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German Pages 160 [211] Year 2020
Andreas Heiber
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen Stundensätze richtig kalkulieren
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Andreas Heiber
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen Stundensätze richtig kalkulieren
4Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 2 Kostenrechnung als Voraussetzung 2.1 Gesetzliche Vorgaben der PBV 2.2 Spezialdefinition der Investitionskosten 2.3 Umlagen zur Finanzierung der Ausbildungen 3 Definition der Kostenstellen und Kostenträger 3.1 Sinnvolle Kostenträger 4 Die Basis: Der ambulante Kontenrahmen 4.1 Kontierung der Erträge 4.2 Kontierung der Aufwendungen 5 Verursachungsgerechte Verteilungsschlüssel 5.1 Variante 1: Verteilung nach Umsatz 5.2 Variante 2: Verteilung nach Arbeitszeit vor Ort 5.3 Variante 3: Verteilung nach Leistungszeit 5.4 Variante 4: Differenzierter Personalschlüssel und Verteilung nach Einsätzen 5.5 Auswirkung der Verteilungsschlüssel 5.6 Daten für Verteilungsschlüssel ermitteln 6 Softwarevoraussetzungen 7 Praxisorientierte Darstellung der Kostenrechnung 7.1 Praktischer Nutzen 8 Kostenträgerrechnung: Umsetzungsbeispiel SGB XI 9 Rechtlicher Rahmen einer Kalkulation 9.1 Vergütung Unternehmerrisiko 10 Modell zur Berechnung/Kalkulation 10.1 Struktur der Stundensatzberechnung 10.2 Abgrenzungsfragen 10.3 Ermittlung der Kosten 10.4 Definition der verfügbaren Leistungszeit 10.5 Auswertung und Kennzahlen 10.6 Berechnung der Einsatzpauschale
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11 Praxis der Kalkulation 111 11.1 Istkostenberechnung des Stundensatzes 113 11.2 Stellschrauben der Kalkulation 115 11.3 Weitere Praxisfragen 126 11.4 Vom Stundensatz zu Punkten? 127 12 Pflegeversicherung: Gesetzliche Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 129 12.1 Erster Schritt: Prüfung der Plausibilität 134 12.2 Sonderrolle Personalkosten 137 12.3 Zweiter Schritt: Prüfung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütung 142 12.4 Der praktische Ablauf der Vergütungsverhandlung 150 12.5 Praktische Fragen zur Verhandlung 159 12.6 Berücksichtigung längerer Wegezeiten 162 13 Die Krankenversicherung: Rechtliche Grundlagen 165 13.1 Der Grundsatz der Beitragsstabilität 165 13.2 Personalkosten sind analog SGB XI geregelt 169 13.3 Der praktische Ablauf der Verhandlungen 171 14 Private Leistungen 177 Kostenerstattungsleistungen 177 15 Verhandlungsstrategien 181 16 Musterkontenplan mit Erläuterungen 187 17 Musterkostenstellenrechnung 201 18 Anhang 209 Literaturverzeichnis 209 Verzeichnis der Abbildungen 210 Downloads 210 Der Autor 211
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 7
1 Einleitung Zeit für Veränderungen! Unstreitig besteht die ambulante Pflege aus ständigen Herausforderungen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich in jeder Wohnung auf ein neues Versorgungssetting einstellen, sollen die ausgehandelten Leistungen erbringen, aber auch noch auf die Gesamtsituation der Versorgung achten, die Pflegepersonen mit einbeziehen und trotzdem wirtschaftlich arbeiten. Und sie sind allein, können nicht wie im Heim oder im Krankenhaus eben schnell einen Kollegen vom Flur holen oder sich kurz direkt austauschen. Gleichzeitig gibt es die ambivalente Wahrnehmung in der Gesellschaft: Einerseits sind die Pflegemitarbeiterinnen und -mitarbeiter diejenigen, die jeden Tag zuverlässig kommen (übrigens auch und trotz Coronazeiten), die auch gut bezahlt werden sollen, aber es möge doch gleichzeitig genug Pflegegeld übrigbleiben. Diese im wörtlichen Sinne schizophrene Wirklichkeit begleitet die Pflege schon sehr lange: Dass Pflege Geld kostet, soll nicht sein! Beifall aus dem Fenster geht, aber wer die Sonderprämie von 1.500 € finanzieren soll, darüber gibt es mal wieder Streit! Was lehrt uns der Coronavirus im Frühjahr/Sommer 2020 und die damit einhergehenden radikalen Veränderungen? – Nur wenn wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegedienst dauerhaft angemessen bezahlen, wird die ambulante Pflege in Deutschland sichergestellt sein. Denn andere Modelle wie Versorgungsketten aufgrund systematischer Schwarzarbeit brechen in der Krise zusammen,1 die Tagespflegen sind geschlossen und die Pflegeheime haben Aufnahmestopp! Seit Jahrzehnten ist im Pflegeversicherungsgesetz das Recht auf eine leistungsgerechte Vergütung in § 89 Abs. 1 festgeschrieben, aber seitdem nur unzureichend umgesetzt. Das führte zu massiven Vergütungsunterschieden im Vergleich der Bundesländer, aber auch innerhalb der Bundesländer, die weder rational erklärbar oder begründet sind. Die Preise müssen in der ambulanten Pflege verändert werden und zwar ohne Rücksicht darauf, wer sie finanzieren wird. Wir müssen und sollten uns in Deutschland darüber Gedanken machen, warum und wofür so viel Pflegegeld ausgegeben wird (in 2019
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siehe Klie in Carekonkret, 17.02.2020
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immerhin 11,74 Mrd. Euro, also 28 % der Gesamtausgaben der Pflegeversicherung;2 in den meisten anderen Ländern in Europa gibt es kein Pflegegeld, das die Angehörigen ‚bezahlt‘!). In der Vergangenheit haben viele Pflegedienste auch aus Angst, Unwissenheit und evtl. auch Unfähigkeit den Weg in Einzelverhandlungen gescheut. Die Lösung bei steigenden Kosten war dann der Weg über die Mitarbeitergehälter, die nicht stiegen oder deren Rahmenbedingungen sich verschlechterten (wie nicht mehr bezahlte Fortbildungszeiten etc.). Dabei würden auch die Verhandlungsabsprachen auf Landesebene von den Verbänden der Pflegedienste wesentlich druckvoller geführt werden können, wenn sie auf konkrete Zahlen der Dienste zurückgreifen können. Es führt kein Weg daran vorbei, dass alle Pflegedienste zumindest einmal im Jahr eine differenzierte Kostenrechnung erstellen und prüfen, wo sie in den Teilbereichen Pflegeversicherung, Krankenversicherung und weitere Leistungen tatsächlich stehen und welche Schlüsse sie daraus ziehen für die nächste Periode. Wer als Einrichtung die unzureichenden Angebote der Kostenträger beklagt, muss auch in der Lage sein, evtl. Einzelverhandlungen zu führen. Und die zunehmende Digitalisierung der Tourenplanung kann die differenzierten Daten für verursachungsgerechte Verteilungsschlüssel liefern. Um meine Intention und die des Buches nicht misszuverstehen: Es muss/soll nicht jeder Pflegedienst eine Einzelverhandlung führen, aber jeder in der Lage sein, auf der Basis seiner Kostenrechnung selbst Entscheidungen treffen zu können. Dieses Buch in der über alle Auflagen seit 2002 betrachtet vierten Auflage liefert ganz konkretes Handwerkszeug zu drei Themenblöcken: 1. Grundlagen und Umsetzung einer verursachungsgerechten Kostenrechnung einschließlich einer musterhaften Lösung (Kap. 2 – 8 sowie 17 – 18). 2. Grundlagen und konkretes Kalkulationsmodell, das kostenfrei verfügbar ist (Kap. 9 -11) 3. Gesetzliche Grundlagen und Praxis von Vergütungsverhandlungen in der Pflegeund Krankenversicherung sowie bei Privatleistungen (Kap. 12 –16)
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https://www.Bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/ pflegeversicherung-zahlen-und-fakten.html
1 Einleitung9
Technische Hinweise Für das Leseverständnis sind folgende Hinweise wichtig: • Die hier vorgestellte Kostenrechnung etc. geht von einem Pflegedienst aus, der alle Leistungen erbringen kann. Für einen Betreuungsdienst nach § 71 Abs. 1a SGB XI gelten daher die Beispiele nur eingeschränkt, da Betreuungsdienste nur ein eingeschränktes Leistungsangebot haben. • Zur besseren Unterscheidung werden die gesetzlichen Kostenträger wie Krankenoder Pflegekassen sowie die Sozialhilfeträger als „LEISTUNGSTRÄGER“ bezeichnet, um nicht mit dem betriebswirtschaftlich gemeinten Begriff der Kostenträger verwechselt zu werden. Nur bei Zitaten bzw. Darstellungen des Gesetzestextes wird die Bezeichnung Kostenträger statt Leistungsträger verwendet, allerdings dürfte hier auch die inhaltliche Bedeutung eindeutig erkennbar sein. • Wegen des förderalen Systems in Deutschland gibt es in 16 Bundesländern immer noch 20 verschiedene Leistungskataloge in der Pflegeversicherung, in der Krankenversicherung sicherlich über 30 verschiedene Vertragsvarianten.3 Dieser Vielfalt kann bei der Beschreibung von Beispielen und Situation oder konkreten Umsetzungen das Buch nicht gerecht werden, daher ist im Einzelfall die konkrete Umsetzung im eigenen Land oder den Vereinbarungen und Verträgen zu überprüfen. • Alle benannten oder zitieren Gesetzesparagrafen ohne weitere Angaben sind aus dem SGB XI, ansonsten sind die anderen Gesetzbücher benannt. • Für den ambitionierteren Leser sind jeweils die Fundstellen und weiteren Anmerkungen in den Fußnoten und im Literaturverzeichnis mitgeliefert. • Wie schon in den Vorgängerversionen wird es unter www.haeusliche-pflege.net/ Produkte/Downloads-zu-Buechern einige Materialien kostenfrei geben, insbesondere die Kalkulationsmodelle. Weitergehende Unterlagen gibt es teilweise gegen Gebühr.
Wichtiger Hinweis zu den Beispielen Zur Illustration und als Umsetzungsbeispiel wird eine Kostenstellenrechnung mit Beispieldaten genutzt. Dabei sind die in der Kostenrechnung ermittelten Aufwendungen auch die Berechnungsgrundlagen in der Kalkulation, das Zahlenbeispiel ist in dieser
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Ausführlich mit Vergütungsvergleichen SGB XI und SGB V zwischen den Bundesländern: A. Heiber (2019) Studie: hier sind 18 Kataloge beschrieben, in Berlin und Brandenburg ist die Zeitabrechnung neu.
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Ausgabe durchgehend fortgeführt worden, was das Verständnis beim Nachvollziehen der Beispiele erleichtern soll. Es kommt in der Praxis durchaus vor, dass bei Vergütungsverhandlungen Werte aus dieser Veröffentlichung bzw. früheren Auflagen zitiert oder auch dem Autor vorgehalten wurden. Deshalb folgender wichtiger Hinweis, auch für die Verhandlungspartner bei den Kranken- und Pflegekassen: Alle dargestellten Zahlen und Werte sind Beispielzahlen des Autors und entstammen nicht einem realen Pflegedienst oder sind nicht als Vergleichszahlen auf andere anwendbar und keine validen Benchmarks! DAS ZIEL dieses Buches ist es NICHT, jegliche Verbands- oder Landesverhandlung durch Einzelverhandlungen abzulösen; das wäre weder für jeden Pflegedienst gut noch in der Praxis umsetzbar. Aber je besser die Pflegedienste ihre Zahlen aufbereitet haben und kennen, desto einfacher können auch Gruppen- oder Kollektivverhandlungen auf der Basis dieser validen Daten geführt werden. DAS ZIEL des Buches IST ES, jede Einrichtung in die Lage zu versetzen, die eigenen Kosten sachgerecht abzugrenzen, die eigene Vergütung richtig zu berechnen und ENTSCHEIDEN ZU KÖNNEN, welcher Weg zu dieser Vergütung führen kann, sei es über eine Empfehlung, eine pauschale Steigerung, eine Kollektiv- oder eine Einzelverhandlung. Und wie gesagt: es gibt keine Alternative zu diesem Weg! Ein Dank ist zu sagen an die vielen Gesprächspartnerinnen und -partner auch von Seiten der Kranken- und Pflegekassen, Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer sowie an viele Kollegen, insbesondere wieder an Ronald Richter (auch für manche gemeinsamen Schiedsverfahren) sowie an meinen Kollegen Gerd Nett für die Diskussionen, Fragen und Zwischenbemerkungen zu diesem Themenkomplex. Und den Lektoren Bettina Schäfer und Klaus Mencke, die diesmal aus dem Homeoffice das Buch auf den Weg gebracht haben. Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflegedienste, liebe Leserinnen und Leser, an dieser Stelle ein ungewöhnlicher, der besonderen Zeit geschuldeter Gruß: Bleiben Sie gesund und nutzen Sie die nächste Zeit für Veränderungen! Bielefeld, der 25.04.2020 Ihr Andreas Heiber
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 11
2 Kostenrechnung als Voraussetzung Pflegedienste waren und sind schon immer Dienstleister, die mehr als nur „Pflege“ erbringen: neben der Körperpflege die Behandlungspflege, dazu immer schon Leistungen zur hauswirtschaftlichen Versorgung und Betreuung sowie zur Beratung. Dazu kamen und kommen weitere Dienstleistungen wie Mahlzeitendienst oder Hausnotrufsysteme, erweiterte Dienstleistungen rund um die Hauswirtschaft, mehr oder weniger organisierte Fahrdienste, Tagesbetreuungsangebote, Organisation und Betrieb von Wohngemeinschaften und vermehrt teilstationäre Tagespflegen. Und auch spezialisierte Pflegeleistungen wie Palliativversorgung bis hin zu Intensivpflegen oder weiteren Spezialisierungen. Körperpflege
Beratungszentrum
Behandlungspflege
Palliativversorgung
Intensivpflege
Betreuung
Hauswirtschaft
Pflegedienst
Tagespflege
Fahrdienst
Tagesbetreuung
Mahlzeiten -dienst Wohngemeinschaft
Abb. 1: Leistungsspektrum Pflegedienst
Hausnotruf
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2.1 Gesetzliche Vorgaben der PBV
Viele der Versorgungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eigene Leistungsträger wie Kranken- oder Pflegekassen sowie Selbstzahler haben und jeweils getrennt voneinander und unter Umständen auch mit unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verhandeln sind. Gleichzeitig sollte man als Leitungskraft im Pflegedienst wissen, welcher Teilbereich sich wirtschaftlich rechnet und welcher nicht. Daher reicht es nicht zu wissen, ob sich der Pflegedienst in seiner Gesamtheit insgesamt einschließlich ‚Quersubventionierungen‘ rechnet, sondern man sollte für jeden Teilbereich die ‚Wirtschaftlichkeit‘ kennen. Das schließt nicht aus, in manchen Bereichen bewusst ein negatives Betriebsergebnis in Kauf zu nehmen, und dies durch bessere Erträge aus anderen Bereichen auszugleichen. Im Recht der Kranken- und Pflegeversicherung ist neuerdings das Recht auf die Refinanzierung der Personalkosten auch gesetzlich verankert.1 Gleichzeitig gibt es eine große bundesweite Ungleichheit der ambulanten Vergütungssysteme2 und außerdem ein deutliches Gefälle zur Bezahlung in der vollstationären Versorgung.3 Nur über Einzelverhandlungen lassen sich die individuellen Kosten als Grundlage nutzen und gewinnbringend verhandeln. Das alles setzt aber eine differenzierte Kostenrechnung voraus, die viele Pflegedienste bisher so nicht umgesetzt haben. Deshalb stellt sich nicht die Frage, ob Pflegedienste eine differenzierte Kostenrechnung umsetzen sollten, sondern wann diese fertig ist und für die obigen Aufgaben genutzt werden kann!
2.1 Gesetzliche Vorgaben der PBV Von steuer- und handelsrechtlichen Aspekten abgesehen, gibt es DIE eine klare gesetzliche Grundlage, die eine differenzierte Kostenrechnung für jede Pflegeeinrichtung vorschreibt. Diese ist in der Pflegeversicherung verankert. Im Versorgungsvertrag nach § 71 SGB XI ist Folgendes definiert: (1) Ambulante Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste) im Sinne dieses Buches sind selbständig wirtschaftende Einrichtungen, die unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft Pflegebedürftige in ihrer Wohnung pflegen und hauswirtschaftlich versorgen.
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SGB V: § 132a seit PpSG 2019; SGB XI: § 89 seit PSG I 2015 und PSG II 2017 konkretisiert Ausführlich: Heiber, A. (2019) Heiber, A. (2019, 2)
2 Kostenrechnung als Voraussetzung13
„Selbständig wirtschaftende Einrichtung“ bedeutet, dass die Erträge und Aufwendungen dieses Betriebsbereiches von allen anderen Betriebsbereichen abzugrenzen sind. In der Gesetzesbegründung des Pflegeversicherungsgesetzes von 1993 heißt es hierzu: „… dass die verschiedenen Versorgungszweige innerhalb ihres Leistungsverbundes organisatorisch und selbständig geführt werden, um die unterschiedlichen Aufgaben- und Finanzierungsverantwortlichkeiten nicht zu vermengen“4. Gemeint ist damit nicht nur die differenzierte Buchung der Erträge auf verschiedene Konten, sondern auch die Zuordnung aller Kosten zu den verschiedenen Erträgen, also beispielsweise auch die Aufteilung der Personalkosten in die Bereiche Pflegeversicherung, Krankenversicherung etc. Da ein Versorgungsvertrag nur von Einrichtungen geschlossen werden darf, die den Anforderungen des § 71 SGB XI genügen (§ 72 SGB XI), ist jede Pflegeeinrichtung zur buchhalterischen Trennung verpflichtet. Das gilt in den meisten Fällen auch für Spezialpflegedienste wie Intensivdienste: Da im Regelfall die Patienten neben der akuten Behandlungspflege Leistungsansprüche nach SGB XI haben, müssen Pflegedienste, wenn sie auch hierüber abrechnen wollen, ebenfalls einen Versorgungsvertrag nach SGB XI vorweisen und unterliegen damit wiederum diesen Vorschriften. Eine weitere Konkretisierung dieser Trennungsvorschrift erfolgt durch die Pflegebuchführungsverordnung (PBV) nach § 83, Abs. 3 SGB XI. Zwar hat der Gesetzgeber 2008 (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) die Möglichkeit eingeführt, dass die Selbstverwaltung alternative Vorschriften und Grundlagen zur Buchführung definiert (§ 75, Abs. 7) und damit die PBV ersetzt. (7) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene vereinbaren gemeinsam und einheitlich Grundsätze ordnungsgemäßer Pflegebuchführung für die ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen. Die Vereinbarung nach Satz 1 tritt unmittelbar nach Aufhebung der gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 erlassenen Rechtsverordnung in Kraft und ist den im Land tätigen zugelassenen Pflegeeinrichtungen von den Landesverbänden der Pflegekassen unverzüglich bekannt zu geben. Sie ist für alle Pflegekassen und deren Verbände sowie für die zugelassenen Pflegeeinrichtungen unmittelbar verbindlich. Da es diese Grundsätze zur ordnungsgemäßen Pflegebuchführung bislang nicht gibt, gilt die alte PBV weiter.
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BR-Druck. 505/93
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2.1 Gesetzliche Vorgaben der PBV
Sie wurde zur Umsetzung des PSG II mit Verordnung vom 21. Dezember 2016 geändert,5 allerdings nur in Bezug auf Änderungen der Kontierung und weitere Änderungen bedingt durch Änderungen im Bereich des Handelsgesetzbuches. Die Kernvorschriften der PBV sind weiterhin unverändert geblieben. Die PBV enthält eine Befreiungsvorschrift für kleine Einrichtungen, die jedoch keine „Befreiung“ von der Betriebstrennung nach § 71 enthält:
§ 9 Befreiungen (PBV) (1) Von den Vorschriften dieser Verordnung sind befreit: 1. Pflegedienste mit bis zu sechs Vollzeitkräften; Teilzeitkräfte sind auf Vollzeitkräfte umzurechnen, 2. teilstationäre Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Kurzzeitpflege mit bis zu acht Pflegeplätzen, 3. vollstationäre Pflegeeinrichtungen mit bis zu zwanzig Pflegeplätzen. Für die Ermittlung der Vollzeitkräfte und der Pflegeplätze sind die Durchschnittswerte im abgelaufenen Geschäftsjahr maßgebend. Satz 1 gilt nicht für Pflegeeinrichtungen, deren Umsätze aus der Erfüllung ihres Versorgungsauftrages nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuchs (ohne Investitionsaufwendungen) bei Pflegeheimen 500.000 Euro, bei Pflegediensten 250.000 Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr übersteigen. (2) Von den Vorschriften dieser Verordnung können ganz oder teilweise befreit werden: 1. Pflegedienste mit sieben bis zu zehn Vollzeitkräften; Teilzeitkräfte sind auf Vollzeitkräfte umzurechnen, 2. teilstationäre Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Kurzzeitpflege mit neun bis zu fünfzehn Pflegeplätzen, 3. vollstationäre Pflegeeinrichtungen mit einundzwanzig bis zu dreißig Pflegeplätzen. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Über eine Befreiung und ihre Versagung entscheiden auf Antrag des Trägers der Pflegeeinrichtung die Landesverbände der Pflegekassen gemeinsam im Einvernehmen mit der zuständigen Landesbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen. Maßstab für diese Ermessensentscheidung ist insbesondere die Frage, ob die mit der Anwendung der Verordnung verbundenen Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu dem erreichbaren
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BGBl. I S. 3076, 2015 Teil 1, Nr. 54, S. 2076
2 Kostenrechnung als Voraussetzung15
Nutzen stehen oder ob die in § 7 gestellten Anforderungen nicht auch auf andere Weise erreicht werden können. (3) Pflegeeinrichtungen, die nach Absatz 1 oder 2 von den Vorschriften dieser Verordnung befreit sind, haben eine vereinfachte Einnahmen- und Ausgabenrechnung zu führen, die den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht; als Mindestanforderung gelten die in § 259 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs aufgeführten Rechenschaftspflichten entsprechend. Die Auskunfts- und Nachweispflichten der Pflegeeinrichtungen nach dem Siebten und Achten Kapitel des Elften Buches Sozialgesetzbuch bleiben unberührt. Entscheidend ist hier der letzte Absatz und darin der letzte Satz: „Die Auskunfts- und Nachweispflichten des Siebten und Achten Kapitels bleiben unberührt“; damit ist die Betriebstrennung, die im Versorgungsvertrag nach § 71 (im Siebten Kapitel des SGB XI) umzusetzen ist, verpflichtend. Die Pflegeeinrichtung ist lediglich von den besonderen Bilanzierungsanforderungen der PBV befreit.
Die verbindlichen Vorschriften der PBV Folgende Vorschriften der PBV sind insbesondere zu beachten und werden hier zitiert und erläutert: § 1: Anwendungsbereich: hier wird der Anwendungsbereich der PBV beschrieben: Zentral ist dabei die Konkretisierung für sogenannte gemischte Einrichtungen in Abs. 2, 2. Satz: „Erbringt eine zugelassene Pflegeeinrichtung neben Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch andere Sozialleistungen im Sinne des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (gemischte Einrichtung), so sind ihre Rechnungs- und Buchführungspflichten nach dieser Verordnung auf die Leistungen beschränkt, für die sie nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch als Pflegeeinrichtung zugelassen ist.“ Die gesamten Regelungen der PBV gelten also immer nur für den Teilbereich SGB XI, nicht aber für andere Betriebsbereiche eines Pflegedienstes wie Leistungen nach SGB V oder Privatleistungen. § 3 Buchführung, Inventar: Abs. 2: „Die Konten sind nach dem Kontenrahmen der Anlage 4 einzurichten. Bei Verwendung eines hiervon abweichenden Kontenplanes hat die Pflegeeinrichtung durch ein ordnungsgemäßes Überleitungsverfahren die Umschlüsselung auf den Kontenrahmen nach Satz 1 zu gewährleisten.“ Verbindlicher Kontenrahmen: Wer diesen Kontenrahmen nicht, sondern abweichend davon einen eigenen Kontenrahmen nutzt, muss ein entsprechendes Überleitungsverfahren (beispielsweise durch eine Überleitungstabelle) vorhalten.
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2.1 Gesetzliche Vorgaben der PBV
§ 4 Jahresabschluss: Für den Jahresabschluss sind die Gliederungsvorlagen der PBV verpflichtend, wobei diese sich weitgehend an den entsprechenden Regelungen des HGB orientieren. Zur Betriebstrennung gibt es hier eine Anweisung zur Abgrenzung: Wesentlich ist die Vorschrift in Absatz 3, die sich auf gemischte Einrichtungen bezieht: „(3) Bei gemischten Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 kann der Träger 1. einen auf die Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch begrenzten Jahresabschluss (Teil- Jahresabschluss) erstellen oder 2. unter Verwendung der Anlagen 3a und 3b die Erträge und Aufwendungen seiner Pflegeeinrichtungen in einer nach Anlage 2 gegliederten Teil-Gewinn- und Verlustrechnung so zusammenfassen, dass sie von den anderen Leistungsbereichen der Einrichtung getrennt sind. Ist eine Abgrenzung nicht möglich, haben die erforderlichen Zuordnungen zu den verschiedenen Leistungsbereichen auf der Grundlage von vorsichtigen und wirklichkeitsnahen Schätzungen zu erfolgen. § 7 bleibt unberührt.“ Für die ABGRENZUNG, vor allem der Aufwendungen, ist der vorletzte Satz entscheidend: Können Leistungsbereiche nicht direkt getrennt werden (wie es bei den Erträgen einfach möglich ist), so sind die Zuordnungen auf der Grundlage VON VORSICHTIGEN UND WIRKLICHKEITSNAHEN SCHÄTZUNGEN ZU ERSTELLEN. Die PBV legt somit keine definierten Verteilungsschlüssel fest, sondern überlässt es den Einrichtungen hier plausible Schlüssel zu definieren, wenn keine direkte Zuordnung möglich ist. § 7: Kosten- und Leistungsrechnung: Hier wird vorgeschrieben, dass die Pflegeeinrichtungen eine Kosten- und Leistungsrechnung zu führen haben für die betriebsinterne Steuerung sowie zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit. Es wird explizit auf die Abgrenzung der jeweiligen Betriebszweige sowie auf die Erstellung notwendiger Leistungsnachweise für Vergütungsverhandlungen nach dem 8. Kapitel verwiesen. Die hier genannten Kostenstellen- und Trägerübersichten sind lediglich MUSTER, nicht aber verbindlich anzuwenden. Auch bei der Kosten- und Leistungsrechnung gilt bei gemischten Einrichtungen die Abgrenzungsvorschrift nach § 4, Abs. 3.
Gemischte Einrichtungen gemäß PBV Im Sinne der PBV sind Pflegedienste immer gemischte Einrichtungen (siehe § 1, Absatz 2, Satz 2). Denn während in der vollstationären Pflege alle Kosten vorrangig durch die Pflegeversicherung übernommen und deshalb im Rahmen von Vergütungsverhandlungen mit den Pflegekassen und nachrangigen Leistungsträgern verhandelt werden, ist
2 Kostenrechnung als Voraussetzung17
dies in der ambulanten Pflege anders: Hier wird beispielsweise die Behandlungspflege von den Krankenkassen finanziert, deshalb sind hier eigene Versorgungsverträge und Vergütungsverhandlungen nötig (in der stationären Pflege gehört die Behandlungspflege zur Pflegeversicherungsleistung dazu). Die folgende Abb. stellt die Systemunterschiede ambulant und stationär dar: Unterschied ambulanter und Stationärer Versorgung Ambulante Pflege Rechtsvorschrift
Leistungen
SGB XI Körperbezogene Pflegemaßnahmen, Pflegerische Betreuungsmaßnahmen, Hilfen bei der Haushaltsführung
Leistungsträger
Pflegeversicherung
Nachrangige Leistungsträger
Privat Sozialhilfe
SGB V
Stationäre Pflege Privat
Private Behandlungspflege Leistungen, sowie in bestimmten KostenerFällen Grundpflege, stattungsHauswirtschaft leistungen
SGB XII
Ergänzende Leistungen
Krankenversicherung
Privat
Sozialhilfe
keine
keine
keine
SGB XI
Pflegebedingte Aufwendungen, Aufwendungen für Betreuung und für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege Pflegeversicherung Privat Sozialhilfe
Tabelle: 2
Was im stationären Bereich zusammengefasst von der (vorrangigen) Pflegeversicherung finanziert wird, ist ambulant in die verschiedenen Leistungsträger untergliedert und mit jedem separat auszuhandeln. Die Buchhaltungsvorschriften des SGB XI beziehen sich zwar allein auf dem Bereich SGB XI, aber insbesondere die Kontierung beeinflusst auch alle anderen Leistungsbereiche. Die PBV und ihre Umsetzung für die ambulante Pflege stehen berechtigterweise in der Kritik.6 Gerade wenn man sich die Muster zur Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung ansieht, wird man feststellen, dass die (damaligen) Autoren dieser Richtlinie von ambulanter Pflege wohl wenig wussten. Denn es werden analog zum stationären Bereich auch für die ambulante Pflege Kostenstellen nach Pflegestufen oder aktuell nach Pflegegraden vorgeschlagen, obwohl diese im ambulanten Bereich nicht relevant sind. Die ambulanten Preise sind nicht abhängig von der Höhe der Einstufung. Auch in der aktuellen Fassung aus dem Jahre 2016 hat sich hieran nichts geändert.
