gold und Silber mit Leichtigkeit, / aber die Verfassung ist etwas, das ich nicht schlucken kann.“36 Wieder andere Karikaturen von Marie-Antoinette waren pornografischer Natur, darunter ein berüchtigtes Spottblatt, das ihre angebliche Affäre mit Gilbert du Motier, dem Marquis de Lafayette (1757–1834), thematisiert. Eine weitere Karikatur zeigt den Marquis und die Königin als Hahn und Henne gemeinsam in einem Scheunenhof und verhöhnt auf diese Weise zugleich Marie-Antoinettes bevorzugten Zeitvertreib, der darin bestand, in ihrem Landhaus Le Petit Trianon die bäurische Lebensweise nachzuspielen. Auf die nämliche Angelegenheit wird auch in einer anonymen handkolorierten Radierung mit der Überschrift Les deux ne font qu’un („Die zwei sind nur eins“) Bezug genommen (Abb. 11).37 Höchstwahrscheinlich im letzten Jahrzehnt des achtzehnten Jahrhunderts entstanden, zeigt sie König 413

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Abb. 10: Unbekannter Künstler: La Poulle d’Autru/yche, ca. 1789, Radierung (Paris, Bibliothèque nationale de France, département Estampes et photographie).

Ludwig XVI . und seine Gemahlin als zweiköpfiges Tier, dessen Teile in entgegengesetzte Richtungen streben. Während Marie-Antoinette wiederum mit den Flecken der Hyäne und Schlangen im Haar dargestellt ist, die hier um Straußenfedern erweitert sind, hat Ludwig den Körper und die Hufe eines Schweins und trägt die Hörner eines Hahnreis, also des betrogenen Ehemanns. In frühneuzeitlichen Darstellungen des Körpers der Herrschenden hatte Hybridität verschiedene politische und symbolische Verwendungszwecke. Der Körper eines Königs, der sowohl männliche als auch weibliche Eigenschaften umfasst, konnte als universell verherrlicht oder aber als effiminiert und schwach verspottet werden. Die Darstellung von Herrschern als monströse Hybride konnte Macht demonstrieren und verschiedenartige Reaktionen hervorrufen, die von Lachen bis Terror reichen. Von anamorphotischen Porträts über schimärenhafte Karikaturen bis hin zu anderen visuellen Techniken, die den Körper seiner natürlichen Form entfremdeten, heben alle diese Darstellungen den Herrscher:innen-Körper als ein fantasievolles Konstrukt hervor, als eine Fiktion, deren Macht, obschon der Theorie nach angeboren, immer 414

x. Hybride, artifizielle Körper

Abb. 11: Unbekannter Künstler: Les deux ne font qu’un, spätes 18. Jahrhundert, kolorierte Radierung (New York, Metropolitan Museum of Art, The Elisha Whittelsey Fund).

konstituiert war durch verschiedene Bezugsverhältnisse – zur Natur, zu Gott, zu den Untertanen und zueinander. Übersetzt aus dem Englischen von Jörge Bellin Auswahlbibliographie

Jurgis Baltrušaitis: Anamorphic Art, New York 1977. Horst Bredekamp: Thomas Hobbes–Der Leviathan: Das Urbild des modernen Staates und seine Gegenbilder: 1651–2001, Berlin/Boston 2020. Ernst Kantorowitz: The King’s Two Bodies: A Study in Mediaeval Political Theology , Princeton (NJ) 1957. Jennifer Nelson: Directed Leering. Social Perspective in Erhard Schön’s Anamorphic Woodcuts, in: Notes in the History of Art, Vol. 34, No. 4 (2015), 17–22. Raymond Waddington: The Bisexual Portrait of Francis I: Fontainebleau, Castiglione, and the Tone of Courtly Mythology, in: Jean Brink/Maryanne C. Horowitz/Allison Cloudert (Hg.): Playing with Gender: A Renaissance Pursuit, Urbana 1991, 99–132

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Anmerkungen 1  Ernst Kantorowitz: The King’s Two Bodies: A Study in Mediaeval Political Theology, Princeton (NJ) 1957. 2  British Library, MS 42130, fol. 82r. Ich danke Shirin Fozi Jones, die mich auf dieses Beispiel aufmerksam gemacht hat. 3 Horaz: Ars poetica, 1–13. 4  British Library, MS 49622, fol. 13v. Die Handschrift enthält zudem eine Initiale, die einen sitzenden König mit erhobenem Schwert zeigt (f. 69r). Vgl. das Digitalisat der British Library unter UR L : http://www.bl.uk/manuscripts/Viewer. aspx?ref= add_ms_49622_fs001r (abgerufen am 20.03.2022). 5  Zu mittelalterlichen Randzeichnungen vgl. Michael Camille: Image on the Edge: The Margins of Medieval Art, London 1992, sowie Lilian Randall: Images in the Margins of Gothic Manuscripts, Berkeley 1966. Die klassische Studie zum ‚karnevalesken‘ Modus der Repräsentation ist Mikhail Bakhtin: Rabelais and His World, trans. by Hélène Iswolsky, Cambridge 1968. 6  Paris, BnF, Department des Estampes et de la photographie. NA -255. Zu diesem Porträt, das fälschlich bereits einer ganzen Reihe von Künstlern  – darunter Nicolo dell’Abate, Sylvie Béguin und Nicolas Bélin – zugeschrieben worden ist, vgl. Raymond Waddington: The Bisexual Portrait of Francis I: Fontainebleau, Castiglione, and the Tone of Courtly Mythology, in: Jean Brink/Maryanne C. Horowitz/Allison Cloudert (Hg.): Playing with Gender: A Renaissance Pursuit, Urbana 1991, 99– 132; Barbara Meyer: Marguerite de Navarre and the Androgynous Portrait of Francois Ier, in: Renaissance Quarterly 48/2 (1995), 287–325; und Kirk D. Read: Birthing Bodies in Early Modern France: Stories of Gender and Reproduction, London 2011, 152. 7  Françoys en guerre est vn Mars furieux / En paix Minerue & diane a la chasse / A bien parler Mercure copieux / A bien aymer vray Amour plein de grace / O france heureuse honore donc la face / De ton grand Roy qui surpasse Nature  / car lhonorant tu sers en mesme place  / Minerue Mars Diane Amour Mercure. (Übersetzung der Autorin). 8  Plinius d. Ä.: Naturalis historia, 35.43.

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9  Vgl. dazu Waddington 1991 (wie Anm. 6), 104. Barbara Meyer (wie Anm. 6) hat die effeminierte Darstellung von Franz als eine Reverenz an dessen Schwester Marguerite interpretiert, in der sie die Auftraggeberin der Gouache vermutet. 10  Zu männlicher Effeminisierung am Hof von Fontainebleau vgl. Kathleen Wilson-Chevalier: Feminizing the Warrior at Francis I’s Fontainebleau, in: P. Ford/P. White (Hg.): Masculinities in Sixteenth-Century France: Proceedings of the Eighth Cambridge French Renaissance Colloquium, 5–7 July 2003, Cambridge 2006, 23–59. Zu Geschlecht und Metaphern weiblicher Fruchtbarkeit in der Kunst von Fontainebleau siehe Rebecca Zorach: Blood Milk Ink Gold: Abundance and Excess in the French Renaissance, Chicago 2005. 11 Ein Schlüsselbeispiel ist die Personifikation Frankreichs in Alain Chartiers Quadriloge invectif (1422); Vgl. Alain Chartier: Classiques francais du Moyen Age, no. 32, ed. by E. Droz, Paris 1950. Ich danke Rebecca Zorach für den Hinweis auf diesen Präzedenzfall und für ihren allgemeinen Beitrag zur Literatur rund um das Gouacheporträt von Franz I. 12  Thomas Artus: Les Hermaphrodites (1605). Das Werk wurde 1724 unter dem Titel Descriptions de l’Isle des Hermaphrodites von Claude-Gibert Dubois neu herausgegeben (Textes littéraires français, no. 467, Genf 1996). 13 Zum „göttlichen Hermphroditen“ der Alchemie in der höfischen Poesie des französischen 16. Jahrhunderts im Zusammenhang mit Heinrich III . vgl. Kathleen P. Long: Hermaphrodites in Renaissance Europe: Women and Gender in the Early Modern World, London 2006, bes. 137–162 („Gender and Power in the Alchemical Works of Clovis Hesteau de Nuysement“) und 163–187 („Lyric Hermaphrodites,” on metaphors of hermaphroditism in the poetry of Théodore Agrippa d’Aubigné“). 14  Siehe etwa Thomas DaCosta Kaufmanns Forschungen zu Arcimboldo, vor allem Arcimboldo’s Imperial Allegories, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 39/4 (1976), 275–296; Arcimboldo and Propertius. A Classical Source for Rudolf II as Vertumnus, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 48

x. Hybride, artifizielle Körper

(1985), 117–123; außerdem dessen Katalog-Eintrag zum „Vertumnus“, in: Sylvia Ferino-Pagden (Hg.): Arcimboldo, Mailand 2017, Nr. IV.38, 186. Siehe überdies R. J. W. Evans: The Imperial Court in the Time of Arcimboldo, in: Pontus Hultén (Hg): The Arcimboldo Effect: Transformations of the Face from the 16th to the 20th Century, New York 1987, 35–53. 15  Das Gemälde könnte bis zu einem gewissen Grad von tatsächlicher Bankett-Gestaltung inspiriert worden sein, in deren Zuge figurale TischSkulpturen aus verschiedensten Nahrungsmitteln gestaltet wurden. Vgl. DaCosta Kaufmann 1976 (wie Anm. 14), 282. 16  Siehe DaCosta Kaufmann 2017 (wie Anm. 14), 186. 17  Vgl. DaCosta Kaufman 1976 (wie Anm. 14), 276, der sowohl Lomazzo’s Tratto dell’arte della pittura, scoltura, et architettura (Milan, 1585) wie auch Gregorio Comaninis Il Figino, overo, Del fine della pittura dialogo (in dem ein Gemälde Arcimboldos als „scherzo“ bezeichnet wird) zitiert. Zugleich aber warnt DaCosta Kaufman davor, den Vertumnus nur als einen bizarren Witz aufzufassen, der den Kaiser über sich selbst lachen machen sollte; er sei viel eher vor dem Hintergrund der komplexen intellektuellen Welt des späten 16. Jahrhunderts zu interpretieren. 18 DaCosta Kaufman 1985 (wie Anm. 14), 121, etwa argumentiert, „that the iconography of the painting of Rudolf II as Vertumnus can be regarded as the culmination of the artist’s series of elements and seasons“. 19 Zum frühneuzeitlichen Konzept der natura naturans vgl. Thomas Leinkauf: Implikationen des Begriffs natura naturans in der frühen Neuzeit, in: Natascha Adamowsky/Hartmut Böhme/Robert Felfe (Hg.): Ludi Naturae: Spiele der Natur in Kunst und Wissenschaft, München 2011, 103–118. Zur klassischen Interpretation der Kunst- und Wunderkammer als Ausdruck der Macht ihres Sammlers vgl. Julius von Schlosser: Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance: Ein Beitrag zur Geschichte des Sammelwesens, Leipzig 1908. Zu Konzepten einer metamorphischen Natur in der Kunst- und Wunderkammer siehe Horst Bredekamp: Antikensehnsucht und Maschinenglauben: die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte, Berlin 1993.

20  Vgl.

DaCosta Kaufmann 1976 (wie Anm. 14), 286 f. 21  Zu den technischen und konzeptuellen Dimensionen der Anamorphose im frühneuzeitlichen Europa vgl. Jurgis Baltrušaitis: Anamorphic Art, New York 1977. 22 Zu Schöns anamorphotischen Holzschnitten siehe Jennifer Nelson: Directed Leering. Social Perspective in Erhard Schön’s Anamorphic Woodcuts, in: Notes in the History of Art 34/4 (2015), 17–22. Ein vollständiges Exemplar des Holzschnitts besitzt das Kupferstichkabinett in Berlin; siehe Hollstein’s German engravings, etchings and woodcuts, ca. 1400– 1700, Bd. 47, Nr. 113; Max Geisberg: Der deutsche Einblatt-Holzschnitt in der ersten Hälfte des XVI . Jahrhunderts, München 1930, Nr. 97. 23  Eine andere Version von Schöns Holzschnitt zeigt Papst Clemens VII . anstelle von Paul III . Vgl. Baltrušaitis 1977 (wie Anm. 21), 11–15; H. Röttinger: Erhard Schön und Niklas Stör, Straßburg 1921, Nr. 205. Ein anamorphotisches Einzelporträt von Ferdinand, das eine Variation oder Derivation des Vierfach-Porträts ist, befindet sich im British Museum (No. 1905,1220.1). Vgl. auch Hollstein (wie Anm. 22), Bd. 47, Nr. 113, sowie Giulia Bartrum: German Renaissance Prints 1490–1550, London 1995, Nr. 85. Auch Karl V. war Subjekt mindestens eines anderen anamorphotischen Porträts, eines 1533 datierten Gemäldes; vgl. Baltrušaitis 1977 (wie Anm. 21), 16; Nelson 2015 (wie Anm. 22), 18. Ein weiteres, späteres Beispiel eines anamorphotischen Gruppenporträts habsburgischer Herrscher ist das Dreifach-Porträt von Ferdinand I., Maximilian II . und Rudolf II ., das Paulus Roy 1602 geschaffen hat und das sich heute im Prager Schlossmuseum befindet. 24  Das anamorphotische Porträt von Edward VI . wurde 1532 geschaffen, ein Jahr vor dessen Tod, und befindet sich jetzt in der National Portrait Gallery in London (Inv.-Nr. 1299). Es musste durch ein Guckloch im Rahmen betrachtet werden. 25  Schwedisches Nationalmuseum, NMG rh 2527 recto und verso. Ein weiteres anamorphotisches Porträt von Karl II ., ein Ölgemälde auf Leinwand, befindet sich im Tabley House, Knutsford (acc. no. 246.4). 26  Horst Bredekamp: Thomas Hobbes–Der Leviathan: Das Urbild des modernen Staates und seine

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Gegenbilder: 1651–2001, Berlin/Boston 2020. Siehe auch Bredekamps Thomas Hobbes’s Visual Strategies, in: The Cambridge Companion to Hobbes’s Leviathan, Cambridge 2007, 29–60, sowie Zur Vorgeschichte von Thomas Hobbes Bild des Staates, in: Hans-Jörg Rheinberger/Michael Hagner/Bettina Wahrig-Schmidt (Hg.): Räume des Wissens: Repräsentation, Codierung, Spur, Berlin 1997, 23– 37. Vgl. auch Reinhardt Brandt: Das Titelblatt des Leviathan, in: Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft 15/1 (1987), 164–186. 27  Bredekamp 2007 (wie Anm. 26), 38, Anm. 46. 28  Vgl. Haig Patapan: ‚Lord Over the Children of Pride‘: The Vaine-Glorious Rhetoric of Hobbes’s Leviathan, in: Philosophy & Rhetoric 33/1 (2000), 74–93. 29 Hobbes: Leviathan, chapter 11, 161; zit. bei Patapan 2000 (wie Anm. 28), 81. 30  Bredekamp 2007 (wie Anm. 26), 40. 31  Vgl. Bruno Weber: ‚Die Welt begeret allezeit Wunder‘: Versuch einer Bibliographie der Einblattdrucke von Bernard Jobin in Strassburg, in: Sonderausgabe des Gutenberg-Jahrbuch (1976), 280, Nr. 9;

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Tobias Stimmer 1539–1584: Spätrenaissance am Oberrhein, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Basel, Basel 1984, Nr. 152; Wolfgang Harms/Michael Schilling (Hg.): Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts, Tübingen 1997, VII , 62. 32 Stimmer hat auch einen Porträt-Stich von Christoph Kolumbus geschaffen. 33  Vgl. John Roger Paas (Hg.): The German Political Broadsheet 1600–1700, Bd. 3: 1620–1621, Wiesbaden 1991, 345. 34  Vgl. etwa Thomas Wright/R. H. Evans: Historical and Descriptive Account of the Caricatures of James Gillray, London 1851, Nr. 59. 35  Metropolitan Museum of Art, New York (acc. no. 62.520.16). 36  „je digere l’or largent avec facilitée  / Mais la constitution je ne puis l’avaler“. Siehe dazu Caroline Weber: Queen of Fashion: What Marie Antoinette Wore to the Revolution, New York 2006, 209–212. 37  Nadine Orenstein/Constance C. McPhee: Infinite Jest: Caricature and Satire from Leonardo to Levine, Ausst.-Kat. Metropolitan Museum of Art, New Haven/London, 2011, 163, Nr. 124.

