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German Pages 1015 [1016] Year 2016
Friedrich Schleiermacher Kritische Gesamtausgabe III. Abt. Band 10
Friedrich Daniel Ernst
Schleiermacher Kritische Gesamtausgabe Im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen herausgegeben von Günter Meckenstock und Andreas Arndt, Jörg Dierken, Lutz Käppel, Notger Slenczka
Dritte Abteilung Predigten Band 10
De Gruyter
Friedrich Daniel Ernst
Schleiermacher Predigten 1826⫺1827
Herausgegeben von Brinja Bauer, Ralph Brucker, Michael Pietsch, Dirk Schmid und Patrick Weiland
De Gruyter
ISBN 978-3-11-048523-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-049161-6 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlaggestaltung: Rudolf Hübler, Berlin Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss GmbH, Mörlenbach 앝 Printed on acid-free paper 앪 Printed in Germany www.degruyter.com
Inhaltsverzeichnis Einleitung der Bandherausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . IX I. Historische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X 1. Schleiermachers Predigttätigkeit in den Jahren 1826 und 1827 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X 2. Tauf- und Traureden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV 3. Vorbereitungspredigten auf das Abendmahl . . . . . XV 4. Die gedruckten Predigten der Jahre 1826–1827 und ihre literarische Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . XVI II. Editorischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX 1. Textgestaltung und zugehörige editorische Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX A. Allgemeine Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX B. Manuskripte Schleiermachers . . . . . . . . . . . XX C. Predigtnachschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII D. Sachapparat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIV E. Editorischer Kopftext . . . . . . . . . . . . . . . . XXV 2. Druckgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV A. Seitenaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV B. Gestaltungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVI 3. Quellentexte des vorliegenden Bandes und spezifische editorische Verfahrensweisen . . . . . . . . . . . XXVII A. Schleiermacher-Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII B. Andrae-Nachschriften . . . . . . . . . . . . . . . . XXIX C. Crayen-Nachschriften . . . . . . . . . . . . . . . . XXXI D. Dunckel-Nachschriften . . . . . . . . . . . . . . . XXXII E. Jacobi-Nachschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIII F. König-Nachschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIII G. v. Oppen-Nachschriften . . . . . . . . . . . . . . . XXXV H. Pommer-Nachschriften . . . . . . . . . . . . . . . XXXVI I. Schirmer-Nachschriften . . . . . . . . . . . . . . . XXXVI J. Sethe-Nachschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVIII K. Sobbe-Nachschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . XL L. Woltersdorff-Nachschriften . . . . . . . . . . . . . XL M. Nicht identifizierte Nachschriften . . . . . . . . . XLII N. Zu den Nachschriften der Johanneshomilien . . XLIII O. Besonderheiten der editorischen Verfahrensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLIV
VI
Inhaltsverzeichnis
Predigten 1826 Am 01.01. vorm. (Neujahrstag)* Offb 21,1–5 . . . . . . . Am 08.01. früh (1. SnE) Joh 11,53–12,8 . . . . . . . . . . Am 15.01. vorm. (2. SnE)* Joh 2,13–16 . . . . . . . . . . . Am 22.01. früh (Septuagesimae) Joh 12,9–19 . . . . . . . Am 29.01. vorm. (Sexagesimae)* Mt 24,1–2 . . . . . . . . Am 05.02. früh (Estomihi) Joh 12,20–26 . . . . . . . . . . Am 12.02. vorm. (Invocavit)* Joh 18,8–9 . . . . . . . . . . Am 19.02. früh (Reminiscere) Joh 12,27–36 . . . . . . . . Am 26.02. vorm. (Oculi)* Lk 23,7–11 . . . . . . . . . . . . Am 05.03. früh (Laetare) Joh 12,36–43 . . . . . . . . . . . Am 12.03. vorm. (Judica)* Joh 18,37–38 . . . . . . . . . . Am 19.03. früh (Palmarum) Joh 12,44–50 . . . . . . . . . Am 24.03. vorm. (Karfreitag)* Joh 3,14–15 . . . . . . . . . Am 26.03. früh (Ostersonntag) 1Kor 5,7–8 . . . . . . . . . Am 27.03. vorm. (Ostermontag)* Röm 6,3–5 . . . . . . . Am 02.04. früh (Quasimodogeniti) Joh 13,1–11 . . . . . . Am 09.04. vorm. (Misericordias Domini)* Kol 3,1–5 . . . Am 16.04. früh (Jubilate) Joh 13,12–20 . . . . . . . . . . . Am 19.04. vorm. (Bußtag)* Hebr 10,35–36 . . . . . . . . . Am 23.04. früh (Cantate) Joh 13,21–38 . . . . . . . . . . . Am 30.04. vorm. (Rogate)* Joh 20,30–31 . . . . . . . . . . Am 04.05. früh (Himmelfahrt) Joh 14,1–6 . . . . . . . . . Am 06.05. mitt. (Abendmahlsvorbereitung; Konfirmation)* 1Kor 11,28; Phil 2,12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Am 07.05. vorm. (Exaudi)* 1Petr 2,9 . . . . . . . . . . . . Am 14.05. früh (Pfingstsonntag) Eph 5,9 . . . . . . . . . . Am 15.05. vorm. (Pfingstmontag)* 1Kor 12,31 . . . . . . Am 21.05. früh (Trinitatis) Joh 14,7–17 . . . . . . . . . . . Am 28.05. vorm. (1. SnT)* Lk 8,12 . . . . . . . . . . . . . Am 04.06. früh (2. SnT) Joh 14,18–24 . . . . . . . . . . . . Am 11.06. vorm. (3. SnT)* Lk 8,13 . . . . . . . . . . . . . . Am 18.06. früh (4. SnT) Joh 14,25–31 . . . . . . . . . . . . Am 25.06. vorm. (5. SnT)* Mt 13,22 . . . . . . . . . . . . . Am 02.07. früh (6. SnT) Joh 15,1–7. . . . . . . . . . . . . . Am 09.07. vorm. (7. SnT)* Mt 13,23 . . . . . . . . . . . . . Am 16.07. früh (8. SnT) Joh 15,8–17 . . . . . . . . . . . . . Am 23.07. vorm. (9. SnT)* Lk 19,12–13 . . . . . . . . . . Am 30.07. früh (10. SnT) Joh 15,18–16,4 . . . . . . . . . . Am 06.08. vorm. (11. SnT)* Lk 19,15–24 . . . . . . . . . . Am 13.08. früh (12. SnT) Joh 16,4–15 . . . . . . . . . . . . Am 20.08. vorm. (13. SnT)* 1Kor 7,20 . . . . . . . . . . .
3 13 22 33 43 50 59 68 78 87 97 107 117 127 135 147 156 169 176 184 196 205 213 231 244 253 263 273 297 307 336 344 371 382 406 414 422 432 441 450
Inhaltsverzeichnis
Am 27.08. früh (14. SnT) Joh 16,16–23 . . . . . . . . . . . Am 31.08. abends (Trauung Jacobi/Nicolovius) Kol 3,15–16 Am 03.09. vorm. (15. SnT)* 1Kor 7,21–23 . . . . . . . . . Am 24.09. früh (18. SnT) Joh 16,23–33 . . . . . . . . . . . Am 01.10. vorm. (19. SnT; Erntedank)* Eph 4,28. . . . . Am 08.10. früh (20. SnT) Joh 17,1–8 . . . . . . . . . . . . . Am 15.10. vorm. (21. SnT)* Röm 15,1. . . . . . . . . . . . Am 22.10. früh (22. SnT) Joh 17,9–13 . . . . . . . . . . . . Am 24.10. vermutl. abends (Trauung Kober/Claude) . . . Am 05.11. früh (24. SnT) Joh 17,14–19 . . . . . . . . . . . Am 26.11. vorm. (27. SnT; Totensonntag)* 1Thess 5,1–11 Am 10.12. vorm. (2. SiA)* Lk 1,68–69 . . . . . . . . . . . . Am 17.12. früh (3. SiA) Joh 17,24–26 . . . . . . . . . . . . Am 24.12. vorm. (4. SiA)* Lk 1,51–53 . . . . . . . . . . . . Am 25.12. früh (1. Weihnachtstag) Tit 2,11–13 . . . . . . Am 26.12. vorm. (2. Weihnachtstag)* Hebr 10,8–9 . . . . Am 31.12. früh (SnW) Amos 3,6 . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
456 465 471 479 487 494 500 509 515 518 523 538 545 550 557 562 574
Predigten 1827 Am Am Am Am Am Am Am Am Am Am Am Am Am Am Am Am Am Am Am Am Am Am
01.01. vorm. (Neujahrstag)* Offb 22,12 . . . . . . . . 07.01. früh (1. SnE) Joh 18,1–9. . . . . . . . . . . . . . 14.01. vorm. (2. SnE)* Lk 4,16–19 . . . . . . . . . . . 21.01. früh (3. SnE) Joh 18,10–14 . . . . . . . . . . . . 28.01. vorm. (4. SnE)* Lk 4,20–21 . . . . . . . . . . . 11.02. vorm. (Septuagesimae)* Mk 9,38–40 . . . . . . 18.02. früh (Sexagesimae) Joh 18,15–27 . . . . . . . . 25.02. vorm. (Estomihi)* Lk 9,62 . . . . . . . . . . . . 04.03. früh (Invocavit) Joh 18,28–32 . . . . . . . . . . 11.03. vorm. (Reminiscere) Joh 18,33–38 . . . . . . . 18.03. früh (Oculi) Joh 18,38–19,7 . . . . . . . . . . . 24.03. vermutl. mitt. (Konfirmation)* Apg 2,36–38 25.03. vorm. (Laetare)* Joh 19,8–16 . . . . . . . . . . 01.04. früh (Judica) Joh 19,16–24 . . . . . . . . . . . . 08.04. vorm. (Palmarum)* Joh 19,25–29 . . . . . . . . 13.04. früh (Karfreitag) Joh 19,30–42 . . . . . . . . . . 15.04. vorm. (Ostersonntag)* Joh 20,1–18. . . . . . . 16.04. früh (Ostermontag) Joh 20,19–23 . . . . . . . . 29.04. früh (Misericordias Domini) Joh 20,24–31 . . 06.05. vorm. (Jubilate)* Joh 21,1–14 . . . . . . . . . . 13.05. vorm. (Cantate)* Joh 21,15–19 . . . . . . . . . 20.05. früh (Rogate) Joh 21,19–25 . . . . . . . . . . . .
583 591 597 606 613 621 627 633 640 647 648 653 662 667 673 683 689 695 700 706 712 720
VIII
Inhaltsverzeichnis
Am 10.06. vorm. (Trinitatis)* Joh 3,8. . . . . . . . . . . . . Am 17.06. früh (1. SnT) 1Thess 1,1–5 . . . . . . . . . . . . Am 01.07. früh (3. SnT) 1Thess 1,6–10 . . . . . . . . . . . Am 29.07. früh (7. SnT) 1Thess 2,7–12 . . . . . . . . . . . Am 05.08. vorm. (8. SnT)* Mt 7,21. . . . . . . . . . . . . . Am 12.08. früh (9. SnT) 1Thess 2,13–20 . . . . . . . . . . Am 19.08. vorm. (10. SnT)* Lk 19,41–42 . . . . . . . . . . Am 10.10. mitt. (Trauung v. Rumohr/v. Goßler) . . . . . . Am 13.10. mitt. (Abendmahlsvorbereitung) Lk 14,23–24 Am 14.10. vorm. (18. SnT)* Mt 22,35–40. . . . . . . . . . Am 14.10. mitt. (Trauung v. Bernuth/Mayer-Ernst v. Ernsthausen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Am 21.10. früh (19. SnT) 1Thess 3,1–7 . . . . . . . . . . . Am 28.10. vorm. (20. SnT)* Mt 22,9–13 . . . . . . . . . . Am 04.11. früh (21. SnT) 1Thess 3,8–13. . . . . . . . . . . Am 11.11. vorm. (22. SnT)* Mt 11,29 . . . . . . . . . . . . Am 18.11. früh (23. SnT) 1Thess 4,1–12 . . . . . . . . . . Am 24.11. mitt. (Abendmahlsvorbereitung) Joh 8,51 . . . Am 25.11. vorm. (24. SnT; Totensonntag)* 1Thess 4,13–16 Am 02.12. früh (1. SiA) 1Thess 4,16–18 . . . . . . . . . . . Am 08.12. mitt. (Abendmahlsvorbereitung) Mt 5,14 . . . Am 09.12. vorm. (2. SiA)* Joh 1,46. . . . . . . . . . . . . . Am 23.12. vorm. (4. SiA)* Mt 11,6 . . . . . . . . . . . . . . Am 25.12. früh (1. Weihnachtstag) Lk 2,10–11 . . . . . . Am 26.12. vorm. (2. Weihnachtstag)* 2Kor 5,17 . . . . . Am 30.12. früh (SnW) 1Thess 5,6–11. . . . . . . . . . . . . Vor Ende 1827 (Taufe) Mt 22,11–13 . . . . . . . . . . . . . Vor Ende 1827 (Trauung) Phil 4,6 . . . . . . . . . . . . . . . Vor Ende 1827 (Taufe) Mk 5,21–24.35–43 . . . . . . . . . Vor Ende 1827 (Abendmahlsvorbereitung) Joh 13,8 . . . Vor Ende 1827 (Trauung) Eph 2,19 . . . . . . . . . . . . . .
728 737 742 744 749 760 767 775 777 778 787 788 794 818 824 833 837 840 849 855 856 864 873 879 898 904 907 910 917 920
Verzeichnisse Editionszeichen Literatur . . . . Namen . . . . . Bibelstellen . . .
und . . . . . . . . .
Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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* Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
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927 932 940 943
Einleitung der Bandherausgeber Die Kritische Gesamtausgabe der Schriften, des Nachlasses und des Briefwechsels Friedrich Schleiermachers1, die seit 1980 erscheint, ist gemäß den Allgemeinen Editionsgrundsätzen in die folgenden Abteilungen gegliedert: I. Schriften und Entwürfe, II. Vorlesungen, III. Predigten, IV. Übersetzungen, V. Briefwechsel und biographische Dokumente. Die III. Abteilung dokumentiert Schleiermachers gesamte Predigttätigkeit von seinem Ersten Examen 1790 an bis zu seinem Tod 1834. Die Predigten werden chronologisch nach ihrem Vortragstermin angeordnet. Nur die von Schleiermacher absichtsvoll geordneten sieben „Sammlungen“, alle im Verlag der Berliner Realschulbuchhandlung bzw. im Verlag von G. Reimer erschienen (Berlin 1801– 1833), bleiben in dieser Anordnung erhalten und stehen am Anfang der Abteilung. Demnach ergibt sich für die Abteilung „Predigten“ folgende Gliederung: 1. Predigten. Erste bis Vierte Sammlung (1801–1820) 2. Predigten. Fünfte bis Siebente Sammlung (1826–1833) 3. Predigten 1790–1808 4. Predigten 1809–1815 5. Predigten 1816–1819 6. Predigten 1820–1821 7. Predigten 1822–1823 8. Predigten 1824 9. Predigten 1825 10. Predigten 1826–1827 11. Predigten 1828–1829 12. Predigten 1830–1831 13. Predigten 1832 14. Predigten 1833–1834. Addenda und Corrigenda zur III. Abteilung 15. Register zur III. Abteilung Der vorliegende Band enthält Predigten und Predigtentwürfe zu 109 Terminen der Jahre 1826 und 1827 sowie ergänzend 49 dazugehörige Liederblätter Schleiermachers. Die Editionsgrundlage bilden zum ei1
Sofern sich aus dem Zusammenhang nicht etwas anderes ergibt, beziehen sich im Folgenden Zitatnachweise und Belegverweise ohne Angabe des Autors auf Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher.
X
Einleitung der Bandherausgeber
nen Drucktexte und Autographen Schleiermachers, zum anderen gedruckte und ungedruckte Nachschriften von anderer Hand. Für sieben von Schleiermacher selbst in den Druck gegebene Predigten wird hier zusätzlich eine bisher nicht veröffentlichte Nachschrift ediert. Zu 76 Terminen gab es bisher keine Predigtveröffentlichung; 27 Predigten des Jahres 1826 und eine Predigt des Jahres 1827 lagen bereits in gedruckter Form vor; hinzu kommen fünf kleinere Reden, die Ende 1827 im Druck erschienen sind, sich aber nicht eindeutig einem Termin zuweisen lassen. Abgesehen von den Kasualpredigten sind derzeit 16 nachgewiesene Predigttermine nicht durch Texte belegt.2
I. Historische Einführung 1. Schleiermachers Predigttätigkeit in den Jahren 1826 und 1827 Von 1809 bis zu seinem Tod 1834 war Schleiermacher als Prediger an der Berliner Dreifaltigkeitskirche tätig. Zunächst nur für die reformierte Gemeinde zuständig, erweiterte sich sein Zuständigkeitsbereich enorm, als im Frühjahr 1822 die kirchliche Union vollzogen wurde. Zusammen mit seinem lutherischen Kollegen Philipp Konrad Marheineke3, der seit 1819 an der Dreifaltigkeitskirche tätig war, war Schleiermacher nach der Union für etwa 12.000 Gemeindeglieder zuständig, die zu einem Großteil aus der wohlhabenden Berliner Bevölkerung stammten. Die drei sonntäglichen Gottesdienste (7 Uhr Frühgottesdienst, 9 Uhr Hauptgottesdienst, 14 Uhr Nachmittagsgottesdienst) teilten die Prediger Schleiermacher, Marheineke und Adolf 2
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Es handelt sich um die folgenden Termine: 26. Juni 1826 vormittags (Gottesdienst zur Stadtverordnetenwahl); 29. Oktober 1826 vormittags; 12. November 1826 vormittags; 19. November 1826 früh; 9. Mai 1827 früh (Bußtag); 24. Mai 1827 vormittags; 27. Mai 1827 früh; 3. Juni 1827 vormittags; 4. Juni 1827 früh; 24. Juni 1827 vormittags; 25. Juni 1827 vormittags (Gottesdienst zur Stadtverordnetenwahl); 8. Juli 1827 vormittags, 15. Juli 1827 früh; 22. Juli 1827 vormittags; 2. September 1827 vormittags; 16. Dezember 1827 früh. Philipp Konrad Marheineke (1780–1846) war zuvor als Professor in Erlangen und Heidelberg tätig gewesen und hatte seit 1811 einen Lehrstuhl für Theologie an der Universität Berlin inne. Seit 1819 war er lutherischer Kollege Schleiermachers an der Dreifaltigkeitskirche. Nach Schleiermachers Tod 1834 erhielt er die erste der beiden unierten Pfarrstellen, die er bis zu seinem Ableben 1846 innehatte. Vgl. EPMB 2, S. 532; Wagenmann: ADB 20, S. 338–340; Hünerbein: NDB 16, S. 172–174
I. Historische Einführung
XI
August Kober4 untereinander auf. Im wöchentlichen Wechsel hielten Schleiermacher und Marheineke die Früh- und Hauptgottesdienste. Kober übernahm den Nachmittagsgottesdienst sowie den Konfirmandenunterricht und einen Teil der Amtsgeschäfte von Marheineke. Schleiermacher hingegen führte alle seine Aufgaben weiterhin alleine aus.5 Das bewährte Schema des wöchentlichen Wechsels lässt sich, wie in den Vorjahren, auch in den Jahren 1826 und 1827 deutlich nachvollziehen.6 War es Schleiermacher nicht möglich, den Gottesdienst zu halten, ließ er sich in den Frühgottesdiensten von Kandidaten und Hilfspredigern sowie in den Hauptgottesdiensten von verschiedenen Predigern vertreten.7 Dies war der Fall während Schleiermachers Reisen nach Göttingen und in den Harz (7.–21. September 1826), nach Putzar (1.–6. Dezember 1826), in den Harz (16.–27. April 1827), nach Ragow (24.–27. August 1827) und nach Schlesien (3. September bis 7. Oktober 1827); aus unbekannten Gründen verhindert war Schleiermacher am 4. Februar 1827.8 4
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8
Adolf August Kober (1798–1877) wurde 1824 nach seinem Studium in Leipzig auf die dritte Predigerstelle an der Dreifaltigkeitskirche berufen. Er rückte 1835 auf die zweite Pfarrstelle auf, nachdem Marheineke die Stelle des verstorbenen Schleiermacher übernommen hatte, wurde 1843 Superintendent für Friedrichswerder und erhielt 1847, nach dem Tod Marheinekes, die erste Pfarrstelle an der Dreifaltigkeitskirche. Vgl. EPMB 2, S. 423; Lommatzsch: Dreifaltigkeits-Kirche, S. 123–124 Vgl. Lommatzsch: Dreifaltigkeits-Kirche, S. 123. – Neben seiner Tätigkeit als Prediger in der Dreifaltigkeitsgemeinde war Schleiermacher auch als Professor an der Berliner Universität sowie als Verfasser und Herausgeber verschiedener literarischer Projekte tätig. Darüber hinaus engagierte er sich kirchenpolitisch, arbeitete an dem Berliner Gesangbuch und führte ein ausgeprägtes und intensives gesellschaftliches Leben. Diese vielen Interessen und Tätigkeitsfelder werfen noch heute häufig die Frage auf, wie Schleiermacher das alles miteinander vereinbaren konnte. Wichtigstes Hilfsmittel bei der Rekonstruktion seiner Lebens- und Arbeitsweise ist Schleiermachers Tageskalender, in den er – mal stichwortartig, mal ausführlicher – eingetragen hat, was er an dem jeweiligen Tag unternommen, wen er getroffen und über welche Bibelstelle er gepredigt hat. Exemplarisch für die Woche vom 11. bis 17. November 1827 zeigt Reich: Friedrich Schleiermacher als Pfarrer, S. 291–300, wie eine typische Woche im Leben von Friedrich Schleiermacher ausgesehen hat. Zu den folgenden Angaben vgl. Meckenstock: Kalendarium der Predigten Schleiermachers, in: KGA III/1, S. 769–1033, bes. 942–963 Unter diesen ist Friedrich August Pischon (1785–1857) hervorzuheben, der Schleiermacher gleich dreimal vertrat (17. September 1826; 22. April 1827; 16. September 1827). Vertreten wurden die Gottesdienste an folgenden Terminen: 10. September 1826 früh; 17. September 1826 vormittags; 3. Dezember 1826 früh; 4. Februar 1827 früh; 22. April 1827 vormittags; 9. September 1827 früh; 16. September 1827 vormittags; 23. September 1827 früh; 30. September 1827 vormittags; 7. Oktober 1827 früh. Zu den Details siehe Meckenstock: Kalendarium, KGA III/1, S. 942– 963
XII
Einleitung der Bandherausgeber
Bei der Auswahl der Predigttexte war Schleiermacher entsprechend der reformierten Tradition nicht an die Perikopenordnung gebunden, sondern konnte die Texte frei wählen. Nur am 26. November 1826 predigte er über die vorgegebene Perikope, und an einigen anderen Sonntagen in den Jahren 1826 und 1827 lehnte er seine Auswahl an die jeweilige Sonntagsperikope an.9 Entsprechend seiner Auffassung von der exzeptionell-singulären Bedeutung der kanonischen Schriften des Urchristentums10 wählte Schleiermacher fast ausschließlich neutestamentliche Texte als Predigtgrundlage. Lediglich am 31. Dezember 1826 lag mit Amos 3,6 der Predigt ein Text aus dem Alten Testament zugrunde. Wie schon in den Vorjahren, predigte Schleiermacher in seinen Frühgottesdiensten in Homilienreihen. Er setzte in den Jahren 1826 und 1827 seine bereits am 13. April 1823 begonnene Homilienreihe zum Johannesevangelium fort und vollendete sie nach insgesamt 95 Predigten am 20. Mai 1827.11 Auffällig ist dabei, dass Schleiermacher im März 1827 begann, die Homilien zum Johannesevangelium, die eigentlich nur im Frühgottesdienst gehalten wurden, teilweise auch im Hauptgottesdienst zu halten.12 Grund für die zusätzlichen Predigttermine in der Homilienreihe war vermutlich, dass Schleiermacher dadurch während der Passionszeit und zu Ostern die passenden Textstellen auslegen konnte. Nach dem Johannesevangelium widmete sich Schleiermacher ab dem 17. Juni 1827 dem 1. Thessalonicherbrief in einer Homilienreihe, die er bis zum 17. Februar 1828 in seinen Frühgottesdiensten hielt: Datum
Sonntag
Predigttext
17.06.1827 früh
1. SnT
1Thess 1,1–5
01.07.1827 früh
3. SnT
1Thess 1,6–10
15.07.1827 früh*
5. SnT
1Thess 2,1–6
29.07.1827 früh
7. SnT
1Thess 2,7–12
12.08.1827 früh
9. SnT
1Thess 2,13–20
9
10 11 12
Vgl. die Predigten am 26. März 1826, 25. Dezember 1826, 10. Juni 1827, 5. August 1827, 19. August 1827, 14. Oktober 1827, 28. Oktober 1827 und 25. Dezember 1827 Vgl. Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen, Berlin 1811, S. 28–29.33–44, KGA I/6, S. 267–269.271–279 Vgl. die tabellarische Auflistung der Termine in KGA III/7, S. LXV–LXIX Es handelt sich dabei um sechs Termine: 11. März 1827, 25. März 1827, 8. April 1827, 15. April 1827, 6. Mai 1827 und 13. Mai 1827.
I. Historische Einführung
XIII
21.10.1827 früh
19. SnT
1Thess 3,1–7
04.11.1827 früh
21. SnT
1Thess 3,8–13
18.11.1827 früh
23. SnT
1Thess 4,1–12
25.11.1827 vorm.
24. SnT
1Thess 4,13–16
02.12.1827 früh
1. SiA
1Thess 4,16–18
16.12.1827 früh*
3. SiA
1Thess 5,1–6
30.12.1827 früh
1. SnW
1Thess 5,6–11
06.01.1828 früh*
Epiphanias
1Thess 5,12–15
20.01.1828 früh
1. SnE
1Thess 5,16–18
03.02.1828 früh
Septuagesimae
1Thess 5,19–22
17.02.1828 früh
Estomihi
1Thess 5,23–28
* Für diese Termine ist kein Textzeuge vorhanden.
Neben den Homilienreihen der Frühgottesdienste bildete Schleiermacher in seinen Vormittagsgottesdiensten gern thematische Reihen, besonders in der festlosen Trinitatiszeit. Eine solche Themenreihe liegt für das Jahr 1826 vor: Angeregt durch Überlegungen in den Gottesdiensten zur Konfirmation (6. Mai 1826) und zu Pfingsten (14. und 15. Mai 1826), wollte Schleiermacher der Frage nachgehen, wie das göttliche Wort in der einzelnen menschlichen Seele gedeihen kann und was dieses Gedeihen fördert oder hindert. Dazu wählte er zunächst das Gleichnis vom Säemann und dessen Deutung (vgl. Mt 13,1–23; Mk 4,1–20; Lk 8,4–15), das er in den vier Predigten vom 28. Mai, 11. Juni, 25. Juni und 9. Juli auslegte. Diese eigentlich in sich schon geschlossene Reihe13 erweiterte er in der Folgezeit durch andere Texte, die er an jeweils zwei bis drei Terminen seiner Predigt zugrunde legte: das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden (Lk 19,12–24) so13
Die Eigenständigkeit dieser Reihe zeigt sich darin, dass Schleiermacher nur diese vier Predigten im „Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden“, Bd. 5, 1827, publiziert hat (vgl. unten Punkt 4), sowie darin, dass sie in einer zum Buch gebundenen Nachschrift mit dem Titel „Vier Predigten über das Gleichniß vom Säemann, gehalten von Fr. Schleiermacher im Sommer 1826“ überliefert ist (SFK 1, vgl. unten II.3.M). Als Indiz für ihre ursprüngliche Geschlossenheit kann gelten, dass es in der gesamten elfteiligen Reihe zwar zahlreiche übergreifende Rückverweise an den Predigtanfängen gibt, aber die wenigen Vorwärtsverweise in den ersten vier Predigten (vgl. unten S. 274,15–18; S. 309,22– 24; S. 325,12–13) alle im Rahmen dieser vier Predigten bleiben. Allerdings kann es auch nicht ausgeschlossen werden, dass Schleiermacher die längere Reihe von Anfang an geplant hat.
XIV
Einleitung der Bandherausgeber
wie zwei Stellen aus den Paulusbriefen zum Stand der Berufenen (1Kor 7,20–23) und zu den Starken und Schwachen im Glauben (Röm 15,1–3). Am Ende ergab sich so eine bis zum 12. November 1826 reichende elfteilige Predigtreihe über Gleichheit und Ungleichheit bei der Ausbreitung des göttlichen Worts14: Datum
Sonntag
Predigttext
28.05.1826 vorm.
1. SnT
Lk 8,12
11.06.1826 vorm.
3. SnT
Lk 8,13
25.06.1826 vorm.
5. SnT
Mt 13,22
09.07.1826 vorm.
7. SnT
Mt 13,23
23.07.1826 vorm.
9. SnT
Lk 19,12–13
06.08.1826 vorm.
11. SnT
Lk 19,15–24
20.08.1826 vorm.
13. SnT
1Kor 7,20
03.09.1826 vorm.
15. SnT
1Kor 7,21–23
15.10.1826 vorm.
21. SnT
Röm 15,1
29.10.1826 vorm.*
23. SnT
Röm 15,2
12.11.1826 vorm.*
25. SnT
Röm 15,1.3
* Für diese Termine ist kein Textzeuge vorhanden.
2. Tauf- und Traureden Neben seinen sonntäglichen Gottesdiensten bezeugen die Kirchenbücher auch zahlreiche Kasualhandlungen Schleiermachers. Für die Zeit nach der Union (1822–1834) sind als durchschnittliches Jahrespensum 121 Taufen und 35 Trauungen ermittelt worden.15 Dabei war es nicht unüblich, dass bis zu zehn Taufen an einem Termin durchgeführt wurden, während Doppel- oder gar Dreifachtrauungen die Ausnahme darstellen. In Hinsicht auf die Taufen sind die Jahre 1826 (139 Taufen an 59 Terminen) und 1827 (126 Taufen an 53 Terminen) etwas überdurchschnittlich, nicht aber in Hinsicht auf die Zahl der Trauungen 14 15
Zur Formulierung des Reihenthemas vgl. KGA III/1, S. LII (das dort angegebene Datum für den letzten Termin ist zu korrigieren). Vgl. Reich: Schleiermacher als Pfarrer, S. 427–428
I. Historische Einführung
XV
(1826: 35 Trauungen an 32 Terminen; 1827: 30 Trauungen an 27 Terminen). Obwohl also die Kasualreden einen sehr großen Anteil an Schleiermachers Predigttätigkeit haben, sind nur wenige von ihnen im Wortlaut überliefert. Im vorliegenden Band finden sich zwei Taufund zwei Traureden, die Ende 1827 im Druck erschienen sind16, sich aber nicht eindeutig einem Termin zuweisen lassen. Hinzu kommen zwei als Nachschrift überlieferte Traureden (31. August 1826 und 24. Oktober 1826) sowie zwei in Schleiermachers Tageskalender notierte Dispositionen für Traureden (10. und 14. Oktober 1827).
3. Vorbereitungspredigten auf das Abendmahl Das Unionsstatut für die Dreifaltigkeitsgemeinde von 1822 sah neben dem sonntäglichen Früh-, Haupt- und Nachmittagsgottesdienst vor, die Abendmahlsfeier am Tag zuvor um 13 Uhr mit einer gottesdienstlichen Beichtfeier vorzubereiten, zu deren Bestandteilen auch eine „Anrede“ an die Gemeinde gehörte, die im Unterschied zur eigentlichen Predigt nicht von der Kanzel, sondern, wie die Beichtfeier insgesamt, vor dem Altar zu halten war.17 Solche Ansprachen Schleiermachers im Rahmen der Abendmahlsvorbereitung sind sehr selten durch überlieferte Texte dokumentiert, möglicherweise auch deshalb, weil Schleiermacher gar nicht in jedem Fall eine eigens formulierte freie Ansprache hielt, sondern eine mehr oder weniger agendarisch gebundene Form verwendete, von der mindestens zwei verschiedene Varianten bei ihm nachweisbar sind18. Für den Zeitraum 1826–1827 sind vier Reden Schleiermachers zur Vorbereitung auf das Abendmahl überliefert, nämlich vom 6. Mai 1826 über 1Kor 11,28 im Zusammenhang einer Konfirmation, vom 13. Oktober 1827 über Lk 14,23– 24, vom 24. November 1827 über Joh 8,51 sowie vom 8. Dezember 1827 über Mt 5,14. Eine fünfte, undatierte Beichtrede veröffentlichte Schleiermacher im Jahr 1827 im „Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden“. Diese Ansprachen wurden innerhalb der Beichtfeier wahrscheinlich gleich nach einem Eingangslied und dem liturgischen Eingangsvotum „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen“ gehalten.19 16 17 18 19
Im „Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden“, Bd. 5, 1827 (vgl. unten Punkt 4) Vgl. Reich: Schleiermacher als Pfarrer, S. 484 Abgedruckt bei Schmidt: Lied – Kirchenmusik – Predigt, S. 509–512 Vgl. Schmidt: Lied – Kirchenmusik – Predigt, S. 335; zur liturgischen Rekonstruktion der von Schleiermacher abgehaltenen Beichtfeiern vgl. insgesamt S. 334–337
XVI
Einleitung der Bandherausgeber
4. Die gedruckten Predigten der Jahre 1826–1827 und ihre literarische Rezeption Im Jahr 1826 erschien die „Fünfte Sammlung“ („Christliche Festpredigten“, Bd. 1) der Predigten Schleiermachers sowie das „Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden“, Bd. 4, in denen jedoch ausschließlich Predigten abgedruckt sind, die in den Vorjahren gehalten worden waren.20 Von den 1826 gehaltenen Predigten veröffentlichte Schleiermacher die Predigt vom 26. November (Totensonntag) als Einzeldruck im Verlag G. Reimer 21 sowie die Predigten vom 28. Mai, 11. Juni, 25. Juni und 9. Juli im „Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden“, Bd. 5.22 Im selben Band finden sich auch fünf undatierte Amtsreden (zwei Taufreden, zwei Traureden, eine Beichtrede), die aber, da das „Magazin“ im Dezember 1827 erschienen ist, vor Ende 1827 angesetzt werden können.23 Außerdem hat Schleiermacher die Predigten vom 15. Mai 1826 und vom 1. Januar 1827 in die 1833 erschienene „Siebente Sammlung“ („Christliche Festpredigten“, Bd. 2) aufgenommen.24 Die als Einzeldruck erschienene „ Predig t a m 27st en S onnt a g e n a c h Tr i n i t at i s 1 8 2 6 , al s am Todtenf est e in der D reif a l t i g k e i t s k i r c h e ge s p r o c h e n vo n D r. Fr. S chleierm a cher“, B e r l i n 1 8 2 7 , wird im „Journal für Prediger“ besprochen.25 Der Rezensent unterzeichnet mit dem Kürzel „N.“, hinter welchem unschwer Daniel Amadeus Neander, einer der vier Herausgeber des „Journals für Prediger“, vermutet werden kann.26 Er beginnt mit ei20
21 22
23 24 25 26
Zur Entstehung und literarischen Rezeption der „Fünften Sammlung“ siehe KGA III/2, S. IX–XVIII; zur Rezeption der Predigten im „Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden“, Bd. 4, siehe KGA III/8, S. XXV–XXVIII Predigt am 27sten Sonntage nach Trinitatis 1826, als am Todtenfeste in der Dreifaltigkeitskirche gesprochen von Dr. Fr. Schleiermacher, Berlin 1827 Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden, Bd. 5, 1827, S. 257–329. Die Predigt „Ueber die Einigkeit im Geiste“ über Eph 4,1–3, ebd. S. 234–256, wurde bereits am 10. Oktober 1824 gehalten; vgl. KGA III/8, S. 544–574. Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden, Bd. 5, 1827, S. 330–348 Zur Entstehung und literarischen Rezeption der „Siebenten Sammlung“ siehe KGA III/2, S. XXVII–XXXVI Journal für Prediger, Bd. 73, 1828, S. 101–102 Daniel Amadeus Neander (1775–1869), seit 1823 Propst der Petrikirche in Berlin-Cölln, damals das ranghöchste geistliche Amt in Berlin, und Oberkonsistorialrat im märkischen Konsistorium; der ihm 1830 vom preußischen König verliehene Titel „Bischof“ war eine reine Ehrenbezeugung; vgl. Friedrich: Daniel Amadeus
I. Historische Einführung
XVII
ner Einschränkung: „Auf eine Charakteristik der originellen Predigtmanier des Verfs., welche früher in unserem Journale […] ausführlich und gründlich gegeben ist, lassen wir uns bei Anzeige dieser einzelnen Predigt […] nicht ein, sondern begnügen uns, ihren Hauptinhalt mit wenigen Worten anzugeben.“27 Die Inhaltsangabe der Predigt über 1Thess 5,1–11 hebt die Aufforderung hervor, „uns in Beziehung auf den Allen bevorstehenden Abschied aus diesem Leben unter einander zu ermahnen und zu erbauen“, und zwar „1) zu wachen und nüchtern zu seyn; 2) angethan zu seyn mit dem Krebs des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung und des Heils“.28 Die Besprechung endet mit einer stilistischen Kritik: „Wie viel mehr würden die Zuhörer durch des Verfs. gedankenreiche Predigten gewinnen, wenn es ihm beliebte, in weniger schwerfälligen und zum Theil fehlerhaft gebaueten Perioden zu reden. Sogar der aufmerksame und an eine minder verständliche Darstellungsweise gewöhnte Leser sieht sich genöthigt, manche Sätze zweimal zu lesen, so lang und verwickelt sind sie.“29 Für das „ M agaz i n vo n F e s t - , Ge l e genheits- , und a nderen P r e d i g t e n u n d k l e i n e r e n A mt s r e d e n “, Bd. 5, liegen zwei Rezensionen vor. Im August 1828 brachte die „Jenaische Allgemeine Literaturzeitung“30 eine Besprechung des Rezensenten „7.4.5.“, der in derselben Zeitschrift im Vorjahr schon die Bände 2–4 besprochen hatte31 und als Johann Christian Große identifiziert werden kann.32 Nach einer kurzen Aufzählung der enthaltenen Predigten von Schuderoff, Röhr und Schleiermacher (letztere werden als „streng- und erschöpfend-biblisch“33 charakterisiert) hebt der Rezensent „die große Verschiedenheit des Längenmaßes“ der Predigten von Schuderoff (selten mehr als acht Seiten) und Schleiermacher (sechzehn bis über zweiundzwanzig Seiten) hervor und sieht in denen von Röhr (dreizehn bis höchstens fünfzehn Seiten) „das rechte Maß, bey welchem eine gewählte Materie erschöpft werden kann, ohne den Zuhörer zu ermüden“.34 Von den kleineren Reden Schleiermachers hat dem Rezensenten „die erste Traurede am meisten gefallen“ („Die Anwen-
27 28 29 30 31 32 33 34
Neander, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 6, 1993, Sp. 229– 231. Journal für Prediger 1828, S. 101–102 Ebd., S. 102 Ebd. Jenaische Allgemeine Literaturzeitung, Jg. 24, 1828, Bd. 3, Nr. 147, Sp. 215–216 Jenaische Allgemeine Literaturzeitung, Jg. 23, 1827, Bd. 4, Nr. 216, Sp. 285–288 Vgl. Bulling: Rezensenten, S. 96; KGA III/8, S. XXVI–XXVIII, dort S. XXVII Anm. 78 auch nähere Angaben zu Johann Christian Große (1770–1847) Jenaische Allgemeine Literaturzeitung 1828, Sp. 215 Ebd., Sp. 215–216
XVIII
Einleitung der Bandherausgeber
dung der Bibelstelle Philip. 4, 6 ist hier sehr zweckmäßig gemacht“).35 Am 26. Dezember 1828 erschien in der Zeitschrift „Theologisches Literaturblatt. Zur Allgemeinen Kirchenzeitung“ eine mit „P. p.“ unterzeichnete Rezension, als deren Verfasser Schleiermachers alter Freund Joachim Christian Gaß ermittelt werden kann.36 Der Rezensent beginnt mit dem Hinweis auf seine Besprechung der ersten vier Bände dieses Magazins in derselben Zeitschrift37 und findet in dem fünften Band „keinen Anlaß, von dem dort über die ganze Sammlung und ihren inneren Gehalt gefällten Urtheile abzuweichen, sondern vielmehr eine fortgesetzte Bestätigung desselben“.38 Das erste Drittel der Rezension ist den Predigten von Schuderoff und Röhr gewidmet, wobei nicht mit kritischen Bemerkungen gespart wird.39 Ganz anders ist der Ton, wenn es um Schleiermacher geht, der „diese Sammlung mit fünf Beiträgen geschmückt“ hat.40 Insbesondere die vier Predigten über das Gleichnis vom Säemann werden ausführlich gewürdigt: „Die Art, wie Herr Schleiermacher seinen Text behandelt, wie er den Gegenstand des Vortrages jedesmal aus jenem ableitet und in der fortschreitenden Gedankenentwicklung immer wieder darauf zurückkommt; wie er so mit dem Lichte des göttlichen Worts die Stelle des Lebens beleuchtet und erhellt, worauf ihn eben sein Text führt; wie er sich eben in dieser Eigenthümlichkeit nicht nur von seinen Mitarbeitern an diesem Magazin, sondern überhaupt − wir dürfen dreist sagen − von Allen, die auf der Kanzel lehren, unterscheidet, und wie endlich durch ihn der allein richtige und allein haltbare Grundsatz der homiletischen Kunst: daß alles Predigen nur ein Schrifterklären und ein Schriftbeziehen auf das Leben sein und nur in diesem Sinne erbauend und fruchtbringend werden könne, erläutert und gerechtfertigt wird; dieses Alles ist schon in anderen Anzeigen seiner kirchlichen Vorträge von uns hervorgehoben, daß es hinreichen wird, uns hier darauf zu beziehen. […] Diese vier Vorträge gehören zu den vortrefflichsten, die wir besitzen.“41 Zu den kleineren Reden (fünf von Schleiermacher und sechs von Röhr) hat der Rezensent „Nichts weiter zu sagen“.42 35 36
37 38 39 40 41 42
Ebd., Sp. 216 Theologisches Literaturblatt. Zur Allgemeinen Kirchenzeitung, 1828, Nr. 104, Sp. 863–864; zur Identifikation von „P. p.“ mit Joachim Christian Gaß (1766– 1831) vgl. KGA III/2, S. X–XII Theologisches Literaturblatt. Zur Allgemeinen Kirchenzeitung, Darmstadt 1826, Nr. 75, Sp. 609–616; vgl. dazu KGA III/8, S. XXV–XXVI Theologisches Literaturblatt 1828, Sp. 863 Vgl. ebd., Sp. 863–864 Ebd., Sp. 864 Ebd. Ebd.
II. Editorischer Bericht
XIX
II. Editorischer Bericht Der editorische Bericht informiert über die einheitlich für alle Bände der III. Abteilung geltenden Grundsätze43 zur Textgestaltung (1.) und zur Druckgestaltung (2.), außerdem über die Quellentexte des vorliegenden Bandes und die spezifischen Verfahrensweisen angesichts der jeweiligen Textbeschaffenheit (3.).
1. Textgestaltung und zugehörige editorische Informationen Die allgemeinen Regeln der Textgestaltung für alle Textzeugen werden für Manuskripte spezifiziert, und zwar in einem abgestuften Verfahren. Die von Schleiermachers Hand geschriebenen Predigtentwürfe und Predigtverschriftungen werden mit ausführlichen Nachweisen zum Entstehungsprozess versehen. Die Nachschriften von fremder Hand erhalten in einem vereinfachten Editionsverfahren nur knappe Apparatbelege. A. Allgemeine Regeln Für die Edition aller Gattungen von Textzeugen (Drucke und Manuskripte) gelten folgende Regeln: a. Alle Textzeugen werden in ihrer l e t z t g ült ig en G est a lt wiedergegeben. b. Wo r t l a u t , Sc h r e i b w e i s e u n d Z e i chenset zung des zu edierenden Textzeugen werden grundsätzlich beibehalten. Dies gilt auch für Schwankungen in der Schreibweise und Zeichensetzung, wo häufig nicht entschieden werden kann, ob eine Eigentümlichkeit oder ein Irrtum vorliegt. Hingegen werden Verschiedenheiten in der Verwendung und Abfolge von Zeichen (z. B. für Abkürzungen oder Ordnungsangaben), soweit sie willkürlich und sachlich ohne Bedeutung sind, in der Regel stillschweigend vereinheitlicht. Verweiszeichen für Anmerkungen (Ziffern, Sterne, Kreuze etc.) werden einheitlich durch Ziffern wiedergegeben. Nach Ziffern und Buchstaben, die in einer Aufzählung die Reihenfolge markieren, wird immer ein Punkt gesetzt. Sekundäre Bibelstellennachweise, editorische Notizen und Anweisungen an den Setzer werden stillschweigend übergangen. Dasselbe gilt für Kustoden, es sei denn, dass sie für die Textkonstitution unverzichtbar sind. 43
Vgl. KGA III/1, S. IX–XX
XX
Einleitung der Bandherausgeber
c. Of f e n k u n d i ge Dr u c k - o d e r Sc hreibf ehler und Versehen werden im Text korrigiert. Im textkritischen Apparat wird – ohne weitere Angabe − der Textbestand des Originals angeführt. Die Anweisungen von Druckfehlerverzeichnissen werden bei der Textkonstitution berücksichtigt und am Ort im textkritischen Apparat mitgeteilt. Bei den Predigtnachschriften fremder Hand gilt generell die Regel C.g. d. Wo der Zustand des Textes eine K onjektur nahelegt, wird diese mit der Angabe „Kj“ im textkritischen Apparat vorgeschlagen. Liegt in anderen Texteditionen bereits eine Konjektur vor, so werden deren Urheber und die Seitenzahl seiner Ausgabe genannt. e. Sofern beim Leittext ein Ü b e r l i e f e rung sv erlust vorliegt, wird nach Möglichkeit ein sekundärer Textzeuge (Edition, Wiederabdruck) oder zusätzlich ein weiterer Zeuge unter Mitteilung der Verfahrensweise herangezogen. f. Liegt ein gedruckter Quellentext in zwei oder mehr von Schleiermacher autorisierten Fassungen (Auflagen) vor, so werden die Textabweichungen in einem Var i an t e n ap p ara t mitgeteilt. Dessen Mitteilungen sollen in der Regel allein aus sich heraus ohne Augenkontakt mit dem Text verständlich sein. Zusammengehörige Textveränderungen sollen möglichst in einer Notiz erfasst werden. Leichte Ersichtlichkeit von einzelnen Textveränderungen und deutliche Verständlichkeit von neuen Sinnprofilierungen sind für den Zuschnitt der Notizen maßgeblich. Der Variantenapparat wird technisch wie der textkritische Apparat gestaltet und möglichst markant mit dem Text verknüpft. g. Hat Schleiermacher für die Ausarbeitung eines Drucktextes eine Predigtnachschrift genutzt, so wird diese Nachschrift, falls sie im Textbestand deutlich abweicht, zusätzlich geboten. Für die beiden Textzeugen gelten die jeweiligen Editionsregeln. B. Manuskripte Schleiermachers Für die Edition der eigenhändigen Manuskripte Schleiermachers gelten folgende Regeln: a. Ab b r e vi at u r e n (Kontraktionen, Kürzel, Chiffren, Ziffern für Silben), deren Sinn eindeutig ist, werden unter Weglassung eines evtl. vorhandenen Abkürzungszeichens (Punkt, Abkürzungsschleife usw.) in der üblichen Schreibweise ausgeschrieben. Die Abbreviaturen mit ihren Auflösungen werden im textkritischen Apparat oder im Editorischen Bericht mitgeteilt. Die durch Überstreichung bezeichnete Ver-
II. Editorischer Bericht
XXI
doppelung von m und n, auch wenn diese Überstreichung mit einem U-Bogen zusammenfällt, wird stillschweigend vorgenommen. Abbreviaturen, deren Auflösung unsicher ist, werden im Text belassen; für sie wird gegebenenfalls im textkritischen Apparat ein Vorschlag mit der Formel „Abk. wohl für“ gemacht. In allen Fällen, wo (z.B. bei nicht ausgeformten Buchstaben, auch bei verkürzten Endsilben) aufgrund von Flüchtigkeit der Schrift nicht eindeutig ein Schreibversehen oder eine gewollte Abbreviatur zu erkennen ist, wird das betreffende Wort ohne weitere Kennzeichnung in der üblichen Schreibweise vollständig wiedergegeben. b. Geläufige A b k ü r z u n ge n einschließlich der unterschiedlichen Abkürzungen für die biblischen Bücher werden im Text belassen und im Abkürzungsverzeichnis aufgelöst. Für die Abkürzungen in Predigtüberschriften (zu Ort und Zeit) erfolgt die Auflösung im editorischen Kopftext der Predigt, in den Apparaten oder im Abkürzungsverzeichnis. Der oftmals fehlende Punkt nach Abkürzungen wird einheitlich immer gesetzt. c. U n s i c h e r e L e s ar t e n werden in unvollständige eckige Klammern (Beispiel: PnochS) eingeschlossen. Gegebenenfalls wird eine mögliche andere Lesart mit der Formel „oder“ (Beispiel: PauchS] oder PnochS) vorgeschlagen. d. E i n n i c h t e n t z i f f e r t e s Wo r t wird durch ein in unvollständige eckige Klammern gesetztes Spatium gekennzeichnet; bei zwei oder mehr unleserlichen Wörtern wird dieses Zeichen doppelt gesetzt und eine genauere Beschreibung im textkritischen Apparat gegeben. e. Ü b e r l i e f e r u n gs l ü c k e n . Weist ein Manuskript Lücken im Text oder im Überlieferungsbestand auf und kann die Überlieferungslücke nicht durch einen sekundären Textzeugen gefüllt werden (vgl. oben A. e.), so wird die Lücke innerhalb eines Absatzes durch ein in kursive eckige Klammern eingeschlossenes Spatium gekennzeichnet. Eine größere Lücke wird durch ein in kursive eckige Klammern gesetztes Spatium gekennzeichnet, das auf einer gesonderten Zeile wie ein Absatz eingerückt wird. Eine Beschreibung erfolgt im textkritischen Apparat. f. Au f f ä l l i g e Te x t ge s t al t u n g wird im Editorischen Bericht oder bei Bedarf im textkritischen Apparat beschrieben (z. B. Lücken in einem fortlaufenden Satz oder Absatz). g. B e l e g e f ü r d e n E n t s t e h u n gs p r o z ess (wie Zusätze, Umstellungen, Streichungen, Wortkorrekturen, Entstehungsstufen) werden
XXII
Einleitung der Bandherausgeber
im textkritischen Apparat − nach Möglichkeit gebündelt − mitgeteilt. Wortkorrekturen, Streichungen und Hinzufügungen werden, wenn sie zusammen eine komplexe Textänderung ausmachen, durch die Formel „geändert aus“ zusammengefasst. h. Zu s ä t z e , die Schleiermacher eindeutig in den ursprünglichen Text eingewiesen hat, werden im Text platziert und im textkritischen Apparat unter Angabe des ursprünglichen Ortes und der Formel „mit Einfügungszeichen“ nachgewiesen. Ist ein Zusatz von Schleiermacher nicht eingewiesen, aber seine eindeutige Einordnung in den Grundtext durch Sinn oder Position möglich, so wird im textkritischen Apparat nur der ursprüngliche Ort angegeben. Zusätze, die sich nicht eindeutig in den Grundtext einfügen lassen, werden auf den jeweiligen Seiten − vom übrigen Text deutlich abgesetzt − unter Angabe des Ortes im Manuskript wiedergegeben. i. Sind im Manuskript U ms t e l l u n gen von benachbarten Wörtern oder Satzteilen vorgenommen worden, so wird im Apparat mit der Formel „umgestellt aus“ die Vorstufe angegeben. Bei Umstellungen von Sätzen und Satzteilen über einen größeren Zwischenraum wird der ursprüngliche Ort unter Verwendung der Formel „mit Umstellungszeichen“ angegeben. j. S t r e i c h u n ge n . Sind im Manuskript Wörter, Buchstaben oder Zeichen gestrichen worden, so wird das Gestrichene im Apparat in Winkelklammern mitgeteilt und dabei der Ort im Manuskript relativ zum Bezugswort angegeben (z. B. durch die Formel „folgt“). Wurden Streichungen vorgenommen, aber nicht vollständig durchgeführt, so werden die versehentlich nicht gestrichenen Partien in doppelte Winkelklammern eingeschlossen. k. Ko r r e k t u r e n Schleiermachers an Wörtern, Wortteilen oder Zeichen werden durch die Formel „korr. aus“ angezeigt (Beispiel: klein] korr. aus mein). l. Liegen bei einer Handschriftenstelle mehrere deutlich unterscheidbare E n t s t e h u n gs s t u f e n vor, so werden sie in der Regel jeweils vollständig aufgeführt. m. F e h l e n d e W ö r t e r u n d Z e i c h e n werden in der Regel im Text nicht ergänzt. Fehlende Wörter, die für das Textverständnis unentbehrlich sind, werden im textkritischen Apparat mit der Formel „zu ergänzen wohl“ vorgeschlagen. Fehlende Satzzeichen, die für das Textverständnis unentbehrlich sind, werden im Text in eckigen Klammern hinzugefügt.
II. Editorischer Bericht
XXIII
Sofern das besonders gestaltete Wortende, das Zeilenende, das Absatzende oder ein Spatium innerhalb der Wortfolge offensichtlich ein bestimmtes Interpunktionszeichen (Punkt, Komma, Semikolon, Gedankenstrich, Doppelpunkt) vertritt, werden solche Zeichen stillschweigend ergänzt. Genauso ergänzt werden fehlende Umlautzeichen sowie bei vorhandener Anfangsklammer die fehlende Schlussklammer. n. Sofern Schleiermacher bei seiner Überarbeitung von Predigtnachschriften fremder Hand vereinzelt o f f e n kundig e S chreibfehler u n d Ve r s e h e n der Nachschrift nicht korrigiert oder irrtümlich eine S tr e i c h u n g falsch vorgenommen hat, wird stillschweigend der intendierte Textbestand geboten. Anweisungen zur Textgestaltung, die Schleiermacher bei der Überarbeitung notiert hat, werden stillschweigend berücksichtigt. C. Predigtnachschriften Für die Edition der nicht von Schleiermacher stammenden Predigtnachschriften gelten folgende Regeln: a.–f. Die vorangehend unter Nr. B. a.–f. genannten Editionsregeln gelten unverändert. g. Of f e n k u n d i ge Sc h r e i b f e h l e r u n d Versehen werden im Text stillschweigend im Sinne der üblichen Schreibweise und ohne Apparatnachweis korrigiert, entweder wenn die Korrektur durch einen zuverlässigen Paralleltext bestätigt wird oder wenn es sich, falls kein Paralleltext überliefert ist, um Verdoppelung von Silben, Worten oder Wortgruppen, um falsche Singular- bzw. Pluralbildung, falsche Kleinschreibung oder Großschreibung von Wörtern, falsches Setzen oder Fehlen von Umlautzeichen, falsche graphische Trennung von Wortbestandteilen oder Verknüpfung von Wörtern, Fehlen des Konsonantenverdoppelungsstrichs, um unvollständige Zitationszeichen (fehlende Markierung des Zitatanfangs oder Zitatendes), unvollständige Einklammerung und Ähnliches handelt. Sind offenkundig bei Streichungen und Korrekturen versehentlich Fehler unterlaufen, so wird der intendierte Textbestand stillschweigend geboten. h. E i n z e l h e i te n d e s E n t s t e h u n gs p rozesses (Streichungen, Zusätze, Korrekturen, Umstellungen und Entstehungsstufen) werden im textkritischen Apparat nicht nachgewiesen, auch nicht der Wechsel von Schreiberhänden und die Unterschiede in der graphischen Gestaltungspraxis. Nicht einweisbare Zusätze oder Anmerkungen auf dem Rand werden in Fußnoten mitgeteilt.
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Einleitung der Bandherausgeber
i. F e h l e n d e W ö r t e r u n d Z e i c h e n , die für das Textverständnis unentbehrlich sind, werden im Text in eckigen Klammern ergänzt. j. H e r v o r h e b u n ge n bleiben unberücksichtigt. Die thematische Gliederungsübersicht innerhalb einer Predigt wird in der Regel als Block eingerückt. k. Te x t ü b e r ar b e i t u n ge n Sc h l e i erm a chers. Bei einer von Schleiermacher markant und ausführlich bearbeiteten Nachschrift wird sowohl der von Schleiermacher hergestellte Text als auch der zugrunde liegende Text der Nachschrift ediert. Hat Schleiermacher in einer Nachschrift nur vereinzelt Korrekturen, Ergänzungen oder Kommentierungen vorgenommen, so werden diese möglichst gebündelt als Fußnoten mitgeteilt. D. Sachapparat Der Sachapparat gibt die für das Textverständnis notwendigen Erläuterungen. a. Zi t a t e u n d Ve r w e i s e werden im Sachapparat nachgewiesen. Für die von Schleiermacher benutzten Ausgaben werden vorrangig die seiner Bibliothek zugehörigen Titel berücksichtigt.44 b. Zu An s p i e l u n ge n Schleiermachers werden Nachweise oder Erläuterungen nur dann gegeben, wenn die Anspielung als solche deutlich, der fragliche Sachverhalt eng umgrenzt und eine Erläuterung zum Verständnis des Textes nötig ist. c. Bei B i b e l s t e l l e n wird ein Nachweis nur gegeben, wenn ein wortgetreues bzw. Worttreue intendierendes Zitat gegeben wird, eine paraphrasierende Anführung von biblischen Aussagen vorliegt oder auf biblische Textstellen förmlich (z. B. „Johannes sagt in seinem Bericht …“) Bezug genommen wird. Geläufige biblische Wendungen werden nicht nachgewiesen. Für den einer Predigt zugrunde liegenden Bibelabschnitt werden in dieser Predigt keine Einzelnachweise gegeben. Andere Bibelstellen, auf die in einer Predigt häufiger Bezug genommen wird, werden nach Möglichkeit gebündelt nachgewiesen. Weicht ein ausgewiesenes Bibelzitat vom üblichen Wortlaut ab, so wird auf diesen Sachverhalt durch die Nachweisformel „vgl.“ hingewiesen. 44
Vgl. Meckenstock: Schleiermachers Bibliothek nach den Angaben des Rauchschen Auktionskatalogs und der Hauptbücher des Verlages G. Reimer, in: KGA I/15, S. 637–912
II. Editorischer Bericht
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E. Editorischer Kopftext Jeder Predigt − ausgenommen sind die gedruckten ‚Sammlungen‘ (vgl. KGA III/1–2) und die Manuskripthefte ‚Entwürfe‘ (vgl. KGA III/3) − wird ein editorischer Kopftext vorangestellt. a. B e s t a n d t e i l e . Der editorische Kopftext informiert über den Termin, den Ort, die ausgelegten Bibelverse, den Textzeugen sowie gegebenenfalls über Parallelzeugen und Besonderheiten. Die Textzeugen werden durch das Genus, die Archivalienangabe und gegebenenfalls den Namen der Autoren/Tradenten von Nachschriften charakterisiert. Sind Autoren und Tradenten verschiedene Personen und namentlich bekannt, werden beide mitgeteilt. b. Ve r f a h r e n s h i n w e i s e . Bei Nachschriften wird gegebenenfalls über vorhandene Editionen des vorliegenden Textzeugen, bei Drucktexten gegebenenfalls über Wiederabdrucke Auskunft gegeben. Bei Wiederabdrucken von Druckpredigten werden keine Auszüge oder Referate berücksichtigt, sondern nur vollständige Textwiedergaben bibliographisch mitgeteilt. Wenn von einer in der jetzigen Publikation als Textzeuge genutzten Predigtnachschrift bereits eine leicht abweichende Version desselben Tradenten ediert worden ist, so wird diese frühere Publikation unter dem Stichwort „Texteditionen“ aufgeführt und als „Textzeugenparallele“ charakterisiert. Wird zu einem Drucktext Schleiermachers eine vorhandene Predigtnachschrift nicht als Textzeuge ediert, so wird diese Nachschrift unter dem Stichwort „Andere Zeugen“ genannt. Die Angaben zum editorisch ermittelten Bibelabschnitt können von den Angaben des Textzeugen abweichen.
2. Druckgestaltung Die Druckgestaltung soll die editorische Sachlage bei den unterschiedlichen Gattungen von Textzeugen möglichst augenfällig machen. A. Seitenaufbau a. S a t z s p i e g e l . Es werden untereinander angeordnet: Text des Originals gegebenenfalls mit Fußnoten, gegebenenfalls Variantenapparat, textkritischer Apparat, Sachapparat. Text, Fußnoten und Variantenapparat erhalten eine Zeilenzählung auf dem Rand. b. Die B e z i e h u n g d e r A p p ar at e au f den Text erfolgt beim textkritischen Apparat und beim Variantenapparat dadurch, dass unter Angabe der Seitenzeile die Bezugswörter aufgeführt und durch eine
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Einleitung der Bandherausgeber
eckige Klammer (Lemmazeichen) von der folgenden Mitteilung abgegrenzt werden. Beim Sachapparat wird die Bezugsstelle durch Zeilenangabe bezeichnet; der editorische Kopftext samt vorangestellter Überschrift wird als Zeile Null gezählt. B. Gestaltungsregeln a. S c h r i ft . Um die Predigtnachschriften fremder Hand graphisch von den Drucktexten Schleiermachers sowie von seinen eigenhändigen Manuskripten abzuheben, werden erstere in einer serifenlosen Schrift (Myriad) mitgeteilt. Dies gilt auch für die Fälle, in denen eine Predigtnachschrift nur in Gestalt eines nicht von Schleiermacher autorisierten Drucktextes als sekundärer Quelle vorliegt. Der Text des Originals wird einheitlich recte wiedergegeben. Bei der Wiedergabe von Manuskripten wird deutsche und lateinische Schrift nicht unterschieden. Graphische Varianten von Zeichen (wie doppelte Bindestriche, verschiedene Formen von Abkürzungszeichen oder Klammern) werden stillschweigend vereinheitlicht. Ordinalzahlen, die durch Ziffern und zumeist hochgestellten Schnörkel oder Endung „ter“ (samt Flexionen) geschrieben sind, werden einheitlich durch Ziffern und folgenden Punkt wiedergegeben. Sämtliche Zutaten der Herausgeber werden kursiv gesetzt. b. Die S e i t e n z äh l u n g des Textzeugen wird auf dem Außenrand angegeben. Stammt die Zählung nicht vom Autor, so wird sie kursiv gesetzt. Der Seitenwechsel des zugrundeliegenden Textzeugen wird im Text durch einen senkrechten Strich (|) markiert; im Lemma des textkritischen Apparats und des Variantenapparats wird diese Markierung nicht ausgewiesen. Müssen bei Textzeugenvarianten zu derselben Zeile zwei oder mehr Seitenzahlen notiert werden, so werden sie nach der Position der Markierungsstriche gereiht. Wenn bei poetischen Texten die Angabe des Zeilenbruchs sinnvoll erscheint, erfolgt sie durch einen Schrägstrich (/) im fortlaufenden Zitat. c. Unterschiedliche K e n n z e i c h n u n g v on Absä t zen (Leerzeile, Einrücken, großer Abstand in der Zeile) wird einheitlich durch Einrücken der ersten Zeile eines neuen Absatzes wiedergegeben. Abg r e n z u n g s s t r i c h e werden − außer bei den gedruckten ‚Sammlungen‘ und ‚Reihen‘ − nur wiedergegeben, wenn sie den Schluss markieren; versehentlich fehlende Schlussstriche werden ergänzt. Die Gestaltung der Titelblätter wird nicht reproduziert. d. H e r v o r h e b u n ge n Schleiermachers (in Manuskripten zumeist durch Unterstreichung, in Drucktexten zumeist durch Sperrung oder Kursivierung) werden einheitlich durch Sperrung kenntlich gemacht.
II. Editorischer Bericht
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e. Der zitierte B i b e l ab s c h n i t t einer Predigt, der samt Stellenangabe in den Drucken und Manuskripten vielfältig und unterschiedlich gestaltet ist, wird einheitlich als eingerückter Block mitgeteilt, wobei die Bibelstellenangabe mittig darüber gesetzt und in derselben Zeile das Wort „Text“, falls vorhanden, gesperrt und mit Punkt versehen wird. Ist die Predigt verbunden mit G e b e t , Ka nzelg ruß oder Eing a n g s v o t u m , so werden diese Begleittexte als Block eingerückt wiedergegeben. f. In Predigtentwürfen Schleiermachers und Dispositionen fremder Hand werden die Gl i e d e r u n gs s t u f e n , die optisch unterschiedlich ausgewiesen sind, einheitlich durch Zeileneinrückung kenntlich gemacht.
3. Quellentexte des vorliegenden Bandes und spezifische editorische Verfahrensweisen Den in diesem Band edierten Predigten liegen handgeschriebene und gedruckte Texte Schleiermachers (A.) sowie handgeschriebene und gedruckte Nachschriften (B.–M.) zu Grunde. A. Schleiermacher-Texte Über die im vorliegenden Band edierten Drucktexte Schleiermachers ist bereits oben (Einleitung I.4) berichtet worden. Die in diesem Band edierten Autographen Schleiermachers sind Teil folgender Archivbestände: AB B AW, S N 4 4 6 –447: Die Archivstücke enthalten Schleiermachers sogenannte Tageskalender für das Jahr 1826 bzw. 1827/1828. Dabei handelt es sich um gedruckte Kalender, in denen Schleiermacher stichwortartig und auswahlweise seine Tagesbeschäftigung festhielt, aber auch Briefein- und -ausgänge oder Geldeinnahmen und -ausgaben notierte. Den Tageskalender 1827 benutzte er erneut für das Jahr 1828, indem er die veränderten Wochentage handschriftlich eintrug. Unter den Notizen in den Tageskalendern finden sich vereinzelt auch Dispositionen oder kurze Inhaltsangaben zu Predigten und Kasualreden. S B B , S Ar 9 5 : Die Mappe enthält auf 5 fadengehefteten Doppelblättern eine Nachschrift der Predigt am 28. Oktober 1827 von unbekannter Hand, die auf Andrae zurückgehen könnte (siehe unten B. Andrae-Nachschriften). Schleiermacher hat den Text, vermutlich zur Vorbereitung einer Veröffentlichung, zu überarbeiten begonnen (vgl. Bl. 2r), seine Bemühung aber bereits nach knapp einer halben
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Einleitung der Bandherausgeber
Seite wieder abgebrochen. An die Stelle dieser Überarbeitung ist vermutlich das Manuskript aus dem folgenden Archiv getreten. Ki r c h e n ge me i n d e H e i l i g K reuz – Pa ssion, BerlinKr e u z b e r g: In einer Mappe ohne Archivnummer befindet sich neben zwei Manuskripten von Schleiermachers Witwe ein ausgeschriebenes Predigtmanuskript von Schleiermacher selbst mit der Predigt vom 28. Oktober 1827. Das Manuskript mit der Überschrift „Ueber das hochzeitliche Gewand“ besteht aus vier Blättern, die aus einem Heft (Breite 17,8 cm, Höhe 22,3 cm) herausgerissen wurden, daher ist der innere Rand teilweise leicht beschädigt. Schrift und Zeilenabstände werden ab der zweiten Seite zunehmend enger und kleiner, wodurch insbesondere auf dem vorletzten Blatt manche Wörter nicht ganz sicher zu lesen sind; vom letzten Blatt ist nur der obere Teil der Vorderseite beschrieben (10 Textzeilen). Die erste Seite trägt oben rechts, vermutlich von Sydows Hand, den Vermerk „Noch nicht gedruckt. S.“ Von vielleicht derselben Hand stammt die nachträgliche Paginierung auf den jeweiligen Recto-Seiten, die entgegen der Abfolge des Textes mit „4“ beginnt, gefolgt von „1“, „2“ und „3“. Folgende A b b r e vi at u r e n wurden stillschweigend aufgelöst; Flexionsformen sind nicht gesondert aufgeführt: allgemein Abendmahl Bewußtsein christlich Christus der, die, das derselbe, dieselbe dieser durch Frühpredigt Gott göttlich
allgem. Aml BW χ Χ d. dselb. dser dh Frühpred. Θ
Hauptpredigt -keit -lich nicht oder sein Ueber über und von zwischen
Hpred. / Hauptpred. -kt o od. s. Ueb. üb. u. v. zwn
An folgenden Te r m i n e n liegt der Edition ein Schleiermacher-Text zu Grunde: 28.05.1826 11.06.1826 25.06.1826 09.07.1826 26.11.1826
vorm. vorm. vorm. vorm. vorm.
10.10.1827 13.10.1827 14.10.1827 28.10.1827 24.11.1827
mitt. mitt. mitt. vorm. mitt.
II. Editorischer Bericht
25.11.1827 vorm. 08.12.1827 mitt. 23.12.1827 vorm.
XXIX
25.12.1827 früh 26.12.1827 vorm.
Fünf von Schleiermacher 1827 gedruckte Kasualreden sind derzeit nicht oder nicht sicher datierbar; sie finden sich am Ende der hier edierten Predigten. B. Andrae-Nachschriften Die Johann Gottfried Andrae45, freilich nur vermutungsweise46, zugeordneten Nachschriften, die für den vorliegenden Band berücksichtigt wurden, sind Teil folgender Archivbestände: AB B AW, S N 5 9 4 : Das Archivstück enthält drei datierte, mit Tinte geschriebene Predigtnachschriften zu Texten des Matthäusevangeliums aus den Jahren 1825 und 1826 im Umfang von je 16 Blatt im Quartformat. Die „Predigt am fünften Sonntage nach Trinitatis 1826“ (SN 594/2) und die „Predigt am siebenten Sonntage nach Trinitatis 1826“ (SN 594/3) stammen von derselben, unbekannten Hand. Bei ihnen handelt es sich um Textparallelen zu SAr 93, Bl. 1r– 30v bzw. SAr 93, Bl. 31r–58v; wenn diese, wie vermutet, der AndraeTradition zugeordnet werden können, gehen auch SN 594/2–3 auf Andrae zurück. AB B AW, SN 5 9 6 : Die Archivalie enthält 49 Blatt im Quartformat, auf denen sich fünf Nachschriften unterschiedlicher Nachschreiber von Predigten über das Lukasevangelium zwischen 1819 − auf dem Archivdeckblatt irrtümlich als 1815 angegeben − und 1832 befinden. Bei der zweiten Nachschrift SN 596/2 handelt es sich um eine Textparallele zu SAr 92, Bl. 97r–126r; wenn diese, wie vermutet, der Andrae-Tradition zugeordnet werden kann, geht auch SN 596/2 auf Andrae zurück. S B B , S Ar 7 3 : Die Mappe enthält auf 49 Blatt drei datierte Predigten vom 9. Januar 1820, 25. Dezember 1821 und 1. Januar 1826. 45 46
Zu Andrae vgl. KGA III/1, S. LXIII; KGA III/7, S. XXXIII–XXXIV Diese Vermutung hat sich im Zuge der umfänglichen Sichtung und Ordnung der Predigtnachschriften ergeben; vgl. die Angaben zu den entsprechenden Mappen in: Schleiermacher-Archiv (Depositum 42a). Verzeichnis, entstanden in Zusammenarbeit der Schleiermacher-Forschungsstelle der Theologischen Fakultät der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel und der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, bearbeitet von Lothar Busch in Berlin und Elisabeth Blumrich, Katja Kretschmar, Kirsten Kunz, Günter Meckenstock, Simon Paschen, Wilko Teifke in Kiel, Redaktion: Günter Meckenstock, Berlin 2009. Der Vermutungsstatus der Zuschreibungen zur Andrae-Tradition muss an dieser Stelle deutlich hervorgehoben werden.
XXX
Einleitung der Bandherausgeber
Letztgenannte befindet sich auf fadengehefteten ineinandergelegten Doppelblättern (Bl. 32–49). Sie ist der Auflistung von Adolf Sydow (vgl. SAr 121) zufolge über Woltersdorff an die Nachlassverwalter gekommen. S B B , SA r 9 1 : Die Mappe enthält auf 156 Blatt, teils gehefteten, teils losen Doppel- sowie Einzelblättern, sechs Predigten aus dem Zeitraum vom 1. Januar bis zum 6. Mai 1826 von unbekannter Hand. Bei der Predigt am 1. Januar (Bl. 1r–18v) handelt es sich um eine Textparallele zur vermuteten Andrae-Überlieferung SAr 73, Bl. 32r– 48v. S B B , SA r 9 2 : Die Mappe enthält auf 126 Blatt, teils gehefteten, teils lose zu Lagen zusammengelegten Doppelblättern, vier Predigten aus dem Zeitraum vom 7. Mai bis 11. Juni 1826 von drei verschiedenen, unbekannten Schreibern. Zweifelsfreie Indizien für eine Zuordnung zur Andrae-Überlieferung gibt es nicht. Wenn die Nachschriften aus SAr 91 auf Andrae zurückgehen sollten, spräche die Tatsache, dass es sich bei SAr 92 um die unmittelbare Fortsetzung der Sammlung und um Texte vergleichbar guter inhaltlicher Qualität handelt, für die Vermutung, auch die Nachschriften aus SAr 92 gingen auf Andrae zurück. S B B , S A r 9 3 : Die Mappe enthält Nachschriften zu den drei Predigten vom 25. Juni, 9. Juli und 26. Dezember 1826 von zwei verschiedenen, unbekannten Schreibern. Sie umfasst insgesamt 126 Blatt, bestehend aus drei fadengehefteten Lagen von Doppelblättern. Was die Zuordnung zur Andrae-Überlieferung betrifft, gilt für diese Texte genau das, was oben zu SAr 92 geäußert wurde. S B B , SA r 9 5 : Die Mappe enthält auf 5 fadengehefteten Doppelblättern die Nachschrift der Predigt am 28. Oktober 1827. Die Nachschrift gehört zur Sammlung der Witwe Schleiermachers. Sie ist zu Beginn auf Bl. 2r von Schleiermacher selbst zu überarbeiten begonnen worden (siehe oben A. Schleiermacher-Texte). Die Tatsache, dass Schleiermacher für solche Überarbeitungen nachweislich häufig auf Nachschriften Andraes zurückgriff 47, könnte ein Indiz für die Vermutung sein, die Nachschrift gehöre zur Andrae-Überlieferung.48 Folgende A b b r e vi at u r wurde stillschweigend aufgelöst: und u. An folgenden Te r m i n e n beruht der edierte Text auf einer Predigtnachschrift von Andrae: 47 48
Vgl. KGA III/1, S. LXXI; KGA III/8, S. XIII–XIV; vgl. auch die Auflistung Sydows SAr 121, Bl. 5v–6v Vgl. KGA III/1, S. LXXV
II. Editorischer Bericht
01.01.1826 26.03.1826 27.03.1826 06.05.1826 07.05.1826 14.05.1826
vorm. früh vorm. mitt. vorm. früh
28.05.1826 11.06.1826 25.06.1826 09.07.1826 26.12.1826 28.10.1827
XXXI
vorm. vorm. vorm. vorm. vorm. vorm.
C. Crayen-Nachschriften Die Caroline Crayen49 zugeordneten Nachschriften, die für den vorliegenden Band berücksichtigt wurden, sind Teil folgender Archivbestände: AB B AW, S N 6 1 8 : Bei dem Archivstück handelt es sich um ein kleines, dünnes Buch im Querformat, das unter der Überschrift „Erinnerungen aus den Frühpredigten vom Johannes“ (Bl. 1r) auf 29 Blatt sieben chronologisch geordnete Predigtnachschriften aus der Homilienreihe zum Johannesevangelium 1823–1827 enthält. Das sauber und durchgängig von Crayens Hand geschriebene Heft wurde Schleiermacher als Geschenk übergeben.50 AB B AW, SN 6 2 0 : Die Archivalie besteht in einem mit schwarzem flexiblen Einband versehenen Büchlein im Querformat (17 cm Breite, 10,5 cm Höhe), das auf 21 Blatt fünf Predigtnachschriften zu Texten aus unterschiedlichen neutestamentlichen Büchern enthält. Das sauber und durchgängig von Crayens Hand geschriebene Heft wurde Schleiermacher als Geschenk übergeben.51 S B B , S Ar 1 0 6 : Diese Mappe enthält auf 61 Blatt einundzwanzig Predigten aus dem Zeitraum 1821–1831, in fadengehefteten und losen Doppelblättern unterschiedlicher Formate, das kleinste von 10 cm Breite und 17,2 cm Höhe, das größte von 21,5 cm Breite und 35,5 cm Höhe. S B B , S Ar 1 0 7 : Die Mappe enthält auf insgesamt 93 Blatt teils fadengehefteter, teils loser Doppelblätter einundzwanzig Predigten zu Schleiermachers Homilienreihe zum Johannesevangelium aus dem Zeitraum vom 6. Februar 1825 bis zum 20. Mai 1827. Bl. 1–33 bzw. 34–65 sind jeweils durch einen schwarzen Kartoneinband und aufgeklebten Titel als „5. Sammlung“ bzw. „6. Sammlung“ der Frühpredigten zum Johannesevangelium ausgewiesen. 49 50 51
Zu Crayen vgl. KGA III/1, S. LXIII–LXV Vgl. KGA III/7, S. XL Vgl. KGA III/8, S. L
XXXII
Einleitung der Bandherausgeber
Folgende A b b r e vi at u r e n wurden stillschweigend Apostel Ap. Krafft Betrachtung Betr. -lich Christus Chr. Paulus Erlöser Erl. Petrus Evangelium Evangel. Predigt Gemeinschaft Gem. und Herr H., Hr. -ung Johannes Joh. Verkündigung
aufgelöst: Kr. P. Petr. Pr. ud. -g Verk.
Stellen, an denen Crayen Flexionsformen der Wörter „Christus“ und „Evangelium“ ausschreibt oder Kürzel mit Kasusendungen versieht, lassen erkennen, dass sie diese Wörter in lateinischer Deklination verwendet; von Crayen endungslos gebrauchte Abkürzungen sind entsprechend stillschweigend in lateinisch deklinierter Form aufgelöst worden. Hin und wieder begegnen in den Handschriften längere Striche, die die Zeile bis zum Ende ausfüllen und deren Bedeutung unsicher ist; an wenigen Stellen wurden sie stillschweigend als Absatzzeichen interpretiert, an anderen erscheint ein Hinweis im textkritischen Apparat. An folgenden Te r m i n e n liegt dem edierten Text eine Nachschrift von Crayen zu Grunde: 25.03.1827 vorm. 15.04.1827 vorm. 06.05.1827 vorm.
17.06.1827 früh 01.07.1827 früh 18.11.1827 früh D. Dunckel-Nachschriften
Die für den vorliegenden Band berücksichtigte Nachschrift von Friedrich Wilhelm Dunckel52 ist Teil folgenden Archivbestandes: S B B , S A r 8 2 : Die Mappe enthält auf 34 Blatt drei Predigtnachschriften Dunckels aus dem Zeitraum 1821–1828. Bei dem Manuskript der Predigt vom 26. Dezember 1827 handelt es sich um eine Lage von vier (Bl. 13r–20v) und eine Lage von drei (Bl. 21r–26v; 26 vacat) ineinandergelegten Doppelblättern im Format von ca. 17 cm Breite und 20,5 cm Höhe; das Papier ist hellblau, die verwendete Tinte braun.
52
Zu Dunckel vgl. KGA III/1, S. LXV; KGA III/6, S. LXXII Anm. 205
II. Editorischer Bericht
XXXIII
Folgende Ab b r e vi at u r e n wurden stillschweigend aufgelöst: diejenigen diej. zweitens 2tens -lich . Zweites 2tes und u. An folgendem Te r mi n liegt die Nachschrift Dunckels der Edition zu Grunde: 26.12.1827 vorm. E. Jacobi-Nachschrift Die für den vorliegenden Band berücksichtigte Nachschrift der Traupredigt von Bernhard August Jacobi53 ist Teil folgenden Archivbestands: S B B , S Ar 1 1 7 : Es handelt sich um ein Doppel- und ein darin eingelegtes Einzelblatt. Das Einschlagblatt trägt den folgenden Vermerk von Sydows Hand: „Traurede gesprochen v. Schleiermacher am 31. August 26 zu Bernh. Jacobi u. Cornelia Nicolovius. Von Jacobi geschrieben u. eingesandt u. von Jonas mir am 17. Mai 1835 übergeben. Sydow.“ Die Nachschrift weist keine A b b r e vi at u ren auf, die im edierten Text stillschweigend aufgelöst sind. An folgendem Te r m i n liegt die Nachschrift der Edition zu Grunde: 31.08.1826 abends F. König-Nachschriften Die August Friedrich Wilhelm König54 zugeordneten Predigtnachschriften sind nicht als Manuskripte erhalten. Sie sind von Adolf Sydow55 für seine Edition der Predigten Schleiermachers in den beiden folgenden Bänden der ‚Sämmtlichen Werke‘, die für den vorliegenden Band berücksichtigt wurden, benutzt worden:
53 54 55
Zu Jacobi vgl. KGA III/1, S. LXV, sowie unten den Sachapparat zur Predigt am 31. August 1826 Zu König vgl. KGA III/1, S. LXVI Zu Sydow vgl. KGA III/1, S. LXIX
XXXIV
Einleitung der Bandherausgeber
S W I I / 9 : Der 1847 von Adolf Sydow herausgegebene neunte Band der zweiten Abteilung der ‚Sämmtlichen Werke‘56 beinhaltet „Der Homilien über das Evangelium des Johannes zweite Hälfte“57 und umfasst neununddreißig Predigten zu den Kapiteln 7 bis 16 des Johannesevangeliums. Im Vorwort zu SW II/8, der den ersten Teil der Johanneshomilien enthält, hatte Sydow die Hoffnung ausgesprochen, dass sich für einen Folgeband neue Quellen auftun könnten, da die vorhandenen ungenügend seien.58 Er wollte ausschließlich Nachschriften verwenden, die von hoher Qualität waren, wie die von Andrae, die er für SW II/8 nutzte.59 Für diese stellte er fest, „daß die Treue dieser Nachschriften bis zur wörtlichen Uebereinstimmung geht“.60 In der „Vorbemerkung“ zu SW II/9 berichtet Sydow erleichtert: „Die im Vorwort zum ersten Bande S. VIII. ausgesprochene Hoffnung, daß sich für die weitere Herausgabe dieser Homilien über das Evangelium des Johannes vielleicht neue Quellen aufthun würden, hat sich bestätigt und wir sehen uns im Stande, aus den von dem Herrn Verleger erworbenen Nachschriften des Herrn Predigers König in Brandenburg a. H. den Freunden und Verehrern Schleiermachers hiemit die Vorträge über die folgenden zehn Kapitel darzubieten.“61 S W I I / 1 0 : Für die 1856 erschienene Edition der Homilienreihe Schleiermachers zum Philipperbrief im Rahmen der ,Sämmtlichen Werke‘ 62 standen Sydow ebenfalls Nachschriften von König zur Verfügung, wie aus einer Notiz im Hauptbuch IV des Verlages G. Reimer hervorgeht.63 Anders als das Inhaltsverzeichnis behauptet 64, hat sich Sydow dabei jedoch nicht auf Nachschriften aus den Morgengottesdiensten der Jahre 1822–1823 beschränkt, sondern diese Textbasis durch weiteres Material aus den Jahren 1817–1818 und 1826 ergänzt und daraus eine vollständige Homilienreihe zu allen Abschnitten des Philipperbriefes kompiliert.65 Hierzu gehört aus dem Jahr 1826 ein Fragment aus der Einsegnungsrede vom 6. Mai 1826, das in die Predigt Nr. XII zu Phil 2,12–13 eingearbeitet worden ist.66 56
57 58 59 60 61 62 63 64 65 66
Homilien über das Evangelium des Johannes, in den Jahren 1825 und 1826 gesprochen von Friedrich Schleiermacher. Aus wortgetreuen Nachschriften herausgegeben von Ad. Sydow, Prediger an der Neuen Kirche zu Berlin. Berlin, Verlag von G. Reimer. 1847. SW II/9, S. [XI] Vgl. SW II/8, S. VIII Vgl. KGA III/7, S. XXXVII SW II/8, S. VII SW II/9, S. [VII] SW II/10, S. 337–804 Vgl. KGA III/7, S. LI Vgl. SW II/10, S. X Vgl. die eingehende Analyse KGA III/7, S. L–LXIV SW II/10, S. 538,19–540,6 (erstes Wort); vgl. KGA III/7, S. LIX
II. Editorischer Bericht
XXXV
Die gedruckten Nachschriften Königs weisen keine Abbrev ia t uren auf. Die Predigten sind in SW II/9 römisch durchgezählt; die Nummerierung ist im edierten Text weggelassen, aber bei den Angaben zum Textzeugen im Predigtkopf angeführt. Die SW II/9, S. 548 aufgelisteten Korrekturen wurden stillschweigend in den Text übernommen, selten fehlende Punkte am Satzende stillschweigend ergänzt. Die Kleinschreibung substantivierter Adjektive wurde belassen. An folgenden Te r m i n e n liegt dem edierten Text eine gedruckte Nachschrift von König zu Grunde: 08.01.1826 22.01.1826 05.02.1826 19.02.1826 05.03.1826 19.03.1826 02.04.1826 16.04.1826 23.04.1826 04.05.1826
früh früh früh früh früh früh früh früh früh früh
21.05.1826 04.06.1826 18.06.1826 02.07.1826 16.07.1826 30.07.1826 13.08.1826 27.08.1826 24.09.1826
G.
früh früh früh früh früh früh früh früh früh
v. Oppen-Nachschriften
Die Elisabeth von Oppen67 zugeordneten Nachschriften, die für den vorliegenden Band berücksichtigt wurden, sind Teil folgender Archivbestände: AB B AW, SN 6 0 0 : Das Archivstück enthält zwei datierte, mit Tinte geschriebene Predigtnachschriften zu Texten des 1. Korintherbriefs aus den Jahren 1826 und 1834. Die Predigt vom 20. August 1826 umfasst 4 Blatt im Quartformat. AB B AW, S N 6 0 7 : Das Archivstück enthält sechs Predigtnachschriften zu Texten des Lukasevangeliums unterschiedlichen Papierformats. Die Predigten vom 23. Juli und 6. August 1826 umfassen je 4 Blatt im Quartformat mit Tinte beschrieben. S B B , S Ar 1 0 8 : Die Mappe enthält fünf Predigtnachschriften aus dem Zeitraum 1822 bis 1831, mit Tinte auf Doppelblättern geschrieben; sie umfasst insgesamt 30 Blatt. An keinem Te r mi n wurde eine Nachschrift v. Oppens der Edition zu Grunde gelegt. 67
Zu v. Oppen vgl. KGA III/1, S. LXVII–LXVIII
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Einleitung der Bandherausgeber
H. Pommer-Nachschriften Die für den vorliegenden Band berücksichtigte Predigtnachschrift von Pommer68 ist Teil folgenden Archivbestands: S B B , SA r 9 4 : Die Mappe enthält achtunddreißig Predigten aus dem Zeitraum vom 10. Juli 1829 bis 10. Oktober 1830 sowie, eingefügt nach der Predigt vom 20. August 1829, die Predigt vom 29. Juli 1827, im Original von Pommers Hand mit Bleistift fälschlicherweise auf den 20. Juli 1827 datiert. Bei dem Manuskript handelt es sich um zwei hintereinander durch Fadenheftung verbundene und mit brauner Tinte beschriebene Doppelblätter im Format von 17,2 cm Breite und 21,5 cm Höhe. Es wurden keine A b b r e vi at u r e n stillschweigend aufgelöst. An folgendem Te r mi n liegt dem edierten Text die Nachschrift von Pommer zu Grunde: 29.07.1827 früh I. Schirmer-Nachschriften Die Karl August Friedrich Schirmer69 zugeordneten Nachschriften, die für den vorliegenden Band berücksichtigt wurden, sind Teil folgender Archivbestände: ABBAW, SN 617: Das Archivstück enthält auf 12 Blatt im Quartformat die Reinschrift einer undatierten Predigt von unbekannter Hand; Anfang und Schluss fehlen. Für dieses Fragment ist die Zugehörigkeit zur Andrae-Überlieferung vermutet worden70; einziges Indiz dafür ist die sehr wahrscheinliche Identität der − professionellen − Schreiberhand mit der anderer Nachschriftenkonvolute (SAr 90–93), die − ebenfalls lediglich vermutungsweise − Andrae zugordnet wurden.71 Der Textvergleich ergibt, dass es sich bei SN 617 um eine fragmentarische Textzeugenparallele zur Schirmer-Nachschrift der Predigt am 9. April 1826 vormittags (SAr 54, Bl. 85r–98r) handelt. Es gibt eigentlich keinen stichhaltigen Grund, an der Herkunft dieser Nachschrift von Schirmer selbst zu zweifeln. Daher ist SN 617 vermutlich der Schirmer-Tradition zuzurechnen. S B B , SA r 5 4 : Die Mappe beinhaltet achtzehn Predigten der Jahre 1818 bis 1831 auf 187 Blatt, mit Tinte sauber geschrieben auf grauem Papier unterschiedlichen Formats, überwiegend einzeln in Fa68 69 70 71
Über die Person dieses Namens ist derzeit nichts bekannt (vgl. KGA III/1, S. LXX); vermutlich handelt es sich um eine Frau. Zu Schirmer vgl. KGA III/1, S. LXVIII Vgl. Meckenstock: Kalendarium, KGA III/1, S. 945 Vgl. KGA III/1, S. LXXV
II. Editorischer Bericht
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denheftung und mit geklebtem Falz; Bl. 109–116 und 117–124 sind lediglich geheftet und bestehen aus gelblichem Papier. S B B , S Ar 5 6 : Die Mappe enthält den zweiten Teil der Sammlung von Nachschriften zu Schleiermachers Homilienreihe zum Johannesevangelium. Sie umfasst zweiunddreißig Predigten der Jahre 1825–1826 auf 203 Blatt, in durchgezählten Lagen von vier ineinandergelegten Blättern. Gehen Teile der Predigten des Jahres 1825 auf Johann Karl Heinrich (Jean Charles Henry) Saunier72 zurück, dessen Nachschriften sein Freund Schirmer einem Schreiber diktierte73, stammen die Nachschriften des Jahres 1826 von Schirmer selbst. S B B , S Ar 5 7 : Die Mappe enthält den dritten Teil der Sammlung von Nachschriften zu Schleiermachers Homilienreihe zum Johannesevangelium. Sie umfasst sechzehn Predigten der Jahre 1826–1827 auf insgesamt 140 Blatt, in durchgezählten Lagen von vier ineinandergelegten Blättern. Folgende Ab b r e vi at u r e n wurden stillschweigend aufgelöst: -lich heilig und
-l. heil. u.
Wörtliche Zitate sind in den Manuskripten Schirmers häufig durch Unterstreichung hervorgehoben, was im edierten Text nicht wiedergegeben wird. Seine Predigtnachschriften zu den Johanneshomilien in SAr 57 hat Schirmer nachträglich nummeriert; in den Fällen, in denen diese Nachschriften dem edierten Text zu Grunde liegen, ist die Nummer der Predigt im Predigtkopf nach der Blattangabe mitgeteilt. Wo Schirmers Sammlung der Johanneshomilien lückenhaft ist, verweist er selbst darauf: „Lücke: Johannes 18, 33–37“(SAr 57, Bl. 88v) bzw. „fehlt Johannes 20, 1–19“ (SAr 57, Bl. 113r); in der Nachschrift zur Johanneshomilie am 13. April 1827 früh (vgl. SAr 57, Bl. 104v) stellt er einen Querverweis zu seiner Sammlung der Hauptpredigten Schleiermachers (jetzt SAr 54) her, wo sich die Nachschrift der vorangehenden Predigt zum Johannesevangelium vom 8. April 1827 vormittags befindet. Alle diese Hinweise sind im edierten Text weggelassen. An folgenden Te r m i n e n beruht der edierte Text auf einer Nachschrift von Schirmer: 09.04.1826 vorm. 04.05.1826 früh 72 73
18.03.1827 früh 01.04.1827 früh
Zu Saunier vgl. KGA III/1, S. LXVIII Vgl. das Schreiben Schirmers an Adolf Sydow vom Juli 1836 (SAr 139, Bl. 1r–1v)
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08.04.1827 vorm. 13.04.1827 früh 16.04.1827 früh
Einleitung der Bandherausgeber
29.04.1827 früh 13.05.1827 vorm. 20.05.1827 früh J. Sethe-Nachschriften
Für die mit dem Namen Sethe verbundenen Nachschriften, die bislang nicht genauer zugeordnet werden konnten74, hat sich inzwischen eine Spur ergeben, die zur Familie des Juristen Christoph Wilhelm Heinrich Sethe (1767–1855, seit 1819 erster Chefpräsident des Rheinischen Revisions- und Kassationshofes in Berlin) und dessen Ehefrau Henriette Philippine Helene Sethe geb. Sack75 (1772–1830) führt. Freilich gibt es hier verschiedene Möglichkeiten: Die Tochter Auguste Charlotte Marianne Henriette Sethe (1802–1875) wurde von Schleiermacher am 28. März 1826 mit dem Theologieprofessor Friedrich Bleek (1793–1859, seit 1823 außerordentlicher Professor für Exegese des Alten und Neuen Testaments, ab 1829 Ordinarius in Bonn), der zum Schüler- und Freundeskreis Schleiermachers gehörte, getraut; davor und auch danach waren beide häufiger zu Gast bei Schleiermacher. In dessen Tageskalender 1826 findet sich mehrmals an Sonntagen mit Frühgottesdienst der Eintrag „Bleek und Auguste zum Frühstück“, so am 8. Januar, 22. Januar, 5. Februar (nur Auguste), 5. März und 19. März 1826 − Termine, zu denen jeweils auch eine Sethe-Nachschrift der Predigt vorliegt. Allerdings gebar Auguste Bleek am 8. März 1827 ihr erstes Kind (den späteren Sprachwissenschaftler Wilhelm Heinrich Immanuel Bleek, gest. 1875), wodurch sie zumindest als Mitschreiberin der Predigt vom 11. März 1827 (letzte Sethe-Nachschrift, Fragment wegen Überlieferungsverlust) ausscheidet. Daher kommt vielleicht doch eher die Mutter, Philippine Sethe, als Tradentin in Frage, die mal selbst mitschreibend, mal abschreibend und mal zusammentragend tätig war, wobei die Nutzung von Mit74 75
Vgl. KGA III/1, S. LXX Philippine Sethe stammte aus Kleve (Cleve), ihr Vater Karl August Sack (1721– 1810) war Kriminalrichter, ihr Bruder Johann August Sack (1764–1831) hoher preußischer Beamter (Oberpräsident der Provinz Pommern). Über den Großvater Friedrich Ernst Sack (1676–1763), Pfarrer in Hecklingen, besteht auch eine Verwandtschaft mit der Berliner Theologenfamilie Sack; vgl. dazu Pockrandt: Biblische Aufklärung, S. 12–16. Christoph und Philippine Sethe führten ein offenes, geselliges Haus, in dem ein liberaler Geist herrschte, und waren gesellschaftlich engagiert. Sie bekamen zehn Kinder, von denen neun überlebten. Der älteste Sohn Christian Carl Theodor Ludwig Sethe (1798–1857, Jurist) war mit Heinrich Heine (1797–1856) befreundet; die Tochter Charlotte Auguste Henriette Sethe verh. Haeckel (1799– 1889) war die Mutter von Ernst Haeckel (1834–1919). Zur Familie Sethe vgl. Kornmilch: Die Ahnen Ernst Haeckels, S. 18–37
II. Editorischer Bericht
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schriften der Tochter Auguste durchaus denkbar wäre. Der Abbruch der Sethe-Nachschriften nach dem 11. März 1827 könnte sich dann mit der Interessenverlagerung der nunmehrigen Großmutter (Wilhelm war das erste Enkelkind) erklären.76 Die für den vorliegenden Band berücksichtigten Sethe-Nachschriften sind Teil folgender Archivbestände: S B B , S Ar 1 1 4 : Die Mappe enthält auf 95 Blatt aus losen, zu Lagen von je vier ineinandergelegten Doppelblättern dreiundzwanzig Predigten aus dem Zeitraum vom 27. November 1825 bis zum 9. April 1826. S B B , S Ar 1 1 5 : Die Mappe enthält auf 124 Blatt aus losen, zu Lagen von je vier ineinandergelegten Doppelblättern zwanzig Predigten aus dem Zeitraum vom 21. Mai bis zum 22. Oktober 1826. S B B , S Ar 1 1 6 : Die Mappe enthält auf 120 Blatt aus losen, zu Lagen von je vier ineinandergelegten Doppelblättern sechzehn Predigten aus dem Zeitraum vom 10. Dezember 1826 bis zum 11. März 1827. Die Manuskripte aller drei Mappen sind jeweils in einen kartonierten Buchdeckel eingelegt; auf der Rückseite des vorderen Deckels steht in Schönschrift der Name „Sethe“. Es wurden keine A b b r e vi at u r e n stillschweigend aufgelöst. Das unausgeglichene Nebeneinander verschiedener Schreibweisen ein und desselben Wortes wurde belassen: „göttlich“ neben „götlich“, „wehren“ neben „währen“, „Samen“ neben „Saamen“, „Demuth“ und „demüthig“ neben „Dehmuth“ und „dehmüthig“, „wohl“ neben „wol“, ck-Schreibung neben einfacher k-Schreibung, tz- neben einfacher z-Schreibung, auch der Wechsel von s, ss und ß. Ebenso ist die häufig fehlende Konsonantenverdoppelung im Text beibehalten, auch das charakteristische doppelte -nn in „hierinn“, „worinn“, „darinn“ oder „darann“. An folgenden Terminen beruht der edierte Text auf einer Nachschrift von Sethe: 15.01.1826 23.07.1826 06.08.1826 20.08.1826 76
vorm. vorm. vorm. vorm.
03.09.1826 01.10.1826 15.10.1826 22.10.1826
vorm. vorm. vorm. früh
Philippine Sethe starb am 11. November 1830 an einem Schlaganfall; das Begräbnis wurde am 14. November 1830 von Schleiermacher gehalten. – Am 8. April 1833 traute Schleiermacher den Sohn Julius Johann Ludwig Sethe (1804–1872, Oberstaatsanwalt und Berliner Eisenbahndirektor) mit Adelheid Reimer (1809–1866), Tochter des Verlegers Georg Andreas Reimer.
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Einleitung der Bandherausgeber
10.12.1826 17.12.1826 24.12.1826 25.12.1826 31.12.1826 01.01.1827 07.01.1827
vorm. früh vorm. früh früh vorm. früh
28.01.1827 11.02.1827 18.02.1827 25.02.1827 04.03.1827 11.03.1827
vorm. vorm. früh vorm. früh vorm.
K. Sobbe-Nachschriften Es ist nicht sicher zu entscheiden, ob Sobbe77 Predigtnachschriften lediglich gesammelt78 oder auch selbst angefertigt hat. Die Sobbe − zumindest als Tradenten − zugeordneten Nachschriften, die für den vorliegenden Band berücksichtigt wurden, sind Teil folgenden Archivbestands: S B B , SA r 1 1 1 : Die Mappe enthält auf 36 Blatt in fadengehefteten Lagen zu je zwei Doppelblättern neun Predigten aus dem Zeitraum vom 15. Januar bis zum 15. Mai 1826. Es handelt sich um Reinschriften von der Hand des unbekannten, vermutlich professionellen Schreibers, der schon Teile der Sobbe-Überlieferung in SAr 110 zu Papier gebracht hat. Die Blätter sind stellenweise an den Rändern beschädigt, so dass geringfügiger Textverlust eingetreten ist. Das Papier hat ein Format von 21,5 cm Breite und 25 cm Höhe; die verwendete Tinte ist annähernd schwarz. Es wurden keine A b b r e vi at u r e n stillschweigend aufgelöst. An folgenden Te r m i n e n beruht der edierte Text auf einer Nachschrift von Sobbe: 15.01.1826 12.02.1826 26.02.1826 12.03.1826
vorm. vorm. vorm. vorm.
19.04.1826 vorm. 30.04.1826 vorm. 15.05.1826 vorm.
L. Woltersdorff-Nachschriften 79
Die „Demoiselle“ Woltersdorff 80 zugeordneten Nachschriften, die für den vorliegenden Band berücksichtigt wurden, sind Teil folgender Archivbestände: 77 78 79 80
Um welche Person dieses Namens es sich handelt, ist derzeit ungeklärt (vgl. KGA III/1, S. LXX). Vgl. KGA III/8, S. XLIX Vgl. SAr 121, Bl. 1r. 3r Zu Woltersdorff vgl. KGA III/1, S. LXIX–LXX
II. Editorischer Bericht
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AB B AW, SN 6 0 9 : Das Archivstück enthält eine undatierte Predigtnachschrift, die der Konfirmationspredigt am 24. März 1827 zugeordnet werden kann. Sie umfasst 4 Blatt im Quartformat und ist mit Tinte geschrieben. S B B , S Ar 6 5 : Die Mappe enthält vierunddreißig Predigten des Jahres 1826 auf insgesamt 127 losen Doppel- und Einzelblättern unterschiedlichen Formats. Bei Bl. 47r–57r, 62r–65v, 74r–82v handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit um echte Mitschriften, die während der Predigt angefertigt wurden; dafür sprechen das kleine, handliche Papierformat, die Verwendung von Bleistift statt Feder und Tinte und vor allem die völlig ungewöhnlich hohe Anzahl verwendeter Kürzel. S B B , S Ar 6 6 : Die Mappe enthält zweiundzwanzig Predigten des Jahres 1827 auf insgesamt 57 Blatt, bestehend aus teilweise losen, teilweise fadengehefteten Doppelblättern. Die Nachschriften stammen z. T. von Crayens, in einem Fall (Bl. 54–57) von unbekannter Hand. Folgende Ab b r e vi at u r e n wurden stillschweigend aufgelöst: Apostel Beziehung Bund Christus der, die das Drittes Erlöser evangelisch Evangelist Evangelium geboren Geist Glauben Gläubige heilig -heit Herr Israel Johannes
Apst. Bez. B. C., Ch., Chr., Chst. d. 3tes Erl. ev., evl., evangl. Ev., Evangel. Ev., Evangl. geb. G. Gl. Gl. h -h. Hrr. Isr. Joh.
Johannes der Täufer jüdisch Kaiphas -keit -lich Offenbarung Paulus Petrus Pharisäer Philippus Predigt Priester, -priester Prophet prophetisch Thessalonicher und verklären Verklärung Zweites
Joh. d. T. jüd. Kaiph. -k. Offb., Offenb. P., Paul. Petr. Pharis. Phill. Pr. Pr., -pr. Proph. proph. Thess. u. verkl. Verkl. 2tes
Stellen, an denen Woltersdorff Flexionsformen der Wörter „Christus“ und „Evangelium“ ausschreibt oder Kürzel mit Kasusendungen versieht, lassen erkennen, dass sie diese Wörter in lateinischer Deklina-
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Einleitung der Bandherausgeber
tion verwendet; von Woltersdorff endungslos gebrauchte Abkürzungen sind entsprechend stillschweigend in lateinisch deklinierter Form aufgelöst worden. Anführungszeichen am Ende eines Zitats stehen im Manuskript meistens vor dem Satzzeichen, häufiger aber auch danach; dies wurde stillschweigend nach dem Mehrheitsgebrauch vereinheitlicht, d. h. das Anführungszeichen immer vor dem Satzzeichen plaziert. Uneinheitliche Schreibweisen, wie „Aergerniß“ und „Ärgerniß“, „Unseligkeit“ und „Unseeligkeit“ und andere mehr, wurden ebenso im Text belassen wie wortbezogene oder syntaktische Eigenwilligkeiten, sofern sie häufiger vorkommen und daher nicht als Versehen gelten können (z. B. „Zusammhang“ oder „ruhen bzw. beruhen auf“ mit anschließendem Akkusativ). An folgenden Te r mi n e n beruht die Edition auf einer Nachschrift von Woltersdorff: 29.01.1826 24.03.1826 08.10.1826 14.01.1827 21.01.1827 24.03.1827 10.06.1827 05.08.1827 12.08.1827 19.08.1827 14.10.1827 21.10.1827
vorm. vorm. früh vorm. früh vermutl. mitt. vorm. vorm. früh vorm. vorm. früh
04.11.1827 früh 11.11.1827 vorm. 24.11.1827 mitt. 25.11.1827 vorm. 02.12.1827 früh 09.12.1827 vorm. 23.12.1827 vorm. 25.12.1827 früh 26.12.1827 vorm. 30.12.1827 früh vor Ende 1827
M. Nicht identifizierte Nachschriften Die Nachschriften nicht identifizierter Tradenten, die in diesem Band berücksichtigt wurden, sind Teil folgender Archivbestände: AB B AW, SN 6 0 5 : Das Archivstück enthält sechs mit Tinte geschriebene Predigtnachschriften zu Texten des Matthäusevangeliums aus verschiedenen Jahren von verschiedenen Nachschreibern auf unterschiedlichem Papierformat. Die Predigt vom 9. Juli 1826 (SN 605/3) umfasst 3 Blatt im Quartformat. AB B AW, SN 6 1 4 : Das Archivstück enthält zwei Predigtnachschriften zu Texten des 1. Petrusbriefes unterschiedlicher Schreiberhände. Die Predigt vom 7. Mai 1826 (SN 614/1) umfasst 3 Blatt im Quartformat.
II. Editorischer Bericht
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AB B AW, S N 6 1 6 : Die Archivalie enthält die undatierte Nachschrift einer Hochzeitspredigt von unbekannter Hand, die als die Traurede am 24. Oktober 1826 identifiziert werden kann. Das Manuskript umfasst 4 Blatt im Quartformat; die Seiten sind auf der jeweils linken Hälfte beschrieben, auf der freien rechten Seitenhälfte finden sich Bl. 1r und Bl. 4r kürzere Ergänzungen. S F K, N r. 1 : Die zum Buch gebundene Handschrift unbekannter Herkunft mit einem Umfang von 53 Blatt ist mit dem Titel „Vier Predigten über das Gleichniß vom Säemann, gehalten von Fr. Schleiermacher im Sommer 1826“ versehen. Es handelt sich dabei um eine Nachschrift der Predigten vom 28. Mai, 11. Juni, 25. Juni und 9. Juli 1826.81 Bei ABBAW, SN 616 wurden folgende A bbrev ia t uren stillschweigend aufgelöst: christlich christl. und u. An folgendem Te r mi n liegt der Edition die Nachschrift des nicht identifizierten Nachschreibers aus ABBAW, SN 616 zu Grunde: 24.10.1826 vermutl. abends N. Zu den Nachschriften der Johanneshomilien Neben den in den Sämmtlichen Werken gedruckten Nachschriften, die auf August Friedrich Wilhelm König zurückgehen, haben sich zu den Predigten der Homilienreihe über das Johannesevangelium der Jahre 1826–1827 Nachschriften von Caroline Crayen, Karl Friedrich 81
Die Nachschrift liegt gedruckt vor: Vier Predigten über das Gleichniß vom Säemann, gehalten von Fr. Schleiermacher im Sommer 1826, ed. Hermann Patsch, in: Schleiermacher on Workings of the Knowing Mind. New Translations, Resources, and Understandings, ed. Ruth Drucilla Richardson, New Athenaeum/Neues Athenaeum, Bd. 5, Lewiston/Queenston/Lampeter 1997, S. 81–113. In seiner editorischen Vorbemerkung, a. a. O., S. 81, teilt der Herausgeber mit: „Die hier transkribierten Predigten scheinen eine wörtliche Mitschrift wiederzugeben; sie sind knapper, weniger syntaktisch untergliedert, d. h. nicht nachträglich stilistisch überarbeitet. Sie halten sich, was der spätere Druck getilgt hat, noch genau an das liturgische Predigtformular. Im Druck sind auch die thematischen Überschriften etwas gewandelt. Insgesamt macht die Mitschrift einen frischeren, weniger literalisierten Eindruck, wenngleich wahrscheinlich ist, daß auch sie von dem Stenographen bei der Übertragung geglättet wurde.“ Kritisch ist zu der Edition anzumerken, dass die in der Handschrift verwendeten Anrede-Abkürzungen „m. g. Fr.“ und „m. a. F.“ stillschweigend aufgelöst sind, und zwar irrtümlich als „meine guten Freunde“ und „meine alten Freunde“ (statt richtig „meine geliebten Freunde“ und „meine andächtigen Freunde“).
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Einleitung der Bandherausgeber
August Schirmer, Sethe und Woltersdorff erhalten, in einem einzigen Fall auch eine Nachschrift von Andrae. Sofern es sich hierbei um Nachschriften ein und derselben Predigt handelt, die Überlieferungslage also einen Vergleich gestattet, lässt sich Folgendes feststellen: Crayen und Schirmer bieten jeweils einen gegenüber den anderen Textzeugen eigenständigen Text; dabei erweisen sich Crayens Texte gegenüber allen anderen als stark verkürzt; Schirmers Nachschriften sind von inhaltlich hoher Qualität; allerdings scheinen sie gegenüber Sethes und Woltersdorffs Textversionen an vielen Stellen gedanklich gestrafft und stilistisch ausgearbeitet. Sethe und Woltersdorff bieten in aller Regel die ausführlichste Fassung und zeigen untereinander ein sehr hohes Maß an wörtlicher Übereinstimmung, so dass man eine literarische Abhängigkeit vermuten kann. O. Besonderheiten der editorischen Verfahrensweisen Im P r e d i gt k o p f werden Schleiermachers Notizen aus den Tageskalendern 1826 und 1827 nur dann unter Besonderheiten aufgeführt bzw. zitiert, wenn sie gegenüber den sonstigen Mitteilungen im Predigtkopf oder gegenüber den Textzeugen abweichende Angaben aufweisen (beispielsweise andere Versangaben beim Predigttext) oder inhaltlich interessante zusätzliche Information enthalten (beispielsweise die Zahl der Konfirmierten). Im e d i e r t e n Te x t sind hin und wieder Kommata, die syntaktisch falsch und sogar sinnerschwerend sein können, stehen gelassen worden, wenn der Verdacht bestand, sie könnten eine Sprechpause anzeigen oder ein Innehalten vor einem besonders wichtigen Wort indizieren. Anführungszeichen, die versehentlich am Anfang oder am Ende eines Zitats fehlen, sind entsprechend den Editorischen Grundsätzen (vgl. oben II.1.C.g.) in der Regel stillschweigend ergänzt worden; abweichend davon werden sie in eckigen Klammern geboten, wenn nicht eindeutig ist, wo das Zitat anfängt oder endet. Zustand und Verhältnisse der Manuskripte machten es in einigen wenigen Fällen erforderlich, mehr als einen Textzeugen für ein und denselben Predigttermin zu edieren. Bei der Predigt am 15. Januar 1826 (2. Sonntag nach Epiphanias) ist die Nachschrift von Sobbe deutlich ausführlicher, das Manuskript jedoch in einem sehr schlechten Zustand und so beschädigt, dass mehrere Textzeilen fehlen; um dem Leser neben der detaillierten, aber lückenhaften Langfassung einen kürzeren, aber vollständigen Gedankengang der Predigt zu bieten, wurde zusätzlich die Nachschrift von Sethe ediert. Ähnlich liegt der Fall bei der Predigt am 26. Dezember 1827, wo die sauber geschriebene Nachschrift von Woltersdorff durch die teils ausführli-
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chere, teils auch knappere, aber insgesamt sehr schwer lesbare Nachschrift von Dunckel ergänzt wird. Im S a c h a p p ar at tauchen beim Nachweis biblischer Stellen gelegentlich die Formeln „vgl. vermutlich“ und „vgl. wohl“ auf: „vgl. vermutlich“ besagt, dass unsicher ist, auf welche Bibelstelle im Text Bezug genommen wird; „vgl. wohl“ bedeutet, dass nicht ganz sicher ist, ob überhaupt ein Bezug auf eine biblische Formulierung intendiert ist. Die beim Nachweis von Bibelstellen gebrauchte Formel „in Verbindung mit“ zeigt an, dass in Schleiermachers Bezug auf die zuerst genannte Bibelstelle eine oder auch mehrere andere Bibelstellen derart miteinander verflochten sind, dass sie eine − von Schleiermacher selbst geschaffene – Einheit bilden.
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Der vorliegende Band ist in vertrauensvoller und fruchtbarer Zusammenarbeit von neuen und bereits erfahrenen Editoren in weniger als zwei Jahren entstanden. Dabei konnten wir auf die umfangreichen Vorarbeiten zurückgreifen, die seit 2003 im Rahmen des von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen betreuten Projekts der Edition von Schleiermachers Predigten in Angriff genommen wurden. Unser besonderer Dank gilt dem Leiter dieses Editionsprojekts, Prof. Dr. Dr. Günter Meckenstock, der uns stets mit seinen jahrzehntelangen Erfahrungen zur Seite stand und auf dessen Rat immer Verlass war. Außerdem danken wir dem Leiter der Kieler SchleiermacherForschungsstelle Prof. Dr. André Munzinger für seine Unterstützung. Auch die studentischen Hilfskräfte der Forschungsstelle haben wieder einmal sehr gute Arbeit geleistet: Merten Biehl, Judith Ibrügger, Christian Müller und Kirsten Reinfeld. Bei der Beschaffung von Literatur konnten wir uns auf den Bibliothekar der Kieler Fachbibliothek Theologie Rolf Langfeldt und seine Mitarbeiterinnen verlassen; Zugang zu Archivalien verdanken wir Bert Buchholz von der Kirchenbuchstelle im Evangelischen Landeskirchlichen Archiv in Berlin und Astrid Hühn von der Kirchengemeinde Heilig Kreuz – Passion, Berlin-Kreuzberg. Unser Kollege Dr. Simon Gerber hat uns kurz nach Beginn der Drucklegung noch Hinweise auf Notizen in Schleiermachers Tageskalender und Hilfe zu deren Transkription gegeben. Allen Genannten gilt unser herzlicher Dank. Brinja Bauer, Ralph Brucker, Michael Pietsch, Dirk Schmid und Patrick Weiland
Predigten 1826
Nachschrift der Predigt vom 15. Januar 1826 vormittags, SAr 111, Bl. 1v; Sobbe
Am 1. Januar 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Neujahrstag, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Offb 21,1–5 Nachschrift; SAr 91, Bl. 1r–18v; vermutl. Andrae Predigten, ed. Billig, Bd. 2, 1866, S. 1–8 (Textzeugenparallele) Nachschrift; SAr 73, Bl. 32r–48v; vermutl. Andrae (Textzeugenparallele) Nachschrift; SAr 114, S. 44–50; Sethe Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am Neujahrstage, 1826. |
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Tex t. Offenb. Joh. XXI, 1–5. Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde verging, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sahe die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, zubereitet als eine geschmückte Braut ihrem Manne; und hörte eine große Stimme von dem Stuhl die sprach: Siehe da eine Hütte Gottes bei den Menschen; und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein. Und Gott wird abwischen alle Thränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerzen wird mehr sein, denn das | Erste ist vergangen. Und der auf dem Stuhle saß, sprach: Siehe ich mache alles neu. Und er spricht zu mir: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiß. M. a. F. Ich glaube daß Ihr noch nicht gehört habt, daß ich in unsern gemeinsamen Betrachtungen zurückgegangen wäre auf dieses Buch ungewissen Ursprungs und voll dunkler Gesichte, ein Buch vor dessen Gebrauch man eher die Christen warnen sollte, weil schon gar viele dadurch verleitet worden sind ihren Sinn zu richten auf eitle Fabeln und Rechnungen, vor denen schon Paulus der Apostel die Christen seiner Zeit warnt, und die 5 ich] Predigten, ed. Billig, S. 1 (in Übereinstimmung mit der Lutherübersetzung): ich Johannes 18–1 Vgl. 2Thess 2,1–12; 2Tim 4,3–4; Tit 1,10–14
1r 1v
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3r
3v
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Am 1. Januar 1826 vormittags
dadurch verlassen haben die Hauptsache des Glaubens. Aber anders ist es an einem Tage wie der heutige, wo wir alle | nur zu geneigt sind, Gesichte zu sehen. Denn wenige wohl leben nur so in der eigentlichen Gegenwart, daß es sie auch an einem Tage wie der heutige nicht sollte an die Zukunft mahnen; und wenige mögen wohl im Leid und in der Trauer des Herzens so ganz auf das Vergangene gerichtet sein, daß ihr Auge ganz geschlossen wäre für eine mildernde Zukunft. Aber m. g. F. von verschiedener Art sind die meisten Gesichte, welche die Menschen sehen an einem Tage wie dieser. Wie sind auch viele so ganz gerichtet auf das Irdische und Vergängliche, daß sie nur träumen von dem, was ihnen eben so nichtig ist in der Vergangenheit wie auch die Zukunft es ihnen bringen kann. Ja auch viele von denen, die allerdings wohl auf das Höhere und Geistige unsers Daseins ihren | Sinn gerichtet haben, allerdings wohl am liebsten sehen möchten in der Zukunft die Herrlichkeit des menschlichen Geistes sich immer stärker entwickeln und immer höher heben, wie viele auch unter diesen sind solche, welche der Erlöser im Sinne hat wenn er zu dem Volke sagt „wenn sie Euch sagen werden, hier ist er oder da ist er, so glaubet ihnen nicht; das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebehrden und Zeichen, es entsteht nicht aus irdischen und weltlichen Begebenheiten, es muß in Euch sein.“ Darum lohnt es wohl, daß wir an einem solchen Tage unsre Aufmerksamkeit richten auf die Gesichte eines alten Jüngers des Herrn, wer er auch immer gewesen sei. Denn sie sind nicht dem Vergänglichen und Irdischen zugewendet; was er auch sah, überall sieht er dabei Gott der auf dem Stuhl sitzt, überall steht ihm | dabei vor Augen das Lamm, welches der Welt Sünde trägt. Und so laßt uns denn aus seinen Gesichten lernen, was denn das Einzige sei in der Zukunft, worauf unsre Aufmerksamkeit zu richten uns der Mühe werth sein kann. I. Indem wir uns diese Frage vorlegen, m. g. F. so finden wir die Antwort in den verlesenen Worten „ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde und die Stadt Gottes herabkommen vom Himmel.“ Und freilich das ist es eben, worauf das Verlangen aller Gläubigen und Frommen von jeher ist gerichtet gewesen. Aber hier fragen wir billig zuerst: Ist es etwas Künftiges oder etwas Gegenwärtiges, wovon der Verfasser der Offenbarung redet? setzte er sich im Geiste zurück in eine Zeit, wo dasjenige | noch nicht war, was doch schon vor seinen Augen stand, eine Hütte Gottes bei den Menschen und einen neuen Himmel und eine neue Erde? oder war es Künftiges, was noch nicht erschienen war? und wenn Künftiges, war es solches, was überhaupt auf dieser Erde nicht zu finden ist noch jemals sein wird, oder solches was vielleicht ihm noch künftig war, uns aber schon gegenwärtig 16–20 Vgl. Lk 17,20–21
23–25 Vgl. Offb 4–5; Joh 1,29
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ist? Bedenkliche Fragen m. g. F. daß wir aber in diesen Worten nicht jenseit dieser Ordnung der menschlichen Dinge auf der Erde, die wir bewohnen, gewiesen sind, das erhellt eben daraus, daß eben das Gesicht dem Johannes zeigte, wie die Stadt Gottes vom Himmel herabkam. Auf der Erde also sollte sie sich niederlassen die Hütte Gottes bei den Menschen. Aber gar vieles spricht dafür, daß wie es uns hier beschrieben wird, nichts in diesen Worten enthalten sei als was wir in | der That schon haben und besitzen. Wie m. g. F? ist nicht eine Hütte Gottes bei den Menschen seitdem die Hütte aufgebaut ward, in welcher wenn auch auf Erden nur kurze Zeit die Fülle der Gottheit wohnte? ist nicht Gott mit uns, unser Gott, seitdem das Wort in Erfüllung gegangen ist, welches der Herr nicht als ein fernes sondern als ein nahes und unmittelbares ausgesprochen hat, daß er mit dem Vater kommen wolle Wohnung zu machen in den Herzen? ist nicht Gott unser Gott und wir sein Volk, seitdem wir das erkannt haben, daß es Einen Gott giebt über Alles was lebt, und daß dem Einen nicht ein Volk solcher oder andrer irdischer Abstammung eignet, sondern das Volk seines Eigenthums, ein geistiges Volk, zusammengesucht und zusammengesetzt und geordnet aus allen Völkern der Erde? Und | wenn die Rede ist von einem neuen Himmel und einer neuen Erde: so sind das Worte, die wir eben so finden bei einem großen Propheten des alten Bundes, aus dessen Munde der Herr auch sagt „ich will einen neuen Himmel schaffen und eine neue Erde, daß ich des vorigen nicht mehr gedenke.“ Wie er sie aber beschreibt, so ist es freilich eine neue Freude über Jerusalem, aber eine solche, daß noch Kinder sind und Alte auf Erden, daß noch gebaut wird und gewohnt, daß noch gesäet wird und geerntet und die Früchte der irdischen Mühe genossen. Wie könnten wir nicht noch in einem höhern Sinne sagen, es sei ein neuer Himmel und eine neue Erde, und das Meer sei nicht mehr, wenn wir bedenken, wie damals als dieses Buch geschrieben ward Himmel und Erde den Menschen erschienen, wie die Völker fast unwiederbringlich getrennt waren durch das Meer, | welches um die Erde ausgebreitet ist, wie dem größten Theil derselben unbekannt waren alle die das jenseitige Land bewohnten, mehr oder weniger in kleine Häuflein abgeschlossen, wie die Menschen im Himmel nur sahen die großen und kleinen Lichter die Tag und Nacht regieren. Vor uns sind die Wunder der Schöpfung ohne Zahl ausgebreitet; wir ahnden das zahllose Heer der Gestirne und kennen ihre Größe; uns ist die Erde aufgeschlossen, und wenig noch auf ihr bleibt der Wißbegierde des Menschen zu erforschen; für uns ist das Meer nicht mehr, denn es trennt uns nicht mehr von denen die jenseit wohnen, und über 9 kurze] kurzer 8–10 Vgl. Joh 1,14; Kol 2,9 12–13 Vgl. Joh 14,23 1Petr 2,9 21–22 Vgl. Jes 65,17 32–34 Vgl. Gen 1,16
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seine Fluthen haben wir die Segnungen eines weiter gebildeten Lebens und die Segnungen des göttlichen Wortes getragen. Wohl m. g. F. aber wenn wir den Johannes | fragen könnten: ist das dein Gesicht gewesen von einem neuen Himmel und einer neuen Erde? so herrlich es auch ist, er würde es verneinen. Denn alle Fülle der Erkenntniß, wie nützlich sie auch sei, um das irdische Leben des Menschen zu verschönern und zu veredeln, wie sehr sie auch hervorgegangen sei aus der löblichen von Gott dem Menschen eingepflanzten Begierde zur Betrachtung und zur Erkenntniß: o sie kann doch das Gemüth desjenigen nicht erfüllt haben, welcher so oft er Himmel und Erde nannte an das Gebet des Herrn denken mußte „dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel;“ und das ist der neue Himmel und die neue Erde, wo allein, wo rein, wo vollkommen der Wille des Herrn geschieht. Ach und so scheint es uns freilich noch in weiter Ferne zu liegen mit dem neuen Himmel und der | neuen Erde: Und wie mit der Stadt Gottes, die er herabkommen sah, in welcher kein Tod mehr sein soll, und keine Thränen und kein Leid und kein Geschrei? Fordert der Tod nicht noch beständig seine Opfer unter uns, so regelmäßig daß man fast vorhersagen kann, wie viel von jedem Geschlecht und jedem Alter aus einer bestimmten Menge von Menschen in dem Zeitraum eines Jahres, wie wir ihn jetzt vollendet haben, hinweggerafft werden mögten? Und wie viel Geschrei, Geschrei des Haders und des Streites, giebt es nicht noch in der Welt, auch in der christlichen Welt, in welcher wir leben! Und eben aus beiden zusammengesetzt ach wie viele Thränen der Liebe, welche eben der Tod betrübt! und | wie viel tiefes Herzeleid und wie viele Schmerzen über das was demselben vorangeht! Und wie viele andre Thränen bitterer als jene! Und wie viel Leid das uns nicht nur drückt, sondern dessen wir uns auch schämen müßten! Und wie viele Schmerzen, mit denen wir nicht nur zu kämpfen haben, sondern die gar nicht da sein müßten, weil sie entstehen aus jenen Verirrungen der menschlichen Leidenschaften, welche die Welt voll machen von Geschrei! Wie nun m. g. F. helfen wir uns aus dieser Verwirrung und lösen die schwierige Frage? Bald in dem Bewußtsein dessen, was der Herr an uns gethan hat, sind wir geneigt alles Herrliche, was einst das Gesicht eines entzückten Jüngers sehen konnte, für gegenwärtig zu halten; bald mahnt uns das Bewußtsein der menschlichen Gebrechlichkeit und erinnert uns unsre Unvollkommenheit | daran, wie viel noch vor uns liegt, was noch nicht erschienen ist. Wohlan m. g. F. laßt uns denn beides zusammenfassen, um die Wahrheit ganz in unserm Herzen zu haben. Der Jünger sagt „und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel 5 nützlich] so SAr 73, Bl. 38r; Predigten, ed. Billig, S. 3; Textzeuge: möglich 23– 24 und wie viel] so SAr 73, Bl. 39r; Predigten, ed. Billig, S. 4; Textzeuge: und viel 10–11 Vgl. Mt 6,10
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herabfahren.“ Er sah sie also kommen. Kommen aber m. g. F. das ist zusammengesetzt aus dasein und nicht dasein. O sie ist da m. g. F. die Stadt Gottes, das neue Jerusalem, seitdem der lebendige Tempel gebaut wird, von welchem Christus der Eckstein ist, und in welchem wir alle durch den lebendigmachenden Geist zusammengefügt sind, auf daß er fest stehe, und ein Geschlecht nach dem andern ihn fester gründe und höher hebe. | Er ist da der neue Himmel und die neue Erde, denn was anderes können wir hierin suchen als ein anderes Verhältniß zwischen Gott und den Menschen, zwischen Himmel und Erde, als jemals gewesen war? Es ist ein neuer Himmel, seitdem Christus zum Himmel gefahren ist und sitzt zur Rechten Gottes. Das sah das entzückte Auge eines andern Jüngers, als er der erste den Tod für den Glauben an den Erlöser starb. Das sehen wir alle mit demselben Auge des Glaubens, so oft es uns dringt uns zu erheben und zu stärken an dem Bilde der Vollendung und der Herrschaft, die da gegeben ist dem ewigen Sohne des Vaters. Es ist eine neue Erde, seitdem das Wort Fleisch ward und unter uns wohnte, und die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom | Vater erschien, und wer ihn sieht nun den Vater sieht, so daß nicht mehr wie von Anbeginn an die Menschen sich zu verbergen suchen vor der Stimme Gottes, sondern wenn er sich verkündigt mit freudigem Beben antworten: Herr rede, dein Knecht hört. Also m. g. F. sie kommt seitdem dies geschehen ist die Stadt Gottes. Aber steht sie schon fest auf der Erde, auf welche sie herabkommt vom Himmel? ist sie schon geschmückt wie eine Braut für den ewigen Bräutigam? Sie soll es erst werden. Noch ist sie nicht rein von Runzeln und Flecken, noch steht sie nicht da wie sie ihm soll dargestellt werden. Und der Tod m. g. F. o wir müssen wohl sagen, er soll nicht mehr sein, seitdem er seinen Stachel verloren hat; sein Stachel aber ist die Sünde; seitdem der Herr gesagt hat: „wer an mich glaubt, der ist vom Tode hindurchgedrungen zum Leben und wird nicht sterben“, seitdem 17 erschien] so auch Predigten, ed. Billig, S. 4; Textzeuge: schien 26–1 sein, seitdem … soll der Tod nicht mehr] Ergänzung aus SAr 73, Bl. 41r; Predigten, ed. Billig, S. 5 3–4 Vgl. Eph 2,19–21; 1Petr 2,6–7 9–11 Vgl. Mk 16,19; 1Petr 3,22 11–12 Vgl. Apg 7,55–60; 14–15 Anklang an das Te Deum, dritte Strophe; vgl. die deutsche Fassung von Luther („Herr Gott, dich loben wir“), Geistliche und Liebliche Lieder, ed. Porst, 1728, Nr. 584: „Du Kön’g der Ehren, Jesu Christ! Gott Vaters ew’ger Sohn du bist: Der Jungfrau’n Leib nicht hast verschmäht, zu erlös’n das menschlich Geschlecht. Du hast dem Tod zerstört sein’ Macht, und all’ Christen zum Himmel bracht. Du sitz’st zur Rechten Gottes gleich mit aller Ehr ins Vaters Reich. Ein Richter du zukünftig bist, alles was todt und lebend ist.“ Die im Gottesdienst als Lied nach dem Gebet gesungene Fassung („Herr Gott dich loben wir“; vgl. Liederblatt im Anhang) bietet allerdings einen etwas abweichenden Text. 15–17 Vgl. Joh 1,14; 14,9 18–19 Vgl. Gen 3,8–10 20 Vgl. 1Sam 3,9–10 24–25 Vgl. Eph 5,27 25–27 Vgl. 1Kor 15,54– 57 27–28 Vgl. Joh 5,24; 11,25–26
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soll der Tod nicht mehr sein; | und wenn wir fest an diesem Wort halten, und wenn wir fest sind in der Gemeinschaft mit dem, der es gesagt hat, so ist er auch nicht mehr das, wovor die menschliche Natur schaudert und sich erschrickt. Und was sich scheut vor dem Vergelten soll nicht mehr sein; und Geschrei soll nicht mehr sein m. g. F. seitdem er gesagt hat „meinen Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch, nicht gebe ich euch wie die Welt giebt.“ Und eben deswegen m. g. F. sollen nun alle Thränen abgewischt sein, die etwas anderes wären als Thränen des Dankes und der Freude; eben deshalb soll kein Leid mehr sein und kein Schmerz, seitdem es uns zum Wahlspruch gegeben ist das Wort des Apostels: freuet euch allewege, freuet euch in dem Herrn! | Wohlan m. g. F. so ist es also. Gegenwärtiges und Künftiges erscheint uns in diesem heiligen Gesicht; gesagt wird uns in demselben was wir haben und wessen wir uns erfreuen, was da ist in unserm Leben das ewig sich selbst gleich bleibende stärkende und uns tragende Element in allem Wechsel der Tage und der Jahre; gesagt wird uns darin was noch ferner soll in uns gebaut werden, durch die Kraft, die da ist in dem Worte der Versöhnung, in der Mitwirkung des Geistes, den der Herr gesendet hat unter die Bürger der neuen Stadt Gottes, die unter uns gegründet ist. II. Aber ist dem nun so m. g. F. so haben wir uns wohl noch eine zweite Frage vorzulegen an einem Tage wie der heutige. | Sollen wir auch nichts anderes als Gesichte sehen, wenn gleich veredelte und gereinigte, indem wir uns mit der Begierde unsers Herzens allein auf dasjenige richten was dem geistigen Leben noch Noth thut, und was ihm durch die göttliche Gnade noch bevorsteht, sollen wir nur Gesichte sehen und warten? oder haben wir auch etwas dabei zu thun? Zuerst m. g. F. damit auch unsre Gesichte, wenn wir nur dabei noch stehen bleiben, ganz rein seien, und nicht selbst noch etwas von dem enthalten, was wir nicht sehen sollen: so laßt uns dessen gedenken, was in den Worten jenes Propheten, wo er auch in dem Namen des | Herrn sagt „ich will einen neuen Himmel machen und eine neue Erde,“ mit diesen Worten verbunden ist, nämlich „gedenket nicht mehr des Vorigen.“ Und das sagt er indem er das Volk, zu welchem er gesandt war, erinnert an die größte und herrlichste göttliche Wohlthat. „Ich bin es, spricht der Herr, der das Meer getheilt hat und Bahn macht durch große Wasser.“ Darin erinnert er sie an jene große Rettung aus dem Lande der Knechtschaft; aber dennoch fügt er hinzu „gedenket des Vorigen nicht; ich mache ein Neues, jetzt 5–7 Vgl. Joh 14,27 10–11 Vgl. Phil 4,4 17–18 Vgl. Joh 14,26; 15,26 18 Vgl. Eph 2,19–22; Hebr 12,22; Offb 3,12 32–33 Vgl. Jes 65,17 und 43,18 35– 36 Vgl. Jes 43,16–17 37 Vgl. Ex 14 38–2 Vgl. Jes 43,18–21
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gleich soll es hervorgehen; | nämlich ich will mir dieses Volk zurichten zu meinem Bunde.“ Wohl! ist eben dies das schöne Gesicht, von welchem unser ganzes Gemüth erfüllt sein soll, daß auch wir immer mehr sollen zugerichtet werden ein geistiges Volk dem Herrn zu seinem Ruhm: so wollen auch wir uns das gesagt sein lassen, nicht zu gedenken des Vorigen. Zuerst m. g. F. in dem unmittelbaren Sinne, in welchem es auch jener Prophet sagt. Aber wie? Kann das ernstlich gemeint sein und buchstäblich? wenn wir ein Jahr des Lebens schließen und mit demselben zugleich | auch die ganze Reihe der vergangenen, um in ein neues einzugehen: sollen wir vergessen was der Herr Großes an uns gethan hat? sollen wir ähnlicher Hülfen und Segnungen wie jenes Volk von ihm erfahren nicht gedenken? Nein nicht wenn wir mit einem solchen heiligen Gesicht von der Stadt Gottes, die vom Himmel herabkommt, unser Gemüth erfüllen, auf daß wir nicht glauben aus den Segnungen und Hülfen des Herrn, wie groß auch seine Macht sich dabei gezeigt habe, welche treue Anwendung geistiger Kräfte der | Menschen dabei auch zum Grunde gelegen habe, aus wie viel reiner Gesinnung sie auch hervorgegangen seien, daß wir nicht glauben, aus solchen Hülfen und Rettungen Gottes gehe das Reich Gottes hervor. Unabhängig ist es von allen äußern Schicksalen und Führungen der Welt; denn der geheime Zusammenhang derselben mit dem Reiche Gottes ruht allein in der Allwissenheit des Ewigen und ist dem menschlichen Auge verborgen. Niemals welche trübe Gestalt auch die äußern Verhältnisse des Lebens annehmen mögen, niemals sollen wir fürchten, daß dem Reiche | Gottes daher Gefahr drohe; und was auch Erfreuliches in menschlichen Dingen geschehen möge, wir würden eitel sein und thöricht, wenn wir glauben wollten, das sei ein Grund, worauf das Reich Gottes gebaut werden könne, damit seien alle Gefahren die demselben drohen überwunden, und die Herrlichkeit desselben hergestellt. Denn dadurch würden wir unsern Blick abkehren von demjenigen, worin allein die Stadt Gottes auf Erden ihren Grund haben kann; | wir würden in derselben Gefahr stehen, worin das Volk des alten Bundes so oft stand, eitel zu sein und selbstsüchtig, und so das Bestreben zu vergessen nach dem Höheren und Ewigen. Aber dann m. g. F. auch in jenem Sinne, in welchem der große Apostel des neuen Bundes sagt „ich vergesse was hinten ist, und strecke mich nach dem was vor mir liegt.“ Ja m. g. F. nothwendig ist es und schön, daß der Mensch oft, und am meisten wenn er durch solche gemeinsame Zeitpunkte dazu aufgefordert wird, in das vergangene Leben zurückzusehen, aber nothwendiger damit | er seiner 6–7 Aber wie?] so SAr 73, Bl. 43r; Predigten, ed. Billig, S. 6; Textzeuge: Aber nein? 25–26 das sei ein Grund] so SAr 73, Bl. 44r; Predigten, ed. Billig, S. 6; Textzeuge: das sei ein Grund, das sei ein Grund 3–4 Vgl. 1Petr 2,9 9–10 Vgl. Ps 126,3 12,22; Offb 3,12 33–34 Vgl. Phil 3,13
29–30 Vgl. Ps 46,5–6; 48,2–4.9; Hebr
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eignen Schwächen inne werde, sich beschaue in dem Spiegel des göttlichen Wortes und nicht vergesse wie er gestaltet ist, als nothwendig um ein dankbares Herz gegen Gott zu bewahren. Denn wenn wir auch des Vergangenen wie es gestaltet war nicht gedenken; haben wir nur den Herrn gefunden, lebt der in unserm Herzen, sind wir uns im Augenblick und für den Augenblick bewußt, daß er mit dem Vater Wohnung gemacht hat in unsrer Seele: o dann | könnten wir die ganze Vergangenheit vergessen, und ewige Dankbarkeit würde uns erfüllen in jedem Augenblick, und in jedem würden wir uns geschickt fühlen den Herrn zu preisen, und dadurch immer mehr zugerichtet werden zu verkündigen seinen Willen. Aber wenn wir nun so m. g. F. unsern in die Zukunft gerichteten Blick ganz rein halten von aller Vermischung mit dem Irdischen, von aller verkehrten Schätzung der himmlischen Dinge: Doch sollen wir nicht allein Gesichte sehen; sondern wie es auch an einer andern Stelle im alten Bunde heißt, „wer | wird mir das Wort des Herrn vom Himmel herabholen! und wer wird über das Meer fahren und mir sein Zeugniß bringen?“ aber dann geantwortet wird „das Wort des Herrn ist dir nahe in deinem Herzen, daß du es thuest:“ so m. g. F. auch in dieser Beziehung. Die Stadt Gottes ist unter uns gegründet, Himmel und Erde sind neu geworden, das Alte ist vergangen, wer in Christo ist, ist eine neue Kreatur, wer an ihn | glaubt, der hat das ewige Leben. Aber sie kommt, sie soll immer mehr kommen in ihrer Herrlichkeit, immer kräftiger soll sie sich offenbaren, immer mehr soll alles Böse überwunden werden vom Guten, alles Irdische sich auflösen in das Himmlische. Aber das kann nicht anders geschehen als durch unsern Dienst. Das Wort Gottes ist dir nahe in deinem Herzen, daß du es thuest. Wer da überwindet, heißt es in dem unmittelbaren Verfolg unsers Textes, der wird das alles ererben; wer treu bleibt bis ans Ende – | und wo giebt es Treue ohne Gehorsam, ohne Thätigkeit, ohne Aufopferung? – wer treu bleibt bis ans Ende, der wird die Krone des Lebens erlangen. Wohlan denn m. g. F. ein neues Jahr liegt vor uns ausgebreitet. Ob wir alle das Ende desselben erleben werden, wir wissen es nicht; aber so gewiß das Wort des Herrn wahr ist, und derjenige die Wahrheit geredet hat, welcher hier zu Johannes sagte: „es ist geschehen:“ so gewiß wird auch in diesem Jahre das Reich Gottes auf Erden sich | ausbreiten und gefördert werden; so gewiß wird die Stadt Gottes sich immer herrlicher schmücken und immer mehr vor den Augen aller Menschen herabfahren vom Himmel und sich auf der Erde niederlassen; und wolle Gott, daß wir dabei nicht unthätig wären, sondern auch das 20 ist,] so SAr 73, Bl. 46r; Predigten, ed. Billig, S. 7; Textzeuge: ist 6 Vgl. Joh 14,23 15–16 Vgl. Dtn 30,12–13 17–18 Vgl. Dtn 30,14 19– 20 Vgl. 2Kor 5,17 20–21 Vgl. Joh 3,36 22–23 Vgl. Röm 12,21 24–25 Vgl. Dtn 30,14 25–27 Vgl. Offb 21,7 27–29 Vgl. Offb 2,10 33 Offb 21,7
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Unsrige thäten. Darum wollen wir des Vorigen gedenken, und wenn es darauf ankommt, daß wir lernen sollen was wir zu thun haben: dann m. g. F. müssen wir desselben gedenken. So laßt uns daraus lernen, was wir zu | überwinden haben, damit wir es überwinden; so stehe alles, was wir vermeiden müssen, es stehe wie es in der Vergangenheit war deutlich und warnend vor dem Auge unsers Geistes, damit wir immer mehr ablegen von dem, was Flecken ist und Unreines an der geschmückten Braut des Herrn, damit wir ihm immer mehr entgegentreten können in einem reinen Sinne, in der einzig ihm zugewendeten Liebe, welche ist die Krone, die wir ererben | sollen, so wir ihrer vollkommen theilhaftig werden. Aber Eins noch ist uns übrig zu bedenken. Der auf dem Stuhle saß, sprach „siehe ich mache alles neu“, und sprach zu dem der es sah „schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiß.“ Das ruft er auch uns zu m. g. F., das ist unser aller großer und seliger Beruf. Schreibe, theile mit was dir Gott zeigt, was du erkennst, von seinen Verheißungen und von seinen Werken; mache zu | einem gemeinsamen Gut was in deiner Seele vorgeht und von dem kommt, der allein unsre Blicke so wie des Johannes auf das Himmlische richten kann; schreibe das Zeugniß von dem, auf den sich alles bezieht, was neu ist im Himmel und auf Erden, von dem der da waltet und regiert als das Haupt in der Stadt Gottes; gieb Zeugniß davon nach dem Maaße in welchem du selbst empfangen hast, daß kein anderes Heil ist und | dem Menschen kein anderer Name gegeben, darin sie sollen selig werden, denn der Name Jesu Christi. Das m. g. F. sei unser Geschäft auch in dem neuen Jahre dieses unsers irdischen Lebens. Uns selbst immer mehr reinigend durch den Beistand des göttlichen Geistes, Zeugniß gebend von ihm und von dem was uns durch ihn geworden ist in Wort und That, dann sind wir werth das Gesicht zu sehen, welches wir alle sehen können, werth | daß auch für uns alles Alte vergangen sei, und Himmel und Erde in uns und für uns neu geworden durch den, der alles neu macht. Amen.
[Liederblatt vom 1. Januar 1826:] Am Neujahrstage 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Lobt Gott ihr etc. [1.] Nun danket All’ und bringet Ehr, / Die ihr auf Erden lebt, / Dem, dessen Ruhm der Engel Heer / Im Himmel stets erhebt. // [2.] Ermuntert euer Herz und singt / Gott unserm höchsten Gut, / Der Wunder überall vollbringt, / 7 Vgl. Eph 5,27 Apg 9,31; Phil 1,9
9–10 Vgl. Offb 2,10; 21,7 21–23 Vgl. Apg 4,12 25–26 Vgl. Joh 15,26–27; Röm 8,16
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Und große Dinge thut. // [3.] Der uns auf unsrer Lebensbahn / Beschützet und erhält, / Und wo kein Mensch uns helfen kann, / Sich selbst zum Helfer stellt. // [4.] Der, ob wir ihn gleich oft betrübt, / Doch gnädig unsrer denkt, / Durch Christum uns die Schuld vergiebt, / Und uns viel Gutes schenkt. // [5.] Er geb’ uns denn ein fröhlich Herz, / Erfrische Geist und Sinn, / Und werfe Sorge, Furcht und Schmerz / In Meeres Tiefe hin. // [6.] Er lasse seinen Frieden ruhn / Auf unserm Vaterland; / Er gebe Glück zu unserm Thun, /Und Heil in jedem Stand. // [7.] Er drück’ uns, wenn das Herze bricht, / Die Augen gnädig zu, / Und zeig’ uns dann sein Angesicht / Dort in der ew’gen Ruh. // Nach dem Gebet. – In bekannter Melodie. [1.] Herr Gott dich loben wir, / Herr Gott wir danken dir! / Dich Vater, der uns All’ erhält, / Verherrliche die ganze Welt! / Was je uns kommt von deiner Hand, / Hat deine Lieb’ uns zugesandt; / Du bleibest immer wie du bist, / Ein Vater, der uns gnädig ist. / Heilig bist du o Gott! / Heilig ist unser Gott! / Heilig ist unser Gott, voll Segen sein Gebot. // [2.] Wie du die Sonn’ izt rufst zurück, / So leucht’ uns stets dein Gnadenblick; / Führt sie uns neue Tage zu, / So schenke du uns Seelenruh! / Das Leben hier bleibt wandelbar, / Doch stets sei unser Loos uns klar! / Es fiel uns lieblich in den Schooß, / Der Kindschaft Segnungen sind groß. / Laß ihrer immer uns erfreun, / Ein Volk des Eigenthumes sein; / Und auch dies Jahr erweise dich / Mit deiner Gnade väterlich. // [3.] Herr Christ, des ein’gen Gottes Sohn, / Gekommen von des Vaters Thron: / Als du erschienen in der Zeit, / Begann der Menschen Seligkeit. / Du brachtest selbst für uns dich dar, / So ward das große neue Jahr, / Als Gott durch dich den Segen sprach, / Dein Licht durch alles Dunkel brach / Dein göttlich Wort vernehmen wir, / Und preisen Jesu dich dafür. / O hilf, daß wir dir ähnlich sein, / Um deiner Sendung uns zu freun. // [4.] Wenn du uns bildst nach deinem Sinn, / Das ist ein ewiger Gewinn; / Du unser göttlicher Prophet, / Deß Wahrheit fest wie Felsen steht, / Du hast’s gesagt, es wird geschehn, / Daß dich die Deinen ewig sehn. // [5.] O möchten wir deß würdig sein, / Und immer mehr von Sünden rein, / Daß durch den Geist der Heiligkeit / Dir ganz die Seele sei geweiht! / Der du dich gnädig offenbarst, / Sei mit uns, wie du immer warst, / Und höre das vereinte Flehn / Um Weisheit und um Wohlergehn. / O daß nichts wäre zu bereun, / Wenn dies Jahr wird beschlossen sein. // (Jauersch. Ges. B.) Nach der Predigt. – In eigner Melodie. [1.] Der ewigreiche Gott woll’ uns bei unserm Leben / Ein kindlich frommes Herz und seinen Frieden geben, / Er woll’ uns seine Gnad’ erhalten fort und fort, / Und uns aus aller Noth erlösen hier und dort. // [2.] Lob, Ehr’ und Preis sei Gott dem Vater und dem Sohne, / Und auch dem heil’gen Geist im hohen Himmelsthrone, / Dem dreimal heil’gen Gott, als der im Anfang war, / Und ist und bleiben wird jetzund und immerdar. //
Am 8. Januar 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
1. Sonntag nach Epiphanias, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 11,53–12,8 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LVI, S. 292– 304; König Keine Nachschrift; SAr 56, Bl. 117r–125r; Schirmer Nachschrift; SAr 114, S. 50–56; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 1r–4v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am 1. Sonntage nach Epiphanias 1826.
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Tex t. Joh. 11, 53–12, 8. Von dem Tage an rathschlagten sie, wie sie ihn tödteten. Jesus aber wandelte nicht mehr frei unter den Juden, sondern ging von dannen in eine Gegend nahe bei der Wüste in eine Stadt genannt Ephrem, und hatte sein Wesen daselbst mit seinen Jüngern. Es war aber nahe die Ostern der Juden; und es gingen viele hinauf gen Jerusalem aus der Gegend vor den Ostern, daß sie sich reinigten. Da standen sie und fragten nach Jesu, und redeten mit einander im Tempel, Was dünkt euch daß er nicht kommt auf das Fest? Es hatten aber die Hohenpriester und Pharisäer ein Gebot ausgehen lassen, so jemand wüßte, wo er wäre, daß er es anzeigte, daß sie ihn griffen. Sechs Tage vor den Ostern kam Jesus gen Bethanien, da Lazarus war der verstorbene, welchen Jesus auferwekkt hatte von den todten. Daselbst machten sie ihm ein Abendmahl, und Martha dienete. Lazarus aber war derer einer, die mit ihm zu Tische saßen. Da nahm | Maria ein Pfund Salbe von unverfälschter köstlicher Narde, und salbete die Füße Jesu, und trokknete mit ihrem Haar seine Füße; das Haus aber war voll vom Geruch der Salbe. Da sprach seiner Jünger einer, Judas Simonis Sohn Ischariothes, der ihn nachher verrieth, Warum ist diese Salbe nicht verkauft um dreihundert Groschen und den armen gegeben? Das sagte er aber nicht, daß er nach den armen fragte, sondern er war ein Dieb, und hatte den Beutel, und trug was gegeben ward. Da sprach Jesus, Laßt sie mit Frieden, solches hat sie behalten zum Tage meines Begräbnisses; denn arme habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit.
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M. a. F. Wenn wir bei diesem verlesenen Abschnitt wol mit Recht ganz vorzüglich auf dasjenige hinsehen, was dabei unsers Erlösers ist: so bemerken wir darin zuerst seine wahrhaft große aber auch menschliche Weisheit, und dann wieder auch eben so sehr seine wahrhaft menschliche Gemüthlichkeit in dem was uns hier erzählt wird.
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I. Zuerst nämlich wird gesagt, der hohe Rath hätte gerathschlagt von dem Tage an, wo sie wegen der Auferwekkung des Lazarus über Christum gesprochen hätten, wie sie ihn tödteten; und Jesus wäre seitdem nicht mehr frei gewandelt unter den Juden, sondern hätte sich in eine weniger besuchte und bekannte Gegend in eine Stadt nahe der Wüste begeben und da sein Wesen mit seinen Jüngern getrieben. Das m. g. F. ist der eine Theil seiner Weisheit. Aber daß er nun doch sechs Tage vor Ostern auf das Fest kam, und in der Nähe von Jerusalem und gerade in Bethanien sich aufhielt, das war der zweite Theil derselben. | Nämlich m. g. F. Weisheit in menschlichen Dingen, das ist nichts anders als die rechte gottgefällige Thätigkeit des Menschen – denn ohne diese giebt es keine Weisheit – , welche aber eben so wenig durch Uebereilung sich selbst zerstört, als auf der andern Seite auch nicht durch Feigherzigkeit. Das erste sehen wir hier in dem einen Theile, das zweite in dem andern, von dem worauf wir uns eben aufmerksam gemacht haben. Der Erlöser hatte schon auf das bestimmteste von seinen nahe bevorstehenden Leiden geredet, wie er auch vorzüglich ganz erfüllt davon war, da er in dem lezten Theil unserer Erzählung von seinem Begräbniß redet. Aber wir sehen, er wollte es auf keine Weise beschleunigen, er wollte so lange es nach dem göttlichen Rathschluß ginge sich in seinem Beruf und in der Thätigkeit desselben erhalten; denn als er erfuhr, daß sie unter einander rathschlagten wie sie ihn tödten wollten: so verließ er die Gegend wo sie dies unternahmen, und begab sich in eine andere. Außerhalb der festlichen Zeit, wo eine große Menge Volks aus allen Theilen des Landes sich in Jerusalem versammelte, war es für seinen Beruf völlig gleichgültig, wo und in welcher Gegend des jüdischen Landes er lebte und wirkte; überall konnte er auf der einen Seite seinen Beruf erfüllen an seinen Jüngern, denen er noch so vieles zu sagen hatte, nicht nur was sie noch nicht tragen konnten, sondern was er ihnen nothwendig sagen mußte, ehe er von ihnen ging; aber überall war er auch sicher eine solche Menge, die ihn in seinen öffentlichen Reden und Gesprächen fassen und verstehen konnte, als Zuhörer zu finden; und weil das gleichgültig war, so begab er sich in eine Gegend wo er am wenigsten erwarten konnte, daß der Rathschlag seiner Verfolger ihn 22–23 Vgl. Mt 16,21; 17,22–23; 20,18–19; Mk 8,31; 9,31; 10,33; Lk 9,22.44; 18,32– 33 33–34 Vgl. Joh 16,12
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erreichen würde. Aber er that es nur, damit seinem Beruf kein Eintrag geschehen könne. Hätte er es auf Kosten seines Berufs gethan, so wäre er nicht die wahre und vollkommene Weisheit | gewesen, sondern es hätte übergeschlagen auf die Seite der allzu großen Vorsicht, die an Feigheit streift. Aber eben so gehört es zweitens zu seiner Weisheit, daß als das Fest herbeikam er allerdings nach Jerusalem ging, und zwar auch dies, daß er gerade seinen Aufenthalt in Bethanien nahm. Nämlich wir finden nirgends, daß er in Jerusalem selbst wohnte. Daß er zur Zeit der Feste da war und lehrte, das war die allgemeine Erwartung des Volks, die er berechtigt hatte durch sein Verfahren, und in der That sein Beruf, weil er da die große Menge Volks nur erwarten konnte zur Zeit der Feste, und so viele aufgeregt durch die göttlichen Dinge und von dem Treiben der menschlichen Geschäfte so weit entfernt, daß sein Wort eine besondere Stätte daselbst haben konnte. Darum hätte es ihm nicht geziemt seine Thätigkeit auf diese Weise zu unterbrechen, daß er wegen des Rathschlusses seiner Feinde nicht wäre nach Jerusalem gekommen. Denn hätte er es nicht gethan diesmal, so hätte er auch auf künftige Feste zu gehen keinen Grund gehabt; und hätte er das eine Mal dies gethan, das andere Mal jenes, so würde er erscheinen nicht nur in allem uns gleich, ausgenommen die Sünde, sondern ganz in der Aehnlichkeit des verderbten Menschen, dessen Herz nicht fest ist. Das konnte in seine Seele nicht kommen; und so gewiß er es für seinen Beruf hielt in Zeiten wo eine große Menge Volks sich in der Hauptstadt des Landes aufhielt, zu sein in dem Hause seines Vaters, so gewiß konnte er sich nicht abhalten lassen zum Feste nach Jerusalem zu gehen. Aber er ging nun zu seinem Freunde nach Bethanien. Auf der einen Seite deswegen, damit er auf keine Weise schiene sich zu verbergen. Denn wenn uns erzählt wird im folgenden, daß deswegen eine große Menge von Menschen hinausgegangen sei, um ihn und den welchen er von den todten erwekkt hatte zu sehen: so konnte das den Hohenpriestern nicht verborgen bleiben, | die nachdem sie einen solchen Rathschluß gefaßt und ein solches Gebot hatten ausgehen lassen, wie hier erzählt wird, wol auch nicht unterlassen haben werden ihm aufzupassen und ihn zu beobachten – denn das ist in jedem ähnlichen Falle die Art und Weise der Kinder dieser Welt – , damit sie wüßten wo er sich aufhielte, und damit sie ihre Maaßregeln danach nehmen könnten. Bethanien aber war so nahe bei Jerusalem, daß er ihnen unmöglich entgehen konnte; und so war der Herr diese sechs Tage lang in der Nähe von Jerusalem, und hernach täglich im Tempel um zu lehren, ohne daß sie ihm ein Hinderniß in den Weg legten oder ihn störten, bis die Stunde kam, die der Vater bestimmt hatte. Aber wegen des Gebots welches sie hatten ausgehen lassen, daß wenn jemand wüßte wo er wäre, er es 19–20 Vgl. Hebr 2,17; 4,15
24 Vgl. Lk 2,49
29 Vgl. Joh 11,1–45
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anzeigen sollte, war es in gewisser Hinsicht auch eine gefährliche und bedenkliche Sache ihn zu beherbergen. Darum war es auch am natürlichsten, daß er dahin ging, wo er die meiste Geneigtheit vorauszusezen Ursache hatte, sich seinetwegen einer kleinen Gefahr auszusezen. Denn da wo er den geliebten Bruder wieder ins Leben gerufen und den trauernden Schwestern wiedergegeben hatte, da konnte er erwarten, daß was auch aus einer solchen Vernachlässigung eines öffentlichen Gebotes des hohen Rathes entstehen könne, die liebenden, die nicht nur ihm selbst befreundet waren durch Sinn und Gemüth, sondern auch durch das zarte Band der Dankbarkeit mit ihm verknüpft, das alles werden gern übernommen haben. Und so sehen wir, mit welcher Weisheit der Erlöser bis auf den lezten Augenblikk seines Lebens handelte, auch gegen den Unterschied einer kleinen Zeit, in welcher er seinen Beruf noch erfüllen konnte, nicht gleichgültig. Und noch einleuchtender muß uns dies werden, wenn wir darauf sehen, unter was für Verhältnissen und unter welchen Umständen er diese Weisheit bewies. In dieser Hinsicht finden wir nun zwei verschiedene Arten, an die wir mit unserem Nachdenken gewiesen sind. | Zuerst die Hohenpriester, welche rathschlagten wie sie ihn tödteten, und nun das Gebot hatten ausgehen lassen, so jemand wüßte wo er wäre, daß er es anzeigte, damit sie ihn griffen. Ueber ihren Rathschluß in Beziehung auf den Erlöser haben wir schon neulich mit einander geredet. Das Gebot welches sie ausgehen ließen, das hatte zuerst den Zwekk das ganze Volk mit ihrem Rathschluß bekannt zu machen, damit niemand sich mehr entschuldigen könnte, wenn er es mit Jesu hielte, daß er nicht wisse wie die obersten des Volks gesinnt waren in dieser Hinsicht. Wie wenig sie es aber genau genommen haben damit, diejenigen zur Strafe zu ziehen, welche wußten wo der Herr wäre und es doch nicht anzeigten, das sehen wir hier aus dem Erfolg. Der Erlöser aber, der wußte wol, wie sie auf der andern Seite so sehr darauf bedacht waren kein Aufsehen zu erregen durch ihr Thun unter dem Volk, und wie sie gewiß nicht werden gewagt haben ihn zu greifen und hinwegzunehmen aus dem Schooße einer Familie, welcher er eine große und ihre Dankbarkeit in Anspruch nehmende Wohlthat erwiesen hatte, an welche sie unter jenen Umständen mußte erinnert werden, und die von der Art war, daß sie ihn allen Nachstellungen seiner Feinde und allen ihren Versuchen etwas strafbares auf ihn zu bringen nothwendiger Weise hätte entziehen müssen. Indem also der Erlöser als er zu dem Feste nach Jerusalem kam sich in Bethanien aufhielt, so stellte er zugleich ohne daß er es absichtlich gewollt hätte seine Feinde in ihrer Blöße dar und im Gegensaz zu der Weisheit die er bewies. Denn wenn sie es für ihren Beruf hielten und für ihre Pflicht, ihn zu tödten, wie sie es ausgesprochen hatten, um ihrem Ansehen gemäß ein solches Verbot zu geben: so würden 21 Vgl. die Frühpredigt am 18. Dezember 1825 über Joh 11,41–54
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sie, wenn sie hätten können nach der Weisheit des Erlösers handeln, ganz fest darüber gehalten haben, und so wie er in ihre Nähe gekommen wäre und sie es gewußt hätten, kein Aufsehen gescheut, welches daraus daß sie sich seiner Person sogleich bemächtigten entstehen | möchte, sondern sie hätten ihn dann müssen greifen und ihren Rathschluß an ihm vollziehen. So m. g. F. sehen wir, wenn wir beides gegenüber stellen, daß der Erlöser Recht hat zu sagen, Die Kinder der Finsterniß wären klüger in ihrer Art, als die Kinder des Lichts, wie aber doch die wahre Weisheit nur bei den Kindern des Lichts zu finden ist und in den Kindern der Finsterniß nicht wohnt. Wenn wir beide einander gegenüber stellen, den hohen Rath des jüdischen Volks und den Erlöser: wie erscheinen sie? Der lezte in schlichter Einfalt, die göttlicher Art war, immer sich selbst gleich; jene aber recht ein Abbild des menschlichen Herzens, welches eben so trozig ist auf der einen Seite, als verzagt auf der andern; und eben diese Mischung von beiden muß den rechten Mangel der Weisheit, ja man darf wol sagen das rechte Gegentheil derselben darstellen. Die andern aber, von denen in dieser Beziehung die Rede ist, sind die welche schon früher auf das Fest gegangen waren, um sich des Festes wegen zu reinigen auf den Fall, wenn sie noch etwas unreines an sich hätten, um es von sich zu thun noch ehe das Fest seinen Anfang nähme, und die nun immer auf Christum harrten und unter einander sprachen, Was dünkt euch daß er nicht auf das Fest kommt? Wenn wir uns das recht vergegenwärtigen: nun so werden wir nicht anders können als der Meinung sein, daß wir hier nichts finden als das ganz gewöhnliche Spiel menschlicher Neugierde. Der Erlöser war immer ein Gegenstand großer allgemeiner Aufmerksamkeit gewesen auch bei solchen, welche eben nicht gerade danach fragten, ob er derjenige sei durch welchen ihnen das Heil kommen sollte, oder ob nicht, sondern die schon vermöge der Stellung welche er in dem öffentlichen Leben genommen hatte, vermöge des Gegensazes welcher bestand zwischen ihm und der herrschenden Partei, und vermöge dessen was auf diese Weise die Gemüther der Menschen zu beschäftigen pflegt | ohne daß sie einen thätigen Antheil daran nehmen, ihre Aufmerksamkeit auf ihn richteten. So stand nun auch die Menge und fragte unter einander, Wird er kommen auf das Fest oder nicht kommen? Wahrlich ein Haufe von Menschen, um dessentwillen man denken sollte, daß es dem Erlöser nicht hätte lohnen können nach Jerusalem zu kommen auf das Fest, daß er ihnen noch Worte des Lebens mittheilte, und um ihretwillen sein Leben in die Schanze zu schlagen. Denn wenig ist von Menschen solcher Art zu erwarten, daß sie sollten dem göttlichen Ruf Gehör geben, da sie doch immer nur mit dem äußern und vergänglichen Schein der irdischen Dinge beschäftigt sind. Denn je mehr die menschliche Seele eine solche Richtung genommen hat, 7–8 Vgl. Lk 16,8
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desto mehr ist sie außer sich, bekümmert sich nicht um das innere und ewige, sondern lebt nur von der Nahrung die ihr kommt aus den äußern Ereignissen des Lebens. Wenn da nur etwas geschieht was die Neugierde auf irgend eine Weise befriedigt, so haben sie was sie gebrauchen. Aber m. g. F. der Erlöser war nicht gekommen für die gesunden sondern für die kranken, und gerade aus diesem Zustand vorzüglich auch wollte und sollte er ja die Menschen erretten, und ihnen eben auch in dieser Hinsicht etwas geben, was sie endlich hievon befreite, und ihnen einen Gegenstand darbieten, an welchem sich ihre Seele erheben könnte aus dieser traurigen Versunkenheit in das äußere. Ja wenn die Weisheit des Erlösers eine solche gewesen wäre, daß er hätte abwägen wollen oder können, in wie fern die Menschen von denen er umgeben war wol der Mühe werth wären oder nicht, daß er seine treue Sorge und seine theilnehmende Liebe an sie verschwenden sollte: dann wäre seine Weisheit auch nur eine menschliche gewesen und keine göttliche. Denn das ist die, durch welche oft die Menschen sich beschwichtigen, wenn sie geneigt sind von der strengen Bahn des | Berufes und des Gewissens aus Furchtsamkeit abzuweichen. Dann ist es leicht, daß sie sagen, es sei nicht der Mühe werth sich auf solche Weise für die Menschen aufzuopfern und das Leben in die Schanze zu schlagen. Darauf sah der Erlöser nicht, und wie er in dieser Beziehung gehandelt hat, so sollen auch alle seine Jünger handeln. Wenn er seine Thätigkeit danach eingerichtet hätte, was die Menschen waren, an welche er gewiesen war und auf welche er wirken sollte: so hätte er nichts gethan; und wir alle, die wir durch ihn und durch die Gnade Gottes in ihm geworden sind was wir sind, wissen nun, daß wir ohne ihn nichts waren und nichts würden geblieben sein. Eben darum muß auch unser Grundsaz dieser sein, niemals darauf zu achten was die Menschen sind – denn das wissen wir, daß sie nichts sind durch sich und für sich allein – sondern darauf was aus ihnen zu machen ist; und das wissen wir, daß durch die Worte des Lebens in Christo aus allen die nichts sind sich alles machen läßt, weil die Möglichkeit in ihnen ist, durch dieselben erwekkt zu werden und in der Gemeinschaft mit dem Erlöser das große Ziel ihres Daseins zu erstreben. Darum m. g. F. ist er uns auf alle Weise das Vorbild geworden der wahren Weisheit; und wenn wir, wie er uns auf diesem Wege seine Bestimmung erfüllend vorangegangen ist, auf die gleiche Weise den gleichen Beruf festhalten, und uns nicht abschrekken lassen durch das was die Menschen zu sein scheinen, indem sie in ihren vergänglichen Bestrebungen begriffen sind, aber auch nicht auf uns selbst sehen, und indem wir die Opfer und Anstrengungen erwägen, die es kostet, und die ungewissen Aussichten, die wir dabei vorfinden, durch Trägheit und Furchtsamkeit uns 5–6 Vgl. Mt 9,12; Mk 2,17; Lk 5,31
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selbst abschrekken, und auf diese Weise dasjenige nicht zerstören was uns obliegt: so werden wir seine Nachfolger sein, unser Dienst wird ihm wohlgefällig sein, und die gute Frucht desselben wird nicht fehlen. |
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II. Das zweite worauf wir zu sehen haben in unserer Betrachtung, ist die menschliche Gemüthlichkeit des Erlösers, die sich so sehr offenbart in dem was uns jezt erzählt wird. Als er nach Bethanien kam, so machten sie ihm ein Abendmahl, das heißt sie gaben ihm zu Ehren ein Fest unter ihren Freunden, und er ließ es sich gefallen, daß er nach menschlicher Weise und in menschlichem Sinne unter Menschen gefeiert wurde von Menschen, denen er wohlwollte und die er liebte. Wie es nie seine Art gewesen ist sich zurükkzuziehen von menschlichen Freuden und Festen bei bedeutenden Gelegenheiten, das wissen wir vom Anfang seines Lebens an. Wie er seinen öffentlichen Beruf damit begann, bald nachdem er getauft war vom Johannes, Theil zu nehmen an einer Hochzeitfeier zu Kana: so war es auch jezt kurz vor seinem Tode, daß er der Gegenstand eines Festes und Mahles war, und es fiel ihm nicht ein sich dem zu entziehen. Nun war dies, wie uns der Evangelist Matthäus erzählt, im Hause des Simon, eines Pharisäers, an welchem alle anwesenden offenbar einen mächtigen Schuz hatten. Da diente Martha, und Lazarus saß mit zu Tische unter den Gästen. Maria aber nahm die köstliche Salbe, und schüttete das Gefäß aus über das Haupt des Erlösers, und trocknete seine Füße mit ihrem Haar. Was aber Johannes gleich darauf erzählt, daß es Judas Ischarioth gesagt haben soll, warum denn diese Salbe nicht wäre verkauft worden und das dafür gelöste Geld den armen gegeben, davon erzählt Matthäus, daß es seine Jünger überhaupt gesagt hätten, und schreibt es also nicht wie Johannes dem Judas allein zu. Wenn Judas es gesagt hat aus sträflichem Eigennuz, indem er die Einnahme in dem Gefolge Christi hatte und die Ausgaben desselben bestritt, welchen Vorwurf ihm Johannes zu machen scheint in den Worten, Denn er war ein | Dieb: so können die andern es gesagt haben mit einem guten Sinne und in guter Meinung, daß die ganze Sache eine Verschwendung wäre, und daß das Geld hätte können besser angewendet werden, indem man es den armen und nothleidenden gegeben. Denn wenn auch Maria den Herrn nicht gesalbt hätte, so würde doch niemand gezweifelt haben an ihrer aufrichtigen Dankbarkeit und an ihrer herzlichen Verehrung gegen ihn; dem Herrn konnte auch nichts bedeutendes daraus entstehen, es wäre geschehen oder unterblieben; und so konnten sie meinen, daß es besser gewesen wäre, wenn Maria diese Salbe oder den Ertrag derselben hätte aus derselben 2–3 Vgl. Joh 15,8 15 Vgl. Mt 3,13–17; Mk 1,9–11; Lk 3,21–22; Joh 1,29–34 15–16 Vgl. Joh 2,1–12 18–19 Vgl. Mt 26,6
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Gesinnung der Dankbarkeit und der Verehrung als ein Opfer der Wohlthätigkeit auf dem Altar des Herrn dargebracht. Aber darin eben zeigt sich die menschliche Gemüthlichkeit des Erlösers, daß er dies nicht so nahm und nicht so buchstäblich dachte wie seine Jünger, sondern sagte, Was kümmert euch das Weib? sie hat das schon im voraus gethan auf den Tag meines Begräbnisses. Arme habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit. So sehen wir zuerst m. g. F., wie hier mitten im festlichen Mahle dem Herrn doch die Zeit seines Leidens und seines Todes gegenwärtig war in seiner Seele, aber auch wie ihn dieser Gedanke weder störte in seiner Theilnahme an den schuldlosen und geistigen Freuden, welche die Menschen in seiner Gegenwart und im vertrauten Verhältniß mit ihm empfanden, noch ihm einen andern Maaßstab für die menschlichen Dinge um ihn her gab, als den welchen er immer gehabt hatte. Und wahrlich das ist es, was wir jeder sich selbst und alle unter einander vorzüglich wünschen müssen. Als Christen, die durch den Tod des Herrn geworden sind was sie sind, muß uns allen gerade der Tod etwas beständig gegenwärtiges bleiben. Aber es ist eben die Freudigkeit des Herzens, die auch nur durch die Freude an dem Herrn uns wird, und mit ihr auf das innigste zusammenhängt – so wie es | in ihm die Freudigkeit des Herzens war, die daraus entstand, daß er wußte er thue den Willen seines Vaters im Himmel – das ist es, was auch uns den beständigen Gedanken des Todes zu etwas macht, was uns nicht stört in den heiteren Augenblikken des geselligen Lebens. Und das ist die rechte Ruhe des Lebens, die sich gleich bleibende Heiterkeit und Stille des Herzens, die wir hier an dem Erlöser sehen, und die uns allen wohl ansteht und für uns alle ein vorzügliches und großes Gut des Lebens ist. Aber nun gab sich auch in ihm diese Freude einen weitern Maaßstab für die menschlichen Handlungen, der fern war von einem menschlichen Berechnen. Freilich hätte manche einzelne Noth des Lebens können gelindert werden durch das Geld welches Maria für die Salbe gegeben hatte; aber der Herr sagt, Arme habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit; und sie hat dies schon gethan im voraus auf mein Begräbniß. Dies hätte nun wol keine rechte und volle Wahrheit, wenn der Erlöser nicht hätte voraussezen können theils aus seinen eigenen Gesprächen mit ihr, theils aus demjenigen was sie von seinen Jüngern wußte, daß in ihr auch eine Ahndung wäre, er gehe seinem Tode entgegen; und in der That konnte und mußte die Ahndung in einer so aufmerksamen Seele wie die der Maria war sein. Da ließ er sich das wohl gefallen und hatte seine Freude daran, weil es aus dem wahren Sinn und aus dem rechten Herzen der Liebe kam, ohne die geringste Berükksichtigung dessen, in wie weit die Handlung so wie sie war sich unmittelbar auf ihn selbst bezog, und wie Maria in Beziehung auf eine äußere Noth wohl gethan hätte, wenn sie das Geld den armen gegeben hätte. So war dies der rechte wahrhaft menschliche Sinn
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des Herrn, dabei nicht auf das äußerliche genau zu achten, sondern die Handlung zu betrachten nach den Beweggründen aus denen sie entstanden war, und sie nicht nach ihrem Erscheinen zu messen, sondern nach ihrem innern Entstehen und nach der Be|deutung, die sie in der Seele hat. Und in dieser Hinsicht kannte er die innige Liebe und Verehrung, die dabei in der Maria zum Grunde lag. Es war auch kein äußeres Gepränge, das diese Handlung begleitet hätte, und überhaupt nichts was seine eigene Liebe gegen die Maria hätte verhindern können. Und indem er sagt, Arme habt ihr allezeit bei euch: so legt er ihnen die Pflicht auf, die sie gewiß auch werden zu erfüllen gesucht haben, menschliche Noth zu stillen; aber er spricht ihnen auch das Recht zu, etwas von dem was ihnen Gott an irdischen Gütern gegeben hat, nach dem Bedürfniß rein menschlicher Empfindungen zu den heiteren Zwekken des geselligen Lebens zu gebrauchen. Und so m. g. F. ziemt uns auch diesen Maaßstab des Erlösers anzulegen, und was auf diese Weise ähnliches im menschlichen Leben geschieht immer nach seinen innern Beweggründen zu beurtheilen, dann aber auch darauf zu sehen, daß überall das richtige Verhältniß im ganzen des Lebens dargestellt werde, und nicht über dem einen das andere versäumt, damit alles was im Leben schön und erfreulich, gut und göttlich ist, sein Recht habe äußerlich hervorzutreten. So sehen wir den Erlöser immer leben und handeln, hier unmittelbar vor dem Anfang seines Leidens in den lezten Tagen seines irdischen Lebens nicht anders als vorher da ihm das Ziel desselben noch fern war. Und diese göttliche Kraft, die in ihm war, möge sich auch immer mehr bewähren in allen die durch ihn gläubig geworden sind an seinen Namen und in die Gemeinschaft seines Lebens aufgenommen in diesem vergänglichen irdischen Dasein, und uns leiten und stärken, wenn wir einmal durch den Tod hindurchgedrungen sind zum Leben, uns immer und überall in unserm Handeln gleich zu bleiben, ohne Rükksicht darauf, ob das Ziel unserer Wallfahrt nahe ist oder fern. Denn das macht für den keinen Unterschied, der da weiß, daß er im Glauben an ihn und in der Liebe zu ihm das ewige Leben hier schon gefunden hat, wie es der Herr selbst sagt. Amen.
30–32 Vgl. Joh 6,47
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Andere Zeugen: Besonderheiten:
2. Sonntag nach Epiphanias, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 2,13–16 a. Nachschrift; SAr 111, Bl. 1r–3r; Sobbe Texteditionen: Keine b. Nachschrift; SAr 114, S. 57–63; Sethe Texteditionen: Keine Keine Manuskript von Sobbe in sehr schlechtem Zustand: bei Bl. 1r, 2r und 3r fehlt die obere rechte Ecke, bei 1v und 2v die linke obere Ecke Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
a. Nachschrift 1r
Predigt am zweiten Sonntage nach Epiphanias Tex t. Johannes II, 13–16. Und der Juden Ostern war nahe, und Jesus zog hinauf gen Jerusalem, und fand im Tempel sizen die da Ochsen Schaafe und Tauben feil hatten, und die Wechsler. Und er machte eine Geißel aus Striken und trieb sie alle zum Tempel hinaus sammt den Schaafen und Ochsen, und verschüttete den Wechslern das Geld und stieß die Tische um und sprach zu denen die die Tauben feil hatten: traget das von dannen und machet nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus. M. a. F. Was wir vorher mit einander gesungen haben, das war eine Erinnerung an die Herrschaft, die der Erlöser in seinem Reiche ausübt, und der Ausdruk der gläubigen Sehnsucht aller Christen, daß dieselbe sich immer weiter verbreiten möge. Dabei haben wir gewiß vorzüglich gedacht der geistigen Güter, die der Herr in seinem Reiche spendet, und seines Waltens in Beziehung auf ihre Verbreitung sowohl als auf dasjenige wodurch den Menschen der Genuß derselben verkümmert wird. Was wir jezt mit einander gelesen haben m. g. F. das ist auch eine Handlung des Regiments, welches unser Herr ausübt. Wie freilich sein Reich überall der äußern Form nach unscheinbar war in den Tagen seines Fleisches, so ahndeten auch die We10 Vgl. Lied nach dem Gebet, Liederblatt im Anhang nach der Predigt
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nigsten etwas von der Gewalt die ihm verliehen ist, und nur wenigen war es verliehen die Wirkungen derselben in ihrem Innern wahrzunehmen. So scheint nun auch diese Handlung eine unbedeutende wenn wir an das große Reich des Herrn denken, das vor unsern Augen liegt, ja auch wenn wir daran denken, wie er selbst es beschreibt als ein geistiges Reich der Wahrheit. Damit wir nun aber hierin den richtigen Zusammenhang auch des Kleinen mit dem Großen ins Auge fassen: so laßt uns eben voll wie wir in unserm Herzen davon sind, daß es für uns nichts Seligeres giebt als Unterthanen des Erlösers zu sein in dem geistigen Reiche der Wahrheit, doch auch auf dieses dem Anschein nach Kleine unsre Aufmerksamkeit richten, und was der Erlöser hier that betrachten als eine Ausübung seines Regiments. Wir haben dabei m. g. F. vorzüglich auf zweierlei zu sehen, zunämlich darauf, was es denn für eine Gewalt war, welche der Erlöser hier ausübte, und auf welche Weise er hier sein Regiment führte, dann aber zweitens, worauf die Ausübung derselben gerichtet war, und was er dadurch bezwekte. I. Denn zuerst m. g. F. wenn wir uns fragen, was für eine Art von Gewalt denn der Erlöser hier PausSübte: so kann es uns auf den ersten Anblik erscheinen, als sei sie eine leibliche gewesen, und dann PwürdeS er im Widerspruch gestanden haben mit sich selbst, indem er immer behauptete, sein Reich sei nicht von dieser Welt. Wenn aber der Evangelist erzählt, wie der Herr da eine Menge von Menschen mit ihrem Zubehör gefunden in den | [ ], und er habe eine Geißel gemacht von Striken und sie hinausgetrieben: so müssen wir wohl bei [ ] werden, daß doch hier von keiner äußerlichen Gewalt die Rede sein könne, die der Erlöser [ ] habe. Denn was hätte er der Einzelne vermocht gegen so viele, deren körperliche Stärke [ ] ganzen Lebensweise nach, der Seinigen weit mußte überlegen sein. Sondern der [ ] sich nur gegen die unvernünftigen Thiere, die sie mitgebracht hatten, um sie hinauszu [ ] dem Geschäft der Andacht geheiligten Räumen; auf die Menschen eben hätte eine solche leibliche PGewaltS [wie] sie uns dort dargestellt wird, nichts ausrichten können. Indeß m. g. F. müssen wir wohl überhaupt gestehen, es sei an sich schon unmöglich, daß irgend ein Einzelner eine leibliche Gewalt übe und dadurch etwas ausrichte über eine Menge von Menschen; sondern wo eine solche über eine Menge geübt wird, da kann sie nur geübt werden von einer noch größern Menge. Und wahrlich wir würden uns selbst schlecht berathen, und von etwas Anderm, was doch auch in unserm Leben von großer Wichtigkeit ist, geringfügig denken, wenn wir glauben wollten, daß indem des Erlösers Reich freilich nicht von dieser Welt ist, diejenigen deren Reich von dieser Welt ist, ihren 5–6 Vgl. vermutlich Joh 18,36–37
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Willen geltend machen ursprünglich ebenfalls durch eine äußerliche und leibliche Gewalt. Denn die Herrschenden; sei es nun einer oder mehrere, sind doch immer nur eine geringe Zahl gegen die welche beherrscht werden; und wenn freilich die rohe Masse der Menschen scheint im Zaum gehalten zu werden durch äußerliche Gewalt, indem nämlich die Diener derer, deren Reich von dieser Welt ist, darauf halten daß ihr Wille vollzogen werde: so müssen wir doch sagen, die Quelle dieser Gewalt ist immer eine geistige. Denn wodurch würde sonst die Menge gefesselt an das gebietende Wort des Herrschers? Es ist der geheime geistige Trieb der in allen Menschen waltet, und der ihnen Recht und Ordnung, Gehorsam gegen Gesez und Sitte als das Erste und Nothwendigste des Lebens darstellt. Ja wenn wir sehen, wie es von jeher ist für ein Zeichen von Kraft des Geistes gehalten worden, wenn auch der Einzelne vermag der leiblichen Gewalt zu widerstehen da wo es darauf ankommt sein Gewissen rein zu erhalten vor Gott: so müssen wir gestehen, es giebt überall in dem Gebiet des menschlichen Willens keine leibliche Gewalt, sondern nur das Geistige kann hier eine Kraft haben und Wirkungen hervorbringen. Aber freilich wenn auch die leibliche Gewalt überall das Geringere ist, so ist freilich auch die geistige, welche am meisten in der Welt geübt wird, auch nicht die welche der Herr ausübt in seinem Reiche. Denn wodurch werden die Gemüther der Menschen vorzüglich geheilt? Indem Hoffnung in ihnen erregt wird oder Furcht, Hoffnung auf sinnliches Wohlbefinden, Furcht vor äußerlichen Widerwärtigkeiten welche ebenfalls nur das sinnliche Leben der Menschen vermögen wiederzubringen. Das m. g. F. ist die geistige Gewalt, welche der Herr überall von sich gewiesen hat als nicht gehörig in sein Reich. Denn wo er sein Reich beschreibt, da beschreibt er es als ein Reich der Wahrheit; und in diesem Worte ist immer enthalten der Inbegriff alles Geistigen und Höheren, wodurch des Menschen Seele über das sinnliche Gebiet erhaben ist. Auch nicht durch Furcht und Hoffnung, auch nicht durch Vorspiegelung sinnlicher Güter PundS durch Besorgniß für ihren Besiz soll um sein Reich jemals gekämpft werden; sondern er kannte keine PandreS Gewalt und eine andre hat er auch hier nicht geübt als die Gewalt des Wortes. So sagt er zu denen, welche er aus dem Tempel hinaustrieb „gehet mit dem allen von hinnen, und machet nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus.“ Was finden wir hier anders als das Wort der Wahrheit und die Gewalt der Wahrheit? und zwar | in einer zwiefachen Gestalt. Zuerst war es eine Erinnerung an alte Worte der Schrift, [ ] des alten Bundes, wo der Tempel des Herrn hingestellt wurde in die Mitte des Volks als die PHütteS des Höchsten, als der Ort wo alle mußten nicht nur ihre Opfer und Gaben darbringen, sondern auch wo in Verbindung damit ihre Herzen sich in Andacht erheben sollten zu Gott das war das biblische Wort, an dessen Ansehen er sie erinnerte „mein Haus ist 30–31 Vgl. Joh 18,36
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ein Haus des Gebets.“ Aber indem er sagt „machet nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus,“ so redet freilich aus ihm das Bewußtsein der geistigen Gewalt, der Gewalt des Wortes, die er auszuüben hatte in dem Hause seines Vaters, in welchem er treu gewesen ist als der Sohn. Auf Pdieses innigeS Verhältniß zwischen ihm selbst und Gott weiset er sie hin; und eben dieses geistige Übergewicht des göttlichen [ ] aus seinem Munde, der sich selbst den Sohn nennen konnte und den der in dem Tempel angebetet wurde in einem besondern Sinne seinen Vater, das war die zweite geistige Gewalt welche er ausübte. Aber jene sowohl als diese hatte ihre Kraft nur in dem Gefühl der Wahrheit in dem Innern derer, mit denen er es zu thun hatte. Dieses zu erregen, aber auch weil es durch ihn erregt ward an seine Leitung zu binden, das war in ihm und von ihm ausgehend das Reich der Wahrheit. Und mit dieser Kraft hat er auch hier wie überall gehandelt: so daß der Schein, als habe der Herr eine äußere Gewalt zu Hülfe genommen, uns bei näherer Betrachtung ganz verschwindet. Hier wie überall giebt es in seinem Reiche keine andre Gewalt als die Gewalt der Wahrheit; und mit dieser und mit keiner andern sollen auch immerdar seine Diener ob seinem Reiche kämpfen. II. Aber nun m. g. F. laßt uns zweitens noch uns die Frage vorlegen: worauf zwekte dieser Gebrauch der geistigen Gewalt des Erlösers ab, von welchem uns hier erzählt wird? Wenn wir gewohnt sind den Zwek dieser geistigen Gewalt vorzüglich darin zu finden, daß die Menschen in ihm erkennen mußten die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater, daß sie sagen mußten oft wider ihren Willen, so wie dieser habe noch nie ein Mensch geredet: ja dann freilich erscheint uns was uns hier erzählt wird als ein geringfügiger Gegenstand; und doch können wir wieder nicht glauben, daß der Herr solchen Eifer und Ernst, wie wir hier offenbar sehen, gewandt haben sollte an etwas Geringfügigeres. Wohlan wenn wir nun fragen, was war es denn, indem er selbst davon ausging daß das Haus seines Vaters, in welches er eben eintrat, ein Bethaus sei? Wurde die Erfüllung dieses Zwekes etwa unmöglich gemacht durch die Käufer und Verkäufer? konnte nicht jeder der sein Herz ausschütten wollte vor Gott im Gebet, sich hindurchdrängen durch dieses Gewühl und in den weiten Räumen des Tempels irgend ein stilles Pläzchen finden? konnte nicht jede Seele sich taub machen gegen dieses äußere Getümmel, und so doch allein sein mit dem Gott, zu dem sie beten wollte. O gewiß m. g. F., und am wenigsten können wir denken, daß es ein persönliches Bedürfniß des Erlösers gewesen sei äußere Ruhe zu haben, wenn er zu seinem himmlischen Vater beten wollte. So war es denn freilich nichts anderes als die äußere Ordnung, die er herstellen wollte. Der war es zuwider, daß was allerdings des täglichen Gebrauchs wegen in der 23–24 Vgl. Joh 1,14
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Nähe des Tempels sein mußte, sich in die geschlossenen Räume desselben hineindrängte, wo nur | [ ] sollten angetroffen werden. So müssen wir denn sagen, wenn es nur die äußere Ordnung war, und wir doch deutlich sehen, es war eine der ersten Handlungen seines Regiments, welches der Erlöser ausübte: so mögen wir uns wohl hüten zu glauben, daß die äußere Ordnung etwas Geringfügiges sei. Freilich je mehr etwas Äußerliches blos äußerlich ist, desto mehr ist es gleichgültig, ob es so ist oder anders. Aber soll es dergleichen überhaupt geben in dem Leben der Menschen? soll sich nicht in dem Äußern überall nur verkündigen das Innere? soll nicht alles Äußere nur die Gestaltung sein von der Kraft, von dem Sinne, von der Überzeugung, die in dem Innern Pwaltet?S. Und dasselbe m. g. F. gilt wohl noch mehr von der großen Angelegenheit, auf welche es hier ankommt, nämlich von den gemeinsamen Erweisungen der Frömmigkeit. Ja je mehr es da etwas giebt, was ohne Zusammenhang ist mit dem Innern, ach desto mehr ist gewiß wahr, worüber so oft die Propheten des alten Bundes klagen „dieses Volk verehrt mich mit den Lippen, aber ihre Herzen sind fern von mir und von meinen Geboten.“ Aber eben deswegen weil überhaupt nicht und am wenigsten in der geistigen Frömmigkeit der Christen irgend etwas sein soll, was blos ein Äußerliches wäre und nicht zurückwiese auf das Innere, desto weniger dürfen wir die äußere Ordnung für etwas Gleichgültiges halten in diesem Gebiet. Halten wir sie aber nicht für etwas Geringfügiges, so dürfen wir auch nach keiner andern Weise in Beziehung auf dieselbe handeln als wie es des Reiches Christi und seines Regiments würdig ist. So soll also auch hier nichts anderes walten als das Wort der Wahrheit und die göttliche Kraft dieses Wortes; so sollen sich auch hier alle nur zeigen als solche, die mit den Waffen der Wahrheit und mit dem Schwerte des Wortes kämpfen für nichts anderes als für das Reich der Wahrheit. Und fragen wir m. g. F., weshalb erschien es denn dem Erlöser als die gute Ordnung verlezend, daß die Käufer und Verkäufer sich hineingedrängt hatten in den Tempel? „Machet nicht, spricht er, meines Vaters Haus zum Kaufhaus.“ Die Geschäfte des äußern Lebens sollten ausgeschlossen sein aus diesen heiligen Räumen. Sind die Menschen in ihrem gewöhnlichen Leben dem ausgesezt, daß sie daran denken müssen zu erwerben und zu erhalten; müssen sie da Wohlhabenheit und Besiz für nicht zu verrichtende Kräfte halten, mit denen wir nach dem Willen des Herrn wirken sollen: o aus den heiligen Räumen der Andacht soll alles ausgeschlossen sein was an Kauf und Verkauf erinnern kann, und nicht soll da gehandelt werden wie wo es darauf ankommt uns in einen äußeren Besiz zu sezen, sondern alles soll hier nur auf das Innere und Wesentliche gerichtet sein, und eben deswegen auch kein anderes Maaß haben als das Maaß der Wahrheit. Was in uns allen wirksam sein soll zur Seligkeit, wodurch allein das Reich des Erlösers gebaut wird, das ist 15–17 Vgl. Mt 15,8; Mk 7,6
26 Vgl. Eph 6,17
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nur Eins, das göttliche Wort; und alle äußere Ordnung in der christlichen Kirche soll nur nach dem Gesez gehandhabt werden, nach welchem der Erlöser handelte, daß alles entfernt werde was die Wirksamkeit des göttlichen Wortes hemmen könnte, und dagegen alles zusammengebracht wodurch sie sich ihrer ganzen Kraft erfreuen kann. So nun sollen auch in Beziehung auf die äußere Ordnung die Diener des Herrn kämpfen für sein Reich; und wir dürfen es wohl nicht übersehen, daß so wie hier der Erlöser die erste den Menschen in die Augen fallende Handlung seines Regiments in Beziehung auf die äußere Ordnung ausübte: so auch jene große Begebenheit, der wir das hellere unter uns scheinende Licht des Evangeliums verdanken, zuerst anfing mit einer Reinigung der äußern Ordnung, | mit dem Bestreben, alles zu entfernen was die Seelen der Menschen ablenken könnte von dem Einen [ ] und sie bei etwas unwesentlichem fesseln, auf daß nichts herrsche als das göttliche Wort allein. Und [ ] nun nichts anderes war als die geistige Gewalt des Wortes selbst, welche diesen Bestrebungen Bahn machte: so mögen wir alle jeder in seinem Kreise, wo wir glauben in Beziehung auf die äußere Ordnung etwas beßres zu schaffen, auch mit nichts anderm handeln als mit der geistigen Kraft, damit das Geistige auch geistig gerichtet und geschafft werde. Fragen wir aber nun, was hat denn der Erlöser durch diese Ausübung seines Regiments bewirkt? ob nicht schon am folgenden Tage die Verkäufer wieder hineingegangen sind in die Räume, aus denen er sie jezt vertrieb? Wenigstens was uns Johannes hier erzählt am Anfang seiner öffentlichen Wirksamkeit, das erzählen andre Evangelisten am Ende; und das zeigt uns deutlich genug, daß weder das Eine noch das Andre eine bleibende Wirkung hervorgebracht hat. Und, möchten wir dann fragen, war es wohl überhaupt für ihn der Mühe werth sich so darum zu bekümmern was in diesem irdischen vergänglichen Hause seines Vaters vorging, von welchem er selbst vorhersagte, es werde bald die Zeit kommen, wo man auch in dem Tempel zu Jerusalem nicht mehr anbeten werde? Aber weder diese nähere noch jene fernere Aussicht hatte irgend einen Einfluß auf sein Betragen. Und so sehen wir, wie er uns auch darin ein Vorbild gewesen ist, daß im Reiche Christi nicht gehandelt werden soll in Beziehung auf einen wahrscheinlichen oder nicht wahrscheinlichen Erfolg, sondern wie der Apostel sagt „die Liebe Christi dringet aus,“ so soll es nie etwas anderes sein als das Gedrungensein von ihr durch die Kraft und das Licht des Geistes, wodurch jeder getrieben wird das zu thun, was seiner inneren Überzeugung nach ihm obliegt im Hause des Herrn. Ob es viel oder wenig fruchtet; ob es eine Stimme bleibt die sogleich wieder verhallt, oder sich festsezt in den Ohren der Menschen und weiter geht in das Innere der Seele: das zu wissen ist uns eben so wenig gegeben als Tag und Stunde zu wissen. Aber auch nicht 29–30 Vgl. Lk 21,6
34–35 Vgl. 2Kor 5,14
41 Vgl. Mt 24,36; Lk 12,46
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nach dem was der Erfolg sein könnte von seinem Handeln, sondern darauf soll jeder sehen, daß er Gebrauch mache von den Gaben die ihm der Herr verliehen, darauf daß jeder in dem Reiche der Wahrheit auch handle in der Kraft der Wahrheit. Je weniger wir auf den Erfolg sehen, sondern je mehr jeder sich darauf stellt der Stimme seines Gewissens zu genügen und seinem Beruf zu folgen: desto größer wird auch das Vertrauen sein, welches sich verdunkelt sobald wir unsern Blik nach außen richten, immer aber wächst und eine Gewalt wird der nichts widerstehen kann, wenn wir auf den sehen der da ist der Herr über Alles, und auf den großen Beruf, den wir alle ohne Unterschied haben, seine Diener zu sein und treu wie er in dem Hause seines Vaters. Amen.
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b. Nachschrift 57
Predigt am 2. Sonntage nach Epiphanias d. 15. Januar. 1826 Tex t.
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Evangel. Joh. 2, 13–16.
M. a. Fr. was wir vorher miteinander gesungen haben, das war eine Erinnerung an die Herschaft des Erlösers, und der Ausdruk der gläubigen Sehnsucht aller Christen, daß dieselbe sich immer mehr verbreiten möge; dabei haben wir gewiß Alle gedacht der geistigen Güter und Gaben, welche der Herr in seinem Reiche spendet. Was wir izt miteinander gelesen haben, das ist auch eine Handlung des Regiments, die der Herr ausübt; wie sein Reich für die äußern Sinne am unscheinbarsten war, so ahnten auch nur Wenige die Gewalt, welche er hatte. So scheint zwar diese Handlung eine unbedeutende, wenn wir an sein großes Reich denken, wie er es nennt: Das geistige Reich der Wahrheit. Damit wir nun auch hierin den Zusammenhang des Kleinen mit dem Großen erkennen, so laßt uns daran denken, daß es für uns nichts Erwünschteres giebt, als Diener seines Geistes zu sein, und daran schließen die Betrachtung über die Herlichkeit des Erlösers. Das Erste sei: was es für eine Gewalt war, die der Heilige ausübte; das Zweite: worauf die Ausübung des Regiments abzwekte. |
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I. Wenn wir zuerst fragen, was für eine Gewalt der Herr ausübt, so kann sie uns zwar beim ersten Anblick eine leibliche erscheinen; wenn aber der Apo-
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9 Vgl. Gal 4,1 15 Vgl. Lied nach der Predigt, Liederblatt im Anhang nach der Predigt 23–24 Vgl. vermutlich Joh 18,36–37 26 Vgl. 2Kor 3,6
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stel erzählt, wie der Herr dort viele Menschen mit ihrem Zubehör gefunden habe in den innern Räumen des Tempels, und er habe sich aus Stricken eine Geißel gewunden, und sie hinaus getrieben, so kann sie uns doch wohl keine äußere Gewalt erscheinen; denn was hätte der Herr auch allein gegen so Viele, die von Natur und zu folge ihrer Lebensweise so abgehärtet waren, vermocht. Nein! die leibliche Gewalt gebrauchte er nur gegen die unvernünftigen Thiere; denn gegen die Menschen hätte er mit dieser leiblichen Gewalt nichts ausrichten können; denn wo die geübt wird, da wird sie nur von einer größeren Menge geübt, und kann es auch nur. Denn wenn es auch scheint, als ob bei den Menschen ein Herscher allein so unzählige Menschenmengen durch aeußere Gewalt regiert, so ist diese Gewalt doch ursprünglich eine rein geistige. Wenn wir sehen wie es von jeher als ein Zeichen von geistiger Kraft gehalten worden ist, wenn jemand leiblicher Gewalt | widerstand, um nicht zu weichen vom Gebote des Herrn, so müßen wir doch gestehen, wenn die leibliche Gewalt auch die geringere ist, daß die geistige, welche hier auf Erden auf uns geübt wird, doch nicht die ist welche der Herr hier ausübt. Gewalt durch aeußere Furcht und durch Hoffnung auf geistiges Wohlgesinntsein ausgeübt, die weißt der Herr von sich. So sprach er nun zu denen, welche in den innern Räumen des Tempels saßen, und Schaafe und Tauben feil hatten: „traget das hinaus, und macht das Haus meines Vaters, das ein Bethaus ist, nicht zum Kaufhaus.“ Was finden wir andres als das Wort der Wahrheit und die Gewalt der Wahrheit; und zwar in zweifacher Gestalt. Es war ein Wort des alten Bundes, wo der Tempel Gottes in die Mitte des Volks gestellt ward als eine Hütte, wo in Verbindung mit den Opfern das Herz sich zu Gott erheben sollte; indem er aber sagt: macht meines Vaters Haus nicht zum Kaufhaus, so spricht aus ihm das Bewußtsein der geistigen Gewalt, welche er auszuüben hatte in dem Hause seines Vaters, in dem, wie die Schrift sagt, er treu war; darauf weißt er sie hin, und das war das Zweite der geistigen Gewalt. Jene und diese hatten ihre Kraft nur in dem Gefühle | der Wahrheit aus dem Innern dessen, der mit ihnen zu thun hatte; mit dieser Kraft hat er hier gehandelt, so daß der Schein, den es gewinnen konnte, als habe der Herr eine aeußere Gewalt gebraucht, ganz verschwindet; und mit dieser Gewalt sollen seine Diener kämpfen, und so soll das Regiment geführt werden. II. Worauf zwekte denn nun dieser Gebrauch der geistigen Gewalt? Wenn wir gewohnt sind, den Zauber dieser geistigen Gewalt vorzüglich darin zu finden, daß die Menschen in ihm erkannten die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes, so daß sie wider Willen sagen mußten: also hat noch keiner geredet; ja dann kann uns wohl dies als ein geringfügiger Gegenstand erschei22 Vgl. 2Kor 6,7; Eph 1,13; Kol 1,5
38–39 Vgl. Mt 24,30
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nen, und doch können wir nicht glauben, daß es der Herr als dann würde gethan haben. Das Bethaus würde durch die Verkäufer zum Kaufhaus gemacht, so daß es nicht möglich war, daß die Menschen sich durch dies Gewühl hindurchdrängen, und blind und taub gegen Alles sein konnten. Doch können wir nicht denken, daß der Herr der aeußern Ruhe gebrauchte, um zu seinem Vater zu beten, der ja beständig in ihm war, nein! er that es | nur, um aeußere Ordnung zu schaffen, denn die Käufer drängten sich in die Räume, wo nur gebetet werden sollte. So müßen wir denn nun sagen, wenn es nur die aeußere Ordnung war, welche der Herr schaffen wollte, und er die geistige Gewalt gebrauchte, so müßen wir uns ja hüten zu glauben, daß dies etwas Unbedeutendes war; denn soll sich in dem Aueßern nicht immer verkündigen das Innere? ist es nicht ein Herabgesunkensein zur Buchstäblichkeit, wenn uns im Leben etwas als nur etwas ganz Aeußerliches erscheinen kann? Denn hier war es ja bei der Andächtigkeit der Menschen, wo die Verkäufer die aeußere Ruhe störten; des wegen, weil überhaupt bei der Frömmigkeit der Christen nichts Aueßeres sein soll; und so müßen wir auch die aeußere Ordnung für nichts Geringes halten; so soll hier nur das Wort der Wahrheit walten, so soll es hier keine andern Gründe geben, aus welchen gehandelt wird, als die, nach denen auch im geistigen Reiche des Herrn gehandelt wird. Fragen wir nun weiter: weswegen erschien es dem Herrn als etwas Störendes und nicht der Ordnung Gemäßes? Was macht ihr meines Vaters Haus zum Kaufhaus, sprach er. Die Beschäftigungen des aeußern Lebens soll|ten aus dem Tempel entfernt sein; aus den Räumen der Andacht soll Alles entfernt sein, was an Kauf und Verkauf erinnern sollte. Denn Alles soll vielmehr nur erinnern an das Innere und Wesentliche, was in uns wirksam sein soll zur Seligkeit unserer Seele; es ist das göttliche Wort. Und Alles, was wir in dem Tempel des Herrn noch als Aeußeres betrachten, soll danach betrachtet werden, wie der Herr hier handelt. So nun sollen in Beziehung auf die äußere Ordnung die Diener kämpfen für sein Reich, da fällt es uns ein, wie der Herr die geistige Gewalt ausübte über leibliche Ordnung; und so fing auch das große Werk, wodurch uns das Evangelium rein leuchtet, mit der Reinigung des Aeußern an, mit dem, was der Wahrheit und dem götlichen Worte störend war; und wie es nur die geistige Gewalt des Wortes war, so mögen wir Alle auch nur mit dieser geistigen Kraft walten, auf daß das Geistige mit Geistigem gerichtet werde. Fragen wir nun weiter: was der Heilige denn bewirkt hat, ob die Verkäufer nicht am folgenden Tage wieder in den Tempel kamen? Was Johannes am Anfange | des öffentlichen Aufstandes unseres Erlösers erzählt, das erzählen andre Evangelisten am Ende desselben; denn wie er angefangen 17–18 Vgl. 2Kor 6,7; Eph 1,13; Kol 1,5 27 Vgl. 1Petr 1,9 39–40 Vgl. Mt 21,12; Mk 11,15; Lk 19,45–46
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hatte mußte er endigen. Er sagte: es würde die Zeit kommen, da man in dem Tempel gar nicht mehr würde beten können; wie nun auch der Apostel sagt: nur die Liebe treibt uns, so soll auch sie es nur sein, die uns treibt zu dem, was uns obliegt in dem geistigen Hause des Herrn; ob es Viel oder Wenig sei, was wir zu schaffen im Stande sind, ob es hafte in den Ohren der Menschen oder nicht, danach sollen wir nicht fragen; sondern wir sollen vielmehr darauf sehen, ob wir Gebrauch machen von den Gaben in dem Hause des Herrn; denn je weniger wir auf den Erfolg sehen, desto größer wird das Vertrauen sein, welches denn immer mehr anwächst zu einer Gewalt, der nichts widerstehen kann. Sehen wir dann auf den, welcher der Herr aller Güter ist, so muß in uns immer mehr sich das Bestreben gestalten, treu zu sein wie er in dem Hause des Vaters. Amen.
[Liederblatt vom 15. Januar 1826:] Am 2ten Sonntage nach Epiphan 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Schmücke dich etc. [1.] Du des Vaters Eingeborner / Und zum Herrscher Auserkohrner, / Der nun ewig triumphiret / Und des Reiches Zepter führet. / Alles steht in deinen Händen, / Daß du magst dein Werk vollenden; / In des Gnadenreiches Grenzen / Sieht man deine Wunder glänzen. // [2.] Ja auf wunderbaren Wegen / Führst du uns dem Ziel entgegen, / Und niemand vermag zu zählen / Die von dir erlösten Seelen, / Die das Wort aus deinem Munde / Heiligt hier im Gnadenbunde, / Und die dort in jenen Auen / Dein verklärtes Antliz schauen. // [3.] Herr in allen diesen Reichen! / Dir ist niemand zu vergleichen / An dem Ueberfluß der Schäze, / An der Ordnung der Gesetze, / An der Dauer der Regierung, / An der Weisheit in der Führung, / An den Siegen über Feinde, / An Beseligung der Freunde. // Nach dem Gebet. – Mel. O du Liebe meiner etc. [1.] O Durchbrecher aller Bande, / Der du Welt und Tod bezwangst, / Und aus der Erniedrung Stande / Dich empor zum Himmel schwangst! / Willst die Deinen du erretten, / Und auf immer bei uns sein: / So zerbrich denn unsre Ketten, / Ende selbst der Knechtschaft Pein. // [2.] Daß du nichts von dem verlierest, / Was der Vater dir geschenkt, / Daß du uns zur Ruhe führest / Aus dem Kampf, der uns bedrängt: / Dazu wohnt in dir die Fülle / Aller Weisheit, Lieb’ und Macht; / So sei denn des Vaters Wille / Auch an uns durch dich vollbracht. // [3.] Schau hernieder wie wir ringen, / Wie wir seufzen immerdar: / Laß zu dir die Bitte dringen, / Uns zu schüzen in Gefahr. / Du wollst mächtig uns erlösen / Von dem Dienst der Eitelkeit, / Von der List und Macht 1–2 Vgl. Lk 21,6
3 Vgl. 1Kor 13,13; 1Joh 4,18
10–11 Vgl. Gal 4,1
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des Bösen, / Welches stets den Kampf erneut. // [4.] Ja zermalme Heer, zerstöre / Diese Macht der Finsterniß! / Der preist nicht mehr deine Ehre, / Den sie fort zum Tode riß. / Heb’ uns aus dem Stand der Sinnen, / Treib’ die Lust der Welt hinaus; / Laß die Freiheit recht beginnen / In des Vaters geist’gem Haus. // [5.] Wir erlangen keine Ruhe / Für das Fleisch in dieser Zeit; / Soll es leiden, wohl so thue, / Was dein weiser Rath gebeut. / Doch mit gläubigem Vertrauen / Hält an dir der Geist sich fest, / Und will die Erlösung schauen, / Die uns nicht mehr fallen läßt. // [6.] Herrscher herrsche, Sieger siege, / König brauch dein Regiment, / Führe deines Reiches Kriege, / Mach dem Widerstand ein End’! / Und uns treibt der Geist zu rufen, / Nimm dich unsrer Schwachheit an; / Zeig’ uns bald die ersten Stufen / Der gebrochnen Freiheitsbahn. // [7.] Hast du uns dir doch erworben / Durch die bittre Kreuzespein; / Drum, so wahr du bist gestorben, / Mußt du uns auch machen rein. / Zeuch uns mit dir in dein Sterben, / Laß uns mit dir auferstehn; / Was dein Reich nicht kann ererben, / Daß laß in uns untergehn. // Nach der Predigt. – Mel. Wachet auf ruft etc. Jesu, mächt’ger Ueberwinder! / Dir nach zeuch die verlornen Kinder, / Die du erkaufst mit deinem Blut! / Stärk’ in uns das neue Leben, / Daß wir uns stets zu dir erheben, / Wenn uns entfallen will der Muth. / Geuß auf uns deinen Geist, / Der stärkt und unterweist, / Und uns reinigt: so halten wir / Getreu an dir / In Tod und Leben für und für. //
Am 22. Januar 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Septuagesimae, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 12,9–19 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LVII, S. 305– 319; König Keine Nachschrift; SAr 56, Bl. 125r–132r; Schirmer Nachschrift; SAr 114, S. 63–70; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 5r–8v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am Sonntage Septuagesimä 1826.
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Tex t. Joh. 12, 9–19. Da erfuhr viel Volks der Juden, daß er daselbst war, und kamen nicht um Jesu willen allein, sondern daß sie auch Lazarum sähen, welchen er von den todten erwekkt hatte. Aber die Hohenpriester trachteten danach, daß sie auch Lazarum tödteten; denn um seinetwillen gingen viele Juden hin und glaubten an Jesum. Des andern Tags viel Volks, das auf das Fest gekommen war, da es hörte daß Jesus kommt gen Jerusalem, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrieen, Hosianna, gelobt sei der da kommt in dem Namen des Herrn, ein König von Israel! Jesus aber überkam ein Eselein und ritt darauf; wie denn geschrieben steht, Fürchte dich nicht, du Tochter Zion, siehe dein König kommt reitend auf einem Eselsfüllen. Solches aber verstanden seine Jünger zuvor nicht, sondern da Jesus verklärt ward, da dachten sie daran, daß solches war | von ihm geschrieben und sie solches ihm gethan hatten. Das Volk aber, das mit ihm war da er Lazarum aus dem Grabe rief und von den todten auferwekkte, rühmte die That. Darum ging ihm auch das Volk entgegen, da sie hörten, er hätte solches Zeichen gethan. Die Pharisäer aber sprachen untereinander, Ihr seht, daß ihr nichts ausrichtet; siehe alle Welt läuft ihm nach. M. a. F. In dieser Erzählung unsers Evangelisten lautet die Geschichte von dem was wir den Einzug unsers Herrn in Jerusalem zu nennen pflegen, so schlicht und einfach und er lenkt unsere Aufmerksamkeit so sehr vielmehr
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auf die Stimmung und Beweggründe der Menschen in Beziehung auf den Erlöser und wieder auf der andern Seite durch sein Stillschweigen so sehr auf den Erlöser selbst hin, daß wir wol ganz seiner Absicht gemäß handeln, wenn wir auch von dem äußern und auffallenden bei der Sache mehr absehen und auf das innere derselben hinsehen. Da haben wir nun zuerst Acht zu geben auf das Volk und auf das was von ihm gesagt wird; dann auch wieder auf das wenige aber nicht zu übersehende, was von den Jüngern des Herrn dabei vorkommt; hernach auf die Pharisäer; und endlich das beste zulezt lassend auf das was unsern Erlöser selbst betrifft.
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I. Zuerst also von dem Volke wird gesagt, daß viel Volks hinausgekommen wäre nach Bethanien nicht nur um Jesu willen, sondern auch um Lazarum zu sehen, den er von den todten erwekkt hatte; daß dies ausgegangen sei von denen die als Tröster der Maria und ihrer Schwester hieher gekommen waren und der That beigewohnt hatten, und daß um dieser That willen das Volk einen solchen Antheil genommen, als der Herr zuerst aus | Bethanien nach Jerusalem ging, daß es ihn begrüßt habe als den König von Israel und als den der da kommen sollte. Wenn wir nun hier zwar hören von einer verehrenden Aeußerung und einem Glauben an den Erlöser, der sich in dieser Aeußerung ausspricht, dann aber wenige Tage weiter sehen, wie sich das Volk, welches doch gewiß das Fest über in Jerusalem war, betragen hat als er in die Gewalt seiner Feinde kam, wie wenig da von diesem Glauben und von dieser Verehrung zu sehen ist: so sehen wir wol deutlich, was es mit dem Glauben für eine Bewandniß hat, der auf den Wundern ruht. Denn das sagt uns Johannes ausdrükklich, daß deswegen weil sie von dieser That gehört so viele hinausgingen, und daß sie deswegen weil eine solche That geschehen war und ein solches Zeichen verrichtet, Jesum als den der da kommen sollte begrüßten. Da finden wir denn zuerst in der That die eitle Neugierde, daß sie hinausgehen nach Bethanien nicht nur um Jesum zu sehen, sondern auch um Lazarum zu sehen, den er von den todten erwekkt hatte. Nun, dadurch daß sie ihn sahen konnten sie sich von der Wahrheit der Sache gar nicht weiter überzeugen; denn in einem solchen Gedränge und Gewühl von Menschen die ihm ganz fremd waren, da es doch nur eine kleine Zahl von nähern bekannten war, denen ein unmittelbarer Zutritt zu Christo und zu ihm vergönnt sein konnte, war es nicht möglich, daß sie etwas erforschen konnten über den nähern Zusammenhang der Sache, oder Zweifel lösen; sondern es war die Neugierde ihn zu sehen, und ihr Glaube ruhte auf dem Zeugniß derer, die ihnen berichtet hatten was sie mit Augen gesehen. Nun will ich eben dies, daß sie der Aussage derer glaubten, welche gesehen 13.31 Vgl. Joh 11,1–45
21–24 Vgl. Mt 27,22; Mk 15,15; Lk 23,21; Joh 18,6
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hatten wie der Erlöser Lazarum aus dem Grabe hervorrief, allerdings nicht tadeln, denn wir kommen ja zu dem größten Theil unserer Erkenntniß nicht nur von Wundern sondern auch von natürlichen Dingen nur durch das Zeugniß anderer; | und sie hatten Ursache diesem Zeugniß zu glauben. Auch das will ich nicht ausstellen, daß insofern sie glaubten, sie, wenn ihr Glaube nicht schon vorher geruht hatte auf dem Grunde vieler anderer Zeichen, doch schon um dieses einen willen, welches von ganz neuer Art war, diesen Jesum von Nazareth für einen ausgezeichneten von Gott besonders begabten und zu etwas besonderem ausersehenen Menschen hielten. Aber ob sie nun deswegen schon einen Grund hatten ihn für den zu halten der da kommen sollte, das m. g. F. ist denn wol eine andere Frage; und wenn wir nun diesen Glauben vergleichen mit dem welchen wir bei den Jüngern des Herrn finden, sowol bei denen welche gleich anfangs von seiner Erscheinung und von seiner Rede so ergriffen wurden, daß sie sagten, Wir haben den Messias gefunden, und daß Johannes in seinem und der andern Namen sagen konnte, sie hätten überall in ihm gesehen die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes; als auch mit dem Glauben seiner spätern Jünger, als der Herr sie fragte, Wollt ihr mich auch verlassen und hinter euch gehen? und sie ihm antworteten, Wo sollten wir hingehen? du allein hast Worte des Lebens: so müssen wir wol den großen Unterschied gestehen zwischen diesem Glauben und jenem, und müssen sagen, der Glaube der so entstand aus dem unmittelbaren Eindrukk nicht dieser oder jener ausgezeichneten und wahrhaft wunderbaren That, sondern aus dem unmittelbaren Eindrukk der ganzen Person, des ganzen Lebens des Erlösers, verbunden mit seinem ganzen Wesen und mit seiner ganzen Erscheinung im Leben, daß dieser ein ganz anderer ist, aus einer viel größern Tiefe des Gemüths hervorgehend, und eben deshalb einen ganz andern Widerstand leisten konnte, als er auf die Probe gestellt wurde. Denn von jenen Nachfolgern, auf Veranlassung welcher der Erlöser damals seine Jünger fragte, hatten auch viele Zeichen und Wunder von ihm gesehen und deswegen längere oder kürzere Zeit mehr oder weniger an ihm gehalten; | allein ohnerachtet damals die Stunde noch nicht gekommen war, daß er seinen Feinden überliefert würde, so gingen sie doch hinter sich. Warum? Weil es ihnen zu lange dauerte, bis dasjenige zum Vorschein käme, was sie erwarteten und worauf ihr Glaube ruhte, da der Erlöser sich immer zurükkzog wenn sie ihn wie diese hier begrüßten als den König von Israel. Und so wenn sie mit diesem Wort, mit diesem wahrhaft herrlichen und aus dem Munde der Propheten genommen die Erwartung des ganzen Volks, die ihnen von oben gegeben und verheißen war, ausdrükkenden Wort, Gelobt sei der da kommt in dem Namen es Herrn, ein König von Israel! wenn sie damit dasselbe verbunden hätten und dasselbe Gefühl aus ihnen gesprochen, welches aus 15 Vgl. Joh 1,41
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den Jüngern sprach als sie antworteten, Wo sollten wir hingehen? so würden sie auch nicht hinter sich gegangen sein als der Herr in die Hände seiner Feinde fiel, und würden ihn nicht verlassen haben, in der Gewißheit, daß wie ihre Erwartung ja keine leere war, er auch über seine Feinde werde den Sieg davon tragen. Und so m. g. F. werden wir es überall finden damals wie jezt. Die Wunder des Herrn von dem ersten bis zu dem lezten waren allerdings Ausflüsse der Fülle der Gottheit die in ihm wohnte, und gingen also ganz natürlich eben aus seinem übernatürlichen Wesen und Sein hervor, so daß es uns schwer wird, wenn wir uns den Erlöser denken wollten ohne diese, wie er auch oft auf diese seine Wunder hingewiesen hat; aber als Grund des Glaubens haben sie sich immer schwach bewiesen. Er muß wenn er in der That die ganze Seele durchdringen und umgestalten soll und ein neues Leben in ihr erwekken und begründen, er muß auch ruhen nicht auf diesen äußerlichen Erweisungen sondern auf dem innern Leben des Erlösers, welches im Stande ist einen solchen Glauben hervorzubringen und fest zu halten; und darum war es ein so wetterwendisches Wesen mit diesem Glauben des großen Haufen, der auf den Wundern des Erlösers ruhte. | Und noch mehr müssen wir das sagen, wenn wir an die gegenwärtige Zeit denken in ihrer Entfernung von dem ersten Eindrukk und von der Klarheit desselben in allem was wir aus der Schrift von den Wundern des Herrn wissen. Wie sie selbst zu seinem Leben gehören, so gehört auch die Erzählung davon mit zu dem treuen Bericht derer, deren großer Beruf es geworden ist das Leben des Herrn auf alle künftige Geschlechter zu bringen. Aber wie schon bei den Zeitgenossen des Herrn es ein schwacher und schwankender Glaube war, der auf seinen Wundern ruhte: so geht es auch allen denen, welche statt das innere und höhere Zeugniß, welches uns von dem Erlöser als dem Sohn des lebendigen Gottes geblieben ist, in die Tiefe ihres Gemüths aufzunehmen, ihre Aufmerksamkeit auf diese doch nur äußerlichen Thaten und Werke richten, und eben deshalb nicht im Stande sind durch den Buchstaben hindurch den innern Grund seines höhern Lebens und Daseins aufzufinden und von diesem zu einem rechten Glauben erwekkt und entzündet zu werden. Denn jener ist allem preisgegeben, was menschliche Klügelei daran verunstalten und verderben kann, und hat einen hinreichenden Grund das ganze Leben zu lenken und zu leiten nicht in sich. II. Etwas ähnliches m. g. F. tritt uns entgegen, wenn wir auf das zweite sehen, nämlich auf das was uns Johannes von den Jüngern des Herrn sagt. 38 wir] wir wir 1 Joh 6,68
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Es ist sehr weniges; er sagt uns, daß als Jesus auf einer Eselin in die heilige Stadt geritten, so hätten die Jünger nicht verstanden, daß in dem was da vor ihren Augen geschah eine Beziehung gelegen auf eine Stelle in den Propheten des alten Bundes, sondern erst als Jesus verklärt war, das heißt hier nichts anders als nach seiner Auferstehung, hätten sie daran gedacht, daß bei dieser Gelegenheit er so in die Stadt hineingekommen sei und daß das Volk ihn so begrüßt habe wie dort geschrieben steht, | Siehe dein König kommt zu dir reitend auf einem Füllen der Eselin, sanftmüthig und von Herzen demüthig. Natürlicher Weise können wir nun wol fragen, Ei das wußten doch die Jünger – unser Herr hatte sie und das Volk oft genug darauf geführt – daß die Schrift es sei, die von ihm zeuge, und es war etwas allgemein anerkanntes, daß alle Propheten des Herrn geweissagt hätten von dem der da kommen sollte; und die Jünger waren nicht unbewandert in den Schriften des alten Bundes, wie sie dieselben von Jugend an lesen gehört in den Synagogen des Landes; und doch fiel ihnen damals die auffallende Uebereinstimmung nicht ein. Sollen wir sie deshalb tadeln oder loben? und soll es uns erscheinen als ein großer Fortschritt den sie gemacht haben im Glauben, daß hernach nach der Auferstehung des Herrn ihnen dies einfiel? Sehet m. g. F., so wie was das Volk that uns die beste Vorstellung giebt von der Beschaffenheit des Glaubens der auf den Wundern allein ruht: so führt uns das was von den Jüngern gesagt wird auf den Glauben der sich auf die Weissagungen bezieht. Wenn wir uns fragen, ohnerachtet die Jünger damals an diese Weissagung nicht gedacht haben, und auch das was vor ihren Augen geschah in allen seinen Beziehungen nicht verstanden, wollen wir sagen, daß ihr Glaube einen wesentlichen Mangel gehabt habe, daß ihnen etwas daran gefehlt habe? oder wollen wir sagen, daß sie von dem was vor ihren Augen geschah damals den rechten vollen Genuß nicht gehabt hätten, weil ihnen dabei die Stelle des Propheten nicht eingefallen und sie nicht gesehen was da erfüllt worden? Vielmehr möchte ich sagen, es habe dies etwas ähnliches mit einem andern Wort des Erlösers, als die Schüler Johannes des Täufers einmal zu ihm kamen und ihn fragten, | wie es denn zuginge, daß seine Jünger nichts fasteten, dagegen die Jünger des Johannes pünktlich fasteten: da antwortete er ihnen, Es zieme ihnen nicht zu fasten so lange der Bräutigam bei ihnen sei, wenn der aber werde von ihnen genommen sein, dann würden sie schon fasten. Er sagt also, so lange sie in dem vollen Genuß und Besiz seiner Person wären und sich des Lebens mit ihm erfreu34 nichts] nichst 7–8 Sach 9,9 (zitiert in Mt 21,5 und Joh 12,14) 37 Vgl. Mt 9,14–15; Mk 2,18–20; Lk 5,33–35
11–12 Vgl. Joh 5,39
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ten, wodurch sie in die Tiefe und in die Geheimnisse seines Reiches eingeweiht wurden und sich immer mehr vorbereiteten zu dem großen Beruf der ihrer wartete, so lange sei es ihnen nicht natürlich und liege nicht auf ihrer Bahn, solche äußerliche Zeichen der Frömmigkeit von sich zu geben; aber wenn er würde von ihnen genommen sein, wenn sie sich selbst würden verlassen fühlen und mit Sehnsucht an ihn zurükkdenken: dann würde was bei vielen nichts anders war als ein gedankenloser Gebrauch und eine Beobachtung geistloser Sitte und Art, ohne daß ein innerer Grund dazu vorhanden wäre im Gemüthe, das würde dann bei ihnen aus dem richtigen wahren Grunde hervorgehen und sich von selbst finden. Dem m. g. F. scheint mir das ähnlich zu sein, was wir hier lesen von den Jüngern. So lange sie den Herrn um sich hatten und vor sich, so war ihre ganze Aufmerksamkeit und jede Begierde des Herzens auf ihn allein gerichtet. Bei ihm fanden sie die Worte des Lebens, die suchten sie nirgend anders und brauchten sie auch nirgend anders zu suchen. An ihm hingen sie mit der ganzen Kraft ihres geistigen Auges, um recht aufzunehmen und zu verstehen was er redete und that, ohne sich weiter umzusehen oder auf etwas anders sich zu richten. Aber etwas anderes war es, als der Herr verklärt war und von ihnen genommen, und sie nun daran gewiesen waren, sich unter einander alle Ereignisse aus seinem Leben mitzutheilen, und alle einzelne Umstände desselben, die dem einen mehr dem andern weniger gegenwärtig waren, sich zu einem ge|meinsamen Gut zu machen. Da war ihnen natürlich diese Art des Nachdenkens und der Verbindung der Gedanken, die weiter um sich sah, und das was der Herr geredet und gethan hatte in Beziehung sezte auf die heiligen Schriften des alten Bundes, welche sie in ihrem Beruf gebrauchen konnten um falsche Vorstellungen von dem Reiche Gottes unter dem Volke immer mehr zu beseitigen und sie auf das rechte und wahre in diesen heiligen Weissagungen hinzuleiten; da war es natürlich, daß ihnen bei dieser oder jener Erzählung von Begebenheiten aus dem Leben des Herrn dieses oder jenes aus Stellen des alten Bundes einfiel; und da dachten sie an jenes Wort welches der Prophet gesprochen hatte, und welches auf solche äußerliche Weise in Erfüllung ging. So mögen wir sagen, der Glaube der in ihnen entstand und sich in ihnen immer mehr befestigte aus der unmittelbaren Anschauung des Erlösers, der war mehr werth als ein solcher der allein hätte entstehen wollen aus den Weissagungen des alten Bundes auf den Herrn. Und so sehen wir auch daß dadurch keiner, von dem wir es wissen, ein Jünger des Herrn geworden ist; ja vielmehr müssen wir sagen, daß eher die Rükksicht auf die Weissagungen des alten Bundes von Anfang an etwas dazu beigetragen hat, die Gemüther von dem Glauben an den Erlöser zurükkzuhalten. Denn wie ging es dem Nathanael? Als die Jünger des Herrn 41–2 Vgl. Joh 1,45–46
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ihm sagten, sie hätten den Messias gefunden, Jesus von Nazareth sei es: da sprach er, Was kann von Nazareth gutes kommen? Er sprach dies aus dem Eindrukk heraus, den die Kenntniß von den Schriften des alten Bundes auf ihn gemacht hatte, und in der Erinnerung daß sich keine Stelle in demselben fände, welche den Erlöser als einen solchen bezeichnete der aus Galiläa kommen sollte, ja daß es keinen unter den Propheten des Herrn gäbe, der aus diesem Lande gewesen wäre, sondern von Bethlehem aus der Stadt Davids sollte der Messias kommen; und so verkündigten die übrigen Jünger dem Nathanael den Erlöser nicht. | Da mögen wir denn wol sagen, der rechte Glaube ist nicht der, der aus den Weissagungen entsteht, sondern es ist mit den Weissagungen wie mit den Wundern. Daß die Jünger dasjenige in den Schriften des alten Bundes, was auf den Erlöser gedeutet werden konnte, bald mehr bald weniger genau oder unvollständig in seinem Leben vorfanden, und zwar so genau als es ein inneres Verhältniß des Erlösers zu seinem Volke ausdrükkte, das ist etwas natürliches, wie die Wunder etwas natürliches sind in seinem Leben. Wenn aber der Glaube daraus hätte entstehen sollen, so würde er bei der Vieldeutigkeit solcher Weissagungen, bei der Beschaffenheit solcher Stellen, welche wenn man sie unmittelbar neben einander sieht und hört, eher einander zu widersprechen scheinen als zu erklären, eben so schwankend sein wie der Glaube der aus den Wundern hervorging. Und so wollen wir denn die Jünger weder tadeln noch schelten, daß sie damals als sie den Erlöser um sich hatten diese Beziehung vieler Auftritte aus seinem Leben auf Weissagungen des alten Bundes nicht fanden; aber es auch für eben so natürlich halten, daß diese Beziehung ihnen später nicht entging, und sie dieselbe eben so sehr in dem Erfolg einsahen wie es mit den Wundern des Herrn der Fall war. III. Drittens laßt uns nun achten auf das was uns von den Pharisäern erzählt wird. Ob das Volk welches hinab nach Bethanien kam dem Erlöser zu viel nachgesagt hat, wie daraus hervorzugehen scheint, daß Johannes erzählt, sie wären hingegangen nicht bloß um Jesu willen sondern auch um Lazarum zu sehen, den er von den todten erwekkt hatte, das wollen wir lassen dahingestellt sein, denn wir wissen es nicht, indem uns Johannes nichts davon sagt. Was wir aber gewiß sehen, das ist die Rathlosigkeit in welcher sie waren, als alles Volk hinausging um des | Zeichens willen welches Jesus gethan hatte, und wie sie unter einander sprachen, Ihr sehet, daß ihr nichts ausrichtet, alle Welt läuft ihm nach. Nun wissen wir, sie haben doch etwas ausgerichtet, eben weil sie bei dem Rathschluß geblieben waren, welchen uns Johannes schon vorher mitgetheilt hat, daß sie ihn tödten wollten, von der Meinung ausgehend, es sei besser, ein Mensch sterbe für das Volk, als
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daß das ganze Volk verderbe, wie sie denn in dem Wahne standen, es müsse verderben wenn der Glaube an den Herrn zunähme. Aber das zeigt uns doch der Erfolg ganz deutlich, daß diese Rathlosigkeit und der vermehrte Zulauf des Volks um den Erlöser her die Ursache gewesen ist, daß sie ihren Rathschluß zu seinem Tode beschleunigten. Und so m. g. F. sehen wir die geheimen Wege der Vorsehung und wie der Ewige seinen Rathschluß erfüllet auch durch diejenigen welche das böse wollen, indem er allein weiß aus dem bösen gutes herbeizuführen. Wir sehen aber auch zu gleicher Zeit, wie viel Ursache wir haben eben in Beziehung auf die Führungen des menschlichen Geschlechts einem einzelnen gewissen Anschein, der sich zu Tage giebt, nicht zu frühzeitig zu trauen. Denn freilich eine solche Begebenheit wie die welche uns Johannes hier so vorübergehend und so einfach erzählt, wie der Herr unter diesen Umständen aus Bethanien nach Jerusalem ging, wie die große Menge des Volks es war, die ohnerachtet die Obersten ihn schon dem Tode bestimmt und jeden in den Bann gethan hatten, der da wüßte wo er wäre und es nicht anzeigte, ihn laut bewillkommnete als den der da kommt in dem Namen des Herrn, und ihn begrüßte als den König von Israel, eine solche Begebenheit konnte und hat auch gewiß in manchen seiner Jünger die Hoffnung erwekkt, daß nun der Glaube an den Herrn allgemein sei, daß nun die Zeit gekommen sei, wo er das Reich Gottes, wie es in seiner heiligen Seele lebte, auch äußerlich aufrichten werde, und daß nun der Grund ganz gelegt sei, um die Herrschaft des ewigen und guten | zu befestigen. Das sind die Hoffnungen, denen wir uns gar leicht hingeben, wenn etwas dem Anscheine nach rechtes und gutes uns vor Augen stehet, und leicht vertrauen wir einem solchen Augenblikk, der seiner Natur nach es doch in sich trägt, daß er etwas vorübergehendes und vergängliches ist. So war es mit dieser Begrüßung, mit dieser Verehrung, mit dieser Verkündigung der Würde des Herrn; aber in dem Rathschluß Gottes lag erst der Tod des Erlösers dazwischen, wie der Herr selbst in den Worten, die wir nächstens zum Gegenstand unserer Betrachtung machen werden, sagt, Das Waizenkorn muß in die Erde fallen und ersterben, dann trägt es viele Frucht. Dieser schöne Anschein mußte verschwinden, es mußte sich zeigen, wie wenig fester Grund dabei gewesen war, und auf einen ganz anderen und festeren, auf den lebendigen Glauben des Erlösers selbst, der da wußte, daß wenn er auch selbst überwältigt würde durch die Macht seiner Feinde, wenn er auch dem Tode überliefert würde, dennoch sein Reich auf Erden aufblühen und sich verbreiten werde und niemals überwältigt werden könne weder von einer menschlichen noch übermenschlichen Gewalt, auf einen solchen Grund allein konnte das Reich des Herrn gebaut werden. 30–32 Vgl. die Frühpredigt am 5. Februar 1826 über Joh 12,20–26
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Aber wir sehen auch wie diejenigen welche dem wahrhaft guten und göttlichen feindselig gesinnet sind, weil ihr ganzes Tichten und Trachten irdisch ist, wie es bei dem hohen Rath und bei den Pharisäern der Fall war, wie die in ein immer tieferes Verderben hinein gerathen, wie sie sich immer mehr erlauben von dem was den heiligsten Geboten Gottes widerspricht, wie sie immer leichter in ihrem verkehrten Sinn jedes Ansehen und jede Gewalt die ihnen gegeben ist mißbrauchen, wenn nicht die göttliche Gnade die Finsterniß des Herzens durchdringt und das himmlische Licht und ein neues Leben in ihnen entzündet, und wir mögen uns billig darüber wundern, wie die Menschen welche Kinder der Welt | sind und der Finsterniß, ohnerachtet es ihnen an der Erleuchtung des Geistes wie den Kindern des göttlichen Wortes nicht fehlt und ohnerachtet sie vermögen das rechte und gute zu lieben, sich dennoch erlauben Wahrheit und Recht zu übertreten, um das zu erreichen was sie für heilsam halten. Das ist die größte Gefahr in welche der Mensch gerathen kann, wenn ihm das als Wahlspruch vorschwebt, Lasset uns böses thun, damit gutes daraus hervorgehe. Sobald der Mensch sich das erlaubt, ist er hingegeben allen Verirrungen auf dem Gebiete des geistigen Lebens, und er kann nicht mehr wissen welch ein Ende es nehmen wird; denn damit ist zugleich das Gewissen des Menschen zerstört und jede Regel verlezt, die das böse bezähmen kann, und somit muß er immer tiefer in den Abgrund des Verderbens sich stürzen. So ging es den Feinden des Erlösers, welche indem sie sich erlaubten etwas böses zu thun, damit gutes daraus entstehe, dahin gebracht wurden, daß sie den Fürsten des Lebens dem Tode übergaben und den Herrn der Herrlichkeit kreuzigten. IV. Wie aber m. g. F. sehen wir den Erlöser unter diesen Umständen? Wenn wir zurükkdenken an das was wir gelesen haben von der Erwekkung des Lazarus selbst, so haben wir damals schon aus seinem Betragen und aus den Bewegungen seines Gemüthes geahndet, es sei ihm nicht willkommen gewesen, daß diese That von so vielem Volke mit angesehen würde und so viel Aussehen unter seinen Zeitgenossen erregte. Es stand das alles schon vor seiner Seele; aber er war von dem Ort wo er gewesen war weggegangen, um den Lazarus zu erwekken, und ließ sich durch die Vorstellung seiner Jünger nicht abhalten hinzugehen und diese große That zu thun. Ebenso war er jezt auf das Fest gekommen, er hörte noch ehe er in die heilige Stadt kam von dem was dort vorging, er hörte von dem Getümmel welches die Menge um ihn erregte, er wußte welchen Eindrukk | das machen würde auf die Gemüther seiner Feinde, er wußte was ihm bevorstand; 7–8 Vgl. 2Kor 4,6 16 Röm 3,8 1825 über Joh 11,41–54
27–29 Vgl. die Frühpredigt am 18. Dezember
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aber er ließ sich dadurch nicht irre machen, er war gekommen auf das Fest zu gehen, um dem Geseze gemäß zu handeln, welches ihn als Mitglied seines Volkes verpflichtete die hohen Feste in der Hauptstadt des Landes zu besuchen, und ließ es sich nicht nehmen diese heilige Pflicht zu erfüllen, was auch daraus für ihn hervorgehen möchte. Eben so wenig konnte er geblendet werden durch den Glanz der ihn bei dieser Gelegenheit umgab, oder getäuscht durch den Zuruf des Volkes und durch den scheinbaren Glauben desselben. Und anders sehen wir ihn nicht einziehen, als ob ihn das nicht anginge, als ob er nicht der Gegenstand des Freudengeschreies wäre, eben wie jeden der den Weg in die Stadt sucht und sich vor dem großen Gedränge retten will. So gehet er hinein von ganz anderen Gedanken erfüllt, von ganz anderen Empfindungen in seinem Gemüthe bewegt, als welche das was die Menge that in einem andern würde erregt haben. Das m. g. F. ist das vorbildliche für uns alle in diesem Betragen des Erlösers, und wir mögen dabei an die Worte der Schrift denken, Es ist ein köstliches Ding, daß das Herz fest werde. Denn so war das Herz des Erlösers fest, fest gegen alles was der Beifall und die Bewunderung der Menge in menschlichen Gemüthern hervorbringt, fest gegen alles was der Irrthum und das Verderben der Welt und die Furcht davor in den Gemüthern bewirkt. Und laßt uns fest in das Herz schließen dieses heilige Vorbild des Herrn, daß wir eben so wie er allem entgegentreten was nicht löblich ist und recht und dem göttlichen Willen widerstrebt, am wenigsten aber den Jüngern des Herrn ziemt, welche stets vor Augen haben die Sanftmuth des Erlösers als den Grundzug seines Gemüths, womit er sein Volk zu sich einlud, und eben so die Ruhe seiner Seele bei allem Widerstand den | er erfuhr von seinen Feinden, auf das allein gerichtet, was seine Pflicht, was sein Beruf, was der Wille seines himmlischen Vaters, mit dem er eins war in seinem Herzen, von ihm forderte. So wir dieses Weges wandeln und danach trachten ihm zu gleichen, so werden wir alle jeder an seinem Ort und nach seiner Weise sein Reich auf Erden bauen können. Je mehr wir von dieser Bahn weichen auf diese oder jene Seite hin, desto weniger wird die Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist, thätig sein können. So laßt uns fest werden in diesem Glauben und dieses Vorbild uns aneignen, damit wir wandeln auf dem Wege den der Herr gewandelt hat, und sein Reich weiter bauen so wie er es angefangen hat. Dazu verleihe er uns seine Gnade und seinen Segen. Amen.
15–16 Hebr 13,9
31–32 Vgl. Kol 3,14
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Am 29. Januar 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Sexagesimae, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Mt 24,1–2 Nachschrift; SAr 65, Bl. 9r–12v; Woltersdorff Keine Nachschrift; SAr 114, S. 70–77; Sethe Nachschrift; SAr 111, Bl. 5r–7v; Sobbe Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Aus der Predigt am S. Sexages. 26.
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Matth. 24 v. 1. 2. Wir haben neulich gesehn wie der Erlöser seinen öffentlichen Beruf unter seinem Volke in der heiligen Stadt desselben damit begann den Tempel des Herrn zu reinigen von allen Mißbräuchen die sich in demselben und um ihn her eingeschlichen hatten, und wie er so mit der göttlichen Gewalt als der Sohn Gottes sich bewies. Hier sehn wir ihn seine Laufbahn beschließen; denn er sagt kurz zuvor: euer Haus soll euch wüste gelassen werden. – Und wie beschließt er hier in dem Tempel des Herrn seine öffentliche Laufbahn? nicht scheltend und herrschend, wol aber als Prophet, aber als solcher der nichts als Unglück zu weissagen wußte. Schlicht aber klingen die Worte und ruhig, die er zu den Jüngern sagt indem sie ihm zeigen des Tempels Gebäu und seinen Schmuck. Und eben so schlicht und ruhig berichten auch die andern beiden der ersten unsrer Evangelisten dies Wort des Herrn anderwärts freilich lesen wir eben so bestimmt ausgedrückt seine Theilnahme an dem Unglück welches dem Volk bevorstand, wie er auch die Theilnahme derer die ihm folgten als er zum Tode ging von sich ablenkte und sagte: „weinet nicht über mich sondern über euch und eure Kinder“: Hier aber ist es eben die große und göttliche Ruhe des Herrn bei der Aussicht auf die Zerstörung die sich in seinen Worten ausspricht. Diese laßt uns nun in Verbindung mit der Theilnahme erforschen in ihren innersten Gründen. Laßt uns zuerst betrachten was dabei das Menschlichste ist und Höchste nämlich: die Ruhe des Herrn bei der Weissagung war 13 Gebäu] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 440 3–7 Vgl. die Predigt am 15. Januar 1826 über Joh 2,13–16 8 Vgl. Mt 23,38; Lk 13,35 14–15 Vgl. Mk 13,1–2; Lk 21,5–6 15–16 Vgl. Lk 19,41–42 18 Lk 23,28
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1. die Ruhe eines guten Gewissens. Wie er jezt nur gewaltsam unterbrochen wurde in dem Beruf den ihn Gott angewiesen hatte, und gewiß immer bereit gewesen ist weit länger in demselben auf das Heil der Menschen zu wirken: so konnte er | wol ruhig auf das zurücksehn was er selbst gethan hatte; denn er wußte, hätten sie dem gefolgt was er ihnen zu ihrem Frieden rieth so würde das Unglück fern geblieben sein, er war es der sie noch vor kurzem aufgefordert hatte das Irdische zu scheiden vom Himmlischen und eben so bereit zu sein dem Kaiser zu geben was des Kaisers ist als Gott zu geben was nicht von der Welt ist, hätten sie dem Wort gefolgt so hätte ohnmöglich die aufrührerische Bewegung entstehen können die solch Verderben herbeiführte – oft genug hatte er ihnen vorgehalten daß die Friedfertigen das Erdreich besitzen weil sie seelig sind, hätten sie dem Wort gefolgt so würde in ihnen in Freude und Ruhe untergegangen sein das leere Bestreben einen frühern Glanz den das kleine Volk nur in frühern Zeiten haben konnte wieder hervorheben zu wollen. Hätten sie seiner Einladung gefolgt, womit er die Mühseeligen (die freilich auch durch äußern Druck mühseelig waren) zu sich einlud um Ruhe zu finden nicht in unerreichbaren Träumen irdischen Glücks sondern in der geistgen Gemeinschaft mit ihm, welche höher ist als alle Bestrebungen des menschlichen Geistes! Hätten sie ihre Krankheit gefühlt und ihre Zuflucht genommen zu dem Artzte der allein helfen konnte so würden sie errettet geblieben sein von dem Unglück welches er ihnen nun weissagt. Und so stellt er eine allgemeine Regel auf, nämlich: „Das immer sei das Erste wornach wir Alle trachten mit einem vollkommen ruhigem Gewissen jeder Zukunft entgegen sehn zu können” – das aber freilich nur das Theil dessen ist der sich das Zeugniß geben kann frei zu sein von dem innern Verderben das eben der Grund des kommenden Unglücks ist, aber nicht nur sich selbst frei zu halten, sondern auch das gehört dazu daß jeder das Seine ge|than hat dem was Verderblich wirkt entgegen zu arbeiten. Diese Ruhe aber ist dann auch verbündet mit der Theilnahme des Erlösers – Wol konnte er ihnen sagen daß sie selbst Schuld seien an ihrem Verderben, wol konnte er sagen daß sie verdient hätten zu leiden was ihnen bevorstand weil sie alle Rathschläge zu ihrer Rettung in den Wind geschlagen, aber nirgend finden wir bei ihm eine Spur von der sonst so gewöhnlichen Freude an dem Unglück welches sich aus nicht befolgtem Rath entwickelt, welche aber freilich ganz ungöttlich ist, weshalb wir in ihm das reine Gegentheil daran finden: es schmerzte ihn daß das was er vorhersah unabwendbar war, also nicht die allergeringste Spur von Rache war in ihm – er verleugnete seine eigne Persönlichkeit und frei ist dann das Gemüth von jeder 9–10 Vgl. Mt 22,21; Mk 12,17; Lk 20,25 17–19 Vgl. Mt 11,28
13–14 Vgl. Mt 5,5 in Verbindung mit 9
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Erbitterung gegen die Urheber des Unglücks. – Wol hören wir ihn oft die züchtigen welche als Führer des Volks es dem Verderben zuführten, wol hält er es ihnen vor wie verkehrt sie die Worte des Gesetzes auslegen, das kleine erhebend über das Große, die Form über den Geist, aber nie hören wir den geringsten Vorwurf darüber daß sie von ihm nicht Rath und Lehre angenommen, sondern er verweiset ihnen das daß sie, die von Gott die Schlüssel des Himmelreichs empfangen, weder selbst hinein gingen noch andre hinein ließen. Die Sache also trift oft sein strafendes Wort aber nie in Beziehung auf sich selbst. – Das ist die Ruhe des guten Gewissens die auch in uns sein soll bei allem was das Verkehrte des gemeinsamen Lebens hervorbringt. Diese Ruhe eines guten Gewissens ist das Erste darnach wir trachten müssen – sie wird uns werden, hören wir nur immer die Stimme des Worts Gottes, haben wir nur sein Bild vor Augen und prüfen nach dem | Maaßstab desselben nicht nur unser Leben sondern das Innre zuerst – und dann wird es uns allen an der glücklichen und seeligen Ruhe nicht fehlen! 2. Etwas Höheres aber ist dieses: seine Ruhe war solche die hervorging aus der gänzlichen Uebereinstimmung seines Willens mit dem des Vaters. Im Angesicht seines Leidens sagt er: „Dein Wille geschehe“: so war er von Herzen Eins mit dem was sein Vater über ihn geordnet hatte. Nun dürfen wir nicht glauben daß in Beziehung auf das Volk seine Theilnahme geringer gewesen wäre als seine Theilnahme an sich selbst: so hören wir ihn oft beten für dasselbe besonders bei den Veranlassungen wobei die verkehrte Richtung des Volks sich ausgesprochen gegen ihn – seine göttliche Milde kennend, o wie können wir zweifeln daß er das Unglück mit Gewißheit voraussehend oft gebetet habe: Vater ists möglich so gehe dieser Kelch auch vor dem Volke deines Bundes vorüber, doch nicht mein sondern dein Wille geschehe: – Das war der Inhalt seines menschlichen Lebens, daß der Vater ihm alle seine Werke zeigte. Zeigte er ihm denn alle seine Werke: so zeigte er ihm auch die die er ausführen wollte an dem Volk das er sich erwählt hätte, er zeigte sie ihm durch Johannes den Täufer, der da sagte die Axt sei dem Baum schon an die Wurzel gelegt u. s. w., er zeigte sie ihm in all den Zeichen der Zeit die sich vor seinen Augen entwickelten und die seine Zeitgenossen nicht im Stande waren zu beurtheilen, wie sie auch jene Weissagungen des Täufers nicht verstanden, das Fleischgewordene Wort hatte allein das vollkommne Verständniß und wie sich ihm nun Alles immer mehr entwikkelte da wurde er auch immer fester in der Uebereinstimmung mit dem 1–2 Vgl. Lk 6,9 6–8 Vgl. Mt 16,19 19 Vgl. Mt 26,42; Lk 22,42 26–28 Vgl. Mt 26,39.42; Lk 22,42 29–30 Vgl. Joh 5,20 32–33 Mt 3,10; Lk 3,9 36 Vgl. Joh 1,14
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Vater in Beziehung auf das Volk: so spricht er es selbst in dem schönen Gleichniß aus, von dem Herrn des Gartens der dem Baum der keine Früchte brachte ausrotten wollte, der Gärtner aber für ihn bat und jeden Keime des Lebens in ihm zu erwecken suchte | weil der Baum ihm lieb geworden war durch die Mühe die er sich gegeben ihn zu erziehen: So auch wandte der Herr alles an um das Volk zu retten aber wie er es nun aussprach daß die die die Schlüssel des Himmelreichs hatten weder selbst hinein gingen noch die hineinliessen, da war es ihm auch als die Ordnung der göttlichen Weisheit gewiß daß das Volk reif sei zum Verderben bei dem auch das Brod des Lebens nicht mehr anschlagen wollte. Und diese Uebereinstimmung mit dem göttlichen Willen die war die zweite, noch tiefere Quelle seiner Ruhe, aber auch so begründet schloß sie doch die mitleidige Theilnahme nicht aus − jeden Augenblick noch benutzte er um das Wort der Warnung lauter zu wiederholen bis die Zeit gekommen war wo er sah daß er den Zutrit da nicht mehr haben werde wo er das Wort der Weisheit am meisten predigte, und überhaupt nicht länger werde frei reden und lehren können. – Wolan, wenn der Herr nicht sich selbst allein zuschreibt daß er die Zeichen der Zeit verstehn könne, sondern die Menschen tadelt daß sie sie nicht auch verstehn, o so müssen wir sagen: ist er erschienen um die Sohnschaft uns mitzutheilen, so ist er auch erschienen um die göttlichen Geheimnisse uns zu offenbaren und uns zu weihen zu der Uebereinstimmung mit dem Willen des Vaters, die ihm solche Ruhe gab bei dem Blick in die Zukunft. Sind wir nun durch ihn fähig geworden zu dieser Uebereinstimmung so wissen wir auch, daß Alles Unvollkommne nur seine Zeit hat und vergeht, um sich zum Bessern zu erheben, das Stückwerk muß zerfallen damit Größeres hervorgehe, jede Gestaltung der Dinge ist nur ein Punkt wo die Bahn zur Vollkommenheit hindurchgeht. Ohne dieses Wissen giebt es keinen wahren lebendigen Glauben an die Vorsehung; | denn suchten wir sie nur darin wie sich unsre irdischen Wünsche erfüllen, und sähen auf Einzelnes, o so wären wir auf falschem Wege und das rechte Licht über das Ganze wäre uns noch nicht hell genug aufgegangen, und wir könnten uns der Ruhe des Herrn nicht erfreuen bei der dem Anschein nach trüben Zukunft – dem Anschein nach: d. h. weil es uns nicht traurig sein soll daß das vergeht was seiner Natur nach vergänglich ist. – Keine Zerstörung soll uns erschüttern, die Erfahrung soll uns Bürge sein daß der Herr indem er zerstört wieder baut, durch die trübsten Wolken sollen wir die Sonne hindurchschimmern sehn und auch der Blitz der die Wolke durchschneidet soll das Auge nicht abwenden vom Alles belebenden Lichte. 1–3 Vgl. Lk 13,6–9 20 Vgl. Gal 4,4–5
6–7 Vgl. Mt 16,19 9–10 Joh 6,35 26–28 Vgl. 1Kor 13,10
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3. Die Ruhe des Erlösers hat ihren letzten und festesten Grund darin daß er selbst der Grund war auf dem sich der ewige Tempel Gottes erheben sollte, daß er selbst das Reich Gottes begründet hatte, so daß es die Pforten der Hölle nicht überwältigen könne, und daß durch ihn der neue Bund gestiftet ward der die Unvergänglichkeit in sich trägt. Wie nun aber das Reich Gottes durch ihn begründet ist und besteht so ist das Ewige gegründet an dessen statt es kein besseres giebt, das Alte ist vorbei, die neue Creatur ist an das Licht getreten, zwar verweslich wird noch immer gesäet aber wer in Christo ist der ist auferstanden unverweslich; denn in dem ewigen Reich Gottes leben wir Alle die wir durch den Glauben das Leben haben und daß es fest steht durch ihn das ist unser Glaube. Aber unsern Dienst verlangt er, seine Gläubigen müssen seine Diener sein und nicht anders als dadurch daß der Geist der Wahrheit der Alles zum neuen Leben erweckt in ihnen wal|tet, dadurch herrscht er und das ist das wodurch Alles Verwesliche zerstört wird. Je treuer wir ihm nun dienen je mehr wir seiner Absicht gemäß sein Reich bauen und verherrlichen helfen unter den Menschen, desto mehr Theil haben wir auch an seiner Ruhe bei Allem was kommen kann. Wenn wir aber das fühlen o so laßt uns nicht vergessen wie der Herr in der Weissagung sagt: „es wird kein Stein auf dem andern bleiben“: Er sagt von sich selbst: „ich bin nicht gekommen das Gesetz aufzulösen sondern zu erfüllen “: Er wollte nicht auflösen aber er wußte doch daß die Zerstörung unvermeidlich sei und nahe: gründlich sollte sie sein so daß kein Stein auf dem anderen bliebe, weil er allein der Grund ward zu dem ewigen Reich Gottes. Dabei laßt uns daran denken was Paulus sagt: Einen andern Grund kann keiner legen – aber jeder sehe wol zu wie er baue – Der neue Tempel Gottes den der Herr gebaut hat er besteht aus lebendigen Steinen. – Jeder der fest geworden ist im Glauben, jeder der sich hingegeben hat der erlösenden Liebe, ist ein lebendiger Stein durch den der Tempel sich erheben und schöner glänzen soll, aber von den alten Steinen soll keiner aufgehoben werden um damit den neuen Bau zu fördern. Wir haben ein festes prophetisches Wort, das ist das Wort des neuen Bundes – wer aber Satzungen häuft der will das Alte längst vergangne wieder haben, wer nicht einzig und allein auf die Erlösung durch den Sohn und die Gemeinschaft mit ihm Alles baut, sondern zurückgeht auf die Furcht des Gesetzes, dessen Werk wird nicht bleiben; denn er sucht die alten Steine | wieder zusammen zu kitten mit Mörtel – aus alten Lappen Neues zusammen zu flicken: daraus aber kann nichts gutes kommen. Was einmal zerstört ist das bleibe zerstört, das Alte 4–5 Vgl. Mt 16,18 5–6 Vgl. Lk 22,20; 1Kor 11,25 8–9 Vgl. 2Kor 5,17 9– 10 Vgl. 1Kor 15,42 11 Vgl. Joh 3,16 20 Vgl. Lk 19,44 21 Vgl. Mt 5,17 25–26 Vgl. 1Kor 3,11 26 Vgl. 1Kor 3,10 26–27 Vgl. 1Petr 2,5 37 Vgl. Mt 9,16; Mk 2,12; Lk 5,36
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ist vergangen und keiner baue es wieder! In dem neuen Lichte laßt uns wandeln bis er uns führt zu seiner Vollendung! –
[Liederblatt vom 29. Januar 1826:] Am Sonntage Sexagesimä 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Du bist ja Jesu meine Freude etc. [1.] O Tag des Herrn, sei mir willkommen, / Du sollst mir stets ein Festtag sein, / Ich will dem Weltgewühl entnommen / Den heilgen Tag der Andacht weihn. / Hinweg von allen eitlen Dingen, / Soll sich mein Geist zum Himmel schwingen; / So feir’ ich Gottgefällig heut, / Den Festtag der Unsterblichkeit. // [2.] Wo die Gemeinen sich versammeln, / Vor Gottes Antlitz betend stehn, / Da will auch ich mein Loblied stammeln, / Um seine Liebe zu erhöhn. / Hier heiligt Herr sich dein Erlöster, / Hier wirst du Lehrer mir und Tröster, / Hier lern ich dir ergeben sein, / Und deiner Liebe ganz mich freun. // [3.] Des neuen Bundes Schrift zu hören / Sei mir besonders heilge Pflicht, / Um meine Kenntniß zu vermehren, / Durch deines Wortes Unterricht. / Hier forscht die heilsbegierge Seele, / Und freut sich kindlich der Befehle, / Die lauter Leben sind und Licht, / Die niemand ohne Schaden bricht. // [4.] O Tag des Herrn, so reich an Wonne, / Du Tag des Segens für mein Herz, / O zeige mir des Lebens Sonne, / Und hebe ganz mich himmelwärts! / Gott, segne meiner Andacht Stille, / Gieß auf mich deines Geistes Fülle, / Und deines Angesichtes Glanz / Bestrahle meine Seele ganz. / Lavater. // Nach dem Gebet. – Mel. Wachet auf ruft uns etc. [1.] Gott Jehovah fordert Gaben, / Will Priester und Altäre haben, / Im Weihrauch steig empor der Dank! / Blut ström auf des Tempels Schwelle, / Nach Reinigung an heilger Stelle / Ertöne dann der Lobgesang! / Der Satzung Last ist schwer, / Dem Volk gab sie der Herr. / Zur Versöhnung will sein Gebot / Des Opfers Tod, / So sprach des alten Bundes Gott. // [2.] Doch bedarf Jehovah Gaben? / Will er Altär’ und Opfer haben / Und Weihrauch, weil er dürftig ist? / Kann ihn, wie die Heiden wähnen, / Der Opferthiere Blut versöhnen, / Wenn es im Heiligthume fließt? / Das glauben wäre Schmach, / Wir träten Heiden nach! / Volk des Heilands, du hast sein Licht. / Verkenn es nicht, / Vergiß nicht was dein König spricht. // [3.] Jene bildervolle Lehre / Durch Priester, Opfer und Altäre / Hat der Gesalbte recht erklärt. / Hülle war sie, Schattenhülle / Des Dienstes, den des Vaters Wille / Von den Erleuchteten begehrt. / Seitdem Gott wird gepreist / In Wahrheit und im Geist, / Steht der Tempel in Ewigkeit / Dem Herrn geweiht, / Hin ist des alten Herrlichkeit. // [4.] Sünder waren werth zu sterben, / Doch wollte Gott nicht ihr Verderben, / Das war des Opferdienstes Sinn. / Daß alle, die ihm glauben wollen, / Ver1–2 Vgl. Joh 8,12
Predigt über Mt 24,1–2
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söhnt durch Christum werden sollen, / Darauf wies alle Satzung hin. / Dankt Christen, preiset Gott! / Denn eures Mittlers Tod / War das Opfer das ihm gefällt, / Und aller Welt / Zum ewgen Heil ist aufgestellt. // [Jauersch. Ges. B.] Nach der Predigt. – Mel. Freu dich sehr etc. Laß o Herr mich dahin streben, / Meines Heils gewiß zu sein, / Richte selbst mein ganzes Leben / So nach deinem Willen ein, / Daß des Glaubens Frucht und Kraft, / Den dein Geist in mir geschafft, / Mir zum Zeugniß dienen möge, / Daß ich wandl’ auf rechtem Wege. //
Am 5. Februar 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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Estomihi, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 12,20–26 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LVIII, S. 320– 332; König Keine Nachschrift; SAr 56, Bl. 132r–140v; Schirmer Nachschrift; SAr 114, S. 77–84; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 13r–16v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am Sonntage Estomihi 1826. Tex t. Joh. 12, 20–26. Es waren aber etliche Griechen unter denen die hinaufgekommen waren daß sie anbeteten auf das Fest. Die traten zu Philippo, der von Bethsaida aus Galiläa war, baten ihn und sprachen, Herr, wir wollten Jesum gern sehen. Philippus kommt und sagt es Andreas, und Philippus und Andreas sagten es weiter Jesu. Jesus aber antwortete ihnen und sprach, Die Zeit ist gekommen, daß des Menschen Sohn verkläret werde. Wahrlich, wahrlich ich sage euch, es sei denn daß das Waizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es allein; wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte. Wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren, und wer sein Leben auf dieser Welt hasset, der wird es erhalten zum ewigen Leben. Wer mir dienen will, der folge mir nach, und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein; und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren. |
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M. a. F. Wie wir jezt wieder der Zeit nahe gekommen sind, die besonders der Betrachtung des Leidens des Erlösers gewidmet ist, und in dem größten Theil unserer evangelischen Gemeinen an dem heutigen Tage die Rede davon zu sein pflegt, wie Christus sein Leiden vorher verkündigt: so kann es uns nicht anders als erwünscht sein, daß wir in dieser Auslegung unsers Evangeliums heute zu einer Stelle gekommen sind von demselben Inhalt. 17–19 Die Sonntagsperikope ist Lk 18,31–43.
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Es ist nun freilich nicht sogleich deutlich auf den ersten Anblikk, wie das was wir gelesen haben damit zusammenhängt. Es scheint aber also zu sein. Es waren, sagt Johannes, unter denen die auf das Fest gekommen waren auch einige Griechen, die dort anbeten wollten, also solche die zu dem Volke der Juden nicht gehörten, aber doch schon im Umgange mit solchen die Erkenntniß des einen Gottes erlangt hatten und daher auch den heidnischen Wahn so weit fahren gelassen, daß sie die festliche Zeit wahrnahmen, um mit dem Volke des alten Bundes soweit es ihre Zeit gestattete ihre Anbetung darzubringen in dem Tempel des einigen Gottes. Wie wir nun daraus, daß Johannes sagt, Sie waren gekommen um anzubeten, schließen dürfen, daß sie nicht, wie es damals der Fall war mit vielen fremden die sich um diese Zeit in Jerusalem aufhielten, aus bloßer Neugierde sich einfanden, um in der Nähe zu schauen den Tempel und die Pracht des äußern Festes, sondern es bei ihnen Herzensangelegenheit war: so sehen wir aus dem Wunsche welchen sie aussprachen, sie möchten Jesum gern sehen, daß sie auch von diesem schon gehört hatten und sich genauer bekümmert um das was unter dem Volke Gottes vorging, und wie dadurch daß dies in ihre Seele gekommen war sie schon empfänglich waren für ein helleres Licht, als welches ihnen bisher in den Schriften des alten Bundes, wie sie in den Versammlungen der Juden gelesen wurden, geleuchtet hatte. Der Herr aber, das wissen wir | daß er überall von sich gesteht, er sei nur gesandt zu den verlornen Schafen aus dem Hause Israel, und er hatte sich mit seinem ganzen Beruf und mit seinem ganzen öffentlichen Leben immer auf sein Volk beschränkt. Darum nun war auch Philippus bedenklich den Wunsch dieser fremden sogleich an Jesum zu bringen, sondern er gesellt sich erst einem andern von den Jüngern des Herrn zu, und wie sie beide einig darüber geworden waren, so trugen sie diesen Wunsch dem Herrn vor. Nun scheint es aber, als ob dieser gar keine Rükksicht darauf genommen habe; denn was Johannes gleich darauf als seine Worte anknüpft, bezieht sich offenbar und augenscheinlich nicht auf diese Bitte. Dennoch wie wir die Milde und Freundlichkeit des Erlösers kennen, der schon einmal, wie wir aus einer Erzählung wissen, eine Ausnahme von jener Regel gemacht und seine wunderthätige Hülfe der Tochter einer heidnischen Frau hatte angedeihen lassen als er den lebendigen Glauben von dieser bemerkte: so dürfen wir nicht zweifeln, daß er auch an diesem Verlangen sein Wohlgefallen gehabt habe und es nicht ohne Befriedigung werde abgewiesen haben. Denn freilich ihn äußerlich zu sehen, seine leibliche Gestalt in das Gedächtniß zu prägen, war nicht das worauf es ankam. Aber dieselbe Bewandtniß hatte es auch mit den Beweisen seiner wunderthätigen Kraft. Das ist aber gewiß, daß aus dem einen wie aus dem andern in einem geöffneten Gemüth ein Eindrukk von seiner höhern Würde und 22 Vgl. Mt 15,24
32–35 Vgl. Mt 15,22–28; Mk 7,25–30
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von seiner göttlichen Kraft entstehen und sich darin befestigen konnte, und da wird er diesen, die so verlangend waren ihn zu sehen, es auch nicht versagt haben. Das also mögen wir uns immer ergänzen und glauben, Johannes habe dies nicht weiter ausführen wollen, weil er es erzählt nur als eine Veranlassung zu den folgenden Worten des Herrn. Denn so hält er es oft in seinem Evange|lio, daß er etwas was dem Herrn begegnet war um deswillen erzählt, was er auf diese Veranlassung gesagt hat. Aber wie hängt nun dieses Begehren der Heiden, Jesum zu sehen, mit den Worten zusammen, Die Zeit ist gekommen, daß des Menschen Sohn verklärt werde, und zwar so, daß er unmittelbar darauf von seinem Tode redet? Der Erlöser mußte es ja wol wissen, denn wie hätte er sonst den Beruf der ihm von Gott geworden war in seinem ganzen Umfange erkennen mögen, und ohne diese Erkenntniß wie hätte er sich selbst mit fester Ueberzeugung für den halten können der er war, wenn er nicht gewußt hätte, daß nicht für das Volk allein, unter welchem er nach dem vorgedachten Willen Gottes mußte geboren werden und leben, das Heil sollte bereitet sein in dem Reiche Gottes, welches durch ihn mußte gegründet werden, sondern unter allen Völkern sollte verbreitet werden und als ein gemeinsames Gut des ganzen menschlichen Geschlechts sich immer mehr bewähren in alle Zukunft hinein. Das wußte er allerdings, aber demohnerachtet hatte er doch sich selbst für seine eigene Wirksamkeit ganz bestimmt jene Grenze gesezt, die er in den Worten ausspricht, welche ich schon erwähnt habe. Ja nicht nur sich selbst sondern seinen Jüngern machte er es zur strengsten Pflicht, daß sie anfangen sollten seine Zeugen zu sein in Jerusalem, und von da erst fortgehen bis an das Ende der Erde. Ja es ist eine alte Sage, deren Bestätigung wir freilich nicht ausdrükklich in den heiligen Schriften unsers neuen Bundes finden, daß er seinen Jüngern geboten habe eine bestimmte Anzahl von Jahren mit ihrer Verkündigung nur in den Grenzen des jüdischen Landes zu bleiben. So sollte es sein. Es sollte dem Volke welches durch das Verhältniß der Natur und der Blutsverwandtschaft die nächsten Ansprüche hatte an alle Wohlthaten die aus der Erscheinung des Erlösers hervorgingen, dem sollte | kein Vorwand gegeben werden sich zu beschweren, daß ihnen das sei entzogen worden, woran sie mehr Anspruch hatten als andere Menschen. Und auf der andern Seite wollte der Erlöser durch seine Person und durch die Handlungsweise die er seinen Jüngern vorschrieb, ein strenges Beispiel davon geben, wie es jedem gebühre diese 23–26 Vgl. Apg 1,8 26–30 Schleiermacher spielt hier auf die angebliche Weisung des Auferstandenen an die Apostel an, sie sollten zwölf Jahre in Jerusalem bleiben, bevor sie in die Welt hinausgehen. Vgl. Clemens von Alexandria: Stromata VI, 5,43,3; Opera quae extant, ed. Potter, Bd. 1, 1757, S. 762; vgl. Werke, Bd. 2, ed. Stählin, 1906, S. 453; Eusebius von Caesarea: Historia ecclesiastica V, 18,14; ed. de Valois, 1672, S. 186; vgl. Werke, Bd. 2,1, ed. Schwartz, 1903, S. 478/479 [gr./lat.]
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natürliche Zusammengehörigkeit festzuhalten, die Kräfte welche ihm Gott gegeben denen zunächst zu weihen, unter denen sein Leben durch die Geburt festgewurzelt sei, und nicht leichtsinniger Weise sich aus diesen Verhältnissen loszureißen, um seine Wirksamkeit in die Ferne zu verbreiten. Hier aber nun ging dem Erlöser zum ersten Mal, soviel uns nämlich in den Evangelien erzählt wird, ein Bild auf von der bevorstehenden Zukunft, indem ihm in seinem eigenen Leben schon das lebendige Verlangen der Heiden nach ihm entgegentrat. Nicht so wie es prophetisch der Fall gewesen war in den Tagen seiner Kindheit, wie wir auch nicht wissen ob diese Geschichte ihm kund geworden oder nicht, sondern während seines öffentlichen Berufes kommt ihm hier ein lebendiges Verlangen entgegen, und er schaut von dieser kleinen Zeit in eine weite Zukunft hinaus und findet darin die Verklärung des Menschensohnes, daß bald das Wort von ihm, von seiner Lehre, von seiner Versöhnung, von dem Reiche Gottes welches er gestiftet hat, auch unter die Heiden würde kommen und daß sie sich dann gläubig diesem neuen Leben auch mit Liebe und Freude zuwenden würden. Darum sagt er in Beziehung darauf, Die Zeit ist gekommen, daß des Menschen Sohn verklärt werde. Bald sagt er werde sich zeigen wozu er eigentlich sei bestimmt gewesen und wie weit der Segen seiner Erscheinung sich verbreiten werde. Bald werde sich zeigen daß durch ihn das Licht der Wahrheit und die erwärmende Kraft der göttlichen Liebe aufgestekkt sei zu einem Zeichen für alle Völker. Daß er nun dabei zu gleicher Zeit auf eine so bestimmte Weise an seinen bald bevorstehenden Tod gedachte, das hängt da|mit zusammen, daß er wußte, während seines Lebens müsse seine und seiner Jünger Wirksamkeit auf den Umkreis seines Landes und seines Volkes beschränkt sein. Indem er sich also hier erblikkt als das Licht und den Segen der Heiden, so war ihm auch das ein neuer Beweis, daß indem ihm dasjenige so nahe entgegen kam, was erst nach seiner Entfernung von der Erde in volle Wirksamkeit treten sollte, es ihm eine Mahnung war an das nahe bevorstehende Ende seines Lebens; das war die Verklärung des Menschensohnes, daß er aus einem Lichte seines Volkes auch anfing zu werden ein Licht für alle verschiedene Geschlechter der Menschen; darin bestand die Frucht die er bringen sollte. Aber eben diese reiche und große Fruchtbarkeit, die sich ihm hier aufthat, die mahnte ihn an sein baldiges Ende, und so fügt er hinzu, Wahrlich, wahrlich ich sage euch, es sei denn daß das Waizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es allein; wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte. Sehet da m. g. F., so knüpft hier der Herr die Frucht die er bringen sollte unmittelbar an seinen Tod in einem schönen und herrlichen Bilde, in welchem er zeigt, wie aus einem ersterbenden Leben ein neues herrlicheres und viel weiter sich verbreitendes hervorgeht, und indem er 8–9 Vgl. Lk 2,25–38
31–33 Vgl. Joh 8,12
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eine Aehnlichkeit aufstellt zwischen den Gesezen der Natur, die uns allen vor Augen liegen und die wir täglich wahrnehmen können, und zwischen jenem ewigen Gesez, nach welchem ihm ein früher Tod bestimmt war in dem Rathschluß Gottes. Aber laßt uns nun fragen, wie dieses sein Wort von seinem nahen Tode damit zusammenhängt, daß er viele Frucht bringen soll. Dies m. g. F. mahnt uns an ein anderes Wort des Herrn, welches wir in einem der folgenden Kapitel unsers Evangeliums werden zu betrachten haben, indem er zu seinen Jüngern sagt, Es ist euch gut, daß ich hingehe, denn wenn ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; so ich aber hingehe, will ich den Vater bitten, | und er wird ihn euch senden. Hier also sagt er, wie von seinem Tode das abhange, daß seine Jünger sollten erfüllt werden mit der Kraft aus der Höhe, deren sie bedurften um sein Zeugniß zu den verschiedenen Völkern der Erde zu tragen. Auf diesem Zeugniß aber beruhte es eben, daß sein Name den verschiedenen Geschlechtern der Menschen verkündigt würde und daß diejenigen gesammlet würden, welche bestimmt waren in das neue Reich Gottes einzugehen. Auf diese Weise, also in sofern auch die Sendung des göttlichen Geistes nur erfolgen konnte indem er selbst nicht mehr auf Erden wandelte, hing auch das Zeugniß und die Frucht desselben, welche an diese Sendung des Geistes gebunden war, von seinem Tode ab. Aber von dem Tröster, von dem Geist der Wahrheit, den er senden wollte, sagt der Herr zugleich, daß er ihn verklären werde, wie er hier sagt, Es ist die Zeit gekommen, daß des Menschen Sohn verklärt werde, und daß er es von dem seinen nehmen werde und seinen Jüngern geben und mittheilen, um sie in alle Wahrheit zu leiten. Aber eben je mehr der Herr verklärt wird für diejenigen welche ihn schon kennen und an ihn glauben, um desto inniger natürlicherweise mußte auch ihre Liebe und Verehrung gegen ihn werden. Und nun wissen wir m. g. F. daß es eben nur seine unter uns sich verbreitende und in uns selbst Wurzel fassende erlösende und heiligende Liebe ist, von welcher die Frucht abhängt die er bringen soll. Denn das ist das neue Gebot welches er seinen Jüngern gegeben hat, das Grundgesez also seines Reiches auf Erden, auf welchem das Bestehen desselben ruhet, daß sie sich unter einander lieben sollten mit der Liebe mit welcher er sie geliebt hat. Und m. g. F. kann sich das wol irgend jemand der eine lebendige und innere Erfahrung gemacht hat von dem was das rechte und wahre Christenthum ist, kann sich das jemand ver|bergen oder leugnen, daß eben unsere Liebe zu dem Erlöser ganz allein auf seinem Tode beruht? Denn wie sie eins ist und immer mehr werden soll mit unserer Liebe zu Gott, so geht sie auch davon aus, daß wir wahrnehmen die göttliche Kraft und die Fülle der Gottheit, die in ihm wohnte; aber das wird jeder sagen müssen, daß 9–11 Joh 16,7
21–22 Vgl. Joh 16,14
31–35 Vgl. Joh 13,34
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die Bereitwilligkeit des Herrn den Tod zu leiden für das Heil der Welt, und die Art wie er ihn wirklich gelitten hat, eben dieser unserer Liebe zu ihm einen neuen und eigenthümlichen Glanz, eine höhere und innigere Wärme giebt, und daß sie erst dadurch recht versiegelt wird und als ein unauslöschliches Feuer in dem Herzen brennt. Beides aber ist eins und dasselbige, der göttliche Geist, der den Jüngern mitgetheilt wurde, und die vollkommene Liebe zu ihrem Herrn und Meister, die in ihrem Herzen lebte. Zu beiden war sein Tod unentbehrlich, und so mußte er in seinen Gedanken beides zusammenstellen in dem Augenblikk den er uns hier darstellt. Das Waizenkorn muß ersterben nachdem es in die Erde gefallen ist, dann wird es viele Frucht bringen; wird es das nicht, so bleibt es allein und bringt keine Frucht. Er mußte nun den Weg des Todes gehen, und dadurch daß er ihn ging wurde alles befestigt, was den Grund legte zu seiner ewigen Fruchtbarkeit in dem menschlichen Geschlecht. Wollte er das nicht, so wäre er allein geblieben und seine Erscheinung auf Erden wäre etwas verschwindendes gewesen, wie vieles andere schöne und herrliche, aber nicht der Grund seines ewigen Reiches auf Erden. Aber darum sieht er auch gleich hinweg von sich selbst auf seine Jünger die ihn umgaben, und von ihnen auf uns und auf alle Geschlechter der Menschen, denen sein Name wird verkündigt werden; denn unmittelbar darauf fährt er fort, Wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren, und wer sein Leben auf dieser Welt hasset, der wird es erhalten zum ewigen Leben. Wer mir dienen will, der folge | mir nach, und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Von welchem Leben er hier redet, das ist in dem ersten Saze allerdings dunkel, der Herr aber erhellet es selbst in dem zweiten. Wenn er sagt, Wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren: so können wir freilich wol, wenn wir das verstehen wollen von dem Leben welches er uns mittheilt und welches wir ihm verdanken, uns wundern über diese Worte; aber eben darum erklärt er sich gleich weiter in den Worten die er hinzufügt, Wer sein Leben auf dieser Welt hasset, der wird es erhalten zum ewigen Leben. Also von dem Leben auf dieser Welt ist die Rede und von dem sagt er, wer es lieb habe, der werde es verlieren, und fährt fort, Wer es aber hasset, der wird es erhalten zum ewigen Leben. Das ist nun der Uebergang zu dem unmittelbar folgenden, Wer mir dienen will, der folge mir nach, und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Welche Nachfolge kann wol der Herr meinen in diesem Zusammenhang seiner Rede anders als die Nachfolge zu dem was er unmittelbar vorher gesagt hatte, Das Waizenkorn muß in die Erde fallen und ersterben, sonst bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, so bringt es viele Frucht. Wer sich dazu nicht entschließen kann, wer sein Leben auf dieser Welt lieb hat, ja der wird verlieren eben das Leben von welchem diese Fruchtbarkeit im Reiche Gottes ausgehet; wer aber sein Leben auf dieser Welt hasset, der wird sie erhalten zum ewigen Leben. Hassen
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nun m. g. F. in dem vollen und harten Sinne des Wortes hat der Herr nicht verlangen können und wollen, daß wir das Leben auf dieser Welt sollen, und in einem traurigen Mißverständniß sind alle Christen begriffen gewesen und noch begriffen, welche an diesem Buchstaben sich halten und meinen, daß je mehr der Erlöser von uns geliebt werde, desto größer müsse unsere Geringschäzung des irdischen Lebens und alles irdischen sein, da es ja doch eine Gabe Gottes ist und keine Gabe Gottes von uns soll gering geschäzet | werden; sondern wenn der Erlöser verlangt, wir sollen unser Leben auf dieser Welt nicht lieb haben: so meint er, wir sollen es nicht lieber haben als unsere Fruchtbarkeit im Reiche Gottes, da wir als seine Diener ihm ganz und überall verpflichtet sind und nicht eher in dem lebendigen Zusammenhang des Lebens mit ihm stehen, bis wir uns dazu entschlossen haben. Was er von sich selbst sagt verlangt er von uns allen, und er will uns alle ohne Ausnahme in die Gemeinschaft seines Todes ziehen. Nicht so als ob der ein wirklicher Diener Christi wäre und Vorzüge vor anderen hätte, dem es begegnet im Dienste des Reiches Gottes sein Leben zu verlieren, wie es dem Erlöser begegnet ist. Nein m. g. F. der Erfolg ist nicht das entscheidende, wie der Herr überall behauptet und überall mit Bestimmtheit erklärt, daß es auf den Erfolg nicht ankomme, sondern auf das innere. Der Erfolg ist das äußere, und verblendet sind alle gewesen, die auf ihn verpicht in den Zeiten der Verfolgung das Leiden gesucht und sich dem Tode von selbst in die Arme geworfen haben; denn sie sind dem Herrn verantwortlich für die Zeit die sie noch länger hätten können der Sache des Evangeliums weihen und die sie nun verkürzt haben in ihrem verkehrten Wesen. Sondern die Gesinnung ist es, welche der von uns verlangt, der selbst nur das innere sieht. Das ist der Ort von dem er sagt, Wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Ja eben diese Bereitwilligkeit welche er verlangt, das Leben seinem Dienste zu opfern, nichts irdisches, nichts was uns in dieser Welt umgiebt so lieb zu haben, daß wir nicht immer bereit wären es hinzugeben sobald sein Geist in uns es erfordert für seine Sache, als den Willen Gottes, den er uns offenbart hat und den wir überall thun sollen, das war sein Haus in welchem viele Wohnungen sind, das war das geistige Haus in welchem er von dem ersten Tage seines Lebens an unausgesezt so war, daß er sagen konnte, er sei in demselben treu als der Sohn, und darin sollen | die seinigen auch sein, das irdische gern hingeben um des himmlischen willen, und lieber alles irdische in die Schanze schlagen als das Bewußtsein von dem zu verlezen und zu verlieren, was wir ihm als seine Diener schuldig sind. Und wahrlich bei der Schwachheit und Gebrechlichkeit alles menschlichen wird wol keiner unter uns sein, der nicht im kleinen wenigstens und im einzelnen sollte die Erfahrung gemacht haben, daß wer sein Leben auf dieser Welt lieb hat, immer etwas von dem höhern Leben verliert, immer 31–32 Vgl. Joh 14,2.23
34 Vgl. Hebr 3,6
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Schaden leidet an seiner Fruchtbarkeit im Reiche Gottes. Wo es uns einmal wenn auch im kleinen begegnet ist, das irdische vorzuziehen der Stimme Gottes, die uns verkündigt was wir zu thun und zu leiden haben um des ewigen willen, da werden wir auch der Wahrheit das Zeugniß schuldig sein, daß wir dadurch immer etwas verloren haben an der Kraft unsers geistigen Lebens. Wer aber sein Leben auf dieser Welt mit allem was ihm angenehm ist und erfreulich in demselben immer bereit ist darzubringen, der wird auch die ganze Kraft des Lebens behalten, mit welcher er schalten kann und wirksam sein in dem Dienste des Herrn. So m. g. F. ist also was der Herr hier von sich selbst sagt zugleich der Grund des Bestehens seiner Gemeine auf Erden, und wir müssen sagen, wiewol die Zeiten der Verfolgung und der Trübsal für das Reich Gottes längst schon vorüber sind und es einen äußern Streit desselben gegen die Kinder der Welt, der Finsterniß und des Unglaubens nicht giebt, so bleibt doch dieses Gesez ewig, denn Licht und Finsterniß sind auch in dem äußern Reiche des Herrn immer noch gemischt, und so giebt es und gilt immer noch dieselbe Forderung an uns und an alle Jünger des Herrn. So ist es dieses Gesez, dem wir unterworfen bleiben bis an das Ende der Tage, und keine irdische Höhe, die das Reich Gottes auf Erden erreichen mag, so lange wir in dieser Mischung des Lichtes und der Finsterniß leben, wird jemals die Jünger des Herrn entbinden können von der Vorschrift die er hier giebt. | Aber was er zulezt hinzufügt, Wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren, das führt uns zurükk auf seine ersten Worte, Die Zeit ist gekommen, daß des Menschen Sohn verklärt werde. Verklärt ist des Menschen Sohn worden nicht nur durch seine Leiden und seinen Tod, sondern auch durch die Bereitwilligkeit der seinigen, um seinetwillen alles zu leiden und zu dulden. Verklärt ist er von je her worden durch die treue Folgsamkeit so vieler Zeugen, die auch ihres eigenen Lebens nicht geschont haben um der Wahrheit das Zeugniß zu geben, daß sie im Glauben an ihn einen lebendigen Antheil haben an seinem Reiche; verklärt wird die geistige Kraft die er den seinigen gegeben hat immer zu allen Zeiten unter allen Völkern durch die Bereitwilligkeit aller Jünger des Herrn, überall das irdische aufzuopfern um des ewigen willen, dieses allein im Auge zu haben und alles andere dagegen gering zu achten und von sich zu weisen, wo es dem ewigen entgegentritt. Und so haben an der Ehre die er von seinem himmlischen Vater genießt deswegen weil er ein Reich Gottes auf Erden gestiftet hat, welches allein auf dem geistigen und auf dem Glauben ruhet, so haben an dieser seiner Verklärung und an seiner Ehre alle diejenigen Theil, welche diesem Gesez als treue Diener folgen. Wer mir dienen will nach diesem Gesez und auf diese Weise, sagt er, den wird mein Vater ehren. Denn er kannte auch keine andere Verklärung als die ihm kam von seinem Vater, wie wir bald in folgenden Worten lesen werden, daß wie er es früher sagt, 42 Vgl. die Frühpredigt am 19. Februar 1828 über Joh 12,27–36
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Die Zeit ist gekommen, daß des Menschen Sohn verkläret werde, so er nun sagt und bittet, Vater verkläre deinen Namen. Und so sollen wir keine andere Ehre kennen und lieben, als die uns kommt von Gott, dem Vater unsers Herrn Jesu Christi und dem unsrigen. Je mehr wir aber die Diener des Sohnes sind, desto mehr werden wir geehrt von dem Vater. Wer den Sohn bekennt vor der Welt – und wir bekennen ihn wenn wir uns bekennen zu seinem Gesez, wenn wir uns bekennen als seine | Diener und alles thun was er uns als den göttlichen Willen offenbart hat – wer ihn so bekennet, der wird auch von ihm geehrt, und wer ihn so ehret und so geehrt ist von ihm, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, der wird auch geehrt von dem Vater, und dem verkündigt er dann in der Liebe des Vaters, daß wo er ist auch seine Diener mit ihm sein sollen. Und so m. g. F. ist es noch wahr, daß wir nicht anders als durch Trübsal und durch die Bereitwilligkeit Trübsale aller Art zu dulden, durch die feste Gleichgültigkeit gegen das irdische, wo es auf das ewige ankommt, in das Reich Gottes eingehen können. So ist es gewesen von Anbeginn, so hat es der Herr bewährt und versiegelt durch seinen Tod, und so wird es bleiben bis an das Ende der Tage. Amen.
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Am 12. Februar 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Invocavit, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 18,8–9 Nachschrift; SAr 111, Bl. 9r–12r; Sobbe Keine Nachschrift; SAr 114, S. 84–92; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 17r–20v; Woltersdorff Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am Sonntage Invokavit
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Tex t. Joh. 18, 8 u. 9. Jesus sprach zu ihnen: ich habe es euch gesagt, daß ich es sey. Suchet ihr denn mich, so lasset diese gehen. Auf daß das Wort erfüllet würde, welches er sagte: ich habe derer keinen verloren, die du mir gegeben hast. M. a. F. Was wir mit einander gesungen haben, das hat uns auf die Bedeutung des Leidens Christi für unsere und der Welt Seligkeit hingeführt: Die verlesenen Worte des Apostels dagegen führen uns auf einen bestimmten Augenblik bei dem ersten Anfang des eigentlichen Leidens Christi, seitdem er sich in den Händen seiner Feinde befand. Wie nun so manches in dem Leben des Erlösers uns allein von diesem seinem vertrauten Jünger erzählt wird, so hat uns auch diese Worte Johannes allein aufbewahrt. Die verrätherische Begrüßung, den feindseligen Kuß des Judas, den stellt er in Schatten und läßt uns nichts davon gewahr werden in seiner Erzählung; aber dieses Wort des Erlösers hat er allein der Vergessenheit entrissen. Aber er hat es uns nicht nur erzählt, sondern bringt es auch in eine schöne Verbindung mit einer merkwürdigen Stelle aus dem Gebet, in welchem der Erlöser seinem Vater gleichsam Rechenschaft ablegt von der ganzen Führung seines Berufs auf Erden. Denn als er ihm seine Jünger befiehlt und wieder übergiebt, wie er sie von ihm empfangen hatte, da sagt er: siehe ich habe keinen verloren von denen, die du mir gegeben hast; sondern nur das verlorne Kind, welches mir eigentlich nicht gegeben war, auf daß die Schrift erfüllet würde. Es war nun, da der Erlöser im Begriffe war, in die Gewalt seiner 7–8 Vgl. Lied nach dem Gebet, Liederblatt im Anhang nach der Predigt 13–14 Vgl. Mt 26,49; Mk 14,45; Lk 22,47 18–20 Vgl. Joh 17,1–26 21–24 Joh 17,12
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Feinde übergeben zu werden, das letzte was er für seine Jünger thun konnte das vertretende Wort, welches er für sie redete: suchet ihr mich, so lasset diese gehen. Und so lasset uns denn dieß Wort heute, so wie es uns Johannes wichtig macht durch die Zusammenstellung mit jenem Worte aus dem Gebet des Herrn, in seinen verschiedenen Beziehungen näher mit einander betrachten.
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I. Die erste davon, m. g. F., ist offenbar die, daß es ein Wort des Herrn war zum besten des Seelenheils seiner Jünger selbst. Denn wie er in den letzten Zeiten schon auf alle Weise sie hatte vorzubereiten gesucht auf den schmerzlichen Augenblick der Trennung, so hatte er ihnen auch nicht verschwiegen das richtige Gefühl seines Herzens über ihre eigene Schwäche. Ich weiß es wohl sagt er, wenn sie den Hirten schlagen werden, so wird die | Herde sich zerstreuen; ich weiß es wohl, ihr werdet umkehren und ein jeder in sein eigen gehen; ja warnend eben so wohl, als aufrichtend fügt er hinzu: der Satan hat eurer begehrt, daß er euch sichte wie den Weitzen; ich aber habe für euch gebeten, daß euer Glaube nicht aufhören möge. Und so konnte denn auch die Annäherung seines eigenen Leidens die Sorge für seine Jünger, welche aus diesem Bewußtseyn ihrer Schwäche entstand, nicht zurückdrängen. Sehet ihr mich, so sagt er indem er sich selbst darbietet, so lasset diese gehen, indem er sie nämlich der Verehrung entziehen wollte, welche ihnen leicht hätte zu stark seyn können, wenn sie hätten Theil nehmen sollen an allem, was dem Erlöser selbst bevorstand, wenn sie eben so wie er den heimtückischen Fragen seiner Feinde, den falschen Zeugnissen, die gegen ihn aufgestellt wurden, den Schrecknissen des körperlichen Leidens hätten ausgesetzt seyn sollen. Suchet ihr mich, so lasset diese gehen. Von allem, m. g. F., in dem Leben des Erlösers sollen wir die Anwendung machen auf uns selbst, immer anerkennend den großen Unterschied zwischen ihm und uns, aber auf der anderen Seite auch in dem freudigen Glauben, daß die Kraft seines Geistes mächtig ist in den Schwachen. Der Herr stellt sich hier hin, um seine Jünger zu vertreten. Die Leichtigkeit, die er seinen Feinden gewährte, was sie sich vielleicht als ein schwieriges Unternehmen gedacht hatten, sich seiner Person zu bemächtigen, sollte sie mild machen gegen die, welche sie als seine Angehörigen, in seiner Gesellschaft fanden; gern wollte er auf sich allein die Last wälzen, um die schwächeren Brüder davon zu befreien. Wir freilich, m. g. F., befinden uns nicht in einem solchen Verhältniß gegen einander. Keiner ist, der von sich rühmen könnte, daß er in solchen entscheidenden Augenblicken zu den übrigen sich eben 13–14 Vgl. Mt 26,31; Mk 14,27
16–17 Vgl. Lk 22,31–32
31 Vgl. 2Kor 12,9
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so verhielte, wie der Herr zu seinen Jüngern. Er ist in allen Dingen als ein Mensch erfunden, ausgenommen die Sünde; wir aber sind einander alle gleich und auch Brüder in der Schwachheit. Ja es könnte mancher sagen: wenn wir auf solche Weise andere wollten von der Versuchung befreien, indem wir uns ihr selbst bloß stellen, so mögte dabei etwas zum Grunde liegen von der Eitelkeit und dem Trotz des menschlichen Herzens. Wir müssen uns ja erst für stärker halten als unsere Brüder, um dem Beispiel des Erlösers folgen zu können. Doch dem ist nicht ganz so. Als diejenigen kamen, welche ausgesendet waren gegen den Erlöser, so war ihr Auftrag nicht gerichtet gegen die ganze Gesellschaft, die sie da finden würden, sondern gegen ihn persönlich. Er war also der nächste, um sich ihnen darzubieten und darin fand er auch die Veranlassung, das ganze Ungewitter der Feindschaft über seinem eigenen Haupte zu versammeln. Wir m. g. F., stehen in dieser Beziehung alle so gegen einander, daß keiner das Maaß hat, um sich im Vergleich mit Anderen zu beurtheilen, ja auch keiner das Maaß, ehe es ihm der Erfolg des Augenblicks gibt, um sich selbst zu schätzen in der Beziehung, daß doch keiner unter uns zu jeder Zeit ganz sich selbst gleich ist. Wollte ich also aus diesen Worten des Erlösers eine Ermahnung hernehmen, daß überall der Stärkere sich soll schützend verhalten und abwehrend gegen den Schwächeren, so müßte freilich etwas vorhergegangen seyn was nicht vorhergehen kann. Denn wie oft geschieht es nicht, daß selbst derjenige, welcher oft schon ohne sich selbst etwas zu drüken, stark gewesen ist, dieß und jenes zu tragen mehr für andere als für sich selbst, daß der doch auch in einer schwachen Stunde es [fü]hlt, daß die Gebrechlichkeit ein allgemeines Loos aller Menschen ist. Und wie oft geschieht es nicht, daß solche, denen | wir wenn wir sie in dem gewöhnlichen Leben sehen, wenig oder nichts zutrauen werden in der Stunde der Entscheidung, da doch einen Muth und eine Besonnenheit entwickeln, die Allen klar machen soll, daß es die Gnade Gottes ist, die sich mächtig beweißt in den Schwachen. So können wir freilich nicht wissen, wann die Stunde einer gemeinsamen Versuchung kömmt, welche der Herr sich auswählen wird zu Werkzeugen seiner Verherrlichung. Darum nun m. g. F. wäre das ein Rath, der nur eine verderbliche menschliche Eitelkeit nähren könnte. Das aber wollen wir uns daraus nehmen, wie überhaupt unser Leben in dem Herrn ein gemeinsames seyn soll, wie er uns alle verbunden hat zu einem Ganzen und jeder vielmehr sich bewußt seyn soll des Zustandes, in welchem das Ganze sich befindet, als seines persönlichen Antheils daran, wie jeder Gott soll preisen nicht sowohl für das was er dem Einzelnen gethan hat, als vielmehr für die 24 [fü]hlt] vorne unleserlich 1–2 Vgl. Phil 2,7 in Verbindung mit Hebr 4,15 31 Vgl. Mt 24,24
29–30 Vgl. 2Kor 12,9
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Gnade, welche er dem Ganzen gewährt. So wie m. g. F. in dieser Stunde der Entscheidung das Gemüth des Erlösers eben so erfüllt war von dem Bewußtseyn des Zustandes, in welchem seine Jünger sich befanden, als von seinem eigenen, so soll es auch immer unter uns seyn. Es ist der erste sichere Beweis, daß wir in der That in dem Bunde der Liebe mit einander stehen, den der Herr gestiftet hat, wenn wir das wissen und fühlen, wie es steht in jeder bedeutenden Stunde, welche schlägt im Reiche Gottes um den Theil desselben, dem wir zunächst angehören. Aus diesem Gefühl des gemeinsamen Zustandes heraus sollen wir handeln, jeder das Seinige thun, keiner sich weigern seiner heiligen Pflicht, wenn er es ist, dem die Versuchung nahet, und der zuerst reden soll für die Sache Gottes, keiner sich umsehen, ob nicht unter anderen stärkere seyn mögen als er; denn er ist es, an welchen der Ruf des Herrn ergangen ist. Und wenn wir immer bereit sind, diesem Rufe zu folgen, so wird auch immer der Geist des Herrn auf uns ruhen und der Segen von oben unser Werk krönen, der Schwache wird stark seyn in der Kraft des Herrn und der Starke demüthig, weil er sich nicht auf sich selbst verläßt, sondern im Vertrauen auf den Herrn dem Rufe folgt, der an ihn ergehet. Aber dann wird es auch der Fall seyn, daß der Starke, sey er es nun auf längere Zeit oder nur für diesen Augenblik, eben so der Vertreter seyn wird der Schwachen wie der Erlöser in diesem Augenblik der Vertreter war seiner Jünger. Und so m. g. F. in diesem Sinne und auf diese Weise können und sollen wir alle in jedem ähnlichen Falle seinem heiligen Beispiele folgen. Dann wird auch der Bund der Christen so fest stehen bleiben, daß die Pforten der Hölle ihn nicht überwältigen können, dann wird das Band der Liebe so einen jeden Einzelnen umschlingen, daß auch wir werden auf unseren gemeinsamen Bund das Wort des Herrn anwenden können: keiner gehet aus demselben verloren, weil alle stehen auf einem und demselben Grunde, der Treue und der Liebe.
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II. Die zweite Beziehung, in welcher uns dieses Wort des Herrn für seine Jünger wichtig seyn muß, ist die Rücksicht, die der Herr dabei nahm auf den Beruf, den er ihnen nun schon, indem er selbst sein öffentliches Leben niederlegte, ertheilte. Er sollte nun in die Hände seiner Feinde gegeben werden, um darin, daß er litt, seinen Gehorsam zu beweisen und durch die Leiden des Todes einzugehen in seine Herrlichkeit. Aber wenn | das kleine Häuflein, welches er um sich her versammelt hatte und von welchem allein er zu seinem Vater sagen konnte: denen habe ich alles kund gethan was du mir gegeben hast, weil in der That während dieser kurzen Zeit seines öffentlichen Lebens ein so zusammenhängender Umgang mit ihm dazu gehörte, 15–16 Vgl. 2Kor 12,9 15,15
24 Vgl. Mt 16,18
25 Vgl. Kol 3,14
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wenn sie was zum Heil der Menschen nothwendig war in ihre Seelen aufnehmen sollten wenn sie, sage ich, mit in sein Leiden und in seinen Tod verwickelt wurden was sollte aus dem Werke werden, welches doch durch ihn sollte und durch ihn allein konnte begründet und gefordert werden. So war es denn in diesem Sinne die heilige Liebe des Erlösers zu dem großen Beruf, der auf ihn gelegt war was in diese ängstliche Besorgniß für die Sicherheit seiner Jünger ausbrach suchet ihr mich; ja ich sage euch, ich bin es; aber suchet ihr mich, so lasset diese gehen. M. g. F. aber so gewiß als der Erlöser wußte, daß er gesandt sey zum Heil der Welt und daß dieses durch keinen anderen könnte herbeigeführt werden, als durch ihn, dem so der Vater seine Werke gezeigt hatte, der so nichts aus sich selbst that, sondern nur den Willen seines himmlischen Vaters; so gewiß er das wußte, so gewiß konnte er ja auch vertrauen, daß der Vater, der ihn gesandt hatte auch selbst wachen würde und sorgen für sein Werk; so konnte er sich verlassen auf die Hülfe des Höchsten und hatte nicht nöthig, ein bittendes Wort zu denen zu reden, welche als die Diener einer feindseligen Macht zu ihm herausgekommen waren. Aber m. g. F. davon war er eben frei und laßt uns durch sein Beispiel uns darüber belehren, davon war er frei, das Vertrauen auf Gott auf dessen Schutz und Hülfe irgend scheiden zu wollen von dem, was er selbst thun konnte und der Stimme seines Herzens gemäß thun mußte. Nicht m. g. F. meine ich es so, als sollte man dieß beides nicht trennen wollen, weil es zusammen gehört, aber doch als zwei verschiedenes, nein nicht zweierlei ist es, sondern nur eines und dasselbe. Wie der gewiß im Hause Gottes ein schlechter Haushalter ist, der zwar mit allem Fleiß und Ernst alles thut was ihm vorhanden kommt zu thun und wovon er sich sagen muß, daß es ihm obliegt, aber ohne daß in seinem Herzen eine Spur wäre von Vertrauen auf den göttlichen Segen, der auf seinem Werke ruhen wird, wie, sag ich, der ein schlechter Haushalter ist, nicht deshalb, weil er das Eine zwar hat, das Andere aber nicht, sondern deshalb weil gar nichts herrliches und gutes in ihm ist – denn es läßt sich nicht denken ein Mensch erfüllt von Vertrauen auf Gott, welches in ihm getrennt wäre von dem lebendigen Gedanken an Gott, von dem Bewußtseyn Gottes, welches uns überall begleiten soll von dem Bewußtseyn das was wir thun können wir nur thun insofern wir seine Diener, ja was noch mehr seine Kinder sind, und was nicht aus dieser Quelle kommt, das ist nicht das Rechte und Gute, weil es kein anderes Gutes gibt für den Menschen als was aus dem freien Triebe seines Herzen komme – so wie der ein schlechter Haushalter ist, der zwar ein äußerliches Thun hat, aber kein inneres wirksames, weil es nicht von dem Vertrauen auf Gott begleitet ist; so wäre auch der ein schlechter Haushalter, der das Vertrauen auf Gott zu haben vorgäbe, aber in jedem Augenblick seines Lebens einen kleineren oder größeren 11–12 Vgl. Joh 5,30
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Theil von dem vorüber gehen ließe, was er eigentlich thun und leisten soll, nicht deshalb ist dieser ein schlechter Haushalter, weil er das Eine hat, das Andere aber nicht, als ob er sich mit Recht rühmen könnte eines lebendigen Vertrauens auf Gott, aber er müßte sich nur Schuld | geben der Nachlässigkeit und Trägheit in seinem Thun. Nein m. g. F. wenn das Vertrauen auf Gott in uns nichts anderes ist als Hoffnung auf Gott oder auf andere Wesen, ohne daß wir dasjenige thun wozu der Geist Gottes treibt, so ist es kein Vertrauen auf Gott. Wie sollte es auch. Gibt es eine wahre Frömmigeit des Herzens, die nicht von selbst in That ausginge? wäre es nicht ein leeres Spiel, das wir mit uns selbst trieben, wenn wir das behaupten wollten? wäre es etwas anderes, als eine vorübergehende Aufregung des Gemüths, wovon wir nicht einmal die Quelle in uns selbst suchen müßten, sondern sagen müßten, wir wüßten nicht, woher uns das angewehet hat. Nein, m. g. F., das Vertrauen auf Gott ist ein selbstthätiges und es gibt kein Vertrauen, als das Vertrauen auf das Thun des Einzelnen und des Ganzen, welches seinen Grund darin hat, daß Gott sein Gesetz in dem neuen Bunde, dem wir angehören, in das Herz derer geschrieben hat, welche Mitglieder dieses Bundes sind. Das Leben des göttlichen Gesetzes in unserm Herzen und das Vertrauen auf Gott als auf den, der es gegeben hat und auch wird zu erfüllen wissen, das beides ist eins und dasselbe. So denn m. g. F. müssen wir uns die Handlung des Erlösers erklären. Nicht war es in diesem Augenblik etwa ein Zurücktreten seines Bewußtseyns von der göttlichen Hülfe, was ihm jenes Wort gegen die Diener seiner Feinde auspreßte: suchet ihr mich, so lasset diese gehen, sondern es war jenes Vertrauen selbst, was ihn leitete und durch welches er seinem Worte die Kraft geben konnte, die es bewieß. Vertrauen auf Gott ist Vertrauen auf das, was der Geist Gottes in uns schafft und wirkt, und kein anderes Thun gibt es im Hause Gottes, als was aus diesem Vertrauen hervorgeht und nichts ist als die äußere Erscheinung desselben in der leiblichen Welt. Wohl so laßt uns auch darin dem Erlöser folgen. Vergebens würden wir uns rühmen eines rechten kindlichen Vertrauens auf Gott, wenn wir nicht das ernstliche Bestreben hätten mit den Kräften, die im Reiche Gottes wirksam seyn sollen, Zuhaushalten im Glauben und in der Liebe. Vergeblich war, den wir suchen, menschliche Hülfe herbeizuschaffen, hier ein wenig und dort ein wenig zu diesem oder jenem Zweck menschliche Hände mehrere oder wenigere in Bewegung zu setzen zu einem gemeinsamen Werk, wenn das alles in uns etwas anderes wäre als das feste Vertrauen, daß das Reich Gottes bestehen muß und daß keine Macht der Finsterniß es vernichten kann. Die lebendige Thätigkeit, die alles thut, um die Kräfte der Menschen zu diesem Zwecke zu vereinigen und das kindliche ganz sich hingebende Vertrauen auf Gott, das beides ist eins in der Seele des Christen. Wenn wir nun so im Vertrauen auf Gott alles thun, was in unseren Kräften steht, damit keiner, auch nicht der kleinste Theil, versäumt werde im Reiche Gottes, damit alle bewegt werden vom Geiste
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Gottes und so viel als möglich mit dem hellen Auge der Wahrheit verstehen die Zeichen der Zeit, in welcher sie wandeln, desto mehr folgen wir dem Beispiel des Erlösers und werden dann in Wahrheit sagen können: es gehet unter uns keiner verloren aus dem heiligen Bunde, den er unter uns gestiftet hat. Aber m. g. F. sollen wir das tiefe und große Wort des Herrn nur betrachten in Beziehung auf den damaligen Augenblick? Klingt es uns nicht noch ganz anders und tiefsinniger in dem Ohr unseres Gemüths als der reine Ausdruck der erlösenden Liebe des | Herrn, als der Ausdruck des großen Werkes, wozu Gott ihn gesandt hatte. Als die Zeit kam, daß sein Leiden beginnen sollte, da sprach er: nun kommt der Fürst dieser Welt, aber er hat nichts an mir. Dann sprach er weiter: nun kommt der Fürst dieser Welt, aber er wird ausgestoßen. Dann endlich sprach er: nun ist der Fürst dieser Welt gerichtet. Aber wenn er es gleichwohl sagt, so geschieht es doch nur dadurch, daß er sich selbst hingiebt; suchet ihr mich, ja ich bin es. Gab sich also hin, auf daß alle freigelassen würden, welche dem Fürsten der Welt unterlegen hätten, wenn es nicht Einen gegeben hätte, gegen den er aufstehen konnte, ohne etwas an ihm zu finden, wenn er nicht durch die Kraft des einen wäre ausgestoßen worden und, wiewohl der Herr nicht gekommen ist, zu richten, er nicht eben dadurch sich selbst gerichtet hätte. Ja m. g. F. so ist es; unsere Freiheit ruht auf der Hingebung des Herrn. Indem sich an ihm brachen die Kräfte aller der dunklen Gewalten, die das Licht bestürmten, so ist der Sieg des Lichtes gegründet worden. Indem sie den suchten gefangen zu nehmen, an dem sie nichts haben konnten, so sind alle andere losgelassen worden aus ihren gefährlichen Banden. Frei ist nun jeder, der es seyn will, d. h. jeder, der sich im Glauben anschließt an die göttliche Kraft des einen, der überall unschuldig war und rein, aber auch nur deswegen so erfunden werden konnte, weil die Fülle der Gottheit in ihm wohnte. So laßt uns in diesen Worten den Erlöser preisen als den, dem wir allein unsere Freiheit verdanken, der allein überwunden hat, so daß auch wir in der Gemeinschaft mit ihm alles Böse überwinden können. Aber auch hier laßt uns nicht glauben, daß wir allein preisen können und danken, nachfolgen aber nicht. Nein m. g. F. haben wir nicht die herrliche Verheißung, daß er in uns lebt? Ist der wahre Glaube an ihn etwas anderes als die Richtung des Gemüths, vermöge welcher wir mit dem Apostel sagen können: was ich nun lebe im Fleisch, das lebe nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Wohlan lebt er in uns so ist auch das in uns, wodurch die Seligkeit der Welt gegründet worden ist, so ist er in uns als die lebendige und erregende Kraft selbst. Haben wir etwa einen geringeren Sinn davon wenn der Erlöser selbst sagt: das ist das neue Gebot, welches ich euch gebe, daß ihr euch unter einander liebt, wie ich euch geliebt habe. Das war aber die 10–11 Vgl. Joh 14,30 11–12 Vgl. Joh 12,31 12–13 Vgl. Joh 16,11 28 Vgl. Kol 2,9 35–36 Vgl. Gal 2,20 39–40 Vgl. Joh 13,34
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Liebe, mit welcher er sich selbst preis gab zum Heil der Welt, das ist die Liebe, mit welcher er uns geliebt hat, das ist dieselbe, mit welcher wir uns unter einander lieben sollen. Und so können wir mit dem Apostel hinzufügen: wenn er in uns lebt, so ist es gewiß, daß, wenn wir mit ihm leiden, wir auch mit ihm auferstehen werden. Aber freilich wir ganz und gar können nicht mit ihm leiden, an uns ist immer ein kleinerer oder geringerer Theil der Schuld. Aber der Christus der in uns lebt, der leidet auf dieselbe Weise. Jemehr er in uns waltet, je reiner er in uns erscheint, desto mehr werden wir sagen können, daß wir mit ihm leiden. Wenn wir so gemeinsam einer den anderen vertreten, auf daß immer mehr aus dem Bunde der Christen alle Schwächen verschwinden, wenn wir uns immer inniger in Wahrheit und Liebe vereinigen, um das Werk des Herrn zu fördern, o dann werden wir auch immer mehr des Bewußtseyns voll werden, daß wir mit ihm auferstehen, desto mehr wird es sich beweisen, daß die Seligmachende Kraft aus dem Erlöser in die Gemeinde seiner Gläubigen überge|gangen ist und seine Kirche auf Erden, dieser Träger seines heiligen Wortes, wird beseelt und bewegt von dem Geist, den er den Seinigen hinterlassen hat, das Werk dessen, der zum Heil der Welt in die Welt gesandt war, weiter fördern. Der Fürst dieser Welt ist und bleibt ausgestoßen und gerichtet und in der Kraft des Leidens und des Todes Christi wächst überall die herrliche Freiheit der Kinder Gottes, das Reich des Glaubens, der Liebe und des Friedens. Amen.
[Liederblatt vom 12. Februar 1826:] Am Sonntage Invocavit 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Es ist genug etc. [1.] Ich bin erlöst durch meines Mittlers Blut, / Durch seinen Kreuzestod / Mit Gott versöhnt fühl ich nun Trost und Muth / Und fürchte keine Noth. / Die Weisheit hat mein Heil erfunden; / Die Liebe glorreich überwunden. / Ich bin erlöst. // [2.] Ich bin erlöst! Mich trifft des Donners Spruch / Vom Sinai nun nicht, / Mein Heiland nahm von mir den schweren Fluch, / Befreit mich vom Gericht. / Mich schrecken nicht mehr meine Sünden; / Der Vater läßt mich Gnade finden, / Ich bin erlöst. // [3.] Ich bin erlöst! Was ist noch das mich schreckt? / Licht wird des Todes Nacht, / Aus der mich bald der Herr des Lebens weckt / Zu der Verklärung Pracht. / Mein Retter wird zum bessern Leben / Dann den befreiten Geist erheben, / Ich bin erlöst. // Nach dem Gebet. – Mel. Ein Lämmlein geht etc. Erforsche mich, erfahr mein Herz, / Und fleh, Herr wie ichs meine; / Ich denk’ an deines Leidens Schmerz / An deine Lieb’ und weine. / Dein Kreuz 4–5 Vgl. Röm 6,8
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sei mir gebenedeiht! / Welch Wunder der Barmherzigkeit / Hast du der Welt erwiesen! / Hab ich dies wol genug bedacht, / Und dich aus aller meiner Macht, / Genug dafür gepriesen? // Chor. Kommt lasset uns anbeten und knien und niederfallen / vor dem Herrn. Denn es hat einmal gelitten der Gerechte / für die Ungerechten auf daß er uns Gott opferte. // Choral. Rath, Kraft und Friedefürst und Held! / In Fleisch und Blut gekleidet, / Wirst du das Opfer für die Welt, / Und deine Seele leidet. / Du ringst mit Angst und Todesnoth; / Doch willig gehst du in den Tod, / O Liebe sonder Ende! / Du nimmst auf dich der Menschen Schuld, / Und giebst mit göttlicher Geduld / Dich in der Sünder Hände. // Gemeinde. Erniedrigt bis zur Knechtsgestalt, / Voll Klagen und voll Schmerzen, / Ertrugst du Spott, Schmach und Gewalt / Mit Gott ergebnem Herzen. / Wir sahn dich, der Verheißung Ziel, / Doch da war nichts was uns gefiel, / Und nicht Gestalt noch Schöne. / Vor dir Herr unsre Zuversicht, / Verbarg sich jedes Angesicht, / Dich schmähn des Bundes Söhne. // Zwei Stimmen. Ja ich will auf Jesum sehn, / Und ihm treu zur Seite stehn. / Denn aus seinem Leiden fließet / Kraft die sich ins Herz mir gießet. / Ich will an sein Leiden denken, / Wenn mich Feind und Sünde kränken, / Bis mein Leben sich beschließet. // Chor. Er ist um unsrer Missethat willen verwundet, und um un- / srer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, / auf daß wir Friede hätten, und durch seine Wunden sind wir / geheilet. // Gemeinde. – Mel. Christus der ist mein etc. Kein Opfer darf mehr bluten, / Der Frieden ist gemacht, / Und aller Welt Erlösung, / Durch Christi Tod vollbracht. // Nach der Predigt. – Mel. Christus der ist mein etc. [1.] Nun wohnt in sichrer Ruhe / Das menschliche Geschlecht, / Dein Volk regierst du herrlich, / Nach deinem heilgen Recht. // [2.] Einst führest du die Deinen, / In deines Vaters Reich, / Und machst an Ehr und Würde, / Sie seinen Engeln gleich. //
Am 19. Februar 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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Reminiscere, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 12,27–36 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LIX, S. 333– 347; König Keine Nachschrift; SAr 56, Bl. 141r–149r; Schirmer Nachschrift; SAr 114, S. 92–104; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 21r–24v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am Sonntage Reminiscere 1826. Tex t. Joh. 12, 27–36. Jezt ist meine Seele betrübt, und was soll ich sagen? Vater, hilf mir aus dieser Stunde? Doch darum bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verkläre deinen Namen. Da kam eine Stimme vom Himmel, Ich habe ihn verklärt und will ihn abermals verklären. Da sprach das Volk das dabei stand und zuhörete, Es donnerte. Die andern sprachen, Es redete ein Engel mit ihm. Jesus antwortete und sprach, Diese Stimme ist nicht um meinetwillen geschehen, sondern um euretwillen. Jezt gehet das Gericht über die Welt, nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden. Und ich wenn ich erhöhet werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen. Das sagte er aber zu deuten, welches Todes er sterben würde. Da antwortete ihm das Volk, Wir haben gehört im Gesez, daß Christus ewiglich bleibe, und wie sagst du denn, Des Menschen Sohn muß erhöhet werden? Wer ist dieser Menschen Sohn? Da sprach | Jesus zu ihnen, Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt dieweil ihr das Licht habt, daß euch die Finsterniß nicht überfalle. Wer in Finsterniß wandelt, der weiß nicht wo er hingeht. Glaubet an das Licht, dieweil ihr es habt, auf daß ihr des Lichtes Kinder seid. M. a. F. Wir wissen schon aus dem was wir neulich mit einander betrachtet haben, wie auf Veranlassung einiger Griechen, welche zur festlichen Zeit mit andern nach Jerusalem gekommen um daselbst anzubeten, den Herrn 20–12 Vgl. die Frühpredigt am 5. Februar 1826 über Joh 12,20–26
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zu sehen wünschten, und nachdem Philippus und Andreas ihrem Herrn und Meister diesen Wunsch vorgebracht, der Gedanke in seiner Seele hervortrat, daß das Heil, welches den Menschen zu bringen der Vater ihn gesandt hatte, bestimmt sei auch über die Grenzen seines Volkes hinaus unter den übrigen Völkern der Erde ausgebreitet zu werden, und wie sich damit zugleich in ihm der Gedanke verband, daß er seinem Tode entgegen gehe und daß er mit seinem Dasein nicht anders jene heilbringende Frucht wirken könne, als wenn er ähnlich dem Waizenkorn, welches in die Erde gestreut werden und darin ersterben muß ehe es Frucht bringen kann, in den Tod gegeben werde. Wahrlich, spricht er in dieser Beziehung, es sei denn daß das Waizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es allein; wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte. Wenn nun der Herr in dem was wir eben mit einander gelesen haben und zu unserer heutigen Erklärung betrachten wollen, so zu reden fortfährt, Jezt ist meine Seele betrübt: was wollen wir sagen, worauf diese Betrübniß ging? was wollte er selbst als den Gegenstand dieser Betrübniß angesehen wissen? Sehen wir auf das Ende des verlesenen Abschnittes, wo er sagt, Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt dieweil ihr das Licht habt, daß euch die | Finsterniß nicht überfalle. Wer in Finsterniß wandelt, der weiß nicht wo er hingeht. Glaubet an das Licht, dieweil ihr es habt, auf daß ihr des Lichtes Kinder seid: so finden wir hier bestätigt, was sich überall in seinem Leben und noch in den Tagen seines Leidens so herrlich zeigt, daß er mehr mit dem besten der Menschen, zu welchen der Vater ihn gesandt hatte, beschäftigt war, als daß er sein eigenes Wohlergehen im Auge gehabt. Wenn er nun an seinen Tod dachte, der ihm so nahe bevorstand, und an die allgemeine Ausbreitung seines Reiches auf Erden, die ohne seinen Tod nicht erfolgen konnte: so mußte er auch daran denken, wie sein Tod durch nichts anderes würde herbeigeführt werden als durch die Verblendung desselben Volks, aus welchem er seiner irdischen Abstammung nach hervorgegangen war und dem er sein irdisches Leben zum ausschließlichen Dienst gewidmet hatte. Da konnte denn seine Seele nicht anders als betrübt sein darüber, daß auch das größte und herrlichste, das Heil des menschlichen Geschlechts, nicht ohne das tiefste Verderben gegründet werden sollte, daß nur durch einen schweren Kampf mit der Finsterniß das himmlische Licht sich Bahn machen sollte. Das ist dieselbe Betrübniß, welche ihn erfüllte als er Jerusalem ansah und sprach, Jerusalem, Jerusalem, wie oft habe ich deine Kinder versammlen wollen wie eine Henne versammlet ihre Küchlein unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt! Wenn du es wüßtest, so würdest du auch bedenken zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden dient; aber nun ist es vor deinen Augen verborgen. Das ist dieselbe Betrüb37–39 Mt 23,37
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niß, die er andern mittheilen wollte als er auf seinem lezten Wege zum Tode zu denen die hinter ihm hergingen sprach, Ihr Töchter von Jerusalem, weinet nicht über mich, sondern weinet über euch selbst und über eure Kinder. Und diese Betrübniß, daß das Wort des Lebens nicht anders zu den Heiden kommen konnte, | als nachdem die Juden ihn selbst den Fürsten des Lebens von sich gestoßen, die war seiner Seele natürlich in dem Augenblicke wo Griechen ihn zu sehen wünschten, und wo er es sich nicht verbergen konnte, daß das Waizenkorn in die Erde fallen müsse, wenn auch sie sein geistiges Heil schauen sollten; und darum sprach er, Jezt ist meine Seele betrübt. Und weiter sagt der Herr, Was soll ich sagen? Vater hilf mir aus dieser Stunde? Doch darum bin ich in diese Stunde gekommen. Der Herr m. g. F. indem er hier die Frage aufwirft, Soll ich sagen, Vater hilf mir aus dieser Stunde, antwortet sich selbst auf diese Frage mit den Worten, Doch darum bin ich in diese Stunde gekommen; nicht bin ich in diese Stunde gekommen, damit durch eine besondere Rettung die große Bedeutung derselben verloren gehe, sondern ich soll darin ausharren und ihren Zwekk erfüllen. So sehen wir denn hier die göttliche Weisheit die sich an ihm offenbarte, wie er auch in Beziehung auf die uns unbegreiflichen Fügungen Gottes mit ihm das zwar annehmen sollte, was zur menschlichen Schwachheit gehört, aber doch immer ohne Sünde, so daß er auch darin uns ein Vorbild gelassen hat, in dessen Fußtapfen wir treten sollen. Wol mußte er darin uns allen gleich werden, daß je näher er dem Ziele seines irdischen Lebens kam, desto mehr sich in ihm ein Gedanke an den andern knüpfte, wie in ihm und durch ihn die göttlichen Rathschlüsse ausgeführt werden sollten. Aber wenn er sich nicht vertiefen wollte in unbestimmte Gedanken, wie dieses und jenes in seinem Leben anders sein könnte, wenn dieser oder jener Umstand sich nicht ereignet hätte: so war das eben das vorbildliche an ihm, welches wir nachahmen sollen. Auch wir sollen mit unsern Gedanken die Wege begleiten, welche der Höchste uns führt, damit wir immer mehr seine heiligen und gnädigen Absichten ver|stehen lernen; aber nicht sollen wir aus unserm Leben dieses oder jenes wegwünschen, was ein Theil der Rathschlüsse Gottes ist, sondern immer darüber festhalten, daß wir dazu in jede Stunde gekommen sind, damit der allein weise Rathschluß Gottes an uns und durch uns ausgeführt werde, damit alles in Erfüllung gehe, wodurch die Verklärung dessen den Gott zu unserm Heile gesandt hat zu Stande kommt. Daher anstatt das Wort auszusprechen, welches er sich in der Frage vorlegt, Was soll ich sagen? Vater hilf mir aus dieser Stunde? drükkt er es als Wunsch seines Herzens aus, indem er sagt, Vater verkläre deinen Namen. 2–4 Lk 23,28
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Und darin m. g. F. sollen sich auch unter uns alle Wünsche vereinigen. Wie es Thorheit ist, wenn wir die kurzsichtigen Söhne der Erde uns herausnehmen die Wege Gottes zu meistern, wie wir dann jedesmal, sobald wir uns recht besinnen, in dem Gefühl unserer Schwachheit mit jenem ausrufen müssen, Herr vergieb; ich bekenne daß ich unweislich geredet habe was mir zu hoch ist und ich nicht verstehe; wie Gott allein weise ist und allein die Wege kennt, auf denen die Rathschlüsse seiner gnädigen und väterlichen Liebe in Erfüllung gehen sollen: so sollen auch unsere Wünsche darin sich vereinigen, daß der Herr seinen Namen verklären möge. Aber was heißt das was der Erlöser hier wünscht und erfleht, daß der himmlische Vater seinen Namen verklären möge? Gott, der Vater unsers Herrn Jesu Christi und zugleich der unsrige, wohnt wie die Schrift sagt in einem Lichte dahin niemand kommen kann, in einem Lichte welches ewig in sich selbst gleich ist ohne Verringerung und Vermehrung. Daher können wir uns auch von einer Verklärung Gottes, die eine Verklärung seiner selbst und für ihn selbst sein soll, keine klare Vorstellung, keinen deutlichen Begriff machen. Aber es ist ein inni|ger Wunsch unsers Herzens, den der Herr selbst uns in den Mund legt und den wir täglich im Gebet aussprechen, daß der Name des himmlischen Vaters geheiligt werde. Und geheiligt wird sein Name durch alles was wir thun um unsere Gemeinschaft mit ihm zu beleben und zu befestigen, durch alles was geschieht um seine ewigen Rathschlüsse zur Ausführung zu bringen. In demselben Maaße als dies geschieht wird dann zugleich der Name des Vaters verklärt, ja beides ist völlig eins und dasselbe. Es gehört also zu der Verklärung des göttlichen Namens für die Menschen, daß sie immer näher kommen dem himmlischen Lichte in welchem der Vater wohnt, damit sie ihn sehen; daß die lebendige Erkenntniß Gottes, seiner Wege und seines Willens sich immer mehr unter ihnen verbreite und immer fester in ihnen wurzele, damit keine Dunkelheit Plaz finde zwischen ihnen und Gott; daß durch diese Erkenntniß ein unerschütterliches Vertrauen auf seine alles wohl machende Weisheit in ihren Seelen gegründet werde, und so sein Name ihnen verklärt und verherrlicht. So war es also nichts anderes, was die Seele des Herrn bewegte indem er betete, Vater verkläre deinen Namen, als seine erlösende und beseligende Liebe, mit welcher er das menschliche Geschlecht umfaßte. Das führt er hier in dem verlesenen Abschnitt aus in der besondern Beziehung auf jene göttliche Fügung, nach welcher das Waizenkorn in die Erde fallen mußte und ersterben, und von welcher damals seine Seele erfüllt war. Er wußte daß das Volk dem er angehörte in dem Messias nur einen weltlichen Herrscher im Glanze irdischer Hoheit, nur einen Befreier vom bürgerlichen Drukke, nur einen Wiederhersteller des längst umgestoßenen 5–6 Hiob 42,3 12–13 Vgl. 1Tim 6,16 1Tim 6,16 36–37 Vgl. Joh 12,24
13–14 Vgl. Jak 1,17
25–26 Vgl.
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Thrones Davids erwartete; er wußte daß selbst seine Jünger, die er doch von Anfang an bald dunkler bald vernehmlicher auf den großen Zwekk seiner Sendung hingewiesen hatte, in ihrem Glauben würden wankend gemacht werden durch seinen Tod. Deshalb bittet er auch für sie, Vater verkläre deinen Namen, | und giebt ihnen die Versicherung, er habe für sie gebeten, damit ihr Glaube nicht aufhöre; und Johannes macht uns weiterhin in unserm Evangelio deutlich, wie der Herr die nun folgende noch übrige Zeit seines Lebens benuzt habe sie in seinen Gesprächen auf seinen Hingang zum Vater vorzubereiten und sie in Beziehung auf seine baldige leibliche Trennung von ihnen durch die herrlichsten Hoffnungen und Tröstungen zu stärken, auf daß ihr Glaube nicht aufhöre, sondern sich festhalten möchte unter den Versuchungen die ihnen drohten. So m. g. F. soll auch uns in den Wegen des Höchsten sein Name verklärt werden. Die göttlichen Fügungen die sich auf das Leiden und den Tod unsers Herrn beziehen, sind und werden uns immer mehr anschauen lassen das höchste der göttlichen Weisheit, ohne daß uns jemals die Liebe des himmlischen Vaters zweifelhaft werden könnte; denn daran preiset Gott seine Liebe gegen uns, daß Christus für uns gestorben ist da wir noch Sünder waren, und regt uns dadurch auf zu der Hoffnung, daß der welcher uns seinen Sohn gegeben hat uns mit ihm auch alles geben werde, was in Wahrheit ein Gut für uns ist und uns dazu gereichen kann, seiner ewigen Liebe froh zu werden. Die göttliche Weisheit, wenn sie sich jemals unsern Augen verdunkeln könnte, tritt für uns immer wieder in ein helles Licht, so wir uns der Betrachtung hingeben, wie der Anfänger und Vollender unsers Glaubens durch Leiden und Tod eingehen mußte in seine Herrlichkeit, wie das Waizenkorn ersterben mußte, ehe es viele Früchte bringen konnte, wie also in demjenigen was allen das dunkelste zu sein schien, nämlich daß das Licht nur eine so kurze Zeit unter die Menschen gesandt war, wie gerade darin die ewige Weisheit Gottes sich aufs vollständigste verherrlichte. So ergießt sich also der Erlöser in dem herz|lichen Wunsche für seine Brüder, daß der Vater möge seinen Namen verklären. Da kam eine Stimme vom Himmel, Ich habe ihn verklärt und will ihn abermal verklären. Da sprach das Volk das dabei stand und zuhörte, Es donnerte. Die andern sprachen, Es redete ein Engel mit ihm. Jesus antwortete und sprach, Diese Stimme ist nicht um meinetwillen geschehen, sondern um euretwillen. Wenn wir diese kurze Erzählung erwägen, so giebt sie uns den klarsten Beweis, wie wenig Ursache wir haben es zu bedauern, daß die Zeit solcher wunderbaren Erscheinungen nun vorüber ist, und wie wir uns in allem was unser Verhältniß zu Gott und dem Erlöser betrifft, nur zu halten haben an 5–6 Vgl. Lk 22,32 17–19 Vgl. Röm 5,8 19–20 Vgl. Röm 8,32 Hebr 12,2 25 Vgl. Lk 24,26 25–26 Vgl. Joh 12,24
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das Wort Gottes welches uns gegeben ist. Da kam, heißt es, eine Stimme vom Himmel. Aber der Herr selbst sagt, daß diese Stimme nicht um seinetwillen geschehen sei, als eine Antwort die er bedurft hätte auf seine Bitte, Vater verkläre deinen Namen, denn er wußte ja daß der Vater ihn immer erhörte; sondern die Stimme geschah für die welche um ihn waren. Was hatten nun diese davon, daß die Stimme geschah? Die welche sprachen, Es donnerte, hatten ja die Worte nicht vernommen, welche Johannes uns verdolmetscht wiedergiebt; denn wenn sie dieselben vernommen hätten, so würden sie nicht gesagt haben, Es donnerte, weil sie den Donner doch nicht verwechseln konnten mit der himmlischen Stimme. Die welche sprachen, Es redete ein Engel mit ihm, hatten die Stimme nicht auf sich bezogen, sondern gemeint, der Engel rede nur mit dem Herrn und habe es nur mit diesem zu thun, und hatten also die Worte auch nicht deutlich vernommen. Für wen war also die himmlische Stimme? | Wenn wir so fragen, so macht uns Johannes das deutlich durch seine Worte, Ich habe ihn verklärt und will ihn abermal verklären. Ob dies wirklich die Worte waren, welche die Stimme vom Himmel redete, sagt uns Johannes nicht, sondern nur den Sinn der Worte giebt er uns hier an. Er also hatte die Meinung, den Sinn jener Stimme vernommen, und mit ihm die übrigen Jünger, während der große Haufe nicht verstand was da geschah. Das m. g. F. heißt aber nichts anders als daß nur die welche schon im Glauben waren, weil sie sich hielten an den welcher die Worte des Lebens hatte, die Bedeutung jener himmlischen Stimme vernehmen konnten. Und deshalb weil der Glaube schon in ihrem Innern aufgegangen war, bedurften sie auch nicht einer wunderbaren Bestätigung ihres Glaubens, ja die himmlische Stimme konnte demselben keinesweges eine unerschütterliche Festigkeit und eine volle Klarheit in ihrem Innern geben, denn der Erlöser wurde dadurch nicht der Arbeit überhoben, seine Jünger zur Befestigung ihres Glaubens noch ferner zu belehren und sie vorzubereiten auf die Versuchung die ihnen bevorstand. Und so m. F. ist es damit immer gewesen. Das wunderbare und natürliche, wenn wir darauf achten, wie beides auf das menschliche Gemüth wirkt, ist gar nicht so unterschieden wie wir gewöhnlich glauben. Das wunderbare als solches, wenn ihm nicht ein auf dem gewöhnlichen natürlichen Wege empfängliches Herz entgegenkommt, kann nichts in dem Menschen befestigen, und es bleibt völlig unwirksam für jeden der das natürliche Walten des Geistes nicht erkannt hat. Daher auch nur die Jünger, welche ergriffen waren von der Rede des Herrn, so daß sie sagen durften, Du hast Worte des ewigen Lebens, konnten den wahren Sinn der Stimme vom Himmel vernehmen; aber das Volk, welches den Erlöser anders haben wollte als er 4–5 Vgl. Joh 11,42
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war, entfernte sich dadurch von der innern Wahrheit der himmlischen Stimme und brachte sich so selbst um das Verständniß derselben. | Wenn nun der Sinn jener himmlischen Stimme der war, Ich habe ihn verklärt und will ihn abermal verklären: so laßt uns fragen, was bedeutet diese zwiefache Verklärung? Wir finden aber die Antwort auf diese Frage in den folgenden Worten des Herrn, Jezt geht das Gericht über die Welt, nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden. Und ich wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen. Hier m. g. F. führt uns der Erlöser auf den ersten Gegensaz zwischen ihm und dem Fürsten der Welt und der Welt selbst, über welche das Gericht erging. Wie er hier die Welt und das Reich Gottes einander entgegensezt, so auch stellt er sich als den Stifter des Reiches Gottes dem gegenüber der die Welt regiert. Wenn er nun sagt, Nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden: so meint er damit offenbar, daß ihm nun die Macht werde genommen werden, indem das Gericht über die Welt ergehe; und eben dies hängt genau zusammen mit der Verklärung des göttlichen Namens, um welche der Erlöser seinen Vater bittet; denn in demselben Maaße als dem Fürsten der Welt die Macht genommen wird, wird auch der Name des himmlischen Vaters verklärt. Wie nun die Worte, Ich habe ihn verklärt, in die Vergangenheit zurükkführen, so weisen die andern Worte, Ich will ihn abermal verklären, in die Zukunft hinaus. Will nun der Herr einmal oder öfter seinen Namen verklären? Alle Verklärung des göttlichen Namens faßt der Herr hier in dem Worte zusammen, daß über die Welt das Gericht ergehe, und daß das Reich Gottes begründet werde. Was die Vergangenheit betrifft, so ist alles was in derselben göttliche Offenbarung genannt werden kann, als ein unzertrennliches Ganze ausgedrükkt durch die Worte, Ich habe ihn verklärt. Verklärt hat der himmlische Vater seinen Namen dadurch, daß er den Menschen von Anfang an, so sie deß wahrnehmen an den Werken der Schöp|fung, sein unsichtbares Wesen, seine ewige Kraft und Gottheit zu erkennen gegeben; verklärt hat der himmlische Vater seinen Namen dadurch, daß er sich während alle Geschlechter der Menschen das Bewußtsein von ihm getrübt hatten und in Abgötterei versunken waren, ein Volk erwählt und bewahrt hat, welches bestimmt war den Glauben an einen einigen Schöpfer Himmels und der Erde durch alle verschiedene Zeiten hindurch zu erhalten, bis derjenige erscheinen konnte auf welchen alle warteten. Das ist der Sinn der Worte, Ich habe ihn verklärt; und will also die himmlische Stimme damit dasselbe sagen, was der Apostel so ausdrükkt, daß Gott der Herr sich nirgend und niemals habe unbezeugt gelassen. Und wenn die himmlische Stimme weiter sagt, Ich will ihn verklären: so weiset dies hin auf das Reich 30–32 Vgl. Röm 1,20
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Gottes, welches durch unsern Herrn sollte gestiftet und durch seinen Tod fest begründet werden, und welches bestimmt ist von da an durch die treue Arbeit der seinigen zu wachsen und sich immer weiter auszubreiten, bis alle Geschlechter der Menschen in dasselbe eingegangen sind. In diesem Werke der ewigen Liebe und Weisheit, wie es sich erbauen soll durch alle Zeiten, spiegelt sich der himmlische Vater ab, so daß wir ja doch keine andere Verklärung seines Namens, die nicht damit eine und dieselbe wäre, zu erwarten haben. Denn der Vater hat seinen Namen verklärt dadurch daß er seinen Sohn gesandt und ihn hingegeben zum Heil der Welt; dadurch hat er seinen Namen verklärt für alle Zeiten und für alle Völker die noch kommen werden; und in jener großen Zeit, als der Herr den Tod am Kreuze erlitt und das Waizenkorn in die Erde gesenkt werden mußte, als nachher auf diesen Grund das Evangelium verkündigt wurde in der Welt, da ward auch der Grund gelegt zu dieser fortwährenden Verklärung Gottes, seines und unsers himmlischen Vaters. Das war das Gericht, welches über die Welt erging und in welchem der Fürst | dieser Welt ausgestoßen wurde; das war das Gericht, wodurch dem der die Gewalt des Todes hatte, so daß die Menschen Knechte waren ihr Leben lang, die Gewalt genommen wurde und demjenigen gegeben, der die Menschen frei macht durch die Wahrheit welche er selbst der Sohn Gottes vom Himmel gebracht hat, indem er selbst der Weg ist, die Wahrheit und das Leben. Und so faßt nun der Herr alle Verklärung des göttlichen Namens zusammen in die Worte, Und ich wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen. Wenn nun der Evangelist zu diesen Worten als seine eigene Deutung derselben hinzufügt, Das sagte er aber zu deuten welches Todes er sterben würde: so soll uns das doch nicht hindern in diesen Worten neben dem Erhöhtwerden des Herrn an das Kreuz zugleich zu sehen sein Erhöhtwerden zur rechten des Vaters. Durch Leiden und Tod sollte er ja eingehen in die Herrlichkeit die er bei seinem Vater hatte ehe der Welt Grund gelegt war. Weil sein Tod es war, woran die Gewalt der Sünde sich brach, so war er es auch, wodurch ihm alle Gewalt gegeben wurde im Himmel und auf Erden. Und wenn der Herr sagt, So will ich sie alle zu mir ziehen: so wollen wir diesen Worten auch ihr volles Recht geben, und ihnen nicht etwa engere Grenzen sezen als der Herr selbst gethan, als ob er nur einige zu sich ziehen wolle, andere aber gänzlich ausschließen aus seiner Gemeinschaft; sondern wir wollen die Worte in ihrer unbeschrankten Allgemeinheit verstehen, und hoffen, der Herr werde alle erlösen und zu sich ziehen, und er sei bestimmt das ganze menschliche Geschlecht selig zu machen. 8–9 Vgl. Joh 3,17 12 Vgl. Joh 12,24 16–18 Vgl. Hebr 2,14–15 19 Vgl. Joh 8,32 20–21 Vgl. Joh 14,6 29–30 Vgl. Joh 17,24 32 Vgl. Mt 28,18
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Wenn nun der Evangelist weiter sagt, Da antwortete ihm das Volk, Wir haben gehört im Gesez, daß | Christus ewiglich bleibe, und wie sagst du denn, Des Menschen Sohn muß erhöht werden: so ist das eine Frage des Volks, die wir billigen und loben müssen. Sie wollten doch was der Erlöser von sich selbst sagt, verbinden mit dem was sie aus der Schrift über Christum gehört hatten; aber sie wußten beides nicht zu vereinigen. Christus soll ewig bleiben; und doch redet er von seinem Tode. Woran lag es denn, daß sie dies nicht verstanden? Sie dachten sich unter dem ewigen Bleiben Christi dies, daß er ihr weltlicher König sein werde und sie auf eine äußerliche Weise befreien von dem Drukke jener fremden weltlichen Herrschaft unter welcher sie lebten; und damit wollte sich freilich der Gedanke an seinen Tod nicht vertragen. Und wenn der Herr ihnen auf ihre Frage erwiedert was wir gelesen haben, Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt dieweil ihr das Licht habt, daß euch die Finsterniß nicht überfalle. Wer in Finsterniß wandelt, der weiß nicht wo er hingeht. Glaubet an das Licht, dieweil ihr es habt, auf daß ihr des Lichtes Kinder seid: so müssen wir sagen, er geht in diesen Worten auf ihre Frage gar nicht ein, und giebt ihnen nicht den Aufschluß den sie von ihm erwarteten. Warum mißgönnt er ihnen denn eine Erleuchtung über das wonach sie fragten? warum sagt er ihnen nicht deutlich und frei heraus, daß er sich selbst meine, daß er von seinem ewigen Bleiben rede, aber freilich nicht von einer leiblichen sondern von einer geistigen Gegenwart unter ihnen bis an der Welt Ende. Darüber m. g. F. bekommen wir Aufschluß in den folgenden Worten, worin uns gesagt wird, der Herr sei hinweggegangen und habe sich vor ihnen verborgen. Er kannte sie, daß wenn er sich deutlich als Christum zu erkennen gegeben, sie wieder kommen würden, um ihn zu ihrem irdischen Könige zu machen. Eben deshalb geht er nicht ein auf ihre Frage, aber sagt ihnen doch, daß er selbst derjenige sei der da kommen sollte; | denn nur auf ihn konnten sie beziehen was er von dem Lichte sagt. Ja wenn er sich selbst schlechthin das Licht nennt, so sagt er damit das größte von sich aus. Wandelt dieweil ihr das Licht habt, daß euch die Finsterniß nicht überfalle. Wendet euch hin zu dem himmlischen Lichte, welches für euch alle erschienen ist; laßt dasselbe in euer Inneres hinein scheinen, damit ihr euren geistigen Zustand erkennet und sehet was euch noth thut; laßt dieses Licht euren Lebensweg erleuchten, damit ihr für euren ganzen Wandel eine feste Richtschnur habt und euer Ziel nicht verfehlet; denn noch ist es bei euch, darum säumet nicht bis etwa das Licht von euch genommen wird. Und wenn der Herr dann hinzufügt, Glaubet an das Licht, dieweil ihr es habt, auf daß ihr des Lichtes Kinder seid: so führt er sie von ihrem eigenen Bedürfniß auf das viel größere gemeinsame hin. Und das wollen wir uns alle stets gesagt sein lassen. Die Hauptsache, das wesentliche ist und bleibt für uns, zu wandeln im Lichte und an dasselbe zu glauben so lange
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es da ist, und von demselben nicht zu weichen, so daß uns nichts irre machen kann in der Treue an seinem Werke und in dem Gehorsam gegen sein Wort. Aber alle Fragen über Christum, wer er eigentlich sei, wie das Verhältniß des göttlichen und menschlichen in ihm gedacht werden müsse, Fragen wodurch die Christen von Anfang an sich getheilt haben, die sind nüzlich freilich und wichtig und der höchste würdigste Gegenstand menschlicher Forschung; aber sie machen nicht die Hauptsache aus, sie sind nur das zweite, sie sind gleichsam Fragen der zweiten Ordnung. Das Licht im Glauben festzuhalten und treu darin zu wandeln, darauf beruht unser aller gemeinschaftliches und eines jeden besonderes Heil. Uns nicht zu zerstreuen durch solche Fragen, von denen der reine Segen, der ewige Gewinn des großen Werkes welches unser Herr und Erlöser zu verrichten gekommen ist, nicht abhängt, sondern unverwandt hinzublikken auf das göttliche Licht welches uns aufgegangen ist, und nach demselben unsern Wandel | zu richten, das ist und soll bleiben die Hauptsache in unserm Leben. Diesen Weg wollen wir gehen; nur so sorgen wir für unser wahres Heil. Diesen Weg wollen wir nie aus den Augen verlieren; denn es giebt kein Wort des Herrn, das uns theurer sein dürfte als dieses, daß er unser Licht ist, und daß uns geziemt an das Licht zu glauben und im Lichte zu wandeln. Dem soll alles andere nachstehen. Darin stets fortzuschreiten, daß wir klar sehen wie in Christo unserm Herrn das göttliche und menschliche vereint war, das ist das Wachsthum in der christlichen Erkenntniß, welches uns niemals gleichgültig sein darf. Aber so lange es noch für uns Finsterniß giebt, können wir durch solches Forschen, wobei es uns nur auf Berichtigung und Erweiterung unserer Erkenntniß ankommt, nur zu leicht dahin gebracht werden, daß wir das Licht des Lebens verlieren und dann in Finsterniß wandelnd nicht wissen wo wir hingehen. Darum laßt uns über dem Forschen das viel größere immerdar festhalten, daß wir im Lichte wandeln und an das Licht glauben. So wird uns jene traurige Finsterniß, in welcher es keinen Antheil giebt an den Segnungen des Herrn, nicht überfallen; so werden wir Kinder des Lichtes und als solche Erben des ewigen Lebens. So sei es jezt und immerdar. Amen.
9–10 Vgl. 1Joh 1,7
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Oculi, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Lk 23,7–11 Nachschrift; SAr 111, Bl. 13r–16r; Sobbe Keine Nachschrift; SAr 114, S. 104–112; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 25r–28v; Woltersdorff Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am Sonntage Oculi Tex t. Luc. 23, V. 7–11. Als aber Pilatus vernahm, daß er unter Herodis Obrigkeit gehörte, übersandte er ihn zu Herodes, welcher in denselben Tagen auch zu Jerusalem war. Da aber Herodes Jesum sah, ward er sehr froh; denn er hatte ihn schon längst gern gesehen; denn er hatte viel von ihm gehört, und hoffte, er würde ein Zeichen von ihm sehen. Und er fragte ihn mancherlei; er antwortete ihm aber nichts. Die Hohenpriester aber und Schriftgelehrten standen und verklagten ihn hart. Aber Herodes mit seinem Hofgesinde verachtete und verspottete ihn. M. a. F. dieß ist ein Umstand aus der Leidensgeschichte unseres Erlösers, den wir nur in diesem Evangelium aufgezeichnet finden. Er erscheint auch in Beziehung auf den Ausgang der Sache unbedeutend; denn der konnte dadurch gar nicht weder geändert noch aufgeschoben werden. Aber das bedeutende in allem, was so äußerlich zu dem Leiden des Erlösers gehört, ist doch immer nichts anderes, als das Verhältniß desselben zu der Sünde und wir mögen wohl sagen: es giebt keine wichtigere Betrachtung des Erlösers in seinem menschlichen Leben und Leiden, als wenn wir ihn der Sünde gegenüber erblicken; so wie es auch für diese kein richtigeres Maaß giebt, als wenn wir sie sehen dem gegenüber, der allein rein war von jeder Spur derselben. Und wenn wir den verlesenen Abschnitt in dieser Beziehung betrachten, so werden wir darin viel Veranlassung finden, uns über das menschliche Verderben und das Verhältniß des Erlösers zu demselben zu unterrichten, und das sey denn der Gegenstand unserer jetzigen Betrachtung.
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I. Das erste m. g. F. ist wohl dieß, daß uns erzählt wird, Herodes hätte schon längst gern Jesum gesehen und wurde deswegen nun froh, daß er ihn sah. Aber warum hätte er denn den Herrn längst gesehen und hatte ihn doch nicht gesehen? hatte sich der Erlöser vor irgend jemand verborgen? konnte er nicht zu Herodes eben so gut sagen, wie er es zu anderen sagte: habe ich nicht öffentlich gelehrt im Tempel und in den Schulen? und hätte er ihn da nicht hören können und sehen? Ja auch jetzt, wo Herodes in diesen Tagen des Festes in Jerusalem war und der Erlöser um deswillen auch da war, er aber täglich in den Tempel ging, um zu lehren, so hätte ihn ja derselbe Zweck dort können und sollen mit Herodes zusammen führen. Warum hatte er ihn denn auch dort nicht gesehen? Wir können wohl keine andere Antwort geben, als daß wir sagen: in die Schulen, wo Jesus lehrte ging Herodes nicht, und im Tempel zum gemeinsamen Gebet fand er sich auch nicht ein, wiewohl | er von seinem gewöhnlichen Aufenthalt nach Jerusalem gekommen war, und das zeigt uns, wie verderbt damals und wie sehr einer Erneuerung bedürftig die große Angelegenheit der öffentlichen Belehrung und der öffentlichen Verehrung Gottes war. Das Lehren, das Erklären des göttlichen Wortes, das geschah in den Schulen. Es war abgesondert von den heiligen Gebräuchen und Opfern, welche täglich im Tempel dargebracht wurden. In dieser Absonderung nun erschien die Lehre als etwas untergeordnetes und als Nebensache, auf welche wenig gelegt wurde, wieviel oder wie wenig jemand daran Theil nahm. So lesen wir es auch in der Schrift von jenem Pharisaer, welcher im Tempel betete, daß er sich nicht dessen rühmte daß er fleißig wäre zu hören die Lehrer, welche das göttliche Wort erklärten, sondern er rühmte sich einer genauen Beobachtung aller äußeren Gebräuche. Das m. g. F. das war der damalige Zustand, wobei dasjenige in Schatten gestellt wurde, was doch allein im Stande gewesen wäre, das Gesetz mit allen seinen Vorschriften in einen klaren Zusammenhang zu bringen und die Gemüther von dem äußeren auf das Innere zurückzuführen und daher entstand es auch, daß von dem Volk gesagt werden mußte, es verehre Gott mit seinen Lippen und Händen in der Verrichtung aller Gebräuche und in der Darbringung aller Gaben, weil das Äußerliche nicht belebt wurde durch den Geist. Aber einen ähnlichen Vorfall haben wir auch erlebt in der Christlichen Kirche. Es gehört eben zu dem Verderben der menschlichen Seele, daß sie so leicht abgezogen wird von dem Inneren auf das Äußere. Je mehr sie im Stande ist, aus bloß äußerlichem sich etwas zusammenzusetzen, was in äußerlichen Zeichen die Gemeinschaft des Menschen mit dem Ewigen ausspricht, je mehr alles dieser Art gesondert ist von dem inneren Leben des Geistes, desto leichter gehet das Innere verloren. Und als die christliche Kirche in einen solchen Verfall gerathen war, da 6–7 Vgl. Joh 18,20
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war diese Erneuerung derselben nothwendig, für welche wir nicht unterlassen Gott zu danken, daß er eine Gemeinschaft unter den Christen gestiftet hat, die festhält an dem Wort, welches Geist und Leben ist und aus dem göttlichen Wort die Gemüther der Menschen zu stärken und auf den rechten Weg zu leiten sucht. Nicht m. g. F. als ob es jemals geben könnte eine Gemeinschaft auch in Beziehung auf das geistige Leben, welche von allem äußerlichen gesondert wäre. Wie nur Seele und Leib zusammen das Leben des Menschen auf dieser Erde bilden so gibt es auch kein gemeinsames Leben, welches nicht neben dem Geist auch eine leibliche Seite haben müßte. Aber daß wir nur immer beides im genauen Zusammenhang mit einander haben, daß nicht durch die Sonderung des einen von dem anderen verkehrte Vorstellungen von ihrem Werth entstehen; denn sonst würden auch wir gefangen werden unter die bloße Knechtschaft eines todten Buchstaben. Aber ein eigenthümliches hiermit zusammenhängendes Verderben zeigt sich uns hier darin, daß Herodes Christum auch nicht im Tempel gesehen hatte. Nämlich dort wurden täglich dargebracht die Opfer für das Volk. Das Volk selbst aber war dabei ein unthätiger Zuschauer. Sie wurden dargebracht zu Stunden, welche dem Gebet bestimmt waren und das Gebet versäumte nicht leicht einer, der den Ruf der Frömmigkeit zu haben trachtete; aber es war gleichgültig, wo das Gebet vorgenommen wurde. Daraus entstand denn, daß die Großen und Angesehenen sich immer mehr zurückzogen von der öffentlichen Gemeinschaft der Gottesverehrung. Herodes war zum Fest gekommen, aber im Tempel ließ er sich nicht sehen; er war gekommen, die heilige Woche des Osterfestes zu begehen, aber er hatte sich von | der Öffentlichkeit des Gottesdienstes zurückgezogen. Auch das hatte seinen Grund theils in jener Trennung der Lehre von den Gebräuchen, theils darin, daß es nur darauf ankam, die Gebräuche überhaupt zu verrichten, so mußten sie allen zum Heil und zur Förderung dienen, mogten sie Theil daran nehmen oder nicht. O. m. g. F. das ist ein besonderer Segen des Christenthums, daß die Gemeinschaft, welche es stiftet von der Art ist, daß, so weit es menschliche Verhältnisse zu lassen, der große Unterschied zwischen denen, welche herrschend über die Masse hervorragen und aller Augen als ein Gegenstand der Ehrfurcht ausgesetzt sind, und zwischen denen, welche sich in diese große Menge verlieren, verschwindet daß für alle ein gleiches geistiges Bedürfniß da ist und dieselben Mittel es zu befriedigen. Wahrlich sehr verderbt mußten schon seyn alle Vorstellungen von dem Segen der christlichen Gemeinschaft, von den Wirkungsarten der Verkündigung des göttlichen Worts, wenn Einzelne sich einbilden könnten, sie mögten diesen Segen davon tragen, wenn sie sich das Wort des Evangeliums verkündigen ließen in der Stille ihrer Häuser, wenn sie das Sakrament begingen, aber gesondert von der Gemeinschaft mit der geringen Zahl ihrer Hausgenossen. Wohl uns, daß wir das nicht können, daß von je an unsere Könige und Fürsten sich mit uns erbaut haben an diesen heiligen Stätten
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und mit uns begangen alle Heiligthümer der christlichen Gottesverehrung. Wäre das nicht gewesen neben jenem Verderben, dann hätte auch Herodes das huldvolle Angesicht des Erlösers geschaut und in anderen Verhältnissen als er hier ihm dargestellt wurde als ein Angeklagter und dann hätte er die Worte der Weisheit aus seinem Munde vernommen. II. Nun aber, wie er Jesum sah und froh ward, ihn zu sehen – was war es für eine Freude? Es war keine andere als die Freude einer lange gehegten und nun endlich befriedigten Neugier. Ja m. g. F. wundert euch nicht, daß ich auch diese zähle zu dem menschlichen Verderben welches uns aus dieser Erzählung entgegentritt. Freilich gibt es eine Neugierde, welche unschuldig zu seyn scheint und natürlich: daß die Menschen, was sie von den Thaten eines Ausgezeichneten erfahren haben zu berichtigen suchen und in ihrem Gemüthe lebendig zu erhalten durch den Anblik der Gestalt, das ist natürlich. Wir sehen es an als ein Zeichen einer regen Theilnahme an dem öffentlichen Leben, wenn so die Menge hinströmt, wo einer von den Bedeutenden zu sehen ist, der sonst nicht in ihre Nähe kommt. Aber wenn wir auf der einen Seite sagen müssen: es ist doch nun die kleinlichste Eitelkeit, die darin eine Art von Befriedigung finden kann, wenn wir bedenken, wie wenig Wahres es ist, was auf diesem Wege die Menschen bekommen, so müssen wir sagen: es ist keine Zeit, die der Mensch der bloßen Befriedigung dieser Neugierde widmet und kein Gegenstand, der nicht herabgewürdigt würde dadurch, daß er uns nichts anderes ist als dieß. Gebrauchen wir wohl jemals dieses Wort, wo die Rede ist von göttlichen Dingen, wenn auch nur auf eine entfernte Weise? Selbst wenn der Mensch herscht über das göttliche Wesen, wie er es nicht soll, wenn er einzudringen strebt in die Tiefen, von denen ihm sein eigenes Bewußtseyn wohl sagt, daß sie undurchdringlich sind, in die Tiefen dessen, der in einem verborgenen Lichte wohnt, selbst diese, freilich falsche, Richtung des menschlichen Forschungstriebes – keiner wird sie doch entweihen wollen dadurch, daß er sagt, es sey nur eine | leere Neugierde sich mit dem göttlichen Wesen zu beschäftigen. Nun meine geliebten Freunde soll uns ja nichts in Bewegung setzen als nur in Beziehung auf das göttliche Wesen und das göttliche Leben, jenes als den höchsten Gegenstand unserer Erkenntniß und den innigsten unserer Gemeinschaft, dieses als unseren heiligsten Beruf. Aus allem, was in der Schöpfung vor uns liegt, sollen wir die göttliche Allmacht zu erkennen suchen, alles, was unsern Verstand beschäftigt, o wir verdienen nicht mehr den Namen fromm zu seyn, wenn es uns ganz ausgeschlossen ist von der Beziehung auf unser Verhältniß mit dem höchsten Wesen. Die Neugierde aber hat es nur mit der vergänglichen Seite der Dinge zu thun. Sie haftet an 35–36 Vgl. Röm 1,19–20
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Am 26. Februar 1826 vormittags
dem, was an sich keine Bedeutung hat, und weit entfernt, daß aus der Befriedigung derselben eine wahre Nahrung des Geistes entstehen könnte, so führt sie den Menschen in die Gewalt des Eitlen und Leeren hinein. Aber wenn es schon dem besseren Menschen keine Befriedigung gewähren kann, ein Gegenstand der bloßen Neugierde zu seyn für die große Menge, so gehet sie doch gleichgültig an ihm vorüber und ob es viel oder wenig ist was die Menschen dadurch von ihm empfangen, das ist nicht seine Schuld. Aber unthätig, wie es hier dem Erlöser ging, der bloßen Neugierde ausgesetzt zu seyn, das ist eine tiefe Herabwürdigung und wir mögen es leicht empfinden, daß das mit zu dem Leiden des Erlösers gehörte, hier ausgesetzt zu seyn als ein Gegenstand der Befriedigung leerer Neugierde leerer Menschen, wie Herodes es war mit seinem Hofgesinde. Und von welcher Art war denn die Neugierde, mit welcher er den Erlöser betrachtete? – Das gibt uns einen Beweis von dem Wege, auf welchem die wandeln, die dieser Richtung Raum geben. Er hatte viel von Jesu gehört und hoffte er würde ein Zeichen von ihm sehen. Wie mußte er wohl von Jesu haben reden hören, daß er glauben konnte, bloß weil er ihn sehen wollte, würde der Erlöser seine göttlichen Gaben in Unkosten setzen? und welch ein Bild mußte unter diesen Umständen in seiner Seele seyn von dem Erlöser? aber so sehen wir es: die Neugierde hängt zusammen mit einem anderen Verderben. Wer rein die Wahrheit sucht, der wird nie in Gefahr seyn, der Neugierde einen bedeutenden Spielraum zu geben. Aber wer das Sonderbare sucht und das Auffallende, wer sich von diesem und jenem Winde des Gerüchts anwehen läßt, der ist auch auf dem Wege, sein Leben in der Befriedigung dieser oder jener leeren Neugierde hinzuspielen.
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III. Endlich aber m. g. F. da die Neugierde des Herodes sich gesättigt hatte auf der einen Seite an dem Anblick des Erlösers, auf der andern unbefriedigt geblieben war, weil ihm nichts gegeben wurde als dieser, so fing er an mit seinem Hofgesinde ihn zu verspotten. Wie kam er denn dazu und was hat es damit eigentlich auf sich? Was ist der Spott wohl anders als ein Bestreben dem Anderen das Gefühl seiner Nichtigkeit zu geben wovon wir aber überzeugt sind, daß er es nicht. Was erblicken wir also in dieser Handlungsweise? eine gänzliche Entäußerung des gewöhnlichen menschlichen Gefühls. Ja das müssen wir uns sagen: in jedem Augenblick, wo wir uns verleiten lassen können zum Spott, ist dieses Gefühl in unserer Seele verschwunden. Einen gegenwärtigen zum Gegenstand des Hohns zu machen, ihn von dem Gefühl seiner Nichtigkeit auf eine solche Weise durchdringen | zu wollen, daß nicht die Rede ist von einem ernsten Bestreben in uns, ihn aus der Nichtigkeit zu erheben, sondern so, daß wir uns freuen, indem wir uns für besser halten als ihn, das setzt voraus, daß das natürliche Gefühl, welches der erste Grundzug der menschlichen Seele ist, in diesem Augen-
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blick vernichtet sey. Und so müssen wir sagen: es gehört etwas dazu, daß das in der menschlichen Seele entstehe und da können wir wohl den Fall, der hier vor uns liegt, mit Recht dazu anwenden, um uns darüber zu belehren. Der Spott des Herodes hing auf der einen Seite zusammen mit seiner unbefriedigten Neugierde, aber freilich nur in sofern er eine hohe Meinung hatte von dem Unterschied zwischen ihm dem Fürsten und dem, der als Verklagter in die Gewalt seines Urtheils gegeben war. Er wollte, etwas sonderbares sollte vor seinen Augen geschehen, damit er sich alles auffallende erklären könnte, was er von ihm gehört hatte. Als nun Jesus dergleichen nicht that, da überzeugte er sich schnell, es sey wohl nichts mit alle dem, was er von ihm gehört hatte und so entstand die Neigung an die Stelle der einen Befriedigung die andere zu setzen und, da es ihm nicht gelungen war, sich an wunderbaren Thaten zu weiden, so versuchte er den Spott. Ist uns so der Mensch ein Gegenstand der Neugierde geworden, dann giebt es auch einen leichten Uebergang dazu, daß er uns ein Gegenstand des Spottes wird. Aber der Spott des Herodes hatte noch einen anderen Grund. Wenn uns gesagt wird, er habe schon viel von ihm gehört, so müssen wir dabei auf andere Stellen in unserem Evangelio zurückgehen. Da wird uns gesagt, es sey der Ruf von Jesu zu Herodes gekommen zuerst nach dem Tode des Johannes und er selbst oder sein Hofgesinde oder er mit ihm wurden voll Furcht, indem das Gerücht entstand, Johannes sey von den Todten auferstanden. Herodes selbst schien, das nicht zu glauben, aber die Furcht war dieselbe; denn er sprach, Johannes habe ich enthaupten lassen, aber wer ist dieser, der mir dieselbe Besorgniß erregt. Christus also war ein Gegenstand der Furcht für ihn gewesen. Diese Furcht war beseitigt, als er ihn vor sich sah. Gegenüber seinem Feinde wie er gefürchtet hatte konnte er nun mit großer Gelassenheit dem Ausgang der Sache entgegen sehen und als die Furcht vergangen war da trat der Spott ein. Wie die Schrift sagt, daß es eine Traurigkeit der Welt gibt, aus welcher der Mensch aber nur Verderben ärntet, und dagegen eine göttliche Traurigkeit, die zur Seligkeit führt, aber auch eine Furcht der Welt, vermöge welcher der Mensch sein Lebenlang ein Knecht ist. Die göttliche Furcht konnte und sollte auch stark seyn in Beziehung auf den Erlöser. Johannes hatte sie schon gepredigt, indem er sprach dem Baum ist schon die Axt an die Wurzel gelegt. Die Schrift drückt diese Furcht aus mit den Worten: was sollen wir zu erwarten haben, so wir solche Gnade nicht achten. Der Erlöser selbst ermahnt seine Jünger zu dieser Furcht; indem er spricht: wenn aber der Knecht wußte zu welcher Stunde sein Herr kommt, so würde er wach bleiben. Das ist die göttliche Furcht, aber die Furcht dieser Welt, das war die, welche Herodes hatte, das war die, welche die Hohenpriester und der Hohe Rath hatten, 18–22 Vgl. Mt 14,1–2; Mk 6,14–16; Lk 9,7 23 Vgl. Mk 6,16 7,10 34 Vgl. Mt 3,10; Lk 3,9 37–38 Vgl. Mt 24,50
29–31 Vgl. 2Kor
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indem sie meinten, da der Herr sich für den ausgebe, der da kommen sollte, so würde es nun geschehen seyn um ihr Reich und ihre Macht. Das ist die Furcht, von welcher sie selbst und das Volk das Verderben geärntet haben. Als nun diese Furcht | vertrieben war, da trat der Spott an die Stelle derselben und durch die Befriedigung dieser Neigung suchten sie sich schadlos zu halten für alle die trüben Stunden, welche ihnen die Furcht dieser Welt bereitet hatte. Doch warum sollte ich erinnert haben an einen solchen Zustand wenn es für uns nichts Ähnliches gäbe, wovor wir uns zu hüten haben. Ja m. g. F. wir dürfen es nicht leugnen, die Geschichte der Kirche lehrt es zu deutlich, daß was in dem einen Gemüthe die göttliche Furcht wirkt, in dem anderen diese weltliche Furcht wirkt; wir können es nicht leugnen, viele von jenen Vorstellungen unseres Glaubens, die für die Einen ein heiliger Sporn jener göttlichen Furcht sind für die Anderen ein Gegenstand abergläubischer Furcht. Wo wir diese finden, ach, da ist alles Fleisch. Aber an diesem Beispiel unseres Textes sehen wir wie der Aberglaube und Unglaube zusammen sind. Ist die abergläubische Furcht unterdrückt, dann gibt es nichts, was ihre Stelle einnimmt als der Unglaube, der sich umkehrt in Spott und Hohn, so wie die göttliche Furcht uns bewahrt vor jener fleischlichen Furcht. Diejenigen aber, welche, weil sie nur auf das Fleisch säen, wie eben Herodes und die Hohenpriester vom Fleische das Verderben ärnten, die sind auch geneigt zur weltlichen und fleischlichen Furcht. Das sehen wir aus unserm Text. Als Herodes Jesum mancherlei fragte, da schwieg er. Der schweigende Erlöser, o m. g. F. das ist eine Vorstellung, die uns mit einem heiligen Schauer erfüllt. Diese Lippen, immer bereit sich zu öffnen, um die Worte der Weisheit und des Lebens auszuströmen, die schließen sich in Gegenwart eines leeren Gemüths, dem aller Ernst für die Wahrheit fehlte, das alles Heilige herabgewürdigt hatte zum Nichtigen. Wenn der Erlöser aber schweigt, wo soll der Mensch dann hingehen, damit er Ruhe finde für seine Seele. Wenn die Lippen schweigen, welche allein die Wahrheit zu reden vermögen, wo soll dann der Mensch Erlösung finden vom Irrthum. Es schweigt aber der Erlöser jedem, welcher vor ihm steht wie Herodes, der sich ganz verschlossen hatte für die große Angelegenheit des Heils. Aber konnte es ihm wohl gleichgültig seyn, daß er schweigen mußte? Nein, m. g. F. das war der tiefste Schmerz seiner Seele und gewiß von dem innigsten Mitgefühl war er in diesem Augenblick erfüllt. O mögte es keinen mehr geben, dem der Erlöser schweigen muß. Mögte sein Bild, wie es vor uns steht jedem eine Aufforderung seyn, sich dem Ewigen zuzuwenden. Möge keiner seyn, der sich dadurch, daß er sich in das Irdische vertieft, unfähig macht, das geistige Auge zu öffnen für die Herrlichkeit des Herrn. Damit 24 erfüllt] erfüllen 28–29 Vgl. Mt 11,29
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das aber nicht geschehe, o so laßt uns sein Bild immer gegenwärtig haben in seiner reinen Gestalt; laßt uns aus seinen Reden über den Weg des Lebens alles vertreiben, was schwache Gemüther verleiten könnte, zur abergläubischen Furcht; laßt uns in allem, was wir in Beziehung auf ihn sagen und thun, so voll seyn von heiliger Ehrfurcht, daß Nichts was ihn und sein Leben betrifft, nur der Gegenstand ist einer leeren Neugierde. So werden wir das Unsrige thun, um ihn vor den Augen Aller in seiner göttlichen Würde darzustellen. Und wenn wir das Verderben erblicken, aus welchem sein Leiden hervorge|gangen ist, so möge das unser Entschluß werden, es tapfer zu bekämpfen, damit er nicht beraubt werde des Lohnes seiner Mühe und seiner Leiden. Amen.