6
siehe auch Heiber, A. (2002), S. 7
18
2.1 Gesetzliche Vorgaben der PBV
Im stationären Bereich werden in der Praxis heute noch alle Vergütungen anhand der jeweiligen Pflegegrade definiert, wohl auch wegen der Überleitung der Pflegestufen auf die Pflegegrade nach dem PSG II. Ob sich diese Definitionsart dauerhaft noch aufrechterhalten lässt, wird erst die im Gesetz vorgesehene Studie zur Entwicklung und Erprobung einer einheitlichen Personalbemessung in Pflegeeinrichtungen ergeben.7 Denn die neue Einstufung berücksichtigt nicht die Häufigkeit von notwendigen Verrichtungen, was jedoch wesentlich zum Aufwand und damit zu den Kosten beiträgt.8 Die Studie von Rothgang et.al. 9 liegt inzwischen vor, die Konsequenzen und deren Umsetzung wird sicherlich noch dauern. Stationär schlägt die PBV als Kostenstellen die jeweiligen Pflegegrade sowie die Gemeinkosten vor, während auf der Ebene der Kostenträger diese Kosten dann den jeweiligen Pflegegraden differenziert nach den Vergütungskriterien „Pflegegrade“ und „Unterkunft und Verpflegung“ zusammengefasst werden. Ambulant geht der Vorschlag der Kostenträgerübersicht in der Logik der PBV davon aus, dass diese nur für den Bereich SGB XI gilt, und schlägt als Kostenträger ebenfalls die Pflegegrade vor. Aber Ambulant richtet sich die Vergütung nach den erbrachten Leistungen wie Leistungskomplexen, Modulen oder Zeitabrechnung, aber unabhängig vom Pflegegrad (oder früher der Pflegestufe). Des Weiteren schlägt die PBV als Muster für Kostenstellen im ambulanten Bereich als Kostenträger die einzelnen Leistungskomplexe vor: „Kostenträger sind die in den Vergütungsempfehlungen der Spitzenverbände der Pflegekassen aufgeführten Leistungskomplexe“10: Zunächst ist festzustellen, dass in keinem Bundesland die Empfehlung der Spitzenverbände zu den Leistungskomplexen in der Fassung vom November 1996 umgesetzt wurde,11 trotzdem aber weiterhin eine Grundlage der Kostenträgerrechnung sein soll, selbst in der Fassung der PBV 2016! Auch wird in keinem Bundesland auf der Basis der Einzelleistungen (Leistungskomplexe) verhandelt, schon weil bis auf Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz in allen Ländern ein Punktsystem zur Bewertung eingeführt wurde, so dass dann nur jeweils der/die Punktwert(e) zu verhandeln sind.
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§ 113c, Abs. 1: Personalbemessung in Pflegeeinrichtungen Z.B. Heiber, A. (2016), S. 51 Rothgang u.a. 2020 PBV, Anlage 6 Muster, Kostenträgerübersicht Empfehlungen der Spitzenverbände der Pflegekassen für ein System zur Vergütung von Leistungen der häuslichen Pflege nach dem SGB XI vom 08.11.1996 (http://www.aok-gesundheitspartner.de/imperia/ md/gpp/bund/pflege/ambulant/pflege_empf_leistu-ngskomp-lexsystem_08_11_1996.pdf; Stand 28.08.2017)
2 Kostenrechnung als Voraussetzung19
Da jedoch der Kostenstellen- und Kostenträgerrahmen ausdrücklich in der PBV als „Muster“ tituliert werden, können die Pflegeeinrichtungen auch andere Kostenstellen und Kostenträger definieren, solange eine Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung eingeführt ist. Denn die Verpflichtung zur Bildung einer Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung bleibt bestehen. Und da auch stationär die Kostenträgerrechnung nicht zu einer weiteren Binnendifferenzierung genutzt wird, sondern zu einer Zusammenfassung von Teilergebnissen der Kostenstellenrechnung, sollte für die ambulante Pflege auch ein freier Umgang mit der Pflicht zur Bildung einer verursachungsgerechten Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung möglich sein (siehe Kap. 3, S. 27).
2.2 Spezialdefinition der Investitionskosten Aus historischen Gründen gibt es bei den investiven Sachkosten einen eigenständigen und nur in der Pflegeversicherung gültigen INVESTITIONSKOSTENBEGRIFF. Grund ist die sogenannte duale Finanzierung: Damit die Pflegeversicherung nicht alle Investitionskosten übernehmen muss (und damit auch den Förderrahmen bestimmen kann), hat man über § 82 die investiven Sachkosten speziell definiert und deren Förderung durch die Länder, die die Einsparungen in der Sozialhilfe (durch die Pflegeversicherung) hier einsetzen sollen (siehe auch § 9), die anteilige Förderung oder auch die Weiterberechnung ohne Förderung geregelt (§ 82, Abs. 3 und 4). Der Investitionskostenbegriff ist in der Pflegeversicherung deshalb viel weiter gefasst als in der kaufmännischen Definition: § 82, Abs. 2 definiert die Investitionskosten folgendermaßen: (2) In der Pflegevergütung und in den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung dürfen keine Aufwendungen berücksichtigt werden für 1. Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, die für den Betrieb der Pflegeeinrichtung notwendigen Gebäude und sonstigen abschreibungsfähigen Anlagegüter herzustellen, anzuschaffen, wiederzubeschaffen, zu ergänzen, instandzuhalten oder instandzusetzen; ausgenommen sind die zum Verbrauch bestimmten Güter (Verbrauchsgüter), die der Pflegevergütung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 zuzuordnen sind, 2. den Erwerb und die Erschließung von Grundstücken, 3. Miete, Pacht, Nutzung oder Mitbenutzung von Grundstücken, Gebäuden oder sonstigen Anlagegütern, 4. den Anlauf oder die innerbetriebliche Umstellung von Pflegeeinrichtungen, 5. die Schließung von Pflegeeinrichtungen oder ihre Umstellung auf andere Aufgaben.
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2.2 Spezialdefinition der Investitionskosten
Konkret übersetzt für die Ambulanten Pflegeeinrichtungen heißt das praktisch: Investive Sachkosten sind: • Alle Fahrzeugkosten (Miete, Leasing, Kauf/Abschreibung, inklusive Reparaturen und Ersatzteile, auch investive Anteile bei der Kilometergelderstattung für die Nutzung von Privatfahrzeugen) bis auf die ‚Verbrauchskosten‘ Kraftstoffe, Steuer, Versicherung. • Alle Raumkosten (Miete, Abschreibung etc.) bis auf ‚Warmmietanteil‘ (wie Heizung, Müllkosten etc.). • Alle Ausstattungskosten (Computer inkl. Wartung/Service, Büroausstattung bis auf ‚Verbrauchsmaterial‘ wie Telefongebühren, Druckerpapier oder Tonertinte). Wegen dieses sehr umfassenden (und nur für die Pflegeversicherung geltenden) Investitionskostenbegriffs muss auch bei der Kontierung der Sachkosten diese Differenzierung besonders berücksichtigt werden. Einige häufige Fehler in der Kontierung seien hier beispielhaft genannt: Fahrzeugkosten nach Auto (Kennzeichen) buchen: Damit hat man zwar einen einfachen Überblick, was das konkrete Fahrzeug an Kosten verursacht. Dabei werden aber investive und nichtinvestive Sachkosten vermengt. Wenn man schon die Kostenkontrolle über die Kontierung (und nicht über eine eigene Kostenrechnung für die Fahrzeuge) lösen will, muss man pro Fahrzeug zwei Konten einrichten: eines für die Verbrauchskosten (Kraftstoff, Versicherung, Steuer), eines für alle anderen investiven Kosten. Raumieten werden nicht nach Kaltmiete und Nebenkosten differenziert. Ausstattungskosten: die Miet- oder Leasingverträge für Drucker, Kopierer etc. werden in den Verbrauchskosten gebucht („Bürobedarf“), ebenso Lizenzgebühren für Softwarenutzung. Die Refinanzierung dieser Investitionskosten für den Teilbereich Pflegeversicherung kann nach drei verschiedenen Modellen erfolgen, dies ist indirekt in § 9 (Aufgaben der Länder) sowie in § 82 SGB XI, Absatz 3 – 4 geregelt: § 9 Aufgaben der Länder Die Länder sind verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur. Das Nähere zur Planung und zur Förderung der Pflegeeinrichtungen wird durch Landesrecht bestimmt; durch Landesrecht kann auch bestimmt werden, ob und in welchem Umfang eine im Landesrecht vorgesehene und an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Pflegebedürftigen orientierte finanzielle Unterstützung
2 Kostenrechnung als Voraussetzung21
1. der Pflegebedürftigen bei der Tragung der ihnen von den Pflegeeinrichtungen berechneten betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen oder 2. der Pflegeeinrichtungen bei der Tragung ihrer betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen als Förderung der Pflegeeinrichtungen gilt. Zur finanziellen Förderung der Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen sollen Einsparungen eingesetzt werden, die den Trägern der Sozialhilfe durch die Einführung der Pflegeversicherung entstehen. Primär sind also die Bundesländer für die Finanzierung der notwendigen Investitionsaufwendungen zuständig. Falls diese die Förderung nicht oder nicht vollständig übernehmen, obwohl sie Einsparungen in der Sozialhilfe durch die Einführung der Pflegeversicherung haben (steht sogar im Gesetz), hat der Gesetzgeber in § 82, Abs. 3 und insbesondere Absatz 4 Regelungen zur Weiterberechnung erlassen: § 82, Abs. 3 (3) Soweit betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen nach Absatz 2 Nr. 1 oder Aufwendungen für Miete, Pacht, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter nach Absatz 2 Nr. 3 durch öffentliche Förderung gemäß § 9 nicht vollständig gedeckt sind, kann die Pflegeeinrichtung diesen Teil der Aufwendungen den Pflegebedürftigen gesondert berechnen. Gleiches gilt, soweit die Aufwendungen nach Satz 1 vom Land durch Darlehen oder sonstige rückzahlbare Zuschüsse gefördert werden. Die gesonderte Berechnung bedarf der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde; … (4) Pflegeeinrichtungen, die nicht nach Landesrecht gefördert werden, können ihre betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen den Pflegebedürftigen ohne Zustimmung der zuständigen Landesbehörde gesondert berechnen. Die gesonderte Berechnung ist der zuständigen Landesbehörde mitzuteilen. Es gibt demnach drei mögliche Varianten, wobei in der ambulanten Pflege in der Praxis nur ZWEI davon vorkommen: 1. Es erfolgt eine FINANZIERUNG ÜBER DAS BUNDESLAND: Zurzeit gibt es nach unserem Wissensstand (Frühjahr 2020) nur noch in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und teilweise in Bayern eine Förderung im Sinne einer vollständigen Übernahme. Dabei ist es in den jeweiligen Landespflegegesetzen oder den Ausführungsbestimmungen nicht so definiert, dass die nachgewiesenen Kosten gefördert werden, sondern es erfolgt (nach völlig unterschiedlichen Berechnungsmodellen) eine pauschale Förderung mit dem Verbot der sonstigen Weiterberechnung. Wichtig ist zu beachten, dass in den Förderbescheiden im Regelfall
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2.2 Spezialdefinition der Investitionskosten
auch die Klausel enthalten ist, dass eine zu hohe Fördersumme rückerstattet werden muss (auch wenn das in der Praxis noch kaum erfolgt). 2. Es erfolgt keine Finanzierung: Die WEITERBERECHNUNG an den Pflegebedürftigen muss lediglich bei einer zuständigen Landesbehörde angezeigt werden. Da aber eine nicht erfolgte Anzeige nicht sanktioniert ist, könnte man theoretisch selbst ohne Anzeige weiter berechnen. Anders sieht es in den Fällen aus, in denen die weiter berechneten Investitionskosten auch vom Sozialhilfeträger übernommen werden sollen. Dann muss mit dem Sozialhilfeträger eine Vereinbarung nach § 75, Abs. 5, SGB XII letzter Satz über die Refinanzierung der betriebsnotwendigen Investitionskosten abgeschlossen werden. Je nach Bundesland gibt es unterschiedliche Modelle der Weiterberechnung: Häufig wird der Umsatz der SGB XI-Leistungen als Maßstab genommen und auf diesen Umsatz ein prozentualer Zuschlag erhoben (bekannt sind Größen von ca. 3 – 6 %; in einigen Ländern werden aber nur bestimmte Leistungsbereiche herangezogen, z.B. in Hessen ohne Wegepauschalen). Es gibt aber auch Modelle mit Tagespauschalen oder Einsatzpauschalen, die je nach Bundesland variieren. Die landestypischen ‚Spielregeln‘ zur Weiterberechnung nicht geförderter Investitionskosten sind in den Bundesländern historisch gewachsen, basieren aber nicht immer auf logischen Systemen oder nachvollziehbaren Vorschriften. So gehen in Hamburg Pflegedienste von einer Deckelung der Investitionskosten aus, weil dies in der entsprechenden Verordnung12 steht und insbesondere der Sozialhilfeträger darauf verweist. Allerdings bezieht sich diese Verordnung nur auf die Fälle, in denen es eine Teilförderung gibt und deshalb ein Deckel für die Weiterberechnung der nicht vollständig geförderten Kosten eingezogen worden ist. Aber da Hamburg ambulant gar nicht mehr fördert, gilt diese Verordnung gar nicht für den Fall der vollständigen Weiterberechnung. Daher sollte man im Zweifelsfall die Art und Höhe der Weiterberechnung auf der Basis der jeweils im Bundesland tatsächlich geltenden Rechtslage kritisch prüfen. Berechnet ein Pflegedienst Investitionskosten im Rahmen der Pflegeversicherung nicht privat (oder an die Sozialhilfe) weiter, wird er sich bei Vergütungsverhandlungen den Vorwurf gefallen lassen müssen, er hätte diese nachweislich vorhandenen Kosten doch (indirekt) aus der Pflegevergütung finanziert. Die Leistungsträger könnten daher versucht sein, die bisherige Vergütung um den investiven Anteil abzusenken. 12 Hamburgische Landespflegegesetz-Durchführungsverordnung vom 04.12.2007; § 2 und § 6, Abs. 1 in Verbindung mit Hamburgisches Landespflegegesetz vom 18.09.2007; § 4 Abs. 3 und § 5 Abs. 1
2 Kostenrechnung als Voraussetzung23
Die Kostenrechnung muss deshalb in ihren Auswertungen einen Überblick erlauben, wie hoch die investive Förderung oder Weiterberechnung war und ob diese Summe die Ausgaben im Teilbereich Pflegeversicherung decken oder nicht und ob es evtl. eine mögliche Rückforderung geben könnte (Risikovorsorge).
Sonderfall NRW: Förderung der Investitionskosten In NRW sollte ab 2018 die Basis für die Berechnung der Investitionskostenerstattung geändert werden: erst erfolgte eine Förderung aufgrund der Menge der abgerechneten Leistungen (dargestellt in Punkten). Ab 2018 sollte nun allein der Umsatz als Maßstab herangezogen werden.13 In diesem Zusammenhang wollte das Land NRW aber vermeiden, dass es auch für Leistungsbezieher Investitionskosten finanziert, die gar nicht in NRW wohnen und hat sogar eine Änderung der PBV durchgesetzt:14 Dafür wurde quasi exklusiv ein neues Konto 4072 eingeführt mit der Bezeichnung „Erträge aus ambulanten Pflegedienstleistungen in anderen Ländern“, auf die losgelöst von der sonst geltenden Differenzierung nach Pflegegraden und Leistungsträgern alle Umsätze gebucht werden sollten, die für Versicherte außerhalb NRW (oder eines anderen Bundeslandes) erbracht werden. Begründet wurde dies damit, dass eine andere Abgrenzung für die Behörden nicht plausibel nachvollziehbar wäre und somit eine Betrugsmöglichkeit bieten würde (so in der Begründung des Antrags)15. Durch den Regierungswechsel in NRW im Frühjahr 2017 ist jedoch die geplante Umstellung der Investitionskosten aufgehoben worden, es werden nun weiterhin nach der Anzahl der erbrachten Punkte die Investitionskosten berechnet. Daher ist das Sonderkonto auch weiterhin nicht zu nutzen, zumal eine solche Verbuchung jede vorherig angeordnete Differenzierung nach Pflegegraden etc. ignoriert. Inzwischen erfolgt die Förderung in NRW wieder nach Anzahl der erbrachten Stunden nach SGB XI. Allerdings sind diese begrenzt auf die Leistungen, die direkt von der Pflegekasse zu refinanzieren sind, nicht jedoch auf die privat zu zahlenden Eigenanteile (Selbstzahler). Dazu kommen die Leistungen der Verhinderungspflege, nicht jedoch die Leistungen der Kostenerstattung nach § 45b (nur bei Pflegegrad 1 und Nutzung der Grundpflege). Die Umrechnung erfolgt in Stunden, daher müssen aus der Menge der erbrachten Punkte fiktive Stunden errechnet werden. 13 § 24 der Verordnung zur Ausführung des Alten- und Pflegegesetzes Nordrhein-Westfalen (APG DVO NRW) vom 21. Oktober 2014 (GV. NRW. S. 656) 14 BR-Drucks. 648/16 15 BR-Drucks. 648/16; S. 2
24
2.3 Umlagen zur Finanzierung der Ausbildungen
Weil in NRW seit 2013 eine Altenpflegeumlage (APU) nur auf die erbrachten Leistungen, nicht aber auf die Hausbesuchspauschalen erhoben wird, gibt es faktisch zwei Punktwerte: für alle Leistungen einen erhöhten Punktwert mit APU, nur nicht bei den Hausbesuchspauschalen, da diese nicht mit Punkten, sondern mit festen Preisen vereinbart sind. Das führt bei der Umrechnung von Punktmengen in Stunden zu weiteren Problemen: Es sollen im Antrag zur Förderung der Investitionskosten NRW die Erträge der Hausbesuchspauschalen getrennt ausgewiesen werden, was schon technisch kaum möglich ist, denn eine normale Pflegekassenrechnung wird buchhalterisch aufgeteilt in Pflegekasse (bis Höchstbetrag), ansonsten Selbstzahler oder Sozialhilfe. Die Hausbesuchspauschalen sind hier natürlich bei der Abgrenzung eingerechnet. Das heißt rein praktisch, bei einer Rechnung von 750 € Pflegegrad 2 wird rechnerisch 698 € der Pflegekasse und 52 € dem Selbstzahlerkonto zugebucht. Was davon Hausbesuchspauschalen sind, lässt sich nicht ermitteln. Verzichtet der Pflegedienst gezwungenermaßen auf diese Aufteilung, so wird die rechnerisch ermittelte Punktmenge dann durch den höheren Punktwert einschließlich APU dividiert, es ergeben sich weniger förderfähige Stunden. Wer sich das als Außenstehender ansieht, fragt sich vor allem, was dies eigentlich soll und warum sich die Förderung nicht vereinfachen lässt. Ein Antragssystem, bei dem es technisch kaum möglich ist, rechtlich einwandfreie Anträge zu stellen, gehört abgeschafft. Denn selbst die ausführenden Behörden, wie z.B. die Stadt Köln,16 haben in ihrem erläuternden Infoschreiben nicht gemerkt oder einfach ignoriert, wie widersprüchlich ihre eigenen Ausführungen sind: sie verweisen auf die Gültigkeit der Pflegebuchführungsverordnung und führen sogar die Konten auf, die nur relevant sind, ohne selbst festzustellen, dass die Hausbesuchspauschale darin sich gar nicht trennen lässt. Da es aber für das Land bzw. hier die ausführende Kommune günstiger ist, wenn die Hausbesuchspauschale sich nicht trennen lässt, wird dies gar nicht erst thematisiert.
2.3 Umlagen zur Finanzierung der Ausbildungen Ab 2020 beginnen die neuen bundesweit einheitlichen Ausbildungsgänge zur Krankenpflege, die nun einheitlich refinanziert wird. Die neue Ausbildungsabgabe wird nach § 12 Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordung (PflAFinV) für ein Jahr festgelegt und auf die erbrachten Leistungen unabhängig vom Vergütungssystem (Punkte, Zeit, 16 https://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/soziales/informationsblatt-zur-investitionskostenfoerderungfuer-ambu; Stand 06.04.2020, 14.00 Uhr
2 Kostenrechnung als Voraussetzung25
Pauschalen) umgelegt. Zu beachten ist, dass in den Jahren des Übergangs, also ab Beginn der neuen Ausbildung nach dem Pflegeberufereformgesetz 2020 es unter Umständen noch zwei verschiedene Umlagesysteme gibt: das bisher geltende Umlagesystem der Altenpflegeumlage nach Landesrecht, das in einigen Ländern eingeführt ist, sowie das neue System. Es kann also sein, dass in der Übergangszeit (bis zum Abschluss aller ‚alten‘ Ausbildungsgänge) es noch vermutlich bis ca. 2022 zwei Umlagen gibt, die später dann nur noch in einer Umlage (dann nach dem Pflegeberufereformgesetz) münden. Die Umlagebeträge werden als Zuschlag auf die Leistungen nach § 82a SGB XI weiter berechnet, so dass tatsächlich die Pflegebedürftigen die Ausbildungskosten mittragen. Die Umlagen sind eigentlich für den Pflegedienst durchlaufende Posten, weil sie nur in der Höhe dem Versicherten weiterberechnet werden (sollen), wie sie auch vom Pflegedienst an die zuständigen Stellen abzuführen sind. Allerdings wird es allein durch die Vergangenheitsbetrachtung zu Abweichungen kommen. Da nach § 12 Abs. 3 PflAFinV die jeweiligen Vorjahresleistungsmengen die Umlagehöhe auch pro Einrichtung bestimmen, wird es dann zu Verzerrungen kommen, wenn eine Einrichtung schnell wächst oder schrumpft und deshalb im Folgejahr entweder zu viel oder zu wenig Umlage berechnet wurde. Für die Kostenträgerrechnung und auch für die Kalkulation und Vergütungsverhandlung sollten diese Erträge und Aufwendungen getrennt von den anderen Erträgen dargestellt werden, denn nur so kann überprüft werden, ob die erwirtschafteten Umlagebeträge die zu zahlenden Umlagebeträge decken. Zur Kontierung siehe S. 36.
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 27
3 Definition der Kostenstellen und Kostenträger Basis für eine sinnvolle Kostenrechnung ist die differenzierte Kontierung der Erträge und Aufwendungen. Denn jede spätere Aufgliederung muss scheitern, wenn die Basis nicht diese Differenzierung darstellt: Wie sollen zum Beispiel die Personalkosten nach Berufsgruppen differenziert, den Kostenstellen Kranken- oder Pflegeversicherung zugeordnet werden, wenn alle Personalkosten im Konto „6010 Pflegedienst“ summiert sind: Eine ambulante Krankenschwester arbeitet zu einem anderen Prozentsatz in der Krankenversicherung als eine Hilfskraft. Sind beide Personalkosten auf einem Konto gebucht, wird eine Differenzierung in einer Kostenrechnung schwierig. Die Grundlage für die eigenen Kostenstellen sind die Leistungsbereiche, die der Pflegedienst anbietet. Dass der Bereich der Ambulanten Pflege abgegrenzt wird von anderen Betriebsbereichen wie „Mahlzeitendienste“ oder „Fahrdienste“, dürfte einfach und klar sein. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass Mitarbeiter sowohl in der Pflege arbeiten und in der Mittagszeit auch Mahlzeiten ausfahren, oder dass ein Dienstwagen am Vormittag von Pflegekräften genutzt wird, in der Mittagszeit aber als Auslieferungsfahrzeug: Nur müssen diese entsprechenden Arbeitszeiten oder Kilometer dokumentiert und in der Kostenrechnung abgegrenzt werden. Gleiches gilt beispielsweise auch für den Bereich Hausnotruf, wenn die zu erbringenden Einsätze durch den Pflegedienst erbracht werden. Solange die Einsätze direkt über den Pflegedienst (als Privatleistung) abgerechnet werden, ist die Abgrenzung gewährleistet. Anders sieht es aus, wenn die Hausnotrufleistung mit einer zusätzlichen Monatspauschale für die Einsätze und/oder den Schlüsseldienst verbunden sind,1 diese aber trotzdem vom Pflegedienst geleistet werden. Dann kann die Abgrenzung beispielsweise über interne Verrechnung erfolgen, indem der Pflegedienst die Einsätze der ‚Abteilung Hausnotruf‘ in Rechnung stellt (einschließlich Vorhaltekosten) oder der Pflegedienst direkt auch die monatlichen Pauschalen für diese Einsätze erhält (als Privatleistung). Innerhalb der Trägerstrukturen der Pflegedienste gibt es oft auch Bereiche, die insbesondere Entlastungs- und Betreuungsleistungen oder einfache Haushaltshilfen anbieten. Früher gab es gerade bei Wohlfahrtsträgern diese Bereiche, die lange Zeit durch Zivildienstleistende geprägt wurden (Mobile Soziale Dienste [MSD] oder ähn1
Hinweis Hausnotruf: bei Pauschalen könnten sich Abgrenzungsprobleme in Bezug auf eine mögliche Umsatzsteuerpflicht ergeben, die zu klären sind!
28
lich). Heute können solche Leistungen teilweise auch mit ehrenamtlichen Mitarbeitern über Angebote zur Unterstützung im Alltag nach § 45a SGB XI angeboten und abgerechnet werden, die dann eine separate Zulassung nach Landesrecht haben. Sie sind ebenso vom ‚normalen‘ Pflegedienst zu trennen wie eigenständige Bereiche mit eigenem Versorgungsvertrag zur Betreuung/Hauswirtschaft nach § 71a: Ambulante Betreuungsdienste,2 die zum 01.04.2019 eingeführt worden sind. Auch diese eigenständigen Dienste müssen vom Pflegedienst formal und rechnungstechnisch abgegrenzt werden. Dazu kommt: Ambulante Betreuungsdienste sind wie Pflegedienste zu betrachten, da sie einen eigenen Versorgungsvertrag nach SGB XI haben und alle vergleichbaren Regelungen der Pflegedienste auf die Betreuungsdienste anzuwenden sind, soweit im Gesetz nichts Abweichendes geregelt ist.3 Ein ambulanter Betreuungsdienst hätte auf der Ebene der Kostenstellen innerhalb des (Pflege-)Dienstes nur die Kostenstellen Pflegeversicherung, evtl. Sozialhilfe, Privatleistungen und evtl. Trägerleistungen, da er im Regelfall keine Leistungen der Krankenversicherung erbringen kann. Auch teilstationäre Einrichtungen wie die Tagespflege sind vom ambulanten Bereich abzugrenzen, selbst wenn es beispielsweise im Rahmen eines möglichen Gesamtversorgungsvertrags nach § 72 SGB XI gemeinsames Personal (z. B. PDL) gibt, wie es der Gesetzgeber ausdrücklich auch im PSG III mit seiner Änderung zu § 72 sich vorstellt.4 Hier ist dann durch die Dokumentation der verschiedenen Einsatzzeiten die Abgrenzung zu gewährleisten, auch weil für die Tagespflege ebenfalls die PBV gilt. Eine exemplarische Kostenstellenstruktur einer Einrichtung mit vielen Betriebsteilen zeigt die folgende Abb. auf Seite 29: Typische Kostenstellen eines Pflegedienstes Pflegeversicherung: Hier werden auf der Ertragsseite alle Erträge nach der Definition der Pflegeversicherung zusammengefasst, selbst wenn ein Teil davon privat (Eigen- Selbstzahleranteile) oder nachrangig über die Sozialhilfe finanziert wird. Krankenversicherung: Grundpflege und Hauswirtschaft nach § 37,1a, Behandlungspflege nach § 37 oder Haushaltshilfe nach § 38 SGB V. Sozialhilfeleistungen: Hier werden insbesondere Leistungen nach § 70 SGB XII (Hilfen zur Weiterführung des Haushaltes) oder § 72 Altenhilfe zu finden sein, da im Bereich der Hilfe zur Pflege im Regelfall die umfassenden Leistungsdefinitionen der
2 3 4
mit TSVG zum 01.04.2019, kritisch dazu siehe auch Heiber, A. (2019;2) S. 63 ff. § 71, Abs. 1a! Siehe BT-Drucks. 18/10510, S. 111
3 Definition der Kostenstellen und Kostenträger29
Kostenstellen im Gesamtbetrieb (Beispiel) Ambulante Pflege
Mahlzeitendienste
Hausnotruf
Unterstützung im Alltag, § 45a
Betreuungsdienst nach § 71a
Tagespflege nach § 42
Verpflichtende Kostenstellen eines ambulanten Pflegedienstes nach SGB XI Andere Kostenträger
PflegeV (SGB XI)
Sinnvolle Kostenstellen eines ambulanten Pflegedienstes PflegeV (SGB XI)
KrankenV (SGB V)
Sozialhilfe (SGB XII)
Privatleistungen
Trägerleistungen
Besondere Betriebsteile
Tabelle: 3
Pflegeversicherung und deren Vergütungsvereinbarungen gelten werden. Dadurch bedarf es kaum weiter definierter Leistungen der Sozialhilfe außer im Bereich der Eingliederungshilfe. Allerdings kann sich dies im Zuge der weiteren Umsetzung durch das Bundesteilhabegesetz ändern. Privatleistungen: Alle Pflege-, Betreuungsleistungen und sonstigen Dienstleistungen, die privat abgerechnet werden, wie beispielsweise ‚Schminken‘, besondere Haarpflege, Gestaltung des Geburtstags, Haustierversorgung etc. Trägerleistungen: Hier sollten alle die Leistungen zusammengefasst werden, die der Träger des Pflegedienstes allein finanziert bzw. ohne direkte Refinanzierung erbringt. Gemeint sind hier sogenannte kostenfreie „Serviceleistungen“. Zur Finanzierung werden bei gemeinnützigen Einrichtungen oft Spenden oder andere Einnahmen, wie zweckgebundene Zuschüsse, dienen; nicht gemeinnützige Einrichtungen werden diese Kosten auch im Sinne des Marketings finanzieren. Es ist aber hilfreich zu dokumentieren, wie viel tatsächlich ohne direkte Refinanzierung erbracht wird. Stichworte sind hier „Heimliche Leistungen“ oder auch „Versteckte Leistungen“5.