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y. Ausdruckslosigkeit

Ausdruck kann als sinnlich wahrnehmbare Manifestation von Bedeutung definiert werden. Das Thema betrifft Körper und Körpertechniken der Herrschenden auf zweierlei Weise: zum einen als visuelle Manifestation, in der Realität ebenso wie in den Repräsentationen, und andererseits als Verfahren, um ein Prinzip sichtbar zu machen  – eben das Herrschen. Dabei wird vorausgesetzt, dass der Körper (durch seine Haltung) und insbesondere das Gesicht aus- und vorführen, was von Repräsentationen in der westlichen Kultur erwartet wird: zu zeigen, was im Inneren geschieht oder  – christlich gewendet  – ein Prinzip zu verkörpern. Tatsächlich aber belegen zahllose Textzeugnisse, die sich auf soziale Ereignisse beziehen, und zahllose Bildwerke, die die Herrschenden repräsentieren, ganz im Gegenteil, dass die entscheidenden Hinweisgeber und ‚Hilfsmittel‘, die unmittelbaren Zugang zu jener Bedeutung eröffnen würden (also Gesichtsausdruck, Gesten, Haltung usw.), im langen Zeitraum der Frühen Neuzeit, vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, weitgehend reglementiert, wenn nicht ganz verboten waren. Warum ist das so? Warum gibt es einen derartigen Gegensatz zwischen den künstlich hergestellten Ausdrucksformen der Herrschenden in ihren Repräsentationen und dem, was in der historischen Wirklichkeit als ‚Ausdruckslosigkeit‘ bezeichnet werden kann, also der betonten Abwesenheit körperlichen Ausdrucks? Vielleicht lässt sich dieser Gegensatz am besten verstehen, wenn man an die Etymologie des Wortes erinnert: exprimere bedeutet den Einsatz von Druck, um etwas aus etwas herauszubekommen – hier in visueller Form. Aber wer übt den Druck aus? Ist es notwendig der Herrscher selbst? Möchte er (oder sie) sich zeigen? Was möchte er oder sie zeigen, wenn doch das Geheimnis ein wesentlicher Teil der Machtausübung ist und zwar insbesondere seit dem 14. Jahrhundert, da sich die soziale Organisationsform des Sich-Zeigens in einem neuen Rahmen abspielte – dem Hof. Ausdruckslosigkeit spielte eine zentrale Rolle in dem für diese Kultur grundlegenden Wechselspiel von Zeigen und Verbergen. Sie soll hier entlang von drei Perspektiven betrachtet werden. Die erste wird Ausdruckslosigkeit im Zusammenhang mit der „curialization of society“ untersuchen. Die zweite betrifft den monumentalisierten Herrscherkörper, wie ihn das Porträt der Öffentlichkeit zeigt. Die dritte schließlich wird die Entwicklung 419

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hin zu einer Spannung zwischen Ausdruck und Eindruck untersuchen und das Problem des Ausdrucks von einem globaleren und mehr empfindungsmäßigen Ansatz der Repräsentation her hinterfragen.

Ausdruckslosigkeit und die „curialization of society“ In der westlichen Kultur ist die Idee des Ausdrucks unmittelbar mit der Eigenschaft des menschlichen Gesichts als Übersetzung eines inneren Zustands assoziiert. Ein großes Korpus des Wissens, das die Physiognomik und mannigfaltige Praktiken umfasst, lädt das Herrscherporträt mit Bedeutung auf, insofern es einen der „zwei Körper des Königs“, um Ernst Kantorowicz’ berühmte Distinktion aufzugreifen, betrifft: den natürlichen, lebenden Körper. Was auch immer es ist, das Gesicht besitzt einen Ausdruck. Die Rede von der ‚Ausdruckslosigkeit‘ dagegen betont das Faktum, dass die große Mehrheit der Porträts, die das richtige Verhalten eines Herrschers vorführen, ein Gesicht zeigen, das stattdessen durch die Abwesenheit jeglicher Bewegung der Gesichtszüge charakterisiert ist: kein Spiel der Muskeln um die Mundpartie, um ein Lächeln anzudeuten, kein Hochziehen der Augenbrauen, kein Anschwellen der Nasenflügel. Es handelt sich dabei nicht um ‚Unbewegtheit‘, um etwas, das auf die Abwesenheit geistiger Regsamkeit, gar auf Dummheit hindeuten würde. Ein Gesicht hat immer einen Ausdruck! Die konstatierte Ausdruckslosigkeit bezieht sich viel eher auf die Unmöglichkeit der Betrachtenden, den Seelenzustand, die Gemütsverfassung bestimmen zu können – eine Unmöglichkeit, die die Herrschenden der Frühen Neuzeit bei zeremoniellen und anderen sozialen Anlässen oder der Künstler im Porträt offenbar absichtlich erzeugten. Warum dieser Widerstand gegen den Ausdruck? Zum einen entspricht der ‚Nullpunkt‘ an Bewegung in den Gesichtszügen dem Idealbild von Macht in der griechisch-römischen Antike, von dem sowohl Texte wie auch Porträts zeugen: der gravitas. Das bedeutet, dass sich der Herrscher seiner Verantwortung vollauf bewusst ist, sein Arbeiten im Inneren stattfindet, ein Denken ist, das dem ganzen Land zum Vorteil gereicht. Dies korrespondiert mit einem patriarchalischen Konzept der Macht, das gravitas zugleich mit severitas, aber auch mit dignitas, auctoritas und honor verbindet: Begriffe, die innerhalb der westlichen Tradition so wichtig sind, dass sie direkte Übertragungen ins Italienische, ins Französische und sogar ins Englische erhalten haben. Abzulesen sind diese Eigenschaften schon dem Bildnis Johanns des Guten, das als das erste gemalte, autonome Porträt eines Königs von Frankreich gilt (Abb. 1). Aber kann jede Haltung und jeder Ausdruck in eindeutiger Weise interpretiert werden? Was ist mit dem offenen Mund Rudolfs IV . von Österreich? Ist er 420

y. Ausdruckslosigkeit

Abb. 1: Anonym: Jean II le Bon, ca. 1350, Öl auf Leinwand (Paris, Musée du Louvre).

wirklich so geöffnet porträtiert worden oder doch als Darstellungskonvention zu verstehen? Der geschlossene Mund hat den Vorteil, sowohl neutral (als ‚normale Haltung‘) wie auch positiv konnotiert zu sein (als ‚ernstes Gesicht‘). Ausdruckslosigkeit ist Teil der Definition des guten Herrschers, weil sie die Beherrschung, die er über seine eigene Physis besitzt, für Analogien verfügbar macht. Je suis maître de moi comme de l’univers („Ich bin Meister meiner selbst wie des Universums“), sagt etwa Augustus in Corneilles Cinna.1 Die Entsprechung wird umso relevanter in einem politischen System, in dem Herrscher seit der Renaissance sich zunehmend nach ‚absolutistischen‘ Kategorien definieren: nach dem Modell dieses sagenumwobenen römischen Kaisers, der die Welt beherrschte. Als Feind wird dagegen verstanden, was der Natur verbunden ist: alle Leidenschaften, die der Mensch mit den Tieren teilt (und die es wie das Pferd einer Reiterstatue zu bändigen gilt). Dagegen folgen gemäß dieser patriarchalen Logik die Kinder und die Frauen uneingeschränkt ihren Emotionen und Passionen. Bis zu zwanzig ‚Leidenschaften der Seele‘, wie sie Charles Le 421

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Brun dann zu kanonisieren versuchte, waren bekannt, die sich in aktiven (lustvollen, mit Begierden verbundenen) und passiven Körperhaltungen (jähzornigen, Reaktionen auf bestimmte Situationen) manifestieren.2 Sie nicht zu zeigen, ist das Resultat eines (guten) Kampfes mit sich selbst. Oder wenn zu zeigen, dann immerhin nur positive und nicht zu intensive Leidenschaften, wie das Lächeln im Gesicht Heinrichs IV . in zahlreichen seiner Porträts. Ausdruckslosigkeit entspricht nach dieser Vorstellung dem idealen Bild des Menschen. Und eine solche Idealisierung ist wesentlicher Teil der westlichen Porträttradition zumindest seit den römischen Kaisern.3 Sie fügt sich zur Idee, wonach der Körper des Herrschers mit einer beständigen, idealen Form verknüpft ist, die nach dem platonischem Modell der Neuplatonismus systematisch wiederbelebt hatte. Die Schönheit des Königs, die nach dem Prinzip des kalos kagathos eine Entsprechung zwischen physischer Schönheit und den Eigenschaften des Geistes herstellt, partizipiert an einer solchen Definition. Würde der Herrscher mit etwas Konkretem verbunden, wäre er einem bestimmten ‚Menschentyp‘ zugeordnet – er muss jedoch über diesen Klassifikationen stehen. Die Forderung nach dem Idealen musste sich teils spannungsreich mit den Besonderheiten der realen Gesichtszüge arrangieren: So konnte etwa der Prognathismus der Habsburger zum Ausweis einer dauerhaften kollektiven Identität überhöht werden. Doch der vielleicht wichtigste Grund für das programmatische Fehlen eines Gesichtsausdrucks dürfte die höfische Kultur des Geheimnisses gewesen sein. Sehr schnell entwickelte sich die Kunst der dissimulatio (Verstellung, Verheimlichung), als das höfische ‚Spiel‘ dahingehend lautete, das eigene Denken möglichst zu verbergen und gleichzeitig in Erfahrung zu bringen, was die anderen Höflinge beabsichtigten, um sie dann umso wirkungsvoller daran hindern zu können, das zu erlangen, worum es bei alledem ging: die Gunst des Herrschers. Eine Maske zu tragen, wie es viele während sozialer Ereignisse taten, war eine Lösung. Die andere bestand darin, ein Gesicht zu zeigen, das keinerlei Gemütsregungen verriet oder ausschließlich regelkonforme. Wie weit diese obligatorische Geheimhaltung getrieben werden konnte, lehrt der Fall des jungen Ludwig XIV .4 Die Abwesenheit eines spezifischen Ausdrucks betraf nicht nur das Gesicht, sondern kann auf den gesamten Körper des Herrschers übertragen werden. Sie läßt sich als Ausläufer jener älteren Strategien des vollständigen Verbergens des Herrscherkörpers verstehen, die viele Kulturen, so etwa die muslimische, ausgeprägt haben. Trat hier der Herrscher kaum in Erscheinung, so war er in der hier behandelten Zeitspanne höfischer Kultur sichtbar. Gleichwohl bleibt der Körper selbst weitgehend verborgen. Zum einen durch eine Rüstung, die den tatsächlichen Körper mit einer Art ‚Hyper-Ausdruckshaftigkeit‘ umkleidet (sind viele Rüstungen gerade in der 422

y. Ausdruckslosigkeit

Renaissance doch ungeheuer reich und vielfältig ornamentiert). Zum anderen verbarg auch die profane ‚Alltagskleidung‘ den tatsächlichen Körper, was nicht zuletzt dem Siegeszug der spanischen Mode zuzuschreiben ist, die den Körper in ein regelrechtes Korsett schnürte. Ein noch reicheres Spiel der Verkleidung wurde im portrait historié inszeniert,5 in dem der Ausdruck – falls es einen gibt – nicht mit der Person des Königs, sondern mit der Figur verbunden wird, in deren Gestalt er geschlüpft ist (z. B. Herkules, einer der Heiligen Drei Könige usw.). Ausdruck, Leidenschaft und Bewegung waren dann spätestens seit Diderots Salon von 1767 explizit miteinander verknüpft.6 Dies entsprach allerdings nicht den Richtlinien, die von einem neuen Paradigma der Frühen Neuzeit aufgestellt wurde: dem öffentlichen Personen-Denkmal, das einen beträchtlichen Einfluss auf die verschiedenen Repräsentationsformen des Herrschers ausübte.

Ausdruckslosigkeit und Monumentalität Wichtigster Ausgangspunkt dieser Repräsentationsform ist die Münze bzw. Medaille, die über Jahrhunderte als „kleines Denkmal“ bezeichnet wurde. Bewegungen des Gesichts wie des Körpers sind in diesen Medien verboten. Die Wahl des strengen Profils führt zu einer Fixierung der Gesichtszüge; die Büste – die dominierende Weise, den Körper zu zeigen – vermeidet Bewegung. Die Zeit-Enthobenheit der dargestellten Figur muss zur Temporalität des Objektes selbst passen, das durch Material und Form Ewigkeitsanspruch erhebt. Tatsächlich kann das Porträt sowohl lebende wie auch tote Personen repräsentieren – für alle gilt die gleiche Immobilität. Dabei bedient die Ausdruckslosigkeit auch noch eine andere Komponente der westlichen Tradition: nicht nur die ideale, antike Schönheit, sondern auch die christliche Forderung nach Einfachheit. Die grundlegenden Traktate der Gegenreformation, die Texte eines Paleotti, Molanus oder Borromeo zeigen deutlich, für wie problematisch die öffentliche Repräsentation des Herrschers zu Lebzeiten in moralischer Hinsicht gehalten wurde. Die allgemeine Tendenz ging daher zu mehr und mehr Einfachheit. Ein gutes Beispiel hierfür ist Falconets Reiterstatue Peters des Großen in Sankt Petersburg mit ihrer schlichten Inschrift – „Petro I Catherina II “. Ausdruckslosigkeit muss zudem im Kontext des politischen Einsatzes von Ähnlichkeit (similitudo) begriffen werden, zumal im Hinblick auf die Verwendung von Porträts im diplomatischen Gabenverkehr. Das dargestellte Konterfei musste stillgestellt sein, damit insbesondere bei der Anbahnung von Hochzeiten der zukünftige Bräutigam oder die zukünftige Braut eine wirkliche Vorstellung vom avisierten Ehepartner bekommen konnte. ‚Ähnlichkeit‘ ist hier dem (momentanen) ‚Aus423

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Abb. 2: Claude-François Ménestrier: Le Temple de la Gloire, Kupferstich, Paris 1699 (Bibliothèque nationale de France, département Estampes et photographie).

druck‘ geradezu entgegengesetzt. Deshalb läßt sich konstatieren, dass auch ohne einen das Gesicht oder den Körper betreffenden spezifischen Ausdruck eine Art der Beurteilung mit dieser ‚reinen‘ Form von Repräsentation des Herrscherkörpers verbunden ist. Daher ließe sich in der Tat mit Andreas Köstler sogar überlegen, ob ein öffentliches Denkmal nicht ausschließlich Bestätigung des Herrschenden, sondern zugleich auch der Beginn seiner Schwäche ist, weil es ihn der Beurteilung aussetzt – einer Beurteilung, die auf dem Blick bzw. den Blicken der Untertanen beruht.7 Allerdings wird der Körper des Königs im Falle öffentlicher Monumente gar nicht unkontrolliert sichtbar präsentiert. Es entsteht vielmehr ein Spiel mit dem, was als ein wichtiges Charakteristikum solcher Denkmäler definiert werden kann: Distanz. Die spezifischen Merkmale des Königs erscheinen nun gar nicht mehr so wichtig. Dabei gibt es verschiedene Techniken der ‚Entrückung‘, die die Distanz noch erheblich steigern. Dies zeigt das Beispiel von Claude-François Ménestrier, der für Ludwig XIV . im Jahr 1699 in der Seine einen „Ruhmestempel“ errichten ließ, der zentral eine Kopie der gerade fertiggestellten Reiterstatue auf der Place Ven424

y. Ausdruckslosigkeit

Abb. 3: Rowland Lockey nach Hans Holbein d. J.: Porträt der Familie von Sir Thomas More, 1592 [Holbeins Original von ca. 1527], Öl auf Leinwand (Yorkshire, Nostell Priory).

dôme zeigte (Abb. 2). Distanz und Betrachterstandpunkt sind hier entscheidend. Die Vielfalt möglicher Blickachsen ist dergestalt, dass von dem Ausdruck der Statue nicht sinnvoll gesprochen werden kann, sondern eher von einer Vielzahl der Ansichten, die der Figur diesen oder jenen Aspekt verleiht (ähnlich den vielfältigen Tribünen und Podien, die den Thron und damit zugleich das Moment der Beherrschung unterstützen). Dies erinnert an den Umstand, dass die Ausdruckslosigkeit der dargestellten Person und ihrer Blicke immer auch im Zusammenhang mit den Blicken der Betrachtenden zu verstehen ist. Es geht um das Wechselspiel der Blicke, das als solches ebenfalls nicht als expressiv beschrieben werden kann, weil die Blicke nur auf mögliche Bedeutungen hin korrespondieren. So dominieren zum Beispiel zwei Arten des Blickes im Porträt der Frühen Neuzeit – der unbestimmte Blick aus dem Gemälde heraus und der Blick auf den Betrachter. Es lässt sich sagen, dass in Frankreich im 16. Jahrhundert – bereits in der Porträtproduktion eines Jean Clouet – eine Verschiebung vom ersten zum zweiten Typ stattfindet, die dann im Folgenden bestimmend wird. 425

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Auf den Betrachter zu blicken ist dabei der beste Weg, sich zu verbergen, erscheint der Betrachtete doch nicht als bloß passives Objekt, sondern seinerseits als aktiv blickendes Subjekt. Schließlich verhindert noch ein letztes Merkmal der Repräsentation von Herrschern den direkten Gebrauch körperlichen Ausdrucks: die Pluralität der Figuren. Holbeins Porträt der Familie des Thomas Morus (Abb. 3) etwa zeigt so zahlreiche Objekte und Figuren von Interesse in einer Weise, dass die Beziehungen zwischen den Figuren wichtiger erscheinen als die Figuren selbst. Diese Pluralität der Figuren scheint aus Denkmälern verbannt. Wenn Delamair eine solche Pluralität vorschlägt, etliche Könige Frankreichs vereinend, sagt er gleich, dass er wisse, dass die meisten Menschen an das Grabmal als dem einzigen Typus eines Monumentes denken, bei dem eine solche Pluralität erlaubt ist.8 Ein weiterer Typus, der diese Pluralität zulässt, ist die Gallerie, also eine Ansammlung von Porträts gleicher Größe, aber auch hier ist die Unterscheidung durch körperlichen Ausdruck verboten, weil die Dargestellten passiv sein müssen für die Betrachtung und die geforderte Integration in einen Diskurs über ihre Beziehung untereinander (die Ahnen, berühmte Menschen aus aller Welt etc.). Unter diesen Bedingungen ist der Ausdruck des Modells sehr oft durch einen unscharfen und eher globalen Effekt ersetzt: den Eindruck, der tatsächlich ein Ausdruck nicht auf der Ebene des Körpers, sondern eines sozialen Ereignisses oder der Repräsentation ist.