[Liederblatt vom 26. Februar 1826:] Am Sonntage Oculi 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Nun laßt uns den etc. [1.] An deine Leiden denken wir, / Herr Jesu Christ, und danken dir, / Daß du so willig ihre Last / Zu unserm Heil getragen hast. // [2.] Wir folgen dir im Geiste nach / Zu jeder Stufe deiner Schmach, / Wir schau’n zu deinem Kreuz hinan / Und beten dich bewundernd an. // [3.] Wir segnen Herr den Dornenpfad, / Den uns zu gut dein Fuß betrat; / Uns strömet Kraft und Trost und Ruh / Aus deinen bittern Schmerzen zu. // [4.] Denn uns erwarb o Herr dein Tod / Die feste Zuversicht zu Gott, / Daß Er uns als ein Vater liebt, / Den Reuigen die Schuld vergiebt. // [5.] Daß ewig unsre Seele lebt / Und sich zur bessern Welt erhebt, / Die Lehre muß nun fest bestehn, / Dein heilges Reich kann nicht vergehn. // [6.] Mit ungewissen Schritten geht / Auf eigner Bahn, wer dich verschmäht; / Wir glauben dir und zweifeln nicht, / Du bist uns Leben, Trost und Licht. // [7.] Voll Dank und Freude folgen wir / Dir unserm Herrn und Retter hier, / Dort nimmst du nach vollbrachtem Lauf / Zu deiner Herrlichkeit uns auf. // Nach dem Gebet. – Mel. Herzliebster Jesu etc. [1.] Laß deinen Geist mich stets mein Heiland lehren, / Dein göttlich Kreuz im Glauben zu verehren, / Daß ich getreu in dem Beruf der Liebe / Mich christlich übe. // [2.] Das Gute thun und alles Böse meiden, / Herr das verlangt von mir dein heilges Leiden; / Könnt ich zugleich mir Sündliches erlauben / Und an dich glauben? // [3.] Wie sollt’ ich nicht des Lebens Kreuz und Plagen / In stiller Demuth mit Geduld ertragen, / Da du soviel für uns, die wirs verschuldet, / Aus Lieb’ erduldet! // [4.] Wie könnt’ ich Menschen, wenn auch Feinde, hassen, / Da du dein Leben auch für sie gelassen! / Nein, auch für alle, die mich untertreten, / Will ich noch beten. // [5.] Ich will Verachtung nicht mit Hohn vergelten, / Noch auch Verläumder rächend wieder schelten; /
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Auch du hast, als du fälschlich wardst gescholten, / Es nicht vergolten. // [6.] Ein mildes Herz, gleich deinem milden Herzen, / Sei unser Dank für deine Todesschmerzen; / Gott geb uns Kraft, wir flehns in deinem Namen, / Dir nachzuahmen. // [7.] Wenn des Verderbens Pfad ich nie betrete, / Im Glauben kämpfe, wachsam bin und bete, / So darf auch ich der Hofnung der Erlösten / Mich sicher trösten. // [8.] Lockt mich verkehrte Lust mit sündgem Reize, / So warne mich alsbald das Wort vom Kreuze; / Und werd ich matt in Uebung guter Werke, / Dies sey mir Stärke. // [9.] Und scheint dein Kreuz den Weisen dieser Erden / Nur Thorheit und nur Aergerniß zu werden: / Mir bleib es doch, trotz alles frechen Spottes, / Die Weisheit Gottes. // [10.] Ja wenn auch meine Sünden mich noch kränken, / Dein Kreuz wird stets mir wieder Ruhe schenken; / Von ihm kommt, wenn ich einst den Tod erleide, / Mir Fried’ und Freude. // [11.] Ich bin versöhnt in deinem theuren Blute, / Du lebtest und du littest mir zu Gute; / Du hast unendlich Heil, als du gestorben, / Auch mir erworben. // [12.] So bin ich selig auch schon hier im Glauben / Und nichts wird mir des Lebens Krone rauben; / Ich werde dort, von Herrlichkeit umgeben, / Herr, mit dir leben. // Nach der Predigt. – Mel. Mir nach spricht etc. [1.] Du Gottes Lamm Herr Jesu Christ, / Der du viel Angst und Plagen / Der Feinde Hohn, Gewalt und List / Geduldig hast getragen, / Verleih auch mir in Leidenszeit / Geduld und wahre Tapferkeit. // [2.] Du selbst bist zu der Herrlichkeit / Nur durch das Kreuz gegangen; / Auch ich kann ohne Kreuz und Leid / Zur Freude nicht gelangen. / Drum will auch ich in Noth und Pein / Wie du o Herr geduldig sein. //
Am 5. März 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Laetare, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 12,36–43 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LX, S. 348– 361; König Keine Nachschrift; SAr 56, Bl. 149r–157r; Schirmer Nachschrift; SAr 114, S. 112–121; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 25r–28v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
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Tex t. Joh. 12, 36–43. Solches redete Jesus und ging weg und verbarg sich vor ihnen. Und ob er wol solche Zeichen vor ihnen that, glaubten sie doch nicht an ihn, auf daß erfüllet würde der Spruch des Propheten Jesaia, den er saget, Herr wer glaubt unserm Predigen? und wem ist der Arm des Herrn geoffenbart? Darum konnten sie nicht glauben, denn Jesaias sagt abermal, Er hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verstokket, daß sie mit den Augen nicht sehen, noch mit dem Herzen vernehmen, und sich bekehren, und ich ihnen hülfe. Solches sagte Jesaias, als er seine Herrlichkeit sahe, und redete von ihm. Doch der Obersten glaubten viele an ihn; aber um der Pharisäer willen bekannten sie es nicht, daß sie nicht in den Bann gethan würden; denn sie hatten lieber die Ehre bei den Menschen, denn die Ehre bei Gott. | M. a. F. Es ist etwas seltenes in dem Evangelio und auch in den Briefen des Johannes, daß er so ausführlich zurükkgeht auf die prophetischen Weissagungen der Schriften des alten Bundes, und da wir die verlesenen Worte in ihrem eigentlichen Sinne verstehen wollen, so ist dies das erste worüber wir uns suchen müssen Rechenschaft zu geben. Der Zusammenhang aber ist dieser. Die Worte die wir neulich mit einander erwogen und erklärt haben, als das Volk Jesum fragte, wie denn das zu verstehen sei, da sie doch im Gesez gehört hätten, daß Christus ewig bleibe, er aber sage, des Men20–4 Vgl. die Frühpredigt am 19. Februar 1826 über Joh 12,27–36
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schen Sohn müsse erhöhet werden; und Jesus darauf zu ihnen sprach, das Licht wäre nur noch eine kleine Zeit bei ihnen, sie sollten nur das Licht festhalten und daran glauben, weil sie es hätten, auf daß sie des Lichtes Kinder wären, – diese Worte waren nach der Erzählung unsers Evangeliums die lezten, die der Herr in dem öffentlichen Verkehr mit seinem Volke redete; denn die folgenden Kapitel desselben enthalten nur Gespräche des Herrn mit seinen Jüngern. Wenn also Johannes hier sagt, Solches redete Jesus und ging weg und verbarg sich vor ihnen: so war dies nicht etwas auf den Augenblikk sich beziehendes, sondern es schwebte ihm vor in seiner Erinnerung als das Ende aller öffentlichen Lehren und Gespräche Christi mit der großen Menge des Volks. Darum knüpft er nun auch unmittelbar daran seine Ansicht und sein Urtheil über das ganze, indem er zuerst von dem Volke sagt, Ohnerachtet der Herr nun solche Zeichen unter ihnen gethan hatte, so glaubten sie doch nicht an ihn. Es war aber unmittelbar vorher von keinem Zeichen und Wunder das Christus gethan die Rede gewesen, und schon hieraus kann jeder abnehmen, wie Johannes hier zurükkgeht auf die ganze Zeit des Lehrens und Lebens Christi; und dann redet er am Schlusse der verlesenen Worte noch von den Obersten des Volks, und sagt, von denen hätten viele an ihn geglaubt, aber | der Pharisäer wegen hätten sie es nicht bekannt. Indem nun also dies ihm vor Augen schwebt, wie nach so vielen bald verborgenen bald deutlichen und nicht leicht mißzuverstehenden Andeutungen und Aeußerungen des Herrn, daß er derjenige sei der da kommen sollte, sie doch nicht an ihn geglaubt hatten: so geht ihm nun sein liebevolles Herz, wie wir es kennen, auf in herzlichem Mitleid über sein Volk, und er mochte wol bei sich selbst denken, ja wenn der Herr sich nicht verborgen hätte, wenn er länger unter ihnen gewandelt wäre und gelehrt hätte, ob sie nicht doch sollten umgekehrt sein und des Glaubens an ihn fähig geworden. Da steht ihm aber vor Augen wie es von jeher mit diesem Volke beschaffen gewesen und wie schon seit langer Zeit Gott der Herr durch den Mund ihrer Propheten über ihren Unglauben geklagt habe, und da sagt er, daß an ihnen auch in Beziehung auf Christum das Wort in Erfüllung gehe, das Wort welches Jesaias spricht, Herr wer glaubt unserm Predigen? und wem ist der Arm des Herrn geoffenbart? Laßt uns nun aber zunächst alles zusammenfassen, was Johannes hier von jenem prophetischen Worte spricht, und auch besonders nicht übersehen daß er sagt, Solches redete Jesus und ging weg und verbarg sich vor ihnen. Es lautet aber das ganze worauf Johannes zurükkgeht, in dem sechsten Kapitel jenes prophetischen Buches also. Des Jahres, da der König Usia starb, sah ich den Herrn sizen auf einem hohen und erhabenen Stuhl, und sein Saum füllete den Tempel. Seraphim standen über ihm, ein jeglicher hatte sechs Flügel; mit zweien dekkten sie ihr Antliz, mit zweien dekkten 32–33 Jes 53,1
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sie ihre Füße, und mit zweien flogen sie. Und einer rief zum andern und sprach, Heilig heilig heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll; daß die Ueberschwellen bebten von der Stimme ihres Rufens und das Haus ward voll Rauch. Da sprach ich, Wehe | mir, ich vergehe, denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen, denn ich habe den König, den Herrn Zebaoth, gesehen mit meinen Augen. Da flog der Seraphim einer zu mir, und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm, und rührete meinen Mund und sprach, Siehe hiemit sind deine Lippen gerührt, daß deine Missethat von dir genommen werde und deine Sünde versöhnet sei. Und ich hörte die Stimme des Herrn, daß er sprach, Wen soll ich senden? wer will unser Bote sein? Ich aber sprach, Hier bin ich, sende mich. Und er sprach, Gehe hin und sprich zu diesem Volk, Hört es und versteht es nicht, sehet es und merket es nicht. Verstokke das Herz dieses Volkes und laß ihre Ohren dikk sein und blende ihre Augen, daß sie nicht sehen mit ihren Augen, noch hören mit ihren Ohren, noch verstehen mit ihrem Herzen, und sich bekehren und genesen. Dieses m. g. F. sind die Worte welche Johannes im Sinne hatte und ausdrükklich sagte, Solches sprach Jesaias damals, da er seine Herrlichkeit sah, und redete von ihm. Wenn nun gleich eben jenes Gesicht des Jesaias die Veranlassung gewesen ist zu einem Gesange, welcher seit einer Reihe von Jahrhunderten in vielen Theilen der christlichen Kirche die Feier des heiligen Mahles unsers Erlösers zu begleiten pflegt: so dürfen wir doch sagen, ein solches Bild wie es hier beschrieben wird, geknüpft an den Tempel der mit Händen gemacht war, das Bild einer hohen aber doch äußerlichen in die Sinne fallenden und das leibliche Auge verblendenden und das Gemüth des Menschen in Demuth und in dem Gefühl seiner Nichtigkeit niederschlagenden Herrlichkeit, das ist nicht unmittelbar das Bild des Erlösers. Aber Johannes bezog es auf die Empfindungen seines Herzens und aller derer die mit ihm die kleine Schaar ausmachten, welche eine Ausnahme bildeten von diesem allgemeinen traurigen Wort, Sie glaubten doch nicht an ihn. Das waren die Empfindungen, von welchen er voll war als er sein Evan|gelium begann, und die er aussprach in den Worten, Wir aber sahen seine Herrlichkeit als eine Herrlichkeit des eingebornen Sohnes voller Gnade und Wahrheit. Da knüpfte sich nun dieses Bewußtsein, wie er selbst und diejenigen welche an den Herrn glaubten die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater in ihm geschaut hatten, und eben der Ueberzeu21–23 Gemeint ist das „Heilig, heilig, heilig ist (Gott) der Herr Zebaoth! Alle Lande sind seiner Ehre voll.“ Es findet sich so nicht in der Unierten Agende der Dreifaltigkeitskirche zu Berlin von 1822 (vgl. KGA III/3, S. 1000–1016), ist aber später in die Agende für die evangelische Kirche in den Königlichen Preußischen Landen von 1829 aufgenommen worden (dort S. 8; KGA III/3, S. 1026). 33–35 Joh 1,14
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gung voll geworden waren, daß er allein es sei, welcher die Quelle des Lebens werden müsse und der Genesung für alle Menschen, das knüpft sich an jenes dunkle prophetische Bild, mit welchem Jesaias seine Sendung empfängt. So wurden nun nach dem Hingange des Herrn auch Johannes und die übrigen Jünger gesandt unter das Volk, und als er sein Evangelium schrieb, hatte er schon die traurige Erfahrung gemacht, daß die Stunde desselben noch nicht gekommen sei, und – denn so scheint es, daß er der Wehmuth seines Herzens folgte – hatte er sich schon lange aus der Mitte desselben entfernt und suchte seine Wirksamkeit unter den Gemeinen in Asien, die aus Heiden gesammelt waren. Dieses betrübende niederschlagende Gefühl über den Unglauben seines Volks, das ist es, aus welchem heraus er diese Worte geredet, und aus welchen es sich nur erklärt, wie so zeitig der Herr sich verborgen hat vor seinem Volk, ohnerachtet nun gerade das Gespräch, welches wir uns neulich als das lezte unter denen die er öffentlich geführt vorgehalten haben, und die auch von uns erwogene Aeußerung derer die ihn hörten, einen leisen Schimmer von Hoffnung hätte geben können, daß sie im Stande wären umzukehren. Denn sie bezogen seine Rede auf die Hoffnung von welcher sie alle erfüllt waren. Aber freilich diese Hoffnung war nicht die welche nach dem Rathschlusse Gottes in Erfüllung gehen sollte. Denn wenn sie sagten, Wir wissen aus dem Gesez, daß Christus ewig bleibt: so dachten sie an die neue vergängliche Herrlichkeit eines irdischen Reiches, an den erneuerten Glanz der Macht, | in welchem der Messias sizen sollte auf dem Throne Davids und Salomos. Darum, wie sie auch früher in einem solchen Anfall eines verkehrten Glaubens den Herrn hatten greifen wollen, auf daß sie ihn zu ihrem Könige machten, so fügt der Erlöser nun ein Wort der Ermahnung hinzu, welches sie sollte auf die geistige Natur seines Reiches aufmerksam machen, indem er nämlich das Licht der Finsterniß entgegenstellt, und sie ermahnt an das Licht zu glauben und Kinder des Lichtes zu sein; und dann verbarg er sich vor ihnen, um in den geräuschvollen Tagen des Festes nicht etwa ausgesezt zu sein einem ähnlichen Getümmel, und seinen Feinden nicht die Veranlassung zu geben, die sie schon so lange an ihm gesucht hatten. Aber wenn wir nun näher diese prophetischen Worte betrachten m. g. F., so ist freilich darin manches was bedenklich und hart erscheint, und Zweifel erregen kann, wie Johannes es so hat anwenden können als ob Gott der Herr selbst das Herz seines Volkes verstokkt habe. Die ersten Worte freilich, die stellen nichts anders dar als was er selbst gesagt hatte, Herr wer glaubt unserm Predigen? und wem ist der Arm des Herrn geoffenbart? Das konnte auch der Erlöser von sich selbst sagen indem er sein öffentliches Leben und Amt niederlegte. Er hatte es nicht fehlen lassen am 1–2 Vgl. Joh 4,14 Joh 6,15
9–10 Vgl. Offb 2,1–3,22
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Predigen; er hatte auch hingewiesen auf den Arm des Ewigen und auf die Art wie er sich offenbaren will durch die geistigen Segnungen eines ewigen Reiches der Gnade und Barmherzigkeit. Aber die Predigt hatte keinen Glauben gefunden, und der Arm des Herrn, den er ihnen zeigen wollte, war dem Volke nicht offenbar geworden, welches ganz und gar versenkt war in sinnliche und irdische Hoffnungen. Und so waren diese Worte zugleich der Abdrukk der Erfahrung welche Johannes und die übrigen Apostel gemacht hatten während ihres Dienstes in der Mitte des jüdischen Volkes. Es hatte sich frei|lich gesammelt eine Gemeine von Christen in der Hauptstadt des Volkes, und in vielen Gegenden auch finden wir, daß die Predigt der Apostel, wie auch die Geschichte erzählt, nicht ohne Segnungen geblieben war. Aber was war doch das, was waren diese wenigen die nun den Israel nach dem Geiste bildeten, was waren sie gegen die ganze Masse des Volks? So wenig, daß sie doch nicht zu rechnen waren; und von dem ganzen galt immer was Johannes hier anwendet von der Klage des Propheten, Wer glaubt unserm Predigen? und wem ist der Arm des Herrn geoffenbart? Aber schwieriger freilich ist es mit dem andern; denn das führt uns nun auf das Wort zurükk welches Jesaias spricht, wie Johannes es hier ausdrükkt[,] Er hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verstokkt, daß sie mit den Augen nicht sehen, noch mit dem Herzen vernehmen. Dort aber heißt es, daß der Herr selbst zu Jesaias spricht, Gehe hin und sprich zu diesem Volk, Höret es und verstehet es nicht, sehet es und merket es nicht; verstokke das Herz dieses Volks, und laß ihre Ohren dikk sein, und blende ihre Augen, daß sie nicht sehen mit ihren Augen, noch hören mit ihren Ohren, noch verstehen mit ihrem Herzen. Nun freilich, war das der Auftrag des Herrn an seinen Propheten, war jene Klage desselben, die er voranschikkt, die Wirkung jenes Auftrages: nun so konnte sich Johannes wol so ausdrükken wie er hier thut, als ob der Herr selbst es sei, der ihr Herz verstokkt und ihre Augen verblendet habe. Aber wenn er doch hinzufügt, Auf daß sie mit ihren Augen nicht sehen, noch mit dem Herzen vernehmen, und sich bekehren, und ich ihnen helfen könne: so führt er uns dadurch, wenn wir nur seine Worte recht verstehen, eben zurükk auf die väterliche Liebe, auf die unerschöpfliche Barmherzigkeit des Höchsten. Denn hier drükkt er | noch seinen Willen aus ihnen zu helfen, wie es dort in dem Propheten selbst heißt, daß sie genesen sollen. Ist es nun der Wille Gottes, den Menschen zu helfen, und sie aus dem Zustande der Verstokktheit und eines todesähnlichen Schlummers zu wekken: so kann es nicht in demselben Sinn sein Wille sein, sie zu verblenden und zu verstokken. Als aber der Herr solche Worte zu Jesaias geredet hatte und ihm jenen Auftrag gegeben, da wallte auch dem Propheten, der auch sein Volk liebte, wie jedem geziemt das Volk zu lieben unter welchem er geboren und aufgewachsen ist, da wallte auch 12–13 Vgl. Röm 2,28–29; 9,8
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ihm sein Herz über, und als der Herr sprach, auch seine Predigten würden nichts weiter bewirken, wenn er auch bereit sei unter sie zu gehen, als sie aufs neue verblenden und verstokken, damit sie nicht genesen könnten: so erkühnt er sich gegen Gott seine Stimme zu erheben und fragt, Herr wie lange? Das war die Frage die auch dem Gemüthe des Evangelisten vorschwebte, als er die Worte des Propheten in Anwendung brachte; das war das Geheimniß des göttlichen Rathschlusses über das Volk des alten Bundes, welches so tief das Herz des Apostels Paulus bewegte, daß er sich darüber ausführlicher ausläßt in seinem Briefe an die Römer, wo er sagt, es sei Finsterniß gefallen auf Israel eine Zeit lang. Als aber der Prophet Jesaias fragte, Wie lange? da sprach der Herr, Bis daß die Städte wüste werden ohne Einwohner, und Häuser ohne Leute, und das Land öde liege, denn das Volk muß weggethan werden; und deutet damit hin auf das Verderben welches sie bald treffen sollte. Und diese Verwüstung und Zerstörung stand noch aufs neue bevor, als so dem Apostel das Herz überging in Beziehung auf das Volk, sie war damals nahe; und noch dauert sie fort, und noch währt die Zeit von welcher Paulus sagt, Finsterniß sei gefallen über Israel, und währe so lange bis die Fülle der Heiden eingegangen sei und das ganze Israel selig | werde. So tröstet sich Johannes, ist das der Rathschluß Gottes, muß die Zeit der Verblendung und Verstokkung noch länger dauern, weil das Volk sich nicht erheben kann von dem irdischen und leiblichen zu dem geistigen und ewigen: nun so müssen wir uns getrösten der spätern Zeit, wo auch ihnen die Gnade Gottes aufgehen wird, und seine Barmherzigkeit an ihnen in Erfüllung gehen. So m. g. F. ist es, die Liebe und Barmherzigkeit Gottes umfaßt alle Menschen, und er möchte ihnen helfen, daß sie alle genesen; aber auch die Sendung seines Sohnes, dieses alle umfassende und für alle hinreichende Mittel der Genesung und Beseligung konnte doch nicht anders wirksam sein, als nach der Ordnung und dem Gesez dieser irdischen Welt, eins nach dem andern, das eine früher, das andere später, unterworfen dem Wesen des Raumes und der Zeit, und sich richtend nach dem Zustande in welchem das Wort der Verkündigung die Menschen findet, und nach dem Maaße der Empfänglichkeit die ihnen beiwohnet. Früher werden die einen, später die andern Herzen gerührt; aber niemals hört auf das Wort der Verkündigung, niemals zieht der Herr wieder die Predigt zurükk, zu welcher er seine Diener ausgesandt hat, und so langsam reiht sich ein Erfolg an den andern, und das Werk des Herrn geht ununterbrochen fort in Zeit und Raum. Darum auch das Wort, sollte es unter uns wohnen, mußte Fleisch werden, und die herrliche und ewige Kraft desselben also den irdischen Gesezen unterthan, daß der Herr nicht nur in seiner Person, sondern seiner Wirksamkeit nach, 9–10 Vgl. Röm 11,25 Joh 1,14
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und also auch diejenigen welche er senden würde als seine Boten, erfunden würden als Menschen und in allen Stükken den Menschen gleich. Nachdem nun Johannes sich so selbst beruhigt, indem er sich an den Rathschluß der göttlichen Gnade, aber auch an das | was die Ausführung desselben hemmt in dieser irdischen Welt, erinnert, und schon das Wort einer alten Zeit angewendet auf die damalige: so geht er über auf den andern Theil des Volks, nämlich auf die Obersten und Führer desselben, und sagt von diesen, Doch der Obersten glaubten viele an ihn, aber um der Pharisäer willen bekannten sie es nicht, daß sie nicht in den Bann gethan würden; denn sie hatten lieber die Ehre bei den Menschen denn die Ehre bei Gott. Dies aber m. g. F. sagt er ohne irgend ein Wort weiter hinzuzufügen; und da sollte es denn natürlich sein, daß wir uns selbst fragen, wie hat er denn wol über diese gedacht? und was ist denn wol geworden aus den Obersten des Volks, und zwar nicht wenigen, wie er sagt, die an den Herrn glaubten, aber es nicht bekennen wollten, weil sie lieber hatten die Ehre bei den Menschen denn die Ehre bei Gott. Einer war unter diesen Obersten, der uns ein paarmal erscheint in dem Evangelio des Johannes, und zwar so, daß wir deutlich erkennen, das Herz des Jüngers eben so wenig als des Meisters war ihm verschlossen und abgewendet, jener Nikodemus, der auch aus Furcht freilich vor Menschen bei nächtlicher Weile zu Jesu kam um sich mit ihm zu unterreden über sein Seelenheil und den Grund seiner Lehre und seiner Sendung von ihm zu erheischen, und welchen wir hernach wiederfinden das Begräbniß des Herrn schmükkend und verherrlichend mit einem andern ihm gleichgesinnten Freunde aus derselben Klasse des Volks, den Joseph von Arimathia. Bei diesem Nikodemus nun m. g. F. hatte sich doch das Werk der Nacht verwandelt in Werke des Tages, denn das war nichts verborgenes oder was andern hätte entgehen können, daß er Antheil nahm an dem gekreuzigten Erlöser, und auf solche Weise ihm seine Ehrfurcht und Zuneigung bezeigte. Aber weder von ihm wissen wir, wie es mit ihm weiter ergangen, und ob er hernach ein eigentliches und lebendiges Glied gewesen sei in der Gemeine des Herrn, noch wird uns ein anderer von den | Obersten des Volks namhaft gemacht in jener ersten Geschichte der christlichen Kirche. Was sollen wir davon denken? Ach immer ist es etwas sehr zweifelhaftes um einen Glauben der sich nicht beweist in der Stunde des Bekenntnisses. Denn das ist die ewige Wahrheit des menschlichen Lebens, Weß das Herz voll ist, davon geht der Mund über; und wenn es eine Klugheit giebt, die dem Menschen oft den Mund verschließt in Beziehung auf das wovon das Herz voll ist: o so mögen wir wol sagen, und können nicht leugnen, geht sie davon aus Rükksicht zu nehmen auf sich selbst, wie Johannes hier sagt, Sie hatten lieber die Ehre bei den Menschen 20–23 Vgl. Joh 3,1–21
23–26 Vgl. Joh 19,38–42
37 Mt 12,34; Lk 6,45
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als die Ehre bei Gott, dann ist sie nichts anderes als die verderbliche Klugheit der Kinder dieser Welt, von welchen der Herr freilich sagt, in ihrer Art, aber auch nur in ihrer traurigen und verderblichen Art, wären sie klüger als die Kinder des Lichts. Auf eine Zeit lang kann freilich auch die Weisheit von oben dem Menschen den Mund verschließen über das wovon das Herz voll ist, aber nur wenn ihn das drängt, daß er unschuldig sein möchte an dem Gericht welches über die Menschen ergeht, wenn sie dahin gewiesen oder geführt werden das Wort aufzunehmen. Aber nur auf eine Zeit lang kann es geschehen, nur auf vorübergehende Augenblikke; dann muß es jeden der da glaubt doch drängen, aufs neue zu versuchen ob das Wort nicht Wurzel fassen möchte in den Herzen der Menschen, und dann sich dessen getrösten was der Herr sagt, Wenn sie das Wort nicht annehmen, so wird es zu euch selbst zurükkehren; wenn die Verkündigung des Wortes bei andern keine Frucht tragen will, so wird das Wort Frucht tragen in eurem eigenen Herzen. So mag es sein, daß in vielen der begonnene Glaube wieder untergegangen ist, und daß sie zu denen gehören von welchen der Herr sagt, daß das Wort nicht Wurzel fassen kann, weil auf eine oberflächliche Weise das | Erdreich dazu bereitet ist, wie man das sagen müsse von denen welche freilich die Kenntniß der Schrift in einem höhern Grade besäßen als die große Masse des Volks, aber sie könne nicht dauern, denn es sei nicht Boden genug da, woraus die zarte Pflanze Nahrung nehmen könne, sondern in der ersten Zeit der Hize verdorre sie wieder. Aber wenn es nun nicht allen so ergangen ist, und wenn nichts besonderes von ihnen erwähnt wird in der Geschichte der christlichen Kirche: wie könnten wir anders glauben, als daß wenn auch in einigen der Glaube beharrlich geworden und sie sich hingewendet haben zu dem Worte des Lebens, so habe doch der Geist Gottes, der da ausgegossen ist über die christliche Kirche, die gläubigen gehindert diese auf irgend eine Weise aufzunehmen in ihren Kreis, und ihnen größeres anzuvertrauen; und sie selbst, nachdem der Geist Gottes ausgegossen war über alles Fleisch, werden es für recht und billig und löblich erkannt haben, sich zurükkzuziehen in die Stille, und sich dafür zu strafen, daß sie nicht von Anfang an die Ehre bei Gott gesezt haben über die Ehre bei den Menschen; so daß doch beides zusammenstimmt, um uns das recht einzuschärfen, daß Glaube und Bekenntniß nie können von einander getrennt werden. Das ist das große und ewige Gesez der menschlichen Natur, ohne welches wir nicht sein könnten ein Volk von Brüdern, Der Mensch ist nichts allein und hat nichts allein für sich. Hat die ewige Barmherzigkeit sich auch seiner erbarmt, ist das Leben von oben wirklich ausgegossen in sein Herz, ist es nicht, wie es bei manchen von jenen Ober3–4 Vgl. Lk 16,8 10–11 Vgl. Lk 8,13 12–13 Lk 10,6 15–22 Vgl. das Gleichnis vom Sämann in Mt 13,1–9; Mk 4,1–9; Lk 8,4–8 und dessen Auslegung in Mt 13,18–23; Mk 4,13–20; Lk 8,11–15 27 Vgl. Apg 2,1–4
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sten des Volks war, bloß eine Einsicht gewesen und eine Erkenntniß wie manche andere die wir haben von äußern Dingen, daß allerdings wol jener Jesus von Nazareth der gewesen sein könne von dem die Propheten geredet haben, sondern ist der Glaube lebendig geworden: so ist das erste Werk durch welches er thätig sein muß das Werk der Liebe, welches er zu verrichten hat, eben dies, daß er uns treibt und führt zum frischen fröhlichen Bekenntniß, daß wir die Menschen | einladen zum Genusse der hohen himmlischen Güter deren wir theilhaftig geworden sind, daß wir die Wahrheit die uns aufgegangen ist treu hinstellen vor die Menschen, ob sie auch dadurch den Herrn fühlen und finden möchten. Und wo das Bekenntniß nicht ist, da ist der Glaube nur ein leerer Schein oder eine Pflanze die noch der Pflege bedarf, um zu einem wirksamen und fruchtbaren Leben zu gedeihen. Wohl, so laßt uns das festhalten, und zwar sowol in Beziehung auf das einzelne als auf das ganze. Ueberall, je höher wir etwas achten als einen Theil unsers christlichen Glaubens, desto mehr muß es uns natürlich sein und nicht erst als eine besondere Pflicht erscheinen, sondern es muß eine Neigung unsers Herzens sein, und zwar eine solche der wir nicht widerstehen können, daß wir es auch bekennen, und niemals soll uns weder die Furcht vor Menschen noch auch die Sucht nach Ehre bei den Menschen davon zurükkhalten können. Denn es giebt nur eine Ehre, das ist die Ehre bei Gott, und nur eine Furcht die den Menschen nicht erniedrigt, das ist die welche spricht, Wie könnte ich ein so großes Uebel thun, und wider den Herrn meinen Gott sündigen! Aber das gehört zur Sünde gegen Gott und seinen Geist, wenn wir das was uns in dem innern des Herzens Wahrheit ist in dasselbe verschließen wollen und nicht herauslassen, damit es noch weiter wirke. Denn zum gemeinsamen Gut und Besiz hat uns der Herr alle geistigen Gaben verliehen. Jedes Bekenntniß aber m. g. F. ist nichts anderes als ein Verlangen des liebenden Gemüthes, das gute weiter zu verbreiten, welches wir selbst als eine herrliche Gabe des Lichts von oben empfangen haben, und kann also auch nie sich anders gestalten als so, daß wir vereint mit unsern Brüdern die Wahrheit suchen in Liebe, ihnen geben und von ihnen empfangen, gemeinsam mit ihnen überlegen und abwägen, | immer davon ausgehend, daß wir es allein noch nicht gefunden haben und noch nicht am Ziele sind, sondern daß hier alles Stükkwerk ist, und wir dazu berufen, das Stükkwerk zu ergänzen und zu vervollständigen, bis daß die Zeit kommt wo das Stükkwerk aufhört, und wir eingehen in das vollkommene. Bis dahin soll weder Trübsal noch Angst, weder Besorgniß noch Furcht, weder Sucht nach dem was die Augen der Menschen auf sich zieht, noch Scheu vor den Menschen, weder Gefälligkeit gegen die Menschen 9–10 Vgl. Apg 17,27 23–24 Gen 39,9 Phil 3,12 35–38 Vgl. 1Kor 13,9–10
31–32 Vgl. Eph 4,15
34–35 Vgl.
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noch Ehre bei den Menschen uns zurükkhalten dem die Ehre zu geben, dem allein sie gebührt, und zu bekennen was seine Barmherzigkeit und Gnade an uns offenbart, und jedem das zu verkündigen was er an uns gethan hat in dem innern des Gemüths. Amen.
Am 12. März 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Judica, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 18,37–38 Nachschrift; SAr 111, Bl. 17r–20r; Sobbe Keine Nachschrift; SAr 114, S. 122–132; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 34r–38v; Woltersdorff Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am Sonntage Judica
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Tex t. Joh. 18, 37 und 38. Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme. Spricht Pilatus zu ihm: was ist Wahrheit? Und da er das gesagt, ging er wieder hinaus zu den Juden und spricht zu ihnen: ich finde keine Schuld an ihm. M. a. F. Genau genommen sind alle Augenblicke in dem Leben unsers Erlösers und so auch alle Worte seines Mundes ganz von gleichem Werth. Aber für unser menschliches Fassungsvermögen ist es nicht also; sondern in manche müssen wir erst tiefer eingehen, ehe wir unter der äußeren Hülle die göttliche Weisheit finden; andere dagegen überströmen uns gleich mit einer solchen Fülle, daß es unser Vermögen fast übersteigt. Dieß ist nun wohl, zum Theil wenigstens, mit ein Grund, warum diese Tage des Leidens unseres Herren immer wieder ein besonderer Gegenstand unserer Betrachtungen werden. Aber unter diesen können wir wieder sagen, daß das, was wir jetzt mit einander gelesen haben, einen solchen sich uns aufdringenden Reichthum darbietet. Hier redet Christus der Gefangene von seinem Reich und seiner Herrscherwürde. Er redet zu seinem letzten Richter, welcher darstellte die Person des obersten menschlichen Herrschers in der damaligen Zeit, der aber ihm gegenüber selbst nichts war, als ein Gefangener. Und wenn wir ihn betrachten, wie er hier redet und unter welchen Umständen, so wissen wir nicht worauf wir unsere Blicke mehr wenden sollen, auf die hohe Würde, die er sich selbst beilegt oder auf die tiefe Erniedrigung, die diese Würde äußerlich angesehen zu erleiden scheint. Wie will es nun möglich 6 Wahrheit?] Wahrheit.?
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seyn, dieß in einer kurzen Betrachtung zusammen zu fassen. Es wird auch hier nichts übrig seyn, als nur anzudeuten das Wesentliche und es dann euerm eigenen Nachdenken zu überlassen. So laßt uns denn nach Anleitung dieser Worte mit einander erwägen die leidende Königswürde des Herrn. Wir können aber nicht anders als zuerst diese Würde selbst betrachten, wie sie der Erlöser beschreibt, und dann auf das Leiden, in welchem er sich damals befand hinüber sehen.
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I. Fragen wir uns nun zuerst wie beschreibt denn der Erlöser hier seine königliche Würde? Er bringt seine Herrschaft und sein Reich in eine genaue Verbindung damit, daß er von der Wahrheit zeuge. Können wir | aber da wohl anders, als mit dem Pilatus fragen: was ist Wahrheit? Aber m. g. F. daß wir nur nicht fragen wie Pilatus, der das Zeugniß des Erlösers nicht kannte und auch keine Mühe darauf wandte es zu kennen. Denn dann bliebe uns nichts übrig, als entweder auch wie Pilatus gleich nachdem er gefragt von dannen zu gehen oder von einer Thür zur anderen zu gehen und immer wiederum befriedigt zurückzukehren. Darum wollen wir unsere Frage so einrichten: was ist die Wahrheit, von der Christus gezeugt hat? Wenn wir bei Menschen fragen: was ist Wahrheit? so gibt es Antwortten die Fülle; Jeder hat seinen eigenen Schatz, den er anpreißt; aber was der Eine bietet wird zerstört durch das, was von dem anderen kommt. In diesem vergeblichen Streben geht ein Geschlecht der Menschen nach dem anderen hin und mühen sich die Menschenkinder ab, ohne je die Sehnsucht ihres Gemüths zu befriedigen. Und was ist es, was sie dem bieten, welcher fragt: was ist Wahrheit? Es ist eine Mannigfaltigkeit von Einsichten und von Erkenntnissen, die Einen tiefer hinein dringend in das Wesen der Dinge, die anderen hinabsteigend in die Tiefe des menschlichen Gemüths. Aber was sagt der Apostel? Wenn ich alles Wissen hätte und alle Erkenntniß und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. Von solcher Wissenschaft und Erkenntniß nun hat Christus nicht gezeugt. Aber wenn Paulus jenes sagt und wir fragen weiter: was ist denn diese Liebe, die alles erst zu etwas machen muß? so antworttet uns Johannes: Gott ist die Liebe. Und fragen wir: wovon hat denn nun Christus gezeugt, so können wir nicht anders als alle diese Antwortten auf ihre ursprüngliche Quelle zurückführen. Er hat gezeugt von dem Einen, daß es ein Reich Gottes gebe, welches dem Menschen aufgethan sey, das, wer Ruhe für seine Seele suche, sich aus allem übrigen heraus in dieses Reich Gottes flüchten müsse. Aber kein anderes Reich Gottes als des Gottes, der die Liebe ist, und der aber sein Reich verkündigen ließ aus Liebe und denjenigen sandte, welcher suchen sollte und auch finden konnte das Verlorne, um es 28–30 Vgl. 1Kor 13,2
33 Vgl. 1Joh 4,16
40 Vgl. Lk 19,10
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wieder zu bringen und mit demselben das Reich Gottes zu gründen. Fragen wir also: was ist die Wahrheit, von der Christus zeugte?, so können wir keine andere Antwortt geben, als diese: es gibt keine andere Wahrheit, als die ewige Beziehung des Menschen auf Gott. Wo diese ist in dem Menschen, da ist Wahrheit. Wenn es irgend etwas in uns gibt, dem wir durchaus keine Verwandtschaft abgewinnen können mit dieser Beziehung unseres Daseyns auf Gott, so ist darin auch keine Wahrheit. Dasjenige Leben m. g. F., welches unermeßlich tief unter dem menschlichen steht, in dem ist freilich keine Liebe, aber eben deswegen auch keine Wahrheit, und dem nähert sich dasjenige in unserem Leben, wovon auch wir die Beziehung auf Gott nicht finden können. Das Größte und Edelste, wenn diese Wahrheit darin fehlt, es verdient dann kaum noch den Namen des Menschlichen. Ja, wenn wir uns einen Menschen denken ganz in dieses Sinnliche versunken, aber einen Augenblik in seinem Leben in welchem er so weit sich Gottes bewußt ist, um das zu fühlen daß er eben in diesem Leben fern ist von Gott, was wollen wir anders sagen, als: dieser Augenblik ist doch die einzige Wahrheit, die noch in einem solchen Leben gewesen ist. Das also m. g. F. ist die Wahrheit, von welcher Christus gezeugt hat, daß der Mensch sich selbst nur findet, wenn er Gott sucht, daß er sich selbst nur besitzt, wenn er Gott gefunden hat. Was wäre wohl in allen Lehren unseres Erlösers, was nicht hierauf zurückginge. Aber | wenn wir bedenken, wie er nicht nur sagt, daß er gekommen sey, um von der Wahrheit zu zeugen, sondern andernwärts, daß er die Wahrheit sey, dann gehet uns erst der tiefere Sinn auch dieser Worte auf. Ja er war die Wahrheit und außer ihm war sie nicht. Denn in ihm war erst lebendig geworden die Beziehung der menschlichen Natur zu Gott. Vorher war sie nur angedeutet wie etwas unbekanntes und dunkeles; vorher hatten wir nur Schatten, die vor dem Lichte hergingen. Das wahre ewige Gut ist erst in Christo gekommen. Er war die Wahrheit, weil in ihm die Beziehung Gottes zu den Menschen und sein Wesen unmittelbar erschienen war eben deswegen, weil in ihm die Fülle der Gottheit wohnte und alles menschliche vom göttlichen durchdrungen war, weil es keinen Augenblick in ihm gab, der nicht ganz die Beziehung des Menschen auf Gott in seiner Person ausgedrückt hätte. Darum war er die Wahrheit und darum war jeder Augenblick seines Lebens denen, welche Augen hatten zu sehen und Ohren zu hören, ein Zeugniß von der Wahrheit. Aber wie sagt er nun, daß eben deswegen, weil er gekommen sey von der Wahrheit zu zeugen er ein König sey? Ein König m. g. F. muß herrschen, und einen Herrscher giebt es nur, wo es solche giebt, die gehorchen. Suchen wir also das Gehorchen, dann 5 durchaus] durch aus 1 Vgl. Mk 1,15 13,16
22–23 Vgl. Joh 14,6
26–27 Vgl. Mt 4,16
34–35 Vgl. Mt
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werden wir auch das Herrschen verstehen. Und eben darauf weiset uns auch der Erlöser selbst hin, indem er hinzufügt die aus der Wahrheit sind, die hören meine Stimme und, setzt er andernwärts hinzu, folgen ihr. Das nun sind seine Schaafe, die er weidet, seine Unterthanen, die er regiert, und eben dieß, wie sie sich um ihn sammeln, ihm folgen, ihm nachgehen, wohin er führt, das ist sein Reich, seine Herrschaft, sein Königthum. Wie könnte man aber sagen, wer schon aus der Wahrheit ist, sollte der nicht selbst reden können und zeugen? Der braucht ja nicht mehr zu gehorchen, wie er nicht mehr zu hören braucht, sondern er könnte reden und im Reden eben so herrschen wie der Herr. Aber eben deswegen, m. g. F., weil der Erlöser so von der Wahrheit zeugte, daß er zugleich die Wahrheit selbst war, so ist das ein Ausdruck seiner Liebe, der freilich wahr seyn muß, den wir aber doch in seinem rechten Sinne verstehen und nicht zu viel hineinlegen müssen, wenn er sagt; wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme. Darum wenn wir dabei bleiben, daß die Wahrheit in dem Menschen nichts seyn kann als die Beziehung auf das höchste Wesen, und wir fragen weiter: wie ist denn nun der Mensch aus der Wahrheit? hätten wir diese Beziehung auf das höchste Wesen selbst in uns, dann wäre es so, wie vorher gesagt wurde. Fehlte sie uns ganz und gar, dann wäre es auch nicht möglich, daß sie uns durch die Kraft des bloßen Zeugnisses könnte mitgetheilt werden. Wie ist sie also in uns und wie nicht? Es wird wohl m. g. F. nur eine Antwortt geben, die das alles ausgleicht. Sie ist so in uns, daß der Mensch nie ganz unfähig werden kann, die Wahrheit zu fassen, daß je mehr der Mensch das Menschliche in sich ausgebildet, desto mehr muß auch in ihm rege geworden seyn die Sehnsucht nach dem höchsten Wesen. In denen diese ist, die sind aus der Wahrheit und sie dürfen dann nur die Wahrheit in dem | Erlöser sehen, so erkennen sie auch in ihm die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes vom Vater, so bekommen sie auch eine Ahnung davon, was der Erlöser selbst sagt: wer mich sieht, der siehet den Vater. Da wird also in dem Herzen die tiefste Sehnsucht erweckt, da hören sie auf die Stimme, die bisher PnieS gehörte, von der ihnen das eigene Herz sagt, sie könne nirgend anders her seyn als von oben, und so wie sie dieselbe hören, so folgen sie ihr und immer tiefer dringt das befruchtende Wort in das Innere des Gemüths ein. Alles Thun aus der Wahrheit ist dann nichts anderes als das Folgen seiner Stimme, der Gehorsam gegen den Herrscher, der treue Dienst, den wir dem König der Wahrheit leisten. Doch vielleicht könnte jemand sagen, ob das nicht eine erkünstelte Erklärung sey. Wie wir im gemeinen Leben diesen Ausdruck gebrauchen, so sagen wir immer, ein Mensch sey aus der Wahrheit, wenn er der Lüge unfähig ist und kein Falsch in seinem Inneren ist. Wohl m. g. F. ist das wahr; aber laßt uns auch das nicht überse3 Vgl. Joh 10,27 14,9
4–6 Vgl. Joh 10,15–16
27–28 Vgl. Joh 1,14
29 Vgl. Joh
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hen, daß wirklich auch in diesem Sinne der Mensch nur aus der Wahrheit ist, wenn er diese eigentliche tiefste Wahrheit alles menschlichen Seyns gefunden hat. Denken wir uns einen Menschen, der, ganz in das Irdische versunken alle höhern Bestrebungen Anderer für nichts achtet, und er ist dann so weit aus der Wahrheit, daß er damit laut und öffentlich hervortritt ohne Scheu, daß er es gesteht, wie das Wesen des Menschlichen in Nichts bestehen könne, als in einem solchen sinnlichen Genuß, lieben wir eine solche Wahrheit? oder lieben wir nicht den mehr, der bei gleicher Denkweise eine Scheu hat, es laut werden zu lassen? Gewiß werden wir nicht anders können, als uns für den Letzteren erklären und die Wahrheit des Ersteren – sie ist nichts Anderes, als die Unverschämtheit eines solchen, der das Höhere und Bessere mit Füßen tritt. Aber wenn er sich schämt, sich zu dem zu bekennen, was ihn innerlich bewegt, so wird selten in einem solchen Menschen die Schaam seyn ohne die Unwahrheit. Aber ist uns nicht diese doch die erste Dämmerung des Lichtes, ist nicht diese Schaam, wenn gleich sie den Menschen zur Unwahrheit führt, doch die erste Hoffnung, daß es besser mit ihm werden könne? die Wahrheit also, welche die große Gabe des Worts, das sich lediglich auf das höhere Leben des Menschen beziehen soll, ausschließend auf das Niedere und vergängliche bezieht, diese Wahrheit ist keine, diese Wahrhaftigkeit ist keine. Erst wenn die Wahrheit selbst in dem Menschen die Lüge überwunden hat, das ist die Wahrheit, aus der uns die Hoffnung des Besseren hervorgeht, worin wir den ewigen Funken von Oben erkennen. Darum m. g. F. so ist es. Es ist keiner aus der Wahrheit als der, in welchem sich das Bedürfniß zu regen anfängt, eine Beziehung anzuknüpfen mit dem höchsten Wesen und sich und sein ganzes Leben ihm hinzugeben, immer zu hören auf die Stimme der Wahrheit und ihr allein zu folgen. Und so ist denn das Wort des Herrn die einzige Beschreibung seines Reiches. Wir können nicht anders – nicht besser, denn wir sind es nicht, nicht schlechter aber auch, denn so lange sind wir aller Verbindung mit ihm unfähig. – Wir können nicht anders, als so zu ihm kommen, daß wir das Verlangen nach dem höchsten Wesen in | uns bewahren. Wenn wir in diesem Sinne aus der Wahrheit sind und so zu ihm kommen, dann geschieht es, daß er dieß Bedürfniß befriedigt, daß die Wahrheit, welche er selbst ist, sich unserem Leben immermehr mittheilt und durch diese Verbindung mit ihm werden wir seine Unterthanen und indem er uns alle zusammenbindet in derselben Wahrheit, so ist er der König von Ewigkeit und wir zusammen bilden sein Reich. II. In diesem Reiche nun erscheint er uns in diesem Augenblick wie ihn uns die Worte unseres Textes darstellen, als leidend. Warum? Schon wenn wir es in dem irdischen Sinne betrachten, so denken wir, daß die, welche Gewalt haben in demselben Verhältniß auch frei seyn müssen von Leiden. Wir
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wissen allerdings, auch ihr Leben muß die Abhängigkeit bekennen, in welcher das leibliche Daseyn des Menschen steht von allen äußeren Kräften der Welt; aber in Beziehung auf das menschliche Leben, über welches sie herrschen, da verlangen wir sie nicht leidend. Nur ein Leiden kennen wir in diesem Gebiet für sie, wenn sie nämlich befehlen, aber es wird nicht gehorcht; denn dann freilich ist ihre Würde in Gefahr, verloren zu gehen und das Gefühl dieser Gefahr ist Leiden. Wie finden wir nun den Erlöser, dessen Herrschaft darin bestand, daß die aus der Wahrheit sind, seine Stimme hören und der sie nur verbreiten konnte in dem Maaße, als es Menschen gab, die aus der Wahrheit sind. Wie finden wir ihm gegenüber auf der einen Seite den Pilatus, welcher fragte was ist Wahrheit? Dann davon ging, ohne eine Antwortt zu erwarten auf der anderen Seite die hohen Priester, die als seine Ankläger eben so dem Pilatus gegenüber standen wie er als Beklagter? Die wohl wußten in einem gewissen Sinne was Wahrheit sey, aber sie wußten es nur mit einer todten Erkenntniß und waren nicht aus der Wahrheit, sondern hatten den, der aus der Wahrheit war, dahingegeben, um etwas anderes aufrecht zu halten. Denn so hatten sie unter einander gesprochen: es ist besser, daß ein Mensch sterbe, als daß das ganze Volk untergehe. Wenn nun diese beiden vorzüglich die Blicke des Erlösers auf sich zogen, das kleine Häuflein seiner Jünger aber, an welchem sich seine Augen hätten tröstend weiden können, ihm fern aus dem Gesicht gerückt waren, so müssen wir sagen: dieser Augenblick gehört wesentlich zu seinem Leiden, weil er allem gegenüber stand was seine Herrschaft schwächen konnte. Diejenigen, welche fragen: was ist Wahrheit? und dann davon gehen, ohne eine Antwortt zu erwarten, das sind jene Leichtsinnigen, die sich selbst verkauft haben in die Knechtschaft des Augenblicks und zu denen jede ernste Stimme vergeblich spricht. Was für wichtige Töne waren hier in das äußere Ohr des Pilatus gedrungen. Er selbst der Diener einer weltlichen Gewalt hörte von einem Reiche reden, aber welches nicht von dieser Welt ist, hörte von einem König reden, aber der seine Gewalt über seine Unterthanen nicht gebrauchen will, um sich selbst eine Fülle sinnlicher Genüsse zu verschaffen, sondern der nur herrscht, um immermehr von der Wahrheit zu zeugen und ihrer Stimme die Menschen folgsam zu machen. Das hörte er und fragt: was ist die Wahrheit, von der du sprichst; aber er geht von dannen, ohne sie von ihm gehört zu haben. O welch ein Bild von der Versunkenheit des menschlichen Geistes; aber dennoch konnte Pilatus den Erlöser nicht vor sich sehen, ohne von seiner Gewalt ergriffen zu werden. Denn wie er hinging | und sich zu den Juden wandte, was für ein wichtiges Wort sprach er da aus: ich finde keine Schuld an ihm. Nachdem der Erlöser ihm gesagt, er sey von Gott bestimmt zu herrschen, indem er von der Wahrheit zeugen soll, so sprach er: an einem solchen Menschen finde ich keine 18–19 Vgl. Joh 11,50
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Schuld. Das war ein Wort, welches ihm die Gewalt der Wahrheit abnöthigte, nur daß er sich selbst in dem Leichtsinn seines Gemüths keine weitere Rechenschaft davon gab. Wenn er sagt, er finde keine Schuld an dem Erlöser, er der Diener einer weltlichen Gewalt, so hat er damit das große Wort ausgesprochen, daß jeder unschuldig ist, der nur von der Wahrheit zeugt und dadurch Gewalt über menschliche Seelen ausübt. Das ist ein Grund, wohin der Herr sein Reich ungestört bauen kann, ein Grund, der aber die Unfähigkeit des Reiches Christi für jede bürgerliche Gewalt ausspricht. Für unschuldig müssen die weltlichen Herrscher alles erkennen, was zu jener geistigen Gewalt des Erlösers auf Erden gehört. Hätte Christus den Pilatus bei diesem Wort halten können, o wie leicht hätte es dann seyn müssen, ihn davon zu überzeugen, wo die Schuld eigentlich sey. Aber ein solches tieferes Eingehen in das, was ursprünglich seinem eigenen Herzen entströmt war, dem entzog er sich. Darum wurde er besiegt von denen, die ihm nachher zuriefen: wenn du diesen frei giebst, so bist du des Kaisers Freund nicht! Im Leiden aber, m. g. F. war das der Trost des Erlösers, daß Pilatus soweit sein Gefühl für die Wahrheit nicht erstickt hatte, daß er den Herrn für unschuldig erklären konnte. So tief auch der Leichtsinn eindringt in das Gemüth des Menschen, so bittere Schmerzen auch diejenigen dadurch leiden, welche in solchen Kämpfen die Leiden des Erlösers ergänzen, in sofern ist die Empfindung für die Wahrheit in keiner Seele ganz erstorben und besonders auch wo es darauf ankommt, in den engen Gränzen, in welche das gesellschaftliche Leben der Menschen eingeschlossen ist, von Recht und Unrecht, von Schuld und Unschuld zu reden. Denn da regt sich der nicht ganz erstorbene Sinn für die Wahrheit in dem Innern der Menschen und unerwartet sprechen sie wie Pilatus ein Wort der Wahrheit, wodurch sie sich selbst zwar verdammen, was ihnen aber werden kann zu einer Traurigkeit, die zur Seligkeit führt und was, wenn es auch diese Wirkung auf sie nicht hat, doch dazu beiträgt, den Boden rein zu erhalten, auf welchem das Reich Gottes weiter kann gebaut werden. Aber wie war der Erlöser den Hohenpriestern gegenüber. Freilich das war ein Leiden, über welches er sich oft schon Luft gemacht hatte, indem er ihnen ihre Verkehrtheit vorhielt, wie sie, welche die Schlüssel des Himmelreichs hatten weder selbst hineingingen noch andere hineinließen. Ja das waren die Unglücklichen, in denen die Wahrheit zur Lüge geworden war, und das freilich ist die andere Verkehrtheit des Menschen, die dem Reiche Christi die größten Hindernisse in den Weg gelegt hat. Woraus aber entsteht sie? aus nichts anderem als aus der menschlichen Willkür, welche, indem sie statt des Wesens etwas zufälliges ergreift, sich aus diesem etwas zusammenbaut, worauf sie glaubt, das Heil der Men16 war] was
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32 Verkehrtheit] Verkehrheit
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schen stützen zu können. Sie hatten die Schrift und Christus sprach: forschet in ihr, sie ists die von mir zeugt. Aber diese tiefere Bedeutung derselben für das Reich Gottes ging bei ihnen vorüber. Sie hielten das alte Ansehen des Gesetzes aufrecht und darauf gründeten sie ihr eigenes Ansehen unter den Menschen, die zu ihnen kommen mußten, damit sie ihnen das Gesetz erklärten. Diejenigen unter ihnen, welche Priester waren und in dem innersten Mittelpunct des Tempels wohnten, die glaubten Gelübde entgegennehmen zu müssen und traten dadurch der ewigen Wahrheit entgegen. O wie zeitig sehen wir, daß das Reich Christi dadurch gefährdet worden ist. Auch die neue Gesell|schaft des Bundes, den er gestiftet hat, bedarf äußerer Zusammenkünfte, damit die Menschen zusammengehalten werden und sich unter einander erbauen. Aber dieß äußere ist nicht das Ewige selbst. So oft wir das hervorheben, was fleischlich ist und nichtig, das aber übersehen und geringschätzen, was Geist und Leben ist, so bilden wir auch die Wahrheit zur Lüge um und jemehr wir das thun, destomehr kann uns dasselbe begegnen was jenen begegnete. Aber wir alle m. g. F. sind in dem Reiche Christi auf Erden in denselben Kampf gestellt und demselben Leiden unterworfen. Immer finden wir uns umgeben von jener leichtsinnigen Nichtigkeit der Menschen und von dieser Verkehrtheit, die an dem Äußeren und Vergänglichen haftet. Wir haben diesen Kampf zu kämpfen jeder noch mit sich selbst; denn wie wir auch der Stimme der Wahrheit folgen mögen, o es bleiben doch die Spuren des alten Verderbens und der früheren Verkehrtheit in jedem zurück. So laßt uns denn gegen uns selbst und gegen Andere kämpfen für das Reich der Wahrheit, aber mit keinem anderen als mit dem Schwerte des göttlichen Wortes. Daß dieses immer tiefer unsere eigenen Seelen durchdringe, daß wir dem immer mehr Bahn machen, damit sie lernen je länger je mehr seine Herrlichkeit verstehen und darin ihre Seligkeit finden. Wollen wir aber je mit anderen Waffen kämpfen, wollen wir uns selbst und Anderen das Reich Gottes annehmbar machen durch etwas Anderes als durch die Kraft der reinen Wahrheit, o so verwandeln wir das Reich Christi in ein Reich dieser Welt, weil wir mit Waffen anderer Art kämpfen, gleichviel, ob mit sinnlichen oder geistigen, mit solchen, mit welchen wir nicht kämpfen können für den Herrn, sondern gegen ihn. Wenn wir aber alles andere fahren lassen und nur das Eine festhalten, wodurch allein der Herr herrschen will, die Kraft des Wortes, wodurch wir Zeugniß ablegen für die Wahrheit und suchen wir keinen anderen Schild und Beistand, als daß der Geist in uns wohne, der es von dem Seinigen nimmt und uns in alle Wahrheit leitet, dann mögen wir leiden wie er, mögen wir oft beklagen den Widerstand, den das Reich Gottes erfährt, mag 16 jenen] jene 1–2 Vgl. Joh 5,39
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es oft dunkel werden um uns her, laßt uns leiden und nicht müde werden; denn so wir mit ihm leiden, wahrlich so werden wir auch mit ihm auferstehen. Amen!
[Liederblatt vom 12. März 1826:] Am Sonntage Judica 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Herzliebster Jesu etc. [1.] Herr stärke mich dein Leiden zu bedenken, / Mich in das Meer der Liebe zu versenken, / Die dich bewog von aller Noth des Bösen / Uns zu erlösen. // [2.] Du Gottes Sohn wirst Mensch gleich uns auf Erden, / Willst bis zum Tod am Kreuz gehorsam werden, / An unsrer Statt gemartert und zerschlagen / Die Sünde tragen. // [3.] O wunderbarstes aller Gnadenwerke! / Es zu ergründen fehlts dem Geist an Stärke. / Mein Herz erbebt; ich seh und ich empfinde / Den Fluch der Sünde. // [4.] Gott ist gerecht, ein Richter alles Bösen, / Gott ist die Lieb’ und läßt die Welt erlösen; / Dies kann am Kreuz mit Schrecken und Entzücken / Mein Geist erblicken. // [5.] Es schlägt den Stolz und das Verdienst darnieder, / Es beugt mich tief und es erhebt mich wieder, / Entsündigt mich, macht mich aus Gottes Feinde / Zu Gottes Freunde. // [6.] O Herr, mein Heil, an den ich freudig glaube, / Ich liege hier vor dir gebückt im Staube, / Verliere mich mit dankendem Gemüthe / In deiner Güte. // [7.] Mein Herz ergreift Herr dein Verdienst im Glauben, / Nichts soll den Trost, den du erwarbst, mir rauben; / Du starbst für mich, nun bin ich, wenn ich sterbe, / Des Himmels Erbe. // Nach dem Gebet. – Mel. Mein Jesu dem die Seraphinen etc. [1.] Wie dank ichs Heiland deiner Liebe, / Daß du des Höchsten ein’ger Sohn / Für mich aus gnadenreichem Triebe / Verließest deinen Himmelsthron? / Wie dank’ ichs deinem treuen Herzen, / Daß du vom Tode mich befreit, / Und mir die ewge Seligkeit / Erworben hast durch Todesschmerzen? // [2.] Du hast dich meiner angenommen, / Durch dich allein ist es geschehn, / Daß ich der Finsterniß entkommen / Um nun dein helles Licht zu sehn. / Du hast zum köstlichen Geschmeide / Das Kleid des Heils mir zugewandt, / Mir mitgetheilt der Kindschaft Pfand / Des Geistes selge Ruh und Freude. // [3.] Doch wär’ es, daß mein Geist noch hinge / Durch manche Fäden an der Welt, / Und sein Verlangen worauf ginge, / Was dir o Heiliger nicht gefällt: / Ach wäre dies, o du mein Leben, / So komm mit liebender Gewalt, / Zerreiße diese Fäden bald, / Daß dir mein Herz sei ganz ergeben! // [4.] Hier ist mein Herz und meine Seele, / Ach nimm sie dir zu eigen hin, / Daß sie dein Geist zum Tempel wähle, / Und walte fort und fort darin. / Aus Liebe kamst du einst hernieder; / Die Liebe, die dich zu uns zog, / Für uns zu sterben dich bewog, / Die zieh’ 2–3 Vgl. Röm 8,17
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auch jetzt zu mir dich wieder! // [5.] Zu dir heb ich empor die Hände; / Aufs neue sei dirs zugesagt, / Ich will dich lieben sonder Ende, / Für dich sei alles gern gewagt! / Nur laß o Herr nun deinen Namen / Und das Verdienst von deiner Pein / Dem Herzen eingegraben sein, / So lang’ ich hier noch walle. Amen. // Nach der Predigt. – Mel. Lasset uns den Herrn preisen etc. Lasset uns mit Jesu ziehen, / Seinem Vorbild folgen nach, / In der Welt der Welt entfliehen, / Auf der Bahn, die er uns brach, / Immerfort zum Himmel reisen, / Irrdisch noch doch himmlisch sein, / Glauben recht und leben rein, / Glauben in der Lieb’ erweisen. / Bleib o Jesu stets bei mir, / Geh voran, ich folge dir. //
Am 19. März 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Palmarum, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 12,44–50 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LXI, S. 362– 375; König Keine Nachschrift; SAr 56, Bl. 157v–162r; Schirmer Nachschrift; SAr 114, S. 132–141; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 39r–42v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am Palmsonntage 1826.
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Tex t. Joh. 12, 44–50. Jesus aber rief und sprach, Wer an mich glaubet, der glaubet nicht an mich, sondern an den der mich gesandt hat; und wer mich siehet, der siehet den der mich gesandt hat. Ich bin gekommen in die Welt ein Licht, auf daß wer an mich glaubet nicht in Finsterniß bleibet. Und wer meine Worte höret und glaubet nicht, den werde ich nicht richten; denn ich bin nicht gekommen daß ich die Welt richte, sondern daß ich die Welt selig mache. Wer mich verachtet und nimmt meine Worte nicht auf, der hat schon der ihn richtet; das Wort welches ich geredet habe, das wird ihn richten am jüngsten Tage. Denn ich habe nicht von mir selber geredet, sondern der Vater der mich gesandt hat, der hat mir ein Gebot gegeben, was ich thun und reden soll. Und ich weiß daß sein Gebot ist das ewige Leben. Darum das ich rede, das rede ich also wie mir der Vater gesagt hat. | M. a. F. Unmittelbar vorher hatte der Evangelist sich selbst erklärt über den Unglauben der in dem größeren Theile des Volks überhand genommen, und über den Kleinmuth derer die zwar glaubten, aber sich scheuten es zu bekennen und in eine öffentliche Gemeinschaft mit dem Erlöser zu treten. Darauf fügt er ohne eine gewesene Veranlassung anzugeben, bei welcher der Erlöser diese Worte geredet, das an was wir eben gelesen haben. Es ist aber dies das lezte was er als öffentlich von unserm Erlöser geredet anführt, 16–19 Vgl. Joh 12,36–43
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denn in den folgenden Kapiteln sind nur noch Reden des Herrn mit seinen Jüngern enthalten, bis zu der Stunde seiner Gefangennehmung und der Zeit seines Leidens. Das also ist auch der Gesichtspunkt aus welchem wir diese Worte zu betrachten haben. Es sind die lezten Erklärungen, die lezten Wahrheiten, die der Herr denen zurief, welchen das Glükk zu Theil geworden war ihn zu hören. Sie stehen im Zusammenhang mit jenen Worten des Herrn, welche Johannes vor seiner eigenen Erklärung aufgezeichnet hat, So glaubet denn an das Licht dieweil ihr es habt, auf daß ihr des Lichtes Kinder seid. Und so ist es denn nun in diesen Worten des Herrn dreierlei, was wir jezt vorzüglich zu betrachten haben.
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I. Zuerst nämlich, wie er sich erklärt in Beziehung auf das Verhältniß zwischen dem Glauben an ihn, und dem Glauben an den der ihn gesandt hat. Denn so war es. Alle diejenigen aus seinem Volke, welche ihn verwarfen und ihn nicht für den halten wollten der da kommen sollte, die glaubten doch und waren von sich selbst überzeugt, daß sie an den glaubten der ihn gesandt hatte. Der Erlöser aber erklärt sich hier, daß das eine ohne das andere nicht möglich sei, und daß sie nur sich selbst betrögen, wenn sie behaupteten an Gott ihren Vater zu glauben, den aber verwerfen wollten, den er gesandt habe. | Für uns aber haben diese Worte noch eine andere Bedeutung, die ich nicht umhin kann euch an das Herz zu legen. Sie zeigen uns nämlich den Grund von zwei entgegengesezten Abwegen, auf welche gar viele Christen zu allen Zeiten auch zu der unsrigen gerathen sind. Weil nämlich der Herr sagt, Wer an mich glaubt, der glaubt nicht an mich, sondern an den der mich gesandt hat: so sind nun einige der Meinung, der Herr wolle überhaupt den Glauben der Menschen von seiner Person mehr ablenken, und ihn auf den hinrichten der ihn gesandt hat. Sie meinen, um den Willen des Erlösers zu erfüllen, um in der That des Namens eines Jüngers Christi würdig zu sein, bedürfe es gar nicht besonderer Untersuchungen über das was er nach seiner eigentlichen Person gewesen sei, und woher er das was er den Menschen gebracht gehabt habe, sondern nur dies, daß wir uns durch ihn, durch die Kraft seines Wortes, durch die göttliche Weisheit seiner Rede hinführen ließen zu dem der ihn gesandt hat. Wenn wir nun an den Gott der Liebe glaubten, den er gepredigt, wenn wir die Gebote die er uns in dem Namen seines Vaters in das Herz gegeben hat, von ganzem Herzen zu erfüllen suchten: nun dann glaubten wir auch an ihn, weil wir an den glauben der ihn gesandt hat. Ob wir ihn aber für mehr oder weniger hielten, ob wir ihn für ganz etwas anderes hielten als andere Werkzeuge Gottes oder ihnen gleich, das könne dabei keinen wesentlichen Unterschied machen. 7–9 Joh 12,36
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Aber eben so giebt es auf der andern Seite auch Christen, die aus diesen Worten ganz das Gegentheil schließen wollen. Weil der Herr sagt, Wer an mich glaubt, der glaubt an den der mich gesandt hat; wer mich sieht, der sieht den der mich gesandt hat: so sind sie der Meinung, daß aller Glaube den der Erlöser fordert, alle Aufmerksamkeit die er unserm Geiste abnöthigt, allein auf ihn und seine Person soll ge|richtet sein; wer an ihn glaube, der glaube auch an den der ihn gesandt hat, wer ihn sehe, der sehe auch den Vater. Und so trachten sie denn danach, ihn nur immer mehr zu sehen, sich ihn zu vergegenwärtigen in dem innern der Seele, sein Wort in Gedanken zu haben, sich von dem Gefühl daß sie ihn lieben durchdringen zu lassen; aber der Vater der ihn gesandt hat, der liegt ihnen gleichsam zu fern, zu dem haben sie kein Verlangen sich zu erheben, das höchste Wesen ist ihnen zu groß, die göttliche Allmacht, die göttliche Weisheit ist ihnen ein Gegenstand zu weit von dem menschlichen entfernt; und indem sie so alle Gedanken, alle ihre Empfindungen, alle ihre Wünsche an den Erlöser richten, desjenigen fast vergessend der ihn gesandt hat, und in unmittelbarer Gemeinschaft mit ihm nicht stehend noch danach trachtend: so leisten sie den Worten des Erlösers nicht Genüge. Laßt uns das eine und das andere vermeiden, indem wir beides mit einander verbinden; denn so hat es der Erlöser gemeint. Seine Worte sind an diejenigen zunächst gerichtet, welche glauben die Erkenntniß Gottes zu haben, aber doch den nicht anerkennen wollen, den er gesandt hat. Denen sagt er, daß sie den Vater eigentlich nicht sähen; denen sagt er, daß sie eigentlich nicht an den glauben der ihn gesandt hat. Und so will er damit sagen, daß eine Erkenntniß Gottes, die wir nicht durch den Erlöser haben, ein Glaube an Gott, der nicht verbunden sei auf das innigste mit dem Glauben an das Reich Gottes welches der Sohn Gottes auf Erden stiften wollte, das sei nicht der wahre, der werde sich immer mehr bewähren als ein leerer Schein, und das wozu der Erlöser in die Welt gesandt sei, nämlich die Welt selig zu machen, werde nicht daraus entstehen. Aber warum denn sagt er das, und aus welchem Grunde behauptet er das? Ebendeshalb weil er allein im Stande war, er der von sich selbst in der That und Wahrheit sagen konnte, | daß er in dem Vater sei und der Vater in ihm, er der beständig auf die Werke achtete, die der Vater ihm zeigte, er der selbst von sich sagt, daß er ein Gebot von dem Vater empfangen habe, und daß sein ganzes Leben in nichts anderm bestehe, als dieses Gebot zu erfüllen, weil er auch allein im Stande war die rechte lebendige Erkenntniß, den wahren treuen Gehorsam gegen Gott den Menschen mitzutheilen und zu geben, weil nur aus der Gemeinschaft in welche wir mit ihm treten eine wahre und lebendige Gemeinschaft mit dem Vater hervorgehen kann; denn so und in diesem Sinne ist er Mittler zwischen Gott und den Menschen, 33–34 Vgl. Joh 14,10
34 Vgl. Joh 5,19–20
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daß wie in ihm die Fülle der Gottheit wohnte, und er mit dem Vater eins war: so müssen auch wir, indem wir in lebendigem Glauben und in treuer Liebe, die es uns gezeigt hat, mit ihm eins sind, so müssen wir durch ihn, und eben dadurch daß er eins ist mit dem Vater, auch eins werden mit ihm. So mögen wir uns beides sagen, und vor beidem uns hüten, so oft uns eine Prüfung unsers Innern noth thut. Ist unser Glaube an den Erlöser der rechte, sehen wir ihn wie er ist: so muß er uns auch hinführen zu dem Vater; denn dazu ist er gekommen, daß er den Menschen den Vater offenbarte, daß er uns den Willen des Vaters mittheilte, und die lange unterbrochene Gemeinschaft der Menschen mit Gott wieder herstellte. Wollen wir uns richten, ob unser Glaube an Gott der rechte sei; wollen wir uns richten, ob wir in der That und Wahrheit sagen können, daß wir den Vater sehen: laßt uns nie nach etwas anderem fragen, als ob unser Glaube an Christum der rechte lebendige sei, und ob wir ihn sehen wie er ist. Jede andere Erkenntniß Gottes, die wir aus einer andern Quelle hernehmen, wird uns nicht befriedigen, und nicht die rechte Kraft | haben, uns bei dem Willen Gottes festzuhalten. Wie sehr wir seine Allwissenheit erkennen in der Ordnung der Dinge, wie sehr wir seine Allmacht erkennen in den Werken der Schöpfung, wie sehr wir seine Güte erkennen in dem was wir in unserm Leben gutes und heilsames erfahren: das alles ist noch nicht das rechte, hat doch nicht die rechte ausdauernde Kraft. Das Reich Gottes müssen wir sehen, die Gegenwart des göttlichen Geistes in der menschlichen Seele, das was hier für die Ewigkeit gebaut wird, das müssen wir erkennen; dann haben wir die lebendige Erkenntniß dessen der Christum gesandt hat. Aber nur durch den den er gesandt hat; in ihm liegen die Grundzüge und das Wesen des göttlichen Reichs, so wie auch in ihm die ganze Seligkeit sich kund thut, die der himmlische Vater den Menschen zugedacht hat. Diese göttliche Offenbarung ist nur in ihm zu schauen; wer ihn sieht, der sieht den Vater, welcher die Herzen der Menschen zu ihm zieht; wer an ihn glaubt, der glaubt auch an den der ihn gesandt hat, um ein Reich Gottes auf Erden zu stiften, und sich diejenigen zu erwecken welche seit langer Zeit gefehlt hatten, solche nämlich die ihn anbeten im Geist und in der Wahrheit. II. Zweitens laßt uns nun achten auf das was der Erlöser hier sagt über sein Verhältniß zu denen die an seine Worte nicht glaubten. Darüber läßt er sich also vernehmen, Wer mein Wort hört und nicht glaubt, den werde ich nicht richten; denn ich bin nicht gekommen daß ich die Welt richte, sondern daß ich die Welt selig mache. Wer mich verachtet und nimmt meine Worte nicht 1 Vgl. Kol 2,9
1–2 Vgl. Joh 10,30
28–29 Vgl. Joh 14,9
32–33 Vgl. Joh 4,23
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auf, der hat schon der ihn richtet; das Wort welches ich geredet habe, das wird ihn richten am jüngsten Tage. | Wenn wir in Christo erkennen das Ebenbild des göttlichen Wesens und den Abglanz der göttlichen Herrlichkeit, so können wir es nicht anders, als indem wir nun auch das bedenken was uns das Wort des neuen Bundes so ausschließlich und deutlich gesagt hat, daß nämlich Gott die Liebe ist. Auch der Erlöser ist nur der Abglanz des göttlichen Wesens indem er der Abglanz der göttlichen Liebe ist; auch er ist nur das Ebenbild des Vaters in sofern diese seligmachende Liebe in ihm wohnt. Und so will er auch nicht anders gedacht sein. Und wenn wir in dieser Liebe und in dem lebendigen Glauben an ihn auf diejenigen sehen, welche sein Wort zwar vernehmen, aber es geht ihnen nicht zu Herzen, Ohren zwar haben, aber nicht hören, Augen zwar haben, aber nicht sehen, nicht hören den einladenden Ruf dessen der die Welt selig macht, nicht sehen eben die Liebe des Vaters, die in ihm wohnt: wolan so soll uns das ja nicht dazu verleiten, daß das reine milde Bild von dem Abglanz der göttlichen Herrlichkeit in dem Sohne sich irgendwie in uns trübe. Der Unwille der allerdings in unserer Seele erwachen muß über den noch so hartnäkkigen Unglauben der Menschen, welche das Wort hören aber nicht aufnehmen, welche den sehen den der Vater gesandt hat, aber ihn nicht verehren, der soll uns ja nicht dazu führen, ihn selbst je auf eine andere Weise zu betrachten, als daß er gekommen ist die Welt selig zu machen. Je mehr wir uns verlieren in das Bild, welches er uns anderwärts freilich auch darstellt, daß er kommen werde zu richten, desto mehr wagen wir es auf die Gefahr, daß sich uns das reine Bild des Seligmachers trübt. Ebendeshalb sagt er hier, Ich werde nicht richten, denn ich bin nicht gekommen zu richten, sondern selig zu machen. Er giebt dabei freilich zu, denn sonst hätten seine Worte keinen Sinn, daß ein Unterschied sein werde, über dessen Größe | er sich hier freilich nicht ausspricht, zwischen denen die an ihn glauben, und denen die sein Wort nicht aufnehmen. Diesen Unterschied zu ermessen überläßt er uns selbst. Und das konnte er; denn je mehr unser Herz uns davon Zeugniß giebt, daß alle Seligkeit von ihm kommt, desto mehr können wir den Mangel derselben nur bedauern, und im tiefsten und innigsten Mitgefühl diejenigen beklagen, welche von dieser Seligkeit fern bleiben. Diesen Unterschied giebt er zu, aber Er sei nicht der welcher ihn hervorbringe durch irgend eine besondere Handlung, durch irgend ein besonderes Thun. Alles was er als seine That ansehen könne, das gehöre nur zu dem großen göttlichen Entwurf die Welt selig zu machen. Alles was in diesem Sinne geschieht, geschieht durch ihn; er ist es, der es bewirkt, dazu hat Gott ihn gesandt; er ist es, der selig macht; diese Seligkeit erlangt aber auch keiner und Ruhe und Erquikkung für die Seele findet keiner ohne ihn. Aber eine 3–4.16 Vgl. Hebr 1,3
6 Vgl. Joh 4,8
23 Vgl. Joh 3,17
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besondere Handlung, die zu richten und zu strafen welche sein Wort nicht aufnehmen, die lehnt er in den Worten welche er hier spricht ausdrücklich ab. Aber was sagt er? Wer meine Worte nicht aufnimmt, der hat schon der ihn richtet, das Wort welches ich geredet habe, das wird ihn richten am jüngsten Tage. Was heißt aber das anders m. g. F., als die Sache selbst wird ihn richten? Welches ist das Wort auf welches der Erlöser sich hier bezieht? Es ist das allgemeine einladende Wort, welches er unter tausend verschiedenen Gestalten sowol wenn er redet von seinem Verhältniß zu den Menschen als in einzelnen Belehrungen ausgesprochen und in tausend verschiedenen Gestalten wiederholt hat, das Wort, daß alle zu ihm kommen und sich um ihn sammeln sollen; es ist das Wort welches er kurz zuvor auch hier geredet hat, Das Licht ist noch eine kleine Zeit bei euch; wandelt dieweil ihr das Licht habt, daß euch die Finster|niß nicht überfalle; glaubet an das Licht, dieweil ihr es habt, auf daß ihr des Lichtes Kinder seid; das Wort welches er eben wiederholt, Ich bin gekommen in die Welt ein Licht, auf daß wer an mich glaubt nicht in Finsterniß bleibe. Das Wort wird einen jeden richten; ein jeder wird es zu erkennen bekommen, daß eben deshalb das Licht ihm fehlt, weil er sich zu dem Lichte nicht gewendet hat, daß eben deshalb die Seligkeit ihm fehlt, weil er zu dem nicht gekommen ist, der allein den Menschen die Seligkeit bringen kann. Das wird ihn richten, und weiter bedarf es nichts. Wer dem einladenden Worte des Herrn nicht folgt, der schließt sich selbst von dem Segnungen desselben aus, und bedarf dazu keines besonderen Spruches und Urtheils. Das sagte der Herr als er im Begriff war sein öffentliches Leben zu beschließen, als sein einladendes Wort an die große Menge der Menschen nicht mehr ergehen konnte. Hat er es also nicht zu spät geredet? Hatte er nicht mit dieser Warnung sein öffentliches Leben unter den Menschen beginnen können? O m. g. F., er hat es nicht verspart bis auf den lezten Augenblikk, sondern zu jeder Zeit hat er es gesagt; aber auch in dem lezten Augenblikk wäre es nicht zu spät gewesen, denn das Wort welches er redete ist nicht ein vergängliches, es war nicht gebunden an seine Erscheinung im Fleisch und an die Töne die aus seinem Munde gingen, sondern wie es einmal in die Welt gekommen war, konnte es nicht wieder aus derselben verschwinden. Das ist buchstäblich in Erfüllung gegangen, was er bei einer andern Gelegenheit sagt, Wenn diese nicht reden wollten, so würden die unmündigen reden. Als der Herr nicht mehr da war, da ward dasselbe Wort gesprochen von seinen Jüngern; das waren die unmündigen im Geist. Von einer Zeit zur andern riefen die Werkzeuge des Herrn in der Kraft des Geistes 14–16 Joh 12,35
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eben dasselbe einladende Wort, wie es aus dem Munde des Erlösers gegangen | ist, ein jeder in seinem Kreise. Und noch immer ergeht es an alle Menschen, und die es vernommen haben, denen steht es immer wieder zu Gebote, und wenn sie ihr geistiges Ohr öffnen wollen, wird es in das innere desselben dringen. Und darum sagt der Herr, Das Wort welches ich geredet habe wird den der nicht glaubt richten, aber nicht eher als am jüngsten Tage. So lange der Mensch in Gemeinschaft ist mit dem göttlichen Worte, ist die Hoffnung nicht verloren, daß das Wort des Herrn in sein Herz eindringen, daß das seligmachende Werk des Erlösers auch in ihm beginnen werde. Und darum ist das die tröstliche Ermahnung, die er denen geben konnte von welchen er sich jezt trennen sollte, das Wort welches er geredet, auch von anderm Munde gesprochen, sei ein ewig lebendiges bis an das Ende der Tage. Das Wort welches er geredet, aufgefaßt von seinen ersten Jüngern, niedergelegt in den heiligen Schriften welche die Züge seines göttlichen Bildes aufbewahren, und von da ertönend durch alle Jahrhunderte, hat immer noch dieselbe Kraft. Wer es aufnimmt, der wird selig; wer es nicht aufnimmt, den wird es richten, aber nicht eher als am jüngsten Tage, es wird ihn so lange nicht richten, als noch die Möglichkeit da ist, daß er es vernehmen und sich selbst öffnen kann für die seligmachende Kraft desselben. Darum m. g. F. war auch das Leiden und der Tod des Herrn, den wir in diesen Tagen mit einander begehen werden, nicht das Ende seiner beseligenden Wirksamkeit, vielmehr fing sie da erst recht an; seitdem ist erst überall, und eher konnte es nicht, das Evangelium vom Reiche Gottes gepredigt worden; seitdem hat erst das Wort welches er geredet seinen größten Umfang gewonnen; seitdem ist es erst von einem Volke der Menschen zu dem andern gedrungen; und eher wird auch der Tag der da richtet nicht kommen, bis es überall von allen Menschen ist vernommen worden. | III. Endlich aber laßt uns merken darauf was der Erlöser zulezt in den Worten unsers Textes sagt, wie er alles was er geredet hat, und worauf wie er sagt die Seligkeit der Menschen ruht, nicht von sich selbst ableitet, sondern es von dem ableitet der ihn gesandt hat. Ich habe, spricht er, nicht von mir selber geredet; sondern der Vater der mich gesandt hat, der hat mir ein Gebot gegeben was ich thun und reden soll. Und ich weiß daß sein Gebot ist das ewige Leben. Darum das ich rede, das rede ich also wie mir der Vater gesagt hat. M. g. F. Laßt uns jezt nicht uns in eine Untersuchung darüber einlassen, ob nicht der Herr eben so gut und mit demselben Rechte hätte sagen können, was er rede, rede er von sich selbst, indem er die Fülle der Gottheit, 40 Vgl. Kol 2,9
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die er zu seinem Eigenthume rechnen und als sein eigentliches Wesen ansehen konnte, in sich trug, wie er anderwärts sagt, daß er und der Vater vollkommen eins seien; sondern vielmehr laßt uns in der Beziehung, in welcher wir jezt leben in unserm kirchlichen Jahre, auf das achten was der Erlöser hier sagt, Sein Gebot ist das ewige Leben, und darum rede ich wie mir der Vater gesagt hat. Zweierlei m. g. F. ist es besonders, worauf ich in dieser Beziehung unsere Aufmerksamkeit lenken will. Einmal was das für eine große und herrliche Sache ist, wenn wir wie der Erlöser hier von uns selbst sagen können, nicht nur wir reden was aus Gott ist, sondern wir reden auch so wie der Vater gesagt hat. Denn das ist es, worüber der Mensch oft in Ungewißheit ist, und worin er viel zu bereuen hat und sich Vorwürfe zu machen, wie es alle erfahren müssen die von dem göttlichen Geiste das Zeugniß empfangen daß ihr Leben aus Gott ist. Diese sind aus der Wahrheit, und weniger können sie nicht sagen, | als was der Vater ihnen offenbart; aber wie sie es sagen, das ist es, worin die Kinder Gottes noch fehlen. Das eine Mal zu milde und zu schwach, wo Ernst und Strenge noth thäte; das andre Mal zu hart und strenge, wo durch Milde und Freundlichkeit die Herzen der Menschen gewonnen werden sollten. Aber sagen dürfen, wir sind darin dem Erlöser gleich, daß wir sagen können wie er, Was ich rede und thue, und reden und thun ist ja dasselbe, das rede und thue ich also wie mir der Vater gesagt hat, das ist das höchste Ziel christlicher Vollkommenheit. Wer sich das Zeugniß geben könnte, daß was er redet und thut er so rede und thue wie es in jedem Augenblikk dem Willen Gottes angemessen ist, der wäre der vollkommene Mann, und ein solcher ist in diesem Leben nicht zu finden. Aber wohl, so laßt uns darüber uns freuen, daß der Erlöser dieser vollkommene Mann ist, und daß wenn wir ihm auch nicht gleich sind, wir uns doch aneignen können was wir an ihm sehen und finden. Er hatte diese vollkommene Ueberzeugung, und mußte sie haben. Je mehr wir ihm darin gleichen, daß wir überall auf die Werke sehen die der Vater uns zeigt, daß wir uns in unserm ganzen Leben von dem Geiste der im Reiche Gottes walte – denn in dem Gebiete der Erlösung sind die herrlichen Werke Gottes zu finden – durchdringen lassen, desto mehr werden wir diesem Ziele entgegengehen. Aber der Erlöser sagt dies im Angesichte des Leidens dem er entgegenging. Woher entstand ihm das? Eben sowol aus dem was er gesagt, als aus der Art wie er es gesagt hatte. Es war das Wort seines Bekenntnisses, die Art wie er sich gestellt hatte gegen die Obersten des Volks, die Strenge mit welcher er gegen diejenigen verfuhr, welche auf dem Stuhle Mosis saßen und die Schlüssel des Himmelreiches denen die hinein wollten vorenthiel2–3 Vgl. Joh 10,30
14 Vgl. Joh 18,37
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ten, das alles zusammen was er sagte und that, | und wie er es sagte und that, sein ganzes Leben in Worten und Werken, das war es, woraus sein Leiden entstand. Aber wie er der war, der da sagen konnte, Was ich rede, das rede ich also wie mir der Vater gesagt hat, so war er darüber erhaben, daß er sich selbst auch nur die geringste Schuld beilegen konnte an dem was ihm bevorstand, so durfte er sich nie etwas leid werden lassen von dem was er gesagt und gethan hatte. O m. g. F., ein Ziel ist das dem wir unsere Wünsche entgegenstrekken müssen. Denn noch immer geschieht es, daß das Wort des Bekenntnisses, das Reden und Thun dessen was der Wille Gottes ist, dem Menschen Widerwärtigkeiten und Leiden zuzieht, bald mehr bald weniger. So ist es und muß es bleiben, so lange Licht und Finsterniß gegen einander kämpfen. Da dasselbe gute Gewissen zu haben, welches der Erlöser hatte, ist das höchste Ziel des Menschen in dieser Welt. Wir erreichen es zwar nicht, aber wir können ihm nachstreben, und werden ihm näher kommen, je mehr wir auf den sehen, der nichts geredet hat und gethan als was und wie der Vater ihm gesagt hat. Je mehr wir wie der Erlöser sagen können, Ich habe nicht aus mir selbst geredet und gehandelt; je mehr wir bei allem Thun nicht auf uns selbst sehen und von uns selbst ausgehen, sondern überall nur das Reich Gottes im Auge haben, welches zu fördern wir berufen sind: desto mehr werden wir dem Erlöser näher kommen; und das ist das wahre Geheimniß dieses Wortes, das ist es, was wir erreichen können, und das hat der Erlöser hier angedeutet. Wir sollen nichts aus uns selbst und durch uns selbst haben; wir sollen nur als seine Werkzeuge, als seine Diener handeln; wir sollen einzig und allein die Sache des Reiches Gottes im Auge haben. Dann werden wir dem näher kommen, der nicht von sich selber geredet hat, sondern so wie ihm der Vater gesagt, und auf diesem Wege seinen Lauf vollendet hat. Aber in dem Anblikk seines Leidens und Todes sagt auch der Erlöser, Ich weiß daß sein Gebot das ewige Leben | ist; und in diesem Bewußtsein, es sei der Wille des himmlischen Vaters, den er erfülle, ging er dem Ende seines zeitlichen Lebens entgegen. Und das ist der Sinn der aus ihm in uns einströmen soll. Laßt uns alles irdische gering achten; das Gebot Gottes ist das ewige Leben. Wer das thut, der ist schon hier aus dem Tode in das Leben gedrungen, und für den ist es von geringer Bedeutung, wie lang oder kurz das irdische Leben ist, und von welcher Art und welchem Inhalt es ist; denn er hat das ewige Leben in sich, und offenbart es aus sich heraus, indem er damit nur thut was das Gebot Gottes fordert. Und so ist dies die höchste und seligste Betrachtung des leidenden und sterbenden Erlösers, daß wir in ihm erblikken das ewige Leben, welches er dadurch hatte daß er das Gebot Gottes that. Das laßt uns denn ins Auge 34–35 Vgl. Joh 5,24
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fassen; und so möge seine Ansicht, wie sie die seinige war im Angesicht des Todes, auch die unsrige sein. Dann werden wir wissen, daß sein Gebot das ewige Leben ist, und daß wir desselben auch schon hier in der Gemeinschaft mit dem der ihn gesandt hat theilhaftig werden können und sollen. Amen.
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Karfreitag, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 3,14–15 Nachschrift; SAr 65, Bl. 43r–46v; Woltersdorff Keine Nachschrift; SAr 114, S. 141–154; Sethe Nachschrift; SAr 111, Bl. 21r–24r; Sobbe Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
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Wenn wir den Erlöser hier hören reden von seiner Erhöhung, so denken wir dabei natürlich an die Herrlichkeit in welche er eingegangen ist, an sein Erhobenwerden von der Erde hinauf zum Himmel, an sein Wiederauffahren zu dem Vater von welchem er gekommen war; das Recht aber diese Worte heut, an einem Tage wo unser Gemüth auf den Tod des Herrn gerichtet ist, zum Grunde unsrer Betrachtung zu legen, heut wo es nicht sowohl die Erhöhung des Herrn, sondern die tiefste Erniedrigung in dem Gebiet der menschlichen Dinge ist, die unsern Blick auf sich zieht, da wir ihn sehen wie er gehorsam ist bis zum Tode am Kreuz, dieses Recht gründet sich auf ein andres Wort des Apostels Johannes denn bei einer andren Gelegenheit sagt der Herr: „Wenn ich erhöht werde will ich sie alle zu mir ziehen”, und da fügt Johannes der Jünger welcher dem Herrn so oft zunächst stand, hinzu: „Das sagte er zu deuten welches Todes er sterben werde”. Und wenn der Herr hier sagt: des Menschen Sohn muß erhöhet werden, auf daß alle die an ihn glauben nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben, und er sagt dort: wenn ich erhöhet werde, will ich sie alle zu mir ziehn; Ist nicht beides Eins und Dasselbe? Zu ihm gezogen werden, und das ewige Leben haben? Nicht verloren werden, und das ewige Leben haben, ist’s nicht Eins? Und so muß es also auch Dasselbe sein, was er in diesem und jenem Worte seine Erhöhung nennt. Wenn er aber sagt: „wie Moses die Schlange erhöhet hat“ so weiset er uns zurück auf eine Geschichte des Irdischen Volkes im altem Bunde, und drückt dieser selbst das Gepräge auf 18 ihm] ihn 12 Vgl. Joh 12,32
14 Vgl. Joh 12,33
17 Vgl. Joh 12,32
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von der Aehnlichkeit seiner Erlösung der Menschen, und seiner Bestimmung sie in das ewige Leben hinein zu führen und zu bewahren! So laßt uns auf diese Aehnlichkeit die der Herr selbst angiebt sehen. Es kommt aber dabei auf zweierlei an, nämlich: – 1. Die Aehnlichkeit richtig aufzufassen, welche zwischen jener alten Begebenheit und dem was dort bewirkt wurde statt findet, und der Erlösung durch Christum. und dann 2. Dieses zu betrachten in Beziehung auf das Fest des heutigen Tages; nämlich in welchem Sinn, vermöge dieser Aehnlichkeit der Tod des Herrn, seine Erhöhung kann genannt werden.
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1. Um den Sinn dieser Aehnlichkeit überhaupt ins Auge zu fassen den uns der Herr hier vorstellt, müßen wir jene Begebenheit uns vergegenwärtigen. Sie ist folgende: Mannigfach hatte das Volk gemurrt auf dem Wege in der Wüste von Egypten nach dem Lande der Verheißung, über die Art wie Moses es führte, bald bei dieser, bald bei jener Gelegenheit, sich den Anordnungen widersetzt, und dachte gar daran, von dem Wege zurückzukehren in das Land der Knechtschaft. Da sandte der Herr, unter andren Prüfungen, giftige Schlangen, und diese Plage brachte sie zum Bewußtsein ihrer Sünde, und kamen zu Mose und sprachen: „Wir haben Unrecht gethan, daß wir uns vergangen haben, nun aber bitte | du den Herren daß er die Schlangen von uns nehme.” Da sprach der Herr zu Mose: „Mache du eine eherne Schlange und richte sie auf zum Zeichen, und wer zu ihr hinaufsieht soll genesen.” So war es, wenn einer gebißen war von den giftigen Schlangen, so sah er die aufgerichtete eherne Schlange an, und blieb leben. – Hier stellt uns das Volk des alten Bundes das ganze Geschlecht der Menschen dar. Daß es sich der Vergehungen bewußt wurde stellt dar: das allgemeine Bewußtsein der Sünde im ganzen Geschlecht. Die Schlangen die der Herr sandte, welche schmerzliche Wunden verursachten, was deuten sie? – O wenn wir in die Tiefen unsrer Herzen hinein schauen, was finden wir da für ein wunderbares Ineinandergreifen der Sünde selbst und der Folgen derselben? wie ist hier eins von dem andern nicht zu unterscheiden? Was unser Gewissen rührt, es ist die Sünde, was unser Leben quält, es ist die Folge der Sünde; Alle Plagen erscheinen uns theils mittelbar, theils unmittelbar als die wohlverdiente Folge der Sünde; aber sie sind selbst auch nicht ohne Sünde; denn wie anders würde der Mensch das was von außen in seinen Kreis hineindringt fühlen wie frei würde er bleiben von dem Beunruhigenden desselben, wenn nicht die Sünde in ihm selbst wäre. Darum wenn 19 brachte] brachtete 18–19 Vgl. Num 21,6
20–25 Vgl. Num 21,7–8
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das Volk Gottes, als es zur rechten Erkenntniß der Plagen kommt, zurückgeht auf die Vergehungen derer es sich schuldig fühlte, so müßen wir wohl sagen, so ist es immer und überall gewesen! Nicht nur in dem Volke wo es einen alten Glauben gab an ein höchstes Wesen, sondern selbst in den Völkern, die die ihnen angeborene Erkenntniß Gottes verkehrt hatten in falschen Wahn, überall sind die Menschen durch das was sie als Folge ihrer Vergehungen ansahen zum Bewußtsein derselben gekommen. Und wie das jüdische Volk zu Mose ging und sprach: wir haben Unrecht gethan, nun bitte du den Herrn für uns und wie sie so den, den sie oft geringgeschätzt hatten, sich wiedererwähleten zu ihrem Mittler zwischen sich und Gott, so haben alle Völker aufzurichten gesucht, eine Vermittlung zwischen sich und dem höchsten Wesen, wenn sie als Strafe ihrer Schuld das Übel ansahen. Und Moses that was sie wollten, er betete für sie. Und immer haben die, die sich am freisten wußten von der Sünde, ein solches Gemüth gehabt, daß sie, mogten sie darum gebeten werden oder nicht, feurige Gebete zum Himmel geschickt, und versucht haben ob sie etwas Gutes in dem Menschen bewirken könnten. Moses aber vermogte nichts, und kein Mensch vermag etwas, um die Menschen von der Sünde zu befreien. Als sie nun baten der Herr mögte die Schlangen von ihnen nehmen, so erfüllte Gott diesen Wunsch nicht. O so ist es auch seit Christus erschienen ist, seit sein Reich besteht und uns Friede verheißen ist und Seligkeit, wenn wir im Glauben hindurchgedrungen | sind zum Leben. Die Schlangen werden nicht hinweggenommen, die Folgen der Sünde kehren immer wieder, der Keim des Verderbens liegt in jedem neuen Geschlecht und wenn durch den Glauben die Heilgung beginnt, und ein Geschlecht die Sünde abwirft, weil das Göttliche die innre Kraft der Gläubigen ist; das neue Geschlecht geht doch wieder hervor als sündig, mit der Blüthe des Lebens blüht die Sünde wieder auf, und es bedarf daß jedes sich wieder eintauche in die Buße und zu einem neuen Leben eingehe, in welchem es sich allmählich reinigt von der Sünde. So ist es. Aber weil der Herr die Schlangen nicht hinwegnehmen wollte, so sprach er: „Richte eine eherne Schlage auf zum Zeichen, und wer zu ihr aufsieht soll genesen.“ – Wohl war der Erlöser ein Bild der Schlange die zum Zeichen aufgerichtet war, aber auch nur ein Bild. Er war ein Bild derselben, weil in ihm das Wort Fleisch geworden war, weil er Fleisch und Blut angeommen hatte, weil er an allem erfunden wurde wie ein Mensch. Diese menschliche Gestalt hatte er angenommen, welche, wenn wir sie sehen uns gleich erinnert an die Sünde, Veranlassung giebt die Sünde zu vermuthen, die Gestalt in welcher wir überall mit dem Wahren 10 ihrem] ihren 8–9 Vgl. Num 21,7 31–32 Vgl. Num 21,8 2,14 35–36 Vgl. Phil 2,7
34 Vgl. Joh 1,14
35 Vgl. Hebr
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das Falsche, mit dem Reinen das Unreine vermischt finden, und wie aus dem Herzen arge Gedanken kommen, so ist auch das Arge in der Rede des Menschen. Dieselben Reden und Gedanken hatte er angenommen, aber er war nur ein Bild von der Theilnahme des Verderbens, er war in allem wie wir, ausgenommen die Sünde. Und wenn nun gesagt wird: wer die Schlange ansieht der soll leben, der Herr aber sagt, wer glaube an ihn der habe das Leben, so ist ja wohl beides Eins und Dasselbe, denn das an ihn glauben, ist es etwas Andres als das ihn ansehn? Mehr vermag der Mensch nicht – hinsehen auf den der der Anfänger und Vollender des Glaubens ist, auf ihn sehen mit dem Bewußtsein des eignen Verderbens, und durchdrungen von dem Gefühl, daß der Keim des Lebens allein in ihm liegt, das ist alles was wir vermögen, und wie Gott nichts forderte von dem Volk als das Hinsehn auf die eherne Schlange, so wird auch von uns nichts gefordert, als daß wir unser ganzes Gemüth hinrichten auf ihn. Aber freilich ist von der Schlange selbst nicht gesagt, daß eine Wirkung von ihr aus gegangen wäre, sondern die Wirkung lag in der göttlichen Verheißung die denen gegeben war, welche zu ihr aufsehn würden. Aber die Verheißung die uns gegeben worden, ist sie nicht viel größer? Wer die Schlange ansah, sollte am Leben bleiben, und von welchem Leben war die Rede als von dem leiblichen in der Welt der Sünde? Wer aber in Christo ist der ist eine neue Creatur, das Leben der Sünde ist tod und ein ganz neues hat in ihm begonnen. Aber auch darin liegt doch die Aehnlichkeit mit jenem Bilde der zum Zeichen errichteten Schlange; denn sobald die Säfte des Menschen einmal ergriffen waren von dem Gifte der Schlangen, so mußten sie sterben, | und sollten sie leben, so mußte ihnen ein neues Leben gegeben werden. So weit führt uns das Bild, aber wie sehr uns auch die Aehnlichkeit ergreift, genügt es uns? Nein, denn wir können uns des Verlangens nicht erwehren, es zu begreifen wie es zugeht, daß das Anschauen Christi uns ein neues Leben giebt; die Befriedigung aber dieses Verlangens können wir in dem Bilde von der Schlange aber nicht finden! Vergebens würden wir suchen uns zu vertiefen darin, nie würde es uns möglich sein zu begreifen, daß das Anschauen der Schlange solche Wirkung hatte. So laßt uns denn uns wenden zum zweiten Theil unsrer Betrachtung, und nach Anleitung der Worte des Herrn den vollkomnen Aufschluß darüber finden, wie es mit der Aehnlichkeit ist, nämlich: worin sie besteht und worin nicht, und welch eine andre und weit höhere Wirksamkeit die des Herrn ist und des Glaubens an ihn. 2. Johannes sagt von diesem Worte des Herrn: wenn ich erhöhet werde will ich sie alle zu mir ziehen, das sagte er zu deuten welches Todes er sterben 3 Dieselben] Dieselbe 5–6 Vgl. Num 21,8
11 ihm] ihn 9 Vgl. Hebr 12,2
20 Vgl. 2Kor 5,17
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werde: – Das Wort Erhöhtwerden also war eine Andeutung seines Todes. – Es war aber dasselbe Erhöhtwerden welches er hier meint indem er sich vergleicht mit der Schlange die erhöht wurde. So laßt uns auf diesen Theil der Aehnlichkeit besonders sehen, dabei aber wird es nöthig sein falsche Vorstellungen von der Aehnlichkeit die entstehen können, aus dem Wege zu räumen. Die eherne Schlange nämlich, hatte keine andre Bestimmung und Richtung, als für den Augenblick. Sie war aufgerichtet zum Zeichen, und der Augenblick in dem jeder sie ansah, es war der Augenblick der Heilung, aber eine fortdauernde Wirkung gab es nicht, kein Zusammenhang blieb. So ist es nicht mit dem Erlöser, er sagt: wenn ich werde erhöhet werden will ich sie alle zu mir ziehn. Dieses Zuihmgezogenwerden aber kann nur allmählich geschehn wie Johannes sagt „Es ist noch nicht erschienen, u. s. w.“ Also nicht etwas augenblickliches ist das Werk des Glaubens, sondern die Wirkung des Herrn, die erlösende und heilgende Thätigkeit bleibt, und wenn wir einmal im Glauben das Bild des Herrn in uns aufgenommen haben, können wir dann vergessen wie er gestaltet ist? Nein! – Das also geht weit hinaus über die Aehnlichkeit welche der Erlöser hier aufstellt. – Aber noch mehr! – Die eherne Schlange war ein todtes Werk, keine Kraft war in ihr, und es war nur das Zurückgestrahltwerden der Sonne, was von ihr ausging. Das Todteste des Todten ist woraus sie gebildet war, es konnte also kein Leben in ihr sein und keine lebendige Wirkung von ihr ausgehn. Was wollen wir nun sagen woraus die Heilung hervorging? Täuschten die sich selbst die zu ihr aufsahen, indem sie meinten die Heilung gehe von ihr aus? Und war es nicht vielmehr ihr eigen Werk, daß sie ihre Verderbtheit sahen und zu Gottes Gebot zurückkehrten? Oder sollen | wir sagen Gott habe auf wunderbare, gleichsam zauberische Weise, mit dem Ansehn der Schlange die Heilung verbunden? – Mögen wir dies oder jenes sagen, wir finden in beiden keine Aehnlichkeit mit der Wirkung des Erlösers; denn wollen wir wagen das Erste von uns zu sagen, nämlich, daß das Hinsehn auf den Erlöser unsre eigne Thätigkeit sei, und also jeder sich selbst den Glauben geben könne, und daß darin, daß wir anfangen auf den Erlöser hinzusehen das ganze Werk der Heiligung vollbracht sei; o, wie würde ein Gefühl unsrer eignen Ohnmacht uns der Unwahrheit zeihen. Nein, auch der Glaube ist ein Werk der göttlichen Gnade, denn er ist ein Werk des göttlichen Wortes. „Der Glaube kommt aus der Predigt,“ also schon der erste Anfang ist Gnadenwerk, und von da an bis zur Vollendung ist alles nur Gnadenwirkung. Aber das Andre, nämlich, daß mit dem Ansehn der Schlange auf wunderbare Weise die Heilung verbunden gewesen sei, können wir auch nicht auf den Erlöser und seine Wirksamkeit anwenden, denn 2 indem] in der 12–13 Vgl. 1Joh 3,2
35 Vgl. Röm 10,17
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sonst wäre ja die Erlösung durch Christum eine willkürliche Einrichtung Gottes, und wir müßten dann sagen: wenn die Willkür etwas Unbegreifliches sei, so sei auch unbegreiflich wodurch sie die Wirkung auf unsre Seele hervorbringe, und wir können nie das Geringste davon verstehn. Nein, bei diesem Gedanken ergreift uns gewiß alle ein geheimer Schauer. Wie anders ist Wille als Willkür! In der Willkür Gottes den Grund des Kreuzestodes des Herrn zu suchen, dahin leitet er uns nicht wenn er sagt: „Mußte nicht Christus leiden,“ also nicht als etwas Willkürliches, sondern als das, was nicht anders sein konnte, stellt er seinen Tod dar, indem er die, die das nicht fanden anredet als Thoren und trägen Herzens. So fordert er uns auf, von der Trägheit des Herzens zu erwachen, und das geistige Auge und Ohr dem zu öffnen, daß Christus mußte leiden und sterben damit sein Reich sich ausbreite. So laßt uns den Gedanken an göttlicher Willkühr verbannen aus unsrem Herzen, und uns hinrichten auf den Rathschluß der göttlichen Liebe und Weisheit. Liebe ist keine Willkür, und Weisheit ist keine, aber beide sind das, worauf allein der göttliche Wille ruhen kann. Wohlan, so laßt uns fragen: wenn das nichts Willkürliches ist, daß Christus durch seinen Tod gerade das Werk der Erlösung vollendete, wie ist denn die Erhöhung des Herrn am Kreuz, das, worin er sich vergleicht mit der zum Zeichen erhöheten Schlange? Die Schlange welche Moses aufrichtete, die konnte keine andre Absicht haben, als eben durch ihre Erhöhung die Menschen aufmerksam zu machen darauf, daß sie sollten zu ihm aufsehn um zu genesen, und jedem mußte es klar sein, daß das der Wille Gottes sei. Und eben so haben die Menschen die erlösende Kraft des Herrn erst gefunden in seinem Kreuzestode, der durch die Sünde, die überall dieselbe ist, herbeigeführt worden ist. Der Theilnahme an derselben mußte jeder überführt werden, ehe er zum beseligenden Glauben hindurchdringen konnte. Aber die Klarheit der Bestimmung daß Christus so sterben mußte, ist vielen schwer | zu fassen, und selbst wohlmeinende Christen, aber scheiternd an dieser Aufgabe, suchen die Quelle des Heils allein in der Lehre des Herrn, und sehen diese als den einzigen Grund des Glaubens an. Wir wollen ihnen Recht geben, wo sie es haben. Ja, die Lehre des Herrn ist und war eine Quelle des Glaubens, denn in den Jüngern war der Glaube entstanden ehe der Herr gekreuziget war. Sie sahen seine Herrlichkeit als die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit, und als er sie fragte ob auch sie ihn verlassen wollten, sprachen sie: „Herr wohin sollen wir gehen, du hast allein Worte des ewigen Lebens.“ So hatte er sie zu sich gezogen durch das Wort seiner Lehre und die Darstellung seines Wesens, d. h. Wort in andrer Gestalt, daß wie der Glaube entstanden war, so fand er auch seine Haltung in der Lehre. Aber war es nur 7–8 Vgl. Lk 24,26 9–10 Vgl. Lk 24,25 12–13 Vgl. Lk 24,46 Num 21,8 34–36 Vgl. Joh 1,14 36–37 Vgl. Joh 6,68–69
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das worauf es ankam die Welt zu erlösen? und hätte der Herr seinen Zweck erreicht wenn es dabei geblieben wäre daß nur die wenigen an ihn glaubten, und nur solch klein Häuflein an ihm hing, daß wenn es den Schauplaz der Erde verlassen, auch das Heil wieder mitgenommen hätte, weil es nur gewesen wäre in ihren eigenen Seelen? – Darum weil es auf mehr ankam, so mußte zu seiner Lehre auch sein Tod hinzukommen, er mußte erhöhet werden um sie alle zu sich zu ziehen. Haben wir nun denen, die nur seine Lehre als Grund des Glaubens wollen gelten lassen, in soweit Recht gegeben, als in ihr wirklich das Heil ist, so wollen wir auch denen seiner Zeitgenossen nicht Unrecht geben welche zu seiner Lehre hinzu noch mehr verlangten, zum Beweis daß seine Sendung sich auf das ganze Geschlecht beziehe, deshalb ihn fragten: „Was thuest Du für ein Zeichen?” Freilich suchten sie in ihrem irdischen Sinn nur ein Zeichen äußerer Macht, die der Herr verschmähte, aber eine Macht mußte doch dabei sein, nämlich die geheimnißvolle Macht der Wirkung seines Todes auf die Seelen. Als Petrus auftrat nach dem Fest der Pfingsten und sprach: „Ihr wisset alle von Jesum von Nazareth, der da wandelte lehrend und wunderthuend, den hat Gott zu einem Herren gemacht über alles, obwohl ihr ihn getödtet!“ Da regte sich in denen die ihn hörten das Bewußtsein der Sünde, als der Ursach seines Todes, und dies war der Stich in ihr Herz, der ihnen das Wort auspreßte: Ihr Männer, lieben Brüder was sollen wir thun? – Und so ist’s überall, die heilsame Traurigkeit die zur Seligkeit führt, sie entstehet aus dem Bewußtsein daß der Fürst des Lebens getödtet ist die Sünde die jeder in sich trägt. Wer an diesem Bewußtsein nicht Theil nimmt, der gehet auch nicht ein zum neuen Leben. Gekreuziget muß jeder werden, durch diesen Gedanken, auf daß er absterbe der Sünde, um also fähig zu werden des neuen Lebens in ihm, der das Leben ist. Darum sagt der Herr, des Menschen Sohn muß erhöhet werden, auf daß alle die an ihn glauben, nicht verloren werden sondern das ewige Leben haben. Die Erniedrigung daß er in die Hände der Sünder überantwortet ward, und getödtet durch die Sünde die überall dasselbige ist, das also ist seine Erhöhung, das ist die Macht, die zu seiner Lehre hinzukommen mußte, dadurch muß das verstockte Herz aufgelockert werden, damit der Saame des göttlichen Wortes Wurzel | fassen könne. Doch auch in dieser Beziehung müssen wir den Tod des Herrn nicht als etwas Einzelnes betrachten, sondern immer in Zusammenhang mit dem was daraus hervorgegangen ist, so nemlich meinte es der Herr selbst wenn er sagt: „Mußte nicht Christus leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehn.“ So sagt Paulus: „Wer will verdammen[?] Christus ist hier der gerecht macht, der gestorben ist um unsrer Sünde willen, und auferstanden um unsrer Gerechtigkeit willen.“ Nicht als ob er beides trennen wollte (denn wenn 12 Vgl. Joh 6,30 16–18 Vgl. Apg 2,22–23 21 Vgl. Apg 2,37 27 Vgl. Joh 1,4 37 Vgl. Lk 24,26 38–40 Vgl. Röm 8,34 40–1 Vgl. 1Petr 2,24
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der Mensch der Sünde abstirbt, so lebt er eben dadurch der Gerechtigkeit) sondern wie beides zusammen gehört, so stellt er hier auch den Tod des Herrn und das Eingehn in seine Herrlichkeit zusammen. Und in diesem Zusammenhange verstehen wir auch das Übrige von der Aehnlichkeit die der Herr hier aufstellt. Denn wie die Schlange in der Wüste aufgerichtet war, so war sie das Zeichen und der Vereinigungspunkt derer, die vom Verderben ergriffen, Hülfe suchten. Da versammelten sie sich um sie, die die Stralen der Sonne zurück in ihr leibliches Auge stralte. Es war der Sammelplaz der Leidenden die genesen wollten. So ist, wie das der gemeinsame Schmerz ist, der alle Menschen ergreifen muß wenn der Glaube in ihnen entstehen soll: daß der Fürst des Lebens, der allein rein war von der Sünde, durch die Gewalt der Sünde getödtet ist; dieser Schmerz ohne welchen die Predigt vom Kreuz nichts bewirkt. – So ist denn auch der Herr der Vereinigungspunkt für Alle, und er sagt: ich will sie alle zu mir ziehn. Zu sich aber will er sie um sie fest zu halten, das aber thut er nicht vermöge seines Todes, sondern vermöge seines Lebens, seiner geistigen Gegenwart bei uns, denn der Tod des Herrn konnte nicht allein unser Heil werden, wenn nicht auch sein Leben, seine geistige Gegenwart, die mehr ist als Entschädigung für sein irdisches Dasein, die lebendige Kraft wäre die uns leitete. Die Wirksamkeit die er nun also ausübt auf seine Gemeinde, das ist die Wirksamkeit die der Fürst des Lebens ausübt als der Lebende. Nachdem er neulich gelitten hat und ihm viele zur Beute gegeben sind, als Lohn seiner Mühe, lebt und regiert er also über seine Gemeinde. So in diesem Zusammenhange des Todes und der Herrlichkeit Christi, ist das Kreuz die Fahne des Heils. Christus ist gestorben um unsrer Sünde willen, und auferstanden um unsrer Gerechtigkeit willen, Beides ist Eins. Wir sterben mit ihm der Sünde ab, eben deswegen weil sie den Fürsten getödtet haben durch die Sünde, aber was wir nun leben, das leben nicht wir, sondern Christus in uns; und so ist es denn der Lebende der uns alle vereint hält, und durch den wir sind was wir sind in seinem Reich. Aber an einer andren Stelle sagt der Herr: Wenn ihr mich werdet erhöht haben, dann werdet ihr erkennen wer ich sei. O wie ist das in Erfüllung gegangen! – Moses mußte in der Wüste die Schlange aufrichten, aber indem er die That vollbrachte ohne die Wirksamkeit derselben selbst hervor zu bringen, so mußte er darin seine eigene Unfähigkeit dem Volk zu helfen, erkennen. Und die auf Mose Stuhl sitzen, und die Schlüssel des Himmelreichs hatten aber weder selbst hineingingen, noch andre hinein ließen, die wußten in ihrer Verblendung, wir dürfen es nicht anders nennen denn so nennt es selbst der Herr, in welcher sie meinten einen Beruf von Gott zu haben, die alte Verfassung zu schützen, und weshalb sie sagten: es ist besser daß ein Mensch sterbe als daß das | ganze Volk ver5 Vgl. Num 21,9 14 Vgl. Joh 12,32 21–22 Vgl. Jes 53,12 24–26 Vgl. Röm 8,10 27–28 Vgl. Gal 2,20 30–31 Vgl. Joh 8,28 40–1 Vgl. Joh 11,50
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derbe, in dieser Verblendung mußten sie den Fürsten des Lebens erhöhen an das Kreuz. Er aber sagt: Dann erst werdet ihr erkennen wer ich sei! Und zu dieser seligen Erkenntniß sind so viele von dem Volke gelangt, und so geht die Verbreitung des Reiches Gottes weiter, denn in der Erkenntniß, wie die Macht der Sünde ihn getödtet hat, wird die Erkenntniß vollendet, wer er ist, da wird der Seele die Fülle der Gottheit in ihm offenbar. Wie sehr die Menschen auch von dem reichen, tiefen, göttlichen Wort seiner Rede ergriffen wurden, so konnten sie ihn doch nicht vollkommen dadurch erkennen, aber in dem Hinsehn auf seinen Tod, da erkennen sie wer er ist, da geht ihnen das Bewußtsein auf von der Fülle der Gottheit in ihm. – So möge unser geistiges Auge denn auf ihn gerichtet bleiben, und auf den Zusammenhang seines Kreuzes und seiner Herrlichkeit, seiner Herrschaft und seines Reichs, so mögen wir zur Forderung desselben vereinigt bleiben in seiner uns mitgetheilten erlösenden Liebe, durch welcher er, der Fürst des Lebens, uns geworden ist zur Erlösung, aber auch zur Heilgung. Mögten wir solche sein, von denen das Wort vom Kreuze geprediget wird nach dem alten Worte: „Wes das Herz voll ist u. s. w.” – Damit immer mehr die Menschen mögen erkennen lernen, wer er sei, und indem alle zur Erkenntniß kommen, zu ihm gezogen werden, denn in seinem Namen allein ist Heil gegeben den Menschenkindern.
[Liederblatt vom 24. März 1826:] Am Charfreitage 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Christus der ist mein etc. [1.] Die Sonne stand verfinstert, / Der Mittag ward zu Nacht; / Nun hat Er überwunden / Und spricht, Es ist vollbracht. // [2.] Des Tempels Gründe wankten, / Der Vorhang riß entzwei; / So ward der Welt verkündet / Der Zugang sei nun frei. // [3.] Denn Er ist durchgedrungen / Für uns zu Gottes Thron, / Der ewge Hohepriester / Des Allerhöchsten Sohn. // [4.] O du der mich versöhnte / Dem Richter aller Welt, / Du hast das Heil der Sünder / Auf ewig hergestellt. // [5.] Nun wohnt in sichrer Ruhe / Das menschliche Geschlecht; / Dein Volk regierst du herrlich / Nach deinem heilgen Recht. // [6.] Den Tod darf ich nicht fürchten, / Der mich von dannen rafft; / Er ist schon überwunden / Durch deines Todes Kraft. // [7.] Durch ihn komm ich zum Ziele; / Vollbracht ist dann mein Lauf, / Dann nimmt in seine Hände / Auch mich der Vater auf. // 2 Vgl. Joh 8,28
17 Vgl. Lk 6,45
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Nach dem Gebet. – Mel. Herzliebster Jesu etc. [1.] O Lamm, das keine Sünde je beflecket, / Das nie die Schuld getheilt, die uns bedecket, / Und reiner ist als alle Seraphinen, / Die jezt dir dienen! // [2.] Warum muß ich dich sehn am Kreuze schweben, / Von Schmach und Hohn und bittrer Qual umgeben? / Warum mußt du sogar den Tod empfinden, / Den Sold der Sünden? // [3.] Fürwahr du trugest meine Noth und Schmerzen, / Die Strafe lag auf dir und deinem Herzen; / Mich wolltest du durch deine Wunden heilen, / Mir Ruh ertheilen. // [4.] O habe Dank für dein unendlich Lieben, / Das dich für mich in Noth und Tod getrieben, / Daß du den Zorn, der über mich sollt kommen, / Von mir genommen. // [5.] Ich nehm es an, das Heil, so du erworben, / Und glaube daß du darum bist gestorben, / Daß mir, der ich der Schuld nun bin entladen, / Kein Tod kann schaden. // [6.] Ach stärke mir durch deine Kraft den Glauben, / Daß er sich diesen Schaz nicht lasse rauben, / Der nimmer mag mit allem Gut der Erden / Erworben werden. // [7.] Laß deines Leidens Frucht mich stets genießen, / Laß seinen Trost auf mein Gewissen fließen; / Dein Sterben sei durch bittersüße Freude / Des Geistes Weide. // [8.] Der Sünde, die dich hat ans Kreuz geschlagen, / Will ich von ganzem Herzen nun entsagen; / Es soll forthin in mir sich nichts erkühnen / Ihr noch zu dienen. // [9.] Nur dir, nur dir, Lamm Gottes, sei mein Leben / Zum Eigenthum auf ewig hingegeben, / Wozu du mich durch deinen Tod und Wunden / So hoch verbunden. // [10.] Nichts kann und soll hinfort von dir mich scheiden, / Ich bleibe dein bis du mich dort wirst weiden, / Wo deine Liebe wird mit Engelzungen / Von mir besungen. // Nach der Predigt. – Mel. Wer nur den lieben etc. [1.] O welch Erbarmen, das die Sünden / In Christi Tod verschlungen hat, / Nun wir durch ihn Vergebung finden, / Nun findet kein Verdammen statt; / Denn Christi Blut hat uns befreit, / Und rufet laut Barmherzigkeit. // [2.] Drum will ich festen Glauben halten, / Wie mich auch Sturm und Meer bewegt; / Die Gnade Christi laß ich walten, / So lang in mir das Herze schlägt; / Und immer ruf ich hoch erfreut; / O Abgrund der Barmherzigkeit. //
Am 26. März 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen:
Ostersonntag, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Kor 5,7–8 (Anlehnung an die Festtagsepistel) Nachschrift; SAr 91, Bl. 21r–40r; vermutl. Andrae Keine Nachschrift; SAr 106, Bl. 35r–36r; Crayen Nachschrift; SAr 114, S. 154–161; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 47r–50v; Woltersdorff Keine
Besonderheiten:
Frühpredigt am ersten Ostertage 1826. |
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Tex t. 1 Korinth. 5, 7–8. Denn wir haben auch ein Osterlamm, das ist Christus, für uns geopfert. Darum laßt uns Ostern halten nicht im alten Sauerteig, auch nicht im Sauerteig der Bosheit und Schalkheit, sondern in dem Süßteig der Lauterkeit und der Wahrheit. M. a. F. Diese Worte sind genommen aus der für den heutigen Festtag in einem großen Theil unsrer Kirche üblichen epistolischen Lexion, und besonders in dieser Frühstunde am ersten Anfang des Festes, wo uns obliegt in die demselben angemeßne würdige Stim|mung des Gemüths uns zu versezen, scheinen sie mir sehr angemessen um den Leitfaden unsrer andächtigen Betrachtung abzugeben. Es ist nur eine zufällige Erwähnung des Apostels, daß er hier des Osterfestes gedenkt, daher entstanden weil er entweder in dieser Zeit den Brief geschrieben hat, oder weil die Gemeinde, an welche er gerichtet ist, ihn um die Zeit dieses Festes empfangen hat. Die Worte des Apostels stehen in Verbindung mit einer Ermahnung, welche 16 welche] welcher 7–8 Die preußische Perikopenordnung sah als Epistel für den 1. Osterfeiertag 1Kor 5,6–8 oder 1Kor 15,1–20 vor. 13–15 Die zeitliche Nähe der Briefabfassung zum Passa- bzw. Osterfest wird neben 1Kor 5,7–8 auch aus 1Kor 16,8 gefolgert, wonach Paulus noch bis Pfingsten in Ephesus (dem Abfassungsort) bleiben will, bevor er – nach einer Reise durch Mazedonien – wieder zu einem längeren Besuch nach Korinth kommt (vgl. 1Kor 16,5–7). 16–2 Nach 1Kor 5,1–5 hat in der korinthischen Gemeinde ein Mann mit der „Frau seines Vaters“ (d. h. vermutlich seiner Stiefmutter) in einer eheähnlichen Beziehung zusammengelebt. Paulus verurteilt dieses Verhalten äußerst scharf und ordnet an, den Betreffenden aus der Gemeinde auszuschließen, weil „ein wenig Sauerteig den ganzen Teig versäuert“ (V. 6).
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er der Gemeinde giebt in Beziehung auf ein trauriges Ärgerniß, welches in derselben stattge|funden hatte; aber eben weil dasjenige, worauf er hier den meisten Nachdruk legt, Lauterkeit und Wahrheit, auch mit jenem Fall nicht in einer besonders genauen Beziehung steht, so sehen wir, es ist ganz eigentlich das Fest selbst dessen er erwähnt, wobei ihm diese großen Grundeigenschaften eines christlichen Gemüths in den Sinn gekommen sind. Und so laßt uns betrachten, wie sich diese zu dem Fest, welches wir jezt zu begehen haben, mit einander verhalten. Es wird dabei zuerst darauf ankommen, daß wir danach fragen, was denn eigentlich Lau|terkeit und Wahrheit sei, und in welcher Verbindung beide mit einander stehen; dann aber was denn diese beiden Eigenschaften besonders mit diesem großen und bedeutungsvollen Fest zu thun haben. I. Freilich m. g. F., wenn wir uns auf das Erste antworten sollen, so könnten wir leicht verzagen, wenn der Apostel uns ermahnt Ostern zu halten in dem Süßteig der Lauterkeit und der Wahrheit. Denn Lauterkeit das erscheint uns als der Ausdruk einer solchen Vollkommenheit, an welche wir niemals können Anspruch machen. Aber m. g. F. | laßt uns ja gehörig erwägen, wie es mit diesem Ausdruck des Apostels gemeint ist, das Lautere das ist allerdings das Reine und Unvermischte. Sehen wir nun auf unsre Handlungen, wie sie in dem menschlichen Leben hervorgehen aus dem Innern unsers Gemüths: ja so wird freilich keiner sein, der sich rühmen könnte, daß irgend etwas was er gethan hat oder thut ganz rein und lauter sei. Das ist der Vorzug des Erlösers allein, den sich kein andrer anmaßen kann. Nur er war der vollkommne Mann; wir aber je genauer wir unsre Handlungen | prüfen, je mehr wir sie in ihre einzelnen Bestandtheile zerlegen, je mehr wir alle Gedanken, die dabei durch unsre Seele gegangen sind, alle Wünsche und Hoffnungen die sich daran knüpfen, mit in Betrachtung ziehen, desto weniger können wir sagen daß dabei irgend etwas in dem vollen Sinne des Wortes lauter sei. Nun aber diese Unvollkommenheit kannte der Apostel auch; und eben weil er es in seinem Briefe mit einer Gemeinde zu thun hatte, die noch in dem Anfang der christlichen Heiligung stand, die noch | nicht vor langer Zeit von ihm selbst gegründet war, und erst allmälig zu dem vollen Bewußtsein und zu der vollkommnen Erkenntniß der Wahrheit gelangen konnte, wodurch sich das christliche Leben und Handeln von dem vorigen scheiden mußte: so kann er ihr auch nicht die Zumuthung gemacht haben, das Fest welches bevorstand in diesem Sinne in dem Süßteig der Lauterkeit zu feiern. Aber m. g. F. wenn wir nun weiter von dem Äußern auf das Innere zurükgehen, wo werden wir denn da irgend etwas antreffen was 24–25 Vgl. Eph 4,13 4,14–17; 11,2; 15,1–5
32–33 Vgl. Apg 18,1–18; 1Kor 1,10–17; 2,1–5; 3,1–11;
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nun diesem Aus|druk des Apostels entspricht? Allerdings wenn wir darauf sehen, wie sich die Entschlüsse zu unsern einzelnen Handlungen in der Seele bilden: so finden wir da immer so viele Einwirkungen von außen die dazu beitragen, so viele Beziehungen die wir dabei zu beachten haben, daß auch diese schon auf der einen Seite uns nie vollkommen lauter erscheinen, auf der andern Seite auch rein nie als unser eigenes, sondern es ist das gemeinsame Leben, in welches wir eingetaucht sind, und aus welchem uns diese einzelnen Gedanken und Ent|schlüsse hervorgehen. Da müssen wir auch sagen, wer sich nicht befände in der Stelle des Erlösers, der allein der Mittelpunkt und der Anfang des ganzen gemeinsamen Lebens in dem Reiche Gottes auf Erden ist, so daß der erste Anfang von Allem eigentlich bei ihm steht, ja der wird auch niemals von sich rühmen können, daß in den einzelnen ersten Entwürfen von dem was er thun will und was eine bestimmte Zeit seines Lebens beherrscht, eine vollkommne Lauterkeit zu finden sei, weil sie in demjenigen nicht ist, was | nothwendig dazu beiträgt um unsre Entwürfe zu bestimmen. Nun giebt es aber noch etwas Tieferes und mehr Innerliches als dieses; das m. g. F. ist nichts anderes als die innerste Gesinnung unsers Gemüths, der reine Wille welcher nun allen äußern Entschließungen und Gemüthsbewegungen des Menschen zum Grunde liegt. Wenn wir hiebei stehen bleiben und fragen, giebt es hier eine Zumuthung zur Lauterkeit welche wir eingestehen müssen, und von welcher wir sagen müssen, sie kann an alle | ohne Unterschied gemacht werden? so wäre es traurig, wenn diese nicht gemacht werden könnte. Ja dann gäbe es keinen Unterschied zwischen dem neuen Leben aus Gott und dem vergänglichen Leben des Menschen. Denn daß die Rüksicht auf den Gegensaz des Guten und Bösen, des Gottgefälligen und dessen was ihm mißfällig ist, durchaus keinen Einfluß auf den menschlichen Willen haben sollte, das werden wir von keinem Menschen, wie weit entfernt er auch sei von der wahren Gemeinschaft mit Gott, wie weit | entfernt auch von der Erkenntniß der Erlösung und also von dem christlichen Sinn und Geist, das werden wir von keinem sagen. Zu tief ist dies der menschlichen Seele eingepflanzt als daß es jemals könnte ganz ausgetilgt werden. Aber daß der innerste Trieb unsrer Seele auf nichts anderes als auf das Gute und Gottgefällige gerichtet sei, das m. g. F. das ist die Lauterkeit, welche der Apostel von uns fordert. Und wenn wir fragen, woran sich diese erkennen läßt, so werden wir leicht sehen, daß der Apostel ein Recht hat die Lau|terkeit von uns zu fordern. Nämlich m. g. F. dieses Innerste unsers Gemüths können wir nur wahrnehmen in demjenigen was einzeln erscheint, in unsern Gedanken und Handlungen. Die finden wir leider nicht in jener Lauterkeit, sondern es ist eine Vermischung, Gutes und Böses durch einander. Aber wenn wir, sobald wir darüber zur Erkenntnis gelangen, sobald wir uns darüber besinnen, nun auch nicht daran denken dasjenige was nicht gut ist und nicht gottgefällig in Schuz zu nehmen, sondern das lebhafteste Mißfallen dagegen haben, |
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und ein Bestreben darauf richten es auszutilgen aus unsrer Seele: so ist dies das erste Zeichen von Lauterkeit unsers innersten Gemüths und Seins. Ja m. g. F. das können und sollen wir uns zumuthen; denn ohne diese Lauterkeit kann es keinen Fortschritt geben in der Heiligung. Was wir nicht mißbilligen, das bleibt bei uns und wird nicht ausgethan, weil uns auch nicht einmal die Versuchung dazu in den Sinn kommt. Das ist der erste Grund des christlichen Lebens; und darum konnte der Apostel der Gemeinde, an | welche sein Brief gerichtet ist, zumuthen Ostern zu feiern in dem Süßteig der Lauterkeit. Wie aber m. g. F. ist es mit der Wahrheit? So wie wir schon gleich von Anfang an den Ausdruk Lauterkeit mehr bezogen haben auf das Handelnde in dem Menschen, so beziehen wir den Ausdruk Wahrheit gleich von Anfang an und mehr von selbst auf das Erkennende in dem Menschen. Wer wollte dann sagen, daß lauter Wahrheit in ihm sei? Vielmehr finden wir überall den Irrthum und die Wahrheit mit | einander vermischt. Ja allem unserm Erkennen, nicht nur von irdischen und weltlichen Dingen, von uns selbst und von andern Menschen mit denen wir leben, sondern auch in unsrer Erkenntniß des Göttlichen finden wir überall nicht nur Unvollkommnes und Ungenügendes, sondern auch sagt uns unser innerstes Bewußtsein, daß eben deshalb auch überall das Unrichtige und Falsche mit dem Wahren vermischt sei. Hier also m. g. F. werden wir ebenfalls von dem Äußerlichen und Einzelnen was in unserm Le|ben erscheint, auf das Innerste und Allgemeine zurükgehen müssen wenn wir den Sinn des Apostels treffen wollen. Und da werden wir nicht wie Pilatus als der Erlöser vor ihm stand, sondern mit dem rechten und innigen Wunsche das Richtige zu verstehen den Apostel fragen, was denn die Wahrheit sei, mit der wir dieses Fest begehen sollen. Die Antwort m. g. F. wird dieselbe sein wie vorher. Der Mensch kann nicht in diesem Leben die Wahrheit ausschließend und rein besizen; aber streben | soll er nach nichts anderm und nach nichts geringerm als nach der reinen und vollen Wahrheit, lieben soll er nichts anderes als diese, beruhigen soll er sich bei nichts anderem und nichts geringerm als bei ihr. Wenn wir nun das Unvollkommne und Falsche mit dem Wahren in uns vermischt finden, so soll das der Gegenstand unsers beständigen Mißgefallens sein, und überall sollen wir danach streben und darauf bedacht sein aus unserm Gemüth nach unsern besten Kräften und unter dem Beistand des gött|lichen Geistes alles zu entfernen was uns hindert die Wahrheit zu finden. Denn es sind auf die eine und die andre Weise die argen Gedanken des menschlichen Herzens, welche den reinen Sinn für die Wahrheit verfälschen. Je mehr wir jene austreiben, desto reiner wird sich dieser zu erkennen geben, desto wirksamer wird er sich zeigen in der Leitung unsers ganzen Lebens. Und m. g. F. wenn es uns an dieser Wahrheit fehlt, so fehlt es uns 24 Vgl. Joh 18,38
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auch an demjenigen was den Christen von andern Menschen unterschei|det. Denn wenn es nun einmal keinen höheren Gegenstand giebt für das Erkennende in unserm Gemüth als das höchste Wesen, welches die Wahrheit selbst ist und durch welches alles andre erst mehr wird: so mögen wir sagen, es ist unaustilgbar aus der Natur des menschlichen Geistes nach dem Bewußtsein des höchsten Wesens zu streben, und es giebt keinen Menschen, von dem man nicht sagen müßte daß es sich in ihm zu erkennen gäbe und in seinem Leben fände, wie tief er auch in das irdische Le|ben versenkt sei, wie stumpfsinnig und blind er auch sein mag in den göttlichen Dingen. Der Unterschied aber ist dieser, daß Gott sich uns offenbart hat durch seinen Sohn, und wer den Sohn sieht den Vater sieht, und eben dadurch zur reinen Erkenntniß Gottes immer mehr angeleitet wird, sonst aber von allen Menschen gilt was der Apostel Paulus sagt im Anfange seines Briefes an die Römer, daß sie die Wahrheit aufhalten in Ungerechtigkeit, und eben jenes natürliche Bestreben sich des höchsten | Wesens bewußt zu sein und sich dasselbe klar und immer klarer vor das Auge des Geistes zu stellen, sich umgestaltet in einen alles verkehrenden und verderblichen Wahn und sie von dem Dienst des lebendigen Gottes abzieht zu unwürdigen Vorstellungen von demselben und zu dem Dienst der Geschöpfe. Das m. g. F. ist der Sinn des Apostels, daß wir sollen in Lauterkeit und Wahrheit dieses Fest begehen. II. Nun aber laßt uns fragen, wie richtig auch diese Einordnung an | sich selbst und ihrem Gegenstande auch sein mag, was sie für eine besondre Beziehung hat auf dieses Fest der Auferstehung des Herrn „Denn, sagt der Apostel zuerst, wir haben auch ein Osterlamm, nämlich Christus für uns geopfert. Darum laßt uns Ostern halten nicht in dem alten Sauerteig, sondern in dem Süßteig der Lauterkeit und der Wahrheit“. Das m. g. F. ist zunächst eine Beziehung auf das Osterfest des jüdischen Volks, welches durch die Mahlzeit des Osterlammes in seinem Wesentlichen begangen wurde. Die Gemeinde, an | welche der Apostel diesen Brief schrieb, bestand größtentheils aus solchen die nicht diesem Volke angehörten, aber doch wurde in derselben das Osterfest auf jene Weise begangen, wie es noch lange Zeit in der christlichen Kirche stattgefunden hat; und so nimmt der Apostel Rüksicht auf das was durch jenes alttestamentliche Fest angedeutet ward, und wendet es an auf Christum für uns geopfert. Nämlich in den Zeiten des alten Bundes wurde das Osterfest gefeiert zum Andenken an die Befreiung des Volks von der ägyp|tischen Knechtschaft und an den Auszug desselben aus Ägypten, um in das Land zu gehen welches Gott den Vätern verheißen hatte. Und in dieser Beziehung sagt der Apostel „unser Osterlamm ist Chri11 Vgl. Joh 14,9
13–19 Vgl. Röm 1,18–23
36–40 Vgl. Ex 12–13
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stus für uns geopfert“, und führt uns dadurch zuerst auf das Leiden und auf den Tod des Erlösers zurük, aber wie dieses unmittelbar zusammenhängt und auf einander folgt, so lassen sich auch beide Bestandtheile einer und derselben großen christlichen Zeit nicht von einander trennen. Hier m. g. F. ist die Erinnerung an die Befreiung, | welche wir Christo verdanken; es ist die Knechtschaft des Geistes, von welcher er gekommen ist die Menschen zu erlösen; es ist der Dienst der Sünde, unter welchem die menschliche Seele stand, von welchem er erschienen ist uns frei zu machen. Aber hieraus eben stammt alles was unlauter ist. Und wenn wir Christum fragen, wie und wodurch er uns frei mache, so sagt er, er mache uns frei durch die Wahrheit. Durch die Wahrheit sollen wir zur Lauterkeit gelangen, und Christus ist es, der uns durch die Wahrheit von dem Dienst der Sünde und der Sinnlichkeit frei | macht und zur Lauterkeit bringt. Denn m. g. F. Wahrheit läßt sich nicht denken in dem Menschen ohne Mittheilung; was ihm selbst wahr geworden ist das spricht er aus; und so sind Lauterkeit und Wahrheit auf das innigste verbunden zu jener Befreiung der menschlichen Seele die durch Christum gewirkt ist. Hätte er nicht die seligmachende Wahrheit in sich gehabt, wäre nicht das Bewußtsein von dem Vater, von welchem er ausgegangen ist, zugleich sein eigenes gewesen, das Bewußtsein davon daß der Vater in ihm sei und daß die Fülle der | Gottheit in ihm wohne: so hätte er auch die Wahrheit, welche die Menschen frei machen kann, nicht aussprechen können. Das aber war die Wahrheit, daß so wie er nichts anderes war als die erlösende Liebe, so auch das in ihm wohnende göttliche Wesen nichts anderes als die sich durch ihn den Menschen offenbarende Liebe sie zu befreien und durch die Wahrheit sie zu führen in die Rechte der Kinder Gottes. Der Mensch aber wird nur frei durch die Wahrheit, insofern in seiner Seele die Lauterkeit des Willens sich bildet die Wahrheit gern und ganz auf|zunehmen; und wer sie so mit diesem lautern Sinne aufnimmt, der wird auch ein Diener und ein Werkzeug derselben nach dem Worte „wir glauben, darum reden wir; weß das Herz voll ist, deß geht der Mund über“; und so pflanzt sich von dem Einen Urquell der Wahrheit, welcher das Ebenbild Gottes und der Abglanz seiner Herrlichkeit war, die Wahrheit fort in alle menschliche Seelen in dem Maaße als etwas in ihnen übrig ist von der Lauterkeit des Geistes, und durch diese Mittheilung wächst beides mit einander, und auf diesem Wege kommt dann zu Stande die Befreiung der Menschen und ihr Eingang in das | Reich Gottes, in welchem die Freiheit der Kinder Gottes herrscht. Ist nun dieses heilige Fest das Fest der Befreiung der Menschen durch Christum, wie sollten wir es anders begehen als in der Stimmung des Gemüths, von welcher unser Antheil an dieser Befreiung 10–11 Vgl. Joh 8,32 20 Vgl. Joh 10,38; 14,10–11; 17,21 25–26 Vgl. Röm 8,14–17; Gal 4,4–7 29–30 Vgl. 2Kor 4,13 Lk 6,45 31–32 Vgl. Hebr 1,3 36–37 Vgl. Röm 8,21
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lediglich abhängt. Je weniger Lauterkeit, je weniger Wahrheit in uns ist, desto freier sind wir noch von der Gnade Gottes und von seinem Reiche. Je mehr wir durch den Beistand des göttlichen Geistes die Lauterkeit in uns erringen, desto mehr Eingang findet die Wahrheit, desto mehr werden wir frei von allem was | nichtig ist und vergänglich in der menschlichen Seele. Aber m. g. F. es ist noch etwas was sich mehr und unmittelbarer auf unser heutiges Fest, die Auferstehung des Herrn bezieht. Das ist gewiß und liegt wesentlich in unserm Glauben an den Erlöser, daß seine Erscheinung auf Erden erst wieder den Keim der Lauterkeit und der Wahrheit in der menschlichen Seele erwekt hat. Etwas reines und vollkommnes mußte da sein und das Verlangen nach der Wahrheit, die Sehnsucht rein und lauter zu werden in dem Menschen erwecken; eine bestimmte ungetrübte Wahr|heit mußte es geben, damit der Unterschied klar würde zwischen dem Wahren und dem Unwahren; und so mögen wir sagen, ohne Christum wäre es nicht möglich irgend eine Zeit unsers Lebens, auch nicht die heiligste und festlichste, zu begehen mit Lauterkeit und Wahrheit. Und so war der Herr und wirkte in den Tagen seines Fleisches. Aber fragen wir, ob er nicht noch anders und höher in dieser Hinsicht gewirkt habe in den Tagen seiner Auferstehung: so wird uns ein inneres Bewußtsein diese Frage bejahen. Wie sehr auch die Jünger durch ihn erhoben wurden, so | waren sie doch nicht frei von aller Beimischung eines Falschen und Unlautern in ihren Vorstellungen vom Reiche Gottes; noch immer dachten sie sich dabei etwas Irdisches wenn auch nicht als Bestandtheil der Seligkeit die ihnen zu Theil werden sollte, doch als Mittel sie zu bewirken. Nun aber wurde der Erstandene gelöst von allem Irdischen; er war in Beziehung auf sein Verhältniß zu der irdischen Welt nicht mehr da, sondern bestimmt aufzufahren zu dem Vater, von welchem er gekommen war; für sie aber war er da, und zwar derselbe der er früher gewesen war. Da muß|te ihnen dann das lezte Licht aufgehen welches ihnen noch fehlte; da mußte der Vorstellung von dem Reiche Gottes in ihrer ganzen Lauterkeit in ihre Seelen gepflanzt werden, da mußte es ihnen zur Wahrheit werden, wiewohl nicht in seiner vollen äußern Gewißheit, daß das Reich Gottes ein Reich des Geistes ist, und der Herr gekommen um zu führen zur Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit. Und eben diese reine Geistigkeit ist es, die sich uns allemal in dem Bilde des erstandenen Erlösers ausspricht. Darum sagt derselbe Apostel | anderwärts „die wir uns mit Christo kreuzigen die sind mit ihm begraben in seinen Tod, auf daß wir mit ihm auferstehen.“ So ist der erstandene Erlöser das Sinnbild des neuen Lebens; das neue Leben aber ist das rein geistige, welches nur ruhen kann auf jenem Grunde der Lauterkeit und der Wahrheit. Und so ist es die Aufforderung, welche an alle christliche Gemüther ergeht in diesen heiligen 26–27 Vgl. Joh 16,28; 20,17 6,4.6
32–33 Vgl. Joh 4,23–24; 18,37
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Tagen, alles aus der Seele zu verbannen was unlauter ist und unwahr, und ganz den Menschen des himmlischen Lichtes zu öffnen welches von dem Er|löser ausgeht, mit ihm in einem neuen Leben in Gott zu wandeln, und alles was wir in uns entdekt haben von dem Dienst des Sinnlichen von uns zu thun, damit wir dem Erstandenen immer ähnlicher werden, damit das neue Leben rein in uns aufgehe, und damit wir in der lebendigen Gemeinschaft mit dem sein und bleiben können, der nun auch nicht mehr so wie in den Tagen seiner Auferstehung zu uns redet, sondern ganz aufgefahren ist zu seinem Gott und unserm Gott, zu seinem Vater und unserm Va|ter. Je mehr wir uns in diese Stimmung versezen, desto würdiger werden wir sein dieses heilige Fest zu begehen; desto mehr wird es uns nicht nur eine heilige Erinnerung sein an die Befreiung welche uns durch Christum geworden ist, sondern uns auch jedesmal in dieser Befreiung weiter führen; und je mehr und je lebhafter wir uns den Erstandenen vor Augen halten, desto mehr werden wir den alten Menschen ausziehen und den neuen anziehen, und in der Lauterkeit des neuen Lebens wandeln. Das wolle | er durch seine Gnade in uns allen wirken immer mehr und immer vollkommner von einer Zeit zur andern. Amen.
7–8 Vgl. Mt 28,16–20; Mk 16,9–20; Lk 24,13–49; Joh 20,11–29; 21,1–23; Apg 1,1–8 15 Vgl. Kol 3,9–10
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Ostermontag, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Röm 6,3–5 Nachschrift; SAr 91, Bl. 41r–68v; vermutl. Andrae Keine Nachschrift; SAr 106, Bl. 37r–38r; Crayen Nachschrift; SAr 114, S. 161–173; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 51r–57r; Woltersdorff Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am zweiten Ostertage 1826. | Preis und Ehre sei dem der auferwekt ist von den Todten durch die Herrlichkeit des Vaters. Amen.
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Tex t. Römer 6, 3–5. Wisset ihr nicht, daß alle die wir in Jesum Christum getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir je mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf daß gleichwie Christus ist auferwekt von den Todten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln. So wir aber sammt ihm gepflanzt werden zu | gleichem Tode, so werden wir auch der Auferstehung gleichen. M. a. F. Ich glaube mich getrost darauf berufen zu können als auf einen ganz allgemeinen Eindruk, den wir alle erfahren, daß dieses Fest der Auferstehung des Herrn unter den Christen allemal ein Fest eines besondern Glanzes und einer eigenthümlichen Freude ist; abgesehen von allen äußern Umständen, abgesehen von der besondern Lage, in welcher sich der Einzelne befindet, denn alles dieses kann nur wenig dazu | thun oder davon. Fragen wir uns aber näher, was ist es denn eigentlich was uns so wunderbar und so geheimnißvoll bewegt? so gehen da sehr bald allerdings die Gedanken der Christen aus einander. Natürlich finden wir es auf der einen Seite, daß wir uns der Auferstehung des Herrn freuen als eines Vorbildes von dem Siege, den auch wir über den Tod davontragen werden. Aber wenn wir dann wieder bedenken, daß es ganz etwas anderes war um die Auferste2–3 Kanzelgruß nach Röm 6,4
20–21 Vgl. 1Kor 15,54–57
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hung des Herrn, der her|nach noch auf Erden wandelte unter seinen Jüngern, und um die unsrige, welche wir erst erwarten wenn dieser Schauplaz der menschlichen Dinge vergangen ist: nun so sagt uns dann freilich wieder unser innerstes Gefühl, es sei nichts was uns in einer solchen Ferne liegt der eigentliche Grund unsrer freudigen Bewegung. Sezen wir uns in die Stelle der Jünger des Herrn, welche gedemüthigt waren und betrübt durch seinen Tod, denen die schöne Hoffnung, welche sie genährt hatten, da-| durch zerstört war, wie sie wieder belebt wurden und erfreut durch seine Auferstehung, und ihr Glaube nun fest geworden war: so mögen wir wohl sagen, indem wir uns in ihre Stelle sezen, so sind wir auch Genossen ihrer Freude; aber doch werden wir sagen müssen, es ist nicht blos diese Freude, was wir uns erst aneignen müssen indem wir mit unsern Gedanken in eine frühere Vergangenheit zurükgehen, sondern es ist etwas Gegenwärtiges und uns unmittelbar Eigenes. Darüber nun finden wir den Aufschluß in | den Worten unsers Textes. Da stellt Paulus eine Vergleichung an zwischen dem Tode und der Auferstehung des Herrn und zwischen der großen Veränderung, welche mit allen denen vorgeht die in das durch Christum begründete Reich Gottes den Eingang finden; sie sterben und sie gehen hervor zu einem neuen Leben. Aber m. g. F. es ist nicht blos das Absterben des alten Menschen und der Anfang jenes höheren geistigen Lebens des Gemüths, wozu uns so das menschliche Leben Christi auf Erden vor seinem Tode das höchste | Vorbild ist; sondern der Apostel sagt, wir werden mit ihm gepflanzt zu einem ähnlichen Tode, wir werden auch ähnlich sein seiner Auferstehung. Sehet da m. g. F. an diese Worte wollen wir uns halten. Der Apostel stellt uns vor – aber freilich ohne es genauer zu beschreiben – außer der allgemeinen Ähnlichkeit, die das Leben der neuen Kreatur mit dem göttlichen Leben, welches der Erlöser auf Erden führte, haben soll, noch eine besondre Ähnlichkeit mit seinem Leben in den Tagen seiner Auferstehung. So laßt uns denn diese Ähnlichkeit heute uns vor | Augen stellen und uns ihre Bestandtheile entwickeln. Es wird dabei darauf ankommen, daß wir uns zuerst fragen, was war denn nun das Eigenthümliche in dem Leben des Erlösers in den Tagen seiner Auferstehung, so lange er unter seinen Jüngern wandelte? und daß wir dann fragen, auf welche Weise und in wiefern wir es denn zu erreichen im Stande sind. I. Was nun das Erste betrifft, so würden wir gewiß Unrecht thun, wenn wir dieses Eigenthümliche mehr in dem Äußerlichen und Leib|lichen suchen wollten; vielmehr sucht der Erlöser seine Jünger überall davon zu überzeu1–2 Vgl. Mt 28,9–10.16–20; Mk 16,9–20; Lk 24,13–51; Joh 20,11–29; 21,1–23; Apg 1,1–8 19–20 Vgl. Röm 6,6 21–22 Vgl. 1Petr 2,21 26 Vgl. 2Kor 5,17; Gal 6,15 38–4 Vgl. Lk 24,36–43; Joh 20,24–29
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gen, daß in dieser Hinsicht kein Unterschied sei zwischen seinem früheren Leben und seinem damaligen; er sei es selbst sagt er, derselbe der er gewesen sei, und nimmt alle ihre Sinne in Anspruch um sie davon auf die unverfänglichste Weise zu überzeugen. Was es aber ganz vorzüglich war m. g. F., das ist dies: der Erlöser war in diesen Tagen seiner Auferstehung abgesondert von der Welt. Der war er gerecht geworden in allen Beziehungen durch sein frü|heres Leben bis an seinen Tod am Kreuz; er hatte den Beruf, welchen Gott ihm aufgelegt hatte, in Beziehung auf sie erfüllt solange sie ihn wollte denselben erfüllen lassen; da sie ihn aber nicht mehr dulden wollte in ihrer Mitte, da sie ihn wollte hinweggeräumt haben, so war auch seine Pflicht gegen die Welt erfüllt. Und diese Tage seiner Auferstehung, vieles in denselben ist uns dunkel und unbekannt; aber das wissen wir, Einiges davon verlebte er in Gemeinschaft mit seinen vertrauten Jüngern, das | Übrige wovon uns nichts gesagt wird, was können wir anderes sagen als daß er es verlebt habe in stiller Betrachtung? Aber was war nun hievon in Beziehung auf den Zustand des Erlösers selbst die Folge? Ich möchte sie in zweierlei zusammenfassen: in diesen Tagen der Auferstehung des Herrn finden wir in ihm keine Spur mehr von irgend einer Trauer, auch nicht von irgend einer Sorge. Beides m. g. F. beides trübt die Zufriedenheit und die Glükseligkeit des Menschen; was aber eine solche Trübung und Verminde|rung ist, das konnte auch während des eigentlichen Erdenlebens unsers Herren nicht aus seinem Innern hervorgehen. Wo die Fülle der Gottheit ist, da ist nicht nur zu gleicher Zeit die Fülle der Erkenntnis und der Vollkommenheit sondern auch die Fülle der Seligkeit. Aber dennoch m. g. F. trauerte der Herr und sorgte er; beides aber entstand nur aus seinem Mitgefühl mit den Zuständen der Menschen und mit den Begebenheiten ihres Lebens, in soweit er durch sein thätiges Leben unter ihnen mit in das was ihnen begegnete | verwickelt war. Ja er trauerte um den verstorbenen Freund, daß er sogar ergrimmen konnte im Geist über das was ihn, daß ich so sage, in dem stillen Genuß dieser heiligen Trauer stören wollte. Er trauerte um die versäumten Stunden des Heils, welche sein Volk, das alte Volk des Bundes, hatte vorübergehen lassen; er weinte und trauerte über Jerusalem, daß es nicht gewußt habe und nicht bedacht zu der Stunde da es noch Zeit war, was zu seinem Frieden diente. Eine andre Trauer konnte es dann auch freilich in seiner Seele nicht geben; | um irdisches Glük, um Vergängliches zu trauern, das war dem göttlichen Erlöser nicht möglich. Aber menschlich trauerte er um diejenigen welche nun für ihn nicht mehr waren; menschlich trauerte er wo die Menschen dem heiligen Rathschluß 7–9 Anspielung auf Phil 2,8 10 Vgl. Mt 28,9–10.16–20; Mk 16,9–20; Lk 24,13– 51; Joh 20,11–29; 21,1–23 22–23 Vgl. Kol 2,9 28–30 Vgl. Joh 11,1–45, bes. 33–38 30–32 Vgl. Mt 11,16–24; Lk 7,31–35; 10,13–15 32–34 Vgl. Lk 19,41– 44
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Gottes entgegengewirkt hatten, und sich selbst beraubt dasjenige Heil zu genießen, welches ihnen zugedacht war. Eben so m. g. F. finden wir ihn in seinem Erdenleben nicht frei von der Sorge. Er selbst ermahnt zwar die Seinigen – und gewiß wir sollen das Wort in seinem vollen | Sinne nehmen und nicht daran deuten und künsteln – daß sie nicht sorgen sollen um den künftigen Tag, weil jeder Tag seine eigene Plage habe; aber das verstand er auch, wie der ganze Zusammenhang seiner Worte lehrt, nur von der gewöhnlichen irdischen Sorge der Menschen. Aber wohl sorgte er um dasjenige was sich auf seinen großen Beruf unter den Menschen bezog. War es nicht die Stimme der Sorge wenn er sagte „ich bin gekommen ein Feuer anzuzünden auf Erden, und wie wollte ich es brennete schon“? aber es wollte immer noch nicht | zünden, und das göttliche Licht, welches von ihm ausstrahlte, wollte noch kein ähnliches Feuer erregen in den menschlichen Seelen Da sorgte er allerdings um die Unempfänglichkeit der Menschen und um den Starrsinn der Gemüther. War es nicht die Stimme der Sorge wenn er ausrief „Vater ist es möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber“? Denn gewiß das war nicht die gewöhnliche Furcht des natürlichen Menschen vor dem Augenblik des Todes und daß er den noch etwas weiter hinausgeschoben gewünscht hätte, um | noch auf eine kurze Zeit dieser Furcht zu entgehen; sondern es war die Sorge darum, daß er so zeitig scheiden sollte aus dem Werk, welches Gott ihm aufgetragen hatte, ohne davon noch mehr selbst vollendet zu sehen als damals zu Stande gekommen war. War es nicht die Stimme der Sorge als er zu seinen Jüngern sagte „der Satan hat eurer begehrt, daß er euch sichte wie den Weizen; ich aber habe für euch gebeten, daß euer Glaube nicht aufhören möge“? O das war die Sorge des zärtlichen Freundes, des treuen Lehrers um die Schwach|heit und die Verführbarkeit der Seinen. – Aber von jener Trauer und von dieser Sorge finden wir nirgends eine Spur in den Tagen seiner Auferstehung. Die Vergangenheit liegt hinter ihm, und er hat nichts mehr zu betrauern; aber in die Zukunft schaut er hinein mit der Sicherheit, die ihm eben sein Tod und seine Auferstehung gab, um von demjenigen was menschlich in seiner Seele war auch menschlich zu reden, mit jenem heitern Vertrauen zu dem himmlischen Vater, zu welchem er im Begriff war aufzufahren, wel|ches nun durch nichts mehr konnte gedämpft und auf Augenblicke getrübt werden. Da hatte er auch für seine Jünger nichts anderes als Worte guter Botschaft, wie sie selbst von nun an keinen andern Beruf haben sollten als die gute Botschaft der Erlösung unter den Menschen zu verkündigen. Wenn er zu 14 Seelen] Seele 5–6 Vgl. Mt 6,34 10–11 Lk 12,49 16–17 Mt 26,39 24–25 Vgl. Lk 22,31– 32 33 Vgl. Joh 20,17 35–37 Vgl. Mt 28,9–10.16–20; Mk 16,14–16; Lk 24,44– 49; Joh 20,21–23; Apg 1,1–8 37–1 Vgl. Lk 24,36; Joh 20,19.21.26
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ihnen tritt und sie begrüßt, so bringt er ihnen auch seinen Frieden und erfüllt sie mit derselben heitern Ruhe welche seine Seele bewegte. Wenn er mit ihnen redet von ihrem Beruf, so verheißt er ihnen die Kraft aus der Höhe, welche sie überschatten | und über sie kommen sollte, damit sie seine Zeugen würden unter den Völkern; da redet er mit ihnen von der Macht die ihm gegeben sei im Himmel und auf Erden, und von dem Reiche Gottes, welches durch nichts sollte überwältigt und zerstört werden. Fern von aller Trauer, frei von jeder Sorge waren diese glänzenden und schönen Tage der Auferstehung. Wohlan m. g. F. so steht er vor uns der Erlöser, so vergegenwärtigt er sich uns in diesen festlichen Tagen, so sehen wir ihn allem entnommen, was ihn wohl in | seinem irdischen Leben veranlassen konnte dieses sein Dasein unter den Menschen anzusehen als einen Zustand der Erniedrigung; so steht er vor uns in einem himmlischen Glanze, der durch nichts getrübt und vermindert werden konnte, in einer reinen Seligkeit die auf keine Art konnte gestört werden. Auch sein Mitgefühl mit den Menschen ist nichts anderes als ein Vorgefühl der Herrlichkeit, in welche sie durch ihn eingehen sollen. Nun sagt uns der Apostel in den Worten unsers Textes, so wir mit ihm gepflanzt werden zu gleichem | Tode, wie wir denn durch die Taufe mit ihm begraben sind in den Tod, so sollen wir auch seiner Auferstehung gleich werden. O ein herrliches Wort und eine schöne Verheißung, die unsre österliche Freude recht aufklärt und in ihrem vollen Glanze zeigt! Wir sollen der Auferstehung des Herrn gleich werden, auch unser Leben ein Leben ohne Trauer und ohne Sorge. Indem wir uns nun aber dem mit unsern Wünschen entgegenstrecken; indem wir dieser Hoffnung mit dem ganzen Verlangen eines durch Trauer und Sorge abgemühten | Herzens entgegensehen: o so fragen wir billig, wie können wir dazu gelangen? Und diese Frage laßt uns denn in dem zweiten Theil unsrer Betrachtung beantworten. II. Wenn ich vorher gesagt habe, m. g. F., unser Erlöser war der Welt gerecht worden durch sein ganzes öffentliches Leben bis an seinen Tod, seine Rechnung mit ihr war abgeschlossen, und sie hatte nichts mehr an ihm zu fordern: können wir wohl sagen daß wir uns in demselben Verhältniß befinden? Kann also auch wohl für uns irgend ein Recht, irgend | ein Anspruch an ein solches Leben reiner Seligkeit vorhanden sein, als bis auch wir unsern Lauf in der Welt vollendet haben? So scheint es allerdings m. g. F. Wenn wir aber nur darauf sehen, wie ich auch vorher schon bemerkt habe, daß das Leben des Herrn in den Tagen seiner Auferstehung nun auch kein geschäftiges Leben in der Welt mehr war, daß aber diese Zurükgezogenheit in die Stille, dieses Leben in dem engsten Kreise der Seinigen allein ein solches 3–5 Vgl. Lk 24,49; Apg 1,8
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6–7 Vgl. Mt 16,18–19
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Gepräge der reinen Seligkeit tragen konnte: so werden | wir uns also selbst bescheiden, so weit unser Leben noch dem Beruf den Gott uns allen gegeben hat gemäß ein thätiges und wirksames Leben in der Welt sein muß, so werden wir nicht ganz und unmittelbar das was der Apostel sagt auf uns anwenden und als unsern wirklichen Zustand betrachten können. Aber wir haben doch auch etwas zwischen unsrer geschäftigen Wirksamkeit in der Welt; wir unterbrechen sie bisweilen; die Natur fordert dies, die menschlichen Einrichtungen begünstigen es, aber beides nur deshalb weil es | auch eine geheime Sehnsucht des Geistes ist die ihre Befriedigung sucht und findet. Und wenn wir diese unsre geschäftige Wirksamkeit unterbrechen m. g. F., was ist dann dasjenige was unser Leben erfüllt? Es ist auf der einen Seite die Einkehr in uns selbst, die fromme Betrachtung, welche das Gemüth von dem Einzelnen und Vergänglichen, wodurch es immer augenbliklich bewegt wird, ablöset und auf das Allgemeine und Ewige hinführt; es ist auf der andern Seite eben dieses vertraute Zusammensein mit denen die unserm Herzen die nächsten sind – und dieses beides | ist es was auch die Tage der Auferstehung des Herrn ausmachte. Und wie? ist es etwa vergeblich und ohne Sinn, daß die Christen grade den Tag der Auferstehung des Herrn in jeder Woche der stillen sowohl als der allgemeinen Betrachtung widmen? Da sollen wir eben jene Ähnlichkeit mit der Auferstehung des Herrn von einer Seite in unser Gemüth aufnehmen; aber wir die wir den größten Theil unsers Lebens eben der wirksamen Geschäftigkeit in der Welt weihen müssen, für den bei weitem größten Theil der Christen ist | dieser Tag auch vorzüglich der eines Christen würdigen geselligen Freude geweiht; und indem es von Alters her eine Sitte unter den Christen war, daß an diesem Tage jeder in dem Kreise der Seinigen den andern aufsuchte und einen Ruhm darin fand ihn zu begrüßen mit dem freudigen Zuruf, der Herr ist auferstanden: so sehen wir wie es uns eine fromme christliche Geselligkeit ist, und wie diese eben geweiht werden soll zu einem Leben der Auferstehung des Herrn ähnlich. Und so laßt uns sehen, wie in beidem, in diesen verschieden Ab|schnitten unsers Lebens, eben auf das vollkommenste die Ähnlichkeit unsers Zustandes mit der Auferstehung des Herrn hervortreten soll. Ja m. g. F. wenn wir den Zustand der Betrachtung, welchen kein einmal für das Höhere gewektes Gemüth entbehren kann sondern sich ihm von Zeit zu Zeit wieder zuwendet, wenn wir uns den näher vor Augen stellen: so müssen wir allerdings sagen, auf der einen Seite soll sich also jede Betrachtung, sowohl die einsame des in sich selbst einkehrenden Gemüths, als auch die gemeinsame welche wir hier pflegen an un|sern christlichen Versammlungsörtern, von der einen Seite soll sie sich anschließen an das wirksame und geschäftige Leben. In der Einsamkeit soll jeder sich selbst 27–28 Alter Ostergruß nach Lk 24,34
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prüfen, um zu sehen, wie weit er seine Rechnung mit der Welt abgeschlossen hat und wie er gegen dieselbe steht; in der gemeinsamen Betrachtung aus dem göttlichen Wort da sollen uns die richtigen Grundsäze der Schäzung unsers Lebens und unsers Handelns klar vor Augen gestellt werden. So soll also allerdings dies zurükgehen auf der einen Seite auf das thätige und wirksame Leben, welches wir | nur auf eine kurze Zeit unterbrechen. Wenn wir nun in diesem geschäftigen Leben Veranlassung finden zur Trauer; wenn es uns dann erscheint, daß auch wir ein Jerusalem haben, über welches wir weinen können weil es nicht bedacht habe was zu seinem Frieden dient, sei es nun ein kleinerer oder ein größerer Lebenskreis dem wir angehören: werden wir uns von dieser Trauer lösen können oder befreien sei es nun in der stillen Betrachtung oder sei es indem das Wort Gottes unter uns laut verkündigt wird und allen vernehmbar. Wenn | wir da Gegenstände der Sorge finden, sei es auch daß wir selbst sagen könnten, wir hätten nichts versäumt was dazu gedient haben würde den Frieden der andern herbeizuführen, aber wir finden dann, daß wenig Hoffnung da ist das Gute woran wir arbeiten zu Stande zu bringen, wir finden dann daß überall die Hindernisse sich häufen, und daß wir für das Reich Gottes, welches wir mit der ganzen Liebe unsers Herzens umfassen, nur in eine düstere Zukunft hinaussehen: werden wir uns dann von der Sorge befreien | können? Ja wenn unsre Betrachtung anfängt damit daß sie in das vergangene Leben und in die verschiedenen Verhältnisse desselben zurükgeht – denn sie soll das nur thun, damit wir davon immer mehr gelöset und mit Gott und dem Erlöser, mit dem heiligen Rathschluß der göttlichen Gnade, mit dem Vertrauen auf den der seinen Rath weislich hinausgeführt hat, damit wir uns damit beschäftigen und die Kraft davon immer mehr unser Inneres durchdringen lassen – je mehr wir uns von der unmittelbaren Gegenwart lösen; sei es daß wir mit | unsern Gedanken in eine größere Vergangenheit hinausgehen, wie auch der Herr in den Tagen seiner Auferstehung seine Jünger zurükführte in die vergangenen Zeiten, auf die Weissagungen der Propheten welche nun in Erfüllung gegangen waren, in die Geschichte der Väter, wo in Übereinstimmung mit dem was ihm selbst begegnet war auch dem Rathe des Herrn war entgegen gehandelt worden, wie aber doch der Höchste seinen Rath herrlich hinausgeführt habe; oder sei es daß wir in die ferne Zukunft hinaussehend das große Ziel aller göttlichen Leitungen ins Auge fassen, uns in | den ewigen Rathschluß Gottes zur Wiederbringung des menschlichen Geschlechts durch die Sendung des Sohnes vertiefen, und so in unser Bewußtsein immer mehr aufnehmen den himmlischen Va8–10 Vgl. Lk 19,41–44 29–31 Vgl. Lk 24,25–27.44–49 33–34 Zur Formulierung vgl. Ps 107,11 und Jes 28,29; inhaltlich liegt vielleicht auch eine Anspielung auf Gen 50,20 (als Resümee der Geschichte von Joseph und seinen Brüdern) vor. 38– 2 Vgl. Joh 14,23
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ter, der nach der Verheißung des Erlösers nicht fern von uns ist, sondern wie er selbst kommt um Wohnung zu machen bei denen die ihn suchen: dann soll alle Trauer aus der Seele verschwinden; dann soll das gequälte Herz frei werden von der Sorge, in die es sonst immer wieder untergetaucht wird. Das ist für uns die Ähnlichkeit mit der Auferstehung des Herrn. Aber | eben so m. g. F. wenn wir uns dann vereinigen jeder mit denen die ihm die Nächsten sind, ihm angewiesen von der Natur um belebend und erfreuend auf sie zu wirken, ihm nahe stehend durch die gleiche Gesinnung und durch das gleiche Auffassen aller der göttlichen Wohlthaten, die uns eben über das irdische Leben und über alle Trauer und alle Sorgen desselben erheben: dann laßt es uns niemals etwas anderes sein als was es dem Erlöser war in den Tagen seiner Auferstehung. O m. g. F. wie betrübt wenn wir bedenken, wie sich so viele Christen ohne | Noth diese Herrlichkeit verkümmern, und diesen Glanz, der sich über einen kleinen aber unschäzbaren Theil ihres Lebens verbreiten könnte, selbst in einer düstern Stimmung des Gemüths untergehen lassen; wie sie auch in den Stunden der Geselligkeit, wo sie die Empfindungen ihres Herzens gegen einander austauschen, nicht vergessen können oder wollen, daß diese Erde ein Thal der Mühe und in vieler Beziehung, wie sie es auch auszudrücken pflegen, ein Thal des Jammers sei! Wie schade, daß sie nicht vergessen können was für Hindernisse sie in den Ge|schäften des Lebens zu überwinden haben; daß da der Blik, statt auf dem weiten Gebiet der göttlichen Güte frei umherzuschauen, in einem engen Raum trübe verweilt; daß da der Herr, wenn wir ihnen auch nicht absprechen können daß er unter ihnen wohnt und daß sein Name unter ihnen mit Ehrfurcht genannt wird, daß er doch nicht mit seinem Frieden, daß er doch nicht mit seinem herrlichen Glanz, daß er doch nicht mit seinem göttlichen Sinn unter ihnen ist, sondern daß was sie am meisten über die Erde erheben sollte immer wieder für sie Stun|den der Trauer und der Sorge wird und der düstern Betrachtung dessen was unerfreulich ist in diesem irdischen Leben; und daß sie da mehr auf diejenigen sehen welche dem Worte Gottes nicht Gehör geben, als daß sie sich freuen sollten an dem fortschreitenden Siege desselben über alle seine Feinde. Ja m. g. F. je gewisser eben dies ist, daß wir in der Zeit des wirksamen und geschäftigen Lebens froh sein müssen wenn wir frei werden von der Trauer die des Christen unwürdig ist, von der Trauer über den Tod und die Vergänglichkeit der irdischen Dinge, | deren Stachel die Sünde ist, wenn wir frei von der Sorge werden, die der Herr ein für allemal den Seinigen untersagt hat als etwas seiner und ihrer unwürdiges, aber uns doch nicht enthalten können eben jener Trauer die aus den irdischen Gestalten und den 20 schade] Schade 36 Vgl. 1Kor 15,56
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irdischen Verhältnissen der Liebe hervorgeht, von der Sorge in welche wir in einem kampfreichen Leben immer von neuem untergetaucht werden, je mehr wir es gut meinen mit dem großen Beruf, den Gott den Christen insgesammt aufgetragen hat: desto mehr sollen wir sondern | von der Geschäftigkeit des Lebens denjenigen Theil desselben, welcher der Auferstehung des Herrn gleich kommt; desto leichter sollen wir in den Stunden der stillen und der gemeinsamen Betrachtung hinwegkommen über die Sorgen und die Trauer; desto mehr soll es sich in unsern geselligen Kreisen zeigen, daß das Reich Gottes, eben so wenig es in Worten und Gebehrden besteht, eben so wenig auch in der trüben Stimmung des Gemüths zu finden ist, sondern im Frieden und in der Freude im heiligen Geist. Dazu m. g. F. sollte | uns jede Feier der Auferstehung des Herrn aufs neue auffordern, damit wir immer mehr genössen von der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes, die uns überall dargestellt wird in den Schriften des neuen Bundes als das Ziel, welchem wir uns hier schon aus allen Kräften entgegenstrecken sollen. Aber freilich wenn das Verlangen nach einem solchen von Trauer und Sorge befreiten Leben nur zu oft unter den Christen von alter Zeit her die Wendung genommen hat, daß sie es für ersprießlich hielten ihrem Heil sich so zeitig als möglich | zurükzuziehen aus der Welt, diese sich selbst zu überlassen und sich ganz der Betrachtung und dem stillen Leben mit dem eigenen Gemüth zu weihen: so ist das in der christlichen Kirche nichts anderes gewesen als der Anfang eines verderbten Lebens. Der Zwek ist nicht erreicht worden; denn der Friede und die Freude im heiligen Geist haben nie auf eine ausgezeichnete Weise gewohnt in diesen Häusern der Einsamkeit und Zurükgezogenheit von der Welt. Sie konnten diesen Zwek nicht erreichen, sie hatten aber auch den Grund zu einem solchen Frieden und | einer solchen Freude im heiligen Geist, das Recht und den Anspruch auf ein solches von der Welt entferntes Leben, das hatten sie auch nicht weil sie nicht getrauert hatten und gesorgt, weil sie sich nicht gemüht hatten und gearbeitet; denn nur nach der rechten Trauer und nach der rechten Arbeit kann eine solche Ruhe entstehen. Auch bei uns also m. g. F. kann eine solche Hoffnung, daß wir diesem Ziele näher kommen, durch nichts anderes bedingt sein als dadurch daß wir auch hierin Christo nachfolgen. Sein Leben bis an seinen Tod das war der Welt, in welche er gesezt war, geweiht; | da hat er nicht aufgehört zu sorgen und zu schaffen; da ist er ausgegangen der treue Säemann den Samen des göttlichen Wortes in die Gemüther zu streuen, der sorgsame Gärtner die schwachen Pflanzen zu stärken und die kranken zu begießen; da hat er sich nicht entzogen dem Streit der ihm auf 9–11 Vgl. Röm 14,17 13 Vgl. Röm 8,21 14–15 Vgl. Phil 3,12–14 36– 37 Vgl. Mt 13,1–23; Mk 4,1–20; Lk 8,4–15 37–38 Das Bild entstammt 1Kor 3,6– 8; dort sind es Paulus und Apollos, die pflanzen und begießen, aber Gott, der das Gedeihen gibt. Zu Jesus als (vermeintlichem) Gärtner vgl. Joh 20,15. 38–1 Vgl. Mk 2,1–3,6 (entsprechend Mt 9,1–17; 12,1–14; Lk 5,17–6,11)
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allen Seiten entgegentrat, und dem Getümmel, durch welches er sich auch dann hindurchsuchen mußte wenn er einmal einen Augenblik der Ruhe genießen wollte. Aber da wurden ihm dann die Tage seiner Auferstehung zum Lohn. So auch wir. Redlich laßt uns alle mit aller | Anstrengung unsrer Kräfte arbeiten im Reiche Gottes; dann werden wir auch solche Stunden eines seligen Friedens und einer herrlichen Freiheit von aller Trauer und von allen Sorgen genießen können in der Ähnlichkeit mit der Auferstehung des Herrn. Aber Paulus der Apostel der redet die Worte, an welche wir unsre Betrachtung angereiht haben, in dem Zusammenhange, daß nachdem er von der Gnade Gottes in Christo, von der Gerechtigkeit aus dem Glauben geredet hat, er die Frage aufwirft: wie denn? ob wir denn nicht sollen in der Sün|de bleiben, damit die Gnade desto herrlicher hervortrete? Was er also hier sagt, und was wir mit Recht gedeutet haben auf diese besondre Ähnlichkeit des Lebens begnadigter und wahrer Christen mit den Tagen der Auferstehung des Herrn, das bekommt doch seine rechte Beziehung immer nur indem wir es als einen wesentlichen Theil ansehen von der Ähnlichkeit unsers ganzen geistigen Lebens mit dem gesammten Leben des Erlösers. Wie wir mit ihm in seinen Tod begraben sind: so sollen wir der Sünde absterben; wie wir mit ihm zu einem neuen | Leben hervorgehen, gereinigt aus der Fülle seiner göttlichen Kraft, welche belebender ist als alles Treiben in der Welt: so sollen wir auch in dem neuen Leben wandeln, in dem Leben des Geistes, in welchem alle unsre Glieder begeben sind zu Werkzeugen der Gerechtigkeit. Fragen wir nun m. g. F., alle Trauer und alle Sorge, von welcher wir gesagt haben daß wir sie hegen dürfen und ihr uns nicht entschlagen können in unserm geschäftigen Leben, hängt sie nicht mit der Sünde zusammen? Wenn sie auch in uns nichts anderes ist als ein reines Mitgefühl dieser Trauer und dieser Sorge im Reiche Gottes: | dann ist sie frei von der Sünde wie sie es in dem Erlöser war. Wenn aber in die Sorge sich etwas einmischt von Mangel an Vertrauen auf den der die Sache seines Reiches zu führen hat; wenn in die Trauer sich etwas einmischt von der Bitterkeit eines Gemüths, welches nicht gern seiner eigenen Mühe beraubt sein will: ach dann sind beide so wie sie in der göttlichen Seele des Erlösers nicht waren, sondern zu demjenigen gehören worüber er trauerte und weshalb er sorgte. Aber je mehr wir uns in den Stunden der Betrachtung und der geselligen geistigen Freude von der Trauer und | der Sorge losmachen, desto mehr werden wir dann gekräftigt in die Wirksamkeit des Lebens zurükkehren, und desto weniger werden die Dinge der Welt eine solche Gewalt haben uns so niederzubeugen, daß in der Trauer und der Sorge noch die Spuren der Sünde gefunden werden. Und je tadelloser unsre Wirksam1–3 Vgl. Mk 3,7–12; Lk 4,42; 5,15–16; 9,10–11 13 Vgl. Röm 6,1 23–24 Vgl. Röm 6,13
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keit in der Welt ist, je treuer unsre Arbeit in dem Reiche Gottes; desto leichter auch werden wir uns in solchen Stunden des stillen in sich zurükgekehrten Lebens von der Trauer und der Sorge lösen, und desto herrlicher wird die Ähnlichkeit mit der Auferstehung des Herrn hervor|treten. Und so wird sich beides immer mehr ausgleichen, und statt verschieden zu sein unmittelbar in einander übergehen. Mitten in der Thätigkeit, die uns ja Trauer und Sorge bringt, werden wir doch den Frieden des Herrn, den er nicht etwa in Worten giebt sondern als ein köstliches Gut, in dem Innern unsers Herzens bewahren; und mitten in der Trauer und in der Sorge wird die Freude in dem heiligen Geist hervorleuchten und ihr Glanz durchstrahlen durch alles was unser Leben trübt, und dann auch immer mehr unser ganzes Leben ähnlich werden jenen Tagen der Auferstehung des Herrn, | die wir immer mit einer geheimnißvollen Freude mit einander begehen. Und je mehr dies sich zeigt in denen welche an den Namen des Herrn glauben: desto mehr können wir sagen, daß das Alte vergangen ist und Alles neu geworden ist; desto mehr nähert sich das irdische Leben der Christen dem Zustande, daß es keine Trauer darin giebt und keine Sorge, keine Seufzer und keine Thränen; desto mehr gehen die Thränen der Liebe und der Sorge für das Reich Gottes über in den Frieden eines heitern Gemüths und in jenes ruhige Lächeln, mit welchem wir auf alles | Irdische hinschauen können wenn wir das Ewige in uns aufgenommen haben. Und wie das Auffahren des Herrn zu seinem und unserm Vater nur ein allmäliger Übergang war und sich von selbst verstand nachdem er auferstanden war von den Todten und unter den Seinigen wandelte: so hört auch für uns der Unterschied immer mehr auf zwischen diesem Leben und der Herrlichkeit die noch soll an den Kindern Gottes offenbar werden; immer herrlicher spiegelt sich diese in jenem, und immer mehr erscheint sie als ein leiser Übergang, der uns hin|überführt zu demjenigen, was wir zwar glauben aber doch schon seinem innern Grunde und Keime nach genießen, so Viele unsrer mit dem Herrn begraben sind in seinen Tod und mit ihm auferstanden zu einem neuen Leben. Amen. Gebet. Heiliger Gott und Vater, dir sei Preis und Dank, daß du uns deinen Sohn gegeben, welcher für unsre Sünde gestorben und um unsrer Gerechtigkeit willen auferwekt ist. O laß immer mehr das neue Leben sich verbreiten, welches er mitzutheilen gekommen ist. Laß uns in seiner Gemeinschaft immer mehr | froh werden aller der Segnungen, welche der Welt zu bringen er auf Erden erschienen ist, und uns immer mehr 7–9 Wohl Anspielung auf Joh 14,27 sowie Phil 4,7 22 Vgl. Joh 20,17 25–26 Vgl. Röm 8,18
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fühlen die Seligkeit der Gemeinschaft mit dir, welcher wir durch ihn theilhaftig werden. Amen.
[Liederblatt vom 27. März 1826:] Am zweiten Ostertage 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Ein’ feste Burg etc. [1.] Er lebt, o Freudenwort, er lebt / Der Heiland aller Sünder! / Der Feinde Heer erschrickt und bebt / Vor seinem Ueberwinder. / Er stritt mit Heldenmuth, / Er schont nicht sein Blut, / Erwarb uns so bei Gott / Durch seinen Kreuzestod / Vergebung unsrer Sünden. // [2.] Er lebt, Gott hat ihn auferweckt, / Der wird auch mich erwecken. / Der Tod, der sonst die Menschen schreckt, / Kann mich nicht mehr erschrecken. / Sein Stachel seine Kraft, / Ist nun weggeschafft; / Der treue Zeuge spricht, / Wer glaubt der stirbet nicht, / Deß tröst’ ich mich von Herzen. // [3.] Er lebt, der unbezwungne Held, / Besingt ihn Engelchöre! / Besingt, ihr Völker aller Welt, / Des Mittlers Ruhm und Ehre. / Er ist vom Tod’ erwacht; / Erhebt dessen Macht, / Der unsern Tod bezwingt, / Der uns das Leben bringt / Und mächtig für uns streitet. // Nach dem Gebet. – Mel. Nun lob mein Seel etc. [1.] Erwach an seinem Grabe, / Mein Psalter, singe Jesu Dank, / Den ich beweinet habe, / Der für mich mit dem Tode rang. / Jetzt Freudenthränen rinnet, / Das Grab des Herrn ist leer; / Das Morgenroth beginnet, / Und Jesus schläft nicht mehr. / Ihm jauchzt der Himmel Freude, / Die frohe Erde bebt, / Und dankbar fühlen beide / Daß ihr Erbarmer lebt. // [2.] Wie wird beim Osterliede/ Mein Geist durch Himmelslust erfreut, / Mir kommt von oben Friede, / Mich überschattet Seligkeit. / Heil mir! was ich genieße, / Ist dies schon jene Ruh? / Strömt mir vom Paradiese / Schon reine Wonne zu? / Ja, ihm ganz hingegeben / Als seines Todes Lohn, / Wandl’ ich im neuen Leben / Mit dem Erstand’nen schon. // [3.] Dem Vater Preis und Ehre, / Der Reich und Thron dem Sohne gab! / Die Feinde seiner Lehre / Sind nun besiegt wie Christi Grab. / In unzählbarer Menge / Mehrt sich der Gläub’gen Heer; / Ich höre Hochgesänge, / Doch keine Klage mehr. / In seinem Sieg verschlungen / Ist alles Erdenleid; / Wir sind hindurchgedrungen / Durch ihn zur Seligkeit. // Nach der Predigt. – Mel. Sollt ich meinen Gott etc. Nach der neuen Schöpfung Leben, / Ringt in dieser Prüfungszeit, / Laßt uns duldend kämpfend streben, / Nach der wahren Heiligkeit. / Wer da hat, dem wird gegeben, / Jede That in Gott gethan / Haucht mit neuer Kraft uns an, / Fröhlicher in Gott zu leben. / In des Auferstandnen Sinn / Wandle Christ durchs Leben hin. //
Am 2. April 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Quasimodogeniti, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 13,1–11 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LXII, S. 376– 388; König Keine Nachschrift; SN 618/3, Bl. 10v–13r; Crayen Nachschrift; SAr 56, Bl. 162v–171r; Schirmer Nachschrift; SAr 114, S. 173–186; Sethe Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am Sonntage Quasimodogeniti 1826.
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Tex t. Joh. 13, 1–11. Vor dem Fest aber der Ostern, da Jesus erkannte daß seine Zeit gekommen war, daß er aus dieser Welt ginge zum Vater, wie er hatte geliebt die seinen die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende. Und nach dem Abendessen, da schon der Teufel hatte dem Juda Simonis Ischarioth ins Herz gegeben daß er ihn verriethe, wußte Jesus daß ihm der Vater hatte alles in seine Hände gegeben, und daß er von Gott gekommen war und zu Gott ging; stand er vom Abendmahl auf, legte seine Kleider ab, und nahm einen Schurz und umgürtete sich. Danach goß er Wasser in ein Bekken, hob an den Jüngern die Füße zu waschen, und trokknete sie mit dem Schurz damit er umgürtet war. Da kam er zu Simon Petro, und derselbige sprach zu ihm, Herr solltest du meine Füße waschen? Jesus antwortete und | sprach zu ihm, Was ich thue, das weißt du jezt nicht, du wirst es aber hernach erfahren. Da sprach Petrus zu ihm, Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen. Jesus antwortete ihm, Werde ich dich nicht waschen, so hast du kein Theil mit mir. Spricht zu ihm Simon Petrus, Herr nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt. Spricht Jesus zu ihm, Wer gewaschen ist, der darf nicht denn die Füße waschen, sondern er ist ganz rein; und ihr seid rein, aber nicht alle. Denn er wußte seinen Verräther wol; darum sprach er, Ihr seid nicht alle rein. M. a. F. Die ersten Worte dieses Abschnittes können wir nur recht verstehen, wenn wir sie ansehen als eine Einleitung welche der Apostel macht zu den
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nachfolgenden Reden des Erlösers. Denn was er öffentlich gesprochen zu dem Volke in dieser lezten Zeit, das hatte Johannes zusammengefaßt in dem vorigen Kapitel, und geendet mit dem Schluß des öffentlichen Redens und Lehrens Christi im Tempel. Nun war ihm noch übrig aus dieser lezten Zeit die Reden und Gespräche die der Herr mit seinen Jüngern gehalten, aufzuzeichnen; und dazu sind die ersten Worte die Einleitung. Wie Johannes überhaupt in seiner Lebensbeschreibung des Herrn am meisten nur aus seiner unmittelbaren Anschauung uns mittheilt von den innern Zügen des Erlösers, so ist auch hier seine Aufmerksamkeit daraufgerichtet. Er sagt, Als Jesus erkannte daß seine Zeit gekommen war, daß er aus dieser Welt zum Vater ginge, so liebte er die seinen bis ans Ende, wie er sie geliebt hatte. Alle Reden des Herrn, die wir nun noch werden mit einander zu erwägen haben bis zu seiner Gefangennehmung, waren auch nichts als ein Ausdrukk dieser herzlichen und innigen Liebe zu den seinigen, die er, da er in Begriff war aus der Welt zu | gehen, nun in derselben zurükklassen wollte; und Johannes macht uns aufmerksam darauf, wie diese seine Liebe unverändert und unvermischt fortdauerte bis ans Ende, so wie sie von Anfang an gewesen war. Dabei m. g. F. muß uns nun vorzüglich zweierlei, wenn wir nur das ganze Verhältniß des Erlösers zu seinen Jüngern vor Augen haben, recht einfallen. Einmal wie er uns hier auch erscheint wie überall als das höchste Vorbild aller wahren auf das geistige Leben der Menschen gerichteten Liebe. Denn es giebt auch eine Liebe die nicht bis ans Ende aushält, sondern um desto mehr sich trübt und erkaltet und aus der Seele verschwindet, je deutlicher der Mensch erkennt, daß die Zeit gekommen ist da er aus dieser Welt gehen soll. Denn wenn die Menschen nur verbunden sind durch gleiche Theilnahme und gleiche Bestrebungen in Beziehung auf das was zu den vergänglichen Dingen dieser Welt gehört, dann ist es natürlich, daß je mehr die Theilnahme des Menschen an der Welt verschwindet, und er es mit Gleichgültigkeit aufnimmt daß er die Welt verlassen soll, und er in seinem ganzen Gemüthe betrübt ist, so verwandelt sich auch die Liebe, die sonst Freude war und wesentlicher Genuß, in Schmerz. Wenn aber die Menschen auf das ewige verbunden sind, so ist es natürlich, daß durch diese Begebenheit, wenn nämlich der Mensch erkennt daß die Zeit gekommen ist wo er aus der Welt gehen soll, die Liebe sich nicht verändert oder aufhört; es ist dann in ihm dieselbe Theilnahme nach wie vor an dem bleibenden und unvergänglichen; es legt dann der welcher in Begriff ist zu scheiden, die Sorge für das Reich Gottes auf die welche zurükkbleiben in der Welt, und die er in Beziehung auf den gemeinsamen höchsten Beruf der Menschen geliebt hat. Aber freilich bleibt der Erlöser hier das höchste Vor1–4 Vgl. Joh 12,1–50
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bild einer vollkommen reinen und sich selbst gleich bleibenden Liebe, noch mehr wenn wir hinzunehmen, wie sein besonderes Verhältniß zu seinen Jüngern beschaffen war. Wenn wir es mensch|licher Weise betrachten, so hatte er nicht besondere Ursache sie zu lieben. Denn es ist nicht zu läugnen, daß sie eine gewisse Ansicht von ihm und seinem Beruf in der Welt gefaßt hatten, und daß sie, wie wir aus mehreren Aeußerungen sehen, an ihn glaubten als den Sohn des lebendigen Gottes. Aber keinesweges war es ein reines und vollkommenes Bild, welches sie in der Seele trugen, weder von seinem Wesen noch von seinem Zwekke, sondern es mischte sich mancherlei unreines und irdisches darein, was sich nur durch die große Geduld des Herrn, durch sein beständiges und beharrliches Belehren und Zurechtweisen, und dadurch daß er sie immer wieder davon abzuziehen suchte, immer mehr schwächte, aber doch nicht eher als in den Tagen seiner Auferstehung scheint verschwunden zu sein. Da dürfen wir nicht läugnen, es gehörte der ganze Glaube und die ganze Liebe, wie beides zusammengenommen die Vollkommenheit des Menschen und in dem Erlöser vorzüglich die ihm einwohnende Fülle der Gottheit ist, dies gehörte dazu, daß seine Liebe unverändert und unvermischt blieb, auch als die Zeit kam wo er aus dieser Welt gehen sollte. Denn nicht so wie es jezt mit andern einzelnen ist, die außer denen welche schon unter einander verbunden sind noch das ganze große Reich Gottes auf Erden zurükklassen wenn sie aus der Welt gehen, so war es nicht mit dem Erlöser, der dieses Reich Gottes allein in der Seele getragen hatte, und eben die ersten Züge desselben im Stande gewesen war den Seelen seiner Jünger einzuprägen. Aber wie es überall der Fall ist im Gebiete des Christenthums, daß der Glaube durch die Liebe thätig ist, und die Liebe aus dem Glauben kommt, so ging auch diese unveränderte und unvermischte Liebe des Erlösers zu seinen Jüngern aus dem festen und unerschütterlichen Glauben hervor, nicht nur daß er von Gott in die Welt gesandt sei um das Reich Gottes zu gründen, sondern auch daß diese es wären, die Gott ihm gegeben habe, und durch welche auch nach seinem Scheiden aus der Welt das Reich Gottes sollte erhalten und fest gegründet und weiter | verbreitet werden. Und so kraft dieses Glaubens, ohnerachtet ihrer Schwächen und Unvollkommenheiten, liebte er sie, obwol er erkannte daß die Zeit gekommen sei wo er aus dieser Welt zum Vater gehen sollte, mit derselben Geduld, mit derselben deutlichen Kenntniß ihrer Fehler und Gebrechen, aber auch mit demselben Vertrauen auf die Kraft die das Wort Gottes aus seinem Munde in ihren Seelen hervorgebracht hatte, und auf die Liebe die sie zu ihm im Herzen trugen. Das zweite, was sich schon etwas näher bezieht auf die Handlung des Erlösers die Johannes vor Augen hatte, ist dies. Er sagt, Als der Herr schon wußte daß seine Zeit gekommen war, daß er aus dieser Welt ginge zum 6–7 Vgl. etwa Mt 14,33; 16,16; Joh 1,34
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Vater, und es bei dem Judas Ischarioth schon zu dem festen Entschluß gekommen war ihn zu verrathen: so wußte der Herr auch, daß der Vater ihm alles in seine Hände gegeben, und daß er von Gott gekommen war und zu Gott ging. Daß Christus von Gott gekommen war und wiederum zu Gott ging, das war das beständige Bewußtsein welches er von sich selbst hatte, und ohne welches er nicht hätte der sein können welcher er war, noch auch dem ganzen menschlichen Geschlecht das leisten was er leistete. Denn daß er gekommen war vom Vater und Gott in ihm wohnte, das war es, wodurch er allein im Stande war das menschliche Geschlecht zu erlösen und ihm das ganze und volle Maaß des geistigen Lebens wieder zu geben. Aber daß er auch jezt, wo er wußte daß sein ihn verklärender Tod etwas ihm unmittelbar bevorstehendes war, zugleich wußte daß ihm Gott alles in die Hände gegeben hatte, das ist das worauf Johannes hier aufmerksam macht, und was in allen folgenden Reden des Herrn so deutlich hervortritt. Das feste Vertrauen, daß sein Tod in den Rathschluß von der Art wie sein Reich sollte auf Erden gebaut und verbreitet werden, als ein nothwendiger Bestandtheil hineingehöre, daß derselbe, wenn gleich zu einer Zeit wo seine Anwesenheit eine Nothwendigkeit zu sein schien, | doch kein Hinderniß sein würde für den Fortgang seines Reiches auf Erden, das war die Ueberzeugung die sich durch alle folgende Reden des Herrn hindurchzog, und auch in den Gesprächen womit er seine Reden mit seinen Jüngern schloß, aufs deutlichste und klarste sich zu erkennen gab. Und beides wollte uns Johannes hier so stark und nachdrükklich als möglich zu erkennen geben, die Liebe von welcher der Erlöser erfüllt war, und den lebendigen Glauben der auch im Angesichte des Todes in ihm war. Und nun sagt er, mit diesem Bewußtsein, daß der Vater ihm alles in die Hände gegeben habe, also mit dem Bewußtsein der göttlichen Kraft, die nicht nur in ihm ruhte, sondern auch in der ganzen Welt sich bewähren sollte, mit dem Bewußtsein dieser innigen Vereinigung mit Gott, vermöge deren er als Sohn Gottes von Gott gekommen war und zu Gott wieder ging, stand er vom Abendmahl auf, und begann seinen Jüngern die Füße zu waschen. Was nun m. g. F. diese Handlung selbst betrifft, so erklärt sich über die eigentliche unmittelbare Absicht derselben der Erlöser erst in spätern Worten, die wir nächstens werden zu betrachten haben. Davon also laßt uns absehen, und unsere Aufmerksamkeit erst auf das richten was hier vorging. Wir finden den Erlöser unter seinen Jüngern. Diese theilen sich aber nach der Erzählung selbst in drei verschiedene Haufen. Allein steht auf der einen 14 aufmerksam] aufmersam 34–36 Vgl. die Frühpredigt am 16. April 1826 über Joh 13,12–20
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Seite Judas, von welchem wir aus der ganzen Erzählung nicht bestimmt einsehen können ob er noch zugegen war bei der Handlung oder ob nicht, dessen Johannes hier erwähnt mit dem Ausdrukk, Der Teufel habe schon dem Judas in das Herz gegeben daß er den Herrn verriethe; er erwähnt aber seiner nur in der Absicht um auf das vorzubereiten und das klar zu machen, was sich in den folgenden Reden des Herrn auf diesen seinen unglükklichen Jünger bezieht. Dann stehen zusammen die übrigen, aber mit Ausnahme des Petrus; denn von den übrigen wird nicht gesagt, daß sie als der Herr aufstand und | ihnen die Füße zu waschen anfing, irgend etwas gesagt hätten, sondern sie ließen es sich ruhig gefallen. Abgesondert von den übrigen steht Petrus allein, welchem das auffiel, wie ganz zuwider die Handlung die der Erlöser hier verrichtete an den Jüngern, dem Verhältniß war, in welchem sie mit ihm standen. Denn das war eine Handlung der Diener; und weil in dem Verhältniß des Lehrers zu den Schülern in der damaligen Zeit die Schüler es sich zur Ehre rechneten, sich zugleich als Diener zu beweisen, so war nun, wie aus mehreren Aussprüchen die wir im neuen Testamente finden erhellt, dem Lehrer die Schuhriemen auflösen oder ihm die Füße waschen eins von den geringen Geschäften und Diensten welche die Schüler ihm leisteten. Ganz umgekehrt begann hier der Erlöser als der größere Herr und Meister diese dienende Handlung an seinen Jüngern zu verrichten; und das machte auf den Petrus einen solchen Eindrukk, daß er sich diesen scheinbaren Widerspruch nicht wollte gefallen lassen, und sprach, Herr du solltest mir meine Füße waschen? Dies führt den Erlöser auf eine andere gleichsam beiläufig vorkommende Bedeutsamkeit dieser Handlung, die sich hernach nicht weiter in den Reden des Herrn mit den Jüngern zeigt, sondern nur in dem Gespräche mit dem Petrus. Aber m. g. F. wie sollen wir uns das Verhältniß der übrigen Jünger in dieser Beziehung denken? Sollen wir glauben es sei ihnen ganz gleichgültig gewesen, und sie haben nichts dabei gedacht und empfunden? oder daß ihnen ähnliche Worte zugestoßen sind und nur mit Gewalt zurükkgehalten? Es ist in der Erzählung nicht ganz deutlich aber doch wahrscheinlich, daß Petrus nicht der erste war zu welchem der Herr ging, und daß das vorige, Er stand auf, legte seine Kleider ab, nahm einen Schurz und umgürtete sich, nicht etwas einzelnes war, was der Evangelist in Beziehung auf den einen Jünger heraushob, sondern daß der Herr schon bei andern begonnen hatte, und dann erst zu Petrus ging. Es ist dies auch seiner | Weisheit angemessen; denn − und daran müssen wir denken wenn wir uns das Verhältniß des Petrus zu den andern Jüngern vorstellen – es hatte den nämlichen Grund, vermöge dessen Petrus oft als Wortführer hervortritt wenn der Herr eine gemeinsame Frage an die Jünger thut, und in ihrem Namen antwortet. Und so waren die übrigen schon gewohnt ihn als Vertreter ihrer Wünsche 16–19 Vgl. Mk 1,7; Lk 3,16; Joh 1,27
39–40 Vgl. Mt 16,15–16; Joh 6,67–69
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auftreten zu sehen. Aber es war nicht die Absicht des Herrn, dem einen seiner Jünger einen Vorzug vor den andern einzuräumen, sondern sie sollten alle gleich sein. Diese Gleichheit schließt er auch mit in seine folgenden Reden ein, und es giebt kein Zeichen dafür daß die Jünger sollten den Petrus für den ersten in ihrem Kreise gehalten haben, sondern das ist ein Wahn der sich erst später eingeschlichen hat, daß der Herr dem Petrus einen besondern Vorzug vor den übrigen Jüngern gegeben habe; und wenn Petrus gewöhnlich im Namen der andern hervortritt, so ist dem Herrn dies in dem gegenwärtigen Augenblikk gerade eine Veranlassung, daß er bei dieser bedeutsamen Handlung nicht mit ihm anfing, sondern erst nachher mitten in der Sache selbst zu ihm kam. Aber die andern, die schon vorher von dem Herrn dies erfahren hatten, können wir uns nicht anders denken als so, daß auch ihnen dies vorgekommen ist als etwas besonderes, was ihnen nicht gebühre, daß sie aber, wenn sie auch dasselbe ausgesprochen hätten was Petrus sprach, Herr solltest du mir meine Füße waschen? und der Herr ihnen dasselbe entgegnet hätte was jenem, Was ich thue, das weißt du jezt nicht, du wirst es aber hernach erfahren, daß sie sich würden dabei beruhigt haben und sich begnügt mit der Erklärung die in den Worten des Herrn liegt, nicht aber wie Petrus in ihrer Weigerung beharrlich geblieben wären. Und so erscheint dies, daß sie sich selbst nicht äußerten, als eine Gewohnheit ihr gemeinsames durch den einen oder andern unter ihnen | dem Herrn vortragen zu lassen, aber dann auch als eine Bescheidenheit, die abwarten wollte wie der Herr das lösen würde was er sagte. Das erste ist unstreitig schön und gut; das zweite ist ein Beweis davon, daß sie nicht alle wie Petrus in dem gemeinsamen Beruf eine kräftige Thätigkeit bewiesen, und daß sie sich selbst bescheiden eine untergeordnete Stelle nahmen. Aber Petrus, wenn er auch nachdem er gesagt, Herr solltest du mir die Füße waschen? wenn er nachdem der Herr ihm erwiedert, Was ich thue, das weißt du jezt nicht, du wirst es aber hernach erfahren, sich nicht beruhigt, sondern noch einmal wiederholt, Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen, also dem Herrn eingreift in sein Werk und es ihm wehren will: wie sollen wir das erklären? Gewiß nicht anders als der Erlöser selbst that; der sagt zu ihm die merkwürdigen Worte, Werde ich dich nicht waschen, so hast du kein Theil mit mir. Das können wir uns unmöglich so auslegen, als ob durch diese Handlung des Herrn erst der Beruf des Petrus im Reiche Gottes im allgemeinen als begnadigter oder im besondern als Apostel sei fest geworden; dem widerspricht der Herr selbst indem er hernach sagt, Petrus sei rein; sondern daß eine Beruhigung bei dem was der Herr ausgesprochen hatte eine nothwendige Eigenschaft derer sei, die einen Theil an seiner Bestimmung in der Welt fortwährend haben wollen, und so weiset er ihn auf die Bescheidenheit zurükk, welche die übrigen Jünger gewiß gehabt haben würden wenn sie geredet hätten.
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Allerdings m. g. F. ist das etwas was der Erlöser zu uns allen sagen kann, Was ich thue, das weißt du jezt nicht, du wirst es aber hernach erfahren, nämlich daß so wie er dies sagt, wir uns durchaus und überall beruhigen sollen, und natürlich, daß als Petrus dies nicht that, er ihn tadelte und auf diese Nothwendigkeit zurükkwies. Aber wie sparsam m. g. F. macht doch der Erlöser davon Gebrauch, und hat davon Gebrauch gemacht. Unmittelbar in demjenigen worauf das | ganze geistige Leben der Menschen im Reiche des Erlösers beruht, ist nichts wovon man sagen könnte, es sei von der Art daß dieser Spruch darauf angewendet werden müßte, Was ich thue, das weißt du jezt nicht, du wirst es aber hernach erfahren. Sein Auftreten unter dem Volke, indem er begann seinen Beruf in der Welt auszuüben, das verstand jeder in welchem irgend eine Hinneigung zu dem göttlichen Worte welches er aussprach gegeben war. Darin war nichts was indem der Herr es that die Jünger nicht wußten, und was sie erst nachher erfahren konnten. Sondern in dem was er unterließ war immer den Jüngern manches unbegreiflich und schwer zu fassen, und da mußte er sie oft auf die Zukunft verweisen. Eben so verstanden sie es nicht, als er in die Hände seiner Feinde gegeben wurde, und so nicht, wenn er zuvor davon redete. Und so werden wir auch alle das Zeugniß ablegen, daß die Seligkeit des Christen in Verbindung mit Christo ganz eine Sache der Erfahrung ist, aber nicht einer erst auf die Zukunft gerichteten, erst noch zu erwartenden, sondern einer unmittelbar nahen und gegenwärtigen und deshalb gewissen. Was der Herr an uns thut, das wissen wir in dem Augenblikk wo er es thut, und geziemt uns es zu wissen und nicht erst hernach zu erfahren. Das gilt von allem was sich unmittelbar auf die Führung der Seele bezieht; und das ist das Zeichen des vollkommenem oder minder vollkommenen Fortschrittes der Wirkung des Erlösers in den Seelen, daß wir was er an uns thut gleich nach seiner innersten Kraft und seiner eigentlichen Abzwekkung erfahren; und dazu erleuchtet er uns je länger je mehr, daß wir alle seine Prüfungen und Führungen gleich verstehen wenn sie uns treffen, und gleich wissen was damit gemeint ist. Anders ist es mit den bald schnellern bald langsamern Fortschritten des Reiches Gottes auf Erden, und eben so mit dem Stillstand und der Hemmung desselben. Ja da müssen wir uns jenes Wort des Herrn gefallen lassen, darauf uns verlassend, daß wir es nachher erfahren werden, voll des festen Vertrauens, daß | alles ein großer zusammenhangender göttlicher Rathschluß sei, den der ewige Vater im Himmel durch unsern Herrn und Erlöser ausführt, und daß alles so wie es ist am besten sei, wenn wir auch die Zeichen davon nicht gleich sehen, sondern erst in der Folge erfahren. Und also nur in solchen Fällen, wo die Führung der menschlichen Dinge von dem gewöhnlichen Gange abweicht, wo uns in demselben scheint Verwirrung zu entstehen, da sind wir an dieses Wort des Herrn gewiesen.
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Wie der Herr nun zu Petrus sagt, Wirst du das nicht zugeben, daß ich dich wasche, in der Hoffnung daß der es erfahren müsse, so hast du kein Theil mit mir, so antwortet Petrus, Ja Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt; und darauf antwortet Christus, Wer gewaschen ist, der darf nicht denn die Füße waschen, sondern er ist ganz rein. Und ihr seid rein, aber nicht alle. Da nimmt er die Gelegenheit wahr, mit Ausnahme des einen, in Beziehung auf welchen er das lezte sagt, wie Johannes hernach hinzufügt, Er wußte seinen Verräther wol, darum sprach er, Ihr seid nicht alle rein, ihnen ein Zeugniß abzulegen davon wie es um sie stand. Er erklärt ihnen daß sie gereinigt wären – wodurch anders als durch den Glauben an ihn und was er durch denselben schon im Stande gewesen war an ihren Seelen zu thun – und sagt, Wer so rein ist, wer sich einmal eingetaucht in diese Reinigung, die uns durch Christum widerfährt, und sich durch ihn zu dem neuen Leben aus Gott hat beseelen und begeistern lassen, der hat hernach nur nöthig sich die Füße zu waschen. Damit will der Herr sagen, das sei das gemeinsame in unserm christlichen Leben, daß uns in dem Verkehr mit der Welt immer etwas von dem irdischen, was sich nicht auf das Leben aus Gott zurükkführen läßt, anklebt, und davon wir uns immer aufs neue losmachen müssen; und er unterscheidet also von der einmaligen Reinigung des ganzen Menschen, | die das ist was wir die Wiedergeburt nennen, und wozu durch die Erscheinung des Erlösers der Grund gelegt worden, davon unterscheidet er die fortwährende Reinigung, die wir zu keiner Zeit unterlassen dürfen. Diese beziehe sich auf das was sich fortwährend von außen durch den Verkehr in welchem wir mit der Welt stehen der menschlichen Seele anhängt, was wir im Augenblikk nicht merken, wogegen wir auch im Augenblikk nichts thun können. Aber dazu seien von Zeit zu Zeit solche Reinigungen nothwendig, und wer schon auf jene allgemeine Weise rein sei, der werde durch diese Reinigungen, die fortwährend vorgenommen werden müssen, ganz rein von dem was noch unreines und verkehrtes in ihm ist. Und so stellt er uns diese Handlung dar als ein Bild dieser sich stets erneuernden theilweisen Reinigung. Aber auch er ist es, von welchem sie ausgeht, und sie wird nicht die rechte sein, wenn sie nicht in ihm ihre Quelle hat, das heißt, es ist das Zurükkehren zu ihm, es ist dies, daß wir uns in seinem Bilde beschauen müssen, um zu erkennen was unrein ist in uns, es ist dies, daß wir zu seiner geistigen Kraft und zu der heiligen Gewalt seiner Liebe unsere Zuflucht nehmen müssen, damit das unreine in uns ausgelöscht werde. Er ist die einzige Quelle der menschlichen Reinigung, von welchem sie immerfort kommt in die Seelen der Menschen, einmal im großen und ganzen, und dann beständig und fortwährend im einzelnen und kleinen. Das ist die Beschreibung von dem Leben des Menschen in der vollen Vereinigung mit dem Erlöser, die er hier abbildet in der Handlung des Fußwaschens; denn das Gereinigtsein an Füßen würde auch nur halb sein, wenn
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der Mensch nicht von Grund aus rein wäre. Es ist das Bild von der sich beständig erneuernden Reinigung des Menschen, ohne welche wir keine Fortschritte machen in der Heiligung. Es ist aber auch für ein einmal gereinigtes Gemüth nicht möglich dies zu unterlassen, sondern durch die Reinigung wird der Mensch eine Liebe und Lust gewohnt zu fühlen, sich immer wieder von dem der die Quelle aller Reini|gung ist reinigen zu lassen. Und so hat der Erlöser in den lezten Tagen seines Lebens dies auf eine sinnbildliche Weise an seinen Jüngern gethan, und Johannes hat es mit den damit verbundenen Umständen uns aufbewahrt, nicht damit wir es in einem äußerlichen Gebrauche thun – denn wie ist doch das was der Herr hier thut so verschieden von dem was in gewissen Gegenden der Erde Fürsten und Könige thun, um sich in ihrer irdischen Hoheit dadurch zu demüthigen vor den Augen der Menschen, aber doch nur auf eine scheinbare Weise – also nicht zu einem äußerlichen Gebrauche, aber daß wir feststellen sollen in uns, wie wir der beständigen Reinigung der Seele durch den Erlöser bedürfen, wenn die erste und ursprüngliche Reinigung durch ihn ihren Werth behalten und das geistige Leben welches wir von ihm empfangen haben sich in uns ausbilden soll. Und so sollen wir uns ihm hingeben und das unsrige thun, und nicht für unwürdig halten und gering, daß alles was wir in dem Geschäft unsrer Heiligung thun, von ihm ausgehen und bewirkt werden muß; sondern ist zu dem Verhältniß der lebendigen Gemeinschaft, in welchem wir mit ihm stehen, der Grund gelegt, dann gehört dazu, daß wir uns fortwährend wollen reinigen lassen, und daß wir das wozu der Grund schon in unserm christlichen Leben liegt auf uns wirken lassen, so wie die Welt das Gegentheil hervorbringt, damit was uns von dieser anklebt je länger je mehr von uns abfalle, und so in dem was an der einzelnen Seele geschieht die ganze Gemeine, das was der Erlöser im Sinne hatte, vor ihm sich darstelle in ihrer Vollkommenheit zu seinem Preise und seiner Verherrlichung. Amen.
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Am 9. April 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen:
Besonderheiten:
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Misericordias Domini, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Kol 3,1–5 Nachschrift; SAr 54, Bl. 85r–98r; Schirmer Keine Nachschrift; SN 617, Bl. 1r–12v; vermutl. Schirmer (Fragment; Textzeugenparallele) Nachschrift; SAr 106, Bl. 39r–40v; Crayen Nachschrift; SAr 114, S. 186–190; Sethe (Fragment) Nachschrift; SAr 65, Bl. 58r–60r; Woltersdorff Nachschrift; SAr 65, Bl. 62r–66v; Woltersdorff Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Am Sonntage Misericordias Domini 1826. Tex t. Colosser 3 v. 1–5. Seid ihr nun mit Christo auferstanden, so suchet was droben ist, da Christus ist, sitzend zu der Rechten Gottes. Trachtet nach dem, das droben ist, nicht nach dem, das auf Erden ist, denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott; wenn aber Christus, euer Leben sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in der Herrlichkeit. So tödtet nun eure Glieder, die auf Erden sind. Meine andächtigen Freunde! In seinem ersten Briefe an die Corinther redet der Apostel mit Tadel von einigen Christen, welche behaupten wollten, die Auferstehung sei schon geschehen, und hält ihnen dann vor die Herrlichkeit der Auferstehung, welche uns allen noch bevorsteht. Hier aber redet er selbst von einer solchen Auferstehung, die schon geschehen ist, indem er sagt: „seid ihr nun mit Christo auferstanden“, und daran alle die geistlichen 2 v. 1–5] Die Nachschriften von Crayen, Sethe und Woltersdorff (SAr 106, Bl. 39r; SAr 114, S. 186; SAr 65, Bl. 58r) geben lediglich V. 1–4 als Predigttext an. 10–13 Von der Auferstehung handelt 1Kor 15. Dort wird allerdings als Irrlehre die Behauptung angeführt „Es gibt keine Auferstehung der Toten“ (1Kor 15,12). Die von Schleiermacher zitierte Behauptung „die Auferstehung sei schon geschehen“ findet sich als Irrlehre in 2Tim 2,18. Von der Tendenz her („schon“) ist hierzu 1Kor 4,8 zu vergleichen. 13–14 Vgl. bereits Kol 2,12
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Vorschriften des menschlichen Lebens knüpft, deren Befolgung sich allein auf unseren gegenwärtigen Zustand bezieht. So hat er also selbst geglaubt eine zwiefache Auferstehung, | die eine, welche uns allen bevorsteht an dem Ende der irdischen Dinge, die andere, welche das Unterscheidende derer ist, welche in der lebendigen Gemeinschaft mit Christo sich der Erlösung erfreuen, denn zu diesen allen redend, sagt er „sie sind auferstanden mit Christo“. Er gründet aber dies darauf, daß er vorherschickt, sie seien gestorben, und er meint also ganz eigentlich hier ein neues Leben, dem das Ende eines alten vorhergegangen ist. Was er nun von diesem sagt, m. gel. Fr., in Beziehung auf jene Ermahnung, mit welcher die Worte unseres Textes beginnen, nach dem zu trachten, was droben ist, und auch wieder schließend: „So tödtet nun eure Glieder, die auf Erden sind“, was er, sage ich, in Beziehung auf diese Vorschriften von dem Leben derer sagt, die mit Christo auferstanden sind, das lasset uns jetzt mit einander in andächtiger Aufmerksamkeit betrachten. Es ist aber dieses, m. gel. Fr., zweierlei, indem er zuerst dieses Leben darstellt als ein verborgenes, hernach aber als ein solches, welches offenbar wird, und zwar so, daß er beides in dieser bestimm|ten Ordnung aufführt, zuerst sei dieses Leben mit Christo ein verborgenes in Gott, hernach aber werde es mit ihm offenbar in der Herrlichkeit. 1. Wenn wir nun fragen, m. gel. Fr., was meint denn der Apostel mit diesen Worten: „euer Leben ist mit Christo verborgen in Gott“, so sind das gerade solche geheimnißvollen Worte, schon ihrem ganzen Ton und Klange nach, an welche sich die Sehnsucht und das Verlangen der Christen von jeher auf eine besondere Weise geheftet hat. Es ist aber so geschehen sehr häufig, wie wir es nicht thun wollen, indem nämlich übersehen worden ist, daß der Apostel diese Verborgenheit des neuen Lebens mit Christo in Gott nur als den ersten Anfang desselben darstellt, als die Fortsetzung und Vollendung desselben aber das, daß es mit ihm offenbar werden soll in der Herrlichkeit; und so müssen wir, wenn wir seine Worte recht verstehen wollen, indem wir das Ende erwägen, zugleich dabei an das Andere denken. Wir können aber diesen ersten Theil der Beschreibung des Apostels nicht verstehen, wenn wir nicht | zugleich auf das sehen, was er voranschickt, indem er nämlich sagt: „so seid ihr nun gestorben“. Das knüpft sich aber an die früheren Worte: „Trachtet nicht nach dem, was auf Erden ist“. In dieser Beziehung also sagt er: „ihr seid gestorben“, und das ist also dasjenige, was dem neuen Leben der mit Christo Auferstandenen vorangehen muß; das Trachten nach dem, was auf Erden ist, muß ersterben. Aber wenn wir bedenken, m. gel. Fr., daß erst später, wo der Apostel schon von der Offenbarung des neuen Lebens in der Herrlichkeit gesprochen hat, er die Ermahnung hinzufügt: „so tödtet nun eure Glieder, die auf Erden sind“: so müssen wir auch dieses beides von einander unterscheiden und in das Erste nicht zu viel hineinlegen, damit QunsR das Andere bleibe. Das ist aber
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auch eine allgemeine Erfahrung, welche wir alle werden getheilt haben und welche der Apostel, dieser große Kenner des menschlichen Herzens, dieser ebenso klare, als tiefe Darsteller der göttlichen Geheimnisse, in seinem Briefe an die Römer so deutlich beschreibt, das Trachten nach dem, was auf Erden ist, kann erstorben sein, aber der Mensch fühlt | dennoch wider seinen Willen das Gesetz, welches in seinen Gliedern ist. Daß er auch dieses nicht mehr inne werde, o das kann nur geschehen im Zusammenhange damit, daß das Leben Christi offenbar werde in der Herrlichkeit; daß das Erste geschehe, das muß vorangehen, wenn überhaupt ein neues Leben in ihm entstehen soll. Auf diesen Standpunkt also, m. gel. Fr., wollen wir uns stellen, das Trachten nach dem, was auf Erden ist, sei erstorben in dem Menschen, der alte Wille, der bloß auf das Irdische gerichtet ist, der lebe nicht mehr. O freilich, m. gel. Fr., auch das ist schon ein tiefes und unergründliches Geheimniß, wenn wir uns fragen wollen: wie geschieht denn dies? wie stirbt der alte Mensch? Es ist nichts anderes, als ein vergehender Hauch Gottes, der dem belebenden vorangeht. Der alte Mensch tödtet sich nicht selbst, er stirbt nur in einem höheren Verlangen, welches in dem Menschen geweckt wird in seiner Sehnsucht, die sich in ihm regt, und damit diese ihm entstehe, muß ihn etwas berührt und getroffen haben, was nicht aus ihm selbst ist. Das ertödtet den alten Menschen in Beziehung auf die innerste Kraft seines Willens; er kann das nicht mehr wollen, wonach | er vorher getrachtet hat. Aber damit ist eben das neue Leben noch nicht gegeben. Von diesen ersten Anfängen desselben nun, welche auf das Absterben des alten Menschen in der Sehnsucht nach einem besseren folgen, von denen sagt der Apostel, indem er wohl wußte, daß er es mit Christen zu thun hatte, welche noch in dem ersten Anfang der Heiligung standen und noch bedurften mit der lauteren Milch des Evangeliums genährt zu werden, von denen sagt er: „euer Leben ist mit Christo in Gott verborgen“. Es ist verborgen mit Christo, m. gel. Fr., und wenn Christus offenbar wird, dann muß er auch offenbar werden. Wenn aber doch nun jenes Verlangen nach dem Höheren und Ewigen, welches den alten Menschen tödtet, wenn das doch nur durch Christum kann gewecket werden: wie meint es denn der Apostel, daß dem ohnerachtet unser Leben verborgen ist mit Christo? Denn das kann es nur sein, wenn Christus auch verborgen ist. Aber so ist es, m. gel. Fr., die erste Erscheinung des Erlösers für den Menschen, in welcher er den alten Menschen tödtet und den verborgenen Keim des höheren Lebens belebt, | das ist eine solche, in welcher er selbst noch verborgen ist. Ja, wir werden auch dies als eine allgemeine Erfahrung kennen gelernt haben und noch immer um uns her sehen, daß in diesem ersten Anfange des neuen Lebens der Mensch an dem Erlöser nur das sieht, 6 Vgl. Röm 7,23
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was er gethan hat, aber ihn noch nicht kennt in dem, was er eigentlich ist. Was er gethan hat, das ist aber dasjenige, was der Mensch unmittelbar fühlt, daß er das alte Leben hinwegnimmt. Ist der alte Mensch gestorben, so daß wir die Kraft jenes vorher unbezwinglichen Trachtens nach dem, was auf Erden ist, nicht mehr als etwas Unbezwingliches, nicht mehr als die natürliche Unvollkommenheit unseres Lebens fühlen: dann wollen wir, daß auch die Erinnerung des alten Lebens hinweggenommen werde, diese Erinnerung, die uns mit Schaam nicht nur überhaupt, sondern auch mit unbekannter Furcht erfüllt vor demjenigen, was sie in der Zukunft nach sich ziehen möge. Da sieht der Mensch den Erlöser, der mit dem alten Leben zugleich die Erinnerung desselben hinwegnimmt, das volle Vergeben, das volle Vergessen Gottes, | welches auch ein Vergessen des Menschen werden soll, das sieht er auch in dem, was der Erlöser gethan hat. Was er aber eigentlich ist, davon hat er nur ein dunkele Ahnung in seiner Seele, und daß er noch nichts weiter hat, als diese, das ist der leise Anfang jenes verborgenen Lebens. Er weiß selbst nicht, was in ihm lebt, er schaut das Leben noch nicht, welches sich in keiner äußeren That zu erkennen giebt, sondern nur beginnt mit dem Verabscheuen dessen, was er vorher gewollt hat, aber noch zu schwach um sich zu regen, zu ohnmächtig um an das Licht zu treten, wie das verborgene Leben des natürlichen Menschen, ehe es sich zu einer gewissen Einheit mit der umgebenden Welt entwickelt hat, noch zu schwach ist, das Licht des Tages zu ertragen. Ist nun das neue Leben in seinen ersten Anfängen uns selbst verborgen, so müssen wir sagen, es ist in der Ähnlichkeit mit dem Zustande des Erlösers vor seiner Auferstehung, der allerdings schon der Anfang seiner Herrlichkeit war. Müssen wir sagen, wie auch da, als er auf eine kurze Zeit dem Tode hingegeben war das göttliche Wort, welches seiner Seele eingepflanzt war, von derselben nicht ließ, aber | keine Wirkungen eines menschlichen geistigen Lebens hervorbrachte, daß so in seinen ersten Anfängen allerdings, wenn der alte Mensch der Kraft des Willens nach gestorben ist, der göttliche Geist, welcher von oben kommt, in der menschlichen Seele beschäftigt ist, aber auf eine stille und verborgene Weise, um im Geheimen zu bilden, was hernach hervorkommen soll: wieviel natürlicher noch, daß dieses Leben verborgen ist vor der Welt! M. gel. Fr., in einem gewissen Sinne müssen wir allerdings sagen, jeder Mensch ist dem anderen ein undurchdringliches Geheimniß. Welch’ eine Reihe von Erfahrungen gehört dazu, welch’ eine genaue Bekanntschaft, um nur einige Sicherheit zu erlangen auch in Beziehung auf diejenigen, welche uns am nächsten stehen in unserem Leben, 13–22 Wohl Anspielung auf das berühmte Höhlengleichnis im 7. Buch von Platons „Staat“; vgl. Platon: De re publica VII, 514a–521b, bes. 515c–516d (Opera, ed. Societas Bipontina, Bd. 7, 1785, S. 128–131; vgl. Werke in acht Bänden, ed. Eigler, Bd. 4, 1971, S. 556–561)
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was sie bei dieser oder jener Gelegenheit thun werden, und wie sich ihr Inneres offenbaren werde. Aber dieses geheimnißvolle Leben bezieht sich doch nur am meisten auf den Zusammenhang der einzelnen Augenblicke ihres Daseins, das Einzelne selbst aber, wenn wir auf das alte, irdische Leben des Menschen zurücksehen, jeder versteht es, es liegt ihm klar vor Augen, | jeder findet das Ähnliche in sich selbst. Wenn sich die Neigungen, wenn sich auch die Leidenschaften des Menschen, wenn sich auch die wilden Auftritte in denen beide herausbrechen, auf mancherlei Weise unterscheiden, in dem einen und in dem anderen Geschlecht: es ist doch ein und dieselbe Gesinnung, es ist doch eine und dieselbe Gewalt, und auch, was in dem Einzelnen nicht gerade das Gewöhnliche ist und das Herrschende in ihm, davon findet er doch die leisen Anklänge in seiner Seele, die ihm verständlich machen, was andere thun. Da ist kein Geheimniß, und die Kinder dieser Welt, die noch ganz in dem Trachten nach dem, was auf Erden ist, begriffen sind, es wäre vergebliche Mühe, wenn sie sich verbergen wollten, einer vor dem anderen. Was aus dem Gemüth des einen hervorgeht, was der Eine thut, der Andere hat es schon gehabt und merkt es ihm leicht ab. – Aber wenn der Mensch nicht mehr trachtet nach dem, was auf Erden ist, aber er handelt doch und lebt, da ist sein Leben den natürlichen Menschen verborgen; sie können es nicht verstehen, weil sie das Ähnliche nicht in sich selbst finden, weil das neue Leben in seinen ersten Anfängen noch nicht in | ihnen geweckt ist. O, m. gel. Fr., wie nachsichtig sollte uns das machen gegen diejenigen unter unseren Brüdern, welche sich noch in diesem Zustande befinden, wenn sie uns, wenn sie das neue Leben, welches in uns aufgegangen ist, wenn sie die Wirkungen des göttlichen Geistes in uns nicht verstehen. Wie leicht sollten wir ihnen vergeben, wenn sie in demjenigen, was in uns nichts anderes ist, als die Frucht des Geistes, das Ähnliche wiederfinden wollen von dem, was in ihnen nichts anderes ist, als die offenbaren Werke des Fleisches. Gern wollen wir ihnen vergeben, aber auch in unser Inneres hineingehen und uns selbst sagen: o wenn dieses neue Leben erst offenbar würde mit Christo in der Herrlichkeit, dann würden sie auch etwas davon sehen, dann würde auch etwas davon in das Innere ihres Herzens hineinleuchten und jener Zauber der Macht, der sie bindet und ihre Augen verschlossen hält, würde schwinden. Aber lasset uns noch etwas tiefer hineingehen in das, was der Apostel sagt, und in dieser Beziehung besonders darauf achten, daß er zu den Christen spricht: „euer Leben ist mit Christo verborgen in Gott“. Ja verstän|den sie Christum, so würden sie auch die verstehen, welche seine Stimme hören 10 dieselbe Gewalt] so SN 617, Bl. 3r; Textzeuge: dieselbige Gewalt 27–29 Vgl. Gal 5,19.22; in der Lutherübersetzung (bzw. im textus receptus) auch Eph 5,9
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und ihr folgen, aber weil sie Christum nicht verstehen, so kennen sie auch Gott nicht, denn „niemand kennt den Vater, denn der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren“. Darum, m. gel. Fr., weil unser neues Leben mit Christo, wenn auch noch schwach und ohnmächtig, wenn auch noch sehr unvollkommen, wenn auch noch sehr unzusammenhängend, hervortritt in mehr oder weniger einzelnen Augenblicken, wo das Gemüth vorzüglich auf das Göttliche gerichtet ist: so können es alle diejenigen nicht verstehen und es muß ihnen verborgen bleiben, denen Gott selbst verborgen ist. Wenn sie den Sohn kennten, wenn sie die Kraft der erlösenden Liebe verständen, welche eben in ihm Mensch geworden ist und sich offenbart hat: o dann hätte ihnen auch der Sohn den Vater offenbart, dann würden sie auch das große Wort des Apostels verstehen: „Gott ist die Liebe“, dann würden sie auch die Regungen des neuen Lebens verstehen, welche aus nichts anderem, als aus diesem reinen göttlichen Wesen hervorgehen. Wie ist ihnen aber Gott offen|bart? Er ist ihnen freilich ein gewisser Gegenstand – denn diese Gewißheit kann sich kein Mensch, der auch nur zu dem gewöhnlichen Leben des Geistes erwacht ist, weder geben noch nehmen – er ist ihnen gewiß, aber als ein unbekannter Gegenstand und alles Unbekannte, aber Mächtige ist allemal ein Gegenstand der Furcht. Und ist es die Furcht, so ist es auch die verborgene Scheu vor dem Lichte, welche ihnen das neue Leben derer, die in der Gemeinschaft mit Christo leben, in Verborgenheit hält. Wo es ihnen auch naht, o ihr Auge gewöhnt sich nicht daran, es schließt sich dem himmlischen Lichte desselben, und so geschieht es, daß sie sich immer mehr in die Dunkelheit des eigenen, vergänglichen Lebens zurückziehen. – O, m. gel. Fr., daß nur nicht in uns irgend etwas ist und bleibt von dem alten Leben, was jene Unbekanntschaft Gottes in ihnen erhält und fördert, was jene falschen Vorstellungen nährt. O laßt uns an das Wort des Herrn denken, daß sein Reich nicht von dieser Welt ist, und daß eben deßhalb auch mit keinen Waffen dieser Welt, mit keinem Schwerte dieser Welt, mit keiner irdischen Gewalt kann dafür gestritten werden. | Wo eine solche ist, da ist die Furcht, und wenn die Menschen glauben könnten, daß die Kinder des Lichts sich einer irdischen Waffe, sei es nun eine drohende, oder eine lockende Gewalt, bedienen wollten, um das Reich des Lichtes zu fördern: o so müßte ihnen ja Gott noch tiefer in die Verborgenheit und Dunkelheit sich zurückziehen, so wäre es unmöglich, daß er ihnen erscheinen könnte in unserem Dasein; aber es wäre dann auch nicht das Göttliche, sondern das Ungöttliche in uns selbst, was anderen eine Verleitung wäre zur verlängerten Unbekanntschaft mit dem, der nicht mehr unbekannt sein soll, weil er offenbar ist in seinem Sohn. Wohlan, so führt uns alles darauf, daß dieses verborgene Leben offenbar werden soll, offen2–3 Mt 11,27 12 1Joh 4,16 12,36; 1Thess 5,5; Eph 5,8
27–28 Vgl. Joh 18,26
32 Vgl. Lk 16,8; Joh
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bar mit Christo in der Herrlichkeit, und so laßt uns nun diesen zweiten Theil der Beschreibung des Apostels näher mit einander erwägen.
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2. Dies beides, m. gel. Fr., weiß der Apostel also nicht zu unterscheiden, das Offenbarwerden des neuen Lebens und das Offenbarwerden desselben in der Herrlichkeit mit Christo. Überall nun aber ist dieses das Gegentheil des Vorigen, | und laßt uns nur einzeln wieder an das Vorige anknüpfen, um den Apostel vollkommen zu verstehen. Bei uns selbst muß es anfangen, m. gel. Fr., uns selbst muß das neue Leben, welches in seinem ersten Anfange uns ein verborgenes und bewußtloses ist, offenbar werden in der Herrlichkeit. Aber es wird uns nicht anders offenbar, als mit Christo, mit dem müssen wir uns immer mehr befreunden und ihn sehen, wie er ist, abgesehen von allem, was er äußerlich hervorgebracht und gethan hat, abgesehen von irgend einer äußerlichen Wirkung, die von ihm ausgeht, sondern so, wie Johannes, der Jünger, der in dem Schooße seines Meisters lag, sagt: „wir sahen in ihm die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes vom Vater“, oder „das Ebenbild seines Wesens, den Abglanz seiner Herrlichkeit“, wie der Verfasser des Briefes an die Hebräer sagt. Ja, je mehr wir so die geheimnißvolle Vereinigung Gottes mit der menschlichen Natur in Christo verstehen; je mehr wir das verstehen, daß er selbst in seinem inneren Leben der Sohn Gottes war und sein ganzes Leben ein göttliches; je mehr | wir verstehen, was er damit sagen will, daß er und der Vater Eines ist, und daß der Vater in ihm wohnet, und daß, wer ihn siehet, auch den Vater sieht; je mehr sich uns so das göttliche Wesen in der ganzen Fülle seiner unendlichen Liebe in dem Sohn verklärt und offenbart, der in der That das ganze Werk der göttlichen Liebe an dem menschlichen Geschlecht zu beginnen und zu vollenden gekommen ist: desto mehr muß dann auch unser Leben, insofern es das seinige in unserer Seele ist, uns selbst offenbar werden. Aber, m. gel. Fr., der Erlöser wurde auch erst erkannt in der Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes vom Vater, als er in das öffentliche Leben trat; und nur in eben dieser Öffentlichkeit kann auch unser Leben in der Tiefe der Seele offenbar werden in der Herrlichkeit. Weil es immer noch schwach ist, so bedürfen wir auch immer noch der Stille und Verborgenheit. Was es sagen will um das geheimnißvolle Wirken des göttlichen Wortes und des göttlichen Geistes in einer aus dem Getümmel der Welt | in die Stille zurückgezogenen Seele, das haben gewiß alle diejenigen erfahren, welche sich ernsthaft und mit einem Gott und dem Erlöser zugewendeten Gemüth 27 unserer] unsere 14–16 Vgl. Joh 1,14 sowie Joh 13,23 16–18 Vgl. Hebr 1,3 10,30; 14,9–10 24 Vgl. Joh 13,31–32
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jemals mit ihnen beschäftigt haben. Aber, daß das Leben des Erlösers erst Kraft in uns gewonnen hat, wenn dieser Friede uns auch begleitet in das Getümmel der Welt hinaus, wenn dieses uns nicht mehr stören kann, Gottes in unserer Seele wahrzunehmen und uns der Wirkungen des Erlösers in der Seele bewußt zu werden, indem wir unter den Menschen handeln, indem wir unter ihnen leben; daß erst das Leben und Wohnen des göttlichen Geistes durch den Glauben in der menschlichen Seele zu seiner Vollendung gekommen ist, wenn die Früchte des Geistes sich offenbaren und alle diese herrlichen Tugenden hervortreten, welche sich nur in dem Leben mit Menschen zeigen können: o das möge auch, ich wünsche es nicht nur, sondern ich hoffe es, die Erfahrung sein, welche wir alle gemacht haben. So müssen wir denn in dem Maaße, als Christus uns offenbar wird, in die Öffentlichkeit des Lebens hinaustreten, und dort die Wirkungen des göttlichen Geistes in unserer Seele | offenbaren, dort den Menschen zeigen, nicht nur indem wir uns zurückziehen in die Stille, daß wir nicht mehr nach dem trachten, was auf Erden ist, sondern wir müssen ihnen zeigen, daß wir trachten nach dem, was droben ist in einem zusammenhängenden Leben, welches unter dem Beistande des göttlichen Geistes aus der irdischen Welt ein Reich Gottes zu gestalten sucht, welches, wiewohl es nur in einzelnen zerstreuten Zügen geschehen kann, die geistige Gegenwart Christi zu offenbaren trachtet. Nur so, m. gel. Fr., kann unser Leben offenbar werden. Aber daß nun niemand komme und sage, der Apostel rede hier nicht von dem, was in dieser Welt geschehen soll, sondern von dem, was erst nach dieser Welt bevorsteht. Nein, m. gel. Fr., sondern hier ebenso wie dort, redet er von der Auferstehung, die schon geschehen ist. Und wie, ist es nicht unser gemeinsamer Beruf, daß wir Christum sollen offenbar machen? was hieße es anders, daß wir sollen seine Zeugen sein, als daß wir ihn den Menschen offenbar machen und ihnen helfen ihn finden? | Ja in uns sollen sie ihn erkennen, aus uns soll ihnen, wenn auch in schwachem Glanze, die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes vom Vater entgegenstrahlen. Das ist der Beruf, den er uns allen, als seinen Jüngern gegeben hat. Und nährt und stärkt er unser Gemüth in der Verborgenheit des Lebens mit Gott, ist es seine Kraft, welche die Seele in der Stille des Lebens vorbereitet: so soll sie nur dazu vorbereitet werden, daß sie hernach offenbar werde. Darum aber, m. gel. Fr., auch wenn der Apostel sagt: „wenn Christus wird offenbar werden, dann wird auch euer Leben mit ihm offenbar werden in der Herrlichkeit“: so meint er keine andere Herrlichkeit als die, welche die Gemeinde Christi auch hier schon auf Erden darstellen soll. Ja, m. gel. Fr., es ist nicht 33 des Lebens] so SN 617, Bl. 12r; Textzeuge: der Seele 8–10 Vgl. Gal 5,22–23; in der Lutherübersetzung (bzw. im textus receptus) auch Eph 5,9 29–30 Vgl. Joh 1,14
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ein vergebliches Trachten und Tichten, welches wir erst beschwichtigen müßten durch den Hinblick auf etwas, was jenseit des Grabes liegt, wozu uns der Apostel am Anfange des Textes ermahnt, wenn er sagt: „Trachtet nach dem, das droben ist, da Christus ist sitzend zur Rechten Gottes; suchet, was droben ist, und nicht, was | auf Erden ist.“ Unser Trachten soll ein kräftiges Wirken sein; was droben ist, soll zu uns herabsteigen, Christus, welcher sitzt zur Rechten Gottes, soll nicht nur dort sitzen, sondern er soll den Menschen kund gemacht werden; hier soll seine Herrlichkeit offenbar werden, hier sollen sich vor ihm beugen die Kniee aller derer, welche auf Erden sind, hier sollen alle Menschenkinder erkennen, daß in keinem anderen Namen, als in dem seinigen Heil gegeben ist, aber nicht etwa als ein zu hoffendes, sondern als ein gewisses, welches jeder genießen kann im Glauben an ihn und in der lebendigen Gemeinschaft mit dem himmlischen Vater durch ihn; hier sollen seine Segnungen das Leben der Menschen durchströmen; hier soll das Leben aus Gott immer mehr offenbar werden und alles besiegen, was aus dem alten Leben hervorgeht; hier soll die Gemeinde Christi dargestellt werden ohne Runzeln und ohne Flecken, in der Schönheit, welche ihr der Sohn Gottes erworben hat und welche ihr ewiges Eigenthum sein soll. Das ist die Herrlichkeit, in welcher unser Leben | soll offenbar werden mit Christo. Ja, sein Reich soll gebaut werden, und die Pforten der Hölle sollen es nicht überwältigen; ja, er soll immer mehr erkannt und gepriesen werden als die Quelle eines Heils, welches von allen genossen werden kann; ja, das Sein und Leben Gottes in ihm soll immer mehr ein Sein und Leben des göttlichen Geistes werden in einer unendlichen Fülle von Gläubigen, welche zusammengenommen den Leib Christi bilden, und zu dieser Herrlichkeit soll unser verborgenes Leben offenbar werden. Aber, m. gel. Fr., damit wir eben so wenig, als wir auf der einen Seite unseren Beruf erfüllen würden, wenn wir in die Ewigkeit hinaus versetzen wollten, was hier schon geschehen soll, damit wir nicht auf der anderen Seite, was erst künftig ist, uns gegenwärtig denken, und mit dem Gegenwärtigen uns begnügen: o so laßt uns in uns selbst zurückgehen und erkennen, wie neben dem, daß unser Leben hier schon offenbar zu werden anfängt, es noch verborgen ist in Gott; wie wenig wir selbst noch klar sehen den ganzen Zusammenhang unseres inneren Lebens, wie wir die Wirkungen des göttlichen | Geistes uns selbst noch so wenig angeeignet haben, daß wir sie selbst in jedem Augenblick unseres Lebens in klarem Bewußtsein und in besonnener Ruhe verständen; wie das eine Leben uns immer noch als ein verborgenes erscheint, werden wir nicht wissen, woher es gekommen ist, wie es nicht nur von dem Winde gilt, sondern auch von uns, 9–10 Vgl. Phil 2,10 10–11 Vgl. Apg 4,12 Mt 16,18 25–26 Vgl. 1Kor 12,27
16–17 Vgl. Eph 5,27
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was der Herr in jenem Gespräch zum Nikodemus sprach, um zu beschreiben den Ursprung des Lebens derer, die aus dem Geiste geboren sind: „wir hören sein Brausen wohl, aber wir wissen nicht, von wannen er kommt, noch wohin er fährt“. So ist und bleibt das neue Leben immer noch verborgen, und wir wissen nicht, woher das kommt, was im Zusammenhange damit in uns gewirkt wird. Wenngleich wir zusammengefaßt die ganze Herrlichkeit des neuen Lebens schauen in Christo, in welchem die Fülle der Gottheit wohnte: so bleibt es uns verborgen indem wir oft nicht wissen, woher uns die einzelnen heilsamen Wirkungen des Geistes, woher uns die einzelnen Erhebungen des Gemü|thes, woher uns die einzelnen, kräftigen und glänzenden Augenblicke des Lebens kommen. Nur das wissen wir, daß sie nicht aus uns selbst kommen, sondern daß sie uns nur durch die göttliche Gnade, die in uns wirksam ist, nur durch die Kraft des Geistes, der in uns ausgegossen ist, nur durch die geistige Gegenwart des Erlösers, mit welcher er unter uns ist alle Tage bis an der Welt Ende, werden können. Aber wenngleich schon in den ersten Anfängen, und zwar in den ganz verborgenen des Lebens, der alte Mensch, das Trachten nach dem, was auf Erden ist, gestorben ist: so fühlen wir doch noch, was der Apostel sagt, das Gesetz des alten Lebens in unseren Gliedern und bedürfen unmittelbar, nachdem wir darauf geführt sind, daß auch unser Leben offenbar werden soll in der Herrlichkeit, nach der Ermahnung: „so tödtet nun eure Glieder, die auf Erden sind, um derentwillen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens“. Ja, m. gel. Fr., so demüthigt der Apostel, und mit Recht, nachdem er erhoben hat. Es giebt immer noch etwas | von dem alten Leben in uns, was wir ertödten müssen, es wohnt uns bei in einer Menge von Übereilungen und Schwachheiten, es offenbart sich in einer Menge von verkehrten Regungen und Leidenschaften, wir werden es gewahr in der sinnlichen Gewalt der der Erscheinung hingegeben Augenblicke des Lebens. So lange das noch in uns waltet und in dem Maaße, als es geschieht, können wir die Offenbarung Christi in der Herrlichkeit nicht sehen. Wollen die Menschen nun wirklich das neue Leben, welches in uns ist, erkennen, hat es ihnen so in die Augen geleuchtet, daß sie etwas ahnen von einem höheren Geiste, so müssen sie, so oft sie in uns wiederfinden die Spuren von dem, was ihrem eigenen Leben gleicht, irre gemacht werden und wankend, ob es nicht etwa bloß ein Wahn sei, daß sie eine höhere Kraft in andern zu schauen glauben, ob es nicht etwa nur geheime Gestalten sind von denselben sinnlichen Neigungen, welche in ihnen walten. Darum laßt uns daran denken, daß wir immer mehr tödten unsere Glieder, die | auf Erden sind, damit Christus in unserem Leben und unser Leben mit Christo offenbar werde in der Herrlichkeit. Denn, m. gel. Fr., das Alte 2–4 Vgl. Joh 3,8 7–8 Vgl. Kol 2,9 15 Vgl. Mt 28,20 21–23 Vgl. Kol 3,5–6 40–1 Vgl. 2Kor 5,17
18–19 Vgl. Röm 7,23
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wird gewiß vergehen und ein Neues entstehen; die irdischen Dinge werden ein Ende nehmen, und wir wissen nicht die Herrlichkeit, die dann an den Kindern Gottes soll offenbart werden; aber die göttliche Liebe, die uns durch Christum offenbar wird, es ist nur ein und dieselbe. Mag das Verwesliche hernach angezogen haben das Unverwesliche, mag die Herrlichkeit aufgegangen sein, die wir nicht kennen, in welchen Gestaltungen und Verhältnissen des Lebens es dann auch sei: das göttliche Leben selbst bleibt dasselbe und es giebt keine andere Herrlichkeit desselben, als die, welche hier schon mit Christo kann und soll offenbar werden. Denn worin kann sie bestehen, als in der reinen Erscheinung des Geistes, in der vollkommnen, ungetrübten Offenbarung desselben in dem Leben. Das ist die Herrlichkeit Christi, daß so, wie er ohne Sünde war, und in ihm nichts lebte und sich regte, als die Fülle der Gottheit, die in ihm wohnete, auch in dem Reiche Gottes auf Erden, dessen Haupt und Mittelpunkt er ist, sich nichts rege und lebe, als die Liebe, von welcher er erfüllt war und welche sich über die, welche seine Glieder sind, ergießt, so daß sie nichts anderes | an ihm sind, als Glieder die im Himmel sind, die Glieder aber, die auf Erden sind, ertödten. Das ist die vollkommene Herrlichkeit des Sohnes Gottes, denn dann erscheint er ganz als der Schöpfer des neuen Lebens, als derjenige, durch welchen und zu welchem alle Dinge im Reiche Gottes auf Erden gemacht sind. Erscheint er so in der Gemeinde der Gläubigen, die er gestiftet hat: dann kann es auch nicht fehlen, daß seine Herrlichkeit offenbar werde in ihrer Vollkommenheit, denn dann hat er sein Werk vollendet; dann wird auch immer mehr das Leben, welches in denen ist, die mit Christo auferstanden sind, offenbar werden vor der Welt; dann wird es allen so einleuchten, daß auch sie werden erfüllt werden von jener innersten Sehnsucht, von jenem höheren Verlangen, in welchem der alte Mensch stirbt, und sie so auferstehen zu einem neuen Leben; dann kann es nicht fehlen, daß das Werk der Erlösung sich fortpflanze, daß jeder Einzelne gelange von der Verborgenheit zur Offenkundigkeit des neuen Lebens, daß auf diese Weise die Gemüther derer, die durch das neue Leben mit Christo auferstanden sind, sich erkennen unter einander und Eines Sinnes seien in der Liebe zu ihm, aber auch sich bestimmt abschließen und erkannt werden als Glieder des Leibes Christi von den Kindern der Welt an dem Leben, welches dem | Ihrigen fremd ist, daß aber auch dadurch gewiß immer mehrere hinzugeführt werden von der Finsterniß zu dem wunderbaren Lichte, zu welchem wir berufen sind, und so immer mehreren und von mehreren die Tugenden dessen verkündigt werden, der uns berufen hat. O, an dieser Herrlichkeit Theil haben, sie fördern und sie uns aneignen, aber auch nichts in der Welt 2–3 Vgl. Röm 8,17–18 4–5 Vgl. 1Kor 15,53–54 12 Vgl. Hebr 4,15 13 Vgl. Kol 2,9 14–16 Vgl. Eph 1,22–23; 4,15–16 15–16 Vgl. Röm 5,5 18 Vgl. Joh 1,14 19–21 Vgl. Kol 1,16 33–34 Vgl. 1Kor 12,27 36–38 Vgl. 1Petr 2,9
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zu theuer achten, um unsere Glieder, die auf Erden sind, zu tödten; keine Liebe höher stellen, sondern gern alles hingeben und, in den Tod Christi begraben, auch das nicht scheuen, daß wir immer wieder müssen zurückgehen in die Verborgenheit des neuen Lebens und nichts für uns selbst sein wollen, sondern alles von Christo nehmen und nur schöpfen aus der Fülle, die er uns aufgethan hat, und damit heraustreten in die Welt, um die Tugenden Christi zu verkündigen – das ist unsere große Bestimmung. Haben wir nun in dieser Zeit besonders des Auferstandenen zu gedenken, der das irdische Leben hinter sich hatte, o so laßt uns hier der Gemeinschaft seiner Auferstehung uns freuen, ihn preisen und verkündigen, aber uns auch immer mehr mit ihm verbinden und sein Leben allein in uns walten lassen, damit auch seine Herrlichkeit an uns offenbar werde. Amen.
[Liederblatt vom 9. April 1826:] Am Sonnt. Miser. Dom. 1826. Vor dem Gebet. – In eigner Melodie. [1.] Ich habe gnug / Mein Herr ist Jesus Christ, / Mein Herr ist Er allein. / Wer nur sein Knecht und treuer Jünger ist, / Darf ohne Sorge sein. / Ich will ganz meinem Gott anhangen / Und nicht mehr nach der Welt verlangen, / So habe ich gnug. // [2.] Ich hab genug, / Ich bin der Sorgen los, / Und kränke nicht mein Herz. / Ich bin vergnügt und siz in Gottes Schooß; / Das lindert allen Schmerz. / Ich sorge nicht mehr für mein Leben, / Der Höchste kann mir alles geben; / Ich habe gnug. // [3.] Ich hab genug / Und sorge für den Geist, / Das Andre fällt mir zu. / Nur Gottes Reich, das Jesus suchen heißt, / Das giebt mir wahre Ruh. / Ich trachte nur des Vaters Willen / In Kraft des Geistes zu erfüllen: / Drum hab ich gnug. // [4.] Ich hab genug, / Ich lieg an Jesu Brust, / Dort still ich alles Leid. / Was will ich mehr? Da find ich Himmelsluft, / Da wird mein Geist befreit. / Ich hab im Vorschmack schon auf Erden, / Was mir dereinst zu Theil soll werden, / Und das ist gnug. // Nach dem Gebet. – In eigner Melodie. [1.] Es glänzet der Christen inwendiges Leben, / Wenn hier auch kein äußerer Schimmer sie schmückt; / Was ihnen der König des Himmels gegeben, / Das wird nur vom Auge des Geistes erblickt. / Was Viele verachten / Bei irdischem Trachten, / Hat ihre erleuchteten Sinnen gezieret, / Und sie zu der göttlichen Würde geführet. // [2.] Sie gleichen im Aeußern den Kindern der Erde, / Und tragen auch an sich des Irdischen Bild; / Sie fühlen wie Andre der Menschheit Beschwerde, / Oft sehn sie die Sonne der Freude verhüllt. / Sie stehen und wandeln, / Sie reden und handeln, / Wie Jeder es treibt in den zeitlichen Din2–3 Vgl. Röm 6,4
6–7 Vgl. 1Petr 2,9
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gen, / Doch kann sie die Lust an der Welt nicht bezwingen. // [3.] Denn innerlich sind sie vom göttlichen Stamme, / Geboren aus Gott durch sein mächtiges Wort; / Es lodert in ihnen die himmlische Flamme, / Entzündet von oben, genähret von dort. / Die Engel als Brüder / Erfreun sich der Lieder, / Die hier von den Lippen der Frommen erklingen / Und bis in das himmlische Heiligthum dringen. // [4.] Sie wandeln auf Erden und leben im Himmel, / Sie haben in Armuth was ihnen gefällt; / Sie schmecken den Frieden bei allem Getümmel, / Sie bleiben ohnmächtig und schüzen die Welt. / Auch mitten in Leiden / Genießen sie Freuden; / Sie scheinen ertödtet den äußeren Sinnen / Und führen das Leben des Glaubens von innen. // [5.] Wenn Christus ihr Leben sich wird offenbaren, / Wenn Er sich einst Allen in Herrlichkeit zeigt: / Dann wird auch den frommen und gläubigen Schaaren / Die Krone des ewigen Lebens gereicht. / Sie werden regieren, / Mit ihm triumphiren, / Wie leuchtende Sterne des Himmels dort prangen, / Wenn irdischer Schimmer in Nichts ist vergangen. // [6.] O Jesu, verborgenes Leben der Seele, / Du ewige Sonne der inneren Welt, / Gieb daß den verborgenen Weg ich erwähle, / Wie oft auch die Menge für thöricht ihn hält! / Hier wenig geschäzet / Und oftmals verlezet, / Hier stille mit Christo im Vater gelebet, / Das ist es, was einst uns zum Himmel erhebet. // Nach der Predigt. – Mel. Ich dank dir schon etc. [1.] Dort haben wir ein ewges Haus, / Die Stätt’ ist uns bereitet, / Dort theilt Gott seine Kronen aus, / Wohl dem der tapfer streitet. // [2.] Dort wird das große Ziel erreicht, / Vor unserm Herrn zu stehen; / Wer hier ihm als sein Jünger gleicht, / Soll wie Er ist ihn sehen. //
Am 16. April 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Jubilate, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 13,12–20 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LXIII, S. 389– 398; König Keine Nachschrift; SAr 56, Bl. 171r–177r; Schirmer Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am Sonntage Jubilate 1826.
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Tex t. Joh. 13, 12–20. Da er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und sezte sich wieder nieder, und sprach abermal zu ihnen, Wisset ihr was ich euch gethan habe? Ihr heißet mich Meister und Herr, und sagt recht daran, denn ich bin es auch. So nun ich euer Herr und Meister euch die Füße gewaschen habe, so sollt ihr auch euch unter einander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, daß ihr thut wie ich euch gethan habe. Wahrlich, wahrlich ich sage euch, der Knecht ist nicht größer denn sein Herr, noch der Apostel größer denn der ihn gesandt hat. So ihr solches wisset, selig seid ihr so ihr es thut. Nicht sage ich von euch allen. Ich weiß welche ich erwählet habe. Sondern daß die Schrift erfüllet werde, Der mein Brot isset, der tritt mich mit Füßen. Jezt sage ich es euch ehe denn es geschieht, auf daß wenn es geschehen ist, daß ihr glaubet daß ich es bin. Wahrlich, wahrlich ich sage euch, Wer aufnimmt | so ich jemand sende werde, der nimmt mich auf, wer aber mich aufnimmt, der nimmt den auf der mich gesandt hat. M. a. F. Hier giebt der Erlöser seinen Jüngern die volle Erklärung über die bedeutungsvolle Handlung von welcher wir uns auch schon unterhalten haben. Was wir aber dabei besonders zu bemerken haben, das scheint mir folgendes. Indem der Herr sich nun anschikkt ihnen deutlich zu machen was er eigentlich gethan habe, so führt er seinen ganzen Ausdrukk darauf zurükk, daß er ihr Herr und Meister sei, und sie also seine Schüler und 20–21 Vgl. die Frühpredigt am 2. April 1826 über Joh 13,1–11
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Diener. Von diesem Verhältniß der geistigen Ungleichheit führt er sie auf ihr Verhältniß unter einander als das der Gleichheit, und sagt, daß wie er ihnen dies gethan habe als ihr Herr und Meister, so sollten sie es noch vielmehr unter einander thun. Daß es nun aber nur eine Handlung der Dienstleistung war, verstand sich von selbst und konnte ihnen nicht entgehen. Dabei m. g. F. kann uns aber sehr leicht einfallen was der Erlöser in einer andern bedeutungsvollen und auch in mancher Hinsicht gleichnißweisen Rede sagt, wo er von dem jüngsten Gericht spricht, wie er da zu den einen sagen werde, Ihr habt mich gespeiset und getränket und beherberget und bekleidet und besucht, und sie ihm entgegnen werden, Herr wann haben wir dir dies gethan? So konnte hier leicht dies den Jüngern einfallen, daß er doch nicht wenn er zu ihnen sage, Ein Beispiel habe ich euch gegeben, daß ihr thut wie ich euch gethan habe, die sinnbildliche Handlung meine, sondern nur was er damit angedeutet habe; und so konnten sie leicht fragen, Herr wo hast du das gethan? Nämlich das war das Gepräge des ganzen Verhältnisses zwischen Christo und seinen Jüngern, wie er es hier | ausdrükkt, daß er ihr Herr und Meister war, und sie seine Diener und Jünger. Der Herr nun gebraucht den Diener zu seinen Zwekken, und der Meister sucht den Jünger geschikkt zu machen zu etwas was er in Zukunft ausführen soll, und ist da kein Verhältniß als das der Vorbereitung zu einem gewissen Dienst und Werk. So hatten die Jünger alles und mit Recht, was der Herr an ihnen gethan hatte in seinem Leben, welches er bereit war zu beschließen, angesehen als eine Vorbereitung zu dem Dienst den er ihnen auftragen würde. Als Meister wollte er sie geschikkt machen, damit sie ausführen könnten was sie als seine Diener, wie er ihr Herr war, in Zukunft thun sollten. Auf seinen Dienst, auf seinen Endzwekk, auf das Heil welches er gründen wollte, hatten sie alles bezogen was er gethan hatte, mehr als auf sich selbst und ihre eigne Person. Darüber nun m. g. F. giebt er ihnen hier einen in mancher Hinsicht neuen Aufschluß, nämlich daß was er an ihnen gethan habe, um sie auszurüsten zu dem Werke welches sie in Zukunft thun sollten, das habe er gethan als einen Dienst den sie sich selbst leisten sollten, und in Beziehung auf seine eigene Person wie sie dieser Handlung zum Grunde lag. Dieser Zusammenhang m. g. F. eröffnet uns den rechten Blikk in das Wesen der christlichen Liebe, wovon diese Handlung welche der Herr verrichtet hat das Sinnbild sein sollte. Wie er in seinem lezten Gebet nicht nur für seine Jünger bittet zu seinem Vater, sondern auch für alle übrige die durch ihr Wort an seinen Namen glauben würden: so will er auch alles was sie betrifft und von ihnen gilt, auf uns angewendet wissen; und so auch was er hier sagt, Ihr nennt mich Meister und Herr, und sagt recht daran, 7–12 Vgl. Mt 25,31–46
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denn ich bin es auch, gilt von uns so gut wie von ihnen, und muß von allen Christen gelten bis an das Ende der Tage. Alles was er durch sein Wort und seinen Geist an uns thut, thut er um uns geschikkt zu machen zu seinem Dienst in seinem Reiche; das ist es was dabei heraus|kommen soll und gewonnen werden. Aber wir alle werden dabei seiner erlösenden Liebe zu uns als einzelne gewahr, und das ist ein Verhältniß aus welchem kein Christ sich heraussezen kann, wenn er nicht ich will nicht sagen Schaden nehmen will an seiner Seele für die ganze Ewigkeit, aber doch die Seligkeit entbehren will, von welcher der Erlöser hier redet wenn er sagt, Selig seid ihr so ihr es thut. Denn das wird jeder einsehen, daß das Bewußtsein des Verhältnisses des Erlösers zu jedem einzelnen Christen das der Seligkeit ist in diesem Leben. So war das hier schon eins und dasselbe. Indem er als Herr und Meister über seine Jünger gebot und über sie schalten konnte und mußte, und das zu seinem Dienst: so war er doch wieder in seinem ganzen Wesen ihr Diener, war zu ihrem persönlichen Wohl da, um an ihren Seelen die kleinen Dienste der Reinigung zu leisten; und beides war eins und dasselbe. So nun, sagt er, soll es bei uns auch sein. Wenn ein Widerstreit wäre zwischen dem was wir dem Erlöser und seinem Reiche schuldig sind, und dem wozu wir uns verpflichtet fühlen sollen gegen alle unsere Brüder, soviel ihrer Gott der Herr in eine gewisse Nähe mit uns bringt: so wären wir übel daran. Wenn das was wir in jedem Augenblikk dieses beschränkten Lebens in Beziehung auf einzelne Gemüther thun können, nichts wäre und keinen Werth hätte in Beziehung auf unser Verhältniß mit dem Reiche Gottes und des Erlösers auf Erden: so würden wir wenig aufweisen können, was wir für dieses gethan hätten. Beides soll da sein und eins und dasselbe, unser Eifer für das Reich Gottes auf Erden, und die Treue, der Fleiß, die Selbstverläugnung, wodurch wir suchen jeder in seinem Kreise das geistige Wohl des einzelnen zu reinigen und abzuwaschen von allem was in ihm mit dem Sinne des Herrn nicht übereinstimmt, und dem Heil seiner Seele nach Kräften zu dienen. Darum führt der Herr, nachdem er seinen Jüngern eingeschärft wie sie unter einander sollen beständig zugerichtet sein zu jedem Dienst den jeder dem andern leisten soll, | da führt er sie auf ihr Verhältniß zu ihm zurükk, und bezieht das Gebot welches er ihnen giebt auf sein Verhältniß zu ihnen als ihr Herr und Meister. Weil er das sei, sollten sie auch jenes thun, und es ansehen als einen Dienst den sie ihm leisteten, und als das rechte Zeichen seiner Jüngerschaft, wie er in der Folge sagt, Daran werde man erkennen und solle man erkennen daß sie seine Jünger seien, wenn sie dieselbe Liebe gegen einander hätten die er hier beschreibt. Und hierin m. g. F. werden wir noch bestätigt, wenn wir auf das merken was im Zusammenhange unsers Textes das trübe und störende zu sein scheint. 7–8 Vgl. Mt 16,26; Mk 8,36
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Wenn nämlich der Herr nachdem er gesagt hat, So ihr das wisset, selig seid ihr so ihr es thut, so fortfährt, Nicht sage ich von euch allen; ich weiß welche ich erwählet habe; sondern daß die Schrift erfüllet werde, Der mein Brot isset, der tritt mich mit Füßen; wenn er hier der herzlichen Liebe gedenkt, zu welcher er seine Jünger verpflichtet, indem er ihnen die Seligkeit vor Augen hält, die daraus entsteht wenn sie nach der Erkenntniß handeln die er ihnen mittheilt: so kann er sich nicht enthalten des verirrten und verlornen Schafes zu gedenken. Das m. g. F. kann uns auf mancherlei Weise auffallen, und wir sollten meinen, wenn wir die Sache menschlicher Weise ansehen, wie der Herr hier ganz durchdrungen war von Liebe zu den seinigen, und sie fest verbinden wollte in der Liebe unter einander und zu ihm: o so hätte er diesen Gedanken ganz aus seiner Seele verbannen müssen. Aber wol mögen wir gedenken was der Apostel sagt, Alle Schrift von Gott eingegeben ist nüze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit; und deswegen ist dies auch geschrieben, und darum war es in der Seele des Erlösers. Es hat von jeher gegeben | und giebt noch viele Christen welche davon ausgehend, wie entfernt eigentlich der bei weitem größere Theil der Menschen sei von der rechten Vollkommenheit des Sinnes und Lebens, nun auch in der Lehre des Erlösers das am meisten hervorheben und festhalten und als den Zwekk seines Lebens und Daseins darstellen, was dieser gewöhnlichen und herrschenden menschlichen Unvollkommenheit am nächsten liegt. Darüber sollen und wollen wir nicht richten; denn es ist bei vielen wohl gemeint, indem sie glauben dadurch auf der einen Seite vor mancherlei Irrthümern und falschen Vorstellungen zu bewahren, auf der andern die Menschen zu dem zu führen was für den Augenblikk das nächste und nothwendigste ist. Für diese ist das Wort welches der Herr hier gesagt hat, So ihr das wisset, selig seid ihr so ihr es thut, ein Wort woran sie leicht Anstoß nehmen und fallen, nämlich so daß sie auf Abwege geführt werden. Denn sie können sagen, Sehet worin der Herr die ganze Seligkeit sezt; das ist es was er von seinen Jüngern fordert, daß sie zu allen Diensten die er ihnen in der Zeit ihres Umganges mit ihm geleistet, sollen bereit sein. Diese jedem Menschen von Natur schon nahe liegende Dienstfertigkeit im geistigen und leiblichen, diese Selbstverläugnung, die nicht müde wird in der Erweisung von größern und kleinern Gefälligkeiten, das ist der eigentlich christliche Sinn, das ist es woran der Herr ja ausschließlich die Seligkeit knüpft wenn er sagt, Selig seid ihr so ihr es thut. Damit sie nun das nicht übersehen sollten was wir jezt auseinander gesezt haben, wie das seinen rechten Werth und sein christliches Gepräge nur dadurch erhält, daß wir zugleich was wir im leiblichen und geistigen an unsern Brüdern thun auf den ganzen geistigen Dienst Christi, auf sein ganzes geistiges Reich auf 7–8 Vgl. Mt 18,12–14
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Erden und auf unser Verhältnis zu ihm selbst beziehen; damit sie das nicht übersehen möchten, hat er die Worte hinzugefügt, Nicht sage ich von euch allen; ich weiß welche ich erwählet habe; sondern daß die Schrift erfüllt werde, Der mein Brot | isset, der tritt mich mit Füßen. Von dem konnte es nicht gelten, der sein Verhältniß zu ihm dem Erlöser auf eine solche Weise aufgegeben hatte; der konnte nicht darauf rechnen, die Vorschrift des Erlösers zu erfüllen und die Seligkeit welche er daran geknüpft hat zu erlangen. Und wahrlich wenn wir die Sache aus diesem Gesichtspunkt betrachten, so müssen wir gestehen, es kann nicht anders sein. Wenn wir beides trennen, und mit unserm Gefühl und Bestreben den Erlöser und den großen Zwekk seines Reiches auf Erden in den Hintergrund stellen, und das als den einzigen Inbegriff der menschlichen Tugenden und als die rechte Quelle der Vollkommenheit und Seligkeit denken wollen, so gesinnt zu sein wie der Erlöser in unsern Verhältnissen zu einander: was das doch für ein kleinliches Ding und für ein schaales Wesen ist, und wie es doch in nichts zerfällt! Denn was auf der einen Seite gewonnen wird, geht auf der andern verloren. Je mehr ich mich selbst zurükkseze und andern diene zu ihrem Wohlergehen, desto mehr vernachlässige ich das meinige. Und das gilt nicht nur von unsern leiblichen Angelegenheiten, sondern es läßt sich eben so gut auf das geistige anwenden, und wir müssen gestehen, daß die ganze richtige Kraft des innern Bewußtseins, die ganze Seligkeit bei dem Zurükkgehen des Menschen in sich selbst verloren gehen muß, wenn er als einzelner immer einem oder mehreren andern einzelnen gegenübersteht, wenn er sich ansieht und erscheint als ein Diener der menschlichen Schwachheit und Unvollkommenheit, die in ihm auch ist. Aber wenn wir uns dabei denken als Diener der göttlichen Vollkommenheit Christi; wenn wir wissen, was wir dem andern thun, das thun wir ihm; wenn diese ganze Vergleichung die wir anstellen uns so erscheint daß wir sagen müssen, indem wir dies den andern thun, so thun wir es dem Herrn und Meister, so leben wir für sein Reich, so fördern wir seinen Zwekk auf Erden: dann bekommt auch das kleine und unbedeutende einen großen Werth, und was scheinen könnte an sich betrachtet etwas kleines und nichtiges zu sein, das kann | nun selbst die Quelle der Seligkeit werden, welche der Herr hier bemerklich macht. Das gehört dazu und ist die Wurzel derselben, daß wir uns in diesem Verhältniß als seine Diener und Jünger betrachten und ihn als den Herrn und Meister, und es nie vergessen, was wir thun, das thun wir ihm. Denn eben dies, daß wir mit ihm in Gemeinschaft stehen und durch ihn Gemeinschaft haben mit Gott, das ist es wodurch wir uns erhoben haben aus dem Verfall der menschlichen Natur, das ist es worauf die Wiederherstellung der menschlichen Seele und die Erfüllung der ihr gegebenen göttlichen Verheißungen beruht. Sobald wir das wegnehmen, so ist alles was wir durch die Dienstleistung die wir an andern thun hervorbringen nur etwas geringes und nichts in Vergleich mit dem was wir erreichen können. Darum wollen
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wir wirklich an unserer Seele erfahren was der Herr hier sagt, Selig seid ihr so ihr es thut: so müssen wir es auch so wissen und thun wie er es hier darstellt, indem wir das beides aufs unzertrennlichste in der Seele vereinigen, unser Verhältniß zu ihm und unser Verhältniß zu andern, die dienende Liebe die wir ihm schuldig sind, und die brüderliche Liebe welche wir denen die an ihn glauben zuwenden, unsere Wirksamkeit für sein Reich, der Eifer und die Treue womit wir uns seiner großen Angelegenheit hingeben, und die Milde und Freundlichkeit womit wir allen die uns entgegenkommen das Ohr leihen und ihr Wohl auf alle Weise und nach bestem Vermögen befördern. Und eben dies bestätigt der Erlöser noch durch die lezten Worte die wir gelesen haben, Wahrlich, wahrlich ich sage euch, wer aufnimmt so ich jemand senden werde, der nimmt mich auf, wer aber mich aufnimmt, der nimmt den auf der mich gesandt hat. Wo wir kommen einer zu dem andern in dem Bestreben der rechten christlichen Liebe und der geistigen Dienstleistung, da sollen wir das Gefühl haben, daß wir kommen als solche die von ihm gesandt sind. So muß denn unser größtes Bestreben sein, daß die Menschen zu denen wir | kommen uns auch aufnehmen, weil sie dann zugleich den aufnehmen der uns gesandt hat; wir müssen von demselben Glauben und demselben Bewußtsein ausgehend unsere ganze Thätigkeit darauf richten, unsere ganze Ruhe und Freudigkeit darin suchen, daß wir es dahin bringen daß sie uns aufnehmen. Je mehr sie in unserer ganzen Liebe den heiligen, den milden, den sich selbst verläugnenden und andere dagegen fördernden Sinn des Erlösers finden werden, desto leichter werden sie uns aufnehmen. Je mehr wir aber vergessen daß wir nichts anderes sind als seine Diener, je mehr wir selbst auf irgend eine Weise zu herrschen scheinen über die Gemüther und eine eigne Gewalt über sie auszuüben suchen, demjenigen entgegengesezt welcher sagt, daß er nicht gekommen sei sich dienen zu lassen, sondern zu dienen, das verlorne zu suchen, dem Verderben zu entreißen und mit liebevoller Hand zu pflegen: desto weniger werden sie weder uns aufnehmen noch den der uns gesandt hat. Je mehr wir uns von diesem Vorbilde entfernen, desto weniger können wir es ihnen verdenken, wenn sie von uns sich wegwenden, und denjenigen nicht aufnehmen den sie gern aufnehmen würden, aber ihn nicht finden in unserer Sendung. So müssen wir darauf ausgehen, überall wo wir den Menschen dienen wollen dem Erlöser als unserm Herrn und Meister zu dienen, ihn überall den Menschen gleichsam mitzubringen, ihn den Menschen in seiner göttlichen Liebe zu offenbaren und an das Herz zu legen. Dadurch bekommt alles erst seinen rechten Sinn und seinen wahren Werth, und dann können wir höher hinaufsteigen zu dem was der Erlöser sagt, Wer mich aufnimmt und den welchen ich senden werde, der nimmt auch den auf der 28–29 Vgl. Mt 20,28; Mk 10,45
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mich gesandt hat. Wenn wir so beides zusammen haben und nicht trennen in unserer Liebe gegen den nächsten, was sie auch bewirken mag, in unserer dankbaren Liebe gegen den Erlöser, der sich für uns alle dahingegeben hat, | und uns allen zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und Erlösung gemacht ist; wenn wir diese Liebe den Menschen offenbaren und so den Erlöser mitbringen in die menschlichen Seelen: dann sind wir den Menschen die Anleitung zur Gemeinschaft mit dem der auch Christum unsern Herrn gesandt hat. Das ist das göttliche Leben welches wir bringen sollen, und unser großer Beruf die Verbreitung desselben unter den Menschen. Das ist das Ziel welches der Erlöser uns gestekkt hat; und so wir das ins Auge fassen, wer könnte sagen, sein Loos auf Erden sei ein geringes. Keiner vergesse daß er dazu da ist, daß die andern ihn aufnehmen; aber daß er nur ein solcher sei, daß die Menschen mit ihm auch den Erlöser und seinen Vater im Himmel aufnehmen. O welch ein großes und herrliches Ziel. Und wie könnte es anders sein. Wenn wir das festhalten und immer ausführen, so muß es geschehen was der Herr sagt, Selig seid ihr so ihr es thut. Und so laßt uns darauf das folgende Wort beziehen, Jezt sage ich es euch ehe denn es geschieht, auf daß wenn es geschehen ist, daß ihr glaubet daß ich es bin. Vorhalten sollen wir uns diesen Beruf überall, ehe wir etwas in der Welt beginnen; das Bewußtsein desselben soll unserer Thätigkeit vorangehen. Aber wenn es geschieht, wenn der Herr Gnade und Kraft giebt mit solcher Liebe sein Werk zu treiben: so wird es nicht fehlen, wir werden erkennen daß er es ist, und das Zeugniß ablegen, wir selbst hätten es nicht gekonnt, unsere Kraft hätte dazu nicht hingereicht; aber er ist es der uns zu dieser Seligkeit führt, er ist es aus dessen Quelle wir schöpfen und aus dem wir immer nehmen können, bis der Zustand seiner Gemeine auf Erden dem gleich ist was erst noch soll offenbar werden von der Herrlichkeit der Kinder Gottes. Amen.
2 Vgl. Mt 22,39; Mk 12,31; Lk 20,27
27–28 Vgl. Röm 8,21
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Am 19. April 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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Bußtag, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Hebr 10,35–36 Nachschrift; SAr 111, Bl. 25r–27v; Sobbe Keine Nachschrift; SAr 65, Bl. 67r–69v; Woltersdorff Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am Bettage Tex t. Hebräer X, 35 und 36. Werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber ist auch Noth, auf daß ihr den Willen Gottes thut und der Verheißung empfanget. M. a. F. Vielleicht ist so mancher unter Euch, den weder das was wir gesungen haben, die freudige Ermunterung zur Treue in unsere Arbeit an dem Werke des Herrn, noch auch diese verlesenen Worte der Schrift sich recht zu schiken scheinen für die Absicht dieses Tages, nach welcher vielmehr Alles darauf gerichtet sein sollte, daß der Sünder an seine Brust schlage, wenn ihn zugleich der Ernst des göttlichen Gesezes und das Bewußtsein seines Ungehorsams durchdringt. Allein m. g. F., wenn wir zusammengerufen werden einen Tag der Buße zu begehen, so werden wir zusammengerufen als Christen, als solche an denen die Gnade Gottes nicht vergeblich gewesen ist. Von der ersten den ganzen Menschen niederschlagenden Buße, damit der alte Mensch sterbe und der neue von oben geboren werden, von der also soll unter uns nicht die Rede sein. Wohl aber giebt es eine beständige Buße des Christen; denn immer ist er sich neben der göttlichen Gnade der Gebrechlichkeit seines eigenen Wesens bewußt. Diese Buße nun sollen wir an einem Tage wie der heutige aus der Stille des Herzens in das gemeinsame Leben hinaustragen. Aber diese Buße ist nicht um ihrer selbst willen, sondern damit sie ein Übergang sei von dem Unvollkommenen zu dem Vollkommenen; und wie gleich mit jenem ersten Ruf zur Buße die Aufforderung verbunden wurde rechtschaffene Früchte der Buße zu tragen, so soll auch diese beständige Buße des Christen rechtschaffene Früchte bringen. 6–7 Vgl. Lied nach dem Gebet, Liederblatt im Anhang nach der Predigt Lk 18,13 13–15 Vgl. 1Kor 15,10 23–24 Vgl. Lk 3,8
10 Vgl.
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Dazu nun muß das Gemüth vorbereitet werden, und darauf zwekt die Ermahnung in den verlesenen Worten. Sie sezt zuerst diese Buße voraus. Denn wie sollte der Christ in Gefahr kommen sein Vertrauen wegzuwerfen; wenn nicht dasjenige in ihm wäre, um des willen ihm die Buße Noth thut? Und wenn die Sünde nicht wäre, wo sollte uns die Aufforderung herkommen, daß uns Geduld Noth thut? Was ist es denn, was Anspruch macht auf unsre Geduld, als eben die Gebrechlichkeit des Menschen, die Sünde in ihrer ganzen Gestalt? So laßt uns denn auf den Inhalt dieser Ermahnung achten, damit die Gefühle der Buße, von denen wir durchdrungen sein sollen, ihre gottgefällige Richtung bekommen. PDemnachS sie uns auch lehren, was uns vorzüglich obliegt, wenn wir von dem Bewußtsein der Unvollkommenheit unserm eigenen und gemeinsamen Leben erfüllt sind. Hierbei kommt es immer auf zweierlei an nämlich daß wir richtig handeln, denn das ist unsre Gerechtigkeit, und darauf gehen die Worte „Geduld ist auch Noth, auf daß ihr den Willen Gottes thut“; aber dann auch darauf, daß die Gott wohlgefällige Stimmung in unsrer Seele sei, denn das ist unser Friede; und darauf zweken die Worte „werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine große | Belohnung hat.” I. Das Erste also m. g. F. ist dies, daß wir aufgefordert werden zu der Geduld, die uns Noth thut, auf daß wir den Willen Gottes erfüllen. Die Hauptsache dabei ist also die, daß wir unser Auge hinrichten auf den Willen Gottes, den wir thun sollen. Es giebt nemlich für uns einen zweifachen Willen Gottes. Der eine ist uns ein verborgener. Das ist der Wille Gottes, nach welchem er die menschlichen Angelegenheiten in Beziehung auf sein Reich auf Erden leitet, nach welchem er wie alle Elemente der leiblichen Natur so auch alle der geistigen Welt zu seinen Dienern macht. Dieser Wille ist uns verborgen, so lange er noch in der Zukunft liegt; und vergeblich suchen wir ihn zu enträthseln; nicht eher macht er sich uns deutlich als bis uns die Zukunft ist zur Gegenwart geworden. Der erstere aber ist unser Auge zugewendet von Natur, und also bleibt er uns der verborgene Wille Gottes. Der andre aber ist der, der uns offenbar geworden ist in seinem Sohn. Das ist der Wille Gottes, den wir zu thun haben, indem wir das große Werk des Erlösers immer vollständiger in der Zeit zu gestalten berufen sind. Fragen wir uns m. g. F., woher so vieles von der verderblichen Ungeduld der Menschen? als daher weil sie leider zu viel von diesem offenbaren Willen Gottes hinweg auf jenen verborgenen sehen. Darum nun lenkt uns die Schrift nach dieser Seite hin, das was werden soll Gott anheim zu stellen; aber immer das Auge gerichtet zu haben auf den Willen Gottes, den wir thun sollen. Das erhält uns die Einfalt des geistigen Auges, bei welcher wir allein den rechten Weg 38–39 Vgl. Eph 6,6
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sehen und verfolgen können. Aber wohlan, ist das nun in uns allen ein Entschluß, in welchem [wir] alle Erfahrungen einer vergangenen Zeit immer gar sehr bestätigen müssen: so höret nun die Worte der Schrift, „Geduld ist auch Noth, auf daß ihr den Willen Gottes thut.“ Wenn aber viele von den Bezeichnungen menschlicher Vortrefflichkeit, deren sich die heilige Schrift bedient, so vieldeutig sind, daß wir uns fast in jedem einzelnen Falle darüber verständigen müssen: so gilt das auch von dieser. Vieles wird mit diesem Namen genannt, was gewiß in den Sinn der heiligen Männer, die solches geredet haben, nicht gekommen ist. Der Zusammenhang aber in den Worten unsers Textes wird uns eine hinreichende Anleitung geben, um den Sinn dieses Wortes, wie es hier gemeint ist, recht zu verstehen. Denn es kann hier von einer solchen Geduld nicht die Rede sein, die mit der Vollbringung des göttlichen Willens nicht zusammenhängt. Also m. g. F. nicht zu der Geduld ermahnt uns der Apostel, die darin besteht, daß der Mensch sich alles gefallen läßt, auch dasjenige, was ihn an dem Gebrauch der ihm zur Vollbringung des göttlichen Willens verliehenen Kräfte hindern kann. Das ist eine knechtische Geduld, welche nur für diejenigen P S, die den heiligen Beruf noch nicht erkannt haben, den ihnen Gott in der Welt gegeben hat; das ist eine Geduld, welche sich nur für diejenigen ziemt, die ihre Zufriedenheit darauf bauen wollen, daß wenn ihnen wenig gegeben sei, auch wenig von ihnen könne gefordert werden. Auch von der Geduld ist nicht die Rede, welche nur darin besteht, daß was der Mensch nicht ändern kann, er lieber schweigend ertrage als mit seiner Klage herausbreche. Laßt uns dabei an jenes Wort eines Weisen aus den Zeiten des alten Bundes denken: „schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit.“ Freilich wenn wir in Be|ziehung auf das Widrige und Ungerechte nichts anders vorbringen können als eitle Klagen, die weder etwas in der Sache selbst ändern noch eine heilsame Wirkung auf menschliche Seele hervorbringen können: dann hat das Schweigen seine Zeit. Aber immer ist nicht gut schweigen zu dem Unrecht; sondern wenn das Reden auch nichts abändern kann, wenn es aber doch im Stande ist, neben dem Unrecht das laut schreit auch das Recht laut schreien zu lassen: o dann ist Reden Zeit, und der Geduld, welche die Worte unsers Textes fordern, wird dadurch kein Abbruch gethan. Wohl was ist es für eine Geduld, von welcher die Worte unsres Textes sagen; sie thun uns Noth, auf daß wir den Willen Gottes erfüllen? O m. g. F. fragen wir uns nur selbst, wie es uns so oft ergeht in diesem Leben, wenn wir mit dem besten Willen in irgend einem Theile unsers Berufes beginnen den Willen Gottes zu vollbringen. Wenig kann der Mensch für sich allein thun, sondern dazu sind wir ein Volk von Brüdern, daß alles Gute und Löbliche ein gemeinsames Werk sei. Wenn wir es dann beginnen, wir bedürfen aber dabei der Unterstützung unsrer Brüder, und die, welche uns helfen können, 20–21 Anspielung auf Lk 12,48
25 Vgl. PredSal 3,7
41–1 Vgl. Röm 12,11
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sind träge und lässig, und unsre Ermunterungen das Werk Gottes mit uns zu treiben sind vergeblich; wenn wir dann nicht im Stande sind Andern zu zeigen, wie wichtig das sei was wir als den Willen Gottes begonnen haben: o dann lassen wir nur zu leicht die Hände sinken, dann überwältigt uns das Gefühl, wie wenig der einzelne Mensch sei, wenn ihm nicht das Gemeinsame zu Hülfe kommt, und dieses Gefühl übermannt uns, daß wir aufhören den Willen Gottes zu thun. Das ist die Ungeduld. Aber die Treue die nicht nachläßt, der Eifer den kein Hinderniß abschrekt, das feste Gemüth das die Fassung nie verliert, das ist die Geduld. O die thut uns Noth, damit wir den Willen Gottes erfüllen. Denn mehr oder weniger wird unsre Lage fast immer der gleich sein, die ich eben geschildert habe. Selten sind die glücklichen Augenblike des Lebens, wo sich leicht eine große Menge menschlicher Kräfte vereinigt zu einem gemeinsamen Zweck; selten ist eine solche Uebereinstimmung der Ansicht an, daß was den Einen als nothwendig erscheint auch gleich auf dieselbe Weise von den Andern erkannt werde. So lange das nicht ist: o laßt uns keine Ermahnung theurer halten als die „Geduld ist auch Noth.“, laßt uns das Ziel fest im Auge behalten; denn nur wer beharrt bis ans Ende, der empfängt die Seligkeit, daß er nicht gewichen ist davon den Willen Gottes zu thun. Und so laßt uns bei allen Erfahrungen von der Unzulänglichkeit dieses Lebens uns waffnen mit dieser tapfern Geduld des Christen, welche alles Andre bei Seite sezt, damit nur der Mensch Gottes nicht müde werde und ermüdet die Kraft verliere den Willen Gottes zu thun. II. Zweitens m. g. F. in Beziehung auf die Stimmung unsrer Seele bei den Unvollkommenheiten dieses | Lebens und auf die Art wie wir dieselben empfinden sollen, sagt unser Text „werfet euer Vertrauen nicht weg, denn es hat eine große Belohnung“. Hier m. g. F. befinden wir uns wieder in demselben Fall. Vertrauen, welch ein herrliches Wort! aber wie mannigfaltig verstanden und wie falsch oft angewendet! O wie viel falsches Vertrauen nicht etwa nur auf sich selbst sondern auch auf Gott, der sich so nennt, finden wir nicht unter den Menschen! Das zuerst ist das falsche Vertrauen, wenn wir in die Zukunft hineinsehen mit der Zuversicht, uns könne von den Übeln keines treffen, die in der Ferne zu drohen scheinen. Daß der Apostel dieses Vertrauen nicht meint, ist ganz klar; denn in den vorhergehenden Worten sagt er zu den Christen, wie viel sie schon erduldet hätten um des Evangelii willen, wie viele Übel und Widerwärtigkeiten sie schon getroffen hätten. Wäre es Weisheit, auch nur menschliche, geschweige denn Weisheit von oben, unmittelbar nachdem er diese Erfahrungen hervorgerufen in den Christen, ein solches Vertrauen zu fordern, daß ihnen ähnliches 18 Vgl. Mt 24,13
35–38 Vgl. Hebr 10,32–34
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nicht mehr begegnen werde? Woher die Bürgschaft, daß Gott den Weg der Leiden nicht länger mit ihnen gehen wolle? Nein zu dieser Verkehrtheit hat die Schrift uns nirgends eine Veranlassung gegeben. Wenn der Erlöser davon redet, wie er die Seinigen ausrüste zu seinem Dienst, so zeigt er ihnen immer die Aussicht auf Trübsale und Widerwärtigkeiten, und der alte Spruch, daß wir nur durch Trübsal in das Reich Gottes eingehen können, sollte uns dieses falschen Vertrauens auf immer entledigen. Aber auch das ist das falsche Vertrauen, wenn wir etwas was wir für den Willen Gottes erkannt haben unternehmen, und wir wollten PdannS die Zuversicht haben, es müsse auch einen glücklichen Ausgang dafür geben. Wer könnte in die Geschichte der christlichen Kirche sehen, ohne die Überzeugung zu gewinnen, daß der Ewige eben so sehr durch Mißlingen dessen was seine Diener unternehmen, als dadurch daß er ihre Bemühungen krönt mit einem geistigen Erfolg, sein Werk auf Erden fördert. Unrecht thun wir, wenn wir etwas Einzelnes in dieser Beziehung bestimmt erwarten, oder von einem einzelnen Augenblik zu wissen glauben, was demselben Noth thut. O wie oft machen wir die Erfahrung, wie viel weiser das gewesen ist was der Herr herbeigeführt hat, als was wir wünschten! wie werden wir oft beschämt durch die Folgen, die ein solches Gelingen hat, welches uns zur Dankbarkeit aufregte, wenn das was damals Licht zu sein schien, bald von noch größerm Dunkel als vorher befangen wird! Zeit oder Stunde und jeden Ausgang hat der Herr sich allein vorbehalten, und daß wir uns doch nicht in einen leeren Streit mit ihm einlassen, indem wir etwas Bestimmtes von ihm erwarten. Wohlan denn, wenn zuerst der Mensch nicht daran denken was ihm in Zukunft bevorsteht, voll von dem Gefühl daß der Mensch vergeht wie Schatten, und daß nur der Wille Gottes bleibt in Ewigkeit, und daß in dieser Nichtigkeit des irdischen Lebens das allein das Ewige ist wenn der Wille Gottes seinen Siz aufgeschlagen hat in unserm Busen; wohl wenn uns die Wege des Herrn im Einzelnen dunkel sind, und wir in dieser | Beziehung kein anderes Ziel haben als das einer gänzlichen Ergebung in die göttliche Weisheit: was ist denn nun verbunden mit dieser Selbstverleugnung und mit dieser Ergebung das Vertrauen, welches wir nicht wegwerfen sollen. Nur auf die Verheißung Gottes kann sich das Vertrauen des Menschen gründen, andre, wie sehr es auch nur aus unserm Eifer für das Reich Gottes hervorgehen mag, es ist immer nur ein Vertrauen auf uns selbst, weil was Gott nicht gesagt hat, davon wir nie wissen können, ob es heilsam sei oder nicht. Das ist aber die göttliche Verheißung, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen müssen. O welch ein herrliches Wort für den 9 PdannS] oder PdennS 6 Vgl. Apg 14,22 21–22 Vgl. Apg 1,7 2,17 37–38 Vgl. Röm 8,28
25–26 Vgl. Ps 144,4
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einzelnen Menschen! wohl geeignet, wenn er es fest hält, ihn von dem was ihm begegnet auf das zurückzuführen was er zu thun hat! Aber doch würden wir den Sinn dieses Wortes nicht erschöpfen, wenn wir es nur auf den Einzelnen beziehen wollten: So wie m. g. F. nur nach der Erscheinung des Erlösers der Geist, den er den Seinigen verheißen, über sie kommen könnte: so gewiß ist es auch nicht das Herz des einzelnen Menschen, sondern die Gemeine, die sich der Herr erbaut hat, in welcher die Liebe zu Gott wohnt. Der also, und jedem unter uns nur in dem Maaße als wir ihr angehören, soll Alles zum Besten dienen. O kräftiger Trost über alles, was hienieden den Menschen trüben kann. Sind wir in der Gemeinschaft des Erlösers mit allen den Seinigen zu Einem Leibe getauft: so ist es ein großes gemeinsames Leben, von welchem wir mit Vertrauen wissen können das kennt den Tod nicht, das muß gedeihen, das ist schon der Himmel auf Erden, weil der Geist Christi darüber waltet. Ja was noch mehr ist. Wenn wir deswegen; weil unsre Geduld nicht immer vollkommen gewesen ist, auch nicht immer vollkommen den Willen Gottes erfüllt haben; wenn der Leib Christi auf Erden in jedem Augenblik die Gebrechlichkeit des Irdischen an sich trägt: auch das gehört dazu, was zu seinem Besten dienen muß. Wenn wir nun dieses Vertrauen festhalten; so können wir uns nur wundern über die Worte, welche unser Text noch hinzufügt: „welches eine große Belohnung hat“. Denn was für eine Belohnung bedürfen wir noch, wenn wir dieses Vertrauen nicht wegwerfen? Kann es irgend eine Belohnung geben für den Menschen anders als einen innern Zustand seines Gemüths? Auch der welcher noch an den irdischen Dingen hängt, weshalb liebt er sie? doch nur um eines innern Zustandes willen, den sie hervorbringen. Aber eben so ist es mit dem Geistigsten, sobald wir es denken als etwas Äußerliches. Ja denken wir uns das Herrlichste was die Schrift sagt, daß wir den Erlöser sehen werden wie er ist; denken wir das größte aller Worte, daß die reines Herzens sind Gott schauen sollen; und wir wollten beides als etwas Äußerliches denken: es könnte doch nur einen Werth für uns haben vermöge eines innern Zustandes, der dadurch hervorgebracht wird. Was können wir aber für einen bessern Zustand der Seele sehen als den, daß in der That jene Geduld und dieses Vertrauen fest stehe in unsrer Seele? Ja m. g. F. ein größeres und schöneres Ziel giebt es nicht. That und Belohnung zugleich ist dies beides. Und was uns noch bevorstehen mag in der Zukunft; was wir mögen zu beseufzen haben in dem was schon hinter uns liegt, laßt es uns dazu benuzen, daß wir zunehmen in der Geduld und festhalten an dem Vertrauen. Wohl in diesem | Sinne gehet hin und erfüllet das Geschäft des heutigen Tages. Prüfet Euer Leben, das einzelne und das gemeinsame in der Absicht alles Verkehrte, alles Halbe und Verwerfliche darin fest ins Auge 4–5 Vgl. Apg 2,33 9 Vgl. Röm 8,28 10–11 Vgl. 1Kor 12,13 1Joh 3,2 28–29 Vgl. Mt 5,8 39 Vgl. 2Kor 13,5; 1Thess 5,21
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zu fassen, damit die Zukunft immer mehr gereinigt werde von allem, was leider noch in der Vergangenheit gewesen ist. Euch selbst überlasse ich dieses Geschäft, und bin darüber nicht ins Einzelne eingegangen. Nicht als ob es dieser Stätte nicht ziemte; vielmehr ist es immer das gute Recht gewesen der Diener des göttlichen Wortes, zu strafen wo es Noth thut. Sondern deswegen, weil wie wahr auch jedes Wort der Strafe sein mag, es gar zu leicht gemißbraucht wird dazu, falschen Beschwerden über die Unvollkommenheit unsers Zustandes Nahrung zu geben, und dazu, daß jeder immer mehr die Schuld von dem, was uns Mangel und Verderben zu sein dünkt, bei dem sucht was in Andern ist, als in der der Tiefe seines eigenen Herzens. In der eigenen Selbstprüfung aber des gemeinsamen und des einzelnen Lebens, da sei die Wahrheit Euer Leiter. Prüfet es bei dem Lichte des göttlichen Wortes, das wird Euch zeigen, wie jeder Einzelne unter Euch und wie wir insgesammt gestaltet gewesen sind; und dann gehet hin und vergesset es nicht. Waffnet Euch mit Geduld, damit Ihr den Willen Gottes erfüllet und allem Verkehrten und Ungöttlichen Widerstand leisten möget. Werfet Euer Vertrauen nicht weg; denn die Gemeinen des Herrn sollen auch die Pforten der Hölle nicht überwältigen. Und wie dunkel die Wege sein mögen, welche der Herr Euch führt: in dem lebendigen Vertrauen auf die göttliche Verheißung habt Ihr den Weg, der zum Leben leitet. Wie fern das Ziel auch sein mag: in der Wahrheit des Evangeliums habt Ihr es in Eurem Herzen und mit der Geduld wird die Gerechtigkeit, mit dem Vertrauen die Freude wachsen und so werden wir würdig sein des Namens eines Volkes, das der Herr sich erkauft hat zu seinem Eigenthum. Amen.
[Liederblatt vom 19. April 1826:] Am Bettage 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Aus meines Herzens etc. [1.] Geh hin nach Gottes Willen, / In Demuth und Vertraun! / Lern das Gebot erfüllen, / Sein großes Feld zu baun. / Frag nach der Erndte nicht, / Du darfst den Lohn nicht messen, / Mußt Freud und Lust vergessen, / Nur sehn auf deine Pflicht. // [2.] Willst du nur sein geborgen, / Und vor der Welt geehrt: / So kannst du nicht besorgen, / Was deinem Herrn gehört. / Sieht jemand auf Gewinn, / Und trachtet hier auf Erden / Nur glücklicher zu werden, / Der hat den Lohn dahin. // [3.] Doch hast du deine Gaben / Dem Dienst des Herrn geweiht: / So wirst du Augen haben / Zu sehn was er gebeut. / Das thue still und gern, / Du darfst nicht zaudernd wählen, / Nicht rechnen und 12 Vgl. Joh 16,13 Gal 2,5
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20 Vgl. Mt 7,14; Joh 14,6
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nicht zählen; / Er ruft, du folgst dem Herrn. // [4.] Nur frisch an allen Enden / Die Arbeit angefaßt! / Mit unverdroßnen Händen / Sei wirksam ohne Rast. / Das ist der rechte Muth, / Streu aus den edlen Samen, / Begieß in Gottes Namen: / So keimt und wächst es gut. // [5.] So wird von Stund zu Stunde / Das Feld des Herrn gedeihn, / Und bald auf seinem Grunde / Kein Unkraut sichtbar sein. / Schlag alles aus dem Sinn, / Dein Wünschen und Verlangen, / Was sonst dich hält gefangen, / Und gieb dich gänzlich hin. // Nach dem Gebet. – Mel. Was mein Gott will, gescheh etc. [1.] Ihr Mitgenossen auf zum Streit, / Damit uns Gott belohne, / Es gilt das Reich der Herrlichkeit, / Der Ueberwinder Krone. / Der Herr hat alle zwar versöhnt, / Als er für uns gelitten, / Doch wird, wer weichet, nicht gekrönt, / Nur wer, wie er, gestritten. // [2.] Miterben haltet an und seht / Empor zum großen Lohne! / Denn nur durch unsre Feinde geht / Der Weg zu jener Krone. / Ob tausend auch zur Rechten euch, / Zur Linken tausend sänken: / Getrost, ihr kämpft für Gottes Reich, / Er wird den Sieg euch schenken. // [3.] Zwar mit der Nächte Graun umhüllt, / Schießt euer Feind die Pfeile; / Doch ihr ergreift des Glaubens Schild, / Deckt euch mit Christi Heile. / Gerechten Helm auf euerm Haupt, / Kämpft mit des Geistes Schwerdte; / Sorgt nur, daß keiner dies euch raubt, / Dies mächtige, bewährte! // [4.] Wer überwindet soll den Tod, / Den ewgen Tod nicht sehen; / Verging er hier auch in der Noth, / Dort wird er nicht vergehen. / Nach dieses Lebens kurzem Streit, / Nach seinem kurzen Leiden, / Wird euch der Unschuld weißes Kleid, / Gerechtigkeit, bekleiden. // [5.] Ach Hüter ist die Nacht bald hin, / Die dunkle Nacht der Erde? / Wenn ich einst Ueberwinder bin, / Wird Licht das Dunkel werden. / Dann seh ich in dem Lebensbuch, / Dank dir, auch meinen Namen. / Des Kampfs, des Leidens ist genug, / Erlöset bin ich. Amen. // Nach der Predigt. – Mel. Preis, Lob, Ehr, Ruhm etc. [1.] Geduld, wie sehr der Sturm auch weht, / Geduld wenn Trost und Hofnung schwindet! / Wenn alles scheinbar rückwärts geht, / Und Gottes Hand sich nirgend findet: / Er schüzt dich doch mit unsichtbarer Hand, / Und führt dich treu bis in das Vaterland. // [2.] Geduld, nach manchem sauren Schritt / Wird deine Bahn von Segen triefen, / Der Glaube wagt auch kühnen Tritt, / Durchwandelt muthig Höh’n und Tiefen. / Er steigt ins Thal der Niedrigkeit hinab, / Und harrt getrost dem Herrn Erhöhung ab. //
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Cantate, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 13,21–38 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LXIV, S. 399– 416; König Keine Nachschrift; SAr 56, Bl. 177v–186v; Schirmer Nachschrift; SAr 65, Bl. 71r–73v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am Sonntage Cantate 1826. Tex t. Joh. 13, 21–38. Da Jesus solches gesagt hatte, ward er betrübt im Geist, und zeugete und sprach, Wahrlich, wahrlich ich sage euch, einer unter euch wird mich verrathen. Da sahen sich die Jünger unter einander an, und ward ihnen bange von welchem er redete. Es war aber einer unter seinen Jüngern, der zu Tische saß an der Brust Jesu, welchen Jesus lieb hatte. Dem winkte Simon Petrus daß er forschen sollte, wer es wäre von dem er sagte. Denn derselbige lag an der Brust Jesu und sprach zu ihm, Herr wer ist es? Jesus antwortete ihm, Der ist es, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er tauchte den Bissen ein, und gab ihn Juda Simonis Ischarioth. Und nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn. Da sprach Jesus zu ihm, Was du thust, das thue bald. Dasselbige wußte aber niemand über Tische, wozu er | es ihm sagte. Etliche meinten, dieweil Judas den Beutel hatte, Jesus spräche zu ihm, Kaufe was uns noth ist auf das Fest; oder daß er den armen etwas gäbe. Da er nun den Bissen genommen hatte, ging er sobald hinaus. Und es war Nacht. Da er aber hinausgegangen war, spricht Jesus, Nun ist des Menschen Sohn verkläret, und Gott ist verkläret in ihm. Ist Gott verkläret in ihm, so wird ihn Gott auch verklären in ihm selbst, und wird ihn bald verklären. Lieben Kindlein ich bin noch eine kleine Weile bei euch. Ihr werdet mich suchen; und, wie ich zu den Juden sagte, wo ich hingehe da könnt ihr nicht hinkommen. Und ich sage euch nun, Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch unter einander liebet wie ich euch geliebt habe, auf daß auch ihr einander lieb habt. Dabei wird jedermann erken-
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nen daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe unter einander habt. Spricht Simon Petrus zu ihm, Herr wo gehest du hin? Jesus antwortete ihm, Da ich hingehe kannst du mir diesmal nicht folgen; aber du wirst mir hernachmals folgen. Petrus spricht zu ihm, Herr warum kann ich dir diesmal nicht folgen? Ich will mein Leben für dich lassen. Jesus antwortete ihm, Solltest du dein Leben für mich lassen? Wahrlich, wahrlich ich sage dir, der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal habest verläugnet. M. a. F. In diesem größern Abschnitt unsers Kapitels, den wir so eben gelesen haben, unterscheiden wir augenscheinlich drei Theile, von denen der erste uns jene geheimnißvolle Geschichte des Judas in seinem Verhältniß zu dem Herrn erzählt; der andere uns auf das Verhältniß des Herrn zu Gott und zu seinen Jüngern hinweist, und sein großes heiliges Gebot in seiner ganzen hohen Bedeutung vorhält; der dritte endlich sich über die | bekannte Verläugnung, deren Petrus sich gegen seinen Herrn und Meister schuldig machte, ausläßt. Laßt uns diese drei Stükke jezt unter dem Beistande Gottes näher mit einander betrachten. I. Was nun das erste betrifft, so will ich es nicht läugnen, daß ich eine gewisse Scheu habe mitten in der Betrachtung des herrlichsten und erhabensten was wir aus dem Leben unsers Erlösers wissen, der Liebe mit welcher er die seinigen in Beziehung auf sein Werk umfaßt und die er ihnen geboten hat, und der Verklärung zu welcher der Vater ihn erhoben und die der Vater in ihm selbst bereitet hat, mitten in dieser Betrachtung mich mit meinen Gedanken in die Geschichte von dem Judas zu vertiefen, und euch einzuladen daß ihr mich dabei mit eurer christlichen Aufmerksamkeit begleiten möget. Denn es ist uns von dem innern Zusammenhang der Sache so wenig in der Schrift aufbewahrt, daß wir uns kein deutliches und bestimmtes Bild davon machen können; wir wissen nicht, welche aus der eigentlichen Beschaffenheit seines Gemüths herzuleitende und mit der Geschichte seines Lebens und seinem Verhältnisse zu dem Herrn zusammenhangende Beweggründe den Judas zu seiner dunkeln That geführt haben, so daß wir nur unsichere Vermuthungen über die Sache aufstellen könnten, wenn wir uns in eine weitläuftige Erörterung einlassen wollten. Daher wird es glaube ich hinreichend sein, wenn wir dies nur andeuten, und im übrigen mit unserer Betrachtung bei dem stehen bleiben was für uns alle lehrreich, ermunternd und warnend sein kann. Schon vorher bei Gelegenheit des Fußwaschens, als der Herr die Jünger hinwies auf die große geistige Reinigung die sie in seiner Gemeinschaft erfahren, hatte er des Judas durch Anspielung erwähnt, indem er sagt, Ihr 37–1 Vgl. Joh 13,1–11
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seid rein, aber nicht alle. Nun aber nimmt der Gedanke an diesen seinen verlorenen Jünger und an dessen verrätherisches Vorhaben überhand in seiner Seele, so daß er betrübt wird im Geiste und spricht, Wahr|lich, wahrlich ich sage euch, einer unter euch wird mich verrathen. Wir mögen m. g. F. die Geschichte des Judas ansehen wie wir wollen, immer werden wir sagen müssen, der Verrath den er an seinem Herrn und Meister beging war ein Abfall von der Verbindung in welcher er bisher mit ihm gestanden. So muß uns seine That sowol bei der strengsten als bei der mildesten Beurtheilung derselben erscheinen. Und der Herr als er gedenkt wie dieser eine unter denen die er zu seinen Dienern und Werkzeugen in der Förderung seiner Sache erwählt hatte, ihn verrathen werde in die Hände seiner Feinde, da zeigt er sich nicht gekränkt, beleidigt oder wol gar erbittert, sondern er ward betrübt im Geist. Das m. g. F. ist etwas was auch auf uns alle seine Anwendung findet. Seitdem die christliche Kirche auf Erden besteht, ist veranlaßt durch die feindselige Gesinnung und das lieblose Betragen der Gegner des Evangeliums leider öfter der traurige Fall vorgekommen, daß einzelne Christen abgefallen sind von dem Bekenntniß der Wahrheit, theils aus Furcht vor den Trübsalen und Leiden womit jene in den Zeiten der Verfolgung ihnen drohten, theils aus jenem Wankelmuth der das menschliche Herz hierhin und dorthin wirft, so lange es noch nicht fest geworden ist. Da mögen wir nun allerdings sagen, wo der Abfall von dem Evangelio möglich ist, da ist noch keine innige und feste Anhänglichkeit an den Erlöser gewesen, da hat noch immer das rechte lebendige Leben des Glaubens an ihn und der Liebe zu ihm gefehlt, da war alles was das Gemüth erfüllte, und in Wort und That sich kund gab, mehr ein Versuch und ein vorläufiger Anfang als ein festes inneres Band, welches von einer unzertrennlichen Gemeinschaft zwischen der Seele und dem Erlöser zeugt. Jezt nun nachdem das Reich Gottes auf Erden festen Grund gefaßt hat, geschieht ein solcher Abfall vom Evangelio nicht mehr auf eine so äußerliche und sichtbare Weise wie in jenen Zeiten der Verfol|gung, wenigstens würde dergleichen auch wenn es sich hier und da ereignete doch zu den seltenen Erscheinungen gezählt werden müssen; aber seitdem die christliche Kirche getheilt ist in mehrere große Gemeinschaften, da ist es nicht selten der Fall, daß einzelne Glieder von der einen Gemeinschaft abfallen und zu der andern übergehen. Nun bekennen zwar diese verschiedenen Gemeinschaften allesammt Einen Herrn und Meister; aber doch glaubt jede die Wahrheit die der Herr vom Himmel gebracht, und die Segnungen die er den Menschen erworben hat, fester zu halten als die andere; und besonders rühmen wir uns, daß uns das hellere Licht des Evangeliums aufgegangen sei, indem wir in dem Theile der christlichen Kirche welchem wir angehören die gereinigte evangelische Lehre zu besizen behaupten. Daher wo irgend einer aus unserer evangelischen Kirche heraustritt und zu einer andern übergeht, da sollen wir betrübt werden im
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Geiste über einen solchen Abfall, der uns nicht anders erscheinen kann denn nur als ein Abfall von dem vollkommneren zu dem unvollkommneren, wie der Erlöser betrübt ward im Geiste über diesen Abfall des Judas; aber eben so wie er sollen auch wir uns aller andern und leidenschaftlichen Bewegungen des Gemüths enthalten, selbst wenn diejenigen welche uns durch ihren Uebertritt zu einer andern christlichen Gemeinschaft Veranlassung zu einer solchen Betrübniß geben solche wären die unserer nächsten Umgebung angehören, und welche uns eben deshalb Gott besonders anvertraut hat, daß wir durch Wort und That, durch Beispiel und Wandel sie fördern sollen in der Erkenntniß und in einem gottgefälligen Leben. Aber doch wird unsere Betrübniß immer eine ganz andere sein als die des Erlösers. Er nämlich unser Herr und Meister wußte sich ganz unschuldig daran, daß Judas von ihm abfallend ihn seinen Feinden verrieth; er konnte sich selbst das Zeugniß geben, daß er während seines Lebens mit den Jüngern nichts unterlassen habe, um sie allesammt fest zu verbinden zu treuer Anhänglichkeit an ihn für den großen Beruf den er ihnen geben wollte; | er hatte nie etwas unrechtes und sündliches gethan, was mit seiner anstekkenden Kraft auf den einen oder andern unter ihnen um so verderblicher hätte wirken müssen, da sie gewohnt waren auf ihn zu sehen und von ihm aufzunehmen; sondern mit der vollkommensten Klarheit und Ruhe konnte er in jenem hohenpriesterlichen Gebet, welches unser Evangelist uns in dem siebenzehnten Kapitel des Evangeliums aufbewahrt hat, seinem himmlischen Vater Rechenschaft ablegen über sein Thun und Wirken von Anfang an bis zu der entscheidenden Stunde seines Lebens. Aber das wird niemals unser Fall sein, wenn ein Abfall von der Kirche welcher wir angehören irgendwo unter uns vorkommt. Denn gesezt auch es wäre kein einzelner unter uns sich einer bestimmten Schuld bewußt, so ist doch offenbar, daß eben deshalb weil der einzelne immer und überall vom ganzen getragen wird die Schuld des ganzen es ist, wenn der einzelne abfällt, des ganzen dem der rechte Gemeingeist fehlen muß, wenn der einzelne nicht so festgehalten wird daß er nicht lassen kann vom ganzen; aber auch die Schuld des einzelnen welcher abfällt, weil er obwol vernachlässigt von dem ganzen es doch auch seinerseits hat fehlen lassen an dem rechten Eifer dem ganzen anzuhangen. Alle solche Beispiele müssen uns betrüben, weil kein einzelner sich lossprechen kann von der Schuld welche die Gemeinschaft trägt; und nur wenn diese Betrübniß in uns Plaz gewinnt werden wir uns zugleich ermuntert fühlen die brüderliche Liebe in unserm Herzen immer mehr zu befestigen und in der Kraft derselben das unsrige zu thun, damit der Geist der das ganze durchdringt und trägt seine heilsame Wirkung überall an den einzelnen offenbare, in jedes Gemüth Eingang findend, und auch in die verborgensten Falten desselben eindringend. Aber wenn bei dem Abfall einzelner Mitglieder von unserer Gemeinschaft andere Gemüthsbewegungen in uns entstehen, wenn wir der Erbitterung, dem Widerwillen, der Ver-
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kleinerungs- und Schmähsucht gegen die abgefallenen Raum geben in dem Herzen: so hat das seinen Grund darin, daß | wir zwar ein Bewußtsein haben von der gemeinsamen Schuld welche auf alle ohne Unterschied fällt, aber doch zugleich eine Abneigung sie in uns selbst aufzusuchen, so daß wir am liebsten in andern unsere eigene Schuld erblikken. Immer ist es ein Beweis von dem reinsten Eifer für die Förderung des Reiches Christi und für die Verherrlichung seines Namens, wenn wir tief betrübt werden im Geiste, wo eine Seele von der Wahrheit abfällt die wir bekennen, und den Weg des Heils verläßt auf welchem wir wandeln; aber nie darf sich eine leidenschaftliche Gemüthsbewegung hinzugesellen, wenn wir nicht unser Auge für die Wahrheit selbst trüben und der guten Sache schaden wollen. Nachdem nun der Herr betrübt im Geist gesagt hatte, Einer unter euch wird mich verrathen, da sahen sich die Jünger unter einander an, und ward ihnen bange von welchem er redete. Ein anderer Evangelist erzählt uns, die Jünger hätten angefangen unter sich selbst zu fragen, welcher es doch wäre unter ihnen, der das thun würde; und wieder ein anderer Evangelist meldet uns, daß die Jünger angehoben hätten ein jeglicher unter ihnen den Herrn zu fragen, Herr bin ich es? Das stimmt zwar nicht wörtlich mit dem überein was Johannes hier sagt, aber doch im wesentlichen, und wir mögen daher bei unserer Erzählung stehen bleiben. Die Jünger alle hatten also, so scheint es, keine bestimmte Sicherheit darüber, daß sie nicht konnten gemeint sein. Das muß uns freilich auf den ersten Anblikk mit Furcht und Schrekken erfüllen. Wie, wenn die welche dem Herrn so nahe standen daß sie seine unmittelbare Einwirkung auf ihre Seelen erfahren hatten; wenn die welche ein festes Bekenntniß abgelegt halten davon, daß Jesus sei Christus der Sohn des lebendigen Gottes, und daß sie nicht von ihm weichen wollten, weil er allein Worte des ewigen Lebens habe; wenn diese wieder unsicher darüber sollten geworden sein, ob sie auch so fest an ihrem | Herrn und Meister hielten, daß nichts im Stande wäre ihm ihre Herzen abwendig zu machen: was sollten wir dann in Beziehung auf unsere Treue gegen ihn hoffen und fürchten? Allerdings wäre es sehr betrübt, wenn wir über die vollkommene Anhänglichkeit der Seele an den Erlöser in keinem einzelnen Gemüthe eine bestimmte Sicherheit hätten, sondern uns mit bloßen Vermuthungen begnügen oder mit ängstlichen Fragen hinhalten müßten. Was wäre es dann mit der Verheißung des Friedens, die uns der Herr gegeben hat indem er spricht, Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch wie die Welt giebt. Euer Herz erschrekke nicht und fürchte sich nicht. Ach es wäre und bliebe eine große und herrliche Verheißung, aber wir würden und könnten ihrer nicht froh werden. 7 Vgl. Joh 12,28 14–16 Vgl. Lk 22,23 Joh 6,68–69 36–38 Vgl. Joh 14,27
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Aber eben diese Betrachtung m. g. F. führt uns auf den wichtigen Unterschied welcher stattfindet zwischen der eigentlichen innersten Gesinnung des Gemüths und zwischen einer einzelnen bestimmten Handlung. Ueber jene, die innerste Gesinnung des Gemüths, konnten die Jünger in keinem Augenblikk zweifelhaft sein; sie wußten daß sie aus dem Grunde des Herzens ihrem Herrn anhingen. Aber es war hier die Rede von einer einzelnen bestimmten That; an eine solche mußten daher die Jünger auch denken, und da konnte es ihnen nicht anders als zweifelhaft sein, ob auch in Beziehung auf dieselbe ihre Liebe zu dem Herrn sich bewähren werde. Und eben so m. g. F. steht es mit uns allen in diesem irdischen Leben. Zwar giebt es oder kann es wenigstens geben eine Menge einzelner Handlungen von welchen, wenn einer unter uns gefragt würde, ob er wol im Stande sei sie zu thun, er mit Recht nein antworten würde. Aber wir sagen dies nur indem wir die innere lebendige Kraft und Richtung unseres Gemüths im Auge haben; wir können es nur sagen, wenn irgend | eine Handlung von der wir behaupten wir könnten sie nicht thun ganz außerhalb des Kreises worin wir leben und in welchen wir durch Sitte und Eigenthümlichkeit unsers Volkes eingeschlossen sind liegt. Wo das aber nicht der Fall ist, da müssen wir zum Zeugniß der menschlichen Gebrechlichkeit immer gestehen, daß keiner mit Sicherheit von sich sagen kann, er sei unfähig zu solchen einzelnen Handlungen; denn er weiß nicht wie weit sich in einzelnen Augenblikken eines unbewachten Gemüthszustandes die Kraft der göttlichen Liebe wenn auch nur auf eine vorübergehende Weise zurükkziehen kann. Dafür kann niemand hinsichtlich seiner eigenen Person einstehen und gut sagen, sondern jeder wird von sich selbst gestehen müssen, daß er nicht immer auf gleiche Weise stark sei im Geiste, und deshalb auch auf sich das Wort des Apostels anwenden, Schaffet daß ihr selig werdet mit Furcht und Zittern. Aber über unsere Anhänglichkeit an unsern Herrn und Erlöser, darüber daß wir in dem Grunde unseres Herzens nichts anderes wollen als ihn und sein Reich, darüber sollen wir niemals zweifelhaft sein, sondern die feste Gewißheit haben welche er von den seinigen fordert, so daß wir immer bereit sind mit jenem Jünger zu sagen, Herr ich will mein Leben für dich lassen. Nachdem nun der Jünger der an der Brust des Herrn lag, aufgefordert durch einen Wink des Petrus, daß er forschen sollte wer es wäre, gefragt hatte, Herr wer ist es: da antwortete der Herr, Der ist es, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er tauchte den Bissen ein, und gab ihn Juda Simonis Ischarioth. Und nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn, und der Herr sprach zu ihm, was du thust das thue bald. Laßt uns m. g. F. bei diesem Theile der evangelischen Geschichte nicht verweilen, sondern so schnell als möglich darüber hinweggehen. Denn wir 27–28 Phil 2,12
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können ja nichts mit Sicherheit auf|stellen, wenn es darauf ankommt zu untersuchen wie das Gemüth des Verräthers in seinem innersten Grunde mag beschaffen gewesen sein; noch weniger sind wir im Stande zu erforschen wie das Eintauchen des Bissens von Seiten des Herrn und das Ueberreichen desselben an den Judas so wie das Verzehren desselben von Seiten des Judas damit zusammenhängt, daß in diesem der Entschluß reif wurde den Herrn zu verrathen; denn das liegt doch wol in den Worten des Evangelisten, daß nach dem Bissen der Satan in ihn gefahren sei; und eben so wenig, wie der Herr zu den wie eine Ermunterung klingenden Worten, Was du thust das thue bald, gekommen sein mag; welche Worte auch den Jüngern nicht deutlich waren, so daß Johannes sagt, es habe niemand über Tische gewußt wozu der Herr dies dem Judas gesagt. Es gehört ohne Zweifel mit zu den Leitungen der göttlichen Weisheit, welche über die Abfassung und Sammlung unserer heiligen Bücher wachte, daß über diese traurige Begebenheit ein Schleier gezogen ist, den wir niemals vollkommen werden lüften können. Und so mögen wir denn die Sache auf sich beruhen lassen, und uns lieber das erfreuliche, das stärkende und erhebende vorhalten, was wir in dem zweiten Theile des verlesenen Abschnittes finden. II. Nachdem nämlich Judas hinausgegangen war, so sprach der Erlöser zu seinen Jüngern, Nun ist des Menschen Sohn verklärt, und Gott ist verklärt in ihm. Ist Gott verklärt in ihm, so wird ihn Gott auch verklären in ihm selbst, und wird ihn bald verklären. Lieben Kindlein ich bin noch eine kleine Weile bei euch. Ihr werdet mich suchen; und, wie ich zu den Juden sagte, wo ich hingehe da könnt ihr nicht hinkommen. Und ich sage euch nun, Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch unter einander liebet wie ich euch geliebt habe, auf daß auch ihr einander lieb habt. Dabei wird jeder|mann erkennen daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe unter einander habt. Diese wenigen Worte m. g. F. enthalten gleichsam den Text zu allen folgenden Reden des Herrn, die uns Johannes in den beiden nächsten Kapiteln des Evangeliums aufbehalten hat, ja selbst zu seinem hohenpriesterlichen Gebet, welches wir im siebenzehnten Kapitel desselben Evangeliums verzeichnet finden. Wenn wir nun in der Kürze zusammenfassen wollen was wir eben gelesen haben, so müssen wir darin zweierlei unterscheiden, einmal das was der Herr von sich selbst, von seinem Verhältniß zu Gott sagt, und dann die Ermahnung die er seinen Jüngern giebt. Nun, so beginnt der Herr nachdem auch das lezte gethan war um den Tod den er zum Heil der Menschen leiden sollte einzuleiten, nun ist des Menschen Sohn verklärt, und Gott ist verklärt in ihm. Hier sehen wir m. g. F. wie der Erlöser selbst das Ende seines Lebens, seinen Tod zum Heil der Welt, als seine eigene Verklärung ansieht, und so zu seinen Jüngern redet, daß Gott erst jezt vollkommen in ihm verklärt sei.
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Zwar war er vom Anfang seines Lebens an das Ebenbild des göttlichen Wesens, und in jedem Augenblikk konnten die Menschen an ihm schauen die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater und den Abglanz der göttlichen Majestät. Daher war auch Gott immer in ihm verklärt, so wie er selbst sich in dem Zustand einer immerwährenden Verklärung befand, so daß er zu seinen Jüngern sagen konnte, Wer mich siehet, der siehet den Vater. Aber doch in einem andern Sinne sagt er hier, Nun ist des Menschen Sohn verklärt, und Gott ist verklärt in ihm. Nämlich ein anderes ist die Verklärung des Menschensohnes bloß für seine Person, und ein anderes ist die Verklärung desselben in Rükksicht auf die Bestimmung die Gott ihm gegeben hatte. In jener Hinsicht war | des Menschen Sohn immer verklärt, und bedurfte nicht erst in einem einzelnen Augenblikk seines irdischen Lebens verklärt zu werden; in der andern Hinsicht aber wie da seine Verklärung eine wachsende sein mußte nach Maaßgabe der Fortschritte seines Werkes, so müssen wir auch besonders hervortretende Augenblikke derselben zugeben. Und in diesem Sinne sagt der Erlöser hier, Nun ist des Menschen Sohn verkläret, und Gott ist verklärt in ihm, so daß er seinen Tod als die Vollendung seines Berufes und des ihm anvertrauten göttlichen Werkes, soweit dasselbe durch ihn geführt werden sollte, ansieht, und also auf sein Hinweggenommenwerden von der Erde anspielt. Darum haben wir auch ein Recht den Tod des Herrn als den Gipfel seiner hohen göttlichen Bestimmung, als die Vollendung seines Werkes, als die vollkommene Erwerbung des Heils welches den Menschenkindern zugedacht ist, zu betrachten; aber freilich nur indem wir das Wesen der Sache im Auge haben, nicht aber so, daß wir uns mit unsern Gedanken in die einzelnen körperlichen Leiden und Schmerzen welche der Erlöser erduldet hat vertiefen und dabei stehen bleiben. Denn eben diese Einzelnheiten schwebten dem Erlöser nicht vor als er sprach, Ist Gott verkläret in ihm, so wird ihn Gott auch verklären in ihm selbst, und wird ihn bald verklären; sondern nur darauf war seine ganze Seele gerichtet, daß die Sünde ihr Haupt erheben werde um ihn des Weibes Samen in die Ferse zu stechen, und daß er ihr den Kopf zertreten solle, so daß dadurch das Heil des ganzen menschlichen Geschlechts begründet und sein Werk vollendet werden würde. Es war also auch nicht das Bewußtsein seiner außerordentlichen göttlichen Würde, woran der Erlöser dachte als er sagte, Gott werde ihn bald verklären; denn diese göttliche Würde war ununterbrochen dieselbe in ihm; sondern er sah im Geiste auf die Vollendung seines Werkes, welche durch die Kraft der Liebe seine und durch ihn seines himmlischen Vaters | Verklärung war, und sprach in diesem Sinne, Nun ist geschehen und aufgeschlossen und versiegelt das ganze Geheimniß der Erlösung und Versöh3–4 Vgl. Hebr 1,3 Gen 3,15
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19–20 Vgl. Apg 1,9–11
30–32 Vgl.
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nung, wie Gott in Christo war um die Welt mit ihm selbst zu versöhnen, um die Welt frei und selig zu machen. Aber wenn wir nun von diesem ersten Punkt in dem gegenwärtigen Abschnitte zu dem zweiten übergehen wollen, so tritt uns ein Umstand entgegen, der nicht anders kann als uns schmerzlich bewegen. Indem nämlich der Herr sagt, Lieben Kindlein ich bin noch eine kleine Weile bei euch. Ihr werdet mich suchen; und, wie ich zu den Juden sagte, wo ich hingehe da könnt ihr nicht hinkommen: so ist wol offenbar, daß er von seiner bevorstehenden Trennung von den Jüngern deutlich genug redet. Und kein Wort von seiner tröstlichen Wiedervereinigung mit ihnen geht über seine Lippen, kein Wort von seiner trostreichen Auferstehung kommt aus seinem Munde? Kein Wort davon giebt er ihnen zu vernehmen, daß wo er sei auch die sein sollen welche ihm der Vater gegeben hat? Nein m. g. F., sondern unmittelbar nachdem er jenes betrübende Wort geredet sagt er, Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch unter einander liebet wie ich euch geliebt habe. Sehet da, wie hier den Jüngern so geht es auch uns nicht selten in einem ähnlichen Verhältnisse. Wie ihnen ein unmittelbarer Verkehr mit ihrem Herrn vergönnt war, um aus seinem eigenen Munde die Worte des Lebens zu vernehmen, so haben wir das geschriebene Wort Gottes, um mit demselben zu verkehren im gemeinsamen wie im einsamen Nachdenken, in der öffentlichen wie in der häuslichen Erbauung. Aber nicht selten kommt es uns bei diesem Verkehr vor, daß was uns am meisten trösten könnte unter den Trübsalen des Lebens, unserm Gemüthe am wenigsten entgegentritt, sei es so daß es sich gar nicht darbietet, sei es so daß es in demselben nicht haften und fest werden will; sondern ganz etwas anderes kommt uns entgegen und findet Ein|gang in unser Herz. So war es auch mit den Jüngern in diesen Augenblikken des persönlichen mündlichen Verkehrs den sie mit ihrem Herrn hatten. Er redete von dem worauf jezt seine ganze Seele gerichtet war, nämlich daß er sie recht fest verbinden wollte in der Liebe, auf welche der Bund des Heils gegründet werden sollte der nun zu stiften war; nur dafür forderte er jezt ihr Ohr, so daß dagegen alles andere zurükktreten sollte. Und in der That ist es auch eine schöne Frucht unsers Glaubens an den Erlöser und unserer Gemeinschaft mit ihm, daß wir nicht immer der unmittelbaren Tröstung bedürfen, sondern überall aus dem göttlichen Worte erfahren wollen was wir zu thun haben um uns als rechte Glieder des heiligen Bundes den unser Herr gestiftet hat zu beweisen. So lenkt nun auch hier der Erlöser die Aufmerksamkeit seiner Jünger auf die gemeinsame brüderliche Liebe, in welcher sie eben so mit einander verbunden sein sollten wie er in Liebe mit ihnen verbunden gewesen, und fügt hinzu, Dabei wird jedermann erkennen daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe unter einander habt. 1 Vgl. 2Kor 5,19
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Liebe m. g. F. gehört zu der allgemeinen Ausstattung der menschlichen Natur; Liebe ist alles Gebot das Gott dem Menschen gegeben hat, und das ganze göttliche Gesez ließ sich daher auch unter den Ausdrukk zusammenfassen, Du sollst lieben Gott deinen Herrn von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüthe, und deinen Nächsten als dich selbst. Dennoch sagt der Erlöser, Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch unter einander liebet wie ich euch geliebt habe. Nämlich das m. g. F. wie Christus die seinigen geliebt hat, ist ein neues Gebot, ist eine herrlichere Liebe als die mit welcher die menschliche Natur an sich schon ausgestattet ist. Aber wie sind wir im Stande diese Liebe zu erfüllen? Die Liebe des Herrn zu seinen Jüngern war die Liebe des sündlosen zu den Sündern, | des Arztes zu den kranken, des reichen zu den armen, dessen der den Frieden in sich trug zu denen die desselben bedurften; wie kann er also sagen, daß wir uns unter einander lieben sollen mit der Liebe mit welcher er uns geliebt hat? Wie er in seinem hohenpriesterlichen Gebet sagt, er habe seinen Jüngern den Namen seines Vaters kund gethan, auf daß die Liebe damit der Vater ihn geliebt in ihnen sei: ist dies nicht und muß es nicht sein das viel größere? Laßt uns fragen, welches war denn die Liebe womit der Vater den Sohn liebte? Es war die des reinsten göttlichen Wohlgefallens, welche sich in jener Stimme aussprach, Das ist mein lieber Sohn an welchem ich Wohlgefallen habe. Und dieses göttliche Wohlgefallen gründete sich darauf, daß der Herr sich dahingegeben hat für das Werk der Erlösung und Wiederbringung der Menschen. Lieben wir nun so den Erlöser, ist diese Liebe womit der Vater den Sohn geliebt in uns – und das ist ja die wesentliche Frucht unsers Glaubens an ihn, indem wir ihn erkennen als den Sohn des lebendigen Gottes: so ist zugleich darin eingeschlossen die Liebe womit der Erlöser die Menschen und besonders seine Jünger liebte, ja es ist beides eins und dasselbe. Und diese Liebe ist dieselbe womit wir uns unter einander lieben sollen, so daß so wenig einer sein Wohlgefallen haben kann an ihm selber, eben so wenig ausschließlich an einem andern einzelnen. Aber jeder soll in dem andern den Erlöser lieben, das Ebenbild des göttlichen Wesens und den Abglanz der göttlichen Herrlichkeit, und eben so in sich selbst; und wie der Gegenstand unserer Liebe kein einzelner sein soll, so soll jeder den andern lieben als Glied des ganzen über welches der Geist Christi ausgegossen ist, und in welchem dieser Geist immer mehr verklärt werden soll dadurch daß die Liebe zu Gott und die Liebe zu dem Erlöser, in welcher wir fühlen daß wir Antheil haben an dem Werke der Erlösung, auch zugleich | Liebe ist zu den erlösten. Wo aber kein Antheil an der Liebe ist, da ist Streit, Getrenntheit; denn die wahre Einheit der Gemüther ist nur in der göttlichen Liebe mit welcher der Herr das ganze menschliche Geschlecht umfaßt und 4–5 Vgl. Mt 22,37.39 (Zitate aus Dtn 6,5 und Lev 19,18) 20–21 Mt 3,17 31–32 Vgl. Hebr 1,3
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das Heil der ganzen Welt gründet. Daher das neue Gebot der Liebe, welches er den seinigen hier giebt, ein Gebot ist für alle Völker; und immerdar werden seine Jünger daran erkannt, daß sie Liebe unter einander haben.
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III. Aber m. g. F. der Herr geht von dem betrübenden Worte welches er zu seinen Jüngern redet, daß er nur noch eine kleine Weile bei ihnen sein werde, und daß sie nicht hinkommen könnten wo er hingehe, so schnell zu seiner Ermahnung über, daß diese eben deshalb von den Jüngern auch nicht so tief beherzigt wird wie es wol hätte geschehen sollen, sondern sie schweifen mit ihren Gedanken und den Empfindungen ihres Herzens zu dem vorigen zurükk; und so spricht Petrus zu dem Herrn, Wo gehest du hin? Da antwortet ihm der Herr, Da ich hingehe kannst du mir diesmal nicht folgen; aber du wirst mir hernachmals folgen. Und Petrus spricht zu ihm, Herr warum kann ich dir diesmal nicht folgen? Ich will mein Leben für dich lassen. Aber der Herr antwortet ihm, Solltest du dein Leben für mich lassen? Ich sage dir, der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal habest verläugnet. Hier m. g. F. haben wir das rechte Gegenstükk zu unserem ersten Abschnitt. Freilich verläugnet Petrus seinen Herrn und Meister in einem gewissen Sinne; aber es war doch die innerste Wahrheit seines Gefühls und die aufrichtige Meinung seines Herzens, womit er sprach, Ich will mein Leben für dich lassen. Daß er diesmal sein Leben lassen sollte, war nicht der Wille des Herrn; sondern erst sollte er sein Leben widmen dem Dienste des Herrn, erst sollte er hingehen und wirken für die Ausbreitung des göttlichen Reiches welches der Herr gegründet | hatte. Aber doch war es ein schönes Wort, Ich will mein Leben für dich lassen. Aber in der Wahl dessen was er zu thun hatte um sein Leben noch zu retten in dem Augenblikke der Gefahr, darin irrte er menschlicher Weise, und daraus ging die Verläugnung hervor deren er sich gegen seinen Herrn schuldig machte. Wol war es ein hartes Wort welches er aus dem Munde des Herrn hören mußte, Solltest du dein Leben für mich lassen? aber eben deshalb weil er nicht alles erwog was hier zu erwägen war – denn die Bereitwilligkeit alles hintenanzusezen für seinen Herrn war ja immer und überall in dem Petrus; wo es galt Zeugniß abzulegen für den Herrn, da trat Petrus stets am meisten hervor und stand darin keinem andern nach; und so spricht er auch das was er hier sagt aus der innersten Wahrheit seines Gemüthes heraus; – allein weil er den Gedanken des Herrn nicht recht folgte, weil er eine sorgfältige Erwägung der Worte des Herrn, daß er ihm diesmal nicht folgen könne, aber ihm nachher folgen werde, unterließ, und vielmehr hinsah auf die schmerzliche Trennung von seinem Herrn, die ihm bevorstand: so veranlaßte dies seinen Fall. Es beruhte also sein Fall auf der natürlichen Schwachheit und Gebrechlichkeit des menschlichen Herzens, und eben deshalb wurde derselbe auch von dem Erlöser durch einen sanft strafenden Blikk leicht vergeben, und der
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ganze Vorfall brachte weiter keine wesentliche Veränderung in dem Verhältnisse des Erlösers zu seinem Jünger hervor. Und laßt uns gestehen m. g. F., weiter können wir es auch nicht bringen. Wenn wir dieselbe Treue wie Petrus gegen unsern Erlöser im Herzen tragen, so haben wir immer Ursache zufrieden zu sein. Es wird dabei nicht fehlen, daß wir in einzelnen Augenblikken unsers Lebens den Verdacht auf uns bringen, nicht dasselbe freie Zeugniß von unserm Herrn abgelegt zu haben, dessen wir uns sonst wol rühmen dürfen. Denn so ist es der menschlichen Schwachheit gemäß, die wir bei solchen Gelegenheiten immer von neuem erfahren. Aber wenn wir fragen, welches ist das | sicherste Mittel gegen diese Verwirrungen des Herzens und gegen die nachtheiligen Folgen die daraus entstehen können: so müssen wir sagen, nur dieses daß wir uns recht feststellen in dem neuen Gebot welches uns der Herr gegeben hat. Ja wenn wir alle die wir seinen Namen bekennen uns unter einander so liebten wie er uns geliebt hat: dann würden alle unsere Fehler immer mehr sich ausgleichen und immer wieder gut gemacht werden eben durch die Kraft der Liebe, die auch der Sünden Menge dekkt, und der menschlichen Schwachheit würde immer weniger werden. So möge denn uns alle das neue Gebot welches der Herr den seinigen gegeben hat bewahren vor allen Verirrungen von der lebendigen Gemeinschaft mit ihm, und uns fest zusammenhalten, damit die Liebe Christi sich immer kräftiger in uns und unter uns beweise, und uns leicht mache in schweren Stunden zu leisten was der Herr von uns fordert. Dann werden wir seines Namens immer würdiger werden, und sein Reich immer mehr fördern zu seiner Verherrlichung. Amen.
17 Vgl. 1Petr 4,8 (Zitat aus Spr 10,12)
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Rogate, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 20,30–31 Nachschrift; SAr 111, Bl. 29r–31v; Sobbe Keine Nachschrift; SAr 65, Bl. 74r–82v; Woltersdorff Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am Sonntage Rogate Tex t. Johannes XX, 30 und 31. Auch viele andre Zeichen that Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben, daß ihr glaubet, Jesus sei Christ, der Sohn Gottes, und daß ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen. M. a. F. Wenn mit der Erhöhung des Herrn von der Erde die Zeit unsers Kirchenjahres endigt, welche der Betrachtung seines irdischen Lebens gewidmet ist; und wir sehen von dem Ende auf den Anfang zurük: so schwebt gewiß dabei Vielen der Gedanke vor der Seele, wie sparsam uns die Nachrichten von dem Leben unsers Herrn zugetheilt sind, wie uns seine Kindheit und Jugend verschlossen ist, wie uns aus der kurzen Zeit seines öffentlichen Lebens immer nur einzelne Augenblike dargestellt werden; und dasselbe noch besonders von den geheimnißvollen Tagen seiner Auferstehung, mit denen Johannes sein Evangelium schließt, und am Ende desselben das hinzufügt was wir gelesen haben. Und wenn wir uns nun dies vor Augen halten: so kann es uns leicht als ein Mangel erscheinen. Daher ist es wohl ein würdiger Gegenstand unsrer Betrachtung, daß wir uns hierüber verständigen, und einmal über diese dem Anschein nach sparsamen Nachrichten von dem Leben des Erlösers in der Schrift mit einander reden. Das ist es also, worauf ich in dieser Stunde Eure Aufmerksamkeit richten will. I. Das Erste aber was uns besonders in den Worten unsers Textes dargeboten wird, ist dies, daß wir auf den eigentlichen Zwek aller geschichtlichen Nachrichten von unserm Erlöser sehen, und also, ob sie zureichend sind oder 14–15 Vgl. Joh 20,1–21,25
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nicht, danach und nach keinem anderm Maaßstab messen. Johannes sagt, er hätte noch vieles Andre erwähnen können aus dem Leben des Erlösers, was er aber erwähne, das habe er niedergeschrieben, damit die es lesen glauben möchten, Jesus sei der Sohn Gottes, und in dem Glauben das Leben hätten in seinem Namen. Kein anderes Bedürfnis menschlicher Einsicht oder was es sonst sei ist die Absicht dieses Jüngers Christi gewesen, und dasselbe mögen wir auch von den übrigen sagen, die uns Nachrichten von seinem Leben zurükgelassen haben. So wie wir hieran festhalten, so werden wir wohl sagen müssen, ob dieser in der Seele entstehe oder nicht, das könne nicht abhängen von der Menge der geschichtlichen Nachrichten. Denn wie entstand der Glaube in den ersten, welche Jesum für den Sohn Gottes erkannten. Er trat hervor aus einem verborgenen Leben auf[,] an das Licht, und gleich in dieser ersten Zeit entstand in einzelnen Gemüthern die | Überzeugung, daß er der sei, auf den schon lange die Erwartung des Volks gerichtet war. Bei den Einen war es eine ausgezeichnete That, in welcher sich die göttliche Kraft die ihm einwohnte, zur Anschauung hingab; bei den Andern war es eine einzelne Rede, die tief in das Innere eindrang, und in demselben ein lange erwachtes Bedürfniß befriedigte. So m. g. F. ist es und muß es immer sein; und wir können nicht verlangen, daß wir besser daran sein sollen als die, deren Glaube der Leiter gewesen ist für den unsrigen, bis allmählig das geschriebene Wort von dem Erlöser entstanden ist. So wie bei denen, die mit ihm zugleich lebten, der Glaube entstand aus einer lebendigen Erkenntniß, ohne daß sie eine Erkenntniß seines ganzen Lebens gehabt hätten: so m. g. F. ist es auch mit uns. Es kann ein einzelner Augenblik sein, in welchem ein göttliches Wort von ihm die Seele ergreift. Ja für viele Menschen, die unter Christen geboren sind und erzogen, tritt doch der Erlöser plötzlich aus der Verborgenheit hervor, weil sie sich noch nicht um ihn bekümmert hatten, und so wirkt er auf sie, daß sie in ihm erkennen die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes. So ist der Glaube von Anfang an entstanden, und so soll seine Entstehung immer sein. Es ist ein unmittelbarer Zusammenhang, der mitten in dem Leben entsteht zwischen der göttlichen Kraft des Erlösers und zwischen der des Heils bedürftigen Seele, die in einem von der Vorsehung dazu erwählten Augenblik den Erlöser schaut, um sich an ihn zu wenden. Und wenn wir darauf achten, wie die Nachrichten, die uns in der Schrift von dem Erlöser mitgetheilt sind, jezt vor uns liegen: so finden wir darin einen Wink der Vorsehung, die uns dadurch zu erkennen geben will, wir sollten eher glauben einen Überfluß zu haben als Mangel denn unter den vier Büchern von dem Leben des Erlösers, die wir in unserer heiligen Schrift gesammelt finden, wie vieles giebt es aus seinem Leben, welches zwei oder drei oder alle übereinstimmend erzählen! Wenn es nun darauf angekommen wäre in einem engen Raum eine Mannigfaltig29 Vgl. Joh 1,14
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keit von Nachrichten zu sammeln, so hätte doch an jeder Stelle in diesen Büchern, wo wir Übereinstimmendes finden, eine andere Nachricht von dem Erlöser stehen können, und wir würden auf diese Weise eine größere Fülle haben. Indem aber die Vorsehung die Abfassung dieser Bücher nicht so geleitet hat, so sehen wir deutlich, daß es ihre Absicht nicht gewesen ist uns ein zusammenhängendes Bild von dem Leben des Erlösers zu geben. Ja laßt uns auf einen in einem großen Theil der christlichen Kirche herrschenden Gebrauch sehen, den ich seinem ganzen Inhalt nach nicht vertheidigen will, der aber doch zeigt, welches der in dieser Hinsicht herrschende Sinn gewesen ist. Ich meine dies, daß in einem großen Theil unsrer Kirche aus den vier Evangelien nur einzelne Abschnitte ausgewählt werden, um daran in den öffentlichen Versammlungen der Christen die Erbauung zu knüpfen, dagegen alles Übrige oft Reichhaltigere in Schatten gestellt wird dadurch, daß es mehr der Betrachtung des Einzelnen überlassen wird. Ich will wie gesagt diese Gewohnheit nicht vertheidigen, sondern halte es für einen Gewinn, wenn wir uns davon immer mehr losmachen; aber doch sehen wir, daß man seitdem diese Bücher zum öffentlichen Gebrauch gekommen sind, nicht geglaubt hat, daß alle Nachrichten von dem Erlöser nothwendig sind um den Glauben zu erweken und zu vervollständigen, sondern daß in der christlichen Kirche ein Bewußtsein von einer vorhandenen Fülle in dieser Hinsicht geherrscht hat. Allein wir schöpfen unsern Glauben und prüfen ihn nicht mehr allein nach dem und aus dem, was uns als Wort und That des Erlösers überliefert wird, sondern es kommt hinzu der Schaz von Reden und Briefen seinen Jünger. | Aber da lautet manches dem Anschein nach anders als was der Erlöser selbst gesagt hat, und nicht selten fehlt es den Christen daran, mit Leichtigkeit eine unmittelbare Verbindung zwischen beiden zu finden. Daher denn auch der klügelnde menschliche Verstand nicht selten darauf gefallen ist, einen Unterschied machen zu wollen zwischen der Lehre des Erlösers selbst und der seiner Jünger. Und da könnte man meinen, nur so den Glauben in Beziehung auf alle einzelne Theile unsrer heiligen Schrift in Übereinstimmung zu bringen, welch ein Gewinn müßte es sein, wenn wir viel mehr Nachrichten hätten von dem Leben des Herrn, indem darunter manches sein müßte, woraus die Apostel ihre Vorstellungen geschöpft haben, wie wir sie in ihren Reden und Briefen finden. Aber m. g. F. auch das wäre nicht im Stand unsern Glauben zu befestigen. Die Natur der Sache bringt es mit sich, daß was innerlich Eines ist, doch äußerlich als Rede und That sich in dem Einen so in dem Andern anders gestaltet. Wer sich dadurch irre machen läßt, dem würde durch die Fülle der Nachrichten nicht geholfen werden können, sondern er würde dann nur noch mehrere der Abweichungen finden. Aber so wie wir zuerst feststellen, daß der Glaube an den Erlöser nie anders entsteht als durch einen unmittelbaren Eindruk auf das Gemüth: so beruht auch unser Glauben an die Übereinstimmung zwischen dem Erlöser und seinen Jüngern
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weniger auf der Wiederkehr derselben Gedanken an dem einen und andern Ort, als auf dem Eindruk, den uns ihr ganzes Dasein giebt davon, wie sie innig hielten an ihrem Herrn und Meister, und wie sie alles was sie uns geben nur haben konnten von ihm – dies festgestellt werden wir sagen müssen, daß wir zu allem was wesentlich ist in der Lehre der Apostel, die bestimmtesten Anknüpfungspunkte finden in dem was uns von der Lehre des Erlösers hinterlassen ist. Wenn sie davon reden, daß das Heil der Menschen auf nichts Anderm ruhen könne als auf dem Glauben, und daß kein Fleisch gerecht werden könne durch die Werke des Gesezes: was sagen sie anders, wenn gleich mit andern Worten, als was der Erlöser uns selbst zuruft „das ist das ewige Leben, daß sie glauben an dich und den du gesandt hast?” Wenn sie davon reden, daß wir die Vergebung der Sünde und die Erlösung überhaupt nur haben in dem Blute Christi: was sagen sie anders, wenn gleich auf andre Weise, als was der Erlöser selbst sagt „wenn ihr nicht mein Fleisch esset und mein Blut trinket, so habt ihr kein Leben in euch?” Wenn sie reden von den Wirkungen des Geistes in der Gemeine der Christen; wenn sie davon reden, daß in ihrem Wort die erste Grundlage zu dieser Ordnung der christlichen Gesellschaft liege, was sagen sie anders als was der Erlöser sagt, indem er seinem Vater die Bitte vorträgt, daß seine Jünger sollten unter einander Eines sein wie er mit ihm Eines war. Doch was wäre es nöthig dies noch weiter auszuführen! Was sie reden, reden sie getrieben von dem Geist, der ihnen verheißen und gegeben war, von dem der Erlöser selbst sagt, er werde sie alles dessen erinnern was er ihnen gesagt. Und so m. g. F. laßt uns fest stehen in der Ueberzeugung, daß um den Glauben in den Seelen der Menschen zu erweken, daß Jesus der Christ sei, wir genug wissen von dem, was er während seines Lebens aus der ihm einwohnenden Fülle der Gottheit geredet und gethan hat. – Aber auch m. g. F. wenn wir darüber nachdenken, daß es zwar ein köstliches Ding ist wenn der Glaube Wurzel geschlagen hat in der Seele, aber daß er doch eine lange Zeit hindurch ein zartes Gewächs ist, welches wieder verwelken kann, und daß der Glaube daher immer wieder aufgefrischt werden muß. O sollte Einer unter | uns sein, der das Wort des Lebens treulich benuzt, aber sagen könnte, in irgend einem Augenblik des Lebens habe er nach Licht gesucht in den Worten des Erlösers, und habe es nicht gefunden, habe er nach Trost verlangt, und sei ungetröstet heimgegangen? Nein m. g. F. diese Erfahrung wird keiner unter uns gemacht haben; er müßte sich denn dessen bewußt sein, daß das Auge seines Geistes getrübt gewesen ist, daß ein Schleier gehangen hat vor seinem Antliz, durch welchen seine Blike nicht dringen konnten. Darum m. g. F. ohne zu klügeln darüber, daß 7–9 Vgl. Röm 3,20; Gal 2,16 11–12 Vgl. Joh 17,3 12–13 Vgl. Eph 1,7 15 Vgl. Joh 6,53 16–17 Vgl. 1Kor 12,1–11 19–20 Vgl. Joh 17,20–21 24 Vgl. Joh 14,26 26–27 Vgl. Kol 2,9 28–29 Vgl. Hebr 13,9
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es so weniges ist, was uns von dem Leben Christi auf Erden aufbewahrt ist, laßt uns immer über dem Wort halten, auf welches die ganze christliche Kirche und besonders unsre menschliche gebaut ist; laßt uns dabei halten, daß wir dieses köstliche Kleinod allen künftigen Geschlechtern bewahren, und daß jeder zum Heil seiner Seele eine immer genauere Bekanntschaft mit demselben knüpfen kann. Dann wird auch jeder die Frucht der Erscheinung des Erlösers genießen. II. Das Zweite m. g. F., was wir in der Beziehung zu überlegen haben, ist dies, daß was wir vielleicht noch wünschen können, abgesehen von jenem ursprünglichen Zwek, den alle diese Nachrichten haben, daß dies doch durch eine größere Fülle derselben nicht würde erreicht werden. Wer einigermaßen mit der Geschichte der christlichen Kirche und mit ihrem gegenwärtigen Zustand bekannt ist, dem ist es gewiß eine schmerzliche Empfindung, daß der Erlöser selbst zu keiner Zeit dem entgangen ist, auf eine solche Weise gemißdeutet zu werden, wie wir dies in Beziehung auf andre Menschen gewohnt sind. Und da könnte man denken, hätten wir ein zusammenhängendes Bild seines Lebens, so würde dieser falsche Wahn leicht zu widerlegen sein. An dem scheinbaren Mangel an Zusammenhang schließt sich dieses verkehrte Bemühen an. Aber m. g. F. das hat doch seinen Grund nur darin, daß das Wort Fleisch geworden ist; und wie der Erlöser in allem den Menschen gleich war, ausgenommen in der Sünde, so konnte es auch nicht fehlen, daß ihm nicht dasselbe begegnen mußte, was andern begegnet ist. Wo ist denn Einer, den Gott sich ausgewählt hatte das Gute und Rechte zu enthüllen und darzustellen, der weiter gekämpft hat sein Leben hindurch gegen alles dasjenige in seiner Zeit, was er erkannte als widerstrebend der Wahrheit; wo ist Einer, der diesen verleumderischen Mißdeutungen hätte entgehen können? Worin hat aber dieses verkehrte Wesen, daß gerade das in dem Menschen, was mit dem Göttlichen zusammenhängt, doch so oft von denen, die das Gute nicht lieben und nicht wollen, als das Verwerfliche dargestellt wird, worin hat das seinen Grund? Wenn auch alles in seinem Leben auf das genaueste zusammenhinge, so daß es keinen Augenblik gäbe, von dem man nicht sagen könnte, dies und nichts anderes ist darin geschehen: so ist es doch die Verbindung zwischen dem Innern und dem Äußern, die nie kann zu Tage gebracht werden, und da heißt es „ist dein Auge licht, so wird dein ganzer Leib Licht sein; ist aber dein Auge dunkel, so wirst du auch ganz in Finsterniß wandeln“. Das ist es also. Diejenigen, welche sich dem Rathe Gottes und dem, den er zur Erfüllung desselben gesandt hat, widersezen, die sehen mit diesem dunkeln Auge in die 21 Vgl. Joh 1,14 6,22–23; Lk 11,34
21–22 Vgl. 2Kor 5,21; Phil 2,7; 1Joh 3,5
36–37 Vgl. Mt
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helle Erscheinung hinein, das Licht aber erhellt ihr dunkles Auge nicht; und sei es, daß sie sich kein anderes menschliches Innere denken können als das ihrige, welches tief in das Irdische versenkt ist; oder sei es, daß sie eine | Ahndung davon haben, es sei etwas Größeres PzumS Vorschein gekommen, aber das müsse verborgen bleiben, damit sie ungestört in ihrem verkehrten irdischen Treiben beharren könnten; sei es das Eine oder das Andre: so lange es solche Menschen giebt, wird nichts frei bleiben von jener Verdrehung. Je mehr etwas in seiner Hoheit und Größe einen Eindruk auf sie macht, desto mehr werden sie bemüht sein es zu verdunkeln. So ist es dem Erlöser ergangen unter den Menschen seiner Zeit. Umgeben von allen Beweisen der göttlichen Fülle in ihm, sprachen sie doch daß er ein Verführer des Volks sei, und daß er die Schrift nicht verstehe, weil er sie nicht in ihren Schulen gelernt hatte. So ist es seinen Jüngern ergangen und allen, die an der Reinigung der Kirche von den Mißbräuchen, welche sich in sie eingeschlichen hatten, arbeiteten. Eben so auch allen, welche bekannt sind mit der Geschichte der Kirche, ist es ein Gegenstand des Schmerzes, daß das Einssein der Christen unter einander, welches der Erlöser selbst von seinem Vater erbeten hat, doch immer noch nicht so zu Tage kommen will wie es der Fall sein sollte; sondern wenn eine Uneinigkeit gedämpft ist in der christlichen Kirche, so entsteht eine andre. Aber bleiben wir auch in unsrer evangelischen Kirche stehen, wie viel Verschiedenheit der Denkungsarten und Ansichten unter denen, die doch alle den Namen des Erlösers bekennen! wie viele Streitigkeiten, die oft grade den Mittelpunkt des Christenthums zu treffen scheinen! Und alle gehen zurük auf die heilige Schrift, keiner getraut sich zu sagen, was er rede sei zwar christlich, aber es komme seinem Wissen nach nicht vor in unsern heiligen Büchern. Da möchte man denen sagen, hätten wir mehr von den Worten des Herrn, so würde des Streitens weniger sein, und einzelne Verschiedenheiten könnten dann bald ausgeglichen werden. Aber m. g. F. auch das werden wir verneinen müssen. Nicht der Mangel an entscheidenden Worten der Schrift [ist] es, was der Einigkeit der Christen im Wege steht, sondern auf der einen Seite dies, daß was wesentlich dasselbe ist, sich doch in dem Einen so, in dem Andern anders gestaltet; und so giebt es eine Menge von Verschiedenheiten in den Meinungen der Christen, die uns nicht so beunruhigen sollten als sie es thun, sondern die wir ansehen sollten als solche, die nach dem göttlichen Willen neben einander bestehen: Das Zweite ist dies, daß die Schriften des neuen Bundes angehören einer uns fern liegenden Zeit und geschrieben sind in einer uns fremden Sprache. Da ist es nicht möglich, daß nicht Verschiedenheiten sein sollten in der Art, wie dies und jenes aufgefasst wird. 19 es] er 11 Vgl. Kol 2,9
11–13 Vgl. Joh 7,12.15
16–18 Vgl. Joh 17,20–21
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Wie viele Reden giebt es nicht in unsrer Sprache und unsrer Zeit, die einen gewissen Grad von Vieldeutigkeit in sich schließen! Und es sollte anders sein mit Schriften, deren Inhalt mit Genauigkeit in unsre Sprache zu übertragen nicht möglich ist? So hoch und theuer uns das geschriebene Wort sein muß worauf unsre Einsicht in die Wahrheit beruht, so werden wir doch gestehen müssen, der Glaube in seinem Wesen ist derselbe, mögen einzelne Stellen so oder anders gedeutet werden, Da sollen wir halten an dem Wort des Apostels „so ihr aber etwas anderes haltet, so wird es euch Gott offenbaren.“ Das ist es. Irre sollen wir uns nicht machen lassen bei jenen Verschiedenheiten und sie nicht zurükführen wollen auf die Unzulänglichkeit der Schrift, sondern den Grund suchen in der Beschränktheit der menschlichen | Natur; aber uns auch dadurch anspornen lassen die Schrift immer mehr zu erforschen. III. Endlich m. g. F. müßen wir uns gestehen, daß um den Glauben zu erweken und zu erhalten, wir genug haben an dem, was uns über Christum in der Schrift gesagt ist. So laßt uns denn jenen Wunsch als leer entfernen; denn eben weil er leer ist, so kann er nur verderblich sein. O m. g. F. worin anders kann er seinen Grund haben als auf der einen Seite in einer Neugierde, die, wie heilig auch der Gegenstand ist, doch nur Eitelkeit ist; dann aber auch ein Übergewicht der Sinnlichkeit in der Art und Weise den Erlöser zu betrachten. Laßt uns sehen, was beides in der Kirche hervorgebracht hat. Die Neugierde erwekt ein Bestreben nach dem Wunderbaren; und so sind aus Neugierde in der früheren Zeit der Kirche eine Menge von fabelhaften Nachrichten über das Leben des Herrn zum Vorschein gekommen. Wie wenn er uns dargestellt wird in seiner Kindheit schon mit seiner Wunderkraft wirkend auf alles was ihn umgab. Welch ein falsches Bild von dem Erlöser muß daraus entstehen! Wohl das ist vorüber. Aber diese Neugierde, wenn sie die Lüken in den Nachrichten von Christo ergänzen will, wie kann das geschehen, ohne daß wir von dem Eigenen etwas hineintragen; und das kann nicht sein ohne menschliche Eitelkeit. Darum laßt uns die Neugierde entfernen, damit uns die köstliche Perle des Evangeliums bleibe. Jenes fleischliche Wesen aber, welches in der Fülle des Menschlichen seine Befriedigung findet, was ist daraus entstanden? Wenn der Mensch noch nicht reif ist zur Verehrung des Erlösers im Geist und in der Wahrheit, sondern eine Menge von Äußerlichkeiten bedarf, und es fehlt ihm daran in dem Leben des Erlösers: so sieht er sie bei Andern. Da war es denn die Mutter des Erlösers, die zuerst ein Gegenstand für diesen fleischlichen Sinn wurde. Von da ging es über auf die ersten Zeugen des Herrn, die wohl fühlten und verkündigten den Abstand zwischen dem Meister und den Jün8–9 Vgl. Phil 3,15
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gern, aber frühe wurden sie erhoben zu einer Höhe, die ihnen nicht gebührte. Und welch eine Menge von Menschen in der Kirche, durch nichts ausgezeichnet als durch die Leichtigkeit, die ihr Leben darbot für das Wunderbare, sind so der Gegenstand der Verehrung geworden. So ist die Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit verdunkelt worden und immer mehr das Wort des Erlösers in Schatten gestellt, daß wir unsre Gerechtigkeit suchen sollen im Geist, nicht im Wort. Ja m. g. F. wir können nicht wachsam genug sein gegen diese Verkehrtheit, die vom Anfang die Quelle des Mißbrauchs gewesen ist. Laßt uns festhalten an dem lebendigen Glauben, der da weiß, was Gott gegeben hat in Christo, das ist genug zu unsrer Seligkeit; an dem Glauben, daß der Erlöser gekommen ist, um uns zu erheben zur Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit; und was nicht Geist ist, das ist auch nicht Wahrheit. Aber den Geist werden wir finden in den Worten des Herrn und seiner Jünger, und eben so die Wahrheit, welche Johannes ausspricht in unserm Texte, daß Jesus der Christ sei. Dabei bleibend laßt uns alles Andre verscheuchen; laßt uns fest daran halten, daß der Erlöser der Eine, und daß wir keinen andern brauchen außer ihm; und daß es keinen andern Mittler giebt und wir auch keinen andern suchen sollen zwischen Gott und den Menschen, denn allein Jesum den Christ. Amen.
[Liederblatt vom 30. April 1826:] Am Sonntag Rogate 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Sollt ich meinem etc. [1.] Lasset uns mit Jesu ziehen / Auf der Bahn, die er uns brach; / In der Welt der Welt entfliehen, / Seinem Vorbild folgen nach! / Immerfort gen Himmel reisen, / Irdisch noch, doch himmlisch sein, / Glauben recht und leben rein, / Glauben in der Lieb erweisen. / Jesu, bleibe du bei mir / Geh voran, ich folge dir. // [2.] Lasset uns mit Jesu leiden, / Seinem Vorbild werden gleich! / Nach dem Leide folgen Freuden, / Armuth hier macht dorten reich. / Thränensaat bringt Heil und Wonne, / Hofnung tröstet mit Geduld; / Denn es scheint durch Gottes Huld / Nach dem Regen bald die Sonne. / Jesu hier leid ich mit dir, / Dort gieb deine Freuden mir. // [3.] Lasset uns mit Jesu leben, / Weil er auferstanden ist, / Du wirst aus dem Grab uns heben, / Jesu, unser Haupt du bist! / Wir sind deines Leibes Glieder; / Wo du lebst, da leben wir. / Ach erkenn uns für und für / Nur bei Gott für deine Brüder! / Jesu dir leb ich schon hier; / Ewig bin ich dort bei dir. // 4–5 Vgl. Joh 4,23–24 6–7 Vermutlich in Bezug auf Mt 5,20–48 Joh 4,23–24 18–19 Vgl. 1Tim 2,5; Hebr 12,23–24
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Nach dem Gebet. – Mel. Jesu meine Freude etc. [1.] Wort aus Gottes Munde, / Wort vom ewgen Bunde, / Evangelium! / Bald da wir gesündigt / Wurdest du verkündigt / Zu der Gnade Ruhm. / Welches Heil ward uns zu Theil / Durch die Botschaft, daß vom Bösen / Gott uns wird erlösen. // [2.] Alles ist vollendet, / Uns ist zugewendet / Reiche Gnad’ und Huld. / Jesus ist gestorben, / Er hat uns erworben / Tilgung aller Schuld. / Jesus lebt und er entschwebt, / Um auf Gottes Thron zu sitzen / Und sein Reich zu schüzen. // [3.] Uns in Sünden todten / Machen Jesu Boten / Heil und Leben kund. / Hehr und lieblich klinget, / Geist und Herz durchbringet, / Was uns sagt ihr Mund. / Alle Welt wird nun erhellt; / Daß man glaub’ und sich bekehre, / Heißt die Himmelslehre. // [4.] Kommt zerknirschte Herzen, / Denen bittre Schmerzen / Das Gesetz erregt. / Er hat euch geladen, / Der aus lauter Gnaden / Eure Schmerzen trägt. / Jesu Blut stärk’ euren Muth! / Gott ist hier, der euch geliebet / Und die Schuld vergiebet. // [5.] Dieser Grund bestehet; / Wenn die Welt vergehet, / Fällt er doch nicht ein! / Darauf will ich bauen, / So wird mein Vertrauen / Wahrhaft christlich sein. / Auch will ich nun würdiglich / In der Kraft, die mir gegeben, / Wahrhaft christlich leben. // Nach der Predigt. – Mel. Wie schön leucht’t etc. Wie groß, wie angebetet ist / Dein Nam, o Heiland Jesu Christ, / Wie herrlich bei den deinen. / Führst du uns einst zu deiner Ruh, / O wie weit herrlicher wirst du / Den Frommen dann erscheinen. / Ewig müsse dir zur Ehre / Ihrer Chöre / Lob erschallen, / Durch die Himmel wiederhallen! //
Am 4. Mai 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Christi Himmelfahrt, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 14,1–6 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LXV, S. 417– 427; König Keine Nachschrift; SAr 91, Bl. 69r–87v; Andrae Nachschrift; SAr 56, Bl. 187r–194v; Schirmer Nachschrift; SAr 65, Bl. 83r–84v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am Himmelfahrtstage 1826.
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I. Laßt uns aber zuerst auch die Grundlage betrachten, auf welche er alles baut was er hierüber seinen Jüngern sagt nicht nur in den verlesenen Worten sondern auch in der weitern Fortsezung seiner Rede, wie wir künftig werden zu betrachten haben, nämlich daß er sagt, Glaubet an Gott, und glaubet auch an mich. Seinen Jüngern brauchte er allerdings nicht jezt erst zuzureden, daß sie überhaupt an Gott und ihn glauben sollten. Denn in dem Glauben an Gott, ja auch in dem Glauben an alle große und heilige Verheißungen die in dem Schooße ihres Volkes niedergelegt waren, hatte er sie schon gefunden als er sie zu Jüngern wählte; und den Glauben an ihn hatten sie seitdem der erste Keim desselben der Grund ihres näheren Verhältnisses zu ihm geworden war immer weiter entwikkelt, und wußten es, und wären nicht wieder davon abzubringen gewesen daß er derjenige sei welchen Gott zum Heil des menschlichen Geschlechts gesandt habe. Wenn er sie dennoch hier zu diesem Glauben ermahnt, so will er zweierlei damit sagen. Zuerst ist es die rechte Festigkeit des Glaubens, und zwar in Beziehung auf das was über das irdische Leben hinausgeht, wozu er sie ermuntert; dann aber auch vor|züglich dies, daß er den Glauben an Gott und den Glauben an ihn selbst verlangt als etwas was zwar zweierlei zu sein scheint, aber so unzertrennlich mit einander verbunden sein muß, daß es eines und dasselbige ist. Was nun das erste betrifft m. g. F., so ist unser ganzes Wissen und Erkennen, unser ganzes Thun ebenfalls so völlig auf den Schauplaz dieser Erde beschränkt, daß sie uns eben deshalb mit allem was sie hervorbringt trägt und bewegt als ein ganz abgesondertes ganze erscheint, und wir keine Verbindung sehen zwischen dem Leben hier auf Erden und, wenn dieses in einem einzelnen Wesen aufgehört hat, irgend einem anderweitigen Bestehen und Zustande desselben. Da ist es eben diese Festigkeit des Glaubens in Beziehung auf das was über das irdische Leben hinausliegt, welche der Erlöser verlangt. Diese aber beruht doch zunächst darauf, daß wir unser Bewußtsein von Gott uns so weit entwikkeln daß wir uns selbst sagen müssen, solche Schranken wie für uns sind für ihn nicht vorhanden, für ihn ist diese Erde und die Kraft die er in sie gelegt hat, das menschliche Geschlecht mit seinem vernünftigen Geiste zu entwikkeln, zu tragen und zu erhalten, nicht etwas abgeschlossenes und auf sich selbst beschränktes, sondern sie ist für ihn nur ein kleiner Theil seiner großen und unter sich durch seine ewige Kraft auch vollkommen zusammenhangenden Werke; was uns in dieser Hinsicht unmöglich scheint, ein Uebergang von einem dieser Weltkörper an welchen sich seine Allmacht offenbart zu dem andern, ist für ihn etwas leichtes, und wenn wir uns nun einmal Gott nicht anders denken können als in der Aehnlichkeit mit dem Menschen, weder in seinem 41 Vgl. Gen 1,27
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Denken und Erkennen noch in den Beschlüssen seiner Allmacht ist irgend etwas so beschränktes und gesondertes als bei uns. Darum so wir auf die ewige Kraft und Gottheit des Wesens sehen welches alles regiert und alles trägt: so kann unsern Glauben und unsere Hoffnung das nicht niederschlagen, daß es etwas unwahrscheinliches sei, der Geist der den Kreislauf seines jezigen Lebens auf | dieser Erde gehalten und beschlossen hat, werde dasselbe anderswo und in einem höheren Sinne fortsezen. Das zweite ist dies, daß der Erlöser den Glauben an Gott und den Glauben an ihn selbst als innig mit einander zusammenhangend und als eins und dasselbe darstellt. Denn nach unserer Weise scheinen uns freilich diese beiden Säze von einander getrennt, als ob zweierlei sei glauben an Gott und glauben an ihn; aber das ist nur nach der Weise zu reden der damaligen Zeit und nach damaliger Einfachheit. Es war aber die Absicht des Erlösers, daß beides sollte als eines und dasselbe gedacht werden, als ob er sagen wollte, Wenn ihr an Gott glaubet, so glaubet ihr auch an mich. Das stimmt ja auch sehr überein mit vielen seiner tiefsinnigsten und herrlichsten Aeußerungen die wir anderwärts lesen, als wenn er sagt, daß niemand den Vater kennt, und ohne Kennen kann es keinen Glauben geben, denn der Sohn und wem es der Sohn will offenbaren. Nur also wenn wir an den glauben als an denjenigen in welchem sich Gott offenbart hat, können wir Gott kennen und also auch an Gott glauben. Dessen aber werden wir uns wol in uns selbst bewußt werden, daß wir wenn gleich an die äußeren Werke Gottes in der Schöpfung gewiesen, und obwol wissend daß, wie der Apostel Paulus in seinem Briefe an die Römer sagt, wir die ewige Kraft und Gottheit des Höchsten ersehen können so wir sie wahrnehmen an den Werken der Schöpfung, daß wir doch zu der rechten Erkenntniß Gottes, die nicht nur unsern Verstand über diese Welt erhebt sondern auch das innerste unseres Gemüths befriedigt, zu der Erkenntniß daß Gott die Liebe ist, nicht anders gekommen sind als durch seinen Sohn und durch die Erkenntniß der Werke die er seinem Sohne nicht nur gegeben sondern durch ihn auch offenbart hat. So gilt dies auch besonders von dem Glauben an Gott und dem Vertrauen auf Gott in der Beziehung worin der | Herr hier beides entwikkeln will. Denn freilich sind wir uns des Adels und der Vortrefflichkeit der menschlichen Natur bewußt, aber auch ihrer Verunstaltung durch die Sünde, die derselben anklebt und alle Lebensthätigkeiten des irdischen Menschen begleitet. Darum wenn uns das eine erhebt, so schlägt uns das andere nieder. Wenn wir des erstern wegen die Hoffnung aufrichten könnten, daß einem solchen Geist dem die Erkenntniß des ewigen Wesens möglich ist nicht könne der Tod bestimmt sein, und ein so kurzes Leben wie das gegenwärtige ist: so schlägt uns das andere nieder, 17–19 Vgl. Mt 16,15–16 31 Vgl. Joh 5,36; 10,25
24–26 Vgl. Röm 1,20
28–29 Vgl. 1Joh 4,16
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und wir wissen nicht, ob nicht mit vollem Rechte ein mit der Sünde beflekkter Geist beschränkt bleibt auf diesen irdischen Schauplaz. Und von dieser Unwissenheit, mit welcher wir alle Hoffnungen der Menschen die sich auf das höhere beziehen behaftet finden, würden wir nicht anders befreit worden sein als durch Christum den Erlöser. Denn weil in ihm dieselbe menschliche Natur war, aber unbeflekkt durch die Sünde, so erscheint, uns in ihm die Möglichkeit daß der menschliche Geist von ihr ganz könne erlöst werden; und so wie uns dies möglich erscheint so muß auch verschwinden was uns niederschlägt, und unsere Hoffnung fest bleiben. In der Möglichkeit daß sich die Fülle der Gottheit in der Person Christi mit der menschlichen Natur vereinigen konnte, darin daß das wahr geworden ist, und ein solches Leben erschienen ist auf Erden, liegt die sichere Hoffnung in Beziehung auf die ewige Bestimmung des menschlichen Geistes.
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II. Indem nun aber der Erlöser auf diese Grundlage die Beruhigung bauen will welche er seinen Jüngern, nun er sich immer deutlicher und bestimmter über seine nahe Entfernung von der Erde ausläßt, mitzutheilen sucht: so thut er zuerst dies, daß er ihnen eine Vorstellung giebt und sie erinnert über das was er schon früher gesagt hatte, über das was er sein werde nach seiner Entfernung von der Erde, und über die Fortdauer des Verhältnisses zwischen ihm und dem menschlichen Geschlecht. Er verbindet aber beides auf eine unzertrennliche Weise mit einander, wie | es ihm auch in seinem ganzen Leben eins und dasselbe war. Denn sein ganzes Leben und Wesen war nichts anderes als die Bestimmung das menschliche Geschlecht zu erlösen und zur Gemeinschaft mit Gott zurükkzuführen. So sagt er also, In meines Vaters Hause, als dem Ort wohin ich zurükkehre, sind viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, so wollte ich zu euch sagen, Ich gehe hin euch die Stätte zu bereiten. Damit nun sagt er zweierlei. Einmal daß schon in dem ewigen Rathschluß Gottes für diese Wohnungen in seinem Hause gesorgt sei, daß es da Stätten gebe für die welche durch den Glauben an Christum zur Gemeinschaft mit Gott wiedergeboren sind; dann aber auch, daß wenn es diese nicht gebe, so würde es doch eben schon in seiner Bestimmung und in der Gewalt die ihm gegeben sei liegen, sie den seinigen zu bereiten. Was heißt das anders m. g. F. als dies, daß der ewige Rathschluß Gottes in Beziehung auf die Bestimmung des menschlichen Geistes und Geschlechts, und der Rathschluß der Erlösung durch die Sendung seines Sohnes, einer und derselbe sei und gar nicht getrennt werden könne. Gott hätte jenen Rathschluß über das menschliche Geschlecht wie es mit der Sünde behaftet ist nicht fassen können, wenn er nicht zugleich gefaßt hätte den Rathschluß der Erlösung; aber dieser ist auch die Bürgschaft für das 6 Vgl. Joh 8,46; 2Kor 5,21
10 Vgl. Kol 2,9
18–20 Vgl. Joh 12,20–36
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ewige Heil, welches die göttliche Liebe denen deren Natur einem solchen Verhältniß geeignet und angemessen ist bereitete. So sieht der Herr also beides als eins und dasselbe an, sein eigenes Auffahren zum Vater und seine Sorge für die Stätte der seinigen, auf daß sie da sein mögen wo er ist. Das bestätigt er nachher uns aufs bestimmteste durch die Worte die er zum Thomas sagt, Niemand kommt zum Vater denn durch mich, daß er also das zum Vater Kommen als den Ort darstellt wo er hingeht, daß aber auch zugleich so wie er dort hingeht alle die an ihn glauben durch ihn ebendahin kommen, aber auch auf keine andere Weise dazu | gelangen können, eben wegen der Unzertrennlichkeit der Bestimmung des menschlichen Geschlechts, und der Erlösung desselben durch ihn. Wenn nun gesagt wird, daß nachdem der Herr aufgenommen worden von der Erde, so size er zur rechten Gottes: so erscheint uns das als etwas ihm eigenthümliches, als der Ausdrukk jener genauern Verbindung zwischen ihm und seinem und unserm Vater, welche nicht zugleich die unsrige ist; und das könnte dann freilich ein Grund sein, daß unser Herz erschräke, wie seine Rede in den Worten unseres Textes damit anfängt, Euer Herz erschrekke nicht. Aber es soll keine Sonderung sein und nichts ihm allein eigenthümliches sollen wir uns denken mit dem Sizen zur rechten Gottes, sondern das Haus des Vaters als viele Wohnungen enthaltend, damit wo der Herr ist auch die sein mögen welche ihm angehören, wie er sagt, Ich will wiederkommen, und euch zu mir nehmen, auf daß ihr seid wo ich bin. Ja m. g. F. so sehr hat sich der Erlöser dadurch daß er auf Erden erschienen ist und uns den Vater offenbart hat das Geschlecht der Menschen angeeignet, daß nun die Verbindung zwischen ihm und denen welche an ihn glauben, und durch ihn des rechten und lebendigen Glaubens an seinen und unsern Vater theilhaftig geworden sind, als etwas unzerstörbares und ewiges feststeht. Darum denken wir uns nun ihn zur rechten Gottes erhöht, so ist das freilich so und in diesen Worten nichts anderes als der Ausdrukk seiner eigenthümlichen Vereinigung mit dem göttlichen Wesen. Darum aber sezt er eben das andere dazu, wir sollen uns das Haus des Vaters denken als viele Wohnungen in sich schließend, welche alle die Stätten in sich fassen die der Herr den seinigen bereitet, und zwar nicht irgend anderswo von ihm getrennt, sondern daß wir es als einen Ort denken wo er ist und wo wir sein sollen. In dem allen m. g. F. ist freilich ein Herabsteigen zu der Unvollkommenheit und Sinnlichkeit der menschlichen Vorstellungen. Denn wie der Herr nicht nöthig hatte die Erde zu verlassen um | bei seinem Vater zu sein, indem er so deutlich sagt, daß er überall bei ihm und er mit dem Vater eins sei, und daß der Vater ihn nie und nirgends allein lasse: so ist es auch nicht die Vorstellung von einem andern bestimmten Ort, an welche wir uns hal13 Vgl. Mk 16,9
39 Vgl. Joh 8,29; 16,32
39–40 Vgl. Joh 10,30
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ten und unsern Glauben heften sollen, sondern es ist keine andere als die von seiner Vereinigung mit uns, und dann auch von unserer Vereinigung mit seinem und unserm Gott, mit seinem und unserm himmlischen Vater. Aber diese sollen wir uns freilich als etwas herrliches denken, unvergleichlich mit der wozu wir schon auf Erden gelangen. Was für den Erlöser nichts war als ein Zurükkehren, weil in seinem Verhältniß zu seinem und unserem Vater kein Wechsel gewesen war und keine Veränderung, keine Abnahme und Zunahme, das ist für uns ein Hinaufsteigen, ein Uebergang von dem irdischen zu dem himmlischen, von dem vergänglichen zu dem unwandelbaren, zu dem was in einem solchen Sinne ewig ist – denn ewiges Leben haben die schon hier, welche durch den Glauben an den Erlöser vom Tode zum Leben hindurchgedrungen sind, – aber auch in dem Sinne ein ewiges, daß es keinem zeitlichen Wechsel mehr unterworfen ist, wie wir es in diesem Leben erfahren, wenn es auch das Leben des Glaubens und der Liebe geworden ist. Vorher m. g. F. hatte der Erlöser schon öfter in öffentlichen Reden wobei das ganze Volk war gesagt, er würde sie bald verlassen, aber wo er hinginge wüßten sie nicht, weil seine Rede nicht bei ihnen Wurzel gefaßt, und sie die richtige Vorstellung von dem Reiche Gottes, welches hier und dort eins und dasselbe ist, nicht hätten aufnehmen wollen, damit sie es wüßten. Daher könnten sie auch nicht dahin kommen. Und eben daran hatte er noch seine Jünger erinnert in dem lezten Theil seiner Rede im vorigen Kapitel, wo er sagt, Ich werde noch eine kleine Weile bei euch sein; | ihr werdet mich suchen; und, wie ich zu den Juden sagte, wo ich hingehe da könnt ihr nicht hinkommen. Jezt aber ohne daß irgend eine Zeit dazwischen vergangen wäre, aber so daß er ihnen zugerufen hat, Glaubet an Gott, so glaubet ihr auch an mich, sagt er das Gegentheil, Wo ich hingehe das wisset ihr, und den Weg wisset ihr auch. In der vorigen Rede sofern sie auch an sie gerichtet war wendet er sich an ihre Schwachheit, indem sie immer in einem gewissen Maaße und auf eine gewisse Weise die beschränkte Denkungsart ihres Volks theilten, und glaubten, daß das Reich Gottes nicht nur in ihnen sein könne, sondern mit äußerlichen Zeichen und Gebehrden kommen müsse. In sofern sie mit dieser Schwachheit behaftet waren, sagt er, Wie ich zu den Juden sagte, wo ich hingehe könnt ihr nicht hinkommen. Hier aber wendet er sich an den in ihnen aufs neue gestärkten Glauben, an den in ihnen durch sein Wort belebten Muth in Vereinigung mit der Erkenntniß die sich bei ihnen festgesezt hatte, daß sie sich von ihm nicht trennen könnten, weil er allein die Quelle des ewigen Lebens sei; und daher sagt er, Wo ich hingehe das wisset ihr, und den Weg wisset ihr auch. 2–3 Vgl. Joh 20,17 10–12 Vgl. Joh 5,24 Lk 17,20–21 38 Vgl. Joh 4,64
23–25 Joh 13,33
32–33 Vgl.