Besondere Betriebsteile Im Bereich „BESONDERE BETRIEBSTEILE“ sollte man einrichtungsspezifisch die Bereiche darstellen, die zwar durch den Pflegedienst selbst erbracht werden, aber aus dem 5
Siehe auch: A.Heiber, A./G.Nett 2014, S. 59
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bisherigen Rahmen fallen und für deren Steuerung man eigenständige Auswertungen benötigt. Voraussetzung ist immer, dass der Pflegedienst neben der ‚normalen‘ Angebotspalette besondere Angebote hat. Folgende Bereiche fallen darunter:
Ambulante Wohngemeinschaften In ambulanten Wohngemeinschaften werden neben den individuell zu vereinbarenden Leistungen, die jeder Mieter für sich benötigt (Körperpflege, individuelle Hauswirtschaft in seinem Zimmer), als Gruppe weitere Leistungen vereinbart, die die Gruppe der Mieter gemeinsam beauftragt und nutzt, wie (auch gemeinsame) Mahlzeitenzubereitung, Präsenz und Betreuung außerhalb konkreter Leistungen etc. Diese Leistungen werden normalerweise in separaten Betreuungsvereinbarungen beschrieben und mit der Gruppe vereinbart. Die dazugehörige Leistung der Pflegeversicherung nach § 38a (Pauschaler Zuschlag von 214 € pro Monat für gemeinschaftlich vereinbarte Leistungen in ambulanten Wohngemeinschaften) wird von den Pflegekassen als Geldleistung bei Vorliegen der Voraussetzungen direkt an die Berechtigten ausgezahlt und ist, da sie zweckgebunden ist, von diesen beim Einkauf der vereinbarten gemeinsamen Betreuungsleistungen bzw. Präsenzkräfte zu verwenden. Die Leistung wird nicht vom Pflegedienst den Pflegekassen in Rechnung gestellt, sondern von den Pflegekassen wie Pflegegeld monatlich im Voraus dem anspruchsberechtigten Pflegebedürftigen überwiesen6. Sie ist deshalb nicht separat auf ein eigenständiges Konto im Bereich der Pflegeversicherung zu buchen, wie es beispielsweise die DATEV in ihrem Musterkontenrahmen vorsieht7, sondern bei den Erträgen der Betreuungspauschale in Wohngemeinschaften. Da diese Leistungen auch kalkulatorisch einen eigenständigen Bereich darstellen, sollte hier zum besseren Controlling eine separate Kostenstelle (pro Wohngemeinschaft) vorgesehen werden. Dieser Leistungsbereich könnte im Kontenbereich 49xx angesiedelt werden, der frei definierbar ist.
Intensivpflege In einer ganzen Reihe von Pflegediensten werden Kunden mit Einzelvereinbarungen zur Behandlungspflege versorgt, insbesondere mit dem Bedarf von Beatmungspflege
6 7
§ 38a, P. 4, S. 154: Gem. Rundschreiben GKV-Spitzenverband zu leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI; Stand vom 22.12.2016 in der Fassung vom Juni 2017; www.gkv-spitzenverband.de, Bereich Pflege DATEV SKR 45, Stand 2020: Konto 4063
3 Definition der Kostenstellen und Kostenträger31
rund um die Uhr: Vordergründung bei der Leistung ist die ständige oder zumindest zeitintensive medizinische Versorgung, andere Leistungen wie körperbezogene Pflegemaßnahmen spielen im Verhältnis nur eine geringe Rolle. Die Aufträge werden im Einzelfall mit der zuständigen Krankenkasse oder evtl. Unfallversicherung verhandelt, insbesondere auch die in der Regel anzuwendende Stundenvergütung. Da jede Versorgung und damit jeder Vertrag individuell vereinbart wird, sollte hier auch pro Fall eine Kostenstelle bzw. getrennte Kontierung für die Leistungen der Behandlungspflege nach SGB V erfolgen. Die darüber hinaus mit zu erbringenden Leistungen der Pflegeversicherung werden im normalen Rahmen gebucht.
SPEZIALISIERTE AMBULANTE PALLIATIVVERSORGUNG (SAPV) oder VERTRAG ZUR AMBULANTEN PSYCHIATRISCHEN KRANKENPFLEGE Für diese besonderen Leistungen der Krankenversicherung bzw. Behandlungspflege gelten spezielle Personalanforderungen und Abrechnungsbedingungen, sei es über einen direkten Vertrag mit den Krankenkassen oder im Verbundsystem mit anderen Leistungserbringern.8 Daher ist es sinnvoll, auch diese Erträge und Bereiche von der normalen häuslichen Krankenpflege abzugrenzen.
3.1 Sinnvolle Kostenträger Über eine weitere Differenzierung innerhalb der Kostenrechnung können dann die Erträge/Aufwendungen für die einzelnen Teilbereiche definiert werden, wie sie auch im Rahmen von Vergütungsverhandlungen benötigt werden. Das sind beispielsweise im Bereich der Pflegeversicherung die unterschiedlichen Leistungen bzw. „körperbezogene Pflegemaßnahmen“ (Grundpflege), „Pflegerische Betreuung“, „Hilfen bei der Haushaltsführung“ (Hauswirtschaft), Beratungsbesuche, Schulungen, ggf. die „Fahrtkosten“ (wenn sie nicht in den anderen Leistungen enthalten sind) sowie die „Investitionskosten“. Musterhaft sei hier folgende Kostenträgerrechnung dargestellt:
8
Spezialisierte ambulante Palliativversorgung nach § 37b SGB V, die Verträge dazu einschließlich Vergütungsvereinbarung sind in § 132d SGB V geregelt; die ambulante psychiatrische Krankenpflege ist ein Teil der Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2, deren Rahmenbedingungen und Vergütungen nach § 132a SGB V geregelt sind.
32
3.1 Sinnvolle Kostenträger
Sinnvolle Kostenträger eines ambulanten Pflegedienstes PflegeV
KrankenV
Körperbez. Pflegem.
Behandlungspfl.
Sozialhilfe Stundensatz
Privatleistungen Stundensatz
Träger Stundensatz
Bes. Betriebst. Ambulante WG
Pflegerische Betreuungsm.
Grundpflege
Verhinderungspflege
Intensivpflege 1
Hilfen bei der Haushaltsf.
Haushaltshilfe
Entlastungsl. § 45b
Intensivpflege 2
Beratungsbesuche § 37.3
SAPV
Schulungen nach § 45 Fahrtkosten (ohne Inves��onskosten) Inves��onskosten
Fahrtkosten
Fahrtkosten
Fahrtkosten
Fahrtkosten
…
Hinweis: Verhinderungspflege §39 und Entlastungsbetrag § 45b sind keine Sachleistung der Pflegeversicherung, sondern werden privat in Rechnung gestellt
Tabelle: 4
Im Kostenträger „Privatleistungen“ finden sich auch die KOSTENERSTATTUNGSLEISTUNGEN der Pflegeversicherung wieder. Denn die Leistungen VERHINDERUNGSPFLEGE NACH § 39 sowie die ENTLASTUNGSLEISTUNGEN NACH § 45b werden nicht direkt mit der Pflegeversicherung abgerechnet, sondern mit dem Pflegebedürftigen, mit dem eine Vereinbarung über die Leistung und den Preis zu treffen ist und der die Rechnung erhält und bezahlt (siehe auch S. 177) Die Kostenträger sind einrichtungsspezifisch weiter zu differenzieren und den jeweiligen Erfordernissen anzupassen. Aber die Differenzierung sollte nur so weit gehen, wie die Ergebnisse im praktischen Alltag auch benötigt werden; um nochmals das Beispiel aus dem Muster der PBV aufzunehmen: da die einzelnen Leistungskomplexe kein Verhandlungsgegenstand sind, ist auch eine solche Differenzierung weder sinnvoll noch gewinnt man hieraus besondere Erkenntnisse.
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 33
4 Die Basis: Der ambulante Kontenrahmen Als Grundlage für den eigenen differenzierten Kontenrahmen ist die Kontierungsgliederung der PBV zu empfehlen. Denn aufgrund der Regelung in der PBV in § 3 ist dieser Kontenrahmen die Basis oder muss der Rückbezug über eine Überleitungstabelle sichergestellt werden.1 Der Kontenrahmenplan der PBV ist auch die Grundlage des in der Praxis am Weitesten genutzten Kontenrahmens, des „DATEV-Kontenrahmens SKR 45“, der von der DATEV-Genossenschaft (Zusammenschluss von Steuerberatern) jährlich modifiziert wird.2 Unser Musterkontenrahmen für die Konten der Gewinn- und Verlustrechnung beruht auf diesen beiden Varianten, konzentriert sich jedoch auf die wesentlichen Konten. In jedem Fall sollte der eigene Kontenrahmen auch in Bezug auf steuerliche Fragestellungen mit dem Steuerberater der Einrichtung diskutiert und bei Bedarf ergänzt werden. Den Musterkontenrahmen mit der Detailbeschreibung der einzelnen Konten sowie der Zuordnung zu Kostenstellen finden Sie im Kap. 16 ab S. 185.
4.1 Kontierung der Erträge Mit dem Pflege-Stärkungsgesetz II (PSG II) wurden bekanntermaßen die Pflegegrade als ‚Nachfolger‘ der Pflegestufen eingeführt, daher musste auch der Kontenrahmen der PBV hier angepasst werden. Mit der PBV mit Stand vom 21.12.2016 sind die Pflegestufen auf Pflegegrade umgestellt worden.
Keine Sachleistung Pflegegrad 1 Dabei ist dem Verordnungsgeber (Gesetzgeber) jedoch ein systematischer Fehler unterlaufen, denn er hat auch für den PFLEGEGRAD 1 Konten für die Pflegekasse vorgesehen, obwohl es zurzeit in keinem Bereich (ambulant, teilstationär, stationär, Kurzzeitpflege) Sachleistungen der Pflegekasse im Pflegegrad 1 gibt. Denn für mögliche Leistungen bei Pflegegrad 1 im Rahmen der Kostenerstattung nach § 45b Absatz 1 Satz 3 sieht die PBV ein eigenständiges (neues) Konto vor (ambulant 4070). Auch wenn im Pflegegrad 1 Leistungen der Selbstversorgung (insbesondere Körperpflege) möglich sind, wie § 45b Abs. 1 sowie § 28a Abs. 2 vorsehen, bleibt die Leistung eine Kostenerstattungsleistung, 1 2
PBV, § 3 Abs. 2 Satz 2 Quelle: www.datev.de, Stand 2020
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4.1 Kontierung der Erträge
die analog auf das Konto 4070 (§ 45b) zu buchen ist und nicht als Pflegekasse Pflegegrad 1 oder auch nicht überschießende Anteile als Selbstzahlerleistungen Pflegegrad 1. Zumal mit der Möglichkeit, bei Pflegegrad 1 auch Körperpflegeleistungen zu refinanzieren, nicht automatisch die Nutzung der vereinbarten Sachleistungen verbunden sein muss. Die Leistungen könnten im Pflegegrad 1 auch anders vereinbart werden (beispielsweise als Zeitabrechnung), sie müssen nur die Regelungen zur Preisobergrenze nach § 45b, Abs. 4 einhalten.3 Andererseits schreibt die PBV vor, die Leistungen nach § 45b auf das Konto 4070 zu buchen. In der Praxis sollten die Einstellungen in der eigenen Abrechnungssoftware überprüft werden, damit keine „Sachleistungen“ auf die Konten Pflegegrad 1 gebucht werden. Nur wenn der Gesetzgeber irgendwann einmal Sachleistungen im Pflegegrad 1 vorsieht, werden diese Konten benötigt. Für die Sozialhilfe (SGB XII), Hilfe zur Pflege, § 66: Entlastungsbetrag bei Pflegegrad 1 gilt dies nur eingeschränkt: denn in § 66 wird die Möglichkeit eröffnet, auch Leistungen der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 64b zu nutzen. Hier dürften im Regelfall inhalts- und preisgleiche Leistungen im Sinne der Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI genutzt werden. Insofern könnte es Leistungen bei Pflegegrad 1 Sozialhilfe geben. Einen Bereich „Selbstzahler“ oder „Übrige“ gibt es aus den oben angeführten Gründen jedoch nicht, denn im Regelfall sind alle Leistungen über den Pflegegrad 1 hinaus in jedem Fall reine Privatleistungen und als solche zu buchen (z.B. Konto 4085 o.Ä.) Bei der Buchung und der weiteren Zuordnung der Erträge muss bei der Pflegeversicherung zwischen zwei grundsätzlichen Finanzierungsarten unterschieden werden:
Sachleistungen Sachleistungen werden den Leistungsbeziehern von ihrer Versicherung (hier der Pflegekasse) direkt zur Verfügung gestellt, ohne dass sie diese zunächst selbst (vor-) finanzieren müssen. Die Inhalte und Grundlagen der Sachleistungen werden von den Leistungsträgern mit den Pflegeanbietern direkt verhandelt, dabei sind die gesetzlichen Grundlagen aus der Definition der Leistungen (§ 36), den Bedingungen der Rahmenverträge nach § 75 (Landesebene) und den Qualitätsmaßstäben nach § 113 (Bundesebene) einzuhalten. Die Vergütungsvereinbarungen nach § 89 werden direkt mit den Pflegediensten verhandelt und vereinbart. Auf dieser Grundlage können die Pflegedienste die Leistungen direkt mit den Pflegekassen abrechnen. 3
Siehe hier auch Kap. Kostenerstattungsleistung, S. 123
4 Die Basis: Der ambulante Kontenrahmen 35
Kostenerstattungsleistungen Neben den Sachleistungen hat der Gesetzgeber zwei Pflegeversicherungsleistungen als Kostenerstattungsleistung definiert: DIE ERSATZ- ODER VERHINDERUNGSPFLEGE NACH § 39 sowie den ENTLASTUNGSBETRAG NACH § 45B. Bei der Kostenerstattung gibt es keine direkte Vertragsbeziehung zwischen dem Pflegedienst und der Pflegekasse, sondern eine Vereinbarung zwischen dem Pflegedienst und dem Leistungsbezieher (Versicherte). Mit dem Versicherten werden (im Rahmen der entsprechenden Vorgaben in den §§ 39 bzw. 45b) die Leistungen und Vergütungen vereinbart. Nach der Leistungserbringung erhält der Versicherte direkt die Rechnung vom Pflegedienst, bezahlt diese Rechnung dem Pflegedienst und lässt sich die Kosten danach von der Pflegekasse erstatten (daher „Kostenerstattung“). Zur Vereinfachung rechnen viele Pflegedienste mit einer Abtretungserklärung ‚direkt‘ mit den Pflegekassen ab. Aber hier nur im Auftrag des Versicherten und nicht wegen vorhandener direkter Rechtsbeziehungen. Auch manche Pflegekassen ‚verlangen‘ von Pflegediensten hier eine direkte Abrechnung, die aber der Gesetzgeber gar nicht vorgesehen hat. Daher liegt es in der Freiheit des Pflegedienstes, die Leistung dem Versicherten in Rechnung zu stellen oder als Service mit einer Abtretungserklärung die Rechnung an die Pflegekasse zu übersenden. Leistungen der Kostenerstattung unterliegen zwar bestimmten definierten Grundlagen, sind aber nicht im Rahmen der Vergütungsvereinbarungen nach § 89 zu vereinbaren oder vereinbarungsfähig, auch wenn in einzelnen Bundesländern einzelne Leistungen vereinbart wurden.4 Für die Kontierung und später die Kostenrechnung sind deshalb Leistungen der Kostenerstattung von Sachleistungen abzugrenzen. Die PBV benennt selbst Konten für die Verhinderungspflege (4050) sowie die Entlastungsleistungen nach § 45b (Konto 4070). Im Rahmen der Abgrenzung der Kostenstellen gehören sie auch nicht zu den Pflegeversicherungsleistungen, sondern in den Bereich der Privatleistungen, auch wenn die PBV hier in der Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung keine Differenzierung vorsieht. Die BERATUNGSBESUCHE NACH § 37.3 SGB XI hatten historisch betrachtet lange Zeit eine Sonderrolle: Als ‚Kontrolle‘ und Beratung der Pflegebedürftigen waren sie mit Einführung der Pflegeversicherung auch direkt von diesen über das Pflegegeld zu refinanzieren. Daher hatte man 1996 auch gesetzlich definierte Höchstbeträge eingeführt, um die Versicherten vor einer Überforderung der Pflegedienste zu schützen. 4
Z.B. Vergütungsvereinbarung Rheinland-Pfalz zwischen Diakonieeinrichtungen und Pflegekassen vom 08.02.2017 für Verhinderungspflege nach § 39
36
4.1 Kontierung der Erträge
1999 hat der Gesetzgeber die Finanzierung nun direkt den Pflegekassen übertragen, spätestens ab diesem Zeitpunkt hätten die Vergütungen auch im Rahmen der Vergütungsvereinbarung nach § 89 verhandelt werden können. Aber erst 20 Jahre später hat der Gesetzgeber dies mit dem PpSG zum 01.01.2019 umgesetzt.5 Streng genommen könnten und müssten die Erträge für die Beratungsbesuche nun nach Pflegegraden zugeordnet werden; da diese Leistung jedoch einen völlig eigenständigen Bereich darstellt und inzwischen auch die Preishöhe nicht mehr nach Pflegegraden differenziert wird, sollten diese Erträge weiterhin auf ein separates Konto (hier 4062) gebucht werden. Zumal die Leistung zwar auch bei Sachleistungskunden zweimal jährlich erbracht und abgerechnet werden kann, diese Beträge jedoch nicht unter die Deckelungen der Sachleistungsbeträge nach § 36 fallen. Weiterhin sollten die Erträge für SCHULUNGSLEISTUNGEN NACH § 45 getrennt dargestellt werden, der DATEV-Kontenrahmen schlägt hier das Konto 4065 vor. Die UMLAGEN ZUR AUSBILDUNGSFINANZIERUNG IN DER PFLEGE (BISHER MEIST ALTENPFLEGEREFINANZIERUNG), die in einzelnen Bundesländern auf der Basis § 82 a SGB XI an den Pflegebedürftigen weiterberechnet werden, sind streng genommen ein durchlaufender Posten, da sowohl die Höhe der von den Einrichtungen zu refinanzierenden Kosten als auch die Höhe der Weiterberechnung von den zuständigen Landesstellen festgelegt werden, ohne dass die Pflegeeinrichtungen hier einen Einfluss haben. Daher wäre eine eigenständige Buchung auf ein Konto sinnvoll, aber praktisch nicht durchführbar: denn weil die Kosten der Ausbildungsumlage(n) (siehe Seite 25) auch über die Leistungen der Pflegeversicherung mit refinanziert werden können, ist eine buchhalterische Trennung für die Kontierung nicht möglich. Eine Gesamtrechnung von beispielsweise 798 € in Pflegegrad 2 wird bis zum Höchstbetrag (698 €) dem Konto Pflegeversicherung zugeordnet, die Restkosten dem Konto Selbstzahler (oder Sozialhilfe). Technisch wird nur der Eurobetrag aufgeteilt, nicht jedoch nach einzelnen Leistungen. Daher können die zwar gesondert ausweisbaren Kosten der Ausbildungsfinanzierung nicht auf ein eigenes Konto gebucht werden, ohne die sonstige Systematik zu verlassen (gleiches gilt z.B. bei den Wegekosten, siehe auch Problematik NRW Seite 24). Die Trennung kann nur auf der Ebene der Kostenträgerrechnung (Seite 75) erfolgen, wenn die einzelnen Leistungsbereiche aus der Leistungsabrechnung die Grundlage bilden.
5
ausführlich: Heiber, A. (2019,2) S. 33 ff. und Heiber, A. 2016, S. 93
4 Die Basis: Der ambulante Kontenrahmen 37
Die entsprechenden Ausgaben sind auf ein separates Konto (im DATEV-Kontenrahmen Konto 7153, zugeordnet dem Bereich Steuern, Abgaben, Versicherungen) zu buchen. Erst in der Kostenträgerrechnung SGB XI kann überprüft werden, ob die weiterberechneten Beträge die abzuführenden Kosten decken oder welche Anteile evtl. im Rahmen einer Vergütungsverhandlung zu berücksichtigen sind. Zumal die Höhe der Weiterberechnung nicht von der Einrichtung definiert werden kann, sondern vom jeweiligen Bundesland bzw. der zuständigen Ausführungsbehörde festgelegt wird. Für eine Kalkulation wäre allenfalls die Differenz zwischen Ertrag und Aufwendungen von Bedeutung: Wird nicht der volle Aufwand refinanziert, müsste die Differenz in der allgemeinen Kalkulation berücksichtigt werden
4.2 Kontierung der Aufwendungen In der Kontierung der Aufwendungen gibt es zwei wesentliche Punkte zu beachten: 1. Differenzierte Buchung der Personalkosten. 2. Differenzierung der Sachkosten in Bezug auf den Investitionskostenbegriff.
Personalkosten Den höchsten Kostenanteil in der ambulanten Pflege stellen die Personalkosten dar. Das Personal im Pflegedienst besteht aus Leitungskräften, Pflegefachkräften (mit dreijähriger Ausbildung), wie Krankenschwestern, Altenpflegern, Gesundheits- und Krankenpflegern, Pflegefachfrau oder Pflegefachmann, aus Pflegekräften, wie Altenpflegehelfern, Arzthelfern oder Krankenpflegehelfern, sowie aus Pflegekräften ohne längere oder keiner Ausbildung, wie Schwesternhelfern, Helfern, Hauswirtschaftskräften oder Betreuungskräften, dazu kommen noch Verwaltungsmitarbeiter und andere. Je nach Leistungsträger und je nach Leistungsart arbeiten diese Berufsgruppen in einem unterschiedlichen Mix. Da die Personalkosten durch die aktuellen Tarifstrukturen je nach Berufsgruppe auch unterschiedlich hoch sind bzw. sein können, ist es notwendig und hilfreich, schon in der Kontierung die Berufsgruppen differenziert zu buchen, um die Personalkosten später differenziert verteilen zu können. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Es werden allein die Pflege-Personalkosten (ohne Leitungs-, Verwaltungs- und Sachkosten) dargestellt. Der Stundensatz beträgt im Beispiel 37,98 €.
38
4.2 Kontierung der Aufwendungen
Personalkosten Beispiel Stellen Pflegefachkrä�e
Personalkosten
Kosten pro Stelle
Kosten pro Std.
11,53
708.741 €
61.469 €
43,91 €
6,64
326.547 €
49.186 €
35,13 €
6,38
269.878 €
42.301 €
30,22 €
Pflegekrä�e Pflegehilfskrä�e
24,55
Stellen gesamt
1.305.166 €
Kosten gesamt
Stundensatz Personalkosten undifferenziert (ohne Verwaltungs- und Sachkosten) 37,98 €
(bei 1.400 Leistungsstunden)
Tabelle: 5
Differenziert man den Stundensatz nach der tatsächlichen Arbeitszeit in den verschiedenen Kostenstellen, entsteht ein differenzierteres Bild: Kosten pro Kostenstelle SGBXI Anteil
Stellen
SGB V Kosten
Anteil
Stellen
Privat/Andere Kosten
Anteil
Stellen
Kosten
Pflegefachkrä�e
36%
4,15
255.147 €
63%
7,30
448.633 €
1%
0,08
4.961 €
Pflegekrä�e
68%
4,50
221.399 €
27%
1,80
88.494 €
5%
0,35
16.980 €
Pflegehilfskrä�e
63%
4,02
170.023 €
0%
0,00
0€
37%
2,36
99.855 €
12,67
Stellen gesamt
9,10 646.569 €
Kosten gesamt
2,79 537.127 €
121.796 €
42,17 €
31,22 €
Stundensatz Personalkosten nach Kostenstelle (ohne Verwaltung und Sachkosten) (bei 1.400 Leistungsstunden)
36,45 €
Tabelle: 6
Da die Pflegefachkräfte höher bezahlt werden und mehr in der Krankenversicherung arbeiten, die Pflege- und Hilfskräfte jedoch mehr in der Pflegeversicherung (und je nach Bundesland evtl. auch gar nicht Krankenversicherungsleistungen erbringen dürfen), entstehen differenziertere Kosten pro Stunde, je nach Kostenstelle. Dieses Beispiel macht deutlich, dass schon bei der Kontierung die Personalkosten unterteilt nach Berufsgruppen/Tarifgruppen gebucht werden sollte, ansonsten ist eine Differenzierung in der Kostenrechnung deutlich schwieriger umzusetzen. Weiterhin ist bei der Berufsgruppendifferenzierung zu beachten, wer mehrere, unterschiedliche Aufgaben wahrnimmt. Das bezieht sich vor allem auf die Pflegedienst-
4 Die Basis: Der ambulante Kontenrahmen 39
leitung (PDL) und Stellv. Pflegedienstleitung. Diese beiden arbeiten je nach Größe des Pflegedienstes unterschiedlich viel in der praktischen Pflege mit und/oder übernehmen (nur) verwaltende Tätigkeiten wie Einsatzplanung und Organisation. Um dies später in der Kostenrechnung differenziert aufschlüsseln zu können, sollten für die Leitungskräfte eigene Konten genutzt werden: so kann später der Leitungsanteil, z. B. der Stellv. PDL anders in der Kalkulation berücksichtigt werden als der Anteil, mit dem die Stellv. PDL in der Pflege mitarbeitet. Folgende Differenzierung sollten bei den Berufsgruppen erfolgen: Pflegedienstleitung Stellv. Pflegedienstleitung Pflegefachkräfte (aktuelle Berufsbezeichnungen sind: Alten- und Krankenpfleger, Gesundheitspfleger, Kinderkrankenpfleger, Pflegefachfrau/mann (jeweils mit dreijähriger Ausbildung)). Pflegekräfte: z. B. Krankenpflegehelfer, Altenpflegehelfer, Arzthelfer (in der Regel hat diese Berufsgruppe eine einjährige oder längere Ausbildung, teilweise gibt es hier in einigen Bundesländern sogar ein entsprechendes Examen), Pflegehilfskräfte: Mitarbeiter ohne pflegerische Ausbildung bzw. unter einem Jahr (z. B. Schwesternhelfer oder angeleitete Kräfte), hierzu gehören auch Mitarbeiter, die für pflegerische Betreuungsleistungen sowie Entlastungsleistungen nach § 45b eingesetzt werden. Hauswirtschaftliche Kräfte: Ob diese Differenzierung (Pflegehilfskräfte und hauswirtschaftliche Kräfte) notwendig ist, hängt vom Tarifsystem bzw. der Eingruppierung/ Bezahlung ab; inhaltlich werden sie ambulant vergleichbare Aufgaben und Tätigkeiten übernehmen (können) wie Pflegehilfskräfte. Verwaltungskräfte: Neben den Verwaltungskräften könnten weiterhin noch andere Dienste wie Technische Dienste (Hausmeister, Gebäudereinigung) etc. differenziert werden, wenn sie im Pflegedienst arbeiten. Zur Verwaltung gehört auch die Geschäftsführung, soweit es eine (in diesem Sinne kaufmännische) Geschäftsführung oder Abteilungsleitung neben der Pflegedienstleitung gibt. Aushilfen: Vor allem aus steuerlichen Gründen wurden die Aushilfen oft gesammelt gebucht. Da auch die Aushilfen sich aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen rekrutieren, sollten sie auch nach Berufsgruppen getrennt gebucht werden. Das wird deshalb immer wichtiger, weil in vielen Pflegebereichen oftmals nur noch Teilzeitstellen angeboten werden und beispielsweise diese Pflegefachkräfte oft im Rahmen einer
40
4.2 Kontierung der Aufwendungen
Aushilfstätigkeit bei einem anderen Dienst arbeiten. Ansonsten fehlen diese Kosten in der Stundensatzkalkulation bei den einzelnen Berufsgruppen. Der DATEV-Kontenrahmen ab 2017 hat dies für jede Berufsgruppe entsprechend berücksichtigt, dies sollte ambulant analog erfolgen. Der KONTENRAHMEN DER PBV für die Personalkosten bietet folgende (stationäre) Unterteilung an: • • • • • • •
600 Leitung der Pflegeeinrichtung 601 Pflegedienst 602 Betreuungsdienst 603 Hauswirtschaftlicher Dienst 604 Verwaltungsdienst 605 Technischer Dienst 606 Sonstige Dienste
Diese Differenzierung spiegelt nur die stationäre Struktur wider, in der zwischen Pflege, Betreuung (auch im Sinne § 43a SGB XI, früher § 87b) sowie Hauswirtschaft unterschieden wird: diese Gruppen erbringen auch dezidiert unterschiedliche Leistungen. Eine weitere Binnendifferenzierung ist deshalb nicht notwendig, weil stationäre Einrichtungen nur einen Versorgungsvertrag haben. In der ambulanten Pflege ist die personelle Unterscheidung wie oben ausgeführt eine andere. Um weitgehend in der Systematik und Struktur der PBV zu bleiben, aber die ambulanten Fragestellungen beantworten zu können, empfiehlt es sich, zwar die Kontendifferenzierung zu nutzen, die Kontengruppen jedoch anders zu bezeichnen oder mit doppelten Namen zu versehen: • • • • • •
6000 Leitung Pflegedienst (PDL) 6005 Stellv. Leitung 6010 Pflegefachkräfte 6020 Pflegekräfte 6030 Pflegehilfskräfte/hauswirtschaftliche Kräfte 6040 Verwaltungsdienst
Dem Muster der DATEV folgend kann dann für jede Teilgruppe auch die weitere Differenzierung der Kosten wie Sachaufwendungen, Rückstellungen sowie Aushilfslöhne und entsprechende differenzierte Steuern erfolgen.