Ausdruckslosigkeit versus Eindruck Die primäre Modalität des Eindrucks ist zugleich seine einfachste: Gegenwärtigkeit. Auch ohne räumliche Strategien des Beherrschens erzeugt die bloße Tatsache, dass der König ‚da‘ ist – in seinen Repräsentationen – einen Effekt oder dieser wird zumindest vorausgesetzt. Louis Marin entwickelte seine Theorie der „Macht“ anhand des Effektes der „Zurückhaltung“: Gerade dadurch, dass der Potentat seine Macht oder Gewalt nicht zeigt, imponiert er.9 Daher auch die Nähe zum Sublimen: Man kann nicht genau sagen, was wirklich vor sich geht. Der außerordentlich hohe Rang des Königs innerhalb der politischen Ordnung verbindet sich mit dem denkbar höchsten Maß an Komplexität in der Repräsentation, wie etwa in Velazquez’ Las Meninas (siehe Abb. 6 im Beitrag von Matthias Müller zu „Anschauen und Wegschauen“). Eine solche Art der Repräsentation referiert auf den Topos, wonach dem der König oder Kaiser so groß(artig) ist, dass er gar nicht adäquat repräsentiert werden kann – der Versuch aber dennoch unternommen werden muss.10 Es wird einfacher am Ende des hier interessierenden Zeitraums, als die Könige zu bloßen Individuen wurden. So 426

y. Ausdruckslosigkeit

Abb. 4a und 4b: Links: Joseph-Siffred Duplessis: Ludwig XVI., um 1775, Öl auf Leinwand ­( Versailles, Musée national du château), rechts: Werkstatt von Joseph-Siffred Duplessis: Ludwig XVI., um 1777, Öl auf Leinwand (Moskau, Pushkin Museum).

ist in Duplessis’ Porträt Ludwigs XVI . (Abb. 4b) dieser ohne jeden Effekt des Sublimen wiedergegeben, auch nach dem neuen Register, das Peter Burke definierte und mit Schrecken assoziierte: Der König tritt nurmehr als eine artige Gestalt aus der Mittelklasse auf. Hinzu kommt eine – im Laufe des 18. Jahrhunderts dann besonders offensichtliche – Entwicklung, wonach die gute Darstellung des Fürsten und sogar sein bestmöglicher Ausdruck durch den Eindruck (oder Eindrücke) erreicht wird. Da ist einerseits der Eindruck, den der Maler vor seinem Modell empfindet, im Zuge der Porträtsitzung. Zum anderen der Eindruck, der im Betrachter entsteht.11 Er kann erreicht werden in scheinbar nebensächlichen Teilen des Körpers, etwa den Tränensäcken Karls VII . bei Jean Fouquet. In positiver Hinsicht können bestimmte Teile des Körpers für eine Erotisierung der Repräsentation sorgen, wie das berühmte Bein Ludwigs XIV . in Hyacinthe Rigauds Porträt von 1701 (siehe Abb. 9b im Beitrag von Jörge Bellin zu „Geboren werden/Kind sein“). Der Haupteffekt jedoch wurde durch die Entwicklung einer immer komplexeren Beziehung zwischen zwei Kräften erzeugt: der politischen Macht des Königs und dem, was als ‚künstlerische Macht‘ bezeichnet werden kann, der Macht des Künstlers. Diese taucht sehr schnell in der 427

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westlichen Tradition auf: Alexander der Große, der Apelles seinen auf den Boden gefallenen Pinsel aufhebt. Watelet setzt in seiner Encyclopédie ‚Ausdruck‘ und ‚Nachahmung‘ einander entgegen. Während erstere sich auf Handlungen und Leidenschaften bezieht, umfasst zweitere Formen und Farben.12 Nachahmung meint hier die Idee, die Welt so zu zeigen, wie sie ist – wie sie nach Gesetzen geordnet ist. Tatsächlich eine künstlerische Version der Ordnung, die mit der Macht verbunden ist. Man könnte hierbei an Walter Benjamins paradoxes Konzept des „Ausdruckslosen“ als der reinsten Erscheinungsform der Kunst denken. Er betont den Umstand, dass das gewöhnliche Verhältnis zur Welt über das Register des pathos, der Gefühle und Eindrücke stattfindet. Etwas in der Repräsentation, das sich der Logik der Integration in dieses emotionale Netzwerk widersetzt, ist künstlerisch. Wie Ottilie in Goethes Wahlverwandtschaften, diese schöne und stille Frau, wäre der Fürst derjenige, der nicht in die Welt der Kommunikation integriert ist, in die Welt, in die hinein die künstlerische Dimension sich selbst verliert. Eine solche Figur widersetzt sich der Erzählung – wie es im Kontext der Entwicklung des Drucks während der Renaissance, aber auch immer mehr, dank der Geburt der Presse und – im 17. und vor allem im 18. Jahrhundert – der Entstehung einer öffentlichen Meinung, die Figur des Fürsten ist, die sich der vielfältigen Diskurse erwehren muss, die um sie produziert werden. Unterschiedliche Strategien: Im Frankreich des 18. Jahrhunderts, wo ganz verschiedene autonome Genres akzeptiert waren, konnten der Künstler Duplessis und dessen Werkstatt einerseits ein Staatsporträt von Ludwig XVI . mit einer sehr ausdrucksstarken Geste und nach diesem ein relativ intimes schaffen, das auf Ausdruck weitgehend verzichtet (Abb. 4a und 4b). In Spanien hat Goya freie Hand, die Familie Karls IV . in einer erstaunlich ‚natürlichen‘ Weise zu malen, dank der sichtbaren Pinselstriche und der linkisch-unvorteilhaften Gesichtsausdrücke – die gar keine Gesichtsausdrücke sein sollen, sondern nur seltsame Arten, ein Gesicht zu malen (siehe Abb. 2 im Beitrag von Ariane Koller zu „Schön und hässlich sein“). Was hier aufscheint, ist die Grundlage dessen, was der Repräsentation des Königs oder dem König in seiner Repräsentation (während gesellschaftlicher Ereignisse) seine Stärke (seine „Macht“) verleiht: die Tautologie. Der König ist der König, ohne jeden Bezug auf irgendeine Form der Legitimierung. Das Porträt Caesars ist Caesar, sagt die Logique de Port-Royal.13 Und kann es nur dann sein, wenn es keine vorübergehende Verwandlung des Königs durch Gesichts- oder körperlichen Ausdruck gibt – durch Monumentalisierung, durch Eindrücke. Es geht dabei aber nicht so sehr um die Logik der „Zurückhaltung“, nicht darum, mit dem Betrachter/Subjekt eine Rarität zu erschaffen, die durch das Mysterium des fehlenden klaren Ausdrucks entsteht: Es ist vielmehr auch eine Möglichkeit, so zu tun, als gäbe es ein solches Interesse an der Repräsentation des Königs, dass er vor diesem Interesse geschützt werden 428

y. Ausdruckslosigkeit

muss, indem in ihm die Geheimnisse des Staates, die Allgemeinheit des Gesetzes, die Gewalt der tatsächlichen Macht bewahrt werden. Die Aufmerksamkeit für die Repräsentationen basiert auf dem, was offensichtlich sein soll: dem Interesse für den Herrscher. Es kommt jedoch vor, dass es nicht so offensichtlich ist – das Bild von jemandem, der keinerlei Eindruck mehr macht, selbst wenn er auf jeglichen Ausdruck verzichtet. Übersetzt aus dem Englischen von Jörge Bellin Auswahlbibliographie

Hans Belting: Faces. Eine Geschichte des Gesichts, München 2013. Yann Lignereux: Le roi imaginaire. Une histoire visuelle de la monarchie de Charles VIII à Louis XIV, Rennes 2016. Louis Marin/Paul Veyne: Propagande expression roi, image idole oracle, Paris 2011. Friedrich Polleross: Das sakrale Identifikationporträt. Ein höfischer Bildtypus vom 13. bis zum 20 Jahrhundert, Worms 1988. Edouard Pommier: Théories du portrait. De la Renaissance aux Lumières, Paris 1998. Perez Stanis: Le Corps du Roi. Incarner l’Etat de Philippe-Auguste à Louis-Philippe, Paris 2018.

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Anmerkungen 1  Pierre Corneille: Cinna ou La clémence d’Auguste, Paris 1640, V, 3. 2 Charles Le Brun: Expressions des passions de l’ âme. Représentées en plusieurs testes gravées d’après les desseins dr feu Monsieur Le Brun, premier peintre du Roy, Paris 1727 (mit Stichen von Jean Audran). 3  Vgl. dazu etwa Edouard Pommier: Théories du portrait. De la Renaissance aux Lumières, Paris 1998. 4  „[…] maintes gens redoutent que dans ses années adultes ne s’insinue dans son esprit, à travers le feu des pensées sombres, la réserve ou la cruauté, l’une et l’autre abhorrées par la nation.“ So Giovan Battista Nani im Jahr 1648, zit. nach Stanis Pérez: Les rides d’Apollon: l’ évolution des portraits de Louis XIV, in: Revue d’ histoire moderne et contemporaine, Nr. 50/3 (2003), 62–95, hier 69, Fußnote 27. 5  Vgl. Friedrich Polleroß: Das sakrale Identifikationporträt. Ein höfischer Bildtypus vom 13. bis zum 20 Jahrhundert, Worms 1988. 6  Er erwähnt eine Figur „au-dedans du temple“, die „de l’expression, de la passion, du movement“ hatte. Siehe Denis Diderot: Salons III Ruines et paysages. Salon de 1767, hg. von Else Marie Bukdahl, Paris 2004, 39. 7  Vgl. Andreas Köstler: Place royale. Metamorphosen einer kritischen Form des Absolutismus, München 2003.

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Pierre-Alexis Delamair: La pure vérité. Ouvrage d’architecture en forme de requeste au Roy pour Pierre Alexis Delamair architecte à Paris contre les srs prévost des marchands et Echevins de la Ville de Paris divisée en trois parties, Paris: Bibliothèque de l’Arsenal, ms. 3054, 182–183. 9  Louis Marin: Portrait of the king, transl. from the French by Martha M. Houle, Minneapolis 1988. 10  Vgl. dazu etwa Hannah Baader: André Félibien: Das Porträt eines Porträts. Le Portrait du Roy (1663), in: Rudolf Preimesberger/Hannah Baader/ Nicola Suthor (Hg.): Porträt, Berlin 1999, 356–368. 11  Claude-Henri Watelet: Art. „expression“, in: Encyclopédie, Paris 1751–1772 : „[…] l’artiste observateur attaché à examiner ces différens rapports, pourra, dans les mouvemens du corps, suivre les impressions de l’âme. C’est-là l’étude que doit faire le peintre qui aspire à la partie de l’expression“. 12 Ebd. 13  Antoine Arnauld/Pierre Nicole: Logic, or the Art of Thinking: Being the Port-Royal Logic, trans. from French and with an introduction by Thomas Spencer Baynes, Edinburgh 1850, Chap. XIV : Of Propositions in which the Name of Things is given to Signs, hier 154 f. 8 

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Altern und Sterben sind überzeitliche, unhintergehbare Bestandteile der conditio humana. Im Gegensatz zur Geburt1 stellen sie vor allem Phasen dar, die vom Einzelnen in vielen Fällen bewusst erfahren werden und diesen sowohl auf sein individuelles Ergehen als auch auf seine Existenz als Teil eines gemeinschaftlichen Ganzen verweisen. Um wie viel mehr aber bedeutet das Altern und Sterben jenes Individuums, das in einer hierarchisch geordneten Gesellschaft deren Spitze repräsentiert – eine schwerwiegende Herausforderung für die unterschiedlichen sozialen Strata, die in spezifischen Ritualen aufgefangen werden muss. Kantorowicz’ Konzept der „zwei Körper des Königs“ – eines natürlichen Körpers, der sterblich ist (body natural), und eines unsterblichen staatstheoretischen Körpers (body politic) – ist für das Verständnis des vormodernen Herrschertods von essentieller Bedeutung.2 Problematisiert, ergänzt und erweitert wurde sein Theorem durch die Frage nach der Sakralisierung des ‚Staatskörpers‘ bzw. eine hierdurch legitimierte Erweiterung auf eine „DreiKörper-Theorie“,3 die insbesondere für die Frage nach der Existenz einer politischen Ikonographie relevant ist: Die Umsetzung der Zwei-Körper-Lehre in spezifische Bildformeln führt demnach zur Herausbildung eines dritten, eigenständigen „Zeichenkörpers“.4 Dies wird zum Beispiel dann deutlich, wenn im Medium Bild die zeitgleiche Teilung des body politic durch zwei „natürliche Körper“ veranschaulicht wird, die von Kantorowicz postulierte Überzeitlichkeit und Überpersonalität des Herrscherkörpers also nicht bloße staatstheoretische Metapher bleibt, sondern tatsächlich in der Visualisierung eine sinnfällige, ja greifbare politische Realität erhält. So ist es im Bildmedium beispielsweise möglich, die Übertragung des politischen Körpers in direkter Verbindung zu Nachfolgerin oder Nachfolger perpetuierend zu visualisieren, wie etwa im propagandistisch-antipäpstlichen Gemälde des sterbenden, aber vom Totenbett aus noch aktiv handelnden Heinrich VIII ., der am 28. Januar 1547 in Whitehall verstarb und im Gemälde mit ausgestrecktem Zeigefinger auf seinen in der Bildmitte platzierten und von Ratsmitgliedern – etwa dem Lord Protector und dem Grafen von Somerset – umgebenen Sohn Edward VI . weist (Abb. 1). Den Kampf gegen das Papsttum überträgt Heinrich somit noch in seinen letzten Stunden an seinen zu diesem Zeitpunkt neunjährigen Sohn, während am unteren Bildrand der Papst zu 431

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Abb.1: Anonymer Künstler: König Edward VI., Heinrich VIII. auf dem Totenbett und der Papst. Allegorie der Reformation, um 1575 oder früher, Öl auf Leinwand (London, National Portrait Gallery).

Füßen des jungen Königs gezeigt wird. Offenbar hat dieser einen schweren Schlag auf den Schädel mit einer aufgeschlagenen Bibel erhalten, in der zu lesen ist „Das Wort des Herrn währt ewig“, während auf seiner Brust ALL FLESHE IS GRASSE („Der Körper ist vergänglich“) nach Jesaja 40,6 prangt.5 Während das Papsttum somit endlich ist, erweist sich die protestantische Königsherrschaft als überzeitliches und überindividuelles Phänomen. Zeitübergreifend ist der vormoderne europäische Altersdiskurs seit der Antike von einer Bipolarität zwischen Herabsetzung und Wertschätzung des oder der Alternden gekennzeichnet. Platons Schriften sind dem Alterslob zuzurechnen, da in ihnen philosophisches Verständnis und in diesem Zusammenhang auch Machtausübung sowie politisches Handeln allgemein eng mit Lebenserfahrung verknüpft werden.6 Auch die Schriften des Aristoteles wenden sich an den älteren Leser, der ethisch-moralische Wertvorstellungen und politische Dimensionen just erst durch seine Reife richtig zu erfassen und nach diesen zu entscheiden vermag. Andererseits verschweigt Aristoteles nicht die moralisch problematischen und gesellschaftlich negativen Alterserschei432

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nungen wie etwa Geiz, Selbstsucht oder Schamlosigkeit. Cicero wiederum hat in seinem fiktiven Dialog Cato maior de senectute die letzte Lebensphase gewürdigt und als Zeitraum der Vervollkommnung des eigenen Selbst bzw. der Selbstbeherrschung stilisiert.7 Mit dem Schwinden der körperlichen Kraft und Attraktivität werden geistige Kräfte mobilisiert, was das Lernen begünstigt. Im christlich geprägten europäischen Mittelalter werden die Altersgebrechen, etwa bei Augustinus und in dessen Nachfolge, einerseits mit dem Sündenfall in Relation gesetzt, andererseits aber auch im Sinne der imitatio Christi zu einer willkommenen Leidensübung stilisiert. 8 Die schon bei Avicenna im 12. Jahrhundert beschriebene Konsistenz des alten Körpers als kalt und ausgetrocknet lebt noch in der Frühen Neuzeit fort, jedoch finden sich parallel bereits Momente der beginnenden Säkularisierung und Naturalisierung, die den Alterungsprozess wissenschaftlich ausdeutbar machen wollen; gleichzeitig propagieren Zäsuren wie die Reformation eine Erneuerungs- und Abkehrbewegung vom Alten. Giambattista Vico hingegen parallelisiert körperliche Entwicklungen mit Kulturstadien, die geistige Reife entspricht danach der Gegenwart und nicht etwa dem zukünftigen Alter.9 Statistisch gesehen erreichte der frühneuzeitliche Mensch Europas, wenn er die Kindheit und frühe Jugend gesund überstanden hatte, ein Lebensalter von fünfzig Jahren. Das Problem der Gerontokomie („Altersfürsorge“) – wobei zu bedenken ist, dass primär der männliche Körper im Fokus stand und das Bild weiblicher Pathologie unscharf blieb – beschäftigte so eine Reihe von Humanisten und Ärzten und beinhaltete Traktate zur Lebensverlängerung sowie Texte zur Erhaltung der Agilität auch im Alter. Die Gerontocomia des Genueser Arztes Gabriele Zerbi gilt als erste zusammenfassende Abhandlung über die Geriatrie und gibt auch Hinweise für Pflegende.10 Die heute bekannten primären Alterskrankheiten stehen in diesen Texten weniger im Zentrum als beispielsweise der Hinweis auf das häufigere Auftreten von bestimmten Leiden des Verdauungstrakts. Seit dem 17. Jahrhundert werden die Möglichkeiten einer gezielten Therapie zur Verjüngung immer skeptischer eingeschätzt. Ebenfalls im 17. Jahrhundert waren sich die Ärzte hinsichtlich der Frage uneinig, ob entsprechend der Säftelehre der alte Körper tatsächlich als blutarm zu gelten hat oder ob nicht das genaue Gegenteil zutraf. Konkret zog das die Frage nach sich, inwieweit Aderlass, Geschlechtsverkehr oder ein diätetisches Maßhalten sinnvoll oder schädigend auf den alternden Körper wirken konnten. Die Frage, ab wann eine Person als ‚alt‘ kategorisiert wurde, hing mit der Eingruppierung in bestimmte Lebensphasen zusammen, deren Schematisierungen seit der Antike existierten. Visualisiert wurden diese Phasen entweder in Kreis-Form (Rad der Fortuna) oder seit der Renaissance treppenförmig angeordnet. Unterschieden wurde entweder in der Dreizahl, die im Mittelalter oftmals den Heiligen Drei Köni433