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Aber Thomas m. g. F., den wir nicht als einen nichtigen Zweifler verurtheilen dürfen, sondern sagen müssen, der so lange zweifelte bis ihm die völlige Klarheit und die sichere Ueberzeugung geworden war, dem schwebten noch die vorigen Worte des Herrn im Gedächtniß, und er wundert sich über diese plözliche Veränderung seiner Rede, und sagt daher, Wir wissen ja nicht wo du hingehest; du hast uns vorher gesagt, daß wo du hingehest wir nicht hinkommen könnten: wie können wir wissen wo du hingehst? Da antwortete der Herr, Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater | denn durch mich[.] Daß er das Leben war wußten sie; aber nun will er sie in der Ueberzeugung befestigen, daß das Leben welches er ihnen mitgetheilt hatte durch den Glauben an ihn, und dadurch daß er das Gebot der Liebe ihnen nicht als ein äußeres Gesez hingestellt, sondern als einen immer lebendigen Trieb ihnen eingehaucht hatte, daß dies das ewige Leben sei. Und indem er sagt, er sei die Wahrheit, so ist das eine Wiederholung davon, daß der Glaube an Gott als die innerste und ursprüngliche Wahrheit des menschlichen Gemüths, worauf dessen ganze Wahrheit und Kraft beruht, und der Glaube an ihn einer und derselbe sei. Er ist die rechte Wahrheit dieses Glaubens; ohne ihn ist derselbe nur unsicher und schwankend, ein Gewebe menschlicher Meinungen vermischt mit Wahn und Täuschung, und die Seele in Gefahr die Kraft der Wahrheit zu verlieren. Er ist die Wahrheit, und deshalb kommt niemand anders zum Vater als durch ihn. Wenn der Mensch diese Beglaubigung des Glaubens in seine Seele aufgenommen hat, dann ist das Verhältniß des Menschen zum Vater fest und unerschütterlich. Daher konnte der Herr sagen, Ich bin der Weg; weil ihr mich kennt, so kennt ihr auch den Weg; und weil ihr wißt daß ich und der Vater eins bin, wißt ihr auch wohin ich gehe. Und dabei m. g. F. soll und muß es ewig bleiben. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben; und wenn er gleich seitdem er den Schauplaz der Erde verlassen hat nicht mehr sichtbar unter dem Geschlecht seiner Brüder wandelt: so haben wir doch sein theures Vermächtniß, daß uns die Entbehrung seines irdischen Lebens auf alle Weise vergolten ist, so daß wir sie nicht vermissen können eben deshalb weil sein Wort uns geblieben ist, das Wort welches Geist und Leben ist, weil das neue Gebot der Liebe Wurzel gefaßt hat in seiner Gemeine, woran man erkennen kann daß wir seine Jünger sind. Sofern er in uns lebt, so | fern ist er uns die Wahrheit, weil dies von ihm gekommen ist; sofern ist er der Weg, weil die Klarheit unserer Ueberzeugung und die Festigkeit unserer Hoffnung auf unserer Verbindung mit ihm ruht; sofern ist er das Leben, weil seine geistige Gegenwart das ist worin alle unsere Freude, der eigenthümliche Friede der durch die Liebe des Sohnes und durch den Glauben an ihn mit Gott verbundenen Herzen 12 Vgl. Mt 22,37–40; Mk 12,29–31; Lk 10,27 35 Vgl. Joh 13,34–35
25–26 Vgl. Joh 10,30
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wurzelt, dasjenige worin wir unsere Seligkeit fühlen, und auch unsere irdische und vergängliche Hütte schon als einen Theil des Hauses Gottes, worin die Wohnungen und Stätten von Ewigkeit bereitet sind von dem Vater durch den Sohn. Amen.
Am 6. Mai 1826 mittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen:
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Samstag vor Exaudi, 13 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Kor 11,28; Phil 2,12 Nachschrift; SAr 91, Bl. 89r–132v; vermutl. Andrae Keine Nachschrift; SAr 91, Bl. 133r–156r; vermutl. Andrae (Textzeugenparallele) Nachschrift; SAr 106, Bl. 41r–41v; Crayen (nur Einsegnungsrede) SW II/10, S. 527–544; König (Textkompilation mit Fragment aus Einsegnungsrede; vgl. Einleitung, Punkt II.3.F ) Predigt zur Vorbereitung auf das Abendmahl und zur Konfirmation Tageskalender: „Einsegnung von 24 Söhnen und 36 Töchtern“ Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Vorbereitungs- und Einsegnungsrede gesprochen am Sonnabend vor Exaudi 1826. |
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Vorbereitungsrede.
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Tex t. 1 Korinth. XI, 28. Der Mensch prüfe aber sich selbst und also esse er von diesem Brot und trinke von diesem Kelch. M. a. F. So wie diese Worte stehen in der Nachricht von der Einsezung des heiligen Mahles der Christen und in der Anweisung zu dem rechten Gebrauch desselben, die der Apostel Paulus dieser Gemeinde giebt, sollten sie eigentlich unser beständiger Wahlspruch sein, so oft wir uns | aufs neue zu dieser Feier des Bundesmahles der Christen versammeln. Es kann aber die Prüfung unsrer selbst eine zwiefache sein. Die eine ist die, wenn jeder mehr in das Innerste seines eigenen Herzens hineinschaut, um zu erkennen und abzumessen nach dem Worte Gottes, wie er in sich selbst gestaltet sei. Dann aber auch – und gewiß gehört diese zweite Art der Prüfung eben so wesentlich zu dieser heiligen Handlung, als uns ja in dem Mahle des Herrn nicht blos das Verhältniß der einzelnen Seele zu dem Erlöser sondern auch 7–9 Vgl. 1Kor 11,17–34
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das Ver|hältniß der Christen unter einander in der Gemeinschaft, welche Christus gestiftet hat, vorgehalten wird – die zweite Art der Prüfung ist die, wenn wir mit einander in unser gemeinsames Leben hineinschauen wie es uns allen zu Tage und vor Augen liegt, um bewußt zu werden was in demselben Gott wohlgefällig ist, und was zu den Mängeln gehört die wir ablegen müssen. Wir finden uns nun zu dieser leztern Art der Prüfung gewiß ganz besonders heute veranlaßt, da wir eine Anzahl junger Christen, nachdem sie ihren Unterricht in den Wahrheiten und in | den Geboten unsers Glaubens vollendet haben, in die Gemeinschaft der Christen aufnehmen wollen. Denn wir stehen bei einer solchen Handlung ihnen gegenüber, wir als das ältere Geschlecht, sie als das jüngere; und wir können es ja nicht leugnen, daß das jüngere ein Werk ist des älteren. Sind in einem Hause die Herzen der Jugend von dem richtigen Wege abgewichen: niemand wird sich getrauen zu sagen, das könne geschehen sein ohne die Schuld der Eltern und derer die mit ihnen an der Bildung der Jugend zu arbeiten haben. Weicht die Jugend einer | Gemeinde von dem rechten Wege des Heils ab und zerstreut sich auf jene falschen Pfade des Irrthums und der Verkehrtheit des Gemüths: es ist nicht anders möglich, es muß dies die Schuld sein des älteren Geschlechts, welches belehrend schüzend leitend über das jüngere wachen soll. Finden wir endlich in der ganzen christlichen Kirche von Zeit zu Zeit einen Wechsel, und ist die Art der Sache nicht eine solche daß das Vollkommnere und Beßre auf das Unvollkommnere und Mangelhaftere folgt, sondern geht bisweilen die Gemeinde der Chri|sten eine Zeitlang den umgekehrten Weg: es ist nicht anders möglich, in der Schuld des ältern Geschlechts muß liegen die Verkehrtheit des jüngern. Wohlan m. g. F. überbliken wir die wir zu dem ältern gehören, das Ganze unsers Lebens in dieser Beziehung. Wir haben gleichzeitig mit uns ein Geschlecht gesehen und ihm angehört, in welchem seinem größern Theile nach angesehen unter uns und weit um uns her von einer lebendigen Wirkung des christlichen Glaubens auf das ganze Leben, von einer solchen Anhänglichkeit an das Wort Gottes | und an die christliche Gemeinschaft daß Beides zu den größten und wesentlichsten Gütern des Lebens gerechnet würde, von einem innigen Antheil an demjenigen was unter uns und anderwärts die christliche Kirche als solche bewegte, wenig oder nichts zu erkennen war; wo die heiligen Örter unsrer Versammlungen und der Ausspendung der göttlichen Gnadenmittel verödet waren und viel zu groß erschienen für die Zahl der Gläubigen, die sich darin versammelten; wo nur mit Gleichgültigkeit wenn nicht mit leisem Spott betrachtet wurden die eigenthümlichen heiligen Wahrhei|ten unsers Glaubens. Wohl uns daß wir sagen können es war so, daß wir wenigstens nicht mehr wahrnehmen, diese Richtung sei noch die überwiegende und die herrschende, wenn es gleich immer noch Einzelne giebt, die jener frühern Zeit angehörend denselben Weg wandeln. Ist nun in der Folge und unter den später herangewachsenen ein beßrer Geist er-
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wacht; zeigt sich wieder eine lebendige Liebe zu dem Erlöser und zu seinem Wort; wird wieder mit Ehrfurcht geredet von dem Worte vom Kreuz, welches sonst fast nur ein Ärgerniß | war und eine Thorheit: wohlan dürfen wir sagen, das sei das Verdienst jenes gleichgültigen und in manchem Sinne abtrünnigen und abgefallenen Geschlechts? Das wird niemand unter uns bejahen wollen, sondern gern werden wir uns in dem Geständniß vereinigen, das war ein Werk der göttlichen Gnade. Allerdings war niemals jenes Verderben so allgemein, daß es nicht überall Solche gegeben hätte die in dem höheren Sinne den Namen der Jünger des Erlösers verdienten; und es ist die Gnade Gottes, die ihre Wirksamkeit als die rechte Stunde gekommen war erhöht hat und | weiter verbreitet. Aber wie viel Antheil an jener Veränderung zum Bessern in den großen Begebenheiten gelegen hat, die der Herr herbeiführte um den lebendigen Geist zu beleben und zu stärken, in den Stürmen welche die Grundfesten der Sicherheit erschütterten, und unter deren Bewegungen Mancher aus seinem Schlummer hervorgerufen wurde, dem eine Deke vor den Augen hing, und der eben deshalb das himmlische Licht der Wahrheit nicht schauen konnte: Das wissen wir alle und halten es fest in dankbarer und treuer Erinnerung. Aber wie? kaum haben wir uns | dessen erfreut, so sehen wir auch schon wieder neue Schwachheiten und neue Gebrechen deutlich genug in der Gemeinschaft der Christen zum Vorschein kommen, solche welche allerdings den Mängeln und den Gebrechen der früheren Zeit am stärksten entgegengesezt sind, aber auch selbst nicht mehr dafür angesehen werden können, daß es Zustände wären, die das Wort Gottes und der Geist Gottes hervorgebracht hat. Wenn wir an der Stelle der Gleichgültigkeit gegen die eigenthümlichen Lehren des Christenthums nun wieder sehr häufig wahrnehmen ein Festhalten an dem | Buchstaben, in welchem doch Geist und Leben allein nicht ist, sondern der für sich allein nur tödtet; wenn wir anstatt jener zerstörenden Gesinnung, durch welche die Gemeinde der Christen fast aufgelöst erschien, nun wieder wahrnehmen ein ängstliches zusammenziehendes Wesen, welches von der geringsten Verschiedenheit die Veranlassung hernimmt sich loszusagen von der lebendigen Gemeinschaft des Geistes mit den andern Gläubigen, eine Gesinnung in welcher sowohl die Freiheit der Kinder Gottes untergehen zu wollen scheint, als auch von dem milden Geist der Liebe und der | Brüderlichkeit, welcher überall die Schwachen im Glauben aufnehmen soll und dafür sorgen daß die Gewissen nicht verwirrt werden, wenig zu finden ist; wenn wir gegenüber jener eitlen Freiheit des menschlichen Geistes, welcher die schwachen Kräfte der eigenen Vernunft zum Maaßstab nehmen wollte für die göttliche Ordnung des Heils, nun wieder erbliken die Neigung zu einer solchen Knechtschaft, welche wieder 2–3 Vgl. 1Kor 1,18.23 16–17 Anspielung auf 2Kor 3,13; 4,4.6; vgl. auch Gen 20,16 26–28 Vgl. 2Kor 3,6 32 Vgl. Phil 2,1 33–34 Vgl. Röm 8,21 34–35 Vgl. 1Kor 4,21; Gal 6,1; 2Tim 1,7; 1Petr 1,22 35–37 Vgl. Röm 14,1
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an dem Äußerlichen hängt, das wir dem Himmel sei Dank seit einer Reihe von Jahren verlassen haben, welche eine Neigung beweist zu jener andern | Gemeinschaft, aus welcher unsre Väter herausgetreten sind, weil sie sich wollten reinigen lassen aus dem Worte Gottes; wenn wir statt der Gleichgültigkeit gegen eben dieses Wort Gottes nun finden eine Ungenügsamkeit der Seele mit demselben und ein Bestreben daß noch etwas anderes möge gegeben werden als dieses woran sich die Sicherheit des Menschen halten könne; wenn wir gegenüber jenem Eigendünkel, der überall sich selbst genügen will, nun eine Neigung finden, daß es eine Herrschaft geben möge, welche | Einige ausüben über die Gewissen; damit diese in sicherer Ruhe schlafen mögen auf die Aussprüche eines menschlichen Ansehens sich verlassend: so mögen wir wohl, indem wir nicht anders können als dies für ein Verderben halten, welches wir nicht weiter sollen eingreifen lassen, sondern alles thun was in unsern Kräften steht damit demselben Einhalt geschehe – wir dürfen uns nicht verhalten, wenn das doch geschieht, wenn es sich weiter verbreitet: es kann nichts anderes sein als eine gemeinsame Schuld. Und wenn wir es denn für unsre | heiligste Pflicht halten, unter denen die mit uns zu einem und demselben Geschlecht gehören, diesem Verderben nach unserm besten Vermögen entgegen zu arbeiten; wenn wir wünschen, daß recht oft darauf hingewiesen werde in den öffentlichen Versammlungen der Christen; wenn wir es für eine heilige Pflicht halten, daß jeder seine Stimme dagegen erhebe im geselligen Verkehr und im freundschaftlichen Umgange: o noch viel heiliger und theurer muß uns das sein, dafür zu sorgen, daß das jun|ge Geschlecht bewahrt werde vor diesen Abwegen, daß es überall Anleitung genug finde das Rechte zu wählen, Rath und Weisheit genug um sich auf dem wahren Wege des Lichtes und der rechten evangelischen Freiheit der Kinder Gottes zu erhalten, und so zuzunehmen an der Erkenntniß bis das Herz fest geworden ist und unerschütterlich. Diese Pflicht m. g. F. wollte ich uns allen einschärfen in dieser feierlichen Stunde, und uns alle auffordern zu der ernstlichsten Selbstprüfung, ob wir uns auch bewußt sind, daß jeder redlich das Sei|nige thut, um den rechten lebendigen Geist der evangelischen Gemeinschaft zu erhalten, und die rechte kindliche Ehrfurcht gegen das Wort Gottes, welches uns der Sohn Gottes gebracht hat, überall selbst zu zeigen, und jedem der uns nahe steht die Anleitung und die Ermunterung dazu zu geben; ob wir überall in dem Geist der Milde und der Liebe gegen diejenigen uns äußern und mit ihnen leben, die in vielen Stüken andrer Meinung sind und andre Ansichten haben als wir, aber doch mit uns den Einen Er|löser, den Einen Herrn und Meister bekennen, und durch ihn zu demselben Vater im Himmel und zu seiner lebendigen Gemeinschaft gelangen wollen. Ja m. g. F. ich erwarte hier aller26 Wohl Anspielung auf Joh 8,12; 11,9–10; 12,35; Eph 5,8–9; 1Joh 1,7; vgl. auch Joh 14,6 27 Vgl. Röm 8,21 27–28 Vgl. 2Petr 3,18 28 Vgl. Hebr 13,9 35–36 Vgl. 1Kor 4,21; 2Tim 1,7 38–39 Vgl. Joh 13,13–14; 1Kor 8,6; 12,4–6; Eph 4,4–6
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dings wohl wenn gleich nur in der Stille die Einwendung, daß in demjenigen Geschlecht, welches zu jeder Zeit das ältere ist, doch in jeder Hinsicht das Vermögen sehr ungleich vertheilt sei, daß die größere Verantwortung auf denen ruhe, welche die Diener des göttlichen Wortes sind und welche den Verstand und die Ge|wissen auf den richtigen und reinen Weg leiten sollen, und daß wenn in dem Ganzen und Großen der christlichen Gemeinschaft solche Abwege entstehen, solche Abwege häufig entstehen und von vielen gewandelt werden, die Schuld vorzüglich in denen liegen müsse, welche zwar nicht über die Gewissen herrschen wollen, aber doch Vorbilder und Leiter der Heerde sein sollen. Weit sei es von mir entfernt das leugnen zu wollen oder auf irgend eine Weise zu verringern. Aber m. g. F. auch die Diener des | göttlichen Wortes wachsen allmählig aus dem jungen Geschlecht heraus; und in der Art wie sie gebildet werden und geleitet in dem häuslichen Leben, in dem Geist der in den öffentlichen Anstalten des Unterrichts und der Bildung liegt, und der doch nichts anderes jemals aussprechen kann als den herrschenden Geist, welcher in dem jedesmaligen Geschlecht waltet und dessen Geschäft es ist, die einzelnen Seelen zu leiten und weiter zu führen, darin liegt es, welchen Segen ihr heiliges Amt und ihr gro|ßer Beruf hervorbringt, in welchem Sinn und Geist sie ihn führen. Und also laßt uns allen Unterschied aufheben, und die Diener des Worts und die Hörer des Worts als Ein unzertrennliches Ganze ansehen, und nur auf die gemeinsame Schuld und auf die gemeinsame Pflicht für uns alle hinbliken. Den Dienern des göttlichen Worts liegt es freilich vorzüglich ob, in die Herzen der Jugend hineinzulegen eine gesunde und reine Ansicht von dem Werke der Erlösung, auf welches sie hingewiesen werden als | auf den Grund ihres Trostes und ihrer Zuversicht, von dem Bunde welchen Christus der Herr gestiftet hat und in welchen sie mit voller Zustimmung ihres Herzens eintreten sollen, von dem offenbaren Geheimniß der innigen Gemeinschaft des Menschen mit dem Erlöser und durch ihn mit seinem und unserm himmlischen Vater. Ist dies geschehen nach Anleitung des göttlichen Wortes und so daß auf den Grund welchen Christus selbst gelegt hat, gebaut worden ist nicht mit vergänglichem Stoffe daß das | Gebäude nicht halten kann, sondern mit solchem Stoffe, aus welchem der fortbestehende Tempel des Herrn sich zu erheben vermag zu seiner Freude und seiner Verherrlichung: so wird das Werk niemals ohne Segen sein. Aber nicht allein von diesem Unterricht wird der Segen desselben abhängen; sondern wie das häusliche Leben, wie die übrigen geselligen Verhältnisse mitwirken zu dem Werke der Lehre oder demselben entgegen, nach diesem Maaße wird er vergrößert oder verrin|gert, und so ist was sich daraus ergiebt nichts anderes als ein gemeinsames Werk, das Gute darin zum Preise der göttli4 Vgl. Lk 1,2 20–21 Vgl. Lk 1,2; Jak 1,22–23 31–35 Vgl. 1Kor 3,10–15
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chen Gnade von ihr allein zubereitet und dem Geist der in dem Ganzen der christlichen Gemeinschaft waltet, das Mangelhafte darin – wir müssen es bekennen – nichts anderes als eine gemeinsame Schuld. Aber wenn nun unsre Jugend auf der Stufe steht, auf welcher wir die hier versammelten jungen Christen glauben: so sind sie doch noch weit davon entfernt − | und es kann nicht anders sein – daß ihr Herz fest geworden sein sollte und ihre Einsicht reif; es ist erst der Grund gelegt, und auf diesen muß nun weiter gebaut werden. Dazu empfehlen wir ihnen wenn wir sie in die Gemeinschaft der Christen aufnehmen, ja wir verpflichten sie dazu, daß sie sich fleißig bedienen sollen des göttlichen Wortes für sich selbst, aber auch der öffentlichen Erbauung aus demselben und der Anwendung desselben auf alle bedeutende Verhältnisse des Le|bens in den öffentlichen Versammlungen der Christen; wir ermahnen sie, daß sie aus dem gemeinsamen christlichen Leben, wie es besonders in der Richtung auf Gott erscheint wenn wir in seinem Namen versammelt sind, daß sie daraus schöpfen mögen was sie fördern kann auf dem Wege des Heils und sicher stellen gegen die mancherlei Versuchungen die ihnen nicht fern bleiben werden. Aber wie nun das häusliche Leben in welchem sie leben, wie die mancherlei geselligen Verhältnisse in welche | sie treten, wie das größere menschliche Leben wie es sich immer weiter vor ihren Augen entfaltet und sie selbst immer tiefer hineingezogen werden in seine mannigfaltigen Verwiklungen, wie dieses mit jenem zusammenstimmt oder unter sich zusammenstimmt um jene heiligen Eindrüke zu schärfen und zu befestigen: ja davon wird es abhängen, ob sie sich mit schnellen Schritten oder nur langsam dem Ziele der Vollkommenheit nähern werden, ob sie werden bewahrt bleiben oder erst nach man|chem Fallen und Aufstehen zur Festigkeit des Herzens und zur Sicherheit und Freudigkeit des Glaubens gelangen. O so laßt uns m. g. F. darüber uns selbst prüfen und es zu einer heiligen Angelegenheit unsers Lebens machen. Wenn es uns lieb ist, daß wir oft gedenken, ja wenn es uns eigentlich immer gegenwärtig sein soll daß wir vor den Augen Gottes wandeln: o eben so wichtig ist es m. g. F., daß wir immer gedenken und es uns immer gegenwärtig sei, wir wandeln vor den Augen un|srer Jugend. Denn das Wort der Ermahnung oder der Warnung, welches absichtlich vor ihnen ausgesprochen wird, nur zu leicht gleitet es ab wenn es allein steht, nur zu wenig Wirkung kann es hervorbringen wenn es durch nichts anderes unterstüzt wird. Aber wenn sie uns wandeln sehen; wenn sie den innern Geist und die Kraft unsers Lebens wahrnehmen; wenn sie sehen, wie und wonach wir überall wo wir reden und handeln, den Werth der Menschen abmessen, und ob oder wie wir | alles Menschliche und Irdische auf das Himmlische und Göttliche beziehen: ja das ist es was Eindrüke auf ihre Gemüther hervorbringt, die wir hernach nicht wieder vertilgen können, und die wesentlich wirksam gewesen sind wenn wir unser Ziel an dem künftigen 6 Vgl. Hebr 13,9
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Geschlecht erreicht haben. Darum m. g. F. auf nichts anderm kann die Hoffnung und die Zuversicht ruhen, mit welcher wir jährlich einen Theil unsrer Jugend in die Gemeinschaft der Christen aufnehmen, als darauf daß wir selbst fest|halten bei dem was uns anvertraut ist, und uns die Beilage wohl bewahren die wir empfangen haben; daß wir selbst Vorbilder seien des jüngern Geschlechts, denen sie getrost nachgehen können; daß sie aus unserm Leben überall erbliken den Geist, den wir ihnen von Gott erbitten, damit er auch in ihren eigenen Herzen wirke und walte. Und so laßt uns, indem wir uns mit ihnen vereinigen den Bund der Christen unter einander fester zu knüpfen, das Band des Glaubens und der Liebe | aufs neue anzuziehen in dem heiligen Mahle des Herrn – so sei das unser Gelübde und unser Vorsaz, unser Wunsch und unser Gebet, daß aus unserm Zusammenleben und Zusammensein mit der Jugend ein immer reineres und edleres Geschlecht der christlichen Gemeinschaft hervorgehe, daß wir immer würdiger werden mögen von einem Geschlecht zum andern des reinen evangelischen Lichtes welches uns aufgegangen ist, und gleich frei von dem verderblichen Eigendünkel der einzelnen Vernunft | die in einem jeden unter uns sich entwikelt, und von einer knechtischen Anhänglichkeit an den menschlichen Buchstaben, wie er sich von einer Zeit zu der andern in der christlichen Gemeinde gestaltet, überall suchen die Freiheit der Kinder Gottes in dem Gehorsam des Glaubens, den Geist der Liebe in der treuen Verwaltung der göttlichen Gaben die uns anvertraut sind. Dann wird es wohl stehen um uns und um unsre Jugend, und immer reichere und herrlichere Früchte werden sich vor uns entwikeln | von dem Heil, welches einmal unter den Menschen aufgerichtet – auch allerdings, so oft es sich auch trüben möge und verdunkeln, doch immer herrlicher erscheinen soll und immer mehr das ganze menschliche Geschlecht durchdringen, bis die Gemeinde des Herrn überall gleiche dem vollkommnen Alter Christi. Und so sei denn die Gnade des Herrn mit uns. Amen.
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Meine geliebten Kinder. Wenn ich Euch jezt in den lezten Worten der Ermahnung, welche ich zu Euch besonders rede, den Spruch unsrer heiligen Schrift zurufe „schaffet daß Ihr selig werdet mit Furcht und Zittern“: so wird es Euch vielleicht scheinen als sei das nicht recht in Übereinstimmung weder mit dem Geist des Unterrichts, den ich Euch überhaupt ertheilt, noch auch mit demjenigen was ich kurz vorher noch zu der versammelten | Gemeinde geredet habe. Denn auch da wie dort habe ich überall auf die
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3–4 Vgl. 1Tim 1,11 in Verbindung mit 2Tim 1,13 10–11 Vgl. Kol 3,14 20– 21 Vgl. Röm 8,21 21 Vgl. Röm 1,5; 16,26 21 Vgl. 2Tim 1,7 21–22 Vgl. Röm 12,6; 1Kor 12,4–11; 2Tim 1,6; 1Petr 4,10 27–28 Vgl. Eph 4,13
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rechte Freudigkeit des Glaubens und auf die Freiheit der Kinder Gottes hingewiesen, so wie ich Euch immer gelehrt habe, daß der Glaube und die Liebe in dem rechten Sinne Eines sei, und daß die Liebe alle Furcht austreibe. Aber m. glb. Kdr., es ist hier nicht von einer Furcht und von einem Zittern die Rede, welches darauf beruht daß das höchste Wesen dem Menschen ein unbekanntes sei und ein | fernes, ein drohender Gegenstand der Furcht; es ist kein Wort aus den Zeiten des alten Bundes etwa, in welchem es keine andre Gemeinschaft des Menschen mit Gott gab als durch das Gesez welches nur Erkenntniß der Sünde hervorbringen kann; sondern es ist ein Wort des Apostels Paulus, und nicht nur desselben Apostels welcher auch den Christen zuruft „freuet Euch in dem Herrn, und allewege sage ich Euch freuet Euch“, sondern es ist auch jenes ein Wort aus demselben Briefe in welchem | er dieses gesagt hat, aber jenes geht diesem voran. Und so, m. glb. Kd. meine ich es auch nur, wie es denn auch nicht anders sein kann. Schaffet daß Ihr selig werdet mit Furcht und Zittern, damit Ihr Euch allewege freuen möget in dem Herrn. Jenes gehe überall voran, so wird dieses gewiß und unausbleiblich nachfolgen. Und die rechte Meinung des Apostels werdet Ihr leicht verstehen, wenn Ihr nur seine Worte genau erwäget. Denn selig werden zu wollen das ist ja an sich selbst nichts anderes als sich des Erlö|sers freuen und ihn freudig aufnehmen; und indem wir dahin streben, so kann es ja nichts anderes als Wohlsein und Ruhe geben in dem Innersten unsers Wesens; und so soll auch Furcht und Zittern keinesweges sich auf etwas beziehen was zu diesem Seligwerden gehört. Habt nicht Furcht und zittert nicht, auch nicht vor den heiligsten und höchsten Ermahnungen des göttlichen Wortes; habt keine Furcht und zittert nicht, auch nicht vor den tiefsten Geheimnissen des christlichen Glaubens und des christlichen Lebens. Der Gegenstand aber Eurer Furcht | und Eures Zitterns soll nichts anderes sein als Ihr selbst und dasjenige was in Euch könnte hervorgebracht werden nicht aus dem Kreise, in welchem Eure Seligkeit liegt, sondern aus demjenigen was außer demselben gestellt ist und also auch Euch trachten möchte daran zu hindern und von ihm abzuziehen. Fanget an Euch zu fürchten und zu zittern, wenn Ihr jemals merkt, daß der Gedanke der Seligkeit und das Verlangen nach derselben in Eurer Seele beginnt stumpf zu werden und zu er|matten; dann fürchtet Euch vor Eurem eigenen Zustand und vor demjenigen was ihn hervorgebracht hat. Je mehr Ihr mit demselben herzlichen Verlangen, womit Ihr Eure Seligkeit sucht, dem Worte Gottes anhängt, welches uns den Weg zu derselben zeigt; je mehr Ihr um Eure Seligkeit zu schaffen Euch treu anschließet an den Bund der Christen, welcher der Bund jener christlichen Liebe ist die alle Furcht austreibt: um so mehr und um so sicherer werdet Ihr Euch auch auf dem 1 Vgl. Röm 8,21 3–4 Vgl. 1Joh 4,18 3,1; 4,4 39–40 Vgl. 1Joh 4,18
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Wege fühlen Euch überall freuen | zu können an dem Herrn. Aber fürchtet Euch und zittert vor Euch selbst und vor dem Einfluß dessen was die Schrift in dem Sinne die Welt nennt, in welchem sie diese dem Reiche Gottes entgegensezt. Denn so wie in diesem Reiche Gottes uns die Seligkeit kommen soll, um deretwillen der Erlöser erschienen ist um sie uns allen zu verschaffen; eben so liegt außer demselben in den noch von Gott abgewendeten Neigungen des menschlichen Herzens, in dem verkehrten Tichten und Trachten nach dem Vergänglichen, in der schmeichelnden Selbst|liebe die etwas anderes ist als die Liebe zu Gott, in der freilich auf eine verschönernde Weise aber nicht zum Heil der Menschen verbindenden geselligen Liebe, die nichts ist als das gemeinsame Trachten nach dem Nichtigen und Vergänglichen, darin liegt dasjenige was Euch abziehen kann von Eurer Seligkeit und Euch die Freude an dem Herrn verbittern. Sonst aber, glb. Kdr., fürchtet Euch vor nichts. Nur was in einer solchen Beziehung steht zu Eurem Schaffenwollen daß Ihr selig werdet, daß Ihr es als ein | Hinderniß dagegen erkennet, das sei Euch der einzige Gegenstand der Furcht und des Zitterns. Sei es dann Euer eigenes Herz was Euch verleiten will; seien es die Vorspiegelungen andrer die auf verderblichen Wegen wandeln; sei es der Hochmuth eines nicht richtig geleiteten Verstandes, wodurch Ihr auf Abwege geführt werdet indem Ihr der Reise Eures eigenen Geistes voraneilen wollt; überall wo Ihr in Euerm Innern die Seligkeit getrübt fühlt oder das Streben nach derselben vermindert: da geht mit Furcht und Zittern | auf die Quelle dieser Veränderung zurük, und sucht so zeitig als möglich Euch loszumachen von demjenigen was Euch die reine und einzige Freude an Gott und an dem Werke des Erlösers auf Erden verkürzen will, und noch zur rechten Zeit den Weg zu ergreifen, damit Euer Schaffen daß Ihr selig werdet immer gekrönt werde durch die lebendige Freude an dem Herrn. Denn diese, m. gl. Kdr., das ist auf der einen Seite der wahre Umfang des rechten menschlichen Muthes und der wahren Freu|digkeit, und auf der andern Seite sind auch diese die Gränzen derselben. Was irgend dazu beitragen kann Eure Seligkeit zu schaffen, o das haltet fest, und wenn es Euch die Menschen entreißen wollen, so sezt Euern standhaften Muth daran es zu bewahren und zu erhalten, und zittert vor keiner Gewalt und vor keiner Verführung die Euch davon losmachen will, so daß Ihr aus Furcht dasjenige fahren ließet was Euer köstlichstes Gut ist. Nur vor dem was diesen innigsten Zusammenhang | und mit demselben den Frieden Eures Herzens stören will, davor zittert so lange bis Ihr die feste Überzeugung gewonnen habt daß Euer Herz fest geworden ist. Denn freilich wie diese Worte des Apostels nur gerichtet waren ursprünglich an Anfänger des Glaubens: so 2–4 Diese negative Sicht der „Welt“ findet sich besonders im Johannesevangelium; vgl. etwa Joh 7,7; 8,23; 14,17; 15,18–19; 16,33; 17,14.25; 18,36; daneben vgl. Röm 12,2. 38 Vgl. Hebr 13,9
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soll auch für Euch, glb. Kd., denen ich jezt diese Worte zurufe eben weil Ihr Anfänger seid im Glauben, eine Zeit kommen, wo Ihr so in Übung seid in Freudigkeit des Herzens Eure Seligkeit zu schaffen daß Ihr | Furcht und Zittern hinter Euch habt; so soll auch für Euch eine Zeit kommen, wo Ihr dessen froh werdet und mit Dankbarkeit gegen Gott als das Werk seiner Gnade in Euerm Herzen erkennen, daß Euer Glaube der Sieg ist, der die Welt überwindet, so daß es nichts mehr giebt was Euch irre machen könnte und wankend auf dem Wege des Heils und Euch hindern auf demselben raschen Schrittes dem Ziele der Vollkommenheit entgegen zu gehen. Das, glb. Kdr., ist es was ich vorher auch der | versammelten Gemeinde als das Ziel der christlichen Vollkommenheit vorgestellt habe, daß wir gleich sein sollen dem vollkommenen Alter Christi. In dem war freilich keine Furcht und kein Zittern; aber eben deswegen konnte es nicht in ihm sein, weil er nicht erst zu schaffen brauchte daß er selig würde. Je mehr nun – denn das soll ja schon in diesem Leben geschehen so gewiß das Wort des Herrn wahr ist, daß wer an ihn glaubt, schon durch den Tod hindurchgedrungen ist zum Leben – je mehr | sage ich das Schaffen daß Ihr selig werdet übergegangen sein wird in den Genuß der Seligkeit selbst; je mehr es Euch zur süßen Gewohnheit des Lebens geworden sein wird den Frieden Gottes zu fühlen, der in allen denen walten soll welche durch den Glauben an Christum zur lebendigen Gemeinschaft mit Gott wiedergeboren sind: um desto mehr wird auch aus Euch selbst alle Besorgniß verschwinden daß Ihr noch Furcht und Zittern nöthig habt. Je mehr Euch aber die Seligkeit noch fern liegt | und etwas Fremdes ist; je mehr Ihr sie nur empfindet in den schönsten und seligsten und ausgezeichnetsten Augenbliken Eures Lebens; je mehr Ihr noch Theil habt in Euerm Innern an der Verworrenheit der irdischen Dinge: desto mehr seid Ihr noch solche denen Scheu und Zittern Noth thut, um desto mehr wie herangewachsen auch und selbstständig in andern Beziehungen, seid Ihr noch Kinder in dem Gebiete des ewigen Lebens und fern von dem Mannesalter Christi, wozu ihr berufen seid emporzustreben. Schön | und groß ist das Ziel, schwer und mühsam ist der Weg eben deshalb weil es noch Furcht und Zittern giebt vor Euch selbst und vor den Gefahren dieses Lebens, die vor Euch liegen oder erst müssen überwunden werden. Aber kräftig ist auch die Hülfe. Denn dazu werdet Ihr ja aufgenommen in den Schooß der christlichen Kirche, damit Ihr, wenn Ihr fürchtet und zittert indem Ihr schaffet, daß Ihr selig werdet, Eure Hände ausstreken möget nach der Hülfe, die Euch kommen wird zur rechten Stunde, | die geistige Kraft Euch bringend. Dazu wird Euch das Wort Gottes 6–7 Vgl. 1Joh 5,4 11–12 Vgl. Eph 4,13 16–17 Vgl. Joh 5,24 19 Vgl. Phil 4,7; Kol 3,15 20–21 Vgl. 1Petr 1,21–23 30–31 Vgl. Eph 4,13 36–37 Vgl. Ps 88,9; 143,6 37 Vgl. Ps 121,1–2 37–38 Wohl Anspielung auf Ps 102,14 sowie Mt 10,19–20; Mk 13,11 38 Wohl Anspielung auf Röm 15,13; Eph 3,16; vgl. auch 2Tim 1,7
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übergeben als ein theures Kleinod, damit wenn Euch die Welt bange macht Ihr aus demselben Trost und Kraft schöpfen möget den Weg des Lebens mit getroster Zuversicht zu wandeln. Dazu werdet Ihr in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen, damit Euch die gemeinsame Liebe trage; damit die stärkern um Euch her Euch den schwächeren überall zu Hülfe kommen mit Rath und That, so Ihr nur gern die Hülfe annehmet die Euch ge|boten wird; damit Ihr überall habet die sicheren Zeichen von dem Ziele welches Euch auch aufgestekt ist, um Euern Muth zu stärken daß Ihr zu der Seligkeit gelangen könnt, die auch Euch zugedacht und bestimmt ist wenn Ihr nicht aufhört danach zu trachten. Und eben deshalb weil ich Euch in diesem Augenblik diese Hülfe darbiete; weil ich Euch antrage und auffordere in dieses schöne Bündniß einzutreten, wo Ihr überall finden werdet was Euch Noth thut, wenn Ihr in der Lage seid zu weichen von | dem ebenen Wege des Heils, wo Ihr überall finden werdet die Festigkeit welche Euch noch fehlt, die Standhaftigkeit zu welcher Ihr Euch noch erheben müßt, die Klarheit zu welcher Ihr noch nicht hindurchgedrungen seid, eben deshalb weil ich Euch das Alles biete indem ich Euch in den Schooß der christlichen Kirche aufnehme: so nehme ich Euch das Wort ab bei der Aufnahme in diesen heiligen Bund, daß Ihr diese Euch dargebotene Hülfe fleißig benuzen wollt, damit Ihr sie immer mehr lernet nach Würde schäzen. Denn | übel wäre der Mensch berathen, welcher auf sich allein gestellt wäre und für sich allein stehen sollte in Beziehung auf die Bedürfnisse seines geistigen Lebens. Freilich geschieht das jezt in gewisser Beziehung auch mit Euch; Ihr werdet nun für Euch selbst verantwortlich gemacht in der Voraussezung daß Euer Gewissen so weit erleuchtet ist in jedem Falle unterscheiden zu können das Gute vom Bösen, das Göttliche vom Verkehrten, und daß der Wille Gottes, den der Sohn Gottes uns gebracht hat, Euch klar geworden ist in dem In|nern Eures Gemüths; und insofern wird nun Eure Seele Euch allein übergeben. Aber nicht so daß Ihr solltet verlassen sein und auf Euch selbst Euch stüzen in diesem Leben voll Anfechtungen und Kämpfen; sondern daß Ihr selbst die Bedürfnisse Eures Herzens und Lebens kennen lernt und selbst Hand anlegt sie zu befriedigen in Benuzung aller der Mittel des Glaubens und der Liebe, die Ihr in der Gemeinschaft der Christen findet. In diesem Sinne verstehe ich es, glb. Kdr., daß Ihr von jezt an den Weg eines | immer selbstständiger werdenden christlichen Lebens antreten und wandeln sollt. Je mehr Ihr noch Anfänger in demselben seid, desto lieber und werther sei Euch das ernste Wort des Apostels „schaffet daß Ihr selig werdet mit Furcht und Zittern“, und es komme um so weniger aus Euern Gedanken, je mehr die Zeit naht wo die Gefahren der Welt Euch umringen und drohen, und wo es Euch Noth thut genauer auf Euch selbst zu achten bei jedem Schritte den Ihr thut. Aber, glb. Kdr., nahet Euch der | christlichen Gemeinschaft auch mit der festen Zuversicht, daß die Freude an dem Herrn das 42–2 Anspielung auf Phil 3,1.12–14; 4,4
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Ziel ist welchem Ihr alle nachjagen sollt, und daß es Euch nicht fehlen wird dasselbe zu erreichen, wenn Ihr Euch zu dem haltet, der so wie die Quelle so auch der Gegenstand aller wahren und des Menschen würdigen Freude ist. Durch Furcht und Zittern, durch Freudigkeit und Fröhlichkeit des Herzens, durch vorsichtiges Wandeln – zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes; durch Aufmerksamkeit auf Euch selbst, welche bedenklich ist bei jedem | Schritte und vor sich selbst zittert – endlich zu einer solchen Sicherheit welche die männliche Festigkeit des Lebens ist: – das sei der Weg den Ihr wandelt; und Ihr werdet ihn wandeln, wenn Ihr von dem Worte Gottes und von der christlichen Gemeinschaft nicht laßt. In diese nun will ich Euch aufnehmen und Euch zu selbstständigen Gliedern derselben erklären, indem Ihr Eure Zustimmung gebet zu demjenigen was an Euch geschehen ist in den ersten Tagen Eurer Kindheit und Bewußtlosigkeit; ich will | Euch in sie aufnehmen, und fordern zu dem Ende daß Ihr ableget das allgemeine Bekenntniß des christlichen Glaubens, auf welches die ganze christliche Kirche ihre Einsicht in den göttlichen Willen und in den Weg des Heils gründet. „Ich glaube an Gott den Vater den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden. Und an Jesum Christum, seinen eingebornen Sohn, der empfangen ist von dem heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, der gelitten hat unter | Pontius Pilatus, gekreuzigt gestorben und begraben ist, am dritten Tage wieder auferstanden, aufgefahren gen Himmel, sizet zur Rechten Gottes des allmächtigen Vaters, von dannen er kommen wird zu richten die Lebendigen und die Todten. Ich glaube an den heiligen Geist, eine heilige allgemeine christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben. Amen.“ Ihr wißt, das ist der Leitfaden gewesen des Unterrichts, den | ich Euch ertheilt habe. Aber glaubt nicht, daß Ihr nun auch in dieser Hinsicht vollendet seid; sondern so wie in unsrer evangelischen Kirche, in deren Mitte Ihr jezt wollt aufgenommen werden, das Wort Gottes einem jeden hingegeben ist zum freien Gebrauch, so wie es das Wesentliche unsrer gemeinsamen Gottesverehrung ist dieses unserm Herzen immer näher zu bringen: so ermahne ich Euch nun und fordere Euch auf, daß Ihr suchet immer zuzunehmen in der Erkenntniß, damit Euch die Wahr|heit immer deutlicher werde in Euerm Innern, zu deren Erkenntniß Ihr den ersten Grund gelegt habt, welcher Euch in den Stand sezen soll das Wort Gottes selbst und alles was über dasselbe in den Versammlungen der Christen geredet wird, immer richtiger zu verstehen. Indem ich Euch dies an das Herz lege, so frage ich Euch, ob es auch Euer ernstlicher Vorsaz ist an dieses Bekenntniß unsers gemeinsamen christlichen Glaubens Euch in Euerm ganzen Streben nach 5 Vgl. Röm 8,21
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der christlichen Erkenntniß | anzuschließen, und diese nicht anders herzunehmen als aus dem Worte Gottes selbst und aus demjenigen was Ihr als Werk und als Lehre der christlichen Kirche in Übereinstimmung mit demselben und in näherer Erklärung desselben nach Euerm eigenen Gewissen und Eurer eigenen Überzeugung finden werdet; ist das Euer aufrichtiger und christlicher Vorsaz: so antwortet Ja. Aber Ihr wißt nun, daß der Glaube ohne Werke todt ist, und daß im Wissen allein die Seligkeit des Menschen nicht liegt. | Der Glaube ist nur da, wo er durch die Liebe thätig ist; diese aber wie sie durch den Erlöser in unsre Herzen gegossen wird, wie in ihm und in allen die an ihn glauben die Liebe zu Gott und die Liebe zu seinem Reiche Eine und dieselbige ist, diese soll Euer ganzes Leben leiten, und Ihr sollt reich werden an Früchten des Glaubens und der Erkenntniß. Wollt Ihr also auch Euer Leben, indem Ihr in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen werdet, auf eine solche Weise leiten | lassen durch das göttliche Wort, daß Ihr den Namen von Mitgliedern der christlichen Kirche auch in Wahrheit und auf eine würdige Weise führen möget; wollt Ihr überall wandeln nach dem Vorbilde welches uns Christus gelassen hat, und immer mehr unter dem göttlichen Beistande aus Euerm Herzen alles herauswerfen und von demselben entfernt halten was diesem göttlichen Vorbilde zuwider ist; ist es Euer ernster und heiliger Vorsaz einen solchen Wandel zu führen Euer Lebelang, und da|durch zu beweisen daß Ihr in der Nachfolge Christi seid und bleibet: so bekräftiget dies durch Euer Ja. Um nun, glb. Kdr., beides auszuführen ist Euch nöthig Hülfe und Beistand. Der kommt von oben. Wir haben diese Hülfe in dem göttlichen Wort, welches durch eine Reihe von Jahrhunderten zu uns gekommen ist durch die göttliche Gnade; wir haben sie in dem Geist, welcher ausgegossen ist über die christliche Kirche, und der die Gläubigen festhält in dem Band der Liebe, kraft welcher sie sich einander dienen ein jeder mit | den Gaben die er empfangen hat. An diese Hülfe und an diesen Beistand seid auch Ihr gewiesen. Es werden Euch dienen wollen überall diejenigen welche in dem Auftrage der christlichen Kirche besonders sind die Diener des göttlichen Wortes, und Ihr werdet bei Ihnen Beistand finden in jeder Rathlosigkeit Eures Verstandes und Eures Herzens über die Angelegenheiten Eures Glaubens. Diese Hülfe und diesen Beistand werdet Ihr finden in den öffentlichen Versammlungen der Christen, wo das Wort des Herrn seinem rech|ten Verstande nach ausgelegt wird, und in der Gemeinschaft des christlichen Lebens, wenn Ihr Euch nur überall an diejenigen recht halten wollt, die Ihr als solche erkennt welche auf dem Wege des Heils wandeln. Ist es nun Euer fester Vorsaz diese Hülfe und diesen Beistand zu benuzen, das Wort Gottes 7 Vgl. Jak 2,17.20.26 8–9 Vgl. Gal 5,6 9–10 Vgl. Röm 5,5 17–18 Vgl. 1Petr 1,21 28–29 Vgl. Kol 3,14 29–30 Vgl. 1Petr 4,10 40–1 Vgl. Ps 119,105
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die Leuchte sein zu lassen auf dem Wege Euers Lebens, fest zu halten an der christlichen Gemeinschaft und an dem Bande der Liebe und den Wirkungen des göttlichen Geistes in den Herzen der Gläubigen, | Euch zu läutern, zu erbauen und zu befestigen durch die lebendige Theilnahme an allem wodurch sich die Gemeinschaft der Christen auszeichnet, vorzüglich an der öffentlichen Gottesverehrung und an dem Genuß des heiligen Mahles, zu welchem Ihr jezt zugelassen werdet zu einem Zeichen daß Ihr Euch als Glieder der christlichen Kirche bekennet; ist das Euer ernstlicher Vorsaz: so bestätiget es durch Euer Ja. Wohlan, glb. Kdr., so erkläre ich denn im Namen der christlichen Kirche und im Auftrage | derselben kraft meines Amtes als ein verordneter und berufener Diener des Wortes in der evangelischen Kirche Euch als selbstständige Mitglieder derselben. Denn nachdem Ihr das Bekenntniß Eures Glaubens abgelegt und Euch durch die eben gegebenen Erklärungen verpflichtet habt zu einem christlichen Wandel: so habt Ihr Eure Zustimmung gegeben zu dem Bade der Wiedergeburt, welches Euch geworden ist schon in den ersten Tagen Eurer Kindheit; so ist nun ergänzt was damals noch fehlte nach Eurem eigenen Wissen und Eurer eigenen Über|zeugung. Und so empfanget denn von mir das Recht, überall in der evangelischen Gemeinde und ohne Rüksicht zu nehmen auf einen Unterschied der hier und da noch in ihr besteht, zu dem Sakrament des Leibes und des Blutes Christi in seinem heiligen Mahle zu nahen. Empfanget von mir das Recht, wie Ihr jezt selbst das Gelübde Eurer Taufe bestätigt habt, so auch wo Ihr dazu aufgefordert werdet in unsrer Kirche Zeugen der Taufe zu sein und daran Theil zu nehmen wenn unsre Kinder aufgenommen werden | sollen in den Bund unsrer Gemeinschaft. Empfanget das Recht als solche welche wohl unterrichtet sind in allem was ihnen obliegt als Christen, auch in der bürgerlichen Gesellschaft Euer Zeugniß zu bestätigen durch den Eid, der nur denen gestattet wird, von welchen man die Überzeugung hat, daß sie der Kräfte ihres Geistes mächtig sind, und den Unterschied zwischen der Wahrheit und dem Irrthum erkannt haben. Empfanget das heilige Recht und die Befugniß in dem Worte des Lebens welches von Christo zeugt fleißig | zu forschen, und eine immer innigere und genauere Bekanntschaft zu knüpfen mit demjenigen was als der erste Ausfluß des göttlichen Geistes in den heiligen Schriften unsers neuen Bundes aufbewahrt ist. Und nun laßt uns mit einander Gott bitten, daß er Euch lasse diese Stunde gesegnet sein und diese Aufnahme in die Gemeinschaft der Christen zu Eurem zeitlichen und ewigen Heil gereichen. Heiliger Gott und Vater, wir alle erkennen es mit inniger Dankbarkeit, daß du deinen ewigen Segen niedergelegt hast | in der Gemeinschaft 2 Vgl. Kol 3,14
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der Christen, daß seitdem du deinen Sohn gesandt und durch ihn dein heiliges Reich auf Erden gegründet hast, keinem unter uns etwas fehlen kann was zu seinem Frieden und zu seiner Seligkeit gehört. Wir haben hier eine Anzahl junger Christen in die Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe, die dein Sohn gestiftet hat, aufgenommen. Aufgethan sind ihnen nun alle Schäze des christlichen Heils; bereit ist die Gemeinde der Gläubigen ihnen überall beizustehen in Liebe und Weisheit, und sie selbst – ja wir spre|chen es aus als das gemeinsame Verlangen ihrer Gemüther – sie selbst wünschen nun nichts mehr als auf deinen Wegen zu wandeln, dein Wort ihre Leuchte sein zu lassen, in der Liebe zu deinem Sohne fest zu stehen, und mit denen die seinen Namen bekennen allem Bösen Widerstand zu leisten in der Kraft deines Geistes, und sich durch dein Wort und durch die beseligende Kraft der lebendigen Gemeinschaft mit dir in allem Guten immer weiter zu fördern. So leite du sie denn gnädig den Weg des Lebens. Auch ihnen wird die Versuchung nicht fern bleiben: | o warne sie durch die Stimme deines Geistes in dem eigenen Herzen. Laß es ihnen nie in der Stunde der Schwachheit fehlen an kräftigem Rath und Beistand. Laß du dein Wort lebendig werden in ihren Herzen wenn sie in Gefahr sind zu weichen von deinen Wegen; und wenn sie sich selbst nicht zu rathen wissen, o dann vertrete sie dein Geist mit unausgesprochenen Seufzern. Ja wir die wir schon einen großen Theil unsers irdischen Weges zurükgelegt haben, wohl bekannt mit den Gefahren welche dem Menschen drohen in | dieser irdischen Welt, wir übergeben sie deiner Leitung und dem Beistande deines Geistes mit herzlichem kindlichem Vertrauen; denn wir wissen, daß denen die Gott lieben alle Dinge in der Welt zum Besten gereichen sollen, daß so nur deine Liebe in ihnen lebt auch die Schwachheiten die ihnen begegnen, auch die Verirrungen die ihnen folgen werden, ihnen doch zum Heil gereichen, auf daß sie zunehmen in der Erkenntniß ihrer selbst, und immer mehr lernen was sie abführt von dem rechten Wege. Laß du überall fest unter uns gegründet | werden das Band der christlichen Gemeinschaft, welches durch deinen Geist geknüpft wird im Glauben und in der Liebe, damit immer mehr Segen aus der Gemeinde der Gläubigen auf die einzelnen Gemüther herabkomme, und immer reicher jedes Leben werde an den Beweisen der göttlichen Gnade: bis endlich immer mehr aller Zwiespalt gewichen ist, alle Gefahr verschwunden, und wir in dem Genuß des ewigen Frie27 so] hier konditional im Sinne von „sofern“, „wenn“ 9–10 Vgl. Ps 119,3.105 12 Vgl. Röm 15,13; Eph 3,16 21 Vgl. Röm 8,26 26–27 Vgl. Röm 8,28 29–30 Vgl. 2Petr 3,18 32–33 Wohl Anspielung auf Kol 3,14; vgl. auch Eph 4,2–4
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dens und in dem Gefühl der himmlischen Liebe sicher und fest geworden sind, und mit Freudigkeit der Stunde warten, wo du jeden uns abfor|dern wirst aus diesem Leben in das Reich, welches von Ewigkeit bereitet ist denen, die durch den Glauben in der lebendigen Gemeinschaft stehen mit deinem Sohn. Darum flehen wir zu dir im Namen und im Gebet deines Sohnes. Unser Vater der du bist pp.
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Alles was Ihr thun werdet in der Gemeinde des Herrn, das thut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen. Der Herr segne pp. 130v
Bewahret was Euch anvertraut ist, und haltet fest an dem heilsamen Vorbilde des Wortes vom Glauben | und von der Liebe in Christo Jesu. Der Herr segne Euch pp.
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Dabei wird jedermann erkennen, daß Ihr Christi Jünger seid, so Ihr Liebe unter einander habt. Der Herr segne Euch pp. Der Friede Gottes regiere in Euerm Herzen, zu welchem Ihr auch berufen seid mit allen Heiligen. Der Herr segne Euch pp.
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Die Nacht ist vergangen und der Tag herbeigekommen. So meidet nun die Werke der Unwissenheit und leget an die Waffen des Lichts. Der Herr segne Euch pp. 131r
Erneuert Euch im Geiste Euers | Gemüths, und zieht den neuen Menschen an der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit. Der Herr segne pp.
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Kämpfet einen guten Kampf und haltet Glauben, auf daß Euch beigelegt werde die Krone der Gerechtigkeit. Der Herr segne pp. Laßt das Wort Gottes reichlich unter Euch wohnen in allerlei Weisheit und Erkenntniß, und lehret und ermahnt Euch unter einander. Der Herr segne Euch pp. 131v
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Alles was Ihr unternehmet mit Worten und Gedanken, das thut als in dem Namen unsers Herrn Jesu | Christi, und danket Gott unserm Vater durch ihn. Der Herr segne pp. Begebet Euch Gott zu einem Opfer, das da sei rein und wohlgefällig vor ihm. Der Herr segne pp. Freuet Euch in dem Herrn allewege, und abermal sage ich freuet Euch. Der Herr segne Euch pp. 7–8 Vgl. Kol 3,23 9–10 Vgl. 1Tim 1,11; 2Tim 1,13 12–13 Vgl. Joh 13,35 14–15 Vgl. Kol 3,15; Eph 3,18 16–17 Vgl. Röm 13,12 19–21 Eph 4,23–24 22–23 Vgl. 2Tim 4,7–8 24–25 Vgl. Kol 3,16 27–29 Vgl. Kol 3,17 30– 31 Vgl. Röm 12,1 32 Phil 4,4
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Predigt über 1Kor 11,28; Phil 2,12
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Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Der Herr segne pp.
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Haltet im Gedächtniß Jesum Christum; er ist um unsrer Sünde willen gestorben und um unsrer Gerechtigkeit willen auferwekt. Der Herr pp. | Stellet Euch dieser Welt nicht gleich, sondern erneuert Euch im Geist Euers Gemüths zur Rechtschaffenheit und Heiligkeit. Der Herr segne pp.
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Wachset in dem Herrn Jesu Christo, und nehmet zu an mancherlei Erkenntniß und Weisheit, und singet dem Herrn in Euerm Herzen. Der Herr pp. Wer ist es, der Euch schaden kann, wenn Ihr dem Guten nachtrachtet? Denen die Gott lieben müssen alle Dinge zum Besten dienen. Der Herr segne pp.
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Wir haben erkannt und gezeugt, daß Gott seinen Sohn gesandt habe zum Heiland der Welt. So nun jemand bekennt daß Jesus sei der Sohn | Gottes, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Der Herr segne Euch pp. Ziehet an die Liebe, welche ist das Band der Vollkommenheit und des Gesezes Erfüllung. Der Herr segne pp.
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Wer aus Gott geboren ist der bewahret sich, und der Arge wird ihm nicht ankommen. Der Herr segne pp. Der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle menschliche Vernunft, der bewahre Eure Herzen und Sinne zum ewigen Leben. Der Herr segne Euch und behüte Euch pp.
1–2 1Joh 4,16 3–4 Vgl. 2Tim 2,8; Röm 4,25 6–7 Vgl. Röm 12,2; Eph 4,23– 24. In der Nachschrift finden sich am Rand zwei Einfügungen von Sydows Hand: hinter „gleich“ mit Einfügungszeichen „sondern verändert Euch durch Erneuerung Euers Sinns, auf daß ihr prüfen möget etc.“; hinter „Gemüths“ mit Einfügungszeichen „und ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott etc.“ 9–10 Vgl. 2Petr 3,18; Kol 3,16; ferner Phil 1,9; Kol 1,9. In der Nachschrift findet sich am Rand ohne Einfügungszeichen von Sydows Hand der Wortlaut von 2Petr 3,18: „Wachset aber in der Gnade und Erkenntnis unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi. Demselben sei Ehre nun und zu ewigen Zeiten! Amen!“ 12–13 Vgl. 1Petr 3,13; Röm 8,28 15– 17 Vgl. 1Joh 4,14–15 18–19 Vgl. Kol 3,14; Röm 13,10 20–21 Vgl. 1Joh 5,18 22–23 Vgl. Phil 4,7; Röm 5,21
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[Liederblatt vom 6. Mai 1826:] Bei der Confirmation. Zum Anfang. – Mel. Schmücke dich etc. [1.] Freue dich beschwerte Seele, / Denn du bist erlöst, o Seele, / Komm Vergebung zu empfangen, / Denn dein Licht ist aufgegangen. / Von dem Herrn voll Heil und Gnaden / Bist du zu ihm eingeladen. / Deinen Bund sollst du erneuen, / Seiner Liebe dich erfreuen. // [2.] Eil’ ihm glaubensvoll entgegen, / Zu empfangen seinen Segen, / Und die dargebotne Gnade, / Daß er dich der Schuld entlade. / Komm, es ist des Mittlers Wille, / Komm und schöpf aus seiner Fülle! / Gnad um Gnade will er geben, / Freudigkeit zum neuen Leben. // Nach der Vorbereitungsrede. – Mel. Komm heiliger Geist etc. [1.] Erhör, o Gott, das heiße Flehn / Der Kinder, die hier vor dir stehn, / Erbarmend blick auf sie hernieder, / Denn sie sind dein und Jesu Glieder. / Den Segen, den dein Wort verheißt, / Gieb ihnen Gott durch deinen Geist! / Sein Trost mög’ ihre Seele laben, / Erfülle sie mit seinen Gaben: / Erbarm dich Herr, Erbarm dich Herr. // [2.] Sie wollen, deiner sich zu freun, / Gott, ihren Bund mit dir erneun; / Laß das Gelübd sie tief durchdringen, / Daß sie ihr Wollen treu vollbringen, / Im Glauben fest, im Herzen rein, / Im Wandel ohne Falsch zu sein. / Allheiliger sprich du das Amen / Zu dem Gelübd in deinem Namen, / Und stärke sie, Und stärke sie. // Nach dem Gebet. – Mel. Christus der uns etc. [1.] Stärke Mittler, stärke sie, / Deine Theurerlösten; / Laß sie ihr Vertraun auf dich / Unaussprechlich trösten. / Gieb daß sie beständig sein, / Wie sie jetzt begehren, / Sich mit Leib und Geist zu weihn, / Ganz zu deinen Ehren. // [2.] Rüste du sie, Herr, mit Kraft / Aus des Himmels Höhen, / Daß sie hier den guten Kampf / Würdiglich bestehen; / Daß wie wir hier vor dir stehn, / Alle deinen Namen / Einst vor deinem Thron erhöhn; / Sprich du selber Amen. // Nach der Einsegnung. – Mel. Hier legt mein Sinn etc. [1.] Wie heilig, Gott, ist diese Stunde, / Die mich gesellt dem selgen Bunde, / Wo jeder strebt dir treu zu sein, / Und dir das Leben ganz zu weihn. // [2.] Und wenn ich jemals mich verirrte, / So suche mich, o guter Hirte, / Mit deinem treuen Liebesblick, / Und bring zur Heerde mich zurück. // [3.] Geist Gottes, Geist der Kraft und Liebe, / O reinige du meine Triebe, / Erleuchte mich in Finsterniß, / Und mach im Glauben mich gewiß. // Schlußgesang. – Mel. Allein Gott in der etc. Geist Gottes komm und heilge mich, / Was sündlich ist vertreibe, / Damit ich nun und ewiglich / Dein Tempel sei und bleibe. / Verkläre du mir Jesu Bild, / Auf daß ich ganz von ihm erfüllt / In seiner Liebe lebe. //
Am 7. Mai 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen:
Besonderheiten:
Exaudi, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Petr 2,9 Nachschrift; SAr 92, Bl. 1r–16v; vermutl. Andrae Keine Nachschrift; SAr 92, Bl. 17r–44v; vermutl. Andrae (Textzeugenparallele) Nachschrift; SN 614/1, Bl. 1r–3r; nicht identifizierter Nachschreiber Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am Sonntage Exaudi 1826. |
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Tex t. 1 Petri II, 9. Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priesterthum, das heilige Volk, das Volk des Eigenthums, daß ihr verkündigen sollt die Tugenden dessen, der euch berufen hat von der Finsterniß zu seinem wunderbaren Licht. M. a. F. Als der Erlöser, nachdem nun auch die Tage seiner Auferstehung gezählt und abgelaufen waren, den Schauplatz dieses irdischen Lebens verließ, und auffuhr zu seinem Vater und unserm Vater, da waren seine Jünger verlassen; aber in diesem gemeinsamen Gefühl hielten sie sich nun einmüthig bei einander. Das war der erste Anfang der christlichen Kirche, das war der Keim, in welchem aber das Ganze nicht vollständig entwickelt war. Denn sie waren noch bedürftig erfüllt zu werden mit Kraft aus der Höhe, sie sollten noch warten ehe sie das thätige Leben als Glieder des heiligen Leibes, dessen Haupt droben ist, antreten sollten. Aus der Zeit aber, seitdem dieses Bedürfniß gestillt ist, und der Geist Gottes ausgegossen ward über alles Fleisch, wie wir denn der heiligen Feier dieser großen Begebenheit nächstens entgegensehen, aus dieser | Zeit stammt die Beschreibung her von der christlichen Kirche, welche uns der Apostel Petrus in den verlesenen Worten giebt. Indem wir diese zum Gegenstand unserer Betrachtung machen, was kann es für eine würdigere Vorbereitung geben das Gedächtniß 7–9 Vgl. Apg 1,1–14 9 Vgl. Joh 20,17 13 Vgl. Lk 24,49 14–15 Vgl. 1Kor 12,12–27; Eph 1,22–23; 4,15–16 16–17 Vgl. Apg 2,17 17–18 Gemeint ist das Pfingstfest am 14. und 15. Mai 1826.
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der Ausgießung seines Geistes zu begehen, was für eine schönere und herrlichere Aufmunterung für diejenigen, welche wir gestern in den Schooß der christlichen Kirche aufgenommen haben, als wenn wir ihnen die Herrlichkeit, zu der auch sie gelangt sind, in ihrem ganzen Umfange vorstellen. So laßt uns denn nach Anleitung dieser Worte des Apostels mit einander reden von dem Ruhm und der Herrlichkeit der christlichen Kirche. Was der Apostel in den Worten unseres Textes sagt, das läßt sich freilich am besten in zwei Betrachtungen zusammenfassen, indem er nämlich zuerst sagt, was die christliche Kirche ist, und dann was sie zu thun hat. Aber allerdings eine strenge Sonderung zwischen beiden ist um so weniger zu fordern und zu erwarten, weil ja auch das Sein und das Bestehen der christlichen Kirche nichts ist als Geist und Leben also Thun. Demunerachtet werden wir | nicht genauer den Worten des Apostels nachgehen können als durch diese Theile. I. Was er uns also sagt, worin das eigentliche Wesen der christlichen Kirche bestehe, das finden wir zusammengefaßt in den Worten „Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priesterthum.“ Was nun das Erste betrifft m. g. F. so schrieb der Apostel an Christen in verschiedenen Gegenden, wo die Gemeinden zusammengesetzt waren aus Mitgliedern des jüdischen Volks und aus ehemaligen Heiden; ja er hat offenbar in unserer Stelle die letztern ganz vorzüglich in Gedanken, indem unmittelbar darauf die Worte folgen „Ihr die ihr nun ein Volk seid, vorher aber keines waret, ihr die ihr vorher nicht in Gnaden wart, jetzt aber in Gnaden seid.“ Von einem Geschlecht also welches durch die leibliche und natürliche Abstammung eines ist in sich und von den übrigen gesondert, kann hier nicht die Rede sein; das hingegen ist einer von den bedeutendsten Unterschieden zwischen dem neuen Bunde und dem alten. Aber wie ein Geschlecht | in sich selbst eins ist, alle Glieder wesentlich zusammengehören, von einem gemeinsamen Geist der Familie beseelt sind: so ist es auch mit der Gemeinde der Christen. Ja auch einer und derselben Abstammung rühmen wir uns, denn wir stammen alle von oben her durch die Geburt aus dem Geist. Das ist aber der gemeinsame Geist, der uns belebt und die Kindschaft Gottes bewirkt, das ist der Geist, welcher die große Familie bildet, der wir angehören und durch den wir ein Geschlecht sind. Aber nun auch ein sich fortwährend erhaltendes, wie dies einem jedem Geschlecht eigen ist. Freilich nicht so als ob die Kinder, welche in dem Schooß der christlichen Kirche geboren werden, darum schon gehörten zu dem auserwählten Geschlecht, aber deshalb, weil durch das Leben des göttlichen Geistes in der christlichen Kirche, durch 2–3 Vgl. die Einsegnungsrede am 6. Mai 1826 Joh 3,3–8 33–34 Vgl. Röm 8,9–15
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die fortdauernde Thätigkeit des göttlichen Wortes, auch die Geburt aus dem Geist sich immer wieder erneuert, und eine Seele nach der andern von demselben erfüllt wird. Ein Geschlecht also, aber auch ein auserwähltes, das heißt aber zuerst ein solches, welches durch nichts anderes als durch die Auswahl der göttlichen Weisheit und der göttlichen | Barmherzigkeit ein Geschlecht wird. Diese Worte, m. g. F., sie führen uns in die verborgensten Tiefen der göttlichen Vorsehung, wo es uns unmöglich ist, auch nur einen Schritt weiter zu gehen als mit der Wahrscheinlichkeit, mit welcher wir uns auch in allen menschlichen Dingen oft begnügen müssen, wenn wir in die Zukunft sehen, aber beständig aufgefordert werden zur tiefsten Bewunderung und zur aufrichtigsten Dankbarkeit, wenn wir in die Vergangenheit zurücksehen. Da hat sich die göttliche Weisheit offenbart in der Ordnung, nach welcher Gott die verschiedenen Geschlechter und Völker der Menschen an dieser Auswahl hat Theil nehmen lassen, und sie herbeigeführt, daß sie Glieder seien des heiligen Volkes seines Eigenthums. Wunderbar sind darin seine Wege gewesen von Anbeginn an und sind es noch, aber immer finden wir, wie der, welcher von sich sagen konnte, daß sein Vater ihm alle seine Wege zeige, Recht gehabt hat als er sagte „Ich danke dir Gott, daß du solches den Unmündigen offenbart hast und den Weisen verborgen.“ | Immer sind die Völker in einem solchen Zustande, wo sie als Menschen gering geachtet waren, und auf einer niedern Stufe standen, und unter denen, welche sich höher hinaufgehoben hatten, waren es doch immer diejenigen zuerst, welche nicht den Gipfel der Bildung erreicht hatten, sondern die große und breite Grundlage des gemeinsamen Lebens bildeten. So und in der Ordnung wie Christus es von den Genossen seiner Zeit sagt, aber darin die ganze Geschichte des menschlichen Geschlechts im Voraus offenbart: so hat Gott sie herbeigerufen um Theil zu nehmen an seiner göttlichen Auswahl. Und noch ergeht das Wort des Herrn an diejenigen am meisten und am liebsten, – denn dazu dringt auch die Liebe Christi am gewaltigsten – welche am meisten gering geachtet sind und sich in dem Zustande befinden, wo nur eine Hülfe von oben ihnen einen wahren und rechten Trost geben und sie aus der Niedrigkeit ihres Daseins hervorziehen kann. Aber eben so giebt es auch eine göttliche Ordnung, nach welcher die einzelnen herbeigeführt werden. Unerforschlich ist es, wie früher die eine, | später die andre Seele ergriffen wird von dem Geist, der in dem Ganzen der christlichen Kirche lebt, wie schneller in dem einen, langsamer in dem andern das Leben, welches aus Gott ist, sich entwickelt und befestigt; aber immer müssen wir mit dem Apostel ausrufen „O welch’ eine Tiefe des Reichthums beides der Weisheit und der Gnade Gottes“, o wie verherrlicht sich der Herr in der Art und Weise, wie er dieses Geschlecht 17–18 Vgl. Joh 5,20 39 Vgl. Röm 11,33
18–20 Mt 11,25; Lk 10,21
29–30 Vgl. 2Kor 5,14
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seiner Auswahl hervorruft, erhält und immer weiter unter den Völkern der Menschen verbreitet. Aber m. g. F., zu allen Christen sagt der Apostel dies „Ihr seid das auserwählte Geschlecht.“ So steht die Gemeinde der Christen gegenüber denen, die noch nichts wissen von der göttlichen Berufung, zu welcher sie aber je länger je mehr durch den Dienst, den wir Gott zu leisten haben, indem wir eben die Tugenden des Berufenen verkündigen, gelangen sollen, so sind wir durch die Gnade Gottes die Auswahl des menschlichen Geschlechts. Aber wir sind es auch alle, und nicht etwa giebt es unter uns wieder ein besonderes auserwähltes Geschlecht. O daß doch alle diejenigen unter den Christen, welche geneigt sind sich auf eine ausschließende Weise | Kinder Gottes zu nennen, daß ihnen doch die Augen des Geistes geöffnet würden, daß sie schauen könnten wie viele Diener der Herr hat unter seinem Volk, gleich wie jener alte Prophet es schaute, der verzagen wollte, daß er allein übrig sei in Israel, dem Herrn zu dienen. Würden ihnen doch durch den Geist der Liebe immer mehr die Augen geöffnet, daß sie möchten das Licht der Wahrheit sehen. Nein m. g. F., keine besondere Gesellschaft unter uns klein oder groß, keine besondere Ordnung in der christlichen Kirche nennt sich ja ausschließend die Kinder Gottes. Will jemand denen, die das Wasserbad der Taufe empfangen haben, die göttliche Berufung bestreiten, der wäre im Widerspruch mit dem göttlichen Wort. Will jemand glauben, an irgend einem wäre die göttliche Berufung vergeblich und leer, der dürfte nicht glauben, daß jedes Wort des Höchsten ein schaffendes Wort ist, und die lebendige Ueberzeugung von der göttlichen Allmacht wäre in seiner Seele getrübt und verschwunden. Mannigfaltig ist der Herr in seinen Gaben und Werken. Wie die Geschöpfe groß und klein sich von einander unterscheiden, und mächtig der Abstand ist von den größten unter den lebendigen Geschöpfen, die den Menschen an leiblicher Kraft | übertreffen, bis zu den kleinsten, die unser Auge kaum erblickt, aber diese wie jene leben: so m. g. F. ist es auch in dem Gebiete des menschlichen Geschlechts. Mannigfaltig sind die Gaben, die der Herr austheilt, eine große Mannigfaltigkeit von Stufen giebt es, auf welchen das geistige Leben steht und sich entwickelt; aber so gewiß es eine Kirche des Herrn giebt, so gewiß ist auch dieses Leben überall sei es auch in der unscheinbarsten, in der unvollkommensten Gestalt, es ist überall wo sein Name verkündigt wird, wo er als der Name des Herrn ertönt. Denn auch das kann nicht unwirksam sein, auch das hat seine verborgene Kraft in dem menschlichen Gemüth. Und wie wir unter den natürlichen Geschöpfen so manche Verwandlungen erblicken, durch welche sie sich aus einem niedrigen Zustande, der ganz der Erde angehört, in einen freieren erheben, so mannigfaltige Verwandlungen der 14–15 Vgl. 1Kön 18,22; 19,10.14; Röm 11,3 1Petr 4,10
30–31 Vgl. Röm 12,6; 1Kor 12,4;
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Farben, in denen das Licht der Sonne immer schöner strahlt: so sind auch die Verwandlungen der göttlichen Gnade in den Seelen der Menschen; aber sie können nur da sein, wo wenn | auch ungestaltet das göttliche Leben von oben ist. O m. g. F., wie viel herrlicher ist dieses Gefühl der Gleichheit, mit welchem wir die ganze äußere Gemeine des Herrn umfassen und sie ansehen als das auserwählte Geschlecht aus dem ganzen Stamme des menschlichen Geschlechts, wie viel herrlicher ist dieses Gefühl als der kleinliche Vorzug, den wir einigen, zu denen wir selbst gehören, vor den anderen beilegen wollen. Das Andere, m. g. F., ist dies, daß der Apostel sagt „Ihr seid das königliche Priesterthum.“ Das Priesterthum ist eine Einrichtung, die wir fast bei allen Völkern finden, in welchen sich nur einigermaßen wenn auch noch so verunstaltet und noch so mangelhaft auf der einen Seite das Bewußtsein des göttlichen Wesens sich entwickelt, auf der andern Seite ein gemeinsames Leben sich gestaltet hat. Das Priesterthum war überall eine geschlossene Gesellschaft von solchen, die den Beruf hatten, heilige Handlungen zu verrichten für diejenigen, welche ihrer bedurften, die den Beruf hatten vermittelnd zu stehen zwischen der Gottheit und zwischen denen, die ihr | dienen wollten, aber entweder sich selbst nicht getrauten ihr zu nahen, oder durch die Ordnung und die Sitte der Gesellschaft davon ausgeschlossen und für unfähig erklärt waren. So sagt nun der Apostel „so seid Ihr insgesammt ein Priesterthum.“ Ja m. g. F. nur diejenigen vermögen vor Gott zu treten für das ganze Geschlecht der Menschen, nur diejenigen vermögen ihm wirklich zu nahen in der Anbetung, die ihm allein wohlgefällig ist im Geist und in der Wahrheit, nur die in denen der göttliche Geist ein göttliches Leben entzündet hat; nur diese vermögen in inbrünstigen Gebeten auf eine wirksame Weise vor Gott zu stehen; und wie sie das auserwählte Geschlecht sind, so sind sie es, welche überall in dem menschlichen Leben die Gemeinschaft der Menschen mit Gott vermitteln sollen, Heiligthümer aufbewahrend, welche verloren gehen würden, wenn sie nicht die heiligen Hüter derselben wären, göttliche Gaben und Segnungen mittheilend, welche auf keinem an|deren Wege als auf diesem zu den Menschen gelangen können. O diesen großen und herrlichen Beruf, laßt ihn uns recht ins Auge fassen. Christus ist der Hohepriester, er allein; aber alle diejenigen, welche mit ihm eins geworden sind im Glauben, die bilden das Priesterthum, dessen Amt sich erstreckt über das ganze menschliche Geschlecht, durch dessen Dienst diejenigen auf eine wirksame Weise mit Gott verbunden sind, welche es selbst nicht wissen und nichts davon ahnden. Hier in dem Schooße der christlichen Kirche wird verwahrt von uns allen, die wir heilige 31 Hüter] so SAr 92, Bl. 28v; Textzeuge: Güter 24–25 Vgl. Joh 4,23–24
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Hüter desselben sind, das göttliche Wort, welches in Christo erschienen ist und Fleisch geworden, und geredet hat durch die Männer, welche geredet haben getrieben durch den göttlichen Geist. Diese Gabe bewahren wir dem übrigen menschlichen Geschlecht, wie sie es vielleicht nicht vermuthen und ahnden, wir bewahren sie um immer aufs neue dieselbe anzubieten, ob sie von ihnen angenommen werden möchte und ihre Segnungen für sie einträten. | Und wie Christus die Seinigen bei seinem Vater vertritt und Gott ursprünglich nur ein Wohlgefallen hat an seinem Sohn, in der Gemeinschaft mit ihm aber auch wir die er angenommen hat und denen er die Macht gegeben hat Kinder Gottes zu sein, an dem Wohlgefallen des ewigen Vaters Theil nehmen: so sind auch wir es, durch welche, weil sie einer Natur mit uns theilhaftig sind, und in ihnen dieselbe Fähigkeit ist mit Christo Eins zu werden, obwohl sie es noch nicht sind, das ganze Geschlecht der Menschen Theil nimmt an dem göttlichen Wohlgefallen. Und wie die Priester wenn sie das Volk segneten nicht nur Worte aussprachen, welche gute Wünsche ihres Herzens ausdrückten: so sind auch die Gebete der Christen wahre und wirksame Segnungen für das ganze menschliche Geschlecht. Denn m. g. F. es ist der milde fromme Sinn des Evangeliums, welcher allmählig alle Feindschaft, die das menschliche Geschlecht zerreißt, auflöst in die milde und sich mittheilende Liebe, es ist der helle Geist des Evangeliums, welcher allmählig die Finsterniß | durchbricht, und die Schatten des Todes vertreibt, um die Menschen hervorzulocken an das Licht der himmlischen Sonne. So stehen wir segnend und mittheilend da unter dem übrigen Geschlecht der Menschen. Aber m. g. F., konnte wohl je ein Priesterthum das Volk hassen oder geringschätzen, für welches es dieses heilige Amt verwaltete? Nein m. g. F., darum gehört das so wesentlich zu unserm Beruf, indem wir die wahren geistigen Priester Gottes sind, daß alles Widerwärtige und aller Haß aus unserer Seele weiche auch gegen die, welche noch fern sind von dem Worte Gottes und seinem heiligen Bunde, auch gegen die, welche fern davon sind nicht nur weil sie es nicht kennen, sondern auch weil sie es nicht wollen. Ja von den Zeiten an, wo die ersten Gemeinden der Christen verfolgt wurden von denen, welche sie für die Feinde des menschlichen Geschlechts hielten, weil sie nicht denselben Wahn der Vielgötterei mit ihnen theilen wollten, seitdem sie verfolgt wurden von denen, welche sie für abtrünnig hielten von dem alten Bunde Gottes, mit seinem Volke, weil sie wußten, daß das Gesetz sein Ende gefunden habe in dem der des Gesetzes 1–2 Vgl. Joh 1,14 2–3 Vgl. 2Petr 1,21 7 Vgl. Röm 8,34 sowie Joh 14,16 8 Vgl. Mt 3,17; 17,5; Mk 1,11; Lk 3,22; 2Petr 1,17 8–11 Vgl. Eph 1,5 und Joh 1,12 20–22 Wohl Anspielung auf 2Kor 4,4–6 und Mt 4,16 32–33 Anspielung auf die bekannte Formulierung bei Publius Cornelius Tacitus: Annales XV, 44,4, Opera, ed. Gronovius, 1685, Bd. 1, S. 1060: „… haud perinde in crimine incendii, quam odio humani generis convicti sunt.“; vgl. Libri qui supersunt, Tom. I: Ab excessu divi Augusti, ed. Heubner, 1983, S. 369 36–1 Vgl. Röm 10,4
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Ende ist, seitdem war das der | priesterliche Ruhm der Christen, daß sie segneten auch wenn geflucht ward, daß sie beteten für die welche tödteten. Wo nun also noch Verfolgte sind in unserem Bunde und Verfolger, die außerhalb der christlichen Kirche sind, laßt uns des Namens des königlichen Priesterthums würdig sein, indem wir die Verfolgten als Brüder aufnehmen, und alles thun was in unseren Kräften steht, um ihnen den Druck der Verfolgung zu erleichtern. Fern sei auch von uns der Haß gegen die Verfolger, sondern beten laßt uns für sie, beten daß auch aus ihnen die Rohheit weiche, welche sie fern hält vom Reiche Gottes, daß auch sie endlich den Schatten des Todes entrissen werden und mit uns aufgenommen werden zu demselben Priesterthum. Aber wie dies der Apostel zu allen Christen sagt, daß sie das auserwählte Geschlecht sind, so sagt er auch zu allen, daß sie das königliche Priesterthum sind, zu allen ohne Ausnahme. Und eben deshalb, | m. g. F., weil wir unter Christo als dem Haupt, dem Einigen Hohenpriester das Priesterthum sind für das ganze menschliche Geschlecht, so kann es unter uns und soll es unter uns nicht wieder ein solches geben. O m. g. F., das gehört so wesentlich zu dem helleren Lichte, welches in der evangelischen Kirche der Geist Gottes angezündet hat, daß wir nicht umhin können besonders darauf aufmerksam zu sein. Das ist das Erste gewesen, welches festgestellt wurde unter denen, welche die Kirche des Herrn reinigen wollten von dem Mißbräuchen, die sich in dieselbe eingeschlichen hatten, daß der schneidende Unterschied aufgehoben wurde zwischen einigen, welche Priester Gottes und Christi waren, und andren, denen nur der Dienst der Priester zu Gute kommen sollte, sie selbst aber von diesem heiligen Amte ausgeschlossen. Nein, sind wir deshalb, weil wir mit Christo Eins sind, auch mit ihm und unter ihm die Vermittler zwischen Gott und dem menschlichen Geschlecht, so können und dürfen wir selbst nicht wieder unter einander verschieden sein, so daß einige unter uns die Vermittler wären für die andern, | und nichts giebt es, was in der christlichen Kirche geschieht und was darin vollzogen wird, worüber sie selbst nicht die ganze Gemeine, das ganze heilige Priesterthum, die wahre Eigenthümerin wäre und Besitzerin. Sie selbst die ganze Gemeine hat alle heilige Gaben auch die geheimnißvolle der Sakramente zu verwalten, und wir sind nichts anderes als Diener der Gemeine in dieser Verwaltung der göttlichen Gaben. Doch ein königliches Priesterthum, sagt der Apostel, sollen wir sein. Ein König, m. g. F., ist einer nur dadurch daß er herrscht, und zwiefach ist seine Herrschaft, einmal eine Herrschaft über die Menschen, und dann eine Herrschaft über einen Theil der Erde, welche dem Menschen gegeben ist. Wenn nun 23 andren] andre 2 Vgl. Lk 6,28 2–3 Vgl. Mt 5,44 7–8 Vgl. Mt 5,44; Röm 12,14 Eph 1,22; 4,15; 5,23; Kol 1,18 14–15 Vgl. Hebr 4,14
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der Apostel sagt, „Ihr seid ein königliches Priestertum“, so will er also auch dies der christlichen Kirche beilegen und ganz besonders darauf aufmerksam machen, daß so wie dies sonst zwei verschiedene Gewalten sind, so wäre nun in der Ge|meine der Christen beides vereint. O m. g. F., wenn wir darüber nachdenken, ja so müssen wir es gestehen, giebt es irgend eine Gewalt über die menschlichen Gemüther, welche größer wäre als die, die das Wort Gottes ausübt? Gibt es irgend eine Gewalt über die Erde und über die Kräfte der Natur, welche nicht in dem reichsten und herrlichsten Maaße sich in dem Umkreis der christlichen Kirche fände? Das ist das königliche Priesterthum. Alle Gewalt, welche über menschliche Seelen geübt wird, sie ist entweder leer und nichtig in sich selbst, sie ist entweder vergänglich oder ein Kind des Irrthums, oder sie ist mehr oder weniger ein Wiederschein von der einigen wahren Gewalt, welche das Wort Gottes ausübt. Und so soll es auch sein. Herrschen soll über die Menschen nichts anderes als das Wort Gottes. Das ist die gebietende Stimme, der sollen wir gehorchen. Und allem menschlichen Ansehen, welches unter uns besteht, gehorchen wir, weil es aufs neue geheiligt ist durch diese gebietende Stimme, weil wir dasselbe für nothwendig und weise halten, und in diesem | Zusammenhang alle menschliche Ordnung für göttliche Ordnung halten; und so gehorchen wir nicht aus Furcht oder Noth wie die, denen diese Einsicht fehlt, sondern um der Gewalt willen, die das Wort Gottes über uns ausübt. Und durch diese geistige und heilige Gewalt, welche über die Menschen das Wort ausübt, wird die Geburt aus dem Geiste vollzogen, dadurch wird das geistige Leben in den Menschen entzündet und festgehalten bei dem, der das Fleisch gewordene Wort ist, und so unter uns gewohnt hat, und dessen Stimme es eigentlich ist, die noch immer fortwirkt durch das Wort Gottes, welches sich unter uns vernehmen läßt, und von uns aus an das übrige menschliche Geschlecht ergeht. Und was die Herrschaft über die Erde betrifft, m. g. F., wo ist Kunst und Wissenschaft in diesen Tagen, durch welche allein diese Herrschaft geübt wird, auf eine solche Weise, | daß sie genannt zu werden verdienten, wenn man das Auswärtige vergleicht mit dem, was sich in der christlichen Kirche und unter christlichen Völkern ausgebildet und hervorgethan hat. Ja alle Herrlichkeit alter Kunst und Wissenschaft mußte erst untergehen, damit es keine andere Gewalt gäbe, welche der Mensch ausübte über die Erde, und dadurch zeigt, daß der Herr erschienen ist als die, welche die Seinigen ausüben. Und laßt uns das nicht für etwas Geringes halten, sondern hoch und theuer, daß unser Priesterthum auch in diesem Sinne ein königliches Priesterthum ist. Alles wodurch wir in dieser Hinsicht die Kräfte der Natur beherrschen, es sind Gaben uns anvertraut zu dem Reiche Gottes. Alle menschliche Gewalt, alle menschliche Kunst und Wissenschaft soll dem dienen, der erschienen ist um das Reich Gottes unter 23 Vgl. Joh 3,6.8
24–25 Vgl. Joh 1,14
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uns zu gründen. Denn wohl zu merken, nicht umgekehrt sagt der Apostel, ein priesterliches Königthum wären wir. Nein, nicht sollen wir den heiligen Beruf, welcher der unsrige | ist, nicht sollen wir die Gewalt, die der Mensch über die Erde ausübt, nicht sollen wir die Gewalt, die uns das Wort Gottes giebt, dazu gebrauchen, daß wir Gewalt üben zu einem andern Zweck. Das hieße die göttliche Ordnung verdrehen. Sondern ein königliches Priesterthum sind wir, indem wir festhalten an demjenigen, wodurch sich der Mensch als das Wort Gottes habend zeigt, wodurch sich die geistige Gewalt, welche allen denen, die an Christum glauben verliehen ist, bewährt, wodurch sich alle Gläubigen darstellen als Jünger Eines Meisters, als Diener Eines Priesterthums, in welchem wir bestimmt sind, und wie wir es fähig sind auch wirklich in Ausübung bringen, zu verkündigen die Tugenden dessen, der uns berufen hat von der Finster|niß zu seinem wunderbaren Licht. II. Und das ist nun das Zweite, worauf uns die Worte des Apostels führen, daß wir diesen Beruf der christlichen Kirche, das was sie zu thun hat, mit einander betrachten. Daß wir das auserwählte Geschlecht sind, daß wir das königliche Priesterthum sind, es hat keinen andern Zweck als daß wir verkündigen sollen die Tugenden dessen, der uns berufen hat. Verkündigen, m. g. F., das scheint ja etwas Geringes und Leichtes zu sein, leicht weil es ja nichts ist, als daß der Mensch wieder herausgiebt und herausschüttet, was er eingenommen hat und angefangen, gering weil dadurch ja eigentlich gar nichts ausgerichtet zu werden scheint, daß etwas gesagt wird und verkündigt. Aber wie m. g. F., laßt uns nicht vergessen, daß wenn von dem höchsten Wesen die Rede ist, seine ganze schaffende Thätigkeit nicht | anders beschrieben wird, als „Gott sprach,“ da da ward. Laßt uns nicht vergessen, daß als der Erlöser erschien, auch er nichts anderes that als verkündigen das Reich Gottes sei nun herbeigekommen. Und die welche von Anfang an als seine Diener die Gemeine des Herrn gegründet haben und befestigt, was wollten sie, wofür gaben sie sich aus? Boten waren sie, und anders wollten sie nicht genannt sein, welche verkündigten die Tugenden dessen, der uns berufen hat. Aber wie das Wort des Ewigen schaffend ist, wenn er spricht, so geschieht es, wenn er gebeut, so steht es da: so war auch das Wort des Erlösers schaffend und hervorbringend das Leben, welches auf Erden zu gründen und zu verbreiten er gekommen war. Er sprach und lud zu sich ein die bekümmerten und beladenen Seelen, und sie kamen und fanden die Ruhe für ihre Seelen | welche sie suchten. Er sprach es aus 26 Vgl. Gen 1,3–31 28 Vgl. Mk 1,15 30–31 Vgl. Eph 6,20 sowie Apg 15,23; Röm 1,1; 11,13; 16,7; 1Kor 1,1; 9,1.5; 12,28–29; 15,9; 2Kor 1,1; 8,23; 11,5.13; Gal 1,1; Eph 1,1; Kol 1,1; 1Thess 2,7; 1Tim 1,1; 2,7; 2Tim 1,1.11; Tit 1,1; 1Petr 1,1; 2Petr 1,1; 3,2 („Bote“ bzw. „Apostel“, griechisch immer πστολος) 35–36 Vgl. Mt 11,28 37–2 Vgl. Joh 8,28; 12,50; 15,15
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was der Vater ihm mitgetheilt hatte, und gab den Menschen Alles wieder, was er ihm anvertraut hatte, und sie nahmen es auf in ihre Seele, und damit empfingen sie die Macht Gottes Kinder zu werden, dadurch wurde es wahr, daß er selbst der Herr mit seinem Vater kam um Wohnung zu machen in ihren Herzen. Alles geschieht durch das Wort, und es giebt keine andre Gewalt als diese. So m. g. F. sollen wir auch verkündigen. Worte und Werk es läßt sich nicht von einander sondern, es ist beides nur Eins und dasselbige das Werk wird uns erst verständlich, wenn das Wort es auslegt. Denn wie wüßten wir in welchem Sinne und Geiste der Mensch dies und jenes thut, wenn er nicht das Wort verkündigte, sei es das mit dem Munde gesprochene, sei es das in Begriffen dargestellte, sei es das in dem ganzen Ausdruck seiner | Gestalt sich offenbarende. Das ist dasjenige, wodurch das Werk selbst erst Geist und Leben empfängt. Aber eben so wie der Glaube todt ist ohne Werke, so ist auch das Wort todt oder es ist eigentlich kein Wort mehr, wenn es nichts anderes ist als Schall. Derselbe Geist ist es, der da redet und der da handelt aus dem Menschen. Aber alles Handeln ist nichts anderes als eine Verkündigung, so wie unser Wort nichts sein soll als eine Verkündigung der Tugenden dessen der uns berufen hat von der Finsterniß. Und wie sollten wir nicht genug daran haben, wie die ersten Jünger des Herrn es hatten, um die Verkündiger die Boten seiner Tugenden zu sein, und die durch welche die Menschen ihn kennen lernten, und der ihnen lebendig vor Augen gestellt wurde, die durch welche, so wie sie selbst das ewige und göttliche Wort empfangen hatten, den Menschen der hohe Beruf dargestellt wurde und ihnen immer vor Augen blieb, Diener und Boten des Herrn zu sein. Und verkündigen sollen wir die Tugenden dessen, der uns berufen | hat. Aber wer ist es, der uns berufen hat? Ist es Gott? Ist es der Erlöser? O m. g. F., können wir wohl eigentlich so fragen und schwanken wie wir zu antworten haben? Können wir einen von beiden trennen und einen absondern, den andern liegen lassen? Nein Christus selbst war der Verkündiger, aber die Worte, welche er redete, waren nicht sein sondern dessen der ihn gesandt hatte. Ob wir sagen Gott hat uns berufen durch Christum, oder ob wir sagen Christus hat uns berufen, es ist Eins und dasselbige. Ob wir sagen, wir sollen die Tugenden Gottes verkündigen, oder ob wir sagen wir sollen die Tugenden des Erlösers verkündigen, es ist wiederum dasselbe, und zwar deshalb, weil auch die göttliche Allmacht, weil auch die göttliche Weisheit, weil auch alle andern göttlichen 3 Vgl. Joh 1,12 4–5 Vgl. Joh 14,23 5–6 Wohl Anspielung auf Joh 1,3 11– 12 Anspielung auf Joh 1,1–18 12–13 Wohl Anspielung auf Joh 6,63 13–14 Vgl. Jak 2,17 14–15 Wohl Anspielung auf 1Kor 13,1 15 Wohl Anspielung auf 1Kor 12,11 15–21 Wohl Anspielung auf Eph 6,18–20 21–22 Wohl Anspielung auf Gal 3,1 22–25 Wohl Anspielung auf Eph 6,18–21 (vgl. auch Röm 15,16; 1Kor 3,5; 4,1; 2Kor 11,23; Eph 3,7; Kol 1,7.23; 4,7; 1Tim 4,6) 30–31 Vgl. Joh 14,24
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Tugenden uns nur verständlich sind in der Liebe, und weil der Abglanz des göttlichen Wesens, welches die Liebe ist, der Sohn war, den er herab gesandt hat, und er es ist, in welchem sich der Vater offenbart. Die Tugend dessen der uns berufen hat, ist die ewige Liebe des Vaters, der seinen Sohn in die Welt gesandt hat, das ist die erlösende Liebe des Sohnes, der | gekommen ist, auf daß er die Menschen, die ihm von seinem Vater zugedacht sind, herüberziehe in sein Reich, und sie berufe von der Finsterniß zu seinem wunderbaren Licht. Darin m. g. F. liegt der eigenthümliche Gipfel dieser Verkündigung. Die Berufung Gottes soll sich aussprechen in der christlichen Gemeinschaft durch Worte und That, die Berufung von der Finsterniß zu seinem wunderbaren Lichte. Aber wenn nun die Finsterniß noch unter uns ist, so ist auch das wunderbare Licht verdunkelt, so können die Menschen nur trübe sehen, was hier in diesem auserwählten Geschlecht, in diesem königlichen Priesterthum für ein Leben waltet, und so muß die lebendige Stimme der Verkündigung matt sein und ohnmächtig. Nur je mehr die Finsterniß unter uns vertrieben ist, nur je mehr das wunderbare Licht leuchtet, welches uns nur entgegentritt aus den Augen der Liebe, desto wirksamer ist die Verkündigung der Tugenden dessen, der uns berufen hat. Darum denn spiegelt sich die himmlische Tugend schon in diesem Leben, wenn wir durch den Glauben | aus dem Tode zum Leben hindurchgedrungen sind, wenn das Wort des Herrn das schaffende und belebende die Finsterniß vertrieben hat, wenn wir in seinem wunderbaren ewigen Lichte wandeln. Nichts anderes aber wieder, wie herrlich es auch um uns stehen mag, welchen geringen Raum auch die Finsterniß unter uns einnehme, wie himmlisch auch das Licht leuchte aus der christlichen Kirche heraus: nichts anderes sollen wir verkündigen als die Tugenden des Einen, des Vaters der sich in dem Sohn offenbart, des Sohnes den wir in dem Vater erkennen, wie er es selbst sagt. Andere Tugenden verkündigen, das hieße Licht und Finsterniß wieder vermischen, und das sei fern von uns. Einer allein ist es, der so Eins gewesen ist mit Gott, daß seine Tugenden es verdienen, verkündigt zu werden, weil die Fülle der Gottheit darin sich offenbart. Von allem anderen gebührt uns zu schweigen, und es gehört nicht zu unserm königlichen Priesterthum sie zu verkündigen, denn es ist Licht und Finsterniß darin gemischt. Einer ist rein, den sollen wir den Menschen verkündigen, Einer ist gut, auf dessen Tugenden sollen wir die Menschen hinweisen. | Alle andern sind Sünder und als solche einander gleich. Wie sehr sie auch mögen begabt gewesen sein und ausgezeichnet als Werkzeuge des Höchsten, sie sind doch nur Glieder desselben Priesterthums, an welchem wir alle Theil haben, und so wenig es sich geziemen würde, daß wir uns selbst rühmten, so wenig soll ein anderer Mensch gerühmt werden in diesem Gebiet des Prie1–3 Vgl. Hebr 1,3; 1Joh 4,7–10 20 Vgl. Joh 5,24 31 Vgl. Kol 2,9 39 Vgl. 1Kor 1,29.31; 3,21–22
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sterthums, in diesem auserwählten Geschlecht als der Eine Mensch in Gnaden. Geben wir uns ihm hin um ihn allein zu verkündigen, dann sind wir nicht nur das auserwählte Geschlecht, nicht nur das königliche Priesterthum, sondern auch das heilige Volk des Eigenthums, ihm angehörig, weil unser ganzes Leben seinem Dienste gewidmet ist, und heilig, weil dieser Dienst nichts Geringeres ist, als das große und ewige Werk Gottes auf Erden. Wohlan denn diesen heiligen Beruf laßt dem immer mehr folgen, den allein uns vorhalten, wie wir uns selbst prüfen sollen jeder für sich und in unserem gemeinsamen Leben, zu dem uns immer | mehr stärken und uns dieses hohen Vorzugs erfreuen, welchen wir hieraus erkennen um den Namen unsers Herrn und Meisters zu bekennen. Und in diesem Sinne mögen denn auch die, denen es heute beschieden ist heranzunahen zu seinem heiligen Mahl, die alten und die neuen Mitgenossen desselben sich ganz ihm weihen, um seine Tugenden zu verkündigen, sich zu befleißigen der Heiligkeit, die einem priesterlichen Volk gebührt, und nie zu vergessen, daß sie zu dem auserwählten Geschlecht gehören, durch welches Gott den übrigen Menschenkindern seine geistigen Wohlthaten mittheilt, und welche dazu wirken sollen, daß immer mehr Ein Hirt werde und Eine Heerde auf Erden. Amen.
[Liederblatt vom 7. Mai 1826:] Am Sonntag Exaudi 1826. Vor dem Gebet. – Mel. O daß ich tausend etc. [1.] Wie lieblich ist doch Herr die Stätte, / Wo deines Namens Ehre wohnt, / Wenn ich voll Andacht sie betrete, / Wie reichlich werd ich dann belohnt. / Ich kann mich deines Wortes freun, / Und in dir froh und selig sein. // [2.] Du hörst der Deinen Lob und Bitte, / Das Lied, das dich in Einfalt preist; / Trittst segnend ein in ihre Mitte / Und stärkst mit neuer Kraft den Geist, / Daß er auf deiner Wahrheit Bahn / Unsträflich vor dir wandeln kann. // [3.] Dein Wort bleibt niemals ohne Segen / Dem, der es wohl zu Herzen nimmt, / Giebt uns den Trost auf Leidenswegen, / Daß du sie uns zum Heil bestimmt, / Verleiht im Kampfe Muth und Kraft, / Und ist ein Schwerdt, das Sieg verschafft. // [4.] Gott laß auch mir dein Antliz scheinen, / Auch mir bring jeder Tag Gewinn, / Da ich vereinet mit den Deinen / Vor dir an heil’ger Stätte bin! / Was du verheißen stehet fest, / Wohl dem, der sich auf dich verläßt. //
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Nach dem Gebet. – Mel. Mein Jesu, dem die etc. [1.] Uns bindet, Herr, dein Wort zusammen, / In der Gemeinschaft fest zu stehn, / So daß der Liebe heilge Flammen / Stets an den Gläubgen sind zu sehn. / Wir werden durch das Wort der Gnaden / Auch zur Gemeinschaft jener Schaar, / Die längst vor uns hienieden war, / Gelockt und kräftig eingeladen. // [2.] Der Glaubensgrund auf dem wir stehen, / Ist Christus und sein theures Blut; / Das einzge Ziel, worauf wir sehen, / Ist Christus, unser höchstes Gut. / Die einzge Regel, die wir kennen, / Ist sein lebendig kräftges Wort. / Nach keinem Mann, nach keinem Ort / Soll je sich die Gemeine nennen. // [3.] Was für ein reich beseligt Leben, / Mit Gott durch seinen heilgen Geist / Sich zur Gemeinschaft zu erheben, / Wie uns der Heiland ja verheißt! / Was glühen hier für selge Triebe! / Hier schüttet in sein geistlich Haus / Gott seiner Gnaden Fülle aus, / Hier wohnet Er, die ewge Liebe. // [4.] Ja uns liebt Gott als seine Kinder, / Schenkt uns den Geist, der Vater schreit; / Des Sohnes Treue schmückt uns Sünder / Mit ewiger Gerechtigkeit. / So strömet, daß uns nichts mehr fehle, / Auch Friede uns und Freude zu; / Und so erquickt uns Trost und Ruh, / Und neue Kraft stärkt Leib und Seele. // [5.] Die sich nach Einem Herrn benennen, / Die stehen auch für Einen Mann; / Vergebens will der Feind sie trennen, / In Einem greift er Alle an. / Sie fallen betend Gott zu Füßen, / Und siegen in des Herren Kraft, / Denn Er will von der Brüderschaft / Der Heilgen auch nicht Einen missen. // [6.] So wallen die verbundnen Herzen / Durch dieses wechselvolle Land, / Versüßen sich der Erde Schmerzen, / Eins reicht dem andern gern die Hand. / Und wollen sie einander dienen: / So sehn sie mit des Glaubens Blick / Auf Jesum und ihr wahres Glück; / Sie sind in ihm, Er ist in ihnen. // Nach der Predigt. – Mel. Straf mich nicht etc. [1.] Was den Frieden Gottes mehrt, / Sei uns allen wichtig; / Was den Stolz des Wissens nährt, / Sei uns klein und nichtig. / Eins ist Noth! / Himmelsbrodt / Mög uns niemals fehlen; / Wohl dann unsern Seelen! // [2.] Der das Haupt der Kirche ist, / Ihn laßt uns bekennen, / Und ihn unsern Herrn und Christ / Vor der Welt auch nennen. / Wahr und frei, / Stark und treu / Müssen sich die Seinen / All’ um ihn vereinen. //
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Pfingstsonntag, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Eph 5,9 Nachschrift; SAr 92, Bl. 45r–67v; vermutl. Andrae Keine Keine Keine
Frühpredigt am ersten Pfingsttage 1826. | Tex t. Epheser 5, 9. Die Frucht des Geistes ist allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit. M. a. F. Über den großen Gegenstand des Festes, welches in diesen Tagen in der Christenheit begangen wird, finden wir in den Worten des Erlösers selbst die herrlichsten und trefflichsten Verheißungen, durch welche er seinen Jüngern die Stunden der gänzlichen Trennung von ihnen versüßen, und ihren Glauben | und ihren Muth auf einem unerschütterlichen Grunde befestigen wollte. In den Schriften der Apostel aber, die dieses Glaubens nun selbst theilhaftig geworden waren nicht nur, sondern auch die Wirksamkeit desselben in der ganzen Gemeine der Christen anschauten und ordneten, in diesen finden wir die Beschreibung dessen, was den Gläubigen und indem die Zahl derselben immer mehr zunehmen sollte dem ganzen menschlichen Geschlecht durch die Seligkeit des Glaubens | widerfahren ist. Wir unterscheiden aber dabei billigerweise zwei verschiedene Beziehungen, in welchen die Apostel von den Wirkungen des Geistes redeten: einmal von demjenigen, was wenn wir die Gemeinschaft der Christen betrachten als ein großes öffentliches Leben, als einen sich weit verbreitenden Zusammenhang von Kräften, durch den göttlichen Geist in derselben gewirkt wird; dann aber auch was in den einzelnen Seelen das Werk ihrer Theilnahme an 7 durch] durch er 3 Der Wortlaut folgt der Lutherübersetzung bzw. dem textus receptus mit der wohl an Gal 5,22 angeglichenen Lesart „Frucht des Geistes“. Heutige Textausgaben und Übersetzungen bieten die ursprünglichere Lesart „Frucht des Lichts“. 6–10 Gemeint ist die Verheißung des heiligen Geistes nach den johanneischen Abschiedsreden; vgl. Joh 14,15–26; 15,26; 16,7–15.
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dem Geiste | Gottes ist. Von der leztern Art nun sind die Worte, welche ich jezt als den Gegenstand unsrer Betrachtung vorgelesen habe. Das sagt der Apostel, das wirkt der göttliche Geist in jeder einzelnen Seele, die seiner theilhaftig geworden ist, das ist die Frucht desselben allerlei Gütigkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit. Wir dürfen aber nicht glauben m. g. F., daß der Apostel nur so zerstreut Einzelnes werde herausgehoben haben von den Wirkungen des Geistes, sondern mit Recht können wir vor|aussezen, und eine genauere Betrachtung wird es uns leicht zeigen, daß hier in den wenigen Worten alles zusammengefügt ist, was der göttliche Geist, aber auch nur der, in den Seelen der Menschen hervorbringt. Wir werden also nichts Beßres thun können, als wenn wir den Worten des Apostels im Einzelnen nachgehen, und so zusammenfassend werden wir den Inhalt derselben deutlich verstehen. Laßt uns bei dem lezten beginnen, weil es am unmittelbarsten zusammenhängt mit den Verheißungen des Herrn. |
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I. Zuerst nämlich wie die Frucht des Geistes die Wahrheit ist. Denn so spricht der Herr selbst „Der Tröster, der heilige Geist welchen ich senden werde, wird euch in alle Wahrheit leiten.“ Wenn wir m. g. F. auf den ganzen Zusammenhang der Führungen Gottes mit dem menschlichen Geschlecht sehen, so finden wir freilich überall in der menschlichen Natur das Bestreben nach der Wahrheit verbreitet. Dieses mußte aber auch vorhanden sein, weil sonst der | göttliche Geist selbst in den menschlichen Seelen nichts gefunden hätte, woran sich seine wahrheitbringende und wahrheiterhaltende Thätigkeit in dem Menschen anknüpfen konnte. Aber wie oft, ja immer finden wir die Menschen in den Zeiten, welche der Erscheinung des Herrn vorangingen, in ihren Bestrebungen nach der Wahrheit getäuscht! wie verwandelte sich früher oder später jeder edle Keim derselben in mehr oder minder verderblichen Wahn! Und wenn wir die Ge|schichte des Volks betrachten, unter welchem der Erlöser geboren ward, und dem auch diejenigen angehörten welche zuerst der Gaben des Geistes theilhaftig wurden: so finden wir da freilich unter einer besondern göttlichen Ordnung und Fürsorge Töne der Wahrheit von oben herabkommen durch den Mund auserwählter Diener Gottes; aber es waren nur einzelne zerstreute Stimmen, auf das jedesmalige Bedürfniß des Volks berechnet, zurükweisend vorzüglich auf jenes Gesez, unter | welchem doch das Volk selbst nur sollte zusammengehalten werden, bis der Glaube käme. Als aber das Wort Fleisch ward, da m. g. F. da ward ein fester Grund der Wahrheit gelegt, da erschienen aus dem Munde des Erlösers alle die Worte, von welchen er selbst sagt, daß der Vater sie ihm gegeben habe um sie den Menschen zu verkündigen; und das ist die übereinstimmende Äußerung unsers Glaubens, daß sie den Grund ausma-
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17–18 Vgl. Joh 15,26; 16,13
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38–39 Vgl. Joh 17,8
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chen für das Heil aller Menschen. Wie | es aber in den Zeiten des alten Bundes nur einzelne Stimmen waren, welche die Wahrheit von sich gaben, so waren es auch hier nur einzelne Wenige welche sie wirklich in ihre Seele aufnahmen. Wie anders mußte es aber werden m. g. F., wenn die Frucht der Wahrheit reifen sollte unter allen verschiedenen Völkern des menschlichen Geschlechts? Darum fällt zunächst unsre Aufmerksamkeit auf den großen Unterschied, der in dieser Hinsicht stattfindet zwischen den früheren Zeiten | und diesen herrlichen Zeiten des neuen Bundes. Denn mögen wir nun sehen auf das alte Bundesvolk, welches besondrer göttlichen Offenbarungen gewürdigt worden war, oder mögen wir sehen auf diejenigen Völker unter dem Geschlecht der Menschen, unter denen sich der menschliche Geist auf andern Gebieten zu einer edleren Gestalt und Bildung entfaltet hat: überall war nicht nur die Wahrheit selbst, so weit wir sie als ein Besizthum des Menschen betrachten können, und der Antheil weniger auserwählten See|len, so viel oder so wenig sie davon besaßen, sondern das Streben nach Wahrheit selbst war auf diejenigen beschränkt, welche schon befreit waren von dem Druk der irdischen Sorge und nicht mehr herabgezogen wurden durch die Last der Erde. Das war aber das große Werk Gottes an dem menschlichen Geschlecht, dessen Gedächtniß wir heute feiern, daß der Geist Gottes, der Geist der Wahrheit, ausgegossen ward über alles Fleisch. Wie schon der Erlöser selbst überschauend die Verhältnisse derjeni|gen welche am begierigsten waren die Worte der himmlischen Weisheit von seinen Lippen zu saugen, und ahndend was sich begeben werde als der Erfolg seiner Bemühungen, Gott pries daß er das Geheimniß der Weisheit offenbart habe den Unmündigen und es verborgen gehalten vor den Weisen dieser Welt: so waren es diejenigen welche für unmündig und für einfältig geachtet wurden von den Menschen, über welche nach der göttlichen Verheißung, auf die sich Petrus bezieht in seiner Rede vor dem | versammelten Haufen am Tage der Pfingsten, der Geist Gottes ausgegossen wurde unter allerlei Fleisch. Ja m. g. F. laßt uns das mit inniger Dankbarkeit gegen Gott erkennen, welch ein großer Unterschied in dem menschlichen Streben nach Wahrheit ist, seitdem der Geist Gottes ausgegossen ist über das Geschlecht der Menschen, im Vergleich mit den Zeiten vor der Erscheinung des Erlösers. Keine Seele giebt es seitdem, der überhaupt das Wort Gottes auch nur in seiner ersten Wirk|samkeit erschienen ist, welche nicht ein heiliges Recht zu haben überzeugt wäre auf die Wahrheit die zu ihrem Frieden dient; keine Seele giebt es in der Gemeinschaft der Christen, die nicht in sich den bestimmtesten Drang fühlte, der nicht auch durch die Verkündigung der Gnade die Gelegenheit gegeben würde denselben zu befriedigen, von Zeit zu Zeit emporzutauchen aus dem Meere der weltlichen Geschichte 19–20 Vgl. Apg 2,17 Apg 2,14–17
24–26 Vgl. Mt 11,25; Lk 10,21
27–30 Vgl. Joel 3,1–5;
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und der Sorgen um die irdischen Dinge, und der erhebenden | erlauchten erwärmenden Stimme der göttlichen Gnade das Ohr zu öffnen. Und wie wirksam zeigt sich dieses Bestreben vom Anfang der christlichen Kirche an! welcher Eifer für die erkannte Wahrheit, der das Leben nicht achtete, um vor der Welt zu bekennen, daß ihre treuen Verehrer erkannt würden von ihr vor dem Throne des Ewigen! welcher Eifer durch die Wahrheit alle Kränkungen der Welt zu beseitigen und zu überwinden, um in der Stille der Einsamkeit, in dem kleinen Kreise der Gläubigen das | Herz fester werden zu lassen auf dem ewigen Grunde, der für das Heil aller Menschen gelegt ist! Welch ernste Sorge des Gewissens nicht zu ergreifen den Wahn und den Irrthum statt der Wahrheit! welche Aufmerksamkeit in der christlichen Kirche auf alle Stimmen, die sich vorzüglich geltend machen wollen, und durch welche auf eine vornämliche Weise der Geist Gottes zu reden scheint, um zu sondern den Irrthum und die unsichere menschliche | Meinung von der Wahrheit, die das Eigenthum ist des göttlichen Geistes. Ja m. g. F. geht auch diese Treue in der Verwaltung der herrlichsten und heiligsten Gabe, die uns von Gott anvertraut ist, bisweilen in eine ängstliche Sorge über; heftet sie sich auch, um etwas zu haben was sie mit Sicherheit festhalten kann, bisweilen mehr an den Buchstaben als daß sie auf dasjenige sehen sollte, was unmittelbar des Geistes ist: wir wollen die Verirrung bedauern, wir wollen was in unsern Kräften steht | thun um unsre Brüder zurükzuführen von dem falschen Wege; aber anerkennen müssen wir den heiligen und von dem Geiste Gottes gewirkten Sinn für die Wahrheit. – Doch freilich schließt sich an diese erhebende und erfreuliche Betrachtung gewiß in jedem Gemüth eine andre an, die niederschlagend ist. Denn wenn wir betrachten, welches die Frucht ist von dem so viele Jahrhunderte hindurch fortgesezten Ringen und Streben nach der Wahrheit: wie gering m. g. F. erscheint uns die Übereinstimmung der Christen auch auf | dem heiligen Gebiet des Glaubens! Wie viele Stimmen ertönen, welche wenig zusammenklingen wollen, und nur einen Mißlaut geben wenn wir sie zugleich mit dem Ohr des Geistes auffassen wollen! Wie erscheint der Eifer für die Wahrheit als ein gemeinsames Geschäft der christlichen Kirche nicht nur in dem Streit derselben gegen den Irrthum und den Wahn der außer ihren Grenzen in dem menschlichen Geschlecht waltet; sondern es ist ein innerer Streit; einer zeiht den andern des Irrthums, und unsicher ist es zu vernehmen | und zu bestimmen wo das Walten des Geistes sei. Doch m. g. F. laßt uns fest vertrauen auf die Verheißung des Herrn daß der Geist Gottes in alle Wahrheit leiten werde, und auf das schöne Zeugniß des Apostels in den Worten unsers Textes, daß die Wahrheit sei die Frucht des Geistes. O m. g. F. Ein Grund ist gelegt, den niemand mehr erschüttern kann, Eine Wahrheit giebt es, die 8 Vgl. Hebr 13,9 Röm 10,9–13
9–10 Vgl. 1Kor 3,11
37–38 Vgl. Joh 16,13
39–3 Vgl.
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alle aus Einem Munde bekennen überall wo der Geist Gottes waltet und regiert: das ist die, daß Ein Name den Menschen gegeben ist, auf welchen | sie ihr Heil gründen sollen; das ist die, wie der Apostel sagt, daß niemand Christum einen Herrn nennen kann ohne durch den Geist Gottes. Wo der göttliche Geist waltet und lebt, wo der Erlöser bekannt wird als der gemeinsame Meister aller: da ist der Eine Grund der Wahrheit gelegt, unumstößlich fest ist er, und die Pforten der Hölle werden ihn nicht überwältigen. Aber eben diese Wahrheit in allen ihren Folgerungen und Verzweigungen zu erkennen, die verschiedenen Arten, wie von Anbeginn den Menschen sie aus|gebildet haben, um auf der einen Seite den Unterschied zwischen dem Erlöser und denen welche erlöst sind, auf der andern den Unterschied zwischen dem göttlichen Geist und der menschlichen Vernunft, die nur ein Werkzeug sein soll des göttlichen Geistes, aufzufassen und festzuhalten, diese verschiedenen Arten zu bestimmen, das m. g. F. ist das fortschreitende Werk der Zeit, und dafür gilt jenes eben so weise als liebevolle Wort des Apostels „so ihr etwas anderes haltet, so wird es euch Gott offenbaren.“ Da ist eine große Mannigfaltigkeit der Ansichten, die | uns festhält im Leben, und uns überall in der christlichen Kirche entgegentritt; und so ist es dem Herrn wohlgefällig, wenn wir uns auf den Einen Grund der Wahrheit bauen. Aber die Wahrheit ganz zu besizen, sie in einen feststehenden Buchstaben für alle gültig fassen zu können, das ist nicht der Wille Gottes daß es zu irgend einer Zeit soll erreicht werden, weil jeder menschliche Buchstabe in seinem Werth selbst wandelbar ist. Aber der Geist Gottes leitet unaufhörlich in alle Wahrheit; seine Leitung steht fest in der Gemeinde des Herrn. Wo er einmal Raum genommen hat in | der Seele, da schärft sich auch der Sinn, der die Wahrheit vom Irrthum scheidet. Je einfältiger wir auf den gemeinsamen Grund der christlichen Wahrheit zurükgehen, desto tiefer wird er für das Bedürfniß der eigenen Seele gelegt. Und wie der Geist des Herrn in alle Wahrheit leitet, so ist auch die Frucht des Geistes die Wahrheit. Kann auch kein Mensch von sich rühmen – und er wäre in einem verderblichen Wahn begriffen wenn er es thäte – daß er die Wahrheit ganz habe, und in seiner Seele nichts habe | als die Wahrheit; wissen wir daß jede Anwendung des feststehenden Grundes der Wahrheit auf dieses oder jenes Einzelne in der Seele und im Leben immer wieder dem Irrthum und dem Wahn unterworfen ist: dennoch m. g. F. vergleichen wir, ich will nicht reden von dem allgemeinen Leben der christlichen Kirche, sondern nur von dem was in der einzelnen Seele und in dem einzelnen Gemüth geschieht, vergleichen wir einen früheren Augenblik derselben mit dem spätern: so werden wir dankbar erkennen müssen, daß die fortschrei|tende sich immer weiter verbreitende Frucht des Geistes in der Seele auch die fortschreitende Wahrheit sei. 3–4 Vgl. 1Kor 12,3 24 Vgl. Joh 16,13
5–7 Vgl. Mt 16,16–18; 1Kor 3,11
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Und scheint es, daß der Mensch bei dem besten Willen das Göttliche zu fassen, bei der treusten Aufmerksamkeit auf das göttliche Wort bisweilen wieder rükwärts getrieben wird und von der Wahrheit abgeführt in den Irrthum: hat er nur sein Herz nicht etwa dem göttlichen Geiste verschlossen, liebt er die Wahrheit und will sie: so wird ihm auch das zum Heil gereichen; es ist ein Theil der heilsamen göttlichen Führun|gen mit ihm, denn es wird ihm dadurch etwas aufgedekt, was ihn in den Irrthum herabzieht, was er vorher nicht erkennen konnte, sondern ihm verborgen geblieben war, und sich nur in seiner Frucht zu erkennen giebt. II. Dann aber zweitens sagt der Apostel, die Frucht des Geistes sei allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit. Wenn wir diese beiden Worte hören m. g. F., so scheint es beinahe, als wären wir aus dem engeren Gebiet der christlichen Gemeinschaft in das weite und bunte des menschlichen Lebens hin|ausgetreten. Wir erwarten statt der beiden Worte vielleicht lieber Eines, das große alles in sich fassende selige Wort „Liebe“. Warum aber bedient sich der Apostel dessen nicht? warum sagt er, die Frucht des Geistes sei allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit? Mit großer Weisheit m. g. F. hat er das gethan, damit die Christen zeitig lernen möchten unterscheiden, was auch die christliche Liebe nicht verwechseln soll in diesem bunten verwikelten Gewebe der menschlichen Angelegenheiten. Denn eine zwiefache Weise giebt es wie die Liebe | wirkt und sich äußert: das ist die Gütigkeit und die Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit ist nichts anderes als diejenige Austheilung der Liebe, wobei wir uns wie jedes andre Einzelne dem heiligen gemeinsamen Verhältniß, welches die Menschen zusammenhält, unterordnen. Gütigkeit ist diejenige Äußerung der Liebe, wo frei und wie wir es wissen in Übereinstimmung mit jener Ordnung die einzelne Seele sich der einzelnen Seele zuwenden kann, um sie zu tragen, zu leiten, zu unterstüzen, sei es im Einzelnen oder im Ganzen; sei es | im Leiblichen oder im Geistigen. Nothwendig aber ist dies beides zu scheiden. Denn in den allgemeinen Verhältnissen der Menschen sind wir alle mehr oder weniger der Eine und der Andre geblieben und leitend oder gehorchend und ausführend. Wehe der menschlichen Gesellschaft auch unter den Christen, wo beide Theile ihr Amt und ihren Beruf in dieser gemeinsamen Ordnung der Dinge verwechseln, wenn der Gebietende, damit er Gerechtigkeit übe, nicht werth hält und heilig das gemeinsame Verhältniß welches die Einzelnen bindet, wenn diejenigen welche gehorchen überall in dem Ge|biet der gemeinsamen Angelegenheiten, auf etwas anderes hören wollen oder sich eine andre Regel machen als die Stimme der Gerechtigkeit, welche ausgesprochen hat, was Recht ist und das Band der menschlichen Gesellschaft zusammenhalten soll. Ja gewiß nur Verwirrung und Nachtheil aller Art entsteht daraus, wenn auf diesem Gebiet eben so dem besondern Zuge der Seele gefolgt wird,
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eben so der freie Wille walten will wie auf jenem andern Gebiet, wo frei die Liebe sich äußern kann als freundliche Gütigkeit des einen zu dem andern. – Sehen wir nun | m. g. F. auf die Gerechtigkeit zuerst, o so können wir es ja nicht leugnen, erst seitdem der Geist Gottes waltet, erst seitdem es christliche Völker giebt welche in dem christlichen Sinne ihre gemeinsamen Verhältnisse leiten und ordnen, finden wir eine fortschreitende Richtung zu einer Festigkeit in diesen menschlichen Verhältnissen, erst seitdem zeigt sich, daß immer mehr, je länger diese Frucht des Geistes herrscht in dem Ganzen der menschlichen Angelegenheiten, auch die Weisheit die vom Geiste Gottes ausgeht regiert, auch die Liebe wel|che die Gemeinschaft weiter führen will auf der Bahn des gemeinsamen Heils waltet, die Willkühr aber der Leidenschaft, der gebietenden sowohl als der gehorchenden, immer mehr gezügelt wird durch die Kraft des allgemeinen Gesezes. Und wo in der Geschichte christlicher Völker eine plözliche Verwirrung dieser heiligen Verhältnisse ausbricht, wo Recht und Gerechtigkeit zerstört erscheinen: o wenn wir zurükgehen, überall werden wir finden das Walten des göttlichen Geistes zurükgedrängt und verunreinigt, überall wer|den wir finden daß ein menschliches und widerchristliches Verderben vorher gewaltet hat, ehe die heiligen Schranken der Gerechtigkeit konnten umgestoßen werden. Ja die heilige Scheu welche alle menschliche Ordnung zugleich auf das Reich Gottes auf Erden bezieht; die feste Überzeugung daß dieses nicht bestehen kann ohne jene, und daß es vergeblich sein würde in der geschloßnen Gemeinschaft der Christen nach allem zu streben woraus das Heil der Menschen hervorgeht, wenn nicht das Band der menschlichen Ordnung fest ist, | wenn nicht Recht und Gesez überall heilig gehalten werden; und eben deshalb weil dieses Streben nicht mehr hängt an dem menschlichen Eigennuz der es oft überhört, nicht mehr an dem richtigen freilich aber durch menschliche Leidenschaft oft widersprochenen Saz, daß der eigene Vortheil ruhe in dem gemeinsamen, sondern weil diese Anhänglichkeit an Recht und Gesez darauf ruht, daß wir wissen der Geist Gottes sei ein Geist der Ordnung in allen Gemeinden der Christen, also auch unter allen christlichen Völkern, deswegen weil | wir wissen, es ist Obrigkeit Recht und Gesez von Gott geordnet und die Bedingung, unter welcher sich die christliche Kirche eines schönen Daseins auf Erden, eines feststehenden Schazes und eines ununterbrochenen Fortschreitens in ihren innern Angelegenheiten erfreuen kann: – darum mögen wir in der That und Wahrheit sagen, die Gerechtigkeit ist die Frucht des Geistes. Der wahre höhere göttliche Sinn für alles was Recht und Ordnung ist in der Verbindung der Menschen, er kommt nur von dem Geist der in allen waltet, von dem | Geist der was Christi ist weiter verklärt, von dem Geist der sein Reich bauen will und befestigen. – 32–33 Vgl. Röm 13,1
39–40 Vgl. Joh 16,14–15
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Was aber m. g. F., was sollen wir sagen von der Gütigkeit, als daß sie gewiß in ihrem rechten Sinne gefaßt eine Frucht ist des Geistes. Nur ein zufälliges und vergängliches Spiel der Natur bleibt übrig in allen Erweisungen des Wohlwollens und der Liebe, wie sie in dem Einzelnen waltet, wenn nicht der Sinn herrscht, daß jeder sich selbst verleugnet und sucht was des andern ist, wenn nicht der Sinn herrscht „ein Jeglicher sei | gesinnet wie Jesus Christus auch war, welcher es nicht für einen Raub hielt Gott gleich zu sein, sondern nahm Knechtsgestalt an, und kam nicht daß er herrschte, sondern daß er diente.“ Alle menschliche Kräfte ansehen als ein gemeinsames Gut, den Frieden eines Jeden als den wesentlichen Bestandtheil des allgemeinen, und nur darauf bedacht wie wir am meisten wuchern können für das große und herrliche Ganze, dem wir angehören, nicht scheiden das Unsrige von dem was des Ganzen ist, sondern alles als Eines und wesentlich zusammen|gehörend ansehen, nicht anders richten zwischen dem was des Einen und dem was des Andern ist weil es des Andern ist, sondern aus Einem Sinn und Geist immer dasselbe sprechen und thun: – das m. g. F. ist die Gütigkeit, von der wir sagen müssen, die Menschen haben sich zu derselben nicht anders erheben können als durch den Geist Gottes; das ist die Gütigkeit, die das Gepräge des Erlösers trägt und die Züge seines Bildes darstellt, und eben deshalb auch ihm gehört, und uns durch den Geist, den er gesandt hat, sich in | dem Menschen bestätigt. Wo nun aber m. g. F. Gerechtigkeit und Gütigkeit beide sind, o da ist auch die Liebe in ihrem ganzem Umfange. Wo Liebe und Wahrheit beide sind, da ist der Friede Gottes, da ist die Seligkeit die der Herr den Seinigen gegeben hat, da ist das ewige Leben, welches diejenigen schon haben die an ihn glauben. Wenn also der Apostel sagt, die Frucht des Geistes sei allerlei Gütigkeit Gerechtigkeit und Wahrheit, o so laßt ihn uns nicht so mißverstehen, als ob | die Frucht des Geistes etwas Einzelnes sei und Zerstreutes, sondern der Apostel hat hier so geredet wie sich die Dinge begeben im menschlichen Leben. Indem da die Verwiklungen der menschlichen Verhältnisse überall auf die Gemeinschaft der Christen wirken; indem da in dem Leben des Einzelnen Augenblicke von verschiedenem Gehalt und von mannigfaltiger Richtung neben und nach einander sind und mit einander wechseln: so gewährt uns die christliche Gemeinschaft keine andre Erscheinung als daß | auf eine zerstreute Weise hier und da dieses und jenes Schöne und Herrliche, was in das Gebiet der Wahrheit und der Gerechtigkeit und der Gütigkeit gehört, zum Vorschein kommt. Aber unter der göttlichen Leitung, in der Einheit des Geistes stimmt alles auf das herrlichste zusammen. Was uns 15 was des Andern] was des andern 5–6 Vgl. Mt 16,24; Mk 8,34; Lk 9,23; 1Kor 10,24; Phil 2,4 6–9 Vgl. Phil 2,5–7 sowie Mt 20,28; Mk 10,45 25 Vgl. Joh 3,15–16.36; 5,24; 6,47
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zerstreut erscheint und einzeln, abgerissen und verworren, das hält die ewige Weisheit an einem festen Faden, und leitet es einem großen verborgenen Gesez gemäß, überall das herbeiführend was heilsam ist und Noth thut; und immer en|ger schließen sich die zerstreuten Glieder zusammen, immer mehr wächst alles zusammen zu einem großen Ganzen; und so erbaut sich in Gütigkeit Gerechtigkeit und Wahrheit der geistige Leib des Herrn. Wohlan m. g. F., an dem laßt uns sein lebendige Glieder; laßt uns immer mehr folgen dem Zuge des Geistes, daß Gütigkeit Gerechtigkeit und Wahrheit immer mehr in uns allen wohne und blühe, und unser ganzes Leben erfülle. Dann wird die Gemeinde des Herrn unter der Leitung seines Geistes immer mehr | können dargestellt werden seiner würdig ohne Flecken und ohne Tadel. Amen.
4–7 Vgl. Eph 4,12–16; 5,30 sowie 1Kor 12,12–27
10–12 Vgl. Eph 5,27
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Am 15. Mai 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen:
Besonderheiten:
Pfingstmontag, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Kor 12,31 Nachschrift; SAr 111, Bl. 33r–36r; Sobbe Keine Drucktext Schleiermachers; Siebente Sammlung (Christliche Festpredigten, Bd. 2), 1833, S. 439–466 (vgl. KGA III/ 2, S. 680–695) Wiederabdrucke: SW II/2, 1834, S. 532–548; 21843, S. 531–547. – Predigten. Siebente Sammlung, Ausgabe Reutlingen, 1835, S. 323–343. – Sämmtliche Werke, ed. Grosser, Bd. 2, 1873, S. 417–430. Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am zweiten Pfingsttage Tex t. 1 Korinther 12, 31. Strebet aber nach den besten Gaben; und ich will euch noch einen köstlicheren Weg zeigen. 5
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M. a. F. Diese Worte sind das Ende eines Unterrichts, den der Apostel dieser Gemeinde gab, über den richtigen Gebrauch der Gaben des göttlichen Geistes. Sie führen uns in jene Zeit zurük, wo auf den Aposteln selbst noch seine Wunderkraft ruhte. Aber auch in der neuen christlichen Gemeinschaft scheinen damals auf eine ähnliche Weise die Gränzen der Natur gleichsam verrükt. Außerordentliche Erscheinungen in der Ausbildung geistiger Gaben, Kräfte über den Willen andrer Menschen und über die Natur, welche d[em Wun]derb[aren nahe] genug liegen: von dem allen war damals eine Fülle in der christlichen Kirche verbreitet. Jetzt aber ist der Geist Gottes mit seinen Wirkungen in der menschlichen Seele mehr in die gewöhnliche Ordnung des Lebens zurükgetreten; nichts was ein Wunder wäre in diesem äußern Sinne des Worts, kommt uns mehr in der Kirche entgegen. Zwar giebt es eine Sage, als ob noch lange nach den Zeiten der Apostel ähnliche Erscheinungen das fortwährende Walten des Geistes bewiesen hätten, als 11–12 welche … genug] Manuskript beschädigt 5–7 Vgl. 1Kor 12,1–31
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ob noch bisweilen im Einzelnen die wunderbaren Kräfte wiederkehrten. Uns aber sind diese Sagen zu ungewiß, zu verdächtig die menschlichen Zeugnisse die darüber zusammengesucht werden, und was noch in neuern Zeiten geschehen sein soll zu sehr aus allem Zusammenhange herausgerissen mit dem, was wir als den eigentlichen Geist des christlichen Lebens zu betrachten haben, als daß unser Glaube daran mit Zuversicht haften könnte. Wenn nun aber denjenigen Christen, welche noch in dem Besiz solcher Kräfte in ihrer Gemeinschaft zu sein glauben, dies als eine eigenthümliche Gabe des Höchsten erscheint: so könnte sehr leicht auch in uns der Gedanke entstehen, als ob die neuere Kirche des Herrn nicht mehr auf dieselbe Weise ausgestattet wäre, und der göttliche Geist nicht mehr in der alten Fülle in ihr vorhanden. Zu solchen Klagen könnte uns leicht verleiten die Erinnerung an jenen Tag göttlicher Gnadenbezeugungen, den wir heute mit einander feiern. Darum habe ich uns allen wollen den Trost des Apostels vorhalten, den er uns und allen künftigen Christen in den Worten unsers Textes zurükgelassen hat. So lasst uns denn aus denselben lernen, wie wir uns zu beruhigen haben darüber, daß die wunderbaren Äußerungen des göttlichen Geistes in der christlichen Kirche ihr Ende erreicht haben. Laßt uns zuerst auf die Ursachen dieser Veränderung Achtung geben, und dann aus den Worten des Apostels lernen, daß das Köstlichere uns geblieben ist und bleiben wird bis an das Ende der Tage.
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PDieS erste Frage, welches wohl die Ursachen PseinS mögen, warum diese Wundergaben in der Gemeinde des Herrn aufgehört haben, könnte wohl scheinen eine vorwitzige zu sein. Denn wer giebt uns ein Recht nach den Ursachen zu fragen, PwemS der Höchste etwas giebt und wieder entzieht? Wer PbieS tet der Neugierde unsers Verstandes Gewähr, daß sie werde Befriedigung finden bei unsrer Kurzsichtigkeit? Aber m. g. F. wenn das Herz beunruhigt ist, dann sucht es überall Ruhe und Trost; und überall ist es uns dann eine Erleichterung, in den wahren Zusammenhang dessen was uns trifft hineinzuschauen. – Der Erlöser selbst stellt uns oft in seinen Reden das Reich der Natur neben das Reich der Gnade, nicht nur als das herrliche Gebiet, woraus er seine Gleichnißreden nimmt, sondern auch unmittelbar wenn er uns aufmerksam macht auf die göttlichen Eigenschaften, welche dieselben sind in dem einen wie in dem andern. So laßt uns sehen, wie es steht in dem Reiche der Natur. Wollen wir da das Wunder suchen in seiner ganzen Fülle, so werden wir zurückgeführt auf die Zeit der Schöpfung. Daß der Herr alles was wir sehen aus nichts hervorgerufen hat, das ist der Inbegriff alles Wunderbaren. Daß in uns ganz fremder Gestaltung in scheinbarer Verwirrung die ursprünglichen Kräfte der Natur unter einander gegoren ha13–14 Pfingsten, vgl. Apg 2,1–41
37–38 Vgl. 2Makk 7,28; Röm 4,17
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ben, bis das bleibende Werk der göttlichen Allmacht und Weisheit hervorging, das ist das Wunder, in welchem sich alle übrige verlieren. Aber die Zeit der Erhaltung ist die, wo das Wunder sich stillt, und der gesezmäßige Gang der Natur eintritt. Was aber erhalten wird, und besteht, das ist das Reich der Geseze, in welchem uns die beständige regelmäßige Wiederkehr Gewähr leistet für einen festen Zusammenhang. Was uns noch immer am wunderbarsten ergreift in diesem Gebiet, der Anfang jedes Lebens, die Wiederkehr des scheinbar Erstorbenen, das ist es, was dem Wunderbaren am nächsten kommt, weil es eine Ähnlichkeit mit der Schöpfung in sich trägt. – Wohlan m. g. F., was ist denn das große Werk, um des willen zuerst der Fürst des Lebens erschien, und dann der Geist ausgegossen ward über alles Fleisch? Kein anderes als die neue Schöpfung. Da sollte werden was noch nicht gewesen war, das ewige Leben an die Stelle treten des vergänglichen und zeitlichen, die Lebensgemeinschaft des Menschen mit Gott an die Stelle der Furcht und des Zitterns. Das war also die Zeit des Wunders. Da regte sich die schaffende Kraft des Geistes. Darum war der Herr ausgestattet mit so wunderbaren Kräften, die seine höhere Macht beurkundeten; darum regte sich in seinen Aposteln der Geist als eine solche ein gemeinsames höheres Leben hervorbringende Kraft. In der ersten Gestaltung der christlichen Kirche, als der geistige Leib des Herrn erst sollte in die Erscheinung treten, da sehen wir daher die menschliche Fassung übersteigende Äußerungen des neuen Lebens. Aber als der neue Mensch Gottes an das Licht geboren war: da war die Natur fertig, da stand die neue Welt wie Gott der Herr sie gedacht hatte in seinem ewigen Rath, und nun trat ein das Werk seiner gnädigen Behütung über dieses neue Leben, und immer mehr nahm dasselbe an die Gestalt der in Ordnung fortschreitenden und gesezmäßig sich entwikelnden Natur. Sollen wir also glauben, daß wir etwas verloren haben, indem unser Leben in die Zeit fällt, wo von jenen wunderbaren Äußerungen des Geistes keine Spur mehr übrig ist? Nein m. g. F. aus dem Anfang sind wir weiter vorgerükt in die regel|mäßige Fortsezung des göttlichen Werks; wir sind und leben in dem was auf jene wunderbare Weise entstanden ist, wir genießen die Früchte jener wunderbaren Zeit, und so ist es natürlich und recht, daß wir mit Zuversicht sagen, die Kirche des Herrn, welche jezt unter den Segnungen des göttlichen Wortes und im Gebrauche heiliger Ordnungen ihren regelmäßigen Gang geht, daß immer mehr die Kraft des göttlichen Lebens in derselben sich regelmäßig entwikelt, der Schwächere von dem Stärkeren gehalten wird, der Schall des göttlichen Wortes sich fortpflanzt von Einem zum Andern und immer weiter sich verbreitet über die ganze Erde, diese regelmäßig fortschreitende Kirche des Herrn ist keine andere als dieselbe, in welcher früher jene wunderbaren Kräfte gewaltet haben. – Aber doch m. g. F. können wir uns nicht enthalten 10–11 Vgl. Apg 3,15
11–12 Vgl. Apg 2,17–18 (Zitat von Joel 3,1–5)
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von einer andern Seite her einen besondern Werth zu legen auf jene Zeit der Wunder, deshalb nämlich weil sie Zeichen waren, Zeichen welche gewaltsam in das geistige Auge der Menschen hineinfielen, um sie aufzuschütteln aus dem verderblichen Schlummer, in welchem sie lagen, Zeichen die ihnen dazu dienen sollten, den rechten Weg zu finden in jener Verwirrung des Streites zwischen den Verkündigern und den Feinden des göttlichen Wortes. Und die menschliche Seele ist sie nicht noch immer eben so schwach? bedürfte sie nicht noch derselben hülfreichen Zeichen, um sich zu leiten? und sind nicht am meisten diejenigen übel daran, welche noch ungewiß außerhalb der christlichen Kirche umherirren, und zu dem Entschluß nicht gedeihen können sich in ihren Schooß zu retten? Laßt uns m. g. F. unterscheiden zuerst das Bedürfniß der einzelnen Seele, dann das gemeinsame Bedürfniß aller derer, die außerhalb der christlichen Kirche sind. Was sagt der Herr in Beziehung auf das Bedürfniß der einzelnen Seele, die noch ungewiß schwankt, ob sie die Lehre vom Kreuze glauben soll oder nicht, ob dieselbe von Gott gekommen ist oder ein leerer menschlicher Wahn ist, welchen fruchtlos sein würde gegen einen andern einzutauschen, was sagt der Herr? „Wer da versuchen wird diese Lehre zu thun, der wird erfahren daß sie von Gott ist.“ An dieses Wort können wir mit Zuversicht jede bekümmerte Seele verweisen, und wohl ihr, wenn sie dann den Versuch macht und die Gewißheit sich selbst verdankt! Aber, möchte man vielleicht sagen, heißt das nicht der menschlichen Schwachheit spotten? können wir uns denn rühmen, daß wir die Lehre thun, die wir bekennen? ruht nicht unsere Seligkeit darauf, daß unser Glaube der Erfüllung vorangeht, in der wir noch sehr zurükstehen? Was heißt das aber m. g. F., die Lehre Christi thun? Das Erste ist ja dies, der liebreichen Stimme des Herrn folgen, welche ruft „kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquiken!“ Dieser Stimme folgen, das heißt die Lehre des Herrn so weit thun, daß denn Jeder erfahren kann daß sie von Gott ist. Andrer Zeichen also bedarf es nicht. So verherrlicht sich der göttliche Geist noch immer an jeder Seele, so daß wenn der müde und beladene Mensch zu dem seine Zuflucht nimmt, der sich als Heiland den Verirrten anbietet, dann das größte Wunder in seinem Innern vorgeht ohne irgend ein äußerliches Zeichen und Wunder. Diejenigen aber welche noch in der Entfernung von der christlichen Kirche leben, warum sollten wir denen nicht den Segen wunderbarer Zeichen wünschen? Auch sie haben ein Zeichen und bedürfen keines andern, nämlich daß das wirklich ge|schehen ist, was der Herr bei seinem Abschiede den Seinigen verhieß. Er verhieß ihnen, daß sie bei der Verkündigung des Evangeliums alle Hindernisse besiegen und durch alle feindselige Bestrebungen sich hindurch arbeiten würden; und er hat Wort gehalten. 18–19 Vgl. Joh 7,17 27–28 Mt 11,28 Mt 10; Lk 21,12–19; Apg 1,8
37–40 Vgl. Mk 16,15–18; vgl. auch
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Darum daß er jenes Wort gelößt hat, daß die Fahne des Kreuzes aufgerichtet ist unter so vielen Geschlechtern der Menschen, das ist das Zeichen für die welche draußen sind. Daß alle Hindernisse bekämpft sind, die der Kirche des Herrn entgegentreten, daß in PihrS alle geistige Güter, die dem Menschen von oben kommen, versammelt sind, – o bei aller Unvollkommenheit, die wir noch in ihr und in ihren einzelnen Gliedern finden: groß genug ist dieses Zeichen, daß sie keines andern bedürfen als dieses Zeugniß der Geschichte. Darum m. g. F. mögen wir uns darüber beruhigen, daß dem Werke der Verkündigung der göttlichen Lehre, werde es geübt im Schooße der christlichen Kirche oder unter denen, die noch draußen im Schatten des Todes sizen, daß ihm nirgends mehr wunderbare Zeichen folgen, wir können uns trösten damit, daß das Wunder, welches an jeder Seele geschehen muß, daß der alte Mensch mit Christo gekreuzigt werde und ein neuer aufstehe, daß die Entfernung des Menschen von Gott aufgehoben wurde und die selige Gemeinschaft der Liebe zwischen beiden eintrete, daß dieses bewirkt wird ohne ein äußeres Zeichen und Wunder. Ja wenn auch keiner mehr anzugeben vermöchte, wann der alte Mensch in ihm gestorben ist und der neue sein Leben begonnen hat, wann die Kraft des göttlichen Wortes ihn ergriffen hat: dennoch, ist er zum Gehorsam des Glaubens gelangt, fühlt er sich in der innigsten Gemeinschaft mit denen die den Namen des Herrn bekennen, so kann er gewiß sein, daß er Theil hat an den Gaben des göttlichen Geistes. Und was könnten wir uns schöneres denken als ein immer weiteres Fortschreiten zu diesem Ziel, daß das Geheimniß der göttlichen Gnade, wie es denn sein soll, immer offenbarer daliege vor den Augen der Menschen und immer [mehr] durchdringe durch ihren Verstand, und also PimmerS mehr der Schein des Wunderbaren verschwinde, und die geistige Natur eines göttlichen Lebens als Ordnung und Gesetzmäßigkeit hervortrete. II. Doch m. g. F. laßt uns noch zweitens uns von der Überzeugung durchdringen, daß wir deswegen nicht Ursache haben jenen wunderbaren Zeiten nachzuklagen, weil das Köstlichere uns wirklich geblieben ist. Der Apostel sagt „strebet nach den besten Gaben.“ Welches sind die? Wenn Euch die ganze Stelle seines Briefes gegenwärtig, von der ich den Schluß als am meisten mit unsrer Betrachtung zusammenhängend gelesen habe, so werdet Ihr wissen, wie er da verschiedene Äußerungen und Gaben des Geistes aufzählt ohne eine sichtbare Sonderung, das Natürliche und Wunderbare durch einander. Fragen wir aber, welche erklärt er für die besten und sagt daß wir ihnen nachstreben sollen? Es waren die Gaben der Lehre, und zwar 10–11 Vgl. Lk 1,79 13–14 Vgl. Röm 6,4–6 23–25 Vgl. Kol 1,26–28 38 Vgl. 1Kor 12,4–11.28–30 38–4 Vgl. 1Kor 14,1–19
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unter diesen stellt er offenbar die, welche durch einen Schein des Wunderbaren zwar in die Augen fielen, aber doch eine minder klare Wirkung hervorbrachten, denen nach welche auf der tieferen Betrachtung der Lehre vom Glauben ruhen. Diese Gaben der Lehre m. g. F., sie sind uns geblieben; und so fest ist unter uns geworden das prophetische Wort dessen wir uns erfreuen, so sicher sind die Ordnungen in der christlichen Kirche in Beziehung auf die Fortpflanzung desselben von einem Geschlecht auf das andere, so von dem göttlichen Geiste gesegnet die | Anstalten zu einem immer tieferen Forschen in diesen Tiefen des Geistes, in welche ja der Geist allein eindringen kann, daß wir fest vertrauen dürfen, sie werden unter uns bleiben, wenn wir nicht muthwillig [die]ses köstliche Werk des Geistes zerstören. Ja m. g. F., wir dürfen es sagen, wir besonders, die evangelische Kirche, wir sind die Wächter dieser köstlichen Gaben der Lehre. Nicht als ob ich sagen wollte, in dem Schooße unsrer Gemeinschaft wären diese herrlichen Gaben weder ausschließend noch in einem höheren Maaße vorhanden; denn keinen leeren Hochmuth will ich in uns erweken. Der Geist waltet wie und wo er will; und so gewiß wir die für Christen anerkennen, welche wenn gleich nicht unsrer Gemeinschaft angehörig doch den Namen des Erlösers mit uns bekennen, so gewiß wollen wir glauben, daß auch sie mit diesen Gaben des Geistes gesegnet sind in ihrer Gemeinschaft. Wir aber sind vorzüglich deshalb die Wächter der heilsamen Lehre, weil wir durch die Ordnung unsrer Kirche daran gewiesen sind, durch das Wort unsern Glauben, durch den Glauben unsre Liebe und durch die Liebe die Schäze aller christlichen Tugenden zu mehren. Darum m. g. F. laßt uns festhalten über dem, was uns anvertraut ist von unsern Vätern. Immer bleibe uns die Erbauung aus dem göttlichen Wort das wichtigste Geschäft unsers gemeinsamen kirchlichen Lebens, und davon allein lasst uns Kräfte zur Heiligung und zum Dienste Gottes erwarten. Denn bleiben wir in dem Geiste der evangelischen Kirche, dann wird der Geist Gottes auch in unsrer Mitte walten, und dann wird immer mehr die Beilegung aller Zwistigkeiten, welche unter den Christen sich finden, von derselben ruhigen Betrachtung des göttlichen Wortes in unsrer Kirche ausgehen. Aber nachdem der Apostel gesagt hat „befleißiget euch der besten Gaben,“ so fügt er hinzu „und ich will euch noch einen köstlicheren Weg zeigen.“ Welches ist der? Er fährt unmittelbar nach den Worten unsers Textes fort. „Wenn ich mit Menschenund mit Engelzungen redete,“ also we[nn] ich die Gabe des Wortes im höchsten Maaße besäße, „aber ich hätte der Liebe nicht: so wäre ich ein tönern Erz.“ Das ist der köstlichere Weg; und das müssen wir gestehen, der Glaube 11 muthwillig … köstliche] Manuskript beschädigt Manuskript beschädigt 8–10 Vgl. 1Kor 2,10 Gal 5,6
16–17 Vgl. Joh 3,8
36–4 also … dem Apostel]
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38–1 Vgl.
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soll durch die Liebe thätig sein, der Glaube soll aus der Predigt hervorgehen, die Liebe also ist das Ziel der Predigt; und in ihrem Reiche uns beweg[en,] ihr Gesez unter uns walten lassen, das ist der köstlichere Weg. Aber Ihr erwartet nicht m. g. F., daß ich hinte[r] dem Apostel eine Beschreibung eben dieser Liebe machen soll; denn seine Worte lassen sich durch keine andre überbieten, und sie sind so klar, daß nichts sich hinzufügen läßt. Aber ob wir diesen köstlicheren Weg auch betreten haben, ob diese köstlichste Gabe uns wirklich geblieben ist, das verdient wohl unsre Betrachtung an einem Tage wie der heutige. O wie viel Klage ist nicht gehört worden vom Anfang der christlichen Kirche an, daß die Liebe lau geworden sei in der Gemeinde des Herrn! Haben wir Ursache ein Beßres von uns zu sagen? sind wir sicher, daß wenn es auch einen Wechsel der Zeiten giebt, doch das Wesen der Sache unter uns bleiben muß? Das ist die Frage, die wir uns zu beantworten haben. Daß Liebe unter uns sei, das wird niemand zu leugnen begehren; aber ob es überall die reine brüderliche Liebe sei, Eines mit der Liebe zu Gott und dem Erlöser, das ist die Frage, die wir vielleicht nicht zu bejahen uns getrauen. So viele Ansprüche werden an die Liebe gemacht aus dem gemeinsamen Leben der Menschen heraus, so viele aus der geistigen Welt, die aber doch nicht dieselbe ist mit der Gemeinde des Herrn, daß wenn wir denken, welch ein weites Gebiet der Liebe es giebt in | den irdischen Angelegenheiten der Menschen, und wir [wo]llten das Alles aussondern, dann möchten wir wenig [übrig] behalten, was sich aufzeigen ließe als das Werk der christlichen Liebe. Aber m. g. F. laßt uns nicht übersehen, daß unser ganzes Leben Eines ist mit dem Leben der christlichen Kirche, und beseelt wird durch den göttlichen Geist, der in ihr waltet. Wie? giebt es unter uns Liebe zwischen Eltern und Kindern, die nicht ein Werk des Geistes wäre? giebt es unter uns ein gesellschaftliches Verkehr, von welchem wir sagen müßten, es sei darin keine Spur des Glaubens und des höheren dem Himmel zugewendeten Lebens? Dieser Unglaube sei fern von uns. Wenn wir uns streng prüfen, so werden wir sagen, wo uns die Sünde nicht beschleicht, da waltet in unserm Leben was mit dem Geiste Christi übereinstimmt, und immer werden wir sagen können, wir werden doch geleitet und getragen, auch in allen mehr äußern Beziehungen des Lebens, von dem Einen Gottesgeist, der von oben gesandt ist. Ja wenn wir vergleichen könnten alle verschiedene Richtungen des Lebens der christlichen Völker mit denen, unter welchen der Name des Erlösers nicht genannt wird: o wie würde uns da das Gefühl ergreifen, daß überall die Geschäftigkeit des göttlichen Geistes in der Entwiklung dessen, was zur Gemeinschaft 21–22 wir … behalten] Manuskript beschädigt vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 4, Sp. 1453 1–2 Vgl. Röm 10,17
10–11 Vgl. Offb 3,16
27 ein gesellschaftliches Verkehr]
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eines in Liebe geführten Lebens gehört, dankbar zu erkennen ist. Aber wenn wir doch nicht unter uns abgeschlossen sind, sondern auch jetzt noch unter uns das Bestreben lebt, unsre Brüder die in Finsterniß leben an den Segnungen des Lichtes theilnehmen zu lassen: o das sind ja die Werke der christlichen Liebe, welche hervorgehen aus demselben Geist, der die ersten Jünger des Herrn trieb diese göttliche Gabe, die ihnen geworden war, auch andern zu ertheilen. Wie wollten wir leugnen, daß wo dies Alles geschieht, die Liebe unter uns mächtig sei. Ja m. g. F., so ist es, und wir dürfen es bekennen, weil es nicht unser Werk ist sondern Gottes. Denn wir wissen, daß wir alle den Beruf haben, immer weiter zu streben und immer mehr unser ganzes Leben zu läutern. Aber auch in dieser Beziehung m. g. F. ruht ein besonderer Segen auf unsrer evangelischen Kirche, weil wir wissen, daß äußere Werke der Liebe immer zweideutig sind ihrer Natur nach, und nicht sicher schließen lassen auf den Geist, von welchem sie ausgehen, weil bei uns feststeht, daß eben so wenig durch äußerliche Werke der Liebe als durch die Werke eines äußerlichen Gesezes der Mensch gerecht werden kann vor Gott. Eben deshalb sind wir zu Wächtern der Reinheit der christlichen Liebe in der Gemeinschaft der Christen gesezt, weil es unter uns keine Gebote giebt, die ihren Grund nicht hätten in der Liebe. Darüber laßt uns halten, daß es nur der Glaube ist in der Gemeinschaft des Herzens mit dem Erlöser, wodurch der Mensch gerecht wird vor Gott, und alles Werk ein freies Werk des eigenen Willens, ohne daß wir einem menschlichen Ansehen folgen und einen menschlichen Buchstaben anerkennen. Darüber laßt uns halten, damit bei uns von jedem gesezlichen Wahn, von jedem Ansehen des Buchstaben die Liebe frei bleibe und wachse als das freie und lebendige, aber immer mehr sich läuternde Werk des Geistes. – In den beiden also laßt uns ruhen, in der Kraft der Lehre und in dem Walten der Liebe. Darin haben wir die köstlichsten und herrlichsten unter allen Gaben des Geistes. So möge denn keiner sich Sorge machen, daß es nichts äußerlich Wunderbares mehr giebt in der Gemeinschaft der Christen; keiner möge mit ängst|lichem Gewissen auf Zeichen harren, wie er denn keiner bedarf wenn er in den regelmäßigen PGangS [des] geordneten menschlichen Lebens gesezt ist; keiner mag einem falschen Wahn nachgehen, daß sich ihm [Über]natürliches zeigen möge, damit er nicht von dem ebenen Wege abgleite in den Sumpf des Wahns, aus welchem er schwer wieder herauskommen würde. So hat sich der Geist Gottes unter uns gestaltet zu einer gemeinsamen Ordnung des christlichen Lebens und des christlichen Denkens, zu einem gemeinsamen Werk des Forschens, des Glaubens, der Wahrheit und der Liebe. Dafür laßt uns Gott preisen und sorgen, daß 32–34 regelmäßigen … zeigen] Manuskript beschädigt 15–17 Vgl. Röm 3,20
20–21 Vgl. Röm 3,28; Gal 2,16
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wir diese Schäze den Geschlechtern erhalten welche auf uns folgen werden, damit immer herrlicher die christliche Kirche sich darstelle als ein Werk des göttlichen Geistes. Amen.
[Liederblatt vom 15. Mai 1826:] Am Zweiten Pfingsttage 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Wie schön leucht’t etc. [1.] Dir jauchzet froh die Christenheit, / Du Geist voll Kraft und Herrlichkeit, / Du aller Geister Leben! / Als unsers Heiles Unterpfand / Bist du vom Vater uns gesandt, / Zum Tröster uns gegeben. / Jesu Glieder willst du führen / Und regieren; / Deine Gnade / Leit auch uns auf unserm Pfade. // [2.] O Dank dir für dein göttlich Licht, / Das jede Finsterniß durchbricht, / Für himmlische Belebung! / Den Menschenherzen kommt von dir / Zur Heiligung Kraft und Begier, / Und wahre Gottergebung. / Preis dir, Dank dir, daß du kräftig / Und geschäftig / Uns belehrest, / Jesum Christum uns verklärest. // [3.] Auch wir, die Christus sich erkauft, / Sind ja mit deiner Kraft getauft, / Die Welt zu überwinden. / Wirk in uns allen Lieb und Zucht, / Und laß in uns des Glaubens Frucht / Sich hundertfältig finden! / Führ du alle bald zur Wahrheit / Und zur Klarheit, / Daß die Erde, / Geist des Herrn, dein Tempel werde! // Nach dem Gebet. – Mel. Die Tugend wird etc. Ihr Christen rühmt, erhebt und preiset / Aus Einem Herzen Einem Mund / Die Gnade, die der Herr erweiset, / In seinem neuen ewgen Bund. / Er tränkt mit Himmelskraft die Seelen / Und gießt den Geist der Kindschaft aus; / Zum Tempel will er sie erwählen, / Und weihet sie zu Gottes Haus. // Chor. Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf; denn wir wissen nicht, was wir beten sollen wie sichs gebühret. // Zwei Stimmen. Der Geist selbst vertritt uns aufs beste mit unaussprechlichem Seufzen. // Chor. Der aber die Herzen erforschet, der weiß, was des Geistes Sinn sei; denn er vertritt die Heiligen, nachdem es Gott gefällt. // Choral. O send auch uns ihn, diesen Geist, / Der uns den Weg der Wahrheit weist. / Verdunkelt ist des Lebens Pfad, / Er mach ihn hell durch seine Gnad; / Er lehr uns Gottes Heil verstehn, / Er leit uns, wenn wir irre gehn. / Und wenn wir strauchelnd ermüden, / Dann stärk er uns mit Kraft hienieden. / Hallelujah, Hallelujah. // 2 Anspielung auf Eph 5,27
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Gemeine. – Mel. Von Gott will ich nicht etc. [1.] Der Geist, der uns belehret, / Wie man recht beten soll, / Daß Beten werd’ erhöret, / Macht reicher Gaben voll. / Er lenke Himmelan / Mein Flehn voll Glaubensstärke, / Bis ich die Hülfe merke, / Von dem, der helfen kann. // [2.] Er komm herab zu steuern / Auf Erden allem Leid, / Und kräftig zu erneuern / Das Heil der Christenheit. / So steige neu empor, / Was blinder Wahn verheeret, / Was Zweifelsucht zerstöret, / Und blühe wie zuvor. // Nach der Predigt. – Mel. Komm heiliger Geist etc. Hör unser Gebet, Gottes Geist, / Den Jesus Christus uns verheißt, / Erfüll mit deinen Seligkeiten / Uns, die sich Christo weihten. / Die Völker aller Welt führst du / Ins Heiligthum zu Gottes Ruh; / Es schall Anbetung dir zum Ruhme, / Singt Christen ihm im Heiligthume / Hallelujah, Hallelujah. //
Am 21. Mai 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 14,7–17 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LXVI, S. 428– 442; König Keine Nachschrift; SAr 56, Bl. 194v–203v; Schirmer Nachschrift; SAr 115, S. 1–11; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 85r–86v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am Sonntage Trinitatis 1826.
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Tex t. Joh. 14, 7–17. Wenn ihr mich kennetet, so kennetet ihr auch meinen Vater; und von nun an kennet ihr ihn und habt ihn gesehen. Spricht zu ihm Philippus, Herr zeige uns den Vater, so genüget uns. Jesus spricht zu ihm, So lange bin ich bei euch, und du kennest mich nicht? Philippe wer mich sieht, der sieht den Vater: wie sprichst du denn, Zeige uns den Vater. Glaubest du nicht, daß ich im Vater und der Vater in mir ist? Die Worte die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst. Der Vater aber der in mir wohnt, derselbige thut die Werke. Glaubet mir, daß ich im Vater und der Vater in mir ist; wo nicht, so glaubet mir doch um der Werke willen. Wahrlich, wahrlich ich sage euch, wer an mich glaubt, der wird die Werke auch thun die ich thue, und wird größere denn diese thun, denn ich gehe zum Vater. Und | was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich thun, auf daß der Vater geehrt werde in dem Sohne. Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich thun. Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote. Und ich will den Vater bitten, und er soll euch einen andern Tröster geben, daß er bei euch bleibe ewiglich, den Geist der Wahrheit, welchen die Welt nicht kann empfangen; denn sie siehet ihn nicht. Ihr aber kennet ihn, denn er bleibet bei euch, und wird in euch sein. M. a. F. Mit dem Feste der Ausgießung des Geistes, welches wir in diesen lezten Tagen in der christlichen Kirche begangen haben, ist die große Reihe unserer kirchlichen Hauptfeste vollendet, nach demselben aber der heutige
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Sonntag von alter Zeit her in der christlichen Kirche gleichsam als ein nachträgliches Fest begangen worden, um das in dem Bewußtsein der Christen zusammenzufassen, worauf unser ganzes Heil und das Wesen der Verbindung Gottes mit dem Menschen beruht, daß in der That Gott in dem Erlöser war und die Welt mit ihm selber versöhnte, und daß wir eben dadurch daß wir des göttlichen Geistes theilhaftig geworden sind auch an der göttlichen Natur und dem göttlichen Wesen Antheil haben, und daß es in allen eins und dasselbe ist, der Vater der in dem Sohne wohnt, und der Sohn der durch seinen Geist in uns wohnt. Dieses Fest nennt die christliche Kirche eben deshalb das Fest der Dreiheit oder der Dreieinigkeit, ein Wort welches freilich die Schrift nicht kennt, welches aber schon in alter Zeit von den Schriftgelehrten ist erfunden worden, um zusammenzufassen daß es ein und dasselbe göttliche Wesen ist, mit welchem wir durch den Erlöser und durch seinen Geist in innige Gemeinschaft treten. Nun sind die Worte des Erlösers die wir mit einander gelesen haben ganz darauf berechnet, uns dahin zu führen und diesen Glauben in uns zu befestigen. Er redet freilich mehr von seinem Verhältnisse zu dem Vater, wie er | in dem Vater sei und der Vater in ihm, beides als ein und dasselbe. Wenn wir aber das was er von dem Tröster den er senden werde hier sagt, mit dem vorigen in die rechte Verbindung bringen, und auf der andern Seite uns recht erinnern was Christus anderwärts sagt über diesen Gegenstand, und was wir in dem nächsten Kapitel unsers Evangeliums noch genauer werden zu erwägen bekommen: so werden wir auch das wesentliche hievon deutlich genug in den Worten des Erlösers bezeichnet finden. Ich will daher nur auf die Hauptpunkte in dem verlesenen Abschnitte um so mehr unsere Aufmerksamkeit lenken, da sie dasjenige enthalten, wodurch sowol die Art wie wir in diese Gemeinschaft des göttlichen Wesens gelangen, als auch dasjenige was deshalb von uns und allen gläubigen gefordert werden kann und soll, auf das bestimmteste ausgedrükkt ist. Gleich der Eingang, welcher den Philippus zu einer Frage an den Erlöser veranlaßt, und gleichsam den Schluß des vorigen bildet, Wenn ihr mich kennetet, so kennetet ihr auch meinen Vater; und von nun an kennet ihr ihn und habt ihn gesehen, zeigt uns dies aufs deutlichste. Denn der Erlöser sagt in Beziehung auf die vorigen Worte, daß niemand zum Vater komme denn durch ihn, daß es also keine andere eben so lebendige und innige Gemeinschaft der Menschen mit Gott gebe, als durch ihn in welchem der Vater wohnt, welcher in Christo war, um eben die Welt auf diese Weise mit sich selbst zu versöhnen; in Beziehung auf dies sagt er, daß die Erkenntniß seiner und die Erkenntniß seines Vaters dieselbe sei. Und wenn er hinzufügt, Von nun an kennet ihr ihn und habt ihn gesehen: so bezieht er sich eben 4–5 Vgl. Joh 10,30 5 Vgl. 2Kor 5,18 20–21 Vgl. Joh 10,25.38; 12,45 21– 23 Vgl. die Frühpredigten am 2., 16. und 30. Juli 1826 37–38 Vgl. 2Kor 5,19
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auf diejenige genauere Kenntniß von ihm, die er seinen Jüngern mitgetheilt hatte. Sie aber verstanden diesen Zusammenhang nicht recht, und das veranlaßte den Philippus in seinem und der übrigen Jünger Namen | zu sagen, Zeige uns den Vater, so genüget uns. Und darauf folgt die erste von den Stellen in dem verlesenen Abschnitte, auf welche es uns vorzüglich ankommt, indem nämlich der Herr sagt, Wer mich siehet, der siehet den Vater: wie sprichst du denn, Zeige uns den Vater. Glaubst du nicht, daß ich im Vater bin und der Vater in mir ist? Dies nun erläutert er hernach auf eine zweifache Weise, nämlich indem er von seinen Worten redet und von seinen Werken, als von dem Inbegriff seines ganzen Thuns und Lebens. Beides m. g. F. ist nun wieder genauer betrachtet auch eins und dasselbe; denn was wäre das für ein schlechtes Wort, welches nicht zugleich auch ein Werk wäre? Von solchen gehaltlosen und leeren Worten wußte unser Erlöser nichts, welcher gewohnt war zu sagen, die Worte die er rede seien Geist und Leben, Geist und Leben in sich tragend, Geist und Leben mittheilend; und ein größeres Werk als dieses giebt es nicht. Ebenso wäre das ein schlechtes Werk, welches nicht zugleich ein Wort wäre. Nämlich das Wort soll uns ja nur die Gedanken des andern kennen lehren; aber ein Werk das diese nicht auch kennen lehrt, ist an sich selbst dunkel und verworren, oder es liegt an der Vernehmung dessen der das Werk sieht, wenn es ihm nicht wird zu einem lebendigen Wort wodurch ihm der ganze Zusammenhang und Sinn der Gedanken des andern offenbar wird. Aber der Herr redet nach menschlicher Weise, und sondert Wort und Werk von einander. So auch daß er sagt von den Worten, Die Worte die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst; sie hatten das oft schon gehört, es sind die Worte dessen der ihn gesandt hat, die Worte des Vaters, der Vater redet durch ihn. Dann fügt er in Beziehung auf die Werke dasselbe hinzu, Der Vater der in mir wohnet, derselbige thut die Werke, so daß in beiden zusammengenommen er die Sache ganz voll|ständig so darstellt, daß alles was er rede und thue nicht von ihm dem Menschen Jesus, sondern von dem Vater der in ihm wohnte, von der Kraft des göttlichen Wesens mit welcher er erfüllt war, ausgehe, so daß aus seinen Worten und Werken, d. h. aus allem was er thue, die ganze Natur seines Wesens und Lebens, der Vater so erkannt werden könne als ob man ihn leiblich sähe, so daß die Worte und die Werke des Erlösers nicht von ihm selbst, sondern von dem Vater, der in ihm wohne, Zeugen seien. Gewiß stärker konnte sich der Erlöser nicht ausdrükken; und es muß jedem unter uns deutlich sein, wie er sich durch diese Worte auf das bestimmteste von allen andern Menschen unterscheidet. Denn was wäre es doch, wenn er durch diese Worte nichts anderes hätte ausdrükken wollen, als was jeder Mensch von gesundem Sinne und unverdorbenem Gemüth 14–15 Vgl. Joh 6,63
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aussagt, nämlich daß die Vernunft des Menschen, wodurch wir einer Erkenntniß Gottes fähig werden, daß diese auch ein göttliches Geschenk und mehr als alles leibliche, irdische und vergängliche ein Ausfluß des göttlichen Wesens ist, wie denn ohne einen solchen die höhere Vereinigung Gottes mit der menschlichen Natur und dem menschlichen Geschlecht in der Person des Erlösers nicht möglich gewesen wäre. Das wissen wir alle; es ist gesagt in der ersten Nachricht von der Schöpfung des Menschen, worin sich dieses allgemeine Bewußtsein so ausspricht, daß Gott dem Menschen die lebendige Seele die ihn von allen andern niedern Geschöpfen unterscheidet eingehaucht habe, gleichsam als Mittheilung seines eigenen Lebens. Also werden wir sagen können, alles was nun kraft dieser Vernunft, sofern sie nicht von der Sinnlichkeit des Menschen herabgezogen und ihrer ursprünglichen Würde beraubt ist, was kraft ihrer in uns ist und lebt, ist auch göttlicher Natur; und wenn unsere Werke nichts anderes ausdrükken als das Wesen | dieser von Gott dem ganzen menschlichen Geschlecht mitgetheilten Vernunft, so sind sie dann allerdings auch ein Abdrukk und Spiegel des göttlichen Wesens. Aber wenn der Erlöser nichts anderes hätte sagen wollen als dies: wie hätte er dann vorher schon sagen können, Niemand kommt zum Vater denn durch mich, und wie hätte er hernach sich dies auf eine ebenso ausschließliche Weise beilegen können, daß wer ihn kenne auch den Vater kenne. Er hätte davon eigentlich wenn er wirklich hätte wollen die Wahrheit sein und der Wahrheit die Ehre geben, doch ungefähr so zu seinen Jüngern reden müssen, Ihr braucht nur in euer eigenes Innere hineinzuschauen, so werdet ihr den Vater, den du Philippus gezeigt haben willst, darin finden; aber freilich in mir könnt ihr ihn deutlicher erkennen, in mir ist das göttliche Ebenbild ungetrübt zu schauen. Keinesweges aber hätte er dies auf eine so ausschließliche Weise sich beilegen können. Da spricht er also das Bewußtsein bestimmt aus von dem was ihn von allen andern unterscheidet, als den durch welchen und zu welchem die ganze neue Kreatur ist, und die ganze Entwikklung des menschlichen Geschlechts zur lebendigen Gemeinschaft mit Gott dem himmlischen Vater ihren Grund und Ursprung hat. Aber freilich könnte es wol scheinen als ob er allerdings gemeint habe nicht mehr als jenes, wovon ich sagte daß er es nicht gemeint habe, wenn wir auf die folgenden Worte sehen, Wahrlich, wahrlich ich sage euch, wer an mich glaubt, der wird die Werke auch thun die ich thue, denn ich gehe zum Vater. Wenn wir nun, sei es auch durch den Glauben an ihn, die nämlichen Werke thun können die er thut, und von welchen er sagt, nicht er thue sie sondern der Vater der in ihm wohne, ja sogar eben deshalb weil er zum Vater gehe noch größere: wie können wir dies verstehen, wenn wir 6–10 Vgl. Gen 2,7 Gal 6,15
26 Vgl. Gen 1,27; 2Kor 4,4; Kol 1,15
29–30 Vgl. Hebr 5,17;
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nicht dennoch den Erlöser und uns auf jene Linie der Gleichheit sezen, den Unterschied wieder aufhebend den wir vorher machten? So aber m. g. F. kann nur der fragen, welcher die Kraft | die in dem Worte Glaube liegt noch nicht erkannt hat, und dieses Wort noch nicht so aufgefaßt wie es in den Worten des Erlösers selbst nicht nur, sondern überall in den Worten seiner Jünger gemeint ist. Denn das ist eben der rechte Glaube, von welchem der Apostel Paulus sagt, Was ich nun lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, nämlich so daß ich nicht lebe, sondern er in mir. Unter dieser Voraussezung nun eines solchen mit dem Erlöser vereinigten Lebens, wodurch erst sein eigenes Leben, welches darin besteht daß der Vater in ihm wohnt und Worte und Werke hervorbringt, das unsrige geworden ist, unter dieser Voraussezung eines solchen mit ihm innig verbundenen Lebens sagt er was er sagt. So mögen wir denn freilich sagen, Ja dazu will er uns erheben, daß nachdem er zuerst gesagt, Niemand kommt zum Vater denn durch mich, und hernach gesagt hat, Wer mich siehet, der siehet den Vater, er uns nun auffordert zu diesem lebendigen Glauben, durch welchen wir uns ihm selbst hingeben sollen zu der geistigen Vereinigung mit ihm, die er uns anbietet; da soll eine solche Gleichheit entstehen, wie er sie später ausdrükkt in den Worten, Wer mich liebet, der wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen. Das ist aber eben der Glaube, durch welchen wir im Stande sind ihn zu lieben, in dem Sinne und Geiste wie er es ausspricht ihn zu lieben und sein Wort zu halten; und also unter dieser Voraussezung, wenn er und mit ihm der Vater Wohnung bei dem Menschen macht, und also Worte und Werke des Menschen eben so aus der Quelle des göttlichen Geistes und Lebens hervorgehen: dann erst ist diese Gleichheit zwischen ihm und uns hergestellt, von welcher er sagt, Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch thun die ich thue, und wird größere denn diese thun, denn ich gehe zum Vater. | Und doch muß dies uns allen noch auffallen als etwas dessen wir uns nicht bewußt sind. Eben so wie er sagt von jenem Tage, daß er sagen werde zu denen zu seiner rechten, Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist; ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt; ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich beherbergt; ich bin nakkend gewesen, und ihr habt mich bekleidet; ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht; ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir gekommen; und sie dann sagen würden zu ihm, Herr wann haben wir das gethan? anders können wir nicht denken, als daß dann alle gläubigen mit einem Munde dem Herrn die Worte entgegensezen werden, Herr wann hätten wir denn je solche Werke wie du, und geschweige noch größere gethan? 7–9 Gal 2,20
31–36 Vgl. Mt 25,37–39
37 Mt 25,35–39
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Nun m. g. F. damit verhält es sich so. Wenn viele bei diesen Worten des Herrn ganz vorzüglich und ausschließlich an diejenigen unter seinen Werken denken, welche wir durch den Ausdrukk Wunder bezeichnen: so wäre es offenbar, daß niemand sich derselben rühmen kann; denn wir wissen, daß diese wunderbare Kraft bald nach den Tagen Christi und seiner Apostel sich nicht weiter offenbart hat, und weder diese noch größere Werke von Christen sind verrichtet worden. Aber eben deshalb weil das nicht der Fall ist können wir daraus mit Sicherheit schließen, daß der Erlöser hier an seine Wunder weder ausschließlich noch vorzüglich gedacht hat. Was sind aber außerdem seine Werke gewesen? Es ist das eine, es ist das Werk der Erlösung im ganzen Umfange des Worts, das Werk wodurch jenes neue und höhere Leben in dem menschlichen Geiste und der menschlichen Welt aufgegangen ist, das Werk wodurch das Licht die Finsterniß durchdrungen hat, und sie immer mehr vertreibt. Aber hat denn das der Erlöser nicht ganz gethan? Wie kann er sagen, dieses Werk, welches eins ist und sich über das ganze menschliche Geschlecht verbreitet, so daß wir kein anderes Werk thun können als nur | welches zum Gegenstand hat einen Theil des menschlichen Geschlechts, wie kann er sagen, daß wer an ihn glaubt dasselbe Werk ja noch größere denn dieses thun werde? Hier sehen wir also m. g. F., daß wir unterscheiden müssen; und dieser Unterschied ist darin gegründet, wie der Herr hier selbst Worte und Werke scheidet. Nämlich wenn wir einen solchen Unterschied machen, so ist das Werk die äußere That des Innern. Durch seine innere Beschaffenheit ist es ein Werk im weitern Sinne; aber durch das was es hervorbringt und was der Erfolg davon ist, ist es ein Werk im engern Sinne des Worts. Und so wenn wir diesen Unterschied machen, werden wir sagen können, das Werk der Erlösung in seiner innern wesentlichen Kraft hat der Herr vollbracht, und schreibt sich mit vollem Rechte zu daß er es vollbracht habe, und es ist nichts mehr dazu zu thun, und auch nicht zu erwarten einer der noch irgend etwas hinzufügen könnte. Aber wenn wir das äußere davon betrachten, wie zum Genusse der Erlösung die Menschen gelangen: so müssen wir sagen, das hat der Erlöser in den Tagen seines Fleisches nur angefangen, und der Anfang war das kleinste was wir denken können. In seinen Jüngern war der Glaube, er sei der Sohn Gottes, und sie hatten in ihm erkannt die Herrlichkeit des eingebornen vom Vater. Aber doch war ihr Verständniß im einzelnen so gering, daß Philippus hier sagen konnte, Du sagst, du seiest der Weg, die Wahrheit und das Leben, und niemand komme zum Vater denn durch dich: so zeige uns doch den Vater; wie wir denn solche ähnliche Worte, die von Mangel an Verständniß zeugen, bei den Jüngern des Herrn auch anderwärts in den Schriften des neuen Testaments finden. Mit Kraft 34 Vgl. Mt 14,33; 16,16; Joh 1,34 Mt 17,19; 18,1; 19,16; Mk 9,28; 10,17
34–35 Vgl. Joh 1,14 40–1 Vgl. Lk 24,49
38–40 Vgl. z. B.
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aus der Höhe erfüllt, die ihnen das alles erst zu Geist und Leben und klarem Lichte machte, wurden sie erst nach den Tagen seines Fleisches. Also in ihnen selbst war der Genuß der Erlösung gering, und sie selbst waren eine kleine Zahl. Da mußten also noch größere Werke in diesem Sinne des Wortes gethan werden; und das legt | der Herr hier auf diejenigen welche an ihn glauben, die würden solche Werke auch thun, die würden in einzelnen Augenblikken des Lebens durch Wort und That den Menschen zum Genusse des Heils in Christo verhelfen; ja sie würden zusammengenommen und einzeln – denn das unterscheidet der Herr hier nicht, und wir sollen es auch nicht wollen, und kein einzelner soll sich sein Theil herausnehmen und für sich haben wollen von dem was der Herr von den seinigen fordert, und was sie auf seinen Befehl thun – sie würden größere Werke thun denn er. Und darin liegt die schöne Zuversicht, daß es niemals ein Aufhören gebe dessen was der Herr von denen sagt die an ihn glauben, die ihn lieben und sein Wort halten, daß er und der Vater kommen werde, und Wohnung bei ihnen machen; und durch diese göttliche Einwohnung sind wir im Stande, eben deshalb weil wir in der lebendigen Gemeinschaft mit dem Erlöser sind und handeln, auch in demselben Sinne und Geiste zu handeln, und äußerlich dieselben Werke, ja wenn wir auf den Umfang derselben sehen, noch größere zu thun denn er. So laßt uns denn dieses großen und hohen Berufes froh werden, aber das auch ansehen als Verheißung auf der einen Seite, zugleich auch als große Aufgabe auf der andern. Denn um solche Werke zu thun wie der Erlöser muß auch unser Sinn auf nichts anderes gerichtet sein als auf alle Weise den Menschen zum Genusse ihres Heils zu verhelfen; das muß das eine sein, worauf wir alles beziehen, das muß die ganze Thätigkeit sein, wozu wir alle unsere Kräfte in Bewegung sezen. Ja wenn in diesem Leben manches vorkommt was den Menschen nicht scheint zusammenzuhangen mit diesem großen Beruf des Christen; wenn wir nur das Bewußtsein haben, daß es aus seiner andern Quelle als aus der göttlichen in Christo eröffneten Quelle der Liebe herkommt, daß wir nichts weiter wollen als die lebendige Gemeinschaft zwischen den Menschen und dem Erlöser unterhalten, damit die Menschen erkennen daß wir ihnen verhelfen wollen zu | ihrer Seligkeit: dann können wir uns dabei beruhigen, und sowol auf die vergangene Geschichte der christlichen Kirche als auf die Zukunft derselben mit dem Vertrauen hinsehen, daß der Herr das werde wahr machen, daß die an ihn glauben auch die Werke thun werden die er thut, und noch größere denn diese, und daß dies nicht eher aufhören wird als bis eine Heerde und ein Hirt sein wird, und so sein Werk der Erlösung und Beseligung das ganze menschliche Geschlecht umfassen. 39–40 Vgl. Joh 10,16
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Und darum fügt er nun hinzu, weil er weiß, daß indem er dies seinen Jüngern sagt sie sich ihrer Schwachheit und ihres Unvermögens auf das lebendigste bewußt sein werden, Und was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich thun, auf daß der Vater geehrt werde in dem Sohne; und noch einmal fügt er hinzu, Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich thun. Diese Worte aber m. g. F. sind noch in einer andern Hinsicht zu merken. Nämlich an andern Stellen drükkt sich der Erlöser hierüber so aus daß er sagt, So ihr etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird es euch der Vater geben, oder, so will ich den Vater bitten, und er wird es euch geben; hier aber sagt er unmittelbar, Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich thun, aber freilich nur deshalb, auf daß der Vater geehrt werde in dem Sohne. Laßt uns m. g. F. um den ganzen Zusammenhang dieser Rede des Herrn zu verstehen das nicht übersehen, daß er hier für alle Zeiten alle die an ihn glauben mit ihrem Gebet an seinen Vater weiset, nicht so daß er sie weiset an sich selbst zu dem sie beten sollen, sondern an seinen Vater, aber in seinem Namen, so daß unsere Bitte und die seinige eine und dieselbe sei. In diesem Bewußtsein unserer Vereinigung mit ihm durch den Glauben sollen wir zum Vater bitten. Aber wenn er vorher gesagt hat, daß seine | Worte und Werke nicht er selbst rede und thue, sondern der Vater der in ihm wohne: so sagt er hier umgekehrt, was die seinigen bitten würden in seinem Namen, dem nur zukomme die Bitte zu hören, das wolle er thun. Und dadurch stellt er die Gleichheit her zwischen sich und dem Vater, daß er in dem Vater das thue was wir den Vater bitten, und daß der Vater geben werde was wir in seinem Namen bitten. Dadurch wird uns vollkommen klar, Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das wird euch der Vater geben, oder ich werde es thun – und ob das eine oder das andere gesagt wird ist dasselbe – auf daß der Vater geehrt werde in dem Sohne. Denn was wir im Glauben an den Herrn thun, ist ein Werk des Sohnes; und wenn das gefördert wird durch das Regiment welches der Vater führt in der Welt, so wird der Vater geehrt in dem Sohne. Nun aber zeigt uns das auch zweitens, worauf unsere Bitte in seinem Namen soll gerichtet sein, nämlich immer nur auf das was sich auf die Werke bezieht die wir thun sollen, und die eine Fortsezung der seinigen sind, indem er sagt, nun werde der welcher an ihn glaube noch größere Werke thun als die seinigen, weil er zum Vater gehe, und deshalb nicht mehr in diesem menschlichen Leben wirken könne. Aber alles was die welche an ihn glauben thun, stellt er dar als sein Werk, indem der Vater das Gebet in seinem Namen erfüllt. Also nun nichts anderes sollen wir bitten in seinem Namen, wie es auch in seinem Namen um nichts anderes zu bitten giebt, als was zur Förderung seines Werkes gehört. Wenn wir das nicht 9–10 Joh 13,26
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verstehen und nicht wissen, so wissen wir, daß der Geist uns vertritt mit unausgesprochenen Seufzern; und wenn wir wissen, daß wir im Unverstande etwas bitten was zur Förderung seines Werkes nicht gehört: so können wir uns dessen getrösten, daß das nicht geschehen werde, wenn wir in seinem Namen nicht nur bitten, | sondern für sein Werk, d. h. Herr nicht mein Wille geschehe, sondern der deinige. Und so fügt er als Schlüssel zu allem vorigen dies hinzu, Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote. Bei ihm war Gebot und Ausführung dasselbe. Seine Gebote halten ist nichts anderes als so handeln und leben wie er gehandelt und gelebt hat, in dem Sinne seiner ganzen erlösenden und beseligenden Liebe. Liebet ihr mich, so haltet auch meine Gebote, thut meine Werke und noch größere denn diese; und dann kümmert euch nicht um eure Ohnmacht und Schwachheit, denn Ich will den Vater bitten, und er soll euch einen andern Tröster geben, daß er bei euch bleibe ewiglich, den Geist der Wahrheit, welchen die Welt nicht kann empfangen, denn sie siehet ihn nicht und kennet ihn nicht; ihr aber kennet ihn, denn er bleibt bei euch, und wird in euch sein. Er will den Vater bitten, und er soll den seinigen einen andern Tröster geben. Das sollte doch ein Trost sein, und also durfte auch der andere Tröster kein geringerer sein, sondern ein solcher der ganz die Stelle von dem leiblichen Leben des Herrn auf Erden vertreten sollte, des Herrn welcher nun ferner nicht sollte den seinigen leiblich nahe sein, weil er zu dem Vater zurükkehrte. Aber auch dies, daß er diesen Geist den Geist der Wahrheit nennt, führt uns darauf, daß dieser Geist göttlichen Wesens ist, ein Tröster dem Herrn gleich, der aber bei uns bleiben soll ewiglich, und also seine Erscheinung auf Erden immer ergänzen und in die Stelle derselben treten. Der muß sich eben so zu dem göttlichen Wesen verhalten, wie der Herr von sich selbst sagt, wenn er spricht, daß er in dem Vater sei und der Vater in ihm. Aber eben so giebt es auch keine andere Quelle der Wahrheit als das göttliche Wesen; und der Geist der Wahrheit, der so nur genannt werden kann wenn nichts von Irrthum und Verkehrtheit in ihm ist, kann auch nichts anderes sein | als das göttliche Wesen selbst. Denn das wissen wir von uns selbst, wie in allen Menschen eine Hinneigung zum Irrthum ist, und wie wir durch die Vernunft, wie sehr sie sich auch bemüht, wie hell sie auch erleuchtet ist, doch die reine Wahrheit niemals weder erreichen noch festhalten können. Der Geist der Wahrheit ist der Geist Gottes. Wenn nun der Herr sagt, Die Welt kann ihn nicht empfangen, so hat er bald selbst die Erfahrung davon gemacht. Die Welt kann ihn deshalb nicht empfangen, weil sie seiner nicht begehrt, auf dieselbe Weise wie als der Herr zu seinem Richter sprach, Ich bin gekommen, daß ich von der Wahrheit zeuge, und das ist mein Reich, ein Reich der Wahrheit, dieser zu 1–2 Vgl. Röm 8,26
5–6 Vgl. Lk 22,42
39–1 Joh 18,37–38
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ihm sagte, Was ist Wahrheit? und damit das Gespräch abbrach, als ob das etwas wäre was ihn nichts anginge. Er war ein solcher, der obwol er die Wahrheit geahndet hatte und deshalb das Wort aussprach, Ich finde keine Schuld an ihm, doch gegen das was er für recht erkannte handeln konnte, deshalb weil die Hohenpriester zu ihm sprachen, Wenn du diesen loslässest, so bist du nicht des Kaisers Freund. Und das ist es, weshalb die Welt nicht empfangen kann den Geist der Wahrheit. Wo noch ein solcher Sinn in dem Menschen ist, gegen seine eigene Ueberzeugung zu handeln, und also Wahrheit und Schein zu verwechseln, da ist noch Unempfänglichkeit für den göttlichen Geist, da ist die Welt die im argen liegt und in Finsterniß und Schatten des Todes. Die aber mit Lüge und Schein nichts mehr wollen zu theilen haben, das sind die welche den Geist der Wahrheit empfangen haben. Das ist die Grundbedingung hievon, das ist es wozu der Mensch muß gelangt sein, dann kann er den Geist der Wahrheit empfangen. So weit muß er sich seines innersten Wesens bewußt sein, daß es sein Tichten und Trachten ist, daß | er wie von der Sünde so von Schein und Irrthum erlöst werde; dann kann er den Geist der Wahrheit aufnehmen. Und wie der Herr vorher sagte, Ihr kennet den Vater weil ihr mich kennet, so sagt er hier, Ich will den Vater bitten, und er soll euch einen andern Tröster geben; und ihr kennet ihn, denn er bleibt bei euch, und wird in euch sein. Das ist es, worüber wir uns in den jüngst vergangenen Tagen gefreut haben, daß alle welche aus der Wahrheit sein sollen, müssen empfänglich gemacht sein für den Geist der Wahrheit, und daß durch den Glauben und mit dem Glauben an den Erlöser wir den Geist der Wahrheit empfangen haben, und wissen daß er unter uns und in uns ist, und unter uns und in uns sein und bleiben wird ewiglich. So erhalte der Herr uns dabei nach seiner Gnade, auf daß wir in der Kraft des Geistes seine Werke thun; und verherrliche sich immer mehr in seiner Gemeine, daß auch wir unser Scherflein dazu beitragen, auf daß das Werk des Herrn immer größer werde, bis es erscheint in seiner ganzen Klarheit. Amen.
3–4 Joh 18,38 5–6 Joh 19,12 10 Vgl. 1Joh 5,19 29 Redewendung abgeleitet aus Mk 12,42; Lk 21,2
10–11 Vgl. Lk 1,79
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Am 28. Mai 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeugen:
Andere Zeugen: Besonderheiten:
1. Sonntag nach Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Lk 8,12 a. Drucktext Schleiermachers; in: Magazin von Festpredigten 5, 1827, S. 257–273 Wiederabdrucke: SW II/4, 1835, S. 656–669; 21844, S. 707–720 – Sämmtliche Werke, ed. Grosser, Bd. 5, 1877, S. 536–547 b. Nachschrift; SAr 92, Bl. 69r–95v; Slg. Wwe. SM, vermutl. Andrae Texteditionen: Keine Nachschrift; SAr 115, S. 11–24; Sethe Nachschrift; SFK 1, Bl. 2r–17v; nicht identifizierter Nachschreiber Erster Teil einer Predigtreihe über Gleichheit und Ungleichheit bei der Ausbreitung des göttlichen Worts, 28. Mai bis 12. November 1826 (vgl. Einleitung, Punkt I.1, S. XIII–XIV) Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
a. Drucktext Schleiermachers Wie der Same des göttlichen Worts weggenommen wird.
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Te x t . Lucas 8. V. 12. Die aber an dem Wege sind, das sind die es hören, danach kommt der Teufel und nimmt es von ihren Herzen, auf daß sie nicht glauben und selig werden. M. a. F., wenn wir an das zurück denken, was in der zuletzt vergangenen Zeit uns vorzüglich in unserem gemeinsamen kirchlichen Leben bewegt hat, wir mit einander das Fest der Ausgießung des Geistes und der ersten öffentlichen Predigt des Evangeliums gefeiert haben, von welcher an erst in Jerusalem eine ordentliche und feststehende Gemeinde von Bekennern unseres Herrn ist gesammelt worden, und so das Wort Gottes, in guten Zeiten und in schlimmen verkündiget, immer weiter seinen Lauf genommen hat, wir können nun sagen fast über die ganze Erde, wie außerdem in den vergangenen Wochen über8–9 Pfingsten; vgl. 14. und 15. Mai 1826
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all in den verschiedenen Gemeinden unserer Stadt, hier etwas früher, dort etwas später, eine Anzahl junger Christen aufgenommen worden sind in den Schooß der Kirche, welche von sich bezeugt haben, daß sie das Wort Gottes empfangen hätten in ihre Herzen, und daß sie gesonnen wären, es zur Richtschnur ihres Lebens zu machen; wenn wir hieran zurück denken, sage ich, m.|g. F., so muß uns wohl auch ganz besonders das ein gemeinsames Anliegen und ein wichtiger Gegenstand unseres Nachdenkens seyn: wie wir wohl das Gedeihen des Wortes Gottes überall um uns her, so weit nur irgend unser Einfluß sich erstrecken kann, am besten zu fördern vermögen? Ist es uns aber hiermit Ernst, so müssen wir wohl zuförderst mit einander darüber nachdenken: was wohl bei der Beschaffenheit der menschlichen Seele und des menschlichen Lebens diesem Gedeihen des göttlichen Worts am meisten im Wege steht? – Diese Betrachtung hat mich darauf gebracht, das Gleichniß unseres Herrn, aus welchem die verlesenen Worte genommen sind, und welches sich bekanntlich hierauf ganz vorzüglich bezieht, theilweise zum Gegenstande unserer nächsten Betrachtungen zu machen. Denn, m. g. F., die Kraft des göttlichen Worts ist freilich eine göttliche, und wir können nichts weder dazu thun noch auch davon nehmen; wir Alle aber sind doch nach Gottes Willen und Ordnung die Träger dieser göttlichen Kraft: denn sie wirkt nicht anders, als durch menschliche Verkündigung und Auslegung, nur daß wir, wie der Apostel sagt, das köstliche Kleinod in schwachen und zerbrechlichen Schalen bewahren. Und darum wird doch das göttliche Wort, wiewohl an und für sich selbst immer und überall sich selbst gleich, natürlich in seiner Wirksamkeit ein stärkeres oder schwächeres durch diejenigen, welche berufen sind, es fortzubewegen. Aber nicht nur dieses, sondern weil es auch lebendig aufgenommen werden muß, wenn es eine menschliche Seele umgestalten soll und sie Gotte befreunden, so kommt es nicht nur darauf an, mit welcher Kraft und mit welchem Geschick wir es handhaben und den Menschen anbringen, sondern auch darauf, in welcher Verfassung sich diejenigen befinden, welche es vernehmen; denn auch am reinsten vorgetragen und am kräftigsten empfohlen, wird es doch nur dem gemäß bald mehr bald weniger wirken. Und eben diese Beschaffenheit derer, denen gepredigt wird, ist der Gegenstand, womit sich dieses Gleichniß des Erlösers beschäftigt. Ich setze es als bekannt voraus, und habe deßhalb nur denjenigen Theil der | 11 zuförderst] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 5, Sp. 458 (s. v. „zuvörderst“) 15–16 Vgl. Lk 8,4–15 sowie Mt 13,1–23; Mk 4,1–20
24–25 Vgl. 2Kor 4,7
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Erklärung desselben gelesen, mit welchem wir es heute zunächst zu thun haben. Hierbei würde ich wenig schaffen, in einer kurzen Rede, wenn es nöthig wäre, zu diesem Behufe erst eine Verständigung oder eine Ausgleichung zu suchen in Beziehung auf die verschiedenen Meinungen, welche wie unter den Christen unserer Tage überhaupt, so auch wohl unter uns gefunden werden, über den Teufel, wie es in den Worten unseres Textes heißt, oder den Argen, wie in einer anderen Erklärung unseres Gleichnisses vorkommt. Denn, m. g. F., wenn wir uns ein Wesen dieses Namens und des daran haftenden Bildes würdig denken, so muß doch Alles, was Versuchung ist und Verleitung zum Bösen, Alles, was ein Hinderniß seyn will für die Wirksamkeit der göttlichen Gnade, mit zu dem Geschäfte und zu der Freude dieses Wesens gehören, und nichts dieser Art darf ihm fremd seyn. Dann darf also auch nicht nur Eines besonders, wodurch das göttliche Wort für die menschliche Seele verloren geht, diesem Argen zugeschrieben werden, sondern Eines wie das Andere. Wenn also der Erlöser weiter hin in unserem Gleichnisse sagt: das Wort bleibe bei Vielen unwirksam, weil, sobald Zeiten der Anfechtung kommen, sie abfallen; wenn er hernach sagt: es könne bei Anderen nicht gedeihen, weil die Sorgen und die Lüste des Lebens es nur zu bald weit überwachsen und unterdrücken: so fragen wir billig: warum soll an diesen beiden letzten ungünstigen Ausgängen der Teufel oder der Arge weniger Antheil haben, als an jenem ersten? Lassen sich etwa Anfechtungen und Verfolgungen, welche das Evangelium und seine Bekenner von jeher erfahren haben, nicht auf ihn zurückführen, wenn doch die Schrift von ihm sagt, daß er umhergehe wie ein brüllender Löwe und suche, welchen er verschlinge? 1 Petr. 5. V. 6. Und wie? ihm sollten wir nicht die Lockungen zuschreiben dürfen, die noch jetzt von den Freuden und den Lüsten des Lebens ausgehen, da er doch zuerst die ersten Menschen durch die sinnliche Lust gelockt hat? Oder die Aengstlichkeit und der Mangel an Besinnung, der aus den Sorgen dieses Lebens ent|steht, soll nicht auf seine Rechnung kommen, da doch von ihm gesagt wird, er habe sein Werk in den Kindern des Unglaubens? Epheser 2. V. 2. Also daran können wir nicht zweifeln, der Erlöser hätte eben so gut auch bei jenen anderen Erklärungen, die er giebt, sagen können: der Teufel kommt und nimmt das Wort hinweg, indem er Anfechtungen an die Seele bringt; der Teufel kommt und nimmt das Wort hinweg, indem er die Seele verstrickt, bald in die Sorgen, bald in die Lüste des Lebens. Also ist auch hier bei diesem ersten Hauptstücke unseres Gleichnisses dieß nicht das Unterscheidende, worauf es vorzüglich ankommt, daß 8–9 Vgl. Mt 13,19
18–21 Vgl. Lk 8,13–14
36 Vgl. Lk 8,13–14
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er hier den Argen als Urheber angiebt und dort nicht. Vielmehr sagt er dieß für die anderen Fälle auch Gültige hier eher ein für alle Mal; das Eigenthümliche aber, was er hier im Sinne hat, ist früher. Indem der Erlöser hernach sagt: wenn Zeiten der Anfechtung kommen, so fallen sie ab; wenn sie unter dem Reichthume und unter den Sorgen des Lebens aufwachsen, so erstickt das Wort: so giebt er in dem einen und dem anderen Falle eine besondere, sehr merkliche und von außen her auf die Seele wirkende Ursache an von diesem Verlorengehen des göttlichen Wortes und seiner Fruchtbarkeit; hier aber giebt er keine solche an, sondern sagt: die am Wege gesäet sind, das sind die, welche das Wort hören, aber hernach kommt der Arge, und – ohne Weiteres nimmt er es von ihrem Herzen. Das ist also der eigentliche Hauptpunkt, wornach wir zu fragen, das ist es, was wir uns näher deutlich zu machen haben, wenn wir den Erlöser verstehen wollen, wie es doch zugeht, daß bei manchen Menschen d as g öt tliche Wort , wiewohl es ihnen angebracht und gleichsam in die Seele gesäet wird, noch o h n e F r u c h t b l e i b t , ja nicht einmal bis zum Keimen gelangt, ohne d a ß m a n e i n e b e s t i m m t e äu ß e r e Ursache oder Veranlassung d a z u a n g e b e n k ö n n t e . Und an Erfahrungen hierüber wird es gewiß Keinem unter uns fehlen. Nun kann man freilich sagen: daß auch zu Allem, was in der menschlichen Welt geschieht, doch irgend etwas Aeußeres mitwirkt. Allein je mehr sich dieses, wie es hier gemeint seyn muß, in dem alltäglich|sten und gewöhnlichsten Lebensgebiete verliert, um desto mehr muß doch die Schuld des Verlaufs auf den inneren Gemüthszustand gewälzt werden. Und dieß sind demnach die beiden Fragen, die wir uns hierbei vorzulegen haben; zuerst; was denn das eigentlich für ein Gemüthszustand sey, bey welchem ein so schnelles Verlorengehen des Wortes möglich ist? und dann zweitens: wie dieser Zustand hervorgebracht wird? – Haben wir uns diese Fragen beantwortet, m. gel. Fr., so wissen wir denn auch, wie wir Jeder sich selbst, und wie wir Kraft der Liebe, die uns zusammenhält und verbindet, auch Andere vor einem solchen Untergange des göttlichen Wortes in dem Herzen zu behüten haben. I. Fragen wir also: was für ein Gemüthszustand ist doch dieß, bei welchem auf eine so leichte und unerklärliche Weise, wenn die geistige Kraft des göttlichen Wortes wirklich in die menschliche Seele aufgenommen ist, wenn das Wort wirklich, wie es in der anderen Erklärung 4 Zeiten der Anfechtung] Zeiten oder Anfechtungen 4–6 Vgl. Lk 8,13–14
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des Gleichnisses heißt, in das Herz gesäet worden ist, doch wieder kann hinweggenommen werden und verloren gehen? Um uns diese Fragen zu beantworten, laßt uns recht genau an das Bild uns halten, welches der Erlöser uns vor Augen stellt. Da finden wir den Gegensatz zwischen dem Acker, in welchen eigentlich der Säemann das Wort säen will, und zwischen dem Wege, auf welchen einzelne Körner desselben fallen und dann eben da nicht gedeihen können. Ueber den Acker, m. g. F., geht der Pflug und zieht seine tiefen Furchen hindurch. Die Oberfläche und das tiefer Liegende werden mit einander vermischt, daß das Eine auf das Andere zu wirken vermag, und was auf die Oberfläche gelegt wird eindringen kann in das Innere. Nach dem Pfluge geht die Egge darüber, um den störenden Zusammenhang, den jener noch übrig gelassen hat unter den einzelnen Theilen, auch noch hinwegzunehmen; und wenn dann so der Boden aufgelockert ist, dann streuet der Säemann den Samen hinein. Streut er ihn dann auch nur auf die Oberfläche, jedes Thautröpfchen, welches darauf fällt, jede leise Bewegung der Luft bringt unter den einzelnen Erdtheilchen | eine Bewegung hervor, durch welche das Samenkorn immer tiefer eindringt unter die Oberfläche, und so dahin gelangt, wo es verborgen und ungestört jenen wohlthätigen Tod stirbt, durch welchen es nicht allein bleibt, sondern viele Frucht bringt. M. g. F., was giebt uns das für ein Bild von der Seele, die einem solchen Acker gleicht? – Hier sehen wir die lebendige Empfänglichkeit der Seele abgebildet für die heilsamen Wirkungen von Oben; hier wird uns ein Gemüth dargestellt, in welchem es das Gewöhnliche ist, daß heilsame Reden und Vorstellungen in das Innere dringen und sich dort versenken. Sind sie aber da, dann geht auch ohne Störung die Befruchtung der Seele durch das göttliche Wort von statten, dann wird durch jedes Samenkorn ein neues Leben in der Seele geweckt; und wenn wir auch nicht sagen dürfen: keines geht verloren, so entsteht doch nach Maßgabe des Uebrigen eine reiche und gesegnete Erndte. Aber was ist der Weg? Da, m. g. Fr., dringt nichts unter die Oberfläche, sondern Alles bleibt auf derselben liegen. Freilich viele Bewegungen und Erschütterungen erfährt der Weg, aber sie gedeihen nur dazu, daß er immer mehr verhärtet wird, immer fester die Oberfläche zusammengedrückt, und jede Möglichkeit immer mehr entfernt, daß irgend etwas könne in die Tiefe eindringen. Da ist also auch keine Thätigkeit zu erwecken, sondern was auf den Weg fällt, ist wie verloren und die Beute eines Jeden, der es nehmen will; da ist keine Fähigkeit vorhanden, etwas festzuhalten, etwas zu verbergen, und es in sich selbst zu verarbeiten. Und so, m. g. Fr., sind demnach diejenigen be4–8 Vgl. Lk 8,5.8
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schaffen, von denen der Erlöser sagt: wenn dahin das Wort Gottes fällt, so kann es der Arge ohne Weiteres wieder von dem Herzen nehmen. Im Gegensatze gegen jene Empfänglichkeit des Gemüths für die Eindrücke des göttlichen Worts sehen wir hier, ach, woran es auch unter uns gar zu viele Beispiele giebt, den flachen Sinn, der unfähig ist, irgend etwas in die Tiefe des Gemüths aufzunehmen und dort festzuhalten, und in der Stille fortwirken zu lassen. Alles, auch das Edelste und Heilsamste, bleibt auf der Oberfläche liegen, ohne daß irgend ein | gedeihliches Leben daraus aufkeimte. Ja, m. g. F., bei einer Lebensweise, wie die unsrige, so zusammengesetzt, so verwickelt, wo jeder Mensch so vielfältigen Berührungen ausgesetzt ist, wie oft kommt uns da nicht diese bedauernswürdige Verfassung des Gemüths entgegen! Aber laßt uns die Sache noch von einer anderen Seite ansehen. Wenn wir ein Feld sehen, wohl vorbereitet und beackert, und wir sehen entweder selbst, daß der Säemann den Samen hineinstreut, oder wir merken es seinem ganzen Zustande an, daß dieß schon geschehen ist: müssen wir nicht Alle sagen, wenn wir nur nicht so mit anderen Dingen beschäftigt sind, daß wir daran vorübergehen, ohne darauf zu achten, so ist es uns allemal ein rührender und heiliger Anblick, es weckt in uns eine stille Scheu und achtungsvolle Theilnahme, wir sehen da die Geheimnisse der Schöpfung walten, wir gedenken des göttlichen Segens, der daraus hervorgehen wird, und jeder ernste und besonnene Mensch wird weit entfernt seyn, dieses geheimnisvolle Werk stören oder etwas zum Nachtheile desselben thun zu wollen. Was ist aber der Weg? Wie er zu nichts Anderem da ist, als daß Alles sich auf demselben begegnet, durch einander rennend und an einander vorbei: so sehen wir auch überall nicht darauf, was er selbst ist, sondern nur darauf, was auf demselben geschieht. Der Weg selbst ist für uns gar nichts, sondern nur auf dieses Begegnen, auf diese Mittheilungen, auf dieses Hin- und Herbewegen von den verschiedensten Gegenständen zu den verschiedensten Zwecken kommt es uns an. Je mehr dieß geschieht, desto mehr erfüllt der Weg seine Bestimmung; aber ohne daß er einen anderen Eindruck auf uns machte, als den der Leichtigkeit und Schnelligkeit, mit welcher dieser allgemeine Verkehr auf ihm erfolgen kann. Und nun sprecht: wirken nicht eben so verschieden auf uns auch verschiedene menschliche Gemüther? Wenn wir einen Menschen sehen, in dem sich eine lebendige Empfänglichkeit regt, dem es anzumerken ist, daß er mit vollem Ernste seines Gemüths auf etwas Bestimmtes gestellt ist, mag der Gegenstand uns nahe | verwandt seyn 1–3 Vgl. Mt 13,19
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oder auch fremd, sey es das Geistigste und Höchste von Allem, was den menschlichen Geist beschäftigt, als wovon eben hier die Rede ist, oder auch nur etwas Bedeutendes in anderen menschlichen Dingen: immer stößt uns ein solcher dieselbe Achtung und Ehrfurcht wie ein eben bestelltes und eingesäetes Feld ein. Da sehen wir ein inneres Schaffen und Bewegen, welches wir, wenn wir auch gar nicht geeignet sind, es zu fördern, doch um keinen Preis stören möchten; wir empfinden eine heilige Scheu, welche daher entspringt, daß wir an die geheimnißvolle Fortpflanzung geistiger Regungen und Entwickelung geistiger Kräfte, dabei an den allgemeinen Beruf aller Menschen, an das große Werk, an welchem und für welches wir Alle arbeiten sollen, gemahnt werden, und es vor uns gedeihen sehen, weil uns die Mannigfaltigkeit vor Augen tritt, nach welcher die göttliche Weisheit die Gaben austheilt, und Jedem seinen Ort und seinen Beruf angewiesen hat. Sehen wir dagegen Menschen von jener Art, dem Wege gleich ohne alle Fähigkeit, etwas in die innere Tiefe wahrhaft aufzunehmen, lauter Oberfläche, über welche sich Alles bunt durch einander zerstreuet: so werden wir immer nur an das Bedeutungslose und Eitle des menschlichen Lebens und Treibens mit Wehmuth erinnert. Wozu? – das ist der Eindruck, den ein solcher Mensch auf uns macht – wozu ist er da, als nur, daß ich so sage, um Nachricht zu geben, was hier seit Kurzem vorübergegangen ist, und sich durchbewegt hat, und eben deßwegen, um den Leichtsinnigen und Eitlen zu einem Uebungsplatze zu dienen, auf dem sie sich gern hin und her bewegen. Es ist wahr, ein solches Gemüth nimmt alle Einwirkung auf und weist keine ganz von sich, aber auch nur so, wie der Weg sich gefallen läßt, daß Alles über ihn hingehe, und absichtlich oder zufällig etwas auf ihn abschüttele, aber ohne daß etwas Gedeihliches für ihn selbst daraus entsteht; aber die Bewegungen pflanzen sich nicht fort in ihm, sondern was es empfangen hat, giebt es auch wieder ab, ohne weder für sich etwas davon zurückzubehalten, noch für Andere etwas hinzu gethan zu haben. | Wenn ein ernster Mensch, eben vermittelst der theilnehmenden Achtung, mit der wir ihn betrachten, uns auch ein Bestreben einflößt, ihn zu bewahren, wo es Noth thun möchte, und ihn zu fördern, wie wir nur können, so vermag dieser uns zu keiner Art von thätiger Theilnahme zu reitzen. Hat er etwas Heilsames aufgenommen, wer könnte sich groß darüber freuen? Kaum hat er sich darüber ausgesprochen, so ist es auch schon verflogen. Ist ihm etwas Verderbliches genahet? Die Trauer darüber kann uns nicht tief gehen, denn der nächste Augenblick nimmt es wieder mit hinweg. So sagt auch der Herr in diesem Gleichniß: Wenn ein Samenkorn auf den Weg fällt, so 41–2 Vgl. Mt 13,4; Mk 4,4; Lk 8,5
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kommen die Vögel des Himmels und nehmen es mit leichter Mühe hinweg. Verbreiten sich die Vögel des Himmels über einen wohlbestellten und besäeten Acker, so fliegen sie vielfältig darüber hin, und versuchen bald hie bald da; aber durch alle Anstrengung ihrer Augen, durch alle emsige Bewegungen, unter die Oberfläche zu dringen, um etwas zu finden, wird ihnen doch wenig zu Theil. Was aber auf den Weg fällt, sey es Samenkorn oder etwas Anderes, das ist verloren, und Jeder nimmt es weg und trägt es heim, wer es findet. So, m. g. Fr., ist es auch mit solchen Menschen. Nichts wird jemals ihr bleibendes Eigenthum, und nicht etwa nur für das göttliche Wort haben sie eine solche Unfähigkeit, sondern je mehr sie so sind, wie der Erlöser sie beschreibt, desto mehr gilt dieß von Allem. So viele Bewegungen erfolgen, durch welche bald dieses bald jenes auf ihrer Oberfläche liegen bleibt, eben so viele auch, wodurch es wieder weggenommen wird, immer bleiben sie in sich selbst leer, und niemals werden sie in dem wahren Sinne des Wortes von etwas erfüllt. Und hier, m. g. Fr., habt ihr nun den ganzen Unterschied wie zwischen dem Acker und dem Wege, so zwischen der segensreichen Empfänglichkeit eines ernsten und stillen Gemüths und der unfruchtbaren Dürftigkeit einer flachen Seele, wie viel Anmuthiges auch daran glänzt und flimmert, wie groß der Reichthum guter oder flüchtiger Eindrücke auch sey, womit sie prangt! | Aber, m. g. Fr., wenn wir bedenken, wie der Mensch vom Anfange seines Lebens an ein Kind der Sorge ist und ein Kind der Liebe, wie er nur gedeihen kann und zu einem selbstständigen Daseyn gelangen durch das, was an ihm geschieht; wenn wir bedenken, wie doch alle diejenigen, welche so an dem Menschen arbeiten vom Anfange seines Lebens an – und an ihm gearbeitet wird immer – doch einen würdigen Begriff davon haben, was der Mensch seyn soll, und nicht gemeint sind, ihre Sorge und Liebe an etwas Nichtiges zu verschwenden: so müssen wir uns um so mehr wundern, wie doch dieser Fall so häufig eintritt, und aus dem Menschen, der dazu bestimmt ist, daß er soll ein gedeihlicher Acker seyn für das göttliche Wort, dennoch nichts Anderes wird, als eine offene Heerstraße. II. Darum laßt uns nun die zweite Frage aufwerfen: wie wird ein solcher Gemüthszustand so ungedeihlich für das Göttliche, so ungünstig zur Mittheilung alles Guten, was der Mensch aufnehmen soll, so herabwürdigend endlich für die menschliche Natur? wie werden einige Menschen zu einer solchen Heerstraße, während andere zum fruchtbaren Acker gedeihen? Von Natur, m. g. Fr., besteht ein solcher Unterschied nicht. So wie kein Theil unsers Erdbodens von Natur ein fruchtbarer Acker ist, so auch keiner von Natur ein Weg; sondern
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jeder wird erst dieß oder jenes durch die Bestimmung, welche die Menschen ihm geben; wo wir aber in einer Gegend fruchtbares und gedeihliches Land finden, da führen auch die Straßen zum Theil über dieses fruchtbare und gedeihliche Land hinweg, und es ist nicht möglich, auf eine solche Weise zu sondern, daß nur der von Natur bessere Boden besäet werde und nur der geringere zur Straße bestimmt. So ist es auch mit dem Menschen; der Unterschied, den uns der Erlöser hier vor Augen stellt, hat seinen Grund nicht in einer ursprünglichen Verschiedenheit der Gemüther und Gaben. Eine solche anzunehmen, werden wir freilich Alle durch die Erfahrung genöthigt; aber eine solche Bewandniß hat es nicht damit. Sondern wie es undankbar wäre, wenn irgend Einer behaupten wollte, er würde ohne alle Pflege und ohne al|len wohlthätigen Einfluß Anderer, vermöge seiner natürlichen Beschaffenheit, dasselbe geworden seyn: so wäre es auch nur eine verderbliche Beschönigung unserer Fahrlässigkeit, wenn wir meinten und glauben machten: wie Viele es auch leider unter den Christen noch gebe, die nichts Anderes wären, als eine solche Heerstraße, die Schuld daran läge immer nur in der geringeren ursprünglichen Beschaffenheit der Seele. Nein, m. g. Fr., alle ursprünglichen Verschiedenheiten menschlicher Seelen, welche Gott geordnet hat, sollen auch, wie Alles, was sein Werk ist, zu seinem Preise und seiner Verherrlichung gereichen. Es können also auch nur solche seyn, daß dabei jede Seele so weit veredelt und so angebaut werden kann, daß sie einen fruchtbaren Acker darstellt. Ist gleich der Unterschied ein solcher, daß nicht auf jedem Acker kann hundertfältige Frucht gewonnen werden; läßt sich auch nicht jeder dahin bringen, dreißigfältig zu tragen: keine ist doch von der Natur so versäumt, daß sie bei gehöriger Mühe und Pflege nicht sollte etwas hervorbringen können. Wenn es Menschen gäbe, schon von Natur so geartet, daß das göttliche Wort gar nicht zum Leben in ihnen gelangen kann: wie könnten wir behaupten, daß Christus der Erlöser sey für das ganze menschliche Geschlecht? Wie könnten wir dem Apostel Beifall geben, welcher Zeugniß giebt, daß das Evangelium eine Kraft sey Gottes, Alle selig zu machen, die daran glauben? Wenn wir also hiebei auf eine ursprüngliche Beschaffenheit nicht zurückgehen dürfen, was bleibt uns übrig, als zu fragen: wenn Einer ein solcher Weg wird, was müssen Andere an ihm gethan oder versäumt, was muß er selbst an sich verschuldet haben? Und, m. g. Fr., die Antwort auf diese Frage ergiebt sich schon ganz aus demjenigen, worauf ich Euch vorhin schon aufmerksam gemacht habe. Wie ohne Vorbereitung und ohne Bearbeitung kein Mensch ein fruchtbarer Acker wird, sondern das Alles an Jedem geschehen muß, was der 24–26 Vgl. Mt 13,8.23; Mk 4,8.20
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Landmann an seinem Acker thut, theils damit der Same des göttlichen Worts in die Seele fallen könne, und zwar dieses schon, ehe Zeit und Stunde gekommen ist, wenn er hineingestreut zu werden pflegt; theils auch alles Nöthige, | damit, wenn er hinein gefallen ist, er auch gedeihen und Frucht bringen könne, und auch dieses zur gehörigen heilsamen Zeit: eben so ist auch mancherlei geschehen an jedem Stücke Landes, ehe es ein Weg wird. Nur hat es hiermit insofern eine umgekehrte Bewandniß, als wenn an einem Wege noch gar nichts geschehen ist, oder doch viel zu wenig, als daß man ihn schon mit Bequemlichkeit begehen und befahren könnte, es dennoch am leichtesten geschehen kann, daß ein Samenkorn, welches zufällig darauf fällt, bis zum Keimen gelangt und sich über die Oberfläche erhebt, wiewohl es doch bald wird zerstört werden durch das, was die Bestimmung des Weges ist. Wie man aber ein Stück Landes erst künstlich bereitet, um ein guter Weg zu seyn, und wir wissen ja, wie viel saure Mühe und schwere Arbeit das kostet, wie das Innere muß aufgerissen werden und von einander gebreitet und vielerlei Fremdes darauf zusammen getragen von der Tiefe bis zur Oberfläche: so ist dann dieß Alles zu keinem anderen Zwecke und in keiner anderen Absicht geschehen, als um den Boden zu verhärten, und er ist erst vollkommen geworden, was er seyn soll, wenn er eine so feste und undurchdringliche Oberfläche darbietet, daß niemals mehr ein Samenkorn da keimen und gedeihen kann. Ach, m. g. Fr., möchte doch, damit dieß an keiner Seele geschähe, zuerst recht viel Mühe und Sorgfalt überall auf eine jede gewendet werden, um sie zum Acker zu bearbeiten und dem göttlichen Worte Eingang und Unterkommen bei ihr zu verschaffen! Was muß aber geschehen, damit das Wort Gottes Frucht bringen könne, wenn es in die Seele gesäet worden ist? Laßt uns auf Gott sehen und fragen: wie Er wohl zu diesem Ende das ganze menschliche Geschlecht bearbeitet hat und vorbereitet? Ueberall ist vor dem Evangelio hergegangen das Gesetz; und gewiß glauben wir es Alle dem Apostel, wenn er sagt: das Gesetz könne den Menschen weder gerecht machen noch selig; aber Erkenntniß der Sünde, spricht er, bringt es hervor, und dazu hat Gott es vorangeschickt. Erkenntniß der Sünde, m. g. Fr., welch’ eine heilsame und nothwendige Vorbereitung! Wenn | diese Pflugschaar nicht die Seele durchritzt hat: so kann auch kein Verlangen nach Errettung, kein Durst nach dem Evangelio entstehen; und ohne Neigung und Sehnsucht, das göttliche Wort in die Tiefe des Herzens einzusaugen, wie sollte der Mensch es aufzunehmen und zu schätzen wissen? 32–35 Vgl. Röm 3,20
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Wie entsteht aber Erkenntniß der Sünde aus dem Gesetze? Gesetzesworte müssen schneidend sein und schlicht, Achtung gebietend und streng; und je einfacher dann das Leben gehalten wird, so daß man es leicht übersehen kann, auf je weniger und bestimmte Zwecke alle Handlungen des Menschen bezogen werden, so daß es leicht etwas Gewohntes wird, bei jeder bedeutenden Veranlassung auf das Innere derselben zurückzugehen: um desto gewisser entsteht dann durch die Uebertretung, welche doch nicht ausbleibt, die Erkenntniß der Sünde, weil unter solchen Verhältnissen der Mensch schon zeitig und auch bei gewöhnlichen Kräften des Geistes im Stande ist, Recht und Unrecht in seinen Handlungen zu unterscheiden und zu schätzen. Stellt aber den Menschen ungeübt in ein vielfältig zusammengesetztes Leben, daß er bei Allem, was er thut, eine Menge von verwickelten Verhältnissen glaubt berücksichtigen zu müssen: wie leicht verwirrt sich bei ihm da Recht und Unrecht, wie findet er bald hie bald da einen Vorwand, um sich zu entschuldigen, so daß das Sündliche und das Gesetzmäßige sich in einander zu verlaufen scheinen, und dann entstehen aus dem Gesetze, anstatt der Erkenntniß der Sünde, nur jene streitenden Gedanken, die sich unter einander zwar verklagen, aber dann auch wieder entschuldigen und immer zu dem Argen gehören, welches aus dem menschlichen Herzen kommt. Denken wir nun schon selbst, so oft von einer Vorbereitung die Rede ist und von einer Zeit, ehe das göttliche Wort in die Seele gelangt, Alle vorzüglich an unsere Jugend: nun wohl, so laßt uns darauf bedacht seyn, sie auf diese göttliche Weise vorzubereiten, auf daß sie ein fruchtbarer Acker werde! Lehren wir sie Menschenwort halten, damit sie dereinst auch Gottes Wort aufnehme! Vater und Mutter gehorchen, das ist das Gesetz, | welches dem Evangelio vorangeht. Die Lust wird auch von diesem Veranlassung nehmen und die Sünde ans Licht bringen. Soll aber eine fruchtbare Erkenntniß der Sünde entstehen: so haltet die Jugend fest bei einfacher Zucht und Sitte. Je einfacher ihre Verhältnisse sind, je schlichter und gemessener ihre Lebensbewegungen: um desto leichter wird es ihr, in das Innere zurückzugehen und es richtig zu sehen. Bewahren wir sie in häuslicher Stille, bis der Grund des Gemüths aufgelockert ist durch die Erkenntniß der Sünde und dann der Same des göttlichen Worts reichlich hineingestreut; halten wir sie fern von den bunten und lockenden, aber auch verwirrenden und Schwindel erregenden Gestalten des Lebens, damit sie nicht durch eine zu große Fülle lebhafter sinnlicher Ein19 einander] eiander 20–21 Anspielung auf Mt 15,19
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drücke den Geschmack verlieren an den tieferen aber milderen Eindrücken des geistigen Lebens: das ist die beste Vorbereitung, damit die göttliche Saat seiner Zeit gedeihe. Laßt ihr sie aber hinaus in jenes bunte Gewühl; meint Ihr: es sey etwas Wichtiges, daß sie zeitig Bescheid wisse mit Allem, was im menschlichen Leben vorkommt; glaubt Ihr, es lohne schon, Einfalt des Lebens und innere Unschuld des Herzens Preis zu geben lieber, als daß man die günstige Gelegenheit vorbeilasse, ihnen die möglichste Mannigfaltigkeit oberflächlicher Eindrücke zuzuführen: – wie könnt Ihr dann erwarten, daß vor so vollständig Eingeweihten irgend Jemand noch sollte jene heilige Scheu und Achtung hegen, wie vor einem wohlgepflegten und bestellten Acker! Ihr gebt euch dann viel und vielleicht in einem gewissen Sinne wohlgemeinte Mühe um sie; aber Ihr bereitet sie doch nur zu einer solchen kunstgerechten Straße, an der nichts zu schätzen ist, als die glatte aber feste Oberfläche. Allerlei Menschen werden sich gerne bei ihnen begegnen; was sich in einer Seele auch nur so weit regt, daß es über seine Lippen gleitet, davon werden sie etwas in sich aufnehmen: aber immer mehr wird sich dann auch das traurige Geheimniß der Sache offenbaren. Denn ist die Seele ein solcher öffentlicher Ort, wo sich die gemischteste Gesellschaft in entgegengesetzter Richtung bewegt, wo sich Gutes und Schlimmes von aller Art wie im Fluge | durchkreutzt: so ist sie auch für jede höhere Bestimmung verloren und zeigt sich immer untüchtiger zu allem Ernsten und Schweren, immer leerer an innerer Wahrheit und Kraft, am allermeisten aber immer unfähiger, einem Samenkorne des göttlichen Wortes eine bleibende und fruchtbare Stätte in ihrem Inneren zu gewähren. Doch, m. gel. Fr., laßt uns nicht etwa glauben, dieser Rath beziehe sich allein auf unsere Jugend, als ob nur diese, um ein fruchtbarer Acker zu werden, einer vorbereitenden Bearbeitung bedürfe, wenn aber das Leben gereift sey, so müsse auch die Saat des göttlichen Wortes schon von selbst in die Aehren schießen, und dann sey keine Arbeit und Fürsorge mehr nöthig. Wie? findet Ihr keinen Unterschied zwischen denen, welche auch im geschäftigen Leben noch die Stille lieben und sich ihr hingeben, wo sie können, und denen, welche sie fliehen und überall dem bunten Gewühle nachgehen und nichts davon versäumen mögen. Freilich sollen wir schon von da an Frucht bringen, wo wir uns als Mitglieder der Kirche gelobt haben; aber ist deßwegen Bearbeitung und Saat beendigt? Gewiß, das wird Keiner behaupten, der nicht über die Gebühr von sich selbst hält, und indem er sich weise dünkt, zum Thoren wird, Keiner, der den Segen einer fleißigen Beschäftigung mit dem göttlichen Worte kennt. Denn dieses fällt immer wieder als Samen in unsere Seele; mögen wir es vernehmen in der großen Gemeine, mögen wir es theilen mit unseren Hausgenossen und
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Freunden, wenn wir uns einsam daran erbauen, oder mag uns unwillkührlich dieß und jenes daraus sich plötzlich vergegenwärtigen und uns ans Herz gelegt werden: dieß Alles ist immer eine neue Saat, und jede solche Saat muß aufgehen und ihr Korn bringen, wenn wir nicht sollen leer erfunden werden an guten Werken. Und doch liegt es zu Tage, wie manche solche Saat so gut als ganz verloren geht. Denn immer noch, wie festen Fuß wir auch schon gefaßt haben mögen im Reiche Gottes, streitet sich die Welt mit dem göttlichen Geiste um unsre Seele. Daß wir ein fruchtbares Feld werden mögen und dem Herrn | tragen, was ihm wohlgefällig ist, sey es nun auch viel oder wenig, dazu sind alle gesegneten Ordnungen der christlichen Kirche berechnet, daran arbeitet die christliche Liebe durch warnende und aufmunternde Zusprache, darauf wirkt und treibt der ernste und in Gott rechtschaffene Sinn eines Jeden selbst; aber auf der anderen Seite, wie viel leeres Treiben um uns her, dem wir uns doch nicht ganz entziehen können, wenn wir nicht aus der Welt gehen wollen, und das nur zu leicht auch die der Stille geweihten Stunden zu stören weiß! wie viel noch der Eitelkeit hingegebene Nebenmenschen, die uns in dasselbe Gebiet hinüberziehen möchten und von deren freundlichen Verlockungen nur gar zu leicht etwas hängen bleibt! Müssen wir also nicht, je mehr unser Leben in das anderer Menschen verwickelt ist, um so öfter immer wieder den Entschluß erneuen: uns dem, was die Welt an uns sucht, zu versagen, und uns zu dem, wodurch das Werk des Geistes gefördert wird, hinzuwenden? Müssen wir nicht ernstlich darauf Bedacht nehmen, den Boden von Zeit zu Zeit wieder zu reinigen, damit auch die erneute Saat mit wohlbegründeter Hoffnung und unter günstigen Vorbereitungen hineingestreut werde? Müssen wir nicht streng darauf halten, Alles zu verhüten, wodurch sich bei Anderen die heilige Scheu verlieren könnte, mit der man einen wohlbestellten und weislich eingefriedigten Acker betrachtet? Ist nicht zu besorgen, daß wenn Jemand sich dessen überheben zu können glaubt, dieser einen Hochmuth in sich trage, auf welchen der Fall bald zu folgen pflegt? Oder wenigstens: wird der mit gutem Erfolge sich bemühen, die Jugend zu bewahren, der mit sich selbst fast leichtsinnig umgeht? Darum, m. gel. Fr., wie sehr uns auch das Leben drängt, so sehr wir auch zu wünschen Ursach haben: es möge endlich keiner Vorbereitung bedürfen, sondern alle Zeit, die noch übrig ist, einer unmittelbar fruchtbaren Thätigkeit gewidmet werden können: laßt uns, wie wir es dankend erkennen, daß der göttliche Same immer noch in unser Herz gestreut wird, auch die Mühe nicht scheuen, es immer wieder zu bearbeiten, auf daß Pflug und Egge nie ruhen, es 32–33 Vgl. Spr 16,18
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immer wieder einzuhegen, auf daß die | Füße fern gehalten werden, die sich einen verbotenen Steg durch Saat bahnen und den Acker zum Wege verhärten möchten. So wird die Saat zur gedeihlichen Erndte emporwachsen und die Einträglichkeit des Bodens gefördert werden zum Preise Dessen, der der Herr des Ackers ist und seine Diener sendet, daß sie säen; so wird, je mehr wir Frucht bringen in Geduld, um desto mehr auch der göttliche Same unter uns bewahrt werden vor jenem Mißgeschick, auf solchen Boden zu fallen, wo er, kaum gesäet, auch gleich wieder hinweggeführt wird und ohne Nutzen verschwindet! Amen.
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Predigt am ersten Sonntage nach Trinitatis 1826.| Tex t. Lukas VIII, 12. Die aber an dem Wege sind, das sind die es hören, danach kommt der Teufel und nimmt das Wort von ihrem Herzen, auf daß sie nicht glauben und selig werden. M. a. F. Wenn wir an das zurükdenken, was in der zulezt vergangenen Zeit uns vorzüglich in unserm gemeinsamen kirchlichen Leben bewegt hat – wir haben mit einander gefeiert das Fest der Ausgießung des Geistes und der ersten öffentlichen Predigt des Evangeliums, von wo an erst | unter den verschiedenen Völkern Gemeinden der Bekenner unsers Herrn sind gesammelt worden, von wo an das Wort Gottes seinen Lauf genommen hat immer mehr über die ganze Erde; wie in den vorhergegangenen Wochen sind überall in den verschiedenen Gemeinden unsrer Stadt, hier etwas früher dort etwas später, eine Anzahl junger Christen aufgenommen worden in ihren Schooß, welche von sich bezeugt haben, daß sie das Wort Gottes empfangen hätten in ihrem Herzen, und daß sie es machen wollten zur Richt|schnur ihres Lebens – wenn wir daran zurükdenken sage ich m. g. F.: so muß uns wohl auch ganz besonders das ein wichtiger gemeinsamer Gegenstand sein, das Gedeihen des Wortes Gottes überall so weit wir selbst mit der Kraft unsers Lebens reichen zu fördern, und mit einander darüber nachzusinnen, was eben diesem Gedeihen im Wege steht. Das hat mich 5–6 Anklang an Mt 13,27; vgl. auch 1Kor 9,11 vgl. 14. und 15. Mai 1826
6 Vgl. Lk 8,15
18–23 Pfingsten;
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darauf gebracht dieses Gleichniß des Herrn, aus welchem die verlesenen Worte genommen sind, theilweise zum Gegenstand unsrer nächsten Be|trachtungen zu machen. Denn m. g. F. die Kraft des göttlichen Wortes ist eine göttliche. Wir können nichts dazuthun und nichts davonnehmen; wir alle aber freilich sind Träger desselben, und wie der Apostel sagt wir bewahren das köstliche Kleinod in schwachen und zerbrechlichen Schaalen. Darum wird es nun an und für sich selbst immer und überall sich selbst gleich freilich ein stärkeres und ein schwächeres durch diejenigen, welche es forttragen sollen. Aber auf der andern Seite müssen wir auch wieder sagen, es kommt nicht nur | darauf an, mit welcher Kraft und mit welchem Geschik wir es bewegen, sondern auch wie es aufgenommen wird, und was es nun da wo es aufgenommen ist wirkt oder nicht – und eben dieses Leztere ist der Gegenstand, womit sich dieses Gleichniß des Erlösers beschäftigt. Ich seze es als bekannt voraus, und eben deshalb habe ich nur denjenigen Theil der Erklärung desselben gelesen, mit welchem wir es heute zunächst zu thun haben. Nun habe ich wohl nicht nöthig bei dieser Veranlassung | erst eine Verständigung oder eine Ausgleichung zu suchen in Beziehung auf die verschiedenen Meinungen, welche unter den Christen herrschen, über den Teufel wie es in den Worten unsers Textes heißt, oder den Argen wie in einer andern Erklärung unsers Evangeliums vorkommt. Denn m. g. F. wenn wir nun alles was Versuchung ist und Verleitung zum Bösen, alles was Hinderniß ist gegen die Wirkungen der göttlichen Gnade, auf ein solches Wesen, auf Einen der eben der Versucher ist, zurükführen: so | müssen wir doch gestehen, wenn der Erlöser darauf sagt, daß das Wort bei vielen unwirksam bleibt weil sobald Zeiten der Anfechtung kommen sie abfallen, daß es bei andern nicht gedeihen kann weil die Sorgen und die Lüste des Lebens es weit überwachsen und unterdrüken: so müssen wir fragen, sollen wir Anfechtungen und Verfolgungen, welche das Evangelium und seine Bekenner von jeher erfahren haben, nicht auf Denselben zurükführen? sollen wir Dem nicht auch die Lokungen zuschreiben, | welche von den Freuden und Lüsten des Lebens ausgehen, oder die Ängstlichkeit und den Mangel an Besinnung, die aus den Sorgen dieses Lebens entstehen? Und daran werden wir nicht zweifeln; der Erlöser hätte eben so gut auch bei jenen andern Erklärungen die er giebt sagen können, der Teufel kommt und nimmt es hinweg indem er Anfechtungen an die Seele bringt, der Teufel kommt und nimmt es hinweg indem er die Seele verstrikt bald in die Sorgen bald in die Lüste des Lebens. Das ist also | nicht das Unterscheidende und das worauf es hiebei und wesentlich ankommt; sondern indem der Erlöser hernach sagt, wenn Zeiten der Anfechtung kommen so fallen 1–2 Vgl. Lk 8,4–15 sowie Mt 13,1–23; Mk 4,1–20 5–6 Vgl. 2Kor 4,7 20 Vgl. Mt 13,19 24–27 Vgl. Lk 8,13–14 34 Vgl. Lk 8,13–14 39–2 Vgl. Lk 8,13– 14
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sie ab, wenn sie unter dem Reichthum und unter den Sorgen des Lebens aufwachsen so erstikt das Wort: so giebt er in dem einen und in dem andern Falle einen besondern Grund, eine eigenthümliche Quelle von diesem Verlorengehen der Fruchtbarkeit des göttlichen Wortes an, hier aber giebt er keinen solchen an, sondern sagt, die am Wege gesäet sind, sind die welche | das Wort hören, aber hernach kommt der Arge, und ohne weiteres nimmt er es hinweg. Das ist also der eigentliche Hauptpunkt wonach wir zu fragen, das ist es was wir uns näher deutlich zu machen haben, wenn wir den Erlöser verstehen wollen. So laßt uns also fragen, wie doch das eigentlich zugehen kann – und an Erfahrungen darüber wird es keinem unter uns fehlen – daß in so mancher menschlicher Seele das Wort, welches schon in das Herz gesäet war, wieder verloren geht und ohne Wirkung bleibt, ohne daß man eine bestimmte | Ursache davon angeben kann. Laßt uns dabei zuerst fragen, was denn dies eigentlich für ein Gemüthszustand sei, bei welchem das möglich ist; und dann zweitens wie ein solcher hervorgebracht wird. Dann m. g. F. werden wir also wissen, wie wir jeder sich selbst, und wie wir kraft der Liebe, die uns zusammenhält und verbindet, auch Andre vor einem solchen Untergang des göttlichen Wortes in dem Herzen zu behüten haben. I. Fragen wir also, was ist doch | das für ein Gemüthszustand, in welchem auf eine so leichte und unmerkliche Weise die geistige, die göttliche Kraft, wenn sie wirklich in die menschliche Seele gelegt worden ist, wenn sie wirklich, wie es in einer andern Erklärung des Gleichnißes heißt, in das Herz gesäet ist, doch wieder kann hinweggenommen werden und verloren gehen? Um uns diese Frage zu beantworten laßt uns recht genau an das Bild uns halten, welches der Erlöser uns vor Augen stellt. Da finden wir den Gegensaz zwischen dem Aker, in welchen eigentlich der Säemann | das Wort säen will, und zwischen dem Wege, auf welchen einzelne Körner desselben fallen, und dann eben da nicht gedeihen können. M. g. F. Über den Aker geht der Pflug und zieht seine tiefen Furchen hinein. Da wird die Oberfläche und das was tiefer liegt mit einander vermischt, daß das Eine auf das Andre wirken kann und was auf die Oberfläche gelegt wird eindringen kann in das Innere. Nach dem Pfluge geht die Egge darüber, um den störenden Zusammenhang, den jener noch übriggelassen hat unter den einzelnen Theilen, auch noch hinweg|zunehmen. Und wenn dann so der Boden aufgelokert ist und vorbereitet, dann säet der Säemann den Saamen hinein; und wenn er ihn auch nur auf die Oberfläche streut: jedes Thautröpfchen welches darauf fällt, jede leise Bewegung der Luft bringt in den einzelnen 32 daß das] daß
36 hinweg|zunehmen] hinweg|zu nehmen
6 Vgl. Mt 13,19
23–25 Vgl. Mt 13,19
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Erdtheilchen eine Bewegung hervor, durch welche das Saamenkorn immer tiefer eindringt unter die Oberfläche, und so gelangt es dahin, wo es verborgen und ungestört den wohlthätigen Tod stirbt, durch welchen es nicht allein bleibt sondern viele Frucht bringt. M. g. F. | Was giebt uns das für ein Bild von der Seele, die einem solchen Aker gleicht? Da sehen wir die lebendige Empfänglichkeit der Seele abgebildet für die heilsamen Wirkungen von oben; da sehen wir ein Gemüth, in welchem das gewöhnlich und leicht ist, daß die heilsamen Eindrüke sich in das Innere verlieren und dort versinken. Sind sie aber da, dann geht auch ohne Störung die Befruchtung der Seele durch das göttliche Wort von statten, dann wird durch jedes Saamenkorn ein neues Leben in der Seele er|wekt; und wenn wir auch nicht sagen dürfen keines geht verloren, so entsteht doch nach Maaßgabe des Übrigen eine reiche und gesegnete Ernte. – Aber was ist der Weg? Da m. g. F. dringt nichts unter die Oberfläche, sondern alles bleibt auf derselben liegen. Freilich viele Bewegungen und Aufregungen erfährt der Weg; aber nur solche wodurch er immer mehr verhärtet wird, immer fester die Oberfläche zusammengedrükt, und die Unmöglichkeit immer mehr entsteht daß irgend etwas kann in die Tiefe eindringen. Da ist | also auch keine Thätigkeit zu erweken, sondern was auf denselben fällt das ist wie verloren und die Beute eines jeden der es nehmen will; keine Fähigkeit etwas festzuhalten, etwas zu verbergen, in sich selbst zu verarbeiten ist da vorhanden. Und so m. g. F. so sind also diejenigen, von denen der Erlöser sagt, wenn dahin das Wort Gottes fällt, so kann es der Arge ohne weiteres wieder von dem Herzen nehmen. Im Gegensaz gegen jene Empfänglichkeit des Gemüths für die Eindrüke des | göttlichen Wortes sehen wir hier, ach wovon es nur gar zu viele Beispiele unter uns giebt, den flachen Sinn, welcher unfähig ist irgend etwas in die Tiefe des Gemüths aufzunehmen und dort zu verbergen und festzuhalten. Alles bleibt auf der Oberfläche liegen ohne daß irgend ein gedeihliches Leben daraus entsteht. Ja m. g. F. in einem Leben wie das unsrige, so zusammengesezt, so verwikelt, wo jeder Mensch so vielfältigen Berührungen ausgesezt ist: wie oft tritt uns | da nicht diese bedauernswürdige Verfassung des Gemüths entgegen! Aber laßt uns die Sache noch von einer andern Seite ansehen. Wenn wir ein Feld sehen wohl vorbereitet und beakert, und sehen entweder selbst daß der Säemann den Saamen hineinstreut, oder merken es seinem ganzen Zustande an daß das schon geschehen ist: müssen wir nicht alle sagen, wenn wir nicht mit andern Dingen beschäftigt sind und also gleichgültig dabei vorübergehen, es ist uns ein rührender und heiliger Anblik? Es wekt | in uns einen stillen Sinn und eine Achtung und Ehrfurcht; wir sehen da die Geheimnisse der Schöpfung walten; wir gedenken des göttlichen Segens der daraus hervorgehen wird; und jeder ernste und besonnene Mensch wird weit entfernt sein dieses geheimnißvolle Werk stören oder etwas zum 2–4 Vgl. Joh 12,24
22–24 Vgl. Mt 13,19
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Nachtheil desselben thun zu wollen. Was ist aber der Weg? Zu nichts anderm gemacht als daß alles sich auf demselben begegnet, durch einander rennend und an einander vorbei. | Da sehen wir nicht darauf was er selbst ist sondern was auf demselben geschieht; der Weg selbst ist für uns gar nichts, sondern eben dieses Begegnen, eben diese Mittheilungen, eben dieses Hin- und Herbewegen von den verschiedensten Gegenständen zu den verschiedensten Zweken. Je mehr dies geschieht, desto mehr erfüllt er seine Absicht, aber ohne daß er einen andern Eindruk auf uns macht als von der Leichtigkeit und Schnelligkeit, mit welcher dieses allgemeine Verkehr erfolgt. M. g. F. finden | wir diesen Gegensaz nicht auch in dem menschlichen Gemüth? Wenn wir einen Menschen sehen, dem es anzumerken ist daß er mit dem Ernst seines Gemüths auf etwas Bestimmtes gestellt ist, sei es ein uns mehr Verwandtes oder Fremdes, sei es das Größte und Höchste was wir kennen oder auch nur etwas Bedeutendes in menschlichen Dingen: so ist er ein solcher der uns diese Achtung und Ehrfurcht einflößt. Da sehen wir ein inneres Schaffen und Bewegen, welches wir uns scheuen zu stören; und diese | Scheu ist eine heilige Scheu, und kommt davon her daß wir dabei an den allgemeinen Beruf aller Menschen, an das große Werk an welchem und für welches alle arbeiten sollen, und an die Mannigfaltigkeit und Weisheit denken mit welcher Gott die Gaben ausgetheilt und einem jeden seinen Ort und seinen Beruf angewiesen hat. Sehen wir dagegen Menschen von jener Art ohne alle innere Tiefe und ohne Fähigkeit in dieselbe etwas aufzunehmen, auf eine flache Weise alles über die Oberfläche | der Seele verbreitet: wie könnten wir etwas von jener heiligen Scheu empfinden? Wozu – das ist der Eindruk den ein solcher Mensch auf uns macht – wozu ist er da, als dazu daß Jeder augenblikliche Bewegungen seines Gemüths an ihm niederlege und vor ihm ausschütte? Er nimmt alle Eindrüke auf und weiset keinen von sich, so wie der Weg sich gefallen läßt daß alle über ihn hingehen, aber ohne daß etwas Gedeihliches für ihn daraus entsteht. Aber die Bewegungen pflanzen sich in ihm nicht fort; was er empfangen hat giebt er weiter ohne etwas | hinzuzuthun oder davonzunehmen. Da also kann das Wort Gottes nicht gedeihen, und niemanden kommt eine Aufforderung dazu es zu fördern oder daran zu denken daß dies geschehen sei. – Das m. g. F. das ist der Unterschied zwischen der tiefen und stillen Empfänglichkeit eines ernsten durch etwas Bestimmtes und Würdiges bewegten Gemüths und zwischen der Oberflächlichkeit und dem Mangel an Werth eines flachen aber deswegen auch unfähigen irgend eine Achtung und Scheu einzuflößen, in welchem wir nichts bemerken als einen Reichthum von | flüchtigen leicht vorübergehenden Eindrüken. Wenn ein Saamenkorn auf den Weg fällt, so spricht der Herr in seinem Gleichniß, so kommen die Vögel 9 dieses … Verkehr] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 4, Sp. 54 Adelung: Wörterbuch, Bd. 3, Sp. 809 39–1 Vgl. Lk 8,5
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des Himmels und nehmen es mit leichter Mühe weg. Wenn die Vögel des Himmels sich über den Aker verbreiten, so wenden sie sich hin und her und strengen ihr Auge an, weil sie unter die Oberfläche dringen müssen um etwas zu finden, und so wird ihnen wenig zu Theil. Was aber auf den Weg fällt sei es Saamenkorn oder anderes, das ist verloren, und jeder nimmt es weg und trägt | es heim wer es findet. So m. g. F. ist es auch mit solchen Menschen. Nichts ist und wird jemals ihr bleibendes Eigenthum; und es ist nicht etwa nur gegen das göttliche Wort daß sie eine Unfähigkeit haben es aufzunehmen, sondern je mehr sie so sind wie der Erlöser sie beschreibt, desto mehr gilt dies von Allem. Alles kommt auf ihre Oberfläche, aber alles wird auch wieder weggenommen, und eben so viele Bewegungen erfolgen, durch welche bald dieses bald jenes auf der Oberfläche liegen bleibt, eben so viele wodurch es weggenommen wird, | und immer sind sie in sich leer, und nie werden sie in dem wahren Sinne des Wortes von etwas erfüllt, sondern alles gleitet nur über sie hinweg, alles geht nur durch sie hindurch. O m. g. F. wenn wir denken, wie der Mensch vom Anfang seines Lebens an ein Kind der Sorge ist und ein Kind der Liebe, wie er nur gedeihen kann und zu einem selbstständigen Dasein gelangen durch das was an ihm geschieht; wenn wir denken, wie doch alle diejenigen welche so an dem Menschen arbeiten vom Anfang seines Lebens an – und an ihm gearbeitet wird immer – doch | einen würdigen Begriff davon haben was der Mensch sein soll, und ihre Sorge und ihre Liebe nicht die Meinung haben an etwas Nichtiges zu verschwenden: so müssen wir uns um so mehr wundern, wie doch dieser Fall so häufig eintritt, und aus dem Menschen, der dazu gemacht ist daß er soll ein gedeihlicher Aker sein für das göttliche Wort, nichts anderes wird als eine offene Heerstraße. II. So laßt uns denn die zweite Frage aufwerfen: wie wird ein solcher Gemüthszustand, | ungedeihlich für das Göttliche, unempfänglich für alles Gute was der Mensch aufnehmen soll, herabwürdigend für die menschliche Natur, wie wird er hervorgebracht? wie entsteht er vor unsern Augen? Von Natur m. g. F. ist ein solcher Unterschied nicht. So wie kein Theil unsers Erdbodens von Natur ein fruchtbarer Aker ist, so auch keiner von Natur ein Weg; sondern jeder wird das nur durch die Bestimmung, welche die Menschen ihm geben. Und wo überhaupt ein fruchtbares und gedeihliches Land ist, da gehen auch die Straßen über dieses fruchtbare und gedeihliche | Land weg; und es ist nicht möglich, auf eine solche Weise zu sondern. So auch hier; der Unterschied liegt nicht in einer ursprünglichen Verschiedenheit der Gemüther. Wenn wir eine solche auch annehmen m. g. F., so ist sie nicht beschaffen; und keinesweges wollen wir uns auf irgend eine Weise über unsern Antheil daran daß es viele Menschen der Art auch unter der Gesellschaft der Christen giebt, keinesweges wollen wir uns damit entschuldigen,
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daß es in der geringen ursprünglichen Beschaffenheit der Seele liegt. Nein m. g. F. mögen immer von der | Geburt an schon die Gemüther der Menschen verschieden sein, so hat es Gott gewollt, so hat er es geordnet – aber es sind nur solche Verschiedenheiten, durch welche eine jede menschliche Seele ein fruchtbarer Boden werden kann. Trägt auch nicht jede hundertfältig, trägt auch nicht jede dreißigfältig: keine ist so daß sie nicht tragen könnte. Wollten wir das nicht glauben, o so könnten wir auch nicht glauben, daß Christus der Erlöser sei für das ganze menschliche Geschlecht; so könnten wir nicht sagen mit dem Apostel, daß das Evangelium eine Kraft Gottes sei selig zu machen | alle die daran glauben. Darauf also wollen wir uns nicht zurükziehen, sondern vielmehr fragen, wie geschieht es denn durch das was andre an dem Menschen thun, und durch das was er selbst an sich thut, daß er leider ein solcher wird? Ja m. g. F. die Antwort auf diese Frage ergiebt sich schon ganz von selbst aus demjenigen, worauf ich Euch vorher habe aufmerksam gemacht. Ohne Vorbereitung und ohne Bearbeitung wird kein Mensch ein fruchtbarer Boden; das Alles muß an ihm geschehen was der Landmann thut | an seinem Aker, damit der Saame des göttlichen Wortes in die Seele fallen könne; und es muß geschehen ehe er in dieselbe gestreut wird; ehe dazu Zeit und Stunde gekommen ist muß das geschehen sein, wodurch das göttliche Wort in der Seele kann fruchtbar gemacht werden. Wohl was geschieht am Aker? Aber m. g. F. auch was geschieht am Wege? Was in dem Aker geschehen ist, das haben wir uns schon vorgehalten. Wenn an dem Wege gar nichts geschieht, dann ist es noch eher möglich, daß ein Saamenkorn welches zufällig hineinfällt bis zum Keimen gelangt und sich | über die Oberfläche erhebt, wiewohl es bald wird zerstört werden durch das was die Bestimmung des Weges ist. Wenn aber der Weg künstlich bereitet wird, dann müssen eine Menge von Bemühungen an ihn gewendet werden, und alles das eine harte und saure Arbeit, und viel muß zusammengetragen werden von der Tiefe bis zur Oberfläche; aber alles zu keinem andern Zwek und in keiner andern Absicht als ihn zu verhärten, so daß er nichts ist als Oberfläche, und diese undurchdringlich für alles. Dann ist er was er sein soll; aber dann auch so daß | niemals ein Saamenkorn auf ihm keimen und gedeihen kann. Ach m. g. F. möchte doch recht viel Mühe und Sorgfalt überall auf eine jede menschliche Seele gewendet werden, um dem göttlichen Worte Zugang zu derselben zu verschaffen! Was muß geschehen, damit das göttliche Wort, wenn es in die Seele gekommen, wenn es in das Herz gesäet ist, Frucht bringen könne? was muß vorhergegangen sein? Vor dem Evangelio kam das Gesetz; und wie der Apostel sagt das Gesetz es kann den Menschen weder selig machen noch gerecht, aber es bringt Erkenntniß der Sünde hervor. Erkenntniß | der Sünde m. g. F. welch heilsames, welch nothwendiges Besizthum! Wenn der Mensch diese nicht hat, so weiß er auch das göttliche Wort nicht zu schäzen. Wie entsteht 5–6 Vgl. Mt 13,8.23; Mk 4,8.20
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aber Erkenntniß der Sünde m. g. F.? Wenn nicht des Menschen Handlungen auf bestimmte Zweke bezogen werden; wenn er nicht in den Stand gesezt wird sein Leben mit einer gewissen Leichtigkeit zu übersehen; wenn er nicht gewöhnt wird bei jeder bedeutenden Veranlassung auf sein Inneres zurükzugehen: so ist Erkenntniß der Sünde nicht möglich; und ohne Erkenntniß der Sünde kein Verlangen nach Errettung, | kein Durst nach dem Evangelio, keine Neigung und keine Sehnsucht das göttliche Wort in die Tiefe des Herzens einzulassen. Je stiller aber und je einfacher das Leben gehalten wird, desto mehr ist der Mensch auch bei gewöhnlichen Kräften des Geistes im Stande das Recht und Unrecht zu übersehen. Je gemeßner und je weniger mannigfaltig seine Bewegungen sind, desto leichter wird es ihm in sein Inneres zurükzugehen. Und je mehr wir uns in der Einfachheit und in der Ordnung eines stillen Lebens halten, desto leichter wird uns | die Erkenntniß der Sünde. Denn m. g. F. die mannigfaltigen Gedanken, die sich unter einander verklagen aber auch entschuldigen, und die zu dem Argen gehören was aus dem menschlichen Herzen kommt, wo entstehen sie leichter als in einem vielfältig zusammengesezten und verwikelten Leben? Je mehr Verhältnisse der Mensch glaubt bei dem was er thut berüksichtigen zu müssen, desto leichter verwirrt sich ihm Recht und Unrecht, desto mehr verschwindet ihm der Unterschied zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen der Sünde und dem was | Gott gefällig ist; und dann ist auf einem solchen Wege nichts zu finden als kalte träge Oberfläche, die nichts in das Innere des Grundes aufnimmt. Darum je zeitiger der Mensch in das bunte und verwikelte Leben hinausgelassen wird; je mehr man eilt ihn mit tausend Eindrüken bekannt zu machen; je früher man glaubt daß er mit allem Bescheid wissen müsse in der Welt: desto mehr wird er ein solcher, vor dem niemand jene heilige Scheu und Achtung hägt wie vor einem wohlbebauten Aker, sondern vor dem jeder glaubt al|les niederlegen zu können was in seiner Seele ist und über seine Lippen gleitet, und dadurch die Mannigfaltigkeit der Eindrüke fördert, die immer ein solches Leben zerstören. Das m. g. F. das ist eigentlich das Geheimniß der Seele; dadurch kommt es dahin daß der Mensch seine eigentliche Bestimmung in der Welt verfehlt, daß er immer unfähiger wird alles Große und Herrliche, aber auch besonders das göttliche Wort in das Innere seiner Seele aufzunehmen. Er bietet nichts dar als einen Ort, auf dem sich alles begegnet, Gutes und Schlechtes, und | was uns in der menschlichen Welt Buntes und Verworrenes ist; er giebt und nimmt alles auf, aber es ist auch und wird nie etwas für sich selbst und für die Welt, für welche wir alle gemacht sind. 26 wissen] werden
27 hägt] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 893
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Was ich vorher sagte m. g. F., das hat uns gewiß alle vorzüglich unsre Jugend vergegenwärtigt; und jeder wird schon was ich gesagt habe von selbst auf sie angewendet haben. O so sei sie denn auch vorzüglich ein Gegenstand unsrer heiligsten Sorge! O mögen wir sie bewahren so lange wir können vor den allzu bunten und verwikelten Gestalten | des Lebens; auf daß sie tiefen Grund in sich selbst gewinnen und so vorbereitet immer mehr das göttliche Wort in sich aufnehmen; auf daß sie nicht über der Mannigfaltigkeit des Angenehmen und Unangenehmen, dessen was sie erheitert und erfreut, und dessen was sie trübt und schmerzlich bewegt, daß sie nicht in dieser mannigfaltigen und bunten aber doch sinnlichen Fülle den heiligen Unterschied zwischen dem Guten und dem Bösen in sich zu erweken unfähig werden; auf daß nicht in der ungeheuren Man|nigfaltigkeit der Eindrüke des äußeren Lebens das Vermögen die Eindrüke des Geistes zu erweken verloren gehe, und wenn sie schon erwekt sind nicht desto leichter erstikt werden. Je wozu sie Gott möge bestimmt haben; bewahren wir sie vor diesem allzu frühen Verarbeiten alles dessen was die Welt darbietet, bewahren wir sie in der Stille und Einfachheit des Lebens bis der Grund des Gemüths aufgelokert und fest gemacht ist: dann werden sie uns nie den traurigen Eindruk des flachen Sinnes und des leeren Wesens geben. – Aber doch m. g. F. ist | es nicht die Jugend allein, sondern wir sind es alle die wir uns auf dieselbe Weise hüten müssen. Es giebt eine Zeit ehe überhaupt das Wort Gottes in die menschliche Seele gesäet werden kann, und in dieser muß die erste Vorbereitung gemacht werden, auf daß es gedeihen könne wenn es gesäet wird. Aber m. g. F. unser ganzes Leben ist nichts anderes als eine Wiederholung desselben. Denn wir alle müssen hingehen wenn auch nicht unter den Sorgen doch unter den Geschäften und den mannigfaltigen Bewegungen dieser Welt und dieses Lebens; | und da ist vieles was uns aus der Stille des Lebens und des Gemüths herausreißt, und was daran arbeitet uns in jenes bunte und leere Gewühl hineinzuziehen. Aber dies unterbricht sich dann wieder durch solche Zeiten, wo wir uns zurükziehen, und wo auch in unsre Seele aufs neue der Saame des göttlichen Wortes gestreut wird. Jede stille Betrachtung die wir über uns selbst anstellen, jeder häusliche Gottesdienst, jede gemeinsame Erbauung, ist es etwas anderes als eine neue Saat des göttlichen Wortes in die Seele? | Und jede muß gedeihen, jede muß Frucht bringen, wenn die Ernte sich erheben soll und wir nicht sollen leer werden an guten Werken. Aber jede braucht eine eigene Vorbereitung, jede ein vorhergehendes Nachdenken über das Leben, damit was sich in der Thätigkeit verwirrt sich wieder sondre, damit wir die oberflächlichen Eindrüke in der Seele verbannen, und alles beziehen auf das Eine was heilig ist und einfach seiner Natur nach, alles andre vergessend über dem, wie dasjenige was wir gethan haben | sich verhält zu dem großen Beruf, den Gott uns angewiesen hat. Das ist die Auflokerung des Gemüths, das ist die Vorbereitung desselben, ohne welche auch die wieder-
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holte Saat des göttlichen Wortes unserm Herzen und Leben nicht gedeihlich werden kann. Je mehr wir dies unterlassen und fälschlich glauben, das sei ein Geschäft der Jugend, wenn aber das Leben gereift ist dann sei es nicht mehr nöthig, und in jedem Augenblik wären wir im Stande das Gute zu finden, je mehr wir sa|ge ich uns diesem Wahn überlassen: desto mehr werden wir Gelegenheit haben wahrzunehmen, wie wir dadurch dem Vorschub thun, der das Wort wenn es in das Herz gesäet ist wieder wegzunehmen sucht; desto mehr werden wir wahrnehmen, wie die Zerstreuungen, denen wir in dem bunten geschäftigen Leben nicht entgehen sich auch eindrängen in die heiligen Stunden, welche der Andacht gewidmet sind, und das gottgefällige Werk derselben stören. Ja m. g. F. so ist es mit dem Menschen; und je | mehr sein Leben verbreitet ist und verwikelt, desto mehr. Auf der einen Seite er möchte gern ein fruchtbares Feld werden und dem Herrn tragen was ihm wohlgefällt, sei es viel oder wenig. Daran arbeitet der Geist Gottes; daran arbeiten alle heilige und gesegnete Einrichtungen der christlichen Kirche; daran arbeitet der ernste Sinn eines jeden selbst; daran arbeitet die christliche Liebe die ihn immer hegt und trägt. Aber auf der andern Seite, es ist auch vieles um uns her was jede Seele gern machen möchte | zu einer offnen Heerstraße. Daran arbeiten alle Zerstreuungen des Lebens; daran arbeitet alles leere Treiben um uns her, dem wir nicht ganz ausweichen können; daran arbeitet alles in unsern Nebenmenschen was der Eitelkeit hingegeben auch Andre in das Gebiet der Eitelkeit ziehen möchte. Immer wieder müssen wir uns von Jenem zurükziehen, immer wieder zu Diesem uns hinwenden, immer wieder von vorn die Arbeit, als ob noch nichts geschehen wäre, des Akkerns und des Pflügens | und des Eggens anfangen, damit die Saat des göttlichen Wortes aufgehe. Nur so gelangen wir dahin daß die Saat zu einer gedeihlichen Ernte emporwächst; nur so erheben wir uns zu einer heiligen Würde, die jeden mit Scheu erfüllt, jedem ein Gegenstand der Achtung wird; und nur so kann die Einträglichkeit des Bodens wachsen und gefördert werden zum Preise dessen, der ausgeht zu säen seitdem er auf Erden erschienen ist, zuerst es selbst thuend, hernach durch den Mund seiner Jünger | und Apostel, und noch immer aussäen läßt überall wo das menschliche Geschlecht verbreitet ist den heiligen Saamen des göttlichen Wortes. O daß wir überall Frucht schaffen mögen und ihm eine reiche Ernte bereiten helfen, und bald ganz erledigt werden aus unsrer Mitte des traurigen Anbliks solcher Menschen, in deren Herz das Wort gesäet ist, aber kaum nachdem es gesäet ist wieder hinweggenommen ist und verschwunden. Amen.
36 erledigt] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 1, Sp. 1768 32 Vgl. 1Kor 9,11
34–35 Vgl. Lk 8,15; Röm 1,13; Phil 1,22
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[Liederblatt vom 28. Mai 1826:] Am 1sten Sonntage nach Trinitatis 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Herzliebster Jesu etc. [1.] Dies ist der Tag zum Segen eingeweihet, / Ihn feiert gern, wer deiner Gott sich freuet, / O laß auch mich mit Freuden vor dich treten, / Dich anzubeten. // [2.] Wie freu ich mich die Stätte zu begrüßen, / Wo Dürstenden des Lebens Bäche fließen, / Und wo dein Heil von der Erlösten Zungen / Froh wird besungen. // [3.] Vergebens lokt die Welt zu ihren Freuden, / Mein Geist soll sich auf Gottes Auen weiden, / Ich will an seines Wortes Gnadengaben / Die Seele laben. // [4.] O laß auch heute deinen Geist mich lehren, / Mich immerfort vom Eitlen abzukehren! / Regiere mich, daß meine ganze Seele / Nur dich erwähle! // [5.] Dein Tag sei mir ein Denkmal deiner Güte, / Er bringe Trost und Ruh in mein Gemüthe, / Den Trost den Christus Allen hat erworben, / Da er gestorben. // [6.] Dich bet’ ich an, du Todesüberwinder, / Der heut erstanden ist zum Heil der Sünder, / Die in des Todes finstern Schatten saßen / Von Trost verlassen. // [7.] Dein Siegstag ist ein Tag des Heils der Erde, / Gieb daß er mir zum wahren Sabbath werde! / Lob sei Erlöser deinem großen Namen, / Auf ewig Amen. // Nach dem Gebet. – Mel. Es ist das Heil uns etc. [1.] Zu dem was geistlich ist, o Gott, / Sind wir von selbst nicht tüchtig, / Dein Wesen, Willen und Gebot / Ist viel zu hoch und wichtig; / Wir fassen und verstehn es nicht, / Wenn uns nicht deines Wortes Licht / Verstand und Herz erleuchtet. // [2.] Drum hast du vormals schon gesandt / Propheten, deine Knechte; / Sie machten dein Gebot bekannt, / Und lehrten deine Rechte. / Zulezt kam dann dein einger Sohn, / O Vater, von des Himmels Thron / Uns deinen Rath zu lehren. // [3.] Für solches Heil sei hoch gepreist! / Laß uns dabei verbleiben, / Und gieb uns deinen guten Geist, / Daß wir dem Worte gläuben, / Und es aufnehmen jederzeit / Mit Sanftmuth, Ehrfurcht, Lieb’ und Freud, / Als Wort aus deinem Munde. // [4.] Hilf daß der Spötter freches Heer / Uns nicht dein Wort entwende; / Denn lüsterne und freche Lehr’ / Nimmt einst ein schrecklich Ende. / Gieb deiner Wahrheit Siegeskraft, / Daß sie, die Licht und Leben schafft, / Die Seelen ganz durchdringe. // [5.] Herr, öffne du Verstand und Herz, / Daß wir dein Wort recht fassen, / In Lieb’ und Leid, in Freud’ und Schmerz / Es aus der Acht nicht lassen; / Daß wir nicht Hörer nur allein, / Nein Thäter auch des Wortes sein, / Und nicht uns selbst betrügen. // [6.] Der Saam’ am Wege wird sofort, / Vom Feinde weggenommen, / In Fels und Steinen kann das Wort / Nicht Wurzeln überkommen, / Und wenn der Saam’ in Dornen fällt, / Hat Sorg’ und Wollust dieser Welt / Bald seine Kraft ersticket. // [7.] Herr mache du uns Alle gleich / Dem fruchtbarn guten Lande, / Mach’ uns an guten Werken reich, / In unserm Amt und Stande. / Laß Frucht uns bringen in Geduld, / Und deinen Ernst wie deine Huld / Im Herzen wohl bewahren. // Nach der Predigt. – Mel. Nun lob’ mein Seel etc. Dein Name werd’ erhoben, / Gott Vater der Barmherzigkeit! / Du der mir stets von oben / Auf meine Bitte Kraft verleiht! / Mein Wollen und Vollbringen / Kommt Höchster nur von dir; / O send in allen Dingen / Auch ferner Hülfe mir, / Daß ich das meine thue / Im Namen Jesu Christ, / Bis deines Volkes Ruhe / Mein Theil auf ewig ist. //
Am 4. Juni 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen:
Besonderheiten:
2. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 14,18–24 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LXVII, S. 443– 456; König Keine Nachschrift; SN 618/4, Bl. 13v–17v; Crayen Nachschrift; SAr 57, Bl. 1r–9v; Schirmer Nachschrift; SAr 115, S. 24–35; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 87r–88v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am 2. Sonntage nach Trinitatis 1826.
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Tex t. Joh. 14, 18–24. Ich will euch nicht Waisen lassen; ich komme zu euch. Es ist noch um ein kleines, so wird mich die Welt nicht mehr sehen; ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben. An demselbigen Tage werdet ihr erkennen, daß ich in meinem Vater bin, und ihr in mir, und ich in euch. Wer meine Gebote hat, und hält sie, der ists der mich liebet. Wer mich aber liebet, der wird von meinem Vater geliebt werden; und ich werde ihn lieben, und mich ihm offenbaren. Spricht zu ihm Judas, nicht der Ischarioth, Herr was ist es, daß du uns dich willst offenbaren, und nicht der Welt? Jesus antwortete und sprach zu ihm, Wer mich liebt, der wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort das ihr höret ist nicht mein, sondern des Vaters der mich gesandt hat. | M. a. F. Unmittelbar vor den Worten mit denen ich heute angefangen habe, hatte der Herr seinen Jüngern an seine Stelle – wie denn diese ganze Rede sich damit beschäftigt, sie auf seinen Abschied aus dieser Welt vorzubereiten und darüber zu beruhigen – den andern Tröster versprochen, der ewiglich bei ihnen bleiben sollte, nämlich den Geist der Wahrheit. Hier nun fängt er abermals an mit einem Versprechen, indem er zu ihnen sagt, Ich will 16–20 Vgl. die Frühpredigt am 21. Mai 1826 über Joh 14,7–17
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euch nicht Waisen lassen; ich komme zu euch. Ist dieses nun dasselbe, oder ist es ein anderes? Das m. g. F. ist sehr oft eine streitige Frage gewesen unter den Christen, ob es noch ein anderes Zuunskommen des Erlösers gäbe, als durch diesen Geist der Wahrheit; ob derjenige welcher diesen empfangen habe, so wie der Herr davon vorher redet, als den ewigen Tröster, als den der wie er hernach sagt seine Jünger in alle Wahrheit leiten, sie alles lehren und sie alles dessen erinnern werde was er ihnen gesagt hatte, ob der welcher durch den Geist der Wahrheit in der Lehre Christi befestiget sei, noch etwas anderes erwarten müsse, oder daran volle Gnüge habe. Wenn wir nun auf die Worte des Erlösers sehen, so liegt darin etwas ganz besonders zärtliches und herzliches, wenn er sagt, Ich will euch nicht Waisen lassen. Die Sprache des Evangelisten bedient sich dieses Wortes nicht bloß von Kindern die ihre Eltern verlieren, sondern auch von Eltern die ihre Kinder verlieren; es ist überall das Wort für das Zerreißen der heiligsten Bande der Natur, der innigsten Verwandtschaft die unter Menschen besteht. Und so können wir nicht anders sagen, wenn wir den Worten des Erlösers ihr Recht wollen widerfahren lassen, als er redet von dem persönlichen Verhältniß zwischen ihm und seinen Jüngern, daß das nicht solle zerrissen werden, daß sie nicht sollten seinen Verlust fühlen, und wenn sie ihn fühlten, daß dieses Gefühl nicht sollte beständig bleiben, wie jeder unersezlich fühlt | den Verlust der seinigen die der Himmel durch den Tod von ihm nimmt. So können wir nicht anders glauben als er hat noch etwas anderes, noch etwas innigeres damit gemeint als das was der Geist der Wahrheit, der ewig bleibt, in den Gemüthern der gläubigen hervorbringt. Wie erklärt er sich nun darüber weiter? Er sagt, Es ist noch um ein kleines, so wird mich die Welt nicht mehr sehen; ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben. An demselbigen Tage werdet ihr erkennen, daß ich in meinem Vater bin, und ihr in mir, und ich in euch. Indem er nun sagt, Ich will euch nicht Waisen lassen; ich komme zu euch: so will er doch sogleich den Gedanken entfernen, als ob es dasselbe Verhältniß sein werde, welches bisher stattgefunden habe, wo er nicht konnte bei seinen Jüngern sein ohne zugleich in und unter der Welt zu sein. Daß also dieses aufhören werde, das ist das erste was er seinen Jüngern abermals einschärft, damit sie nicht irre würden an seinen Worten. Es ist noch um ein kleines, so wird mich die Welt nicht mehr sehen, mein sichtbares Leben auf Erden wird aufhören; ihr aber sollt mich sehen. Hat nun der Herr damit gemeint jenes kurze geheimnißvolle Leben, welches er nach seiner Auferstehung mit seinen Jüngern führte? Das m. g. F. wäre, weil es doch nur eine kurze Zeit war, ein gar geringer Trost für sie gewesen, und stimmt nicht damit was er im folgenden näheres 5 Vgl. Joh 14,17
6 Vgl. Joh 14,16
6–8 Vgl. Joh 14,26
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darüber sagt. Denn wenn er gleich darauf sagt, Ihr sollt mich sehen, denn wie ich lebe, sollt ihr auch leben: so war ja auch unser Leben und das Leben der Jünger nicht abhängig von seinem wiedergekehrten Leben auf Erden, sondern von seinem ewigen unvergänglichen Leben. Dies ist es, worauf er sie hinweist, und woran er sein Wiederkommen und sein Nichtwaisenlassen bindet. Also ist hier weder die Rede von dem Leben welches Christus nach seiner Auferstehung führte, noch von dem welches wir erst in Vereinigung mit | ihm erwarten, wenn die menschlichen Dinge auf Erden ihr Ende erreichen; sondern es ist von einem persönlichen Verhältnisse zwischen dem Erlöser und den seinigen die Rede, von dem Bewußtsein dieser natürlichen und innigen Verwandtschaft in welcher sie mit ihm stehen, welches wieder gegründet ist in seinem unvergänglichen Leben und in unserer geistigen Lebensgemeinschaft mit ihm. An demselbigen Tage, sagt er also, wenn ich wieder zu euch kommen werde, wenn der erste Schmerz über die irdische Trennung so weit wird überstanden sein, daß ihr euch an dieser geistigen Lebensgemeinschaft werdet weiden können und daran Gnüge haben, dann werdet ihr erkennen, daß ich in meinem Vater bin, und ihr in mir, und ich in euch. Diese Worte m. g. F. sind eben so groß als dunkel und geheimnißvoll. Ich, sagt der Herr, bin in meinem Vater, und ihr in mir, welches also doch offenbar so zu verstehen ist, daß es eine und dieselbe Art und Weise ist, wie er in seinem Vater ist, und wir in ihm. Aber dann sagt er auch wieder umgekehrt, Ich bin in euch. Ist er in uns, so muß auch, weil er in seinem Vater ist, sein Vater in uns sein, und also eine vollkommene Gegenseitigkeit in diesem Verhältnisse. Er in seinem Vater, und wir als in ihm, mit ihm in seinem Vater; er in uns, und weil er in seinem Vater, auch sein Vater mit ihm in uns. Dadurch erklärt sich freilich was er vorher sagt, Ich will euch nicht Waisen lassen; ich komme zu euch. Und eben dieses Verhältniß der innigsten Angehörigkeit und Verwandtschaft und Unzertrennlichkeit des Lebens spricht er hier auf die tiefste Weise aus. Aber freilich, wenn wir im allgemeinen leicht verstehen daß hier von dem innigsten Verhältniß zwischen Gott und den Menschen die Rede ist, ruhend auf dem innigsten Verhältniß zwischen Christo und seinem Vater: so ist es doch schwer das genauere von diesen Worten des Erlösers klar und deutlich sich selbst und andern vor Augen zu stellen. Wie aber m. g. F. können wir uns denken, daß Christus in seinem Vater ist auf dieselbe | Weise wie wir in ihm sind? Wie sind wir in ihm? Denn da dies doch für uns das unmittelbarste ist, so ist es recht, daß wir damit beginnen. Wir m. th. F. sind in ihm so auf der einen Seite, daß wir der Gegenstand sind seiner herzlichsten Liebe und seiner beständigen Sorge; auf der andern Seite so, daß wir alle von ihm herkommen, und also als ursprünglich in ihm seiend und lebend angesehen werden dürfen. Denn unser geistiges Leben
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hat keine andere Quelle als ihn. Wir sind in ihm in demselben Sinne, in welchem die Schrift sagt von der neuen geistigen Schöpfung, daß sie ganz zu ihm und durch ihn gemacht ist, daß diese ganze Fülle des geistigen Lebens, wie sie sich auf mannigfaltige Weise offenbart in dem Geiste den Christus der Herr über die seinigen ausgegossen hat, von einem Geschlecht zu dem andern und von einem Volk zu dem andern, ursprünglich in dem Erlöser ist als ihrer eigentlichen und ewigen Quelle; aber daß was auf diese Weise in ihm ist er nie so von sich läßt und trennt, daß es könnte verwaisen; daß wie unser geistiges Leben von ihm herrührt, so auch die geistige Verbindung zwischen ihm und uns bleibt, so daß wir in ihm sind wie die Reben am Weinstokke, und durch ihn leben. Eben so sagt er von sich selbst, daß er in seinem Vater sei, wie er es auch in den lezten Worten wiederholt, Die Worte die ich rede sind nicht mein, die Worte die ihr von mir hört sind dessen der mich gesandt hat. Ich bin ganz in ihm; was von mir kommt, was ihr von mir hört, ist nichts anderes als der Vater der sich durch mich offenbaret, in welchem ich so ganz versenkt bin, daß, wie ich es auch vorher gesagt habe, man mich nicht sehen kann ohne den Vater zu sehen. So wie ihr immer aus mir schöpfet, so schöpfe ich immer aus der unerschöpflichen Quelle des ewigen Wesens selbst. Aber wenn er wieder sagt, Ich bin in euch: so will er das für | uns sagen, daß er in uns ist mit der lebendigen Gegenwart des Bewußtseins, daß wir uns von ihm nicht ablösen können, daß er in dem innersten unserer Seele uns gegenwärtig ist, so daß wir alles auf ihn beziehen, daß er es ist in uns, welcher uns treibt, und von welchem alle Bewegungen unseres geistigen Lebens ausgehen und ihm angehören, daß er der Mittelpunkt ist unseres ganzen Lebens. Und eben so wie er in uns ist, ist auch der Vater in ihm; und also diese vollkommene Gegenseitigkeit, diese vollkommene Gemeinschaft stellt er uns hier dar, in welcher wir mit ihm und durch ihn mit seinem und unserm Vater stehen; und in dieser sagt er könnten wir unmöglich verwaisen. Nun m. g. F. ist freilich wahr, daß noch ein anderer Sinn in diesen Worten liegt, und ein anderes Bedürfniß, sie als einen durch nichts anderes zu ersezenden Trost aus seinem Munde zu hören, war vorhanden und zu stillen für die welche wirklich ein leibliches Zusammenleben mit ihm, eine solche Gemeinschaft wie wir sie unter einander haben, gehabt hatten, und sie nun verlieren sollten. Aber m. g. F. je mehr wir uns durch fleißigen Gebrauch der Schrift, durch lebendiges Auffassen aller Züge die sie uns von dem Erlöser aufbewahrt dieses Leben des Erlösers mit seinen Jüngern uns vergegenwärtigen; je mehr er uns dadurch eine wirklich menschliche Erscheinung in dem innern unseres Bewußtseins ist, und wir nicht nur seine Lehre und seine Vorschriften in einzelnen abgerissenen Worten und Lehren der Weisheit kennen und festhalten, sondern sie immer auf das ganze sei1–2 Vgl. Röm 8,22–23; 2Kor 5,17
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nes menschlichen und zugleich göttlichen Lebens beziehen; wenn wir uns aus diesen verschiedenen Zügen der Schrift und aus den Erinnerungen der Apostel sein ganzes Gemüth, wie es sich in seinem Leben offenbart, und die innersten Bewegungen seiner Seele vergegenwärtigen: desto mehr kommen wir immer nur auf dasselbe Verhältniß zurükk, welches zwischen dem Erlöser und seinen Schülern bestand so lange er unter ihnen lebte, desto mehr sehen wir ein, daß hat ein solches persönliches Verhältniß angefangen, | so wird es nie zerrissen, und der Herr läßt es nicht verwaisen, sondern immer mehr nimmt das Bewußtsein zu, wie er in uns ist und wir in ihm, und wie das die Wirkung hat, daß wir in seinem und unserm Vater sind, wie er in uns. Aber wie erklärt der Erlöser nun eben dies noch näher? Doch wieder so, daß er uns auf sein Gebot, welches zugleich seine Lehre in sich schließt, zurükkführt, Wer meine Gebote hat, und hält sie, der ists der mich liebt. Wer mich aber liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden; und ich werde ihn lieben, und mich ihm offenbaren. Dies Ich werde mich ihm offenbaren, ist wieder dasselbe wie jenes Ich werde zu euch kommen. Und indem der Erlöser dies bindet an das Haben und Halten seiner Gebote als dasjenige was zu gleicher Zeit das wesentliche und untrügliche Kennzeichen der Liebe zu ihm ist, und es von den Banden des persönlichen Zusammenseins löset: so giebt er uns nicht nur das Recht, sondern legt uns auch die Pflicht auf, was er hier seinen Jüngern verheißen hat auch als für uns gültig anzusehen. Und freilich m. g. F., was uns zuerst an den Erlöser bindet, was zuerst ihn in einem eigenthümlichen Lichte der menschlichen Seele darstellt, wodurch zuerst das Verlangen nach ihm und nach dem nähern Verhältnisse zu ihm gewekkt werden kann in uns, die wir ihn mit leiblichen Augen nicht mehr sehen und hören: was ist es anderes als seine Gebote und seine Lehre, welche beide wieder ohne seine tröstlichen Verheißungen nicht zu denken sind. Denn das ist eben Gebot und Lehre, daß alle göttliche Verheißungen in ihm Ja und Amen sind. Nicht also m. g. F. auf eine andere Weise und irgendwie losgerissen von den Geboten des Herrn giebt es ein solches unmittelbares persönliches Verhältniß zu ihm, und keineswegs können wir uns ein solches denken welches uns sei es bei besondern Gelegenheiten sei es überhaupt von dem Gebundensein an die Gebote des Erlösers irgendwie befreite, und als ob es eine Liebe zu ihm gäbe und | ein Verhältniß, welches höher wäre als das Halten seiner Gebote. Darum laßt uns recht auf diese Worte des Herrn merken. Es ist aber kein anderer, sagt er, der mich liebt − und dies in ihm sein und ihn in uns haben, das ist eben die Liebe zu ihm, ein solches Verhältniß der Gemeinschaft des Lebens, das ist der höchste Sinn dieser Worte – es giebt keinen andern der mich liebt, als der meine Gebote hat, und hält sie, d. h. 30–31 Vgl. 2Kor 1,20
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sie festhält in seinem Bewußtsein, und sie übergehen läßt in sein Leben. Nur wer das festhält aus meinem Leben, was als Gebot, als Lehre, als Verheißung – denn das alles ist eins – ein ewiges göttliches Wort der Liebe und Gnade an die Menschen geworden ist, um deswillen das Wort Fleisch ward und unter uns wohnte; nur wer das in seine Seele aufnimmt und darin festhält, und so, daß es durch nichts wieder herausgerissen werden kann, sondern ein Quell des ewigen Lebens darin wird: nur der ist es der mich liebt. Wer aber so mich liebt, der wird auch von meinem Vater geliebt, weil er den Rath der ewigen Gnade und Barmherzigkeit an seiner Seele erfüllt, weil die göttliche Liebe an ihm ihren Zwekk erreicht; und was wäre es anderes, weshalb Gott die Menschen lieben könnte, als dies? So giebt es keinen andern Grund der göttlichen Liebe, als wenn der Mensch festhält an dem worin sich ihm Gott auf das innigste und vollkommenste offenbart. Wer nun von meinem Vater geliebt wird, den werde ich wieder lieben und mich ihm offenbaren. Auch dieses Wort des Herrn hat wieder seinen besondern Sinn, den wir ja recht festhalten müssen. Denn eben in jenem Streit der Christen, ob für uns, die wir den Herrn nicht leiblich gesehen und gehört haben, nicht dennoch die ganze Fülle der Seligkeit die er uns zugedacht in demjenigen liege was wir vorzüglich dem Geist der Wahrheit, den der Vater auf die Bitte des Sohnes gesandt hat, zuschreiben; so wie in jenem Streit der Christen diejenigen Recht haben nach den Worten des Erlösers, welche meinen, daß zur Seligkeit der Menschen dies | nothwendig sei, daß kein so großer Unterschied liege zwischen denen die den Herrn selbst gesehen haben, und denen die durch das Wort seiner Jünger an ihn gläubig geworden sind, daß es ein eben so inniges Verhältniß der Erinnerung und des Festhaltens seines persönlichen Daseins für alle geben müsse; so wie sie darin Recht haben, und dies der Rath Gottes gewesen ist, sich in einem persönlichen menschlichen Leben zu offenbaren den Menschen und sie zu sich zu ziehen, und der Rath Gottes nur so erfüllt wird, daß wir den Erlöser in seinem persönlichen geistigen Dasein aufnehmen und festhalten: so haben sie Unrecht daran, wenn sie glauben, dies könne die Stelle vertreten des Verhältnisses in welchem der Mensch zu Gott stehen soll, es sei genug, wenn der Mensch den Sohn festhalte, aber der Vater sei ihm von Natur fremd, und bleibe ihm fern. Denn wie sagt der Erlöser, wenn er von der Liebe zu ihm redet? Er sagt, diese lokkt hervor die Liebe zu Gott. Freilich ist die Liebe Gottes das erste, denn aus Liebe hat er den Sohn gesandt. Allein das ist nichts anderes als die allgemeine Liebe Gottes zu der menschlichen Natur; aber der einzelne wird erst etwas für Gott und ein besonderer Gegenstand seiner Liebe, wenn er in die Lebensgemeinschaft mit dem Sohne aufgenommen ist. Also diese Liebe Gottes zu dem einzelnen Menschen hängt davon ab, daß er durch die Liebe mit dem 3 Vgl. 1Petr 1,23
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Erlöser vereinigt wird. So stellt er es selbst dar. Wenn der Mensch mich so liebt daß er meine Gebote hält, dann wird er von dem Vater geliebt, und erst wenn der Vater ihn liebt, dann liebe ich ihn auch. Also die Liebe des Vaters zu denen welche den Sohn aufnehmen ist das erste, und daraus erst entsteht die Liebe des Sohnes zu uns, so daß es ein solches Verhältniß der Gegenseitigkeit hier gar nicht giebt, daß er anders in uns sein könnte als durch Vermittelung der Liebe zwischen Gott dem Vater und allen denen welche an Christum gläubig geworden sind durch die Liebe zu ihm. Also keineswegs um uns den Vater zu ersezen oder den Vater zu entfernen, sondern erst uns zu neuer | Liebe an ihn fest zu knüpfen, dazu ist er erschienen; und das ist seine höchste volle Liebe, daß er das Verhältniß der Liebe zwischen uns und dem Vater gestiftet hat. Erst wenn das erschienen ist, erst wenn der Vater uns durch den Sohn und in dem Sohne in das Herz und in das innerste der Seele gekommen ist: dann werden wir der Gegenstand seines Wohlgefallens, daß seine Liebe auf uns ruhen kann. Denn freilich mit seiner erbarmenden und erlösenden Liebe hat er uns alle umfaßt, als er erschien das menschliche Geschlecht zu erlösen; aber jeder einzelne für sich wird erst ein Gegenstand seiner freundlichen und wohlwollenden Liebe, wenn er das Verhältniß zwischen uns und seinem Vater im Himmel angeknüpft findet, welches er hier beschreibt. Und das ist es, daß er sich uns offenbart. Und dieses Bewußtsein der Liebe, welches auf der Liebe des Vaters zu dem Sohne ruht, welches keinen andern Grund hat als unsere Liebe zu dem Erlöser, dieses Bewußtsein, das ist sein zu uns kommen, das ist sein uns nicht Waisen lassen, das ist das persönliche Verhältniß zu ihm, welches sich immer wieder erneuert, und aus welchem unser ganzes geistiges Leben besteht. Denn m. g. F. müssen wir nicht immer das Wort des Herrn als Gebot, als Lehre, als Verheißung aufs neue in uns aufnehmen, aufs neue in uns befestigen? nicht immer aufs neue die Liebe zu ihm in uns erzeugen? Und so liebt uns der Vater, indem wir in der Liebe zu dem Sohne bleiben; und wenn der Vater uns liebt, so liebt uns auch der Sohn; beide sind dann der Seele nahe und gegenwärtig; und so ist dann der Herr uns offenbar, so ist er unter uns in dem innigsten Verhältniß bis an das Ende der Tage. Das ist seine lebendige geistige Gegenwart, mit welcher der Mensch nie verwaist ist, und die ganze Gemeine der Christen nie verwaisen wird so lange sie auf Erden ist. | Nach diesem spricht Judas der andere Jünger dieses Namens zu dem Herrn, indem er zurükkgeht auf die ersten Worte, Es ist noch um ein kleines, so wird mich die Welt nicht mehr sehen; ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe und ihr sollt auch leben, und fragt verwundert, was das heißen solle, daß er nur ihnen sich offenbaren wolle, nicht aber der Welt. 32–33 Vgl. Mt 28,20
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Nämlich m. g. F. das war die damals bei dem größeren Theile des Volkes herrschende Vorstellung von dem der da kommen sollte, um deretwillen die Jünger sich das gefallen ließen was der Herr von seinem bevorstehenden Leiden und seiner Trennung von ihnen sagte, daß bald nach ihr es eine herrlichere Wiederkunft des von Gott gesendeten gebe, in welcher er sich der ganzen Welt offenbaren, und diejenigen welche sich an ihn anschließen mit Segnungen und Wohlthaten überschütten, den Zorn Gottes aber an allen offenbaren werde die ihn nicht aufgenommen sondern verworfen. Auf eine solche herrliche Wiederkunft des Herrn warteten sie, und hatten sich noch nicht ganz von den mancherlei sinnlichen Vorstellungen losgemacht, die sie in den Jahren ihrer Kindheit eingesogen und in das spätere Lebensalter mit herübergenommen hatten, sondern hatten darauf alle Reden und Verheißungen des Herrn bezogen. Darum fragt Judas ganz verwundert, Was ist das gegen alles was wir bisher geglaubt, gegen alle Vorstellungen worauf wir deine Reden bezogen, daß du nach allen Leiden und Schmerzen wiederkommen wollest, aber nicht um dich der Welt zu offenbaren, sondern wieder nur uns. Was antwortet der Erlöser? Wer mich liebt, der wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen. Das ist die Erklärung die er ihnen giebt von dieser Offenbarung, in welcher er sich und seinen Vater nicht mehr trennt, eine vollständige Wiederholung dessen was er vorher gesagt hatte. Denn wenn er vorher gesagt hatte, Ich werde ihn lieben, weil er von meinem Vater geliebt wird, | und dann werde ich mich ihm offenbaren: so ist dies dasselbe was er hier sagt, Mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen. Indem der Erlöser dies seinen Jüngern wiederholt, so will er sie vorzüglich auf das vorige verweisen, also will er sie wissen lassen, daß es eine andere Offenbarung nicht giebt, und Christus sich nur denen offenbaren kann die ihn lieben und sein Wort halten. Nur eins giebt es, was uns dabei auffällt. Vorher hatte der Erlöser gesagt, Wer meine Gebote hat, und hält sie auch, der ists der mich liebt; hier sagt er, Wer mich liebt, der wird mein Wort halten. Da scheint die Ordnung umgekehrt zu sein, ist aber im wesentlichen eine und dieselbe. Denn dort sagt er, Es giebt nichts woran man die Liebe zu mir erkennen kann, als wenn man meine Gebote hat, sie festhält, und in seinem Wandel darstellt. Hier sagt er, Wer mich liebt, der wird gewiß auch mein Wort halten; und auf diese Liebe gründet er die ganze Offenbarung des Verhältnisses seiner selbst und seines und unsers Vaters in unsern Seelen. Und indem er sagt, Eine andere Liebe giebt es nicht, so rechtfertigt er das Wort aufs vollkommenste, Ich werde mich euch offenbaren, und nicht der Welt. Demohnerachtet m. g. F. geht die Verbreitung des Reiches Gottes auf Erden weiter fort, und der Herr offenbart sich immer mehr solchen die vorher der Welt
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angehörten. Aber der Anfang sagt er, der muß gemacht werden mit diesem Aufnehmen und Festhalten seines Wortes. Bei dem das geschehen ist, der gehört nicht mehr der Welt an, und bei dem kann die nähere Offenbarung des Erlösers in der Seele erfolgen, der kann an seiner geistigen Gegenwart und an allem was daran hängt Theil haben. Aber wer mich nicht liebt, hält meine Worte auch nicht, und indem er sie nicht hält, fällt auch der Grund weg der Liebe des Vaters zu ihm, und eben so meiner Liebe zu ihm, | und meiner Offenbarung in seiner Seele. So scheidet der Erlöser diejenigen welche an dieser Offenbarung Theil haben, und diejenigen welche nicht daran Theil haben, auf den Grund daß die einen ihn lieben, die andern ihn nicht lieben. Aber wie soll denn nun die Liebe zu ihm in der menschlichen Seele entstehen? Vermag der Mensch aus sich selbst die Liebe zu ihm zu gewinnen? so daß er aus eigener Kraft im Stande ist sich der Welt zu entreißen, der er angehört, und nachdem er das gethan, dann der Herr das lezte thut, indem er ihn lieb gewinnt und sich seiner Seele offenbart? Das werden wir uns nicht zutrauen und bejahen. Immer werden wir sagen, die Liebe zu dem Erlöser, die in der Seele entsteht, ist auch sein Werk; aber es ist sein Werk im allgemeinen, es ist die auf das ganze menschliche Geschlecht gerichtete Liebe des Erlösers, durch welche in jedem einzelnen die Liebe zu ihm entsteht. Aber erst diese Entstehung der Liebe zu ihm ist der Anknüpfungspunkt für seine Offenbarung in der menschlichen Seele, und für das ganze selige Verhältniß mit welchem er sich in den verlesenen Worten beschäftigt. Aber die Träger dieser allgemeinen Liebe des Erlösers zu dem menschlichen Geschlecht sind wir, die Gemeine der gläubigen; und diese vertritt die Stelle von dem persönlichen Dasein des Herrn. So wie seine Liebe erscheint in seiner Person, und dadurch die Liebe zu ihm in der Seele erwekkt, wenn diese in ihm erkennt die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater: so kann auch nicht anders die Liebe des Herrn zu den Menschen erscheinen als in der Gemeine der gläubigen. In uns muß sein Dasein den Menschen offenbar werden; von uns muß seine allgemeine Liebe ausgehen und auf die Menschen sich verbreiten, und von da aus auf die einzelnen Seelen wirken und Liebe erregen. Das ist das große Vermächtniß welches er uns vermacht hat; das ist es, weshalb er als er hinwegging von der Erde, seine Jünger und alle die durch ihr Wort an ihn gläubig werden seinem Vater | im Himmel empfiehlt. Je mehr und je herrlicher sich in uns und durch uns die erlösende Liebe des Herrn offenbart, je deutlicher wir sie durch unser ganzes Leben den Menschen zeigen: desto mehr wird in einzelnen Seelen die Liebe zu dem Erlöser entzündet, und desto größer die Zahl derer werden, die an dem Geheimniß Theil nehmen welches der Erlöser hier offenbart. 28–29 Vgl. Joh 1,14
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So laßt uns das recht zu Herzen nehmen, wie wir ihm das schuldig sind, daß die allgemeine Liebe zu dem menschlichen Geschlecht, wie er sie uns offenbart, sich durch uns in einzelnen menschlichen Seelen verherrliche, und daß wir sie zu ihm führen, bei welchem sie Ruhe und Frieden, und nicht nur Ruhe und Frieden, sondern auch das selige Bewußtsein einer solchen Vereinigung mit Gott wie er sie hier darstellt, finden können. Amen.
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Am 11. Juni 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeugen:
Andere Zeugen:
Besonderheiten:
3. Sonntag nach Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Lk 8,13 a. Drucktext Schleiermachers; in: Magazin von Festpredigten 5, 1827, S. 274–294 Wiederabdrucke: SW II/4, 1835, S. 670–686; 21844, S. 721–738 – Sämmtliche Werke, ed. Grosser, Bd. 5, 1877, S. 547–561 b. Nachschrift; SAr 92, Bl. 97r–126r; Slg. Wwe. SM, vermutl. Andrae Texteditionen: Keine Nachschrift; SN 596/2, Bl. 1r–18r; vermutl. Andrae (Textzeugenparallele zu b.) Nachschrift; SAr 115, S. 35–47; Sethe Nachschrift; SFK 1, Bl. 18r–28v; nicht identifizierter Nachschreiber Teil der am 28. Mai 1826 begonnenen Predigtreihe über Gleichheit und Ungleichheit bei der Ausbreitung des göttlichen Worts Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
a. Drucktext Schleiermachers Vom Abfalle in den Zeiten der Anfechtung. Te x t .
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Lucas 8. V. 13.
Noch ein trauriges Bild des menschlichen Herzens und des menschlichen Lebens, m. a. Fr., welches uns der Erlöser hier aufstellt aus der Fülle seiner Erfahrungen! Eine hoffnungsvolle Saat ist aufgegangen, das geistige Leben keimt und blüht; aber wenn die Sonne nun höher hinaufsteigt am Himmel, sie, die sonst Alles nährt und zur Reife bringt, dann welkt diese Saat, und wo man die schönsten Früchte erwarten zu dürfen glaubte, da ist bald nichts mehr zu sehen, als ein ausgebrannter verödeter Boden, das Bild des Todes. Freilich, diese Hoffnungen waren nicht so wohl begründet, wie andere! Denn in einem anderen Bericht von diesem Gleichnisse sagt der Erlöser: nur deß5–10 Vgl. Mt 13,5–6; Mk 4,5–6
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halb, weil der Same auf solchem felsigen Boden nur wenig fruchtbares Erdreich fand, nur deßhalb ging er so schnell und freudig auf. So ist es, m. g. Fr., die auf dem Felsen haben nicht Wurzel, sagt er, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Rasch und fröhlich ist in ihnen der Same des göttlichen Wortes aufgegangen, eben deßwegen, weil nicht so viel fruchtbarer Boden da war, daß sie mehr Zeit hätten brauchen können, um zuvor ihre Wurzeln in eine größere Tiefe zu senken. Dieser Ausdruck ist so wahr, daß er schon ganz in die gewöhnliche Sprache unseres gebildeteren Lebens übergegangen ist. Wir nennen einige Gemüther flach; das sind solche, wo man bei übrigens | auch dem günstigsten Boden doch sehr bald darunter den unfruchtbaren harten Stein antrifft, und es geht ihnen gerade, wie es hier beschrieben steht. Anderen schreiben wir eine Tiefe zu. Wenn diese einen belebenden Eindruck empfangen haben: so vermögen sie ihn oft lange Zeit in sich verschlossen zu halten und zu bewegen, so daß er sich gleichsam einsaugt und befestigt, und in solcher Stille und Insichgekehrtheit Beziehungen angeknüpft werden mit allen vorherrschenden Ansichten und Handlungsweisen. Dieß sind die in die Tiefe sich senkenden Wurzeln des geistigen Lebens. Aeußerlich ist aber während dieser Zeit von irgend einem Erfolge gar nichts zu merken; kein milder Regen, kein freundlicher Sonnenschein lockt irgend ein Zeichen hervor, daß der Same angefangen habe, zu keimen, und mancher ungeduldige Ackersmann hat vielleicht die Hoffnung schon aufgegeben, daß ihm von da eine freudige Erndte erscheinen werde. Wenn aber Zeit und Stunde gekommen ist, und die Pflanze ihre Decke durchbricht und ans Licht tritt: so bleibt sie es auch. Und hat sie auch etwas zu bestehen von Hitze oder rauher Witterung: sie überwindet, weil sie tief und fest gewurzelt ist. Jene aber, bei denen sich die guten Wirkungen des gesäeten Wortes so leicht und so zeitig entwickeln, daß man sie hätte für empfänglicher halten sollen und dem Guten befreundeter, wenn sie denselben Proben ausgesetzt werden, im Kampfe, mit welchem die Anderen immer mehr erstarken: so zeigt sich die schwächliche Natur und die geringere Lebenskraft; sie trocknen aus, und welken hin. Von diesen mannigfaltigen Proben nun hat der Erlöser hier vorzüglich diejenigen im Auge, welche sich auch am leichtesten mit der allzugroßen verzehrenden Hitze der Sonne vergleichen lassen, und welche wir auch insgemein durch den Ausdruck: Anfechtung, zu bezeichnen gewohnt sind, wenn nämlich diejenigen, welche das Wort in sich aufgenommen haben, in den Fall gesetzt werden, um des Glaubens willen, der in ihnen aufgegangen ist, zu entbehren und zu leiden. Von diesem Abfalle in den Zeiten der Anfechtung laßt uns jetzt nach Anleitung dieses Gleichnisses mit einander reden: Aber | nicht sowohl, wie etwa zu überlegen, wie wir uns selbst helfen wollen, wenn
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Anfechtung über uns kommt – denn wie kann eine solche schwächliche Pflanze sich selbst helfen? – sondern um zu sehen, was uns wohl obliege gegen diejenigen, die, auf so ungünstigem Boden ans Licht getreten, so schwach gewurzelt sind. Laßt uns die Sache zuerst im Großen betrachten, in Beziehung auf die Kirche Christi überhaupt, und dann mehr auf unsere gegenwärtigen Verhältnisse und auf das Innere unserer evangelischen Kirche sehen. I. Wenn wir, m. g. Fr., in dem ersten Theile unserer Rede diesen Gegenstand im Großen betrachten, so scheint er allerdings mehr nur sich für unser christliches Mitgefühl zu eignen, als zu unserer eigenen unmittelbaren Förderung gereichen zu können. Betrachten wir unsere Lage in der Kirche des Herrn, nun so können wir nicht sagen, daß, wenn unter uns im Großen der Same des göttlichen Wortes ausgestreut wird, denen, die ihn aufgenommen haben, irgend eine Zeit der Anfechtung bevorzustehen pflege. Der Same erfreut sich, auch nachdem er eingestreut ist, alles äußeren Schutzes; in der Gemeinschaft sind eine Menge von Maßregeln getroffen, um Alles abzuhalten, was ihm verderblich werden könnte; eine Menge von belebenden und fördernden Eindrücken stehen einem Jeden zu Gebote, und kaum sollte man glauben, daß unter uns eine andere Art vorkommen könnte, wie der Same des göttlichen Wortes, nachdem er einmal Wurzel gefaßt hat, wieder untergehe, als die, von welcher der Erlöser in dem folgenden Theile unseres Gleichnisses redet, und die wir einer künftigen Betrachtung vorbehalten. Aber freilich, dem Erlöser, als er dieses Gleichniß sprach, lag die Zeit am nächsten, welche der Wirksamkeit seiner ersten Jünger, zu denen er redete, nach ihm aufbehalten war. Da fiel der Same, den sie auf gleiche Weise, wie er es gethan, nach ihm ausstreuen sollten, in das geistige Land, als etwas beinahe Fremdes und Unbekanntes; ganz entgegengesetzte Ueberzeugungen hatten überall Wurzel gefaßt durch die Gewalt der Erziehung und der Sitte, und nur im beständigen Kampfe gegen | diese mußte das Wort Gottes verkündigt und angenommen werden; da war es denn natürlich, daß sich Anfechtungen erhoben. Fragen wir uns nun: was es doch mit diesem im Allgemeinen für eine Bewandniß habe? so können wir wohl nicht anders sagen, als: sie bewirken dieß oder jenes nach Maßgabe des Glaubens. Wie es Gewächse giebt, die schon ihrer Art nach auch die stärkste Sonnenhitze ertragen, und dann auch wieder in jeder Art starke Pflanzen, die sich noch lange halten, wenn schon viele ihres Gleichen verdorret sind, und vielleicht lange genug, um durch milden 22–24 Vgl. die Predigt am 25. Juni 1826 vorm. über Mt 13,22 (entspricht Mk 4,18– 19; Lk 8,14)
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Regen zu desto kräftigerem Leben gefördert zu werden: so ist es auch hier. Und wenn dem nicht so wäre, hätte der Erlöser auch nicht die Trübsale und Verfolgungen, wie er es in unserem Texte thut, mit der Hitze der Sonne vergleichen können, welche, jedem Gewächse in gehörigem Maße zugetheilt, es belebt und reift, ist sie aber zu stark, dann auch nicht Weniges auszehrt und tödtet. Dabei bleibt es, was uns Allen gesagt ist: ohne Trübsal geht Niemand in das Reich Gottes ein. Die Widerwärtigkeiten des Lebens, wie sehr sie uns auch drücken mögen, sind immer ein Segen von Oben, und auch damals, gesetzt, die Vorsehung hätte die Widerwärtigkeiten, die aus dem Glauben entstanden, zurückgehalten, wahrlich, es würde um das geistige Leben der Christenheit um nichts besser gestanden haben, sondern nur viel Mehrere hätte es dann gegeben, bei denen das Gute unter den üppigen Dornen des Lebens erstickt wäre! Ja, an kräftigen Gemüthern, bei denen das Wort Gottes tiefe Wurzeln hätte schlagen können, offenbarte sich auch damals die läuternde und zur Reife bringende Kraft der Trübsal. Je heftiger die Verfolgungen waren gegen die ersten Bekenner des Glaubens, desto lebendiger theilten sie die Ueberzeugung des großen Apostels: Wir haben allenthalben Trübsal, aber wir ängsten uns nicht; wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen; wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.1 Alles gestaltete sich in ihnen zu einer immer größeren Freudigkeit des Bekenntnisses, zu einer immer fester gewurzelten Kraft des | Glaubens. Wie geschieht es denn nun, wenn dieses herrliche Mittel der göttlichen Gnade, das ja noch kräftiger seyn muß, wenn die Trübsal um des Glaubens willen selbst kommt, doch in anderen Gemüthern einen so ganz entgegengesetzten Erfolg, den Abfall und den Verlust des Glaubens, hervorbringt. Unser Text sagt: der Fels verursache dieses. Felsen ist, so weit unsere Kenntniß reicht, der eigentliche Kern unseres Erdkörpers; die fruchtbare Erde ist ein späteres Erzeugniß. Wie wir nun überall unter derselben, sey es auch noch so tief, den Felsen finden, so auch überall in dem Menschen die irdische Natur, welche am sinnlichen Wohlbefinden hängt. Mag nun Einer im Schweiße seines Angesichts sein Brod essen, und nur durch die größte Anstrengung im Stande seyn, die ersten Bedürfnisse des irdischen Daseyns zu befriedigen; mag ein Anderer herrlich und in Freuden leben, so daß ihm viel genommen werden kann, und er würde doch immer noch nicht mit Jenem tauschen: Beide 1
2 Corinther 4. V. 8. 9.
2–4 Tatsächlich kommt die hochsteigende Sonne in der Lukasfassung überhaupt nicht vor, sondern nur in den synoptischen Parallelstellen Mt 13,6 und Mk 4,6. 7–8 Wohl Anspielung auf Apg 14,22 33–34 Vgl. Gen 3,19 36 Vgl. Lk 16,19
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stehen einander gleich, denn dem Letzten ist die Gewohnheit, was dem Ersten die Natur ist. Haben Beide zu wenig fruchtbaren Boden, so kann der göttliche Same in ihnen zwar aufgegangen seyn, eine Liebe zu dem Unvergänglichen, ein geistiges Leben kann sich in ihnen gebildet haben; kommt aber eine Zeit der Wahl, soll der Eine von allen seinen gewohnten Befriedigungen Abschied nehmen, und das Elend kennen lernen, wenn er das geistige Leben festhalten will, welches durch das göttliche Wort in ihm ist erweckt worden; trübt sich dem Anderen auch die Aussicht, das spärliche Brod der Mühe wenigstens in Ruhe und einer ungestörten Regelmäßigkeit des Lebens zu verzehren; sieht er nur ungemessenen Druck voraus, wenn er das neugewonnene geistige Gut nicht wieder fahren lassen will: dann siegt die natürliche Verzagtheit des menschlichen Herzens, und so geschieht es, daß sie in Zeiten der Anfechtungen abfallen. Diese Zeiten kennen wir nicht aus eigener Erfahrung; aber wohl können wir die menschliche Schwäche mitfühlen und uns gestehen: es gehört schon ein sehr fruchtbares Land dazu, wenn die Pflanze des Glaubens stark genug geworden seyn soll, um die Worte wirklich wahr zu machen, daß Je|der sein Kreutz auf sich nehmen soll und sich selbst verläugnen, wer ihm nachfolgen will, und daß nur, wer auch das Leben verlieren wolle, um seinetwillen das Leben erhalten werde. Auf diese verzagte Dürftigkeit der menschlichen Natur haben immer die Feinde alles Besseren und am meisten die Feinde des Evangeliums zuerst gerechnet. Diese Pfeile schossen sie vergeblich gegen den Erlöser selbst und gegen seine ersten Getreuen ab. Aber Viele gingen schon hinter sich, weil Christus solche Aussichten eröffnete und Judas ward ein Verräther, weil sein Meister solche Wege nicht einschlagen wollte, wodurch die Seinigen äußerlich wären sicher gestellt worden. Und so sind auch nachher Viele verloren gegangen in der Hitze der Anfechtung, in denen das geistige Leben freudig zwar und lieblich, aber doch nur schwächlich aufgegangen war. Auf dieselbe irdische Natur des Menschen kann aber noch auf eine andere Weise dahin gewirkt werden, daß das geistige Leben untergeht, wenn der Fels nicht durch einen großen Reichthum fruchtbaren Bodens bedeckt ist. Der Frucht steht die Hoffnung gegenüber; und wenn den Schwachen im Glauben Aussichten eröffnet werden auf ein 25 Aber] Ab er 18–21 Vgl. Mt 16,24–25; Mk 8,34–35; Lk 9,23–24 25–26 Vgl. Joh 6,66 nach 6,60–65 26–28 Vgl. Joh 6,64.70–71. Die von Schleiermacher als Motiv des Judas angedeutete enttäuschte politische Messiaserwartung ist aus der synoptischen Parallelstelle Mt 16,13–23; Mk 8,27–33 (dort Messiasbekenntnis und Satansschelte des Petrus) übernommen.
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genußreiches und gesichertes Leben, aber an die Bedingung geknüpft: die neue Ordnung der Dinge wieder zu verlassen; wenn dabei die alte Anhänglichkeit an Alle, die ihnen immer lieb und werth gewesen sind, in Anspruch genommen und so das Gemüth auf eine schwächende Weise erweicht wird: o dann zeigt sich, wie wahr es ist, daß die schmeichlerische Verführung schlimmer ist, als die offenbare Gewalt. Ja, gewiß ist diese eine noch heftigere Hitze der Anfechtung den unbefestigten Bekennern des neuen Glaubens, die irgend zu den begünstigteren Abtheilungen der Gesellschaft gehörten, aus diesen Lockungen der Welt entstanden, und wir dürfen ihnen unser innigstes Mitleiden nicht versagen, als solchen, welche auf die Probe kamen mit dem Worte des Herrn: „wer nicht hassen kann Vater und Mutter um meinetwillen, der ist mein nicht werth;“ einem Worte, welches, auch in seinem richtigen Sinn gefaßt, der menschlichen Natur hart eingeht. Ja auch auf die ist es schwer, | den ersten Stein zu werfen, welche nicht stark genug waren, Alles, was ihnen äußerlich Lockendes dargeboten wurde, für Schaden zu achten um Christi willen, und sich versparen wollten, ihre Sehnsucht nach einem höheren Leben dann zu stillen, wenn es mit Beibehaltung einer vergrößerten Wirksamkeit und eines unbefriedigenderen äußeren Zustandes würde geschehen können. Ach gar viele junge Sprößlinge des Glaubens standen für solche verzehrende Hitze auf zu wenig fruchtbarem Boden. Doch, m. g. Fr., es giebt noch eine andere Anfechtung außer den Drohungen und Verfolgungen, welche die Furcht erregen auf der einen Seite, und den gefährlichen Lockungen, welche die Lust aus ihrem Schlummer wecken auf der anderen Seite, eine Anfechtung, die wir ebenfalls kennen, aber die wir vielleicht lieber einem schneidenden eisigen Winde, der ja auch viele junge Pflanzen tödtet, vergleichen möchten, als der Hitze der hoch am Himmel heraufsteigenden Sonne, – ich meine die Anfechtung des Spottes. Aber wenn gleich der Spottende selbst uns immer als ein Kalter erscheint, kocht nicht dem Verspotteten das Blut in den Adern? ist es nicht eine innere und zwar keine belebende, sondern eine verzehrende Hitze, welche die Röthe der falschen Scham auf die Wangen treibt? Diese Anfechtung ist auch seit dem Anbeginne der christlichen Kirche thätig gewesen. Schon 27–28 schneidenden eisigen] so auch SW II/4, S. 675 (vgl. SAr 92, Bl. 105v = SN 596/2, Bl. 5v: schneidenden kalten); Textzeuge: schneidigen eisenen 5–6 Anspielung auf Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti, V, 7: „Verführung ist die wahre Gewalt.“ (Sämmtliche Schriften, Bd. 19, 1794, S. 422; Sämtliche Schriften, edd. Lachmann/Muncker, Bd. 2, 1886, S. 448) – In der unter b. gebotenen Nachschrift findet sich der Satz als wörtliches Zitat. 12–13 Vgl. Lk 14,26 15 Vgl. Joh 8,7 16–17 Vgl. Phil 3,7 35–2 Vgl. 1Kor 1,23
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Paulus unterscheidet diejenigen, denen das Kreutz Christi ein Aergerniß war, von denen, welchen es als Thorheit erschien. Die ersten waren am meisten die, denen zugleich Macht und Wohlleben zu Gebote standen, und sie suchten lockend und verfolgend ihren Zweck zu erreichen. Die letzten waren vornämlich solche, welchen die irdische Weisheit zu Gebote stand und die Gewalt der Rede, die Macht der Zunge, die eben so viel Unheil als Segen anzurichten vermag, und diese wollten das, was in ihren Augen eine Thorheit war, durch den Einfluß des Spottes besiegen. Das Streben nach der Achtung und dem Beifall des Nächsten gehört ohnstreitig zu dem edelsten in der irdischen Natur des Menschen; aber, weil doch dieser angehörig, wie oft macht es ihn nicht zum Knechte falscher Meinung, und | erdrückt oder lähmt wenigstens in noch nicht starken, oder durch die Gewalt des Augenblicks gebundenen Seelen, das begonnene geistige Leben! Ja, wenn gleich nur vorübergehend, erlag der Gewalt des Spottes einer der treuesten Jünger des Herrn. Denn war es etwas Anderes, als der verhöhnende Ton in den wiederholten vorwitzigen Fragen: „bist Du nicht dieses Menschen Jünger Einer?“ was in einem bedrängten Augenblicke den sonst muthigen Petrus zu jener Verläugnung seines Meisters bewog? Wie könnten wir uns also wundern, wenn Schwächere auch weiter verlockt worden sind, und, nachdem sie das äußere Bekenntniß zurückhielten, um den Hohn der Welt zu vermeiden, bald auch die lebendige Gemeinschaft des Glaubens verloren. Wie nun alle diese Anfechtungen in den ersten Zeiten der christlichen Kirche vorkamen, so blieben auch unsere näheren Vorfahren im Glauben aus jener Zeit nicht damit verschont, als nach langer Verdunkelung des göttlichen Wortes das Evangelium in erneuetem Lichte wieder zu glänzen anfing, und auch damals ging es eben so. Die kräftigeren Glaubenshelden des neuen Lichts, diejenigen, welche im Stande waren, sich selbst Rechenschaft zu geben in ihrem Inneren von der Nichtigkeit ihres Weges, dem sie folgten, wurden nur noch mehr befestigt durch Verfolgung und Trübsal, und die vergifteten Pfeile des Spottes prallten ohnmächtig zurück von der wohlbeschirmten Brust. Aber freilich, wie viele Gemüther mag es auch damals gegeben haben, die nicht im Stande waren, diesen feindseligen Kräften, mochten sie nun vereint wirken oder einzeln, zu widerstehen! Wie bald stieg aber auch die Hitze dieser Drangsale zu einer verderblichen Höhe, wie bald nachdem dieser edle Same des Wortes aufgegangen war! und wie viel 18 Einer?“] Einer? 5–7 Vgl. Jak 3,5.15 15–16 Gemeint ist die Verleugnung des Petrus; vgl. Mt 26,69– 75; Mk 14,66–72; Lk 22,56–62; Joh 18,17.25–27. 16–20 Vgl. Joh 18,17.25–27
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Stellen gab es auf den Feldern der Christenheit, wo der fruchtbare Boden nur spärlich gleichsam über den Felsen hingestreut war! Welche blutige Streitigkeiten, welche zerstörende Kriege, die vorzüglich nur gegen das neue Licht des Evangeliums gerichtet waren, und in denen sich so oft, ja wir dürfen es wohl sagen, alle Gräuel der alten heidnischen Verfolgungen wiederholten! Was Wunder, daß viel | schwächliches Leben auf diese Weise untergegangen ist, viele hoffnungsvolle Saaten, denen ihr Boden nicht Kräfte genug darbot, so ganz vertrocknet sind, daß keine Spur von ihnen übrig ist! Wie ist in ganzen Gegenden, wo noch nicht fruchtbarer Boden genug vorhanden war, die alte Finsterniß zurückgekehrt, nachdem jene erste Saat unterlegen hatte, bald dem Schwerte der Verfolgung, bald dem Stachel des Spottes. Nun, m. g. Fr., nachdem diese offenbaren und ins Große gehenden Kämpfe vorüber sind, und nur jetzt noch Einzelne von der Gemeinschaft der evangelischen Wahrheit abtreten, andere Täuschungen dabei wirksam sind, nicht aber jene Hitze: wie könnten wir anders, als mit herzlichem Mitgefühle, jener längst vergangenen Zeiten gedenken, und schweigend die Wege des Höchsten verehren, der allein sich selbst Rechenschaft davon giebt, warum so viel begonnenes besseres Leben unter den Drangsalen und der Feindschaft, welchen er gestattet, gegen das Reich seines Sohnes sich zu erheben, wieder zerstört worden ist. Aber, m. g. Fr., wenn gleich wir von unserer bisherigen Betrachtung nicht eine so unmittelbare Anwendung machen können, als gälte es, uns selbst vor den nachtheiligen Folgen jener tödtenden Hitze sicher zu stellen, so halte ich es doch für gerathen, ehe ich zu dem anderen Theile unserer Betrachtung übergehe, noch dasjenige aus diesem hervorzuheben, was wir uns allerdings anzueignen haben, nämlich daß wir uns hüten, nicht selbst solche Hitze zu erregen. Wir stehen jetzt in gesonderter Gemeinschaft und Beziehung auf die Nachkommen derer, welche zur Zeit der Kirchenverbesserung dem erneueten Lichte des Evangeliums nicht folgten. Wir erkennen sie für unsere Brüder in Christo; aber unsere gottesdienstlichen und sonst kirchlichen Gemeinschaften sind getrennt; jeder Theil eifert für die Art, wie sich eben die Gemeinschaft der Christen auf seiner Seite gestaltet hat, für die Art, wie hier das göttliche Wort aufgefaßt wird und gelehrt, wie hier demselben in der Art und Weise des christlichen Lebens Genüge geleistet wird. Löblich ist dieser Eifer an und für sich betrachtet, und wir wollen uns freuen, wenn er sich | recht kräftig regt in unserer Gemeinschaft. Und wenn wir als evangelische Christen eine lebendige Ueberzeugung davon haben, daß die Anbetung Gottes 33 Vgl. Kol 1,2
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im Geiste und in der Wahrheit unter uns fester erbaut ist, daß die Freiheit, zu der die Kinder Gottes berufen sind, sich edler unter uns gestaltet, so ist es nicht nur ein verzeihlicher Wunsch: daß viele Seelen, die auf jener Seite stehen, sich mit uns dieses helleren Lichtes und dieser größeren Freiheit erfreuen möchten, sondern es ist löblich, wenn wir Alles dazu thun, was in unseren Kräften steht. Ist aber dieser Eifer löblich: o daß er nur auch immer ganz rein sey und sich auch so erhalte! daß doch niemals irgendwie von unserer Seite weder die Gewalt angewendet werde, noch die Verführung, weder die drohende That, noch das höhnende Wort, um auf diese Weise uns neue Freunde und neue Brüder zu gewinnen! Wohl der christlichen Gemeinschaft, welche auch in dieser Beziehung sagen kann, daß sie immer nur Unrecht gelitten hat, und niemals gethan. Denn nur die krankhafteste Verblendung, welche aus dem milden Lichte des Evangeliums niemals entstehen kann, vermag zu wähnen, daß wer dieß thue, thue es dem Herrn; jenes aber ist eine Prüfung, welche von Gott kommt. Und wenn gleich dabei immer Einige zeigen, daß sie nicht fruchtbaren Boden unter sich haben: eine ganze Gemeinschaft von Jüngern des Herrn und der Wahrheit wird niemals über Vermögen versucht. Diese Warnung aber, m. g. Fr., ist nicht etwa ein Wort, welches nur an diejenigen gerichtet werden kann und soll, denen Gott das obrigkeitliche Schwerdt über christliche Völker anvertraut hat, und die es eben deßwegen in ihrer Gewalt haben, auch unter dem Vorwande des menschlichen Gesetzes und in der Gestalt des strengen Rechtes Drangsale und Versuchungen aller Art herbeizuführen. Nein, m. g. Fr., überall, wo menschliche Gemeinschaft ist, da hat Jeder, der irgend selbstständig ist, auch eine Macht. Sie wird im häuslichen und geselligen Leben nicht nur von denen geübt, welche zu gebieten haben, sondern auch, wenn gleich ganz gestaltlos, doch sehr merklich, von Allen gegenseitig, die einander gleich sind; und vermöge dieser | Macht ist Jeder im Stande, irgendwie jene verderbliche Hitze zu ertragen, wenn er Mitglieder einer anderen Kirchengemeinschaft einzeln und zerstreut in seiner Nähe hat. Wenn wir solche die sich nicht hinreichend an ihre unmittelbaren Glaubensgenossen anschließen können, das irgendwie fühlen lassen, daß auch die allgemeine christliche Liebe, die wir Allen schuldig sind, sich doch wirksamer gegen sie beweisen würde, wenn sie auf unserer Seite ständen; wenn sie nicht mit uns leben können, ohne bei jeder bedeutenden Gelegenheit wahrzunehmen, daß unser Herz durch eine Rinde von Gleichgültigkeit gegen sie verschlossen ist, so daß wir ihnen fast nicht ohne Widerstreben nur kärgliche Theilnahme, nur unerfreuliche Hülfe und Unterstützung angedeihen lassen, 1–2 Vgl. Röm 8,21 in Verbindung mit Gal 5,13
21–22 Vgl. Röm 13,1–4
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wenn wir auch in die allgemein menschlichen Angelegenheiten immer das Gefühl von unserer Glaubensverschiedenheit einmischen: erregen wir ihnen da nicht eine unerträgliche Hitze der Beklemmung? Giebt es etwas Auszehrenderes, als wenn dem Menschen die Freude an seiner Ueberzeugung verkümmert wird, und muß dieß nicht nothwendig erfolgen, wenn ihm der Glaube, von dem sein Gemüth sich doch nicht lösen kann, überall zum Hinderniß wird, nur zur Mißempfehlung? Nein, so wollen wir nicht verfahren mit andersgläubigen Brüdern, die nur in geringerer Anzahl unter uns leben! Wenn wir sie nur dadurch zu uns herüber locken wollen, daß wir ihnen nicht nur zeigen, wie viel leichter uns das Leben gemacht ist und wie wohl wir uns dabei befinden, von der schweren Last äußerer Gebote und Menschensatzungen entbunden zu seyn, welche sie noch zu tragen haben, wenn wir sie, ohne daß ernste Sprache und Widerlegung vorher Eingang bei ihnen gefunden hätte, zum Mitgenusse einer Freiheit einladen, zu welcher sie noch nicht durch die Wahrheit frei gemacht sind: ist das nicht eine gefährliche Verführung? heißt dieß nicht die Gewissen verwirren, und die Schwachen im Glauben mit sich selbst entzweien? Wenn wir uns auf eine solche Weise unseres Lichtes und unserer besseren Erkenntniß überheben, daß wir demüthigend von unserer Höhe auf sie herabschauen, als auf solche, die der gleichen Kraft des Geistes nicht | theilhaftig geworden sind, daß unser brüderliches Mitleiden den Ton der Geringschätzung annimmt: o schon das ist ein tief verletzender Stachel des Spottes, – wenn wir auch nicht so weit gehen, muthwilligen Scherz zu treiben mit dem, was ihnen heilig ist! So hüte sich denn Jeder, m. g. Fr., daß er auf keinerlei Weise eine Anfechtung herbeiführe, auch nicht über diese uns ferner stehenden Brüder! Jeder sage ich; denn wie groß auch die Unterschiede seyn mögen, Jedem ohne Ausnahme ist von Oben eine Macht gegeben, sowohl auf dem Gebiete des Geistes, als auf dem des äußeren Lebens, welche er zu irgend einer Gewaltthätigkeit mißbrauchen kann. Jeder ohne Ausnahme muß in seinem Berufsgeschäft, sowie im häuslichen Leben, wirksam seyn mit eben jener gewaltigen und bewundernswürdigen, in ein so kleines Glied gelegten Kraft der Rede, welche dann auch in gehässigen und vernichtenden Spott gewendet werden kann. Jeder also hat Beides, wovon die Anfechtung ausgeht, in irgend einem Grade in seinem Besitze. O laßt uns Beides hüten, daß wir die zarte Linie nicht überschreiten, über welche, wenn die Sonne hinaufsteigt 30 Gebiete] Gebiete,
38 die Sonne] der Same
16 Vgl. Joh 8,32 22–28 Vgl. Röm 14,10–13 2 Vgl. Mt 13,6; Mk 4,6
33–35 Vgl. Jak 3,5–10
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am Himmel, sie eine tödtende Kraft wird für das doch auch unserer Liebe anvertrauete und empfohlene unbefestigte Leben.
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II. Nun aber laßt uns, von dem, was außer uns ist, absehend, unsere Aufmerksamkeit auf die inneren Verhältnisse unserer eigenen kirchlichen Gemeinschaft heften, und sehen, was uns denn hier der auch unter uns nicht abzuläugnende Unterschied zwischen dem fruchtbarsten Acker und dem nur erst mit einer dünnen fruchtbaren Krume belegten, zur Pflicht macht; denn nicht sowohl zu denen will ich reden, welche von jener Hitze etwas zu besorgen haben, sondern nur für sie zu den Anderen. Zuerst also doch gewiß dieses: daß doch Niemand von den Unsrigen in unserer eigenen Mitte eine solche verderbliche Hitze errege! Grund genug ist zu einer solchen Warnung vorhanden; denn die Sache liegt uns nahe. Die evangelische Kirche ist freilich Eines gegenüber dem unverbessert gebliebenen Theile der christ|lichen Kirche in unserem Welttheil: aber sind wir dadurch auch schon völlig unter uns Eines? giebt es in unserer Gemeinschaft keine Art von Zertrennung der Geister? stehen wir Alle einander gleich nahe in Uebereinstimmung des Glaubens und in Herzlichkeit der Liebe? Wer das erst bejahen wollte, zu dessen Ohren müßte wunderbarer Weise gar nichts gedrungen seyn von der lauten Klage über die so große Mannigfaltigkeit der Ansichten, daß nicht Wenige unter uns sich gegenseitig fast für Unchristen oder für entschiedene Verderber und Verfälscher des wahren und ursprünglichen Christenthums halten. Und was das Andere betrifft, so liegt es täglich vor Augen, daß es Gleichgesinnte giebt, die unter sich eng zusammenhalten und sich von den Uebrigen nicht ohne einen Schein von Kälte und Gleichgültigkeit mehr und mehr zurückziehen, und wieder Andere, die jeden Verein von Christen außerhalb des öffentlichen Gottesdienstes mit argwöhnischen Augen betrachten, als brüte er über Spaltungen und Zerstörung. So lange nun die Letzteren sich nicht ganz aus einander gesetzt haben, was Gott verhüten wolle, und so lange die Ersten sich noch nicht gegenseitig für unverbesserlich halten, werden auch Beide auf einander zu wirken suchen. Das ist nicht anders und soll auch nicht anders seyn, m. g. Fr. Wir können uns zwar vorhalten: es sey ja eigentlich die Weise der Kinder, alles Verschiedene nur darauf anzusehen, welches von beiden das Bessere sey und welches das Schlechte, und nicht unter den unbedeutenden Dingen, sondern auch in den größten und wichtigsten giebt es Verschiedenheiten von der Art, daß man nur sagen kann: Alles ist gut, wenn gleich Eines nicht ist, wie das Andere. Wir können das einsehen, aber die Wenigsten sind im Stande, dieser Einsicht gemäß zu handeln. Verstehen sie eine fremde Sitte und Weise weniger, als
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ihre eigene, nun so erkennen sie auch weniger Gutes daran. Aber gesetzt auch, wir wären nicht immer gleich fest überzeugt, Andere eines Besseren theilhaftig zu machen, wenn wir sie zu dem Unsrigen herüberziehen: die Liebe treibt doch immer dazu, weil wir uns dann besser in den Anderen hineinversetzen, weil wir eine reichere Gemeinschaft mit | ihm anknüpfen können. Wohlan, wenn es nur immer die Liebe wäre, die uns dazu treibt, so werden wir auch mit keiner anderen Kraft, als mit der Kraft der Liebe, zu diesem Zwecke auf Andere zu wirken suchen, und dann könnte auch keine Art von Unheil daraus hervorgehen. Denn wie könnte ein liebendes Gemüth eine wahre Freude haben an der näheren Gemeinschaft mit einer aus ihrer inneren Wahrheit herausgeschreckten oder herausgelockten Seele? Nein, die Liebe kann einem Bruder nichts anheften wollen, was ihm wirklich fremd ist; sie kann nur wollen, daß Jeder, wie er ist, frei heraustrete, damit ihm wohl sey in dieser Uebereinstimmung mit sich selbst. So duldet, wer liebt, Alles an dem Nächsten; und nur, wo er eine Unsicherheit gewahrt, wo er einen geheimen Mangel an Befriedigung spürt, da versucht er die Empfänglichkeit zu wecken für das was ihn selbst befriedigt. Ja, wer ganz in der Liebe bleibt der kann auch nicht anders, als in der Wahrheit bleiben. Aber wollen wir uns nicht täuschen über das, was unter uns vorgeht, so werden wir wohl gestehen müssen, daß in allen diesen Verhältnissen zwischen denen, die in Sachen des Glaubens verschieden denken und empfinden, noch etwas Anderes wirksam ist, als die Kraft der Liebe. Nämlich, wenn die Gleichgesinnten auf eine nur irgend wahrnehmbare Art besonders zusammen halten, indem sie sich gegenseitig in ihrer Denkungsart immer mehr befestigen, gleichmäßig in der Erziehung der Jugend wirken und die Schwachen und Zurückgebliebenen heranzubilden suchen: so kommen sie allmählig zu dem allerdings wohl begründeten Bewußtseyn, daß sie eine geistige Macht bilden in ihrem Kreise. Ein wohlbegründetes Bewußtsein: aber wie gefährlich! wie leicht führt es dahin, mit irdischen Waffen um dasjenige zu kämpfen, was doch nur geistlich geschlichtet seyn will! Denn zuerst begegnen solche christliche Freunde überall auf ihrem Wege, vornehmlich in der Bearbeitung derer, in denen das geistige Leben noch nicht geweckt zu seyn scheint, auch Anderen, welche zu demselben Zwecke, aber auf ihre Weise und in einer anderen Denkungsart, arbeiten; und in|dem nun beide Theile denselben Boden anbauen möchten für das Reich Gottes: so erscheinen sie einander als feindselige Gewalten. Geschieht es nicht, daß dann Jeder sucht, den Seinigen hülfreich zu seyn 16 Anspielung auf 1Kor 13,7
19–20 Vgl. 1Joh 4,16 in Verbindung mit 2Joh 1–3
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und sie zu fördern, und zwar in jeder Art von Wirksamkeit in der menschlichen Gesellschaft, weil ja doch Alles zusammenhängt, und es so natürlich ist, anzunehmen, daß diejenigen, welche im Wesentlichen die Besten sind, auch Alles in der Hauptsache am besten machen werden. Wie aber die Einen gefördert werden, so kann es nicht anders seyn, als daß man die Anderen beschränkt und zurückdrängt. Und so wird sehr bald allgemein bekannt, wie hier die eine Denkungsart forthilft und fördert, und dort die andere, eben deßhalb aber auch hier die eine nur Hindernisse und Zurücksetzungen erfährt und dort die andere. Ja, wenn auf diese Weise überall nur die geistig Starken einander gegenüber ständen und die äußerlich Gleichen, so würde sich bald Alles ausgleichen und zu einem Stillstande der Waffen und einer ruhigen Theilung ausschlagen. Aber die Armen auf beiden Seiten, die, geistig schwächer und äußerlich abhängiger, sich nicht überall des Schutzes der Ihrigen erfreueten, sondern dahin verschlagen sind, wo die Anderen vorherrschen, – wo sollen sie Lebenskraft hernehmen, um dieser Hitze zu widerstehen? Wie still sich auch ein solcher muthloser Petrus verberge, gar bald hört er die auskundschaftende Frage: bist Du nicht auch Einer von Jenen? und wie will er hindern, daß ihn nicht dieß oder jenes in seiner Sprache verrathe! Wird so das freie Bekenntniß zurückgedrängt, so ist das, als wenn man eine starke Pflanze, die ohnedieß schon an verderblicher Hitze leidet, auch noch von der Berührung der freien Luft ausschließt; da werden die Vorzeichen des geistigen Todes bald eintreten. Und sehen wir es nicht täglich, wie auf diese Weise die Schwachen überall verleitet werden, sich von einer Seite zur anderen hinüber zu neigen ohne wahre Ueberzeugung, bald, indem sie sich selbst täuschen, bald, indem sie wissen, daß sie nur Andere täuschen wollen? und ist das nicht der geistige Tod? | Und wenn nun der Eifer immer heftiger wird, je mehr es ihm zu gelingen scheint, aber auch immer blinder; wenn nun die Fehler und Schwächen, die mit einer entgegengesetzten Ansicht und Behandlung des evangelischen Christenthums am meisten verbunden zu seyn pflegen, als das Gefährlichste und Verderblichste überall hervorgehoben werden und alle Aeußerungen derselben sorgfältig aufgesucht; ja nicht genug, sondern wenn auch das Gute, das sich bei dem Widerpart am freudigsten entwickelt, nur zu oft in dem ungünstigsten Lichte dargestellt wird, wenn gleich ohne bösen Willen, sondern nur, weil man voraussetzt, bei solchen Irrthümern und Abweichungen könne nicht soviel wahrhaft Gutes bestehen: muß das nicht auf unbefestigte Gemüther ganz so wirken, wie die stechende Nachrede, wie der beißende Spott? Der Starke, deß Herz fest worden ist, geht mit ungeschwächter 17–19 Vgl. Joh 18,17
19–20 Vgl. Mt 26,73
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Kraft durch gute Gerüchte und böse Gerüchte; aber die Armen, die nicht fruchtbaren Boden genug unter sich haben, wenn sie sich mit ihren Werken nicht mehr hervorwagen an das Licht, weil sie zwar nach der Regel des Herrn an ihren Werken erkannt werden sollen, aber die Werke werden nicht an dem reinen Lichte der Sonne betrachtet, sondern durch ein entstellendes Glas: wie sollen sie nicht untergehen? Ach, m. g. Fr., wie mannigfaltig wird immer noch gefehlt in der Behandlung der Andersdenkenden unserer eigenen Kirche! Hier ist wohl Keiner, der sich nicht aus eigener Erfahrung diese einzelnen Züge ausmahlen könnte zu einem vollständigen, leider nicht erfreulichen, noch erbaulichen Bilde. Ist es nicht das Bild des Erlösers, daß es eine Hitze giebt, bei welcher die Saat vertrocknet, welche nicht die Fülle des fruchtbaren Bodens unter sich hat? Sollen wir, die wir die Hitze erregen, hartherzig genug seyn, zu sagen: daß sie vertrockne, sey ihre eigene Schuld und nicht die unsrige? Nein, laßt uns lieber uns selbst prüfen und strafen, ehe denn das Gericht anfange im Hause des Herrn. Uns ziemet nicht, verderbliche Hitze zu erregen; will der Herr solche Prüfungen herbeiführen über die Schwachen, so möge er andere Werkzeuge dazu suchen, als ihre Brüder. Uns ziemet nur, | die wohlthätige Lebenswärme überall durch den belebenden Hauch der Liebe hervorzurufen. Die Liebe schützt und pflegt, die Wahrheit reiniget und erleuchtet: laßt uns beide unzertrennlich mit einander verbinden; laßt uns durch nichts Anderes wirken wollen, als durch dieß Beides. Ist es uns damit Ernst, so werden wir auch gleich mißtrauisch seyn gegen uns selbst, sobald die Wahrheit sich ausschließend und absprechend gebehrdet, sobald sie die schneidende Gestalt des Rechthabenwollens annimmt; denn sie beginnt dann sich zu lösen von der Liebe. Wir werden uns mißtrauen, wenn die Liebe nicht mehr anmuthig und mild erscheint, mit freundlichem Hauche jedes Leben befruchtend und fördernd; denn sie stützet sich dann nicht mehr ganz auf die Kraft der Wahrheit! Laßt uns denn gleich sorgfältig forschen, ob wir nicht Werkzeuge der Versuchung zu werden im Begriffe sind, indem wir Anfechtungen heranbringen, denen schwache Gemüther erliegen, und ob wir nicht verschulden, daß diejenige Gestalt des geistigen Lebens, in welche sie gesetzt sind, in ihnen untergeht, ohne daß wir sie doch zu derjenigen umzubilden vermöchten, die wir ihnen gerne geben möchten? – Denn das kann auf keinem anderen Wege geschehen, als auf dem der Liebe und der Wahrheit. Denn für die Wahrheit sollen wir freilich Alle streiten; aber es giebt keine andere 4 Vgl. Mt 7,16–20 (dort „an ihren Früchten“) Gal 6,4 17–18 Vgl. 1Petr 4,17
16–17 Vgl. 1Kor 11,28; 2Kor 13,5;
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Waffe, mit welcher gekämpft werden darf, als das Schwert des Geistes, von dem Arme der Liebe geführt. Je mehr es nun Verschiedenheiten der Ansichten giebt und der Lebensregeln, um desto strenger müssen wir uns selbst prüfen: ob wir auch fest stehen in der Liebe, und ob wir um nichts eifern, als um die Wahrheit? Und ist auch unser Eifer rein, so wende sich doch der Eifer der Starken auch am meisten wieder gegen die Starken; aber die Schwachen im Glauben sollen geschont werden, sey nun ihr Glaube ganz der unsrige, oder nicht. Denn Keiner kann sich von Verschuldung frei sprechen, der gegen sie irgend eine Art der Gewalt oder Verführung oder Spott, sey es auch in der mildesten Gestalt, anwendet, um auf ihre Ueberzeugung zu wirken. Und gehört Jemand zu den starken Gemüthern, die Trübsalen und Widerwärtigkeiten | mit festem Muthe widerstehen, wenn es darauf ankommt, an dem fest zu halten, was sie für die Stimme Gottes erkennen; gehört Einer zu den Erleuchteten und Freien, an denen die Pfeile des Spottes abgleiten, weil sie den Harnisch der Wahrheit tragen, − wohl ihnen, daß sie keinen nachtheiligen Einflüssen, ungünstigen äußeren Eindrücken ausgesetzt sind, daß sie von ungewohnter Luft, von fremdartiger Witterung nicht gleich eine Krankheit zu besorgen haben, daß sie weder einer Fürsorge bedürfen, um bewahrt zu werden, noch ängstlicher Vorschriften, um sich selbst zu bewahren. Aber ein solcher überhebe sich doch nicht, sondern sehe zurück auf jene früheren Zeiten, wo auch ihm das geistige Leben noch schwach war und unbefestigt: ob er selbst im Stande gewesen seyn würde, das Alles siegreich zu bestehen, wodurch er jetzt seine Brüder in Versuchung führt? und gewinne Achtung für einen Zustand, über welchen ihn selbst die gütigen Führungen Gottes glücklich hinausgeleitet haben. Laßt doch, wenn einmal die eigentlichen Zeiten der Erziehung und Belehrung vorüber sind, welche Gestalt evangelischer Frömmigkeit dann in der Seele Wurzel gefaßt hat, diese sich auch ruhig befestigen, bis die Zeit der Reife gekommen ist, die Zeit, wo jedes bis dahin glücklich durchgebrachte Gewächs auch die stärkere Hitze eines kräftigen Streites vertragen kann. Allein wir würden freilich das Lehrreiche in diesem Gleichnisse des Herrn nicht erschöpfen, wenn wir bloß dabei stehen bleiben wollten, daß, weil Gott den dürftigen felsigen Boden neben dem üppigeren, wie überall den Armen neben dem Reichen, gemacht hat, und die Saat auf jenem durch unzeitige Hitze leicht verlorengehen kann, wir uns hüten sollen, selbst solche unzeitige Hitze zu erregen. Besseres Beispiel sehen wir ja an der Art, wie für die irdische Saat dieselbe Ungleichheit des Bodens behandelt wird. Seyd ihr mehr, m. gel. Fr., durch anmuthige und besonders den menschlichen Fleiß verherrli1–2 Vgl. Eph 6,17
4 Vgl. Hebr 13,1
15–16 Vgl. Eph 6,11–17
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chende Gegenden gereist, wo auf dem felsigsten Boden doch die gesegnetsten Felder mit fruchtbringenden Weinbergen und grünen Matten wechseln; und wie hoch auch die Sonne emporsteige und die Hitze zusammengehalten werde in den abgeschlossenen Thälern, doch | gedeiht das Gras der Wiesen, und das Feld giebt zur rechten Zeit seine Frucht. Aber wie mühsam wird auch die fruchtbare Erde zu kleinen Theilen hinangetragen zu den schroffen Höhen, um zu ersetzen, was oft die Regengüsse hinunterspülen; wie sorgfältig werden gegen voreilige Hitze die zarten Pflanzen geschützt, und die lechzenden wieder erquickt! O gesegneter Fleiß des treuen Arbeiters, dem wir vor allen Dingen nachahmen sollten auf den Fluren und in den Weinbergen des Herrn! Dann würde, wie dort, auch den schwächeren Gemüthern die Hitze der Anfechtung nicht schaden. Ja, laßt uns bedenken, wie viel wir zu verantworten haben, ohnerachtet es wahr ist, daß in der auf den Felsen gebauten Kirche des Herrn auch viel dürftiger Boden angetroffen wird. In wie reicher Fülle wird nicht wiederholt der Same des göttlichen Wortes ausgestreut, von da an, wo die Jugend mit der Milch des Evangeliums genährt wird, um zur völligen Aufnahme in die Gemeine der Christen zu erstarken. Wenn die Menge der Christen zusammenkommt an den öffentlichen Oertern der Andacht, um sich aus dem göttlichen Worte zu erbauen: welche reichliche Saat fällt da in den wohlbereiteten Boden! Wenn Morgens und Abends zwei oder drei oder mehrere im häuslichen Kreise versammelt sind, um das Irdische, was sie beginnen wollen, oder was sie hinter sich haben, durch die Beziehung auf das Ewige zu heiligen, auch da wird Wort Gottes gesäet; aber wie in der Natur nicht nur die Gewächse, welche darauf eingerichtet seyn müssen, der Pflege des Menschen zu entbehren, sich von selbst aussäen, sondern auch eben so unsere wohlgehegten Bäume und Gewächse und das Korn unserer Felder nicht selten freiwillig ihren Samen ausstreuen – von Luft und Sonne zur guten Stunde angesprochen, öffnet sich ein Samenbehältniß, das schon reife Körner in sich schließt, und eine günstige Luft führt diese so dem Erdboden zu, daß sie sich unter die Oberfläche vergraben können, und Manches kommt dann, weiter begünstigt, unerwartet empor, und wird zur kräftigen Pflanze – so giebt es auch auf dem geistigen Gebiete ein Ausstreuen jenes göttlichen Samens, welches unabhängig ist von je|nen besonders zu diesem Behufe in der christlichen Kirche getroffenen Veranstaltungen. Ja, noch reichlicher erfahren wir Alle dieß jeden Augenblick. Oder giebt es irgend ein Ereigniß in unserem Leben, was uns nicht bei richtiger Stimmung des Gemüths könnte und sollte zu einer fruchtbaren Saat des göttlichen Wortes gedeihen? Steht nicht Alles, was unser Gemüth bewegen kann, und von außen in uns ein14–15 Vgl. Mt 16,18
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geht, in einem solchen Zusammenhange mit unserem geistigen Leben, daß es zur Förderung desselben gereichen könnte? O, m. g. Fr., wenn wir das überlegen: wie reich müßte auch auf felsigem Boden die Erndte seyn, wenn das Alles gehegt würde und gepflegt! wie viel kräftiger müßten überall christliche Tugenden sich im Leben erweisen, wie viel fester überall Jeder auf seinen Ueberzeugungen stehen, wie viel reiner überall die Einsichten in die Wahrheiten des Heils sich entwickeln! Darum laßt uns frei seyn, wie jene Arbeiter, damit überall der fruchtbare Boden sich mehre, und diese Ungleichheit aufgehoben werde, welche Gott eben dazu gesetzt hat, damit Fleiß und Treue, damit tüchtige Haushaltung mit den göttlichen Geheimnissen, sich dabei bewähren können. So laßt uns denn diese zusammensparende Weisheit üben, Jeder in seinem Kreise. Die Mühe soll uns nie verdrießen, schwächeren Brüdern die oft theuer erkauften Schätze eigener Erfahrungen dienstfertig zuzutragen, damit sie nicht überrascht werden von der Stunde der Anfechtung. Mit vorbildlichen Zügen christlicher Besonnenheit und Tapferkeit wollen wir ihre Seelen zur rechten Zeit befruchten, damit sie, wenn die Sonne höher emporsteigt, in den Tiefen ihres Gemüths eine Kraft finden, um der Hitze der Versuchung zu widerstehen. Mit der kräftigen Zusprache theilnehmender Liebe wollen wir sie schirmen gegen die verderbliche Glut. Mit aufopfernder Treue wollen wir die brennenden Stiche der Verfolgung oder des Spottes auf uns hinlenken, und zu den feindseligen Gewalten sprechen: Suchet uns und lasset diese gehen! – Machen wir so die Anfechtung gemein, sind so die Starken bereit, die Lasten der Schwachen zu tragen, treten die Bewährten überall als Beschützer derer hervor, welche die Prüfung | noch nicht bestehen können: o, dann steche auch die Sonne, und es wird doch keine Erndte Gottes verloren gehen. Daran will uns der Erlöser in diesen Worten des Gleichnisses mahnen, daß Jeder zusehe, nicht nur, daß Keiner Einem unter seinen Brüdern zur Versuchung gereiche und zum Aergerniß: sondern daß allem Aergerniß vorgebeugt werde und aller Abfall verhütet, bis kein Schwacher mehr sey in der Gemeine, und immer mehr die Fruchtbarkeit des Bodens sich ausgleiche und der Reichthum der Erndten derselbe werde zum Preise Dessen, der uns Alle immer mehr sich gleich machen will! Amen. Schl.
24 Vgl. Joh 18,8 14,13
25–26 Vgl. Röm 15,1; Gal 6,2; 1Thess 5,14
30–31 Vgl. Röm
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b. Nachschrift 97r 97v
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Predigt am dritten Sonntage nach Trinitatis 1826. | Tex t. Lukas VIII, 13. Die aber auf dem Fels sind die, wenn sie es hören nehmen sie das Wort mit Freuden an; und die haben nicht Wurzel, eine Zeitlang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Ein trauriges Bild m. g. F., welches uns der Erlöser hier aufstellt aus der Fülle seiner Erfahrungen, über das menschliche Herz und das menschliche Leben! Eine hoffnungsvolle Saat ist aufgegangen, das geistige Leben keimt und blüht; aber wenn die Son|ne nun höher hinaufsteigt am Himmel, die alles andre nährt und zur Reife bringt, dann welkt dieses, und wo die schönsten Hoffnungen blühten, da ist nichts mehr übrig als ein Bild der Öde und des Todes. Freilich diese Hoffnungen waren nicht so wohl begründet wie andre; denn in einem andern Bericht dieses Gleichnißes sagt der Erlöser, eben deshalb weil der Saame auf diesem felsigen Boden nur wenig fruchtbares Erdreich hatte, eben deshalb ging er schnell und freudig auf. So ist es m. g. F.; sie | haben nicht Wurzel sagt er, und zur Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Fröhlich ist in ihnen und zeitig der Same des göttlichen Wortes aufgegangen, eben deswegen weil nicht fruchtbarer Boden genug war, damit er länger in die Tiefe seine Wurzeln senken könnte. Gemüther in welchen es eine solche Tiefe giebt, welche wenn sie einen belebenden Eindruk von oben empfangen haben, vermögen ihn in die Tiefe ihres Innern zu verschließen, daß er lange Zeit allen äußern Einwirkungen, mö|gen sie noch so freudig und fördernd zu sein scheinen, entzogen bleibt, bei denen senken sich die Wurzeln des geistigen Lebens in die Tiefe; langsam geht es auf, und vielleicht mancher ungeduldige Akersmann hat die Hoffnung schon aufgegeben daß ihm von da die freudige Ernte kommen werde; wenn es aber aufgegangen ist, so bleibt es auch. Andre giebt es, denen eine solche Tiefe nicht zu Gebote steht; was sie in sich aufgenommen haben, es drängt sich ferner an das Licht; aber wenn | dann die stärkeren Eindrüke kommen, welche jenen nur hilfreich sind, ihr Wachsthum und ihre Reife fördernd, dann zeigt sich die geringe Lebenskraft, und das Leben welches schon begonnen hatte hört wieder auf. Laßt uns m. g. F. diesen Worten des Erlösers nun näher nachgehen, und eben hievon was er dadurch andeuten will, von dem Abfall in der Zeit der Anfechtung mit einander reden, zuerst indem wir das Gleichniß des Erlösers beziehen auf die Wirkungen des göttlichen Wortes | im Allgemeinen, zweitens aber auch so daß wir dabei mehr auf das Einzelne in dem menschlichen Leben sehen. 8–12 Vgl. Mt 13,5–6; Mk 4,5–6
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I. Der erste Theil unsrer Betrachtung m. g. F. ist allerdings mehr nur für unser christliches Mitgefühl gemacht. Betrachten wir unsre Lage in der Kirche des Herrn, nun so können wir nicht sagen, daß wenn unter uns im Großen der Same des göttlichen Wortes ausgestreut wird, irgend eine Zeit der Anfechtung uns bevorstehen könnte. Er erfreut | sich alles äußerlichen Schuzes; in der Gemeinschaft sind eine Menge von Maaßregeln getroffen, um alles abzuhalten was ihm verderblich werden kann; eine Menge von belebenden fördernden Eindrüken stehen einem jeden zu Gebote; und kaum sollte man glauben, daß es unter uns eine andre Art geben könnte, wie der Same des göttlichen Wortes, nachdem er einmal Wurzel gefaßt hat, wieder untergehen kann als die, von welcher der Erlöser in dem folgenden Theil unsers Gleichnisses redet, und die | wir einer künftigen Betrachtung vorbehalten. Aber freilich, dem Erlöser als er dieses Gleichniß sprach lag die Zeit am nächsten, welche der Wirksamkeit seiner Jünger zu denen er redete nach ihm aufbehalten war. Da war der Same des göttlichen Wortes, wie er ihn ausstreute, und wie sie ihn nach ihm ausstreuen sollten, etwas Fremdes und Unbekanntes, im Streit mit den Überzeugungen, welche Wurzel gefaßt hatten durch die Gewalt der Erziehung und der Sitte in allen denen, welchen | das Wort Gottes sollte verkündigt werden; und da war es natürlich daß sich die Anfechtungen erhoben. Worin aber m. g. F., worin bestehen die? Der Erlöser sagt in dem Gleichniß selbst wie ich vorher schon erwähnt habe „als aber die Zeit kam wo die Sonne höher emporsteigt am Himmel und mächtigere Strahlen herabläßt auf die Erde, da konnte dieses dürftige Gewächs die Gewalt derselben nicht ertragen und ging unter.“ Das sagt er sind die Trübsale und Verfolgungen. Ja wohl | mit Recht m. g. F. vergleicht er diese der ernährenden und belebenden Kraft der Sonne. Das ist uns allen gesagt, ohne Trübsal geht niemand in das Reich Gottes ein. Die Widerwärtigkeiten des Lebens, wie sehr sie uns auch drüken mögen, o sie sind ein Segen von oben, und wenn der Herr ihn jemals zurükhielte, wahrlich es würde um unser geistiges Leben um nichts besser stehen, sondern viel mehrere würde es dann geben, bei denen das Gute unter den übermächtigen Dornen des Le|bens erstürbe. In den kräftigen Gemüthern, bei denen das Wort Gottes tiefe Wurzeln geschlagen hat, da offenbart sich die bewahrende, die läuternde, die reinigende, die stärkende Kraft der Trübsal. Je heftiger die Verfolgungen waren gegen die ersten Bekenner des Glaubens, desto lebendiger sprechen sie die Überzeugung aus, wir werden verfolgt aber wir gehen nicht unter, sondern alles läutert sich in ihnen zu einer immer größern Freudigkeit des Bekenntnißes, zu einer immer fester gewur12–13 Vgl. die Predigt am 25. Juni 1826 vorm. über Mt 13,22 (entspricht Mk 4,18–19; Lk 8,14) 23–25 Vgl. Mt 13,6; Mk 4,6 28 Wohl Anspielung auf Apg 14,22 37–38 Vgl. 2Kor 4,8–9
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zelten Kraft der Überzeugung. | Was ist es denn nun m. g. F., wodurch eben dieses herrliche Mittel der göttlichen Gnade in andern Gemüthern einen entgegengesezten Erfolg hervorbringt? Freilich hängt dies auf das genaueste zusammen mit der irdischen Natur der menschlichen Seele. Der Mensch will sich wohl befinden. Wenn er seine Kräfte anstrengen muß allein um die Bedürfnisse des irdischen Daseins zu befriedigen, dann hat er nur wenig übrig, mit dem er sich zu dem Ewigen wenden kann. Wenn er alle seine Kräfte | daran wenden muß, um das von sich entfernt zu halten was seinem irdischen Leben feindselig droht: ja so wird seine Aufmerksamkeit von dem Ewigen abgelenkt. Wenn dann nun aber das Drükende herbeigeführt wird um der Liebe willen, die er verräth zu dem Ewigen; wenn er dann sieht das Wort Gottes, welches er in sich aufgenommen hat, es droht ihm nichts zu werden als eine solche Quelle von Widerwärtigkeiten und Trübsalen, gegen welche er sich beständig verwah|ren und seine Kräfte sezen muß, und dann doch nichts übrig hat um dieses geheimnißvolle Leben in seinem Innern zu pflanzen, zu tränken, zu nähren: o dann ist es die natürliche Verzagtheit des menschlichen Herzens, daß in der Zeit der Anfechtung die erwachte Liebe zu dem Ewigen und zu dem geistigen Leben wieder verloren geht. So hat die rohe Gewalt gewirkt in den Zeiten der Verfolgungen, drohend allen Genuß ja die Fortdauer des Lebens selbst zu hemmen, zeigend daß keine | Art von Wohlbefinden für diejenigen übrig bleiben solle welche des neuen Weges wandeln würden, der ihnen vorgezeichnet wurde. Da fielen viele wieder ab, in denen das geistige Leben freudig aufzugehen anfing. Aber ist es nur die rohe Gewalt, ist es nur die Kraft der Drohung, der Strafe und der Marter? O es ist ein wahres Wort, welches irgendwo gesagt ist „Verführung ist die wahre Gewalt“; und das war eine noch heftigere Hize der Anfechtung, wenn dann einer von der entgegengesezten | Denkungsart mit schmeichelnden Worten trat zu den unbefestigten Bekennern des neuen Glaubens, ihnen darstellend die Herrlichkeit der Welt die sie theilen würden, den sichern Frieden der ihrer warte, die allgemeine Achtung welche sie genießen müßten wenn sie umkehrten und würden treue Bekenner und Beschüzer der alten Sitte, der alten Lehre. Ja m. g. F. diese schmeichlerische Gewalt ist eine noch verderblichere Hize, welche viele junge Sprößlinge des Glaubens und der ewi|gen Liebe getödtet hat. Doch m. g. F. es ist nicht nur die rohe und drohende That, es ist nicht nur das schrekende oder schmeichelnde Wort: ach es giebt noch eine andre Anfechtung, die wir ebenfalls kennen, 25–26 Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti, V, 7 (Sämmtliche Schriften, Bd. 19, 1794, S. 422; Sämtliche Schriften, edd. Lachmann/Muncker, Bd. 2, 1886, S. 448) – Im unter a. gebotenen Drucktext findet sich statt des Zitats nur eine Anspielung. – Dasselbe Lessing-Zitat begegnet (paraphrasiert) auch in Schleiermachers 1827 anonym erschienenen Schrift „Gespräch zweier selbst überlegender evangelischer Christen über die Schrift: Luther in Bezug auf die neue preußische Agende. Ein letztes Wort oder ein erstes“, S. 30 (vgl. KGA I/9, S. 415).