4 Die Basis: Der ambulante Kontenrahmen 41
Problematik der Unternehmensform bei den Personalkosten Bei der Kostenrechnung, vor allem aber bei der Kalkulation, entsteht unter Umständen durch die Unternehmensform eine weitere Problematik: Bei Personengesellschaftsformen, wie Einzelunternehmen oder Gesellschaften Bürgerlichen Rechts (GbR), werden die ‚Personalkosten‘ der Unternehmer/Gesellschafter normalerweise nicht als ‚Gehalt‘ gebucht, sondern werden mit dem Überschuss = Gewinn, der deshalb noch gar kein richtiger Gewinn ist, finanziert. Das heißt: Ein Einzelunternehmer, der am Jahresende einen Überschuss von 100.000 € ausweist, hat damit nicht 100.000 € „Gewinn“ gemacht. Davon muss erst einmal das ‚Unternehmergehalt‘ abgezogen werden. Anders sieht es bei Kapitalgesellschaften, wie beispielsweise einer GmbH, aber ebenfalls bei anderen Rechtsformen, wie Vereinen etc., aus: Hier ist der Geschäftsführer („Unternehmer“) im Regelfall mit einem Geschäftsführergehalt berücksichtigt, damit ist der in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesene Gewinn tatsächlich ein Gewinn (nach Abzug aller Kosten). Allerdings nur, wenn nicht aus wirtschaftlichen Gründen das Geschäftsführergehalt sehr niedrig angesetzt und am Jahresende durch den Gewinn aufgestockt wird. Um auch in einem Einzelunternehmen oder einer GbR (aber auch, wenn nicht die vollen Kosten schon berücksichtigt sind) eine substanzielle Aussage zum wirklichen Betriebsergebnis zu ermöglichen, sollte man bei diesen Unternehmensformen die Personalkosten des/der Unternehmer KALKULATORISCH BUCHEN. Dabei ist zu beachten und finanziell zu kalkulieren, was und wie der Unternehmer tatsächlich arbeitet. Dazu ein Beispiel: Die Unternehmerin ist von der Ausbildung her Krankenschwester und ausgebildete Pflegedienstleitung. Sie hat den Betrieb als Einzelunternehmen vor 15 Jahren gegründet. Sie arbeitet in der Woche ca. 60 Stunden, dazu hat sie ständig die Rufbereitschaft übernommen, um ihre angestellten Mitarbeiter nicht weiter zu belasten: Würde man ihre Arbeitszeit pro Woche durch angestellte Mitarbeiter abbilden, käme man zu folgendem Ergebnis: • Arbeit als Krankenschwester: 30 Std. • Arbeit als PDL: 20 Std. • Arbeit als Geschäftsführerin: 5 Std. (z.B. Abrechnung, Verbandstätigkeiten, Vergütungsverhandlungen, Personalmanagement)
42
4.2 Kontierung der Aufwendungen
• Arbeit als Hilfskraft: 5 Std. (z.B. Büroarbeiten, Reinigungsarbeiten) • Rufbereitschaftsstunden: 10 Std. Wenn man über eine solche Aufstellung ausrechnet, was das an Bruttogehalt in den Teilbereichen ausmachen würde, hätte man die fiktiven Personalkosten der Unternehmerin ermittelt und könnte diese Teilsumme kalkulatorisch als Personalkosten buchen. Dann entspricht der ausgewiesene Gewinn tatsächlich dem echten Gewinn (Ergebnis nach Abzug aller Kosten). Gerade für eine verursachungsgerechte Kostenrechnung sowie eine sachgerechte Kalkulation ist eine solche kalkulatorische Buchung sinnvoll.
Rückstellung für Plusstunden und Urlaubsrückstellungen Ein weiteres Problem bei den Personalkosten taucht am Jahresende auf. Die ambulante Pflege arbeitet bedarfsorientiert nach der Anzahl der Aufträge (Leistungen) und wird auch nur bedarfsorientiert finanziert. Nur wenn der Kunde Leistungen verlangt, kann das Personal diese Arbeit erbringen und der Pflegedienst dafür abrechnen. Personal, das zurzeit keine Leistungen erbringt (oder erbringen kann, weil z.B. der Kunde im Krankenhaus ist), wird nicht refinanziert. Um hier so flexibel wie nötig reagieren zu können, arbeiten Pflegedienste in der Regel mit Jahresarbeitszeitkonten und keiner fixen Tages- oder Wochenarbeitszeit. Der Mitarbeiter erhält im Regelfall im laufenden Monat eine feste Sollvergütung, weitere Plus- oder Minusstunden aus dem aktuellen Monat werden im Jahresarbeitszeitkonto angesammelt. Solange diese Konten am Jahresende ‚leer‘ sind (keine Stunden), gibt es keine Abgrenzungsprobleme. Wenn aber Plus- oder Minusstunden in das kommende Jahr übertragen werden, müssen buchhalterisch hier entsprechend werthaltige Rückstellungen erfolgen. Denn die dazu gehörenden Erträge wurden im aktuellen Jahr erzielt, ohne den Mitarbeitern entsprechende Arbeitsstunden schon auszuzahlen. Auch diese Rückstellungen müssten differenziert nach Personalgruppen gebucht werden, ansonsten wäre die Kostenrechnung in Bezug auf die Personalkosten pro Gruppe nicht aussagekräftig. Gleiches gilt genauso für Urlaubsrückstellungen. Zusätzlich müssen die möglichen Ansparguthaben bzw. Rückstellungen bei der Nutzung von Altersteilzeitregelungen (einschließlich der Absicherung für den Insolvenzfall) periodengerecht abgegrenzt und dargestellt werden: Ein Teil der in der Ansparphase anfallenden Personalkosten gehört nicht in die aktuelle Periode, die in der Auszahlungsphase zu zahlenden Personalkosten werden durch die angesparten Rücklagen finanziert und sind deshalb keine ‚laufenden‘ Personalkosten. Der DATEV-Kontenrahmen 2017
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 43
kennt zwar die entsprechenden „Aufwendungen aus der Veränderung von Urlaubsrückstellungen“, nicht jedoch Rückstellungen für Mehrarbeit, dieses Konto sollte ergänzt oder ebenfalls im Konto Urlaubsrückstellungen gebucht werden,
Differenzierung der investiven Sachkosten Bei den Sachkosten sollte genau auf die Trennung von Verbrauchskosten und investiven Sachkosten im Sinne § 82 geachtet werden (siehe auch s. 19, sowie Erläuterungen zum Kontenrahmen auf S. 187). Das gilt insbesondere auch bei den Wartungsverträgen beispielsweise der Software, die zu den investiven Kosten gehören.
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 45
5 Verursachungsgerechte Verteilungsschlüssel Für jede Kostenrechnung stellt sich die Frage der Verteilungsschlüssel, wenn sich bestimmte Bereiche wie die Personalkosten oder Verwaltungskosten nicht direkt zuordnen lassen, was in der ambulanten Pflege normal ist: denn z.B. eine Pflegefachkraft erbringt sowohl Leistungen der Kranken- als auch der Pflegeversicherung. Während die Zuordnung der Erträge zu den verschiedenen Kostenstellen und Kostenträgern recht einfach ist, lassen sich die meisten Aufwendungen in der Regel nicht direkt zuordnen oder verteilen. Auch die Sachkosten lassen sich nicht direkt zuordnen, auf dem Computer im Büro wird beispielsweise sowohl die Pflege- als auch die Krankenversicherung abgerechnet. Die Aufwendungen kann man im Prinzip in drei Gruppen unterteilen: • Pflegepersonalkosten mit der Differenzierung: – Arbeitszeit vor Ort zur Leistungserbringung – Wegezeiten (von und zum Kunden) – Organisationszeiten (wie Rüstzeiten, Dienstbesprechungen etc.) • Steuerungs-und Verwaltungsaufwendungen (wie Leitung (PDL), Verwaltung und Abrechnung), und • Sachkosten – Nicht-investive Sachkosten – Investive Sachkosten (im Sinne SGB XI). Es stellt sich daher die Frage, über welche Verteilungsschlüssel man die Aufwendungen verursachungsgerecht verteilen kann? Die Pflege-Buchführungsverordnung als einschlägige Rechtsvorschrift enthält folgende offen formulierte Regelung: In § 4 Abs. 2, 2. Punkt heißt es: „Ist eine Abgrenzung nicht möglich, haben die erforderlichen Zuordnungen zu den verschiedenen Leistungsbereichen auf der Grundlage von vorsichtigen und wirklichkeitsnahen Schätzungen zu erfolgen.“ Als Maßstab bleibt nur die unkonkrete Festlegung, dass die Verteilungsschlüssel wirklichkeitsnah sein müssen, also möglichst die Aufwendungen verursachungsgerecht verteilen. Damit ist man relativ frei in der Wahl der Verteilungsschlüssel. Allerdings haben die verschiedenen Verteilungsschlüssel unterschiedliche Wirkungen auf die jeweiligen Kostenstellen.
46
Während die Verteilung der Arbeitszeit vor Ort auf der Basis von Zeiterfassung erfolgen kann, stellt sich die Frage nach verursachungsgerechten Verteilungsschlüsseln für die zentralen Aufwendungen. Die Verteilung der Arbeitszeit der Mitarbeiter vor Ort sollte nach den drei wesentlichen Berufsgruppen (Fachkräfte, Pflegekräfte, Pflegehilfskräfte) differenziert erfolgen
Aufwand für Steuerung/Verwaltungsaufwand/Sachkosten Für den Aufwand der Leitung und Steuerung, also der Arbeitszeit der Leitungs- und Verwaltungskräfte sowie der Sachkosten stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis diese Aufwendungen zum Umsatz, aber auch zur Arbeitszeit vor Ort stehen. Dabei spiegelt weder der Umsatz mit der Leistung noch die Anwesenheit der Pflegemitarbeiter vor Ort den Aufwand wider, der mit der jeweiligen Leistung verbunden ist. Um aufzuzeigen, wie unterschiedlich hoch der Steuerungs- und Verwaltungsaufwand pro Leistung sein kann, ein Beispiel. Aufwand Steuerung/Verwaltung im Vergleich verschiedener Leistungen
SGB XI: Körperpflege Große Grundpflege Verteilung in %
Arbeitszeit vor Ort
Fahrtzeit
Orgazeit, Steuerung, Verwaltung pro Einsatz (geschätzt)
Arbeitszeit Min. gesamt
32
6
1
39
28,20 €
43,38 €
82%
15%
3% 15
10,54 €
42,16 €
66,5
28,75 €
25,94 €
Preis
Umsatz pro Stunde
SGB V Medigabe+Kompress.-Str. Verteilung in %
8
6
1
53%
40%
7%
60
6
0,5
90%
9%
1%
SGB XI: Entlastungsleistung Reinigung Wohn. Verteilung in %
Tabelle: 7
Für die Körperpflegeleistung im Rahmen der Pflegeversicherung dient als Beispiel eine Große Grundpflege, die beispielhaft 32 Minuten dauern soll. Dazu kommt ein Wegezeitaufwand von 6 Minuten sowie für die Planung, Steuerung und Verwaltung nochmals 1 Minute. Dann beträgt die Wegezeit im Gesamtaufwand 15 %, die Verwaltungszeit 3 %. Rechnerisch wird ein Umsatz von 43,38 € pro Stunde erzielt.
5 Verursachungsgerechte Verteilungsschlüssel 47
Eine Medikamentengabe sowie das Anziehen von Kompressionsstrümpfen (SGB V) dauert als Leistung 8 Minuten. Auch bei gleichem Wegezeitaufwand wie im SGB XI sind dies im Verhältnis schon 40 % der Gesamtzeit, die Zeit für Steuerung/Verwaltung und Abrechnung von nur 1 Minute wäre im Verhältnis schon 7 % des Gesamtaufwandes. Rechnerisch wird ein Umsatz von 42,16 € pro Stunde erzielt Die Reinigung der Wohnung mit 60 Minuten Dauer wird über die Kostenerstattung der Pflegeversicherung als Entlastungsleistung abgerechnet. Bei gleichem Wege- und Verwaltungsaufwand wie bei der Grundpflegeleistung sinkt der Verwaltungsaufwand am Gesamtaufwand auf 1 %, bei einem erzielten Umsatz im Beispiel von 25,94 €. Mit diesem Beispiel wird deutlich, dass die Arbeitszeit vor Ort kein verursachungsgerechter Verteilungsschlüssel für den Aufwand für Leitung/Steuerung sowie Sachkosten ist. Eine weitere Entwicklung in den Pflegediensten trägt zu einer noch größeren Verzerrung bei: die Stellen- und Arbeitsanteile im Bereich der Pflegehilfskräfte (Hauswirtschaft) nehmen in letzter Zeit deutlich zu, weil insbesondere durch die Nachfragen nach Entlastungsleistungen nach § 45b ein ‚neuer‘ Markt für hauswirtschaftliche Dienstleistungen entstanden ist.1 Da diese Einsätze im Regelfall für mindestens eine Stunde vereinbart werden, ergeben sich hier schnell höhere Stellenanteile und damit bei einer Verteilung nach Arbeitszeit höhere Prozentzahlen für Steuerung/Verwaltung, obwohl sie wenig ‚Arbeit‘ machen. Eine Verteilung nach Arbeitszeit oder Leistungszeit entlastet die Krankenversicherung, ist aber nicht verursachungsgerecht. Formal gemäß Pflegebuchführungsverordnung gibt es keine definierte Festlegung auf einen bestimmten Verteilungsschlüssel. Um die Auswirkungen konkret aufzuzeigen, haben wir unser Bespiel mit den verschiedenen Verteilungsschlüsseln durchgerechnet.
5.1 Variante 1: Verteilung nach Umsatz Als einfacher Verteilungsschlüssel bietet sich zunächst die Verteilung nach Ertrag (UMSATZ) an, denn dieser Schlüssel lässt sich einfach aus der Finanzbuchhaltung ableiten. Allerdings sollte, falls man Umsatz wählt, auch dieser definiert abgegrenzt werden von anderen Erträgen beispielsweise der Personalkostenerstattung (z.B. Arbeitsamt, Berufliche Eingliederung etc.) oder der Finanzierung anderer Bereiche wie Altenpflege1 insbesondere weil die Leistung nach § 45b nur über zugelassene Dienstleister erbracht werden kann (anders die Verhinderungspflege, die auch durch andere (nicht zugelassene Dienstleister, aber auch Nachbarn etc. erbracht werden)
48
5.1 Verteilung nach Umsatz
umlage. Für den Umsatzschlüssel sollte man nur auf die Erträge aus konkreten Pflege-, bzw. Dienstleistungen (einschließlich der Investitionskostenförderung) zurückgreifen. Dabei werden alle Mitarbeitergruppen sowie die Leitungs- und Verwaltungs- sowie Sachkosten nach dem identischen Schlüssel verteilt. Mit einer beispielhaften Kostenrechnung soll die Auswirkung auf das Ergebnis dargestellt werden. Abb. 8 zeigt eine Musterkostenrechnung mit der Verteilung der Kosten nach Umsatz und das Ergebnis.
Musterkostenstellenrechnung: Verteilung nach Leistungsumsatz Kostenstellen Verteilungsschlüssel Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfskrä�e PDL, Verwaltung, Sachkosten
1 2 3 4
PV
KV
Soz Pri © Syspra.de 2020
48,9% 48,9% 48,9% 48,9%
43,5% 43,5% 43,5% 43,5%
0,6% 0,6% 0,6% 0,6%
KV
Soz
Trä
5,8% 5,8% 5,8% 5,8%
1,2% 1,2% 1,2% 1,2%
Pri
Trä
Zusammenfassung Erträge
Gesamt
1. 2. 3.
PV
Erträge Pflege gesamt Erträge Inves��onskosten Andere Erträge Erträge Gesamt
1.740.984 34.031 30.868 1.805.883
836.581 32.097 13.072 881.750
769.499 1.646 1.528 772.673
10.525 22 21 10.568
102.839 220 204 103.263
21.540 46 16.043 37.629
Personalaufwendungen Gesamt Zentrale Dienstleistungen Sachkosten Inves�ve Sachkosten Andere Aufwendungen
1.601.464 37.805 80.922 77.406 14.444
783.463 18.495 39.588 37.868 13.890
696.052 16.431 35.171 33.643 306
9.510 224 481 460 4
92.996 2.195 4.699 4.495 41
19.448 459 983 940 9
Aufwendungen Gesamt
1.812.041
893.304
781.603
10.678
104.426
Aufwendungen 4. 5. 6. 7. 8.
Gesamt Differenz
-6.158
PV -11.554
KV -8.931
Soz -110
21.838
Pri
Trä
-1.163
15.791
Tabelle: 8
Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Verteilung wirklich verursachungsgerecht ist. Denn der Umsatz steht oftmals nicht im Verhältnis zu den tatsächlich verursachten Kosten, wie im Beispiel Tabelle 7 bereits dargestellt.
5 Verursachungsgerechte Verteilungsschlüssel 49
5.2 Variante 2: Verteilung nach Arbeitszeit vor Ort Ein weiterer möglicher Verteilungsschlüssel ist die Verteilung nur nach Arbeitszeit vor Ort, denn die wesentlichen Kosten sind Personal- und damit Arbeitszeitkosten. Dabei sollte bei der Ermittlung von Verteilungsschlüsseln dieser Arbeitszeitaufwand mindestens in die drei Hauptberufsgruppen: Pflegefachkräfte, Pflegekräfte und Pflegehilfskräfte differenziert werden. Bei der Variante: Arbeitszeit vor Ort wird allein die erfasste Arbeitszeit der Berufsgruppen zur Verteilung aller Kosten pro Berufsgruppe genutzt, auch wenn die Arbeitszeit vor Ort nur ca. 60 bis 70 % der Arbeitszeit umfasst. Für die Verteilung der Leitungs- und Verwaltungs- sowie Sachkosten wird dann ein anteiliger Schlüssel gebildet aus dem Verhältnis der Stellenanteile der Mitarbeiter (siehe Tab. 9: Verteilung nach Arbeitszeit.) Verteilungsschlüssel nach Arbeitszeit vor Ort 1. Pflegefachkrä�e Arbeitszeit vor Ort 2. Pflegekrä�e Verteilungsschlüssel 3. Pflegehilfskrä�e Arbeitszeit vor Ort
Anzahl Vollzeitstellen PV 38,5%
KV
Anzahl Vollzeitstellen PV 74,4%
KV
Anzahl Vollzeitstellen PV 69,0%
KV
59,9%
11,53 SGB XII 0,0%
Privat
20,4%
6,64 SGB XII 0,5%
Privat
0,0%
6,38 SGB XII 3,0%
1,4%
Trägerleistung 0,2%
1,5%
Trägerleistung 3,2%
Privat Trägerleistung 16,0% 12,0%
4. Verteilungsschlüssel für Steuerung/Verwaltung sowie Sachkosten VZ-Stellen Mitarbeiter gesamt
24,55 Verhältnis Mitarbeiter
Verteilung nach Arbeitszeit
PV
56,1%
KV
33,6%
Fachkrä�e
Pflegekrä�e
Pflegehilfskrä�e
47,0%
27,0%
26,0%
SGB XII 0,9%
Privat
5,2%
Trägerleistung 4,1%
Tabelle: 9
In unserem Beispiel hat der Pflegedienst insgesamt 24,5 Stellen an Mitarbeitern, die abrechnungsfähige Leistungen erbringen, davon sind die Hälfte Fachkräfte. Bei der Verteilung werden die jeweiligen Berufsgruppen nach ihrer Arbeitszeit vor Ort beim Kunden zugeordnet.
50
5.3 Verteilung nach Leistungszeit
Musterkostenrechnung mit Verteilung ausschließlich nach Arbeitszeit vor Ort Kostenstellen Verteilungsschlüssel
PV Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfskrä�e PDL, Verwaltung, Sachkosten
1 2 3 4
KV
38,5% 74,4% 69,0% 56,1%
Soz Pri © Syspra.de 2020 59,9% 0,0% 1,4% 20,4% 0,5% 1,5% 0,0% 3,0% 16,0% 33,6% 0,9% 5,2%
Trä 0,2% 3,2% 12,0% 4,1%
Zusammenfassung Erträge 1. 2. 3.
Erträge Pflege gesamt Erträge Inves��onskosten Andere Erträge Erträge Gesamt
Gesamt 1.740.984 34.031 30.868 1.805.883
PV 836.581 32.369 13.324 882.274
KV 769.499 1.272 1.181 771.952
Soz 10.525 34 32 10.591
Pri 102.839 197 183 103.219
Trä 21.540 155 16.144 37.839
Personalaufwendungen Gesamt Zentrale Dienstleistungen Sachkosten Inves�ve Sachkosten Andere Aufwendungen
1.601.464 37.805 80.922 77.406 14.444
868.255 21.209 45.397 43.425 13.940
590.708 12.702 27.190 26.008 236
12.396 340 728 697 6
73.409 1.966 4.208 4.025 37
56.401 1.550 3.318 3.174 29
Aufwendungen Gesamt
1.812.041
992.226
656.844
14.167
83.644
64.471
Soz
Pri
Trä
19.575
-26.631
Aufwendungen 4. 5. 6. 7. 8.
Gesamt Differenz
-6.158
PV -109.952
KV 115.108
-3.577
Tabelle: 10
Aus der nach Mitarbeitervollzeitstellen gewichteten Leistungszeit werden somit die anderen Kosten, die in unserem Beispiel ca. 27 % der Gesamtkosten ausmachen, verteilt. Aufgrund der Stellenanteile und der Gewichtung wird in dieser Variante die Krankenversicherung nur mit 34 % der Leitungs-/Verwaltungs- und Sachkosten belastet. Insbesondere die Verteilung aller Kosten außerhalb der Arbeitsstunden dürfte nicht verursachungsgerecht sein, allerdings ist diese Variante in unserem Musterbeispiel die ‚günstigste‘ für die Krankenversicherung, die so die geringsten Leitungskosten trägt und bei einer Kalkulation somit besonders günstig wäre.
5.3 Variante 3: Verteilung nach Leistungszeit Eine differenziertere Variante der Verteilung nach Arbeitszeit vor Ort ist die Verteilung nach Leistungszeit (Arbeitszeit vor Ort sowie Wegezeit), denn die abrechenbaren Personalkosten gliedern sich nach Arbeitszeit vor Ort sowie nach Fahrtzeiten (auch wenn
5 Verursachungsgerechte Verteilungsschlüssel 51
sie je nach Leistungskatalog in Pauschalen eingerechnet oder in den Punktwerten inkludiert ist). Pflegepersonalkosten: • Arbeitszeit vor Ort: Diese kann direkt dem jeweiligen Leistungsträger zugeordnet werden, weil zu den einzelnen Leistungen in der Tourenplanung konkrete Zeitwerte hinterlegt sind und mit der Arbeitszeit vor Ort auch der tatsächliche Aufwand dargestellt ist. Dabei kann die Ermittlung auf der Basis der Sollzeiten aus der Planung oder der tatsächlich erfassten Istzeiten erfolgen (siehe auch S. 59). – Zur „Arbeitszeit vor Ort“ zählen auch die Leistungen/Arbeitszeiten, die teilweise auf dem Weg oder im Büro für konkrete Dienstleistungen anfallen: hier geht es insbesondere um Besorgungen und um Leistungen rund um das Medikamentenmanagement und/oder Verordnungsmanagement, die Pflegedienste immer öfter als Privatleistung oder Kostenerstattungsleistung (über § 45b) anbieten und abrechnen. Diese Zeiten sind (auch wenn sie im Büro erbracht werden) keine (nicht direkt refinanzierten) Organisationszeiten und müssen daher von diesen getrennt werden (siehe auch S. 60). • Die Fahrtzeiten für den Einsatz können nur über die Anzahl der Einsätze verteilt werden, denn die Fahrtzeit zum Kunden ist unabhängig von der Arbeitsdauer vor Ort gleich hoch. Somit werden im Schnitt ca. 60 bis 80 % der Kosten nach Arbeitszeit vor Ort, der Rest nach der Anzahl der Einsätze verteilt. Für die Verteilung der Leitungs- und Verwaltungs- sowie Sachkosten wird dann wie schon beschrieben ein gewichteter Schlüssel aus dem Stellenanteil der Mitarbeiter gebildet, wie er beispielhaft in Tab. 13 auf S. 55 dargestellt wird. Nach diesem Schlüssel werden schon etwas mehr Leitungskosten auf die Krankenversicherung verteilt, nun sind es 37 %. Dieser Schlüssel wird aktuell2 in Niedersachsen diskutiert.