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Abb. 2: Niederländisch (?): Altersporträt Karls V., Kameo, Onyx (weiß auf schwarz), Fassung: Gold, Email, 4 Rubine, Inschrift rückseitig: PLVS VLTRA, um 1556/58 sowie Fassung nach 1560 (Wien, Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer).

gen zugeordnet wurde, der Vierzahl (Viersäftelehre, Jahreszeiten, Weltalter, Propheten, Temperamente), der Sechszahl (Weltalter, Werke der Barmherzigkeit) oder auch der Zehnzahl, die sich erst im Spätmittelalter findet und etwa im Psalter des Robert de Lisle um 1339 zur Anwendung kommt.11 In einem Hieronymitenkloster im spanischen Yuste, das er zu seinem Alterssitz hatte umbauen lassen, starb Kaiser Karl V. im September 1558, nachdem er erst im Februar des vorherigen Jahres in Spanien angekommen war. Zu diesem Zeitpunkt sei er bereits „vorzeitig gealtert“ gewesen und habe an Gicht gelitten, sodass er in einer Sänfte getragen werden musste.12 Die letztliche Todesursache des 58-Jährigen wird schließlich mit einem Malariaanfall in Verbindung gebracht. Ein aus einem weiß auf schwarzen Onyx bestehender Kameo wird in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien aufbewahrt und um 1555 datiert, während die aus Gold, Email und Rubinen bestehende Fassung erst 1560 hinzugefügt wurde (Abb. 2). Der hier im Profil nach rechts gezeigte Kaiser trägt ein Wams sowie den Orden des Goldenen Vlieses und reiht sich in eine Gruppe von Altersmedaillen Karls V. ein.13 Halbkreisförmig angeordnete Fältchen zieren die Augenpartie, während tiefe Tränensäcke die Augen unterfangen, der Mund ist geöffnet und wirkt zahnlos, während ein lan434

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ger Bart, länger als bei den früheren Medaillons, das Profil ergänzt. Das vielzitierte „Altersbild“ Karls V. entspricht somit der für den frühneuzeitlichen Mann geltenden statistisch durchschnittlichen Lebenserwartung.14 Körperlich eingeschränkt präsentiert sich dagegen Kurfürst August von Sachsen in einem von Cyriacus Reder gemalten Porträt im Jahr 1586, wie uns auch die Inschrift mitteilt.15 Am 11. Februar des Jahres 1586 verstarb August noch nicht ganz sechzigjährig, nachdem er sich am 3. Januar zum zweiten Mal mit der sehr jungen Fürstin Agnes Hedwig von Anhalt vermählt hatte. Der Kurfürst wendet sich auf dem Gemälde nach rechts und stützt sich statt auf einen Gehstock auf eine mit goldschimmernden Beschlägen verzierte Streithacke. Solche Streithacken entwickelten sich in Ungarn von einer militärischen Gebrauchswaffe zu einem Statussymbol und fürstlichen Würdezeichen. Daraus resultierend wurden diese Waffen in Sachsen als „ungarische Hacken“ bezeichnet. Über einem Wams aus weißer, goldgestreifter Seide mit kleinen goldenen Knöpfen und der reich bestickten kurzen Hose trägt der Kurfürst einen kaftanähnlichen Mantel ohne Ärmel. Hals- und Handgelenkkrausen, Fingerringe und eine goldene Kette mit einer Bildnismedaille ergänzen seine Erscheinung. Bei der Medaille handelt es sich um ein Geschenk des Brandenburger Kurfürsten Johann Georg an Kurfürst August; ein ähnliches Geschenk hatte August auch seinem Freund gemacht. Der Gabentausch fand vermutlich im Rahmen der Hochzeit ihrer beiden Kinder, Herzog Christian von Sachsen und Herzogin Sophia von Brandenburg, im Jahr 1582 statt. Das Totenbild des Kurfürsten August und die Beschreibung des Begräbnisses verraten, dass diesem die Medaille des Brandenburgers ebenso wie die Streithacke mit ins Grab gegeben wurde. Das Altersbildnis in aufwendigem Rahmen mit dem Kurwappen und vierzehn Provinzwappen ist erstmals im Kunstkammerinventar von 1595 genannt. Die körperliche Kraft (corps robuste et admirablement conformé) Ludwigs XIV . (1638–1715) wurde von den Biographen stets betont, auch dass er über zwei Jahrzehnte ein herausragender Tänzer gewesen sei.16 Die immer wieder betonte Virilität, die dem Sonnenkönig nachgesagt wurde, stand im Gegensatz zu seinen ebenso gut dokumentierten Gebrechen: der ersten Typhuserkrankung als junger Mann sowie den andauernden Kieferbeschwerden und Fisteln. Bereits mit zwanzig Jahren hatte er seine Haare verloren und trug danach seine aufwendigen, immer höher aufgerichteten Perücken, nach deren Veränderungen sich auch die Porträts datieren lassen. Von Antoine Benoist stammt eine Kupferarbeit, die in zehn Miniaturen den Sonnenkönig vom Fünfjährigen bis hin zum Greis zeigt und Portraits de Louis Le Grand suivant ses ages betitelt ist (Abb. 3). Ganz oben ist Ludwig im 59. Lebensjahr und mit hochtoupierter Perücke dargestellt. Im Gegensatz zu diesem Baummodell mit dem Alter an höchster Stelle wurde der ‚Wendepunkt‘ zum ‚Niedergang‘ des Königs präzise auf das 435

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Abb. 3: Antoine Benoist: Porträts Ludwigs XIV. in unterschiedlichen Lebensaltern, um 1704, Miniaturen auf Kupfer (Edinburgh, National ­Galleries of Scotland).

Jahr 1687 datiert.17 Durch die wiederkehrenden Fisteln und die Gichtanfälle war seit diesem Jahr die Bewegungsfreiheit des Königs nachdrücklich eingeschränkt, er war beständig müde und regierte vielfach vom Bett aus. Seit dieser Zeit wurden auch die öffentlichen Bilder seines Körpers seltener bzw. perpetuierten nurmehr Vergangenes. Der Phase des Sterbens als eigentlicher Zwischen- oder Schwellenperiode zwischen Leben und Tod kommt in der Vormoderne eine zentrale Bedeutung zu. Nigel Llewellyn sieht für die Frühe Neuzeit folgerichtig das „dying“ als den Abschnitt an, der teilweise von der betroffenen Person aktiv mitgestaltet werden konnte, um die Begräbnisfeier und den Umgang mit dem eigenen Körper zu regeln.18 Die Betonung der Sterbephase ist auch damit begründbar, dass der unvorbereitete, plötzliche Tod als Strafe Gottes aufgefasst wurde, wohingegen über einen längeren Zeitraum und demütig ertragene Schmerzen die Glaubensstärke ausdrückten. Dies führte in den Funeraltexten zu teilweise sehr expliziten Beschreibungen der Krankheitsgeschichte.19 436

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Oftmals bebilderte Texte zur ars moriendi – der „Kunst des (guten) Sterbens“ – bilden eine der quantitativ wichtigsten Literaturgattungen des späten Mittelalters. Ursprünglich für junge Kleriker als praktische Ratgeber für die Seelsorge am Kranken- und Sterbebett gedacht, wurden die Texte zügig aus dem Lateinischen auch in die Volkssprachen übertragen und so auch den Laien direkt zugänglich gemacht, während die in fünf Bildpaaren (Versuchungen der Teufel gegenüber Eingebungen der Engel) und einem Schlussbild (selige Sterbestunde/Agonie) sortierten Illustrationen auch die illiterati ansprachen. Gerade dort, wo der Todkranke keine klerikale Unterstützung erhalten konnte, dienten die Werke als Vorbereitungsschrift auf die letzte Stunde. Die in der ars moriendi vorgegebene Chronologie und Praxis des guten Sterbens bewahrte den Sterbenden vor den Gewissensqualen, die der Teufel anwendete, um beim Sterbenden eine Glaubensverunsicherung auszulösen. Unzählige Werke befassten sich in der Frühen Neuzeit mit dem richtigen Sterben. Eines dieser Werke ist De la bonne mort von Robert Bellarmin, das 1700 in Paris gedruckt wurde und in dem der Autor die drei wesentlichen Pflichten des Sterbenden beschreibt: Seine Angelegenheiten durch ein Testament zu ordnen, die Sterbesakramente mit Hingabe zu empfangen und den letzten Versuchungen zu widerstehen. 20 Bereits 1656 war von Antoine Girard L’Idee d’une belle mort erschienen, in dem der ideale Sterbeprozess Ludwigs XIII . beschrieben und dann auch im Hinblick auf den Tod Ludwigs XIV . diskutiert wird. Bereits Jahre vor ihrem Tod beschreibt Kaiserin Maria Theresia in zahlreichen Briefen ihre Erkrankungen und Hoffnungslosigkeit und lässt testamentarisch verfügen, dass ihre Kinder, um deren Gefühle zu schonen, nicht an ihrer Beisetzung teilnehmen sollen – und revidierte ihre Verfügungen in regelmäßigen Abständen. Mit 63 Jahren, im kalten November des Jahres 1780, war sie durch eine Infektion so sehr geschwächt, dass ihr Leibarzt Störck dazu riet, die Sterbesakramente zu empfangen. Doch auch in ihren letzten Tagen bewies Maria Theresia Disziplin und Willensstärke: allein das starke temperament von Ihro Majst. und courage machten das […] sie wiederum auf stand und am 26. November noch an einem Souper mit zweihundert Gästen teilnahm, einen Tag, nachdem sie sich die Beichte hatte abnehmen lassen.21 Wiederum einen Tag später wurde das Sterben der Kaiserin öffentlich gemacht, Gebete in den Kirchen des gesamten Reiches angeordnet und in den drei folgenden Tagen ein nach damaligem Verständnis idealer Übergang in den Tod vollzogen. Maria Theresia betete laut mit, als man ihr die letzte Ölung spendete, sie regelte alle Details bis hin zu ihrer Bestattung und schlief wenig, um Gott bewusst gegenübertreten zu können. Theresiens lezter Tag, ein nach der Vorlage von Hieronymus Löschenkohl ausgeführter lavierter Kupferstich, fand weite Verbreitung (Abb. 4): Dargestellt ist das Sterbezimmer mit der Kaiserin, ihren Kindern und Höflingen und das Blatt mit 437

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Abb. 4: Johann Hieronymus Löschenkohl: Maria Theresias letzter Tag, 1781, lavierter Kupferstich [Text: THERESIENS LEZTER TAG. / So lag Sie – ruhevoll die Seele, / Erwartend Gottes Winken, Ihren Lohn, / MARIAE THERESIAE DIES EMORTUALIS. / Ertheilte Segen, Trost, Befehle, / vor sich den Grossen Sohn] (Wien, Wien Museum).

dem Hinweis untertitelt, sie habe Gott erwartet und währenddessen noch „Segen, Trost und Befehle“ erteilt.22 Maria Theresia, so die überwiegende Meinung der Zeitgenossen wie auch des Kupferstichs, verkörperte bis zum Ende die aufopfernde Herrscherin, die ihre irdische Präsenz bereits in die Hände Gottes empfahl. Beiden Instanzen, Volk  und Gott, wurde sie bis zum letzten Atemzug gerecht. Die Effigies oder imago, eine oftmals hölzerne Puppe, die den toten Herrscher teilweise in seiner Staatskleidung, teilweise mit Rekonstruktionen der Insignien auf dem Sarg oder castrum doloris zeigte, fungierte als Stellvertreter des Verstorbenen während der Bestattungsriten und hatte die Funktion, die legitime Weiterführung des Amtes zu demonstrieren. Die früheste mittelalterliche Quelle, die den Einsatz einer Effigies schildert, ist ein Bericht über die Bestattung König Edwards II . von England 438

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Abb. 5: Kopie nach Monogrammist A. A.: Kaiser Maximilian I. als Lebender und Toter (Diptychon), Mischtechnik auf Holz (Zittau, Städtische Museen).

aus dem Jahr 1327, während 1378 in Frankreich wohl eine das Zepter haltende Effigies Johannas von Bourbon in St. Denis mehrere Tage lang zu sehen war.23 Während am burgundischen Hof die Ausführung einer Effigies den Hofkünstlern – so womöglich etwa Jan van Eyck oder Jean Fouquet – oblag, ist diese Praxis nicht für die deutschen Fürstenhöfe des Mittelalters belegt. Im Barock wurden die Bestattungsriten um ein Paradebett ergänzt, auf dem etwa Rudolf II . 1612 aufgebahrt wurde.24 Teilweise ist es nicht möglich, den Schriftquellen zu entnehmen, ob die Aufbahrung mit dem Leichnam oder einer stellvertretenden Figur erfolgte. Eine weitere zentrale Kategorie bildet das Porträt des Toten, das in der gemalten Form mit dem Totenbildnis Maximilians I. um 1519 seinen Anfang nahm. Auch hier sollte der ideale Tod als Exemplum vorbildlicher christlicher Lebensführung gezeigt werden. Unterschiedliche Versionen – etwa in Graz, Budapest und Innsbruck – existieren von diesem Bildnis, die Zittauer Version, eine Kopie nach dem Monogrammisten A. A., zeigt Maximilian als Lebenden und Toten in einem Diptychon vereint. Der lebende, in Schaube und Barett gewandete Maximilian betrachtet sein aufgebahrtes Alter ego, das analog zum schwarzen Mantel des Lebenden unter schwarzem schwerem Stoff wiedergegeben ist. (Abb. 5). Der hagere Kopf des Verstorbenen wird von einer leuchtend roten Kappe bedeckt, während der lebende Maximilian drei Nelken gleicher Farbe in seiner Hand 439

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Abb. 6: Sebastián Muñoz: Aufbahrung von Marie-Louise d’Orléans im Alcazar zu Madrid, 1689, Öl auf Holz (New York, Hispanic Society of America).

hält.25 Das Doppelporträt zeugt nicht nur durch die ähnliche Farbgebung der Pendants von einer großen Parallelisierung. Auch die Gesichtszüge, in die der lebendige Kaiser – wie auf sein eigenes memento mori – blickt, sind dem Lebenden sehr ähnlich. Unverkennbar sind die Form der Nase und des Kinns: Dieser Habsburger ist auch im Tod unverwechselbar und unzerstörbar. Zugleich demonstriert das Bildnis Ruhe und Todesbereitschaft, der Verstorbene ist gut vorbereitet und also vorbildlich von der Erde gegangen. Folgt man den Beschreibungen, wie Maximilian sich den Umgang mit seiner Leiche vorstellte – darunter etwa die Anweisung, dass die Haare abzuscheren, die Zähne herauszubrechen und der Körper zu geißeln sei –, so lässt sich in dem Totenbildnis auch ein Bild der Demut erkennen. Frühere Versionen des Gemäldes verfügen über sorgfältige Unterzeichnungen, was die Annahme einer spontanen ‚Momentaufnahme‘ am Totenbett entkräftet, die von der Inschrift der Grazer Version suggeriert wird (VERSCHIDEN 1519 AM 12 Tag IANVARI 1519 VND DARNACH CONTERFET WORDEN ).26 440

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Ein Gemälde Sebastián Muñoz’ zeigt die im Goldenden Salon des Alcázar aufgebahrte Marie Louise d’Orléans, Ehefrau des spanischen König Karl II ., die zehn Jahre nach der Hochzeit am 12. Februar 1689 verstarb (Abb. 6).27 Das Gemälde der drei Tage lang, vom 13. bis zum 15. Februar, präsentierten Verstorbenen hält insbesondere den Moment fest, in dem der Leichnam von einem Priester gesegnet werden soll, dem der Akolyth den Aspergill zum Besprengen des Weihwassers reicht. Das Werk wurde vom Prior des Karmeliterklosters, Bruder Juan Gomez Barrientos, bei dem seit einem Jahr als Hofmaler tätigen Muñoz in Auftrag gegeben, um sich für erhaltene Gefälligkeiten erkenntlich zu zeigen und vor allem die Entscheidung der Königin zu würdigen, sich im Ordensgewand der Karmeliter begraben zu lassen. Am Ende desselben Jahres wurde das Gemälde in der Klosterkirche ausgestellt. Muñoz gibt den Saal und seine protokollarische Anordnung genau und detailliert wieder: der frontal und im Bildzentrum gezeigte Leichnam der Königin und das Kollektivporträt der Akteure der Szene – sechs Mitglieder der örtlichen Garde, deren vorderste Vertreter Krone und Szepter präsentieren und die beiden Geistlichen, eingerahmt von monumentalen Kerzen, die in der Höhe jene des Prunkbettes erreichen. Aufgebrochen wird die Konformität durch zwei Putten, die ein Medaillon der noch jugendlichen Königin halten und in eine Banderole eingebunden sind, die in lateinischer Sprache verkündet: Nec semper lilia florent („Lilien blühen nicht ewig“), während vier weitere trauernd und weinend auf den Treppenstufen sitzen und eine Kartusche mit den Angaben zur Verstorbenen halten und zugleich auf eine Inschrift auf der untersten Treppenstufe weisen: Modo, sine modo, fletus nova causa ministrat. Wenige Wochen litt die Königin unter starken Bauchschmerzen, eventuell handelte es sich um einen Blinddarmdurchbruch. Der Hof veröffentlichte mehrere medizinische Berichte über ihre schmerzvollen letzten Tage, um Gerüchten entgegenzuwirken, sie sei vergiftet worden. Gedruckte Funeralwerke sind im Adel vom 16. bis zum 19. Jahrhundert in großer Zahl vorhanden, oftmals bebildert und für beide Geschlechter nachweisbar. Mehr als jeder Katafalk, jede Art ephemerer oder für die Dauer gebauter Architektur, so die Autoren der Texte, sei es das gedruckte und verbreitete Wort, das zum ewigen Gedächtnis der Verstorbenen führen wird.28 Sophie Charlotte von BrandenburgPreußen, die erste preußische Königin, die 1705 während eines Besuchs ihrer Familie in Hannover unerwartet an einer Entzündung verstorben war, wurde in den Leichenpredigten hinsichtlich ihrer Schönheit gepriesen, die ihre maiestas widerspiegele. Ihr Todestag war der 1. Februar, die Trauerfeier im Berliner Dom fand jedoch erst am 9. März statt, auch deshalb, weil erst die aufwändigen Funeralarchitekturen errichtet werden mussten, die an den Stationen des Leichenzuges zu sehen waren.29 Vergleicht man die dominanten Diskurse, die in der europäischen Vormoderne mit den Themen Altern, Sterben und Verstorbensein verbunden waren, so fallen ein441