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weniger zu vergleichen freilich in ihrem unmittelbaren äußern Schein der Hize der hoch am Himmel stehenden Sonne, als vielmehr dem schneidenden kalten Winde, der so leicht jedes junge Leben zerstört. Das m. g. F. das ist die Anfechtung des Spottes. O wie viel junges Leben hat der zer|stört von Anbeginn der christlichen Kirche an! Wie geschäftig waren da diejenigen unter den Vertheidigern des alten Glaubens, denen mehr die Gewalt und die Kraft der Rede als die äußere Macht zu Gebote stand, wie geschäftig waren sie, indem ihnen selbst das Kreuz des Herrn eine Thorheit war, auch in spöttischen Reden diejenigen als Thoren darzustellen, welche sich zu der Fahne des Kreuzes bekannten! Und zu allen Zeiten sehen wir wiederkehren diese ver|wüstende Wirkung des Hohns und des Spottes. Ja wenn auch nur vorübergehend erlag ihm einer der treusten Jünger des Herrn. Denn war es etwas anderes als der Ton des Spottes in der vorwizigen Frage „du bist ja auch wohl dieses Menschen Jünger einer?“ war es etwas anderes als die Furcht vor dem Spotte – denn die Gewalt hatte ihr Recht verloren – was ihn antrieb den Herrn zu verleugnen, dem er so treu gefolgt war? Und so m. g. F. haben wir es auch erfahren beides in der Zeit, als | nach langer Verdunkelung des göttlichen Wortes das erneute Licht des Evangeliums aufging. Die kräftigen Helden des Glaubens und der Erleuchtung, o wie sind sie fest geworden durch Trübsal! Diejenigen welche im Stande waren sich selbst Rechenschaft zu geben in ihrem Innern von der Wahrheit des Lichtes dem sie folgten, o wie wenig hat auf diese auch die mächtige Waffe des Spottes gewirkt! Aber freilich wie viele Gemüther hat es damals gegeben, die nicht im Stande waren dem zu | widerstehen. Denken wir nur vom Anfang der Geschäfte der christlichen Kirche an bis auf diese Zeit an allen blutigen Streit, an alle zerstörende Kriege, die gegen nichts anderes als gegen das erneute Licht des Evangeliums gerichtet waren, und in denen sich so oft alle Greuel der alten heidnischen Verfolgungen wiederholt haben: wie viel Leben ist auf diese Weise untergegangen! wie viel hoffnungsvolle Saaten sind verwelkt, daß keine Spur von ihnen übrig geblieben ist! wie ist in gan|zen Gegenden die alte Finsterniß zurükgekehrt, weil die erste Saat verwelkt war bald unter dem Schwerte der Verfolgung, bald unter dem Stachel des Spottes. Nun m. g. F. nun ist die Ruhe wiedergekehrt; mit herzlichem Mitgefühl können wir der vergangenen Zeiten gedenken und schweigend die Wege des Höchsten erkennen, der allein sich selbst Rechenschaft davon giebt, warum so viel begonnenes Leben unter den Drangsalen und unter der Feindschaft, welcher er gestattet gegen | das Reich seines Sohnes sich zu erheben, wieder zerstört worden ist. Aber doch ist es uns nicht etwas ganz Fremdes, m. g. F., und ehe ich zu dem andern Theil unsrer Betrachtung übergehe muß ich noch dasjenige hervorheben, was wir uns 8 Vgl. 1Kor 1,23 12 Gemeint ist die Verleugnung des Petrus; vgl. Mt 26,69–75; Mk 14,66–72; Lk 22,56–62; Joh 18,17.25–27. 13–14 Vgl. Joh 18,17.25–27
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auch anzueignen haben. Wir stehen jezt in gesonderter Gemeinschaft in Beziehung auf diejenigen, welche die Nachkommen derer sind, die zur Zeit der Kirchenverbeßrung dem erneuten Licht des Evangeliums nicht folgten. Wir erkennen sie für unsre Brüder in Christo; aber | unsre äußerlichen Gemeinschaften sind getrennt. Jeder Theil eifert für die Art wie sich eben die Gemeinschaft der Christen unter ihm gestaltet hat, für die Art wie hier das göttliche Wort aufgefaßt wird und gelehrt, für die Art wie sich hier das christliche Leben bildet und gestaltet. Löblich ist dieser Eifer, und wir wollen uns freuen wenn er sich recht lebendig regt in unsrer Gemeinschaft. Nicht nur verzeihlich sondern löblich ist auch der Wunsch, den wir in unseren Herzen hegen, daß eben deshalb weil | wir uns dessen bewußt sind daß die Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit unter uns erbaut ist, daß die Freiheit, zu welcher die Kinder Gottes berufen sind, sich edler unter uns gestaltet, löblich ist der Wunsch, daß recht viele Seelen die auf jener Seite stehen sich mit uns freuen möchten des hellern Lichtes und dieser größern Freiheit. Aber wenn dieser Eifer löblich ist: o daß er nur immer rein sei und rein bleibe, daß doch niemals irgendwie von unsrer Seite weder | die Gewalt angewendet werde noch die Verführung, weder die drohende That noch das höhnende Wort, um auf diese Weise uns neue Freunde und neue Brüder zu gewinnen. Ach tödten können wir auf diese Weise das alte Leben; aber ein neues schaffen das geht nicht. Und das m. g. F. ist nicht etwa ein Wort, welches nur an diejenigen gerichtet werden könnte und sollte, denen Gott das obrigkeitliche Schwert anvertraut hat, und die es eben deshalb in ihrer Gewalt haben unter der Form des Rech|tes und des Gesezes auch Drangsale und Verfolgungen zu erheben. Nein m. g. F. überall, wo menschliche Gemeinschaft ist, da ist auch eine Macht; sie wird im häuslichen Leben geübt, sie wird im geselligen Leben überall geübt auch wo sie keine äußere Gestaltung hat. Wenn wir irgendwie diejenigen unter unsern Brüdern die nicht unsrer Gemeinschaft angehören, wenn wir sie das fühlen lassen, daß die allgemeine Liebe die wir allen schuldig sind sich doch wirksamer beweisen würde wenn | sie auf unsrer Seite stünden; wenn wir sie fühlen lassen, es umziehe doch eine Rinde der Gleichgültigkeit auch unser Herz gegen sie, und sie könnten weniger rechnen auf unsre Theilnahme, auf unsre Hülfe, auf unsre Unterstüzung: o ist das nicht eine Gewalt, die ihre Wirkung nicht verfehlen würde, wenn sie auf eine solche Weise und unter solchen Umgebungen ausgeübt würde, daß ihr kein hinreichendes Gegengewicht auf der andern Seite gegenüberstünde? Wenn wir sie dadurch loken wollen zu | uns, daß wir ihnen zeigen, um wie viel schwerere Last äußerer Gebote sie zu tragen haben, die sie bei uns nicht finden, von wie vielen Banden nichtiger Menschensazungen ihr Geist nothwendig würde gelöst werden 4 Vgl. Kol 1,2 12 Vgl. Joh 4,23–24 5,13 22–23 Vgl. Röm 13,1–4
13 Vgl. Röm 8,21 in Verbindung mit Gal
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wenn sie herüberträten auf unsre Seite: o eine gefährliche Verführung, wodurch wir nur dasjenige in ihnen hervorloken was nicht dem Himmel sondern der Erde zugewendet ist. Wenn wir uns auf eine solche Weise unsers Lichtes und unsrer bessern Einsicht erheben gegen sie, sei | es daß wir demüthigend auf sie herabschauen als auf solche die der gleichen Kraft des Geistes nicht theilhaftig geworden sind, sei es daß unser Mitleiden den Ton der Geringschäzung annimmt: o das ist schon der verlezende Stachel des Spottes; und darum m. g. F. ist keiner unter uns, der sich nicht zu hüten hätte, daß er nicht eine Anfechtung herbeiführe über seine Brüder. Sind wir uns doch alle einer Kraft und einer innern Macht des Geistes und des äußern Lebens bewußt; können wir doch | alle nicht da sein und nicht in unserm Berufe erfüllen, weder in dem himmlischen noch in dem irdischen, ohne die göttliche und köstliche Gabe der Rede. Jeder also hat beides wovon die Anfechtung ausgeht in irgend einem Grade zu seinem Besiz. O laßt uns beides hüten, daß wir die zarte Linie nicht überschreiten, über welche wenn die Sonne hinaufsteigt am Himmel sie eine tödtende Kraft wird für das unbefestigte Leben. II. Doch dies m. g. F. führt uns | nun unmittelbar zu dem zweiten Theil unsrer Betrachtung, in welchem wir nun das Bild des Erlösers anzuwenden haben auf unser eigenes Gebiet und auf das Einzelne des menschlichen Lebens. Wenn wir als Glieder der evangelischen Kirche der ältern christlichen Gemeinschaft gegenüberstehen, sind wir deswegen unter uns völlig Eines? ist in dieser Gemeinschaft keine Zertrennung der Geister? stehen wir alle einander gleich nahe in Übereinstimmung des Glaubens, in herzlicher brüderlicher Liebe? Wir wissen es ist eben nicht so; wir wissen | es giebt auch unter uns eine große Mannigfaltigkeit der Ansichten und der Überzeugungen, es giebt auch unter uns ein engeres Aneinanderschließen der Gleichgesinnten und Gleichgestimmten, die sich mehr von den übrigen entfernen und zurükziehn. Aber es kann nicht anders sein als daß auch beide auf einander zu wirken suchen; und so soll es auch sein wenn die beßre Überzeugung wenigstens in unserm Gemüth einen festen Grund geschlagen und Wurzel gefaßt hat, kraft deren sie nun nicht zerstört werden kann. Verschiedenes können wir uns nicht | denken ohne daß das Eine besser sei und das Andre weniger gut. Und wie wäre es möglich, daß ein Mensch bei dem bliebe was er ergriffen hat, wenn er nicht das Gefühl und die Überzeugung hätte es sei das Beßre. Und die Liebe will überall alle des Bessern theilhaftig machen, sie möchte gern alle erlösen und befreien von allem was sie zurükhält das 21 Lebens.] Lebens anzuwenden haben? 4–9 Vgl. Röm 14,10–13
16–17 Vgl. Mt 13,6; Mk 4,6
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Beßre zu ergreifen und zu besizen. O daß es auch nur die Liebe und die Kraft der Liebe wäre, wodurch wir in diesem Sinne zu wirken suchen. Aber m. g. F. laßt uns das mensch|liche Leben recht betrachten wie es sich unter uns gestaltet hat, damit wir uns nicht täuschen über das was wir thun, und uns das nicht verbergen was uns obliegt. So wenn gleichgesinnte Gemüther, die auf eine und dieselbe Weise das Wort Gottes in sich aufgenommen haben, die eine und dieselbe Ansicht darüber hegen was das wesentliche und leitende und alles andre beherrschende in dem heiligen Glauben der Christen ist, wenn sie auf eine solche Weise sich an einander schließen und zusammenhalten, daß es äußerlich wahrgenommen | wird in der Welt: wohlan so bilden sie dadurch eine eigene Macht; und daß sie mit der nur nicht gewaltsam wirken, und auf einem unrechten Wege suchen ihre Überzeugung zu mehren und die entgegengesezte aus den Gemüthern der Menschen zu vertilgen. So m. g. F. wenn wir in dieser Beziehung bestimmte Unterschiede machen der Werthschäzung und der Geringschäzung. Ja wenn es immer nur gegen solche geschieht die uns vollkommen gleich sind, so werden wir auch das Gleiche erfahren, und es wird nichts anderes dadurch entstehen als daß | immer enger die Einen unter sich und immer enger die Andern unter sich zusammenhalten. Aber eine solche Gleichheit giebt es nicht unter den Menschen; jeder hat solche die von ihm abhängen auf irgend eine Weise, jeder solche über denen er steht; und sehr oft finden wir es, wie die zusammenhaltenden Kräfte Mehrerer einem Einzelnen gegenüberstehen. O da giebt es gleich verderbliche und zerstörende Äußerungen der Gewalt, welche in ihrer Überzeugung unbefestigten Gemüthern zur Anfechtung gereichen. Fallen sie dann ab deswegen weil sie von uns nicht | wollen beunruhigt und gestört sein; drängen wir zuerst ihre Mittheilung zurük daß sie sich damit nicht hervorwagen, und berauben sie der natürlichen Nahrung ihres innern geistigen Lebens: ach so wird es freilich bald sterben; aber ahmen sie dann unsre Töne nach in unsrer Sprache, schließen sie sich an unsre Sitten und an unsre Lebensweise an: ach daß es nur nicht leerer Schein, daß es nur nicht – und was kann es Schlimmeres geben? – Trug und Heuchelei sei was wir erzeugt haben, und nicht freudige frohe Übereinstimmung. Und jede harte Rede, | womit wir über die entgegengesezte Überzeugung herfallen, womit wir entscheidend absprechen, was nicht auf dieselbe Weise lautet wie das Unsrige darin sei auch das Wesentliche des Christenthums verleugnet und zerstört: o das ist eine harte und schneidende Waffe. Und wenn wir dann geflissentlich hervorheben diejenigen Fehler und Schwächen, welche sich am meisten in der entgegengesezten Art zu denken und das Christenthum zu behandeln erzeugen; wenn wir auf eine Weise wie es die Liebe nicht thun soll das Wort geltend machen „an ihren Früch|ten sollt ihr sie erkennen“, indem wir grade die ohnmächtigen 40–41 Mt 7,16.20
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Gemüther und die ihnen anklebenden Schwachheiten auf der andern Seite hervorheben und ihnen gegenüberstellen die starken Seelen und das durch die göttliche Gnade in ihnen befestigte Gute auf unsrer Seite: o das ist wieder der schneidende Stachel des Spottes, und der Geringschäzung, und wir tödten indem wir zu beleben meinen. Eines nur m. g. F. Eines ist das Richtige: die Liebe schüzt und pflegt, die Wahrheit erleuchtet und befestigt. | Durch dieses beides laßt uns wirken und nie anders, uns selbst mißtrauen sobald die Wahrheit die schneidende Gestalt annimmt des Rechthabenwollens, uns selbst mißtrauen so wie die Liebe nicht mehr ganz mild und weich erscheint und mit freundlichem Hauche jedes Leben befruchtet und fördert, und dann in unser Inneres eingehen und nachforschen, ob wir nicht Werkzeuge der Versuchung zu werden in Begriff sind indem wir Anfechtungen hervorbringen denen schwache Gemüther unterliegen, und so diejenige Gestalt des gei|stigen Lebens, in welche sie gesezt sind, in ihnen untergeht, ohne daß wir sie in diejenige umbilden können, welche wir ihnen gern geben möchten. Denn das kann auf keinem andern Wege geschehen als auf dem der Liebe und der Wahrheit. Darum wenn es Trennungen giebt in der Gemeinschaft der wir angehören, wenn es Verschiedenheiten der Ansichten giebt: o laßt uns bedenken, auf dem großen Aker Gottes giebt es neben dem fruchtbaren Boden, wo jedes Samenkorn tiefe Wurzeln schlägt und reiche | Frucht bringt, auch steinigen Boden, wo das unvollkommne und schwächere Leben gehegt sein will und gepflegt, damit es nicht untergehe in der ersten Hize der Anfechtung. Darum wenn es solche Verschiedenheiten giebt, laßt uns jede fremde Waffe meiden, damit wir uns nicht verschulden an unsern Brüdern. Denn keiner kann sich von der Schuld frei sprechen, der Gewalt oder Verführung oder Spott, sei es auch alles drei in der mildesten Gestalt, verwendet um auf die Überzeugung zu wirken; und am wenigsten | kann in diesem Falle der von der Schuld sich frei sprechen, welcher glaubt das geistige Leben in sich zu tragen. Denn er weiß doch, wenn er auch zu den starken Gemüthern gehört die den Trübsalen und Widerwärtigkeiten widerstehen mit festem Muth, wenn er auch zu den erleuchteten und freien gehört, an denen die Pfeile des Spottes abgleiten weil sie den Harnisch der Wahrheit tragen: o er sehe zurük auf die frühere Zeit seines Lebens, wo in ihm das geistige Leben noch schwach war und kränkelte, ob er im Stande ge|wesen sein würde dem zu begegnen was er jetzt seinen Brüdern entgegenstellt. Eines nur giebt es überall in der Trennung der Gemeinschaft und in der Zertheilung der Geister: die Wahrheit mit einander suchen in Liebe. Und je mehr wir aus einander stehen, desto strenger müssen wir uns selbst prüfen ob wir auch in der Liebe beharren, ob die Liebe in uns nicht geschwächt sei dadurch daß dies und jenes gestellt ist zwischen uns und unsre Brüder, ob wir auch reine 32–33 Vgl. Eph 6,11–17
39 Vgl. 1Kor 11,28; 2Kor 13,5; Gal 6,4
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Diener der Wahrheit sind, und keine andre Waffe | kennen, mit welcher gekämpft werden soll für das Reich Gottes als die Liebe. Aber nun m. g. F. laßt uns noch einen Augenblik das Einzelne des menschlichen Lebens in Beziehung auf jedes einzelne Gemüth betrachten. Der Säemann geht aus zu säen, und er streut eine reiche Fülle von Samen des göttlichen Wortes aus. Das erfahren wir beständig. Aber wir haben es jeder nicht nur erfahren, als uns zuerst die Milch des Evangeliums dargeboten wurde, ehe wir reif waren aufgenommen zu | werden in die Gemeinschaft der Christen; wir erfahren es noch immer; immer aufs neue muß der Same des göttlichen Wortes in die Seele gestreut werden, sonst kommt auch das bald wieder um was schon hervorgeschossen ist. Und so erfahren wir es überall, wo die Menge der Christen zusammenkommt um sich aus dem göttlichen Wort zu erbauen; so erfahren wir es überall wo zwei oder drei oder mehrere im häuslichen Kreise versammelt sind um einander das Ewige mitzutheilen; und jeden so ausge|streuten Samen erwartet wieder derselbe Wechsel der Witterung, derselbe Wechsel günstiger und ungünstiger äußerer Einwirkungen. Ach und dann giebt es noch ein geheimnißvolles einzelnes Ausstreuen von Samen des göttlichen Wortes, wie wir dies in der Natur sehen, wo die Hand des Menschen nicht beschäftigt ist. Die reiche Samenkapsel öffnet sich, eine günstige Luft führt die fruchtbaren Körner dem Erdboden zu; mehrere oder wenigere graben sich ein unter der Oberfläche; und giebt es dann eine milde Luft, giebt es | dann eine äußere belebende Wärme, werden die störenden Stürme abgehalten: manches schöne Korn keimt empor und wird zur kräftigen Pflanze. So erfahren wir es in jedem Augenblik. Ja giebt es etwas in unserm Leben, was uns nicht könnte und sollte zu einer fruchtbaren Saat des göttlichen Wortes werden? giebt es etwas was unser Gemüth bewegen kann und von außen in uns eingeht, was nicht im Zusammenhang stünde mit unserm geistigen Leben und zur Förderung desselben gereichen könnte? O m. g. F. | wenn wir das überlegen und bedenken, wie reich müßte die Ernte sein wenn das alles gehegt und gepflegt würde und genährt! wie viel kräftiger müßten überall die Tugenden des christlichen Lebens, wie viel fester überall die Überzeugung des Glaubens, wie viel reiner überall die Einsicht in die Wahrheiten des Heils, wie viel reicher müßte das alles in uns allen sein, wenn nicht so manches was schon gekeimt hat wieder unterginge! Was aber untergeht m. g. F., es geht alles auf dieselbe Weise unter. Es giebt | keinen andern Abfall, es giebt auch kein anderes Verderben der einzelnen guten Saat als eben dieses. Darum m. g. F. wo irgend Gewalt geübt wird, in welchem Augenblik des Lebens es auch sei; wo wir irgend einem Gemüthe etwas 29 könnte?] könnte. 5–6 Vgl. Lk 8,5.11
7–8 Vgl. 1Kor 3,2; Hebr 5,12–13
13–14 Vgl. Mt 18,20
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Fremdes aufdringen wollen, was nicht schon in seinem zarten innern Gange und in dem uns unbekannten Geheimniß seiner innern Bewegungen gegründet ist; wenn wir irgendwie verführerisch lokend wirken, nicht ahndend ob es nicht nur ein gefährlicher Augenblik sei für dieses oder jenes Gemüth | weil wir es nicht wissen können, aber weil wir es nicht wissen können sollen wir auch vorsichtiger in jedem Augenblik werden; und wo irgend ein gefährlicher und verderblicher Hauch des Spottes über etwas, was in einer wenn auch der entferntesten Verwandtschaft mit dem Heiligen steht, über unsre Lippen geht: überall zerstören wir etwas von dem göttlichen Wort, was doch könnte freudig aufgeschossen sein und gedeihen. Das m. g. F. ist die Weisheit, zu der uns das Bild des Erlösers auffordert. Wohl denen m. g. F., die keine äußerliche | Ordnung und Vorschrift des Lebens brauchen! wohl den befestigten Gemüthern, die jedem Einfluß äußerer Eindrüke begegnen können und nicht so schwächlich sind, daß wenn sie einmal in einen fremden äußern Zustand kommen, wenn einmal eine ungewohnte Luft sie anweht, gleich eine Krankheit des innern Lebens in ihnen entsteht – wohl ihnen! aber wir wissen nicht wer ein solcher ist und wer nicht, und viele meinen es zu sein die es nicht sind. Darum giebt es für uns keine andre Weisheit des menschlichen | Lebens als die schonende Liebe, die heilige Scheu und Ehrfurcht vor der innern Tiefe des Gemüths, die zarte Besorgniß auf keine Weise und in keinem Augenblik zerstörend zu wirken auf etwas was dem geistigen Leben des Menschen angehört. Seid Ihr m. g. F. nie durch Gegenden gereist, wo es fast lauter felsigten Boden giebt und nur dürre leichte Erde darauf liegt, nicht geeignet ein fruchtbares Samenkorn in sich aufzunehmen und tiefe Wurzeln schlagen zu lassen, aber wie nun da wo wir so | den unscheinbarsten Boden sehen und das festeste Erdreich, überall die menschlichen Hände beschäftigt sind starke und fruchtbare Erde hinaufzutragen, und dann neuen Samen hinzustreuen, jedes Gewächs, wenn nun der Same Frucht bringt, mit sorgsamer Hand pflegend, jeden schädlichen Einfluß so viel als möglich von demselben abnehmend? O da ist keine Anfechtung, da ist kein Abfall. So m. g. F. sollen wir auch sein im Verhältniß mit unsern Brüdern; so sollen wir überall mit schonender Liebe das geistige Leben in ihnen, wenn es noch | schwach ist, pflegen und schonen, damit es nach und nach erstarke unter dem stärkenden Schuz der Liebe; so soll nie ein verzehrender und tödtender Hauch aus unserm Munde gehen, und das Licht des göttlichen Wortes, welches alles befruchten soll und zur Reife bringen, o es soll kein tödtender Sonnenschein werden in den Gemüthern der Christen. Daran erinnert uns das Gleichniß des Erlösers; und so gehe jeder hin und bewege es in seinem Herzen, nicht nur damit er nicht selbst ab|falle in der Zeit der Anfechtung, sondern auch vor allem damit er keinem unter seinen Brüdern zur Versuchung gereiche und zum Ärgerniß. Amen. 41–42 Vgl. Röm 14,13
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Heiliger Gott und Vater, wir sagen dir Lob und Dank, daß wir uns abermals haben erquiken und stärken können durch das göttliche Wort deines Sohnes. O laß du es immer tiefere Wurzeln in uns allen fassen, und durch die freudige und liebevolle Gemeinschaft der Christen auch alle schwache Gemüther gehalten und getragen werden, auf daß der | Anfechtungen immer weniger seien, in welchen die Seelen untergehen, und alles immer freudiger wachse und reife in der Gemeinde deines Sohnes der köstlichen Zeit der Ernte entgegen. Amen.
[Liederblatt vom 11. Juni 1826:] Am 3ten Sonntage nach Trinitatis 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Preis, Lob, Ehr, Ruhm etc. [1.] Der Grund auf dem mein Glaube ruht, / Ist fest, mag auch die Welt vergehen; / Sein Siegel ist des Mittlers Blut / Und dessen glorreich Auferstehen. / O Glaube, du des Christen schönster Ruhm, / Wie selig wer dich hat zum Eigenthum! // [2.] Ich kannte nicht den Weg zum Heil, / Mein Auge dekten dichte Hüllen, / Nur Wahn und Irrthum war mein Theil, / Nichts konnte meine Sehnsucht stillen; / Bis ich das Wort des ewgen Lebens fand, / Das Himmelslicht, vor dem die Nacht verschwand // [3.] Daß mich bei meiner Sünden Schuld / Nicht Furcht und Zweifel ganz verzehren, / Daß ich vertrau des Vaters Huld, / Dies dank ich Jesu heilgen Lehren. / Ich weiß ich bin versöhnet durch sein Blut, / Und fühl im Herzen Zuversicht und Muth. // [4.] Erhalte mir, o Gott, dein Wort / Als meines Lebens höchste Freude; / Es sei mein Trost, mein Licht, mein Hort, / Mein leztes Labsal wenn ich scheide! / Dort oben noch will ich dich Herr erhöhn, / Daß mir so großes Heil durch dich geschehn. // Nach dem Gebet. – Mel. Alle Menschen müssen etc. [1.] Du, der Herz und Wandel kennet, / Ewiger, erforsche mich! / Ach ich war von dir getrennet, / Aber du erbarmest dich; / Du vernahmst mein Flehn und Sehnen, / Sahst auf meiner Reue Thränen; / Da vergabst du mir die Schuld, / Nahmst mich auf mit Vaterhuld. // [2.] Forsche selbst in meinem Herzen! / Sieh, es fehlt und wanket noch, / Fühlt noch unter Sorg und Schmerzen / Oft der Sünde schweres Joch. / Strauchelnd, ungewiß und träge / Wandl’ ich auf dem schmalen Wege, / Und zu oft noch sieht mein Blick / Auf die breite Bahn zurück. // [3.] Als zuerst ich voll Entzücken, / Vater dich im Sohne fand, / Und mit andachtvollen Blicken / Deinem Throne nahe stand; / Wie war da der Reiz der Sünden, / Mir so leicht zu überwinden, / Wenn ich dachte, wie du liebst, / Der du so die Schuld vergiebst. // [4.] Welche Ruhe, welcher Friede / Wohnte da in meiner Brust! / Alles Eilen war ich müde, / Und verschmähte niedre Lust. / Um nur deine Huld zu haben, / Mißt’ ich gern des
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Glückes Gaben; / Und ein Herz das dich verehrt, / War mir mehr als Alles werth. // [5.] Doch der Andacht heil’ge Stunden, / Reich an himmlischem Gewinn, / Ach wohin sind sie geschwunden? / Wo die selge Ruhe hin! / Wenn ich jetzt auch im Gebete / Hin vor Gottes Antliz trete, / Wird des Herzens Innigkeit / Durch der Welt Geräusch zerstreut. // [6.] Wenn die spöttisch auf mich sehen, / Denen Beten Thorheit däucht; / Wenn sie mein Vertrauen schmähen, / Wird es bald aus mir verscheucht. / Macht die Menge der Verächter / Meinen Glauben zum Gelächter: / So vergeß ich leicht der Pflicht, / Und bekenne Christum nicht. // [7.] Der du stets mit Kraft von oben, / Herr, die Deinen stark gemacht, / Und die Sieger hoch erhoben, / Wenn sie ihren Lauf vollbracht: / Hilf mir jeden Feind bezwingen, / Um zum Siege durchzudringen; / Vater bis ans Ende sei / Dir mein ganzes Herz getreu. // Nach der Predigt. – Mel. Nun danket alle Gott etc. [1.] O segne du dein Wort, daß es uns ganz durchdringe, / Und durch des Geistes Kraft auch reiche Früchte bringe! / Daß unser Glaube dir bis in den Tod getreu, / Die Liebe unverfälscht und fest die Hofnung sei. // [2.] Gieb daß wir immerdar dich kindlich fürchten mögen, / Daheim und in der Welt auf allen unsern Wegen, / Dein Segen sei mit uns wie uns dein Wort verheißt, / Dein Fried’ in Ewigkeit, o Vater, Sohn und Geist. //
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4. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 14,25–31 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, S. 457–468; König Keine Nachschrift; SAr 57, Bl. 9v–19r; Schirmer Nachschrift; SAr 115, S. 47–56; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 89r–90v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am 4. Sonntage nach Trinitatis 1826. Tex t. Joh. 14, 25–31. Solches habe ich zu euch geredet, weil ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster, der heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, derselbige wird es euch alles lehren, und euch erinnern alles deß das ich euch gesagt habe. Den Frieden lasse ich euch; meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch wie die Welt giebt. Euer Herz erschrekke nicht und fürchte sich nicht. Ihr habt gehört, daß ich euch gesagt habe, Ich gehe hin, und komme wieder zu euch. Hättet ihr mich lieb, so würdet ihr euch freuen daß ich gesagt habe, Ich gehe hin zum Vater; denn der Vater ist größer denn ich. Und nun habe ich es euch gesagt ehe denn es geschieht, auf daß wenn es nun geschehen wird, daß ihr glaubet. Ich werde hinfort nicht mehr viel mit euch reden; denn es kommt der Fürst dieser Welt, und hat | nichts an mir. Aber auf daß die Welt erkenne, daß ich den Vater liebe und ich also thue wie mir der Vater geboten hat, stehet auf und lasset uns von hinnen gehen. M. a. F. Was uns der Evangelist bisher mitgetheilt hat, das waren Reden unseres Erlösers im Zusammenhange mit dem lezten Mahle welches er mit seinen Jüngern hielt, und ehe er in Begriff war zum leztenmal die Stadt zu verlassen, und sein leztes Nachtlager außerhalb derselben zu nehmen an dem Ort welchen Judas kannte, und wo er ihn hernach mit der Schaar aufsuchte. Die Worte welche der Erlöser hier sagt, hat er nun, wie wir wol sehen aus dem ersten Anfang derselben, gesprochen als die lezten. Indem 21–22 Vgl. Mt 26,36–46; Mk 14,32–42; Lk 22,40–46; Joh 18,1–11
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er damit schließt, Stehet auf und lasset uns von hinnen gehen, so wußte er nun nicht menschlicher Weise, ob ihm auch hernach auf dem Wege, und so lange es ihm noch vergönnt sein würde mit seinen Jüngern zusammen zu sein, so würde zu Muthe sein mehr mit ihnen zu reden, oder ob er nicht würde schweigend die lezte Entscheidung seines irdischen Schikksals abwarten. Darum beginnt er so, Solches habe ich zu euch geredet, weil ich bei euch gewesen bin, und wiederholt hernach noch, Ich werde hinfort nicht mehr viel mit euch reden. Da lag ihm nun allerdings am Herzen sie zunächst darüber zu beruhigen, daß sein Mund nun schon anfange gegen sie zu verstummen, und daß sie, von denen er wol wußte daß er ihnen noch viel zu sagen hatte, was sie aber noch nicht ertragen, noch nicht vollkommen in sich aufnehmen und nach seinem wahren Sinne benuzen konnten, nun doch schon nichts großes und bedeutendes mehr von ihm hören sollten. Freilich ging ihm das Herz hernach noch wieder über, und er hat noch einzelnes geredet, was uns der Evangelist in den drei folgenden | Kapiteln berichtet hat. Aber was lag ihm hier am meisten am Herzen? Sie zu verweisen zuerst auf den heiligen Geist, den der Vater senden würde in seinem Namen. Von dem sagt er nun, Er wird es euch alles lehren, und euch erinnern alles deß was ich euch gesagt habe. Da scheint nun das lezte darauf zu gehen, daß der Geist Gottes ihnen alles was sie schon wirklich gehört hatten von dem Erlöser befestigen würde in dem innern ihres Gemüths; das erste aber darauf, daß er ihnen auch das mittheilen würde was der Erlöser selbst ihnen noch nicht hatte sagen können. Was nun aber dieses leztere anbelangt m. g. F., so müssen wir die Worte des Herrn mit großer Behutsamkeit und Vorsicht verstehen, und indem wir alles was er auch anderwärts über das Werk des göttlichen Geistes in seinen Jüngern gesagt hat in dem vorigen und diesem Kapitel, und noch hernach sagt, wie wir in der Folge hören werden, mit diesen Worten vergleichen, um nicht auf einen gefährlichen Irrweg zu gerathen. Denn es könnte aus diesen Worten allein betrachtet allerdings erscheinen, als ob durch den göttlichen Geist in den Seelen der Menschen Gedanken entstehen könnten ohne Zusammenhang mit dem was der Erlöser selbst vorher auf Erden mit seinen Jüngern geredet hat, und wovon wir versichert sein können, daß wir das wesentliche ebenfalls in den uns aufbehaltenen Reden des Herrn besizen; und das hat auch manche sonst wohlmeinende und fromme Gemüther zu allen Zeiten in der christlichen Kirche verleitet, mancherlei Gedanken eines allerdings auf Gott gerichteten Gemüths, aber doch sehr weit entfernt von der ursprünglichen Wahrheit des Evangeliums, dennoch anzusehen als Eingebung des göttlichen Geistes. Ja es hat auch die kühne und zu sehr sich selbst vertrauende menschliche Vernunft verleitet, indem sie sich selbst 10–11 Vgl. Joh 16,12
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mit dem göttlichen Geist für eins hielt, alles was aus ihr selbst herstammt als göttlich anzusehen, mochte es nun mit den Worten des Herrn übereinstimmen oder nicht. Weder das eine noch das andere war | die Meinung des Herrn, und wir wollen festhalten an dem ursprünglichen von Anfang an in unserer Kirche aufgestellten Glauben, daß der Geist Gottes unter uns nicht anders wirkt als durch das Wort, und daß wir demselben nichts zuschreiben dürfen, als dessen Uebereinstimmung wir inne werden in unserem Gemüthe mit dem was wir als Wort des Herrn selbst kennen. Und anders als so hat es der Erlöser nicht gemeint, wie er denn anderwärts sagt, Von dem meinen wird er es nehmen, das meinige wird er euch verklären. Und so wußte er auch, daß alles was der heilige Geist seine Jünger noch lehren konnte doch schon auf irgend eine Weise enthalten sei in dem was er selbst ihnen gesagt hatte, so daß niemals ein Mißlaut sein könne zwischen ihrer Erinnerung an seine eigenen Worte, und dem was der göttliche Geist in ihren eigenen Seelen würde erwekken und zum Leben bringen. Aber nun laßt uns m. g. F. unsere Aufmerksamkeit auch noch auf eine andere Seite dieses Wortes richten. Fragen wir nun also, Was ist eigentlich das Werk des göttlichen Geistes so in uns wie in jenen ersten Jüngern des Herrn? was werden wir anderes sagen als wie es anderwärts ein Apostel des Herrn ausdrükkt, daß Christus in uns gestalten wird, daß alles was uns von ihm mitgetheilt und gegeben ist, immer mehr in einen lebendigen Zusammenhang tritt, daß sich uns alle Folgen von dem was er selbst seine Jünger gelehrt hat und was uns in den Worten der Schrift aufbewahrt ist, immer mehr in einem klaren Zusammenhange darstellen, daß wir unsere Aufmerksamkeit überall und in Beziehung auf alles was uns wichtig und bedeutend ist im Leben und in den innern Bewegungen des Gemüths, immer mehr auf Christum hinlenken, damit immer mehr nicht wir selbst leben, sondern er in uns, und wir dann immer mehr dazu gelangen, daß wir nicht mehr bedürfen daß | irgend ein Mensch uns lehre, sondern wir alle durch Christum von Gott gelehrt sind, und in dem Sohn den Vater kennen. Das war das Werk des göttlichen Geistes, im Vertrauen auf welches nun auch der Erlöser wohlgemuth und zuversichtlich konnte von seinen Jüngern scheiden, wissend es werde durch die Wirkung dieses Geistes nichts verloren gehen was er in ihren Seelen niedergelegt habe, wenn gleich manches noch unerkannt in ihrem Innern schlummerte, wenn sie gleich manches noch nicht in seinem ganzen Werth und Zusammenhang verstanden. Und das m. g. F. ist ja der Gang eines jeden christlichen Gemüths. Wie könnten wir sagen, daß irgend ein Mensch den Herrn ganz erkannt habe, wenn er sich zuerst mit voller Zustimmung seiner Seele zu ihm wendet. Es ist der allgemeine Eindrukk der Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom 10 Joh 16,14 20 Vgl. Gal 4,19 30 Vgl. Joh 14,7
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Vater, es ist das allgemeine Gefühl, daß er der Weg ist, die Wahrheit und das Leben, wobei es aber immer noch viel einzelnes giebt genauer und tiefer zu ergründen, in klarem Lichte einzusehen, in lebendige Kraft zu verwandeln. Und daß von jenem ersten Anfang des Glaubens und der Liebe an dieses sich immer mehr entwikkle, das ist das Werk des göttlichen Geistes. Wo sich also das Bestreben in unserer Seele regt, eine immer innigere und vertrautere Gemeinschaft mit dem Erlöser zu machen; so oft von allem was in uns selbst vorgeht oder uns in der Welt begegnet, unsere Seele sich zu ihm hinwendet, damit er es uns aufkläre und in seinem rechten Lichte zeige; so oft wir in einem bedenklichen Zustande des Gemüths das Bild des Erlösers in unserm Innern aufzufrischen suchen, damit wir von demselben, je nachdem es noth thut, Muth und Kraft, Klarheit und Sicherheit gegen allen Zweifel und innern Zwiespalt gewinnen: das ist das Werk des göttlichen Geistes, das ist das Lehren und Erinnern des Trösters, den der Vater in dem Namen des Sohnes gesandt hat, in dem | innern der Seele stets geschäftig. Und da können wir sicher sein, daß wir auf dem Wege des Herrn wandeln, daß wir unter der liebreichen Leitung des Vaters im Himmel durch seinen tröstenden Geist stehen, und daß die lebendige Gemeinschaft in welcher wir durch den Erlöser mit ihm stehen, und die wir für unsere Seligkeit achten, dadurch immer mehr wird befestigt werden. Nicht aber ohne Zusammenhang mit diesen Worten m. g. F. sind die folgenden, Den Frieden lasse ich euch; meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch wie die Welt giebt. Ja die Wahrheit und Unmittelbarkeit dieses Zusammenhanges hoffe ich werden wir alle wenn gleich mehr und weniger in unserm Innern erfahren haben, daß es nämlich keine andere Quelle des wahren Friedens giebt, daß aber auch wieder daher uns gewiß der wahre Friede kommt, wenn wir uns in lebendigen Zusammenhang mit dem Erlöser zu sezen suchen, und er auf diese Weise durch das Werk des göttlichen Geistes Gestalt in uns gewinnt. Wenn der Erlöser sagt, Nicht gebe ich wie die Welt giebt, so bezieht sich das darauf, daß Friede damals der gewöhnliche Gruß war, womit alle Menschen einander begegneten. Das konnte nun freilich keinen andern Sinn haben, als den jeder hineinlegte; und so waren es denn wol sehr unvollkommene Vorstellungen von innerer Einheit des Menschen mit sich selbst, und sehr unvollkommene Bestrebungen nach demjenigen wodurch das Wohl des Menschen gegründet wird, was meistentheils bei dem Gebrauch dieses Wortes zum Grunde lag, abgerechnet noch daß was auf diese Weise alltäglich wird im Munde der Menschen, einen großen Theil seiner Kraft verliert. Aber doch wußte der Herr kein tröstlicheres und größeres Wort, um alles zusammenzufassen was er seinen Jüngern hinterließ als die Kraft seines ganzen Lebens, als die Wirkung seines ganzen Daseins an menschlichen Seelen, als eben dieses. 1–2 Vgl. Joh 14,6
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Wie aber m. g. F. führt uns dies wieder zurükk auf jenes Kernwort des Apostels Paulus, daß Gott in Christo war, und | die Welt mit sich selber versöhnte. Denn wie kann es einen wahren Frieden geben, wenn der Mensch nicht versöhnt ist mit Gott, in Zusammenstimmung mit der geheimen aber nie ganz erlöschenden Stimme Gottes in unserem Innern, in Zusammenstimmung mit allem was wir als Wege Gottes mit dem menschlichen Geschlecht erkennen müssen, vorzüglich in der Zusammenstimmung, daß er selbst der Mensch nichts anderes suche und wolle, als was Gott ihm zur Befriedigung und Erfüllung seines Daseins gegeben hat. Dieser Friede war es aber, der verloren gegangen war, und der nur durch den wiederhergestellt werden konnte, welcher ihn eben deshalb weil er und der Vater eins war auf eine ursprüngliche und unverlierbare Weise in sich trug. Dieser ist es gewiß, was wenn Christus in uns leben und sich gestalten will, auch immer mehr in unsere Seele übergeht, und alles was wir als das Werk des Glaubens an den Herrn dankbar erkennen, gehört zu diesem Frieden und ist ein wesentlicher Bestandtheil desselben. Ja wenn wir alles zusammenfassen was das Werk des heldenmüthigen Glaubens ist in der Geschichte der christlichen Kirche, alle treue Dienste und Aufopferungen derer die sich dem Herrn ergeben haben, aller tapfere Streit, alle Mühseligkeit und Widerwärtigkeit, aller Schweiß und alle Mühe sowol gegen das Böse in uns als in der uns umgebenden Welt: das alles ist nichts anderes als ein Beitrag zur Befestigung dieses Friedens. Denn wir können ihn nur in dem Maaße haben, als der Geist Gottes unserm Geiste Zeugniß giebt, daß wir Gottes Kinder sind, eben so wie der Sohn treu als Söhne in dem Hause des Vaters; und zu dieser Treue gehört alles was irgend der Geist Gottes durch die Stimme unseres Gewissens, und indem er das Wort des Herrn an unsere Seele bringt, durch den ganzen Lauf unseres Lebens von uns verlangt. Indem der Herr seinen Jüngern sagt, es werde ihnen den Jüngern nicht | besser ergehen als ihm dem Meister; indem er ihnen sagt, daß sie würden von der Welt gehaßt und verfolgt werden: so sagt er ihnen immer dasselbe, daß wenn sie bei ihm ausharren bis ans Ende, sie auch seines Friedens sich zu erfreuen haben würden mitten in den Augenblikken des Kampfes und Streites. Und darum ist auch dieses das sichere Kennzeichen der Jünger des Herrn geblieben. Und m. g. F. laßt es uns gestehen, nur in solchen Augenblikken des Lebens und unter solchen Bedingungen können wir das Bewußtsein festhalten, daß wir von der Gemeinschaft mit ihm nicht gewichen sind, wenn bei allem was sich noch so sehr gestaltet zu Streit und Krieg, den wir nicht vermeiden können in dieser Welt, dieser Friede bewahrt bleibt und nicht von uns weicht, wenn keine Bewegung ist in der Seele, die denselben stört, 2–3 Vgl. 2Kor 5,19 23–24 Vgl. Röm 8,16 Mt 10,22–25; Joh 15,19–20
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und wir nicht mit Gott und dem Erlöser nur, sondern auch mit unsern Brüdern, sofern uns ihr wahres Wohl und daß sie an diesem Frieden Theil haben sollen am Herzen liegt, eins sind auch dann, indem wir gegen das streiten was in ihnen den Frieden stört oder sie von demselben ausschließt. Und so ist das auch die erste und schönste Wirkung des Friedens, was der Herr hinzufügt, Euer Herz erschrekke nicht und fürchte sich nicht. Denn dieser Friede m. g. F. er ruht auf der Liebe, und die Liebe treibt alle Furcht aus. Das ist aber, indem es Liebe zu Gott ist, auch ein Austreiben aller Furcht vor Gott; aber nicht nur vor ihm, sondern auch vor alle dem was er nach seiner Heiligkeit über uns verhängt. Und so ist es wahr, daß der welcher diesen Frieden des Herrn in sich trägt, ein Herz hat welches vor nichts mehr erschrikkt und nichts mehr fürchtet; freilich wol kennend seine eigene Schwäche aber auch fest vertrauend auf den Beistand und die Kraft des göttlichen Geistes, wohl gegründet in dem, in welchem eben deshalb | keine Furcht sein konnte, weil die Liebe des Vaters das eigentliche innere Wesen seiner Seele war. Der Herr aber wendet nun freilich diese Worte, Euer Herz erschrekke nicht und fürchte sich nicht, zunächst auf die Trennung an, die seinen Jüngern bevorstand, und sucht ihre Gemüther in eine solche Fassung zu bringen, daß sie dieselbe ertragen könnten, indem er sagt, So gewiß ihr mich liebt, müßt ihr euch freuen daß ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer denn ich. Und so will er die Fassung in ihnen hervorbringen, daß wenn auch der Schmerz ihre Seelen ergreifen würde, wenn sie sich auch würden verwaist fühlen, wie er vorher gesagt hat, Ich will euch nicht Waisen lassen, sie doch durch rechte und kräftige Liebe zu ihm sollten aufgerichtet und beruhigt werden darüber daß er nun schon seinen irdischen Lauf vollbracht habe, und zu dem Vater, der größer sei denn er, zurükkgehen werde. Und nach diesen Worten wiederholt er jenes, Ich werde hinfort nicht mehr viel mit euch reden; denn es kommt der Fürst dieser Welt, und hat nichts an mir. Aber auf daß die Welt erkenne, daß ich den Vater liebe und ich also thue wie mir der Vater geboten hat, stehet auf und lasset uns von hinnen gehen. Daß der Erlöser hier auch noch das Zeugniß ausspricht welches er sich selbst geben konnte, auch das konnte nicht anders als sehr wohlthätig für seine Jünger sein. Der Fürst dieser Welt kommt; aber er hat nichts an mir. Alle diejenigen welche gegen mich aufstehen, um die Dinge dieser Welt zu retten, die werden doch nichts an mir finden, keine Spur von Schuld wird jemals an mir aufzutreiben sein. Das war das Zeugniß welches er sich selbst gab, und welches er hier nun noch gegen seine Jünger mit voller Ueberzeugung ausspricht. 7–8 Vgl. 1Joh 4,18
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Ach freilich m. g. F. gehört dies nun auch zu dem Frieden den er hatte, aber deshalb auch zu dem Frieden den er den sei|nigen hinterlassen wollte. Und so laßt uns nun nach diesem Zeugniß trachten mit allen Kräften. Je mehr auch wir noch in dem Kampfe des Lichtes gegen die Finsterniß, des Reiches Gottes gegen die Welt begriffen sind, und je öfter wir noch dem entgegengehen müssen, daß bald auf diese bald auf jene Weise die Welt sich auflehnt, um etwas wider uns zu haben: laßt uns danach trachten, daß wir uns selbst das Zeugniß geben können, sie hat nichts an mir, und eben deshalb vorsichtiglich wandeln unter allen Umständen als die Weisen, und nicht als die Unweisen; überall aber vorzüglich dem Geist der Liebe Raum geben. Dann werden wir auf dem Wege sein, daß wenn auch die Welt gegen uns auftritt, sie doch nichts an uns hat. Und so schließt der Herr damit, Aber auf daß die Welt erkenne, daß ich den Vater liebe und ich also thue wie mir der Vater geboten hat, stehet auf und lasset uns von hinnen gehen. M. g. F. Laßt uns doch einen Augenblikk verweilen bei diesem denkwürdigen Aufstehen und von hinnen gehen. Denn nun stand er auf mit seinen Jüngern aus dem Saale wo er das lezte Mahl mit ihnen gehalten hatte nach dem Zeugniß der anderen Evangelisten, und ging nach Gethsemane. Hätte er seine Schritte nicht anders leiten können? So würde ihn Judas nicht gefunden haben; und wenn der erste Versuch gescheitert wäre, so hätte ihm begegnen können was er nachher in der Nacht wünscht, daß wenn es möglich sei der Kelch an ihm vorübergehen möge; so hätte er auf eine Zeit lang, wenn es auch nicht mehr gewesen wäre, seinen Jüngern den Schmerz der Trennung erspart, und selbst die künftige Leitung des göttlichen Geistes noch mehr vorbereiten können durch Gespräche mit ihnen. Aber nein, er lenkt seine Schritte dahin, wo er wußte daß der Verräther ihn suchen würde. Warum thut er das? Er sagt, Auf daß | die Welt erkenne, daß ich den Vater liebe und ich also thue wie mir der Vater geboten hat. Was für ein Gebot des Vaters war denn das, was ihn nun schon und unter diesen Umständen, nicht etwa im allgemeinen, diesen Weg führte, auf welchem er seinem Tode entgegenging? M. a. F., es ist kein anderes als das, welches unsere Vorfahren in das schöne Wort zusammengefaßt haben, Fürchte Gott, thue recht, scheue niemand. Denn eine Scheu wäre es gewesen, wenn der Erlöser seine Schritte anders wohin gelenkt hätte. Und ein vollkommenes Rechtthun wäre es nicht gewesen; denn ihm lag es ob, als treuer Befolger des göttlichen Gesezes, von welchem er von Anfang an so bestimmt die Sazungen der Menschen getrennt hatte, wie er eben zu dem Feste gekommen war, auch die Tage des Festes in der Hauptstadt des Volkes zu vollenden, und auch an diesem heiligen Gebrauch desselben Theil zu 8–10 Vgl. Eph 5,15 23 Vgl. Mt 26,39
17–19 Vgl. Mt 26,17–29; Mk 14,12–25; Lk 22,7–23
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nehmen, wie er es immer gethan seitdem er das erstemal mit seinen Eltern hinaufgegangen war zu diesem Zwekke; das lag ihm ob, und gehörte zu seinem Rechtthun. Wenn aber er vermieden hätte dorthin zu gehen, wohin er beschlossen hatte zu gehen und auch angekündigt: würden nicht die Obersten des Volks bei sich selbst haben sagen können, er habe es wol gewußt, daß sie seiner warteten, aber er sei ihnen aus dem Wege gegangen; würden sie nicht mit Recht den Verdacht auf ihn geworfen haben, daß er es gescheut habe mit seinen Werken an das Licht zu treten, da er doch selbst sagt, daß wer arges thut das Licht hasse, und sich scheue an das Licht zu kommen, damit seine Werke nicht gestraft werden, und daß jeder solle mit seinen Werken an das Licht kommen, damit dieselben offenbar werden. Das würde ihn getroffen haben, und das wäre eine Verlezung gewesen von dem Gebote seines Vaters in dem innersten seines wie jedes menschlichen Herzens. Und an diesem Worte müssen wir alle halten. Nur dadurch | und in sofern hat der Fürst dieser Welt nichts an uns, als wir auf dem Wege Gottes wandeln, und recht thun, und niemand scheuen, weder so daß wir die Wahrheit den menschlichen Gemüthern verheimlichen; denn wir sind schuldig sie zu offenbaren, damit sie ihre Wirkung thue; noch auch so, daß wir dem was eine feindselige Gewalt gegen uns unternimmt aus dem Wege gehen, sofern sie in einer wahren Verbindung und in einem wirklichen Zusammenhange mit uns steht, und etwas von uns zu fordern hat. So sagt der Herr, Auf daß die Welt erkenne, daß ich den Vater liebe und ich also thue wie mir der Vater geboten hat, d. h. daß ich immer und unter allen Umständen thue was er geboten hat, Lasset uns von hinnen gehen. Und dieser Gang m. g. F. ist der Segen der Welt geworden, und hat das Werk der Versöhnung vollendet. Aber eben so gewiß laßt uns auch vertrauen, daß es immer der Segen der Welt sein wird, was uns auch selbst begegnen mag, wenn wir hier den Fußtapfen des Herrn folgen, und treu und einfältig wandeln auf dem Wege des Rechts, und wo uns der Zusammenhang des menschlichen Lebens in allen seinen Sitten und Einrichtungen leitet, immer das Gebot des Vaters im Herzen und sein ewiges Wort, welches sich uns durch den Sohn kund gegeben hat, festhalten. Dann wird der Friede auf uns ruhen, den er den seinigen gegeben hat; dann wird der Geist Gottes sein Werk an unsern Seelen in Ruhe und ohne Störung weiter führen, und wir werden dahin kommen, daß wir auch von uns sagen können, daß wir den Vater lieben und so thun wie er uns geboten hat. Amen.
1–2 Vgl. Lk 2,41–52
9–12 Vgl. Joh 3,20
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Am 25. Juni 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeugen:
Andere Zeugen:
Besonderheiten:
5. Sonntag nach Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Mt 13,22 a. Drucktext Schleiermachers; in: Magazin von Festpredigten 5, 1827, S. 295–313 Wiederabdrucke: SW II/4, 1835, S. 687–702; 21844, S. 739–754 – Sämmtliche Werke, ed. Grosser, Bd. 5, 1877, S. 562–575 b. Nachschrift; SAr 93, Bl. 1r–30v; Slg. Wwe. SM, vermutl. Andrae Texteditionen: Keine Nachschrift; SN 594/2, Bl. 1r–16r; vermutl. Andrae (Textzeugenparallele zu b.) Nachschrift; SAr 115, S. 57–69; Sethe Nachschrift; SFK 1, Bl. 29r–41v; nicht identifizierter Nachschreiber Teil der am 28. Mai 1826 begonnenen Predigtreihe über Gleichheit und Ungleichheit bei der Ausbreitung des göttlichen Worts Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
a. Drucktext Schleiermachers 295
Der gute Same im Kampfe mit den Dornen. Te x t .
Matthäi 13. V. 22.
M. a. F., wenn wir uns in einer Gegend befänden, wo die Hand des Menschen ihr Werk noch nicht begonnen hat, und wir sähen aus dem Boden eine große Fülle von Gewächsen aller Art hervorsprießen, möchten dann auch jene widrigen und stachlichten darunter seyn, welche die Worte unseres Textes bezeichnen: so würden wir uns doch freuen an der Fülle der Lebenskraft, wovon uns das ein Zeugniß gäbe. Wo aber der Mensch schon gewaltet und seine Herrschaft begründet hat, wo er den Boden mühsam pflügt und den Schweiß seines Angesichts daran gewendet, um von gutem ausgestreueten Samen auch eine belohnende Erndte zu erzielen: da erregt uns jene freiwillige Fülle, je 10–11 Vgl. Gen 3,17.19
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üppiger sie ist, nur um desto mehr Bedauern und Mißfallen. Wir möchten da gar nichts Anderes sehen, wäre es auch das lieblichste, das schönste und freundlichste Gewächs, sondern nur, was aus dem gestreuten Samen hervorgesprossen ist. Aber, wenn nun gar das Unkraut und die Dornen das, was gesäet ist, ganz ersticken, das ist dann der traurigste Anblick, der uns werden kann. Zu diesem aber führt uns unser Text; noch ein solches unglückliches Geschick der menschlichen Seele stellt er uns dar, n äm l i c h d e n Unt erg a ng des g öt tlich e n Wo r t e s in derselben durch einen unglücklichen Kampf, wie der Herr selbst sein Wort erklärt, mit den Sorgen der Welt und dem | Betrug des Reichthums. Das laßt uns also jetzt zum Gegenstande unserer Betrachtung machen. Laßt uns zuerst sehen: wie es denn damit zugeht, und wie dieses unglückliche Ergebniß herbeigeführt wird? dann aber auch: was denn geschehen kann, um dasselbe zu verhindern, und was uns demnach obliegt, damit ein so unglücklicher Erfolg immer seltener werde, und am Ende gar nicht mehr vorkomme in der christlichen Kirche? I. Wenn wir uns nun zuerst fragen, m. g. Fr.: wie es denn damit zugeht, daß das göttliche Wort auf diese Weise erstickt wird? ach! so dürfen wir uns auf eine gewiß für uns Alle nicht seltene Erfahrung berufen. Wer sollte es leider wohl nicht in seiner Nähe erlebt haben, daß junge Gemüther die beste Hoffnung geben, zu gedeihen für das Reich Gottes, daß sie gern und leicht den eingestreuten Samen in das Innere des Herzens aufnehmen; aber späterhin, und am meisten, wenn jene verderbliche Hitze über sie kommt, geht dann dieses Unkraut und diese Dornen auf. Sie werden von dem Strudel der Welt ergriffen; sie gefallen sich in den mancherlei argen Gedanken, welche aus dem Boden des menschlichen Herzens von selbst aufsprießen; und wenn wir sie dann in der Mitte der irdischen Laufbahn erblicken, so zeigt sich uns gewiß nicht selten eben dieses traurige Schauspiel, welches uns der Erlöser hier schildert. Wenn wir aber uns fragen, m. g. Fr.: woher denn diese Sorge der Welt und dieser Betrug des Reichthums und die üppige Kraft, mit welcher sie emporschießen, und den schon früher aufgegangenen und im Wachsthum begriffenen guten Samen überwachsen? so laßt uns nur zuerst eine Vorstellung beseitigen, zu welcher freilich die Ausdrücke Christi in unserem Texte einige Veranlassung geben. Wenn wir hören von der Sorge der Welt, so denken wir nur gar zu leicht an diejenigen unter unseren Brüdern, welche am meisten mit der Noth der Erde zu kämpfen haben, welche von der Last dieses Lebens gedrückt sind, und, weil sie schon die angestrengteste Thätigkeit anwenden müssen, um den ersten Bedürfnissen desselben für sich und die Ihrigen zu genügen, nichts mehr thun können, um
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den Samen des gött|lichen Wortes, der auch in ihre Seelen ausgestreut worden ist, weiter zu pflegen. Hören wir hingegen von dem Betruge des Reichthums, so denken wir wiederum am meisten an die traurige Bethörung, welcher diejenigen ausgesetzt sind, die sich in dem Besitze des Reichthums befinden. Aber, m. g. Fr., ganz so ist es wohl nicht von Christo gemeint. Die Sorgen der Nahrung freilich eignen vornehmlich denjenigen unter unseren Brüdern – und die Anzahl derselben ist allerdings überall bedeutend, wo das Leben schon eine sehr zusammengesetzte und verwickelte Gestalt angenommen hat – welche auf einer so ungünstigen Stufe stehen, daß sie sich keiner heiteren Sicherheit auch für die unmittelbare Zukunft erfreuen und zu dem angenehmen Gefühle einer äußerlichen Zulänglichkeit des Lebens nicht gelangen. Aber die Sorgen der Nahrung sind auch nur ein kleiner Theil von der Sorge der Welt, welche Christus im Auge hat, und von den übrigen Gestalten derselben sind auch diejenigen nicht frei, welchen mitten in der Fülle der äußeren Güter ihre Stelle angewiesen ist. O, die Sorgen des Ehrgeizes, der immer höher emporstrebt in der menschlichen Gesellschaft, immer weiter um sich greifen will mit seinen Kräften, immer mehr von den gemeinsamen menschlichen Dingen dem eigenen Willen und der eigenen Macht zu unterwerfen sucht, – diese können nur in einer solchen Seele entstehen, welche in die Fülle des äußeren Lebens hineingestellt ist. Und die Sorgen der Menschenfurcht, welche bei dem Gedanken erschrickt: die Gunst derer zu verlieren, von deren Wohlwollen eben am meisten die Fortdauer eines angenehmen Zustandes und die Aussicht, ihn noch zu erhöhen, abzuhängen scheint, diese so sehr drückenden, und die menschliche Seele nicht selten so tief erniedrigenden Sorgen, wo finden wir sie häufiger, als bei denen, die durch ihre Geburt oder durch ihre Anstrengungen schon den freieren Raum gewonnen haben in der menschlichen Gesellschaft, wo sie dasjenige kosten und genießen, was eine Frucht der Gunst ist und des Beifalls. So ist es denn näher betrachtet nicht anders; bei einer Lebensweise, wie die unsrige, finden wir die Sorgen der Welt überall, unter einer an|deren Gestalt hier, unter einer anderen dort. Ja sie mögen wohl ziemlich gleich vertheilt seyn unter die Armen und unter die Reichen, unter diejenigen, welche beneiden, und unter diejenigen, welche als die Beneidenswerthen erscheinen in Beziehung auf ihr irdisches Loos. Aber der Betrug des Reichthums? ja, jener traurige Betrug, der mit allen seinen zerstörenden und einen kurzen Leichtsinn nur allzu streng und lange bestrafenden Folgen so oft sein Wesen treibt vor unseren Augen, daß nämlich diejenigen, welche in dem Besitze des Reichthums sind, wähnen, daß sie daran etwas Festes und Sicheres haben, und dann plötzlich wie aus einem Traume erwachen, wenn die Wahrheit in ihrer ganzen Strenge vor ihnen steht: daß es mit dem
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Reichthume und der klugen Geschicklichkeit, ihn festzuhalten, nicht anders ist, wie in jenem Kinderspiele, wo man glauben sollte, Etwas werde durch eine Menge fest verschlungener Fäden gehalten, und plötzlich sieht man, es hängt so frei, daß es durch eine einzige leise Bewegung zu Boden fällt. Ja, diesem nach aller Erfahrung sich immer auf’s Neue wiederholenden Betruge des Reichthums sind nur jedesmal die Wohlhabenden in der bürgerlichen Gesellschaft ausgesetzt. Aber, m. g. Fr., der weit allgemeinere Betrug des Reichthums ist der: daß die Menschen immer noch und immer wieder glauben: eben dieses, was gleißt und glänzt, sey das wahre Gold des Lebens; daß sie, weil Viele ohne den Reichthum so wenig befriedigt sind, von ihrem Daseyn immer wieder wähnen, die wahren Freuden des Lebens hängen auf irgend eine Weise mit dem zusammen, was feil ist für die todten Schätze dieser Welt; der Betrug des Reichthums ist der, wenn wir meinen: wir würden uns einer sicheren Ruhe erfreuen in unserem Gemüthe, wir würden aller irdischen Besorgniß entnommen seyn, ja erst dann recht die Freiheit fühlen und das Leben genießen, wenn wir eine größere Menge von diesen äußeren Gütern besäßen. Das ist der Betrug des Reichthums, dem die Dürftigen eben so sehr ausgesetzt sind, als die Reichen selbst. Und wenn er die Letzteren immer festhält und immer wieder auf’s Neue verlockt und bezaubert, ohnerachtet ihre Erfahrung sie | nüchtern machen sollte: so wird er den Ersteren die Quelle einer immer ungestillten Sehnsucht, unter welcher ihnen das irdische Leben vergeht. So ist denn der Betrug des Reichthums, wie die Sorge der Welt, ebenfalls derselbe für Alle, für die, welche den Reichthum besitzen, und für diejenigen, welche, wenn auch noch so vergeblich, nach demselben vielleicht nicht einmal trachten, weil sie es doch für unmöglich halten, ihn zu erreichen, aber sich doch danach sehnen. Demohnerachtet können wir uns das nicht abläugnen, m. g. F., es würde solche Sorgen der Welt und einen solchen Betrug des Reichthums gar nicht geben, wenigstens mit dem gegenwärtigen nicht zu vergleichen, wenn nicht in der menschlichen Gesellschaft diese große Ungleichheit wäre, vermöge welcher eben die Einen arm sind und unvermögend, die Anderen aber mächtig und reich. Setzen wir uns in Gedanken zurück auf den ersten einfachen Zustand der menschlichen Gesellschaft, so denken wir uns auch darin weder jene Sorge, noch diesen Betrug: sondern indem die Menschen dort einander so ziemlich gleich sind entweder in dem Kampfe, den sie Einer wie der Andere zu kämpfen haben gegen die Unfreundlichkeit der Natur, oder auch in den Begünstigungen, welche sie von derselben erfahren, so erscheint Keiner dem Anderen anders, als er sich selbst sieht. Sie stehen insge-
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sammt unter einem und demselben Gesetze; und wie es in ihren Verhältnissen nichts giebt, was sie täuschen kann, so auch wiederum nichts, was ihr Gemüth aufregt zu einer besonderen Sorge, weil gar nicht so mannigfaltige Gestalten des Lebens ihnen vor Augen stehen, gegen welche sie suchen müßten sich zu verwahren, oder auf welche sie ihr Verlangen und ihre Sehnsucht richten könnten. Denken wir uns, m. g. Fr., einen Zustand, wie er vielleicht niemals gewesen ist, und wenigstens nirgends vor Augen liegt, aber den wir doch an und für sich betrachtet als möglich anerkennen müssen, daß nämlich bei einer gleichen Entwickelung der mannigfaltigsten Thätigkeit, wie wir sie bei uns finden, bei einem gleichen Grade von gesicherter und geordneter Herrschaft über die natürlichen Kräfte, und bei einer | eben so sorgfältigen und zweckmäßigen Verzweigung der Beschäftigungen, wie sie nothwendig ist, um diesen Zustand zu erhalten und zu vervollkommnen, doch übrigens die Verhältnisse auf eine von der unsrigen so ganz verschiedenen Weise geordnet wären, daß der Unterschied an Reichthum und Macht zwischen dem Einen und dem Anderen in der Gesellschaft viel geringer wäre, als jetzt: gewiß würde das gemeinsame Leben dann jenem einfachen und ursprünglichen, was die Sorge der Welt und den Betrug des Reichthums anlangt, weit ähnlicher seyn, als das unsrige. Was Jedem für Wechsel bevorstehen könnten, ließe sich viel leichter übersehen, und so hätte auch Jeder um so viel weniger von der Sorge der Welt, als auch schon die größere Gleichheit eine größere Sicherheit mit sich bringt. Und weil Jedem Alles bekannter wäre, indem Alles näher zusammenläge, so wäre auch weniger vorhanden, was durch trügerische Vorspiegelungen überlisten könnte. Wohl aber möchte Jemand sagen: ja, wenn dem so wäre, so wäre wohl die Sorge nicht und der Betrug des Reichthums nicht; aber die Lust! die Lust! diese gefährliche Mitgabe des Menschen, der es ja natürlich ist, wenn sie empfangen hat, die Sünde zu gebähren, würde diese dann auch nicht seyn, ohnerachtet doch eine Menge von Mitteln, jedes Verlangen zu befriedigen, in der Gesellschaft verbreitet wären? oder würde sie deßhalb den Einen weniger reitzen, weil auch die Uebrigen einen ziemlich gleichen Antheil an ihr haben können? Denn die Eitelkeit freilich sucht nur das Ausgezeichnete und Besondere, und für sie verliert seinen Werth, was gemein wird; aber die Lust lockt gewöhnlich nur um so stärker, je weiter wir sie verbreitet sehen, und die Befriedigung, wie die Versuchung, wächst eher, als daß sie abnimmt durch die Menge der Gefährten. – Freilich, m. g. Fr., ist das Alles nicht zu läugnen, und in einer anderen Erklärung unseres 28–30 Vgl. Jak 1,15
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Gleichnisses, wie sie aufgezeichnet sind, – denn es sind uns deren mehrere aufgezeichnet, – finden wir auch zwischen die Sorge der Welt und den Betrug des Reichthums ausdrücklich die Wollust des Lebens eingefügt. Aber ich | möchte doch sagen, eben daraus, daß nicht alle Evangelisten diesen Ausdruck gezeichnet haben, welche doch unser Gleichniß vortragen, scheine schon hervorzugehen, daß dieser Punkt auch von dem Erlöser selbst in seiner Rede am wenigsten sey hervorgehoben worden. Indessen soll ich euch, m. g. Fr., meine Meinung über diese Sache recht deutlich machen, so muß ich euch bitten, mir mit euren Gedanken hieher noch ein wenig zu folgen. Wer wollte es wohl abläugnen, daß so manches Gemüth auch auf diese Weise untergeht unmittelbar in irgend einer Art der sinnlichen Lust des Lebens, wenn Eines zu zeitig gefangen wird von der Gewalt der Sinnlichkeit, denn indem eine so bezauberte Seele nach einer Unendlichkeit des Genusses strebt, und sich immer wieder in denselben Strudel hineinstürzt, muß sie, es kann nicht anders seyn, je länger je mehr die Fähigkeit verlieren, sich zu der höheren Stufe eines geistigen Daseyns zu erheben, sich, wenn auch spät, doch endlich loszumachen von dem Vergänglichen, um Liebe zu dem Ewigen zu gewinnen. Ja ich gebe auch gerne zu, wenn es überhaupt lohnt, solche Vergleichungen anzustellen, daß dieses die unwürdigste Art ist, wie der Same des göttlichen Wortes erstickt wird durch den überhäuften Genuß der sinnlichen Freuden; aber die häufigste ist es gewiß nicht. Denn Viele, denen zuletzt auch nichts übrig bleibt, als sich in diesen Genuß hineinzustürzen, haben ihn nicht ursprünglich gesucht, sondern sie sind in den Sorgen der Welt und dem Truge des Leichtsinns verstrickt gewesen, und da schon ist der gute Same so gut als erstickt, und erst nachdem auf diese Weise das ganze Tichten und Trachten der Seele zusammengezogen war und herabgewürdigt, hat sich ihr der sinnliche Genuß allmählig empfohlen als eine Erholung nach den irdischen Mühen, als ein Trost nach mißlungenen Bestrebungen. Das Alles habt Ihr gewiß Alle zu oft erlebt, als daß ich mich nicht sollte getrost auf Euch selbst berufen können. Bringen wir nun dieses mit in Rechnung: so sehen wir bald, wie richtig der Erlöser die Sinnenlust an und für sich nicht besonders herausgehoben hat als dasjenige, wodurch die aus dem guten Samen schon aufgeschos|senen Halme erstickt werden. Denn auch das kann man nicht sagen, daß Alle, welche sich abquälen in den 1 wie sie aufgezeichnet sind] vielleicht Plural als constructio ad sensum; möglicherweise sind die Worte nach der Einfügung der Parenthese denn es sind uns deren mehrere aufgezeichnet nur versehentlich nicht gestrichen worden; vgl. die unter b. gebotene Nachschrift, SAr 93, Bl. 10r: in einer andern Erklärung unsers Gleichnisses, wie sie aufgezeichnet sind, fügt der Herr auch zwischen die Sorge der Welt und zwischen den Betrug des Reichthums die Wollust des Lebens ein
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Sorgen der Welt und sich müde äffen lassen von dem Wege des Reichthums, dabei eigentlich doch die Sinnenlust in Gedanken haben und Alles um ihretwillen thun. Vielmehr gereicht Vielen unter ihnen gerade dieses, daß sie die Sinnenlust verehren, zum Fallstrick, so daß sie doch meinen, es sey etwas Edleres in ihnen, ohnerachtet die göttliche Saat gar kein Leben mehr zeigt in ihrer Seele. Wenn nun aber gefragt wird: wie es denn zugehe, daß der gute Same von den Dornen erstickt wird, wenn die ihm feindselige Gewalt der Sinnenlust nicht dabei im Spiele ist? so mögen diejenigen es selbst sagen, denen dieß begegnet ist. Wenn wir sie nun fragen: warum ihnen denn das Leben des Frommen so wenig gefällt, was sagen sie wohl, oder was lassen sie sich merken? Ist es nicht dieses, daß es ihnen zu still ist und zu einfach, zu wenig bewegt und sich zu wenig hervorthuend; in dem ihrigen dagegen rühmen sie die lebendige Mannigfaltigkeit der Verhältnisse und der Zustände, die Rastlosigkeit der Bewegung und des Umschwungs. Diesem Reitze einer immer wechselnden Geschäftigkeit nach außen, eines scheinbar thätigen Sichselbstverlierens in den äußeren Dingen, erliegt das höhere Leben. Und laßt uns nicht vergessen, daß auch die Ausdrücke des Erlösers ganz vorzüglich geeignet sind, dieß zu bezeichnen. Denn die Dornen und das Unkraut sind doch auch ein Leben, und es sind dieselben Thätigkeiten der Erde und der Luft, des Lichtes und der Sonne, vermöge welcher Dornen und Unkraut hervorwachsen, und vermöge welcher der gute Same zum Keimen, zum Wachsthum und zur Reife gebracht wird. Aber das Leben, welches sich an den Sorgen der Welt und dem Betruge des Reichthums nährt, übertrifft jenes andere an scheinbarem Reichthume und größerer Mannigfaltigkeit, und nimmt die Seele gefangen durch den Wahn: daß Vieles immer mehr sey, als Keines. Ist es aber einmal im Besitze, die Nahrungssäfte an sich zu ziehen, so muß das Andere immer mehr verkürzt werden und nur zu bald untergehen. Denn jenes läßt keine Rast und keine Muße; im|mer giebt es etwas zu erreichen oder abzuwenden, Verbindungen anzuknüpfen oder zu erhalten, immer lockt etwas oder droht etwas. Wird nun so alle Zeit in Anspruch genommen von dem Leben in den weltlichen Dingen; müssen immer diejenigen freundlich erhalten werden und zum Mitwirken angefeuert, welche Unterstützung leisten können unter den Sorgen dieser Welt; wird es immer wieder nöthig, sich gemeinsam mit denen zu ermuntern und zu trösten, welche in demselben unseligen Betruge des Reichthums befangen sind: so fehlt es natürlich zuerst an Zeit, die herzliche Verbindung mit Solchen zu unterhalten, die, weil sie mit allen ihren Kräften dem Reiche Gottes dienen, auch am besten im Stande sind, in unbefestigten Gemüthern die Saat des göttlichen Wortes zu pflegen. Dann fehlt es an Zeit, an den öffentlichen Erbauungen der Christen
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Theil zu nehmen und dadurch die Saat des göttlichen Wortes zu erquicken; die ewige Wahrheit, so schmeicheln sie sich, lebe ja doch im Herzen, sie treibe und warne sie, lobe und tadle noch immer mit ungeschwächter Kraft. Aber immer sparsamer vermag sie sich hervorzudrängen, immer weniger wird sie vernommen; was Wunder, wenn zuletzt alle Lebensregung aufhört und so das erfolgt, was der Erlöser hier weissagt: daß die gute Saat gänzlich erstickt wird und ohne Frucht bleibet. Dieß, m. g. Fr., ist der Hergang in einem Gemüthe, welches sich mit seinem ganzen Tichten und Trachten immer mehr den Dingen dieser Welt hingiebt, und bald ganz von den Gegenständen der Sorge, von den Täuschungen und dem Betruge des Reichthums eingenommen ist, so daß der guten Saat allmählig aller Zusammenhang mit dem belebenden Lichte und der erfrischenden Luft entzogen wird. Fragen wir nun: wie es denn in dieser Hinsicht bei uns stehe? so dürfen wir wohl sagen, in vieler Hinsicht besser, als sonst. Wir finden unsere kirchlichen Zusammenkünfte nicht mehr so verödet, als früher, und Niemand kann mehr wähnen, es sey, um ihnen Theilnehmer zu gewinnen, das Beste, wenn auch hier am meisten die Rede sey von den Sorgen der Welt und dem Betruge des Reichthums, um | Rathschläge der Klugheit und Vorsicht und Hülfsmittel zum Gelingen mitzutheilen. Es giebt nicht mehr bestimmte Klassen, weder solcher, die von den dürftigsten Sorgen des Lebens gedrückt, noch solcher, die am meisten dem Betruge des Reichthums ausgesetzt sind, welche sich gänzlich ausschlössen von denjenigen Veranstaltungen, wodurch der Same des göttlichen Wortes im Großen gepflegt und begossen wird; vielmehr dürfen wir gestehen, mögen wir nun auf die Regeln des christlichen Lebens, oder auf die Formen der öffentlichen Erbauung und auf die Gestaltung der kirchlichen Einrichtungen sehen, so müssen wir gestehen, es ist in den verschiedensten Gegenden der Gesellschaft ein lebendiges Interesse an diesen Gegenständen wieder erwacht; man hört hie und da auch in den geselligen Zusammenkünften der Menschen theils ausdrücklich die Rede sich wenden auf jene großen geistigen Angelegenheiten, theils auch ist, selbst indem sie die Dinge dieser Welt besprechen, doch immer das Auge mit auf dasjenige gerichtet, was das wahre Heil der Menschen fördern kann, und sicher stellen. So ist es; aber wir wissen auch, was uns allein zu Hülfe gekommen ist, welches Ungewitter von Oben die üppigen Dornen zerschlagen hat, daß die schon ganz darunter versteckte gute Saat wieder Luft und Licht gewinnen konnte. Aber sollen wir nun Rechenschaft davon 37–40 Anspielung auf die preußischen Reformen von 1807–1811, die auch als „Revolution von oben“ bezeichnet worden sind.
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geben: ob dieß auch überall so geschehen ist, daß wir mit Zuversicht behaupten dürfen, Unkraut und Disteln könnten sich nicht wieder erholen, und das Geschick des Feldes und der Erndte nicht noch einmal zweifelhaft werden; wird gefragt: ob es nicht Felder genug giebt, die immer noch einen sehr zweideutigen und verdächtigen Anblick gewähren, und auf welchen eine große Mischung statt findet von gutem Samen und Unkraut: so werden wir wohl gestehen müssen, noch mit Vielen stehe es so, daß eine größere Weisheit, als die unsrige ist, dazu gehört, um den Ausgang zu leiten oder auch nur vorherzusehen. Ist also die Gemeine des Herrn auch bei uns noch gar nicht ein so reines und gesichertes Feld, als sie es seyn sollte, nun so muß dieß unsre Sorge seyn, und das ist keine Sorge der Welt, sondern eine | Sorge für das Reich Gottes, in welchem wir leben, wie wir das Feld des Herrn gegen solche Verwilderung sicher stellen, und die gute Saat vor dem Emporwachsen der Dornen und des Unkrauts beschützen können. Und das laßt uns denn in dem zweiten Theile unserer Betrachtung mit einander untersuchen. II. Wenn es ein Mal geschehen ist, m. g. Fr., wenn das Unkraut und die Dornen so emporgewachsen sind, daß sie den guten Samen erstickt haben, und der Herr des Feldes geht an demselben vorüber und betrachtet es: was für einen Entschluß kann er fassen? O dann ist die Zeit gekommen, von welcher der Herr anderwärts sagt, daß er seinen Dienern befehlen wird, nicht sowohl zu erndten, denn erndten heißt nur die Frucht des guten Samens einsammeln, und von dem ist hier keine zu hoffen, aber doch, daß sie die Dornen und das Unkraut abschneiden und sammeln und es mit Feuer verbrennen. Das ist freilich ein Gericht, m. a. Fr., aber es ist nicht das Ende, sondern wenn so die Dornen verbrannt sind zur rechten Zeit, und ihr der Zukunft gefährlicher Same mitzerstört ist: dann kann die Asche, wenn sie mit untergepflügt wird, die wohlthätigste Wirkung haben auf die Fruchtbarkeit des Bodens; und wenn hernach von Neuem guter Same gestreut wird, so wird der Herr des Feldes vielleicht in Zukunft Ursache haben, zu bezeugen: auch diese traurige Zeit der wachsenden Dornen sey nicht vergeblich gewesen, denn das Feld, welches sonst dreißigfältig getragen hätte, trägt dann vielleicht sechszigfältig oder hundertfältig. Das aber, m. g. Fr., ist die Hülfe, die nur der Herr der Erndte selbst geben kann, und die wir nicht vermögen herbeizuführen. Ja es wäre ein sträflicher Vorwitz, wenn wir uns anmaßen wollten, über Andere zu ihrer Prüfung und Läuterung Leiden zu verhängen und so in des Höchsten eigenes Amt einzugreifen. Seine Sache nur ist es, sol4–7 Anspielung auf Mt 13,24–30
22–26 Vgl. Mt 13,30
34–36 Vgl. Mt 13,8.23
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che Seelen in das reinigende Feuer der Trübsal zu führen, in denen der Same des göttlichen Wortes erstickt ist von den Dornen und dem Unkraute. Auf diese Weise in einem Feuer, worin Alles zerstört wird, was seines üppigen freiwilligen Wuchses wegen dem Menschen den Schein | eines kräftigen Lebens gab, in der Seele durch die Schmerzen der Buße den Keim eines höheren Lebens zu entwickeln, und durch die bitteren Erfahrungen des bisherigen in vergeblichen und unwürdigen Bestrebungen hingebrachten Lebens den letzten noch übrigen Theil desselben desto mehr zu bewahren und zu kräftigen, das ist das Werk Gottes allein. Aber wohl freilich denjenigen, seyen es nun nur Einzelne, denen das begegnet durch eine besondere Schickung, oder sey es ein großer Theil der lebenden Gesellschaft, dem es begegnet, zufolge allgemeiner Trübsale und Nöthen, wohl immer denen, die so, wie der Apostel sagt, als ein Brand aus dem Feuer gerettet werden. Was wir aber zu thun vermögen, m. g. Fr., das darf demnach nicht auf irgend eine außerordentliche Weise geschehen, nicht durch etwas aus der Regel Herausgehendes, sondern nur durch die Regel selbst, daß sie die richtige Einrichtung des ganzen Lebens, daß sie eine solche gottgefällige und das Reich Gottes fördernde Ordnung sey, durch welche dann der Einzelne schon früh gehalten wird, indem sie dem Aufschießen der Dornen ungünstig, dem göttlichen Samen aber förderlich ist. Wenn man die verschiedenen Erzählungen und Erklärungen dieses Gleichnisses in den Evangelisten liest, so bleibt es zweifelhaft, ob Christus, als er sagt: Einiges sey unter die Dornen gefallen, gemeint habe, daß die Dornen schon seyen aufgegangen gewesen, oder ob er nur ein Land habe anzeigen wollen, in welchem schon viel Samen solchen Unkrautes verborgen und zum Keimen bereit gelegen habe. Aber so viel ist doch gewiß, daß dem guten Samen in der Seele das Schlimmste um desto gewisser bevorsteht, je zeitiger das Unkraut den Vorsprung vor ihm gewinnt. Daher liegt uns gewiß dieses zuerst ob: dafür zu sorgen, daß der Same des göttlichen Wortes zeitig aufgehe, zeitiger, als die Dornen und das Unkraut. Dieses aber werden wir immer in unserer Gewalt haben, wenn unsere häusliche Lebensordnung, – denn in diesem zarten Alter, welches ich hier meine, sind doch die Kinder mit Recht ganz auf das Haus beschränkt, – wenn also dieses nur auf Zweierlei eingerichtet ist. | Zuerst nämlich, daß auch im Hause der göttliche Same ausgestreut werde; denn geschieht dieses nur auf die rechte Weise, die jungen Gemüther, dafür haben wir eine 4 seines] sinees 14 Vgl. 1Kor 3,15
25 Vgl. Mt 13,7; Mk 4,7; Lk 8,7
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freudige und sehr allgemeine in unserer Kirche verbreitete Erfahrung, sind willig genug, die göttlichen Worte des Lebens in sich aufzunehmen und zu bewahren, am meisten, wenn nicht ein ordentliches Geschäft daraus gemacht, aber von selbst jeder schickliche Augenblick dazu benutzt wird. Aber eben so nothwendig ist, daß das Leben zweitens darauf eingerichtet sey, die Jugend recht lange fern zu halten von allen den bunten Erscheinungen, durch welche nur zu leicht der Betrug des Reichthums sich in die Seele schleicht, von allen den verworrenen Auftritten, worin die Sorge der Welt ihr dem Anschein nach glänzendes und gewinnreiches, immer aber verderbliches Spiel treibt. Gelingt es uns, sie während dieser Zeit der ersten geistigen Entwickelung in der Stille des häuslichen Lebens bewahrt zu halten: so dürfen wir hoffen, daß der Same des göttlichen Wortes, ungestört von den Disteln und dem Unkraut, nicht nur nach unten zu Wurzeln schlagen und sich im Boden befestigen, sondern auch nach oben zu keimen und in die Höhe schießen werde. Ja alle ersten Aeußerungen eines kindlich frommen Gemüths seyen uns in dieser Hinsicht ein günstiges Zeichen und eine frohe Bürgschaft, daß wir schon etwas nicht Unbedeutendes gewonnen haben über die Dornen und das Unkraut, und ihnen wenigstens einen schweren Kampf bereitet in der Seele, so daß wenn sie sich hernach doch zeigen, was wir freilich nicht leicht werden ganz verhüten können, sie doch gewiß nicht mehr das ganze Erdreich beziehen werden. Wenn nun aber die Zeit kommt, da wir eine solche Bewahrung nicht mehr fortsetzen können, weil die Jugend doch einen Vorschmack bekommen muß von der Welt, in welcher sie bald auch eine Stelle einnehmen soll, wenn wir dann verhüten wollen, daß nicht doch, während das Gute und Schöne nur langsam gedeiht, die Dornen, sind sie erst einmal aufgegangen, ihr schnelles Wachsthum zum Verderben des guten Samens entwickeln, dann kommt es zunächst darauf an, daß wenn die jun|gen Gemüther die Prahlereien des Reichthums und die viel umfassenden Anstalten der Sorge erblicken, sich alsdann nicht die erwachende Lust zu diesen Bildern geselle. Denn geschieht dieses, so kündigen sich alle jene Unholde als Diener der Lust an, und diese führt sie in die Seele ein, und auf diese Weise entsteht jene Gefahr: an der Unersättlichkeit des Verlangens auch bei dem Uebermaße der Befriedigung zu Grunde zu gehen, welches wir für das unwürdigste Verderben des guten Samens schon erklärt haben. Wenn wir es doch dahin bringen könnten, daß die niedere Sinnenlust gar nicht erwachte in den Gemüthern! wenn es gelänge, ein ganz reines Feld darzustellen, auf welchem von diesem Unkraute gar nicht erst etwas davon aufginge! nicht wegen Dürftigkeit des Bodens, sondern so, daß desto üppiger und dichter die edle Saat emporwachse!
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Wo scheint der Erlöser das nicht stillschweigend vorauszusetzen, wo er hernach von dem fruchtbaren Felde redet? Es ist ein natürliches Verlangen nach Wohlbefinden in allem Lebendigen, das vermögen wir nicht auszurotten, und wenn wir ihm auch nie einräumen sollen, das letzte Ziel des Lebens zu seyn, unterdrücken können und sollen wir es auch nicht. Aber, m. g. Fr., ist nur einmal der Same des göttlichen Wortes in der Seele zu einem ersten freudigen Wachsthume gelangt, so giebt es auch gleich ein Wohlbefinden, welches von diesem ausgeht. Das ist die Freude an dem Herrn, wie auch junge Gemüther ihrer empfänglich sind, die Freude an der Uebereinstimmung des Lebens mit dem immer mehr erwachenden und sich besinnenden Gewissen, an einem frei von bitteren Mißstimmungen hingleitenden Daseyn, an dem gegenseitigen Geben und Empfangen der Liebe. Suchen wir die Seele hierbei festzuhalten und sie an dieser Befriedigung fortzuleiten, daß sie sich gerne in einem solchen Lebensstrome bewege; können wir es dahin bringen, daß, auch wenn der Natur der Sache nach der Lebenskreis der Jugend sich allmählig erweitert, doch Alles an diesen innersten Kern anschieße und im Zusammenhange mit diesem bleibe: dann werden wir wohl gethan haben, was wir konnten, und mehr möchte nicht in unserer Gewalt stehen, um sie zu be|wahren, daß sie nicht in den Strudel der niederen Sinnenlust versinke und keinen Geschmack an ihr gewinne, wenn auch diese sich ihr anbietet und sich bei ihr einschmeicheln will; denn gewiß wird dann weniger Gefahr seyn von diesen üppigen Dornen, daß sie den Samen des göttlichen Wortes ganz überwachsen und unterdrücken könnten. Dieß also, m. g. Fr., ist unsere Aufgabe in Beziehung auf die eine rechte Ordnung, und die wahrhaft christliche Art des häuslichen und auch des geselligen Lebens, so weit es auch der Jugend geöffnet seyn muß. Verstehen und lösen wir sie recht, so wird keine Gefahr seyn, daß die Jugend aus Dürftigkeit und Mangel an Befriedigung sich der niederen Lust hingebe. Denn es ist nicht so, daß alles Anmuthige und Schöne, was uns die Welt darbietet, im Widerspruche stände mit einer solchen geistigen Lebensfreude; sondern eine reiche Fülle des Genusses, nur daß er einfach sey und klar, kann sich anschließen. Die ausschließende Strenge aber wird nur zu leicht zur schweren Verschuldung. Denn wahr ist es und bleibt es, daß die menschliche Seele, je unerfahrener und also je unbefriedigter, desto mehr sich nach dem Unbekannten, und also auch nach dem Verbotenen, ausstreckt. Nichts verwehren und versagen, so fern es als eine Gabe Gottes kann dargeboten und angenommen werden; aber Alles nur in der Gestalt darbieten und empfehlen, wie es sich mit dem einiget, was das Tichten und Trachten 1–2 Vgl. Mt 13,8.23
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des geistigen Lebens ist, so aber auch Alles aufnehmen, um mit diesem die ganze Welt, so weit sie in eines Jeden Lebenskreis hineintritt, zu umfassen, dadurch werden junge Gemüther am besten geschützt gegen die Verführungen der Lust, die ihnen später entgegengetreten. Haben sie zeitig dem Edleren und Schöneren Geschmack abgewonnen, so werden sie sich nicht leicht an dem schmutzigen und geschmacklosen Treiben des bloß sinnlichen Genusses sättigen wollen. Aber wenn sie nun hernach sehen, wie es bei denen, die am meisten gelten in der Gesellschaft, nicht die unmittelbare Sinnenlust ist, worauf es hinausläuft mit dem Betruge des Reichthums, sondern daß es die Freuden der Eitelkeit oder der | Macht und der Herrschsucht sind, weßhalb sich so Viele verstricken in die Sorge der Welt: werden sie dann nicht von diesem Glanze desto leichter geblendet und zur Nachfolge gereitzt werden, weil sie sich stark fühlen gegen die Lust? Wohl müssen wir es Alle eingestehen, daß diese Gefahr noch immer nicht gering ist unter uns, und daß durch zahlreiche und eben so lockende als gefährliche Beispiele die befiederten Samen dieser Dornen nur allzu ungescheut in viele junge Gemüther geschnellt werden. Woher aber, m. a. Z., als weil leider unter uns das große Wort des Herrn: „Niemand kann zween Herren dienen,“ noch immer nicht so anerkannt ist, daß es als die Ordnung unseres ganzen öffentlichen Lebens hervortritt, daß es als die hervorgehende Sitte erscheint, alle äußeren Güter nur als Mittel zur Erfüllung unseres gemeinsamen menschlichen und christlichen Berufs zu gebrauchen, daß danach zuerst der Werth aller derer, welche dem öffentlichen Urtheile vorzüglich ausgesetzt sind, geschätzt wird, ob sie in jedem Betrachte darüber hinaus sind, sich und das Ihre zu suchen. Wenn dieß der Jugend überall entgegenträte, uns diejenigen nur als bedauernswerthe mit dem öffentlichen Tadel belegten Ausnahmen erschienen, welche sich abmühen auf eine selbstsüchtige Weise: dann könnte es keine bessere Sicherheit geben für das Gedeihen der Saat des göttlichen Wortes auch gegen dieses Unkraut. Noch aber ist das Gefühl, daß die menschliche Seele, ohne sich selbst zu zerstören, keine solche Spaltungen vertragen kann, lange nicht allgemein genug! Noch wird dem viel zu wenig widersprochen, daß man könne dem Herrn dienen, wie Christus gethan hat, aber doch die eigene Ehre suchen, wie er nicht gethan hat! Noch wird seine große Regel: Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes, zu häufig so mißverstanden, als ob wir demnächst dann nach allem An30 keine bessere Sicherheit] so auch SW II/4, S. 699, und ed. Grosser, S. 573; Textzeuge: keine Sicherheit 20 Mt 6,24
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deren trachten könnten und nicht, wie er es gemeint hat, daß wir dann zu erwarten hätten, wie uns das Andere zufallen werde! In dem Maße nun, als dieß noch fortbesteht, werden wir immer noch dem Mißwachse ausgesetzt seyn, welcher immer erfolgen muß, wenn dieses Unkraut überwächst. Wie herrlich wäre es, wenn wir | Alle dem Erlöser diesen Dienst leisteten, vor der Welt den Beweis zu führen von der Wahrheit dieses Wortes, und den tiefen Sinn desselben Allen vor Augen zu legen! Seht auf den Apostel, von dessen Wirksamkeit wir am meisten Kenntniß haben! Wer suchte weniger seine eigene Ehre, wer war mehr der Diener aller Anderen, und wer wußte doch besser sich das gebührende Ansehen zu bewahren, und sich auf der Stelle, die Gott ihm angewiesen hatte, zu schützen und sicher zu stellen? Achtete Einer wohl mehr Alles für Schaden, auf daß er Christum gewinne? Und doch konnte er so herzlich ermahnen, jedem Lobe nachzutrachten und Allem, was ehrbar ist und wohl lautet! So muß ja doch wohl Alles, was wahrhaft Ehre bringt und Lob, Alles, was wohl lautet in einem gesund gebildeten Ohre, sich auch mit jenem einzigen Streben und Trachten in Vereinigung bringen lassen. Indeß wenn wir auch für die Zukunft hoffen, es werde sich in der christlichen Welt immer mehr dahin gestalten, daß Allem nur in dem Maße deßhalb ein Werth beigelegt werde, weil es beiträgt zum Reiche Gottes: so ist doch für jetzt die Zahl derer, welche nach dieser Regel einhergehen und es durch die That beweisen, daß der Mensch auf der einen Seite vollkommen genug hat an dem Tichten und Trachten nach dem Reiche Gottes, daß er aber auch auf der anderen Seite dadurch für nichts verschlossen und unempfänglich gemacht wird, was irgend verdient in seine Seele aufgenommen zu werden, diese Anzahl ist für jetzt noch zu klein, als daß jene Zeit nahe seyn könnte, wo die traurige Weisheit, nach den Dingen dieser Welt zu trachten und es Gottes Sorge seyn zu lassen, ob Alles am Reiche Gottes fortbestehen kann, keine Anhänger mehr findet untern den Christen, wo der vergebliche Versuch, das Herz zu theilen zwischen Gott und dem Mammon, gar nicht mehr vorkommt, und also auch der Betrug des Reichthums und die Sorge der Welt der christlichen Jugend nirgends vor Augen gestellt wird. Bis dahin also, und so lange dieser Anblick nicht kann verhütet werden, und also auch jene Dornen und jenes Unkraut sich noch in allen | Gegenden unserer Felder zeigen: was ist zu thun? – Ich weiß nur Eines, m. gel. Fr. Laßt uns der Jugend, so zeitig wir können, eine recht tiefe und heiße Liebe einflößen zur wahren Freiheit. Ihr wißt ja, wie sehr der Erlöser selbst diese uns als unser höchstes Ziel aufstellt, 8–9 Gemeint ist Paulus. 9 Vgl. Joh 7,18 10 Vgl. Mk 9,35; 10,44 Phil 3,8 14–15 Vgl. Phil 4,8 31–32 Vgl. Mt 6,24
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und uns verheißt, daß er selbst uns frei machen wolle durch die Wahrheit, und wie in der Schrift überall von der Freiheit der Kinder Gottes geredet wird. Ist nun unsere Jugend schon erstarkt gegen die niedere Lust: so hat sie schon einen Vorschmack von dieser Freiheit, und es gilt nur noch, ihr zu zeigen, daß auch alle jene Bestrebungen, welche den Geist in die Sorgen der Welt verwickeln, und durch welche er immer wieder dem Betruge des Reichthums verfällt, nichts Anderes sind, als eine glänzende Knechtschaft; die wahre Freiheit aber nur bei denen wohnt, welche haben, als hätten sie nicht, und eben deßhalb keiner Täuschung und keinem Betruge des Reichthums ausgesetzt sind, mögen sie nun haben oder nicht; nur bei denen, welche sich freiwillig, aber auch ausschließend, hingeben in den Dienst der Gerechtigkeit, und dann auch von sich sagen können: „wir werden verfolgt, aber wir gehen nicht unter; wir beweisen uns als Diener Gottes unter Ehre und Schande, unter guten Gerüchten und bösen Gerüchten, als die Traurigen, aber allezeit fröhlich.“ Die erhebende Freude an solcher Freiheit ist die beste Hülfe für die zarteren Pflanzen des göttlichen Wortes in jungen Gemüthern, wodurch sie erstarken und nicht mehr können erstickt werden vom Unkraut, wenn dieses auch in die Höhe schießen will, sondern es wird niedergehalten werden und unschädlich gemacht. Um diesen Sinn zu erwecken, haben wir die ganze christliche Geschichte vor uns mit tausend glänzenden Beispielen einer Seelenstärke und eines Heldenmuthes, wie nur der Geist aus Gott sie bewirken kann. Und ist der Sinn dafür aufgeregt durch jene großartigen Erscheinungen der Apostel und Märtyrer und Zeugen: o so werden wir dasselbe auch im Kleinen wieder finden, Jeder in seinem Bereiche. Ja, es giebt wohl Keinen unter uns, die wir im häuslichen Leben, oder in öffentlichen Geschäften, einen leitenden Ein|fluß auf die Jugend ausüben, der nicht mannigfaltig aufgefordert seyn sollte, sich ebenfalls als einen solchen freien Diener Gottes zu zeigen, so daß die Jugend, je mehr sie diesen Versuchungen entgegenwächst, auch um desto mehr Veranlassung hat, die wahre Freiheit mit jener glänzenden Knechtschaft des Betruges und der Sorge zu vergleichen. So laßt uns die Sache angreifen, und Keiner halte seinen Antheil daran für etwas Geringes, worauf nichts ankommen könne! Vielmehr da wir überall von solchen umgeben sind, in denen die Saat des göttlichen Wortes einer stärkenden Hülfe bedarf: so werden wir hieran am sichersten wahrnehmen können, daß unser Leben nicht eine vergebliche Arbeit ist in dem Herrn. Denn mißlingt auch das Meiste in seiner eigentlichen Absicht, theils, indem wir manches Gute und Förderliche 1–2 Vgl. Joh 8,32 2–3 Vgl. Röm 8,21 2Kor 6,3–10 38–39 Vgl. 1Kor 15,58
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Jeder in dem Kreise seines Berufes nicht zu Stande bringen, weil der Herr es erst einer späteren Zeit aufbewahrt hat, theils, indem wir manchem hereinbrechenden Unheile nicht wirksamen Abstand zu halten vermögen; wir haben aber dabei ein von allen Nebenabsichten freies, rein und lauter auf den Willen Gottes gerichtetes Streben bewiesen: so werden wir immer etwas Gutes in schwachen Gemüthern bewirkt haben durch die Kraft des Beispiels, welches sich an die große zusammenhängende Ueberlieferung christlicher Tugend anschließt. So laßt uns denn insgesammt mit dieser köstlichen Gabe des Geistes, dem lauteren und unverfälschten Willen, rechtschaffen haushalten und Treue darin beweisen: so werden wir auch insgesammt etwas beitragen zum Schutze und Fortkommen der Saat, deren Gedeihen immer der sehnlichste Wunsch unseres Herzens bleiben möge, daß sie von Dornen nicht erstickt werde. Amen. Schl.
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b. Nachschrift Predigt am fünften Sonntage nach Trinitatis 1826. |
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Tex t. Matth. XIII, 22. Der aber unter die Dornen gesäet ist, der ist es, wenn jemand das Wort hört, und die Sorge dieser Welt und Betrug des Reichthums erstikt das Wort, und bringet nicht Frucht. M. a. F. Wenn wir uns in einer Gegend befänden, wo die Hand des Menschen ihr Werk noch nicht begonnen hat, und wir sähen aus dem Boden eine große Fülle von Gewächsen aller Art hervorsprießen, möchten dann | auch die dornigen und stachligen darunter sein welche die Worte unsers Textes bezeichnen: so würden wir uns doch freuen an der Fülle der Lebenskraft, wovon uns das ein Zeugniß gäbe. Wo aber der Mensch schon gearbeitet hat, wo er den Boden der Erde mühsam gepflügt hat und den Schweiß seines Angesichts daran gewendet um einen guten und fruchtbaren Samen zu streuen: da sehen wir das alles nur mit Bedauern und mit Mißfallen, da möchten wir gar nichts anderes, auch nicht das | lieblichste das schönste 18 Wort] Wört 9–11 Wohl Anspielung auf 1Petr 4,10 sowie Lk 12,42; 1Kor 4,1–2; 12,31 28 Vgl. Gen 3,17.19
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und freudigste Gewächs sehen, sondern nur was aus dem gestreuten Samen hervorgesprossen ist. Aber wenn nun gar das Unkraut und die Dornen das was gesäet ist ganz erstiken, das ist der traurigste Anblik der uns werden kann. Zu dem führt uns nun unser Text. Noch ein solch unglükliches Geschik der menschlichen Seele stellt er uns dar, nämlich den Untergang des göttlichen Wortes in derselben in einem vergeblichen Kampf, wie der Herr es erklärt, mit den Sorgen der Welt und dem Betrug des Reich|thums. Das m. g. F. laßt uns also jezt zum Gegenstand unsrer Betrachtung machen. Laßt uns zuerst sehen, wie es denn damit zugeht und wie dieses unglükliche Ereigniß herbeigeführt wird; dann aber auch zweitens, was denn geschehen kann um dasselbe zu verhindern, damit es immer seltener werde und am Ende ganz verschwinde aus der christlichen Kirche. I. Wenn wir uns nun zuerst fragen m. g. F. wie denn das zugeht: ach so dürfen wir uns auf eine gewiß für uns alle nicht seltene Er|fahrung berufen. Wer sollte es nicht erlebt haben, daß junge Gemüther die beste Hoffnung geben zu gedeihen für das Reich Gottes, daß sie gern und leicht den eingestreuten Samen in das Innere des Herzens aufnehmen, aber späterhin geht dann dieses Unkraut und diese Dornen auf, und wenn wir sie dann in der Mitte der irdischen Laufbahn erbliken, o gewiß nicht selten sehen wir dann dieses traurige Schauspiel, welches uns der Erlöser vor Augen stellt. Wenn wir aber nun fragen m. g. F., woher denn nun diese Sorgen und dieser Betrug | des Reichthums, und die eigenthümliche Kraft mit welcher sie emporschießen und das schon ausgestreute Wort Gottes überwachsen? so laßt uns nur zuerst eine Vorstellung beseitigen, zu welcher uns freilich die Ausdrüke des Herrn in unserm Texte einige Veranlassung geben. Wenn wir hören von der Sorge der Welt, so denken wir nur gar zu leicht an diejenigen unter unsern Brüdern, welche am meisten mit der Noth der Erde zu kämpfen haben, welche von der Last dieses Lebens gedrükt sind, und weil es ihnen schwer wird die | Bedürfnisse desselben zu befriedigen, nicht mehr thun können um den Samen des göttlichen Wortes in der Seele zu pflegen. Wenn wir hören von dem Betrug des Reichthums, so denken wir am meisten an die traurige Bethörung, welcher diejenigen ausgesezt sind die sich in dem Besiz des Reichthums befinden. Aber m. g. F. so ist es nicht. Freilich die Sorgen der Nahrung, das sind die welche eigenthümlich sind jener großen Zahl unsrer Brüder auf dieser Erde, die in einem zusammengesezten und verwikelten mensch|lichen Leben auf der ungünstigen Stufe stehen, daß es ihnen schwer wird die nothwendigen Bedürfnisse des irdischen Daseins zu befriedigen. Aber diejenigen welche sich in der Fülle des Lebens befinden, sind sie etwa frei von der Sorge der Welt, von welcher der Herr redet? O die Sorgen des Ehrgeizes immer weiter emporzustreben in der menschlichen Gesellschaft, immer weiter zu reichen mit seinen Kräften, immer mehreres
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seiner eigenen Macht und seinem eigenen Willen zu unterwerfen, sie können nicht eher in der Seele ent|stehen als bis eine gewisse Fülle des Lebens da ist. O die Sorgen der Menschenfurcht, der Bangigkeit die Gunst derer zu verlieren, von deren Wohlwollen eben am meisten der angenehme Zustand, in welchem sie sich befinden, abzuhängen scheint, diese so sehr drükenden, so sehr die menschliche Seele erniedrigenden Sorgen, wo finden wir sie anders als bei denen, die durch ihre Geburt oder durch ihre Anstrengung schon so weit Raum gewonnen haben in der Gesellschaft, daß sie dasjenige kosten und genießen was eine Frucht der Gunst ist und des Beifalls. Ja m. g. F. | die Sorgen der Welt wir finden sie überall, unter einer andern Gestalt hier, unter einer andern dort, ach sie sind gleich vertheilt unter die Armen und unter die Reichen, unter diejenigen welche beneiden, und unter diejenigen welche als die beneidenswerthen erscheinen in Beziehung auf ihr irdisches Loos. Aber der Betrug des Reichthums, ja der traurige Betrug, dessen Wirkungen wir so oft in einem Leben wie das unsrige ist vor unsern Augen entstehen sehen, wenn diejenigen welche in dem Besiz desselben sind glauben, daß | sie daran etwas Festes und Sicheres haben, und dann plözlich verschwindet was auf eine solche Weise gehabt wird, und an so vielen mannigfaltig verschlungenen Fäden hängt, daß menschliche Geschiklichkeit und menschliche Klugheit sie am Ende nicht mehr festhalten konnte in der so bethörten Hand: ja freilich das ist der Betrug des Reichthums, dem nur die Wohlhabenden in der bürgerlichen Gesellschaft ausgesezt sind. Aber m. g. F. der Betrug des Reichthums, daß wir alles für wahres Gold, für das Gold der Seele halten, was schimmert und glänzt; der Betrug | des Reichthums das für wahre Freude des Lebens zu achten was auf irgend eine Weise feil ist durch die Schäze dieser Welt; der Betrug des Reichthums als ob wir eine Sicherheit haben würden für unser Gemüth, als ob wir entnommen sein würden aller irdischen Besorgniß, als ob wir die Freiheit fühlen und das Leben genießen würden erst wenn wir eine größere Menge von diesen äußern Gütern besäßen, das ist der Betrug des Reichthums, dem die Dürftigen eben so sehr ausgesezt sind als die Reichen; und wenn er die | lezteren festhält und immer weiter lokt von einem Ort zum andern, so ist er bei den ersteren die Quelle einer immer ungestillten Sehnsucht, unter welcher ihnen das irdische Leben vergeht. Der Betrug des Reichthums m. g. F. er ist ebenfalls derselbe für die welche den Reichthum besizen, und für die welche wenn auch noch so vergeblich nach demselben vielleicht nicht einmal trachten, weil sie es für unmöglich halten ihn zu erreichen, aber sich doch danach sehnen. Demohnerachtet können wir uns das nicht ableugnen m. g. F., es würde keine Sorge der Welt und | es würde keinen Betrug des Reichthums geben, wenn nicht in der menschlichen Gesellschaft 9 und des Beifalls] so Drucktext, S. 297; vgl. SFK 1, Bl. 31v: und des Reichthums ; Textzeuge: ebenfalls
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diese große Ungleichheit wäre, vermöge welcher eben die Einen arm sind und die Andern reich. Sehen wir zurük auf die ersten einfachen Zustände der menschlichen Gesellschaft, da finden wir weder diese Sorge noch jenen Betrug, sondern indem die Menschen da so ziemlich gleich sind, einen und denselben Kampf zu kämpfen haben mit den Bedürfnissen des Lebens, auf einer und derselben Stufe der Befriedigung stehen: so erschei|nen sie sich als unter dem Einen und demselben Gesez der Nothwendigkeit, darin es nichts giebt was sie täuschen kann, aber auch nichts was ihr Gemüth aufregt zu einer besondern Sorge, weil gar nicht so mannigfaltige Gestalten des Lebens ihnen vor Augen stehen, auf welche sie ihr Verlangen und ihre Sehnsucht richten. Denken wir uns m. g. F. einen Zustand, wie er vielleicht niemals gewesen ist, wie er uns wenigstens gewiß nicht gegeben ist, wie wir ihn aber doch als etwas Mögliches erkennen können, wo die | Menschen auf eine solche Stufe der Thätigkeit gestellt wie wir, in einem eben solchen Grade Herrn der natürlichen Kräfte, und eben so getheilt in verschiedene Beschäftigungen um diesen Zustand zu erhalten und immer mehr zu erweitern, doch in einem solchen Verhältniß gegen einander lebten daß der Unterschied zwischen den Einen und den Andern viel geringer wäre als jezt: gewiß unser gemeinsamer Zustand würde dann jenem ersten und ursprünglichen viel näher kommen. Viel klarer lägen dann alle die verschiedenen Mög|lichkeiten des Lebens vor eines Jeden Augen, und es gäbe weniger was ihn betrügerisch überlisten könnte; und indem nun die Gleichheit eine gewisse Sicherheit gewährt, so wäre auch weniger Grund die Sorge in dem Gemüthe aufgehen zu lassen. Wohl aber möchte jemand sagen, ja wenn dem so wäre, so wäre wohl die Sorge nicht und der Betrug des Reichthums nicht; aber die Lust, diese gefährliche Gefährtinn des Menschen auf dem Wege dieses Lebens, würde sie auch nicht sein, wenn doch eine Menge von Mitteln sie zu befriedigen in der menschlichen | Gesellschaft es verbreitet gäbe, und alles auch vieles was sie aus dem Innern der Seele hervorlokt? Wenn auch die Menschen in Beziehung auf die Mittel sie zu befriedigen einander gleich wären, hängen sie deswegen an der Lust weil Einige sie gewähren können Andre nicht? Freilich m. g. F., und in einer andern Erklärung unsers Gleichnisses, wie sie aufgezeichnet sind, fügt der Herr auch zwischen die Sorge der Welt und zwischen den Betrug des Reichthums die Wollust des Lebens ein. Aber ich möchte doch sagen, eben deshalb weil | das nicht alle diejenigen aufgefaßt haben welche uns die Rede des Herrn wiedergeben, so muß dies auch dasjenige sein was er am wenigsten hervorgehoben hat. Und gewiß m. g. F. um diese ganze wichtige Angelegenheit recht zu verstehen, müßt Ihr mir mit Euern Gedanken hieher noch ein wenig folgen. Freilich wir können es ja nicht leugnen, daß auch gar manches Gemüth untergeht in der Lust des Lebens, immer weiter be32–35 Vgl. Lk 8,14
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herrscht wird von der Gewalt der Sinnlichkeit, und dann in dem Genuß selbst untergeht, indem es immer mehr die Fähigkeit | verliert sich einer höheren Stufe des geistigen Daseins zu erheben, sich loszumachen von dem Vergänglichen um an dem Ewigen zu hängen. Aber wenn wir vergleichen wollen m. g. F. die Zahl derer, welche nun wirklich untergehen und in denen das göttliche Wort erstikt wird durch den Genuß der Lust, mit denen in welchen es erstikt wird durch eben die den Menschen immer von sich selbst entfernende, immer ihn nach außen und nach den Dingen der Welt richtende Thätigkeit, welche aus der Sorge der Welt und aus dem traurigen Be|trug des Reichthums entsteht; wenn wir diejenigen vergleichen in denen das Wort Gottes untergeht durch Übersättigung des Genusses, mit denen in welchen es untergeht dadurch, daß sie beständig für den Genuß arbeiten und sich den Genuß vorbereiten, ohne jemals eine Fülle desselben, welche der Mühe und der Anstrengung werth wäre, in ihrem Leben zusammenzubringen: o gewiß eine geringe Anzahl, kaum der Mühe werth gegen die andern gestellt zu werden, müßten uns die Ersteren erscheinen. Aber in der unsäglichen | Geschäftigkeit, die ein Kind der Sorge ist und der Bethörung des Reichthums, dadurch geht das göttliche Wort unter, dadurch wird die Richtung des Gemüths auf das Ewige untergraben und erstikt, so daß am Ende von ihr nichts mehr zu finden ist. Je mehr sich der Mensch in dieser Sorge der Welt und in diesem Betrug des Reichthums an die äußerlichen Dinge hängt, desto mehr wird er abgeführt von den wahren Bedürfnissen seines Innern, und verliert den Sinn für die höheren Genüsse in dem Gebiet des geistigen Lebens, weil er | sich nur dem hingiebt was in der Welt zu thun ist und zu schaffen. Und so m. g. F. ist auch der Ausdruk des Erlösers zu verstehen und überwiegend geeignet uns zu beruhigen, daß er sagt, der gute Same erstike unter dem Unkraut und unter den Dornen welche ihn überwachsen. Nämlich diese sind auch ein Leben, und es ist dieselbe Thätigkeit der Erde, derselbe Lauf und dasselbe Licht der Sonne, aus welchen die Dornen und das Unkraut hervorwachsen, als welche den guten Samen zum Keimen, zum Wachsthum und zur Reife bringt. Aber diese Thätig|keit sie nimmt den Menschen so hin, daß er dann keine Zeit finden kann für andre und höhere Beschäftigungen seines Geistes; daß er weil noch dieses oder jenes zu erreichen ist oder abzuwehren, weil hier oder dort eine Gefahr droht oder ein Lohn lokt, es immer aufschiebt sich mit demjenigen zu beschäftigen, wodurch der Same des göttlichen Wortes zu einem fruchtbaren Gedeihen kommt. Indem er sich einmal mit denen auf mancherlei Weise verbindet und sich ihnen verbrüdert fühlt, welche ihn unterstüzen können | in der Sorge dieser Welt, und mit ihren Bestrebungen und ihrem Dasein verwikelt sind in den Betrug des Reichthums: so versäumt er und vernachlässigt die Verbindung mit denen, die weil sie in dem Reiche Gottes leben, weil sie dem mit allen ihren Kräften und mit ihrem ganzen Dasein dienen, im Stande sein würden den Samen des göttlichen Wortes
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in ihnen zu unterhalten und zu fördern. Und so sehen wir den ganzen Hergang des menschlichen Lebens und eben diesen | traurigen Weg des Verderbens, den so viele Seelen einschlagen; hier sehen wir wie allmälig die guten Regungen des Gemüths, die sich schon mächtig zu zeigen begannen, wie die allmälig ersterben und nicht mehr hervorgerufen werden können, weil das Tichten und Trachten des Menschen ganz und gar hingenommen ist von den Dingen dieser Welt, von den Gegenständen der Sorge, von den Täuschungen und dem Betrug des Reichthums. Ja m. g. F., wenn wir auch nicht mehr so viel Ursache haben dieses als | eine alltägliche Erfahrung zu bedauern, wie es wirklich zu andern Zeiten der Fall gewesen ist; wenn wir auch sagen müssen, es giebt jezt wohl nicht mehr irgend eine bestimmte Klasse der menschlichen Gesellschaft, möge sie nun zu denjenigen gehören, welche am meisten dem Betrug des Reichthums den sie haben ausgesezt sind, oder am meisten zu denjenigen, welche von den dürftigsten Sorgen des Lebens hingenommen sind, es giebt keine mehr die sich ausschlösse von demjenigen in unserm Leben, | wodurch der Same des göttlichen Wortes begossen und gepflegt wird, wir finden unsre kirchlichen Zusammenkünfte nicht mehr verödet in Beziehung auf diesen oder jenen einzelnen Theil der Gesellschaft, sondern es ist ein über das Ganze verbreitetes Interesse an denselben wieder erwacht, und hier und dort hört man in den Gesellschaften der Menschen, indem sie in Gesprächen ihre Ansichten unter einander austauschen, die Gemüther sich hinwenden auf die großen und ewigen Angelegenheiten des menschlichen Daseins, | und indem sie die Dinge dieser Welt besprechen, ist doch immer unter ihnen die Rede von dem, was das wahre Heil des Menschen fördern kann und sicher stellen. Dennoch wenn wir fragen, wie groß ist die Zahl derer in den verschiedenen Ordnungen der menschlichen Gesellschaft, von welcher wir sagen können, der Same des göttlichen Wortes in ihnen ist sicher gestellt, die Dornen werden ihn nicht mehr überwachsen, im Gegentheil sie sind zurükgedrängt und werden selbst allmälig verwelken oder | verschwinden? wie groß ist die Zahl derselben im Vergleich mit denen, bei welchen uns das Schiksal des Feldes und die Ernte noch zweifelhaft erscheint, und mit denen, von welchen wir fürchten müssen, die Dornen und das Unkraut werden doch am Ende noch den Sieg davontragen über den guten Samen? ja wenn wir uns diese Frage aufwerfen: so werden wir uns sagen müssen, die Gemeinde des Herrn ist auch unter uns noch nicht das was sie sein soll; es giebt noch viel solch zweideutiges und verküm|mertes Feld, auf welchem eine große Mischung ist von Waizen und Unkraut, daß eine größere Weisheit als die unsrige ist dazu gehört den Ausgang vorherzusehen und zu leiten. Eben deshalb muß es unsre Sorge sein – und das ist keine Sorge dieser Welt, sondern eine Sorge für das Reich Gottes in welchem wir leben – wo und 36–38 Anspielung auf Mt 13,24–30
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wie wir irgend etwas thun können, um immer noch weiter zu gedeihen in unsrer Sicherheit für das Gedeihen des göttlichen Wortes in unsrer Mitte, immer noch mehr Mittel in Hän|den zu haben um das Emporwachsen der Dornen und des Unkrauts zu verhindern. Und das laßt uns denn in dem zweiten Theil unsrer Betrachtung mit einander untersuchen. II. Wenn es einmal geschehen ist m. g. F., wenn das Unkraut und die Dornen so emporgewachsen sind, daß sie den guten Samen erstikt haben; und der Herr des Feldes geht an demselben vorüber und betrachtet es: was wird er für einen Entschluß fassen? O dann ist die Zeit gekommen, | von welcher der Herr anderwärts sagt, daß er seinen Dienern befehlen wird – aber von dem guten Samen ist dann keine Ernte zu hoffen – aber doch wird er ihnen befehlen daß sie die Dornen und das Unkraut abschneiden und sammeln sollen und es mit Feuer verbrennen. Aber doch ist dieses Gericht nicht das lezte m. g. F., sondern wenn so die Dornen verbrannt sind zur rechten Zeit und der gefährliche Same mitverbrannt ist: o dann kann die Asche, wenn sie mit untergepflügt wird, die wohlthätigste | Wirkung haben auf die Fruchtbarkeit des Bodens; und wenn dann von neuem der Same ausgestreut wird, dann mag es vielleicht in Zukunft geschehen, daß auch diese traurige Zeit der wachsenden Dornen nicht vergeblich gewesen ist, und das Feld, welches sonst dreißigfältig getragen hätte, trägt dann vielleicht sechszigfältig oder hundertfältig. Das aber m. g. F. ist die Hülfe, die nur der Herr der Ernte selbst geben kann, und die wir nicht vermögen herbeizuführen, ja es auch nicht dürfen wenn wir es | auch vermöchten, weil es hieße ihm in sein einiges Amt eingreifen. Daß er durch das Feuer der Trübsal diejenigen Seelen führt und bewährt, in welchen der Same des göttlichen Wortes erstikt ist von den Dornen und dem Unkraut; daß er die Seelen in einem Feuer, worin alles zerstört wird was denselben den Schein der Fruchtbarkeit und des Wohlbefindens gab, läutert, und dann nach den Erfahrungen von dem größten Theil eines in vergeblichen und in unnüzen Bestrebungen hingebrachten Lebens dem | lezten Theil desselben eine neue und höhere Kraft giebt: das ist das Werk Gottes allein; und wohl denjenigen, seien es nun nur Einzelne denen es begegnet durch ein besonderes Geschik, oder seien es große Theile der menschlichen Gesellschaft denen es begegnet zufolge allgemeiner Trübsale und Nöthe, wohl denen, die so wie der Apostel sagt aus dem Feuer noch gerettet werden zum Leben. Was wir aber thun können m. g. F. das kann auf keine andre Weise geschehen als durch eine richtige Einrichtung des ganzen Lebens, | durch eine solche gottgefällige und das Reich Gottes fördernde Ordnung, durch welche der Einzelne gehalten wird und eine solche Regel des Lebens entsteht, welche 11–14 Vgl. Mt 13,30
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dem Aufschießen der Dornen ungünstig, dem gedeihlichen Emporkommen des Samens aber förderlich ist. Der Herr m. g. F. läßt es zweifelhaft in seiner Erklärung, ob der Same des göttlichen Wortes schon aufgegangen sei in der Seele oder nicht, deshalb wohl weil der eine Fall eben so gut stattfinden kann als der andre. Aber doch werden wir | wohl sagen müssen, was uns obliegt ist dies, zuerst dafür zu sorgen, daß der Same des göttlichen Wortes zeitig aufgehe, zeitiger als die Dornen und das Unkraut, welche erst aus den Sorgen der Welt und aus dem Betrug des Reichthums entstehen, in der Seele aufgehen können. Und das m. g. F., das haben wir in unsrer Gewalt. Ja die menschliche Seele, der Hauch aus Gott, strekt sich zeitig genug dem Göttlichen entgegen. Wenn wir es nicht versäumen den Samen des göttlichen Wortes auszustreuen in die | zarten Seelen der Kinder, so wie sie vermögen ihn aufzunehmen wenn sie noch in jener Unbefangenheit des Lebens sind, wo weder die Sorgen dieses Lebens ihr Gemüth treffen, noch der Betrug des Reichthums, der sich doch nur in den größern Gestalten und in den tiefern Verwiklungen des Lebens zeigen kann, ihr Auge verblendet; wenn wir das nicht versäumen, und sie in der Stille des häuslichen Lebens halten, bis wir hoffen dürfen daß dieser Same nach unten angefangen hat Wurzel zu schlagen, oder | bis wir ihn sehen nach außen keimen in den ersten Äußerungen eines kindlich frommen Gemüths: dann haben wir wenigstens den Dornen und dem Unkraut etwas entgegengestellt; dann haben wir wenigstens eine Kraft gegründet in der Seele, daß wenn jene emporwachsen, was wir freilich niemals werden ganz verhüten können, sie nicht allein das ganze Erdreich besizen. Aber freilich wenn wir das auch haben, wenn der göttliche Same auch aufgegangen ist in der Seele: was | ist die traurige Erfahrung? Er wächst langsam, wie alles Gute Große und Herrliche langsam gedeiht. Sind aber die Dornen erst einmal aufgegangen, ach dann haben sie ein gar schnelles Wachsthum, welches allerdings dem Vergänglichen auch eigen sein muß um zu seiner Reife und zu seinem Ziele zu gelangen; und dann geschieht es daß sie den guten Samen überwachsen und ihn erstiken, indem sie der Luft und der Sonne nicht mehr den gehörigen und hinreichenden Zugang zu denselben verstatten, da sie | über ihn emporgeschossen sind. Was nun m. g. F., was haben wir dagegen zu thun? Das ist allerdings wahr, wenn die Lust gar nicht wäre, so würde auch weder die Sorge der Welt noch der Betrug und die Täuschung des Reichthums sein, wenn es gleich wahr ist, was wir vorher gesagt haben, daß viel wenigere Seelen untergehen in der Lust als eben in der ewigen Thätigkeit, welche die Sorge der Welt und der Betrug des Reichthums veranlassen. Wie m. g. F., wie sollen wir es also machen, daß nicht die Lust empfangen | werde in dem Gemüth und eben da die Sünde gebäre? Der Mensch kann nicht sein ohne Wohlbefinden; das ist das allgemeine Verlangen alles Le24 Formulierung in Anlehnung an Mt 5,5
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bendigen. Aber m. g. F. ist nur einmal der Same des göttlichen Wortes in der Seele aufgegangen, haben wir nur die ersten Zeichen davon gesehen: giebt es dann nicht auch eine Lust, welche eben daraus hervorgeht? Ja m. g. F. wenn der Apostel sagt „freuet euch in dem Herrn, und allewege sage ich freuet euch“, oder wenn er eben so gut hätte sagen können „freuet | euch in dem Herrn allewege“: so ist ja das eine Freude, zu der wir sie sollen hinleiten können, damit sie an ihr die Genüge finden und nicht erst abweichen auf diejenigen Pfade, wo auch die vergängliche Freude zu finden ist, die nur durch die Sorge der Welt und durch den Betrug des Reichthums erreicht werden kann. Finden wir dann, daß der Friede eines Gott zugewendeten Gemüths, die Freudigkeit eines ganz dem Dienste des Herrn geweihten Lebens, daß diese in ihren Seelen aufgeht; finden wir ihre Empfänglichkeit für die|selbe immer mehr wachsen und sich stärken durch den Genuß selbst, zu welchem wir sie anleiten können: o dann wird wenig Gefahr sein, daß auch später die Dornen den Samen des göttlichen Wortes ganz überwachsen können. Und das m. g. F. kann geschehen durch eine rechte Ordnung und durch eine wahrhaft christliche Art des häuslichen und geselligen Lebens. Es ist nicht so, daß alles Anmuthige und Schöne was uns die Welt darbietet im Widerspruch stände mit der Freude an dem Herrn. Ach diejenigen welche davon ausge|hen und das zum Grunde legen, wie wohl sie es auch meinen und wie gern ich auch ihre gute Meinung anerkenne, sie legen den Grund zu einer schweren Verschuldung. Denn wahr ist es und bleibt, daß die menschliche Seele, je weniger sie erstarkt ist in einer höheren Kraft, desto mehr sich nach dem Verbotenen ausstrekt. Nicht verwehren und nicht versagen, aber in seinen ersten Keimen und Anfängen reinigen und heiligen, alles was Gott geordnet und uns gegeben hat zum Genuß, immer nur auf das Gute leiten, das | Edle und Höhere daran hervorheben, mit diesem in Verbindung bringen was das Tichten und Trachten des irdischen Lebens ist, aber auch mit diesem die ganze Welt, so weit sie in den Kreis unsers Lebens gehört, umfassen: das m. g. F. das ist es was den Samen des göttlichen Wortes stärkt und der verderblichen Saat des Unkrauts bei Zeiten ihre Lebenskraft nimmt, das ist es wodurch wir am besten die jugendlichen Gemüther schüzen können vor der Verführung, die ihnen so leicht entgegenkommt. Denn haben sie | einmal das Beßre gekostet, ist ihnen das Ewige zur Lust des Lebens und die Freude ihres Herzens geworden: o dann werden sie sich doch schwerlich zu traurigen und nichtigen Trägern des sinnlichen Genusses umwenden. – Aber dann zweitens m. g. F. das große Wort des Herrn „niemand kann zween Herrn dienen“, das muß die Ordnung unsers ganzen öffentlichen Lebens werden, darin muß 4–6 Vgl. Phil 4,4 auf Mt 13,24–30
7 Wohl Anspielung auf Joh 10,11; 2Kor 9,8 38 Mt 6,24
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sich unser ganzes gemeinsames Dasein aussprechen, eher wird es unter uns keine Sicherheit geben für die Saat des gött|lichen Wortes, und bis das geschieht werden wir noch der Mißernte ausgesezt sein, die durch das Überwachsen der Dornen entsteht. Der Herr ist damit in die innerste Tiefe der menschlichen Seele eingedrungen; sie kann keine Spaltung ertragen. Lassen wir der Welt einmal ein besonderes Recht; glauben wir daß das Tichten und Trachten nach dem Reiche Gottes nicht das ganze Leben beherrschen könne, sondern daß es noch etwas anderes geben müsse, nach dem wir zu trachten haben, nicht | dem Worte des Herrn folgend, welcher keinesweges spricht „trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und dann nach allem andern“, sondern welcher sagt „trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes, so wird euch das Andre so zufallen, daß ihr nicht danach zu trachten braucht“; kommen wir nicht dazu eine solche Einheit des Lebens hervorzurufen, daß alles Tichten und Trachten auf nichts anderes bezogen werde als auf das Reich Gottes welches unter uns gedeihen soll – und gäbe es wohl irgend etwas der Mühe Werthes in dem mensch|lichen Leben, gäbe es irgend eine lobenswerthe Bestrebung, irgend einen würdigen Genuß, dessen sich der Mensch nicht vor sich selbst und vor andern zu schämen brauchte, was nicht in Verbindung damit gebracht werden könnte: ja dann wäre das Wort des Herrn nicht wahr, dann wären alle diejenigen welche nach dem Reiche Gottes trachten im Widerspruch mit sich selbst, und dann könnte es keine andre Weisheit geben als die, trachtet nach den Dingen dieser Welt, und ob dabei ein Reich Gottes bestehen | kann oder eines daraus hervorgehen kann, das laßt Gottes Sorge sein; ein drittes aber giebt es nicht als diesen traurigen Widerspruch des Gemüths, in welchem es immer unsicher bleibt was den Sieg davontragen wird, ob der gute Same des göttlichen Wortes oder die verderbliche Saat der Dornen – so lange wir also das glauben: so lange wird noch oft das Unkraut den guten Samen überwachsen. So aber soll die christliche Welt sich gestalten, daß allem in derselben nur so viel Werth beigelegt werde als es beiträgt | zum Reiche Gottes, daß alles in dem Maaße nur geachtet werde als dieses dadurch gefördert wird und darin erscheint. Wenn das wäre, wo sollten dann wohl die Sorgen der Welt, wo sollte dann wohl der Betrug des Reichthums herkommen in einer Seele, welche von Jugend auf nur in diese Ordnung geleitet wäre, welcher das Leben in seiner ganzen Gestalt von jeher nur so erschienen wäre, und welche unter keiner andern als unter dieser Bedingung in alle irdische und weltliche Thätigkeiten hineinträte. Denn m. g. F. | wenn wir es dahin gebracht hätten, dann würden wir alle solche sein ohne Ausnahme, welche haben als hätten sie nicht, und eben deshalb keiner Täu1 eher] ehe 9–13 Vgl. Mt 6,33
39 Vgl. 1Kor 7,29–30
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schung und keinem Betrug des Reichthums ausgesezt sind, mögen sie nun haben oder nicht; dann würden wir alle solche sein welche von sich sagen können im Falle der Noth „wir werden verfolgt, aber wir gehen nicht unter; wir weinen, aber wir sind fröhlich dabei in dem Herrn“; und wie sollte dann wohl die Sorge der Welt uns jemals von dem rechten Pfade verleiten können? | Darum bleibt das Wort des Herrn wahr und der einzige Schuz für sein Reich auf Erden und die einzig richtige Leitung für alle Seelen welche noch nicht zur vollen Reife und Selbstständigkeit des höhern Lebens gelangt sind. Wenn aber nun so lange das Leben noch so gestaltet ist, daß der Zwiespalt in derselben erscheint, und auch die Jugend glaubt sich scheiden zu müssen zwischen dem Tichten und Trachten nach dem Reich Gottes und dem Tichten und Trachten nach irgend einer angenehmen und freudigen Stellung in den Verhältnissen die|ser Welt: so lange bleibt auch der unsichere Kampf zwischen beiderlei Samen in diesem Leben, und so lange schwankt noch in seinen Grundfesten das Reich Gottes auf Erden. Dazu m. g. F. laßt uns Muth fassen, und überall mit lebendigem Eifer unser großes Ziel verfolgen. Und je mehr jeder Einzelne durch sein ganzes Dasein und Leben ein erfreuliches Beispiel davon wird, daß ein solcher Streit in der menschlichen Seele nicht zu sein braucht, daß das einige Tichten und Trachten nach dem Reiche Gottes den Menschen für nichts verschließt | und unempfänglich macht, was würdig ist in seine Seele aufgenommen zu werden, und was mitgehört zu dem großen Beruf, den der Herr ihm gegeben hat, über alles auf Erden zu herrschen und sich alles anzueignen; je mehr jeder davon ein erfreuliches Beispiel wird: desto mehr werden wir alle solche sein, welche der zarten Pflanze des göttlichen Wortes in den jungen Gemüthern eine Stüze werden, an welche sie sich hinaufranken können über die Dornen die noch in der Seele vorhanden sind. Und nur in die|ser Kraft des Beispiels und wenn es weiter gedeiht in dieser Kraft eines wohl geordneten christlichen Lebens ist die Ernte des göttlichen Wortes gesichert. Dahin also m. g. F. führe uns der Herr, aber lasse auch niemand wähnen, daß sein Antheil daran etwas Geringes sei, als ob es nicht darauf ankomme. Überall sind wir ja nuzbar an denen, in welchen der Same des göttlichen Wortes eine Stüze bedarf; und wenn wir diese große Angelegenheit im Auge behalten, so werden wir alle erfahren, daß wir | alle nicht vergeblich sind, und daß wir als Haushalter mit dieser Gabe Gottes nicht wenig beitragen können zur Förderung dessen, woran wir ja alle die einige Freude unsers Herzens haben sollen und wollen. Amen.
3–4 Vgl. 2Kor 6,9–10 23 Vgl. Gen 1,26.28 34–35 Vgl. 1Kor 15,10.58; Gal 2,2; Phil 2,16 35 Vgl. 1Petr 4,10 sowie Phil 1,12.25
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[Liederblatt vom 25. Juni 1826:] Am 5ten Sonntage nach Trinitatis 1826. Vor dem Gebet. [1.] Wunderbarer König, Herrscher von uns Allen, / Laß dir unser Lob gefallen! / Deine Gnadenströme läßt du reichlich fließen, / Ob wir gleich dich oft verließen. / Freudig soll / Demuthsvoll / Unser Herz dir singen, / Laut die Stimm’ erklingen. // [2.] Jauchzet alle Himmel unserm Gott zu Ehren, / Laßt ein hohes Loblied hören! / Was da Odem holet falle vor ihm nieder, / Bringe Dank und Freudenlieder! / Ehrt den Herrn / Froh und gern, / Preiset seine Stärke, / Ihr der Allmacht Werke! // [3.] Hallelujah singe, wer den Herrn erkennet / Und in Christo Vater nennet! / Hallelujah singe, wer den Heiland liebet, / Sich von Herzen ihm ergiebet; / Wem sein Heil / Ward zu Theil, / Der wird einst dort oben / Ohne Sünd’ ihn loben. // Nach dem Gebet. – Mel. Meinen Jesum laß etc. [1.] Seele was ermüdst du dich / An den Dingen dieser Erden? / Bald verzehren diese sich, / Müssen Staub und Asche werden. / Suche Jesum und sein Licht! / Alles andre hilft dir nicht. // [2.] Sammle den zerstreuten Sinn, / Daß er auf zu Gott sich schwinge! / Richt’ ihn stets zum Himmel hin, / Daß die Gnad’ ihn ganz durchdringe. / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // [3.] Oft verlangt dich noch nach Ruh, / Dein verschmachtend Herz zu laben; / Eil der Lebensquelle zu, / Da kannst du sie reichlich haben! / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // [4.] Fliehe die unselge Pein, / Die das finstre Reich gebieret; / Laß nur den dein Labsal sein, / Der zur Glaubens-Freude führet! / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // [5.] Weißt du nicht, daß diese Welt / Ganz ein andres Wesen heget, / Als dem Höchsten wohlgefällt / Und dein Ursprung in sich träget? / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // [6.] Ja du bist ein Hauch aus Gott, / Nicht nur aus dem Nichts gebohren, / Bist erlöst durch Jesu Tod, / Und zu seinem Reich erkohren. / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // [7.] Zu der Quelle mußt du nahn, / Wo lebend’ges Wasser fließet, / Gnad’ um Gnade zu empfahn, / Die sich reichlich dort ergießet. / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // [8.] Laß im brünstigen Gebet / Sich dein Herz zu dem erheben, / Der in stiller Majestät / Dir gezeigt das wahre Leben. / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // [9.] Geh einfältig stets einher, / Laß dir nichts dein Ziel verrücken; / Dann wird an dem Liebesmeer / Ewig sich dein Geist erquicken. / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // Nach der Predigt. – Mel. Freu dich sehr etc. Amen, es geschehe, Amen, / Gott versiegle dies in mir, / Daß ich stets in Jesu Namen / Recht den Kampf des Glaubens führ. / Er, der alles Gute schaft, / Reichet mir auch Stärk’ und Kraft, / Daß ich wache, bete, ringe, / Und empor zum Himmel dringe. //
Am 2. Juli 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
6. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 15,1–7 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LXIX, S. 469– 483; König Keine Nachschrift; SAr 57, Bl. 19r–29v; Schirmer Nachschrift; SAr 115, S. 70–85; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 91r–93v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am 6. Sonntage nach Trinitatis 1826.
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Tex t. Joh. 15, 1–7. Ich bin ein rechter Weinstokk, und mein Vater ein Weingärtner. Einen jeglichen Reben an mir, der nicht Frucht bringt, wird er wegnehmen; und einen jeglichen Reben der da Frucht bringt wird er reinigen, daß er mehr Frucht bringe. Ihr seid jezt rein um des Wortes willen das ich zu euch geredet habe. Bleibet in mir, und ich in euch. Gleichwie der Rebe kann keine Frucht bringen von ihm selber, er bleibe denn am Weinstokk: also auch ihr nicht, ihr bleibet denn in mir. Ich bin der Weinstokk, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibet, und ich in ihm, der bringet viele Frucht; denn ohne mich könnet ihr nichts thun. Wer nicht in mir bleibet, der wird weggeworfen wie ein Rebe, und verdorret, und man sammlet sie und wirft sie ins Feuer, und muß brennen. So ihr in mir bleibet, und meine Worte in euch bleiben, | werdet ihr bitten was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. M. a. F. Es giebt gar viele solche Fälle in unserm Evangelio, wo wir deutlich sehen, daß der Herr die Veranlassung zu seinen Reden von den Gegenständen genommen hat die ihn umgaben, sei es nun des geselligen Lebens der Menschen, oder seien es auch die Gegenstände der Natur auf seinen sich so oft wiederholenden Wanderungen durch das Land. So wenn er redet von Blumen auf dem Felde, wie sie sich schmükken, von dem Felde welches schon reif sei zur Erndte; und eben so auch hier. Denn er war, wie es vorher 20–21 Vgl. Lk 12,27
21–22 Vgl. Joh 4,35
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heißt, Auf daß die Welt erkenne, daß ich den Vater liebe und ich also thue wie mir der Vater geboten hat, stehet auf und lasset uns von hinnen gehen, bei diesen Worten mit seinen Jüngern aufgebrochen aus dem Hause in der Stadt, wo er das Mahl mit ihnen gehalten hatte, und begab sich nun mit ihnen nach dem Garten Gethsemane. Aus dem Wege nun hat er wol angetroffen sei es nun ganze Weinberge oder wenigstens häufige an einzelnen Häusern mit besonderer Liebe gezogene und gepflegte Stökke dieses edlen Gewächses. Da fand er ein schönes und herrliches Bild, um noch einmal zu seinen Jüngern von seiner großen Bestimmung und ihrem Verhältniß zu ihm zu reden. Wenn wir aber in den Sinn dieses Bildes ganz eingehen wollen m. g. F., so dürfen wir das nicht außer Acht lassen, daß nicht nur dem Erlöser sondern überhaupt auch seinem Volke überall die Schrift des alten Bundes, für sie der Inbegriff alles guten, gegenwärtig war, und ihnen bei jeder Gelegenheit einfiel was dort ähnliches und verwandtes gesagt wird. Was lesen wir nun in der Schrift des alten Bundes von dem edlen Gewächs des Weinstokks? Vor den Zeiten der Sündfluth ist von dem|selben nicht die Rede; Noah aber ist der erste von welchem gesagt wird, daß er den Weinstokk pflanzte und einen Weinberg anlegte. Daran erinnerten sich auch gewiß ohne eine deutliche und nähere Hinweisung die Jünger des Herrn, als er diese Worte zu ihnen zu reden begann. Nun aber wird uns freilich nirgends gesagt, daß nach jener erschütternden Begebenheit irgend etwas neues auf Erden wäre geschaffen worden, sondern der Weinstokk wird schon da gewesen sein, aber ungepflanzt und ungepflegt, in einer ursprünglich geringern und wildern Gestalt, wo sein Gewächs nicht so edel und seine Frucht nicht so erquikkend war. Daher fängt der Herr seine Rede damit an, Ich bin ein rechter Weinstokk, d. h. ich bin der rechte edle Weinstokk. Das war sein großes Bewußtsein von ihm selbst, welches ihn überall begleitete und ihn beständig trieb; das war die innere Wahrheit seiner Seele, ohne welche er auch gar nicht sich selbst hätte darstellen können als den Anfänger eines neuen Lebens für die Menschen auf Erden, und als denjenigen der ein neues Reich Gottes begründen sollte. Die menschliche Natur vor seiner Erscheinung, sie war der wilde Weinstokk, und wenn er nicht gekommen wäre, so wäre niemals die edle und schöne Frucht welche die menschliche Natur in dem Garten Gottes tragen soll, sie wäre nie erzeugt worden. Aber m. g. F. laßt uns nun das nicht übersehen, wie der Herr auch sogleich von sich selbst auf seinen und unsern himmlischen Vater kommt, ganz ungleich so vielen gläubigen zwar und wohlmeinenden Christen, die sich aber doch selbst einen großen Theil von dem himmlischen Lichte der Wahrheit verdunkeln, welche meinen, daß in unserm Glauben an den Sohn und in unserer Frömmigkeit in Beziehung auf den Sohn der Vater uns 1–2 Joh 14,31
18–19 Vgl. Gen 9,20
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gleichsam zurükktreten müsse und verschwinden. Das Bewußtsein des Erlösers von seiner Beziehung auf das menschliche Geschlecht war immer kein anderes als zugleich dies, daß der Vater in ihm sei, und daß der Vater ihn gesandt habe. So sagt er auch nun | hier, unmittelbar darauf nachdem er gesagt hat, Ich bin der ächte und edle Weinstokk, – Mein Vater ist der Weingärtner, derjenige welcher ihn gepflanzt hat nicht nur, welches eben die Sendung des Erlösers wäre, von da an aber ihm alles selbst überließe; sondern er stellt seinen Vater hier dar als den Weingärtner, der nachdem er nun den edlen Weinstokk gepflanzt, auch auf alle Reben desselben seine Sorgfalt und Weisheit verwende. Und in der That m. g. F. was bliebe wol übrig von der göttlichen Vorsehung, von der göttlichen Regierung der Welt, die wir doch allein dem Vater im Himmel zuschreiben, wenn wir das davon wegnehmen wollten was sich auf die Pflanzung und Verbreitung des Reiches Gottes auf Erden bezieht, wenn wir die christliche Kirche, die aus diesem ächten und edlen Weinstokk entstanden ist, ausschließen wollten. Der Sohn ist der Weinstokk, der Vater ist der Weingärtner. So wie wir aber das denken, so müssen wir auch nothwendiger Weise an den allgemeinen Zusammenhang der Dinge denken. Er der Vater ist der welcher die Welt gegründet hat, für ihn giebt es nichts einzelnes und besonderes, sondern alles ist eins, wesentlich zusammengehörig, das einzelne nur in der Allgemeinheit, der Theil nur im ganzen, aber das ganze auch nur im Zusammensein alles dessen was zu demselben gehört und aus demselben hervorgeht. Stellt sich nun hier der Erlöser dar als den ächten Weinstokk, aber auch nur als den einen, – denn er redet nur von einem – und seinen Vater als den Weingärtner, und redet dann von dem Verhältniß des Weinstokks zu dem Reben: so müssen wir dabei, wenn wir ihn ganz verstehen wollen, nicht allein und ausschließend denken an das Verhältniß der einzelnen Seele zu dem Erlöser, sondern wir müssen unsern Blikk erweitern, und den Erlöser betrachten in dieser Hinsicht in seinem Verhältniß zu dem ganzen menschlichen Geschlecht. Es soll nun auch kein anderes Gewächs dieser Art geben, als was in den einen edlen Weinstokk, den der Vater gepflanzt hat, eingewurzelt oder aus ihm hervorgewachsen | ist. Was aber von ihm getrennt bleibt oder sich wieder von ihm trennt, das ist auch, wie wir aus der Rede des Herrn sehen, nach der göttlichen Ordnung dem Verderben preisgegeben. Und so stellt denn der Herr das Werk Gottes, nachdem er, durch welchen und in welchem sich die ganze menschliche Natur veredeln und erhöhen sollte, gepflanzt war, er stellt das Werk des Vaters gleich in seinem ganzen Zusammenhange dar in dem zweiten Verse unsers Textes, Einen jeglichen Reben an ihm, der nicht Frucht bringe, werde der Vater wegnehmen; und einen jeglichen der da Frucht bringe werde er reinigen, daß er mehr Frucht bringe.
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Sehet m. g. F., hier denkt der Erlöser schon an die Möglichkeit, daß es Reben an ihm geben könne, Menschen die in einem bestimmten Zusammenhange mit ihm stehen, aber doch keine Frucht bringen; zugleich aber sagt er von denen, daß sie nicht bleiben würden, sondern daß der Vater sie würde wegnehmen; alles aber was im lebendigen Zusammenhange mit dem Erlöser steht und aus seinem Leben hervorgegangen Frucht bringt, das werde der Vater auch immer mehr reinigen, auf daß es immer mehr Frucht bringe. Wie könnte er hiebei an etwas anderes gedacht haben als an den großen Zusammenhang des menschlichen Lebens, wie wir ihn vorzüglich in der christlichen Kirche sehen, mögen wir nun dabei den einzelnen Menschen und einen größern oder kleinern Theil der christlichen Kirche im Auge haben, oder mögen wir denken an dasjenige in dem Menschen, was den Zusammenhang mit dem Erlöser verkündigt, an den Ausdrukk des Glaubens und der Frömmigkeit, an die Handlungen die aus dem Zusammenhange mit dem Erlöser hervorgehen. Er sagt, Was von alle dem unfruchtbar ist, das wird der Vater hinwegnehmen. Wie war es aber anders möglich m. g. F., als daß nun immer doch die ursprünglich geringeren Säfte und Kräfte der menschlichen Natur in die Verbindung mit diesem edlen von dem Vater selbst gepflanzten Weinstokk mit hineingingen; wie war es anders mög|lich, als daß je weiter sich das Gewächs verbreitete, je mehr in dasselbe eingepflanzt wurde und aus demselben hervorschoß, auch überall mit der Wahrheit sich wieder der Irrthum und Wahn verband, mit dem reinen guten das aus den edlen Säften des Weinstokks hervorquillt, auch die Eitelkeit und Verkehrtheit des menschlichen Herzens in seinem Troz und in seiner Verzagheit, und alles was aus dem eigenen Willen und Wesen des natürlichen Menschen hervorgeht. Wenn uns nun das demüthigt und niederschlägt, so sollen wir uns auch auf der andern Seite wieder erheben, indem wir dabei denken an die Sorgfalt, an die Weisheit des großen Weingärtners, der den Weinstokk den er gepflanzt hat nie verläßt. Und so hat uns der Herr in diesen Worten gezeigt den ununterbrochenen Fortgang der Reinigung der christlichen Kirche, indem er nämlich die beständige Entwicklung derselben voraussezt. Alles was unfruchtbar ist, alle todte Werke, alle leere Redensarten und Gebräuche, alle Menschensazungen die in das ursprüngliche Werk des göttlichen Weingärtners hineingepflanzt sind: der Vater wird sie hinwegnehmen. Aber auch alle diejenigen welche sich zwar zu einem äußerlichen Zusammenhange mit dem Erlöser bekennen, aber doch in ihrem innern Wesen und in ihren Gesinnungen ihm fremd sind, und mehr ihre eigenen Säfte hegen und pflegen wollen, als aus seinem Leben empfangen, auch die werden sich natürlicher Weise immer mehr von dem lebendigen Zusammenhange mit dem Weinstokk lösen, bis dann irgend eine entscheidende Handlung, irgend ein Tag des Gerichts sie auch äußerlich von demselben löst. Alles aber was fruchtbar ist, wenn wir nur Geduld haben wenn uns die Frucht immer noch nicht gut und edel genug scheint
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oder noch nicht reichhaltig und zahlreich genug, wenn dem das richtige und wahre Bewußtsein von der Unvollkommenheit alles menschlichen zum Grunde liegt: so sollen wir uns darauf verlassen, der Vater wird es immer mehr reinigen, auf daß es immer mehr Frucht bringe; und so wir uns nur dem hingeben, auf sein Werk an der menschlichen | Natur und auf die edle Entwikklung des menschlichen Geschlechts achtend: so werden wir auch dessen froh werden an uns selbst und in unserer Betrachtung des großen Weinstokkes, des Reiches Gottes auf Erden. Jeder Blikk in die Zukunft, wenn wir ihn gehörig stärken und reinigen durch das was in der Vergangenheit schon geschehen ist, wird wie ungünstig auch oft die Lage und die äußeren Umstände der christlichen Kirche sich gestalten mögen doch die Zuversicht nähren, der Weingärtner hört nicht auf die Reben zu reinigen, die Fruchtbarkeit seines Gewächses wird sich immer mehren bis an das Ende der Tage. Aber zu einer andern Betrachtung fordern uns die unmittelbar folgenden Worte des Herrn auf, Ihr seid jezt rein um des Wortes willen das ich zu euch geredet habe. Welch ein großes Wort, das der Herr zu seinen Jüngern spricht, Ihr seid rein! Und doch wenn wir an ein Wort eines seiner liebsten Jünger denken, welcher sagt, Das Blut Christi macht uns rein von aller Sünde: so war eben dieses edle Blut des edlen und ächten Weinstokks noch nicht vergossen worden als der Herr diese Worte sprach, und doch sagt er zu seinen Jüngern, Ihr seid rein. Ist das eine andere Reinheit als die welche sein Jünger meint, wenn er uns an sein Blut verweist? oder ist es dieselbe, und ist die volle Wahrheit erst darin, wenn wir des Meisters Wort und das ergänzende Wort seines Jüngers zusammennehmen? Wir dürfen doch niemals m. g. F. das Wort des Jüngers dem des Meisters gleich halten, als nur in dem Glauben und unter der Voraussezung daß es aus demselben wirklich entnommen sei und mit ihm übereinstimme. Aber dieser Glaube kann auch nur lebendig sein wenn wir diese Uebereinstimmung suchen. Hier nun sagt der Herr zu seinen Jüngern, Ihr seid schon rein um des Wortes willen das ich zu euch ge|redet habe. Wenn nun der Weingärtner die einzelnen Reben des Weinstokks reinigt: was er dann von demselben hinwegnimmt, ist es das was die innere und höhere Kraft, die in dem Leben des edlen Stokkes ist, verkündigt und derselben unmittelbar angehört? Nein, das bedarf nicht hinweggenommen zu werden; sondern was den Reben an und für sich gehört, was in denselben durch ungünstige Witterung oder durch andere ungünstige Einflüsse entstanden, das ist es was gereinigt und weggenommen werden muß. Wo ist also die Reinheit? Immer in dem lebendigen und ausschließenden Zusammenhange der Reben mit dem Weinstokk. Was diesen Zusammenhang nicht verkündigt und in demselben nicht seinen Grund hat, ist auch das was die Fruchtbarkeit hindert und hemmt, und was hinweggenommen werden muß. Wenn also 18–19 1Joh 1,7
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der Erlöser zu seinen Jüngern sagt, Ihr seid rein: so giebt er ihnen das Zeugniß dieses lebendigen Zusammenhanges, dieser innigen Lebensgemeinschaft in welcher sie mit ihm stehen. Aber er sagt zu ihnen, Ihr seid rein um des Wortes willen das ich zu euch geredet habe. Welches Wort? Ist es irgend ein einzelnes Wort seines Mundes, worauf er sich bezieht, aber das er doch nicht namhaft macht, und aus dem ganzen Schaz ihrer Erinnerung herausnimmt, damit sie nicht fehlgreifen? Das dürfen wir nicht meinen. Aber m. g. F. es giebt auch kein einzelnes Wort des Herrn, in welchem das Heil sein könnte, sondern es ist der ganze Zusammenhang seiner Worte, der freilich auch wieder für den welcher einmal eingedrungen ist in das Wesen des Herrn selbst, in jedem einzelnen seiner Worte muß zu finden sein, worin wir jenes Wort zu suchen haben. In diesem großen Sinne also sagt er, Ihr seid rein um des Wortes willen das ich zu euch geredet habe. Und ist es nicht nach seiner eigenen Rede, die wir noch kürzlich in unsern anderen Versammlungen betrachtet haben, ist es nicht eben das göttliche Wort, welches in die Seele gesäet werden muß, auf daß dem Herrn eine Erndte erwachse? Und so geht er auch hier auf | das Wort welches er redet zurükk, wie er auch anderwärts sagt, Die Worte die ich rede sind Geist und Leben. Und ein anderes Mittel gab es auch nicht m. g. F., wie er die Menschen mit sich vereinigen konnte, als das Wort im weitesten Sinne desselben, wie wir auch alle keine andere Kraft haben und kein anderes Vermögen um uns einander mitzutheilen. Das Wort ist dasjenige womit wir uns zuerst einander begegnen; und alles ist Wort in anderer Gestalt, oder muß erst durch das lebendige Wort in der Seele erläutert werden, um im Zusammenhange mit demselben verständlich zu sein. Wenn also der Herr sagt, Ihr seid rein um des Wortes willen das ich zu euch geredet habe, so sagt er nicht mehr oder weniger als, Ihr seid rein um deßwillen und durch dasjenige was ich euch mitgetheilt habe von mir selbst. Das also m. g. F., das ist das ursprüngliche Wort des Herrn, und dabei muß es bleiben. Und so müssen wir auch das Wort des Jüngers so verstehen, daß das Blut des Herrn uns nur rein mache insofern wir in dieser lebendigen Gemeinschaft mit ihm bleiben, und nur die welche es sich so von ihm mittheilen lassen und von ihm empfangen. Und so waren freilich seine Jünger schon rein, wie er sagt, weil sie in diesem lebendigen Zusammenhange mit ihm lebten. Aber hatte etwa sein Tod für das Heil der Welt daran keinen Theil? Das sei ferne von uns m. g. F., zu sagen. Denn daß er sich hingeben müsse, und daß er gekommen sei sich hinzugeben für das Heil der Welt; daß alle Gemeinschaft die er mit den Menschen angeknüpft hatte durch die Mittheilung seines innern Wesens, nicht vollendet sein und ihr Ziel nicht erreichen könne wenn er 14–15 Vgl. die vorherigen Predigten zum Johannesevangelium, insbesondere zum 14. Kapitel 18–19 Joh 6,63
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sich nicht hingebe für das Heil der Welt; daß das Weizenkorn, welche herrliche Kraft des Lebens es auch in sich habe, doch nicht Frucht bringen könne wenn es nicht in die Erde falle und ersterbe: das hatte er ihnen oft genug gesagt; und die|jenigen unter ihnen welche ihn recht verstanden, und wir wollen sagen alle, wenn gleich der eine mehr und der andere weniger, sie hatten alle seine Worte und alle Mittheilungen seines Gemüths aus dem innern Schaze seines Herzens in Bezug auf diese seine Rede von seiner Hingebung in den Tod und dem bevorstehenden Ende seines irdischen Lebens verstanden. Ob die äußerliche Handlung vollzogen war oder nicht, das ist das worauf es dabei nicht ankam. Aber weder das Wort des Herrn in jenem allgemeineren noch auch in dem beschränkten Sinne wenn wir darunter den gewaltsamen Tod des Herrn verstehen, der nur durch äußere Umstände konnte herbeigeführt werden, keines von beiden für sich allein ist dasjenige wodurch wir rein werden; sondern nur indem beides eins und dasselbige ist, ist es die Mittheilung seines Lebens, wodurch er uns seinen Sinn giebt und einpflanzt, und die Hingebung seines Lebens für das Heil der Welt, wie er denn auch sein Wort einsaugen, sein innerstes Leben in die Seele aufnehmen, und sein Blut trinken, für eins und dasselbige erklärt in einer andern Rede. Also m. g. F. nur durch das Wort welches der Herr zu uns geredet hat in dem vollen Sinne desselben, durch das sind wir rein. Indem er das zu seinen Jüngern sagt, sagt er es auch zu uns, denn sie waren die Gesammtheit der seinigen; was er zu ihnen sagt, sagt er zu der ganzen christlichen Kirche und zu der vollen Gemeine der seinigen. So viel als er zu uns geredet hat, daß es in die Seele eingehe, so viel als wir, jeder ein Theil der christlichen Kirche, in wahrer und lebendiger Gemeinschaft mit ihm leben, ist er auch bei uns, und sind wir rein; und es giebt kein anderes Mittel, wodurch auch der Vater die Fruchtbarkeit der Reben richtet, als das tiefe Aufnehmen des Wortes welches der Herr geredet hat, des Zeugnisses welches er abgelegt von sich und seinem Vater, wodurch allein beide uns | offenbar werden, und kommen können um Wohnung zu machen in unserm Herzen; und je mehr so sein Leben in uns wirkt, desto mehr müssen wir gereinigt werden von allem was ihm nicht angehört. Darum fährt er fort, Bleibet in mir, und ich in euch, und entdekkt uns darin noch einmal, worauf es überhaupt ankomme, daß dieses herrliche Gewächs, welches der Vater gepflanzt hat, seine Wirkung hervorbringe in der menschlichen Natur. Der Zusammenhang aller die ihm angehören − und das sind alle Menschen – mit ihm dem von Gott gepflanzten und veredelten Weinstokk, der muß ununterbrochen bleiben. 1–4 Vgl. Joh 12,24 und auch das Gleichnis vom Sämann und dessen Auslegung in Mt 13,1–9.18–23; Mk 4,1–9.13–20; Lk 8,4–8.11–15 17–19 Vgl. Joh 6,56 31 Vgl. Joh 14,23
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Aber noch ausdrükklicher sagt er, Kein Rebe, also kein Theil der menschlichen Natur, kann Frucht bringen von ihm selbst. Gleichwie der Rebe kann keine Frucht bringen von ihm selber, er bleibe denn am Weinstokk: also auch ihr nicht, ihr bleibet denn in mir. Und so ist es denn wahr, und der Herr sagt es selbst, daß alles was nicht durch den Zusammenhang mit ihm unter den Menschen entsteht, das ist auch keine Frucht; was sie von sich selbst hervorbringen, wie schön und veredelt es auch erscheine, wie lieblich auch das Auge dadurch ergözt werde, es ist doch immer keine Frucht von diesem edlen höheren Werthe; sondern nur was aus dem Zusammenhange mit ihm hervorgeht, das ist wahrhaft Frucht. Darum ist er nun der Wendepunkt in der ganzen Entwikklung des menschlichen Geschlechts; darum sagt auch die Schrift und kommt sie oft darauf zurükk, Das alte ist vergangen, siehe es ist alles neu geworden; ein neuer Himmel und eine neue Erde, ein ganz neues Leben ist es, was von ihm ausgehen soll. Nicht m. g. F. als ob wir alles verachten und verwerfen sollten was die menschliche Natur hervorgebracht hat vor den Zeiten des Herrn, als ob wir uns vor dem allen, als sei es nicht nur unfruchtbar sondern auch ein Greuel vor dem Herrn, | verwahren sollten. Aber doch werden wir gestehen müssen, auch das edelste und schönste was jene Zeit hervorgebracht hat, insofern es nicht schon von dem Zusammenhange mit dem Erlöser sei es auch nur in dunkler Ahndung oder in unbestimmter Sehnsucht durchdrungen war, es hat sein verführerisches und verderbliches, und muß erst gereinigt und neu gemacht werden dadurch daß es von seinem Lichte berührt und in Zusammenhang mit seinem Leben gebracht wird; dann erst wird es wahre und bleibende Frucht bringen. Was aber aus ihm hervorgeht, das ist alles Frucht, das bereitet den kommenden Geschlechtern Kraft und Nahrung des Geistes, das erhält und bezeugt das höhere Leben, welches in ihm begründet ist und in ihm allein beruht. Darum bleibt er auch dabei und wiederholt es, Er sei der Weinstokk, in welchem alle Kraft liege Frucht zu bringen, wir die Reben, welche die Kraft nur von ihm empfangen; darum bringe nur Frucht wer in ihm bleibe, nur wer diesen innigen gegenseitigen Zusammenhang, wie er ihn ausgedrükkt hat in den Worten, Bleibet in mir, und ich in euch, ununterbrochen erhält; und fügt noch ausdrükklich hinzu, Ohne mich könnt ihr nichts thun. Das m. g. F. soll die große Regel unsers Lebens sein, wenn wir selbst nicht mehr oder weniger in das Geschikk verwikkelt werden wollen welches er in den folgenden Worten auseinander sezt, Wer nicht in mir bleibet, der wird weggeworfen wie ein Rebe, und verdorret, und man sammlet sie und wirft sie ins Feuer, und muß brennen. Wollen wir in das Geschikk nicht mitverflochten werden, daß wir ausgesondert werden aus dem Zusammen13 2Kor 5,17
13–15 Vgl. Jes 65,17; 66,22; Offb 21,1
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hange des göttlichen und höhern Lebens, und keinen andern Nuzen schaffen als durch die Asche die von uns übrig bleibt, wollen wir das nicht: so muß das die große Regel unsers ganzen Lebens sein, Ohne mich könnt ihr nichts thun. Damit m. g. F. hebt der Herr nun allen Unterschied aus, den die Menschen so oft machen, zwischen dem geistlichen und | weltlichen, zwischen dem zeitlichen und ewigen. Er sagt, Ohne mich könnt ihr nichts thun; auf welchem Gebiet des Lebens es auch sei, es ist nichts und wird sich immer mehr zeigen als nichts, es ist keine Kraft und Fruchtbarkeit darin, was ohne mich geschieht. Aber wenn das nun so wahr ist m. g. F., so müssen wir auch die Kraft, die göttliche Kraft des Erlösers, die ihn eben in den Stand sezt so alles zu durchdringen, in diesem Umfange zu fassen und zu verstehen suchen, daß sie auch wirklich das ganze menschliche Leben in sich begreift. Wenn der Mensch das nicht vermag, es ist ihm aber Ernst den Zusammenhang mit dem Erlöser fest zu halten: so entsteht das daraus, daß er alles in dem menschlichen Leben, worin er diesen Zusammenhang nicht findet, von sich wirft. Das ist der Grund gewesen, den eben diejenigen sonst wahrhaft frommen Menschen gehabt haben, welche schon in frühen Zeiten der christlichen Kirche sich zurükkzogen von dem geselligen Leben in die Einsamkeit, weil es unter den Bestrebungen aus denen das gewöhnliche menschliche Leben besteht so vieles giebt, was sie nicht in Zusammenhang mit dem Erlöser bringen konnten. Loben wir das und erkennen darin eine große Stärke und Kraft des Geistes: so müssen wir doch den Mangel an Einsicht darin bedauern. Denn eben weil alles aus dem Zusammenhange mit dem Erlöser hervorgehen soll, so muß er auch das ganze menschliche Leben umfassen. Und so ist es mit allem was jezt noch ähnliches unter den Christen besteht. Darum kommt alles darauf an, und beruht die fortschreitende Entwikklung des Werkes der Erlösung darauf, daß das Auge unseres Geistes auch immer mehr geöffnet werde, und daß wir, wie Gott einmal das menschliche Leben geordnet hat, auch immer mehr in den Stand gesezt werden alles in dem wahren und lebendigen Zusammenhange mit dem Werke des Herrn zu begreifen. Was wir dann so begriffen haben, darauf ist die Regel anwendbar, Ohne ihn können wir nichts thun, das muß in diesem Zusammenhange | erhalten werden; und wenn wir anders wirksam sind auf irgend einem Gebiet des Lebens als in der Kraft die er uns giebt, in Uebereinstimmung mit dem was er uns zeigt, in Gemäßheit des Vorbildes das er uns gelassen, und des Wortes das er zu uns geredet hat, – das wird immer nichtig sein. Daher die herrliche Verheißung die er in den lezten Worten giebt, welche wir gelesen haben, So ihr in mir bleibet – und noch einmal wiederholt er dies und bringt es in dieselbe Verbindung, es giebt kein Bleiben in ihm als wenn seine Worte in uns bleiben, es giebt kein fortgeseztes Leben mit
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dem Erlöser als wenn wir alles was er uns mitgetheilt hat in unserm Innern festhalten – So ihr in mir bleibet, und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Zu groß fast erscheint uns dieses Wort des Herrn, und wegen seiner Größe kann es leicht den Menschen muthlos machen. Denn wenn einer sagen wollte, Ich habe so manches schon gebeten, und es ist mir nicht widerfahren: soll ich daraus schließen, daß ich nicht in dem Herrn geblieben bin, und seine Worte nicht in mir geblieben sind? Das könnte manches Gemüth aus dem schönen Gebiet des Glaubens in düstern Zweifel, wo nicht gar in die Nacht der Verzweiflung bringen. Aber m. g. F. es soll auch all unser Bitten aus unserm Bleiben in dem Erlöser hervorgehen. Ja das sollen wir schließen, wenn etwas was wir gebeten haben uns nicht widerfahren ist, dann ist diese Bitte nicht aus dem Zusammenhange mit ihm hervorgegangen, und gehört mit ihrem Grunde in unserem Gemüthe zu demjenigen was der Weingärtner noch hinwegnehmen muß und reinigen, auf daß wir Frucht bringen; sie selbst aber war nicht fruchtbar. Aber was wir bitten aus dem lebendigen Zusammenhange mit dem Erlöser heraus und indem wir uns zugleich in den Grenzen halten, in denen er sich selbst gehalten und die er uns deutlich beschrieben hat; wenn wir nichts bitten und begehren als was sich auf das | Reich Gottes auf Erden bezieht – denn das ist das einzige wonach wir trachten sollen, also auch das einzige worauf unsere Wünsche sollen gerichtet sein; – wenn wir das so wünschen daß wir nicht nach Zeit und Stunde fragen und die erforschen wollen, weil der Vater allein sie seiner Macht und Weisheit vorbehalten hat; und wenn am Ende all unser Bitten das ist, daß des Herrn Wille geschehen möge, weil wir uns können geirrt haben: dann können wir sicher sein, daß was wir bitten mögen uns widerfahren wird. Dadurch giebt er uns aber den größten und schönsten Antheil an der Einheit mit seinem Vater im Himmel, die er selbst gehabt. Wenn unsere Wünsche mit den Wegen Gottes so zusammenstimmen, daß was wir bitten uns widerfährt: was können wir größeres denken? Ja wol ist das der höchste Gipfel den der Mensch erreichen kann; aber wir müssen sagen, wenn das oft nicht geschieht, wenn die Wege Gottes die Wünsche seiner Kinder durchkreuzen, wenn so oft das Gegentheil von dem geschieht, wozu sich nicht zweier oder dreier sondern vieler Wünsche und Gebete vereinigt haben: so ist es ein Zeichen, daß wir noch nicht ganz und vollkommen in ihm sind und seine Worte in uns; so ist es ein Zeichen, daß noch manches in uns ist was muß gereinigt und weggenommen werden. Und zu einer solchen Prüfung unser selbst muß uns das immer mehr gereichen; dann wer39 Prüfung] Prüfnng 20–21 Vgl. Mt 6,33
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den wir bereit sein, uns dem großen Weingärtner, der uns alle in seinem Sohne sieht, ganz hinzugeben zur Reinigung und Läuterung. Welche Reinigung durch Feuer, welche Läuterung durch Trübsale und Widerwärtigkeiten es auch sein mag: sein Zwekk ist nur der, daß wir immer mehr rein werden und immer mehr Frucht bringen. Und so geschehe denn sein Wille an uns allen. Amen.
5–6 Vgl. Mt 6,10; 26,42; Lk 11,2; 22,42
Am 9. Juli 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeugen:
Andere Zeugen:
Besonderheiten:
7. Sonntag nach Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Mt 13,23 a. Drucktext Schleiermachers; in: Magazin von Festpredigten 5, 1827, S. 314–329 Wiederabdrucke: SW II/4, 1835, S. 703–716; 21844, S. 755–768 – Sämmtliche Werke, ed. Grosser, Bd. 5, 1877, S. 575–586 b. Nachschrift; SAr 93, Bl. 31r–58v; Slg. Wwe. SM, vermutl. Andrae Texteditionen: Keine Nachschrift; SN 594/3, Bl. 1r–16r; vermutl. Andrae (Textzeugenparallele zu b.) Nachschrift; SAr 115, S. 85–94; Sethe Nachschrift; SN 605/3, Bl. 1r–3v; nicht identifizierter Nachschreiber Nachschrift; SFK 1, Bl. 42r–53r; nicht identifizierter Nachschreiber Teil der am 28. Mai 1826 begonnenen Predigtreihe über Gleichheit und Ungleichheit bei der Ausbreitung des göttlichen Worts Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
a. Drucktext Schleiermachers 314
Von der Fruchtbarkeit des göttlichen Wortes. Te x t .
Matthäi 13. V. 23.
M. a. Fr. In den früheren Theilen dieser Gleichnißrede zeigte uns der Erlöser, was dem göttlichen Worte Nachtheiliges in der menschlichen Seele zu begegnen pflege, so daß die Absicht, weßhalb es in dieselbe gesäet wird, nicht erreicht werden kann; hier nun schließt der Herr die Erklärung seiner Rede mit demjenigen, was sich auf das Gedeihen des göttlichen Wortes bezieht. Da er nun aber dieß in den Worten, welche er an seine Jünger richtet, das Geheimniß des Himmelreichs 3–6 Vgl. die Predigten am 28. Mai 1826 vorm., 11. Juni 1826 vorm. und 25. Juni 1826 vorm. über Lk 8,12.13; Mt 13,22 8–1 Vgl. Mt 13,11; Mk 4,11; Lk 8,10
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oder des Reiches Gottes nennt, so mögen wir freilich uns darauf gefaßt halten, weil das nur die wahren Geheimnisse sind, an denen immer etwas geheim bleibt, daß es uns auch mit diesem Geheimnisse, welches der Herr uns eröffnet, nicht anders gehen werde. Weil er es aber so schlechthin das Geheimniß, gleichsam das eine Alles umfassende des Himmelreichs nennt, so müssen wir auch davon ausgehen in unserer Betrachtung, daß dieses Gedeihen des göttlichen Wortes Alles in sich schließt, was mittelbar oder unmittelbar in Wahrheit zum Reiche Gottes auf Erden gehört. Die Kirche des Herrn in allen ihren verschiedenen Gestalten, die sie unter verschiedenen Geschlechtern der Menschen und zu verschiedenen Zeiten angenommen hat, nicht nur an sich, sondern auch ihren wohlthätigen, sowohl ermunternden als reinigenden Einfluß auf alle menschliche Beschäftigungen und Ver|hältnisse, sondern auch in jeder einzelnen dieser heiligen Gemeinschaft angehörigen Seele, was in der That von Oben her ist und nicht der Welt angehört: dieß Alles vom Größten bis zum Kleinsten haben wir hier mit zu denken, als die Frucht, welche das göttliche Wort in einem guten Boden trägt, wenn es dahin fällt. So laßt uns also auf diesen Inbegriff aller göttlichen Segnungen über das menschliche Geschlecht, auf diese F r u c h t b ar k e i t d e s göttlichen Wort es in dem Acker der menschlichen Natur unsere andächtige Aufmerksamkeit richten in dieser Stunde. Es ist aber Zweierlei, worauf die Worte des Herrn selbst uns hinweisen; das Eine ist d as La nd, das Andere die Er n d t e . I. Einiges, so sagt also Christus zuerst in dem Gleichnisse selbst, fiel auf ein gutes Land, und was auf das gute Land gesäet ist, fügt er in den erklärenden Worten unseres Textes hinzu, das sind die, wenn Jemand das Wort hört und versteht es; der Evangelist Lucas aber sagt statt des Letzteren: und bewahrt es in einem feinen guten Herzen, und es gelangt da zu seiner Frucht. Soviel sehen wir also wohl, m. g. Fr., was der Herr unter diesem guten Lande versteht. Wenn in der menschlichen Seele das Verständniß unverdorben ist und rechter Art, um das göttliche Wort aufzunehmen; wenn ein Gemüth da ist im Stande, es zu behalten, zu bewahren und zu bewegen: dann entsteht daraus jenes gedeihliche Wachsthum, welches dem Herrn der Erndte lohnt mit seiner Frucht. Was aber die Worte des Herrn nach dem einen, und was sie nach dem anderen evangelischen Berichte besagen, m. g. Fr., das ist genau genommen nicht verschieden, sondern es ist einerlei. Das unverdorbene Verständniß und das unverschlossene Gemüth, Beides, wenn wir genau darauf 25–26 Vgl. Mt 13,8
28–29 Vgl. Lk 8,15
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achten, werden wir immer vereinigt finden. Es kann allerdings dem Menschen bei einem Herzen, welches wohl geneigt ist, das Gute in sich zu bewahren und zu bewegen, an einer gewissen Gewandtheit des Verstandes fehlen in Beziehung auf weltliche Dinge, an einer gewissen Schnelligkeit, das, was | mannigfaltig ist und bunt in sich selbst, gleich auf die rechte Weise ordnend zu unterscheiden und dem gemäß darüber zu beschließen; aber das Verständniß des Guten, nicht in allen seinen mannigfaltigen Aeußerungen, wohl aber an sich und in seinem inneren Wesen, ist von der Neigung des Gemüths, es in sich aufzunehmen und zu bewahren, unzertrennlich. Und wenn wir auf das mancherlei traurige Mißgeschick des göttlichen Wortes zurücksehen, was uns der Erlöser in den früheren Theilen dieses Gleichnisses dargestellt hat, so können wir auch in Beziehung hierauf dasselbe gegenseitige Verhältniß nicht verkennen. Diejenigen, deren Gemüth Christus mit dem Wege vergleicht, weil da der Same nothwendig auf der Oberfläche liegen bleibt, das sind freilich Solche, von denen wir immer werden eingestehen müssen, daß sie das göttliche Wort, wenn sie es auch mit ganz gesundem und unverkürzten Sinne äußerlich wahrnehmen, doch innerlich, seinem eigentlichen Werthe nach, gar nicht verstehen. Denn wenn dem nicht so wäre, so würden sie sich gegen die Eindrücke desselben nicht eben so verhalten, wie gegen die von dem Nichtigsten und Vergänglichsten, was ihnen auf ihrer Lebensbahn begegnet. Woher aber anders, als weil ihr Gemüth für diesen Unterschied nicht empfänglich und nicht geeignet ist, etwas länger zu bewahren, als das Flüchtigste und Nichtigste bewahrt seyn will. Und wiederum, was diejenigen betrifft, welche das göttliche Wort in ihrem Gemüthe so wenig bewegen auf eine lebendige Weise, daß das Unkraut und die Dornen es leicht überwachsen können, von denen werden wir freilich sagen müssen: sie haben es nicht so bewegt in ihrem Gemüthe, wie es sich gebührt hätte für den göttlichen Samen, weil sie nicht wissen, noch ahnen, wie verderblich sich dasjenige, was sie so ungestört keimen und wachsen lassen in ihrer Seele, nur gar zu bald gegen jenen edlen Samen beweisen wird. Denn ihre Absicht ist es nicht, daß er untergehen soll, sondern sie wissen nur nicht, was sie thun, noch was sie unterlassen. So, m. g. Fr., fördert Eines das Andere gegenseitig: das Verstehen und das Bewahren; so wird das Eine | durch den Mangel des Anderen gehindert, und Beides hat seinen Grund in einer und derselben Quelle. Soviel also ist uns klar, daß die Fruchtbarkeit von dieser übereinstimmenden Empfänglichkeit des Verstandes und des Gemüthes ab10–13 Vgl. Mt 13,19–22 Lk 23,34
14–15 Vgl. Mt 13,19
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hängt; aber Geheimnißvolles bleibt uns auch hier genug übrig, weil wir auch jenes natürliche Verhältniß nicht ganz zu durchdringen vermögen, an welchem uns der Erlöser das Geistige erläutert. Die Sachkundigen wissen wohl auch aus vielfältigen Erfahrungen, welche Art des Bodens fruchtbar ist für diese oder jene Art des Samens; aber wie es nun zugeht im Schoße der Erde, wie und wodurch nun auch in einem fruchtbaren Lande das scheinbar todte Samenkorn aufgeregt wird, und anfängt, ein neues eigenthümliches Leben aus sich zu entwickeln: das verstehen wir nicht, wie sorgfältig wir auch diese Entwickelung auf allen ihren verschiedenen Stufen beobachten. Und wie hernach am Lichte und durch den Einfluß der Sonne das immer weiter gedeihende Wachsthum entsteht, wie sich aus diesem die hoffnungsvolle Blüthe und die reife Frucht entfaltet: täglich sehen wir es vor unseren Augen, aber es bleibt uns immer ein Wunder, in dessen innerste Tiefen wir nicht eindringen können, und wie viel nun von dem Segen der Erndte der Güte des Samens zuzuschreiben ist, der Beschaffenheit des Bodens, oder den günstigen Verhältnissen des Luftkreises, das wissen wir nicht. Eben so, m. g. Fr., ist es auch in dem menschlichen Gemüthe. Täglich sehen wir das nur, wie das göttliche Wort gesäet wird, wir bemerken auch das Aufkommen und den Wachsthum der Saat, und alle jene verderblichen Einflüsse, von denen früher die Rede war, bemerken und beklagen es auch, wenn die Saat vom Winde verweht wird auf einem zu leichten Boden, oder wenn in einem Lande, werth Besseres zu tragen, die Dornen und die Disteln die Oberhand gewinnen, wir bemerken auch wohl die gesegneten Folgen von dem stillen Wirken und Weben eines auf das Göttliche gerichteten Gemüths; aber wie nun Beides sich gegen einander verhält, die Seelen, in welche gesäet wird, und die guten Lehren und Zusprachen, welche gesäet werden, der | Geist und die Treue der Pflanzenden und Begießenden, und dann wieder die Witterung, in welcher die bearbeitete Seele sich befindet; wieviel von dem größeren und geringeren Gedeihen auf Rechnung des Einen gehört, oder auf die des Anderen: darüber wissen wir noch nichts, und erfahren auch nichts darüber durch die Gleichnißrede des Erlösers, weil dasselbe auf dem Gebiete der Natur nicht minder dunkel ist. Können wir uns aber wehren, Alles wissen zu wollen, was nur irgend mit dem sehnlichsten Wunsche unseres Herzens, daß das Reich 20 den Wachsthum] zum Schwanken des Genus zwischen Maskulinum und Neutrum vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 5, Sp. 10 21–22 Vgl. Mt 13,4–7.19–22 24 Vgl. Gen 3,17–18; Hebr 6,7–8 1Tim 4,6 29–30 Vgl. 1Kor 3,6–8
28 Vgl.
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Gottes zu Allen kommen möge, zusammenhängt? Alles, besonders wovon wir glauben müssen, daß, wüßten wir es, wir im Stande seyn würden, unsere eigene Thätigkeit in Beziehung auf diesen Wunsch richtiger zu leiten? Gewiß wäre es nur eine stumpfsinnige Trägheit, wenn wir jemals aufhören wollten, darnach zu forschen, wenn wir voreilig glauben wollten, wir dürften darüber nichts wissen, weil Christus uns gerade hier nichts Bestimmtes darüber zu sagen scheint. Wohl! das Erste, was uns wichtig wäre zu wissen, um Zeit und Kräfte nicht unnütz zu verschwenden, ist unstreitig dieses: ob es Menschen giebt, deren Seelen von Natur fruchtbares Land sind, so daß eine Erndte, und wäre es unter ungünstigen Umständen auch lange nicht eine dreißigfältige, doch eine lohnende gewiß immer zu erwarten ist, und Andere von Natur unfruchtbare, an denen alle Mühe und Arbeit immer nur vergeblich verwendet wäre, und woran denn, wenn es einen solchen Unterschied giebt, die Einen und die Anderen können erkannt werden? Sollte uns der Erlöser über eine für sein Reich auf Erden so ungemein wichtige Frage in Ungewißheit gelassen haben? Und hätte nicht die Entscheidung derselben ganz besonders hierher gehört? Doch was mir, zuerst abgesehen von dieser seinen Rede, in dieser Beziehung ins Gedächtniß kommt, und Vielen von euch gewiß ebenfalls, das ist dieses: wenn eine solche Unfruchtbarkeit der menschlichen Natur irgendwo im Großen vorhanden wäre, so daß es ganze Geschlechter vieler Völker gäbe, in welchen der Same des göttlichen Wortes niemals Frucht bringen könnte, und dieß hätte dem | Erlöser irgend vorgeschwebt, würde er dann wohl seinen Jüngern ohne allen Unterschied gesagt haben: Gehet hin und lehret alle Völker? Gewiß nicht! denn wie sehr hätte das Reich Gottes dadurch können gehemmt werden! So wollen wir denn auch nicht weiser seyn, als er, und als der göttliche Geist, welcher überallhin zur Verkündigung des Evangeliums aufgeregt, und auch unter den unangebautesten und wenigst versprechenden Völkern eine Frucht geschaffen hat. Nur das bliebe noch möglich, daß in allen Gegenden der menschlichen Natur, in jeder auf eine eigene Weise, ein solcher Unterschied des Bodens vertheilt wäre. Aber was für eine Andeutung finden wir hierüber in unserer Gleichnißrede? Wenn der Herr noch andere eben so wichtige und wirksame Hindernisse kannte, wodurch das Gedeihen des guten Samens aufgehalten wird: sollte er gar nichts davon gesagt haben? Unter den hier angeführten aber ist kein einziges, welches auf eine in der Natur begründete Untauglichkeit des Bodens schließen 19 gehört?] gehört. 26–27 Mt 28,19
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ließe. So müssen wir denn sagen, daß ihm hier, wo er mehr an die Verschiedenheit einzelner Gemüther denkt, eben so wenig von dieser Art in den Sinn gekommen ist, als dort, wo er mehr die Völker und Geschlechter im Großen im Auge hatte. Wir müssen also wohl aus seiner Rede zusammengenommen schließen, nicht nur, daß es unter allen Völkern und Geschlechtern der Menschen einiges gute Land giebt, sondern daß jede einzelne menschliche Seele von Natur gutes Land ist, und also auch der Mühe und Arbeit der Jünger Jesu würdig. Denn betrachten wir Alles, was uns in dieser Gleichnißrede als Ursache dargestellt wird von dem Mißrathen des göttlichen Wortes in menschlichen Seelen, nichts deutet auf eine ursprüngliche Unfähigkeit, vermöge deren der göttliche Samen gar nicht zum Leben kommen könnte in der Seele, sondern Alles steht irgendwie in Verbindung mit dem Zusammenseyn und Einwirken der Menschen auf einander. Oder ist irgend ein Stück Land schon von Natur und durch seine ursprüngliche Beschaffenheit ein Weg? Gewiß verneinen wir dieß Alle! | Verhärtet muß der Boden erst werden, indem immerfort über ihn gegangen und gefahren wird, ehe er sich bestimmt vom Acker scheidet. Und die Dornen und Disteln? Nun der Same derselben gehört doch auch nicht zur Natur des Bodens, sondern er muß auch hineingebracht seyn, wie es auch immer geschehe, sonst kann dieses Unkraut eben so wenig aufgehen, wie die Frucht des göttlichen Wortes da nicht zum Vorschein kommen kann, wohin kein Same gesäet worden ist. Ja, selbst in jenem Falle, wo das freilich seiner Natur nach unfruchtbare Gestein zu nahe liegt unter der mit dem göttlichen Samen bestreuten Erde, als daß dieser gehörige und auch für dürre Zeiten zureichende Wurzel schlagen könnte, ist doch in der Rede des Herrn keine Spur von der Voraussetzung, daß jene Erde selbst an und für sich untauglich sey, den guten Samen zu nähren, – sondern es ist nur nicht genug da von dem guten Boden. Soll aber ein solches Land deßhalb von aller Bearbeitung für den himmlischen Samen ausgeschlossen seyn? Schon deßwegen gewiß nicht, weil dieß ja nicht ein Zustand ist, der, wo er sich einmal findet, auch unabänderlich so bleiben müßte! Sondern die Arbeit an einem solchen Boden bedarf nur einer anderen Ordnung und einer weiteren Ausdehnung. Es kann vergeblich seyn, so wie er ist, den Samen hineinzustreuen, zumal wenn große Hitze bevorsteht; aber deßhalb ist er keinesweges ganz zu übersehen. Fragen wir nur: wo finden wir eine solche Dürftigkeit der menschlichen Natur auf eine ursprüngliche Weise und im Großen? Denn so ist Alles leichter zu betrachten. An den äußersten Enden der Erde, wo die Menschen nur zerstreut hingeworfen sind, und nur gleichsam durch beson9–29 Vgl. Mt 13,4–7.19–22
19 Vgl. Gen 3,18; Hebr 6,8
29–30 Vgl. Mt 13,5
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dere Unfälle dorthin verschlagen zu seyn scheinen aus ihren ursprünglichen Wohnsitzen; da drängt immer und immer die Noth, und trocknet aus; und geht wo etwas geistiges Leben auf, so ist es zu schwächlich, um bleibend zu gedeihen. Daraus aber folgt doch immer nur, es müsse noch eine andere Pflege der Verkündigung des göttlichen Wortes in solchen Gegenden vorangehen, oder sie beständig begleiten. Nämlich es muß eine mannigfaltige Gemeinschaft eröffnet wer|den zwischen diesen versäumten und denjenigen Theilen des menschlichen Geschlechts, in denen das geistige Leben schon weiter entwickelt ist. Dadurch wird denn eine größere Menge des fruchtbaren Bodens allmählig dorthin geleitet, und jemehr dieß schon vorher geschehen ist, und gleichzeitig noch immer geschieht, mit desto größerer Hoffnung auf guten Erfolg kann dann auch dort der Same des göttlichen Wortes ausgestreut werden. Wie viel mehr noch muß dasselbe gelten, wenn es nur einzelne Abtheilungen der Gesellschaft, oder gar nur einzelne Gemüther sind, die noch zu geringen Antheil haben an dem eigentlich fruchtbringenden Boden. Und so laßt uns denn freudig glauben, daß es ursprünglich in der menschlichen Natur nicht zweierlei entgegengesetzte Beschaffenheiten giebt in Bezug auf jenen göttlichen Samen. Vielleicht aber denkt Mancher unter euch: Wie ist es denn? stimmen die nicht mit dem Erlöser überein, oder stimmt er selbst nicht mit sich überein, wenn diejenigen Anderen seine Aussprüche für sich haben, welche sagen: es gebe keinen wahren Glauben an den Erlöser, als den, welchem das Bewußtseyn von einem angestammten Verderben, von einer ursprünglichen Unfähigkeit der Seele zum Grunde liege, welche nur durch einen solchen göttlichen Erlöser, wie Christus ist, kann aufgehoben werden? Denn ohne dieß könnte seine Erscheinung zwar eine herrliche Verschönerung des menschlichen Lebens seyn, und die Entwickelung unserer Natur auf eine eigenthümliche Weise beschleunigen, – aber ein wesentliches Bedürfniß sey sie nicht. Wenn nun dagegen hier Christus selbst die menschliche Seele, wie sie ist, wenn der Same des göttlichen Wortes in sie hineingestreut wird, als ein gutes Land beschreibt: stimmt dieß Beides mit einander? Es scheint vielleicht nicht; aber dennoch glaube ich, daß gerade diese Worte des Erlösers recht geeignet sind, übertriebene oder vielmehr ihrem inneren Wesen nach ganz falsche Vorstellungen von diesem wichtigen Theile unseres Glaubens zu beseitigen. Denn bemerkt nur, wie weit der Erlöser davon entfernt ist, zuzugestehen, daß die menschliche Seele, wie sie war | und wie er sie fand, im Stande sey, das Gute und Wahre, denn das ist doch die Frucht des göttlichen Samens, aus sich selbst hervorzubringen. Sonst wäre es ja völlig überflüssig, – so aber will er die Sache gewiß nicht darstellen, – daß man erst einen Samen des göttlichen Wortes hineinstreute. Darüber also spricht sich
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der Erlöser deutlich aus, daß an eine brauchbare Erndte auf diesem Boden nicht zu denken sey, wenn nicht erst der Same dazu von außen hineingebracht wird. Demohnerachtet aber nennt er die menschliche Natur im Allgemeinen ein gutes Land, und mit Recht, insofern er ihr die Fähigkeit und das Vermögen zuschreibt, daß sie das Göttliche, wenn es in sie hineingesäet wird, aufnehmen, das heißt auf der einen Seite verstehen, auf der anderen auch es in sich bewahren und bewegen könne. Nun aber ist Er der Säemann, ist er also nicht nothwendig? ist das göttliche Wort, welches er aussäet, nicht unentbehrlich, wenn irgendwo ein fruchtbares Feld erscheinen soll? Nur so weit, m. g. Fr., wollen wir uns niemals verirren, denn so weit geht dann auch der Erlöser nicht mit, daß wir einem Theile des menschlichen Geschlechts oder irgend einem einzelnen menschlichen Gemüthe das Vermögen absprechen sollten, wenn hineingesäet wird, dann auch Frucht zu tragen. Oder müssen wir dann nicht behaupten, daß der Same des göttlichen Wortes nirgends gedeihen könne? wäre dann nicht auch der Säemann vergeblich gekommen, der ihn ausstreut, könnte dann irgendwo etwas Anderes gefunden werden, als die traurige Frucht der Dornen und Disteln? Dabei also bleibe es: unfruchtbar ist an sich die menschliche Natur, der Erlöser ist gekommen, sie zu befruchten, er hat hineingestreut den edlen und herrlichen Samen des göttlichen Wortes. Aber nur vom guten Lande kann auch gefordert werden, daß es Frucht trage; und wenn nicht überall die menschliche Natur solch gutes Land wäre, dann hätten wir auch nicht Recht, zu behaupten, daß der Erlöser gekommen sey, um Alle zu erlösen, sondern auch Er könnte dann nur Einigen helfen, die nämlich gutes Land wären. Einige wären dann geschaffen, um, wenn das göttliche Wort in sie hineingestreut wird, Frucht zu bringen, | und so gerettet zu werden in die Scheure des himmlischen Vaters; Andere aber müßten geschaffen seyn, um nichts zu tragen, als Dornen und Disteln, welche verbrannt werden am Tage der Erndte. Glauben wir also an eine allgemeine Gnade Gottes in Christo, so müssen wir auch glauben, die menschliche Natur sey gutes Land für das göttliche Wort. Wie könnte es auch sonst eine Verwandtschaft geben zwischen Ihm, der gekommen ist, zu erlösen, und uns, die von ihm erlöst werden sollen, und die er doch seine Brüder nennt, wenn wir auch das Vermögen nicht hätten, den göttlichen Samen in uns aufzunehmen, ihn zu hegen und zu nähren. Dabei aber bleibt der wesentliche Unterschied, daß Er allein, das himmlische 29 Scheure] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 4, Sp. 44 30–31 Vgl. Mt 13,30 sowie Hebr 6,8 Lk 8,21
35–36 Vgl. Mt 12,48–50; Mk 3,33–35;
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Waizenkorn, das in die Erde fallen mußte und ersterben, die ganze menschliche Natur befruchtete; denn jedes Gottes Wort, das in irgend eine menschliche Seele fällt, stammt von ihm ab. Wir aber bringen Frucht, nicht so, als ob aus dem Boden von selbst die gesegnete Erndte hervorsprieße, sondern durch die lebendige Kraft in dem Samen, den der Herr ausstreut, und durch die geheimnißvollen Wirkungen des göttlichen Geistes, und durch das ganze allgemeine Leben im Reiche Gottes entsteht Gedeihen und Wachsthum und Frucht. Wohl, m. gel. Fr., so ist es also, und immer werden wir sagen müssen: wo das nicht geschieht, da sind es menschliche verderbliche Wirkungen, welche vorangegangen sind. Das ursprüngliche Verhältniß zwischen dem Erlöser und der menschlichen Natur ist nicht verschieden von dem natürlichen, durch das Christus es läutert; der Same wird gestreut in ein Land, welches fähig ist, ihn zum Keimen, Wachsen und Reifen zu bringen.
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II. Aber nun laßt uns zweitens unsere Aufmerksamkeit richten auf die Erndte. Er bringt dann Frucht, der gestreute Same, sagt der Herr, und Einiges trägt hundertfältig, Einiges sechszigfältig, Einiges dreißigfältig. Große und bedeutende Unterschiede; aber überall, m. g. Fr., welch ein herrlicher Reichthum tritt uns entgegen in den Zahlen, die der Herr hier anführt! Welche freudige Zuversicht zu dem Wachsthume des | göttlichen Samens muß uns erfüllen, wenn wir hören, daß den Boden bearbeiten, Säen, Pflanzen, und Begießen, nicht ein so undankbares Geschäft ist, daß es nach aller Mühe nur einen kärglichen Ertrag gewähre, sondern daß überall eine reiche und herrliche Erndte lohnt! Auch hier, m. g. Fr., giebt es also Zweierlei, worauf wir unsere Aufmerksamkeit zu richten haben: das Eine ist eben die herrliche Fülle, die der Erlöser in seinen Worten ankündigt, das Andere ist die Ungleichheit, die er uns aufschließt. Ist nun das gesammte Reich Gottes auf Erden diese Erndte: müssen wir nicht zuerst in Demuth daran denken, wie nach so vielen Jahrhunderten alle christliche Tugend und christliche Einsicht noch immer so sehr unvollkommen bleibt? So erkennen wir denn auch darin die Langmuth des Herrn, der das nicht in Rechnung bringt, wenn nur das Innerste des Menschen gewonnen ist, wenn nur das lebendige Streben und Treiben des Geistes in ihm nicht nachließ. Und so dürfen wir denn getrost auf den Umfang des Bodens sehen, der schon gesegnete Erndten trägt. Ja, mit viel guter und fröhlicher Hoffnung dürfen wir heut’ zu Tage auch auf diejenigen Theile des menschlichen Geschlechts sehen, wo der göttliche Same noch nicht gestreut 1 Vgl. Joh 12,24
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ist. O wie Vieles ist schon vorbereitet, um auch auf solche verödete Gegenden das fruchtbare Land zu bringen, in einem solchen Maße, daß hernach der Same des göttlichen Wortes wird Wurzel fassen können! Und welche heilsame Feuer der Läuterung und der Prüfung sind schon ergangen über jene wilderen Gegenden unseres Geschlechts, wo auf einem an sich fruchtbaren und herrlichen Boden doch bis jetzt nichts Anderes, als Unkraut und Dornen, gewachsen ist! und wie wird dieses heilsame Feuer den Boden reinigen von der verderblichen Saat, daß es herrliche Frucht bringt, wenn auch seine Stunde gekommen seyn wird, und dort der göttliche Same wird ausgestreut werden! Und diese ganze reiche unübersehbare Erndte von einem einzigen Korne! Das edle Waizenkorn, welches mußte in die Erde gesenkt werden und ersterben, damit es nicht allein bliebe, | sondern Frucht brächte, es hat diese große unübersehbare Erndte hervorgebracht. Halten wir nun das fest im Auge, m. g. Fr., und bedenken, wie das gesegnete Geschäft dieses geistigen Ackerbaues immer noch fortgeht, und der Same des göttlichen Wortes, der nun die Frucht ist von so vielen Jahrhunderten und Geschlechtern, seitdem das Eine Waizenkorn ist gesäet worden, daß der immer wieder ausgestreut wird, und jedes Geschlecht seine reiche Erndte trägt; sehen wir, wie diejenigen, welche berufen sind zu säen, sich von Zeit zu Zeit immer weiter umher ansiedeln über den gemeinsamen Boden der Erde, damit überall das edle Korn des göttlichen Wortes wachse, – was soll uns dann wohl die Ungleichheit kümmern, wenn nun auch Einiges nur dreißigfältig trägt, während Anderes hundertfältig lohnt! Aber, m. g. Fr., so ist die menschliche Natur, daß wir doch von dieser Ungleichheit unsere Aufmerksamkeit nicht ablenken können. Der Herr verbirgt sie uns nicht, wir wollen sie uns auch nicht verbergen; aber laßt uns darauf achten, daß wir sie auch nur so beurtheilen, wie er es uns lehrt und wie wir seinen Geist und Sinn darüber kennen. Zuerst, m. g. Fr., laßt uns das festhalten, daß wir hierbei eine zwiefache Stelle einnehmen: wir sind ein Mal ein Theil des besäeten fruchtbaren Landes, aber dann theilen wir auch den gemeinsamen Beruf, zu säen, und des Ackers zu pflegen. – Was nun das Erste betrifft, so bleibt es dabei, der Ruhm und der Preis von der dreißigfältigen, so wie von der sechszigfältigen und von der hundertfältigen Erndte, gebührt immer nur dem Einen. Wir bringen beständig unsere Frucht; aber nur, wenn auch immer auf’s Neue der Same des göttlichen Wortes in unsere Seelen gestreut wird. Hörte das einmal auf, so würde jeder Wind bald Samen des Unkrautes genug auf den Acker führen, und dieses würde dann ungehindert fortwuchern, bei dem Ei12–13 Vgl. Joh 12,24
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nen mehr diese, bei dem Anderen mehr jene Art. Darum nehmen wir mit verlangendem Herzen immer auf’s Neue den köstlichen Samen in unsere Seele auf, um ihn zu verstehen und in | uns zu bewegen. Und wenn wir Ungleichheiten des Wachsthums finden, die auf eine Ungleichheit der Erndte schließen lassen, – daß sich dann Keiner des günstigen Verhältnisses überhebe und voreilig seinen Boden für besser erkläre, sondern sich darauf gefaßt mache, daß, ist einmal die Witterung ihm günstig gewesen, sie es dann wieder einem Anderen seyn wird, und er ihre Ungunst erfahren wird. Denn innere Ungleichheiten giebt uns Christus keine anderen zu erkennen, als die wir neulich beherzigt haben: daß Einige mehr geneigt sind, wenn auch nur vorübergehend, verhärtet zu werden, so daß sie dann den göttlichen Samen nicht in die innerste Tiefe des Gemüths aufnehmen, Andere wieder so geartet sind, daß von Zeit zu Zeit die Dornen schneller bei ihnen wachsen, als der gute Same aufgehen kann und gedeihen. Solche Ungleichheiten verschiedener Zeiten wird Jeder an sich selbst kennen. Bisweilen ist der Boden so aufgelockert und empfänglich, daß man die fröhlichsten und schönsten Hoffnungen schöpfen kann, bisweilen ist er stellenweise so verhärtet, daß manches schöne Korn verloren geht, welches einen guten Beitrag zur Erndte würde gegeben haben. So laßt uns denn in dieser Beziehung wachen und beten, und Jeder, wenn er stark ist, nehme des Schwächeren wahr, so wird mit Gottes Hülfe die Ungleichheit sich allmählig immer mehr verringern. Und so führt die Sache selbst uns zu dem anderen Stücke, daß wir nämlich auch ohne Ausnahme den großen Beruf theilen, zu säen und des Ackers zu pflegen. Stellt der Erlöser sich selbst unter dem Bilde des Säemannes dar, welcher den guten Samen ausstreut: so gehören wir Alle auch zu denen, welchen er gesagt hat: Wie mich der Vater gesendet hat, so sende ich Euch. Säen also sollen wir, wie Er, nur nichts Anderes, als was wir von ihm empfangen haben. Und dieses Berufes sind wir gewiß Alle so freudig bewußt, daß, wenn der Herr Rechenschaft davon fordert, Keiner unter uns, wie jene, die sich für gerecht halten, wird sagen wollen: Herr, wann hättest du mich ausgesendet und mir ein Feld anvertraut, um es zu besäen? und wann | hätte ich wohl den Samen des göttlichen Wortes in meine Hände empfangen, daß ich ihn ausstreuen konnte? Ja, wir sollen ihn ausstreuen, und streuen ihn aus, bewußt und unbewußt, durch unser ganzes Leben. Ueberall, wo wir mit schwächeren Brüdern leben und mit dem jüngeren Geschlechte, da ist ein Feld unserer Pflege anvertraut; über10–11 Vgl. die Predigten am 28. Mai 1826 vorm., 11. Juni 1826 vorm. und 25. Juni 1826 vorm. über Lk 8,12.13; Mt 13,22 28–29 Vgl. Joh 20,21 31–32 Vgl. Mt 25,19 33–36 Formulierung in Anlehnung an Mt 25,37–39.44
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all, wo wir durch Wort und That Zeugniß geben von dem Glauben an den Herrn, der unser Herz erfüllt; überall, wo ein Wort der Lehre, oder des Trostes, oder der Warnung, über unsere Lippen geht, überall, wo etwas aus uns redet, das da spricht: wie sollte ich ein so großes Uebel thun und wider den Herrn meinen Gott sündigen; überall, wo der göttliche Geist sich bewegt und äußert in einer von jenen lieblichen Früchten, die uns der Apostel beschreibt: da überall streuen wir zugleich göttlichen Samen aus, der unter Gottes Beistand Frucht bringen kann. Und wie wir uns schon neulich daran erinnert, daß nicht nur im Reiche der Natur viel mehr Samen aller Art ausgestreut wird ohne menschliche Mühe und Arbeit, wenn Luft und Sonne die Hülle öffnen, so daß der Same herabfällt in das aufgethane Land, sondern daß auch dann so auf dem Gebiete des geistigen Lebens überall dieses bewußtlosen Säens weit mehr ist, welches wie von selbst durch das allgemeine Leben in der christlichen Kirche verrichtet wird, mehr als des absichtlichen durch das ausdrückliche Wort der Lehre und der Ermahnung im öffentlichen Leben sowohl, als im häuslichen: so können wir Alle, m. g. Fr., um so reichlicher auch das fröhliche und dankbare Bewußtseyn haben, daß wir auf mancherlei Weise beitragen zur Reichlichkeit der Erndte. Mag irgendwo in unserer Nähe der Boden dreißigfältig tragen, oder sechszigfältig, oder hundertfältig: haben wir nur in der That das göttliche Leben in uns, so haben wir auch hieran unseren Theil, als Diener, als Werkzeuge des Herrn, als lebendige Glieder an seinem geistigen Leibe. Und arbeitet Einer von uns etwa vorzüglich da, wo es nur dreißigfältig trägt oder weniger, und ein Anderer aber ist da angestellt, wo eine hundertfältige Erndte lacht: sollen wir scheel sehen oder neidisch seyn? Ferne sey das | von uns! Wenn wir uns doch des Herrn freuen sollen allewege, und wenn durch diese Freude aus der Gemeine des Herrn verbannt seyn sollen alle Schmerzen, alle Seufzer, alle Thränen: so müssen wir wohl besonders damit anfangen, die Gifthauchenden Seufzer des Neides, und die krampfhaften Thränen der Mißgunst zu verbannen, und freudig können wir ja daran denken, daß Alles das Unsrige ist. Eben so wenig aber sey Einer so hochmüthig, wenn das Feld, an welchem er arbeiten hilft, reicher trägt, als er ein anderes in der Nähe sieht; denn der Hochmuth würde doch nur vor dem Falle kommen. Hier in dem Reiche Gottes noch weit mehr, als in anderen menschlichen Dingen, ist Eines eben so wenig an seiner Stelle, als das Andere, und nur ein Zeichen, daß wir 4–5 Vgl. Gen 39,9 6–7 Vgl. Gal 5,22–23; in der Lutherübersetzung (bzw. im textus receptus) auch Eph 5,9 9–12 Vgl. die Predigt am 25. Juni 1826 vorm. über Mt 13,22 23 Vgl. 2Tim 2,24 und Apg 9,15 23–24 Vgl. Eph 5,30 (sowie Röm 12,4–5; 1Kor 12,12–26) 27–28 Vgl. Phil 4,4 29–30 Vgl. Offb 21,4 33 Vgl. 1Kor 3,21–22 35–36 Vgl. Spr 16,18
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noch sehr wenig verstehen, geistige Dinge geistig zu richten. Ja kaum kann es für uns etwas Verkehrteres geben, als wenn Einer sich irgend bedeutend von dem Anderen unterscheiden will. Soll von den Vorzügen eines Einzelnen die Rede seyn: ist denn der Einzelne für sich selbst etwas in dem Herrn? Wird bei der Erndte Rechnung gehalten von jedem Halme? Ja wenn der Herr, ehe die Felder reif sind, sie durchwandelt, und seine Freude hat an der Fruchtbarkeit, die ihn überall umgiebt: dann zeichnet er sich wohl aus einen einzelnen über die anderen besonders hervorragenden und mit reicheren Körnern ausgestatteten Halm, und hat seine Freude an dem Schmucke, durch welchen er unter den anderen sich auszeichnet; aber bei der Erndte selbst verschwindet das Alles, Jeder kann da nur auf den großen Reichthum des Ganzen sehen, und alles Einzelne ist zu gering, um betrachtet zu werden. So, m. g. Fr., auch wir. Betrachten wir, was uns von der großen Gemeine des Herrn umgiebt, in ganz ruhigen Augenblicken, wo es uns nur um die Anschauung zu thun ist: dann ist es recht und billig, daß wir uns freuen an allen Einzelnen als Miteigenthümer des Herrn; aber dann wird auch Jeder an sich selbst am wenigsten denken. Aber wenn wir in dem Werke des Herrn begriffen sind, sey es nun säend oder pflanzend, begießend oder erndtend, – dann muß uns eben so das | Einzelne verschwinden, und wir unsere rechte Freude nur haben an dem Ganzen. Ist aber die Rede von den gelungenen Werken und Thaten des Einzelnen, von den guten Diensten, die Einer dem gemeinsamen Herrn der Erndte geleistet hat: wie wäre es wohl möglich, da wir Alle zugleich an Anderen arbeiten, und von Anderen an uns gearbeitet wird, daß Einer mit irgend einiger Klarheit und Sicherheit sich selbst oder irgend einem anderen Einzelnen irgend etwas Besonderes bestimmt und ausschließend zuschreiben wollte. Trägt ein Feld hundertfältig: Einer hat das nicht bearbeitet, sondern es ist die Frucht von der gemeinsamen Mühe und Arbeit Aller unter dem göttlichen Beistande, ohne welchen nichts gedeiht. Trägt ein anderes nur dreißigfältig: wir können auch nicht über Einen oder Mehrere herfahren, daß sie es vernachlässigt hätten! Immer werden wir wohl thun auf der einen Seite, dieses Zurückbleiben als das Werk der gemeinschaftlichen Unvollkommenheit anzusehen; auf der anderen Seite aber soll auch ein solcher Theil der göttlichen Erndte mit herzlichem Danke gegen den, der so viel Gedeihen gegeben hat, aufgenommen und eingesammelt werden. Darum, m. g. Fr., ohne bei solchen Unterscheidungen aufzuhalten und um ihretwillen zu veruneinigen – denn das würde selten ausbleiben – wollen wir vielmehr uns selbst und Andere bewahren, 4–5 Vgl. 1Kor 3,7
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daß immer weniger solche Augenblicke in unserem Leben seyn mögen, wo irgend ein Samenkorn des göttlichen Wortes vergeblich hineingestreut wird. Wir wollen uns unter einander ermuntern, daß wir Alle treu und fleißig seyn mögen im Säen und im Pflanzen und im Begießen, damit der Herr von jedem Geschlechte, welches auf Erden lebt und blüht, immer eine reiche Erndte möge zu sammeln haben. Und wenn wir, so weit unser Auge reicht, noch auf manche minder fruchtbare und angebaute Gegenden treffen in diesem großen Gebiete des Reiches Gottes: so laßt uns vor allen Dingen das Wort des Erlösers zu Herzen nehmen: Bittet den Herrn der Erndte, daß er Arbeiter sende in seine Erndte. Amen. Schl.
b. Nachschrift Predigt am siebenten Sonntage nach Trinitatis 1826. |
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Tex t. Matth. XIII, 23. Der aber in das gute Land gesäet ist, der ist es, wenn jemand das Wort höret und verstehet es, und dann auch Frucht bringet; und etlicher trägt hundertfältig, etlicher aber sechzigfältig, etlicher dreißigfältig. M. a. F. Die früheren Theile dieser Gleichnißrede unsers Herrn zeigen uns, was dem göttlichen Worte nachtheiliges in der menschlichen Seele begegnet, so daß es die Absicht, in wel|cher es gesäet worden war, nicht erreichen kann; hier nun schließt der Herr die Erklärung seiner Rede mit demjenigen was sich auf das Gedeihen des göttlichen Wortes bezieht. Da er nun aber dies in den Worten, die er an seine Jünger richtet, das Geheimniß des Himmelreichs oder des Reiches Gottes nennt, so müssen wir also auch sagen, dieses Gedeihen des göttlichen Wortes schließt alles in sich, was in der That und Wahrheit zum Reiche Gottes auf Erden gehört. Die Kirche | des Herrn in allen ihren verschiedenen Gestalten, die sie unter verschiedenen Geschlechtern der Menschen und zu verschiedenen Zeiten angenommen hat, alles in einer jeden einzelnen dieser heiligen Gemeinschaft angehörigen Seele, was in der That von oben her ist und nicht der Welt angehört, das alles vom größten bis zum kleinsten wird hier beschrieben als die 3–5 Vgl. 1Kor 3,6–9 10–11 Mt 9,38 18–21 Vgl. die Predigten am 28. Mai 1826 vorm., 11. Juni 1826 vorm. und 25. Juni 1826 vorm. über Lk 8,12.13; Mt 13,22 23–24 Vgl. Mt 13,11; Mk 4,11; Lk 8,10
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Frucht, welche das göttliche Wort in einem guten Boden trägt wenn es dahin fällt. O | so laßt uns denn auf diesen Inbegriff aller göttlichen Segnungen über das menschliche Geschlecht, auf diese Fruchtbarkeit des göttlichen Wortes in dem Aker der menschlichen Natur unsre andächtige Aufmerksamkeit richten in dieser Stunde. Es ist aber zweierlei, worauf die Worte unsers Textes uns hinweisen: das eine ist das Land, das andre ist die Ernte. I. Einiges, so sagt der Herr nun zuerst, fiel auf ein gutes Land, | und das was auf ein gutes Land gesäet ist, sagt er in den Worten unsers Textes, das ist wenn jemand das Wort hört und versteht es; der Evangelist Lukas aber fügt hinzu: und bewahrt es in einem feinen guten Herzen, und es gelangt dann zu seiner Frucht. So sehen wir also wohl m. g. F., was der Herr unter diesem guten Lande versteht. Wenn in der menschlichen Seele das Verständniß unverdorben ist und rechter Art um das göttliche | Wort aufzunehmen; wenn ein Gemüth da ist im Stande es zu behalten, zu bewahren und zu bewegen: dann entsteht daraus jenes gedeihliche Wachsthum, welches dem Herrn der Ernte lohnt mit seiner Frucht. Was aber die Worte des Herrn nach der einen und was sie nach der andern Erklärung besagen m. g. F., es ist genau genommen nicht verschieden, sondern es ist einerlei. Das unverdorbene Verständniß und das unverdorbene Gemüth, beides wenn wir genau darauf achten, | werden wir es immer vereinigt finden. Es kann allerdings dem Menschen bei einem Herzen, welches wohl geneigt ist das Gute in sich zu bewahren und zu bewegen, an einer gewissen Gewandtheit des Verstandes fehlen in Beziehung auf die weltlichen Dinge, an einer gewissen Schnelligkeit, dasjenige was mannigfaltig ist und bunt an sich selbst, sich gleich auf die rechte Weise zu ordnen; aber das Verständniß für das Gute ist von der Neigung des Gemüths es in sich | aufzunehmen und zu bewahren unzertrennlich. Und wenn wir sehen auf das Traurige zurük, was uns der Erlöser in den früheren Theilen seiner Rede dargestellt hat: so werden wir auch da das beides mit einander vereinigt finden. Diejenigen deren Gemüth er dem Wege vergleicht, wo der Same nothwendig auf der Oberfläche liegen bleibt, das sind freilich solche, von denen man niemals wird sagen können, daß wenn sie auch mit gesundem und unver|kürztem Sinn das göttliche Wort äußerlich vernehmen, daß sie es innerlich seinem eigentlichen Werthe nach verstehen, eben deshalb weil ihr Gemüth verhärtet ist, und ihnen die Offenheit fehlt es in sich zu verschließen, zu bewahren und zu bewegen. Und wiederum diejenigen, welche das göttliche Wort in ihrem Gemüth so wenig bewegen auf eine lebendige Weise, daß das Unkraut und die Dornen es leicht überwachsen können, von denen werden | wir freilich 8 Vgl. Mt 13,8 10–12 Vgl. Lk 8,15 Mt 13,19 37–39 Vgl. Mt 13,22
28–29 Vgl. Mt 13,19–22
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sagen müssen, sie haben es nicht so bewegt in ihrem Gemüth wie es sich gebührt hätte für den göttlichen Samen, weil sie es nicht recht verstanden haben in seinem Unterschiede von demjenigen, was einmal aufgegangen in der Seele nichts anderes werden kann als verderbliches und erstikendes Unkraut. So m. g. F. fördert das Eine das Andre gegenseitig, so wird das Eine von dem Andern gehindert, und beides hat seinen Grund in einer und derselben | Quelle. Geheimnißvoll m. g. F. ist uns auch was der Erlöser hier darstellt von der Natur. Wie in einem fruchtbaren Lande der Same, in welchem die Kraft des Lebens ruht, bewegt wird und diese Kraft sich in demselben entwikelt, wie dann hernach dadurch im Lichte der Sonne das immer weiter gedeihende Wachsthum entsteht, wie sich aus diesem die hoffnungsvolle Blüthe und die reiche Frucht entfaltet: täglich sehen wir es vor unsern Augen, aber es bleibt | uns immer ein Wunder, in dessen Geheimniß wir nicht eindringen. So m. g. F. ist es auch in dem menschlichen Gemüth. Täglich sehen wir wie das göttliche Wort gesäet wird; wir bemerken auch den Unterschied, wir beklagen die Verhärtung und die Gleichgültigkeit einiger Gemüther, wir bejammern den Fortgang, welchen in einem Lande werth Beßres zu tragen die Dornen und die Disteln gewinnen; wir bemerken auch das stille Wirken | und Weben eines auf das Göttliche gerichteten Gemüths: aber wie nun beides zusammen sich verhält, das Land in welches gesäet wird, und der Same der gesäet wird; wie die Fruchtbarkeit in diesem entsteht – das ist und bleibt uns ein Geheimniß; und eben deshalb weil der Erlöser es uns nur erläutert an einem Beispiel welches eben so geheimnißvoll ist, so hat er uns allerdings zwar das Geheimniß des göttlichen | Reiches eröffnen wollen, aber doch nur so, wie wir uns auch bescheiden müssen daß die innerste Tiefe desselben uns immer verborgen bleibt. Darum m. g. F. wenn diese Betrachtung so mancherlei Fragen in uns erzeugt, und eben die Aufmerksamkeit derer am meisten spannt, welche nichts sehnlicher wünschen als daß das Reich Gottes kommen möge über uns alle: so laßt uns wohl unterscheiden, was uns der Herr wirklich hat erklären wollen, und was uns unbegreiflich | bleibt und bleiben soll. Das hat er uns erklären wollen, daß ohne ein solches Verständniß des göttlichen Wortes, ohne ein solches Bewahren und Bewegtwerden desselben in der Tiefe des Gemüths keine Frucht aus demselben hervorgehen kann. Aber die Frage, die uns nun dabei am nächsten liegt m. g. F., in Beziehung auf das Land, in welches der Same gesäet wird, das ist dann wohl natürlicherweise die, daß wir uns nicht damit begnügen wollen | zu wissen, ja ein Gemüth, in welchem das Verständniß und das Aufnehmen und Bewegen in dem Innersten ist, das wird Frucht bringen, sondern wir möchten auch wissen, welche Menschen es sind, die nun so geartet sind von Natur, daß dies in ihnen bewirkt werden kann, und welches sind denn diejenigen, in denen 17–18 Vgl. Gen 3,17–18; Hebr 6,7–8
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immer nur eines von jenen traurigen Ergebnissen entsteht. M. g. F. der Erlöser hat uns darüber nichts gesagt; was können, ja ich will sagen, was müssen wir | daraus schließen? Nichts anderes als dies, daß es einen ursprünglichen Unterschied unter den Menschen in dieser Beziehung wenig oder gar nicht giebt. Denn m. g. F. wir müssen aus seiner Rede schließen, alles ist gutes Land, was nicht auf eine solche Weise verhärtet ist, wie es einer Straße begegnet die auch aus dem fruchtbarsten Boden bestehen kann; alles ist fruchtbares Land, aber es kann sein, daß manches so dürftig ausgestreut ist, daß nicht Kraft genug ist | den Samen des göttlichen Wortes zur Reife zu bringen; alles ist gutes Land, aber freilich in manchem überwiegt die Ernte der Disteln und Dornen den guten Samen; aber so wenig das Land den Samen des göttlichen Wortes von Natur in sich hat, eben so wenig auch die Dornen und die Disteln. Was der Herr uns darstellt als das dem Mißrathen des göttlichen Wortes zum Grunde liegende Verderben, es ist alles etwas was nur in dem mensch|lichen Leben und durch das Zusammenwirken und Einwirken der Menschen auf einander entsteht, aber nicht in der innersten Natur derselben seinen Grund hat. Verhärtet muß der Boden erst werden indem immerfort über ihn gegangen und gefahren wird, ehe er sich bestimmt vom Aker scheidet; irgendwie muß die Saat der Dornen und der Disteln hineinkommen, sonst kann sie eben so wenig aufgehen, wie die Frucht des göttlichen Wortes nicht aufgehen | kann wenn der Same nicht gesäet wird; und der einzige Unterschied welcher erscheint m. g. F., ist der, daß an einigen Stellen der fruchtbare Boden tief genug ist, damit der Same gehörig Wurzel schlagen kann, an andern aber das unfruchtbare Gestein zu nahe darunter liegt um ihm das gewähren zu können. Das ist der einzige natürliche Unterschied, den uns der Herr angiebt. Aber ist der ein solcher, daß nun deswegen das eine Land ein gutes wäre, das andre ein schlechtes? | Das dürfen wir nicht sagen, sondern es ist nur von dem guten zu wenig da. Sollen wir sagen, das wäre ein natürlicher Zustand, und zwar ein solcher der auch bleiben soll und bleiben muß? Nein m. g. F. Fragen wir, wo ist eine solche Dürftigkeit der menschlichen Natur auf eine ursprüngliche Weise? An den äußersten Enden der Erde, wo die Menschen nur zerstreut hingeworfen sind und nur gleichsam verschlagen zu sein scheinen von ihren ursprünglichen Wohn|sizen. Da drängt sie und beugt die Noth der Natur, und da ist nicht Kraft genug um den Samen des geistigen Lebens zu fördern. Was geht aber auch immer der Verkündigung des göttlichen Wortes in solchen Gegenden voran? Dies daß eine Gemeinschaft eröffnet wird mit denjenigen Theilen des menschlichen Geschlechts, in denen das geistige Leben schon entwikelt ist. Es wird also erst der fruchtbare Aker dort hingeleitet; und das soll und muß in einem gewissen Grade 5–26 Vgl. Mt 13,4–7.19–22 11 Vgl. Hiob 31,40; Jes 5,6 Hebr 6,8 28–29 Vgl. Mt 13,5
13 Vgl. Gen 3,18;
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schon | geschehen sein, ehe der Same des göttlichen Wortes kann ausgestreut werden. Ursprünglich also soll er überall gutes Land finden; die menschliche Natur ist es, für welche er bestimmt ist, und in welcher er gedeihen soll. Aber wie ist es m. g. F.? stimmt denn der Erlöser mit sich selbst überein? oder stimmen diejenigen nicht mit ihm überein, welche sagen, es giebt keinen Glauben an ihn in der menschlichen Seele, wenn nicht vorher zu dem Glauben die feste Überzeugung von einem ursprüng|lichen Verderben hinzugetreten ist, welches nur durch ihn kann aufgehoben werden? Wenn er hier nun die menschliche Natur, wie sie ist wenn der Same des göttlichen Wortes in sie gestreut wird, doch als ein gutes Land beschreibt, stimmt er mit jenen überein? O m. g. F. diese seine Worte sind eben recht dazu geeignet, übertriebene nicht sowohl als vorzüglich ihrem innern Wesen nach falsche Vorstellungen von diesem wichtigen Theil unsers Glaubens zu beseitigen. Worin | besteht das Verderben der menschlichen Natur? In ihrer ursprünglichen Unfruchtbarkeit, darin daß sie nicht vermag, so wie sie ist abgesehen von den Wirkungen das Erlösers, das Gute was in der That die Frucht des göttlichen Reiches ist hervorzubringen. Dieses spricht er auch dem guten Lande nicht ab; denn er sagt es ja, daß der Same des göttlichen Wortes erst muß hineingestreut werden. Aber daß jenes Vermögen in der menschlichen Natur ist, das Göttliche wenn es in sie hineingesäet wird aufzunehmen, | es zu verstehen auf der einen Seite, es in sich zu bewahren und zu bewegen auf der andern, das ist es was er uns will zu erkennen geben; und niemals sollen wir uns so weit verirren oder verlieren, weder einem Theil des menschlichen Geschlechts noch irgend einem einzelnen menschlichen Gemüth dieses Vermögen abzusprechen. Denn wäre das nicht gewesen, so würde nirgend der Same des göttlichen Wortes gedeihen, so würde auch der Säemann vergeblich gekommen sein, der ihn aus|streut, und nirgend könnte etwas anderes gefunden werden als die traurige Frucht der Dornen und der Disteln. Dabei also bleibe es. Unfruchtbar ist an sich die menschliche Natur; der Erlöser ist gekommen sie zu befruchten; er hat hineingestreut den edlen und herrlichen Samen des göttlichen Wortes; aber vom guten Lande kann auch gefordert werden, daß der Same Frucht trage; und wenn nicht überall in der menschlichen Natur das gute Land wäre, dann hätten auch diejenigen nicht Recht, wel|che sagen, daß der Erlöser gekommen sei um alle zu erlösen, sondern auch er könnte dann nur einige erlösen, dann müßte sein ein ursprünglicher Unterschied, daß einige geschaffen wären, um wenn das göttliche Wort in sie hineingestreut wird Frucht zu bringen und so gerettet zu werden in die Scheuren des Himmelreichs, andre aber müßten geschaffen sein, um 39 Scheuren] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 4, Sp. 44 39–2 Vgl. Mt 13,30 sowie Gen 3,18; Hebr 6,8
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nichts zu tragen als Dornen und Disteln, welche verbrannt werden am Tage der Ernte. Glauben wir also m. g. F. an die | allgemeine Gnade Gottes in Christo, so müssen wir auch glauben, gutes Land für das göttliche Wort ist die menschliche Natur; das ist die Verwandtschaft zwischen ihm welcher gekommen ist zu erlösen, und zwischen uns welche erlöst werden müssen, das Vermögen den göttlichen Samen in uns aufzunehmen, zu hägen und zu nähren, damit nicht durch die Kraft des Landes, sondern durch die lebendige Kraft des Samens und durch die geheimnißvollen Wirkungen des | göttlichen Geistes und das ganze Leben im Reiche Gottes Gedeihen entstehe und Wachsthum und Frucht. Wohl m. g. F. so ist es also, und immer werden wir sagen müssen, wo das nicht geschieht, da sind es menschliche verderbliche Wirkungen, welche vorangegangen sind. Das ursprüngliche Verhältniß zwischen dem Erlöser und der menschlichen Natur ist kein anderes als das natürliche, daß der Same gestreut wird in ein Land, welches fähig ist ihn zur Fruchtbarkeit zu bringen. | II. Aber nun laßt uns zweitens m. g. F. unsre Aufmerksamkeit richten auf die Ernte. Er bringt dann Frucht der gestreute Same, sagt der Herr, und einiges trägt hundertfältig, einiges sechszigfältig, einiges dreißigfältig. Große und bedeutende Unterschiede, aber überall m. g. F. welch ein herrlicher Reichthum tritt uns entgegen in den Zahlen, die der Herr hier anführt! welche freudige Zuversicht zu dem Wachsthum des göttlichen Samens muß uns erfüllen, wenn wir das hören, daß es nicht ein | mühseliges und gar nicht lohnendes Geschäft ist denselben zu säen und zu pflegen und zu begießen, sondern daß überall eine reiche und herrliche Ernte lohnt! Auch hier m. g. F. giebt es also zweierlei, worauf wir unsre Aufmerksamkeit zu richten haben: das eine ist eben die herrliche Fülle die in den Worten des Erlösers liegt; das andre ist die Ungleichheit die er uns aufschließt. Wenn also das ganze Reich Gottes auf Erden eben diese Ernte ist die uns beschrieben wird, das Jezige und das | Künftige – und mit wie viel guter und fröhlicher Hoffnung dürfen wir nicht heut zu Tage auch sehen auf diejenigen Gegenden des menschlichen Geschlechts wo der göttliche Same noch nicht gestreut ist! o wie vieles ist schon vorbereitet, um auch auf die verödeten Theile unsers Geschlechts das fruchtbare Land zu bringen, in einem solchen Maaße, daß hernach der Same des göttlichen Wortes wird Wurzel fassen können! ach und welche heilsame Feuer der Läuterung und der Prüfung sind schon ergangen | über jene wilden Gegenden unsers Geschlechts, wo auf einem an sich fruchtbaren und herrlichen Boden doch nichts anderes 6 hägen] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 893 23–25 Vgl. 1Kor 3,6–8
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als Unkraut und Dornen gewachsen ist! und wie wird dieses heilsame Feuer das Land reinigen von der verderblichen Saat, daß er herrliche Früchte bringen wird wenn der göttliche Same wird eingestreut werden! und alles dies, diese ganze reiche unübersehbare Ernte, von einem einzigen Korn! das edle Waizenkorn, welches in die Erde mußte gesenkt werden und ersterben, | damit es nicht allein bliebe sondern viel Frucht brächte, diese große unübersehbare Ernte hat es hervorgebracht! – o m. th. Fr., wenn wir das sehen, wenn wir darauf unsre Aufmerksamkeit richten, und dann finden, wie es immer noch fortgeht, daß der Same des göttlichen Wortes, der nun die Frucht ist von so vielen Geschlechtern seitdem das Eine Waizenkorn ist gesäet worden, daß der immer wieder ausgestreut wird, jedes Geschlecht seine reiche Ernte trägt, und diejenigen welche berufen sind | zu säen immer weiter sich ansiedeln über den gemeinsamen Boden der Erde, damit überall das edle Korn des göttlichen Wortes wachse; wenn wir das sehen: was soll uns dann wohl die Ungleichheit kümmern, daß einiges nur dreißigfältig trägt, während anderes hundertfältig trägt! Aber m. g. F. so ist die menschliche Natur, daß wir doch von dieser Ungleichheit unsre Aufmerksamkeit nicht ablenken können. Der Herr verbirgt sie uns nicht, wir wollen sie uns auch nicht verbergen, aber wir wol|len sie auch nur so betrachten, wie er es uns lehrt, und wie wir seinen Geist und seinen Sinn darüber kennen. Zuerst also m. g. F. laßt uns das festhalten aus dem was ich eben gesagt habe, der Ruhm und der Preis von der dreißigfältigen und von der sechszigfältigen und von der hundertfältigen Ernte, er gebührt immer nur dem Einen. Wir alle wir sind das Land, in welches immer aufs neue der Same des göttlichen Wortes muß gestreut werden; wir wissen es wir bedürfen dessen, und mit | verlangendem Herzen nehmen wir immer wieder den köstlichen Samen in unsre Seele auf, um ihn zu verstehen und in uns zu bewegen. Und wenn wir eine Ungleichheit finden, welche auf eine Ungleichheit der Ernte schließen läßt: es ist keine andre als daß einige mehr geneigt sind durch die Dinge dieser Welt sich zu verhärten zu jenem Sinne, der den göttlichen Samen nicht in die innerste Tiefe des Gemüths aufnimmt, andre wieder die Neigung haben, daß die Dornen schneller bei ihnen wachsen als | der gute Same aufgehen kann und gedeihen. Andre Gründe der Ungleichheit giebt es nicht, die uns der Herr entdekt. Aber wir sind nicht nur das Land, in welches gesäet wird; sondern wie er, eben so gut als er sich selbst das Waizenkorn nennt, welches in die Erde gesenkt werden muß und ersterben um Frucht zu bringen, eben so sich selbst hier darstellt unter dem Bilde des Säemanns, der den guten Samen ausstreut: so sind wir alle das Land, in welches ausgestreut werden muß; aber wir sind es | auch, zu denen er sagt „wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich 4–6 Vgl. Joh 12,24 37 Vgl. Joh 12,24
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auch euch.“ Wir sollen ihn auch ausstreuen den göttlichen Samen. So haben wir also m. g. F. einen zwiefachen Theil an der Ungleichheit, welche in dieser Hinsicht unter dem menschlichen Geschlecht stattfindet. Wir wissen, jeder von uns hat seine eigene Art wie die Fruchtbarkeit des Guten in ihm gehemmt werden kann, und weiß also auch wovor er sich zu hüten hat und zu bewahren. Jeder wird finden in sich selbst | eine solche Ungleichheit verschiedener Augenblike, in denen der Same des göttlichen Wortes in sein Gemüth fällt. Ach bisweilen ist das Land so durstig und aufgelokert ihn in die Tiefe des Herzens zu schließen, daß man daraus die fröhlichsten und schönsten Hoffnungen schöpfen kann. Ach bisweilen ist es so verhärtet, daß manches Korn verloren geht, das einen guten und schönen Beitrag hätte geben können zu der Ernte, die da zu erwarten ist. Diese Ungleichheit kennen wir, und so mö|gen wir denn sagen, es ist unsre Schuld diese Ungleichheit der Ernte. Wir m. g. F. sind auf der andern Seite auch diejenigen welche säen. Ja m. g. F. ich darf es hoffen, es ist keiner unter uns, der wenn dieses Wort an ihn ergeht sagen wird, wie der Herr es darstellt daß die Gerechten an jenem Tage sagen werden „Herr wann haben wir dich hungrig gesehen und hätten dich gespeist? wann haben wir dich nakt gesehen und hätten dich gekleidet?“ so einer sagen könnte unter uns, wann habe ich denn den Samen | des göttlichen Wortes in meine Hände bekommen, daß ich ihn ausstreuen konnte? O wir sollen ihn ausstreuen und streuen ihn aus bewußt und unbewußt durch unser ganzes Leben. Überall wo wir durch Wort und That Zeugniß geben von unserm Glauben an den Herrn, der unser Herz erfüllt; überall wo etwas aus uns redet was spricht „wie sollte ich ein so großes Übel thun und wider den Herrn meinen Gott sündigen“; überall wo der göttliche Geist sich bewegt und äußert in einer von | seinen lieblichen Früchten, die der Apostel beschreibt – da überall streuen wir aus den göttlichen Samen. Und wahrlich, wie auch in dem Reiche der Natur weit mehr Same ausgestreut wird durch die Bewegungen in den Lüften, welche die Hülle öffnen und den Samen herabfallen lassen auf das offne Land, durch die Ströme vom Himmel herab, die ihn herunterlassen und in den Boden senken, weit mehr als von menschlichen Händen absichtlich gestreut wird: so m. g. F. ist auch überall des | bewußtlosen Säens, welches aus dem allgemeinen Leben in der christlichen Kirche hervorgeht, mehr als des absichtlichen durch das ausdrükliche Wort der Lehre und der Ermahnung in dem öffentlichen Leben sowohl als in dem häuslichen. Wohlan m. g. F., so können wir also das fröhliche und dankbare Bewußtsein haben, daß wir alle beitragen zu der Ernte. Mag irgendwo der Boden dreißigfältig tragen oder 10 Ach] ach 17–19 Vgl. Mt 25,37–38 24–25 Vgl. Gen 39,9 26–27 Vgl. Gal 5,22–23; in der Lutherübersetzung (bzw. im textus receptus) auch Eph 5,9
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sechszigfältig oder hundertfältig: ist in uns selbst das göttliche Leben, so haben wir | auch an dieser Ernte unser Theil als Diener, als Werkzeuge des Herrn, als lebendige Glieder an seinem geistigen Leibe. Aber betrachten wir uns selbst als einen Theil der Ernte: o wohl finden wir auch da diesen Unterschied. Viele giebt es die tragen hundertfältig, andre giebt es die tragen nur dreißigfältig. Aber wie? m. g. F. wenn aus der Gemeinde des Herrn verbannt sein sollen alle Schmerzen, alle Seufzer, alle Thränen; wenn nichts sein soll überall als | die reine Freude an dem Herrn: o so sehen wir, hier muß es anfangen; fern von uns muß sein jeder Neid, wo wir einen andern sehen der reicher trägt als wir; noch mehr fern von uns jeder Hochmuth, wenn unser Aker reichere Früchte trägt als ein andrer, denn der Hochmuth würde nur kommen vor dem Fall. Ach m. g. F. was giebt es auch für eine wunderlichere Unterscheidung als diese? Ist denn jeder Einzelne für sich etwas? wird bei der Ernte Rechnung gehalten von jedem Halm? Ja wenn der | Herr ehe die Felder reif sind sie durchwandelt und seine Freude hat an der Fruchtbarkeit: da zeichnet er sich wohl aus einen einzelnen hervorragenden und mit reichen Körnern ausgestatteten Halm, und hat seine Freude an dem der durch sein schmükendes Ansehen seine Blike auf sich zieht; aber in der Ernte selbst verschwindet das alles; jeder kann da nur sehen auf den großen Reichthum des Ganzen, und das Einzelne ist zu gering um beachtet zu werden. So m. g. F., auch wir wenn wir das Leben betrachten in den Augenbliken der Ruhe und der | Besinnung, da ist es recht und billig, daß wir uns freuen an allem Einzelnen. Wo wir in dem Werke des Herrn begriffen sind, sei es säend oder pflanzend oder begießend oder erntend: da verschwindet uns eben so das Einzelne, und wir haben unsre rechte Freude nur an dem Ganzen. Aber eben deshalb weil wir alle zugleich diejenigen sind, welche säen, und das Land, in welches gesäet wird; jeder also giebt dem andern und jeder empfängt von dem andern: so würde auch jeder | Unrecht haben, der von sich selbst oder von irgend einem Einzelnen etwas Besonderes sagen oder dem zuschreiben wollte. Trägt einer hundertfältig: o es ist nichts anderes als die Frucht von der gemeinsamen Mühe und Arbeit aller unter dem göttlichen Beistande, ohne welchen nichts gedeiht. Trägt einer nur dreißigfältig: wohlan so sollen wir dadurch gemahnt werden daran, daß hier auf Erden überall so wie Wechsel so auch nur Ungleichheit ist. Aber auch das ist ein Theil der ganzen Ernte, | und mit herzlichem Dank soll er betrachtet werden und aufgenommen und eingesammelt. Darum m. g. F. ohne uns durch solche Unterschei17 Körnern] Körnen 2–3 Vgl. 2Tim 2,24 und Apg 9,15 3 Vgl. Eph 5,30 (sowie Röm 12,4–5; 1Kor 12,12–26) 6–7 Vgl. Offb 21,4 8 Vgl. Phil 4,4 11–12 Vgl. Spr 16,18 13– 14 Vgl. 1Kor 3,7 23–25 Vgl. 1Kor 3,6–9
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dungen aufzuhalten und zu verunreinigen – denn das würde selten ausbleiben – o laßt uns nur uns selbst und andre bewahren, daß immer wenigere der Augenblike in unserm Leben sein mögen, wo irgend ein Same des göttlichen Wortes vergeblich hingestreut wird. Laßt uns unter einander uns ermuntern, daß wir alle treu und flei|ßig sein mögen im Säen und im Pflanzen und im Begießen, damit der Herr von jedem Geschlecht das auf Erden blüht, immer eine reiche Ernte möge zu sammeln haben. Und wenn wir mit ihm sizen und überschauen das Feld und übersehen diesen Garten und Aker Gottes, und unsre Blike fallen auf unfruchtbare Gegenden im Ganzen und im Einzelnen: wohl so laßt uns auf das Wort des Herrn hören „bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter sende.“ Amen. | Ja Herr unser Gott, das ist unser Gebet, die wir hier ein Theil sind des Gartens, in welchem der Same des göttlichen Wortes gedeihen kann, schaffe du ihm immer mehr Fruchtbarkeit; und wenn sein allein die Kraft ist, wenn wir keinen andern anerkennen, der das Gute zum Leben bringen kann in der menschlichen Seele, als die göttliche Kraft die in deinem Sohn war, um die Welt nicht nur dir zu versöhnen sondern auch dir zu be|freunden und zu befruchten; aber wenn wir auch wissen, daß sein Werk nur gedeihen kann durch diejenigen welche sein Wort bewahren und weiter tragen, und jeder in seinem Kreise das Amt verwaltet welches die Versöhnung predigt: o so bitten wir dich, mache auch unter uns überall die Ernte reich und gesegnet, und laß es dem Samen des göttlichen Wortes nicht fehlen an solchen die ihn ausstreuen und bewahren; und laß uns | alle immer treuer werden, um dasjenige auszurotten was seinem Wachsthum kann hinderlich sein: damit die Gemeinschaft des fruchtbaren Bodens unter uns immer schöner und gedeihlicher, und eben dadurch auch die Ernte immer reichlicher und gleichmäßiger werde. Amen.
[Liederblatt vom 9. Juli 1826:] Am 7ten Sonntage nach Trinitatis 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Werde munter mein etc. [1.] Wohl dem, der mit Lust und Freude, / Das Gesez des Höchsten treibt, / Stets auf rechter Himmelsweide, / Bei dem Worte Gottes bleibt; / Nicht der Frevler wildem Rath / Folget auf der Sünde Pfad, / Sondern das nur liebt und ehret, / Was uns Gott vom Himmel lehret. // [2.] Seht den Baum an 5–6 Vgl. 1Kor 3,6–9 10–11 Mt 9,38; vgl. Lk 10,2 2Kor 5,18–19 20–21 Vgl. 2Kor 5,18
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Wasserbächen, / Der sich schön mit Blüthen schmükt, / Und euch Früchte dann läßt brechen, / Dran sich euer Herz erquikt. / Wird sein Laub auch welk und alt, / Edel bleibt doch die Gestalt; / Seine Zweig’ auf allen Seiten / Seht ihr schüzend sich verbreiten. // [3.] Also muß der Fromme grünen, / Der in Gottes Wort sich übt, / Ihm zum Frieden alles dienen, / Weil er Gott von Herzen liebt. / Wer sich an der Sünd erfreut, / Wird wie Spreu vom Wind zerstreut, / Dessen Glück kann nicht bestehen, / Kläglich muß er untergehen. // Nach dem Gebet. – Mel. Der Tag ist hin etc. [1.] Laß Vater mich stets deine Gnade merken / Und steh mir bei in allen meinen Werken! / Dein Wille, Herr, soll auch von mir geschehn; / In meinem Thun will ich auf dich nur sehn. // [2.] Mit dir allein kann jedes Werk gelingen, / Du wirkest selbst das Wollen und Vollbringen, / Fang ich nur recht in deinem Namen an; / So ist es schon so gut als halb gethan. // [3.] Regiere denn mein Herz und meine Sinnen, / Mein Werk und Wort, mein Denken und Beginnen, / Und flöße mir für meine Pilgerschaft / Beständig Trieb zum Guten ein und Kraft. // [4.] Laß mir den Quell des ewgen Lebens fließen, / Und deinen Geist sich in mein Herz ergießen! / Ach laß dies Herz nicht mehr auf sich beruhn; / In dir o Herr laß mich das Gute thun. // [5.] Wenn so dein Geist mich überall regieret, / Und meinen Geist in deine Wahrheit führet: / Dann schreit ich fort auf der gewissen Bahn, / Aus Kraft in Kraft und täglich himmelan. // [6.] Dann werd ich treu im Wirken und im Leiden, / Und werde gern, was Schaden bringet, meiden; / Fern bleibet mir die schnöde Lust der Welt, / Ich suche nur was dir an mir gefällt. // [7.] O wohl denn mir, wenn ich sonst nichts begehre / Als einzig nur, Herr, deines Namens Ehre! / Des Nächsten Wohl und mein zukünftges Heil / Ist dann die Frucht der Arbeit und mein Theil. // [8.] So laße mich erwünschten Fortgang sehen, / Und alles wohl zu seiner Zeit geschehen, / Daß gute Saat zur frohen Ewigkeit / Durch all mein Thun von mir werd’ ausgestreut. // [9.] Wie fröhlich wird mein Herz, wenn jenes Leben / Den Glauben krönt, mein Vater dich erheben! / Wie sanft werd ich dort nach der Arbeit ruhn, / Wie wohl wird mir die Freudenärndte thun. // (Brem. Gesangb.) Nach der Predigt. – Mel. Mein Freund zerschmelzt etc. [1.] Wie herrlich ists ein Schäflein Christi werden, / Und in der Huld des treusten Hirten stehn. / Kein höhrer Stand ist auf der ganzen Erden, / Als ihm in Lieb und Treue nachzugehn. / Was alle Welt nicht geben kann, / Trifft Christi Heerde stets bei ihrem Hirten an. // [2.] Wer leben will und gute Tage sehen, / Der eile hin zu unsers Hirten Stab, / Hier wird sein Fuß auf süßer Weide gehen, / Da ihm die Welt nur eitle Freuden gab. / Hier wird nichts Gutes je vermißt, / Weil dieser Hirt ein Herr der Schäze Gottes ist. //
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8. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 15,8–17 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LXX, S. 484– 494; König Keine Nachschrift; SAr 115, S. 94–104; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 94r–95v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am 8. Sonntage nach Trinitatis 1826. Tex t. Joh. 15, 8–17. Darin wird mein Vater geehrt, daß ihr viele Frucht bringet und werdet meine Jünger. Gleichwie mich mein Vater liebet, also liebe ich euch auch. Bleibet in meiner Liebe. So ihr meine Gebote haltet, so bleibet ihr in meiner Liebe, gleichwie ich meines Vaters Gebote halte, und bleibe in seiner Liebe. Solches rede ich zu euch, auf daß meine Freude in euch bleibe, und eure Freude vollkommen werde. Das ist mein Gebot, daß ihr euch unter einander liebet gleichwie ich euch liebe. Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde, so ihr thut was ich euch gebiete. Ich sage hinfort nicht, daß ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht was sein Herr thut. Euch aber habe ich gesagt, daß ihr Freunde seid; denn alles was ich habe von meinem Vater gehört, habe | ich euch kund gethan. Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt und gesezt, daß ihr hingehet und Frucht bringet, und eure Frucht bleibe; auf daß so ihr den Vater bittet in meinem Namen, daß er es euch gebe. Das gebiete ich euch, daß ihr euch unter einander liebet. M. a. F. Das erste unter diesen Worten des Herrn, die wir mit einander gelesen haben, ist dasjenige welches wir bei allen folgenden immer müssen im Sinne behalten, um die Meinung unsers Erlösers recht vollkommen zu verstehen. Er sagt, Darin wird mein Vater geehrt, daß ihr viele Frucht bringet und werdet meine Jünger. Sehet da m. g. F., das stellt uns der Erlöser dar als die Ehre, als die Verherrlichung seines Vaters in dieser irdischen Welt, daß seine Jünger viel
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Frucht bringen, wie er sagt, daß ihr werdet meine Jünger. Nun waren sie es freilich schon; aber wie Christus ein andermal sagt, So jemand diese Lehre thut, so wird er erfahren daß sie von Gott ist, und doch nur diejenigen eigentliche Jünger des Herrn sind, welche davon die feste Ueberzeugung haben, daß seine Lehre von Gott sei: in demselben Sinne sagt er nun auch hier, daß dadurch daß wir Frucht bringen wir seine Jünger werden, d. h. es in Wahrheit werden, daß durch die Erfahrung der Glaube sich immer fester begründet daß seine Lehre von Gott sei, daß durch die Frucht selbst die wir bringen unsere Anhänglichkeit an ihn, und unser Anerkenntniß daß er allein und sonst kein anderer unser Meister ist, immer fester werde. Dies beides in seiner innigen und unauflöslichen Verbindung, die gläubige und freudige Anerkennung des Herrn, und die Frucht die daraus hervorgeht, daß wir in ihm bleiben, wie dies beides sich unter einander gegenseitig fördert und stärkt, das sagt er sei | die Ehre und Verherrlichung seines Vaters, wie er auch anderwärts sagt, daß der Vater verherrlicht wird in dem Sohne. Denken wir nun m. g F. an das was er vorher gesagt hat und womit er seine Rede begonnen, wie er sich darstellt als den einigen Weinstokk, an welchem alle müßten Reben sein und bleiben, in welchen überhaupt das rechte Leben sei und bleiben solle: so sehen wir wie er meint, daß dieses von ihm gepflanzte und gepflegte edle und herrliche Gewächs der christlichen Kirche, die Gemeinschaft derer welche an ihn glauben und in ihm allein das Leben haben, das sei in dieser Welt die Ehre und Verherrlichung seines Vaters, und sonst nichts; und eben dies erläutert er nur immer wieder von verschiedenen Seiten in den folgenden Worten, die wir vorhin gelesen haben, und aus diesem Gesichtspunkte wollen wir sie also jezt weiter betrachten. Das ist nun das erste, Gleichwie mich mein Vater liebt, also liebe ich euch auch. Bleibet in meiner Liebe. So ihr meine Gebote haltet, so bleibet ihr in meiner Liebe, gleichwie ich meines Vaters Gebote halte, und bleibe in seiner Liebe. Was ist also nun das Leben, wodurch eben diese Verbindung der Menschen mit dem Erlöser sich auszeichnet, in welcher allein die Verherrlichung des Vaters besteht? Es ist die dieselbe durchdringende und von dem Erlöser ausgehende göttliche Liebe. Er sagt, Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch; so ihr nur meine Gebote haltet, so bleibet ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte, und bleibe in seiner Liebe. In welchem Sinne kann denn der Herr sagen, daß wie ihn sein Vater liebt, so er uns auch liebe? Wenn wir hier an seine Liebe denken, insofern wir diejenigen sind welche von ihm erlöst zu werden bedürfen: so können 2–3 Joh 7,17 15–16 Vgl. Joh 14,13 über Joh 15,1–7
17–20 Vgl. die Frühpredigt am 2. Juli 1826
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wir nicht sagen, daß seine Liebe zu uns gleich sei der Liebe seines Vaters zu ihm. | Denn der Vater liebt ihn als den einzigen Sohn, an welchem er schon sein Wohlgefallen hat, als den von welchem gesagt wird, Dazu bin ich in die Welt gekommen, daß ich deinen Willen thue, als den welchen er gesandt hat um die Erfüllung seines Willens in dieser menschlichen Welt zu bewirken. Aber wie er anderwärts zu seinen Jüngern sagt, Gleichwie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch: das ist es, woran wir denken müssen. Wenn wir uns betrachten als diejenigen welche, wie er auch hier sagt, seine Gebote halten um in seiner Liebe zu bleiben, und also auch als diejenigen welche er aussendet um zu leuchten in der Welt dadurch daß sie den Willen dessen thun den Gott gesandt hat: so ist das diejenige Liebe des Erlösers zu uns, welche dieselbe ist mit der Liebe seines Vaters zu ihm. Wenn wir aber uns die Worte näher betrachten, wie er sagt, Wie ich meines Vaters Gebote halte, und eben dadurch in der Liebe bleibe, mit welcher er mich liebt, so werdet ihr auch in der Liebe bleiben, mit welcher ich euch liebe, wenn ihr meine Gebote haltet: muß uns nicht wenn wir dies aufmerksam betrachten m. g. F., das klar werden, daß der Erlöser von einem andern Verhältniß zwischen uns und Gott von einer andern Erfüllung der göttlichen Gebote, von einer andern Liebe Gottes, in welcher wir bleiben können, gleichsam nichts zu wissen scheint, als von der allein durch ihn begründeten, und nur von einer solchen Erfüllung der göttlichen Gebote, die er uns gegeben hat? Und so stellt er sich uns denn hier freilich dar als den einigen Mittler zwischen Gott und den Menschen, weil das Liebesverhältniß das gegenseitige zwischen Gott und den Menschen, die treue Erfüllung des göttlichen Willens, nur durch ihn und durch unser Verhältniß zu ihm gegründet ist. Sehen wir nun dabei auf das vorige zurükk m. g. F., so werden wir die ganze Wahrheit davon empfinden. Wenn der | Apostel Paulus in seinem Briefe an die Römer sagt, daß die Menschen hätten wissen können daß Gott sei, weil er sich ihnen offenbart habe, weil sie seiner ewigen Kraft und Gottheit inne werden könnten, so sie deß wahrnehmen an seinen Werken, nämlich der Schöpfung der Welt, daß sie aber diese Erkenntniß Gottes sich selbst verderbt hätten und verunreinigt in den verkehrtesten Wahn: so war eben dadurch auch die Ehre Gottes in dieser Welt ganz verschwunden, es war nichts was den Vater im Himmel verherrlichen konnte, weil nämlich das Licht ausgegangen war, und nun Dunkel das Erdreich bedekkte. Nun freilich konnte die menschliche Vernunft von diesem Wahn loskommen, und erkennen, daß eines Geschöpfes vergängliche Ehre nicht die Ehre des Schöpfers ist, daß das ewige Wesen nicht konnte angebetet werden unter der Gestalt vergänglicher Dinge, daß der göttliche Wille nicht konnte abgebildet wer3–4 Joh 6,38 6–7 Joh 20,21 29–33 Vgl. Röm 1,19–31
10–11 Vgl. Mt 10,1–16; Mk 6,7–13; Lk 9,2–6
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den durch die Triebe der sinnlichen Natur, die sich in allen Geschöpfen regen. Und davon hat sie sich auch befreit in einzelnen, in welchen ein besonderer Strahl des Lichtes noch über war und sich weiter entwikkelte. Aber die Ehre Gottes, die Verherrlichung des Vaters, die konnte durch alles dasjenige nicht entstehen, was vor dem Erlöser und abgelöst von ihm die menschliche Vernunft in dieser Beziehung geleistet hat. An eine solche Liebe zu Gott, wie sie vermittelt ist durch unsere Liebe zu dem Erlöser, an ein solches Halten der Gebote Gottes, wie in uns entsteht wenn wir nichts halten wollen als die Gebote dessen der sich für uns dahingegeben hat, war ohne ihn und vor seiner Erscheinung nicht zu denken; es war alles immer nur ein unvollkommenes Stükkwerk gewesen, beständig in Gefahr sich zu verdunkeln und in den verkehrtesten Wahn auszuarten, weil ohne den Erlöser die lebendige Kraft des geistigen Lebens, durch welche allein das Verhältniß zwischen Gott und den Menschen rein gehalten wird, gefehlt hatte. Nur durch den Sohn wird der Vater | verherrlicht, nur wenn wir in seiner Liebe bleiben, können wir in dem Worte Gottes bleiben, welches ausgegossen ist in Christum, und sich von ihm aus immer weiter verbreiten soll. Und weil nur in der Verherrlichung Gottes, nur in der Erkenntniß der Wahrheit, nur in der treuen Erfüllung des göttlichen Willens die Freude des Menschen sein kann, der zu nichts geringerem als dazu geschaffen ist: darum sagt der Herr weiter, Solches rede ich zu euch, auf daß meine Freude in euch bleibe, und eure Freude vollkommen werde. Das war seine Freude wie er sagt, Das ist meine Speise, daß ich den Willen meines Vaters thue; das war seine Freude, daß er so die Menschen zu Gott zurükkführte, um das ursprüngliche Verhältniß zu ihm, zu welchem sie bestimmt sind von Anbeginn an, auf eine feste Weise zu begründen. Und, sagt er, eine vollkommene Freude für euch giebt es sonst nicht; was ihr euch auch sonst nicht allein irdisches und sinnliches, sondern geistiges und edles denken möget: es giebt nur die eine Freude, wenn ihr in meiner Liebe bleibet und meine Gebote haltet. Und eben deswegen beschreibt er sie nun und sagt, Das ist mein Gebot, daß ihr euch unter einander liebet gleichwie ich euch liebe; und fügt hinzu, Niemand hat größere Liebe – und also auch er selbst nicht, – und beschreibt dadurch seine eigene Liebe und die Liebe die wir unter einander haben sollen und in der wir bleiben sollen, – Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben lässt für seine Freunde; ihr seid meine Freunde, so ihr thut was ich euch gebiete. Thut der Erlöser aber hier sich selbst nicht Unrecht; stellt er nicht auch uns ein geringeres Maaß als er uns eigentlich stellen konnte und sollte, und als wir dadurch auch in ihm Kraft finden würden zu erfüllen? Denn sagt 15 Vgl. Joh 14,13; 17,1
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nicht die Schrift anderwärts, | Darin preiset Gott seine Liebe gegen uns, daß er seinen Sohn gesandt hat als wir noch Sünder waren, und also fleischlich gesinnte, und weil fleischlich gesinnet sein eine Feindschaft ist wider Gott, da wir noch Feinde waren? Der Erlöser aber sagt, niemand habe eine größere Liebe denn die, daß er sein Leben lasse für seine Freunde. Wie m. g. F. vereinigen wir beides mit einander? Ja Gott hat seinen Sohn gesandt; denn was Gott thut, das thut er alles auf eine ewige Weise, und sein ewiger Rathschluß von der Erlösung durch seinen Sohn und die Sendung desselben ist eins und dasselbe. Also nur indem er deswegen gesandt zu werden brauchte, weil die Menschen in das Fleischlichgesinnetsein versunken waren, so hat er ihn gesandt als wir Feinde waren, und einen größeren Preis der Liebe Gottes giebt es nicht als diesen. Aber hier redet der Erlöser nicht von der Liebe Gottes, sondern von der Liebe die wir unter einander haben sollen, und welcher er das Maaß giebt seiner Liebe zu den seinigen. Wol zeigte er diese, als er in Begriff war sein Leben zu lassen. Für wen sagt er, daß er es lasse. Für die sündige Welt, oder für seine Freunde? Und wenn er es nun für seine Freunde ließ, wie er hier sagt: welchen Theil haben wir an ihm, oder wie sollen und können wir es uns aneignen? Er ließ sein Leben, wie er sagt, für seine Freunde; eine größere Liebe kannte er selbst nicht, die Menschen unter einander haben sollen; und indem er seine Liebe macht zum Maaßstab unserer Liebe unter einander, so redet er als Mensch zu Menschen. So ließ er sein Leben für seine Freunde; aber er ließ es doch zugleich für die ganze sündige Welt. Das war das auf göttliche Weise in ihm geöffnete Auge des Geistes, daß er in seinen Freunden, welche er sich erwählt hatte, auf daß sie die Worte weiter verbreiteten die er von dem Vater empfangen hatte damit er sie den Menschen gäbe, und welche er weiter sendete, auf daß sie die | Menschen berufen möchten zu treuer Erfüllung seiner Gebote in der Liebe von welcher sie selbst ergriffen waren, der Gebote die er von seinem Vater überkommen hatte, – daß er in diesen seinen Freunden das ganze Geschlecht sah dem sie angehörten, und unter welches auch er gesezt war; in diesen und durch sie liebte er alle, und war seine Liebe und Hingebung für alle. Nicht konnte er sein Leben lassen für die Menschen, wenn er sie ansah als solche die das Leben welches er ließ nicht von ihm empfangen wollten; sondern indem er sich auf die Kräftigkeit seiner Worte verließ, darauf daß so wie das kleine Häuflein seiner Jünger in seiner Liebe blieb dadurch daß sie seine Gebote hielten, so auch von dieser belebenden und über sie ausgegossenen Kraft seiner Liebe immer mehr das ganze menschliche Geschlecht werde ergriffen werden: in dieser freudigen Zuversicht, in diesem göttlichen Hinsehen auf diese niemals untergehende Kraft in denen für welche er gekommen war in die Welt, sagt er, daß er sein Leben lasse für seine Freunde, für die jezigen 1–2 Vgl. Röm 5,8
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und künftigen, für alle die jezt und in jeder Zukunft – und wer wollte Ziel und Grenze sezen für dasjenige was auf diese Weise geschehen ist für das ganze menschliche Geschlecht – in seiner Liebe bleiben und seine Gebote halten. Und so führt er uns auf den großen Unterschied zwischen den auf diese Weise begründeten Zeiten des neuen Bundes und allen früheren zurükk, indem er sagt, Ich sage hinfort nicht mehr, daß ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht was sein Herr thut. Euch aber habe ich gesagt, daß ihr Freude seid; denn alles was ich habe von meinem Vater gehört, habe ich euch kund gethan. Das war nämlich m. g. F. der höchste Ehrenname in den Zeiten des alten Bundes, wenn ein Mensch genannt wurde ein Knecht Gottes. So nannten die Propheten sich, und so wurden sie verehrungsvoll von dem ganzen Volke genannt; so nennt in den Schriften des alten Bundes selbst der Herr, wo er redend eingeführt wird, seine auserwähltesten Diener; und so hatte der | Erlöser auch früher wol stille Jünger angesehen, wenn er sie mit den Propheten des alten Bundes vergleicht, indem er sagt, daß so wie die Väter die Propheten des Herrn verfolgt hätten und getödtet, so würden auch ihre Nachkommen stille Jünger verfolgen und tödten, wenn er sie senden würde unter die Völker der Erde. Aber nun sagt er, Ich sage hinfort nicht mehr, daß ihr Knechte seid, und nachdem ich einmal das große Wort ausgesprochen habe, daß ihr meine Freunde seid, weil ich euch alles was ich von meinem Vater gehört kund gethan habe, so ist jede Aehnlichkeit mit dem früheren verschwunden, das alte ist vergangen und es ist alles neu geworden. So sagt der Verfasser des Briefes an die Hebräer, indem er das Zeugniß giebt dem Moses, daß er treu gewesen sei in dem Hause Gottes als ein Knecht dem es übergeben sei und anvertraut, er sagt von Christo, dieser sei treu gewesen in dem Hause Gottes als der Sohn, als der erwachsene mündige Sohn, dem alle Absichten und Verfahrungsweisen seines Vaters klar sind, und der vollkommen in seinem Geiste und Sinne handeln kann, und wie er das Vermögen dazu besizt, so auch die Vollmacht dazu empfangen hat. So sagt hier der Herr, Ich sage hinfort nicht mehr, daß ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht was sein Herr thut; dieses Verhältniß der, Knechtschaft zwischen Gott und den Menschen hat aufgehört, es giebt keine Unwissenheit um den göttlichen Willen mehr, vermöge deren, wie es in den Zeiten des alten Bundes war, in einzelnen Fällen das Wort Gottes geschah zu dem einen oder dem andern, um es weiter zu verbreiten, damit die Menschen wüßten was der Mund Gottes von ihnen begehrte; sondern eben deswegen weil ich euch alles kund gethan habe was ich von meinem Vater gehört, weil ich euch seinen Willen offenbart habe – so wie er es auch jezt eben auf die vollkommenste und tiefste Weise ausgesprochen hatte, 17–20 Vgl. Mt 23,29–36
24–25 Vgl. 2Kor 5,17
27–28 Vgl. Hebr 3,5–6
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indem er sagte, So wie ich meines | Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe, so haltet, auch meine Gebote, damit ihr in meiner Liebe bleibet, nämlich das Gebot, daß ihr euch unter einander liebet wie ich euch liebe, – eben deshalb seid ihr nun meine Freunde; wie ich eins bin mit dem Vater, so seid ihr auch Freunde Gottes, und alles Verhältniß der Knechtschaft hat aufgehört. Darin wird mein Vater geehrt, daß ihr viele Frucht bringet und werdet meine Jünger, daß ihr durch das Fruchtbringen selbst zu immer reiferer und vollkommnerer Erkenntniß gelangt aller Worte die ich von meinem Vater gehört und euch kund gethan habe, und durch dieses Fruchtbringen und Erkennen immer mehr meine Jünger werdet, solche Jünger die ich mit voller Zustimmung meines Herzens meine Freunde nennen kann. Darin wird der Vater geehrt, daß ein solches Verhältniß gestiftet ist zwischen ihm und dem Geschlecht der Menschen, welches ja zu seinem Ebenbilde geschaffen ist, daß in Christo dem einigen geliebten Sohn sie alle Freunde Gottes werden, jedes andere Verhältniß aufhört, und der kindliche Sinn uns geöffnet ist, und nicht nur der kindliche Sinn, sondern auch die Fülle der Weisheit, die in dem erwachsenen Kinde ruhen soll, um in dem Hause des Vaters zu schalten als sein Freund. Darin wird der Vater geehrt, und ein anderes Verhältniß desselben giebt es nicht. Aber als den schönsten und lieblichsten Beweis desselben erinnert er an etwas was er früher schon gesagt hatte; nämlich wenn wir so in ihm bleiben, so geschieht es, daß wenn wir den Vater bitten in seinem Namen, er es uns giebt. Und so erklärt er uns, wie das die größte Verherrlichung Gottes in dieser Welt ist, wenn das Tichten und Trachten des menschlichen Herzens in Demuth und Einfalt aber auch in kindlicher Zuversicht so eins ist mit dem göttlichen Willen, daß nichts von uns als ein Gebet zum Throne des Höchsten dringt, was nicht schon in dem Willen des Vaters begriffen wäre; wie das die größte Verherrlichung des Vaters ist, der größte Beweis der | Freundschaft, des gegenseitigen Wissens, welches begründet ist zwischen Gott und den Menschen. Und so wiederholt er, Damit das geschehen könne, so gebiete ich euch, daß ihr euch unter einander liebet wie ich euch geliebt habe. Denn freilich nur durch diese erlösende Liebe des Herrn, in welcher das Herz sich nur dem einen hingiebt, das Reich Gottes zu erhalten und zu fördern, in welcher es nach nichts anderem als nach dem einen trachtet, gern sich gefallen lassend, ob und wie ihm alles andere zufalle oder nicht; nur wenn wir nach dem Reiche Gottes trachten mit dem Sinne den der Erlöser hatte, daß der Vater allein Zeit und Stunde zur Offenbarung seiner Macht und Weisheit sich selbst vorbehalten habe, wir aber jeder an seinem Orte treu sind wie der Sohn war, und dessen Gebote halten, damit wir dadurch die Gebote des Vaters erfüllen: nur dadurch wird immer mehr die himmlische Eintracht und Uebereinstimmung des Willens entstehen, 13–14 Vgl. Gen 1,27
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daß was wir bitten werden uns der Vater giebt. Und darin wird der Vater geehrt! Wohl m. g. F., so laßt uns denn darauf immer mehr das ganze Tichten und Trachten unsers Herzens richten. Dann werden wir, wie der Apostel sagt, alles was wir thun zur Ehre Gottes thun, weil wir in der Liebe des Herrn bleiben und seine Gebote halten; und wir werden sein köstliches Vermächtniß ehren, daß er uns für seine Freunde erklärt hat, weil er uns alles kund gethan was er von seinem Vater gehört, und wir auf diese Weise in seiner Erkenntniß und Liebe und dadurch in der Freundschaft Gottes und in dem Einssein mit dem himmlischen Vater durch den Sohn zunehmen von einem Geschlecht zu dem andern; und dadurch wird die Verherrlichung des Vaters und die Förderung seines Reiches fortgehen von einer Zeit zur andern bis in Ewigkeit. Amen.
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9. Sonntag nach Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Lk 19,12–13 Nachschrift; SAr 115, S. 104–117; Sethe Keine Nachschrift; SAr 65, Bl. 96r–99v; Woltersdorff Nachschrift; SAr 108, Bl. 7r–12r; v. Oppen Nachschrift; SN 607/5, Bl. 1r–4r; v. Oppen Teil der am 28. Mai 1826 begonnenen Predigtreihe über Gleichheit und Ungleichheit bei der Ausbreitung des göttlichen Worts Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am 9. Sonntage nach Trinitatis d. 23. July 1826. Tex t.
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Evang. Lucae 19, 12 u. 13.
M. a. Fr. das, wovon wir neulich geredet haben, die Ungleichheit in den | Früchten, welche der Saamen des götlichen Wortes im menschlichen Geschlecht hervorbringt, das ist von jeher ein Gegenstand vielfältigen Nachdenkens gewesen im Allgemeinen, und besonders in der christlichen Kirche, und es ist dabei so vieles zu bedenken, um uns zu beruhigen auf der einen Seite und zu erheben auf der andern Seite, daß es schwer ist, wenn die Gedanken einmal die Richtung dahin genommen haben, sie wieder davon zu entfernen. In dieser Gleichnißrede, deren Anfang wir eben gelesen haben, ist in der Folge auch die Rede von der Ungleichheit, denn als der Herr wiederkommt, hat der eine soviel, der andere soviel, und noch ein anderer hat gar nichts erworben. Aber indem wir die Art, wie hier die Ungleichheit der Christen dargestelt wird, einer andern Betrachtung vorbehalten, so wollen wir heute bei diesem Anfange stehen bleiben, der von einer ursprünglichen Gleichheit handelt, die jener Ungleichheit vorangeht. Denn so sagt der Herr: „dieser forderte zehn seiner Knechte vor sich und gab ihnen zehn Pfund,“ und wie wir hieraus schließen müßen, vertheilte er die zehn Pfund unter die zehn Knechte nach dem Gesetz der Gleichheit und gab jedem eins. Und so sei denn der Gegenstand unserer Betrachtung: die ursprüngli3–5 Vgl. die Predigt am 9. Juli 1826 vorm. über Mt 13,23 11–13 Vgl. Lk 19,15– 21 14 Vgl. die Predigt am 6. August 1826 vorm. über Lk 19,15–24
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che Gleichheit der götlichen Austheilung im Reich Gottes, aus welcher nachher | erst die Ungleichheit entsteht. Laßt uns fragen erstens: worinn diese Gleichheit besteht, und was wir uns unter dem ausgetheilten Pfunde zu denken haben? zweitens, statt weiter zu sehn auf die nachherige Ungleichheit, heute vielmehr rükwärts sehen und fragen, aus welchem noch frühern Zustande und welchem Verhältniß der Menschen die frühere Gleichheit hervorgeht. I. Gewiß so leicht verständlich größtentheils die Gleichnißreden des Herrn nicht nur sind, sondern auch beim ersten Anblick erscheinen, so will es doch gar nicht leicht sein auf die Frage zu antworten: was meint der Herr unter dem, was gleich ausgetheilt ist unter seinen Dienern? Sollen wir dabei denken an die ursprüngliche götliche Ausstattung, mit welcher jeder das Licht der Welt erblikt? aber können wir uns wohl denken, daß dabei eine Gleichheit stattfinde? Die Mannigfaltigkeit der Gaben und Kräfte, das ganz verschiedene Maaß derselben, und dann die gänzliche Verschiedenheit, in welcher hernach die verschiedenen Thätigkeiten des menschlichen Geistes zum Vorschein kommen, oder sollen wir sagen, das alles rühre her von der Erziehung und den äußern Einflüßen? O welch eine erniedrigende Vorstellung vom Wesen der menschlichen Natur müß|ten wir haben, wenn wir an eine solche Gleichheit dächten, zumal da sich gleich nachher eine so große Ungleichheit offenbart. Und wenn wir bedenken, wie verschieden sich schon die Kräfte im Kinde offenbaren, so können wir nicht umhin, in dieser Beziehung etwas verschiedenes zu denken. Aber freilich mag auch eine große Ungleichheit statt finden, mag Alles, was zu den ursprünglichen Kräften und Gaben gerechnet wird, ungleich vertheilt sein nach der götlichen Weisheit, eins muß es doch geben, worinn alle Menschen ursprünglich gleich sind, und das ist das, was wir Vernunft nennen, was den Menschen erst zum Menschen macht und zum Herrn über die Geschöpfe welche ihm untergeben sind. Ja es giebt eine unüberwindliche Neigung in unserer Seele in dieser Beziehung alle für gleich anzusehn, und wer mögte auch sagen, daß es ein Maas für die götliche Ausstattung gäbe, wer wollte beurtheilen, ob der eine mehr habe oder der andere, da alle Ungleichheit, die wir in dieser Beziehung wahrnehmen, schon auf der Thätigkeit beruht, − und so können wir uns nicht überwinden, diese Ungleichheit als ursprünglich anzusehn, sondern, weil wir nicht sagen können, auch hierinn habe Gott sie ungleich geschaffen, und so gewiß wir sie alle nach einem Maaße messen wollen, so setzen wir hierinn eine ursprüngliche Gleichheit voraus. Aber ist es dies, wovon der Herr spricht? ach | nein! denn er redet hier von dem, was der Herr seinen Knechten vertheilt, um damit zu handeln in seinem 21–22 Vgl. Lk 19,15–21
29–30 Vgl. Gen 1,28
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Reiche; und wir wißen, daß er in dieser Gleichnißrede vom Himmelreich die Gleichheit eben ausspricht. Also vom Himmelreich ist hier die Rede und vom Handeln in demselben d. h. von dem geistigen Reiche Gottes, von dem wir wissen, daß es nicht da wäre, wenn der Erlöser nicht erschienen wäre, und daß alle Kraft in demselben ursprünglich von ihm herrühre. Wenn wir nun glauben wollten, daß die Menschen mit der Vernunft, dieser gleichen Ausstattung des menschlichen Geschlechts handeln könnten im Reiche Gottes und es dadurch fördern, so müßen wir auch glauben, daß, da diese götliche Gabe schon lange da war unter den Menschen, ehe der Erlöser erschien, sie schon vor ihm damit hätten handeln und sein Reich bestehen können, wenn auch der Erlöser nicht erschienen wäre; das also glauben und hierauf zurükgehn hieße glauben, daß Christus, wir wollen nicht sagen, vergeblich gekommen wäre, sondern daß er vergeblich wäre Christus gewesen, oder daß er es gar nicht gewesen wäre, sondern daß nur in ihm wäre ausgebildet zu einem höhern Grade von Wirksamkeit, was ursprünglich Allen angehörte. Ist dies nun nicht die Meinung vom Erlöser, auf welcher die Festigkeit unseres Glaubens an ihn beruht, ist es nicht die, die unseren Herzen genügt und durch die | Erfahrung ausgesprochen wird, nun so müßen wir etwas anderes suchen, was der Herr meint. Darum laßt uns nun davon nicht abgehn, daß der Herr hier redet von sich selbst und von seinen Dienern d. h. von denen, die mit ihm verbunden sind; aber er redet von denen, welche erst anfangen sollen, mit ihrem eigenen ihnen von ihm mitgetheilten Schatze zu handeln in seinem Reiche. Es heißt im Gleichniß: er rief zehn seiner Knechte und theilte ihnen zehn Pfund aus; von einer ursprünglichen Austheilung ist also die Rede, und was erst eine Frucht ist von dem Handeln im Reiche Gottes, das hat der Herr nicht gemeint. Wenn wir nun sagen, um in seinem Reiche zu handeln und es zu fördern, bedarf der Christ eines gewissen Maaßes von Kräften und christlichen Tugenden, er muß besitzen die Liebe, die Weisheit, die Furchtlosigkeit und Tapferkeit, er muß seinen Muth bewähren, so sind das große und herliche Gaben, die sich aber nicht anders denken laßen, als daß erst vorher gehandelt ist. Wohlan was ist denn das Ursprüngliche, was allem Handeln vorangeht, womit wir handeln müßen, und ohne das wir gar nicht seine Diener, gar nicht Christen werden können? worauf beruht jener Muth, jene thätige Liebe und Weisheit? was ist die Wurzel jener Freiheit? Der Glaube ist es, das ist das Ursprüngliche, was der Herr den Menschen allen gleich giebt bei ihrem Eintrit in sein Reich, | das ist es, was er seinen Knechten austheilt, um damit zu handeln in seinem Reich. So ist es, aber laßt uns nun fragen, wie sich das bewährt in seinem ganzen Zusammenhange. Soll es ein anderes und neues Leben sein, das der Erlöser uns mittheilt, das nur durch ihn begründet ist, so muß auch eine neue Kraft durch ihn kommen; soll es wahr sein: „das alte ist vergangen 1–2 Vgl. Lk 19,11
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und es ist alles neu geworden,“ soll es einen rechten Sinn haben: „nicht ich lebe, sondern Christus in mir“, so müßen wir zurükgehen auf einen ersten Anfang dieses neuen Lebens. Vergleichen wir die neue Creatur des geistigen Lebens mit der alten, das höchste Leben mit allen den untergeordneten Stufen des Lebens, so sehen wir in dem ersten Anfange eine Ungleichheit, aber auch eine Gleichheit. Die Ungleichheit finden wir in dem natürlichen Leben d. h. hier im Anfange desselben. Betrachten wir die natürlichen Lebenskräfte der Geschöpfe, so müßen wir gestehen, je höher wir hinauf steigen, eine desto größere Ungleichheit finden wir, und in den geringeren Wesen finden wir eine größere Gleichheit in der Lebensweise, auch schon in Beziehung auf das Alter, das sie erreichen; steigen wir nun höher hinauf zu den Thieren, die es mehr zu verdienen scheinen, daß der Mensch näher zu ihnen steht, da öffnet sich ein größeres Feld der Ungleichheit, die guten sondert der verständige Forscher aus zu seinem Gebrauch, die andern tödtet er; sehen | wir nun auf den Menschen, o welch eine Ungleichheit, einige, die gleich nach der Geburt dem Tode bestimmt sind, andere hingegen wohlgebildet, denen das kundige Auge eine Fülle der Gesundheit und ein langes irdisches Leben vorhersagt. Das ist die natürliche Ungleichheit, von der aber das geistige Leben nichts an sich haben soll, der ursprüngliche Anfang des neuen geistigen Lebens ist im Allgemeinen die Vernunft, im Reiche Gottes aber der Glaube; und dieser Anfang ist in allen gleich. So ist es, aber warum? Das natürliche Leben empfangen alle von ihren Eltern, aber das neue geistige Leben empfangen wir von niemand; und mögten auch wol Eltern behaupten, es sei ihre Vernunft, die sich in den Kindern zeigt? Das mögte wohl keiner sagen, sondern es ist derselbe Hauch aus Gott, jedem gleich mitgetheilt; und was die Kinder mit den Eltern gleiches haben, und zwar durch sie, das ist immer die Quelle der Ungleichheit, und gehört also dem natürlichen an. Das aber, was in allen dasselbe ist und wofür es kein Maas giebt, das ist die gleiche und unmittelbare Gabe Gottes, dieselbe götliche belebende Kraft. Noch viel gewißer ist es uns, wenn wir auf den Anfang des neuen geistigen Lebens sehen, und darauf, daß, was aus dem Fleische geboren ist, wieder Fleisch ist, denn durch wie viel Geschlechter hätte sich schon die Kraft des Glaubens fortpflanzen können! aber wir wissen, keinem ist sie angeboren, vielmehr sind | alle mit ihrer schwachen Vernunft dem ausgesezt, den Streit zu beginnen gegen die götliche Kraft des Glaubens, alle sind auf gleiche Weise in Gefahr, daß in ihnen die Wahrheit aufgehalten wird in Ungerechtigkeit, Wahn und Verkehrtheit: das neue geistige ewige Leben, das keiner Veränderung unterworfen ist, es ist eine Gabe von oben, der Anfang desselben ist der Glaube, der Glaube ist die gleiche Austheilung an alle, die Glieder sind des Reiches Gottes. Ja 1–2 Gal 2,20 1,18–32
25–26 Vgl. Gen 2,7
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36–37 Vgl. Röm
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wie ungleich sich dies geistige Leben hernach entwickeln mag, diese erste Belebung, diese unbedingte Hingabe an den Erlöser, dies, daß der Mensch sagt: ich will sterben, auf daß Christus in mir lebe, und sich ihm hingiebt zum Tempel; das ist das ursprünglich in allen gleiche, und auch so die erste götliche Gabe, die gleich ausgetheilt ist an alle, daß sie damit handeln sollen in seinem Reiche, bis er wiederkommt. Und wollten wir eine Erfahrung suchen, vermöge der wir behaupten wollten, das wäre ungleich und in dem einen größer, in dem andern kleiner, wir würden keine solche finden. Später freilich findet sich die Ungleichheit, und soll sich finden, aber der Anfang, den wir ja auch nicht sehen, ist in allen gleich; und wie sich dieser Anfang unsern Blicken entzieht, so hat uns auch Gott (Dank sei ihm dafür) nicht verpflichtet anzugeben, in welchem Augenblicke er entstanden ist in unserer Seele. Worinn sich aber die Ungleichheit zeigt, | das ist die Wirkung des Handelns aus dem Glauben; in dem Handeln durch und für denselben entsteht die Ungleichheit, der Grund aber, auf dem das Handeln ruht, dieses erste Anfangen des neuen Lebens in der Seele, das muß, wie es eben kein Maas hat, in allen gleich sein, wie die Vernunft, die wir alle gleich zu besitzen behaupten. Darinn wird uns noch der zweite Theil unserer Betrachtung bestärken. II. Wenn wir fragen: woraus entsteht dieser in allen gleiche Anfang des Lebens aus Gott? so sagt der Apostel: „wie wollen die Menschen glauben, wenn ihnen nicht gepredigt wird,“ und: „der Glaube kommt aus der Predigt.“ Das ist die Entstehung, auf die die Schrift überall hinweiset, die Predigt ist das Ausstreuen des Saamens des götlichen Worts, daraus entsteht das neue Leben, mit dem Glauben beginnend und auf ihm beruhend. Sehen wir nun auf das Predigen, so stellen sich uns zweierlei Menschen dar, die, welche predigen, und die, zu denen gepredigt wird. Die Ersten nun, die da predigen, unter denen findet auch eine große Ungleichheit statt, und so soll es sein, denn der Herr braucht vielerlei Werkzeuge, aber nur zu einem Zwecke, und aus der Ungleichheit geht in Beziehung auf diesen eine Gleichheit hervor. Fragen wir nun, welche sind denn die da predigen? | so finden wir, daß es alle Gläubigen sind, denn wenn Gläubige in Berührung kommen mit Ungläubigen, und sobald sie sich nur soweit verständigen können, daß menschliche Rede von geistigen Dingen haften kann, so können die Gläubigen gar nicht anders als predigen, die Liebe Christi drängt sie dazu, ihr Wort ist Predigt und selbst unwilkührlich thuen sie es; denn das in ihnen schon zu Stande gekommene Leben aus Gott ist schon Predigt. Aber nun sind auch alle solche, zu denen noch gepredigt werden soll, Ausnah3 Vgl. Gal 2,19–20 3–4 Vgl. 1Kor 3,17–18; 6,19; 2Kor 6,16 23 Röm 10,17 24–25 Vgl. Lk 8,11 36 Vgl. 2Kor 5,14
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men sollen nicht gemacht werden, in allen muß die geistige Fähigkeit, die Predigt aufzunehmen, vorausgesezt werden, auch in denen, die auf der untersten Stufe menschlicher Bildung stehen; alle sind ein Gegenstand der Predigt, Gebildete und Ungebildete, alle, die eine schwere Last von Verschuldigungen auf sich haben, und alle, die dem menschlichen Auge nach ohne Schuld sind, alle haben auch ein gleiches Bedürfniß nach der Predigt. Aber wie ist es zu begreifen, daß aus dieser Ungleichheit eine solche Gleichheit entsteht? Der Apostel Paulus sagt: „sie sind allzumal Sünder und ermangeln des Ruhms, den sie vor Gott haben sollten,“ und eher nicht die Erkenntniß der Sünde alle gleich macht, eher nicht der eine hat fahren laßen die leere Einbildung und den Stolz, der andere die Muthlosigkeit in Beziehung auf sich | selbst, und des Herrn Hülfe, und hat sprechen lernen: „Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben,“ ehe sie also alle nicht gleich geworden sind in dem Bewußtsein, daß sie alle des Ruhms vor Gott ermangeln, und also noch Sünder sind, eher kann der Anfang des neuen Lebens sich nicht entwickeln. Sind aber die, die predigen, nicht einander ungleich, und wie kann daraus eine Gleichheit entstehen? hat der Herr nicht starke und schwache Werkzeuge? baut der eine nicht auf dauerndem Stoffe, und der andere auf vergänglichem, wie schon der Apostel sagte? Ja so zeigt es die Geschichte und Erfahrung und aus dieser Ungleichheit derer, die predigen, soll die Gleichheit des neuen Lebens hervorgehn? Ja nicht anders, aber eben darum verschwindet auch hier aller menschliche Ruhm, denn die Wirkung kann und soll sich nicht das Werkzeug zuschreiben, keiner kann sich rühmen, das Leben in andern erwekt zu haben; Preis und Ehre gebührt nur dem, der allein vom Tode zum Leben bringen kann, der allein in der verborgensten Tiefe der Seele das Leben wekt. Was der Einzelne thun kann, es geht erst über in das Allgemeine und der Herr wirkt dann im Verborgenen, daß das neue Leben keime und zum Vorschein komme, also wenn der eine pflanzt, der andere begießt, so bringt doch keiner das Leben hervor, und keinem gebührt der Ruhm, sondern nur dem, der in den | Gemüthern das geistige Leben entwickelt, wie alles Leben aus seiner schöpferischen Kraft hervorgeht, und wir auch nicht dem alleruntergeordnetsten und unorganischen Leben gebieten können, daß es sei. So handelt der Herr, und so schauen wir in dem Anfange des neuen Lebens die götliche Gerechtigkeit! alle, in denen es entsteht, sind gleich vor Gott, und was er austheilt, theilt er gleich unter ihnen aus in seinem Reiche. Aber es soll ein großes gemeinsames Leben werden, es soll die Mannigfaltigkeit von Kräften den Herrn 32 alleruntergeordnetsten] alleruntergeordnesten 8–9 Röm 3,23 1Kor 3,12–15
12–13 Mk 9,24 17–18 Vgl. Röm 14,1–15,6 28–31 Vgl. 1Kor 3,6–8 31–33 Vgl. Gen 1,1–31
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preisen, darum muß nachher die Ungleichheit entstehen, im Anfange aber zeigt sich die Gleichheit. Wohlan, wenn es nun hier von unserer Gleichnißrede heißt, daß viel Volks zuhörte, weil sie meinten das Reich Gottes sollte bald offenbart werden, sprach der Herr das Gleichniß von dem, der seinen Knechten zurief: „handelt bis daß ich wiederkomme,“ so wollte der Herr dadurch zeigen, daß das Reich Gottes noch lange nicht könne in seiner Volkommenheit offenbart werden, und auch das Wiederkommen stellt er nicht als das Ende dar. So laßt uns denn in dem Bewußtsein, daß es eine götliche Gabe sei, in unser Inneres gehn und Zeugniß ablegen, daß es das neue Leben sei, was er in uns wekt, laßt uns uns allen das Wort darauf geben, daß die Menschen sich unbedingt ihm ergeben müßen, und daß diese unbedingte Hingabe, die nur er in ihnen wirken kann, die glei|che Austheilung an alle sei. Wohl, anders kann es nicht sein, entweder der Glaube ist noch gar nicht da, oder er ist da in dieser Gleichheit! Aber eben mit dem Glauben, der thätig ist durch die Liebe, laßt uns handeln, aber nie können wir uns rühmen, daß wir das neue Leben in einer Seele gewekt hätten, und auch überhaupt nicht wissen, was aus unserm Handeln entstehen wird; aber laßt uns, ohne auf den Erfolg zu sehen, ohne etwas als unser Werk emporkommen sehen zu wollen, dem Wort des Herrn folgen: „handelt bis ich wiederkomme,“ dann wird er auch jedem ein tröstendes, ein ermunterndes, ein belohnendes Wort zu sagen haben. Amen.
[Liederblatt vom 23. Juli 1826:] Am 9ten Sonntage nach Trinitatis 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Ein feste Burg etc. [1.] Auf ewig ist der Herr mein Theil, / Mein Führer und mein Tröster, / Er ist mein Gott, mein Licht, mein Heil, / Und ich bin sein Erlöster. / Ja du verwirfst mich nicht / Selbst dort im Gericht; / Mit jenes Lebens Ruh / Erquikst, beschattest du / Mich schon in diesem Leben. // [2.] Wie oft ist schon von seiner Pein / Mein Herz durch dich genesen, / Fern von der Welt mit dir allein, / Du Wesen aller Wesen! / Er, der die Welt erschuf / Durch der Allmacht Ruf, / War stets mein treuer Gott, / Half mir in meiner Noth, / Und gab mir seinen Frieden. // [3.] Wohl mir, wenn meine Seele fleht / Erhoben aus dem Staube, / Und wenn durch brünstiges Gebet / Sich stärkt mein schwacher Glaube. / Wie steig’ ich dann empor / Zu der Sieger Chor, / Ich ruhe ganz in dir, / Mein Geist ist nicht mehr hier, / Ich bin in Hoffnung selig. // [4.] Ich lebe dir, ich sterbe dir, / Doch nicht durch mein Vermögen: / Daß ich des 3–5 Vgl. Lk 19,11
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Herrn bin, ist in mir / Sein gnadenreicher Segen. / Mein Gott ich lebe dir / Und ich sterbe dir, / Ja Vater Vater, dein / Will ich auf ewig sein, / Und ewig dein mich freuen. // Nach dem Gebet. – Mel. Nun lob’ mein Seel etc. [1.] Wie selig macht der Glaube! / Wer ihn besizt ist wahrhaft frei, / Nicht banger Furcht zum Raube, / Und nicht der Sinne Tyrannei. / Zuvor ein Knecht der Sünden / Hat er nun Kraft von Gott / Sich selbst zu überwinden / Und aller Frevler Spott. / Er kämpft von ihm gerüstet / Ein Streitgenoß des Herrn; / Was Sünder reizt und lüstet, / Verschmäht er schnell und gern. // [2.] Erhellt durch Jesu Lehre, / Seit er ihr göttlich Licht empfand, / Entreißt sich ihm zur Ehre / Nun jeder Täuschung sein Verstand. / Soll neue Weg’ er wählen: / Wenn sie auch reizend sind; / Er forscht um nicht zu fehlen, / Und wählt als Gottes Kind. / So schaut er, ungeblendet / Von falschem Schein und Wahn, / Wo breiter Weg sich endet, / Und wählt die schmale Bahn. // [3.] Sei sie auch steil und enge, / Von Klippen und von Dornen voll, / Verlassen von der Menge, / Er wallt sie treulich, wie er soll; / Gehorsam Gottes Worte, / Allein auf ihn zu sehn, / Will durch die enge Pforte / Er ein zum Leben gehn. / So darf er niemand scheuen / Voll Zuversicht und frei, / Kann Gottes sich erfreuen, / Ihm bis zum Tode treu. // [4.] Nur bei des Christen Glauben / Ist volle Freiheit; welch ein Gut! / Was kann dies Glück ihm rauben? / Was beugt wol seinen Heldenmuth? / Im freudigen Gewühle / Der ems’gen Thätigkeit / Dringt er hindurch zum Ziele, / Deß er sich täglich freut; / Bis er an Gottes Throne / In jener bessern Welt / Der treuen Kämpfer Krone / Aus Christi Hand erhält. // (Brem. Gesangb.) Nach der Predigt. – Mel. Sei Lob und Ehr etc. O Vater hilf mir väterlich, / Mich im Vertraun zu stärken, / Und üb’ in guten Kämpfen mich, / Im Fleiß bei guten Werken; / Stets bleibe meine Hoffnung fest, / Daß nie die Seinen Gott verläßt, / Wie hart der Kampf auch werde. //
Am 30. Juli 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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10. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 15,18–16,4 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LXXI, S. 495– 509; König Keine Nachschrift; SAr 115, S. 117–127; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 100r–101v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am 10. Sonntage nach Trinitatis 1826. Tex t.
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Joh. 15, 18–16, 4.
So euch die Welt hasset, so wisset daß sie mich vor euch gehasset hat. Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das ihre lieb; dieweil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich habe euch von der Welt erwählet, darum hasset euch die Welt. Gedenket an mein Wort das ich zu euch gesagt habe, Der Knecht ist nicht größer denn sein Herr. Haben sie mich verfolgt, sie werden euch auch verfolgen; haben sie mein Wort gehalten, so werden sie eures auch halten. Aber das alles werden sie euch thun um meines Namens willen, denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat. Wenn ich nicht gekommen wäre und hätte es ihnen gesagt, so hätten sie keine Sünde; nun aber können sie nichts vorwenden ihre Sünde zu entschuldigen. Wer mich hasset, der hasset auch meinem Vater. Hätte ich nicht die Werke gethan | unter ihnen, die kein anderer gethan hat, so hätten sie keine Sünde; nun aber haben sie es gesehen, und hassen doch beide mich und meinen Vater. Doch daß erfüllet werde der Spruch in ihrem Gesez geschrieben, Sie hassen mich ohne Ursach. Wenn aber der Tröster kommen wird, welchen ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht: der wird zeugen von mir. Und ihr werdet auch zeugen, denn ihr seid von Anfang bei mir gewesen. Solches habe ich zu euch geredet, daß ihr euch nicht ärgert. Sie werden euch in den Bann thun. Es kommt aber die Zeit, daß wer euch tödtet wird meinen, er thue Gott einen Dienst daran. Und solches werden sie euch darum thun, daß sie weder meinen Vater noch mich erkennen. Aber solches habe ich zu euch geredet, auf daß wenn die
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Zeit kommen wird, daß ihr daran gedenket, daß ich es euch gesagt habe. Solches aber habe ich euch von Anfang nicht gesagt, denn ich war bei euch.
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M. a. F. Erst aus den Worten des Herrn, die wir zulezt mit einander gelesen haben, können wir die Absicht seiner Rede recht verstehen. Denn es muß doch dem welcher das Ebenbild war des göttlichen Wesens, das selbst, wie der Apostel Johannes sagt, die Liebe ist, dem der immer und überall in seinem Leben in dem Geiste der Liebe handelte und redete, dem muß es schwer gewesen sein von Haß zu reden, wie er hier thut. Warum aber, laßt uns fragen, thut er es auch? Er sagt es deutlich und bestimmt eben in den lezten Worten, indem er spricht, Solches habe ich zu euch geredet, auf daß ihr euch nicht ärgert. Sie werden euch in den Bann thun. Es kommt aber die Zeit, daß wer euch tödtet wird meinen, er thue Gott einen Dienst daran. Und solches werden sie euch darum thun, weil sie weder meinen Vater noch mich | kennen. Aber solches habe ich zu euch geredet, auf daß wenn die Zeit kommen wird, daß ihr daran gedenket, daß ich es euch gesagt habe. Er redet also deshalb von dem Haß der Welt, um seine Jünger zu bewahren, daß wenn nun dieser Haß der Welt, von welchem er redet, gegen sie hervorbreche, wenn sie die Wirkungen desselben in ihrem Leben erfahren würden, daß sie sich dann nicht ärgerten, d. h. daß sie sich nicht aus der ruhigen Verfassung des Gemüths, in welcher sie sich durch die Verbindung mit ihm befanden, herausreißen ließen, daß sie sich nicht aus dem seligen Zustande vertreiben ließen, von welchem unmittelbar vorher die Rede gewesen war, indem nämlich der Herr ihnen die Liebe unter einander eingeschärft hatte und gesagt, daß dies sein eigentliches Gebot an sie sei, welches sie auch verständen, und um deßwillen sie auch nicht mehr Knechte wären, sondern seine Freunde, daß sie sich unter einander lieben sollten wie er sie geliebt habe. So war es denn natürlich, daß der Erlöser in einem solchen Zusammenhange mit seinen Gedanken auf dasjenige kam, was der innern seligen Welt, welche die Liebe in seinen Jüngern erbauen sollte, äußerlich drohend entgegen trat. Fest wollte er seine Jünger verbinden zu derselben gegenseitigen brüderlichen Liebe mit welcher er sie geliebt hatte; das war der Hauptzwekk dieser seiner lezten Reden: aber nun konnte er nicht umhin auch von ihrem Verhältniß zu der Welt, in welche er sie senden wollte, zu reden, und sie vorher aufmerksam zu machen auf das was sie von dieser Welt zu erwarten hätten, auf daß sie nicht in der Seligkeit der Liebe gestört würden. Solches, sagt er, habe ich zu euch geredet, auf daß ihr euch nicht ärgert. Und nun laßt uns darauf achten, wie der Erlöser redet von dem Hasse der Welt gegen ihn und seine Jünger. Da sind es zunächst zwei Punkte, auf 3–4 Vgl. die Frühpredigt am 16. Juli 1826 über Joh 15,8–17 6 Vgl. 1Joh 4,8.16 23–27 Vgl. Joh 15,8–17
5 Vgl. Hebr 1,3
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welche wir achten müssen. Einmal nämlich darauf, wie der Erlöser alles zurükkführt auf das was ihm selbst begegnet ist, um daraus zu erklären, was | den seinigen widerfahren werde; dann aber auch wieder darauf, wie er mit einem solchen Ernste davon redet, daß doch keiner sollte aus seiner Rede eine Entschuldigung hernehmen für seine Sünde. Nämlich zuerst m. g. F., wenn der Erlöser sagt, Haben sie mein Wort gehalten, so werden sie eures auch halten: so dachte er wol besonders daran, daß sie sein Wort nicht gehalten hatten, daß für den größten Theil des Volkes sein Wort vergeblich war geredet worden. Nun müssen wir dabei doch das nicht vergessen, daß ihn dies nie abgehalten hatte dieselbe Rede zu führen, dasselbe Wort zu verkündigen, dasselbe Zeugniß abzulegen von seiner Person und von der Bestimmung die ihm der Vater gegeben; und daß eben die unveränderte Kraft seiner Liebe sich darin bewies, daß ohnerachtet das Volk, wie oft er genug davon geredet, harte Herzen und harte Ohren hatte, er doch so lange die von seinem himmlischen Vater für seinen heiligen Beruf verordnete Zeit währte, nicht aufgehört hatte das Wort zu verkündigen und mitzutheilen welches er von dem Vater empfangen. Wenn er nun sagt, Wie sie mich verfolgt haben und noch verfolgen, so werden sie euch auch verfolgen: wie konnten dann wol seine Jünger anders als dabei gleich daran denken, wie er sich immer unter den Verfolgungen welche seine Zeitgenossen ihm bereiteten verhalten hatte. Er wußte es sehr wohl, daß diese Verfolgungen vorzüglich von den Abtheilungen seines Volks herrührten, welche wie wir wissen aus mancherlei fleischlichen Ursachen von Feindschaft und Haß gegen ihn entbrannt waren, und von denen sich die anderen fortreißen und irre führen ließen. Aber auch jene schloß er nie aus von seiner Gesellschaft, und entzog ihnen nicht den Unterricht den er den Menschen zu ertheilen hatte; und wenn irgend ein einzelner unter ihnen eine Ausnahme machte von der Stimmung und Handlungsweise der großen Anzahl dieser Volksklasse, und sich ihm näherte um die | Worte des Lebens aus seinem Munde zu hören, oder ihn zum geselligen Mahle einlud: so war er immer derjenige, welcher, wie und wo sie ihm auch nachgestellt haben mochten, sich immer wieder von neuem hingab, und zwar so ohne allen Rükkhalt als wenn nichts vorgefallen wäre. Und wenn er zu seinen Jüngern sagt, Wie sie mich verfolgt haben, so werden sie euch auch verfolgen: so lag darin die natürliche Aufforderung, daß sie unter den Verfolgungen die ihnen bevorständen sich eben so verhalten und eben so gesinnt sein sollten wie er. Ja das härteste freilich stand ihm damals noch bevor; denn es nahte die Stunde, wo der Plan den seine Feinde und Verfolger gegen ihn entworfen hatten sollte in Ausführung gebracht werden; er stand nun auf dem Punkte, in die Hände der Sünder zu fallen und von ihnen dem Tode über13–15 Vgl. Mt 13,14–15 (Zitat aus Jes 6,9–10)
40–1 Vgl. Mt 26,45; Mk 14,41
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antwortet zu werden. So nahe war denn das große Wort seines Mundes, aus welchem wir seine ganze Gesinnung gegen die Menschen, welche ihn verfolgten und anfeindeten, aufs deutlichste erkennen; das Wort welches er am Kreuze an seinen himmlischen Vater richtete, Vater vergieb ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun. Wenn er nun auf der einen Seite allerdings die Stimmung der Menschen, welche er in dem verlesenen Abschnitt mit dem Ausdrukk Welt bezeichnet, um sie denen welche das Reich Gottes auf Erden bilden entgegen zu sezen, als einen Haß gegen ihn und gegen seinen Vater darstellt, indem er sagt, Wer mich hasset, der hasset auch meinen Vater: so sagt er doch auch auf der andern Seite, Das alles werden sie euch thun um meines Namens willen, denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat; und führt also ihren Haß immer auf ihre Unkenntniß, auf ihre Unwissenheit um Gott und seinen heiligen Rath zurükk. Und indem er im Zusammenhange seiner Rede überhaupt die Jünger aufmerksam macht auf den Beruf zu welchem er sie | erwählt und gesezt habe, daß sie hingehen sollten und Frucht bringen: so zeigt er ihnen nun dadurch, daß er den Haß der Welt gegen ihn und seinen Vater der Unwissenheit zuschreibt, zugleich den Weg den sie bei der Erfüllung ihres Berufes zu gehen hätten. Der Haß konnte nicht anders überwunden werden als indem die Unkenntniß überwunden wurde. Je mehr sie den himmlischen Vater in seinem weisen und gnädigen Rath gleichsam vor die Augen der Menschen hinstellen, je klarer sie das Bild dessen den der Vater gesandt hat der Welt zeichnen und wiedergeben würden in seiner ganzen Göttlichkeit und Liebenswürdigkeit, wie sie es aufgenommen hatten in ihr Gemüth: desto mehr würde durch ihren Beruf die Bahn gebrochen werden zur Ueberwindung dieses Hasses. Auf diesen Standpunkt wollte er seine Jünger stellen, daß sie denselben Weg gingen den er gegangen war. Wissen sollten sie freilich, so wie er es wußte und es sich nie verhehlt hatte, wie es um die Gemüther der Menschen stand in Beziehung auf ihn und seine Angelegenheit, wie sehr sie ihm und seiner Sache abhold waren: aber ärgern sollten sie sich deshalb eben so wenig als nachlassen im Eifer für ihren Beruf; die Kraft der Liebe, die sie durchdringen und treiben sollte das Evangelium den Menschen zu verkündigen, sollte durch den Haß der Welt nicht geschwächt werden. Aber indem der Herr wußte, wie fest seine Jünger halten würden über dem Wort, daß sie sich nicht ärgern sollten an der Feindschaft und Verfolgung der Welt, und wie durch sie das Zeugniß von ihm ausgehen würde in die Welt: so läßt er es zweitens auch nicht fehlen an tiefem Ernst gegen diejenigen welche zur Welt gehören, indem er sagt, sie könnten nichts vorwenden ihre Sünde zu entschuldigen. Wenn ich nicht, sagt er, gekommen wäre und hätte es ihnen gesagt, so hätten sie keine Sünde. Hätte ich nicht die Werke | unter ihnen gethan, die kein anderer vor mir gethan hat, und 4–5 Lk 23,34
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sie hätten sie nicht gesehen, so hätten sie keine Sünde; nun sie es aber gesehen haben, und doch beide mich und meinen Vater hassen, so sind sie nicht zu entschuldigen. Hier m. g. F. läßt sich nicht verkennen, daß der Erlöser sich vergleicht mit denen die vor ihm gewesen sind. Wir finden dasselbe auch anderwärts, aber auf eine andere Weise. In einer andern Rede nämlich sagt der Herr zu den Juden, wie ihre Väter die Propheten vor ihm verfolgt hätten, so verfolgten sie ihn; hier aber stellt er die Sache so dar, daß wir einen großen Unterschied nicht verkennen können. Er sagt, wenn er selbst nicht gekommen wäre, so hätten sie keine Sünde; wenn nicht wirklich die Werke unter ihnen erschienen wären, die kein anderer vor ihm gethan habe, so möchten sie etwas vorwenden sich zu entschuldigen. So fügt er also hier jener ersten Rede das hinzu, daß die welche ihn verfolgten nicht zu vergleichen wären mit denen welche die früheren Gesandten und Werkzeuge Gottes verfolgt hätten; und auch darin liegt ein deutliches Zeugniß welches der Herr von sich selbst ablegt, indem er auf den bestimmten Unterschied des Lichtes welches er angezündet, der Worte die er geredet, der Werke die er gethan, von allem was dem ähnlich vor ihm erschienen war aufmerksam macht. Nicht sollen wir ihn, indem er sich mit den Propheten des alten Bundes vergleicht, ansehen als einen von derselben Art, nur größer als jene, so daß auch zu ihm das Wort Gottes hätte geschehen müssen, aber in einem geringeren Grade, weil er begabter gewesen als sie; nicht sollen wir seine Sendung so betrachten, wie auch in früherer Zeit Gott der Herr aus der großen Masse der schwachen sündigen Menschen sich Werkzeuge auserwählte, um ihnen in besonders ausgezeichneten Augenblikken ihres Lebens seinen Willen an die Menschen kund zu thun. Son|dern mit dem bestimmten Unterschiede von allen andern sollen wir ihn betrachten, daß weil die Fülle der Gottheit in ihm wohnte, und nicht etwa als vorübergehende Begeisterung und Thatkraft, sondern als die ununterbrochen ihn beseelende und leitende Kraft seines ganzen Lebens, auch kein anderer solche Worte geredet und solche Werke gethan wie er, daß wenn er nicht gekommen wäre, die Welt keine Sünde gekannt hätte, sondern daß alle Sünde bestehe in dem Verkennen des göttlichen Sohnes. Auf diesen Unterschied will er die seinigen aufmerksam machen. Aber was ist dabei zunächst seine Absicht? Immer nur die m. g. F., daß weil seine Jünger die feste Ueberzeugung haben sollten, daß solche Werke wie er unter den Menschen gethan nicht anders gethan werden könnten, und was er der Welt von seinem Vater zu sagen gehabt nicht anders würde zu sagen sein als im innigsten Zusammenhange mit seinen Werken und mit 34 aufmerksam] aufmersam 7–8 Vgl. Mt 23,29–39
27–28 Vgl. Kol 2,9
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seiner Rede, daß sie deshalb nicht glauben sollten, sie könnten nun, da er im Begriff sei von ihnen zu gehen, eines andern harren, sie könnten ihr Amt von ihm zu zeugen weniger eifrig treiben; oder weil die Welt ihn nicht annehmen wolle, sondern im Hasse gegen ihn auf dem Punkt stehe ihn zu verwerfen, so werde sich Gott der Herr der Welt nochmals erbarmen, und ihr einen andern senden: sondern daran sollten sie festhalten, daß allein in der Kraft der Liebe durch welche sie unter einander verbunden sein sollten, und des Glaubens mit welchem sie an ihm hingen, und der Erwählung mit welcher nicht sie ihn sondern er sie erwählt habe, alles was ihnen in der Welt zu thun obliege nichts geringeres sei als dasjenige wovon das Heil der Welt ausgehen müsse, indem den Menschen kein anderes Heil zugedacht sei als das durch seine Erscheinung veranstaltete, und kein anderer Name ihnen gegeben, darin sie selig werden sollen, denn allein der seinige. Darum stellt er ihnen auch den Haß der Welt dar nicht nur als etwas | dem sie selbst nicht unterliegen sollten, sondern als etwas was zu überwinden er selbst gekommen sei und sie in seiner Kraft senden werde, wie er ihnen auch anderwärts zuruft, sie hätten zwar in der Welt Angst, aber sie sollten deshalb nicht verzagen, sondern getrost sein, denn er habe die Welt überwunden. So meint er auch, hier im Zusammenhange seiner Rede, mit ihm und indem sie seine Gebote hielten und in seiner Liebe blieben, würde es auch ihnen gelingen die Welt zu überwinden. Auf die Zeit nun wo das geschehen würde und in einem reichen Maaße sich offenbaren, deutet der Herr in den Worten hin, Wenn aber der Tröster kommen wird, welchen ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht: der wird zeugen von mir; und ihr werdet auch zeugen, denn ihr seid von Anfang bei mir gewesen. Hier sagt nun der Erlöser, daß das Zeugniß von ihm an die Stelle treten solle seiner eigenen persönlichen Gegenwart und Wirksamkeit auf Erden. Aber nicht nur dies m. g. F. ist seine Meinung bei diesen Worten, sondern auch das will er sagen, wie durch das Zeugniß von ihm solle bewirkt werden, daß die Welt überwunden würde. Denn freilich wenn er redet von der Sendung des Geistes, der ein Geist der Wahrheit vom Vater ausgeht, und von dem Zeugniß welches dieser Geist ablegen würde von ihm: so konnte er davon nicht reden als von etwas leerem und vergeblichem; sondern es liegt in seinen Worten der kräftige Trost, den er seinen Jüngern geben wollte über ihren schweren Beruf, daß in der Kraft des Geistes der Wahrheit, den er ihnen senden werde vom Vater, und in der Kraft des Zeugnisses von ihm die Werke Gottes, welche zu vollbringen er gekommen sei, immer mehr in die Welt und in das irdische Leben der Menschen treten und darin ihre beseligende Kraft offenbaren werden. | 8–9 Vgl. Joh 15,16
17–19 Vgl. Joh 16,33
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Nur eins könnte uns in der Rede des Herrn Wunder nehmen, und wir dürfen nicht darüber hinweggehen ohne uns darüber zu verständigen. Der Erlöser scheint nämlich zu unterscheiden das Zeugniß des Geistes und das Zeugniß der Jünger, wenn er sagt, Der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, wird zeugen von mir, und ihr werdet auch zeugen. Aber hat denn jemals der Geist der Wahrheit anders gezeugt als durch den Mund der Jünger des Herrn? und giebt es ein Zeugniß der Jünger des Herrn, welches sie ablegten nicht in der Kraft des Geistes der Wahrheit? Wir wissen von dem einen nichts und werden das andere nicht glauben. Denken wir uns ein Zeugniß derer die das Evangelium von Christo unter den Völkern der Erde verkündigt haben: so denken wir auch immer zugleich, daß sie es abgelegt haben in der Kraft des Geistes, daß die heiligen Männer Gottes geredet und geschrieben haben geleitet von dem Geist der Wahrheit. Ebenso wissen wir auf der andern Seite von keiner andern Wirkung des Geistes, von keinem andern Zeugniß welches der Geist der Wahrheit abgelegt hat, als durch den Mund der Jünger des Herrn und derer die durch ihr Wort gläubig geworden sind an seinen Namen; und die Kraft des Geistes ist eine und dieselbe mit der Kraft der Wahrheit die wir dem Geiste verdanken. Wie kommt also der Erlöser dazu, beides zu unterscheiden? Wenn er zu seinen Jüngern sagt, Ihr werdet auch zeugen, denn ihr seid von Anfang bei mir gewesen: so weist er damit hin auf das Zeugniß welches sie ablegen würden in Beziehung auf alles dasjenige was sie selbst im Umgange und in der Gemeinschaft mit ihm erlebt hatten; und das war das Zeugniß ihrer eigenen Erfahrung und der Geschichte, welches abzulegen sie nichts weiter brauchten, als daß sie wiedergaben was in ihren Sinn eingegangen war, was sie empfänglichen Herzens in sich ausgenommen hatten; wie der Apostel Johannes es in seinem ersten Briefe ausdrükkt, was sie gesehen | und gehört, was sie mit ihren Händen betastet hätten von dem Worte des Lebens, das verkündigten und bezeugten sie. Aber das Zeugniß welches der Geist der Wahrheit durch ihren Mund ablegte, das war das Zeugniß der neuen Kreatur die in ihnen entstanden war; das war das Zeugniß, welches sie ablegten von innen heraus auf den Grund alles dessen was sie selbst zuerst durch die Wirkung des Herrn in ihrem Herzen geworden waren, und was späterhin nach seiner Rükkehr zum Vater der Geist der Wahrheit, der es von dem seinen nahm, in ihnen hervorgebracht hatte. Dies beides läßt sich freilich in einem gewissen Sinne scheiden; aber es muß dennoch immer beisammen sein. Was wir, indem wir es der Welt verkündigen, aus dem eigenen gläubigen Gemüth nehmen, aus der Erfahrung eines Herzens welches in lebendiger Gemeinschaft mit dem Erlöser steht, das ist das Zeugniß des Geistes durch uns, der nicht anders redet als durch diejenigen welche gläubig geworden sind an den Namen des Herrn. Wenn wir aber zeugen 27–28 Vgl. 1Joh 1,1–3
30–31 Vgl. 2Kor 5,17
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von dem was in dem Reiche des Herrn auf Erden geschehen ist durch seinen Geist in dem Laufe der Jahrhunderte, was als Geschichte da liegt vor den Augen der Welt, und was wir uns selbst in jedem Augenblikk aus der Vergangenheit vergegenwärtigen können: das ist ein anderes Zeugniß, welches die gläubigen ablegen. Und dieses soll überall in der Welt dem Zeugniß des Geistes Bahn machen. So finden wir es auch, wenn wir auf die Fortpflanzung des Evangeliums im großen achten. Welche Wirkungen das Evangelium seitdem es verkündigt wird in der Welt hervorgebracht hat, das liegt der Welt vor Augen, das ist selbst ein sprechendes Zeugniß, und die Menschen brauchen es nicht auf eine besondere Weise abzulegen; denn es ist als das unmittelbare Zeugniß der Geschichte die von dem einen auf den andern übergehende | Erfahrung von der Kraft und Wirksamkeit des Geistes in der Welt. Dazu aber soll kommen das Zeugniß des Geistes aus dem Munde der gläubigen an die Welt, dazu soll kommen was der Geist redet durch diejenigen welche gläubig geworden sind an den Namen des Herrn. Und beiden Zeugnissen, wie sie von Anfang an neben einander hergegangen sind, verdanken wir es auch, daß das Reich des Erlösers nun schon so weit ausgebreitet ist auf Erden, daß wir überall schon unter solchen leben die seinen Namen bekennen, und daß wir erst gleichsam an die Enden des menschlichen Geschlechts, wo Unwissenheit und Rohheit noch allgemein herrschend sind, gehen müssen, um solche zu finden von denen sich noch erst zeigen muß, wenn ihnen das Evangelium dargereicht wird, ob sie auch den welchen es verkündigt hassen werden oder nicht, und ob das Zeugniß, der Geschichte sie geneigt machen wird oder nicht, das Zeugniß des Geistes aus dem Munde der Bekenner des Herrn anzunehmen. Wolan denn m. g. F., wenn dem so ist, wenn uns überall umtönt das Zeugniß der Geschichte und das Zeugniß des Geistes der Wahrheit durch die gläubigen: welchen Gebrauch haben wir zu machen von der Rede des Herrn in Beziehung auf den Haß der Welt? Ach ich kann es nicht verschweigen, daß mir bange ist, viele Christen versündigen sich dadurch an dem, der durch den Geist der Wahrheit und durch das Zeugniß der Geschichte bereits so viel gethan hat an dem menschlichen Geschlecht, daß sie allzu viel reden von der Welt, welche beide hasset den Vater und den Sohn, als ob sie unter solchen lebten von denen dies gesagt werden kann, da sie doch nur unter solchen leben die mit uns den Namen des Herrn bekennen. – Ja viele versündigen sich auf der einen Seite dadurch, daß sie sich selbst so oft darstellen als die von der Welt verfolgt werden, da es sich doch in den meisten Fällen um nichts weiter handelt als um eine Verschiedenheit der Ansichten über die Person und die Lehre des Erlösers zwischen ihnen und andern, aber ohne daß diese deshalb aufhören | sollten ihn ebenfalls als ihren Herrn und Meister zu bekennen und zu verehren. Und auf der andern Seite versündigen sich viele Christen dadurch, daß indem sie andere
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Christen für einen Theil der Welt halten, welche den Erlöser haßt und seinen himmlischen Vater, weil dieselben, ohnerachtet sie überall ausgehen von der Erkenntniß Gottes die uns durch ihn geworden ist, und diese als eine große Wohlthat preisen, dennoch nicht in allen Stükken mit ihnen übereinstimmen und gleichen Sinnes sind, daß sie nun in der Hize des Streites ihrerseits so handeln, wie der Herr zu seinen Jüngern sagt, daß die Welt an ihnen handeln werde, Sie werden euch in den Bann thun; es kommt aber die Zeit, daß wer euch tödtet wird meinen, er thue Gott einen Dienst daran, und daß sie diese ihre Mitchristen in dem Kreise brüderlicher Liebe nicht anerkennen, und nicht glauben wollen, daß es ein gemeinsames Bekenntniß und Zeugniß zwischen ihnen und solchen gebe. O m. g. F., wie viele versündigen sich dadurch, daß sie so ihre Mitchristen behandeln! Ja ist es erst dahin gekommen, daß sie einander in den Bann thun möchten, und einer den andern auf diesen oder jenen Grund von sich ausschließen und also von sich verbannen: dann ist es nur den äußern Umständen zu verdanken, wenn das nicht geschieht was der Herr beschreibt als daraus hervorgehend, daß sie einander tödten, meinend sie thun Gott einen Dienst daran. Aber wenn wir nun die Erfahrung nicht läugnen können, sondern sagen müssen, so ist es von Zeit zu Zeit in der Kirche des Herrn ergangen, daß ein Theil derer die seinen Namen bekennen die andern für solche gehalten haben, welche nicht ihm sondern der Welt angehören: wo sollen wir den richtigen Maaßstab hernehmen, um das zu erkennen und zu unterscheiden, was aus dem Geiste Christi ist und was nicht, damit wir nicht auf der einen Seite denen Unrecht thun, die in Glauben und Liebe an dem Erlöser hangen, indem wir sie etwa fern von uns halten und uns ihren Einwirkungen verschließen, und damit wir uns | nicht auf der andern Seite in Gefahr begeben, etwas aufzunehmen was uns von dem Herrn trennen und sein Bild in unserer Seele verunreinigen könnte. M. g. F., der Herr selbst giebt es uns bestimmt und deutlich genug zu erkennen, ja wir mögen sagen, es liegt schon in seinen eigenen Worten. Wo es ein solches in den Bann thun giebt wegen Verschiedenheit der Ansichten über die heiligen Gegenstände des Glaubens; wo man in der verkehrten Meinung, man thue Gott einen Dienst daran, sich von seinem Bruder trennt, ihn für unwürdig haltend der christlichen Gemeinschaft, weil er diesen oder jenen Theil unsers Glaubens und Lebens anders ansieht und behandelt: da ist die Welt die den Erlöser und seinen Vater hasset, und da thut es noth aufs neue das Zeugniß des Geistes geltend zu machen, der vom Vater ausgeht. Denn dieses Zeugniß, es ist nichts anderes und verkündigt nichts anderes als die Liebe, die nicht herrschen wollte sondern nur dienen, die nicht gekommen war die Seelen der Menschen zu verderben, sondern selig zu machen, und die noch jezt nicht das ihre sucht sondern 40–41 Vgl. Lk 19,10
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was Gottes ist. Wo der Geist der Liebe, den der Herr gesandt hat, ist und waltet unter den Menschen; wo in der Kraft dieses Geistes die Menschen verbunden sind in herzlichem Wohlwollen, und das nicht etwa nur in Bezug auf ihre irdischen Angelegenheiten, sondern indem sie das Reich Gottes, welches der Erlöser gestiftet hat, fördern wollen: da mag der Unterschied der Meinungen noch so groß sein, da mag manches noch so sehr scheinen an der Grenze des christlichen zu liegen, so daß man befürchten möchte, der Glaube könne dadurch hier oder dort Schiffbruch leiden, – nie wird der traurige Fall eintreten, daß einer den andern in den Bann thut, meinend er thue Gott einen Dienst daran. Darum sollen wir nie aufhören die Wahrheit zu suchen in Liebe, und eben dies zum Wahlspruch unsers Lebens machen, | wie es der Wahlspruch aller wahren Christen immer gewesen ist, damit wir immer als tüchtige Zeugen des Herrn erfunden werden. Wer sich aber durch die Verschiedenheit christlicher Ansichten und Handlungsweisen irre machen läßt in seinem Innern, wie wenig ist der geschikkt ein Zeugniß von der Kraft des Geistes in seinem Gemüthe abzulegen, und selbst zu zeugen von dem Werke des Geistes in der Welt! Denn in einem solchen ist das Leben nicht aufgegangen, welches indem es von sich selbst zeugt auch ein bleibendes Zeugniß von dem Herrn ablegt. So laßt uns denn bei dem Worte bleiben, daß wir uns unter einander lieben sollen wie der Herr uns geliebt hat; und indem wir diesen Grund unsers gemeinsamen Lebens festhalten, laßt uns hinausschauen in die Welt, welche die Herrschaft der Liebe noch nicht aufgenommen hat, welche den Vater nicht erkennt als die Liebe, weil sie den Sohn nicht erkennt als das Ebenbild des göttlichen Wesens; und laßt uns überall Zeugniß ablegen von unserm Herrn und Erlöser, damit der je länger je mehr von der Welt erkannt werde, von welchem wir erkannt sind, und wir selbst es immer deutlicher erkennen, daß wir von ihm die Erkenntniß des Vaters empfangen haben. So möge immer mehr ein gemeinschaftliches Zeugniß des Geistes von dem Erlöser aus dem Munde der seinigen kommen in der Kraft des Glaubens und der Liebe, und auch wir selbst immer mehr zeugen von dem was wir erfahren von dem Werke des Herrn, damit das Reich des Erlösers sich immer herrlicher verbreite, und so immer mehr die Welt verschwinde, welche ungläubig genug ist ihn und den Vater zu hassen. Amen.
12 Christen] Chrrsten 8 Vgl. 1Tim 1,19 Hebr 1,3
20–21 Vgl. Joh 15,12
23–24 Vgl. 1Joh 4,8.16
24–25 Vgl.
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Am 6. August 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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11. Sonntag nach Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Lk 19,15–24 Nachschrift; SAr 115, S. 128–142; Sethe Keine Nachschrift; SAr 65, Bl. 102r–105v; Woltersdorff Nachschrift; SAr 108, Bl. 12v–16v; v. Oppen Nachschrift; SN 607/6, S. 1–8; v. Oppen Teil der am 28. Mai 1826 begonnenen Predigtreihe über Gleichheit und Ungleichheit bei der Ausbreitung des göttlichen Worts Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am 11. Sonntage nach Trinitatis d. 6. August 1826. Tex t.
Evang. Lucae 19, 15–24.
M. a. Fr. hier haben wir nun die Fortsetzung von jenem Gleichniße, wovon uns neulich der Anfang beschäftigt hat. Wie wir es damals zu thun hatten mit der ursprünglichen Gleichheit im Reiche der Gnade, indem wir achteten darauf, wie was Gott austheilt (unmittelbar auf geistige Weise d. h. durch den Erlöser) in Allen nur dasselbe sein kann, so zeigt uns nun der Erlöser hier die Ungleichheit, welche unter denen, die der gleichen Gabe Gottes theilhaftig geworden sind, sich hernach einfindet. Und zwar haben wir hier es auch nicht zu thun, etwa mit dem, der sein Pfund gar nicht genuzt hat, sondern wir richten unsere Aufmerksamkeit nur auf die Ungleichheit derer untereinander, die wirklich Frucht bringen. So laßt uns sehen erstens; worinn diese Ungleichheit besteht, zweitens: wie wir dieselbe anzusehn und uns darüber zu beruhigen haben.
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I. Es leuchtet wohl einem jeden ein, daß der Erlöser hier eine zwiefache Ungleichheit meint, die erste ist die Ungleichheit des Erfolgs, und der Belohnung; und da im Anfange des Gleichnißes von zehn Knechten die Rede war, welchen der Herr zehn Pfund austheilte, um | damit zu wuchern, und hier 3–4 Vgl. die Predigt am 23. Juli 1826 vorm. über Lk 19,12–13 19,13
18–19 Vgl. Lk
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nur zweier erwähnt wird, so mögen wir uns das als natürliche Verkürzung der Rede und uns nun noch mancherlei Abstufungen denken. Das zweite ist aber ebenso eine Ungleichheit der Belohnung, denn der Herr sagt zu dem, der zehn Pfund erworben hat: „du solst über zehn Städte,“ und zu dem, der fünf erworben hat: „du sollst über fünf Städte herschen.“ Was es nun mit beiden für eine Bewandniß hat, das laßt uns jezt erwägen; wir können das nicht, wenn wir nicht vorher fragen: ist das Gut, welches der Erlöser gleichmäßig vertheilt, der lebendige Glaube, welches das einzige wahre Gut ist, durch das allein erworben werden kann im Reiche Gottes, was ist denn nun das damit Erworbene? Der Erlöser hat wohlbedächtig das Erworbene im Reiche Gottes nicht verglichen mit dem im irdischen, wo das Erworbene ein anderes ist als das, womit erworben wird, sondern er hat es verglichen mit dem, was wir im irdischen für das Gefährlichste und Unfruchtbarste halten, nemlich, daß mit dem Gelde wieder nur Geld geschaft werde. Was könnte denn auch besseres als durch Glauben wieder Glaube hervorgebracht werden? sagt nicht der Erlöser: das ist das ewige Leben, daß sie dich und den du gesandt hast, erkennen, und glauben, daß du mich gesandt hast? Und was giebt es auch | anderes im Reiche Gottes, was kann da anderes hervorgebracht werden als das ewige Leben? besteht das nun im Glauben, so kann auch nichts anderes als der Glaube erworben werden. Wirken wir auch im irdischen Leben mit der Kraft, die der Herr uns anvertraut hat, und die erst mit dem Glauben beseelt, wahrhaft Gutes hervorbringen kann, suchen wir die Menschen zu befrein von mancherlei Noth und Uebel, suchen wir, die Ausbildung ihrer Fähigkeiten ihnen zu erleichtern, suchen wir jeden in die Lage zu setzen, wo er die Mittel hat, thätig zu sein mit den Seinen, so sind das alles Werke der Liebe; was aber wollen wir anders damit zulezt hervorbringen, als daß die Seelen derer, für die wir das thun, von dem Irdischen losgemacht und dem Ewigen gewonnen werden; was anders als daß der Glaube in ihnen gewekt werde und sie zu Kindern des Lichts mache, denen der Herr das Reich der Gnade aufgeschlossen hat! So ist es, alles, was der Glaube, der durch die Liebe thätig ist, hervorbringt, das ist wieder Glaube, das lezte Ziel aller Thätigkeit ist immer die Verbreitung und Befestigung des Glaubens! Denken wir uns also wie der götliche Geist durch die Kraft des Glaubens in allen thätig ist, die Diener sind im Reiche des Herrn, denken wir uns die Thätigkeit derselben in der Welt, was anders kann der Erfolg sein (und eher kann das Ende nicht kom|men) als daß eben der Glaube das Gemeingut aller Menschen sei, der Glaube, der das ewige Leben ist, der thätig ist durch die Liebe, und alle andern Kräfte der menschlichen Natur sich unterwirft, kann nicht anders als so handeln, und solange bis alle durch die Kraft des Glaubens zum ewigen Leben hin16–18 Vgl. Joh 17,3.8 29–30 Vgl. Joh 12,36 Joh 6,47 38 Vgl. Gal 5,6
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durchgedrungen sind. Das ist die Kraft des Glaubens, aber freilich was jeder, in dem und durch den der Glaube wirkt, aufzuweisen hat als Erfolg seiner Thätigkeit, das stellt der Erlöser uns als ungleich dar. Und kann es uns wohl schwer werden, den Grund dieser Ungleichheit aufzufinden? werden wir nicht gestehn müßen, daß soll es eine Welt geben wie diese, wo so verschiedenes aufeinander und ineinander wirkt, es nicht anders möglich ist, als daß solche Ungleichheit eintrete; denn ist auch das ursprüngliche in allen dasselbe, so ist doch die Seele, in der der Glaube thätig ist, und der er sich als Werkzeug bedienen muß, und aus deren Thätigkeit also der ganze Erfolg hervorgehen muß, verschieden, eine ist nicht wie die andere, als eine große unübersehbare Mannigfaltigkeit hat der Herr die Seelen der Menschen geschaffen, er allein ist ewig sich selbst gleich, alles endliche Dasein aber theilt und spaltet sich in unabsehbare Verschiedenheit; ja der Apostel sagt: daß auch in der andern Welt nicht alles gleich sein würde, sondern er|scheinen würde in verschiedener Klarheit, wie könnten wir in dieser untergeordneten Welt etwas anderes erwarten? Wenn wir uns fragen wollten (gesezt wir wären unzufrieden damit) wie uns die Welt und die Menschen erscheinen würden, wenn wir nicht dieselben Strahlen des götlichen Lichts in dieser Verschiedenheit gebrochen fänden, und ob wir dann dieselbe Fülle der Thätigkeit und des Genußes haben würden, so müßte die Unzufriedenheit wohl verschwinden. Sind nun die Seelen verschieden und die Fähigkeiten ungleich, wir wollten aber annehmen, das sei nicht so, sondern auch darinn sei eine Gleichheit, wie der Glaube in allen gleich ist, müßte nicht doch Verschiedenheit entstehen im Erfolge der Thätigkeit? Denn greift nicht die äußere Verschiedenheit der Umstände in unsere Thätigkeit ein? hat alles gleiche Empfänglichkeit, ist ein Augenblik der Thätigkeit dem andern gleich? und muß die Thätigkeit sich nicht auf Verschiedenes hinrichten? Und so können wir nicht anders als sagen: ja nothwendig ist die Verschiedenheit und natürlich (wie auch die Schönheit und Anmuth der Natur auf Verschiedenheit beruht); und so ist es denn auch nicht anders möglich, auch der Erfolg muß verschieden sein, der Glaube aber ist in allen gleich, und mit demselben Bewußtsein kann der eine kommen und sagen: „Herr dein | Pfund hat zehne“, und der andere: „Herr dein Pfund hat fünfe getragen“. Aber ist es doch nun nichts anderes als die Lebendigkeit des Glaubens, das neue geistige Leben, welches der Erfolg der Thätigkeit des Glaubens, wird also durch den Glauben wieder nur Glaube hervorgebracht, hat der Herr den Glauben als den Grund aller Thätigkeit in seinem Reiche gleichmäßig ausgetheilt, und rührt die Verschiedenheit des Erfolgs her von dem, was in dem Menschen schon gewesen ist vor dieser Austheilung, ist 18 würden] würde 13–15 Vgl. 1Kor 15,40–41
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also die Ungleichheit des Erfolgs nicht sein Werk und hat dieselbe keinen Einfluß auf sein Bewußtsein; so können wir uns das wohl erklären in einer Welt wie die unsere; wenn aber der Herr wiederkommt (wie es in dem Gleichniße heißt) wie ist es möglich, daß er der Ungleichheit des Erfolgs auch noch die Ungleichheit der Belohnung hinzufügen kann? und zwar ist diese Ungleichheit ganz übereinkommend mit der Verschiedenheit des Erfolgs; ganz gleichmäßig mit dem Erfolge, der doch nicht der unsere ist, theilt er die Belohnung aus, indem er sagt zu dem einen, der zehn Pfund erworben hatte: „du bist treu gewesen, du sollst Macht haben über zehn Städte,“ und zu dem, der fünf erworben hat; „du sollst herschen über fünf Städte,“ | und zu dem, der nichts erworben hat: „nehmet ihm auch dies und gebt es dem, der zehn Pfund erworben hat.“ Doch dies nun recht zu verstehen, laßt uns auch weiter fragen: was ist die Belohnung die der Herr austheilt? Wenn er sagt: du sollst Macht haben über zehn Städte, was ist das? ist es ein ruhiger stiller Genuß oder eine unthätige Herschaft? oder ist es eine Thätigkeit, und also der Lohn der Thätigkeit die erhöhte Thätigkeit? und ist die Stunde, wo er kommt Rechnung zu halten, dieselbe, wo er uns einsetzen will zu dieser erhöhten Thätigkeit und ist diese erhöhte bedingt durch die frühere? O wie könnte es anders sein? Denn wäre die Thätigkeit des Glaubens das ewige Leben, wenn es noch etwas anderes gäbe? wäre es wahr, daß wer da glaubt, das ewige Leben hat, wenn es eine Kluft gäbe zwischen dem, was der Erlöser uns schon jezt ertheilt hat, und dem, was uns erst nachher soll offenbart werden? Eine Fortsetzung also der Thätigkeit des Glaubens ist jenes Leben, eine erhöhte Thätigkeit durch diese bedingt, wie es ja auch keiner empfangen kann mit dem todten Glauben. Anders kann es nicht sein und eine traurige Täuschung ist es, wenn Christen, indem sie sich auszumalen suchen, was der Lohn der Thätigkeit des Glaubens sein wird, dieses außer der Thätigkeit suchen in einem Zustande, ganz verschieden von dem, wo nur Thätigkeit des Glaubens uns genügt; | wo also das Leben aus nichts bestände als aus der anbetenden Anschauung Gottes, wo denn nichts da wäre als der Herr und der Anschauende, weil gar keine Thätigkeit da wäre und kein Gegenstand derselben. Wollen wir den Lohn außerhalb der Thätigkeit des Glaubens suchen, so müßte uns dieselbe als Gegensatz der Seligkeit erscheinen, und das widerspräche dem, daß der lebendige Glaube das selige Leben ist. Wohl können wir von einer Seite nicht leugnen: an den Begriff der Thätigkeit knüpfen wir den der Arbeit, an diesen den der Mühe und Anstrengung, und an diesen den des Kraftaufwandes, und so ist im Vergleich damit die Anschauung schöner für uns. Aber doch wenn wir auf die Worte des Herrn im Gleichniße sehen, so müßen wir sagen: entweder er weiß von solchem Zustande, worinn Thätigkeit und Anschauung getrennt ist, gar nicht, oder er schließt ihn aus, solange 21 Vgl. Joh 6,47
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noch von seinem Reiche, von dem Herschen in demselben, und von seinem Wiederkommen die Rede ist; und dieser Zustand ist also wenigstens nicht der, den so viele Christen unmittelbar nach diesem Leben erwarten. Leiten wir also das her aus den Worten des Herrn, daß der Lohn der Thätigkeit des Glaubens anzusehn ist, wieder als eine Thätigkeit; so laßt uns fragen: können wir die Ungleichheit der Be|lohnung ebenso verstehen wie die Ungleichheit des Erfolgs? – Denken wir uns einen Herrn, der zu sorgen hat für ein großes Reich, in einem solchen giebt es eine nothwendige Verschiedenheit der Gewalt, die der seinen untergeordnet ist, die verschiedenen Kräfte müßen zusammenwirken, jemehr Zusammenstimmung da ist, um desto mehr geht Alles von Statten, um desto vollkomner wird der Wille des Herrn ausgeführt, die Gewalt muß also richtig vertheilt sein. Woran soll denn nun die größere Gewalt geknüpft werden, als an den Erfolg der geringeren? Sehen wir nun darauf was noth thut im Reiche Gottes, und wodurch sein heiliger Wille soll ausgeführt werden, ist es da anders möglich, als daß die größere Macht dem gegeben wird, in dem sich schon die größere Zuversicht gegründet hat durch den Erfolg der frühern Thätigkeit, kurz daß das größere Maas des Glaubens in dem entsteht, dessen Glaube schon viel Glauben hervorgebracht hat; wo wäre das größere Vertrauen anders als wo die geübtere Kraft die größere Macht ausführbar macht. So sehen wir also auch im Reiche Gottes, solange Ungleichheit der Macht darinn statt finden muß, so kann es nicht anders sein, als daß die Ungleichheit der Belohnung gleich ist der des Erfolgs, es knüpft sich ein Glied an das andere, und die | größere Macht folgt ganz natürlich auf den größern Erfolg, und geht daraus hervor. Und von anderer Ungleichheit weiß der Herr nicht als von dieser natürlichen und nothwendigen, wie sie hier sein Wort ausspricht. Wer also könnte sich wundern oder beklagen über die Ungleichheit des Lohnes, da sie so genau zusammenhängt mit der Ungleichheit des Erfolgs. Aber ohnerachtet wir gewiß hiervon alle überzeugt sind, so haben wir doch keineswegs auch schon unsere zweite Frage zugleich mit der ersten beantwortet; denn so ist der Mensch, was er als natürlich und nothwendig anerkannt, er fügt sich darinn, sucht aber noch andere Erkenntniß, um darüber mit sich ins Reine zu kommen. Und so laßt uns zur zweiten Frage übergehn, nämlich: II. Die Ungleichheit des Erfolgs und die der Belohnung, die einander gleich sind, wie haben wir sie anzusehn, und uns darüber zu beruhigen? Zwar das lezte sollten wir nicht fragen, eingedenk des ernsten Worts der Schrift: wer hat dem Herrn etwas zuvor gegeben. u. s. w. Denn ein Gefäß der Ehre sind 17–18 Vgl. Röm 12,3 21
38–39 Vgl. Röm 11,35
39 Vgl. Röm 9,21; 2Tim 2,20–
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alle, die durch den Glauben das Leben haben, sei ihre Thätigkeit auch noch so beschränkt, und deren Er|folg noch so gering, sie stehen in dem ewigen Tempel Gottes, sie haben Antheil an seiner Herlichkeit; denn zum Tempel hat er sich die menschlichen Seelen erwählt, sie thun, was sie thun, zur Ehre Gottes, wie sollten sie also nicht Gefäße der Ehre sein? Eben deswegen sollte es uns nicht nothwendig sein uns darüber zu beruhigen, aber doch ist es so, denn so ist der Mensch, immer will er das Einzelne mit dem Einzelnen vergleichen; so werden wir auch hier die, welche hoch stehen, vergleichen wollen mit denen, die wir zurükbleiben sehen, und fragen: wie haben wir uns zu beruhigen über die Leztern, da wir ihnen doch das Zeugniß geben müßen, daß dasselbe götliche Leben in ihnen ist? Wohlan zweierlei giebt es, was uns zur Beruhigung dient, das erste ist das: es ist eine Ungleichheit des Erfolgs und eine des Lohnes, aber keine Ungleichheit des Urtheils der götlichen Liebe, die sich in dem Gleichniße ausspricht. Zwar abgekürzt scheint uns die Rede des Herrn, und zwar abgekühlt scheint er schon in seiner Freude, indem er zu dem andern Knecht sagt: „du sollst über fünf Städte sein,“ da er doch zu dem ersten gesagt hatte: „ei du frommer und treuer Knecht,“ aber wie, war der zweite nicht auch ein frommer und treuer Knecht? können wir anders denken, als der Herr habe nur | seine Reden abkürzen, aber keinen Unterschied seines Urtheils machen wollen? Und das können wir uns auch nicht denken; denn ist es wahr, daß der Mensch durch nichts anderes gerecht wird als durch den Glauben und der Glaube das in Allen gleiche ist, so kann auch kein Unterschied sein in der götlichen Gesinnung, wie auch der Erfolg sein mag, der Herr sieht nur darauf, daß der Glaube durch die Liebe thätig ist, und das ist er überall, wo er wirklich ist. Nicht um einen gegen den andern herabzusetzen, hat er die Ungleichheit angeführt, sondern nur um die Nothwendigkeit derselben zu beweisen, seine Liebe aber ist gleich gegen alle die Seinen. Der Geist des Herrn ruft in der Seele jedes Gläubigen: lieber Vater! Derselbe Vertreter und Hoherpriester, der uns bei Gott vertritt, thut es für uns alle, und alle sind nichts anderes als ein Werk der götlichen Gnade, und alle haben gleichen Theil an der väterlichen Liebe Gottes. Wie sollte uns die Ungleichheit irre machen, so wir nur sagen können: was wir leben, das leben wir im Genuße der Gnade und Liebe! denn ist es so, so ist auch das Bewußtsein der götlichen Gnade also die Seligkeit eins. Die Ungleichheit ist die Ordnung Gottes in der Welt und im Reiche Gottes | welche, solange noch etwas auszurichten bleibt, dieselbe bleibt. Was nun noch zweitens zur Beruhigung dient über diese Ungleichheit ist dies, daß sie allmählig abnehmen muß und also endlich ganz aufhören. Wir erinnern uns hierbei des ähnlichen Gleichnißes im 1 Vgl. Joh 3,16 3–4 Vgl. 1Kor 3,16–17; 6,19; Eph 2,21–22 Röm 3,28 24–25 Vgl. Gal 5,6 28–29 Vgl. Röm 8,15; Gal 4,6 Röm 8,34; Hebr 7,25 39–1 Vgl. Mt 25,14–30
21–22 Vgl. 29–30 Vgl.
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Evangelio Mathäi, welches dem unsern angeknüpft als Fortsetzung erscheint. Hier theilt der Herr gleich aus, dort giebt er dem einen fünf, dem andern zwei Pfund, und da kommt, der der fünf Pfund bekommen hat und sagt: Herr die fünf Pfund haben andere fünf Pfund getragen u. s. w. So war also äußerlich allerdings im Erfolge eine Ungleichheit da, aber in Beziehung auf das Empfangen ist der Erfolg gleich. Und so müßen wir sagen: beruht die Ungleichheit der Menschen auf dem, was sie früher waren d. h. vor dem Glauben, und beruht der Erfolg der Thätigkeit des Glaubens auf dem Aeußern d. h. auf dem, was noch nicht vom Glauben durchdrungen ist, so muß, je länger der götliche Geist durch den Glauben schon gewirkt hat, desto mehr muß die Ungleichheit schon verschwunden sein; denn jede geistige Kraft ist ihrer Natur nach eine ausgleichende, weil sie sich aus innerer Fülle immermehr verbreitet. So liegt es uns vor Augen; denn denken wir uns in die Zeit zurük, wo der Erlöser erschienen war, wo alle Fülle der Gotheit in ihm allein wohnte, und erst von ihm aus anfangen mußte zu wirken, wenn wir damit ver|gleichen die gegenwärtige Zeit, so finden wir die Ausgleichung schon bedeutend vorgerükt, und indem wir uns bewußt sind der gleichmachenden Kraft des Geistes, so haben wir die gewisse Zuversicht, daß es immermehr so werden wird. Ja das Leben des Glaubens besiegt Alles, es kann nicht anders als alle, die davon durchdrungen sind, immermehr einander gleich machen, so daß sie endlich alle von Gott gelehrt sind, wie es der Herr verheißen hat! Ist aber die Ungleichheit des Erfolgs der Thätigkeit des Glaubens nicht mehr, ist alles geschehn und ausgeführt im Reiche des Herrn, ist der Glaube gleich klar, kräftig und wirksam in allen, dann ist auch jede Ungleichheit verschwunden, und es könnte nur wieder Ungleichheit entstehn, wenn sie in eine ganz neue Welt einträten. Aber auch solange die Ungleichheit noch ist, sehen wir auf dieses Leben oder auf jenes, solange die Ungleichheit bleiben mag, ist denn einer unter uns, der etwas für sich hätte? ist denn das erste Werk des götlichen Geistes in der Gemeinde, daß er alles zum gemeinsamen Gut machte, ist das nicht das immerwährende? wenn die ersten Christen sagten, daß bei ihnen Alles Allen gemein sei, wollen wir das nur beziehn auf das Aeußere? nein! nie, sondern die Gaben des Geistes sind vertheilt in der Gemeine zum gemeinen Besitz und Eigenthum. Wem eignet der Geist? nicht einem, sondern der Ge|meinschaft; es ist die ganze Gemeine ein Leib beseelt von einem Geiste, kein Glied hat einen Genuß für sich, als nur in einem krankhaften Zustand. 5 Ungleichheit da,] Ungleichheit, da 14–15 Vgl. Kol 1,19; 2,9 21–22 Vgl. Joh 6,45 35–36 Vgl. Röm 12,3–8; 1Kor 12,4–11
31–32 Vgl. Apg 2,44–45; 4,32
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So können wir uns völlig beruhigen über die Ungleichheit, die Gott gestellt hat, und weit entfernt uns damit zu trösten, daß sie nur in dieser Welt sei, vielmehr sie uns zum besten dienen lassen; bleibt nur die Gemeinschaft werden wir nur immermehr verbunden im Glauben, der thätig ist durch die Liebe, o so kann uns die Ungleichheit nicht rühren, denn das Bewußtsein: allen ist eins und alle sind gleich an Freude und Ehre, keiner kann belohnt werden als einzelner, sondern alles kommt von dem einen, und dem allein sei Preis und Ehre, ihm wollen wir Alles anheim stellen, wenn wir uns nur das Zeugniß geben können, daß wir keine seiner Gaben vergraben, und nicht so verdunkelt sind, daß wir unsern Herrn verkennen, als sei er ein harter Herr; so werden wir frei und freudig ihm wiedergebend, was wir von ihm empfangen haben, in diesem Leben wie in jenem entgegensehn der Wiederkunft dessen, der sich freut über das, was wir ihm darbringen können. Amen.
[Liederblatt vom 6. August 1826:] Am 11ten Sonntage nach Trinitatis 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Herzlich lieb etc. [1.] Gott der du mich als Vater liebst, / Mit Wohlthun überall umgiebst, / Du Geber aller Freuden! / Bist du mein Freund, wie wohl ist mir! / Wohl mir, ich bleibe stets an dir, / Nichts soll von dir mich scheiden. / Ich stüze mich auf deine Hand, / Du machst mir deinen Weg bekannt, / Machst meinen Gang darauf gewiß, / Und schaffst mir Licht in Finsterniß. / Mein Herr und Gott, / Mein Herr und Gott, du bist mein Licht; / Ich folge dir, so irr ich nicht. // [2.] Du leitest mich nach deinem Rath, / Der nur für mich beschlossen hat, / Was auf mein Bestes gehet; / Führst du mich gleich oft wunderbar, / So macht es doch der Ausgang klar, / Daß stets dein Rath bestehet. / Könnt ich dein nicht schon hier mich freun, / So möcht’ ich nicht auf Erden sein; / Denn außer dir ist doch kein Gut, / Das meinem Wunsch Genüge thut: / Mein Herr und Gott, / Mein Herr und Gott wo du nicht bist, / Ist nichts was mir erfreulich ist. // [3.] Nur wer nicht redlich Glauben hält, / Wer dich nicht mehr liebt als die Welt, / Der stürzt sich ins Verderben. / Wer dieser Erde Lust und Pracht / Zu seinem Himmelreiche macht, / Der kann dein Reich nicht erben. / Drum soll dein Wort o Herr allein / Die Richtschnur meines Lebens sein; / Darauf steht meine Zuversicht, / Ich wanke bis zum Tode nicht. / Mein Herr und Gott, / Mein Herr und Gott ich bleibe dein, / Laß deine Huld stets mit mir sein. // (Jauersch. Gesangb.) 3 Vgl. Röm 8,28
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Nach dem Gebet. – Mel. Nun freu euch lieben etc. [1.] Gott ists, der das Vermögen schafft, / Das Gute zu vollbringen, / Er giebt zur Arbeit Lust und Kraft, / Und läßt sie wohl gelingen. / Was mit des Höchsten Willen stimmt, / Wird, wenn mans freudig unternimmt, / Nicht ohne Fortgang bleiben. // [2.] Gott segnet den, der eifrig strebt / Vor ihm gerecht zu werden, / Und treu nach seinem Willen lebt, / Schon gnädig hier auf Erden. / Er reicht ihm dar mit milder Hand / In seinem Amt, Beruf und Stand, / Was ihm wahrhaftig nüzet. // [3.] Gott ist der Frommen Schild und Lohn, / Er krönet sie mit Gnaden, / Was sollte ihrer Feinde Hohn / Und Mißgunst ihnen schaden? / Mit seinem Schuz bedekt er sie, / Und stärket bei des Lebens Müh / Ihr Herz mit Trost und Hoffnung. // [4.] Drum gieb o Gott daß ich auf dich / Bei meiner Arbeit sehe; / Mit Licht und Weisheit segne mich, / Daß deinen Weg ich gehe. / Laß mich, wie mirs dein Wort gebeut, / Nach deines Reichs Gerechtigkeit / Und nach nichts anderm trachten. // [5.] So hilf, daß ich gestärkt durch dich / Gehorsam sei mit Freuden, / Und träges Wesen lehre mich / Als dir mißfällig meiden. / Dein Segen heil’ge meine Treu, / Daß mit Erfolg ich thätig sei, / Und deinem Reiche diene. // [6.] Mein Vater, ich befehle dir / Die Werke meiner Hände; / Sei überall mein Gott mit mir, / Daß ich sie wohl vollende. / O hilf zu deines Namens Preis, / Daß mir die Frucht von meinem Fleiß / In jenes Leben folge. // Nach der Predigt. – Mel. Es ist genug etc. Gott ist getreu, / Er thut was er verheißt, / Er sendet mir sein Licht; / Wenn dieses mir den Weg zum Leben weist, / So irr’ und gleit’ ich nicht. / Gott ist kein Mensch, er kann nicht lügen, / Sein Wort der Wahrheit kann nicht trügen, / Gott ist getreu. //
Am 13. August 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
12. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 16,4–15 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, Nr. LXXII, S. 510– 523; König Keine Nachschrift; SAr 115, S. 142–152; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 106r–107v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
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Tex t. Joh. 16, 4–15. Aber solches habe ich zu euch geredet, auf daß wenn die Zeit kommen wird, daß ihr daran gedenket, daß ich es euch gesagt habe. Solches aber habe ich euch von Anfang nicht gesagt, denn ich war bei euch. Nun aber gehe ich hin zu dem der mich gesandt hat, und niemand unter euch fragt mich, Wo gehest du hin? sondern dieweil ich solches zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauerns geworden. Aber ich sage euch die Wahrheit, Es ist euch gut, daß ich hingehe. Denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; so ich aber hingehe, will ich ihn zu euch senden. Und wenn derselbige kommt, der wird die Welt strafen um die Sünde, um die Gerechtigkeit und um das Gericht. Um die Sünde, daß sie nicht glauben an mich. Um die Gerechtigkeit aber, daß ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht sehet. Um | das Gericht, daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnet es jezt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten; denn er wird nicht von ihm selbst reden, sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. Derselbige wird mich verklären; denn von dem meinen wird er es nehmen und euch verkündigen. Alles was der Vater hat, das ist mein; darum habe ich gesagt, Er wird es von dem meinen nehmen und euch verkündigen. M. a. F. Was der Erlöser hier anfangs sagt, und womit wir unsere leztere Betrachtung über dieses Evangelium geschlossen haben, Solches habe ich 23–24 Vgl. die Frühpredigt am 30. Juli 1826 über Joh 15,18–16,4
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zu euch geredet, auf daß wenn die Zeit kommen wird, daß ihr daran gedenket, daß ich es euch gesagt habe; solches aber habe ich euch von Anfang nicht gesagt, denn ich war bei euch, das bezieht sich auf das was er vorher mit ihnen geredet hatte von der fortwährenden Widersezlichkeit des größten Theiles ihres Volkes gegen ihn und gegen das Reich Gottes welches er gründen wolle, und von der Trübsal die ihnen eben deshalb in ihrem künftigen Beruf bevorstände. Er sagt ihnen nun, früher hätte er zu ihnen davon nicht geredet, weil er bei ihnen gewesen wäre. Er hatte ihnen also so lange als möglich den ungestörten Genuß der Gegenwart gelassen, und nicht eher als bis es zur Befestigung ihres Muthes nöthig gewesen ihnen diesen Theil der Zukunft enthüllt. M. g. F. Wie nun der Erlöser mit seinen Jüngern gehandelt hat, so mögen wir selbst mit vollem Rechte auch gegen uns und andere handeln. Er wollte ihnen den ungestörten und unverkümmerten Genuß der Gegenwart lassen, und nicht eher als bis es nothwendig war ihren Blikk auf eine trübe Zukunft hinrichten. Das gehört mit zu der Milde seines Wesens, welche wir überall | an ihm erkennen; aber es gehört auch dazu die feste Zuversicht die er hatte, daß wenn er auch erst später ihnen sagte was ihm bevorstände, doch ihr Herz und ihr Glaube würde dadurch gestählt und befestigt werden, damit sie des rechten Weges nicht verfehlten. In dem Glauben, daß uns überall der Beistand des göttlichen Geistes in dem was wir auf unserm Lebenswege zu thun und zu leisten haben, nicht fehlen werde, sollen auch wir uns so viel als möglich den ungestörten Genuß der Gegenwart gönnen, uns nicht selbst durch Hinschauen in eine Zukunft betrüben, welche wir doch mit der Deutlichkeit nicht erkennen, mit welcher der Erlöser sie vorhersah. Sobald es aber nöthig wird in Beziehung auf die Zukunft etwas zu thun; sobald es nöthig wird, daß wir das erkennen und darüber uns selbst entschließen, was uns in dem Kreise unseres Berufes vermöge unserer Liebe zu dem Erlöser und seinem Reiche obliegt: ja dann, wie er zu der Zeit mit seinen Jüngern redete über das was ihm bevorstand, dann sehe auch jeder auf das was ihm bevorsteht, um nach Anleitung des göttlichen Geistes sein Thun und Lassen zu bestimmen. Nun aber, fährt der Erlöser fort, nun aber gehe ich hin zu dem der mich gesandt hat, und niemand unter euch fragt mich, Wo gehst du hin? sondern dieweil ich solches zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauerns geworden. Ob nun der Herr hier mehr jene Rede meint von dem was ihnen nach seinem Abschiede von der Erde bevorstehen werde, oder diese von seinem bevorstehenden Abschiede selbst, das ist aus seinen Worten nicht zu erkennen; aber gewiß war beides auf gleiche Weise dazu geeignet, das Herz der Jünger mit Trauer zu erfüllen; denn es war in der That beides für sie eins und dasselbe. Blieb ihr Herr und Meister bei ihnen, so lag mehr auf ihm als 16 welche] welches
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auf ihnen die gemeinsame Last die sie treffen konnte; ihn aber zu verlieren, und dann mit dem Bewußtsein ihrer Schwäche in die Welt der Widerwärtigkeiten und des Hasses in ihrem Berufe hineingestoßen zu werden, das war | beides für sie auch eins und dasselbe; denn hätten sie sich seiner Gegenwart immer zu erfreuen gehabt, so wäre ihnen nichts schwer geworden und hart. Aber m. g. F. laßt uns nicht übersehen, was der Herr hier für ein Maaß ihrer Trauer angiebt, indem er sagt, Euer Herz ist voll Trauerns geworden, so daß niemand unter euch, nachdem ich euch gesagt habe, Ich gehe hin zu dem der mich gesandt hat, mich fragt, Wo gehest du hin? Und gewiß m. g. F., genauer und schärfer hätte der Herr das nicht ausdrükken können, was er sagen wollte. Es liegt darin der Gedanke, daß es nichts natürlicheres giebt und gab für seine Jünger, als er ihnen seinen bevorstehenden Abschied verkündigte, als einen näheren Aufschluß zu wünschen über das was er sagte, Ich gehe hin zu dem der mich gesandt hat. Denn so wie wir darin einen schönen Trost finden, daß wir ein sinnliches Bild von unsern lieben festhalten, wenn sie den Schauplaz dieser Erde verlassen: so ist es dem Menschen allzu natürlich, daß er auch wieder ein sinnliches Bild begehrt von dem Zustande in welchen die dahingeschiedenen durch den Tod eingegangen sind; und der Herr erkennt dies als eine Wirkung der übermäßigen Trauer von welcher seine Jünger erfüllt waren, daß dieses Verlangen in ihren Seelen nicht aufkam. Und es wäre auch vermöge der Art wie der Erlöser sich ausdrükkt natürlich gewesen. Denn wenn er sagt, Ich gehe wieder zu meinem Vater der mich gesandt hat, ich gehe wieder zu dem Gott von welchem ich gekommen bin: was heißt es, zu Gott gehen, da Gott überall auf die gleiche Weise ist, und da niemand, am wenigsten der Erlöser auf irgend eine Weise konnte von ihm entfernt sein? Also natürlich findet der Herr diesen Wunsch und dieses Fragen, welches er bei seinen Jüngern vermißt. Aber er, der so gern aus seiner Fülle überschwänglich gab, kommt er dem Verlangen, welches sie eigentlich natürlicher Weise hätten haben sollen, entgegen? sagt er ihnen etwas näheres darüber, wohin er gehe, und erfüllt den | Wunsch eines sinnlichen Bildes von dem Zustande in welchen er übergehen sollte? Das thut er keinesweges, sondern erwähnt es nur, um sie darauf aufmerksam zu machen, wie sehr ihr Herz voll Trauer geworden sei, und sie selbst aus der natürlichen Fassung des Gemüths herausgerissen. Wenn sie weniger voll Trauer gewesen wären, und hätten ihn gefragt nach einer näheren Beschreibung dessen, was das heißen solle, daß er hingehe zu dem der ihn gesandt habe: würde er ihnen Genüge geleistet haben? Was er ihnen sonst sagte und immer so gern aus seiner Fülle gab, so oft sie danach fragten, das würde er ihnen hier auch ungefragt gesagt haben, wenn es ihnen heilsam gewesen wäre. Was er ihnen aber, obwol sie seinem Herzen so nahe waren, nicht von selbst und ohne ihre Bitte mittheilen konnte, das würde er ihnen auch
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nicht gegeben haben auf ihre Bitte. Und so sehen wir m. g. F., wie der Herr uns selbst die Grenze bezeichnet von dem was wir von ihm erfahren. So wie er anderwärts in Beziehung auf die irdische Zukunft seines Reiches sagt, Zeit und Stunde hat der Vater im Himmel seiner Macht vorbehalten: so sagt er gleichsam auch hier; eine sinnliche, anschauliche, bestimmte Vorstellung von der näheren Vereinigung der menschlichen Seele mit Gott, wenn sie den Schauplaz dieser Welt verläßt, von der Art wie er selbst bei seinem Vater ist, und wie alle die seinigen mit ihm bei dem Vater sein werden, diese sollte und konnte – denn beides ist gewiß eins und dasselbe – er ihnen nicht geben. Eben so wenig er ihnen Zeit und Stunde offenbaren konnte in Bezug auf die Zukunft, eben so wenig was die räumliche und körperliche Beschaffenheit von unserm Zustande in der Zukunft betrifft vermochte er ihnen mitzutheilen. Aber worauf lenkt er sie hin, um den Schmerz der sie erfüllte zu mäßigen? Je übler sie sich mußten berathen glauben, daß er sollte von ihnen genommen werden, und daß sie sollten in eine Welt | voll Widerwärtigkeiten und Verfolgungen hinausgehen: desto mehr sucht er sie davon zu überzeugen, daß es ihnen gut sei, daß seine leibliche Gegenwart auf Erden ihr bestimmtes Maaß habe, daß eben ihr eigenes Wohl und das Aufhören dieser seiner leiblichen Gegenwart vermöge der Anordnung der göttlichen Weisheit ganz genau zusammenstimmen, und eins und dasselbe seien. Und wie überzeugt er sie davon, daß es ihnen gut sei, daß er hingehe? Denn, spricht er, so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; so ich aber hingehe, will ich ihn zu euch senden. Eben diesen Tröster nennt er in der Folge seiner Rede, die wir schon gelesen haben, den Geist der Wahrheit, und seine Rede ist also die, wenn er bei ihnen bliebe, so würden sie mit dem Geist der Wahrheit und des Trostes nicht erfüllt werden; wenn er aber von ihnen ginge, so würde er ihn senden. Also dies beides stellt er als unverträglich mit einander dar, die Fortdauer seiner Gegenwart und das Herabsenden des Geistes der Wahrheit; und daß der leztere komme, stellt er als etwas gutes dar, und also als etwas besseres und herrlicheres als seine leibliche Gegenwart. So liegt denn darin für uns alle der vollkommene Trost, wenn es uns begegnet, wie es bisweilen nicht fehlen kann, daß wir uns wünschen auch Theil genommen zu haben an der Zeit wo der Herr menschlich auf Erden wandelte; darüber tröstet er uns damit daß er sagt, es sei gut, daß er hingegangen sei und an seine Stelle der Tröster, der Geist der Wahrheit, gekommen. Aber sich das weiter auseinander zu sezen, wie beides unverträglich sei und das eine besser als das andere, das überläßt er seinen Jüngern selbst, und giebt ihnen darüber keinen näheren Aufschluß. Wie also m. g. F., wie sollen wir uns das denken? Er sagt, der Tröster den er senden werde 4 Apg 1,7
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sei der Geist der Wahrheit, der seine Jünger in alle Wahrheit leiten werde. Aber von sich selbst sagt er zu ihnen, er | sei die Wahrheit, indem er sagt, Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Also so lange er die Wahrheit unter ihnen war, konnte der Geist der Wahrheit nicht über sie kommen, und nur erst wenn er nicht mehr unter ihnen war, konnte er ihn senden? Die Wahrheit würden sie empfangen haben von dem Herrn, und nicht einen Augenblikk würde er unter ihnen gewesen sein ohne ihnen die Wahrheit mitzutheilen. Aber den Geist der Wahrheit hätten sie nicht gehabt. Wie natürlich können wir uns dies nicht denken, daß so lange der Herr unter ihnen gelebt hätte und bei ihnen geblieben wäre, daß sie immer in demselben Verhältniß zu ihm geblieben wären, aus seiner Fülle zu schöpfen und zu empfangen, und mit ihrem ganzen Verlangen nach Licht und Wahrheit immer an ihm gehangen hätten! Aber auf den Geist der Wahrheit, den er ihnen senden wollte, indem er in ihnen werden sollte zu einer selbständigen Kraft die Wahrheit sich selbst zur Klarheit zu bringen und andern mitzutheilen, auf dieses Mittheilen, auf diese eigene That des Geistes in dem großen Gebiet der Wahrheit waren sie in ihrem Leben mit ihm nicht eingerichtet und durften es nicht sein; denn so lange war ihnen die Möglichkeit gelassen aus seiner Fülle zu empfangen, und in der Stille eines aufnehmenden Gemüths den heiligen Schaz ihres Herzens zu mehren. Aber das war es nicht, wozu sie bestimmt waren, das wäre nicht die Erfüllung ihres Berufes gewesen, und auch nicht die Erfüllung unsers Berufes. Ein eigenes Leben, eine eigene fortwährende Thätigkeit soll die Kraft der Wahrheit in allen werden die an den Namen des Herrn glauben. Darum mußte seine leibliche persönliche Gegenwart verschwinden, damit alles was er ihnen gegeben unter dem Beistande und durch die Kraft des göttlichen Geistes zu einem selbständigen sich mittheilenden und die ganze menschliche Welt mit demselben Segen erfüllenden eigenen Leben gediehe. So lange der Herr auf Erden ge|blieben wäre, wären sie alle mit ihm vereinigt geblieben, und nichts hätte sie aus seiner Nähe gerissen; er selbst hätte, daß ich mich so ausdrükke, es nicht übers Herz bringen können, sie aus seiner Nähe zu zerstreuen: sondern wie er sie selbst während seines irdischen Lebens nur auf kurze Zeit dann und wann vor sich her sandte um das Reich Gottes zu verkündigen, so würden sie immer wieder zu ihm zurükkgekehrt sein, so würde seine leibliche Gegenwart der Mittelpunkt der Geschichte ihres Lebens gewesen sein, und die Kraft ihres Wirkens für das Reich Gottes sich nur beschränkt haben auf den Punkt auf welchem er wandelte. Aber er war bestimmt zu reden von dem Reiche Gottes nur zu den verlornen Schaafen aus dem Hause Israel, und so wurde der große Segen einer allgemeinen Verbreitung des Reiches Gottes auf Erden nicht erfolgt sein, wenn der Herr auf dem Schauplaz der Erde geblieben wäre. Darum sagt er, Es ist euch gut, 3 Joh 14,6
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daß ich hingehe, ihr müßt reifen und erstarken zu der Kraft eines selbständigen Lebens. Das kann aber nicht geschehen, so lange ihr haftet an meiner leiblichen Gegenwart; wenn ich aber werde von euch genommen sein, dann wird der göttliche Geist herabsteigen in eure Herzen und euch ausbilden zu dieser Selbständigkeit; dann werde ich den Geist der Wahrheit, welcher der Tröster ist, euch senden können, und der wird bei euch bleiben ewiglich. Und nun redet er von dem Tröster den er senden werde, das ist von vom Geist der Wahrheit, auf eine zwiefache Weise, zuerst von dem was er der Welt sein werde, und dann von dem was er ihnen selbst sein werde. So brachte es der Faden seiner Rede mit sich; denn er hatte seine Jünger betrübt durch den traurigen Aufschluß von dem Hasse der Welt gegen ihn und seinen Namen, und von der widerwärtigen Gesinnung mit welcher sie ihr Amt aufnehmen werde. Und darum tröstet er sie zuerst | durch dasjenige was er sagt von der Wirkung des Geistes auf die Welt. Wenn er nun sagt, der Geist der Wahrheit werde die Welt strafen: so ist es uns nicht leicht, uns eine richtige Vorstellung davon zu machen was der Erlöser meinen kann. Der göttliche Geist ist nicht und kann nicht sein ein Werkzeug des göttlichen Zorns, sondern so wie er der Geist der Wahrheit ist, kann er nichts thun und kann nichts von ihm ausgehen, als dasjenige wodurch die Kraft der Wahrheit Raum gewinnt in dem menschlichen Gemüthe, dem diese als die höchste Gabe von oben beschieden ist. Wenn es also heißt, Der göttliche Geist wird die Welt strafen um die Sünde: so ist dies die innere Strafe, die keinen andern Zwekk haben kann, als durch bessere Ueberzeugung durch richtige Anschauung sie selbst zur Wahrheit hinzuführen, und von der Gewalt der Sünde loszumachen. Wenn es heißt, Er wird sie strafen um die Gerechtigkeit: so kann das nicht geschehen ohne sie zur Einsicht zu bringen von ihrer eigenen Ungerechtigkeit, denn das ist strafen; aber auch das kann nicht geschehen ohne ihr die Gerechtigkeit vor Augen zu stellen, und das ist das segnende. Wenn es heißt, Er wird die Welt strafen um das Gericht: so soll ihr anschaulich werden und zum tiefsten innersten Gefühl ihres Daseins, daß sie selbst in das Gericht eingeschlossen ist, aber wo möglich um sie zu dem hinzuwenden, der alle welche an ihn glauben von dem Gericht befreit. In diesem Sinne sagt der Herr, der Tröster der heilige Geist, wenn er komme, werde die Welt strafen um die Sünde, daß sie nicht glauben an ihn. Und das ist ja eigentlich das Werk des göttlichen Geistes, die Vorstellung von der Sünde und das Gefühl der Sünde ganz und gar zusammenzudrängen auf den einen Punkt, daß die Menschen nicht glauben an den, den Gott zu ihrem Heil gesandt hat. Denn wenn in dem Gemüthe dieser Glaube entspringt und aufgeht, dann verschwindet die Kraft und Gewalt der Sünde, 10–14 Vgl. die Frühpredigt am 30. Juli 1826 über Joh 15,18–16,4
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und die Kraft der Liebe zu | dem, der uns so geliebt hat daß er sich für uns dahingegeben, sie wird der Anfang und der Grund der Heiligung in der menschlichen Seele. Alles andere, alle andere Erkenntniß der Sünde, wie sie aus dem Gesez kommt und aus der unvollkommenen Prüfung des eigenen Lebens in seinen einzelnen Aeußerungen, ist nichts anderes als ein unvollkommenes Stükkwerk. Aber die Erkenntniß der Sünde, sofern der Unglaube die Sünde ist, das ist die Erkenntniß der tiefsten Wurzel aus welcher alles Verderben der menschlichen Seele herkommt, aber zugleich auch die Erkenntniß dessen woraus das einzige und ewige Heil entspringt. Und darum ist das auch das beständige Werk des göttlichen Geistes, die Welt durch das göttliche Wort und durch die Wirkung desselben aus dem Munde der gläubigen zu strafen um die Sünde, daß sie nicht glauben an den Erlöser, dies den Menschen darzustellen als die innerste Wurzel des bösen, damit sie sich losmachen von dem Unglauben, und ihnen den Gegenstand des Glaubens vorzuhalten, damit ihr Herz sich zu diesem hinwende. Er wird die Welt strafen, sagt der Herr ferner, um die Gerechtigkeit, daß ich zum Vater gehe, und ihr mich hinfort nicht sehet. In wiefern ist das die Gerechtigkeit, daß der Herr zum Vater geht, und die seinigen ihn hinfort nicht mehr sehen? Wie er selbst zu Johannes dem Täufer sagt, Es gebührt uns alle Gerechtigkeit zu erfüllen, so kommt es darauf an, wenn dieser seligmachende Glaube, der ebenso das Gegentheil der Sünde ist als der Unglaube die Sünde selbst ist, wenn der in unserer Seele fest werden soll, so muß es in der Ueberzeugung geschehen, daß der Herr in seinem Leben alle Gerechtigkeit erfüllt hat, daß er zu seinem Vater gehen konnte, daß die Fortdauer seines irdischen Lebens aufgehört hat, aber doch so daß er sein Werk, wozu er gekommen war, vollendet hat. Und so m. g. F., ohne die Ueberzeugung, daß der Herr alle Gerechtigkeit erfüllt hat, | kann der Glaube an ihn kein lebendiger sein, kein wahrer und tröstlicher. Das gehört zu dem vollständigen Bilde des Erlösers, daß das Werk Gottes durch ihn vollbracht ist, daß nun nichts mehr zurükk ist, und alles was noch geschehen soll nur die Fortsezung ist von dem an den Menschen begonnenen Werke des Erlösers durch die Kraft seines Geistes. Er soll die Welt strafen um das Gericht, daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Mit dem freilich sollen alle gerichtet sein, die nicht glauben an den welchen Gott gesandt hat; denn darin liegt ja die Widersezlichkeit gegen das göttliche Gebot und den göttlichen Willen, welche das wesentliche von dem ausmacht, was in der Schrift durch Fürst der Welt bezeichnet wird. Wenn aber dieser gerichtet ist, so heißt das nichts anderes als daß er keine Macht mehr hat; und die Welt strafen um das Gericht, daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist, das heißt sie überzeugen, daß alles was in der menschlichen Welt dem Heil welches Gott den Menschen durch Christum gegeben 19–20 Mt 3,15
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widerstrebt, seine Gewalt verloren hat, daß jede sich ihm widersezende Macht etwas scheinbares ist, und daß der Sieg des Erlösers sich werde von einer Zeit zur andern immer herrlicher vollenden, indem seine ewige Macht sich immer tiefer begründet in den Gemüthern der Menschen, um sich immer weiter verbreitet über den ganzen Umfang der menschlichen Welt. Die Welt strafen um das Gericht, das heißt sie hinstellen auf den Scheideweg, ob sie wandeln will mit dem was schon gerichtet ist, oder mit dem was immer fortschreitet von einem Siege zum andern und sich immer herrlicher entwikkelt. Und welch eine köstlichere Aufforderung kann es geben, den Weg der Verkehrtheit zu verlassen und auf dem Wege der Wahrheit und Gerechtigkeit nach dem Reiche Gottes zu trachten, könnten auch alle nicht anders als durch Trübsal in dasselbe eingehen, als die feste Ueberzeugung, daß der Fürst der Welt gerichtet ist! Wie aber kann der Geist Gottes die Welt strafen? Nicht anders als durch den Mund und das Wort derer, in denen er | lebt und aus denen er redet. Wenn also der Herr das seinen Jüngern darstellt als das Werk desselben Geistes durch sie, weil sie seine Werkzeuge sein würden, so fügt er eben deshalb hinzu, was der Geist der Wahrheit, der Tröster, auf sie wirken, an ihnen thun werde. Er wird euch in alle Wahrheit leiten; denn er wird nicht von ihm selbst reden, sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. Derselbige wird mich verklären; denn von dem meinen wird er es nehmen und euch verkündigen. Das alles m. g. F. ist nun eins und dasselbe. Der Geist Gottes in den Herzen der Jünger sollte sein ein fortwährendes Hören, ein fortwährendes Merken auf das was der Herr selbst zu ihnen geredet hatte, als er noch bei ihnen war. Denn so gehört das zusammen, Von dem meinen wird er es nehmen und euch verkündigen, und, Er wird reden was er hören wird. Und eben dieses beständige Aufmerken, dieses in sich lebendig erhalten dessen was der Herr geredet hatte, das wurde in ihnen die Kraft einer selbständigen Verkündigung der Gnade und Barmherzigkeit Gottes in Christo Jesu. Aber eben so spricht der Herr, Was zukünftig ist, wird er euch verkündigen, und das heißt nichts anderes als was nachher mit den Worten ausgedrükkt wird, Er wird mich verklären, indem euch immer deutlicher werden wird, daß es kein anderes Heil giebt als in Christo, und keinen andern Namen darin die Menschen selig werden sollen, denn allein den Namen Jesu von Nazareth; und so muß sich auch die Steigerung und immer weitere Verbreitung der Seligkeit der Menschen durch Christum immer mehr in ihrem Innern abbilden. So verklärte er ihnen den Erlöser und verkündigte ihnen was zukünftig ist, nämlich daß sich vor ihm immer mehr beugen sollen aller 23 m. g. F.] m. g. F.. 39–2 Vgl. Phil 2,10–11
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Kniee im Himmel und auf Erden, und immer mehr alle Zungen bekennen, daß er der Herr sei. Das | ist noch fortwährend sein Schauen und Verkündigen der Zukunft, indem es nichts anderes ist als das Verklären des Herrn. Und das m. g. F. ist die Kraft in welcher wir alle leben sollen und hingehen daß wir Frucht bringen, so wie die ersten Jünger des Herrn. So sollte der Geist Gottes, wenn sie redeten, ihnen verkündigen das was sie mit leiblichen Ohren gehört hatten. Uns erneuert er und befestigt alles was wir hören aus dem geschriebenen Worte des Herrn, was wir schauen in der Fortschreitung und Befestigung seines großen Werkes. Ihnen verklärte er den Herrn in dem was zukünftig war; uns verklärt er den Herrn in dem Glauben, daß das Reich Gottes nicht untergehen werde, sondern sich immer mehr befestigen und immer weiter verbreiten bis an das Ende der Tage; und er verkündigt uns also eine Zukunft, immer eine lichte Zukunft troz dem was unser Herz voll Trauerns macht, wenn ähnliches uns bevorsteht wie den Jüngern; immer eine lichte Zukunft durch den Sieg der Wahrheit und des Lichtes, der nie fehlen kann; und die Ueberzeugung, daß sein Reich bestehen muß, ist in den Seelen aller gläubigen so fest wie der Glaube an den Erlöser selbst; denn das eine ist von dem andern nicht zu trennen, sondern beides eins und dasselbe. Er könnte nicht sein der eingeborne Sohn vom Vater voller Gnade und Wahrheit, wir könnten nicht schauen in ihm die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater, wenn wir nicht in ihm verehrten den König eines Reiches welches die Pforten der Hölle nicht überwältigen sollen. Diese Kraft des Glaubens verklärt uns auch und verkündigt uns die Zukunft, daß wir muthig und voll Vertrauens unsers Weges wandeln, und nicht wanken in der Treue die wir ihm gelobt haben. Und dieses Erinnern, dieses Hören und Schauen ist in uns allen die Kraft des göttlichen | Geistes, in welcher wir Diener des Herrn sind, daß wir die Welt strafen, und in dem Maaße als wir es thun sein Reich auf Erden fördern und verherrlichen. Und so möge dieser tröstliche Geist dieser den Herrn verklärende, dieser das künftige verkündigende Geist in uns allen leben, damit auch wir als seine Jünger sein Werk auf Erden erweitern. Amen.
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19–21 Vgl. Joh 1,14
22–23 Vgl. Mt 16,18
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Am 20. August 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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13. Sonntag nach Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Kor 7,20 Nachschrift; SAr 115, S. 152–161; Sethe Keine Nachschrift; SN 600/1, Bl. 1r–4r; v. Oppen Teil der am 28. Mai 1826 begonnenen Predigtreihe über Gleichheit und Ungleichheit bei der Ausbreitung des göttlichen Worts Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am 13. Sonntage nach Trinitatis d. 20. August 1826. 1 Corinther 7, 20.
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M. a. Fr. nachdem wir neulich geredet haben von der Ungleichheit, die Statt findet unter denen, die im Reiche Gottes Frucht bringen, so ist es natürlich, wenn wir finden, es giebt eine solche Ungleichheit vor Gott, daß wir weiter fragen, welches ist denn nun das Verhältniß, in dem wir Alle zu einander stehen? Die Antwort kann uns nicht zweifelhaft sein, wenn das die christliche Wahrheit ist von allen Aposteln, die alle Menschen als Brüder begrüßen, wenn der Erlöser das auch immer ausspricht, wie können wir anders als sagen: unter uns als Christen giebt es gar keine Ungleichheit, es ist der eine brüderliche Name, die eine Verehrung des Herrn. Wenn wir uns nun dessen erfreuen wollen, so tritt uns entgegen die große Ungleichheit unter | den Menschen, die ihr ganzes Bewußtsein so erfüllt, und ihr Leben ganz zu beherschen scheint, daß wir sagen, es sei ein großer Streit zwischen dem, was die Welt fordere, und dem Zusammensein im Reiche Gottes. Ehe wir uns weiter einlassen auf die Gleichheit, müßen wir diesen Streit ausgleichen. Die Worte des Textes beziehen sich auf die äußere Ungleichheit, der Apostel sagt, „in welcher äußern Lage jeder vom Geiste Gottes ergriffen sei, die könne er ruhig beibehalten;“ was ist anders seine Meinung als die, daß alle Abstufungen der Menschen völlig gleichgültig sind in Beziehung auf das, was sie leisten sollen im Reiche Gottes. Und das sei es, worauf wir in dieser Stunde unsere christliche Aufmerksamkeit richten wollen. Wir werden aber nicht besser zum Ziele kommen, als wenn wir unsere Betrachtung theilen; 3–4 Vgl. die Predigt am 6. August 1826 vorm. über Lk 19,15–24
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und zwar erstens: ob die äußere Ungleichheit der Menschen der Brüderlichkeit als Christen nicht in den Weg tritt? und dann zweitens: ob die brüderliche Gleichheit der Christen kein Hinderniß sei in den äußern Verhältnißen?