2
Das von der Diakonie in Niedersachsen durch Rainer Cech, von PKF Fasselt Schlage, Braunschweig entwickelte Kalkulationsmodell nutzte beispielsweise diese Verteilung (Stand: Dezember 2019)
52
5.3 Verteilung nach Leistungszeit
Verteilungsschlüssel nach Arbeitszeit vor Ort und Fahrtzeit nach Einsätze 1. Pflegefachkrä�e
11,53
Anzahl Vollzeitstellen PV
KV
Arbeitszeit vor Ort zu Weg
SGB XII
Privat
50,0%
Trägerleistung
Arbeitszeit vor Ort
38,5%
59,9%
0,0%
1,4%
0,2%
Anzahl Einsätze
25,0%
57,0%
0,0%
0,0%
0,0%
Umgerechnete Einsätze
34,0%
66,0%
0,0%
0,0%
0,0%
Arbeitszeit vor Ort
36,3%
63,0%
0,0%
0,7%
0,1%
2. Pflegekrä�e
6,64
Anzahl Vollzeitstellen PV
KV
Arbeitszeit vor Ort zu Weg
SGB XII
Privat
70,0%
74,4%
20,4%
0,5%
1,5%
3,2%
Anzahl Einsätze
43,0%
27,0%
1,0%
4,0%
0,0%
Umgerechnete Einsätze
55,5%
39,5%
1,0%
4,0%
0,0%
Verteilungsschlüssel
68,7%
26,1%
0,7%
2,3%
2,2%
6,38
Anzahl Vollzeitstellen PV
KV
Arbeitszeit vor Ort zu Weg
SGB XII
Privat
69,0%
0,0%
3,0%
16,0%
12,0%
39,0%
0,0%
1,0%
56,0%
4,0%
Umgerechnete Einsätze
39,0%
0,0%
1,0%
56,0%
4,0%
Arbeitszeit vor Ort
64,5%
0,0%
2,7%
22,0%
10,8%
4. Verteilungsschlüssel für Steuerung/Verwaltung sowie Sachkosten
Verhältnis Mitarbeiter PV Verteilung nach Arbeitszeit
Tabelle: 11
KV 52,4%
Fachkrä�e
Pflegekrä�e
Pflegehilfskrä�e
47,0%
27,0%
26,0%
SGB XII 36,6%
0,9%
25,0%
85,0%
Anzahl Einsätze
24,55
Kombiniert
Trägerleistung
Arbeitszeit vor Ort
VZ-Stellen Mitarbeiter gesamt
18,0%
Trägerleistung
Arbeitszeit vor Ort
3. Pflegehilfskrä�e
Kombiniert
Privat
Trägerleistung 6,7%
3,5%
Kombiniert 0,0%
5 Verursachungsgerechte Verteilungsschlüssel 53
Musterkostenrechnung mit Verteilung nach Arbeitszeit vor Ort + Fahrtzeit/Einsatz Kostenstellen Verteilungsschlüssel
PV Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfskrä�e PDL, Verwaltung, Sachkosten
1 2 3 4
KV
36,3% 68,7% 64,5% 52,4%
Soz Pri © Syspra.de 2020 63,0% 0,0% 0,7% 26,1% 0,7% 2,3% 0,0% 2,7% 22,0% 36,6% 0,9% 6,7%
Trä 0,1% 2,2% 10,8% 3,5%
Zusammenfassung Erträge 1. 2. 3.
Erträge Pflege gesamt Erträge Inves��onskosten Andere Erträge Erträge Gesamt
Gesamt 1.740.984 34.031 30.868 1.805.883
PV 836.581 32.229 13.194 882.004
KV 769.499 1.386 1.287 772.172
Soz 10.525 34 32 10.591
Pri 102.839 254 236 103.328
Trä 21.540 133 16.123 37.796
Personalaufwendungen Gesamt Zentrale Dienstleistungen Sachkosten Inves�ve Sachkosten Andere Aufwendungen
1.601.464 37.805 80.922 77.406 14.444
810.942 19.810 42.403 40.561 13.914
640.181 13.837 29.617 28.331 257
12.239 340 728 697 6
91.697 2.533 5.422 5.186 47
47.410 1.323 2.832 2.709 25
Aufwendungen Gesamt
1.812.041
927.630
712.223
14.011
104.885
Aufwendungen 4. 5. 6. 7. 8.
Gesamt Differenz
-6.158
PV -45.626
KV 59.949
Soz -3.420
54.299
Pri
Trä
-1.557
-16.504
Tabelle: 12
5.4 Variante 4: Differenzierter Personalschlüssel und Verteilung nach Einsätzen • Die präferierte 4. Variante differenziert die Kostenverteilung der Personalkosten noch etwas genauer: • Arbeitszeit vor Ort: nach tatsächlicher Arbeitszeit; dazu gehören auch andere Arbeitszeiten für konkrete Leistungen, die außerhalb der Wohnung des Kunden stattfinden, wie Einkaufen, aber auch Bestellungen aus dem Büro etc., wie bereits beschrieben. • Die Fahrtzeiten sowie darüber hinaus die notwendigen Organisationszeiten für den Einsatz sollten über die Anzahl der Einsätze verteilt werden, denn die Fahrtzeit zum Kunden ist unabhängig von der Leistungszeit vor Ort oder vom Umsatz. Gleiches gilt für Organisationszeiten insbesondere im Büro. Auch diese sind einsatzbedingt, aber nicht davon abhängig, ob im Einsatz eine lange Grundpflege, eine Stunde Hauswirtschaft oder eine kurze Behandlungspflege wie Insulininjektion erbracht wird.
54
5.4 Differenzierter Personalschlüssel und Verteilung nach Einsätzen
Im Verhältnis liegt der Anteil Arbeitszeit vor Ort zu Fahrt- und Orgazeiten bei ca. 60 – 70 % zu 40 – 30 %; je nach Berufsgruppe unterschiedlich. Bei den Fachkräften mit Behandlungspflege dürfte der Fahrt/Orgateil deutlich höher liegen, bei hauswirtschaftlichen Kräften sehr viel niedriger. Daher sollten die Kosten der Pflegemitarbeiter mit einem zweiteiligen Schlüssel ermittelt werden: • Arbeitszeit vor Ort nach Dauer des Aufenthaltes, • Wege- und Organisationszeiten nach Anzahl der Einsätze. Die Position Steuerung/Verwaltung und Sachkosten umfasst: • die Aufwendungen der Pflegedienstleitung und anderer Leitungskräfte (z. B. anteilig auch Stellv. Leitung, Qualitätsbeauftragte, Teamleitungen etc.) für die Organisation und Steuerung des Pflegedienstes einschließlich Qualitätssicherungsmaßnahmen wie Pflegevisiten. Zur Abgrenzung der Kosten der Leitungskräfte bei kleineren Einrichtungen siehe auch Hinweise beim Kontenrahmen (Materialien ab S. 193). • die anderen Verwaltungskosten wie Leistungsabrechnung, Finanz- und Personalverwaltung, Geschäftsführung etc. • Die Sachkosten beinhalten alle Sachkosten, die für den Betrieb notwendig sind. In der ambulanten Pflege entsteht, wie in Abb. 7 beispielhaft dargestellt, der Aufwand für die Steuerung, Verwaltung und damit verbundenen Sachkosten, pro Einsatz. • Die Fahrtkosten sind pro Einsatz gleich hoch, egal, wie lange der Einsatz dauert oder wie hoch der Umsatz pro Einsatz ist. • Die Planungs- und Abrechnungskosten entstehen ebenfalls pro Einsatz. Deshalb sollte als verursachungsgerechter Verteilungsschlüssel für diese Kostenbereiche (Fahrt- und Orgazeiten sowie Steuerung/Verwaltung) die ANZAHL DER ERBRACHTEN EINSÄTZE als Verteilungsschlüssel herangezogen werden. Technisch können diese Daten leicht ermittelt werden, da jede moderne Abrechnungs- und Steuerungssoftware diese Anzahl auswerten und darstellen kann (siehe auch Kap. 6, S. 65)
5 Verursachungsgerechte Verteilungsschlüssel 55
Differenzierter Verteilungsschlüssel für Kostenrechnung © System & Praxis Andreas Heiber: Erläuterungen in: "Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen", Vincentz Network 2020 1. Pflegefachkrä�e
Arbeitszeit vor Ort PV
KV
SGB XII
45,0% Weg-/Orgazeit Privat
55,0%
Trägerleistung
Arbeitszeit vor Ort (in %)
38,5%
59,9%
0,0%
1,4%
0,2% Kombiniert
Anzahl (in %) Einsätze
25,0%
57,0%
0,0%
0,0%
0,0%
Umgerechnete Einsätze (in %)
34,0%
66,0%
0,0%
0,0%
0,0%
Verteilungsschlüssel
36,0%
63,3%
0,0%
0,6%
0,1%
2. Pflegekrä�e
Arbeitszeit vor Ort PV
KV
SGB XII
65,0% Weg-/Orgazeit Privat
18,0%
35,0%
Trägerleistung
Arbeitszeit vor Ort (in %)
74,4%
20,4%
0,5%
1,5%
3,2% Kombiniert
Anzahl (in %) Einsätze
43,0%
27,0%
1,0%
4,0%
0,0%
Umgerechnete Einsätze (in %)
55,5%
39,5%
1,0%
4,0%
0,0%
Verteilungsschlüssel
67,8%
27,1%
0,7%
2,4%
2,1%
3. Pflegehilfskrä�e
Arbeitszeit vor Ort PV
KV
SGB XII
80,0% Weg-/Orgazeit Privat
Arbeitszeit vor Ort (in %)
69,0%
0,0%
3,0%
16,0%
Anzahl (in %) Einsätze
39,0%
0,0%
1,0%
56,0%
12,0% Kombiniert 4,0%
Umgerechnete Einsätze (in %)
39,0%
0,0%
1,0%
56,0%
4,0%
63,0%
0,0%
2,6%
24,0%
10,4%
4. Verteilungsschlüssel für Steuerung/Verwaltung sowie Sachkosten Verteilung der Einsätze pro Mitarbeitergruppe: wie viele Einsätze erbringt welche Gruppe in % Verteilung der Einsätze
Fachkrä�e 62,0% PV
Anzahl Einsätze gewichtet
40,7%
Pflegekrä�e Pflegehilfskrä�e 29,0% KV 52,4%
9,0% SGB XII 0,4%
Privat
Trägerleistung
6,2%
0,4%
Tabelle: 13/ Tabelle kostenfrei im Download
I»
20,0%
Trägerleistung
Verteilungsschlüssel
Mitarbeitergruppen
25,0%
http://www.haeusliche-pflege.net/Produkte/Downloads-zu-Buechern
Ein solch differenzierter Verteilungsschlüssel (Abb.14) dürfte am ehesten den Vorgaben der PBV nach einer verursachungsgerechten Verteilung entsprechen.
0,0%
56
5.5 Auswirkung der Verteilungsschlüssel
Musterkostenstellenrechnung mit differenziertem Verteilungsschlüssel
Kostenstellen Verteilungsschlüssel
PV
Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfskrä�e PDL, Verwaltung, Sachkosten
1 2 3 4
KV
36,0% 67,8% 63,0% 40,7%
Soz Pri © Syspra.de 2020 63,3% 0,0% 0,6% 27,1% 0,7% 2,4% 0,0% 2,6% 24,0% 52,4% 0,4% 6,2%
Trä 0,1% 2,1% 10,4% 0,4%
Zusammenfassung Erträge 1. 2. 3.
Erträge Pflege gesamt Erträge Inves��onskosten Andere Erträge Erträge Gesamt
Gesamt 1.740.984 34.031 30.868 1.805.883
PV 836.581 31.786 12.783 881.150
KV 769.499 1.984 1.842 773.325
Soz 10.525 15 14 10.554
Pri 102.839 235 218 103.292
Trä 21.540 15 16.014 37.569
Personalaufwendungen Gesamt Zentrale Dienstleistungen Sachkosten Inves�ve Sachkosten Andere Aufwendungen
1.601.464 37.805 80.922 77.406 14.444
767.162 15.387 32.935 31.504 13.832
692.387 19.810 42.403 40.561 368
10.488 151 324 310 3
95.231 2.344 5.017 4.799 44
36.819 151 324 310 3
Aufwendungen Gesamt
1.812.041
860.820
795.530
11.275
107.435
Aufwendungen 4. 5. 6. 7. 8.
Gesamt Differenz
-6.158
PV 20.330
KV -22.204
Soz -721
Pri -4.143
37.606 Trä -37
Tabelle: 14
5.5 Auswirkung der Verteilungsschlüssel Grundsätzlich entspricht jeder der vorgestellten Verteilungsschlüssel formal den Vorgaben der PBV („vorsichtige und wirklichkeitsnahe Schätzung“) und ist deshalb im Prinzip zulässig! Vergleicht man die Verteilungsschlüssel und ihre Auswirkungen auf das Gesamtergebnis, kann man folgende tendenziellen Aussagen treffen: • Ein Verteilungsschlüssel allein nach Umsatz dürfte im Detail nicht verursachungsgerecht sein, da die Umsatzhöhe pro Leistungsstunde nicht die real verursachten Kosten wiedergibt. • Eine Kostenrechnung mit der Verteilung nach Umsatz (Variante 1) kann später weiter differenziert werden, deshalb wäre im ersten Schritt eine Verteilung nach Umsatz auch eine pragmatisch einfach zu erstellende Lösung. • Die Verteilung allein nach Arbeitszeit vor Ort (Variante 2) benachteiligt längere Leistungen, insbesondere in der Hauswirtschaft, aber subventioniert die oft recht kurzen Leistungen der Behandlungspflege.
5 Verursachungsgerechte Verteilungsschlüssel 57
• Ein Verteilungsschlüssel nach Umsatz könnte jedoch eher die realen Kosten widerspiegeln als ein Verteilungsschlüssel allein nach Arbeitszeit vor Ort! • Ein etwas differenzierter Schüssel auf der Basis der Arbeitszeit sowie der Wegezeit (Variante 3) gleicht die nicht verursachungsgerechte Umverteilung allein nach Arbeitszeit vor Ort etwas aus. • Nur wenn die Aufwendungen für Steuerung/Verwaltung und die Sachkosten nach der Anzahl der Einsätze verteilt werden (Variante 4), wird auch der pro Einsatz verursachte Aufwand sachgerecht dargestellt. Vergleicht man die 4 Verteilungsschlüssel sowie die Ergebnisse dieses Beispiels, so muss man zusätzlich die Unternehmensstruktur sowie die Umsatzverteilung beachten. In unserem Beispiel liegt der Privatumsatz nur bei knapp 6 %. Ist dieser Anteil höher (vor allem weil mehr Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI abgerechnet werden), dann verschieben sich die Ergebnisse bei der Verteilung nach Arbeitszeit (Varianten 2 und 3) noch weiter zugunsten der Krankenversicherung in die anderen Arbeitsbereiche: denn die Entlastungsleistungen werden im Regelfall stundenweise erbracht: Hier gibt es dann eine hohe Stundenzahl mit einer relativ geringen Vergütung pro Stunde sowie geringen Steuerungs- und Verwaltungskosten. Aber auch bei einer Verteilung nur nach Leistungszeit würden hier mehr Kosten zugerechnet als verursacht, während insbesondere die Krankenversicherung noch weiter entlastet werden würde (siehe Seite 50). Teilweise spielen bei der Festlegung auch unterschiedliche strategische Aspekte eine Rolle: • Aus Sicht der Leistungsanbieter erscheint es auf den ersten Blick heute sinnvoll und pragmatisch, mehr Kosten und damit bessere/höhere Preise im SGB XI darzustellen und zu verhandeln, da hier die Grundlagen gesetzlich klarer geregelt und daher die Verhandlungen und Preiserhöhungen leichter durchzusetzen sind. • Auch aus Leistungsträgersicht könnte es reizvoll sein, in der bundeseinheitlichen Pflegeversicherung (gemeinsamer Beitragssatz und gedeckelte Ausgaben) anders zu verhandeln als in der jede Krankenkasse direkt betreffenden Behandlungspflege (mit kassenspezifischen Zusatzbeiträgen und Finanzierung ohne Deckelung der Kosten).
58
5.5 Auswirkung der Verteilungsschlüssel
Vergleich der Verteilungsschlüssel 1. Variante nach Umsatz Gesamt Leitung, Schlüssel für Verwaltung, Sachkosten 6.158 € Ergebnis -
PV
KV
Soz
Pri
Trä
48,9%
43,5%
0,6%
5,8%
1,2%
1.163 €
15.791 €
11.554 € -
8.931 € -
2. Variante: Verteilung nur nach Arbeitszeit vor Ort PV KV Gesamt Leitung, 56,1% 33,6% Schlüssel für Verwaltung, Sachkosten 6.158 € - 109.952 € 115.108 € Ergebnis -
110 € Soz
Pri
Trä
0,9%
5,2%
4,1%
3.577 €
19.575 € -
26.631 €
3. Variante: Personalkosten pro Gruppe nach Arbeitszeit und Wege pro Einsatz, Verw./Sachk. nach Gesamtverteilung dieses Schlüssels PV KV Soz Pri Trä Gesamt Leitung, 52,4% 36,6% 0,9% 6,7% 3,5% Schlüssel für Verwaltung, Sachkosten 6.158 € - 45.262 € 59.494 € 3.420 € 1.557 € - 16.504 € Ergebnis 4. Variante: Personalkosten nach Arbeitszeit und Fahrt/Orga nach Einsätzen, andere Kosten nach Einsätzen PV KV Soz Pri Trä Gesamt Leitung, 40,7% 52,4% 0,4% 6,2% 0,4% Schlüssel für Verwaltung, Sachkosten 6.158 € 20.330 € - 22.204 € 721 € 4.143 € 37 € Ergebnis -
Tabelle: 15
• Der Gesetzgeber hat allerdings die Rechtslage im SGB V der des SGB XI angepasst, sogar eine Verbindung in Bezug auf die Wegekosten gesetzlich festgelegt.3 Auch ist es aus Sicht der Versicherten nicht nachvollziehbar, warum die Preise im SGB XI mit den daraus resultierenden Eigenanteilen ‚höher‘ verhandelt werden als die Preise im SGB V, die ausschließlich von den Krankenkassen zu tragen sind. • Verursachungsgerecht wäre allein der hier dargestellte vierte Schlüssel. • Technische Gründe sprechen aber gegen keinen der Verteilungsschlüssel, da dauerhaft alle Pflegedienste mit einer Istdatenerfassung arbeiten werden, aus der heraus automatisch die Verteilungsschlüssel ermittelt werden können. Für eine 3
§ 89, Abs. 3, Satz 3 in Verbindung mit § 132a SGB V, Abs. 1 Satz 4 Nummer 5
5 Verursachungsgerechte Verteilungsschlüssel 59
einheitliche Grundlage im Bundesland wäre es sinnvoll, wenn die Vertragsparteien diese entsprechend landeseinheitlich festlegen würden. Die Rahmenvertragsparteien (hier Pflegekassen und Anbieterverbände) sind nach § 75 SGB XI eigentlich schon länger verpflichtet, nach Abs. 2 Nr. 11 „die Anforderungen an die nach § 85 Abs. 3 geeigneten Nachweise bei den Vergütungsverhandlungen“ zu vereinbaren. In diesem Rahmen könnten zumindest theoretisch auch Verteilungsschlüssel festlegt werden. Es wäre auch im Rahmen einer Pflegesatzkommission nach § 86 Abs. 3 möglich, landesspezifische Vorgaben zu treffen (wie sie auch stationär bekannt und üblich sind). Solange es keine anderen vereinbarten Festlegungen gibt, sind alle Schlüssel möglich. Allerdings dürfte eine einmal getroffene landesweite Regel dauerhaft schwer änderbar sein, zumal sie formal eben auch im Sinne der PBV sachgerecht sein könnte.
5.6 Daten für Verteilungsschlüssel ermitteln Die Daten für die Verteilungsschlüssel, insbesondere die Arbeitszeiten der Mitarbeiter, lassen sich aus der Einsatzplanung ableiten, die heute normalerweise über eine entsprechende Planungs- und Abrechnungssoftware erstellt wird. Dabei wären sogar zwei Möglichkeiten vorhanden: • Daten aus der Soll-Tourenplanung, wenn bisher keine Isterfassung elektronisch erfolgt und die Nacherfassung pro Einsatz (im Regelfall) zu aufwendig ist: in der Planung werden zwar die Leistungen, Wegezeiten und Einsätze (nur) mit Sollzeiten geplant, die je nach Umsetzungsgrad auch einsatzbezogen individualisiert sind, es sind aber keine Istzeiten. Trotzdem könnten diese Zeiten ausgewertet und als Grundlage für die Verteilungsschlüssel genutzt werden. Auch wenn wegen der fehlenden Istkorrektur diese Werte nicht ganz real sind, dürften sie in der Verdichtung auf einzelne Prozentzahlen eine differenziertere Aussage liefern als beispielsweise der Maßstab Umsatz. Sollte die Software bisher eine solche Auswertung nicht bieten, würde auch eine händische Ermittlung für eine Woche als erste Grundlage reichen. • Daten aus der Isterfassung: Eine Isterfassung der Leistungszeiten ist zwar theoretisch auch mit ‚analogen‘ Tourenplänen möglich, die händisch/auf Papier geführt und anschließend in der Software korrigiert werden, aber diese ausführliche Nacherfassung stellt einen zu großen Verwaltungsaufwand dar. Heute sind immer mehr Smartphones mit entsprechenden Modulen der Steuerungssoftware im Ein-
60
5.6 Daten für Verteilungsschlüssel ermitteln
satz, die die genaue Zeiterfassung ermöglichen. Daher stehen die Istdaten (zumindest in der Rohform) oft schon zur Verfügung. Die richtige Zeiterfassung Um dauerhaft eine valide Basis für Verteilungsschlüssel zu haben, die auch die wirkliche Situation verursachungsgerecht widerspiegeln, muss man im Pflegedienst (immer wieder) definieren und verbindlich festlegen („Dienstanweisung“), wie die Datenerfassung zu erfolgen hat, unabhängig davon, ob sie elektronisch oder noch analog mit Aufschreiben erfolgt. Sinnvollerweise sollte die Arbeitszeit beim Kunden mit dem Öffnen der Tür beginnen und mit dem Schließen der Tür enden, es sei denn, es ist vertraglich etwas anderes definiert.4 Die Zeit zwischen den Einsätzen wäre dann die „Wegezeit“, die eben nicht nur aus Fahrtzeit besteht, sondern auch die Zeit der Parkplatzsuche, des Treppensteigens und evtl. des Wartens bis zum Öffnen enthält. Mit der Gesetzesänderung zum PpSG hat der Gesetzgeber den Begriff „Wegezeit“ (und nicht Fahrtzeit oder Fahrtkosten) gewählt, für die die „Grundsätze für die Vergütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen“ aus dem SGB V im SGB XI zu berücksichtigen sind.5 Weichen in der Tourenplanung bei einzelnen Mitarbeitern die Wegezeiten von den Zeiten anderer Mitarbeiter ab, kann es auch allein an der unterschiedlichen Erfassung liegen: Der eine Mitarbeiter erfasst die Zeit im Auto, der andere an der Wohnungstür oder ähnlich! Abgrenzung von Organisationszeiten zu Leistungszeiten Organisationsleistungen sind alle die Zeiten insbesondere der Pflegemitarbeiter, die für die Durchführung der Einsätze und Leistungen notwendig sind, aber nicht konkret von einzelnen Kunden finanziert werden. Dies sind beispielsweise Zeiten für Dienstbesprechungen, die notwendigen Rüstzeiten vor und nach der Tour etc. Pflegedienstmitarbeiter erbringen teilweise aber auch außerhalb der Wohnung der Kunden Leistungen für diese, die keine Organisationsleistungen darstellen. Einfach abzugrenzen sind Leistungen wie Einkaufen etc. im Rahmen der Pflegeversicherung. Problematisch werden ergänzende Leistungen im Rahmen der Behandlungspflege, insbesondere das Verordnungs- und Medikamentenmanagement:
4 5
das ist zur Zeit nur in Bayern bei SGB XI, Stundensatz körperbezogene Pflegemaßnahmen sowie Stundensatz Pflegerische Betreuungsmaßnahmen geregelt § 89 Abs. 3 SGB XI in Verbindung mit Bundesrahmenempfehlung nach § 132a Abs. 1 Satz 4 Nr. 5 des SGB V
5 Verursachungsgerechte Verteilungsschlüssel 61
• Verordnungsmanagement: die Verordnung Häuslicher Krankenpflege ist formal ein Antrag des Versicherten an seine Krankenkasse: Der Arzt stellt sie aus, der Versicherte füllt seinen Teil aus, und findet einen Pflegedienst, der den dritten Teil ausfüllt. Dann schickt der Versicherte die Verordnung an seine Krankenkasse. Vor Auslaufen der Verordnung und damit der vom Arzt angeordneten Therapie überprüft der Arzt diese und erstellt ggf. eine Folgeverordnung, sollte die Leistung weiterhin notwendig sein. Jenseits der Theorie kümmern sich in der Regel die Pflegedienste um ablaufende Verordnungen, erinnern alle Beteiligten an das hoffentlich richtige Ausfüllen und übersenden die Verordnung an die Krankenkassen. Bei Teilbewilligungen gehen die Pflegedienste auf die Ärzte zu und klären die weitere Versorgung oder unterstützen die Versicherten sogar bei Widersprüchen etc. Viele dieser Arbeitsschritte sind formal nicht Aufgabe des Pflegedienstes, sondern anderer. Für den Versicherten kann der Pflegedienst die Aufgabe des Verordnungsmanagements übernehmen und dies auch dem Versicherten in Rechnung stellen. Die Leistung kann auch im Rahmen von Sachleistungen (Organisation von Dienstleistungen) oder im Rahmen der Entlastungsleistung nach § 45b finanziert werden. Formal ist dieser Zeitaufwand insbesondere der Pflegemitarbeiterinnen und -mitarbeiter daher kein (normaler) Organisationsaufwand, sondern eine abgerechnete Dienstleistung, die davon abgegrenzt zu erfassen ist. • Medikamentenmanagement: Der Arzt verordnet, soweit er einen Bedarf sieht, die Leistung Medikamentengabe oder das Stellen einer Wochendossette. Darüber hinaus stellt er die notwendigen Rezepte für die Medikamente aus. Die Krankenkassenleistung zur Medikamentengabe oder zum Stellen umfasst allein das Geben oder Stellen vorhandener Tabellen, aber weder das Nachbestellen, Gänge zur Apotheke noch die Chipkartentransfers in die Arztpraxis etc. Auch diese Leistung kann der Versicherte sich über Leistungen der Pflegeversicherung (wie Einkaufen, Organisation von Dienstleistungen und Stellen von Anträgen) oder über Entlastungsleistungen nach § 45b einkaufen, wenn er sie nicht selbst organisiert. Oder die Leistung kann als Privatleistung bezogen werden. Auch vorbereitende Tätigkeiten zur Medikamentengabe wie ein organisatorisches Vorstellen von Medikamenten im Büro (sei es für die verordnete Wochenbox oder als Arbeitserleichterung) gehören zur Leistungszeit der Behandlungspflege und sind keine sonstigen Organsationszeiten.
62
5.6 Daten für Verteilungsschlüssel ermitteln
• Arztgespräche zur Weiterführung der Behandlungspflege gehören zur Leistungszeit der Krankenversicherung und sollten daher nicht unter allgemeinen Organisationszeiten summiert werden, sondern als eigenständige Leistung erfasst werden, denn nur so wird der reale Aufwand für die Behandlungspflegeleistungen sichtbar und sachgerecht zugeordnet. Tatsache ist, dass Pflegedienstmitarbeiter diese beschriebenen Leistungen oft ohne Weiterberechnung übernehmen oder die Leistung zwar privat pauschal oder pro konkreter Leistung in Rechnung gestellt wird, diese Arbeitszeit aber nicht getrennt von Organisationszeiten als Leistungszeit zu erfassen ist, auch wenn sie ‚nach‘ der Rüstzeit im Büro stattfindet. Unterschiedlich hohe Organisationszeiten von verschiedenen Pflegediensten könnten sich auch so erklären! Ohne eine einheitliche Definition und Vorgehen gibt es hier jedoch keine aussagekräftigen und vergleichbaren Zeiten. Auch Leistungszeiten der Leitungskräfte erfassen! Die Leitungskräfte von der PDL über die stellv. PDL bis hin zu weiteren Leitungskräften (unterschiedlich je nach Dienstgröße können das Teamleitungen etc. sein) sind oft (teilweise) freigestellt und werden kalkulatorisch den Leitungs- und Verwaltungskosten zugeordnet. Allerdings erbringen diese Mitarbeiter praktisch oft auch abrechenbare Leistungen, deren Arbeitszeiten jedoch nicht immer als Leistungszeiten erfasst werden: • Erstgespräche zum Abschluss des Pflegevertrages und zur Erstellung der Anamnese und Pflegeplanung. • Folgegespräche bei Wiederaufnahme der Versorgung, beispielsweise nach einem Krankenhausaufenthalt. • Beratungsgespräche nach § 37.3 SGB XI bei Pflegegeldbeziehern, aber auch in zunehmendem Maße bei Sachleistungsbeziehern. • Schulungen nach § 45, insbesondere bei individuellen Schulungen in der Häuslichkeit. • Privatleistungen wie Begleitung bei der Einstufungsbegutachtung oder Medikamenten- und Verordnungsmanagement. • Vertretungs- oder Springerleistungen zur Vertretung bei Ausfall etc.