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zelne Parallelen, vor allem aber zahlreiche Differenzen zum (post)modernen Umgang mit diesen Themen auf: Eine Übereinstimmung lässt sich bezüglich der Virilitätsforderung finden, die im Mittelalter und der Frühen Neuzeit auf den Herrscherkörper projiziert wurde, in der Gegenwart jedoch zu einer nachgerade ubiquitären Anforderung an jeden alternden oder alten Körper wird. Jedoch kannte die Vormoderne auch ein ‚Recht auf Alter‘, wie etwa das Altersbildnis Karls V. zeigt (Abb. 2). Sterben und Verstorbensein des Herrschers veranschaulichen paradigmatisch die grundsätzliche Differenz der Vormoderne im Umgang mit diesen Themen: Das Beispiel Maria Theresias zeigt nachdrücklich die Bedeutung eines vorbildhaften Sterbewegs, der sowohl den niemals endenden, den Staat repräsentierenden Verpflichtungen des Herrscherinnenkörpers wie auch den endlichen Verpflichtungen des sündenbehafteten menschlichen Individualkörpers im Diesseits Rechnung trägt, während die Repräsentation des verstorbenen Herrschers in effigie seine anhaltende Handlungsfähigkeit selbst über den eigenen Tod hinaus veranschaulicht, die erst im Moment der endgültigen Grablegung vollständig auf den legitimen – und dadurch zugleich legitimierten – Nachfolger überging. Erst das Grab machte den Herrscher von einem handelnden Subjekt zu einem erinnerten Objekt. Auswahlbibliographie

Giorgio Agamben: Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt a. M. 2002. Juliusz A. Chroscicki/Mark Hengerer/Gérard Sabatier: Les Funérailles princières en Europe, XVIeXVIIIe siècle, vol. I (Le grand théâtre de la mort), Paris/Versailles 2012, sowie vol. II (Apothéoses monumentales), Rennes/Versailles 2013. Mirko D. Grmek: On Aging and Old Age. Basic Problems and Historic Aspects of Gerontology and Geriatrics, Den Haag 1958. Nigel Llewellyn: The Art of Death. Visual Culture in the English Death Ritual, c. 1500–c. 1800, London 1991. Ernst H. Kantorowicz: The King’s two Bodies. A Study in Medieval Political Theology, Princeton 1957. Kristin Marek: Die Körper des Königs. Effigies, Bildpolitik und Heiligkeit, München 2009. Louis Marin: Das Porträt des Königs, aus dem Französischen von Heinz Jatho, Berlin 2005. Stanis Perez: La Mort des rois. Documents sur les derniers jours de souverains français, Grenoble 2006. Regina Schulte u. a. (Hg.): Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt, Frankfurt a. M. 2002.

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z. Altern, Sterben und Totsein

Anmerkungen 1 

Vgl. zu „Auf die Welt kommen/Kind sein“ auch den Beitrag von Jörge Bellin in diesem Band, 17– 40. 2  Ernst H. Kantorowicz: The King’s two Bodies. A Study in Medieval Political Theology, Princeton 1957. 3  Giorgio Agamben: Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt a. M. 2002; Louis Marin: Das Porträt des Königs, Berlin 2005; Kristin Marek: Die Körper des Königs. Effigies, Bildpolitik und Heiligkeit, München 2009. 4  Ulrich Pfisterer: Art. „Zwei Körper des Königs“, in: Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hg.): Handbuch der politischen Ikonographie, Bd. 2, München 2011, 559–566, hier 561. 5  Vgl. hierzu Charlotte Bolland/Tarnya Cooper: The Real Tudors: Kings and Queens Rediscovered, London 2014, Kat. Ausst. National Portrait Gallery, 85. Eine spätere Datierung aufgrund von Bilddetails schlägt vor: Margaret Aston: The King’s Bedpost. Reformation and Iconography in a Tudor’s Group Portrait, New York 1994. 6 Platon: Phaidon, in: Sämtliche Werke in zehn Bänden. Griechisch und Deutsch, nach der Übersetzung Friedrich Schleiermachers, ergänzt durch Übersetzungen von Franz Susemihl und anderen, hg. von Karlheinz Hülser, Bd. 4, 185–347, Frankfurt a. M./Leipzig 1991; Albert Stein: Platons Charakteristik der menschlichen Altersstufen, Diss. masch. Bonn 1966, 62–78. 7 Cicero: Cato Maior de Senectute/Über das Alter, Lateinisch/Deutsch, hg. von Harald Merklin, Stuttgart 1998. 8  Aurelius Augustinus [1964]: Über den Wortlaut der Genesis/De genesi ad litteram libri duodecim. Zum ersten Mal in deutscher Sprache von Carl Johann Perl, Teil 2: Buch 7–12, Paderborn 1964, 11; Gerd Dönni: Der alte Mensch in der Antike. Ein Vergleich zwischen christlicher und paganer Welt anhand der Aussagen von Hieronymus, Augustinus, Ambrosius und Cicero, Basel 1996, 60–62; M. Schweda: Altern und Alter in der Geschichte der Philosophie, in: Klaus R. Schroeter/Claudia Vogel/ Harald Künemund (Hg.): Handbuch Soziologie des Alter(n)s, Wiesbaden 2017 (living reference work /

continuously updated edition) [doi 10.1007/978-3658-09630-4], 1–25, bes. 7. 9  Giambattista Vico: Die neue Wissenschaft über die gemeinschaftliche Natur der Völker [1725], nach der Ausgabe von 1744 und versehen mit einer Einleitung von Erich Auerbach und einem Nachwort von Wilhelm Schmidt-Biggemann, Berlin 2000, 346–399. 10  Simone de Beauvoir: Das Alter, Reinbeck 2019, 23; Gabriele Zerbi: Gerentocomia, opus quod de senectute agit, Rom 1489. 11  London, British Library, Arundel 83, fol. 126v. Vgl. dazu etwa Marion Grams-Thieme: Art. „Lebensalter(-darstellungen)“, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, Sp. 1781. 12  Heinz Schilling: Karl. V. Der Kaiser, dem die Welt zerbrach, München 2020, 349–371, hier primär 352 f. 13  Rudolf Distelberger (Hg.): Die Kunst des Steinschnitts. Prunkgefäße, Kameen und Commessi aus der Schatzkammer, Kat. Ausst. Wien, Mailand 2002, Nr. 139 [Rudolf Distelberger]. 14  Daniel Schäfer: Alter und Krankheit in der Frühen Neuzeit. Der ärztliche Blick auf die letzte Lebensphase (= Kultur der Medizin 10), Frankfurt a. M. 2004, 44; Mirko D Grmek: On Aging and Old Age. Basic Problems and Historic Aspects of Gerontology and Geriatrics, Den Haag 1958. 15  Cyriacus Reder: Kurfürst August von Sachsen, Öl auf Leinwand, Staatliche Kunstsammlungen Dresden. 16  Saint-Simon, 1879–1930, Bd. X X V III , 36, hier zitiert nach: Nicolas Milavanovic: Le simple corps du roi, 221–224, hier 221. Vgl. zu „Tanzen“ auch den Beitrag von Marlen Schneider in diesem Band, 263–276. 17  Stanis Perez: La Santé de Louis XIV: une biohistoire du Roi-Soleil, Paris 2007, 56. 18  Nigel Llewellyn: The Art of Death. Visual Culture in the English Death Ritual, c. 1500–c. 1800, London 1991. 19  Jill Bepler: Die Fürsten im Spiegel der protestantischen Funeralwerke der Frühen Neuzeit, in: Regina Schulte et al. (Hg.): Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt, Frankfurt a. M. 2002, 135–152, hier 142.

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Birgit Ulrike Münch 20 Robert Bellarmin: De la bonne mort. Cinquième opuscule du cardinal Bellarmin. Traduit du Latin par pere J. Brignon, Paris 1700. 21 Barbara Stollberg-Rilinger: Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit, München 2017, 825–833, hier insb. 827, sowie zuvor zum „Lebensüberdruss“ auch 754–756. Die Autorin verweist ferner auf: Eduard Vehse: Maria-Theresia und ihr Hof, München 1924, 208. 22  Johann Hieronymus Löschenkohl: Theresiens lezter Tag, Kupferstich 1781. Text: THER ESIENS LEZTER TAG . / So lag Sie – ruhevoll die Seele, / Erwartend Gottes Winken, Ihren Lohn,  / MAR IAE THER ESIAE DIES EMORTUALIS . / Ertheilte Segen, Trost, Befehle, / vor sich den Grossen Sohn“. Vgl. auch Stollberg-Rilinger 2017 (wie Anm. 21), 828. 23  Art. „Effigies“, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte IV, 743–749, hier 745. 24  Ebd., 746. 25  Siehe hierzu: Eva Michel/Marie Luise Sternath/Manfred Holleger (Hg.): Kaiser Maximilian I.

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und die Kunst der Dürerzeit, Aust.-Kat. Wien, München 2012, 380, Kat. Nr. 127; Anja Eisenbeiß: Einprägsamkeit en gros. Die Porträts Kaiser Maximilians I. Ein Herrscherbild gewinnt Gestalt, Dissertation 2005, online-Publikation Heidelberg 2017: UR L : http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/ artdok/volltexte/2017/5046, 261 f. 26 Vgl. Michel/Sternath/Holleger 2012 (wie Anm. 25), 380 f. 27  Gérard Sabatier/Béatrix Saule (Hg.): Le roi est mort: Louis XIV  – 1715, Ausst.-Kat. Versailles, Château de Versailles, Paris 2015, 205, Nr. 122. 28 Joseph Leighton: Poems of Mortality in the German Baroque, in: German Life and Letters 36 (1982/83), 241–257; Bepler 2002 (wie Anm. 19), 136. 29  Bepler 2002 (wie Anm. 19), 149; Uwe Steiner: Triumphale Trauer. Die Trauerfeierlichkeiten aus Anlass des Todes der ersten preußischen Königin in Berlin im Jahre 1705, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, N.F., Jg. 11 (2001), 23–52.

Bildnachweis In Aktion: Körperbilder der Macht (Jörge Bellin/ Ulrich Pfisterer ) Abb. 1: Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France, Département des Manuscrits, Français 2813: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/ btv1b84472995/f952.item Abb. 2: Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France, Département des Manuscrits, Français 2813: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/ btv1b84472995/f958.item Abb. 3: Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France, Département des Manuscrits, Français 2813: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/ btv1b84472995/f965.item a. Auf die Welt kommen / Kind sein (Jörge Bellin) Abb. 1: Aus: Wikimedia Commons – CC BY 2.5 https:// commons.wikimedia.org/wiki/File:Portland_Vase_ BM_Gem4036_n5.jpg Abb. 2: Aus: Kaiser Maximilians I. Weisskunig: in Lichtdruck-Faksimiles nach Frühdrucken, hg. von H. Th. Musper, Tafelband, Stuttgart 1956, Abb. 16. Abb. 3: Aus: Larry Silver: Marketing Maximilian. The Visual Ideology of a Holy Roman Emperor, Princeton 2009, 136, Abb. 49. Abb. 4a und 4b: Aus: María Cruz de Carlos Varona: Nacer en palacio. El ritual del nacimiento en la corte de los Austrias, Madrid 2018, S. 63, Abb. 12 und S. 120, Abb. 26. Abb. 5: Aus: Ronald Forsyth Millen/Robert Erich Wolf: Heroic Deeds and Mystic Figures. A new Reading of Rubens’ Life of Maria de’ Medici, Princeton 1989, Abb. 29. Abb. 6: Aus: Claudia Däubler-Hauschke: Geburt und Memoria. Zum italienischen Bildtyp der deschi da parto, München/Berlin 2003, Farbtafel 5. Abb. 7a: Louvre Collections: © 1989 RMN -Grand Palais (musée du Louvre) / Jean/Lewandowski / https://collections.louvre.fr/ark:/53355/cl010060824 Abb. 7b: Louvre Collections: © 2000 RMN -Grand Palais (musée du Louvre) / Thierry Le Mage / https:// collections.louvre.fr/ark:/53355/cl010060841 Abb. 8: Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/ btv1b8403393p.r=La%20Joye%20de%20la%20

France%2C%20d%C3%A9di%C3%A9e%20au%20 Roy%20Louys%20le%20Juste?rk=21459;2 Abb. 9a: © bpk / RMN  – Grand Palais Abb. 9b: Louis XIV, roi de France, portrait en pied en costume royal von Rigaud, Hyacinthe, 1659–1743 – 1701 – Louvre, France – CC BY- NC-SA . https://www. europeana.eu/de/item/2063621/FRA_280_006 Abb. 10: Creative Commons Zero – CC0 1.0. https:// commons.wikimedia.org/wiki/File:Jos%C3%A9_ Costa_y_Bonells_(died_l870),_Called_Pepito_MET_ DP123853.jpg?uselang= de b. Anschauen und Wegschauen (Matthias Müller) Abb. 1: Aus: Mina Gregori: Uffizien und Palazzo Pitti, München 1994, S. 122 f. Abb. 2: Aus: Karl-Heinz Spieß: Fürsten und Höfe im Mittelalter, Darmstadt 2008, S. 130. Abb. 3: Aus: Peter Strieder: Dürer, Königstein im Taunus 1981, S. 227 Abb. 4: Aus: Andreas Beyer: Das Porträt in der Malerei, München 2002, S. 131. Abb. 5: Aus: Filippo Pedrocco: Tizian, München 2000, S. 127. Abb. 6: Aus: Guillaume Kientz (Hg.): Velázquez, Ausstellungskatalog Louvre, Paris 2015, S. 356. Abb. 7: Aus: Velázquez. Rubens. Lorrain. Malerei am Hof Philipps IV., Ausst.-Kat. Bonn, Ostfildern-Ruit 1999, S. 223. c. Stehen und Schreiten (Nadja Horsch) Abb. 1: Foto: H. Brünig, 2012 Abb. 2a: © National Portrait Gallery, London Abb. 2b: Aus: The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD - ROM ), distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. ISBN : 3936122202. Abb. 3: Aus: Lawrence Gowing: Die Gemäldesammlung des Louvre, Köln 1988, 405. Abb. 4: Aus: Hans-Ulrich Kessler (Hg.): Andreas Schlüter und das barocke Berlin, Ausst.-Kat. Berlin 2014, München 2014, S. 95, Abb. Kat. VI .1. Abb. 5: Aus: Mobilier national, Photo:Isabelle Bideau, Januar 2019 Abb. 6: Aus: Wikimedia commons – gemeinfrei: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Adolf_Ulrik_Wertm%C3%BCller_-_Queen_Marie_Antoinette_ of_France_and_two_of_her_Children_Walking_in_ The_Park_of_Trianon_-_Google_Art_Project.jpg

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Bildnachweis d. Sitzen und Liegen (Ilaria Hoppe) Abb. 1: Aus: Wikimedia Commons – gemeinfrei: https://commons.wikimedia.org/wiki/ File:Le_Lit_de_justice_de_Vend%C3%B4me.jpg Abb. 2: Aus: Krista De Jonge: Ceremonial ‘Grey Areas‘: On the Placing and Decoration of Semi-Public and Semi-Private Spaces in Burgundian-Habsburg Court Residences in the Low Countries (1450–1550), in: Stephan Hoppe/Krista de Jonge/Stefan Breitling (Hg.): The Interior as an Embodiment of Power, Heidelberg 2018, S. 41, Abb. 7. Abb. 3: Aus: Wikimedia Commons – gemeinfrei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Andrea_ Mantegna_-_The_Court_of_Mantua_-_detail.JPG ? uselang=de Abb. 4: Aus: Wikimedia Commons– gemeinfrei: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Portrait_of_ Pope_Leo_X_and_his_cousins,_cardinals_Giulio_ de%27_Medici_and_Luigi_de%27_Rossi_%28by_ Raphael%29.jpg Abb. 5: Aus: Giovanni Altoviti: Essequie della Sacra Cattolica e Real Maestà di Margherita d’Austria Regina di Spagna, celebrate dal Serenissimo Don Cosimo II , Gran Duca di Toscana IIII , Florenz 1612, 36–37; Ausst.-Kat. La morte e la gloria. Apparati funebri medicei per Filippo II di Spagna e Margherita d’Austria, hg. von Monica Betti, Livorno 1999, S. 191. Abb. 6: Aus: Datenbank Revolutionsgrafik, Universität Gießen – gemeinfrei e. Zuhören, Sprechen, Schweigen (María Ángeles Martín Romera und Hannes Ziegler) Abb. 1: Aus: Henricus H. J. Brouwer: Bona Dea: The Sources and a Description of the Cult, Leiden/Boston 2015, Plate LI . Abb. 2: Aus: Christina Hofmann-Randall (Hg.): Die Einblattdrucke der Universitätsbibliothek ErlangenNürnberg, Erlangen 2003, S. 355. Abb. 3: Aus: Archiv des Instituts für Kunstgeschichte der LMU München Abb. 4: Aus: Theresa Earenfight: The king’s other body: María of Castile and the crown of Aragon, Philadelphia 2010, Titelbild. Abb. 5: Aus: Pascal-François Bertrand: A New Method of Interpreting the Valois Tapestries, through a History of Catherine de Médicis, in: Studies in the Decorative Arts 14/1 (2006/2007), S. 42. f. Lieben (Ulrich Pfisterer) Abb. 1: Wikimedia commons: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ac/Apelles_Painting_ Alexander_and_Campaspe_MET_DP831919.jpg Abb. 2: Wikimedia commons: https://upload. wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f9/Kraft_von_ Toggenburg.jpg