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I. Was nun das Erste betrifft, ob es sich so verhält, wie der Apostel behauptet, ob die mannigfaltige Ungleichheit der Menschen ihrer brüderlichen | Gleichheit als Christen kein Hinderniß in den Weg lege, so kommt es dabei auf zweierlei an, erstens auf die Empfindung der brüderlichen Gleichheit, und zweitens auf die Ausübung derselben. Was das Erste betrifft, so laßt uns bei dem gegenwärtigen Augenblicke stehen bleiben; wo können wir uns dieser Gleichheit vor Gott und dem Erlöser stärker bewußt werden als hier, wo wir als Christen, nur um uns des Gutes des Heils zu erfreuen, beisammen sind; o worauf wir auch unser geistiges Auge hinwenden mögen, die äußere Ungleichheit, die das äußere Auge der Christen auch in dieser Versammlung gewahr wird, wird jene nicht stören. Wenn wir Gott danken, was ist der gemeinsame Gegenstand unserer Dankbarkeit? das wißen wir, was wir sind, das sind wir durch seine Gnade, was wir thun, darinn sind wir seine Werkzeuge; in unserm Wirkungskreise finden wir aber auch die Ungleichheit der Menschen, die das Reich Gottes in seiner ganzen Fülle durch die Thätigkeit zeigt, das wirksame aber ist allein der Geist Gottes. – Aber wenn wir uns nun auf die andere Seite wenden, und unsern Blick auf uns selbst wenden, und bewußt werden der Mängel, wenn wir uns das Bild der christlichen Volkommenheiten im Erlöser vorhalten, kann die äußere Ungleichheit den einen vor dem andern beschämen. Es giebt nur einen | Widerstand in dem Menschen gegen die Wirkungen des götlichen Geistes, das drükt der Apostel Paulus so aus: fleischlich gesinnt sein ist eine Feindschaft wider Gott; und wenn wir uns dann demüthig, in der Erkenntniß unserer Mängel, uns niederwerfen vor dem, der Alles weiß, und dann noch einen die äußere Ungleichheit störend sein könnte, so sind das nur noch Ueberreste von den früher herschend gewesenen Gesinnungen. Wie viele haben schon im Gebete sich zu Gott erhoben, daß er sie erlösen mögte aus dem drückenden Joche der äußern Noth; aber die Verzagtheit des menschlichen Herzens zeigt sich ebenso auf den Thronen, als auf den niedrigsten Stufen der Dürftigkeit; wie manche sind herabgestiegen von dem Gipfel der Macht, weil sie wußten, ihr trotziges Herz sei zu schwach; aber der Trotz nimmt nur eine andere Gestalt an; wie viele haben sich entfernt aus der menschlichen Geselschaft, weil die Lockungen ihnen zu stark waren, und sie gingen in die einsame Wüste, die Lockungen folgten ihnen PdennochS stärker. So ist es, die äußern Verhältniße ändern nur die Gestalt der Gebre26–27 Vgl. Röm 8,7
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chen, unserm Gefühl thun sie aber keinen Zwang an; es ist das eine Bekenntniß der Sünde, die ei|ne gemeinsame Beichte, in der die Christen die Gewalt des Fleisches wider den Geist bekennen. So finden wir es wenn wir fragen, ob in Beziehung auf die Ausführung der Rechte der brüderlichen Gleichheit, die äußere Ungleichheit Eintracht thut. Wie groß nun das Ansehn eines jeden Menschen sei, das thut dazu nichts; denn freilich das Gefühl der brüderlichen Gleichheit in Christo kann sich nur zu denen wirksam zeigen, mit denen wir in näherer Berührung stehen; aber auch der angesehenste ist in Berührung mit denen, die weit unter ihm stehen. Fragen wir nun: wie zeigt sich das Bewußtsein der brüderlichen Gleichheit wirksam? so müßen wir antworten, auf zweierlei Art. Daß wir als gleiche Brüder in Christo, als Jünger desselben Meisters, die den Geist der Wahrheit und Liebe haben, vermögen auf einander so zu wirken, daß einer den andern die Wahrheit reden hört. Sollte es nun ein Verhältniß äußerer Ungleichheit geben, was darinn stören könnte? nein! nie ist der Mensch gleichgültig gegen das Urtheil der andern, und wenn das gilt von denen außerhalb des Reiches Gottes, wie vielmehr von denen, die im Reiche Gottes leben. Darum wenn einer groß und mächtig ist, und seine Ohren verstopft gegen die Stimme der Wahrheit, es kommt nicht von der Macht her, die Gott ihm gegeben hat, sondern es ist die Schuld des eigenen Herzens; aber nun auf der | andern Seite, wenn wir bescheiden sind, und nicht urtheilen über Verhältniße, die wir gar nicht kennen, so ist das die rechte Bescheidenheit des Christen; durchschauen wir aber die Handlungsweise eines andern, und sehen, daß, wenn er auf dem Wege fortfährt, dem Verderben entgegeneilt, und wir schweigen, so ist das Gleichgültigkeit gegen unsere Brüder. Immer liegt der Fehler nicht in dem Verhältniße, das Gott geordnet hat, sondern die Stimme des Gewißens redet nicht laut genug, wenn wir unter solchen Bedingungen still bleiben. Und so zeigt uns die Erfahrung, wie oft zu den Mächtigsten und Erhabensten der Geist Gottes redet durch die kräftige Stimme dessen, der nichts Aeußeres aufzuweisen hat, von dem dann jeder sagt: das ist der, der bei sich festgestellt hat, und sagt: wie solte ich Gott das Unrecht thun und schweigen, und nicht die Wahrheit reden. Sehen wir auf die Werke der Liebe, so müßen wir sagen: die Liebe zum Fleischlichen wird allmählig aufgehoben durch den großen Abstand der Stände; die christliche Liebe 1–2 Wohl Anspielung auf das allgemeine Sündenbekenntnis, das im agendarischen Formular des Predigtgottesdienstes unmittelbar auf das Eingangsvotum folgte (vgl. KGA III/3, S. 1031,28–30) und das Schleiermacher mit dem deutschen Kyrie und dem Kollektengebet in eins zusammenzog. Schleiermachers liturgische Praxis vor der Agendenreform von 1829 unterschied sich dabei kaum von seiner späteren Gewohnheit (vgl. KGA III/12, S. XIV–XVI). 2 Wohl Anspielung auf die gemeinsame Beichtfeier in den samstäglichen Vorbereitungsgottesdiensten auf das Abendmahl nach der unierten Agende der Dreifaltigkeitskirche von 1822 (vgl. KGA III/3, S. 1005,23–1009,34). 34–2 Vgl. Joh 13,34
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aber, mit der wir uns untereinander lieben sollen, wie Christus uns geliebt hat, sie kennt keine äußern Schranken gegen ihre götliche Gewalt. Wenn sich Menschen gegen einander verhärten unter dem Vorwande, die äußern Verhältniße entfernten sie zu sehr von ein|ander, so ist das nur möglich, wenn sie wirklich von einander entfernt sind. Darum können wir es auch nicht für unmöglich erklären, wenn eine solche geistige Liebe unter welchen besteht, die in äußern Verhältnißen weit auseinander stehen, denn kommt nicht Diener und Herr zugleich vom Tische des Herrn; sollte dadurch nicht ein fester Bund der Herzen geschlossen, so wäre das Ganze nur eitler Trug. Darum ohne eine Nichtachtung der geistlichen Güter besteht das nicht, daß äußere Verhältniße ein Hinderniß sein könnten der christlichen Liebe und Wahrheit. Wie wir aber nun eine große Gemeinschaft bilden, so sind die Wirkungen unserer christlichen Gesinnungen unmerklich, aber doch unleugbar. Wenn wir uns vereinigen zum Gebet, wenn wir den Höchsten anflehn um eine gesegnete Regierung unseres Herschers so ist das freilich ein Gebet, was sich auf dieses ungleiche Verhältniß bezieht, erhebt sich aber auch nicht zugleich ein Gebet für Alle, die ihm dienen? knüpft sich dadurch nicht auch ein innigeres Band an. Dann ist auch schon eine Verhärtung des Herzens, wenn sich nicht auch im Herzen des Herschers ein inbrünstiges Gebet für das Wohl seines Volkes zum Könige der Könige erhöbe, und auch von dieser Seite wäre die christliche Liebe getrübt. Aber gewiß das Zeugniß müßen wir geben, daß auch von dem, was sich nur auf unser | äußeres Verhältniß bezieht, das christliche Gemüth eine neue Richtung anknüpft, und sich die Liebe innerlich stärkt. Und ebenso in dem Leben selbst ist die Art, wie wir das Handeln der Menschen ansehn und schätzen, wie jeder den andern warnt vor Trotz und Feigheit, und was wir so geben aus dem Schatze unseres Herzens, das ist das größte, was jeder thun kann; es giebt also kein äußeres Verhältniß, das unserer brüderlichen Gleichheit ein Hinderniß in den Weg legen könnte. II. Zweitens aber diese Gleichheit, diese Bruderliebe, in der wir alle gleich sind, ist keine Störung der äußern Ungleichheit. Das werden wir alle zugestehn, wenn wir das bedenken; gesezt wir wolten, daß diese Gleichheit auch äußerlich sich zeigte, die äußere Ungleichheit aufhöbe und Alles eben machte, die Ungleichheit würde doch wieder entstehn. Davon haben wir Beispiele im Anfange der christlichen Kirche; die ersten Christen meinten, Alles sei ihnen gemein, und die Quelle der äußern Ungleichheit war verstopft; aber 14–15 Wohl Anspielung auf das Gebet für den König im allgemeinen Kirchengebet nach der Predigt, wobei Schleiermacher auf das liturgische Formular zurückgriff, das Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1713 erlassen hatte (vgl. KGA III/3, S. 1094,30–1095,2) und das er auszugsweise und in abgewandelter Form verwendete (vgl. KGA III/12, S. XV–XVI). 17 Vgl. KGA III/3, S. 1095,3–19 36–37 Vgl. Apg 2,44–45; 4,32
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von äußerm Ansehn war in der Zeit noch gar nicht die Rede, und wie bald hatte doch ein jeder sein eigen und gab aus seinem Schatze zum Gemeinen. Nun aber könnte jemand sagen, die christliche Bruderliebe könne nicht | bestehn mit dem Verhältniße der Obrigkeit, die aber lehrt uns die Schrift in Ehren halten, und sagt, daß die Obrigkeit von Gott eingesezt sei; und wo man versucht hat ohne die zu leben, da haben die menschlichen Dinge die götliche Ordnung von selbst wieder hervorgebracht. Ist dem nun so, so werden wir zweitens zugeben müßen, daß unsere christliche Gemeinschaft nicht von der Art sei, Reiz zu haben, diese Ordnung umzustoßen. Dieser Reiz hingegen entsteht auf zweierlei Art; von unten, indem die welche sich zu gering gesezt fühlen, sich auf eine andere Stelle setzen wollen; und von oben, indem die Herschenden nach ihrer Willkühr Alles ändern wollen. Der christliche Geist ist aber nicht von der Art, daß er dieses vermögte. Daraus sehen wir, daß beides bestehn kann, weil der Geist, der unsere brüderliche Gleichheit bewirkt, auch die Ordnung will; daher hat der Apostel recht, wenn er sagt: „ein jeder bleibe in dem Berufe, in dem er berufen ist.“ Keiner glaube daher, daß irgendeine menschliche Ordnung, in der er steht, zu unvolkommen sei zu bestehen da, wo sie ist. Wenn freilich alles unvolkommen ist, so wißen wir doch, daß der christliche Geist kein Geist der Unordnung ist, sondern des Friedens; in der völligsten Uebereinstimung mit unserm Beruf können wir uns erfreuen des Reichs, das durch den Erlöser ge|stiftet ist und durch ihn besteht, der aufrichtigste Gehorsam gegen die Obrigkeit vermag nicht, die brüderliche Liebe zu schwächen, und diese erhebt sich nicht gegen jenen. So ist das Reich Gottes ein Reich des Friedens, jeder kann äußerlich bleiben in seinem Beruf, indem er weiß, daß ihn das äußere Verhältniß nicht stören kann in der brüderlichen Liebe; wie der Erlöser lehrt, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, aber immer zu bewahren und zu heiligen, was Gottes ist. Amen.
[Liederblatt vom 20. August 1826:] Am 13ten Sonntage nach Trinitatis 1826. Vor dem Gebet. – Mel. O daß ich tausend etc. [1.] Ich lasse Gott in allem walten, / Sein Wille bleibt der beste Rath; / Und gern will ich ihm stille-halten, / Wie ers für mich beschlossen hat. / Nicht ich, der treue Gott allein / Soll meines Glückes Meister sein. // [2.] Sollt ich des 1–3 Vgl. Apg 4,34–37; 5,1–11 6 Vgl. Röm 13,1 29 Vgl. Mt 22,21; Mk 12,17; Lk 20,25
20–21 Vgl. 1Kor 14,33
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Nächsten Glück beneiden? / Gott hat es so für ihn gefügt. / Wer andrer Wohl nicht sieht mit Freuden, / Ist in sich selber mißvergnügt. / Ein reines Herz ein froher Muth / Ist mehr, als alles Geld und Gut, // [3.] Wir müssen uns in Alles schicken, / Denn alles kommt von lieber Hand; / Auch wenn mich Centnersorgen drücken, / Bleibt dieser Trost mir zugewandt. / Ich weiß, daß alles was mich kränkt, / Gott endlich doch zum Besten lenkt. // [4.] Und soll die Hülfe noch verziehen, / Was gut ist, kommt mir nie zu spät. / Oft zögert auch der Blum’ Erblühen / Bis sie in vollem Schmukke steht. / Das Uebereilen bringt nur Leid; / Ein jedes Ding hat seine Zeit. // [5.] Gott kennt die rechten Freudenstunden; / Er prüft vorher nur die Geduld, / Und hat er sie bewährt gefunden, / So krönt uns seine Vaterhuld. / Was wir nicht hofften mehr geschieht, / Und tausendfache Freude blüht. // [6.] So laß ich Gott in allem walten, / Das steht in meiner Seele fest; / Ich will mich an die Hofnung halten, / Die nicht zu Schaden werden läßt; / Ihr Ankergrund ist Gott allein, / Drum muß sie fest und sicher sein. // Nach dem Gebet. – Mel. Ich dank dir schon etc. [1.] Erhebet Christen euren Sinn! / Was hangt ihr an der Erden? / Schaut fest nach eurem Ziele hin; / Ein Christ muß himmlisch werden. // [2.] Was beut die Welt euch lokkend an? / Nur Tand und nichtge Dinge; / Wer einen Himmel hoffen kann, / Schäzt irdisch Gut geringe. // [3.] Wer Gott erkennt, der sucht nur ihn, / Kann nicht an eitles denken, / Lernt sich dem Joch der Sorg entziehn, / Und sich zum Ew’gen lenken. // [4.] Auch wenn die Last der Erd ihn drückt, / Wird er nicht muthlos zagen; / Er kennt ja den, der ihn erquikt, / Und weiß sein Leid zu tragen. // [5.] Wo uns kein Schmerz mehr treffen kann, / Wo Lebensströme fließen, / Dort schaut er hin, schaut himmelan, / Den Schmerz sich zu versüßen. // [6.] Dort haben wir ein ewges Haus, / Die Stätt’ ist uns bereitet; / Dort theilt Gott seine Kronen aus, / Wohl dem, der tapfer streitet! // [7.] Dort ist der Engel schönes Theil, / Gott ewig Lob zu singen: / So sei auch hier schon unser Heil, / Für alles Dank zu bringen. // [8.] Dort wird das große Ziel erreicht, / Vor unserm Herrn zu stehen, / Wer hier ihm als sein Jünger gleicht / Soll wie er ist ihn sehen. // [9.] Drum hilf, Erlöser, uns schon hier, / Das Herz zu dir erheben, / Daß wir entschlafen einst in dir, / Und ewig mit dir leben. // Nach der Predigt. – Mel. Die Tugend etc. [1.] Gott unser Herr vertheilt den Segen / Uns väterlich mit milder Hand, / Nicht stets wie wir zu wünschen pflegen, / Doch stets wie er es heilsam fand. / Genieße was dir Gott beschieden, / Entbehre gern was du nicht hast! / Denk jeder Stand hat seinen Frieden, / Und jeder Stand auch seine Last. // [2.] Verzehre nicht des Lebens Kräfte / In träger Unzufriedenheit! / Besorgst du des Berufs Geschäfte, / So nüzest du die Lebenszeit. / Bei regem Fleiß sich Gott ergeben, / Das ewge Ziel in Hofnung sehn, / Das ist der Weg zu Ruh und Leben, / Herr lehre diesen Weg mich gehn. //
Am 27. August 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen:
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14. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 16,16–23 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, S. 524–536; König Keine Nachschrift; SN 618/4, Bl. 18r–20v; Crayen Nachschrift; SAr 57, Bl. 29v–38v; Schirmer Nachschrift; SAr 115, S. 161–170; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 108r–110v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am 14. Sonntage nach Trinitatis 1826. Tex t. Joh. 16, 16–23. Ueber ein kleines, so werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein kleines, so werdet ihr mich sehen; denn ich gehe zum Vater. Da sprachen etliche unter seinen Jüngern unter einander, Was ist das, das er sagt zu uns, Ueber ein kleines, so werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein kleines, so werdet ihr mich sehen; und daß ich zum Vater gehe? Da sprachen sie, Was ist das, das er sagt, Ueber ein kleines? Wir wissen nicht was er redet. Da merkte Jesus, daß sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen, Davon fragt ihr unter einander, daß ich gesagt habe, Ueber ein kleines, so werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein kleines, so werdet ihr mich sehen. Wahrlich, wahrlich ich sage euch, ihr werdet weinen und heulen, aber die Welt wird sich freuen; ihr aber werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll | in Freude verkehret werden. Ein Weib wenn sie gebieret, so hat sie Traurigkeit, denn ihre Stunde ist gekommen; wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, daß der Mensch zur Welt geboren ist. Und ihr habt auch nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. Und an demselbigen Tage werdet ihr mich nichts fragen. M. a. F. Es geht uns gar leicht mit den ersten Worten des Erlösers, ohnerachtet der deutlichen Erklärung die er uns darüber giebt, eben so wie seinen Jüngern, daß wir fragen, Was ist das, was er sagt, Ueber ein kleines, so
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werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein kleines, so werdet ihr mich sehen. Nämlich es ist nicht leicht und von vorn herein deutlich, ob es sich mit diesen Worten so verhält, wie auf den ersten Anblikk die meisten glauben mögen, daß der Herr indem er sagt, Ueber ein kleines, so werdet ihr mich nicht sehen, seinen Tod meint, und indem er sagt, Ueber ein kleines, so werdet ihr mich sehen, die schöne herrliche Zeit seiner Auferstehung, oder ob er von etwas späterem redet als von jenem. Wenn wir aber genauer auf seine Rede achten, und sorgfältiger in den Sinn derselben eingehen: so werden wir ohne Zweifel verschiedenes darin finden, was der leztern Meinung den Vorzug geben muß vor der erstern. Zuerst laßt uns darauf sehen, daß er sagt, Ihr werdet mich über ein kleines sehen, denn ich gehe zum Vater. Wenn er darunter seine Auferstehung gemeint hätte und das Wiedersehen seiner Jünger nach derselben: so wäre der genaue Zusammenhang in seiner Rede nicht, den wir sonst überall gewohnt sind in derselben zu finden. Denn er konnte zum Vater gehen auf dieselbe Weise wie alle Menschen, ohne daß er nach seinem Tode wieder in einer menschlichen Gestalt auf diese Erde zurükk|kehrte und sich seinen Jüngern lebendig zeigte. Indem er aber dieses Wiedersehen, welches er hier seinen Jüngern verspricht, darstellt als eine Folge davon daß er zum Vater gehe, und dieses sein zum Vater gehen als den Grund angiebt davon daß seine Jünger ihn über ein kleines wiedersehen sollten: so mögen wir wol glauben, daß er nicht die Zeit seiner Auferstehung meint, sondern etwas späteres. Eben so wenn er hernach sagt, Ihr werdet traurig sein, aber die Welt wird sich freuen: so ist es freilich wahr auf der einen Seite, daß die Welt, die dem Reiche Gottes entgegengesezt ist, ihre Freude hatte an seinem Tode. Aber wenn er darauf sagt, Eure Traurigkeit wird in Freude verkehret werden, und er hätte die kurzen Tage seiner Auferstehung gemeint, durch welche ihre Traurigkeit verschwinden und an die Stelle derselben die Freude treten sollte: so müssen wir wol sagen, nicht nur ihre Freude wäre dann sehr kurz und vorübergehend gewesen, es hätte die Verwandlung ihrer Traurigkeit in Freude wenig auf sich gehabt, da er ja auch nach seiner Auferstehung bald wieder von ihnen schied; sondern es hätte dies auch auf die Freude und den Zustand der Welt, die davon nichts erfuhr, keinen Einfluß gehabt. Endlich wenn er zulezt sagt, es solle die Freude nicht mehr von ihnen genommen werden, und diese Freude vergleicht mit der Freude der gebärenden an dem Menschen den sie zur Welt geboren hat: so konnte er, da die Freude an seiner persönlichen leiblichen Wiederkehr in den Tagen seiner Auferstehung doch bald wieder von ihnen genommen wurde, darunter nichts anderes verstanden wissen wollen, als daß das Reich Gottes, welches durch ihn sollte gestiftet werden, hinausgehen werde über die kleine Gestalt des häuslichen Zusammenseins, auf welche es bis dahin während seines Lebens mit seinen Jüngern beschränkt
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war; daß dieses göttliche Reich sich darstellen werde nicht als ein irdisches und vergängliches, kommend mit äußern Zeichen und Gebehrden, sondern | als ein geistig gepflanztes in die Herzen der Menschen, als die christliche Kirche, die nicht mehr aufhören sollte sich weiter zu verbreiten auf Erden. Das ist der geistige Mensch Gottes, der zur Welt sollte geboren werden; und mit der Freude einer Mutter, die wol wenn sie gebieret Angst hat, aber ist ihre Stunde vorüber sich freut über den neuen Menschen den sie zur Welt geboren hat, vergleicht der Herr die Freude seiner Jünger an dem geistigen Menschen, der in der Gestalt der christlichen Kirche an das Licht treten sollte. Das geschah aber erst nach den Tagen seiner Auferstehung, als sie seiner Verheißung gemäß mit Kraft aus der Höhe erfüllt wurden. Und wenn wir nun seine Worte auf diese Weise fassen, so sind sie auch im genauesten Zusammenhange mit dem vorhergehenden. Denn vorher hatte er geredet zu seinen Jüngern von dem was der Geist der Wahrheit, der Tröster den er senden werde, wirken sollte in ihrem Innern. Da war dies das erste und größte, daß der Geist der Wahrheit, indem er sie in alle Wahrheit leiten würde, es von dem seinigen nehmen und ihn selbst den Erlöser verklären werde; und dasselbe stellt er ihnen nun hier dar als sein geistiges Wiedersehen, sie würden ihn sehen nicht mehr in leiblicher persönlicher Gestalt, sondern auf eine rein geistige Weise; sie würden die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater erkennen in dem Reiche Gottes, welches sie ausgerüstet mit der Kraft aus der Höhe gründen sollten. Das sollte der Gegenstand ihrer Freude sein, die nicht könnte von ihnen genommen werden, und vor der alle ihre Traurigkeit verschwinden sollte. Nun m. g. F., dies vorausgesezt müssen wir bekennen, wir sind mit unserm ganzen Leben und Wirken in die Zeit gesezt, welche der Erlöser so beschreibt als die Zeit der vollkommenen Freude, und zwar einer Freude die niemand von uns nehmen soll. Laßt uns aus diesem Gesichtspunkt die Anwen|dung machen von den Worten des Erlösers auf unsern Zustand. Aber da bleiben wir billig stehen bei der zweiten ausführlichern Erklärung, die er uns in dem weitern Verfolg unsers Textes giebt über die lezten dunklen Worte. Da stellt er entgegen den Zustand der Welt dem Zustande seiner Jünger, nachdem er würde zum Vater gegangen sein, und nun nicht mehr persönlich und leiblich unter ihnen wandeln auf der Erde; und da sagt er, Die Welt wird sich freuen; ihr aber werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verkehret werden. Freilich m. g. F. müssen wir gestehen, wie es natürlich war, daß die Welt sich freute als er von der Erde verschwunden war, weil sie hoffte, nun solle alle seine Wirksamkeit aufhören, die er ausgeübt hatte an den Seelen seiner Jünger und aller derer die ihn als den verheißenen gesandten Gottes er1–2 Vgl. Lk 17,20 10–11 Vgl. Lk 24,49 21 Vgl. Hebr 1,3 21–22 Vgl. Lk 24,49
13–18 Vgl. Joh 16,7–14
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kannten; nun solle jede Spur verschwinden von dem Werke welches auszurichten er gekommen war, und alles solle nun bleiben wie es gewesen war in den Tagen der Väter, und alle die sich bisher unter dem Volke eines Ansehens und einer Gewalt erfreut hatten, welche aber untergehen sollte in dem herrlichern und schönern Reiche Gottes, würden sie behalten wie vorher: eben so natürlich war es, daß seine Jünger traurig waren; denn sie waren gewohnt, im Umgange mit ihm aus seiner unerschöpflichen Fülle immer nur zu nehmen; in der täglichen Gewohnheit des Nehmens von ihm hatten sie sich nicht angehalten und daraus eingerichtet, sich selbst und das Maaß ihrer Kräfte zu prüfen, sich dessen bewußt zu werden, wie selbständig in ihnen durch immerwährendes Empfangen aus der liebreichen Mittheilung des Erlösers das Wort Gottes geworden sei, und wie es auch abgesehen von seiner persönlichen Leitung in ihnen fortwirken werde, um das Reich Gottes auf Erden zu gründen. In diesem Zustande der Traurigkeit waren sie, bis der Tag kam, den ihnen der Herr unmittelbar vorher in seiner Rede verheißen hatte, wo er den Geist der Wahrheit, den Tröster, ihnen senden und dieser über sie kommen werde | als die Kraft aus der Höhe, die sie in den Stand sezen sollte, von ihm zu zeugen und sein großes Werk fortzusezen. Dann würde die Traurigkeit von ihnen genommen werden, und dann würden sie ihn wiedersehen. Sehet da m. g. F., damit stellt uns der Erlöser unsern eigenen Zustand dar. Wenn wir uns in Gedanken versezen in die Zeit wo er auf Erden lebte und wo durch seine persönliche Wirksamkeit und die Aufnahme seines Wortes in den dazu besonders ausgerüsteten und auserwählten Gemüthern der Glaube an ihn als den Sohn Gottes sich bildete; und wenn wir dann vergleichen die Art, wie denen welche mit ihm lebten und ihn von Angesicht schauen konnten vergönnt war, alles einzelne was sie von ihm sahen und hörten aus dem Zusammenhange seines Lebens zu begreifen, und indem sie jedem Ausdrukk seiner Rede und jeder Gestalt seines Wirkens unter ihnen aufmerksam nachgingen, in ihm zu erblikken das Ebenbild des göttlichen Wesens und den Abglanz der göttlichen Herrlichkeit; und wir vergleichen nun damit, wie wir seine Gestalt nur schauen in den oft dunkeln Worten der Schrift, die aus einer fernen Zeit und in einer fremden Sprache zu uns herübertönen, wo es eben deshalb nicht so leicht ist den ganzen Zusammenhang seines Lebens und Wirkens zu erkennen: so können wir manchmal in Versuchung sein auch zu trauern wie seine Jünger damals trauerten, daß die persönliche Erscheinung seines Lebens für uns verschwunden, und daß es uns nicht vergönnt sei ihn zu sehen mit den Augen des Leibes, und unter den Trübsalen und Widerwärtigkeiten, die uns um unserer Treue willen gegen ihn und seine Sache treffen, in der Erinnerung an sein zeitliches Leben dieselbe Zuflucht und Hülfe zu haben wie seine 14–19 Vgl. Joh 16,6–15
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Jünger hatten. Aber wenn der Herr von der Zeit wo nach seinem leiblichen Verschwinden von der Erde der Geist Gottes ausgegossen sein würde über seine Jünger, zu ihnen sagt, sie würden ihn wiedersehen, und so daß ihre Freude nicht könne von ihnen genommen werden: | so weiset er uns auf das hin, was er meint wenn er sagt, er sei alle Zeit bei uns bis an das Ende der Tage, also auf seine geistige Gegenwart unter uns, die reichlicher als die vorübergehende seines leiblichen Daseins uns alles leisten soll was wir bedürfen, und uns alles ersezen was uns hier und da fehlen kann wenn wir ihn nur schauen in den unvollkommenen Zügen seines Bildes, die uns in den kurzen Worten und Beschreibungen seiner Jünger übrig geblieben sind. Wenn er in den lezten Tagen seines irdischen Lebens zu seinen Jüngern sagt, der Geist der Wahrheit, den er ihnen senden und der sie in alle Wahrheit leiten würde, der werde es von dem seinigen nehmen, und ihn selbst verklären indem er es ihnen verkündigen würde: so weiset er in diesen Worten alle die in der Zeit nach seinem Hingang von der Erde leben würden darauf hin, daß der Geist ihn verklären werde, und daß in dieser Verklärung des Geistes ihn sehen sollen alle Geschlechter der Menschen, die durch die Kraft des Geistes zum Glauben an seinen Namen kommen. Und wenn wir recht achten auf die Bildung und Entwikklung der christlichen Kirche: so werden wir erkennen, daß diese Verklärung des Herrn zu dem wesentlichen und unvergänglichen Geschäft des göttlichen Geistes gehört. Ja wiewol die Zeit der leiblichen Erscheinung des Herrn für jedes junge Geschlecht immer weiter zurükktritt, und wir es sonst als etwas gewöhnliches und unvermeidliches erfahren, daß die Bilder von irdischen Dingen schwächer zu werden pflegen, je weiter die Zeit sich entfernt wo sie ursprünglich da waren: so müssen wir doch dem Geiste Gottes das Zeugniß geben, daß es mit der Gestalt des Erlösers sich nicht so verhält. Sie ist für alle Zeiten in unvergänglicher Klarheit hergestellt in den Gemüthern der gläubigen durch das Werk des Geistes den er über seine Kirche ausgegossen hat, und es ist ein geistiges Sehen des Erlösers, wodurch wir uns seiner freuen, | wenn er uns bald in diesem bald in jenem Augenblikk des Lebens in Beziehung auf irgend einen Theil unsers Berufes mit der Klarheit erscheint, daß wir ihn auf das bestimmteste erkennen als den Weg und die Wahrheit und das Leben, als die Quelle des Lebens, als denjenigen der uns den rechten Weg zum Leben, welchem wir getrost folgen können, zeigt, und als die göttliche Wahrheit, die sich aus seiner Fülle, aber auch nur aus seiner Fülle, in unsere Seelen ergießt und sich in denselben gestaltet. Und dies, das geistige Schauen des Erlösers, welches wir der Wirkung seines Geistes in unsern Herzen verdanken, der sich freilich der Anleitung des göttlichen Wortes bedient und ohne das Wort keine Wirksamkeit ausübt, wes5–6 Vgl. Mt 28,20 Joh 4,14
12–14 Vgl. Joh 16,12–14
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34 Vgl.
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halb wir für die Erhaltung desselben täglich Gott aufs neue preisen müssen, – dieses durch den göttlichen Geist bewirkte Schauen des Erlösers ist eben deshalb weil es dasselbe ist für alle Zeiten, und weil in Beziehung auf dasselbe keiner ihm ferner oder näher steht als der andere, und jeder es haben kann der dem Zuge des göttlichen Geistes durch Forschen in der Schrift und durch Festhalten an derselben folgt, – dies ist ein weit herrlicheres als jenes leibliche, in Beziehung auf welches eine so große Ungleichheit unter den Menschen, auch schon unter denen die gleiche Ansprüche hatten an denselben Herrn und Meister, stattfinden muß. Jenes war seiner Natur nach nur vorübergehend und vergänglich; denn wenn der Erlöser der menschlichen Natur theilhaftig und uns in allem ausgenommen die Sünde gleich sein sollte, so mußte er auch an der Vergänglichkeit des menschlichen Lebens Theil haben, und vorübergehend, gleichviel ob das Maaß des Lebens kürzer zusammengezogen war oder weiter ausgedehnt, vorübergehend konnte es nur sein. Dieses geistige Dasein Christi aber ist in keine Schranke der Zeit eingeschlossen; und eben deswegen ist auch die falsche und verkehrte Freude der Welt vergangen, dagegen aber die Traurigkeit der | Jünger und aller die an den Herrn glauben auch ganz von ihnen genommen, und ihre Freude eine unvergängliche, die nichts in der Welt stören kann. Wie steht es nun m. g. F. mit den andern Worten des Herrn, wenn er die Traurigkeit seiner Jünger beschreibt indem er sagt, Ein Weib wenn sie gebieret, so hat sie Traurigkeit, denn ihre Stunde ist gekommen; wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, daß der Mensch zur Welt geboren ist. Und ihr habt auch nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. Freilich ist das gewiß m. th. F., an jenem Tage als der Geist Gottes über die Jünger des Herrn kam, als sie gekräftigt wurden Zeugniß von ihm abzulegen, und darauf tausende hinzugethan wurden zu der Gemeine der gläubigen, da war die fröhliche Stunde gekommen, daß der Mensch Gottes zur Welt geboren ward, und von da an sollte alle Traurigkeit verschwinden, und ihre Freude niemand von ihnen nehmen. Aber doch wenn wir betrachten die weitere Entwikklung dieses Reiches Gottes auf Erden, so scheint uns derselbe Wechsel von Freude und Traurigkeit beständig wiederzukehren. In den lebendigen Zusammenhang mit allen andern Menschen gesezt, wo sich nicht ausschließend die Wirksamkeit des göttlichen Geistes offenbart, sondern auch der einzelne Mensch in seinem persönlichen Dasein und mit seiner besondern Eigenthümlichkeit wirken soll für das Reich Gottes, in diesen Zusammenhang gesezt müssen wir es natürlich finden, daß sich die Spuren der menschlichen Gebrechlichkeit und Schwachheit erneuern in der 10–12 Vgl. Hebr 2,14.17; 4,15
28–29 Vgl. Apg 2,1–4
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Gemeine der Christen; und es giebt immer wieder Kämpfe, und es kommen immer wieder Zeiten wo den Jüngern des Herrn bange werden kann, ob das Wort des Herrn wahr sei, daß die Pforten der Hölle sein Reich nicht überwäl|tigen sollen, wo das Licht der göttlichen Wahrheit sich zu verdunkeln scheint, und dieselbe Sehnsucht wie hier in den Jüngern sich in den gläubigen regt, und aus der Tiefe ihres Herzens heraus die Stimme erschallt, O daß du den Himmel zerrissest und herniederkämest. Aber so wechselnd stellt der Herr die Freude stiller Jünger nicht dar; sondern das ist sein Wort, Ist der Mensch zur Welt geboren, so ist die Traurigkeit der gebärenden verschwunden, und so stellt er es dar, Eure Freude soll niemand von euch nehmen. Wolan m. g. F., wenn er ihnen denn diese Freude als eine unvergängliche vermacht: wie sind wir nun die Erben derselben geworden? Treten wir ganz und auf eine vollkommene Weise in die Freude ein, die niemand von uns nehmen kann und soll? oder sollen wir die Schmerzen der Geburt durchmachen, und soll jedes neue Geschlecht der Menschen denselben Wechsel von Freude und Traurigkeit erfahren? Das m. g. F. hängt ganz ab von der Stärke oder Schwäche unsers Glaubens. Vermacht hat es uns der Herr, daß wir eintreten in die vollkommene Freude, daß der Mensch Gottes zur Welt geboren sei, als eine ewige. Das wissen wir, daß dies das ewige Leben ist, welches uns mitzutheilen er gekommen war; warum sollten wir also aus Schwachgläubigkeit den Wechsel von Freude und Traurigkeit erfahren, und unsere Freude trüben, als ob die glükkliche Stunde, daß der Sohn Gottes Mensch geworden, noch nicht da gewesen wäre? warum sollten wir Zweifel und Bedenklichkeiten Raum geben, ob der Herr es uns auch wol beschieden habe, uns ganz und vollkommen zu freuen? warum sollten wir uns dadurch stürzen in die dunkle Nacht der Bekümmerniß, wo das Licht der reinen Freude nicht scheint? So laßt uns die Nachwehen von der Geburt des Reiches Gottes auf Erden, die bisweilen eintreten, laßt sie uns nicht zu stark empfinden und zu hoch anschlagen. Keine bleibende Traurigkeit fasse mehr Raum in | unsern Seelen, sondern die unvergängliche Freude nehme in uns und unter uns immer mehr überhand, und verscheuche jede Sorge die in unserm Gemüthe aufgehen möchte, wie die leichte Wolke am lichten Himmel, der von der Sonne Gottes beschienen wird, schnell vorüberzieht, damit wir beständig im Lichte der vollkommenen Freude und in dem seligen Bewußtsein wandeln, daß diese Freude niemand von uns nehmen kann, weil es das ewige Leben ist, wozu der Mensch Gottes geboren ist. Das ist unser Recht, welches wir als Kinder Gottes in Anspruch nehmen können; laßt uns dies gebrauchen. Haben wir den rechten Muth Gebrauch davon zu machen, so werden wir auch alle Segnungen desselben erfahren. Wenn also auch trübe und schwere Zeiten 3–4 Vgl. Mt 16,18 ab. Vgl. Jes 63,19)
7 Jes 64,1 (Die Verszählung weicht bei manchen Bibelausgaben
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kommen für das Reich des Herrn auf Erden, wenn uns auch der Fortgang seines Werkes gehemmt erscheint: das Leben des Menschen Gottes, der einmal zur Welt geboren ist, ist in keiner Gefahr, es sind nur vorübergehende Krankheitszustände, denen er sich fügen muß, es sind die nachtheiligen Einwirkungen der menschlichen Schwachheit und Gebrechlichkeit; aber das unsterbliche ist in keiner Gefahr, dem ewigen droht nichts, das unvergängliche bleibt; und wenn wir uns in den wechselnden Gestalten des zeitlichen und irdischen nur an dem himmlischen und ewigen freuen, so leben wir nicht nur in einer Hoffnung die nicht zu Schanden werden läßt, sondern auch in dem vollkommenen Genuß, den uns niemand rauben, den uns nichts verkümmern kann. Ist die Stunde der Geburt vorüber, so sollen wir der Traurigkeit nicht mehr gedenken, so soll alle Traurigkeit aus unserm Herzen verschwunden sein. Das sei das Wort, welches uns immer wieder aufrichtet unter allem was uns Sorge und Bekümmerniß bringen kann, indem es uns das ewige Walten des göttlichen Geistes nahe bringt. Und so laßt uns auch noch das lezte denkwürdige Wort des Herrn beherzigen, indem er sagt, An dem selbigen Tage werdet ihr mich nichts fragen. In dieser Zeit kurz vor seinem Tode bis zu den Tagen seiner Auferstehung, und bei | seinem lezten Wiedersehen unmittelbar vorher ehe er aufgehoben wurde zu seinem Vater, da fragten ihn seine Jünger, Ist das die Zeit da du das Reich Israel wieder aufrichten wirst? Aber weil geistiges und irdisches, wahres und falsches immer noch in ihnen gemischt war, und sich auch in dieser Frage so offenbarte: so konnte ihnen der Herr nicht antworten, sondern verwies sie darauf was er ihnen oft gesagt hatte, daß Zeit und Stunde zu wissen ihnen nicht gebühre, sondern der Vater habe sie seiner Macht vorbehalten. Nun redet er von der Zeit des neuen geistigen Wiedersehens und sagt, An dem selbigen Tage werdet ihr mich nichts fragen. Ja m. g. F., wenn wir traurig sind über den Zustand des Reiches Gottes, dann sind wir auch in Versuchung Zeit und Stunde wissen zu wollen, wann das Reich Gottes in seiner Herrlichkeit uns erscheinen werde. Aber der Herr sagt, wir sollen nicht nach Zeit und Stunde fragen, sondern die freudige Zuversicht unsers Herzens soll so lebendig sein und so kräftig, daß wir nicht daran denken, wie lang oder kurz noch die Zeit sein werde, in welcher seine Herrlichkeit sich ganz offenbaren, und die Gewalt die ihm der Vater gegeben hat im Himmel und auf Erden sich vollkommen darstellen soll. So laßt uns denn alle dem den Abschied geben was uns traurig machen will, und den Herrn nicht fragen nach dem was uns nicht gebührt zu wissen, und nicht vergeblich suchen den Schleier der Zukunft zu lüften. Das Auge des Glaubens sieht ungetrübt auf das Reich Gottes um uns her, erhellt durch die Freudigkeit des Geistes, der in unsere Herzen gesandt ist und 20–21 Apg 1,6
29–30 Vgl. Apg 1,7
40–1 Vgl. Röm 8,15
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hier lieber Vater ruft; die Freude in dem heiligen Geiste, der uns auch mit unausgesprochenen Seufzern vertritt, soll uns über jeden Schmerz hinwegsezen, und keine Traurigkeit und keine Sorge soll mehr aufkommen in unserm Gemüthe. Das ist der tröstliche | und herrliche Wille des Herrn, in welchem wir wandeln sollen, seitdem wir ihn nicht mehr leiblich sehen, aber auf desto herrlichere Weise die liebliche Gestalt des Sohnes Gottes in ihm geistig schauen. So wollen wir uns immer mehr aus seinem Worte stärken und zu der rechten göttlichen Kraft und dem rechten lebendigen Muth des Glaubens erheben, des Wortes eingedenk, welches er am Ende des Kapitels zu seinen Jüngern sagt, In der Welt könnt ihr zwar Angst haben; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden, und so kann und soll eure Freude immerdar vollkommen sein. Amen.
1–2 Vgl. Röm 8,26
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Donnerstag, Uhrzeit unbekannt; Trauung Haus Nicolovius, Leipziger Straße 67, Berlin Kol 3,15–16 Nachschrift; SAr 117, S. 1–6 (Bl. 1r–3v); Jacobi Keine Keine Traupredigt für Bernhard August Jacobi und Johanna Cornelia Elisabeth Nicolovius „Abends bei Nicolovius Trauung und Abendessen“
Am 31. Aug. 1826. Abends. Traurede. Zweierlei gebührt einem Diener des göttlichen Wortes, wenn er ein Bündniß wie das Ihrige im Namen der Kirche segnen soll, vorzüglich angehenden 0 Johanna Cornelia Elisabeth Nicolovius (1802–1833), Tochter von Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767–1839), der seit 1808 Ministerialbeamter für Kirchen- und Schulangelegenheiten im Königreich Preußen und als solcher für die Bildungsreform sowie für die Reform der Kirche der Altpreußischen Union verantwortlich war. Bernhard August Jacobi (1801–1843), Sohn des Arztes Carl Wigand Maximilian Jacobi (1775–1858), der nach mehreren beruflich bedingten Ortswechseln (Eutin, London, München, Salzburg) seit 1816 Regierungs- und Medizinalrat in Düsseldorf und seit 1825 Leiter der neu gegründeten Provinzial-Heilanstalt für psychisch Kranke („Irrenanstalt“) in Siegburg war. Bernhard Jacobi studierte 1819–1823 Theologie in Bonn und Berlin, wo er Schleiermacher als akademischen Lehrer sowie im Hause Nicolovius seine künftige Braut Cornelia kennenlernte, war 1824–1825 Hauslehrer im gräflichen Haus zur Lippe in Oberkassel und trat 1826 in Köln seine erste Pfarrstelle an. Nach der ersehnten Liebesheirat wurde das häusliche Glück überschattet durch eine fortschreitende chronische Krankheit Jacobis und den frühen Tod seiner Frau (1833, mit 30 Jahren). Der Witwer heiratete 1834 erneut; aus der Ehe mit Paula (genannt „Pauline“) Sasse (1815–1863) gingen vier Kinder hervor. Neben der Tätigkeit des Pfarramtes (seit 1830 als 1. Pfarrer in Petershagen) und trotz der periodisch auftretenden Beeinträchtigungen durch seine Krankheit widmete Jacobi sich in zwei exegetischen Studien dem Johannesevangelium und veröffentlichte auch eine Predigtsammlung zum Jakobusbrief; 1841 wurde er Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, 1842 erhielt er die theologische Ehrendoktorwürde durch die Universität Bonn, bevor er 1843 im Alter von 41 Jahren starb. Vgl. Nitzsch: Monatsschrift für die evangelische Kirche der Rheinprovinz und Westphalens, 1843/4, S. 206–218; Koechling: Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte, Bd. 35 (1934), S. 41–62, Bd. 36 (1935), S. 1–46. 1 Das Einschlagblatt trägt den folgenden Vermerk von Sydows Hand: „Traurede gesprochen v. Schleiermacher am 31. August 26 zu Bernh. Jacobi u. Cornelia Nicolovius. / Von Jacobi geschrieben u. eingesandt u. von Jonas mir am 17. Mai 1835 übergeben. / Sydow.“
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Eheleuten zuzusprechen. Zuerst weil beim Anfang eines so ganz neuen Lebensabschnittes in der Aussicht auf neue Pflichten, neue Sorgen und neue Freuden das Gemüth ganz auf die Zukunft gerichtet ist, daß es frei bleiben möge eben so sehr von eitler Gesinnung als von banger Furcht, damit auf dem einzig festen Grunde eines kindlichen Vertrauens zu dem, der Alles lenket, sich eine bescheidene und doch freudige Zuversicht erbaue. Demnächst aber, weil dieses neue gemeinsame Leben auf einen Bund der Liebe gegründet sein soll, daß sich diese immer mehr von allem Irdischen und Vergänglichen reinige, und auf das Geistige und Ewige hingelenkt werde. Wenn aber der, dem wir das Bündniß der Liebe bestätigen sollen, selbst ein Genosse desselben Amtes ist, in welchem er ja nicht dauern könnte, wenn nicht schon immer seine Liebe dem Ewigen zugewendet wäre, und in welchem er schon immer selbst bemüht gewesen ist, in Andern den kindlichen Glauben zu erwecken und zu befestigen; wenn eine christliche Jungfrau, unbekümmert darum, was glänzend und geachtet ist vor der Welt, lieber die Genossin eines solchen Lebens sein will als irgend eines andern, und einem solchen Manne am liebsten mit ihrem Herzen ihre Hand reicht: wo will da ein solches Wort der Ermahnung seine Stelle finden? es erstirbt auf den Lippen und es bleiben nur Dank und Freude übrig mit frommen Wünschen. | Darum laßt Euch gefallen, meine Geliebten! daß ich Euch in Euer gemeinsames Leben ein Paar Worte des Apostels mitgebe, mit denen es eine ähnliche Bewandniß hat, daß es scheint, sie wollten Ermahnung werden; sie sind aber nur der Ausdruck hoffnungsvoller Wünsche. Der Friede Gottes, so schreibt Paulus, regiere in Eurem Herzen, und das Wort Gottes sei reichlich einheimisch bei Euch. Dieß ist freilich nur ein allgemeiner Zuspruch an die gesammte Gemeine der Colosser; allein unmittelbar darauf folgen jene einfachen, aber gründlichen und heilsamen Vorschriften, welche der Apostel den einzelnen Gliedern der christlichen Hausgenossenschaft ertheilt, indem er Mann und Weib, Kinder und Knechte besonders ermahnt. Daher hat er gewiß auch bei diesen Worten sich die Gemeine gedacht, wie es ja auch immer ist, aus den einzelnen christlichen Hauswesen zusammentretend, und in dieser Beziehung ruft er ihnen zu: Ihr seid schon berufen zu dem Frieden Gottes in Einem Leibe und werdet wohlgefällig dadurch: so regiere und ordne er denn auch Alles in Eueren Herzen! Ihr lehret einander schon in allerlei Weisheit und lobet den Herrn in Liedern und Gesängen: so sei denn auch das Wort Gottes reichlich einheimisch bei Euch! 27–30 Vgl. Kol 3,18–4,1; dort werden jeweils Frauen und Männer, Kinder und Väter sowie Sklaven (Knechte) und Herren eigens ermahnt. 34 Schleiermacher liest hier offenbar κα ερεστοι γ νεσϑε statt κα εχριστοι γ νεσϑε („und seid/werdet dankbar“), vielleicht unter Beeinflussung von V. 20; die Lesart hat allerdings keinen Anhalt an der handschriftlichen Überlieferung des Neuen Testaments.
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Was nun der Apostel hier der Gemeine zuruft, wie sie aus den einzelnen Hauswesen besteht, das kann ich eben so auch Euch, meine Lieben! als einer angehenden Hausgemeine zurufen, zu welcher Ihr Euch beide verbindet. Ihr seid schon berufen zum Frieden Gottes in Einem Leibe. Denn das ist es, wonach sich die Wahl frommer Gemüther bei einem solchen das ganze Leben | umfassenden Bündniß bestimmt, wenn sich in ihnen die Gewißheit gebildet hat, daß sie in einem so enge verbundenen Dasein, in welchem sie wirklich, wie auch die Schrift sagt, Ein Leib sind, mit einander und durch einander den Frieden Gottes genießen und darin selig sein werden. Und wenn der Apostel hinzufügt: „Und Ihr werdet dadurch wohlgefällig“, so ist das ein gutes Zeugniß, welches wir Alle und Viele mit uns Euch, Ihr Geliebten! ertheilen: denn wie es die ernsthafteste Sorge der Aelteren ist um das jüngere Geschlecht, wenn nun die Zeit herankommt, wo Jünglinge und Jungfrauen, die unserm Herzen theuer sind, ein Hauswesen gründen könnten, ob sie auch das Rechte und wahrhaft Beglückende treffen werden: so giebt es keine reinere und schönere Freude, als wenn wir dieser Sorge überhoben werden. Theilte sich nun jene Gewißheit über den göttlichen Frieden, die in festverbundenen Herzen wohnt, denen mit, die sie lieben, so werden sie dadurch, wie sich auch in ihrer ganzen Erscheinung eine neue Anmuth und Lebensfreude entfaltet, der Gegenstand eines erhöhten Wohlgefallens, darauf vorzüglich beruhend, daß wir in solchem Bunde unsere Geliebten unter Gottes Schutz am sichersten über alles Unsichere und Bedenkliche in diesem irdischen Leben erhaben wissen. Und wie wir voll Dank und Freude sind hierüber: so wünschen wir denn auch natürlich, dieser schüzende Friede Gottes möge auch über Alles ordnend walten, was sich bei Euren künftigen Lebensverhältnissen in Eueren Herzen regen und bewegen wird. Das ist freilich das schöne Bild eines christlichen Lebens überhaupt, wenn der im Hause waltende Friede allen Unfrieden abwehrt, wenn sich an der Stille Gottergebener Herzen alle unruhigen Wogen brechen, welche draußen stürmen und toben, | wenn das sichere Maaß dieses Friedens alle Bewegungen ordnet und beherrscht. Aber vorzüglich müßen wir, meine geliebten Brüder! uns die Alleinherrschaft dieses Friedens in unserm häuslichen Leben wünschen, damit, wie wir berufen sind, den Menschen jeden falschen und unsichern Frieden mit Gott und sich und der Welt zu verleiden und sie daraus aufzustören, wir ihnen den wahren Frieden auf alle Weise nicht nur anrühmen mögen, sondern auch anschaulich zeigen, um sie zum Genuß desselben nicht nur einzuladen, sondern auch anzulocken. Und eine ähnliche Bewandniß hat es auch mit dem andern Wort: „Ihr lehret Euch unter einander in allerlei Weisheit und lobt den Herrn mit Liedern und Gesängen, –“ daß es ein schönes Zeugniß enthält, welches der Apostel den Christen giebt. Allerlei Weisheit ist löblich, und wie wir mittheilend sein sollen, wo wir etwas Gutes haben, so mit dem Geistigen am mei-
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sten. Und die Kunst der Sprache und des Gesanges pflegen und einander dadurch zum Lobe Gottes anregen, das ist etwas Ursprüngliches in der christlichen Gemeine. Aber ganz vorzüglich geeignet sind doch diese Worte, um das Leben darzustellen, welches ein christlicher Lehrer in seinem Hause führt. Denn um desto mehr ist sein Haus eine Zierde und ein Kleinod der ganzen Gemeine, der er angehört, je mehr darin jede edle menschliche Kunst zur Erweckung des Glaubens und der Liebe gebraucht wird und das Wort Gottes also sich alle geistigen Schätze des Menschen aneignet. Und mit wie viel menschlicher Weisheit, wahrer und falscher, müßen wir nicht Verkehr treiben unsers Berufes wegen! Wie wichtig ist es uns nicht, die Menschen, denen wir dienen sollen auf allerlei Weise, öffentlich mit unsern Gaben und in der Stille mit unserm Rath, auch einzeln richtig aufzufassen und zu beurtheilen! Und wie hierin jedes Geschlecht seine | eigene Weise hat, so darf es auch in einem solchen Hause nicht fehlen an gegenseitiger Belehrung. Aber auf das Wort Gottes geht dabei natürlich Alles zurück. In diesem Spiegel Andere eben so gut als uns selbst betrachten, dieses überall vor Augen und im Herzen haben, wo es darauf ankommt, Wahres und Falsches zu unterscheiden, vorzüglich aber uns selbst immer mehr frei zu machen von allem Einfluß menschlicher Schwächen und kurzsichtiger Vorurtheile, das allein giebt dem ganzen Leben so wie die rechte Sicherheit und Kraft, so auch die wahre Anmuth und Würde. Wie nun der Apostel solches Belehren und Erwecken voraussezt bei den Christen, so blieb ihm auch nur der herzliche Wunsch übrig, daß, was schon da war, auch in rechter überschwänglicher Fülle da sei und bleibe. So sei denn, wünscht er, das Wort Gottes reichlich einheimisch bei Euch. Daß es recht seinen festen Sitz habe in dem Hause eines christlichen Lehrers, überall gegenwärtig und zur Hand, wo es darauf ankömmt zu trösten und zu erfreuen, Dank zu sagen und Muth einzusprechen, daß, sowie man einer Gemeine von Christen nicht nahe kommen kann, ohne auf das Wort Gottes zu treffen, so auch jeder, der einem solchen Hause nahe kommt, mehr durch diese stille aber sichere Einwirkung als durch buchstäbliche Überlieferung immer mehr der segensreichen Kraft des göttlichen Wortes befreundet werde, vorzüglich aber auch dasselbe sich zeitig und unvermerkt in die jungen Gemüther einschleiche, das will es sagen, wenn das Wort Gottes reichlich einheimisch ist im Hause. Wenn ich nun diese beiden Wünsche für Euch, meine geliebten Freunde! zusammenfasse, daß der Friede Gottes in Eurem Herzen regiere und das Wort Gottes einheimisch sei in Eurem Hause: so weiß ich nicht, 10–12 Vgl. 1Petr 4,10; 2Thess 3,16; Lk 17,3; Gal 6,1 15–16 Wohl Anspielung auf 1Kor 13,12 24–25 In Kol 3,16 heißt es „das Wort Christi“; in einigen Handschriften des Neuen Testaments (u. a. dem Codex Alexandrinus) sowie bei Augustin ist jedoch die Variante „das Wort Gottes“ bezeugt; vielleicht spielt für Schleiermacher auch Joh 1,14 mit hinein.
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was ich noch zu wünschen hätte, das neben diesem auch nur genannt zu werden verdiente. Denke ich an alles Trübe und Schwere, was ein einzelnes Hauswesen treffen kann, wird nur diesen beiden Gütern immer nachgestrebt und werden sie immer festgehalten, was ist, das Euch schaden könnte? Denke ich an alle Bewegungen | eines großen gemeinsamen Lebens, die doch jedes einzelne Glied mehr oder weniger theilen muß: bleibt der Friede Gottes am Regiment und das Wort Gottes einheimisch, so werdet Ihr nicht nur selbst auch unter mancherlei Verwirrungen des rechten Weges nicht verfehlen, sondern nicht Ihr, aber wohl die von Eurem Hause ausgehende Kraft des göttlichen Wortes und des göttlichen Friedens wird auch Andern zum Leitstern dienen und sie in der rechten Haltung bewahren. Denke ich an die eigenthümlichen Bedenklichkeiten bei unserm Beruf, und wahrlich der Weg eines Dieners der Evangelischen Kirche geht nicht auf Rosen in dieser Zeit: wenn nur Friede Gottes und Wort Gottes nicht nur in unsern Amtshandlungen ungehemmt walten, sondern auch in unserm Hause, so wird der reine Wohllaut des ganzen Lebens am meisten beitragen, daß das Herz immer mehr fest werde, welches doch das köstlichste ist von Allem. Wie nun mein ganzes Euch in inniger Liebe zugewendetes Herz befriedigt ist bei diesem apostolischen Wunsch, so hoffe ich durch denselben auch die Wünsche aller derer ausgesprochen zu haben, denen Ihr beide angehörig und werth seid, sowohl derer, die hier die Weihe Eures Bundes feiern, als derer, welche sie abwesend mit ihrem Gebet begleiten. So gehet denn hin mit diesem Segen und bauet da, wohin der Herr Euch gerufen hat, in diesem Sinne Euer Haus als einen würdigen Theil der Stadt, welche sich nicht verbergen kann, weil sie auf dem Berge gebauet ist. Und dieses wird von Eurem Hause, Ihr Geliebten! in einem noch besonders erfreulichen Sinne gelten. Denn wenn gleich das immer das höchste bleibt in dieser Art, daß wir als Christen durch unsern Namen und unsere geistige Abstammung an den erinnern, vor dem alle andere menschliche Größe verschwindet, so ist doch auch das kein kleines anvertrautes Pfund, durch den eigenthümlichen Namen und die leibliche Abstammung und Verwandtschaft an Solche zu erinnern und ihr Bild zurückzurufen, deren Andenken 4–5 Vgl. 1Petr 3,13 6 Vgl. 1Kor 12,26 17–18 Vgl. Hebr 13,9 24– 25 Bernhard Jacobi hatte am 1. Januar 1826 seine erste Pfarrstelle als Divisionspfarrer in Köln angetreten. 26 Vgl. Mt 5,14 31 Vgl. Lk 19,11–27; zu diesem Text vgl. auch die kurz vorher gehaltene kleine Predigtreihe in den Vormittagsgottesdiensten am 23. Juli und 6. August 1826 31–1 Der Bräutigam war väterlicherseits ein Enkel des namhaften Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi (1743–1819) und mütterlicherseits ein Enkel des „Wandsbecker Bothen“ Matthias Claudius (1740–1814); die Mutter der Braut, Luise Nicolovius, geb. Schlosser (1774–1811), war eine Nichte von Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832).
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Am 31. August 1826 abends
als Ausgezeichnete ihres Volkes lange im Segen bleibt. So gehet hin und bauet Euer Haus, und Gott segne Euch in Euren Nachkommen, wie Ihr gesegnet seid in Euren Eltern und Vorfahren.
2 Dieser Segenswunsch ist nicht in Erfüllung gegangen: Die Ehe blieb lange kinderlos, und als sich bei Cornelia Jacobi 1833 endlich eine Schwangerschaft einstellte, starb sie zusammen mit dem Kind.
Am 3. September 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
15. Sonntag nach Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Kor 7,21–23 Nachschrift; SAr 115, S. 170–183; Sethe Keine Nachschrift; SAr 65, Bl. 111r–113r; Woltersdorff Teil der am 28. Mai 1826 begonnenen Predigtreihe über Gleichheit und Ungleichheit bei der Ausbreitung des göttlichen Worts Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am 15. Sonntage nach Trinitatis d. 3. September 1826.
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Tex t. 1 Corinther 7, 21–23.
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M. a. Fr. diese Worte des Apostels stehen in unmittelbarem Zusammenhange mit denen, die wir neulich zum Gegenstande unserer Betrachtung gemacht haben, und uns daraus vorläufig be|lehrt haben, daß der brüderlichen Gleichheit der Christen die äußere Ungleichheit keine Eintracht thut; hier aber hebt der Apostel eine einzelne solche Ungleichheit der bürgerlichen Verhältniße besonders heraus, doch so, daß jene allgemeine Regel bestehen bleibt. Er sagt: „bist du berufen ein Knecht, so sorge dich nicht;“ freilich müßte wohl jeder sorgen, wenn er fürchte, daß etwas in seinem Verhältniße der Freiheit der Kinder Gottes widerstrebe; wenn nun aber der Apostel hinzufügt: kannst du aber frei werden, so brauche das viel lieber, so billigt er doch ein Bestreben, aus diesem Zustande herauszukommen. Was nun aber damals durch den Gegensatz eines Knechtes und eines Freien bezeichnet wurde, das kennen wir in unsern Verhältnissen nicht mehr. Ist aber freilich von allgemeinen Regeln für die Christen die Rede, so müßen wir unsern Blick erweitern, und da finden wir an den Grenzen der christlichen Welt einen ganz ähnlichen Zustand, wo der Knecht ein Sclave des Herrn ist, ein blindes Werkzeug seiner Willkühr, der keine gültige Handlung thun kann aus sich selbst, der nicht Gatte oder Vater werden kann, ohne daß ihn nicht jeden Augenblick die Willkühr des Herrn von den liebsten Gegenständen entfernen könnte, ja die Willkühr kann ihm sogar untersagen, daß das Wort des Evangeliums ihm in das Ohr dringt, das ist ein Zu4–5 Vgl. die Predigt am 20. August 1826 vorm. über 1Kor 7,20
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stand, in Beziehung auf welchen schon manche christliche Völker | bei sich festgestellt haben, daß, wenn solche, die sich noch in solchem Zustande befinden, ihren Boden betreten, ihnen die Sonne der Freiheit leuchten soll; doch die Stimme des Apostels ist noch nicht zu allen hindurchgedrungen, denn sonst hätten sie dem Bestreben jenen Zustand aufzuheben nicht können zuwider sein. Aber auch von den Zuständen der Sclaverei, wo sie sich noch finden, könnte ein Klügler sagen, es seien doch nicht ganz dieselben Verhältniße als damals, wo der Apostel schrieb, daher sei auch sein Wort nicht darauf anzuwenden. Darum müßen wir das festhalten, daß wir das, was sich auf besondere Verhältniße bezieht in der heiligen Schrift, so anwenden sollen, wie es sich seinem allgemeinen Sinne nach auf uns bezieht, damit uns nicht zuviel entgehe von der Wahrheit des götlichen Wortes; wir müssen darauf rechnen, daß bei dem Bestreben aus dem Besondern das Allgemeine zu entwickeln, uns der Geist der Wahrheit leiten werde; und so laßt uns reden von dem Streben nach Freiheit, welches der Apostel empfiehlt und begünstiget; erstens laßt uns darauf sehen, daß wir uns den Sinn desselben so allgemein als möglich entwickeln; zweitens laßt uns Sorge tragen, daß wir uns hüten vor Mißdeutungen, welche davon könnten gemacht werden. I. Zuerst fragen wir: was ist denn der volle Sinn der Worte des Apostels: | „kannst du frei werden, so brauche das viel lieber,“ so sehen wir, es kommt dabei vorzüglich auf zweierlei an, nemlich erstens, was denn die Freiheit sei, die der Apostel meint, und welchen Werth er auf sie legt; zweitens aber, in welche Grenzen er das Streben danach einschränkt? Aus dem lezten der Worte des Apostels werden wir uns am besten über das erste belehren können, er sagt: „ihr seid theuer erkauft, werdet nicht der Menschen Knechte.“ Was uns nun abhalten soll, der Menschen Knechte zu werden, das ist auch der Grund des Bestrebens es nicht zu bleiben. Aber wozu sind wir erkauft? Davon zeugt der Apostel auf allen Blättern seiner Schriften, und niemand kann zweifeln, was seine Meinung sei, wenn er sagt: „erkauft,“ es kann nichts anderes heißen, als: „ihr seid erkauft aus dem Zustande, in welchem es nicht möglich war, gerecht zu sein vor Gott, ihr seid erkauft zu der Gerechtigkeit,“ und worauf beruht die Gerechtigkeit die vor Gott gilt? auf dem Glauben, aus dem Glauben kommt die Gerechtigkeit. Können wir also nicht billig den Schluß machen, daß wenn er sagt: „werdet nicht der Menschen Knechte,“ seine Meinung die ist: „werdet nicht der Menschen Knechte, damit ihr, wie es denen geziemt, welche die Gerechtigkeit in Christo gefunden haben, Eures Glaubens leben könnt;“ „denn der Gerechte lebt seines Glaubens, also ihr, die ihr Knechte 14 Vgl. Joh 16,13
34–36 Vgl. Röm 3,21–22
40 Vgl. Röm 1,17
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Gottes seid und sein sollt, werdet nicht der Menschen | Knechte.“ Wodurch aber sind wir Knechte Gottes? immer nur durch den Gehorsam des Glaubens, dadurch daß wir Gott wohlgefällige Opfer darbringen nach der Richtschnur des Gewissens, das durch den Geist Gottes die Stimme Gottes ist. Also um unseres Glaubens an Christum leben zu können, um unserm Gewissen Raum zu geben zur Ausführung dessen, was es uns gebietet, um wirklich thun zu können, wozu wir im Geiste gebunden sind, und so in einem Leben aus Gott unsern Glauben beweisen zu können, darum sollen wir nicht der Menschen Knechte werden, sondern frei zu sein viel lieber gebrauchen. Seht da das ist der Werth, den der Apostel auf die Freiheit legt, nicht eine größere Willkühr, nicht größere Macht und Hülfsmittel zur Befriedigung irdischer Wünsche, nicht Herschaft über andere u. s. w. Das alles meint der Apostel nicht, sondern die Freiheit der Stimme des Gewissens zu folgen, nur einen Kreis zu haben, um das, was Gott in uns wirkt, zu seiner Ehre auch darzustellen, das ist die Freiheit, die der Apostel meint, die Freiheit nach seiner Ueberzeugung zu handeln, sich darzustellen als solcher, der ein Gebiet hat, so zu leben, daß er treu gegen sein Gewissen, treu als ein Knecht Gottes die Stimme Gottes offenbaren kann. Wenn wir nun sagen: ja gesezt es giebt Verhältniße unter uns, in denen die Freiheit beschränkt ist, und die fast gar keinen Theil daran zu haben scheinen, da fragt sich’s nun: wie sollen wir nach der Freiheit streben? O! da müssen wir zuerst stehen bleiben | bei dem ersten Worte des Apostels: „bist du ein Knecht berufen, so sorge dich nicht,“ frei soll der sein, der in solchen Verhältnißen steht, von der Sorge, ob er nicht etwa gar nichts wäre im Reiche Gottes, ob er nicht seines äußern Zustandes wegen verlustig ginge der Gerechtigkeit des Glaubens; also: sorge dich nicht d. h. du kannst ohne Verletzung deines Gewissens in jedem solchem Zustande bleiben, solange dir die Aussicht dich loszumachen, nicht eröffnet ist. Wenn wir also ohne Verletzung darin bleiben können, so ist es unmöglich, daß der Apostel meinen sollte; daß wir mit Verletzung des Gewissens den Ausgang suchen sollten. Aus der menschlichen Ordnung, der wir um des Gewissens willen unterthan sind, können wir nicht gegen das Gewissen den Ausgang suchen. Und anders können wir das Wort: „kannst du frei werden,“ nicht verstehen; denn was das Streben der Christen bedingt, es ist das Gewissen, was das nicht vergönnt, das können wir nicht. Wenn er also sagt: kannst du? so ist das die Bedingung, die er stellt, daß wir unser Gewissen nicht verletzen, er meint also: ist es dir möglich auf eine rechtmäßige Art einen freiern Spielraum zu gewinnen für die Thätigkeit deines Glaubens, so gebrauche das viel lieber. Aber indem er das hinzufügt, sagt er auf der andern Seite, Gleichgültigkeit gegen die Möglichkeit, freier zu werden, sei zugleich, Gleichgültigkeit gegen den rechten Sinn | der Christen, gegen den Beruf, den der Herr Allen ertheilt hat; denn je enger er 3–4 Vgl. Röm 12,1–2
31 Vgl. Röm 13,5
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beschränkt ist, um desto matter glänzt der Schimmer des Lichts, das leuchten soll, und es kann in die Augen anderer nicht dringen; also gleichgültig soll keiner sein gegen das Freierwerdenkönnen, jeder Christ soll sich’s gesagt sein lassen: „bist du ein Knecht berufen, sorge nicht, bist du nur innerlich frei, so kümmere das Aeußere dich nicht, kannst du aber äußerlich frei werden, so gebrauche das viel lieber, und bedenke, daß jede Veranlassung frei zu werden auch ein Pfund sei, davon Gott Rechenschaft fordert.“ Gleichgültigkeit dagegen kann nur hervorgehen aus der Trägheit, daß wir lieber das nicht haben wollen, wovon wir Rechenschaft abzulegen haben – wie weit aber ist das entfernt von dem Sinn des Christen, der nie soll träge und faul erfunden werden. Als des Herrn Knechte sollen wir überall treu erfunden werden; und so müßen wir sagen: beides gehört gleich wesentlich zu der Unterwürfigkeit gegen den Herrn, zuerst in jedem Zustand äußerer Beschränkung nicht zu sorgen, wie der Apostel sagt: sorge nicht, ob du auch zur Gemeinde des Herrn gehörst, auch dein Name ist im Himmel des Herrn geschrieben, und der Herr weiß, wofür dein Herz im Verborgenen schlägt, wenn du auch dazu nicht mitwirken kannst; aber, und das ist das zweite: willst du mit Recht nicht sorgen, so nimm auch jede Gelegenheit wahr in andere Verhältniße zu kommen, und | denke, daß du so mehr wirken kannst zur Ehre des Herrn und ihm Rechenschaft ablegen. So ist der unmittelbare Sinn des Apostels, und wenn wir ihn betrachten, können wir nicht leugnen, es giebt überall solchen Unterschied zwischen Freien und Knechten, Unabhängigen und Gebundenen, zwischen solchen, deren ganzes Leben das Gepräge einer edlen Freiheit trägt, und solchen, die so stehen, daß das Innere ihres Gemüths wenig hervortreten kann. Aber es ist dies eine Ungleichheit, von der wir eben nach den Worten des Apostels hoffen können, daß sie immermehr abnehmen wird; denn wenn seine Vorschrift immer mehr befolgt wird, so wird keine Gelegenheit versäumt frei zu machen und frei zu werden, keiner wird streben, die Freiheit anderer zu beengen, und jeder wird, wo er kann, streben frei zu werden; das ist die erfreuliche Aussicht, daß diese Ungleichheit abnehmen wird in der Christenheit. Wohlan damit wir uns dieser Aussicht ungestört erfreuen, so laßt uns II. einigen Mißdeutungen vorbeugen, die der Vorschrift des Apostels könnten gemacht werden, und uns dadurch den Muth aneignen, davon Gebrauch zu machen in unserm gemeinsamen Leben. Freilich ist das etwas ins Unendliche gehendes, wer könnte alle Mißdeutungen zusammennehmen wollen, die ein verkehrtes Herz machen kann! also nur auf zwei | Mißdeutungen wollen wir uns beschränken, die den Worten des Apostels am nächsten 1–2 Vgl. Mt 5,16 25,21; Lk 19,17
7 Vgl. Lk 19,11–24 15–16 Vgl. Lk 10,20
10–11 Vgl. Mt 25,26
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liegen, und aus ihnen widerlegt werden. Die erste ist die, daß man sagen könnte: wenn das soll jedem zur Regel seines Lebens gemacht werden, daß er strebe einen größern Spielraum zu gewinnen für seine Thätigkeit, werden nicht alle Ehrgeitzigen, Alle die nur danach trachten ihr Eigenes geltend zu machen, den Vorwand dazu hernehmen von dieser Regel? Denn ist es nicht wahr, daß jemehr die Kräfte anderer meinem Willen unterworfen sind, ich meine Ueberzeugung kann geltend machen? kann sich nun nicht der regelloseste Ehrgeitz, die unbegrenzte Habsucht, nicht die härteste Unterdrückung der Freiheit der andern, die Worte des Apostels sich als Schild vorhalten, und sagen: „ich habe keine andere Absicht als meiner Ueberzeugung folgend das geltend zu machen, was mir das Beste erscheint zum Wohle der Menschheit“? kann nicht die Gewalt, die selbst über Gedanken herschen mögte, sich dahinter verstecken? Mag es sein, doch die Verkehrtheit würde bald genug offenbar werden, damit sich die Wahrheit von der Mißdeutung scheide. Aber wär es nicht schon ein großer Gewinn, wenn nur vorerst die Mißdeutung wirkte d. h. daß die Ehrgeitzigen u. s. w. nur darauf beständen ihrem Gewissen | zu folgen! oder was ist das gewöhnlichere? ist es nicht so am öftersten, daß sie dabei feigherzig sind, so daß sie ihr eigen Gewissen (wenn sie anders noch ein Gewissen haben) gefangen geben, um beliehen zu werden mit irgend einer äußern Macht von denen, die die Macht haben; ja so stehen Feigherzigkeit und Gewissenlosigkeit immer zusammen und sie werden immer zusammen sein, und wohl wären wir berathen, wenn es lauter solche gäbe, die wirklich ein Gewissen haben und dem treu wären, denn dann wäre noch die Möglichkeit sich zu verständigen da, und es würde leicht sein den Trug aufzuheben; denn wenn der Apostel sagt: „kannst du frei werden, so gebrauche das viel lieber“ so nimmt er das in Anspruch, daß jeder soll den Wunsch haben, einen Raum zu gewinnen, um nach seiner Ueberzeugung zu handeln, seinem Gewissen zu folgen; er sagt also zu dem, der anmaßend ist: „willst du einen größern Raum haben um zu wirken, willst du über andere herschen, um deine Ueberzeugung geltend zu machen, kannst du das ohne die ihrige gefangen zu nehmen? Du vereitelst also den Wunsch in Tausenden, den doch alle haben sollen! willst du suchen deine Ueberzeugung auf Andere zu übertragen? Das kannst du, bedenke aber, daß es, um zu überzeugen nichts giebt als das Wort der Wahrheit, nicht anders werden die Gewissen auf den rechten Weg geleitet als durch die Wahrheit.“ | So ist jedem seine Bahn eröffnet, soweit er wirken kann durch das Wort der Wahrheit, o die Gemüther werden nicht taub bleiben, Herzen und Gewissen werden ihm zufallen! Jedes andere Mittel wäre eine Uebertäubung der Ueberzeugung, wäre immer nur äußere Gewalt, die nur Aeußeres bewirken kann. 3 werden] und werden
5 Regel?] Regel!
24 verständigen] verständigen,
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Das zweite, was man gegen das Wort des Apostels sagen könnte, ist dies: wenn es wahr ist, daß es überall solchen Unterschied giebt, so ist das in dem großen gemeinsamen Leben gegründet, wo spricht sich der Unterschied stärker aus als in dem Zustande, wo es Obrigkeit und Unterthanen giebt? wenn nun in diesem unserm bürgerlichen Zustande jedem die Vorschrift des Apostels soll gegeben werden, wird daraus nicht entstehn, daß jeder gebieten will, weil in jedem Gesetze etwas sein kann, was der Ueberzeugung des einzelnen entgegen ist? Aber dem Apostel darf das nicht gesagt werden, denn er hat gesagt: seid unterthan der Obrigkeit nicht um der Strafe willen, sondern um des Gewissens willen, denn sie ist von Gott verordnet. Das ist der erste Ausdruk des Gewissens, daß wir der Obrigkeit, die die äußere Stimme unseres Gewissens sein soll in Beziehung auf unser äußeres Leben, folgen müßen, wir wissen, daß um der Ordnung willen die Obrigkeit sein muß, und daß allgemeine Knechtschaft die Folge des Aufhebens derselben sein würde. Das also steht fest, aber können wir durch die Stimme der Wahrheit einen Einfluß auf sie ausüben, o so sollen wir es nicht versäumen! | aber das Gewissen zu verletzen durch Ungehorsam, das kann der Christ nicht, und indem er sein Gewissen dadurch befriedigt, daß er seine Ueberzeugung darlegt durch das Wort der Wahrheit, so beruhigt ihn das: „bist du ein Knecht berufen, so sorge dich nicht.“ Eins ist unausweichlich, sollen wir nun um des Gewissens willen da unterthan sein, wo der menschliche Irthum ebenso wohl auf jener als auf unserer Seite sein kann, und soll dabei Ruhe in uns sein, so muß natürlich die Freiheit jedem gegeben sein, seine Ueberzeugung kund zu thun, aber hat es auch je ein christliches Zusammensein gegeben ohne diese? wird nicht überall unter den Christen gern die Wahrheit gehört, die ja nicht unsere ist, sondern des Erlösers; der da sagt: „ich bin der Weg und die Wahrheit.“ Ja wo das heilige Wort der Wahrheit ertönet, da öffnet sich jedes Ohr, wo einer Wahrheit giebt, da erkennen wir solchen, der uns erleuchtet, und ihm gebührt das Recht zu reden, und uns gebührt zu hören; ist das nur gestattet, was vermissen wir mehr; denn wie der Erlöser die Wahrheit ist und ihm Macht gegeben ist über Alles im Himmel und auf Erden, so ist der Wahrheit auch die Macht gegeben. Wir brauchen nur Diener der Wahrheit zu sein, um eben dadurch Diener zu gewinnen für unsere Ueberzeugung. Ja es ist ein Zeichen menschlicher Unvolkommenheit, wenn die Gewissen der Befehlenden und der Gehorchenden gegen | einander streben es ist Verworrenheit, wenn wir es leugnen, daß jede Mißstimmung aufhört, jemehr der Stimme der Wahrheit Gehör gegeben wird. Und werden wir nicht die Obrigkeit am glük36 gegen | einander streben] gegen | einander aufhört; korr. nach SAr 65, Bl. 113r: sich widerstreben 9–11 Vgl. Röm 13,1.5
27 Vgl. Joh 14,6
31–32 Vgl. Mt 28,18
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lichsten preisen müßen, die am wenigsten die Gewissen gegen sich hat aber dahin immermehr zu gelangen ist das nicht der Weg, auf dem wir sind und muß es uns nicht leicht werden das Ziel dieser Uebereinstimmung zu erreichen: wo fehlt es an Anstalten zur Belehrung, und indem die Obrigkeit diese aufrecht hält, so ist ja der natürliche Erfolg, daß alle, die unter ihrem Schutz und Schirm leben, immer höher erleuchtet werden, und so die Verhältniße der Einzelnen und des Ganzen gegen einander richtig zu beurtheilen wissen. Wenn es also überall den Verständigen leicht gemacht wird, auf eine Stufe zu steigen, wo sich geltend machen kann ihre Ueberzeugung, die sie gewonnen haben durch die Lehre der götlichen Wahrheit. So ist ja in der Kraft der Wahrheit und in der Sitte sie zu hören der Weg zur Uebereinstimmung gebahnt, und wir können Gott danken, daß bei uns kein Mißbrauch des Wortes des Apostels drohen kann. Der Weg ist gebahnt, daß denen die gehorchen müßen, doch die Möglichkeit gegeben ist, freier zu werden durch das Volkommenwerden der Uebereinstimmung durch die Wahrheit, und allen die Beruhigung gegeben ist, daß sie eingezeichnet sind in die Gemeinde der Christen, in welcher jeder der Freiheit der Kinder Gottes sich erfreut, | und also nicht zu sorgen hat. Und nun, daß wir durch eine gute Ordnung und christliche Sitte auf dem Wege sind, die Ungleichheit in den Verhältnißen zur Freiheit zu ebenen; das ist die sicherste Grundlage für die Gleichheit der Christen in Beziehung auf das Leben aus Gott. So wollen wir denn nicht sorgen, wo wir noch nicht frei sind, wo wir aber können freier werden, das viel lieber gebrauchen, und es nicht nur als ein Recht in Anspruch nehmen, sondern als heilige Pflicht der Christen ausüben, aber zu nichts anderm, als daß das Aeußere ein Spiegel werde der innern Gesetzmäßigkeit der Kinder Gottes; damit diese wahrhafte Freiheit so sich immer herlicher verkläre in unserm Leben. Amen.
[Liederblatt vom 3. September 1826:] Am 15ten Sonntage nach Trinitatis 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Kommt her zu mir etc. [1.] Herr, meiner Seelen großen Werth, / Den mir dein heilges Wort verklärt, / Laß mich mit Ernst bedenken; / Daß ich sie ehre wie ich soll, / Und auf die Sorge für ihr Wohl / Mög’ allen Eifer lenken. // [2.] Welch Heil hast du mir zugedacht! / Wieviel hat deine Gnad’ und Macht / Schon hier an mich gewendet! / Du schufst mich um dein Bild zu sein, / Und hast uns, um es zu erneun, / Den Sohn herabgesendet. // [3.] Drum aufwärts richte sich mein Sinn, / Weil 17–18 Vgl. Röm 8,21
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ich ja nur ein Pilger bin / Für kurze Zeit auf Erden. / Durch Glauben und Gottseligkeit / Soll größerer Vollkommenheit / Ich einst theilhaftig werden. // [4.] Zu solchem Ziele willst du mich / Durch dieses Leben väterlich / Nach kurzer Mühe führen. / O laß mich nicht durch eigne Schuld, / Die Frucht von Christi Lieb und Huld, / Das ewge Heil, verlieren. // [5.] Vielmehr im Glauben an den Sohn, / An meinen Heiland leb’ ich schon, / Was ich im Fleisch noch lebe. / Er ist zum Vorbild mir gestellt, / Ich sterbe mit ihm dieser Welt, / Weil ich mich ihm ergebe. // Nach dem Gebet. – Mel. Helft mir Gott’s etc. [1.] Ich will nach eitler Ehre, / Hier nie begierig sein, / Daß Gottes Geist mich lehre, / Nur seiner Gunst mich freun. / Die Ehre nur besteht, / Die mit mir von der Erde, / Wenn ich verklärt einst werde, / Zum Himmel übergeht. // [2.] Mich blendet nicht der Schimmer / Des Ansehns dieser Welt; / Mein Ruhm sei das nur immer, / Was Gotte wohlgefällt. / Leicht führt ein stolzer Sinn / Ab von der Demuth Pfade; / Getrennt von Gottes Gnade / Vergeß ich, wer ich bin. // [3.] Ja auch an allen Schäzen / Und Gütern dieser Zeit / Will ich mich nicht ergözen; / Sie sind nur Eitelkeit. / Welch ein geringes Glück, / Das gar so leicht verdirbet, / Und wenn der Eigner stirbet, / So bleibt es hier zurück. // [4.] Nie will ich Ruhm erschmeicheln, / Der Andern mehr gebührt! / Nie als ein Gleißner heucheln, / Den Menschengunst verführt. / Der Wahrheit mich zu weihn, / Die Ehre ihr zu geben, / Und ihrem Dienst zu leben, / Soll mein Bestreben sein. // [5.] In Demuth will ich leben, / Auch wenn die Welt mich ehrt; / Mich nie durch Stolz erheben, / Wenn sich mein Ansehn mehrt. / Komm ich zu Ehr und Gut, / Soll Glück und Gunst erfahren: / So wird mich Gott bewahren / Vor schnödem Uebermuth. // [6.] Sein Beifall bleibt das Beste, / Wonach ich streben kann; / Steh ich in diesem feste, / So bin ich gut daran. / Vertrauend blickt mein Geist / Nach jenem Gnadenlohne / Dereinst vor deinem Throne, / Den mir dein Wort verheißt. // (Brem. Gesangb.) Nach der Predigt. – Mel. Herzliebster Jesu etc. [1.] Herr fördre selbst die Werke meiner Hände, / Gesegnet sei von dir Anfang und Ende, / Steh du mir bei, damit was ich vollbringe, / Mir wohl gelinge. // [2.] Hilf mir mit Treue meine Pflicht erfüllen, / Und dann mein Herz mit froher Hofnung stillen, / Wenn so mir wird was du mir Herr beschieden, / Bin ich zufrieden. //
Am 24. September 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
18. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 16,23–33 Gedruckte Nachschrift; SW II/9, 1847, S. 537–548; König Keine Nachschrift; SN 618/6, Bl. 21r–24v; Crayen Nachschrift; SAr 115, S. 183–193; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 114r–115v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Am 18. Sonntage nach Trinitatis 1826. Tex t.
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Wahrlich, wahrlich ich sage euch, so ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er es euch geben. Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, daß eure Freude vollkommen sei. Solches habe ich zu euch durch Sprüchwort geredet. Es kommt aber die Zeit, daß ich nicht mehr durch Sprüchwort mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater. An demselbigen Tage werdet ihr bitten in meinem Namen. Und ich sage euch nicht, daß ich den Vater für euch bitten will; denn er selbst der Vater hat euch lieb, darum daß ihr mich liebet und glaubet daß ich von Gott ausgegangen bin. Ich bin vom Vater ausgegangen und gekommen in die Welt; wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater. Sprechen zu ihm seine Jünger, | Siehe, nun redest du frei heraus und sagst kein Sprüchwort. Nun wissen wir, daß du alle Dinge weißt und bedarfst nicht daß dich jemand frage. Darum glauben wir, daß du von Gott ausgegangen bist. Jesus antwortete ihnen, Jezt glaubet ihr. Siehe, es kommt die Stunde und ist schon gekommen, daß ihr zerstreuet werdet ein jeglicher in das seine, und mich allein lasset; aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir. Solches habe ich mit euch geredet, daß ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Dies m. a. F. ist der Schluß der Rede welche uns Johannes verzeichnet hat als die lezte unseres Herrn mit seinen Jüngern, ehe denn er in den Tod ging. Und wenn wir, auch ohne in das einzelne dieser Worte einzugehen,
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uns nur das lebendig vorhalten, was im allgemeinen der Sinn und Ton dieser Rede des Herrn ist und auch dessen was die Jünger darauf erwiederten: so sehen wir darin schon seine innige Liebe zu ihnen aufs deutlichste, und wie er darauf bedacht ist, ehe er von ihnen scheidet ihr Herz zu stärken und zu trösten. Wenn wir nun Anfang und Ende der verlesenen Worte mit einander verbinden, so muß uns das auch gleich ganz deutlich werden, daß während nämlich der Herr seine Jünger auffordert, und zwar unter der schönsten und herrlichsten Verheißung, daß sie bitten sollten in seinem Namen, so würden sie das empfangen, daß ihre Freude vollkommen sei, er nun zulezt zu ihnen sagt, Solches habe ich zu euch geredet, daß ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber ihr möget immer getrost sein, denn ich habe die Welt überwunden. Nur dies kann uns zuerst, wenn wir näher in das einzelne gehen, auffallen, daß der Herr zu seinen Jüngern sagt, Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen, und dann | erst die Aufforderung wiederholt, Bittet, so werdet ihr nehmen, daß eure Freude vollkommen sei. Dies beides kann uns auf einen Augenblikk in Verwunderung sezen. Wenn der Herr zu ihnen redet, Bittet, so werdet ihr nehmen, daß eure Freude vollkommen sei, vorher aber sagt, Ihr habt noch nichts gebeten in meinem Namen: so war also auch bisher ihre Freude noch nicht vollkommen gewesen. Und wie lange mag es wol her gewesen sein, wir mögen nun an die Nachricht die uns der Evangelist Matthäus davon giebt, oder an die des Lucas denken, so war es doch schon geraume Zeit, daß die Jünger ihn gebeten hatten, er möchte sie beten lehren, und daß er ihnen das Gebet, welches alle Christen als den Inbegriff aller Gebete verehren, mittheilte; und doch sagt er ihnen, sie hätten noch nichts gebeten in seinem Namen. Wie doch m. g. F. sollen wir das verstehen? Der Zusammenhang ist aber gewiß dieser. In jenem Gebete des Herrn ist freilich von nichts anderem die Rede als von dem was der Gegenstand alles Verlangens, aller Wünsche und aller lebendigen Bestrebungen und Thätigkeiten der gläubigen sein soll, nämlich von dem Reiche Gottes; von Anfang bis Ende handelt es von nichts anderm, und die Bitte, Dein Reich komme, ist gleichsam der Mittelpunkt aller andern. Von diesem Reiche Gottes hatte der Herr in der Folge beständig zu allen und besonders zu den seinigen geredet, und es ihnen empfohlen und ihnen ihren großen Beruf in demselben vorgehalten; doch dabei hatte er es auch bis jezt bewenden lassen; aber er hatte ihnen das Reich Gottes noch nicht auf ihre eigene Seele gebunden, sie waren noch nicht zu der Thätigkeit verpflichtet gewesen, welche sie ausüben sollten um das von ihm angefangene Werk der Verkündigung seines Wortes und der Sammlung seiner Heerde selbst weiter zu führen; sondern das alles war bisher seine Sorge gewesen, sie 21–24 Vgl. Mt 6,5–8; Lk 11,1 24–25 Gemeint ist das Vaterunser in Mt 6,9–13 und Lk 11,2–4. 31–32 Mt 6,10; Lk 11,2
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aber hatten nur von | ihm empfangen, ihre Seelen fest an ihn gebunden, und sich von ihm genährt. Auch das war freilich eine große Freude, aber doch nicht die vollkommene. So mögen wir auch jezt von uns sagen, daß das stille Leben der Seele mit Gott und dem Erlöser, das Empfangen aus seiner Fülle allerdings eine große, reine, herrliche Freude ist; aber die vollkommene Freude ist zugleich nur im Wiedergeben, im Wirken und Handeln in seinem Namen und Geiste, in dem Zeugniß welches der Geist selbst uns in unserm Herzen giebt, daß wir nicht nur für uns selbst Kinder Gottes sind, sondern auch treu in dem Hause Gottes, wie seinen Kindern geziemt. Und darum sagt der Herr, ihre Freude sei bisher noch nicht vollkommen gewesen; und indem er von ihnen scheiden will, so weiset er sie darauf hin, daß nun erst die vollkommene Freude für sie beginnen werde, und stellt ihnen ihren Zustand nach seiner Entfernung von der Welt als einen herrlicheren dar als den, in welchem sie bisher mit ihm gewesen wären. Wie er vorher zu ihnen gesagt hatte, Es ist euch gut, daß ich hingehe; denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch, so ich aber hingehe, will ich ihn zu euch senden: so sagt er auch hier gleichsam mit andern Worten, Es ist euch gut, daß ich hingehe, denn so ich nicht hinginge, so würde eure Freude niemals vollkommen sein; ihr würdet zwar immer von mir empfangen, ihr würdet zwar immer in mir die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater schauen, und euer Herz würde sich immer noch stärken und freuen: aber die vollkommene Freude in lebendiger Thätigkeit für das Reich Gottes, in inniger Sorge um die Fortsezung meines Werkes, in thätigem Leben aus eurem Innern heraus, die würdet ihr nicht haben. Aber damit sie nicht auf sich selbst rechneten, und sich selbst das nicht zuschrieben, so weiset er sie darauf oder fordert sie auf, sie sollten den Vater bitten in seinem Namen; und | wenn sie den Vater bäten, so würden sie das empfangen, daß ihre Freude vollkommen sei. Und das m. g. F. ist wieder dasselbe mit jenem frühern. Denn es ist eben die Mittheilung des göttlichen Geistes, von welchem der Herr sagt, er werde den Vater bitten, daß er ihnen denselben sende, durch welche der Mensch in den Stand gesezt wird diese vollkommene Freude zu haben im Dienste Gottes und seines Reiches, und in seliger Zufriedenheit mit Gott und seinen Führungen, in ungestörter Ruhe eines ihm völlig treuen und ergebenen Herzens zu leben. Wenn er aber sagt, Bittet in meinem Namen, und so ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er es euch geben, und dadurch werdet ihr das empfangen, daß eure Freude vollkommen sei: so legt er eben dadurch seine ganze Sorge für das Reich Gottes auf Erden, welches er gekommen war zu gründen in der Welt, auf ihre Seelen. Den Vater bitten 7–8 Vgl. Röm 8,16 9 Vgl. Hebr 3,6 30–31 Vgl. Joh 14,16
15–17 Joh 16,7
20–21 Vgl. Joh 1,14
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in seinem Namen, das heißt also in seiner Angelegenheit, mit seinem Geiste und Sinn, mit demselben Eifer für den Willen des Vaters im Himmel, mit derselben hingebenden Liebe zu den Menschen, mit derselben Richtung des ganzen Gemüthes auf das eine was noth thut, daß das Reich Gottes durch den Dienst der seinigen in der Welt immer mehr aufkomme; so auf Gott sehen, und so ihm selbst die Sache seines Reiches an das väterliche Herz legen, das heißt den Vater bitten in seinem Namen. Und so mögen wir sagen, wer so bittet, der empfängt gewiß, so gewiß als das Reich Gottes nicht untergehen kann und durch keine Gewalt des bösen jemals untergehen kann, eben so gewiß als es die allmächtige Weisheit und Liebe ist die alles ordnet und leitet; und ein Gemüth welches so bittet, den liebevollen Willen Gottes erkennend und vom Geiste Gottes erfüllt, empfängt jedesmal das was es bittet; wenn auch nicht immer | im einzelnen das wovon das Herz bewegt gewesen ist, wenn auch nicht immer die bestimmte Erfüllung eines einzelnen Wunsches, so haben wir doch das bestimmte Gefühl in unserm Herzen, daß Gott der Herr für sein Reich auf Erden sorgt und sein Reich auf Erden kommen läßt; und durch das Gefühl der Befriedigung, welches der Herr damit verbindet, muß die Freude unsers Herzens immer vollkommener und immer wirksamer werden. Darum sagt der Erlöser auch zu seinen Jüngern, An jenem Tage, nämlich an dem von welchem er zuvor schon geredet hat, wann der Geist der Wahrheit kommen werde und ihn ihnen verklären, wann das beginnen werde, daß sie in seinem Namen den Vater bitten und die Sorge und Thätigkeit für das Reich Gottes aufnehmen würden, erfüllt mit Kraft aus der Höhe, an jenem Tage, sagt er, wann ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, sage ich nicht, daß ich den Vater für euch bitten will. Eben wie er vorher sagt, Ich könnte euch wol sagen, daß ich hingehe euch die Stätte zu bereiten, aber es sind schon viele Wohnungen in dem Hause meines Vaters: eben so sagt er hier, Ich könnte wol sagen, daß ich den Vater für euch bitten will, weil er mich liebt und mein ganzes Herz und alles Tichten und Trachten desselben auf immer und ewig einzig und allein bei dem menschlichen Geschlecht und seinem Heil, bei dem Reiche Gottes auf Erden stehen wird; aber es bedarf dessen nicht, denn der Vater hat euch lieb, und es bedarf von da an zwischen euch und ihm keiner besondern Fürbitte als etwas nothwendiges. Und gerade dies m. g. F. ist es, was der Herr so darstellt und was auch von den Jüngern so aufgenommen wird als wesentlich, und verschieden von seinen bisher größtentheils bildlichen Reden, ein frei heraus verkündigen von seinem Vater, wie auch die Jünger nachher sagen, Siehe, nun redest du frei heraus | und sagest kein Gleichniß; nun wissen wir, daß du alle Dinge weißt und bedarfst nicht daß dich jemand frage; darum glauben wir, 4 Vgl. Lk 10,42
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daß du von Gott ausgegangen bist. Wenn wir nun diese Rede der Jünger recht betrachten, so bekommen wir dabei die Empfindung, als ob nun eine lange und alte Sehnsucht in ihnen wäre vollkommen befriedigt worden, als ob sie das nun erst gefunden hätten in den Reden und Aeußerungen des Herrn, was sie bisher vergeblich gesucht hatten. Und darum ist es der Mühe werth, daß wir fragen, was ist denn das? Zweierlei ist es; einmal daß der Herr sagt, Der Vater hat euch lieb, darum daß ihr mich liebet und glaubet daß ich von Gott ausgegangen bin; und zweitens, daß er ihnen das bestätiget mit ausdrükklichen Worten, Ja so ist es, ich bin vom Vater ausgegangen und gekommen in die Welt; wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater. Wie könnten wir anders m. g. F., als darin den Jüngern des Herrn aufs lebhafteste beistimmen? Darin ist die rechte Befriedigung des menschlichen Gemüths; das ist es was es immer sucht und für sich selbst nicht finden kann, die Ueberzeugung von der Liebe Gottes als des himmlischen Vaters zu uns allen als seinen Kindern. Aber was sagt der Herr? Der Vater hat euch lieb, darum daß ihr mich liebgewonnen habt, und daß in eurem Gemüthe der Glaube aufgegangen ist, ich sei von Gott ausgegangen; das heißt also, wie wir es auch sonst und öfter ausgedrükkt finden, der Vater liebt uns in dem Sohne, und will auch nur geliebt sein in dem Sohne. Das ist der Grund seiner Liebe zu uns, dieser eigenthümlichen väterlichen Liebe zu denen welche seine Kinder sind in Christo, das ist der Grund seiner Liebe, daß wir den Sohn lieben und glauben daß er von Gott ausgegangen ist. Sehet da m. g. F., wenn der Apostel Paulus in seinem Briefe an die Römer sagt, die Menschen könnten von Natur | wissen, daß ein Gott sei, Gott habe es ihnen offenbaret, sie könnten seine ewige Kraft und Gottheit wahrnehmen an den Werken der Schöpfung; und wenn hier der Erlöser selbst sagt, und seine Jünger nach ihm es in ihrer öffentlichen Verkündigung des Evangeliums und in ihren Briefen auf mannigfaltige Weise wiederholen, daß der Vater uns lieb habe, weil wir den Sohn lieben und an den Sohn glauben: so sehen wir, wie zwei verschiedene Dinge das sind, die natürliche Erkenntniß des Menschen von Gott, wenn sie auch nicht verfälscht ist zu Wahn, zu Abgötterei und Gözendienst, und die Erkenntniß Gottes in Christo; die natürliche Empfindung des menschlichen Herzens von Gott, wenn es die ewige Kraft und Gottheit wahrnimmt an den Werken Gottes in der Schöpfung, und das kindliche Gefühl dessen der ein Kind Gottes ist durch Christum. Jenes hätten die Menschen haben können, wenn der Sohn des Vaters auch nicht in die Welt gekommen wäre; aber eben weil sie nur dies hätten haben können so wie sie damals und ursprünglich ausgestattet waren von Gott, so war es natürlich, daß es damals in einem hohen Grade verloren ging. Dieses aber, das kindliche Gefühl, das natürliche 24–27 Vgl. Röm 1,19–20
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Verhältniß zu Gott, wie es uns durch Christum gegeben ist, das können wir nur in Christo und durch Christum haben. Aber eben weil wir es haben können, kann unsere Freude vollkommen sein, ist in der lebendigen Ueberzeugung von der Liebe Gottes zu uns in Christo seinem Sohne das Herz vollkommen gestillt und befriedigt, wir haben nun, wie er nachher sagt, in ihm Frieden. Nämlich wir haben Frieden als solche die in ihm sind. Als solche die in der Welt sind, haben wir freilich Angst, Noth und Trübsal; aber als solche die in ihm sind, haben wir die Gewißheit, daß er die Welt überwunden hat, und deshalb Frieden in ihm und mit ihm. Und das m. g. F. ist eben der Grund, warum in der na|türlichen Erkenntniß des Menschen von Gott, wie sie war und sein konnte abgesehen von der Offenbarung Gottes in Christo, eine vollkommene Befriedigung des Herzens nicht ist und nicht sein konnte. Denn freilich erkennen wir in der Welt die unendliche Macht und die ewige göttliche Kraft, die alles hervorgebracht hat. Aber weil der Mensch in diesem menschlichen Leben immer zu ringen hat mit Noth und Trübsal, welche nicht nur ausgeht von seinem Streit mit den Dingen und Kräften dieser Welt und von seiner natürlichen Unvollkommenheit sich dieselben zu unterwerfen, sondern noch viel mehr von dem was aus dem menschlichen Herzen selbst hervorgeht, aus allen den argen Gedanken die auf diesem Boden keimen; weil der Mensch aus diesem zwiefachen Grunde und aus dem leztern am meisten in der Welt Noth und Trübsal hat: so kann er auch auf diese Weise von der natürlichen Erkenntniß Gottes aus nicht zu dem rechten Frieden in Gott kommen, sein Herz kann dadurch nicht gestillt werden. Wer aber in Christo geschaut hat die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater; wer theilhaftig geworden ist des Geistes, der nachher Zeugniß giebt seinem Geiste in der innersten Tiefe des Herzens, daß er ein Kind Gottes sei; wem damit zugleich aufgegangen ist die Freude an dem Reiche Gottes auf Erden und die unauslöschliche Empfindung von der Liebe Gottes, der uns dadurch führen will zu seinem Sohne: der hat die feste Ueberzeugung, daß dieser die Welt überwunden hat und alle Noth und Trübsal die daraus hervorgeht, und darum kann er in der Welt keine Angst mehr haben, sondern in Christo, in der Gemeinschaft mit dem, der von sich gesagt hat und sagen konnte, daß er und der Vater eins sei, ist er auch eins mit dem Vater, und hat Frieden mit dem Vater in dem Sohne und durch ihn. | So bestätigt denn der Herr dieses schöne Wort, nun wüßten sie und glaubten, daß er von Gott ausgegangen sei, und bedürften nicht weiter zu fragen, sondern in der Gewißheit, mit welcher er es ihnen klar hingegeben, wüßten sie es und hätten alles was sie bedürften. Aber eben deshalb weil der Herr alles wußte was in des Menschen Herzen ist, so wußte er auch, wie schwach und unvollkommen sie in diesem 24–25 Vgl. Joh 1,14
26–27 Vgl. Röm 8,16
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Empfangen des Glaubens waren, er wußte was ihnen nur zu bald begegnen würde. Darum sagt er, Jezt glaubet ihr. Aber es kommt die Stunde und ist schon gekommen, daß ihr zerstreuet werdet ein jeglicher in das seine, und mich allein lasset; aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir. Warum m. g. F. behielt denn der Herr das nicht für sich, sondern sagte es seinen Jüngern vorher? Gewiß nicht um ihnen einen Vorwurf zu machen, gewiß nicht um ihnen die Freude über den festen Besiz des Glaubens an ihn zu verkümmern oder zu verkürzen; sondern wie er denn unmittelbar nachher hinzufügt nicht nur in ausschließlicher Beziehung auf die lezte Rede, sondern auf alle frühern, aber diese mit eingeschlossen, Solches habe ich zu euch geredet, daß ihr in mir Frieden habt. So sehen wir, wie er auch hier nichts anderes gewollt hat, als sich der menschlichen Schwachheit mitleidig annehmen, und sie im voraus trösten über das was diese hervorbringt. Denn daß sie nicht immer würden in diesem Zustande bleiben, daß sie zurükkehren würden aus der Zerstreuung, wo ein jeder in das seine ging, daß sie ihn nicht immer würden allein lassen, sondern in der Kraft des Glaubens und der Liebe bald zusammentreten und gemeinschaftlich sein Werk ergreifen, wenn sie erfüllt sein würden mit Kraft aus der Höhe: das wußte er auch. Und wenn er sagt, Solches habe ich zu euch geredet, daß ihr in mir Frieden habt: was ist das für ein tröstliches und köstliches Wort | für uns alle, wenn wir es im voraus wissen, daß wie lebendig auch der Glaube an den Herrn und die Liebe zu ihm in unserm Herzen sein mag, doch bald dieses bald jenes vorkommt, was uns an die Schwachheit und Gebrechlichkeit der menschlichen Natur mahnt, doch in irgend einem Sinne von jedem das geschieht, daß er das eine oder das andere Mal den Herrn allein läßt. Darüber will er uns trösten und dessen vergewissern, daß einem solchen, wenn er den Glauben an ihn festhält und in der Liebe zu ihm verharrt, das alles schon vergeben ist und wieder gutgemacht durch alle frühere Treue; er will uns damit trösten, daß wenn wir ihn auch einmal aus Schwachheit allein lassen, er doch nicht allein ist, sondern sein Vater bei ihm; daß wenn er auch in einzelnen Augenblikken von den seinigen im Stich gelassen wird, wo sie mit ihm wirken sollten, aus allen Kräften und ihm besonders schuldig gewesen wären zu dienen, doch das Reich Gottes nicht untergehen kann, sondern daß dies nur vorübergehende Störungen für dasselbe sind, und daß eben so wenig die einzelnen welche ihm angehören sich von ihm verlieren können, indem jedes gläubige und ihn liebende Herz doch seinen Frieden allein in ihm hat, und also auch bald wieder zu ihm zurükkehrt. Und wie könnte auch unsere Freude vollkommen sein, wie könnten wir uns damit trösten, daß der Herr die Welt überwunden hat, wenn wir nicht die Zuversicht hätten, daß er die Welt in unserm Herzen überwunden hat, daß der Friede in ihm etwas durch die Aeußerungen der menschlichen Schwachheit unzerstörbares ist, daß wenn der Grund gelegt ist worauf die
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lebendige Freude an ihm kann gebaut werden, nämlich der Glaube an ihn und die Liebe zu ihm und zu seinem Werke, dann auch die Wirkungen der menschlichen Schwachheit und des menschlichen Verderbens sich von einer Zeit zur andern immer mehr verringern werden, und der Sieg, den er damit erkämpft hat, daß er die | Welt überwunden, immer schöner und herrlicher sich auch in uns offenbaren wird, so daß wir uns bewußt werden, in ihm und mit ihm auch eins zu sein mit seinem und unserm himmlischen Vater, und die frohe Zuversicht haben, daß er mit dem Vater kommen wird Wohnung zu machen in unserm Herzen. Amen
8–9 Vgl. Joh 14,23
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Am 1. Oktober 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
19. Sonntag nach Trinitatis (Erntedank), 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Eph 4,28 Nachschrift; SAr 115, S. 193–204; Sethe Keine Keine Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am Erndtefest (19. n. Tri.) d. 1. Oktober 1826.
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Tex t. Epheser 4, 28. „Ein jeder schaffe und arbeite mit den Händen etwas gutes, auf daß er habe zu geben dem Dürftigen.“ 5
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M. a. Fr. an einem allgemeinen Tage des Dankes und der Freude, wie wir ihn heute in unsern Gotteshäusern mit unserm ganzen Lande begehen, werden wohl die Meisten ein anderes Wort der Schrift erwartet haben, woraus ein unmittelbarer Ausdruk jenes Dankes und jener Freude hervorgeht; aber wer dem Herrn dankt und seine Gelübde bezahlt, der erneuere auch seine Gelübde; denn aus dem Zusammen|hange, sich dem Höchsten schuldig zu fühlen, soll der Mensch sich nie lösen; und gewiß, wenn wir den Gegenstand des Festes betrachten, werden wir sehen, wie die apostolische Ermahnung mit dem rechten Danke zusammenhängt. Das sei es nun, womit wir uns beschäftigen wollen; erstens, daß wir uns darüber verständigen, welches der Gegenstand unseres Dankes sei, und zweitens, daß wir die Ermahnung, die uns der Apostel giebt, auf denselben anwenden. I. Wenn auf unsern Feldern die Arbeit der Erndte geendet ist, dann pflegen sich die, die Theil daran genommen haben, zu einem freudigen Feste zu vereinen; und gewiß bringt es uns große Freude, wenn es vom Danke zum Höchsten zeugt, doch haben wir dieses Freudenfest zu unterscheiden von diesem Feste des Dankes. Zu jenem vereinigen sich nur die Theilnehmer, und zwar immer nur die, die bei einander wohnen; größer wird allerdings immer ihre Freude sein, wenn sie reichlich geerndtet haben, aber auch bei geringerer Erndte ist die Freude und der Dank nicht entfernt. Hier aber 9 Vgl. Ps 50,14
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vereinigen wir uns zu einem allgemeinen Danke gegen den Höchsten, seitdem schon größtentheils die Zeit der Erndte vorüber ist, und schon neue Hoffnungen auf das künf|tige Jahr aufkeimen, und der Saamen zum Theil der Erde schon wieder anvertraut ist; und es sind nicht die Theilnehmer allein, sondern alle ohne Unterschied, die ihr zeitliches Leben zu fristen haben von dem, was jene durch ihre Hände erworben haben, aber auch alle, möge auch der eine mehr als der andere von Gott gesegnet sein, alle verschiedenen Stände und Geschäfte. Was kann hieraus deutlicher hervorgehn, als daß es nicht das Maas der irdischen Gabe ist, für das wir Gott unsern Dank darbringen; und falsch würden wir die Bedeutung des Festes verstehen, wenn wir glauben wollten, in minder gesegneten Jahren, andere Gedanken und Empfindungen erregen zu müßen in dem einen und dem andern Falle; nein! nicht ist es das größere oder geringere Maas, sondern der Dank für das Geschäft des Ackerbaues, der unser Leben fristet, und für den Segen, den er uns gewährt. Und es bedarf nur weniger Kenntniß von den menschlichen Angelegenheiten, um das einzusehen, daß die Arbeit der Hände des Menschen an dem mütterlichen Boden, daß die regelmäßige Zeit des Säens und der Erndte, die Quelle aller menschlichen Ordnungen, alles Wohlstandes, alles regelmäßigen Ge|brauchs menschlicher Kräfte ist. Zwar wenn wir zurükgehn auf die ersten Erzählungen von den Anfängen des menschlichen Geschlechts, so könnte es scheinen, als ob der Herr dem Hirten gewogener gewesen sei als dem Ackersmann; aber die Sünde ist nicht hervorgegangen aus dem Gebot, der Mensch solle Macht haben über alle Kräfte, sondern, wie die Schrift sagt, sei ein Theil des Segens durch die Sünde zurükgenommen. Selbst unter dem Volke, das uns in der Zeit des alten Bundes dargestellt wird als besonders gesegnet von Gott, gab es nicht eher einen Gesetzgeber, als das Volk die Aussicht hatte, einen Boden in Besitz zu nehmen und zu bebauen; wo die Menschen dahin noch nicht gelangt sind, da giebt es keine zweckmäßige Vertheilung der Arbeit, keinen äußerlichen Wohlstand, da giebt es keine rege Entwickelung der menschlichen Kräfte, da giebt es eben so wenig eine innere Entwickelung der geistigen Kräfte, und ein geistiges Wohlbefinden. Dahin muß der Mensch gekommen sein, daß er den Kräften traut und von ihnen Nutzen zieht die Gott in den Boden gelegt hat, dann erst entstehen menschliche Geselschaften, dann erst entstehen Gemeinschaften, und dann erst kann die Kraft der götlichen Liebe wir|ken. Je weniger freilich die Menschen von diesem Punkt aus fortschreiten, und je mehr sie das wichtige Geschäft des Ackerbaus wenigen überlassen, je langsamer ist das Fortschreiten und die Entwicke7 eine] eine, 21–22 Vgl. Gen 4,4–5 34 Vgl. Gen 1,11–12
23–24 Vgl. Gen 1,28
24–25 Vgl. Gen 3,17–19
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lung der Kräfte; aber wo es dahin kommt, daß die nicht mehr die Mehrzahl bilden, die das Land bebauen, und sich der größere Theil andern Beschäftigungen widmet, es bleibt der Ackerbau doch immer die Stütze, worauf alle Entwickelung der menschlichen Kräfte mit Sicherheit ruhen kann. Vergleichen wir diese Zustände, so müßen wir bekennen, das ist ein großer Gewinn, der uns daraus entsteht, denn denken wir uns die Bebauung der Erde hinweg, so bleibt der Mensch ein Kind der Sorge und abhängig vom regellosen W[alten] der Natur; hat er sich aber einmal des Bodens bemächtigt, und pflegt ihn, so ist er ein edler Sohn der Arbeit, es verschwindet die Abhängigkeit vom Zufalle. Wenn wir nun das nicht leugnen können, so muß das unsere gemeinsame Ueberzeugung sein, o so sehen wir es ja, wenn wir jährlich, nachdem der Kreislauf der Arbeit geschlossen ist, und wenn sich neue Aussichten eröffnen, Gott für den ruhigen Fortgang der menschlichen Dinge unseren Dank darbringen, wir können | es nicht anders thun als durch dies zweifache Gelübde, daß wir fortfahren wollen Söhne der Arbeit zu sein, und daß wir den Dürftigen geben wollen, was wir zu geben haben. II. Ja anders möge es nie sein und anders soll es auch nicht sein, als daß der Mensch bleibt ein Sohn der Arbeit; und das ist ein beständiges Zeugniß über das menschliche Leben auf Erden, daß, ist es köstlich gewesen, es voll Mühe gewesen ist; und jemehr wir uns von dem lezten losmachen wollten, desto mehr würden wir das köstliche verlieren. Der Herr selbst stellt uns einmal, als sich einige an ihn drängten, und wünschten er solle sich in ihre Angelegenheiten mischen, da stellt er einen dar, dessen Feld wohl getragen hatte, der gedachte bei sich selbst; was soll ich thun, ich habe nicht, da ich meine Früchte hinsammle; ich will meine Scheunen abbrechen, und größere bauen, und darin sammlen alles, was mir gewachsen ist und meine Güter; und will sagen zu meiner Seele: „liebe Seele, du hast einen großen Vorrath auf viele Jahre, da habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Muth.“ Aber der Herr sprach zu ihm: „du Narr diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern, und was wird’s sein, was du bereitet hast.“ Ein großes und | wahres Wort ist das, in welches die oberflächliche Betrachtung nicht dringt! Denn wenn der Mensch fortgeht fröhlich in seiner Arbeit, so entsteht ihm dadurch ein Bewußtsein, das über die Vergänglichkeit erhaben ist, je mehr er sich aber los machen will von der Arbeit, je mehr tritt ihm die Stimme des Herrn entgegen, und zeigt ihm seine Thorheit; wehe dem, der sich durch den Segen des Herrn wollte verleiten lassen, der Arbeit Lebewohl zu sagen, 8 W[alten]] W[ ] 20–22 Vgl. Ps 90,10
23–32 Vgl. Lk 12,13–21
34–35 Vgl. PredSal 3,22
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wenn er es nicht mehr nöthig zu haben glaubt! Wer wollte es leugnen, daß dadurch nichts Gutes entsteht; denn der, der arbeitet nicht um der Noth willen, sondern um des Gewissens willen, das ist der Weise, der auch mit Ruhe an das Vergängliche denken kann, der sich aber los machen will von der Arbeit, das ist der Thor, der sich erniedrigt zu dem Vergänglichen und der, wenn er sich besinnt, auch keine Empfindung haben kann als die der Vergänglichkeit und Thorheit. Und wenn wir einen großen Theil der menschlichen Geschichte fragen, wie viel Beispiele davon, daß eine rauhe, herschsüchtige Geselschaft von Menschen über ein friedliches Volk herfällt, es sich unterwirft, sich zum Herrn macht über den Boden, und nun die, die ihn früher bebauten, ihn jezt als Knechte bebauen ließ; und wenn diese nichts anders wollten, als erndten, wo sie nicht gesäet hat|ten, und sich pflegen wollten im Genusse; o wie sehr wird dadurch der Fortgang des menschlichen Heils gehemmt, wie bald verschwindet oder wie langsam erwächst die Entwickelung menschlicher Kräfte; da aber kommt früher oder später die Zeit, wo die, die Gewalt gethan haben, wieder Gewalt leiden müssen. Da freilich entflieht aller Wohlstand, und alle Ordnung eines gesezlichen Zustandes, bis er auf einem bessern Grunde neu erbaut wird. Aber das kann sich nicht besser gründen als dadurch, daß ein jeder in Mühe und Leiden das Wohl der menschlichen Geselschaft bauet, daß sich keiner ausschließet von denen an, die mit ihrer Hände Arbeit dem Gemeinen Wohl schaffen, bis zu denen, die zwar geistig, aber doch mit beständiger Anstrengung ihrer geistigen Kräfte im Schweiße ihres Angesichtes ihr Brodt essen. Ja nur wenn wir Alle Söhne der Arbeit sind, können wir sicher sein des gesetzlichen Zustandes, ja nur wenn wir Alle an dem Joche ziehen, können wir eine feste Zuversicht haben in Beziehung auf das Wohl und das Heil der menschlichen Geselschaft, auf daß das Irdische nur gebraucht werde zum Fortgang des Geistigen, nur unter der Bedingung können wir dem Herrn danken; wenn das | unser Gelübde ist, wenn wir darinn den Grund gefunden haben, daß jeder arbeiten will und schaffen etwas Gutes. Der zweite Theil des Gelübdes ist der, daß alle Arbeit und Mühe darauf gewendet werde, die regelmäßige Ordnung unter den Menschen zu erhalten. Gott der Herr hat die Menschen, wohl wissend, was für ein gebrechliches Wesen sie sind, auf das Innigste verbunden durch ein geheimes Band, das wir in allen Verhältnißen erblicken; es ist ihr gemeinsames Loos, daß sich aus der natürlichen Gleichheit eine große Ungleichheit entwickelt; und in dieser, wenn nicht die menschliche Seele ihr natürliches Gleichgewicht verloren hat, waltet die Kraft der Liebe, um immer wieder eine Annäherung an die Gleichheit hervorzubringen; diese Ungleichheit aus der Gleichheit und diese Gleichheit aus der Ungleichheit ist das geheime götliche Band der Liebe, und sie zeigt sich in dem Maaße, als wir uns erfreuen der Arbeit; 12 Vgl. Lk 19,21–22 sowie Mt 21,26
23 Vgl. Gen 3,19
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der äußere Unterschied bleibt freilich immer und tritt auch ganz vorzüglich vor Augen, der Arme steht neben dem Reichen, der Ohnmächtige neben dem Starken; aber dem Himmel sei Dank, der größte Theil sind die, die im|mer mit einer Ruhe auf das ihnen von Gott bereitete Loos hinsehen. Wenn wir nun fragen: wen nennen wir reich? so werden wir antworten müßen: nicht den, der Alles, was in seinen Kreis hineintritt, zu seinem und anderer Menschen Besten in Bewegung zu setzen sucht; der giebt uns nicht den Anblick des Thoren, und des unthätigen Ueberflusses sondern den nennen wir reich der nicht weiß was er mit dem Ueberfluß anfangen soll, dem also das was er hat zu viel ist für seine Kräfte wie nun auch wieder der Dürftige der ist, der die Ungewißheit hat, ob er immer zu arbeiten hat. Wie denn auch die menschliche Ordnung die Richtung nimmt, daß so wenig als möglich reich sind in diesem Sinne, so kann sich unsere Liebe am Besten zeigen darinn, daß wir den Dürftigen mittheilen, auf daß sie Gelegenheit haben zu arbeiten. Ist nun in jedem Jahre der Segen des Bodens auch eine Gewährleistung für die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, so ist er auch eine Quelle, daß einige reich werden, andere dürftig, so können wir ja Gott nur unsern Dank bezahlen durch den Vorsatz, von dem Unsrigen, wenn wir uns dem Reichthum nähern, mitzutheilen dem Dürftigen. Aber wenn wir sagen müßen, der Grund zu dem Segen des Ackerbaus liegt in der Fruchtbarkeit der Erde, | aber auch in den körperlichen Kräften, und denen des gemeinen Verstandes, die Gott in den Menschen gelegt hat, diese selbst aber hängen ab von der weisen Ordnung der Erziehung in der menschlichen Geselschaft, wir finden aber auch eine Gewalt in der Ordnung der Natur, die uns unserer Ohnmacht zeiht. Wie könnten wir diese Betrachtung nähren, ohne daran zu denken, wie auch der Erlöser wohlthätig auf die leiblichen Kräfte der Menschen wirkte, und wie er durch seine Wunderkraft die, welche mit ihren Kräften nicht arbeiten konnten, wieder in den Zustand der Thätigkeit versezte. Als der Herr einst einen, der sich ihm deshalb näherte, mit einer höhern Versicherung entließ, und die Anwesenden darüber ihr Erstaunen an den Tag legten, sprach er: was ist höher, gehe hin deine Sünden sind dir vergeben? oder: stehe auf und wandle? Steh auf und wandle, so sprechen wir Alle, insofern wir den Dürftigen helfen; wenn aber etwas höheres ist: „gehe hin, deine Sünden sind dir vergeben,“ wie | sollten wir heute nicht daran denken, daß wir auch hierinn ihm nachfolgen sollen, wie er sagt: „wem ihr die Sünden behaltet, dem sollen sie behalten sein, wem ihr sie vergebet, dem sollen sie vergeben sein.“ Das aber können wir nur, wenn wir danach trachten, daß die Quelle der Sünde immermehr verstopft werde; so laßt uns, indem wir dem Herrn danken, unser Gelübde mit dem Entschluße krönen, daß, wie der Herr das Vergeben der Sünde für 29–32 Vgl. Mt 9,1–8; Mk 2,1–12; Lk 5,17–26
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einen vorzüglichen Theil seines Berufs hielt, und auch selbst sagt: „stehe auf und wandle,“ so müßen auch wir Gott danken, wenn das unsere Arbeit ist, überall der Sünde entgegenzutreten mit der vergebenden Kraft, die der Herr den Seinen mittheilt. So überall das Irdische und Geistige in einander binden, so den Himmel auf die Erde versetzen, was heißt das anders, als das ewige Leben hierherpflanzen, das der Herr denen verheißen hat, die an ihn glauben. Amen.
[Liederblatt vom 1. Oktober 1826:] Am Erndtefeste 1826. Vor dem Gebet. – In eigner Melodie. [1.] Lobe den Herrn den allmächtigen König der Ehren, / Lob’ ihn, o Seele, vereint mit den himmlischen Chören! / Kommet zu Hauf! / Psalter und Harfe wach’ auf! / Lasset den Lobgesang hören. // [2.] Lobe den Herrn der so väterlich waltend regieret, / Der wie auf Flügeln des Adlers dich schützend geführet, / Der dir gewährt, / Was dich erfreuet und nährt, / Dank’ es ihm innigst gerühret! // [3.] Lobe den Herrn, der dich kunstreich und weise bereitet, / Der dir Gesundheit verliehn und dich freundlich geleitet, / In wieviel Noth / Hat nicht der gnädige Gott / Ueber dir Flügel gebreitet. // [4.] Lobe den Herrn, der in deinem Beruf dich gesegnet, / Der aus dem Himmel mit Strömen der Liebe geregnet! / Denke daran, / Was der Allmächtige kann, / Der dir mit Liebe begegnet! // [5.] Lobe den Herrn, und verkünde des Ewigen Namen! / Alles was Odem hat preise des Heiligen Namen! / Er ist dein Licht, / Seele, vergiß es ja nicht! / Lob ihn in Ewigkeit, Amen. // Nach dem Gebet. – Mel. O daß ich tausend etc. [1.] Dir milder Geber aller Gaben, / Herr dir gebührt Gesang und Ruhm! / Denn alles was wir sind und haben, / Ist nur dein Werk und Eigenthum; / Zu dir steigt unser Lied empor, / O neige gnädig uns dein Ohr. // [2.] Das Saatkorn wird in deinem Namen, / Auf Hofnung in das Land gestreut, / Du schwingst Allmächtiger den Samen, / Dein ist der Erde Fruchtbarkeit: / Du giebst allein zur Arbeit Kraft, / Du bists der das Gedeihen schafft. // [3.] Mild öfnest du den Schooß der Erde, / Du tränkst die Flur von oben her, / Schaffst daß der Halm erquikket werde, / Und machst die Aehre segenschwer; / Du träufelst in dem kühlen Thau / Die Fruchtbarkeit auf Feld und Au. // [4.] So sorgst du stets nach Väter Weise, / Erhälst die Werke deiner Hand, / Giebst allen deinen Kindern Speise, / Beschirmst und segnest jedes Land. / Treu bist du, unveränderlich, / Erbarmest selbst der Bösen dich. // [5.] Solch Lob das wir gerührt verkünden, / Nimm, Vater, gnädig von uns an, / Und laß uns tiefer stets empfinden, / Wieviel du Gutes uns gethan, / Auf daß der Dank für 1–2 Mt 9,5; Mk 2,9; Lk 5,23
6–7 Vgl. Joh 3,36; 6,47
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deine Treu / Ein dir geweihtes Leben sei. // [6.] Und wie du selber nur aus Liebe / Uns schenkest unser täglich Brodt, / So weck’ in uns des Mitleids Triebe, / Zu lindern unsrer Brüder Noth, / Und wie du Reich’ und Arme liebst: / So dien’ auch beiden was du giebst. // [7.] Doch ist nun alles wohl gerathen, / Auf dem Gefild, das wir bestellt; / O reiften auch des Glaubens Saaten, / Auf deines Sohnes Erndtefeld! / Wohl uns wenn er mit Freuden sieht, / Wie ihm der Acker grünt und blüht! // [8.] Drum wollest du dem Feinde wehren, / Wenn er geschäftig Unkraut streut! / Laß sich die Frucht des Wortes mehren / Zu deinem Ruhme weit und breit; / Damit am großen Erndtetag / Ein jeder Garben bringen mag. // Nach der Predigt. – In bekannter Melodie. [1.] Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen, / Der große Dinge thut an uns und allen Enden, / Der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an, / Und jetzo noch zu gut unzählig viel gethan. // [2.] Der ewig reiche Gott woll uns in unserm Leben, / Ein immer fröhlich Herz und edlen Frieden geben, / Woll’ uns in seiner Gnad’ erhalten fort und fort, / Und uns aus aller Noth erlösen hier und dort. // [3.] Lob, Ehr und Preis sei Gott, dem Vater und dem Sohne, / Und auch dem heilgen Geist im hohen Himmelsthrone, / Dem dreimal heilgen Gott, als der im Anfang war, / Und ist und bleiben wird wie jezt so immerdar. //
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20. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 17,1–8 Nachschrift; SAr 65, Bl. 116r–117v; Woltersdorff Keine Nachschrift; SAr 107, Bl. 66r–67v; Crayen Nachschrift; SAr 57, Bl. 38v–46v; Schirmer Nachschrift; SAr 115, S. 204–216; Sethe Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Aus der Predigt am 20. S. nach Tr. 26. Joh. 17 v. 1–8. Das ist der Anfang jenes Gebets unsers Herrn, welches die letzte zusammenhängende Rede ist, die uns der Apostel von ihm auf bewahrt hat unmittelbar vorher ehe er die Stadt verlies und in die Hände seiner Feinde kam. Einzig in ihrer Art; denn wiewol der Evangelist öfter erwähnt daß der Herr die Nächte im Gebet zum Vater zugebracht hat, so ist uns doch nirgends in den Schriften unsers heilgen Bundes ein solches mitgetheilt, und nur noch einmal ist ein lautes Wort daß der Herr mit dem Vater sprach aufbewahrt. Wie es nun damals geschah, nemlich: nicht daß er nöthig hatte den 8–9 nur noch einmal] vgl. den Sachapparat
9 daß] wohl zu korrigieren in das
3–4 Vgl. Joh 17,1–26 6–10 „Denn wiewohl die Evangelisten öfter erwähnen, daß der Herr auch die Nächte zugebracht habe im Gebet zu seinem Vater, so wird uns doch ein solches nicht mitgetheilt u[nd] nur Einmal ist ein lautes und ausführliches Wort des Herrn zu seinem Vater aufbewahrt.“ (SAr 57, Bl. 38v) – „[…] so ist uns doch nirgend in den heiligen Schriften des neuen Bundes ein solches [scilicet: Gebet] mitgetheilt, nur dies ist uns aufbewahrt.“ (SAr 116, S. 205) – „Denn wenn gleich, in den Schrifften des neuen Bundes, öfter erwähnt wird, wie derselbe [scilicet: unser Erlöser] ganze Nächte im stillen Gespräch des Herzens mit Gott – seinem himmlischen Vater – zugebracht – so ist uns doch nirgends ein solches laut ausgesprochenes Gebet von ihm mitgetheilt; so wie es auch, später, nur einzelne an Gott gerichtete Worte sind, die uns die Evangelisten – als laut von ihm ausgesprochen – aufbewahrten.“ (SAr 107, Bl. 66r) – Vgl. zu den Gebeten bei Nacht Lk 6,12; vermutlich Mk 6,46–48; Mt 14,23–25; auch Lk 9,18 (in Zusammenhang mit 9,12); ferner Mk 1,35; zu einzelnen Gebetsworten Mt 11,25– 26; Lk 10,21; Joh 11,41–42; Mt 26,39; Mk 14,35–36; Lk 22,41–42; Mt 27,46; Mk 15,34; Lk 23,34.46
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Vater besonders zu bitten; denn der Vater hörte ihn immer und that ihm seinen Willen, sondern um deren willen die um ihn her standen: so auch hier, damit die Jünger es hörten und um ihnen nun zu zeigen wie sein Herz vom Vater erfüllt war und damit sie dies Gebet für sie aufnehmen möchten als das letzte Zeugniß von sich selbst, und als die letzte Gabe die er ihnen mittheilte. Was wir jezt gelesen haben ist nur der Eingang dieses Gebetes, aber in welchem doch Alles kurz zusammengefaßt ist was der Herr darin aussprechen wollte und hernach mehr ausführt; er trägt seinem Vater eine Bitte vor, daß er ihn verklären soll, und legt zugleich ein Zeugniß von sich selbst ab, als Grund der Erfüllung dieser Bitte. Das sind die beiden Hauptstücke des Ganzen, aber schon in dem ersten Theil ist manches was viel Ueberlegung hervorrufen kann und wovon es nicht ganz deutlich ist was der Herr damit gemeint habe. Zuerst heißt es: „Solches redete Jesus“: (was zurükweisen soll auf seine Rede im 16. Cap.) „und hob seine Augen auf gen Himmel und sprach: Vater die Stunde ist hier, daß du deinen Sohn verklärest auf daß dich dein Sohn wieder verkläre“: – Was meint nun der Herr hier wenn er sagt: daß du deinen Sohn verklärest: offenbar wol dasselbe was er hernach ausführlicher sagt, v. 5: „Und nun verkläre du mich, Vater, bei dir selbst, mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war:“ – Wenn er aber sagt: „daß du deinen Sohn verklärest, auf daß dich dein Sohn auch verkläre“: so scheint das Letzte schon im Widerspruch zu sein mit dem v. 4 „Ich habe dich verkläret auf Erden“: Es muß also das Erste nicht ganz dasselbe sein als das Andre, sondern wenn er sagt er habe den Vater verklärt und doch jenes: verkläre mich, so hat er doch noch eine andre Verklärung vor Augen die dadurch bedingt ist daß der Vater ihn verklärt, und im Zusammenhang damit steht. Was meint er also wenn er sagt: „verkläre mich, auf daß ich dich verkläre, und zwar verkläre mich mit der Klarheit die ich bei dir hatte ehe die Welt war“:? Nun wissen wir (wenn wir auf den Anfang unsers Evangelii zurück sehn, wo der Evangelist davon redet daß das Wort Fleisch geworden, aber auch redet von dem Wort an und für sich selbst, und sagt daß es bei Gott war von Ewigkeit her) daß das die Klarheit war von der der Herr hier sagt, daß er sie hatte beim Vater ehe denn die Welt war: aber konnte denn der Erlöser seinen Vater bitten ihn mit der Klarheit zu verklären? Denn wenn er die gehabt hatte so konnte er sie nicht verloren haben; denn das Wort war immer dasselbe, das Fleischgewordne Wort war dasselbe ewige Wort das bei Gott war ehe die Welt war. Aber wenn der Erlöser ‚ich‘ sagt, so redet er nicht allein von sich als von dem Gottessohn sondern zugleich als von dem Menschensohn d. h. als der ganze Christus als das Fleischgewordne Wort und als solches sagt er „verkläre du mich“: 24 verkläre mich,] zu ergänzen wohl auf daß ich dich verkläre, (vgl. Z. 20–21) 28–31 Vgl. Joh 1,1–18, bes. 1 und 14
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nun wissen wir ja überhaupt daß bei Gott keine Änderung ist und kein Wechsel; hatte also der Sohn Gottes bei ihm eine Klarheit und Herrlichkeit, womit er ihn konnte verklären so hatte er doch eben dieselbe Klarheit und Herrlichkeit auch | schon gehabt ehe die Welt war, wenn er also sagt: „verkläre mich mit der Klarheit“: was konnte er anders meinen als daß die Klarheit die er hatte bei Gott hervortreten sollte in die Erscheinung; nicht bei Gott wollte er verklärt werden denn da hatte er die Klarheit schon, nicht bei sich selbst denn da hatt er sie auch schon, er, der sagen konnte: „was mein ist das ist dein, und was dein ist das ist mein“. Also zwischen ihm und dem Vater gab es keine Herrlichkeit und Klarheit womit er nicht schon wäre verklärt gewesen. Also ist die Bitte keine andre als daß ihn Gott verklären sollte auf Erden, nemlich: durch das Reich Gottes das nun gestiftet werden sollte, welches aber als zusammenhängende Erscheinung davon abhing, daß er den Schauplatz der Erde verlies, und nun seine Jünger von ihm zeugten, wie er ihnen das vorher gesagt hatte. Wenn er also sagt: „Vater die Stunde ist hie u. s. w.“: so sagt er dasselbe was er hernach weiter ausführt, v. 4: „Ich habe dich verklärt auf Erden – und nun“, sagt er, „da ich das vollendet habe so ist nun nichts mehr übrig zu thun als daß du mich verklärest“: Wie konnte aber der Herr sagen daß nun weiter nichts übrig war, da doch sein Tod noch vorlag als Vollendung seines Werks? Wir können das nur auf zweierlei Weise verstehen. Erstens so, daß das was der Herr zu thun hatte er wirklich schon gethan hatte, es war nur übrig daß er litt was ihm von Außen her geschah. Zweitens daß sein Tod schon selbst gehörte zu der Verklärung; weil er die nothwendige Bedingung war dessen daß sein Reich sich gründete und verbreitete, und der Anfang war, einer, von da an unvergänglichen christlichen Gemeinschaft der Seinen. Wenn er nun sagt: „Vater, die Stunde ist hie daß du deinen Sohn verklärest, auf daß dich dein Sohn auch verkläre“: so ist das also etwas Anderes als was er hernach sagt: „ich habe dich verklärt“: und wir müssen diese Worte zusammfassen um den ganzen Sinn dieser Bitte deutlich zu fassen. Wie also hatte er den Vater verkläret? Er sagt: „ich habe dich verkläret auf Erden und vollendet das Werk“: und „ich habe deinen Namen geoffenbaret den Menschen – und sie haben dein Wort behalten“: so wie er auch oft vorher sagt, daß niemand den Vater kennt ohne den Sohn: so hatte er auch noch in seinen letzten Reden den Jüngern gesagt daß wer ihn sähe der sähe den Vater, und so hatte er den Vater verklärt indem er in sich selbst wie in seiner ganzen Erscheinung den Vater darstellte, verklärte, den Menschen die im Stande 20 noch vorlag] SAr 57, Bl. 41r: noch vor ihm lag ; SAr 116, S. 208: noch bevorstand 8–9 Joh 17,10; vgl. ferner Lk 15,31 14–15 Vgl. Joh 15,27; Apg 1,8; ferner Lk 24,48 17–19 Es handelt sich um die Verse 4 und 5. 33–34 Vgl. Mt 11,27; ferner Joh 7,28– 29 35 Vgl. Joh 14,9; ferner 12,45
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waren ihn zu erkennen; das war sein Werk daß die Menschen in ihm erkannten die Herrlichkeit des Vaters, daß sie ihn erkannten als den Abglanz der ewigen Liebe Gottes welche eben seine Herrlichkeit ist: So erkannten sie in ihm Gott, so fielen ihnen indem sie den Sohn erkannten die Schuppen von den Augen daß sie nun erst erkannten wer der Vater sei indem sie den Sohn sahen. Und davon giebt der Herr noch weiter Zeugniß indem er sagt: „das ist das ewige Leben, daß sie dich daß du allein wahrer Gott bist, und, den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen“: vorher hatte er gesagt, v. 2: „wie du ihm Macht gegeben hast“: da stellt er sich also dar als den der das ewige Leben giebt, denn indem er sagt „das ist das ewige Leben daß sie dich erkennen“: so stellt er sich als den dar, der den Menschen alle wahre Gotteserkenntniß so giebt wie sie das ewige Leben in ihnen begründet, und sagt daß das eben sein Werk sei so das ewige Leben zu gründen. Und so hat er denn recht zu sagen daß er den Vater verklärt habe, indem die Gotteserkenntniß hervorgebracht und lebendig geworden war in den Seelen auf solche Weise wie sie sich aus innrer Fülle nothwendig weiter verbreiten mußte durch ihr Zeugniß. Aber wenn er das war der so das ewige Leben gründet, so läßt sich das nicht trennen: durch ihn Gott erkennen, oder in ihm erkennen den Christ, den Gesandten Gottes, den, in dem alle Verheißungen ja und amen sind; Denn wenn wir nun noch | etwas Anderes brauchten als diese Gotteserkenntniß und die dadurch entstandne Liebe zum Göttlichen dann müßten wir Eines andern einer andern Verklärung warten, aber er sagt: „das ist das ewige Leben –“: wir bedürfen also nichts anderes zum Leben als ihn zu erkennen und uns mit ihm zu verbinden im Glauben. Wenn also der Herr sagt: „verkläre mich“; und hernach sagt: „ich habe dich verkläret“: so können wir das nicht anders ansehen als in dem unmittelbaren Zusammenhange des Anfangs und der Vollendung: Der Herr hatte ihn verklärt weil er sein Werk vollbracht, den Menschen seinen Namen kund gemacht hatte, aber nun sollte der Vater den Sohn noch weiter verklären. In denen aber die sein Wort aufgenommen hatten war er schon verklärt, sie hatten durch den Glauben an ihn das ewige Leben das sich nun immermehr in ihnen entwickelte: Nun so meint er, wenn er sagt: „verkläre mich“: die weitre Ausbreitung der Erkenntniß die das Leben ist über das ganze Geschlecht der Menschen; denn indem er hinzufügt: v. 2: „Gleichwie du ihm Macht gegeben hast über alles Fleisch, auf daß er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast“: so meint er nicht die die schon Eins mit ihm waren, sondern Alle die der Vater ihm gegeben für die ganze Zukunft. Wenn wir das hören, können wir da wol einen Unterschied machen und meinen daß Gott nicht Alle bestimmt habe zum ewigen Leben? Wenn er sagt, Gott habe ihm Macht gegeben über alles Fleisch oder über das 1–2 Vgl. Joh 1,14 2–3 Vgl. vermutlich Hebr 1,3 23 Vgl. Mt 11,3; Lk 7,19
19–20 Vgl. 2Kor 1,20
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ganze menschliche Geschlecht, auf daß er das ewige Leben gebe allen die der Vater ihm gegeben, kann es davon eine vollkommne Erfüllung geben anders als daß das ewige Leben Antheil werde Aller? Und wenn wir wissen daß Viele dieses irdische Leben verlassen ohne das Ewige aufgenommen zu haben, so werden wir doch sagen müssen es gehöre zu unserm Glauben daß das ewige Leben endlich durchdringe zu Allen (wenn auch zu Vielen erst nach dieser Zeit) welche er ihm gegeben hat, und er hat ihm eben Alle gegeben, er hat ihm Macht gegeben über das ganze Geschlecht! – Nun aber wenn der Herr weiter sagt: „ich habe dich verkläret“: so bezieht sich das auf das erste Wort: „Vater, die Stunde ist hie“: d. h. also was er persönlich durch seine Erscheinung thun sollte, davon sagt er: „vollendet“: „ich habe deinen Namen ihnen offenbart“: und was aus der Offenbarung geworden sei, das erklärt er, v. 8: „sie haben erkannt wahrhaftig daß ich von dir ausgegangen bin“: – Seht da, das ist also das Werk wovon der Herr selbst sagt der Vater habe es ihm gegeben und er habe es vollendet. Aber läßt sich das zusammenfassen in dem: „die Worte die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben“: so klingt das freilich als ob nun das was der Herr gestiftet, in Worten, in Buchstaben, in Gedanken bestände; aber laßt uns nicht vergessen das Zeugniß des inneren Bewußtseins der Jünger: „Du allein hast Worte des ewigen Lebens“: Ja Worte des Lebens waren es die der Vater ihm gegeben hatte ihm dem Fleischgewordnem Wort, ihm in sofern er das Wort war das ewig bei ihm wohnte – so wie Gott durch das Wort die Welt hervorgebracht und wie ohne dasselbe es kein geistig Leben giebt, so ist es das Wort des ewigen Lebens. Und so ist es dasselbe ob er sagt: „die Worte hab ich ihnen gegeben“, oder, „das ewige Leben hab ich ihnen gegeben, sie haben es in der Erkenntniß daß du allein wahrer Gott, und der Erkenntniß dessen den du gesandt“. Und wenn er das zusammenfaßt und sagt: „sie glauben“: so ist das natürlich der Glaube der thätig ist durch die Liebe, der lebendige Glaube wodurch der Mensch geschickt wird zu jeglichem Werk Gottes: So konnte er sagen: „ich habe ihnen gegeben dein Wort und sie wissen nun und glauben“: – | Und das ist das Zeugniß welches auch wir aus der Erfahrung unsers Glaubens dem Herrn geben müssen: Ja wenn der Mensch das Wort angenommen das der Herr ihm giebt, wenn er sich durch ihn hat ziehn lassen zum Vater, wenn in ihm, ihm alle Verheißungen erfüllt sind, wenn er so das Wort angenommen hat daß dadurch er in uns wohnt so wie er Eins ist mit dem Vater – und auf diese Weise kann ja nur das Wort angenommen sein wenn das Leben aus ihm wirklich in uns ist – dann ist auch der Vater verklärt und dann ist das Werk des Sohns vollendet in jeder einzelnen Seele. Aber daß das weiter gehe von einer Klarheit zur andern, das war es was der Herr vom Vater erbat. Und so mögen wir sagen, die 19–20 Vgl. Joh 6,68 2Kor 3,18
28 Vgl. Gal 5,6
29–30 Vgl. 2Tim 3,17
39 Vgl.
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Vollendung des Herrn in dem Tod, das war der Anfang dieser weiteren Verklärung – und wie der Sohn nichts bitten konnte ohne daß es erfüllt wurde: so ist es wahr geworden daß die Verklärung von da an immer weiter geht; der Sohn fährt fort den Vater zu verklären und der Vater verklärt den Sohn indem er sein Reich immer weiter ausbreitet und indem die Menschen erkennen müssen, daß er der Sohn ist und allein den Vater kennt, und das Wort immermehr angenommen und die Quelle des ewigen Lebens wird in den Seelen! Ja nicht umsonst konnte der Herr seinen Vater bitten in dem Augenblick da er sagen konnte: „das Werk ist vollendet das du mir gegeben“: und wie er sagt: „die Stunde ist da daß du deinen Sohn verklärest“: so müssen wir das anwenden auf das was unmittelbar darauf folgte, nämlich: sein Leiden und Tod; denn es ist wahr geworden daß davon immer der Anfang der Verklärung des Herrn in der Welt ausgegangen ist, denn wenn die Menschen nicht vollständig ihn erkennen durch das Wort, so doch durch die Herrlichkeit und Göttlichkeit seines Todes, erkennen sie den, den Gott gesandt hat und durch ihn den Vater, und erhalten so in der Erkenntniß des Einsseins Gottes und des Sohns Gottes, das Leben. – Sind wir nun die an denen das in Erfüllung gegangen ist, so seien wir auch die, durch die es immermehr in Erfüllung gehe! Ja Laßt uns die sein, die den köstlichen Schatz, zwar in zerbrechlichen Schaalen, aber doch sicher tragen bis an’s Ende, und dazu beitragen daß er immermehr angenommen wird damit auch Andre den Sohn und in dem Sohn den Vater erkennen!
6 Vgl. Mt 11,27
7 Vgl. Joh 14,4
20 Vgl. vermutlich 2Kor 4,7
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21. Sonntag nach Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Röm 15,1 Nachschrift; SAr 115, S. 217–234; Sethe Keine Keine Teil der am 28. Mai 1826 begonnenen Predigtreihe über Gleichheit und Ungleichheit bei der Ausbreitung des göttlichen Worts Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am 21. Sonntage nach Trinitatis d. 15. Oktober 1826. Tex t.
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M. a. F. als wir im Laufe dieses Sommers mit einander das Gleichniß unseres Erlösers von dem, was dem götlichen Worte, wenn es gesäet ist in den Seelen der Menschen begegnet, betrachteten, und zulezt darauf kamen, daß da, wo es gedeiht, doch ein bedeutender Unterschied der Frucht und Fülle zu finden sei; so suchten wir uns zu überzeugen davon, daß die äußere Ungleichheit der Menschen damit nichts zu schaffen habe; von der innern Ungleichheit aber redet der Apostel hier, und über diese haben wir noch nachzudenken; denn wenn es Felder giebt im Reiche Gottes, von denen manche hundertfältig, manche aber nur dreißigfältig tragen, so liegt der Unterschied doch immer mit in den einzelnen Aehren, also in der Verschiedenheit der Menschen, in denen der Saame des götlichen Wortes aufgegangen ist, in Beziehung auf denselben. Wenn nun der Apostel Starke und Schwache gegenüberstellt, so ist das wohl | nicht ganz der Unterschied, aber es stellt doch einen sehr bedeutenden Theil desselben dar. Wir werden dabei uns freilich bescheiden müssen in Beziehung auf die Ursache dieses Unterschiedes, denn wenn wir ihn wahrnehmen, und wollten fragen, woher er kommt, das würde nur eine eitle Neugierde sein, da wir wissen, daß im Reiche Gottes Alles ein Werk der götlichen Weisheit und Liebe ist, aber was uns obliegt und wie wir zu handeln haben bei diesem Unterschiede, das 3–7 Vgl. die Predigten in den Hauptgottesdiensten am 28. Mai, 11. Juni, 25. Juni und 9. Juli 1826 7–8 Vgl. die Predigten in den Hauptgottesdiensten am 23. Juli, 6. August, 20. August und 3. September 1826 10–11 Vgl. Mt 13,23
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muß jeder sich vorhalten, und so sei dies der Gegenstand unserer gemeinsamen Betrachtung. Der Apostel redet also von den Pflichten der Starken gegen die Schwachen im Reiche Gottes; wir werden nun, um seine Belehrung recht zu verstehen, uns erstens darüber einigen müßen, welche er die Starken und welche er die Schwachen nennt, zweitens uns zu überzeugen haben, welches die Forderung sei, welche er in Beziehung auf den Unterschied darstellt. I. Wenn wir fragen, welche nennt der Apostel Starke und welche Schwache, so können wir das nur zunächst aus dem ganzen Zusam|menhange dieser seiner Rede verstehen, wir finden nemlich im vorigen Capitel seine Meinung deutlich ausgesprochen, wenn er sagt: „den Schwachen im Glauben nehmet auf und verwirret die Gewissen nicht“ und so sehen wir denn, es sind die Starken im Glauben auf der einen, und die Schwachen im Glauben auf der andern Seite, von denen er reden will. Dem fügt er hinzu, „einer meint er möge essen allerlei, der andere aber isset Kraut.“ Und das waren nun eben jene Verhältniße im christlichen Leben der damaligen Zeit, worinn er die Stärke und Schwäche erkennt; nemlich sowohl im jüdischen Gesetz, als auch in der Frömmigkeit der heidnischen Völker gab es eine Menge von äußern Vorschriften, durch deren Befolgung sich die Menschen des götlichen Wohlgefallens erfreuen wollten; der Apostel aber sagt: solche äußern Gesetze waren Zuchtmeister für die Menschen als sie den Glauben noch nicht hatten, als aber der Glaube kam sollte das vorüber sein, daß sie unter das Gesetz gethan waren. Wenn nun also viele Christen, ohnerachtet sie die Kraft des Evangeliums erfahren hatten zu gleicher Zeit dem äußern Gesetz folgten, | und sich hüteten vor manchem, wovon doch ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Leben aus Gott nicht einzusehen war; so nennt er diese die Schwachen, die aber, welche, nachdem sie die eine Stütze gefunden hatten, alle die schwachen und gebrechlichen Stützen wegwarfen, die nennt er die Starken. Es kann uns aber wundern, daß er den Unterschied gerade so bezeichnet; denn wir müssen gestehn, es gehört doch eine gewisse Stärke dazu sich dessen zu enthalten, dessen andere sich bedienen; und gehört auch nicht Stärke dazu, immer eine Menge äußerer Vorschriften gegenwärtig zu haben, und sich bei jeder Gelegenheit danach zu richten; so also sollte man denken, er müßte die stark nennen, die so ihre Kräfte prüfen und üben, die andern aber schwach. So mögte es sein, wenn hier von einer Stärke und Schwäche des Menschen die Rede wäre, die ihren Grund hätte in ihm selbst; aber wenn der Apostel sagt: „wir, die wir stark sind,“ so meint er nicht eine Kraft des natürlichen Menschen, denn er hatte 12–13 Röm 14,1
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sich des allen entschlagen, und wußte, daß er Alles vermogte in dem einen, der ihn stark machte. Stark | also im Glauben die einen, und schwach im Glauben die andern, das meint er; und nur indem wir uns mit ihm auf denselben Standpunkt versetzen, werden wir kein anderes Urtheil fällen als das seine. Denn was war das Halten der einzelnen Gesetze anders, als daß sie das alte Leben noch nicht ganz ausgelöscht hatten, sondern noch immer von demselben Gedanken eingenommen waren, welchen sie doch mit dem alten Menschen hätten ausziehn sollen, um ganz in der Kraft des neuen zu leben! Die aber, die dem Alten ganz hatten den Abschied gegeben, und nur begehrten, im Glauben an den Herrn das Herz zu befestigen, die die ganz erfüllt waren von der Wahrheit, daß der Mensch durch nichts anderes als durch den Glauben, Gott könne wohlgefällig werden, und daß nur dies hochzeitliche Kleid ihn würdig mache, in sein Reich einzugehn, für die hatte das Alles, was früher die Regel ihres Glaubens gewesen war, keinen Werth mehr, und eben weil sie sich auf nichts gründeten als auf diesen einen, so nennt er sie die Starken im Glauben. Für uns sind frei|lich jene Verhältnisse und Zeiten nicht mehr, wir kommen nicht aus irgendeinem andern Gesetz der Frömmigkeit in die Gemeinschaft der Christen, aber doch müßen wir gestehn, daß es in demselben Sinn noch Starke und Schwache im Glauben giebt. Jezt nemlich verhält es sich so, daß wenn wir auch nicht aus irgendeiner andern frommen Gemeinschaft und Glaubensweise erst in die Kirche Christi gelangen, so ist doch das das allgemeine Geschick der Menschen, daß, ehe die Regungen des neuen Lebens in ihnen entstehen können und fest werden, ihnen von Außen her Gesetze und Vorschriften gegeben werden müssen, damit die Gemüther vorbereitet werden auf den Glauben, und daß wenn er kommt, er weniger feindselige Kräfte vorfindet. Wenn denn der Glaube auch wirklich in ihrem Gemüth aufgegangen ist, und das Wort Wurzel gefaßt hat, wie sollten wir danach nicht Starke und Schwache im Glauben zu unterscheiden vermögen! Die nemlich, die es dahin gebracht haben, daß sie sich allein auf die Kraft Christi, auf das Leben in ihm verlassen, die sind die Starken im Glauben; | die aber, die noch irgendetwas anderes bedürfen, nicht sowohl um das neue Leben zu kräftigen – denn dazu giebt es nichts anderes – als vielmehr daß sie nur von Außen her in gewisse Schranken gehalten würden, die werden die Schwachen sein. Wer nun mag sich das Wort des Apostels aneignen? wir, die wir stark sind? Wir evangelische Christen können freilich Gott nicht genug dafür danken, daß wir zu einer Gemeinschaft gehören, die es von Anfang an ausgesprochen hat, daß sie sich nur verläßt auf die Gerechtigkeit durch den Glauben an Christum, und nur von dem Alles erwartet – uns gegenüber steht eine größere Zahl von Christen, von welchen wir sagen müßen, daß, außerdem 1–2 Vgl. Phil 4,13 7–9 Vgl. Kol 3,9–10; Eph 4,22–24 13 13–15 Vgl. Phil 3,7–8
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daß sie das für das wichtigste halten, daß der Glaube thätig sei durch die Liebe in der Gemeinschaft der Christen, sie doch noch hinzufügen die Nothwendigkeit des Gehorsams in äußern Dingen, und daß sie deshalb festhalten am Buchstaben äußerer Gesetze, als ob sie an dem einen noch nicht genug hätten. Wir müssen es bekennen, indem wir ihm die Ehre | geben, der allein mächtig ist in den Schwachen, im Vergleich mit diesen sind wir die Starken im Glauben, die die Gebrechlichkeit der Schwachen tragen sollen. Aber betrachten wir nur die Gemeinschaft der evangelischen Kirche für sich, finden wir da auch nicht denselben Unterschied wieder? ja laßt uns nur andere Worte setzen; giebt es nicht so viele Gegenstände, die die Einen sich ohne Bedenken gestatten, aber die andern hüten sich davor, giebt es nicht so vieles, worüber verschieden gedacht wird? giebt es nicht aehnliches in der evangelischen Kirche wie dort, daß es auch hier noch viele Christen giebt, die auf äußere Werke halten? giebt es nicht viele, welche sich selbst mancherlei Strenge und Zucht auferlegen? nicht daß sie meinten, daß die Entbehrungen an und für sich einen Werth hätten, sondern daß sie sich üben müßten zu dem was ihnen bevorstehen könne im Dienst des Herrn. Alle diese auch die lezten sind nach dem Worte des Apostels Schwache im Glauben, denn wenn wir uns in der That auf Christum verlassen, und das Leben, welches er in uns führt, nachdem wir mit ihm auferstanden | sind, so kann es uns nicht in den Sinn kommen, uns äußere Regeln und Vorschriften zu machen; denn wir wollen uns diese eine Kraft diese götliche Einheit nicht zersplittern, sondern wir sind des gewiß: lebt Christus in uns, so sind wir in jedem Augenblick dem zuwider, was sich mit diesem Leben nicht verträgt, auf der andern Seite aber werden wir, wie er in Liebe das ganze äußere Leben umfaßte, und sich nicht zurükzog, so werden wir auch darauf trauen, daß wenn wir mit derselben Liebe dreist ins Leben hineingehn, so wird er uns geistig so nah und gegenwärtig sein, wie der Apostel sagt, daß er sich unter die verschiedensten Menschen gemischt und ihr Leben getheilt habe; ja wenn wir uns darauf allein verlassen, daß er mächtig ist in uns Schwachen, mit seinem Geiste bei uns ist, so wissen wir, daß wir in jedem Augenblick etwas zu thun haben in seinem Reich, etwas zu handeln haben mit dem uns von ihm anvertrauten Pfund, und so werden wir es weder als nothwendig, noch als möglich fühlen, außerdem etwas zu thun, daß wir stark sind in einer Stunde der besondern Thätigkeit oder Versuchung, sondern wie der Herr nicht wollte, daß | die Seinen sich vorbereiten sollten auf das, was sie sagen wollten auf die versuchenden Fragen, die ihnen würden gethan werden, sondern der Geist würde sie leiten; so werden auch wir im rechten Vertrauen auf seine Hülfe es ihm nachrühmen 1–2 Vgl. Gal 5,6 6 Vgl. 2Kor 12,9 20 Vgl. Gal 2,20 13 29–30 Vgl. 1Kor 9,20–22 30–31 Vgl. 2Kor 12,9 36–38 Vgl. Mt 10,19–20; Mk 13,11
20–21 Vgl. Kol 2,12– 32–33 Vgl. Lk 19,13
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können, daß wir nie über unser Vermögen versucht werden; denn der Geist wird uns die Kraft geben gerade in dem Augenblicke, da wir ihrer bedürfen, wenn wir nur nichts anderes wollen als seinen Willen ausführen, den Willen dessen, der uns geworden ist zur Weisheit und Heiligung. Seht da, was so alle peinlichen Entsagungen und Alles andere überflüssig macht, und uns jedesmal in dem Seegen des Augenblicks leben läßt, und der Gemeinschaft genießen mit ihm, der bei uns sein will alle Tage bis an der Welt Ende, das ist die Stärke des Glaubens! Und so laßt uns – nicht als wollten wir uns rühmen, dieselbe schon erreicht zu haben, doch dieses Ziel immer vor Augen habend, wie wir ihm das Zeugniß geben müßen, daß er sich kräftig erweiset in der Gemeinschaft, der wir angehören – uns stark nennen, und uns fragen: welches ist die Regel, die der Apostel uns in Beziehung auf die Schwächern vorhält? | 227
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II. Wenn der Apostel sagt: „wir, die wir stark sind, sollen der Schwachen Gebrechlichkeit tragen,“ so scheint darinn freilich noch nicht Alles ausgesprochen zu sein, was uns in dieser Beziehung obliegt; denn wenn wir den Unterschied betrachten, was könnte da anders unser Wunsch sein, als daß er immer mehr aufhöre, was könnte dem Starken lieber sein, als daß er den Schwachen zu sich herauf ziehe? Das aber scheint in den Worten des Apostels unmittelbar nicht zu liegen; aber laßt es uns in seinem ganzen Umfange betrachten, so werden wir sehen, daß von unserer Seite nichts dazu gehöre als das, was in unserer Vorschrift liegt, um das Werk, welches uns das liebste ist, hervorzubringen. Wenn der Apostel sagt: wir sollen der Schwachen Gebrechlichkeit tragen; so fällt uns gewiß ein früheres Wort in diesem Briefe ein, wo der Apostel sagt: wer da isset, der verachte den nicht, der da nicht isset; denn freilich das Verachten ist das reine Gegentheil von dem der Schwachen Gebrechlichkeit tragen. Sollte es aber wohl nöthig sein, daß der Apostel die Star|ken im Glauben ermahnt, ihre schwächern Brüder nicht zu verachten? denn das Verachten ist ja eine Folge des Uebermuths und der Selbstgefälligkeit, können wir uns das aber denken bei denen, die doch durch sich selbst nichts sind, sondern was sie sind, nur durch ihn sind, der sie ausgerüstet hat? dem ohnerachtet spricht der Apostel die Warnung aus, und wir können sie also nicht für überflüssig halten. Wenn wir uns in der Gemeinschaft der Christen betrachten, so wissen wir, daß uns ein gemeinsames Werk obliegt; in diesem Werk nun ist keiner überflüssig, dem Gott die Gnade des neuen Lebens verliehen hat; aber eben deswegen sollen wir nicht versäumen, uns bei diesem Werk der Hülfe Aller zu bedienen, in denen das neue Leben schon aufgegangen ist also auch derer, die noch 1 Vgl. 1Kor 10,13 4 Vgl. 1Kor 1,30 14 26–27 Röm 14,3
7 Vgl. Mt 28,20
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schwach sind im Glauben, denn sind sie auch noch schwach, so schreiben wir ihnen doch schon den Glauben, und also die Kraft des neuen Lebens zu. Aber werden wir nicht gestehn müßen, daß – auch ohne uns mit ihnen zu vergleichen – wir doch immer, wenn wir darauf sehen, was uns obliegt, wir diese bei Seite schieben mögten, und uns nur mit denen zu dem Werke verbinden, die schon stark sind im | Glauben; aber keinen sollen wir ausschließen vom Werke des Herrn, keinen, der ihn bekennt in der Wahrheit; denn solch Ausschließen ist eben das Verachten ihrer Hülfe und der Gnade Gottes, das der Apostel meint in der Warnung: „verachtet nicht.“ Darum obgleich es von Anfang nöthig und unwilkührlich war, daß die Wiederhersteller unserer evangelischen Gemeinschaft von der größern der andern sich trennen mußten, und sich sammelten zu einem kleinen Häuflein für sich, war ihnen diese Trennung doch nicht erfreulich, sondern schmerzlich, weil die Wirksamkeit dadurch beengt wurde. Wir vermögen das, daß diese Trennung noch immer besteht, nicht zu ändern, aber ferne sei es von uns, die zu verachten, die den ganzen Seegen des Evangeliums nicht mit uns theilen! vielmehr sollen wir sie Theil nehmen lassen an jedem Werke, wo es möglich ist, und wir freuen uns ja auch, wenn sie sich mit uns verbinden zu dem Bestreben, das Evangelium unter alle Geschlechter zu bringen, wir freuen uns, wenn so die Gemeinschaft größer wird, gegründet auf die Erhaltung und Verbreitung des Worts, und nie werden wir aufhören | sie ihnen anzubieten, auf daß nicht das aufhöre, daß wir ihre Gebrechlichkeit tragen. Aber immer würde die Spaltung durch jeden Versuch der Vereinigung größer werden, wenn wir nicht dessen gedenken in der Ermahnung des Apostels, daß wir, um die Gebrechlichkeit der Schwachen zu tragen, uns hüten müssen, die Gewissen zu verwirren, und uns bemühen, sie auf alle Weise zu schonen, und sie zu beurtheilen, nicht nach unserer, sondern nach ihrer Ueberzeugung; wie denn dieses die Veranlaßung war, daß die Segnungen des Evangeliums zuerst über den engen Umfang der anfänglichen Verkündigung hinausgingen; da Petrus einsah, daß in allem Volk, wer recht thut, Gott angenehm ist dazu, daß ihm das reine Evangelium gepredigt wird. Wenn wir also die befangenen Christen, mit vielen äußern Gesetzen beladen sehen, wenn wir sie sehen mit aufrichtiger Treue das thun, was ihnen nach ihrer Ueberzeugung obliegt, und sich davor hüten, was ihnen gefährlich dünkt; so sind sie solche, die recht thun, und ihrem Gewissen folgen, und wir sollen ihr Gewissen nicht ver|wirren, sondern schonen; nicht so daß wir ihnen unsere andere und bessere Ueberzeugung verheimlichten, nicht so, daß wir nicht versuchten, ob wir ihnen das hellere Licht des Evangeliums anzünden können, und sie überzeugen, daß die eine Stütze stark genug sei, sie also keiner andern bedürfen; denn wenn wir das nicht wollten, so könnte es nie geschehn, daß die Schwachen heraufgezogen werden 30–31 Vgl. Apg 10,35–43
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zu der Stärke des Glaubens. Aber wie es keine andere Kraft giebt als die Kraft der Ueberzeugung, um gründliche und dauernde Wirkung hervorzubringen, so müßen wir jedes Gemüth schonen, daß nicht seine Ueberzeugung wankend werde, ehe es die bessere gewonnen hat; denn sonst würden wir nur nehmen, ohne denn je zum Bessern hinleiten zu können; ein anderes ist es sie eines bessern zu überzeugen, und ihnen dadurch zu sagen, daß ihre frühere Ueberzeugung irrig sei, und ein ganz anderes ist es, sie zu verleiten, daß sie untreu werden ihrer Ueberzeugung, und also gegen ihr Gewissen handeln, schonen also müssen wir die Gewissen, bis das Licht der Wahrheit in ihnen | aufgegangen ist! Ja nur auf diese Schonung der Gewissen kann das beruhn, daß die Starken der Schwachen Gebrechlichkeit tragen; eins ist es, was uns immer heilig sein muß, daß jeder treu sei der Wahrheit, die er erkannt hat. Wenn wir so die Gewissen schonen, ja dann mögen wir versuchen, in wieweit wir die bessere Ueberzeugung andern mittheilen können, indem wir die Wahrheit suchen mit ihnen in Liebe, wie diese sie in ihre Augen hineinleuchten läßt. Doch es ist noch eins, was wir nicht übersehen können in den Worten des Apostels, dort, wo er die Starken ermahnt nicht zu verachten, da ermahnt er zugleich die Andern, daß sie nicht richten sollen, hier aber redet er nur von den Pflichten der Starken gegen die Schwachen, und sagt: sie sollen die Gebrechlichkeit der Schwachen tragen. Ja das gehört mit zu dem Tragen, daß wir auch das ertragen, daß sie uns richten, denn es gehört mit zu ihrer Schwäche, daß sie sich von dem, was sie für gefährlich halten, entfernen; solange sie uns dafür halten, daß uns nicht alles das heilig ist, was es ihnen ist, solange ist es natürlich, daß sie danach streben, sich von uns abzusondern, und das ist das Richten. | Und diese Gebrechlichkeit der Schwachen sollen wir tragen, weit entfernt, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, statt uns von ihnen entfernen zu wollen, wollen wir ihnen die Gemeinschaft der Liebe entgegentragen, und uns zu trauen, mit ihnen auch in naher Verbindung, doch nicht wankend zu werden im Gebrauch der größern Freiheit, die uns zu Theil geworden durch die Kraft des Glaubens. Ja nur dadurch können sie es erfahren, daß der Glaube, der thätig ist durch die Liebe Alles ist, und daß wir darinn volle Genüge haben, und daß der Mensch nichts anderes bedarf, wenn er so frei gemacht ist durch die Wahrheit, die der Herr an das Licht gebracht hat. Wenn sie diese unüberwindliche, diese einige Kraft in uns sehen, dann nur können sie es einsehen, ja dann müßen sie es fühlen, daß das etwas ist, was ihnen ihre Aengstlichkeit nicht zu geben vermag. Und wie können wir anders als hoffen, daß, jemehr 19 sollen,] sollen,“
27–28 vergelten] vergleichen
12–13 Vgl. Röm 14,5 19 Vgl. Röm 14,3 27–28 Vgl. Röm 12,17; 1Thess 5,15 32–33 Vgl. Gal 5,6 33 Vgl. Joh 10,11; 2Kor 9,8 34–35 Vgl. Joh 8,32
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wir so die Gebrechlichkeit der Schwachen tragen, um desto mehr der Unterschied zwischen den | Starken und Schwachen verschwinden werde, indem Alle stark werden, und dadurch wird unsere Freude volkommen; denn das, daß wir stark, und andere schwach sind, das kann nicht unsere Freude sein, sondern daß wir stark sind in dem, der uns stark macht. Und wie in jedem Bilde kein volkommener Ausdruck der Wahrheit ist, so ist es auch mit dem Bilde von den Feldern und Aehren des Herrn, wo manche dreißig-, andere sechzig- und hundertfältig tragen. In dem Reiche des Herrn ist die Fruchtbarkeit da größer, wo je weniger der einzelne für sich steht; die Kraft der Liebe ist es, die allein fruchtbarer machen kann, indem sie immer mehr Alle vereinigt zu Gliedern eines Leibes. Und diese seine Liebe hat der Herr gegeben, damit Alle, die durch den Glauben mit ihm in Gemeinschaft stehen, dahin kommen, daß sie gar keiner andern Stütze bedürfen als des lebendigen und allein seeligmachenden Glaubens! Amen.
[Liederblatt vom 15. Oktober 1826:] Am 21sten Sonntage nach Trinitatis 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Wie wohl ist mir etc. [1.] Auf dich Erlöser will ich sehen, / Gesinnt, wie du es warest, sein; / Den Weg des Glaubens will ich gehen, / Und ganz mich deinem Reiche weihn. / Das hast du denen die dich lieben / Als dein Gebot einst vorgeschrieben, / Und dies Gebot hat großen Lohn. / Wenn Jeder diese Regel übte, / Mit deiner Liebe Alle liebte, / Wir lebten hier im Himmel schon. // [2.] Du gingest den verlornen Schafen / Voll Sorgsamkeit und Treue nach, / Du übtest Sanftmuth auch im Strafen, / Wenn Gottes Eifer aus dir sprach. / Besorgt im Geist für deine Freunde, / Verfolgt noch betend für die Feinde, / So hast von Liebe du geglüht; / Des Vaters Ehre auszubreiten / Und All’ auf rechten Weg zu leiten, / Darauf allein warst du bemüht. // [3.] Dein Bild erleucht o Herr die Seelen, / Daß wir auf deinen Wegen gehn, / Nur dich zu unserm Vorbild wählen, / Und auf wie du zum Vater sehn. / Verleih uns Muth und Treu auf Erden, / Dir immer ähnlicher zu werden / Und heilig so wie du gesinnt; / So laß mit dir vereint uns sterben, / Daß wir den Gnadenlohn ererben, / Den einst die Treu bei dir gewinnt. // (Brem. Ges. B.) Nach dem Gebet. – Mel. Sollt ich meinem etc. [1.] Unter allen großen Gütern, / Die uns Christus zugetheilt, / Ist die Lieb’ in den Gemüthern / Himmelsbalsam, der sie heilt; / Sie ein Stern der herrlich strahlet, / Sie ein Kleinod, dessen Preis / Niemand auszusprechen weiß, / Weil 5 Vgl. Phil 4,13; 1Tim 1,12 12,12–27
6–8 Vgl. Mt 13,23
11 Vgl. Röm 12,4–5; 1Kor
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kein Gold es je bezahlet; / Sie die Macht, die jedermann / Zwingen und erfreuen kann. // [2.] Liebe muß uns alles geben, / Was auf ewig nüzt und ziert; / Sie nur kann die Seel erheben, / Sie ists die empor uns führt. / Menschen- oder Engel-Zungen, / Wenn dabei die Liebe fehlt / Welche Kraft sie auch beseelt, / Welches Lob sie auch errungen / Ist ihr herrlichster Gesang / Nur ein Erzund Schellenklang. // [3.] Was ich von der Weisheit höre, / Die in alle Tiefen dringt, / Von geheimnisvoller Lehre, / Die sich auf zum Höchsten schwingt, / Davon, Berge zu versetzen / Durch des Glaubens starke Kraft, / Die der Wunder Fülle schafft: / Alles ist für nichts zu schätzen, / Wenn darin der Liebe Geist / Sich nicht kräftig auch beweist. // [4.] Gäb’ ich alle meine Habe / Auch den Armen freudig hin, / Opfert ich mich selbst dem Grabe / Meinem Nächsten zum Gewinn; / Ließ ich meinen Leib auch brennen / Und ertrüge jeden Schmerz: / Ist von Liebe leer mein Herz, / Wird es niemand nutzen können; / Nur der Liebe reine That / Bringet Frucht als Gottes Saat. // [5.] Glaube, Hofnung, Liebe leiten / Sicher hier im Pilgerstand, / Ihre Kraft wird uns begleiten / Bis ins wahre Vaterland. / Doch erstrecken ihre Grenzen / Sich auch in die Ewigkeit, / Soll die Liebe dennoch weit / Ueber Glaub’ und Hofnung glänzen. / Lieb’ ist größer noch als die, / Gottes Abglanz strahlet sie. // Nach der Predigt. – Mel. Sollt’ ich meinem etc. O du Geist der reinen Liebe, / Segensquell in Freud’ und Schmerz, / Laß mich spüren deine Triebe, / Komm und senk dich in mein Herz! / Laß mich kräftig widerstreben / Allem was nicht gut es meint / Mit dem Feind wie mit dem Freund, / Was mich reizt nur mir zu leben. / Geist der Liebe lenke hin / Zu der Liebe meinen Sinn! //
Am 22. Oktober 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
22. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 17,9–13 Nachschrift; SAr 115, S. 235–240; Sethe Keine Keine Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Frühpredigt am 22. Sonntage nach Trinitatis d. 22. Oktober 1826. Tex t. 5
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Ev. Joh. 17, 9–13.
M. a. Fr. in diesen Worten unseres Erlösers mag uns das Erste von manchen Seiten Wunder nehmen, daß er sich gleichsam in seinem Gebet versieht gegen seinen himlischen Vater, indem er sagt: „ich bitte für sie, und nicht für die Welt, sondern für die, die du mir gegeben hast, denn sie sind dein.“ Und in zweifacher Beziehung können wir uns hierüber wundern; denn, wenn er einmal von seinen Jüngern sagt, daß sie in einem besondern Sinne seinem Vater angehören, so mußte er es ja am wenigsten nöthig haben, für sie zum Vater zu beten, weil sie ihm schon dadurch empfohlen sind, daß sie ihm angehören; dann zweitens, daß der, der nicht gekommen ist, die Welt zu richten, sondern seelig zu machen, doch hier sagt: er bitte nicht für die Welt, da wir doch wissen, daß was vom Erlöser ausgeschlossen ist, nicht kann seelig werden; ja daß der, der doch am Kreuz noch für die bat, die den Gegensatz bilden gegen das Reich Got|tes, und welche die Schrift so oft die „Welt“ nennt, doch hier sagt: er bitte nicht für die Welt. Was nun das Erste betrifft, so müßen wir das freilich nicht aus den Augen lassen, daß das Gebet, wie es ja auch bei uns schon nicht der Fall sein soll, so noch viel weniger bei dem Erlöser, die Absicht war, von seinem Vater etwas zu erlangen, denn es war ihm schon Alles gegeben, und, indem er sagen konnte: „was dein ist, das ist mein,“ so stand es auch in seiner Macht ihnen Alles zu geben; also nicht als ob er nun erst die Liebe des Vaters auf sie lenken wollte, betete er für sie, sondern wie das Gebet in seinem innersten Wesen nichts ist als die innigste Verbindung der frommen Seele mit Gott in ruhiger 12–13 Vgl. Joh 12,47
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Betrachtung, ohne daß man einen Wunsch grade auszusprechen braucht; und weil nun eine solche Verbindung sich erfüllen sollte an den Seelen der Jünger, so war das Gebet des Erlösers nichts anderes als der Ausdruck dessen, wovon seine Seele erfüllt war; darüber sagt er: „alles, was mein ist, das ist dein; und: ich bitte für sie, die du mir gegeben hast,“ so eignet er sich dieselbe Macht an, die zu beseeligen, die sein sind, und also auch die des Vaters, und | wie er oft gesagt, „daß er und der Vater eins sind,“ so sollen wir eben dies nie aus den Augen laßen. Wie er also den Vater nicht erst zu bitten brauchte, so brauchte er auch in keiner Sorge zu sein um sie, weil der Vater ebenso wie er die Macht nicht allein, sondern auch den Willen hat, sie zu beseeligen, sondern, was ihn eben erfüllte, ist die Trennung von ihnen, wie er auch sagt: „ich bin nicht mehr bei ihnen“; er sah sich an als den Abscheidenden, und dies Bewußtsein sprach sich menschlicher Weise aus in dem Wunsch, daß das Aufhören seines persönlichen Wirkens auf sie keine Veränderung oder Verringerung ihrer Seeligkeit bei ihnen hervorbringen mögte. Zweitens nun, wenn er sagt: „ich bitte nicht für die Welt:“ wie können wir uns das anders denken, als nur so, daß er sich in dem Augenblick mit seinem ganzen Bewußtsein an die Jünger festhalten wollte, Alles, was ihm feindseelig war, wollte er gleichsam vergessen, und deswegen konnte sich sein Ge|bet in diesem Augenblicke nicht über die Welt erstrecken; und das konnte der Welt zu keinem Nachtheil gereichen, sondern, wenn er nachher sagt: ich bitte nicht für sie, sondern auch für die, welche durch ihr Wort gläubig werden; und wir fragen weiter: was gehört zu der Seligkeit seiner damaligen Jünger, und derer, die durch ihr Wort wieder seelig werden?, so müßen wir gestehn, es ist ein gar wesentlicher Theil derselben, daß die Andern durch ihr Wort wieder gläubig und selig werden; und indem er also für sie bat, für ihre Seligkeit, so bat er auch zugleich für sie um die Kraft die Welt selig zu machen, für die Kraft, sein Wort der Welt zu verkünden, sein Reich zu verbreiten. So sehen wir hier in den Worten des Erlösers nichts beschränkendes oder ausschließendes, sondern wie sie uns nur den Ausdruck seiner Gemüthsstimmnung zeigen sollen, in der er sich eben nur mit ihnen beschäftigen mochte, nicht als den allein selig werdenden, sondern er sah die Kraft, die Welt selig zu machen, in den Jüngern, und so betet er, indem er für sie betet, für das ganze menschliche Geschlecht, er will aus seinem | Gemüthe nur entfernen, was ihm feindselig war, wohlwissend, daß wenn das Gebet für die Jünger in Erfüllung geht, die Welt in sein Gebet mit eingeschlossen ist, und so konnte er sagen: „ich will an die Welt nicht denken“, ohne daß sein seligmachender Wille, geringer gewesen wäre, wie wir uns das auch nicht denken können. Mögten wir uns das lassen gesagt sein! wohl kann das auch zuweilen unser Wunsch sein, von dem Theil der Men7 Vgl. Joh 10,30
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schen, der von dem Heil noch fern ist, unsere Gedanken abzuleiten, und uns ganz in die Gemeinschaft der Gläubigen zu vertiefen; aber mögen wir dann auch so gesinnt sein, wie der Erlöser, nemlich den Seegen für die ganze Welt auf seine Weise miteinzuschließen, und überzeugt sein, daß die Kraft der Wahrheit überall hindurch dringen müsse, und daß sein Name nirgend vergeblich könne verkündet werden. Wenn der Erlöser nun weiter sagt: „und Alles, was mein ist, das ist dein, und was dein ist, das ist mein, und ich bin in ihnen verklärt“, so sind das herliche und tröstliche Worte in einer zweifachen Beziehung: denn einmal bestätigen sie unsern Glauben in Beziehung auf das Verhältniß des Erlösers zu seinem | Vater. Denn wenn er sagt: Alles, was mein ist, das ist dein, so liegt erstens darin, daß in ihm nichts war, was nicht von seinem himmlischen Vater herrührte; und dann, daß was in der Verbindung des Eigenthums mit ihm steht, eben so auch mit dem Vater steht; denn wenn er sagt: mein, so kann sich das auf zweierlei beziehen; erstens auf die Kraft, die in ihm wohnte, und die Worte, die er redete; dann aber auch auf das, was in einem solchen Verhältniß der Unterordnung zu ihm steht, daß es sich vom ihm leiten läßt; denn in dieser Beziehung brauchen wir auch den Ausdruck: mein. Und wenn er hernach sagt: was dein ist, das ist mein, so sehen wir hierinn auch zweierlei; erstens eine Bestätigung dessen, was Paulus sagt, daß Gott in Christo war, und die Welt versöhnete mit ihm selber; und daß das nicht eine neue Lehre ist, die die Jünger sich aus dachten, aus allzu großer Verehrung des Erlösers, sondern die sie unmittelbar aus den Worten des Erlösers nahmen. Denn wenn er sagt: was dein ist, das ist mein, nun so können wir doch | im höchsten Wesen nicht Inneres und Aeußeres unterscheiden, d. h. es kann von keinem aeußern Eigenthumsrechte die Rede sein, welches beide hätten, sondern wir können es nur so verstehn, daß Gott in Christo war denn nur so kann, was des Vaters ist, auch des Sohnes sein. Aber eben so sehen wir, daß wenn Gott der Vater seiner Geschöpfe ist auf dieselbe eigentliche Weise, wie er der Vater dessen war, in dem er war, um die Welt zu versöhnen, so sehen wir, daß es keine solche Verbindung giebt, als durch Christum, und daß wir also des Vaters nur sein können, wenn wir des Sohnes sind; wie wir es ja auch an uns erfahren, daß es nur der Sohn ist, durch den wir zum Vater kommen; ja indem wir uns dessen bewußt sind, können wir sagen: das ganze menschliche Geschlecht wird zu der innern Gemeinschaft mit Gott und der wahren Erkenntniß Gottes nur durch Christum kommen. Daß aber in der Verbindung, wie er es damals gesagt hat, alle Menschen ihm angehören, weil ihm der Vater Macht gegeben hat über | Alles, das ist das, was noch nicht erschienen ist, sondern erscheinen wird, so gewiß wie erscheinen wird, wie sein Gebet immer mehr 21 Vgl. 2Kor 5,19 28–29 Vgl. Joh 14,24 Joh 17,2 39–40 Vgl. 1Joh 3,2
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38–39 Vgl.
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in Erfüllung geht. Das Zweite in diesen Worten ist das: „ich bin in ihnen verklärt,“ das ist das, worin wir die Seligkeit der Christen sehn in der Gemeinschaft mit ihm; denn wenn der Herr sagt: er sei verklärt in denen, die der Herr ihm gegeben habe, was will das anders heißen, als, wie der Apostel Johannes sagt, daß er und die mit ihm glaubten, in ihm geschaut die Herlichkeit des eingeborenen Sohns vom Vater; und in ihm erkannt die Offenbarung der götlichen Wahrheit, und so werden wir das ansehn müßen als den ursprünglichen Grund jedes Glaubens, daß die, in denen er beginnt, in ihm schauen die Herlichkeit des Vaters. Wenn er nun sagt: „er sei verklärt in ihnen,“ was heißt das anders als dies: was er anfing für die Menschen zu sein, und wurde für die, die ihn erkannt hatten, das sollen die Seinigen für die ganze Welt sein; wenn dem nicht so ist, so kann er nicht sagen, „er sei in | ihnen verklärt,“ und das ist es, wozu er uns berufen und in diesem Gebet seinem himlischen Vater empfohlen hat; denn das, wovon er spricht als von etwas Gegenwärtigen, und das, was er bittet ist eins, nur menschlicher Weise trennt er es. Aber ebenso wie in jenem, daß Alles sein ist, so spricht er auch in diesem: „verklärt“, das Künftige aus, und so sollen wir verklärt werden von einer Klarheit zur andern. Und bei der Schwäche und Gebrechlichkeit, die noch immer ist, kann kein Einzelner das Wort des Herrn auf sich beziehn, wie auch der Herr nicht von seinen Jüngern als von Einzelnen redet, sondern er faßt sie zusammen, und sagt: „in ihnen“, nur in der lebendigen Gemeinschaft der Seinen untereinander, nur in der unmittelbaren Zusammengehörigkeit, in der beseeligenden Kraft seiner Liebe, die Alles zu einem Ganzen vereint, nur darin ist der Herr verklärt auf Erden. Aber wir wissen auch, daß das in keinem Augenblick von der christlichen Gemeinschaft gilt, denn nie ist sie ohne Flecken gewesen, sondern auch nur, indem er die Gegenwart mit der Zukunft zusammenfaßt, kann | er sagen: „ich bin verklärt in ihnen“, und so ist das Bewußtsein seines Verklärtseins das Schauen des Glaubens, in welchem wir über die Gegenwart hinwegsehen, und die Mängel und Gebrechen als schon im Verschwinden ansehn, da wir wissen, der Herr ist verklärt und wird immermehr verkläret. Und so redet der Herr dann weiter von seinem Scheiden, und sagt: „ich bin nicht mehr in der Welt, sie aber sind in der Welt, ich komme zu dir, heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, die du mir gegeben, daß sie eins seien, gleichwie wir; dieweil ich bei ihnen war in der Welt, erhielt ich sie in deinem Namen, die du mir gegeben hast, habe ich bewahret.“ Hier nun könnte es auch scheinen, als ob sich der Erlöser von seinem Vater trenne, indem er sagt: „solange ich bei ihnen war, erhielt ich sie in deinem Namen, nun aber erhalte du sie in deinem Namen,“ aber auch das ist nichts als das Bewußt36 bewahret.”] bewahret,” 5–6 Vgl. Joh 1,14
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sein des bevorstehenden Abschieds von der Welt, also des Aufhörens seines persönlichen Einwirkens; aber die götliche Kraft, wie sie im Vater, und in ihm war, die hat er gewiß nicht von einander | trennen wollen; darum war der Geist, den er ihnen sandte, der Geist Christi und die Kraft aus der Höhe zugleich, und wir können sein Wirken und das des Geistes Gottes in uns auch nicht trennen; denn so gewiß wir in ihm geschaut haben die Herlichkeit des Vaters, so ist auch die Kraft ein und dieselbe. Aber wozu empfielt er die Seinigen Gott? „auf daß er sie erhalte in seinem Namen, daß sie eines seien, wie er mit dem Vater.” Auch hier können wir uns bei der genauen Betrachtung seiner Worte mancherlei Bedenken machen. Denn unser Eins sein unter einander ist das der Gleichheit, weil wir Alle unvolkommen sind, es ist das Eins sein in der Unvolkommenheit. Der Herr selbst sagt zu seinen Jüngern: ihr Alle seid Brüder, und einer ist Meister, Christus, also sind wir nur Brüder, und wenn er sagt: auf daß sie eins sein, gleichwie wir, so kann uns das bedenklich machen, weil das beides doch nicht gleich ist, der Vater war eins mit dem Sohne, wir aber sollen eins sein als Brüder. Gehen wir aber ganz ein in den Sinn dieser seiner Worte, so finden wir, daß er meint, daß | [wir] sollen eins werden unter einander durch die Liebe, mit der er uns geliebt hat. Ja wenn die Liebe, die das Band der Volkommenheit ist, in uns ist, dann wird unser eins sein das der Volkommenheit, es giebt aber keine andere volkommene Liebe, mit der die Menschen sich lieben können, als wenn sie sich lieben in dem Einen, und um des Einen willen, der für Alle die Quelle der Liebe ist; denn sonst, wenn wir nicht das, was wir durch ihn werden, in einander liebten, könnten wir nur das Unvolkommene an einander lieben, und das kann mit keiner volkommenen Liebe geliebt werden. So müssen wir uns dann mit seiner Liebe lieben, und nur in sofern als seine Kraft in uns das Unvolkommene verschwinden macht, können wir uns volkommen lieben, und wir können nur eins sein, wenn wir Alle mit ihm eins sind, dann aber sind wir auch nur eins unter einander, weil er mit seinem Vater eins ist. Wenn der Herr nun weiter sagt: „nun aber komme ich zu dir, und rede solches in der Welt, auf daß sie in ihnen haben meine Freude | volkommen“, so fragen wir billig, wie kann der Herr sagen, daß dadurch, daß er das rede, ihre Freude volkommen sei? Dabei aber müssen wir darauf zurüksehen, wie er früher sagt: „so ihr meine Gebote haltet, so bleibet ihr in meiner Liebe“, und „solches rede ich, daß Eure Freude volkommen sei“; da sagt er also, unsere Freude solle volkommen werden durch das Gebotehalten, hier aber sagt er durch das Gebet, welches er für uns thut, und das kann verschieden sein; aber so gewiß er wußte, daß die Jünger sein Gebot halten würden, so 4 Vgl. Lk 24,49 6–7 Vgl. Joh 1,14 13 Vgl. Mt 23,8 14 Vgl. auch Joh 17,22 15–16 Vgl. Joh 10,30 19 Vgl. Kol 3,14 29–30 Vgl. Joh 10,30 35– 36 Joh 15,10–11
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hielt er das Gebot und die Erfüllung des Gebotes für eins, und das Gebet eins mit der Erfüllung des Gebets; und so wird durch dies sein Gebet die Freude volkommen. Ja wenn das Gebet an uns in Erfüllung geht in dem ganzen Sinn und Umfang, wie es der Herr meint, was kann da noch unserer Freude fehlen, daß sie nicht volkommen sey. Nachher werden wir sehen, wie der Erlöser dem Gebete noch hinzufügt: Vater! ich will, daß wo ich bin, auch die seien, die du mir gegeben hast, hier hatte er das noch nicht gesagt, sondern nur, daß der Vater sie erhalten soll in seinem Namen | und doch sagt er hier schon, er rede das, damit ihre Freude volkommen sei, er will also, daß die Freude unabhängig sei von der Erfüllung der Hoffnung, daß wir künftig d. h. nach diesem Erdenleben bei ihm sein werden? wie wir aber unter einander nur eins sind, wenn wir mit ihm eins sind, so gewiß ist es, daß, wo der Erlöser ist, auch die sind, die der Vater ihm gegeben hat. Worauf er aber die Freude gründen will, das ist das, daß uns Gott erhält bei seinem Namen. Und darin soll und kann unsere Freude volkommen sein, nicht nur in dem, daß wir durch ihn und mit ihm sein Reich fördern, sondern auch in dem Bewußtsein des innigsten Vereintseins mit ihm schon hier, und in der Gewißheit, daß seine Einheit immermehr hindurchgeht zu Allen, die an ihn glauben. Danach laßt uns trachten, daß, indem wir seine Gebote halten, und dadurch in seiner Liebe bleiben, unsere Freude volkommen sei; das nun laßt uns verehren als das gemeinsame Werk des Sohnes, der es volbracht hat, und des Vaters, als er von der Welt schied, als das Werk an denen, die der Vater ihm gegeben hat, daß sie verklärt werden von einer Klarheit zur andern. Amen.
6–7 Joh 17,24
23–24 Vgl. 2Kor 3,18
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Dienstag, Uhrzeit unbekannt; Trauung Unbekannt Keiner Nachschrift; SN 616, Bl. 1r–4r; nicht identifizierter Nachschreiber Keine Keine Traupredigt für Adolf August Kober und Auguste Charlotte Claude „Kobers Trauung und Mahl[.] Um 10 Uhr nach Hause gekommen, also kein Abend.“
Unsere Hülfe sei im Namen des Herrn der Himmel und Erde gemacht hat.
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Mein theures Brautpaar. Es ist ein besonderer Vorzug unserer evangelischen Kirche, daß sie ihren Dienern nicht nur erlaubt in den Stand der heiligen Ehe zu treten, sondern es gewissermaaßen angeordnet hat; denn indem sie den Glanz der in späteren Zeiten das Priesterthum umgab und von der übrigen Gemeinde absonderte wieder abgestreift hat, ist sie zurükgekehrt zu der Ordnung der ältesten christlichen Kirche, welche festsetzt, daß ein Vorsteher der Gemeinde Hausvater sein und gläubige Kinder haben soll, weil er dadurch nicht allein im Stande ist seinen Beruf vollständig zu erfüllen: denn er wird alsdann nicht nur mit dem Wort, sondern in diesem herzlichsten Verhältniß mit der That lehren und der Gemeinde ein leuchtendes Beispiel sein, wie auch das häußliche Le|ben zur Förderung der christlichen Kirche diene. Sonst kann sich die Gemeinde nur an seinen öffentlichen Beruf halten; denn in seinem andern Thun und Wirken, sei es auch das schönste und edelste, wird er dem größten Theil derselben immer fremd bleiben; 0 Adolf (Adolph) August Kober (1798–1877) war seit Januar 1824 Hilfsprediger an der Dreifaltigkeitskirche, also direkter Amtskollege von Schleiermacher. Er rückte 1835 auf die zweite Pfarrstelle auf, nachdem Marheineke die Stelle des verstorbenen Schleiermacher übernommen hatte, wurde 1843 Superintendent für Friedrichswerder und erhielt 1847, nach dem Tod Marheinekes, die erste Pfarrstelle an der Dreifaltigkeitskirche. Vgl. KGA III/8, S. XII mit Anm. 10. Auguste Charlotte Claude (geb. ca. 1806), Tochter des Rentiers Benjamin Claude; bei diesem handelt es sich vermutlich um den Destillateur und ehemaligen Stadtverordneten Benjamin Claude (1763–1830) 1 Kanzelgruß oder Trauspruch nach Ps 124,8 7–8 Vgl. Tit 1,6
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und wiewohl das öffentliche Lehramt ein wichtiges Stük seines Berufes ist, so ist es doch nicht alles. – Hat er aber sein Hauswesen so wie sie und dasselbe Leben mit ihnen, bewegt dasselbe, was sie bewegt auch ihn, hat er dieselben Sorgen und Freuden; so wird er ihnen ein Bruder sein an den sie sich mit Vertrauen wenden, nicht nur in allem was das göttliche Wort unmittelbar betrifft, sondern in allen Angelegenheiten ihres Lebens. Darum geliebter Bruder ist es mir immer eine hohe Freude den Seegen | des Ehebundes über einen Genossen im Amte auszusprechen; nicht etwa so, als ob für alle Aufopferungen, die unser Beruf mit sich führt; für alle Leiden die mehr unsere Brust durchziehn als die jedes anderen Einzelnen in der Gemeinde – da wir so manchen fremden Schmerz mitzugenießen haben – als ob wir dafür den Lohn finden wollten, in einer ungestörten häußlichen Glükseeligkeit. Nein Geliebte das wage ich Euch nicht zu verheißen, und es wäre auch nicht recht: Der Lehrer des göttlichen Wortes soll ein viel geprüfter Mann sein, alles soll er erfahren haben und in allem der Gemeinde es bewährt haben, daß das was er ihnen als Trost und Hülfe geboten auch bei ihm aufgehalten habe in Zeiten der Noth. So möge auch Euer beiderseiti|ges Leben reich sein an Wechsel mögt Ihr was ihm bitteres beigemischt ist erfahren, aber so, daß es Euch nur fördere auf dem Wege zur Seeligkeit, den Ihr nun miteinander wandeln wollt. Ein Bund der Herzen der darauf geschlossen ist, weiß auch das Schmerzlichste, eben weil es zu diesem heiligen Zweke dient, als Freude zu empfinden. Ja meine Geliebte es ist ein schönes, aber nicht leichtes Loos, welches eine Jungfrau zieht, die ihr Herz und Leben einem Diener der Kirche schenkt: manchen Anspruch muß sie aufgeben, sie muß wissen, daß sie allem Schimmer entsagen kann; denn wenn wir auch schon sehr abgewichen sind von der Sitte früherer Zeiten, wo die Schranken, die den geistlichen Stand von dem Glanz der Welt trennten, enger gezogen waren; so hat sie sich doch | anders zu halten als andere: sie muß daran denken, daß sie Gattinn dessen ist, der auch in seinem häußlichen Leben ein Vorbild sein soll der Gemeinde. Freilich entfernt von allem was den Aberglauben befördern könnte: als seien die Genüsse dieser Welt Sünde, denn nicht nur dem Reinen ist alles rein, sondern auch dem Geistigen ist alles geistig; aber sie muß immer darauf bedacht sein alles zu vermeiden was den schwachen Glauben irre führen könnte. Sie muß immer darnach trachten weislich zu 1 wiewohl das öffentliche Lehramt] am Rand Fragezeichen 2 nicht alles. –] danach freier Raum von ca. 5 Zeilen; am Rand ohne Einweisungszeichen: Wie der Einzelne wenn – einzeln 34–35 Vgl. Tit 1,15
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handeln und die Herzen der Gemeinde sich zuzuwenden, daß sie sie betrachtet als diejenige, die ihrem geliebten Lehrer das mühevolle Leben erleichtert und erheitert. Aber es giebt auch keine Frau die auf solche Weise den Beruf ihres Mannes theilt und mitempfin|det als gerade sie: was liegt dem weiblichen Herzen näher als der Seegen der Frömmigkeit, was sind größere Güter als die deren Verwaltung seinen Händen vertraut ist und die auch sie? So theilen die Gattinnen unsrer Brüder den Seegen des Berufes ihres Eheherrn, so wirken sie mit ihnen: indem in ihrem Hause der Geist, der in der Kirche herrschen soll sich überall ausspricht, erhalten sie die Übereinstimmung zwischen der äußern That und dem inneren Sinn. Und wenn Ihr Euch dazu vereinigt in Eurem Hausstande ein Bild wahrhaft christlicher Liebe darzustellen, wo überall das Streben nach dem Ewigen, das Ihr verehrt sichtbar ist; wenn überall Friede wohnt in Freude und Schmerz und beides Euch nur zum ungestörten Fortgang zur Seeligkeit dient; dann wird der Seegen groß sein, der von Euch aus sich verbreitet; dann werdet Ihr | nicht nur ein Vorbild sein der Gemeinde; Euer Haus wird ein Altar sein, wo das Ewige und Wahre eine bleibende Stätte gefunden hat, von wo aus sich ergießen reiche Seegnungen des Beispiels, des Trostes und der Weisheit. Und nun meine Freunde soll ich den Bund, den Eure Herzen geschlossen, seegnen nicht nur vor den anwesenden Zeugen sondern vor dem Angesichte Gottes und so wende ich mich zu Ihnen theurer Bruder. Agende.
7 die auch sie] zu ergänzen wohl mit ihm theilt 17 nicht nur ein Vorbild sein der Gemeinde;] Rest der Zeile frei; am Rand ohne Einweisungszeichen: Eure Ehe wird nicht nur ein lebendiges Glied sein in der Kette 18 Euer] euer 18 Euer Haus wird ein Altar sein,] am Rand ohne Einweisungszeichen: wie jede christliche Ehe so es sein soll 23 Ihnen] ihnen 9–14 Wohl Anspielung auf Gal 5,22
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24. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 17,14–19 Nachschrift; SAr 57, Bl. 46v–55r, Nr. 73; Schirmer Keine Keine Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Tex t.
Joh. 17, 14–19.
M. a. F. Aus diesen Worten sehen wir besonders, wie das Gebet des Herrn, wie wohl er an die kleine Zahl seiner Jünger denkt, doch aufs | Genaueste mit der Bestimmung des Erlösers für das ganze menschliche Geschlecht zusammen hängt, indem er seine Bitten darauf bezieht, daß er seine Jünger in die Welt sende, wie ihn der Vater, beides als dasselbe, Jenes als die Folge und Fortsetzung von Diesem darstellend. So ist auch zu verstehen V. 14. was der Herr zum Grund legt, daß seine Jünger von der Welt gehaßt würden, weil sie nicht von der Welt wären, gleich wie er nicht von der Welt war. Wir wissen in welchem Sinne dies Wort in den Reden Christi und seiner Jünger gebraucht wird, daß unter der Welt verstanden wird nicht nur das noch immer nicht erlöste menschliche Geschlecht, so fern es keine Erfahrung davon hat, sondern auch | das dem Entgegengesetzte, was aus dem ruhigen und sichern Fortgange des Lebens nicht konnte heraus gerissen werden, der Theil der Menschen, wo dies Bedürfnis der Erlösung noch nicht erwachen wollte. In dem Sinne, worin der Erlöser sagen konnte, er sei nicht von der Welt, konnte er es auch von den Jüngern sagen. Nur der Unterschied findet Statt daß Christus nicht ursprünglich in der Welt war, sie aber mußten ihm erst gegeben werden von der Welt heraus von seinem Vater, und wie sie PihmS angehörten, in ihm erkannt hatten die Erfüllung der göttlichen Verheißungen, so konnten sie nicht mehr zur Welt gehören. Hieraus sehen wir, wie vorsichtig wir sein müssen, wenn wir | von den Worten Christi auf uns eine Anwendung machen wollen, wie wir einzeln uns betrachtend nicht mehr sagen können, 1 Text: Joh. 17, 14–19.] darüber steht der Hinweis: Johannes 17,9 bis 14 fehlt. 15 konnte] konnten
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daß wir in der Welt leben, welche den Erlöser haßt, so können wir von den Worten Christi keine unmittelbare Anwendung machen auf uns; ja, wenn wir auch die Christenheit betrachten im Verhältniß zu den noch nicht erleuchteten Völkern, so kann es auch in diesem Sinne nicht mehr gelten, daß die Christen um Christi Willen von der Welt gehaßt werden, sondern die Welt ist jetzt schon verschieden getheilt. Die noch nicht erleuchteten Völker stehen zum Theil so tief unter dem Christenthum, daß sie nicht | anders können, als die Ueberlegenheit des Christenthums anerkennen, und daß dies sie reizen muß in das nämliche Verhältniß zu kommen, um der höheren Ausbildung willen, und unter dieser Hülle empfangen sie auch das Evangelium, dessen Segnungen fließen unbemerkt zu ihnen hinüber ohne daß sie sich dessen selbst recht bewußt werden, bis ihnen das hellere Licht darüber aufgeht; zum Theil aber sind die uns umgebenden Völker solche, die sich schon rühmen können, einer von ihnen selbst ausgegangenen, höheren Entwickelung der Kräfte, und mancher menschlichen Weisheit, welche sie sich erworben haben; darin liegt zugleich der Keim, warum man von diesen am ersten sagen kann, daß sie Christum hassen, denn, jemehr der Macht hat, worauf | er sich selbst etwas zu Gute thun kann, desto mehr widerstrebt er denen, die ihm dies nehmen wollen, um ihm ein Größeres und Besseres zu geben. Beides betrifft uns nicht, aber ich habe beides ausgeführt, um einen desto tieferern Weg zu zeigen wie das Wort von uns gelten kann. Nur zu leicht geschieht es, daß wir die, welche nicht auf dieselbe Weise ihres Glaubens sich erfreuen, wie wir uns manches für uns selbst erklärt haben, daß wir diese als die Welt ansehen und ihnen zuschreiben, daß sie den Erlöser und die Seinigen hassen. Aber wenn wir redlich in der Wahrheit wandeln, so müssen wir zugeben, daß dem also nicht ist. Wenn es nichts andres ist, als die Frömmigkeit, welche den Glauben an den Erlöser aufs Stärkste ausdrückt, so daß der Fromme ganz nach dem Geiste Christi wandelt, so kann Niemand dadurch den Haß in der christlichen Welt von uns | verlangen, sondern wenn der erscheint, so werden wir sicher sein können, ganz ohne Schuld derer, die sich als eigenthümliche Jünger Christi erkennen wollen, ganz ohne ihre Schuld geschieht es nicht. In der Art, wie sie von dem Ihrigen mittheilen wollen, wie sie ihr Verhältniß zu dem Erlöser darstellen, liegt es. So laßet uns dieses Gefühls voll sein, daß wir nicht mehr mit dem Sinne in der Welt leben, wo diese dem Reiche Gottes entgegen gesetzt ist, so daß wir voraussetzen, daß wir Alle doch ein Trachten nach dem Reiche Gottes haben, wenn Manche auch nur äußerlich das Wort Gottes angenommen haben. Gehen wir davon aus, so ist es unsre erste Pflicht, sie in Liebe zu stärkerer Erkenntniß der | Wahrheit zu heben und wir dürfen 13 umgebenden] umgebende 36–37 Vgl. Mt 6,33
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nicht uns, als die Kinder des Gottesreichs ihnen als den Kindern der Welt entgegenstellen, das Licht ist ihnen auch erschienen; unsre Pflicht ist es in Liebe mitzutheilen das Empfangene, nicht aber in falscher Vorstellung den Haß gegen sie zu hegen. Da der Erlöser dies voraussetzt, was bittet er in dieser Beziehung von seinem Vater? Ich bitte nicht, daß du sie von der Welt nähmest, sondern daß du sie bewahrest von dem Uebel. Zweierlei können wir, so oft wir den Sohn bitten sehen von seinem Vater, voraussetzen, erstens, daß was er von seinem Vater bittet, auch wir bitten müssen; zweitens, was er von seinem Vater gebeten hat, ist ihm auch ge|geben worden, wie er dies selber bezeugt: Ich weiß, Vater, du hörst mich allezeit. Wohlan, wenn er für seine Jünger nicht gebeten hat, daß sie der Vater von der Welt nehme, so sollen auch wir diese Bitte nicht laut werden laßen. Wenn es schon unrecht ist, daß wir das Reich Gottes, welches schon so lange besteht, durch dessen heilige Veranstaltung das menschliche Geschlecht die Leitung zur Wahrheit durchschaut, daß wir dies noch Welt nennen, wo der Erlöser das große Licht hinsandte: so sehen wir, wie sehr es unrecht ist zu wünschen, daß wir von der Welt genommen werden, daß wir uns aus ihrer Gemeinschaft heraussetzen sollten, da wir doch in Liebe auf sie wirken sollen. Die Bitte ist nicht Gott wohlgefällig, wenn | Jemand aus der Welt genommen werden will. Dazu sind wir gesetzt, daß wir das Reich Gottes immer weiter ausbreiten, daß das gemeinsame Gut des Herrn an seinem Wort auch zu unserer Wirksamkeit, zur Heiligung in der Welt diene, daß die Welt immer mehr verschwinde und dagegen das Reich Gottes in immer vollkommnerer Gestalt in derselben erscheine; in der Welt zu wirken und unsere Wirksamkeit von Gott gesegnet zu sehen, das sollen wir wünschen. Aber, je weniger uns wohl ist in der Welt, desto mehr liegt im Herzen der Wunsch von der Welt genommen zu werden. Das Erste, wo von wir uns zu hüten haben, ist, daß uns nicht – daß ich mich des Ausdrucks bediene – ekle vor der Welt, in welche wir gesetzt sind, | daß wir nicht Widerwillen haben vor der Welt, daß wir mit gutem und frohem Muth in den Streit des Herrn gehen, daß wir aber nicht entmuthiget werden, auch nicht durch scheinbaren Sieg und Haß des Bösen und derer, die uns darin treiben wollen, sondern treulich bleiben in der Wirksamkeit, zu der der Herr uns hin gestellt hat. Zweitens, der Herr betet: bewahre sie vor dem Uebel, d. h. gieb ihnen, daß sie durch dich widerstehen. Aber, wie viel Uebel haben sie nicht erduldet, wie viel Trübsale um des Wortes willen, wie sind seine Jünger nicht verkannt und verfolgt worden! Und das Alles hindert nicht, daß wir nicht glauben dürfen, Christi Bitte ist erfüllt. Dies alles ist nicht das Uebel, wo vor er den Vater, sie zu bewahren, gebeten | hat. Nur Eines ist das Uebel für den Christen – nicht äußerliches, nicht Leiden, keine nachtheilige Schickung 11 Joh 11,42
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gegen das Reich Gottes ist Uebel, sondern Eines ist das Uebel – wenn wir aufhören wollen dem Herrn zu dienen, mit unsrem Pfunde, wenn wir aufhören in der lebendigen Gemeinschaft mit Gott zu stehen, oder wenn sie uns getrübt wird durch unsere Schwachheit; dies ist das Uebel. Aber, wenn dies Gebet erhört ist, sollte es wahr sein, daß auch von dem kleinen Häuflein, von dem der Herr redet, keiner sollte mehr gesündigt haben? Das werden wir nicht glauben; denn nur Einer ist ohne Sünde. Also, das Trauern der Christen, das ihnen auf den Weg des Lebens | mitgegeben ist, gehört auch nicht zu dem Uebel, das konnte er ihnen nicht ersparen; anders kommt der Mensch nicht weiter, als durch die Erfahrung; die er an sich selbst macht, indem sich die Spuren des Verderbens aufdecken, welche noch in seiner Seele sind. Denn das Wort des Apostels: denen, welche Gott lieben, müßen alle Dinge zum Besten dienen, müßen wir auch ausdehnen auf die Bereiche unserer Schwachheiten und unserer Sündhaftigkeit. Das Uebel ist, wenn diese uns nicht zu unserm Besten, zur Belehrung und Selbsterkenntniß dienen, unsere Kräfte sich nicht vermehren, und wenn wir den göttlichen Beistand nicht erbitten und erhalten. Wenn | uns das wird, so gehört es zu den natürlichen Führungen der Christen auf Erden. Wenn sich dabei nur das Herz nicht abwendet von dem Verlangen nach dem Reiche Gottes und dieses Verlangen in seiner Kraft nicht geschwächt wird, so bleiben wir auch dabei bewahret vor dem Uebel. Heilige sie in deiner Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit. Gleich wie du mich gesandt hast in die Welt, so sende ich sie auch in die Welt. Ich heilige mich selbst für sie, auf daß auch sie geheiligt seien in der Wahrheit. Welch herrliche, große Worte! Was er von seinen Jüngern sagt, gilt auch von uns; wir werden von ihm mit demselben Zweck und Segen in die Welt gesandt, wie er von seinem Vater. Er war in die Welt gesandt als der ursprünglich Heilige, die Welt zu einem vollkommnen Reiche Gottes zu gestalten und höhere Seligkeit dem Menschen mit zu theilen; als sie jemals ohne ihn würden empfangen haben; dazu sind wir auch gesandt. Der Herr | hatte vom Vater im Himmel stets das Zeugniß, er habe ihm Alles gegeben und kund gethan, daß er nur rühmen konnte, der Vater zeige ihm immer größere Werke. So ist es nicht mit uns, und deshalb fleht Christus zu seinem Vater: heilige sie in deiner Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit. Wenn er sagt: dein Wort ist die Wahrheit, so ist dies dasselbe, was ihm der Vater gegeben hat, es den Menschen kund zu thun, denn nur er kennt den Vater und die Welt denselben durch ihn und wem er es offenbaren will. Wie wir von ihm gesandt sind, so muß sein Wort in uns wohnen, wie er das leben35 sagt:] sagt,: 2 Vgl. Lk 19,11–27 12–13 Vgl. Röm 8,28 33 Vgl. Joh 5,20 36–37 Vgl. Mt 11,27
31 Vgl. Mt 11,27; Joh 3,35
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dige Wort seines Vaters war, nur dadurch werden wir geheiligt in der Wahrheit. Das verstehen wir gewiß Alle, und es giebt keinen andern Weg, als in ihm, um uns zu heiligen, daß die Kraft, womit er vom Vater gesandt ist in die Welt, unser werde, und wir ihm ähnlich werden und seinen Beruf in uns | erfüllen. Vers 19: Ich heilige mich selbst für sie, auf daß auch sie geheiliget werden in der Wahrheit, giebt freilich zu mancher Frage Anlaß. Wie konnte der Erlöser sich heiligen? war er nicht stets heilig? War ers nicht immer, so fällt ja der Grund unsers Glaubens, denn wer nicht heilig ist, kann sich auch selbst nicht heiligen. Sagt er, er heiligt sich selbst für uns, so heißt das, er war ursprünglich der Heilige, und nur so konnte er sich darstellen. Ich heilige mich selbst, d. h. ich stelle mich dar als die Heiligung für sie. Dadurch giebt er eine besondere Beziehung der Heiligung auf sich und stellt es als die Nothwendigkeit seiner Natur und seines Wesens und als Wirkung seiner Liebe dar. Sagt er nun: ich heilige mich selbst für sie, auf daß auch sie geheiligt werden in der Wahrheit, so heißt das, daß er uns, um dies Ziel zu erreichen, ganz und gar | auf sich selbst verweist; auf ihn, als auf den, der für uns als die Heiligung der Wahrheit ist dargestellt, auf ihn sollen wir sehen, an ihm bleiben, daß wir auch geheiligt werden in der Wahrheit. Daß wir diese Erfahrungen immer mehr machen, darauf beruht unsere Seligkeit, und daß wir Frucht bringen an ihn durch das kundgewordene Wort der Wahrheit in ihm. Je lebendiger er nun unsren Seelen gegenwärtig ist, desto mehr werden wir im Wort des Herrn geheiligt und in den Stand gesetzt, unsere Sendung auszurichten. Wenn wir in ihm bleiben, so bleibt er in uns und wir erfahren es immer mehr, daß wir ohne ihn nichts thun können. Er heiligt sich selbst, und daß wir Frucht bringen durch seine Wahrheit, das ge|schieht indem wir uns dieselbe aneignen. Wollen wir mit den Augen des Geistes auf irgend etwas Anderes hinsehen, wollen es sehen aus dem inneren Grunde des menschlichen Gemüths, so ist die Wahrheit getrübt; auf Christum müßen wir Alles zurück beziehen, damit wir ihn in voller Heiligkeit schauen. Er heiligt sich und Alles andre. Mögen wir es alle immermehr erfahren, immermehr verstehen, und dann das Zeugniß davon ablegen, was der erste Dank ist: dann sind wir gesandt in die Welt, wie auch er, und wir werden Frucht bringen, wie er. Amen.
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27. Sonntag nach Trinitatis (Totensonntag), 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Thess 5,1–11 (Sonntagsperikope) Drucktext Schleiermachers; Predigt am 27sten Sonntage nach Trinitatis 1826, Berlin 1827 Wiederabdrucke: SW II/4, 1835, S. 157–170; 21844, S. 219–232 – Sämmtliche Werke, ed. Grosser, Bd. 5, 1877, S. 127–139 – Kleine Schriften und Predigten, Bd. 3, edd. Gerdes u. Hirsch, 1969, 306–319 Andere Zeugen: Keine Besonderheiten: Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
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Predigt am 27sten Sonntage nach Trinitatis 1826, als am Todtenfeste in der Dreifaltigkeitskirche gesprochen von Dr. Fr. Schleiermacher.
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Berlin, 1827. Gedruckt bei G. Reimer. |
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Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes, unsres himmlischen Vaters und die trostreiche Gemeinschaft seines Geistes sei mit uns. Amen. Te x t . 1. Thessalonich. 5, 1–11. Von den Zeiten aber und Stunden lieben Brüder, ist nicht Noth euch zu schreiben. Denn ihr selbst wißt gewiß, daß der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht. Denn wenn sie werden sagen, es ist Friede, es hat keine Gefahr, so wird sie das Verderben schnell überfallen, gleichwie der Schmerz ein schwangeres Weib, und werden nicht entfliehen[.] Ihr aber, lieben Brüder, seid nicht in der Finsterniß, daß euch der Tag wie ein Dieb ergreife. Ihr seid allzumal Kinder des Lichts und Kinder des Tages; wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsterniß. So laßt 8–10 Kanzelgruß nach 2Kor 13,14
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uns nun nicht schlafen wie die Andern, sondern laßt uns wachen und nüchtern sein. Denn die da schlafen, die schlafen des Nachts, und die da trunken sind, die sind des Nachts trunken. Wir aber, die wir des Tages sind, sollen nüchtern sein, angethan mit dem Krebs | des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung zur Seligkeit. Denn Gott hat uns nicht gesezt zum Zorn, sondern die Seligkeit zu besizen durch unsern Herrn Jesum Christum, der für uns gestorben ist, auf daß, wir wachen nun oder schlafen, wir zugleich mit ihm leben sollen. Darum ermahnet euch unter einander, und bauet einer den andern, wie ihr denn thut. M. a. F. diese Worte des Apostels beziehen sich allerdings zunächst auf die damals unter den Christen allgemein verbreitete und auch so natürliche Erwartung, daß der gen Himmel aufgehobene Erlöser bald wiederkommen werde zur Beendigung aller menschlichen Dinge. So verbreitet war diese Erwartung, daß wir fast in allen apostolischen Briefen, in so verschiedene Gegenden sie auch gerichtet sind, die Spuren davon antreffen. Und aus den mannigfaltigen nicht immer der Sache gemäßen Ausschmükkungen derselben in den häufigen Gesprächen der Christen über diesen Gegenstand folgte dieses, daß viele Christen eben deshalb, weil sie alle Herrlichkeiten dieser Wiederkunft des Herrn für sich und ihre Zeitgenossen erwarteten, die Besorgniß hegten, ob nicht die ganze bevorstehende Seligkeit denen entgehen werde, welche früher durch den Tod wären hinweggerafft worden: worüber in den lezten Worten des vorhergehenden Kapitels der Apostel die Thessalonicher zu trösten sucht. Natürlich war diese Erwartung, denn sie hatte manches, nur zu buchstäblich aufgefaßte, Wort des Erlösers für sich; daran hielt sich die Sehnsucht der damaligen Verkündiger des Glaubens, welche den Erlöser von Angesicht gekannt hatten, und mit dem | Glauben theilte sich auch ihre Hoffnung denen mit, welche das Wort der Verkündigung annahmen. Uns aber m. g. F. ist dieses alles weit aus den Augen gerükt, und ohne daß wir deshalb zu denjenigen zu rechnen wären, von denen der Apostel sagt, daß sie schlafen als solche die der Finsterniß angehören, mögen wir wol alle die Ueberzeugung hegen, daß noch manche Geschlechter der Menschen kommen und vergehen werden, ehe das Werk des Herrn auf dieser Erde wird vollbracht sein, und dasjenige eintreten können, was damals schon erwartet wurde. Aber doch 5 Das Wort „Krebs“ bezeichnet in der Lutherbibel gelegentlich (außer hier noch Eph 6,14; Weish 5,19, ebenfalls im übertragenen Sinn) einen Brustpanzer und war schon zu Schleiermachers Zeit veraltet (vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 1767–1768). In der Predigt (Teil II) ersetzt er es durch „Harnisch“. 24–25 Vgl. 1Thess 4,13–18
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m. g. F. gehen auch uns des Apostels Worte nicht minder nahe an als die damaligen Christen. Denn was für jene ihrer Meinung nach die Wiederkunft des Herrn sein sollte, das ist für uns alle der Augenblikk unseres Abschiedes aus diesem Leben. Denn nicht anders als ob alle menschlichen Dinge beendigt wären, tritt dann für jeden das Ende seines Wirkens hienieden und seines ganzen gewohnten Zustandes ein, auf die gleiche Weise ist dann alles für uns abgeschlossen, wovon wir Rechenschaft werden geben müssen vor dem Richterstuhle dessen, der als Richter auch damals schon erwartet wurde. Darum m. g. F. zeichnet auch für uns der Apostel die zwei in dieser Beziehung einander entgegengesezten Zustände. Einige, sagt er, welche von der Nacht sind und aus der Finsterniß, wird der Tag des Herrn ergreifen wie ein Dieb in der Nacht; Anderen, weil sie nicht von der Nacht sind noch aus der Finsterniß sondern Kinder des Tages und des Lichtes, kommt dieser Tag weder feindselig noch unerwartet. Wenn aber der Apostel dieses als ein Unheil darstellt, wenn der Tag des Herrn die Menschen ergreift wie ein Dieb in der Nacht: so ist gewiß seine Meinung in Bezie|hung auf unsre gegenwärtigen Verhältnisse keinesweges die, als ob, wenn der Tod nur allmählig herantritt, nachdem er sich lange vorher angekündigt durch Krankheiten und Schmerzen des seiner Auflösung entgegengehenden Leibes, dieses ein glücklicherer Zustand wäre, als wenn er plözlich hereintritt wie ein Bliz, den der Herr zu seinem Diener macht. O, wieviel Ursache möchten dann viele unter uns haben zur Trauer über mehr oder weniger befreundete Dahingeschiedene am Ende eines Jahres, in welchem wir, wie wir wol Alle oft genug vernommen haben, so ungewöhnlich viele Beispiele von ganz plözlichen nicht einmal geahndeten Todesfällen erlebt haben! Aber nein, m. g. F., hierauf nicht, sondern nur darauf kommt es an, ob der Tod uns erscheint wie eine unwillkommne und räuberische Gewalt, der wir gern ausweichen möchten, ob er hereinbricht wie ein gefürchtetes Uebel, oder ob wir unsre Zustimmung dazu geben von hinnen zu scheiden, und also dem Boten nicht unwillig folgen, der da kommt uns abzurufen. Folgen wir unwillig: so sind wir nur um so länger im Widerspruch mit der göttlichen Fügung, je länger wir den Tod mit einiger Bestimmtheit voraussehen. Sind wir zufrieden: so erbauen wir desto länger durch unsere Ergebung. Doch meine ich es auch mit diesem Unterschied nicht so, wie er freilich am größten ist, wenn wir uns nämlich denken, Alle müßten unwillig sterben, welche, weil sie ganz den vergänglichen Dingen dieser Welt anhingen, auch mit dem irdischen Leben alles verlieren, Alle aber könnten sich in den Tod wol fügen, in deren Gemüth die frohe 23 Vgl. Ps 104,4
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Zuversicht eines ewigen Heiles sich befestiget habe. Auch dies, m. g. F., wäre keine Betrachtung für uns, die wir uns | ja auch die Worte des Apostels aneignen können, Wir sind allzumal Kinder des Tages und des Lichtes, und wissen es, daß wir nicht gesezt sind zum Zorn, sondern die Seligkeit zu besizen durch Christum. Sondern ich meine diesen Unterschied nur so, wie er auch zwischen solchen sich findet, welche auf gleiche Weise Ursache haben ruhig zu sein über ihr künftiges Heil. Auch unter diesen begegnet es nicht wenigen, so daß ich mich hierüber wol auf die Lebenserfahrung der Meisten unter uns berufen kann, daß die Annäherung des Todes sie überrascht wie ein Dieb in der Nacht, wenn auch nicht sofern sie ihn denken als den Uebergang in ein neues Leben, von welchem sie ja nichts als gutes erwarten, doch sofern sie in ihm das Ende ihrer bisherigen Wirksamkeit und die Trennung von allen ihren Verhältnissen erblikken. Ja wir müssen wol gestehen, daß unter allen die im Lauf eines Jahres das Zeitliche gesegnet, nur wenige sind, welche uns das Bild in seiner ganzen Reinheit darstellen, welches der Apostel uns hier als dasjenige vorzeichnet, in welches alle Christen sich gestalten sollen. Deshalb also laßt uns m. g. F. nach der Aufforderung des Apostels in der gegenwärtigen Stunde uns, wie er sagt, in Beziehung a uf d e n Al l e n b e vo r s t e h e n d e n A b s c h ied a us diesem Leben unt e r e i n a n d e r e r m ah n e n u n d e r b au en. Wozu wir uns aber ermahnen sollen, das sagt er uns zuerst in den Worten, Laßt uns w a chen und n ü c h t e r n sein, und dieses sei also auch der erste Gegenstand unsrer Betrachtung. | I. M. a. F. Was der Apostel hier in geistigem Sinne Nüchternheit nennt, das will er doch jener traurigen Verirrung entgegensezen, wenn ein Uebermaaß des Genusses dem Menschen die Klarheit seines Bewußtseins und den vollen Gebrauch seiner Sinne geraubt hat. Wer wird also wol nach Paulus Sinn in Beziehung auf unsern Abschied aus diesem Leben der Nüchterne sein und wer nicht? Gewiß m. g. F. derjenige ist der Nüchterne, der sich des Vergänglichen in diesem Leben in einem jeden Augenblik als eines solchen bewußt ist, mag nun die Rede sein von den Werken, in welche er verflochten ist, von den Thaten die ihm aufgegeben sind, oder mag die Rede sein von dem, was ihm das Leben in seiner Fülle von außen bringt, nicht das Sinnliche meine ich, woran wir ja am wenigsten hängen, sondern die höheren und geistigen Genüsse, die aus dem Zusammenleben gleichgebildeter und gleichgesinnter Menschen entstehen, und der schönste und herrlichste Schmuk des Lebens sind; immer sollen wir schaffen und wirken so lange es Tag ist mit dem Bewußtsein, daß es jeden Augenblik Nacht
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für uns werden kann, immer uns freuen und genießen mit dem Bewußtsein, daß wir hier Gäste sind und Fremdlinge. Vergessen wir auch nur auf kurze Zeit, daß der nächste Augenblik uns hinwegnehmen kann aus der ganzen Fülle unsrer Thätigkeit und unsres Besizthums: o, m. g. F., so ist das schon ein Zustand der Berauschung, denn wir haben kein wahres Bild mehr von dem, was um uns her ist und vorgeht, sondern eine immer unordentliche Richtung des Gemüthes hat das Bewußtsein getrübt und verworren gemacht. Erkennen wir aber das Irdische nicht mehr dafür, daß es auch wieder zur Erde werden muß; | so können wir auch nicht rein und wahr im Himmlischen leben. Und je öfter dieser Zustand der Vergessenheit wiederkehrt, je länger es anhält, daß uns in einem Leben, in welchem alles wechselt, doch das Ende desselben nicht nahe und gegenwärtig ist in der Seele: um desto mehr entwöhnen wir uns von dem heilsamen Zustande der Nüchternheit, und es kann nicht fehlen, daß wenn in diesem Rausche sich uns plözlich das Bild des Todes aufdrängt, uns dann auch ein stechender Schmerz unerwartet überfällt, und das ist der Schmerz, von welchem der Apostel sagt, daß solche ihm nicht entfliehen werden. Wollen wir uns aber nun ermahnen in diesem Sinne nüchtern zu sein und zu bleiben, so sage nur niemand bei sich selbst, es wäre wol leicht so zu ermahnen und auch sich ermahnen zu lassen für diejenigen, welchen schon herannahendes Alter und zunehmende Schwäche manche Botschaft ins Ohr geflüstert haben davon, daß auch der Tod, der dem Alter folgt, nicht mehr fern sein könne; aber auf der Höhe des Lebens, wo der Wirkungskreis sich immer noch ausdehnt, wo die Thaten sich drängen und die Gegenwart den Menschen so in Anspruch nimmt, daß wenigstens an seine eigne Zukunft zu denken ihm gar wenig Zeit übrig bleibt, sei diese Nüchternheit gar schwer. Und wie sie nun gar der Jugend zugemuthet werden könne, das sei noch schwerer zu glauben, ihr, die in sich selbst auch nicht die leiseste Mahnung findet an das Ende des Lebens, vielmehr, indem sie sich von einer Kraft zur andern in freudiger Fülle entwikkelt, von jedem würdigen Ziele der Thätigkeit angelockt in Ahndungen und Vorbereitungen lebt, bei denen sie nicht anders kann, als eine lange Zukunft für einen Besiz anzusehen, auf den sie die gerechtesten An|sprüche hat. Dennoch m. g. Fr. spreche niemand so! Alle Lebensalter werden auf gleiche Weise an die Vergänglichkeit des irdischen gemahnt, da der Tod aus allen ohne Unterschied seine jährlichen Opfer fordert. Auch der frischesten Jugend in der Blüthe des Lebens und in der Fülle der Kraft kann es nicht entgehen, wie manches Todesloos schon glücklich an 2 Vgl. Hebr 11,13 32 Vgl. Ps 84,8
9–10 Vgl. Gen 3,19; Hiob 10,9; Ps 146,4; PredSal 12,7
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ihr vorübergegangen ist, da ja die gute Hälfte von denen, welche in dem Zeitraum eines Jahres aus unsrer Mitte scheiden, von diesem Leben noch nichts gekannt haben, als die halb bewußtlosen Leiden und Freuden der ersten Kindheit. Und ach! auf der andern Seite das Alter zeigt sich auch keinesweges immer so geneigt selbst zu ermahnen und auch sich wiederum ermahnen zu lassen zur christlichen Nüchternheit! Denn sind auch schon Thätigkeit und Genuß auf mancherlei Weise beschränkt: so wird nur um so mehr das Leben selbst zur Gewohnheit; und je mehr schon Jahre verflossen sind, um so mehr scheint es sich von selbst zu verstehen, daß noch wieder eines sich an die anderen anreihet und das begonnene auch werde zu Ende gelebt werden. So berauscht sich auch das Alter, nur an geringerem Getränk. Darum ohne allen Unterschied, ob wir es schon weit in diesem Leben gebracht und viel davon zurückgelegt haben oder nicht, ja auch ohne Unterschied, wie sehr es uns erfreulich ist, und ob wir die Fortsetzung desselben zu allen Zeiten mit gleicher Liebe wünschen, oder ob es Augenblikke giebt, wo wir daran schon genug zu haben glauben und als Gesättigte meinen, es würde uns erwünscht kommen, wenn das Mahl aufgehoben würde – denn auch solche Anwandlungen verlieren sich gar bald wieder mit den vergänglichen Uebeln und Unfällen selbst – also ohne allen | solchen Unterschied laßt uns unter einander uns ermahnen zur Nüchternheit, denn wir bedürfen es Alle, damit ja niemals, unter welchen Umständen und in welcher Gestalt er auch nahe, der Tod erst uns Schrekken einflöße vor der Vergänglichkeit, die wir ja immer vor Augen haben und deren wir uns immer bewußt sein sollten! Lieber laßt uns mitten im Leben ja bei allen seinen Geschäften und Freuden beständig das Bild des Todes vor uns tragen, wie ja gewiß in Jedem zu jeder Zeit schon der Keim desselben sich entwikkelt, damit wir weder erstaunen noch erschrekken, sei es auch wann es wolle, wenn die Stunde schlägt, die jedem unter uns der Herr bestimmt hat. Nur daß uns auf keine Weise diese Nüchternheit den Geschmack verderben soll an der Freude am Herrn, zu der uns derselbe Apostel anderwärts so dringend ermahnt, oder gar uns eine Verleitung werden zur Trägheit, und unsere Thätigkeit lähmen in dem großen Werke des Herrn, als ob es nicht lohne an dem zu arbeiten, was wir doch nicht werden bis zu seinem Ende leiten können; sondern freuen sollen wir uns in dem Herrn allewege und wirken weil es Tag ist. Nein der Apostel hat uns nicht ermahnen wollen zu einer düstern und müßigen
33–34 Vgl. Phil 3,1; 4,4
22 ermahnen] ermahn* 37–38 Vgl. Phil 4,4
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Todesbetrachtung, die uns von dem Schauplaz der uns aufgegebenen Thätigkeit, von der freudigen und wirksamen Theilnahme am Reiche Gottes zurükzieht, einen dem Moder entrissenen Schädel vor sich hinstellen muß um sich das Bild des Todes zu vergegenwärtigen, und statt des Friedens und der Freude in dem heiligen Geiste, in dumpfem in sich brüten und herben aber fruchtlosen Werken der Buße der Stunde harrt, die da kommen soll! Vielmehr wie die Nüchternheit immer der Zustand ist, in welchem der Mensch seiner | Sinne sowol als auch seiner Kräfte vollkommen mächtig ist: so soll diese geistige Nüchternheit uns freudiger machen in dem Herrn, indem unsre Freude von aller Beimischung des eitlen gereinigt wird, wenn wir das Vergängliche als solches erkennend unsere Sinne ganz dem bleibenden und ewigen zuwenden; und indem wir Verzicht darauf leisten, irgend etwas entschieden oder vollendet zu sehen von dem was wir begonnen haben und wofür wir kämpfen, soll unsere Thätigkeit um so gründlicher und kräftiger werden als sie reiner ist und unbefangener. Und das ist auch die Meinung des Apostels und die Ursache, weshalb er nicht zur Nüchternheit allein ermahnt, sondern Laßt uns w a c h e n , sagt er, und nüchtern sein! Wer gedenkt hier nicht bei den Worten des Apostels jener Rede des Herrn an seine Jünger, als er zu ihnen sagte, Wohl dem Knechte, den sein Herr, wenn er kommt, wachend findet! Der wachende Mensch m. g. F. entgegengesezt dem schlafenden nicht nur, sondern auch demjenigen, der in einem träumerischen Zustande begriffen allerdings auch kaum verdient ein wachender zu heißen, ist derjenige, welcher offen ist für die ganze Gegenwart, die ihn umgiebt, dem nichts entgeht was um ihn her vorgeht, der also auch keine Aufforderung versäumt, je nachdem sich in dem Kreise seines Lebens und Wirkens etwas ereignet, sei es nun sich zu bewahren und zu schüzen oder Andern hülfreich zu sein. So lange wir nun in diesem Zustande des Wachens verharren, sind wir sicher, daß der Tag des Herrn, wie er auch käme, uns nicht überfallen wird wie ein Dieb in der Nacht; sondern weil immer alles gethan und im Werke ist, was uns obliegt, werden wir solche Knechte gewesen sein, die der Herr glüklich preist, weil | wenn er kommt er sie wachend findet. Ueberlassen wir uns aber öfter dem Schlaf und dem Träumen, so daß wir vieles von demjenigen unbeachtet versäumen, was der Herr auf den Weg unsers Lebens als unseren Theil Arbeit gelegt hat, weil wir das Auge des Geistes nicht immer frisch und munter nach allen Seiten herumwenden: dann freilich haben wir zu besorgen, daß, wenn dereinst der Tag des Herrn kommt, und dann wie es zu geschehen pflegt die Flamme des Lebens zulezt 21–22 Vgl. Lk 12,37.43
33–35 Vgl. Lk 12,37
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noch einmal heller als gewöhnlich auflodert, und auch das geistige Auge weniger umschleiert ist und schärfer unterscheidet, so daß wir nun noch vieles sehen, was wir hätten thun können und sollen, es aber versäumt haben und verträumt, uns dieses zu einem stechenden Schmerz werde, dem wir nicht entfliehen, sondern er verbittert uns noch die lezten Stunden des Lebens. Wolan, so laßt uns denn unverdrossen wachen, jeder auf dem Posten wohin ihn der Herr gestellt hat, und immer bereit sein anzufassen wo es Noth thut! laßt uns aufmerksam auf jede innere Stimme lauschen, die uns auffordert zu irgend einem wohlgefälligen Werke des Herrn! Und wenn irgend etwas bedeutendes eintritt, dann besonders nicht müde werden zu forschen und zu fragen, welches da sei der wohlgefällige Wille Gottes an uns. Aber auch dann laßt uns nicht, wie es nur gar zu oft den schwachen Menschenkindern ergeht, über dem großen und wichtigen, das unser Gemüth vorzüglich beschäftiget und in Anspruch nimmt, die sich immer erneuernden Forderungen, die das gewöhnliche Leben in seinem alltäglichen und ruhigen Geleise an uns macht, gleichgültig übersehen, vielmehr nicht nur in Ermangelung des Großen sondern auch neben demselben das Kleine nicht zurükweisen und hintansezen! | Wem dies durch Gottes Gnade gelingt, m. g. F., der erfreut sich während jene weise Nüchternheit ihm das Bild des Todes immer vergegenwärtigt, doch zugleich, weil er wacht, des Bewußtseins eines vollen ungekürzten und gewiß auch gesegneten Lebens; der gewiß, wenn irgend einer, wird in jedem Augenblik bereit sein, wenn es so geboten wird, auch die Hand von seinem Werke abzuziehen, weil er weiß, daß er an seinem Theile nichts verdorben, sondern treu und redlich den Dienst des Herrn verrichtet hat, der wird keinen Schmerz fühlen und kein Schrekk wird ihn ergreifen, wenn der Augenblik aus diesem Leben abzuscheiden für ihn gekommen ist. Uns aber m. g. F. ist mit weiser Vorsicht ein besonderes Andenken an das Ende des Lebens und ein Gedächtniß derer, die von uns dahingegangen sind, an dem Ende jedes kirchlichen Jahres geordnet. Denn wenn das Ende des Jahres uns auf einen bedeutenden Theil unseres Lebens zurükweiset und uns mit Recht zu einer gründlichen Prüfung auffordert, wiefern auch wir nüchtern und wachsam gewesen sind, so muß uns das Andenken an diejenigen, welche in einem solchen Zeitraume von uns geschieden sind, zu einer besonderen Mahnung dienen, noch zuzunehmen im nüchternsein und wachen. Mögen es nun viele oder wenige sein, und aus den näheren oder nur den entfernteren Kreisen unseres Berufslebens und unserer christlichen Gemeinschaft, welche in diesem Jahre das Zeitliche verlassen haben: immer sind sie 14 Menschenkindern] Menschenkindren
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doch abgerufen worden von ihrem Werke. Haben sie es nun wohl verwaltet und sind wachsame Knechte gewesen, die der Herr niemals und auch in ihrer lezten Stunde nicht anders gefunden hat: was können wir ihnen lieberes thun, als nun in demselben Sinne | und auf dieselbe Weise ihr Werk als das unsrige aufzunehmen und es weiter zu führen, wie sie selbst dies auf eine uns erfreuliche und erbauliche Weise während ihres Lebens gethan haben. Sind sie hie und da weniger nüchtern und wach gewesen, wie wir alle die Schwachheit der menschlichen Natur theilen: was für ein besseres Opfer der Liebe und der Dankbarkeit können wir ihrem Andenken weihen, als daß wir aus allen Kräften trachten zu ergänzen und nachzuholen was sie versäumt haben, damit das Werk Gottes sich doch immer weiter fördre, und der Herr mit seinen Knechten, denen ja alles gemein ist, wenigstens im Ganzen immer mehr könne zufrieden sein. So wollen wir uns jezt, und so auch täglich – denn jeder Tag ist ja ein Abschnitt des schnell dahin schwindenden Lebens – ermahnen nüchtern zu sein und zu wachen. II. Wozu wir aber zweitens uns unter einander ermahnen sollen, und wovon es vorzüglich abhängen wird, ob wir uns unter einander auch durch Wachen und Nüchternheit erbauen werden, das lautet bei dem Apostel so, wir sollen angethan sein mit dem Krebs des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung des Heils. Warum m. g. F. vergleicht er wohl den Glauben und die Liebe einem Harnisch, der die Brust des dem Feinde gegenüberstehenden Kriegers bedekkt? Nicht ohne Anspielung ist diese Rede des Apostels auf ein prophetisches Wort aus den Schriften des alten Bundes, wo von dem Herrn gesagt wird, Er waffnet sich mit Gerechtigkeit als mit einem Panzer, um seinen Widersachern zu vergelten1. | Das wollte der Apostel nicht auf uns Menschen anwenden; denn er wußte wol und hatte es oft und laut genug verkündigt, daß die Gerechtigkeit des Menschen, sofern sie nicht auf dem Glauben ruht, sondern irgend ein gesezlicher Maaßstab angewendet werden soll, nur sein kann wie ein durchlöchertes Sieb. Statt einer solchen nun bietet er uns dar als einen festeren Panzer den Glauben und die Liebe, beide als Einen, wie er sie denn immer ungetrennt von einander begreift, denkt und darstellt. Denn der Glaube, der ohne Werke todt ist, wirkt nur durch die Liebe, und wiederum giebt es keine wahre und gottgefällige Liebe außer derjenigen, welche die Thätigkeit des Glaubens ist und aus ihm hervor1
Jes. 59, 17.
2–3 Vgl. Lk 12,37–38.43
37 Vgl. Jak 2,20 und Gal 5,6
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geht. Beide so verbunden empfiehlt uns also Paulus als den Harnisch Gottes, mit welchem angethan wir wandeln müssen, wenn unsre Brust soll geschüzt und geschirmt sein gegen die gefährlichen Pfeile des Todes, nicht nur gegen die, welche gleichsam mit unsicherer Hand abgeschossen nur als Warnungszeichen vor uns vorübergleiten, sondern auch gegen die, welche bestimmt sind uns abzurufen aus diesem Leben. Die schirmende Kraft aber des Glaubens m. gel. Fr. liegt darin, daß wie derselbe Apostel an einem andern Orte sagt, der Glaube nichts anders ist als das Leben Christi in uns. Denn so spricht er, Was ich nun lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben des Sohnes Gottes; nicht ich lebe, sondern Christus lebt in mir1. Sehet dieser Glaube, der das Leben Christi in uns ist, dieser und kein anderer ist es, vermöge dessen und in dessen Kraft wir | schon hindurchgedrungen sind durch den Tod; dieser ist es von dem der Herr selbst sagt, daß alle, die da glauben auch schon das ewige Leben haben, und dieser ist es eben deswegen, der uns gegen die Pfeile des Todes schüzt. Denn wie sollte nicht Christus, wenn er durch den Glauben in uns lebt, uns immer in dem nüchternen und wachen Zustande erhalten, den wir uns vorher angepriesen haben da er selbst ein so herrliches Vorbild desselben gewesen ist! Wie trug er immer das ganze Werk, welches ihm von seinem himmlischen Vater aufgetragen war, in seinem Herzen, und wie stand es ihm immer in allen Beziehungen vor Augen! Und auf der andern Seite wie fest und ruhig wandelte er immer im Bewußtsein des Todes, wissend welches Ziel des irdischen Lebens ihm gestekt war, aber auch immer in ungetrennter Gemeinschaft mit seinem Vater. Wenn also auch wir, sofern Christus in uns lebt, mit ihm auch schon des ewigen Lebens wahre Theilnehmer sind, nicht nur es uns als eine ferne Hoffnung vorhalten, eben so gewiß aber auch mit ihm uns immer klar des Vergänglichen, daß es ein solches sei, bewußt sind: so ist dann der Himmel jetzt schon unser Vaterland, weil nur das ewige und göttliche wahrhaft in uns lebt; und indem wir jezt schon nur nach dem trachten was droben ist, so haben wir die irdische Hütte, mögen wir sie nun früh oder spät verlassen sollen, schon immer der Vergänglichkeit geweiht, indem wir auch in diesem Sinne in die Gemeinschaft des Todes Christi gepflanzt sind. So richtig zeigt sich die Behauptung des Apostels, daß der Glaube der Harnisch ist, 1
Gal. 2, 20.
14–15 Vgl. Joh 5,24 15–16 Vgl. Joh 3,15–16 31 Wohl Anspielung auf Hebr 11,14.16 33 Vgl. Kol 3,2 33–34 Vgl. 2Kor 5,1 36 Wohl Anspielung auf Röm 6,5
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der unsre Brust schirmt, so daß der Tod uns nichts schaden kann. Sein Stachel ist gebrochen, und die Furcht vor ihm gehört nur der Welt, welche Christus überwunden hat. | Damit aber auch der Stachel des Vorwurfs uns nicht lange schmerze und nicht haften bleibe, da es ja bei der menschlichen Schwachheit nicht fehlen kann, daß nicht Jeder manches sollte versäumen und unterlassen: so nennt der Apostel noch besonders als einen Theil unseres Harnisches die L i e b e , wiewol jener Glaube ohne sie nicht zu denken ist; denn wie sollte sie nicht sein wo der lebt an welchem uns auf ganz besondere Weise die Liebe Gottes erschienen ist. Paulus nennt aber die Liebe, weil sie als der Stamm, auf welchem alle edle Früchte des Geistes allein wachsen, auch die wahre Erfüllung und Ergänzung des Gesetzes ist. Denn wollten wir, wo wir uns selbst Rechenschaft abfordern über unser Thun, uns, wie es die Weise des Gesezes mit sich bringt, nach einzelnen Werken messen, so würden wir niemals auch nicht vor uns selbst gerecht erscheinen können, sondern nur zur Erkenntniß auch der Sünden der Unterlassung gelangen. Wenn wir uns aber bewußt sind, daß die Liebe Christi uns zu allem gedrungen hat, was wir doch wirklich gethan: so wissen wir auch daß nichts verdammliches an uns ist, denn Christus ist da der gerecht macht. Aber um so mehr ist unser Harnisch nicht nur der Glaube sondern Glauben und Liebe aus Einem Stück, als die Liebe vorzüglich wach und rege erhält, und das Auge des Geistes schärft. So gewiß Gott selbst die Liebe ist, kann auch nur der, welchen die Liebe treibt, überall erkennen, welches da sei der wohlgefällige Wille Gottes an ihn; eben wie sie es war, die auch den Erlöser alle Werke Gottes erblikken ließ. Wenn uns also mitten im Leben der Gedanke an den Tod zugleich an Versäumtes mahnt: so dürfen wir vertrauen, daß wir von einer Zeit zur andern mehr werden nüchtern und wachsam werden durch die | Kraft der Liebe. Und wenn uns doch dieselbe Empfindung noch anwandelt auch in der entscheidenden Stunde: so werden wir Sicherheit finden in dem Bewußtsein, daß wenn wir nur gesucht haben die Liebe auch andern Gemüthern einzupflanzen und in ihnen zu pflegen, ihnen dann noch mehr als uns gelingen wird, durch Nüchternheit und Wachen die Mängel der früheren Zeit zu ergänzen. So sind wir denn auf diese Weise angethan gewiß Kinder des Lichts und des Tages, wenn die Liebe selbst der Tag ist in dem wir wandeln, das Licht welches uns überall scheint und leuchtet, und vermöge dessen wir sagen können, daß wir nicht von der Finsterniß sind und aus der Nacht. 1–2 Wohl Anspielung auf 1Kor 15,55–56 2–3 Vgl. Joh 16,33 9–11 Vgl. 1Joh 4,9 11–13 Vgl. Röm 13,10 und Gal 5,22 13–17 Vgl. Röm 3,20 18–19 Vgl. 2Kor 5,14 19–20 Vgl. Röm 8,1 20–21 Wohl in Anlehnung an Röm 8,33 formuliert (dort Gott als Subjekt) 24 Vgl. 1Joh 4,8.16 25 Vgl. Röm 12,2
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Aber warum bedürfen wir doch noch der Hoffnung des Heils, daß sie sei der Helm auf unserm Haupte? Ist auch die Brust wohl geschirmt, m. g. Fr., so ist doch unser Haupt verwundbar, weil es empfänglich ist für Bedenklichkeiten und Zweifel. Das sind gefährliche Streiche, die gegen dasselbe geführt werden und leicht auch den Arm entnerven und den Fuß lähmen können, wenn der Gedanke auf uns eindringt, ob nicht alle unsere Arbeit vergeblich sei, ob wir bei dem schwankenden und unentschiedenen in allen menschlichen Dingen wol jemals darauf rechnen können, daß christliche Weisheit und Tapferkeit den Preis davon tragen werden um den sie werben. Wo gäbe es wol Ein gutes Werk, was wir beginnen, woran wir arbeiten könnten mit der sichern Aussicht, daß wenn wir es auch nicht gradezu selbst vollenden, es doch werde in ununterbrochenem Zusammenhange mit unsern Bemühungen vollendet werden, und nicht so oft noch unterdrückt und hintertrieben, daß diese, wenn es auch zulezt gelingt, für gar nichts dabei zu rechnen sind! Wo gäbe es wol einen | Streit, in so viele wir auch hineingezogen werden können durch den Dienst des Herrn, von dem wir sicher sein dürften, unser Fechten werde den Sieg herbei führen, und nicht eben so gut besorgen müßten, daß er sich noch lange hinausspinnen könne, und alle Bestrebungen zurükgeschlagen werden, an denen wir selbst noch theilnehmen. – Aber die Hoffnung des Heils schüzt und schirmt gegen solche Anfälle des Versuchers unser Haupt als ein Helm der sich undurchdringlich bewährt. Das Heil nämlich ist dieses, daß das Reich Gottes unüberwindlich ist auch für die Macht der Hölle; und die Hoffnung, welche unser Haupt zugleich schüzt und hebt ist die, daß mittelbar oder unmittelbar alles was in dem Geiste Christi geschieht auch zu dem Siege seines Reiches beiträgt. Wer alles für Schaden achtet, auf daß er Christum gewinne, der gewinnt ihn auch gewiß, und zwar nicht nur für sich sondern auch für Andere. Wen die Liebe Christi dringt, der überwindet gewiß auch durch Unterliegen, wie der Erlöser selbst durch Sterben überwand, und jeder spätere Sieg der Sache Gottes ist für ihn eine glorreiche Auferstehung; denn das spätere könnte nicht werden was es wird ohne das frühere. Der die Thränen und Seufzer der Frommen zählt, läßt noch weniger ihre Dienste verloren gehn, und alles ist ihm ein Dienst, was im Namen dessen geschieht, der uns nicht nur zur Erlösung und zur Gerechtigkeit geworden ist, sondern auch so zur Weisheit und zur Heiligung, daß alles was in der Verbindung mit ihm geschieht auch an der Unvergänglichkeit und dem Erfolge seiner Thaten Theil hat. – So m. gel. Fr. laßt uns mit dem Harnisch des Glaubens und der Liebe angethan, durch den Helm der unver|gänglichen Hoff28–29 Vgl. Phil 3,8 36–38 Vgl. 1Kor 1,30
30 Vgl. 2Kor 5,14
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nung geschüzt in froher Zuversicht immer wachsam sein und nüchtern. Aber m. g. Fr. wie wenn das Vaterland in Gefahr ist, und wir wohl gerüstet die geharnischten Krieger ausziehen sehen um dasselbe zu vertheidigen, auch uns Uebrigen dann der Muth gestählt wird, und eine so frohe Hoffnung des Gelingens uns erfüllt, daß auch jeder bereit ist, insofern er den gleichen Muth bei Allen voraussezen muß, sich selbst mit williger Aufopferung alles andere und mit derselben Unerschrockenheit wie Jene dem Kampf anzureihen wenn es Noth thut und dem Feinde entgegenzugehen: so geschieht es auch, wenn diejenigen die eben zum Streite Gottes berufen sind, so gewaffnet mit dem Harnisch des Glaubens und der Liebe, so beschirmt mit dem Helm der Hoffnung einhergehen, daß auch allen Andern, welche die herrliche Rüstung bewundernd anstaunen und an dem Tritt der Männer erkennen, wie sie auf diese ihre Zuversicht sezen für den Rathschluß der göttlichen Gnade, und wie sie keiner trüben Muthlosigkeit Raum geben, sondern gutes ahnden für das Werk des Herrn, daß dann auch den Andern der Muth gestählt wird und sie zu der gleichen Wehr und Waffe greifen, um sich zu üben, und sie auf diese Weise erbauet werden zur Nüchternheit und Wachsamkeit. So sind wir dann im vollen Sinne Kinder des Lichtes und des Tages; indem wir nicht nur selbst sehen, sondern auch Allen um uns her den Weg des Lebens erleuchten. Das ist das Eine, was Noth thut wenn wir der Vergänglichkeit des Irdischen entfliehen wollen; das ist die Rüstung gegen alles, was die Menschen zaghaft machen kann oder kleinmüthig, das volle Bewußtsein des ewi|gen Lebens, wozu wir nicht nur selbst den Keim in uns haben, sondern auch Andre auffordern es auf demselben und auf keinem andern Wege zu suchen. Erbauen wir uns so unter einander: so komme dann der Abschied aus diesem Leben wann und wie er wolle, immer werden wir auch sterbend noch wirksamer als lebend unsre Brüder ermahnen wachsam zu sein und nüchtern, und auch fühlen die unverwüstliche Gewalt jener Rüstung Gottes, in welcher wir den Weg des Heils wandeln. Amen. Gebet. Heiliger barmherziger Gott und Vater, dir sei Lob und Dank, daß du uns deinen Sohn gegeben hast, der allein Unsterblichkeit und ewiges Leben an das Licht bringen konnte, um auch alle zu trösten, die du dies Jahr betrübt hast, daß wir um unsere Abgeschiedenen nicht trauern dürfen, wie die, welche keine Hoffnung haben. Dir sei Lob und Dank, daß du uns als solchen, die an ihn 23 Vgl. Lk 10,42
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glauben, die Macht gegeben hast Kinder Gottes zu werden, in welchen er und du mit ihm lebst. Ja so lehre uns immer mehr weise werden zur Seligkeit, indem wir bedenken, daß wir hier wandeln in einem vergänglichen Leben. In demselben hast du dir aber erbaut ein herrliches Reich der Gnade; hier in dieser sterblichen Welt wirkt dein Geist segnend und heiligend überall das Zeitliche durch Ewiges. O darum laß es uns hoch achten, daß auch wir dir zum Preise und zur Verherrlichung deines Sohnes in dieses dein irdisches Reich gestellt sind. Möchten wir uns immer bewußt sein hier auf Erden schon im Himmel zu wandeln, | dem Vaterland, welches droben ist, anzugehören, in diesem zu leben und für dieses zu wirken. Dazu mache du uns immer mehr wachsam und nüchtern, und laß überall die Verkündigung deines Wortes und alle Mittel, die du der Gemeine deines Sohnes um deiner Gnade theilhaftig zu werden, anvertraut hast, unter uns reichlich gesegnet sein, damit wir alle immer mehr dem Vergänglichen und Irdischen absterben, das Ewige aber und Unvergängliche wirken mögen. Amen.
[Liederblatt vom 26. November 1826:] Am 27sten Sonntage nach Trinitatis 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Der Tag ist hin etc. [1.] Du Lebensfürst, dein Sieg giebt mir Vertrauen, / Du zähmst den Tod, nun darf mir nicht mehr grauen! / Zur Sehnsucht wird, was sonst uns brachte Qual; / Denn du führst nun durch jenes dunkle Thal. // [2.] Jetzt ist der Tod ein Ausgang aus dem Jammer; / Er führt uns ein zur stillen Friedenskammer; / Wir ruhen nur bis der getreue Hirt / Den Leib verklärt zur Seele bringen wird. // [3.] Das ist der Tod! Soll er den Christen schrecken? / Soll nicht sein Bild uns reinigen und wecken, / Da er die Saat erst recht zur Reife bringt, / Und jenseit dann der Erndte Jubel klingt? // [4.] Was du, o Herr, so theuer uns verheißen / Es solle nichts aus deiner Hand uns reißen, / Das stehet fest; kein Zweifel störe mich; / Du wolltest, Herr, wo du bist sey auch ich. // [5.] Drum sinn ich schon auf Dank und Freudenlieder / Zu Gottes Preis für mich und meine Brüder, / Weil du mit uns durch Todesschatten dringst, / Und uns bei dir zum ewgen Leben bringst. // 10–11 Wohl Anspielung auf Phil 3,20 und Hebr 11,14.16
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Nach dem Gebet. – Mel. Aus meines Herzens etc. [1.] Der letzte meiner Tage / Ist mir vielleicht nicht fern; / O dann wird alle Klage / Ein Lobgesang dem Herrn. / Vollbracht ist dann mein Lauf, / Beendet ist mein Leiden; / Mich nimmt zu seinen Freuden / Der Herr, mein Mittler, auf. // [2.] Er hat mir durch sein Sterben / Den Himmel aufgethan; / Ich soll sein Reich ererben / Und ewges Heil empfahn. / Von ihm bin ich ein Glied: / Hat sich mein Haupt erhoben, / So weiß ich, daß nach oben / Der Herr mich zu sich zieht. // [3.] Nur meines Leibes Bürde / Verschließt die finstre Gruft, / Mich hebt zur höhern Würde / Mein Jesus der mich ruft. / Er gehet mir voran; / Und durch des Todes Grauen / Folg ich ihm mit Vertrauen / Auf neuer Lebensbahn. // [4.] Schon strahlet meinen Blicken / Des höhern Lichtes Glanz; / Mit seligem Entzücken / Erfüllet es mich ganz. / Da nenn ich hocherfreut / Die Engel meine Brüder, / Und sinke staunend nieder / Der Gottes Herrlichkeit. // [5.] Mit unverwelkter Krone / Ziert mich des Vaters Huld / Zum reichen Gnadenlohne / Der Sanftmuth und Geduld. / Der Dulder wird geehrt, / Und mit dem Schmuck bekränzet, / Worin der Sieger glänzet, / Der sich im Kampf bewährt. // [6.] Dort steht die ewge Hütte, / Die Gott hat auferbaut, / Wo in der Selgen Mitte / Sein Antlitz wird geschaut. / Dort wird nicht mehr geweint, / Dort herrschet lauter Wonne, / Weil Gottes Gnadensonne / In alle Herzen scheint. // [7.] Laß mich im Glauben kräftig, / Im Lieben treu und rein, / Im Werk des Heils geschäftig, / Auch bei der Trübsal seyn. / Erhalte, Lebensfürst, / Mich treu in deinem Bunde, / Bis daß einst kommt die Stunde, / Wo du mich rufen wirst. // [8.] Nie beuge finstre Trauer / Zur Erde meinen Sinn, / Des Lebens längste Dauer / Sie ist doch bald dahin. / Heil mir, er ist nicht fern / Der letzte meiner Tage, / Und dann wird alle Klage / Ein Lobgesang dem Herrn. // Nach der Predigt. – Mel. Ich hab mein Sach etc. [1.] Wir sind des Herrn in Ewigkeit / In seiner Hand steht unsre Zeit, / Er hilft auch in der letzten Noth, / Der treue Gott: / Ein sanfter Schlaf wird uns der Tod. // [2.] Geist Gottes! in uns wirke du / Die selge Hofnung ewger Ruh, / Damit im gläubigen Vertraun / Und ohne Graun / Wir in die Nacht des Todes schaun. // [3.] Zeig uns die Herrlichkeit des Herrn / Und auch des Glaubens Lohn von fern, / Laß uns, wenn wir zum Vater flehn, / In Christo sehn, / Wie der uns liebt, zu dem wir gehn. //
Am 10. Dezember 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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2. Sonntag im Advent, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Lk 1,68–69 Nachschrift; SAr 116, S. 1–16; Sethe Keine Keine Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am 2. Advent-Sonntage d. 10. Dezember 1826 Tex t.
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Lukas 1, 68–69.
M. a. Fr. wenn wir uns den Erlöser nicht anders denken können, als daß er sei der Erlöser der Welt, Allen gegeben ohne Unterschied, und fähig, mit seiner Kraft Alle zu sich emporzuziehn; wenn wir an seine Gewalt über Alle glauben, sind wir uns ihrer nicht anders als einer innern und geistigen Kraft bewußt, ohne alle äußern Hülfsmittel und Grenzen, so muß es uns Wunder nehmen, denken wir an die Art, wie er in der Welt ist verkündigt worden, immer finden wir die besondere Beziehung auf sein Volk Spuren davon, daß seine Macht gedacht wurde als eine irdische. Und so finden wir es überall, nicht nur in diesem Lobliede des Zacharias, aus dem die Worte unseres Textes entlehnt sind, sondern auch in dem Gesang der Maria: | „er denket der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf, wie er geredet hat unsern Vätern Abraham und seinem Saamen ewiglich;“ so sagt auch der verkündende Bote Gottes: „Gott der Herr wird ihm den Stuhl seines Vaters David geben, und er wird ein König sein über das Haus Jakobs,“ so freut sich auch jener Greis, welcher den Erlöser im Tempel bewilkommnete, daß seine Augen den Heiland gesehen haben, den Gott bereitet hat vor allen Völkern, ein Licht zu erleuchten die Heiden, und zum Preis seines Volkes Israël. Wenn wir es nun doch aus unserer Ueberzeugung wissen, daß unser Glaube an die rein geistige Gewalt Christi und an das allgemeine Heil in Christo, der ist, woraus unsere Seligkeit ruht, wie sollten wir glauben, daß dieser Glaube habe entstehn können aus jenen Verkündigungen, und jener beschränkten Aufnahme? und wenn das die Verheißungen waren, | und sie in Erfüllung gehen, sollten uns nicht Zweifel entstehen können über die 3–4 Vgl. Joh 4,42; 1Joh 4,14 11–12 Vgl. Lk 1,68–79 12–14 Lk 1,54–55 16 Lk 1,32–33 17–20 Vgl. Lk 2,25–35, bes. V. 30–32
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Wahrheit unseres Glaubens, und daß sie aus dem, was der Grund des Glaubens ist, etwas Andres gemacht haben, als er ursprünglich ist. Darum muß es uns wichtig sein, uns darüber zu einigen, wie das zu verstehen ist, daß der Erlöser angenommen ist, in solch einer besondern Beziehung zu dem Volke, dem er seiner Abstammung nach angehörte. Das sei der Gegenstand unserer heutigen Betrachtung. I. Was sich zunächst an das bisher Gesagte anknüpft, ist dies: wir haben das so zu verstehen, daß dabei die Wahrheit der göttlichen Verheißung unerschüttert und unvermindert bleibt. Fragen wir nun: ist das wahr oder nicht wahr, was in den Worten unseres Textes, und den ähnlichen gesagt ist? ja gewiß, als der Erlöser in der Welt erschien, geboren aus dem Geschlechte Abrahams, | da hat der Herr sein Volk besucht, und eine größere Heimsuchnung von Oben hat es nie gegeben als diese. Denn was waren die einzelnen Helden des Glaubens, und die Kraft, die in den Zeiten der Noth aus der Mitte des Volkes hervorstieg, um es zu retten, was waren sie Alle gegen den Einen, in dem und zu dem die ganze neue PgeistigeS Welt geschaffen und geordnet ist; denn war es nicht die Erlösung dieses Volkes, vollbracht durch seine Ankunft. Denn auch wir, wenn wir den Erlöser als allgemeinen Erlöser betrachten, und absichtlich unsern Blick beschränken auf die noch kleine Anzahl derer, die sein Wort angenommen haben, thun es doch so, daß wir unterscheiden die Erlösung, die vollbracht ist als eine allgemeine, aber die Aneignung derselben, die erst allmählig fortschreitet; erlöset ist auch dieses Volk, und es wird die Zeit kommen, daß ganz Israël wird selig werden. Ist es nicht mehr, daß als der Herr seinen Sohn gesandt, | er gedachte des Bundes, den er mit Abraham geschlossen hatte; wohl wir wissen es, daß wir, die wir glauben, gesegnet sind in ihm, wir wissen es, daß, weil er seines Vaters Haus verließ, um das Reich Gottes zu gründen auf Erden, daß der der Vater aller derer ist, welche der Welt und aller weltlichen Lust absagten, um das Reich Gottes zu bauen, das nun gestiftet ist. Ja so sind alle die Worte wahre und götliche Verheißung, und wie der Herr sagt: es kann kein Tüttelchen umkommen aus der Schrift, der nicht erfüllet würde zu seiner Zeit, so gehen auch alle diese Verheißungen in Erfüllung. Aber, 32 der] implizites Bezugswort des Relativpronomens ist wohl der „Tüttel“ (so Mt 5,18; Lk 16,17 in der Lutherübersetzung) 12–13 Vgl. Apg 13,26 17–18 Vgl. Kol 1,16 23–24 Vgl. Lk 1,68 24–25 Vgl. Röm 10,1; 11,25–26 25 Vgl. Joh 3,17; 1Joh 4,9.10.14 25–26 Vgl. Lk 1,54– 55.72–73 sowie Gen 17,4–8; Ex 2,24; 2Kön 13,23 27 Vgl. Gen 12,3 27– 28 Vgl. Gen 12,1 29 Vgl. Gen 17,4–5; Röm 4,11.17 29–30 Wohl Anspielung auf Röm 14,17; Gal 5,19–21; Eph 5,5 31–33 Vgl. Mt 5,18 (vgl. auch Lk 16,17) in Kombination mit Lk 1,20 sowie Hab 2,3
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wird man sagen, das Alles ist wahr für uns, die wir tief hineinschauend mit den Augen des Geistes, geistig richten, haben es aber die, die zuerst so redeten, so gemeint, haben die, die zuerst ausriefen: wir haben den Messias gefunden, ihn so aufgenommen als einen geistigen König, und an nichts Anderes gedacht? | Um auch dieses einzusehen, wie es ist, dürfen wir uns nicht verbergen die eigentliche Natur der Weissagung und des Glaubens; sie aber sind eins und dasselbe. So wie keine Weissagung geschieht aus menschlicher Willkühr, so ist auch der Glaube nur die Wirkung des götlichen Geistes; aber beide, die Weissagung und der Glaube, ruhen auf einer tief im Herzen verschlossenen, sich kund thuenden Sehnsucht; wo die nicht ist, da ist auch keine Zunge, die der Geist öffnen kann zur Verkündigung der Weissagung, an diese Sehnsucht wendet sich die Kraft von oben, der Geist erwekt sie vor den Zeiten der Erfüllung zu einer deutlichen Ahnung des Bevorstehenden, nach den Zeiten der Erfüllung zu einem Glauben, der um desto mehr ausrufen muß: „Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben.“ Wenn so durch den Geist Gottes die Sehnsucht umgebildet ist zu etwas Kräftigem und wahrerem, so kann sie sich nur äu|ßern durch menschliche That, durch das Wort, rein kann es nicht zu Tage gefördert werden, Alles muß hergenommen werden aus dem, was schon da ist. So sagt die Schrift, daß der Geist uns die [ ] mit unausgesprochenen Seufzern. Was der Mund von sich giebt, trägt an sich die Spuren der Welt, der wir angehören; darum, wenn nun diese weissagende Stimme, die unausgesprochenen Seufzer des Herzens, das volkommen Wahre, das Wort heraustrat, hing es sich an die Geschichte der vergangenen Zeit. Darum konnte sich auch die Hoffnung der Zeitgenossen des Erlösers ursprünglich nicht anders gestalten, die Spuren an sich tragend von Allem, was sich noch erhalten hatte, bei andern mehr oder weniger gereinigt von den Schlacken des Alten; So war der erste Glaube und konnte es nur sein, die, die den Erlöser ergriffen, mußten alle so sein, wie der, von dem er sagt: seht da | ein Israëlit, in dem kein Falsch ist; die innerste Sehnsucht aber mußte gerichtet sein auf das Ewige, und auch sein Reich, die Bilder, in denen sich dieser beginnende Glaube ausprägte, die Worte trugen an sich mehr oder weniger von den äußern Umgebungen. Die Verheißungen sind wahr gewesen, wenn sie uns auch nur dunkel schauen laßen die innere Sehnsucht. Wie viel Verirrungen in der christlichen Kirche sind entstanden, wenn man bei dem Buchstaben stehen blieb, nicht bei dem Geist; weil aber der die ewige Wahrheit der götlichen 6 verbergen] verbergen, 15 Wenn] darüber von anderer Hand: aber 20 die] folgt eine Lücke von etwa einer halben Zeile, die wohl in Anlehnung an Röm 8,26 ergänzt werden kann: Schwachen vertritt 3–4 Joh 1,41 11 Vgl. Lk 1,64. Die bereits im Bibeltext vorhandene sprachliche Härte („ward sein Mund und seine Zunge aufgetan“) wird durch die verkürzte Anspielung noch verstärkt. 15 Vgl. Mk 9,24 29–30 Vgl. Joh 1,47
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Verheißung ist, nur er der einzige wahre, dem von Ewigkeit der Vater die Verheißung zu geben beschlossen hatte, so müßen wir sie so verstehen und gebrauchen, daß wir das Wesen des alten, und neuen Bundes genau unterscheiden. 5
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II. Was war das Wesen des alten Bundes? höret den großen Apostel des Herrn an einem Orte, wo | er es mit solchen zu thun hat, die in Gefahr waren beides zu verwechseln, er sagt: Das Gesetz ist unser Zuchtmeister gewesen bis auf Christum, nun aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister, sondern wir haben empfangen den Geist, der in uns ruft: Abba, lieber Vater! Durch das Gesetz waren wir zusammengehalten unter der Sünde, bis der Glaube sich offenbarte, als aber der Glaube erschien, der durch die Liebe thätig ist, da reiften alle jener seligen Früchte des Geistes, und die der Geist regieret, stehen nicht unter dem Gesetze. Ja Gesetz und Evangelium sind geschieden für immer, das Gesetz war ein Zuchtmeister, und die unter ihm stehen, zwischen ihnen und den Knechten ist kein Unterschied, aber der Sohn macht uns frei, und wir sind keine Knechte mehr, sondern erwachsene, mündige Söhne im Hause des Vaters, jenes war der Dienst des Ge|setzes, dies ist die Herlichkeit des Evangeliums. Aber weil die, die zuerst den Glauben annahmen, noch zu sehr erfüllt waren von jener alten Geschichte, so mußte auch der erste Glauben eben deswegen in seinen Aeußerungen auch desto mehr unvolkommen sein, und der Keim des Gesetzes mußte immer wieder aufgehn in der christlichen Kirche. So sehen wir das auch, wovon die Bücher des neuen Bundes Kunde geben, so handelt auch der Brief des Apostels davon, in welchem er es mit solchen zu thun hat, er sagt: „habt ihr den Geist empfangen durch des Gesetzes Werke, oder durch die Predigt vom Glauben“. Darum laßt uns sorgen, unser Auge an diesem Lichte des götlichen Wortes zu stärken und erleuchten zu lassen, damit nicht ähnliche Gefahren wiederkehren; es ist aber leider ein Verderben diese Verwechselung des alten und neuen Bundes, das wir noch jezt weit und breit um uns herschen sehen. Aber unsere evangelische Kir|che ist aufgestekt als ein Licht, das weit umher leuchten soll, und Alle warnen, daß sie nicht in jene Dunkelheit zurükkehren: O! daß wir nur das Kleinod bewahren, und unsere Stelle in der Geschichte ausfüllen, durch die Kühnheit und Freimüthigkeit der Predigt, womit der Herr seine Jünger ausgestattet hat, daß wir nicht wieder eine Gerechtigkeit suchen durch 8–10 Vgl. Gal 3,24–25 10–11 Vgl. Röm 8,15 12–13 Vgl. Gal 5,6 13– 14 Vgl. Gal 5,22; in der Lutherübersetzung (bzw. im textus receptus) auch Eph 5,9 14 Vgl. Gal 5,18 15–16 Vgl. Gal 3,24 16–18 Vgl. Gal 4,1–7 26–27 Gal 3,2 27–29 Vgl. Lk 2,30–32; ferner Ps 119,105; 2Petr 1,19 sowie Joh 1,9; Eph 1,18; Offb 22,5 32 Vgl. Mt 5,14–16 32–33 Wohl Anspielung auf Eph 5,1–20; vgl. bes. V. 8–14 35–36 Vgl. Apg 4,13.29.31; 28,31; Eph 6,19
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Werke äußerer Gesetze, wohl eingedenk der Worte des Apostels: „wenn es eine Gerechtigkeit gäbe aus dem Gesetz, so wäre der Herr umsonst gestorben,“ darum wollen wir unsere Gerechtigkeit in nichts anderm suchen als in dem Glauben an den, der das Ungerechte gerecht macht, aber nur in der Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe mit dem einen Gerechten, daß wir nicht die Gemeinschaft der Menschen mit Gott binden an ein äußeres zerstörbares Heiligthum, daß die Harfe, die rein gestimmt war zum Lobe der götlichen Barmherzigkeit, nicht wieder verstimmt | werde, laßt uns festhalten die Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit, die nur den einen geistigen Tempel kennt, in dem wir alle eingefügt sind als lebendige Steine, daß wir dem Buchstaben nicht wieder eine Kraft einräumen, denn der Buchstabe tödtet, und das Wort lebt, das Wort, das frisch aus dem Geiste hervorgeht; der Buchstabe und das Gesetz aber sind eins und dasselbe, die der Geist regiert, bedürfen keines Buchstaben und Gesetzes; ja selbst auch unser so köstlicher Schatz des götlichen Wortes, wenn wir seine Wirksamkeit im Buchstaben suchen, haben wir das Kleinod schon verloren, nur insofern es in uns Geist und Leben wirkt, kann es uns selig machen, und führt uns zu der Gemeinschaft mit dem, zu dem wir gebracht sind durch Christum. Endlich können wir nicht anders als so das Wesen des alten und neuen Bundes aus einander halten bei den Verheißungen, in der Zeit, wo | sie aufgenommen wurden durch einen unvolkommenen Glauben. So laßt uns sie III. so verstehen, daß wir Sorge tragen müßen, daß die Verheißungen immer herlicher in Erfüllung gehen. Dazu geben uns die Apostel Anleitung, das heere Wort König schwebt ihnen immer auf den Lippen, wenn sie an den Erlöser denken, das herliche, große und lebendige Wort eines Volkes. Gott, wie lebendig ist es in ihren Gedanken, ein priesterliches Geschlecht, um seine Heiligthümer zu pflegen. Ja daran laßt uns denken, und dafür sorgen, daß wir unter dem einen Hirten eine Heerde, unter dem einen Könige ein Volk werden, wie es das Volk des alten Bundes gewesen ist, und wie war es das? denket nur daran, wie der Erzvater Jakob kurz vor seinem Tode seine Söhne segnete; der eine führt ein Schwerdt als muthiger Kämpfer, der eine sei ein schneller Hirsch, der schöne Rede gebe, der eine richte strenge, 2 Herr] Herrr 1–3 Vgl. Gal 2,21 3–4 Vgl. Röm 4,5 9 Vgl. Joh 4,23–24 10 Vgl. 1Petr 2,5 11–12 Vgl. 2Kor 3,6 13–14 Vgl. Gal 5,18 25–27 Vgl. Mt 2,2; 21,5; 25,34.40; 27,11.37; Mk 15,2.26; Lk 1,33; 19,38; 23,3.38; Joh 1,49; 12,13.15; 18,33.37; 19,14.19; 1Tim 6,15; Offb 1,5; 19,16 28–29 Wohl Anspielung auf 1Petr 2,5.9 30 Vgl. Joh 10,16 32–2 Vgl. Gen 49,1–28; bes. V. 5 (Simeon und Levi), V. 21 (Naphthali), V. 16 (Dan), V. 4 (Ruben), V. 15 (Issachar), V. 20 (Asser)
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der andere sei leichtfertig wie Wasser, der eine | sei bedürftig, der andere sammele um wieder auszutheilen; So ist bei der größten Verschiedenheit der Geschöpfe ein Volk, das ein Zeugniß ablegen kann vor der Welt; So sollen die Christen sein, verbunden bei aller Verschiedenheit der Gaben, der Mildere nehme den Strengern auf in Bruderliebe, jeder besorge das, wozu Gott ihn berufen hat, jeder bedarf des andern. Je mehr wir so ein Volk sind, ein desto kräftigeres Zeugniß werden wir ablegen den Geschlechtern der Welt, je weniger sie unter den Christen von der Zwietracht finden, desto mehr werden sie sehn, daß hier oder nirgends die Quelle des Friedens sey. So laßt uns ein Volk sein, wie wir es ja sollen, einig durch den einen Geist und durch dieselbe Sprache; wir wissen es, es ist ein Geist, der in uns Allen waltet, und wer kennt eine reinere Freude, als überall auf das Wort und Werk des Geistes zu lauschen. Aber keines andern als solchen Geistes be|dürfen wir, einem Volk gebührt ein König, ein Haupt, das von oben regiert, er hat aber auch keinen andern Stellvertreter eingesezt als den Geist, den er an seine Stelle gesandt hat, das ist die einzige Stimme, auf die wir zu hören haben; jede andere Stellvertretung des Herrn wird uns nur zurückführen vom Himmlischen zum Irdischen. So möge die Erfüllung wachsen von einem Jahr zum andern, so möge das Volk des Herrn sich bauen unter dem, der es regiert, so wird es immermehr werden ein Volk, wie das Volk Israëls war ein Licht, zu erleuchten alle übrigen Völker; so werden wir im Stande sein, ein ungeschwächtes Zeugniß abzulegen im Geiste von dem, der uns regiert, so werden wir ein geistig gesammeltes Volk leuchten, und die, die irdisch gesammelt sind, an uns ziehen, bis alle ein Volk sind, ein Geist und eine Liebe, ein Gott und ein Herr, eine Kraft des Lebens und ein Wort des Lebens, und dadurch der geistige | Leib des Herrn zu seiner unbeflekten Schönheit gelange und ein Reich würdig seines Königs. Amen.
[Liederblatt vom 10. Dezember 1826:] Am 2ten Advent-Sonntage 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Gott der da für uns etc. [1.] Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, / Nicht Engel, die des Höchsten Thron umschweben, / Nicht Arglist noch Gewalt, nicht Freud’ und Lei3–6 Vgl. Röm 12,3–10; 14,1; 15,1–7; 1Kor 12,4–11 10 Vgl. 1Petr 2,9 10– 11 Wohl Anspielung auf Apg 2,1–13 sowie Gen 11,1 11 Vgl. 1Kor 12,4; Eph 4,4 15–16 Vgl. Joh 14,26; 15,26 17–18 Wohl polemische Anspielung auf das Papsttum 21–22 Vgl. Lk 2,31–32 25–26 Vgl. 1Kor 12,4–6; Eph 4,4–6 26 Vgl. Hebr 7,16 26 Vgl. Phil 2,16; 1Joh 1,1 26–27 Vgl. Kol 1,22
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den / Von Gott mich scheiden. // [2.] Der Ewge, der hoch über Sonnen thronet, / Hat uns zum Heil nicht seines Sohns verschonet, / Er hat aus Huld, damit wir könnten leben, / Ihn hingegeben // [3.] Wie sollt er uns mit ihm nicht alles schenken, / Wenn wir in seine Gnad’ uns nur versenken? / Ja alles schenkt aus ewigem Erbarmen / Der Herr uns Armen. // [4.] So knieet denn ihr theur erlösten Brüder / Voll heißen Danks vor seinem Throne nieder, / Bereit und freudig ihm das ganze Leben / Zum Dienst zu geben. // [5.] Wir preisen dich o Gott, der uns Verlornen / Herab gesandt hat seinen Eingebornen, / Und bringen dankbar dir aus reinem Triebe / Ein Herz voll Liebe. // Nach dem Gebet. – Mel. Mein Jesu, dem die etc. [1.] Ich will, ich muß von Jesu singen! / Aus Liebe kam er in die Welt / Die ewge Wahrheit uns zu bringen, / Die alle Finsterniß erhellt. / Er kam, als noch des Irrthums Schatten / Rings auf dem ganzen Erdkreis lag, / Und auch die Weisen keinen Tag / Kaum eine schwache Dämmrung hatten. // [2.] Vom Himmel kommt er uns zu lehren, / Seht wie vor ihm die Erde schweigt! / Die Heiden drängen sich zu hören, / Da sich der große Lehrer zeigt. / Er lehret uns die Gottheit kennen, / Und ladet uns zum neuen Bund; / Durch ihn darf unser blöder Mund / Gott wieder unsern Vater nennen. // [3.] Da unser schuldiges Geschlechte / Dem Tode heimgefallen war, / Stellt sich der einzige Gerechte / Zum Opfer der Versöhnung dar. / Verloren waren Adams Kinder, / Versunken in die tiefste Noth; / Er giebt sich in den Kreuzestod / Und stirbt für abgefallne Sünder. // [4.] Er stirbt! – Ist der aus Gott geboren, / Der an dem Kreuze neigt sein Haupt? / Was klägelt ihr ungläub’ge Thoren? / Weg Zweifel, der mir Jesum raubt! / Ich bete Herr vor dir im Staube! / Du redest, und ein himmlisch Licht / Strahlt siegend mir ins Angesicht; / Du redest, und o Gott ich glaube. // [5.] Ja Herr, du kannst dich nicht verhehlen, / Du bist der Sohn von Ewigkeit! / So glaubten auch die großen Seelen, / Die Märtyrer der alten Zeit; / So alle die nach dir sich nannten, / Und mit erhabnem Heldenmuth / Auch auf der Folter in der Glut / Dich ihren Herrn und Gott bekannten. // [6.] Verehrt, verehrt ihn alle Lande! / Der Jesus, der im Grabe liegt, / Zerbricht des Todes ehrne Bande, / Lebt ewig, und der Glaube siegt. / Der Glaube, diese zarte Pflanze, / Grünt aus verströmtem Blut hervor, / Und hebt im Sturm das Haupt empor / Mit immer ungeschwächtem Glanze. // [7.] Was lehnen tobend Nationen / Sich gegen den Gesalbten auf? / Ihr Mächtgen auf der Erde Thronen, / Ihr Feinde, sammelt euch zu Hauf! / Wo seid ihr? Doch sie sind verschwunden, / Und alle Völker müssen sehn, / Daß Menschen Gott nicht widerstehn, / Daß Jesus Christ hat überwunden. // Nach der Predigt. – Mel. Nun lob mein Seel etc. Dir sei Lob Preis und Ehre / Erhabner Heiland, Gottes Sohn, / Laß unsrer Andacht Chöre / Beschämen deiner Feinde Hohn! / Die Ehre dir zu rauben / Entfliehn sie gerne dir; / Dir wollen sie nicht glauben, / Erbarme dich noch hier! / Laß sie dich bald erkennen; / Und wenn sie dich erkannt, / Sich deine Jünger nennen, / Zu dir in Lieb’ entbrannt. //
Am 17. Dezember 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
3. Sonntag im Advent, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 17,24–26 Nachschrift; SAr 116, S. 16–30; Sethe Keine Nachschrift; SAr 57, Bl. 55r–61v; Schirmer Nachschrift; SAr 65, Bl. 118r–119v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Frühpredigt am 3. Advent-Sonntage d. 17. Dezember 1826. Tex t.
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M. a. Fr. wie es überall heilsam ist, bei dem Anfang an das Ende zu denken, so mag es unserer Erbauung förderlich sein, daß izt, da wir die Ankunft des Herrn auf Erden feiern, wir in unserer Betrachtung an das Ende dieses Gebetes gekommen sind, womit sich seine unmittelbare Wirksamkeit in dem ihm von Gott gegebenen Beruf endete. Es ist aber zweierlei, was wir hierauf beziehen können; erstens, die Art, wie der Erlöser sich gegen seinen Vater ausspricht, dann zweitens, das, was er von sich selbst, und denen, die der Gegenstand seines Gebetes sind, sagt. | I. Was das Erste betrifft, so muß es wohl einem jeden auffallen, wie der Erlöser hier zu seinem Vater sagt: „ich will“, und so gleichsam den Ton, der bisher herscht, aufgebend, und das, was er nachher sagt, als eine Forderung aussprechend, womit auch das übereinstimmt, was er hernach sagt: „gerechter Vater“, wer sich an die Gerechtigkeit wendet, bittet nicht, sondern ist sich eines Rechtes bewußt. Und das hängt auf das Genauste zusammen mit der Herlichkeit des Erlösers, welche wir in der Adventszeit besonders feiern, und wodurch wir ihn von allen andern Menschen unterscheiden. Er war der Einzige, der von dem himmlischen Vater etwas zu fordern hatte, der sich an die Gerechtigkeit desselben wenden konnte; eben deswegen, weil, wie er sich selbst das Zeugniß gab, er das Werk | vollendet hatte, das der Vater ihm geboten hatte, daß er es thun sollte, und dadurch ihn verklärte. Und 21–23 Vgl. Joh 17,4
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wie er der einzige war, dem ein solches Werk aufgetragen werden konnte, weil er nicht nur nicht Theil hatte an der Sünde, sondern weil er auch mit unmittelbarer Kraft von Oben ausgestattet war, so war er auch der einzige, der sich der Vollendung des göttlichen Auftrags rühmen konnte. Wir d. h. jeder Mensch nach Maaßgabe seiner Erkenntniß, ist sich im Innern einer Forderung Gottes an ihn bewußt, aber keiner ist sich bewußt, der Forderung zu genügen, und durch die Stimme des Gewissens d. h. durch deren treue Befolgung das ihm aufgetragene Werk vollendet zu haben, weder in Beziehung auf das, was er selbst immer mehr werden soll, noch auf das, was durch ihn in der | Welt werden soll. Und diese Unzureichlichkeit des Thuns hört auch nicht auf, wenn wir in die Gemeinschaft des Erlösers aufgenommen sind, da zeigt sich uns freilich die Genugsamkeit des Werkes, das er vollendet, das er uns aber kundgethan hat, und zu der Kundthuung die Verleihung der Kraft gefügt hat, daran zu arbeiten, daß es fortwirke. Dazu ist er erschienen, und indem er uns der Weg geworden, wie er die Wahrheit war, so zeigt er uns immermehr den Weg, auf dem wir fördern sollen sein Werk in seiner Wirksamkeit, und ebenso, daß er als das Licht der Welt, auch unser Licht geworden ist, das ist es, worüber wir uns freuen, wenn wir seine Ankunft feiern. Aber eben, weil er allein, der Forderung Gottes zu genügen im Stande war, konnte er von Gott etwas fordern, und sich an seine Gerechtigkeit wenden. Frei|lich die Gerechtigkeit Gottes, an die der Erlöser sich hier wendet, ist eine andere als die menschliche Gerechtigkeit; denn diese wenn der Mensch gethan hat, was er thun soll, so erkennt sie ihn an als einen, der seine Pflicht gethan hat, aber daß nun von dieser Anerkennung etwas auf Andere übertragen werden sollte, davon weiß die menschliche Gerechtigkeit nichts, sondern, wenn mit der Forderung eine Verheißung verbunden ist, so fordert die Gerechtigkeit daß auch diese geleistet werde; daß aber aus der Vollendung der Forderung, die ein Einzelner sich zuschreiben kann, ein anderes Urtheil über Andere erfolgen soll, und so Andern zu Gute kommen soll, davon weiß die menschliche Gerechtigkeit nichts. Wenn nun so auch die göttliche Gerechtigkeit wäre, dann dürften wir nichts davon erwarten in solcher Beziehung. Das aber eben ist die Gerechtigkeit Got|tes, die wir in unserm Glaubensbekenntniß verkünden, daß wir um der Gerechtigkeit willen, die er geleistet, in seiner Gemeinschaft auch für gerecht geachtet werden. Ohne diese Gerechtigkeit Gottes, der den Sohn in die Welt sandte, auf daß die, die an ihn glauben, als eins mit ihm betrachtet würden, – ohne diese Gerechtigkeit Gottes hätte der Erlöser uns kein Heil bringen können, und deshalb hat er am Ende dieses Gebets seinen Anspruch 15–16 Vgl. Joh 14,6 17 Vgl. Joh 8,12 33 Vermutlich ist hier nicht ein förmliches Glaubensbekenntnis gemeint, sondern an das reformatorisch-evangelische Verständnis der Gerechtigkeit Gottes gedacht; vgl. die Formulierungen in SAr 57, Bl. 57r: „die wir stets verkündigen beim Zeugniß unsers Glaubens an den Herrn“ und SAr 65, Bl. 118v: „die wir anrufen im Glauben an ihn der uns gerecht macht“. 35–36 Vgl. Joh 3,17.16
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auf die göttliche Gerechtigkeit klar kundgehtan; und wie er dies Gebet mehr um der Jünger willen gesprochen hat, daß sie es hörten, als um seinetwillen, so hat er es auch geendet mit dem, was ihre Zuversicht stärken konnte. Und wie hätte er sich stärker ausdrücken können, als daß er sagte: „ich will“, und seinen Vater anrief, als den gerechten Vater, der nicht anders kann | als leisten das, was aus seiner Gerechtigkeit hervorgeht. Es war das Bewußtsein der göttlichen Gerechtigkeit, die den Menschen mit dem dagegenstreitenden Bewußtsein der Sünde in ihm, von Gott entfernte; die Forderung der göttlichen Gerechtigkeit blieb unerfüllt, indem die Sünde dazwischen trat. Nun aber ist die göttliche Gerechtigkeit erfüllt in Christo, der Forderung ist genügt durch die Gerechtigkeit Christi, und nun, nachdem er das Werk vollendet hat, sind wir ihm als verheißener Lohn von Gott gegeben; und es ist nun die göttliche Gerechtigkeit, daß wir in Verbindung mit Christo erkannt werden und beurtheilt von Gott, und daß aus diesem Urtheil Gottes über uns, sein Handeln gegen uns hervorgeht. So wollen wir denn den Erlöser feiern, als den Einzigen, der Anspruch machen konnte auf die | Gerechtigkeit Gottes, und ebenso als den, durch den die Gerechtigkeit Gottes uns nicht mehr furchtbar und schreklich ist, sondern auf die wir uns berufen können, indem wir Gott als den gerechten Vater anrufen, der dem Sohne halten muß, was er ihm verheißen hat. II. Nun aber laßt uns zweitens sehen auf das, was er will, indem er den Vater so anredet, und was er verlangt, daß der Vater thun soll für uns. Er sagt: „Vater, ich will, daß wo ich bin, auch die bei mir sein, die du mir gegeben hast, daß sie meine Herlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, und sie erkennen, daß du mich gesandt hast, und ich habe ihnen deinen Namen kund gethan, und will ihnen kund thun, auf daß die Liebe, damit du mich liebest, sei in ihnen und ich in ihnen.“ Das, so sehr es auch zweierlei zu sein scheint, hängt doch auf das Innigste zu|sammen. Der Erlöser sagt zuerst: „Vater, ich will, daß wo ich bin, auch die bei mir sein, die du mir gegeben hast, daß sie meine Herlichkeit sehen.“ Seht da, wenn wir uns der Ankunft des Herrn erfreuen, weshalb thun wir es? nicht wegen seines irdischen Aufenthalts selbst, daß er eine Zeit lang unter den Menschen gewohnt hat, denn dadurch sind wir nicht bei ihm, daß wir auf der Erde sind, wo er einst war, sondern der Gegenstand unserer Freude ist das, weil durch sein Leben die Gerechtigkeit Gottes kund geworden ist, und wir sie sehen; denn davon ist aller Glaube, alle Beseeligung ausgegangen, wie es der erste Ausdruk des Glaubens war: „wir sahen seine Herlichkeit, als die des eingeborenen 20 verheißen] verhießen 38–1 Vgl. Joh 1,14
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Sohnes vom Vater.“ Die sahen freilich seine ersten Jünger in dem leiblichen Zusammensein, aber es war doch nur das | Auge des Glaubens, mit dem sie die Herlichkeit des Vaters in ihm sahen. Und eben so sehen wir durch den Glauben, in dem Wort des Herrn, das durch den Glauben eben Geist und Leben ist, und in dem Werk des Herrn, das wir empfinden in unserm befreiten Gewissen, und in dem Reiche Gottes seine Herlichkeit; und das ist der Gegenstand unserer Freude über die Ankunft des Erlösers, daß wir diese seine Herlichkeit sehen, die der Vater ihm gegeben hat. Und so ist auch dieser Wille des Erlösers, den er hier ausspricht, nicht der, der erst in Zukunft in Erfüllung gehen soll, sondern so gewiß und in dem Maaße, als wir an ihn glauben, erfüllt sich an uns in der Gegenwart dieser sein Wille, daß wir seine Herlichkeit sehen, er erfüllt sich in der Erfahrung unserer Seele, und darinn, daß wir an seinem Werke arbeiten, er erfüllt sich, daß wir in der That bei ihm sind, erhöht zur Rechten des Vaters, der der | Seeligmacher ist (der größte Beweis der göttlichen Allmacht!) und so die Herlichkeit sehen, die der Vater ihm gegeben hat. Aber worinn besteht diese? Er sagt: „denn du hast mich geliebt, ehe denn die Welt gegründet war, gerechter Vater, die Welt kennet dich nicht, ich aber kenne dich, und diese erkennen, daß du mich gesandt hast, und ich habe ihnen deinen Namen kund gethan, und will ihnen kund thun, auf daß die Liebe, damit du mich liebest, in ihnen sey, und ich in ihnen.“ Die Herlichkeit des Erlösers ist keine andere als die Liebe, womit Gott ihn geliebt hat, und es giebt nichts größeres als der Gegenstand der göttlichen Liebe zu sein; das sagt auch der Erlöser hier, es gebe keine größere Herlichkeit, und er sei sich auch keiner andern bewußt als der Liebe Gottes. Und nun stellt er es unter die Gerechtigkeit Gottes, daß nun, weil er uns den Namen Gottes kund gethan hat, und wir mit | ihm vereint sind im Glauben, auch die Liebe des Vaters in uns sein sollte, und er in uns. Ja diese Liebe Gottes in dem Erlöser, diese Liebe, womit Gott ihn liebte, ehe die Welt war, die können wir wohl ansehen als die göttliche Herlichkeit ausdrückend, deren wir uns in dieser schönen Adventszeit zu erinnern haben! Der Herr hat uns den Namen seines Vaters kund gethan, wie wir es wissen, daß niemand den Vater kennt als der Sohn, und denen es der Sohn offenbart hat; und beides die Kenntniß, die der Sohn vom Vater hat, und die Liebe, womit der Vater den Sohn geliebt hat ist eins, denn wie es keine andere Herlichkeit giebt als die Liebe, so giebt es auch keinen andern Beweis der Liebe des Höchsten Wesens, als daß es sich kund giebt; und so war es die Liebe des Vaters zu ihm, daß er ihm seine Werke, und immer größere Werke | zeigte, und so in beständiger Kundmachung gegen ihn begriffen war. Und so ist es auch für uns der 32 als der Sohn] als den Sohn 4–5 Vgl. Joh 6,63
35 eins,] eins,“
32–33 Vgl. Mt 11,27
37–38 Vgl. Joh 5,20
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höchste Beweis, daß seine Liebe in uns ist, wenn er sich uns immer mehr kund thut. Der Sohn hat den Vater kundgemacht und wir haben erkannt, daß er ihn gesandt hat, und das ist eins und dasselbe, es ist der Beweis der göttlichen Liebe in uns. Wenn in der menschlichen Seele trotz der Sünde nicht immer noch wäre etwas übrig geblieben von der Fähigkeit, den Vater zu erkennen, dann wäre der Erlöser umsonst erschienen, und die Fülle der Gottheit in seinem Wesen hätte uns nichts helfen können. Nun aber wendet sich die Kundmachung an den Funken des Göttlichen, und facht ihn wieder an, und so entsteht der Glaube. Aber wird dann der Vater uns kund, indem wir an den Sohn glauben, und erkennen, daß der Vater ihn gesandt hat; das ist dann eins mit der Liebe, die Gott zu uns hat, und damit, daß der Sohn in uns lebt; denn wie es keinen | größern Beweis der Liebe giebt als die Offenbarung Gottes, so ist das eben das Höchste für uns, daß er uns den Sohn gesandt, und durch ihn sich uns kund gethan hat. Aber wie die Liebe Gottes nicht nur in ihm das Bewußtsein der Seligkeit war, sondern wie sie eins ist mit der Allmacht, so ist sie auch eins mit der beseligenden Kraft. Und wenn er also sagt, daß sie in uns sein sollte wie in ihm, so meint er, daß sie nicht nur als die Zuneigung Gottes in uns sein soll, vermittelst der wir aus ihm schöpfen, sondern auch als wirksame Kraft, so wie sie in dem Sohn war, die Welt zu beseeligen, so soll sie vermöge der göttlichen Gerechtigkeit auch in uns sein. Dazu ist er erschienen, die Welt seelig zu machen dadurch, daß jeder nach seinem Maaße den Namen des Herrn kund mache, auf daß die Liebe Gottes in Christo Alle erfülle, beseelige, heilige und reinige. So will der Erlöser immer mehr in uns wohnen, und wir | dürfen es ansehn als das Werk der göttlichen Gerechtigkeit, daß er in uns wohne zur Förderung seines großen Werkes. Können wir uns nun so großer Güter erfreuen, können wir uns ihrer als Gabe der göttlichen Gerechtigkeit erfreuen, so können wir es nur durch ihn, in dem ursprünglich die Liebe Gottes ist. Und so mögen wir uns dankbar vereinen zur Feier seiner Ankunft auf Erden, und mögen immermehr die seelige Erfahrung machen, daß er in uns lebt, und wir Frucht bringen durch ihn, und um seinetwillen. Amen.
7–9 wendet … facht … entsteht] so SAr 57, Bl. 60v; Textzeuge: wendete … facht … entsteht ; SAr 65, Bl. 119r: wendete … fachte … entsteht 6–7 Vgl. Kol 2,9; ferner 1,19; Joh 1,16
21–22 Vgl. Joh 3,17
31 Vgl. Joh 15,5
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Am 24. Dezember 1826 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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4. Sonntag im Advent, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Lk 1,51–53 Nachschrift; SAr 116, S. 30–47; Sethe Keine Keine Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am 4. Advent-Sonntage d. 24. Dezember 1826. Tex t.
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Evang. Lukas 1, 51–53.
M. a. Fr. diese Worte, Erinnerungen aus mancherlei prophetischen Stellen des alten Bundes sind genommen aus dem Lobgesang der Maria. Wenn wir uns denken, wie sie sich deh|müthig selig pries, als die vom Herrn besonders begnadigte, wenn wir überlegen, von wie sanfter Art die Empfindungen ihres Herzens gewesen bei der Verheißung, die ihr geworden wie muß es uns nicht wundern daß sie im Gemüthe bedenkt die Zeit der Wirkung dessen, der da kommen soll, daß sie grade die Seite hervorhebt, wie Gott Gericht halten würde durch seinen Sohn über Alles. Aber so war ihr der Erlöser verkündigt als ein König aus dem Hause Jakobs, der da sitzen sollte auf dem Stuhle Davids, und so müßen wir es natürlich finden, daß ihr die Wirkungen des Erlösers vor Augen schweben, wie sie sich in den allgemeinen Angelegenheiten der Menschen äußern sollten. Und in der That auch, wie sollten wir diese Seite der Sache übersehn, in der Zeit, wo wir Alles zusammenfassen sollen, was | uns in Stand sezt, die Ankunft des Herrn mit aller Freude zu feiern. Freilich ist einem jeden das nächste das Verhältniß des Erlösers zu der einzelnen Seele, und dann sein Verhältniß zu der Gesammtheit der Menschen, aber wie genau gehört eins zu dem andern? Wie wäre es möglich, daß das, was der Erlöser in der Seele wirkt, bleibend sein könnte, wenn nicht daraus auch eine höhere Gestalt des gemeinsamen Lebens hervorginge; und wenn dieses uns so blühend erscheint, wie wenig Verlaß ist darauf, wenn nicht auch in den einzelnen Seelen das Leben des Erlösers aufgegangen ist. So laßt uns der Maria folgen, und uns die Wirkungen des Erlösers auf das gemeinsame Leben der Menschen darstellen, daß 4 Vgl. Lk 1,46–55 Lk 1,32–33
5–6 Vgl. Lk 1,46–49
6–7 Vgl. Lk 1,26–38
10–12 Vgl.
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durch seine Ankunft der höchste Vater im Himmel Gericht übe gegen alle Gewalt. | Es ist aber dreierlei, was aus den Worten der Maria uns vor Augen tritt; erstens sagt die Maria, er stoße die Gewaltigen vom Stuhle, dann er zerstreue die Hoffärtigen, und, während er die Hungrigen mit Gütern fülle, lasse er die Reichen leer. So laßt uns auf das Einzelne nach einander unsere Aufmerksamkeit richten. I. Wenn die Propheten des alten Bundes eben dies aussagten, daß, wenn Gott sich in seinem Gesalbten auf das Vollkommenste offenbaren würde; er die Gewaltigen vom Stuhle stoßen würde, so hatten sie freilich das im Sinn, wovon die frühern Zeiten des menschlichen Geschlechts mehr mahnen, nemlich die rohe Gewalt, die der Mensch übt gegen die andern, so lange nichts Edleres in ihm erwacht ist; diese rohe Gewalt | war es auch, durch die der Mensch sich zuerst versündigte, und die das Urtheil des Herrn über ihn herbeiführte, daß er flüchtig und unstätt sein sollte auf der Erde; aber eben dieses flüchtige und unstätte Wesen vermehrte nur die Neigung, Gewalt zu üben, denn es ist am wenigsten der Mangel eines Gefühls der ruhigen Sicherheit, wodurch sich die Kraft in rohe Gewalt umändert, [ ] Und was zeigt sich hierinn anders als ein trauriges Verkennen der menschlichen Natur; es dauert freilich nicht lange, so erwacht in dem Menschen etwas edleres, die Einzelnen geben ihre Kräfte hin, auf daß das Ganze erscheine als eine gesetzliche Gewalt; wie oft hört man, daß die Schwachen sich auflehnen gegen die Starken, wie ist nicht immer bald unter dieser, bald unter jener Gestalt eine Ursache gesucht worden, der gesetzli|chen Gewalt zu trotzen; und wo sie auch Ansehn hat, was ist die List, wodurch der gewandtere Mensch den andern unterdrükt, was sind die Schlingen, die der Kluge dem Einfältigen legt, was anders als neue Gewalt? und so sehen wir immer die Gewaltigen auf dem Stuhle. Jeder Mensch war so verblendet, daß der Wahn sich fest setzen konnte, der Höchste selbst rede durch die Gewaltigen, wo die Gewalt sei, da sei auch das Recht, und die Wahrheit. Wohl, wenn diesem Wahne soviel Wahrheit beigemischt war, daß in außerordentlichen Fällen Gott auch die Schwachen gegen die Starken auftreten lasse; so trat David der kleine dem entgegen, der seinem Volke Trotz bot; aber auch so nur war er der Vorläufer des Erlösers, dem geziemte weder das Schwerdt, noch die Schleuder, ohne alle Gewalt trat er auf, der schon 8 Bundes] Bundes, 15 unstätt] vgl. Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. XI/3, Sp. 1428 18 umändert,] folgt eine Lücke von etwas mehr als einer Zeile 8–10 Vgl. besonders 1Sam 2,1–10; daneben etwa Jes 14,3–21 13–14 Anspielung auf Gen 4,1–16 (Kains Brudermord) 14–15 Vgl. Gen 4,12.14 34 Vgl. 1Sam 17 36 Zur Gewaltlosigkeit Jesu vgl. etwa Mt 11,29; 21,5; 26,52
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der Herr | war über Alles, und immer mehr erscheinen sollte als der Herr über Alles, ohne Gewalt auszuüben an den menschlichen Seelen, aller Gewalt entkleidet, hat er gesiegt dadurch, daß er einer ungerechten Gewalt unterlag. Seitdem nun hat der Ewige angefangen, Gericht zu üben mit seinem Arm, und die Gewaltigen vom Stuhle zu stoßen: Ja wir können es nicht leugnen, wir müssen es gestehen, wohin wir unsern Blick richten in die Geschichte der christlichen Völker, überall finden wir bald die rohe Gewalt, bald die schleichende List, bald die bethörende Klugheit, Gerechtigkeit hält der Herr aber darüber in den Gewissen der Menschen, sie fühlen es, wo die Gewalt ist, da ist das Unrecht; und fallen sie auch als Opfer der listigen Klugheit, so preisen sie doch die Einfalt des Herzens, und so sind in dem Urtheil | und Gefühl der Menschen die Gewaltigen vom Stuhle gestoßen. Ja wo der Herr in die einzelnen Seelen einzieht, wo sein Name öffentlich geehrt wird, da soll alle Gewalt verschwinden, weil er der Herr ist über alle Gewalt, und er herscht nur da, wo es keine Gewalt giebt, sondern es giebt nur die seelige Gewalt des Wortes, das, weil es die Wahrheit ist, Alle frei macht die Gewalt der Liebe, die Alles bindet und einet, und am sichersten alle Gewalt verscheucht, wie sie alle Furcht austreibt. So ist das das Werk Gottes, daß er die Gewaltigen vom Stuhle stößt, so weit sich die Macht des Herrn erstreckt; es ist der Maaßstab, den wir anlegen können und müßen, wie weit die Macht des Erlösers gediehen ist, denn wo noch Gewalt geübt wird, da ist er noch nicht Herr, er, | dessen Herschaft Wahrheit und Liebe ist, wo aber noch der einzelne Mensch seine Zuflucht nehmen kann zur Gewalt, da hat der Erlöser im Gemüthe noch nicht seinen Thron aufgeschlagen. II. „Er zerstreuet, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn;“ wenn die rohe Gewalt am meisten herscht in den ersten Entwickelungen des menschlichen Geschlechts, und die freiere, zusammengesetztere Gestalt annimmt, so ist es dagegen die allgemeine Erfahrung, daß je zusammengesetzter die Verhältniße der Menschen werden, desto mehr ist es dann die Hoffart, und der stolze Sinn, der die Stelle der Gewalt einnimmt. Bald ist es die Verbindung mit solchen aus frühern Geschlechtern, die preiswürdig waren, und gepriesen wurden, bald ist es der genauere Zusammen|hang mit denen, die die irdischen Dinge leiten, bald ist es die höhere Vollkommenheit im Einzelnen, welche die unselige Hoffart hervorbringen. Und je mehr die Hoffärtigen sich verbinden, desto mehr gleicht das, was sie thun, der rohesten Gewalt. 8 schleichende] beschleichende 1–2 Vgl. Apg 10,36 3–4 Vgl. Apg 2,23 14–15 Vgl. Mt 28,18 Joh 8,31–32 17–18 Vgl. Kol 3,14; 1Joh 4,18 22 Vgl. 2Joh 3
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Wie weit wir auch die Vervollkommnung verfolgen, es kann sein, daß manche Verblendung der Art der Gegenstand der [ ] wird, aber immer in neuen Gestalten keimt die Hoffart auf. Nur die Ankunft des Erlösers zerstreut die Hoffärtigen. Und wodurch? er stammte dem Fleische nach aus dem Volke her, das stolz, und hoffärtig war in hohem Grade, es suchte einen Vorzug vor allen Völkern, darum weil ihnen anvertraut waren göttliche Einrichtungen, die nur der Schatten des Ewigen waren. Sie waren so verblendet durch die Hoffart, selbst nicht das, | daß sie der Gegenstand der Versuchung anderer Völker waren, verminderte ihre Hoffart und ihren Stolz nicht; und aus diesen ging der Erlöser hervor, gering geschäzt von den Hoffärtigsten unter seinem hoffärtigen Volke, gering geschäzt von den Fremden, die Gewalt übten in seinem Volke; so trat er der Hoffart der ganzen Welt entgegen. Und eben deswegen, weil er es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein, und dennoch eine Knechtsgestalt annahm, und wandelte auf der Erde, weil alle geistige Gewalt und alle Offenbarung Gottes in der Liebe nicht im Stande war, ihn aus seiner Dehmuth zu reißen, weil er nie herab, sondern immer hinauf zum Vater sah, um immer größere Werke von ihm zu erschauen, deswegen ist er allein der, durch den der Ewige die Hoffärtigen zerstreut. | Das war das Erste, was die Erscheinung des Herrn hervorbrachte, daß das hoffärtige Volk selbst, weil es die Dehmuth des Herrn verwarf, zerstreut werden mußte nach allen Enden der Erde; auch die hoffärtige Macht derer, die in dem Volke der Juden Gewalt ausübten, und den Erlöser tödteten, mußte einer fremden Macht weichen. Wenn nun das Reich des Erlösers sich so verbreitet, so giebt es einen andern Ruhm als der, der mit Hochmuth erfüllt, nemlich ihm nachzufolgen in Einfalt und Dehmuth; und jemehr seine Herrschaft sich verbreitet in der Welt, um desto mehr wird jede Verbindung der Hoffärtigen zerstreut; denn verfügen sich die Menschen zu seiner Heerde, da ist kein Knecht und kein Herr, kein Niederer und Höherer, kein Freier und kein Sclav, sondern alle sind Brüder, weil sie einem Mei|ster dienen. Das ist das alte Wort der Verheißung des Herrn, daß die Thäler erhöht, und die Hügel geebnet würden, und die Hoffärtigen zerstreut 2 Gegenstand der] folgt eine Lücke bis zum Zeilenende, knapp ein Drittel der Zeile 13 Raub] Rauch 21 mußte nach] mußtenach 13–14 Vgl. Phil 2,6–7 17–18 Vgl. Joh 5,19–20 21 Vgl. Dtn 28,64 21– 23 Nach der Darstellung der Evangelien wird Jesus zwar durch die Hohenpriester und den Hohen Rat zum Tode verurteilt (vgl. Mt 26,57–68; 27,1; Mk 14,53–65; Lk 22,63– 71; Joh 18,12–14.19–24; 19,7), aber zur rechtskräftigen Verurteilung an den römischen Statthalter Pontius Pilatus überstellt, weil die Kapitalgerichtsbarkeit bei der Besatzungsmacht liegt (vgl. Mt 27,1–2; Mk 15,1; Lk 23,1–2; Joh 18,28–32; 19,10). Möglicherweise spielt Schleiermacher hier aber auch auf die Zerstörung Jerusalems und Vertreibung der Juden durch die Römer im Jahr 135 n. Chr. an. 27–28 Vgl. Joh 10,16; 1Petr 5,2–3 28–29 Vgl. Gal 3,28 29–30 Vgl. Mt 23,8 30–1 Vgl. Jes 40,4 in Verbindung mit Jes 2,11–17; ferner Gen 11,1–9
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und aus einander getrieben. Und was anderes vermögte wohl ein gleiches? Denn wo giebt es etwas anderes abgesehn von den Tugenden, die das Werk des Geistes sind, was uns gut erscheinen mögte, und nicht eine Quelle der Hoffart würde den Menschen. Er allein vermag den Stolz des Herzens zu dehmüthigen, er demüthigt uns, indem er uns erhebt, aber in seiner Gemeinschaft erhoben zu werden, das ist die Vereinigung der Demuth mit der Freude an ihm; er demüthigt uns, indem er uns seine Brüder nennt; und sehen wir uns in ihm, und lieben ihn und um seinetwillen Alle, dann wird die Hoffart gebeugt, und die Hoffärtigen zerstreut, dann wird gesammelt ein wahres Volk Gottes mit den festesten Banden, ge|gründet auf Liebe und Wahrheit; aber jemehr das sich erhebt, werden die Hoffärtigen zerstreut. III. „Endlich läßt er die Reichen leer, indem er die Hungrigen füllet mit Gütern.“ Oft, aber nie vom leiblichen Hunger redet die Schrift, sondern sie wendet sich überall an den Hunger und Durst nach Weisheit und Gerechtigkeit, und der Erlöser hat sich immer dargestellt als die Befriedigung und Erquickung: „selig sind, die da hungern und dursten nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen gesättigt werden.“ Aber ehe der Erlöser erschien, wie viel eingebildeten Reichthum finden wir unter den Menschen, Reichthum an eingebildeter Weisheit, deren Gegenstand nichts war als die Erscheinungen dieser Welt, Reichthum an Gerechtigkeit, die nichts anders war als | die Gerechtigkeit eines äußern Gesetzes und todten Buchstabens; die gefährlichste Hoffart war unter denen, die diesen Gegenstand hatten. Denn am meisten ist der Mensch bethört, wenn ihn ein Glanz blendet; brüstet sich der Mensch mit seiner leiblichen Kraft und verdirbt so das Höchste, so macht der Herr den Blitz und Sturm zu seinem Diener, brüstet er sich mit seinen Gütern, mit seinen eitlen Vergnügungen, o du Thor! aber brüstet er sich mit der falschen Weisheit und Gerechtigkeit, so meint er ein Besitzthum zu haben, das ihm über die Gränze des Lebens folgt, einen Schatz, dem keine Gewalt anzuthun ist; wohl ihm, wenn denn endlich im Innern eine Stimme erwacht, die ihm sagt: „es ist Alles eitel unter der Sonne“; ja das ist wohl war, es ist Alles eitel un|ter der Sonne, was nicht von höher herkommt als sie. Wo nun aber ein Hunger und Durst nach höherer Weisheit erwacht ist, „da lässet er die Reichen leer, während er die Hungrigen mit Gütern füllt.“ Die Reichen sind die, in denen dieser Hunger und Durst nicht erwacht ist, das sind die Unglüklichen, denen das Kreuz des Herrn bald eine Thorheit, bald ein Aergerniß ist, das sind die nun, welche, seitdem der Herr erschienen ist, der Ewige leer 18–19 Vgl. Mt 5,6 22–23 Vgl. 2Kor 3,6–7 26–27 Vgl. Ps 104,4 27–31 Wohl Anspielung auf Lk 12,13–21 und Lk 12,33 (vgl. Mt 18,19–20) 32 Vgl. PredSal 1,2.14; 2,11.17; 3,19; 11,8; 12,8 37 Vgl. 1Kor 1,23
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läßt, die, weil sie eben die ewige Weisheit nicht anerkennen, auch deshalb keinen Theil davon erlangen. Aber wie geschieht es? das Reich des Erlösers verbreitet sich, gegründet auf die Gerechtigkeit aus dem Glauben, die dem Menschen nichts anderes übrig läßt, als daß Christus in ihm wohne, jemehr sich dieses Reich verbreitet, desto mehr wächst | in der Welt der Schatz der wahren Seligkeit in der Gemeinschaft mit dem Erlöser, desto herlicher gestaltet sich der verborgene Schatz des Herzens, die Weisheit, durch die wir Kinder des Himmels sind. Wie kann es aber anders sein, als daß die, die sich begnügen mit den Erzeugnißen der menschlichen Vernunft, erscheinen als leere, und die, weil sie das Licht verschmähen, der Herr nicht anders als leer lassen kann, bis der Hunger in ihnen entsteht. Ja der leere Schein der Gerechtigkeit und Weisheit ist es, der die Menschen am meisten bethört, er aber wird nur vertrieben durch das Reich der Gerechtigkeit, das durch den Erlöser gestiftet ist; jemehr sein Geist im Herzen regiert, je mehr sein Bild uns vorschwebt, desto mehr erscheint alles andere leer und eitel, und wird erst etwas, wenn wir es in sei|nem Dienst gebrauchen; aber durch diesen Dienst soll Alles verklärt werden, was Gott in die Natur gelegt hat, um durch seinen Sohn ein seliges Reich zu bauen. Und so mögen wir sagen, daß eben dadurch, daß er die Gewaltigen vom Stuhle stößt und die Hoffärtigen zerstreuet, und die Reichen leer läßt, während er die Hungrigen mit Gütern füllt, daß dadurch sich preiset die Barmherzigkeit Gottes, der die Menschen befreit von dem, was blendet, und das Auge des Geistes öffnet zu dem, was bleibend ist; und so wollen wir mit Maria preisen die ewige Barmherzigkeit des Vaters, der seinen Sohn gesandt hat zum Heile der Welt. Amen.
[Liederblatt vom 24. Dezember 1826:] Am 4ten Advent-Sonntage 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Du Geist des Herrn etc. [1.] Komm Jesu komm, du königlicher Herr / Du großer Fürst voll Tugendpreis und Ehr! / Brich an o Himmelsglanz in voller Schöne, / Nach dem ich 12 Weisheit] Weisheit, 3 Vgl. Röm 1,17; 4,16; 9,30; 10,6 4 Vgl. Eph 3,17 7 Vgl. Mt 12,35 in Verbindung mit Mt 13,44 8 Wohl Anspielung auf Mt 5,45; vgl. auch Joh 1,12; Röm 8,14–23; Gal 3,26; Phil 2,15; 1Joh 3,1–2 10 Wohl Anspielung auf Joh 1,5; 3,19–20 11–12 Wohl Anspielung auf PredSal 7,16; 8,17; 9,1–2 (Skepsis gegenüber der älteren Weisheitslehre, wonach Gerechtigkeit und Weisheit als zusammengehörig und ungebrochen positiv vorgestellt werden; vgl. Ps 37,30; Spr 9,9; 10,31; 11,30; 23,24) 13 Wohl Anspielung auf Röm 14,17; vgl. auch Mt 6,33 23–24 Vgl. Lk 1,46.54–55 24 Vgl. 1Joh 4,14
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mich gar oft von Herzen sehne. // [2.] O Seelenlust, die im Gemüth mir quillt! / Du hast der Liebe Wunder nun erfüllt; / Du bist mein Ruhm, mein Lob und meine Wonne, / Das Heil der Welt, des Lebens Licht und Sonne. // [3.] Aus dir entspringt Gnad und Barmherzigkeit, / Dem der auf dich nur hofft in dieser Zeit; / Du bist der reiche Brunn der Gnad und Güte, / Aus dem sich stärkt das schmachtende Gemüthe. // [4.] Nimmst du ein Herz, du Wiederbringer, ein: / So blizet auf der Wahrheit heller Schein. / Du machst uns frei vom schweren Sündenbande, / Und zeigst den Weg zum selgen Vaterlande. // [5.] Und du regierst die Deinen nun fortan / Im Frieden, den kein Sinn erreichen kann; / Des Friedens wünsch’ ich innig zu genießen, / Um mir das Leid der Erde zu versüßen. // [6.] Was ich gesucht, das säh’ ich dann erfüllt, / Ich hätte das, was jede Sehnsucht stillt. / In dir wollt ich mich in den Tod ergeben, / Kann nur mein Geist in deiner Liebe leben. // Nach dem Gebet. – Mel. Helft mir Gott’s etc. [1.] Bestellt ihr Menschenkinder / Mit Ernst das Herz in Euch! / Er kommt das Heil der Sünder / Der Held an Wundern reich! / Er, den aus Gnad’ allein / Der Vater hat gegeben / Der Welt zum Licht und Leben, / Kehrt bei uns Sündern ein. // [2.] Bereitet ohne Säumen / Die Stege diesem Gast, / Eilt aus dem Weg zu räumen, / Was er verwirft und haßt! / Die Thäler füllet aus, / Erniedriget die Höhen, / Und offen müss’ ihm stehen / Ein jedes Herz und Haus. // [3.] Ein Herz das Demuth liebet / Nimmt er in seinen Bund, / Ein Herz das Hochmuth übet, / Das geht mit Angst zu Grund. / Ein Herz, das lauter ist, / Kann tüchtig sich bereiten, / Es folget Gottes Leiten, / Zu ihm kommt Jesus Christ. // [4.] O mache du mich Armen / In dieser Gnadenzeit / Aus gütigem Erbarmen / Herr Jesu selbst bereit! / Zeuch in mein Herz hinein; / Ja komm mit deinem Segen, / Ich harre dir entgegen, / Komm ewig mich erfreun! // Nach der Predigt. – Mel. Allein Gott in der Höh etc. [1.] Tief lag die Welt in finstrer Nacht, / In Furcht und Todesschrecken, / Sie konnte nicht aus eigner Macht / Sich Licht und Heil erwecken: / Nun kommt das unumschränkte Licht, / Und will mit hellem Angesicht / In aller Herzen leuchten. // [2.] Drum irr’ o Mensch nicht länger blind / Auf des Verderbens Wegen, / Umfasse den, der treu gesinnt / Dir gnädig kommt entgegen. / Komm folge deiner Trägheit nicht, / Christ will dir Leben Kraft und Licht / Aus seiner Fülle schenken. // [3.] So nimm mein Herz Herr Jesu Christ, / Mein Heiland, Licht und Leben! / Gestalt es so wie deines ist, / Dazu sei dirs gegeben! / Vertreib die alte Finsterniß / Und heil der Sünde Schlangenbiß; / Dann bist du mir geboren. //
Am 25. Dezember 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
1. Weihnachtstag, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Tit 2,11–13 (Anlehnung an die Festtagsperikope) Nachschrift; SAr 116, S. 47–61; Sethe Keine Nachschrift; SN 620, Bl. 11r–15r; Crayen Nachschrift; SAr 65, Bl. 120r–121v; Woltersdorff Keine
Frühpredigt am ersten Weihnachtstage d. 25. Dezember 1826 Tex t.
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Titus 2, 11–13.
M. a. Fr. diese Worte gehören | zu der in einem großen Theile unserer Kirche für den heutigen Festtag gewöhnlichen Lektion aus den Briefen der Apostel, und wir werden sie zu solcher Betrachtung, wie sie sich für dies seelige Fest ziemt, vorzüglich geeignet finden; denn die Ankunft des Erlösers in der Welt, das ist das rechte Erscheinen der heilsamen Gnade Gottes, wir erkennen keine andere, weil wir wissen, daß ohne ihn nichts würde im Stande gewesen sein, den gnädigen Willen Gottes mit dem menschlichen Geschlecht in Erfüllung zu bringen, weil wir wissen, daß in ihm alle Gottesverheißungen ja und Amen sind, also nun weiter nichts nöthig ist zu unserm Heil. Also auf diese Ankunft des Erlösers, die wir heute feiern, laßt uns die Worte des Apostels anwenden. Er sagt von der Gnade Gottes in Christo zweierlei; erstens | daß sie eine züchtigende sei, zweitens, daß sie eine zu seligen Erwartungen auffordernde sei. Dies beides laßt uns jezt näher erwägen. I. Wenn der Apostel sagt: die heilsame Gnade Gottes züchtige uns, daß wir verleugnen alles ungöttliche Wesen; was fällt uns dabei wohl näher ein, als dies, daß der Erlöser der Welt, wiewohl er uns gleich war in allem andern, doch frei war von der Sünde; denn das beides gehört dazu, daß die heil19 Wesen;] Wesen;“ 3–4 Nach der preußischen Perikopenordnung war als Epistellesung für den 1. Weihnachtsfeiertag Tit 2,11–14 oder Jes 9,2–7 vorgesehen. 20–21 Vgl. Hebr 4,15
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same Gnade Gottes, die uns in ihm erschienen ist, auch volkommen sein kann eine züchtigende. Ueberall und zu allen Zeiten, schon lange vor der Erscheinung des Herrn ist das ein wesentlicher Bestandtheil des gemeinsamen menschlichen Lebens gewesen, daß einer den andern züchtige (ja es ist gar nicht ohne das zu denken); denn wie die Menschen ungleich sind | in ihrer Erkenntniß und Erfahrung, so ist es nicht anders möglich als, daß, indem sie zusammengehören, und es keinen giebt, der nicht Gegenstände der Liebe und Sorge hätte, einer den andern züchtigen muß. Aber wir sind uns auch darinn, daß wir einander züchtigen, der Unvolkommenheit bewußt. Denn wer selbst nicht frei ist von dem ungötlichen Wesen, kann auch nur auf eine unvolkommene Weise den andern züchtigen; gesezt auch es wäre einer ganz unschuldig an dem, worüber er den andern züchtigt; so ist es doch nicht möglich, das Ungötliche in ihm mischt sich in die Züchtigung; und indem dadurch das Gefühl der Züchtigung in dem andern geschärft wird, so wird ihm freilich dadurch der, der züchtigt, ein Spiegel der Ermahnung, aber auch der menschlichen Gebrechlichkeit, und dieses Lezte trübt das Erste: Darum giebt es keine volkommene Züchtigung, welche uns vermahnt | zu verleugnen alles ungöttliche Wesen, als nur durch den, der von keiner Sünde wußte, der uns ein reiner Spiegel des göttlichen Willens und Wohlgefallens ist. Darum haben wir es dankbar zu erkennen, und uns zu freuen, daß dies frohe Fest der Geburt des Erlösers schon so lange Jahrhunderte besteht, dessen eigentlicher Sinn der ist, daß wir ihn nicht anzusehn haben wie die übrigen Diener und Werkzeuge Gottes, die, nachdem sie schon wie die übrigen Theil genommen hatten an dem ungöttlichen Wesen, berufen wurden von ihm zu Zeugen, aber sich auch dabei nicht frei machen konnten von dem Ungöttlichen, sondern die Spuren der menschlichen Gebrechlichkeit verriethen in ihren Reden und Ermahnungen zum Herrn. Ja das ist der Grund unserer vollkommenen Zuversicht zu dem Erlöser, und der Grund unserer Verehrung, daß er von | Anbeginn frei gewesen, und frei geblieben ist von allem ungöttlichen Wesen, weil die Fülle der Gottheit in ihm wohnte; darum kann er als der, der frei geblieben ist, uns züchtigen zu verleugnen alles ungöttliche Wesen, weil er es nicht kennt und in sich hat, sondern es nur sieht mit dem brüderlichen Schmerze in denen, denen er werden soll zur Erlösung und Heiligung. Darum züchtigen wir nicht mehr einer den andern, sondern überall ist es das göttliche Wort, welches diese Kraft ausübt. Und wenn wir nun bedenken, wie dieses Fest ein besonderes Fest der Kinder ist, weil wir die Entwickelung des Göttlichen im Menschlichen in seinem ersten Entstehen feiern, so wird uns mit Recht vorgehalten das Verhältniß, in dem wir älteres zu dem jüngern Geschlechte stehen, denn wir sollen die christliche Jugend aufziehen in der Zucht und 18–19 Vgl. 2Kor 5,21 2,9
23–28 Gemeint sind hier die Propheten.
30–31 Vgl. Kol
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Ermahnung zum | Herrn. Aber indem wir uns der Ankunft des Erlösers freuen und zugleich auf uns selbst zurüksehen, wie sehr wird es uns dann wahr das Wort des Apostels, daß allein in ihm die heilsame Gnade Gottes erschienen sei; darum gebe es keine andre Zucht als die Ermahnung der Jugend zum Herrn, darum werde diese Feier der Erscheinung des Herrn stets ein neues Bündniß zwischen ihnen und uns, so daß sie auf unsere Ermahnung nur hören, insofern wir uns ihnen würdig darstellen als die Friedensboten dessen, der uns wie ihnen geworden ist zur Heiligung, und so nur er und nicht wir ihnen die rechte lebendige Anleitung geben, gerecht und gottseelig zu leben. Aber wie nun schon so lange die Zeit hinter uns liegt, deren Anbeginn wir feiern, deren leibliche Anschauung und zeitige Gegenwart wir aber nicht | haben, so laßt uns Alles anwenden, das Wort, darinn uns die geistige Gegenwart des Herrn mitgetheilt und bewahrt ist, uns so eigen zu machen, wie es Geist und Leben ist, damit er uns immer mehr werde die Zucht zur Gerechtigkeit und Gottseligkeit. Je reiner das Bild der Unschuld ist, und der Vollkommenheit des Erlösers, das wir finden im Worte Gottes, je fleißiger wir ihn uns und ihnen so vor Augen bringen, wie er uns erscheint aus dem Worte des Lebens, desto mehr können wir jenen Eindruck empfinden, desto kräftiger wird die Zucht und Ermahnung zu ihm, und diese ihnen wahrhaft zur Gottseligkeit sein. So als der Erlöser einige Zeit verweilt hatte in einer Gegend, wo er sonst nicht oft weilte, und die, welche sich um ihn versammelt hatten, die Kinder zu ihm brachten, daß er sie segne, wie sie das thaten damit der Eindruck seiner Ge|genwart bleibe als das, wodurch sein Bild ihren Seelen lebendig gehalten würde. So ist es jezt die Bekanntschaft des Erlösers in seinem Worte, wodurch er Alle segnet, die ein herzliches Verlangen haben nach der Gnade Gottes, die in Christo erschienen ist, dadurch vergegenwärtigt er sich. Und das reine Bild, das wir so aufnehmen von ihm, das ist das reine Bild der uns zur Gerechtigkeit und Gottseligkeit züchtigenden Kraft der Gnade Gottes; darauf beruht der wahre Glaube an ihn, daß in ihm erschienen ist die heilsame Gnade Gottes, diese züchtigt uns über alles ungöttliche Wesen, das wir noch immer in uns wahrnehmen. II. Sagt der Apostel, die heilsame Gnade Gottes lehre uns warten auf die selig gehoffte Erscheinung der Herlichkeit Got|tes in Christo. Nicht als ob wir nachdem er erschienen, eines andern warten sollten, nein, sondern wir wis35 Christo.] Christo.“ 8 Vgl. 1Kor 1,30 20–24 Vgl. Mt 19,13–15; Mk 10,13–16; Lk 18,15–17; nach Mt 19,1 und Mk 10,1 hält sich Jesus zu dieser Zeit im Gebiet von Judäa jenseits des Jordans auf. 36 Vgl. Lk 7,19–20
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sen, daß in ihm alle Verheißungen Gottes erfüllt sind, auch nicht als ob etwas von der Erscheinung bevorstehe, oder als ob die vollkommene Erscheinung hafte an einer neuen Ordnung der menschlichen Dinge, aber dennoch giebt es noch ein Warten, weil wir in einem zeitigen Leben wandeln. Als der Herr diese Welt geschaffen hatte, und den Menschen hineingesezt, um sie zu beherschen, da sah Gott der Herr Alles an, und es war gut; und doch war der Grund zu der Sünde schon gelegt in dem Menschen; denn ob er gleich rein und unschuldig war, so fehlte ihm doch die wesentliche, die bleibende Unschuld, die allein zur Vollkommenheit führt, dennoch sagte der Herr, daß es gut sei, weil Alles eingeleitet war zu der Erscheinung des Erlösers, der Alles besser und herlicher machen konnte, was die Sün|de verdirbt; so war, obgleich das Göttliche noch nicht erschienen war, so war doch Alles gut, es war seinem innersten Wesen nach gut, weil es auf diese Erscheinung berechnet war. Sobald nun der Erlöser das Licht des Tages erblikt hatte, da war wirklich erschienen die heilsame Gnade Gottes; obgleich dies götliche Licht so sehr im Verborgenen leuchtete, und nur Wenigen strahlte, und die erste Stunde der Erscheinung so bald wieder verschwand, und obgleich nur eine so kleine Schaar in ihm erblikte die Herlichkeit des eingeborenen Sohnes vom Vater, so war doch in ihm die heilsame Gnade Gottes Allen erschienen, denn der Grund der Seligkeit war für Alle gelegt; und doch sagt der Apostel: „wir sollen warten auf die Erscheinung der Herlichkeit des Herrn.“ Diese Herlichkeit sie ist da, sie ist ihrem innersten Wesen nach da, [„]so gewiß als, wie der Erlöser sagt, die, die an ihn glauben | schon hindurchgedrungen sind vom Tode zum Leben, und schon hier das ewige Leben haben,“ und eine andere Herlichkeit giebt es auch nicht, als diese, und doch sagt der Apostel, [„]daß wir warten sollen,“ wie auch der andere Jünger des Herrn sagt: „es ist noch nicht erschienen, was wir sein sollen, aber es wird erscheinen, wenn wir ihn sehen, wie er ist;“ und was heißt das anders als die Herlichkeit des eingeborenen Sohnes vom Vater, das Ebenbild seines Wesens in ihm schauen, und derselbe Jünger sagt im Anfange seines Evangeliums, daß er und die mit ihm glaubten, geschaut haben diese seine Herlichkeit; und das ist es, dessen auch wir uns rühmen, aber eben weil wir in einem zeitigen Leben wandeln, in dem sich Alles nur allmählig entwickelt, so giebt es noch ein Warten, und seitdem der Erlöser erschienen ist, hörte das Warten nicht auf; ja das Warten auf ihn beherschte die ganze Zeit des alten Bun|des, aber erst von dem Augenblick an ward es ein seliges; und das ist der rechte Nachdruck dieses Wortes des Apostels, er sagt, daß die in Christo erschienene Gnade Gottes uns warten 6–7 Vgl. Gen 1–2, bes. 1,26–28.31; 2,8.15 8 Anspielung auf Gen 3–4; vgl. auch Gen 6,5; 8,21 19–20 Vgl. Joh 1,14 24–26 Vgl. Joh 5,24 28–30 Vgl. 1Joh 3,2 30–31 Vgl. Joh 1,14; Hebr 1,3 31–33 Vgl. Joh 1,14
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lehre auf die seelig gehoffte Erscheinung der Herlichkeit des Herrn. Vor seiner Erscheinung war das Warten nur eine trübe Ahnung, wie auch das schärfste Auge die zu fernen Gegenstände nicht sicher sieht. Aber nachdem der Herr erschienen ist, ist es das Warten auf eine selig gehoffte Zukunft, wir hoffen, aber wir sind selig im Besitz dessen, was in so fern erscheinen wird, als es noch nicht volkommen in uns erschienen ist. In jener züchtigenden Kraft, und in dieser erhebenden Kraft, die unsere Hoffnung zu einer seligen Hoffnung macht, darinn liegt für uns Alle die ganze Kraft der in Christo erschienenen heilsamen Gnade Gottes. Je mehr wir uns züchtigen lassen, desto mehr | verklärt sich uns die Erscheinung der Herlichkeit des eingeborenen Sohnes im Bilde Christi; je mehr wir uns durch die Erscheinung der heilsamen Gnade Gottes in Christo lehren lassen zu warten auf die volkommene Erscheinung, desto mehr wächst die selige Hoffnung, bis sie in der Seligkeit des ganzen Geschlechts, in der Unterwerfung alles Ungötlichen erscheint; je mehr er sich Wohnung macht in unserm Herzen, und in uns lebt, und wirkt, um desto volkommener bildet sich in uns aus die Erscheinung dessen, der wie der Weg zum Vater, zugleich der Abglanz des göttlichen Wesens ist; je mehr uns reiniget, erfreut, erquikt und tüchtig macht zu allen gottgefälligen Früchten des Geistes, um desto mehr zeigt sich uns die in ihm liegende, das geringe menschliche Geschlecht beseligende Kraft, und wir sehen, wie um so mehr von einer Zeit zur andern gepriesen wird die heilsame Gnade Gottes in ihm. So laßt uns, indem wir den Erlöser bewilkommnen als | einen neu geborenen in diesem zeitigen Leben, darinn er in seiner Herlichkeit erschien, weshalb er uns geheiligt ist, um destomehr laßt uns, je mehr wir seine Herlichkeit schauen, ins Auge fassen unser Verhältniß zu dem künftigen Geschlecht, und so preisen die in ihm uns erschienene heilsame Gnade Gottes, damit sie in uns werde eine züchtigende Kraft, ein seliges Hoffen, ein sein Reich förderndes Warten. Dazu sei ihm unser Dasein gereicht, dazu erbitten wir uns seine Kraft und Liebe, und dazu versenken wir uns in die innerste Gewißheit des Glaubens, in dem Heil gegeben ist allen Menschen, sein und unser ewiger Vater. Amen.
10–11 Vgl. Joh 1,14 15–16 Vgl. Joh 14,23 16 Vgl. Gal 2,20; Kol 1,29 17 Vgl. Joh 14,6 17–18 Vgl. Hebr 1,3 19 Vgl. Gal 5,22; in der Lutherübersetzung (bzw. im textus receptus) auch Eph 5,9 20–21 Wohl Anspielung auf Röm 1,16 23–24 Vgl. Joh 1,14
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2. Weihnachtstag, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Hebr 10,8–9 Nachschrift; SAr 93, Bl. 59r–76r; vermutl. Andrae Keine Nachschrift; SAr 93, Bl. 77r–105r; vermutl. Andrae (Textzeugenparallele) Nachschrift; SAr 116, S. 61–84; Sethe Nachschrift; SAr 65, Bl. 122r–124v; Woltersdorff Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am 2. Weihnachtstage 1826. | G e be t. Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen. Amen. Tex t. Hebräer X, 8 und 9. Als er gesagt hatte „Opfer und Gaben, Brandopfer und Sündopfer hast du nicht gewollt, sie gefallen dir auch nicht, welche nach dem Gesetz geopfert werden“: da sprach er „siehe ich komme zu thun Gott deinen Willen“. Da hebt er das Erste auf, daß er das Andre einsetze.
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M. a. F. Es wird den fleißigen Lesern unsrer heiligen Schriften nicht entgangen sein, wie der Brief, aus welchem die verlesenen Worte sind, ganz vorzüglich die Abzweckung hat, die Christen aus dem Volke, welchem | der Herr durch seine Geburt angehört, vor dem Rückfall zu bewahren, indem auf der einen Seite ihnen als Anhängern einer neuen Lehre und eines neuen Bundes mancherlei Ungemächlichkeiten und Leiden drohten, auf der andern aber durch das süße Band der Gewohnheit der alte sie lockte mit allem Prunk seiner äußern Herrlichkeit und seines ehrwürdigen Ansehens, wogegen der neue wie sein Stifter selbst in einer unscheinbaren demüthigen Gestalt auftrat. Darum ist der Verfasser dieses Briefes überall in einer solchen Vergleichung zwischen dem alten und neuen begriffen, und indem er die äußere Herrlichkeit des alten gelten läßt und als ein göttliches Werk
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darstellt, so weiset er zugleich überall darauf hin, wie der geistige Sinn und das geistige Leben des neuen doch etwas unendlich Höheres und Schöneres sei. | Dazu gehören nun auch die verlesenen Worte, in welchen der Verfasser Stellen aus den Schriften des alten Bundes bezieht auf die Einführung des Sohnes Gottes in die Welt. So verknüpft er zwei Worte im Namen des Herrn gesprochen, das eine „Gaben und Opfer, wie sie nach dem Gesetz gebracht werden, hast du nicht gewollt, sie gefallen dir nicht“; das andre „siehe ich komme zu thun Gott deinen Willen“. Und so stellt er also dar den Erlöser der Welt, als er in dieselbe eintritt, als das Ende des Einen und als den Anfang des Andern, als den großen Wendepunkt zweier menschlichen Zustände in Beziehung auf das Größte und Wichtigste, nämlich das Verhältniß des Menschen zu Gott. Opfer und Gaben, davon soll ferner nicht die Rede sein; | aber deinen Willen, o Gott, zu thun, dazu, so spricht der Sohn bei seinem Eintritt in die Welt, dazu sei er gesandt, und also auch nicht nur ihn selbst zu thun, sondern weil er der Herr über Alle sein und immer mehr Alle begeistigen und beleben soll, zu schaffen daß er gethan werde von Allen. Wie könnten wir also wohl würdiger dieser festlichen Betrachtung diese Darstellung unsrer Freude an der Geburt des Erlösers uns unter einander kund machen, als indem wir auf den großen uns hier vor Augen gestellten Unterschied mit einander nachdenken, und also die Erscheinung des Erlösers auf Erden mit einander betrachten als das Ende jenes älteren und den Anfang dieses neuen Verhältnisses. Dazu m. g. F. wird nur zweierlei gehören: einmal daß wir uns so anschaulich als möglich davon überzeugen, | daß das beides nicht zu gleicher Zeit neben einander bestehen kann, dem Höchsten Opfer und Gaben darbringen und seinen Willen thun, sondern daß Eines das Andre ausschließt, und beides mit einander unverträglich ist, denn sonst hätte nicht das Eine müssen aufgehoben werden, wenn das Andre sollte gesetzt sein; dann aber auch zweitens, daß auch nichts Geringeres dazu gehöre als die Erscheinung des göttlichen Sohnes unter den Menschen, damit das Eine aufhören könne und das Andre beginnen. Dazu wolle der Herr nun unsre gemeinsame christliche Aufmerksamkeit und unser Nachdenken über sein Wort lassen gesegnet sein. I. Wenn wir nun m. g. F. uns zuerst davon überzeugen wollen daß das | zwei ganz verschiedene und mit einander unverträgliche Ordnungen der Dinge sind, ein solches Verhältniß der Menschen zu Gott, vermöge dessen sie ihm Opfer und Gaben von allerlei Art darbringen, und ein solches, worin sie im 29 gehöre] gehören 6–7 Vgl. Ps 40,7 6,38–40
8 Vgl. Ps 40,8a.9a
13–14 Vgl. Hebr 3,7 sowie Joh 4,34;
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wahren Sinne des Wortes seinen Willen thun: so müssen wir denn freilich zuerst unsre Aufmerksamkeit auf das Größere richten und fragen, was denn das im tiefsten und innersten Sinne des Wortes sagen wolle, den Willen Gottes thun; und dann laßt uns damit vergleichen, was denn der eigentliche Sinn und die Bedeutung sein könne von den Opfern und Gaben, die dem Höchsten dargebracht werden; und dann werden wir beides zusammenhaltend auch deutlich einsehen, daß das Eine erst veralten müsse und vorübergehen, wenn das Andre eintreten soll. Also was heißt es, den Willen Gottes thun? Laßt uns zuerst fragen, was heißt es überhaupt? was heißt den | Willen von irgend Jemand thun? Denn so ist es, daß wir nicht anders vermögen von göttlichen Dingen zu reden, als indem wir zuerst unsre Aufmerksamkeit auf die menschlichen Dinge richten. Was ist m. g. F. der Wille eines Menschen? Er ist das Innerlichste seines Wesens und seines lebendigen Daseins, was wir uns denken können. Je mehr der Mensch äußeren Antrieben folgt in seinen Handlungen, desto mehr beklagen wir ihn darüber, daß er so oft und in so vielen Fällen erscheint als ein willenloser, so daß, wenn wir uns recht besinnen, wir sagen, der Mensch habe überhaupt einen Willen nur in sofern das Innerste, dessen er mächtig ist, das Eigenthümliche seines Wesens, das was ihn von allen andern unterscheidet, ihn überall in seinen Lebensbewegungen treibt und regiert. Zu gleicher Zeit ist der Wille des Menschen auch etwas in allen | seinen Äußerungen auf das nothwendigste und wesentlichste zusammenhangendes. Denn wer würde sich einbilden den Willen eines Menschen erkannt und verstanden zu haben, wenn er zwar begriffe was er mit einer einzelnen hier und da hervortretenden Handlung bezwecke, und worauf sein Innerstes gerichtet sei, alles andere aber widerstrebt dem und geht nicht in den Zusammenhang damit ein; oder wenn wir endlich nach langer Beobachtung und nach reifer Vergleichung und Abwägung finden, daß es nichts innerlich zusammenhangendes in den Äußerungen eines Menschen giebt. Ja dann bedauern wir ihn wiederum als einen solchen, der deshalb weil die Bewegungen seines Geistes nicht unter sich zusammenhangen und Ein Ganzes bilden, auch nur von Launen regiert werde und vom Eigensinn, | aber einen Willen im wahren Sinne des Wortes nicht habe. Gehört nun m. g. F. schon ein höherer Grad des Lebens, der geistigen Kraft und Besinnung dazu, damit wir einem Wesen einen Willen zuschreiben; ja beginnen wir dies erst bei dem Menschen, und sobald wir das Wort streng nehmen, sprechen wir es allen untergeordneten Wesen ab; und ist in dem Menschen wiederum das Innerste und der nothwendige Zusammenhang seines Wesens der Wille; und ist das höchste Wesen so gewiß das kräftigste und 24 zwar] Ergänzung nach SAr 93, Bl. 83v 25 hervortretenden] so SAr 93, Bl. 83v; Textzeuge: zum Vorschein kommenden 26 alles andere] so SAr 93, Bl. 83v; Textzeuge: Anderes
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lebendigste als es zugleich das geistigste ist: so ist der Wille Gottes das Innerste seines ewigen Wesens, der große Zusammenhang, in welchem Alles, was sein Werk ist, und was zu dem Innersten desselben gehört, sich verstehen läßt. Und also den Willen Gottes thun, das m. g. F. heißt nicht etwa hier und da etwas, ja ich will auch sagen alles Einzelne, | was wir ansehen als den Ausdruck des göttlichen Willens, in Erfüllung bringen und ihm nachkommen nach unsern Kräften, das heißt nicht etwa Befehle Gottes als solche ausüben und in Erfüllung bringen; sondern es heißt: eben diese Tiefe des göttlichen Wesens, eben diesen ewigen Zusammenhang seiner Gedanken und Rathschlüsse in unserm Leben an das Licht bringen, damit es erscheine als ein Wirklichwerden des göttlichen Willens durch uns. Das m. g. F. und nichts Geringeres heißt den Willen Gottes thun. Wohlan so laßt uns nun fragen: was haben die Menschen immer gemeint, was hat sie dazu getrieben, wenn sie dem Höchsten darbrachten Opfer und Gaben? Das finden wir bei dem Volke Gottes, und es war der Dienst, den sie dem ewigen Wesen leisteten, welches sie aber freilich zum größten Theil und auf eine untergeordnete Weise als den Gott ihres Volkes erkannten; | wir finden eben dieses mehr oder weniger, verständiger oder unverständiger bei allen andern Völkern in Beziehung auf die Art, wie jedes eben deshalb, weil es in der Wahrheit nicht geblieben war, sondern sie durch Ungerechtigkeit aufgehalten hatte, die natürliche Erkenntniß Gottes sich verunstaltet hatte in mancherlei abergläubigen und verkehrten Wahn. Aber dennoch indem wir den Unterschied zwischen beiden anerkennen als etwas Großes und Bedeutendes, so müssen wir doch sagen, die Ähnlichkeit zwischen dem Verhältniß, in welchem sich das Volk Gottes gegen seinen Herrn und König, und zwischen dem, in welchem sich die andern Völker dachten gegen die höheren Wesen, die sie als Darstellung des höchsten Wesens betrachteten, diese Ähnlichkeit ist nicht zu verkennen. Und wie war das Verhältniß gestaltet? was ist das Wesen | desselben? Wer m. g. F. spricht auch nur das Wort Opfer aus, ohne daß er dabei dächte an eine Entsagung des Seinigen? Wer spricht das Wort Gabe aus, ohne dabei zu denken an einen Versuch, den er macht, den Wunsch und den Willen eines Andern zu errathen, und etwas zu thun, was ihm möchte wohlgefällig sein? So liegt darum auch in diesem Bestreben Gott Gaben darzubringen das Geständniß, daß wir eigentlich dem innersten Wesen nach den Willen des höchsten Wesens nicht erkennen, daß der Mensch, jeder nach seiner Art und Weise, den Versuch macht, irgend etwas zu thun oder zu veranstalten, was sein Wohlgefallen könne auf sich ziehen. So liegt denn in dem Begriff des Opfers offenbar schon das Anerkenntniß, daß wir einen Unterschied setzen zwi5 Einzelne,] Einzelne; 18–22 Anspielung auf Röm 1,18–32
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schen uns und Gott, indem wir etwas als das Unsrige ansehen, was wir ihm nun hingeben, damit es das Seinige werde. Aber wenn wir daran denken, wie bei weitem der größte Theil der Opfer dargebracht wurde als Sühnungsmittel, weil die | erkannten und ausgesprochenen Befehle des Höchsten waren übertreten worden; wenn wir daran denken, wie viele unter den Opfern Sündopfer waren, welche dargebracht wurden für die Schuld, weil aus dem Innersten der Menschen etwas hervorgegangen war, was im Widerspruch stand mit dem göttlichen Willen: o so sehen wir, wo Opfer dargebracht werden, da hat der Mensch einen andern Willen als den Willen Gottes; und die Darbringung der Opfer ist zu allen Zeiten und unter allen Umständen überall nichts anderes als ein Anerkenntniß, daß wir den Willen Gottes nicht zu thun vermögen, und eben deshalb weil wir ihn nicht zu thun vermögen, auf der einen Seite ihm Opfer darbringen, auf der andern ihm Gaben spenden, damit eine Uebereinstimmung seines Willens mit dem unsrigen auf eine äußerliche Art erfolge, weil wir wissen, daß es von innen heraus nicht geschehen kann. So sehen wir denn m. g. F. eben dieses klar und deutlich, Opfer und Gaben legen überall das Zeugniß ab, daß der Mensch den Willen | Gottes nicht thue. Aber eben deshalb auch, denken wir uns den seligen Zustand, wo der Mensch in der That den Willen des Herrn erfüllt, wie sollte es ihm da einfallen Opfer und Gaben darzubringen? was hätte er zum Himmel zu senden Besonderes und Einzelnes, wenn er eben deshalb weil er den lebendigen Willen Gottes thut, den Himmel schon heruntergezogen hat auf die Erde und in demselben wandelt? wie könnte es ihm einfallen Gaben darzubringen, als hätte er noch etwas zu thun für sich, da er doch nichts anderes kann als den Willen dessen erfüllen, von welchem er weiß, daß er Alles nur hat und ist durch ihn, daß er selbst nur in diesem Zusammenhang des Daseins mit demselben lebt und handelt? Ein so untergeordnetes, ein so fremdes, ein so äußeres Verhältniß als dieses, dem höchsten Wesen, dem ewigen Vater, Gaben und Opfer darzubringen, das kann da nicht länger dauern wo sein Wille geschieht. Ja m. g. F. das ist gewiß, so | lange der Wille Gottes noch nicht geschehen kann von den Menschen, o wohl ihnen, wenn sie des höchsten Wesens nicht so ganz vergessen, daß sie es nicht fehlen lassen auf seinen Altären an Opfern und Gaben! Wohl ihnen, wenn die dunkle Ahndung seines Daseins, die in ihrer Brust lebt, wenn gleich verunstaltet und verderbt, doch ihr köstlichstes Besitzthum, wenn sie so wirksam ist, daß sie ihnen den Unterschied zu erkennen giebt zwischen ihrem an der Erde klebenden, zerrißnen, geringfügigen und unvollkommenen Dasein und zwischen dem ewigen göttlichen Willen. Da mögen sie denn niedersinken in Reue auf der einen Seite, in Gebet und Flehen auf der andern; da mögen sie Opfer und Gaben darbringen; da mögen nicht aufhören die Altäre zu rauchen, die dem Herrn aufgerichtet sind, und die Stimmen derer nicht verhallen, die bald für sich selbst, bald für Andre Gebet | und Flehen vor seinen Thron bringen. Aber das Alles muß
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vergehen, wenn das Neue eingesetzt wird; das Alles muß verschwinden, wenn die Zeit gekommen ist, wo der Wille des Höchsten geschieht. Wohlan m. g. F., wenn wir in das Innere unsers Herzens hineinsehen; wenn wir uns das ganze menschliche Leben in allen seinen verschiedenen Gestalten vergegenwärtigen; wenn wir uns mit denen vergleichen, zu welchen das Evangelium, dessen Anbeginn wir heute mit der innigsten Dankbarkeit gegen Gott feiern, nicht hindurchgedrungen ist und nicht von ihnen angenommen ist: o wie natürlich finden wir es da und wie segensreich, daß die Menschen überall Opfer und Gaben darbringen! wie finden wir noch immer die Richtung darauf in uns allen! wie leicht und natürlich erscheint es uns, daß die Menschen davon nicht lassen können, und daß | noch immer das Wesen des alten Bundes in die herrliche und köstliche Zeit des neuen hineinspielt, weil wir ja wohl gestehen müssen, daß das seine Vollendung noch nicht erlangt hat, daß Einer zwar gewesen ist, der den Willen seines ewigen Vaters wahrhaft gethan hat, aber daß unsre Vereinigung mit ihm noch nicht so vollkommen ist, daß wir ganz in dem Neuen lebten und ganz dem Alten entsagten. Aber eben deshalb laßt uns nun noch tiefer in dieses unser innerstes Gefühl eindringen, und uns nun in dem zweiten Theil unsrer Betrachtung davon überzeugen, daß in der That kein anderes Mittel war das Eine aufhören zu machen und das Andre einzusetzen, als daß der ewige Sohn Gottes auf Erden erscheinen mußte. II. Laßt uns m. g. F. noch einmal zurück|gehen zu der Betrachtung, mit welcher ich vorher begonnen habe, was es nämlich heiße, den Willen eines Andern thun. Laßt uns fragen, wie und in wiefern denn ein solches Verhältniß unter den Menschen besteht. Fragen wir uns m. g. F., soll wohl jemals ein menschlicher Wille von Andern gethan werden? O wer die Herrlichkeit der menschlichen Natur in sich fühlt, wer es weiß aus eigner Erfahrung, was es heißt, ein eigenes Wesen sein, und seinen eigenen Willen haben, der wird sich nicht bedenken nein zu sagen. Auch in den heiligsten und größten Verhältnissen, die wir kennen, soll ein Kind den Willen seines Vaters thun in dem tiefen und strengen Sinne, in welchem wir es vorher genommen haben? Nein. Denn so lange noch die Zeit währt des Gehorsams im eigentlichen Sinne, so | lange das Kind noch nöthig hat der väterlichen Leitung, so ist ihm selbst sein innerstes Wesen noch nicht so aufgeschlossen, daß es diesen Zusammenhang in sich tragen könnte, so ist es noch so in die Sinnlichkeit und in das äußere Wesen der ersten Zeit des menschlichen Daseins verwickelt, daß es den Zusammenhang seines Wesens noch nicht kennt. Da besteht seine Seligkeit darin, daß es Befehle befolge, die sich ihm in den Äußerungen des Vaters und der Mutter verkündigen; aber den Willen der Eltern zu thun ist es nicht im Stande. Aber wenn nun allmählig sein eigenes inneres Wesen sich aufschließt, wenn es allmählig zum vollen Besitz und
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Bewußtsein seiner eigenen Kräfte gelangt: o dann soll auch – das wünschen und hoffen wir alle – dann soll auch ein eigener Wille in ihm erwachen, dann | soll ein eigener Zusammenhang in seinem Innern sein, und sich offenbaren in seinem äußern Leben; und eben deshalb weil aller menschlicher Wille unvollkommen ist, können niemals zwei menschliche Willen ganz zusammengehen. Schön und herrlich ist es, wenn eine gewisse Uebereinstimmung gedeiht zwischen dem väterlichen Willen und dem Willen des erwachsenen Kindes; aber eben deshalb weil Jeder seinen eigenen Willen hat, kann keiner den Willen des Andern vollkommen thun, sondern deshalb weil sie etwas Gemeinsames thun, ist es ein gemeinsamer Wille, der in Jedem waltet und herrscht, aber Jeder soll das Gemeinsame für sich thun, damit seine Regel und sein Regiment gelte vor ihm selbst. Sollen diejenigen, welche im bürgerlichen | Leben Unterthanen sind, den Willen dessen thun, der sie beherrscht und regiert? In dem Sinne, in welchem wir es vorher ausgesprochen haben – nein und abermals nein. Gehorsam sollen sie sein, und jeder Willensäußerung, die sich auf das gemeinsame Leben bezieht, treue Folge leisten, weil sie nichts anderes sein sollen als Darstellungen des allgemeinen Willens, weil sie Befehle sind von denen ausgehend, welchen das Recht zusteht zu befehlen, weil es kein gemeinsames Handeln geben könnte ohne dies, gleichviel ob es Einer ist oder Mehrere, die den allgemeinen Willen gestalten und aussprechen, und die Andern ihn dann in allen einzelnen Fällen vollziehen. Aber in sofern die welche herrschen und regieren, einzelne Menschen sind, und die welche gehorchen ebenfalls, | wehe ihnen, wenn die Letzteren nicht ihren eigenen Willen haben! und wehe den Ersteren, wenn sie dem eigenen Willen der Andern nicht die gehörige Freiheit lassen sich zu bewegen, wenn sie der Entwicklung der innern Kräfte und des innern Lebenszusammenhanges nicht ihren freien Lauf lassen! Denn sie entziehen dadurch dem Ganzen, welches sie regieren, seinen schönsten Glanz und seine herrlichste Würde. Wohl m. g. F. was folgt hieraus? Der Wille Gottes ist der einzige Wille, der gethan werden soll von Allen; das ist sein heiliges Vorrecht und keines Andern, daß wir dem gleich kommen. Er soll gethan werden; denn in Beziehung auf das höchste Wesen m. g. F. hat keiner von uns seinen eigenen Willen, der von dem seinigen verschieden wäre, denn er hat uns Jedem seinen eigenen gegeben, und wenn wir nur diesen so | walten lassen wie er ihn uns gegeben hat, dann m. g. F., dann thun wir eben dadurch den Willen des Höchsten. Er soll gethan werden, aber kann er es? Gab es einen Einzigen, der es vermochte seitdem vom Anfang des menschlichen Geschlechts der Zwiespalt eingetre3 soll] soll auch ein eigener Wille in ihm erwachen, dann soll 37 werden, aber kann er es?] so SAr 93, Bl. 96v; Textzeuge: werden. Aber kann das nun? 38–2 Vgl. Gen 3, bes. V. 1–6.11–13.17
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ten war, daß die Menschen einen Verdacht hegten gegen die Befehle des Höchsten? Wie sollte wohl der Wille des Höchsten haben gethan werden können unter den Völkern, welche sich das Bild des höchsten Wesens verkehrt hatten in allerlei thörichten Wahn? Konnte er irgendwo gethan werden, so war es da, wo es noch einigermaßen in seiner Reinheit war. Aber wie lautet es da? wie viele Zeugnisse legt die heilige Schrift ab zu allen Zeiten davon, daß die Menschen abgewichen wären von dem rechten Wege und dem Willen des Höchsten nicht gemäß lebten. Wenn sie schon die | einzelnen Befehle nicht vollzogen, die ihnen der Herr gegeben, wie viel weniger waren sie im Stande, den innersten Zusammenhang seines Wesens in ihr Leben aufzunehmen und auszubilden! Und nicht die große Menge bloß, die fast überall auf einem untergeordneten Standpunkt steht, sondern auch die Ausgezeichneten des Volks. Was sagt der Verfasser unsers Briefes von Moses dem Gesetzgeber des Volks, wo er ihn rühmt als einen Diener des Herrn? Er war treu als ein Knecht. Ein Knecht aber, sagt der Erlöser, weiß nicht was sein Herr thut. Und die Treue, mit welcher der Gesetzgeber selbst den Willen Gottes vollzog, es war keine wahre Vollziehung, denn er kannte ihn nicht. Er folgte einem Rufe, den er aber in seinem innern Zusammenhange mit der allgemeinen Leitung der Dinge, in seinem Zusammenhange mit dem Wesen Gottes | selbst nicht verstand. Und diejenigen, welche der Herr sich auswählte zu seinen Werkzeugen, die herrlichen Propheten die sein Wort verkündigten: o es lebte nicht in ihrem Innern und ging nicht aus ihnen hervor; sondern so lautet es immer „das Wort des Herrn geschah“, es wurde nur auf Augenblicke für Handlungen, die sie verrichten sollten, in sie hineingelegt; es waren abgerißen einzelne Augenblicke ihres Lebens, nicht aber vollbrachte der Wille ihres ganzen Daseins den Willen des Höchsten. O stellen wir uns das vor: wie könnten wir zweifeln, ewig hätte er müssen ungethan bleiben, niemals wären die Menschen darüber hinausgekommen dem Herrn zu nahen mit Opfern und Gaben; und wenn sie auch, wiewohl nicht auf lange Zeit sondern nur in Augenblicken der Andacht, ihr Herz zu | dem Höchsten gewendet hatten, so kehrten sie hernach doch zu den Dingen der Welt zurück. Und weiter hätten es die Menschen nicht gebracht, der himmlische Wandel, das Leben Gottes in ihnen, wie wäre es aufgegangen, wäre das ewige Wort nicht Fleisch geworden, wäre der Sohn Gottes nicht erschienen in der Gestalt des schwachen Menschen. Der aber m. g. F., 2–3 haben gethan werden können] so SAr 93, Bl. 97r; Textzeuge: gethan haben werden können 17–18 denn er kannte ihn nicht] so SAr 93, Bl. 98r; SAr 116, S. 77; SAr 65, Bl. 123v; Textzeuge: denn es konnte auch nicht 3–4 Anspielung auf Röm 1,18–32 13–15 Vgl. Hebr 3,5 15–16 Vgl. Joh 15,15 23 Vgl. Gen 15,1; 1Sam 15,10; 1Kön 6,11; Jes 38,4; Jer 1,2 u. ö.; Hes 1,3 u. ö.; Jona 1,1; 3,1; Mi 1,1; Zeph 1,1; Hag 1,1 u. ö.; Sach 1,7 u. ö.; ferner Hos 1,1; Joel 1,1 34 Vgl. Joh 1,14 34–35 Vgl. Röm 8,3; Phil 2,7; 1Joh 3,8 35–1 Vgl. Hebr 3,6
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der war treu in dem Hause des Vaters wie der Sohn, wie der erwachsene, der mündige Sohn, der in die Gemeinschaft aller Güter und Einrichtungen eingeweiht ist, und dem, wie er selbst sagt, der Vater alle seine Werke zeigt. Und ein anderes ist dieses Verhältniß als das, welches wir vorher berührt haben zwischen einem menschlichen Vater und einem menschlichen Sohn. Ja der Erlöser der Welt, er war der mündige Sohn Gottes, denn er war eben so sehr des Menschen Sohn als der Sohn Gottes; aber | der Vater war nur der Ewige, der allein Selige und Weise, derjenige in dessen Willen alles Andre mit aufgeht. Dessen Willen also konnte auch der Sohn vollständig vollziehen, und wie er selbst sagt, er that nichts von sich selbst, er bedurfte keines von seinem Vater verschiedenen Willens, und war eines solchen nicht fähig, er that nichts von sich selbst, aber alles was ihm der Vater zeigte und was er von dem Vater hörte, den ganzen zusammenhangenden Willen desselben, den ganzen ewigen Rathschluß desselben über das menschliche Geschlecht, den erfüllte er, und war treu in dem Hause des Vaters als der Sohn. Aber m. g. F. was würde uns sein Dasein helfen, wie würden wir trotz desselben niemals darüber hinauskommen immer nur mit Opfern und Gaben uns Gott zu nahen, wie fern | würden wir bleiben von aller Anbetung des Höchsten im Geist und in der Wahrheit, welche in der wahren Vollbringung seines Willens besteht: wenn nicht was in ihm war auch in uns sein könnte, wenn wir nicht durch ihn, nachdem er auf Erden erschienen ist und gelebt hat, uns mit ihm in den Bund der Freundschaft und Liebe begeben könnten, wenn wir nicht durch ihn die Macht bekämen Kinder Gottes zu werden, wenn wir nicht dadurch die Ueberzeugung bekämen, daß wir an seinen Namen glauben, das heißt daß wir in ihm den Sohn erkennen, dessen Herrlichkeit darin besteht, daß wir den Willen seines und unsers Vaters erfüllen. Ja das ist das große Geheimniß der Worte „was ich nun lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben des Sohnes Gottes“; das ist das große Geheimniß der Worte „ich bin der Weinstock und ihr | seid die Reben“; nur wenn ihr ein gemeinsames Leben mit mir führt, nur wenn meine lebendigen Säfte in euch einströmen, dann könnt ihr Frucht bringen; denn andre Früchte giebt es nicht, alle andre sind verwelkliche Blüthen, als daß der Mensch den Willen Gottes thut. O ewiges und seliges Licht, welches hereingeschienen ist in die Dunkelheit der Erde! o Herrlichkeit, welche uns zu Theil geworden ist, und die Trennung zwischen Gott und den Menschen aufhebt! o selige Versöhnung, die darin besteht, daß wir keinen andern 13 den] dem 3 Vgl. Joh 5,20 10–12 Vgl. Joh 5,19–20 13 Vgl. Joh 15,15 15–16 Vgl. Hebr 3,6 19–20 Vgl. Joh 4,23–24 24–25 Vgl. Joh 1,12 27–28 Vgl. Mt 7,21; 12,50; Hebr 13,21 28–29 Gal 2,20 30 Vgl. Joh 15,5
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Willen haben sollen als den Willen Gottes, und daß Alles was uns anders bewegt immer nur ein Schmerz sein soll, den wir zwar fühlen, aber doch ansehen als von außen kommend, weil in uns die gesunden und heilsamen Säfte des neuen Bundes leben! o ewige und hinreichende Mittlerschaft, daß wie der mündige Sohn Gottes eben deshalb, | weil er den Willen seines Vaters im Himmel vollbrachte, diesen göttlichen Willen in seinem eigenen Willen schaute, so auch wir durch ihn zu dieser Höhe erhoben werden und wenn wir in dem Sohn die Herrlichkeit des Vaters erkannt haben und ihn eingeladen haben in unser Herz, er nicht allein sondern der Vater mit ihm kommt, um Wohnung bei uns zu machen und unsre Herzen Tempel werden des göttlichen Geistes, wo der Ewige angebetet wird im Geist und in der Wahrheit, weil er selbst darin wohnt und lebt, und wo wahre Früchte reifen, die keine andre sind als die Früchte seines Geistes. Das ist die große Bedeutung der Erscheinung des Herrn auf Erden; das ist der Sinn der Worte „das Alte ist vergangen; es soll Alles neu werden!“ Denn welch ein größerer Unterschied ließe sich denken als jene Trennung und diese Vereinigung der Menschen mit Gott? Aber m. g. F. wenn wir darin durch die Gnade Gottes einverleibt sind und | leben; wenn wir darin immer mehr wachsen und gedeihen: o so laßt uns auch darin treue Zeugen sein des alten Bundes daß wir immer mehr Allem den Abschied geben, was in unserm Leben erscheint als Opfer und Gaben, die wir dem Höchsten darbringen; daß wir auf nichts anderes unsre Zuversicht setzen als darauf daß Christus in uns lebt und wir durch ihn und mit ihm den Willen des ewigen Vaters vollbringen. Was uns so erscheinen dürfte in dem gemeinsamen Leben der Christen, wenn wir noch im Stande sind hier und da unsre Gottesverehrung, unsre Gebete, unsre heiligen Gebräuche so anzusehen, als wären sie etwas Ähnliches mit den Opfern des alten Bundes, das ist ein Nebel, der vor unserm Antlitz hängt und das Auge des Geistes trübt. Keine andre Anbetung Gottes giebt es als die im Geist und in der Wahrheit; keine heilige Gebräuche giebt es, die bloße Zeichen sind, | und ach wovon? von einer nur auf Augenblicke aufgehobenen Trennung zwischen Gott und den Menschen; keine Handlungen giebt es, die bloß ein Gegendienst wären zwischen Gott und uns. Ein Opfer hat alle andre aufgehoben. Und wie der Erlöser ein Opfer war, so nun sollen wir es sein; nicht Opfer und Gaben darbringen, aber unser eigenes Dasein dem Höchsten weihen, seinen Willen vollbringend. Und wie von dem Erlöser gesagt wird, daß er selbst Gaben gegeben habe den Menschen, 29 heilige] Ergänzung nach SAr 93, Bl. 104r 8 Vgl. Joh 1,14 9–10 Vgl. Joh 14,23 10–11 Vgl. 1Kor 6,19 11–12 Vgl. Joh 4,23–24 13 Vgl. Gal 5,22; in der Lutherübersetzung (bzw. im textus receptus) auch Eph 5,9 14–15 Vgl. 2Kor 5,17 22 Vgl. Gal 2,20 22–23 Vgl. Hebr 13,21 28–29 Vgl. Joh 4,23–24 32–33 Vgl. Hebr 10,10–18 als Explikation von Hebr 10,9 34–35 Vgl. Röm 12,1–2 35–36 Vgl. Eph 4,8
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so werden auch wir als Vollzieher des göttlichen Willens Gaben an die Menschen spenden, nicht unsre eigenen, sondern die von oben kommen. Und je mehr beides wächst; je vollkommner der Wille des Vaters von uns geschieht und je mehr wir von den heilbringenden Gaben den Brüdern spenden: desto mehr wird Christus unter uns verherrlicht, desto mehr wächst | unter den sterblichen Menschen die Ehre Gottes, desto mehr verbreitet sich der wahre Friede auf Erden, der keinen andern Grund hat als daß wie im Himmel so auch unter uns Ein Wille Gottes geschieht; desto mehr giebt es ein wahres Wohlgefallen unter den Menschen. Denn was ist würdiger ein Gegenstand des göttlichen Wohlgefallens zu sein als der Wille des heiligen und ewigen Wesens, der da geschehen möge unter uns immer mehr jetzt und in Ewigkeit. Amen. G e be t. Ja Preis und Dank sei dir gebracht, der du die Liebe bist, ewiger Vater im Himmel, daß das Alte vergangen ist, und Alles neu geworden, daß wir durch deinen Sohn zur wahren Gemeinschaft des Lebens mit dir zurückgeführt sind, daß durch ihn und mit ihm | wir vermögen deinen Willen zu thun. O möchte die ganze Gemeinde, die auf Erden seinen Namen trägt, immer mehr Eines werden in dieser Vollbringung deines heiligen Willens! o möchten wir immer mehr lernen Alles für Schaden achten auf daß wir Christum, der sich in uns baut und deinen Willen wirkt, immer mehr gewinnen mögen. Ja dazu möge auch diese fröhliche Feier seiner Erscheinung auf Erden recht Vielen gesegnet sein, und sie stärken und befestigen in dem dankbaren Erkenntniß deiner ewigen und einzigen Wohlthat. Dazu laß die Verkündigung seines Namens und seiner Erscheinung überall gesegnet sein in dem Schooße der Christenheit und unter allen denen, die noch in dem Schatten des Todes sitzen. Amen.
24 dem … Erkenntniß] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 1, Sp. 1762 2 Anspielung auf Jak 1,17 5 Vgl. Phil 1,20 7 Vgl. Lk 2,14 7–8 Vgl. Mt 6,10 9 Vgl. Lk 2,14 10–11 Vgl. Mt 6,10 14 Vgl. 1Joh 4,8.16 15 Vgl. 2Kor 5,17 17–18 Vgl. Hebr 13,21 20–22 Vgl. Phil 3,7–8 27–28 Vgl. Lk 1,79
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[Liederblatt vom 26. Dezember 1826:] Am 2ten Weihnachtstage 1826. Vor dem Gebet. – Mel. Vom Himmel hoch etc. [1.] Willkommen gnadenvolle Nacht, / Wie glänzest du in Himmelspracht! / Wie freute sich der Engel Schaar, / Als Jesus Christ geboren war. // [2.] Bewundernd beteten sie an, / Da sie den Trost der Völker sahn. / Voll Ehrfurcht hört der Hirten Ohr, / Was jauchzend sang des Himmels Chor. // [3.] Allein Gott in der Höh sei Ehr, / Und Fried’ auf Erden weit umher, / Sein Wohlgefallen habe nun / Der Herr auch an der Menschen Thun. // [4.] Die Hirten beten an, und gehn / In Bethlehem ihr Heil zu sehn, / Und wer den Neugebohrnen sah, / Sprach hocherfreut, der Herr ist da! // [5.] Wer ist wohl diesem Kinde gleich? / Es bringt der Gnade sel’ges Reich. / Wie hoch sind wir von Gott geliebt, / Daß er den einz’gen Sohn uns giebt! // [6.] Der Sohn der alles trägt und hält, / Kam uns zu gut in unsre Welt; / Auf Erden hat wie wir gewohnt, / Der nun im höchsten Himmel thront. // [7.] Ja Gottes Lieb’ ist unbeschränkt! / Der Gott, der seinen Sohn uns schenkt, / Giebt alles was uns heilsam ist, / Auf ewig nun durch Jesum Christ. // Nach dem Gebet. – Mel. Es traure wer da will etc. [1.] O komm du Trost der Welt, / Hör unser Flehen! / Komm Rath und Kraft und Held / Aus Gottes Höhen! / Gesalbter, komm herab / Dein Volk zu führen! / Komm Friedensfürst! dein Stab / Soll uns regieren. // [2.] So sang der Väter Mund, / Die Gott sich weihten, / Und sich im alten Bund / Des neuen freuten. / Sie sahn manch hundert Jahr / Dem Herrn entgegen, / Der längst verheißen war / Der Welt zum Segen. // [3.] Froh ward wer seinen Tag / Im Geist gesehen, / Des Glaubens Auge mag, / Was fern erspähen; / Doch der Erwartung Schmerz / Stieg immer höher: / Da rief Gott Trost ins Herz / Der frommen Seher. // [4.] Auf Erden herrscht die Nacht, / Die Völker schlafen; / Kaum daß ein Hirt noch wacht / Bei seinen Schafen. / Da seht! ein neues Licht / In Judas Grenzen! / So kann am Mittag nicht / Die Sonne glänzen. // [5.] Triumph! der Herr ist da, / Auf den sie harrten, / Ihr dürft, Hallelujah, / Nun nicht mehr warten. / Hier ist das Heil der Welt / Der Völker Segen! / Vom Himmel kommt der Held / Euch mild entgegen. // Nach der Predigt. – Mel. Lobt Gott ihr etc. [1.] Du sprachst zur Finsterniß, entweich! / Da floh des Irrthums Nacht; / Du hast das lichte Gottesreich / In Herz und Welt gebracht. // [2.] Nun bürgen Sorge selbst und Schmerz / Für unsrer Kindschaft Recht, / Zum Vater hebt sich unser Herz / Wir sind ja sein Geschlecht. // [3.] Dank dir, daß du uns Brüder nennst, / Darauf ruht unser Heil; / Wen du als Bruder anerkennst, / Hat ewig an dir Theil. //
Am 31. Dezember 1826 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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Sonntag nach Weihnachten, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Amos 3,6 Nachschrift; SAr 116, S. 84–101; Sethe Keine Nachschrift; SAr 65, Bl. 126r–127v; Woltersdorff Keine
Frühpredigt am Sonntage nach Weihnachten d. 31. Dezember 1826. Tex t. Amos 3, 6. Ist auch in der Stadt ein Unglük, das der Herr nicht thue?