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 63
Während die Springerleistungen erfahrungsgemäß oft richtig fasst werden, sollten insbesondere die Vertrags- und Beratungsgespräche und vor allem die anderen Privatleistungen rund um das Medikamenten- und Verordnungsmanagement separat von den anderen Aufgaben der Leitungskräfte getrennt erfasst werden. Vor allem wenn es um Unterschiede im Leitungs- und Verwaltungsaufwand geht, stellt sich hier oft die Abgrenzungsfrage. Das setzt aber in der Software zwingend die Definition dieser Leistungen für die Erfassung als Privat- oder Pflegeversicherungsleistungen voraus. Abgrenzung von hauswirtschaftlichen Leistungen!?! Hauswirtschaftliche Leistungen können nach den unterschiedlichsten Rechtsgrundlagen abgerechnet werden: • • • • •
als Sachleistungen nach § 36 oder als Kostenerstattungsleistungen nach § 39 Verhinderungspflege oder als Kostenerstattungsleistung nach 45b, als Privatleistungen oder als eigenständige Dienste nach Landesrecht (§ 45a Unterstützung im Alltag) oder als • Betreuungsdienste nach § 71a. Gerade bei großen Trägern der Wohlfahrt werden diese Dienste oft in einer eigenen Abteilung gebündelt, unter Umständen aber bereichsübergreifend eingesetzt. Manchmal ist nicht einmal den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Leistung erbringen, klar, über welche Rechtsgrundlage dieser Einsatz abgerechnet wird. Dabei sind alle Leistungen, die über den Pflegedienst (also über seinen Versorgungsvertrag und IK-Nummer) abgerechnet werden, im Rahmen der Erfassung abzugrenzen von anderen Zulassungen (nach §45a nach Landesrecht oder § 71 Abs.1a als reiner Betreuungsdienst). Für die über den Pflegedienst abgerechneten Leistungen (und damit für die Kostenrechnung) ist es relevant, dass auch hier die Arbeitszeiten differenziert erfasst und zugeordnet werden, soweit darüber (auch) abgerechnet wird. Ist die Hauswirtschaft als eigenständiger Bereich organisiert, wäre eine Loslösung vom Pflegedienst über eine Zulassung § 45a: Angebote zur Unterstützung im Alltag zu empfehlen; hier sind die formalen Voraussetzungen wesentlich niedriger als bei einer
64
5.6 Daten für Verteilungsschlüssel ermitteln
Zulassung als Betreuungsdienst nach § 71 Abs. 1a.6 Diese können auch nach § 45a Abs. 4 bis zu 40 % der Sachleistungen im Rahmen des Umwandlungsanspruchs mit nutzen, was vom Leistungsvolumen her den meisten Kunden reichen wird.
6
ausführlich dazu: Heiber, A. (2019, 2), S. 63 ff.
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 65
6 Softwarevoraussetzungen Allein wegen der maschinenlesbaren Abrechnung der Leistungen, die seit Jahren gesetzlich vorgeschrieben ist, sind Pflegedienste gezwungen, entsprechende branchenspezifische Abrechnungsprogramme einzusetzen. Denn eine Erstellung der Rechnung per Word oder Excel erlaubt keine maschinelle Übertragung der Daten und führt allein im SGB V schon zur Rechnungskürzung um 5 %.1 Da für die Abrechnung genau die differenzierten Leistungsdaten benötigt werden, die auch in der Planung erstellt und aktualisiert werden, sind die modernen Programme heute solche zur Einsatzplanung mit angeschlossener Abrechnung. Die Datenerfassung mit elektronischen Geräten bzw. Smartphones ist ebenso Standard oder sollte/könnte auch mithilfe des Digitalisierungszuschusses der Pflegeversicherung eingeführt werden.2 Damit ermöglichen diese Programme nicht nur die Auswertung von Arbeitszeiten, sondern übergeben auch viele Daten in die entsprechenden Finanzbuchhaltungsprogramme. Die Einführung einer (neuen) Software für die ambulante Steuerung und Abrechnung ist zwangsläufig immer mit Beratung und Fragen verbunden. Daher sollte diese Gelegenheit auch von den Softwareanbietern genutzt werden, auf evtl. vorhandene Abweichung von der PBV und anderen Standards hinzuweisen bzw. diese Standards als Grundeinstellungen in der Software vorzusehen und davon abweichende Einstellungen nur nach entsprechenden Hinweisen vornehmen. Denn nur weil ein Kunde bisher immer schon ‚falsch‘ gebucht hat, ist dies kein Grund (und nicht insbesondere bei einer Umstellung), dies weiterhin so zu lassen. Gleiches gilt aber auch bei der kritischen Überprüfung der bisherigen Einstellungen der eigenen Software. Gerade vor dem Hintergrund der dauerhaft notwendigen Möglichkeit der Führung von Einzelverhandlungen ist eine strukturierte Grundlage der Daten und Zahlen eine wesentliche Voraussetzung, die ansonsten erst mit erhöhtem Aufwand geschaffen werden müsste. Erfahrungsgemäß verlassen sich die Pflegedienste auf die Softwaredienstleister, wenn es darum geht, auf welche Konten welche Leistungen gebucht werden oder wie mögliche Verteilungsschlüssel erstellt werden. Die Voreinstellungen für die Schnittstellen werden oftmals ohne Reflexion und Änderungen übernommen. Trotz dieses Vertrauensvorschusses erlebt man in der Praxis vielfältige Lösungen zu falschen Kontierungen, die aber genauso von falschen Vorgaben der Pflegedienste oder ihrer Steuerberater kommen können. 1 2
§ 303 Abs. 3 SGB V § 8 Abs. 8 SGB XI
66
Daher sollen hier exemplarisch die wichtigsten Punkte dargestellt werden, wie sie standardmäßig mit Hinblick auf die Pflegebuchführungsverordnung, aber auch für eine sinnvolle Kostenrechnung nötig sind: • Kontenrahmen verbindlich für Pflegeeinrichtungen Oftmals sind auch Verantwortliche von Buchhaltungen oder Steuerberater ‚störend‘ bei der rechtskonformen Steuerung der Erträge in die richtigen Konten, beispielsweise weil ein Steuerberater die PBV nicht kennt oder missachtet oder im Rahmen eines Großbetriebes die ambulanten Konten nicht extra oder in den notwendigen Differenzierungstiefe angelegt werden sollen. Formal sei nochmals darauf hingewiesen, dass nach § 3 Abs. 2 der Kontenrahmen der PBV entweder anzuwenden oder eine entsprechende Überleitungstabelle zu erstellen ist. Das heißt praktisch: die Differenzierung des PBV-Kontenrahmens muss auf jeden Fall in der eigenen Kontierung gewährleistet werden, um diese evtl. anschließend mit einer Überleitungstabelle auf den verbindlichen Kontenrahmen der PBV zu übersetzen. • Verbuchung der Sachleistungen SGB XI Zu den Sachleistungen nach § 36 gehören in der Regel alle Leistungskomplexe oder anderen Leistungen, die über das Sachleistungsbudget sowie die Eigenanteile oder Sozialhilfeträger refinanziert werden. Diese sind nach Pflegegraden zu differenzieren. Da aber Versicherte mit Pflegegrad 1 keine Sachleistungen erhalten,3 können hier in Pflegegrad 1 auch keine Leistungserträge der Pflegekasse gebucht werden: Wenn im Rahmen des Pflegegrades 1 ‚Leistungskomplexe‘ insbesondere der körperbezogenen Pflegemaßnahmen erbracht werden,4 werden diese nur mit der Entlastungsleistung nach § 45b refinanziert und deren Erträge sind folglich auch auf das Konto der Entlastungsleistungen zu buchen! • Verhinderungspflege nach § 39 Alle als Verhinderungspflege abgerechneten Leistungen gehören auf das Konto der Verhinderungspflege, auch wenn beispielsweise Leistungskomplexe nach Sachleistungsdefinition abgerechnet wurden. • Entlastungsleistungen § 45b Alle über die Entlastungsleistung nach § 45b abgerechneten Leistungen gehören auf das Konto der Entlastungsleistungen, auch bei Pflegegrad 1, wenn körperbezogene Pflegemaßnahmen erbracht wurden (siehe oben). 3 4
§ 28a Abs. 2 SGB XI § 45b Abs. 1, Punkt 3
6 Softwarevoraussetzungen67
• Behandlungspflege SGB V Diese Leistungen müssen natürlich nicht nach Pflegegraden differenziert werden. Ob die Fahrtkosten getrennt verbucht werden, kann man im Einzelfall entscheiden (und soweit das Vergütungsmodell der Krankenversicherung in diesem Bundesland getrennte Vergütungen vorsieht). Ansonsten hätte man immer über die Leistungsstatistik die differenzierte Aufgliederung der Leistungen sowie Fahrtkosten. • Private Dienstleistungen Andere private Dienstleistungen sind entsprechend getrennt von den anderen Bereichen zu buchen, siehe dazu auch Vorschläge im Musterkontenrahmen. Sie sind aber nicht nach Pflegegraden zu differenzieren. • Investitionskosten Ein eigenständiges Problem stellt die unterschiedliche Behandlung der Investitionskosten dar: In den meisten Bundesländern müssen diese dem Versicherten privat in Rechnung gestellt werden, dabei gibt es in einzelnen Ländern dazu unterschiedliche Formen der Weiterberechnung:5 – In Hamburg werden zurzeit die Investitionskosten pro Tag weiter berechnet, unabhängig von der Anzahl der Einsätze. – In den meisten östlichen Bundesländern einschließlich Berlin werden sie im Verhältnis zum Umsatz aller Sachleistungen weiter berechnet. – In Hessen werden sie nur prozentual zu den Körperpflegeleistungen weiter berechnet – In Rheinland-Pfalz werden sie pro Leistung mit einem festen Betrag berechnet. – In Baden-Württemberg werden sie pro Einsatz mit einem festen Betrag berechnet. In den vier Ländern mit ambulanter Investitionskostenförderung gelten folgende Regelungen: – In Schleswig-Holstein erfolgt eine pauschale Landesförderung nach Leistungsumsatz, die nach Größe der Einrichtungen differenziert. – In Niedersachsen erfolgt eine pauschale Förderung nach Anzahl der erbrachten Leistungen und Stunden, wobei auch die Leistungen der Verhinderungspflege und Entlastungsleistungen berücksichtigt werden, nicht jedoch die Fahrtzeiten/-kosten. Dabei sind die Förderungen bei der Entlastungsleistung seltsamerweise auf monatlich 125 € beschränkt, obwohl der Gesetzgeber bei dieser Leistung auch das Ansparen etc. zulässt. 5
Stand: nach eigener Recherche Februar 2020
68
– In NRW werden die Sachleistungen einschließlich Verhinderungspflege aber ohne Entlastungsleistungen als Grundlage der Förderung genutzt. Nur wenn im Rahmen der Entlastungsleistungen bei Pflegegrad 1 körperbezogene Pflegemaßnahmen erbracht werden, gehören diese Leistungen dazu (zu den Problemen NRW siehe auch S. 23). – In Bayern erfolgt eine Förderung nur noch teilweise über die jeweiligen Landkreise oder kreisfreien Städte auf der Basis der vorhandenen Vollzeitpflegefachkräfte, die nicht geförderten Kosten dürfen teilweise weiter berechnet werden (je nach Regelungen im Landkreis). In den Ländern mit Förderung muss die Software entsprechend der Landesregelung sachgerechte Auswertungen zur Verfügung stellen. Den Pflegediensten sei empfohlen, die erstellten Auswertungen stichprobenhaft zu überprüfen, indem die jeweiligen Leistungsstatistiken den in den entsprechenden Aufstellungen genannten Mengen gegenübergestellt werden. Nur so lässt sich erkennen, ob Abrechnungsparameter fehlerhaft eingegeben sind oder die Auswertung nicht stimmig ist (siehe auch Investitionskosten, S.19). • Arbeitszeiterfassung Die Arbeitszeit vor Ort wird nach erfasster Arbeitszeit verteilt. Dabei werden in der Praxis bei kombinierten Leistungen die Abweichungen im Verhältnis zu den Sollzeiten ermittelt. Dazu ein Beispiel: Der Einsatz soll 30 Minuten Körperpflege SGB XI und 10 Minuten Behandlungspflege umfassen. Tatsächlich hat der Einsatz 50 Minuten gedauert: dann wird rechnerisch die Leistung auf 37,5 Min. Körperpflege und 12,5 Min. Behandlungspflege verteilt. Technisch sollte es allerdings bei Einsatzende möglich sein, auch abweichende Verteilungen vorzunehmen. Bei der Kombination von Pauschalen und Zeitabrechnung in einem Einsatz muss eine Isterfassung der Zeiten möglich sein, die Mehrzeit darf nicht nur einseitig auf die Zeitabrechnung gebucht werden, ohne dies zu korrigieren (so ist es beispielsweise ausdrücklich im Leistungskatalog NRW geregelt!). • Abgrenzung der Organisationszeiten von Leistungszeiten Wie schon ausgeführt müssen Arbeitszeiten für abrechenbare und abgerechnete Dienstleistungen wie Medikamenten- oder Verordnungsmanagement abgegrenzt erfasst werden von ansonsten nicht refinanzierten Organisationszeiten. Dazu wäre es hilfreich, wenn schon in der Standardauslieferung der Programme solche Leistungen vorgesehen sind bzw. bei der Installation eine entsprechende Beratung erfolgt. Diese Arbeitszeiten sind dann den entsprechenden Leistungsbereichen, in
6 Softwarevoraussetzungen69
denen sie abgerechnet werden, zuzuordnen (als Sachleistung SGB XI oder als Entlastungsleistung oder als Privatleistung). Differenzierung der SGB XI-Leistungen in der Erfassung Die zusammenfassende Auswertung der Leistungen der Pflegeversicherung muss sich nach den Finanzierungsquellen richten, nicht nach der Art der Leistung (wie Leistungskomplexe): • Sachleistungen, die nach § 36 abgerechnet werden: Zu den Sachleistungen, die mit den Pflegekassen verhandelt werden, gehören nun auch die Beratungseinsätze nach § 37.36! • Leistungen, die im Rahmen der Kostenerstattungsleistung Verhinderungspflege abgerechnet werden (auch wenn es sich um Leistungskomplexe handelt!). • Leistungen, die im Rahmen der Kostenerstattungsleistung Entlastungsleistung abgerechnet werden (gilt auch für Körperpflegeleistungen bei Pflegegrad 1). Bereitstellung von Daten für Verteilungsschlüssel Als eine Standardfunktion sollte die Software verschiedene Varianten der Verteilungsschlüssel für die Erstellung einer Kostenrechnung bereitstellen, wobei die Verteilung nach Umsatz ebenso aus der Finanzbuchhaltung kommen kann: • Variante 1: Verteilung nach Umsatz: Leistungsumsatz einschließlich Investitionskosten, differenziert analog der Beschreibung auf Seite 71. • Variante 3: Verteilung nach Arbeitszeit vor Ort und Wegezeit. • Variante 4: Differenzierte Verteilung. Benötigt werden die Verteilungsschlüssel in den drei wesentlichen Mitarbeitergruppen Fachkräfte, Pflegekräfte und Pflegehilfskräfte (Definition siehe Seite 39; nur in Baden-Württemberg weiter unterteilt, weil hier eine Vergütung nach bis zu 5 Berufsgruppen vorgesehen ist)7. Die Wegezeit (erfasst von Wohnungstür zu Wohnungstür) kann bei kombinierten Einsätzen nicht direkt einem Bereich zugeordnet werden: Sie sollte deshalb jeweils hälftig den beiden Hauptkostenträgern Pflege- und Krankenversicherung zugeordnet werden (oder gedrittelt bei drei verschiedenen Leistungen). 6 7
Finanzierung in § 37.3 Satz 4, geändert durch PpSG zum 01.01.2019 ausführlich: Heiber, A. 2019, S. 61 ff.
70
Aus der Leistungszeit der Berufsgruppen (Arbeitszeit vor Ort und Wegezeit) werden die Verteilungsschlüssel für die Variante 2b ermittelt, für die Verteilung der anderen Kosten der Steuerung/Verwaltung/Sachkosten der anteilige Schlüssel aus den Berufsgruppen. Ich gehe davon aus, dass alle führenden Softwareanbieter für ambulante Dienste diese Vorgaben entweder schon umgesetzt haben oder zeitnah umsetzen im Rahmen der allgemeinen Softwarepflege. Geplant ist, im Downloadbereich zu dieser Buchausgabe eine Liste der Hersteller aufzunehmen, die die Anforderungen, die hier beschrieben wurden, erfüllen.
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 71
7 Praxisorientierte Darstellung der Kostenrechnung Bei der Darstellung der Kostenstellenrechnung stellt sich die Frage, welchen Nutzen man daraus ziehen will: wofür sollen die Zahlen genutzt werden? Für steuerrechtliche Fragen, für Bankfragen oder für die Fragen rund um die praktische Unternehmenssteuerung und rund um die Führung von Vergütungsverhandlungen? Die in der PBV vorgegebene Gewinn- und Verlustrechnung, die sich im Wesentlichen am Handelsgesetzbuch orientiert, ist für den Alltag im Pflegedienst eher wenig geeignet. • Streng genommen kennt die PBV und ihre Gliederungsvorgabe für die Gewinnund Verlustrechnung gar keine differenzierten ambulanten Betriebsteile, sondern nur die Pflegeversicherung, so dass hier alle anderen Erträge auch aus der Krankenversicherung als „Sonstige betrieblichen Erträge“ tituliert werden müssen. So kann es vorkommen, dass diese „sonstigen betrieblichen Erträge“ sogar höhere Erträge haben als die ‚normalen‘ = Pflegeversicherungsbereiche. • Der wesentliche Kostenblock „Personalkosten“ wird nicht weiter nach Berufsgruppen differenziert, sondern nur nach Löhnen und Sozialabgaben. • In dieser Gliederung, die durch die PBV so vorgegeben worden ist, werden investive und nichtinvestive Sachkosten teilweise in einzelnen Positionen summiert, so dass hier nicht ersichtlich ist, ob die hier ausgewiesene Investitionskostenförderung ausreicht oder nicht. Für viele praktische Fragen sowie für eine Betriebssteuerung ist die vorgegebene Struktur der Gewinn- und Verlustrechnung nicht hilfreich. Wir haben aus diesem Grund schon seit der 2. Auflage dieses Buches im Jahr 2002 eine aus der Praxis der ambulanten Pflege entstandene Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung entwickelt,1 die auch für Leitungskräfte ohne betriebswirtschaftliche Grundausbildung einfach nutzbar ist und diese auch in Hinblick auf die gesetzlichen Entwicklungen im Rahmen der Pflegeversicherung, insbesondere in Hinblick auf die Fragestellung des Gewinns, modifiziert (insbesondere durch differenzierte Trennung von sonstigen Personalkosten, dazu mehr beim Kalkulationsmodell, Seite 95.) 1
Die DATEV hat die hier vorgestellte Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung als Kostenrechnungsmodul Ambulant in ihr Programm für die ambulante Pflege als Auswertungsoption übernommen: allerdings ist das nicht allen Steuerberatern bekannt!
72
Die Gliederung der Kostenrechnung soll folgende Zwecke erfüllen: • • • • •
Erfüllung der Vorgaben der PBV in Hinblick auf eine Kostenrechnung Darstellung über den Saldo (Ergebnis) der getrennten Betriebsteile Überblick über den Saldo der Investitionskosten im Bereich SGB XI Überblick über die kompletten Personalkosten je Berufsgruppe Grundlage für die Erstellung von Kalkulationen für die jeweiligen Teilbereiche
Die Muster-Kostenrechnung gliedert sich in 8 zusammenfassende Punkte: Die Punkte 1 bis 3 erfassen die Erträge: 1. Erträge aus Pflege: Hier werden alle Leistungserträge je nach Kostenstelle dargestellt. Die Differenzierung in der Pflegeversicherung erfolgt hier nicht (mehr) nach Pflegegraden, sondern nach den Leistungsträgern. 2. Erträge Investitionskosten: Wegen des Sonderrechts im Bereich Pflegeversicherung sind die Erträge Investitionskosten separat dargestellt. Zuschüsse oder Erträge durch Weiterberechnung kann es nur im Bereich SGB XI geben, weil nur hier diese Differenzierung vorzunehmen ist. Allerdings müssen andere investive Erträge, wie beispielsweise Versicherungsentschädigungen nach einem Autounfall, trotzdem auf alle Leistungsträger verteilt werden und dürfen nicht etwa nur der Pflegeversicherung einseitig zugeordnet werden (denn das Auto ‚fährt‘ ja auch für die Krankenversicherung oder andere). Auch wenn die Investitionskosten bei den anderen Leistungsträgern nicht differenziert oder extern finanziert werden und ihre separate Darstellung hier zu vernachlässigen ist. 3. Andere Erträge: Hier sind alle sonstigen und periodenfremden Erträge dargestellt. Die Punkte 4 bis 8 erfassen die Aufwendungen: 1. Personalkosten: Alle Personalkosten sind hier, je nach Berufsgruppe, saldiert, so dass man einen Überblick über die gesamten Personalkosten (einschließlich Sozialabgaben etc.) pro Berufsgruppe hat. Das gilt auch für vorhandene Zuschüsse (z.B. berufliche Wiedereingliederung von Mitarbeitern) oder andere Personalkostenerstattungen je nach Berufsgruppe, so dass im Ergebnis die tatsächlichen Personalkosten dargestellt werden. Gleiches gilt für Rückstellungen oder/und Auflösungen von Mehrstunden oder Urlaub. Personalnebenkosten, die nicht direkt den einzelnen Berufsgruppen und Mitarbeitern zuzuordnen sind (z.B. Beiträge zur Berufsgenossenschaft, arbeitsärztliche Untersuchungen) werden separat dargestellt.
7 Praxisorientierte Darstellung der Kostenrechnung73
2. Zentrale/Fremde Dienstleistungen: Hier werden die „dazugekauften“ externen Dienstleistungen zusammengefasst (sei es vom eigenen Träger wie Kreisverband oder vom Spitzen-Verband, vom Steuerberater oder anderen), die die ambulante Pflege betreffen, nicht jedoch Leiharbeitskräfte, die bei der jeweiligen Berufsgruppe unter Personalkosten mit dargestellt werden. 3. Sachkosten: Unter dieser Überschrift sind alle nicht-investiven Sachkosten dargestellt, also die klassischen Verbrauchskosten. 4. Investive Kosten (im Sinne SGB XI): Hier sind die nach § 82 SGB XI definierten investiven Sachkosten dargestellt. 5. Andere Aufwendungen: Hierzu gehören auch Spenden an andere oder Umlagen, die nicht direkt für den Betrieb des Pflegedienstes notwendig sind. Eine genauere Beschreibung der einzelnen Kontengruppen finden Sie auf S. 197 ff. Die Tabelle in MS-Excel als kostenpflichtigen Download
7.1 Praktischer Nutzen Die so aufgeschlüsselte Kostenstellenrechnung erlaubt schon auf den ersten Blick viele konkrete und in der Praxis hilfreiche Aussagen, einige seien hier aufgeführt: • Auch wenn es vordergründig banal klingt: Eine ERSTE AUSSAGE ist die Frage, wie das Betriebsergebnis in den EINZELNEN KOSTENSTELLEN ist („mache ich in der Pflegeversicherung plus oder minus?“), also ob es positiv oder negativ ist. Die Aussage muss die Grundlage für die Frage sein, ob man für einen Teilbereich Vergütungsverhandlungen führen sollte oder in einem anderen Bereich die Preise erhöht (z. B. Privat) oder andere Leistungen reduziert (z. B. Trägerleistungen). • Die Zahlen der Kostenrechnung sind die Grundlage für eine Stundensatzberechnung/Kalkulation in der jeweiligen Kostenstelle. • Auf einen Blick lässt sich erkennen, ob die Erträge Investitionskosten (sei es über Zuschüsse oder Weiterberechnung) zur Deckung der investiven Sachkosten SGB XI ausreichen oder ob hieraus Konsequenzen erfolgen müssen (mehr ausgeben, höhere Weiterberechnung oder geringere Ausgaben). • Als Zusatzinformation ist das Verhältnis des Leistungsumsatzes (Pos. 1 und 2) in Prozent dargestellt.
74
7.1 Praktischer Nutzen
Kostenstellen Verteilungsschlüssel
Musterkostenstellenrechnung ambulante Pflege
Pflegefachkräfte 1 Pflegekräfte 2 Pflegehilfskräfte 3 PDL, Verwaltung, Sachkosten 4 1. Erträge Pflege Schlüssel 1.1. Pflegeversicherung Gesamt 1 Pflegekassen 545.150 2 Sozialhilfeträger 81.457 3 Selbstzahler 191.878 4 Übrige 22.123 5 Sonstige Leistungen PV (außer 39/45b) 7.325 Summe Gesamt 847.933 1.2. Krankenversicherung 1 Grund- und Behandlungspflege 2 andere Behandlungspflege Summe Gesamt
10.525
1.4. Privatleistungen 1 Privatleistungen 2 Leistungen Kostenerstattung SGB XI
26.254 76.585
1.5. Trägerleistungen 1 Zuschüsse Trägerleistungen
21.540
2. Erträge Investitionskosten Investitionskosten SGB XI 1 Erträge aus öffentlicher Förderung für Investitionskosten Erträge aus gesonderter Berechnung 2 Investitionsaufwendungen gegenüber Pflegebedürftigen 3 Erträge aus Auflösung von Rückstellungen für Investitionen 4 Versicherungsentschädigungen Investitionsgüter 5 Erträge aus dem Verkauf von Anlagegütern 2. Erträge Investitionskosten gesamt 3. Andere Erträge 3.1. Sonstige Erträge 1 Sonstige Sachbezüge 2 Zinsen und ähnliche Erträge 3 Erträge aus Wertberichtigungen 4 Erträge aus Auflösung von Rückstellungen 5 Versicherungsentschädigungen Summe 3.2. Außerordentliche Erträge Periodenfremde u. außerordentl. Erträge 1 2 Spenden und ähnliche Zuwendungen Summe 3. Andere Erträge gesamt Erträge gesamt
KV
36,0% 67,8% 63,0% 40,7% PV
63,3% 27,1% 0,0% 52,4% KV
Soz Pri © Syspra.de 2020
26.254 76.585 21.540 769.499
Gesamt
PV
KV
0
Trä
632
5
75
5
999 51
1.286 66
10 1
152 8
10 1
31.786
1.984
15
235
15
102 21 230 977 0
131 27 296 1.258 0
1 0 2 10 0
16 3 35 149 0
1 0 2 10 0
1.329
1.711
13
202
13
102
131
1
16
102 1.431
131 1.842
1 14
16 218
1 16.000 16.001 16.014
10.554
103.292
37.569
4
Sachlüssel 4 4 4 4 4
4
1.805.883
881.150
773.325
4. Personalaufwendungen
Gesamt
PV
KV
1.1 1.2 2 3 4 5 6 7 8
85.587 108.254 708.741 326.547 269.878 92.457 0 0 10.000
34.834 44.059 255.147 221.399 170.023 37.630 0 0 4.070
44.848 56.725 448.633 88.494 0 48.447 0 0 5.240
Pflegedienstleitung Stellv. Pflegedienstl. Pflegefachkräfte Pflegekräfte Pflegehilfskräfte/Hauswirtschaftliche Kräfte Verwaltung einschl. Geschäftsführung Technischer Dienst Sonstige Dienste Personalnebenkosten gesamt
Pri
21.540
491
4
3.266 250 16.000 16.250 19.516
Soz
102.839
30.245 4
34.031
250 52 564 2.400 0
10.525
0
30.245
Gesamt
0,1% 2,1% 10,4% 0,4% Trä
10.525
847.933
2.454 125
0,6% 2,4% 24,0% 6,2% Pri
755.245 14.254 769.499
1.752.336
1.207
0,0% 0,7% 2,6% 0,4% Soz
Trä
545.150 81.457 191.878 22.123 7.325 847.933
755.245 14.254 769.499
1.3. Sozialhilfeleistungen 1 Sozialhilfeleistungen
1. Erträge Pflege Gesamt
PV
4 4 1 2 3 4 4 4 4
Soz 342 433 0 2.286 7.017 370 0 0 40
Pri 5.306 6.712 4.252 7.837 64.771 5.732 0 0 620
Trä 342
433 Tabelle: 16
709 6.857 28.067 370 0 0 40
3.2. Außerordentliche Erträge 1 Periodenfremde u. außerordentl. Erträge 2 Spenden und ähnliche Zuwendungen Summe 3. Andere ErträgeKostenrechnung gesamt
und
Erträge gesamt 4. Personalaufwendungen 1.1 1.2 2 3 4 5 6 7 8
4 250 102 131 16.000 16.250 102 131 Vergütungsverhandlungen 19.516 1.431 1.842
Gesamt 6. Sachkosten 1 Medizinischer und therapeutischer Bedarf 2 Versorgung, Wirtschaftsbedarf 3 Verwaltungsbedarf 4 Steuern, Abgaben, Versicherungen 5 Verbandsbeiträge 6 Zinsen und ähnliche Aufwendungen 7 Fahrzeugkosten (Betriebskosten) 8 Andere Fahrtkosten Gesamt 7. Investive Kosten (im Sinne SGB XI) 1 Fahrzeugkosten (investive Kosten SGB XI) 2 Abschreibungen Fahrzeuge 3 Investiver Anteil Fahrtkostenerstattung 4 Instandhaltung, Wartung (außer Fahrtzeuge) 5 Abschreibungen Sachanlagen etc. 6 Mieten Geschäftsräume 7 Andere Mieten Gesamt 8. Andere Aufwendungen 1 Abschreibungen Forderungen 2 Spenden 3 Andere Verbandsumlagen Altenpflegeumlage/Ausgleichsfonds 4 Pflegebe. 5 Periodenfremde u. außerordentl. Aufwend.