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Abb. 3: Aus: Wilfried Seipel (Hg.): Kaiser Karl V. (1500–1558). Macht und Ohnmacht Europas, Wien 2000, S. 320. Abb. 4: Wikimedia commons: https://upload. wikimedia.org/wikipedia/commons/0/02/0_ Henri_IV_re%C3%A7oit_le_portrait_de_Marie_ de_M%C3%A9dicis_-_P.P._Rubens_-_1771_-_Louvre_2.JPG Abb. 5: Foto vom Verfasser Abb. 6: Wikimedia commons: https://upload. wikimedia.org/wikipedia/commons/9/94/Rosso_ Fiorentino_-_Mars_and_Venus_-_WGA20134.jpg Abb. 7: Wikimedia commons: https://upload. wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0e/ Pisanello%2C_Sesta_medaglia_di_Lionello_d%27Este%2C_1444%2C_verso%2C_met.JPG Abb. 8: Wikimedia commons: https://upload. wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4d/Jupiterand-olympia-1178.jpg Abb. 9: Aus: Vinzenz Oberhammer: Das Goldene Dachl zu Innsbruck, Innsbruck u. a. 1970, S. 94. Abb. 10: Wikimedia commons: https://upload. wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ee/The_wedding_night.png Abb. 11: Aus: Reimar F. Lachner: Friedrich Georg Weitsch (Braunschweig 1758–1828 Berlin). Maler, Kenner, Akademiker, Berlin 2005, Taf. 7. g. Essen und Trinken (Molly Taylor-Poleskey) Abb. 1: © British Library: https://access.bl.uk/item/ viewer/ark:/81055/vdc_100029086210.0x000001#?c =0&m=0&s=0&cv=6&xywh=-156%2C-227%2C3091 %2C2086 Abb. 2: © Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel – CC BY-SA : http://diglib.hab.de/drucke/gm-2f-131/ start.htm?image=00099description Abb. 3: ©Victoria & Albert Museum, London / Licensed for non-commercial research: https:// collections.vam.ac.uk/item/O73113/the-burghleynef-salt-cellar-unknown/ Abb. 4: © Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie – CC BY- NC-SA 4.0: https://www.khm.at/ de/object/5d616dd382/ Abb. 5a: © Metropolitan Museum of Art / OA Public Domain: https://www.metmuseum.org/ art/collection/search/391905?ft= James+Gillray%3a+A+Voluptuary+under+the+Horrors+of+Digestion&offset=0&rpp=40&pos=1 Abb. 5b: © Metropolitan Museum of Art ¬ / OA Public Domain: https://www.metmuseum.org/art/ collection/search/392548

Bildnachweis h. Handwerkliches und künstlerisches Produzieren (Christina Posselt-Kuhli) Abb. 1: Aus: Eva Michel/Maria Luise Sternath (Hg.): Kaiser Maximilian I. und die Kunst der Dürerzeit, München/London/New York 2012, S. 91. Abb. 2: Aus: John Wyndham Pope-Hennessy: Cellini, London 1985, Plate 5. Abb. 3: Aus: Umberto Baldini: Giorgio Vasari, pittore, Florenz 1994, S. 127. Abb. 4: Aus: Marcel Roethlisberger/Renée Loche (Hg.): Liotard. Catalogue, Sources et Correspondance, Bd. 2, Antwerpen 2008, Pl. 246. Abb. 5: Aus: Fernando Mazzocca u. a. (Hg.): Un ritrattista nell’Europa delle corti: Giovanni Battista Lampi, 1751–1830, Trento 2001, S. 64, Abb. 54. i. Lernen (Rahul Kulka) Abb. 1: © British Library: http://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx?ref= add_ms_47680_fs001r Abb. 2: © British Library: http://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx?ref= royal_ms_20_b_xx_ fs001ar Abb. 3: Image published with permission of ProQuest. Further reproduction is prohibited without permission. Image produced by ProQuest as part of Early English Books Online. www.proquest.com  Abb. 4: Wikimedia Commons – Public Domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Massimiliano_Sforza_and_Gian_Antonio_Secco.jpg Abb. 5: © Bayerische Schlösserverwaltung, Rainer Herrmann, München Abb. 6: © Bayerische Staatsbibliothek: http://mdznbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb11094081-4 Abb. 7: Louvre Collections: © 2001 RMN -Grand Palais (musée du Louvre) / Ojéda/Le Mage: https:// collections.louvre.fr/ark:/53355/cl010060823 j. Jagen (Julia Saviello) Abb. 1: Aus: Wilhelm Schlag (Hg.): Das Jagdbuch des Mittelalters. Ms. fr. 616 der Bibliothèque Nationale in Paris, Graz 1994, fol. 13r. Abb. 2: © Staatsbibliothek zu Berlin – PK : https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/ werkansicht?PPN = PPN794254411& PHYSID = PHYS_0083& DMDID =&view= picture-download (letzter Zugriff am 10.9.2021) Abb. 3: Louvre Collections: © RMN -Grand Palais (musée du Louvre) / Daniel Arnaudet Abb. 4: Aus: Ulrich Pietsch (Hg.): Porzellan Parforce. Jagdliches Meißner Porzellan des 18. Jahrhunderts, Ausst.-Kat. Barockmuesum Schloss Moritzburg, München 2005, Abb. 51, S. 91. Abb. 5: © Courtesy National Gallery of Art, Washington

k. Kämpfen (Friedrich Polleroß) Abb. 1: Brigitte Reinhardt (Hg.): Hans Multscher. Bildhauer der Spätgotik in Ulm, Ausst.-Kat. Ulm/Stuttgart, Ulm 1997, S. 303, Abb. 16. Abb. 2: Foto des Verfassers Abb. 3: Foto des Verfassers Abb. 4: Wikimedia Commons – CC BY-SA 3.0: https:// commons.wikimedia.org/wiki/File:Carolus_XII_ dress_livrustkammaren_museum_stockholm.jpg l. Beten und Büßen (Anna Lena Frank) Abb. 1: Aus: Jiří Fajt: Karlstein revisited, Überlegungen zu den Patrozinien der Karlsteiner Sakralräume, in: Jiří Fajt/Andrea Langer (Hg.): Kunst als Herrschaftsinstrument. Böhmen und das Heilige Römische Reich unter den Luxemburgern im europäischen Kontext, Berlin/ München 2009, S. 262, Abb. 16. Abb. 2: © The Metropolitan Museum – OA -Public Domain: https://www.metmuseum.org/art/collection/search/404534 Abb. 3: Aus: Thomas Betteridge/Suzannah Lipscomb (Hg.): Henry VIII and the court. Art, Politics and Performance, London 2013, Abb. 7. Abb. 4: Aus: Peter Humfrey: Titian. The Complete Paintings, Ludion 2007, 262, Kat. Nr. 196. Abb. 5: Aus: Gabriela Hart: Die Konversion der Königin Christina von Schweden, in: Ulrich Hermanns (Hg.): Christina. Königin von Schweden, Ausst.-Kat. Osnabrück 1998, Osnabrück 1997, S. 161, Abb. 3. Abb. 6: © Bayrische Staatsbibliothek / BSB - ID 13427662 Abb. 7: Aus: Thomas R. Hoffmann: Luther im Bild. Eine Ikone wird erschaffen, Stuttgart 2017, S. 47. Abb. 8: Aus: Tanja Michalsky: Memoria und Repräsentation. Die Grabmäler des Könighauses Anjou in Italien, Göttingen 2000, Abb. 61. m. Kranksein und Leiden (Bernhard Seidler) Abb. 1: Aus: Mechthild Schulze-Dörrlamm: Die Kaiserkrone Konrads II . (1024–1039), Sigmaringen 1991, Taf. 9, S. 134. Abb. 2: Aus: Kamil Boldan (Hg.): Jenský kodex / The Jena Codex, Prag 2009, S. 169. Abb. 3: Aus: Heinrich Friedrich Otto: Thuringia sacra sive historia monasteriorum […], Frankfurt 1737, S. 1001. Abb. 4: Aus: Rafał Makała (Hg.): Das goldene Zeitalter Pommerns. Kunst am Hofe der pommerschen Herzöge im 16. und 17. Jahrhundert, Stettin 2013, S. 47. Abb. 5: Aus: Karl Vocelka/Lynne Heller: Die private Welt der Habsburger, Graz 1998, S. 166. Abb. 6a und 6b: Aus: Salvatore Settis/Donatella Toracca (Hg.): La Libreria Piccolomini nel Duomo di Siena, Modena 1998, Abb. 119, S. 100, sowie Abb. 151, S. 118.

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Bildnachweis Abb. 7: Aus: Stanis Perez: La santé de Louis XIV. Une biohistoire du roi-soleil, Seyssel 2007, S. 305. Abb. 8a und 8b: Aus: Franz Hogenberg/Abraham Hogenberg: Geschichtsblätter, hg. und eingel. von Fritz Hellwig, Nördlingen 1983, Nr. 12, S. 30, sowie Nr. 13, S. 32. Abb. 9: Aus: Wilfried Seipel (Hg.): Meisterwerke der Sammlungen Schloss Ambras, Wien 2008, Nr. 59, S. 140. n. Lachen und Weinen (Jörge Bellin) Abb. 1: Wikimedia Commons – gemeinfrei: https:// commons.wikimedia.org/wiki/File:Pericles_PioClementino_Inv269.jpg Abb. 2a: Aus: Heinrich Magirius: Forschungen zur Bau- und Kunstgeschichte des Meißner Domes, Bd. 2, Weimar 2001. Abb. 2b: Aus: Holger Kunde (Hg.): Der Naumburger Meister, Ausst.-Kat., Bd. 2, Petersberg 2011. Abb. 3a: © TRIARC  – Edwin Rae Collection (Digital Image Collection) – CC BY- NC-SA 1.0 http://www. tara.tcd.ie/handle/2262/16069 Abb. 3b: Aus: Bernd Carqué: Stil und Erinnerung. Französische Hofkunst im Jahrhundert Karls V. und im Zeitalter ihrer Deutung, Göttingen 2004, S. 337, Abb. 113. Abb. 4a: Wikimedia Commons – CC0 1.0:https:// commons.wikimedia.org/wiki/File:Otto_III._Graf_ von_Ravensberg.jpg Abb. 4b: Wikimedia Commons – CC BYSA 4.0:https://it.wikipedia.org/wiki/ File:N%C3%BCrnberg_Kaiserburg_Kaisersaal_Ludwig_der_Bayer_01.jpg Abb. 5: Aus: Ingo F. Walther: Codices illustres. Die schönsten illuminierten Handschriften der Welt, Köln 2001, S. 134. Abb. 6a und 6b: Abb. 6a: prometheus-Bildarchiv, aus: ConedaKOR Frankfurt, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Kunstgeschichtliches Institut, Goethe-Universität Frankfurt am Main. Abb. 6b: Aus: Walter Paatz: Bernt Notke, Wien 1944, Abb. 102. Abb. 7: Aus: Andreas Beyer: Das Porträt in der Malerei, München 2002, S. 131. Abb. 8: Aus: Wikimedia Commons – CC BY-SA 3.0: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Triboulet. png Abb. 9: Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France, Département des manuscrits, NAL 1392: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b550100809/ f164.item

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o. Musizieren und Tanzen (Marlen Schneider) Abb. 1: Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliotheque nationale de France: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/ btv1b52502200s/f1.item Abb. 2: Aus: Der Weißkunig, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 6 (1888), S. 83. Abb. 3: Louvre Collections: © 2011 RMN -Grand Palais (musée du Louvre) / Stéphane Maréchalle: https:// collections.louvre.fr/ark:/53355/cl010061365 Abb. 4: Wikimedia Commons – gemeinfrei: https:// commons.wikimedia.org/wiki/File:Marie_Antoinette_Young7.jpg Abb. 5: KBR – © Bibliothèque royale de Belgique Abb. 6: Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/ btv1b8452199j/f30.item p. Mutter sein (Dagmar Probst) Abb. 1: Kunsthistorische Mediathek Graz Abb. 2: Wikimedia commons – gemeinfrei: https:// commons.wikimedia.org/wiki/File:Bronzino_-_Eleonora_di_Toledo_col_figlio_Giovanni_-_Google_Art_ Project.jpg Abb. 3: Wikimedia commons – gemeinfrei: https:// commons.wikimedia.org/wiki/File:Workshop_of_ Fran%C3%A7ois_Clouet_Catherine_de%27_Medici_ and_her_Children.jpg Abb. 4: Aus: Christina Strunck (Hg.): Die Frauen des Hauses Medici. Politik, Mäzenatentum, Rollenbilder (1512–1743), Petersberg 2011, S. 98, Abb. 2. Abb. 5: Kunsthistorische Mediathek Graz Abb. 6: Aus: Kultur- und Betriebsges. m.b.H. (Hg.): Schloß Schönbrunn. Schlossführer, Wien 2003. q. Vater sein (Andreas Plackinger) Abb. 1: Aus: Pierre Arizzoli-Clémentel (Hg.): MarieAntoinette, Ausst.-Kat. Grand Palais Paris, Paris 2008, S. 124. Abb. 2: Aus: Leo Andergassen/Lukas Madersbacher (Hg.): Geschichte als Gegenwart. Festschrift für Magdalena Hörmann-Weingartner, Innsbruck 2010, S. 220. Abb. 3a und 3b: Aus: Sabine Haag u. a. (Hg.): Dürer, Cranach, Holbein. Die Entdeckung des Menschen. Das deutsche Porträt um 1500, Ausst.-Kat. Kunsthistorisches Museum Wien, Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, München 2011, S. 250 f. Abb. 4: Wikimedia Commons – gemeinfrei: https:// commons.wikimedia.org/wiki/File:Las_Meninas_ (1656),_by_Velazquez.jpg Abb. 5: Aus: Jean-Luc Bordeaux: François Le Moyne 1688–1737 and his Generation, Paris 1985, Taf. VI .

Bildnachweis Abb. 6: © Nationalmuseum Stockholm – Public Domain Mark 1.0: http://collection.nationalmuseum. se/eMP/eMuseumPlus?service= ExternalInterface&module= collection&objectId=70537&viewType= detailView r. Reiten (Maurice Saß) Abb. 1: Aus: Stephen J. Campbell/Michael W. Cole: A New History of Italian Renaissance Art, London 2012, S. 118. Abb. 2: Aus: Mauro Minardi: Paolo Uccello, Mailand 2017, 137, Taf. 113. Abb. 3: Wikimedia Commons / Photo: G.Lanting – CC BY 3.0: https://de.m.wikipedia.org/wiki/ Datei:PI6D98~2ruiterstandbeeld_Cosimo_I_de%27_ Medici.JPG Abb. 4: Wikimedia Commons / Photo: Adal-Honduras – CC BY 2.0: https://commons.wikimedia.org/ wiki/File:Monumento_a_Felipe_IV_(Madrid)_10.jpg Abb. 5: Aus: Simon A. Vosters: Das Reiterbild Philipps IV. von Spanien als Allegorie der höfischen Affektregulierung, in: Ulrich Heinen/Andreas Thielemann (Hg.): Rubens Passioni. Die Kultur der Leidenschaften im Barock, Göttingen 2001, S. 180–191, Taf. 38. Abb.6 Aus: Andrea Alciato: Emblemata, Lyon 1550, S. 42. s. Fahren (Anna Pawlak ) Abb. 1: © Kunsthistorisches Museum Wien – CC  BY- NC-SA 4.0: https://www.khm.at/de/object/1f50691427/ Abb. 2: © Kunsthistorisches Museum Wien – CC  BY- NC-SA 4.0: https://www.khm.at/de/object/ 85702b75a8/ Abb. 3: Wikimedia Commons – CC BY-SA 4.0: https:// commons.wikimedia.org/wiki/File:Adam_Frans_ van_der_Meulen_-_Louis_XIV_traversant_le_PontNeuf.jpg Abb. 4: © Rijksmuseum Amsterdam – Public Domain: http://hdl.handle.net/10934/RM0001. COLLECT.41603 Abb. 5: © Rijksmuseum Amsterdam – Public Domain Abb. 6: Aus: Philine Helas: Der Triumph von Alfonso d’Aragona 1443 in Neapel. Zu den Darstellungen herrscherlicher Einzüge zwischen Mittelalter und Renaissance, in: Peter Johanek/Angelika Lampen (Hg.): Adventus. Studien zum herrscherlichen Einzug in die Stadt, Köln u. a. 2009, Abb. 11. Abb. 7: Aus: Philine Helas: Der Triumph von Alfonso d’Aragona 1443 in Neapel. Zu den Darstellungen herrscherlicher Einzüge zwischen Mittelalter und Renaissance, in: Peter Johanek/Angelika Lampen (Hg.): Adventus. Studien zum herrscherlichen Einzug in die Stadt, Köln u. a. 2009, Abb. 2.