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M. a. Fr. der Beschluß eines Jahres führt uns allemal mit unsern Gedanken in die vergangene Zeit zurük. Nun giebt es zwei Arten, wie wir das, was sich darinn ereignet hat, betrachten; die eine ist die, wenn wir Alles beziehen auf den | höchsten Zweck der göttlichen Weltregierung, wenn wir so das Ganze und damit übereinstimmend das Einzelne ansehen; die andere Art ist die wenn wir auf die einzelnen Begebenheiten zurüksehen und daraus eine Rechnung ziehen, wie sich das allgemeine Wohlbefinden der Menschen vermehrt oder vermindert habe. Wie übel die daran sind, die das Lezte thun, das Erste nicht, so sind wir auch darüber einig, daß das Erste das wichtigste ist, und das hat sich auch ausgedrükt in dem, was wir eben gesungen haben; denn der Gegenstand dieser erstern Betrachtung, nemlich die Beziehung auf den Zweck der göttlichen Weltregierung kann nichts anderes sein, als daß die göttlichen Verheißungen sich von einer Zeit zur andern mehr enthüllen werden in der Herlichkeit ihrer Erfüllung. Das ist das Wesen unseres Glaubens in Beziehung auf den göttlichen Willen und Rathschluß, aber | ein Jahr ist ein zu kleiner Abschnitt, um die Beziehung dessen zu finden, was sich darinn begiebt, zur göttlichen Weltregierung, denn ob es für die nächste Zeit förderlich gewesen, das können wir noch nicht übersehen, es offenbart sich unserm Auge erst in der Entfernung, doch im Glauben ist es uns gegenwärtig, wir haben die vollkommene Gewißheit davon. Anders ist es mit der andern Betrachtung, da handelt es sich nur um das einzelne menschliche Leben, da ist ein Jahr ein großer Abschnitt, es kann darinn etwas geschehen sein, was ein unersetzlicher Verlust für das menschliche Leben ist, und ebenso, was die Begründung eines fort-
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bestehenden Wohls ist. Aber das Wesen des christlichen Glaubens und Lebens besteht darinn, diese beiden Betrachtungen nie zu trennen, sondern die lezte immer auf die erste zurükzuführen; denn wie wenig | würden wir die göttliche Güte und Weisheit verstehen, wenn wir nicht alle Ereignisse auch darauf ansehen wollten, was sie auf unsere innere Stimmung gewirkt haben, was für Kraft wir dadurch gewonnen haben. Wenn wir nun am Ende eines Jahres lauter, nach menschlicher Weise ausgedrükt, erfreuliche Begebenheiten zu übersehen hätten, so würden die Worte des Propheten wenig Anwendung finden, denn dann gäbe es wenig Unglük, worüber wir uns zu trösten hätten; aber es ist nicht so, überall sehen wir mehr Zwiespalt der Menschen in sich und mit dem götlichen Wesen, entstehen aus der Betrachtung des Unglüks als des Glückes; mit dem lezten sind wir immer einverstanden, wenn auch nicht auf die rechte Weise, das erste aber ist es, was in der zurükgehenden Betrachtung unsere Aufmerksamkeit am meisten auf sich | zieht; und da kommen uns die Worte des Propheten zu Statten, in denen er uns lehren will, alles Unglük auf den Herrn zurükzuführen, und als sein Werk anzusehen; er sagt: „ist wohl ein Unglük in der Stadt das der Herr nicht thue“. Darüber laßt uns näher nachdenken; es wird aber nöthig sein, daß wir uns zuerst darüber verständigen, in welchem Sinne er das sagt; dann zweitens, daß wir sehen, wie es wirkt in uns und auf die menschlichen Dinge. I. Also zuerst, was heißt das eigentlich, daß alles Unglük der Herr thut? wir sind gewohnt (und man vernimmt es häufig) vielmehr den Ursprung dessen, was uns lästig ist, von Gott abzuwenden, und einen Unterschied zu machen zwischen seinem Willen und seiner Zulassung; einen solchen nimmt der Prophet aber nicht an; er sagt nicht: „zuläßt“, sondern: „thut“. | Nun denn, wo uns das Unglük entsteht als eine Wirkung der natürlichen Dinge, so daß Menschen gar nicht dabei im Spiele sind, da können wir nicht anders als dem Propheten beistimmen, denn die Gesetze der Natur hat Gott geordnet, und die Wirkungen müssen wir ansehen als natürliche Folgen natürlicher Ursachen, sondern eben auch als mittelbar von seiner Gewalt ausgehend. Wenn sich die Gewalt der Natur gegen den Menschen und seine Werke empört, wenn das Feuer verheerend um sich greift, wenn die Fluthen des Wassers gegen ihn anstürmen, wenn der Sturm seine Gebäude zerstört, wohlan so sagt ein jeder, das ist ein Unglük, das der Herr gethan hat. Aber je mehr menschliche Handlungen mit im Spiele sind, oder das Unglük aus dem Leichtsinn, der Thorheit oder den Wirkungen menschlicher Leidenschaften entstanden ist, | desto mehr meinen wir, daß es der Mensch 35 des Wassers gegen ihn anstürmen] so SAr 65, Bl. 126v; Textzeuge: über die Berge seiner Hände steigt
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gethan habe, und sagen, der Herr habe es nach seiner verborgenen Weisheit zugelassen. Nun ist aber unstreitig das leztere viel mehr als das Erstere, und wenn das Erste nur auf unser äußeres Leben Einfluß hat, so ist es vielmehr das Leztere, wovon oft ein Stachel in uns zurükbleibt, und so müßen wir gestehen, die Worte des Propheten hätten wenig Wahrheit für uns, wenn er nur das Erste gemeint hätte, und nicht auch das Andere. Er aber spricht ganz allgemein: ist wohl ein Uebel in der Stadt, das der Herr nicht thue, und führt uns auf das Verwickelte, auf den Schauplatz der Widerwärtigkeiten des menschlichen Lebens hin, indem er sagt: „Stadt“, und da kennt er keinen Unterschied, sondern sagt: der Herr thut das Unglük. Ebenso spricht der Herr durch den Propheten Jesaias: „Ich schaffe das Uebel“, | er sagt also nicht, daß er dazu schweige und es zulasse, sondern daß er es schaffe. Ja damit wir nicht meinen, es sei dies eine Ansicht der Erben des alten Bundes, so sagt der Erlöser selbst, „ohne den Willen des Vaters falle kein Haar von unserm Haupte,“ wenn nun ohne seinen Willen nichts geschieht, so ist es sein Wille, vermöge dessen Alles geschieht, was geschieht, denn was wir zulassen, das steht nicht im Zusammenhang mit unserm Willen; und wenn der Erlöser das sagt, indem er von den Verfolgungen der Jünger bei der Verkündigung des Evangeliums redet, nun so stimmt er also ganz mit den Worten des Propheten überein, und schreibt das Unglük dem Willen seines Vaters zu. Und so haben wir die Worte des Propheten zu verstehen, wie denn auch die Erfahrung damit übereinstimmt, denn überall läßt sich unterscheiden das, | was die Gemüthstimmung der Menschen ist, und das, was der Erfolg derselben ist, den führt Gott allein herbei. Gewiß vergeht kein Jahr, wo nicht jeder die Erfahrung macht, daß aus Verstockung, Zorn, und Leidenschaft der Menschen, viel Unglük hätte entstehen können, oder entstanden ist, oft aber hatte der Herr im lezten Augenblicke vor dem wahrscheinlichen Unglük, oder schon länger vorher etwas entgegenwirkendes angeordnet, daß es also nicht geschehen konnte, oft aber auch umgekehrt, doch so, daß äußere Umstände hinzu kommen mußten zu dem innern Anstoße, und wenn wir nun hier sagen, dies hat der Herr gethan, und jenes abgewendet, so hat er denn, was er nicht abgewendet, gethan. Das ist also der Zweck des Inhaltes der prophetischen Worte, daß wir überall das menschliche Thun vom Thun | des Höchsten unterscheiden sollen, so daß wir uns auf das Klarste bewußt werden, daß aller Erfolg menschlicher Absichten in der Hand des Höchsten liegt, und daß wir Alles, 11 Jesaias] Jeremias ; so auch SAr 65, Bl. 126v; vgl. aber den Sachapparat 12 also nicht, daß er dazu] also, daß er nicht dazu ; vgl. SAr 65, Bl. 126v: er sagt also nicht daß er dazu schweigt und nur es zuläßt, sondern er schafft es 11 Gemeint ist Jes 45,7 14–15 Die sprichwörtliche Formulierung findet sich im Heidelberger Katechismus, 1. Frage (BSRK, S. 682); als biblische Grundlage vgl. Mt 10,29–31; Lk 12,7; 21,18; Apg 27,34.
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was als ein Glück oder Unglük auf unser Leben einwirkt, auf Gott als den Urheber zurükführen. Aber eben dieses richtig zu unterscheiden, das ist es, woraus uns Heilsames entsteht, wenn wir zurüksehen in die Vergangenheit. Und das sei das Zweite. 5
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II. Was kann uns wohl übleres widerfahren am Ende eines Jahres, als wenn das Widerwärtige sich stärker heraushebt im Bilde der Vergangenheit, und wir darüber behalten eine übelwollende Stimmung gegen unsern Nächsten, und eine Bitterkeit mit hinübernehmen. Und | ist sie auch kein Zorn, worüber, wie die Schrift sagt, wir nicht solten die Sonne untergehn lassen, so mögen wir wohl sagen, wenn es schon eine Arbeit ist, in Beziehung auf das, was sich an einem Tage begeben hat, den Zorn zu beschwichtigen, ehe der Abend kommt, wie viel größer ist es unsere Stimmung zu ändern, wenn sich uns ein ganzes Jahr so darstellt, als wenn aus dem bösen Willen der Menschen Nachtheiliges entstanden wäre. Aber wie muß es unsere Empfindung reinigen, wenn wir im Gegentheil das, was entstanden ist, erkennen als das Werk des Herrn, und uns sagen: leicht wäre es ihm gewesen, den Erfolg abzuwenden, wie ja aller Erfolg sein ist. So müßen wir zweierlei unterscheiden, was die Menschen thun, und was Gott thut, und wenn wir das Unglük nehmen als die That des Herrn, was bleibt denn noch anderes | für das erste, als daß die Menschen durch ihre Handlungen den Zustand ihres Gemüthes zeigen? Aber wie soll uns das bewegen am Ende eines Jahres? erstlich verschwindet alles Vergrößernde der Handlungen der Menschen, wenn wir den Erfolg abrechnen, denn durch den üblen Erfolg erscheint uns Alles größer, übler, rechnen wir den aber dem Herrn zu, wie wir es ja nicht anders können, so werden wir das Ungottgefällige in den Gemüthern der Nächsten nur so finden, wie es ist; das wird der größte Gewinn daran sein, daß wir daran festhalten, daß alles Unglük der Herr thut. Aber weiter, wir sollen wie die Liebe und Freude am Guten, so den Widerwillen gegen das Böse festhalten; aber so wie die Freude am Guten, das in den Menschen ist, vergrößert wird dadurch, daß durch dieses Gute uns Angenehmes und | Erfreuliches zu Theil geworden ist, so ist es auch eine Verringerung unseres Widerstandes gegen das Böse, wenn wir ihnen das zurechnen, was uns unerfreuliches begegnet ist durch ihre Gesinnung gegen uns, und dadurch wird unsere Arbeit im Weinberge des Herrn verringert, es ist dann nicht der reine Widerstand gegen das Böse, sondern es richtet sich Zorn darinn, oder wohl gar eine Spur von Rache, die nun gar nicht in christliche Gemüther kommen soll, aber schwer wird es sein, uns davon rein zu 31 Gute] Gute,
32 zu Theil geworden] uns zu Theil geworden
9–10 Vgl. Eph 4,26
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Am 31. Dezember 1826 früh
halten, wenn wir das nicht fest halten, daß das Unglük vom Herrn kommt. Sind wir aber darinn fest, dann wird das, daß sie durch ihre Handlungen den Zustand ihres Gemüths offenbaren, die reine Wirkung auf uns haben, daß wir dem Geist der Liebe uns hingeben, der nicht anders kann, als das Böse überwinden mit | Gutem. Ja so wird aus der Betrachtung der Vergangenheit nur ein fester Entschluß hervorgehen, überall das Böse zu überwinden mit Gutem, aber ohne getrübt zu sein in unserm Innern durch das Aeußere, dann können wir einen schönen Segen davon tragen aus dem, was wir in der vergangenen Zeit als Unglük ansahen. Keines wegs aber als ob dadurch eine Unthätigkeit entstehen sollte, und als ob uns das Unglük aus der freien Bewegung unseres Willens bringen sollte, sondern dieses nachtheiligen Zustandes sollen wir los zu werden suchen so schnell als möglich, wenn wir ja sollten hineingerathen sein; denn wenn wir bei uns selbst stehen bleiben und uns als Christen betrachten, was ist das Unglük anders als eine Mehrung der Kräfte als Antrieb, recht thätig zu sein im Dienste des Herrn, und dem, was uns als Hinderniß in den | Weg tritt, mit desto größerm Muthe zu begegnen. Dieser Wille ist es, den wir aus jedem Jahr in das andere hinübernehmen sollen in größerem Maaße von der Gnade des Herrn, die uns erschienen; wenn also die Widerwärtigkeiten einen Einfluß haben auf unsere Thätigkeit in der Welt, und bald das Licht zu trüben versuchen, bald unsern Weg lähmen wollen, so ist es der Geist in uns, der das Werk des Herrn fördert, der uns aufregen muß, den Wirkungen des Unglüks zu widerstehen, und das ist der Segen, den es uns bringt, und vermöge dessen wir es ansehn als Werk des Herrn. Wenn nun in dem Bösen, was aus den Menschen hervorgeht, ihr Inneres sich offenbart, nun so ist es ja die Art, wie der Herr handelt, die sich durch seinen Geist offenbart, und es soll sich ja eben die Stärke des Willens in | dem Widerstande gegen das Böse und in dem Ueberwinden mit Gutem offenbaren und so sein Werk fördern, und dazu soll das Unglük gesegnet sein, und uns willkommen als eine Gabe Gottes, wie jede andere. Seht da, das ist die Reinheit des Herzens, das ist der ungestörte Friede, die ungetrübte Treue der Kinder Gottes, die wir umsomehr als einen Segen Gottes aus einem Jahre ins andere mit hinübernehmen müßen, als wir uns leiten laßen durch diese Worte, daß kein Unglük ist, das der Herr nicht thue, nun auf der einen Seite einen Blick zu richten ewig auf ihn, und seinen Willen immer mehr zu erkennen, wie er ist, auf der andern Seite, weil wir säen sollen auf den Acker des Herrn, unsern Blick richten auf die Gemüther 13 ja] so Textzeuge und auch SAr 65, Bl. 127v; zur Verwendung von „ja“ (statt „je“) im Bedingungssatz vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 1407–1408 16 Weg] in den Weg 4 Vgl. 2Tim 1,7 4–5 Vgl. Röm 12,21 6–7 Vgl. Röm 12,21 Anspielung auf Lk 6,45 27–28 Vgl. Röm 12,21
24–25 Wohl
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der Menschen, damit wir im|mer weiser werden in Beziehung auf den Unterschied dessen, was sie thun, und was das Werk des Herrn ist. Anders als so laßt uns nicht zurüksehen, und wenn in der Vergangenheit sich uns Unglük zeigt, so werden wir auch die Erfahrung gemacht haben, daß, weil es der Herr gethan hat, wir seine Weisheit und Liebe spüren in der Wirkung, die es in unserm Innern hervorbrachte. Und so wird auch in der Zukunft das, was im Zustand der Menschen seinen ersten Grund hat, uns nicht stören im ruhigen Gange unseres Lebens, und den Geist der Liebe nicht dämpfen, in allen Fällen werden wir dabei bleiben, das Böse zu überwinden mit Gutem[.] Eine schönere Art giebt es nicht, wie sich ein Jahr an das andre anknüpfen kann, als diese Bestätigung, daß der Herr es wohl macht, daß der Geist der Liebe uns treibt, und treuer macht durch die | Schätze der Erfahrung im Ueberwinden des Bösen mit Gutem. So mögen uns alle Widerwärtigkeiten des vergangenen Jahres auch zum Segen sein für die Zukunft! Amen.
8 Vgl. 1Thess 5,19 in Verbindung mit 2Tim 1,7 9–10 Vgl. Röm 12,21 11 Vgl. Ps 37,5 11–12 Vgl. Röm 8,14 in Verbindung mit 2Tim 1,7 13 Vgl. Röm 12,21
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Predigten 1827
Autograph Schleiermachers der Predigt vom 28. Oktober 1827 vormittags, Kirchengemeinde Heilig Kreuz – Passion, Berlin-Kreuzberg, Bl. 2v
Am 1. Januar 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen:
Besonderheiten:
Neujahrstag, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Offb 22,12 Nachschrift; SAr 116, S. 101–119; Sethe Keine Drucktext Schleiermachers; Siebente Sammlung (Christliche Festpredigten, Bd. 2), 1833, S. 170–194 (vgl. KGA III/ 2, S. 527–540) Wiederabdrucke: SW II/2, 1834, S. 371–385; 21843, S. 371–385. – Predigten. Siebente Sammlung, Ausgabe Reutlingen, 1835, S. 129–147. – Sämmtliche Werke, ed. Grosser, Bd. 2, 1873, S. 290–302. Nachschrift; SN 620, Bl. 19r–21r; Crayen Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am Neujahrstage d. 1. Januar 1827. Tex t.
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Offenbarung Johannes 22, 12.
M. a. Fr. als wir vor wenigen Wochen mit dem besondern Andenken an die, welche von uns geschieden sind, das Ende unseres kirchlichen Jahres miteinander feierten, verweilte unsere Betrachtung bei einem Worte der Schrift, das von der Erwartung einer baldigen Wiederkunft des Erlösers handelt, die damals unter den Jüngern so sehr verbreitet war; und wir nahmen Gebrauch davon, die Anwendung zu machen auf das Ende des Lebens. Auch in den verlesenen Worten ist von dieser baldigen Wiederkunft des Herrn die Rede; aber wollen wir uns beim | Anfang eines neuen Jahres in dieselben Gedankenreiche vertiefen, und, was uns freilich nahe genug liegt, denken, daß wenn das Ende des Lebens kommt, auch der Lohn des Herrn kommt? Nein, sehen wir noch eine irdische Zukunft vor uns, möge sie lang oder kurz sein, so wollen wir bei dieser heute verweilen. Aber auch auf diese läßt sich das Wort des Herrn anwenden, auch hier ist er der, von dem man jeden Augenblick sagen kann: „er kommt bald und sein Lohn mit ihm, zu geben einem jeglichen, wie seine Werke sein werden“. Und das ist es, worauf ich jezt unser Nachdenken hin richten will, daß wir das neu angetre3–8 Vgl. die Predigt am 26. November 1826 vorm. (Totensonntag) über 1Thess 5,1–11
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tene Jahr bewillkomnen als eins, das uns den Lohn des Herrn bringen wird, je nachdem eines jeden Werke sind. Zu dem Ende laßt uns uns erstens davon überzeugen, daß die verlesenen Worte der Schrift, eine | solche Anwendung leiden; dann aber zweitens betrachten, welches nun der eigentliche und wahre Sinn derselben ist. I. Zuerst also leidet es keinen Zweifel, daß der Verfasser dieses Buches, welches sich überhaupt mit der wachsenden Entwickelung des Reiches Gottes und der christlichen Kirche beschäftigt, in welchem Nahes und Fernes sich in die Gedanken des Sehers mischt: es leidet keinen Zweifel, daß auch er von der Erwartung der baldigen Wiederkunft des Herrn erfüllt war. Wenn nun das nicht erfüllt ist, so liegt das wesentlich daran, daß es noch immerdar und immer mehr in Erfüllung geht. Wenn wir die Erwartung der ersten Christen theilen, wenn wir unterscheiden eine erste Ankunft des Herrn auf der Erde, wo er erschienen ist, Allen die Erlösung zu bringen, und eine | zweite, die noch bevorsteht, die wir anzusehen gewohnt sind als seine vergeltende Zukunft, o so laßt uns denn auf seine erste Anwesenheit achten, und sehen, wie auch damals schon sein Lohn sehr bald mit ihm kam, oder war das kein Lohn, wenn er zu seinen Jüngern sagte: „das hat Euch Fleisch und Blut nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel“, und als er ihre Seele mit der fröhlichen Gewißheit der Wiederkunft Gottes, und der Fröhlichkeit der Wohnung Gottes in der Seele erfüllte, war das kein Lohn? als er ihnen den Auftrag gab: „gehet hin, und lehret alle Völker, und taufet sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“, und sie also zu Genossen machte des großen göttlichen Werkes, zu dem er selbst gekommen war. Giebt es einen herlicheren und größern Lohn als der, der schon der erste Lohn des jungen Glaubens war, was Johannes, der Jünger des Herrn so ausdrückt: er gab denen, die an ihn glaub|ten, die Macht Kinder Gottes zu werden; kann es etwas größeres geben? wir werden es verneinen, insoweit als wir die Erfahrung davon haben, was es heißt, ein Kind Gottes zu sein. Wenn er nun schon damals nicht ohne den Lohn kommen konnte, und er den Seinigen verheißt, er werde bei ihnen sein alle Tage bis an der Welt Ende, und wir uns dieser geistigen Gegenwart als des köstlichsten Gutes zu erfreuen haben, dürfen wir vermuthen, daß diese geringer sei? ja, wenn doch eben dieses, daß er einem jeden bringe seinen Lohn nach seinen Werken, wesentlich gehört zu seiner Herschaft, können wir glauben, daß diese Herschaft jemahls ruhe, daß er sie in einem Augenblicke nicht 13 ersten] einen 19–20 Vgl. Mt 16,17 28,20
23–24 Mt 28,19
28–29 Vgl. Joh 1,12
32–33 Vgl. Mt
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ausübe? So gewiß als wir glauben, daß der himmlische Vater mit allen seinen Kräften ewig waltet, und nicht, was zu seiner Gott|heit gehört, jemals ruhet, so gewiß, als wir es bei einem sterblichen Menschen für Unrecht halten, wenn seine Kräfte nicht immer thätig ist wie könnten wir von dem Geringeres glauben, der auf der einen Seite ein Mensch war wie wir, und in dem auf der andern Seite der Abglanz des höchsten Wesens war? so gewiß er da ist und waltet, so gewiß kommt er zu jeder Zeit, in Beziehung auf jegliches, das geschieht, bald, um einem jeglichen zu geben nach seinen Werken. Freilich führen wir hiergegen die Erfahrung an, und berufen uns auf die herschende Vorstellung der Menschen. Denn freilich so pflegen wir dieses irdische Leben anzusehen als die Zeit der Saat, und die Zeit der Erndte suchen wir jenseits, und was ist die Zeit der Saat anders als die der Mühe; und so sehen wir dieses Leben als die Zeit der Prüfung und Verbreitung, jenes Leben | aber als eine Zeit der Herlichkeit und des Genußes, was aber ist der Lohn für die Verbreitung und Prüfung anders, als eben die Verherlichung in einem seeligen Genuße. Aber wenn das wahr sein muß, so dürfen wir hier auch das nicht übersehen, daß es auch hier dieselbe ist. Was wäre dieses große Reich Gottes auf der Erde, in dem schon so viele ihre Knie beugen, was wäre diese weite Verbreitung des göttlichen Wortes, und die Anerkennung der göttlichen Gnade und Liebe anders als der Lohn derer, welche in ihrem Berufe, Boten des Friedens zu sein, treu gewesen sind! Ja wie könnte es etwas geben, das wir liebten, und dessen wir uns freuten, wenn wir es nicht ansehn könnten als eine Erndte, es nicht genießen könnten als ein Lohn. Nein! so beides aus einander haltend, das beweißt, daß wir noch nicht eingeweiht genug sind in die | Geheimnisse des neuen Bundes, daß das Auge des Geistes nicht hell genug sieht, um in dem Sterblichen das Ewige zu erblicken; so gewiß aber, als, wenn beides sich vereint, die Menschen durch die Kraft des Glaubens, durch den Tod hindurchgedrungen sind, und schon hier das ewige Leben haben, so gewiß ist es, als wir geprüft werden, und die Prüfung Erfahrung bringt und die Erfahrung Weisheit, und die Weisheit herlichen Lohn bringt, so gewiß sind hier Saat und Erndte, Prüfung und Belohnung verbunden und gehen Hand in Hand. Aber die Erfahrung? freilich oft scheint es zu geschehen, daß der Herr große Dinge herbei führt; und Umgestaltungen, aber daß sich das verhielte 4 wenn seine Kräfte nicht immer thätig ist] Kj wenn seine Kräfte nicht immer thätig sind oder in Anlehnung an Siebente Sammlung, S. 175 (KGA III/2, S. 530), wenn er mit seinen Kräften nicht immer thätig ist 15 Prüfung anders, als] Prüfung, anders als 6 Vgl. Hebr 1,3 8–9 Vgl. zur genauen Formulierung auch Röm 2,6; Offb 2,23 sowie Mt 16,27 18–19 Wohl Anspielung auf Phil 2,10–11 (vgl. Jes 45,22–24) 21 Wohl Anspielung auf Jes 52,7 (zur genauen Formulierung vgl. auch Jes 33,7) 28– 29 Vgl. Joh 5,24 30–31 Wohl Anspielung auf Röm 5,3–5
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zu den Werken der Menschen, wie ihr Lohn, das will uns wohl nicht einleuchten, wenn es oft scheint, als verdunkle sich das Reich Gottes, als trage das Böse wenn auch nur einen vorübergehenden Sieg über das Gute davon, freilich wie in jenem Traume, | den der von Gott geliebte Seher deutete, daß nach einer Reihe gesegneter Jahre, wiederum eine Reihe magerer Jahre eintreten werde, so scheint es auch oft, als ob lange Zeit die Dürftigkeit des Geistes in der Entwickelung der Kräfte das traurige Loos vieler Menschen sei, und als könnte da kein Lohn sein für die irdischen Werke; aber diese Erfahrung ist nur ein Schein. Doch entsteht etwas, was zur Gebrechlichkeit gehört die wir auf dem Aeußern sehen, wenden wir davon unsern Blick ab, und zum Innern, o dann werden wir wohl verstehen, wie wahr es ist: der Herr kommt bald, und sein Lohn mit ihm. II. So laßt uns denn nun suchen, in den Sinn dieser Worte tiefer einzudringen; „ich komme bald und mein Lohn mit mir, zu geben einem jeden, wie seine Werke sein werden,“ spricht der Herr. Lohn und Werke, das freilich bezieht sich natürlich auf | einander, und sobald von einem menschlichen Maaße die Rede ist, so wißen wir alsbald, was das Werk sei und was der dafür gebührende Lohn; denken wir uns aber, der Herr komme in seinem und des Vaters Namen, und wir fragen, was ist der Lohn im Verhältniß der Menschen zu Gott, was sind die Werke?, freilich dann verwirren wir uns leicht in unsern Gedanken; aber spricht nicht der Apostel ganz mit Recht, Lohn sei nur da, wo es Gesetz gäbe, wo aber die Gnade walte, da sei kein Lohn; und worüber freuen wir uns mehr, was ist das Wesen der Seligkeit des Glaubens und der Hoffnung, was die Wurzel unserer Zuversicht anders, als daß wir leben im Reiche der Gnade, daß wir von keinem Vertrage zwischen uns und dem Herrn wissen, daß wir nicht ein unter das Gesetz gethanes Volk sind, sondern das Volk des Eigen|thums. Aber ist es so die Gnade, die waltet, was kann der Lohn sein? noch mehr, das Wesen unseres Glaubens besteht darinn, daß wir sagen können mit dem Apostel: „nicht ich lebe, sondern Christus lebet in mir;“ und was wäre unsere Freude über dieses Leben, wenn sich ein neues Jahr anreihet, als daß wir wissen, daß, wo dieses Leben ist, da ist auch ein Schatz des Friedens in Christo, der da bleibt. Aber lebt Christus in uns, wie kann er kommen, uns zu lohnen? ja darum verhält es sich gewiß so: wir kennen keinen andern Lohn als die Gemeinschaft mit dem Herrn, als das freie Walten der göttlichen Gnade, daß also diese durch uns wirke, was sie in uns gewirkt hat, das ist der Lohn, daß diese Lebensein21 Werke?,] Werke,? 4–6 Vgl. Gen 41,15–36 22–23 Vgl. Röm 4,4; 11,6 2,9 30–31 Vgl. Gal 2,20
28 Vgl. Dtn 7,6 und 1Petr
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heit mit dem Herrn immer inniger werde, das ist der Lohn, und einen andern giebt es nicht, nur Christum kön|nen wir gewinnen. Aber wenn das nun der Lohn ist, den der Herr einem jeden giebt, je nachdem seine Werke sein werden, was haben wir für Werke vor ihn zu bringen, was sollen wir uns zusammensuchen aus den Früchten des vergangenen Jahres, wofür uns der Herr den Lohn ertheilen könne? Wie wenig der Mensch ein Werk aufzuzeigen vermag, das er sich selbst zuschreiben kann, das wissen wir Alle, und darauf will ich Euch nicht hinführen, sondern darauf, daß alle Werke, die in Gott gethan sind, nicht nur ein gemeinsamer Segen, sondern auch eine gemeinsame Handlung aller derer sind, die im Glauben mit Christo verbunden sind, daß wir das Gedeihen nicht anders finden als in dem Zusammenwirken der Kräfte, und so kann der Lohn nur sein für die ganze Gemeinschaft in dem Zusammenleben der christlichen Kirche. Aber der Herr redet nur von dem Einzelnen | und dem getreuen Knecht, der treu gewesen war über Wenigem, was also ist das Werk, das wir vor ihn bringen können, und worauf sich der Lohn gründen soll? Wenn der Herr sagt, also werde er sprechen: „du treuer Knecht, gehe ein zu deines Herrn Freude“, ja dann wissen wir es wohl, es giebt nichts anderes als die Treue, und die ist das Werk, das wir vor ihn bringen können, und je nachdem wir treu gewesen sind, wird auch unser Lohn sich darauf gründen. Aber worin besteht diese? daß wir dem, was uns der Herr in unserm Innern offenbart, freilich wenn auch menschliche Irthümer beigesellt sind, wenn auch Alles freilich auf der einen Seite die Spuren der göttlichen Gnade, auf der andern die der menschlichen Gebrechlichkeit an sich trägt, daß wir dem mit Treu und Fleiß nachge|hen, und es treu in der Welt so darzustellen suchen, wie es in unserm Innern ist; und (wenn) wir nicht darauf denken, was der Herr aus unsern Handlungen machen wird, sondern nur, daß wir treu sind mit der uns anvertrauten Wahrheit, und auf die Weise sein Werk fördern, das ist das Werk, worauf der Herr sieht. Und so laßt uns in dieser Beziehung noch einmal das allgemeine Verhältniß der Menschen übersehen; wo der Herr noch nicht ist, wo er noch nicht mit seiner geistigen Gegenwart thront, da ist noch kein Werk, weil da die Kraft noch nicht thätig ist, und wenn auch etwas viel Einfluß auf die menschlichen Dinge hat, es geschieht aber ohne ihn, so ist es nichts vor ihm, und also giebt es auch keinen Lohn dafür. Aber früher oder später kommt der Herr mit seiner geistigen Gegenwart, und nicht leer, sondern sein Lohn mit ihm. Ja | wenn die Stunde den Menschen erscheint, wo die Sehnsucht erwacht, die lange geschlummert hat, wenn die Stunde erscheint, wo in dem Fleisch gewordenen Worte das 6 Wie wenig] Wiewenig 14 dem Einzelnen] den Einzelnen jenachdem 31 thront] trohnt 14–17 Vgl. Mt 25,21.23
19 je nachdem]
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Wesen der göttlichen Liebe sich offenbart, o da beginnt der Zustand, wo es Werke giebt, und Lohn dafür; klammert sich die Seele an den ersehnten Gegenstand, o dann erscheint bald der herliche Lohn, daß die Menschen die Macht empfangen, mit ihm Kinder Gottes zu werden. O! laßt uns in diesem Sinne das Wort: „siehe ich komme bald und mein Lohn mit mir,“ als einen herlichen Trost in unser Herz schließen! wie verschwinden alle Sorgen, betrachten wir uns als Genoßen des Reiches Gottes, gegen die eine Sorge, daß das walten möge, das Reich der Wahrheit, daß die Stimme der Wahrheit immer mehr vernommen werde, daß das Böse überwunden werde, und so die Kraft des Le|bens herbei geführt werde durch den Lohn. Seht da, so tröstet der Herr uns mit dem Worte: „siehe ich komme bald.“ wie jeder Augenblick einen Menschen an das Zeitige gebiert, so verbreitet sich seine geistige Gegenwart, und in jedem Augenblick erscheint er und bringt seinen Frieden mit sich. Aber nicht etwa giebt es blos solchen Unterschied zwischen denen, die arbeiten, es ist aber doch eitel, und denen, die, weil er ihnen erschienen ist, anfangen zu wirken, sondern auch gar verschieden sind die Werke, wie der Apostel sagt: ein Grund ist gelegt, und Alles, was ein Werk sein soll, muß auf diesen Grund gebaut werden, aber der eine baut mit zerstörbarem Stoff, der andere mit festem Stein; ja wer mit Stroh baut, des Werk wird zerstört werden, er selbst aber vom Tode gerettet werden. Ja wären wir alle vollkommen in der Ein|heit mit dem Herrn, hätten wir ganz jenen Lohn, so würde keiner bauen als mit festem Gestein, und wie der Grund, so würden auch die Werke sein. Aber was ist des Menschen Sohn, daß er das hoffen könnte, wie schwach sind unsere Anfänge, wie oft wendet sich unser Blick ab, wie viel andere Regungen fesseln unsern Entschluß und lähmen unsern Willen, und es wird ein Gebäude von vergänglichem Stoff; wohlan denn laßt uns uns freuen, daß wir sagen können, „der Herr kommt bald und sein Lohn mit ihm,“ was könnten wir wünschen, wenn wir im vergangenen Jahre mit Stroh gebaut, anders als daß das Feuer bald komme und es vergehe, die Seele aber gerettet werde, und wir in seinem ewigen Lichte sehen, kann es anders als ein Freudenfeuer sein. Ja er | komme bald und sein Lohn mit ihm, daß es vergehe, und nur das Haltbare bleibe, in dem nur die Kraft der Liebe wohnt, und Alles, was verunstaltet ist durch die Menschen, es vergehe. Wohlan denn, können wir sagen, nicht viel, aber ein weniges thun auch wir zu dem Werke des Herrn, wir fügen einen festen Stein ein in das große Gebäude. O gewiß der Herr kommt bald und sein Lohn mit ihm; wollen wir nichts anderes als ihn und sein Werk, so 27 wohlan] wohl sagen
34 Wohlan denn, können wir sagen] Wohlan, denn können wir
4 Vgl. Joh 1,12 9 Wohl Anspielung auf Röm 12,21; vgl. Siebente Sammlung, S. 189 (KGA III/2, S. 538): „daß das Böse immer kräftiger überwunden werde durch das Gute“ 17–21 Anspielung auf 1Kor 3,10–15
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wird sein Reich gedeihen, sein Werk muß sich mehren, nicht nur fest gegen jede Gewalt, sondern auch herlich sich erbauen. Lebt er in uns, und suchen wir kein anderes Werk, als nur treu zu sein über das Anvertraute, o dann haben wir einen herlichen Lohn zu erwarten, o dann wird er uns sich mehr offenbaren der einzige Lohn, immer mehr Werkzeuge seiner Gnade zu | sein. Den werden wir davontragen, das sei unser Ziel auch in diesem Jahre, auf das wir hin arbeiten wollen, dazu laßt uns uns reinigen von allem Eitlen und Vergänglichen, laßt das Schwerdt des Wortes in uns dringen und theilen Alles, was anders wirken wollte in uns, laßt uns seine Gnade anrufen, daß er uns gebrauche; o dann wird unser Leben nichts anderes sein als ein schöner Kranz von Werk und Lohn, von göttlichen Segnungen und dem stillen Verdienst der Treue, aber doch die Fülle des göttlichen Segens, und allein die volle Genüge, die der Herr so gern uns Allen geben will. Amen
[Liederblatt vom 1. Januar 1827:] Am Neujahrstage 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Wie wohl ist mir etc. [1.] Kommt, dies sei uns ein Tag des Bundes, / Bleibt auch im neuen Jahr ihm treu! / Ja den Gelübden unsres Mundes / Stimm auch die Seele redlich bei! / O Land gelobe Gott zu dienen, / Und du wirst wie ein Garten grünen, / Den er sich selbst gepflanzet hat. / Geht Menschen geht auf seinen Wegen, / Dann macht sein unerschöpfter Segen / Aus seiner Füll’ euch täglich satt. // [2.] O Gott, du wollest auf uns sehen, / So wie auf Kinder die du liebst! / Erhöre die in Christo flehen, / Gieb wie du deinen Kindern giebst! / Für den flehn wir um Heil und Leben, / Den du zum Herrscher uns gegeben, / Durch Furcht vor dir besteh sein Thron! / Er mög’ auf Recht und Wahrheit schauen, / Durch Kraft des Reiches Wohlfahrt bauen, / Der Herzen Liebe sei sein Lohn. // [3.] Erhalte deiner Kirche Wächter / Der Lehre deines Sohnes treu, / Daß noch die spätesten Geschlechter, / Die Predigt deines Worts erfreu! / Senk deine Furcht in unsre Jugend, / Gieb daß so Wissenschaft als Tugend / In allen unsern Schulen blüh! / Des Landes Hoffnung laß gerathen, / Daß man nicht Bürger nur für Staaten, / Auch Christen für dein Reich erzieh. // (Stett. Ges. B.) Nach dem Gebet. – In bekannter Melodie. [1.] Herr Gott dich loben wir, / Herr Gott wir danken dir! / Dich Vater preist die ganze Welt, / Die deine Allmacht nur erhält, / Die bis hierher auch uns gebracht, / Für uns gesorgt, für uns gewacht. / Du bleibest uns durch Jesum 8–9 Anspielung auf Eph 6,17 und Hebr 4,12 10,11; 2Kor 9,8
12 Vgl. Mal 3,10
13 Vgl. Joh
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Christ / Ein Vater der uns gnädig ist. / Gütig ist unser Gott, / Gütig ist unser Gott, / Barmherzig ist uns Gott / Ein Helfer in der Noth. // [2.] Du der die Sonne wieder rief, / Die kreisend ihre Bahn durchlief, / Du leitst sie nun in das Gebiet, / Wo segensreich sie wärmt und glüht. / Die Jahre fliehn in schnellem Lauf. / Und kein Erschaffner hält sie auf. / Jahrhunderte sind nichts vor dir, / Denn du bist ewig, Staub sind wir! / Doch mehr vor dir o Ewiger, / Mehr als der Sterne zahllos Heer, / Weil du in deinem Sohn uns kennst, / Mit ihm uns deine Kinder nennst. // [3.] Du Christe Gottes einger Sohn, / Du kamst von deines Vaters Thron, / Und brachtest Himmels Seligkeit / Ins Leben unsrer Sterblichkeit! / Als Gott durch dich den Segen sprach, / Dein Licht durch alles Dunkel brach, / Da stellte deine Zukunft dar / Der Menschheit großes neues Jahr. / Dein Wort vernehmen Herr auch wir, / Und preisen dankbar dich dafür. // [4.] Noch kämpft die Christenheit wol schwer / Mit ihrer Feinde mächtgem Heer; / O führe sie durch Kampf und Streit, / Zum Ziele der Vollkommenheit. / Du unser göttlicher Prophet, / Deß Wahrheit fest wie Felsen steht, / O bild’ uns ganz nach deinem Sinn, / Das bleibt uns ewiger Gewinn. // [5.] Geist Gottes Quell der Heiligung, / Schaff’ überall Erneuerung, / Mach täglich uns von Sünden rein, / Um deiner Gaben werth zu sein. / Was bös ist flieh in ew’ge Nacht, / Vor deiner reinen heilgen Macht. / Vertritt du selber das Gebet / Um Weisheit, das von Herzen geht. / O dürften wir doch nichts bereun, / Wenn dies Jahr wird beschlossen sein. Amen. // Nach der Predigt. – Mel. Wach auf mein Herz etc. [1.] Gott wehre du den Kriegen, / Laß Lieb’ und Eintracht siegen! / Laß sich, wo Thränen fließen, / Des Trostes Quell ergießen! // [2.] Sprich deinen milden Segen / Zu allen unsern Wegen! / Laß Großen, Herr, und Kleinen / Die Gnadensonne scheinen. //
Am 7. Januar 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
1. Sonntag nach Epiphanias, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 18,1–9 Nachschrift; SAr 116, S. 119–136; Sethe Keine Nachschrift; SAr 57, Bl. 61v–67v; Schirmer Nachschrift; SAr 66, Bl. 1r–2v; Woltersdorff Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Frühpredigt am 1. Sonntage nach Epiphaniä d. 7. Januar 1827. Tex t. 5
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Es ist, m. a. F. vorzüglich dreierlei in diesem Abschnitte des Evangeliums, das wir herausheben | wollen zum Gegenstande unserer Betrachtung. Zuerst das, daß Johannes sagt: wie nun Jesus wußte Alles, was ihm begegnen sollte, ging er hinaus und sprach zu ihnen: wen suchet ihr? Hier muß es uns wohl Allen, wenn wir uns in die Lage des Erlösers denken, als etwas Großes erscheinen, wenn der Mensch in solchen entscheidenden Augenblicken weiß, was ihm begegnen soll. Jeder wird zwar sagen, daß keiner Anspruch machen könne, hierin dem Erlöser ähnlich zu sein, weil wir es auf Rechnung des Uebermenschlichen in ihm setzen; wie ich aber nun nicht entscheiden mag, ob der Apostel Johannes sich das so gedacht hat, oder natürlich, so folgt doch daraus, es stehet Vieles davon in unserer Gewalt, daß in ähnlichen Verhältnißen das Gleiche könne von uns gesagt werden. | Freilich mit vollkommener Bestimmtheit vorher zu wissen, was uns begegnen wird, das können wir nicht, und darauf können wir auch nicht Anspruch machen, aber darauf kommt es auch nicht an, sondern daß das, was uns begegnet, uns nicht so überrasche, daß wir aus der Fassung kommen, und gestört werden im Berufe; für diesen Zweck, und das ist das Erste, was wir im Auge haben – kommt es nicht darauf an, bestimmt vorher zu wissen, was geschehen werde, als nur darauf, auf Alles gefaßt zu sein in jedem Augenblicke. Hier zeigen sich uns zwei auf entgegengesezte Weise abweichende Arten, wie das menschliche Gemüth bewegt ist; wir sehen, daß auch in den wichtigsten Dingen, es nicht fehlt an unbedachtsamen Menschen, die aufs Gerathewohl von einem Augenblicke in den andern gehen,
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und sich um nichts bekümmern. Auf der | andern Seite fehlt es auch nicht an solchen, welche wohl fragen, was ihnen begegnen könne, aber mehr von Besorgniß für ihr äußeres Wohl geleitet werden als von dem Verlangen, das Rechte zu ergreifen, die also vermöge ihrer ängstlichen Natur immer von Argwohn gegen ihre Mitmenschen erfüllt sind. Beides ist nicht die Art, die dem, was vom Erlöser gesagt ist, nahe kommt, sondern ganz etwas anderes erscheint uns hier in ihm. Es scheint freilich, wenn wir auf das Erste sehen, etwas Großes darinn zu liegen, daß der Mensch, wenn er sich einmal einen Lebensweg eingesezt hat, nun gar nicht danach frägt, was ihm begegnen werde, sondern nur grade auf sein Ziel zu geht, doch wir können nicht sagen, daß das überall die rechte christliche Weisheit sei; denn freilich wenn es sich davon handelt, daß dem Menschen bestimmte Pflichten obliegen, so darf | er gar nicht fragen, was ihm bevorstehe, er soll sie um jeden Preis erfüllen; aber ein anderes ist es, wenn er vermöge seines innern Berufes, etwas in Beziehung auf das Reich Gottes auszuführen gedenkt; denn da kommt es ihm doch darauf an, etwas zu erreichen, wenn auch nicht einen bestimmten Erfolg, so will er doch ein bestimmtes Zeugniß ablegen von seinem Innern und von seiner Treue, durch das, was er thut; und da muß es ihm von großer Bedeutung sein, vorherzuwissen, was ihm begegnet, lebendig vor Augen zu haben, wie die Menschen gestimmt sind, auf welche Weise sie dem entgegenstehn, was er unternimmt, vorherzuwissen, mit welchen Leidenschaften er wird zu kämpfen haben. Und wer nun diese Aufmerksamkeit den Menschen, für deren Heil er wirken will, nicht widmet, von dem werden wir sagen müßen, daß es ihm mit seinem | Zweck nicht rechter Ernst sei, und daß er die Menschen nicht genug achtet, um ihr Heil zu fördern; denn was hilft es, wenn wir etwas fördern wollen, und uns gar nicht darum bekümmern, wie die Menschen sind. Das ist eine leichtsinnige Art, seinen Weg zu gehen, und Gleichgültigkeit gegen die Menschen. Wenn nun aber, wie es sein soll, diese Achtsamkeit gegen die Menschen, von der Treue gegen das Reich Gottes, und von der Liebe gegen die Menschen ausgeht, o dann werden wir auch gewiß nicht in jene andere abweichende Art gerathen, nemlich von Aengstlichkeit und Mißtrauen geleitet zu werden. Denn so war es mit dem Erlöser auch, daß er von der Liebe ausging, und jemehr wir wie er den Zweck aller menschlichen Dingen in uns auffassen, um desto leichter werden wir uns selbst vergessen, bei dem, was uns persönlich begegnet, weniger an uns selbst denken, als es vielmehr in Beziehung bringen mit unserer Wirksam|keit für das Reich Gottes, und diese danach einrichten; wie weit aber die göttlichen Bestimmungen an unsere 9 eingesezt] vielleicht zu korrigieren in vorgesezt ; SAr 57, Bl. 62v: erwählt ; SAr 66, Bl. 1r: gewählt 12 davon] so auch SAr 66, Bl. 1r; SAr 57, Bl. 62v: darum 24 Zweck] ergänzt aus SAr 66, Bl. 1v; SAr 57, Bl. 62v: Zweke 38–1 Vgl. SAr 57, Bl. 63r: „Wie wenig die Erreichung der göttlichen Zwecke aber an unsere Person gebunden ist, das wissen wir ja Alle.“
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Person gebunden sind, das freilich können wir nie wissen. Gehen wir aber von der rechten Liebe gegen die Menschen aus, wie könnten wir wohl in Mißtraun gegen sie gerathen. Denn die menschliche Schwäche kennen wir Alle, aber die Liebe denket nie das Arge, und sezt es in Andern voraus; und wir könnten gar nicht von der Liebe beseelt sein und ausgehen, wenn wir nicht die Ueberzeugung hätten, daß in jedem Menschen ein Anknüpfungspunkt sei für die Wirksamkeit des göttlichen Geistes. Vermeiden wir so beide Abwege, so werden wir auch hierinn dem Erlöser ähnlich sein; sehen wir auf den wahren Zweck dessen, was wir unternehmen, und bekümmern uns dabei um die Denkungsart und die Gemüthsstimmung der Menschen, so werden wir, wenn auch nicht mit Bestimmtheit, doch mit Wahrscheinlichkeit voraussehen | können, was uns begegnen wird, und werden in der herlichen und schönen Gemüthsverfassung des Herrn sein, und so getrost und frohen Muthes den Gegnern entgegengehen, und im Stande sein zu fragen wie er: wen suchet ihr. Wenn wir nun zweitens auf den weitern Erfolg achten, so erzählt uns Johannes, was die Frage des Herrn für eine Wirkung gethan habe: „sie wichen zurük und fielen zu Boden.“ Auch hier könnte man leicht in einer Ungewißheit sein, ob dies der Erfolg einer natürlichen Wirkung sei, oder geschehen durch die wunderbare Kraft, die dem Erlöser einwohnte; allein so gewiß es denen, an der rechten Ehrfurcht gegen den Erlöser fehlt, welche überall das Wunderbare seines Wirkens wegdeuten wollen, so giebt es doch auch eine verkehrte Neigung, überall etwas Wunderbares finden zu wollen, und bei näherer Betrachtung zeigt es sich, daß hier die wunderba|re Kraft nicht thätig gewesen ist; denn der Erlöser wollte doch denen, die ihn suchten, sich weder widersetzen, noch entziehen; wenn wir uns also denken, er habe dies bewirken wollen, daß sie zu Boden sanken, was sollte er dabei für einen würdigen Zweck gehabt haben? Wenn es der gewesen wäre sie zur Erkenntniß und Besinnung zu bringen über das, was sie thun wollten, so hätte der Eindruk, den die übernatürliche Wirkung hervorbrachte, ihnen bewußt werden müssen, aber in dem Gedränge und der Verwirrung, die bei der Dunkelheit der Nacht entstehen mußten, obgleich Judas ihnen den Weg zeigte, da konnten sie nicht unterscheiden, ob das Zubodenfallen und Zurükweichen natürlich war, oder durch wunderbare Kraft bewirkt; daß sie kein Gefühl oder Bewußtsein von solcher Wirkung hatten, zeigt sich ja darinn, daß sie nicht zur Erkenntniß kamen. Und der Erlöser wollte ja auch immer, daß der Eindruk, der | von seiner Person und seinen Reden ausging, rein sein sollte, er wandte nie seine wunderbare Kraft an, damit die Menschen an ihn glauben sollten, sondern wenn sie Zeichen und Wunder ver16 Erfolg] so auch SAr 57, Bl. 63v; SAr 66, Bl. 1v: Verfolg 39–2 Vgl. Mt 12,38–39; 16,1–4; Mk 8,11–12; Lk 11,16.29; ferner Joh 6,30
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langten zum Beweise seiner Göttlichkeit, so sagte er, sie seien verkehrt, und gewährte es nicht; und so sehen wir, daß es nie seine Absicht war, einen solchen Eindruk durch Wunder zu bewirken; es wird also wohl der Sache gemäßer sein, wenn wir voraussetzen, daß es eine natürliche Begebenheit gewesen sei, die ausgegangen sei von dem Eindruk der Rede der Erlösers. Betrachten wir so die Sache, so führt uns das auf Früheres zurük und auf Späteres hin. Früher schon hatten die Hohenpriester ihre Diener ausgesandt, um den Herrn zu fangen, als sie aber wiederkamen, sagten sie, sie hätten nicht vermocht, etwas gegen Jesum zu thun, denn wie er, so habe noch keiner geredet. Da also waren sie offen für den Eindruk seiner Person und Rede, hier waren sie es | weniger aber doch noch etwas, denn sie wichen zurük und fielen zur Erde, doch gleich nahmen sie sich wieder zusammen, es hinderte sie nicht, ihren Auftrag auszuführen, indem sie den nun vollzogen, so thaten sie was ihnen geboten war, und wir können nicht sagen, daß grade eine feindselige Gesinnung gegen ihn in ihnen gewesen sei. Wenn wir aber an den weitern Erfolg seiner Leidensgeschichte denken, so sehen wir, wie Menschen von derselben Klasse ihn höhnten, wie also jeder Eindruk bei ihnen verschwunden war; nun kommt es nicht darauf an, ob das dieselben Menschen gewesen sind, sie gehörten aber zu derselben Klasse, und da ist immer eine gewisse Gemeinschaft des Geistes; und da finden wir diese Abstufung in der Gesinnung gegen den Erlöser. Fragen wir nun, wodurch ist diese Veränderung vorgegangen?, so führt uns dies auf den traurigen Einfluß, den die Obern auf die | untern Volksklassen ausübten, es war immer dieselbe Weise ihn ihnen verdächtig zu machen, dieselben Vorspiegelungen, er lästere Gott, und wolle das Volk verführen, dies immer wieder aufs Neue wiederholt, war im Stande, diese Veränderung hervorzubringen. Hier sehen wir, wie gefährlich es ist, von menschlichem Ansehn sich leiten zu lassen, so sehen wir, wie große Verantwortlichkeit die auf sich laden, die durch ihr Ansehen solchen Einfluß haben, und so sehen wir, wie wenn diese verkehrt sind, leicht das ganze Volk verkehrt wird, wie durch ein wenig Sauerteig die ganze Masse gesäuert wird. So war im ganzen Volke viel Gutes und Schönes, es regte sich die Anhänglichkeit an den Erlöser, aber es wurde überwältigt durch die unglückliche Richtung derer, die das Ansehn hatten, und sich dessen bedienten, um ihre Meinung geltend zu machen. Die wahre Sicherheit des | Gemüths liegt also darinn, daß keiner sich von dem Ansehn Anderer leiten läßt, sondern allein von der Stimme Gottes in seinem Innern, nie menschlichen Meinungen ein solch 11 aber doch noch etwas] ergänzt aus SAr 66, Bl. 2r Verfolg
16 Erfolg] SAr 66, Bl. 2r:
7–10 Vgl. Joh 7,32–34.45–46 16–17 Vgl. Mt 27,27–30; Mk 15,16–19; Lk 22,63– 65; Joh 19,2–3 25 Vgl. Joh 10,36; ferner 5,18 25 Vgl. Joh 7,12 30–31 Vgl. Mt 16,6.11–12; 13,33; Lk 13,20–21
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Uebergewicht einräumt, und sie für größer achtet als das, was sich ihm selbst als Werk und Wort des Herrn offenbaret. Wäre das Volk in dieser Treue geblieben, so hätte die Veränderung nicht Statt gefunden. Laßt uns nicht verkennen, welche Vorzüge wir auch hierinn als Christen genießen; wir halten alle Verbindungen auf gebührende Weise in Ehren, und wissen, daß ohne Gebieten und Gehorchen nichts bestehen kann; aber in geistigen Dingen kennen wir keines andern Gewalt, als dessen, der uns erscheint als der, der den Willen Gottes besser erkannt und aufgefaßt hat, als wir, wir fühlen uns von keinem menschlichen Ansehn an ihn, dem wir diese Gewalt über uns einräumen, angezogen, | sondern nur von der Art, wie der Geist Gottes aus ihm zu uns redet. Aber eben weil das in der Christenheit feststehet, so haben wir desto größere Verantwortlichkeit auf uns, wenn wir uns von dem Wege der Treue abwenden, und uns statt durch die Gewalt des göttlichen Geistes, gegen unser Gewissen durch menschliches Ansehn leiten lassen. Laßt uns nun das Dritte sehen. Jesus antwortete: „ich habe es Euch gesagt, daß ich es sei, suchet ihr denn mich, so lasset diese gehen;“ daß das Wort erfüllet würde, welches er sagte: „ich habe deren keinen verloren, die du mir gegeben hast.“ Hier sehen wir nun recht die Kraft der Liebe in dem Erlöser, da er auch in diesem Augenblicke, wo er wußte, daß es sich nicht nur für diese Stunde um seine Freiheit, sondern um die ganze Wirksamkeit und das Ende derselben handelte, seine Liebe und Vorsorge für die Jünger nicht aus den Augen | ließ. Wir sind gewohnt, der menschlichen Schwachheit nicht viel zuzutrauen, und wenn einer in solcher Bedrängniß sich befindet, so entschuldigen wir es leicht, wenn er seine Fassung verliert, und seine Sorge nur auf sich selbst beschränkt; aber wenn wir uns fragen, ob das recht ist, so finden wir, daß es so nicht sein soll, und daß in so rein menschlichen Verhältnißen uns das Vorbild des Erlösers erhebend und verpflichtend sein soll. Und wenn wir uns fragen, wie erscheint uns der Mensch erst recht seiner Natur und Würde gemäß? so finden wir, daß er nur dann uns so erscheint, wenn er selbst nur das Mittel ist, durch das sich der Geist der Kraft und Liebe, der in seinem Innern herscht, ausspricht. Das sehen wir im Erlöser, und das ist überall die Vorschrift der Schrift, daß wir suchen sollen, was der Andern ist (wir sollen nur thätig sein für die ganze Gemein|de, und vorzüglich für den Theil derselben, zu welchem wir in nächster Beziehung stehen) und auf uns selbst nicht sehn. Ja das sehen wir in vollkommener Reinheit in der Art, wie der Erlöser handelte, und die wir Alle uns aneignen sollen, jeder soll danach trachten, daß er sagen könne: „ich habe keinen von denen verloren, die du mir gegeben hast.“ Das ist der Geist der brüderlichen Liebe, so das Bewußtsein unseres ganzen Wirkungs18–19 Vgl. Joh 17,12 Z. 4)
33–34 Vgl. 1Kor 10,24; Phil 2,4 (dazu KGA III/12, S. 500,
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kreises fest zu halten, was uns auch persönlich treffen möge, das ist der Geist der Aufopferung, von dem der Erlöser das Vorbild ist, und das sehen wir in dem, was er hier thut, am reizendsten. Wenn das menschliche Leben seinen ruhigen Gang fortgeht, so sind wir nicht aufgelegt, an solche entscheidende Augenblicke zu denken, aber eben deshalb ist uns das aufbewahrt, damit uns immer das richtige Betragen der Christen vor Augen steht. Und so laßt uns auch hierinn den Erlöser als Vorbild auffassen. So freilich | wie dem Erlöser die Jünger anvertraut waren, daß ihr ganzes Heil von dem Einen abhing, so sind uns keine anvertraut; aber wer uns anvertraut ist, ist es doch auf dieselbe Weise, daß wir Rechenschaft zu geben haben, wie der Erlöser von seinen Jüngern, wie er sagt: „ich habe der keinen verloren,“ und wie er hier noch, wo er dieses Rechenschaft eigentlich schon abgelegt hat, und seinen Beruf geendet, doch noch in bezug auf diese Rechenschaft handelt. Und so laßt uns, wie der Erlöser mitten im sichern Leben immer dies Ziel vor Augen haben, und uns stärken an dem Vorbilde seiner Gelassenheit, dann werden wir sicher sein, nie die Sorge der Liebe zu versäumen durch etwas, was uns selbst begegnet. Dazu stärke uns sein Vorbild, daß wir in jedem solchen Augenblicke bereit sind, das Gottwohlgefällige zu thun, und kömmt solch Augenblik nicht vor in unserm Leben, so beseele uns doch das Bewußtsein | daß das Sehen auf ihn uns Kraft gegeben, wie er gesinnt zu sein. Ja dazu stärke uns das Aufsehn zu ihm, daß wir wachsen in Allem, was zur christlichen Gottseligkeit gehört. Amen.
2 Aufopferung] SAr 66, Bl. 2v: Hingebung
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2. Sonntag nach Epiphanias, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Lk 4,16–19 Nachschrift; SAr 66, Bl. 3r–5v; Woltersdorff Keine Nachschrift; SAr 116, S. 136–153; Sethe Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Aus der Predigt am 2. S. nach Epiph. 27. Luc. 4, 16–[19]
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Nicht um uns diese herrlichen Worte der Weissagung ans Herz zu legen und uns daran zu erinnern wie sie in dem Herrn ihre Erfüllung gefunden haben, nicht dazu sollen diese Worte zum Grund unsrer Betrachtung dienen, sondern diesmal in andrer Absicht: Wir finden nemlich hier ein ausführlich erzähltes Beispiel davon wie der Erlöser sich in seinem Leben und Wirken der heilgen Schrift bedient habe. Nun wird überall im Evangelio von ihm erzählt daß er in der Schrift nicht sei nach der Art und Weise der damaligen Schriftgelehrten unterwiesen worden, welches ihm oft zum Vorwurf gemacht wurde und oft zur Verwunderung Anlaß gab. Um destomehr nun weil er nicht als Mitglied eines bestimmten Standes und Unterrichts zu seiner Kenntniß der Schrift gelangt war, kann sein Vorbild im Gebrauch der Schrift für uns Alle eine allgemeine Regel sein. Und wie der freie Gebrauch und Besitz der Schrift zu den Vorzügen derer die Pevl.S Christen sind gehört, dessen Seegen unter uns immer fortwirkt, wie aber auch eben in diesem Gebrauch mancherlei Abweichendes zu bemerken ist und Mißbrauch: so muß es uns von Wichtigkeit sein einige bedeutende Regeln zum richtigen Gebrauch der Schrift von dem Erlöser lernen zu können. Zweierlei wird uns die nähere Betrachtung unsers Textes lehren: 1. Wie der Erlöser einen Unterschied gemacht hat in Absicht auf den Inhalt der heilgen Schriften, den wir also auch zu machen haben. 2. Haben wir von ihm zu lernen: die Art und Weise die Schrift zu gebrauchen. 1 Epiph.] Eph.
15 Pevl.S] Abk. für evangelische
8–11 Vgl. vor allem Joh 7,14–15; auch Mt 7,28–29; 13,53–57; Mk 1,21–22; 6,2–3; Lk 2,46–47
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1. Was das Erste betrift nemlich wie der Erlöser hier einen Unterschied macht in Beziehung auf die verschiednen Theile der Schrift – um das recht zu verstehen müssen wir uns an andre Stellen erinnern welche davon handeln wie in der damaligen Zeit die Schrift gebraucht wurde; die Apostel sagen nemlich bei einer höchst bedeutenden Veranlaßung als sie in Jerusalem waren Mose habe von lange her in allen Städten solche die ihn predgen, und die Bücher der Propheten würden in den Schulen gelesen: so war es nicht nur im jüdischen Lande, sondern auch wo unter andern Völkern solche Familien wohnten und so auch in Nazareth wo der Herr eben war: als er also aufstand um zu lesen, so war das vorgeschriebne Lesen des Gesetzes, oder das Lesen eines Abschnitts aus den prophetischen Büchern schon vollendet. Als nun der Herr aufstand, so hätte er auch können ein solcher sein wie die von denen die Apostel sagten daß sie Mose predigten, aber als er lehren wollte und das Volk unterweisen von Heil und Herangenahtsein des Reichs Gottes, da lies er sich nicht reichen das Buch des Gesetzes sondern die Bücher der Propheten. – Das ist also der Unterschied den er machte in Beziehung auf den Inhalt der Schrift, daß wenn er vom Himmelreich reden wollte, er nicht aus dem Gesetz sondern aus den Propheten las. Laßt uns das so erwägen daß wir davon eine zweckmäßige Anwendung auf uns machen. Wenn wir das wollen und deshalb zuerst über die Verschiedenheit der Bücher des alten Testaments nachdenken, so werden wir darin übereinstimmen, daß von allen Büchern das Buch des Gesetzes das ist welches am stärksten | das eigenthümliche Gepräge des alten Bundes ausspricht, und dagegen die prophetischen Bücher auf das, was da kommen sollte, hinweisen; denn die Verfasser derselben waren solche von denen vorausgesetzt ward daß sie von dem Gesalbten auf den das Volk hoffte, weissagten, sie waren solche deren Geschäft es war das Volk des Herrn hinzuweisen auf die frohe Zukunft des neuen Bundes wo das Licht von ihm ausgehen werde um andre Völker zu erleuchten. Und in diesem Sinn sagt der Herr daß die Schrift es sei die von ihm zeuge, und er wählt hier zum Gegenstand seiner Belehrung das was von ihm zeugt. – Was liegt darin für eine Lehre für uns? Wenn der Herr um in denen die ihn hörten den Glauben vorzubereiten, das hervorhebt aus den verschiednen Büchern des alten Bundes welches am meisten auf die Zeiten des neuen Bundes hinweiset: wie sollten wir nicht den Unterschied machen, daß wenn es uns auf Förderung des Heils ankommt, auf Befestigung unsers Glaubens wir nicht lieber 15–16 Herangenahtsein] Herangenathsein 5–7 Gemeint ist das sog. Apostelkonzil (vgl. Apg 15,1–29). 7–8 Vgl. Apg 15,21 14 Vgl. Apg 15,21 29 Vgl. Jer 31,31–34 29–30 Vgl. Jes 42,6; 60,1–3; auch 2,2–3 30–31 Vgl. Joh 5,39
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unsre Zuflucht nehmen zu den Büchern des neuen Bundes, als daß wir stehn bleiben sollten bei denen des alten Bundes der sich gründete auf das Gesetz welches ja nur der Zuchtmeister sein sollte und dazu dem Volke Gottes gegeben war bis auf den Glauben, wie sollten wir nicht die Bücher des neuen Bundes in denen sich der Glaube als das ewige Leben offenbart, wie sollten wir ihre Wirkung, die da ist, Befestigung im Glauben, nicht vorziehn dem was uns das Gesetz des alten Bundes geben kann! Denn wenn es gleich wahr ist daß auch die Bücher des alten Bundes herrliche Zeugnisse von Christo enthalten, wenn es gleich wahr ist daß sie den todten Buchstaben des Gesetzes eben dadurch beleben daß sie auf eine Zukunft hinweisen wo sich Beßres offenbaren werde durch den Geist von Oben: so müssen wir doch sagen: es gilt von allen Büchern des alten Bundes zusammengenommen was der Apostel Paulus im Briefe an die Ebräer sagt, daß sie nur den Schatten hatten von dem was im neuen Bunde erschienen ist. Und der Erlöser als er die herrliche Stelle gelesen hatte sagte: heut ist erfüllt [ ] er selbst also wies von der Weissagung auf die Erfüllung hin, von dem Vergangnen auf das Gegenwärtige, und sprach von der Erfüllung der Weissagung auf solche Weise daß er die Zuhörer empörte und sie seine Rede als hart erklärten weil sie sich ihrer Geburt rühmten und dieser Ruhm nun wegfiel: – Benutzte also der Herr die Bücher des alten Bundes nur um an die dunklen Ahnungen den Glauben an die Erfüllung anzuknüpfen, o wie sollten uns nicht die Bücher des neuen Bundes, die uns den Erlöser in seinem Leben und Wirken darstellen und den Geist desselben in der ersten Ordnung der Kirche, willkommen sein, wie sollten wir uns mit ihnen nicht weit lieber beschäftigen! Aber laßt uns noch einen Umstand nicht übersehn, nemlich: auf die schönen Worte des Propheten die der Herr las, folgen die Worte: „ein Tag der Rache wird erscheinen zum Trost [ ] [“,] aber die las der Erlöser nicht mit, sondern machte das Buch zu und fing an zu reden; Das wollte er nicht zum Gegenstand seiner Belehrung machen, und dadurch nicht die Aussicht in die beßre Zukunft trüben daß er den Gedanken erregte: ein Tag der Rache werde kommen zum Trost Israels. Aber doch können wir nicht leugnen: in diesen Worten spricht sich das Wesen des alten Bundes auf das Bestimmteste aus; denn wenn das Volk des Herrn durch seine oder andrer Völker Schuld in Noth und Elend gerathen war, bald seine 13 Ebräer] Ebr. 15 erfüllt] folgen Auslassungsstriche bis zum Zeilenende; SAr 116, S. 141–142: heute ist diese Schrift erfüllet vor Euren Ohren (vgl. Lk 4,21) 26 las] in SAr 116, S. 143, folgt „zu predigen das angenehme Jahr des Herrn“ 27 „ein Tag … Trost] folgen Auslassungsstriche bis zum Zeilenende; SAr 116, S. 142: und einen Tag der Rache unseres Gottes, zu trösten alle Traurigen (Jes 61,2) 2–4 Vgl. Gal 3,23–24 13–14 Vgl. Hebr 8,5; 10,1 15 Vgl. Lk 4,21 18– 19 Vgl. Joh 6,60 26–27 Die Worte folgen „in dem Buche selbst“ (SAr 116, S. 142): gemeint ist Jes 61,2.
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Selbstthätigkeit ver|loren hatte, bald von seinem Wohnsitz vertrieben war in die Länder der Heiden, so war das die Hoffnung womit sich der größte Theil tröstete, daß bald eine Zeit kommen werde wo der Herr das Volk zurückführen und daß diese Zeit zugleich ein Tag der Rache an seinen Feinden sein werde, und diese Rache werde dann der Trost für die Traurigen sein: Wer möchte es nun leugnen, daß, wie sehr wir auch die Offenbarungen im alten Bunde verehren, sie doch nichts anders den Menschen mittheilen konnten als was sie in ihrem beschränkten Zustande im Stande waren zu fassen, und daß wenn die dazu vom Herrn Erwählten die Offenbarungen verkündeten immer dazwischen kam was sich in dem eignen Herzen der Redenden regte: ja sie vermischten Glückseligkeit und Ruhe mit äußerm Glück und Frieden worauf sie Anspruch zu haben meinten als ausschließliches Volk Gottes, das sich allein sein als seines Königs rühmte: und so finden wir überall in den Vorstellungen von den Führungen des höchsten Wesens den Geist des Unvollkommnen sich einmischen und das Gehäßige gegen die andern Völker. Wie nun der Herr das Buch schloß um das sich darauf Beziehende nicht mit zu lesen, indem er seinen Zuhörern nur wollte die Freudigkeit und den Frieden des neuen Bundes an das Herz legen: so auch müssen wir uns hüten daß nicht in unsre Vorstellungen von dem höchsten Wesen das sich uns durch Christum als ewige Liebe offenbart, die Spuren dessen hineinkommen was im alten Bunde Unvollkommnes darin war, und uns dadurch das Bild der göttlichen Liebe getrübt werde. Nicht als ob den Christen die Bücher des alten Bundes verschlossen sein sollten, aber jemehr wir einen Unterricht vom höchsten Wesen und vom Leben in ihm haben wollen, jemehr wir uns wollen Christum verklären lassen, desto mehr laßt uns bleiben bei dem woran er uns gewiesen hat, indem er verhieß: der Geist werde es von dem Seinen nehmen und es uns verklären. Dieses Zeugniß des Christum verklärenden Geistes haben wir überall in den Büchern des neuen Bundes: da haben wir also was uns genügt indem es uns fördert, auf dem Wege zu ihm von einer Klarheit zur andern, weshalb eben die Bücher des neuen Bundes uns, die wir im Glauben an ihn leben, vorzüglich lieb sind, wogegen eine Vorliebe für die Bücher des alten Bundes darauf hindeutet daß die Seele sich zum Gesetz hinneigt und noch eines Gesetzes bedarf, weil der Glaube an Christum in seiner Herrlichkeit und ganzen Lebendigkeit noch nicht in ihr offenbart ist; denn lebt sein Bild in uns und ist unser Herz davon voll was wir in seiner Gemeinschaft haben, so können wir die Zeugnisse des alten Bundes nicht anders lesen als nur mit dem dankba13 sein] für seiner ; vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 4, Sp. 415 22–23 Nicht als ob … sein sollten,] SAr 116, S. 145: Nicht als ob ich den Christen die Bücher des alten Bundes verschließen wollte; 26–27 Vgl. Joh 16,14
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rem Gefühle gegen den Höchsten der das Volk so lange bewahrt hatte unter dem Gesetz und dem Stolz der darauf als etwas ihm ausschließlich gegebnes sich gründete, bis die herrliche Zeit des neuen Bundes erschien in der der Herr sich offenbarte durch seinen Sohn um die Menschen zu leiten zur Anbetung im Geist und in der Wahrheit. Dürsten wir darnach o so werden wir die Fülle finden in den Büchern des neuen Bundes, und keine Veranlassung haben – wenn es uns nicht etwa zu thun ist um den Zusammenhang, sondern um unmittelbar Licht und Trost zu schöpfen – von den Büchern des neuen Bundes als seien sie unzulänglich, zurückzukehren zu denen des alten Bundes. | 2. Laßt uns nun auch merken auf das was wir über die Art und Weise des Gebrauchs der Schrift aus dem Beispiel des Erlösers zu lernen haben. Nemlich: Da der Erlöser das Buch nahm zu lesen, da war die gewöhnliche, nach einer gewissen Ordnung eingerichtete Lesung der Schrift schon vorhergegangen, deren Ordnung das einschloß daß die regelmäßigen Besucher der Schulen in gewisser Zeit das ganze Gesetz lesen hörten und die Bücher der Propheten. Indem nun der Erlöser wie uns auch hier gesagt wird, nach seiner Gewohnheit, wo er auch sein mochte, am Sabbath in die Schule ging, so nahm er an dieser regelmäßigen Lesung Theil. Und gewiß werden wir gestehn müssen, daß dies auch für uns etwas Wichtiges ist; denn niemand kann sich rühmen daß er zu viel Kenntniß von der Schrift besitze, sondern jemehr wir daraus lernen desto mehr können wir werden Schriftgelehrte gelehrt zum Himmelreich. Es giebt allerdings vieles in der Schrift was nicht unmittelbar gleich kann verstanden werden, um so mehr als dieselbe in einer uns fremden und fast erstorbnen Sprache geschrieben ist; aber es gilt auch hier das Wort: es wird dem nicht fehlen dem es nur um die Gemeinschaft mit dem Erlöser nur um Licht und Wahrheit zu thun ist und der geneigt ist die Wahrheit der Lehre des Herrn zu erfahren indem er sie thut; denn der Geist wird es von Christo nehmen und ihm verklären: Ja wenn es nur darauf ankommt das heilbringende Wort zu verstehen und an Einsicht zuzunehmen, dann bedarf es nur auch hierin dem Erlöser zu folgen die Schrift im Zusammenhange zu lesen, dabei aber auch nicht zu fehlen in den Versammlungen der Christen, wo die denen auch das Uebrige zu Gebote steht es erläutern – aus diesem zusammen wird der Seele immer mehr Licht werden; Erläuterte Kenntniß der Schrift ist ein Besitzthum das sich 9 neuen] n.
20 Sabbath] Sabath
5 Vgl. Joh 4,23–24 Verbindung mit 3,21
24–25 Vgl. Mt 13,52 31 Vgl. Joh 16,14
27–30 Vgl. Joh 7,17, vermutlich in
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jeder Christ verschaffen soll, weil er es kann, meinen wir dagegen an unserm Jugendunterrichte, am Zusammenhange der Lehre, an Kernsprüchen genug zu haben, so verkennen wir die Güte Gottes welche uns so reichlich versehen hat. Wenn wir uns mit Wenigem begnügen so verkennen wir die Vorzüge der evangelischen Christen denen das Wort in die Hand gegeben ist zum Gebrauch; Wer könnte sagen er sei schon so erleuchtet und durchdrungen von der Wahrheit des göttlichen Worts daß er nicht nöthig habe es sich anzueignen, wer könnte sagen daß ihm nicht so oft er zurückkehrt zur Quelle immer wieder ein neues Licht aufgeht über dies und jenes und ihm manches klarer erscheint als vorher; denn das gehört gewiß wesentlich mit zu dem Rathschluß Gottes und zu seinen beständigen wunderbaren Führungen, daß das Bedürfniß einer nach Heil dürstenden Seele, und daß die Vorfälle des Lebens und das Lesen und Erklären der Schrift auf bewundernswürdige Weise zusammen trift, und daß so das Wort oft als zweischneidig aber belebend Schwerdt eindringt. Aber doch, als der Erlöser lehren wollte hielt er sich nicht an den für jenen Tag verordneten Abschnitt der Schrift, sondern er warf das Buch herum, auf welchen Ort er eben treffen würde, und machte den zum Gegenstand seiner Belehrung. In demselbigen Falle wie die Zuhörer des Erlösers hier, befinden wir uns auch in Beziehung auf unsre öffentliche Versammlungen. In einem Theil | unsrer evangelischen Kirche ist es üblich, daß sich die Diener des Worts an bestimmte Abschnitte der Schrift halten, wo das aber nicht ist, da ist es etwas Zufälliges was sie grade wählen werden, wir können also nicht vorher darauf gerichtet sein, aber auch wo es üblich ist, werden wir sagen können daß die Zuhörer vorher so darin eingehen könnten daß sie vorher wissen in welchem Sinne es wird genommen und was für die Erklärung wird hervorgehoben werden? So geht es also auch uns wie denen die dem Herrn zuhörten; und so mögen wir uns denn überall dabei beruhigen wenn die Diener des Worts sich der Freiheit bedienen die der Erlöser geheiligt hat, wenn sie nicht stehen bleiben bei der Durchlesung der Schrift und den zum Erklären vorgeschriebnen Abschnitten, sondern daß sie, wenn ihnen das Herz so oder so bewegt wird dem gegenwärtgen Bedürfniß gemäß, auf solche Stellen der Schrift zurückgehen die sich dazu vorzüglich eignen. Wie nun der Herr wußte, daß, wo er auch das Buch aufschlagen werde, werde er etwas finden das sich auf seine Sendung bezöge: so ists auch gewiß, daß, was die allgemeine Belehrung und Erbauung betrift, wir auf jedem Blatte der Schriften des neuen Bundes etwas finden werden das uns fördert im Heil. Aber viele Christen machen von der Art wie der Erlöser hier zu Werke ging noch einen andern Gebrauch: 35 das] daß 14–15 Vgl. Hebr 4,12
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wir finden nemlich bei vielen die Gewohnheit daß sie bei ihrer einsamen Andacht auch das Buch herumwerfen um zufällig einen Gegenstand ihrer Erbauung zu finden. Wohl eine richtige Hoffnung und eine in vieler Hinsicht zu billigende Weise; denn halten sie sich dabei an die Bücher des neuen Bundes, so sind sie gewiß, immer etwas zu finden zu ihrer Erbauung wie der Erlöser hier um seine Zuhörer der Hoffnung des Heils zuzuwenden. Wir wollen daher diese Weise der Erbauung nicht schelten sondern vielmehr ehren und loben; denn ist die Seele nur heilsbegierig so findet sie überall etwas was uns Christum verklärt durch seinen Geist, ist die Seele nur offen und nicht beschränkt so wird sie auch immer den rechten Sinn heraus finden und Ursach haben Gott zu preisen. Aber wenn es nicht ankommt auf allgemeine Belehrung und Erbauung sondern auf etwas Besonderes, wenn Zweifel das Herz bewegen, wenn Rathlosigkeit in ihnen ist und sie in Beziehung auf etwas nicht wissen was der wohlgefällige Wille Gottes sei, auch dann finden wir bei einigen Christen solch zufällig Aufschlagen der Schrift, aber ist das denn ein richtiges Zeugniß von dem bisherigen Gebrauch der Schrift? nein gewiß nicht, sondern haben wir sie recht gebraucht, ist sie uns Geist und Leben geworden, sind wir in der rechten Lebensgemeinschaft mit dem Erlöser o dann sollte es uns nicht fehlen etwas in dem eignen Schatze des Herzens zu finden, und das daß wir dann das was jeden Zweifel auflöst, daß wir Rath und Trost in uns selbst finden: das soll die Frucht sein unsrer früheren Beschäftigung mit der Schrift. Wenn wir aber anstatt uns an dieses zu halten es dem Zufall überlassen was er uns bringen wird, das möchte wol blindes Vertrauen sein und auf Abwege führen. Wenn aber nun gar es uns um Rath in irdischen Dingen zu thun ist und der auf diese Weise kommen soll: das grenzt an Entheiligung der Schrift, das führt dazu daß wir hernach auch wenn wir die Schrift lesen uns in das Irdische verstricken statt uns in das Geistige zu vertiefen. Nein, die Schrift ist nur dem geistgen Bedürfniß gegeben, sie ist die sichre Quelle des Heils, sie hat ihre Ordnungen wie alle Werke aber Irdisches muß sich nicht mit ihrem Sinn | mischen wollen; denn das Geistige will nur geistig gerichtet sein und dazu wird die Schrift den rechten Maaßstab enthalten. Was wir im Irdischen zu thun haben dazu ist unser Pflichtgefühl der Maaßstab und dieser wird untrüglich sein wenn der Glaube der Grund ist aus dem Alles in uns hervorgeht. Nie aber dürfen wir unser Betragen auf etwas so zweifelhaften und zufälligen stellen und nie die Schrift anders als für geistige Bedürfnisse gebrauchen. Halten wir uns so in der Schrift an das was ihren Inhalt und Werth ausmacht, verbinden wir so das Lesen und Betrachten, wo es uns um Belehrung, Trost und Beruhigung zu thun ist: so werden wir den köstlichsten Schatz daran haben und Gott preisen daß er uns so reiche Zeugnisse von dem Erlöser und dem Walten seines Geistes bewahrt hat, und werden gern 9 Vgl. Joh 16,14
17–18 Vgl. Joh 6,63
31 Vgl. 1Kor 2,13–14
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immer wieder zu den Büchern des neuen Bundes zurückkehren und überall den Einen Glauben und die daraus hervorgehende einige Liebe wiederfinden und stärker darin werden, und uns so anschließen an die, die die holdseeligen Worte des Lebens von ihm, dem Gegenstande des Glaubens und der Liebe, selbst vernahmen, damit seine Liebe in uns auch durch uns sich immer mehr verbreite.
[Liederblatt vom 14. Januar 1827:] Am 2ten Sonntage nach Epiph. 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Sollt ich meinen etc. [1.] Auf ihr Christen Gott zu loben / Seine Huld und seinen Rath, / Ihn deß Macht durch tausend’ Proben / Sich an uns verherrlicht hat. / Zwar kein Mensch kann ihn ermessen / Gottes Gnade, welch ein Meer! / Wer sind wir und was ist Er? / Doch wer kann des Danks vergessen? / Und er nimmt das Scherflein an, / Das ein Armer geben kann. // [2.] Preis dem Bischof unsrer Seelen! / Dank dem Hirten seiner Schaar! / Nie ließ er ein Gut uns fehlen, / Treu nahm er der Heerde wahr. / Seines Wortes kräftge Nahrung / Seines Geistes Unterricht, / Dieses reine Himmelslicht, / Seines Hirtenstabs Bewahrung / Welcher Segensström’ Erguß, / Welch ein Himmels Vorgenuß! // [3.] Daß sein geistger Tempel stehet / Auch in Stürmen unversehrt, / Daß sein Friede drinnen wehet, / Das ist ewgen Dankes werth; / Beben seines Zions Gründe, / Wenn der Geist der Sünd’ und Welt / Es umlagert und umstellt: / Wer zerstört die Macht der Sünde? / Nicht der Streiter Arm und Fleiß, / Ihm allein gebührt der Preis. // [4.] Doch mit Herzenskümmernissen / Kämpft der Seinen Dankgefühl. / Weil wir, ach, bekennen müssen, / Wir sind ferne noch vom Ziel. / Oft gedämpft durch Nichtigkeiten / Brennt des Altars Flamme nicht, / Wie doch Licht von seinem Licht / Sollte lautern Schein verbreiten. / O wenn strahlt sein Heiligthum / Ganz in flekkenlosem Ruhm! // [5.] Demuth schlägt die Blicke nieder, / Doch giebt Glaube Zuversicht, / Hebt die feuchten Augen wieder / Und die Herzen werden Licht. / Nein du kannst uns nicht verlassen, / Schonest, trägest und vergiebst. / Wie du unaussprechlich liebst, / Das kann kaum die Seele fassen / Groß, ja groß ist Menschenschuld / Göttlich groß ist Gottes Huld. // Nach dem Gebet. – Mel. Dir dir Jehovah etc. [1.] Von dir mein Gott kommt Licht und Leben, / Der du das Licht und Leben selber bist; / Sonst wär ich noch mit Nacht umgeben, / Und wüßte nicht was dir gefällig ist. / O sende heller noch der Wahrheit Schein / Daß ich dich sehe und dir leb allein. // [2.] Du sprachst, und aus den Finsternissen / Ging auf dein Wort des Lichtes Strahl hervor. / So ward die Welt der Nacht 3–4 Vgl. Lk 4,22
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entrissen, / Die Sonne stieg in vollem Glanz empor. / So ist durch deines Schöpferwertes Macht / Der Wahrheit Licht auch in mir angefacht! // [3.] Dich hat noch niemand je gesehen, / Dein ewger Sohn nur hat dich uns verklärt, / Doch wie kann ich ihn recht verstehen / Wenn nicht dein Geist mich durch das Wort belehrt? / Drum gieb mir Gott von oben deinen Geist / Der mich in aller Wahrheit unterweist. // [4.] Dann werd ich Herr dich recht erkennen, / Dich, der in Christo uns so hoch geliebt, / Und froh dich meinen Vater nennen, / Weil mir dein Geist der Kindschaft Zeugniß giebt; / Dann wird mir recht das Heil in Christo klar, / Das ewig deiner Gnade Rathschluß war. // [5.] Ergreife Herr mit deiner Wahrheit / Auch die noch wandeln in des Todes Nacht! / Dein Wort leucht hier mit sanfter Klarheit, / Es schrecke dort mit deines Donners Macht, / Daß auch verstockte Sünder in sich gehn, / Und wehmuthsvoll bei dir um Gnade flehn. // [6.] Und wer gewahrt mit bangem Herzen, / Daß er bethört vom Weg des Heiles mich; / Dem stille dann die bittern Schmerzen / Das theure Wort, Der Mittler starb für dich! / Daß er Vergebung find in Jesu Blut, / Und auch empfah zur Heilgung neuen Muth. // Nach der Predigt. Stets will ich dankbar dich verehren, / Daß du, o Herr, dein Wort mir offenbart. / Ich will es nie mit Kaltsinn hören, / Denn selig ist, wer es getreu bewahrt. / Ja blieb es immer meines Lebens Licht, / So tret’ ich froh einst vor dein Angesicht. //
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3. Sonntag nach Epiphanias, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 18,10–14 Nachschrift; SAr 66, Bl. 7r–8v; Woltersdorff Keine Nachschrift; SAr 57, Bl. 67v–74r; Schirmer Nachschrift; SAr 116, S. 153–168; Sethe Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Aus der Predigt am 3. S. nach Epiph. 27. Joh. 18, 10–14. Das sind zwei, an und für sich selbst betrachtet, geringfügige Umstände die der Evangelist hier erzählt. 1. Das, daß Petrus das Schwerdt, welches er bei sich hatte auszog und nach des Hohenpriesters Knecht schlug: das war freilich eine Handlung der Gewaltsamkeit aber doch ein unbedeutender Umstand; denn weder war der Schade groß der dadurch angerichtet wurde, noch war das Unrecht von großer Bedeutung; denn aus allen Zurüstungen die man gemacht hatte von Seiten der Obern, sehn wir daß man Widerstand erwartete von Seiten derer die bei dem Erlöser waren, wie denn auch hernach nicht viel davon gemacht wurde. Johannes erzählt es auch nicht deswegen weil der Herr das Ohr wieder heilte, vielmehr übergeht er diesen Umstand, und wir sehn daß er darauf hier keinen besondern Werth legt, und weder um das Wunder das der Herr that darzustellen, noch um die Aufmerksamkeit des Erlösers bei Kleinigkeiten zu zeigen, erzählt er es. Warum aber erwähnt er der Sache? Sie steht in unmittelbarer Verbindung mit dem was wir die Verleugnung Petri nennen, und es ist nicht zu leugnen, daß Johannes hier darauf hin 1 Epiph.] Ephip. 2 18, 10–14] so SAr 57, Bl. 67v; SAr 116, S. 153; Textzeuge: 18, 10– 4 erzählt.] folgt kein Absatz 13–14 Vgl. Lk 22,51 Joh 18,15–18.25–27
18–19 Vgl. Mt 26,69–75; Mk 14,66–72; Lk 22,54–62;
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deutet daß in dieser Handlung die erste Ursach, der erste Grund der Verleugnung gewesen sei: (denn er sagt v. 26. es sei ein befreundeter des dem Petrus das Ohr abgehauen habe, der ihn fragte: sah ich dich nicht im Garten bei ihm:). Und das ist das Wichtige der Sache von der einen Seite. Wie gesagt, nach damaliger Art und Weise solche Auftritte anzusehn, und bei der Verwirrung wo wol Unordnungen in Menge vorfielen wurde so etwas nicht groß geachtet, und so war eben auch dies an sich unbedeutend und von keinem Erfolg, aber ein Unecht war es doch offenbar, und wir werden durch die weitre Geschichte darauf hin geführt was dies Unrecht des Petrus in ihm hervorbrachte und was dieser Handlung für eine folgte. – Wenn Petrus so ruhig gewesen wäre als Johannes der ihn nachher mit in das Haus des Hohepriesters nahm, was hätte er für Ursach gehabt seine Jüngerschaft zu leugnen? aber er hatte Ursach zu fürchten daß er erkannt würde als der der die Gewaltthat geübt, und daß ihn das allerdings stören würde und den Vorsatz rückgängig machen den Erlöser zu beobachten bis zuletzt: es war also die Furcht die das Unrecht hervorbringt, es war die Verwirrung eines nicht ganz reinen Gewissens was ihn zu der Verleugnung und Feigherzigkeit brachte und seinen Muth lähmte. – Wenn wir nun auf der andern Seite, dem was Petrus that, das Verhalten des Erlösers gegenüberstellen und es betrachten, so wirft das das vollkommne Licht darauf. (Der Erlöser hatte früher selbst gesagt zu den Jüngern sie sollten sich bewaffnen, und es ist unverkennbar, daß dieses unrichtig verstandne Wort des Herrn den Petrus veranlaßte zu dem was er that, doch er hätte eben nicht solche Anwendung machen sollen da ja der Herr ihm gar keinen Wink gab sondern sich ganz ruhig und leidend verhielt: Es war also das missverstandne Wort des Erlösers das den Petrus zu dieser Handlung reitzte und ohne welches er wol das Schwerdt gar nicht würde bei sich gehabt haben.) Der Erlöser aber widersetzte sich nicht dem was geschah weil es geschah vermöge des obrigkeitlichen Rechts dazu, es war nicht ein geheimes von Einzelnen der Obern ausgehendes Handeln das sich hinter was Anderm verstecken wollte mag nun die Schaar eine Römische gewesen sein, oder die Tempelwache; weil es nicht ein solches war, sondern weil die Obrigkeit als solche auftrat und so alles auf rechtmäßige Weise | geschah, deshalb wollte der Erlöser keinen Widerstand leisten, sondern sagt zu Petrus: „Stecke dein Schwerdt ein:“ und setzt hinzu: „soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?“ – 12 Hohepriesters] Hohepr. Hand
30–31 mag … Tempelwache] Ergänzung von Sethes
3–4 Joh 18,26 11–12 Vgl. Joh 18,15–16 14–15 Vgl. vermutlich Mt 26,33.35; Mk 14,29; Lk 22,32 20–21 SAr 57, Bl. 68v, SAr 66, Bl. 7r, und SAr 116, S. 156, verweisen auf Lk 22,36.
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Wenn wir nun fragen: woher wußte der Erlöser daß der Vater ihm den Kelch wirklich jezt gegeben hatte, da er noch vor Kurzem ungewiß darüber war und sprach: „ists dein Wille, so gehe dieser Kelch vorüber:“ und wie kam es denn daß, da er sonst so oft sich entzog den Verfolgungen und in andre Gegenden entwich aus Furcht vor den Juden (wie die Ev. sich ausdrücken) wie kam es daß er jezt der Schaar willig folgte und zu den Seinen so gewiß sagte daß den Kelch zu trinken ihm der Vater jezt gegeben habe? Offenbar entstand diese Gewißheit daher, weil Alles was geschah in der Anwendung und unter dem Schutz des Rechts geschah, weil es wirklich das Ansehn der Obrigkeit war welches seinem Wirken ein Ende machte: er mußte zur Gewißheit darüber kommen daß der Vater es wolle, weil es keine Art mehr gab sich zu entziehen welche mit dem Gehorsam gegen die Obrigkeit bestehn konnte. In der Folge sehn wir daß der Erlöser alles gethan hat um sich zu vertheidigen und sich bemüth die Wahrheit ins Licht zu stellen – das that er vor Hannas, vor Pilatus u. s. w.: also keinesweges war seine Ueberzeugung die, daß, weil er gewiß wußte daß er den Kelch jezt trinken sollte und daß was er nun noch that und redete darin nichts ändern konnte, er nun vernachlässigen könne sich so darzustellen wie er ist, und so die Wahrheit zu offenbaren. Aber etwas anderes zu thun als was in den Gränzen des Rechts liegt, und nicht Alles was ihm oblag zu thun das war ihm nach seinem Gefühl für Recht völlig unmöglich, es war so völlig abgeschlossen für ihn daß darüber ihm keine Frage entstehn konnte, darum konnte er mit solcher Gewißheit zu den Jüngern reden. In Petrus aber ging der Eifer für die gute Sache zu weit d. h. einen falschen Gang; es kommt nun um das zu beweisen gar nicht darauf an was er hier ausrichtete, oder was er ausrichten konnte als Einzelner gegen solche Masse, auch nicht darauf ob er es im gereitzten Zustand that, der Erlöser rügt weder das Eine noch das Andre, sondern das daß ihn irgend etwas dahin bringen konnte das Ansehn der rechtlichen Obrigkeit nicht völlig anzuerkennen, sondern sich dagegen zu widersetzten: das war die Schuld des Petrus, welche seinen Muth lähmte und seine Seele in solche Verwirrung brachte, daß nichts sie davon befreite, bis endlich die größre Schuld daraus hervorging. Und so möge uns dieser Umstand lehrreich sein und uns zeigen, daß es keine Wirkung des göttlichen Geistes ist wenn sich unser Gefühl in Beziehung auf irgend eine Handlung durch den äußern Erfolg bestimmen läßt. Die Handlung des Petrus war ohne Erfolg; denn der nächste Erfolg war aufgehoben 5 Ev.] Abk. für Evangelien oder Evangelisten ; SAr 116, S. 157: Evangelisten so SAr 116, S. 159; Textzeuge: ihm
28 ihn]
3 Vgl. Lk 22,42; ferner Mt 26,39; Mk 14,36 4–5 Vgl. Joh 10,39–40; 11,53–54; auch Mk 3,6–7; Lk 4,28–30; Joh 8,59 5–6 Vgl. Joh 7,13; 19,38; 20,19 13– 15 Vgl. Joh 18,19–23.33–37; auch Lk 22,66–70; ferner Mt 26,63–64; Mk 14,61–62; Lk 23,3 36–1 Vgl. Lk 22,51
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durch die Heilung des Erlösers, aber das konnte nicht die Ruhe wiederherstellen im Gemüth des Petrus ihn nicht zurückbringen in den vorigen Zustand wo er der herzhafteste der Jünger war, das Aufgehobensein des Erfolgs machte keine Aenderung in seiner Gemüthsstimmung, das Bewußtsein seiner Schuld blieb dasselbe und that seine natürliche Wirkung. Wenn er nun aber den Erlöser vor sich hatte und von ihm weder die geringste Anregung empfing zum Widerstand noch etwas anderes von ihm sah als Ehrfurcht gegen die Obrigkeit, nun so müssen wir sagen: er ist ohne Entschuldigung darüber, daß ihn der Augenblick übermannte; denn daß er sah wie der Herr sich verhielt, es war genug um ihn zurückzuhalten | von dem was er that. Und darauf wird es überall auch bei uns ankommen und so wirds in allen Fällen sein: kann das was uns begegnet uns nicht so überwältigen, daß wir dabei das Bewußtsein des Erlösers verlieren, vergessen darauf zu sehn wie er sich würde verhalten haben in solchem Fall, dann werden wir weit weniger in Gefahr sein ein Unrecht der Art zu begehen; bleibt er uns gegenwärtig, nun so wird er der Seele zu Hülfe kommen, und wir werden immer das richtge Gefühl haben darüber was uns obliegt in jedem Augenblick und in jeder Beziehung, und das wird uns leiten das Rechte zu thun. Lassen wir uns aber von den Umständen so überwältigen daß wir des Erlösers vergessen, dann hat das Gefühl seine festeste Stütze verloren und dann geht uns auch der richtge Gebrauch der Kraft verloren, und es wird uns gehen wie dem Petrus den nur das, daß er mehr auf ihn gesehn hätte vor dem Fall hätte retten können. 2. Das Zweite ist nun nichts anderes als das daß Johannes so genau zu Werke geht bei seiner Erzählung daß er die Personen die hier handeln genau beschreibt. Es waren zwei von den Häuptern des Volks, Mitglieder des großen Raths, welche an dem was dem Erlöser begegnete den größten Theil hatten nemlich Hannas und Kaiphas. Diese unterscheidet Johannes genau, so daß wir bestimmt sehn können was dem Einen und was dem Andern zukommt. Nicht Hannas der des Jahrs Hoherpriester war sondern Kaiphas hatte den Rath früher, da er es war, gegeben: es wäre gut, daß ein Mensch umgebracht würde für das ganze Volk; wie nun die Handlung des Petrus mit dem was in der Folge geschah (nemlich die Verleugnung) zusammenhängt: so auch die Rede des Kaiphas mit dem was das Ende der Wirksamkeit des Erlösers herbeiführte, denn es war in Allem was gegen den Erlöser geschah 13 vergessen] so SAr 116, S. 161; Textzeuge: PveressenS 28 dem] so SAr 116, S. 162; Textzeuge: den 32–33 es wäre … ganze Volk;] Ergänzung aus SAr 116, S. 162; Textzeuge: Auslassungsstrich 35 Wirksamkeit] Wirks. 31–33 Vgl. Joh 11,49–50
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kein Grund und es ward auch keiner gefunden als er vor dem Hohenpriester stand, sondern der Grund lag nur in dem gefaßten Beschluß der sich auf die Ansicht stützte daß es gut sei zum Wohl des Volks das Einer sterbe, und Johannes führt uns darauf hin wer es gewesen sei der das ausgesprochen als Rath. Diese Genauigkeit des Johannes ist etwas was wir uns nicht genug aneignen können und zur Lehre nehmen. Nemlich, diese letzte Geschichte des Erlösers war ein sehr zusammengesetztes Werk, es waren die Obern des Volks der ganze Rath und die Römer dabei thätig. So geht es überall wo etwas Wichtges geschieht; nicht leicht ists das Werk eines Einzelnen, aber je verwickelter eine Begebenheit ist desto leichter wird das Urtheil über die Urheber unrichtig, und das ists was den Johannes zu dieser Genauigkeit leitet, er wollte nemlich gern dazu thun daß über keinen ein falsches Urtheil gefällt würde, sondern nur was wirklich sein Werk war jedem zugeschrieben würde. – Sehn wir auf unsre Zeit und auf den Zustand der menschlichen Angelegenheiten darin, o wieviel entsteht aus dem Zusammenwirken des Verschiedenartigsten – und wie häufig kommt es vor daß der Einzelne in der öffentlichen Meinung auf eine unverdiente Weise leidet! Und wenn wir nun nicht leugnen können daß wir es als eine Sache des Rechts ansehn die Urheber der Begebenheiten aufzusuchen: so laßt uns das Beispiel des Johannes zur Lehre nehmen. Nemlich die Neigung ist natürlich, aber wir müssen uns bemühen richtig zu urtheilen, aber nur | Wenigen ists gegeben die verwickelten Fäden der menschlichen Dinge verfolgen zu können, so daß sie sagen können, daran ist dieser Schuld und daran jener; darum soll uns die Sorgfalt des Johannes das als unsre Pflicht darstellen, daß wir, wenn wir das nicht können, lieber nicht urtheilen sondern unser Urtheilen noch aussetzen, und uns hüten durch unsre vorschnelle Meinung und deren Verbreitung Einen in ein solches Licht zu setzen. In den meisten Fällen ists nur der der die Gemüther kennt und weiß wie sich Alles darin darstellt, und dem die Gewissen offenbar sind, welcher bestimmen kann was die Schuld eines jeden sei; alle Andre sind darüber in Ungewißheit und nur selten kann Einer etwas mit Bestimmtheit sagen. Jemehr wir nun urtheilen wollen, müssen wir vorher genau unterschieden haben wie Johannes hier unterscheidet, und wenn Einer leidet ohne daß wir den Grund wissen, aber doch wissen daß er in ihm durchaus nicht liegt, so müssen wir sagen: das ist der Kelch den ihm Gott gegeben zu trinken, den aber freilich Menschen gemischt haben, doch wer das Bittre hineingemischt hat, das können wir nicht unter36 ihm] so SAr 116, S. 165; Textzeuge: ihn 1–2 Vgl. Joh 18,19–23; Mt 26,57–66; Mk 14,53–64 50
2–3 Vgl. Joh 11,46–53, bes.
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scheiden: Besser ist das und weiser, als daß wir ein unrichtig Bild aufstellen von uns unbekanntem Grund und Zusammenhang einer Sache. Aber nicht umsonst führt uns Johannes noch einmal auf jenes Wort des Kaiphas zurück, nemlich: das ist der rechte Keim alles Unrechts und Mißbrauchs der Gewalt; denn in dem Ausdruck liegt eben daß der Mensch sich das heraus nimmt das Böse zu thun damit das Gute herauskomme, da doch die Schrift überall das als Hauptsache darstellt, daß das Böse überwunden werde durch das Gute. Halten wir das fest so werden wir nicht in diese schlimmste Abweichung gerathen. Je weniger der Mensch Gewalt hat je weniger kann er damit Gutes herauskomme Böses thun, jemehr er aber Gewalt hat und jemehr Andre nicht im Stande sind seine Handlungen zu beurtheilen also dazu stillschweigen, desto mehr kann er dahin kommen daß er das für recht hält. Wie falsch ists aber! Wie könnte das ein Gutes sein das durch Bösesthun herbeigeführt würde! gewiß ists immer nur etwas so einseitiges als das des hohen Rathes war, denn was war das anders als eine gänzliche Mißkenntniß und falsche Vorstellung von den göttlichen Wegen und Anordnungen mit dem Volke. Das ist aber von je her die Quelle aller Verblendung gewesen in dieser Beziehung daß die eigne selbstsüchtige Meinung des Menschen sich mischt in das Urtheil über das Wohl des Ganzen; und darum ist je größer die Gewalt desto größer die Versuchung das Böse als Mittel zum Guten zu gebrauchen. Aber doch finden wir das nicht nur bei denen die die Völker regieren, sondern überall; in den kleinsten Kreisen können wir dasselbe sehn: daß die Menschen sich solche Erlaubniß nehmen; wie häufig finden wir das im Kleinen, o wie wenig haben wir deshalb uns zu erheben im Tadeln dessen wenn es im Großen so ist. Das ist der Boden in dem wir fest stehn müssen, um keiner Ursach willen so groß Uebel zu thun und wider Gott zu sündgen. – Wenn die Menschen von diesem Eigendünkel frei werden daß sie meinen etwas Böses thun zu dürfen, damit nur recht Gutes herauskomme, dann wird sich nichts ereignen, was Aehnlichkeit hat mit dieser Geschichte des Herrn. Darum ist uns dieses Einzelne der Leidens Geschichte des Herrn aufbewahrt damit wir beständig vor Augen haben, wovor wir uns zu hüten haben, damit jeder rein bleibe davon, das Gute und Böse zu vermischen. Nie soll der Eifer für das Gute uns zu weit führen, sondern immer sollen wir dem Recht und der Wahrheit die Ehre geben, wie der Erlöser. – Das sind die Grundsäulen des menschlichen Wohls wo gemeinsames Leben geführt wird; die Heiligkeit des Guten fest zu halten und die Scheu gegen das Böse. Und das als die Grundsäulen 9 gerathen.] folgt ein langer Strich bis zum Zeilenende, der vermutlich anzeigen soll, dass das Folgende unmittelbar angeschlossen werden soll 20 ist] ist: 31 Geschichte] Gesch. 7–8 Vgl. Röm 12,21
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des christlichen Lebens überall aufzustellen, das laßt uns festhalten, dann wird unsere Wirksamkeit rein und dann wird uns nichts lähmen. Zu dieser Reinheit des Gemüths möge er uns helfen wie er selbst das Vorbild dazu gewesen ist.
3 des Gemüths] Ergänzung aus SAr 57, Bl. 74r; SAr 116, S. 168
Am 28. Januar 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
4. Sonntag nach Epiphanias, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Lk 4,20–21 Nachschrift; SAr 116, S. 168–185; Sethe Keine Keine Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am 4. Sonntage nach Epiphaniä d. 28. Januar 1827. Tex t. 5
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M. a. Fr. Diese Worte sind nun die unmittelbare Folge von dem, was wir neulich zum Gegenstande unserer Betrachtung gemacht haben. Die Worte des Propheten, die der Herr verlas, davon sagt er: sie wären erfüllt vor ihren Augen. Das war nur der Anfang der Rede, die er vor der Versammelung hielt, wovon uns aber die evangelischen | Erzählungen nichts anderes als den Anfang und das Ende aufbewahrt haben. Wie nun der Herr sagte: „heute ist die Schrift erfüllt vor Euren Ohren“, so kann er nichts anderes meinen, als daß sie durch ihn, durch seine Gegenwart erfüllt sey, daß jene herliche Verheißung durch ihn erst zu ihrer rechten Erfüllung gelangt sei; und so war der Verfolg seiner Rede nur eine weitere Ausführung dieses Anfangs, also ein Zeugniß, das er von sich selbst ablegte. Dies war aber nicht nur hier der Fall; sondern überall finden wir es, jemehr die Reden des Erlösers sich auf den Zweck seiner Sendung beziehen, desto mehr waren sie ein Zeugniß, das er von sich selbst ablegte. Darüber nun, daß dies zum Wesen der Lehre des Erlösers gehört, wollen wir itzt mit einander reden, und uns zwar erstens davon überzeugen, wie das nicht anders als so sein konnte; dann aber auch sehen, wie und warum das der Wahrheit und Wirksamkeit der Lehre des Erlösers keinen Abbruch thun konnte. | 19 und uns zwar] Kj und zwar uns 20–21 der Wahrheit und Wirksamkeit] Ergänzung von fremder, vermutlich Crayens, Hand 4–5 Vgl. die Predigt am 14. Januar 1827 über Lk 4,16–19 Jes 61,1–2.
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I. Es giebt bei dem großen Unterschiede unter den Menschen, indem in allen verschiedenen Verhältnissen des Lebens immer Viele an einige Wenige, sei es besonders Begabte, oder dazu Bestellte, gewiesen sind, giebt es besonders folgende Verhältnisse: einige sind Lehrer, andere Meister und Künstler, die solche Werke verfertigen, die den Andern nützlich und erfreulich sind, einige sind im Großen oder Kleinen solche, die ihnen Gesetze geben und ihr Leben ordnen; Alle die sind aber nicht in dem Fall, daß sie, um ihren Beruf zu erfüllen, ein Zeugniß von sich selbst abzulegen genöthigt wären; ein Lehrer, mag er aus dem Schatz seiner Erfahrung mittheilen, oder mag er auf die ursprüngliche Beschaffenheit der Dinge zurükgehn, er kann sich auf etwas anderes berufen; und wenn es etwas besonderes ist, so muß er tiefer zurükgehn in die innersten Gründe. Lehrt er aus der Natur und von ihren Gesetzen, so braucht | er sich nur zu berufen auf die eigene Einsicht derer, die ihn hören, denn er hat keinen andern Zweck [ ] jemehr ein solcher sich geltend machen will, desto eher entsteht ein Verdacht gegen ihn, weil das nicht zum Wesen der Sache gehört. So sehen wir den Erlöser, wenn er wirklich lehrt über Einzelnes in dem menschlichen Leben, und ihre Ansichten berichtigt, so legt er kein Zeugniß von sich ab, sondern er stellt das Eine dem Andern gegenüber, und überläßt es den Zuhörern, die Wahrheit seiner Behauptung zu erkennen. Aber wenn er einen Begriff der Gerechtigkeit aufstellte, der höher war als der der andern, wozu er eben ein solches Zeugniß von sich nicht bedurfte, so war es nicht das, worauf es ihm ankam, der Hauptzweck seines Lebens. Wenn nun solche, die Gott mit besondern Gaben ausgestattet hat, ihre Werke dem Nutzen und der Freude der Menschen widmen, so haben sie nicht nöthig, Zeugniß von sich abzu-| legen, und wenn ein solcher Meister, anstatt daß er seine Werke hinstellt, noch ein Zeugniß von sich ablegt, so wird er dadurch wenig für sich gewinnen, sondern nur, wegen seiner Eitelkeit, oder weil er sich geltend machen will, ein mitleidiges Lächeln erregen. Aber wie? gehört der Erlöser nicht auch unter diese? ist nicht sein Werk das größte, das jehmals auf dieser Erde zu Stande gekommen ist, die Gemeinschaft der Gläubigen, das Reich Gottes, durch die ewige Kraft der Liebe verbunden, und auf die ewige Wahrheit gegründet, giebt es etwas Größeres? Allerdings, aber als zu diesem Werk der erste Grund gelegt war, war der Erlöser schon entrückt, und konnte kein Zeugniß mehr von sich ablegen; damit aber dieses Werk zu Stande kam, bedurfte es etwas Anderen, die Seelen mußten ihm erst zugewandt werden, und hierzu bedurfte er etwas Anderen, was kein anderer bedarf. | Die Gesetzgeber sind es eben vermöge einer Macht, haben sie die durch den Willen der Menschen, so haben sie auch kein Zeugniß von sich 15 Zweck] folgt eine Lücke von knapp zwei Zeilen Anderm … Anderm
37–38 Anderen … Anderen]
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abzulegen, haben sie sie erlangt durch Umstände, oder ist es die natürliche Macht, die das Bewußtsein der Kraft und der helle Geist ausübt, nun so ist es die Menge, welche auch nicht im Stande ist, ein Zeugniß anzunehmen. Aber der Erlöser sollte kein Gesetzgeber sein, wir sollten kein Gesetz empfangen, das den Willen Gottes nur von Außen darstellt; das wäre nichts anderes als das Alte gewesen, Erkenntniß der Sünde; aber einen lebendigen Bau, einen geistigen Tempel wollte er bauen, darauf gegründet, daß der Wille Gottes in die Herzen der Menschen geschrieben war; und dazu mußte ihm die Macht gegeben sein, die er auch hatte, Allen das Recht der Kindschaft zu geben, die an ihn glauben. Weil es also auf diesen Glauben ankam, mußte er aufgenommen werden von den Menschen, und ein Zeugniß | von sich ablegen. Aber abgesehn von den menschlichen Dingen wird es uns auch deutlich werden, wenn wir auf den eigentlichen Beruf des Erlösers sehen; darin können uns die Worte des Propheten, von denen der Herr sagt, sie seien erfüllt vor ihren Ohren, am Besten zur Leitung dienen, indem sie uns auf ein anderes Wort des Erlösers hinweisen. Wenn es in der Weissagung heißt, daß die Blinden das Gesicht, die Tauben das Gehör erhalten, und die Gefangenen los sein sollten, was ist das anders als eine Befreiung des PgebundenenS, eine Erhöhung des halberstorbenen Lebens; so sagt er es, er sei das Leben, und er sei gekommen, und dazu berufen, das Leben mitzutheilen, und die Versündeten zu erlösen. Aber das Leben, um sich mitzutheilen, muß sich offenbaren, das geistige Leben hat aber keine andere Offenbarung als die Wahrheit, und so mußte denn der Erlöser, um das Leben mitzutheilen, auch reden von dem Leben, das | er in sich trug. In den Worten des Propheten fand er nun auch „und zu predigen das angenehme Jahr des Herrn“; das angenehme Jahr des Herrn in den Zeiten des alten Bundes war das, wo alles in dem Drange der Umstände veräußerte Eigenthum in die Hände des ursprünglichen Besitzers zurükgegeben werden mußte. Ja das ist die Erlösung durch den Herrn; ja er ist der Wiederhersteller des Verlorenen, durch ihn werden die Menschen wieder in den Besitz dessen gesetzt, was sie durch die Sünde verloren haben; darum sagt er, er sei der Weg, durch ihn würde die Wiederherstellung vollbracht, der Weg aber mußte sich zeigen, er mußte sagen, daß er der Herr sei, er mußte die Mühseligen und Beladenen zu sich einladen, er mußte verkünden, daß ihnen Alles durch ihn wiedergegeben würde, was sie bedurften. So konnte der Erlöser seinen eigentlichen Zweck, das göttliche Leben den Menschen | mitzutheilen in der neuen Ordnung der himmlischen Dinge in dem Bunde 19 PgebundenenS] oder PGebundenenS
35 konnte] kannte
6 Vgl. Röm 3,20 7–8 Vgl. Hebr 8,10 (darin Bezug auf Jer 31,33); ferner 2Kor 3,3 16–18 Vgl. Lk 4,18 (darin Jes 61,1) 20 Vgl. Joh 14,6 20–21 Vgl. vermutlich Joh 5,21.26 24 Vgl. Joh 5,26 25–26 Vgl. Lk 4,19 (darin Jes 61,2) 26– 29 Vgl. insgesamt Lev 25 31–32 Vgl. Joh 14,6 33–34 Vgl. Mt 11,28
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des Glaubens und der Liebe, ihnen zu dem zu verhelfen, was sie verloren hatten, den konnte er nicht anders erfüllen, als indem er ein Zeugniß ablegte von sich selbst. Wohl uns, wenn er der Weg und das Leben war, daß er auch die Wahrheit gewesen ist, die sich selbst verkündet, die von sich selbst nothwendig zeugt; denn wie unerkannt hätte er gewandelt vor den Menschen, und wie hätten sie darauf verfallen sollen, in ihm etwas höheres zu suchen, als die frühern Lehrer auch waren. Dies nun führt uns auf den zweiten Theil unserer Betrachtung:
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II. Wie nemlich das, weil der Erlöser nothwendig ein Zeugniß von sich ablegen mußte, damit die Menschen sich an ihn anschlössen und den Glauben und das Leben empfingen, weil zu diesem Beruf ein Zeugniß nothwendig war, das der Wahrheit | und Wirksamkeit seiner Lehre keinen Abbruch thun konnte. Als er auch einmal in diesem Sinne redete, so entgegnete ihm ein Theil seiner Zuhörer: „du zeugest von dir selbst, und dein Zeugniß ist nicht wahr“, er aber erwiederte: „so ich auch von mir selbst zeugen würde, so ist mein Zeugniß wahr, denn ich weiß, von wannen ich gekommen bin, und wohin ich gehe“. Wenn wir dieses Wort recht verstehen wollen, so müßen wir fragen, warum es nicht wahr sei und weshalb es für einen Grund der [ ] galt, wenn Verdacht darüber entsteht wenn einer ein Zeugniß ablegte von sich selbst. Zweierlei, entweder wir meinen, der Mensch kenne nichts weniger als sich selbst [ ] oder wir glauben, wenn einer ein Zeugniß von sich selbst ablegt, er suche dabei seinen eigenen Vortheil oder Ehre, und wir besorgen, daß es nicht die Wahrheit allein sey, um derentwillen er ein Zeugniß ablegt. Das ist es, was dem Zeugniß der Menschen von sich selbst Abbruch thut; je weniger aber das Lezte der | Fall ist, und das Erste in Anwendung kommt, lassen wir uns das Zeugniß der Menschen von sich gefallen. Und o wie viel besser würde es sein, wenn niemand von sich zeugte, um des besondern Vortheils willen, sondern nur wo es um des allgemeinen Zweckes willen nothwendig ist, wenn er so viel Zutrauen hätte, daß ihn nicht der Verdacht träfe, als kenne er sich selbst am Allerwenigsten. Der Erlöser sagt: „ich weiß, von wannen ich gekommen bin, und wohin ich gehe“; das, von wannen er kam, das machte seine eigenthümliche Würde aus, daß er als das Fleischgewordene Wort Gottes unter den Menschen wandelte, der Erlöser, der es allein wußte, das ist es, was er der Welt sagen mußte; das ist es, daß er sagt, er sei die Wahrheit; und wie Gott die Wahrheit 17 wahr] war 19 der] folgt eine Wortlücke; zu ergänzen wohl Unwahrheit 20 wenn Verdacht darüber entsteht] von fremder, vermutlich Crayens, Hand 22 selbst] folgt eine Lücke von gut einer Zeile 3–4 Vgl. Joh 14,6 34 Vgl. Joh 1,14
14–16 Vgl. Joh 8,12–13 36 Vgl. Joh 14,6
16–18 Joh 8,14
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war, so war das innerste Bewußtsein, daß in ihm die Fülle der Gottheit throne, die Ursach, daß er sich die Wahrheit nennen konnte; und weil er so die Wahrheit war, und nicht konnte verblendet sein, so konnte er mit Recht sagen mein Zeug|niß ist wahr, denn ich weiß, von wannen ich komme. Wenn ein Mensch in der Verblendung der Eitelkeit ein Zeugniß von sich selbst ablegt, so hat er doch etwas, was ihm entgegentritt, die Zukunft enthüllt Alles, und zerstreut den Nebel, der das Auge blendete und die wahre Gestalt des Menschen tritt vor Augen. Freilich also wer noch nicht weiß, von wannen er kommt, der lege kein Zeugniß von sich selbst ab; aber solch eine unerschütterliche Gewißheit, solche reine Wahrheit, wie in dem Erlöser, die kann nicht anders als ein Zeugniß ablegen von sich selbst; die Zukunft PbewießS es. Er sagt nun: „denn ich weiß, wohin ich gehe“, so stellt er uns eben in diesen Worten verbunden mit dem vorigen das Ende seines irdischen Daseins dar, denn er kam vom Vater und ging zurük zum Vater; und das Zurükgehen gehörte ebenso zu seinem Wesen als das Kommen, sein Dasein war nur von kurzer Dauer gewesen, aber dies war ihm immer lebendig gewesen, daß er vom Vater gekommen sei, und wieder zu ihm zurükgehe. | Weil es aber nicht seine eigene Sache war, weshalb er ein Zeugniß von sich selbst ablegte, sondern da für das arme Geschlecht des Menschen das Allergrößte ausgerichtet werden sollte, weil es seine Sache nicht war, so mußte er ein Zeugniß von sich ablegen, ob die Menschen es annehmen wollten, das hing davon ab, ob [ ] wahr war sein Zeugniß, denn er verkündigte nichts anderes als von wannen er komme und wohin er gehe; so verkündigte er den Willen Gottes, wie auch die Gesetzgeber in menschlichen Dingen nicht ihren, sondern Gottes Willen verkündigen, er aber bot den Glauben an, und dazu mußte er Zeugniß ablegen von sich selbst. Indem er nun sagt, wenn ich auch von mir selbst zeuge, so ist doch mein Zeugniß wahr, so erinnert er uns daran, daß er einmal sagt: „ich zeuge nicht allein von mir, sondern einer zeugt von mir, der größer ist denn Alle, der Vater im Himmel, der mich gesandt hat“; sein Zeugniß von sich selbst wird bestätigt durch das Zeugniß seines Vaters; und weil es nur ein Zeugniß | von seinem Vater war, so konnte es auch nicht anders als so sein; zeugte er von sich selbst, so zeugte er auch zugleich, daß er vom Vater gesandt sei, daß er und der Vater eins sey, so zeugte er also von und für den Vater, daß der ihn gesandt habe zum Heile der Welt. Aber eben weil das der ewige Rathschluß war, so konnte es nicht anders sein, der Vater mußte zeugen für den Sohn. Wenn wir hierbei denken an die Werke, an die wir auch natürlich 2 throne] vielleicht mit Kol 2,9 zu korrigieren in wohne 22 ob] folgt eine Lücke von fast zwei Zeilen
12 PbewießS] oder PbeweistS
1–2 Vgl. Kol 2,9 4 Vgl. Joh 8,14 12 Vgl. Joh 8,14 28–30 Vgl. Joh 5,31–32.36–37 in Verbindung mit 10,29 35 Vgl. Joh 3,17
27–28 Vgl. Joh 8,14 34 Vgl. Joh 10,30
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zunächst bei den Worten des Propheten denken, an das wunderthätige Werk der Wohlthätigkeit bei den äußern Leiden der Menschen, so war das doch nicht das größte; sondern das größte war das, wenn die Menschen seine Einladung annahmen, wenn sie sich sammelten unter dem Hirten, wenn sie sich auf den Weg begaben, der sich ihnen darbot, wenn sie annahmen das Leben, das mitzutheilen er gekommen war, so oft es einen gab, der sagte: „wir haben in ihm erkannt die Herlichkeit des eingeborenen | Sohnes vom Vater“; und „wir haben den gefunden, der uns genügt“; und: „noch keiner hat also geredet wie er“, so war das ein Werk, das der Vater ihm gegeben hat, das war das Zeugniß des Vaters; der Vater zeugt von dem Sohne, indem er die Menschen zu ihm zieht. Das war das lebendige Zeugniß, worauf er sich berufen konnte; und das eben darum wahr war, weil ihm dies Zeugniß des Vaters zur Seite ging; nach dem Maaße wie Gott Alles geordnet hat, langsam beginnend, wie es sich dann weiter verbreitet und erwächst zu dem lebendigen Tempel. Davon konnte der Erlöser getrost zeugen, weil das Zeugniß des Vaters vom Sohn ihn verherlichte in den Seelen der Menschen. Aber das hängt auch damit zusammen, daß sein Zeugniß zugleich eine erfreuliche Aufforderung an die Menschen war. Denn wie er gekommen war, das Leben zu bringen, so mußte er auch von dem Leben zeugen, es war fast ganz erstorben, nur eine Sehnsucht danach war noch übrig geblieben, die nur zu oft eine falsche Richtung genom|men hatte, warnen mußte er sie nun, daß sie sich zu nichts falschem verleiten ließen; in dieses Bedürfniß war er hinein getreten, und an dieses wendet er sich. Das Bewußtsein der Menschen, wie mühselig und beladen, wie blind sie sein, das war es, was seinem Zeugniß und dem Zeugniß seines Vaters Kraft gab in den Seelen der Menschen zu wirken; so ist durch das Zeugniß des Erlösers von sich selbst und das Zeugniß seines Vaters von ihm, das Werk der Erlösung zu Stande gekommen. Nachdem er nun seine Jünger ausgesendet hat, um dies Werk zu fördern, wie steht es um das Zeugniß vom Erlöser? ebenso, nur daß wir noch die Stufe hinzufügen müssen, die uns mit ihm verbindet, weil sein Zeugniß von sich auch zugleich das Zeugniß vom Vater war, so ist unser Zeugniß von uns auch nur wahr, insofern es auch ein Zeugniß von ihm ist. Wenn einer zu seinem Bruder sagte: „wir haben den Messias gefunden“, war das nicht ein Zeugniß von sich selbst, aber auch zugleich ein | Zeugniß daß er ihn gefunden habe? es war wahr, weil es auch ein Zeugniß vom Erlöser war; wenn Paulus sagt: [ ] legt er nicht ein Zeugniß ab, daß er den gefunden habe, der ihm genüge? Indem 36 sagt:] folgt eine Lücke von anderthalb Zeilen 7–8 Vgl. Joh 1,14 8 Vgl. vermutlich Joh 1,45 in Verbindung mit 14,8 9 Vgl. Joh 7,46 9–10 Vgl. Joh 5,36 11 Vgl. Joh 6,44 33–34 Joh 1,41 36– 37 Vgl. möglicherweise 2Kor 9,8; 12,9 oder Kol 2,3
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wir von dem Erlöser zeugen, zeugen wir auch von dem Vater, daß wir ihn in Christo gefunden haben, daß er sich durch ihn uns offenbart hat; und wie nun das Zeugniß des Erlösers von sich selbst wahr war, weil das Zeugniß des Vaters es begleitete, so soll es auch mit dem unsrigen sein. Ja zeuge nur jeder von sich selbst, doch nur wenn er auch vom Erlöser zeugt, o dann wird das Zeugniß des Erlösers auch das unsrige begleiten; das ist die Verheißung des Herrn, die er den Seinigen gegeben hat, Boten des Friedens zu sein, und hinzugehn in alle Welt, und zu taufen in seinem Namen, und dies Zeugniß ist auch angenommen worden. Und eben so noch immer, das Zeugniß des Glaubens, welches wir ablegen von dem Frieden, den wir im Erlöser gefunden haben, begleitet sich selbst; der Unter|schied leuchtet den Menschen nach dem Maaße der Sehnsucht ein zwischen dem Frieden Gottes, den das menschliche Herz in der Gemeinschaft mit dem Erlöser findet, und dem, was es ohne sie zu erlangen vermag; und indem dieser Unterschied einleuchtet, öffnet sich in ihnen das Verlangen, den Erlöser aufzunehmen. Das ist die schöne Kette, der Erlöser war gekommen, dies Zeugniß abzulegen von sich selbst, daß die Menschen an ihn glauben sollten, um ihnen den Willen Gottes zu verkünden, zurükgelassen hat er auch das den Seinigen, zu zeugen von ihm, so trägt das Zeugniß der Seinigen Frucht, daß die Menschen erkennen das Reich Gottes, daß hier das Leben und die Wahrheit ist. So entzündet ein Zeugniß das andere, und gesammelt werden sie zu ihm; alle haben dies Recht, von sich zu zeugen, wenn sie damit das Zeugniß von ihm verbinden. Wenn aber Alle dahin zurükkehren, wohin er zurükgekehrt ist, dann wird Alles vollendet sein, wenn auch das Wort erfüllt ist, das er gesagt hat, daß da, wo er ist, auch alle die sein, die der Vater ihm gegeben hat. Amen.
[Liederblatt vom 28. Januar 1827:] Am 4ten Sonntage nach Epiph. 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Jehovah ist mein Licht etc. [1.] Auf auf mein Geist! den Herrn der Welt zu loben / Bereite dich anizt und säume nicht, / Sei still und sanft und himmelwärts erhoben / Zu Gott des Herzens Trost und Zuversicht, / Er hat und kennet seines Gleichen nicht; / Es weichet alles seiner Majestät, / Vor der die Kreatur nur zitternd steht, / Dieweil er wohnt im unnahbaren Licht. // [2.] Ja er, der Lebensgrund von allen Dingen, / Er ist fürwahr ein unzugänglich Licht; / Doch könnt im Licht zu wandeln mir gelingen, / So deckte sich mir auf sein Angesicht. / Denn wie 8 Vgl. Mt 28,19
25–26 Vgl. Joh 17,24
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er ist und lebt im Licht allein: / So birgt er sich dem, der das Dunkel liebt, / Und liebet den, der sich dem Recht ergiebt, / Und gern verweilt in seiner Strahlen Schein. // [3.] O selig, wer also den Herrn erkennet, / Und kindlich Vater zu ihm sagen kann! / O selig, wen auch er den Seinen nennet, / Wen er als Kind des Hauses siehet an. / Mit Kindern geht kein Vater ins Gericht: / So hat auch er Geduld, übt Langmuth aus, / Und hat mit Seligkeit geschmückt sein Haus, / Wo Liebe herrscht, wo Gnade nie gebricht. // [4.] Drum auf! Ich will o Herr dich froh erheben, / Du hast auch mich dem Volke zugezählt, / Das du in Christo hast gebracht zum Leben / Und in dein Haus zu Kindern dir erwählt. / Jetzt zwar schau ich dich nur im Dämmrungslicht, / Doch kommt, ich weiß es, künftig noch der Tag, / Da ich dich ohne Decke schauen mag / Von Angesicht zu frohem Angesicht. // Nach dem Gebet. – Mel. Preis Lob Ehr Ruhm etc. [1.] Komm beuge dich mein Herz und Sinn / Vor Christi Throne tief darnieder! / Zu seinen Füßen sinke hin / Und bring ihm deines Dankes Lieder! / Erkenne, wie du selbst aus dir nichts bist, / Wie Gott in dir und Allen alles ist // [2.] Wo wär in dir ein Funken Kraft, / Wenn du sie nicht erlangt von oben? / Wer hat dir Fried und Ruh geschafft / Vor deiner Feinde List und Toben? / Wer bändigte des Bösen finstre Macht, / Wer hat die Wahrheit hell ans Licht gebracht? // [3.] Wer hat dich aus der Noth befreit, / Dein Leben der Gefahr entrissen? / Wer krönt dich mit Barmherzigkeit, / Und läßt dich seine Rechte wissen? / Ist er es nicht, der unerschöpfte Quell, / Der täglich noch auf uns fleußt rein und hell? // [4.] Ja, deine Hand hat uns gefaßt, / Und über all Verdienst und Hoffen, / Hinweggethan der Sünde Last, / Daß nun der Himmel uns steht offen. / Du machst das Herz von Furcht und Zweifel leer / Und selger Friede wallet um uns her. // [5.] Was zwischen uns sich drängen will, / Hat deine Kraft gar bald vernichtet; / Du hälst den Tempel rein und still, / Den du dir selbst in uns errichtet. / Ja fest bestehet deine Herrlichkeit, / Die dir in uns der Vater hat geweiht. // [6.] Du überschüttest uns mit Lieb / Und reinigst Herzen, Mund und Sinnen, / Daß wir aus deines Geistes Trieb / Dich immer lieber noch gewinnen. / Du drückst dem Geist der Reinheit Siegel auf, / Daß unbeflekt wir enden unsern Lauf. // [7.] So nimm dafür zum Opfer hin / Uns selbst mit allem, was wir haben, / Nimm Leib und Seel, nimm Herz und Sinn / Zum Opfer an statt andrer Gaben. / Bereite selbst dir aus der Schwachen Mund / Ein Lob, das deinen Namen mache kund! // Nach der Predigt. Gieb Herr uns Einen Sinn und Muth, / Halt deine Gläubgen fest zusammen, / Daß unser Herz voll heiliger Glut / Entbrenn in deiner Liebe Flammen. / Zu deinem Thron steigt unser Dank empor, / Bis würdger er erschallt im höhren Chor. //
Am 11. Februar 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Septuagesimae, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Mk 9,38–40 Nachschrift; SAr 116, S. 186–196; Sethe Keine Keine Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am Sonntage Septuagesimae d. 11. Februar 1827. Tex t. 5
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Ev. Markus 9, 38–40.
M. a. Fr. Wenn wir neulich mit einander davon geredet haben, daß des Erlösers ganzes Reden und Thun während seines öffentlichen Lebens auf der Erde nichts anderes sein konnte, als daß er ein Zeugniß ablegte von sich selbst; und uns dabei immer der Gedanke begleitete, was für eine schwierige Sache es sei, und [ ], d [ ] darauf verwiesen wäre, so wenig wir das Natürliche und Nothwendige der Sache leugnen konnten; so müßen wir doch damals schon gedacht haben, wie wird der Erlöser unter den Menschen aufgetreten sein, was hat er von ihnen verlangt, was für Forderungen hat er an sie gestellt? Wenn wir mit dieser Frage die ganze Geschichte des Erlösers betrachten, und uns die einzelnen Züge lebendig werden, so werden wir sagen müßen: es ist ein wunderbares Gemisch von Milde und Anspruchslosigkeit und von Strenge und Festigkeit; was das Lezte betrifft, so wollen wir es nächstens zum Gegenstand unserer Be|trachtung machen. Was wir aber eben mit einander gelesen haben, das wird uns Allen den Eindruk gegeben haben von der großen Milde und Anspruchslosigkeit, womit der Erlöser auftrat unter den Menschen. Darum laßt uns hiervon reden, indem wir zuerst unsere Aufmerksamkeit [darauf ] richten, wie sich diese Milde aussprach, dann zweitens darauf sehen, worauf sie denn beruhte. 8 und] folgt eine Lücke von fast einer Zeile
8 d] folgt eine Wortlücke
4–7 Vgl. die Predigt am 28. Januar 1827 über Lk 4,20–21 am 25. Februar 1827 über Lk 9,62
15–16 Vgl. die Predigt
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I. Wenn wir zuerst sehen, wie sich die Milde des Erlösers hier ausgesprochen hat, so finden wir einen sehr bestimmten Gegensatz gegen einen Eifer unter den Menschen; je wichtiger ihnen etwas ist, desto mehr stellen sie die Anforderung an Alle, daß es ihnen ein Gegenstand sei, bei dem keiner sich bedenken könne, jeden fordern sie auf mit ihnen Parthei zu nehmen, sie sagen: „wer nicht mit uns ist, der ist wieder uns“; und wer nicht für sie sammelt, der zerstreut. Ganz anders redet hier der Erlöser, er, welcher keineswegs denen gewährt hat, die nicht offenbar für ihn handelten, er der nicht gewährt hat denen, welche ihm nicht nachfolgten; | aber fragen wir: wollte er denn alle dem gelassen zusehen, was die Menschen thäten und nicht thäten? so müßen wir sagen: nein, sondern er sagt: es ist niemand, der eine That thue in meinem Namen, und möge bald übel von mir reden, so wollte er also dem gewährt haben, daß die Menschen übel von ihm redeten. Wie hat er gegen die gesprochen, die sich zu Richtern über sein Handeln aufwarfen [ ] denen ließ er es nicht ungeahndet hingehen, die verläumderisch von ihm redeten, daß er die Teufel austriebe durch den obersten der Teufel; sondern er züchtigte sie mit einer harten Rede; das war aber auch seine Grenze, wer nicht übel von ihm redete, dem wollte er auch nicht gewährt haben. Freilich das Gemüth der Menschen ist ein trotziges und verzagtes Ding und darinn liegt auch zugleich der Grund, daß es ein launiges ist, denn Trotz und Verzagtheit können nicht beisammen sein, bald ist das eine, bald das andere da. So sollte man denken: wenn einer im Augenblick nicht übel redete von ihm, wo war die Gewährleistung, daß er es nicht | bald thun würde, und wäre es also nicht besser gewesen, dem zuvorzukommen? wie nun der Erlöser auf solche mißliche Berechnungen sich nicht einließ, so finden wir doch das in seinem Betragen, er beruft sich darauf, daß in dem Menschen etwas sei, das ihn hindern würde, bald übel von ihm zu reden; das war dies, daß er sagte: sie mögten ihm nicht wehren, denn es sei niemand, der eine That thue in seinem Namen, und möge bald übel von ihm reden; denn der würde dadurch in einen Widerspruch gerathen gegen sich selbst, und um dessen Achtung würde es geschehen sein. Aber das finde nun keineswegs seine Anwendung auf die, welche böse Geister austrieben in seinem Namen; sondern der, der von der Kraft seiner Rede durchdrungen das Zeugniß von ihm ablegte: dieser lehrt nicht wie die andern Schriftgelehrten, der that eine That in seinem Namen; und die, welche sprachen: „wahrlich so hat PnunS noch keiner geredet, wie dieser 9 gewährt] vgl. oben Einleitung, Punkt II.3.J gut anderthalb Zeilen
16 aufwarfen] folgt eine Lücke von
7–8 Vgl. Mt 12,30 17–18 Vgl. Mt 9,34; 12,24; Mk 3,22; Lk 11,15 Jer 17,9 35–36 Vgl. Mt 7,29; Mk 1,22 37–1 Vgl. Joh 7,46
20–21 Vgl.
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Mensch“, und der, welcher seine wunderthätige Hülfe anstaunte und ausrief: „der Herr hat sein Volk heimgesucht“, die | thaten alle eine That in seinem Namen; und so waren dies die Eindrücke, welche die götliche Milde des Erlösers auf die Gemüther der Menschen machte; in Beziehung auf diese Alle würde er seinen Jüngern ebenso geantwortet haben: „wehret ihnen nicht, denn es kann nicht einer ein gutes Zeugniß ablegen, und doch übel reden von mir“. Und eben darauf nun, daß sich in allen Fällen die große Milde des Erlösers aussprach, darauf beruht jener allgemeine Ausdruck seiner Anspruchslosigkeit: „wer nicht wider uns ist, der ist für uns, ich brauche nur dem zu wehren, daß die Menschen wider mich sind, die das nicht thun, die sind für mich, und nur dem Einzigen habe ich zu wehren, daß die Menschen nicht übel reden von mir“. Wenn es allerdings ein entgegengeseztes Wort des Erlösers giebt, und er unter andern Umständen gerade dem entgegengesezt sagt: „wer nicht sammelt, der zerstreut“, so können wir ja nicht anders, als indem wir beides vereinen wollen, dieses aus jenem erklären; der Erlöser sagt: wer nicht so wider mich ist, daß er | übel redete von mir, der ist für mich wer aber auch nicht so für mich ist, daß er nicht im Stande wäre, übel zu reden von mir, der keine That thut in meinem Namen, der ist wider mich, und wenn er sammelt, so zerstreut er, und wird erfunden, daß sein Sammeln nicht dauert. Und dies bringt uns nun dem zweiten Theile unsrer Betrachtung näher, worauf die Milde und die Anspruchslosigkeit des Erlösers beruhte. II. Weswegen er damit zufrieden war, daß die Menschen nicht so wider ihn wären, daß sie übel von ihm redeten? Zweierlei werden wir finden, was die Ursach davon ist; das eine, was uns am Nächsten liegt, das sind die ungünstigen Erfahrungen, die der Erlöser gemacht hatte; das ist eine allgemeine Erfahrung, daß solche Verhältnisse so wirken. Der Mensch in dessen Geist sich überhaupt etwas regt, der tritt, wie er handeln will mit schönen und großen [ ] und glänzenden Erwartungen unter seines Gleichen auf; er meint, was ihm das Gemüth bewege, das sei so klar, daß er überall Hülfe finden müße; aber wenn er dann eintritt in | das Leben, und findet, wie die Menschen sich entschuldigen, dann mildern sich diese Ansprüche, und wie viele giebt es, die dem entsagen, und froh sind, wenn nur keiner übel von ihnen redet. Was nun hieran wahr und recht ist, das brauchte bei dem Erlöser nicht die Frucht der Erfahrung zu sein; sondern es war die Frucht davon: daß er nicht bedurfte, daß ihm einer sagte, was im Menschen sei, 30 großen] folgt eine Lücke von einer halben Zeile 2 Vgl. Lk 7,16 14 Vgl. Mt 12,30 32–33 Vgl. das Gleichnis vom großen Abendmahl Lk 14,16–24 37 Vgl. Joh 2,25
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so kannte er von Anfang an das menschliche Herz. Aber wenn wir uns das in einer menschlichen Seele fortschreitend denken, und der Mensch sich immer mehr in sich zurükzieht, so muß es ja bald um alle freudige Wirksamkeit geschehen sein. Darum wenn das das Uebele ist, je größer das ist, wozu der Mensch sich berufen fühlt, so wäre das das Uebelste gewesen, wenn der Erlöser keinen andern Grund gehabt hätte als diesen; aber es war das Bewußtsein seiner götlichen Kraft, des Werkes, das der Vater ihm gegeben hatte zu vollenden, in diesem Bewußtsein der götlichen Kraft, in diesem Bewußtsein, daß er das Heil der Welt in sich trage, konnte er so milde und anspruchs|los sein: Wer sich ihm offenbar entgegenstellte, dem mußte er Widerstand leisten; aber so wußte er: wenn meine Jünger dem nur wehren, der übel redet von mir, so ist es doch der von oben verheißene Segen, der das große Werk, das auch Anfangs noch so klein ist, fördert; und darum konnte der Herr in diesem Bewußtsein, daß er das Heil der Welt in sich trage, und im Vertrauen auf die ihm einwohnende göttliche Kraft so gegen die Menschen gestimmt sein. Und wenn wir nun in jener Milde und in diesem götlichen Vertrauen, was der Grund davon war, betrachten, können wir anders als mit den Jüngern sagen: „darum erscheint uns in ihm die Herlichkeit des eingeborenen Sohnes vom Vater, die Fülle der Gnade und Wahrheit“; das wußte er wohl, vergeblich konnte es nicht sein, daß er die Mühseligen und Beladenen zu sich einlud; er wußte, daß es nicht vergeblich sei, wenn er riefe: „wen da dürstet, der komme her, und schöpfe aus der Quelle des lebendigen Wassers“, denn er wußte, kosteten die Menschen nur einen Tropfen daraus, so müßten sie die Kraft fühlen, und endlich ausrufen: Herr, wo sollen wir hingehen, du allein hast Worte des ewigen | Lebens. Aber wie geht es zu, daß wir unter den Jüngern des Herrn, unter denen, die sich rühmten, ihm nachzufolgen, diese Milde so wenig finden, nicht etwa nur wie hier, wo sie einem wehren wollten, der böse Geister austrieb in seinem Namen, sondern jedes kleine Häuflein hat eine große Menge, der es währen mögte, aber die Jünger mögten wohl in ihrem falschen Wahne Feuer vom Himmel rufen, zu verzehren die, welche dem Herrn nicht nachfolgten und wie fern sind sie von der doch so zuversichtlichen götlichen Milde der Erlösers! Fragen wir nun, woran das liegen kann? fehlt es an dem ersten Grunde? fehlt es an der betrübenden Erfahrung, wie wenige es giebt, die mit ganzem Sinn dem Erlöser nachfolgen? Nein, sondern gerade die, die darüber klagen, daß das Häuflein so sehr klein ist, die sind es, die Allen wehren mögten; so muß es also wohl daran liegen, daß sie die rechte Zuversicht zu der götlichen Kraft des Erlösers nicht in sich tragen, so liegt es daran, daß sie nicht so, wie der Herr, dem Werke trauen, sondern wie die Kinder der Welt mit dem Vernichtungstriebe zu Werke gehen. Nein laßt uns, 7–8 Vgl. Joh 5,36 18–20 Vgl. Joh 1,14 in Verbindung mit 16.17 20–21 Vgl. Mt 11,28 22–23 Vgl. Joh 7,37–38 25 Vgl. Joh 6,68 30–32 Vgl. Lk 9,54
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indem wir dem Erlöser nachfolgen, auch in seine Fußstapfen treten, und laßt | uns uns nicht täuschen, daß wir das Werk des Herrn noch unter denselben Verhältnissen betreiben wie er. Da sagen nun freilich jene Eifrigen: ja der Erlöser hatte es zu thun mit solchen, die noch nicht an ihn glaubten. Aber wenn ihr glaubt, daß das Häuflein der Gläubigen so gering ist, so seht ihr doch die größte Menge derer, die ihr als Christen anseht, so handelt mit der selben Milde gegen sie! wie[,] thun sie nicht auch eine That in seinem Namen, wenn sie ihn nur zum Maaßstab menschlicher Tugenden nehmen? so wartet doch, bis der Saamen der götlichen Frucht in ihnen aufgeht, und wenn Euch einer übel zu reden dünkt, da redet er gegen das, was er für falsche Auffassung hält, ist es Irthum oder nicht, so ist doch dies Werk des Herrn auf Euerer Seite, das Heil ist nicht vergangen, die Gnade und Wahrheit wird sich nie verlieren; sie werden ihn oder Euch bald erkennen, geht nur nicht mit verkehrtem Eifer und Leidenschaft hinein. Ja dies wollen wir uns gesagt sein lassen, ihm nachfolgend werden wir unsere Seligkeit darinn finden, ihn genauer zu erkennen, | von seinem Geiste durchdrungen zu werden; aber laßt uns froh sein, daß wir unter solchen leben, die seinen Namen bekennen, und also auch eine That in seinem Namen thun, und die das, was durch seine Lehre gewirkt ist, nicht verkennen, sie sind nicht wider uns, und deshalb für uns, sie werden bald genöthigt werden Gutes von ihm zu reden, wenn wir nicht selbst den Weg der Liebe verlassen, und durch ein menschliches Wesen verleitet der göttlichen Wahrheit entgegentreten. So laßt uns denn dem nachfolgen, dessen Ruhm es war, daß er das zerknikte Rohr nicht zerbrach und das glimmende Docht nicht auslöschte. Amen.
[Liederblatt vom 11. Februar 1827:] Am Sonntage Septuagesimä 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Nun lob mein Seel etc. [1.] Man lobt dich in der Stille, / Du großer hocherhabner Gott; / Des Ruhmes ist die Fülle / Vor deinem Thron Herr Zebaoth! / Du bist doch, Herr, auf Erden / Der Frommen Zuversicht; / In Trübsal und Beschwerden / Läßt du die Deinen nicht. / Drum soll dich stündlich ehren / Mein Mund vor Jedermann, / Und deinen Ruhm vermehren, / So lang ich lallen kann. // [2.] Dein müsse stets sich freuen, / Wer deine Macht und Gnade kennt, / Dein Lob, o Gott, erneuen, / Wer dich in Christo Vater nennt! / Dein Name sei gepriesen, / Der große Wunder thut; / Du hast auch mir erwiesen, / Was mir ist nuz und 24–25 Vgl. Mt 12,20 (darin Jes 42,3)
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gut! / Nun das ist meine Freude / Zu hangen fest an dir, / Daß mich und dich nichts scheide, / So lang ich walle hier. // [3.] Herr du hast deinen Namen / Sehr herrlich in der Welt gemacht! / So oft die Schwachen kamen, / Hast du gar bald an sie gedacht. / Du hast mir Gnad’ erzeiget, / Herr wie vergelt’ ichs dir? / Ach bleibe mir geneiget, / Dein Segen ruh auf mir! / Den Kelch des Heils erheben / Will ich dann allezeit, / Dich preisen hier im Leben / Und dort in Ewigkeit. // Nach dem Gebet. – In eigner Melodie. [1.] Meinen Jesum laß ich nicht, / Was könnt’ ich wol bessres haben ? / Niemand kann mit Trost und Licht / So wie er die Seele laben; / Alles was mir Freude giebt / Hab ich weil mich Jesus liebt. // [2.] Er ist mein, und ich bin sein; / Liebe hat uns fest verbunden, / Gegen alle Seelenpein / Find ich Trost in seinen Wunden. / Auf ihn bau ich felsenfest, / Voller Hofnung die nicht läßt. // [3.] Ohne Jesum würde mir / Schon die Welt zur Hölle werden; / Mit ihm aber hab’ ich hier / Schon den Himmel auf der Erden. / Mangel kenn’ ich nicht und Noth; / Er speist mich mit Himmelsbrodt. // [4.] Eine Stunde, wo ich ihn / Suche recht ins Herz zu schließen, / Giebt den seligsten Gewinn, / Läßt mich wahre Lust genießen; / Ein zu ihm gewandter Blick / Bringt mir tausend Heil zurück. // [5.] Schickt der Vater Kreuz und Schmerz, / Jesus hilft sie selbst besiegen, / Spricht, o du zerschlagnes Herz, / Laß dir meine Gunst genügen. / Also stärkt er die Geduld / Durch Versichrung seiner Huld. // [6.] Niemals zeigt sich Unbestand, / Jesu, mir in deiner Gnade; / Du hältst mich in deiner Hand, / Daß nichts meiner Seele schade; / Und so geht die Prüfungsbahn / Immer sicher himmelan. // Nach der Predigt. – Mel. Wachet auf etc. Send’ uns zu in voller Klarheit, / O Gott dein Licht und deine Wahrheit, / Daß sie uns leiten überall! / Laß uns auf des Glaubens Schwingen / Zu jenen lichten Höhen dringen, / Zu der Verklärten Jubelhall. / Was wir in Christo flehn, / Das wirst du nicht verschmähn; / Ja, wir glaubens; einst führest du / Uns alle zu / Dem ewgen Reich und seiner Ruh. //
Am 18. Februar 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Sexagesimae, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 18,15–27 Nachschrift; SAr 116, S. 196–210; Sethe Keine Nachschrift; SAr 57, Bl. 74r–79v; Schirmer Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Frühpredigt am Sonntage Sexagesimae d. 18. Februar 1827. Tex t. 5
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M. a. Fr. als der Erlöser einmal zehn Aussätzige geheilt hatte, welche nur erst durch den reinigenden Ausspruch der Priester die Gewißheit dieser Wohlthat erfuhren, so kehrte nur einer zurük, um dem Herrn zu danken, und das war ein Samariter, und Christus wunderte sich, und sagte: ist denn nur Einer rein worden? So waren von den Jüngern des Erlösers auch nur zwei, die ihm nach|folgten, während die andern ihn verließen, und wir könnten wohl denken, daß der Erlöser, wenn er es bemerkt hätte, eine ähnliche Frage hätte thun können; aber es würde doch unbillig sein so zu urtheilen, denn der Erlöser hatte zu denen, die ihn suchten, um ihn vorzuführen, gesagt: sucht ihr mich, so lasset diese gehen, und hatte dadurch deutlich bekundet, daß sie sich nicht sollten verwickeln lassen in das, was ihm bevorstand, und darum dürfen wir nicht denken, daß es den andern Jüngern an Liebe und Theilnahme für ihn gefehlt habe – vielmehr könnten wir wünschen, es wäre nur Einer der Jünger ihm nachgefolgt, da das, daß der zweite mit hineinkam, solch unglüklich Ende für ihn nahm. Und so liegt uns wohl zuerst die Vergleichung dieser beiden Jünger ob bei der Betrachtung dieses Abschnittes. Johannes erzählt von einem Jünger und offenbar von sich, denn es ist nicht das erste Mal, daß er sich so bezeichnet, er wäre bekannt gewesen, in dem Hause des Hohenpriesters, und darum hatte er freilich eine besondere 19 Jünger] Jünger zuerst 4–8 Vgl. Lk 17,11–19
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Veranlassung mithineinzugehn, Petrus, bei dem das nicht | der Fall war, blieb draußen, als Johannes dies merkte, sprach er mit der Thürhüterinn, und ließ Petrum hinein. Beide also befinden sich in verschiedener Lage, und darauf müssen wir achten, um sie hier richtig zu beurtheilen. Johannes ging hinein als ein bekannter Mensch, der immer aus- und einging, und wir sehen aus dieser ganzen Erzählung, daß er das was er gethan hat, that in der frischen Freudigkeit des Glaubens, im frohen Muthe, da war nichts Niedergeschlagenes, er war nicht aus der gewöhnlichen Ruhe gebracht, er fühlte sich berufen, dem Herrn zu folgen, und weil er sich als ein Bekannter dahin begab, wo der Erlöser sich hingewendet hatte, so konnte er sich auch nicht enthalten, ein naher Zeuge zu sein von dem, was dem Herrn begegnen, und wie er sich dabei betragen würde, damit ihm auch hierinn die Herlichkeit, die immer von ihm ausging, erscheinen mögte; denn darauf allein war die Aufmerksamkeit dieses Jüngers, den der Herr lieb hatte, immer gerichtet. Wenn wir aber auf den Petrus sehen, so laßt uns dabei zuerst des Wortes des Apostels Paulus gedenken, daß denen, die den Herrn lieben, Alles zum Besten dienen müsse. Alles, dazu gehören auch die Schwach|heiten und Fehler unserer Brüder, auch die sollen uns zum Besten dienen; ist einer von dem Wege des Rechten gewichen, ist es einmal geschehen, nun so können die übrigen nichts anderes thun, als eine Lehre daran nehmen, und für den, der gefehlt hat, kann es keinen andern Trost geben, als den, daß er wirklich zur Lehre gereicht hat, sich und seinen Brüdern. Aber dabei laßt uns auch etwas anderes nicht übersehen, daß ebenso selten wie das Gute, das Einer thut, so auch die Fehler und Schwachheiten Einem allein angehören, sondern gewöhnlich haben mehrere Theil daran; und so mögte ich den andern Jünger des Herrn in dieser Sache nicht ganz entschuldigen. Er zog den Petrus mit hinein, aber in der frischen Freudigkeit seines Herzens, und der guten Zuversicht zu der Sache des Herrn, und in der brüderlichen Liebe zu seinem Mitgenossen scheint er nicht genug bedacht zu haben, wie sie sich beide in einer ganz verschiedenen Lage befänden. Er wußte wohl, daß ihm keine Versuchung daraus entstehen würde, weil er schon bekannt war mit der Art, wie es dort herging, und ihm also nichts Fremdes aufstoßen und ihn | verwirren konnte, er hätte aber auch bedenken sollen, daß Petrus sich in einem andern Falle befand, also nicht im Stande sein konnte, sich so frei zu bewegen. Daß Johannes auf sich selbst bedacht war, das sehen wir daraus, daß er nachher, als der Erlöser zum Kaiphas gebracht wurde, nicht mit hinein ging, welches wir daher wissen können, daß er, obgleich es das merkwürdigste jener Geschichte war, das Urtheil nicht erzählt, wie er denn immer nur das erzählt, wovon er Augenzeuge gewesen war. Nun also warum hat er den Petrus, der sich schon begnügt hatte, draußen stehn zu bleiben, um die Sache abzuwarten, mit 14 Vgl. Joh 13,23
16–17 Vgl. Röm 8,28
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hineingezogen? allerdings aus einer guten Meinung, er wollte ihn Theil nehmen lassen davon Zeuge zu sein, wovon er selbst es war, aber so wie er alle Umstände kannte, so hätte er sich bedenken sollen, ob es rathsam sei ihn mit hineinzuziehen; als es nun aber einmal geschehen war, so hätte er das Wort nehmen sollen, als die den Petrus verwirrende Frage an ihn geschah, ob er auch ein Jünger Jesu sei, denn von ihm selbst haben sie es gewiß Alle gewußt, da er bekannt | war im Hause des Hannas. So geschieht es, daß, indem einer sich selbst etwas auflegt und sich zutraut, wozu er eigentlich keinen Beruf hat, sondern wo ihn andere hinein ziehen, wozu aber seine Kraft nicht hinreicht, eben weil er das lebendige Gefühl des Berufs dazu nicht hat, daß solche Fehler entstehn wie hier, und die dann immer weiter führen. Wie nun Petrus einmal gesagt hatte, er sei nicht ein Jünger Christi, was blieb ihm nun übrig, als nun auch nicht so theilzunehmen wie Johannes an dem, was vorging, weil er sich dadurch würde widersprochen haben; Johannes ging weiter hinein, war ganz unmittelbar Zeuge von Allem, Petrus aber blieb zurük, und hörte nicht mehr, als wenn er draußen wäre stehn geblieben, er war aber nun noch dazu den neugierigen Fragen in jedem Augenblicke ausgesetzt, und so geschah es und war nicht anders möglich als daß er die einmal ausgesprochene Unwahrheit wiederholte, und als einer kam, ein Gefreundeter des, an dem er seinen Eifer ausgelassen hatte, und fragte: hab ich dich nicht im Garten bei ihm gesehn? so antwortete | „ich bin es nicht.“ Wir fragen nun, wie verhält es sich um dieses Vergehn des Petrus, und wie bedeutend haben wir es anzusehn? Nicht als ob wir ihn rechtfertigen wollten, größer dürfen wir es uns aber nicht denken, als es ist. Indem Petrus dies sagte, hat er da den Erlöser in sich selbst verleugnet? ist in diesem Augenblick Liebe und Glaube weniger stark gewesen als vorher? Nein, sondern er konnte sich, als ihn der Herr nachher fragte, ob er ihn lieb habe, getrost darauf berufen, daß er nie aufgehört habe, ihn zu lieben. Und eben so wenig können wir ihm wohl Schuld geben, der Feigherzigkeit? auch darin würden wir ihm Unrecht thun, denn er hatte keine Furcht bewiesen, als er allein im Garten das Schwerdt zog um Widerstand zu leisten, und das daß es eine große Anzahl Bewaffneter war gegen das kleine Häuflein, dämpfte seinen Muth nicht, also an der Kraft, mit der der Mensch der Gefahr entgegengeht, hat es ihm nicht gefehlt. Hier war aber auch keine Gefahr, sondern nur eine Störung zu befürchten, und er wollte nicht gestört sein in dem, wozu er gekommen war, er war in gespannter Aufmerksamkeit, um doch wo mög|lich etwas zu vernehmen, und suchte deshalb auf die kürzeste, leichteste Art von den neugierigen Fragen loszukommen; und können wir sagen, er habe gegen diese Menschen, die doch eigentlich gar keinen Beruf hatten, ihn zu fragen, eine bestimmte Pflicht verletzt? nein; aber wenn wir fragen, war sein Betragen 27–29 Vgl. Joh 21,15–17
31–32 Vgl. Joh 18,10
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eines Jüngers des Herrn würdig? so müssen wir freilich nein sagen; und wir fragen nun weiter, müssen wir es als einen Fall ansehn? ja wohl, aber nicht als Abfall vom Herrn, es war kein Abfall von seiner Verbindung mit dem Herrn, es war auch kein Abfall von dem Gesetze der Ordnung der Menschen untereinander, wohl aber war es etwas, dessen er sich zu schämen hatte, weil es dem Menschen natürlich sein soll von Allem, worüber er gefragt wird, so zu sagen, wie es wirklich ist, und eine Unwahrheit zum Schilde zu nehmen gegen irgend etwas, das ist etwas nicht zu billigendes; nur ein wahres Geheimniß dürfen wir verbergen, wenn die, welche uns darüber fragen, nicht dazu berechtiget sind. In diesem Falle befand sich Petrus nicht, sondern er hätte sich ohne Rückhalt als | einen Jünger des Herrn bekennen können, wie es Johannes that, aber er war aus der ruhigen Fassung seines Gemüthes gebracht, und er hätte, da er doch seine Gemüthsruhe, und gewöhnliche Fassung nicht behaupten konnte, lieber draußen bleiben, und dem Johannes nicht folgen sollen, und er würde so einer warnenden Stimme gefolgt sein, die ihm im Innern gewiß nicht gefehlt haben wird. So sehen wir denn, der Unterschied zwischen Johannes und Petrus ist sehr gering, wir können ihnen gleiche Liebe und gleichen Glauben nicht absprechen, und was den Muth betrifft, so hatte Petrus dessen mehr bewiesen als Johannes, indem er sich dahinein wagte, wo er fremd war. Der Unterschied war also der, daß Johannes, weil er seinem Berufe folgte, auch nichts that, wobei er einen Grund hatte, sich zu bedenken, Petrus sich aber hätte warnen müssen, weil ihm da Alles fremd war, und er nicht wußte, was ihm begegnen konnte, und daß er, ohne einen bestimmten Beruf dazu zu haben, sich dahin nie begab, denn, was dem Erlöser begegnete, hätte er doch durch Johannes erfahren können. Was wir ihm | also vorzuwerfen haben, ist das, daß es ihm an der rechten Weisheit und Scheu fehlte, weshalb ihn, als er hineintrat, eine Verwirrung befiel, und einmal in Verwirrung gefallen, konnte er das Rechte nicht treffen für sein Benehmen. Und gewiß werden wir sagen müssen, überall wo das dem Menschen begegnet, daß ihm Unerwartetes aufstößt, so ist es nur das Gefühl des Berufs, was ihn stärken kann, den rechten Weg zu verfolgen, und in der Freudigkeit des Glaubens wird er dann gewiß das Rechte treffen; kann er sich aber eines Vorwitzes Schuld geben, so kann er einem Falle schwerlich entgehn, weil es Stolz ist, was ihn trieb, wenn es auch umgekehrt erscheint, oder Unbedachtsamkeit; wer aber das lebendige Gefühl des Berufenseins hat, und eben deswegen nicht in seinem, sondern im Berufe des Herrn ist, dem kann es an der rechten Kraft die dies Bewußtsein giebt, nicht fehlen. Das sehen wir nicht deutlicher als an dem Erlöser in diesem Augenblicke, wo er vor Hannas stand. Wir müssen dabei nicht vergessen, was Johannes vorher sagt, daß Kaiphas des Jahres erster Hoherpriester war, und nicht | Hannas; 41 Vgl. Joh 18,13
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warum der Erlöser zum letztern geführt worden war, wissen wir nicht, wahrscheinlich darum war er vorläufig dahingebracht worden, weil in dem Augenblicke in der Sache durch das, was Hannas that, nichts geschehn konnte. Es hatte sich nun zwischen Hannas und Christo ein Gespräch angeknüpft, welches wie jedes andere anzusehen war, d. h. es war kein förmliches gesetzliches Verhör. Nun erzählt uns Johannes, Hannas habe Jesum gefragt um seine Jünger und seine Lehre, und wenn wir die Antwort des Herrn betrachten, so müssen wir sagen, es ist eine ausweichende gewesen; aber warum? der Grund liegt in dem, was ich eben als die Lage der Sache auseinandergesetzt habe. Hannas war freilich ein Mitglied des hohen Raths, aber hier war er als ein Einzelner, und als solcher hatte er kein Recht, so zu fragen, und der Erlöser war ihm nichts mehr zu antworten schuldig, als jedem andern. Nun kömmt aber auch das hinzu, daß er gefangen genommen war, und deshalb hatte er vollkommen Recht, dem Hannas so auf seine Frage zu antworten: „nun sind wir nicht mehr in solchem Verhältniß, daß ihr mich allein fragen könnt, denn indem ihr mich als einen Beschuldigten betrachtet, so | habt ihr Euch nicht mehr an mich zu wenden, ihr habt Zeugen zu befragen, und dann kann erst die ordentliche Untersuchung und Beweisführung angehn.“ Denn Hannas hatte das Gespräch angeknüpft entweder aus Neugierde, oder um zu suchen, ob er auf diese Weise etwas finden könnte, was er hernach gegen ihn anführen könnte; und in dieser Beziehung hatte sich der Erlöser vor ihm zu hüten, er that also nichts anderes, als daß er der großen Regel der Weisheit folgte, nicht mehr zu thun als nothwendig war; und die erforderte nicht, daß er sich mit einem Einzelnen in Rede und Antwort einließ, denn bald sollte er vor den ganzen hohen Rath gestellt werden; wo nun das geschah, daß die dazu verordneten Glieder in amtlicher Verrichtung mit ihren Fragen sich an ihn wandten, da hat es ihm nicht an der der Obrigkeit gebührenden Achtung gefehlt, nicht an Muth, um Rechenschaft zu geben von seiner Lehre, und zu sagen, was er sei; auf diese Frage hat er mit der einfachen Wahrheit geantwortet, daß er Christus sei; weil er | das nun am rechten Ort und im rechten Augenblick mit Muth beantwortete, was die Entscheidung herbeiführte, hier aber nicht die rechte Wirkung gethan hätte, darum hatte er das Recht, hier ableitend zu antworten. Als aber der Diener Einer sich das herausnahm, ihn zur Rede zu stellen über seine Antwort vor dem Hohenpriester, so sehen wir, wie der Erlöser in vollem Bewußtsein des Rechts handelte, indem er sagte: habe ich übel geredet, so beweise es, daß es böse sei, habe ich aber recht gehandelt, was schlägst du mich? und dadurch deutlich zu erkennen gab, wie wenig er 1 letztern] letztern,
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sich aus solchen unbefugten Mißhandlungen mache, und daß es überall nur darauf ankomme, daß ihm bewiesen werde, daß er Unrecht habe, und daß von nun an nur die Wahrheit entscheiden könne. Und das ist der Punkt, auf welchen sich seine Jünger und Gläubigen immer gehalten haben; und so muß es uns werth sein, daß Glaube und Liebe den Johannes trieb, mit in das Haus zu gehn, denn sonst hätten wir dies Gespräch des Herrn nicht erfahren. | Der Mensch, der aus der Wahrheit ist, wird keine andre Kraft anerkennen, als die der Wahrheit, wenn ihm Unrecht zur Last gelegt wird, will er nur aus der Wahrheit überwiesen werden, und anders muß es gar nicht als entscheidend anerkannt werden. So hat der Erlöser gehandelt, und so müssen wir es wissen, daß, indem er sagt, daß sein Reich nicht von dieser Welt sei, seine Meinung die sei, daß weil sein Reich ein geistiges sei, es immer mit geistigen Waffen verfochten werden soll, und nichts anderes als die Wahrheit der Sieg sei; denn das ist der Sinn dessen, was er zu dem Knecht sagt: du hast nichts damit bewiesen, daß du mich schlägst ob ich wohl rede oder Unrecht habe. Es war ihm aber auch nichts zu beweisen, denn kein Recht hatte der Erlöser verletzt, und so sicher war seine Antwort der Frage angemessen, als die Frage nicht angemessen dem Recht; und so stand er denn in dem innerlichsten Sinne als Sieger dar, wie es auch äußerlich anders erscheinen mogte! Und so hatte Johannes denn den Lohn der Freudigkeit seines Berufs davon getragen, indem er Zeuge | war von dem Siege der Kraft der Wahrheit. Die Herlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater, die ihm überall eingeleuchtet hatte, die erblickte er auch hier in dem muthigen, einfachen und würdigen Benehmen des Erlösers. Möge das ein Beispiel sein für Alle, die einen Streit in den Angelegenheiten des Glaubens zu kämpfen haben gegen äußere Gewalt, und so, indem sie allen menschlichen Verhältnissen recht werden, dem Beispiele des Erlösers folgen, der das Licht und die Wahrheit für Alle ist ihm, durch den der Sieg der göttlichen Wahrheit bewiesen ist, und es feststeht, daß die Pforten der Hölle nicht stark genug sind, um das Reich, das er gestiftet hat, zu überwältigen. Amen.
8 Vgl. Joh 18,37 12–13 Vgl. Joh 18,36 14 Vgl. Eph 6,13–17 Joh 1,14 28–29 Vgl. Joh 14,6 30–31 Vgl. Mt 16,18
23 Vgl.
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Am 25. Februar 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Estomihi, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Lk 9,62 Nachschrift; SAr 116, S. 210–222; Sethe Keine Keine Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am Sonntage Estomihi, den 25. Februar 1827. Tex t. 5
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Ev. Lucae 9, 62.
M. a. Fr., wenn ich neulich sagte, daß so milde der Erlöser in seinen Ansprüchen an die Menschen sei, so streng sei er auch wieder in seinen Forderungen auf der andern Seite, wenn die Rede sei von denen, die sich in eine | enge lebendige Verbindung mit ihm gesetzt haben, so brauchen wir nicht den Sinn der verlesenen Worte erforscht zu haben, um zu sagen, das ist eine so strenge Forderung des Herrn: „wer seine Hand an den Pflug legt, und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reiche Gottes.“ Nicht einmal begnügt er sich damit, daß er jede andere Thätigkeit dessen verwirft, der einmal Hand gelegt hat an sein Werk, sondern auch nicht das geistige Auge soll umherschauen anderwärts, es soll nicht auf das, was ihm lieb ist, sehn, es soll durch nichts anderes gelockt werden, nur grade gerichtet sein auf das eine Werk und sonst nichts. So ist es! wohlann, wenn uns das freilich streng erscheint, und die menschlichen Kräfte übersteigend, so laßt uns die Sache aus einem zweifachen Gesichtspunkte betrachten; erstlich insofern es ein Recht des Erlösers ist, das zu fordern, auf der andern Seite, daß es unsere Pflicht sei, diese Forderung zu erfüllen, und aus beiden zusammen laßt uns dann den Ueberschlag machen, ob wir das Gebäude hinaus führen können. | I. Das ist gewiß, wenn es ein Recht des Erlösers ist, das zu fordern, so ist es ein ganz einziges Recht, und es ergeht nie ähnlicher Anspruch, wir mögen auf das Engste oder Weiteste sehen. Wenn sich zwei verbinden durch die 4–7 Vgl. die Predigt am 11. Februar 1827 über Mk 9,38–40
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innigste Liebe, kraft deren sie ein Haus bauen wollen, das eine Pflanzstadt des göttlichen Worts sein soll, und wir finden, daß einer an den andern die Ansprüche macht, daß das Tichten und Trachten des Einen nur auf den andern gerichtet sein soll, o so bedauern wir einen leidenschaftlichen Wahn, und hoffen, es werde nicht lange so dauern, und das verderbte Gemüth zurückgeführt werden zur bessern Einsicht. Wenn sich einer irgend einen Beruf gewählt hat, und ist von der Vortrefflichkeit desselben so ergriffen, daß er meint, für etwas Anderes habe er gar keinen Sinn, so bedauern wir die Einseitigkeit dieses Menschen, und seine Verblendung, mit welcher er die gerechten Ansprüche übersieht, welche an ihn gemacht werden. Wenn beides zusammenkommt, | und das Haus ist gebaut, so bezieht sich beides auf einander. Der Mann ist auf seinen Beruf ganz gerichtet; aber eben deswegen muß er das thun, was seines Amtes ist in der Gesellschaft; und jemehr beides einerlei ist, desto mehr Befriedigung der Gemüther sehen wir. Es ertönt aber ein größerer Ruf von der Gesellschaft aus; und sollte es nicht eine gerechte Forderung sein, wenn das Vaterland in bedrängten Zeiten verlangt, daß jeder seinen Beruf, Weib und Kind hinten ansetzt, um es zu vertheidigen; wenn der Mensch in diesem Gebiete lebt, wohlann das Vaterland will, daß jeder seinen Beruf erfülle, und so konnte freilich dies die Forderung machen, welche ihm in seiner Verbindung mit ihm zukommt. Alle? nein! wie sollten die Menschen auf den Punkt gekommen sein, auf dem sie jetzt sind, wenn es nicht eine Stimme im Innern gäbe, welche ihn auch außerhalb des Vaterlandes hinruft, daß er nicht blos diesem, sondern auch der ganzen Menschheit angehört, und die auch Ansprüche an ihn macht, welche das Vaterland | anerkennen muß. So sehen wir, daß nichts Menschliches im Stande ist, solche ausschließliche Ansprüche an den Menschen zu machen; wenn wir uns aber ein Gemüth denken in diesem Zustand auf einen Gegenstand gerichtet, und alle andern Forderungen an dasselbe würden abgewiesen, und wir wollten zu ihm treten und sagen: indem du dich mit diesem irdischen Beruf beschäftigst, willst du nicht dein Auge aufwärts richten zum Himmel? soll der keine gerechten Ansprüche an dich machen? Das wird keiner leugnen, und daraus sehen wir, es ist dem Menschen natürlich, daß das Bewußtsein dessen, was der Ewige von uns zu fordern hat, mit aller menschlichen Thätigkeit verbunden ist; eben deswegen weil wir Gott an seinen Werken wahrnehmen in und außer uns, so ist auch beides unzertrennlich. Wenn wir das heilige große Wort eines Reichs Gottes aussprechen, o so können wir wohl nicht leugnen, daß dies alles Andere in sich schließt; so kann dieses solche Ansprüche machen, und der Wille Gottes und Christi an uns und das Reich Gottes, und das Reich 21 Alle] scilicet Alle Forderungen 35 Vgl. Röm 1,20
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Christi, denn | beides ist für uns ein und dasselbe; und darum können wir es nicht leugnen, der Herr hat ein Recht, solche Ansprüche zu machen; eben weil die Liebe zu ihm auch die Liebe zum ganzen Geschlecht ist, das zu erlösen er gekommen ist, weil die Liebe sich soll offenbaren in der Liebe zu Allen, die sein Reich bilden; so kann er verlangen, daß, wer dem Reiche Gottes angehören will, auf nichts anderes sehen soll, als sein Reich zu fördern. Alle jene Ansprüche vereinigen sich darinn; unser menschliches Vaterland ist ein christliches Land, jedes Haus, und jedes würdige menschliche Streben können wir betreiben in Beziehung auf sein Reich, und Alles hierinn zu vereinigen, dies ist die Furche, die jeder zu ziehen hat; weil er dann Alles findet, worinn er der göttlichen Stimme Genüge thun kann, weil, wollte er dann rückwärts schauen, dann freilich, PwennS uns irgend jemand eine Liebe abforderte, welche im Widerspruch steht mit der Liebe zum Erlöser, ja dann tönt auch uns jenes strenge Wort: „wer Vater und Mutter nicht verläßt und folgt mir nach, der ist mein nicht werth“. Das ist die große Schei|dung, welche der Erlöser macht, wer so die Hand an den Pflug gelegt hat, der soll ganz sein sein; und wer zu dem Entschlusse noch nicht gekommen ist, den erkannte er als den wider ihn. Das ist die Wahl, welche er uns anheim stellt, wollen wir PfremdS sein, und jenes milde Wort anwenden, oder ihm angehören, und jenes strenge Wort. So laßt uns nun zweitens überlegen, ob das eine harte Rede sei, und ob ganz und gar, oder in wie fern es unsere Pflicht sein müsse, diesen Forderungen des Herrn zu folgen. II. Was wollen wir anders thun, als der menschlichen Schwachheit alles Recht angedeihen zu lassen, wenn sie verlangt, daß wir ihre Entschuldigung hören; so hören wir sehr oft, daß solche Worte des Herrn von einigen Christen so ausgelegt werden, um das Harte davon zu entfernen, und es jener Milde näher zu bringen. Der Herr sagt, so sagen einige, wenn er spricht: „wer seine Hand an den Pflug legt, und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reiche Gottes“, das thut der Arbeiter an jedem Tage für sein Tagewerk, und er freut sich der vollbrachten Arbeit, und genießt dessen in Ruhe, durch das, was anders ist als | seine Arbeit, so sei es das natürliche Gesetz des Eifers im Werke des Herrn, daß, so lange wir in demselben begriffen sind, wir auf nichts anderes zu sehen haben als darauf, aber wie das ganze Leben ein Wechsel von Arbeit und Genuß sei, so wäre es natürlich, daß, wenn der Mensch sein Werk vollbracht hat, er etwas anderes aufsuche, und sich dem Lebensgenusse hingebe. Wohlan so wollen wir zugeben, es möge so sein, wir wollen uns nur dieses Gesetz auflegen für jedes Werk des Herrn! wie 14–15 Vgl. Mt 10,37 in Verbindung mit 19,29; ferner Mk 10,29–30 17–18 Vgl. Mk 9,40 und die Predigt am 11. Februar 1827 über Mk 9,38–40, bes. oben S. 623,7–20 21 Vgl. Joh 6,60
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kommen wir aber dazu, das einzelne zu erkennen? gelangen wir dazu anders in der Stunde des Lebensgenusses als der Arbeit? oder wollen wir nur solche sein, denen das anbefolen wurde? nicht aus der Freudigkeit des Herzens, die sie selbst nicht wahrgenommen haben; so wenig werden wir uns selbst nicht achten wollen. Werden wir das nicht leugnen können? nur indem wir beständig auf das eine gerichtet sind, und immer das Reich Gottes im Auge haben, wird uns die rechte Erkenntniß davon kommen, was wir zu thun haben im Reiche Gottes. Indem wir dies zugeben, und auch nicht leugnen können, daß jemehr wir unser Auge in der Stunde der Ruhe | umherschweifen lassen, und versäumen auf das Eine zu sehen, desto dürftiger unser Tagewerk sein wird. Ei! sollten wir das Wort vergessen: „die Erndte ist groß, und der Arbeiter sind wenige“; das sollten wir bitten dürfen, wenn wir selbst träge, und lässige Arbeiter sind, und nicht sehen auf das, was uns obliegt? Seht da! so können wir nicht anders als in einen Widerspruch gerathen, wenn wir den Worten des Herrn eine so enge Ausdehnung geben. Andere sagen, der Herr sage das im Zusammenhange seiner Rede zu Einem, der ihm auf seiner Reise folgen wollte, also von denen, die sich dem Dienst des Herrn besonders begeben haben, d. h. der Verpflichtung, auf nichts anderes zu sehn, als das Reich Gottes. Aber das gälte doch nicht von Allen, das Reich Gottes sei doch nicht so beschränkt, und bestehe nicht allein aus diesen, und von Anfang an habe solch ein Unterschied bestanden. O! daß das nur keine gefährliche Trennung ist! wenn wir zwar dem Reiche des Herrn angehören, aber nicht seine Diener sein wollen, was wollen wir denn von ihm haben? fühlen wir uns erquickt? werden wir die wahre Freiheit haben können, ohne daß ihm unser ganzes Leben mit allen Kräften | gewidmet sei? Was sagt der Herr: Das Reich Gottes besteht nicht in Essen und Trinken, auch nicht einmal im geistigen Genuß, denn das läßt sich nicht vereinigen, sondern in der Gerechtigkeit. Giebt es aber eine andere Gerechtigkeit, als sich dem hinzugeben, was Gott ihm gegeben hat, den Menschen zu offenbaren; und was wäre die Freude im heiligen Geist, wenn es nicht wäre eine Freude an seiner Wirksamkeit in den Gemüthern, die ihn erkennen? und wie sollten wir auch den Geist Gottes erkennen können, wenn wir uns nicht desselben bewußt wären? Nein! einen solchen Unterschied kann es nie gegeben haben, dabei könnte sein Reich nicht bestehn; wenn wir dem Herrn folgen, ja dann gilt es auch, nirgend anders hinzusehn, und eben deswegen dürfen wir auch nicht verkennen, dieses Wort des 12 wenige“] Kj nach Lk 10,2 wenige. Bittet den Herrn der Erndte, daß er Arbeiter aussende in seine Erndte“ 26 Herr] vielleicht zu korrigieren in Apostel (vgl. den Sachapparat) 11–12 Vgl. Lk 10,2; ferner Mt 9,37–38 26–28 Die Formulierung stammt von Paulus (vgl. Röm 14,17); als Ausspruch Jesu kommt dem am nächsten Mt 6,25 in Verbindung mit 33 (ferner Lk 12,23 in Verbindung mit 31). 30 Vgl. Röm 14,17
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Herrn ist nichts als das Wort der Berufung, es ergeht an keinen als an den, der des Verhältnisses des Erlösers in seiner Seele inne geworden ist, und eben deswegen ist es leicht; Alle werden auf gleiche Weise berufen, es ist der eine Geist, der bewirkt, daß | wir auf solche Weise Hand an den Pflug legen, es ist aber ein anderes Feld, auf das jeder gestellt ist, keiner kann anders in dem Reiche des Herrn leben, als unter dem großen Gesetze des Herrn. Ist dies das Wort unserer Berufung, wozu sind wir anders berufen, als zur Erwerbung der Seligkeit, und was wäre die Seligkeit, wenn nicht Pflicht und Seligkeit eins wären? wäre die Einheit mit Gott in ihm hergestellt? nein! Und denken wir uns einen Menschen, welcher umherschaut, jeder umherschweifende Blick, jede Theilung des Herzens, giebt uns das nicht ein Zeugniß von der Unsicherheit, ist es nicht eine innere Neigung, welche ihn bestimmt, welche sein Auge richtet, so wenn wir alles, was wir thun, nur thun im Reiche Gottes, so wenn wir nur mit ihm leben, so kann es für uns keine Lust, kein Verlangen in uns geben, als in der Uebereinstimmung mit dem Einen, worauf unser ganzes Wesen gerichtet ist. Aber sollen wir es anhören, wenn die | menschliche Schwachheit sagt: „so bleibt es, daß das Leben durch Christum ist ein Leben der Entsagung; so mögen wir unser Auge verschließen für dies und jenes“; wer so spricht, der glaubt nicht, daß darinn die Seligkeit ist, der glaubt etwas zu vermissen, zu entbehren; aber das hat der Herr nicht gewollt, wenn er die Menschen zu sich ruft, und sie einladet zu dem lebendigen Wasser, das keinen Durst mehr übrig läßt, doch, sagen jene, das ist auch keine Seligkeit, und das, was wir auf solche Weise genießen, und dabei doch nicht des Herrn froh werden, das können nur scheinbare Genüsse und Freuden sein. Wer aber so das Auge umherwirft, scheint nur den Thieren der Erde gleich zu sein, und kein sehendes Auge zu haben, was diese empfinden, es sind die innern Erschütterungen und Störungen eines gehemmten Organs. So ist der Mensch, der gläubig die Hand an den Pflug gelegt hat, was sieht er anders als den Wahn der Menschen, die die Wahrheit nicht erkannt haben. Wohlann so bleibt | es dabei: „Wer seine Hand an den Pflug gelegt hat, und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reiche Gottes“; was aber wollen wir sagen, daß uns Alle trifft, wenn wir ungeschickt sind? wohlann der Herr wird uns geschickt machen, wenn wir ihm nur unsere Ungeschicktheit klagen; denn wissen wir nicht, daß eine unerschöpfliche Quelle von Genuß und Seligkeit in ihm ist? wissen wir nicht, daß, wenn unser Auge nur auf ihn gerichtet ist, daß wir dann auch von seinem Bilde erfüllt sind? wissen wir nicht, daß alle Befriedigung dieses Lebens nichts ist gegen jene Freude im heiligen Geist? Je mehr wir uns an dies gewöhnen, und es zu schätzen wissen, um desto weniger 32–33 daß … trifft, wenn … sind] Kj wenn … trifft, daß … sind 22–23 Vgl. Joh 4,14
38 Vgl. Röm 14,17
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werden wir noch um uns schauen, und um desto mehr werden wir vergessen, was dahinten ist; so wird er es thun, der uns gerufen hat, so wird er, der in uns das Wollen gewirkt hat, auch das Vollbringen geben. Amen.
[Liederblatt vom 25. Februar 1827:] Am Sonntage Estomihi 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Jesu der du meine etc. [1.] Möchten wir aus Gott gebohren, / Wahre Jünger Christi sein, / Die sich ihn zum Herrn erkohren, / Daß sie seinem Dienst sich weihn. / Dazu wend’ in unsern Herzen, / Gott, der Buße selge Schmerzen! / Mach uns durch den Glauben neu, / Seine Frucht sei Lieb und Treu! // [2.] Mach uns in der Hofnung sehnlich, / Im Gebet an Andacht reich, / In der Sanftmuth Jesu ähnlich, / Ihm an Herzensdemuth gleich; / In Geduld unüberwindlich, / Im Vertraun zum Vater kindlich! / So bild’ uns zu Christi Ruhm / Als sein theures Eigenthum. // [3.] Unser Herz sei stets im Himmel, / Denn auch unser Schaz ist da. / Wir entziehn uns dem Getümmel, / Sei in heilger Still uns nah! / Laß dich unsern Sinn gewöhnen, / Sich nach jener Welt zu sehnen; / Denn dein auserwählt Geschlecht / Hat des Himmels Bürgerrecht. // Nach dem Gebet. – Mel. Mein Jesu, dem die etc. [1.] In Thorheit ist ein Herz befangen, / Das außer Gott die Ruhe sucht; / Gejagt von irdischem Verlangen, / Schweift es umher als auf der Flucht. / Wer für das Eitle nur entbrennet, / Bald dies bald jenes sich erwählt, / Hat seines wahren Ziels verfehlt, / Weil er nicht seinen Ursprung kennet. // [2.] Wie kann das Sterbliche vergnügen / Die Seele, die unsterblich ist? / Soll dem das Ewge unterliegen, / Was nur besteht so kurze Frist? / Wie kann was irdisch ist ergözen / Den, der dem Himmel angehört? / Du bist von Gott so hoch geehrt, / Und weißt nicht deinen Werth zu schäzen? // [3.] Du giebst so schmachvoll deine Würde / Und deine Herrlichkeit dahin, / Erliegst der selbsterwählten Bürde / Und bleibest fern von Gottes Sinn? / Gott hat zum Tempel dich erkohren; / Bist du es nicht, welch große Schuld! / Verschmähst du so des Schöpfers Huld: / Dann besser du wärst nie gebohren. // [4.] Dring ein zu Gott, verlaß die Sünden, / Sag ab der Thorheit dieser Welt! / Dein Herz kann dann erst Ruhe finden, / Wenn nur der Himmel dir gefällt. / Dein Weg ist schlüpfrig, du wirst gleiten, / Wie fest du auch zu stehen meinst; / Doch wenn du dich mit Gott vereinst, / Dann stehst du fest zu allen Zeiten. // [5.] Wie Küchlein unter dem Gefieder / Der Mutter finden ihre Ruh; / Wie das verirrte Schäflein wieder / Der Hirt der Heerde führet zu: / So wird der Sohn, der sich verloren / Und in die Ferne sich gewandt, / Gern von dem Vater anerkannt, / Und wie von neuem ihm gebohren. // [6.] Zu Gott, o Seele, mußt du dringen, / 1–2 Vgl. Phil 3,13
2–3 Vgl. Phil 2,13; ferner Röm 7,18
Predigt über Lk 9,62
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Dort geh zu deiner Ruhe ein. / Dein heißer Wunsch wird dir gelingen, / Ergiebst du dich dem Herrn allein. / Dann schmekst du hier schon jenen Frieden, / Den dir die Welt nicht geben kann; / Die Seligkeit fängt dort erst an, / Wenn du von Gott nie wirst geschieden. // Nach der Predigt. – Mel. Hier legt mein Sinn etc. [1.] Regiere, Vater, meine Seele, / Daß ich den schmalen Weg erwähle, / Dem Heiland folge treulich nach, / Und Ehre such in Christi Schmach. // [2.] Verleih mir zur Entsagung Kräfte, / Daß ich an Christi Kreuz mich hefte, / Daß mir die Welt gekreuzigt sei, / Und dir allein ich bleibe treu. //
Am 4. März 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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Invocavit, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 18,28–32 Nachschrift; SAr 116, S. 223–239; Sethe Keine Nachschrift; SAr 57, Bl. 79v–88r; Schirmer Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Frühpredigt am Sonntage Invocavit den 4. März 1827. Tex t.
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Ev. Joh. 18, 28–32.
M. a. Fr. Wie wir nun in der Auslegung unseres Evangeliums bis an die letzten Tage des Lebens und Leidens unseres Erlösers gekommen sind, so wollen wir uns nun auch in dieser Passionszeit, welche heute beginnt, von unserm Evangelio weiter begleiten lassen. Die verlesenen Worte enthalten von unserm Erlösers selbst nichts, sondern nur die Verhältnisse derer, unter die der Erlöser war geführt worden, nemlich der Hohenpriester auf der einen Seite, und der Römischen Obrigkeit auf der andern Seite, aber dennoch können sie uns ein hinlänglicher Gegenstand der Betrachtung sein, denn wie nach dem ewigen Rathschluß Gottes der Tod des Herrn mit in das Werk der Erlösung hineingehörte, so gehörte auch das in den göttlichen Rathschluß, daß es sein müßte ein Werk der Sünde. Und was für eine stärkere Warnung vor der Sünde könnte es geben, als wenn | wir darinn eine Aehnlichkeit finden mit dem, was dazu beigetragen hat, daß der Erlöser den Tod leiden mußte! Unser Evangelist hat einen sehr bedeutenden Theil der Geschichte ganz verschwiegen; denn im 24. Verse hatte er gesagt, daß der Herr von Hannas zum Caiphas war geführt worden, und hier v. 28 fährt er nun damit fort, wie der Herr in das Richthaus geführt wird; Was also bei dem eigentlichen Hohenpriester (Caiphas war desselbigen Jahres Hoherpriester) geschehen war, das übergeht er mit Stillschweigen, weil er nicht selbst dabei gewesen war. Er hatte uns schon vorher das Wesentliche davon erzählt, welches enthalten ist in der vorgängigen Berathschlagung des ho12–13 Vgl. Apg 2,23; 4,27–28; Eph 1,9–10 Joh 11,47–53
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hen Raths über ihn, ehe er noch nach Jerusalem kam; in jener Berathung hatte Kaiphas den Satz aufgestellt, es sei besser, daß Einer sterbe, als daß das ganze Volk verderbe. Was nun beim Kaiphas geschah, und was wir aus den Erzählungen der andern Evangelisten kennen, war nichts als die Ausführung jenes Rathschlusses, den das Wort des Kaiphas begründete; und nur, um einen Grund zu haben, wurden dem Scheine nach Beschuldigungen hervorgesucht, | und, obgleich diese nicht bestätigt wurden, so blieb es doch dabei, was einmal beschlossen war, denn ohne alle Untersuchung – als der Hohepriester ihn fragte, ob er Christus sei, und er es bejahte, nahmen sie das als Grund an, und sagten, schon deshalb sei er des Todes schuldig. Das sehen wir auch aus den verlesenen Worten, als Pilatus sagte, er fände keine Schuld an ihm, und sie mögten ihn hinnehmen, und richten nach ihrem Gesetz, sagten die Juden: wir dürfen niemand tödten; sie wollten also, daß Pilatus, ohne sich um die Ursach zu bekümmern, ihn zum Tode verurtheilen sollte, blos weil sie es für gut hielten, ohne gegen ihn etwas beweisen zu können, weshalb sie auch nicht mit der Sprache heraus wollten, sondern nur sagten, „wäre er nicht des Todes schuldig, so würden wir ihn dir nicht überantwortet haben.“ Das Erste, was Johannes hier erzählt: „als sie vor das Richthaus kamen, war es noch früh, sie gingen aber nicht hinein, auf daß sie nicht unrein würden;“ es war eine ungewöhnliche Stunde, die sie gewählt hatten, um die Sache nicht aufzuschieben (nämlich das Fest wäre sonst dazwischen gekommen) sie aber gingen nicht | hinein, indem sie doch etwas so wichtiges vorhatten, um der Nähe des Festes willen, in Beziehung auf welches es das Gesetz ihnen verbot. Hier sehen wir recht die Bestätigung von dem, was der Erlöser so oft in seinen Reden an die Pharisäer gesagt hatte, wie sie mit dem Gesetz umgingen, daß sie nämlich das Große und Wichtige desselben vernachlässigten, und sich an das Kleine hielten, und es buchstäblich beobachteten; sie gingen nicht hinein, weil die Zeit des Paschafestes schon begann; so genau waren sie hierin, dies Gesetz zu befolgen, sie wagten es darauf, daß, wenn Pilatus ihnen nicht willfahrte, sie ihren Plan nicht vollführen konnten, dagegen aber unschuldig Blut zu vergießen, und Böses zu thun, damit Gutes herauskomme, darüber hatten sie sich schon mit ihrem Gewissen vereinigt. Dies ist eine traurige Betrachtung, sie führt uns in das Innere der Reden des Herrn über diesen Gegenstand, und der Anordnungen für die Seinen; denn das ist eine allgemeine Erfahrung, daß je mehr die Menschen sich bemühen, das Aeußere und Buchstäbliche solchen Gesetzes, das ihnen vorgeschrieben ist, oder das sie sich selbst ausdenken, zu erfüllen, um desto leichter geschiehts, | daß sie meinen hierdurch ersetzen zu können die Folgsamkeit gegen das Gesetz in ihrem Innern, das als 1–3 Vgl. Joh 11,50 3–11 Vgl. Mt 26,57–68; Mk 14,53–65; Lk 22,63–71 29 Vgl. Mt 12,5–8; 23,16–28; Mk 2,25–28; Lk 1,37–42; 6,3–5; 13,14–16
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eine Stimme Gottes sich verkündet und von keinem Buchstaben abhängt. Das war die beständige Klage nicht nur des Erlösers, sondern auch die der Propheten gewesen, welche daher schon soweit gingen in ihren Reden, daß sie sagten, dem Herrn gefielen Opfer und Gaben nicht, insofern als dadurch das rechte Wesen der Andacht, und die Treue und der Gehorsam dadurch beeinträchtigt würden. Es ist daher so gewöhnlich, daß wir wohl sagen mögen, daß, wenn das menschliche Herz in der Schrift ein trotziges und verzagtes Ding genannt wird, wir das hier ganz besonders sehen. Und das hat sich bestätigt in allen Zeiten, und bestätigt sich immer; je mehr solche Gesetze äußern Dienstes gegeben werden, desto mehr leidet das Innere, darum giebt es keinen größern Fortschritt als das gänzliche Abstreifen solches Aeußern. Und darum sagt der Erlöser, daß durch ihn die Zeit kommen werde, wo es keine andre Anbetung Gottes als im Geist und der Wahrheit geben werde, und die durch äußere Dinge fortfallen müßte. Eine solche Anbe|tung im Geist und in der Wahrheit hat er gestiftet, und das ist das Wesen seiner Kirche. Aber sehr bald schlichen sich auch in die christliche Kirche solche äußern Gebräuche ein, die der menschlichen Schwachheit gemäß das Uebergewicht gewannen gegen das innere Wesen, und es war ebenso das Ziel der Bestrebungen der Verbesserer, hierinn das Werk und Wort des Herrn herzustellen, alles, was nur dem äußern Dienste und Buchstabengesetze angehörte, auszutreiben, und die Zuversicht der Menschen auf nichts zu stellen, als auf den lebendigen Glauben, von dem die Liebe ausgeht, welche alle wohlgefälligen Werke von selbst thut, und keines äußern Gesetzes bedarf. Nun ist es freilich nicht möglich, daß es eine größere Gemeinschaft unter den Menschen geben kann, ohne daß etwas Aeußeres dabei sei, aber allein wenn wir sehen, daß das so leicht überwiegende Aeußere sie so abziehn kann vom innern Wesen der Anbetung Gottes, wenn wir sehen, daß das die Ursache des Todes unseres Erlösers gewesen ist, o so sollten wir unsere ganze Aufmerksamkeit darauf richten, diese äußern Ordnungen so zu | stellen, daß sie in Vergleich gesetzt werden können mit ihren Gesetzen, welche uns der Erlöser gegeben hat; aeußere Ordnungen sind nothwendig und gut, sobald man aber aus dem Aeußern ein Gesetz macht, und sie so hochhält als seien sie zur Seligkeit, so sind sie verderblich und schaden zur Seligkeit. Darum je weniger es dergleichen giebt, und jemehr sie beweglich erhalten werden, desto weniger werden wir verleitet sie als wesentlich anzusehn, und ihnen das Uebergewicht einzuräumen. Aber immer werden wir darauf zurückkommen, daß der Hang, darinn etwas Verdienstliches zu finden, zu groß ist, um nicht verderblich zu werden; wenn wir also die Sünde, welche dem Herrn den Tod brachte, recht verabscheuen, so müßen wir dem immer auf’s Neue kräftig entgegenwirken, und gehörig 4–6 Vgl. Jes 1,11–17; Hos 6,6; Amos 5,21–24 Joh 4,23–24
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zu trennen und unterscheiden wissen, das Wesentliche und Zufällige, das Nothwendige und Unnöthige, das wir vermeiden müssen. Nun aber ging Pilatus zu ihnen heraus; dieser Pilatus, der die höchste Macht im Namen des Römischen Kaisers verwaltete, ist in der Leidensgeschichte des Erlösers der, dessen Betragen am | Schwersten zu beurtheilen ist, bis sich auch zuletzt das menschliche Verderben an ihm zu erkennen giebt; er ist aber deshalb schwer zu beurtheilen, weil wir nicht wissen können, wieweit seine Unwissenheit ging; das ist aber gewiß, daß ihm Jesus nicht konnte unbekannt sein, denn die allgemeine Aufmerksamkeit war viel zu sehr auf ihn gerichtet gewesen, so konnte ihm auch das, was die Hohenpriester vorhatten, nicht verborgen sein, denn da es eine ungewöhnliche Stunde war zum Geschäft, so hatten sie ihn müssen dazu ersuchen lassen, diese zu nehmen. Wie nun dabei, daß er zu ihnen heraus kam nichts war, als daß er dachte, daß sie durch ihre gottesdienstlichen Gebräuche gehindert wären hinein zu gehn, und so will er hinaus gehn, das können wir nicht anders als loben. Er war ein Heide, aber die Achtung, die Einer hat für die Art und Weise der Gottesverehrung Anderer, auch da wo andere Sitten als die eigenen befolgt werden, ist lobenswerth und bezeichnet einen gewissen Grund von Bildung, die aus der größern Gemeinschaft der Menschen hervorgeht. Es ist etwas Rohes, | wenn die Menschen sich sondern, wenn der Eine nicht Achtung hat vor der Frömmigkeit des Andern; denn nur in dieser Achtung gründet sich die Möglichkeit, daß Einer den Andern eines Bessern belehren kann, wenn er die Art und Weise dessen nicht für recht hält, sie ist der große Hebel, von dem das Suchen der Wahrheit in Liebe abhängt! War das nun die Absicht des Pilatus, die jüdischen Gebräuche zu ehren, indem er hinaus kam, nun so können wir den Heiden Pilatus vielen Christen zum Muster und Vorbild hinstellen; denn es ist nicht zu leugnen, es giebt Viele, welche gegen die Meinungen und Gebräuche Anderer eine Art von Haß haben, und immer Alles thun mögten, sie in ihren Handlungen zu stören. Das ist nicht die christliche Art und Weise; die christliche Liebe fordert, daß wir einen fremden Knecht nicht richten wollen, worinn einer eine andere Ueberzeugung hat als ich, darinn ist er mir fremd, und da soll ich’s der göttlichen Gnade anheimstellen, ihn auf einen andern Weg zu leiten, und ich soll nur das meinige dazu beitragen; das aber kann nur auf dem Grunde der Liebe | bestehn. Pilatus hatte die Gewalt in Händen, und handelte doch so, das müssen wir loben und ehren; aber freilich könnte es auch etwas andres gewesen sein, nemlich wenn er genauso gewußt hätte, was vorging, und hätte das ganze Gewebe von Verstocktkeit erkannt, so hätte er gewiß gewußt, wie sehr den Hohenpriestern darann lag, sein Urtheil zu beschleunigen, weil sie nicht Hoffnung hatten, daß wenn die Sache sich in die Länge zöge, das Volk bei derselben Stimmung zu erhalten, hätte 24 Vgl. Eph 4,15 (in der reformierten Übersetzungstradition)
31 Vgl. Röm 14,4
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er das gewußt, ja dann wäre es seine Pflicht gewesen, das Urtheil nicht zu beschleunigen, sondern in die Länge zu ziehn; denn das ist gewiß, daß man dadurch viel Unheil verhüten kann, wenn man die leidenschaftlich Handelnden lange hinzieht. Hätte Pilatus davon nichts gewußt, also durch seine Willfährigkeit nicht Theil genommen an ihrer Sünde, so wäre seine Gefälligkeit etwas Gutes gewesen. Wie stellt der Erlöser uns darinn unsern himmlischen Vater zum Muster dar, daß er regnen und seine Sonne aufgehn läßt über Ungerechte und Gerechte, und so soll das auch | unsere Regel sein, die Freundlichkeit nicht nach dem Verdienste abzumessen. Aber etwas anderes ist es, durch Gefälligkeit an dem Bösen, das die Menschen thun, Theil zu nehmen. Davor müssen wir uns hüten, und der Sünde entgegenzuarbeiten durch Strenges; uns dagegen zu erklären, gehört zu unserer heiligsten Pflicht; hat Pilatus die vernachlässigt, so können wir ihn nicht loben, sondern müßen sagen, darinn trug er Schuld am Tode des Herrn. Pilatus sprach nun: was bringet ihr für Klage gegen diesen Menschen? sie aber antworteten ihm: „wäre dieser nicht ein Uebelthäter, wir hätten ihn dir nicht überantwortet“. Um diese Worte recht zu verstehn, müssen wir die Lage des jüdischen Volkes kennen; es stand nemlich unter Römischer Oberherrschaft, und so hatte Pilatus die Befolgung der bürgerlichen Gesetze zu verantworten; und die Juden hatten die Klagen, welche sich darauf bezogen, vor ihn zu bringen. Hätten nun die Hohenpriester solche Klage gegen Jesum gehabt, so hätten sie nicht brauchen jene Worte zu sprechen: wäre dieser nicht ein Uebel|thäter, u. s. w. sondern daraus ersah Pilatus schon, daß sie etwas gegen ihn hatten, was sich bezog auf das besondere Gesetz ihres Volkes in einer Beziehung, in der die Hohenpriester Verwalter desselbigen waren; das sollte sich aber nur auf das erstrecken, was zum Gottesdienste gehörte, wir wissen aber, daß als das jüdische Gesetz durch Mosen gegeben war, waren die bürgerlichen Gesetze nicht unterschieden, und wurden durch Moses verwaltet. Nun aber wachte die Römische Obrigkeit über die bürgerlichen Gesetze, und was nach Römischem Rechte ein Vergehen war, darüber war Pilatus auch Richter; es mußte sich also immer erst ausweisen, ob einer nach jüdischen oder Römischen Gesetzen mußte gerichtet werden. Das war freilich schon ein übler Zustand, die beiden Gewalten kamen in manchen Streit, und das ist die Veranlassung geworden, zu den Empörungen und dem frühen Untergange des Volks. Das ist der Erfolg davon, wenn man Ordnungen länger festhalten will als es die Umstände erlauben, und etwas aus alter Zeit in eine andere übertragen will. Jetzt hatte das jüdische Volk seine Selbstständigkeit | nicht mehr, es war einer fremden Gewalt unterworfen, was blieb übrig, wenn es sich auf ebener Bahn erhalten wollte, als sich nun auch der fremden Gewalt, willig zu unterwerfen. Sie hätten sich entweder bis auf’s Blut wehren sollen, um sich nicht unterwerfen zu lassen, 7–8 Vgl. Mt 5,45
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das hatten sie aber nicht gethan, und hatten sie nun das Eine gelitten, so sollten sie auch das Andre leiden, und so hätten sie sollen eine Scheidung machen, daß alles Bürgerliche der Römischen Macht vorbehalten blieb. Das sagt ihnen der Erlöser in dem Wort: gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist; als so gut wie diese Antwort wahr war in Beziehung auf den Zins, so hätten sie diese Wahrheit auch auf alle bürgerlichen Verhältnisse beziehen sollen. Hätten sie so bedacht, was zu ihrem Frieden diente, so hätten sie länger bestehn, und nicht so bald untergehn können; aber in dieser Vermischung und beständigem Streite des äußern und Innern konnte sich kein sittliches Leben gestalten. Pilatus nun versteht ihre Antwort und sagt: „so nehmet ihn hin und richtet ihn nach Eurem Gesetz;” wodurch er ihnen die Freiheit bestätigt, welche | ihnen die Römer gelassen hatten, nach ihrem Gesetze Vergehen gegen dasselbe zu bestrafen, das ging aber freilich nur auf ein gewisses Maaß von Strafe; ging dieß höher, bis zu Todesurtheilen, so konnte der hohe Rath der Juden sie nicht ausüben ohne Hinzuziehung und Beistand der Römischen Obrigkeit. Darum antworteten sie: „Wir dürfen niemand tödten,“ wodurch sie andeuten wollten, daß Jesus nach ihrem Gesetze des Todes schuldig sei, sie selber dürften es aber nicht vollziehn, und brächten ihn deshalb vor Pilatus. Sie wollten aber nicht daran diesem zu sagen, was eigentlich die Ursach dieses Urtheils sei, und wollten ihn nicht mit den Umständen und Gründen bekannt machen, er sollte blos ihr Urtheil bestätigen. So sehen wir nun, wie wiedersprechend und verkehrt die Menschen handeln, wenn sie einmal den einigen Weg der Wahrheit, ohne welche die reine Schlichtung der menschlichen Dinge nicht ist, verlassen haben. Die Juden hatten eine große Ehrfurcht für ihr Gesetz, eine große Liebe für ihr Volk, und eine großes Bewußtsein ihres Werthes und eine große Geringschätzung für die heidnischen Völker; | wenn sie nun nach diesen Trieben gehandelt hätten, wie hätten sie sich dem aussetzen können, daß die heidnische Obrigkeit ihnen Recht sprach, und nicht lieber selbst geschlichtet, was Sache ihres Volks war! Aber da sie einmal diesen verderblichen Rath gefaßt hatten, es sei besser, daß Einer umkomme, als daß ihr Ansehn verloren ginge, so untergruben sie eben ihr eigenes Ansehn dadurch, daß sie einen solchen Fall vor den Richterstuhl der Heiden brachten; wie sie denn überhaupt immer mehr in Verwirrung geriethen, und immer tiefer sanken, sobald sie sich das erlaubt hatten, Böses zu thun, damit Gutes heraus käme, welches stets die gänzliche Ertödtung des Gewissens herbeiführt. Doch nun laßt uns mit Erfreulichem schließen, nachdem wir so tief in das menschliche Verderben geblickt haben. Das liegt in den Worten, „auf das erfüllet würde das Wort Jesu, welches er sagte, da er deutete, welches 4 Mt 22,21; Mk 1,17; Lk 20,25
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Todes er sterben würde.“ Wenn nemlich der hohe Rath der Juden noch das Recht gehabt hätte, ein Todesurtheil selbst zu vollziehen, | so hätte Jesus müssen gesteinigt werden nach ihrem Gesetz, wie sie es auch schon früher im Geheimen hatten wollen thun lassen. Christus aber hatte bei früherer Gelegenheit gesagt, „wenn ich werde erhöhet werden, will ich sie alle zu mir ziehen,“ und da er dieses mit seinem Tode in Zusammenhang gesetzt, und diese Rede angefangen hatte mit den herrlichen Worten: es sei denn daß das Weizenkorn ersterbe u. s. w. so hatten sich diese Worte dem Evangelisten so fest eingeprägt, und er hatte sie bezogen auf die Art des Todes des Herrn am Kreutz, und das giebt er uns hier zu erkennen. Das Erfreuliche hierinn ist die große Lebendigkeit dieses Jüngers, womit ihm alle Worte des Herrn vorschwebten, und ihm immer der ganze Zusammenhang gegenwärtig war, und er eines auf das andere bezog, aus jedem sich Alles machend für sein Herz und Gemüth. Das war die besondere Liebe, womit ihn der Erlöser liebte! und wenn wir ihn so lieben, wie Johannes als den, in welchem uns die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes Gottes erschienen ist, wie sollten wir auch nicht auf jedes seiner Worte | gleichsam geitzig sein, und Alles, auch das Kleinste, was uns übrig geblieben ist, festhalten und es uns bei jeder Veranlassung wiederholen, und keine Beziehung desselben aus den Augen lassen, und so das Ganze immer mehr zu unserm Heil anwenden. Dazu möge Johannes uns das Vorbild sein, damit aus allen einzelnen Zügen sich in uns das Bild des Heiligen gestalte, damit wir nichts übersehn von dem, was uns der Geist Gottes verklären will von den Worten des Erlösers, und damit wir nichts verlieren von dem, wodurch er uns geworden ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, und wir uns immer mehr an ihn wenden, an dem wir volle Genüge haben in allen Bedürfnissen unseres Herzens. Amen.
1–4 Vgl. Mk 11,18; Lk 19,47; 20,19; 22,2; Joh 8,58; 10,31.33 5–6 Vgl. Joh 12,22– 23 7–8 Vgl. Joh 12,24 14–15 Vgl. Joh 13,23; 19,26; 20,2; 21,20 16–17 Vgl. Joh 1,14 25 Vgl. Joh 14,6 26–27 Vgl. Joh 10,10
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Am 11. März 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Reminiscere, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 18,33–38 Nachschrift; SAr 116, S. 239–240; Sethe (Fragment) Keine Keine Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Predigt am Sonntage: Reminiszere d. 11. März 1827. Tex t. 5
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Ev. Joh. 18, 33–38.
M. a. Fr. alle heilsame Betrachtung des Leidens unseres Erlösers muß davon ausgehn, daß die Sünde der Welt die Ursach desselben gewesen ist; und eine jede solche Betrachtung wird desto heilsamer sein, | jemehr wir es nicht nur im Allgemeinen, sondern auch im Einzelnen, und in seinem Zusammenhange betrachten; aber freilich keineswegs, daß wir aussprechen sollten ein ehrfurchtsvolles Urtheil der Billigung über das, das allen heilig ist, und ebenso uns die Gründe der Verwerflichkeit der Sünde aus einander setzen, sondern, wie es heißt, an Sterben zu gewöhnen den fleischlichen Sinn, sondern uns loszumachen von dem, und in seiner innersten Quelle aufzusuchen, was der Grund seines Leidens geworden ist. In diesem Theil der Leiden unseres Erlösers ist noch nichts enthalten von jener rohen Behandlung der Sünder, die uns mit Schmertz erfüllt; um desto mehr ist es geeignet, uns in eine der tiefsten Quellen der Leiden des Erlösers hinzuführen, und uns zu traurigen Betrachtungen darüber zu veranlassen. Wir dürfen dabei an nichts denken als daß der Erlöser vor einem irdischen Richter stand, ja das sei ein Gegenstand unserer Betrachtung. Schon das können wir nicht umhin als ein Leiden anzusehn, daß der Erlöser als [Textabbruch
durch Überlieferungsverlust.] 16 Quellen] Quelle 11–12 Vgl. Geistliche und Liebliche Lieder, ed. Porst, 1728, Nr. 127: „Wenn Vernunft von Christi Leiden“ (Melodie von „Freu dich sehr, o meine Seele“), Strophe 2: „Aber meines Geistes Sehnen zielt auf die Gemeinschaft hin, stets zum Sterben zu gewöhnen den so tief verderbten Sinn […].“
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Am 18. März 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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Oculi, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 18,38–19,7 Nachschrift; SAr 57, Bl. 88v–96r, Nr. 79; Schirmer Keine Keine Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
Tex t.
Johannes 18, 38 bis Kap. 19, v. 7.
M. a. F. Dieser Abschnitt der Passionsgeschichte Christi stellt uns manche Gestalten der Sünde vor Augen, wodurch dem Herrn der Weg des Todes bereitet ward. Einerseits steht er gegenüber der falschen Klugheit der Welt, andererseits der wildesten Rohheit, endlich, dem verstocktesten, falschen Eifer, der gar keine Grenze kennt. | Die falsche Klugheit der Welt stellt uns Pilatus dar, der da er keine Schuld an Jesu fand, die Ankläger zurück weisen mußte und ihn freisprechen; aber mit dem jüdischen Volk wollte er es nicht verderben und er suchte mit ihm zu handeln um das, was er unversehrt erhalten mußte. Das that er daher zuerst, als er den Erlöser für unschuldig (V. 38) erkannte, zum Volke sagte: ihr habt aber eine Gewohnheit, daß ich euch einen auf Ostern losgebe; wollt ihr nun, daß ich euch den Judenkönig losgebe? Das war eine Gewohnheit die sich nicht auf solche bezieht, welche schuldlos befunden waren, sondern nur auf die Schuldigen, auf welche die oberste Macht das Begnadigungsrecht anwandte aus Liebe zum Volk. Dadurch zählt ihn Pilatus gegen sein eignes Gewissen zu den Schuldvollen. Er mogte wohl denken, da er wußte, wie sehr das Volk an Jesu hing, wie eifrig es seinen Reden zugehört hatte, daß, indem er ihm die Wahl ließ zwischen Christus und Barabbas | Christus würde los erbeten werden; er dachte, es sei gleich viel, auf welche Art Christus frei käme. So geht es, wenn der Mensch anstatt auf das zu sehn, was seine Pflicht ist, nur auf den Erfolg sieht; für den war es gleichgiltig, wie Christus loskam, aber Pilatus hatte seine heiligste Pflicht verletzt, wenn er den Unschuldigen schuldig darstellte, und bittweise dessen Befreiung beim Volke nachsuchte. Das ist ein häufiger Fehler in allen menschlichen Dingen; nur zusehr sehen wir überall diese menschliche Klug19 Christus] Christum
20 Barabbas] Barrabas
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heit. Man könnte sagen, ja, es sei schwer zu sondern, wo das Rechte anfange, und wo es aufhöre, Alles könne nicht auf geraden Wege erreicht werden, Christus habe selbst gesagt: seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben; aber sehen wir auf nichts andres, als unser Gewissen rein zu erhalten, so werden wir in solchen | Dingen des rechten Weges nicht verfehlen. Es geschieht im Großen so oft, im Kleinen auch, wo der Einzelne in schwierigen Lagen ist, daß sich eine solche Handlungsweise bei sonst guten Gemüthern unterschiebt. Der Hauptfehler ist der, daß man auf den Erfolg sieht, da man auf das sehen sollte, was zu thun oder zu lassen ist. Jeder Einzelne muß freilich viel in der Welt geschehen lassen, was nicht mit seiner Ueberzeugung übereinstimmt; aber dies auf dem Gebiethe des Berufes zu zu lassen, das ist die falsche Klugheit der Kinder dieser Welt, wobei sie des Ruhms vor Gott verfehlen, und auch ihren nächsten Zweck nicht immer erreichen, wie es hier dem Pilatus ging. Ist uns etwas aufgegeben zu bewahren und heilig zu halten, sind wir über etwas zu Wächtern gesetzt über die höchsten irdischen Güter, über Recht und Gesetz, wie hier Pilatus, | so ist dies die heiligste Pflicht, der eignen Ueberzeugung gemäß das fest zu halten, ohne zu sehen, was daraus folgt. Soweit hat uns Gott nicht die Augen geöffnet, daß wir einen Erfolg mit Gewißheit voraussehen können; aber die Ohren hat er uns geöffnet, um die Stimme des Gewißens zu hören; das Herz hat er uns beweglich gemacht, um getroffen zu werden von dem Vorwurfe: wie sollt ich ein so groß Uebel thun, und wider Gott sündigen! Was der Heiland selbst sagt, daß das allein die rechte Klugheit seiner Jünger sei, die mit voller Einfalt bestehe, und daß nur das die rechte Einfalt ist, die gelehrt und weise ist für das Reich Gottes. Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Worten und Gebehrden, sondern steht auf der reinen Treue derer, die dazu gehören, und nichts kann durch Sünde dazu geschafft werden und es kann kein Segen darauf ruhen, worauf der Vorwurf des Gewissens | haftet daher wäre auch Pilatus um nichts freier gewesen, wenn das Volk Christum losgebeten hätte, denn er hatte die Heiligkeit seiner Pflicht verletzt und Jesum für schuldig erklärt. So lasset uns sehen, wie auch diese Sünde dazu beigetragen hat, den Erlöser zum Kreuze zu führen, und lasset es unsern heiligsten Vorsatz sein, nie von der Pflicht abzuweichen, auch wenn wir noch so große Vortheile davon zu ziehen wähnen. Das zweite, worin Pilatus die falsche Klugheit bewieß, war, daß, als er seinen Zweck nicht erreichte beim Volke, er Christum züchtigen ließ, um das Mitleid des Volks zu erregen. Das war ein weiterer Fortschritt auf demselben Wege, eine größere Versündigung unter derselben Gestalt; denn wie 1 könnte] könnte, 3–4 Mt 10,16
12 Vgl. Lk 16,8
22–23 Gen 39,9
25–26 Vgl. Lk 17,20
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Am 18. März 1827 früh
er durch die Bitte an das Volk, Christum los zu lassen, | den Erlöser für schuldig erklärte, so strafte er ihn hier, und Strafe kann nur der Schuldige erleiden, und nun wollte er den Schuldvollen zum Gegenstand des Mitleids machen: dadurch legte er ein Zeugniß ab von seiner Ungerechtigkeit, durch welche der Erlöser Gegenstand des Mitleids wurde, und es mußte ja Christus, wenn auch das Mitleid erregt wurde, zugleich Abscheu erregen gegen die Ungerechtigkeit; so findet die falsche Klugheit von einer Sünde in die andere. Was lag bei dem Pilatus zum Grunde, bei ihm, der allein zu gebiethen hatte, und der die größte Macht bekleidete? Es war eine innere Feigherzigkeit eines seiner Schuld sich bewußten Menschen. Er mußte Rechenschaft ablegen am Ende seines Amtes, und so wollte er sich Freunde machen durch die | Ungerechtigkeit, und sich den guten Willen der Obrigkeit und des Hohen Priesters bewahren. Ja, so ist es immer; sind wir uns keiner Schuld bewußt, so haben wir Muth nur auf unsere Pflicht zu sehen; ist das reine Bewußtsein verscherzt, so gestaltet sich der Mensch zu immer größerer Verletzung seines Gewissens, um das zu erreichen, was sein Ziel ist. Daher bleibt das Ewige ein wahres und gewißes Wort, daß nur diejenigen, die reines Herzens sind, Gott schauen werden. Jeder, welcher der Stimme Gottes in seinem Herzen folgt und mit getrostem Muth Allem dem entgegen sieht, was ihn treffen kann, der schaut Gott, denn er sieht überall Gottes Walten; ist das Herz aber unrein, so schaut der Mensch die zeitlichen Dinge der Welt, und geht aus der einen Schuld | in die andere. Zweitens sehen wir den Erlöser gegenüber der wilden Rohheit der Menschen. Was gehört für eine Rohheit des Gemüths dazu, bei einer solchen Versammlung nicht nur sich so leiten zu lassen, sondern auch zu wagen, denjenigen los zu bitten, der den Körper der menschlichen Gesellschaft zerstörte und die heiligsten Gebote mit Füßen trat und der so oft der Gegenstand der innigsten Verehrung gewesen war, diesem sich zu entziehen! – die andere Rohheit ist die der Kriegsknechte, denen Pilatus Jesum übergab, die auch gehört hatten von Jesu als Judenkönige. Da wollten sie ihn verspotten über das, was er sich anmaßte, und dem Volke zeigen, wie es mit solchen Erwartungen ginge, und was die rohe Macht in jedem künftigen Fall | aus solchen Erwartungen machen würde. Dies veranlaßte den Pilatus das Volk zu demüthigen, das sich seiner halben Bitte entzogen hatte. Was mußte der Erlöser dabei empfunden haben! Die körperlichen Schmerzen und persönlichen Verhöhnungen waren für ihn wenig, er wird es nicht viel geachtet haben; dabei soll das Herz der Christen nicht besonders verweilen. Er trauerte darüber, daß die Menschen so wenig wußten, was zu ihrem Frieden diente; auch von ihnen hat er gewiß gedacht, wenn er es auch nicht ausgesprochen hat. Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun. Das Volk und die rohen Heiden wußten nicht, was zu ihrem 17 Vgl. Joh 5,24
17–18 Vgl. Mt 5,8
38–39 Vgl. Lk 19,42
40–41 Lk 23,34
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Frieden diente, sie kannten nicht den Unterschied des Reiches Gottes und der vergänglichen, irdischen Macht. Als Christus so heraus geführt wurde, mit der Dornenkrone und dem Purpur|kleide, mit dem Zeichen der königlichen Würde und der Verhämungen an seinem Leibe – so ist er ein vielfältiger Gegenstand der Betrachtung und der Abbildung geworden, und die Aufmerksamkeit der Christen hat sich vorzugsweise dort hin gelenkt. Dazu giebt es eine große Ursache; sie liegt aber nicht im väterlichen Schmerz, sondern einerseits im Gegensatze zwischen dem himmlischen Sinn, dem reinen Gemüth, der Aufopferung, der höchsten Liebe in Christo, und der tiefsten Rohheit, die alles Heilige mißversteht, daß es verspottet werden kann. Hier stellt es sich auf die höchste Weise dar. Durch Hohn und Spott des Heiligen giebt sich die Verhärtung des Gemüths am meisten zu erkennen. Der Erlöser erscheint als der Herabgewürdigste, doch nicht er, sondern die sind es, die ihn so darstellen. Diesen Weg | soll die Seele und die Natur des Menschen durchmessen, durch dieses soll die roheste Natur gebändigt werden, durch die Macht, die von Christo ausgeht, und sie soll daran Theil haben. Die Seele der Menschen soll herauf gezogen werden zu der scheinbar verspotteten Reinheit Christi; aber das kann geschehen durch die Macht, die in ihm liegt, und das ist der zweite Grund, warum uns dieser Anblick des Erlösers vor Augen gestellt wird. Spottreich begrüßen sie ihn als König, aber der so Verachtete im Purpurmantel, der ist wahrhaft König, und hat sich als solcher bewährt gegen die, welche ihn so darstellten, und diese Große Wahrheit, mitten im Gewande des Spottes, ist es, worauf wir unsre Aufmerksamkeit richten. So trägt er die Krone über das ganze menschliche Geschlecht und sein Reich breitet sich aus und die wilde Rohheit muß schwinden und die härteste Seele muß das Göttliche in ihm erkennen. | Drittens steht Christus gegenüber den Leitern des Volkes, welche in der Meinung, es sei gut, daß ein Mensch, der unschuldig ist, für das ganze Volk sterbe, besser, als daß dieses umkomme, das Volk anreizten, den Barabbam los zu bitten. Diese Wuth ging so weit, daß sie ausriefen, die Züchtigung reiche nicht hin, sondern Pilatus soll ihn kreuzigen lassen, wobei sie sich auf das Gesetz beriefen, nach welchem er sterben müsse, weil er sich selbst zu Gottes Sohn gemacht habe. Sie hatten aber kein andres Gesetz, als daß derjenige sterben solle, der Gott lästere. Also als Gotteslästerung sahen sie es an, daß er sich erklärte für den Propheten, den der Herr erwecken werde. Mit gleichem Rechte konnten sie das von jedem sagen, der noch kommen werde, und so hatten sie das Reich Gottes verschlossen, das 3 Purpurkleide] Puppurkleide 29–30 Vgl. Joh 11,50 36–37 Vgl. Dtn 18,18
34–35 Vgl. Lev 24,16 35–36 Vgl. Mt 26,65; Mk 14,64 38–3 Vgl. Mt 23,13; Lk 11,52
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Am 18. März 1827 früh
sie den Menschen öffnen sollten, | weil sie allerdings die Schlüssel des Gesetzes, d. h. die Auslegung und Handhabung der göttlichen Gesetze in Händen hatten. Das ist das tiefe Verderben, wenn die Erkenntniß der Wahrheit nur gemißbraucht wird um einen unvollkommenen Zustand der Gesellschaft aufrecht zu erhalten, und um menschlicher Ehre und Ansehens willen. Wäre das nicht gewesen, so hätte Pilatus gar keine Gewalt über ihn bekommen können; denn wäre nicht die rohe Menge versucht worden, ihr ungezähmtes Wesen auszulassen gegen den, der sie zum Frieden so freundlich einlud mit dem Ruf: kommet her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Das ist der Mittelpunkt des menschlichen Verderbens in der menschlichen Gesellschaft, wodurch sich alle Verkehrtheiten und sündlichen Neigungen der Menschen halten und Gewalt gewinnen. Dem gegenüber stand Christus ohne Gewalt und Ansehen, und diesem verstekten Eifer, dem das eigne Bewußtsein | allein hätte sagen sollen, daß es nicht ein Eifer sei um das wahre Haus Gottes, sondern um die gebrechliche Hütte menschlicher Hoffheit – dem stand Christus gegenüber. Aber was Jene früher wollten, das ist nun eingefallen und vergangen, was Er erbauen wollte, steht fest und ist errichtet und wird nur überwältigt werden von der Macht der Finsterniß. Wie Christus da steht als der Mensch des Mitleides, wie er sterben sollte; so steht noch der Verhöhnte da als Sieger und Herrscher. Wohlan! Wie sollen wir an sein Leiden denken, ohne zugleich an seine Erhöhung, wie an die Sünde, ohne an den göttlichen Geist, der von ihm ausgegangen ist, und die Macht der Sünde immermehr brechen soll. Lasset uns sie fassen lernen, und sehen, wie sie die Quelle des Todes wurde, aber im Gehorsam gegen den Erlöser lasset uns mit seinen Kräften | getreu gegen die Macht der Sünde kämpfen; sein Reich wird Er auf alle Weise schützen, lasset uns aber uns hüten vor dem, was ihm selbst zum Tode gereicht, und nur dem wollen wir folgen, der durch Wahrheit und Liebe sein Reich ewig erhalten wird. Amen.
27 lasset] lasses 9–10 Mt 11,28
14–15 Vgl. Joh 2,17 (Zitat aus Ps 69,10)
17–19 Vgl. Mt 16,18
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Samstag vor Laetare, Konfirmation, vermutlich 13 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Apg 2,36–38 Nachschrift; SN 609; Woltersdorff Keine Keine Tageskalender: „Einsegnung 17 Söhne u. 31 Töchter“ Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Aus der Einsegnungsrede
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Barmherziger Vater, lass uns unsre Seligkeit schaffen mit Furcht und Zittern, aber auch mit kindlichem Vertrauen auf deine Gnade, denn du allein giebst das Wollen und das Vollbringen. 5
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Apst. Gesch. 2, 36[–38]. Wir sind hier versammlet um eine Anzahl junger Christen aufzunehmen in unsre evangelische Kirchengemeinschaft zu gleichen Rechten und Pflichten mit uns Allen. – In unsre Gemeinschaft mit Christo sollen sie aufgenommen werden, und in der schöpferischen lebendgen Hoffnung zu der wir wiedergeboren sind sollen sie mit uns wachsen im Leben Christi, sollen durch Christum die Werke Gottes wirken die uns gezeigt sind in ihm. O bittet mit ihm den Vater daß er seinen Himmel öffnen möge und ihnen gebe die Gabe seines Geistes. Geliebte Kinder. Nach Gottes weisem Rath ist es zwar so daß nicht ihr Alle eure geliebten Eltern um euch versammlet habt, einige sind schon aufgenommen in die ewgen Hütten. Aber das wißt ihr daß es ihr höchstes heiligstes Verlangen war daß ihr mogtet heranwachsen zu Gottes Kindern im Geist wie der Wahrheit. Das erste Gefühl all eurer Eltern war Dank gegen Gott in Beziehung auf euch, aber das zweite war daß sie ihn anriefen er möge sie kräftgen so, daß sie euch anleiten könnten zu dem Einen was noth thut. Darum von Anfang an haben sie euch aufnehmen lassen durch 17 mogtet] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 3, Sp. 553 2–3 Vgl. Phil 2,12 3–4 Vgl. Phil 2,13 9–10 Vgl. 1Petr 1,3 Joh 5,19–20 15–16 Vgl. Lk 16,9 20–21 Vgl. Lk 10,42
10–11 Vgl.
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Am 24. März 1827 vermutlich mittags
das PSacramentS der Taufe in die Gemeinde der Christen. Was ist nun in derselben an euch geschehen? Es ist auf euch gewirkt worden durch die Kraft des göttlichen Worts, gezeigt ist euch der der durch die ewige Kraft Gottes Mensch geworden, und so ist durch seinen Geist gewirkt worden auf eure Seelen. Was war die Absicht was P S ist das Ziel dieses Wirkens des heiligen Geistes auf euch: dessen laßt uns in dieser heiligen Stunde eures Lebens recht lebendig bewusst werden. Es ist gesagt in dem Wort der Schrift das ihr eben vernommen, nämlich: als die erste Gemeinde in Jerusalem gegründet war, die Jünger des Herrn empfangen hatten den heilgen Geist und nun die großen Thaten Gottes priesen, kund gaben was geschehen war, da wurde vielen das Herz aufs innigste bewegt da sie vernahmen daß der den sie verworfen hatten zum Herrn Christ gemacht von Gott; sie gingen in sich und fragten: was sollen wir thun? Da antworten die die des heiligen Geistes theilhaf|tig waren: thut Buße und lasset euch taufen, auf daß ihr die Gabe des heiligen Geistes empfangt – Also das ist das Ziel zu welchem Alle berufen sind, und wozu denn Alle gelangen sollen daß sie empfangen die Gabe des heiligen Geistes. – Das ist auch euer Ziel. Alles was an euch gewirkt worden und gewirkt wird hat keine andre Absicht kein ander Ziel als daß ihr möget des heiligen Geistes theilhaftig werden. Erinnert euch was der Inhalt und Erfolg dieses Wirkens war. O ihr habt tief in euer Herz schauen können, ihr habt genug beobachten können das menschliche Leben, um erkennen zu können die Wahrheit des Worts, daß niemand reine Hände aufheben kann zu Gott, daß niemand gerecht ist vor ihm, daß Alle abgewichen sind von ihm. Ihr habt es an euch selbst und an Allen erfahren daß Alle der Sünde unterworfen sind, aber wenn der Sünde dann auch der Feindschaft gegen Gott; denn Sünde ist Widerspruch Widerstreben gegen Gott; der Mensch ist entzweit mit dem Urquell aller Wahrheit und Liebe: das ist die Sünde. Nun ist es aber nicht so, daß der Mensch je könnte ganz und gar ohne Gott sein, ganz des Bewußtseins Gottes verlustig, denn wenn das wäre dann gäbe es keine Anknüpfung einer Rettung: also auch wenn er anstrebt gegen Gott, nie kann er sich des Bewußtseins Gottes ganz entschlagen; er muß immer wieder auf ihn zurück, aber mit Furcht und Zittern, Angst und Schrekken[.] Er kann nicht vor dem bestehen der heilig ist; also so oft er Gottes gedenkt muß er rufen: Ihr Berge fallt über mich! So ist der Mensch, ohne Gott, zerrissen mit sich selbst, ein Kind der Todesangst, des Jammers. O in diesem 5 was] folgt ein durch Tintenfleck unleserliches kurzes Wort I. … Jerus.
8–9 erste … Jerusalem]
9–10 Vgl. Apg 2,4; ferner Lk 24,49 10 Vgl. Apg 2,11 23 Vgl. vermutlich 1Tim 2,8 23–24 Vgl. Röm 3,10 24 Vgl. Röm 3,12 (darin Ps 14,3) 25– 26 Vgl. vermutlich Gal 3,22 26 Vgl. Röm 8,7; ferner 5,10 33 Vgl. Phil 2,12 35 Vgl. Lk 23,30 (darin Hos 10,8)
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Zustand sucht der Mensch wie er sich erretten kann, er greift nach Allem was ihm könnte ein Trost sein, er hascht darnach was ihm könnte Mittler sein zwischen ihm und Gott, greift nach Werken, meint Werke thun zu können dadurch er könnte des Mißfallens Gottes frei werden; aber das ist keine Hülfe von der Sünde, es ist nur ein Gedächtniß der Sünde. Das ist anzuschauen in Allem worauf die Menschheit sich gerichtet hat, was ein Gottesdienst sein sollte, keine Kraft war darin; es ist Alles nur ein Gedächtniß der Sünde geworden. Da als die Zeit erfüllt war sandte Gott seinen Sohn, ihn[,] den der ohne Sünde war, Jesus Christ, unsern Herrn und Heiland. Er sandte ihn daß er als Mensch darstellte die Fülle göttlichen Lebens, die Fülle der göttlichen Wahrheit und Liebe, sandte ihn in die Menschheit, daß er Wohnung mache, pflanze sein göttliches Leben in die Menschheit hinein. Und nun sieht Gott die ganze Menschheit in seinem eingebornen Sohn der als schöpferische Kraft überall hin wirkt, daß Alle zu seinem Leben wiedergeboren werden. Wer das nicht anschauet in der tiefsten Fülle seines Lebens, in der Macht | des Glaubens so daß er wiedergeboren wird zum göttlichen Leben; in wem das nicht Herzenserfahrung ist, der kann den heiligen Geist nicht empfangen, den Geist Christi nicht. Aber wer das auf sich bezieht, in wem das lebendige innere Erfahrung ist daß der Sünder Heiland, der Reine, Heilige in die Welt gekommen auf daß der Sünder nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe, wer sich gewurzelt fühlt in das Leben Christi und gar nicht anders kann als durch Christum sich heilgen, der empfängt den heiligen Geist, den Frieden mit Gott, der ist entnommen dem Leben in welchem wir in der Feindschaft mit Gott sind, in der knechtischen Furcht vor Gott: der hat das Bewußtsein, daß er errettet ist aus der Sünde und zu der Kindschaft gelangt mit Gott. Das ist das Ziel aller Wirksamkeit des göttlichen Geistes an euren Seelen, daß ihr diese Kindschaft erlangt, Friede im Gewissen, das selige Bewußtsein daß ihr durch Christum und in ihm lebend Theil habt an seiner unmittelbaren Gemeinschaft mit Gott. Wer in Christo lebt der ist nicht vermittelt mit Gott verbunden, sondern selbst in Uebereinstimmung, in Lebensgemeinschaft mit ihm, hat wie Christus freien Zutritt zu Gott, da er durch ihn den Geist der Kindschaft empfangen. – Ihr wißt, wenn ihr einen Blick thut in euer Herz, daß der Mensch einen unvertilgbaren Trieb hat nach der Gemeinschaft mit Menschen wie Gott sie will, daß aber die Sünde überall derselben entgegen tritt, sie nicht aufkommen läßt. Die Liebe die das Band der Vollkommenheit ist, die Liebe in der Selbstverleugnung kann nicht bestehen wo die Sünde ist, kann also nicht 29 an] an an 5 Vgl. Hebr 10,3 8 Vgl. Gal 4,4 9 Vgl. Hebr 4,15 10 Vgl. vermutlich Kol 2,9 11–12 Vgl. Joh 14,23 20–21 Vgl. Joh 3,16 21–22 Vgl. Kol 2,7 23 Vgl. Röm 5,1 31–32 Vgl. Röm 5,2; ferner Eph 2,18; 3,12 32 Vgl. Röm 8,15 in Verbindung mit Gal 4,5–6 36 Vgl. Kol 3,14
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Am 24. März 1827 vermutlich mittags
sein außer Christo. Nun seht: das ist Gottes Rathschluß daß wir Alle sollen Gemeinschaft haben in Christo mit einander, ein Herz und eine Seele werden, eine Lebensgemeinschaft in ihm. Was Christus gewollt das ist nicht nur, daß die einzelnen Seelen als solche verbunden werden mit ihm, so daß sie in ihm leben, hören unaussprechliche Worte durch seinen Geist von ihm, haben Trost und Friede in ihm, sondern auch daß alle die an ihn glauben miteinander eins werden in ihm, wie PmitS ihm. Wer an ihn glaubt der kann nicht anders, er muß eins werden mit ihnen mit denen der Herr eins ist, er muß darnach streben, daß alle Menschen gesammlet werden zu seiner Gemeinschaft, sein Leben so in ihnen wohnt, daß sie dadurch fest miteinander verbunden sind, sein Reich sind, der Bau des Reichs Gottes auf Erden den die Pforten der Hölle nicht zu überwältgen vermögen. | Ja so kräftig, so stark wird das Reich Christi sein Leben wohnt so in ihm, daß darin mit eingeschlossen ist, als worauf gewirkt wird, was noch draußen ist. Diese unsre Gemeinschaft in ihm, das, daß wir Alle eins sind in ihm, das ist seine Liebeskraft, die Kraft des Geistes Gottes des Vaters. So ist die Absicht der Wirksamkeit des heiligen Geistes an euch, so ist das Ziel derselben, daß ihr eingebürgert werdet in die Gemeinschaft der Gläubigen, eingebürgert so, daß ihr mit ihr ein Reich bildet, darin jeder gleiches Recht hat zu nehmen und zu geben. Nämlich Alle die welchen der Herr da sie eins mit ihm sind seine Gaben anvertrauet, haben ein Recht an allen Gaben so, daß nicht nur jeder seine Gabe hat, sondern auch Theil hat an den Gaben die der Herr den Andern, ja, die er jedem andern gegeben. Eben so, von der andern Seite, das Recht mitzutheilen was ihnen der Herr offenbart, giebt: Alle die die eins sind mit Christo die gebrauchen dieses Recht aus innerster Nothwendigkeit heraus; sie sind so durchdrungen mit seiner Kraft, daß sie es müssen, sie müssen wirken vermöge derselben. So hat er als Glieder derselben auch die Macht verheißen, daß ihr nehmet aus seiner Fülle Gnade um Gnade, eine Kraft nach der andern, und die Macht zu geben aus dieser Fülle was ihr genommen: Ja, er hat gewollt, er will, daß ihr zeugen sollt von ihm bis an die Enden der Erde, offenbar machen sein Leben so, daß Alle Theil daran gewinnen. Wo es so geschieht da ist die Gemeinde der Heiligen, da ist die selige Gemeinschaft die der Herr sich erworben. Daß ihr daran lebendgen Theil habt das ist die Absicht, das Ziel des Wirkens seines Geistes an euch. Ihr sollt überall suchen und finden die, denen der Herr sich hat offenbar gemacht und die lebendige Ströme seines Geistes sind, in Selbstständigkeit sollt ihr in dieser Beziehung dastehen, sollt lauschen auf die Rede die der Herr gegeben, und wo sich etwas ausspricht dem der Geist in 19 mit ihr] korr. aus mit ihnen 12 Vgl. Mt 16,18 15 Vgl. Joh 17,11.21 28–29 Vgl. Joh 1,16 Apg 1,8 36 Vgl. Joh 7,38–39 38–1 Vgl. Röm 8,16
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euch Zeugniß giebt, daß es aus Gottes Geist ist, da sollt ihr stark sein und geschickt euch hinzugeben, euch darin einzuleben, auf daß ihr eine Gotteskraft nach der andern nehmt. Und wenn der Herr in euch gegründet seine Wahrheit und Liebe, wenn er euch Klarheit giebt und die Tiefe des göttlichen Lebens euch aufthut, dann sollt ihr keine PRuhS haben und Rast als nur wenn ihr wiedergebt in immer neuer Kraft. Der Herr will daß seine Gemeinde wachse und zunehme, denn sie ist noch nicht voll|endet, und wie sie wachsen soll und zunehmen, so sollt auch ihr Theil haben daran daß sie zunehme; sollt dahin wirken daß sie besser wird sollt dahin wirken so, daß ihr besser PwerdetS als die Väter und den Grund legt zu der Herrlichkeit des Reichs des Herrn durch seine Kraft, zu der Herrlichkeit die noch nicht offenbar ist. Daß ihr so wirkende Kräfte werdet in der Gemeinde, das ist die Absicht des Wirkens der Gemeinde an euch, das ist das Ziel das an euch soll erreicht werden. Das ist nichts anderes als daß der Geist des Sohnes Gottes über euch kommt; denn wo der ist da wird erkannt und aufgebaut, ausgeführt was aus dem Geist ist und wo er ist da müssen Ströme von ihm ausgehen. Das beides nun ist eins und dasselbe: den Frieden haben mit Gott und die wirkende Kraft Christi, eins sein mit Gott und mit der Gemeinde des Herrn. Den Frieden haben, also die Einheit mit Gott, die Seligkeit, das ist das die Kraft in sich tragen des Sohnes Gottes, die Kraft durch welche was Sünde ist überwunden wird und was recht, was göttlich ist, ergriffen wird. Seligkeit und Kraft ist eins und dasselbe; es giebt keine andre Kraft sittlichen Lebens als den Frieden mit Gott, den er mittheilt durch seinen Geist. Darauf also kommt Alles an, daß ihr aufnehmt was er mittheilen will, aufnehmt die Gabe des heiligen Geistes, eins werdet mit ihm dem Herrn und lebendge Glieder an ihm, an seinem Leibe, seiner Gemeinde; daß ihr euch selbst verleugnet und die Welt und seine Zeugen werdet. Wenn ihr so Theil habt an seinem ewgen Leben, an dem Leben aus Gott, das niemand euch rauben kann, dann ist an euch erreicht, was er an euch erreichen will. In dieser großen Stunde eures Lebens sollt ihr lebendgen Theil gewinnen an der Gabe des Geistes, und so liegt euch die Frage am Herzen: wie werden wir dazu geschickt, wie erreichen wir das? Der Apostel Petrus indem er die die da fragten „was sollen wir thun“ auf das Ziel hinwies: sagte „thut Buße und lasset euch taufen auf den Namen Christi“: Ja, darauf kommts an daß ihr Buße thut. Ihr wißt was das ist; wir haben uns von den verschiedensten Seiten her darüber besprochen: es ist die innerste Abwendung der Seele von dem was Sünde ist, Abwendung von dem was | streitet gegen das Heilige, gegen Gott. Diese durch den heiligen Geist bewirkte Abwendung 10 PwerdetS] oder PwirktS 16–17 Vgl. Joh 7,38–39
27–28 Vgl. Mt 16,24; Mk 8,34; Lk 9,23
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von der Sünde muß in euch sein sonst könnt ihr von der Gabe des Geistes nichts empfangen: Diese Abwendung muß festen Fuß in euch gefaßt haben sonst könnt ihr nicht zu Christo kommen; ihr könnt nicht mit ihm gehen, nicht mit ihm leben und sterben, wenn nicht die Abneigung in euch ist von dem wovon euer Bewußtsein sagt daß es nicht bestehen kann vor dem Heilgen. O erfleht euch Buße, Sinnesänderung, auf daß ihr fähig werdet zu empfangen die Gabe des heiligen Geistes. Wenn es heißt „lasset euch taufen“ so wißt ihr was darin liegt: Jeder soll sich Christo einverleiben lassen ganz und gar, dann kann er der Gabe des heiligen Geistes theilhaftig werden. Darum wenn euer Herz nicht gerichtet wäre auf Christum, nicht in ganzer Liebe sich ihm entgegenstrekt, dann könnt er auch nicht seinen Geist geben. Beides nun ist eins, nämlich daß ihr euch abwendet von der Sünde und dem Herrn euch zuwendet; das eine könnt ihr nicht ohne das andre. Aber wenn ihr beides habt, die innerste Abneigung von der Sünde und das tiefste Verlangen rein, heilig zu werden durch ihn, also die stärkste Zuneigung zu Christo, das ganz und gar auf ihn Gerichtetsein, dann giebt er euch den heiligen Geist der schon angefangen hat in euch zu wirken, giebt euch das Gefühl des Gottes Friedens, das Bewußtsein daß ihr in ihm, in seiner Gemeinschaft wirken sollt. Mit Recht erwartet ihr das vom Herrn, daß eine belebende Kraft von ihm wird ausgehen auf euch, aber es kann nur geschehen, wenn ihr Buße habt und Glauben. Darum kommt in wahrer Buße und lebendgem Glauben, kommt mit geistgem Hunger und Durst, dann werdet ihr nehmen Gnade um Gnade, Er wird euch geben seinen Gottesfrieden, seine Kraft, ja, die Gabe des heiligen Geistes wird euch zu Theil werden. Kinder, wir Alle versetzen uns in eure Seele. Ach wir wissen, es kann heut nichts anderes in euch sein als ein tiefes Bewußtsein eurer Schwäche; denn wenn | ihr fragt was der Herr an euch gethan und wie ihr es aufgenommen habt: so sagt ihr „ach wir müssen uns schämen, sind nicht werth all der Barmherzigkeit“. Ihr suchtet anderes, euer Verlangen war nicht ganz Er. In diesem Bewußtsein wollet ihr euch aufnehmen lassen in seine Gemeinde, und ihr könnt nicht anders denn die Wahrheit wäre nicht in euch wenn ihr ein ander Gefühl hättet; wer sprechen wollt er habe keine Sünde, der lügt. Aber wenn ihr die Wahrheit tief fühlt daß ihr weg sollt durch Christum vom Leben des alten Menschen, daß aufstehe ein neuer Mensch, dann wird euch der Herr nicht von sich weisen, denn den Demüthigen, den nach ihm Verlangenden, wird ihr Verlangen gestillt werden: So habt denn keine Angst – freilich euer selbst willen müßtet ihr Angst haben; ihr seid unwürdig 34 die] die die
38 euer] eure
23–24 Vgl. Joh 1,16 Kol 3,9–10
33–34 Vgl. 1Joh 1,8
35 Vgl. Röm 6,5–6; Eph 4,22–24;
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zum göttlichen Leben, aber er wird euch würdig machen, wird mächtig in euch werden. Mitten in eurem Schmerz über Alles was ihr verfehlt habt, könnt ihr mit Freudigkeit kommen, Er wird euch trösten mit seiner Hülfe, euch erfüllen mit der Gabe seines Geistes, dem Bewußtsein der Kindschaft mit Gott so daß ihr immerdar wachset und endlich zum vollkommnen Alter Christi gelanget in und mit seiner Gemeinde. Ja, ewiger Vater, gieb diesen Kindern daß sie Buße thun und sich ziehen lassen zu ihm der alles wahren Lebens Urquell ist: lass sie mit Furcht und Zittern auf sich selbst sehen aber mit Freude auf Dich, auf ihn der der Anfänger ist und der Vollender alles seligen Lebens, gieb ihnen die Fülle Deines Geistes. – Liebe Kinder, euer Glaube ist der Sieg der die Welt überwindet. Vermöget ihr euern Glauben dem Herrn und der Gemeinde jetzt auszusprechen, so thut es. Wollt ihr diesem Glauben leben und sterben d. h. ihn bethätigen immerdar: So tretet heran zum Altar daß ihr eingesegnet werdet zur Lebensgemeinschaft Christi. | Lieben Brüder, seid fest und unbeweglich, nehmt immer zu in dem Werk des Herrn: Dazu segne euch der Herr. Ihr seid theuer erkauft werdet nicht der Menschen Knechte: Ja der Herr ist der Geist und wo der Geist ist da ist die Freiheit der Kinder Gottes; Freiheit ist Gehorsam gegen Christum: Dazu segne euch der Herr. Barmherziger gnädiger Vater wir preisen dich daß du uns hast Theil gegeben an dem seligen Leben deines Sohnes, daß du es uns vergönnt hast diesen Kindern ihn zu preisen als Fürsten des Lebens. Wir preisen dich daß du es uns vergönnt hast an ihn, durch ihn sie hinaufzuziehen so daß sie ihn erkannt haben als den dem sie folgen wollen, folgen müssen aus innerstem Triebe des Geistes. Wir preisen dich daß du uns vergönnt hast in der Kraft deines Geistes ihnen die Hände aufzulegen, sie aufzunehmen in unsre Gemeinschaft mit Christo, zu den Rechten und Pflichten der mündigen Christen. Jetzt haben sie sich dir gelobt, sie wollen unserm Herrn und Meister leben, an ihm bleiben wie die Reben am Weinstock, Nahrung nehmen aus ihm in dem lebendgen Glauben, daß du sie reinigen werdest je länger desto mehr, auf daß sie Frucht bringen dir wohlgefällig, und deiner Barmherzigkeit sich getrösten können im Leben und Sterben. Ach jetzt sind sie rein um des Worts willen, das sie aufgenommen haben so, daß es ihren Willen bestimmt, sind rein weil sie erkannt haben und geglaubt die Liebe die 17 Lieben Brüder] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 3, Sp. 206
35 Sterben] sterben
5–6 Vgl. Eph 4,13 8–9 Vgl. Phil 2,12 9–10 Vgl. Hebr 12,2 12 Vgl. 1Joh 5,4 19 1Kor 7,23 19–20 Vgl. 2Kor 3,17 in Verbindung mit Röm 8,21 24 Vgl. Apg 3,15 31–32 Vgl. Joh 15,5 33–34 Vgl. Joh 15,5
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du zu ihnen hast. Und liegt freilich hinter dieser Stunde ein Leben voller Schwachheit so rufen sie doch deine Barmherzigkeit an, leben des festen Vertrauens daß du ihnen werdest Kraft geben, Lebenskraft aus dir. O gieb ihnen das Zeugniß deines Geistes daß sie Christo angehören, rein gewaschen sind in der Liebe in der er sich in den Tod gegeben; gieb ihnen den heiligen Geist daß sie fest stehn in dir und fühlen, daß niemand sie kann aus deiner Hand reißen. Gieb ihnen daß sie nehmen immerdar aus deiner Fülle und treue Arbeiter werden in deinem Weinberg, kämpfen gegen die Sünde und dazu beitragen daß dein Wille geschehe, dein Reich sich ausbreite, deine Wahrheit leuchte durch alle Lande. Ach wir wissen wol daß noch viel fehlt daran daß wir Christum ergriffen ganz und gar nachdem wir von ihm ergriffen sind, wissen daß |
[Der Text endet hier.]
[Liederblatt vom 24. März 1827:] Bei der Confirmation 1827. Zum Anfang. – Mel. Ach schönster Jesu mein Verlangen. [1.] Dank Jesu dir, daß du beim Scheiden / In deiner lezten Trauernacht / Uns hast die Früchte deiner Leiden / Zum seligen Genuß vermacht; / Dein blutger Tod mit seinen Schmerzen / Erneut sich hier vor unsern Herzen. // [2.] Das Band wird fester hier geschlungen, / Das uns mit dir zusammenfügt, / Und inniger das Herz durchdrungen / Von Himmelslust, die ganz genügt; / Mit Allen werden wir vereinet, / Auf die der Glanz des Kreuzes scheinet. // Nach der Vorbereitungsrede. – Mel. Wer ist wohl wie du etc. [1.] Von des Himmels Thron / Sende Gottes Sohn, / Deinen Geist, den Geist der Stärke, / Und gieb Kraft zum heilgen Werke, / Daß sie dir sich weihn, / Ewig Dein zu sein. // [2.] Lenk du ihren Sinn / Ganz zum Himmel hin, / Wenn sie ihren Bund erneuern, / Und gelobend dir betheuern, / Nur auf dich zu sehn, / Deine Bahn zu gehn. // Nach dem Gebet. – Mel. Jesu der du meine Seele. [1.] Wandelt glaubend eure Wege, / Gott sei eure Zuversicht! / Seid befohlen seiner Pflege / Scheut auch seine Prüfung nicht! / Treffen Schmerzen euch und Leiden, / Trübt euch schwerer Kampf die Freuden: / Seid voll Glaubens! Kampf und Leid / Führen euch zur Seligkeit. // [2.] Wandelt liebend eure Wege! / Lieb ist Christi neu Gebot; / Daß sie stets in euch sich rege, / Geht auf seinen heilgen Tod; / Schaut der Liebe Sieg im Sohne. / Denkt der euch verheißnen Krone! / Glaubend, liebend, hoffend lebt; / Bis euch Gott zu sich erhebt. // 8–9 Vgl. Mt 20,1–15
9–10 Vgl. Mt 6,10; Lk 22,42
11–12 Vgl. Phil 3,12
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Predigt über Apg 2,36–38
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Nach der Einsegnung. – Mel. Nun lob mein Seel. Geweiht zum Christenthume, / Sind wir, o Vater, dir geweiht, / Daß wir zu deinem Ruhme / Hier führen unsre Lebenszeit! / Wir wollen deiner Liebe / In Christo uns erfreun, / Und deines Geistes Triebe / Allein gehorsam sein. / O laß uns hier auf Erden, / Und dort vor deinem Thron, / Des Heils theilhaftig werden, / Das uns erwarb dein Sohn. // Schlußgesang. – Mel. Schmücke dich etc. Jesu wahres Brodt des Lebens, / Deine Huld sei nicht vergebens, / Daß wir uns zum Heil und Frommen / Hier zu deinem Tische kommen! / Laß dein heilges Mahl uns stärken / Zu des Glaubens guten Werken, / Daß wir einst, wie jezt auf Erden, / Deine Gäst’ im Himmel werden. //
Am 25. März 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Laetare, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 19,8–16 Nachschrift; SAr 107, Bl. 72r–73v; Crayen Keine Nachschrift; SAr 107, Bl. 68r–71v; Crayen Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium Tageskalender: „Communion wobei Gaß mir half“ Liedangabe (nur in SAr 107, Bl. 71r) Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
89. Frühpredigt über das Evangelium Joh. Joh. 19.
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Wenn wir im kurzen zusammen fassen: worauf uns hinführt dieser Abschnitt der Leidensgeschichte unsers Erlösers: so ist wohl der stärkste Eindruck, der am kräfftigsten daraus sich uns darstellt: der Gegensatz der ruhigen Haltung eines göttlichen Lebens – wie dasselbe aus unserem Erlöser sich uns zeigt mit der unstäten Beweglichkeit eines auf das Irdische gerichteten Gemüths – in dem Pilatus! – jene unerschütterliche Ruhe und feste Haltung in allem dem was äußerlich ihm entgegentrat – in dem der dieses himmlische Leben in sich trug – und die Quelle desselben uns geworden ist – jener unstäten Richtung gegenüber. Fragen wir nun: was ist denn wohl die Ursach eines solchen Hin und her schwankens wie wir es erblicken in dem Pilatus? so müssen wir sagen: das irdische Leben es ist der Kampfplatz eines beständigen Streites! 8 allem] allen 1 Crayen nummerierte ihre Nachschriften zur Homilienreihe zum Johannesevangelium wohl nachträglich und übersah offenbar, dass Schleiermacher ab dem 11. März 1827 auch im Hauptgottesdienst die Reihe fortführte. Vgl. Meckenstock: Kalendarium der überlieferten Predigttermine Schleiermachers, KGA III/1, S. 955–957; vgl. oben Einleitung, Punkt II.3.C. 2 Nach SAr 107, Bl. 71r, wurde, vermutlich aus dem Jauerischen Gesang-Buch, 1818, das Lied Nr. 537: „O wie selig sind die Seelen“ (in eigener Melodie) gesungen. Unklar ist das Verhältnis zu dem Liederblatt. Da Schleiermacher die Liederblätter frühzeitig hat drucken lassen, ist es möglich, dass mit der wohl spontanen Fortführung der Homilienreihe auch im Hauptgottesdienst das Liederblatt ganz oder teilweise außer Acht gelassen wurde oder ein Austausch von Liedern stattfand. Vgl. auch die Predigt am 6. Mai 1827 vormittags 10 Vgl. Joh 4,14
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Predigt über Joh 19,8–16
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der Mensch – dem gegenüber – fühlt – von der einen Seite – eine Krafft in sich, die er in Bewegung setzen will – und der er glaubt vertrauen zu können! hat er aber dafür kein Maas in sich selbst, so fehlt ihm die sichre Rechnung! – Und, indem er als dann die Ursach des unerreichten Gutes – bald, in dem Mangel an eigner Klugheit – bald: um sich zu rechtfertigen – in den äußern Umständen sucht: so macht ihn das muthlos und verzagt! Sieht er aber – von der andern Seite auf die Krafft die er in sich fühlt, verbunden mit der Unerschöpflichkeit seines Begehrens: so macht ihn das: trotzig! Und so geschiehet: daß – nach dem Ausspruch der Schrifft – des Menschen Herz wird „zu einem trozigen – und verzagten Dinge!“ – Aus diesem Wechsel kommt der natürliche Mensch nie heraus – und kann nicht zu der Festigkeit gelangen, welche, freilich, einen andern Boden verlangt! – Es zeigt sich uns dieses deutlich in dem Pilatus! es wird von ihm gesagt „Er fürchtete sich pp.“ was aber konnte – in seinem Innern ihn bewegen, sich zu fürchten? glaubte ja doch Er nicht an einen einigen Gott! wie konnte er denn sich fürchten vor dem Einfluß dessen, der sich zu dieses Gottes Sohn bekannte? – So fürchtete er denn, den Zorn einer ihm unbekannten Gottheit auf sich zu laden! Die Römer, nemlich, wie auch die Griechen hatten – wie Paulus uns erzählt – nicht nur eine große Anzahl von Gottheiten; sondern sie nahmen auch noch in dieser Zahl mit auf, einen unbekannten Gott; schrieben aber allen diesen Gottheiten Wesenheiten zu: die da schwankten zwischen irdischer und überirdischer Macht! und so war denn ihre Furcht dafür ähnlich der vor Naturerscheinungen; und eine Solche war es dann auch worin Pilatus befangen war. Er fürchtete den Zorn der Götter auf sich zu laden, wenn er diesen „Unschuldigen“ – wie er ihn nannte – zum Tode verdammte! – das war von der einen Seite seine Furcht! – Noch bestimmter aber zeigt sich uns in ihm: | war Menschenfurcht! welche der Gedanke in ihm erregte, daß man ihm nachsagen würde: „Er sei nicht des KaisersFreund wenn er diesen losgebe!“ und aus solcher Furcht entstand nun das große Übel „etwas zu thun wieder sein Gewissen.“ So hatte er denn zwar in sich das Bewußtsein von Recht und Unrecht! auch wußte er gar wohl die Nichtigkeit der Beschuldigung: dieser Jesus habe sich für den König eines irdischen Reichs erklärt! – ist aber der Mensch einmahl mit allen Richtungen seiner Seele gebannet an irdische Bestrebungen: o, dann! – und dieses führt uns auf die tiefste Quelle des Bösen – : dann sucht er, in diese seine eigne Erniedrigung auch Andre noch hineinzuziehen; worin er dann – gleichsam – einen Trost sucht! – So ruhete denn dieser Pilatus nicht eher, bis das Volk das: „Kreuzige ihn!“ ausrief; und meinte nun, seine Hände in Unschuld waschen zu können. 16 zu] darüber als Alternative für 9–10 Jer 17,9
19–20 Vgl. Apg 17,23
38–39 Vgl. Mt 27,24
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Aber lasset unsern Blick davon ab- und zu dem uns hinwenden, aus welchem die ganze Herrlichkeit eines göttlichen Lebens strahlt! – Was nehmen wir, statt jenem in ihm wahr? wir sehen in ihm, zuförderst, das unverringert theilnehmende Gefühl, über den innren Zustand derer die sich so herab würdigen und erniedrigen konnten – in welchem er dort „weinete über Jerusalem“ schmerzlich sich betrübend daß es nicht „wisse was zu seinem Frieden diene“! Eben so sehen wir seine Gedanken und Gefühle sich bewegen um die Verdorbenheit des sittlichen Zustandes dessen dem er überantwortet war! Wir hören ihn sagen zu ihm: „die mich dir überantwortet haben – die haben des größere Schuld!“ Mit der höchsten Ruhe des Gemüthes also maaß er die größere und geringere Schuld! indem er aber dem Pilatus diese größere Schuld zeigte – mahnete er ihn an seine eigene wenn gleich: – Geringere – und hätte Pilatus diesen Wink des Herrn nicht überhört: so hätte er auch die kleinere Schuld sich erspart! – Sehen wir, ferner, auf die unerschütterliche Gelassenheit mit welcher er trug, was ihm zu tragen auferlegt war – wie auf die Festigkeit bei dem was ihm dabei zu reden oblag! Als, nemlich, Pilatus, nach seiner Verurtheilung, noch ein mahl eine Frage richtete an ihn: antwortete er nichts darauf – und warum? – Ach, er wollte sich frei halten auch von dem entferntesten Antheil der Schuld des Pilatus – und dessen unreinen Gemüthsbewegungen – und so ließ er sich denn nicht weiter mit ihm ein. Und wie zeigt sich auch darin uns seine ruhige Stimmung und göttliche Erhabenheit. Aber ein höchst bedeutendes Wort wollte er doch dem Pilatus noch ans Herz legen – : nachdem dieser gesagt: „Antwortest du nicht! – weißest du nicht: daß ich Macht habe über Dich!“ | denn da sagt er zu ihm: „Du hättest keine Macht – wenn sie dir nicht zugelassen wäre von oben!“ und diese göttliche Mahnung – wie hätte sie nicht auch in der Seele eines Pilatus ihre segensreiche Wirkung thun sollen! O, hätte er diesem Zuge gefolgt! – Aber der Same des göttlichen Säemannes – er fiel in die Dornen! Jenes stolze Wort des Pilatus aber verletzte den nicht der das Bewußtsein in sich trug: daß Alles ihm untertan gemacht werden sollte: Statt dessen hören wir ihn eingehen in den Zusammhang des göttlichen Rathschlusses – indem er spricht – wie ein andrer Evangelist uns erzählt: „Von nun an wird es geschehen, daß des Menschen Sohn sitzen wird zur Rechten der Kraft und kommen in den Wolken des Himmels[.]“ So überblikt er denn hierin – in die ferneste Zukunft hinein die verborgenen Wege des göttlichen Rathschlusses in dessen Weisheit! indem er damit sagen will: Ich und mein Reich gehören nicht vor einen menschlichen Richtstuhl! und nur durch eine fremde Schuld ist es geschehen daß 3 zuförderst] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 5, Sp. 458 (s. v. „zuvörderst“) gefolgt] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 235 37 einen] einem 5–7 Vgl. Lk 19,41–42
28–29 Vgl. Mt 13,7; Mk 4,7; Lk 8,7
28 hätte …
33–35 Mt 26,64
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meine Sache vor diesen Richtstuhl gebracht ist! und nur der Zusammenhang derselben mit dem göttlichen Rathschluß – ist ihr himmlisches Zeichen! So weiset uns denn unser Erlöser, durch sein Vorbild, darauf hin: daß wir alles was geschiehet, als Gottes Sache – ihm anbefehlen – ; dann aber auch mit ruhiger Fassung alles tragen sollen, was dabei als die Schuld der Menschen uns entgegentritt; wie denn darin sich kund giebt die höhere Richtung der menschlichen Seele. – Diese himmlische Festigkeit aber in unserm Erlöser, sie ging daraus hervor, daß er sich Eins fühlte mit Gott. Lebt aber Christus in uns – haben wir in ihm erkannt eine göttliche Herrlichkeit – ist er gekommen, mit dem Vater, Wohnung in uns zu machen: so fühlen auch wir uns – nicht zwar durch uns selbst, aber doch durch ihn, vereinet mit Gott; und es wird uns leicht werden als dann: „nicht zu trachten nach dem was sterblich und vergänglich – sondern nach dem was himmlisch ist: denn wo unser Schatz ist, da wird auch unser Herz sein.“ So lasset uns denn auf diesem – allein richtigen Wege wandeln, den unser Erlöser uns vorgezeichnet und so das Werk vollbringen welches wir – nach dem Willen des himmlischen Vaters vollenden sollen. Dann wird sein Segen auf uns ruhen als ein unvergänglicher! Denn damit höret das Herz auf | nach irgend etwas vergänglichem zu trachten; und das – durch ihn erleuchtete Auge – gereizt durch das Vorbild unsers Erlösers – wird auf nichts anders mehr seinem Blik gerichtet halten, als auf das was der gute – Gott wohlgefällige Wille an uns ist! nämlich, daß wir immer mehr werden „das Volk des Eigenthums dessen, der allein uns geschickt machen kann zu solchem guten Werke.“
[Liederblatt vom 25. März 1827:] Am Sonntage Lätare 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Nun laßt uns den Leib etc. [1.] An deine Leiden denken wir, / Herr Jesu Christ, und danken dir, / Daß du so willig ihre Last / Zu unserm Heil getragen hast. // [2.] Wir folgen dir im Geiste nach / Zu jeder Stufe deiner Schmach, / Wir schaun zu deinem Kreuz hinan, / Und beten dich bewundernd an. // [3.] Wir segnen, Herr, den Dornenpfad, / Den uns zu gut dein Fuß betrat, / Uns strömet Kraft und Trost und Ruh / Aus deinem bittern Leiden zu. // [4.] Erlöser uns erwarb dein Tod / Die feste Zuversicht zu Gott, / Daß er uns als ein Vater liebt, / Den Reuigen 1 diesen] diesem
14 sein.“] sein“
8 Vgl. Joh 10,30 8–9 Vgl. Gal 2,20 21 22–24 Vgl. Tit 2,14
10 Vgl. Joh 14,23
12–14 Vgl. Mt 6,19–
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die Schuld vergiebt. // [5.] Daß ewig unsre Seele lebt, / Und sich zur bessern Welt erhebt, / Daß nie dein Reich kann untergehn, / Die Lehre muß nun fest bestehn. // [6.] Mit ungewissen Schritten geht / Auf enger Bahn wer dich verschmäht. / Wir glauben dir und zweifeln nicht, / Du bist uns Leben, Trost und Licht. // [7.] Voll Dank und Freude folgen wir / Dir unserm Herrn und Retter hier; / Dort führst du nach vollbrachter Zeit / Uns zu des Himmels Herrlichkeit. // Nach dem Gebet. – Mel. Du o schönes Weltgebäude. [1.] Jesu Freund der Menschenkinder, / Retter der gefallnen Welt, / Der du für verlorne Sünder / Dich zum Opfer dargestellt! / Auch für mich hast du dein Leben / Willig in den Tod gegeben, / Laß doch deines Todes Pein / Nicht an mir verloren sein . // [ 2.] Herr du littest in den Tagen / Deines Fleisches ohne Schuld, / Und ertrugst doch alle Plagen / Mit Ergebung und Geduld. / Dringt auch Leid zu meinem Herzen, / So laß unter Angst und Schmerzen / Glaubensvoll mit heißem Flehn / Mich auf dich mein Heiland sehn. // [3.] Unverschuldet trugst du Bande, / Mache mich von Sünden frei! / Hilf daß deines Kreuzes Schande / Meine Kron’ und Ehre sei! / Laß in keiner Noth der Erden / Jemals mich zu Schanden werden! / Ich bin ja dein Eigenthum, / Darum sei dein Kreuz mein Ruhm. // [4.] Laß auch in den bängsten Stunden / Stets mich stark im Glauben sein! / Flöße Kraft aus deinen Wunden / Meinem schwachen Herzen ein! / Laß mich in der Angst der Sünden / Trost in der Gewißheit finden, / Daß durch dich, Herr Jesu Christ, / Gott mit mir versöhnet ist. // [5.] Mit des Muthes Bahn zu brechen, / Gingst du leidend, Herr, voran; / Wie auch Haß und Feindschaft stechen, / Daß ich sicher folgen kann. / Wenn mich nichts mehr labt auf Erden, / Sollst du mir zum Troste werden; / Ja erquicke selbst mein Herz / In des herbsten Kampfes Schmerz. // [6.] Werd ich einst im Sterben liegen, / Bricht herein des Grabes Nacht: / Dann hilf mir den Tod besiegen / Durch dein Wort, Es ist vollbracht. / Wenn mir Wort und Sprach’ entfallen, / Laß mich sanft von hinnen wallen! / Laß mir deine Todespein / Leben, Heil und Himmel sein! // Nach der Predigt. – Mel. Aus tiefer Noth etc. Ich schwöre, Weltversöhner, dir, / Und ewig will ichs halten: / So wahr du lebest soll in mir / Nie deine Lieb erkalten. / Ich will nicht scheuen deine Schmach, / Ich will das Kreuz dir tragen nach, / Nur dir zur Ehre leben. //
Am 1. April 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Judica, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 19,16–24 Nachschrift; SAr 57, Bl. 96r–104r, Nr. 80; Schirmer Keine Keine Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
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Johannes 19, 16–24.
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M. a. F. Als Pilatus sein Urtheil gesprochen und Christum dem Tode übergeben hatte, war die Hauptsache geschehen, und es sind nur noch die einzelnen Umstände bei der Ausführung, die der Evangelist erzählt. Bleiben wir bei dem, was wir heute verlesen haben, stehen, wie sie Christum hinausführen, und er das Kreuz trägt und an das Kreuz geheftet wird: welch trauriges Bild stellt sich uns dar, und wie wird die einfache Erzählung ergänzt durch die andern Evangelien und durch das, was uns unsere eigene Erfahrung sagt! | Nicht nur diejenigen, welche dieses traurige Geschäft zu vollbringen hatten, führen ihn hinaus, sondern eine Volksmenge folgt, die Einen von eitler Neugierde getrieben, die Andern, um die Zeit mit der Betrachtung des traurigen Schauspiels zu vertreiben, noch Andere, um den Gegenstand der Liebe bis zum Tode in ihren Augen zu behalten, Andere endlich, um ihre Leidenschaft, der gehäßigsten Art zu weiden an der Quaal Christi. Wie ist es doch noch immer dasselbe mit uns! Die menschliche Gerechtigkeit sieht sich noch scheinbar gezwungen Todesurtheile zu fällen, und noch ist die Möglichkeit da, daß der Schuldige mit dem Unschuldigen gemischt werde. Welch trauriger Gedanke! Wenn das nicht mehr geschähe, und es gar nicht mehr solche Handlungen gäbe, daß man blutige Urtheile sprechen müßte: so würde ein solches Schauspiel wie dies, sich nie unter den Christen erneuen. | Und diejenigen, welchen von Jugend auf das Evangelium gepredigt wird, welche in der christlichen Gesellschaft leben, die nichts anderes vor sich her trägt, als daß sie von dem Bestreben durchdrungen ist, das Reich Gottes auf Erden zu gründen, sehen noch immer unter sich 1 Johannes 19, 16–24.] darüber steht der Hinweis: Lücke: Joh. 19, 8–15 Evanlien
8 Evangelien]
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dasselbe geschehen, was wir kennen aus den Tagen der Unwissenheit, die Gott übersehen hat, aber die auch zu Ende gehen sollte, dass Jedermann Buße thue und den Glauben annehme. O! die Zeit ist noch nicht herbeigekommen, wo, weil solche Thaten nicht mehr geschehen, auch das Gesetz nicht mehr entscheidet, das Leben von dem Menschen zu nehmen; und wenn einige Ausnahmen unvermeidlich sein möchten, ist es nicht eine noch größere Schmach der Christenheit, wenn wir aufs Neue sehen in ähnlichen Fällen wie sie ganz auf gleiche Weise von den Menschen aufgenommen werden? Ja wohl! sollten wir daran nicht denken, ohne es für die traurigste Schmach der Christenheit anzuer|erkennen, daß unter Christen noch immer dasselbe geschieht, wodurch der Einzelne zum Tode geführt wird. Wie können wir das denken ohne den ernsten Vorsatz, Alles, was wir können durch Erziehung der Jugend, durch das Evangelium, dadurch, daß wir alle Menschen um uns entzünden mit der Liebe zu dem, der um seinetwillen am Kreuz gestorben ist – Alles, was wir können auf diese Weise zu thun, um unsere Brüder auf den Weg zu führen, daß endlich solche Macht PhoherS Leidenschaft unter christlichen Völkern nicht mehr vorkomme, daß uns solch trauriges Schauspiel nicht mehr vor Augen stehe. Aber, wenn wir an Zeiten denken, wo die menschlichen Verhältnisse an sich im Großen verwirren, wo die Leidenschaften die Stimme des Gewissens im Herzen ersticken, oder, wo die Menschen glauben, daß das Reich Gottes nicht besser herbei geführt werden könne als dadurch, daß man ihnen freien Lauf läßt: wie oft geschieht es, daß dann der Unschuldige | mit dem Schuldigen verwechselt wird, daß noch solche Gesinnung herrscht, wie Caiphas sie hatte: es sei besser, daß Einer unschuldig umgebracht werde, als daß das ganze Volk umkomme, und daß die größere Vewirrung vermieden werde. O! daß wir daran nie möchten Theil nehmen, daß wir uns davon frei halten in irgend etwas Böses zu willigen, in die falsche Meinung, daß das Gute durch nichts, als durch das Böse könne gerettet werden! Daran mahne uns das Kreuz Christi, so oft wir dessen gedenken. Und nun laßet uns bei den andern beiden Abschnitten des Evangeliums verweilen. Pilatus hatte eine Ueberschrift setzen lassen auf das Kreuz; das war gewöhnlich, um die Ursache des Todes bekannt zu machen. – Die Ueberschrift hatte gelautet: Jesus von Nazareth, der Judenkönig I. N. R. I. wie sie noch jetzt auf den Kreuzen gefunden wird. Das geschah um des Volkes willen und hatte den Endzweck, daß dieses ein warnendes | Beispiel nehmen möchte, und abgeschreckt werden durch das, was geschah. Aus gleicher Ursache ließ Pilatus jene Worte ans Kreuz heften. Warum schrieb er so? Er wollte das Volk hierdurch sinnlich mahnen an das, was sie selbst 16 PhoherS] vermutlich korr. aus roher 1–2 Vgl. Apg 17,30
27 irgend] jrgend
2–3 Vgl. Mk 1,15
33 war] was
24–26 Vgl. Joh 11,49; 18,14
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gesagt hatten; wir wollen keinen andern König, als den Kaiser; dadurch sollten sie alle große Hoffnungen aufgeben, welche sie so lange genährt hatten, und die zuletzt doch jenen schrecklichen Krieg herbeiführten; nun sollten sie sich aller solcher Hoffnungen begeben, und – dieser Ausspruch war der eigene Ausspruch und Wunsch des Herzens – und sie sollten stets unter dem Kaiser leben, der ihnen gehäßig war, der Hohe Priester hatte das Urtheil gefällt, weil der Heiland selbst sich zum Sohn Gottes gemacht habe, da hingegen sie sich das Recht anmaßten, des Ausspruchs, ob er der sei, auf welchen die | göttlichen Verheißungen hinwiesen. Sie nährten noch jene Hoffnungen und wollten nicht, daß dieselben erstürben im Volk, deshalb baten sie um die Änderung der Ueberschrift beim Pilatus (V. 21). Er antwortete ihnen: was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben (V. 22.). Ja, so geht es damals und jetzt noch. Nachdem sich beide von so verschiedenen Beweggründen hatten verleiten laßen zu ungerechten Handlungen, und nun auch beide die Früchte derselben genießen wollten, so konnte es nicht anders sein, als daß die augenblickliche Frucht davon demjenigen zu Gute kam, welcher die Macht in Händen hatte; aber es war auch nur die augenblickliche Frucht, denn Pilatus konnte dadurch nicht die irdischen Hoffnungen des Volkes tödten. So sehr auch das Volk durch das nächstfolgende, durch die Auferstehung | des Erlösers, durch die Ausgießung des heiligen Geistes, durch die Stiftung der Gemeinde, durch die Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit auf den rechten Weg hingewiesen wurde: so erneuten sich doch jene sinnlichen Hoffnungen. Ach, m. g. F. wenn wir davon die Anwendung machen wollen, die uns am nächsten liegt, worauf kam es hier an? Unrichtige Vorstellungen von den göttlichen Verheißungen einerseits, falsche Hoffnungen von dem, was in der Welt bewirkt werden sollte, andererseits, die lagen im Streite; aber die augenblickliche Art der Entscheidung des Streits hatte keinen Einfluß auf den allgemeinen Gang der Dinge, und wenn sich Pilatus und der Hohe Priester fruchtlos stritten über die Art, wie die Ursache vom Tod des Erlösers angegeben werden sollte, so wurde dennoch der wahre Grund des Kreuzes für alle Zeit befestigt. Wie oft erneuert sich das in der Geschichte | des Christenthums! falsche Vorstellungen vom Inhalte der göttlichen Verheißungen, eine verkehrte Richtung menschlicher Hoffnungen sehen wir stets unter den Christen bald so, bald so aufstreben als Quelle vieler Streitigkeiten PundS Entzweiungen. Sie wurden bald auf künstliche und hinterlistige Weise geführt, bald offen und leidenschaftlich; aber, wie sie auch entschieden werden, was 30 Erlösers] Erlöser
35 PundS] PuS oder PinS
1 Joh 19,15 3 Gemeint ist der Jüdische Krieg, der 66 n. Chr. begann, in der Eroberung Jerusalems und der Zerstörung des Zweiten Tempels durch die Römer 70 n. Chr. gipfelte und mit dem Fall Masadas 74 n. Chr. endete. 21–22 Vgl. Joh 4,23– 24
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auch das Ende von solchem Streite sei, der das Wahre nicht trifft – das Reich Gottes im Geist und in der Wahrheit befestigt sich dadurch immermehr. Aber wenn das unsern Glauben stärken und befestigen muß, so bleibt es gleich traurig, wenn sich die Menschen im Angesicht des Kreuzes streiten um das, worin keine Wahrheit ist, oder was mit den wesentlichen Wahrheiten des Christenthums zu wenig zusammenhängt. Das ist der natürliche Gang der menschlichen | Dinge. Wie damals nur Wenigen die Wahrheit des Erlösers klar geworden war, wie Johannes sagt, daß der Erlöser, ganz abgesehen von seinen Erfolgen, wie er ging und stand offenbaret habe die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater: so wollen wir freilich nicht sagen, daß dies noch ein kleines Häuflein sei, aber, daß nur diejenigen, welche so gesinnt sind, das Reich Gottes unter sich haben und fördern; und jemehr die Aufmerksamkeit der Menschen auf etwas Anderes gezogen, und davon abgelenkt wird in Christo die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater zu schauen voll Gnade und voll Wahrheit, und sich deshalb ihm anzuschließen: um desto mehr verlieren sie sich und beunruhigen sich. Die Wege Gottes gehen ihren Gang; aber lenken die Menschen die Aufmerksamkeit daran ab, wo von ihr ewiges Heil abhängt, und bleiben sie beim Äußerlichen stehen, so entgeht ihnen der Genuß und die wahrhaft kräftige Theilnahme am Reich Gottes. | O möchten sich doch die Menschen mehr einigen in dem Einen, was Noth thut! Jemehr sie dem Erlöser in Liebe sich zuwenden und er ihr Gemüth bethätigt, desto richtiger werden sie alles Andere schätzen, ob es werth ist, Gegenstand des Streits zu sein, oder nicht. Endlich erzählt der Evangelist von den Kriegsknechten, welche, nachdem sie Jesum gekreuzigt, was ihres Amtes war, seine Kleider nahmen und sie theilten (v. 23 und 24). Allerdings hätten sie das nicht thun können bei einer lebendigen Empfindung von der Herrlichkeit des Erlösers und von der Ungerechtigkeit des Urtheils, dem sie auch wider ihren Willen hätten dienen müssen; dann würden sie bei solchen Kleinigkeiten nicht verweilt haben, und, wenngleich Recht und Gerechtigkeit ihnen das Eigenthumsrecht zugesprochen hätten, so hätten sie sich jetzt nicht damit beschäftigen können. Freilich waren sie Allen dem am meisten fremd, was geschah, und verlangten von dem Dienste im fremden Lande abgelohnt zu werden, um zurück kehren zu können zur Heimath, | so daß sie mehr, als Andere zu entschuldigen sind über dies irdische und nichts würdige Geschäft unter dem Kreuze Christi. Aber sind diejenigen anders, die, in der christlichen Gemeinschaft aufgenommen, Christen sind? sie, die gemahnt durch Alles, an das, was sie ihm schuldig sind, dennoch unter dem Kreuze Christi stehen und dennoch ihr Leben zu bringen mit dem Handeln und Loosen und Zertheilen der nichtigen und vergänglichen Dinge? Das Irdische soll zwar nicht herab ge9–10.14–15 Vgl. Joh 1,14
21–22 Vgl. Lk 10,42
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setzt werden; demjenigen, der in der Gemeinschaft Christi lebt und Alles auf sein Reich bezieht, werden alle irdischen Dinge irdische Umhüllungen des Erlösers, ihre gehörige Benutzung erleichtert die Förderung seines Reiches, aber wenn um irdische Dinge gehandelt wird, in der Beziehung, als ob Christus | kein Anrecht auf sie habe und daß sie für sich selbst einen Werth haben – was ist das anders als jene Gesinnung der Kriegsknechte unter dem Kreuze Christi? Das ist das Bild, dem sich die Christen ähnlich machen, denn alle die, welche, um sich mit dem Reiche Gottes zu beschäftigen, dennoch vom Kreuz hinweg sehen den Blick auf die Erde werfen, sind dem ausgeführten Bilde ähnlich. O! daß doch das Leben keines einzigen Christen eine Ähnlichkeit darböte mit der feindlichen Gesinnung! O! daß wir alle irdischen Dinge der Welt nicht von Christo und dem Kreuz abgesehen thun wollten, sondern nur ihn im Auge hätten! dann sind wir auch in irdischen Dingen treue und gerechte Haushalter, die das Irdische verklären. Indem der Evangelist von dem redet, was unter dem Kreuz geschieht; sagt er nun von Christo selbst nichts. Was that denn, oder wie war Christus beschaffen, | was ging in seinem Innern vor? Jawohl unter ihm ging es vor. Er selbst – was kann in seiner Seele gewesen sein, als das, was wie wir wissen, immer in ihm war, wenn er sich seinen Tod vergegenwärtigte: wenn ich erhöhet bin, will ich sie Alle nach mir ziehen, und: das Weizenkorn muß in die Erde fallen und ersterben, damit es viele Frucht bringe, sonst bleibt es allein und: vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun, und: es ist nothwendig, daß Aergerniß komme, es muß jawohl Aergerniß kommen; aber wehe dem Menschen, durch welchen es kommt! Es wäre ihm besser, er wäre nie geboren. Das sind die Gedanken Christi über sein Kreuz, in den Tagen, wo er mit unerschütterlicher Festigkeit des Glaubens und in treuem Gehorsam die Werke des Vaters vollbrachte; das sind | die Gedanken, welche seine Seele erfüllten. Sollten sie jetzt weniger lebendig gewesen sein? Nein; und wenn jene Theilung der Kleider, welche dem Evangelisten den Psalm in Erinnerung bringt, so auch ihn, den Erlöser veranlaßte am Kreuze jene Worte des Psalms, der sich ihm im ganzen Zusammenhange vergegenwärtigte, auszurufen: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen! wie konnte das in seiner mit Gott geeinigten Seele Wahrheit sein? Wenn Christus sich während seines Lebens darauf berief, daß er kein Zeugniß von den Menschen nehme, sein Vater im Himmel, der zeuge für ihn; so war es wahr, daß dies Zeugniß nun schwieg, so nämlich, daß kein menschliches Ohr es vernahm, so daß, wenn er vielleicht nirgends, in keinem andren Ver12 nicht] nicht,
30 bringt] bring
14 Vgl. Lk 12,42; 1Petr 4,10 19–20 Joh 12,32 20–22 Joh 12,24 22 Lk 23,34 22–25 Mt 18,7 in Verbindung mit 26,24 und Mk 14,21 29–32 Vgl. Mt 27,26; Mk 15,34 (Zitat aus Ps 22,2) 34–35 Vgl. Joh 5,34.37; 8,18
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hältniß seines Lebens etwas thun konnte ohne daß der Glaube an ihn aufgeregt wurde, jetzt auch in den Gemüthern seiner Jünger dieser Glaube | geschwächt und getrübt wurde. Es war das Wort, das in Erfüllung ging: wenn der Hirt geschlagen wird, werden die Schafe in die Irre gehen; aber ich habe, sagt er früher, den Vater gebeten, daß euer Glaube nicht untergehe. So mußte er fühlen daß auf besondere Weise das Zeugniß seines Vaters schwieg. Das eigne Urtheil des Menschen beugt sich immer, wenn auch nur augenblicklich dem allgemeinen Urtheil. Es war der Erlöser als Uebelthäter bezeichnet, und selbst der Glaube seiner Jünger trat zurück zu der Ueberzeugung: wir aber hofften, er sollte Israel erlösen. Das wußte und fühlte er; aber in ihm selbst konnte das Bewußtsein nicht wanken, daß Er und der Vater Eines sei, ihm konnte die Ueberzeugung nicht verloren gehen, daß ihm alle Gewalt gegeben war im Himmel und auf Erden, wie er jetzt zwischen Himmel und Erde schwebte; er hat es gewußt und fest gehalten, daß er erhöht sei, und daß Alle, die | an ihn glaubten nicht verloren gehen würden, sondern das ewige Leben haben. – O! so laßet uns immer mehr jener Ueberzeugung, die er von sich selbst hatte, uns anschließen, und sie zu der unsrigen machen; und jemehr wir das festhalten, daß er derjenige sei, in dem alle Hoffnung erfüllt ist: destomehr wird dieser Glaube zur lebendigen Kraft werden, wodurch die Stimme des göttlichen Geistes uns erhebt über alle menschlichen Urtheile, sodaß wir bei dem Einen bleiben, der die Wahrheit ist, und dem Einen anhangen, der durch die Kraft seiner Liebe uns immer mehr vereinigen wird zu der ihm ähnlichen Liebe, wodurch Gott zu uns kommen wird und Wohnung bei uns machen. Amen
1 Lebens] Leben
13 Erden] Erde
4 Sach 13,7 (Zitiert in Mt 26,31 und Mk 14,27) 4–6 Lk 22,32 10 Lk 24,21 11–12 Vgl. Joh 10,30 13 Vgl. Mt 28,18 15–16 Vgl. Joh 3,14–15 22 Vgl. Joh 14,6 22–24 Vgl. Joh 14,23
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Am 8. April 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Palmarum, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 19,25–29 Nachschrift; SAr 54, Bl. 99r–108v; Schirmer Keine Keine Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Am Palmsonntage 1827. Tex t.
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Joh. 19 v. 25 bis 29.
Die Erzählung des Evangelisten, die sich bisher mit dem ganz Äußerlichen beschäftigt hatte, das die letzten Stunden des Erlösers umgab mit allem dem mannigfaltigen Treiben seiner absichtlichen Gegner sowohl, als der gedankenlosen Werkzeuge seines Todes, zieht sich in dem Texte ganz in die Stille in die Nähe des Kreuzes Christi zurück. Aber diese Worte mit allem, was sie enthalten und was sie uns andeuten, machen es mir unmöglich, in unserer heutigen Andachtsstunde die gewöhnliche Weise zu beobachten, alle Gedanken unter einen einzelnen zu ordnen und zusammenzufassen; ich kann nicht anders, als in einer Reihe kurzer und verschiedener Betrachtungen darlegen, was bei den Worten des Evangelisten meine Seele beschäftigt hat. Zuerst also m. and. Fr., lasset uns sehen auf die kleine Gesellschaft am Kreuze Christi. Von den Zwölfen, die seine beständigen Begleiter gewesen waren, war nur Einer da, der Jünger, den der Herr liebte; von der großen Schaar, die ihm sonst nachging, theils um seine Wunder zu sehen, theils um | die Worte der Lehre zu vernehmen, war niemand da; und von den Frauen, die ihn ebenfalls zahlreich zu begleiten pflegten, nur einige wenige. Wie? Ist es, daß der Erlöser auch hier hätte sagen können, wie einst in seinem Leben, als er zehn Aussätzige geheilt hatte und nur Einer wiederkehrte, Gott zu danken? war der Glaube an ihn, war die Liebe zu ihm aus 20–22 Vgl. Lk 17,11–19
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Allen verschwunden, die sich nicht hier in der Nähe des Kreuzes fanden? Nein, m. th. Fr. Gewarnt hatte er sie und gesagt, er wisse es wohl, wenn sie den Hirten schlagen würden, würde die Herde sich zerstreuen; aber er hatte auch für sie gebetet, daß ihr Glauben nicht Schiffbruch leiden sollte in dieser Stunde. Und so sehen wir auch in den Tagen der Auferstehung ihn mit unverringerter Liebe seinen Jüngern sich zuwenden. Ja, wir wissen aus der Erzählung des Apostel Paulus, daß er sich einem größeren Haufen von mehreren Hunderten offenbarte, ihren Glauben und ihre Liebe anerkennend, wie sie gewesen waren. Und doch war es ein so großer Vorzug, ja, wohl muß es uns als eine unvergleichliche Seligkeit erscheinen für die Wenigen, daß sie am Kreuze | des Herrn stehen konnten. Warum gerade diese? Wie, waren diese so ausgezeichnet vor anderen und zu so großer Gnade berufen, m. gel. Fr.? Wie oft sind wir in Versuchung, die Frage zu thun, wenn wir die große Ungleichheit beachten, die auf dem Gebiete auch des geistigen Lebens unter den Menschen stattfindet. Warum wählt sich der Herr, wenn er etwas Großes ausrichten will, in seiner Gemeinde in der Welt diesen oder jenen vorzüglich aus? Freilich diese, die wir hier versammelt finden – wir wissen größtentheils von ihnen auch sonst, daß sie dem Herrn mit einer ausgezeichneten Liebe zugethan waren, und so scheinen sie wohl deßwegen, wenn man sich in einer solchen Sache so ausdrücken darf, zu verdienen, daß sie ihm auch nahe standen in seinen letzten Stunden. Aber können wir ins Herz sehen mit solcher Gewißheit, daß wir sagen dürfen: so wie seine Mutter ihn liebte, so wie Maria von Magdala ihn liebte, so wie Johannes ihn liebte, liebte ihn sonst keiner? Das dürfen wir nicht, sondern viel mehr müssen wir es ansehen in diesem und in anderen ähnlichen Fällen, daß der Herr sich Einen auswählt zu etwas Außerordentlichem und Ausgezeichnetem; und hier mögen wir ganz | vorzüglich das geheimnißvolle Wort der Schrift in Anwendung bringen: „wen ich erwähle, den erwähle ich, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.“ Dies gibt uns oft Gelegenheit, tiefer in das Innere des Menschen zu blicken, und die Fülle des lebendigen Glaubens und der Liebe ist in vielen vielleicht ebenso gesegnet, wir können es nur nicht bei Allen wahrnehmen. Und, uns der Ungleichheit zu erinnern und uns zu warnen, daß wir es darin nicht suchen sollen, sehen wir hier in der kleinen Gesellschaft die Schwester der Mutter Jesu, von der uns keines von den übrigen Evangelien sonst etwas berichtet. Wir lesen kein Zeugniß einer Anhänglichkeit, einer andächtigen Tiefe des Gemüthes, einer großen Stärke des Glaubens, die in ihr gewesen wäre. Aber in dem verborgenen Willen 2–3 Vgl. Mt 26,31; Mk 14,27 (Zitat aus Sach 13,7) 3–5 Vgl. Joh 17,1–26 und Lk 22,32 in Verbindung mit 1Tim 1,19 7–8 Vgl. 1Kor 15,6 29–30 Röm 9,15 (Zitat aus Ex 33,19)
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des Höchsten, in Bezug auf auch solche Vorzüge des geistigen Lebens, da gewährt Er auch – nicht als ob ich sagen wollte es wäre ein Spiel des Zufalls, sondern das Kleinste und Größeste steht unter seiner Leitung aber Er giebt auch den äußerlichen Umständen ihre Stelle. Wir wissen aus früheren Erzählungen, daß Johannes durch seine Bekanntschaft mit dem hohepriesterlichen Hausgenossen Gelegenheit | gehabt hatte, dem Herrn nahe zu sein, als er vor seinen Richter gestellt wurde. Dasselbe gab ihm auch hier Veranlassung, selbst mit einigen Wenigen, wie sein Herz ihn dazu trieb und wie sie gerade in seine Nähe gestellt waren, sich um das Kreuz Christi zu versammeln, um das Bild der letzten Stunden in seinem Gemüth zu verwahren und die köstlichen Worte aus seinem Munde aufzusammeln. Aber, m. gel. Fr., wie wir nicht sagen dürfen, daß es bei diesen Wenigen ein besonderes Verdienst voraussetze, so auch auf der anderen Seite nicht – und das sei uns immer der hinreichende Schlüssel zu den Geheimnissen der göttlichen Fügungen – wir können auch nicht sagen, was sie da gewonnen haben, daß sie es nur für sich gewonnen haben und zu ihrem besonderen Eigenthum. Die Christen sind Brüder, und den Brüdern ist Alles gemein. Wenn wir die Textesworte lesen, wenn es uns dabei ganz durchdringt, daß es einer geschrieben, der dabei gestanden; wenn wir den Eindruck auf seine Seele mit in die unsrige herüber nehmen – und welcher aufmerksame Leser soll das nicht bezeugen müssen – so ist es, als ob wir zur Stelle gerufen wären, so vergegenwärtigt sich uns das ganze herrliche Bild, | als ob wir in Raum und Zeit dabei gewesen wären. Und so, als sie wieder beisammen waren, die kleine Schaar der nächsten Angehörigen Christi und die herrlichen Tage der Auferstehung schon vorüber waren und sie ihm erwartungsvoll nachgesehen hatten, als er gen Himmel fuhr; wie sie da zusammengingen, wie mögen sie die Schätze, welche sie in ihrem Herzen aufbewahrt hatten, in diesen Stunden mit den Übrigen getheilt haben! So ist es. Der Herr wählt sich Einzelne aus, um sie in besonderen Augenblicken bald auf vorzügliche Weise zu beseligen, bald zu seinen besonderen Werkzeugen zu gebrauchen. Er ist es, der einem jeden seine Bestimmung giebt, aber nicht aus Vorliebe, sondern weil er mit gleicher Liebe und Weisheit über Allen waltet. Daher thut sich das Geheimnis der göttlichen Vorsehung auf in der Geschichte des Glaubens und der Lie[be,] wo alle Ein Herz sind und und Eine Seele und Alles gemein haben. Denn wenn auch die Gemeinschaft der äußeren Güter nicht dauern kann die Gemeinschaft der geistigen besteht, und wem der Herr etwas Besonderes giebt in das Innere | des Gemüthes, 3 unter] unser
34 Lie[be,]] Textverlust durch Falz
4–7 Vgl. Joh 18,15–16
25–26 Vgl. Apg 1,6–11
34–35 Vgl. Apg 4,32
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der ist nur ein heiliges Gefäß, das ein gemeinsames Gut bewahrt für Alle, die fähig sind, es zu genießen. Aber nun lasset uns noch einen Augenblick verweilen, zu fragen: wie war denn die kleine Anzahl von Freunden, die sich um das Kreuz Christi versammelten, zusammengesetzt? Zwei waren ihm angehörig durch die Bande der Natur, seine Mutter und deren Schwester; zwei nur verbunden durch das geheimnißvolle Band des Glaubens, daß in ihm die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater erschienen sei, durch das geheimnißvolle Band der seligen Erfahrung, daß, wo Er ist, die Sünde vergeben ist und der Mensch durch den Tod hindurchgedrungen zum Leben. Das war der Jünger, den er lieb hatte, und Maria von Magdala, der er so viel vergeben, und von der er selbst sagte, daß sie ihn deßwegen so viel liebte. So sehen wir in der kleinen Zahl doch die ganze Vollständigkeit des menschlichen Lebens. Denn aus diesen beiden Bestandtheilen ist das ganze Gebiet der Liebe, in welcher alle Seligkeit des Menschen ruht, zusammengesetzt. Das Band der Natur | hält uns fest an den einen, und das innere Geheimniß des Gemüthes zieht uns zu Anderen durch seine Wahl. O wohl uns, m. gel. Fr., wenn in dieser letzten Beziehung uns nichts anderes leitet als eben das Band, welches diese beiden mit dem Erlöser verknüpfte; aber so ist es auch am reinsten und herrlichsten. Eben die Gleichheit des Glaubens und der Liebe zu ihm ist es, welche das festeste geistige Band unter den Menschen werden muß, und in der Gemeinde des Herrn soll immer in der doppelten Zusammensetzung Eins von dem Anderen nicht getrennt sein, sondern hier früher das Eine und später das Andere sein, und umgekehrt. Ursprünglich war es das Band der Natur, das den Erlöser mit seiner Mutter verknüpfte und dem Kreis ihres Hauses; aber die seligste Verheißung, die Stillung der Sehnsucht nach dem Reiche Gottes knüpfte sich gleich an die Entstehung der natürlichen Liebe in ihrem Herzen. Und eben so wurde das Band, das ihn mit seinen Jüngern verknüpfte, so ganz dem, welches die Menschen durch die Bande der Natur vereint, gleichgestellt, daß er in Wahrheit sagen konnte „das ist meine Mutter, das sind meine Brüder, die | mein Wort hören und bewahren.” Ja, m. th. Fr., so ist die Ordnung der christlichen Gemeinde, so wirkt der Geist des Herrn in derselben fort. Auch bei uns ist die Liebe, die uns mit dem künftigen Geschlechte vereint, die die Geschwister verbindet, die Stimme der Natur das Erste; aber wie bald soll sich das daran knüpfen, daß die Älteren den Jüngeren die Quelle werden, um die Sehnsucht nach dem Erlöser in ihnen zu erwecken und das ganze Gemüth vorzubereiten auf die Seligkeit des Glaubens! wie bald soll unter den geschwisterlichen Seelen das Bedürfniß des geistigen Lebens es sein, worauf sich ihre Liebe richtet 7–8 Vgl. Joh 1,14 10 Vgl. Joh 5,24 11–12 Vgl. Lk 7,47 in Verbindung vermutlich mit Mk 16,9 und Lk 8,2 31–32 Vgl. Mt 12,49–50; Mk 3,34–35; Lk 8,21
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und dem sich alles unterordnet! Wenn wir in einem herrlichen unserer alten Lieder mit herzlicher Erbauung lesen, daß die geistigen Verwandten der Christen über die Verwandten der Natur gehen, so soll das niemals sein, als ob in uns die traurige Gesinnung sein könnte, die störende Ahnung, diejenigen, die uns durch das Band der Natur verwandt sind, könnten uns fremd sein nach den Banden des Geistes. Nein, sondern jenes wird geheiligt durch diese. Alle Liebe, die auf dem Wege der Natur in den Herzen entsteht, gedeiht erst zur Seligkeit der Menschen, wenn sie Eines ist mit der Liebe, die | uns an die Jünger des Herrn bindet; und wenn PmanS das Ansehen gewinnt, als ob diejenigen, die uns der Herr durch die Natur verknüpft hat, sich dem Leben aus Gott nicht nähern können, sondern ihm lange Zeit fern bleiben, was soll das anders, als die Bemühungen der Liebe, die Kraft des Geistes in uns mehren, daß wir sie inniger an uns ziehen und auf sie zu wirken suchen, bis sie auch da m[it] uns Eines sind, wo das Heiligthum aller Liebe ist und der Grund der Seeligkeit. Und das führt uns darauf, was der Erlöser als er die Seinigen unter dem Kreuze sah, zu ihnen sprach: „Hier,“ sagt er, „Weib, siehe deinen Sohn und zu dem Jünger, siehe, das ist deine Mutter.“ Das ist sein letzter Wille und was anderes war er, als ein Ausspruch in Beziehung auf das, was ich eben gesagt habe; diejenige, die ihm durch des Band der Natur angehörte, wollte er aufs Innigste verbinden mit dem Freunde, der hier die Stelle aller anderen Jünger vertrat. Diese beiden Zweige der Liebe wollte er in seinen letzten Stunden in Eines zusammenfassen. – Aber der Herr hatte auch Brüder und denen gehörte ja die Mutter! Wollte er sie ihnen entreißen? wollte er durch diese seine letzte Verordnung irgend|ein natürliches Band gewaltsam zerstören? Ja, das könnten wir vielleicht glauben, und eben dadurch es beschönigen wollen, wie bei manchen Christen ein oft einseitiger Eifer nicht für den Glauben an den Erlöser, sondern für eine bestimmte Gestalt desselben ihr Herz erkältet gegen die, die ihnen durch die Natur nahe stehen, aber 14 m[it]] Textverlust durch Falz 1–3 Gemeint ist das Lied „Ihr Kinder des Höchsten, wie steht’s um die Liebe?“ von Andreas Christian Bernstein. Schleiermacher nutzte das Lied bereits für ein Liederblatt vom 10. Oktober 1824; vgl. KGA III/8, S. 573, Str. 4: „Die Zionsgesellschaft verläßt die Verwandten, / Setzt Brüder am höchsten vor allen Bekannten. / Wer noch ist bezaubert von Liebe der Welt, / Und sich in der Falschheit zum Bruder verstellt, / Den kann sie unmöglich zum Bruder annehmen, / Er müßt’ sich denn völlig zur Buße bequemen, / Sie darf sich des redlichen Sinnes nicht schämen. //“ Es findet sich dann auch später im Berliner Gesangbuch in verändeter Form wieder: „Wie nah’ uns auch stehn die natürlich Verwandten: uns bleiben die Brüder die nächsten Bekannten. Wer noch ist bethört von der Liebe zur Welt, wenn er sich auch fälschlich als Bruder verstellt, den können wir nicht zum Genossen uns nehmen; er muß sich zur Reu’ erst und Buße bequemen, und darf des gekreuzigten Herrn sich nicht schämen.“ Berliner Gesangbuch 1829, Nr. 308, Str. 2 23 Vgl. Mt 13,55; Mk 6,3
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nicht ganz übereinstimmen können mit ihnen. So war es hier nicht. Die Brüder Jesu hatten eine Zeit lang nicht an ihn geglaubt; aber die Zeit war vorüber, denn wo die Apostelgeschichte die ersten Versammlungen der Gläubigen beschreibt, da nennt sie nebst den Jüngern und den Weibern auch die Mutter Jesu und seine Brüder. Sie gehörten schon zu der Zahl seiner Jünger und gewiß wollte der Herr nicht stören dadurch zwischen seiner Mutter und seinen Brüdern, daß er sie so dem Jünger empfahl, der ihn so verstand, daß er sie sogleich zu sich nahm, sondern uns unbekannte Verhältnisse, vermöge deren die Mutter bei den Brüdern des Herrn nicht leben konnte, müssen es gewesen sein, die es ihm lieb und werth machten, im letzten Augenblicke sie dem Jünger zuzuführen. Und in verwickelten Lebensweisen, wie die unsrigen, wo so selten auch ein einfacher | Lebenslauf ganz in dem, was das Natürliche ist, bleiben kann, wo die Menschen so vielfältig herumgestoßen werden von einem Orte zum anderen, wie wichtig ist uns dies Vermächtniß des Herrn, daß diejenigen, die durch die Liebe zu ihm miteinander verbunden sind, auch vertreten sollen die Stelle derer, die uns durch die Natur angehören. So übergab der Herr seine Mutter seinem Schüler, auf daß er seine Stelle bei ihm vertrete. Ja, m. gel. Fr., hier sehen wir in diesem persönlichen Verhältnisse der Liebe für diese heiligen Verpflichtungen der Natur, da wählt sich der Herr einen Stellvertreter, und merket wohl, es war einer von den beiden, deren Mutter zu ihm kam und ihn bat, er möge geben, daß in seinem Reiche Einer von ihren Söhnen sitze zu seiner Rechten und der Andere zu seiner Linken. Das, sagte er, vermöchte er nicht, sondern es wäre die Sache seines Vaters im Himmel. Und davon Einem übergab er seiner Mutter, seine Stelle zu vertreten. Das war das Verhältniß des einzelnen Lebens, da konnte er sich den auswählen, zu welchem er eine besondere Liebe hatte, wie der einzelne Mensch zu dem einzelnen; aber in der Sorge für sein Reich, in der Obhut über den Glauben, in der gesetzgeben|den Kraft, die das Leben zu ordnen hat, da hat er sich keinen Vertreter geordnet, keinen anderen, als der uns allen gemein ist, den Tröster, den heiligen Geist, den er sendete an seiner Stelle, es von dem Seinigen zu nehmen und die Seinigen in alle Wahrheit zu leiten. So lasset uns sein letztes Wort so festhalten, daß er in persönlichen Verhältnissen sich einen Stellvertreter ordnen konnte, aber in seinem Verhältnisse als Oberhaupt der Kirche hat er keinen hinterlassen. Aber in dem nun Johannes so die Mutter des Herrn überkam, was für einen Schatz bekam er! Den ganzen Schatz theurer Erinnerungen, welche diese heilige Seele, die alle Worte in treuem Herzen bewegte, welche das große Werk der Erlösung durch ihren Sohn betrafen, während seines ganzen 1–2 Vgl. Joh 7,5 3–5 Vgl. Apg 1,13–14 21–25 Vgl. Mt 20,20–23 31– 32 Vgl. Joh 14,16.26; 15,26; 16,7 32 Vgl. Joh 16,14–15 32–33 Vgl. Joh 16,13 38 Vgl. Lk 2,19
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Lebens in sich aufgenommen hatte. Vergeblich ist die Gabe nicht gewesen an den Jünger des Herrn, den er so lieb hatte, und wahrlich, ich möchte sagen, jedem seiner göttlichen Worte fühlet man es an, wie ganz er davon durchdrungen ist; bezeugt hat er nur was er gesehen hat, aber jeder fühlt es, wer sein göttliches Wort liest, wie er das Leben aufgenommen. Wie hat er uns davon unmittelbar nichts mitgetheilt? wie ist uns dennoch, ohnerachtet er die Mutter des Erlösers zu sich zu nahm und sich gewiß über alles mit ihr unterredete, wie ist uns vom | früheren Leben des Erlösers so wenig übrig geblieben? Warum liegt die Zeit der Jugend in einem undurchdringlichen Dunkel? warum haben wir aus seiner Kindheit nur die wenigen Züge und diese nicht einmal von dem Jünger des Herrn, dem er seine Mutter befahl. Dabei liegt zuerst eine heilige Treue zum Grunde, die sich dieser Jünger, als ihm der Auftrag in seinem Herzen ward, das Leben des Herrn aufzuzeichnen, fest vorgesetzt zu haben scheint, fast ohne Ausnahme nur das zu berichten, was er selbst erlebt hatte, denn sehr wenig findet sich in dem Evangelium, was nicht von der Art ist. Aber PdarnachS die einzelnen Züge aus dem Leben des Herrn in sein Gemüth fassen, sich sein Bild daraus vervollständigen und mit einem so gesättigten Gemüth das schreiben, was er schreiben wollte, das hat er uns gegönnt, aber auch das allein. So sehen wir die Möglichkeit, wie er hätte durch Erzählungen der Mutter Jesu zu einer vollständigen Beschreibung vom Leben Jesu kommen können. Es ist aber nicht geschehen und der Herr muß es nicht gewollt haben. Ja, m. gel. Fr., so ist es und es kann und soll anders auch nicht sein. Das Leben des einzelnen Menschen, ach es steht in | ihm selbst nicht in einem ganz allgemeinen Zusammenhange da, das werden wir alle bezeugen müssen, viel weniger soll es sich so aufbewahren für andere; das Vergängliche und Zeitliche soll auch vergehen. Und Johannes sagt, indem er sein Evangelium beschließt, was er geschrieben, habe er nur geschrieben, daß sie glauben mögen, Jesus sei der Christ. Nur was sich auf die große Bestimmung des Herrn zunächst bezog, hat er uns aufbewahrt und an dem Übrigen Zeit und Worte gespart. O gewiß, m. gel. Fr., das eigenthümliche Bild eines Menschen, den wir lieben, es ist ein großes und köstliches Gut für das Gemüth, aber es ist nicht mittheilbar; und so war es mit dem Leben des Erlösers. An einzelnen Zügen kann man viel von dem Inneren des Menschen erkennen, und solche hat uns Johannes vor anderen gegeben. Der ganze Zusammenhang des äußeren Lebens würde uns eher stören, als es uns fördern könnte; und so laßt uns zufrieden sein mit dem was wir haben, aber es auch dem Jünger gönnen, der seinem liebevollen Gemüthe alle Züge von dem Bilde des Herrn eingeprägt hatte, ohne uns davon mitzutheilen. 17 Züge] Zügen 10–12 Vgl. Mt 1,18–2,23; Lk 2
28–30 Vgl. Joh 21,31
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Aber m. gel. Fr., daß wir nun zurückkehren zum Kreuze Christi, wie lange hat er am | Kreuze geschwebt und diesen Jünger unter demselbigen gehabt und außer jenem einen Worte, das sich am meisten auf die ihn umgebende feindselige Menge bezog, außer dem, womit er die verirrte Seele dem Himmel wiedergab, nur den Einen Befehl an seine Mutter und seinen Jünger hinterlassen! Wenn wir an die Zeiten des alten Bundes denken, da wird uns beschrieben der Tod eines Erzvaters, der um sein Sterbelager seine Söhne versammelte und sie segnete, jeden Einzelnen mit weissagendem Blicke. Da lesen wir von Mose, wie der Herr ihm kund gethan den Befehl und er auf den Berg gestiegen, um zu den Vätern versammelt zu werden, im Angesicht des Volkes; aber ehe er von ihnen genommen wurde, segnete und lehrte er das Volk in einem großen und herrlichen Liede. Der Erlöser, so lange hang er am Kreuze und hatte eine kleine Zahl von seinen Geliebten um sich, wie viele Worte der Lehre hätte er noch zu ihnen sprechen können und, weil es so wenige waren, wie schön hätten sie den ganzen Eindruck dessen in der Ruhe und Stille auffassen können und Allen mittheilen, wenn sie sich versammelt hatten! Aber er hatte nur das einzige Wort. – Ach, m. gel. Fr., das führt uns in das Geheimniß des leiblichen Lebens, in dem wir den Grund dessen zu sehen haben. Mag auch der Mensch seine ge|liebten um sich haben, um ihnen Worte der Wahrheit zu verkündigen, oder Worte der Liebe zu reden, um Verheißungen der Treue auszusprechen, es will der ganze Mensch sein, der dabei handelt, es ist nicht nur der Mund, der redet, es sind alle Züge und Geberden, die sich hingeben zu einem solchen Dienste. Der Erlöser hatte seine Hände nicht in seiner Gewalt, durch seine gewaltsame Stellung war das ganze freie Leben gehemmt, und das hielt auch die Worte seines heiligen Mundes zurück. Aber weil er wußte, welches Todes er sterben würde, so hatte er sich vorher ausgesprochen, die Reden von denen uns Johannes so viele herrliche Bruchstücke aufbewahrt hat, kurz vor und nach dem Mahl des Gedächtnisses, das waren seine letzten lehrenden und das Leben der Liebe aussprechenden Worte. Am Kreuze aber schwieg er und nur die wenigen Worte vermochte er hervorzubringen. – Mancherlei Gestalten des Todes giebt es, m. gel. Fr., und keiner weiß, wie sehr seine letzten Augenblicke die seinigen sein werden. Lasset uns darum dem Erlöser nachfolgen. Wenn uns auf eine besondere Weise die Ahnung des Todes ergreift, wenn es einen Augenblick giebt, der uns erinnert, daß es eine natürliche Nothwendigkeit ist zu schwinden aus dem, was wir lieben: so lasset uns da die Pflicht erfüllen, in vollem Bewußtsein das Zeugnis der Wahrheit abzulegen. | Aber, wenn der Erlöser schweigen mußte, weil ihm der freie Gebrauch seines ganzen leiblichen Daseins nicht mehr vergönnt war, was erzählt uns Johannes von seinem Schweigen? „Als er wußte, daß Alles vollbracht war, 7–9 Vgl. Gen 49,1–28 9–11 Vgl. Gen 32,48–52 27–29 Vgl. die sog. Abschiedsreden Joh 13,31–16,33
11–12 Vgl. Gen 32,1–43
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auf daß die Schrift erfüllet würde“ – er wußte es, ohne es durch etwas Äußeres zu erfahren, aber er wußte es auch nur, weil seine Seele damit erfüllt war – ; o der getreue Hohepriester! als er nicht vermogte zu sprechen, da vertrat er uns mit unausgesprochenem Seufzen, da war es sein heiliges Gespräch mit dem Vater, ob er alles vollbracht habe, ob nichts gefehlt, um das Werk der Erlösung zu vollbringen, ob er ganz getrost seine Seele in die Hände des himmlischen Vaters übergeben könne; und als er es nun wußte: da sprach er: „mich dürstet.“ Meine gel. Fr., das war der letzte Liebesdienst, den die scheidende Seele ihrem Gefährten für das irdische Leben, dem Leibe, leistete. Nun sammelte sich der Herr zu sterben, und da wollte er der quälenden Empfindung des Durstes los sein und sprach: „mich dürstet.“ – So kehrt der Mensch immer mehr, wenn der Abschied aus dem Leben nahet, in sich selbst zurück, und wohl dem, in welchem dann dies eben so Eines ist mit dem Bewußtsein seiner eigenen Stimmung, wie dies bei dem Erlöser war. Er wußte, daß Alles vollbracht sei, und sprach: | „mich dürstet.“ Das große Bewußtsein erfüllte ihn, seinem heiligen Berufe genug gethan zu haben, Rechenschaft abgelegt zu haben vor Gott, und nun die stille Einkehr in das leibliche Leben, um das letzte Bedürfniß zu befriedigen. Vorher, wie hat er nur gelebt, das Volk lehrend, warnend, sammelnd! in den letzten Stunden hat sein Blick geruht auf den Seinigen, die die Schaar seiner Gläubigen ihm leiblich darstellten, und dann kehrte er wieder zurück zum Bewußtsein seines Verhältnisses zu Gott und zugleich seines letzten persönlichen Zustandes. O, m. gel. Fr., diese Worte des Herrn, wie heiligen sie die letzte Sorge um den Sterbenden und dies zarte Bewußtsein der Liebe, die letzten Augenblicke des Lebens leicht zu machen, frei von körperlichem Schmerz und alle Gefühle des schwindenden Lebens ihnen zu erleichtern! Denn der Erlöser hat es sich selbst gegönnt; aber der Dienst der Liebe, o wie ist er ein anderer, je nachdem wir wissen, eine Seele, die das irdische Leben beschließen will, hat ihre Rechnung mit dem Himmel abgeschlossen und kann sich in die Hand des himmlischen Vaters befehlen. O so lasset uns trachten, daß wir einander auf diesem Wege helfen und fördern! Lasset uns die Waffen des Lichtes anlegen, mit den Augen | der Liebe einander leiten, damit wir bestehen den Kampf des Lebens und den letzten Kampf des Todes. Und dann möge der Herr uns geben, ebenso wie er – aber auch nicht durch uns selbst, das vermögen wir nicht, nur durch Ihn – ebenso Eines mit seinem und unserem himmlischen Vater, dieses Leben zu beschließen, wie er es that. Amen.
4 Vgl. Röm 8,26 4–6 Schleiermacher bezieht sich auf das „Es ist vollbracht“ aus Joh 19,30. 6–7 Vgl. Lk 23,46 32–33 Vgl. Röm 13,12 36–37 Vgl. Joh 10,30; 17,21
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[Liederblatt vom 4. April 1827:] Am Palm-Sonntage 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Herzlich thut mich verlangen etc. [1.] Weg Welt mit deinen Freuden, / Und dem was dir gefällt, / Dich Jesu seh ich leiden, / Du Opfer für die Welt; / Du hast durch tausend Schmerzen, / Durch deines Todes Kraft, / Den Frieden meinem Herzen / Und ewges Heil verschafft. // [2.] Weil dich die Welt verachtet, / Werd’ ich mit Ruhm geschmückt; / Weil du am Kreuz geschmachtet, / Darum werd’ ich erquickt. / Dein Gott, der dich verlassen, / Tritt näher nun zu mir; / Ich darf ihn gläubig fassen, / Dies dank ich Heiland dir. // [3.] Die ausgestreckten Hände, / Sie segnen den der glaubt; / Daß ich einst segnend ende, / Neigst du am Kreuz dein Haupt. / In deiner offnen Seite / Seh ich dein liebend Herz, / Das giebt mir Kraft zum Streite / Und Ruh in jedem Schmerz. // [4.] Mag dann die Welt dein Leiden / Mit seinem Trost verschmähn! / Ich bleib in Dank und Freuden / An deinem Kreuze stehn. / O Jesu, deine Liebe / Trieb dich in Tod und Grab; / Ich sterb aus gleichem Triebe / Der Sünde gänzlich ab.// Nach dem Gebet. – Mel. O du Liebe etc. [1.] Herz und Herz vereint zusammen / Suchet Ruh in Gottes Herz! / Lohnt mit reiner Liebe Flammen / Eures Heilands Lieb und Schmerz; / Er das Haupt, wir seine Glieder, / Er das Licht, wir dessen Schein, / Er der Meister, wir die Brüder, / Er ist unser, wir sind sein. // [2.] Kommt, des Gottesreiches Kinder, / Und befestigt euren Bund; / Schwöret Treu’ dem Ueberwinder / Allesamt aus Herzensgrund. / Und wenn noch dem Kreis der Liebe / Festigkeit und Stärke fehlt; / Fleht bis durch des Geistes Triebe / Er des Bundes Kette stählt. // [3.] Solche Liebe nur genüget, / Wie in seinem Herzen wohnt, / Die dem Kreuz sich willig füget, / Die auch nicht des Lebens schont. / So wollt Er für Sünder sterben, / Und für Feinde floß sein Blut; / Allen soll sein Tod erwerben / Ewgen Lebens höchstes Gut. // [4.] Darum, treuster Freund, vereine / Deine dir geweihte Schaar, / Daß sie sich so herzlich meine, / Wie dein lezter Wille war! / Einer reize stets den Andern, / Helfe gern mit Rath und That, / Dir, o Heiland, nachzuwandern / Auf der Liebe selgem Pfad. // [5.] Du, der seiner Schaar geboten, / Daß sie Liebe üben soll, / Mehre sie, weck auf die Todten, / Mach die Trägen Geistes voll! / Laß uns so vereinigt werden, / Wie du mit dem Vater bist, / So daß auf der ganzen Erde / Kein getrenntes Glied mehr ist. // [6.] So wird dein Gebet erhöret; / Durch den Sohn sind Alle frei, / Und die Welt wird recht belehret, / Wie dein Reich so selig sei. / Preis dem Vater aller Geister, / Der in dir erschienen ist! / Preis dir, unserm Herrn und Meister, / Der du alle zu dir ziehst! // Nach der Predigt. – Mel. Herzliebster Jesu etc. [1.] Nur dir, nur dir, Lamm Gottes, sei mein Leben, / Zum Eigenthum auf ewig hingegeben, / Wozu du mich durch deinen Tod und Wunden / So hochverbunden. // [2.] Nichts kann und soll hinfort von dir mich scheiden, / Ich bleibe dein bis du mich dort wirst weiden, / Wo deine Liebe wird mit Engelzungen / Von uns besungen. //
Am 13. April 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Karfreitag, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 19,30–42 Nachschrift; SAr 57, Bl. 104v–113r, Nr. 81; Schirmer Keine Keine Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
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M. a. F. Es ist das Alles zusammen zu fassen, was in die Geschichte des Todestages unsers Herrn fällt, sonst freilich wird es schwer sein, daß wir uns von den ersten Worten des Evangelisten trennen, um zu dem andern überzugehen. Der ganze Abschnitt zerfällt in drei verschiedene Theile; erstens von dem Tode des Erlösers, zweitens dasjenige, was sich auf die Abnahme des Leichnahms vom Kreuz bezieht, drittens, was sich auf sein Begräbniß bezieht. Laßet uns, was der Feier und der Gemüthsstimmung des heutigen Tages gemäß ist, zusammen fassen. I. Es thut Noth, nur bei dem zu verweilen, was unmittelbar zur Geschichte gehört. Laßet uns die Schilderung der letzten Augenblicke des Lebens Christi wieder aufnehmen. V. 28 heißt es: | darauf, als Jesus wußte, daß schon Alles vollbracht war, daß die Schrift erfüllet würde, spricht er: mich dürstet! und so fährt er in demselben Gedankenzusammenhange fort: es ist vollbracht! er neigte das Haupt und verschied. Es ist vorzüglich dreierlei, worauf ich heute eure Aufmerksamkeit hinrichte: Erstens, wie der Erlöser, als er seine Mutter und den Johannes zusammen stehen sah, für beide sorgte durch ein neues Band der Liebe. Das war seine letzte Theilnahme; und indem er sagte: es ist vollbracht! nachdem er zuvor noch seinem eignem Leibe den letzten Dienst der Liebe erwiesen durch den Trunk: so schloß er sich zuerst von jener sorgenden und liebenden Theilnahme von seinen Verwandten, dann von aller Sorge des äußerlichen Lebens los und kehrte ganz in die Stille seines Innern ein. Aber in 1 Te x t .
Joh. 19, 30–42.] darüber in eigener Zeile: Johannes 19, 25–29. S. Hauptpredigt.
17–18 Vgl. Joh 19,26–27
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welche? Wie können wir uns diese Abgeschiedenheit würdig denken? Nach Anleitung der Worte, als Jesus wußte, daß schon Alles voll|bracht war, daß die Schrift erfüllet würde. Bei den Gedanken an Gott, seine Fügungen, Rathschlüße mit ihm und durch ihn, und indem er sich von der äußren Welt abschloß – was blieb ihm, als Er und Gott und jenes große Wort, was er schon früher gesprochen hatte, daß er und der Vater Eines sei. Dies war das letzte Bewußtsein, was sein menschliches Leben ausfüllte, dies war es, worauf er seine Seele allein richtete. Wenn schon mitten im Verlauf des irdischen Lebens es schon solche Augenblicke geben muß, wo wir uns mitten im thätigen Wirken für das Reich Gottes solche kurze Augenblicke – kurz können sie nur sein; – verschaffen, wo wir nichts haben als nur Gott und uns selbst: so ist das, so wie es bei dem Erlöser war, das rechte Vorbild eines würdigen menschlichen Todes. Abgeschlossen von der Welt in die Stille einzukehren, wo wir Nichts haben, aber darin Alles – als Gott und uns selbst; | daran gesättigt sein in jenem Augenblick, wo das Leben endet – das ist das Größte, was der Mensch denken und sich wünschen kann. Zweitens. Und so war dies, daß der Erlöser sagte: es ist vollbracht, die vollständige Hingebung in den Tod, wie sie uns die andern Evangelisten so bezeichnen: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist. Der Tod ist für uns Alle eine Nothwendigkeit der Natur; das Leben auf Erden ist von Gott als ein sterbliches gegeben, aber deshalb ist es auch so reich an manchen Abwechselungen und Uebergängen vom Erhebenden zum Niederdrückenden, von der Wohlgestaltung zur Mißgestaltung. Denn der Wechsel und das Sterbliche ist Eines und nothwendig verbunden. Aber wie wir uns oft gegen den Wechsel sträuben uns wider Willen hingeben in die bitteren Schickungen des Lebens, unser Bewußtsein sich dagegen entzweit und wir nicht Eins | sind mit Gott: so kann uns so ein Eines sein mit Gott, wo jede Unzufriedenheit verschwunden ist mit dem Wechsel, wo uns die heilige, auf das Gute gerichtete Ordnung gegenwärtig ist – so kann uns die Heiligung keine schönere Frucht gewähren, als Hingebung an Gott, Beruhigung, daß Gott das Ende des Lebens gesetzt hat, ein Eines sein mit dem göttlichen Willen, der uns vom Schauplatz des Lebens abruft. O! prüfen wir uns darauf, so mögen wir sagen, daß wir unser selbst nur sicher sind, daß wir ein vollkommenes Bewußtsein haben vom kindlichen Verhältniß zu Gott, des Geistes, der Abba aus uns ruft, und daß wir keine größere Sicherheit haben können, als durch die Hoffnung, daß wir durch Gottes Gnade uns eben so, wie der Heiland, uns dem Willen Gottes hingeben | mit reinem, kindlichen Bewußtsein, uns eben so durch unsren eigenen Willen von der Welt und dem äußerlichen Leben trennen, und in die Stille des Gemüths einkehren, wo 1–3 Vgl. Joh 19,28 Röm 8,15; Gal 4,6
6 Vgl. Joh 10,30
19 Vgl. Lk 23,46
34–35 Vgl.
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wir nichts mehr sehen, als das von Gott erfüllte Bewußtsein der unsterblichen Seele. Drittens. Doch, damit wir nun sehen, worauf es vorzüglich an kommt, so müßen wir noch daran gedenken, wie das letzte Wort Christi ein Zeugniß war, was er sich selbst geben konnte über seine Einheit mit dem Vater da Jesus wußte, daß schon Alles vollbracht war, daß die Schrift erfüllet würde, und er sich so abschied von den Seinigen und sich selbst in den Tod hingab; da konnte er sich das Zeugniß geben: es ist vollbracht! das Werk Gottes, es sei nun auch vollbracht, er habe nichts mehr zu thun und zu leiden, und ihm gezieme nicht mehr etwas zu wollen. Wie weit kann in dieser Beziehung die Ähnlichkeit | des Erlöseten und des Erlösers gehen? Wie weit können wir es zu solchem Bewußtsein und Zeugniß bringen im Augenblick des Todes? Da müßen wir Zweierlei unterscheiden, die innere Reinheit der Gesinnung, die Lauterkeit des Geistes, und den thatenreichen Gehalt des uns vergönnten Lebens. Im Ersten bleibt ein Unterschied zwischen dem Erlöser und uns; denn in demjenigen, der von keiner Sünde wußte, konnte ein Bewußtsein sein, das wir unmittelbar nicht theilen können. Aber laßet uns getrost sein, denn in der letzten Stille des Gemüthes, wie wir ein von Gott erfülltes Bewußtsein haben, so haben wir es nicht durch uns selbst, sondern sofern nicht wir leben, sondern Christus in uns, sind wir zwar im Begrif das Leben zu verlassen, doch nicht wir allein, sondern, wie Christus in uns lebt, und wir in der gläubigen | Gemeinschaft mit ihm, ihn, der von keiner Sünde wußte, festhalten: so können wir uns auch im Sterben an PalleinS seinen eigenthümlichen Gütern der Heiligkeit und Gerechtigkeit erfreuen. Was das äußerliche Leben betrift, so ist uns Christus mit trostreichem Beispiel voran gegangen. Er fand Nichts mehr zu thun, und doch, aufs Äußerliche gesehen, wie wenig war erst geschehen, und wie viel mußte noch hin zu kommen, daß das edle Weizenkorn Frucht bringe! Und doch sagt er: es ist vollbracht, weil sein Theil vollendet war. Dem Erlöser ward sein Leben verkürzt durch fremde Sünde. Wie wir im Leben der Sünde verstrickt, nicht scheiden die eigene und fremde Sünde, so wißen wir, daß fast Allen ohne Ausnahme das Leben verkürzet wird durch die Sünde, weil alles sinnliche Uebergewicht das Leben kürzer macht. Aber so wie den Erlöser jenes nicht trübte, so auch dies nicht. Es ist Gottes heilige | Ordnung, er hat Jedem das Ziel gesetzt, und wenn er uns ruft, so ist alles geschehen, was durch uns geschehen sollte, und in was für menschliche, würdige Thätigkeit wir mögen verflochten sein, welche Werke auch unsere Theilnahme erfordern, unsere Theilnahme ist vollendet, der Herr wird es herrlicher hin24 PalleinS] oder PallenS 5–6 Vgl. Joh 19,28 16 Vgl. 2Kor 5,21 20 Vgl. Gal 2,20 2Kor 5,21 28 Vgl. Joh 12,24 38–1 Vgl. Jes 28,29
22–23 Vgl.
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aus führen. So abgeschlossen für die Gegenwart und Vergangenheit und ohne Sorge für die Zukunft, das ist die Ähnlichkeit mit dem Tode Christi, mit ihm und durch ihn in gleicher Wahrheit empfinden: es ist vollbracht!
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II. Die Abnahme des Leichnams vom Kreuz. Da wird jedem beim erneuten Lesen aufgefallen sein die besondere Erregtheit des Evangelisten: V. 35[:] und der das gesehen hat, der hat es bezeuget, und sein Zeugniß ist wahr, und derselbige weiß, daß er die Wahrheit saget, auf daß auch ihr glaubet. So etwas sagt er nur | bei etwas Bedeutendem und bei dem, was unerwartet ist. Worauf bezieht es sich? Das ist ein Zweifaches erstens ein mehr Äußerliches und Offenbares, sodann ein mehr Geistiges und Geheimnißvolles. Denken wir uns den Johannes am Kreuze stehend, und nun den Befehl kommend, daß nach der damaligen Weise, ehe die Leichnamen vom Kreuze genommen ihnen die Beine sollten zerbrochen werden, um die letzten Spuren des Lebens zu tilgen; denken wir, daß der Jünger des Herrn dies vollziehen sah an den Mitgekreuzigten, wie wehe mußte ihm der Gedanke an die grausame Verstümmelung des heiligen Leichnams thun! Ach! und da ging es glücklich vorüber; die Kriegsknechte ritzten ihn nur leicht mit dem Speer an der empfindlichsten Seite, und als Blut und Wasser heraus lief zum sicheren Zeichen, daß der Speer hindurch gegangen sei zum Innern, | da gingen sie vorüber. Ein rein menschliches Gefühl war es für den Johannes, daß für den heiligen Leichnam Christi unzerschlagen und unverstümmelt gesorgt werden konnte. Das ist das Äußere und das reicht schon hin für jene Erregtheit des Evangelisten. – Aber geistig und geheimnißvoll ist die Anführung der Schriftstelle: ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen. Diese Stelle handelt von der Ordnung, wie das Passah des Herrn sollte gefeiert werden in seinem Volke, und bezieht sich auf das Passahlamm, dem kein Bein zerbrochen werden sollte. Wäre die Gefahr des Beinbrechens nicht da gewesen für den Johannes, so würde ihm der Spruch nicht eingefallen sein. Jetzt aber vergegenwärtigt er sich ihn natürlich, und er fand die Beziehung auf den großen Wechsel des alten und neuen Bundes. | Der Erlöser sagte: es ist vollbracht, zum sicheren Zeichen, daß, was er zu leisten verordnet war, nur seine That war, und als er gehorsam war bis zum Tode am Kreuz so hatte er Alles vollbracht. Aber gleich nach seinem wirklichen Tod fiel dem Johannes diese Beziehung auf. Das Blut des neuen Bundes war geflossen, das Zeichen war gegeben, daß dies Alte vorüber und Alles neu geworden sei. Wie das Passah eine Erinnerung sein sollte, nicht nur daran, daß der Herr vorüber gegangen war vor den mit Blut bestrichenen Häusern, 9 erstens] 1, 24 Vgl. Ex 12,46 (zitiert im Bibeltext zur Predigt in Joh 19,36) 35–36 Vgl. 2Kor 5,17 36–37 Vgl. Ex 12,1–28
32 Vgl. Phil 2,8
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sondern auch daran, daß er sie glücklich hinaus geleitet hatte aus dem Lande der Knechtschaft in das des Seegens und der Freiheit: so erinnert sich Johannes, daß, nachdem der, in welchem die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes vom Vater erschienen war, | Gehorsam gewesen war bis zum Tode, nun Alles, was der Herr sendet um die Menschen zu plagen, vorüber gehen sollte vor denen, die sich selbst zeichnen mit dem Blute des Lammes; daß durch den, der Gehorsam gewesen war bis zum Tode am Kreuz, Er auch Alle, die sich an ihn halten, hinaus geleiten werden aus der Knechtschaft der Sünde in die herrliche Freiheit der Kinder Gottes. So lasset uns den Tod des Erlösers feiern als Zeichen der Vollendung des neuen Bundes. Durch seinen Gehorsam bis zum Tode am Kreuz ist das neue Leben, der Friede und die Seligkeit, die Gemeinschaft mit Gott für uns Alle fest begründet, daß keine Plage uns mehr treffen kann, weil wir darin nichts Anderes erkennen als die Milde und Liebe Gottes, PdarumS preiset er seine Liebe – und | sie soll uns ewig gegenwärtig sein – daß er seinen Sohn für uns in den Tod gab, als wir noch Sünder waren. III. Dasjenige, was sich auf das Begräbnis Jesu bezieht. V. 38–42. Die Umständlichkeit hat besondere Beziehung auf die Auferstehung. Wie Johannes schon das als göttliche Schickung aufnahm, daß dem Erlöser kein Bein zerbrochen wurde: so erzählt er, wie der Heiland nur der Nähe wegen, nur vorläufig in ein Grab geleget worden sei, was weder dem Joseph von Arimathia noch dem Nikodemus gehörte. Das erzählt er um zu entschuldigen, daß die Jünger, als sie das Zeugniß von dem Auferstandenen hörten, nicht glaubten sondern meinten, er sei anders wohin gelegt. Wer erbat sich den Leichnam Christi? Solche, die seine Jünger gewesen waren, aber heimlich, aus Furcht | vor den Juden. Das war eine Schwäche; sie hätten sich nicht fürchten sollen, sondern ihr größeres Ansehen gebraucht haben, um von dem Herrn zu zeugen, und den Einwand der Pharisäer zu widerlegen: glaubt auch wohl einer der Schriftgelehrten und Pharisäer an ihn? Seine anderen Jünger hatten das nie gescheut, überall waren sie erschienen als seine Jünger. Sie waren jetzt zerstreut, weil der Hirt geschlagen war; die Schwachen aber und Furchtsamen kamen zu erst um den letzten Dienst der Ehre und Liebe dem Herrn zu erweisen. O! welch ein Wechsel in den Stimmungen und Gemüthsbewegungen gläubiger Gemüther! wie tröstlich und erwecklich beides! Ohne Schwachheit ist die menschliche Seele nicht, nur auf verschiedene Weise kommt sie bei dem Einen | 14 PdarumS] oder PdaranS
29 widerlegen:] widerlegen,:
3–4 Vgl. Joh 1,14 4.10–11 Vgl. Phil 2,8 8–9 Vgl. Röm 8,21 14–16 Vgl. Röm 5,8 23–24 Vgl. Joh 20,2.9 29–30 Joh 7,48 31–32 Vgl. Mt 26,31; Mk 14,27 (Zitat aus Sach 13,7)
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zum Vorschein und bei dem Andern. Die Jünger waren früher muthig, nun waren sie schwach; aber der Herr hatte gebetet, daß ihr Glaube nicht Schiffbruch litte, und die früher Furchtsamen waren jetzt muthig; so war das Gedächtniß der früher Schwachen ausgetilgt und der Tod war die Befestigung des Muthes. Aber die Jünger wurden sich dessen bald bewußt. – So giebt es in allem Wechsel nur Eines, woran wir uns sicher halten, das ist die Kraft des Glaubens. Ach! sie verdunkelt sich oft im irdischen Leben! aber im Tode des Herrn, in der Beschäftigung der Seele mit ihm, liegt eine besondere Kraft auch den schwächsten Glaube zu stärken, und die Seele, die noch in den Netzen der Welt hängt, immer mehr zu heiligen. – Das ist die allgemeine christliche Erfahrung. | O! laßet uns sie stets erneuen! Dazu ist dieser Tag eingesetzt, daß wir uns in den Tod Christi eintauchen, um mit ihm auf zu erstehen zu einem neuen Leben; dazu ist das Mahl eingesetzt, um Gott anzubeten und das geschwächte Bewußtsein auf das Lebendigste zu stärken, und, wie Johannes hier erzählt, vom Tode in unmittelbarer Beziehung auf die Auferstehung zu treten; wie Paulus sagt, daß derjenige, der sich erniedrigte, erhöhet ist, daß sich Aller Knie vor ihm beugen im Himmel und auf Erden; wie der Verfasser des Briefes an die Hebräer sagt: dadurch, daß er gelitten hat, ist er erhöhet worden zum Herrn der Herrlichkeit und zum Herzog der Seligkeit. Und wie wir nicht trennen und sondern dürfen, daß er gestorben ist um unserer Sünde willen und auferwecket um unserer Gerechtigkeit willen: | so lasset uns auch bei den Augenblicken des Todes Christi stets sein erhöhtes Leben gegenwärtig haben, daß wir mit ihm auferstehen zu einem neuen Leben, und immermehr vereinigt werden durch den Erlöser mit dem Vater. Amen.
2–3 Vgl. Lk 22,32 in Verbindung mit 1Tim 1,19 12–13 Vgl. Röm 6,4 18 Vgl. Phil 2,9–10 18–20 Vgl. Hebr 2,10 21–22 Vgl. Röm 4,25
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Am 15. April 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Ostersonntag, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 20,1–18 Nachschrift; SAr 107, Bl. 74r–75v; Crayen Keine Nachschrift; SAr 107, Bl. 76r–81v; Crayen Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
90. Frühpredigt Joh. 20. v. 1–[18].
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In diesem Abschnitt sind enthalten die ersten Erweisungen unsers Erlösers nach seiner Auferstehung an die Seinen. Indem uns aber der Erzähler derselben: – „der Jünger den der Herr lieb hatte“ eine so umständliche Beschreibung davon giebt – : so ist gewiß seine Absicht dabei auf zweierlei gerichtet gewesen: 1. Daran zu erinnern: wie das Herz der Jünger Jesu bis dahin nicht nur tief gebeugt – sondern auch ihr Glaube auf harte Proben gestellt war, seit er durch den Tod am Kreuz von ihnen genommen und 2. Wie – seit er nun auferstanden, seine Jünger beginnen sollten: unabhängig von seinen äußerm Zusammenleben mit ihm – sich untereinander zusammen zu fügen zu dem Tempel darin er, auf geistige Weise, Wohnung machen könne – welcher von da an – auf diesem unvergänglichen Grunde, aufgerichtet werden sollte; wozu diese seine Sichlebendigerweisungen sie gestärkt hatten. Lasset denn auch uns dazu sie dienen, unsern Glauben an ihn zu stärken und zu beleben in Beziehung unsers Antheils an dieser Selbständigkeit! Und – indem wir den großen Reichthum der einzelnen Erweisungen des Herrn in dieser langen Erzählung zusammenfassen – lasset uns sehen: 1 Frühpredigt] Frühpr.
17 dieser] diese
1 Crayen nummerierte ihre Nachschriften zur Homilienreihe zum Johannesevangelium wohl nachträglich und übersah offenbar, dass Schleiermacher ab dem 11. März 1827 auch im Hauptgottesdienst die Reihe fortführte. Vgl. Meckenstock: Kalendarium der überlieferten Predigttermine Schleiermachers, KGA III/1, S. 955–957; vgl. oben Einleitung, Punkt II.3.C. 5 Schleiermacher identifiziert hier den Lieblingsjünger mit dem Evangelisten Johannes. 12–13 Vgl. Joh 14,23
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1. Auf das Verhältniß der verschiedenartigsten Jünger zu ihm und untereinander. 2. Auf das Verhalten des Herrn gegen sie – und was er in jener Beziehung an ihnen gethan – und noch thut an den Seinen.
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1. Lasset den Anfang uns machen mit dem womit Johannes in seiner Erzählung beginnt! – mit der Jüngerin – Maria – PMagdalenaS – von welcher er sagt: sie sei die erste gewesen – welche in der Frühe des Tages zum Grabe des Herrn gekommen; – und darauf sehen: wie es stand um ihren Glauben? Sie war – das fühlen wir – nicht irre gemacht, in ihrem Glauben an ihn – dadurch: daß er, als ein Opfer des Hasses gefallen war in die Hände seiner Wiedersacher! wir fühlen dieses, an der Durchdrungenheit ihres Gemüths von der Liebe zu ihrem Herrn, mit der sie zu seinem Grabe eilete! Wäre ihr Glaube im Wanken gewesen: so würde das Grab wohl nicht der Ort gewesen sein, wohin sie ihre Schritte geleitet um ihren Empfindungen Lufft zu machen! – Im festen Glauben und in unerschütterlicher Freude aber, hing sie an ihn! – sie – der so viel vergeben war! Und, wie stand es in dieser Beziehung mit den beiden Jüngern? – Dem Petrus und Johannes? welche zunächst zum Grabe kamen, da Maria schon ihnen (davon) erzählt, was ihr daselbst begegnet sei: – Wir dürfen, als gemeinsame Stimmung aller Jünger des Herrn, annehmen – was der Herr selbst über sie aussprach: „Als der Hirt geschlagen war – zerstreuete sich ihre Gemeinschaft!“ Und denken wir daran wie der Erlöser einst sprach: „Ich habe für euch gebetet daß euer Glaube nicht untergehe!“ So zeigt sich uns allerdings (in ihnen) – (auch) in jenem Ausruf: „Wir hatten gehofft er solle Israel erlösen“ wie dieses Wort des Herrn wahr geworden an ihnen. Sie aber hatten dazumahl noch nicht – wie der Herr | nach seiner Auferstehung auch zu ihnen spricht: das Wort (der Schrifft) in sich aufgenommen: „Mußte nicht Christus leiden! – um zu seiner Herrlichkeit einzugehen!“ Wohl zwar war dieses die härteste Probe für ihren Glauben an ihn! – Wenn aber eine solche Liebe – wie sie in jener Maria sich uns zeigt, dem Herzen einwohnt – : so hält – und trägt diese den Glauben! – : wie denn sie ihn halten muß! – Wenn nun – von der andern Seite: das festeste Vertrauen darin miteingeschlossen ist: so erhebt dieses die Gemüther zu ruhiger Erwägung dessen: wie – nach den Aussprüchen der Schrift – die Geheimnisse des Rathschlusses-Gottes sich uns lösen. Einer solchen Empfänglichkeit aber kann nur zum Grunde liegen ein Gemüth wie das der Maria: worin die Liebe von dem 19 sei:] sei:) 16 Vgl. Lk 7,47 in Verbindung vermutlich mit Mk 16,9 und Lk 8,2 Mt 26,31; Mk 14,27 22–23 Vgl. Lk 22,32 24–25 Lk 24,21 Lk 24,26 34–35 Vgl. Eph 1,9; 3,9
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Glauben nicht zu trennen ist! – welche Liebe aber sich gründet auf das innerliche geschauet haben der Herrlichkeit des Herren. Ist nun ein solcher Gemüthszustand herrschend in der ganzen Gemeine des Herrn: – : dann ist alles beisammen: um das Haupt und die Glieder dieses heiligen Leibes zusammen zu halten! – Wir sollen aber dabei an nichts Äußeres hafften! – und, wie weit davon entfernt war (auch) diese Maria! Sie suchte nur ihren Herrn – und (selbst) da sie einen Engel an seinem Grabe erblikte – wurde sie nicht durch diese Erscheinung überrascht – noch begehrte sie von ihm etwas anderes zu wissen: als wo sie ihn selbst finden könne! Lasset sie uns zum Vorbilde nehmen! und nach nichts Höherem nach keinem andern Wunder spähen, als nach dem Einen und Größesten: nach dem Hineintritt seines Lichts in die – bis dahin verfinsterte menschliche Natur! nach dieser Erfahrung der durch ihn geheiligten menschlichen Seele in dem Verhältniss zu ihm: denn dieses Eine – ungetheilte Wunder ist es, worauf unser Glaube ruhet – und worauf unsre Gemeinschaft mit Gott in Christo sich stützt. So ist denn dieses das Einzige worauf das Auge unsers Geistes gerichtet sein soll! und alles Andre – wenn es nicht darauf sich bezieht – hat nichts zu thun mit dem Wesen unsers Glaubens – und unsrer uns beseligenden Hoffnung! – In diesem Einen war Maria versenkt. – Liebe und Glaube waren lebendig und Eins in ihr! | und so bedurfte denn sie keiner äußern wandelbaren Erscheinungen – und machte auch keine Unterschiede zwischen dem Natürlichen und Wunderbaren! Denn ihr fiel es nicht ein – als jener Engel redete mit ihr – : dabei an die Unterscheidung eines Engels und eines menschlichen Wesens zu denken! – : sondern sie begehrte nur, von ihm, ihrem Herrn allein etwas zu hören an dem ihre ganze Seele hing – nur durch ihn wollte sie ihr Verlangen stillen und ihr Weh beschwichtigen! – : So lasset denn auch uns dieses Eine immer nur suchen! und kein höheres Verlangen kennen: als diese himmlische Gemeinschaft immer reiner und inniger zu knüpfen. Lasset noch uns sehen: wie jene beiden Jünger sich verhalten zu der Maria in dieser Beziehung? Für Maria war die Gewißheit der Auferstehung des Herrn genug! Jene Jünger dagegen suchten zu erforschen den Zusammenhang jener Thatsache! Wenn aber beide Jünger darin sich gleich sind; so zeigen sie sich uns doch auch wiederum (darin) verschieden: wie sie ihre Untersuchung betrieben! – der Eine (nemlich): Johannes – : eilt mit größerer Lebendigkeit voran, als er aber zum Grabe kommt – da ist sein Fuß gehalten – „er blikt nur hinein in das leere Grab.“ – Petrus dagegen – der Muthigere! – geht hinein – nur zu untersuchen wie die Sache sich verhält! und, nach ihm, auch Johannes; diesem Letzteren aber verdanken wir die genaue Schilderung wie alles sich begeben! – Wie also Petrus zwar den ersten 6 Maria!] Maria!: PausS oder PmitS zum Zeilenende
10 Höherem] Höheres 25 durch] darunter als eigene Variante 27 Eine] Einen 28 knüpfen.] folgen vier Gedankenstriche bis
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Schritt that in der Erforschung der Sache; so hielt dieser Jünger – „den der Herr – und er ihn so besonders lieb hatte!” – alles fest – im bewegten Gemüthe! und so sind denn auch seine Worte und Darstellungen die reinste Quelle uns geworden daraus alles das zu schöpfen: worauf sich bezieht unser Glaube, und was derselbe stärkendes und nährendes in sich PfaßtS. – Aber – o wie lieblich ist es!: wenn es dann auch Herzen giebt, die so in Entzücken übergehen, wie das der Maria! – Eben so, wie hier, sehen wir nun noch immer in dem Gebiete der christlichen Kirche, die Gaben mannigfach vertheilt in deren Wirkungen; welche aber alle miteinander auf thätige Weise eingreifen sollen, damit blüht und sich befestige das Reich des Herrn auf Erden! – : Lieblich sind daher zwar und edel, jene Gemüther wie das der Maria! Herrliche Stützen aber auch und feste Säulen der Kirche sind: so wohl die ruhig forschen – die – wie Petrus: – zuerst es wagen einzudringen in die tiefsten Abgründe menschlichen Wissens! Herrlich, aber auch, die – wie Johannes – klar und deutlich und treu der Nachwelt überliefern, was jene Forscher geprüft – zergliedert – und hinweggeräumt haben; damit die Erkenntniß Jesu Christi rein und immer reiner an’s Licht trete. – Fehlte Eines von beiden – so stände der Glaube | in Gefahr unter zu gehen – und das Licht zu erlöschen! – das da leuchten soll zu dem wohlthätigen Zusammenhang der Anschauungen früherer und späterer Geschlechter. – Wie aber glaubten jene Jünger nur erst? – im Verhältniß zu uns? ihr Glaube war, Ahnung von dem was als beseligende Erfahrungen wir erfassen – indem wir es zusammenbringen mit unserm eigenen inneren Schauen wie denn daraus erst entstehen kann: der lebendige – und lebendigmachende Glaube! Und das führt uns 2. auf das Trachten des Verhaltens unsres Erlösers gegen seine Jünger und Jüngerinnen – indem er selbst sich ihnen kund machte: Und, in der Betrachtung aber, der Verschiedenheit dieser Gemüthsrichtungen, fühlen wir uns da nicht versucht, zu fragen: welcher von beiden der Erlöser denn wohl den Vorzug gegeben? Aber lasset dabei uns nichts übereilen – indem wir nur auf die äußern Umstände sehen! und indem wir etwa schließen wollten: meinen: der Erlöser habe wohl eine besondre Vorliebe gehabt für jene Maria – welche der besondern Gnade gewürdigt war den Erlöser zuerst als den Auferstandenen zu erbliken! Denn Vieles ist in dieser Erzählung von der Maria enthalten, welches in die Schranken der Demuth uns zurückhält dafür! Hören wir nicht daß der Herr mit dem Worte: „Rühre mich nicht an!“ sie zurückhält! dagegen aber erhebt er sie: die Botin zu werden seiner Auferstehung. – Lasset aber uns sehen was er (bei dieser Botschaft an alle 23 unserm eigenen inneren] unser eigenes inneres welche
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die Seinen) vorzüglich im Auge hatte! es war aber dieses der Beruf: „zu gehen in alle Welt um zu verkündigen:“ der Herr sei wahrhaftig auferstanden und zu predigen in der Freudigkeit der Herzen sein Evangelium! Und zu diesem festen Bunde der Liebe zu ihm wollte er uns Alle miteinander verknüpfen! Damit sein Name immer mehr verherrlicht werde auf Erden! In dieser einen Liebe laßt uns denn Alle miteinander dazu uns ihm weihen. Und was war es? Was der Herr, durch diese Maria, den Seinen sagen ließ? – die er seine Brüder nennt? O – es ist etwas sehr herrliches und Großes: was er unmittelbar dem hinzusetzte: „Ich fahre auf! zu meinen und zu eurem Gott und himmlischen Vater!“ Er – nemlich – welcher ausgegangen war von ihm – er konnte, in diesem verklärten Zustande – nicht länger auf leibliche Weise, verweilen unter ihnen! Indem er sie aber verweiset „auf den Tröster an seiner Statt“ – verweiset er sie auf etwas noch Höheres – worauf er denn auch noch einen höhern Werth legt, wenn er spricht: „Es ist euch gut daß ich hingehe!“ So verweist er denn darin alle die Seinen auf die rein geistige Gemeinschaft mit ihm – als die Schönere! in verklärterer Gestalt nemlich noch sollten sie ihn und sein Reich erbliken als bisher! Er selbst war schon erhoben zu diesem verklärten Zustand! und wollte nun auch sie dazu erheben als die Seinen. – Noch eines lasset uns beachten in dieser seiner Botschaft! er spricht zur Maria: „Sage es meinen Brüdern“: daß er – bis dahin – seine Jünger seine Brüder genannt, erscheint uns natürlich; daß er aber noch jetzt sie so nannte! in einem Zustand – worin er unmittelbar sich aufschwang zur Rechten Gottes! – : daß er auch da noch sie sich gleich stellt als Brüder: o welch ein himmlischer Trost liegt darin für die Seinen. Und den laßt uns festhalten! – : wie jener Jünger ihn festgehalten; der da spricht: „Noch ist es nicht erschienen was wir sein sollen wenn er aber erscheinen wird – : dann werden wir ihm gleich sein!“ – : welcher Jünger ferner sagt: „So wir wandeln in seinem Lichte – : haben wir Gemeinschaft mit ihm!“ Dieser Wandel in seinem Lichte also ist es, der uns zu seinen Brüdern macht. O! theures Wort des Erstandenen: welches auch wir uns aneignen dürfen! die wir mit ihm zu einem neuen Leben erwacht – : Ja! wenn unser Wandel also schon hier im Himmel ist: so werden wir auch die sein: die Er zu Kindern Gottes und in denen Er Wohnung gemacht – und die: die durch den Glauben an ihn haben das Leben – das da währet in Ewigkeit!
20 „Sage es meinen Brüdern“] „Sage es“ meinen Brüdern seine Brüder
29–30 seinen Brüdern]
2–3 Vgl. Mt 28,18–20; Mk 16,15; Lk 24,34 12–13 Vgl. Joh 14,16.26; 15,26; 16,7 14–15 Joh 16,7 26–27 Vgl. 1Joh 3,2 28–29 Vgl. 1Joh 1,7 31–32 Vgl. Phil 3,20 33 Vgl. Joh 14,23 34–35 Vgl. Joh 3,16; 6,51.58
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[Liederblatt vom 15. April 1827:] Am ersten Ostertage 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Mache dich mein Geist etc. [1.] Hallelujah! jauchzt und singt, / Weil der Herr erstanden, / Und sich nun als Sieger schwingt / Aus des Todes Banden; / Und empor / Wird im Chor / Selger Engelschaaren / Er gen Himmel fahren. // [2.] Hallelujah, Jesus lebt! / Jauchze Schaar der Jünger! / Aus des Grabes Nacht erhebt / Ihn der Allmacht Finger; / Blickt ins Grab / Kühn hinab! / Der vom Tod erstanden, / Hilft aus Todes Banden. // [3.] Hallelujah, Er ist da! / Jauchzet Gottes Kinder! / Denn durch das, was heut geschah, / Ist er Ueberwinder. / Und sein Reich / Kommt sogleich, / Groß muß es auf Erden, / Groß im Himmel werden. // [4.] Hallelujah, Christenschaar, / Laßt uns triumphiren, / Der nun lebet immerdar, / Wird uns zu sich führen. / Wer den Sinn / Zu ihm hin / Lenket voll Vertrauen, / Wird sein Heil auch schauen. // (Döring.) Nach dem Gebet. – Mel. Wachet auf ruft etc. [1.] Lobgesang und Preis und Stärke / Sei dem Vollender seiner Werke, / Dem Todes-Ueberwinder Dank! / Singt des Helden Auferstehen, / Ihr Himmel all’ in euren Höhen, / Du Erde weih’ ihm Lobgesang! / Ihm, der vom Tod’ erstand, / Der für uns überwand, / Weiht Anbetung! Sein ist die Macht, / Er hat’s vollbracht! / Sein werd’ in aller Welt gedacht! // [2.] Was vermag uns zu erschüttern? / Die fern von ihm sind mögen zittern. / Vor ihm, der glorreich sich erhebt. / Wir des Auferstandnen Brüder, / Wir Christen, seines Leibes Glieder, / Wir freun uns des, der ewig lebt. / Für uns litt er den Tod; / Für uns entrückt’ ihn Gott / Bald dem Grabe! Dank ihm erfreut / O Christenheit! / Sein Leben ist dir Seligkeit. // [3.] Unser Herz darf nun nicht wanken; / Die bangen zweifelnden Gedanken / Besiegt des Glaubens Zuversicht. / Wie ein Fels des Herrn im Meere / Steht unerschüttert Jesu Lehre, / Verbreitet um sich Trost und Licht. / Der Himmel Pracht zerfällt, / Die Herrlichkeit der Welt / Wird verschwinden; nur Jesu Wort / Steht fort und fort; / Es bleibt der Seele Trost und Hort. // [4.] O Erstandner, welch ein Segen / Erwartet uns, wenn auf den Wegen / Wir wandeln, die dein Fuß betrat. / Unerforschte Seligkeiten, / Die ewig währen, sind die Beuten / Die uns dein Sieg erkämpfet hat. / Einst sind sie unser Theil, / Einst krönet uns das Heil / Deines Lebens. Preis unserm Herrn, / Er ist nicht fern, / Zum Sieg führt er die Seinen gern. // Nach der Predigt. – Mel. O Ursprung des Lebens etc. [1.] O fröhliche Stunden! seid Christo geweiht, / Der nun überwunden im heiligen Streit; / Erst muthig gestritten, / Dann ruhig gelitten, / Und willig sein Leben für Andre verbürgt, / So hat er nun siegend den Würger erwürgt. // [2.] Das fleischliche Leben ist nunmehr durch Ihn / Dem Geist untergeben, der herrsche nur kühn! / Er wisse zu kämpfen, / Die Lüste zu dämpfen, / Denn Christus der Kämpfer, der Herzog im Streit, / Bleibt ewig uns allen zu helfen bereit. //
Am 16. April 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Ostermontag, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 20,19–23 Nachschrift; SAr 57, Bl. 113r–121r, Nr. 82; Schirmer Keine Nachschrift; SAr 107, Bl. 82r–83v; Crayen Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium
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M. a. F. Wenn schon der erste Auftrag, welcher der erstandene Erlöser der Maria an seine Jünger gab, auf seinen nahen, gänzlichen Abschied und auf die Rückkehr zu seinem Vater deutet: so finden wir dasselbe auch in der ersten Zusammenkunft mit seinen Jüngern; und wie er dort ganz besonders an den Beruf dachte, zu dem er sie erwählt hatte, mehr als an sein persönliches Verhältniß, so richtet sich hier seine ganze Rede auf den großen Beruf seiner Jünger. | Lasset uns darüber miteinander nachdenken. Um aber eine deutliche und lebendige Vorstellung von dem Zustande der Jünger in diesen Tagen zu haben, dürfen wir nicht den Umstand übersehen, daß sie des Abends bei verschlossenen Thüren aus Furcht vor den Juden versammelt waren. Wir wissen aus den andern Evangelien, daß die Jünger der ersten Rede jener Frauen, die beim Grabe waren, noch nicht vollen Glauben beimaßen, und so war es auch vielleicht mit der Bothschaft der Maria, daß sie zweifelten, ob jene wirklich den Herrn gesehen habe, und so erklären wir uns denn ihre Sorgsamkeit und ihre Kleinmüthigkeit, welche sie darin bewiesen, daß sie sich verschloßen. Hätten sie schon um die Auferstehung des Herrn genau gewußt, so würde es nicht so gewesen sein. Doch tadelt sie der Er|löser deshalb nicht; ja, als sie schon mit der Kraft aus der Höhe erfüllt waren, als sie schon vor dem gesamten Volk und den hohen Priestern ihren Muth bewährt hatten, finden wir dies so; und so mögen wir dies in diesen Tagen nicht bloß auf den Mangel an Muth und Entschloßenheit schieben. Ja der Heiland selbst handelte auf ähnliche Weise; nicht selten verbarg er sich vor seinen Feinden, entzog sich und 2–4 Vgl. Joh 20,17–18 12–14 Vgl. Mk 16,9–13; Lk 24,9–11 Lk 24,49 24–2 Vgl. Lk 4,28–30; Joh 8,59; 10,31.39–40;
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strich noch zur rechten Stunde mitten durch sie hin, wenn sie etwas Uebles gegen ihn im Sinn führten. Mögen die Jünger den vollen Glauben an die Auferstehung des Erlösers gehabt haben oder nicht, deshalb dürfen wir sie nicht tadeln, denn wir sollen uns hüten an den Sünden Anderer Theil zu nehmen; wenn Haß und Feindschaft gegen das göttliche Wort sich durch ein verfol|gungssüchtiges Wesen kund thun, so nehmen wir Theil an den Sünden Anderer, wenn wir uns dem ohne Noth aussetzen. Durch das Verschließen der Thüren wollten sich die Jünger irgend einem unordentlichen Verfahren einer stürmischen Aufregung des Volks entziehen und sich die Ruhe und Stille außer dem Getümmel der Welt suchen, jene Ruhe, die ihnen so nöthig war. Da trat Jesus unter sie, und zeigte ihnen seine Hände und seine Seite; so gab er ihnen den deutlichen Beweiß, daß er selbst derselbe sei, der am Kreuze verschied, die Spuren der Gewaltthätigkeit noch an seinem erstandenen Leibe tragend; da wurden die Jünger froh, daß sie den Herrn sahen. So war es die freundliche Weisheit des Erlösers, alle Zweifeln aus dem Gemüthern der Jünger erst zu tilgen | und den wahren Glauben hervorzubringen ehe er sie zu ihrem großen Beruf weiter ausrüstete. Dann sprach er zu ihnen: Friede sei mit euch! Gleich wie mich der Vater gesand hat, so sende ich euch. Wie hat der Vater ihn gesendet und was ist die Ähnlichkeit zwischen dem Verhältniß seiner Jünger zu ihm, und dem des Herrn zu seinem Vater, und wie weit konnte sich diese Aehnlichkeit erstrecken? In Bezug auf das Letzte ist es ein sehr merkwürdiges Ding, daß wir nicht wissen, wer die Versammelten waren. Nur das wissen wir, daß außer den eigentlichen Aposteln des Herrn auch die zween Jünger zugegen waren, mit welchen er auf dem Wege nach Emaus gesprochen hatte. Sollen wir nun glauben, daß er bei diesen Worten besonders zu den Ältesten geredet habe, die andern aus nehmend? Dazu fehlt das Merkmahl in seiner | Rede, sondern wir haben Ursach zu glauben, daß er es zu allen Anwesenden gesagt habe. Von den Älteren war einer nicht da, und zwar einer, auf deßen Ueberzeugung der Erlöser solchen Werth legt, daß er sich ihm noch besonders offenbart. Soll Thomas deshalb, weil er hier nicht zugegen war, keinen Theil haben an dem großen Wort des Herrn? Erwägen wir, daß es weder allein die Apostel waren, noch, daß der Herr das Wort beschränken wollte auf die alleinigen Anwesenden, so muß es eine allgemeine Rede des Herrn gewesen sein an alle Gläubigen, und er hat zu den Versammelten geredet, voraussetzend, daß darunter alle Gläubige zu begreifen sein, nicht nur die damaligen, sondern auch die späteren. So lehrt auch die Schrift das ganze Verhältniß | der Gläubigen zu dem Erlöser ansehen. Was anders will es auch 29 deßen] deßens 4–5 Vgl. 1Tim 5,22
23–25 Vgl. Lk 24,33–35
29–31 Vgl. Joh 20,24–29
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sagen, daß die Schaar der Gläubigen auch angesehen wird als Ein Leib, dessen Haupt und Sitz der Kraft allein der Erlöser ist, kein Glied aber etwas für sich selbst, sondern jedes Glied ist nur etwas durch das Haupt! Und so läßt sich auch solche Trennung unter den Christen gar nicht machen; nicht Einige, ausschließend die Andern, sendet der Erlöser, nicht Einigen ausgeschloßen die Anderen theilt er den heiligen Geist mit, nicht Einigen, ausgeschloßen die Anderen saget er die darauf folgenden großen Worte. Erinnern wir uns, wie der Vater ihn sandte – was sagt er selbst davon? Erstlich, daß er mit dem Vater Eines sei, daß der Sohn nichts thun könne von ihm selber, sondern nur, was er den Vater thun sehe, daß er nichts rede durch sich selbst, sondern nur, was der Vater rede, und daß er das Werk vollbringe, das ihm der Vater gegeben habe, daß er es thue. Und können wir uns wohl, wenn es uns hieran fehlt, als vom Erlöser gesendet | ansehen? Wer etwas will von ihm selber, wer eine eigne Weisheit aus seiner will die Menschen zu belehren und sie auf den Weg der Wahrheit zu führen, wer eigne Werke vollbringen will, die er nicht gesehen hat vom Haupte; der ist nicht vom Herrn gesendet, der redet von sich selbst und sucht seine eigne Ehre, nicht Christi Ehre, ganz entgegengesetzt, wie es der Herr von sich selber sagt. Alle, welche sich selbst verleugnen und es aus sich selbst nicht nehmen, sondern von ihm, die mit dem Apostel in Wahrheit sagen: ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus in mir, die sind so Eines mit dem Herrn, wie er mit seinem Vater, und die werden von ihm gesendet, wie er selbst gesandt vom Vater. Wozu? Zu demselben, wozu er gesendet war, derjenige zu sein, durch welchen Gottes Liebe sich den Menschen mittheilt, derjenige, an welchem diese sich verherrlicht. Diesen großen | Beruf hat Gott uns Allen gegeben, wir Alle sollen es uns gesagt sein lassen, und das ist der schönste Beruf; denn können wir nichts Anderes wollen, es kann nichts Größeres geben, als sein Werk verrichten, seine Worte reden zu den Menschen und, wie groß uns auch dasjenige erscheinen mag, was im Innern unsres Gemüthes aufgeht, ehe wir es geprüft haben, ob es von ihm sei, dürfen wir es nicht vollführen. Wahrlich! denken wir uns seine Worte so, so muß uns Alles verschwinden, und wir müßen Alles für Schaden achten, daß wir nur Christum gewinnen; ihn gewinnt nur, wer sich von ihm senden läßt, und der ihm treu bleibt bis ans Ende. Vers 22. Und da er das sagte, blies er sie an und spricht zu ihnen: nehmet hin den heiligen Geist. Wenn, wie ich hoffe, das Vorige eben so eure Überzeugung geworden | ist, wie die meinige, so war auch diese Mit31 Wahrlich!] Wahrlich,! 1–3 Vgl. Eph 4,15; Kol 1,18 8–12 Vgl. Joh 10,30; 5,19; 8,26.28; 17,4 17– 18 Vgl. wohl Joh 7,18 19 Vgl. Mt 16,24; Mk 8,34; Lk 9,23 19–20 Vgl. als Gegensatz Joh 16,14–15 20–21 Gal 2,20 32–33 Vgl. Phil 3,8
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theilung des göttlichen Geistes eine Handlung Christi, die sich nicht bloß auf die damals Anwesenden erstreckte, sondern sie sollten nichts sein als eine bildliche Andeutung davon, daß der Geist, den Christus den Seinigen verheißen in den letzten Tagen und den er ihnen jetzt mittheilte, den er verheißen als den letzten Stellvertreter, und als den Geist, der sie in alle Wahrheit leiten sollte, daß der nichts andres sei, als sein eigenes innerstes Leben. Nehmen wir das als ganz gewiß an, so schwebt Allen gewiß die Frage auf der Zunge: wenn Christus schon damals seinen Geist allen mittheilte, und wenn die Worte nicht einen geringeren Sinn haben, als ihnen wirklich einwohnt, wozu hat er sie noch | warten lassen, bis sie wirklich angethan würden mit der Kraft aus der Höhe? Dagegen frage ich: wie ist es damit, daß derselbe göttliche Geist durch den Apostel Paulus spricht: Niemand kann Jesum einen Herrn nennen, denn durch den heiligen Geist? Ist das wahr, und hatten die Jünger Jesum schon vorher einen Herrn genannt mit dem vollem Glauben des Herzens, mußten sie schon dazu den göttlichen Geist haben, wie theilt er ihnen denselben erst jetzt mit? knüpfen wir beides zusammen, so ist klar, daß im Reiche der Gnade eben so wie im Reiche der Natur nichts durch einen Sprung geschieht, sondern durch allmählige Entwicklung, denselben Geist, welcher zu Petrus sagte: das hat dir nicht Fleisch und Blut offenbahrt, sondern mein | Vater im Himmel, denselben Geist empfingen jetzt die Jünger, und wohl war es wahr, daß sie warten sollten bis sie reichlicher angethan wurden mit der Kraft aus der Höhe. So war es das erste Maß des göttlichen Geistes, daß sie Jesum erkannten als den Messias; so war es höheres Maß des göttlichen Geistes, was er hier sagt; aber es gehörte noch ein höheres Maß dazu, wenn sie den Beruf erfüllen sollten, seine Zeugen zu sein vor allem Volk. Mit der Mittheilung des heiligen Geistes verbindet der Erlöser die Worte: welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. So sind wir darüber einig, daß das nicht ein Vorrecht einiger Weniger ist, sondern es | ist die Gabe an die Gesamtheit seiner Jünger. Aber wie er den göttlichen Geist nicht den Einzelnen mittheilte, sondern gemeinsam an Alle, so hängt dies von jenem ab, und ist die natürliche Folge davon. Nur durch den göttlichen Geist kann es wahr sein und werden, was er hier sagt. Wollen wir recht verstehen, was Christus hierauf zu erst meinte, so müßen wir daran denken, wie er anderwärts seine Sendung der Jünger ausspricht und wie sich beides auf einander bezieht. Nämlich mit dem ersten stimmt dies: so gehet hin in alle Welt; und mit dem letzten ist dies in Uebereinstimmung zu bringen, und lehret alle Völker, macht sie zu Jüngern und tauft sie im Namen des Vaters, des Sohnes und heiligen Geistes; denn getauft wurde ja zur Vergebung der 5–6 Vgl. Joh 16,13 10–11 Vgl. Lk 24,49 13 1Kor 12,3 19–20 Mt 16,17 22–23 Vgl. Lk 24,49 37–40 Mt 28,19
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Sünden, | wie dies Petrus sagte in seiner ersten Rede am Pfingsttage. Das verlieh er ihnen durch Mittheilung des Geistes, was sie erst ausüben sollten, bei einem höheren Maß an Kraft, von Vertrauen, von Glauben, nämlich Andere auf zu nehmen in die Gemeinschaft Christi. In der ist die Vergebung der Sünden, wer ihr zugehört, dem sind die Sünden erlassen, wer nicht, dem sind sie behalten, denn er ist noch nicht in der Gemeinschaft des göttlichen Lebens, durch dessen Kraft allein die Sünde kann ausgetilgt werden, er hat noch nicht Theil an der Geistesfülle Christi, wodurch wir allein rein erscheinen können vor Gott. Aber das Recht und Vermögen, die Sünden zu erlassen und behalten, ist in der | Gemeinschaft der Christen und nichts anderes, als die beständige Vermehrung seines Reiches durch Wirkung des göttlichen Geistes, welchen der Erlöser seinen Jüngern ankündigt als das, was durch sie erfolgen sollte, womit er sie hier begabt und mit seinem Frieden gesegnet. Das ist der Geist der Liebe, daß alle Menschen sollen werden wie wir, daß alle Theil haben sollen an der Seligkeit und Gnade, die ist in Christo Jesu; die Freude des Herzens ist es, durch die Wirkung des Geistes die Sünden zu erlassen, die Traurigkeit des Herzens, daß es noch solche giebt, denen die Sünde erlassen werden muß. Aber der Geist treibt uns, | den Herzen der Menschen das tröstende Wort einzupflanzen, den Frieden ihnen zu geben, welchen der Herr uns mittheilt. So wollen wir in ihnen ein unauslöschliches Verlangen erwecken, dahin wirksam sein, daß Allen die Sünden können erlassen werden, und der Dienst am göttlichen Worte nach außen und nach innen wachse in der Gemeinde des Herrn; das ist der Friede des Herrn, daß solch unauslöschliches Verlangen in der Seele des Menschen wurzle, Allen Theil zu geben an der selbst erfahrenen Seligkeit, Allen die Sünden zu erlassen, wie sie uns erlassen sind; und wahrlich! der Friede des Herrn, ohne jenen lebendigen PTriebS ohne jenes unauslöschliche Verlangen, das Licht weiter zu tragen, wäre eine todte Gabe. So war es die Weihe zur rastlosen Thätigkeit, | auf die wir Alle verpflichtet sind, bis Ein Hirt und eine Heerde geworden ist, daß Alle gesammelt werden unter das eine Haupt. O! möge er uns immer mehr dazu anhauchen mit dem Odem des Lebens an dem Feste der Auferstehung, daß auch unser Dienst ihm nicht fehle, daß auch wir etwas dazu thun, daß die Sünden erlassen werden, und das Heil und die Freude sich vollkommen offenbaren, die von Christo, der uns immmermehr vereinigen will mit seinem himmlischen Vater, ausströmen. Amen.