16
1 16.000 1 16 16.001 75 14 218 16.014 10.554
103.292
1.805.883
881.150
773.325
Gesamt
PV
KV
4 4 1 2 3 4 4 4 4
34.834 44.059 255.147 221.399 170.023 37.630 0 0 4.070 767.162
44.848 56.725 448.633 88.494 0 48.447 0 0 5.240 692.387
342 433 0 2.286 7.017 370 0 0 40 10.488
5.306 6.712 4.252 7.837 64.771 5.732 0 0 620 95.231
342 433 709 6.857 28.067 370 0 0 40 36.819
4 4
9.584 5.803 15.387
12.339 7.471 19.810
94 57 151
1.460 884 2.344
94 57 151
Gesamt Sachlüssel 4 2.045 832 4 8.256 3.360 4 42.524 17.307 4 3.985 1.622 4 2.564 1.044 4 1.214 494 4 19.787 8.053 4 547 223 80.922 32.935
1.072 4.326 22.283 2.088 1.344 636 10.368 287 42.403
8 33 170 16 10 5 79 2 324
127 512 2.636 247 159 75 1.227 34 5.017
8 33 170 16 10 5 79 2 324
11.224 10.365 223 1.407 1.489 6.249 547 31.504
14.451 13.345 287 1.811 1.917 8.045 705 40.561
110 102 2 14 15 61 5 310
1.710 1.579 34 214 227 952 83 4.799
110 102 2 14 15 61 5 310
0 210
0 270
0 2
0 32
0 2
13.546 76 13.832
98 368
1 3
12 44
1 3
85.587 Pflegedienstleitung 108.254 Stellv. Pflegedienstl. Pflegefachkräfte 708.741 Pflegekräfte 326.547 Pflegehilfskräfte/Hauswirtschaftliche Kräfte 269.878 Verwaltung einschl. Geschäftsführung 92.457 Technischer Dienst 0 Sonstige Dienste 0 Personalnebenkosten gesamt 10.000 Personalkosten Gesamt 1.601.464
5. Zentrale/fremde Dienstleistungen 1 Zentrale Dienste/Fremdleistungen Verwaltung 2 Fremddienstleistungen Pflege/Rufbereits.
1
23.547 14.258 37.805
27.578 25.467 547 3.457 3.658 15.354 1.345 77.406
4 4 4 4 4 4 4
195 0 516
4 4 4 4
Soz
Pri
37.569 Trä
Gesamt
13.546 187 14.444
Erträge Pflege gesamt Erträge Investitionskosten Andere Erträge
Gesamt
PV
KV
1.752.336 34.031 19.516
847.933 31.786 1.431
769.499 1.984 1.842
10.525 15 14
102.839 235 218
21.540 15 16.014
Erträge Gesamt
1.805.883
881.150
773.325
10.554
103.292
37.569
Personalaufwendungen Gesamt 1.601.464 Zentrale Dienstleistungen 37.805 80.922 Sachkosten 77.406 Investive Sachkosten Andere Aufwendungen 14.444
767.162 15.387 32.935 31.504 13.832
692.387 19.810 42.403 40.561 368
10.488 151 324 310 3
95.231 2.344 5.017 4.799 44
36.819 151 324 310 3
Aufwendungen Gesamt 1.812.041
860.820
795.530
11.275
107.435
37.606
PV
KV
4
Zusammenfassung Erträge 1. 2. 3.
Soz
Pri
Trä
Aufwendungen 4. 5. 6. 7. 8.
Gesamt Differenz Umsatzverteilung (1. + 2.)
Soz
Pri
Trä
-6.158
20.330
-22.204
-721
-4.143
-37
100,00%
49,25%
43,19%
0,59%
5,77%
1,21%
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 77
8 Kostenträgerrechnung: Umsetzungsbeispiel SGB XI In der Kostenträgerrechnung (oder der zweiten Ebene der Kostenstellenrechnung) werden die Erträge und Aufwendungen für konkrete Leistungen bzw. Leistungsgruppen dargestellt (siehe auch Abb. 3.). Formal ist eine Kostenträgerrechnung im Bereich SGB XI nicht nur vorgeschrieben (siehe PBV), sondern auch sinnvoll. Denn über eine Kostenträgerrechnung können die differenzierten Grundlagen für die Kalkulation einzelner Preise bzw. Preisgruppen wie Stundensätze für Betreuung oder Hauswirtschaft geschaffen werden. Am BEISPIEL PFLEGEVERSICHERUNG soll die Struktur und deren konkreter Nutzen dargestellt werden. Die SACHLEISTUNGEN der Pflegeversicherung, die mit den Pflegekassen in Vergütungsverhandlungen auszuhandeln sind, gliedern sich in fünf Leistungsbereiche: • • • • •
Körperbezogene Pflegemaßnahmen (früher Grundpflege), Pflegerische Betreuungsmaßnahmen (früher: Häusliche Betreuung), Hilfen bei der Haushaltsführung, Beratung nach § 37.3, Schulung nach § 45, Wegeaufwand. In Bundesländern, in denen die Wegekosten in den Leistungen inkludiert sind (siehe S. 148), können diese hier weder als Ertrag noch als Aufwendungen differenziert dargestellt werden. Daher wären sowohl die Erträge als auch die Verteilungsschlüssel hier mit ‚0‘ auszufüllen.
Zusätzlich sind hier die Erträge der Ausbildungsfinanzierung einzutragen, um so den Saldo der Erträge und abgeführten Kosten zu ermitteln. Die differenzierte Auswertung der Erträge kann nur über die Pflegesoftware erfolgen (Statistik der abgerechneten Leistungen). Zwar dürften die Salden der abgerechneten Leistungen aus der Pflegesoftware nicht zu 100 % identisch mit den Salden der gebuchten Leistungen sein (z.B. wegen Rückrechnungen, noch offene Forderungen, Ausbuchungen), aber die Differenz dürfte und müsste gerade im Bereich SGB XI sehr niedrig und damit zu vernachlässigen sein. Sollte eine solche Auswertung bisher fehlen, werden die Softwarehersteller diese sicherlich einfach erstellen können, bzw. kann man diese im Regelfall mithilfe der oft vorhandenen Listgeneratoren auch selbst erzeugen. Bei den bekannten Anbietern ist diese Liste eigentlich immer vorhanden.
78
Um die in der Kostenstelle Pflegeversicherung separierten Erträge und Aufwendungen weiter zu verteilen, bedarf es eines neuen Verteilungsschlüssels. • Verteilung der Pflegepersonalkosten: Arbeitszeit vor Ort Die Arbeitszeit vor Ort bzw. die Wegezeit wird wie bei der Kostenrechnung im Idealfall über eine digitale Zeiterfassung ermittelt/ausgewertet. Ersatzweise kann dies auch über ‚analoge‘ Tourenpläne für einen befristeten Zeitraum ausgewertet werden. • Verteilung der Organisationszeiten Steuerung/Verwaltung und Sachkosten Da sich der Verwaltungs- und Steuerungsaufwand der einzelnen Leistungsgruppen innerhalb der Pflegeversicherung nicht groß unterscheidet (da die identischen gesetzlichen Vorgaben gelten), kann hier ebenfalls mit der Zeit der Mitarbeitergruppen gearbeitet werden, deren gewichtete Anteile als Verteilungsschlüssel genutzt werden. Abb. 17 kann als Beispiel dienen, wie solche Werte umgerechnet werden. Hier wurden die Zeiten für eine Woche ausgewertet, die Tabelle hat die Umrechnung in Prozentwerte übernommen. Kostenträger SGB XI Verteilungsschlüssel
© SysPra.de, 2020 Woche von 03.-09.02.2020
Eintrag für Zeitraum:
Berufsgruppe Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfskrä�e
Körperbezogene Pflegemaßnahmen 101 128 75 304
Pflegerische Betreuung
Haushaltsführung 6 21 31 58
2 12 72 86
62,2% 62,1% 34,6%
3,7% 10,2% 14,3%
Verteilungsschlüssel Steuerung/Verwaltung Gesamt 51,9%
9,9%
Gesamt
Verteilungsschlüssel Personalkosten Arbeitszeit in % Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfskrä�e
Beratung / Schulung
Fahrt-/Wegezeit
Gesamt
12,5 0 0 12,5
41 45 39 125
162,5 206 217 585,5
1,2% 5,8% 33,2%
7,7% 0,0% 0,0%
25,2% 21,8% 18,0%
100,0% 100,0% 100,0%
14,7%
2,1%
21,3%
100,0%
Tabelle: 17
Tabelle zur Ermittlung Verteilungsschlüssel SGB XI kostenfrei zum Download Eine Kostenträgerrechnung für den Bereich Pflegeversicherung kann auf der Basis unseres Beispiels und der Struktur der Kostenstellenrechnung folgend so aussehen (siehe Abb. 18, Seite 79/80):
8 Kostenträgerrechnung: Umsetzungsbeispiel SGB XI 79
Kostenstellen Verteilungsschlüssel
1. Erträge Pflege
Musterkostenträgerrechnung SGB XI Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfskrä�e PDL, Verwaltung, Sachkosten
1.1. Pflegeversicherung 1 Körperbez. Pflegeleistungen 2 Pflegerische Betreuungsmaßnahmen 3 Hilfen bei der Haushaltsführung 4 Beratung/Schulung 5 Fahrt-/Wegepauschalen 1. Erträge Pflege Gesamt 2. Erträge Inves��onskosten Inves��onskosten SGB XI Erträge aus öffentlicher Förderung für 1 Inves��onskosten Erträge aus gesonderter Berechnung 2 Inves��onsaufwendungen gegenüber Pflegebedür�igen Erträge aus Auflösung von Rückstellungen 3 für Inves��onen Versicherungsentschädigungen 4 Inves��onsgüter 5 Erträge aus dem Verkauf von Anlagegütern 2. Erträge Inves��onskosten gesamt 3. Andere Erträge 3.1. Sons�ge Erträge 1 Sons�ge Sachbezüge 2 Zinsen und ähnliche Erträge 3 Erträge aus Wertberich�gungen 4 Erträge aus Auflösung von Rückstellungen 5 Versicherungsentschädigungen Erträge Altenpflegeumlage/Ausgleichsfonds 6 Summe 3.2. Außerordentliche Erträge 1 Periodenfremde u. außerordentl. Erträge Summe 3. Andere Erträge gesamt Erträge gesamt 4. Personalaufwendungen 1.1 1.2 2 3 4 5 6 7 8
Pflegedienstleitung Stellv. Pflegedienstl. Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfskrä�e/Hauswirtscha�liche Krä�e Verwaltung einschl. Geschä�sführung Technischer Dienst Sons�ge Dienste Personalnebenkosten gesamt Personalkosten Gesamt
5. Zentrale/fremde Dienstleistungen 1 Zentrale Dienste/Fremdleistungen Verwaltung 2 Fremddienstleistungen Pflege/Ru�ereits. Gesamt 6. Sachkosten 1 Medizinischer und therapeu�scher Bedarf 2 Versorgung, Wirtscha�sbedarf
1 2 3 4
Gesamt 460.350 76.546 100.878 21.254 177.454
Körperbez. PflPfl. BetreuungaushaltsführuBeratung/Schl © Syspra.de 2020 62,2% 3,7% 1,2% 7,7% 62,1% 10,2% 5,8% 0,0% 34,6% 14,3% 33,2% 0,0% 51,9% 9,9% 14,7% 2,1% Körperbez. PflPfl. BetreuungaushaltsführuBeratung/Schl
460.350
836.482
76.546
100.878
21.254
Weg 25,2% 21,8% 18,0% 21,3% Weg
177.454
460.350
76.546
100.878
21.254
177.454
53 11 119 507 0
10 2 23 97 0
15 3 34 143 0
2 0 5 21 0
22 5 49 209 0
11.352 12.042
132
195
28
284
53 53 12.095
10 10 142
15 15 210
2 2 31
22 22 306
472.445
76.688
101.088
21.285
0
30.245 491 999 51 31.786 Gesamt 102 21 230 977 0
4 4 4 4 4
11.352 12.681 102 102 12.783
4
881.051 Gesamt
Körperbez. PflPfl. BetreuungaushaltsführuBeratung/Schl
177.760 Weg
34.834 44.059 255.147 221.399 170.023 37.630 0 0 4.070 767.162
4 4 1 2 3 4 4 4 4
18.086 22.876 158.584 137.568 58.764 19.538 0 0 2.113 417.529
3.451 4.365 9.421 22.570 24.289 3.728 0 0 403 68.226
5.117 6.472 3.140 12.897 56.413 5.527 0 0 598 90.164
744 941 19.627 0 0 803 0 0 87 22.201
7.437 9.406 64.375 48.364 30.557 8.034 0 0 869 169.042
9.584 5.803 15.387
4 4
4.976 3.013 7.989
949 575 1.524
1.408 852 2.260
205 124 328
2.046 1.239 3.285
832 3.360
4 4
432 1.745
82 333
122 494
18 72
178 717
80
1.1 1.2 2 3 4 5 6 7 8
34.834 44.059 255.147 221.399 170.023 37.630 0 0 4.070 767.162
4 4 1 2 3 4 4 4 4
18.086 22.876 158.584 137.568 58.764 19.538 0 0 2.113 417.529
3.451 4.365 9.421 22.570 24.289 3.728 0 0 403 68.226
5.117 6.472 3.140 12.897 56.413 5.527 0 0 598 90.164
744 941 19.627 0 0 803 0 0 87 22.201
7.437 9.406 64.375 48.364 30.557 8.034 0 0 869 169.042
5. Zentrale/fremde Dienstleistungen 1 Zentrale Dienste/Fremdleistungen Verwaltung 2 Fremddienstleistungen Pflege/Ru�ereits. Gesamt
9.584 5.803 15.387
4 4
4.976 3.013 7.989
949 575 1.524
1.408 852 2.260
205 124 328
2.046 1.239 3.285
6. Sachkosten 1 Medizinischer und therapeu�scher Bedarf 2 Versorgung, Wirtscha�sbedarf 3 Verwaltungsbedarf 4 Steuern, Abgaben, Versicherungen 5 Verbandsbeiträge 6 Zinsen und ähnliche Aufwendungen 7 Fahrzeugkosten (Betriebskosten) 8 andere Fahrtkosten Gesamt
832 3.360 17.307 1.622 1.044 494 8.053 223 32.935
4 4 4 4 4 4 4 4
432 1.745 8.986 842 542 257 4.181 116 17.100
82 333 1.714 161 103 49 798 22 3.263
122 494 2.542 238 153 73 1.183 33 4.838
18 72 369 35 22 11 172 5 703
178 717 3.695 346 223 105 1.719 48 7.031
7. Inves�ve Kosten (im Sinne SGB XI) 1 Fahrzeugkosten (inves�ve Kosten SGB XI) 2 Abschreibungen Fahrzeuge 3 Inves�ver Anteil Fahrtkostenersta�ung 4 Instandhaltung, Wartung (außer Fahrtzeuge) 5 Abschreibungen Sachanlagen etc. 6 Mieten Geschä�sräume 7 Andere Mieten Gesamt
11.224 10.365 223 1.407 1.489 6.249 547 31.504
8. Andere Aufwendungen 1 Abschreibungen Forderungen 2 Spenden 3 Andere Verbandsumlagen 4 Altenpflegeumlage/Ausgleichsfonds Pflegebe. 5 Periodenfremde u. außerordentl. Aufwend. Gesamt
0 0 210 13.546 76 13.832
4 4 4 4 4
0 0 109 13.546 40 13.695
0 0 21
0 0 31
0 0 4
0 0 45
8 28
11 42
2 6
16 61
Körperbez. PflPfl. BetreuungaushaltsführuBeratung/Schl 460.350 76.546 100.878 21.254 0 0 0 0 12.095 142 210 31 472.445 76.688 101.088 21.285
Weg 177.454 0 306 177.760
Pflegedienstleitung Stellv. Pflegedienstl. Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfskrä�e/Hauswirtscha�liche Krä�e Verwaltung einschl. Geschä�sführung Technischer Dienst Sons�ge Dienste Personalnebenkosten gesamt Personalkosten Gesamt
Zusammenfassung Erträge 1. 2. 3.
Erträge Pflege gesamt Erträge Inves��onskosten Andere Erträge Erträge Gesamt
Gesamt 836.482 31.786 12.783 881.051
Personalaufwendungen Gesamt Zentrale Dienstleistungen Sachkosten Inves�ve Sachkosten Andere Aufwendungen
767.162 15.387 32.935 31.504 13.832
Aufwendungen Gesamt
860.820 Gesamt
Aufwendungen 4. 5. 6. 7. 8.
Differenz Umsatzverteilung (1.)
68.226 1.524 3.263
90.164 2.260 4.838
22.201 328 703
169.042 3.285 7.031
13.695
28
42
6
61
456.313 73.041 97.303 23.239 Körperbez. PflPfl. BetreuungaushaltsführuBeratung/Schl
179.420 Weg
20.231
16.132
3.647
3.785
-1.954
-1.660
836.482
55,0%
9,2%
12,1%
2,5%
21,2%
Inves��onskosten Saldo
282
Altenpflegeumlage Saldo
-2.194
Tabelle: 18
417.529 7.989 17.100
8 Kostenträgerrechnung: Umsetzungsbeispiel SGB XI 81
Die Aufwendungen in den Teilbereichen (z.B. Hauswirtschaft oder Wegekosten) wären dann die Grundlage zur Kalkulation dieser differenzierten Stundensätze. In der Zusammenfassung gibt es zwei weitere Auswertungen: • Die UMSATZVERTEILUNG DER LEISTUNGSBEREICHE zueinander (die in der letzten Zeile dargestellt ist, gibt Auskunft über den Anteil an den Gesamtleistungserträgen im Bereich SGB XI. • Wir haben hier die INVESTITIONSKOSTEN nachrichtlich im Gesamtbetrieb mitgeführt, aber nicht weiter auf die Teilbereiche differenziert: denn bei der Förderung oder Weiterberechnung der Investitionskosten spielen die verschiedenen Leistungsarten keine (getrennte) Rolle. In der Zusammenfassung ist der Saldo, also die Differenz zwischen Ertrag und Aufwendungen der Investitionskosten, ausgewiesen. • Auch das Ergebnis der Altenpflegeumlage wird hier ausgewiesen. Die Kostenträgerrechnung ist wie jede Kostenrechnung eine Berechnung, die aufgrund der gewählten Verteilungsschlüssel zu den Ergebnissen kommt. Durch die Wahl der Verteilungsschlüssel entsteht zwar eine systemimmanente Unschärfe, trotzdem dürften die Teilergebnisse sachlich richtig und vor allem eine sachgerechte Grundlage für die Berechnung/Kalkulation von Stundensätzen in diesen Teilbereichen sein. Und soweit die Erfassung des Aufwandes (Verteilungsschlüssel siehe Abb. 13, S. 55) verursachungsgerecht ist, können diese Teilergebnisse wesentlich zur Beurteilung des Pflegedienstes helfen und weitere Entscheidungen vorbereiten, beispielsweise ob die Gesamtvergütung oder nur Teilbereiche erhöht werden sollten. Insbesondere in Ländern mit differenzierten Wegepauschalen könnte es strategisch sinnvoll sein, diese allein zu verhandeln. Oder nur die Preise der Hilfen bei der Haushaltsführung. Die Felddefinition ist weitgehend identisch mit der Kostenrechnung (siehe Seite 199), daher wird auf eine zusätzliche Feldbeschreibung verzichtet.
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 83
9 Rechtlicher Rahmen einer Kalkulation Eine Stundensatzberechnung oder eine Stundensatzkalkulation soll immer auch dem potenziellen Ziel dienen, diese Daten/Werte für Vergütungsverhandlungen zu nutzen. Daher ist schon bei der Strukturierung und der Differenzierung des Modells darauf zu achten, dass die maßgeblichen rechtlichen Bedingungen und Prüfkriterien berücksichtigt werden. Die Grundlage zur Vergütungsverhandlung ist eine Kostenkalkulation bzw. Kostenprognose1. Für die Kostenprognose sind drei wesentliche Aspekte des Bundessozialgerichts-Urteils zur Leistungsgerechten Vergütung2 sowie der Gesetzesänderung zur Refinanzierung des Unternehmerrisikos3 zu beachtet: • Prospektiv • Plausibilität • Vergütung Unternehmerrisiko. Da das BSG diese Grundsätze auch auf den Bereich der Häuslichen Krankenpflege nach § 37 des SGB V übertragen hat,4 gelten sie für beide maßgeblichen Bereiche in der ambulanten Pflege, deren Preise mit Leistungsträgern zu verhandeln sind.
Prospektiv Für eine Kostenprognose der prospektiven Vergütungen müssen Annahmen für die Zukunft getroffen werden. Der Natur nach können diese Annahmen nicht formal bewiesen oder nachgewiesen werden. Einige Aspekte könnten schon feststehen, wie bereits vereinbarte tarifliche oder sonst bedingte Lohnerhöhungen oder ein veränderter Personalmix wegen veränderter Leistungen. Andere sind nur schätzweise zu ermitteln, wie die möglichen Sachkostensteigerungen oder eine tatsächliche Krankheitsrate. Für eine prospektive Kostenprognose ist zu beachten, dass bestimmte einrichtungsindividuelle Erfahrungswerte aus der Vergangenheit, wie z.B. niedrige Krankheitsquoten, kein Indiz oder Referenzwert für die Zukunft sein können bzw. sein sollten, weil beispielsweise Ausfälle durch Verschleißerkrankungen oder Unfälle weder vom Pflege1 2 3 4
BSG vom 23.06.2016, B 3 KR 26/15 R: statt Kalkulation verwendet das BSG in den aktuellen Urteilen den Begriff Kostenprognose oder Vergütungsprognose BSG vom 17.12.2009, Az: B3 P3/08 R BT-Drs. 18/10510, S. 26, Begründung Seite 115 BSG vom 23.06.206, Az: B3 KR 25/15R, RZ 35
84
9.1 Vergütung Unternehmerrisiko
dienst beeinflusst noch vorausgesagt werden können. Daher wäre für eine prospektive Betrachtungsweise nicht der eigene fortgeschriebene Wert maßgeblich, sondern viel eher der Vergleichswert auf Landesebene für diese Berufsgruppe.
Plausibilität Nach den Vorgaben des BSG müssen die Verhandlungspartner, also die Pflege- und/ oder Krankenkassen und (falls sie Vertragspartei sind) die Sozialhilfeträger, im ersten Schritt die Plausibilität der Vergütungsforderung und damit, falls genutzt, auch die Plausibilität der Kostenprognose prüfen. Daher muss der Pflegedienst in der Lage sein, für jede der einzelnen Positionen plausibel die Höhe begründen zu können. Durch die Gesetzesänderungen im SGB XI 20175 und SGB V 20196 zur Refinanzierung von Gehältern bis zur Höhe tariflich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen müssen in beiden Bereichen entsprechende Gehaltszahlungen als wirtschaftlich anerkannt werden. Zwar ist (Stand April 2020) unklar, wie der Nachweis in den Verhandlungen in den jeweiligen Bundesländern erfolgen wird, dies haben die Vertragsparteien jedoch verbindlich zu regeln.7 Da mutmaßlich der Nachweis der Personalkosten bis runter zur Ebene der Lohnjournale erfolgen könnte (aber entsprechend der Gesetzlichen Normierung in anonymisierter Form), sollte man in einem Kalkulationsmodell diesen Kostenbereich so abgegrenzt darstellen, dass die Überprüfbarkeit möglich ist. Daher werden beispielsweise bei den Personalkosten die Personalnebenkosten wie Beiträge zur Berufsgenossenschaft, Kosten für Arbeitsmedizin etc. als separate Summe ausgewiesen und nicht pauschal den jeweiligen Lohnkosten zugerechnet.
9.1 Vergütung Unternehmerrisiko Da die Vergütung für den zu verhandelnden Vergütungszeitraum (meist ein Jahr) reichen soll, müssen auch bei jeder Position die mutmaßlichen oder bekannten Kostensteigerungen berücksichtigt werden. Weil nicht jedes Risiko von vorherein kalkulierbar ist, hat das BSG schon frühzeitig die Berücksichtigung des Unternehmerrisikos als einen Bestandteil einer leistungsgerechten Vergütung definiert, was der Gesetzgeber mit dem PSG III 2017 in § 89 Abs. 1 Satz 3 aufgenommen hat. Der Gesetzgeber schreibt in 5 6 7
§ 89 Abs. 1 Satz 3 SGB XI, eingeführt durch PSG I 2015, konkretisiert durch PSG II 2017 § 132a Abs. 4 Satz 4, eingeführt durch PpSG 2019 im SGB XI über Rahmenvertrag § 75 Abs. 2, Punkt 11; im SGB V über Bundesrahmenempfehlung nach § 132a Abs. 1, Punkt 5
9 Rechtlicher Rahmen einer Kalkulation85
seiner Begründung: „Es wird mit der ausdrücklichen Aufnahme in § 84 Abs. 2 Satz 4 und in § 89 Absatz 1 Satz 3 in diesem Zusammenhang klar gesetzlich klargestellt, dass dem Einrichtungsbetreiber eine Gewinnchance zusteht und seine unternehmerischen Risiken berücksichtigt werden sollen.“8 Das „Unternehmerrisiko“ setzt sich also aus den Bereichen: Risikoausgleich und Gewinnerwartung zusammen. Risikofaktoren für einen Pflegedienst könnten unter anderem Beschäftigungsverbote wegen Schwangerschaft (Ersatzkräfte finden, Umstellung der Planung etc.) oder auch Kosten aus Rechtsstreitigkeiten (Kündigungsklagen, Abfindungen) sein. Dazu kommt anders als in der stationären Pflege ein erhöhtes Unfallrisiko und damit verbunden ein weiterer Faktor für Personalausfälle. Allerdings muss die Einrichtung diese Risiken benennen und unter Umständen auch aus Vorjahren belegen können.9 Die Höhe einer Gewinnerwartung ist ebenfalls nicht definiert: allerdings ist der Gewinn hier zu verstehen nach Abzug aller Kosten (siehe Problem Unternehmergehalt, S. 41) Eine feste Größe, wie hoch diese Zuschläge sein können, hat aber das BSG nicht definiert. Allerdings weist auch der Gesetzgeber auf das BSG-Urteil von 2013 hin, in dem das BSG festgestellt hat, dass über die Auslastungsquote des Heimes eine Definition möglich wäre.10 An gleicher Stelle hat das BSG allerdings bezweifelt, dass eine Auslastungsquote wie im vorgetragenen Fall von 96,5% ausreichend Spielraum für einen angemessenen Unternehmensgewinn ermöglicht. Dabei wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass neben der Auslastung auch ein sogenanntes „Bettenfreihaltegeld“ definiert ist, was bei Abwesenheit zu finanzieren ist, auch wenn dann keine direkten Leistungen erbracht werden.11 Die Abwesenheitsvergütung darf maximal 75 % des normalen Pflegesatzes betragen. Ambulant gibt es keinen Faktor wie Auslastungsquoten, die definiert sind, denn die Finanzierung der Pflegeleistungen erfolgt nur bei erbrachten Leistungen. Kurzfristige Absagen oder Ausfälle wegen Krankheit oder Krankenhaus führen zwar zu erhöhtem Verwaltungsaufwand (Tourenplanung etc.), dem stehen aber keinerlei Erträge gegenüber. Trotz dieser Faktoren gab es für die ambulante Pflege keine zur stationären Pflege vergleichbare Position. Sie fand sich auch in keinem bekannten Nachweis- oder Kalku8 9 10 11
BT-Drs. 18/10510, S. 116 BSG vom 13.05.2013, B 3 P 2/12 R, RZ 28 BSG vom 16.05.2013, B 3 P 2/12 R, RZ 26 § 87a, Abs. 1, Satz 7
86
9.1 Vergütung Unternehmerrisiko
lationsmodell wieder,12 ist aber nach der Rechtsprechung des BSG und der KIarstellung im Gesetz ein definierter Bestandteil der Vergütung.