t. Zuschauen (Theater und Kunst) (Claudia Olk) Abb. 1: Aus: Andreas Beyer: Das Porträt in der Malerei, München 2002, S. 130, Abb. 85. Abb. 2: Wikimedia commons – Public Domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Portrait_ of_King_James_I_%26_VI_(English_School).jpg] Abb. 3: © Royal Shakespeare Theatre Abb. 4: Wikimedia commons – Public Domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Elizabeth_I_Rainbow_Portrait.jpg?uselang= de u. Schön und Hässlich sein (Ariane Koller) Abb. 1: Aus: Jan Bernhard Meister: Der Körper des Princeps. Zur Problematik eines monarchischen Körpers ohne Monarchie, Stuttgart 2012, S. 5. Abb. 2: Wikimedia commons – Public Domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:La_familia_de_Carlos_IV,_por_Francisco_de_Goya.jpg Abb. 3: Wikimedia commons – Public Domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Queen_ Elizabeth_I_(%27The_Ditchley_portrait%27)_by_ Marcus_Gheeraerts_the_Younger.jpg?uselang= de Abb. 4: Wikimedia commons – Public Domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Elizabeth_I_of_England_Hardwick_1592.jpg?uselang= de Abb. 5: Wikimedia commons – Public Domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/ File:Portr%C3%A4tt,_Rudolf_II_som_Vertumnus._ Guiseppe_Arcimboldo_-_ Skoklosters_slott_-_87582.jpg?uselang= de Abb. 6: © bpk | Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Hans-Peter Klut v. Steuern (Pablo Schneider) Abb. 1: © Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg W 145/2 Nr. 57 Abb. 2: © The British Museum – CC BY- NC-SA 4.0: https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1873-0809-695 Abb. 3: Wikimedia Commons – CC BY-SA 3.0: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19405008 Abb. 4: Royal Collection Trust / © Her Majesty Queen Elizabeth II 2022: https://www.rct.uk/collection/search#/58/collection/404393/portrait-of-don-rodrigocalderon-on-horseback-15778-1625 Abb. 5: © 2000 RMN -Grand Palais (musée du Louvre) / Ojéda/Le Mage: https://collections.louvre.fr/en/ark:/53355/ cl010060834 Abb. 6: © The Trustees of The Britisch Museum – CC  BY- NC-SA 4.0: https:// www.britishmuseum.org/collection/object/ P_E-4-138

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Bildnachweis Abb. 7: © The Trustees of The Britisch Museum – CC BY- NC-SA 4.0: https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1868-0328-369 Abb. 8: © Rijksmuseum – gemeinfrei: http://hdl. handle.net/10934/RM0001.COLLECT.5600 Abb. 9: © The Trustees of The Britisch Museum – CC  BY- NC-SA 4.0: https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1872-1012-903 w. Sport und Wettkampf (Romana Sammern) Abb. 1: Aus: Christoph zu Waldburg Wolfegg: Venus und Mars. Das Mittelalterliche Hausbuch aus der Sammlung der Fürsten zu Waldburg Wolfegg, München/New York 1997, S. 35, Abb. 19. Abb. 2: Aus: Der Weiß Kunig. Eine Erzehlung von den Thaten Kaiser Maximilian des Ersten. Von Marx Treitzsaurwein auf dessen Angaben zusammengetragen, nebst den von Hannsen Burgmair dazu verfertigten Holzschnitten, hrsg. aus dem Manuscripte der kaiserl. Hofbibliothek, Faksimile-Ausg. Wien 1775. Universitätsbibliothek Heidelberg https://digi. ub.uni-heidelberg.de/diglit/maximilian1775/0146, 29.9.2019 Abb. 3a und 3b: Aus: Laurentia Leon (Hg.): Rüstung & Robe, Ausst.-Kat. Basel, Heidelberg 2009, S. 36 und 37. Abb. 4: Aus: Heiner Gillmeister: Kulturgeschichte des Tennis, München 1990, Abb. 16. x. Hybride, artifizielle Körper (Marisa Mandabach) Abb. 1: Aus: Michelle P. Brown: The Luttrell Psalter: a facsimile, London 2006, [82]. Abb. 2: Aus: Christine Tauber: Manierismus und Herrschaftspraxis. Die Kunst der Politik und die Kunstpolitik am Hof von François Ier, Berlin 2009, Abb. 7. Abb. 3: © Bayerische Staatsbibliothek München, Sig.: P.o.gall. 577 h, Scan 6 – Public Domain: https://mdznbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10090169-1 Abb. 4: zeno.org – Public Domain: http://www.zeno. org/Kunstwerke/B/Schoen,+Erhard%3A+Vexierbild+mit+vier+Portr%C3%A4ts Abb. 5a und 5b: © Nationalmuseum Stockholm, Fotos: Cecilia Heisser – Public Domain Abb. 6: Aus: Horst Bredekamp: Thomas Hobbes – Der Leviathan: Das Urbild des modernen Staates und seine Gegenbilder: 1651–2001, Berlin/Boston 2020, S. 14, Abb. 2. Abb. 7: © Rijksmuseum Amsterdam – Public Domain: http://hdl.handle.net/10934/RM0001. COLLECT.728734 Abb. 8: Aus: John Roger Paas: The German Political Broadsheet 1600–1700, Bd. 3: 1620 and 1621, Wiesbaden 1991, S. 345 (Nr. P–793).

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Abb. 9: ©Yale University Library / Digital Collections – Public Domain: https://collections.library.yale. edu/catalog/11811300 Abb. 10: Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/ btv1b69481298.item Abb. 11: Aus: Constance C. McPhee/Nadine M. Orenstein: Infinite Jest. Caricature and Satire from Leonardo da Vinci to Levine, Ausst.Kat. New York, Metropolitan Museum of Art, New York 2011, S. 163, Kat.-Nr. 124. y. Ausdruckslosigkeit (Etienne Jollet) Abb. 1: Aus: Andreas Beyer: Das Porträt in der Malerei, München 2002, S. 29, Abb. 10. Abb. 2: Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/ btv1b8407324p.r=la%20temple%20de%20la%20 gloire%201699?rk=21459;2 Abb. 3: Aus: David R. Smith: Portrait and Counter-Portrait in Holbein’s “The Family of Sir Thomas More”, in: The Art Bulletin 87 (2005), S. 490, Abb. 5. Abb. 4a: © Château de Versailles, Dist. RMN  / Photo: Christophe Fouin: http://collections.chateauversailles.fr/#e07a5988-2030-44a4-900e-d26030fdcea8 Abb. 4b: Wikimedia commons – Public Domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Louis_ XVI_of_France_(1775).jpg z. Altern, Sterben und Totsein (Birgit Ulrike Münch) Abb. 1: Aus: Charlotte Bolland/Tarnya Cooper: The Real Tudors: Kings and Queens Rediscovered, Ausst.Kat. National Portrait Gallery, London 2014, S. 85. Abb. 2: Aus: Rudolf Distelberger (Hg.): Die Kunst des Steinschnitts. Prunkgefäße, Kameen und Commessi aus der Schatzkammer, Ausst.-Kat. Wien, Mailand 2002, Nr. 139. Abb. 3: © National Galleries of Scotland – Creative Commons CC by NC : https://www.nationalgalleries.org/art-and-artists/ 34531?search=antoine%20benoist&search_set_offset=13 Abb. 4: © Wien Museum / Online-Sammlung – CC0: https://sammlung.wienmuseum.at/en/object/ 134383-maria-theresias-letzter-tag-am-29-november-1780/ Abb. 5: Aus: E. Michel/M. L. Sternath (Hg.): Kaiser Maximilian I. und die Kunst der Dürerzeit, Ausst.-Kat. Albertina Wien, München/London/New York 2012, S. 380. Abb. 6: Aus: Gérard Sabatier/Béatrix Saule (Hg.): Le roi est mort: Louis XIV – 1715, Ausst.-Kat. Versailles, Château de Versailles, Paris 2015, S. 205, Nr. 122.

Personenregister A Hl. Adelheid (ostfränk.-dt. Kaiserin) 243 Aegidius Romanus 390, 395 Aeneas 108 Agnes Hedwig von Anhalt 435 Alanus ab Insulis 242 Alberti, Leon Battista 396 Albertus Magnus 242 Albrecht II . (HRR ) 19 Albrecht V. von Bayern (Herzog) 279 Albrecht VII . von Habsburg (Erzherzog) 184 Alciati, Andrea 107, 317 Alexander der Große 19, 98f., 109, 148–151, 306, 334, 428 Alexander III . (Papst) 215f. Alexander VII . Chigi (Papst) 201 Alfonso V. von Aragon (König) 92, 332–334 Alt, Peter André 342 Altdorfer, Albrecht 23 Hl. Ambrosius 390 Amor 105–107, 117, 118, 403f. Anna von Cleve 341 Anna von Dänemark 171 Anna von Österreich 31f., 114, 228 Antonello da Mesina 48 Apelles 49, 98, 101, 428 Apollo 18, 30, 263, 271, 324 Appiano, Semiramide 106 Arcimboldo, Giuseppe 287, 361f., 405f. Aristoteles 148f., 242, 250, 291, 384f., 390, 432 Artus, Thomas 404 Asklepiades von Mendes 18 Asklepios 30 Asarhaddon (assyrischer König) 41 Atia 18f. Athena s. Pallas Athena August von Sachsen (Kurfürst) 89, 435

August der Starke (Kurfürst, König von Polen) 110, 130, 133, 141, 169 August III . von Sachsen (Kurfürst, König von Polen) 169–171 Hl. Augustinus 390 Augustus (röm. Kaiser) 18f., 19f., 108, 223, 421 Avalos, Alfonso dʼ 63 Avicenna (Ibn Sina) 433 B Baldinucci, Filippo 314 Balduin IV. von Jerusalem (König) 216 Baldung Grien, Hans 384f. Balis, Arnout 167 Balzac d’Entragues, Catherine Henriette de 28 Barasch, Moshe 257 Barbara von Brandenburg 76 Bardi, Giovanni Maria de’ 396 Barrientos, Juan Gomez 441 Beauchamp, Pierre 269 Beck, Leonhard 165 Behringer, Wolfgang 395 Béla II . (König von Ungarn) 217 Bellarmin, Robert 437 Belleforest, François de 108 Bellerophon 30 Belsazar 342 Belting, Hans 49 Benoist, Antoine 435f. Bérain, Jean 268 Bergognone, Ambrogio da Fossano, gen. 179 Billen, Claire 167 Bles, Herri met de 397 Bloch, Marc 215 Boccaccio, Giovanni 26 Bona Dea 84 Hl. Bonaventura (eigentl. Giovanni Fidanza) 247 Bonnefond, Hugo 269f. Hl. Borromeo, Carlo 423 Bosse, Abraham 32, 408f. Botticelli, Sandro 106, 195f.

Bouffard, Mickaël 268 Bourbon, Gaston de, duc d’Orléans 32 Bourbon, Jeanne de 11 Bourgeois, Louise 26 Brantôme, Pierre de Bourdeille, Seigneur de 110 Bruegel d.Ä., Pieter 130, 382 Bronzino, Agnolo 77, 110, 280 Burckhardt, Jacob 310, 334 Burgkmair, Hans 138 C (Julius) Caesar 19, 333, 396, 428 Calderón, Rodrigo 375f. Calderón de la Barca, Pedro 342 Campaspe 98f. Campin, Robert 247 Capaccio, Cesare 316f. Capet, Hugo 101, 112 Capponi, Orazio 396 Capriolo, Aliprando 182 Carlo VII . (König von Sizilien) 252 Carnicero, Antonio 34 Carreño da Miranda, Juan 52, 53–55 Cassian, Johannes 247 Castagno, Andrea del 309 Castiglione, Baldassare 91, 138, 140, 142, 249–251, 252, 310, 390f. Cavendish, William 311, 317 Caylus, Anne-Claude-Philippe de Thubières, Comte de 299 Cellini, Benvenuto 107, 393 Celtis, Konrad 47 Cevellos, Jéronimo de 182 Chlodwig (fränk. König) 228 Chodowiecki, Daniel 68 Christian I. von Sachsen (Kurfürst) 89 Christian IV. von Dänemark (König) 184 Christina von Schweden (Königin) 157, 201f. Christus 24, 73, 194f., 216, 242, 247, 248, 306

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Personenregister Cicero 240f., 250, 252, 433 Clemens VIII . Aldobrandini (Papst) 248 Clouet, François 47, 49, 250f., 283 Clouet, Jean 425f. Cock, Hieronymus 330f. Colleoni, Bartolomeo 375 Comanini, Gregorio 362f. Corbiau, Gérard 263f. Corneille, Pierre 421 Correggio, Antonio 109 Correro, Giovanni 95 Cortese, Paolo 395 Costa, Lorenzo 108 Cranach d.Ä., Lucas 204 Cranach d.J., Lucas 204 Cruikshank, Isaac 115 Cupido s. Amor Cuspinian, Johannes 294–296 Custos, Dominicus 181 D Dante Alighieri 105 David (bibl. König) 192, 196–198, 254f., 271 David, Jacques-Louis 317 Delfi, Giovanni 248 Dermoyen, Jean und Guillaume 166 Diana 127f., 403f. Diderot, Denis 157, 423 Dohna, Alexander von 148 Domenico di Bartolo 116 Donatello 309 Donatus (Aelius) 153 Doria, Andrea 110 Dorner d.J., Johann Jakob 155 Dschingis Khan 307 Du Barry, Marie Jeanne Bécu, comtesse 113 Dülberg, Angelica 43 Dürer, Albrecht 47–49, 381f. Duplessis, Joseph-Siffred 427 Dyck, Anthonis van 61f., 171f. E Eberlein, Johann Friedrich 169 Edward II . von England (König) 438f. Edward VI . von England (König) 407, 431f. Eleonora Helena von Portugal 20 Eleonora von Toledo 77, 280 Elias, Norbert 125f., 239f., 252

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Elisabeth I. von England (Königin) 98, 107, 112, 171, 201, 349, 359–361 Elisabeth von Nassau-Saarbrücken 101 Elisabeth von Pommern 58 Elisabeth von Thüringen 116 Elisabeth von Valois 129 Erasmus von Rotterdam, Desiderius 42, 84f., 91f., 151f. Ernst der Eiserne (Erzherzog) 177 Este, Leonello d‘ 105 Este, Niccolò d‘ 317 Eyck, Jan van 45f., 439 F Falconet, Étienne-Maurice 423 Faret, Nicolas 251 Farnese, Alessandro 182 Fénélon, François 140 Ferdinand I. (HRR ) 166–168, 279, 330, 407 Ferdinand II . (HRR ) 184 Ferdinand II . von Tirol (Erzherzog) 141, 180, 231f., 294, 296 Ferdinand III . (HRR ) 328f. Ferdinand Maria von Bayern (Kurfürst) 140, 397 Ferrières, Henri de 163, 168 Ficino, Marsilio 100, 256 Fischart, Johann 411 Fouquet, Jean 427, 439 Franz I. von Frankreich (König) 47, 49, 98, 104f., 107f., 110, 111f., 167, 250f., 282, 392, 402–404, 407 Franz II . von Frankreich (König) 229, 282 Franz I. Stephan (HRR ) 117f., 285, 323 Frederik Hendrik von Oranien 334f. Friedrich I. von Preußen (König) 185 Friedrich II . von Preußen, der Große (König) 86, 131, 141, 176, 185f., 270 Friedrich II . von Staufen (HRR ) 163 Friedrich III . (HRR ) 20, 23, 178, 221–223, 357 Friedrich III . von Brandenburg (Kurfürst) 63 Friedrich III . von Sachen, gen. der Weise (Kurfürst) 47–49

Friedrich III . von Schleswig-Holstein-Gottorf (Herzog) 386 Friedrich V. (König von Böhmen) 411 Friedrich I, gen. Barbarossa (HRR ) 182 Friedrich Christian von Sachsen (Kurfürst) 144, 169 Friedrich Wilhelm von Brandenburg (gen. der große Kurfürst) 99, 141 Friedrich Wilhelm I. von Preußen (König) 144, 148 Friedrich Wilhelm III . von Preußen (König) 116f. Fröhlich, Joseph 169 Froone, Jean 32 Fuchs, Paul von 148 G Gainsborough, Thomas 33 Galle, Philipp 382 Galen 395 Ganymed 99 Gaston III . Phoebus (Graf) 163, 168 Gautier-Dagoty, Jean-BaptisteAndré 270f. Genius 30 Georg I. von Pommern (Herzog) 220f. Georg III . von England (König) 131f. George IV. von England (König) 115, 132 Gheeraerts d.J., Marcus 360f. Giambologna 111, 184, 312, 317 Gillray, James 132, 412 Girard, Antoine 437 Gissey, Henri 268 Goethe, Johann Wolfgang von 323, 428 Goldberg, Jonathan 344 Gonzaga, Federigo II . (Markgraf) 109 Gonzaga, Lodovico III . (Markgraf) 75f. Gonzaga, Vincenzo 107 Goya, Francisco de 34, 356, 428 Gozzoli, Benozzo 196 Graciàn, Balthasar 251 Gras, Caspar 183 Gregor VII . (Papst) 191 Gregor XIII . Boncompagni (Papst) 11