16 Christo] Christi
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30–31 Vgl. Kol 1,18
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Am 29. April 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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Misericordias Domini, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 20,24–31 Nachschrift; SAr 57, Bl. 121r–131r, Nr. 83; Schirmer Keine Nachschrift; SAr 107, Bl. 84r–85v; Crayen Nachschrift; SAr 107, Bl. 86r–87v; Crayen Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium Liedangabe (nur in SAr 107, Bl. 85r)
Johannes 20, 24–31.
M. a. F. diese Worte gehen zurück auf die frühere Erzählung des Evangelisten, die wir neulich betrachtet haben. Da waren am Abend der Auferstehung die Jünger zusammen und Jesus trat hinein. Hier holt der Evangelist nun nach, daß Thomas nicht gegenwärtig war; | das war eine große Entbehrung. Es war die Zeit, wo, wie wir aus manchen Anzeigen schließen, die Jünger pflegten beisammen zu sein, wie denn die Abendstunden der Gewohnheit gemäß, vorzüglich am Anfang und Ende des Sabbaths eine festliche Zeit des Zusammenseins waren. Wie es kam, daß Thomas nicht zugegen war, davon erzählt Johannes nichts, aber wohl dürfen wir glauben, daß es mit gutem Gewissen geschehen war, daß er die Zusammenkunft der Jünger versäumt hatte. Johannes hatte schon früher von diesem Apostel eine eigenthümliche Liebe desselben zum Herrn erzählt: er hatte früher erzählt, als Christus nach Judäa ziehen wollte, und die Jünger ihm abriethen, dahin zu gehen, wo die Juden ihn hatten steinigen wollen, so habe er ihnen | erst gesagt daß Lazarus krank sei, dann, als sie die Andeutung nicht verstanden, daß er todt sei; darauf habe Thomas gesagt: lasset uns mit unserem Meister ziehen in die Gefahr des Todes hin, mit ihm zu sein, der uns vorangegangen ist. Ein solch weiches, für Freundschaft und Liebe empfängliches Herz war Thomas, und so wird er ohne hinreichenden Grund die Stunde gemeinsamer Tröstung und Ermunterung nicht versäumt haben. 8 Sabbaths] Sabaths 1 Nach SAr 107, Bl. 85r, wurde im Gottesdienst, vermutlich aus dem Jauerischen Gesang-Buch, 1818, das Lied Nr. 674: „Du heilig’s Lustspiel reiner Seelen“ (Melodie von „Die Tugend wird durchs Kreuz geübet“) gesungen. 2–3 Vgl. die Frühpredigt am 16. April 1827 über Joh 20,19–23 13–19 Vgl. Joh 11,6–16
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Wir sehen auch aus seinen Äußerungen, daß er sich keinen Vorwurf machte, sonst würde er sich schon vorhin beklagt haben über sein Geschick, daß er nicht dahin gewesen war. – Solcher Entbehrungen giebt es im Leben viele, und wir können uns ihrer nicht erwähren. Es ist noch oft so, daß| die geistige Gegenwart des Herrn auf ungleiche Weise vertheilt ist, es giebt noch besondere Stunden der Heimsuchung frommer Gemüther. Aber wie sie damals nicht Alle beisammen waren, so ist es auch jetzt. Wenn einer ohne hinreichenden Grund sie versäumt hat, so wird er an seine Brust schlagen und anders reden als Thomas; wenn ihn aber nichts Fremdartiges davon abzog, und er ohne Schuld fehlte, dann kann er auch derselben Zuversicht sein, wie es hier der spätere Erfolg zeigte, daß der Herr es ihm und allen Andern zum besten wenden werde. Wenn nicht Thomas gefehlt hätte, wer weiß, ob sich Christus acht Tage darauf wieder seinen Jüngern offenbart hätte; und, wundert euch nicht, meine geliebten Freunde, wenn ich sage, daß diese | Äußerung des Thomas der Ausdruck war einer so festen Zuversicht, daß ihm das nicht werde angerechnet werden, was er ohne Schuld versäumt hätte. Als die Jünger bei verschlossenen Thüren waren, und sich Jesus ihnen offenbarte, sahen sie, nach der Erzählung des Lucas, ihrer Meinung nach, einen Geist, und er lud sie ein, ihn zu befühlen, daß er Fleisch und Bein habe, zeigte ihnen seine Hände und Füße und aß vor ihrer Augen. Die andern Jüngern hatten also auch solch einen Beweis von der Wahrheit seiner Auferstehung erhalten, und ebendarauf beziehet sich Thomas; denn das werden ihm die andern Jüngern wohl ausführlicher erzählt haben, als es uns Johannes andeutet. | Wenn nun Christus nachher zu ihm sagt: sei nicht ungläubig, sondern gläubig, so steht dies mit dem eben Gesagten nicht in Widerspruch. Denn wie der Anfang des geistigen Lebens im Menschen oft auf die Weise kommt, wie es auch einmal erzählt wird, daß Einer gesagt hat: Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben, und also mit einer Mischung von Glauben und Unglauben, worin der Unglaube dem eigenen Gefühl nach noch vorherrschend ist, und der Glaube eben erst anfängt sich zu gestalten und lebendig zu regen; so kommen wir auf Erden über diesen Zustand nie hinaus, und keiner, der sein Inneres genau beobachtet, wird leugnen, daß es eine Menge Dinge giebt, nicht nur die, die Dinge dieser Welt betreffen, sondern | auch, die im genauen Zusammenhange mit den Gründen unsers Glaubens stehen, in Bezug auf welche wir in der gleichen Mischung stehen von Glauben und Unglauben. So war es ein fester Glaube, ein Beweiß von der Liebe zu Christo, eine sichere Zuversicht, daß der Herr sich in demselben Grade von Klarheit werde ihm zu erkennen geben, wie seinen Mitgenossen, was den Thomas zu dieser Äußerung brachte: wenn ich nicht sehe, so kann 12 zum] zu 17–20 Vgl. Lk 24,37–43
28–29 Mk 9,24
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ich nicht zum vollen Glauben gelangen. Aber eben dies, daß er sich nicht verlassen wollte auf die Erzählung seiner Brüder und Freunde, daß ihm vorschwebte, sie könnten sich getäuscht haben und es könnte dies wahr sein, was sie zuerst meinten: einen Geist gesehen zu haben – diese Zaghaftigkeit, fremde Erfahrungen zu seiner eigenen zu machen, | das war es, weshalb der Herr sagt: sei nicht ungläubig, sondern gläubig. Aber übersehen wir nicht, wie, wenn der Herr den Unglauben seines Jüngers schilt, er doch auf die herrlichste Weise dessen Glauben und Zuversicht gerechtfertigt hat. Die Herausforderung, welche Thomas an ihn stellte, hat er angenommen und er ist ihm erschienen, wie den Uebrigen und hat einerseits die Zuversicht der Jüngers so hoch gestellt, andererseits den Unglauben des Thomas für so rein menschlich gehalten, daß er nicht anders konnte, als dieser menschlichen Schwachheit aufs kräftigste zu Hilfe zu kommen. Denke ich mir jene Gemüthsstimmung des Thomas, so gemahnt es mich an die rührende Geschichte des alten Bundes, wo einer von den Auserwähltesten sagte: Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. So rang Thomas mit dem eigenen Unglauben im Glauben und so sprach er: Herr ich lasse dich nicht, | du mußt mich mit deiner unmittelbaren Gegenwart segnen. – Seht da, das ist die wahre Gleichheit der Christen, daß sie eigentlich denselben Anspruch haben an allen Gnadenerweisungen Gottes, die zum Rathschluß der Erlösung durch Christum gehören, und es ist nicht zu leugnen, daß Vielen Manches entgeht, weil wir nicht mit solchem ernsten Glauben darnach ringen, wie Thomas. Es giebt mancherei besondere Erfahrungen von dem Verhältniß des Menschen zu Gott, besondere Arten von Erleuchtungen, besondere Hinwegräumungen augenblicklicher Bedenklichkeiten und Zweifel über dies und jenes, augenblickliche Beweise von der Gewißheit und Zuversicht, die in der Beschaffenheit mancher Gemüther liegen – davon kann hier nicht die Rede sein. – Aber, wenn wir uns vorstellen, was es war, was Thomas verlangte, so beruhte es auf der | allgemeinen Eigenschaft, das Sichtbare zu sehen, und das Fühlbare zu tasten, die Gegenwart an die Vergangenheit anzureihen und zu vergleichen, daß er sich überzeugen konnte, daß Jesus vor ihm stand; das war das allgemein Menschliche. Alles was nichts ist als die göttliche Offenbahrung in Christo an unsere gemeinsame, menschliche Natur, danach müßen wir mit demselben Glauben ringen und dieselbe Zuversicht fordern, wenn wir nur den Augenblick der gnädigen Erweisung Gottes nicht versäumen und trachten wir darnach, so wird es uns an solchen segensreichen Erfolgen nicht fehlen, die uns im irdischen Leben zu statten kommen, uns im Glauben zu befestigen und uns auf dem Wege der Heiligung geleiten können. | 25 augenblicklicher] augenblicher 15–16 Gen 32,27
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Deshalb lasset uns den Thomas, der so einzeln genannt wird zum Vorbild nehmen, einer festen Ueberzeugung von der Gleichheit unsres Lebens in Christo, eines festen und wahren Glaubens und froher Zuversicht. Indem der Herr die Forderung des Thomas erfüllt, ganz auf dieselbe Weise, unter denselben Umständen, wie er unter seine andern Jünger trat und ihm das Recht zuerkannte, so zu thun, wie er gefordert hatte, und sagte: reiche deine Finger her, und siehe meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und darauf hinzufügte: selig sind, die nicht sehen und doch glauben, nachdem er vorher gesagt hatte: und sei nicht ungläubig sondern gläubig; so können wir doch nicht anders als | glauben, was er hier Unglauben des Thomas nennt, war nicht Unglauben an den Erlöser überhaupt, sondern nur an die Thatsache seiner Auferstehung. Gewiß fällt uns Allen eine ähnliche Geschichte ein, wie der Herr sich zu den zwei Jüngern gesellt, die nach Emaus gingen, wie sie erzählen, was sich mit Jesu von Nazareth ergeben habe, wie sie ihn hingerichtet hätten, wie sie erschreckt wären durch einige der Weiber, welche seine Auferstehung berichtet hätten, wie sie gehofft hätten, er sollte Israel erlösen. Wenn wir vergleichen, wie der Herr hier mit Thomas verfährt und jene hart anredet: ihr Thoren und trägen Herzens zu glauben alle dem, was die Propheten geredet haben, und wir fragen | nun nach dem wahren Grunde des Unterschiedes: so liegt er darin, jene sprachen, wir hatten gehofft er werde Israel erlösen, und darin lag die Aufgabe ihrer Hoffnungen des Glaubens an den Erlöser selbst; dieser war also wankend in ihnen, sie gehörten zu denen, für deren Glauben er gebeten hatte, daß er nicht Schiffbruch leide, und er konnte nicht drum hin, sie auf die Trägheit und Thorheit des Herzens aufmerksam zu machen. Desgleichen sagt er dem Thomas nicht, und wenn er sagt: so sei nicht ungläubig, sondern gläubig, so meinte er, daß Thomas ungläubig war in dem er selbst sehen wollte und nicht Anderer Erfahrungen glauben; aber der Glaube an den Herrn selbst war in ihm nicht untergegangen, und es war nichts Neues und Besonderes | was er ausrief: mein Herr und mein Gott! zu demjenigen, den er wiedersah in der innigsten Gemeinschaft mit dem Vater. Darum sagt Christus auch: selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Aber auch diese Worte lasset uns aus dem Zusammenhange verstehen und genauer, als es gewöhnlich geschieht. Nämlich sehen wird häufig gebraucht auf ganz allgemeine Weise zur Bezeichnung des Gebiets der Erfahrung. Der Glaube ist nichts als ein Erfahren und ohne dieses giebt es keinen Glauben; das ist das große Wort der erlauchtesten und kräftigsten Gemüther, die es immer wiederholen: wer es nicht erfahren hat, der glaubt es 12–17 Vgl. Lk 24,13–24 18–20 Lk 24,25 21–22 Lk 24,21 23–24 Vgl. Lk 22,32 in Verbindung mit 1Tim 1,15 39–1 Das geflügelte Wort findet sich vielfach bei antiken, mittelalterlichen und modernen Autoren; es geht vermutlich zurück auf Platon: De re publica VIII, 563c (Opera, ed. Societas Bipontina, Bd. 7, 1785, S. 223; vgl. Werke in acht Bänden, ed. Eigler, Bd. 4, 1971, S. 698–699).
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nicht: das ist die Erfahrung die Johannes schildert als Anfang des | Glaubens: wir sehen die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit; das war eine Erfahrung, was Petrus im Namen der Übrigen ausspricht: wohin sollen wir gehen, du allein hast Worte des ewigen Lebens. Und wenn Christus sagt: selig sind, die nicht sehen und doch glauben, so hat er nicht gesagt, daß es einen Glauben gebe, der den Menschen selig machen könne ohne Erfahrung, sondern die innere Erfahrung und der göttliche Glaube, das ist eins und dasselbe. An diesen Glauben und der damit verbundenen innigen Liebe, an der Lebensgemeinschaft mit dem Erlöser, die uns Paulus so beschreibt: nicht ich lebe sondern Christus in mir. | Daran fehlte es dem Thomas nicht. Aber das ist gewiß, das Wort Christi im rechten Sinne betrachtet, ist vollkommen wahr. Der Herr sagte es in Bezug auf die Thatsache der Auferstehung, wie seine Jünger davon zeugten und sich überall darauf beriefen, daß der Herr ihnen erschienen sei; nur seinen Jüngern habe er sich gezeigt und vor ihnen gegessen und getrunken. Wie sollten wir nicht sagen: selig sind die nicht sehen und doch glauben. Die Auferstehung des Herrn ist eine Thatsache, die wir uns Alle anzueignen haben, ohne davon die eigne Erfahrung gemacht zu haben. Was eine einzelne Seele von der Gnade in Christo erfahren kann, ist einerseits unergründlich | und geheimnißvoll, andererseits aber beschränkt, und wenn keiner etwas wüßte, als was er selbst erfährt, und nichts von dem Zusammenhange seines Werks in dem menschlichen Geschlechte, so müßte der Glaube an die Wahrheit dieser Erfahrungen auf manche Art wankend gemacht werden. Denn so ist der Mensch eingerichtet, daß er auf keine Weise bestehen soll für sich selbst, sondern im Zusammenhange mit den anderen, denn der Einzelne ist abhängig von der lebendigen Gemeinschaft mit Anderen, nur im Zusammenhange haben wir die volle Gewißheit. Selbst die Welt, worin wir leben, ist uns deshalb so sehr gewiß, weil es auf gleiche Weise allen Andern so ist; erst dadurch wird | es zur vollkommenen Wahrheit. Bedenken wir, wie mannigfaltig die Erfahrungen des Glaubens sind, wie mannigfaltig der Herr seine Gegenwart offenbahrt, welchen unendlichen Reichthum der Erzählungen, die von diesen inneren Erfahrungen sich aufstellen ließen, so daß man die Welt voll Bücher (v. 30) schreiben könnte so wäre derjenige arm und dürftig, der mit seiner eigenen Erfahrung allein stände. Da giebt es nichts größeres als die Leichtigkeit, die Erfahrungen Anderer uns selbst anzueignen, und den Herrn als den Bringer des Heils zu erkennen – das ist das seligste Geschäft – . Jemehr wir den Herrn nicht nur in dem, was er durch uns sondern auch durch Andere wirkt, erkennen, desto mehr wächst unsere Seligkeit und unser | Glaube, und so hat der Herr das Recht zu sagen: selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Aber wem hat er es gesagt? Gerade dem Thomas sagte er es, der am meisten 2–3 Vgl. Joh 1,14
4–5 Joh 6,68
10 Gal 2,20
14–15 Vgl. Apg 10,41
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Alles streng prüfte und nun erst auf die strengste Prüfung glaubte, und solche haben auch am meisten recht sich unmittelbar den Spruch des Herrn anzueignen, wogegen Manche, wenn sie sich ausschließen wollten von der Gemeinschaft mit solchen prüfenden Gemüthern in mancherlei Irthum geführt werden und manches für wahr halten würden, für Erfahrung von göttlicher Gnade, was im Grunde nichts weniger ist, als dies. Darum ist von jeher eben jene Gemüthsstimmung des Thomas ein unentbehrlicher Bestandtheil der christlichen Gemeinde gewesen, und Alle müßen die Neigung zur strengsten Prüfung, und zwar desto mehr, als Alles, was uns dargeboten wird etwas Unerhörtes ist, ebenfalls, | so wie sie auf den Gegenstand des Heils bezogen wird, für eine Gabe des Herrn und Wirkung des Geistes halten. Daraus entsteht ein Reichthum der Seligkeit, daß wir alle Erfahrungen gemein machen. So war es auch unter den Jüngern, aber nur dadurch, daß die Gnade des Herrn, mit der er sich ihnen offenbarte, sich stets erneuerte, und so wird es mit uns bleiben, die wir an seine geistige Gegenwart gewiesen sind. Selig sind, die sich den ganzen Reichthum von Erfahrungen der Gnade Gottes in Christo aneignen; selig, die Alles prüfen, was hier und dort für ein Werk Gottes aus gegeben wird, aber sich alles dessen erfreuen, worin sich der Herr an Andern erweiset. Ja! die Gemeinschaft der Erfahrungen, die Erweckung des Glaubens, der uns Alle dahin führt, in Christo unseren | Herrn zu schauen, diese Gemeinschaft des Glaubens und der Erfahrung in der Weisheit Erquickung und Beseligung auf dem Wege des Wortes und der Offenbahrung des Geistes in der Gemeinde des Herrn sei die eine lebendige nie versiegende Quelle der Seligkeit, so lange wir auf Erden wallen. Amen.
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Am 6. Mai 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Jubilate, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 21,1–14 Nachschrift; SAr 107, Bl. 88r–89v; Crayen Keine Keine Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
93. Frühpredigt.
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Joh. 21. v. 1–14. „Er offenbarte sich ihnen aber also pp.“ Es geziemt uns wohl in dieser Zeit damit uns zu beschäfftigen was in jenen Tagen der Auferstehung des Herrn bis zu seiner Himmelfarth zwischen ihm und seinen Jüngern vorging – und zugleich gehört in die Reihe unsrer Betrachtungen. Was wir hier davon aufgezeichnet finden, ist zwar erst die Einleitung von dem was Johannes später erzählt; aber die Liebe mit welcher er auch dieses aufgefaßt und berührt, und die Ausführlichkeit in welcher er jedes Einzelne hervorhebt, giebt uns das Gefühl, daß ihm auch dieses des Aufbewahrens werth erschienen sein muß. – So lasset denn auch uns es wichtig sein! und das daraus uns hervorheben, was für uns des besondren Beachtens werth ist! Es ist dieses zuförderst das: daß – wie Johannes sagt – dieses das drittemahl war, wo der Erlöser der ganzen Versammlung seiner Jünger sich offenbarte. Geschahe es nun das erst mahl da wo sie versammelt waren in ge6 die] der derst“)
14 zuförderst] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 5, Sp. 458 (s. v. „zuvör-
1 Crayen nummerierte ihre Nachschriften zur Homilienreihe zum Johannesevangelium wohl nachträglich und übersah offenbar, dass Schleiermacher ab dem 11. März 1827 auch im Hauptgottesdienst die Reihe fortführte. Vgl. Meckenstock: Kalendarium der überlieferten Predigttermine Schleiermachers, KGA III/1, S. 955–957; vgl. oben Einleitung, Punkt II.3.C. 4–6 Der Sonntag Jubilate gehört in die Zeit zwischen Ostern und Himmelfahrt. 16–3 Schleiermacher bezieht sich vermutlich auf Joh 20,19–23; Mk 16,14–19; Lk 24,36–49.
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meinsamer frommer Geselligkeit – und in dem gemeinsamen Ausdruk der treuen Liebe zu ihm – in der liebenden Erinnrung seiner zu ihnen geredeten Worte: – So sehen wir den Herrn hier seinen Jüngern sich offenbaren, mitten in der Beschäfftigung ihres äußern Berufes in PwelcherS sie begriffen waren. Wollen wir nun dieses anwenden auf seine unter uns fortdauernde geistige Gegenwart – auf dieses Element unsers Lebens in Gott – : so lasset uns sehen, worauf es vorzüglich ankomt wenn wir uns ihrer erfreuen wollen in deren Segnungen. Lasset uns denn achten, was darauf, in dieser Erzählung, sich bezieht! – Er zeigt sich uns aber in dieser Beziehung zuförderst: daß es die Fortsetzung ihres äußern Berufs war, was die Jünger des Herrn, auch in diesen Tagen noch immer beschäftigte! Und wie schön stimmt das zusammen mit der Lehre des Apostels Paulus „Jeder bleibe in seinem Beruf!“ – : Es kann wohl nicht leicht größere Unterschiede geben, als sie statt fanden bei diesen ersten Jüngern des Herrn – in dem was sie sonst waren ihrem innern Zustande nach, und jetzt geworden waren; denn nicht nur mit dem geistigen Tode ins wahre Leben waren sie erhoben durch ihn, sondern Er hatte sie auch auserwählt zu seiner besondren Sendung, als wozu er durch seine Erscheinungen sie, auf besondere Weise, stärken wollte! – Dennoch fiel es ihnen nicht ein, daß das Geschäft ihres äußern Berufs seit dem ein unwürdiges für sie geworden sei! Und so möge es denn auch ein Jeder von uns machen: fortsetzend seinen äußeren Beruf in aller Treue. – Wie aber Paulus sagt: „Bist du ein Knecht – und kannst frei werden – so thue es viel lieber“ so sollen wir (dabei) nie versäumen zu achten, und nie überhören die Stimmen die uns auffordern zu einer höheren Thätigkeit für das Reich Gottes – wie denn dazu mancherlei Aufforderungen in unsren Tagen sich uns darbieten! | Wie wir nun allerdings glauben müssen, daß die Jünger des Herrn späterhin nicht fortgesetzt haben diesen ihren irdischen Beruf – seit dieser sie erwählete „Menschenfischer zu werden“ – Also geschiehet auch wohl uns wo eine innere Aufforderung uns dazu dringt; und wir sollen eine solche Stimme nie überhören! Aber – meine Freunde! – daß wir doch ja dabei vollkommen sicher sind, daß dieses auch in Wahrheit die Stimme des Geistes Gottes sei! und nicht etwa die der Eitelkeit – oder auch des Überdrusses – welche gar oft die Menschen bewegt auf willkührliche Weise ein Geschäft mit dem Andern zu vertauschen. – Schwer ist es solches zu unterscheiden! und so wandelt denn der Mensch in dieser Beziehung nur dann richtig, und ohne sich selbst zu täuschen: wenn er alles was er zu thun hat für einen göttlichen Beruf ansieht, und nach diesem Maasstab eine jede Thätigkeit richtet. Und welches ist das Kennzeichen welches dabei uns lei4 PwelcherS] oder PwelchemS 12–13 1Kor 7,20
22–23 Vgl. 1Kor 7,21
29 Vgl. Mt 4,19; Mk 1,17
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ten soll? wir sehen dieses an den Jüngern des Herrn: Bis dahin – wo sie noch nicht ausgerüstet waren, jenes große Werk nach außen hin zu treiben, da sehen wir sie – ganz in der Stille, ihres Glaubens pflegen miteinander, in Einfalt des Herzens. Bis dahin bleibe denn auch von uns ein Jeder – wozu er berufen ist in der ihm angewiesenen Stelle! denn nichts unseligeres giebt es, als wenn jemand unberufen heraustritt aus seinem Gleise! Und – meine Lieben! welche kräfftige Zeugen für die Sache des Herrn können wir nicht auch werden in allem dem worin wir gestellt sind! – diese Apostel des Herrn zwar, sie sahen sich genöthigt, in der Folge ihres Lebens, ganz aufzugeben ihren äußeren Beruf – um in den Dienst des Herrn sich thätig zu erweisen für seine große Sache. – Aber wie Wenige – ja immer nur Einige unter uns, können es sein, die solchen Beruf in sich fühlen! Diese aber wird als dann die allgemeine Stimme – wie das eigne Herz rechtfertigen. – Das zweite worauf wir, in jener Beziehung, wohl zu merken haben, ist das: wie es schon bei einem jeden Geschäft schön ist – so auch vorzüglich in der Sache des Herrn: uns in einem treuen Zusammenhalten – und Zusammenwirken miteinander zu getrösten seiner segensreichen Nähe! Keineswegs wollen wir behaupten, daß nicht auch jede einzelne Seele für sich selbst sich bewußt werden könnte der geistigen Gegenwart Christi! wie denn auch einem jeden Einzelnen bei seinem Geschäft für das irdische Leben so viel Muße bleibt – und was anders könnte sie ausfüllen – als solch ein Bewußtsein! | Dennoch aber giebt es nichts was so veredeln kann unsre christliche Wirksamkeit – als wenn wir miteinander uns bewußt werden seines „mitten unter uns sein“! – denn kann es anders sein als daß wenn wir so die segensreichen Wirkungen der Liebe Christi erfahren, wir ihn selbst erbliken! – und zugleich den Vater der Liebe mit welchem Er Eins ist und der auch uns würdigt Mitarbeiter zu werden an seinem göttlichen Reiche. Arbeiten wir aber so miteinander auf geistige Weise – so muß es sich auch in unserm irdischen Berufe der Welt zeigen, daß wir Kinder Gottes sind – die ihre guten Werke in diesem Geiste der Liebe leuchten lassen zu seinem Preise. – Damit aber unser Gemüth die rechte Richtung dafür gewinne – und wir zu dem wahren Genuß davon gelangen, so laßt, an dem Vorbilde der Jünger des Herrn, uns sehen, die rechte Art und Weise eines solchen Zusammenhaltens in Liebe, und des Zusammenwirkens wobei wir uns seines segensreichen Einflußes erfreuen können – indem die gemeinsame Krafft der Liebe Christi darin sich offenbart. – „Petrus sprach: ‚Ich will fischen gehen‘ – die Andern aber schlossen sich ihm an“ – : wäre er allein für sich geblieben, wer weiß ob der Herr einem jeden von den Einzelnen erschienen wäre! – 1 sehen] darüber als Alternative: lernen 24–25 Vgl. Mt 18,20
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das aber ist nicht so gemeint: als ob nicht auch ein jeder Einzelner in der Stille seines bescheidenen Berufs sich des Segens des Herrn zu getrösten hätte! wie sehr aber wird dieses selige Bewußtsein noch erhöhet, wenn wir ein gemeinsames Werk treiben in seinem Namen – und dieses Werk also aus dem rechten Grunde hervorgeht – nemlich – aus dem – durch die Liebe thätigen Glauben – und auf nichts anders sich bezieht als auf die Förderung seines Reiches auf Erden – worauf alle unsre Werke sich beziehen sollen; kann es als dann wohl anders sein – daß in dem Bewußtsein der Gaben die nur durch seines Geistes Krafft in uns und Fülle uns kommen – als daß wir in diesen Wirkungen seiner Liebe ihn selbst unter uns sehen! Und so möge denn unser Aller Gemüth dieselbe selige Richtung gewinnen. – Lasset aber auch dabei uns sehen auf die Mannigfaltigkeit der Gaben – welche zu diesem Zwek wirken müssen. – So, sehen wir hier: wie zwar Johannes zuerst erblikte den Herrn – und, wie sein Erscheinen diesen Jünger – den der Herr besonders liebte – zuerst kund ward! Wie aber jener Petrus | dagegen, in seinem Eifer, strebte ihn Allen nahe zu bringen – indem er sich in das Meer stürzte – und nicht ruhete bis Alle – von ihm gesegnet – ihn in ihrer Mitte hatten! – : dieses beides also: sowohl das leise treue Beachten seiner Nähe – als der Eifer: das Bewußtsein davon, allgemein zu machen und fest zu halten – diese beiden Kräffte sie müssen zusammenwirken in der Gemeine des Herrn: und nur dadurch können Alle des seligen Genusses seiner Offenbarungen kommen und daran froh werden. So laßet denn auch uns hierin in den Fußtapfen der ersten Jünger des Herrn treten: um wie viel leichter wird dann uns kund werden sein göttliches Wohnen in das Innre der Gemüther – und zugleich der Glaube an ihn sich stärken und befestigen in uns Allen. – Lasset denn also treu uns zusammhalten in unserm Wirken! und wohl (uns) lauschen, wo angeknüpft werden kann solche Verbindung der Gaben und Kräffte! und wenn dann nichts anders in uns wohnet als seine Liebe – : Dann wird der Herr – auch aus uns Schwachen sich mächtig beweisen und wie sollte nicht durch alles was wir – von dieser Liebe getrieben thun miteinander – sich auf die schönste Weise fördern sein Reich! – wo aber das ist – da auch ist – in segensreicher Wirklichkeit der Herr! – mit seinem innern Segen sich uns kund gebend! da wird dann die Freude an dem Einen – die Freude des Andern an dem Herrn erhöhen! und in immer frischen Streben werden wir so Eins sein in ihm. – Wie aber daraus – dort – das schöne Ende hervorging – des reichen Fischzugs – so auch wird dann eine Freudigkeit über das in seiner Krafft gelungne Werk – uns erfüllen. – Wie aber die Jünger Jesu fortfuhren – in solcher Sorgfalt für ihr Geschäft, daß es ihnen sogar nicht zu gering erschien, die Zahl der Fische anzumerken! so sollen auch wir thun; denn, wenn gleich – „um die Einige – köstliche Perle zu gewinnen“ wir Alles ein5–6 Vgl. Gal 5,6
35–36 Vgl. Joh 17,20
41 Vgl. Mt 13,46
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setzen sollen; so sollen wir – wenn wir sie gewonnen – auch Alles damit durchdringen und veredeln. Wer aber also der Verheißung des Herrn gemäß: über das Kleineste treu ist – den wird Er eingehen lassen zu seiner Freude! Das aber ist die Seligkeit deren wir schon hier können theilhaftig werden. Lasset denn danach uns trachten: also den Herrn zu suchen – und überall werden wir ihn finden – und immerdar in seiner Nähe uns fühlen! und so schon hier hindurchgedrungen sein „zu dem Leben welches hat wer (also) glaubet an ihn.” Amen. Lied 767.
[Liederblatt vom 6. Mai 1827:] Am Sonntage Jubilate 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Schmücke dich, o liebe etc. [1.] Gott vor dem die Geister knieen, / In der Andacht Feuer glühen, / Herr der Welt zu dessen Füßen / Engel Seligkeit genießen, / Herrscher über Millionen, / Die in deinem Schatten wohnen! / Auch mir ist vergönnt zu beten, / Kindlich darf ich vor dich treten. // [2.] Ja ich darf dich Vater nennen, / Alles darf ich dir bekennen, / Und du blickst, wie Väter pflegen, / Liebreich deinem Kind’ entgegen; / Gnädig hörst du mein Begehren, / Trocknest meine Leidenszähren, / Und du giebst mir, eh ich flehe, / Immer mehr als ich verstehe. // [3.] O so höre, Vater, höre, / Was ich demuthsvoll begehre; / Eifriger möcht’ ich entbrennen / Dich zu suchen, dich zu kennen, / Daß mich, wo ich bin und lebe, / Deine Herrlichkeit umschwebe, / Und ich dich in Freud’ und Schmerzen / Immer hab’ in meinem Herzen. // [4.] Der im Leben und im Sterben, / Uns erlöste vom Verderben, / Dem getreu zu sein im Glauben, / Diesen Schmuck laß nichts mir rauben! / Laß mich deinen Geist regieren, / Und den rechten Pfad mich führen, / Daß ich christlich leb’ und leide, / Und mit Christensinn einst scheide. //
3 den] dem
8 glaubet] „glaubet
2–4 Vgl. Mt 25,21.23 7–8 Vgl. Joh 5,24 vermutlich in Verbindung mit 6,40 oder 1Joh 5,12 9 Vermutlich Jauerisches Gesang-Buch, 1818, Lied Nr. 767: „Eine feste Burg ist unser Gott“ (in eigener Melodie). Unklar ist das Verhältnis zu dem Liederblatt. Da Schleiermacher die Liederblätter frühzeitig hat drucken lassen, ist es möglich, dass mit der wohl spontanen Fortführung der Homilienreihe im Hauptgottesdienst das Liederblatt ganz oder teilweise außer Acht gelassen wurde oder ein Austausch von Liedern stattfand. Vgl. auch die Predigt am 25. März 1827 vormittags
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Nach dem Gebet. – Mel. Meinen Jesum laß etc. [1.] Seele was ermüd’st du dich / An den Dingen dieser Erden? / Was so leicht veränderlich / Kann dir stets gefährlich werden. / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // [2.] Du verlangst oft süße Ruh, / Dein betrübtest Herz zu laben; / Eil zur Lebensquell hinzu, / Da kannst du sie reichlich haben. / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // [3.] Fliehe die unselge Pein, / Die der Sünde Lust gebieret; / Laß nur den dein Labsal sein, / Der zur Glaubensfreude führet. / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // [4.] Geh einfältig stets einher, / Laß dir nicht dein Ziel verrücken! / Gott wird aus dem Liebesmeer / Dich den Kranken wohl erquicken. / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // [5.] Schwinge dich nur oft im Geist / Ueber alle Himmelshöhen; / Laß was dich zur Erden reißt / Weit von dir entfernet stehen. / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // [6.] Nahe dich dem lautern Strom, / Der vom Thron des Lammes fließet, / Und auf die, so keusch und fromm, / Sich in reichem Maaß ergießet. / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // [7.] Laß dir seine Majestät, / Immerdar vor Augen schweben; / Laß mit brünstigem Gebet, / Sich dein Herz zu ihm erheben. / Suche Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // [8.] Dann sei ohne Sorg und still, / Denn du wirst ans Ziel gelangen, / Weil der Herr erfüllen will / Dies dein sehnliches Verlangen. / Drum such Jesum und sein Licht, / Alles andre hilft dir nicht. // (Jauersch. Ges. B.) Nach der Predigt. – Mel. Sollt ich meinem Gott etc. Dank sei dir von allen Frommen, / Preis und Dank sei dir geweiht! / Nur durch dich ist Heil gekommen / In das Land der Sterblichkeit. / Wer mit dir durchs Leben gehet, / Schmeckt schon hier des Himmels Lust; / Freude wohnt in seiner Brust; / Wird er einst zu Gott erhöhet, / Dann mischt sich der Liebe Dank / In der Engel Preisgesang. //
Am 13. Mai 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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Cantate, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 21,15–19 Nachschrift; SAr 54, Bl. 109r–116v; Schirmer Keine Nachschrift; SAr 107, Bl. 90r–91v; Crayen Teil der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Predigt am Sonntage Cantate. 1827. Evang. Johann. 21, v. 15–19.
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M. Fr. Wo die Jünger des Herrn, welche sein Leben beschrieben haben, im Allgemeinen von diesen Tagen seiner Auferstehung reden, da sagen sie, er habe sich seinen Jüngern geoffenbart und unter ihnen gewandelt und geredet vom Reich Gottes; und dies müssen wir wohl auch als Hauptzweck ansehen von diesen seinen Offenbarungen in den Tagen nach seiner Auferstehung, daß er seinen Jüngern noch Manches verordnete, was zu ihrem Beruf gehörte und sie einleitete in das große Geschäft, welches sie in seinem Namen führen sollten. Alle seine persönlichen Verhältnisse mit ihnen konnte wohl keine andere, als diese allgemeine, für das Wohl des ganzen Menschengeschlechtes bestimmte Abzweckung haben. So lasset uns denn diese Geschichte mit einem der betrachten, welche so vielfach schon die Aufmerksamkeit der Gläubigen auf sich gezogen und welche immer eine merkwürdige Unterredung Christi mit seinen Jüngern ist, – mit Bezug auf die gegen|wärtigen Verhältnisse der christlichen Kirche. Es sind in dieser Erzählung verschiedene Umstände, welche zu einer solchen Betrachtung veranlassen und welche zu gleicher Zeit auch dasjenige, was am meisten bei dieser Unterredung des Herrn mit seinen Jüngern unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, uns in volles Licht setzen werden. Das Erste, m. Fr. ist dies, daß der Herr seine Jünger fragt, was er schon wußte. Johannes, der diese Unterredung Christi erzählt, ist derselbe, der an einer anderen Stelle seines Evangeliums sagt „Jesus habe es nicht nöthig 4–6 Vgl. Lk 24,14.19–24.32–36
22–2 Vgl. Joh 2,25
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gehabt, daß man ihm sage, was an einem Menschen sei, sondern er habe es ungesagt gewußt” und er bezeugt dadurch die genaue Kenntniß des Herrn vom menschlichen Leben, und den schnellen Blick desselben in das menschliche Herz. Und wie viel mehr, als dies von allen anderen Menschen gilt, muß dies nicht von seinen Jüngern, mit denen er in einem so langen und genauen Umgange gestanden hatte, gelten? Ueberdies wird uns noch anderwärts im Lucas erzählt, daß schon, ehe der Herr am Abend des Tages der Auferstehung unter seinen versammelten Jüngern erschien, er vorher dem Petrus allein erschienen sei. Gab | es also noch etwas für ihn, zu fragen und für den Petrus, zu antworten in Bezug auf die menschliche Schwachheit, die dem Petrus begegnet war, so hätte er wohl dort mit ihm darüber gesprochen, und es war dies damals schon eine abgemachte Sache. Und, wie Johannes erzählt, wie der Herr seinen Jüngern mitgetheilt von seinem Geist und gesagt: „Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten", – da war ja Petrus auch mitten unter den Anderen und er machte keine Ausnahme; und der Herr mußte also wissen, daß Petrus ihn liebe und daß diese Liebe durch die Verleugnung nicht aufgehoben war. So hatte also schon damals Petrus das Vorrecht, die Sünden zu behalten und zu erlassen, und wenn nun Christus hier fragt: „Simon Johanna, hast du mich lieb?“ so fragt er ja etwas, was er schon weiß. Petrus ist auch davon schon überzeugt und beruft sich in seiner Antwort darauf. So geschieht es auch uns oft, m. Fr., im gemeinsamen christlichen Leben und wir haben keine Ursach, uns dies gereuen zu lassen. Wenn wir unsere Jugend, nachdem sie im Christenthum unterwiesen ist, in die völlige Gemeinschaft der Gläubigen aufnehmen, so fragen wir sie, ob sie sich mit uns zu demselbigen Herrn und Meister bekennen wollen, ob es ihr fester Vorsatz sei, in Gemeinschaft mit ihm ihr Leben zu vollbringen; | aber wie sollten wir wohl diese Frage veranlassen, wenn wir nicht schon die Überzeugung hätten, daß jenes ihr Entschluß ist. Wenn Zwei, die einen Bund für das Leben geschlossen haben, sich darstellen, um denselben vor der christlichen Gemeinde segnen zu lassen, so wissen wir schon vorher, welches Gelübde sie abgelegt und welchen Entschluß sie gefaßt, aber dessen ungeachtet fragen wir sie und lassen uns ihr Ja-Wort geben, ungeachtet wir die Antwort wissen. Wenn Einer von uns den Beruf sich nimmt, an der Gemeinde Christi zu arbeiten, sein Wort zu verkünden, seine Heil Lehre den Christen einzuschärfen, und wir ihn zu seinem Amte weihen, so legen wir ihm die Frage vor über den Entschluß, den er gefaßt hat, obgleich wir die Antwort wissen. Es ist also dies nichts Neues, und es könnte jener, wie Petrus, antworten. Wir sehen, daß es Christus eben so macht, und so soll denn keiner kommen und sagen, dies wären überflüssige Fragen und Ant6–9 Vgl. Lk 24,34 10–11 Vgl. Mt 26,69–75; Mk 14,66–72; Lk 22,56–62; Joh 18,17.25–27 13–14 Vgl. Joh 20,22 14–15 Joh 20,23
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worten, und leere Worte. Weswegen hat nun der Herr seinen Jünger dies gefragt? Offenbar, um seiner selbst willen war es nicht, um Petrus willen auch nicht. Späterhin, nachdem dies Gespräch vorgefallen war, da nahm er den Petrus allein und sagte: „Folge mir nach!“ Dies aber sagte er in Gegenwart der anderen Jünger, und so war es wohl um derer willen und aus keinem anderen Grund, daß der Herr dies sagte, und in so fern auch um des Petrus willen, | indem nämlich das, worüber man schon in sich selbst gewiß ist, etwas Neues wird, sobald es als eine Angelegenheit der christlichen Gemeinschaft behandelt wird. So wissen wir aus Erfahrung, wie wenig dergleichen als leere Worte und Gebräuche anzusehen sind. Wir wissen, derjenige, welcher das Herz kennt, weiß, was in eines Jeden Sinn und Gemüthe liegt; wir wissen, daß unsere Brüder uns vertrauen, wenn wir einen Entschluß für unser Leben fassen, so seien wir mit demjenigen zu Rathe gegangen, der dasselbe leitet; – aber, m. Fr., dies zu bekennen in einem feierlichen Augenblick vor den Augen und in Gegenwart derer, die in demselben Glauben und in derselben Liebe mit uns leben, dies macht einen besonderen Eindruck auf das Gemüth, dies ist für alle Anwesende auch derjenige Augenblick, wo wir uns des Lebens und der christlichen Gemeinschaft besonders bewußt werden. Ja, welche Fragen auch vorgelegt werden, und was auch in diesem Augenblick das Besondere sei, wonach gefragt wird, in Gegenwart der Christen – das sind immer keine anderen Fragen, als die Christus hier seinem Jünger vorlegt. Alles, was wir vorher angeführt, der Bund zweier liebenden Gemüther, die Einen christlichen Heerd und Haus bilden wollen, und der Entschluß, den sie fassen, Alles dies muß ja in der Liebe seinen Grund haben, durch welche alles Andere geheiligt wird. Eben so die Jugend, die sich zu Christo bekennt – wie könnte der Entschluß, den sie ausgesprochen, ihr ernster Wille sein, wenn nicht die | Erkenntnis, daß Gott in Christo war, um die Welt mit sich zu versöhnen, wenn nicht eben dies Bewußtsein, dass er seine Liebe für uns dargethan, indem er seinen Sohn für uns dahin gab, wenn nicht eben dies innige Gefühl, daß in Christio die Herrlichkeit Gottes erschienen ist, zu einer alles Andere überwältigenden Liebe zu Christo gediehen wäre! Ja, so oft wir uns, wenn wir uns versammelt, um das heilige Mahl zu feiern, fragen, ob wir unsere Sünden vor Gott bekennen, ob alles Unvollkommene unseres Lebens uns von Herzen leid sei, was ist dies anderes als die Frage: ob wir Christum von Herzen lieben? Denn nur in ihm wird die Abweichung von ihm dasjenige, was wir am meisten zu fliehen gesonnen sind, nur in ihm wird der feste Entschluß, ihm zu leben, ein kräftiger Wille. Bei allen wichtigen Sachen hat die Frage in Gegenwart der Gemeinde keinen anderen Sinn, als, ob wir Christum lieb haben. So sagen auch die Apostel, wie sie dessen erwähnen, was sie für Christum gethan und gelitten, wenn sie ihr inneres Treiben aus4 Joh 21,22
28 Vgl. 2Kor 5,19
29–30 Vgl. 1Joh 4,10
30–31 Vgl. Joh 1,14
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drücken wollen: die Liebe Christi dringet uns also. Dies also öffentlich zu bekennen, dies ist es, wodurch wir einander stärken; dies ist nie ein leeres Wort, es ist dasjenige, was Christus selbst in seinem Gespräch mit den Jüngern geheiligt, und für alle Zeitalter eingesetzt hat. | Ein zweiter bedeutungsvoller Umstand ist dies. Christus wiederholt drei mal seine Frage, so daß Petrus zuletzt traurig wird über den Schein von Mißtrauen, der in der Wiederholung lag, aber dessen ungeachtet steigert Petrus nicht die Antwort, sondern es bleibt immer dasselbe Bekenntniß: Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe. Im gemeinen Leben finden wir es nämlich oft anders, daß nämlich die wiederholte Frage, weil sie einen Zweifel zu enthalten schien, auch die Stärke der Antwort steigert. Dies soll uns aber nicht begegnen, wo wir es, wie Petrus hier, mit dem Herrn und seinen Gläubigen zu thun haben. So wie Christus selbst seinen Jüngern alle solche Betheurungen untersagt, ihre Rede solle nur sein: „ja, ja! und nein, nein!“ so hält sie auch hier Petrus, und kein Schwur der Verwünschung entgeht seinen Lippen, ungeachtet der wiederholten Frage des Herrn. Ja, m. Fr., Heiligeres und Größeres kann es nicht geben, als in dem wir uns auf die Kenntniß Christi, auf die Kenntniß Gottes von dem, was im Innersten unseres Herzens ist, berufen. Ein Ja, ausgesprochen mit Beziehung darauf, daß wir wissen, Gott weiß, was in unserem Herzen ist, vor seinen Augen ist die reine Wahrheit aufgedeckt, das soll immer das Heiligste bleiben, Anderes sollen wir nicht ein|mischen in die Antwort. Damit hängt auch dies zusammen, daß Christus, wiewohl seine Frage und die Antwort auf des Petrus Erwiderung, sich bezogen auf das, was er seinem Jünger auftragen wollte, doch keine Betheuerung in Bezug auf die Zukunft von ihm verlangt. Beides nämlich, m. Fr. hängt so zusammen, daß wie es für uns nichts Heiligeres geben kann als die Berufung auf Gott und Christum in Bezug auf des Innere unseres Herzens, so es auch keine größere Gewißheit geben kann in Bezug auf das Leben als die Liebe zu Christo, die wir in diesem Augenblick haben und festhalten. Deshalb fragt Christus nicht: „Wirst du mich immer lieben? Wird auch deine Liebe nie verringert werden? Auch dann nicht, wenn es darauf ankommen sollte, dich für mich hinzugeben, willig und bereit?“ sondern immer bleibt er bei der Einen Frage und immer wußte Petrus nichts Anderes, als sich auf des Herrn Kenntniß von seinem Inneren zu berufen. Wer von uns könnte wohl in einer Beziehung für seine eigene Zukunft stehen, als in so fern, daß er sich wirklich einer lebendigen Liebe zu Christo und, wie er und Gott einig sind, wie er in ihm und mit ihm, einer lebendige Liebe zu Gott bewußt ist. So ist nun jeder Unterschied | zwischen Gegenwart und Zukunft aufgehoben: wir haben keinen Grund zu zweifeln, wenn wir diese Liebe jetzt wirklich haben, daß sie nicht immer bleiben sollte, daß sie je verschwinden könnte. Eben weil sie die größte Kraft ist, die es geben 1 Vgl. 2Kor 5,14
14 Mt 5,37
41–1 Vgl. 1Kor 13,13
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kann, so wissen wir nicht, welche größer ist. So dürfen wir nur bei dem Bewußtsein der Gegenwart stehen bleiben; denn wir können uns nun in Bezug auf die Zukunft immer auf den göttlichen Beistand verlassen, darauf, daß die Liebe ein Fortwirkendes sein wird in unserm Inneren; wir haben sie deshalb und behalten sie deshalb, weil sie immer neue Wirkungen in uns anregt. Nur durch Christus ist uns diese Liebe gewiß, und so ist auch die Berufung auf ihn das Einzige, was wir als Gewährleistung hinstellen können. Dies gehört unserem Glauben an, daß wir wissen, er verläßt uns nicht, und nur in diesem Bewußtsein liegt die Sicherheit für die Zukunft. Das Dritte, m. Fr., ist nun dies: Wie sich die Frage Christi an seinen Jünger darauf bezog, was er nachher zu ihm sagte: Weide meine Schaafe, und wie sich Petrus über die Wiederholung der Frage trösten konnte durch die immer darauffolgende Antwort Christi: Weide meine Schaafe, – so geschieht es auch | noch jetzt oft im Leben, daß an uns die Aufforderung ergeht: Weide meine Schaafe. So, wenn wir Alle feierlich aussagen über unser Inneres in einem bedeutenden Augenblick unseres Lebens, wie wir es vor der Gemeinde im Angesicht Gottes thun, und wir fragen, worauf sich dies beziehe – was auch der Anlaß gewesen sein mag, es ist immer dasselbige: „Weide meine Schaafe.“ Christus fragte Petrus zuerst: „Hast du mich lieber, denn mich diese haben?“ Mag sich die Frage darauf bezogen haben, daß Petrus sich vorher eiligst in das Meer geworfen, als er hörte, daß der Herr da war oder was der Herr sonst dabei mag im Sinne gehabt haben: Petrus bezieht sich nicht auf die Frage, sondern sagt: „du weißt, daß ich dich lieb habe", ohne einen Unterschied zu machen zwischen sich und den Anderen; und Christus, um zu zeigen, daß es ihm auf diesen Unterschied nicht ankomme, wiederholt seine Frage so: „Hast du mich lieb?“ nicht „lieber.“ So sehen wir daraus, daß der Auftrag, den Christus dem Petrus gab: „Weide meine Schaafe“, wie er sich auf einen Vorzug in seiner Liebe zu ihm nicht bezog, so auch überhaupt kein besonderer Vorzug war, den er dem Petrus allein beilegt. Wie öfter Petrus im Namen der Jünger antwortet, so und nicht anders haben wir es anzusehen, daß Christus auch hier den Petrus fragt im Namen Aller, und wie Petrus geantwortet hat, so war es auch für Alle | auf die gleiche Weise gesagt: „Weide meine Schaafe.“ Wenn wir dies vergleichen mit den Worten: „Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten,“ und wir daraus sehen, daß dieses größere Recht Allen gemeinsam war, die Sünden zu behalten und zu vergeben, wie können wir hier noch zweifeln, daß auch dieses Wort für Alle galt. Aber es ist auch dies nicht ein besonders Vorrecht der Apostel und nur ihnen beauftragt, sondern sie selbst bedienen sich dieses Ausdruckes in Bezug auf alle diejenigen, welche sie zu Lehrern und Ältesten in der Gemeinde Gottes setzten, indem sie sagten, sie sollten die Gemeinde Gottes weiden und Vorbilder der Heerde sein; und so neh21–22 Vgl. Joh 21,7
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men sie also dies hier als einen gemeinsamen Auftrag für Viele. Fragen wir nun, wo ist der rechte Unterschied zwischen den Weidenden und denen, welche geweidet werden, – wir werden fast die Grenzen desselben nicht auffinden. Wie Paulus schon das Amt der Apostel selbst mit vielen anderen göttlichen Gaben, mit denen der Herr seinen Gläubigen ausrüstet in der Gemeinde, gleich stellt, so wissen wir, daß Viele von denen, welche er hier aufführt, doch in der gewöhnlichen Lebensordnung der christlichen Gemeinde zu denen gehören, welche geweidet werden. Und wenn wir nun unser Leben betrachten, wer könnte sagen, daß er nicht Theil habe an diesem Ausspruch? Nein, die Gemeinde Gottes ist so groß, daß Alle gegenseitig geben und empfangen sollen. Jede | Gabe soll sich erweisen als zum gemeinsamen Nutzen, und in dem Augenblick, wo in dem Einen die Liebe Christi stärker ist als in dem Anderen, wo der Herr ihm kräftiger in seiner Seele erscheint als allen Anderen, ist er berufen, seine Schaafe zu weiden. Von der Zeit an, wo wir als mündig in die Gemeinde Christi eintreten, sind wir umgeben von den Lämmern und von den zarten Geschöpfen, welche der sorgfältigsten Weide und Pflege bedürfen. Wo wir hinblicken, wir sind umgeben von schwachen Gemüthern, die noch hin und her wanken, stets noch des Trostes und der Lehre bedürftig. Und wo wir uns im Inneren dessen bewußt werden, daß der Herr fragt: „Hast du mich lieb?“ da sollen wir stets auch den Auftrag übernehmen: „Weide meine Schaafe, theile ihnen mit von deiner Kraft; das Geringste, was du thust an meinen Brüdern, du thust es mir.“ O, wenn wir dies überlegen, wie willkommen wird einem Jeden von uns die Veranlassung sein, wo wir ähnliche Fragen und Antworten vorlegen und vernehmen: da wird immer das Bündniß von Neuem befestigt, welches wir mit dem Herrn geschlossen, für die einzige Weide, das göttliche Wort, die Eine Liebe zu Gott und zu dem, der in seinem Namen uns erschienen. | Wir wollen auch noch das Letzte betrachten in der Rede Christi (v. 18 und 19). Wir werden es natürlich finden, daß Johannes, wenn er dies schrieb, nachdem Petrus, wie die Sage der Kirche lautet, am Kreuze gestorben war, auch daran vorzüglich dachte. Wenn er aber diese Deutung nicht gesagt hätte, so würden wir Alle wohl nicht geneigt sein, an den Tod des Petrus zu denken, und bei den Worten: „wo du nicht hinwillst“ gerade an den Tod für Christus. Denn wenn Petrus hoch in Jahren Gott gepriesen hat, warum sollte er nicht gern dieses Zeitliche verlassen haben? war er immer fest gewesen in der Liebe zu Christo, wie sollte er es nicht für schön gehalten haben, ihn zu preisen durch seinen Tod, gern dahin zu gehen, wohin der Herr ihn rief? Wir hätten dies vielmehr gesucht in etwas, was sich im Berufsleben des Petrus ereignete, und wie ein persönliches Wort vielfache Deutung haben könne, so möchten wir hier wohl Eins und das Andere 4–6 Vgl. 1Kor 12,8–11 11–12 Vgl. 1Kor 12,7 22–23 Mt 25,40 30–31 Vgl. z. B. Eusebius von Caesarea: Historia ecclesiastica II, 25,5–8, ed. de Valois, 1672, S. 67–68; vgl. Werke, Bd. 2,1, ed. Schwartz, 1903, S. 176–179
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gedacht haben. Denken wir uns dies in Beziehung auf die vorige Rede, d. h. in Beziehung auf die Führung der Gemeinde, wo Christus dann sagt: Ja, da du noch jünger warst pp. (v.18), – o, wie müssen wie es uns wohl gestehen, daß sich diese Erfahrung oft ereignet hat in Christi Gemeinde. Wie finden wir darin die | natürlichen Gränzen von dem, wie weit der Entschluß der Weidenden geht und was der Allmächtige beschlossen! Nur dies lasset uns festhalten, daß wir in jedem Augenblick nach unserer Überzeugung des Beste thun, um die Gemeinde zusammenzuhalten, die Einzelnen zu befestigen auf den verschiedenen Wegen des Lebens; denn wie oft kommen nicht Zeiten, wo die Zukunft etwas Anderes bringt, als wir hätten denken können! Dies sehen wir in den ausgezeichnetsten Zeiten der christlichen Kirche. Luther und seine Gefährten waren von ihrer frühen Jugend an treue Diener Gottes, stets wollten sie das Beste der Kirche, ehe es ihnen einfallen konnte, daß erst durch die Absonderung der Grund zum Besseren könne gelegt werden. Nicht wollend wurden sie dahin geführt, lange sträubte sich ihr Inneres dagegen – und doch waren sie schon lange solche, die die Schaafe der Herrn weideten. Und so ist und wird es immer sein, daß das Größte im menschlichen Willen nicht ausgeht von dem Willen Einzelner: oft führt der Herr seine Gemeinde wider Willen auf den Punkt, wohin er sie bringen will. – Lasset uns deshalb bescheiden sein und zufrieden mit dem, was uns übergeben ist in den Worten: „Weide meine Schaafe"; lasset uns damit uns begnügen, immer das Nächste zu thun nach unserem Gewissen, was | aber fern liegt, wo der Herr aus der Einheit die Vielheit zu schaffen beschlossen, oder aus der Vielheit die Einheit, das sei ihm anheimgestellt: nur daß wir, wenn es Zeit ist, gern und willig die Hand ausstrecken und uns führen lassen dahin wo er will, mag es auch wider unseren Willen sein! O! und welchen besseren Trost giebt es wohl für die Menschen, m. Fr.? „Weide meine Schaafe“ sagt er zu Allen, die ihm auf die Fragen antworten können, ob sie ihn lieben. Aber was das große Ganze der Angelegenheiten des christlichen Glaubens und der Gemeinschaft betrifft, das hat er sich selbst vorbehalten und keiner von uns kann etwas Mehreres, – gerade je dunkler es vor unseren Augen ist – , als sich immer mehr an den Augenblick zu halten. Versäumen wir da nichts, verwirren wir nichts durch eigenen Willen, ja dann wollen wir die Hand ausstrecken und sie ihm geben, uns zu leiten. Das, m. Fr., ist das gläubige Bewußtsein der geistigen Gegenwart des Herrn, der immer wirkt in der Gemeinde der Gläubigen. Wie es damals war, wird es bleiben; lasset uns nur sorgen, daß wir immer das Ja antworten können und treu bleiben dem Auftrag: „Weide meine Schaafe". Alles Andere aber wollen wir ihm überlassen, er wird es Alles wohl machen. Amen
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[Liederblatt vom 13. Mai 1827:] Am Sonntage Cantate 1827. Vor dem Gebet. – In eigener Melodie. [1.] O daß ich tausend Zungen hätte, / Und einen tausendfachen Mund! / Mit Engeln säng’ ich in die Wette / Aus ehrfurchtsvollem Herzensgrund; / Und stimmt ein hohes Loblied an / Von dem, was Gott an mir gethan. // [2.] Wer überströmet mich mit Segen? / Bist du es nicht, o reicher Gott? / Wer schüzet mich auf meinen Wegen? / Du bist es, Herr Gott Zebaoth. / Du trägst mit meiner Sündenschuld / Die unaussprechlichste Geduld. // [3.] Ich hab’ im Lauf von meinen Tagen, / Ganz offenbar, o Gott, gespürt, / Daß du mich, auch durch Angst und Plagen, / Zum wahren Glücke stets geführt. / Auch in der größesten Gefahr / Ward ich doch deines Lichts gewahr. // [4.] Von deiner Güte will ich singen, / So lange sich die Zunge regt, / Und dir mein Freudenopfer bringen, / So lange sich das Herz bewegt. / Ja wird mein Mund einst kraftlos sein, / Dann stimm’ ich noch mit Seufzen ein. // Nach dem Gebet. – Mel. Wie schön leucht’t uns etc. [1.] O Jesu, Jesu, Gottes Sohn, / Ich nahe mich zu deinem Thron, / Aus dankerfülltem Triebe. / Vor dir ist alles sonnenklar; / Mein Herz auch ist dir offenbar, / Du weißt, daß ich dich liebe. / Herzlich such ich dir vor Allen / Zu gefallen; / Nichts auf Erden / Kann und soll mir theurer werden. // [2.] Dies eine nur bekümmert mich, / Daß ich mit solcher Inbrunst dich / Nicht liebe, wie ich wollte. / Ja ich empfind’ es nur zu sehr, / Daß ich dich durch die That noch mehr, / Mein Heiland, lieben sollte. / Darum hilf mir! Gieb mir Armen / Aus Erbarmen / Stärkre Triebe, / Um zu preisen deine Liebe. // [3.] Stehst du mit deiner Kraft mir bei, / So werd ich stets mit fester Treu / An dir allein nur hangen. / Nichts was sonst Menschen wohlgefällt, / Nicht Lust der Sinne, Ehr und Geld, / Befriedigt mein Verlangen. / Von dir strömt mir bessrer Segen / Hier entgegen; / Ruh und Leben / Wird mir nur durch dich gegeben. // [4.] In keines Menschen Seele kams, / Kein Auge sah’s, kein Ohr vernahm’s, / Und niemand kann’s beschreiben, / Was denen dort für Herrlichkeit / In deinem Anschaun ist bereit, / Die in der Liebe bleiben. / Ja wir werden nach dem Leide / Volle Freude / Bei dir finden, / Alles Trauern wird verschwinden. // [5.] Drum laß ich billig dies allein, / O Jesu, meine Freude sein, / Daß ich dich herzlich liebe, / Und mich in dem, was dir gefällt, / Je mehr und mehr in dieser Welt / Nach deinem Willen übe. / Bis du, Jesu, jenes Leben / Mir wirst geben, / Wo die Frommen / Aller Trübsal sind entnommen. // (Jauersch. Ges. B.) Nach der Predigt. – Mel. Kommt her zu mir etc. Sei du mein Vorbild und mein Licht, / Mein Stab, der Fels der Zuversicht, / Auf daß ich niemals wanke. / Und bleibe du der ewig liebt, / So lang’ mich diese Welt umgiebt, / Mein süßester Gedanke. //
Am 20. Mai 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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Rogate, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 21,19–25 Nachschrift; SAr 54, Bl. 117r–124v; Schirmer Keine Nachschrift; SAr 107, Bl. 92r–93v; Crayen Nachschrift; SN 618, Bl. 25r–29v; Crayen Nachschrift; SAr 57, Bl. 131r–140v; Schirmer Abschluss der vom 13. April 1823 bis zum 20. Mai 1827 gehaltenen Homilienreihe zum Johannesevangelium Liedangabe (nur in SAr 107, Bl. 93v)
Am Sonntag Rogate. 1827 Ev. Joh. 21, v. 19–25. M. a. Fr. So endigt der Jünger des Herrn sein Evangelium, indem er eine Geschichte hinzufügt, deren Zusammenhang bei dem ersten Blick nicht zu erkennen ist und doch muß es ihm von großer Wichtigkeit gewesen sein, dies noch in seine Beschreibung hineinzubringen. Was wir aber alle noch erwartet hätten, ehe er sein Evangelium geendigt, dies wäre eine Nachricht von der Himmelfahrt des Herrn, welcher er doch eben so nahe gewesen sein mußte, als die übrigen Jünger; dies nun thut er nicht, aber dieses nach seiner Erzählung unaufgeschlossene Gespräch theilt er uns mit. Was mag hievon die Ursach sein? Wir sehen es aus der Wendung, welche er der Erzählung giebt; es ist das Gerücht, das sich auf Veranlassung der Worte Christi unter den Jüngern verbreitet hatte: „dieser Jünger stirbt nicht“, weil nämlich Jesus gesagt hatte: „so ich will, daß er bleibe, bis ich komme“. Hierauf lasset uns zunächst unsere Aufmerksamkeit richten. Daß sich dieses Gerücht aus den Worten des Herrn unter den Jüngern verbreitete, dies, daß sie gerade | diesen Sinn in jene Worte hineinlegten, hat seinen Grund in zwei Dingen, einmal, in der allgemeinen Neigung, alles an und für sich weniger Verständliche, was mit der heiligen und heilsamen Geschichte Christi zusammenhängt, als etwas Wunderbares zu deuten, 2 19] so SAr 57, Bl. 131r; SAr 107, Bl. 92r; SN 618, Bl. 25r; Textzeuge: 20 korr. aus 19 3 Evangelium] Evang. 8 Vgl. Lk 24,50–51; Apg 1,9–11; auch Mk 16,19
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dann besonders in der Richtung der Gemüther auf die baldige Wiederkunft des Herrn; denn wenn sie diese noch eine Reihe von Jahrhunderten hinausgesetzt hätten, wie sie die Christentheit bereits durchlebt hat, so würden sie schwerlich Christi Worte so gedeutet haben. Ungeachtet uns Johannes über den Sinn und die eigentliche Abzweckung dieser Worte nichts sagt, so schärft er doch den Unterschied ein, daß das, was die Jünger gedacht, nicht buchstäblich in Jesu Worten lag, wiewohl die Rede darauf führen konnte. Es war also seine Absicht diese, zu zeigen, daß, da es ja nicht nothwendig sei, jenen Sinn in die Worte hineinzulegen, die Jünger auch einen solchen Schluß daraus nicht hätten machen sollen. Es ist also in seinem Werke das Letzte, und daher für ihn wichtig und bedeutungsvoll, daß er diese wunderbare Auslegung von jenen Worten des Herrn entfernen will und, wiewohl er sie selbst nicht deutlich macht, wenigstens die Behutsamkeit | einschärfen, daß wir in dem, was wir nicht vollkommen in Christi Geschichte verstehn, doch nicht aus eignem Triebe das Wunderbare suchen sollen. Und wahrlich, das ist sehr zu loben an dem Jünger und wir müssen ihm großen Dank wissen, daß er noch am Ende seines Evangeliums eine solche Andeutung giebt, das Zufällige vom Wunderbaren zu scheiden. Es ist ein Wunder, womit er beinahe die Erzählung von dem öffentlichen Leben unseres Herrn eröffnet, daß, was Fleisch geboren ist, aus dem Geiste solle wiedergeboren werden; und das ist es, was uns Allen zur unbezweifelten Erfahrung werden soll, worauf unser ganzer Glaube an den Erlöser beruht, daß von seiner Erscheinung in der Menschheit, von seiner Mittheilung an dieselbe, eben dies, daß der Mensch kann aus dem Geiste geboren werden, ausgeht. Darauf führt die ganze Erzählung des Johannes von dem Leben, seine ganze Auswahl aus den Reden des Herrn mehr oder weniger zurück, alles Bedeutende und Große, was wir in dem Evangelium vom Herrn lesen, bewegt sich um diesen Hauptpunkt des christlichen Glaubens und Lebens; davon hat er die Aufmerksamkeit der Christen nicht ablenken wollen, sondern dies ist das Ziel des Ganzen. Und wenn wir darauf achten, wie er die äußeren Wunder im Leben Christi erwähnt, | so können wir nicht anders sagen als, es geschieht immer im Zusammenhang mit solchen Reden des Herrn, die sich auf dieses Wichtige und Wesentliche, auf seine geistige Kraft und auf das Wunder der Erlösung beziehen. Was damit zusammenhängt, das war ihm immer das Wichtigste, und das hat er aus Christi äußerem Leben dargestellt, viele andere Wunder aber, von denen uns die übrigen Evangelisten Nachricht geben, hat er, weil ihnen diese Beziehung fehlt, nicht aufbewahrt. Aus derselben Ursach können wir es erklären, daß er uns nichts von der Himmelfahrt des Herrn erzählt, weil nämlich das, was davon äußerlich wahrzunehmen war, sich nicht über den Gesichts20–22 Vgl. Joh 3,3–6
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kreis des menschlichen Auges erstreckte, die eigentliche Wißbegierde der Menschen aber nicht befriedigt. Das wissen wir auch aus dem, was Christus selbst sagt, da er verhieß, er werde auffahren zu seinem Gott und zu unserem Gott, zu seinem Vater und zu unserem Vater; das Sichtbare aber von dieser Erscheinung hat er nicht erzählt. Betrachten wir nun die ganze Geschichte, so ist es auf der einen Seite etwas Natürliches – so wie es natürlich war, daß in jenen großen geistigen Wundern auch die Kraft der | äußeren Wunder lag – daß von eben diesen geistigen Wundern die natürliche Neigung eines an das Irdische immer gebundenen Gemüthes auch auf das Aeußere immer hingerichtet wird. Aber wie der Erlöser selbst sagt: „die Worte, die ich rede, sind Geist und Leben, das Fleisch ist nichts nütze“, so will uns auch der Jünger dabei festhalten, daß wir immer sollen auf die innere Vereinigung sehen mit Christo, auf das große geistige Wunder in unserem Gemüth hinblicken, nicht aber uns davon durch ein Forschen und willkürliches Ausbilden dessen, was wir doch nicht verstehen können im Gebiete des äußerlich Wunderbaren, ablenken und zerstreuen. Dieses einzuschärfen, dazu war dieser Vorgang die letzte Gelegenheit, die der Apostel wahrnehmen konnte, und so hat er dies mit erzählt, weder besonders dazu veranlaßt dadurch, daß es ihn persönlich betraf, noch aus eben diesem Grunde davon abgehalten. Ja wir werden es nicht leugnen können, daß dies Verlangen, Wunderbares aufzufinden, im Zusammenhange mit den noch fortgehenden und, wie wir es glauben und wissen, niemals zu Ende gehenden Wundern der Erlösung gar viele Verirrungen hervorgebracht und oft die Gemüther von dem Einen, was noth ist, abgelenkt hat; und nicht Wenige haben in der geglaubten Theilnahme an dem | äußerlich Wunderbaren sich so gefallen, daß ihr Genuß an den geistigen Wundern eher geschwächt als genährt worden ist. Darum schärft Johannes, was freilich keinesweges gemeint war, den einfältigen und kindlichen Glauben an die Wunder, welche der Herr im Leben gethan, zu schwächen oder zu stören, doch dies ein, daß wir, wenn wir nicht deutlich einsehen, eben dies sei die Absicht und der Zweck des Wunders gewesen, nicht unnöthig den Aufschluß darüber suchen sollen, und statt auf die wesentliche Angelegenheit unseres Heils zu sehen, unsere Wißbegierde und Neugierde darauf hinlenken. Besonders gilt dies von der eigenthümlichen Richtung dieses Verlangens in Bezug auf dasjenige, was der Herr selbst von seiner Wiederkunft gesagt hat. Auch hier hält uns Johannes immer bei demjenigen fest, was für uns Alle dasjenige ist, was wir mit Gewißheit ergreifen können und 28 was] so SAr 57, Bl. 134v; Textzeuge: der 3–4 Vgl. Joh 20,17
10–11 Vgl. Joh 6,63
24–25 Vgl. Lk 10,42
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sollen. „Über ein Kleines, so werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein Kleines werdet ihr mich sehen; denn ich gehe zum Vater“. Dies, m. a. Fr., ist die große Verheißung Christi von seiner geistigen Gegenwart, von seiner wirksamen Vereinigung mit allen denjenigen, die an ihn glauben und ihn lieben; dies | ist die Wahrheit, die wir Alle erfahren können. Wenn nun aber so viele Christen von jeher ein Verlangen gehabt haben, die sichtbare Wiederkunft des Herrn entweder selbst zu erleben, oder wenigsten Zeit und Stunde derselben zu erfahren, da sollen wir an Christi Wort denken: „Euch gebührt nicht, Zeit und Stunde zu wissen, sondern die hat der Vater sich vorbehalten“. Und von einem solchen Forschen, da es durchaus nicht irgend einen Einfluß auf unser Handeln haben kann, will eben Johannes uns abhalten durch dieses, wenn auch nur leise von ihm getadelte Betragen der Jünger. Vor ihnen lag ein großes Werk, sie wußten ihre Bestimmung, das Evangelium zu verbreiten; aber in ihnen war freilich ein Verlangen, auch der leiblichen Gegenwart dessen, durch den sie ein neues Leben empfangen hatten, sich zu erfreuen. Jenes Werk konnten sie nicht vollenden, und wer weiß, wie bald es wird durch das sich erneuernde Bestreben derer, die den Glauben und das Leben gern Allen mittheilen möchten, vollendet werden. Aber eben deshalb konnte ihnen auch die Erfüllung ihres Wunsches nicht gewährt werden und vergeblich waren alle Gedanken, die sie sich machten von Christi baldiger Wiederkunft. An diese reihte sich auch das Gerücht an, der Jünger, der bleiben solle, bis der Herr komme, werde nicht sterben, der wenigstens | werde so lange aufbewahrt werden, daß er den Herrn wieder erscheinen sähe vom Himmel. Wie wenig wir nun bei den Jüngern dies Verlangen tadeln können, eben so wenig können wir es natürlich bei Anderen tadelnswerth finden. Aber sobald dasselbe bestimmte Meinungen in uns wirkt, wozu kein Grund vorhanden ist, und meist solche, welche doch Einfluß haben ihrer Natur nach auf das Leben der Menschen, so fängt diese an sich unschuldige Neigung an, etwas Gefährliches zu werden. Dies gilt von aller Voraussicht in die Zukunft. Wir können uns der Neigung dazu nicht erwehren, und wie die Zukunft aus der Gegenwart hervorgeht, so bleibt es wahr, daß wir die Gegenwart nicht vollkommen verstehen, wenn wir nicht die Zukunft ahnden, aber unsere Handlungen sollen nie durch eine solche Ahndung der Zukunft geleitet werden. Der Herr hat uns angewiesen, frisch zu handeln in dem, was vorhanden ist, wenn er sagt: „wirket, ehe denn die Nacht kommt, da Niemand wirken kann“; was aber daraus wird und in welchem Zusammenhange es mit der Zukunft steht, das ist die Sache dessen, der sich Zeit und Stunde vorbehalten hat. Was können uns also | dunkle Bilder und Vorstellungen von dem, was sich früher oder später nach unseren Tagen 1–2 Vgl. Joh 16,16 Apg 1,7
8–10 Vgl. Apg 1,7
36–37 Vgl. Joh 9,4
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ereignen kann, helfen und wozu führen? Je mehr wir uns gewöhnen, in die Zukunft hinauszuschauen, desto mehr entwöhnt sich der Blick, das Nahe genau zu betrachten, aber eben von diesem sollen wir uns erfüllen lassen, um zu thun, was dem Herrn wohlgefällig ist, was seinem heiligen Willen entspricht. So lasset uns denn die Warnung des Apostels befolgen, auf daß wir nicht durch nicht ganz verstandene Reden Christi oder seiner Jünger uns bestimmte Vorstellungen von etwas Künftigem machen, am wenigsten von dem herannahenden Ende der Dinge, die gar zu leicht unseren christlichen Wandel vom rechten, einfältigen Wege ablenken können. Aber was hat denn nun der Herr gemeint, wenn er sagte: „So ich will ich, daß er bleibe, bis ich komme“. Ob Johannes es selbst gewußt hat, wissen wir nicht; und was weiter zwischen Christus, Petrus und Johannes geschehen, als der Herr zu Petrus sagte: „folge mir nach!“, offenbar in der Absicht, nachdem er das Vorige in Gegenwart der übrigen Jünger und vornämlich um ihrer willen zu Petrus gesprochen hatte, nun mit ihm allein zu reden – ob Johannes dabei gewesen, wissen wir nicht. Ob Christus ihn aufgefordert habe, ihm mit Petrus nachzufolgen, | scheint fast nicht, indem Johannes eben deswegen an jenen Tag erinnert, wo er bei dem letzten Mahle, das der Herr mit ihnen einnahm, an Christi Brust gelegen hatte und durch dieses persönliche Vertrauen Christi in den Stand gesetzt wurde, das Verlangen der Jünger zu erfüllen, da er fragte: „Herr wer ist es, der dich verräth?“ Johannes scheint dies vielmehr nur anzuführen, um auszudrücken, daß er vermöge seines persönlichen Verhältnisses ein Recht gehabt habe, mitzugehen, ungeachtet der Herr nur den Petrus dazu aufgefordert hatte. Alles Andere darüber ist uns unbekannt. Es hält dies aber unseren Blick fest bei den beiden Jüngern, von denen hier die Rede ist; und wenn wir nun wissen, daß es nicht geschehen ist, was sich die Jünger dachten, so müssen wir sagen, es giebt einen zwiefachen Sinn, in welchem wir diese Worte deuten können. Einmal, und wie sollten wir nicht, indem wir unsere Betrachtungen über das Evangelium beschließen, uns dessen erfreuen, – einmal bleibt dieser Jünger und wird bleiben, bis der Herr kommt, mit dem Zeugnisse, welches er zurückge|lassen hat und welches zu den übrigen Evangelien eine so herrliche Ergänzung ist, daß wir sagen können, durch seine Worte ist uns das Bild Christi erst klar vor die Seele getreten. Von Petrus haben wir zwar auch geschriebene Worte; aber, wenn sie gleich bedeutende Stellen im neuen Testamente einnehmen und wir sagen müssen, kein Wort ist unnütz, was wir darin finden: so müssen wir doch einen Unterschied machen als Menschen und wohl keiner wird sagen, daß ihm Petri Briefe mehr gewähren für seinen Glauben, seine Liebe und die Bedürfnisse seines Herzens als das Zeugniß des Johannes von Christo, wie er es im Evangelio gegeben und wie wir den Nachklang 14–15 Vgl. Joh 21,15–18
17–22 Joh 21,20 bezieht sich zurück auf Joh 13,23.25.
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davon noch in seinen Briefen finden. – Ja, so ist er geblieben bis jetzt und wird bleiben, denn die Bücher des heiligen Bundes werden das Kleinod der Christen bleiben bis ans Ende der Tage, und jedes wahrhaft auf Gott gerichtete Gemüth wird mit derselben Klarheit finden, mit welcher wir es können, und mit welcher es von jeher eine Leuchte gewesen ist in der christlichen Kirche, herrlich dargestellt darin das Bild des Erlösers. Nicht als ob wir den Dienst des Petrus in seinem Berufe herabsetzen wollten, | aber Petrus hat sein Werk mehr vollendet durch sein thätiges Leben; er war stets, wo der Kirche Gefahr drohte, er trat auf, wo es galt, sich zu verantworten vor den Menschen; er hat redlich das gelöst, was der Herr ihm aufgetragen, seine Schaafe zu weiden und seine Brüder zu stärken, nachdem er selbst den rechten Weg gefunden. Aber was er gethan hat zur Befestigung der Gemeinde der Christen, das ist ein bleibendes Werk, vollendet durch die Unmittelbarkeit seines Lebens, und wenn gleich seine Worte ein Zeugniß der Wahrheit sind, so werden wir doch sagen, seine Worte lassen sich mit seinen Thaten nicht vergleichen. Eben so in Beziehung auf das Zweite. Wenn wir nämlich die beiden Jünger vergleichen aus dem, was sie selbst geschrieben und was von ihnen geschrieben steht, so finden wir, sie haben stets treulich zusammengehalten bei allen wichtigen Gelegenheiten. Was nun in Petrus das Hervorstechende war, das war, trotz jener schwachen Stunde, eben dieser starke und kräftige Muth, womit er den Widersachern entgegentrat und den ersten Grund legen half zum festen Bestehen der christlichen Kirche. Dieser Muth ist eine | Gabe des göttlichen Geistes, er war unentbehrlich für die ersten Zeiten der christlichen Kirche. Und so lange es einen Streit giebt zwischen Licht und Finsterniß, so lange es noch eine Welt giebt als Gegensatz gegen das Reich Gottes auf Erden, so lange es noch Widersacher giebt, die da herum gehen und sehen, welchen sie verschlingen: so lange bleibt auch dieser Muth, Widerstand zu leisten und in Gefahren ein Zeugniß der Wahrheit abzulegen, eine unentbehrliche Kraft und Tugend, und der göttliche Geist wird sie in Einzelnen wirken, so oft es noth thut in der Gemeinde des Herrn. Aber wie Paulus sagt: „es wird eine Zeit kommen, wo der Glaube und das Wissen vergeht, die Liebe aber bleibet ewig“, so kommt auch eine Zeit, wo dieser Muth nicht mehr nothwendig ist, wenn die Feinde überwunden sind, die dem Christenthum entgegenstanden. Wozu könnte es PdannS noch einen Muth geben? Aber die Liebe bleibt ewig. Johannes aber war 28 sehen] vielleicht mit 1Petr 5,8 zu korrigieren in suchen denn oder PdennS korr. aus dann
35 PdannS] korr. aus
8–10 Vgl. z. B. Apg 2,14–36; 4,1–12; 5,1–11; 8,18–25; 11,1–18 10–11 Vgl. Joh 21,15–17 11–12 Vgl. Lk 22,32 21 Gemeint ist die sog. Verleugnung des Petrus (vgl. Mt 26,69–75; Mk 14,66–72; Lk 22,54–62; Joh 18,15–18.25–27). 27– 28 Vgl. 1Petr 5,8 32–33 Vgl. 1Kor 13,8
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der Jünger der Liebe, sein Leben war ein Leben der Liebe und in den späteren Jahren seines Lebens bezogen sich alle seine Ermahnungen darauf: „Kindlein, liebet euch unter einander“, und so wie mit den Worten seines Zeugnißes, so bleibt er auch mit diesem | Geiste der Liebe, bis der Herr kommt. Das ist das Unvergängliche im Leben, das ist das Werk des göttlichen Geistes, welches, je weiter und herrlicher sich die Gemeinde Christi gestaltet, je mehr das Heil sich offenbart, auch um so glänzender scheinen und seine Kraft bewähren muß. Denn je größer das Reich Gottes ist, desto mehr Gegenstände giebt es für die christliche Liebe, desto mehr muß diese christliche Tugend wachsen und blühen, desto herrlicher muss sich dieselbe erweisen. Das also ist der bleibende Geist des christlichen Sinnes und Lebens, welcher jenseit aller Fügungen, welche die Gemeinde des Herrn treffen können, hinausreicht. Wenn der Muth, den Tod zu leiden, allen Gefahren entgegenzugehen, Alles zu verlassen um Christi willen, nicht mehr nöthig ist – die Liebe bleibt ewig. Und derjenige, in welchem diese sich herrlich ausgebildet hat, das ist auch derselbe, der uns den Sinn der Jünger Christi dargestellt, der unter allen Umständen sich immer gleich bleiben soll. Und was hat er anders gethan, als uns Christum dargestellt, als denjenigen, auf welchen | der Vater selbst seine Liebe ergießt, als denjenigen, in welchem wir die ewige Liebe schauen und dessen Wirksamkeit in uns den Geist der Liebe so erzeugen soll, daß dadurch alles Harte des menschlichen Herzens immer mehr gemildert und vertrieben und uns der Sinn immer mehr eröffnet werde, daß wir Alles für das Unsere ansehen, was von dem Licht erleuchtet ist, welches derjenige angezündet hat, der das Licht der Welt war. Möge denn diese Liebe sich immer mehr unter uns verbreiten, möge diese 12 jenseit] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 1435 15–17 derjenige … Jünger Christi dargestellt] SAr 57, Bl. 140r: wo sie sich auf die kräftigste Weise ausgebildet hat, stellt sie uns auch den Sinn Christi dar 18 er] SAr 57, Bl. 140r: Johannes 1–3 Schleiermacher bezieht sich auf eine im Galaterkommentar des Hieronymus aufbewahrte Nachricht: „Beatus Johannes Evangelista quum Ephesi moraretur usque ad ultimam senectutem; et vix inter discipulorum manus ad Ecclesiam deferretur; nec posset in plura vocum verba contexere, nihil aliud per singulas solebat proferre collectas, nisi hoc, filioli diligite alterutrum. Tamdem discipuli et fratres qui aderant, taedio affecti, quòd eadem semper audirent, dixerunt: Magister, quare semper hoc loqueris? Qui respondit dignam Johanne sententiam: Quia praeceptum Domini est; et si solum fiat, sufficit.“ (Hieronymus: Commentarii Epistolae ad Galatas, Liber III [zu Gal 6,10], Opera, ed. Martianay, Bd. 4.1, Sp. 314; vgl. Commentarii in Epistulam Pauli Apostoli ad Galatas, ed. Raspanti, 2006, S. 218) – Schleiermacher hat für seine exegetischen Veröffentlichungen und Vorlesungsmanuskripte wiederholt Texte des Hieronymus benutzt und ausgewertet; auf diese Nachricht könnte er auch aufmerksam geworden sein durch Gotthold Ephraim Lessings anonym erschienene Schrift „Das Testament Johannis. Ein Gespräch“, Braunschweig 1777, bes. S. 16, wo der Text des Hieronymus zitiert wird (vgl. Lessing: Sämtliche Schriften, edd. Lachmann/Muncker, Bd. 13, 1897, S. 9– 17, bes. 17). – Vgl. auch 1Joh 4,7–8.11.16.19; 2Joh 5 24 Vgl. Joh 8,12; 9,5
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Kraft sich in uns Allen entzünden, damit wir lernen, unser Leben als Christen in der Liebe [zu] suchen, und diese Kraft, die sich immer mehr offenbaren muß, wenn die Nothwendigkeit des Muthes verschwindet, wird doch immer nur die sein, alle menschliche Verschiedenheit in dem Geist der Liebe zusammenzufassen und überall von dem erfüllt und beherrscht zu sein, der das Vorbild der Liebe ist, wie es in menschlicher Gestalt erscheinen konnte. Dazu mögen denn auch die Betrachtungen, die wir angestellt, allen denen, die sie verfolgen konnten, gesegnet sein; mögen sie nie unterlassen, in diesem Buche sich aufzufrischen das | herrliche Bild des Erlösers; aus den Reden Christi und der Geschichte seines Lebens denjenigen, der von Gott gesandt war, zu erkennen wie er ist, und von ihm hingezogen zu werden zu der herrlichen Gemeinschaft mit dem, welchen zu offenbaren Christus auf Erden erschienen war. Amen.
13 Nach SAr 107, Bl. 93v, wurde im Anschluss an die Predigt „Lied 642“ gesungen; möglicherweise handelt es sich um Geistliche und Liebliche Lieder, ed. Porst, 1728, Nr. 642: „Nun ruhen alle Wälder“ (in eigener Melodie); inhaltlich würde etwas besser passen: Jauerisches Gesang-Buch, 1818, Nr. 642: „Das Leben unsers Königs siegt“ (Melodie von „Kommt, seyd gefasst“).
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Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 3,8 (Anlehnung an die Sonntagsperikope) Nachschrift; SAr 66, Bl. 9r–10v; Woltersdorff Keine Keine Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Aus der Predigt am S. Trinit. 27. Joh. 3, 8. In diesem ganzen Gespräch unsers Erlösers mit dem Nicodemus, woraus die verlesenen Worte genommen sind, finden wir in dem Betragen des Erlösers gegen den zu dem er spricht eine wunderbare Mischung; einmal, tadelt er ihn derb genug daß er ein Meister in Israel sei und das nicht wisse, drückt wenig Hoffnung aus ihn auf den rechten Weg zu leiten, indem er sagt: V. 12. Und dann weiset er ihn in die Unwissenheit zurück als in etwas aus dem er nicht herausgehen sollte. – Es handelt sich aber hier um das Größte und Wichtigste in dem Bewußtsein der Christen, deshalb mag freilich in der Zeit vor dem Erlöser weder in Israel noch sonst wo unter den Menschen ein Meister gewesen sein welcher etwas gewußt hat von der Geburt aus dem Geist, sobald aber der Erlöser erschienen war und der Vater in ihm erkannt wurde, so sprachs tief in ihrem Innern: „was aus dem Fleisch geboren ist das ist Fleisch“: und aus diesem Leben des Fleisches heraus zu gehn um zu Christo zu gelangen, das war die Sehnsucht die die Menschen zu ihrem Heile ergriff. Und so stellt der Herr die tröstenden Worte den niederschlagenden gegenüber, indem er sagt: „was aus dem Geist geboren wird das ist Geist“: Und da er davon redet als von etwas Wirklichem, so muß es wol in Beziehung darauf beides geben, nemlich ein Wissen und ein Nichtwissen, aber dennoch müssen wir beides unterscheiden. Und freilich, was wir vernommen haben in den verlesnen Worten das ist solch Gemisch; 8 V. 12.] folgt ein Strich bis zum Zeilenende; vermutlich sollte hier das Zitat Joh 3,12 ergänzt werden: Glaubet ihr nicht, wenn ich euch von irdischen Dingen sage, wie würdet ihr glauben, wenn ich euch von himmlischen Dingen sagen würde? 3 Vgl. Joh 3,1–21 6 Vgl. Joh 3,10 Joh 3,6 18–19 Vgl. Joh 3,6
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von etwas Offenbarem spricht der Herr und von etwas Verborgnem. Wolan, können und dürfen wir die Sehnsucht unsers Herzens nicht stillen, können wir die Schranken, die den menschlichen Geist fesseln, nicht umreissen, so laßt uns sehen ob wir aus den Worten des Erlösers selbst die Grenze finden und erkennen was da sei, in Beziehung auf diesen großen Gegenstand, das Offenbare und das Geheimnissvolle: Das sei es worauf wir unsre Aufmerksamkeit lenken wollen in dieser Stunde. 1. Wenn es ein Leben aus dem Geist Gottes gäbe, wir vermöchten es aber nicht zu unterscheiden vom Natürlichen, so wär’ es eben so gut als nicht da, hätten wir kein Bewußtsein des Lebens, wir wären entweder todt oder wir schauten in Unsicherheit um uns her und wären unfähig zur Thätigkeit. Darum ist das das erste was der Erlöser sagt daß es etwas Offenbares darin giebt was nicht zu verkennen sei. Er sagt: „der Wind wehet wo er will und du hörest sein Sausen wol“: Ja ob die Luft die uns umgiebt in bewegungsloser Stille zu ersterben scheint oder ob sie sich lebendig bewegt und gleichmäßig uns anweht oder ob sie schnell und heftig sich regt, das Eine vernimmt unser Gefühl das Andre thut sich klarer kund durch unser Ohr, wir fühlen das Wehen, wir hören das Sausen: Das sagt der Herr und diese Rede hat sich auf eigenthümliche Weise erfüllt als an jenem großen Tage der Geist des Herrn diese Kraft aus der Höhe ausgegossen wurde über seine Jünger; denn da war es wie ein Brausen des Windes, und die geistige Regung vermischte sich mit dem was vernehmbar war in der Natur. Was war es, was war zu vernehmen, so stark wie ein Sausen des Windes, von denen die aus dem Geist geboren waren? sie verkündeten die großen Thaten Gottes die der Geist ihnen auszusprechen gab vor allem Volk. Und das war das Eigenthümliche ihrer Verkündigung was der Apostel Paulus so ausdrückt: „Niemand kann Jesum einen Herrn heißen ohne den Geist Gottes“: Das waren die großen Thaten Gottes daß er seinen Sohn gesandt in die Welt auf daß die Welt gläubig werde, daß er den den die Bauleute verworfen hatten zum Herrn und Christ gemacht daß in seinem Namen sich beugen sollen Aller Knie: O und die menschlichen Ohren vernahmen dieses Sausen des Geistes; denn dreitausend Seelen wurden an dem Tag gläubig! Und wenn wir weiter sehn auf das sich immer schöner und herrlicher und in seinem eigenthümlichen Geist entwickelnde Leben der Christen, was | ist zu bemerken zum Unterschiede derer die aus dem Geist geboren sind? Die Schrift sagt: „Die aus dem Fleisch gebornen, die waren Knechte aus Furcht 20–21 Vgl. Apg 2 21 Vgl. Lk 24,49 22 Vgl. Apg 2,2 25–26 Vgl. Apg 2,11 28 Vgl. 1Kor 12,3 30–31 Vgl. Apg 2,36 in Verbindung mit 4,11 (darin Ps 118,22; vgl. auch Mt 21,42; Mk 12,10; Lk 20,17; 1Petr 2,7) 31–32 Vgl. Phil 2,10 33 Vgl. Apg 2,41 37–1 Vgl. Hebr 2,15
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ihr Leben lang, Knechte des Buchstaben, Knechte der Sünde“. Nun sagt aber der Apostel: „wo der Geist ist da ist Freiheit“: Diese Freiheit des Geistes das war das herrliche, kräftige und belebende Wehen desselben welches das Ohr vernahm; Der Buchstabe tödtete und aus diesem Tode des Buchstaben aufgeweckt machte der Geist lebendig, so daß sie dem Drange des Herzens folgend sagten: wir können nicht anders, die Liebe Christi dringt uns. Diesem Zuge zu folgen mit vollem Herzen mit williger Darangabe aller Kräfte, sich dem zum Dienste geben, der gekommen ist daß er ein Diener Aller werde und mit dem Bewußtsein daß er nur dadurch an dem großen Werke Gottes arbeite und es vollbringe, und dann des untrüglichen Bewußtseins voll zu sein daß man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen, und für alles Menschliche kein ander Maaß haben als das göttliche Wort: Das ist die Freiheit durch die sich alle diejenigen verkündigen die aus dem Geist geboren sind! Und was sind denn in alle den verschiedenen Erscheinungen des Lebens die Früchte des Geistes die bei denen können gefunden werden die aus dem Geist geboren sind? O Alles faßt sich zusammen in das eine Wort: „das Reich Gottes besteht nicht im Essen und Trinken, nicht in diesen oder jenen Regeln, sondern in Friede und Freude im heilgen Geist“! Dieser Friede den der Herr den Seinen gab als er sie mit dem Odem seines erstandenen Lebens anhauchte, der ist das Leben, welches in dem Gegensatz mit dem verwornen Leben der Welt das der Todt ist, sich allmählich immer mehr zu erkennen giebt bis es in vernehmlichen Wellen an das Ohr schlägt: ja Friede und Freude in ihm, Frieden und Freude in welcher alles verschwindet was das Gemüth der Menschen niederdrückt; das ist der herrliche Lebensodem derer die aus dem Geist geboren sind. Wie also sollten wir uns darüber beklagen daß uns zu wenig offenbar sei von diesem göttlichen Geheimniß; denn wie könnten wir darüber ungewiß sein ob wir den Frieden und die Freude haben, ob wir emporgehoben sind über allen Wechsel, daß uns nichts schaden kann und nichts beunruhigen, da wir Glieder sind an dem lebendigen ewigen Tempel Gottes – nein, darüber kann sich keiner täuschen; Das Sausen des Windes hört jeder, dessen Ohr geöffnet ist! Wenn die Liebe zu Christo uns dringt, uns nicht nur besorgt macht für unser eignes Heil sondern die Brüder umfaßt, wenn das Wehen des göttlichen Geistes durch sie auf uns wirkt und so die Heiligung gefördert wird, o wie sollten wir da nicht dessen gewiß werden! und wenn gleich es zuweilen zweifelhaft sein kann in dem mannigfachen Ringen des Geistes gegen das Fleisch, ob der Geist in jedem schwierigem Augenblick der stärkere sei, o verlassen wir das Kleine und Einzelne, sehen wir das Leben im 1 Vgl. 2Kor 3,6 1 Vgl. Joh 8,34; Röm 6,17 2Kor 3,6 6–7 Vgl. 2Kor 5,14 8–9 Vgl. Mt 12 Vgl. Apg 5,29 15 Vgl. Gal 5,22 17–19 Joh 20,19.22 29–30 Vgl. vermutlich 1Petr 2,5
2 Vgl. 2Kor 3,17 4–5 Vgl. 20,28; ferner Röm 15,8 11– Vgl. Röm 14,17 19–20 Vgl. 32 Vgl. 2Kor 5,14
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Großen an, so werden wir, wo die öde Stille des geistigen Todes ist und wo jenes lebendige Sausen des Geistes ist, immer unterscheiden. Aber das ist nicht das Einzige, sondern wie der Herr sagt: „woher aber der Wind kommt das wißt ihr nicht“: so soll es ja unsrer Aller Erfahrung sein, sowol in den natürlichen Dingen als in den geistigen, daß es wol einen Sinn giebt in welchem wir wissen woher der Wind kommt, aber es muß freilich auch einen andern Sinn geben in dem eben der Herr sagt daß wir es nicht wissen. – Woher der Wind kommt und wohin er fähret, um das wissen zu können, dazu ist uns der Lauf der Sonne bekannt der die Gegenden bestimmt woher er ausströmt und wohin er geht und unser Gefühl sagt uns von welcher Seite er uns berührt: So ists auch im Geistigen; der Herr sagt: „Also ist ein jeglicher der aus dem Geist geboren ist“: Wer dürfte sagen er wisse nicht woher der kommt der aus dem Geist geboren ist? (in dem Sinn nemlich in dem der Herr nicht sagt daß wirs nicht wissen) – O, wir wissen es, er kommt aus dem Gefühl des Elendes der Sünde, er kommt aus der sehnsüchtigen Frage des Herzens: „was soll ich thun daß ich seelig werde“: die sich auflöst in Buße, er kommt aus den Schmerzen und Thränen der Buße und aus der Taufe der Wiedergeburt, wie der Apostel sagt: „thut Buße und lasset euch taufen so werdet auch ihr empfahen die Gabe des heilgen Geistes“: Ja daher kommen Alle die aus dem Geist geboren sind, und wir wissen es wohl; denn wenn sie daher nicht kämen so müßten sie den Anfang des geistigen Lebens in sich selbst schon getragen haben, wenn sie der Buße nicht bedürften so müßten sie den Frieden schon haben, wenn sie nicht der Vereinigung dessen bedürften in dem Gott ist um die Welt zu versöhnen, so müßte die Fülle der Gottheit schon in ihnen | selbst wohnen: Wer also weiß daß das nicht ist der weiß auch woher der kommt der aus dem Geist geboren ist. Und wohin er fährt, ist uns das unbekannt? Nein; wie der Wind, wenn er einmal entstanden ist, sich immer stärker erhebt, immer in derselben Richtung sich fortbewegt: so geht die Richtung dessen der aus dem Geist geboren ist immer weiter hinweg von dem Wege des Fleisches von dem er gekommen ist, immer mehr in die Freiheit des Geistes hinein, immer lebendiger ausbrechend in die Worte der Verkündigung der großen Thaten Gottes, und immer reicher durch Gottes Gnade die Früchte des Geistes entfaltend. Und sehen wir über den Schauplatz der Erde hinaus so kann es auch da uns nicht unbekannt sein wohin er fährt; denn der Herr hat gesagt: „ich würde sagen ich gehe hin euch die Stätte zu bereiten aber in meines Vaters Hause sind viele Wohnungen“: er hat gesagt: „ich will daß wo ich bin auch die sein sollen die der Vater mir gegeben hat“: Er aber sitzt zur Rechten Gottes in der Höhe, es ist also seine vollkommne, also die 16 Vgl. Apg 2,37; auch Mt 19,16; Mk 10,17; Lk 18,18 18–20 Vgl. Apg 2,38 24–25 Vgl. 2Kor 5,19 25 Vgl. Kol 2,9 32–33 Vgl. Apg 2,11 36–37 Vgl. Joh 14,2–3 37–38 Vgl. Joh 17,24
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seligste Gemeinschaft mit Gott in der Vereinigung mit ihm, wohin der fährt der aus dem Geist geboren ist! Wie selig ist uns diese zwiefache Erkenntniß, wir dürfen es nie missen zu wissen woher wir gekommen sind, die Dankbarkeit darf uns nie verlassen gegen den der uns den Himmel geöffnet hat um uns aus der Grube des Todes zu ziehen, die Freude an ihm muß immer lebendiger werden! Und jemehr sich Alle dem gemeinsamen Ziel nähern um desto lieber muß uns die Zuversicht werden daß das erscheinen wird was wir noch nicht sehen, weil wir noch nicht vollendet sind, bis dahin muß sie uns geleiten diese selge Zuversicht. Wohl uns daß wir wissen woher er kommt der aus dem Geist geboren ist und wohin er fährt! Aber nun laßt uns dem Erlöser folgen in dem andern Theil seiner Rede. 2. Etwas, sagt er, müsse uns verborgen bleiben. Um aber diese Worte des Herrn in dem rechten Sinn zu verstehen, müssen wir daran denken: sie sind Worte des alten Bundes die im Buche des Predigers Salomo stehn: „Du weißt nicht die geheimen Örter u. s. w., also ist jedes Werk welches Gott der Herr thut“: Diese allgemeine Rede wendet der Herr an, und wie sollte er nicht, auf das größte Werk Gottes, denn das ist das größte Werk welches er thut durch seinen Geist an den Selen der Menschen. Wie also das Leben des Geistes in seiner geheimen Werkstätte bereitet wird und wo es anfängt das wissen wir nicht, wie es uns auch ein Geheimniß bleibt wo die Bewegung der Luft ihren Anfang genommen hat obgleich wir wissen woher sie kommt. Was wir uns nun im ersten Theil unsrer Betrachtung vergegenwärtigt haben das ist zu diesem Unbekannten das Bekannte; wir wissen: das eigne Leben des Menschen muß erst ersterben ehe das des Geistes beginnen kann, und dieses muß schon weit gediehen sein ehe der Mensch sagen kann: „was ich lebe das lebe nicht ich sondern Christus in mir“: Dieser Tausch muß vorgegangen sein, das wissen wir, wo er aber seinen ersten Anfang nehme in Beziehung darauf will uns der Herr in die uns gegebnen Schranken zurückweisen, indem er uns sagt daß wirs nicht wissen. An jenem Tage als so viele Selen hinzugethan wurden zu der Gemeinde der Gläubigen als die Frage die aus dem Hören der Verkündung entstand, in Buße überging und in das Verlangen dem Werk des Heils sich anzuschließen – wie schnell, wie kurz war dieser Uebergang; denn gleich nach der Rede des Petrus verlangten sie getauft zu werden auf den Namen des Herrn, und da die Apostel – eben frisch erleuchtet wie sie waren durch den göttli4 verlassen] verlassenP;S
15 Predigers Salomo] Predg. S.
7–8 Vgl. 1Joh 3,2 15–17 Vgl. PredSal 11,5: „Gleichwie du nicht weißest den Weg des Windes, und wie die Gebeine in [!] Mutterleibe bereitet werden, also kannst du auch Gottes Werk nicht wissen, das er thut überall.“ 27 Vgl. Gal 2,20 31– 34 Vgl. Apg 2,37–41 34–35 Vgl. Apg 2,14–36
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chen Geist – kein Bedenken trugen ihr Begehren zu erfüllen, welch schneller Uebergang! Aber wieviel geheimes und verborgnes Wirken des Geistes muß vorbereitend in ihnen vorgegangen sein damit sie des Uebergangs fähig wurden. Darum laßt uns uns das fest einprägen: wo und wann das Leben des göttlichen Geistes in der Sele seinen ersten Anfang nimmt, das wissen wir nicht. Wenn das Sausen des Windes, wenn der Sturm an unser Ohr schlägt, so fällt es keinem ein daß die Bewegung eben erst entstanden sei, sondern sie muß schon einen großen Raum durchschritten haben ehe sie in solcher Stärke erscheinen kann, wenn wir das Wehen der Luft fühlen so wissen wir nicht wie lange es schon gewährt und wie und wo es begonnen hat: So wissen wir auch nicht und sollen nicht zu wissen wähnen wo der herkommt der aus dem Geist geboren ist. | O es giebt ein tief verborgnes Wirken des Geistes in der innersten Sele, verborgen selbst dem in dem es geschieht, er ahnet zwar, es geht etwas vor in ihm, es will hie und da durchbrechen, aber was es ist das weiß er noch nicht und wo es seinen Anfang genommen das weiß er auch nicht, und erst muß es eine Kraft gewonnen haben dann fühlt er den Gegensatz des Geistes in sich, wird sich der göttlichen Gabe bewußt, aber er selbst weiß nicht wann er zuerst die Regung des geistgen Lebens empfunden hat! Darum, wie weit entfernen sich die von der Regel, die der Erlöser uns hier giebt, die so leicht darüber absprechen und sagen der oder jener sei noch fern davon daß das geistige Leben in ihm entstehn könne! Ist das menschliche Auge kurzsichtig, ist nichts da als was wir mit diesem kurzsichtigen Auge sehn dann hätte das geheimnißvolle Walten des Geistes aufgehört – wie also sollte unser Auge der Maaßstab sein für das wohin es nicht reicht; O laßt uns fern bleiben von solcher Vermessenheit! sie ist nicht aus dem Geist der Liebe, sie ist nicht aus dem Geist des Gehorsams, nicht aus dem Glauben; die Liebe gebietet uns überall das geheimnißvolle Walten des Geistes vorauszusetzen, und indem wir es in den Herzen der Menschen voraussetzen, ihm unsre Dienste zu weihen, denn da wir es (das Leben des Geistes) nicht anfangen können in ihnen so können wir nicht anders das Werk des Geistes fördern als indem wir daran anknüpfen was schon da ist. Der Gehorsam gebietet uns die Schranken nicht überschreiten zu wollen die der Herr uns gesetzt hat: er der so gern den Seinen alles eröffnen wollte dessen sie empfänglich wären, er selbst hat gesagt: „ihr wißt nicht, könnt nicht wissen“: So sollen wir es nicht wissen wollen, sollen je den freudig bewillkommnen in dem wir das Sausen des Geistes vernehmen, jeden weiter zu führen suchen aus dem uns das allerleiseste Wehen berührt, aber von keinem es wissen wollen er sei noch fern vom Reich des Herrn; denn wieviel das geistige Leben vorbereitende Seufzer können schon aus der Tiefe seines Gemüths aufgestiegen sein, wieviel Thränen der Buße kann er schon geweint haben, ohne daß wirs wissen, in wie manchem Kampfe mag das Fleisch schon untergelegen haben, wie lange mag das Verlangen nach der Wiedergeburt aus dem
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Geist schon in ihm gekeimt haben! Wir sollen es nicht wissen wollen: Wenn wir Einen erkennen als einen Bruder in diesem Leben aus dem Geist, immer müssen wir von ihm wissen: er hat schon eine große Strecke in diesem Leben zurückgelegt aber er selbst wird uns nicht sagen können wann und wo es angefangen; – denn wie das Leben des Geistes bereitet wird in dem geheimnißvollen Schooße des Gemüths, das weiß keiner. – Aber nun laßt uns das noch wohl zu Herzen nehmen was der Herr sagt: „wohin er geht das wißt ihr nicht“: Also, wie weit hin sich die Bewegung erstrecken wird ehe sie ihr Ziel erreicht das wissen wir nie, aber wie oft wähnen wir es zu wissen wie weit das Wehen des Geistes geht, wohin der fährt der aus dem Geist geboren ist. Ach wenn jenes ein Werk des Hochmuths ist daß wir so oft wähnen zu wissen wo der Anfang ist, so ists ein Werk der menschlichen Trägheit wenn wir wähnen zu wissen wo es endet! Wie leicht beruhigt sich der Mensch bei der Gegenwart, wie leicht denken wir wenn nur alle Erscheinungen im Leben denen in der Sele entsprächen, wenn nur unsre Handlungen den wohlgefälligen Willen Gottes wie wir ihn jezt erkennen ausdrückten, wenn nur die Wahrheit die der göttliche Geist uns offenbart hat recht klar wollte zu Tage kommen, dann wären wir am Ziel, weiter könnten wir nicht kommen: Das ist die natürliche Trägheit des Menschen die sich selbst schmeichelt zu wissen wohin der fährt der aus dem Geist geboren ist. Aber es ist nicht also. Wie oft hat sich diese Erfahrung wiederholt in der Geschichte; so wie es von Einzelnen gilt so gilt es von allen Veränderungen in dem gemeinsamen Leben der Christen, von den Bewegungen des göttlichen Geistes wodurch es heller wird, wodurch es vielleicht möglich wird in seiner ursprünglichen Kraft das Licht zu durchdringen: überall war es ein geheimer Anfang, es war schon das Werk eines in der Stille erwachten Lebens was sich zu erkennen gab. Aber eben so verborgen war es wie weit diese Bewegung gehn sollte, aber die Menschen dachten oft schon das Meer der Wahrheit und des Lichts erschöpft zu haben, meinten die Wahrheit wie sie sie erkannt, sei keiner Läuterung und keines Zusatzes fähig und bedürftig, meinten zu wissen aber wußten nicht wohin der fährt der aus dem Geist geboren ist. – Wenn wir nun daran denken wie wir dem Herrn zu danken, wie demüthig wir seine Hülfe zu preisen haben, o dann laßt uns gern bekennen daß wir nicht wissen wie weit wir deren noch bedürfen; Es giebt noch Dunkelheit die erhellt werden, Unvollkommenheit die fort muß, wir wissen nicht wieviel noch fehlt; Das gehört zu dem Sinn des Worts: „selig ist der Knecht den der Herr wachend findet“: Wachend müssen wir bleiben um jeden helleren Strahl des Lichts aufzunehmen. Der Herr sagt: „ich habe euch noch viel zu sagen“: Das ist was der Apostel sagt, das sei 23 gemeinsamen] gemeins. 37 Vgl. Lk 12,37
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der Weg der Christen die aus dem Geist geboren sind: von einer Klarheit zur andern: Ja wenn der Geist uns weiter geführt hat dann erscheint uns, was wir früher hatten, wie eine Mischung der Dunkelheit und des Lichts. Darum, nie stehn bleiben und meinen genug zu haben sondern mit dem Apostel Paulus sagen: „nicht daß ichs schon ergriffen hätte, weder in der Ausübung, noch im Bewußtsein und Gedanken und Erkenntniß hab ichs schon ergriffen, aber ich jage dem Ziel nach“. Es ist eine Klarheit in der wir leben durch den Geist, aber nie soll aufhören die Sehnsucht nach größrer Offenbarung. Immer sollen wir wissen wo die Gemeinde des Herrn ist aber zu welcher Höhe sie noch soll geführt werden das wissen wir nicht. Seht da, eine selge Unwissenheit neben der selgen Gewißheit, für Beides haben wir den zu preisen von dem es kommt. Wie die selge Gewißheit das ist, daß wir die Ueberzeugung nicht verlieren daß wir Kinder der Gnade sind, aus dem Geist geboren: so ists eine selge Unwissenheit der Liebe, daß wir nicht wissen wie weit schon der Keim des Lebens gediehen, daß wir hoffend schauen und nicht wissen wieviel noch bevorsteht. Das ist die selge Unwissenheit daß wir das für uns immer unendlich bleibende Meer der göttlichen Gnade und Wahrheit mit unsern Augen nicht absehn können. Dahin wollen wir uns vertiefen, überall bereit sein das geheime Walten des Geistes vorauszusetzen fest überzeugt daß das Werk des Herrn gedeihe und er die Seinen führe aus Klarheit in Klarheit.
[Liederblatt vom 10. Juni 1827:] Am Sonntage Trinitatis 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Warum sollt’ ich etc. [1.] Geist des Vaters komm hernieder, / Sei nicht fern, Geist des Herrn, / Stärke Jesu Glieder. / Giebst du uns nicht Licht und Stärke, / So gebricht Kraft und Licht / Zu dem Heiligungswerke. // [2.] Zeig uns den Betrug der Sünde, / Daß das Herz tiefen Schmerz / Schaam und Reu’ empfinde. / Und wenn unser Auge thränet, / Rufe du sanft uns zu: / Ihr seid Gott versöhnet. // [3.] Hilf den Kampf des Glaubens kämpfen, / Gieb uns Muth, jede Glut / Böser Lust zu dämpfen; / Daß auch nicht die herbsten Leiden, / Angst und Noth, Schmach und Tod / Uns von Jesu scheiden. // [4.] Hilf uns froh zum Vater treten / Sei uns nah, und sprich ja / Wenn wir gläubig beten. / Hilf uns nach dem Himmel streben, / Schenk’ uns Kraft, tugendhaft / Und gerecht zu leben. // [5.] Sei in Schwachheit unsre Stüze, / Steh uns bei, mach uns frei / In 16–17 Unwissenheit] Unw. 1–2 Vgl. 2Kor 3,18
5–7 Vgl. Phil 3,12.14
20–21 Vgl. 2Kor 3,18
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der Prüfungshize. / Führe, wenn nach kurzen Leiden / Gott den Geist scheiden heißt, / Uns zu Himmelsfreuden! // (Jauersch. Ges. B.) Nach dem Gebet. – Mel. Wie wohl ist mir etc. [1.] Geist Gottes! wer kann dich verstehen? / Wem leuchtet dein durchdringend Licht? / Es strebt zu deiner Weisheit Höhen / Wer selbst sich weise dünket, nicht. / Du bist ein Licht, doch nur den Blinden; / Wer noch bei sich weiß Rath zu finden, / Dem ist bei dir kein Trost bereit. / Nur dem wirst du des Lebens Quelle / Der, seis auch an des Todes Schwelle, / In sich verzagt um Hülfe schreit. // [2.] Du weckst die seelig bangen Schmerzen, / Die Traurigkeit der edlen Art; / So wirkst du, und es schmelzen Herzen / In Sünden todt wie Felsen hart. / Bald wandelt sich das bange Sehnen / In den Erguß von Freudenthränen, / Die Trauernacht in seelges Licht; / Der Schuldbrief zeiget sich zerrissen, / Still schweigt das richtende Gewissen, / Weil Jesu Blut nun kräftger spricht. // [3.] Ja, du allein, du Geist der Wahrheit / Machst meinen Pilgerschritt gewiß, / Und leitest stärkend mich mit Klarheit / Durch dieser Erde Finsterniß. / Du bist der Beistand meines Lebens; / Und niemals ruf ich dir vergebens, / Wenn je mein Fuß den Pfad verliert. / Dein Trost ists der die Schwachheit stüzet, / Dein Wort die Kraft, die mich beschüzet / Du selber bist es, der mich führt. // [4.] Und will der Trübsinn je mich beugen, / Daß immer mehr der Müh entfällt, / Und Seufzer nur der Brust entsteigen: / Du bist es, der auch dann mich hält. / Laß nur den selgen Grundgedanken, / Wenn alles bricht, mir niemals wanken, / Daß ich ein Kind der Gnade sei. / Will meine Schwachheit mich beschämen, / Und mir der Kindschaft Zeugniß nehmen: / So sprich mich von mir selber frei. // (Brem. Gesangb.) Nach der Predigt. – Mel. Freu dich sehr etc. Was sich Gutes in mir findet, / Ist dein Gnadenwerk in mir; / Selbst den Trieb hast du entzündet / Daß mein Herz verlangt nach dir. / Sez’, o Geist, durch Jesu Wort / Deine Wirkung in mir fort; / Daß sie einst an meinem Ende / Selig sich an mir vollende. //
Am 17. Juni 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
1. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Thess 1,1–5 Nachschrift; SAr 106, Bl. 42r–44r; Crayen Keine Keine Beginn der vom 17. Juni 1827 bis zum 17. Februar 1828 gehaltenen Homilienreihe zum 1. Thessalonicherbrief
Früh-Predigt 1 Thess. 1. v. 1–5.
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Dieser Brief des Apostels Paulus – mit dessen näherer Betrachtung wir uns jetzt beschäfftigen wollen – ist wahrscheinlich einer der ersten welche von ihm uns aufbewahrt sind. Es enthält derselbe aber ein schönes Zeugniss von der gegenseitigen Liebe dieses treuen Dieners des Herrn und derer unter denen er das Wort verkündigte! und eine solche Fülle von Worten des Trostes und der Erbauung, daß die nähere Betrachtung desselben nicht anders als zum Segen gereichen kann. – Was nun die hier verlesenen Worte betrifft, so enthält der Umfang derselben den Gruß – womit der Apostel (seine Rede einleitend) – jene Gemeine begrüßt; es liegt aber auch schon in diesem Gruß etwas merkwürdiges, welches darin besteht: daß er darin nicht nur von und für sich selbst redet, sondern auch in dem Namen des Timotheus und Silvanus spricht, – welche seine Zöglinge und Schüler waren – und also, nach unsrer Weise zu reden, seine Untergebenen; davon aber scheint der Apostel nichts bemerkbar machen zu wollen in Beziehung auf das große Amt der Verkündigung des Evangeliums – wobei sie seine Gehülfen waren. Darin aber zeigt sich uns die rechte christliche Weisheit Einfalt und Demuth des Paulus in der Führung seines Amtes! Zu unsrer Zeit finden sich eine Menge von Unterordnungen in dieser Beziehung – : wozu doch jene Apostel des Herrn ein weit größeres Recht gehabt hätten! weil ja – der Natur der Sache gemäß – ein bedeutender Unterschied statt finden mußte, zwischen denen die von dem Herrn selbst belehrt worden waren, und denen welche durch ihr Wort an ihm gläubig wurden – wie dieses 14 Timotheus … Silvanus] Tim. … Silv. 24–3 Vgl. Apg 1,15–26, bes. 21–22
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denn auch bei der Wahl des zwölften Apostels – an Judas statt – angemerkt wurde – in dem bei der Erwählung desselben jene Bedingung gemacht wurde. – Weil aber dieser Paulus von dem Herrn selbst erleuchtet worden war, so durfte er sich, mit allem Recht, den ursprünglichen Jüngern gleich stellen, wie denn er auch von der ganzen Christenheit, von jeher, ihnen gleich gestellt ist! Von diesen seinen Schülern aber konnte das nicht gesagt werden! weil er aber hier mit ihnen vereint an eine christliche Gemeine schreibt – so stellt er, diese seine Gehülfen im Lehramt, ganz sich gleich. Wenn nun jene Bedingung des Petrus bei der Wahl eines zwölften Apostels seine Richtigkeit hatte – so ist was der Apostel Paulus hier thut eben so richtig und wahr: | indem die Krafft der Verkündigung des Evangelii allein dem Geist des Herrn zugeschrieben werden kann; wenn aber diese Frucht bringend sich beweiset: so darf Keiner sich einen bestimmten Antheil davon beimessen, sondern – wie der Apostel darüber sich ausdrückt: „der Eine pflanzt, der Andre begießt; das Gedeihen aber kommt von oben“ und so können denn auch die Werkzeuge des Herrn nicht anders als untereinander sich gleich stellen. Und diese Gleichheit sie sollte vorzüglich nie verlohren gehen unter uns, welche berufen sind zu diesem Dienst im besonderen Sinne des Wortes. Aber, auch wir Alle, sollen für ein priesterliches Volk des Herrn uns ansehn – nämlich, als die Mittler für die, in denen dieses Wort noch nicht lebendig geworden ist; die aber welche zu jenem besonderen Dienst berufen sind, die sollen nichts anders sein wollen – als die Erleichterer des Dienstes, den Alle einander leisten sollen in dieser Beziehung. In dieser Eigenschaft nun schreibt Paulus hier an die Theßalonicher – : die er „eine Gemeine nennt in Gott dem Vater – und seinem Sohne“ – womit er ausdrücken will, daß sie dadurch sich von andern Gemeinschaften auszeichnen. Indem er sie aber so anredet, so deutet er damit hin auf das Eigenthümliche des christlichen Glaubens in welchem sie miteinander sich verbunden fühlten – und will zugleich dadurch daran erinnern, wie es derselbe Geist sei, in dem wir „Gott“ als Vater anrufen, und der uns „Jesum als unsern Herrn erkennen lehrt“ – so wie derselbe welcher untereinander uns vereint hält zu einem Leibe dessen Haupt Christus ist; und so ist denn da eine solche Gemeine, wo die Gemüther – in der Wirklichkeit des Lebens Christi verbunden sind. Was aber der Apostel dieser Gemeine nun wünscht ist: daß „Gnade und Friede von Gott“ sie erfüllen möge! Dieser Friede aber faßt in sich, alle Hemmungen jenes Zwiespaltes wodurch die göttliche Gnade verhindert wird sich wirksam zu beweisen. Es ist aber diese Gnade und 24 Theßalonicher] Theßl. 3–4 Vgl. Gal 1,12; Apg 9,1–9; 22,6–11; 26,12–18 14–15 Vgl. 1Kor 3,6 19– 20 Vgl. vermutlich 1Petr 2,9 30 Vgl. Röm 8,15; Gal 4,6 30–31 Vgl. 1Kor 12,3 31–32 Vgl. Eph 4,15–16; auch 1,22–23; Kol 1,18
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dieser Friede das allgemeine Gut derer – die, in Christo vereint, mit Gott versöhnt sich fühlen – welcher denn rufet auch Alle welche sich des mit Zuversicht getrösten und erfreuen. Und so wußte denn der Apostel dieser seiner Gemeine – der er mit herzlicher Liebe zugethan war – nichts Größeres noch Genügenderes anzuwünschen, als daß diese göttliche Gnade sich an ihr verherrlichen wolle: | so sollen denn auch unsre Wünsche für einander darin immer nur beschlossen sein – wie wohl es eine große Mannigfaltigkeit giebt worin dieselbe unter uns sich verherrlichen kann so wie denn Alles was lieblich ist und wohllautet in christlichen Tugenden, nichts anders ist, als die Frucht von Beiden; aber auch nur das das Rechte sein kann, was in ihnen seinen Ursprung hat – und was darin lebendig sich erweiset –: woraus aber auch wir Alle schöpfen können wie es der Augenblick erfordert und wie sie (unsre Brüder) es bedürfen. – Der Apostel fährt fort: „Wir danken Gott für Euch – und gedenken Euer im Gebet, ohne Unterlass“. Das aber ist die vollständigste Beschreibung einer christlichen Liebe, wie sie, in dem innersten Gemüth beschlossen, thätig sich beweiset; ja, das sind die zusammengehörigen Pulsschläge derselben – unzertrennlich in ihrer Gegenseitigkeit: daß wir füreinander Gott danken – und im Gebet einander Gott anempfehlen; ein Jeder aber ist dadurch zu einem solchen Gegenstand frommen Gebets geworden für Alle als er ein wesentlicher Bestandtheil der Gemeine des Herrn ist. – Das Gebet aber, in dem es so, wie hier, dem Dank gegenüber gesetzt ist, setzt voraus ein Bedürfniß; wie aber wäre es auch anders möglich, als daß die göttliche Gnade die ein Gegenstand unsres Danks geworden, nicht auch wiederum das Bedürfniß wecken sollte nach immer neuen Erweisungen jener Gnade Gottes – wie sie erschienen ist in Christo! Und so wird denn Einer für den Andern fort und fort ein solcher Gegenstand der Fürbitte. In Beiden aber besteht auch zugleich das Wesen christlicher Liebe und lebendiger Theilnahme für einander – und so ist denn auch nur das das wahre gemeinsame Leben. Wie aber sollen wir dieses Bewußtsein verlieren, daß wir dazu recht eigentlich miteinander verbunden sind, um also Gott zu preisen in seinem Sohne. Indem wir aber der Wahrheit gemäß auch das Bewußtsein haben, wie viel uns noch fehlt „zu dem Ziele der Vollkommenheit[“] – so bewirkt dieses „das Streben danach“ – welches zugleich auch das Gebet in sich faßt: „daß er das gute Werk was er in uns angefangen auch weiter führe in dessen Vollendung“ – wie denn wir wissen daß die göttliche Gnade noch gar viel an uns zu vollbringen hat! – und so bewirkt nun dieses Gefühl der Bedürftigkeit, ein Gebet ohne Unterlaß darum und so wußte denn der Apostel dieses Wesen unsrer Liebe nicht schöner zu bezeichnen, als wenn er hier sagt: „wir gedenken allezeit Euer in unserm Gebet – und danken Gott für Euch“! Nun aber beschreibt der 9 Vgl. Phil 4,8 32–33 Worauf die Anführungszeichen hinweisen sollen, ist unklar; vgl. aber Phil 3,12–14 34–35 Vgl. Phil 1,6
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Apostel das näher: wofür er Gott dankt indem er sagt: wir danken Gott und – indem er hinzusetzt „für euer Werk im Glauben”, und „für eure Arbeit in der Liebe“ – aber auch „für eure Geduld in der Hoffnung“! Wir finden öfter in den Reden der Apostel diese Zusammenstellung, worin sie zusammenfassen das Wesentliche und Eigenthümliche des christlichen Lebens; diese Stelle aber giebt uns ein besonderes Licht für jene Zusammenstellung und Zusammenwirkung des Glaubens – der Liebe – und der Hoffnung in Geduld: | in deren Zusammengehörigkeit: dem Glauben, nämlich, legt der Apostel bei ein Werk! – der Liebe eine Arbeit – und der Hoffnung die Geduld. – Dem Glauben ein Werk, denn er weiß von keinem Andern Glauben als von dem lebendig sich erweisenden in Thätigkeit; wie denn der Glaube nichts anders ist, als die Krafft die von innen nach außen hintreibt zu einem Werk welches in Verbindung steht mit dem göttlichen Reiche, an welches er glaubt. – Und so ist denn demnach das ganze zusammenhangende Leben der Christen ein solches Werk des Glaubens, so wie der Glaube wiederum die Quelle ist woraus alles wahre Leben hervorgeht. – Wenn aber auch dessen ganze Thätigkeit aus der Liebe hervorgeht – und also sein Werk immer nur die Liebe ist, so lässt doch hier der Apostel die Liebe auf besondre – eigenthümliche Weise hervortreten – er redet von einer „Arbeit in der Liebe“ und will damit verstanden haben den Eifer und die Treue in ihr; denn die Liebe ist das Feuer des inneren Lebens, das da treibt und erregt alle Kräffte zu jenem großen Zweck – so daß sie sich dabei aller Berechnungen entschlägt wie viel dabei für sich selbst zu gewinnen ist – sondern frisch thut was ihr vorhanden kommt zu thun – in jedem Augenblick die Krafft benutzend die ihr zu Gebote steht. Aber, freilich, muß dann Beiden noch sich zugesellen die Geduld in der Hoffnung, welche aber in sich faßt: jene feste Zuversicht für das Feststehen des Reiches Gottes in seiner Ganzheit – wobei wir aber jeden Erfolg der einzelnen Thätigkeiten Gott anheim stellen müssen. Wie aber, Etwas worauf wir hoffen, das ist was noch nicht erschienen ist – dessen wir aber gewiss sind, daß es erscheinen wird, so meint der Apostel daß es eine Geduld geben müsse in dieser Hoffnung – nemlich ein Ausharren und eine Beharrlichkeit ein überwinden dessen was da entgegensteht derselben. Und so ist denn allerdings jene unerschütterliche Hoffnung auf’s innigste verbunden mit jenem Glauben – wie mit jener Liebe! – und eben darin soll sich unser Glaube und unsre Liebe bewähren; so wie denn auch das das Gebot Gottes an uns ist: zu beharren in dieser Treue bis an’s Ende, in dem Werk das er uns anvertraut hat! – Denn nur so bewährt sich „die Geduld in der Hoffnung“! – Wäre dieses 9 bei ein Werk! – der Liebe] bei, ein Werk! – der Liebe, bietet selbst als alternative Lesart an solcher 10–11 Vgl. Gal 5,6
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nicht geschehen von den ersten Bekennern des christlichen Glaubens – so hätten sie keine Gemeine bilden können! Kann | aber keine christliche Gemeine bestehen ohne diese fortgesetzte Thätigkeit: – so kann es nicht anders sein, als daß Einer den Anderen zum Gegenstand solcher Thätigkeit macht! – und zwar so daß ein Jeder den Anderen stärkt und befestigt in Glauben Liebe und Hoffnung – „deren Anker sich stützt auf unsern Herrn Jesum Christum“ und darum ermahnt der Apostel denn auch die Seinen, sie sollten nicht sein wie die die keine solche Hoffnung hätten. Und so ist denn diese unsre Hoffnung Christus selbst! – so er anders in uns lebt und Wohnung gemacht mit seinem und unserm himmlischen Vater, so daß kein andres Leben in uns wirksam sein kann denn allein Christus unser Leben; wie denn „ihn in uns wohnen haben”, von seinem Geist getrieben, und so mit ihm in Gott zu leben, und dazu uns zu erheben, das ist – wozu er die menschliche Natur geheiligt hat! – in ihm allein aber konnte nur eine so innige Vereinigung mit Gott für uns möglich werden – so wie in ihm nur vollendet werden konnte was der Mensch „nach Gottes Bilde geschaffen“ sein und werden sollte. Und so lasset denn auch uns, in dieser freudigen Gewißheit, Zeugniss geben von solcher Krafft des Glaubens an den der da lebet in uns, in dem Lichte seines Geistes – und „daß er schaffe in uns wie das Wollen so auch das Vollbringen”! Dazu aber lasset immerdar schöpfen uns aus seinem Worte, damit dasselbe in uns werde zu jener lebendigen Krafft – zum Preise seines großen Namens. Wenn – aber wir – die es predigen – dasselbe so lebendig, im Herzen tragen, dann wird dasselbe nie leer ausgehen – : als ein göttlicher in uns gelegter Same. –
9 Christus] „Christus 19–20 „daß er schaffe in uns wie das Wollen so auch das Vollbringen“] „daß er schaffe in uns „wie das Wollen“ so auch das Vollbringen 6–7 Vgl. vermutlich Hebr 6,19 7–8 Vgl. 1Thess 4,13 16 Vgl. Gen 1,27 19–20 Vgl. Phil 2,13
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Frühpredigt 1 Thess. 1. v. 6–10. Wie der Apostel Paulus seinen Brief, an die Gemeine an welche er schrieb, damit anfängt daß er sagt „ich danke Gott so oft ich euer gedenke“ so fährt er hier damit fort, das weiter auseinander zu setzen. Es giebt aber nichts Höheres – um Gott dafür zu danken – als die Art und Weise wie sich seine Gnade verherrlicht an den menschlichen Seelen! Wenn wir aber darauf achten wie der Apostel das hier thut, so klingt dieses als ein Lob welches er jener Gemeine giebt, und, menschlicherweise genommen, ist es das auch! Lasset aber uns bedenken, daß alles was dem Menschen wahrhaft zum Lobe gereicht, wiederum nichts anders ist als ein Werk göttlicher Gnade in ihm, und daß also solch ein Lob immer wieder zurückfält auf den in dem Alles seinen Ursprung hat. Der Apostel aber sagt hier zweierlei zum Lobe dieser Gemeine, er sagt: 1. „ihr habt aufgenommen das Wort“, womit er verbindet 2. „Von euch ist auserschollen dasselbe“ im weiter sich verbreiten: In dem er sie ermahnt, darin seine Nachfolger zu werden. Es faßt aber jenes Beides alles zusammen was in diesem Geschäft enthalten ist. – Es erinnert dieses daran, wie er selbst dieser Paulus uranfänglich dieses Wort des Herrn in sich selbst aufgenommen: dadurch aber in große Trübsal gerathen war von welcher Trübsal er hier aber redet, mit Freudigkeit in dem heiligen Geist – folgend allein dem Ruf dieses heiligen Geistes. Soll aber das willig aufgenommene Wort fort gepflanzt werden, so muß es sich bewegen von Seele zu Seele, wie dieses ja auch natürlich ist, daß „wes das Herz voll ist – der Mund übergeht“. Nun aber sagt der Apostel „ihr habet dieses 3–4 Vgl. 1Thess 1,2–3; vgl. die Predigt am 17. Juni 1827 über 1Thess 1,1–5 24 Vgl. Mt 12,34; Lk 6,45
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Wort – auch unter Trübsal aufgenommen mit Freuden“. Trübsal aber in dieser Beziehung kann es nur geben wo dasselbe Wiedersacher findet – und es deutet dieses darauf hin daß der Verkündigung desselben nicht freien Lauf gelassen wird: Wenn aber solche Trübsal da ist, und das Wort wird dennoch „mit Freudigkeit in dem heiligen Geist, geredet, und aufgenommen“ das ist alsdann das Große, worüber der Apostel sich hier freut – und wovon er an einem andern Ort sagt: solche Trübsal lasse schauen die ganze Herrlichkeit in den Kindern Gottes! – wie er denn auch nur gering achtete solche gegen diese Herrlichkeit welche eben dadurch recht sich offenbaret. | Kann nun zwar unter uns dieses sich nicht mehr auf jene Weise bewähren; so sollen wir dagegen darauf achten: wie hoch wir, auch mitten in den Annehmlichkeiten des Lebens, dieses göttliche Wort achten; wie denn ja Beides, die vergänglichen Freuden wie die vergänglichen Leiden, in gleichem Verhältniß dazu stehen und in gleicher Beziehung auf die Herrlichkeit welche an den Kindern Gottes sich offenbaret durch dessen Schätzung. Ist es uns also darum zu thun dieses zu wissen: wie hoch es uns steht, so zeigt dieses sich uns daran, wenn Beide nie so uns einnehmen, daß wir den Werth unsres Lebens danach abmessen, und, in wie fern wir festhalten daran. – Nicht daß wir fliehen sollen jeden Genuß irdischer Freuden – nur sollen sie uns nicht so beschäfftigen, daß sie den Mittelpunkt unsers innern Lebens ausmachen. – Hat aber auch das uns eingepflanzte Wort des Herrn solche Kraft in uns gewonnen – haben wir – als die aus ihm Gebohrenen den richtigen Maaßstab dafür gefunden – so liegt doch jener Zustand noch immer in der Mitte –: worin die menschliche Seele es noch gar sehr bedarf sich stärken und nähren zu lassen durch diese himmlische Speise! Und so sollen wir denn dieses an einander thun! – Darum sagt der Apostel: „Seid Vorbilder einander!“ um „an einander euch aufzurichten“. Eben so einfach aber wie der Apostel es hier sagt, sollen wir dieses auch nehmen! – und so soll denn, auf eine frische freudige Weise, der Geist des Herrn auch unter uns thätig sein! – als wodurch eben die große Gemeine des Apostels allmählich zu der vollkommnen Einheit mit Christo und untereinander auf das schönste geführt wird. In so fern aber die Gnade Gottes wirksam unter uns gewesen ist – in so fern werden wir auch Die werden können, von denen wieder auserschallt das Wort des Herrn, als Gegenstand seiner Verherrlichung. Dieses aber soll das Streben sein einer jeden christlichen Gemeinschaft. Und so lasset denn auch uns dieses als unsre Aufgabe betrachten: um so diesem Worte eine immer hellere Bahn zu bereiten.
7–8 Vgl. 2Kor 4,17 8–10 Vgl. Röm 8,18.21 26–27 Schleiermacher bezieht sich auf die Formulierung im Predigttext (1Thess 1,7).
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7. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Thess 2,7–12 Nachschrift; SAr 94, Bl. 15r–17r; Slg. Wwe. SM, Pommer Keine Nachschrift; SAr 66, Bl. 11r–12r; Woltersdorff Teil der vom 17. Juni 1827 bis zum 17. Februar 1828 gehaltenen Homilienreihe zum 1. Thessalonicherbrief
29. Juli 1827 Tex t. 1. Thess. 2, 7: „Hätten euch auch mögen schwer sein, als Christi Apostel; sondern wir sind mütterlich gewesen bei euch, gleich wie eine Amme ihrer Kinder pfleget.“ In diesen Worten, m. a. Fr.! legt der Apostel ein Zeugniß ab, nicht als das seinige allein, sondern sich berufend auf die Gemeine, über die Art, wie er als Verkündiger des Evangeliums bei ihnen war, und zwar sowol in Beziehung auf die äußeren wie die inneren Verhältnisse, und mögen wir in der Betrachtung derselben unsere Freude haben über den Zustand der ersten Christen, und dann eine Anwendung auf unseren Zustand davon machen. Zuerst spricht der Apostel von dem Aeußeren, indem er sagt: „Wir hätten euch auch mögen schwer sein, als Christi Apostel.“ Das war ein Ruhm, den sich der Apostel auch sonst beilegt, daß, wo der nach der Aufforderung des heiligen Geistes hinging, um das Evangelium zu predigen, er sich in Beziehung auf sein äußeres Bestehen unabhängig erhielt von denen welchen er predigte. So sagt er auch zu den Corinthern, sie wüßten, daß seine Hände ihn genügend unterhalten hätten. Dieses nun, m. a. Fr.! hängt so zusammen wie wir aus den Nachrichten in der Geschichte der Apostel und aus des Apostels eigenen Aeußerungen wissen, daß als er von der Gemeine zu Antiochia ausgesandt wurde, um das Evangelium an fremden Orten zu predigen, auch andere christlichen Gemeinen sich vereinten ihn zu unter2–5 Tatsächlich handelt es sich um eine Predigt über 1Thess 2,7–12 (vgl. SAr 66, Bl. 11r); die übrigen Verse werden im weiteren Verlauf der Predigt wörtlich angeführt. 11 Vgl. SAr 66, Bl. 11r: „auf die Kirche wie sie jezt ist“. 17–18 Vgl. 1Kor 4,12; ferner 9,14–15 19–1 Worauf Schleiermacher sich bezieht, ist unklar; vgl. vielleicht Apg 13,1–3; 2Kor 11,8–9; Phil 4,10.15
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stützen auf seinen Reisen, und wenn er von der Arbeit seiner Hände spricht, so ist das nur so zu verstehen, daß, wenn jene Unterstützungen nicht ausreichten, er dann lieber mit seinen Händen arbeitete, als den Gemeinen beschwerlich fiel. Dieses, m. Fr.! ist eines Theils auch noch so, denn nach diesem Muster geschieht das auch durch einen solchen Verein christlicher Gemeinen, wenn nach fremden Gegenden Prediger des Evangeliums ausgesandt werden, und wir mögen sagen, daß diese auch noch müssen in derselben Einfalt wandeln, und selber arbeiten, um den Gemeinen die sie unterstützen, so viel zu sparen, als sie können, und nicht die, welche erst anfangen die Wohlthaten des Evangeliums zu genießen, beschweren. Auf der andern Seite aber finden wir jetzt einen Unterschied von dem, was der Apostel hier sagt; denn wenn wir den Dienst des göttlichen | Worts, wie er in den Gemeinen der Christen angeordnet ist, betrachten, so ist es nicht mehr so und kann auch nicht so sein; aber es war auch damals nicht so mit denen, die gesetzt waren zu Aeltesten in den Gemeinen; denn da sagt der Apostel selbst, daß er es so geordnet, daß die Gemeinen die erkennen sollten, die ihnen dienen mit geistlichen Gaben, und ihnen mittheilen das Leibliche, und er führt die Ordnung in der Kirche des Alten Bundes an, daß die, welche dem Alten Bunde dienen, auch von ihm leben. Anders kann es auch unter den christlichen Völkern nicht sein, daß die, welche der Gemeine dienen, auch die Möglichkeit haben müssen, dabei äußerlich zu bestehen; obgleich freilich das wol ein vortheilhafter Zustand wäre, wenn es Viele gäbe, die von ihrem Vermögen leben könnten. Doch dürfen wir nicht sagen, daß das eine Abweichung von der alten Form der christlichen Gemeine ist, wie es jetzt unter uns gehalten wird, und es ist auch noch so; daß die meisten Diener des göttlichen Worts, auch noch mit ihrer Hände Arbeit dazu verdienen, um ihren Unterhalt zu erwerben. Daß wir auch dieses haben können, ist gut und erfreulich, und auch bei anderen Arbeiten können wir uns so trösten, daß wir der Gemeine eine Erleichterung verschaffen, und ihr auch so dienen. Wir wollen nicht läugnen, daß das ein schönes Verhältniß ist, und daß so der Bund der Liebe unter den Christen und denen, die ihnen dienen mit geistigen Gaben, eng geschlossen werden kann, wenn nur das Innere ist, wie der Apostel sagt. Weiter fährt er fort: „Sondern wir sind mütterlich gewesen bei euch gleich wie eine Amme ihrer Kinder pflegt. Also hatten wir Herzens-Lust an euch, und waren willig euch mitzutheilen nicht allein das Evangelium Gottes, sondern auch unser Leben, darum, daß wir euch lieb haben gewonnen.“ Ja wol, m. Fr.! war dieses eine der ersten seligen Früchte von der Verkündigung des göttlichen Worts, daß eine Liebe entstand, von der man 2–3 Vgl. SAr 66, Bl. 11r: „jene Unterstützungen ausblieben oder nicht hinreichten“. 15–19 Vgl. 1Kor 9,13–14; zu den alttestamentlichen Bestimmungen vgl. Num 18,8.31; Dtn 18,1–5
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noch nichts wußte, darauf gegründet, daß durch eine Gabe, die selbst göttliche Mittheilung war, Einer den Andern zu der Mittheilung des göttlichen Worts zu verhelfen suchte, und die erste Mittheilung des göttlichen Worts hegte und pflegte. Das war einer der ersten Segen, daß eine solche Liebe entstand, in der Alles vereint war, aber noch viel edler als das, was sich in dem Natürlichen des Menschen | als das am Meisten Zusammenhaltende vereinigt. Nun können wir freilich nicht sagen, daß jetzt das Verhältniß derer, die den Christen dienen, dasselbe ist; wir können uns nicht rühmen, daß wir die Gemeine erst aus der Finsterniß zogen, daß wir die göttlichen Werkzeuge seien, welche sie zuerst zu der Freiheit der Kinder Gottes erhoben, die zuerst die Stimmen des göttlichen Worts ertönen ließen. Jetzt sind die Väter und Mütter die ersten Pfleger der Jugend, die in den jungen Christen, den ersten Dienst des Evangeliums vollbringen, und es ist gewiß, daß hierdurch die Liebe der Eltern zu den Kindern und der Kinder zu den Eltern ein ganz neuer Glanz erhellt, und so können wir auch sagen, daß der zweite Dienst, den wir hernach der Jugend erweisen, solche schöne Früchte trage, und daß von der Wirksamkeit des Lehrers auf die, welchen er auf diesen ersten Grund fortbauend, das Licht des Evangeliums entzündet, eine Liebe entsteht, von der sich alles rühmen läßt, was der Apostel hier sagt. Das ist eine herrliche Gabe des göttlichen Geistes, und immer mehr wird dieser sie in der Gemeine verherrlichen. Nun lasset uns auch darauf sehen, daß der Apostel weiter sagt: „deß seid ihr Zeugen, und Gott, wie heilig und gerecht und unsträflich wir bei euch, die ihr gläubig waret, gewesen sind.“ So sehen wir, wie er der Christen heiligen Wandel mit zur Predigt des Evangeliums nothwendig hält. So ist es auch, daß in der Gemeine nie Worte und Werke sollen getrennt sein. Das war eine traurige Zeit, daß der Herr, während er auf der Erde lebte, die, zu denen er redete, so oft warnen mußte, daß sie nicht die Werke ihrer geistlichen Führer nachahmen sollten. Das zeigt am Ersten, wie wenig der Alte Bund die Menschen zu einem neuen Leben führen konnte; und es soll auch dieses Verderben abgethan sein und Worte und Werke stets Hand in Hand gehen, und der Wandel der Diener des göttlichen Worts immer mitgerechnet werden zu dem Zeugniß, das sie geben, und die sollen für eben so verderblich geachtet werden, die durch ihren Wandel ein falsches Zeugniß ablegen, als die das Evangelium durch Menschensatzungen verderben. Lasset uns aber nicht vergessen, daß alle Christen Priester sind, und alle berufen, zu zeugen von der Wahrheit des Evangeliums, und, das laßt uns alle als feste Regel halten, daß wir den Bund zwischen Wort und Werk in dem Leben immer fester und enger knüpfen. Aber warum sagt der Apostel: „deß seid ihr Zeugen und Gott, wie heilig, 17 welchen] welche 10 Vgl. Röm 8,21
26–28 Vgl. Mt 23,1–12; Mk 12,38–40; Lk 20,45–47 u. ö.
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und gerecht, und unsträflich wir bei euch, die ihr gläubig waret, gewesen sind.“? Nicht etwa so, als ob der Apostel einen anderen Wandel unter denen, die schon zu der Schaar der Christen | gesammelt waren, und einen anderen vor und unter der Welt hatte, sondern er sagt dieses deshalb, weil nur seitdem sie gläubig waren, sie Zeugen und Richter sein konnten, welches ein unsträflicher Wandel sei. Mit dem sollen wir uns nie begnügen, was auch der nicht durch das Evangelium erleuchtete Mensch von dem Guten wahrnimmt, sondern wie das Evangelium sich als ein scharfes Schwerdt zeigt, das in dem Menschen Wahrheit und Falschheit trennt, so wissen auch wir, daß die rechte Ueberzeugung von dem, was Gott gefällt, uns durch das Evangelium komme. Deshalb sollen wir unseren Wandel auf unser eigenes Gewissen stellen, je mehr der Fall eintritt, daß Andere uns richten wollen nach menschlichem Maaß; vor denen aber, die eben so durch die Erleuchtung des heiligen Geistes sehen, die zur Freiheit der Kinder Gottes hindurchgedrungen sind, vor denen, und vor deren Gewissen, wie vor unserem eigenen heilig, gerecht, und unsträflich wandeln, das ist es, was wol dem Menschen das Höchste ist. Ferner sagt der Apostel: „Wie ihr denn wisset, daß wir, als ein Vater seiner Kinder einen jeglichen unter euch ermahnet und getröstet.“ Ja, wenn der Apostel sagt, das wissen sie, wie er jeden unter ihnen, und also in dem einzelnen Verkehr des, der das Wort verkündet, mit dem, der seiner Sorge anvertrauet ist, sie alle ermahnet und getröstet hat, so ist das etwas, was wir nicht so sagen können; denn jetzt ist das nur in der Stille des ländlichen Lebens, wo eine kleine Schaar sich um den Hirten sammelt, und er die Verhältnisse der Einzelnen kennt, nur da ist es möglich, aber in unsren Städten kann ein solches Verhältniß nicht hergestellt werden, und der Ersatz ist, wenn wir suchen, auf solche Weise in den Gemeinen zu verfahren, und sie zu trösten, daß wir hoffen können, daß in wichtigen Augenblicken die Vorstellung des göttlichen Worts der Seele jedes klar vorschweben und ihn in den Stand setzen werde, die Wahrheit von dem Irrthum zu unterscheiden. Darauf müssen wir sehen, und so lehren daß die Worte des Lehrers, auch wenn er nicht mehr auf der Erde wandelt, wie es verheißen ist, auf seine Hörer wirken, und diese Verheißung wird gewiß immer mehr in Erfüllung gehen, je mehr wir uns bestreben, das Evangelium einfältig zu predigen. – | Als das Letzte nun, und als das Ende alles Trostes führt er an, „daß er gezeigt wie die Christen wandeln sollen würdiglich vor dem, der sie berufen 29 jedes] Genitiv des absolut gebrauchten „jeder“; vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 1430 8–9 Vgl. Hebr 4,12 31–33 Schleiermacher bezieht sich vermutlich entweder auf Mt 28,18–20 oder auf Joh 16,13–14.
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hat zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit.“ Es ist, m. Fr.! ein zu allen Zeiten und auch jetzt verbreiteter Wahn, als ob die, die lehren von der Stätte, wo das göttliche Wort gepredigt werden soll und die mehr über das Leben als über die einzelnen Glaubenswahrheiten predigen, von geringerem Werth wären, und Viele meinen, daß solche Lehren von dem Geist des Evangeliums ferne wären. Möchten diese doch den Maaßstab, den der Apostel angiebt, anlegen und einsehen, daß man nicht anders, als durch die Belehrung des Evangeliums die rechte Führung des Lebens lernen kann, und möchten sie von dem Irrthum abkommen, daß, wenn ihnen nur alle Vorstellungen über unser Verhältniß zu Gott und zu Christo vorgetragen werden, es ihnen leicht sei, diese auf das Leben überzutragen. So hat der Apostel nicht gedacht, und es wol würdig geachtet, den Christen zu zeigen, wie sie würdig wandeln sollen vor dem Herrn, aber nirgend anders woher sollen diese Ermahnungen hergenommen werden, als aus der Vorstellung unseres kindlichen Verhältnisses zu Gott, und nur als das Bestreben, uns Gott und Christo dankbar zu bezeigen für das, was an uns geschehen ist. Denn wir sind berufen zur Herrlichkeit des Erlösers und auch dazu, daß wir das Reich Gottes durch unsere That verherrlichen, und solche zu sein, in denen Gott sich durch seinen Geist vor den Augen der Menschen verherrlicht, und das kann nur geschehen, indem wir handeln des großen Namens gemäß, den wir führen, so daß wir die Gemeine darstellen ohne Flecken und Tadel. Dazu gebe er seinen Segen. Amen.
16 bezeigen] bezeugen 6–15 Vgl. SAr 66, Bl. 12r: „darum, o möchten doch Alle die das sagen einen andern Maaßstab anlegen der ihnen zeigen würde daß das, daß sie so urtheilen, nichts ist als ein Uebermuth des natürlichen Menschen, mögen sie einsehen daß es Uebermuth ist daß sie denken wenn ihnen nur die Lehren des Glaubens recht vorgetragen würden, es für sie ein leichtes sein würde die Anwendung davon auf ihr Leben zu machen! Der Apostel hat es nicht so gemacht sondern er hat nicht aufgehört das Leben zu beleuchten und die Lehre darauf anzuwenden, und so sollen wir es auch machen, aber nirgens[!] anders soll die Anwendung hergenommen werden als vom Evangelio selbst“. 21– 22 Vgl. Eph 5,27 in Verbindung mit Kol 1,22
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8. Sonntag nach Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Mt 7,21 (Anlehnung an die Sonntagsperikope) Nachschrift; SAr 66, Bl. 13r–15r; Woltersdorff Keine Keine Tageskalender: „Hauptpredigt über Matth. 7, 20“ Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Aus der Predigt am 8. S. nach Tr. 27. Matth. 7, 21.
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Wir haben gewiß Alle oft in den wichtigsten Beziehungen die Erfahrung gemacht, daß, sei nun die Rede von menschlicher Weisheit oder von dem göttlichen Wort, je strenger und schärfer ein Ausdruck der Wahrheit ist, die Absicht des Redenden und der Sinn des Worts kann verdreht werden, und je ergreifender solch ein Ausdruck ist desto mehr regt sich in uns die Furcht daß irgend eine Verkehrtheit des menschlichen Herzens sich daran häften und falschen Gebrauch davon machen könnte. Gewiß ist das auch unsre Empfindung gewesen als wir das scharfe schneidende Wort daß man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen neulich zum Gegenstande unsrer Betrachtung machten; denn wie leicht heftet sich daran die Verkehrtheit des Herzens, wie leicht nimmt sie den Vorwand daran der in der menschlichen Gesellschaft festgestellten Ordnung nicht zu gehorchen, ohnerachtet daß der ernste Sinn dieses großen Worts der ist, daß dieser Gehorsam dem göttlichen Willen gemäß ist, und daß er eben seinen tiefsten Grund haben soll in dem Gehorsam gegen Gott: Darum suchen wir gern von jedem solchen Wort den scheinbaren Gegensatz und die Auflösung desselben, damit nicht wenn die eine Seite sich uns aufklärt die andre uns verborgen bleibt; denn so ist der Mensch, daß sein Wissen Stückwerk ist und bleibt! – So nun 8 häften] haften ; zur Korrektur vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 2, Sp. 1054; ferner Bd. 1, Sp. 277 10–11 Vgl. Apg 5,29; ferner 4,19 11–12 Gemeint ist die Predigt am 22. Juli 1827 über Apg 4,19–20 (kein Textzeuge überliefert) 20 Vgl. 1Kor 13,9
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ist das Wort des Erlösers daß sie nicht sollten der Menschen Knechte werden worauf die Jünger das gründeten daß sie nicht denen gehorchten die ihnen wehren wollten – das natürliche Gegentheil von dem welches er hier zu seinen Jüngern sagt; hier zeigt er wie es auf Gehorsam ankomme um das Himmelreich zu erreichen, hier zeigt er daß jener Nichtgehorsam seiner Jünger nicht zureiche, wenn nicht der wahre Gehorsam zum Grunde liege. Aber auch dieses Wort bietet uns die mannigfachsten Schwierigkeiten dar: So laßt uns näher erwägen wie denn eigentlich und in welchem Sinn der Herr hier das Thun des göttlichen Willens darstellt als etwas ohne welches keiner ins Himmelreich kommt: Das wird aber am Besten geschehen wenn wir 1. suchen die offenbaren Mißverständnisse die dabei vorkommen können, aus dem Wege zu räumen 2. die eigentlichen Schwierigkeiten ins Auge zu fassen; und, wenn wir 3. daraus uns den wahren Sinn dieses Worts zu entwickeln suchen.
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I. Was nun das Erste anlangt so giebt es von diesem Worte ein zwiefaches sehr häufig vorkommendes Mißverständniß, wodurch es freilich aufhört schwierig zu sein, aber wodurch es auch die ganze Tiefe seines Inhalts verliert und allen Werth fürs Christenthum. Nemlich 1. ist oft – auch mitten in der Christenheit – gesagt worden, daß der Herr hierin selbst habe das Herr Herr-sagen als überflüßig erklärt, daß er selbst die Anweisung gebe daß es darauf nicht ankomme seinen Namen zu bekennen und sich an ihn zu halten, sondern daß der Mensch wie er ihn erkennt den Willen Gottes thue. Nein so hat sich der Herr nicht in Schatten stellen wollen, nicht hat er sagen wollen daß bei dem Erkennen und Thun des göttlichen Willens das, daß wir Christum unsern Herrn nennen überflüßig sei: – und was wäre das auch anders als daß wir wieder zurückkehrten zum Gesetz, wovon uns doch Christus befreit hat, was wäre das, als daß wir wieder von Außen suchen müßten den Willen Gottes zu erfahren, und da aus dem Gesetz nur Erkenntniß der Sünde aber nicht Kraft zum Guten kommt wir doch wieder von Menschen 20 Nemlich] nemlich
24 Gottes] Gottes,
1–2 Die Formulierung stammt von Paulus (vgl. 1Kor 7,23). Dass ein Textfehler vorliegt und es „Apostels“ statt „Erlösers“ heißen müsste, ist nach dem Folgenden unwahrscheinlich, weil dann die Jünger etwas auf ein Wort eines Jüngers gründen würden. Man muss entweder einen größeren Textausfall annehmen oder vermuten, dass Schleiermacher das Pauluswort als sachgemäße Wiedergabe von Aussagen des Erlösers verstanden und verwendet hat (vgl. etwa Joh 15,15, vielleicht in Verbindung mit Mt 12,1– 8 oder 15,1–9). 2–3 Vgl. vermutlich Apg 4,19; 5,29 30–31 Vgl. Röm 3,20 vermutlich in Verbindung mit 7,18
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Hülfe suchen müßten um den Willen Gottes zu erfüllen für uns, dann wären wir aber auch kein priesterlich Volk mehr! Aber der Herr sagt ja auch nicht daß Andre als die, welche ‚Herr‘ zu ihm sagen in das Himmelreich kommen, sondern er sagt daß dazu noch mehr gehöre als das muthigste Bekenntniß. 2. haben viele Christen gemeint daß die ganze Absicht des Herrn bei diesem Ausspruch dahin gehe vor denen zu warnen welche nur auf heuchlerische Weise seinen Namen bekennen, und daß er hat sagen wollen daß das bloße äußre Herr Herr-sagen nicht das Himmelreich PerwerbeS. Das nun wäre freilich eine unbestreitbare Wahrheit, aber auch eine unfruchtbare, um derentwillen wahrlich nicht der Sohn Gottes brauchte seinen Mund zu öffnen; denn das, daß die Unwahrheit nur kann zum Verderben führen, daß die Heuchelei und Scheinheiligkeit alles Vertrauen zu sich selbst zerstört und die Kräfte lähmt, daß der der sich von der Wahrheit entfernt, nicht den Schatten ewger Güter zu fassen im Stande ist: das sagt jedem schon sein Verstand. Aber das nur hat der Herr auch nicht gemeint indem er sagt: „es werden nicht Alle –“: denn er fährt ja fort: „Viele werden sagen: haben wir nicht in deinem Namen geweissagt, gelehrt, große Thaten gethan“: Das ist aber nicht die Sprache die der Heuchler führen könnte, da wo die Wahrheit an das Licht kommt, hier kann er freilich sagen er thue seine Thaten im Namen des Herrn, aber er hat sie nicht in seinem Namen gethan, kann also nicht vor ihm damit auftreten, es mag freilich hier von einem gesagt werden er lehre im Namen des Herrn, aber wenn der Glaube nicht aus ihm redet,| was thut er dann anders für die Menschen als daß er ihnen das giebt wovon er selbst weiß daß es nichts ist: wie könnte er also den Herrn so anreden? Nein das hat der Herr nicht sagen wollen und was hätte er auch für Ursach gehabt zu reden von solchen die ihn zu bekennen heucheln, zu einer Zeit wo kein Vortheil sondern Schmerz aller Art denen erwuchs die ihn Herr nannten? also nicht das erheuchelte sondern das aus wahrer Ueberzeugung Herr Herr-sagen, das hat er gewiß im Sinn gehabt; denn sonst wäre ja seine Rede umsonst gewesen. Also von solcher oberflächlichen Anwendung wollen wir uns entfernt halten. Darum laßt uns nun
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die wirklichen Schwierigkeiten ins Auge fassen die dabei vorkommen. Nämlich: Wie kann es wol – wenn wir voraussetzen der Herr rede nicht von Heuchlern – einen größern Widerspruch geben als den zwischen dem Wort des Apostels Paulus „Niemand kann Jesum einen Herrn nennen ohne den 8 PerwerbeS] oder PerwarteS 1–2 Vgl. 1Petr 2,9 37–1 Vgl. 1Kor 12,3
13 lähmt] lämmt
13–14 Vgl. Hebr 10,1; ferner 8,5
16–17 Vgl. Mt 7,22
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Geist Gottes“: und dem Wort des Herrn: „Es werden nicht Alle die zu mir sagen Herr Herr in das Himmelreich kommen“: Wie, also wo der Geist Gottes ist da wäre nicht immer die Freude und der Friede im heilgen Geist? da wäre nicht das Himmelreich und nicht das Thun des göttlichen Willens? Wie können wir uns das zusammen reimen? Und wie sagt der Herr selbst so oft daß wir nicht anders als durch ihn, durch seinen Geist, den Willen Gottes erkennen und thun können, nur indem wir ihm folgen Gott dienen können und Eins mit ihm werden, aber wie trennt er hier das den Willen Gottes thun und das ihn Herr nennen? Was hat er selbst für den Willen seines Vaters erklärt als er nach einer tiefsinnigen Rede einst gefragt wurde von denen die ihm zugehört hatten, was sie thun sollten? er sprach: „das sind Gottes Werke so ihr glaubt an den, den er gesandt hat“: und: „das ist der Wille des Vaters daß ihr Glauben habt an den Sohn“: Und wenn das: an ihn glauben und das: ihn einen Herrn heißen nicht kann verschieden sein, und wenn das Himmelreich haben und das ewige Leben nicht kann verschieden sein, sondern Eins und dasselbe ist: so ist ja der Glaube das in das Himmelreichkommen; denn wie oft hat er gesagt: „wer an mich glaubt der hat das ewige Leben“: Und doch sollte er hier sagen nicht Alle die welche an ihn glauben werden leben, werden in das Himmelreich kommen? Wie werden wir diesen Widerspruch ausgleichen? wie diese verschiednen Worte vereinen? Ach, freilich ein anderes Mittel giebts dazu nicht als daß wir uns das vergegenwärtigen wie Christus es als Mensch mit Menschen zu thun hatte die er nicht anders behandeln konnte als nur als solche deren Wissen Stückwerk und die nur Stückweise und allmählich die göttliche Wahrheit aufzunehmen vermögen, als solche welche man sich begnügen muß auf einmal nur immer Eins, eine Seite der Wahrheit zu bieten, als solche welche immer nur Einen Strahl des Lichts auf einmal auffassen können. Darum ists so daß der Herr jedesmal nur Einen Gedanken durchführt, auf ein Bestimmtes unsre Aufmerksamkeit hinlenkt, um es uns ganz einzuprägen, Alles also müssen wir zusammen fassen wenn uns Zweifel aufstoßen, immer die Ausdrücke zu vereinen suchen und jemehr sie miteinander zu streiten scheinen um desto sichrer können wir darauf rechnen daß sie zusammgehören, und daß wir nur in der Zusammgehörigkeit den rechten Sinn derselben erkennen, wie denn eben der scheinbare Widerspruch nur von den besondern und unter sich verschiednen Beziehungen herrührt in welchen jedes der einzelnen Worte ausgesprochen ist. Also, wie wir nicht bei der oberflächlichen Anwendung, von der wir zuerst redeten, wollen stehn bleiben so auch nicht bei den scheinbaren Widersprüchen: nein mit so flüchtiger Betrach38–1 Betrachtung] Betr. 2–3 Vgl. Röm 14,17 10 Vgl. Joh 6,26–27 Joh 6,29 12–13 Vgl. vermutlich Joh 6,40 mit 3,15–16; 6,40 23–24 Vgl. 1Kor 13,9
10–11 Vgl. Joh 6,28 11–12 Vgl. 17–18 Vgl. Joh 5,24 in Verbindung
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tung wollen wir uns nicht begnügen, dabei kann es nicht bleiben. Wolan, so müssen wir von dem Gesetz ausgehen daß der Herr auf menschliche Weise zu seinen Jüngern redete: Und so laßt uns fragen: „welches ist der rechte Sinn dieses Worts, worauf bezieht er sich, wovor hat der Herr dadurch warnen wollen“? Es giebt in der christlichen Kirche zweierlei von je her gefährliche Trennungen, vor welchen der Herr in diesem Wort seine Jünger warnen wollte und dadurch sie auf dem rechten Wege erhalten von dem er gesagt hat daß die Pforte dazu enge sei. Diese Trennungen die der Herr hier vermieden wissen will bestehen in: den Sohn vom Vater trennen: und: die Erkenntniß von der That oder die Lehre vom Leben: Das ists was wir im dritten Theil unsrer Betrachtung deutlich einzusehen uns bemühen wollen. | III. Es giebt nemlich eine zwiefache Art die wir häufig finden, und obgleich unter verschiednen Gestalten doch gleich gefährlich, wie Vater und Sohn voneinander getrennt wird. Die erste Art wie dies geschieht stützt sich darauf daß die Schrift sagt: „nachdem Gott manchmal und auf mancherlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten hat er in den letzten Tagen geredet durch seinen eingebornen Sohn“: Der Sohn also, sagen sie, ist ein Lehrer der Menschen, als solcher von Gott gesandt, als solcher aufgetreten, vortreflicher als die frühern aber doch ein Lehrer; Und wie er ein Lehrer ist, so ist er ein Bringer der Wahrheit, ein Offenbarer derselben, aber so ist es ja mit jedem Lehrer, daß, haben wir die Wahrheit erkannt die er uns lehrt, so behalten wir sie ohne daß wir ihn behalten, wir behalten freilich das dankbare Andenken an ihn, aber wir leben nun nicht mehr mit dem Lehrer sondern mit der Wahrheit die wir durch ihn besitzen: also wenn Christus uns hat den Vater offenbaren wollen und dazu vom Vater gesandt ist, so ist sein Endzweck erreicht, wenn wir den Vater durch ihn erkannt haben, wenn uns der göttliche Wille klar geworden, wenn alle Finsterniß und aller Nebel vor dem Auge unsers Geistes verschwunden ist durch seine Lehre, wenn wir ihn, den er uns zeigen wollte, einmal ins Auge gefaßt haben, dann ist das Werk des PLehrersS vollbracht und nun kommt Alles nur darauf an daß der Wille des Vaters vollbracht wird, daß wir mit dem Schatz des Wissens von ihm ausgerüstet nun frisch an das Werk gehen und das Unsre thun, wenn darüber auch der Lehrer in Vergessenheit geräth, wenn die schöne Frucht nur bleibt seines Unterrichts, er tritt gern zurück wenn die Menschen nur die Güter genießen welche er ihnen eröffnet hat. Und, wolan, wenn es eine solche Selbstverleugnung gäbe in dieser Beziehung 32 PLehrersS] oder PLehrensS 7–8 Vgl. Mt 7,14, ferner 13
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welche könnte es geben die wir ihm nicht zumuthen könnten: aber wenn es nur möglich wäre daß wir die Güter des Heils genießen könnten ohne ihn, o wie gern träte er zurück, wenn wir ihn nur entbehren könnten! Aber wie er gesagt hat so ists, nemlich die Rebe muß an dem Weinstock bleiben sonst verdorrt sie. Wäre der Herr so das Leben für uns daß er es in uns wirken könnte unabhängig von sich, so könnte er zurückstehn, aber er ist die Quelle des Lebens, wir haben es nicht ohne es beständig aus ihm zu schöpfen. Und was ist aus denen geworden, welche seine Werke thun wollten ohne in dieser Gemeinschaft mit ihm zu bleiben, als daß sie wieder in die alte Knechtschaft zurückgefallen sind, weil nur der der da frei macht auch frei erhalten kann, was ist daraus entstanden wenn sie meinten ihm zu dienen ohne ihn in sich wirken zu lassen, als daß sie selbst entweder wieder der Menschen Knechte geworden sind, oder daß sie die Andern zu ihren Knechten haben machen wollen. Das ists worauf diese Trennung des Vaters und Sohnes zurückführt darum sagt der Herr so oft, das sei das Leben daß man an ihm bleibe wie die Rebe am Weinstock. – Aber die zweite Art den Sohn vom Vater zu trennen leiten die Menschen davon ab daß der Herr selbst gesagt hat zu seinem Jünger Philippus: „Philippe, du kennst den Vater nicht und hast mich gesehn? wer mich siehet der sieht den Vater“: Wolan, sagen sie, „so ist also die Erkenntniß des Sohnes auch die des Vaters, sie schließt sie in sich, aber wenn wir sie durch ihn haben, wenn der Vater in ihm ist[,] was könnten wir lieberes thun als nur in ihm leben, in ihn hinein uns versenken; in ihm schauen wir ja den Vater, Gott selbst hat uns an ihn gewiesen weil er in einem uns unzugänglichen Licht wohnt, er ist der Abglanz des göttlichen Wesens, das Ebenbild des Vaters, der Sohn ist ihm zum Stellvertreter geworden, der sei allein der Gott[,] an ihn allein wollen wir uns halten, ihn anbeten“: – Das ist die andre Art den Sohn vom Vater zu trennen in der der Vater vergessen wird. Aber das ist nicht des Herrn Meinung; denn er will uns nicht vom Vater ab sondern zu ihm hin führen, er will mit dem Vater aber nicht allein kommen und in uns Wohnung machen: ja er unser Herr und Erlöser er ist und bleibt nicht blos der Anfänger sondern auch der Gegenstand unsers Glaubens und als der Gegenstand unsers Glaubens müssen wir ihn fest halten weil alle Verheißungen auf ihm beruhn; denn es ist kein andrer Name den Menschen gegeben darin sie sollen seelig werden, aber er ist eben der Gegenstand in so fern er der Anfänger ist des Glaubens; es soll kein andrer Glaube in uns als in ihm sein, er selbst sagt er gehe zu seinem und unserm Vater, und auf 18 Philippus] Phil.
23 ihn] ihm
27 ihn] ihm
34 ihm] ihn
4–5 Vgl. Joh 15,4–6 10 Vgl. Joh 8,36; ferner Gal 5,1 12–13 Vgl. 1Kor 7,23 16 Vgl. Joh 15,4–5 18–20 Vgl. Joh 14,9 24–25 Vgl. 1Tim 6,16 25 Vgl. Hebr 1,3 30–31 Vgl. Joh 14,23 31–32 Vgl. Hebr 12,2 34–35 Vgl. Apg 4,12 37 Vgl. Joh 20,17
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daß Beides nie getrennt werde sagt er hier daß nicht Alle die in ihm erkennen die Herrschaft über Alles, | den Abglanz der ewigen Herrlichkeit, sondern nur die, die zugleich von ihm sich zum Vater führen lassen und mit ihm bei ihm bleiben, nur die sind Mitglieder des Himmelreichs, nur die die den Willen seines Vaters thun wie er ihn gethan hat, ihn lebendig im Herzen haben und bei ihm leben wie bei Gott: die beides so vereinen die kommen immer mehr ins Himmelreich. 2. Will der Herr uns davor warnen daß wir nie Lehre und Leben, Erkenntniß und Genuß, That und Liebe trennen. Also Gott und seinen Willen erkennen und thun und im Herzen haben: das ist nicht zu trennen, denn wenn von dem Willen des Vaters die Rede ist, worauf gründet sich das als darauf daß Gott die Liebe ist, wenn es heißt wir sollen thun den Willen Gottes worauf bezieht sich das als darauf daß es ein Reich Gottes giebt worin wir arbeiten sollen: da ist die That und die Liebe. Wer aber dieses so herrlich und schön es ist von jenem trennen wollte, der hat das Himmelreich noch nicht gefunden, er hat einen Glauben aber er hat nicht den dessen Anfänger und Vollender der Herr ist und wodurch er schon zum Leben hindurchgedrungen ist. Aber so ists freilich auch auf der andern Seite wenn wir das Leben und die Lehre trennen wollten; denn dadurch würden wir uns wieder von der seelgen Gewissheit losreissen und unser Leben der Unsicherheit hingeben wovon uns doch die Liebe Gottes befreien will; denn darin preiset Gott seine Liebe zu uns daß er seinen eingebornen Sohn gab. Und reissen wir von der Erkenntniß die Liebe Gottes los so haben wir den Maaßstab verloren für jede andre Liebe und Erkenntniß; denn wie sollte uns das nicht verdunkeln und unser Gefühl verringern wenn wir meinten den Willen Gottes thun zu können ohne das Herr Herr sagen zu Christo. Und wenn wir nun fragen: was wird aus denen die sich vor solcher Trennung nicht hüten sondern meinen den Willen Gottes thun zu können unabhängig von dem fortwährenden Weiterkommen in der Erkenntniß? so müssen wir sagen: es ist wahr es giebt ein Streben im natürlichen Menschen das Gute zu thun, auch ohne Erkenntniß, er hat bewußtlos eine Neigung zum Guten auf die er sich verlassen kann, aber doch, wenn es der Mensch nicht immer mehr zur reinen Erkenntniß bringt, immermehr das Göttliche lieben PlerntS, o die Erfahrung zeigts wie bald dann die Lust einen Vorwand nimmt am Gesetz, und dann ist jedes natürliche Gefühl getrübt und dann kann sich der Mensch eben so gut dem Unrechten als dem Rechten zuwenden. Aber wol war das der Zustand den wir durch Christum verlassen haben. Wenn wir nun aber ihn, das Urbild der Erfüllung des göttlichen Willens, ihn dessen Liebe ewig das Richtmaaß für unser Gefühl ist, wenn wir ihn einmal in unser Herz eingeschlossen haben, und nun denken mit dem ein12 Vgl. 1Joh 4,16 17 Vgl. Hebr 12,2 17–18 Vgl. Joh 5,24 in Verbindung mit Joh 3,16 34–35 Vgl. Röm 7,8
22 Vgl. Röm 5,8
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mal gewonnenen Gefühl, mit der einmal gefaßten Erkenntniß vom Erlöser, wollen wir nun an das Werk gehen Thaten zu thun in seinem Namen, ihn zu verkünden durch unsern Wandel, o wie wenig können wir darauf vertrauen! Denn wie oft verdunkelt sich uns dies reine Bild, wie leicht werden wir irre unter so viel Irrthum, wenn wir nicht immer uns in den Einen Grund versenken, Christus soll die Quelle sein aus der wir nie aufhören zu schöpfen; so immer aufs neue d. h. immermehr von ihm erfüllt können wir nur wissen welches seine Werk sind die wir thun sollen in seinem Dienst, nie können wir aus der Schule dieses Meisters gehn, der uns ja nicht so entlassen hat daß wir aufhören könnten Herr Herr zu sagen! Aber eben so wenig dürfen wir trennen: Genuß und That; denn in dem stillen Genuß der Erkenntniß und des Gefühls schweben, wenn wir darin allein das Leben zu haben meinen und uns von der That lösen, weil wir meinen mit dem Schatz unsrer Erkenntniß vor Gott treten zu können, ach unterdess rollt die Zeit dahin, der Tag des Herrn kommt und was haben wir dann dem Herrn zu zeigen als das still vergrabne Pfund das er uns verliehen und welches wir ihm wiederbringen unbenutzt; denn was haben wir andres als uns gepflegt, aber seine Werkzeuge und Diener sind wir nicht gewesen, seinen Willen der immer thätig ist haben wir nicht vollbracht, die Stimme des Jüngers welche einladen soll zu seinem Heil, ist stumm geblieben, die Freiheit in dem Bund der gläubgen Gemüther immer mehr zu entwickeln, das Band der thätigen Liebe immer fester um Alles zu schlingen: dieses schöne Werk haben wir verlassen und somit die selige Gemeinschaft mit ihm. Darum sagt der Herr: „nicht Alle die zu mir sagen Herr Herr sondern die zugleich den Willen thun meines Vaters“: Ja, so ist der Mensch, das gehört zu seiner Gebrechlichkeit daß er so leicht dazu gebracht wird zu trennen was doch ewig Eins ist, was Gott zusammengefügt hat! | Und wenn er meint in so zerstückten Bestandtheilen das Leben zu haben, o auf wie grausame Art täuscht er sich selbst! – Aber was fügt der Herr nun noch hinzu? er sagt viele würden an jenem Tage zu ihm sagen „haben wir nicht geweissagt in deinem Namen, den Menschen deine Lehre dargelegt, und haben wir nicht mit starken und strafenden Worten allem Verderben zu wehren gesucht, und viele Thaten gethan“: er aber werde ihnen sagen, (wenn das doch nicht das rechte Thun des göttlichen Willens gewesen ist weil solche Trennung darin waltete:) „ich habe euch nie gekannt, weichet“: Ja die welche die Lehre vom Leben, die Erkenntniß von der Liebe und von der That trennten auf irgend eine Weise, die hat der Herr nie gekannt; denn sie haben ihn nicht gekannt, wie sie auch geweissagt und gegen das menschliche Verderben geredet haben, doch haben sie ihn nicht gekannt; Er war der der die Werke that die ihm 2 Vgl. Mt 7,22 16–17 Vgl. Mt 25,14–30, bes. 18.25; ferner Lk 19,11–27 27 Vgl. Mt 19,6 31–34 Vgl. Mt 7,22 35–36 Mt 7,23 40–1 Vgl. Joh 5,19–20
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der Vater zeigte wie er Eins war mit ihm, und dazu, daß aus diesem Einssein die Werke kommen, will er führen, und die sich dazu nicht führen lassen, die haben ihn nicht erkannt. Aber wenn er sagt: „weichet von mir ihr Uebelthäter“: was heißt das anders als daß all die unselgen Trennungen ihren Grund haben in dem tiefen Verderben des menschlichen Herzens, und eben deshalb bleiben die bösen Folgen nicht aus, sondern wo diese Trennungen gewaltet haben o es müssen auch andre üble Thaten daraus hervorgegangen sein, worauf das geht, daß der Herr sie Uebelthäter nennt! Und ist uns etwa das Auge darüber verschlossen? Nein; denn wie ists uns klar daß da wo das Zusammgehörige getrennt wird, daß da die Liebe immer enger wird und die Erkenntniß einseitiger, daß die brüderliche Gleichheit aufhört, und einige die andern sich unterordnen wollen und dadurch sich selbst verengen in verkehrter Selbstsucht, und daß am Ende deswegen, weil sie nicht die Werke thun wollen wie doch der Herr sie ihnen zeigt, sich in ihnen das was ein Schatz des Lebens hätte sein können, in wesenlosen Buchstaben verwandelt. Ja so ists wenn die Menschen trennen wollen was ewig Eins ist, sie thun üble Thaten durch Alles was sie thun; lehren sie, was thun sie damit anders als daß sie den Vorhang wiederherstellen vor dem Angesicht des Höchsten der doch hinweggenommen ist durch die Erlösung in Christo, und die Menschen stufenweise von Gott entfernen statt sie zum Vater zu führen; denn trennen sie einmal Gott von Christo, was hindert dann daß auch Christus in einem Lichte wohnt dahin sie nicht dringen, sondern lieber in Menschen Gott suchen weil ihnen die noch näher sind; und so verdunkelt sich ihnen die Wahrheit, das göttliche Licht immer mehr, und alles das was sie so thun das sind die üblen Thaten die aus dem Verderben des Herzens kommen, das sind die üblen Thaten wegen derer der Herr sagt: weichet von mir ich habe euch nicht als meine Diener anerkannt! Darum, wollen wir das Leben in ihm haben, o so laßt uns anerkennen den heilgen Werth den die Kirche immer darauf gelegt hat den Sohn und Vater nicht zu trennen. Mag noch so viel gestritten sein, das Bestreben das dabei zum Grunde lag laßt uns ehren, daß uns die Wohlthaten der Erlösung nicht sollten verloren gehn, laßt uns darin fortfahren, wenn wir nicht wollen in solche Einseitigkeiten verfallen: Verstand und Willen, Erkenntniß und Gefühl u. s. w. zu trennen. Laßt uns daran halten, daß es derselbe Glaube ist an den Geist Gottes in Christo zu glauben und an den Geist der Gemeinschaft in Christo, daß es jener Geist ist von dem der Apostel sagt: „ohne den Geist kann niemand Christum Herrn nennen“: und: „es sind mancherlei Gaben aber es ist Ein Geist, der da wirkt Alles in Allen“. Ja es ist derselbe 38 Geist, der … Allen“] Geist,“ der … Allen 1 Vgl. Joh 10,30 3–4 Mt 7,23 18–20 Vgl. Mt 27,51; Mk 15,38; Hebr 10,19– 20; auch 6,19 22 Vgl. 1Tim 6,16 36–37 Vgl. 1Kor 12,3 37–38 Vgl. 1Kor 12,4–6 38–1 Vgl. Joh 14,16.26; 15,26; 16,7
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Geist den uns der Herr als Tröster sendet in seine Stelle, und der uns Gott anrufen und lieben lehrt als unsern Vater. Bleiben wir bei dieser Einheit, so werden wir in dem Thun die Erkenntniß, in dem Sohn den Vater, in dem Geist die Liebe besitzen, die das Himmelreich ist: Und so laßt uns zusammenhalten den ganzen Schatz den er uns gebracht hat, in dem allein Gott seine Liebe zu uns preiset! –
[Liederblatt vom 5. August 1827:] Am 8ten Sonntage nach Trinitatis 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Komm heiliger Geist etc. [1.] Lob, Preis und Ehre bringen wir, / Herr unser Gott und Vater dir, / Dein Ruhm soll unter uns erschallen, / Laß unser Lob dir gefallen! / Wir wollen deiner Lieb uns freun, / Und ewig, ewig dankbar sein. / Ja lobt den Herrn, ihr meine Brüder, / Fallt vor dem Gott der Liebe nieder, / Und betet an! :,: // [2.] Verlorne Sünder waren wir; / Lob, Preis und Ehre, Christe dir! / Du bist am Kreuz für uns gestorben, / Hast ew’ges Heil uns erworben. / Wer zu dir flieht, fest an dich gläubt, / Und in Versuchung treu dir bleibt, / Der wird, befreit vom Fluch der Sünden, / Erbarmung, Gnad und Leben finden / In Ewigkeit. :,: // [3.] Gelobet seist du Geist des Herrn, / Wir waren einst von Christo fern, / Entfernt vom göttlich wahren Leben, / Mit Finsternissen umgeben. / Du hast durch seines Wortes Macht / Auch uns zum wahren Licht gebracht; / Du lehrst uns leben, hilfst uns sterben, / Und machest uns zu Himmelserben / Durch Christi Tod. :,: // (Jauersch. Ges. B.) Nach dem Gebet. – Mel. Freu dich sehr etc. [1.] Kommt laßt euch von Jesu lehren! / Kommt und lernet allzumal, / Welche nur allein gehören / Zu der rechten Christen Zahl! / Die im Glauben fest bestehn, / Freudig Gottes Wege gehn, / Und den Heiland treu bekennen, / Dürfen sich die Seinen nennen. // [2.] Selig ist wer seine Sünde / Wehmuthsvoll vor Gott bereut, / Und damit er Gnade finde, / Sich vor neuen Sünden scheut. / Dem wird Gott die Schuld verzeihn, / Kraft zur Heil’gung ihm verleihn, / Und er soll schon hier auf Erden, / Mehr noch dort getröstet werden. // [3.] Selig sind die sehnlich streben / Nach Gerechtigkeit und Treu, / Daß an ihrem Thun und Leben / Nie Gewalt noch Unrecht sei! / Deren Herz nur das begehrt, / Was sich auch vor Gott bewährt, / Denen wird Gott ihren Willen / Durch des Geistes Kraft erfüllen. // [4.] Selig wer aus frommen Herzen / Wahre Sanftmuth üben kann, / Hohn und Trotz weiß zu verschmerzen, / Gerne weichet jedermann! / Wer sein eigen Herz bezwingt, / Und das seine treu vollbringt, / Den wird mächtig Gott beschüzen, / Gottes Reich wird er besizen. // [5.] Selig die gefunden werden / Reines Herzens jederzeit, / Die in 1–2 Vgl. Röm 8,15; Gal 4,6
5–6 Vgl. Röm 5,8
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Werk, Wort und Gebehrden / Lieben Zucht und Heiligkeit! / Wem die schnöde Lust der Welt / Nicht im Herzen wohlgefällt, / Wer sie kann mit Ernst vermeiden, / Schaut einst Gott in ewgen Freuden. // [6.] Selig die in Frieden leben, / Ruhe stets und Einigkeit / Zu erhalten sich bestreben, / Feindschaft fliehn und Zorn und Streit! / Wer die Eintracht niemals stört, / Selbst Entzweite Freundschaft lehrt, / Daß sie Friedens sich befleißen, / Wird ein Kind des Höchsten heißen. // Nach der Predigt. Herr du wollest selbst mich leiten / Auf der rechten Lebensbahn, / Daß ich deiner Seligkeiten / Hier und dort mich freuen kann! / Gieb daß stets in Freud und Schmerz / Dir ergeben sei mein Herz, / Daß in deines Geistes Stärke / Ich vollbringe gute Werke. //
Am 12. August 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
9. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Thess 2,13–20 Nachschrift; SAr 66, Bl. 17r–18v; Woltersdorff Keine Keine Teil der vom 17. Juni 1827 bis zum 17. Februar 1828 gehaltenen Homilienreihe zum 1. Thessalonicherbrief
Aus der Predigt am 9. S. nach Tr. 27.
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1 Thess. 2, 13–20. Es sind gar mannigfache und große Betrachtungen wozu uns diese Worte veranlassen können, in welchen der Apostel handelt: 1. von der Verkündigung des göttlichen Worts im Allgemeinen und der Art wie es ihm dabei ergangen. 2. von seinem besonderen persönlichen Verhältniß zu denen mit welchen er hier redet.
I. Das Erste ist hier das Wichtigste daß er nemlich sagt daß sie das Wort seiner Predigt aufgenommen haben als Gotteswort, wie es denn das auch sei: Ja das ist allerdings ein großes Wort, aber wenn wir recht überlegen wie es damit zu gehen pflegt daß Menschenwort aufgenommen wird als Gotteswort so müssen wir darauf, als auf den Hauptpunkt hierin, den größten Werth legen daß er sagt: „er wirket es in euch“ nemlich der Geist Gottes; – derselbe Apostel der sich hier darüber freut daß sie sein Wort aufgenommen haben als Gotteswort, der sagt anderwärts: „was ich auch jezt sage das sage ich euch nicht als vom Herrn“ und unterscheidet also selbst was er als Gotteswort rede und was nicht, sollen wir nun denken daß er in 13 daß] das 15 Schleiermacher bezieht hier, in Übereinstimmung mit den zeitgenössischen Übersetzungen, das griechische Relativpronomen in 1Thess 2,13 nicht auf „das Wort“, sondern auf „Gott“. 17–18 Vgl. 2Kor 11,17; ferner 1Kor 7,12
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jedem besondren Falle das wird unterschieden haben und den Unterschied kund gemacht um die Menschen zu verhindern menschliche Meinung als Gotteswort aufzunehmen? Derselbe Apostel der sich hier freut und Gott dafür dankt daß sie sein Wort nicht als Menschenwort aufgenommen haben, von dem wissen wir, daß, damals als er den Heiden in jener griechischen Stadt das Evangelium verkündete und sie durch seine Rede so ergriffen wurden daß sie ihre Abgötter verließen und ihn vergöttern wollten, da wehrte er ihnen indem er sprach er wäre ein sündiger gleich ihnen und nur Gott gebühre solche Verehrung, und so davon durchdrungen wie schädlich solche Verwechselung sei freut er sich doch hier daß das Wort göttlicher Predigt aufgenommen sei als Gotteswort und ohnerachtet jener Stelle ist er hier gar nicht besorgt das zu unterscheiden. Und wenn wir in dieser Beziehung die ganze Geschichte betrachten, was sollen wir sagen? müssen wir nicht sagen: wie traurig würde es stehn um die Menschen wenn sie nie etwas aufgenommen hätten als Gotteswort was durch Menschen Mund sich verkündet hat, und auf der anderen Seite: wie viel Verkehrtes ist dadurch entstanden daß sie Menschenwort aufgenommen haben als Gotteswort! dieses beides betrachtend, so könnte es geschehen daß man zweifelhaft würde was von beidem besser sei: ja wenn wir uns fragen wie wir unterscheiden können, Menschen und Gotteswort, wenn wir fragen: wie kann der Mensch sich hüten daß er nichts Menschliches vergöttre und Göttliches verwerfe als sei es Menschliches? so müssen wir wol sagen: wer mag erkennen was Gottes ist als nur der Geist Gottes! wie auch der Apostel sagt: „er wirket in euch“: Als Gott den Menschen schuf, so erzählt uns das erste PBlat[t]S unsrer heilgen Urkunde, da hauchte er ihm ein von seinem Odem die lebendige Sele; Was ist das anders als das erste Zeugniß davon daß Göttliches in der Sele des Menschen sei und so ists also gewiß daß das Menschenwort immer müsse Gotteswort mitenthalten, wenn es nemlich wirklich aus der innersten Tiefe der Sele kommt: Das ist auch die Meinung des Apostels; denn er sagt daß Gott von Anbeginn an sich den Menschen offenbart und daß sie ihn, vermöge des ursprünglich göttlichen Funkens ihrer Sele, erkennen können aus seinen Werken. Wie nun aber Alles angesteckt ist vom Verderben, so müssen wir auch sagen daß die Sünde den ursprünglichen Wohnplatz des Göttlichen im Menschen nicht verschont hat, aber daß dennoch das Göttliche nie ganz untergegangen ist: und so muß er können Gotteswort hervorbringen und aufnehmen: So ists auch, aber wie mangelhaft und entstellt! Ja davon zeugt die Geschichte, aber wie sehr vergraben im Verderben es auch oft war von Menschen, doch blieb das Verlangen, die tiefe Sehnsucht nach dem Göttlichen, entsprungen aus dem tiefsten Bewußtsein daß das sein Leben sei: So waren die Menschen; denn 5–9 Vgl. Apg 14,8–18; bei der griechischen Stadt handelt es sich um Lystra. 26 Vgl. Gen 2,7 30–32 Vgl. Röm 1,19–20
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wo irgend Reines hervorzuragen anfing aus dem allgemeinen Verderben, wie bereit waren sie dann es als Gotteswort anzunehmen, und Alle die welche gestrebt haben nach Licht in denen ist auch die Ahnung desselben aufgegangen, aber ihr Unvermögen fühlend verlangten sie um so mehr daß ihnen etwas gebracht würde was sie könnten aufnehmen als Gotteswort. Aber je größer die Sehnsucht desto leichter geschah es daß das Menschenwort wenn es als Gotteswort auftrat, als solches aufgenommen wurde und daraus entstand die Menge von Wahn und Irrthum darin die Menschen befangen waren und wodurch ihr ganzes Leben unsicher und verworren war. | Nun aber sehn wir auf einmal solche Zuversicht hervortreten daß sie sich freuen und Gott danken daß sein Wort aufgenommen wird, und auf der andern Seite, daß es ihnen gegeben ist aufzunehmen, aber aus ihnen selbst war es nicht hervorgegangen, sondern es war die zweite und vollständige Offenbarung Gottes die uns so beschrieben wird: „Nachdem Gott manchmal und auf manche Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten hat er am letzten geredet durch seinen eingebornen Sohn“: Die frühern Offenbarungen das waren all die Völker in denen sich die Liebe zur Wahrheit deutlicher zeigte, nachdem aber geschah die vollkommne Offenbarung Gottes durch seinen Sohn als die Zeit erfüllet war. Und wenn wir fragen was das wol bedeute: „als die Zeit erfüllet war da sandte Gott seinen Sohn“: so sehn wir das Erfülltsein der Zeit das war der höchste Punkt in Beziehung auf das Gefühl des Unvermögens und die Sehnsucht der Menschen und die Erfüllung derselben; denn das war die Zeit als Gott seinen Sohn senden konnte, und um so mehr sie ihn vermöge dieser größten Sehnsucht aufnehmen konnten um so mehr konnte er ihnen den Frieden bringen dessen sie früher nicht fähig waren. Und seitdem wirket er in ihnen; denn wenn die Einen das Wort des Herrn aufnehmen und die Anderen sich darüber freuen und Gott danken so ists wol nur Gott der da wirkt in denen die da glauben; indem die, die es verkünden es nur können aus der Fülle des Glaubens, und die die es aufnehmen es auch nur können indem sie glauben, insofern nemlich der Glaube nichts anderes war als die Aufnahme; Denn was war das was sie das Urtheil fällen ließ zwischen Gottes und Menschenwort, was wars daß sie die Predigt aus dem Glauben aufnahmen als Gotteswort? was andres als der scharfe Unterschied gegen jenes frühere unsichre Wesen daraus der Wahn hervorging, was anderes als die innige unumstößliche Gewißheit, die unzerstörbare Anhänglichkeit an das worin sie einmal den Leitstern gefunden um ihn nicht wieder zu verlieren, die Festigkeit der Ueberzeugung womit sie das nun ihnen von Oben gegebne Licht festhalten, die Unmöglichkeit des Wankens und gänzliche Vertilgung 15–17 Hebr 1,1–2 Jak 1,17
20–22 Vgl. Gal 4,4
39–40 Vgl. im Hintergrund wohl
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aller Zweifel: das ist die Aufnahme des göttlichen Worts, das ist der christliche Glaube; denn was so die Seelen erfüllt das kann nur seinen Ursprung haben in der allumfassenden göttlichen Offenbarung durch den Sohn. Wenn wir nun freilich wissen daß auch seitdem oft Menschenwort aufgenommen ist als Gotteswort ohne es zu sein, wenn manche sich rühmten besondrer Offenbarung göttlichen Worts, und verlangten und fanden Aufnahme ihrer Rede als Gotteswort: da bleibt uns nichts anderes übrig als das Wort des Herrn: „an ihren Früchten wird man sie erkennen“: nemlich was nicht zusammhängt mit dem Wort des Sohnes das kann nicht Gotteswort sein, was auf anderm Grunde gebaut ist als dem dessen Eckstein der Herr ist, das kann nicht hervorragen als Tempel Gottes, es muß sich bald zeigen als los von ihm und also als solches das vergängliche Frucht trägt. Und so führt uns der Apostel in den folgenden Worten auf die entgegen gesetzte Seite indem er den Thessalonichern sagt daß sie seine Nachfolger in Trübsal geworden seien, und spricht nun von denen die diese Trübsal verursachten, von denen welche sogar den Herrn getödtet wie ihre Propheten und, sagt er: „nun auch uns verfolgen, auf daß sich ihre Sünde erfülle“: nemlich wie das Wort, daß die Zeit erfüllet war als Gott seinen Sohn sandte, sich darauf bezieht daß damals die Sehnsucht der Menschen nach dem Göttlichen aufs höchste gestiegen war und daß eben deshalb das Wort Gottes durch Christum sich Bahn machen konnte: so hat der Apostel hier den Gegensatz davon im Sinne, nemlich wie da natürlich die Sünde und der Widerstand gegen das Göttliche auch auf den höchsten Punkt kommen, und sagt in diesem Sinne[:] Wenn die Sünde vollendet ist muß der Zorn Gottes hereinbrechen. Aber hiebei können wir nicht umhin an ein anderes Wort des Apostels in seinem Briefe an die Römer zu denken worin er Rechenschaft ablegt von seiner Gesinnung gegen die die ihn verfolgt – und jenes ist später geschrieben als dieses – auch da sagt er daß er sie umfasse mit herzlicher Liebe und wisse daß sie früher oder später doch würden ergriffen werden vom Heil, und das daß sie das Heil in dem Augenblick verworfen hätten, das sei darum | geschehen weil so um so früher die Fülle der Heiden eingehe in das Reich Gottes, nach der Weisheit des Herrn. – So hat er sich also den Zorn Gottes nicht gedacht als einen der da bleiben sollte, sondern als vereinbar damit daß das ganze Volk endlich doch seelig werde: Und daß er sagt: auf daß sie ihre Sünden erfüllen: das hat er auch nicht so gemeint als ob sie ihres Antheils an dem Heil in Christo dadurch für immer verlustig gingen, sondern wenn er sagt von der Sünde und dem Hereinbrechen des göttlichen Zorns, so hat er dabei nichts im Sinne als die Weisheit Gottes 8 Vgl. Mt 7,16 10–11 Vgl. 1Kor 3,11 in Verbindung mit Eph 2,20 18 Vgl. Gal 4,4 25–32 Vgl. insgesamt Röm 9–11; bes. 10,1 und 9,1–2 (vermutlich in Verbindung mit Röm 12,10); 11,25–26.33
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wodurch der Herr auf verborgne Weise das Heil aller Menschen herbeiführt. Und in der That wenn auch wir nicht anders können als in Zorn, im heilgen Unwillen entbrennen wenn uns etwas, das Werk Gottes hindernde, entgegen tritt, wenn wir nicht anders können als es im Zusammenhang denken mit der ganzen Macht der Sünde; wie es denn auch nicht anders ist o so laßt uns dann auch die andre Seite von dem Gedanken des Apostels zu Herzen nehmen, nemlich den Gedanken an die Liebe und Weisheit Gottes die Alles zum Besten lenkt, die endlich Alles umfaßt: und so werden wir, so gewiß als wir daran glauben daß allen Menschen Heil gegeben ist in Christo und daß er Alle seine Brüder nennt, eben so gewiß daß sein Licht endlich Alle erleuchten, seine Liebe Alle ergreifen wird, auch die, die sich hier nicht wollen loswinden lassen aus den Banden der Sünde, die wird doch dort seine Kraft befreien, damit endlich durch ihn das ganze Geschlecht seelig werde. II. In den folgenden Worten nun berührt der Apostel das besondre Verhältniß zu der Gemeine an welche er in seinem und seiner Gehülfen Namen schreibt, indem er sagt: „Nachdem wir eurer eine Weile beraubt gewesen sind u. s. w.“: Dies nun, so wie die folgenden Worte in denen er die Gemeinde darstellt als seine Hoffnung und Freude in dem Herrn, das ist ein schönes Zeugniß der Liebe zwischen dem Apostel der das Evangelium verkündete und denen welchen er es verkündete, und indem er das ausspricht so sagt er dasselbe von Allen welche durch die Wirkung seiner Predigt gläubig geworden waren; denn er sagt: „seid nicht auch ihr es.“ Nun ist das freilich etwas Menschliches daß er sagt wie er nicht sei dem Herzen nach von ihnen getrennt gewesen so habe er geeilet wieder zu ihnen zu kommen und sei schon zweimal im Begriff gewesen es zu thun, aber Satanas habe ihn verhindert; Denn das, daß er zu ihnen kommen wollte um sie wieder im Glauben zu stärken, das war ein schöner Vorsatz aber eben so der das Wort des Herrn anderswo hinzutragen, damit andre auch gläubig wurden, und wozu ihm eben das Veranlassung gab was ihn verhindert zu den Thessalonichern zu kommen und doch sagt er Satan habe ihn verhindert. Anderwärts nemlich in der Apostel Geschichte wird erzählt Paulus und die Anderen haben erst wollen gen Asia gehen, aber der Geist habe sie verhindert in Asia das Wort zu reden. Nun war doch das eben so ein Trieb seines Herzens da das Wort zu reden, als diese seine Gemeine wieder zu stärken und doch sagt er einmal, der Geist, und das andremal der Satan habe ihn verhindert; wie weiß er denn zu unterscheiden ob eine feindseelige Gewalt ihn hindre, und können wir glauben daß eine 33–35 Vgl. Apg 16,6
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feindselige Macht hindern könne etwas wodurch der Wille Gottes geschieht? würden wir nicht in ähnlichen Fällen sagen: es muß nicht Gottes Wille sein:? aber der Apostel sagt hier: „Satan“: hätte aber eben so gut sagen können: „es ist nicht der Wille Gottes gewesen“; denn unter dem steht Alles, gegen den giebts keinen Widerstand, und nur das kann nicht zu Stande kommen was nicht in seinem Rath geschrieben ist: so sinds also nur die Mittel, welcher er sich bedient um seinen Willen auszuführen, wenn etwas geschieht oder nicht und so[,] müssen wir sagen, war das, daß der Apostel zu der Zeit wo er im Begriff war zu ihnen zu kommen nicht kommen konnte, das Mittel welches Gott brauchte um Andern zu helfen. Und keinesweges will der Apostel dem Satan solche Macht zuschreiben, sondern der ist gebunden mit Ketten der Finsterniß, der Fürst dieser Welt hat keine Macht an denen die glauben, und so sind es nur die Kinder des Unglaubens gewesen, die indem sie den Apostel fest hielten oder verfolgten ihn hinderten zu der Gemeine in Thessalonich zu kommen, und so sinds immer | nur natürliche Hindernisse, wodurch dann aber grade das herbeigeführt wird was Gott will. Aber wie oft wir nun auch sehn mögen daß es die Kinder des Unglaubens sind welche zu einer Zeit verhindern was geschehen könnte im Reich des Herrn, nie laßt uns das aus den Augen verlieren daß es der göttliche Rathschluß sei, daß es jezt nicht geschehe, laßt uns uns hüten daß wir nicht etwa in einer widrigen Stimmung denken, daß das ein Sieg sei von den Kindern des Unglaubens, sondern laßt uns daran festhalten: es ist eine Ausführung des göttlichen Rathschlusses nach welchem zu andrer Zeit gelingen soll wovon wir dachten es sei jezt an der Zeit. Aber was auch gelingt oder was nicht, das muß immer das Verhältniß derer gegen einander sein deren Erbtheil und Besitz der Glaube ist durch den sie hindurchgedrungen sind zum Leben, welches Verhältniß der Apostel hier so bezeichnet: „Wer ist unsre Hoffnung und Freude, als auch ihr“: Und wie es ein nie ganz gleiches Geschäft ist das Evangelium zu verkündigen und es anzunehmen als Gotteswort und es in sich wirken zu lassen: so sollen immer alle Christen das von einander sagen können, und das soll fest stehn in ihrer Gesinnung gegen einander daß Einer des Andern Hoffnung und Freude in dem Herrn sei. Das ist der Grund worauf die Gemeine des Herrn sich immer mehr bauen wird, was auch die noch Widerstrebenden verhindern mögen, PdennS das können sie nicht verhindern daß die aus dem Glauben kommende Predigt angenommen wird als Gotteswort und daß es keinen andern Ruhm gebe als in treuem Gehorsam gegen den Willen Gottes. Und indem wir uns lieben mit der Liebe womit er uns geliebt hat werden wir emporwachsen zu seinem unvergänglichen Tempel in welchem aller Gottesdienst darin besteht sein Wort zu fassen im Glauben und wiederzugeben in der Liebe: Das 11–12 Vgl. 2Petr 2,4 12 Vgl. Joh 12,31; 14,30; 16,11 13 Vgl. Eph 2,2 27 Vgl. Joh 5,24 37–38 Vgl. Joh 15,12 in Verbindung mit Eph 2,4
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ist das Werk der heilgen Zeugen der Wahrheit gewesen, das ist das noch fortgehende Werk unter uns, worin wir einander unsre Freude und Hoffnung und Krone des Ruhms sein sollen. Aber wenn wir unsre Hoffnung und unser Ruhm sind: so sei es nie anders als durch Christum in dem allein unsre Zukunft ist, von dem allein unsre Freude ausgeht wie er allein unsre Freude ist und bleibt. Ihm sei allein Ehre und Preis jezt und in Ewigkeit!
3 Vgl. 1Petr 5,4
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Am 19. August 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
10. Sonntag nach Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Lk 19,41–42 (Anlehnung an die Sonntagsperikope) Nachschrift; SAr 66, Bl. 19r–20v; Woltersdorff Keine Keine Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Aus der Predigt am 10. S. nach Trinit. 27. Luc. 19, 41. 42.
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Der Geist den der Erlöser den Seinen hinterlassen hat – einen andern Tröster an seiner Stelle – sollte auch eben deshalb eben so die Selen der Menschen aufrichten und erheben wie er derselbe gewesen war welcher Ruhe darbot allen Bekümmerten und Bedrückten. Der Geist der in uns rufen soll: lieber Vater: der soll auch das Gemüth mit der Freude an dem, der unser Vater durch Christum ist, erfüllen, und eben wie wir in ihm Alle Brüder sind, so soll er, wie er ein Geist der Freude ist, auch ein Geist der Liebe sein: So hat er sich auch von Anfang an bewährt. Und wenn die Jünger von den Feinden des Evangelii verfolgt wurden, wenn die Weissagung des Herrn in Erfüllung ging daß es den Dienern nicht besser ergehn werde als dem Meister so war es dieser Geist in dem sie sagten: „in dem Allem überwinden wir weit“: so war es dieser Geist der ihnen bis zum letzten Augenblick inne wohnte und sie das Zeugniß der Wahrheit auch im Tode noch ablegen ließ. Wenn aber der Geist des Herrn ihn uns immerdar verklären soll, und sein Ebenbild in uns hervorrufen und gestalten soll in jeder unsrer Empfindungen so fragen wir: wie ists damit in Beziehung auf das eben Gelesene? Hier nemlich sehn wir ihn selbst weinen, und wenn wir nun fragen: diese schmerzliche Empfindung über die welche nicht bedachten was zu ihrem Frieden diente, wie sollen wir die theilen mit ihm? so müssen wir sagen: wie es in dem Erlöser war, so soll es in uns sein, diese Empfindung soll auch in uns sein aber nicht so daß der Geist dabei aufhörte in uns ein Geist der Freude zu sein und der Liebe: So laßt uns denn hier wir überall den Erlöser 3–4 Vgl. Joh 14,16.26; 15,26; 16,7.13–15 5–6 Vgl. Mt 11,28–29 6–7 Vgl. Röm 8,15; Gal 4,6 8 Vgl. Mt 23,8 12–13 Vgl. Joh 15,20 in Verbindung mit Mt 10,24–25 13–14 Vgl. Röm 8,37 16–17 Vgl. Joh 16,14 in Verbindung mit 2Kor 3,18
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uns vorhalten als unser Vorbild in Beziehung auf die schmerzliche Empfindung über die, die noch nicht bedenken was zu ihrem Frieden dient, und laßt uns lernen aus seinem Beispiel wie das ein Schmerz ist der weder die Freude stört noch auch die Liebe zu Allen welche der Erlöser uns gegeben hat vermindert. Das seien die beiden Gegenstände unsrer Betrachtung:
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I. Was das Erste betrift, nemlich wie wir den Erlöser hier weinen sehn über die Stadt – wir denken aber hiebei an Alles was wir von derselben Zeit lesen aus seiner Lebensgeschichte: so werden wir nicht zweifeln daß dabei die Freude und Freudigkeit seines Herzens die immer ihn erfüllte auch diesen Augenblick nicht wich. – Der Erlöser war uns gleich, außer der Sünde und das gehört freilich zu den Unvollkommenheiten der menschlichen Natur die kein Mensch überwinden kann, daß nicht Alles was in ihm ruht sich zugleich offenbart, daß Alles was sein Wesen ausmacht nicht in jedem Augenblick in sein Bewußtsein tritt, daß nicht das was immerdar das Grundgefühl in ihm ist sich äußert, sondern bald tritt es in die Tiefe zurück bald umgekehrt. Aber je mehr der Mensch die rechte Sicherheit gefunden hat desto mehr ists so in ihm daß Alles sich verträgt und zugleich da sein kann, so fern es die natürliche Beschränkung erlaubt; Denken wir uns den Erlöser wie er kurz darauf gefangen genommen und vor den Hohenpriestern gestellt auf die Frage ob er Christus sei, antwortete: „Du sagests, ja ich bin Gottes Sohn und von nun an werdet ihr mich sitzen sehn zur Rechten der Kraft in der Höhe“: so müssen wir sagen, das war der volle Ausdruck der großen und unerschütterlichen Freudigkeit des Gemüths, und die war dieselbe in ihm auch in dem Augenblick wo er weinte über die Stadt; Daß sein Reich nicht gestört werden könne sondern sich immer mehr verherrlichen werde, das wußte er indem er weinte mit eben so froher Gewißheit wie damals, und wie hat er nicht immer und unter allen Umständen, von der Voraussetzung ausgehend, daß das Werk Gottes das er begann fortgehen müsse, zu seinen Jüngern geredet und darauf Alles bezogen was er von der Zukunft zu ihnen sagte: So also störte nichts seine Freude. Nun hatte er keine andre Freude als daß der Wille des Vaters erfüllt werde durch ihn, und diese Freude lag also auch in diesem Augenblick seinem innersten Bewußtsein zum Grunde; er weinte über die die nicht bedachten was zu ihrem Heil diente, aber seine Sele war voll des herrlichen Bewußtseins daß sein Reich gegründet war, der Friede der menschlichen Natur mit Gott gestiftet war in ihm, und diese Freude war unvermindert in ihm während des Schmerzes. | So kann und soll es auch mit uns sein; Wie könnten wir uns wol denken daß wir in Gemeinschaft mit dem Herrn, oder nach dem Bei11 Vgl. Hebr 4,15 20–21 Vgl. Mt 26,63; Mk 14,61; Lk 22,67 Mt 26,64 in Verbindung mit Mk 14,62 31–32 Vgl. Joh 4,34; 6,38
21–23 Vgl.
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spiel welches er uns gegeben, lebten, wenn wir uns nicht betrübten wenn wir solche sehn die noch nicht bedenken was zu ihrem Frieden dient und wie könnten wir sie lieben, wie er. Wir leben zwar ganz unter solchen die den Namen des Herrn bekennen also zu seinem Reich gehören, wir sind nicht an die Grenzen der Christenheit gestellt, aber nur allzuoft drängt sich uns die Erfahrung auf – mag sie auch bisweilen richtger sein oder oft sich uns vergrößern durch Einbildung – doch oft drängt sich uns die Bemerkung auf daß viele unter den Christen leben welche doch eigentlich nicht durch ihn dessen Namen sie führen zum Frieden gelangen und nicht das durch ihn haben was er den Menschen sein will und soll, und wie sollte das uns nicht betrüben! Dieser Schmerz aber darf die Freude an dem Herrn und an dem großen Werke welches seinen Gang ununterbrochen fortgeht nicht trüben oder verringern, auch kann er in uns nicht so groß sein wie in ihm; denn nicht immer sind solche Zeiten der Heimsuchung wie der Herr sie hier im Auge hat indem er die Stadt ansah wo es für eine Menge Menschen darauf ankam daß die Stunde der Heimsuchung nicht versäumt werde, vielmehr, obgleich es schade ist um jeden Tag den die Menschen zubringen außer seiner Gemeinschaft und ohne das was wir nur durch den Sohn Gottes haben, so sind jezt die Tage der göttlichen Langmuth; denn der Geist Gottes ist einmal für immer ausgegossen über die Gemeinde, und der Leuchter des göttlichen Worts, wo er einmal aufgerichtet ist, wird er nicht wieder von den Menschen genommen, und immer können wir den Versuch wiederholen sie immer mehr dem zu befreunden in dem sie den Frieden für ihre Sele finden können. – Und wenn wir zurücksehn in die Vergangenheit und dadurch uns geschickt machen die Gegenwart unbefangen zu betrachten, was sollen wir sagen? sehn wirs nicht klar vor Augen, daß wenn auch noch so sehr verschiedene Meinungen gewesen sind wenn es darauf ankam zu beantworten was er sei, wenn er auch oft vielen ein Ärgerniß oder eine Thorheit gewesen ist: müssen wir nicht dennoch froh bekennen, daß grade dieser Widrigkeit der Gemüther, diesem Zweifel und Zwiespalt, die christliche Wahrheit ihre genauere Bestimmtheit, ihre richtigere Anerkennung verdankt! Denn was können wir anderes sagen als daß unter dem Streite die Wahrheit desto heller hervor geleuchtet hat, daß die Christen immer tiefer in die Erkenntniß hinein gedrungen sind, und das Evangelium immer heller und siegender ist hervorgegangen aus jedem Streite. Und wenn die Zerstörung, welche der Herr vorher sah, ihren Grund hatte darin daß sie nicht wollten scheiden was weltlich und geistlich ist, was Gott und was dem Kaiser zukam, o wie oft hat sich das wiederholt, indem die Men14–15 Vgl. Lk 19,43–44 19 Vgl. vermutlich 1Petr 3,20 20–21 Vgl. Ps 119,105 27–28 Vgl. Mt 16,15; Mk 8,27; Lk 9,20 28–29 Vgl. 1Kor 1,23 36 Vgl. Lk 19,43–44; auch 21,6; Mt 24,1–2; Mk 13,1–2 37–38 Vgl. Mt 22,21; Mk 12,17; Lk 20,25
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schen im Namen des Erlösers Anspruch machten an das was des Kaisers war und dagegen die weltliche Obrigkeit oder die die Gewalt hatten über die Völker, ihre Hand ausstreckten nach dem was Gottes ist als ob es ihnen gebühre: aber was sollen wir sagen als, durch jede solche Verwirrung ist nach der Absicht des Erlösers das Bestreben beides zu trennen lebendger geworden in der Gemeinde des Herrn, ist das Gefühl derer, welche das Rechte suchen, schärfer geworden, um es zu unterscheiden von Mißbräuchen, ist der reinste Gehorsam gegen Gott und der daraus hervorgehende treue Gehorsam um des Gewissens willen gegen die Obrigkeit die Gott eingesetzt hat, bestimmt worden, und so oft der Erlöser ist beschuldigt worden ein Zeitliches gesucht zu haben um desto mehr hat sich die Gemeine von diesem Verdacht gereinigt und sich dargestellt als nicht von dieser Welt. Mit dieser Erfahrung ausgerüstet, in der Gegenwart nichts sehend als was sich oft schon wiederholt hat, wie kann da der Schmerz über die welche noch nicht bedenken was zu ihrem Frieden dient unsre Freude an dem Werke des Herrn und unsre Freudigkeit im Beruf stören! Wenn die ganze Geschichte Zeugniß giebt dem Herrn wie recht er hat indem er sagt: „von nun an werdet ihr sitzen sehn des Menschen Sohn zur Rechten der Kraft in der Höhe“: wie sollten wir nicht dem froh beistimmen! Und auch das laßt uns bedenken, damit unser Schmerz nicht einen Ton annehme der nicht in der Wahrheit begründet ist, daß die die jezt nicht bedenken was zu ihrem Frieden dient, daß die doch nicht solche sind wie jene, welche nach der bekennenden Antwort des Herrn daß er Gottes Sohn sei, sprachen: „Nun haben wir ja die Gotteslästrung gehört, was brauchen wir weiter Zeugniß“: Aber wenn es unter denen die äußerlich in der Gemeinde des Herrn leben solche giebt die nicht mit derselben Gewißheit die Herrlichkeit des Vaters in ihm erblicken so sind die zu vergleichen denen wovon die Jünger des Herrn sagten: „Einige sagen, du seiest Johannes, andre du seist ein Prophet“: Und wenn sie auch | nur das sagen so haben sie ja doch eine Ahnung davon daß sie Worte Gottes von ihm hören, daß das Zeugniß der Wahrheit aus seinem Munde gehe, so gestehen sie ja doch gern daß so keiner gelehrt habe als er: wie sollten wir also die freudge Hoffnung aufgeben daß der Geist der christlichen Gemeinschaft wird im Stande sein sie immer weiter zu fördern in der Erkenntniß und Liebe, und endlich sie dahin zu bringen 24 Gottes Sohn] Gottessohn 25 Zeugniß“:] folgt ein Strich bis zum Zeilenende, der vermutlich andeuten soll, dass das Folgende unmittelbar anzuschließen ist 8–10 Vgl. Röm 13,1 in Verbindung mit 5 12–13 Vgl. Joh 18,36 18–20 Vgl. Mt 26,64; Mk 14,62 23–24 Vgl. Mt 26,63–64; Mk 14,61–62; Lk 22,70 24– 25 Vgl. Mt 26,65; ferner Mk 14,64.63; Lk 22,71 27–28 Vgl. Joh 1,14 29 Vgl. Mt 16,14; Mk 8,28; Lk 9,19 31–32 Vgl. Lk 4,22 in Verbindung mit Joh 5,31–32 32–33 Vgl. Joh 7,46
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daß ihnen wie uns erscheine die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes Gottes! Nein gewiß, wie tief uns auch der Schmerz ergreife, er darf die Freude im Gemüth des Christen nie stören, er vereint sich mit der Festigkeit des Glaubens, mit der Standhaftigkeit des Bekenntnisses, mit der Liebe zu denen die noch nicht ganz in die Wahrheit hineingedrungen sind. Und so laßt uns sehn wie dieser Schmerz in dem Erlöser die Liebe nicht störte. II. Es sieht freilich so aus als wolle der Erlöser in den Worten gleichsam einen Abschied machen mit der Stadt in welcher er so oft gelehrt und ermahnt hatte; denn er verkündet ihnen in diesen Worten daß das, daß sie ihm nicht folgen wollten, das Unglück herbeiführe daß von ihrer ganzen gottesdienstlichen Verfassung kein Stein auf dem anderen bleibe, aber das redete er doch als er erst nah war bei der Stadt, und er ging hinein, und suchte den Tempel zu reinigen, unmittelbar darauf als er geweint hatte, und täglich ging er des Morgens hinauf um zu lehren Alle die sich da versammelten, und er hat nicht aufgehört mit den Worten der Warnung selbst als er schon sein Kreuz trug. Aber wie er öffentlich nicht aufhörte das Volk zu lehren auf daß es noch bedächte was zu seinem Frieden diente: so wird uns auch erzählt daß er oft in der Stille und Einsamkeit das Herz zum Vater gewendet im Gebet, und wenn wir nur die letzten Worte die er so ausgesprochen hat, bedenken nemlich das vor seiner Gefangennehmung: „Vater ists möglich so gehe dieser Kelch vorüber“: und das am Kreuz: „Vater vergieb ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun“: wie sollen wir da nicht von denen die noch nicht bedacht hatten was zu ihrem Frieden dient, sagen, daß er nie aufgehört habe sie im Gebete seinem himmlischen Vater zu empfehlen: So war freilich seine Sele vom Schmerz ergriffen aber das brachte in ihm, in dem das Ebenbild des Vaters sich spiegelte, keine Veränderung in der Liebe zu denen die noch nicht bedachten was zu ihrem Frieden diente, also denselben verursachten hervor: und so soll es auch bei uns sein. Freilich sind wir geneigt, wenn wir sehn daß die Menschen nicht bedenken was zu ihrem Frieden dient, Unglück zu verkünden, aber wenn wir uns selbst prüfen, so müssen wir wol sagen: wie oft ists nicht geschehen daß in die Verkündung des Unglücks sich Bitteres eingemischt hat, und indem wir dachten uns nur an der Gerechtigkeit Gottes zu freuen, unser Herz erkaltete und die Liebe sich verringerte ohne welche doch die Gerechtigkeit und die Freude daran nicht statt finden kann. So war es nicht mit dem Erlöser er trauerte über 28 noch] noch noch 1–2 Vgl. Joh 1,14 10–12 Vgl. Lk 19,44 13–14 Vgl. Lk 19,45–46; auch Mt 21,12–13; Mk 11,15–17; ferner Joh 2,13–16 14–15 Vgl. Lk 19,47 16– 17 Vgl. Lk 23,26–31 21–22 Vgl. Mt 26,39; ferner Mk 14,36; Lk 22,42 22– 23 Lk 23,34 26–27 Vgl. 2Kor 4,4; Kol 1,15; Hebr 1,3
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ihre Trübsal, aber keine Bitterkeit war darin, sondern die reine unverminderte Liebe die eben bis zum letzten Augenblick ihn nicht aufhören lies sie zu bitten sie mögten auch bedenken was zu ihrem Frieden diente: und so auch wir, wenn wir weinen über die Verblendung der Menschen, sollen immerfort sie bitten und ermahnen sie mögen sich lassen versöhnen mit Gott, wie auch die Apostel mit dieser Ermahnung nie aufhörten. Und wie nur darauf unser Wunsch gerichtet ist, um desto mehr sollen wir es der göttlichen Weisheit anheim gestellt sein lassen ob die Sünde selbst die größeste aller Sünden nemlich das Verleugnen Christi auch äußerlich wird sein oder nicht sein das Verderben der Menschen. Wie sollten wir auch die Liebe vermindert sein lassen gegen die Menschen wenn wir doch das Beispiel vor Augen haben dessen der das Licht der Welt war und aus Liebe zu den Menschen immer sagte wie hier: es ist vor ihren Augen verborgen: Ja, als Verdunklung des Gemüths sollen wir es nehmen daß sie nicht bedenken was zu ihrem Frieden dient, und darum nichts wissen und nichts zu sein streben als das Licht um die Dunkelheit zu erleuchten, wol wissend daß das Licht auch das Leben sei. Darum, ohne uns aufzuhalten mit Vorherprophezeihung dessen was aus der Sünde hervorgehn werde, laßt uns bedenken daß wenn der Herr seinen Stuhl aufgerichtet zum Gericht, wir auch werden nachweisen müssen wie wir die Zeit benutzt haben um ihnen die Seligkeit der Gemeinschaft Christi anschaulich zu machen und sie dahin zu bringen daß sie bedenken was zu ihrem Frieden dient. Ja auch über den Unglauben der Welt giebt es keinen andern gottwohlgefälligen und reinen Schmerz als den der der Ausdruck der | Liebe ist, und der sich von selbst ergiebt aus der Quelle aus der alle unsre Empfindungen kommen indem wir Christen sind. Darum, auch hier gilt das Wort des Herrn: „daran wird man erkennen daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe habt“: Und keinen Schmerz über den Unglauben der Welt der Mangel an Liebe Erkaltung und Erbittrung in sich schließt kann er sich gefallen lassen als Nachbildung der Thränen die er weinte über sein Volk. Ja in dieser Zeit des Reichs Gottes wo immer noch Licht und Finsterniß streiten, wo immer noch Schein und Wahrheit in denselben Grenzen eingeschlossen sind, wo wir noch immer Veranlassung haben zum Schmerz darüber daß nicht Alle die seinen Namen bekennen zu dem Frieden durch ihn gelangen, in dieser Zeit muß der Geist des Herrn sich auf gleiche Weise als Geist der Freude und der Liebe bewähren; beides gehört zusammen, in beidem zusammen ist das selge innre Leben des Christen! Wie sollten wir sagen daß wir aus dem Tode durch den Glauben zum ewigen Leben hindurchgedrungen wären wenn noch die Thorheit der Welt 17 das Leben] das das Leben 5–6 Vgl. 2Kor 5,20 12 Vgl. Joh 8,12 Joh 13,35 37–38 Vgl. Joh 5,24
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im Stande wäre in uns die Liebe zu verringern! wie könnten wir treue Nachfolger des Herrn sein wenn noch so etwas in uns wäre wie in jenen Tagen in den Jüngern des Herrn als sie erst anfingen es zu sein und er sie zuerst aussandte ihn zu verkünden wo sie denn über die die ihn nicht aufnehmen wollten Feuer vom Himmel herab wünschten! Ja wenn wir es auch dahin gebracht haben daß wir keine andre Feinde haben als seine: so muß eben in Beziehung auf sie das unser innerstes Gefühl sein was sich bei ihm so äußerte: „Vater vergieb ihnen; denn sie wissen nicht was sie thun“: – Und nur wenn so die Kraft der Liebe in uns ungeschwächt, wenn Alles so auf uns wirkt daß es die Freudigkeit zu stören nicht im Stande ist, dann nur ist der Schmerz über die die nicht bedenken was zu ihrem Frieden dient, der Schmerz über den Unglauben der Menschen, ein dem seinen gleicher und ein Gott wohlgefälliger. So laßt uns denn darauf vertrauen daß der Herr als Haupt seiner Gemeinde allen Widerstreit nur dazu benutzen wird seinen heilgen Willen immer deutlicher darzustellen: in diesem Vertrauen laßt uns als Diener der Wahrheit beharren und nicht versäumen immer aufs neue die Wahrheit zu suchen, wie wir es ja fühlen daß wenn sie schon klar genug für Alle wäre, sie auch Alle Augen erleuchten müßte. Darum laßt uns nie aufhören zu forschen in der Schrift, und allen Streit mit denen, welchen es darauf ankommt das als Wahrheit geltend zu machen was ihnen Wahrheit ist, dahin führen, in Liebe die Wahrheit zu suchen, immer tiefer einzudringen in das Licht des göttlichen Worts und damit allein alles zu besiegen: So wird sich unser Schmerz verringern, so wird der Geist der Freude und Liebe uns verklären in die Aehnlichkeit mit ihm, und so wird nichts uns hindern in jedem Augenblick sein Reich zu fördern und uns zu seinem Dienst hinzugeben und nicht die Welt zu richten sondern die Welt selig zu machen!
[Liederblatt vom 19. August 1827:] Am 10ten Sonntage nach Trinitatis 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Freu dich sehr etc. [1.] Brüder betet an im Staube / Unsern Gott den ewigen, / Ihn preist unser Christenglaube / Als den Unaussprechlichen. / Ihn der sein wird, war und ist, / Den kein Forscher je ermißt, / Den selbst Engel nicht erkennen, / Dürfen 3–5 Vgl. Lk 9,52–54 8 Lk 23,34 14–15 Vgl. Eph 1,22; Kol 1,18; ferner Eph 4,15 22 Schleiermacher bezieht sich auf das ληϑεειν ν γπῃ aus Eph 4,15 in der reformierten Übersetzungstradition. 24–25 Vgl. 2Kor 3,18 27 Vgl. Joh 3,17
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wir doch Vater nennen. // [2.] Christum preist, den sein Erbarmen, / Den der Liebe Fülle dräng; / Ihn, der Retter ward uns Armen, / Bringt ihr Christen frommen Dank. / Auf des ewgen Lebens Bahn / Ging als Führer er voran, / Und hat gern für uns sein Leben / In den Tod dahin gegeben. // [3.] Preiset ihn, der uns belebet, / Der uns mahnt und unterweist, / Aus uns betet, in uns strebet, / Preist den heilgen Gottes Geist! / Er ists, der das Gute schafft; / Er die Fülle unsrer Kraft, / Helf’ uns allen fromm zu wandeln / Und als Christen stets zu handeln. // (Jauersch. Ges. B.) Nach dem Gebet. – Mel. Wie schön leucht’t etc. [1.] O Jesu, Jesu, Gottes Sohn, / Ich nah mich dir vor Gottes Thron / Aus dankerfülltem Triebe. / Vor dir ist alles sonnenklar, / Mein Herz ist vor dir offenbar, / Du weißt daß ich dich liebe. / Herzlich such ich dir vor allen / Zu gefallen; / Nichts auf Erden / Kann und soll mir theurer werden. // [2.] Dies eine nur bekümmert mich, / Daß ich mit solcher Inbrunst dich / Nicht liebe wie ich wollte. / Ich selbst empfind es nur zu sehr, / Daß ich dich mit der That noch mehr / Mein Heiland lieben sollte. / Hilf mir Jesu! aus Erbarmen / Gieb mir Armen / Stärkre Triebe, / Mehr Empfindung deiner Liebe. // [3.] Stehst du mit deiner Kraft mir bei, / So werd ich stets mit fester Treu / An dir allein nur hangen. / Nichts was sonst Menschen wohlgefällt, / Nicht Lust der Sinne, Ehr und Geld, / Befriedigt mein Verlangen. / Von dir strömt mir ewger Segen, / Herr, entgegen, / Ruh und Leben / Wird mir nur bei dir gegeben. // [4.] Und der dich liebt, den liebst auch du, / Schaffst ihm für seine Seele Ruh, / Und Trost für sein Gewissen. / Ob ihn der Sünde Noth noch drückt, / So wird er doch durch dich erquickt / In seinen Kümmernissen. / Endlich wird sich nach dem Leide / Volle Freude / Für ihn finden, / Alle Trauer wird verschwinden. // [5.] Drum laß ich billig dies allein, / O Jesu, meine Freude sein, / Daß ich dich herzlich liebe, / Und mich in dem, was dir gefällt, / Je mehr und mehr in dieser Welt / Nach deinem Willen übe. / Bis du Jesu jenes Leben / Mir wirst geben, / Wo die Frommen / Aller Trübsal sind entnommen. // Nach der Predigt. – Mel. O daß ich tausend etc. Du lehrst uns in der Andacht Stunden, / Und immer gilt, o Herr, dein Wort; / Es sei nicht hier allein empfunden, / Es bleib uns werth an jedem Ort. / Dein Geist beseele was wir thun, / Dein Geist erfüll’ uns, wenn wir ruhn. //
Am 10. Oktober 1827 mittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Mittwoch, Uhrzeit unbekannt Haus, Leipziger Platz 11, Berlin Keiner Autograph Schleiermachers; Tageskalender 1827/1828, SN 447 Keine Keine Traupredigt für Wilhelm von Rumohr und Therese Henriette von Goßler Tageskalender: „Mittag die Goßlersche Trauung“
TrauRede:
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Gott ist Macht und Liebe, so auch Christus in hingebender Liebe König. Unsere Aehnlichkeit mit Gott fängt mit Liebe an; die Liebe wird aber nur Macht durch den Glauben an die Liebe als Reich Gottes, als Uebereinstimung mit seinem Willen. – Der Ehestand ist eine große Macht, bei der Theilung der Geschlechter ist er der erste Anfang der göttlichen Heilsordnung. Der Einzelne das Gleichgewicht, das brüderliche Gefühl stellt sich darin her, weil Leiden und Freuden aus den natürlichen Verhältnissen für Alle dieselben sind. Gute Sitte muß darin gedeihen welche dem Verderben steuern kann. Die christliche Kirche PsiehtS darauf. Alle diese Hofnungen gehen um so mehr in Erfüllung je stärker Glaube und Liebe werden und um desto mehr Friede und Freude. – So gehen auch sie hin, und wenn das Leben immer 1 TrauRede] korr. aus Trauung
9 Verhältnissen] Vhltnssn.
13 immer] imer
0 Therese Henriette von Goßler (1805–1853), Tochter von Conrad Christian von Goßler (1769–1846), der nach Tätigkeiten als Regierungsrat in Magdeburg und Kassel seit 1815 Geheimer Ober-Justizrat im preußischen Justizministerium war (im Adelsstand seit 1813). Die Mutter der Braut, Anna Charlotte Goßler geb. Cuny (1780–1810), war im Kindbett nach der Geburt des sechsten Kindes verstorben, und der Vater heiratete 1813 Henriette Charlotte von Rumohr (1786–1845); deren jüngster Bruder, Cai Wilhelm Georg von Rumohr (1797–1879), ist der Bräutigam. Er war Gutsherr auf Oestergaard und Groß-Steinrade (Schleswig-Holstein), später Landrat und Amtmann, u. a. in Flensburg. Aus der Ehe ging ein Sohn hervor (Wilhelm von Rumohr, 1835–1880). 2 Vgl. 1Joh 4,8.16 5–7 Wohl Anspielung auf Gen 1,27–28; 2,18–25; 3,16 10 Vgl. Jes 10,23 11–13 Vgl. 1Kor 13,13; Gal 5,22
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reicher und gesegneter wird, wenn sie nahe und ferne Freude verbreiten so verkünden sie daß alles von oben kommt, und alles Gute PnothwendigS trage die Ueberschrift Christi damit das Haus Theil der Gemeine sei.
1–2 verbreiten] vbreiten 2 Vgl. Jak 1,17
2–3 PnothwendigS] Pnothwend.S
3–4 Gemeine] Gem.
3 Vgl. Mt 22,19–21; Mk 12,15–17; Lk 20,23–25
Am 13. Oktober 1827 mittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Samstag vor dem 18. Sonntag nach Trinitatis, 13 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Lk 14,23–24 Autograph Schleiermachers; Tageskalender 1827/1828, SN 447 Keine Keine Predigt zur Vorbereitung auf das Abendmahl
Vorbereitung Luc. 14, 23. 24.
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Anwendbarkeit 1. Auch viel falsche Beschuldigung wodurch wir uns selbst ausschließen. Wir sollten mehr auf die Kraft des Wortes und der Versamlung PtrauenS und das Zerstreuende weniger hoch PnehmenS. 2. Aus allen Ungleichheiten bunt zusamen gesezt; je mehr desto mehr ist es seine Freude. 3. Daß sein Haus voll werde. Dazu sollen wir Alle auch beitragen. Indem wir seinen Tod verkündigen sind wir auch einladende Knechte.
1 Vorbereitung] Vbrtg menS oder PrechnenS 10 Vgl. 1Kor 11,26
5 Versamlung] Vsamlg
5 PtrauenS oder PbauenS
6 Pneh-
Am 14. Oktober 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
18. Sonntag nach Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Mt 22,35–40 (Abschluss des Textes vermutet) (Anlehnung an die Sonntagsperikope) Nachschrift; SAr 66, Bl. 21r–22v; Woltersdorff Keine Keine Tageskalender: „Hauptpredigt über Mtth. 22, Versangabe) Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
“ (keine
Aus der Predigt am 18. S. nach Tr. 27. Matth. 22, 35[–40].
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Wir mögen uns wol billig wundern, wenn uns gesagt wird: es hat Einer unsern Herrn und Erlöser versucht: der welcher die Wahrheit selbst war, der welcher den Menschen keine andren Worte sagen konnte als solche die der Vater ihm mitgetheilt hatte, der wird versucht ob er auch das Rechte treffen und finden werde zum Heil der Menschen! Dabei erinnern wir uns der Worte des Predigers der Weisheit im alten Bunde: „Die Weisheit muß sich rechtfertgen lassen von ihren Kindern“: Denn gerechtfertigt wurde der Herr auch indem der Schriftgelehrte sagte: „Meister“: Wenn wir nun bedenken wie der Erlöser selbst die Quelle aller Weisheit ist, wie Alle erst durch ihn aus der Finsterniß zum rechten Lichte gelangen können, so müssen wir doch sagen: es giebt auch im natürlichen Menschen etwas das ihm Recht giebt, oder vielmehr ihn rechtfertigt: und so stand denn dieser Schriftgelehrte in demselben Verhältniß zu ihm wie alle andre Menschen; denn alle Menschen würden gethan haben wie er hier indem er 8 Predigers] Pred.
9 von] an über )von*
2 Die Abgrenzung des Predigttextes nach hinten ist unsicher: Woltersdorff nennt, wie häufig, nur den ersten Vers; der letzte eindeutige Bezug in der Predigt verweist auf Vers 39. Die hier vermutungsweise vorgenommene Abgrenzung Mt 22,35–40 orientiert sich an einer üblichen Perikopenabgrenzung und hat eine Entsprechung in Schleiermachers Predigt vom 30. August 1795 (vgl. KGA III/3, S. 317–325). 4 Vgl. Joh 14,6 5–6 Vgl. Joh 8,38; 17,8 7–9 Vgl. Mt 11,19; Lk 7,35; auf welche alttestamentliche Stelle (insbesondere aus PredSal oder Spr) sich Schleiermacher bezieht, ist unklar.
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sagt: Meister! [ ] Wenn aber der Erlöser sagt: „das ist das vornehmste und größeste Gebot im Gesetz, Du sollst Gott deinen Herrn lieben von ganzem Herzen, von ganzer Sele und mit allen Kräften“: so müssen wir doch denken daß da er sagt: im Gesetz: daß aus der Fülle der Gottheit in ihm Größeres müsse hervorgehen als was schon im Gesetz enthalten sei, und doch müssen wir uns wieder sagen: nichts Größeres und Höheres giebt es für uns die wir ihm sollen gleich werden, kein größeres Bestreben, kein höheres Ziel als Gott zu lieben aus allen Kräften, von ganzem Gemüth. So geben uns denn die Umstände unter welchen der Herr diese Worte gesagt hat, Veranlassung von der Liebe zu Gott zu reden auf zwiefache Weise, nemlich wenn wir betrachten 1. Wie die Liebe zu Gott das Größte und Höchste für den Menschen ist. 2. Wie sie in der Gestalt wie wir sie vom Erlöser und durch ihn erhalten, das ist, worin sich am meisten die Vortrefflichkeit des Christenseins vor allen andern Zuständen offenbart. I. Was der Erlöser hier sagt auf die Frage des Schriftgelehrten, das ist etwas ganz Allgemeines und jeder der es gehört hätte, hätte auch eben so dem Herrn recht gegeben wie der Schriftgelehrte und jeder hätte so wie er sagen müssen es gebe kein Größeres und könne kein größeres Gebot gestellt werden, denn das können wir ihnen nicht ableuchnen, daß sie das erkannten. Dasselbe werden wir den Menschen im allgemeinen zugestehn müssen wenn wir uns Zustände denken tief unter denen in welchen sich die befanden denen das Gesetz gegeben war, ja selbst wenn wir uns in die Finsterniß der Unwissenheit der Heiden hineindenken. Freilich, um das höchste Wesen zu lieben muß man wissen daß es sei und wie es sei dies aber zu wissen auf irgend eine Weise, das ist das allgemeine Bestreben aller Menschen zu allen Zeiten gewesen, und wo die Vernunft – wir wollen nicht sagen nur noch gesund ist, sondern nur – noch irgend thätig ist, da finden wir auch dieses Bestreben und Vermögen: Das ist auch die Meinung des Apostels Paulus wenn er sagt, das sei den Menschen von Natur gegeben des Höchsten Kraft und Gottheit wahrzunehmen an seinen Werken, er redet von einer auf diese Weise bewirkten Offenbarung Gottes an den Menschen; denn freilich anders als eine Gabe von Oben kann auch die unvollkommen1 Meister!] folgt ein Strich bis zum Zeilenende; vermutlich sollte hier die Fortsetzung des Zitats aus Mt 22,36 eingefügt werden 11 betrachten] betr. 19 Schriftgelehrte] Schriftg. 21 ableuchnen] eigentümliche Schreibweise für ableugnen 23 welchen] welchem 4 Vgl. Kol 2,9; auch 1,19 18–19 Vgl. Mk 12,32–33 (Parallele zum Predigttext) 31–32 Vgl. Röm 1,20 32–33 Vgl. Röm 1,19 34 Vgl. Jak 1,17
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ste Erkenntniß nicht sein. Und eben das stellt er auch dar wenn er spricht von den Abgöttereien und Götzendiensten der Heiden; er spricht nicht anders davon als von einer durch das menschliche Verderben eingerißnen Entstellung jener ursprünglichen Erkenntniß Gottes: so und nicht anders spricht er sich darüber aus wie sich die Menschen verwandelt haben das Bild des Ewigen in vergänglicher Gestaltung, die reine Erkenntniß in verderblichen Wahn, überall also erkennt er dasselbe Bestreben, freilich verunstaltet, aber doch allgemein und also aus der dem Menschen anerschafnen Tiefe und aus seiner Natur hervorgehend. Wenn wir nun das zugeben daß es dem Menschen seiner Natur nach gemäß sei darnach zu streben das höchste Wesen zu erkennen, und daß das ein Tichten und Trachten sei welches nie aufhöre, und wie oft es auch mißlungen sei, oder eingeschläfert, doch immer wieder entstehe, und wir fragen nun | wieder, abgesehn davon wie weit er gekommen sei: „was ist ihm das Natürliche in seiner Empfindung in Beziehung auf das höchste Wesen? gleichgültig zu sein oder es zu lieben oder zu fürchten[“]? Wie sollten wir andre Antwort geben als die allgemein gültige die hier im Text ausgesprochen ist! Denn wogegen der Mensch gleichgültig ist das kann nicht solch Bestreben erregen; gleichgültig kann uns nur sein was uns von Außen kommt, aber was sich im Inneren bildet das ist entweder Gegenstand der Liebe oder der Furcht. Aber wie wir mit Johannes sagen müssen daß die vollkommne Liebe die Furcht austreibt und daß sie das Letzte sei und das Höchste: so ists eben so gewiß daß sie das Erste ist und das dem Menschen Natürliche; die Furcht entsteht nur mit der Sünde und durch sie, sie ist also nicht wesentlich im Verhältniß des Menschen zu Gott sondern nur hinzugekommen als die Entfernung von ihm. In welchen Zustand der Menschen wir uns nun hineindenken mögen so finden wir daß Alle Theilhaber sind der Sünde, und da die Furcht aus der Sünde hervorgeht, so ist überall wo die Sünde ist und zugleich die Ahnung Gottes auch die Furcht, wenn wir aber fragen: – gesetzt es könnte Einem dargeboten werden von der Furcht befreit zu sein, ob er dann auch würde von der Vorstellung des Höchsten wollen frei sein? O gewiß werden wir Alle diese Frage mit: nein: beantworten müssen! Die Furcht ist also das was alle Menschen, die eine Vorstellung vom Höchsten haben, haben, aber was sie nur haben vermöge der Sünde, denken wir uns also diese weg und denken wir uns den Menschen als der Erkenntniß Gottes fähig: so müssen wir auch sagen daß er nicht anders kann als den Höchsten den Gegenstand seiner Liebe sein lassen. Keiner aber will die Sünde so er sie als solche erkennt, und für keinen giebt es Sünde als in so fern er sie erkennt: hängt also die Furcht mit der Sünde zusammen so ist sie das was mit derselben 6 vergänglicher] vielleicht zu korrigieren in vergängliche 1–7 Vgl. Röm 1,21–23
21–22 Vgl. 1Joh 4,18
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ausgetrieben wird, will er also die Sünde nicht so will er auch die Furcht nicht, wenn er aber die Furcht nicht will, was kann er wollen als die Liebe! Aber wenn die Schrift des alten Bundes sagt und der Herr es wiederholt: „Du sollst Gott lieben aus allem Vermögen“: so ists wahr, daß, wie unausgesetzt wir uns auch das Bestreben der Menschen Gott zu erkennen denken, so kann doch nicht mehr Erkenntniß zu Stande kommen als so viel Vermögen im Menschen ist, ist das herabgedrückt, um desto weniger Liebe wird in dem Menschen sein, es wird leer in ihm sein und nichtig. Aber so gewiß es ist, daß (wir mögen herabsehn in den frühesten Zustand der Menschen) wir immer sagen müssen daß das jedem das höchste war Gott zu lieben: so müssen wir auch sagen, daß wenn wir zu der höchsten Höhe der Ausbildung aller geistgen Kräfte hinaufsehn: es giebt auch da nichts Größeres als eben das „Gott zu lieben von ganzem Herzen“: das ist das Erste wie das Letzte: Das sollte wol gar nicht erst einer Erörterung bedürfen, aber es giebt doch eine Ursach aus der wir uns nicht enthalten können noch in besondrer Beziehung darüber nachzudenken; es ist nemlich eine, mehr oder weniger hervortretende Richtung des christlichen Glaubens, daß man meint, daß jemehr wir den Erlöser kennen lernen, jemehr wir in der Kraft eines lebendigen Glaubens in ihm den Abglanz des Höchsten sehn um desto mehr müsse vor der Liebe zu ihm, dem Heiland, alle andre Liebe verschwinden, und selbst die Liebe zu Gott müsse der Liebe zum Erlöser untergeordnet sein weil wir nur in dem Sohn den Vater lieben können: Das aber ist nicht die Meinung des Erlösers selbst, das ist nicht der Weg den er den Seinen zeigt und auf den er vorangegangen; freilich sagt er: „wer mich siehet der siehet den Vater“: und, das sei der Wille des Vaters daß die Menschen glauben sollen an den den er gesandt hat, aber nie so als ob der Sendende wollte gleichsam vergessen sein über den Gesendeten, vielmehr wenn er sagt: „niemand kommt zum Vater denn durch mich“: so stellt er ja das Zum Vater kommen dar als das höchste Ziel, und die Menschen zu ihm zu führen als den Zweck seiner Sendung. Wie haben auch wol die Jünger des Herrn die Sache anders angesehn als so! wie sagt der Apostel Paulus von dem Sein Gottes in Christo? „Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit sich“: was heißt das anders als nur eben das, daß er durch Christum die Unfähigkeit der Menschen sich zur Liebe zu Gott zu erheben aufheben wollte, er will aber nicht in Christo gleichsam vergessen sein, sondern wenn Christus uns versöhnt mit Gott so sind wir zu der Liebe zu Gott zurückgekehrt auf solche Weise daß sie uns nicht wieder entschwinden kann, sondern wir immer vollkommner darin werden, und das bleibt also das Höchste daß die 25 das] daß
38 daß] das
3 Vgl. Dtn 6,5 Verbindung mit 29
24–25 Joh 14,9; ferner 12,45 25–26 Vgl. Joh 6,39.40 in 28 Joh 14,6 32 Vgl. 2Kor 5,19
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Menschen Gott lieben von allen Kräften. Ja wenn das unser höchstes Ziel ist daß wir Eins werden mit Christo so laßt uns doch fragen: ist der etwa aufgegangen in Liebe zu sich selbst? Nein; denn er sagt immer daß der Sohn nichts vermag durch ihn selbst zu thun sondern immer hinaufsehe zum Vater und nur das thue was er ihn thun sehe, und in diesem Gehorsam und dieser Nachahmung des Vaters war er eben der Sohn, so war seine Liebe zu Gott | sollen wir also ihm gleich werden so muß die Liebe zu Gott wie sie in ihm war eben so in uns Eins und Alles werden. Sein Wesen bestand in dieser Liebe: so daß wir ihn also nur recht verstehen und Eins mit ihm werden, wenn wir immermehr Alles suchen in Beziehung zu bringen mit dieser Liebe: so daß wir nichts wissen und nichts wollen als nur sie, wie sie in ihm war, wie er selbst bezeugt nichts zu haben und zu wissen als die Liebe zu seinem und unserm Vater, als das Höchste wozu der Mensch sich erheben kann. Wolan so laßt uns nun zum andern Theil unsrer Betrachtung übergehn und II. Sehn: wie – wenn auf der einen Seite eben das das allgemeine Ziel des Strebens aller Menschen ist: Gott zu lieben – sich doch das Christenthum in der Art und Weise der Liebe zu Gott vor allem andern Dasein unterscheidet. Wenn wir uns nun dabei halten müssen an die Frage des Schriftgelehrten: welches ist das vornehmste Gebot? so müssen wir uns fragen: was bezeichnet die Antwort wenn die Liebe zu Gott dargestellt wird als ein Gebot aus mehreren Geboten? Die Antwort des Herrn bezeichnet in dem Sinn des alten Bundes die Liebe zu Gott als das Höchste, immer aber als ein Gebot, als ein Theil des Gesetzes. Wenn wir das nun überlegen so werden wir gleich finden daß eben darin sich der unvollkommne Zustand der Menschen zu erkennen giebt; denn wenn der Apostel sagt: „das Gesetz ist gut, aber es wirkt nur Erkenntniß der Sünde“: so deutet das darauf hin was dem Menschen noch fehlt im Zustande wo er des Gesetzes bedarf; Gebot und Gesetz wird überall den Menschen gegeben inwiefern sie von selbst nicht auf dem Wege sind das Rechte zu thun; wäre man gewiß daß das Gute von selbst geschähe in jedem Verhältniß, so würde man nicht Gesetze geben: Daß also die Liebe zu Gott dargestellt wird als Gebot und Theil des Gesetzes, das deutet darauf hin daß es nicht in der Macht des Menschen lag die Liebe zu Gott hervorzubringen, obgleich sie sie als das Höchste erkannten wornach sie zu streben hatten, und selbst die, die Gott berufen hatte um den Menschen seinen Willen einzuschärfen, sie denen er um das 19 vor] vielleicht zu korrigieren in von 3–5 Vgl. Joh 5,19 12–13 Vgl. Joh 4,34 in Verbindung mit 20,17 Röm 7,16 28 Vgl. Röm 3,20; ferner 7,7
27–28 Vgl.
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zu können größre Einsicht gegeben hatte, in Gemäßheit welcher sie vermochten die Liebe zu Gott als das Höchste hinzustellen in ihren begeisterten Reden; selbst sie waren nicht im Stande sich in sich selbst zu der Liebe zu Gott zu erheben, denn auch ihnen war sie Gesetz und stand als solches ihnen gegenüber. Aber was sollen wir überhaupt dazu sagen daß die Liebe ein Theil war des Gesetzes, ein Gebot, deren es viele gab, wenn auch nicht die andern eben so groß waren so waren sie doch im Ganzen von derselben Würde; denn wenngleich dies als das worauf es am meisten ankommt hervorgehoben wird aus der Menge der einzelnen Gebote des Gesetzes, so heißt es doch hier (an der Stelle des Gesetzes) wo diese Worte vorkommen die der Herr wiederholt: „Höre Israel, der Herr dein Gott ist ein einiger Gott und du sollst ihn lieben“: In dieser Stelle nun ist enthalten eine Wiederholung aller Gebote und schließt so: „und so wird unsre Gerechtigkeit sein wenn wir alle diese Gebote thun“: Müssen wir nicht sagen das sei eine große Unvollkommenheit, die Liebe zum Höchsten miteinzuschließen in eine Menge andrer Gebote und sie eben so wie irgend ein ander Gebot anzusehn als ein Theil des Gesetzes; Denn was kann einen Werth haben für den Menschen als nur das was aus der Liebe zu Gott von selbst hervorgeht, was außer derselben gethan werden soll wie kann das in demselben Sinn geboten werden! Darum laßt uns den preisen der nachdem er geredet durch manche und auf mancherlei Weise zuletzt geredet hat durch seinen Sohn und uns in dem erst die rechte Erkenntniß gegeben das rechte Ziel offenbart hat: Ja für uns soll die Liebe zu Gott kein Gesetz mehr sein, sondern der Geist der durch Christum ausgegossen ist der soll in uns rufen: „Abba lieber Vater“: dieses beständige Lieben welches die innige Kraft in uns ist die unsre Thätigkeit bedingt, es ist kein Gesetz sondern der natürliche Trieb des vom Geist erleuchteten also in Liebe bewegten Herzens; denn die Liebe ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Geist der uns gegeben ist, und das, sagt der Herr, sei der Unterschied des alten und des neuen Bundes, daß das was bisher Gesetz gewesen sei für den Menschen, und als solches ihnen gegenüber gestanden, daß er das nun in ihre Herzen schreibt auf daß es sei ihr eigner Trieb und Wille: Das ist geschehen durch Christum; denn als die Zeit erfüllet war daß | ein neuer Himmel und eine neue Erde werden sollte, als die Zeit erfüllet war in der Gott die Unwissenheit übersehn hatte, da sandte er seinen Sohn um durch ihn uns dieselbe Sohnschaft zu ertheilen vermöge seines Geistes, des Geistes der Liebe den er über uns ausgießt auf daß er in uns rufe: lieber Vater. – Wie kann es nun, wenn so durch Christum die Liebe zu Gott der innre lebendige Trieb unsers Herzens geworden ist, wenn so sein Wille in uns geschrieben ist, wie kann es nun noch ein Gebot und Gesetz darneben geben! wir kennen auch keins: und 9–11 Vgl. Dtn 6,4–5 13–14 Vgl. Dtn 6,25 20–22 Vgl. Hebr 1,1–2 25 Vgl. Röm 8,15; Gal 4,6 28 Vgl. Röm 5,5 29–31 Vgl. Jer 31,31.33 37 Vgl. Gal 4,4–6 in Verbindung mit Offb 21,1 und Apg 17,30
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das will es sagen daß Christus sei des Gesetzes Erfüllung, lebt er in uns so kennen wir keins; denn wo Gesetz ist da muß die Furcht sein; die Furcht aber ist ausgetrieben durch die vollkommne Liebe in Christo, und so müssen wir sagen: wo die Liebe ist die der Geist des Herrn wirkt, in wem der Geist ist der die Liebe zur inneren Kraft macht für den ist kein Gesetz und wider den ist kein Gesetz; wir kennen kein Gesetz in dem Verhältniß zu Gott sondern nur das seelge Wogen und Treiben des Geistes, des Geistes der uns beständig zum Vater leitet, der mit dem Sohn immermehr kommen will und Wohnung machen in unsern Herzen: Das ist unser Verhältniß mit Gott, und Alles was Gesetz ist, das ist ein abgeschloßnes Gebiet der Menschen; zwischen Gott und uns ist kein Gesetz und wir bedürfen keins (obgleich wir noch nicht ganz von der Sünde befreit sind) sondern der Geist der in uns ruft: „Abba lieber Vater“: der ist auch in uns betrübt wenn wir ihn traurig machen durch die Sünde, und diese Betrübniß die führt uns zurück – auch ohne Gebot – zu ihm der unsre Heiligung ist! Aber der Herr redet ja in seiner Antwort von noch einem Gebot nemlich von der Liebe des Nächsten als Gebot, indem er jenem hinzufügt: und deinen Nächsten als dich selbst: Aber es ist ja eben deswegen kein anderes, weil in seinem Geist die Liebe zu Gott und zu den Menschen Eins ist. Damals aber als einzelne Gebote des Gesetzes war beides von einander getrennt. Um uns davon zu überzeugen, müssen wir auf einen andern Zusammhang des Gesetzes sehn, nemlich im fünften Buch Mose welches sich anfängt mit der Wiederholung des Gesetzes, da wird dann auch die Liebe zu Gott anempfohlen, indem ihr ein besondrer Begrif gegeben wird. Es heißt nemlich: „Höre Israel der Herr dein Gott ist ein einiger Gott und du sollst ihn lieben, er ists der euch ausgeführt hat aus Egipten, er ists der, wenn ihr beim Gesetz bleibt euch ferner [ ] [“.] Und so sehn wir denn daß die Liebe zu Gott hier dargestellt wird als dem Volke eigen vor andern, und als Liebe der Dankbarkeit für besondre Wohlthaten, und als Liebe der Hoffnung in Beziehung auf zukünftge Wohlthaten: So können wir denn nicht leugnen: die Liebe zu Gott war etwas Abgeschloßnes und also auch etwas Eigennütziges, darum vereinten auch die, denen das Gesetz gegeben war, dem Gebot: „Du sollst die Brüder lieben“: das andre: „die Feinde hassen“: eben weil sie ihr Verhältniß mit Gott als ein abgeschloßenes, und Gott nur als den Gott ihres Volks ansahen, so schlossen sie die aus ihrer Liebe aus, die nicht 27 ferner] folgen mehrere kurze Auslassungsstriche bis zum Zeilenende; zu möglichen Ergänzungen vgl. etwa Dtn 6,3.18–19.24 1 Vgl. Röm 10,4 in Verbindung mit 13,10 2–3 Vgl. 1Joh 4,18 5 Vgl. wohl 1Tim 1,9 6 Vgl. Gal 5,23 8–9 Vgl. Joh 14,23 12–13 Vgl. Röm 8,15; Gal 4,6 15 Vgl. 1Kor 1,30 22–23 Vgl. Dtn 5,1–22 25–26 Vgl. Dtn 6,4–5 26 Vgl. Dtn 6,12 32–33 Die Vereinigung von Nächstenliebe und Feindeshass liegt vor bei Mt 5,43; in Lev 19,18 fehlt sie bzw. ist nur als Umkehrschluss aus V. 18a verstehbar.
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zu ihrem Volk gehörten weil sie sie, als von Gott ungeliebt, nicht achteten. Nicht also im neuen Bunde; da ist immer von allgemeiner Liebe die Rede, keiner ist da ausgeschlossen aus dem Kreise der brüderlichen Liebe wie entgegen er auch noch in sich selbst der Liebe stehn möge; denn er der Herr hat uns geliebt da wir noch Feinde waren, sein Geist also spricht in uns: „segnet die euch fluchen“: Was spricht also das Wort des neuen Bundes anders als: „Darin preiset Gott seine Liebe daß er uns seinen Sohn gesandt[“], nicht zu einem Theil der Menschen sondern zu dem ganzen Geschlecht! Der Herr ist erschienen nicht um sich einigen darzubringen, sondern um sich darzubringen Allen und Allen zu werden zur Gerechtigkeit und Weisheit, Allen die sich ihm anschließen wollen. Und eben deswegen ist unsre Liebe zu Gott das Erste und das woraus und wodurch die Bruderliebe entsteht, weil sie nicht auf besonderem beruht; denn jemehr wir die Liebe zu Gott nicht zu solchem persönlichen Gut machen und auf persönliche Wohlthaten solchen besondern Werth legen desto mehr sehn wir Alle an als Gegenstände der göttlichen Liebe. Nicht als ob es zu tadeln sei wenn alle Wohlthaten dankbar erkannt werden, aber nur müssen wir dadurch immer mehr zum Unvergänglichen hingeleitet werden und nicht meinen daß darauf die Liebe Gottes beruhe, nein; nur auf der einen göttlichen Gabe, darauf, daß er seinen Sohn gegeben hat zum Heil Aller, darauf allein beruht die Liebe Gottes; denn darin preiset sich seine Liebe zu uns. Darum ist keine andre Liebe durch welche die Menschen uns Gegenstände der Liebe sind, als dadurch, daß Gott sie so liebt, und in uns seine Liebe angefacht hat durch Christum. Es ist uns nicht zweierlei Liebe gegeben, und die Liebe zu den Menschen ist nicht ein neuer Strahl der göttlichen Wahrheit, sondern es ist Eins Gott lieben und die Menschen lieben. Aber Eins ist sie nur durch den, durch den sie uns der Vater offenbart hat, jemehr wir ihn lieben, und das können wir nur in seinem Werke – in dem Werke der Erlösung durch Christum – desto mehr lieben wir auch Alle die seiner Liebe bedürftig sind und empfänglich. Und so laßt uns denn das wahr machen daß wir wie er in jedem Augenblick von Liebe erfüllt zu denen auch, denen die Liebe zu Gott noch werden muß die innre Kraft ihres Seins. Und so wollen wir uns denn freuen der Gabe des Geistes der in uns ruft: lieber Vater, der Liebe die nur das ist, daß wer sie hat hindurchgedrungen ist aus dem Tode zum Leben.
7 Darin] Daran
28 das] daß
4–5 Vgl. Röm 5,10 6 Mt 5,44; Lk 6,28 7–8 Vgl. Röm 5,8 in Verbindung mit Gal 4,4 10–11 Vgl. Röm 8,32 in Verbindung mit 1Kor 1,30 21 Vgl. Röm 5,8 33–34 Vgl. Röm 8,15; Gal 4,6 34–35 Vgl. Joh 5,24
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[Liederblatt vom 14. Oktober 1827:] Am 18ten Sonntage nach Trinitatis 1827. Vor dem Gebet. – Mel. In dich hab ich gehoffet etc. [1.] Ich freue mich mein Gott in dir; / Du bist mein Trost, und was kann mir / In deiner Liebe fehlen? / Du Herr bist mein, / Und ich bin dein, / Was mangelt meiner Seelen? // [2.] Du trägst mich liebreich mit Geduld, / Verzeihst durch Christum meine Schuld, / Wenn ich aus Schwachheit fehle; / Du giebst mir Theil / An seinem Heil, / Dies tröstet meine Seele. // [3.] Du stärkst im Leiden meinen Muth, / Du bist mein allerhöchstes Gut, / In dir leb’ ich zufrieden; / Und niemals hier / Werd’ ich von dir / Und deiner Huld geschieden. // [4.] Du läßt mirs ewig wohl ergehn, / Einst werd’ ich dich noch näher sehn, / Als jezo hier im Glauben. / Vollkommnes Heil / Ist dann mein Theil, / Das soll mir niemand rauben. // Nach dem Gebet. – Mel. Wie schön leucht’t uns etc. [1.] Wie leuchtet uns der Morgenstern / Voll Gnad’ und Wahrheit von dem Herrn, / Der Sohn, deß ich mich tröste. / In seinem Lichte seh’ ich dich, / O Vater! weil dein Sohn auch mich / Zu meinem Heil erlöste. / Sein Wort giebt uns volle Klarheit, / Führt zur Wahrheit / Und zum Leben; / Wer kann ihn genug erheben! // [2.] Du hier mein Retter dort mein Lohn, / Sohn Gottes und des Menschen Sohn, / Mein Ruhm und meine Freude! / Von ganzem Herzen lieb ich dich, / O gieb, mein Heil, daß dich und mich / Nie wieder etwas scheide. / Herrlich machst du uns und selig; / Und unzählich / Sind die Gaben, / Die in dir die Gläub’gen haben. // [3.] Durch dich nur kann ich selig sein, / Drum geuß in meine Seel’ hinein / Die Flamme deiner Liebe. / O daß sie stets inbrünstig sei, / Und ich mich bis zum Tode treu / Dir zu gefallen übe; / Willig stets sei zu verlassen, / Was zu hassen / Deine Lehren / Mir gebieten, dir zu Ehren. // [4.] Den Vater hab ich, Sohn, in dir, / Vereinigt hast du ihn mit mir, / Wie fühl ich mich entzükket! / Erhalten mich bei diesem Gut / Dein Wort, dein Geist, dein Leib und Blut, / Wie fühl ich mich erquikket! / Hilf mir Jesu, hilf mir Schwachen, / Hilf mir wachen, / Kämpfen, ringen, / Mich mir dir hinauf zu schwingen. // [5.] Wie freu ich mich o Jesu Christ, / Daß du der Erst’ und Lezte bist, / Der Anfang und das Ende. / Ich gebe, Heiland, meinen Geist, / Wenn er sich einst dem Staub entreißt, / In deine treuen Hände! / Tönen sollen Jubellieder, / Schallen wieder / Bis die Erde / Voll von deinem Lobe werde. // Nach der Predigt. – Mel. Dir dir Jehovah etc. Wer zählt die reichen Segen alle, / Die durch ihn wurden unser Loos und Theil, / Preist ihn mit lautem Jubelschalle / Und fühlt erlöste Brüder euer Heil. / Ihm danke, wer ihn kennt und wer ihn ehrt, / O selig, wer auf seine Stimme hört. //
Am 14. Oktober 1827 mittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
18. Sonntag nach Trinitatis, Uhrzeit unbekannt Haus, Thiergarten 45, Berlin Keiner Autograph Schleiermachers; Tageskalender 1827/1828, SN 447 Keine Keine Traupredigt für Ludwig Theodor von Bernuth und Caroline Juliane geb. Mayer verw. Ernst von Ernsthausen Tageskalender: „Bernuthsche Trauung mit spätem Mittag“
PNBS Trauung.
Zeitbindende Entschlüsse beruhen bei der mf. Veränderlichkeit auf dem Bewußtsein eines unvergänglichen und die Stiftung der Ehe besonders auf dem einer alles ausgleichenden Zusammengehörigkeit.
2 mf.] Abk. wohl für mannigfaltigen oder mannigfachen 0 Ludwig Theodor von Bernuth (1799–1862), Sohn von Johann Ludwig von Bernuth (1770–1857), Geheimer Ober-Finanzrat in Berlin, und Wilhelmine Louise geb. Gräfin von Platen-Hallermund (1778–1827). Ludwig Theodor von Bernuth hatte 1827 seine erste Stelle als Regierungs-Baukondukteur beim Bau des Museums und neuen Packhofes zu Berlin angetreten; später war er als Bauinspektor in Arnsberg und Berlin sowie als Regierungs-Baurat in Gumbinnen und Posen tätig, daneben seit 1839 engagierter Freimaurer (vorsitzender Meister der Logen in Gumbinnen und Posen). Vgl. Mayer, Die Bauhütte 5 (1862), 348–349. Caroline Juliane geborene Mayer, verwitwete Ernst von Ernsthausen (ca. 1793–1872), Tochter von Johann Christoph Andreas Mayer (1747–1801), Geheimer Rat und königlicher Leibarzt in Berlin, Schwester von Johann Andreas Eduard Mayer (1794–1874, seit 1865 im Adelsstand), Domänenrat in Hamm. Sie hatte 1811 den preußischen Offizier a. D. und Herrn auf Wulkow im Kreis Naugard Eduard Ernst von Ernsthausen (ca. 1785–1813) geheiratet und 1812 einen Sohn geboren, der kurz darauf starb; seit 1813 war sie Witwe. Der Maler Wilhelm Hensel (1794– 1861) hat sie porträtiert. Vgl. Lowenthal-Hensel/Strachwitz: Europa im Porträt, 2005, Bd. 1, S. 151.
Am 21. Oktober 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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19. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Thess 3,1–7 Nachschrift; SAr 66, Bl. 23r–24v; Woltersdorff Keine Keine Teil der vom 17. Juni 1827 bis zum 17. Februar 1828 gehaltenen Homilienreihe zum 1. Thessalonicherbrief
Aus der Predigt am 19. S. nach Tr. 27. 1 Thess. 3, 1–7. [I.] Schon in dem Vorigen hatte der Apostel sein Verlangen ausgedrückt, die von ihm selbst gestiftete Gemeine wieder zu sehn, und hier giebt er den Grund seines Verlangens zu erkennen und die Art wie er ihm genügt: er sagt nemlich, er habe wissen wollen ob nicht auch der Versucher sie versucht und ihren Glauben geschwächt habe (nemlich, versucht durch Trübsal die sie zu erdulden hatten als Christen). Der Apostel stellt das Trübsalhaben hier nicht nur auf, als solches das er vorher gesagt sondern als in der Natur der Sache liegend; denn er sagt nicht: „Trübsal haben werden“, sondern: „haben müssen“: Wenn wir also zunächst bei allen Worten der Schrift daran denken müssen, in wiefern sie auf uns anwendbar sind, so ists eine hiebei nöthige Frage, ob das noch so sei wie damals daß die Christen Trübsal haben müssen? Dem Anschein nach ists nicht so, wenn wir aber das was der Apostel sagt mit dem was die Erfahrung uns lehrt in Zusammenhang bringen wie wir es müssen um das damals und jezt recht zu übersehen: so unterscheiden wir unsren und den Zustand jener Gemeinden so: Die christlichen Gemeinen waren damals erst gepflanzt, sie waren im Streit – vermöge des Gegensatzes den sie bildeten – mit allen früheren Vorstellungs- und Handlungsweisen, denen die noch anhingen welche nicht Christen waren und noch nicht vermochten einzusehen daß das Alte vergangen sei und nun keine Kraft mehr habe; da war es also der Eifer nicht nur um das Gewohnte sondern vielmehr noch um das was sie als wahr anerkannten, was den Gläubigen um ihres Bekenntnisses willen Trübsal zuzog. Das 4–5 Vgl. 1Thess 2,17–18; vgl. die Predigt am 12. August 1827
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ist nun gegenwärtig nicht mehr, sondern das Christenthum steht fest, und der christliche Glaube ist die von dem größten Theil der Völker der Erde anerkannte Wahrheit deren Bekenntniß sich von selbst versteht, das Bekenntniß des Herrn ist das, seit damals von einem Geschlecht zum andern Uebergegangene, und das worin wir uns solcher Sicherheit bewußt sind daß wir schon die Kinder dem einverleiben: und so müssen wir sagen: dasselbe was die Apostel und die ersten Christen überhaupt erfahren mußten, das haben wir nicht zu erfahren. Aber das Wort des Apostels in dieser Beziehung bewährt sich doch noch auf zwiefache Weise, welche wir, wenn wir uns nicht täuschen wollen, von einander unterscheiden müssen von jener Weise des Trübsalhabenmüssens, wobei aber doch die Regel des Apostels ihre Anwendung findet. Was nun die erste Art und Weise des Trübsalhabens betrift so wissen wir wol woher es kommt, wie nemlich von je her in der christlichen Kirche Verschiedenheiten statt gefunden haben; freilich hätte es nie geschehen sollen daß das Veranlassung wurde über einen Theil der Christen Trübsal zu bringen, wie denn auch in Beziehung auf die Verschiedenheiten der Apostel sagt: „so ihr noch anders denket als die Brüder so wird es euch der Herr offenbaren welches das Rechte sei“: das sagt er in dem Vertrauen die christliche Wahrheit immermehr einleuchtend zu machen Allen, und freilich in diesem Vertrauen sollten die Christen eben so wie der Apostel über die Verschiedenheiten, die noch statt finden, denken, in dem Vertrauen nemlich daß sich die christliche Wahrheit immer noch deutlicher machen und so allmählig die Verschiedenheiten ausgleichen werde, in dem Vertrauen daß jeder mit unablässigem Eifer suchen werde seinem Bruder klar zu machen was ihm klar geworden ist: wie ja eben das das Wesen christlicher Gemeinschaft ist, die Wahrheit zu suchen in Liebe: bliebe dies in seiner Reinheit stehn, so würde auch immer das Bewußtsein da sein daß nicht der eine Theil der Christen Trübsal gebracht habe über den andern. Wenn nun schon der Apostel damals mit sehr erweichtem Gemüth daran dachte daß Trübsale kommen mußten weil es Widersacher des Christenthums gab, so dürften wir wol mit zerknirschtem Gemüth denken, daß doch noch zu allen Zeiten Trübsal kommt, da doch Alle den Herrn bekennen! – Wenn nun der Apostel hier sagt, er habe wissen wollen ob der Versucher sie versucht habe, und wenn wir ja wissen daß dieser Ausdruck nur gebraucht wird von dem was nicht aus reiner Quelle kommt: so mögen wir auch wissen daß wenn wir unsern Brüdern Trübsale zuführen, von welcher Art sie sein mögen, so sind wir Werkzeuge des Versuchers, und davor müssen wir uns ja am allermeisten hüten; und nicht umsonst ist uns dieses Wort gesagt, sondern auf daß wir uns frei halten von dem woraus Trübsal kommt, und nie anderes thun als der Wahrheit die Ehre geben, aber daran 17–18 Vgl. Phil 3,15 26 Schleiermacher bezieht sich auf das ληϑ εειν ν γπῃ aus Eph 4,15 in der reformierten Übersetzungstradition.
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denken daß keiner sie vollständig besitze, sondern jeder sie immermehr suchen müsse und daß das nur geschehen könne durch gemeinsame Thätigkeit Aller. – Zweitens wissen wir wol, daß es, von je her und schon ehe der Herr erschienen ein sehr verschiedenes Streben unter den Menschen gegeben hat nach dem worauf ihrer Meinung nach das wahre Wohl beruht. Wie wir nun auch urtheilen mögen über die Schwäche der menschlichen Natur in Beziehung auf das Gute, so sehn wir doch aus der Geschichte daß es nie an solchen gefehlt hat die selbst mit Aufopferung ihres Lebens gestrebt haben das Gute zu gründen: das ist also genugsam erwiesen, daß, wie tief das Verlangen in Vielen wurzelte ein dauerhaftes Wohl zu begründen | unter den Menschen, daß sich immer Viele ihrem Bestreben widersetzten und eben dadurch Trübsal über sie brachten und ihr Leben zum Kampf machten. Solchen Muth hat es unter allen Völkern gegeben. Aber wie die Menschen, erleuchtet vom Evangelium, keinesweges solche Weise haben sollen, daß ihnen die menschlichen Dinge gleichgültig sind, sondern noch standhafter ist der Eifer für das Wohl der Menschen in ihnen, denn wenn uns auch das äußre Wohl an sich als geringe erscheint, so wissen wir doch daß nur die die über Geringes treu sind, werden über Viel gesetzt werden: so also gehört diese Treue mit zu der christlichen Rechtschaffenheit: und so ists natürlich daß das Amt für das äußre Wohl zu sorgen nicht denen überwiesen wird die sich dem Bessern widersetzen, wie es denn freilich immer noch solche giebt, sondern denen die die Ersten sein sollen die darnach ringen ihren Glauben auch in dieser Treue zu bewähren: So sehn wir denn auch hier eine Quelle der Trübsal für die Christen und daß es für sie weniger als für andre an Trübsal fehlen könne um des Glaubens willen; denn auch das ist freilich der Glaube woraus diese Treue kommt. Und so ists denn auch in zwiefacher Beziehung wahr daß Trübsal kommen müsse, bis die Kraft des lebendigen Glaubens Alle auf gleiche Weise durchdrungen haben wird. II. Laßt uns nun sehen wie der Apostel sich in dieser Beziehung stellt und was dabei seine Empfindung war. Wenn wir darauf sehn auf welche Weise sich der Apostel darüber ausspricht daß Trübsal kommen müsse und daß er habe wissen wollen ob sie dadurch schwächer geworden sind im Glauben und ob also seine Arbeit und Mühe in ihnen vergeblich sei: so müssen wir sagen: hier ist keine Spur von leidenschaftlichem Eifer, keine Spur von Zorn über die Versuchung durch Trübsal, sondern wie wir nichts anderes in ihm 4 wissen] Wissen 19 Vgl. Mt 25,21.23
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merken als väterliche Sorge, so ists gewiß daß wenn er eine entgegengesetzte Nachricht bekommen hätte dieselbe nur das tiefste Bedauern in ihm würde erregt haben: So geht er uns auch hierin mit christlichem Beispiel voran und zeigt uns wie der göttliche Geist dabei das Gemüth bewegt; Denn wenn wir uns beobachten so werden wir finden daß wir uns gar leicht zum Zorn entzünden lassen dadurch daß unsre Mühe und Arbeit als vergeblich sich zeigt an den Gemüthern, und wenn wir uns fragen woraus das zu erklären sei, daß es so auf uns wirkt so können wir nicht anders als sagen daß dabei eine nicht aus dem göttlichen Geist hervorgehende Schwachheit zum Grunde liege; denn ob es seine oder eines andern Arbeit ist das soll dem Christen gleich sein, weil ihm bewußt ist daß der göttliche Geist keinem besonders eigen ist, und daß es immer nur gemeinsames Amt ist das Licht zu verbreiten: wenn also das Vergeblichsein Zorn erregt so kann das nicht anders als in der Selbstsucht seinen Grund haben; denn fragen wir wie der göttliche Geist bewegt werde durch solche Erfahrung, so kommt uns das Wort entgegen: „betrübet nicht den Geist“: und einer andern Bewegung ist der Geist Gottes in uns nicht fähig als daß er betrübt werde durch jeden Widerstand eben so als durch jede Leichtigkeit die der Versucher findet um die Gemüther vom Herrn abzulenken. Ja betrübt soll der Geist in uns werden; das kann und soll nicht anders werden, aber wenn es anders ist so ist das nicht der Geist Gottes in uns; denn vermöge seiner kann uns das nur betrübt machen. In dieser Betrübniß nun wird der Mensch gestärkt durch die Kraft des Worts, hat er sich aber reitzen lassen zum Zorn dann muß er seine Kraft anwenden daß er sich erst selbst besiege und so wird er in seiner Arbeit aufgehalten, und es ist dann auch an ihm die Mühe und Arbeit des Geistes vergeblich gewesen in dieser Beziehung. Wir werden aber fest stehn wie der Apostel wenn wir wie er denken, daß Trübsal kommen müsse und daß es menschliche Schwäche ist wenn die Versuchung der Trübsal den Glauben schwächt, und daß wir mit unsrer Kraft der Schwachheit zu Hülfe kommen müssen wie sie unsers ganzen Mitleides bedürftig ist. Das sehn wir daß das die Gesinnung des Apostels war, daraus entstanden, daß seine Theilnahme für die, die nun gläubig geworden waren, es ihm fühlbar machte, daß sie durch die Trübsale die kommen mußten, konnten versucht werden, und daß dadurch die Mühe und Arbeit des Geistes Gottes an ihnen konnte vergeblich gemacht werden: darauf also war er immer gefaßt daß diese Arbeit vielleicht von neuem werde beginnen müssen und so konnte er, wenn der Fall eintrat, nur betrübt werden, in welcher Betrübniß ihn dann das Wort Gottes, wodurch er seine Arbeit und Mühe begann, stärkte und tröstete. Wenn auch wir darin gefaßt sind dann 8 das] daß 16 Vgl. Eph 4,30
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werden wir nur der Betrübniß Raum geben und eben wie der Apostel gestärkt werden durch das Wort des Lebens. – | Nun laßt uns sehn wie der Apostel in Beziehung auf den Drang seines Herzens war: Nemlich: immer war er in dem Fall nach zweien entgegengesetzten Enden gezogen zu sein; hatte er irgendwo den Saamen des göttlichen Worts in die Herzen der Menschen versenkt, und hatte es Wurzel gefaßt, so trieb es ihn wieder weiter um auch anderwärts christliche Gemeinen zu gründen, aber wie natürlicher Weise in ihm eine herzliche Liebe entstand zu denen denen er es anvertraut hatte vermöge der er das ihnen Anvertraute auch in ihnen hegen und pflegen mochte, wie seine Liebe also eine väterliche war und als solche seine Gegenwart verlangte, so trieb ihn das zu bleiben und machte ihm den Abschied schwer von denen in welchen er das Wort gedeihen sah: So geht es uns Allen, und das ist ein Bild des Lebens! Wir können nun und sollen in dieser Beziehung nicht anders thun als so wie wir es hier von dem Apostel sehn, nemlich daß wir Alles miteinander auszugleichen suchen; Wenn er sich so hätte beherrschen lassen von seinem Verlangen nach Kunde von dieser seiner Gemeine, daß er hingereist wäre um sich selbst zu überzeugen von ihrem Glauben so hätte er im Allgemeinen viel weniger ausrichten können als er gethan hat, wenn er aber wiederum sich ganz nur nach der andern Seite hingewendet hätte dann würden weit mehrere Seelen in den Trübsalen die sie erfahren mußten abgefallen sein und der Glaube wäre in ihnen erstorben: Worin war denn nun die Sicherheit und Richtigkeit seines Handelns in dieser Beziehung? Wenn er allein gewesen wäre so wär es mit der Sicherheit nichts gewesen; darum ist jeder Einzelne nichts, sondern der Seegen ist in der Gemeinschaft: der Apostel konnte nur der sein der er war indem er Mehrere an sich zog sich zu Gehülfen im Dienst des Evangelii, denn so konnte er dem Drange seines Herzens genügen und Nachricht erhalten von den Seinen durch sie, und so konnte er Andre voran senden um sich Bahn machen zu lassen zur Verkündung des göttlichen Worts: Das nun ist auch die große Regel unsers Herrn gewesen; denn wo er erschien da verband er die Seinen zu lebendiger Gemeinschaft des Geistes: So soll es sein unter uns, wir sollen wissen daß keiner allein wirken kann und daß wir Sicherheit und Ruhe in Beziehung auf den Dienst des Herrn nur finden können im Vertrauen auf die Gemeinschaft; Je enger die Gemeinschaft ist, jemehr wir uns verständigen darüber was jeder zu thun hat im Dienst des Evangelii um desto gesegneter wird der Erfolg unsrer gemeinsamen Mühe und Arbeit sein. Darum ist (abgesehn von der nöthigen Verschiedenheit der Kräfte und Gaben) aus der Gemeinschaft des Evangelii aller Zwiespalt ausgeschlossen, das Vertrauen muß herrschen und dadurch müssen die Gewissen gestillt werden in Beziehung auf das was der Herr gethan haben will und was nur möglich ist wenn Alle 33 und daß] und das
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in einander festes Vertrauen haben. Darum laßt uns nach der rechten Einigkeit trachten, damit jeder sich verlassen kann auf den Andern, und damit wir des Vertrauens froh werden daß das was wir nicht thun können Andre thun werden; ists so unter uns so wird das Werk des Herrn seinen Fortgang finden bei allen Schwierigkeiten die ihm entgegen sind. Und dann werden wir uns auch den Trost aneignen können wovon der Apostel sagt daß er damit getröstet sei in aller Trübsal und Noth, durch ihren Glauben. Seht da, wenn wir sagen müssen: das ist ein altes Gesetz, daß wir so lange wir hier auf Erden wandeln, Trübsal haben müssen um unsers Glaubens willen, und wenn wir sagen müssen daß uns diese Trübsal in Beziehung auf unsre Brüder am tiefsten bewegen muß, so können wir dabei keinen andern Trost haben als an dem Glauben der Andern. Aber dieser Trost der soll hinreichen daß wir auch dadurch immermehr befestigt werden im Glauben, daß wir nach nichts anderm trachten als nach dem Reich Gottes. Trachten wir nur darnach, nun dann werden wir herzliche Freude haben an dem Glauben den wir finden mag er sich dem unsern ähnlich gestalten oder nicht; wo nur der Herr erkannt wird und es seine Wahrheit ist die immermehr gesucht wird, so sollen wir an dem Glauben unsre Freude haben und Trost, und es soll keine Noth geben bei welcher wir nicht dadurch erquickt würden. Diesen Trost will der Herr Allen geben denen das geistige Auge so geöffnet ist daß sie wie jener Prophet [ ] so werden auch wir immermehr ein freies Auge des Geistes bekommen | um das Gute unter verschiednen Gestalten zu sehn, dann wird die Gemeinschaft des Geistes das werden wodurch Alle immermehr erkennen daß das Heil allein in Christo ist, und die Knie beugen vor dem in dem unser Heil ist! –
21 Prophet] folgt ein Auslassungsstrich bis zum Zeilenende und am Rand ein Fragezeichen 13–14 Vgl. Mt 6,33
25 Vgl. Phil 2,10
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Am 28. Oktober 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeugen:
Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
20. Sonntag nach Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Mt 22,9–13 (Anlehnung an die Sonntagsperikope) a. Autograph Schleiermachers; Tageskalender 1827/1828, SN 447 b. Autograph Schleiermachers; Kirchengemeinde Heilig Kreuz – Passion, Berlin-Kreuzberg, Bl. 4r–3r c. Autograph Schleiermachers; SAr, Bl. 2r (unvollendete Überarbeitung der unter d gebotenen Nachschrift) d. Nachschrift; SAr 95, Bl. 1r–10v; Slg. Wwe. SM, vermutl. Andrae Keine Keine Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
a. Autograph Schleiermachers Hauptpredigt über Mtth. 22, 10–13. Verhältniß zwischen beiden Unterschieden gut und böse hochzeitlich und nicht. I. Der erste ist nicht das höchste a. Gut bezieht sich auf Gesez jüdisch heidnisch allgemein b. Gottgefälligkeit ist darauf nicht zu bauen
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b. Autograph Schleiermachers 4r
Ueber das hochzeitliche Gewand Te x t .
Matth. 22. 9–13.
Ein Gleichniß von einem großen Mahl, wozu die eingeladenen Gäste nicht kommen wollten finden wir auch im Evangelium des Lukas auf5 jüdisch heidnisch] jüd. heidn. 7 Ueber … Gewand] am Rand, vermutlich von Sydows Hand: Noch nicht gedruckt. S. ; die Paginierung (blattweise: 4, 1, 2, 3) stammt von fremder, vielleicht Sydows, Hand und entspricht nicht der Abfolge des Textes. 9–1 Vgl. Mt 22,1–14 und Lk 14,16–24; nach der preußischen Perikopenordnung war Mt 22,2–14 als Evangelium für den 20. Sonntag nach Trinitatis vorgesehen.
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bewahrt; die verlesenen Worte aber sind ein der Erzählung des Matthäus eigenthümlicher Zusaz und eben dieser ist unter den Christen vielfältig der Gegenstand eines oft sehr heftigen Streites gewesen, und nicht selten großer Eifer darüber entbrannt. Wer wollte auch wol läugnen daß es auf den ersten Anblick als etwas sehr auffallendes erscheinen muß, daß ein Unterschied den wir so oft genöthigt sind auf das stärkste geltend zu machen wenn von Vielen die bloß äußerlichen und zufälligen Verschiedenheiten über die Gebühr hervorgehoben werden ein Unterschied, den wir eben hiedurch uns so leicht gewöhnen für den größten zu achten der zwischen einem Menschen und dem andern stattfinden kann, der Unterschied nämlich zwischen gut und böse, hier als etwas ganz unbedeutendes vernachläßigt wird denn Gute und Böse sollten zusammengebracht werden und gleich willkommen sein, und dagegen alles Gewicht auf diesen räthselhaften gelegt wird ob einer das hochzeitliche Gewand an sich hat oder nicht, welches noch dazu den Worten nach eher etwas äußerliches für das Innere des Menschen nichts beweisendes zu sein scheint[.] Daher ist es dann gekommen, daß auch eifrige und wohl denkende Christen, denen dieser Name gleich theuer ist und die mit gleichem Ernst nach dem Reiche Gottes trachten doch gerade hierüber sehr weit auseinander gegangen sind. Die Einen immer darauf bedacht wohl einzuschärfen, damit jeder leichtsinnige Mißbrauch verhindert werde, dies sei ein Wort des Herrn, worauf nur mit großer Vorsicht zurükgegangen | werden dürfe, damit ja kein Vorwand gegeben werde gegen jenes heilige Gefühl der Menschen für den hohen Werth des Unterschiedes zwischen gut und böse, und ja nicht irgend etwas, wodurch es abgestumpft werden könne mit diesem Schein des Rechtes beschönigt werde, damit sie ja nicht wieder dahin kämen ihr Vertrauen auf irgend etwas der Art zu sezen wobei das Gemüth könne ungebessert bleiben und der Mensch eben so leicht im Bösen verharren als sich dem Guten zuwenden. Die Anderen kühn und frei behaupten, wie es sich wirklich so verhalte wie der Herr sagt, wie er mit dem größten Recht allen Nachdrukk auf das Eine legt was Noth thut: so dürften nicht nur sondern sollten auch wir es ihm nachsagen. Man solle ja die Christen nicht darin bestärken, daß sie wo es darauf ankomme über sich selbst oder Andere nach göttlichem Maaß zu urtheilen, immer dabei stehen bleiben den Einen als gut zu bezeichnen und den Andern als böse: denn daraus könne nie etwas anderes entstehen, als daß der geistliche Hochmuth, der ja doch so wenig Grund hat, sich immer mehr auf2–4 Zur kontroversen Auslegungsgeschichte von Mt 22,11–13 vgl. Luz: Matthäus 18– 25 (EKK I/3), 1997, 248–251 32–33 Wohl Anspielung auf Lk 10,42
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blähe und so die Menschen mehr abgehalten als angeleitet werden für ihr wahres Heil Sorge zu tragen. Wir wollen uns nicht scheuen m. g. Fr. auf Veranlassung unseres Textes in diesen Streit hineinzugehen; denn das Wort des Herrn fordert die Erledigung desselben; und wir müssen uns darauf verlassen, wenn wir diesem Wort nur recht genau nachgehn: so wird sich auch die wirklich nöthige und heilsame Vorsicht im Gebrauch desselben von selbst ergeben. Ehe wir aber zu unserer Betrachtung selbst schreiten müssen wir feststellen, was denn unter jenem Mahl zu verstehen sei. Und ich denke wir einigen uns leicht darüber es sei die lebendige Gemeinschaft mit Christo: denn immer wurde in jenen Zeiten ein vertrautes und inniges Verhältniß durch Tischgenossenschaft bezeichnet. Wollte aber jemand lieber sagen, das Mahl bedeute die Seligkeit: so wäre das ja für uns Alle dasselbige; denn diese wird uns nur dargeboten und verheißen in der Gemeinschaft mit Christo, und so auch nur genießen wir den Vorschmakk und Anfang derselben. In Bezug auf diese Einladung also und auf den Genuß derselben haben wir zu erwägen ob der Erlöser mit gutem Grund den Unterschied zwischen gut und böse zurüktreten läßt hinter jenen andern, ob Einer das hochzeitliche Gewand anhat oder nicht. Und so laßt uns denn beide Unterschiede in dieser Beziehung nacheinander betrachten.
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I. Wenn wir also davon ausgehen, m. a. Fr., daß hier die Rede ist von solchen, welche zur Gemeinschaft Christi sollen eingeladen werden: so müssen wir wol zunächst fragen, worauf denn ehe wir in jener Gemeinschaft leben der Unterschied zwischen Guten und Bösen eigentlich beruhe. Erinnern wir uns doch wie der Apostel Paulus die Gesammtheit des menschlichen Geschlechtes bei der Ankunft des Evangeliums schildert. Er theilt sie in Juden und Heiden, und sagt von den Einen sie hätten ein Gesez empfangen, und von den Andern, sie wären sich selbst zum Gesez geworden. Und das ist auch noch der Zustand eines Jeden ehe er ganz und in der That in der Gemeinschaft Christi lebt. Das Gesez wird uns gegeben zuerst durch den elterlichen Willen, wir finden es hernach in der gesellschaftlichen Sitte und im bürgerlichen Leben, und nach dieser Anleitung bildet es sich dann jeder bestimmter aus in seinem eignen Gewissen | so daß dem Menschen immer etwas vorschwebt als eine Regel der er folgen soll. Und 8 ergeben.] am Rand mit Einfügungszeichen: Absaz ter )haben* 27–31 Vgl. Röm 2,11–16
18 und] über der Zeile; darun-
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hierauf allein beruht der Gegensaz zwischen gut und böse. Nur so weit als Menschen derselben Regel vertrauen vermögen sie ihn auch gleichmäßig und mit einiger Sicherheit auf die Handlungen und den Zustand Anderer anzuwenden; und wer nun der ihm gewordenen Regel gemäß handelt und lebt, den nennen sie unter einander gut; wer aber gegen die Regel deren Ansehn er selbst anerkennt mit seinem Leben streitet, den nennen wir böse. Und nun laßt uns von demselben Apostel weiter hören, wie er von eben dieser Voraussezung ausgehend ganz gegen die Meinung seiner Zeitgenossen in seinem Volke die Behauptung aufstellt, daß vor Gott Juden und Heiden gleich sind, so gleich nämlich daß es beiden mangle an dem Ruhm den sie bei Gott haben sollten. Und das meint er nicht etwa nur so im allgemeinen, daß nicht wie die Meisten in seinem Volke glaubten nur die Heiden böse wären die Juden aber gut, sondern er denkt offenbar auch an die Einzelnen von beiden Theilen, indem er sagt sie sind a llzuma l Sünder. Nun gab es aber doch gewiß nach jenem natürlichen Maaßstabe unter beiden Gute sowol als Böse; und er wird es auch gewiß recht gefunden haben, daß man diejenigen gut nenne und rühme, die durch ein gesezmäßiges Betragen am meisten das gemeine Wohl förderten und daß man diejenigen als böse bezeichne, welche durch ihren Widerspruch gegen das Gesez Noth und Unordnung verursachten. Aber in Beziehung auf die göttliche Ordnung und Absicht weiß er nur dieses Eine, daß sie Alle ohne Unterschied des Ruhms ermangeln den sie bei Gott haben sollten. Ja als ob alle die Anstrengungen nichts wären, wodurch die Menschen bei der großen Kluft, welche zwischen Erkenntniß und Wille, und noch mehr zwischen Vorsaz und Ausführung befestigt ist, doch immer etwas gewinnen über das gegen den Geist gelüstende Fleisch, als ob diese alle die doch nach eben dem Gesez von dem Anerkennen des Guten als solchen ausgehen nichts wären, weiß er keinen andern wahren Gewinn den das Gesez brächte aufzuweisen, als daß die Menschen durch dasselbige unter der Sünde zusammengehalten werden und also mit der Sünde auch die Erkenntniß der Sünde haben! Da nun hierin Gute und Böse gleich sind: so können wir kühnlich sagen, daß auch ihm, so wie er auf das göttliche sah, dieser Unterschied seine Bedeutung ganz verlor, wie groß er im Leben auch sein möge. Und so erklärt der Apostel seinen Meister, daß wir aus seiner Rede deutlich sehen, wie billig es ist, daß der Herr so gute als böse 3–4 und den Zustand] am Rand mit Einfügungszeichen Einfügungszeichen: Absaz
36 möge.] am Rand mit
10–12 Vgl. Röm 3,9.23 15–16 Röm 3,23 23–24 Vgl. Röm 3,23 Gal 5,17 31–32 Vgl. Gal 3,22 32–33 Vgl. Röm 3,20
27–28 Vgl.
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einladen ließ. Was die Menschen wenn sie zu dem großen Mahle geladen werden, selbst mitbringen können aus jenem Zustand unter dem Gesez, das ist nicht das Bewußtsein guter Werke und löblicher Verrichtungen, worin wol die Guten reicher sein könnten als die Bösen. Denn dieser Unterschied verliert sich ganz in dem daß sie allzumal Sünder sind. Sondern es ist eben dieses, die Erkenntniß der Sünde. Das ist der Sinn in welchem der Erlöser auch in der bekannten Lehrgeschichte sagt, daß derjenige der von seinem Gebet im Tempel das Bewußtsein guter Werke mit sich nahm minder gerechtfertigt gewesen sei als der welcher nach Hause ging mit der Erkenntniß der Sünde. Nicht als ob dieser nun Genüge gehabt hätte und selig gewesen wäre; aber doch gerechtfertigt vor jenem, weil er von solchem gesezlichen Gottesdienst den besten Gewinn davongetragen, nämlich die Erkenntniß der Sünde. Nun warnt aber gegen den Mißbrauch schon Paulus selbst, daß wir nicht etwa sollten in der Sünde verharren auf daß die Gnade sich desto mächtiger zeigen kann; und so wird auch wol niemand behaupten mögen, daß die heilsame Erkenntniß der Sünde immer in dem Maaß zunähme als der Mensch tiefer der Sünde anheimfällt. Aber das ist doch gewiß, diese Erkenntniß kann eben so stark sein da wo die Kraft des Willens sich am schwächsten zeigt gegen die Gewalt der Sinnlichkeit als da wo sie durch beständige Uebung und wohl unterstüzt wirklich einiges gewonnen hat, oder wo vielleicht auch eine mildere Natur bei allem was im gewöhnlichen Lauf des Lebens vorzukommen pflegt weniger Widerstand darbietet. Warum sollen also nicht die Bösen eben so gut eingeladen werden als die Guten? Sie sind es nicht weniger bedürftig; denn der Mangel des Ruhmes bei Gott ist derselbe; sie sind nicht weniger fähig von der Einladung Gebrauch zu machen; denn sie können die rechte fruchtbare Erkenntniß der Sünde haben. Sie sind nicht weniger würdig die Einladung zu empfangen; denn sie sind derselben menschlichen Natur | theilhaftig, in welcher der Erlöser als unser Bruder uns gleich geworden ist, und es ist dasselbe göttliche Ebenbild welches in ihnen verdunkelt ist und unscheinbar geworden. Wenn also nicht etwa Jemand im Gegentheil behaupten will, die Guten bedürften einer solchen Einladung nicht, wie Christus selbst sagt die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, und dies ist wol schon hinlänglich widerlegt eben durch dieses 7–14 Das ist der Sinn … nämlich die Erkenntniß der Sünde.] am Rand 14 aber] über der Zeile; darunter )PjenerS* oder )PgenauS* 14 gegen den Mißbrauch] am Rand mit Einfügungszeichen 5–6 Vgl. Röm 3,23 6 Vgl. Röm 3,20 7–10 Vgl. Lk 18,9–14 15–16 Vgl. Röm 6,1–2 31–32 Vgl. Hebr 2,17 32 Vgl. Röm 8,29; 2Kor 4,4; Kol 1,15; 3,10 35–36 Lk 5,31 (vgl. Mt 9,12; Mk 2,17)
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Wort des Herrn: so kann wol niemand mehr zweifeln, es sei nur gerecht gewesen, daß er die Bösen einladen ließ mit den Guten. So ist es nun auch geschehen vom Anbeginn des Evangeliums. Unter dem Volke des alten Bundes wurden diejenigen für gut gehalten welchen die Kenntniß des göttlichen Gesezes am reichlichsten einwohnte, so daß Andere sich bei ihnen Rathes erholen konnten in seltenen und schwierigen Fällen; und welche ihren Ruhm darin sezten alle äußeren Vorschriften des Gesezes und seiner Ausleger mit der pünktlichsten Genauigkeit zu beobachten; für vorzüglich schlecht aber wurden diejenigen gehalten, welche einem Beruf oblagen, der sie in solche Verbindungen mit Fremden brachte, daß sie nicht im Stande waren das Gesez genau zu beobachten und daher auch sich von der Berüksichtigung desselben immer mehr entwöhnten. Mit diesen Schlechten befreundete sich der Erlöser häufig, und achtete es gering wenn man von ihm sagte, er sei der Zöllner Geselle. Aber auch den Pharisäern und Schriftgelehrten entzog er sich nicht, ob er sie etwa auch könnte zur heilsamen Erkenntniß der Sünde bringen. Im ganzen aber hielt das alte Bundesvolk als solches sich selbst für gottgefällig und gut die Heiden hingegen für schlecht und verworfen. Christus nun sagte zwar von sich selbst daß er für die kurze Zeit seines irdischen Daseins um alle Gerechtigkeit zu erfüllen nur gesandt sei zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel; aber seinen Jüngern gab er doch den Auftrag daß sie hingehen sollten in alle Welt und aus allen Völkern Jünger machen. Und so hat er auch in dem Sinne, in dem gewiß Viele von seinen ursprünglichen Zuhörern seine Rede auffaßten es so gehalten wie er gesagt, einladen lassen gute und böse; so daß wir auch gegen uns selbst sprechen würden daß schon unsere Vorfahren nicht mit Recht wären eingeladen worden wenn wir die Rede des Erlösers tadeln wollten. Doch vielleicht denkt Mancher unter Euch m. gel. fr., was ich bis jezt geredet das treffe noch gar nicht das was wir uns gewöhnlich denken bei dem Unterschied zwischen gut und böse. Das Gesez Mosis habe sich auf das Land bezogen welches der Herr dem Volke gegeben, und Christus habe sollen das Ende dieses Gesezes sein, es habe aber auch schon sein natürliches Ende gefunden mit dem Bestehen jenes Tempel und dem Besiz jenes Landes. Und nicht anders sei es mit allen Gesezen von denen ich geredet, der Buchstabe der im bürgerlichen 2 Guten.] am Rand mit Einfügungszeichen: Absaz 24 Sinne, in] in über der Zeile 29 wollten.] am Rand mit Einfügungszeichen: Absaz 15 Vgl. Mt 11,19; Lk 7,34 34 Vgl. Röm 10,4
20–22 Vgl. Mt 15,24
22–24 Vgl. Mt 28,19
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Leben gilt, die Sitte die sich an der Geselligkeit eines Volkes entwikkelt, in beidem sei naturgemäßes mit willkührlichem gemischt, beides sei daher mannigfachen Veränderungen unterworfen, und finde früher oder später sein Ende mit dem Untergang einer abgeschloßenen Selbständigkeit mit der Einverleibung kleinerer Gesellschaften in größere und der Theilung großer in kleinere. Nun aber gebe es ein anderes Gesez neben jenen und über ihnen ein Gesez welches Alle anerkennen sollen und welches in Allen dasselbige ist; der volle Ausdrukk der menschlichen Vernunft, die Stimme Gottes im Herzen, und nach diesem Gesez gut sein oder böse, das sei erst jener größte Unterschied über den in keiner Hinsicht irgend ein anderer dürfe gesezt werden. Gut aber seien diejenigen welche dieses Gesez anerkennen und also auch streben danach zu thun: denn daß keiner demselben ganz gemäß sei und es überall vollkommen erfülle, das werde von Allen zugegeben. Unter den Guten aber seien diejenigen die zugleich auch Starken, welche mit großer Kraft ihr Fleisch zu beugen wüßten unter den Gehorsam dieses Gesezes, diejenigen hingegen, welche immer wieder zurükkfallen und ihre Vorsäze nicht zum Ende zu führen wissen, die seien die Schwachen aber doch unter den Guten, solange sie das Gesez anerkennen und den Streit für dasselbe immer aufs neue versuchen. Die Bösen aber seien diejenigen, die wenn auch nur weil sie so wenig vermögen gegen dieses Gesez feindselig auftreten mit klügelnden Gedanken es bei sich selbst und Andern verläumden und auch in Andern auf alle Weise seine Herrschaft zu stören und die Herrschaft der Sinnlichkeit aufzurichten suchen, und der Unterschied zwischen diesen beiden sei und müsse auch immer bleiben der größte den es geben könne zwischen einem Menschen und dem andern. Wohl, ich will nicht bis auf die Bedenklichkeit zurükgehen, ob jene Guten wol kommen werden auf die Einladung, oder ob sie sich völlig befriedigt mit ihrem Zustande betragen werden wie die in unserm Gleichniß ursprünglich eingeladenen, welche lieber zu einem andern Geschäft gingen von dem sie sich mehr versprachen. Sondern vorausgesezt daß sogar diese kommen, weil ihnen wie jenem Jünglinge der sich auch rühmen konnte sein Gesez gehalten zu haben von Jugend an, doch noch etwas fehlt, und wenn dann auch die Schwachen eingeladen werden sollen in der Hofnung, daß sie wenn irgendwo gewiß hier werden gestärkt werden: sollen also die Bösen nicht einge8 sollen] mit Einfügungszeichen über der Zeile 8 welches] mit Einfügungszeichen über der Zeile 27 andern.] am Rand mit Einfügungszeichen: Absaz 37 also] am Rand mit Einfügungszeichen; folgt )dann* 33–35 Vgl. Mt 19,20–21; Mk 10,20–21; Lk 18,21–22
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laden werden? Soll der Erlöser sich nicht zutrauen daß wenn irgendwo dann gewiß unter denen welche in seiner Gemeinschaft leben sie ihre Widrigkeit gegen die Herrschaft des Gesezes verlieren können? Daß wenn Er ihnen vor Augen gemalt wird als für sie gekreuziget sie am ehesten zur richtigen Erkentniß ihres Zustandes kommen werden. Glaubt Ihr etwas beßeres für sie thun zu können um sie für das geistige Leben zu gewinnen: so müßte auch euer Glaube an den Erlöser noch nicht fest und stark genug sein. Glaubt Ihr sie seien unwürdig daß dieses für sie geschehen; wollt Ihr euch nicht mit der von ihm so schön geschilderten Freude freuen, wenn von hundert solchen die geladen werden auch nur Einer kommt: so muß seine Liebe, die keinen ausschließen will noch nicht in Euch sein. Und so möge dann dieses feststehen, daß des Erlösers Diener ganz Recht haben und vollkommen in seinem Sinne handeln, wenn sie bei ihren Einladungen zu dem Reiche Gottes, welches | herbeigekommen ist auf diesen Unterschied wie man ihn auch fassen möge, keine Rüksicht nehmen, sondern einladen die Guten und die Bösen. Aber freilich wenn er nun kommt wie es heißt die Gäste zu besehen, ob dann nicht PvielleichtS die welche sich als Böse da befinden hinausgeworfen werden sollten, nicht aber die welche das hochzeitliche Kleid nicht anhaben, und zwar ohne daß erst untersucht würde ob sie zu den Bösen gehören oder zu den Guten, das ist die andere Frage, und die Antwort auf diese wird sich ergeben wenn wir im zweiten Theil unserer Betrachtung untersuchen was für eine Bewandniß es mit jenem Unterschied habe zwischen denen die hochzeitlich bekleidet sind und denen die es nicht sind. II. Und so laßt uns denn zuerst dieses bedenken, daß unter denen welche an dem Mahle des Herrn wirklich theilnehmen ein solcher Unterschied wie der zwischen Guten und Bösen gar nicht stattfinden kann. Zunächst schon deshalb nicht, weil ja wir, die wir in die wahre Gemeinschaft Christi aufgenommen sind keine Werke des Gesezes mehr treiben. Regieret euch der Geist, sagt der Apostel, so seid ihr nicht unter dem Gesez; und wenn er hiebei gleich zunächst das Gesez Mosis im Sinne hat, so gilt doch auch dieses eben so gut von jedem Gesez, wie auch von denen die sich selbst ein Gesez worden sind das gilt, daß sie des Ruhms bei Gott ermangeln, weil kein Mensch durch 3 können] am Rand mit Einfügungszeichen; folgt )werden* 9–11 wollt … kommt:] am Rand mit Einfügungszeichen 31 sagt der Apostel] am Rand mit Fußnotenzeichen: Gal 5, 35 weil] am Rand mit Einfügungszeichen; folgt )daß* 4 Vgl. Gal 3,1 9–11 Wohl Anspielung auf Mt 18,12–13; Lk 15,4–7 15 Vgl. Mk 1,15 29–31 Wohl Anspielung auf Röm 3,28; Gal 2,16 31–32 Gal 5,18 34 Vgl. Röm 2,14 35 Vgl. Röm 3,23 35–1 Vgl. Röm 3,20; Gal 2,16
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das Werk irgend eines Gesezes gerecht werden kann, und daß, wer noch durch das Gesez gerecht werden wollte, der That und Wahrheit nach schon aus der Gnade gefallen wäre, weil wir dem Gesez eben so wie der Sünde gestorben sein müssen, wenn Christus in uns leben soll. Was wir aber treiben statt der Werke des Gesezes, können wir das nicht Alle mit dem Apostel so ausdrüken, die Liebe Christo dringet uns also? Gewiß, meine Geliebten, ist das die gemeinsame Wahrheit aller Christen. Und die gemeinsame Erfahrung ich möchte sagen aller Menschen ist dieses, daß wo die Liebe recht stark ist der Mensch keines Gesezes weder bedarf das ihn zu PdemselbenS antriebe, aber daß er auch durch keines gebunden und gehalten werden kann, das ihr in den Weg treten möchte, sondern der mächtige unwiderstehliche Trieb durchbricht alle Schranken. Unter welchen Umständen umgiebt sich das bürgerliche Gesez am meisten mit allen Schreknissen der Marter und des Todes weshalb hält es Belohnungen vor die bald die Eitelkeit bald die Habsucht bald den Ehrgeiz reizen? Beides nur wo es keinen Gemeingeist keine kräftige Liebe zum Vaterlande voraussezen zu dürfen glaubt. Je mehr aber diese sich regt, um desto weniger wird die Belohnung vorgehalten, sondern sie kommt nur noch als billige Anerkennung der treuen Liebe hintennach, und die Strafe mildert sich immer mehr, bis zulezt auch das Gesez am liebsten seinen strengen Namen ablegt und nur gehalten sein will für den sicheren und zuverläßigen Ausdrukk des allgemeinen Willens. Und vollkommen ist dann der Sieg der PLiebeS als des Geistes über das Gesez als den Buchstaben, wenn die Ueberzeugung allgemein ist jeder thue gern was das allgemeine Wohl fördert und meide gern das Gegentheil sobald es nur unterrichtet ist, was es jedes mal gelte. So ist es nun vielleicht nur bei jenem Mahle in dem Reiche Gottes, in Allen dieselbe Liebe, die keines Gesezes mehr bedarf, aber eben deshalb auch kein Gegensaz zwischen Guten und Bösen, so weit sich dieser auf ein Gesez bezieht. Aber laßt uns dasselbe uns auch noch auf eine andere Weise vergegenwärtigen. Ihr kennt meine Geliebten jene merkwürdige evangelische Erzählung, als einer kam und Christum anredete und sprach Guter Meister was soll ich thun daß ich das ewige Leben ererbe. Da mag nun Christus geantwortet haben Was nennest du mich gut! oder Was 6 mit dem Apostel so ausdrüken] am Rand mit Fußnotenzeichen: 2 Cor 5, 14 10 PdemselbenS] oder PdenselbenS 13 Umständen] am Rand mit Einfügungszeichen; davor: welchen korr. aus welcher; folgt )Voraussezung* 32–33 jene merkwürdige evangelische Erzählung] am Rand mit Fußnotenzeichen: Matth. 19, 16 flgd. 3–4 Vgl. Gal 2,19–20 6–7 2Kor 5,14 34 Vgl. Mt 19,16; Mk 10,17; Lk 18,18 Mt 19,17
24–25 Anspielung auf 2Kor 3,6 32– 35 So Mk 10,18; Lk 18,19 35–1 So
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fragst du mich nach dem Guten. Auf jeden Fall PsieheS er sagt, ein einiger ist gut nämlich Gott allein. Ist nun Gott allein gut, ist er es dann vermöge seiner Allmacht oder vermöge seiner Allwissenheit, so daß wie Er gut ist, es nur die Mächtigen wären oder die Vielwissenden die an dem guten wenigstens Theil haben, und auch Christus ein solcher am guten theilhabender Meister gewesen wäre wegen seiner Wundermacht oder weil er immer schon wußte was in dem Menschen war? Wol schwerlich! Sonst würde er den Namen guter Meister nicht zurükgewiesen haben eben als sich einer an sein Wissen und seine Erkenntniß wendete. Sondern Gott ist allein gut, weil er allein die Liebe ist. Und wir, wenn uns in dem eingebornen Sohn als dem Ebenbild dieses göttlichen Wesens und dem Abglanz dieser Herrlichkeit eben die Liebe Gottes erschienen ist, und nun durch den Geist, der aus dem Glauben kommt diese Liebe ausgegossen ist in unsere Herzen, sind wir dann nicht zwar gut, denn ein einiger ist gut, aber doch Alle im gutwerden begriffen. und wie sollte also einer ein böser sein? Können doch diejenigen nicht böse sein, in denen, wie schwach auch erst, aber doch die Kraft seiner göttlichen Liebe lebt; in wem aber die gar nicht wäre, der wäre auch nicht ein Genosse jenes Mahles. An Unterschieden unter diesen Genossen fehlt es freilich nicht, auch außer dem, wovon Er selbst sagt, daß er es nicht zu geben vermöchte sondern nur sein Vater im Himmel, daß nämlich der Eine sizt zu seiner Rechten der nächste PihmS, der Andere zu seiner Linken, und die anderen anders. Nein, es giebt Unterschiede genug. Da giebt es eine Herrlichkeit wie der Sonne und eine wie des Mondes und eine wie der größeren und der kleineren Gestirne. Und wie es auch am Himmel Sterne giebt, welche das unbewafnete Auge vergebens aufsucht, so giebt es auch dort Viele ja gewiß sehr Viele deren Herrlichkeit sich dem menschlichen Auge ganz verbirgt; aber sie haben doch auch ihren Glanz vor den Augen ihres himmlischen Vaters wenn sie auch die Kleinsten sind unter Allen, und der Herr kennt die Seinen insgesammt. Da giebt es Gefäße in dem Hause des Herrn von mancherlei Art und zu mancherlei Behuf, Gefäße zu größeren Ehren und Gefäße zu geringeren Ehren, aber sie sind alle sein und mit seinem Stempel bezeichnet, und die geringfügigsten und in den Augen der Menschen unscheinbarsten sind diejenigen, die am meisten in Gebrauch sind und PdurchS die am meisten geschafft wird in dem Reiche Gottes. So stellt uns die 1–2 Vgl. Mt 19,17; Mk 10,18; Lk 18,19 10–11 Vgl. 1Joh 4,16 11–13 Kombinierte Anspielung auf Joh 1,14; Kol 1,15; Hebr 1,3; 1Joh 4,9 13–14 Vgl. Gal 5,5 14–15 Vgl. Röm 5,5 21–24 Vgl. Mt 20,21–23; Mk 10,37–40 29–31 Wohl Anspielung auf Mt 18,10 31 Vgl. 2Tim 2,19 (vielleicht auch Anspielung auf Jes 40,26) 32–34 Anspielung auf 2Tim 2,20–21 (vgl. auch Röm 9,21) 35–37 Anspielung auf 1Kor 12,22–24
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Schrift selbst den Unterschied Pdar unter denenS die zu dem ewigen Leben berufen sind und den Ruf angenommen haben; aber einen Gegensaz zwischen Guten und Bösen giebt es da nicht, nur Unterschiede der Stärke und der Schwäche, der Vollkommenheit und der Unvollkommenheit. Doch nun laßt uns hiebei auch nicht länger verweilen; wir werden nun schon im Stande sein die Frage zu beantworten die uns noch vorliegt, nämlich was es nun eigentlich zu sagen hat mit dem hochzeitlichen Gewand. Der Zusammenhang der PRedeS selbst erklärt sich nicht weiter darüber; aber die Auslegung welche man gewöhnlich davon macht, es sei der Glaube an Jesum als den Christ und die Gerechtigkeit aus diesem Glauben, ist gewiß allgemein bekannt, und | auch so angemessen und natürlich, daß nicht leicht jemand eine andere sollte aufzubringen wissen. Kann aber auch wol ein Christ, oder auch nur einer der an dem Christenthum an und für sich keinen Anstoß nimmt sich an dieser Aeußerung des Erlösers ärgern? Es scheint freilich, daß das ständig geschieht; aber es ist nichts desto weniger schwer zu PbegreifenS. Der christliche Glaube beruht nun einmal darauf, daß alle Menschen des Ruhms ermangelten, den sie bei Gott haben sollten, und darauf daß sie so wenig im Stande wären sich selbst PuntereinanderS zu diesem Ruhm emporzuarbeiten, daß vielmehr eben deswegen die Erscheinung des Erlösers nothwendig geworden ist. Wie sollten sie aber durch den Erlöser dazu gelangen? Zuerst natürlich muß er selbst diesen Ruhm haben; und so ist er auch von Anfang an verkündigt worden als der liebe Sohn an dem Gott Wohlgefallen haben konnte. Denn das ist der Ruhm den wir Alle haben sollten, den aber keiner hatte, weil an den todten Werken des Gesezes, an dem Widerspruch zwischen Einsicht und Willen, an der Ohnmacht des Geistes im Streit wider das Fleisch Gott PkeinenS Wohlgefallen haben konnte. 4–5 Unvollkommenheit.] am Rand mit Einfügungszeichen: Absaz 10 gewöhnlich] am Rand mit Einfügungszeichen; folgt )allgemein* 17 nichts] am Rand mit Einfügungszeichen 19 haben] am Rand mit Einfügungszeichen; es folgt ein gestrichenes unleserliches Wort 22 nothwendig] am Rand mit Einfügungszeichen; es folgt ein gestrichenes unleserliches Wort 27–29 weil … konnte.] am Rand mit Einfügungszeichen 29 PkeinenS] oder PkaumS 10–14 Dies ist die traditionelle protestantische Deutung seit Luther. Tatsächlich sind aber immer auch andere Deutungen vertreten worden, so vor allem die in der katholischen Tradition vorherrschende auf die guten Werke (gegen die Schleiermachers polemische Bemerkung offenbar gerichtet ist), daneben etwa die Liebe (aufgrund von Kol 3,12–14) oder Christus selbst (aufgrund von Röm 13,14; Gal 3,27); vgl. Luz: Matthäus 18–25 (EKK I/3), 1997, 248–249. 18–19 Vgl. Röm 3,23 24–26 Vgl. Mt 3,17; Mk 1,11; Lk 3,22
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Aber dann mußte Christus auch diesen Ruhm mittheilen können, oder wie Johannes sagt uns die Macht geben können daß wir Kinder Gottes werden. Die nun jenen Ruhm in ihm anerkennen, und diese Macht empfinden und sich ihr hingeben damit das Licht die Finsterniß durchdringe und vertreibe, das sind die welche an ihn glauben, und welche gerechtfertigt werden durch ihren Glauben. Und kann es unter jener Voraussezung anders sein als so? Wenn Gott Wohlgefallen hat an seinem Sohn: so muß er auch Wohlgefallen haben an der Einladung, die dieser an die Menschen ergehen läßt, und dann auch Wohlgefallen an denen, welche dieser Einladung folgen und lieber in der Gemeinschaft mit Christo und unter seinem Einfluß leben, als ihr eigenes mühseliges und PdürftigesS Leben fortführen wollen. Wenn nun eben dieses das hochzeitliche Gewand ist, das gemeinsame Zeichen derer welche die Einladung Christi angenommen haben: kann man dann wol sagen daß einer der dies nicht an sich trüge dennoch in der That Theil hätte an jenem seligen Mahl? Ist es wirklich eine besondere Handlung die man PreinerS Willkühr wegen tadeln könnte, was dort gesagt wird, daß ein solcher hinausgeworfen würde? Gewiß gar nicht, meine Freunde, sondern das scheint nur so weil es dem Bilde gemäß mußte vorgetragen werden. Die eigentliche Wahrheit ist die, daß wer dies hochzeitliche Gewand nicht trägt, auch gar nicht dort ist. Wäre eine solche Verwechselung äußerlich möglich, so muß sie sich natürlich entdekken sobald der Herr, der die Wahrheit ist, erscheint, und dann muß der falsche Schein verschwinden, und der des hochzeitlichen Gewandes ermangelnde auch von Allen dafür anerkannt werden, daß er noch immer der Finsterniß angehört die draußen ist. Wenn nun aber die Sache so einfach ist und klar, so bleibt uns eben noch übrig daß wir fragen, worauf denn die Ungunst beruht, welche diese Aeußerung unseres Herrn so häufig gefunden hat? was für einen Vorwand denn die Verunglimpfung nimmt um sie anzuschwärzen? Bei dem ersten wollen wir uns nicht weiter aufhalten, denn es gebührt uns nicht in die verborgenen Tiefen der Herzen vorzudringen. Was ich also darüber sage, das sei nur ein flüchtiges Wort der Warnung. Wenn es sich nämlich zu allen Zeiten so verhält, wie es die Schrift zu den ihrigen darstellt, daß nämlich die Gerechtigkeit nur auf zweierlei Wegen gesucht werden kann auf dem des Glaubens und 1 mußte Christus] am Rand mit Einfügungszeichen; folgt )mußte er* 23 Herr] am Rand mit Einfügungszeichen; es folgt ein gestrichenes unleserliches Wort 26 ist.] am Rand mit Einfügungszeichen: Absaz 2–3 Vgl. Joh 1,12 5–6 Vgl. Röm 3,22; Gal 2,16; Phil 3,9 7–8 Vgl. Mt 3,17; Mk 1,11; Lk 3,22 23 Anspielung auf Joh 14,6 35–1 Anspielung auf die paulinische Rechtfertigungslehre, vgl. vor allem Röm 3,21–4,25; Gal 2,16–3,29
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auf dem des Gesezes, und diejenigen, welche durch den Glauben an Christum gerecht zu werden begehren gegen diese Aeußerung des Erlösers nichts einwenden werden: so ist also sehr zu besorgen, daß diejenigen, welche sich nicht in dieselbe finden können immer solche sind welche ihre eigene Gerechtigkeit aufrichten wollen auf dem Wege des Gesezes, und uns also zu den dürftigen Anfangsgründen der Welt zurükkzuführen trachten. Der Vorwand aber, hinter dem sie sich schüzen, scheint mir ein zwiefacher zu sein. Einmal daß sie das Mahl sich denken als einen bloßen Genuß und also als eine Belohnung und darum gefällt ihnen das schon nicht daß die Guten und die Bösen durcheinander dazu geladen wurden, und dann daß sie den Glauben sich denken als ein bloßes PAnnehmenS und Fürwahrhalten, abgesondert von allem was Thätigkeit und wirksames Leben des Menschen ist, und darum verdrießt es sie so Pdaß dies alleinS entscheiden soll, ob der Mensch an jenem seligen Ruhn theilnehmen dürfe oder nicht. Darin ist nun PvielS Mißverstand von allen Seiten, und wir müssen uns hüten, daß wir nicht auch in denselben Schlingen gefangen werden und unser Gewissen verwirrt. Was nun das erste betrifft: so wünsche ich recht herzlich daß niemand von uns so denken und je den Erlöser wolle dafür angesehen haben die Menschen einzuladen zu einem bloßen Genuß. Was wäre wol ein solcher für ihn und für diejenigen, die in die Gemeinschaft seines Lebens eingegangen sind! Ist nicht unsere Erzählung von demselben her, der auch gesagt hat, Ich habe eine Speise da Ihr nicht von wisset. Das ist meine Speise, daß ich den Willen thue meines Vaters im Himmel. Und zu einem andern Mahl als zu dieser seiner Speise hat er weder uns noch Andre jemals einladen wollen, denn er kennt ja keine andre, und glaubet nicht daß er euch, sei es nun hier oder dort, jemals mit etwas anderem bewirthen werde. Ja wer das glauben könnte und in dieser Erwartung vor ihm erschiene, der hätte gewiß das hochzeitliche Gewand nicht an und würde bald als ein solcher erkannt werden. Hat er denn je eine andere Belohnung verheißen als daß wer über weniges getreu gewesen, solle über Vieles gesezt werden? Und ist das nicht wieder Haushalten, Geschäftigkeit, Wirksamkeit? Und der Glaube auch sollte ein bloßes Fürwahrhalten sein, und die Rechtfertigung aus dem Glauben ein Vorzug den Gott willkührlich diesem Fürwahrhalten ertheilte! Redet er nicht vom Glauben so daß die da glauben seien aus dem Tode ins Leben hindurchgedrungen? 16 PvielS] oder PwolS
18 verwirrt.] am Rand mit Einfügungszeichen: Absaz
1–2 Vgl. Röm 3,22; Gal 2,16; Phil 3,9 4–6 Vgl. Röm 10,3 24–26 Vgl. Joh 4,32.34 sowie Mt 7,21; 12,50 33–34 Vgl. Mt 25,21 37–38 Vgl. Joh 5,24
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Muß er also nicht eine mächtige Kraft sein welche den Tod überwindet und Leben hervorbringt? Wenn beides Glaube und Rechtfertigung das ist, was wir vorher beschrieben haben: ist dann nicht der Glaube mit dem die Liebe Gottes ausgegossen wird in unsre Herzen, durch die er sich hernach wirksam beweist? ist dann nicht die Rechtfertigung das auf uns übertragene Wohlgefallen Gottes an seinem Sohn, der doch nicht ein bloßes Fürwahrhalten war, sondern den Willen seines Vaters im Himmel that? und übertragen auch nur auf uns, sofern Christus als solcher in uns lebt und wirkt? Aber freilich das haben diejenigen für sich die soviel Bedenklichkeiten sagen gegen diese Aeußerung unseres Meisters, daß doch auf jeden Fall das hochzeitliche Gewand etwas ist, das nur von außen PangenommenS wird, und fremd sei es auch Jedem, nicht ihm selbst angehörig. Freilich wohl! Aber das leztere, Jedem selbst angehörig soll es auch nicht sein. Wozu brauchten wir auch den Erlöser, wenn Jeder sich selbst dasjenige geben oder nehmen könnte, wodurch unser Ruhm bei Gott hergestellt wird. Darum knüpft sich auch hier seine Darstellung an den damaligen Gebrauch, daß wenn Gäste von solcher Art geladen wurden wie das öfter geschah wegen frommer Stiftungen dann der Gastgeber Jedem sein Feierkleid reichen ließ. Er PwollteS wir sollten nicht vergessen daß der Glaube und die Gerechtigkeit aus dem Glauben ein Geschenk der göttlichen Gnade sei, weil wenn der ewige Vater die menschliche Welt hätte gehen lassen wie sie ging ohne daß die Erfüllung seines ältesten Versprechens gekommen wäre, dann kein Fleisch gerecht würde vor Gott. Und wie wenn einer zwar zum Mahle gehen jenes hochzeitliche Kleid aber nicht annehmen wollte, man ihn erkennen würde als einen, dem das Betragen welches man in einer solchen Gesellschaft beobachten muß ein unerträglicher Zwang wäre im Vergleich mit den dürftigen Sitten unter denen er den früheren Theil seines Lebens verbracht hat: so können wir auch einen der von Christo die Rechtfertigung aus dem Glauben nicht annehmen will, nur für einen solchen halten der den Ruhm ein Gast des Herrn zu sein für gering achtet gegen die kleinliche Selbstgefälligkeit und den eitlen Hochmuth auf ein ängstlich gesezliches PWesenS. Und muß uns gleich 4 mit dem] am Rand mit Einfügungszeichen; folgt )durch den* 9 wirkt?] am Rand mit Einfügungszeichen: Absaz 20 reichen ließ.] am Rand mit Einfügungszeichen; dort über der Zeile: ließ; darunter )läßt*; folgt )Pauch denS* 24 Erfüllung seines ältesten] mit Einfügungszeichen am Rand; folgt )Verheißungen PdesS* und ein weiteres gestrichenes unleserliches Wort 24 wäre] am Rand mit Einfügungszeichen; folgt )wären* 4 Vgl. Röm 5,5 7–8 Vgl. Joh 5,30 25 Vgl. Röm 3,20; Gal 2,16
9 Wohl Anspielung auf Gal 2,20
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der Glaube zuerst von außen kommen, zunächst durch die persönliche Erscheinung Christi und dann durch das Wort der Predigt: so bleibt er doch nicht etwas Aeußeres. Sondern wie es in der alten Welt eine Fabel gab von einem verderblichen Kleide welches einmal angelegt der welcher es trug nicht mehr los werden konnte, vielmehr saugte es sich immer fester an bis es mit seinen giftigen Dünsten dem Besizer das innere Mark des Lebens ausge|saugt hatte und ihn dem Tode preisgab: so ist dieses hochzeitliche Gewand von der göttlichen Gnade uns dargereicht ein seliges Gegenstück zu jenem. Keiner vermag es abzulegen, der es einmal angethan hat weil nämlich keiner wollen kann, daß er es los werden und jene selige Gemeinschaft verlassen dürfe um zurükzukehren zu den Träbern der Welt. Und immer mehr durchdringt es den Menschen, dem es sich einmal angeschmiegt hat mit seiner göttlichen Kraft, welche wie wir unser natürliches Leben aus der lebendigen Luft die uns umgiebt erfrischen so das göttliche Leben in uns erweckt und ernährt. Immer mehr fühlen wir es unser eigen, und immer deutlicher wissen wir doch von wannen es kommt, Christus in uns und wir in ihm. Amen.
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c. Autograph Schleiermachers 2r
Vom hochzeitlichen Kleide Te x t . Matth. 22, 9–13. „Gehet hin auf die Straßen, und ladet zur Hochzeit, wen ihr findet: Und die Knechte gingen aus auf die Straßen, und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute; und die Tische wurden alle voll.“ M. g. F. Das Gleichniß von dem großen Mahl wozu die eingeladenen Gäste nicht kommen wollten finden wir auch im Evangelium des Lu2 der Predigt] am Rand mit Einfügungszeichen; es folgt ein gestrichenes unleserliches Wort 5 saugte] am Rand mit Einfügungszeichen; folgt )sog* 13 dem … hat] am Rand mit Einfügungszeichen; folgt )der es einmal angelegt hat* 21–24 saugte] am Rand mit Einfügungszeichen; folgt )sog* 1–2 Vgl. Röm 10,17 3–8 Das Motiv vom vergifteten Gewand ist in der antiken Mythologie mit Medea (die damit ihre Rivalin Glauke tötet) und Herakles (der durch das Nessoshemd unerträgliche Qualen erleidet) verbunden. 20 Die Nachschrift (vgl. unten Fassung d) gibt „Matth. 22, 9–10“ an, was dem anschließend angeführten Bibeltext genau entspricht. Schleiermacher korrigiert die Stellenangabe (V. 13 statt V. 10) entsprechend dem tatsächlichen Predigttext, ohne jedoch den angeführten Bibeltext zu ändern. (Es sei denn, die im textkritischen Apparat genannte Klammer soll nicht die Einrückung, sondern die Ersetzung des Bibeltextes markieren.) 25–1 Vgl. Lk 14,16– 24
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kas. Diese Worte aber sind ein eigenthümlicher Zusatz, welchen der Evangelist Matthäus allein uns aufbewahrt hat; und eben diese sind unter den Christen seit langer Zeit der Gegenstand eines oft sehr hizigen Streites gewesen und nicht selten ist ein großer Eifer darüber entbrannt. Und wir dürfen nicht läugnen, von beiden Seiten. d. Nachschrift Predigt über Matth. 22, 9–10. Am 20. Sonntage nach Trinitatis (den 28. Octbr. 1827.) gehalten von Schleiermacher. |
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Tex t. Matth. 22, 9–10. „Gehet hin auf die Straßen, und ladet zur Hochzeit, wen ihr findet: Und die Knechte gingen aus auf die Straßen, und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute; und die Tische wurden alle voll.“ M. g. F. Diese Worte und was noch damit zusammenhängt, sind ein eigenthümlicher Zusatz, welchen in der bekannten Gleichnisrede des Erlösers, wozu sie gehören, der Evangelist Matthäus uns aufbewahrt hat. Wir dürfen sie nur hören, so müssen wir uns gleich erinnern, wie über derselben unter den Christen fast beständig ein großer Eifer gewesen ist und Streit von beiden Seiten. Denn es erscheint freilich als etwas auffallendes, daß der Unterschied, den wir gewohnt sind, für den größten zu halten, der unter den Menschen Statt finden kann, zwischen böse und gut, daß der hier fast ganz vernachlässigt wird, und dagegen alles Gewicht darauf gelegt, ob einer das hochzeitliche Kleid anhabe, oder nicht. Wie nun freilich auch alle diejenigen, welche hierüber verschiedener Meinung sind, im Wesen des Glaubens übereinstimmen mögen, so hat es doch immer viele gegeben, welche gesagt haben, daß dies Wort des Herrn mit großer Vorsicht müsse gebraucht werden, damit nicht das Gefühl der Menschen für den | großen Unterschied zwischen böse und gut abgestumpft werde und sie ihren Glauben, worin es auch sei, auf eine solche Weise einrichten, daß ihnen eben dieses als etwas geringfügiges erscheine; wogegen andere wieder gesagt haben, nicht mit Unrecht lege der Herr alles Gewicht auf das Eine, welches 1–2 Gemeint sind vor allem V. 11–13; auch die Worte „Böse und Gute“ (V. 10) finden sich nur bei Matthäus. 2–5 Zur kontroversen Auslegungsgeschichte von Mt 22,11– 13 vgl. Luz: Matthäus 18–25 (EKK I/3), 1997, 248–251 13 Gemeint sind vor allem V. 11–13 (tatsächlicher Predigttext ist Mt 22,9–13) 14–15 Mt 22,1–14; vgl. Lk 14,16–24 16–18 Zur kontroversen Auslegungsgeschichte von Mt 22,11–13 vgl. Luz: Matthäus 18–25 (EKK I/3), 1997, 248–251 30–1 Wohl Anspielung auf Lk 10,42
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Noth thue, und es könne nie etwas anderes daraus entstehen, als daß der menschliche Stolz und Hochmuth, der so wenig Grund hat, genährt werde, wenn die Menschen mit ihrem Urtheil über sich selbst und andre dabei stehen bleiben, ob einer böse sei oder gut. Wir wollen uns nicht scheuen, m. g. F. in diesen Streit hineinzugehen; denn das Wort des Herrn fordert die Erledigung desselben. Laßt uns also beides so betrachten, daß wir zu erforschen suchen, was es eigentlich für eine Bewandniß habe mit dem Unterschied auf der einen Seite zwischen denen, die gut sind oder böse, und auf der andern zwischen denen, die das hochzeitliche Gewand anhaben oder nicht.
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I. M. a. F. Wenn wir nun das Wort des Herrn mit einander erwägen, so müssen wir das gleich zugeben, daß der Unterschied zwischen böse und gut nicht ein solcher sein könne, daß jener andere auf irgend eine Weise darüber dürfe vernachlässigt werden. Gut und böse, m. g. F. das geht immer auf die eine oder andre Weise zurück auf ein Gesetz. Es liegt dabei zum Grunde, | daß dem Menschen etwas vorschwebt als eine Regel, der er folgen soll, und wer denn der gemäß handelt und lebt, den nennen wir gut; wer aber gegen das, dessen Ansehn er selbst anerkennt, mit seinem Leben stritte, [den] nennen wir böse. So der Apostel Paulus. Indem er zeigen will, gegen die Meinung seiner Zeitgenossen in dem Volke, dem er angehörte, daß vor Gott Juden und Heiden gleich seien, indem es beiden mangle an dem Ruhm, den sie vor Gott haben sollen, – indem er das zeigen will, sagt er, die Heiden hätten gar kein Gesetz empfangen, aber sie würden sich selbst zum Gesetz, und damit will er eben darauf hinweisen, wie es in der menschlichen Natur liege, daß der Mensch sich unter ein Gesetz stelle. Aber indem er weiter fortfährt, seine Gedanken zu entwickeln, was ist das Ende seiner ganzen Rede anders als dieses, daß das Gesetz nichts anders hervorbringen könne als Erkenntniß der Sünde. Denn das Gesetz ist eben nichts anderes, als Erkenntniß des Unterschiedes zwischen dem, was in irgend einer Beziehung das gemeinsame Leben der Menschen und ihr äußeres Wohlergehen fordert, und dem, was sich ihm hemmend entgegenstellt. Aber eine große Kluft ist befestigt zwischen Erkenntniß und Wille und dieser Erkenntniß des Gesetzes gegenüber gestaltet sich der menschliche Wille immer mehr oder weniger nur als ein unvermögender Wunsch: es sind schwache | Ansätze, womit sich der Mensch erhebt, wenn ihm die Erkenntniß aufgegangen ist, aber sie vermögen sich in der Folge nicht zu erhalten, noch weniger das glänzende Ziel zu erreichen, welches ihnen vorgesteckt ist. Fragen wir weiter, m. th. F. wie es mit einem solchen Gesetze stehe, so können wir doch 20–22 Vgl. Röm 2,11–3,31 29 Vgl. Röm 3,20
22–23 Vgl. Röm 3,23
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auch, indem hier die Rede ist von dem großen Mahle, welches der König seinem Sohn ausrichtet, und dies keine andere Beziehung haben kann, als auf die Erlösung, wie sie durch Christum begründet ist, und mit ihm begonnen hat, – so können wir doch nur fragen nach den Menschen, welche er auf der Welt fand, und fragen wir nun, woher kömmt denn das Gesetz, nun, so hatte das Volk, dem er angehörte, das Gesetz durch Mosen. Aber das hatte auch nur seine Beziehung auf das Land, welches der Herr dem Volke hatte zu bewohnen gegeben, und auf die Zeit, wo es dasselbe bewohnen durfte. Das Ende aber dieses Gesetzes sollte Christus sein, und so finden wir überall, mögen nun die Menschen das Gesetz, dem sie folgen, aus der Mittheilung und Offenbarung irgend eines höhern Wesens ableiten, oder mag es unter ihnen entstanden sein, jedes menschliche Gesetz hatte immer eine solche Beschränkung. Ja | wenn wir sagen wollten, gut und böse messen wir doch nicht allein nach dem äußern Gesetz, welches für die äußern Handlungen der Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft gegeben wird, sondern wir nehmen ein Gesetz an, welches die Vernunft dem Menschen selbst giebt; wohl, so könnten wir doch immer nicht anders sagen, als, es ist die Vernunft der Bessern, weiter Entwickelten, besonders Ausgezeichneten, die das Gesetz giebt. Könnte es wohl irgend einen Menschen geben, der ein Gesetz hätte aufstellen können, welches sich weit über die Erkenntniß seiner Zeitgenossen erhob, so hätten sie es nicht verstehen können, und es wäre ihnen nicht zum Gesetz geworden, sondern wäre ein todter Buchstabe geblieben. Aber da die Menschen in jenem Zustande vor der Erlösung durch Christum sich die ebenfalls in ihrer Natur angelegte Erkenntniß des höchsten Wesens in eine Mannigfaltigkeit des verkehrtesten Wesens verwandelten, so finden wir auch, daß die in ihrer Natur angelegte Erkenntniß des Guten zu ihrer vollkommenen Gestaltung niemals gelangen konnte, und so ist denn natürlich, daß jedes Gesetz immer mangelhaft und unvollkommen war, das Ziel schon, dem die | Menschen nachstrebten, ein dürftiges, die Art aber, wie sie es erreichen konnten, noch dürftiger. Darum konnte kein Gesetz selig machen, und mit allem Unterschied zwischen Gut und Böse, wie fest er gehalten wurde, wie lebendig in der Seele eingeschrieben, konnte die große Absicht Gottes mit den Menschen nicht erreicht werden. Der Höchste konnte sein Wohlgefallen nicht haben, weder an dem Unvollkommnen, noch an dem Widersprechenden. Wo dieser beständige Widerspruch war zwischen dem Gesetz in dem Gemüthe und dem Gesetz in den Gliedern, zwischen dem, was die Stimme des Geistes sprach, und dem, wohin die Lockungen des Fleisches führten, ja, wo auch die Stimme des Geistes selbst nur ein dunkler und kaum erkennbarer Wiederhall von 39 Wiederhall] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 5, Sp. 214 9 Vgl. Röm 10,4
32–33 Anspielung auf Röm 2,15
35–37 Vgl. Röm 7,23
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dem war, was sie ausdrücken sollte, da konnte das Wohlgefallen Gottes nicht sein. Mit Recht also, m. th. F. stellt der Erlöser es so dar, daß der König seine Knechte aussendete und ihnen sagte, sie möchten hingehen auf die Straßen und öffentlichen Plätze und einladen, wen sie fänden, und mit Recht sagt er ausdrücklich: Und die Knechte gingen aus auf die Straßen, und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute! | Ja, denken wir uns einmal die Sache, wie sie ist, das Maaß, wonach wir Gutes und Böses messen, so unvollkommen und das Vermögen, ihm gleich zu werden, eben so unvollkommen, wie können wir sagen, daß es ja in der Welt Gute gegeben, die nicht nöthig hatten, daß die göttliche Einladung an sie gelangt wäre. Wo der Glaube waltet, daß auf den Grund dessen, was die von Gott unerleuchtete Vernunft des Menschen, was der Mensch in dem unvollkommenen Zustande, in welchem er sich vor Christo und ohne ihn befand, als gut erkennen konnte, daß darauf hätte mehr gebaut werden können, so daß die Menschen auf diesem Wege durch sich selbst hätten ein Gegenstand des göttlichen Wohlgefallens sein können; – ja, der wäre ein Guter gewesen, der die Stimme der göttlichen Einladung hätte geringschätzen können und verachten: aber weil dies die Wahrheit nicht ist, so muß die Einladung nun an alle ergehen, Gute und Böse mußten die Diener des Herrn einladen, daß sie kommen möchten zum Mahl, welches er zur Freude des Sohnes eingerichtet. So that der Herr. Als er auf Erden lebte, hielt das Volk Israel, dem er angehörte, sich selbst für das | auserwählte Volk Gottes. Das war es auch, aber nicht in dem Sinne, wie es wähnte, weil das Gesetz Gottes bei ihm verwahrt wurde, sondern deswegen, weil Christus aus ihm herkommen sollte nach dem Fleisch. Sie aber hielten sich selbst aus diesem falschen Grunde für das auserwählte Volk Gottes und für gut, alle andre aber für unrein und verworfen. Wie wohl der Herr wußte und sagte, daß er selbst auf die kurze Zeit seines Daseins auf Erden gesandt sei zu den verlornen Schafen aus dem Hause Israel, so war es doch der Auftrag, den er seinen Jüngern gab, daß sie hingehen sollten unter alle Völker und in aller Welt zu Schülern machen diejenigen, die damals für die Bösen gehalten wurden, ebensowohl als die Guten; und unter dem Volke Gottes selbst werden diejenigen für gut gehalten, welchen am meisten die Kenntniß des Gesetzes einwohnte, bei denen sich die andern Raths erholten über schwierige Fälle, und welche ihre Ehre darin setzten, die äußeren Vorschriften mit großer Genauigkeit zu beobachten; und für schlecht wurden diejenigen gehalten, welche durch einen Beruf, der sie mit Fremden in Verbindung setzte, außer Stand waren, die einzelnen | Vorschriften des Gesetzes zu beobachten. Daher als er einen von jener Art mit einem von dieser vergleicht in einer lehrreichen Rede, so sagt er von dem letztern, der sei gerechtfertigt nach Hause gegangen, weil das Gesetz in ihm bewirkt hatte, die Erkenntniß der 27–29 Vgl. Mt 15,24
30–31 Vgl. Mt 28,19
39–3 Vgl. Lk 18,9–14
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Sünde, der andre aber nicht, deswegen, weil in dem leeren Hochmuth auf die Erfüllung desselben er zur Erkenntniß seiner selbst nicht gekommen war. Aber m. th. F. wenn gleich der Herr sagt, jener ging gerechtfertigt in sein Haus, so sagt er nur, gerechtfertigt vor dem andern. Denn freilich, wenn wir allein hingehen müßten mit der Erkenntniß der Sünde, so könnten wir eben so wenig mit uns selbst als mit Gott und unserm Verhältniß zu ihm zufrieden sein, und eben in dieser zusammenströmenden Zufriedenheit besteht die Rechtfertigung, von welcher der Herr redet. Darum müssen alle eingeladen werden, um auf einem andern Wege zu dieser Rechtfertigung, zu dieser zusammenströmenden Zufriedenheit zu gelangen. Denn das Gesetz vermochte es nicht; die Bösen und die Guten urtheile man nach einem geschriebenen Buchstaben | eines äußern Gesetzes, urtheile man nach dem Gesetz, welches der Mensch sich selbst giebt, die einen wie die andern ermangeln und müssen ermangeln des Ruhms, der allein vor Gott gilt. II. Aber nun, m. th. F. laßt uns auch auf die andre Seite sehen, und uns überzeugen, daß diejenigen, welche das hochzeitliche Kleid anhaben, von welchem der Herr redet, jenes Unterschiedes zwischen Böse und Gut gar nicht weiter bedürfen, sondern es sich gleichgültig lassen können, das eine wie das andre. Denn auf der einen Seite m. th. F. müssen wir sagen, unter denen, welche dieses hochzeitliche Kleid anhaben, giebt es keine Bösen und keine Guten mehr eben deswegen, weil wir, die wir aufgenommen sind in die lebendige Gemeinschaft mit Christo, nicht mehr Werke des Gesetzes treiben, denn, wie der Apostel sagt: für diejenigen, welche da glauben, ist kein Gesetz. Wir treiben nicht mehr die Werke des Gesetzes, weil wir, wie der Apostel sagt, eingesehen haben, daß durch des Gesetzes Werk kein Fleisch gerecht wird, sondern nur der Mensch gerecht werden kann durch den Glauben an den, welcher, wie er sagt, die | Sünder gerecht macht, welcher alle diejenigen, die, mögen sie vor dem menschlichen Auge böse sein oder gut, jenes Ruhms aber vor Gott ermangeln, durch seine gütige Einladung aufnehmen will in die lebendige, beseligende Gemeinschaft Christi. In dieser aber nun treiben wir nicht mehr des Gesetzes Werk, und fragen nach keinem Gesetz, sondern, wie der Apostel sagt, so sollen auch alle Diener Christi sagen, die Liebe Christi dringet uns also; alles was wir irgend thun, das thun wir aus Liebe zu ihm, aber überall finden wir auch das als eine mächtige Stimme des Herzens, daß, wo die Liebe ist, der Mensch nach keinem Gesetz fragt, wo die Liebe ist, er nicht fragt, was andere mögen für 3–4 Vgl. Lk 18,14 13–14 Vgl. Röm 3,23 22–24 Wohl Anspielung auf Röm 3,28; Gal 2,16 24–25 Hier ist wohl an 1Tim 1,9 gedacht (wenngleich Schleiermacher den 1. Timotheusbrief nicht als echten Paulusbrief ansieht, vgl. KGA I/5, S. 153–242 sowie S. LXXXVIII–CXXIII). 26–28 Vgl. Gal 2,16 28 Gemeint ist wohl 1Tim 1,15. 30 Vgl. Röm 3,23 34 2Kor 5,14
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gut oder böse halten, daß er auf das eine und andre nicht sieht, sondern einem mächtigen und unwiderstehlichen Triebe in seinem Innern folgt. Doch m. th. F. laßt uns dasselbe noch aus einem andern und höhern Gesichtspunkte betrachten. Als einer kam und Christum anredete und sprach: Guter Meister, was soll ich thun, daß ich das ewige Leben empfange, so sprach der Herr: Was nennest Du mich gut? Niemand ist gut, als Gott allein; – | Und das, m. th. F. das ist das Wort dieses großen Räthsels: Niemand ist gut, als Gott allein, – weil Gott allein die Liebe ist. Christus ist der Sohn des göttlichen Wohlgefallens, weil die Fülle der Gottheit und daher (Herrlichkeit) auch die Fülle der göttlichen Liebe in ihm wohnte, kraft deren er kam zu suchen und selig zu machen was verloren war; er war der Sohn des göttlichen Wohlgefallens, weil er nichts von ihm selbst that, nicht die Worte irgend eines selbstentworfenen und gebildeten Gesetzes trieb; sondern weil sein Auge stets auf den Gott, der die Liebe ist, gerichtet war, so vermochte er auch nichts als Werke der Liebe zu thun, aber der Liebe, die nach keinem Gesetz fragt, und wir, wir sind durch ihn Kinder Gottes. Und in diesem Sohne, welcher der Sohn des Wohlgefallens ist, Gott ebenfalls angenehm, wenn, wie der Apostel sagt, nachdem wir erkannt haben, daß durch Werke des Gesetzes kein Fleisch gerecht wird, wir auch weiter nichts begehren, als nur im Glauben an ihn zu leben, das heißt, so daß Christus in uns | lebe und nicht wir selbst. Er nun kann nicht anders in uns leben, als wenn die Liebe Gottes, die in ihm lebte, auch in uns lebt, wenn auch wir aus dieser Kraft, und indem wir in ihm, in dem die Fülle der Liebe wohnte, die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater erkennen, die Werke seiner Liebe thun, und uns unter einander lieben mit der Liebe, mit der er uns geliebet hat. Daran soll man erkennen, daß wir seine Jünger sind. So giebt es eben deswegen, weil in dem Reich Gottes, welches uns dargestellt durch das große Mahl, welches der Herr seinem Sohn ausrichtet, nichts gilt, als diese Liebe, so giebt es keine Bösen mehr und keine Guten. Denn gut ist nur der einige Gott, aber böse sind diejenigen nicht, in welchen, wie schwach auch erst, die Kraft seiner göttlichen Liebe lebt, sondern da giebt es eine Herrlichkeit der Sonne und des Mondes und der kleineren Gestirne, aber alles ist voll von derselben Herrlichkeit; da giebt es freilich mancherlei Gefäße in dem Hause des Herrn, etliche zu größerer Ehre, und andere zu geringerer, aber alle sind seine Gefäße; und die unscheinbarsten | und geringfügigsten dem äußern Ansehen nach – es sind diejenigen, die am meisten gebraucht, und durch welche im großen Reiche Gottes das 4–7 Vgl. Mk 10,17–18; Lk 18,18–19 8 Vgl. 1Joh 4,16 8–9 Vgl. Mt 3,17; Mk 1,11; Lk 3,22 9–10 Vgl. Kol 2,9 11 Vgl. Lk 19,10 11–12 Vgl. Mt 3,17; Mk 1,11; Lk 3,22 14 Anspielung auf 1Joh 4,16 16 Vgl. Gal 3,26 18–19 Vgl. Röm 3,20; Gal 2,16 20–21 Vgl. Gal 2,20 23–24 Anspielung auf Kol 2,9 24 Vgl. Joh 1,14 25–27 Vgl. Joh 13,34–35 33–35 Anspielung auf 2Tim 2,20– 21 (vgl. auch Röm 9,21) 35–1 Anspielung auf 1Kor 12,22–24
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meiste geschafft wird. Unterschiede ja giebt es der Stärkeren und Schwächeren, der Vollkommenen und der Unvollkommenen, aber deswegen, weil alles von derselben Liebe getrieben wird, weil das Reich des Widerspruchs ein Ende genommen hat, giebt es weder böse noch gute. Aber freilich diejenigen, m. th. F. welche so viel Bedenkliches von jeher gefunden haben und noch finden in diesem Ausspruch des Herrn und in dem Gebrauch, den wir mit unserm guten Rechte davon machen, was denken sie sich unter dem hochzeitlichen Kleide, welches der Herr allen verleiht aus der Fülle seines Reichthums, die die Einladung annehmen? Sie denken sich was der Herr in seiner Rede selbst mit einem Gewande verglichen habe, das sei nur ein äußerliches und dem Menschen fremdes; so denken sie sich den Glauben an die Gerechtigkeit, die wir von Gott durch Christum erwarten, als ein solches äußerliches Kleid, womit wir | uns schmücken, wenn wir uns vereinigen, um mit einander das göttliche Wort zu betrachten, das uns zur Seligkeit führen soll, aber was wir ablegen, wenn wir in die Geschäfte des Lebens zurückkehren und dann werde der eine böse und der andre vielleicht gut. So aber ist es nicht, sondern wenn der Herr eben dies vergleicht mit einem Gewande, welches er selbst darreichen müsse denen, die er einladet, so will er uns freilich darauf hinführen, daß diese Gerechtigkeit in Christo, die vor Gott gilt, uns müsse gegeben werden, und daß wir sie uns nicht selbst nehmen können, daß wir nicht vergessen dürfen, sie sei ein Geschenk der göttlichen Gnade, daß wir gestehen sollen und müssen, wenn der ewige Vater die menschliche Welt hätte gehen lassen, wie sie gegangen war, ohne daß die Verheißung seines ältesten Versprechens gekommen wäre, dann kein Fleisch gerecht würde vor Gott. Aber denken wir uns nun die Menschen hereingerufen von den Straßen zu einem Mahle welches der König seinem Sohne giebt, und | auch die Bösen mit den Guten die Einladung annehmen, können wir uns wohl denken, es werde sie einer annehmen, dem das Betragen, welches man beobachten muß in einer solchen Gesellschaft, unerträglicher Zwang wäre; daß der sie annehmen würde, welchem der Ruhm, ein Gast des Herrn zu sein, nichts wäre gegen die kleinlichen Gewohnheiten, gegen die dürftigen und ängstlichen Sitten, unter welchen er die Tage seines Lebens hinbringt? Nein, sondern schon das Bewußtsein, das uns ja, ist es einmal zu Theil geworden, nicht verlassen darf, daß wir Gäste sind und eingeladen von demjenigen, von dem alle gute Gabe kommt, geladen zur Gemeinschaft einer unerschöpflichen Fülle göttlicher Liebe und Kraft, schon dies nimmt der Gewohnheit der Sünde ihre Gewalt, und schon mit dem Willen, der Einladung zu folgen, beginnt der Mensch ein neuer Mensch zu werden, und wie es in der alten Welt eine Fabel gab 25 Vgl. Röm 3,20; Gal 2,16 35–36 Vgl. Jak 1,17 39–3 Das Motiv vom vergifteten Gewand ist in der antiken Mythologie mit Medea (die damit ihre Rivalin Glauke tötet) und Herakles (der durch das Nessoshemd unerträgliche Qualen erleidet) verbunden.
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von einem verderblichen Kleide, das einmal angelegt, der, welcher es trug, nicht los werden konnte und das mit giftiger Kraft das Mark des Lebens aussaugte und es dem Tode preisgab, so ist dieses hochzeitliche Kleid ein Gewand | von der göttlichen Gnade uns dargereicht, das keiner vermag abzulegen, der es einmal angethan hat, weil keiner es wollen kann, die selige Gemeinschaft von sich zu thun und zurückzukehren zu den Träbern der Welt; ein Kleid, das einmal angelegt, mit einer göttlichen Kraft den Menschen durchdringt und wie wir unser natürliches Leben nicht durch uns selbst erhalten, sondern aus der frischen Luft einsaugen, die uns umgiebt, so hat dies seine geheimen Kräfte, welche durch das Mark in die Seele dringen, und das göttliche Leben in dem Menschen hervorrufen und ernähren können. Darum laßt uns, auf das Höchste den Blick gerichtet, jenen Unterschied fahren lassen. Nicht Gut und Böse gelte uns nach einem Gesetz, nach einem menschlichen Maaß: eins ist, das uns selig macht, der Glaube der durch die Liebe thätig ist, (das ist kein Glaube, der es nicht ist) eins ist, das uns selig macht, die Liebe aus dem Glauben. Denn der Mensch kannte die Liebe nicht, so lange er unter dem Gesetz stand, denn das Gesetz gebiert Furcht, und die Furcht treibt die Liebe aus; aber die Liebe aus dem Glauben | treibt die Furcht aus, desto mehr, je völliger sie wird und gebiert Freude und Friede aus dem heiligen Geist. Amen.
[Liederblatt vom 28. Oktober 1827:] Am 20sten Sonntage nach Trinitatis 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Herzlich lieb etc. [1.] Ich komme Friedensfürst zu dir, / Erbarmend rufest du auch mir / Den Frieden zu empfangen. / Der Sünden Last ist mir zu schwer, / O laß mich nicht von Troste leer, / Laß mich zur Ruh gelangen! / Sieh an mein tiefgebeugtes Herz, / Sieh meiner Seelen Angst und Schmerz! / Wer tröstet mich als du allein? / Wer machet mich von Sünden rein? / Herr Jesu Christ, mein Trost mein Licht, / Mein Trost mein Licht, / Verwirf mein sehnlich Flehen nicht. // [2.] Du du bist meine Zuversicht, / Durch dich komm ich nicht ins Gericht, / Du tilgest meine Sünden. / Durch dich kann ich dem Fluch entgehn, / Und mich mit Gott vereinigt sehn, / Durch dich das Leben finden. / Dein Tod ist der Verlornen Heil, / Sein Segen werd’ auch mir zu Theil! / Er sei auch mir Beruhigung. / Erwekke mich zur Besserung; / Herr Jesu Christ, ich hoff’ auf dich, / Ich hoff’ auf dich, / Du giebst mir Trost und stärkest mich. // 14–15 Vgl. Gal 5,6
18–19 Vgl. 1Joh 4,18
20 Vgl. Röm 14,17; 15,13
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Nach dem Gebet. – Mel. Nun sich der Tag etc. [1.] Mein Gott! das Herz ergeb’ ich dir / Zur Gabe zum Geschenk. / Dies fordert ja dein Wort von mir, / Deß bin ich eingedenk. // [2.] Gieb, sprichst du, gieb dein Herz dem Herrn, / Es ist mir lieb und werth; / Ich wohn’ in einem Herzen gern, / Das mein zu sein begehrt. // [3.] So werd’ es denn dein Eigenthum, / Und müss’ es ewig sein; / Schaff aber, Vater, schaff es um, / Und mach es gut und rein! // [4.] Du Jesu, gieb mir Kraft und Muth, / Mit freudigem Vertraun / Mein Heil auf dich nur, auf dein Blut / Und dein Verdienst zu baun. // [5.] Daß ich nicht zweifle, daß du mich / Versöhnt hast, daß ich frei / Von allen Strafen, und durch dich / Gott wohlgefällig sei. // [6.] Und du, o Geist der Heiligung, / Ach nimm dich meiner an, / Weil ja des Herzens Besserung / Von dir nur kommen kann. // [7.] Es fühle dies beflekte Herz, / Der Sünde Elend nun, / Der Reue heilsam tiefen Schmerz / Um sein verderblich Thun. // [8.] Zermalme seine Härtigkeit, / Erweiche meinen Sinn, / Zum Guten gieb Entschlossenheit, /Wenn ich gereinigt bin. // [9.] Ja hilf mir hilf mein Herr und Gott, / Daß ich im Glauben treu / Und gegen List, Gewalt und Spott / Im Guten standhaft sei. // [10.] Erleuchte, stärke deinen Knecht, / Daß ich durch deine Kraft / Fromm lebe, heilig und gerecht / In meiner Pilgrimschaft. // [11.] Und wenn mich alle Welt verläßt, / So sei nach deiner Huld / Mein Herz doch auch im Leiden fest, / Durch Hoffnung und Geduld. // [12.] Dich zu verehren sei mein Ruhm, / Daß rein von Heuchelei, / O Gott, mein ganzes Christenthum / Dir wohlgefällig sei. // [13.] So nimm mein Herz zum Tempel ein, / Und laß es in der Zeit / Die Wohnung deines Geistes sein, / Und in der Ewigkeit. Nach der Predigt. – Mel. Herzlich lieb etc. Mein ganzes Leben preise dich / Erlöst, mein Mittler hast du mich, /Dein Eigenthum zu werden. / Bin ich nur dein, so fehlt mir nichts; / Nichts einst am Tage des Gerichts, / Und nichts schon hier auf Erden. / Auf dieser Bahn ins Vaterland / Entzeuch mir niemals deine Hand; / Zu allem Guten stärke mich / Und laß mich siegen einst durch dich! / Herr Jesu Christ, mein Trost und Licht, / Mein Trost und Licht / Bist du noch, wenn mein Herz einst bricht. //
Am 4. November 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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21. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Thess 3,8–13 Nachschrift; SAr 66, Bl. 25r–26v; Woltersdorff Keine Keine Teil der vom 17. Juni 1827 bis zum 17. Februar 1828 gehaltenen Homilienreihe zum 1. Thessalonicherbrief
Aus der Predigt am 21. S. nach Tr. 27. 1 Thess. 3, 8–13. Ende des Cap. Diese Worte sind noch in demselben Zusammenhange mit denen welche der Apostel vorher gesagt hatte über die freudige Nachricht die ihm Timotheus gebracht von den christlichen Thessalonichern, denn was er vorher vorzüglich darstellt unter dem Gesichtspunkt, daß er nun getröstet sei durch die gute Nachricht, indem sein Herz nicht ganz ohne Sorge gewesen in Beziehung auf ihren Glauben[,] das sagt er nun so: „Nun sind wir lebendig, dieweil ihr stehet in dem Herrn“: d. h. ich selbst bin nun dadurch aufs neue erquickt und wie frisch belebt da ich euern Glauben erfahren habe. Aus dem Vorgen haben wir gesehen, daß der Grund der Besorgniß des Apostels vorzüglich darin lag, daß wie er sagt Trübsal und Widerwärtigkeiten kommen mußten über die Gemeine und daß es ihr beschieden sei unter Leiden im Glauben zu wachsen: Nun da diese Besorgniß gehoben, fühlte er sich erquickt, nicht durch die Nachricht daß die Verfolgungen und Trübsale ein Ende hätten, sondern nur dadurch, daß sie darin fest im Glauben geworden waren. So hatte er auch vorher gesagt: „ihr wisset daß wir dazu gesetzt sind unter Trübsal den Glauben zu bewähren“: Und das war also eine besondre Rücksicht die er zugleich auf sich selbst nahm; denn er selbst war nicht ohne Trübsal, er hatte beständig zu leiden, aber er war erquickt, ganz und gar war sein Herz zufrieden gestellt vor Gott weil die Gemeine fest hielt am Evangelium. Und das war nun sein Dank daß er erquickt und gestärkt dadurch war, wie er auch sagt: „Denn was für einen Dank können wir 4–5 Timotheus] Timoth. 3–8 Vgl. 1Thess 3,6–7 1Thess 3,3
11–14 Vgl. 1Thess 3,4; ferner 2,14
17–18 Vgl.
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Gott darbringen für alle diese Freude“: Seht da, hier finden wir nun in dieser Beziehung den rechten vollständigen christlichen Sinn, in welchem auch wir zunehmen sollen. Auch wir nehmen Gelegenheit, ja wir rechnen es zum täglichen Leben der Gottseligkeit, daß wir Gott Dank darbringen, aber oft ist das Äußre der Gegenstand des Danks, wogegen der Apostel vollkommne Gleichgültigkeit beweiset im Gegensatz mit dem was das wahre geistige Wohl ausmacht, und doch können wir nur wahre Jünger des Herrn sein wenn wir hierin dem Apostel ähnlich sind daß wir unsre ganze Aufmerksamkeit dem Gedeihen des Reichs Gottes widmen, und es ihm anheim gestellt sein lassen was uns übrigens zufallen werde. – Wenn irgend ein drohend Unglück vor uns vorüber gezogen ist, und wir unser Herz in Dank dafür vor Gott aussprechen, so ist das natürlich, aber ists dies nur an und für sich, so müssen wir eigentlich uns dieses Danks schämen; denn es geschieht doch in dem Kreise dem wir angehören gewiß immer etwas in Beziehung auf das Evangelium, es zeigt sich entweder eine Zunahme oder Abnahme in der Liebe, und die meisten von den Umständen welche uns zum Dank veranlassen haben doch auch ihre geistige Seite; denn sie geben uns z. B. Gelegenheit darauf zu merken wie der Mensch sich im Inneren zeigt wenn ihm ein Unglück droht, wie er seine Aufmerksamkeit auf die äußeren Umstände heftet, wie das geistige Leben zurücktritt oder wie er fest stehe in dem Herrn: das werden wir immer wahrnehmen können und dadurch zum angeregt werden. Daran sollen wir durch das Wort des Apostels zu denken erinnert werden, daß das der rechte Gegenstand des Dankes werth sei, wie das sein Dank war, daß er seine Freude hatte an denen die dem Evangelio lebten. Aber wir sollen auch nicht sagen: „Ja freilich für den Lehrer des Evangelii soll diese Freude die wichtigste Freude sein wenn ihn Gott in seinem Beruf segnet“: sondern laßt uns | denken daran was die große Weissagung des Herrn vom neuen Bunde ist daß er sagt, es werde nicht nöthig sein daß Einer sie lehre, denn sie werden Alle von Gott gelehrt sein. Aber eben desswegen weil sie Alle von Gott gelehrt sind, lehren sie Alle, und wenn der Herr [sagt,] daß es nicht nöthig sei daß Einer den Andern lehre, so heißt das, daß keiner auf solche Weise brauche belehrt zu werden daß nicht auch die Quelle der Lehre in ihm wäre. Und so können wir denn in sofern einander lehren als das Licht des göttlichen Wortes in jedem bald heller bald weniger hell leuchtet und so uns stärken und befestigen Alle einander: und es ist der große und allgemeine Gegenstand der Freude und 8 wenn wir] wenn wir wenn wir 19 er seine] verbessert aus es seine angeregt] zu ergänzen wohl Dank 8–10 Vgl. Mt 6,33 54,13)
21–22 zum
27–29 Vgl. Jer 31,34 in Verbindung mit Joh 6,45 (darin Jes
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des Dankes wenn die Gemeinde fest steht im Glauben. Wir haben vor Kurzem den Tag erlebt an welchem in vielen evangelischen Landen jenes großen Tages der christlichen Kirchenreinigung gedacht wird und so regt sich denn gewiß in uns Allen die Erinnerung daran: Damals war eine Zeit, in vielen Stücken ähnlich der ersten Zeit der christlichen Kirche; auch da gab es Verfolgungen und es gehörte ein Heldenmuth des Glaubens dazu wie zu jenen ersten Zeiten um zu beharren im Werke des Herrn um das neu scheinende Licht des Evangelii fest zu halten. Das war eine Zeit der Trübsal und Widerwärtigkeit für die welche sich dem Licht nicht verschließen wollten; sie aber standen fest und wurden dadurch noch fester im Glauben und wie sollten wir nicht daran denken und Gott dafür danken daß so das Licht des Evangelii einheimisch geworden ist unter unsern Vorfahren, wie sollten wir uns nicht freuen daß es so weit verbreitet und so viele Völker durchdrungen hat und seitdem in denen einheimisch geworden die damals noch nicht davon ergriffen waren, wie sollten wir uns nicht freuen und wofür könnten wir Dank darbringen als dafür daß das Licht der Wahrheit noch fortleuchtet, daß die Geister frei geworden sind und sich regen, daß das Wort Gottes ein gemeinsamer Schatz geworden ist und daß die Freiheit uns Allen als das theuerste Gut gilt um das wir uns nicht wieder möchten bringen lassen um der Menschen Knechte zu werden! Ja das sollen die Gegenstände des Dankes sein für uns, die wir wol wissen daß alle Dinge zum Besten dienen, und also nur darauf zu sehen haben ob wir und Andre darin fest stehn wodurch wir das, was der Herr zum Heil schickt, zum Heil anwenden. Nun sagt der Apostel weiter: Vers 10. 11: „Wir bitten Tag und Nacht daß wir mögen euer Angesicht sehn, und erstatten so etwas mangelt an eurem Glauben. Er aber Gott unser Vater schicke unsern Weg zu euch“: Im Vergleich mit jenem Vorgen erscheint uns dies als eine mehr zeitliche Sehnsucht; denn unbedingt konnte er doch nicht wünschen bei dieser Gemeinde zu sein, er mußte dahin gehn wo sich eine Thür öffnete für die Verkündung des Evangelii: Aber dessen ohngeachtet ist auch darin daß er das wünschte etwas ganz allgemein Christliches. Nemlich: wir sind berufen zur Gemeinschaft des Glaubens, freilich das Heil der einzelnen Seele beruht darauf daß sie bleibt bei dem Worte des Lebens, fest steht im Glauben aber der Herr hat beides unzertrennlich verbunden und in die Gemeinschaft den Seegen seiner geistgen Gegenwart besonders gelegt. Nun war in den ersten Zeiten des Christenthums wo sich verschiedne kleine Häuflein sammelten, 16 könnten] konnten
18 und daß] und das
1–3 Gemeint ist der 31. Oktober als Jahrestag des Thesenanschlags Martin Luthers von 1517. Der sog. Reformationstag wurde in Preußen, u. a. aus Rücksicht auf die großen römisch-katholischen Bevölkerungsanteile, nicht als jährlich wiederkehrender Feiertag begangen. 20 Vgl. 1Kor 7,23 21–22 Vgl. Röm 8,28
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die zerstreut waren unter die Völker, wo es nicht so viel Mittel der Mittheilung gab als jezt, da war es so daß auch solche Männer wie der Apostel nur bald hier bald da wirken konnten, und solcher Wirksamkeit wie jezt das Wort des Apostels konnte er selbst sich damals nicht erfreuen, und so war sein Herz voll des Wunsches daß er könne überall zugleich sein: Dieser Wunsch also den er hier ausspricht, insofern er nichts anders war [als] das Verlangen die Gemeine durch das Wort des Herrn weiter zu fördern im Glauben[,] gehörte ganz zu dem Trachten nach dem Reich Gottes; denn wie es der Apostel machte, wie er bald hie bald da war um ein Wort der Befestigung oder Anregung zu reden: das war ja nichts anderes als die dem damaligen Zustande gemäße Art das Reich Gottes zu stiften und weiter zu verbreiten. Jezt mögen wir uns freuen daß nicht mehr so beschränkt sind die Mittel der Mittheilung, daß wir nicht nöthig haben diesen oder jenen Einzelnen aus unsrer Mitte auszusenden um Nachricht von | den entfernten Brüdern in Christo einzuholen, da wir uns ja untereinander gegenwärtig sind wenn auch noch so weit voneinander getrennt, und genaue Kunde haben können, und so uns wenger als sonst fremd sind, und wo wir unsern Blick hinwenden auch unser Herz stillen können, und was damals Gegenstand des Wunsches war das ist für uns schon Gegenstand des Dankes. Möchte nun in dem vielbewegten Leben, in den noch nicht aufhörenden großen Bewegungen unter den Völkern: das immer das sein wornach wir fragen: wie es mit dem Glauben stehe, nicht wie sich das enden werde in Beziehung auf äußren Frieden und Ruhe sondern was es für eine Wendung nehmen werde in Beziehung auf das Reich Gottes: ja laßt uns fragen ob es dahin gedeihe daß immermehr das Licht von Oben leuchtet in die Finsterniß damit sie verschwinde, ob da wo die Christen gebunden sind die rechte Freiheit anfange überhand zu nehmen, ob die Reinheit des Glaubens sich herstelle und die Gemeinschaft der Menschen dadurch die werde die der Herr gestiftet: Möchten wir so alle Weltbegebenheiten in Beziehung auf das Reich Christi betrachten dann werden wir in der Stimmung des Apostels das Maaß der Widerwärtigkeiten und Trübsal dem Herrn anheim stellen, aber darauf sehn und darüber uns freuen und dafür Gott Dank darbringen daß die Menschen im Glauben fest stehn, daß die Kraft der Wahrheit sich an ihnen bewähre und sie wandeln im rechten Licht um den Weg nicht zu verfehlen. Und nun bricht der Apostel aus in gute Wünsche indem er sagt V. 12. Euch aber vermehre der Herr und lasse die Liebe völlig werden. Hier haben nun wiederum seine guten Wünsche das Eine Ziel das ihm immerdar vor Augen steht: er denkt nur in so fern an die an welche er schreibt, als sie 10 als] als als 8 Vgl. Mt 6,33
38 das] daß
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eine Gemeine Christi sind und sagt, der Herr möge die Liebe Christi, durch welche sie seine Gemeine sind, bei ihnen vermehren. Eben desswegen, weil er die tröstende Zuversicht gewonnen hat daß sie fest stehn im Glauben der thätig ist durch die Liebe, fügt er den Wunsch hinzu daß sie eben diese Liebe mehren mögen und sie immer vollkommner darin werden, indem er nicht zweifelt, daß die Seeligkeit dazu sie berufen, auch Andern leuchte und so zur Vermehrung des Reichs Gottes beitrage: Aber freilich kann das nur sein in sofern als auch im äußern Leben die göttliche Kraft der Liebe hervorleuchtet: darum wünscht er daß sie immer völliger werde und so immermehr die Seligkeit des Glaubens offenbare: Das ist der große Zusammenhang, das ists was der Apostel immer in Eines begreift: der Glaube der durch die Liebe thätig ist und die Liebe die ihren Grund hat im Glauben, beides kann er nicht trennen, und wie er sich gefreut, daß sie fest sind im Glauben, nun so hat er auch nur den einen hoffnungsvollen Wunsch daß sie völliger werden in der Liebe von der wir wissen daß sie die Furcht austreibt und die rechte Freudigkeit zu Gott ist im Herzen der Menschen. Diesen Zusammenhang im Sinne habend sagt er anderwärts: „die Liebe ist das Band der Vollkommenheit zur Einigkeit des Geistes“: und eben so, wie auch ein andrer Apostel sagt er: „Zeige den Glauben in den Werken“: Das Werk des Glaubens aber ist die Vollkommenheit der Liebe. O mochte das doch recht erkannt und geübt werden! Es war der beste Wunsch des Apostels für die Seinen; denn wenn sie nun völliger wurden in der Liebe untereinander und gegen Jedermann, so wußte er daß dadurch ihre Herzen gestärkt wurden zu Allem was ihnen zu ertragen noch bevorstehn konnte, daß sie unter allen Verfolgungen würden treu bleiben im Glauben und immer fester werden: Das heftet er an das Eine, und auch die folgenden Ermahnungen können wir nur verstehen in sofern sie ihre Wurzel haben in der Liebe zu Christo, denn mit der ist die Liebe die wir untereinander und gegen jeden haben sollen, Eines. Darum giebt es kein Maaß für die Vollkommenheit der Christen als die Liebe von der ja der Glaube sich nicht sondern läßt, eben so wenig wie irgend eine christliche Tugend die vielmehr alle nur Werth haben als in ihr begründet. | Wenn wir meinen daß sich darin Theilung machen läßt so sind wir auf unrechtem Wege; wenn wir meinen es gäbe einen Glauben der Werth habe ohne die Liebe, so irren wir. Eben so wenn wir denken es gebe eine Liebe die uns vollkommen mache auch wenn sie nicht ihren Grund hat in dem Glauben, so zerstören wir das wahre Wesen des Christenthums. Und doch sehn wir die Hinneigung dazu unter den Christen, indem die Einen ein großes Uebergewicht legen auf das Eine, die 5 mögen] möge 3–4 Vgl. Gal 5,6 11–12 Vgl. Gal 5,6 15–16 Vgl. 1Joh 4,18 16 Vgl. 1Joh 3,21 17–18 Vgl. Kol 3,14 in Verbindung mit Eph 4,3 19 Vgl. Jak 2,18
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Andern auf das Andre, woraus wir schließen müssen daß die Hinneigung zu diesem Trennen vorhanden sei. Der Apostel aber drückt seinen Wunsch so aus, daß die Liebe völliger werden möge bei ihnen, wobei er wol wußte daß sie darunter keine andre Liebe verstehen konnten als die, die aus dem Glauben kommt. Das ist des Erlösers Liebe womit, wie er sagt, wir uns untereinander lieben sollen und an der man erkennen werde daß wir seine Jünger sind, mit dieser Liebe liebte er uns in dem Bewußtsein daß Gott in ihm war um die Welt mit sich zu versöhnen. Dieselbe Liebe ist die Frucht unsers Glaubens an ihn; denn eben wie wir in ihm unser Heil gefunden haben, so lieben wir uns untereinander mit der heilbringenden Liebe. Darum macht der Apostel keinen Unterschied zwischen der Liebe zu Christo und zu den Brüdern und der allgemeinen Liebe; denn wenn er sagt: „brüderliche Liebe“: so ists doch die die damit angefangen hat, allgemeine Liebe zu sein und diese hat eben so wie die brüderliche, ihre Wurzel in der Liebe zu Christo; denn die Einen lieben wir als Theilhaftige desselben Heils, die Andern, auf daß der Wille Gottes geschehe, vermöge dessen sie desselben Heils sollen theilhaftig werden. Sehn wir nun auf unsre Brüder in Christo und unsre Brüder in unserm himmlischen Vater aus demselben Gesichtspunkt, dann wird unser Bestreben für sie, für ihr Wohl, immer die Farbe der Liebe Christi tragen, und desto weniger wird ein Unterschied sein in der Liebe sondern so wir in Allen auf nichts sehen als darauf wie sie zu Christo stehn, so wird die Liebe die sich in kleinerm Kreise ausspricht und die Liebe zu jedermann immermehr Eins werden und dasselbe: beide werden sich näher treten und um so mehr den göttlichen Willen vollbringen. Ja wenn der Apostel sagt V. 13. „daß eure Herzen gestärket werden“: so giebt er hier die Liebe wieder an als das wodurch der Glaube gestärkt wird; denn daß das Herz fest werde und gestärkt zur Heiligkeit vor Gott: das ist ja der Glaube. Und davon daß er sagt: unsträflich: wissen wir ja auch daß das nicht Mannigfaltiges ist sondern Eins; Es giebt nur Ein Gutes, das ist das Ebenbild Gottes das Ebenbild der göttlichen Liebe; denn Gott ist die Liebe: ist das immermehr in uns nun dann werden auch unsre Herzen gestärkt zu der Heiligkeit vor Gott, weil die Liebe, mit der Furcht Alles austreibt was im Widerspruch steht mit dem göttlichen Willen. Und so möge denn aus dem Glauben an Christum, der das reine Ebenbild der göttlichen Liebe ist, die Vollkommenheit der Liebe hervorgehen – und wir wollen unsern Dank Gott darbringen für Alles was im großen Reiche seiner Weltregierung dazu geschieht!