Personenregister Grisone, Federico 310 Grosschedel, Wolfgang 184 Grottnitz, Carl Melchior 93f. Grünpeck, Joseph 20, 23, 222 Gryphius, Andreas 342 Guénault, François 228 Gustav II . Adolf von Schweden (König) 176, 201, 202–204, 300f. Gustav III . von Schweden (König) 300f. Gustav IV. von Schweden (König) 300f. H Hadrian (röm. Kaiser) 108, 162 Hannibal 307 Hawkwood, John 309 Heinrich II . (HRR ) 184, 191f. Heinrich II . von Frankreich (König) 229, 282, 394, 397, 404 Heinrich II . von England (König) 242 Heinrich III . von Frankreich (König) 266f., 282, 404 Heinrich IV. (HRR ) 191 Heinrich IV. von Frankreich (König) 26, 28–30, 102, 110, 283, 312, 317, 327f., 377f., 422 Heinrich VI . (HRR ) 101 Heinrich VII . von England (König) 60 Heinrich VIII . von England (König) 59–61, 125, 151, 196–198, 201, 270, 340f., 392, 394, 396, 431 Heintze, Johann Georg 169 Held, Julius S. 171 Helmschmid, Desiderius 180 Helmschmid, Lorenz 393 Henrietta Maria von Frankreich (Königin) 171f. Heraklios (oström. Kaiser) 192 Herkules 30, 110, 306, 325, 394, 397, 423 Héroard, Jean 114, 151 Herodes (König) 342 Hiskin von Juda (König) 217 Hitler, Adolf 186 Hobbes, Thomas 115, 297, 365, 408–410 Hogarth, William 68 Hogenberg, Frans 231f. Holbein d.J., Hans 59–61, 341, 426 Holt, Jean 151

Hooghe, Romeyn de 229 Huchtenburg, Jan van 327 Hudson, Jeffrey 171 Hulpeau, Charles 394 I Innozenz VIII . Cibo (Papst) 78 Isabella von Kastilien (Königin) 92, 94f. Isabella von Portugal (HRR , Kaiserin) 101f., 200 J Jacobi, Johann 63 Jakob I. von England (König) 89, 307, 344 Janus 299 Joachim II . von Brandenburg (Kurfürst) 182 Johann von Böhmen (König) 218 Johann II . von Frankreich, gen. der Gute (König) 420f. Johann Friedrich I. von Sachsen (Kurfürst) 204f. Johann Friedrich II . von Sachsen (Herzog) 204f. Johann Friedrich III . von Sachsen (Herzog) 205 Johann Georg von Brandenburg (Kurfürst) 435 Johann Georg I. von Sachsen (Kurfürst) 363–365 Johann Wilhelm I. von Sachsen (Herzog) 205 Johanna von Bourbon 439 John von Salisbury 86 Joinville, Jean de 242 Jordaens, Jacob 131 Joseph II . von Habsburg-Lothringen (HRR ) 185f., 286f., 323 Julius Caesar s. Caesar Julius II . della Rovere (Papst) 51, 80 Juno 30, 283 Jupiter 109, 110, 157, 283 K Kaendler, Johann Joachim 169 Kantorowicz, Ernst H. 355, 401, 420, 431 Kantzow, Thomas 221 Karl der Große (Kaiser) 269 Karl I. von Burgund, gen. der Kühne (Herzog) 46, 357f. Karl I. von England (König) 61f., 171, 407f.

Karl II . von England (König) 407f. Karl II . von Spanien (König) 41, 52, 53–55, 441 Karl II . von Innerösterreich (Erzherzog) 278f. Karl IV. (HRR ) 9–11, 58, 192f., 220, 224 Karl IV. von Spanien (König) 356, 428 Karl V. von Frankreich (König) 9–11, 91, 192f. Karl V. (HRR ) 50f., 63, 76, 101f., 108, 109, 130, 166–168, 176, 180, 182, 198–200, 203, 231f., 330–332, 393, 407, 434f., 442 Karl VI . (HRR ) 182, 285, 325f. Karl VI . (HRR ) 115, 178f. Karl VII . von Frankreich (König) 427 Karl VIII . von Frankreich (König) 110, 223 Karl IX . von Frankreich (König) 129, 282, 394 Karl XII . von Schweden (König) 185 Karoline Luise von Baden 143 Katharina II ., gen. die Große (Zarin) 144, 156f. Kehnel, Annette 217 Kleinert, Friedrich 141 Knobelsdorff, Georg Wenzeslaus von 141 König, Johann Ulrich 252 Königin von Saba 402 Konrad II . (HRR ) 248 Konrad von Kirchberg 101 Koschorke, Albrecht 344 Kraft I. von Toggenburg (Graf) 101 Kybele 30, 283 L Ladislaus V. von Ungarn (König) 152 Lafayette, Gilbert du Motier, Marquis de 413 Lama, Guasparre di Zanobi del 196 Lampi, Giovanni Battista 144 Laodameia 102f. La Rochefoucauld, François de 251 Lauchery, Etienne 270 Laughton, Charles 125 Le Brun, Charles 65, 299, 421f. Le Goff, Jacques 215, 242

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Personenregister Leemput, Remigius van 61 Lemoynes, François 299 Leo X. de’ Medici (Papst) 76 Leoni, Leone 63, 393f. Leopold V. von Habsburg (Erzherzog) 183 Liedtke, Walter 315 Liotard, Jean-Étienne 143 Lippe, Simon zur 144 Llewellyn, Nigel 436 Löschenkohl, Hieronymus 437f. Lomazzo, Giovanni Paolo 406 Lorenzetti, Ambrogio 364 Lorich, Reinhard 41 Lorrain, Claude 328f. Lo Scheggia (Giovanni di Ser Giovanni Guidi, gen.) 26 Loyet, Gerard 357 Ludwig VII . von Bayern-Ingolstadt (Herzog) 178f. Hl. Ludwig IX . von Frankreich (König) 32, 74, 206, 242 Ludwig XIII . von Frankreich (König) 25f., 28, 31, 114, 151, 184, 229, 283f., 377–380, 437 Ludwig XIV. von Frankreich (König) 31–34, 62, 65f., 86, 125f., 127f., 133, 140, 169, 176, 226–228, 252, 263f., 268f., 297, 299, 327f., 354–356, 376f., 394, 422, 424, 427, 435f., 437 Ludwig XV. von Frankreich (König) 66, 113, 115, 299f. Ludwig XVI . von Frankreich (König) 117, 291, 397, 414, 427 Ludwig von Orléans (Herzog) 110 Hl. Ludwig von Toulouse 206 Ludwig von Siegen 144 Luhmann, Niklas 103f. Luise von Mecklenburg-Strelitz (preuß. Königin) 117 Lully, Jean-Baptiste 264 Luther, Martin 204 Lyly, John 98 M Machiavelli, Niccolò 93, 111, 374 Magnus IV. von Norwegen (König) 217 Mahomet II . (Sultan) 255 Malaspini, Taddea 113 Mander, Karel van 167

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Mantegna, Andrea 75f. Marc Aurel (röm. Kaiser) 183, 309 Marche, François de la 269 Margarete von Österreich (Königin) 24f. Margarita Theresa von Österreich 52f., 297f. Maria 24, 107, 156, 193, 247, 306 Maria von Burgund (Herzogin) 165, 294f., 392 Maria von Innerösterreich (Erzherzogin) 278f. Maria von Kastilien (Königin) 92 Maria von Ungarn 166 Maria Amalia von Sachsen (Königin) 252f. Maria Anna von Bayern (Erzherzogin) 24 Maria Anna von Österreich (Erzherzogin) 52f. Maria Fjodorowna, zuvor Sophie Dorothee von Württemberg (Zarin) 144 Maria Josepha von Österreich (Erzherzogin) 169 Maria Magdalena von Habsburg (Erzherzogin) 396 Maria Theresia von Spanien (franz. Königin) 65 Maria Theresia von Österreich (Kaiserin) 117f., 186, 279f., 285–289, 325f., 437f., 442 Marie-Antoinette von ÖsterreichLothringen (franz. Königin) 66f., 117, 270f., 289, 412f. Marie Christine von Österreich (Erzherzogin) 143 Marie Louise d’Orléans (span. Königin) 441 Marin, Louis 17, 356, 426 Maron, Anton von 185f. Marquilles, Jaume 92 Mars 104f., 108, 186, 403f. Mathoniere, Nicolas de 284 Matilde von Tuszien 191 Max III . Joseph von Bayern (Kurfürst) 155 Maximilian I. (HRR ) 19–23, 63, 111, 137f., 141, 154f., 164f., 180f., 193–195, 223, 266, 280, 287, 293–296, 391f., 394, 439f. Maximilian I. von Bayern (Kurfürst) 184

Maximilians II . Emanuel von Bayern (Kurfürst) 270 Medici, Alessandro de’ 113 Medici, Caterina de‘ (franz. Königin) 79, 95, 129, 267, 281–283 Medici, Cosimo il Vecchio 196 Medici, Cosimo I. de’ (Herzog) 77, 138f., 280, 312, 393, 396 Medici, Cosimo II . de’ (Großherzog) 396 Medici, Cosimo III . de’ (Großherzog) 396 Medici, Ferdinando I. de’ (Großherzog) 312 Medici, Giovanni de’ 140 Medici, Giuliano de’ 196 Medici, Lorenzo de’ (gen. il Magnifico) 26f., 76, 196 Medici, Maria de’ (franz. Königin) 26, 28–31, 102, 157f., 281, 283f., 377f. Medici, Pierfrancesco de’ 106 Medici, Piero di Cosimo de’ (gen. il Gottoso) 26, 196 Medusa 325, 403 Memling, Hans 48 Ménestrier, Claude-François 424 Menke, Christoph 340, 345 Mennel, Jakob 294 Mercuriale, Girolamo 396 Merkur 157, 299, 403f. Mérot, Alain 271 Meulen, Adam Frans van der 327 Meytens, Martin von 288, 323f. Michalsky, Tanja 205f. Michelangelo 77f., 80 Michiel, Giovanni 95 Minerva, s. Pallas Athena Möller, Andreas 279f. Molanus, Johannes 423 Moller, Martin 42 Mone, Jean 101f. Monte, Jacopo de 278f. Montefeltro, Federigo da (Herzog) 44f. Mor, Anthonis 184 More (Morus), Thomas 151f., 426 Moritz von Oranien 184, 334 Moura y Corte Real, Manuel de 328 Mozart, Wolfgang Amadeus 102 Münkler, Herfried 343 Muir, Edward 130

Personenregister Multscher, Hans 178 Munoz, Sebastián 441 Muybridge, Eadweard 313 Mytens, Daniel 171 N Napoleon Bonaparte (franz. Kaiser) 317 Nero (röm. Kaiser) 108 Nicoletto da Modena 372f. Niccolo da Tolentino 308 Noceto, Giovanni Ambrogio 110 Notke, Bernt 248f. Novalis, Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, gen. 116f. O Oliver, Isaac 360f. Olympias 109 Omphale 110 Orley, Bernard van 166 Orpheus 157 Osse, Melchior von 84 Otto I. (HRR ) 243 Ovid 102f., 107 Ovido, Fernández 94 P Paleotti, Gabriele 423 Pallas Athena 30, 109, 118, 144, 157, 299, 325, 403f. Palomino, Antonio 298 Pantoja de la Cruz, Juan 24f. Passe d. J., Crispijn de 311 Paul I. (Zar) 144, 423 Paul III . Farnese (Papst) 50f., 63, 198, 407 Paulus 88 Pegasus 30, 306 Peregrini, Matteo 251 Perikles 241 Perseus 325 Pesne, Antoine 186 Peter I. (Zar) 141, 155f. Petrarca, Francesco 26, 105 Pfirt, Johanna von 19 Philipp von Makedonien (König) 109, 148 Philipp II . von Spanien (König) 32, 86, 180, 200, 226, 330–332 Philipp III . von Burgund, gen. der Gute (Herzog) 271 Philipp III . von Frankreich (König) 312

Philipp IV. von Spanien (König) 25, 43, 52f., 65f., 183f., 297, 312f., 375 Philipp V. von Spanien (König) 376f. Phyllis 306, 384f. Piccolomini, Agostino Patrizi 225 Piccolomini, Enea Silvio (Pius II ., Papst) 89, 152, 224–226, 390 Piccolomini, Francesco Todeschini 224f. Piero della Francesca 44f. Piganiol de la Force, Jean-Aymar 299 Pigantelli, Giovanni Battista 310 Pilon, Germain 79 Pinturicchio 224–226 Pippin d.J. (fränk. König) 217 Pisanello 105 Pisseleu d’Heilly, Anne de (Duchesse d’Étampes) 98, 107 Pitt d.J., William 412 Pius II . Piccolomini s. Piccolomini, Enea Silvio Pius V. Ghislieri (Papst) 411 Pizan, Christine de 91 Plantin, Christoph 330f. Platon 240, 432 Plinius 98, 404 Plutarch 241 Pluvinel, Antoine de la Baume 310f. Poitiers, Charles du 10 Pollaiuolo, Antonio del 78 Pompadour, Jeanne-Antoinette Poisson, madame de 113 Pontormo, Jacopo da 113 Preißler, Johann Daniel 144 Prestel, Johann Erdmann Gottlieb 326 Primaticcio, Francesco 98, 104 Protesilaos 102f. Prütting, Lenz 252 Pye, Christopher 340 Q Quesnel, François 284 Quintilian 250 R Raffael 51, 76 Raimondi, Marcantonio 112 Rameau, Pierre 269 Ramírez de Villaescusa, Alonso 86

Raulff, Ulrich 308 Reder, Cyriacus 435 Reglindis (Markgräfin) 245f. Rembrandt 144 René I. von Anjou (König) 106 René II . von Lothringen (Herzog) 358 Reuchlin, Johannes 266 Reynolds, Joshua 34, 68 Rigaud, Hyacinthe 33f., 62, 252, 268f., 355, 427 Ripa, Cesare 361 Rivière, Bureau III . de la 10 Robbia, Girolamo della 79 Robert von Anjou, gen. der Weise (König) 206f. Rog(g)endorf, Wilhelm von 181 Rohr, Julius Bernhard von 169 Roslin, Alexander 144 Rosso Fiorentino 104 Rousseau, Jean-Jacques 68, 301 Rowley, Samuel 340 Roxane 98 Rubens, Peter Paul 28f., 31, 54, 102, 111, 157f., 311, 313–315, 375, 377f. Rudolf I. (HRR ) 293 Rudolf II . (HRR ) 361–363, 405f., 439 Rudolf IV., gen. der Stifter (Erzherzog) 19, 420f. S Saavedra Fajardo, Diego de 115f., 140 Saint-Aubin, Charles-Germain de 291 Saint-Simon, Louis de Rouvroy, duc de 125f. Salmen, Walter 265 Salomo (bibl. König) 32 Sancha von Mallorca 206 Scappi, Bartolomeo 129f. Schauerte, Thomas 49 Schlüter, Andreas 63 Schön, Erhard 406f. Schönborn, Lothar Franz von (Kurfürst-Erzbischof) 141 Schrenck von Notzing, Jacob 180 Schröckh, Johann Matthias 155f. Schwarzburg, Günther von (HRR , Gegenkönig) 177 Sergel, Johann Tobias 300f. Serres, Louis de 277, 291

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Personenregister Seyff, Hans 222f. Seymour, Jane 60f. Sforza, Battista 44f. Sforza, Francesco 44 Sforza, Ippolita 44f. Sforza, Ludovico, gen. il Moro (Herzog) 153, 255 Sforza, Massimiliano (Herzog) 153f. Shakespeare, William 133f., 239f., 342–350 Sibylla Augusta von Baden-Baden 200 Skanderbeg, Georg Kastriota, gen. 181 Sobieska, Maria Kazimiera (Marie Casimire Louise de la Grange d’Arquien) 103 Sobieski, Johann III . (poln. König) 103 Somer, Paul van 171 Sophie Charlotte von Brandenburg-Preußen (Königin) 441 Spence, Joseph 63 Spencer, Edmund 349 Spirinx, Louis 32 Stabius, Johannes 194 Stimmer, Tobias 411 Strigel, Bernhard 287, 294f. Sueton 18f. T Tacca, Pietro 184, 312–314 Tayault, Jean Baptiste 269

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Tempesta, Antonio 313f. Tennenhouse, Leonard 344 Testelin, Henri 33f. Thackeray, William Makepeace 354 Thalestris 98 Thespios (König) 110 Hl. Thomas von Aquin 242, 390 Tiberius (röm. Kaiser) 108 Tizian 32, 50f., 63, 76, 108, 182, 199f., 393 Torrentius, Johannes 383f. Treitzsaurwein, Marx 138 U Uccello, Paolo 307f. Unterberger, Michelangelo 324 V Vallot, Antoine 228 Valois, Isabella de 11, 178f. Vargas Machuca, Bernardo de 310 Vasari, Giorgio 26, 63, 76, 77 Vatel, François 130 Vega, Lope de 342 Velázquez, Diego 52f., 55, 183, 297f., 313f., 356, 375, 426 Velten, Hans Rudolf 256 Venus 104f., 108 Vergil 105 Verrocchio, Andrea del 309, 375 Vico, Giambattista 433 Visconti, Bianca Maria 44

Visconti, Gian Galeazzo 179 Visconti, Primi 32 W Wagenschön, Franz Xaver 325f. Warburg, Aby 373f. Watanabe-O’Kelly, Helen 128, 252f. Weber, Hans 141 Weber, Max 17 Weitsch, Friedrich Georg 116f. Wenzel von Luxemburg (HRR ) 11 Wertmüller, Adolf Ulrik 66f. Weyden, Rogier van der 45f., 247 Wilhelm von Jülich, Kleve und Berg (Herzog) 180 Wilhelm I. von Meißen (Markgraf) 218–220 Wilhelm II . (dt. Kaiser) 369–371 Wilhelmine Friederike Sophie von Preußen (Markgräfin) 143f. Winter, Georg Simon 316 Wolkenstein, Oswald von 177, 179 X Xenophon 162 Z Zárate, López de 315 Zerbi, Gabriele 433 Zeus, s. Jupiter Zeuxis 404 Žižka, Jan 218f.