25 13.] 12.
34 Christum] Christo
5–7 Vgl. Joh 13,34–35 1Joh 4,16
7–8 Vgl. 2Kor 5,19
26–27 Vgl. Hebr 13,9
30 Vgl.
Am 11. November 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
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22. Sonntag nach Trinitatis, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Mt 11,29 Nachschrift; SAr 66, Bl. 28r–30r; Woltersdorff Keine Keine Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Aus der Predigt am 22. S. nach Tr. 27. Matth. 11, 29. Wie es freilich nicht anders möglich war als daß der Erlöser von den Gaben, die er von Gott für die Menschen erhalten hatte, ihres ganzen Umfangs würdig redete, so finden wir doch daß er die Menschen auf sich als Mensch immer so aufmerksam gemacht hat wie in diesen Worten des Textes. Wenn nun das uns auffällt daß der Erlöser hier von sich selbst eine Tugend rühmt die nur einen bedingten Werth hat weil sie sich nur unter gewissen Umständen zeigen kann, und in dem Verhältniß in welchem er sich zu den Menschen befand gar nicht angemessen scheint: so müssen wir daran denken, daß wenn er, der Herr und Erlöser, sagt: „ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig“: so ist das besonders so zu verstehen, daß wenn er sich damit rühmte, er dadurch die Menschen einladen wollte von ihm zu lernen, und es ist natürlich daß er sich dabei in Gedanken mit denen verglich von denen sie Lehre zu suchen gewohnt waren, nun aber nur von ihm lernen sollten weil er der göttliche Lehrer war. Nun sind wir darüber einverstanden, daß wenngleich der Dienst des Evangelii ein besonderes Amt ist, welches der gehörigen Ordnung der Kirche gemäß vertheilt wird, doch der Beruf des Lehrens ein allgemeiner Beruf aller Christen ist, indem das Maaß der Wahrheit das jedem gegeben ist keiner soll für sich behalten, sondern als ein gemeinsames Gut soll es sich, von jedem aus, nützlich erweisen für Alle. Darum laßt uns diese Worte näher erwägen, wie sie uns Christum als Lehrer so darstellen wie wir im gleichen Geschäft sein sollen, indem wir darauf sehn 1. Was denn die Sanftmuth und Demuth in ihm wirklich war 2. Wie wir nun, ohnerachtet des großen Unterschiedes zwischen ihm und uns, auch darin ihm in derselben Beziehung nachfolgen sollen.
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I. Wenn wir nun zuerst fragen was denn die Sanftmuth und Demuth war, welche der Herr hier von sich rühmt, so ist das der nächste Gedanke für jeden was schon vorher gesagt ist, nemlich daß sich im Verhältniß des Herrn zu den Menschen, dieses nicht recht sich denken läßt. Uns sollte es bei allem leicht sein sanftmüthig so wol zu sein als demüthig; denn demüthig zu sein das ist leicht in Beziehung auf die Mittheilung der Wahrheit für jeden der es weiß, daß er sie nur empfangen habe aus einer Quelle die jedem offen steht, wie wir ja sagen müssen daß das was uns anvertraut ist um es mitzutheilen aus der Quelle der Wahrheit geschöpft sein muß so wie jeder andere auch daraus schöpfen kann. Demüthig zu sein ist leicht für jeden der es weiß und fühlt, daß die große Sache der Wahrheit von seiner Person unabhängig ist, der es weiß und fühlt, daß es der Werkzeuge viele giebt, und daß er keine bestimmte Rechnung darauf machen kann dies oder jenes, wenig oder vieles zu wirken im Reich Gottes: Wie aber hätte die Demuth eine Eigenschaft des Herrn sein sollen, der unmöglich seine Person von der Sache trennen konnte? denn wer ihn verschmähte der verschmähte das Heil außer welchem den Menschen kein anderes beschieden war, er war der, der das Reich Gottes gründen sollte in der kurzen Zeit seines Lebens, er brachte das wovon er wußte daß es aufgenommen werden mußte in die Seelen, wenn sie sollten zu Gott kommen, und daß er der Einzige war von dem allein Alle empfangen konnten Licht und Leben! Die Sanftmuth ist leicht und natürlich für jeden welcher noch eine Ungewißheit in sich trägt darüber ob auch das was er als Wahrheit mittheilt über alle Ausstellung erhaben ist und über alle Einwendung; denn ob er gleich sicher ist über den Grund und das Wesen des Glaubens so weiß er doch daß in allen seinen Reden die menschliche Unvollkommenheit sich zeigen muß. – Sanft zu sein in der Mittheilung der Wahrheit, das ist leicht und natürlich für jeden welcher den Fortgang des Reichs Gottes für etwas erkannt was sich der Herr vorbehalten hat, und eben deshalb für etwas das er nicht beurtheilen kann, sondern nur erst durch den Erfolg sehen muß wieviel darauf ankommt daß grade seiner Lehre und Ermahnung gefolgt wird. Aber Christus unser Herr und Heiland der wußte daß er von Gott zum Heil der Menschen gesandt sei, er, der, wenn er gefragt wurde: „Herr bist du es oder sollen wir eines Andern warten“: nicht sagen konnte: „gedulde dich und sieh den Erfolg an denn mein Werk wenn es Menschenwerk ist so wirds vergehen ists aber Gotteswerk so wird [es] ewig fortwirken“: sondern der es mit Gewißheit wußte daß wer sich ihm nicht anschloß und seinem Werke eben desswegen auch auf so lange bis ers 25 Ausstellung] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 1, Sp. 588 (oberdeutsch für „Tadel“) 22–23 Vgl. Joh 1,4
35 Vgl. Mt 11,3; Lk 7,19
36–38 Vgl. Apg 5,38–39
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endlich that des Heils verlustig ging. | Wenn wir diesen Gedanken weiter verfolgen so stellt uns das freilich den Abstand, der zwischen ihm und uns ist in seiner ganzen Größe dar: nun aber laßt uns sehen wie doch beides, nemlich die Sanftmuth und die Demuth überall in seinem Geschäft als Lehrer herrschend war. Freilich, nicht bestand seine Sanftmuth darin den Widerspruch seines Herzens zu besiegen; denn in ihm war ja kein Widerspruch, nicht bestand seine Sanftmuth darin, daß er es hätte fehlen lassen an starken und kräftigen und bestimmtesten Ausdrücken um der göttlichen Wahrheit Zeugniß zu geben gegen die menschliche Weisheit, nicht bestand seine Sanftmuth darin, daß er durch die Hartherzigkeit der Menschen, durch die Verblendung ihres Verstandes und die Verderbtheit ihres Herzens, nicht wäre zu innerm Unwillen aufgeregt; denn wir finden die Zeichen und die Ausdrücke dieses Unwillens sehr häufig, da wo er die im Auge hat die sich dem Wort der Wahrheit am meisten widersetzten. Aber das war seine Sanftmuth, daß in diesem Unwillen er sich nie hinreißen lies zu leidenschaftlichem Zustande, daß der Unwille nie überging in die leiseste Aehnlichkeit von dem Zorn von dem die Schrift sagt, daß er nicht wisse was recht sei vor Gott, sondern dieser Unwille war ganz dasselbe mit der Liebe zu den Menschen von der er in jedem Augenblick erfüllt war, und die ihn eben trieb das Werk zu vollenden welches der Vater ihm aufgetragen hatte, wie sie Eins war mit der Liebe zu ihm. Das war seine Sanftmuth daß er unermüdet war in seiner Thätigkeit und sich durch keinen Widerspruch abschrecken lies das Amt auszuführen; denn wenn er freilich zu seinen Jüngern sagt, wenn sie in eine Stadt kämen wo man sie nicht aufnehmen wollte, so sollten sie den Staub von ihren Füßen abschütteln und von dannen gehn, so war das doch nichts anderes als die Regel von einem Orte, wo durch den Widerspruch ihre Thätigkeit gegenwärtig unfruchtbar gemacht wurde, sie lieber dahin gehn sollten wo die Frucht von dem Saamen des göttlichen Worts schon für die Gegenwart gedeihen konnte; denn wenn er das auch sagte so hatte er doch für sich, für seine gegenwärtige Thätigkeit das ganze Volk Israel und für die Zukunft das ganze menschliche Geschlecht im Sinn. Und eben dieses Beharren unter allem Widerstreit und Widerspruch der aus der Thorheit der Welt hervorging: das war die Sanftmuth des Herrn und wir wissen wol daß ihn die nicht verlassen hat auf seinem letzten Wege, wir wissen wie wir, selbst in den Ausbrüchen des Unwillens den Frieden des Herzens, also den festen Entschluß sich durch nichts wankend machen zu lassen, durchsehn: Das ists was wir lernen sollen von ihm dem göttlichen Lehrer! Und so ists auch mit der Demuth; Darin kann sie freilich nicht bestehen daß er sich selbst herabgesetzt hätte, oder weniger gesagt hätte wo er 2 ihm] ihn
20 das] daß
17–18 Vgl. Jak 1,20
29 Worts] Wort
23–25 Vgl. Mt 10,14 in Verbindung mit Lk 10,10
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die ganze Wahrheit darlegen sollte, vielmehr finden wir, daß er sich überall seines innigen Verhältnisses mit dem Vater, vermöge dessen er sagen konnte: „ich und der Vater sind Eins“: nicht nur bewußt war, sondern auch davon redete, wie das ja eben das war was die Menschen zu ihm führen konnte. Wenn wir nun fragen: worin bestand seine Demuth? so kömmt uns ja das entgegen, daß ihm alle Menschen gleich waren, woher sie auch kamen und stammten, wie sie in der menschlichen Gesellschaft geachtet waren oder nicht, gleich war ihm wer zu ihm kam als Mühseelger und Beladener um sich erquikken zu lassen von ihm; Wenn er sagt in dem Zusammenhange dieser Worte: „ich danke dir Vater daß du es den Weisen dieser Welt verborgen hast, und hast es den Einfältigen offenbart“: so ist das nicht etwa unter dem Schein der Demuth ein geheimer Stolz der sich darin wohlgefällt das gering zu achten was in der Welt hoch steht, sondern es ist der Ausdruck davon, daß er wußte er verliere nichts dadurch, daß der Glaube anfangen sollte in den niedern Kreisen der menschlichen Gesellschaft, nichts verliere dadurch, daß er während seines ganzen Lebens entfernt blieb von denen die auf den ersten Stufen standen, sondern daß es so war wie es sich nachher in dem Jünger ausspricht, nemlich: wer Gott fürchtet und recht thut d. h. recht thut in der Art wie er das Heil suchte, der war ihm angenehm dazu daß er ihm gab was er suchte. Dieses Gleichstellen, das war das was seine Demuth ausmachte, das ist das wodurch wir mit Liebe und Bewundrung erfüllt werden wenn wir ihn in seinem Amt als Lehrer anschauen. Und nun laßt uns fragen: II. Wie denn auch wir, indem wir die selbsterkannte Wahrheit zu verkündigen haben | wie denn auch wir in dieser Hinsicht sollen zu ihm gehn und von ihm lernen seine Sanftmuth und Demuth. Fragen wir so so sehn wir wol zuvörderst daß wir nicht eine Sanftmuth von ihm lernen können, welche darin bestände daß wir bei dem Widerspruch gegen die göttliche Wahrheit uns leicht beruhigen könnten, sei es aus Gleichgültigkeit gegen die Menschen indem es uns gleich wäre ob so oder so ihre Erkenntniß des Erlösers und ihre Liebe zu ihm sich gestaltete, oder sei es aus Gleichgültigkeit gegen die Wahrheit selbst, oder aus Furcht vor dem was wir könnten zu leiden haben im Kampf für sie, eine Leichtigkeit die aus dieser Quelle käme, die könnten wir nicht für eine Nachbildung erklären von der Sanftmuth Christi. Eben so wenig eine solche die ihren Grund hätte in der Schwäche; denn wenn Einer zwar dem Höchsten den Dienst nicht versagen kann ein Zeug14 nichts dadurch,] nichts, dadurch 3 Joh 10,30 35
8–9 Vgl. Mt 11,28
10–11 Vgl. Mt 11,25
17–20 Vgl. Apg 10,34–
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niß abzulegen von dem Glauben an Christum und der Hoffnung auf ihn, wenn er zwar nicht lassen kann das was er erkannt hat den Menschen darzustellen, aber hat er einmal geredet dann auch den Menschen es überläßt wie viel oder wie wenig sie davon nehmen wollen, ob sie es so oder so auffassen und ob es ihnen lieb ist oder nicht, weil, wenn er es durchführen wollte, er verwickelt werden würde in gar zu viel Gegenrede u. s. w. – das wäre nicht die Sanftmuth Christi; denn er hat die strengen Reden nicht erspaart, er hat nicht die Hand an den Pflug gelegt und zurückgesehen, sondern durch allen Widerspruch hindurch hat er seinen Weg zurückgelegt bis zum Ziel. Aber die Sanftmuth des Erlösers sagt uns: die Liebe zur Wahrheit und die Liebe zu den Menschen, sie soll so Eins sein daß wir Beide zugleich lieben; und wohl wissen wir, wir können die Menschen nicht in Christo lieben, wenn wir ihnen die göttliche Wahrheit, die er uns offenbart hat, nicht ganz hingeben, wir können nicht glauben daß Christus der Grund ist der Seeligkeit und des Lebens, wenn wir es nicht unter die Menschen bringen was wir aus seiner Fülle nehmen. Wir sollen allerdings das bekämpfen mit der göttlichen Wahrheit was ihr entgegentritt, aber wir sollen – wie der Herr – nie durch Widerspruch in leidenschaftlichen Zustand versetzt werden; denn der ists der den freien Gang des Lebens zerstört. In der Sanftmuth des Herrn können wir keine andre Kraft als die Kraft der Wahrheit anwenden um die Menschen auf den rechten Weg zu führen, wenn wir irgend anderes anwenden, so ist das nicht der Weg des Herrn und aus dem sanften Geiste kann das nicht kommen, und wenn wir, wenn die Menschen nicht in unsre Weise eingehen, uns von ihnen sondern, sie aus unsrer Gemeinschaft ausschließen, so ist das gewiß das Ende der Sanftmuth! Denn er der allein der göttliche Lehrer war und als solcher die Sanftmuth übte, nie hat er sich zurückgezogen und die Gemeinschaft abgebrochen da wo er noch nicht verstanden wurde, immer ist er umher gegangen zu suchen und selig zu machen, und nie hat er sich Eines geweigert der in Austausch der Gedanken mit ihm eingehen wollte. Diese Treue, diese Reinheit, welche nichts anderes zur Verbreitung der Wahrheit anwenden will als eben sie selbst, diese Festigkeit im Sinne des Erlösers welche weit entfernt ist die Wahrheit geltend zu machen durch etwas was die Liebe stören kann: das ist die Sanftmuth des Herrn. Und die fest zu machen und immer mehr einheimisch unter den Christen, das ist das Werk der evangelischen Kirche und das ist das wahre Zeichen derselben; sie hat sich erbaut zu einer Zeit [ ] Das ist die Sanftmuth daß Alle willkommen gewesen zu dieser Vereinigung, daß so viele Verschiedenheit übersehen ist und daß kein Gedanke 1 Christum] Christo
36–37 Zeit] folgt eine Lücke bis zum Zeilenende
8 Vgl. Lk 9,62; vgl. auch die Predigt am 25. Februar 1827 29 Vgl. Lk 19,10
16 Vgl. Joh 1,16
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daran je geherrscht hat irgend Einen auszuschließen aus der Gemeinschaft der Kirche sondern immer ist sie offen gewesen jedem um der Wahrheit theilhaftig zu werden. | Eben so kann unsre Demuth nicht darin bestehen sollen daß wir die Gabe Gottes in Erkenntniß der Wahrheit gering achten; denn das wäre Undank! und wie der Erlöser sich nie herabsetzte so dürfen auch wir das Werk des göttlichen Geistes in uns nicht herabsetzen; denn eine Demuth die aus mangelhafter Ueberzeugung von dem Werk des Geistes herrührte, die würde nur beweisen daß das Herz noch nicht fest ist: so also soll unsre Demuth nicht sein, sondern wie Paulus sagt: „ich meine daß ich auch den Geist Gottes habe“: das ist der Grund auf PdenS jeder Christ bestehen soll, das ists was jeder von sich halten soll, daß er gewürdigt ist der Gnade Christi. Aber das ist die Demuth des Herrn daß ihm Alle gleich lieb und angenehm waren wenn sie seiner Einladung folgten um Erquickung bei ihm zu finden. So auch wir die wir ja nicht auf uns selbst unsre Brüder hinzuweisen haben sondern auf ihn, aber eben dazu sollen wir uns Alle gleich lieb sein lassen, Allen sollen wir Alles mittheilen was wir von ihm empfangen; und wie wir wissen daß Eins nicht ohne das Andre sein kann, nemlich, daß wer lernt auch lehren will, wer die göttliche Wahrheit aufnimmt, sie auch mittheilen will und soll: so ist das unsre Demuth daß uns Alle gleich lieb sind um eine Gemeinschaft im Suchen und im Besitz der Wahrheit zu bilden. Der Glaube des Menschen an seine Ueberzeugung der soll einen Eifer wirken für dieselbe, aber wie der Apostel sagt: es giebt einen Eifer ohne Verstand, so ists natürlich daß aus dem Glauben an die göttliche Wahrheit nicht ein menschlicher Eifer ausgehen kann sondern der Eifer welcher die Thätigkeit der göttlichen Liebe ist. Die Erfahrung lehrt, daß zuweilen Einem etwas mehr gleichgültig ist was dem Andern wichtig, viele Ausdrücke von denen der Eine meint daß es dafür auch eben so gut andre geben könne, sind für den andern grade die einzigen für die Bezeichnung der Güter des Heils, diese Verschiedenheit aber soll keinen Unterschied für uns bilden, sondern wo wir nur den Eifer für die göttliche Wahrheit finden da soll uns jeder gleich lieb sein um in Gemeinschaft mit ihm zu treten, wir sollen und wollen in Beziehung auf diese Gemeinschaft keinen übersehn also auch den nicht von dem wir wissen daß er eifert mit Unverstand! Denn eben dadurch sind wir in der evangelischen Kirche, daß wir kein Menschenwort sondern nur des Herrn Wort ansehn als Richter, in der evangelischen Kirche schöpfen Alle aus der Quelle des göttlichen Worts, diese steht jedem offen 1 geherrscht] geherscht
11 PdenS] oder PdemS
9 Vgl. Hebr 13,9 10–11 Vgl. 1Kor 7,40 Röm 10,2 35 Vgl. Röm 10,2
15–16 Vgl. Mt 11,28
24–25 Vgl.
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und jeder also der in der Schrift forscht und darin seinen Eifer für die Wahrheit beweiset, der soll uns lieb sein, und wie wir wissen daß niemand Christum einen Herrn nennen kann ohne den Geist Gottes, so ist der Geist überall wo die göttliche Wahrheit ein gemeinsames Gut ist, nicht gebunden an Äußeres, sondern ob auch verschieden ausgedrückt doch gemein Gut Aller: Das ist der Grundsatz von dem wir ausgehen in der Anwendung des Worts der Schrift daß wir ein priesterlich Volk sind, und wie jeder weiß daß wir den Geist haben nach dem Maaß so soll jeder uns willkommen sein in dem wir etwas davon merken, wer von ihm lernen will, den er nur durch den Geist Herr nennen kann, dem sollen wir auch zuschreiben daß der Geist in ihm ist und gleich lieb soll uns der sein zum gemeinsamen Lehren und Lernen. Das ist die Demuth durch welche der Hochmuth niedergeschlagen ist gegen den die evangelische Kirche sich stellte, und von dem schon damals der Herr das Volk abmahnen wollte indem er sagte zu ihm sollten sie kommen und lernen von ihm. Und diese Demuth wollen wir uns immer bewahren als den rechten Grund auf welchen unsre Kirchengemeinschaft ruht; das ist die Demuth die immer wieder zu ihm zurückführt der sanftmüthig ist und von Herzen demüthig, und je mehr wir ihm hierin ähnlich werden desto mehr wird der Widerspruch gegen die göttliche Wahrheit verschwinden, und die Gemeinschaft wird sich so gestalten daß die rechte christliche Demuth und Sanftmuth eine leichte Tugend sei und mit dazu gehört von dem er sagt sein Joch sei sanft und seine Last leicht. | Und die brüderliche Liebe wird sich so gestalten, daß keine Verschiedenheit sie stört, sondern jede ihr förderlich ist; denn die Demuth in Beziehung auf die eigne Person wird Alle sich einander gleich lieb sein lassen zum Lernen sowohl als zum Lehren. Aber anders können wir dazu, daß diese Demuth und Sanftmuth uns leicht werde und natürlich, nicht kommen als wenn wir immer wieder zu ihm gehn und von ihm lernen der sanftmüthig ist und von Herzen demüthig: Und so möge denn jeder je nachdem er berufen ist von der Wahrheit zu zeugen und zu lehren, möge jeder der sich dazu unter die Menschen begiebt, vorher auf ihn schauen, wie er als Lehrer von Gott gesandt sanftmüthig war und von Herzen demüthig, und sich überzeugen daß nur hier7–8 daß wir … nach dem Maaß] möglicherweise mit Joh 3,34 zu korrigieren in daß wir … nicht nach dem Maaß (vgl. den Sachapparat) 16–17 auf welchen … ruht] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 1, Sp. 794 2–3 Vgl. 1Kor 12,3 6–7 Vgl. vermutlich 1Petr 2,9 7–8 Vgl. Joh 3,34; möglicherweise hat Schleiermacher die dortige Aussage, dass Gott den Geist nicht nach dem Maß gebe, im Blick auf den Unterschied zwischen dem Erlöser und den Gläubigen und unter Zuhilfenahme von Aussagen wie Röm 12,3 und Eph 4,7 absichtlich umgekehrt. 9– 10 Vgl. 1Kor 12,3 22 Vgl. Mt 11,30
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auf der Seegen ruht: auf daß wir uns entfernen von jedem Hochmuth und vom leidenschaftlichen Wesen, damit alles Lehren und Lernen nichts sei als daß wir miteinander die Wahrheit suchen in Liebe! –
[Liederblatt vom 11. November 1827:] Am 22sten Sonntage nach Trinitatis 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Freu dich sehr etc. [1.] Ewge Liebe, mein Gemüthe / Wagt mit kindlichem Vertraun / In den Abgrund deiner Güte / Ehrfurchtsvoll hinabzuschaun, / Um den Kummer zu zerstreun, / Ihrer Größe mich zu freun, / Durch ihr Anschaun hier auf Erden / Himmlisch schon entzückt zu werden. // [2.] Ich verehre, Gott voll Liebe, / Dich für deiner Gnade Rath, / Die aus eignem freien Triebe / Unsrer sich erbarmet hat. / Liebe, die so brünstig liebt, / Daß sie auch den Sohn uns giebt, / Uns Verirrten ihn zum Lehrer, / Ihn zum Opfer für Empörer. // [3.] Du bestimmst, o ewge Liebe, / Mir zur Gnade selbst die Bahn, / Führst durch deines Geistes Triebe / Mich zu Buß’ und Glauben an. / Wer nicht in der Sünde bleibt, / Und an deinen Sohn recht gläubt, / Der soll deiner Liebe Gaben, / Heil und ewges Leben haben. // [4.] Liebe, Liebe, laß mich streben / Meines Heils gewiß zu sein! / Richte du mein ganzes Leben / Nur nach deinem Willen ein! / Laß in meiner Pilgrimschaft / An des Glaubens Frucht und Kraft / Stets mich merken, daß mein Ende / Einst die Seligkeit vollende. // Nach dem Gebet. – Mel. Wie wohl ist mir etc. [1.] Zu dir erhebt sich mein Gemüthe / Du Freund der Menschen Jesu Christ; / Du der, das Bild der ewgen Güte, / Auch uns ein Vorbild worden ist./ Du bist der Menschheit größter Segen, / Du brachtest Frieden ihr entgegen / Und Licht in ihre Dunkelheit; / Nur Heil verbreitend war dein Leben, / Dein Zweck, dein eifrigstes Bestreben, / War deiner Brüder Seligkeit. // [2.] Es folgten dir auf jedem Schritte, / Erbarmen, Huld und Liebe nach; / So tratst du in des Armen Hütte, / So unter des Beglückten Dach. / Sobald ein Leidender sich wagte / Und dir sein Elend thränend klagte, / Konnt er in deiner Hülfe ruhn. / Die Wüste, wie des Tempels Fülle, / Sahn dich in anspruchsloser Stille / Rastlos des Vaters Werke thun. // [3.] Du fühltest deiner Brüder Leiden / Mehr, als du eigne Noth empfandst, / Entäußerst dich der Gottheit Freuden, / Weil du die Menschen elend fandst. / Und nichts beschränkte deine Werke; / Du gabst den Blöden Seelenstärke, / Warst der Bedrängten Zuversicht. / Du halfest nicht nur leiblich Armen, / Du riefst voll Huld auch und 1 jedem] jeder 2–3 Schleiermacher bezieht sich auf das ληϑ εειν ν γπῃ aus Eph 4,15 in der reformierten Übersetzungstradition.
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Erbarmen / Verirrte hin zu deinem Licht. // [4.] Und als zuletzt auf solchem Pfade / Du deinem Tod entgegengingst, / Versündigtest du noch die Gnade, / Mit der Du Sünder stets empfingst. / Als Todesschrecken und Gefahren / Ringsum auf allen Seiten waren, / Verließ dich nicht dein sanfter Muth: / Du bliebst Beschüzer deiner Freunde, / Erbarmtest dich auch deiner Feinde / Nicht achtend ihres Hasses Muth. // [5.] O wäre, Jesu, unser Leben / Dem deinen gleich an Kraft und Ruh! / O wären wir so Gott ergeben, / Der Wahrheit so getreu wie du! / Ja stärke du in uns die Triebe / Der ganz der deingen gleichen Liebe, / An der man deine Jünger kennt! / So wandeln wir zu deiner Ehre, / Und zieren dankbar deine Lehre / Wohl werth, daß man uns Christen nennt. // Nach der Predigt. – Mel. Von Gott will ich etc. Dein ist das Reich der Wahrheit, / Wo sich von Mängeln rein / In immer größrer Klarheit / Die Deinen ewig freun. / Wie selig macht dein Licht! / Dich lieben, dich verehren, / Treu üben deine Lehren, / Sei stets uns heilige Pflicht. //
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23. Sonntag nach Trinitatis, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Thess 4,1–12 Nachschrift; SAr 106, Bl. 46r–47r; Crayen Keine Nachschrift; SAr 66, Bl. 31r; Woltersdorff (Fragment) Teil der vom 17. Juni 1827 bis zum 17. Februar 1828 gehaltenen Homilienreihe zum 1. Thessalonicherbrief
1 Theß. Cap. 4. v. 1–12.
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Wenn der Apostel, in den diesen vorhergehenden Worten, den Wunsch seines Herzens und das Gebet welches er vor Gott für sie bringe, den Theßalonichern so ausgesprochen: „daß ihre Liebe immer völliger werde“ – so redet er hier davon: „Wie sie von Gott, durch die Sendung seines Sohnes, zur Heiligung berufen wären“ und ermahnet sie, diesen Ruf nicht zu verachten – weil sie sonst Gott selbst verachten würden, welcher durch die Sendung dieses seines lieben Sohnes der schwachen menschlichen Natur zu Hülfe gekommen sei. Es enthält aber diese Ermahnung des Apostels sowohl ein abmahnendes als ein aufmunterndes und zurechtweisendes Wort. In dem aber wovon er abmahnet ist wiederum zweierlei enthalten: er mahnet ab von dem Verderben unreiner Lust, und mahnet ab: von aller Vervortheilung. Und so lasset denn uns sehen: wie er Beides, von dem Standpunkt eines Lebens in Christo aus, betrachtet. [1.] Indem wir nun zuförderst auf das sehen wovon er abmahnet in Beziehung auf das Verderben unreiner Lust, so giebt es zwar auch außerhalb des Gebietes des Christenthums ein Abmahnen davon, so wie es auch dort, von jeher, gegeben hat, ein Fortschreiten zum Reineren und Edleren, und zwar in dem allgemeinen Gefühl welches sich bezieht auf die Achtung welche der Mensch für das sittlich Reine hat – auch ist es zu loben wenn jemand sich diesem allgemeinen Gefühl unterwirft – dem Christen aber ziemt noch etwas Höheres, und er handelt nicht allein und ausschließlich 3–4 Theßalonichern] Theßal. 14 betrachtet.] folgt kein Absatz vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 5, Sp. 458 (s. v. „zuvörderst“) 4 Vgl. 1Thess 3,12
15 zuförderst]
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aus diesem Grunde – sondern spricht mit dem Apostel: „Wir wissen welch ein göttlich Gebot wir von dem Herrn Christo empfangen“. Verachtet aber der Mensch diese Anweisung so ist er in Gefahr der Verdunkelung seines menschlichen Verstandes, und der Verkehrtheit seines Herzens hingegeben zu werden; denn auf solchem Wege kann er zu keiner vollkommnen Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen gelangen – als welcher allein in Christo sich uns kund gethan hat –. Es entstehen aber leider gar oft noch (in dem Menschen) dergleichen Ableitungen von dem Willen Gottes, und der Mensch sucht dann auf alle Weise zu entschuldigen solche Knechtschaft: Thut er das aber, so gelangt er nie zu dem Gefühl des Unterschiedes von dem was der heilige und wohlgefällige Wille Gottes in Christo an den Menschen ist, und dessen was seiner (als Christ) unwürdig ist. – Wenn aber Gott nicht durch Christum unsrer schwachen menschlichen Natur zu Hülfe gekommen wäre, so hätte nie aufgehört die Gefahr, daß der Mensch immer wieder dahin verfallen wäre, sich von Etwas leiten zu lassen was die Spuren einer solchen Unvollkommenheit in sich trägt. – Es ist aber in diesem unserm Erlöser, wie in ihm uns erschienen ist das Bild der vollkommensten Heiligkeit und Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen, auch zugleich uns vor Augen gestellt | die Abmahnung von aller Vervortheilung: denn wie er entfernt war von jeder unreinen Lust – so auch hat er uns, seinen Brüdern, nichts von dem vorenthalten was er von Gott seinem himmlischen Vater für uns empfangen hatte. Indem nun aber sein unter uns waltender Geist dieses Bild der vollkommnen Heiligkeit unter uns erhalten und immer herrlicher verklärt – so setzt uns dieses auch in den Stand dasselbe in und unter uns aufzunehmen und festzustellen. Wie wir es nun zwar natürlich finden: daß die Ermahnung dazu, in damahliger Zeit für die junge Gemeine des Herrn nicht überflüssig war – so müssen wir uns doch billig wundern und darüber betrüben, daß solche Ermahnung noch immer noth thut, denn es beweiset uns, daß der Wiederstreit des Fleisches gegen den Geist noch immer nicht ganz aufgehoben ist. Um so mehr aber soll ein jeder von uns dazu sich aufgefordert fühlen: zunächst sich selbst dem Geiste Gottes ganz hinzugeben – dann aber auch seine Brüder zu ihm hinzuleiten – und so, durch die That, Zeugniß davon abzulegen wie auch er, als Christ, sich berufen fühle „zu der Heiligung ohne welche niemand kann den Herrn schauen“. Wenn nun auch der Apostel (an einem andren Ort) sagt, wie nur dadurch der Mensch könne gerecht vor 24 herrlicher] herl. 22–24 Vgl. 2Kor 3,18 29–30 Als neutestamentlichen Beleg für den Widerstreit von Fleisch und Geist gibt Schleiermacher in seiner gedruckten Dogmatik „Der christliche Glaube“ Gal 5,17 und Röm 7,18–24 bzw. 23 an; vgl. KGA I/7.1, S. 265; KGA I/13.1, S. 407. 34–35 Vgl. Hebr 12,14 35–1 Vgl. vermutlich Gal 5,21; auch 1Kor 6,9– 10; Eph 5,5
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Gott erfunden werden, so sehen wir daraus, wie wenig er gemeint gewesen ist, jenes Unrecht zu entschuldigen oder zu beschönigen; wie denn eben das gerecht-sein vor Gott darin besteht, daß der Mensch wandelt in einem solchen durch die Liebe thätigen Glauben – wie denn eins ist die Liebe zu Gott welcher seinen Geist – den Geist der Heiligung uns gegeben, und die Liebe zu dem durch welchen er denselben über uns ausgegossen – und der uns gegeben ist zur Gerechtigkeit – so wie die Liebe zu denen die mit uns berufen sind zu dieser Heiligung. 2. Und das führt uns nun noch darauf hin was der Apostel dem hinzusetzt als Pzu demS mahnenden wenn er sagt „Es sei nicht noth von der brüderlichen Liebe zu reden“. Es ist nemlich natürlich: daß wenn in irgend einem Kreise die Menschen etwas neues Gutes theilhaftig geworden sind, daß als dann ein jeder von ihnen strebt: es festzustellen – sein zu genießen – und so sich dessen zu erfreuen – so daß ein neues Band der Liebe daraus entsteht. – Und so wurde denn auch dazumahl – durch das Erscheinen des Erlösers, der Anfang und Grund einer neuen Liebe gelegt – und so war es denn auch wiederum natürlich, daß die Früchte dieser Liebe sichtbar wurden durch den in der Liebe thätigen Glauben. | Indem aber der Apostel sagt: er wünsche daß diese Liebe immer völliger werde, so hält er ihnen darin das Ziel derselben vor, welches darin besteht, daß sich diese Liebe Christi nicht nur immer weiter verbreite, sondern auch alles durchdringe – so wie denn der Apostel selbst immer nur darauf bedacht war die Seligkeit derselben aus sich leuchten zu lassen. Er will aber auch damit sagen: daß ein Jeder nicht allein in der Stille des brüderlichen Kreises solle leuchten lassen, sondern auch auf alle Weise dahin streben soll, dieses reine Licht dahin leuchten zu lassen wo dasselbe noch nicht erschienen ist – und damit umzubilden suchen das, was, weil es noch nicht davon durchdrungen ist – noch die Spuren von Unvollkommenheit an sich trägt – und also auch darin spricht sich unser Beruf der Heiligung aus: daß wir alles dahin umzubilden suchen daß das Bild der Liebe Christi daran sichtbar werde. – Und welch einen großen Theil solcher Güter giebt es nicht die einer solchen Umbildung und Umgestaltung bedürfen. Und so möge denn ein jeder von uns sich das Zeugniß eines solchen Strebens geben können! damit – wenn wir aus dieser Welt scheiden, wir alles reiner und herrlicher zurücklassen als wir es empfingen. – Und das sei unser Aller Ziel! – bis endlich alles ein neues geworden: – Neu – weil es von Dem herrührt – durch Welchen alles neu gemacht worden ist! Neu – weil es von seinem neuen – gewissen Geist 10 mahnenden] mahnend. 4 Vgl. Gal 5,6 7 Vgl. 1Kor 1,30 18 Vgl. Gal 5,6 19 Vgl. auch 1Thess 3,12 36–37 Vgl. 2Kor 5,17 vermutlich in Verbindung mit Offb 21,5 37 Vgl. Ps 51,12
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durchdrungen ist. Und so sei denn dieses unser Aller Aufgabe – damit durch einen Jeden von uns immer mehr gedeihe und sich fördre und zu seinem Ziele gelange das göttliche Reich. –
Am 24. November 1827 mittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge:
Andere Zeugen: Besonderheiten:
Samstag vor dem 24. Sonntag nach Trinitatis (Totensonntag), 13 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 8,51 a. Autograph Schleiermachers; Tageskalender 1827/1828, SN 447 Texteditionen: Keine b. Nachschrift; SAr 66, Bl. 33r–33v; Woltersdorff Texteditionen: Keine Keine Predigt zur Vorbereitung auf das Abendmahl
a. Autograph Schleiermachers Ueber Joh. 8, 51.
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Unser Glaube daß in Christo das Leben ist. Wie Abraham und die Propheten so ist alles menschlich große hingegangen ohne eine solche Quelle des Lebens zu eröffnen. Jesus hat sich entweder überhoben oder er ist wirklich der Eingeborne. In der Gemeinschaft mit ihm soll uns das Abendmahl befestigen. b. Nachschrift Aus der Vorbereitungs Predigt vor dem Todtenfest 27. Joh. 8, 51.
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Der Erlöser nennt sich selbst das Lebensbrod, und eben so sagt er von sich daß wir durch ihn das Leben bekommen, „wenn wir an ihn glauben so seien wir durch den Tod zum Leben hindurchgedrungen“, „wer da glaubt der hat das ewige Leben, so ihr nicht mein Fleisch esset und mein Blut 2 Abraham] Abrah.
7 vor dem Todtenfest] v. d. Todtenf.
2 Vgl. Joh 1,4 5 Vgl. Joh 1,14.18; 3,16.18; 1Joh 4,9 12 Vgl. Joh 5,24 12–1 Vgl. Joh 6,53
9 Vgl. Joh 6,35.48
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trinket so ist kein Leben in euch“ und eben so sagt er hier: „so jemand wird mein Wort halten der wird den Tod nicht sehen ewiglich“: – Daß er nun hier Leben und Tod nicht in dem gewöhnlichen Sinn, auf natürliche Weise, meint, das bedarf keiner Erörterung. Aber wenn wir unser eigen Bewußtsein fragen so wird es diesem Wort des Erlösers das tiefste Zeugniß geben d. h. wir sind es uns im tiefsten Innersten bewußt daß jemehr wir durchdrungen sind von der innigen Gemeinschaft mit Gott durch ihn jemehr wir durch ihn den Willen des Vaters sehn und thun zugleich, destomehr leben wir ein seiner Natur nach ewiges Leben, aber jemehr wir vom Irdischen uns lassen gefangen nehmen um desto mehr Todt ist in uns: Das ist die Erfahrung Aller die einmal den Glauben in sich aufgenommen haben: Hier sagt er: „wer mein Wort wird halten“: aber indem er so im Allgemeinen von seinem Worte redet, so ists nichts anders als der ganze Inbegrif seines Worts, und so wie wir sagen müssen jemehr wir, aus dem Herzen und Gemüth kommende Worte eines Menschen vernehmen, um so mehr werden wir ein richtiges Bild haben von seinem Wesen: so auch bilden alle Worte des Herrn erst ein Ganzes, und so haben wir ihn denn selbst in seinem Wort, und sein Wort halten, das heißt also: an ihn selbst halten, eben wie er sagt: daß wir wie die Reben am Weinstock an ihm sein müssen um sein Leben in uns aufzunehmen und zu haben; wie Paulus sagt: „nicht ich lebe sondern Christus in mir“: Und in diesem Sinn sagt der Herr Pselbst auchS: „wer mein Fleisch isset der hat das ewige Leben, wer mich ganz in sich verwandelt der wird den Tod nicht sehen ewiglich“: Als er aber diese Worte geredet, da sprachen die Juden zu ihm „Abraham und die Propheten sind gestorben, bist du mehr denn unser Vater Abraham“: Setzen wir nun an die Stelle Abrahams, Alles was es je Großes und Schönes uns gegeben, verwandeln wir die Worte die die Juden hier sagen: „sie sind es ist gestorben“: dem gemäß was der Herr hier meint unter Tod und Leben, so müssen wir sagen nichts hat und kann belebend auf uns wirken als nur sein Wort wie es Geist und Leben ist, nur er also ist nicht gestorben, Alles andre ist dahin gegangen den Weg alles Fleisches, alles also was auf menschliche Weise sich gestal|tete, hat nicht das Recht gehabt wie er zu sagen: er ist mehr denn Alles! und darum giebt es auch nichts anderes was unvergänglich in uns wäre als ihn anschauen der sich durch des Gottes Fülle die in 21–22 Pselbst auchS] oder Pauch selbstS ; selbst über der Zeile 26 es] vielleicht versehentlich nicht gestrichen 26 uns] nachträglich über der Zeile 27 „sie sind es ist] es ist nachträglich über der Zeile; sie sind möglicherweise zu streichen 31– 32 alles also … hat nicht] korr. aus aus allem was sich menschlich gestaltete, hat nichts 19–20 Vgl. Joh 15,5 20–21 Vgl. Gal 2,20 22 Vgl. Joh 6,54 24–25 Vgl. Joh 8,52–53 29–30 Vgl. Joh 6,63 30–31 Hierbei handelt es sich um eine schon zu Schleiermachers Zeiten weit verbreitete sprichwörtliche Redensart unbekannter Herkunft; vgl. Gen 6,12–13. 34–1 Vgl. Kol 2,9; ferner 1,19; Joh 1,16
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ihm war erhoben über alles Maaß wie denn in ihm wir schauen die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes Gottes vom Vater voller Gnade und Wahrheit. Und dieses sein Leben in uns aufzunehmen, uns seines Lebens zu versichern dadurch daß wir immermehr fest halten an seinem Wort, dazu ist das heilge Mahl, zu dem wir hier versammelt sind, eingesetzt, es soll uns aufs neue von allem Menschlichem weg zu ihm als die Quelle des Lebens hin führen, es soll uns stärken dadurch daß wir darin sein Leben in uns aufnehmen alles zu heilgen was wir thun und haben, und in uns und Anderen nichts zu lieben als die Beziehung auf ihn, den Glauben an ihn (oder) die Fähigkeit ihn aufzunehmen. Zu einem solchen neuen Verein auf ihn und in ihm, zur Vermehrung des Glaubens der durch die Liebe sich beweiset, möge uns auch dieser Genuß des heilgen Mahls bereiten und gesegnet sein!
1–2 Vgl. Joh 1,14
6 Vgl. Ps 36,10
Am 25. November 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge:
Andere Zeugen: Besonderheiten:
24. Sonntag nach Trinitatis (Totensonntag), 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Thess 4,13–16 a. Autograph Schleiermachers; Tageskalender 1827/1828, SN 447 Texteditionen: Keine b. Nachschrift; SAr 66, Bl. 34r–37v; Woltersdorff Texteditionen: Keine Keine Teil der vom 17. Juni 1827 bis zum 17. Februar 1828 gehaltenen Homilienreihe zum 1. Thessalonicherbrief Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
a. Autograph Schleiermachers Hauptpredigt über I Thess. 4, 13–16 T h e m a . Die Lehre daß die spätern den frühern nicht zuvorkommen am Tage des Herrn. I. in Bezug auf die Vorangegangnen, denen wir zuvorkommen könnten was die einzelne Gemüthsverfassung PoderS was die allgemeine geschichtliche Entwikelung betrifft. II. in Bezug auf die welche nach uns zurükbleiben werden, als Gegenstände unsers Fleißes und unserer Theilnahme.
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b. Nachschrift 34r
Aus der Predigt am Todtenfeste 27. 1 Thess. 4, 13–[15.]
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Die Vorstellung jener ersten Christen, in Beziehung auf welche sie eines solchen apostolischen Trostwortes bedurften, ist uns allerdings fremd; jene 5 einzelne Gemüthsverfassung] einzel. Gemüthsvfassg. sches
12 apostolischen] apostoli-
10 Entgegen seiner Eintragung im Tageskalender behandelt Schleiermacher faktisch nur 1Thess 4,13–15 und setzt bei der Fortführung der Homilie am 2. Dezember bei 1Thess 4,16 an.
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waren noch nicht tief eingedrungen in die Geheimnisse des Evangelii sondern als Kinder im Glauben nur erst für die ersten Bedürfnisse dieses einen Lebens genährt durch die Milch des Evangelii. Daher, ohnerachtet sie an die Auferstehung und baldige Zukunft des Herrn glaubten, war es ihnen möglich zu meinen, daß nur die, die dann leben würden auf Erden, wenn der Herr komme, eingehen würden mit ihm in sein Reich. Das ist nicht unsre Besorgniß wenn wir derer gedenken die der Herr von uns weggenommen hat; denn sonst würden wir besorgter sein in Beziehung auf Leben und Tod. Wir also bedürfen solchen Trostes nicht; wir können nicht denken daß die welche übrig geblieben sind auf Erden, wenn der Herr kommt um dem Irdischen ein Ende zu machen, deshalb bei ihm bleiben sollten. Aber obgleich wir dieses Trostes nicht bedürfen, so laßt uns doch das nicht übersehn, daß der Apostel dieses ausdrücklich als ein Wort des Herrn bezeichnet: keines seiner Worte dürfen wir unbeachtet lassen; denn bedürfen wir des Trostes in irgend einer Beziehung nicht, so doch in jeder, seiner Lehre. Und so laßt uns, indem wir heut am Ende unsers kirchlichen Jahres derer gedenken die es nicht mit uns erlebt haben, diese Worte zu unsrer Erweckung betrachten, diese Worte in denen der Apostel es als Lehre des Herrn ausspricht daß die Späteren nicht vorkommen werden den Früheren an jenem Tage: Das sei es worauf wir unsre christliche Aufmerksamkeit richten. Es ist aber in zwiefacher Beziehung worin wir gleich sehr bedürfen diese Lehre uns anzueignen, nemlich: 1. In Beziehung auf die, die uns vorangegangen sind, als die Früheren 2. In Beziehung auf die, die nach uns zurückbleiben, als die Späteren. I. Wenn wir in Beziehung auf die auch nur, welche unmittelbar in dieser Zeit das irdische Leben verlassen haben, der großen Mannigfaltigkeit des Lebens gedenken, auch wenn wir bei denen stehen bleiben die den Glauben an Christum in sich aufgenommen haben, so müssen wir sagen: wie Wenige sind wol gewesen unter ihnen die zu der rechten vollen Kraft, zu der rechten ausgetragnen Reife des geistigen Lebens auf dieser Erde entwickelt sind! Wie viele sind unter ihnen gewesen von denen wir gestehen müssen, daß es für sie Augenblicke gegeben hat wo das göttliche Licht tief in ihre Seele gedrungen, Augenblicke wo sie so von der Liebe des Erlösers ergriffen, daß sie zu seinen Füßen niedergesunken, bekannten, daß er allein die Worte des ewigen Lebens habe, Augenblicke wo sie das Irdische hinter sich werfend sich streckten nach dem was vor uns liegt, aber die beständige Beharrlichkeit im Dienste des Herrn fanden wir nur bei Wenigen von ihnen! Wie Wenige sind derer, die sich so losgemacht von der Macht des Irdischen daß sie nicht doch zuweilen in Vergessenheit, des höchsten Gutes das sie 1–3 Vgl. 1Kor 3,2; Hebr 5,12–13
35–36 Vgl. Joh 6,68
36–37 Vgl. Phil 3,13
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kannten und liebten, wären versenkt worden! Und wenn wir daran denken wie nach der Ordnung des Herrn wir durch Trübsal in das Reich Gottes eingehen, wenn wir denken daß das Leben der Christen dargestellt wird als ein Kampf in dem sie begriffen sind: so müssen wir wol von den Abgeschiednen sagen: o wie Wenige sind derer gewesen die in allen Kämpfen sich als Sieger bewährt haben, die im Angesicht alles dessen was die irdische Lust zu reitzen vermag doch immer augenblicklich sagen konnten, um den Preis den der Fromme nimmer bezahlt: „wie sollt ich das thun“: Wie Wenige die so durchglüht gewesen sind von der Wärme der göttlichen Liebe die von Christo ausströmend Alle erwärmen soll die seine Herrlichkeit gesehen, daß kein Augenblick der Kälte sie je beschlichen hätte! Wie Wenige die von dem Licht so durchdrungen waren, daß es immer aus ihrem geistgen Auge hervorgestrahlt | wäre, und sie immer geschaut nur auf die unvergängliche Krone, so daß sie sagen konnten sie seien nie gestrauchelt! Wie Wenige deren Leben, wie die sturmlose See, geglättet war durch den göttlichen Frieden den der Herr denen verheißt die Ruhe suchen bei ihm! Ach wohin zurück wir blicken mögen überall werden wir den traurigen Wechsel finden im Zustande der Menschen, zum Zeichen daß wir uns von der Gebrechlichkeit nicht lösen können auf Erden! Und wir nun die wir zurückgeblieben sind, uns hat der Herr dieses Jahr geschenkt um mit scharfem Auge darauf zurückzusehen, uns bringt seine Gnade ein neues entgegen sei es reich an Prüfungen und Trübsalen, nun, der Herr züchtigt die er lieb hat! sei es reich an freudger Ermunterung: o wohl uns; denn wir wissen welcher Stärkung wir bedürfen! Vergleichen wir uns aber mit denen die uns vorangegangen sind, o so kann es nicht anders sein als daß wir uns gestehen müssen: wir sind gleich denen die das Irdische gesegnet haben; wir sind Theilnehmer der Begnadigung welche das Wort des Herrn in ihren Selen gewirkt hat, wir sind Theilnehmer ihrer Schwachheit. Und doch hoffen wir, und der Geist Gottes giebt uns Zeugniß daß wir mit Recht hoffen, immer näher zu kommen dem Ziel das uns vorgesteckt ist, indem unser Herz immermehr fest wird und wir durch die Kraft des Glaubens immermehr durchdringen zu dem Leben dem der Wechsel und die Verwirrung fremd sind. Wenn wir aber auch die ganze Gestaltung des Reichs Gottes ins Auge fassen, wie uns das hier obliegt am Ende des Jahres auf die Vergangenheit zurückzusehen, was können wir sagen als daß die Creatur – die irdische Gestaltung des Reichs Gottes – seufzt nach der Erlösung vom Irdischen! was können wir sagen als daß wir weniger die Lobgesänge der Kirche Christi, 30 das] daß 2–3 Vgl. Apg 14,22 10–11 Vgl. Joh 1,14 13–14 Vgl. 1Petr 5,4; ferner Phil 4,1; 1Thess 2,19; 2Tim 4,8 15–16 Vgl. vermutlich Joh 14,27 und 16,33 in Verbindung mit Mt 11,29 22–23 Vgl. Hebr 12,6 (darin Spr 3,12) 29 Vgl. Röm 8,16 30– 31 Vgl. Hebr 13,9 35–36 Vgl. Röm 8,19–22
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als vielmehr nur die unausgesprochenen Seufzer vernehmen als in welchen der Geist Gottes sie in dieser unvollkommnen Gestalt vertreten kann vor dem Höchsten! Ja auch da (wofür wir Gott Dank sagen) wo das Licht des Evangelii hell und unverfälscht leuchtet, wie viel Verwirrung sehn wir da, wie wenig rein und klar sehn wir den Glauben aus den Worten seiner Bekenner wiederstrahlen! und indem sie untereinander uneins erscheinen, wie getrübt scheint die Einigkeit des Geistes und wie lose das Band des Friedens in der Gemeine des Herrn durch welches sie soll gehalten werden! Das ist die allgemeine Unvollkommenheit des Zeitlichen! Und wenn wir gleich sagen müssen: jedes Geschlecht trägt einen Ruhm davon wie sich das Reich Gottes ausgebreitet, wenn wir gleich sagen müssen: wir lernen mitten unter den Verwirrungen auf das sehn was noth thut, wir lernen nicht menschlichem Wort vertrauen sondern auf den sehen der der Weg und die Wahrheit ist: o so müssen wir dennoch gestehen: unter jedem Geschlecht ist die Herrlichkeit des Reichs Gottes getrübt worden! Uns ist eine Frist gegeben nach der andren und obgleich es nicht fehlt an Verwirrung durch die Mannigfaltigkeit der Regeln und Vorschriften an denen man den Glauben erkennen will, so ists doch gewiß: jemehr es uns ein Ernst sein wird mit der rechten Einfalt des Glaubens desto mehr wird sich die Verwirrung lösen, jemehr der Herr uns Gnade schenkt desto mehr werden wir zunehmen in Liebe und Glauben und immer schöner wird sich die Gemeine gestalten: Das ist unsre Zuversicht, aber dennoch werden wir nicht zuvorkommen denen die da schlafen, denn wie es schon die erste Wirkung war von der Erscheinung des Herrn auf Erden daß dadurch Alles ausgeglichen wurde, jeder Unterschied verschwand, Alle als gleich erkannt wurden, indem sie Alle ermangelten des Ruhms den sie vor Gott haben sollten, die Einen weil sie das Gesetz auf Tafeln hatten aber nicht erfüllten die anderen weil sie sich selbst Gesetz wurden dem sie eben so wenig nachkamen: So ist auch jede Zukunft, jede | ausgezeichnete Erscheinung im Reich des Herrn, jede schnellere Entwicklung desselben, immer ists eine solche Ausgleichung des Ungleichen gewesen: Stellen wir eine frühere und spätere Zeit gegeneinander über, o ihr Unterschied verschwindet je heller das Licht leuchtet das Beide erleuchtet hat. Und so mögen wir uns dessen getrösten, daß, wenn die die vor uns waren nicht Alles zur Reife gebracht haben – wenn gleich wir in der Folge der Zeit noch durch manches Dunkel hindurchdringen wenn wir eine Freiheit der Kinder Gottes erreichen und manche Bande der Satzungen von uns streifen, wir doch ihnen nicht werden zuvorkommen an jenem Tage des Herrn; denn der Glanz von dem er umstrahlt sein wird 10–11 Reich Gottes] R. G. 1–3 Vgl. Röm 8,26 7 Vgl. Eph 4,3 12 Vgl. Lk 10,42 13–14 Vgl. Joh 14,6 25–26 Vgl. Röm 3,23 27–28 Vgl. Röm 2,14 36 Vgl. Röm 8,21
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wenn er kommt, das göttliche Licht das dann in ihm Allen erscheinen wird, wird auch Alle gleich machen in einem Augenblick. Und so werden wir den frühern Geschlechtern nicht vorkommen und die spätern uns nicht; denn der Unterschied zwischen frühern und spätern Geschlechtern, wenn diese auch weiter sein sollten, was will der sagen gegen den unsers jetzigen und unsers künftigen Zustandes von dem ja Johannes sagt daß er darin bestehn wird, daß wir ihm werden gleich sein, weil wir ihn sehen werden wie er ist: Ja so wird es auch uns ergehen in Beziehung auf die die nach uns zurückbleiben; denn wenn wir auch sagen müssen, daß wenn die letzte Stunde uns schlägt in der wir noch mit ruhigem Blick in unser Innres schauen, sollten wir uns nicht das Zeugniß geben daß wir Antheil haben an der Finsterniß die das Licht noch nicht ganz durchdrungen hat, daß wir die Spuren des Todes an uns tragen den wir freilich durch die Kraft des Herrn sollten überwunden haben, und daß wir, voll Schwachheit, so manches hinausgeschoben haben auf eine andre Zukunft: aber denken wir uns auch bei denen die nach uns zurückbleiben eine über alle menschliche Verwirrung siegende Kraft der Liebe, o so werden wir es doch nicht zu bedauern haben daß wir nicht bestimmt sind das mit den Augen des Fleisches zu sehn; denn der Herr sagt es uns durch den Apostel daß die die später sind uns nicht werden zuvorkommen an jenem Tage, wenn wir was wir lebten dem Herrn lebten, und was wir sterben ihm sterben. – Doch laßt uns nicht mit dieser allgemeinen Ansicht uns beruhigen sondern dieses Wort des Herrn noch in besondrer Hinsicht betrachten in Beziehung auf die die nach uns zurückbleiben. | 37r
II. Die welche nach uns zurückbleiben, die Späteren, sie sind ja die Gegenstände unsrer Liebe, unsrer Treue und unsers Fleißes: o daß nur nicht das, was wir als Lehre des Herrn erwägen daß die Späteren nicht vorkommen werden denen die früher waren, unsern Eifer ermatte für sie, o daß wir nur nicht denken es sei gleichgültig wie das Reich des Herrn wachse, wenn denn doch endlich die Erscheinung des Herrn alle Ungleichheit ausgleiche! Nicht also, sondern wenn wir hoffen mit dem Herrn in jene Herrlichkeit einzugehn d. h. ihm gleich zu werden weil wir ihn sehen werden wie er ist: wie können wir anders das hoffen als wenn wir treu gewesen sind mit dem Wenigen! und was heißt: treu sein: als das daß wir uns selbst hingeben zum immer gleichen Dienst des Herrn, was heißt treu sein als wenn wir was er uns verliehen, was er in unser Herz gesenkt hat von der Kraft seiner Liebe 23–24 zurückbleiben.] Bl. 35v–36v vacant 6–7 Vgl. 1Joh 3,2 20–21 Vgl. Röm 14,8; ferner Gal 2,20 34–35 Vgl. Mt 25,21.23
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und seines Lichtes, ihnen mittheilen auf daß die Güter seines Geistes fortwirken für die Zukunft! Was heißt treu in Allem anders, als daß wir auch auf unsre eigne Schwäche zurücksehend, das festhalten, daß alle Dinge zum Besten dienen müssen, daß wir also auch suchen unsre Mängel uns selbst und denen die uns umgeben zur Warnung hinzustellen! was heißt treu sein mit dem Wenigen, worüber der Herr uns gesetzt, auf daß er uns einst über Viel setzen könne, als daß wir das Wort festhalten welches er geredet als er einst auch jenes letzten Tages gedachte wo die Völker der Erde vor ihm versammlet sein werden! Ja wenn wir Eins seiner Kleinsten erquicken und stärken in dem Leben aus Gott, wenn wir die Dürstenden tränken mit dem Wort des Lebens das uns anvertraut ist, wenn wir dazu beitragen daß sie bekleidet werden mit dem Kleide der Gerechtigkeit, wenn wir die noch gefangen sind von den Dingen der Welt zu befreien und hindurchzubringen suchen zu der Freiheit der Kinder Gottes aus dem Kerker des Irdischen, dann sind wir treu! Und nur wenn wir so treu verwaltet haben was er uns gegeben, nur dann kann er uns über mehr setzen. Aber nicht nur Gegenstände unsrer Treue und unsers Fleißes sind die die nach uns bleiben sondern auch Gegenstände unserer Theilnahme: und wahrlich wir wären übel daran wenn wir uns diese schönste Freude beraubten, wenn uns das, daß sie uns nicht vorkommen werden, gleichgültig machen sollte gegen die Fortschritte des Reichs Gottes auf Erden, oder auch gleichgültig gegen die Einzelnen die der Herr unsrer Sorge und Liebe anvertraut; denn wenn wir den Herrn lieben worüber könnten wir uns mehr freuen als wenn es wächst und gedeiht und die Züge seines Bildes immer heller strahlen aus den Gläubigen! Und wenn wir uns betrachten als Brüder was kann der Ruhm der so verbundenen sein als das: wenn einst die Kinder besser sind als die Väter: So sagt der Apostel Paulus daß das sein Ruhm sei und seine Krone daß sie, die er zuerst genährt hat mit der Milch des Evangelii, immer weiter fort schreiten im Glauben und mehr zurücklassen als er ihnen gegeben: Das ist die größte Freude solcher Seelen welche nicht sich selbst suchen, solcher, welche Alles was sie den Menschen thun nicht ihnen sondern dem Herrn thun, und wo sie sich freuen und wo ihr Herz in Liebe bewegt wird, es nichts anderes ist als eben er worauf sich ihre Empfindungen beziehen, wie sie ja nichts anderes lieben können, als ihn und über nichts sich freuen als über seine Wirksamkeit in den Selen! So wollen wir denn auf die welche zurückbleiben, wenn der Herr uns abruft, und auf deren Leben hinaussehn in gläubigem Vertrauen und lebendiger Hoffnung daß es des Herrn sein werde: und eben so wollen wir sehn auf das Leben derer unsrer Brüder in 3–4 Vgl. Röm 8,28 5–7 Vgl. Mt 25,21.23 7–14 Vgl. Mt 25,31–46 14 Vgl. Röm 8,21 27 Vgl. vermutlich 1Thess 2,19–20 in Verbindung mit Phil 2,16 oder 2Kor 1,14 28 Vgl. 1Kor 3,2 30 Vgl. 1Kor 10,24; Phil 2,21 31–32 Vgl. Kol 3,23 37–38 Vgl. Röm 14,8
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Christo deren Leben sich verschieden von dem unsern hier auf Erden gestaltet; denn | keine Verschiedenheit die hier gewesen, wird bestehen an jenem Tage; denn wo der Herr die Seinen sammlet, da sind sie auch alle gleich, wie sie auf gleiche Weise ihm gehören und wie nur er in ihnen lebt. Was hier als verschieden sich zeigt das sind die einzelnen Äußerungen des Lebens dessen Grund der Glaube ist, was aber über diese einzelnen Töne waltet und sie alle zu einem Klang vereint, das ist die göttliche Gerechtigkeit welche so alle Verschiedenheit ausgleicht. Der Apostel sagt: Ein Geist ist aber mancherlei Gaben: Jenes ist ein großer Tempel des Herrn aber es sind darin verschiedene Gefäße zu seinem Dienst: die Einen glänzend und deswegen in besonders feierlichen Augenblicken wirksam, die Andern unscheinbar, aber durch den täglichen Gebrauch geheiligt und dem heilig der den ganzen Zusammenhang kennt: aber Alle sind gleich weil sie Alle ihm geweiht und von ihm beseelt sind. Was aber nicht auf den Grund den Christus gelegt hat, gebaut ist, das werde immermehr verzehrt durch das läuternde Feuer das der Erscheinung des Herrn voran geht, haben wir uns mit dem geschmückt was nicht ist von ihm ausgegangen das werde verzehrt, damit nur das übrig bleibe womit wir erscheinen können vor Gott. Aber so wie das was der Apostel hier sagt daß die Späteren den Frühern nicht werden vorkommen: so ist auch das ein Wort welches er uns als Wort des Herrn verkündet: „Wir werden nicht Alle entschlafen aber wir werden Alle verwandelt werden“: Und sehn wir nicht wie sehr wahr das ist! Denn wie ungleich sind wir noch dem den wir zu erkennen trachten aber noch nicht sehen wie er ist weil wir eben ihm noch ungleich sind, wie müssen wir Alle verwandelt werden wenn wir ihm gleich sein sollen, wie viel seiner Unwürdiges muß fort, wenn sich entwickeln soll das vollkommne Einssein mit ihm, wie muß der göttliche Geist noch durchbrechen durch die irdische Hülle um rein und verklärt bei ihm zu sein! Wolan, sollen und müssen wir verwandelt werden o so laßt uns jeder Verwandlung uns willig hingeben, sein Geist setze sein Werk an uns fort damit wir immermehr verwandelt werden in sein Bild! Das ist die schöne Vorbereitung auf jene große Verwandlung; denn so kommen wir aus einer Klarheit in die andre. O nicht vergeblich in dieser Hinsicht laßt uns gedenken daß wir der Vergänglichkeit unterworfen sind. – Ehe der Schmetterling sich entfaltet um in schönerer Gestalt sich zu bewegen hat die Puppe geruht scheinbar todt: So soll es nicht mit uns sein, kein Augenblick des Todes soll den Uebergang bilden zum höheren Leben, immer mögen die Pulse des Herzens ihm entgegenschlagen ihm der da kommt von Oben um die Verwandlung in uns hervorzubringen. Ja dazu stärke uns jeder Rückblick und jede Aussicht in 8–9 Vgl. 1Kor 12,4 9–12 Vgl. 2Tim 2,20–21 15–17 Vgl. 1Kor 3,11–13 23 1Kor 15,51 24–25 Vgl. 1Joh 3,2 31–33 Vgl. 2Kor 3,18
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die Zukunft: Wie unvollkommen die meisten der Entschlafnen das Leben verlassen haben, wir wissens; ein Gleiches wird unser Loos sein, aber jemehr wir uns hingeben seiner umbildenden Kraft, seinen Geist uns durchstrahlen lassen, seinem himmlischen Lichte uns entgegenstrecken desto größer wird die Klarheit sein zu der wir gelangen, desto heller wird die göttliche Wahrheit in die Ferne leuchten und immermehr Alle an sich ziehn und so werden auch wir arbeiten an der Entwicklung der Späteren. Dazu gehe keine Stimme an uns vorüber durch die der Herr uns mahnen will, dazu laßt uns jede Gemeinschaft benutzen, daß er immermehr Eins sei und in Allen!
[Liederblatt vom 25. November 1827:] Am 24sten Sonntage nach Trinitatis 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Wachet auf ruft etc. [1.] Jesus kommt von allem Bösen / Uns seine Jünger zu erlösen, / Er kommt mit Macht und Herrlichkeit! / Dann an seinem großen Tage / Verwandelt sich der Frommen Klage / In ewige Zufriedenheit. / Sei fröhlich, Volk des Herrn, / Er kommt, er ist nicht fern, / Dein Erlöser! / Dein Leid ist kaum / Ein Morgentraum, / Auf ihn folgt ewge Seligkeit. // [2.] Augenblicke dieser Leiden, / Was seid ihr gegen jene Freuden / Der unbegrenzten Ewigkeit. / Seht die Kron’ am Ziele prangen / Und kämpft und ringt sie zu erlangen, / Die ihr so hoch begnadigt seid! / Euch hält in eurem Lauf / Kein Schmerz des Lebens auf, / Ueberwinder! / Das Ziel ist nah, / Bald seid ihr da; / Vergessen ist dann alles Leid! // [3.] Der sich euch zum Volk erwählet, / Der eure Thränen alle zählet, / Stritt auch mit ungebeugtem Muth. / Wie hat Jesus nicht gerungen, / Wie tief war er von Angst durchdrungen, / Wie seufzt’ er laut und schwizte Blut! / Doch sahn die Feinde nicht / Auf seinem Angesicht, / Bange Schrecken; / Gestärkt von Gott / Litt er den Tod; / Nun ist auch uns der Tod ein Gut. // Nach dem Gebet. – Mel. Jerusalem, du etc. [1.] Du bist mein Ziel, erhabne Gottesstadt! / Wie schlägt das Herz in mir! / Des irdischen und seiner Freuden satt / Schwing ich mich auf zu dir. / Weg über Erd’ und Sterne, / Reicht, Engel, mir die Hand! / Ich seh es in der Ferne, / Mein frohes Vaterland. // [2.] O großer Tag, der du mich ihm vereinst, / Wann glänzest du herauf? / Wann, heiligste der Stunden, schlägst du einst / Und krönest meinen Lauf? / Wann naht des Glaubens Ende, / Das mich der Welt entreißt? / Dann, Gott, in deine Hände / Befehl ich meinen Geist. // [3.] O wie ihn schon nur der Gedank’ erhebt, / Von Erde frei zu sein! / Die Hülle sinkt! er im Triumphe schwebt / Ins Reich der Geister ein. / Frei von des Leibes Bürde / Klimmt er die Sternenbahn, / Halb Engel schon an Würde, / Zu Gottes Thron hinan. // [4.] Ein Morgentraum sind Müh und Trübsal nun, / Mein Glaubenskampf ist aus. / Ich komm zum Schaun, und will im Lichte
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ruhn, / Dort ist des Vaters Haus. / Errungen nun die Krone, / Die fern mich schon entzückt, / Und feierlich am Throne / Den treuen Kämpfer schmückt. // [5.] O welch ein Volk, welch eine heilge Schaar / Mir da entgegenglänzt, / Was in der Welt von Auserwählten war / Mit Seligkeit umkränzt! / Des Himmels reinste Freuden / Entstrahlen ihrem Blick, / Komm, tönt es, Müh und Leiden / Krönt hier ein ewges Glück. // Nach der Predigt. – Mel. Wie schön leucht’t uns etc. Wie herrlich ist die neue Welt, / Die Gott den Frommen vorbehält! / Kein Mensch kann sie erwerben. / O Jesu, Herr der Herrlichkeit, / Du hast die Stätt’ auch mir bereit, / Hilf sie mir auch ererben! / Laß mich eifrig danach streben, / Und mein Leben / So hier führen, / Daß ich dort kann triumphiren. //
Am 2. Dezember 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge:
Andere Zeugen: Besonderheiten:
1. Sonntag im Advent, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Thess 4,16–18 a. Autograph Schleiermachers; Tageskalender 1827/1828, SN 447 Texteditionen: Keine b. Nachschrift; SAr 66, Bl. 38r–39v; Woltersdorff Texteditionen: Keine Nachschrift; SN 620, Bl. 15v–18v; Crayen Teil der vom 17. Juni 1827 bis zum 17. Februar 1828 gehaltenen Homilienreihe zum 1. Thessalonicherbrief
a. Autograph Schleiermachers Frühpredigt über 1 Thess. 4, 16–18.
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Anwendung der Bilder des Textes auf jeden bedeutenden Entwiklungspunkt. Feldgeschrei ist PVereinigungS der Christen. Erzengel Stimme des göttlichen Worts. Posaune die äußeren Zeichen. – Die Todten stehn auf: vergangene Zeit erscheint im verklärten Licht – wir werden verwandelt zum stets bei Christo sein durch inneres Verlangen angetrieben. b. Nachschrift Aus der Predigt am 1. Adv. S. 27. 1 Thess. 4, 16[–18].
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Wenn wir mit dieser Zeit, welche wir zugleich als die Vorbereitung ansehn auf die Feier der Geburt des Herrn, ein neues christliches Jahr beginnen, so verbinden sich dabei verschiedne Betrachtungen aber aus demselben Grunde: Wir gedenken dabei der ersten Erscheinung des Herrn auf Erden, wir gedenken dabei seines letzten Einzugs in die Hauptstadt seines Landes 4 PVereinigungS] PVereinig.S ; oder PVereinenS 14–1 Vgl. die in der preußischen Perikopenordnung vorgesehene Evangeliumslesung Mt 21,1–9
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vor seinen Leiden, wir gedenken dabei einer bevorstehenden letzten Zukunft auf Erden zum Ende aller Dinge. Diese Worte handeln nun unmittelbar von dem Letzten, aber wenn es uns auffällt daß Paulus hier so spricht als wenn er und die an welche er schreibt würden übrig sein auf Erden wenn der Herr kommt: so müssen wir das zunächst ansehn als den natürlichen Ausdruck des Verlangens nach dieser Erscheinung des Herrn, aber doch auch, wie der Geist des Herrn geschäftig war in den Jüngern und sie in allem leitete was sie sprachen und schrieben; so muß darin was der Apostel hier sagt eine Wahrheit sein für uns. Und so ists auch, wenngleich wir nicht glauben daß der große Tag des Herrn von dem hier die Rede ist so bald erscheinen wird. Fragen wir nun: was ist das Gemeinsame in dem was als Gegenstände der Feier dieser Zeit wir uns eben vorgestellt haben? so ists die Erscheinung des Herrn und die kann nichts anders sein als seine Wirksamkeit, und die hat er nicht anders als darin wozu er gesandt ist vom Vater, nemlich die Welt seelig zu machen. Das ist nun freilich seit er zuerst erschienen seine ununterbrochne Wirksamkeit, bald im Kleinen, bald im Großen sich kund gebend, aber eben dieser Unterschied zwischen dem stillen und allmähligen Fortschreiten des großen Werks der Beseligung der Welt durch die Kraft des Worts des Herrn aber dann wieder wie er auf besondre Weise und in besondrer Kraft kommt zu demselben Zweck, dieser Unterschied ists auf den wir sehn müssen wenn sich uns das Alles zu Einem Gegenstand der Feier verbinden soll. Die ganze Geschichte der christlichen Kirche nun besteht aus diesem Wechsel zwischen der stillen allmähligen und der ausgezeichneten Wirksamkeit unsers Erlösers und seines Wortes auf Erden. Diese nun, die großen ausgezeichneten Erfolge der Wirksamkeit des Herrn sind es in Beziehung auf welche der Tag des Herrn den ersten Christen nah schien; denn freilich mit großen Schritten ging damals das Werk des Herrn fort, bald hie bald da ward die Fahne des Kreuzes aufgesteckt, bald hie bald da unter den Völkern erschallte die Stimme von der der Apostel hier redet. Und die Geschichte der Kirche bietet uns eine Menge von solchen Momenten großer Erscheinungen des Herrn – er kommt immer wieder in demselben Sinn wo sein Wort hin erschallt und sein Licht leuchtet, und sein Kommen kündet sich bald auf stille, bald auf eine besonders herrliche und kräftige Weise an. Nun aber ists auf der anderen Seite nichts als das Gewöhnliche, nemlich, daß ein Jahr sich an das andre reiht, worauf wir die Herrlichkeit von der Zukunft des Herrn anwenden. Aber wenn wir auf die Vergangenheit zurücksehn, wenn auch nur auf ein Jahr, so können 3 daß] das 1–2 Vgl. die in der preußischen Perikopenordnung vorgesehene Epistellesung Röm 13, 11–14, vielleicht auch die für den 2. Adventssonntag vorgesehene Evangeliumslesung Lk 21,25–36 14–15 Vgl. Joh 3,17
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wir nicht anders als, indem wir uns der Gnade des Herrn zu rühmen haben, doch erkennen daß so manche Augenblicke uns unbenutzt vorübergegangen sind wo wir hätten können auf kräftigere Weise an dem Werk des Herrn arbeiten, und bei dieser unsrer Schwachheit muß uns das ein Gegenstand der Erwartung und des Verlangens sein daß der Herr erscheine, daß er immermehr zu uns komme: Und so laßt uns sehn worauf es ankommt wenn jedes Jahr einem solchem Tage des Herrn gleichen soll wo er mit großer Kraft und Herrlichkeit kommt. [I.] Davon sagt nun der Apostel zuerst: „der Herr kommt mit einem Feldgeschrei“: | Feldgeschrei: das ist der gemeinsame Ruf wodurch die die im Streite begriffen sind im Angesicht des Feindes sich erkennen und stärken: und so ists uns ein Bild von der offnen und freien Gemeinschaft des Glaubens daran wir uns erkennen und dadurch wir uns untereinander stärken. Daran haben wir hier in unsern Versammlungen besonders zu denken; denn was thun wir hier als das Feldgeschrei erheben wodurch wir das gemeinsame Bekenntniß ablegen des Glaubens, das Zeugniß ablegen daß es keinen andern Namen giebt darin Alle sollen seelig werden als den Namen unsers Erlösers, was thun wir als daß wir bekennen zu sehen die Herrlichkeit des eingebornen Sohns Gottes, wie er es ist der uns den Vater verklärt und offenbart und in dem wir ihn schauen! Unter diesem Feldgeschrei möge der Herr kommen und unter uns sein immermehr in diesem beginnenden Jahre! Wir wollens nicht fehlen lassen an der Gemeinschaft des Glaubens, und wollen unsre Versammlungen nicht verlassen; denn überall wo dieses Feldgeschrei erhoben wird da ist er im Kommen begriffen, da giebt es Stärkung des Muthes in jedem Kampf, da giebt es Gefühl und Bewußtsein der Vereinigung in welcher jeder den andern tröstet und unterstützt, da gewinnen wir die Zuversicht es werde uns an keinem Zuspruch der Liebe und an nichts fehlen, auf daß wir getrost uns dem irdischen Leben mit seinem Wechsel hingeben können. 2. sagt der Apostel: mit der Stimme des Erzengels: dieser Ausdruck ist nichts anderes als das Gewöhnliche, nemlich: Engel sind Boten und Diener: und wenn er sagt daß der Herr kommt unter ihrer Stimme so müssen wir fragen: welches ist die Stimme die die ganze christliche Kirche durchtönt? o nichts anderes als das feste prophetische Wort worüber die Apostel sich freuten daß wir es haben und behalten, es sind die geschriebnen Zeichen 8 kommt.] folgt kein Absatz 7–8 Vgl. Mt 24,30 2Petr 1,19
18 daß] das
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32 sagt] Sagt 20–21 Vgl. Joh 1,14
36–37 Vgl.
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des Bundes wodurch der Herr verklärt und seine Nähe verkündigt wird: es ist also die Stimme unter welcher immer die Ankunft und Gemeinschaft des Herrn verkündet wird. Unter dieser Stimme möge er von neuem kommen und wohnen unter uns, das ists was uns zur Ruhe bringt und wodurch das Herz [fest] wird! Kräftigern Zuruf giebts nicht als die Stimme des göttlichen Worts in den heilgen Schriften, wo wir es vernehmen da ists immer der vornehmste Bote, die Stimme des Erzengels unter welcher der Herr kommt zu uns; Wer in der Schrift forscht dem wird sie beständig zeugen von ihm. Wenn wir uns vereinen um darauf zu merken so werden wir unser Ohr schärfen um rein und lauter diese Stimme zu hören, und wie wir nicht anders uns hier vereinen als so daß diese Aufmerksamkeit das Wesentliche unsrer Zusammenkünfte ist so werden wir in diesem neuen Jahr immer kräftger die Stimme des Boten Gottes vernehmen, überall wird sie die Ankunft des Herrn seine Gegenwart verkünden und die Herzen aufs neue geneigt und zu dem Leben mit ihm geschickt machen. 3. Aber wenn der Apostel sagt: Mit der Posaune Gottes: so war das ein Bild in der Sprache der Propheten, worunter merkwürdige Begebenheiten verstanden wurden, aus welchen sich neue Aussichten eröffneten daß der Herr sich aufs neue seinem Volk offenbaren werde, und daß Alle die, welche sich seinem heilbringendem Worte widersetzten mit neuer Kraft wieder besiegt werden, kurz, Alles was uns die Aussicht eröffnet daß der Herr wieder Großes vor hat. – Unter dieser Posaune Gottes kommt der Herr noch immer oft; Seit die Zeit der Gleichgültigkeit vorüber ist, seit der Zeit wo wir von drückender äußrer Knechtschaft ausgegangen, seit wir dadurch aufgeregt sind zur Aufmerksamkeit auf die Stimme des Herrn wie sind wir seitdem durch solche Posaune hindurch gewandelt, was ist seitdem Großes geschehen, welche Zeichen haben sich gezeigt woraus wir neue Hoffnung schöpfen für das Aufblühen der Kirche des Herrn: | Unter solchen Zeichen wandeln wir jezt und treten in ein neues Jahr, mit freudger Hoffnung begrüßen wir es daß ein christliches Volk aus schmachvoller Knechtschaft wird befreit werden und daß wenn sie vom äußern Joche werden befreit sein, daß dann das göttliche Licht wieder heller aufgehen wird für sie. Und wie erschallt nicht die Stimme der Posaune überall wo wir an die Grenzen der Christenheit uns hin versetzen, wo das Licht des Evangelii noch etwas junges und neues ist, aber doch rasche Fortschritte macht, große Bewegungen hervor30 daß] „daß 4–5 Vgl. Hebr 13,9 29–32 Vermutlich spielt Schleiermacher an auf den griechischen Freiheitskampf gegen die osmanisch-türkische Herrschaft seit 1821, der im Jahr 1827 durch den Londoner Vertrag, in dem England, Frankreich und Russland sich für die griechische Unabhängigkeit ausgesprochen hatten, durch den Sieg einer englisch-französischen über die türkische Flotte sowie die Wahl des Grafen Kapodistrias zum griechischen Regenten beträchtliche Erfolge zu verzeichnen hatte.
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bringt! Das ist die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes mit der der Herr kommt und immermehr erweckt und aufregt und immer neue Aussicht eröffnet, und das heilge Feldgeschrei des Glaubens erhebt sich immer lauter und von allen Gegenden her: So schimmert der Tag des Herrn herauf, und wie er der ist der immer im Kommen begriffen ist, so ist der Anfang des Jahrs eine neue Ankunft des Herrn und wir begrüßen ihn mit all den Zeichen die der Apostel hier beschreibt. II. Aber laßt uns nicht blos auf die Zeichen sehn, sondern auch auf die Wirkungen. Der Apostel sagt: die Todten werden auferstehn und wir werden verwandelt werden: Ja nicht leicht giebt es große und ausgezeichnete Begebenheiten von denen das nicht gelten sollte, daß die Todten dabei aufstehn, schon in der Hinsicht wie alles Große und Schöne seinen Grund hat in der lebendigen Kraft des göttlichen Wortes, so auch wiederum dazu hinführt und dadurch belebend wirkt: So sind die Helden des Glaubens uns aufs neue erweckt in der Zeit wo wir ihre Stimme lauter vernehmen. Und wenn wir auf die Geschichte der Kirche sehn: und auf den Streit der Finsterniß gegen das Licht, auf die Verschiedenheit menschlicher Meinungen die zu manchen Zeiten einander sich bekämpfend gegenüber stehen, o wie viele Gläubige, von denen wir sagen müssen, daß sie treue Zeugen des Herrn gewesen sind die für sein Wort kämpften, und mit allen Kräften sein waren, sind angesehen als Irrgläubige, und als solche die von der gemeinsamen christlichen Meinung abwichen der Vergessenheit hingegeben: aber wenn die göttliche Wahrheit heller leuchtet, ihre umwandelnde Kraft mächtig bewährend große Begebenheiten hervorruft, dann stehn auch diese Todten wieder auf, und mancher wird dann besser verstanden als seine Zeitgenossen ihn verstehen konnten, und all die Stimmen der Erstandnen sind dann wirksam um die Wahrheit einleuchtend zu machen, und so leben sie fort als Stimmen und Boten des Herrn ihm dienend! Und gewiß sind es solche treue Diener des Herrn aus frühern Zeiten, und solche die, von ihm belebt, eine neue Erscheinung waren, welche auch uns leuchten sollen durch manche Dunkelheit hindurch, und es ist bei jedem Großen, was wir erleben, etwas woran sie erkannt werden und wodurch aller vergangner Zeiten Wahrheit wieder lebendig wird und ihre Wirksamkeit aufs neue den Glauben nähren soll. Und je mehr wir uns vom Äußern des Gegenwärtgen los machen um desto mehr erscheint uns die Wahrheit aus dem Früheren. Aber das würde doch seinen Zweck nicht erreichen wenn wir selbst nicht verwandelt würden, verwandelt immermehr durch die Kraft des Worts des Herrn so daß wir endlich bei ihm sein können allezeit: Wenn wir in Beziehung darauf auf die Vergangenheit zurücksehn, was haben wir zu beklagen als das: wenn es Zeiten gegeben hat wo uns sein Bild nicht gegenwärtig war, Augenblicke der Unterbrechung der Gemeinschaft mit ihm; wo wir
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ohne ihn, von ihm entfernt waren, wo sein Bild uns verdunkelt war! Dieser Wechsel soll aufhören, immer sollen wir bei ihm sein, nur er soll in uns leben. Jemehr wir uns nun an das Feldgeschrei des Herrn halten und den Ruf des göttlichen Worts (die Stimme des Erzengels) und die Posaune Gottes nicht überhören, desto mehr wird uns das göttliche Licht auch aus der Vergangenheit leuchten und die Todten in Christo werden uns lebendig werden, und desto mehr werden wir verwandelt und jedes neue Jahr wird einer ununterbrochneren Gemeinschaft zwischen uns und dem Herrn | Gestaltung geben. Der Apostel sagt: wir werden ihm entgegengerückt: Ja kommt er uns näher so werden auch wir ihm entgegengerückt, es muß das treue Verlangen ihm entgegenkommen, denn da giebt er sich gern hin, wo zwei auch nur versammlet sind in seinem Namen da erscheint er auch, da ist er mitten unter uns, da ist seine Wirksamkeit lebendig, und so soll es sein, daß wir bei ihm sein können allezeit, so soll es sein, auf daß wir immermehr sein eigen werden. Er läßt es nicht fehlen, er ist immer im Kommen begriffen wenn wir uns ihm entgegenstrecken. Es wird nicht fehlen an lauten Stimmen die uns zu ihm rufen, wie es ja nicht fehlt an dem Wort des Herrn und seiner Verkündigung. So laßt uns denn uns trösten mit solchem Wort (wie der Apostel sagt) laßt uns uns einander damit trösten wenn sichs zu verdunkeln scheint um uns her, trösten wenn die Freiheit hinweggerückt scheint, trösten unter aller innrer Schwachheit und unter allem äußern Druck. Unser ganzes Leben ist ja der Tag des Herrn in welchem er uns näher kommt[,] laßt uns nur nicht uns wenden von der Bahn zu ihm so werden wir bei ihm sein. Und wenn uns Alles dazu wichtig ist so werden wir es immer tiefer empfinden daß er kommt, wie er von Anfang der ist der kommt um die Welt seelig zu machen!
11–13 Vgl. Mt 18,20
25–26 Vgl. Mt 18,11 in Verbindung mit Joh 3,17
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Samstag vor dem 2. Sonntag im Advent, 13 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Mt 5,14 Autograph Schleiermachers; Tageskalender 1827/1828, SN 447 Keine Keine Predigt zur Vorbereitung auf das Abendmahl
Te x t .
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Licht sind alle in der Gemeinschaft unter einander als Stadt, worin wir uns beim Abendmahl stärken. Und prüfen uns zugleich wie viel gute Werke wir gezeigt haben.
2 Gemeinschaft] Gemsch. 3–4 Vgl. Joh 10,32
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2. Sonntag im Advent, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Joh 1,46 Nachschrift; SAr 66, Bl. 40r–42r; Woltersdorff Keine Keine Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
Aus der Predigt am 2. Adv. S. 27. Joh. 1, 46. Komm und siehe es. Wie unser Weihnachtsfest in seiner großen Freude wesentlich darin besteht daß wir einander zurufen: wir haben den gefunden von welchem nicht nur geschrieben war im Gesetz und den Propheten sondern von dem, daß er kommt, geschrieben stand in dem Bedürfniß und der Sehnsucht der Herzen: so ist dieses Wort ein rechter Zuruf in dieser Zeit in welcher wir uns auf das herrliche Fest der Christenheit vorbereiten. Denn gesetzt auch es wäre nicht nöthig gewesen daß Philippus (nachdem er zum Nathanael gesagt hatte wir haben den Messias funden, und dieser, ehrlich und ohne falsch wie er war, indem er noch nicht glauben konnte gefragt hatte: wie kann aus Nazareth gutes kommen:) noch etwas hinzugesetzt hätte, so hätte sich an das Wort: „wir haben gefunden“ doch so natürlich das angeschlossen: komm und siehe! Diese Ueberzeugung uns zu erneuen, sie uns gegeneinander auszusprechen und sie uns aufs neue zur Wahrheit zu machen: das ist das Geschäft dieser Tage. Aber daß Philippus nun, als ihm der Unglaube des Nathanael dazwischen trat, nichts anderes zu sagen wußte als: „komm und siehe“: daraus sehn wir daß der Glaube nichts ist als ein Werk der Erfahrung, und das sei es worauf wir in dieser Stunde unsre christliche Aufmerksamkeit lenken wollen. Also laßt uns das erwägen 1. Ganz im Allgemeinen 2. in besondrer Anwendung auf uns und das was uns obliegt. 5–6 Vgl. Joh 1,45 10–11 Vgl. Joh 1,45 in Verbindung mit 41; „funden“ stellte schon 1827 einen archaisierenden Bezug dar; zeitgenössische Bibelübersetzungen hatten stattdessen „gefunden“. 12–13 Vgl. Joh 1,46
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1. Wenn wir die Sache ganz im Allgemeinen betrachten: so scheint das Wort des Philippus: „wir haben den Messias funden“: eben auf jene früheren Weissagungen der Diener Gottes im alten Bunde von dem Erlöser der Welt zurückzugehen, aber doch nicht so als wenn die Weissagungen der Grund sein sollten auf den der Glaube gebaut werden und nicht als ob er sich davon nähren müsse; denn was konnte anders geschehen wenn Einer auf die Weissagungen merkte als daß er die Eigenschaften die dort dem Erlöser der Welt beigelegt, und die Hoffnungen von dem künftigen Reich Gottes das er gründen sollte, mit dem verglich was er an Jesu fand also ihn sehen; auf die Erfahrung also, daß er solcher sei, mußte der Glaube ruhn; Die Herrlichkeit des eingebornen Sohns Gottes mußte erst dem erscheinen in dem der Glaube entstehn sollte, und eben dieses Erschienensein ist nichts anderes als der unmittelbare Ausdruck für die Erfahrung des Herzens und Gemüths. Und darum wußte Philippus nichts zu sagen als: komm und siehe: und daß er der Weissagung erwähnt, was will das sagen, als daß er sich auf die Wünsche und auf die Sehnsucht beruft, die, wie er wol wußte, auch in seinen Freunden waren wie in ihm selbst, die Erinnerung an die Weissagung vom Erlöser war also nur dazu daß das Verlangen eine Leitung fand, aber ohne die Erfahrung daß er es wirklich sei hätte die Weissagung den Glauben nicht hervorgebracht. Später als die Apostel anfingen das Evangelium zu predgen da sagten sie freilich: „ihr wißt alle die Geschichten von Jesu von Nazareth wie er umhergegangen ist und hat geheilt und Wunder gethan“: und so beriefen sie sich denn auf die Wunder des Erlösers, aber wenn wir fragen: konnte wol damals und kann zu irgend einer Zeit der Glaube an den Erlöser aus der Untersuchung des Zeugnisses über seine Wunderthaten kommen? o so müssen wir wol sagen: was haben äußre Dinge, was haben Begebenheiten, was haben Wirkungen, wie unerforscht sie auch seien, von denen wir sagen müssen daß sie sich im Äußern kund thun, was haben die an und für sich zu thun mit dem Bedürfniß und der Sehnsucht des Herzens nach dem Leben aus Gott. Aber freilich: die Erfahrung, daß er es sei in dem Gott lebte, mit dem verbunden was er gethan, das gab ein Zeugniß daß auch das daß er Wunder that | aus derselben Quelle kam. Aber eben so wenig wie aus den Weissagungen kann der Glaube aus den Wundern entstehn, sondern wo der Glaube noch nicht ist da wird es in Beziehung auf die Wunder der Wahlspruch des Unglaubens sein was die Pharisäer sagten: „er treibt die Teufel aus durch den Obersten der Teufel“: – Wenn die Weissagung die Wurzel des Glaubens wäre, dann hätten grade die Wunder reitzen 10 also ihn sehen] am Rand; Kj als ihn sehen oder zu ergänzen musste oder wollte 3 Vgl. Joh 1,45 in Verbindung mit 41 36–37 Vgl. Mt 9,34; ferner 12,24
11–12 Vgl. Joh 1,14
21–23 Vgl. Apg 2,22
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müssen daß der Glaube aufkeime weil eben die Weissagungen schon Andeutungen darauf enthielten, aber wir finden im Gegentheil öfter in den Evangelien gesagt, hie und da könne er nicht Wunder thun um des Unglaubens willen, daraus sehn wir also, daß, wenn sie ein Zeugniß sein sollten von dem Erlöser sie doch schon auf den Glauben ruhn mußten: Wie hätte auch der Erlöser sonst, indem er sich seiner himmlischen Bestimmung bewußt war das ganze menschliche Geschlecht mit seiner göttlichen Kraft zu erfassen, wie hätte er sagen können „ich danke dir Vater daß du es den Weisen und Klugen dieser Welt verborgen und den Einfältgen offenbart hast“: denn das, den Unterschied zu finden jener Wunder als von göttlicher Kraft ausgegangen von andern die andre gethan hatten, das wäre ja allerdings Sache der Kunst und Weisheit gewesen; denn dazu gehörte die Kenntniß der Bücher des alten Bundes und der schon damals nicht mehr lebenden Sprachen, und die Kenntniß dessen was durch Forschung schon offenbar war von den geheimnißvollen Kräften der Natur: das wäre also nicht Sache der Unmündgen gewesen sondern der Klugen und Weisen. War aber der Glaube Sache der Unmündgen, so konnte er darauf nicht ruhn. Und eben so wenig konnte der Glaube Werk der Aufmerksamkeit auf die Weissagungen sein, denn sollte er auf diese ruhn, so mußte er die ergreifen die die Weissagungen ganz inne hatten und den Zusammenhang derselben mit der Führung des menschlichen Geschlechts; und kein andrer hätte unmittelbar an den Erlöser glauben können weil der Glaube hätte beruhn müssen auf den Glauben jener Weisen die den Zusammhang prüfen und erforschen konnten: So ists nun auch nie gewesen, sondern wie Philippus sagt: komm und siehe: so ist das immer der Anfang und Grund des Glaubens gewesen, die eigne Erfahrung der Seelen, die ist der Anfang des Glaubens wie Johannes sagt: „wir sahen seine Herrlichkeit“; und wie der Erlöser selbst Alle einladet zu kommen um die Erfahrung zu machen daß die Mühselgen und Beladenen erquickt werden durch ihn, zu kommen mitten in der Unruhe des Herzens um Ruhe zu finden bei ihm. Ueberall also ist das der erste Grund des Glaubens was wir im eignen Innern erfahren von der Wirkung der erlösenden Kraft des Herrn, und fragen wir jemand: glaubest du? so heißt das: „hast du es tief im Gemüth erfahren daß er die Worte des ewigen Lebens hat?“. Und wie Petrus sagt: es ist in keinem Anderen Heil: so ist das ausschließlich Sache der Erfahrung, und der Glaube der Jünger des Herrn war nichts anderem erwachsen als der sich immer wiederholenden Erfahrung die sie so aussprachen: „Du allein hast die Worte des Le7 das] daß 34 Heil:] folgt ein Strich bis zum Zeilenende, der vermutlich anzeigen sollte, dass das Folgende unmittelbar anzuschließen ist 2–4 Vgl. eigentlich nur Mk 6,5–6; ferner Mt 13,58 8–10 Vgl. Mt 11,25 27 Joh 1,14 27–30 Vgl. Mt 11,28–29 33–34 Vgl. Joh 6,68 34 Vgl. Apg 4,12 37–1 Vgl. Joh 6,68
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bens“: Sie hatten die Quelle des Lebens gefunden und fühlten sich gesegnet und erquickt und hatten dadurch das Bewußtsein: „es giebt keinen Ort wo und keinen Menschen bei dem wir dasselbe finden könnten“, und das wars was Petrus aussprach. – Aber es verhält sich mit der Sache nicht nur so daß der Mensch einmal die Erfahrung gemacht haben müßte daß er es sei in dem das Heil ist, und daß wenn nun der Glaube hervorgegangen wäre, und dies der Wendepunkt des Lebens geworden, daß dann es so wäre: der Glaube wäre da und bliebe auch und es wäre nun nichts anderes nöthig zu thun als daß der Glaube thätig wäre durch die Liebe. | Allerdings ist der Glaube weder in seinem Anfang noch Fortgang der rechte wenn er nicht thätig ist durch die Liebe, aber was ist die Liebe? Der Erlöser sagt: [ ] und damit weiset er alle Liebe und Thätigkeit die wir haben können, alle Liebe zu denen die schon seine Jünger sind und zu denen die wir gern dazu machen wollen, er weiset sie darauf hin worin sie ihren Grund hat: und was ist die Liebe anders, und wer kann sagen daß sie etwas anders sei: als eine Kette von Zuständen des Herzens die sich auf ihn beziehen in dem sie allein ihren Grund haben kann! so also ist die Liebe nichts als die Fortsetzung des Glaubens, aber eben deswegen weil sie nichts anderes ist als die Fortsetzung dieser Erfahrung so ist sie das was sich so ausspricht: wir können nicht anders als bleiben bei dem, den wir gefunden haben: Und eben deswegen weil wir bei ihm gefunden, der die Welt mit Liebe umfängt, was wir bedürfen, so ist nun auch die Liebe in uns die thätige Kraft dieser Erfahrung. Aber nicht als ob diese erworben würde je für das ganze Leben; denn sie wäre nichts wenn sie nicht die Frucht trüge daß wir genöthigt wären sie immer zu wiederholen. Der Apostel sagt: was ich lebe das leb’ ich im Glauben an Christum: Im Glauben leben aber heißt nichts anderes als ihn in sich leben haben und was ist das als Sache der innern Erfahrung. Nichts giebts was wir so deutlich wissen, uns bewußt sind, als ob und wo wir in unsern Sünden leben und ob Christus in uns lebt: das ists was der Geist immer bestimmt in sich unterscheidet: also ihn in sich leben haben das ist das beständige Geschäft der Erfahrung, also ist der ganze Fortgang des Lebens aus Gott nichts als die Erfahrung, und sie wiederholen müssen wir wenn wir in der Seligkeit bleiben sollen die wir bei Christo gefunden haben. Wenn wir uns denken der Glaube entstehe in seinem ersten Anfang aus Ueberlegung und verknüpften Gedanken, wie Weniger Sache würd’ er sein! Aber freilich man könnte sagen: eine Ueberzeugung sich zu verschaffen das hänge von jedem ab, aber Erfahrung zu machen das hänge nicht 11 sagt:] folgt ein Strich bis zum Zeilenende; was an dieser Stelle ergänzt werden sollte, ist unsicher, vielleicht Joh 15,9, eventuell in Verbindung mit 5 25 das] daß 26 Christum] Christo 37 das] daß 9 Vgl. Gal 5,6
13–14 Vgl. Joh 17,20
25–26 Vgl. Gal 2,20; ferner Röm 14,8
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vom ihm selbst ab sondern das müsse ihm gegeben werden, und freilich dazu daß wir Erfahrung machen, gehört zweierlei, nemlich: daß wir darauf merken was wir erfahren sollen, und das, daß es uns nahe sei. Denken wir nun an das Letzte was uns muß gegeben werden, so müssen wir in Beziehung darauf wol Alle das Zeugniß ablegen daß der Prophet recht hatte welcher sagte: „Du brauchst nicht zu sagen wer fährt übers Meer und hohlt es herüber! sondern das Wort Gottes ist dir nah in dem Munde und Herzen“: Ja was uns zu der Erfahrung gegeben werden muß das ist immer da; denn der Erlöser so wie er zuerst erschienen in der Herrlichkeit des eingebornen Sohns Gottes: so erscheint er noch immer denen die der Einladung: komm und siehe: folgen, und er ist auch jezt nicht fern sondern gegenwärtig, der göttliche Geist nimmt es noch immer von dem Seinen und verklärt es uns und überall wo sein Name bekannt wird da ist er gegenwärtig in seinem Wort, und ebendeswegen ist die Zeit in welcher wir uns auf das Fest bereiten eine neue Zeit der Einladung diese Erfahrung zu machen: „komm und siehe!“ Das wird uns gesagt wenn wir uns hier versammeln, hier gemeinsam uns sein Bild zu vergegenwärtgen suchen, auf daß nicht wir leben sondern Christus in der Gemeinde, und wie der Herr verheißen hat unter uns zu sein wenn wir versammlet sind, so ist jeder wie er in der Stille seines | Lebens die Erfahrung seiner Hülfe macht, ist berufen zu kommen und zu sehen wie freundlich der Herr ist der uns seinen Sohn gegeben auf daß wir den Frieden bei ihm fänden: So sind wir hier der Nathanael zu dem der Herr sagte: „von nun an werdet ihr die Engel Gottes hinauf und herab fahren sehn auf des Menschen Sohn“: Da ist was auch uns dargeboten wird und was wir in dem Leben und Wandel der ganzen Christenheit erfahren. Wenn wir nun das nicht blos im Allgemeinen sondern auch in besondrer Anwendung auf uns betrachten wollen so ist das, das, daß wir 2. auch sein sollen der Philippus der dem Nathanael zuruft: wir haben den Messias funden: und: komm und siehe: Denn wenn nun der Glaube wie er ist und in uns wachsen soll nicht anders als durch die Liebe thätig ist, die Liebe aber nichts ist als daß wir Alles thun was wir thun als wenn wir es dem Herrn thun: so ists eben unser Beruf, Zeugniß abzulegen von ihm, und den Menschen zuzurufen: komm und siehe: Der Glaube kommt aus der Predigt: sagt der Apostel: „und wie können sie glauben wenn ihnen nicht gepredigt wird“: Und damit sprach er es aus als den Beruf aller Christen daß sie predgen sollen, und Allen zurufen „komm und siehe“! Aber wo 6–7 Vgl. Dtn 30,13–14 9–10 Vgl. Joh 1,14 11–12 Vgl. Joh 16,14 17– 18 Vgl. Gal 2,20 18–19 Vgl. Mt 18,20 20–21 Vgl. Ps 34,9 23–24 Vgl. Joh 1,51 29–30 Vgl. Joh 1,45 in Verbindung mit 41 30–31 Vgl. Gal 5,6 32– 33 Vgl. Kol 3,23 34–35 Vgl. Röm 10,17 35–36 Vgl. Röm 10,14
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sollen wir sie hinweisen wenn wir das sagen? Philippus konnte den Nathanael zu ihm selbst hinführen, aber wohin laden wir die Menschen wenn wir ihnen sagen: „komm und sieh“? Erstens laden wir sie zu dem lebendgen Wort Gottes, zum lebendgen, denn wiewol es schön ist wenn den Menschen das geschriebne Wort Gottes dargeboten wird und jeder diesen köstlichen Schatz besitzt und in jedem Augenblick gebrauchen kann: so müssen wir doch auch hier sagen, wenn das nichts wäre als die Sammlung der Buchstaben d. h. wenn es nicht zugleich lebendig wäre, so hätte das wenig Gewinn. Sondern wie der Herr sagt die Worte die ich rede sind Geist und Leben so sind sie auch nur so Geist und Leben wie er sie redete d. h. nicht getrennt von der lebendgen Gegenwart Christi. Darum, zum lebendgen Wort Gottes wie es sich in unsern Herzen bewegt, wie es hervortritt in der Anwendung die wir davon machen auf Alles was uns umgiebt und was wir thun, sollen wir sie einladen. Und wo Christen sind da soll auch das Wort des Herrn leben, und daß es durch unser Leben ins Leben tritt das soll uns der lebendge Ausdruck der Wahrheit sein, und jemehr es hervortritt um desto mehr können wir zu dem lebendgen Wort einladen damit es Allen Geist und Leben werde. Geist und Leben wird das Wort aber nur durch das Zeugniß welches wir von der Wahrheit ablegen indem sie sich in unserm ganzen Leben bewährt: Und so meint es der Herr wenn er sagt daß wo zwei auch nur in seinem Namen versammlet, er mitten unter ihnen sei; denn was hieße es wol in seinem Namen versammlet sein wenn nicht indem wir versammlet sind er in uns lebte, wenn nicht seine Worte uns ganz beschäftigten, sein Geist in uns wirkte und uns ihn verklärte! Ja so nur können wir in seinem Namen versammlet sein und nur so ist er mitten unter uns. Und so läßt sich beides nicht trennen: die Menschen einladen zu dem lebendgen Wort und zu der großen Gemeinschaft der Gläubigen, wo sie es erfahren daß wir den Messias gefunden haben, wo ihnen unmit|telbar die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes entgegenleuchtet, wo es ihnen offenbar wird in welcher Gemeinschaft der Friede ist. Und jemehr wir nun in der Wahrheit bleiben, um so deutlicher wird sich das für jeden unterscheiden was zu dem Reich des Herrn gehört: Ja wenn wir nur erst geworden sind der Israelit ohne Falsch und dann wie er die Herrlichkeit geschaut haben, dann wird uns nichts irre machen in unserm Urtheil, nicht falscher Glanz uns blenden und auf nichts, wie schön es sich auch sonst gestaltet, werden wir sehn als auf ihn und sein Bild, und nur dazu unsre Brüder einladen. Dazu ist uns ein neues Jahr unsers christlichen Lebens aufgegangen, immer herrlicher soll sich der Herr 29–30 eingebornen] eingeb. 10 Vgl. Joh 6,63 21–22 Vgl. Mt 18,20 24–25 Vgl. Joh 16,14 Joh 1,41 29–30 Vgl. Joh 1,14 33 Vgl. Joh 1,47
28–29 Vgl.
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in den Seinen offenbaren, immermehr und kräftger das Zeugniß sich aussprechen: wir haben ihn funden: Und eben dieser lebendge Glaube, diese frische und einfältge Liebe soll das beständge Wort der Einladung sein: komm und sieh! Kommen wir immermehr zu ihm, so wird sich der Herr uns offenbaren und uns gestalten zu Zeugen seines Worts, daß wir die Menschen zu ihm hinführen damit immermehr ein Hirt werde und eine Heerde, wie Gott ihn gemacht hat zum Herrn über Alle: Das ist darin enthalten was wir gesungen haben; es ging zurück auf die Bücher des alten Bundes, wo der Herr König genannt wird. Wir wissen nun aber daß sein Reich nicht von dieser Welt ist sondern geistig, aber nichts desto weniger ist er der König und der Erfolg seines Herrschens ist die Gewalt die er über uns ausübt, vermöge der wir nicht können von ihm lassen um von ihm zu nehmen das göttliche Leben: und um desto mehr sichs uns aneignet desto fruchtbarer wird unser Leben; denn was können wir als ihm dienen! Und wie er der Herr ist und seine Gewalt über uns ausübt, so wird, wie er keinen andern Willen hatte als den Willen des Vaters zu vollbringen, so wird er auch durch uns denen er ihn kund gemacht hat, immermehr und reichlicher geschehen!
[Liederblatt vom 9. Dezember 1827:] Am zweiten Advent-Sonntage 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Herr Jesu Christ, dich etc. [1.] Für uns, o Vater, beten wir, / Und für die Brüder auch zu dir; / Gieb, der du Aller Vater bist, / Gieb Jedem was ihm heilsam ist. // [2.] Du sandtest deinen ein’gen Sohn / Für Alle von des Himmels Thron; / Verbreite, Herr, sein Licht und Recht / Im ganzen menschlichen Geschlecht. // [3.] Bring alle Völker in sein Reich; / Die Lezten mach den Ersten gleich, / Und schaffe so zu deinem Ruhm / Dir überall ein Heiligthum. // [4.] Auch die Verirrten führe du / Der Heerde Christi wieder zu; / Mach’ sie im Glauben fest und treu, / Daß auch ihr Wandel lauter sei. // [5.] Ach Viele Viele tragen noch / Des Sündendienstes schweres Joch, / Gieb ihnen, Herr, zur Buße Zeit, / Zu schaffen ihre Seligkeit. // [6.] Schenk allen Frommen freud’gen Muth, / Gern zu entbehren zeitlich Gut, / Und lenke du den gläub’gen Blick / Hin auf des ewgen Lebens Glück. // [7.] Hör unser brünstiges Gebet, / Das allen Brüdern Heil erfleht, / Laß sie gesegnet sein in dir / Dann preisen wir dich für und für. // 2 Vgl. Joh 1,41.45 6 Vgl. Joh 10,16 7 Vgl. Apg 2,36 in Verbindung mit 10,36 7–8 Vgl. das Lied nach dem Gebet „König dem kein König gleichet“ im Anhang nach der Predigt 9–10 Vgl. Joh 18,36 15–16 Vgl. Joh 4,34; 6,38 u. ö.
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Nach dem Gebet. – Mel. Schmücke dich, o etc. [1.] König dem kein König gleichet, / Vor dem jeder Glanz erbleichet, / Du des Vaters Eingeborner, / Und zum Herrschen Auserkohrner, / Der zu eigen uns erworben, / Da du bist für uns gestorben, / Der nun ewig triumphiret / Und des Reiches Zepter führet. // [2.] Himmel, Erde, Luft und Meere, / Sind, o Herr, voll deiner Ehre; / Ueber lebende und Todte / Herrschen deine Machtgebote; / Alles steht in deinen Händen, / Daß du magst dein Werk vollenden, / Und auf wunderbaren Wegen / Führst du uns dem Ziel entgegen. // [3.] Größre Wunder sieht man glänzen / In des Gnadenreiches Gränzen; / Wer vermag sie wohl zu zählen / Die von dir erlösten Seelen, / Die das Wort aus deinem Munde / Heiligt in dem Gnadenbunde, / Die gern alles für dich lassen, / Und wie du die Sünde hassen! // [4.] In dem Reiche deiner Ehre / Dienen dir des Himmels Heere; / Durch frohlockende Gesänge / Preiset dich der Sel’gen Menge; / Die dort in des Himmels Auen / Dein verklärtes Antliz schauen, / Sind nie müde dich zu loben, / Der zum Himmel sie erhoben. // [5.] Herr in allen diesen Reichen, / Dir ist niemand zu vergleichen, / An dem Ueberfluß der Schäze, / An der Ordnung der Geseze, / An der Dauer der Regierung, / An der Weisheit in der Führung, / An den Siegen über Feinde, / An Beseligung der Freunde. // [6.] Herrsch’ auch Herr in meinem Herzen / Ueberwinde Furcht und Schmerzen; / Steh mir bei, wenn ich muß kämpfen, / Hilf mir alles Böse dämpfen; / Lehre mich dich recht zu lieben, / Freudig dein Gebot zu üben, / Daß ich mit dir muthig streite, / Und einst herrsche dir zur Seite. // Nach der Predigt. – Mel. Herzliebster Jesu etc. [1.] So knieet denn, ihr theu’r erlösten Brüder / Voll heißen Danks vor seinem Throne nieder, / Bereit und freudig ihm das ganze Leben / Zum Dienst zu geben. // [2.] Wir preisen dich, o Gott, der uns Verlornen / Herab gesandt hat seinen Eingebohrnen; / Wir bringen dankbar dir aus reinem Triebe / Ein Herz voll Liebe. //
Am 23. Dezember 1827 vormittags Termin: Ort: Bibeltext: Textzeugen:
Andere Zeugen: Besonderheiten:
4. Sonntag im Advent, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Mt 11,6 a. Autograph Schleiermachers; Tageskalender 1827/1828, SN 447 Texteditionen: Keine b. Nachschrift; SAr 66, Bl. 43r–45r; Woltersdorff Texteditionen: Keine Keine Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
a. Autograph Schleiermachers Hauptpredigt über Mtth. 11, 6. T h e m a . Ueber das Aergerniß an Christo. I. Wie es entsteht? Aus dem Gegensaz zwischen seiner Strenge und Milde, seiner Knechtsgestalt und ausgesprochnen Würde. Wer auf Eine PSeite siehtS verkennt ihn. II. Wie es mit Unseligkeit und Seligkeit zusamenhängt. 1. Unselig sind a. die nur geringes wollen, sich mit dem natürlichen Licht oder äußeren Gesez begnügen b. die was sie wollen nicht erreichen, indem sie glauben auf einen Andern warten zu müssen (Paraclet, inneres Wort, tausendjähriges Reich) 2. Selig sind wir schon wenn wir uns nicht ärgern weil alles andere von der Wirksamkeit Christi ausgehen muß.
12 Andern] Andn. 5 Vgl. Phil 2,7
12 warten] wart.
13 tausendjähriges] tausendjähr.
11–13 Vgl. Mt 11,3; Joh 14,16.26; 15,26; 16,7; Offb 20,1–6
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b. Nachschrift Aus der Predigt am 4. Adv. S. 27. Matth. 11, 6.
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Diese Worte sind das Ende der Antwort welche unser Erlöser den Jüngern des Johannes gab welche von ihm aus dem Gefängniß gesandt gekommen waren ihm die Frage vorzulegen ob er es sei der da kommen sollte oder ob sie eines andern warten sollten. Er hatte sie nun eingeladen zu sehen und zu hören und sagte ihnen PdannS: „gehet hin und saget dem Johannes was ihr gesehn und gehört habt“: Also so wie wir neulich aus einem ähnlichen Wort eines Jüngers des Herrn uns überzeugt haben daß es um zu glauben darauf ankommt daß wir kommen und sehen, und daß der Glaube nie etwas anderes als die Sache der Erfahrung des eignen Herzens ist: so sucht der Herr dadurch daß er sie einladet zu sehen was durch ihn geschieht ihre Zweifel zu beschwichtigen: aber ohnerachtet dessen daß sie nun gesehn hatten also glaubten, so fügt er doch die Warnung hinzu: „selig ist wer sich nicht an mir ärgert“: Diese Warnung scheint nun nur denen einzugehn die den Erlöser noch nicht erkannt und angenommen haben, unter uns aber die wir uns in der That und Wahrheit zu ihm bekennen scheint das nicht möglich daß sich Einer an ihm ärgern sollte, und doch, wenn wir uns selbst die Frage vorlegen, „Wenn der Glaube denn soll durch die Liebe thätig sein, wenn er es ist welchem alles Große und Herrliche verheißen ist was geschehen soll, wenn PerS uns soll zur vollkommnen Freiheit der Kinder Gottes und zur vollkommnen Festigkeit des Herzens führen, (und wir fragen): warum schreitet dies nicht schneller fort? Welche Ursach kann das haben, als daß doch noch etwas von dem sich an dem Erlöser ärgern in uns ist?“ Darum mag es uns geziemen diese Warnung zu Herzen zu nehmen und die Anwendung davon auf den Zustand seines eignen Gemüths zu machen, wird denn jedem selbst obliegen. Es wird, um diese Warnung zu verstehen nöthig sein 1. daß wir uns Rechenschaft davon geben, woraus das Ärgern an dem Erlöser entsteht 2. wie es mit der Unseeligkeit und Seeligkeit dessen der sich nicht an ihm ärgert zusammenhängt 13 dessen] des 14 hinzu] am rechten Rand: v. 6. 29 geben, woraus das] geben woraus, das
22 vollkommnen] vollk.
3–8 Vgl. Mt 11,2–6 8–11 Vgl. die Predigt am 9. Dezember 1827 vorm. über Joh 1,46 19–20 Vgl. Gal 5,6 21–22 Vgl. Röm 8,21 22 Anspielung auf Hebr 13,9
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I. Wenn wir uns also fragen: wie geht es zu, daß sich die Menschen ohnerachtet dessen daß sie den Erlöser und was er wirkt, sehn und hören, doch an ihm ärgern? so müssen wir wol sagen: wie das etwas Menschliches ist so muß es auch menschlich zu erklären sein, und gewiß werden wir es uns sehr leicht erklären wenn wir daran denken wie wunderbar und unbegreiflich der Erlöser den Menschen erscheinen kann, indem wir das Entgegengesetzteste in ihm vereint finden, was menschlicher Weise nicht vereinbar ist, nemlich: die größte Strenge und dabei die große und unvergleichliche Milde: ja wenn wir auf der einen Seite die Knechtsgestalt PunsS denken in der er einherging und dann das Große, Herrliche weit über Alles hinausgehende was er von sich selbst behauptete so finden wir es wol natürlich d. h. in der Natur der menschlichen Unvollkommenheit gegründet, daß die Menschen sich an ihm geärgert haben. Was kann Größer sein als die Strenge in der er sagt: „wer nicht Vater und Mutter verläßt und haßt um meinetwillen der ist mein nicht werth“: als ob er alles was sonst Ruhe und Friede bringt ausrotten will, damit wir Alles nur in ihm finden! Wo ist größre Strenge als in dem daß er sagt, ohne ihn können wir nichts thun, und, es wäre kein Leben in den Menschen wenn sie nicht von ihm belebt würden, es wäre keine Freiheit in ihnen als nur in so fern er sie frei mache! als ob alles was die Menschen von je her gepriesen, als ob eben jenes von Gott den Menschen eingehauchte Vermögen ihn zu erkennen, gar nichts sei! als ob alle Gewalt des menschlichen Geistes über das Erschaffne nichts sei, und überall, ohnerachtet manch höhern | Aufschwungs der geistigen Kräfte, nichts sei als todtes Wesen, Knechtschaft und Sklaverei! Aber wir sehn wie auf der andern Seite die große Milde mit der er die Menschen erfaßt und beurtheilt wenn wir daran denken z. B. wie der zu ihm kam mit dem üblen Vorurtheil in dem er sagte: was kann aus Nazareth Gutes kommen: und der Erlöser das milde Urtheil über ihn aussprach: „seht da ein Israeliter in dem kein Falsch ist!“ und, wie er mit den Jüngern an einen Ort kam wo sie ihn nicht aufnehmen wollten und die Jünger ihn fragten: sollen wir nicht, dem Elias gleich, Feuer vom Himmel herab erflehen: und er ihnen sagte sie mögen doch bedenken wes Geistes Kinder sie seien: Denken wir, wie, als seine Jünger klagten über Einen der in seinem Namen die bösen Geister austreibe, er ihnen sagte sie mögen ihn gewähren lassen; denn es sei doch nicht so leicht daß Einer eine That thue in seinem Namen und doch dabei ihn lästern und wider ihn sei. Eben so, müssen wir sagen: was für eine demüthige Knechtsgestalt war es in der der Herr auftrat! nicht allein daß er 10 Vgl. Phil 2,7 15–16 Vgl. Mt 10,37; Lk 14,26 18 Vgl. Joh 15,5 18– 19 Wohl Anspielung auf Joh 6,53 20 Wohl Anspielung auf Joh 8,36 27–30 Vgl. Joh 1,46–47 30–33 Vgl. Lk 9,51–55 33–37 Vgl. Mk 9,38–41 37–38 Vgl. Phil 2,7
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Fleisch und Blut angenommen hatte wie wir und in Allem als ein Mensch erfunden wurde, außer der Sünde sondern noch in besondrer Knechtsgestalt trat er auf und sagte von sich selbst daß er nicht habe wo er sein Haupt hinlege, und überall war er der demüthige dessen Geschrei man nicht hörte auf den Gassen, der immer bemüht war das auch nur noch glimmende Docht wieder anzufachen und das schon geknickte Rohr aufzurichten; ja, überall trat er auf in der demüthigsten Gestalt und ließ es sich gern gefallen daß sich Andre über ihn erhoben; sein ganzes Leben war Demuth und Selbstverleugnung; denn bei den vielen Erfahrungen die er machte davon daß Viele wieder umkehrten die schon angefangen hatten ihm zu folgen fragte er seine Jünger gleichsam bittend: wollt ihr nicht auch mich verlassen und war schon froh als auch nur Einer sagte sie vermöchten das nicht; denn er allein habe die Worte des Lebens: Aber auf der andern Seite, welch überschwengliche, unaussprechliche Dinge sagt er von sich selbst, wenn er sagt, das sei der Wille Gottes daß die Menschen glauben an ihn den er gesandt; alles andre finde sich dann von selbst! Was kann er größeres von sich sagen als das, daß er alles thue was er den Vater thun sehe, in ihm sei Gott also wer ihn schaue der schaue den Vater, und er und der Vater sei Eins. Seht da, diese engste Vereinigung der Strenge und der Milde, dieses volle Bewußtsein der alles andre weit überragenden Würde und diese tiefe Demuth: das ists, was wir den Menschen nicht leicht zumuthen können zu begreifen und zu empfinden! Und alle die das nicht zu fassen vermögen oder doch auf eine Seite hinneigen und darin am meisten die Göttlichkeit des Erlösers anerkennen wollen, die ärgern sich an ihm: So war es, und so ists: so wars als er unter den Menschen wandelte, daß ihnen seine Milde und Demuth so geringe vorkam, daß sie sich nicht scheuten zu sagen: ist dieser Mensch nicht der Zöllner Geselle? und, glaubt wol einer der Obersten an ihn? sondern das Volk das nichts weiß von der Schrift! s o ärgerten sie sich an ihm. Aber eben so bei den harten Reden gingen viele hinter sich, weil sie sich an ihm ärgerten, wenn er sagte er sei das Leben und das Licht allein, und wer an des Menschen Sohn glaube der werde den Tod nicht sehen ewiglich: da sagten sie bist du größer als unser Vater Abraham der gestorben ist? machst du dich Gott gleich? und so suchten sie ihn von sich zu treiben und trachteten ihm nach dem Leben: Auf diese Weise war er so lange er in der Welt lebte den Einen eine Thorheit den Anderen ein Aergerniß. Und ists seitdem die Gemeinde des Herrn besteht anders 1–2 Kombinierte Anspielung auf Phil 2,7 und Hebr 4,15 3–4 Vgl. Mt 8,20; Lk 9,58 4–7 Vgl. Jes 42,2–3 (zitiert in Mt 12,19–20) 10–13 Vgl. Joh 6,66–68 15–16 Vgl. Joh 6,29.40 17–18 Vgl. Joh 5,19 18 Vgl. Joh 10,38; 14,10–11; 17,21 18 Vgl. Joh 14,9 18–19 Vgl. Joh 10,30 27 Vgl. Mt 11,19 sowie 12,23 27–28 Vgl. Joh 7,48 28 Wohl Anspielung auf Mk 12,24 29–30 Vgl. Joh 6,66 30–31 Vgl. Joh 8,12; 14,6 31–32 Vgl. Joh 3,36; 8,51 32–33 Vgl. Joh 8,53 33–34 Vgl. Joh 5,16.18 35–36 Vgl. 1Kor 1,23
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gewesen? wie lange war das nicht das größte Aergerniß des Unglaubens daß das Heil der Welt herkommen sollte aus dem verachteten Volk! wie lange war das der Anstoß daß der der gekreuzigt ward für den Sohn Gottes sollte gelten und daß man sollte alles jene Herrliche und Unbegreifliche glauben von ihm und es in ihm finden. Und wenn die Menschen umher sahen auf die Werke Gottes, wenn sie ihre Blicke richteten auf die Völker die bis dahin so hohen | Werth gesetzt auf ihre menschliche Weisheit, auf den Reichthum der Erkenntniß, der Freiheit des Willens und die Kraft der Wahrheit, dazu sie gelangt waren und deshalb bewundert wurden und verehrt: und sie sollten nun sagen daß das Alles nichts sei und daß es erst durch den Erlöser etwas werden sollte, so war ihnen das ein Ärgerniß und sie meinten das zu glauben könne dem nicht zugemuthet werden der die Anstrengung des menschlichen Geistes kennt und verehrt. Und so ists auch noch jezt; das Eine und das Andre gereicht den Menschen zum Fallstrick und Aergerniß, und selbst in vielen Christen ist etwas davon übrig; denn wenn man ihnen sagt: er war nicht wie ihr: er der da sagte von dem der ihn noch nicht kannte „seht da, ein Israeliter in dem kein Falsch ist“: der richtete nicht wie ihr, nicht wie die die sich selbst ein Recht zuschreiben strenger und härter zu sein als der Erlöser: so ärgern sie sich an ihm, weil seine Milde und Demuth ihnen nicht recht ist. Aber eben so giebt es andre denen das zu schwer ist zu glauben, daß er Alles sein soll und sie nichts, daß es nicht auch außer ihm eben solchen Schatz der Erkenntniß geben sollte, daß er allein das Licht der Welt sein soll: das ist ihnen zu hoch. Damit nun wir es recht fassen wie Beides Eins ist nemlich das große und göttliche Bewußtsein daß er und der Vater Eins war, und eben die tiefe Demuth daß des Menschen Sohn gekommen sei zu dienen und seelig zu machen: damit wir unser Streben darauf richten – wie er sein ganzes menschliches Leben hindurch auf den Vater im Himmel gerichtet war – in ihm die Herrlichkeit Gottes zu erkennen und die Kraft seines Wortes an unserm eignen Herzen zu erfahren. So laßt uns, damit wir in der That und Wahrheit sehn wie er ist 2. sehn was es mit der Seligkeit und Unseligkeit, derer die sich nicht an ihm ärgern und derer die sich noch an ihm ärgern, für eine Bewandniß habe. Es kann nur eine zwiefache Unseligkeit geben, nemlich: einmal, wenn der Mensch zu wenig begehrt also nach nichts höherem strebt[,] 2. wenn er Großes erreichen will und bleibt zurück. Das Erste ist freilich wenn wir so sagen wollen: eine bewußtlose Unseligkeit, das Bewußtsein der andern aber ist das den Menschen am tiefsten regende. Wenn wir einen Menschen sehn welcher nicht im Stande ist das 16–17 Vgl. Joh 1,47 Mt 20,28; Mk 10,45
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Höhere in sich aufzunehmen und sich so hinschleppt bei den Träbern der Welt, können wir wol behaupten daß er nicht unselig sei? können wir sagen er ist nicht unselig weil er sich nicht unselig fühlt? nein, sondern wohl ist unser Gefühl über ihn wahrer als sein eignes; wir wissens daß nur e i n Augenblick, e i n Strahl des Lichts dazu hinreicht um ihm das Gefühl seiner Unseligkeit zu geben und ihn über sich selbst aufzuklären: So waren damals viele unseelig weil sie sich an dem Erlöser ärgerten, wußten aber von dieser ihrer Unseligkeit nichts weil sie ein volles Genüge hatten an dem Gesetz Mose und den Satzungen in denen sie lebten, sie gründeten ihren Stolz darauf zu dem Volke zu gehören das die Offenbarungen Gottes hatte als ein festes Besitzthum von Alters her: damit begnügten sie sich und selbst der Gedanke daran daß etwas bevorstehe was das Alte aufheben werde, konnte nicht aufkommen obgleich sie die Verheißungen hatten; sie suchten nichts anderes und strebten nach nichts Höherem und Besserm, und meinten nach nichts anderem streben zu dürfen. Das war die Unseligkeit in der damaligen Zeit der Einen von denen die sich an dem Erlöser ärgerten, das war die Unseligkeit aus dem Grunde weil sie nach nichts höherm trachteten und sich in dem Zustande in dem sie waren, gefielen. Aber es war ihnen doch nicht möglich daß sie sich selbst und Andre in diesen engen Grenzen fest halten konnten; denn es war nun | einmal gesagt in der Schrift von einem Tage der Zukunft, von einem höheren Gesandten Gottes, als die Propheten, den sie hören sollten wenn er kommen würde. – Aber die Anderen von denen die sich an dem Erlöser ärgerten, in jener Zeit, deren Unseligkeit bestand darin, daß sie zwar nach Besserem strebten aber es nicht erreichen konnten eben weil sie sich an ihm ärgerten weil er ihnen so nicht gefiel wie er war: Das waren die die auf das Wort der Verheißungen hörten, dessen warteten und sich darauf freuten was die Verheißungen aussprachen. Aber als der erschien auf den die Verheißungen deuteten und in dem sie ihre vollkommne Erfüllung fanden, da vermochten sie es nicht zu fassen daß er es sei, und als er sie zu sich einlud, als er bat sie möchten doch die Früchte sehen des Glaubens an ihn, und sie fragte: „kann ein arger Baum gute Früchte tragen“: da waren ihnen das harte Reden, und da meinten sie: der möchte es wol nicht sein und sie wollten lieber eines andern warten. Das waren die vor denen der Erlöser die Jünger warnte indem er von ihnen sagte sie würden immer bereit sein zu sehen, wenn gesagt werden würde hie oder da sei das Heil aber das rechte versäumten sie: So wars damals und so immer seit das Wort des Herrn sich verbreitet: die Einen haben sich geärgert an ihm weil er ihnen Größeres bot als sie 4 nur] versehentlich gestrichen
28 Aber] aber
20–22 Vgl. Dtn 18,15 (zitiert Apg 3,22; 7,37) 34 Vgl. Mt 11,3 34–37 Vgl. Mt 24,23–26
30–32 Vgl. Mt 7,15–18
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fassen konnten; eine solche Gemeinschaft mit Gott, ein solch Wohnen Gottes in ihnen wie er sagte er wolle kommen mit dem Vater um Wohnung zu machen in ihren Herzen: das war ihnen zu viel; so sehr sie es auch einzusehn behaupteten daß dort überm Sternenzelt ein guter Vater wohnen müsse! Eine solche Freiheit des Geistes wie darin ausgedrückt ist daß es kein Gesetz geben werde für die in denen der Glaube durch die Liebe thätig ist: das war ihnen zu viel, weil sie dabei her gekommen waren nach ihren eignen Grundsätzen zu handeln, und weil sie sich fürchteten dieses Gewisse werde verloren gehn und jenes nicht zu erreichen sein: So sind immer noch die die sich darum an ihm ärgern weil sie sich genügen an dem Licht der Vernunft, wodurch wie sie meinen doch auch im Laufe der Zeiten dieses und jenes besser geworden sei und eine Verunstaltung der sittlichen Welt nach der andern sich auszugleichen habe u. s. w. An diesem dürftgen genügt ihnen und sie streben nach nichts höhrem. Andre sind auch jezt noch zu sehen welche sich an dem Erlöser ärgern nicht als ob sie nicht nach Höherm strebten sondern weil sie ihn anders haben wollen wie er ist: und in dem Maaße als sie irre an ihm werden und sich ihren eignen Weg suchen, entziehen sie sich das was er ihnen darbietet und warten auf anderes: – So sind also die unselig welche zurückkehren zum Gesetz auf irgend eine Weise oder sich beschränken auf das was die Vernunft ihnen sagt: und auf der andern Seite die welche warten auf eine andre Offenbarung in den Gemüthern um noch Größeres zu bauen, als was schon da ist in ihm in dem sich Alles erfüllt weil die Fülle der Gottheit in ihm ist: Beide sind unselig indem sie sich ärgern an ihm in dem sie Licht Leben und Freiheit haben sollten; denn ists einmal wahr daß in ihm Gott der menschlichen Natur so sich hingegeben hat daß für sie alles Heil nur in ihm ist wie ists möglich daß die nicht unselig sein sollten die das von sich weisen! Aber ist das nicht noch etwas andres: nicht unselig sein und selig sein? wenn der Herr sagt: selig ist wer sich nicht an mir ärgert: ist das so gemeint daß wenn dem Menschen das fehlt was ihn unselig machen würde er dann selig ist? Freilich nicht überall ists so, aber im Verhältniß mit dem Erlöser ists so; denn wir sollen nichts thun, sondern er zieht uns wir sollen ihn nur walten lassen, haben wir nur das erst über uns gewonnen ihn so zu nehmen und zu lieben wie er ist wie kann es dann anders sein als daß das einige Bild eines ganzen, ungetrübten Lebens aus Gott uns aus ihm hervorgeht, daß wir also in ihm den Vater schauen der durch ihn uns selig macht; denn wenn es wahr ist daß das der | ganze Wille Gottes ist, daß wir an ihn glauben; daß wir sein Leben in uns aufnehmen wie er es ist der allein es uns einflößen kann: so 18 auf] versehentlich gestrichen
35 ungetrübten] verbessert aus ungetheilten
2–3 Vgl. Joh 14,23; Eph 3,17 24–25 Vgl. Joh 1,4; Gal 2,4
5–6 Vgl. 1Tim 1,9; Gal 5,6
23 Vgl. Kol 2,9
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ist auch in ihm die Seligkeit die wir nur aufzunehmen brauchen, damit sich erfülle wozu Gott uns bestimmt hat. Und das ist unsre Seligkeit daß wir nicht nur in ihm erkennen die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes Gottes gleichsam als außer uns stehend, sondern so daß dieses Erkennen unsre tiefste, innerste, lebendige Erfahrung ist so daß er kommt mit dem Vater um Wohnung zu machen in unseren Herzen. Also, nur daß wir uns nicht an ihm ärgern, sondern so an ihn glauben wie er sich uns giebt, und nicht wie wir uns ihn einzubilden vermögen, denn das wäre dann nicht der Glaube der das Leben ist. Und eben so würden wir sein Werk nur fortführen in dem Maaße als wir in nichts uns an ihm ärgern sondern so in Allem ihm nachfolgen daß nicht wir leben sondern Christus in uns lebt. Wolan, so laßt uns gehn und nur auf ihn sehn, unsre ganze Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet halten, ihm leben, aber mit solcher völligen Hingebung daß wir ihn ganz so nehmen und lieben wie er ist, dann wird er auch uns werden die Quelle des Lebens die in die Ewigkeit fortströmt!
[Liederblatt vom 23. Dezember 1827:] Am vierten Advent-Sonntage 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Mache dich mein etc. [1.] Froh versammelt sind wir hier, / Vater als die Deinen, / Heil uns, wenn wir oft vor dir / Andachtvoll erscheinen. / Du erfreust / Unsern Geist, / Wenn wir vor dich treten, / Herr, dich anzubeten. // [2.] Deines großen Namens Ruhm / Ist nicht auszudenken; / Keines Tempels Heiligthum / Kann dich, Herr, umschränken; / Doch auch hier / Strömt von dir / Gnad’ und reicher Segen / Deinem Volk entgegen. // [3.] Fest verknüpft der Liebe Band / Hier uns mit den Brüdern, / Alle fühlen sich verwandt, / Hohe mit den Niedern. / Jeder nennt / Und bekennt / Dich, und den zum Leben / Du uns hast gegeben. // [4.] Ja wir wollen oft und gern, / Herr vor dir erscheinen, / Und mit Jesu, unserm Herrn, / Fester uns vereinen. / Er allein / Soll es sein, / Den sich unsre Seelen / Stets zum Führer wählen. // Nach dem Gebet. – Mel. Gottes Sohn ist kommen etc. [1.] Jauchzet all ihr Frommen! / Christus ist gekommen! / Er, dem Engel dienen, / Ist im Fleisch erschienen, / Daß er von der Sünde / Gnädig uns entbinde. // [2.] Er kommt auch noch heute, / Steht uns treu zur Seite, / Stillet gern die Schmerzen / Der zerbrochnen Herzen, / Will uns von dem Bösen / 11 leben] versehentlich gestrichen 3 Vgl. Joh 1,14 5–6 Vgl. Joh 14,23; Eph 3,17 11 Vgl. Gal 2,20 15 Kombinierte Anspielung auf Ps 36,9 (vgl. Spr 13,14; 14,27) und Joh 4,14
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Heilen und erlösen. // [3.] Seines Wortes Weide / Füllet uns mit Freude; / Seine Gnadenzeichen / Will er dar uns reichen; / Sein Geist soll uns stärken / Zu des Glaubens Werken. // [4.] Wohl denn allen denen, / Die nach ihm sich sehnen, / Ihn im Glauben fassen, / Nimmer von ihm lassen, / Nie sich seiner schämen, / Sein Kreuz auf sich nehmen! // [5.] Der Herr, dem sie dienen, / Wohnt und lebt in ihnen, / Läßt was sie erflehen / In Erfüllung gehen, / Führt nach allem Leiden / Sie zu ewgen Freuden. // [6.] Jauchzet all ihr Frommen! / Er wird wiederkommen, / In der Hoheit Lichte, / Zu dem Weltgerichte, / Dann wird er die Seinen / Um sich her vereinen. // [7.] Jesu, unser Leben, / Du wollst gnädig geben, / Daß wir alle Stunden / Werden treu erfunden, / Und nach selgem Sterben / Deinen Himmel erben! // Nach der Predigt. – Mel. Nun preiset alle etc. [1.] Nun ist erfüllet / Die Zeit die Gott ersehn, / Nun ist enthüllet / Das Heil aus seinen Höhn, / Gestillt das sehnliche Verlangen, / Ewiges Heil ist uns aufgegangen. // [2.] Nun wird gepredigt / Des Höchsten gnädges Jahr, / Alles erledigt, / Was noch gebunden war, / Belohnt der Dulder treues Hoffen, / Gläubigen steht nun der Himmel offen. //
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Andere Zeugen: Besonderheiten:
1. Weihnachtstag, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin Lk 2,10–11 (Anlehnung an die Festtagsperikope) a. Autograph Schleiermachers; Tageskalender 1827/1828, SN 447 Texteditionen: Keine b. Nachschrift; SAr 66, Bl. 46r–47v; Woltersdorff Texteditionen: Keine Nachschrift; SN 620, Bl. 1r–6v; Crayen Keine
a. Autograph Schleiermachers Frühpredigt über Luc. 2, 10. 11 Th e m a . Die erste Verkündigung Christi. I. Als Ende aller Furcht. Im alten Bunde alles Furcht. b. Nachschrift
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Aus der Predigt am 1. Weihnachtst. 27. Luc. 2, 10. 11. Diese Worte sind aus dem Munde des Engels welcher das Wort führte als die heilge Heerschaar den Hirten auf dem Felde erschien – die erste Ankündigung unsers Erlösers auf Erden. Und wie könnten wir besser als mit ihnen die frohen Betrachtungen dieser festlichen Tage beginnen, da sie uns ja alle Segnungen des Bundes den Gott mit den Menschen gemacht, vor Augen stellen. – 1. Sagt der Engel: „fürchtet euch nicht“: denn sie waren erschrocken als sie die wunderbare Erscheinung sahen: Das aber – nemlich das Erschrockensein – war das Allgemeine und Vorherschende in der Zeit vor der 2 Verkündigung] Vkndigung. 6–7 Vgl. Lk 2,8–14; nach der preußischen Perikopenordnung war Lk 2,1–14 als Evangelium für den 1. Weihnachtsfeiertag vorgesehen.
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Erscheinung unsers Erlösers auf Erden; denn da, weil die Menschen in dem Schatten des Todes saßen, war ihnen überhaupt das Ueberirdische und Ewige ein unbekannter Gegenstand der sich ihnen nur in der Ahnung zu erkennen gab, und wodurch sie nicht anders als aufgeschreckt werden konnten wenn es ihnen näher trat: und selbst dann war es noch so für sie wenn das Irdische ihnen auch schon das war womit sie sich abgefunden hatten in dem Gefühl daß das Alles eitel sei. Und auch da wo die Erkenntniß des einigen Gottes aufgegangen und geblieben war hatte sich Gott den Menschen nicht anders denn als eifriger Gott zu erkennen gegeben, hatte sich offenbart unter furchtbaren Erscheinungen die das Volk in Schrecken setzten weshalb es nicht unmittelbar mit ihm zu thun haben wollte sondern zuerst sich Mose erwählte um durch ihn mit Gott zu reden: und so war es noch lange in ihrem Verhältniß zu Gott, er war ihnen der, der um der Mißethaten willen das Volk heimsuchte mit Strafen. Und so war auch alles Seltne und Wunderbare furchterregend, wo eine Stätte heilig war da konnten die Menschen nur mit Furcht und Zittern hintreten. Und so allgemein war dieses Gefühl und so eingewurzelt daß selbst ein Apostel des Herrn einst sagte als der Herr zu ihm trat: „Herr gehe hinaus von mir ich bin ein sündiger Mensch“: So war es auch noch in den letzten Tagen des alten Bundes geschehen nemlich als dem Priester Zachariä, dem Vater Johannes des Täufers seine Geburt angekündet ward, da vernahm er es mit Schrecken, und ward bestraft um dieses Mangels des Glaubens woraus der Schrecken entstanden. – Nun aber sagt der Engel des Herrn: „fürchtet euch nicht:“ Und das ist das erste frohe Zeichen des neuen Bundes; in dem soll alle Furcht ausgetrieben sein. In Liebe naht Gott den Menschen, als Liebe giebt er sich uns zu erkennen denn es preiset sich seine Liebe indem er seinen Sohn giebt. Und in diesem Zeugniß der göttlichen Liebe und durch dasselbe soll alle Furcht verschwinden. Und sie verschwindet auch, denn wer in der Liebe bleibet der bleibet in Gott sind wir aber in ihm so kann er uns nicht Gegenstand der Furcht sein. Zu diesem Leben und Sein in der göttlichen Liebe, zu diesem Genusse derselben einzuladen ist er erschienen und das Erste was er von sich sagen läßt ist dies, daß er die Menschen von aller Furcht befreit. Darum ist in Beziehung auf Alles was uns begegnen kann, das unser Wahlspruch: „unser ewiger Vater der uns seinen eingen Sohn gegeben hat, wie sollte uns der mit ihm nicht Alles geben“! Und in diesem Besitz, in dieser frohen Gewißheit schwindet die Sorge welche die Furcht erzeugt aus 9 denn als] als 1–2 Vgl. Lk 1,79 7 Vgl. PredSal 1,2.14; 2,11.17; 3,19; 11,8; 12,8 8–9 Vgl. Ex 20,5; Dtn 5,9 9–12 Vgl. Ex 20,18–21 13–14 Vgl. Ex 20,5; 34,7; Lev 18,25; Dtn 5,9; Ps 89,32; Jer 14,10; 36,31; Klgl 4,22; Hos 8,13; 9,9; Amos 3,2 15–16 Vgl. Gen 28,17 sowie Hiob 4,14 17–19 Vgl. Lk 5,8 19–23 Vgl. Lk 1,5–25 26 Vgl. Joh 3,16; Röm 5,8 28–30 Vgl. 1Joh 4,16.18 34–35 Vgl. Röm 8,32
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dem Herzen; Von dem der uns den Sohn gegeben können wir Alles nur als Gabe und väterlichen Beweis hinnehmen; Denn eben diese Gabe ist der Mittelpunkt unsers Daseins geworden, er den der Vater als Offenbarung seiner Liebe uns gegeben, er ist unser Ein und Alles, und eben weil wir auf ihn Alles beziehen so muß Alles zusammenhängen mit der Liebe des Vaters zum Sohne: wenn wir wissen daß in dem Sohn Alle Gott angenehm gemacht sind, so können wir seiner Liebe gewiß sein: Und so ist er erschienen als der Herold und | Beweis der göttlichen Liebe. Und wenn er sagt er sei gekommen um die Welt seelig zu machen und nicht um zu richten, so stellt er den Gegensatz auf zwischen dem alten und neuen Bunde, zwischen jenem worin die Furcht vorherschend war und dem Reich der Liebe das mit ihm begann; Denn eben das daß Gott der Herr seinen Stuhl aufgerichtet zum Gericht, das war die Ursach der Furcht, und wie die Sünde der Stachel des Todes und zugleich der Gegenstand des Gerichts war so mußten die Menschen zeitlebens Knechte sein der Furcht. Der aber welcher gesagt hat wer an ihn glaube der komme nicht ins Gericht der hat die Gewalt dem Tode genommen. Und so soll nun das unser erster Dank sein für seine Erscheinung daß wir durch ihn wirklich befreit sind von aller Furcht, und daß wir, indem uns dies Befreitsein von der Furcht immer Wahrheit ist, uns Alle zurufen: fürchtet euch nicht: 2. Wenn der Engel des Herrn aber sagt: „fürchtet euch nicht denn ich verkünde euch große Freude:“ so ist hier also einander entgegengesetzt die Furcht und die Freude; wir sollen uns nicht fürchten weil uns Freude verkündet ist. Der Apostel Johannes aber setzt entgegen: Furcht und Liebe: und verkündet das als das große Werk der Liebe daß sie die Furcht austreibt. Beides aber ist dasselbe; Denn was gäbe es für uns für eine andre Quelle der Freude als die Liebe! So lange der Mensch noch aus andrer Quelle die Freude schöpft, so weiß er von keiner Freude als von der die in beständigem Kampf mit der Furcht ist; denn wenn er Alles darauf ansieht wie es ihm Freude machen soll, so erkennt er es bald als von Gefahr umgeben, und der Freude gegenüber also steht die Sorge und trübt sie, und aus diesem Wechsel kommt er nicht heraus bis er, wie der Herr, sich selbst entäußert um ganz der Liebe zu leben und durch die Liebe seelig zu machen. Der Erlöser, indem er uns das Gebot gegeben daß wir uns lieben sollen wie er uns liebt, hat er uns eine Quelle der Freude eröffnet und sie in dieses Jammerthal hineinsprudeln lassen, die uns von all der Furcht befreit; denn so 8 Herold] Herhold
8 Beweis] und Beweis
3–4 Vgl. Joh 3,16 7–8 Vgl. 1Joh 4,9 8–9 Vgl. Joh 12,47 12–13 Vgl. Ps 9,7 13–14 Vgl. 1Kor 15,56 14–15 Vgl. Hebr 2,15 16 Vgl. Joh 5,24 16–17 Vgl. 2Tim 1,10 24–25 Vgl. 1Joh 4,18 32 Vgl. Phil 2,7 34–35 Vgl. Joh 13,34; 15,12
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wie er seine Freude darin hatte daß er den Willen des Vaters that und wie der Wille des Vaters darin besteht das ganze menschliche Geschlecht mit Liebe zu umfassen: so finden wir in derselben Liebe die Quelle aller Freude, und wir müssen es uns sagen daß wenn es irgend eine andre Freude giebt als die, die durch die Liebe in unser Herz ergossen ist so ists immer nur solche die nichtig ist, solche deren Glanz bald verschwindet: wogegen selbst der Schmerz der Liebe wovon sie hier nie frei ist, doch eine Quelle der Freude in sich selbst trägt indem uns die Liebe über das Vergängliche erhebt und der Schmerz sich auf das bezieht was die Liebe endlich gewiß ganz austreibt. Aber freilich die innige Freude ists eben die so von aller Furcht befreit nur die Freude die die Engel verkünden, die Freude daß der Heiland geboren ist, die Freude daß mit ihm ein neues Verhältniß eintritt zwischen Gott und uns, daß durch ihn alle Verheißungen in Erfüllung gehn, und ein neues Reich Gottes gegründet ist durch ihn; denn eben das ewige Leben in der Gemeinschaft mit Gott durch Christum, eben das den Menschen nicht mehr zu entreissende Schauen des Vaters in ihm das ist die unversiegbare immerfortströmende Quelle der Freude für uns. Allein wenn wir nun noch auf die letzten Worte der Verkündigung sehn so zeigt sich uns noch auf eine andre Art dieser Gegensatz des alten und neuen Bundes: nemlich so spricht der Engel: „Siehe ich verkündige euch große Freude die allem Volk wiederfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren: | Diese sowol als die frühere Verkündigung des Erlösers an seine Mutter so wie auch der Zusammenhang welchen der priesterliche Vater des Johannes zwischen der Geburt seines Sohnes und der Erscheinung des Herrn sah, alle tragen sie besondre Beziehungen auf jenes Volk an sich; darauf gehn alle erste Verkündigungen hinaus daß der Herr sein Volk heimgesucht, daß er sein Volk erretten werde von seinen Feinden und aus dem Zustand der Knechtschaft befreien. Aber das war nun nicht die erschöpfende Ansicht von dem ewigen Rathschluß Gottes in seinem Sohn, sondern die Verkündigungen sind mehr auf das Beschränktere gerichtet und nur hie und da sieht man jenes Größre durchschimmern; nur einige Mal finden wir es gesagt daß die zu erwartende Erscheinung des Herrn, daß die ein Licht sein sollte zu erleuchten alle Völker, daß das was die Engel verkündeten eine Freude sei die allem Volk wiederfahren werde: Dies nun, das gehört unstreitig mit zu der Knechtsgestalt die der Erlöser an sich nahm, daß die erste Freude über seine Erscheinung sich bequemen mußte zu den eingeschränkten Vorstellungen und Begriffen der Menschen. Aber auf keine Weise konnte doch das Heil dem Volk anders verkündet werden als mit den Andeutungen daß das ein allgemeines Heil sei. Bald aber zeigte 1–3 Vgl. Joh 6,38–40 22–23 Vgl. Lk 1,26–38 23–25 Vgl. Lk 1,67–79 25– 28 Vgl. Lk 1,32–33.54–55.68–75 31–33 Vgl. Jes 42,6; 49,6 (zitiert Apg 13,47); Lk 2,32 35 Vgl. Phil 2,7
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sich das in der That und Wahrheit, und als unser Erlöser noch in den letzten Tagen seines Lebens, kurz vor seinem Leiden, einen eben so deutlichen Beweis bekam (von dieser Allgemeinheit des Heils in ihm, indem auch andre, als die zum jüdischen Volk gehörten, gekommen waren ihn zu schauen) wie jener erste Beweis gewesen war in den Tagen seiner Kindheit, da erst dankte er Gott daß er sich verklärt habe in seinem Sohn. Wohl uns denen dieses Licht – das er[,] das Heil Aller[,] ist – aus eigner Erfahrung in die Sele leuchtet! Wohl uns daß wir es nun in einer langen Reihe von Jahrhunderten erfahren haben daß kein Volk so zurücksteht gegen das Andre, wie verschieden sie auch sonst in der Ausbildung sein mögen, daß es nicht fähig wäre Theil zu nehmen an dieser großen Freude die Allen bereitet ist! Wohl uns daß wir es wissen daß in der alle Furcht austreibenden Liebe und himmlischen Freude Alle sollen verbunden werden zu Einer großen Gemeinschaft im Herrn: So bewahren wir in unseren Herzen das Heil als Allen angehörend, und so wie jenes Volk gesetzt war um die Offenbarungen Gottes fest zu halten; so sind wir nun zu einem Zeichen gesetzt davon, daß es eine allgemeine Gnade Gottes giebt. Wir sind aus der Ferne hinzu gekommen zu dem Genuß der Gnade Gottes in Christo, und aus den damals noch dunkelsten Gegenden, und danken nun Gott für die Erscheinung des Herrn besonders PjährlichS in diesen festlichen Tagen, sie wäre aber für uns nicht wenn er nicht auch uns erschienen wäre durch die Verkündigung. Er ist uns erschienen, wir sind theilhaftig geworden der großen Freude, und als Zeichen der Gnade Gottes bewahren wir das Kleinod, und darum geht auch von uns das Bestreben aus diese Freude immer weiter zu verbreiten auf daß sie Allen Völkern wiederfahre. – Aber laßt uns nun auch unmittelbar auf uns selbst zurückgehn und das Wort des Engels: „ich verkündige euch große Freude euch ist heut der Heiland geboren:“ in unser Herz fassen. Nur denen ist die Freude denen er wirklich geboren ist, und er ist nur | denen geboren denen er verkündet ist und die die Verkündigung sich angeeignet haben darum sagt der Engel: euch ist der Heiland geboren: und eben indem der Herr sich ihnen verkündet mußte er sich ihnen geben, er ward durch die Verkündigung ihr Eigenthum und ihre Sache war es nun ihn sich anzueignen. Nun gingen sie freilich hin um zu sehen und kund zu machen was sie gehört, was aber weiter aus den Hirten, ob sie den Glauben wirklich aufgenommen und fest in ihr Herz geschlossen, und ob sie dem Herrn andre zugeführt haben, davon wissen wir nichts: und freilich wie ihr Ruf untergegangen ist in der Geschichte so ist das das Loos aller Einzelnen wie viel sie auch Theil bekommen haben an der allgemeinen Verkündigung der 26–27 ich verkündige euch große Freude] ich verk. euch gr. Freude 1–5 Vgl. Joh 12,20–36 6 Vgl. Joh 17,1–26 13 Vgl. 1Joh 4,18 33–34 Vgl. Lk 2,15–20
7 Vgl. Joh 8,12; 9,5; 12,46
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großen Freude, wie viel sie auch Werkzeuge gewesen sind in der Hand des Herrn, ihr Ruf geht unter, bis auf die deren Namen uns bewahrt sind in dem festen prophetischen Wort, kommt für jeden früher oder später eine Zeit wo sein Name verhallt! Aber wenn wir in unserm Leben mit der Gemeinde des Herrn verbunden gewesen sind, wenn wir das Gebot uns einander zu lieben so in unser Herz behalten haben daß wir ihm immer gefolgt sind, o so ist auch unser Leben ein Theil gewesen von der allem Volk verkündigten großen Freude daß der Heiland geboren! Ja wenn Christus in uns gelebt hat so haben wir auch belebend gewirkt! Und das ist denn das Beste was wir uns wünschen können für den PneuenS Zeitraum unsers Lebens, das ists wozu uns dies Fest stärken soll! Es ist nichts was sich so leicht mittheilt, was so leicht gefaßt werden kann als ein großer Schmerz und eine große Freude: Einen Schmerz giebt es für uns Alle, nemlich den, daß sich die Menschen abgekehrt hatten von Gott und also allzumahl Sünder sind: diesen Schmerz, den faßt keiner von uns allein in seinem eignen Herzen, sondern er strömt über und wird Andern ein Zeugniß von dem Zustande der Menschen ohne Christum, er wird der Ruf: o daß die Himmel zerrissen und der Herr herabkäme in die leeren Stätten! Aber eben so die Eine große Freude daß uns das Heil wiederfahren daß uns der Heiland geboren ist: Die Freude faßt keiner in sich allein sondern sie strömt über, wird eine Quelle der Freude; jeder der sie hat verkündet sie, jeder in dem sie Eins ist mit der alle Furcht austreibenden Liebe, wird der Herold und Verkünder derselben. – So laßt uns, indem wir uns Alle mit dieser Freude und Liebe umfassen, uns stärken im Glauben an den der Leben und Unsterblichkeit an’s Licht gebracht, der uns verhilft zu dem Leben aus Gott! Damit laßt uns das heilge Fest beginnen und die Mittheilung der Freude werde uns Stärkung der Liebe, und indem wir die Liebe wie sie alle Furcht austreibt zu erkennen geben, laßt uns erfahren wie wahr es ist daß die da glauben aus dem Tode zum Leben gekommen und so das ewige Leben haben!
22 Herold] Herhold 5–6 Vgl. Joh 13,34; 15,12 8–9 Vgl. Gal 2,20 13–14 Vgl. Röm 3,23 17– 18 Vgl. Jes 64,1 21–22 Vgl. 1Joh 4,18 25 Vgl. Eph 4,18; 1Joh 3,9 27 Vgl. 1Joh 4,18 28–29 Vgl. Joh 5,24
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2. Weihnachtstag, 9 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 2Kor 5,17 a. Autograph Schleiermachers; Tageskalender 1827/1828, SN 447 Texteditionen: Keine b. Nachschrift; SAr 66, Bl. 48r–51r; Woltersdorff Texteditionen: Keine c. Nachschrift; SAr 82, Bl. 13r–25v; Dunckel Texteditionen: Keine Keine Liederblatt (vgl. Anhang nach der Predigt)
a. Autograph Schleiermachers Hauptpredigt über 2 Cor. 5, 17.
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Th e m a . Preis Christi durch den alles neu wird. I. Was wird neu. 1. Daß man nicht mehr sich selbst lebt 2. Niemand kennt nach dem Fleisch. Also 3. ein neues Geschöpf II. Wodurch. 1. Gott mußte in Christo sein 2. die Welt mit sich versöhnen 3. das Amt stiften das die Versöhnung predigt. b. Nachschrift Aus der Predigt am 2. Weihnachtst. 27. 2. Cor. 5, 17. „Das Alte ist vergangen, siehe es ist Alles neu geworden“:
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Das ist gleichsam die allgemeine Loosung der Christenheit an dem heilgen Feste der Geburt unsers Erlösers. Es sind alte Worte der Weissagung die der 13 siehe es ist Alles] versehentlich gestrichen 4 Vgl. 2Kor 5,15
5–6 Vgl. 2Kor 5,16–17
8–10 Vgl. 2Kor 5,18–19
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Apostel wie so manches was aus den Tagen des alten Bundes herrührt und wol seine nächste Beziehung hatte auf Näheres was Gott mit dem Volke Israel vor hatte, auf die Ankunft des Erlösers bezieht. Der Prophet sagt: „gedenket nicht mehr des Alten; denn ich will ein Neues machen:“ Und daraus macht der Apostel eben diese Worte: „Das Alte ist vergangen, siehe, es ist Alles neu worden“: Und eben dies wiederholt der Verfasser der Offenbarung fast buchstäblich eben so und läßt den der auf dem Stuhl sitzt sagen: „schreibe dir dieses Wort das wahrhaftig ist in dein Herz“: Wahr und gewiß ists! das Alte ist vergangen und durch Christum ist Alles neu geworden, es ist ein neuer Himmel worden und eine neue Erde: Alles ist durch ihn neu worden! Darum, nicht feiern wir sein Fest wie das eines andern geliebten und geehrten Menschen der mit einzelnen mannigfachen Wohlthaten das Leben bereichert hat, nein sondern wir feiern das Fest des Einen durch den Alles uns neu worden. Nicht ists Schmeichelei (wie die Menschen wol vormals einen ausgezeichneten Menschen dadurch zu ehren suchten daß sie von seiner Lehre oder seinen Thaten an eine neue Zeitrechnung begannen) daß wir von seiner Geburt an mit neuer Zahl die Jahrbücher der Geschichte zählen und darnach eintheilen, und Alles wie weit es davor liegt so weit zurücksetzen, sondern es ist die innerste Wahrheit des gemeinsamen Gefühls. So laßt uns denn heut mit diesem Wort uns grüßen: „Das Alte ist vergangen, es ist Alles neu worden“: und laßt uns dem was es ausdrückt in unsrer jetzigen Betrachtung weiter nachgehen und zu dem Ende uns fragen 1. Wie dieses große Wort zu verstehen sei und welches der Grund und Umfang desselben 2. Wie es mit demselben zugeht und wie es geschieht. I. Freilich, sehen wir auf die äußre Beschaffenheit der uns umgebenden Welt und auf die Gestaltung unsers Lebens in äußerlicher Beziehung, so ist alles noch das Alte; es sind dieselben Gesetze nach welchen die Gestirne rollen, dieselben Gesetze nach denen sie ihre Bahn durchwallen, eben so wie immer kehren Sonne und Mond wieder, eben so wechseln die Jahreszeiten und die den Menschen von Außen zuströmenden Empfindungen: Alles ist das Alte. Eben so ists mit den Gesetzen des menschlichen Lebens, Alles ist dasselbe wie es immer war: Himmel und Erde haben sich nicht verändert und verschönt. Aber Alles ist neu worden im Innern, im geistgen Leben, im Getriebe des menschlichen Herzens! Fragen wir den Apostel hierüber, so laßt uns hören was er sagt in den Worten die unserm Text vorangehn: „Die in Christo sind die leben hinfort nicht mehr sich selbst. 2. Wir die wir in Christo sind wir kennen niemand nach dem Fleisch. 3. Ist jemand in Christo, 3–4 Vgl. Jes 43,18–19
6–11 Vgl. Offb 21,1.4–5
38–2 Vgl. 2Kor 5,15–17
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so ist er eine neue Creatur, und also, spricht er: es ist das Alte vergangen und Alles neu worden“: Das also ist der Umfang dieses großen Worts: in Christo und durch ihn leben wir nun nicht uns selbst und kennen niemand nach dem Fleisch und wer in Christo ist der ist eine neue Creatur. Ist es denn aber auch wahr daß vor ihm und außer ihm, Alle nur sich selbst lebten? hat man nicht von je her einen Unterschied gemacht zwischen Selbstsüchtgen und Bessern? hat man nicht die unter die Letzten verstanden die sich selbst hinzugeben wußten um höhern Zwecken zu leben und haben die Menschen nicht immer Gesetze gehabt wornach sie ihr Leben einrichteten? Das können wir nicht leugnen, aber laßt es uns genauer überlegen und fragen: was waren alle Gesetze, sowol | die die ihnen gegeben, als auch die die sie sich im Innern gemacht für ihr Leben? was alle Ermahnungen zur Tugend, was waren sie als Beschränkungen der Selbstliebe auf daß sie nicht über die Grenzen wodurch die Gesellschaft zusammengehalten wird hinausgeht? Was aber nur beschränkt wird das bleibt doch und besteht und lebt, und so können wir es nicht leugnen selbst die Gesetze zeugen dafür daß Alle nur sich selbst leben wollten. Wenn zur Beschränkung der Selbstsucht u. s. w. immer Schaam und Ehre als Hüter aufgerufen wurden, was war das als ein Zeichen davon daß Alle sich selbst lebten; denn wodurch wurden sie gehalten? nur dadurch daß sie sich hüteten sich nicht selbst anzuschwärzen, sie sollten suchen den Ruhm zu erhalten unbefleckt dazustehn, und so lebten sie sich selbst indem sie das befolgten. Und wenn sie dem Ruhm nachgingen, wie sie Thaten vollbrachten und Anstrengungen übernahmen: was war das anderes als ein erweitertes Sichselbstleben. Und worauf gingen alle Gesetze und sittliche Regeln als darauf zurück die Ehre jedes einzelnen zu sichern. Aber wir werden das noch besser verstehen wenn wir das Zweite was der Apostel sagt bedenken: „sind wir in Christo so kennen wir niemand nach dem Fleisch“: Was er damit meint das ist wol ohne Erklärung deutlich; denn was kann er anders meinen als die kreatürliche Verwandtschaft und die davon abhängige besondre Aehnlichkeit, auf diese sehn, der einen Einfluß auf unsre Gesinnung, eine Gewalt über unser Leben einzuräumen: das heißt nach dem Fleisch kennen. Und was ist das anderes als wieder nur eine Erweiterung des Sichselbstlebens; sich selbst spiegelt der Mensch ab in denen die ihm ähnlich sind, ihnen schließt er sich an und stößt die andern zurück. Dieses Kennen nach dem Fleisch, darauf beruhten und gingen zurück die heldenmüthigsten Aufopferungen und edelsten Thaten. Die, die jedem nach dem Fleisch angehörten die waren sein erweitertes Selbst, denen wollte er leben, und die ihm so verbunden waren für die war er bereit sich selbst hinzugeben: so dienten sie nur sich selbst und nicht dem Höchsten: So der natürliche Mensch, der Mensch ohne Christum. Wer aber in Christo ist der kennt niemand nach 27–28 Vgl. 2Kor 5,16
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dem Fleisch: Ja der Apostel sagt: „und wenn wir auch Christum gekannt haben nach dem Fleisch [–] weil er nemlich zu ihrem Volk gehörte [–] so kennen wir ihn doch nun nicht mehr so“. Aber er sagt auch unter den Christen wären viele welche Christum erkannt hatten nach dem Fleisch: die von denen er das sagte das waren die welche stehn blieben bei den unvollkommnen Vorstellungen nach denen er kommen sollte um sein Volk selig zu machen, zu erretten von seinen Feinden, die ihn aber nur so erkannten nach dem Fleisch die lebten sich selbst und hatten keinen Theil daran daß das Alte vergangen und Alles neu worden ist durch Christum. Ja wenn wir von hier aus noch weiter zurückgehn so können wir nicht leugnen daß was auch vom Bewußtsein des Höchsten im Menschen war, es war mit dem Sichselbstleben aufs innigste verflochten: So verehrte das Volk Israel seinen Gott, ihn gegenüberstellend dem Gott oder den Göttern andrer Völker, und so verehrte jedes Volk seinen eignen Gott oder seine Götter: Und das war ein den Höchsten Erkennen nach dem Fleisch, und so war Alles, selbst das Beste das Edelste das Höchste was in ihnen war in das Sichselbstleben hineingezogen, so daß also die Menschen sich nicht darüber zu erheben vermochten. Das ist vergangen durch Christum! Sind wir durch ihn davon los, kennen wir weder ihn noch Andre nach dem Fleisch, so können wir wol nicht anders als auch das Dritte zugeben was der Apostel sagt, nemlich: „Ist jemand in Christo so ist er eine neue Creatur“; denn ist nun Alles neu worden, so ist das ganze frühere Leben vergangen, und jemehr das neue geworden, desto mehr ist das Alte erstorben in seiner Wurzel vernichtet. Und so stellt der Apostel es dar daß wir immermehr neu werden sollen durch Christum, er sagt wir sollen sein Sterben an uns umhertragen, sollen begraben werden mit ihm (dem alten Menschen nach) sollen sterben mit ihm um mit ihm aufzuerstehn zum neuen | Leben, in welchem wir nicht uns selbst leben und niemand kennen nach dem Fleisch: Das ist eine gänzliche Verwandlung und ist die geschehen wol mag dann das Äußre dasselbe geblieben sein, wol mag die Gestaltung des äußern Lebens unverändert sein, doch ist Alles neu worden: ja mit Recht können wir sagen: ein neuer Himmel und eine neue Erde; denn wir haben ein neues geistges Auge mit welchem wir es erblicken eine neue Kraft um es zu behandeln – wir sehen wie der Herr waltet in seiner Welt, wir wissen was er begehrt und welchen Tempel er sich aufgerichtet hat in dem menschlichen Geschlecht: Das ists wozu der Herr gekommen, durch ihn soll Alles neu werden, ihm wird es zugeschrieben; denn die früher sich selbst lebten sie sollen nun ihm leben der für sie gestorben [und auferstanden ist.] 37 ihm] in ihm
38 der für sie gestorben] folgt ein Strich bis zum Zeilenende
1–3 Vgl. 2Kor 5,16 3–4 Wohl Anspielung auf 2Kor 11,18; vgl. dazu 2Kor 11,4– 5.13.22–23; Gal 1,6–3,5; Phil 3,2–21 21 Vgl. 2Kor 5,17 25 Vgl. 2Kor 4,10 26–27 Vgl. Röm 6,4.8 27–28 Vgl. 2Kor 5,15–16 31–32 Vgl. Offb 21,1 37– 38 Vgl. 2Kor 5,15
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Ist einer eine neue Creatur so ist ers durch Christum worden, kennt keiner den andern nach dem Fleisch, so kennt jeder den Andern nur durch den Geist Gottes der es von Christo nimmt und uns verklärt. – Aber fragen wir uns nun 5
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II. Wie solches zugeht und wie es geschieht so stehn wir vor dem größten Geheimniß und Wunder; denn wie ists möglich daß der Mensch sich löse von sich selbst? und wie kann einer sagen daß er nicht sich selbst lebe? leben und sich selbst leben läßt sich beides voneinander trennen? kann die Kraft des Lebens anders als auf sich selbst zurückgehn? Eben darum laßt uns hören was der Apostel sagt wodurch und wie solches zugeht: also, sagt er, v. 18: „Aber das alles von Gott, der uns mit ihm selber versöhnt hat durch Christum, und das Amt gegeben das die Versöhnung predigt; denn Gott war in Christo und versöhnte die Welt in ihm selber:“ Seht da das ist das Eine unzertrennliche Geheimniß welches sich unserm Herzen in diesen Tagen besonders aufschließen soll: „Gott war in Christo“, und Christus als Mensch lebte nicht sich selbst sondern Gott, und eben dadurch hat er das Alte zerstört und das Neue angefangen und vollendet: Und wie es möglich sei daß der Mensch sich von sich selbst lösen könne, das leuchtete unserm Erlöser so sehr ein daß er sich nicht scheute sich so herabzulassen zu den menschlichen Gedanken daß es nicht möglich sei nicht sich selbst zu leben, daß er sich dagegen vertheidigte indem er sagte: „ich suche nicht meine Ehre“: Hört und schreibt es in euer Herz: wer seine Ehre sucht der lebt sich selbst und das ist das was ein Ende hat in Christo, was durch ihn aufhört. Aber auch der Erlöser wenn er nur Mensch gewesen wäre, wenngleich auf der höchsten Spitze des Edelmuths stehend, wäre er nichts gewesen als dies, o er wäre dem nicht entgangen sich selbst zu leben, er hätte die Gewalt die er ausübte über die Gemüther müssen für Raub ansehn, und wäre nichts gewesen als andre. Aber wie allein konnte er das sein was er war? Nur dadurch daß Gott in ihm war: Gott war in Christo und darum ists möglich daß die die in Christo sind nicht sich selbst leben. Weil Gott in ihm war darum konnte er Gott leben der in ihm war: hätte er Gott nur von Außen gehabt (angeschaut) so hätte er nicht ihm sondern nur dem Gesetz leben können; denn so ists, wenn der Mensch in seiner eignen Dunkelheit des Lichts bedarf, muß es aber von Außen her nehmen so stehts ihm entgegen als Gesetz – er siehts, aber er sieht sich dagegen er spiegelt sich darin aber er ist nicht darin, aber wenn er indem ers bedarf gleich im innersten Gemüth das Licht erblickt, so kann er ihm 1–2 Vgl. 2Kor 5,16–17 2–3 Vgl. Joh 16,14; 2Kor 3,17–18; 1Joh 4,6 2Kor 5,18–19 16–17 2Kor 5,19 23 Joh 8,50 Joh 7,18 28–29 Anspielung auf Phil 2,6 30–31 2Kor 5,19
12–14 Vgl. 23–24 Vgl.
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leben, so ists in ihm thätig. Also weil Gott in Christo war, weil er sein innerstes Leben war, darum konnte er die Ehre des Vaters suchen; Er mußte sagen können: „ich und der Vater sind Eins:“ um das sagen zu können daß er nicht seine Ehre suche sondern die Ehre des der in ihm lebte. Und eben wie nur dadurch daß Gott in Christo war Christus vermochte nicht sich selbst zu leben und niemand zu kennen nach dem Fleisch | sondern Gott zu leben, und durch dieses Leben aus Gott, durch dieses neue Leben auf Erden, Alles neu zu machen, so fügte er sich nur in die äußre Gestaltung des Lebens welche immer dieselbe bleibt indem er unter dem Volk Israel blieb und die Unmündgen sich wählte zu seinen Aposteln. Aber eben weil er nur deshalb weil Gott in ihm war, der sein konnte der er war; so vermögen auch wir nur dadurch eine neue Creatur zu werden wenn Christus in uns lebt in dem Gott ist um die Welt zu versöhnen. Denn sonst ists so daß auch das leiseste Ahnen des höchsten Wesens dem Menschen zur Vernichtung wird; denn er kann ja nicht anders als sich so nichtig erkennen (gegen den Höchsten) wie die Schrift von ihm redet, z. B. „der Mensch vergehet wie das Gras auf dem Felde, – wie der Hauch des Windes:“ So und nicht anders kann er sich finden wenn er das höchste Wesen denkt, und sein Sichselbstleben kann ihm nicht anders als nichtig erscheinen. Aber eben deshalb ist das Ohne ihn sein, dieses Fleischlichgesinntsein, dieses Kennen nach dem Fleisch, dieses Sichselbstleben, eben darum ists eine Feindschaft wider Gott, eben darum sucht der Mensch wie er so an und für sich ist, das Bewußtsein Gottes sich zu entziehen jemehr er weiter kommt in dem Sichselbstleben; eben darum erstickt er die Erkenntniß des Höchsten die ihm gegeben ist, in Wahn und Thorheit. Und darum mußte Gott in Christo sein um die Welt mit sich zu versöhnen, nicht anders als daß der Grund der Feindschaft wider Gott aufgehoben ward, konnte die Welt ihm versöhnt werden, dieser Grund der Feindschaft dies Fleischlichgesinntsein mußte vernichtet werden, und das geschah auf keine andre Weise als wie der Apostel sagt: „Gott in Christo:“ Ist er nun aber so unser innerstes Leben, ist Christus in uns wie Gott in ihm, nun, dann vermögen wir nicht mehr uns selbst zu leben, sondern leben ihm in dem Gott ist um die Feindschaft der verderbten menschlichen Natur wider sich aufzuheben und zu tilgen. Darum also, um in uns zu leben, ist Christus erschienen: so ist er uns denn noch nichts, noch nicht das wozu er eigentlich erschienen, wenn er uns nur äußerlich ist und bleibt: wie wir es ja auch wissen daß wenn er nur Gegenstand der Verehrung ist, er gar zu leicht gleich gestellt wird andern ausge16 redet,] redet. 3 Joh 10,30 3–4 Vgl. Joh 8,49–50 7 Vgl. Eph 4,18; 1Joh 3,9 13 Vgl. Gal 2,20; 2Kor 5,19 16–17 Vgl. 2Kön 19,26; Ps 103,15–16; Jes 40,6–8; 51,12; 1Petr 1,24; Jak 1,10–11 30 Vgl. 2Kor 5,19
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zeichneten Menschen, und was wir nur verehren daraus kann uns kein geistig Leben aufgehn, sondern der Gegenstand der Verehrung wird uns höchstens Gegenstand einer tiefen aber verzehrenden Sehnsucht. Kommt er aber, wie er es denen verheißen die ihn aufnehmen wollen, mit dem Vater mit dem er Eins ist, Wohnung zu machen in unsern Herzen dann sind wir Gott versöhnt im Sohn, dann können wir sagen daß Christus in uns lebt, dann sind wir los von dem Sichselbstleben, und leben dem der für uns gestorben und auferstanden ist und dann bewährt sich was der Apostel hinzusetzt nemlich: „Gott hat gestiftet durch Christum das Amt das die Versöhnung gepredigt“: Nicht als besondern Dienst für Einige; dann sagt er: die die in besonderm Sinn die Verkündigung des Worts treiben die sind eure Knechte um Christi willen, aber wir Alle, wie wir ein priesterlich Volk sind, sind beauftragt mit diesem Amte; denn das ist das ewige Gesetz des Neuen das das Alte verdrängt hat: „glauben wir so reden wir“: wir können nicht anders als ihm die Ehre geben und uns freuen daß der Schritt gethan aus dem Alten in dieses neue herrliche Reich Gottes hinein wo jeder nun ihm lebt, können nicht anders als uns freuen daß wir es in unserm Innern erfahren und gewonnen haben, und so verkündigen wirs. Ja glauben wir und reden so ist das die Predigt aus dem Glauben, und aus der Predigt kommt der Glaube, | und verbreitet sich auf diese Weise immer weiter: Seht da das ist das neue Gesetz, das Gesetz nach welchem sich in der neuen Welt Gottes das Leben verbreitet von Christo dem Mittelpunkt aus; denn indem er mit dem Vater kommt um Wohnung zu machen in den gläubigen Herzen, seinen Geist den Geist der Kindschaft über uns ausgießt der eben darum weil er uns zu Gottes Kindern macht in uns ruft Abba lieber Vater: so ist nun das das Treiben des Geistes in uns daß das Leben, durch uns, aus Christo sich weiter verbreitet: So sah der Apostel das Amt dem auch er diente, als das Amt aller Christen an weil alle Ein priesterlich Volk sind, so sah er das als die Höchste Vollendung der neuen Welt an wenn das Amt das die Versöhnung predigt von Allen verwaltet wird. Nicht als ob die Gläubigen dieselbe Kraft hätten wie der Erlöser die Welt mit Gott zu versöhnen, nicht als ob sie dasselbe wären was er war, sondern in ihm allein ist das Heil erschienen für Alle und nur an ihm hangend ist es in ihnen, aber durch das Amt kommt es in der Zeit zur Erscheinung, durch das Amt das die Versöhnung predigt wird allmählig in dem natürlichen Menschen das alte Leben zerstört und sie erwachen zu neuer Creatur, der alte Mensch begraben in 3–5 Vgl. Joh 14,23 in Verbindung mit 10,30 6 Vgl. Gal 2,20 7–8 Vgl. 2Kor 5,15 9–10 Vgl. 2Kor 5,18 11–12 Vgl. 2Kor 4,5 12–13 Vgl. 1Petr 2,9 14 Vgl. 2Kor 4,13 18–19 Vgl. 2Kor 4,13; Gal 3,2.5 19–20 Vgl. Röm 10,17 23–24 Vgl. Joh 14,23 24–25 Vgl. Gal 4,5–6 sowie Apg 2,17–18 (Zitat von Joel 2,28–29); Röm 8,14–15 26 Vgl. Röm 8,14 28 Vgl. 1Petr 2,9 29–30 Vgl. 2Kor 5,18 31 Vgl. 2Kor 5,19 34–35 Vgl. 2Kor 5,18 36–1 Vgl. Röm 6,4.6
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den Tod Christi und der neue wird angezogen, und erstarkt allmählig immermehr und die Güter des Heils erblühen immer herrlicher. Von den Gütern des Heils in Christo hatte die Zeit vor ihm nur den Schatten, die ewgen Güter sind erst durch ihn in dem sie von Ewigkeit waren für uns in die Wirklichkeit getreten; Denn eben jene Beschränkung und Bezähmung der Selbstliebe und des Sichselbstlebens, das war der Schatten, alle Regeln und Gesetze waren nur vorbildend das Wesen ist in Christo allein, er ist uns erst geworden zur Weisheit zur Gerechtigkeit und Heiligung wodurch er uns der Erlöser worden ist vor den Banden des Sichselbstlebens in denen der Mensch nur ausrufen konnte: „Wer wird kommen und erlösen mich aus diesen Banden des Todes?“ Darauf hat Gott die Antwort gegeben in dem Sohn den er gesandt als Erlöser von dem Körper der Selbstliebe und des Sichselbstlebens; ja er hat sie befreit von diesem Leibe des Todes um nun Gott zu leben der sie mit sich versöhnt hat durch Christum: So hat allein Gott zu uns geredet durch seinen Sohn, alles Frühere, wie gut und schön es war wir können nicht anders als darauf zurücksehn wie auf den edelsten Irrthum; es konnte dem zum Bilde Gottes geschaffnen menschlichen Geist nicht genügen, weshalb die Besten unter den Menschen sich in Sehnsucht verzehrten. Nun aber hat Gott diese Leere erfüllt, indem er seinen Sohn gab, hat die Sehnsucht erfüllt durch Christum, der eben weil er uns umbildet der Abglanz der schaffenden Kraft Gottes ist, und eben weil er für Alle die an ihn glauben das Amt gestiftet hat das die Versöhnung predigt wodurch das ganze menschliche Geschlecht endlich geheiligt werden wird, ist er gesetzt zum Erben über Alles. Und eben weil er die Heilgung des ganzen Geschlechts ist, uns erneut zu dem Leben aus Gott und uns die Gemeinschaft des Vaters mittheilt, hat er sich als unser Haupt gesetzt zur Rechten der Herrlichkeit Gottes. So wisse es denn nun das ganze Geschlecht der Menschen – und wohl sollen es die künftgen Geschlechter durch uns erfahren – daß kein andrer Name den Menschen gegeben ist darin sie sollen seelig werden! so wisse es, wer sich noch in Sehnsucht verzehrt, daß er keines Anderen zu warten hat, weil der schon da ist, der für die Ewigkeit jede Erfüllung in sich trägt: 6 des Sichselbstlebens] des sich selbstlebens 8–11 wodurch er uns der Erlöser worden … aus diesen Banden des Todes?“] daneben am rechten Rand ohne Einweisungszeichen: diese Sehnsucht das war das höchste wozu der Mensch sich erheben konnte 17 dem] den 1 Vgl. Eph 4,24 2–3 Vgl. Hebr 10,1 7–8 Vgl. 1Kor 1,30 10–11 Vgl. Röm 7,24 sowie Ps 18,4 13 Vgl. Röm 7,24 13–14 Vgl. 2Kor 5,15.19 14–15 Vgl. Hebr 1,2 19 Vgl. Joh 3,16 21 Wohl Anspielung auf Hebr 1,3 21–22 Vgl. 2Kor 5,18 sowie Joh 3,15–16; Apg 10,43 23–24 Vgl. Hebr 1,2 25 Vgl. Eph 4,18 25–26 Vgl. 1Joh 1,3 26–27 Vgl. Apg 7,55; Eph 1,20–22; Kol 1,18; Hebr 1,3 29–30 Vgl. Apg 4,12 31–32 Vgl. Mt 11,3; Lk 7,19–20
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So laßt uns ihm denn uns so hingeben, daß durch ihn immermehr das Alte zerstört wird, und der neue Mensch lebe: – und das Bild Gottes und das Bild seines Sohnes Jesu Christi in ihm!
c. Nachschrift
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Predigt über 2. Cor. 5,17. am zweiten Weihnachtstage 1827 gesprochen von Herrn D. Schleiermacher. | Am zweiten Weihnachtstage 1827. Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Amen.
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2. Cor. 5, 17. Ist jemand in Christo, so ist er eine neue Creatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu worden. Das m. g. F., das ist gleichsam die allgemeine Losung der Christenheit an diesem herrlichen Feste der Geburt unsers Erlösers. Es sind alte Worte der Weissagung, die der Apostel, wie so manches was aus den Tagen des alten Bundes herrührt und vielleicht seine nächste Beziehung auf nähere Fügungen Gottes mit seinem Volke hatte, auf die Ankunft des Erlösers anwendet. „Gedenket nicht mehr des Alten und vergesset das Vergangene,“ spricht der Prophet Jesaias, „denn ich will ein neues machen“ und daraus macht der Apostel eben diese Worte: „Das Alte ist vergangen es ist alles neu geworden. Und eben diese wiederholt der Verfasser der Offenbarung fast buchstäblich eben so, und legt dem, der auf dem Stuhle saß, die Worte in den Mund: „schreibe; denn dieses | Wort ist wahr und gewiß.“ Wahr und gewiß ist es, das Alte ist vergangen und in Christo ist alles neu geworden, ein neuer Himmel und eine neue Erde. Nicht feiern wir sein Fest wie das irgend eines andern geliebten und geehrten Menschen, welcher durch diese oder jene einzelne Wohlthat das menschliche Leben bereichert hat. Nein, alles ist durch ihn neu geworden. Nicht ist es eine Schmeichelei, wie sie sonst wohl die Menschen den Großen und Gewaltigen erweisen, daß wir von 3 in ihm!] folgt auf Bl. 51r am unteren Seitenrand in anderer Handschrift (Crayen): Nicht mit des Griffels leicht verlöschlichen Zügen nur grabe die heilige Schrift seines sinnigen Worts sich uns ein: Sie weh’ als belebender Hauch im gläubig liebenden Herzen. 8–9 Lk 2,14 als Kanzelgruß 5
18–19 Vgl. Jes 43,18–19
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seiner Geburt mit einer neuen Zahl die Jahrhunderte der Geschichte zählen und alles Frühere, je weiter es zurückliegt, desto weiter zurücksetzen; es ist dieß in Wahrheit unser gemeinsames Geschäft, welches sich darin ausspricht. So laßt uns denn mit diesem großen Worte uns begrüßen: Das Alte ist vergangen und alles neu geworden in ihm und dem in unsrer itzigen Betrachtung weiter nachdenken. Laßt uns zuerst fragen: wie dieß große Wort zu verstehen sei, welches seine Gränzen und welches sein Umfang sei. Dann aber positv: wie es mit demselben zugeht und wie es | geschieht. [1.] Freilich, m. a. F., sehen wir auf das Äußere der uns umgebenden Welt und auf die Gestaltung unsres Lebens in äußerlicher Beziehung, so ist alles noch das Alte. Es sind dieselben Gesetze, nach denen die Gestirne rollen und ihren Einfluß auf unsre Erde ausüben; dieselben Gesetze nach denen sie sich bewegen und ihren Lauf machen seit ihnen der Ewige ihre Bahn angewiesen hat im unendlichen Raum. Eben so kehren Sonne und Mond wieder; eben so erzählen die Zeiten des Jahres und die von Außen her den Menschen zuströmenden Empfindungen; alles ist das Alte. Ja auch die Gesetze des menschlichen Lebens, der Geburt und des Scheidens, der Wechsel zwischen Wohl und Wehe, zwischen Gesundheit und Krankheit, alles ist dasselbe. Himmel und Erde haben sich nicht geändert oder verschönert, seitdem der Menschen-Sohn erschienen ist. Aber alles ist neu geworden im Innern, alles ist neu geworden im Gebiete des geistigen Lebens, in den Trieben und Regungen des menschlichen Herzens. Fragen wir den | Apostel, was er damit meint, daß alles neugeworden sei, so laßt uns nun hören die Worte die unserm Texte vorangehen. Also spricht er: „die, so da leben, leben hinfort nicht ihnen selbst, sondern dem, der für sie gelebt hat, für sie gestorben und auferstanden ist. Wir, die in Christo sind, kennen von nun an niemand nach dem Fleisch und so jemand Christum gekannt hat nach dem Fleische, so kennt ihn doch itzt nicht mehr so. Denn ist jemand in Christo, der ist eine neue Creatur und also ist das Alte vergangen und alles ist neu geworden.“ Das also m. th. F., das ist der Umfang dieses großen Wortes. In Christo und durch ihn leben wir nicht mehr uns selbst, in und durch Christum kennen wir niemand mehr nach dem Fleisch und wer in Christo ist, ist eine neue Creatur. Ist es denn aber wahr, daß vor ihm und außer ihm alle, die da lebten, immer nur sich selbst lebten[?] Hat man nicht von Jeher einen Unterschied gemacht zwischen würdigen, selbstsüchtigen und edelgesinnten Menschen? Hat man nicht unter den letzten immer diejenigen verstanden, welche sich selbst | hinzugeben und zu verläugnen 27–33 Vgl. 2Kor 5,15–17
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wußten, nicht mehr für sich, nur für andre lebend? Das wollen und dürfen wir nicht leugnen, aber, laßt es uns genauer überlegen m. th. F. Was waren alle Gebote, die Gott der Herr seinem Volke gab, alle die Gesetze, die diejenigen, von denen der Apostel sagt, daß weil sie das Gesetz nicht hatten, sie sich selbst ein Gesetz geworden seien in ihrem Innern, gemacht haben für ihr Leben, was alle Ermahnungen der Weisheit, die ausgesprochen sind, als nur Beschränkungen der Selbstliebe, daß sie nicht über die Gränzen, in welchen allein das menschliche Geschlecht zusammengehalten werden kann, hinausginge. Was aber nun beschränkt wird, mit Noth und Mühe beschränkt werden kann, was eine solche Gewalt hat, daß man es für den größten Ruhm, für die größte Ehre versteht, wenn es nur beschränkt werden kann auf irgend eine Weise, das bleibt doch und besteht und lebt. Und so können wir nicht leugnen, selbst die Gesetze, die den Menschen gegeben sind und die sie sich selbst gaben | zeugen dafür, daß alle, die leben, nur sich selbst leben wollen. Wenn zur Besiegung der sinnlichen Triebe und ausschweifenden Leidenschaften der Menschen Schaam und Ehre als heilige Güter des menschlichen Geistes und Lebens ausgerufen wurden, was war das anders, als nur ein neues Zeugniß, daß alle Menschen sich selbst leben? Denn wodurch werden sie gehalten, wenn sie durch dieß beides gehalten werden? Nur sollen sie sich hüten, sich selbst anzuschwärzen und zu erniedrigen; sie sollen suchen, die Ruhe zu behalten, daß sie unbefleckt vor andern daständen. Und so lebten sie nur sich selbst und wenn sie der Ehre nachgingen und sie suchten, was war das anders, als eine Erweiterung und Vergrößerung dieses sich selbst Lebens durch die Anerkenntniß andrer und worauf gingen zuletzt alle Pnoch soS gepriesenen sittlichen Gesetze und Regeln für das menschliche Leben zurück, als diesen beiden, der Schaam und Ehre ihr Gebiet zu sichern und ihre Gewalt über das | menschliche Gemüth. Doch wir werden dieß deutlicher verstehen im Sinne des Apostels, wenn wir das Zweite hinzunehmen: „Von nun an kennen wir niemand mehr nach dem Fleisch und haben wir Christum erkannt nach dem Fleisch, so kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr so.“ Was er damit meint, m. th. F. ist wohl ohne große Erklärung deutlich. Er meint die Verwandtschaft, die auf der gemeinsamen Abstammung und auf der damit zusammenhangenden Aehnlichkeit der Menschen beruht. Auf diese sehen und dieser einen Einfluß im Leben, ein Recht und eine Gewalt über unsre Handlungen einräumen, so daß wir diejenigen uns näher achten, welche uns verwandt sind nach dem Fleisch, heißt jemand nach dem Fleische kennen. Was ist das anders, als wieder nur eine Erweiterung des sich selbst Lebens? Sich selbst spiegelt der Mensch ab und erkennt sein eigenes Bild in denjeni25 Gesetze] Gefühle 29–31 Vgl. 2Kor 5,16
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gen, die nach dem Fleisch ihm zugehören und läßt diejenigen, die sich in der Aehnlichkeit mit ihm weiter PentfernenS, mit Widerwillen zurück. Darauf m. th. F. beruhten und gingen zurück auch die helden|muthigsten Aufopferungen und Selbstverleugnungen, die uns aus der frühern Geschichte des menschlichen Geschlechtes bekannt sind. Diejenigen, die jedem nach dem Fleisch angehörten, waren sein erweitertes Selbst; dem wollte er leben und die Edleren und Hochgesinnten waren im Stande für das gemeinsame Wohl derer, die ihnen vertrauter waren nach dem Fleisch sich selbst hinzugeben. Ja der Apostel sagt – und wenn er gleich „wir“ sagt, so gilt das nicht von ihm persönlich; er gewiß war von allen der freieste; – aber er sagt, auch unter den Christen seien viele, die Christum erkannt hätten nach dem Fleische. Das waren alle diejenigen, die stehen blieben bei den ersten und unvollkommensten Vorstellungen von dem in Christo den Menschen gewordenen Heil, kraft dessen er wieder sein Volk, dem er angehörte nach dem Fleische, selig machen sollte und erretten aus dem Zustand der Erniedrigung, in welche es versunken war. Die ihn aber erkannten nach dem Fleisch, lebten | auch nicht ihm, sondern nur wieder sich selbst und hatten auch kein Theil daran, daß das Alte vergangen war und alles neu geworden. Ja, wenn wir von hier aus noch weiter zurückgehen m. g. F., so können wir es nicht leugnen, auch PwoS in einem höhern oder geringern Grade in den Menschen war ein Bewußtsein des höchsten Wesens, es war mit in diesen Abgrund des Sichselbstlebens hineingezogen. So verehrte fast ohne Ausnahme das alte Volk des Bundes in frühern Zeiten den Jehova als seinen Gott, der ihm ausschließend eignete, ihn gegenüberstellend, freilich in großem Preis und Verherrlichung und die andern verachtend, aber doch gegenüberstellend den falschen Göttern andrer Völker und so richtete jedes Volk seinem eignen Gotte oder seinen Göttern Altäre auf und richtete die heiligen Gebräuche an und auch dieß war nichts anders als ein, daß ich so sage, den Höchsten erkennen nach dem Fleisch und alles war in dieß Sichselbstleben hineingezogen, daß die Menschen nicht im Stande waren, sich darüber zu erheben. Das ist das Alte, das ist das, was vergangen ist und ein Neues geworden. Ist nun | ein solches Neues in der That geworden? Sind wir in Christo los von dem Unsselbstleben? Kennen wir weder ihn, noch irgend einen andern Menschen nach dem Fleisch, so können wir auch nicht PanstehenS auch das Dritte zuzugeben, was der Apostel sagt: so jemand in Christo ist, der ist eine neue Creatur. Denn ist jenes vergangen und ein andres an seine Stelle getreten, so ist das ganze frühere Leben vergangen und jemehr das Neue geworden ist, jemehr ist das andre abgetreten in seinen tiefsten innersten Wurzeln. Und so stellt auch die heilige Schrift es überall dar, dieser Apostel sowol als alle andre ohne Ausnahme: 10–12 Wohl Anspielung auf 2Kor 11,18; vgl. dazu 2Kor 11,4–5.13.22–23; Gal 1,6– 3,5; Phil 3,2–21 35–36 Vgl. 2Kor 5,17
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wir sollen näher bringen an unsern Leib das Sterben Christi, daß sein Leben sterben werde; indem wir uns ihm weihen im Wasserbad der Taufe, sollen wir mit ihm begraben werden; der alte Mensch soll sterben und auferstehen zu einem neuen Leben, in welchem wir nicht mehr uns selbst leben und niemand mehr kennen nach dem Fleisch. Das ist nichts Geringeres als eine gänzliche Verwandlung und wohl mag denn alles andre dasselbe geblieben sein, alle Gesetze des Himmels und der Erde die nämlich | die ganze äußerliche Gestaltung des menschlichen Lebens unverändert dieselbe, dennoch gewiß ist denn alles neu geworden, ja mit Recht sagen wir ein neuer Himmel und eine neue Erde, denn wir haben ein neues Auge des Geistes empfangen, mit dem wir beides erblicken und eine andre Kraft, mit der wir auf diese wirken, deren Theil zu nehmen, daß ein Tag dem andern sage und Erde und Himmel verkünden, wie der Höchste waltet, was er begehret und welchen Tempel er sich aufgerichtet hat im menschlichen Geschlecht. Das ist es, m. g. F., wozu der Erlöser gekommen ist; ihm allein wird es zugeschrieben. Diejenigen, die nicht mehr sich selbst leben – sie sollen dem leben, der der ihrige geworden ist im Leben und im Tode, der ihre Verherrlichung geworden ist und Auferstehung, indem er sich gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe. Ist jemand eine neue Creatur, so ist er es in Christo; kennt einer niemand mehr nach dem Fleisch, so kommt es daher, weil er im Geiste lebt, der es von Christo nimmt und es erkennt und verkündigt. | 2. Aber fragen wir uns nun zweitens, wie wohl solches zu geht, so fühlen wir es, daß wir vor dem tiefsten Geheimniß stehen, – in welches uns gelüsten kann hineinzuschauen und vor dem größten Wunder, das geschehen ist vor unsern Augen. Wie ist es möglich, daß der Mensch sich löst von sich selbst und daß es ein Menschenkind auf Erden gebe, welches in der That und Wahrheit sagen möge, es lebe nicht mehr sich selbst? Läßt sich beides trennen, leben und sich selbst leben? Ist leben etwas andres als die einen bewegende Kraft, die sich bewußt ist ihrer selbst und kann die anders, als auf sich selbst zurückgehen? Eben darum nun laßt uns hören, wie der Apostel es beschreibt in den auf unsern Text folgenden Worten, indem das Alte vergangen sei und alles neugeworden, und wie solches zugeht? Das alles von Gott, der in Christo vor uns die Welt mit ihm selber versöhnte durch Christum und das Amt gegeben, welches die Versöhnung predigt. Seht m. g. F., das ist | das eine große Geheimniß, welches sich unserm Herzen an diesem Tage aufschließen 1–2 Vgl. 2Kor 4,10 2–4 Vgl. Röm 6,4.8; Eph 5,26 4–5 Vgl. 2Kor 5,15–16 9–10 Vgl. Offb 21,1 12–13 Vgl. Ps 19,1–2 16–18 Vgl. 2Kor 5,15 18– 19 Vgl. Hebr 1,3 19–20 Vgl. 2Kor 5,16–17 21 Vgl. Gal 5,25; 1Petr 4,6 21 Vgl. Joh 16,14 34–36 Vgl. 2Kor 5,18–19
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soll. Gott war in Christo; Gott versöhnte die Welt mit ihm selbst; Gott stiftet das Amt das die Versöhnung predigt und eben dadurch immer mehr das Alte zerstört und das Neue aufrichtet. – Was ich vorher sagte, wie es wohl möglich sei, daß der Mensch sich von sich selbst lösen könne eines Lebens ohne sich selbst zu leben, das leuchtete in dieser Allgemeinheit unserem Erlöser so sehr ein, daß er sich nicht scheute, sich so weit herabzulassen zu dem allgemeinen menschlichen Gedanken, daß er sich auch hiegegen vertheidigte. Wie viele solche Regeln hat uns nicht der Jünger, den er lieb hatte, aufbewahrt, wo der Herr sagt: ich suche nicht meine Ehre, sondern dessen der mich gesandt hat; wenn ich meine Ehre suchte, so wäre ich nichts. Höret und schreibt dieß Wort in eure Herzen, das ist das Wahre und Gewisse, der seine eigne Ehre sucht lebt sich selbst und wer sich selbst lebt ist nichts. Denn auch der Erlöser, wäre er nur gewesen ein Menschenkind wie alle, wenn gleich | der weiseste unter allen und vortrefflichste, wenn gleich auf der höchsten Spitze des sich selbst verleugnenden Edelmuths, der aber nur dem leben konnte, was er nach dem Fleische erkannte, wäre er nichts weiter gewesen, er wäre dem nicht entgangen seine Ehre zu suchen; er hätte die Gewalt, die er über die menschlichen Gemüther ausübte, müssen für einen Raub ansehen, wenn gleich für einen, der ihm gebührte und seine Herrlichkeit aufrichten und dann wäre er nichts gewesen, wie alle andern. Aber er allein konnte nur davon befreit sein, er allein derjenige, vor dem alles Alte vergeht und zerstäubt und der alles neu macht, nur dadurch daß Gott in ihm war. Gott war in Christo und darum konnte er alles neu machen. Gott war in Christo und darum ist es möglich, daß diejenigen, die in Christo sind alle so wenig sich selbst leben, als er. Weil Gott in Christo war, darum konnte er dem Gott leben, der in ihm war. Hätte er ihn nur äußerlich gehabt, so wäre er auch ihm nichts geworden als ein Gesetz, welches die Selbstliebe beschränkt, denn | so finden wir es von Anbeginn an; die leiseste Ahndung Gottes wird im Menschen ein PTadelS dessen, daß er sich selbst PbesitztS; sie wird in ihm zum Gewissen, welches ihn richtet und niederschlägt. Aber wenn wir gleich das Licht des göttlichen Willens erblicken und ihm dienen wollen mit unserm Gemüth, so können wir es nicht. Weil aber Gott in Christo war, darum weil es zugleich sein Leben war, Gotte zu leben, darum lebte er Gott; darum suchte er nicht seine eigne Ehre, sondern konnte nichts suchen als die Ehre des Vaters. Er mußte sagen können: „ich und der Vater sind Eins“, um das in der That und Wahrheit sagen zu dürfen, daß er nicht seine eigne Ehre suche, sondern die Ehre dessen, der ihn gesandt hatte. Und eben, weil nur dadurch, daß Gott in Christo war, Christus selbst vermochte nicht sich selbst zu leben und nie1–3 Vgl. 2Kor 5,17–19 9–11 Vgl. Joh 8,50 in Verbindung mit 7,18 12 Vgl. Joh 7,18 18–19 Anspielung auf Phil 2,6 23 Vgl. 2Kor 5,18 36 Joh 10,30 37–38 Vgl. Joh 8,50 in Verbindung mit 7,18
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manden nach dem Fleisch zu kennen, sondern indem er sein Leben beschränkte auf den Dienst unter seinem Volk indem er sich aus den Unmündigen des Volks diejenigen | auswählte, in denen er das Amt, die Versöhnung zu predigen, stiften wollte, folgte er nur denjenigen ersten Gesetzen des menschlichen Lebens, die unverändert geblieben sind und immer dieselben bleiben müssen. Aber eben deswegen, weil er nur insofern und deshalb, weil Gott in ihm war, vermochte nicht sich selbst zu leben und niemand nach dem Fleisch zu kennen, vermögen auch wir nur dadurch eine neue Creatur zu werden, daß Gott, der in Christo war, durch ihn die Welt mit ihm selbst versöhnte, darum ist es so wie ich vorher sagte und wie es uns allen unser Gefühl bezeugt, daß auch die leiseste Ahndung des höchsten Wesens den Menschen eine Verdammung wird eben dieses alten Zustandes, in welchem er sich selbst lebt. Denn er kann nicht anders als sich selbst für so wichtig und so vorzüglich erkennen, wie eben dieß die Schriften des alten Bundes, die von den Menschen nicht anders reden können, als sofern er die alte Creatur war, auf ihren schönsten geistreichsten, zugleich demüthigendsten und erhabensten Blättern | bezeugt: „der Mensch vergeht wie das Gras des Feldes, er verwelkt wie die kurz blühende Blume, sein Leben ist wie ein Hauch des Windes, der dahin fährt,“ so und nicht anders kann es sich denken, wenn es das höchste Wesen denkt; das so Sichselbstleben kann er nicht anders als für ein Geringes und Verachtenswerthes halten. Aber weil er nicht davon lassen kann, sondern sich immer selbst leben muß, so gewiß er auf die Erde gesetzt ist, eben deswegen ist das Fleischlichgesinntsein, das alles nur nach dem Fleische Kennen, die Feindschaft wider Gott. Darum sucht der Mensch sich, weil er nicht anders kann als sich selbst leben, jenem Bewußtsein zu entziehen und erstickt es in der Fülle des Vergänglichen und Nichtigen und zieht, weil er auch dieß nicht ganz vernichten kann, sein Denken des Höchsten und sein Bewußtsein des Höchsten in den Wahn und die Thorheit des Vergänglichen hinein. Darum mußte Gott in Christus sein und die Welt mit ihm selbst versöhnen, nicht anders als dadurch | daß das, was der Grund der Feindschaft gegen Gott war und sein mußte in uns aufgehalten wurde und das geschieht auf keine andere Weise, als wie der Apostel sagt, so wie Gott in Christus war, so muß Christus in uns leben. Ist er aber so unser innerstes Leben, wie Gott und sein Leben das Leben Christi war, nur dann vermögen auch wir, nicht uns selbst zu leben, sondern dem, den Gott für uns gegeben hat und PdarinS seine Liebe gegen uns gerichtet, daß er selbst dadurch die PHand gebotenS 19 Windes] Mundes 3–4 Vgl. 2Kor 5,18 7–10 Vgl. 2Kor 5,15–19 17–19 Vgl. 2Kön 19,26; Ps 103,15–16; Jes 40,6–8; 51,12; 1Petr 1,24; Jak 1,10–11 33–34 Vgl. Gal 2,20; 2Kor 5,19
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hat, die Feindschaft, die das Fleischlichgesinntsein in den Herzen der Menschen gestiftet hat, aufzuheben. Darum, m. g. F., ist Christus erschienen, so ist er uns doch noch nichts, wenn er nicht in uns lebt, wenn er uns nur ein äußerliches ist und bleibt und so kann er uns sein ein Gegenstand der höchsten Verehrung, aber wir erfahren es noch oft genug, wie diese auch hinabgezogen wird in den Strudel des Sichselbstlebenwollens, des alles nach dem Fleische Kennens [ ] | ein Gegenstand der Verehrung, ein Gegenstand der tiefsten aber doch vergeblichen Sehnsucht, vergeblich wenn nicht das Wort wahr ist, daß, wenn die beladene und bekümmerte Seele zu ihm kommt, wenn sie ihn auch nur als einen Gegenstand der Verehrung ansieht und sich ihm öffnet, daß er kommt mit dem Vater, mit dem er Eins ist, Wohnung zu machen in ihrem Herzen. Hat Per dieS Wohnung gemacht, dann sind wir Gott versöhnt im Sohne, dann können wir sagen mit dem Apostel, daß wir nicht leben, sondern Christus in uns; dann sind wir losgerissen von dem uns selbst Leben und leben dem, der für uns gekommen ist und gestorben und auferstanden. Aber endlich gehört auch noch das Dritte hinzu. Gott nämlich hat gestiftet durch Christum das Amt, das die Versöhnung predigt. Nicht, m. g. F., diesen besondern Dienst. Diejenigen, die in einen besondern Dienst der | Verkündigung des göttlichen Wortes treten, die sind nun Knechte, wie der Apostel sagt. Wir, die in Christo leben, wir alle sind ein priesterlich Volk, alle von Gott beseeligt und begnadigt mit dem Amt, welches die Versöhnung predigt. Denn das ist das ewige Gesetz des Herrn, welches das Alte verdrängt hat: glaube ich, so rede ich, weil wir glauben, so reden wir; wir können nicht anders, als dem die Ehre geben, dem sie gebührt; wir können nicht anders als uns freuen und jauchzen, daß, nachdem das Alte vergangen und die Schmach der Menschen getilgt ist, keiner mehr sich selbst lebet, sondern die in Christo sind und in ihm leben, mit ihm Gott leben, wir können nicht anders als uns dessen freuen und wie wir es in unserm Innern gewiß haben, so reden wir auch und verkündigen, glauben wir aber und reden, so ist dieß die Predigt der Versöhnung und aus der Predigt kommt der Glaube und durch den Glauben kommt der Geist. | Sehet, m. g. F., das ist das neue Gesetz, welches den neuen Himmel und die neue Erde regiert, die sich von Christo als dem Mittelpunkt aus gestalten, von ihm in welchem Gott war, die Welt mit sich 7 Kennens] folgt eine Lücke bis zum Zeilenende, etwa ein Drittel der Zeile sich sich
27 sich]
9–10 Vgl. Mt 11,28 sowie Jer 31,25 11–12 Vgl. Joh 14,23 in Verbindung mit 10,30 13 Vgl. Röm 5,10 14 Vgl. Gal 2,20 14–16 Vgl. 2Kor 5,15 17– 18 Vgl. 2Kor 5,18 18–20 Vgl. 2Kor 4,5 20–21 Vgl. 1Petr 2,9 22 Vgl. 2Kor 5,18 23–24 Vgl. 2Kor 4,13 24–25 Vgl. Röm 13,7 30–31 Vgl. 2Kor 4,13; 5,18 31 Vgl. Röm 10,17 31–32 Vgl. Gal 3,2.5.14 32–33 Vgl Offb 21,1 34–1 Vgl. 2Kor 5,19
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zu versöhnen und in dem er kommt Wohnung zu machen, seinen Geist ausgießt, welcher rufen kann: Abba, lieber Vater, und durch das Treiben dieses Geistes, durch das Reden vom Glauben, der uns beseelt soll sich beides immer weiter verbreiten. So sah der Apostel das Amt, dem er selbst auch diente, dem alle Christen dienen, deswegen, weil wir alle ein priesterlich Volk sind; so erschien ihm dieß als die höchste Vollendung jener neuen Creatur jener neuen Welt. Nicht, m. g. F., als ob die Gläubigen dieselbe Kraft hätten, die Welt mit Gott zu versöhnen, wie Christus, in welchem Gott war, nicht als ob sie dasselbe wären durch sich selbst und für sich allein, sondern sie haben sie nur an ihm hangend und von ihm beseelt. Er hat es nicht nur begonnen, sondern in ihm ist es ewig vollbracht, aber durch das Amt, welches [die Versöhnung] predigt, kommt es | im Geistlichen zur Erscheinung, zerstört in den Menschen das alte Leben und erweckt sie zur neuen Creatur; es wird immer mehr der alte Mensch begraben in den Tod Christi und der neue Mensch angezogen, der geschaffen ist in Weisheit und Gerechtigkeit. Denn von diesen heiligen Gütern hatte die Zeit vor der Erscheinung des Herrn nur den Schatten; die ewigen Güter selbst sind erst mit ihm gekommen. Alle jene theilweise Beschränkung und Bezähmung der Selbstliebe war uns Schatten der Weisheit und Gerechtigkeit; alle Regeln und Gesetze, die daraus hervorgingen waren nur Vorbilder künftiger Güter, das Wesen ist in Christus Jesus, er allein hat es ans Licht gebracht, er ist uns geworden zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung, weil er die Erlösung geworden ist von den Banden des Fleisches, von den Banden des leidigen Sichselbstlebens, in welchem der Mensch immer ausrufen mußte: wer wird kommen mich elenden Menschen zu erlösen | von diesem Leibe des Todes! Darauf hat Gott die Antwort gegeben – allen, die verlangen sie zu hören in dem Sohne; der ist gesendet alle zu erlösen von dem Leibe des Todes, von dem Kerker der Selbstliebe, des Sichselbstlebens und erhebt alle zur Freiheit der Kinder Gottes, die nichts begehren als Gott zu leben, der sie mit sich selbst versöhnt hat in Christo. So, m. g. F., so hat Gott zu uns geredet in den letzten Tagen durch seinen Sohn. Alles Frühere – wir können nicht anders darauf zurücksehen, als daß auch der Weiseste mit Irrthum, das Edelste mit Unreinigkeit gemischt war – es war das Alte, was vergehen mußte, was dem zum Bilde Gottes geschaffenen Geiste nicht genügen konnte und weshalb die Besten und Edelsten sich verzehrten in ungestillter Sehnsucht. Nun aber hat Gott geredet durch seinen Sohn; weil Gott in ihm war, ist er das Ebenbild seines Wesens; weil es uns alle umbildet, ist er der Abglanz 1 Vgl. Joh 14,23 1–2 Vgl. Apg 2,17–18 (Zitat von Joel 2,28–29); Röm 8,15; Gal 4,6 2–3 Vgl. Röm 8,14 3 Vgl. Röm 10,8; Gal 3,2.5 5–6 Vgl. 1Petr 2,9 8 Vgl. 2Kor 5,19 11–12 Vgl. 2Kor 5,18 14 Vgl. Röm 6,4.6 14–15 Vgl. Eph 4,24 15 Vgl. 1Kor 1,30 16–17 Vgl. Hebr 10,1 21–23 Vgl. 1Kor 1,30 24–25 Vgl. Röm 7,24 28–29 Vgl. Röm 8,21 29–30 Vgl. 2Kor 5,15.19 30– 31 Vgl. Hebr 1,2 36 Vgl. Hebr 1,2 36–1 Vgl. Hebr 1,3
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der schaffenden Herrlichkeit; weil wir ihm leben und nicht uns selbst | und alle das Amt führen, welches die Versöhnung predigt, ist er gesetzt zum Erben über alles, und weil er die Reinigung von unsern Sünden vollbracht hat durch sich selbst, weil er, indem er sein Leben in das unsere ausgießt und uns zu den Seinigen ernennt, was der Gemeinschaft mit Gott fähig macht und sie uns mittheilt, in der er selbst lebt, aber deswegen hat er sich, nachdem er sein Geschäft auf Erden vollbracht hat, gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe.
[Liederblatt vom 26. Dezember 1827:] Am zweiten Weihnachtstage 1827. Vor dem Gebet. – Mel. Lobt Gott ihr Christen etc. [1.] Also hat Gott die Welt geliebt, / Die Welt voll Sündenschuld, / Daß er den eingen Sohn ihr giebt; / Wie groß ist Gottes Huld! // [2.] Was sein erbarmungsvoller Rath / Beschloß von Ewigkeit, / Die große wundervolle That / Vollführt er in der Zeit. // [3.] Er unser Heil und höchstes Gut, / Der Alle segnen kann, / Nimmt wie die Kinder Fleisch und Blut / Doch ohne Sünde an. // [4.] Ich freue mich, o Herr, in dir, / Du wardst ein Mensch, wie ich! / Was fehlt mir nun? Ist Gott mit mir, / Wer ist dann wider mich? // [5.] Was mir zur Seligkeit gebricht, / Das, Herr, erwarbst du mir; / Versöhnung, Leben, Trost und Licht, / Das hab ich nun in dir. // [6.] Dein Mangel wird mein Ueberfluß, / Dein Leiden stillt mein Leid; / Dein Niedrigsein schafft mir Genuß / Der höchsten Herrlichkeit. // [7.] Gelobt sei Gott, gelobt sein Sohn / In dieser Freudenzeit! / Lobt Engel ihn vor seinem Thron, / Erheb’ ihn Christenheit. // Nach dem Gebet. – Mel. Mein Freund zerschmelzt etc. [1.] Sohn Gottes, der vom Himmel sich gesenket, / Der du zu mir herab ins Elend kamst, / Was für ein Trieb hat mächtig dich gelenket, / Daß niedre Knechtsgestalt du an dich nahmst? / Die Liebe hats allein gethan, / Sie sah erbarmend mich in meinem Jammer an. // [2.] So groß ist ja die Lieb’ in deinem Herzen, / Daß du für mich das größte Wunder thust. / Die Liebe bringt dir nichts als bittre Schmerzen, / Da mir zu gut du nie vom Kampfe ruhst. / O unerhörte Liebesglut, / Daß selbst das ewge Wort nahm an sich Fleisch und Blut. // [3.] Des Höchsten Sohn ist uns nun gleich geworden, / Ein Mensch wie wir der Herr der Herrlichkeit; / Die Gottheit selbst tritt in der Menschen Orden, / Die Ewigkeit vermählt sich mit der Zeit. / Das Leben kehret bei uns ein: / Das Licht der Welt, es wohnt bei uns mit seinem Schein. // [4.] Die Weisheit wohnt nun wieder auf der Erden, / Ein neues Paradies hebt für uns an. / Wir können nun aus Gott geboren werden, / Wenn wir dem Menschgebohrnen gläubig nahn. / Die neugeschaffne Seele spürt, / Daß sie 2 Vgl. 2Kor 5,18 7–8 Vgl. Hebr 1,3
2–3 Vgl. Hebr 1,2
3–4 Vgl. Hebr 1,3
5–6 Vgl. 1Joh 1,3
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ein höh’rer Geist aus Nacht und Tod geführt. // [5.] Kein Elend kann nun meiner Seele schaden, / Immanuel ist bei mir in der Noth; / Ich darf zu ihm nur gehn dem Quell der Gnaden, / So hab ich Trost für Elend, Schmerz und Tod. / Der Jammer, der noch an mir klebt, / Kann nicht verderblich sein, weil Christus in mir lebt. // [6.] Die Sünde kann mich auch nicht mehr verdammen, / Denn meines Heilands Tod kommt mir zu gut; / Und drohen mir verderblich ihre Flammen, / So lösch’ ich sie mit Christi theurem Blut. / Mein Jesus dämpft den bösen Trieb, / Er läßt die Seele nicht, er hat sie viel zu lieb. // [7.] Auf, auf, mein Geist! Stimm an die Freudenlieder, / Erhebe dich durch seiner Gnade Macht! / Des Himmels Glanz bestrahlt dich freudig wieder; / Was du verlorst ist völlig wiederbracht. / O welch ein überschwenglich Heil: / Die Kindschaft Gottes wird durch Christum mir zu Theil. // Nach der Predigt. – Mel. Lasset uns den Herren preisen etc. Du, o Gottes höchste Gabe, / Du des Vaters ein’ger Sohn, / Du der Seelen reichste Habe, / Und des Glaubens größter Lohn! / Laß mich neu geboren werden, / Bilde mich nach deinem Sinn, / Nimm mich ganz zu eigen hin, / Daß ich dein schon sei auf Erden; / Dann lobsingt mein Leben dir, / Treuer Heiland für und für. //
Am 30. Dezember 1827 früh Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge: Texteditionen: Andere Zeugen: Besonderheiten:
Sonntag nach Weihnachten, 7 Uhr Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 1Thess 5,6–11 Nachschrift; SAr 66, Bl. 52r–53v; Woltersdorff Keine Keine Teil der vom 17. Juni 1827 bis zum 17. Februar 1828 gehaltenen Homilienreihe zum 1. Thessalonicherbrief
Aus der Predigt am S. nach Weihnacht. 27. 1 Thess. 5, 6–[11.]
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Vorher hatte der Apostel gesprochen von denen welche der Tag des Herrn ergreifen werde wie ein Dieb in der Nacht, indem sie sich sagten es habe keine Gefahr. Zugleich aber hatte er den Christen zugerufen sie seien Kinder des Lichts und des Tages und sollten beständig als solche wandeln. Und an diese Ermahnung knüpfen sich nun diese verlesenen Worte an. Wenn der Apostel nun sagt, die, die da sagen es habe keine Gefahr die seien anzusehn als solche die da schlafen, also als von der Nacht, wir aber als des Tages sollen wach sein so setzt er dem Wachen noch hinzu das Nüchternsein und sagt, die da schlafen die schlafen als des Nachts und die da trunken sind die sind trunken als des Nachts, wir aber sollen wach sein und nüchtern denn wir sind des Tages. Zweierlei also ists was er hier als die Abweichung von dem rechten Zustande des Menschen in Beziehung auf den Tag des Herrn bezeichnet, und wir können nicht zweifeln darüber wie wir Beides zu unterscheiden haben voneinander. Der erste nemlich ist der sorglose, der andre der leidenschaftlich erregte Zustand des Gemüths wenn es von den Dingen dieser Welt befangen ist. Beides stellt er dar als ungeziemend; denn die da schlafen sind nicht im Stande die Werke des Herrn zu thun weil es ihnen an der rechten darauf gerichteten Thätigkeit fehlt: die aber die trunken sind, das sind die die verkehrten Werke der Welt thun. Je tiefer nun der Schlaf ist und je wilder die Trunkenheit, desto größer ist das Elend und um 21 das] daß 3–6 Vgl. 1Thess 5,2–3.5–6; Schleiermacher hatte seine Homilienreihe zum 1. Thessalonicherbrief am 16. Dezember mit einer Predigt über 1Thess 5,1–6 fortgesetzt, die nicht durch Nachschriften dokumentiert ist. 8 Vgl. 1Thess 5,3
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desto mehr ergreift sie Alles was ein Tag des Herrn ist wie ein Dieb in der Nacht. Die aber welche des Tages sind und als solche im Lichte wandeln weil sie von dem Lichte von Oben erleuchtet sind, denen kommt weder das eine noch das andre, sondern das Wachen ist ihnen natürlich und das Nüchternsein ebenfalls. Der Apostel Johannes sagt: „wenn wir im Lichte wandeln so haben wir Gemeinschaft mit ihm“: Und eben diese Gemeinschaft die ists an die der Apostel Paulus hier erinnert, und die wir uns neulich vergegenwärtigten durch das Wort des Herrn: „Wohl dem Knechte den sein Herr wachend findet“: Denn das ist unsre Gemeinschaft mit ihm, daß er der Herr ist und wir die Diener sind, wir können nicht anders als sein Werk vollziehen mit seiner Kraft. Aber freilich ists hier im engeren Sinne gemeint als der ist wenn wir irdischer Weise das Verhältniß eines Herrn und Knechts nehmen; denn freilich auch der Knecht erhält um das Werk des Herrn zu vollziehen Alles von diesem, aber doch muß er seine lebendigen Kräfte mit dazu nehmen; wir aber als Knechte des Herrn wir haben keine anderen lebendige Kräfte als die die wir von ihm haben, wenn wir die gebrauchen so können wir nicht anders als nüchtern sein, denn die Kraft die wir von ihm empfangen die ist das daß wir ihn lieben und lieben wir ihn, so ist unsre Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet, auf sein Reich, und wir werden von keinem Gefühl stark bewegt als von dem einzigen, der Liebe zu ihm, und das ist der Grund aller Wachsamkeit und Nüchternheit in den Selen der Christen. So beschreibt es der Apostel wenn er sagt: nüchtern sein, angethan mit dem Krebs des Glaubens und der Liebe. Das ist wol sehr natürlich daß der Apostel indem er an diesen natürlichen Zustand der Christen denkt und an das was ihnen obliegt auch zugleich an den Streit denkt in den sie immer begriffen sind und darum stellt er die Nüchternheit und Wachsamkeit als unzertrennlich damit daß er mit guten Waffen zu diesem Streite versehen sei, dar. Auch hier sehn wir zusammen was der Apostel so oft zusammen stellt, nemlich Glaube, Liebe, Hoffnung, wobei er aber immer sagt, daß die Liebe das Größte sei. | Und das sind die Wehr und Waffen die wir durch Christum zu Vollbringung seines Werks erhalten, und wie der Krieger seine Waffen nicht ablegt bis die Gefahr vorüber, der Streit beendet ist: so sollen wir sie fest halten bis zu Ende, so lange die Kräfte in uns thätig sind. Indem aber nun der Apostel zu der Liebe und dem Glauben ohne welche der Zustand der Christen nicht zu denken ist, noch hinzufügt 3 Vgl. auch Jak 1,17 5–6 Vgl. 1Joh 1,6–7 7–9 Vgl. Lk 12,37; ferner Mt 24,46. Eine Predigt Schleiermachers über diese Textstelle ist für 1827 nicht nachweisbar, die Textstelle ist auch nicht Bestandteil der von der Perikopenordnung vorgesehenen Evangeliumslesungen. Möglich wäre, dass Schleiermacher sich auf die Vorbereitungsrede zum Abendmahl am 25. Dezember bezieht, zu der keine Predigttextangabe vorhanden ist. 28–30 Vgl. vor allem 1Kor 13,13; ferner 1Thess 1,3 30–31 Vgl. den Anfang von Martin Luthers Choral „Ein’ veste Burg ist unser Gott, ein’ gute Wehr und Waffen“; Geistliche und Liebliche Lieder, ed. Porst, 1728, Nr. 519
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die Hoffnung: so läßt er sich herab zu der Schwachheit (nemlich indem er die Hoffnung als Besonderes darstellt) denn der welcher in der Kraft des Glaubens auch das von sich sagen kann: was ich lebe das lebe nicht ich sondern Christus in mir, und wer in der That von sich sagen kann daß immer der Glaube durch die Liebe thätig ist, wie ja der Geist nicht anders kann als thätig sein, und wie so des Erlösers erlösende Liebe fortwirkt, der kann eigentlich nicht sagen daß er die Hoffnung der Seeligkeit hat, sondern er hat die Seligkeit selbst schon, wie ja auch Christus sagt: „wer an mich glaubt der hat das Leben“: So laßt uns fragen warum denn der Apostel hier von einer Hoffnung redet: er redet von der Hoffnung der Seligkeit als von einem Helm, und das geht zurück auf die Gedanken der damaligen Christen in Beziehung auf die die da schlafen. Nun ists offenbar daß je mehr Christus in uns lebt desto kleiner ist der Unterschied zwischen denen die leben und denen die entschlafen sind und um desto wenger Neues kann ihnen gegeben werden, ihr Zustand verändert sich also durch den Tod nicht so, daß er ein andrer wäre, sondern nur ein höhrer, aber wie deutlich wir das auch einsehn, so vermögen wir doch nicht uns ganz davon los zu machen daß wir in unsrer Schwachheit öfters zweifelhaft darüber werden ob nicht doch der Tod eine bedeutendere Veränderung hervorbringe: eigentlich aber kann es denen die da glauben also das ewige Leben schon haben nicht zweifelhaft sein daß diese Seligkeit fortgehn werde und eben dies daß der Glaube diesen Zweifel immermehr aufhebt das nennt der Apostel „die Hoffnung zur Seligkeit“: die aber so zusammenhängt mit dem Glauben daß sie unzertrennlich davon ist. Und so stellt der Apostel die Hoffnung dar als Schutz gegen die Zweifel; denn so wie der Herr sagt: „aus dem Herzen kommen arge Gedanken“: und darunter nichts versteht als die Richtung aufs Irdische: so ists nun das Haupt des Menschen aus dem alle Zustände der Unsicherheit kommen. Diesem Zweifel nun wird keiner ganz entgehen wie wir alle der Schwachheit der menschlichen Natur theilhaftig sind, und darum stellt der Apostel die Hoffnung zur Seeligkeit noch als besondre Wehr dar, sie schützt uns gegen jeden Zweifel indem sie sich auf nichts beruft als auf Christum, gestern heut und in Ewigkeit! Denn wie er immer derselbe bleibt so auch unsre Gemeinschaft mit ihm, also unsre Seligkeit. Dieses Bewußtsein der Seeligkeit welches zugleich die lebendige Hoffnung ist sagt der Apostel ist der Helm an dem alle Zweifel abprallen, so wie der Krebs des Glaubens der Harnisch ist, der uns schützt gegen jeden Eindruck eitler Lust. – Nun sagt er auf diese Weise sollen wir angethan sein, denn Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn: Wenn der Apostel das sagt so kann er dabei 3–4 Vgl. Gal 2,20 4–5 Vgl. Gal 5,6 (mit Bezug auf Gen 8,21); ferner Mk 7,21
8–9 Vgl. Joh 5,24 32 Vgl. Hebr 13,8
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nicht denken daß Gott Andere gesetzt habe zum Zorn, und doch spricht er sich so aus im Briefe an die Römer wo es heißt: die Kinder des Unglaubens u. s. w. Wenn er aber hier sagt Gott habe uns nicht gesetzt zum Zorn dort aber von Anderen an welchen sich der Zorn Gottes offenbare so giebt es freilich einen Sinn in welchem man sagen könnte Gott habe jene gesetzt zum Zorn. Fragen wir welcher Sinn das sei, so giebt uns der Zusammenhang dieser Worte die beste Aufklärung hierüber; denn wenn wir fragen welche das sind welche gesetzt sind die Seligkeit zu besitzen und wodurch sie sie besitzen, so sagt er: wir die wir | an ihn glauben, sind gesetzt die Seeligkeit zu besitzen durch unsern Herrn Jesum Christum: Nun denn, wenn sie die zur Seligkeit berufen sind sie nur besitzen können durch Christum, so müssen die in denen sein Wort Wurzel gefaßt hat sich wol ansehen als zur Seligkeit gesetzt die aber zu denen das Wort des Herrn noch nicht gekommen oder die in der der Aufnahme desselben ungünstgen Gemüthsverfassung sich befinden an denen kann sich nicht die Seligkeit offenbaren, und diesen Mangel der Seligkeit wodurch das Gegentheil derselben bedingt ist den weiß der Apostel nicht anders als so auszudrücken daß sich der Zorn Gottes an ihnen offenbare. Und wie nun der Ordnung nach, nach welcher sich das Wort es Herrn verbreitet, es nicht anders sein kann als daß einige früher andre später daran Theil nehmen, und wie Gott es in der Welt auch nicht anders ordnen konnte, als daß es allmählig sich verbreite, und wie nun eben dieser Ordnung gemäß diese Zustände der geringern und größern Fähigkeit vorkommen: so konnte der Apostel sich wol jenes Worts bedienen um zu bezeichnen wie der Mensch stehen bleibt in der Finsterniß wenn er von dem göttlichen Lichte nicht beschienen wird. Nie aber kann das die Einen zum Zweifel bringen noch die Andern zur Trägheit; denn wer nicht gesetzt ist zum Zorn sondern im Lichte wandelt der muß den Unterschied sehen können und dadurch immer stärker werden im Glauben wie fleißiger in der Liebe. Uns aber, die wir gesetzt sind zur Seligkeit in Christo, sagt der Apostel in demselben Zusammenhang, wir sollen zugleich mit ihm leben der für uns gestorben ist; Denn das läßt sich nicht scheiden: gesetztsein zur Seligkeit und mit ihm leben, es ist nicht möglich daß der Mensch sollte gesetzt sein zur Seligkeit und nicht jezt schon leben mit ihm der für uns gestorben, sondern statt zu wachen schlafen könnte; denn es kann eben keiner von sich sagen daß er gesetzt sei die Seligkeit zu besitzen als indem er sie wirklich besitzt, er kann nicht sagen er werde mit Christo leben als indem er schon jezt mit ihm lebt, und das kann er nur in der Wachsamkeit und Nüchternheit und Thätigkeit in welcher uns der Tag des Herrn nicht ergreift wie ein Dieb in der Nacht, und in welcher wir – was 1–4 Worauf sich Schleiermacher hier bezieht, ist unklar: die Formulierung „Kinder des Unglaubens“ kommt im Römerbrief nicht vor, findet sich aber Eph 2,2; dass Gottes Zorn sich offenbare, erinnert an Röm 1,18 und 2,5. 38–39 Vgl. 1Thess 5,2
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uns auch ergreifen mag – mit ihm leben: Ja Alle die Christum erkannt haben so daß er in ihnen lebt die sollen sicher sein daß sie gesetzt sind zur Seligkeit insofern sie angethan sind mit dem Krebs des Glaubens und der Liebe, denn sonst lebt ja Christus nicht in ihnen. – Nun sagt der Apostel weiter: wir sind durch Christus der gestorben ist gesetzt zur Seligkeit auf daß wir, wir mögen nun wachen oder schlafen, mit ihm leben: Dieses Wachen und Schlafen ist nun nicht mehr jenes, sondern es ist das von dem der Apostel früher sprach indem er sagte: „wir wollen auch nicht verhalten von denen die da schlafen“, d. h. die schon aus dem irdischen Leben hinüber gegangen sind. Ja in ihm haben wir das ewige Leben; wir mögen leben oder schon entschlafen sein, wir leben mit ihm das Leben welchem der Tod nichts anhaben kann das meint der Apostel. Und nun schließt er diesen Abschnitt indem er sagt: „darum ermahnet euch unter einander“: – Das ist nun die gegenseitige Pflicht der Christen gegeneinander die sich auf den unvollkommnen Zustand bezieht dem wir Alle unterworfen sind, es bezieht sich darauf daß wir, wenn wir auch nicht schlafen sondern Kinder des Tages sind, doch nicht immer in gleichem Zustande sind: darum sollen wir einander ermahnen | und darauf bezieht sich das Bedürfniß ermahnet zu werden und die Fähigkeit zu ermahnen, daß wir nemlich bald schwach sind und bald stark. Welcher nun den Andern findet in solchem Zustande daß er leicht könnte in Schlummer gerathen, wer einen Bruder findet in Ängstlichkeit und banger Besorgniß in Beziehung auf das Reich Gottes auf Erden, der soll ihn ermahnen und ihn aufs neue mit der Hoffnung versehen: wer Einen findet in Sorglosigkeit oder in verkehrtem Treiben, der soll ihn bauen, und so soll unser Leben ein gemeinsames sein, jeder Starke den Schwachen erbauen und jeder Schwache sich von dem Andern ermahnen lassen. Und wie schön ist das daß der Apostel sagt: „Wie ihr denn thut“: Das ist ein schönes Zeugniß davon daß sich das im Leben der Christen wirklich so findet. Wenn wir ein Jahr beschließen so sehen wir darauf zurück wieviel jeder dem Andern schuldig geblieben oder geleistet hat in dieser Beziehung, wie sich die Wachsamkeit gezeigt hat, wie kräftig die Herrschaft des göttlichen Geistes gewesen ist gegen alle Versuchungen die uns gekommen sind, und in wiefern uns alles was ein Tag des Herrn für uns ist uns wachsam gefunden hat und nüchtern. So laßt uns denn, indem wir durch diese Prüfung sehen was uns noth thut, aufs neue uns ermuntern zum lebendigen Glauben der die Liebe und Hoffnung in sich schließt, und so uns einander ermahnen und jeder den anderen unterstützen mit der Gabe derer er theilhaftig ist daß alles was der Geist Gottes wirkt ein gemeinsames Gut sei und 25 bauen] vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 1, Sp. 669–670 8–9 1Thess 4,13
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wir uns das schöne Zeugniß geben können was der Apostel so ausspricht: „wie ihr thut“: Dann wird sich das Leben der Gemeinde des Herrn immer schöner verherrlichen und der vollkommnen Gemeinschaft mit ihm immer näher kommen, und wir werden daran nicht zweifeln wir mögen nun leben oder schon entschlafen sein!
Vor Ende 1827 Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge:
Unbekannt, Taufe Unbekannt Mt 22,11–13 Drucktext Schleiermachers; in: Magazin von Festpredigten 5, 1827, S. 330–332 Wiederabdrucke: SW II/4, 1835, S. 787–788; 21844, S. 823–825 – Sämmtliche Werke, ed. Grosser, Bd. 5, 1877, S. 645–646 Andere Zeugen: Keine Besonderheiten: Keine
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Tau f r e d e . In einer seiner Gleichnißreden vom Himmelreiche erzählt der Erlöser, daß, als der König unter den geladenen Gästen Einen gefunden, der das Feierkleid nicht angezogen, welches er austheilen lassen, sey er unwillig geworden und habe befohlen, daß er solle hinausgeworfen werden. Wenn nun gleich dieß nur etwas Aeußerliches war, so glaube ich doch, wird auch auf den ersten Anblick Niemand etwas Hartes finden in dem Ausspruche des Königes. Denn warum sollte einer wohl jene Ehrengabe ausgeschlagen haben, die doch noch überdieß ein Schmuck war und eine Zierde? Offenbar entweder aus Eitelkeit, wenn Einer sich, so wie er gekommen, für wohlgekleidet genug hielt; und dieß war um so anmaßlicher, als unsere Kleidung ja nie durch unser Bedürfniß bestimmt wird, sondern, zumal wie wir gesellig erscheinen, eben so viel Beziehung hat auf Andere, als auf uns selbst. Oder es wollte Einer ausdrücklich eine Geringschätzung gegen den Geber aussprechen durch die Verschmähung seiner Gabe, und zwar eine Geringschätzung, die viel merklicher war und viel bestimmter hervortrat, als die Geringschätzung Jener, welche bei dem Gastmahle gar nicht erschienen. Eine ganz ähnliche Bewandniß nun hat es mit den Aeußerungen des Erlösers über das Bekenntniß der Seinigen, wenn er sagt: Wer mich nicht bekennet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater. Das Bekenntniß ist auch etwas Aeußerliches, und es hat von Zeit zu Zeit Christen gegeben, wel2–6 Vgl. Mt 22,11–13; zu diesem Text vgl. auch die Predigt vom 28. Oktober 1827 vorm. über Mt 22,9–13, in Anlehnung an die Sonntagsperikope Mt 22,2–14 18– 19 Vgl. Mt 22,2–10 21–22 Mt 10,33
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che geglaubt haben, man könne den Erlöser ken|nen, ihn im Glauben genießen, und sich seiner Gemeinschaft im Geiste erfreuen, dabei aber wohl, wenn es räthlich schien, mit dem Bekenntniße an sich halten. Dagegen aber erklärt sich der Erlöser selbst mit dem größten Ernste, und gewiß auch mit dem größten Rechte. Denn wenn wir es auch nicht wollten gradezu als eine Feigherzigkeit verdammen, wenn Einer sich vom Bekenntniß ausschließt, um etwa nicht auch die Schmach Christi tragen zu müssen: so können wir es doch gewiß nicht als eine besonnene Weisheit loben, sondern müssen es immer tadeln als eine Klugheit, die sich verrechnet. Denn das ist doch unläugbar, wer sich vom Bekenntniß ausschließt, der schließt sich auch von der Gemeinschaft der Bekenner aus, und auf diese hat der Erlöser von Anfang an allen Segen des Geistes und des Wortes und des Gebetes gelegt. Darum dürfen wir nun auch nicht glauben, unsern Kindern zuwider zu handeln, wenn wir ihnen in dieser heiligen Handlung das Ehrenkleid des Bekenntnißes anlegen, worüber der Herr seiner Gemeine zu schalten vergönnt hat; sondern gewiß danken sie es uns immer, wenn sie unterrichtet sind und auferzogen in der Zucht und Vermahnung zum Herrn, und das Bekenntniß, welches sie dann selbst ablegen, ist das würdigste Siegel, das dieser Handlung aufgedrückt werden kann. Aber freilich, es giebt noch ein anderes Ehrenkleid, das wir ihnen auch gerne anlegen möchten, worüber aber der Herr uns nicht eben so zu schalten vergönnt hat, sondern uns nur darauf verwiesen, daß was wir den Vater bitten würden in seinem Namen, das würde er geben. Nämlich, wenn wir mit dem Zeichen des Bekenntnisses unsere Kinder nur schmücken, weil wir wünschen, der Glaube an Den, welchen wir bekennen, werde auch in ihnen lebendig werden: so wissen wir auch, daß dieser Glaube, wenn er lebendig ist, thätig seyn muß durch die Liebe, und die Liebe, wenn sie das Gemüth ganz beherrscht, so daß jede Thätigkeit entfernt und jede Bewegung ausgeschlossen wird, deren die Liebe sich nicht bedienen und welche sie nicht in sich aufnehmen kann, dann zeigt sich dieß auch äußerlich in einer Fülle | geistiger Anmuth und Schönheit und in einer lieblichen Zusammenstimmung und einem Wohlklange des ganzen Lebens. Dieß ist dann das rechte christliche Ehrenkleid, und zwar in demselben Sinne, zumal für ein weibliches Gemüth. Denn was so aus der Vollkommenheit der Liebe entspringt, das kann auch den Glauben nicht verleugnen, der 32 Fülle] Kustos unter der letzten Zeile von S. 331, auf S. 332 oben versehentlich nicht wiederholt 7–8 Vgl. Hebr 11,26; 13,13 24–25 Vgl. Joh 14,13 28–29 Vgl. Gal 5,6 35– 36 Es handelt sich also bei dem unbekannten Täufling um ein Mädchen. 37–1 Vgl. Gal 5,6
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durch diese Liebe thätig ist; die christliche Frömmigkeit, die Freude an dem Herrn, wird überall durchschimmern als der eigentliche Grund dieses lieblichen Wesens, und die Seele kündigt sich dadurch an als eine von Dem begabte, der sie allein mit so köstlichem Geschmeide ausstatten kann. Und dieß ist eben die eigenthümliche stille Art, wie weibliche Seelen den Herrn zu bekennen haben, bis er auch sie zu einer geschäftigen Wirksamkeit in seinem Reiche beruft. Daß nun die Liebe zu einer solchen Herrschaft gelange, das können wir nicht bewirken, sondern nur erbitten als eine Gabe von Oben. Bitten wir aber darum im Namen des Herrn, das heißt als seine Haushalter und Geschäftführer: so ist das nur Wahrheit, wenn auch alle Erziehung und alles Leben mit dem Kinde darauf gerichtet wird, den göttlichen Kräften die Stätte zu bereiten und ihre Wirksamkeit auf alle Weise zu unterstützen. Dazu wollen wir denn dieses Kind jetzt mit einander Gott empfehlen in andächtigem und gläubigem Gebete. (Folgte Gebet und Taufhandlung, nach Anleitung des Formulars.) Schl.
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Unbekannt, Trauung Unbekannt Phil 4,6 Drucktext Schleiermachers; in: Magazin von Festpredigten 5, 1827, S. 333–336 Wiederabdrucke: SW II/4, 1835, S. 815–817; 21844, S. 852–854 – Sämmtliche Werke, ed. Grosser, Bd. 5, 1877, S. 668–670 Andere Zeugen: Keine Besonderheiten: Keine
Tr au r e d e .
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Indem ich das heilige Bündniß, welches Sie, geehrtes Brautpaar, jetzt mit einander schließen, im Namen der christlichen Kirche als deren Diener einsegnen soll, und ich diese heilige Handlung, die für Sie in ihren Folgen so bedeutend ist, mit einigen Worten treugemeinter Wünsche und christlicher Ermahnungen begleiten will: so rufe ich Ihnen am Liebsten zu die Worte des Apostel Paulus: Sorget nicht; sondern in allen Dingen laßt eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden. Philipp. 4, 6.
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Sorge ist im menschlichen Leben überall genug zu finden; und wenngleich sie sich in verschiedenen Kreisen der Gesellschaft verschieden gestaltet, der Druck, den sie auf das Gemüth ausübt, ist überall derselbe. Mit dem Stande nun, in welchen sie jetzt mit einander treten, hat es in dieser Hinsicht die Bewandniß, daß er freilich auf der einen Seite die Sorgen erleichtert, insofern mit vereinten Kräften Alles leichter getragen wird; auf der anderen Seite aber scheint er sie auch zu vermehren, weil nun nicht mehr Jeder von Ihnen für sich, sondern auch in Ihrem gemeinsamen Leben für den Anderen, und was dessen besondere Verhältnisse betrifft, mit ihm zu sorgen hat. Wenn Sie also jetzt, wie es so natürlich ist, in die gemeinsame Zukunft hineinblicken, die sich Ihnen eröffnet, und Sich im Voraus alles des Guten und Schönen erfreuen, was Ihnen aus der Verbindung Ihrer Herzen und der Gemeinschaftlichkeit Ihres Lebens hervorgehen | wird: so können Sie 19 Sie] sie 15–16 Wohl Anspielung auf Gal 6,2
17–19 Wohl Anspielung auf 1Kor 7,32–34
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doch, selbst bei der freudigsten Zuversicht, nicht anders als darüber zweifelhaft seyn: ob Sie, was Sorgen betrifft, eine Vermehrung oder Verminderung zu erwarten haben? Wie könnten Sie nun besser auch noch über diese Ungewißheit hinausgehoben werden, so daß Ihre Stimmung ganz freudig und ungetrübt seyn kann, als durch den Zuruf des Apostels, welcher aller Sorge ein Ende gemacht wissen will. Also keine neue Sorge soll Ihnen entstehen aus Ihrer Verbindung; wie ernst auch der Beruf, wie heilig auch die Pflichten derselben, Sorge soll ihr gar nicht beigemischt seyn. Und wenn diese Aufforderung Sie an die Vergangenheit mahnt, und Sie Sich vielleicht bewußt sind, daß Sie auch bisher schon gesorgt haben, ja daß Sie in Gefahr sind, einander gleich Sorgen zuzubringen in Ihr gemeinsames Leben: nun wohl, so sey dieß der schönste Zuwachs zu Ihrer Freude, daß Sie, dem Worte des Apostels folgend, Sich gleich hier an der Schwelle Ihres neuen Lebens von Allem losmachen, was Sie vielleicht sonst schon gedrückt haben mag, und daß Sie die alte Sorge nicht mit hinübernehmen, sondern sie hinter Sich lassen und fortan alle Sorge, wie ein anderer Apostel sagt, von Sich ab auf den Herrn werfend, statt zu sorgen, nur Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott darbringen. Die Sorge nagt am Herzen, darum untersagt sie uns der Erlöser, der uns zur Ruhe und Erquickung berufen hat, und der Apostel, welcher im genauen Zusammenhange mit unseren Worten die Christen auffordert, sich allwege in dem Herrn zu freuen. Wie aber der Apostel es meint, wenn er uns statt der Sorge Gebet und Flehen anempfiehlt, das können wir erst recht verstehen, wenn wir darauf merken, wie er wiederum Gebet und Flehen mit der Danksagung verbindet. Nämlich das flehende Gebet kann uns nur dann der Sorge ganz entledigen, wenn es auf der Danksagung ruht; denn nur das Bewußtseyn dessen, was wir schon empfangen haben, giebt dem Gebete die freudige Zuversicht, welche keinen Raum mehr übrig läßt für die Sorge. Aber wie sicher und fest stehen wir nicht Alle schon | als Christen auf diesem Boden! Wir müssen ja immer voll Danksagung seyn dafür, daß wir Theil haben an der Erlösung, daß wir durch den Glauben an Christum Macht bekommen haben, Kinder Gottes zu seyn. An diese Danksagung angeknüpft, werden alle unsere Wünsche für die Zukunft nur kindliches Flehen, freudiges Gebet, voll Hoffnung, die nicht zu Schanden werden läßt. Wie der Apostel sagt: Der uns seinen Sohn gegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht Alles schenken, – so können wir auch sagen: weil er uns seinen Sohn ge3 Sie] sie
4 Ihre] ihre
17–18 Vgl. 1Petr 5,7 20–21 Vgl. Mt 11,28–29 21–23 Vgl. Phil 4,4 35 Vgl. Joh 1,12 36–37 Vgl. Röm 5,5 37–39 Vgl. Röm 8,32
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schenkt hat, so kann auch alles Andere, was er uns sendet, nur Geschenk und Gabe seyn zu demselben Zwecke. Denn denen, die in Christo Jesu sind und eben deßhalb Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen. Auf eine besondere Weise aber gilt nun eben dieses auch von dem Bündnisse, in welchem Sie mit einander stehen wollen, und welches die Schrift selbst auf das Bestimmteste unserem gemeinschaftlichen Bündnisse mit Christo vergleicht. Sie könnten einander nicht in diesem Augenblick auf eine gottgefällige Weise das Gelübde der Treue ablegen, wenn Sie nicht schon jetzt voll herzlicher Danksagung wären dafür, daß Gott Sie einander zu Lebensgefährten zugeführt hat. Denn wenn Sie dieß nicht als eine Ihr ganzes Leben umfassende wohlthätige Führung Gottes ansähen, so könnte auch keine Wahrheit seyn in dem Versprechen, welches Sie einander jetzt leisten wollen. Wohlan! so erbauen Sie denn Ihr künftiges Leben auf den sicheren Grund dieser frommen Dankbarkeit! Vertrauen Sie fest, daß, wie Gott Sie einander zugeführt hat, nun auch Alles, was er Ihnen in Ihrem gemeinsamen Leben zuschicken wird, nicht anders von ihm gemeint seyn kann, als daß es beitragen soll, um dieses Leben ihm immer wohlgefälliger zu machen. Das werden Sie denn auch reichlich erfahren, wenn die Danksagung, mit der Sie jetzt beginnen, Sie antreibt, wie die Dankbarkeit dieß ja immer thut in jedem wohlgearteten Gemüthe, auch die Gaben in dem Sinne des Gebers anzuwenden, und Sie Sich also als gute Haushalter Gottes erweisen mit allen geistlichen | und leiblichen Gaben, durch welche er Ihr Leben segnet und verschönt. Ja die vermehrte Erfahrung davon, wie Sie bei solcher Gesinnung durch die Vereinigung, welche Sie jetzt befestigen, in Allem, was gut ist und wohllautet, zunehmen, nicht nur in Tagen des Wohlergehens, sondern auch in Tagen der Prüfung, wird Sie fröhlich und stark machen, daß Sie in allen Ihren häuslichen Angelegenheiten ohne alle Sorge und immer nur mit herzlicher Danksagung werden Gebet und Flehen kund werden lassen vor Gott; und dann werden Sie Sich auch immer mehr dem ununterbrochenen Genusse des göttlichen Friedens nähern, den uns der Apostel als den höchsten Preis dieser Gesinnung wünscht und verheißt. (Folgt die Trauung und das Gebet, nach dem eingeführten Formulare.) Schl.
2–4 Vgl. Röm 8,1.28 6–8 Vgl. Eph 5,22–33 22–24 Anspielung auf 1Petr 4,10 27–28 Anspielung auf Phil 4,8 33–35 Vgl. Phil 4,7
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Vor Ende 1827 Termin: Ort: Bibeltext: Textzeugen:
Andere Zeugen: Besonderheiten:
Unbekannt, Taufe Unbekannt Mk 5,21–24.35–43 a. Drucktext Schleiermachers; in: Magazin von Festpredigten 5, 1827, S. 337–340 Wiederabdrucke: SW II/4, 1835, S. 789–791; 21844, S. 825–828 – Sämmtliche Werke, ed. Grosser, Bd. 5, 1877, S. 647–649 b. Nachschrift; SAr 66, Bl. 54r–55v; Woltersdorff Texteditionen: Keine Nachschrift; SAr 66, Bl. 56r–57v; Woltersdorff Keine
a. Drucktext Schleiermachers 337
Tau f r e d e. Christus wurde einst – so erzählen uns mehrere Evangelisten – von betrübten Eltern, deren geliebte Tochter sterbend war, um seinen wunderthätigen Beistand angerufen. Ehe er nun noch in das Haus kam, ward die Nachricht gebracht: das Kind sey bereits todt. Er aber ging dennoch in das Haus; und nachdem er die Klageweiber und alles Getümmel herausgetrieben, und mit den Eltern und wenigen Freunden allein war, versicherte er: das Mägdlein sey nicht todt, und rief ihr zu: Stehe auf! Welche wunderbar selige Empfindung muß es für Vater und Mutter gewesen seyn, als die Todtgeglaubte, dem belebenden Rufe gehorchend, sich erhob, und der Erlöser sie nun den Eltern wiedergab, 0 Es könnte sich um die Rede anlässlich der Taufe im Hause Wagner am 12. Juli 1827 handeln, wofür die ausdrückliche Erwähnung, dass der Täufling ein „erstgeborenes Unterpfand des göttlichen Segens“ sei, spräche. Schleiermacher hat in der Familie Wagner später noch drei weitere Kinder getauft (13. November 1828, 26. Mai 1830 und 15. Oktober 1832; keine Nachschriften überliefert). In diesem Falle wäre der Taufvater der bekannte Arzt Karl Wilhelm Ulrich Wagner (1793–1846), der 1826 die ordentliche Professur der Staatsarzneikunde an der Berliner Universität erhalten hatte und sich später u. a. um die Bekämpfung der Choleraepidemie von 1831 verdient machte (vgl. Pagel, ADB 40, S. 524–525). 2–2 Vgl. Mt 9,18–19.23–26; Mk 5,21–24.35–43; Lk 8,40–42.49–56; Schleiermachers Nacherzählung folgt am ehesten der Markusfassung. Das Motiv, dass Jesus das Kind „den Eltern wiedergab“, ist aus Lk 9,42 bzw. 7,15 (vgl. 1Kön 17,23) entlehnt.
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auf daß sie ihr stärkende Nahrung reichen und ihrer pflegen möchten! – Freilich ein Augenblick hoher elterlicher Freude; aber doch glaube ich die Frage zu vernehmen: was wohl diese Geschichte, die zwar auf das Glücklichste endet, aber doch mit einem tiefen Schmerze beginnt, mit der ungetrübten, ruhigen Freude unserer heutigen Feier zu thun habe? Der Schmerz der Gebärerin, welcher von Dank und Wonne übertäubt wird, sobald der Mensch an’s Licht geboren ist, leidet doch keine Vergleichung mit der bangen Sorge um jenes Kind, das verscheiden wollte; und wenn fromme Eltern ein Kind, dessen heiteres, gesundes Leben sie mit froher Zuversicht erfüllt, ja noch mehr, wenn sie ein erstgeborenes Unterpfand des göttlichen Segens dem Herrn darbringen, was kann ihre Gemüthsstimmung wohl Aehnliches haben mit jener? – Aber doch bringen wir unsere | Kinder, und so auch diese unsere Freunde das ihrige, dem Herrn dar, auf daß es seinen Antheil erlange an der Erlösung, die Er gebracht hat. Die Freude, welche der Erlöser in jener Scene so wahr und schön beschreibt, die reine Freude daran, daß der Mensch an’s Licht geboren ist, sie erneuert sich immer wieder und erfüllt auf wunderbare Weise das Herz, so oft unser Auge auf einem solchen Kindlein ruht. Wie anmuthig aber auch das junge Leben anzuschauen ist – wenn dann unsere Gedanken in die Zukunft schweifen, wie eine Thätigkeit nach der anderen sich regen, eine Kraft nach der anderen erwachen wird: dann trifft uns ja gewiß auch das Wort des Herrn: Was aus dem Fleische geboren ist, das ist Fleisch; soll es Geist werden, so muß es auch erst aus dem Geiste geboren seyn. Ja, wir gestehen es ihm ein, daß was in ihnen die Mittheilung unseres Lebens ist, was sie mitbringen bei ihrer Geburt, immer nur das Fleisch sey, wie herrliche Geistesgaben, wie günstige Anlagen ihnen auch die Natur verliehen habe. Das Edelste und Höchste, die lebendige Richtung des Gemüths auf Gott, die Tüchtigkeit zur wahren Gemeinschaft mit dem höchsten Wesen, diese können weder sie selbst aus sich entwickeln, noch können wir sie aus dem, was ursprünglich unser eigen ist, ihnen mittheilen, sondern nur von Einem geht dieses höhere Leben aus; und wie wir selbst es nur von ihm empfangen haben, so kann auch nur Er es unseren Kindern mittheilen. Diese Ueberzeugung: daß die völlige Gesundheit, daß die höchste Entwickelung des geistigen Lebens ihnen ohne eine fremde Hülfe nicht zu Theil werden kann, wie nahe liegt sie nicht der schmerzlichen Sorge jener Eltern, welche zweifelten, ihr Kind am Leben zu erhalten! Aber es ist auch dieselbe gläubige Zuversicht, welche uns antreibt, denselben Einen herbeizurufen, der allein helfen kann. 23–26 Vgl. Joh 3,6
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Und ich glaube, daß wir auch das tröstliche Wort hier in Anwendung bringen können, was er damals sagte. So gewiß, wie das buchstäblich wahr gewesen ist, daß jenes Mägdlein nicht todt war und keinesweges der Erlöser sein Verdienst hat verringern wollen, da er ja Alles nur zur Ehre Dessen that, | der ihn gesandt hatte; aber eben so wahr wohl auch, daß, so zurückgezogen und unscheinbar das Leben des Kindes geworden war, es nur durch ihn, durch seine belebende Gegenwart, konnte wieder hervorgerufen werden. So denke ich nun, ist es auch hier auf dem Gebiete des geistigen Lebens. Wie uns die Schrift alle Menschen, wiewohl sich Gott Allen offenbart hatte in ihrem Inneren, doch ohne Ausnahme schildert, als ermangelnd des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollten: so dürfen wir wohl sagen, das geistige Leben war in allen Menschen eben so zurückgezogen und verborgen, und es konnte nur hervorgerufen werden dadurch, daß Christus erschien und zu dem ganzen Geschlechte der Menschen das große Wort sprach: Stehe auf, der du schläfst, auf daß ich dich erleuchte! – Wo er durch seine Diener erscheint, da beginnt sich in den Menschen ein leises Verlangen zu regen nach einem besseren Leben, und das ist das Zeichen, daß sie noch nicht ganz erstorben sind; aber nur sein mächtiges Wort, nur seine hülfreiche Hand, die den Menschen ergreift, nur die Gemeinschaft, welche er darbietet, vermag das Leben wirklich aufzuregen. Als seine Diener erscheinen nun auch wir unseren Kindern vom Anfange ihres Lebens an und wirken so auf sie; aber wenn wir dann auch jene geheimen Lebenszeichen an ihnen bemerken, es bleibt doch dabei: zum wirklichen Leben aus Gott gedeihen sie doch nur durch ihn selbst. Der Geist, den er gesandt hat, muß das Wort von ihm verklären zu jener geistigen Gegenwart, in welcher auch uns in ihm erscheint die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes. Und wenn die Seele so bei ihm bleibt, dann bildet sich jene Erfahrung: daß Er allein Worte des Lebens hat, und der Entschluß: nirgend anders hinzugehen. Diesen Wirkungen des göttlichen Geistes weihen wir jetzt auch dieses geliebte Kind, und freuen uns seines Wortes, daß es nicht gestorben ist, sondern nur schläft, so daß wir auch diese Weihe als ein sicheres Unterpfand ansehen dürfen davon, daß der belebende Ruf des Herrn: Stehe auf! auch an dieses Kind ergeht, und daß zwischen demselben und dem Erlöser, | wenngleich nur vorbereitend und unmerklich, schon jetzt ein Verhältniß angeknüpft wird. Nämlich wie er damals jenes Kind seinen Eltern übergab, daß sie es stärken und pflegen sollten: so auch jetzt. Ihr, meine theuern 4–5 Vgl. Joh 7,18 9–12 Vgl. Röm 3,21–23 16–17 Vgl. Eph 5,14 Anspielung auf Gal 4,6 28 Vgl. Joh 1,14 30–31 Vgl. Joh 6,68
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Freunde, übergebt ihm Euer Kind. Er spricht das tröstliche Wort der Verheißung aus, daß es lebt und leben wird, und Ihr empfangt es mit demselben Befehle, wie jene, von ihm zurück. In seinem Auftrage und in Bezug auf das höhere Leben, welches Er allein in ihm erwecken kann, sollt Ihr es stärken und pflegen; und wir Alle, die wir zu dieser heiligen Handlung in herzlicher Liebe versammelt sind, einigen uns dazu mit Euch. Wenngleich anfangs väterliche und mütterliche Sorge und freundliche Theilnahme nur auf das leibliche Leben gerichtet seyn kann, so laßt uns doch auch dieses von Anfang an in dem Sinne ansehen und behandeln, daß unsere Leiber Tempel seyn sollen, in denen der Geist Gottes wohnt. Dazu auch das Gemüth, wie sich dessen Empfänglichkeit entwickeln wird, immer mehr vorzubereiten, und dadurch mit Allem auszuschmücken, was angenehm ist und wohllautet vor Gott und Menschen, und in demselben das Verlangen nach dem, was ewig und himmlisch ist, immer mehr zu erregen und rege zu erhalten, das sey es, was Ihr, meine Theuern, was wir Alle mit Euch der Gemeine des Herrn, welcher wir dieses Kind zuführen wollen, alles Ernstes geloben. Schl.
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Christus wurde einst – so erzählen uns mehrere Evangelisten – von betrübten Eltern, deren geliebte Tochter sterbend war, um seinen wunderthätigen Beistand angerufen. Ehe er noch in das Haus trat, ward die Nachricht gebracht, das Kind sey bereits todt. Er aber ging dennoch in das Haus, und nachdem er die Klageweiber und alles Getümmel herausgetrieben, und mit den Eltern und wenigen Freunden allein war, versicherte er: das Mägdlein sey nicht todt, und rief ihr zu: „Stehe auf!“ Welche wunderbar selige Empfindung muß es für Vater und Mutter gewesen seyn, als die Todtgeglaubte, dem belebenden Rufe gehorchend, sich erhob, und der Erlöser sie nun den 10–11 Vgl. 1Kor 3,16; 6,19 13–14 Anspielung auf Phil 4,8 und wohl auch auf 1Tim 2,3–5; 5,4 21–2 Vgl. Mt 9,18–19.23–26; Mk 5,21–24.35–43; Lk 8,40–42.49– 56; Schleiermachers Nacherzählung folgt am ehesten der Markusfassung. Das Motiv, dass Jesus das Kind „den Eltern wiedergab“, ist aus Lk 9,42 bzw. 7,15 (vgl. 1Kön 17,23) entlehnt.
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Eltern wiedergab, auf daß sie ihr stärkende Nahrung reichen, und ihrer pflegen möchten! – Freilich ein Augenblick hoher elterlicher Freude; aber doch glaub’ ich die Frage zu vernehmen: was wohl diese Geschichte, die zwar auf das Glücklichste endet, aber doch mit einem tiefen Schmerz beginnt, mit der ungetrübten, ruhigen Freude unsrer heutigen Feier zu thun habe? Der Schmerz der Gebärerinn, welcher von Dank und Wonne übertäubt wird, sobald der Mensch an’s Licht geboren ist, leidet doch keine Vergleichung mit der Sorge um jenes Kind, das verscheiden wollte; und wenn fromme Eltern ein Kind, dessen heiteres, gesundes Leben sie mit froher Zuversicht erfüllt, ja noch mehr, wenn sie ein erstgeborenes Unterpfand des göttlichen Segens dem Herrn darbringen, was kann ihre Gemüthsstimmung wohl Ähnliches haben mit jener? – Aber doch bringen wir unsre Kinder, und so diese unsre Freunde, das ihrige, dem Herren | dar, auf daß es seinen Antheil erlange an der Erlösung, die er gebracht hat. Die Freude, welche der Erlöser in jener Scene so wahr und schön beschreibt, die reine Freude daran, daß der Mensch an’s Licht geboren ist, sie erneuert sich immer wieder, und erfüllt auf wunderbare Weise das Herz, so oft unser Auge auf solchen Kindlein ruht. Wie anmuthig aber auch das junge Leben anzuschauen ist – wenn dann unsre Gedanken in die Zukunft schweifen, wie eine Thätigkeit nach der andern sich regen, eine Kraft nach der andern erwachen wird: dann trifft ja auch uns das Wort des Herrn: Was aus dem Fleische geboren ist, das ist Fleisch; soll es Geist werden, so muß es erst aus dem Geist geboren werden. Ja, wir gestehen es ihm ein, daß was in ihnen die Mittheilung unsres Lebens ist, was sie mitbringen bei ihrer Geburt, immer nur das Fleisch sey, wie herrliche Geistesgaben ihnen auch verliehen seyen. Das Höchste, die lebendige Richtung des Gemüths auf Gott, die Tüchtigkeit zur wahren Gemeinschaft mit dem höchsten Wesen, diese können weder sie selbst aus sich entwickeln, noch können wir sie aus dem, was ursprünglich unser eigen ist, ihnen mittheilen, sondern nur von Einem geht dies höh’re Leben aus; und wie wir es nur von ihm empfangen haben, so kann auch nur Er es uns’ren Kindern geben. Diese Überzeugung, daß die völlige Gesundheit, daß die höchste Entwikkelung des geistigen Lebens ihnen ohne eine fremde Hülfe nicht werden kann, wie nahe liegt sie nicht der schmerzlichen Sorge jener Eltern, welche zweifelten, ihr Kind am Leben zu erhalten! Aber es ist auch dieselbe gläubige Zuversicht, welche uns antreibt, denselben Einen zu rufen, der allein helfen kann. | Und ich glaube, daß wir auch das tröstliche Wort hier in Anwendung bringen können, was er damals sagte. So gewiß, wie das buchstäblich wahr gewesen ist, daß das Mägdlein nicht todt war, und keinesweges der Erlöser sein Verdienst hat verringern wollen, da er ja Alles nur zur Ehre Dessen that, 22–24 Vgl. Joh 3,6
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der ihn gesandt hatte; aber eben so wahr auch, daß, so unscheinbar auch das Leben des Kindes war, es nur durch seine belebende Gegenwart konnte erweckt werden. So denke ich, ist es auch im Gebiet des Geistes. Wie uns die Schrift alle Menschen, wiewohl sich Gott Allen offenbart hatte in ihrem Innern, doch Alle schildert, als ermangelnd des Ruhm’s, den sie vor Gott haben sollen: so können wir sagen: das geistige Leben war in allen Menschen eben so verborgen, und konnte nur erweckt werden, dadurch, daß Christus kam, und das große Wort sprach: „Stehe auf, der du schläfst, daß ich dich erleuchte!“ – Wo er durch seine Diener erscheint, da beginnt sich in den Menschen ein leises Verlangen zu regen nach einem bessern Leben, das Zeichen, daß sie noch nicht ganz todt sind; aber nur sein mächtiges Wort, nur seine Hand, die den Menschen ergreift, nur die Gemeinschaft die er darbietet, kann das Leben wirklich erwecken. Als seine Diener erscheinen nun auch wir unsren Kindern vom Anfange ihres Lebens, und wirken so auf sie; aber wenn wir dann auch jene geheimen Lebenszeichen an ihnen bemerken, es bleibt dabei; zum wirklichen Leben aus Gott gedeihen sie nur durch ihn selbst. Der Geist, der ihn gesandt hat, muß das Wort von ihm verklären zu jener geistigen Gegenwart, in welcher auch uns in ihm erscheint die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes. Und wenn die Seele so bei ihm bleibt, bildet sich jene Erfahrung: daß nur Er Worte des Lebens hat, und der Entschluß: nirgends anders hinzugehen. Diesen Wirkungen des göttlichen Geistes weihen wir jetzt auch dies Kind, und freuen uns seines Wor|tes, daß es nicht gestorben ist, sondern nur schläft, so daß wir auch diese Weihe als ein Unterpfand ansehen dürfen, davon, daß des Herrn belebender Ruf: „Stehe auf“ auch an dieses Kind ergeht, und daß zwischen ihm und dem Erlöser, wenngleich unmerklich, schon jetzt ein Verhältniß angeknüpft wird. Nemlich, wie er damals jenes Kind seinen Eltern übergab, daß sie es pflegen sollten, so auch jetzt. Ihr, theure Freunde, übergebt ihm dies Kind. Er spricht das Wort der Verheißung aus, daß es lebt und leben wird, und ihr empfangt es mit demselben Befehle, als Jene, zurück. In Bezug auf das höhre Leben, das nur Er ihm geben kann, sollt ihr es stärken, und wir Alle, die wir zu dieser heiligen Handlung in Liebe versammelt sind, einigen uns dazu in Liebe mit Euch. Wenngleich anfangs die elterliche Sorge nur auf das Leibliche kann gerichtet seyn, so laßt uns auch dies in dem Sinn ansehen, daß unsre Leiber sollen Tempel seyn, in denen Gottes Geist wohne. Dazu das Gemüth immer mehr vorzubereiten, und dadurch es mit Allem auszuschmücken, was angenehm ist vor Gott und Menschen, und in ihm 3–6 Vgl. Röm 3,21–23 8–9 Vgl. Eph 5,14 17 Wohl Anspielung auf Lk 4,18 (Zitat aus Jes 61,1) 18–19 Vgl. Joh 1,14 20–21 Vgl. Joh 6,68 36 Vgl. 1Kor 3,16; 6,19 38 Wohl Anspielung auf 1Tim 2,3–5; 5,4
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das Verlangen nach dem, was ewig und himmlisch ist, zu erregen, und rege zu erhalten, das sey es, was Ihr, meine Theuren, was wir Alle mit Euch der Gemeine des Herrn, welcher wir dies Kind zuführen, alles Ernstes geloben.
Vor Ende 1827 Termin: Ort: Bibeltext: Textzeuge:
Unbekannt Unbekannt Joh 13,8 Drucktext Schleiermachers; in: Magazin von Festpredigten 5, 1827, S. 341–344 Wiederabdrucke: SW II/4, 1835, S. 805–807; 21844, S. 842–844 – Sämmtliche Werke, ed. Grosser, Bd. 5, 1877, S. 659–661 Andere Zeugen: Keine Besonderheiten: Predigt zur Vorbereitung auf das Abendmahl
Beichtrede. Te x t .
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Joh. 13, 8.
M. a. Fr. Es fällt gewiß jedem nachdenklichen Leser unserer heiligen Schriften als etwas Merkwürdiges auf, daß Johannes, gleichsam statt der Erzählung von dem heiligen Mahle, um dessentwillen wir hier versammelt sind, wie wir sie in den drei anderen Evangelienbüchern finden, diese von den Anderen übersehene Geschichte von dem Fußwaschen uns aufbewahrt hat, und wie nun diese die Stelle von jener zu vertreten scheint, so giebt es zwischen beiden auch die mannigfachsten Beziehungen. Zuerst, wie Christus hier zu Petrus sagt: Wenn ich dich nicht wasche, so hast du keinen Theil mit mir, – so hatte er schon früher in einer reichhaltigen und tiefsinnigen Rede gesagt: Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschensohnes und trinken sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch. Aber Leben in uns haben, und Theil an ihm haben, das ist einerlei; denn Er ist das Leben. Wenn wir nun an diese Worte zu denken nicht umhin können, bei dem sacramentlichen Genusse, der unserer wartet, so dringt es sich wohl auf, daß hier das Essen des Brotes, welches der Herr seinen Leib nennt, zu dem geistigen Genuße seines Fleisches und Blutes sich eben so verhält, wie in der Handlung unseres Textes das äußerliche Waschen zu der geistigen Reinigung der Seele; und es ist, als ob uns Johannes recht aufmerksam 11 wasche] weihe 5–7 Vgl. Mt 26,20–29; Mk 14,12–25; Lk 22,14–38 7–8 Joh 13,1–17 12– 14 Joh 6,53 15 Vgl. Joh 11,25; 14,6 17–18 Vgl. Mt 26,26; Mk 14,22; Lk 22,19; 1Kor 11,23–24
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darauf hätte machen wollen, daß es weder in dem einen, noch dem anderen Falle auf das Sichtbare und Aeußerliche ankommen kann. Denn hier sagt der Herr selbst, | nachdem er Allen das Gleiche gethan hatte: Ihr seyd nun rein; aber nicht Alle, – weil auch der an jener Handlung Theil genommen hatte, welcher im Begriffe war, ihn zu verrathen; und eben so sollen wir auch wissen, daß das äußerliche Essen und Trinken Keinem das Leben weder giebt, noch erhält, sondern wie die Reinigung, so auch die Mittheilung des Lebens muß etwas Innerliches seyn. – Dann aber, wie Christus diese Handlung des Fußwaschens selbst darstellt als einen zur Nachahmung vorgelegten Beweis herzlicher, sanftmüthiger und demüthiger Liebe, wie er sie die ganze Zeit seines öffentlichen Lebens an seinen Jüngern geübt hat: so ist auch unser heiliges Mahl eben so sehr ein Gedächtniß seiner Liebe, als auch von Anfang an theils Er selbst diese den Seinigen zum Vorbilde gestellt hat, daß sie sich unter einander lieben sollten mit der Liebe, womit er sie geliebt hat, theils auch von jeher die Christen besonders als Eines heiligen Tisches Genossen zu solcher Liebe aufgefordert werden. Für diese Liebe nun geben uns die verlesenen Worte das rechte Geschäft an, daß wir uns nämlich unter einander reinigen sollen, wie der Erlöser uns reinigt. Und damit dieß nicht etwa Einem zuviel scheine, als daß wir auch nur danach streben könnten, so müssen wir wohl den Unterschied nicht übersehen, den Christus hier selbst aufstellt. Er sagt nämlich: wer einmal ganz gewaschen sey, der bedürfe nur einer theilweisen Reinigung. Von jenem redet er hier nicht weiter, sondern setzt es als Geschehenes und als Bekanntes voraus; diese aber empfiehlt und überträgt er uns, daß wir sie unter einander üben sollen. Wie Er nun jene gänzliche Reinigung vollbringt, das ist ja unsere trostreichste und seligste Erfahrung, wie wenn wir ihn erkennen in der Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes, als den Reinen, Unbefleckten, der allein von keiner Sünde wußte, als dann erst der wahrhafte Abscheu gegen die Sünde, als solche, entsteht, und die Sehnsucht nach dem Leben aus Gott, die dann auch gleich in der Gemeinschaft mit dem Erlöser ihre Befriedigung zu finden beginnt, und in jenem Abscheu und diesem Verlangen, | welche beide nun die das ganze Leben beherrschenden Triebe werden, sind wir uns der Vergebung und der Reinigung bewußt. Doch auch dabei gebraucht er ja die Seinigen als treue Diener und gesegnete Werkzeuge, nicht um zu bewirken, was Er 35 Verlangen,] Verlan- ; das gen, steht als Kustos unter der letzten Zeile von S. 342, wird jedoch auf S. 343 oben versehentlich nicht wiederholt. 4 Joh 13,10 4–6 Vgl. Joh 13,11 9–12 Vgl. Joh 13,12–17 15–16 Vgl. Joh 13,34–35; 15,9–17 20–21 Vgl. Joh 13,14 24–25 Vgl. Joh 13,10 29–30 Vgl. Joh 1,14 31 Vgl. 2Kor 5,21
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allein bewirken kann, aber um Andere auf Ihn hinzuweisen, von Ihm zu zeugen und Ihn in jener Reinheit und Liebe darzustellen, die Ihm alle Herzen gewinnen muß. So ist es nun auch mit der theilweisen Reinigung, welche auch die schon Gereinigten doch nicht oft genug wiederholen können, weil das Leben immer wieder Verunreinigungen mit sich bringt. Auch diese Reinigung wird nur durch göttliche Kraft vollbracht, wie auch Johannes selbst sagt: So wir unsere Sünde bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünde vergiebt und reinigt uns von aller Untugend. Aber doch können und sollen wir hierbei uns unter einander Dienste leisten. Auch schon ehe das Bedürfniß der Reinigung eintritt, indem wir uns gegenseitig suchen vor Versuchungen so viel möglich zu bewahren, und, wenn sie eingetreten sind, uns brüderlich zu unterstützen durch lehrreiches Beispiel, durch ermunternde Zusprache, durch kräftiges Gebet. Aber noch mehr, indem wir uns unter einander aus dem Worte Gottes auch zur Erkenntniß der Sünde erbauen und uns zum Bekenntnisse der Sünde vereinigen. Dieses nun ist der bestimmt ausgedrückte Zweck der gottesdienstlichen Handlung, zu der wir jetzt vereinigt sind, und schon diese Gemeinschaft des Bekenntnisses ist für uns Alle erwecklich und stärkt uns in der tröstlichen Gewißheit der Vergebung und der Reinigung. Aber freilich ist es etwas noch weit Schöneres, wenn wir uns unmittelbar im Leben hülfreich seyn können, mit Rath und That das göttliche Werk der Reinigung zu unterstützen. Dieses nun geht nur an nach dem Maße, als wir uns einander nahe stehen, sey es nun durch feste Bande auf eine dauernde Weise, oder sey es auch nur vorübergehend, wie doch oft das Leben solche segensreiche Berührungen der Gemüther herbeiführt. Dazu aber ist der Bund der Christen und dazu | verbinden wir uns am Tische des Herrn immer auf’s Neue mit Allen und für Alle, daß Jeder Jedem Alles werde, was er ihm seyn kann, Jeder zu jeglichem geistigen Dienste und Hülfleistung Allen, welche den Namen Christi tragen in demüthiger Liebe, wie uns Christus vorangegangen ist, bereit sey, daß Keiner etwas Größeres wisse, als wenn auch nur um ein Weniges und im Wenigen die geistige Reinheit und Schönheit zu fördern, in welcher sich immermehr die Kirche Christi ihrem Haupte und Anführer darstellen soll. Amen. Schl.
15 noch mehr] noch mehr noch 8–10 1Joh 1,9 30 Wohl Anspielung auf 1Kor 9,19–23 auf Gal 5,13 34–36 Wohl Anspielung auf Eph 5,23–27
31–32 Wohl Anspielung
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Unbekannt, Trauung Unbekannt Eph 2,19 Drucktext Schleiermachers; in: Magazin von Festpredigten 5, 1827, S. 345–348 Wiederabdrucke: SW II/4, 1835, S. 818–820; 21844, S. 855–857 – Sämmtliche Werke, ed. Grosser, Bd. 5, 1877, S. 670–672 Andere Zeugen: Keine Besonderheiten: Keine
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Tr au r e d e. Wenn ein Diener des göttlichen Wortes einen solchen Bund für das Leben, wie Sie, verehrtes Brautpaar, jetzt einen schließen wollen, im Namen der christlichen Kirche segnet, und er ist dabei wohlgemuth, weil er die feste Zuversicht hegt, eine so gänzliche Hingebung beider Theile an einander sey weder ein flüchtiger Rausch der Leidenschaft, noch irgend durch äußere Rücksichten herbeigeführt, sondern das Wort, das Sie einander geben, spreche die volle und klare Wahrheit ihres Inneren aus: dann ist dieß wohl die freudigste Handlung, welche uns in christlichen Familien zu verrichten vorkommt. In so hoher Zuversicht, meine Geliebten, rufe ich Ihnen in diesem für Sie so folgereichen Augenblicke das apostolische Wort entgegen, aus einer eben so freudigen Bewegung des Gemüthes hervorgegangen: „So seyd ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit allen Heiligen und Gottes Hausgenossen.“ Sei nun der Brief, aus welchem diese Worte genommen sind, an eine einzelne Gemeine, oder an einen Kreis von Gemeinen gerichtet, auf jeden Fall hatte der Verfasser, indem er dieses schrieb, den ganzen Bau des Reiches Gottes im Auge, und die Art, wie es sich damals von Jahr zu Jahr weiter ausbreitete und schö15–18 Zu den von Schleiermacher hier angedeuteten strittigen Einleitungsfragen des Epheserbriefes (Adresse und Authentizität) vgl. bes. Wilhelm Martin Leberecht de Wette: Lehrbuch der historisch kritischen Einleitung in die kanonischen Bücher des Neuen Testaments, Berlin 1826, S. 254–265 (§ 145–147), sowie Schleiermachers 1829 und 1831/32 gehaltene Einleitungsvorlesungen ins NT; vgl. SW I/8, 1845, S. 163–166 (Schleiermachers Vorlesung über Eph, Kol, Phil, 1–2Tim, Tit, Phlm aus dem WS 1818/ 19 sowie dem WS 1824/25 ist bislang noch nicht editorisch erschlossen).
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ner emporwuchs. Das Schönste war aber immer dieses, wenn sich aus Einzelnen, die aus der Fremde herkamen, christliche Familien gestalteten, indem doch nur in diesen das christliche Leben sich rein und ungetrübt in seiner ganzen Schönheit entwickeln kann. Eine solche wollen Sie nun auch stiften und jede solche hat das Bürgerrecht unter den Heiligen | und gehört mit zur Hausgenossenschaft Gottes. Fremdlinge waren Sie nun freilich nicht in dem eigentlichen und vollen Sinne des Wortes; aber doch, jemehr sich, wenn eine Tochter des Hauses in diese jungfräulichen Jahre tritt, Edles und Schönes in ihr entwickelt hat, das sie der Liebe eines würdigen Mannes würdig macht: so wird sie auch immer mehr nur noch als ein lieber Gast behandelt, dem man gerne das Freundlichste erweist, und ihn mit Liebe, älterlicher und geschwisterlicher, sättigt, nicht wissend, wie lange er noch weilen werde. Und erscheint dann der, welchem sich die Neigung des Herzens zuwendet, so wird auch die Braut schon ein Fremdling im väterlichen Hause und gehört schon mehr der neuen Heimath, die ihr noch unbekannt ist. Und der Mann, wenn er auch schon seinen Beruf ergriffen und seine Stellung in der bürgerlichen Welt gefunden hat, so lange ihm das Haus noch leer ist von der Gefährtin des Lebens, ist ihm auch die Heimath noch unvollständig, er fühlt sich noch zur Hälfte ein Fremdling darin. Und bedenken wir, auf welchen eigenen Wegen oft zwey Gemüther sich zusammenfinden zu einem solchen, das ganze Leben erst vervollständigenden und zur eigenthümlichen Gestaltung bringenden Bunde: so erquicken wir uns gerne an dem Glauben, daß die geselligen Lebensverhältnisse, in welchen solche persönliche Neigungen sich entwickeln können, unter einer besonderen göttlichen Leitung stehen. Aber eben so gewiß ist auch, daß Ehen nur insofern im Himmel geschlossen sind, als sie auch für den Himmel geschlossen werden, und Beide, indem sie ein gemeinsames Haus bauen, auch ein gemeinsames Bürgerrecht gewinnen unter den Heiligen und sich vereint der Hausgenossenschaft Gottes weihen. Und das, meine Theuren, ist die Meinung meines bewillkommnenden Wortes. Wie würdig die Stellung auch sey, welche Sie in der bürgerlichen Welt einzunehmen gehen; welchen Reichthum an edlen Gütern geistiger Bildung und schöner Sitte Sie einander auch aus dem väterlichen Hause und den bisherigen Verhältnissen zubringen; wie rein und wohlbegründet auch die Neigung sey, kraft derer Ihnen nun Alles ein | Gemeinsames wird: doch bleibt das Größte, der Glaube, durch den Sie Beide der Gemeine Christi angehören, das Wichtigste für Ihr Haus, daß es auf den Grund 27–28 Sprichwort („Ehen werden im Himmel geschlossen“); vgl. Adelung: Wörterbuch, Bd. 4, Sp. 145; Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Bd. 1, S. 727 (Ehe, Nr. 31) 39–2 Vgl. Eph 2,20.22
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erbaut werde, da Christus der Eckstein ist, auf daß es emporwachse zu einer Behausung Gottes im Geiste, ja für Ihre gegenseitige Liebe dieses die festeste Zuversicht, daß Sie Eins sind in der Liebe zu Dem, dessen Liebe uns Alle umfaßt und beseligt. Sie gehen, ein Haus zu bauen, welches leuchten soll an einem dunkeln Orte; mitten unter solchen unserer Brüder, welche nicht nur von den äußerlichen Annehmlichkeiten des Lebens weniger besitzen, sondern auch mit den geistigen Gütern der Bildung und der Erkenntniß nur spärlich bedacht sind, sollen Sie ein thätiges Zeugniß davon ablegen, wie sich in einer freieren und mehr veredelten Lebensweise die göttliche Milde verherrlicht. Zeigten Sie ihnen nun nichts, als diese ihnen ferner liegenden und unerreichbaren Güter des Lebens: so würden Sie vielleicht glücklich gepriesen, wenn es gut geht, ohne Neid, und bewundert ohne Theilnahme. Zeigen Sie ihnen aber zugleich, daß wahre christliche Frömmigkeit der Grund ist, worauf Sie bauen, daß alle jene Güter Ihnen nur einen Werth haben, sofern sie Werkzeuge sind, um christliche Tugenden zu üben: dann werden Sie Sich ein Vertrauen erwerben, wodurch Sie in den Stand gesetzt werden, denen, die Ihnen auf mancherlei Weise anvertraut und an’s Herz gelegt sind, Sich wahrhaft nützlich zu erweisen. Begnügen Sie Sich damit, daß Sie Sich alter und wohlerworbener Rechte nur mit Mäßigung bedienen: so werden Sie vielleicht Lob einärndten, aber doch die Trennung nur befestigen, durch welche diejenigen, welche Brüder seyn sollten, auseinander gehalten werden. Schalten Sie aber überall mit der bescheidenen Gerechtigkeit derer, die nur als treue Haushalter wollen erfunden werden; zeigen Sie überall die schlichte Weisheit, welche dem Frieden nachtrachtet und der gemeinsamen Heiligung: dann werden Sie durch die Liebe, welche das Band der Vollkommenheit ist, manche Wunde nicht nur bedecken und verbinden, sondern wirklich heilen. Wenn Sie | in dem künftigen Geschlechte nicht nur verständigen Gebrauch äußerer Vorzüge, nebst guter Zucht und Sitte, einheimisch zu machen suchen, sondern eben jene christliche Liebe, die etwas weit Höheres ist; wenn Sie demselben nicht nur gute Lehren menschlicher Weisheit einzuschärfen suchen, sondern es bei dem Troste christlicher Wahrheit erhalten: dann sichern Sie ihm auch das Bürgerrecht mit allen Heili35 Sie] sie 5–11 Vgl. 2Petr 1,19. Offenbar stehen die Brautleute kurz davor, in den Missionsdienst zu gehen. Genaueres über ihre Identität konnte jedoch bislang nicht ermittelt werden. 25–26 Vgl. 1Kor 4,2 sowie Lk 12,42 und 1Petr 4,10 26–27 Vgl. Hebr 12,14 28 Vgl. Kol 3,14 33 Vgl. Spr 4,2; PredSal 12,9 sowie 1Tim 4,6
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gen, und so wird Ihr Haus mit emporwachsen zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. So bauen Sie denn auf diesen Grund, da Christus der Eckstein ist: so werden Sie auch, wenn – wie denn das die göttliche Ordnung ist in dieser Welt, an welche wir auch angehende Eheleute immer erinnern sollen – trübere Tage sich den heiteren und segensreichen beimischen, immerdar erfahren, daß denen Nichts schaden kann, welche dem Guten nachkommen und sich immer darin vereinigen, was Gott Ihnen zuschickt, als eine Gabe seiner Weisheit und Liebe hinzunehmen. Erfreuen Sie Sich immer am meisten Ihres reinen Bürgerrechts mit den Heiligen, und trachten Sie zuerst nach den Gütern der Hausgenossenschaft Gottes: so wird, was Ihnen auch äußerlich zufallen möge, Ihr gemeinsames Leben immer Ihnen zum Heile, den Ihrigen zur Freude und Vielen zum Segen gereichen. Schl.
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1–2 Vgl. Eph 2,21 3 Vgl. Eph 2,20 1Petr 4,10 11–12 Vgl. Mt 6,33
7–8 Vgl. 1Petr 3,13
8–10 Vgl. 1Kor 7,7;
Verzeichnisse
Editionszeichen und Abkürzungen Das Verzeichnis bietet die Auflösung der Editionszeichen und Abkürzungen, die von Schleiermacher und den Bandherausgebern sowie in der zitierten Literatur benutzt worden sind, soweit die Auflösung nicht in den Apparaten, im Kopftext zu den einzelnen Predigten oder im Literaturverzeichnis erfolgt. Nicht verzeichnet werden die Abkürzungen, die für Vornamen stehen. Ferner sind nicht berücksichtigt Abkürzungen, die sich von den aufgeführten nur durch das Fehlen von Abkürzungspunkten oder Spatien, durch Klein- bzw. Großschreibung oder die Flexionsform unterscheiden. | / // [] ] )* PS [] a. a. O. ABBAW Abk. Abt. ADB Anm. Apg Aufl. Bd. / Bde. bes. Bl. Brandenburg. Brem. Ges. B. / Brem. Gesangb. BSRK bzw.
Seitenwechsel Zeilenwechsel in Liedern, Markierung zwischen Band und Teilband, zwischen mehreren Editoren, zwischen Erscheinungsorten, zwischen Reihengliedern Strophenwechsel in Liedern Ergänzung der Bandherausgeber Lemmazeichen Streichung unsichere Lesart Lücke im Manuskript am angegebenen Ort Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin Abkürzung Abteilung Allgemeine Deutsche Biographie Anmerkung Die Apostelgeschichte des Lukas Auflage Band / Bände besonders Blatt Brandenburgisch Bremisches Gesangbuch Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche beziehungsweise
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ca. Cap. Churfl. cm 2 Cor.
circa Capitel Churfürstlich Zentimeter Der zweite Brief des Paulus an die Korinther
d. d. h. Doct. Dr. Dtn
den das heißt Doctor Doktor Deuteronomium (Das fünfte Buch Mose)
ebd. ed. / edd. EKK
etc. Evangel. evtl. Ex
ebenda edidit / ediderunt Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament Evangelisches Landeskirchliches Archiv in Berlin Der Brief des Paulus an die Epheser Epiphanias Evangelisches Pfarrerbuch für die Mark Brandenburg seit der Reformation et cetera Evangelisch eventuell Exodus (Das zweite Buch Mose)
ff flgd.
folgende folgende
Gal geb. glb. Kd. glb. Kdr. Gen gest.
Der Brief des Paulus an die Galater geboren geliebte Kinder geliebte Kinder Genesis (Das erste Buch Mose) gestorben
Hab Hag Hebr Hes Hiob Hos
Der Prophet Habakuk Der Prophet Haggai Der Brief an die Hebräer Der Prophet Hesekiel (Ezechiel) Das Buch Hiob (Ijob) Der Prophet Hosea
Jak Jauersch. Ges. B. / Jauersch. Gesangbuch Jer Jes
Der Brief des Jakobus Jauerisches Gesang-Buch
ELAB Eph / Ephes. Epiph. / Epiphan. EPMB
Der Prophet Jeremia Der Prophet Jesaja
Editionszeichen und Abkürzungen Jg. Joh 1Joh 2Joh
Jahrgang Das Evangelium nach Johannes Der erste Brief des Johannes Der zweite Brief des Johannes
KGA Kj 1Kön 2Kön Königl. Kol 1Kor 2Kor korr.
Schleiermacher: Kritische Gesamtausgabe Konjektur Das erste Buch der Könige Das zweite Buch der Könige Königlich Der Brief des Paulus an die Kolosser Der erste Brief des Paulus an die Korinther Der zweite Brief des Paulus an die Korinther korrigiert
Lev Lk
Leviticus (Das dritte Buch Mose) Das Evangelium nach Lukas
m. a. F. m. a. Fr. m. and. Fr. 2Makk Mal Matth. / Mt / Mtth. m. a. Z. m. F. m. Fr. m. g. F. m. g. Fr. m. gel. Fr. m. gl. Kdr. m. glb. Kd. m. glb. Kdr. Mi mitt. Mk m. th. F. m. th. Fr. Mel.
meine andächtigen Freunde meine andächtigen Freunde meine andächtigen Freunde Das zweite Buch der Makkabäer Der Prophet Maleachi Das Evangelium nach Matthäus meine andächtigen Zuhörer meine Freunde meine Freunde meine geliebten Freunde meine geliebten Freunde meine geliebten Freunde meine geliebten Kinder meine geliebten Kinder meine geliebten Kinder Der Prophet Micha mittags Das Evangelium nach Markus meine theuren Freunde meine theuren Freunde Melodie
nachm. NB NDB Nr. Num
nachmittags Notabene Neue Deutsche Biographie Nummer Numeri (Das vierte Buch Mose)
Offb
Die Offenbarung (Apokalypse) des Johannes
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1Petr 2Petr Phil / Philip. / Philipp. pp PredSal Preuß. Prof. Ps
Der erste Brief des Petrus Der zweite Brief des Petrus Der Brief des Paulus an die Philipper perge perge Der Prediger Salomo (Kohelet) Preußisch Professor Der Psalter (Psalmen)
r Röm
recto (Vorderseite bei Blattangaben) Der Brief des Paulus an die Römer
S. s. Sach 1Sam SAr
SnE SnT SnW sog. Sonnt. Miser. Dom. Sp. Spr Str. s. v. SW
Seite siehe Der Prophet Sacharja Das erste Buch Samuel Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Schleiermacher-Archiv, Depositum 42a (mit folgender Angabe der Mappennummer) Meckenstock: Schleiermachers Bibliothek Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz Archiv der Schleiermacher-Forschungsstelle Kiel Sonntag im Advent Sammlung Witwe Schleiermacher Schleiermacher-Nachlass (= Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin, Nachlass F. D. E. Schleiermacher) Sonntag nach Epiphanias Sonntag nach Trinitatis Sonntag nach Weihnachten sogenannt Sonntag Misericordias Domini Spalte Sprüche / Sprichwörter Salomos (Proverbia) Strophe sub voce Schleiermacher: Sämmtliche Werke
1Thess 2Thess 1Tim 2Tim Tit
Der Der Der Der Der
u. a. u. ö. u. s. w.
und andere / unter anderem / unter anderen und öfter und so weiter
SB SBB SFK SiA Slg. Wwe. SM SN
erste Brief des Paulus an die Thessalonicher zweite Brief des Paulus an die Thessalonicher erste Brief des Paulus an Timotheus zweite Brief des Paulus an Timotheus Brief des Paulus an Titus
Editionszeichen und Abkürzungen v v. V. Verf. vgl. vorm.
verso (Rückseite bei Blattangaben) versus (Vers) / von / vor Vers Verfasser vergleiche vormittags
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Die Weisheit Salomos
z. B. Zeph
zum Beispiel Der Prophet Zephanja
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Literatur Das Literaturverzeichnis führt die Druckschriften und Archivalien auf, die in den edierten Texten sowie den editorischen Beigaben (Apparaten und Predigtkopftexten) und in der Einleitung der Bandherausgeber genannt sind. Folgende Grundsätze sind besonders zu beachten: 1. Verfasser- und Ortsnamen werden in einer heute üblichen Schreibweise angegeben. 2. Die Titelangabe erfolgt nicht in diplomatisch getreuer Wiedergabe der Titelblätter; ausführliche Titel können in einer sinnvollen Kurzfassung angeführt werden, die nicht als solche gekennzeichnet wird. Entsprechendes gilt für die Archivalien. 3. Werden zu einem Verfasser mehrere Titel genannt, so werden die Gesamtausgaben (in chronologischer Folge) vorangestellt. Anschließend werden (ebenfalls in chronologischer Folge) alle anderen Titel (Werkausgaben in Auswahl, Einzelausgaben, Beiträge in Sammelwerken und Zeitschriften) aufgeführt. 4. Bei anonym erschienenen Werken wird der Verfasser in eckige Klammern gesetzt. Ist kein Verfasser nachzuweisen, so erfolgt die Einordnung nach dem ersten Titelwort unter Übergehung des Artikels. 5. Bei denjenigen Werken, die für Schleiermachers Bibliothek nachgewiesen sind, wird nach den bibliographischen Angaben in eckigen Klammern die Angabe „SB“ (vgl. Meckenstock: Schleiermachers Bibliothek) mit anschließender Listennummer hinzugefügt. 6. Die im Band benutzten Archivalien werden im Anschluss an die Druckschriften als Anhang aufgeführt, geordnet nach Archiven und deren innerer Systematik.
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Adelung, Johann Christoph: Versuch eines vollständigen grammatischkritischen Wörterbuches der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen, Bd. 1–5,1, Leipzig 1774–1786 [SB 8: Bd. 1–4 (A–V), 1774–1780] Agende für die evangelische Kirche in den Königlich Preußischen Landen. Mit besonderen Bestimmungen und Zusätzen für die Provinz Brandenburg, Berlin 1829 [SB 11]
Literatur
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Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche, ed. Ernst Friedrich Karl Müller, Leipzig 1903 (Nachdruck Zürich 1987) Biblia, Das ist: Die gantze Heilige Schrifft Alten und Neuen Testaments, Nach der Ubersetzung und mit den Vorreden und Randglossen D. Martin Luthers, mit Neuen Vorreden, Summarien, weitläuffigen Parallelen, Anmerckungen und geistlichen Anwendungen, auch Gebeten auf jedes Capitel: Wobey zugleich Nöthige Register und eine Harmonie des Neuen Testaments beygefüget sind, ed. Christoph Matthäus Pfaff [Neues Testament: Johann Christian Klemm], Tübingen 1729 [SB 206] [Bremisches Gesangbuch:] Christliches Gesangbuch zur Beförderung öffentlicher und häuslicher Andacht, Bremen 1812 [SB 764] Bulling, Karl: Die Rezensenten der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung im dritten Jahrzehnt ihres Bestehens 1824–1833, Claves Jenenses, Bd. 13, Weimar 1965 Clemens von Alexandria: Opera quae extant [gr./lat.], ed. John Potter, Bd. 1– 2, Venedig 1757 [SB 445] : Werke, Bd. 2, ed. Otto Stählin, Die Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, Bd. 15, Leipzig 1906 de Wette, Wilhelm Martin Leberecht: Lehrbuch der historisch kritischen Einleitung in die kanonischen Bücher des Neuen Testaments, Berlin 1826 [SB 527,2] Eusebius von Caesarea: Historia ecclesiastica und Vita Constantini [gr./lat.], ed. Henri de Valois, Mainz 1672 [SB 637] : Werke, Bd. 2,1 [gr./lat.], ed. Eduard Schwartz, Die Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, Bd. 9,1, Leipzig 1903 Evangelisches Pfarrerbuch für die Mark Brandenburg seit der Reformation, bearb. v. Otto Fischer, ed. Brandenburgischer Provinzialsynodalverband, Bd. 1–3, Berlin 1941 Friedrich, Martin: Daniel Amadeus Neander, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 6, Herzberg 1993, Sp. 229–231 [Gaß, Joachim Christian:] Rezension von „Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden“, Bd. 1–4, 1823–1826, in: Theologisches Literaturblatt. Zur Allgemeinen Kirchenzeitung, Jg. 1826, Nr. 75, Sp. 609–616 [:] Rezension von „Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden“, Bd. 5, 1827, in: Theologisches Literaturblatt. Zur Allgemeinen Kirchenzeitung, Jg. 1828, Nr. 104, Sp. 863– 864 Geistliche und Liebliche Lieder, Welche der Geist des Glaubens durch Doct. Martin Luthern, Johann Hermann, Paul Gerhard, und andere seine
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Verzeichnisse
Werckzeuge, in den vorigen und jetzigen Zeiten gedichtet, und die bisher in Kirchen und Schulen Der Königl. Preuß. und Churfl. Brandenburg. Lande bekannt, und mit Königl. Allergnädigster Approbation und Privilegio gedrucket und eingeführet worden; Nebst Einigen Gebeten und einer Vorrede, ed. Johann Porst, Berlin 1728 u. ö. Grimm, Jacob u. Wilhelm: Deutsches Wörterbuch, 16 Bände in 32, Leipzig 1854–1961 [Große, Johann Christian:] Rezension von „Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden“, Bd. 2–4, 1824–1826, in: Jenaische Allgemeine Literaturzeitung, Jg. 23, 1827, Bd. 4, Nr. 216, Sp. 285–288 [:] Rezension von „Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden“, Bd. 5, 1827, in: Jenaische Allgemeine Literaturzeitung, Jg. 24, 1828, Bd. 3, Nr. 147, Sp. 215–216 Hieronymus: Opera, Mauriner-Ausgabe, ed. Jean Martianay, Bd. 1–5, Paris 1693–1706 [SB 912] : Commentarii in Epistulam Pauli Apostoli ad Galatas, ed. Giacomo Raspanti, Corpus Christianorum, Series Latina, Bd. 77A, Turnhout 2006 Hünerbein, Kurt: Art. Marheineke, Philipp Conrad, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 16, Berlin 1990, S. 172–174 Jauerisches Gesang-Buch, darinn eine große Sammlung alter und neuer Lieder aus den vornehmsten in den Königl. Preußischen und Churbrandenburgischen, auch Schlesischen Landen und Orten Evangel. Religion, herausgekommenen Lieder-Büchern zum Kirchen- und Haus-Gebrauch zu finden, 12. Aufl., Jauer 1818 Jenaische Allgemeine Literaturzeitung, edd. Johann Wolfgang Goethe, Christian Gottlob Voigt u. a., Jena 1804–1841 Journal für Prediger, angef. v. Christoph Christian Sturm, fortges. v. David Niemeyer u. a., edd. [1828] [Karl Gottlieb] Bretschneider, [Daniel Amadeus] Neander, [Johann David] Goldhorn u. [Johann Heinrich] Fritsch, Halle 1770–1842 Koechling, Ludwig: Bernhard Jacobi, Präses der westfälischen Provinzialsynode. Ein Lebensbild, in: Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte, Bd. 35, 1934, S. 41–62, Bd. 36, 1935, S. 1–46 Kornmilch, Ernst-Ekkehard: Die Ahnen Ernst Haeckels. Darstellung der wichtigsten Personen und Familien, einer Ahnenliste bis zur XV. Generation und einer Nachkommenliste, Berlin 2009 Lessing, Gotthold Ephraim: Vermischte (teilweise: Sämmtliche) Schriften, Bd. 1–30, Berlin 1771–1794 : Sämtliche Schriften, ed. Karl Lachmann. 3., auf’s neue durchgesehene und vermehrte Auflage, ed. Franz Muncker, Bd. 1–23, Stuttgart, Leipzig, Berlin/Leipzig 1886–1924 (Nachdruck Berlin/New York 1979) [:] Das Testament Johannis. Ein Gespräch, Braunschweig 1777
Literatur
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Lommatzsch, Siegfried Otto Nathanael: Geschichte der Dreifaltigkeits-Kirche zu Berlin. Festschrift zum Hundertfünfzigjährigen Jubiläum der Kirche, Berlin 1889 Lowenthal-Hensel, Cécile / Strachwitz, Sigrid Gräfin von: Europa im Porträt. Zeichnungen von Wilhelm Hensel, 1794-1861, Bd. 1–2: A–L, M–Z, Berlin 2005 Luz, Ulrich: Das Evangelium nach Matthäus, 3. Teilband: Mt 18–25, Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament, Bd. I/3, Zürich/Düsseldorf und Neukirchen-Vluyn 1997 Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden, Neue Folge, edd. Johann Friedrich Röhr, Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher u. Johann Georg Jonathan Schuderoff, Bd. 1–6, Magdeburg 1823–1829 [SB 1204] Mayer, [Johann Andreas Eduard]: Br L. Th. von Bernuth, Die Bauhütte, Jg. 5, 1862, S. 348–349 Meckenstock, Günter: Schleiermachers Bibliothek nach den Angaben des Rauchschen Auktionskatalogs und der Hauptbücher des Verlages G. Reimer, 2. Aufl., in: Schleiermacher, KGA I/15, 2005, S. 637–912 : Kalendarium der überlieferten Predigttermine Schleiermachers, in: Schleiermacher, KGA III/1, 2012, S. 769–1034 Meding, Wichmann von: Bibliographie der Schriften Schleiermachers nebst einer Zusammenstellung und Datierung seiner gedruckten Predigten, Schleiermacher-Archiv, Bd. 9, Berlin/New York 1992 [Neander, Daniel Amadeus:] Rezension von „Predigt am 27sten Sonntage nach Trinitatis 1826, als am Todtenfeste in der Dreifaltigkeitskirche gesprochen von Dr. Fr. Schleiermacher“, Berlin 1827, in: Journal für Prediger, Bd. 73, Halle 1828, S. 101–102 Nitzsch, Carl Immanuel: Zum Andenken an den verewigten Präses der westphälischen Provinzialsynode, Dr. Bernhard Jacobi, Monatsschrift für die evangelische Kirche der Rheinprovinz und Westphalens, edd. Carl Immanuel Nitzsch u. Karl Heinrich Sack, 2. Jg., Bonn 1843, 4. Heft, S. 206–218 Pagel, Julius Leopold: Art. Wagner, Karl Wilhelm Ulrich, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 40, 1896, S. 524–525 Platon: Opera, ed. Societas Bipontina, Bd. 1–12, Zweibrücken 1781–1787 [SB 1490] : Werke in acht Bänden, griechisch und deutsch, ed. Gunther Eigler, Darmstadt 1970–1983 Pockrandt, Mark: Biblische Aufklärung: Biographie und Theologie der Berliner Hofprediger August Friedrich Wilhelm Sack (1703–1786) und Friedrich Samuel Gottfried Sack (1738–1817), Arbeiten zur Kirchengeschichte, Bd. 86, Berlin/New York 2003 Porst, Johann: s. Geistliche und Liebliche Lieder
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Verzeichnisse
Predigten und Amtsreden namhafter Kanzelredner der Gegenwart, edd. Karl Eduard Billig, Gustav Wilhelm Steinacker, Karl Oskar Wendel, Bd. 1– 4, Leipzig 1865–1868 Reich, Andreas: Friedrich Schleiermacher als Pfarrer an der Berliner Dreifaltigkeitskirche 1809–1834, Schleiermacher-Archiv, Bd. 12, Berlin/New York 1992 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Sämmtliche Werke, 3 Abteilungen, 30 Bände in 31, Berlin 1834–1864; Abt. II: Predigten, Bd. 1–10, Berlin 1834–1856; Bd. 1–4, 2. Aufl., Berlin 1843–1844 : [Predigten ed. Grosser] Sämmtliche Werke, Reihe I. Predigten, Bd. 1– 5, ed. Eugen Grosser, Berlin 1873–1877 [mehr nicht erschienen]; 2. Aufl., Bd. 1, 1876 : Kritische Gesamtausgabe, edd. Hans-Joachim Birkner, Hermann Fischer, Günter Meckenstock u. a., 5 Abteilungen, Berlin/New York 1980ff; Abt. I: 15 Bände in 18, 1980–2005; Abt. II: bisher 5 Bände in 6, 1998ff; Abt. III: bisher 12 Bände, 2011ff; Abt. IV: bisher 1 Band, 2016ff; Abt. V: bisher 11 Bände, 1985ff : Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen, Berlin 1811 (KGA I/6, S. 243–315) : Der christliche Glaube nach den Grundsäzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt, Bd. 1–2, Berlin 1821–1822 (KGA I/ 7,1–2); Zweite umgearbeitete Ausgabe, Bd. 1–2, Berlin 1830–1831 (KGA I/13,1–2) : Predigten. Fünfte Sammlung, [Zweittitel:] Christliche Festpredigten, Bd. 1, Berlin 1826 (KGA III/2, S. 1–256) [SB 1712, 1] : Predigt am 27sten Sonntage nach Trinitatis 1826, als am Todtenfeste in der Dreifaltigkeitskirche gesprochen von Dr. Fr. Schleiermacher, Berlin 1827 : Gespräch zweier selbst überlegender evangelischer Christen über die Schrift: Luther in Bezug auf die neue preußische Agende. Ein letztes Wort oder ein erstes, Leipzig 1827 [anonym erschienen] (KGA I/9, S. 381–472) : Wie der Same des göttlichen Worts weggenommen wird, in: Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden, Neue Folge, Bd. 5, Magdeburg 1827, S. 257–273 : Vom Abfalle in den Zeiten der Anfechtung, in: Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden, Neue Folge, Bd. 5, Magdeburg 1827, S. 274–294 : Der gute Same im Kampfe mit den Dornen, in: Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden, Neue Folge, Bd. 5, Magdeburg 1827, S. 295–313 : Von der Fruchtbarkeit des göttlichen Wortes, in: Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden, Neue Folge, Bd. 5, Magdeburg 1827, S. 314–329
Literatur
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: Taufrede, in: Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden, Neue Folge, Bd. 5, Magdeburg 1827, S. 330–332 : Traurede, in: Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden, Neue Folge, Bd. 5, Magdeburg 1827, S. 333–336 : Taufrede, in: Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden, Neue Folge, Bd. 5, Magdeburg 1827, S. 337–340 : Beichtrede, in: Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden, Neue Folge, Bd. 5, Magdeburg 1827, S. 341–344 : Traurede, in: Magazin von Fest-, Gelegenheits-, und anderen Predigten und kleineren Amtsreden, Neue Folge, Bd. 5, Magdeburg 1827, S. 345–348 : Predigten. Siebente Sammlung, [Zweittitel:] Christliche Festpredigten, Bd. 2, Berlin 1833 (KGA III/2, S. 421–753) [SB 1712, 2] : Predigten. Sammlung 1–7, Reutlingen 1835 [nach der Ausgabe „Sämmtliche Werke“] : Kleine Schriften und Predigten, edd. Hayo Gerdes u. Emanuel Hirsch, Bd. 1–3, Berlin 1969–1970 : Vier Predigten über das Gleichniß vom Säemann, gehalten von Fr. Schleiermacher im Sommer 1826, ed. Hermann Patsch, in: Schleiermacher on Workings of the Knowing Mind. New Translations, Resources, and Understandings, ed. Ruth Drucilla Richardson, New Athenaeum/ Neues Athenaeum, Bd. 5, Lewiston/Queenston/Lampeter 1997, S. 81– 113 Schleiermacher-Archiv (Depositum 42a). Verzeichnis, entstanden in Zusammenarbeit der Schleiermacher-Forschungsstelle der Theologischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, bearbeitet von Lothar Busch in Berlin und Elisabeth Blumrich, Katja Kretschmar, Kirsten Kunz, Günter Meckenstock, Simon Paschen, Wilko Teifke in Kiel, Redaktion: Günter Meckenstock, Berlin 2009 Schmidt, Bernhard: Lied – Kirchenmusik – Predigt im Festgottesdienst Friedrich Schleiermachers. Zur Rekonstruktion seiner liturgischen Praxis, Schleiermacher-Archiv, Bd. 20, Berlin/New York 2002 Tacitus, Publius Cornelius: Opera, quae exstant, ed. Johann Friedrich Gronovius, Bd. 1–2, Amsterdam 1685 [SB 1954] : Libri qui supersunt, Tom. I: Ab excessu divi Augusti, ed. Heinz Heubner, Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, Stuttgart 1983 Theologisches Literaturblatt. Zur Allgemeinen Kirchenzeitung, ed. Ernst Zimmermann, fortgeführt von Karl Zimmermann, Bd. 1–49 [teilweise ohne Zählung], Darmstadt 1824–1872
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Verzeichnisse
Wagenmann, Julius August: Art. Marheineke, Philipp Conrad, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 20, Leipzig 1884, S. 338–340 Wander, Karl Friedrich Wilhelm: Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Bd. 1–5, Leipzig 1867–1880
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Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin Nachlass F. D. E. Schleiermacher: Nr. 446 Tageskalender 1826 Nr. 447 Tageskalender 1827/1828 Nr. 594 Predigten zum Matthäus-Evangelium. Nachschriften 1825–1826, 48 Bl. 4° Nr. 596 Predigten zum Lukas-Evangelium. Nachschriften 1815–1832, 49 Bl. 4° Nr. 600 Predigten zum 1. Brief an die Korinther. Nachschriften. 1826 u. 1834, 11 Bl. 4° Nr. 605 Predigten zum Matthäus-Evangelium. Nachschriften. o. D. 2 Bl. fol.; 15 Bl. 4° u. 5 Bl. 8°. Nr. 607 Predigten zum Lukas-Evangelium. Nachschriften. o. D. 23 Bl. 4°; 2 Bl. 8° Nr. 609 Ms. einer Predigtnachschrift von unbekannter Schreiberhand. o. D. 4 Bl. 4° Nr. 614–615 Predigten zum Brief an die Kolosser, 1. Brief des Petrus u. zur Offenbarung Johannes [sic!]. Nachschriften. o. D. u. o. J. 2 Bl. fol.; 7 Bl. 4° u. 3 Bl. 8° Nr. 616 Predigt zu einer Hochzeit. Nachschrift. o. D. 4 Bl. 4° Nr. 617 Predigt (Fragment). Nachschrift. o. D. 12 Bl. 4° Nr. 618 Predigten zum Johannes-Evangelium. Nachschriften. o. D. 29 Bl. 8° Nr. 620 Predigten über neutestamentliche Texte. Nachschriften zu Predigten (Schleiermachers?) von einem unbekannten Schreiber. o. D. 1 Heft quer, enthaltend 21 beschr. Bl. Evangelisches Landeskirchliches Archiv Berlin: Kirchenbücher der Dreifaltigkeitskirche: Nr. 11/73 Traubuch Jg. 1826 Nr. 11/75 Traubuch Jg. 1827 Nr. 794/2 Kirchenbuchjournal Jg. 1826 Nr. 794/3 Kirchenbuchjournal Jg. 1827
Literatur
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Kirchengemeinde Heilig Kreuz – Passion, Berlin-Kreuzberg Ueber das hochzeitliche Gewand Schleiermacher-Forschungsstelle der Theologischen Fakultät der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel Nr. 1
Vier Predigten über das Gleichniß vom Säemann, gehalten von Fr. Schleiermacher im Sommer 1826
Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz: Schleiermacher-Archiv Depositum 42a (Angaben nach Archivverzeichnis): Mp. 54 Schirmer A – 18 Predigten (1818–1831) und Anhang (Dublette mit Besitzvermerk „Jonas“) sowie Beilage Mp. 56 Schirmer C: Saunier und Schirmer (Johannes-Homilien, Teil 2, Diktat Schirmer der Nachschriften Sauniers bis Nr. 55) – Predigten 36–67 (1825–1826) sowie Beilage Mp. 57 Schirmer D (Johannes-Homilien, Teil 3) – Predigten 68 – 83 (1826–1827) Mp. 65 Woltersdorff H – 34 Predigten (1826) sowie Beilage Mp. 66 Woltersdorff I – 21 Predigten und Taufrede (1827) sowie Beilage Mp. 73 1820–1826 Andrae-Einzelüberlieferung – 3 Predigten Mp. 82 Slg. Witwe Schleiermacher I: Dunckel – 3 Predigten (1821–1828) Mp. 91 Slg. Witwe Schleiermacher R: (vermutet) Andrae 1826 Teil 1 – 6 Predigten mit Anhang Mp. 92 Slg. Witwe Schleiermacher S: (vermutet) Andrae 1826 Teil 2 – 4 Predigten Mp. 93 Slg. Witwe Schleiermacher T: (vermutet) Andrae 1826 Teil 3 – 3 Predigten Mp. 94 Slg. Witwe Schleiermacher U: Pommer – 39 Predigten (1827 und 1829–1830) sowie Beilage Mp. 95 Slg. Witwe Schleiermacher V: (vermutet) Andrae 1827 – 1 Predigt Mp. 106 Crayen A – 21 Predigten (1821–1831) sowie Beilage Mp. 107 Crayen B (Johannes-Homilien) – 21 Predigten (1825–1827) Mp. 108 1822–1831 v. Oppen – 5 Predigten sowie Beilage Mp. 111 Sobbe C – 9 Predigten (1826) Mp. 114 Sethe B – 23 Predigten (1825–1826) Mp. 115 Sethe C – 20 Predigten (1826) Mp. 116 Sethe D – 16 Predigten (1826–1827) Mp. 117 1826 Jacobi – 1 Traurede
Namen Das Namensregister verzeichnet die in diesem Band genannten historischen Personen in einer heute gebräuchlichen Schreibweise. Nicht aufgeführt werden die Namen biblischer, literarischer und mythischer Personen, die Namen von Herausgebern, Übersetzern und Predigttradenten, soweit sie nur in bibliographischen oder archivalischen Angaben vorkommen, die Namen der an der vorliegenden Ausgabe beteiligten Personen, soweit ausschließlich die Arbeit an dieser Ausgabe betroffen ist, sowie der Name Friedrich Daniel Ernst Schleiermachers. Bei Namen, die im Schleiermacherschen Text oder die sowohl im Text als auch im zugehörigen Apparat vorkommen, sind die Seitenzahlen recte gesetzt. Bei Namen, die in der Bandeinleitung oder den Apparatmitteilungen des Bandherausgebers genannt werden, sind die Seitenzahlen kursiv gesetzt. Adelung, Johann Christoph 43. 259.274.290.293.295.385.389. 399.400.524.572.578.600.653. 659.664.706.726.747.749.811. 825.830.833.902.921 Andrae, Johann Gottfried XXVII.XXIX–XXXI.XXXIV. XXXVI.XLIV Augustin 468 Bernuth geb. Mayer verw. Ernst von Ernsthausen, Caroline Juliane von 787 Bernuth, Johann Ludwig von 787 Bernuth, Ludwig Theodor von 787 Bernuth geb. Gräfin von PlatenHallermund, Wilhelmine Louise von 787 Bleek geb. Sethe, Auguste Charlotte Marianne Henriette XXXVIII Bleek, Friedrich XXXVIII Bleek, Wilhelm Heinrich Immanuel XXXVIII Bulling, Karl XVII
Clemens von Alexandria 52 Claude verh. Kober, Auguste Charlotte 515 Claude, Benjamin 515 Claudius, Matthias 469 Crayen, Caroline XXXI–XXXII. XLI.XLIII–XLIV.613.616.887 de Wette, Wilhelm Martin Leberecht 920 Dunckel, Friedrich Wilhelm XXXII–XXXIII.XLV Ernst von Ernsthausen geb. Mayer, verh. von Bernuth, Caroline Juliane 787 Ernst von Ernsthausen, Eduard 787 Eusebius von Caesarea 52.717 Friedrich, Martin XVI–XVII Friedrich Wilhelm I. 453 Friedrich Wilhelm III. XVI Gaß, Joachim Christian XVIII.662 Goethe, Johann Wolfgang von 469
Namen Goßler geb. Cuny, Anna Charlotte von 775 Goßler, Cai Wilhelm Georg von 775 Goßler, Conrad Christian von 775 Goßler geb. von Rumohr, Henriette Charlotte von 775 Goßler verh. von Rumohr, Therese Henriette von 775 Grimm, Jacob und Wilhelm 551 Große, Johann Christian XVII– XVIII Haeckel geb. Sethe, Charlotte Auguste Henriette XXXVIII Haeckel, Ernst XXXVIII Heine, Heinrich XXXVIII Hensel, Wilhelm 787 Hieronymus 726 Hünerbein, Kurt X Jacobi, Bernhard August XXXIII. 465.469–470 Jacobi, Carl Wigand Maximilian 465 Jacobi geb. Nicolovius, Johanna Cornelia Elisabeth XXXIII. 465.469–470 Jacobi, Friedrich Heinrich 469 Jacobi geb. Sasse, Paula 465 Jonas, Ludwig XXXIII.465 Kapodistrias, Ioannis Antonios Graf 852 Kober, Adolf August X–XI.515 Kober geb. Claude, Auguste Charlotte 515 Koechling, Ludwig 465 König, August Friedrich Wilhelm XXXIII–XXXV.XLIII Kornmilch, Ernst-Ekkehard XXXVIII Lessing, Gotthold Ephraim 312. 326.726 Lommatzsch, Siegfried Otto Nathanel XI Lowenthal-Hensel, Cécile 787
941
Luther, Martin 718.7.326.804.820. 899 Luz, Ulrich 795.804.809 Marheineke, Philipp Konrad X–XI.515 Mayer verh. von Bernuth verw. Ernst von Ernsthausen, Caroline Juliane 787 Mayer, Johann Andreas Eduard 787 Mayer, Johann Christoph Andreas 787 Meckenstock, Günter XI.XXIV. XXXVI.662.689.706 Neander, Daniel Amadeus XVI– XVII Nicolovius, Georg Heinrich Ludwig 465 Nicolovius verh. Jacobi, Johanna Cornelia Elisabeth XXXIII.465. 469–470 Nicolovius geb. Schlosser, Luise 469 Nitzsch, Carl Immanuel 465 Oppen, Elisabeth von
XXXV
Pagel, Julius Leopold 910 Pischon, Friedrich August XI Platen-Hallermund verh. von Bernuth, Wilhelmine Louise Gräfin von 787 Platon 159.703–704 Pockrandt, Mark XXXVIII Pommer XXXVI Reich, Andreas XI.XIV.XV Reimer verh. Sethe, Adelheid XXXIX Reimer, Georg Andreas XXXIX Röhr, Johann Friedrich XVII– XVIII Rumohr, Cai Wilhelm Georg von 775 Rumohr verh. von Goßler, Henriette Charlotte von 775
942
Verzeichnisse
Rumohr geb. von Goßler, Therese Henriette von 775 Rumohr, Wilhelm von 775 Sack, Friedrich Ernst XXXVIII Sack, Johann August XXXVIII Sack, Karl August XXXVIII Sasse verh. Jacobi, Paula 465 Saunier, Johann Karl Heinrich XXXVII Schirmer, Karl August Friedrich XXXVI–XXXVIII.XLIV Schmidt, Bernhard XV Schuderoff, Georg Jonathan XVII– XVIII Sethe XXXVIII–XL.XLIV Sethe geb. Reimer, Adelheid XXXIX Sethe verh. Bleek, Auguste Charlotte Marianne Henriette XXXVIII– XXXIX
Sethe verh. Haeckel, Charlotte Auguste Henriette XXXVIII Sethe, Christian Carl Theodor Ludwig XXXVIII Sethe, Christoph Wilhelm Heinrich XXXVIII Sethe geb. Sack, Henriette Philippine Helene XXXVIII–XXXIX Sethe, Julius Johann Ludwig XXXIX Sobbe XL.XLIV Strachwitz, Sigrid Gräfin von 787 Sydow, Adolf XXVIII.XXX. XXXIII.XXXIV.XXXVII.229. 465.794 Tacitus, Publius Cornelius
236
Wagenmann, Julius August X Wagner, Karl Wilhelm Ulrich 910 Wander, Karl Friedrich Wilhelm 921 Woltersdorff XXX.XL–XLII.XLIV
Bibelstellen Halbfett gesetzte arabische Seitenzahlen weisen Bibelstellen nach, über die Schleiermacher gepredigt hat. Die in Schleiermachers Texten vorkommenden Bibelstellenangaben werden durch recte gesetzte arabische Seitenzahlen verzeichnet. Kursiv gesetzte arabische und römische Seitenzahlen geben solche Bibelstellen an, die in den Apparaten und in der Bandeinleitung genannt sind. Die Abfolge der biblischen Bücher ist an der Lutherbibel orientiert. Das erste Buch Mose (Genesis)
3,18
Gen 1–2 1,1–31 1,3–31 1,11–12 1,16 1,26–28 1,26 1,27–28 1,27
3,19
1,28 1,31 2,7 2,8 2,15 2,18–25 3–4 3 3,1–6 3,8–10 3,11–13 3,15 3,16 3,17–19 3,17–18 3,17
560 419 239 488 5 560 369 775 206.266.412. 741 369.415.488 560 266.417.761 560 560 775 560 568–569 568–569 7 568–569 191 775 488 385.397 344.359.568
4,1–16 4,4–5 4,12 4,14 6,5 6,12–13 8,21 9,20 11,1–9 11,1 12,1 12,3 15,1 17,4–8 17,4–5 20,16 28,17 32,1–43 32,27 32,48–52 39,9 41,15–36 49,1–28 50,20
387.398.399– 400 310.344.359. 490.527 551 488 551 551 560 838 560.900 372 553–554 543 539 539 569 539 539 215 874 680 702 680 95.393.402.649 586 542–543.680 141
944
Verzeichnisse
Das zweite Buch Mose (Exodus) Ex 2,24 12–13 12,1–28 12,46 14 20,5 20,18–21 33,19 34,7
539 131 686 686 8 874 874 674 874
28,64 30,12–13 30,13–14 30,14
553 10 860 10
Das erste Buch Samuel 1Sam 2,1–10 3,9–10 15,10 17
551 7 569 551
Das dritte Buch Mose (Leviticus) Lev 18,25 19,18 24,16 25
874 193.784 651 615
Das vierte Buch Mose (Numeri) Num 18,8 18,31 21,6 21,7–8 21,7 21,8 21,9
745 745 118 118 119 119.120.122 124
Das erste Buch der Könige 1Kön 6,11 17,23 18,22 19,10 19,14
569 910–911.913–914 234 234 234
Das zweite Buch der Könige 2Kön 13,23 19,26
539 884.893
Das Buch Hiob (Ijob) Das fünfte Buch Mose (Deuteronomium) Dtn 5,1–22 5,9 6,3 6,4–5 6,5 6,12 6,18–19 6,24 6,25 7,6 18,1–5 18,15 18,18
784 874 784 783.784 193.781 784 784 784 783 5.586 745 869 651
Hiob 4,14 10,9 31,40 42,3
874 527 398 71
Der Psalter (Psalmen) Ps 9,7 14,3 18,4 19,1–2 22,2 34,9 36,9
875 654 886 891 671 860 871
Bibelstellen 36,10 37,5 37,30 40,7 40,8a 40,9a 46,5–6 48,2–4 48,9 50,14 51,12 56,9 69,10 84,8 88,9 89,32 90,10 102,14 103,15–16 104,4 107,11 118,22 119,3 119,105 121,1–2 124,8 126,3 143,6 144,4 146,6
839 579.718 555 563 563 563 9 9 9 487 835 534 652 527 222 874 489 222 884.893 525.554 141 729 227 225–226.227. 541.769 222 515 9 222 180 527
Die Sprüche Salomos (Sprichwörter) Spr 3,12 4,2 9,9 10,12 10,31 11,30 13,14 14,27 16,18 23,24
842 922 555 195 555 555 871 871 285.393.403 555
945
Der Prediger Salomo (Kohelet) PredSal 1,2 1,14 2,11 2,17 3,7 3,19 3,22 7,16 8,17 9,1–2 11,5 11,8 12,7 12,8 12,9
554.874 554.874 554.874 554.874 178 554.874 489 555 555 555 732 554.874 527 554.874 922
Der Prophet Jesaja Jes 1,11–17 2,2–3 2,11–17 5,6 6,1–10 6,9–10 6,10 6,11–12 9,2–7 10,23 14,3–21 28,29 33,7 38,4 40,4 40,6–8 40,26 42,2–3 42,3 42,6 43,16–17 43,18–21 43,18–19 43,18 45,7 45,22–24 49,6
642 598 553 398 88–89 424 91 92 557 775 551 141.685 585 569 553 884.893 803 867 625 598.876 8 8–9 880.887 8 576 585 876
946 51,12 52,7 53,1 53,12 54,13 59,17 60,1–3 61,1–2 61,1 61,2 63,19 64,1 65,17 66,22
Verzeichnisse 884.893 585 88 124 819 531 598 613 615.915 599.615 462 462.878 5.8.378 378
Der Prophet Jeremia Jer 1,2 14,10 17,9 31,25 31,31–34 31,31 31,33 31,34 36,31
569 874 622.642.663 894 598 783 615.783 819 874
Der Prophet Joel Joel 1,1 2,28–29 3,1–5
569 885.895 246.255
Der Prophet Amos Amos 3,2 3,6 5,21–24
874 574–579.XII 642
Der Prophet Jona Jona 1,1 3,1
569 569
Der Prophet Micha Mi 1,1
569
Der Prophet Habakuk Hab 2,3
539
Der Prophet Zephania Die Klagelieder Jeremias Klgl 4,22
Zeph 1,1
569
874 Der Prophet Haggai
Der Prophet Hesekiel (Ezechiel) Hes 1,3
Hag 1,1
569
569 Der Prophet Sacharja
Der Prophet Hosea Hos 1,1 6,6 8,13 9,9 10,8
569 642 874 874 654
Sach 1,7 9,9 13,7
569 37 672.674.687
Der Prophet Maleachi Mal 3,10
589
Bibelstellen Die Weisheit Salomos Weish 5,19
524
Das zweite Buch der Makkabäer 2Makk 7,28
254
Das Evangelium nach Matthäus Mt 1,18–2,23 2,2 3,10 3,13–17 3,15 3,17 4,16 4,19 5,5 5,6 5,8 5,9 5,14–16 5,14 5,16 5,17 5,18 5,20–48 5,37 5,43 5,44 5,45 6,5–8 6,9–13 6,10 6,19–21 6,22–23 6,24 6,25 6,33 6,34
679 542 45.83 19 447 193.236.804.805. 814 99.236 707 44.366 554 181.650 44 541 855.XV.469 474 47 539 203 715 784 237.785 555.644 480 480 6.380.381.480. 572.660 665 200 356.367 636 356.357.368.380. 519.555.636.793. 819.821.923 138
7,13 7,14 7,15–18 7,16–20 7,16 7,20 7,21 7,22 7,23 7,28–29 7,29 8,20 9,1–17 9,1–8 9,5 9,12 9,14–15 9,16 9,18–19.23–26 9,34 9,37–38 9,38 10 10,1–16 10,14 10,16 10,19–20 10,22–25 10,22 10,24–25 10,29–31 10,33 10,37 11,2–6 11,3 11,6 11,16–24 11,19 11,25–26 11,25 11,27 11,28–29 11,28
947 753 182.753 869 320 330.763 330 749–759.570.806 751.756 756.757 597 622 867 143–144 491 492 18.798 37 47 910–911.913–914 622.857 636 395.404 256 408 826 649 222.503 340 740 767 576 904 635.866 865 497.825.864.869. 886 864–872 137 778.799.867 494 233.246.827.858 161.496.499.521. 548 767.858.908 44.239.256.615. 624.652.827.829. 894
948 11,29 11,30 12,1–14 12,1–8 12,5–8 12,19–20 12,20 12,23 12,24 12,30 12,34 12,35 12,38–39 12,48–50 12,49–50 12,50 13,1–23 13,1–9 13,4–7 13,4 13,5–6 13,5 13,6 13,7 13,8 13,11 13,14–15 13,16 13,18–23 13,19–22 13,19 13,22 13,23 13,24–30 13,27 13,30
Verzeichnisse 824–832.84.551. 842 830 143–144 750 641 867 625 867 622.857 622.623 93.132.742 555 593–594 389 676 570.806 XIII.143.274.287 94.377 385.387.398 279–280 307.324 307.324.387.398 310.316–317.325. 329 353.664 281.292.352.355. 365.383.396 382–383.395 424 99 94.377 384.385.387.396. 398.401 275.276.277.278. 287.288.289.384. 396 344–370.XIV. 309.325.382.384. 392.393.395.396 382–405.XIV. 281.292.352.355. 365.414.500.507 352.364.367 286 352.365.389.399– 400
13,33 13,44 13,46 13,52 13,53–57 13,55 13,58 14,1–2 14,23–25 14,33 15,1–9 15,8 15,19 15,22–28 15,24 16,1–4 16,3 16,6 16,11–12 16,13–23 16,14 16,15–16 16,15 16,16–18 16,16 16,17 16,18–19 16,18 16,19 16,21 16,24–25 16,24 16,26 16,27 17,5 17,19 17,22–23 18,1 18,7 18,10 18,11 18,12–14 18,12–13 18,19–20
594 555 709 601 597 677 858 83 494 149.268 750 26 283.293.900 51 51.445.799.812 593–594 46 594 594 311 770 151.207 769 248 149.268.698 584.698 139 47.62.164.182. 322.449.462.632. 652.656 45.46 14 311 251.657.697 171 585 236 268 14 268 671 803 854 172 801 554
Bibelstellen 18,20 18,25 19,1 19,6 19,13–15 19,16–17 19,16 19,17 19,20–21 20,1–15 20,18–19 20,20–23 20,21–23 20,28 21,1–9 21,5 21,12–13 21,12 21,26 21,42 22,1–14 22,2–14 22,2–10 22,9–13 22,11–13 22,19–21 22,21 22,35–40 22,37–40 22,37 22,39 23,1–12 23,2 23,8 23,13 23,16–28 23,29–39 23,29–36 23,37 23,38 24,1–2 24,13 24,23–26 24,24 24,30
322.332.708.854. 860.861 756 559 756 559 802 268.731.802 802–803 800 660 14 678 803 174.251.730.868 849 37.542.551 771 30 490 729 794.809 794.904 904 794–817.809.904 904–906.502. 809.904 776 44.454.645.769 778–786 211 193 175.193 746 114 513.553.767 103.114.651–652 641 426 411 69 43 43–49.769 179 869 61 29.851
24,36 24,46 24,50 25,14–30 25,18 25,19 25,21 25,23 25,25 25,26 25,31–46 25,34 25,35–39 25,37–39 25,37–38 25,40 25,44 26,6 26,17–29 26,20–29 26,22 26,24 26,26 26,31 26,33 26,35 26,36–46 26,39 26,42 26,45 26,49 26,52 26,57–68 26,57–66 26,63–64 26,63 26,64 26,65 26,69–75 26,73 27,1–2 27,1
949 27 899 83 437.756 756 392 474.587.710.790. 806.844.845 587.710.790.844. 845 756 474 170.845 542 267 267.392 402 542.717 392 19 342 917 188 671 917 60.672.674.687. 690 607 607 336 45.138.342.494. 608.771 45.381 424–425 59 551 553.641 610 608.631.770 768 664.768.770 651.770 313.327.606.713. 725 319 553 553
950 27,11 27,22 27,24 27,26 27,27–30 27,37 27,46 27,51 28,9–10 28,16–20 28,18–20 28,18 28,19 28,20
Verzeichnisse 542 34 663 671 594 542 494 757 136.137.138 134.136.137.138 693.747 58.75.139.476. 552.672 386.584.619.698. 799.812 165.303.460.504. 584
Das Evangelium nach Markus Mk 1,7 1,9–11 1,11 1,15 1,17 1,21–22 1,22 1,35 2,1–3,6 2,1–12 2,9 2,12 2,17 2,18–20 2,25–28 3,6–7 3,7–12 3,22 3,33–35 3,34–35 4,1–20 4,1–9 4,4 4,5–6 4,5 4,6
151 19 236.804.805.814 99.239.668.801 645.707 597 622 494 143–144 491 492 47 18.798 37 641 608 144 622 389 676 XIII.143.274.287 94.377 279–280 307.324 307.324 310.316–317.325. 329
4,7 4,8 4,11 4,13–20 4,15–19 4,18–19 4,20 5,21–24.35–43 6,2–3 6,3 6,5–6 6,7–13 6,14–16 6,16 6,46–48 7,6 7,21 7,25–30 8,11–12 8,27–33 8,27 8,28 8,31 8,34–35 8,34 8,36 9,24 9,28 9,31 9,35 9,38–41 9,38–40 9,40 10,1 10,13–16 10,17–18 10,17 10,18 10,20–21 10,29–30 10,33 10,37–40 10,44 10,45 11,15–17 11,15 11,18
353.664 281.292 382–383.395 94.377 401 309.325 281.292 910–916 597 677 858 408 83 83 494 26 900 51 593–594 311 769 770 14 311 251.657.697 171 419.540.701 268 14 357 866 621–626.633.635 635 559 559 814 268.731.802 802.803 800 635 14 803 357 174.251.868 771 30 646
Bibelstellen 12,10 12,15–17 12,17 12,24 12,29–31 12,31 12,32–33 12,38–40 12,42 13,1–2 13,11 13,13 14,12–25 14,21 14,22 14,27 14,29 14,32–42 14,35–36 14,36 14,41 14,45 14,53–65 14,53–64 14,61–62 14,61 14,62 14,63 14,64 14,66–72 15,1 15,2 15,15 15,16–19 15,26 15,34 15,38 16,9–20 16,9–13 16,9 16,14–19 16,14–16 16,15–18 16,15 16,19
729 776 44.454.769 867 211 175 779 746 272 43.769 222.503 740 342.917 671 917 60.672.674.687. 690 607 336 494 608.771 424–425 59 553.641 610 608.631.770 768 768.770 770 651.770 313.327.606.713. 725 553 542 34 594 542 494.671 757 134.136.137 695 209.676.690 706.707 138 256 693 7.720
951
Das Evangelium nach Lukas Lk 1,2 1,5–25 1,20 1,26–38 1,32–33 1,33 1,37–42 1,46–55 1,46–49 1,46 1,51–53 1,54–55 1,64 1,67–79 1,68–79 1,68–75 1,68–69 1,68 1,72–73 1,79 2 2,1–14 2,8–14 2,10–11 2,14 2,15–20 2,19 2,25–38 2,25–35 2,30–32 2,31–32 2,32 2,41–52 2,46–47 2,49 3,8 3,9 3,16 3,21–22 3,22 4,16–19 4,18 4,19 4,20–21 4,21
217 874 539 550.876 538.550.876 542 641 550 550 555 550–556 538.539.555.876 540 876 538 876 538–544 539 539 257.272.572.874 679 873 873 873–878 562.572.887 877 678 53 538 538.541 543 876 343 597 15 176 45.83 151 19 236.804.805.814 597–605.613 615.915 615 613–620.621 599
952 4,22 4,28–30 4,42 5,8 5,15–16 5,17–6,11 5,17–26 5,23 5,31 5,33–35 5,36 6,3–5 6,9 6,12 6,28 6,45 7,15 7,16 7,19–20 7,19 7,31–35 7,34 7,35 7,47 8,2 8,4–15 8,4–8 8,5 8,7 8,8 8,10 8,11–15 8,11 8,12–14 8,12 8,13–14 8,13 8,14 8,15 8,21 8,40–42.49–56 9,2–6
Verzeichnisse 604.770 608.695–696 144 874 144 143–144 491 492 18.798 37 47 641 45 494 237.785 93.125.132.578. 742 910–911.913–914 623 559.886 497.825 137 799 778 676.690 676.690 XIII.143.274.287 94.377 277.279–280.288. 290–291.332 353.664 277.288 382–383.395 94.377 332.418 401 273–296.XIV.382. 392.395 275.276.287–288 307–335.XIV.94. 382.392.395 309.325.348–349. 362 286.295.383.396 389.676 910–911.913–914 408
9,7 9,10–11 9,12 9,18 9,19 9,20 9,22 9,23–24 9,23 9,42 9,44 9,51–55 9,52–54 9,54 9,58 9,62 10,2 10,6 10,10 10,13–15 10,20 10,21 10,27 10,42 11,1 11,2–4 11,2 11,15 11,16 11,29 11,34 11,52 12,7 12,13–21 12,23 12,27 12,31 12,33 12,37–38 12,37 12,42 12,43 12,46 12,48 12,49
83 144 494 494 770 769 14 311 251.657.697 910–911.913–914 14 866 773 624 867 633–639.621.828 404.636 94 826 137 474 233.246.494 211 482.535.653.670. 722.795.809–810. 843 480 480 381.480 622 593 593 200 114.651–652 576 489.554 636 371 636 554 531 529.734.899 359.671.922 529.531 27 178 138
Bibelstellen 13,6–9 13,14–16 13,19 13,20–21 13,35 14,16–24 14,23–24 14,26 14,28 15,4–7 15,31 16,8 16,9 16,17 16,19 17,3 17,11–19 17,20–21 17,20 18,9–14 18,10–12 18,13 18,14 18,15–17 18,18–19 18,18 18,19 18,21–22 18,31–43 18,32–33 19,10 19,11–27 19,11–24 19,11 19,12–24 19,12–13 19,13 19,15–24 19,15–21 19,15–19 19,17 19,21–22 19,38 19,40 19,41–44
46 641 404 594 43 623.794–795.808. 809 777.XV 312.866 633 801 496 17.94.161.649 653 539 310 468 627.673 4.210 458.649 798.812–813 79 176 813 559 814 731.802 802.803 800 50 14 98.430.814.828 469.521.756 474 416.420 XIII 414–421.XIV.432 432.503 432–440.XIV.414. 450 414.415 420 474 490 542 112 137.141
19,41–42 19,41 19,42 19,43–44 19,44 19,45–46 19,46 19,47 20,17 20,19 20,23–25 20,25 20,27 20,45–47 21,2 21,5–6 21,6 21,12–19 21,18 21,25–36 22,2 22,7–23 22,14–38 22,19 22,20 22,23 22,31–32 22,32 22,36 22,40–46 22,41–42 22,42 22,47 22,51 22,54–62 22,56–62 22,63–71 22,63–65 22,66–70 22,67 22,70 22,71 23,1–2 23,3 23,7–11
953 767–774.43.664 645 69.650 769 47.771 30.771 24–25 646.771 729 646 776 44.454.645.769 175 746 272 43 27.31.769 256 576 850 646 342 917 917 47 188 60.138 72.607.672.674. 688.690.703.725 607 336 494 45.271.381.608. 660.771 59 606.608–609 606.725 313.327.713 553.641 594 608.631 768 770 770 553 542.608 78–86
954 23,21 23,26–31 23,28 23,30 23,34 23,38 23,46 24,9–11 24,13–51 24,13–49 24,13–24 24,14 24,19–24 24,21 24,25–27 24,25 24,26 24,32–36 24,33–35 24,34 24,36–49 24,36–43 24,36 24,37–43 24,44–49 24,46 24,48 24,49 24,50–51
Verzeichnisse 34 771 43.70 654 384.425.494.509. 650.671.771.773 542 494.681.684 695 136.137 134 703 712 712 672.690.703 141 122.703 72.122.123.690 712 696 140.713 706–707 136–137 138–139 701 138–141 122 496 139.231.268–269. 458.513.654.695. 698.729 720
Das Evangelium nach Johannes Joh 1,1–18 1,1–4 1,1 1,3 1,4 1,5 1,9 1,12
240.495 30 495 240 123.772.825.837. 870 555 541 236.240.535–536. 555.570.584.588. 805.908
1,14
1,16 1,17 1,18 1,27 1,29–34 1,29 1,34 1,41 1,45–46 1,45 1,46–47 1,46 1,47 1,49 1,51 2,1–12 2,13–16 2,17 2,25 3,1–21 3,3–8 3,3–6 3,6 3,7 3,8 3,10
5.7.25.35.45.89. 92.100.119.122. 162.163.166.197. 200.236.238.245. 268.302.305.449. 468.481.484.495. 497.512.513.547– 548.560.561.569. 571.587–588.616. 618.624.632.646. 670.676.687.704. 714.770.771.803. 814.837.839.842. 851.857.858.860. 861.871.912.915. 918 549.624.656.658. 828.838–839 624 837 151 19 4 149.268 35.540.618.856. 857.860.861.862 38–39 618.856.857.860. 862 866 856–863.856.865 540.861.868 542 860 19 22–32.43.771 652 623.712–713 93.728 232 721 238.417.728.911. 914 728 728–736.165.238. 258 728
Bibelstellen 3,12 3,14–15 3,15–16 3,16 3,17 3,18 3,19–20 3,20 3,21 3,34 3,35 3,36 4,8 4,14 4,16 4,23–24 4,23 4,32 4,34 4,35 4,42 4,64 5,16 5,18 5,19–20 5,19 5,20 5,21 5,24
5,26 5,30 5,31–32
728 117–126.672 251.532.752.886 47.437.546.655. 693.755.837.874. 875.886 75.111.539.546. 549.617.773.850. 854 837 555 343 601 830 521 10.251.492.867 108.111 90.302.460.637. 662.871 108 133.203.235.314. 328.542.570.571. 601.642.669 110.202 806 409.563.768.782. 806.862 371 538 210 867 594.867 109.553.570.653. 756–757 697.782.867 45.233.521.548. 570 615 7.115.210.222. 241.251.532.560. 585.650.676.710. 752.755.765.772. 785.806.837.875. 878.900 615 63.807 617.770
5,34 5,36–37 5,36 5,37 5,39 6,15 6,26–27 6,28 6,29 6,30 6,35 6,38–40 6,38 6,39 6,40 6,44 6,45 6,47 6,48 6,51 6,53 6,54 6,56 6,58 6,60–65 6,60 6,63 6,64 6,66–68 6,66 6,67–69 6,67–68 6,68–69 6,68
6,70–71 7,5 7,7 7,12 7,13 7,14–15 7,15
955 671 617 207.618.624 671 37.104.598 90 752 752 752.781.867 123.593–594 46.837 563.876 408.768.862 781 710.752.781.867 618 338.438.819 21.251.433.435. 492 837 693 199.837–838.866. 917 838 377 693 311 599.635 240.265.376.548. 603.722.838.861 311 867 311.867 151 35 122.188 36.73.498.624. 704.841.858– 859. 912.915 311 678 221 201.594 608 597 201
956 7,17 7,18 7,28–29 7,32–34 7,37–38 7,38–39 7,45–46 7,46 7,48 8,7 8,12–13 8,12 8,14 8,18 8,23 8,26 8,28 8,29 8,31–32 8,32 8,34 8,36 8,38 8,46 8,49–50 8,50 8,51 8,52–53 8,53 8,58 8,59 9,4 9,5 10,10 10,11 10,15–16 10,16 10,25 10,27 10,29
Verzeichnisse 256.407.601 357.697.883.892. 912.914–915 496 594 624 656.657 594 25.618.622–623. 770 687.867 312 616 48.53.77.216.546. 726.772.867.868. 877 616.617 671 221 697 124.125.239–240. 697 209 552 75.132.316.358. 506 730 754.866 778 208 884 883.892 837–839.XV.867 838 867 646 608.695–696 723 726.877 646 367.506.589 100 242.269.542.553. 699.862 207.264 100 617
10,30
10,31 10,32 10,33 10,36 10,38 10,39–40 11,1–45 11,6–16 11,9–10 11,25–26 11,25 11,33–38 11,41–54 11,41–42 11,42 11,46–53 11,47–53 11,49–50 11,49 11,50 11,53–12,8 11,53–54 12,1–50 12,9–19 12,13 12,14 12,15 12,20–36 12,20–26 12,22–23 12,24 12,27–36 12,28 12,31 12,32 12,33 12,34 12,35
110.114.162.209. 211.264.510.513. 617.665.672.681. 684.697.757.827. 867.868.884.885. 892.894 646.695–696 855 646 594 132.264.867 608.695–696 15.34.137 700 216 7 917 137 16.41 494 73.520 610 640–641 609 640–668 102.124–125.610. 641.645.651 13–21 608 148 33–42 542 37 542 208.877 50–58.40.68.70 646 71.72.75.277.289. 377.390.391.401. 646.671.685 68–77.57.87–88 58.188 65.66.765 117.124.671 117 90 112.216
Bibelstellen 12,36–43 12,36 12,44–50 12,45 12,46 12,47 12,50 13,1–17 13,1–11 13,8 13,10 13,11 13,12–20 13,12–17 13,13–14 13,14 13,21–38 13,23 13,25 13,26 13,31–16,33 13,31–32 13,33 13,34–35 13,34 13,35 14 14,1–6 14,2–3 14,2 14,4 14,6
14,7–17 14,7 14,8 14,9–10 14,9
87–96.107 108.161.433 107–116 264.496.781 877 509.875 239–240 917 147–155.169. 185–186 917–919 918 918 169–175.150 918 216 918 184–195 162.627.628.646. 724 724 270 680 162 210 211.814.823.918 54.65.171.452– 453.875.878 171.228.772 376 205–212 731 56.482 499 75.99.182.216. 339.445.460.476. 511.546.561.615. 616.632.646.672. 778.781.805.843. 867.917 263–272.297 241.338 300.618 162 7.100.110.131. 191.241.496.754. 781.867
14,10–11 14,10 14,13 14,15–26 14,16 14,17 14,18–24 14,18 14,23
14,24 14,25–31 14,26 14,27 14,30 14,31 15,1–7 15,4–6 15,4–5 15,4 15,5 15,8–17 15,8 15,9–17 15,9 15,10–11 15,12 15,15 15,16 15,18–16,4 15,18–19 15,19–20 15,20 15,26–27 15,26
957 132.867 109 407.409.412.905 244 236.298.481.678. 693.757–758.767. 864 221.298.444 297–306 341 5.10.56.141–142. 240.377.486.561. 571.655.665.672. 689.693.741.754. 784.870.871.885. 894.895 240.511 336–343 8.199.298.543. 678.693.757– 758.767.864 8.145.188.842 65.765 372 371–381.407 754 754 300 522.549.570.659. 838.859.866 406–413.423 19 918 859 513 431.765.875.878 62.239–240.569. 570.750 425.427.449 422–431.441.446 221 340 767 11 8.244.245.444. 543.678.693.757– 758.767.864
958 15,27 16,4–15 16,6–15 16,7–15 16,7–14 16,7 16,11 16,12–14 16,12 16,13–15 16,13–14 16,13 16,14–15 16,14 16,16–23 16,16 16,17 16,23–33 16,28 16,32 16,33 17,1–26 17,1–8 17,1 17,2 17,3 17,4 17,8 17,9–13 17,10 17,11 17,12 17,14–19 17,14 17,20–21 17,20 17,21 17,22 17,24–26 17,24
Verzeichnisse 496 441–449 459 244 458 54.481.678.693. 757–758.767.864 65.765 460 14.337.734 767 747 182.245.247.248. 472.678.698 250.678.697 54.338.600.601. 603.767.860.861. 883.891 456–464 723 624 479–486 133 209 221.427.464.533. 842 187.190.59.170. 494.674.877 494–499 409 511 199.433 545.697 245.433.778 509–514 496 656 59.595 518–522 221 199.201 305.510.709.859 132.656.681.867 513 545–549 75.514.619.731
17,25 17,26 18,1–11 18,1–9 18,6 18,8–9 18,8 18,10–14 18,10 18,13 18,12–14 18,14 18,15–27 18,15–18 18,15–16 18,17 18,19–24 18,19–23 18,20 18,24 18,25–27 18,26 18,28–32 18,28 18,33–38 18,33–37 18,33 18,36–37 18,36 18,37–38 18,37 18,38–19,7 18,38 19,2–3 19,7 19,8–16 19,8–15 19,10 19,12 19,14 19,15 19,16–24 19,19 19,25–29
221 193 336 591–596 34 59–67 323.627 606–612 629 630 553 668 627–632 606.725 607.675 313.319.327.713 553 608.610 79 640 313.327.606.713. 725 161.607 640–646.553 683 647 XXXVII.608 542 23.28 23.24.102.221. 632.770.862 97–106.271–272 114.133.542.632 648–652 130.272 594 553 662–666 667 553 103.272 542 669 667–672 542 673–682.683
Bibelstellen 19,26–27 19,26 19,28 19,30–42 19,30 19,36 19,38–42 19,38 20,1–21,25 20,1–19 20,1–18 20,2 20,9 20,11–29 20,15 20,17–18 20,17 20,19–23 20,19 20,21–23 20,21 20,22 20,23 20,24–31 20,24–29 20,26 20,30–31 21,1–23 21,1–14 21,7 21,15–19 21,15–18 21,15–17 21,19–25 21,20 21,22 21,25 21,31
683 646 683.684.685 683–688 681 686 93 608 196 XXXVII 689–694 646.687 687 134.136.137 143 695 133.138.145.210. 231.722.754.782 695–699.700.706– 707 138–139.608.730 138 138–139.392.401– 402.408 713.730 491.713.716 700–705 136–137.696 138–139 196–204 134.136.137 706–711 716 712–719 724 629.725 720–727 646.724 714 196 679
Die Apostelgeschichte des Lukas Apg 1,1–14 1,1–8
231 134.136.138
1,6–11 1,6 1,7 1,8 1,9–11 1,13–14 1,15–26 1,21–22 2 2,1–41 2,1–13 2,1–4 2,2 2,4 2,11 2,14–36 2,14–17 2,17–18 2,17 2,22–23 2,22 2,23 2,33 2,36–38 2,36 2,37–41 2,37 2,38 2,41 2,44–45 3,15 3,22 4,1–12 4,11 4,12 4,13 4,19–20 4,19 4,27–28 4,29 4,31 4,32 4,34–37 5,1–11
959 675 463 180.380.412.444. 463.723 52.139.256.496. 656 191.720 678 737–738 737–738 729 254 543 94.461 729 654 654.729.731 725.732 246 255.885.895 231.246 123 857 552.640 181 653–661 729.862 732 123.731 698–699.731 729 438.453 255.659 869 725 729 11.164.754.851. 858.886 541 749 749.750 640 541 541 438.453.675 454 454.725
960 5,29 5,38–39 7,37 7,55–60 7,55 8,18–25 9,1–9 9,15 9,31 10,34–35 10,35–43 10,36 10,41 10,43 11,1–18 13,1–3 13,26 13,47 14,8–18 14,17 14,22 15,1–29 15,21 15,23 16,6 17,23 17,27 17,30 18,1–18 22,6–11 26,12–18 27,34 28,31
Verzeichnisse 730.749.750 825 869 7 886 725 738 393.403 11 827 505 552.862 704 886 725 744–745 539 876 761 74 180.310.325.842 598 598 239 764 663 95 668.783 128 738 738 576 541
Der Brief des Paulus an die Römer Röm 1,1 1,5 1,13 1,16 1,17 1,18–32 1,18–23 1,18 1,19–31 1,19–20
239 219 295 281.292.561 472.555 417.565.569 131 901 408 81.483.761
1,19 1,20 1,21–23 2,5 2,6 2,11–3,31 2,11–16 2,14 2,15 2,28–29 3,8 3,9 3,10 3,12 3,20
3,21–5,21 3,21–4,25 3,21–23 3,21–22 3,22 3,23 3,28 4,4 4,5 4,11 4,16 4,17 4,25 5,1 5,2 5,3–5 5,5 5,8 5,10 5,21 6,1–2 6,1 6,3–5 6,4–6
779 74.207.634.779 780 901 585 810 796 801.810.843 811 91 41 797 654 654 199.220.260.282. 292.533.615.750. 782.797.798.801– 802.807.810.814. 815 144 805–806 912.915 472 805.806 419.797.798.801. 804.810.813.843. 878 260.437.801.813 586 542 539 555 254.539 229.688 655 655 585 166.225.783.803. 807.908 72.410.687.755. 758.785.874 654.785.894 229 798 144 135–146 257
Bibelstellen 6,4 6,5–6 6,5 6,6 6,8 6,13 6,17 7,7 7,8 7,16 7,18–24(23) 7,18 7,23 7,24 8,1 8,3 8,7 8,9–15 8,10 8,14–23 8,14–17 8,14–15 8,14 8,15
8,16 8,17–18 8,17 8,18 8,19–22 8,21
8,22–23 8,26 8,28
133.135.167.688. 882.885–886.891. 895 658 532 133.136.885–886. 895 66.882.891 144 730 782 755 782 834 638.750 158.165.811 886.895 533.909 569 451.654 232 124 555 132 885 579.885.895 437.463–464.541. 655.684.738.758. 767.783.784.785. 895 11.340.481.484. 656–657.842 166 105 145.743 842 132.143.175.215. 216.219.220.224. 315.328.358.477. 659.687.743.746. 843.845.865.895 300 227.271.464.540. 681.843 180.181.227.229. 439.521.628.820. 845.909
8,29 8,32 8,33 8,34 8,37 9,1–2 9,8 9–11 9,15 9,21 9,30 10,1 10,2 10,3 10,4 10,6 10,8 10,9–13 10,14 10,17 11,3 11,6 11,13 11,25–26 11,25 11,33 11,35 12,1–2 12,1 12,2 12,3–10 12,3–8 12,3 12,4–5 12,6 12,10 12,11 12,14 12,17 12,21 13,1–4 13,1 13,5 13,7
961 798 72.785.874.908 533 123.236.437 767 763 91 763 674 436.803.814 555 539.763 829 806 236–237.784.799. 811 555 895 247–248 418.860 121.259.418.808. 860.885.894 234 586 239 92.539.763 92 233.763 436 473.571 228 221.229.533 543 438 436.830 393.403.507 219.234 763 178–179 237 506 10.578.579.588. 611 315.328 250.454.476.770 473.476.770 894
962 13,10 13,11–14 13,12 13,14 14,1–15,6 14,1 14,2 14,3 14,4 14,5 14,8 14,10–13 14,13 14,17 15,1–7 15,1–3 15,1 15,2 15,3 15,8 15,13 15,16 16,7 16,26
Verzeichnisse 229.533.784 850 228.681 804 419 215.501.543 501 504.506 643 506 844.845.859 316.329 323.333 143.539.555.636. 637.730.752.816 543 XIV 500–508.XIV.323 XIV XIV 730 222.227.816 240 239 219
Der erste Brief des Paulus an die Korinther 1Kor 1,1 1,10–17 1,18 1,23 1,29 1,30 1,31 2,1–5 2,10 2,13–14 2,14 3,1–11 3,2 3,5 3,6–9
239 128 215 215.312–313.327. 554.769.867 241 504.534.559.784. 785.835.886.895 241 128 258 603 881 128 322.332.841.845 240 394.395.403–404
3,6–8 3,6 3,7 3,10–15 3,10 3,11–13 3,11 3,12–15 3,15 3,16–17 3,16 3,17–18 3,21–22 4,1–2 4,1 4,2 4,8 4,12 4,14–17 4,21 5,1–5 5,6–8 5,6 5,7–8 6,19 6,9–10 6,19 7,7 7,12 7,20–23 7,20 7,21–23 7,21 7,23 7,29–30 7,32–34 7,40 8,6 9,1 9,5 9,11 9,13–14 9,19–23 9,20–22 10,13
143.385.390.400. 419 738 394.403 217.218.588 47 846 47.247.248.763 419 353.365 437 913.915 418 241.393 359 240 922 156 744 128 215.216 127–128 127 127–128 127–134 418.437.571 834–835 913.915 923 760 XIV 450–455.XIV.471. 707 471–478.XIV 707 659.750.754.820 358.368 907 829 216 239 239 286.295 745 919 503 504
Bibelstellen 10,24 10,31 11,2 11,17–34 11,23–24 11,25 11,26 11,28 12,1–31 12,1–11 12,3 12,4–11 12,4–6 12,4 12,7 12,8–11 12,11 12,12–27 12,12–26 12,13 12,22–24 12,26 12,27 12,28–30 12,28–29 12,31 13,1 13,2 13,5 13,7 13,8 13,9–10 13,9 13,10 13,12 13,13 14,1–19 14,33 15 15,1–20 15,1–5 15,6 15,9
251.595.845 413 128 213 917 47 777 213–230.XV.320. 331 253 199 248.698.729.738. 751–752.757.830 219.257.438.543 216.543.757 234.543.846 717 717 240 231.252.507 393.403 181 803.814–815 469 164.166 257 239 253–262.359 240.258 98 430 318 725 95 749.752 46 468 31.715–716.775. 899 257–258 454 156 127 127.128 674 239
15,10 15,12 15,40–41 15,42 15,51 15,53–54 15,54–57 15,55–56 15,56 15,58 16,5–7 16,8
963 176.369 156 434 47 846 166 7.135 533 142.875 358.369 127 127
Der zweite Brief des Paulus an die Korinther 2Kor 1,1 1,14 1,20 3,3 3,6–7 3,6 3,13 3,17–18 3,17 3,18 4,4–6 4,4 4,5 4,6 4,7 4,8–9 4,10 4,13 4,17 5,1 5,14 5,15–19 5,15–17 5,15–16
239 845 301.497 615 554 28.215.542.730. 802 215 883 659.730 498.512.514.600. 735.767.773.834. 846 236 215.266.771.798 885.894 41.215 274.287.499 310.325 882.891 132.885.894 743 532 27.233.418.533. 534.715.730.802. 813 893 880.888 882.891
964 5,15 5,16–17 5,16 5,17–19 5,17
5,18–19 5,18 5,19
5,20 5,21 6,3–10 6,7 6,9–10 6,16 7,10 8,23 9,8 11,4–5 11,5 11,8–9 11,13 11,17 11,18 11,22–23 11,23 12,9 13,5 13,14
Verzeichnisse 879.882.885.886. 891.894.895 879.883.891 881.882.889 892 879–897.10.47. 120.136.145.165– 166.300.378.411. 416–417.428.571. 572.686.835.882. 890 404.879.883.891 264.404.885.886. 892.893.894.895. 896 192.264.340.511. 714.731.781.823. 883.884.885.886. 893.894–895 772 200.208.558.685. 918 358 24.29.30 369 418 83 239 367.506.589.618 882.890 239 744–745 239.882.890 760 882.890 882.890 240 60.61.62.503.618 181.320.331 523
Der Brief des Paulus an die Galater Gal 1,1 1,6–3,5 1,12
239 882.890 738
2,2 2,4 2,5 2,16–3,29 2,16 2,19–20 2,20
2,21 3,1 3,2 3,5 3,14 3,22 3,23–25 3,23–24 3,24–25 3,24 3,26 3,27 3,28 4,1–7 4,1 4,4–7 4,4–6 4,4–5 4,4 4,5–6 4,6 4,19 5 5,1 5,5 5,6
369 870 182 805–806 199.260.801–802. 805.806.807.813. 814.815 418.802 532.65.124.267. 338.417.503.561. 570.571.586.665. 685.697.704.732. 807.814.838.844. 859.860.871.878. 884.885.893.894. 900 542 240.801 541.885.894.895 885.894.895 894 654.797 501 599 541 541 555.814 804 553 541 28.31 132 783 46 655.762.763.785 655.885 437.684.738.758. 767.783.784.785. 895.912 338 801 754 803 149.225.258–259. 420.433.437.439. 498.503.506.531. 541.709.740.816.
Bibelstellen
5,13 5,17 5,18 5,19–21 5,19 5,21 5,22–23 5,22 5,23 5,25 6,1 6,2 6,4 6,10 6,15
822.835.859.860. 865.870.900.905– 906 315.328.919 797.834 541.542.801 539 160 834–835 163.393.402 160.244.517.533. 541.561.571.730. 775 784 891 215.468 323.907 320.331 726 136.266
Der Brief des Paulus an die Epheser Eph 1,1 1,5 1,7 1,9–10 1,9 1,13 1,18 1,20–22 1,22–23 1,22 2,2 2,4 2,18 2,19–22 2,19–21 2,19 2,20 2,21–22 2,21 2,22 3,7 3,9
239 236 199 640 690 24.29.30 541 886 166.231.738 237.773 275.765.901 765 655 8 7 920–923 763.765.921–922. 923 437 923 921–922 240 217.690
3,12 3,16 3,17 3,18 4,1–3 4,2–4 4,3 4,4–6 4,4 4,7 4,8 4,12–16 4,13 4,15–16 4,15 4,18 4,22–24 4,23–24 4,24 4,26 4,28 4,30 5,1–20 5,5 5,8–14 5,8–9 5,8 5,9 5,14 5,15 5,22–23 5,23–27 5,23 5,26 5,27 5,30 6,6 6,11–17 6,13–17 6,14 6,16 6,17 6,18–21
965 655 222.227 555.870.871 228 XVI 227 822.843 216.543 543 830 571 252 128.219.222.659 166.231.738 95.237.643.697. 773.789.831 878.884.886 502.658 228.229 886.895 577 487–493 791 541 539.834–835 541 216 161 244–252.160.163. 393.402.541.561. 571 912.915 342 909 919 237 891 7.11.164.252.261. 512.748 252.393.403 177 321.331 632 524 104 26.104.321.589 240
966 6,18–20 6,19 6,20
Verzeichnisse 240 541 239
Der Brief des Paulus an die Philipper Phil 1,6 1,9 1,12 1,20 1,22 1,25 2,1 2,4 2,5–7 2,6–7 2,6 2,7 2,8 2,9–10 2,10–11 2,10 2,12–13 2,12 2,13 2,15 2,16 2,21 3,1 3,2–21 3,7–8 3,7 3,8 3,9 3,12–14 3,12 3,13 3,14 3,15 3,20 4,1
739 11.229 369 572 295 369 215 251.595 251 553 883.892 61.119.200.569. 864.866.867.875. 876 137.686.687 688 448–449.585 164.729.793 XXXIV 213–230.189.653. 654.659 638.653.741 555 369.543.845 845 220.223–224.528 882.890 502.572 312 357.534.697 805.806 143.223–224.504. 739 95.660.735 9.638.841 735 202.248.789 536.693 842
4,4 4,6 4,7 4,8 4,10 4,13 4,15
8.220.223–224. 228.367.393.403. 528.908 907–909.XVIII 145.222.229.909 357.739.909.913 744–745 502.507 744–745
Der Brief des Paulus an die Kolosser Kol 1,1 1,2 1,5 1,7 1,9 1,15 1,16 1,18 1,19 1,22 1,23 1,26–28 1,29 2,3 2,7 2,9
2,12–13 2,12 3,1–5 3,1–4 3,2 3,5–6 3,9–10 3,10 3,12–14
239 314.328 24.29.30 240 229 266.771.798.803 166.539 237.697.699.738. 773.886 438.549.779.838 543.748 240 257 561 618 655 5.65.110.113.132. 137.165.166.199. 201.208.241.426. 438.549.558.617. 655.731.779.814. 838–839.870 503 156 156–168 156 532 165 134.502.658 798 804
Bibelstellen 3,14 3,15–16 3,15 3,16 3,17 3,18–4,1 3,20 3,23 4,7
42.62.219.225. 226.227.229.513. 552.655.822.922 465–470 222.228 228.229.468 228 466 466 228.845.860 240
Der erste Brief des Paulus an die Thessalonicher 1Thess 1,1–5 1,2–3 1,3 1,6–10 1,7 2,1–6 2,7–12 2,7 2,13–20 2,13 2,14 2,17–18 2,19–20 2,19 3,1–7 3,3 3,4 3,6–7 3,8–13 3,12 4,1–12 4,13–18 4,13–16 4,13–15 4,13 4,16–18 4,16 5,1–11 5,1–6 5,2–3 5,2
737–741.XII.742 742 899 742–743.XII 743 XIII 744–748.XIII 239 760–766.XIII 760 818 788 845 842 788–793.XIII 818 818 818 818–823.XIII 833.835 833–836.XIII 524 840–848.XIII 840 535.741.902 849–854.XIII 840 523–537.XVII. 583 XIII.898 898 901
5,3 5,5–6 5,5 5,6–11 5,12–15 5,14 5,15 5,16–18 5,19–22 5,19 5,21 5,23–28
967 898 898 161 898–903.XIII XIII 323 506 XIII XIII 579 181 XIII
Der zweite Brief des Paulus an die Thessalonicher 2Thess 2,1–12 3,16
3–4 468
Der erste Brief des Paulus an Timotheus 1Tim 1,1 1,9 1,11 1,12 1,15 1,19 2,3–5 2,5 2,7 2,8 4,6 5,4 5,22 6,15 6,16
239 784.813.870 219.228 507 703.813 431.674.688 913.915 203 239 654 240.385.922 913.915 696 542 71.754.757
Der zweite Brief des Paulus an Timotheus 2Tim 1,1 1,6 1,7
239 219 215.216.219.222. 578.579
968 1,10 1,11 1,13 2,24 2,8 2,18 2,19 2,20–21 3,16 3,17 4,3–4 4,7–8 4,8
Verzeichnisse 875 239 219.228 393.403 229 156 803 436.803.814.846 172 498 3–4 228 842
3,13 3,20 3,22 4,6 4,8 4,10 4,17 5,2–3 5,4 5,6 5,7 5,8
229.469.923 769 7 891 195 219.225.234.359. 369.468.671.909. 922.923 320 553 766.842 275 908 725
Der Brief des Paulus an Titus Tit 1,1 1,6 1,10–14 1,15 2,11–14 2,11–13 2,14 3,5
239 515 3–4 516 557 557–561 665 226
Der erste Brief des Petrus 1Petr 1,1 1,3 1,9 1,21–23 1,21 1,22 1,23 1,24 2,2 2,5 2,6–7 2,7 2,9
2,10 2,21 2,24
239 653 30 222 225 215 302 884.893 158 47.542.730 7 729 231–243.5.9.166. 167.542.543.586. 738.751.830.885. 894.895 232 70.136 123–124
Der zweite Brief des Petrus 2Petr 1,1 1,17 1,19 1,21 2,4 3,2 3,18
239 236 541.851.922 236 765 239 216.224.227.229
Der erste Brief des Johannes 1Joh 1,1–3 1,1 1,3 1,6–7 1,7 1,8 1,9 2,17 3,1–2 3,2 3,5 3,8 3,9 3,21 4,6 4,7–10
428 543 217.886.896 899 77.216.375.693 658 919 180 555 121.181.511.560. 693.732.740.844. 846 200 569 878.884 822 883 241
Bibelstellen 4,7–8 4,8 4,9 4,10 4,11 4,14–15 4,14 4,16
4,18 4,19 5,4 5,12 5,18 5,19
726 423.431.533.572. 775 533.539.587.803. 837.875 539.714 726 229 538.539.555 98.161.207.229. 318.423.431.533. 572.726.755.775. 803.814.823.874 31.220.341.552. 780.784.816.822. 874.875.877.878 726 222.659 710 229 272
Der zweite Brief des Johannes 2Joh 1–3 3 5
318 552 726
Der Brief an die Hebräer Hebr 1,1–2 1,2 1,3
2,10 2,14–15 2,14 2,15 2,17 3,2–6 3,5–6 3,5
753.762.783 886.895.896 111.132.162.191. 193.241.423.431. 458.497.560.561. 585.754.771.803. 886.891.895–896 688 75 119.461 729–730.875 15.461.798 340 411 569
3,6 3,7 4,12 4,14 4,15 5,12–13 5,17 6,7–8 6,8 6,19 7,16 7,25 8,5 8,10 10,1 10,3 10,8–9 10,9 10,10–18 10,19–20 10,32–34 10,35–36 11,13 11,14 11,16 11,26 12,2 12,6 12,14 12,22 12,23–24 13,1 13,8 13,9 13,13 13,21
969 56.481.569–570 563 104.589.602.747 235.237 15.61.166.461.557. 655.768.867 322.332.841 266 385.397 387.389.398.399– 400 741.757 543 437 599.751 615 599.751.886.895 655 562–573 571 571 757 179 176–183 527 532.536 532.536 905 72.120.659.754. 755 842 834.922 8.9 203 321 900 42.199.216.218. 221.247.469.823. 829.842.852.865 905 570.571.572
Der Brief des Jakobus Jak 1,10–11 1,15
884.893 348.366
970 1,17 1,20 1,22–23 2,17 2,18 2,20 2,26 3,5–10 3,5 3,15
Verzeichnisse 71.572.762.776. 779.815.899 826 217 225.240.435 822 225.531 225 316 313 313
Die Offenbarung des Johannes Offb 1,5 2,1–3,22
542 90
2,10 2,23 3,12 3,16 4–5 19,16 20,1–6 21,1–5 21,1 21,4–5 21,4 21,5 21,7 22,5 22,12
10.11 585 8.9 259 4 542 864 3–12 378.783.880.882. 887.891.894 880.887 393.403 835 10.11 541 583–590