Unternehmerisches Wagnis: Risikoausgleich und Unternehmergewinn Angeregt durch das LSG NRW, dass im Rahmen des im nächsten Absatzes diskutieren Rechtsverfahren zum Unternehmensgewinn ein Sachverständigengutachten als Möglichkeit zur Bestimmung ins Spiel gebracht hat, hat der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) sowohl für den stationären Bereich als auch für die ambulante Pflege Studien zur Definition und Abgrenzung des Unternehmerrisikos beauftragt. Die stationäre Studie wurde 2018 veröffentlicht13 und hat für die beiden Faktoren: Risikoausgleich und Gewinn den umfassenden Begriff „Unternehmerwagnis“ geprägt.14 Ein Jahr später wurde dann die nach der identischen Methodik aufgebaute ambulante Studie veröffentlicht, die auf den Erfahrungen der stationären Studie aufbaut, ihre Begrifflichkeiten und Methodik nutzt und auf die ambulante Pflege und ihre spezifischen Besonderheiten überträgt.15 Die Studien haben einerseits die unterschiedlichen Faktoren begrifflich definiert und erste Richtwerte für eine Kostenprognose ermittelt: Dabei werden zwei Faktoren unterschieden: Betrieblich-spezifische Einzelwagnisse und allgemeine Wagnisse:16 Betrieblich-spezifische Einzelwagnisse • sind Bestandteil der Herleitung der prospektiven Gestehungskosten, bezüglich jenes Teils der operativen Aufwendungen, dessen Eintreten unsicher und nicht genau zu planen ist, • gehören zwingend in die seriöse Preiskalkulation und sind keine Gewinnerwartung, • Ableitungen zur Kalkulation der Risiken in der Vergütungsfindung, die nach den maßgeblichen Punkten zu aggregieren sind, und dann mit einem Kalkulationsschema verknüpft werden. 12 Ausnahme: A. Heiber 1997, S. 20: hat diese Problematik ausführlich angesprochen und in sein damaliges Modell eingebaut! 13 Friedrich u.a. (2018): Stationäre Studie 14 ausführlich dazu: a.a.o., Kap. 3, S. 11 ff. 15 Friedrich u.a. (2019): Ambulante Studie; Hinweis: der Autor war Mitglied im Expertenbeirat der ambulanten Studie 16 Darstellung aus Friedrich u.a. (2019): S. 156
9 Rechtlicher Rahmen einer Kalkulation87
Allgemeines Wagnis a) Branchenspezifische Komponente • Damit wird das generelle Wagnis abgebildet, als Unternehmer in Deutschland zu agieren und mittel- und langfristigen Anforderungen präventiv begegnen, Investitionen tätigen und Innovationen gestalten zu müssen. • Ermittelt mit 4 % als Zuschlag zum Budget für die Ermittlung der Vergütungssätze (maßgeblich basierend auf retrospektiven Unternehmens-Ergebnisdaten in Deutschland). b) Branchenspezifische Komponente • Herleitung eines (Ab- oder) Zuschlagsfaktors für das Wagnis, in DIESER Branche tätig zu sein, • ermittelt mit 1,39 % als Zuschlag zum branchenunabhängigen allgemeinen Wagnis nach Aggregation von 50 Risikofaktoren (bundesland- und regionenneutral). In der Studie wird auch eine Zuordnung der unterschiedlichen Risikofaktoren zu unserem Kalkulationsmodell (Stand 2019) vorgenommen.17 In der hier vorgestellten Version des Kalkulationsmodells sind die jeweiligen betrieblich-spezifischen Einzelrisiken bei den einzelnen Kalkulationspositionen ebenso berücksichtigt wie der branchenspezifische allgemeine Faktor als Zuschlag auf alle Kosten. Eine genaue Bezifferung der Einzelrisiken wird im Beispiel zwar vorgenommen, ist aber nur als Beispiel und nicht als Vorgabewert zu verstehen.
Exkurs BSG-Urteil vom 26.09.2019 Die Frage, wie und in welcher Höhe die angemessene Vergütung des Unternehmerrisikos zu bewerten ist, beschäftigte im September 2019 auch das Bundessozialgericht in einem lange erwarteten Verfahren, wobei die schriftliche Urteilsbegründung erst seit Anfang Februar 2020 öffentlich zugänglich ist. Weil es zumindest in der nächsten Zeit sicherlich vielfach zitiert und in Verhandlungen insbesondere von Leistungsträgern genutzt wird, soll hier ausführlicher der Inhalt kritisch gewürdigt werden.
17 a.a.O., S. 167 ff.
88
9.1 Vergütung Unternehmerrisiko
• Ausgangspunkt war ein Verfahren eines Pflegeheimes in NRW, bei dem die Schiedsstelle im Dezember 2015 auf eine unstreitige Kostenkalkulation einen Gewinnzuschlag pauschal in Höhe von 4 %, analog der Verzugszinssatzhöhe nach § 44 Abs. 1 Satz 1 als (Hilfs-)Maßstab gewählt hatte, weil andere plausible Größen nicht zur Verfügung standen. Das LSG NRW hat diese Entscheidung 2017 18 aufgehoben, weil der Bezug auf § 44 SGB I nicht nachvollziehbar sei und im Einzelfall die angemessenen Gewinnmöglichkeiten wie auch die allgemeinen unternehmerischen Risiken zu ermitteln wären, beispielsweise im Rahmen eines betriebswirtschaftlichen Sachverständigengutachten. Dieser stationäre Sachverhalt war nun vom BSG zu entscheiden, was mit Urteil vom 26.09.2019 19 erfolgte. Wer erwartet hat, dass nun das BSG erhellende Hinweise zur Gewinn- und Risikoermittlung formuliert, ist nach der Lektüre des inzwischen veröffentlichten Urteils doch herbe enttäuscht. Wesentliche Teile des Urteils befassen sich mit der (evtl. speziellen) Rolle der Schiedsstelle in stationären Verfahren. Zum Verständnis aus ambulanter Sicht: in der stationären Vergütungsverhandlung ist die Interessenvertretung der Bewohnerinnen und Bewohner mit einer Stellungnahme zur vom Heim vorgelegten Kostenkalkulation zu beteiligen.20 Die Rolle und Wirkung dieser Stellungnahme ist im weiteren Verfahren offen, sie könnte auch schlicht ignoriert werden oder den Leistungsträgern als Anhaltspunkt dienen, Fragen zu stellen. Fraglich ist allerdings, wie kompetent die Heimbewohner (oder ihre Angehörigen) sein müssen, um eine stationären Pflegesatzkalkulation mit ihren rechtlichen und landesrechtlichen Rahmenbedingungen qualifiziert beurteilen zu können. Der große Unterschied zur bisherigen Rechtsprechung liegt in der Rolle der Schiedsstelle, die das BSG hier neu definiert sieht. Sie hat sich nach Auffassung des BSG grundsätzlich „ein eigenes Bild“ von der Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der prospektiv dargelegten Kostenkalkulation zu machen, auch weil sie als „sachkundig und paritätisch besetztes Gremium in eigener Verantwortung und auch mit Blick auf unmittelbar mitbetroffene Dritte“ dies vorzunehmen hat.21 Das heißt, auch wenn die Vertragsparteien eine Kalkulation grundsätzlich einvernehmlich vereinbaren und nur um die mögliche Höhe und Definition eines Gewinnzuschlags streiten, so muss die Schiedsstelle von sich aus die komplette, von den Vertragsparteien vereinbarte Kalkulation selbst überprüfen. 18 19 20 21
LSG vom 06.04.2017, L 5 P 3/16 KL BSG vom 26.09.2019, B 3 P 1/18 R § 85, Abs. 3, Satz 2 a.a.O. RZ 29
9 Rechtlicher Rahmen einer Kalkulation89
Die Begründung dazu ist im Urteil widersprüchlich: einerseits wird richtigerweise festgestellt (bei der Frage, ob die Heimbewohner bzw. ihre Interessenvertretung zum Prozess beigeladen werden müssten), dass die beteiligten Leistungsträger ihre Interessen „treuhänderisch mit wahrnehmen“22. Aber dann unterstellt der erkennende Senat den Kostenträgern Eigeninteressen, die von den Interessen der Heimbewohner abweichen: da die Leistungsbeträge der Pflegekassen gedeckelt sind, sind allein die Heimbewohner für die Tragung der nicht gedeckten Eigenanteile zuständig. Die „Pflegekassen unterliegen der Gefahr, wegen ihrer ohnehin finanziell gedeckelten Aufwendungen möglicherweise nur aus einer eher begrenzten, eigene Belange in den Vordergrund stellenden, institutionellen Perspektive heraus zu agieren“23. Selbst die in einen hohen Maße als nachrangige Kostenträger beteiligten Sozialhilfeträger handeln nach Meinung des Senats nicht primär im Interesse der Heimbewohner, weil sie „eher auf ihr eigenes fiskalisches Interesse und weniger auf das Ausmaß der Belastung der primär kostentragungspflichtig bleibenden Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen gerichtet“ 24 sind. Warum, und diese Logiklücke steht im Urteil, die finanziellen Belastungen der Heimbewohner/Angehörige andere (oder anders zu bewerten) sind als die der Sozialhilfeträger, kann man nicht wirklich verstehen.25 Aber erst unter dieser konstruierten Prämisse, das Pflegekassen nicht als Treuhänder handeln und Sozialhilfeträger auch nicht, ergibt sich die neue Rolle der Schiedsstelle: Sie muss grundsätzlich die gesamte vorhandene und in diesem Fall auch zwischen den Vertragsparteien unstrittige Kalkulation selbst neu beurteilen und nachprüfen. Der erkennende Senat stellt dann hier den „Amtsermittlungsgrundsatz“ vor den „Beibringungsgrundsatz“: „Die Pflegebedürftigen haben daher selbst nicht die Möglichkeit, im Pflegesatzverfahren noch einmal gezielt ihre Einwände gegen dargelegte Kostenansätze zu erheben. Fehlende Einwände oder Prüfungen der als Vertragsparteien am Verfahren beteiligten Kostenträger dürfen sich daher weder zum Nachteil der Heimbewohner/innen noch zum Nachteil der am Verfahren nicht beteiligten Kostenträger auswirken (so bereits BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr. 2, Rd. Nr. 68 zu dem Gesichtspunkt, dass die Nichtbeteiligten nicht „Opfer von Beweislastentscheidungen“ werden dürfen). Soweit eine Schiedsstelle einzelne Pflegesätze oder Entgelte durch einen konkret bezifferten Betrag festsetzt, trägt sie die Gesamtverantwortung für deren 22 23 24 25
a.a.O. RZ 15 a.a.O. RZ 24 a.a.O. RZ 24 zumal mit der schon im Koalitionsvertrag 2018 vereinbarten und mit dem Angehörigenentlastungsgesetz verabschiedenden Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger (BGBl. 2019, Teil 1 Nr. 46, 12.12.2019) auch diese weitgehend geschont werden.
90
9.1 Vergütung Unternehmerrisiko
Leistungsgerechtigkeit und Angemessenheit. Dazu hat sie die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der prospektiv dargelegten Kostenkalkulation hinreichend zu prüfen und deren Angemessenheit im externen Vergleich zu bewerten. Nur vor dem Hintergrund dieser verfahrensrechtlichen Pflichten der beteiligten Kostenträger und der Schiedsstelle kann es gerechtfertigt sein, Pflegesätze und Entgelte für die Heimbewohner/ innen verbindlich festzusetzen, ohne sie – über die Möglichkeit einer Stellungnahme ihrer Interessenvertretung hinaus – am Verfahren zu beteiligen.“26 Dabei ging es im vom BSG zitierten ambulanten Urteil aus 17.12.2009, RZ 68 nur um die Fragestellung, ob bei fehlenden, weil nicht rechtzeitig eingereichten Unterlagen die Schiedsstelle zur Beschleunigung eine Beweislastentscheidung fällen kann (also ohne Berücksichtigung der Unterlagen). In diesem Zusammenhang hat der damalige Senat die engen Grenzen gemeint, damit die Pflegebedürftigen deshalb nicht Opfer von Beweislastentscheidungen werden, sich nicht aber auf die Tatsache bezogen, dass die Heimbewohner im weiteren Verfahren nicht mehr direkt beteiligt sind! In der vorausgegangenen stationären Entscheidung des BSG vom 30.01.2009 (B 3 P 7/08 R; RZ 41) wird dies noch deutlicher: „Die Möglichkeit zum Erlass von sog. Beweislastentscheidungen ist nicht ausgeschlossen, falls eine der Schiedsparteien den gemachten Auflagen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt, in der Praxis aber durch den Umstand beschränkt, dass ein Schiedsspruch auch unmittelbare Wirkung für die am Verfahren nicht direkt beteiligten Heimbewohner besitzt (§ 85 Abs 6 Satz 1 SGB XI) und sie nicht ‚Opfer‘ von Beweislastentscheidungen werden dürfen.“ 27 In der Konsequenz der Umsetzung des Urteils würde es bedeuten: wenn die Schiedsstelle in jedem Fall die komplette Beurteilung der Kalkulation selbst vornehmen muss, warum sollen denn dann die Vertragsparteien verhandeln und selbst schon bestimmte Punkte unstreitig stellen? Dann wäre es doch gleich einfacher, die Schiedsstelle diese Arbeit machen zu lassen, weil sie das nach Meinung des BSG sowieso machen muss, eben weil die Kostenträger rechtswidriger Weise nicht die Treuhänderposition für die Heimbewohner einnehmen! Ob diese Rolle, die der erkennende Senat den Schiedsstellen zumutet, dauerhaft Bestand hat, darf bezweifelt werden, denn sie würde die Schiedsstellen schlichtweg überfordern: Sie müssten losgelöst von den vereinbarten Zwischenergebnissen der Vertragsparteien völlig eigene Beurteilungen vornehmen und damit unter Umständen sogar abweichend von den Anträgen der Vertragsparteien entscheiden, wenn sie zu 26 a.a.O. RZ 34 27 vermutlich wurde deshalb auch das ambulante Urteil zitiert?
9 Rechtlicher Rahmen einer Kalkulation91
anderen Bewertungen der Zahlen kommen.28 Wenn beispielsweise die pflegebedingten Aufwendungen vom Heim mit 100 € pro Tag gefordert, die Pflegekassen aber nur 95 € pro Tag anbieten, war der Beurteilungsspielraum der Schiedsstelle bisher der Höhe nach auf die Anträge beschränkt, wie es bei einer Schlichtung zu erwarten ist. Nach der neuen Rechtsprechung könnte es passieren, dass nach der eigenen Beurteilung der Schiedsstelle auch Preise unterhalb oder oberhalb der Anträge entschieden werden könnten. Das heißt aber auch praktisch, die Schiedsstelle ist kein Schlichtungsorgan mehr, das einen Interessenausgleich zwischen den Parteien herstellen soll,29 sondern davon losgelöst eigenständig ermitteln und entscheiden muss. Damit wird die Rolle der Schiedsstelle in einem Maße verändert, dass weder praktikabel umsetzbar oder im Sinne einer Schlichtung ist. Wie schön öfter (siehe Seite 132 Marktpreisurteil) wird auch hier der Gesetzgeber eingreifen müssen, um diese meiner Meinung nach missverstandener Rolle der Schiedsstelle gesetzlich zu korrigieren. Dem eigentlichen Kern, der Frage der Gewinnermittlung widmet sich das Urteil auch, wobei es auf der gesetzlichen Grundlage des PSG 1 2015 entscheidet, offensichtlich nicht aber die Änderungen durch das PSG III 2017 berücksichtigt. Es stellt zunächst fest, dass eine losgelöste Pauschale auf die Kosten als Risikoausgleich und Gewinnzuschlag ohne konkrete Prüfung der tatsächlichen Kostensituation nicht rechtskonform sei (zumindest nach dem Recht 2015!). Als Prüfmaßstab für mögliche Gewinne wird zunächst der Grundsatz der Beitragsstabilität interpretiert, der in § 70 für alle Einrichtungen und in § 84 Abs. 2 Satz 8 nochmals für stationäre Verhandlungen erwähnt wird. Brunner/Höfer vermuten wohl zu Recht, dass es sich bei diesen Vorschriften noch um „ein Überbleibsel aus einem frühen Stadium des Gesetzesentwurf handelt, in dem entweder die Leistungen noch nicht durch Höchstbeträge begrenzt waren oder man noch davon ausging, dass diese Höchstbeträge bedarfsdeckend seien. In der gegenwärtigen Ausgestaltung des SGB XI würde eine Begrenzung der Vergütung zur Erreichung von Beitragsstabilität einen verfassungswidrigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Leistungserbringer darstellen. Denn das eingesetzte Mittel wäre offensichtlich ungeeignet, den angestrebten Zweck zu erreichen, weil der angenommene Zusammenhang zwischen Vergütungen und Beitragsstabilität nicht besteht“ 30. Trotz der systemimmanenten Klarheit kommt der er-
28 a.a.O. RZ 29 29 Richter in Krahmer/Plantholz (2018), § 76, R13 30 Brünner/Höfer in Krahmer/Plantholz (2018), § 84, RZ 26
92
9.1 Vergütung Unternehmerrisiko
kennende Senat zu einer anderen Schlussfolgerung: „Vor dem Hintergrund, dass die als Vertragsparteien an der Pflegesatzvereinbarung beteiligten Pflegekassen auch die Interessen der Pflegeheimbewohner/innen treuhänderisch wahrnehmen sollen, kann der Vorschrift zumindest entnommen werden, dass sich die Ausgaben insgesamt – d.h. sowohl der von den Pflegekassen zu tragende Teil als auch die von den Versicherten selbst aufzubringenden Kosten – an der Veränderungsrate der Einnahmen aus dem Beitragsaufkommen zu orientieren haben. Langfristig sind nämlich bei steigenden Kosten auch die pauschalen Leistungsbeträge der Pflegekassen zu erhöhen, sodass steigende Kosten jedenfalls auf lange Sicht mittelbar auch zu steigenden Beiträgen führen.“31 Dabei verkennt der Senat, dass von der Anlage der Pflegeversicherung als Ergänzungsleistung oder Teilkaskoversicherung (§ 4 Abs. 2) steigende Kosten keineswegs zu steigenden Leistungsbeträgen führen müssen; die Sachleistungsbeträge sind im Gesetz nur als Höchstbeträge ausformuliert („bis zu“32), deren konkrete Leistungshöhe im Einzelfall auch abgesenkt werden könnte. Trotzdem führt das BSG die aktuellen Höhen der Grundlohnsummensteigerung als ein Maßstab zur Prüfung mit ein. Noch schwieriger werden die weiteren Schlüsse, die das Gericht dann mit Verweis auf gemeinnützige Träger zieht: Nach seiner Meinung müsste die Zurückhaltung in Bezug auf die Höhe des Gewinnzuschlags auch berücksichtigen, das gemeinnützige Träger ihre „Erträge nur für gemeinnützige Zwecke verwenden dürfen“33. Hieße das dann, das private Träger höhere Gewinnmargen bekommen müssten als gemeinnützige? Das nächste Zitat aus dem Urteil zeigt das Missverständnis, was eigentlich die Finanzierung des Unternehmerrisikos sein soll, noch deutlicher: „Das Gebot der Zurückhaltung muss jedenfalls allgemein insbesondere für Gewinnmargen gelten, die Leistungserbringer zusätzlich fordern, nachdem ihre Aufwendungen bereits vollständig prospektiv refinanziert werden.“34 Die Kalkulation einer prospektiven Vergütung geht von bestimmten Annahmen aus, die auf die Zukunft ausgerichtet sind, aber nicht eintreffen müssen. Nur kann die Vergütung, wenn die Annahmen nicht zutreffen, nicht vor Ablauf der Laufzeit neu verhandelt werden. Deshalb ist „ der Unternehmergewinn die Kehrseite der unternehmerischen Wagnisse“35, wie es das BSG 2013 selbst formuliert hat und nicht grundsätzlich echter Gewinn.
31 32 33 34 35
a.a.O RZ 39 z.B. § 36, Abs. 3 a.a.O. RZ 40 a.a.O. RZ 40 BSG vom 16.05.2013, B 3 O 2/12 R; RZ 27
9 Rechtlicher Rahmen einer Kalkulation93
Weil aber angeblich alle Kosten gedeckt sind, besteht nach diesem Urteil kaum Raum für einen Gewinnzuschlag, maximal nur dann, wenn die Gesamtforderung nicht die Höhe der Grundlohnsummensteigerung erreicht. Es bleibt jedoch nach Meinung des Gerichts kein Raum für einen pauschalen Gewinnzuschlag, sondern dieser müsste immer im Einzelfall unter Prüfung aller auch versteckter Gewinnmöglichkeiten durch die Schiedsstelle ermittelt werden. Was bleibt von diesem verwirrenden Urteil für die ambulante Pflege an Erkenntnissen? Zunächst muss man entschärfend feststellen, dass nach Feststellung des erkennenden Senats dieses Urteil sich (nur) auf die Rechtslage mit dem PSG I von 2015 bezieht,36 nicht jedoch auf die durch das PSG II geänderte Rechtslage 2017, mit der ins Gesetz der Anspruch auf eine „angemessene Vergütung des Unternehmerrisikos“ in § 89 Abs. 1 bzw. § 84 Abs. 2 ergänzt worden ist. Hier sei als vorweggenommene Replik des Gesetzgebers auf das Urteil aus dem Jahre 2019 aus der Gesetzesbegründung des Gesundheitsausschusses vom 30.11.2016 zitiert: „Wie diese Gewinnchance zu bemessen ist, hat der Gesetzgeber im Detail nicht vorgezeichnet, sondern der Aushandlung der Vertragspartner und im Streitfall der Entscheidung der Schiedsstelle im Verfahren nach § 85 Absatz 5 Satz 1 überlassen. Grundsätzlich ist es deshalb von den Vertragspartnern hinzunehmen, wenn die Schiedsstelle im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums nach ihrem Ermessen in vertretbarer Weise mit der Festsetzung der Pflegevergütung zugleich die Grundlage für die Realisierung von Gewinnaussichten setzt. Dies kann beispielsweise über einen festen umsatzbezogenen Prozentsatz geschehen oder auch – wie im vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall – über die Auslastungsquote gesteuert werden. Dabei gilt dies für alle Pflegemarktteilnehmer, unabhängig ob sie in freigemeinnütziger, privater oder öffentlicher Trägerschaft sind. Es wird mit der ausdrücklichen Aufnahme in § 84 Absatz 2 Satz 4 und § 89 Absatz 1 Satz 3 in diesem Zusammenhang gesetzlich klargestellt, dass dem Einrichtungsbetreiber eine Gewinnchance zusteht und seine unternehmerischen Risiken berücksichtigt werden sollen.“37 Was die Schiedsstelle in NRW versucht hat (Definition einer Pauschale), hat der Gesetzgeber als klar definierte Möglichkeit ins Gesetz geschrieben. Was wird dann von diesem Urteil bleiben, insbesondere für die ambulante Pflege bzw. Vergütungsverhandlung? 36 a.a.O. RZ 26 37 BT-Drucks. 18/10510, Begründung zu §§ 84 und 89 Abs. 1; S. 116
94
9.1 Vergütung Unternehmerrisiko
• Nach diesem sehr stationär geprägten Urteil werden Vergütungsverhandlungen dann nicht leichter, wenn die Pflegekassen zumindest selektiv Teile der Urteilsbegründung nutzen, auch wenn diese wie aufgezeigt höchst widersprüchlich ist. • Die hier postulierte Aufgabe der Schiedsstelle, die aus einem systematischen Misstrauen gegenüber gesetzlichen Kostenträgern resultiert, verkennt nicht nur die praktischen Voraussetzungen und Kapazitäten der vorhandenen Schiedsstellen, sondern macht damit eigentlich auch in diesem Sinne „Vorverhandlungen“ unnötig! Der Gesetzgeber sollte mit Blick auch auf seine eigene Gesetzesänderung 2017 Wege finden, die in diesem Urteil interpretierten Rollen der Schiedsstellen und der Leistungsträger klarzustellen und auch dem 3. Senat des BSG verdeutlichen. Und der oben zitierte Wille des Gesetzgebers in Form der Gesetzesbegründung zu den §§ 84/89 entzieht vielen weiteren Ausführungen des BSG zur Definition des Unternehmerrisikos die rechtliche Grundlage für die aktuelle Diskussion. Daher bildet die eingangs zitierte Gesetzesbegründung die aktuelle Grundlage.
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 95
10 Modell zur Berechnung/Kalkulation 10.1 Struktur der Stundensatzberechnung Das hier vorgestellte Berechnungs- und Kalkulationsmodell ist so angelegt, dass man nicht nur Stundensätze im SGB XI, sondern auch der Behandlungspflege oder Privatleistungen kalkulieren kann. Daher ist beim Ausfüllen immer zu berücksichtigen, für welchen Teilbereich eine Berechnung vorgenommen wird (insbesondere bei der Frage, ob mit oder ohne investive Sachkosten zu kalkulieren ist). Die Rohzahlen dazu entstammen der jeweiligen Kosten- oder Kostenträgerrechnung. Dabei ist auf die gewollte Berechnung zu achten (retrospektive oder prospektive Kalkulation).
Basis der Stundensatzberechnung Ziel
Tatsächliche Istkosten
Neue Preise
retrospek�v
prospek�v
Daten des Bereichs
Kostenrechnung oder Kostenträgerrechnung des Zeitraums
Kostenrechnung oder Kostenträgerrechnung des Zeitraums + Kostensteigerung aller Posi�onen
Kalkula�on
Stundensatzkalkula�on
Stundensatzkalkula�on
ohne Risikoanteile
mit Risikoanteilen
ohne Gewinnanteile
mit Gewinnanteil
Tatsächliche Stundenkosten im letzten Zeitraum
Prospek�ve Stundenkosten
Betrachtung
Ergebnis Tabelle: 19
Berechnung oder Kalkulation Ob man den tatsächlichen Stundensatz des letzten Jahres berechnet oder für die Preisverhandlung einen Stundenpreis prospektiv kalkuliert, als Basis kann das identische Kalkulationsraster zur Berechnung dienen.
96
10.1 Struktur der Stundensatzberechnung
• Die BERECHNUNG eines Stundensatzes beruht allein auf den Istkosten (eines abgelaufenen Zeitraums für den jeweiligen Kostenträger) und ist deshalb eine retrospektive Betrachtung. Sie stellt quasi eine Selbstkostenberechnung der Vergangenheit dar und dient der Überprüfung der eigenen Kosten. Sie enthält deshalb auch keinerlei Risiko- oder Gewinnpositionen, da alle Kosten finanziert sind. • Die KALKULATION ist auf die Zukunft ausgerichtet und enthält bei jeder Position prospektive (prospektiv = auf das zukünftige gerichtet; vorausschauend; möglicherweise zu erwarten, voraussichtlich1) Anteile, also Zuschläge für Kostensteigerungen, die in der nächsten Zukunft zu erwarten sind (beispielsweise für geplante Tarifsteigerungen, zu erwartende Kostensteigerungen bei Kraftstoffen etc.). Darüber Risikozuschläge für die einzelnen Bereiche sowie einen davon unabhängigen Gewinnzuschlag.
Stundensatzberechnung
1.
Schema�sche Darstellung Pflegepersonalkosten pro Berufsgruppe mit Stellenanteil
2.
Steuerung/Verwaltung jeweilige Personalkosten Sachkosten bei externen Leistungen
3.
Sachkosten
4.
Unternehmerisches Wagnis
5.
Gesamtkosten
nicht inves�v Inves�v
dividiert durch Vollzeitstellen in der Pflege Gesamtkosten pro Pflegestelle 6.
Ermi�lung verfügbare Leistungszeit
7.
Kosten pro Stelle
Tabelle: 20
Als Beispiel und Muster nutzen wir ein Berechnungsmodell, das man sowohl für eine Berechnung wie für eine Kalkulation einsetzen kann, unabhängig vom Leistungsbereich oder anderen Besonderheiten. Anhand dieses Modells soll musterhaft die Berechnung, 1
Duden, Onlinefassung 23.04.2020
10 Modell zur Berechnung/Kalkulation97
aber auch die Kalkulation eines Stundensatzes mit allen dabei vorkommenden Variablen und Faktoren, beschrieben werden. Diese Stundensatzkalkulation finden Sie wie auch schon in der Vergangenheit in der jeweils aktuellen Fassung kostenfrei hier oder unter www.SysPra.de im Bereich Arbeitshilfen Hinweis • Die Tabelle 21, Seite 100, 101 sind Istkostenberechnungen auf der Basis der Musterkostenrechnung. Die Istkostenberechnung enthält keine Zuschläge für mögliche Risiken oder Unternehmergewinn, weil es sich hier um eine retrospektive Nachberechnung handelt. • Die Tabelle 24, S. 118–119 zeigt die Kalkulation auf: Sie beruht zwar auf der Kostenrechnung, aber alle wesentlichen Positionen sind prospektiv für die Zukunft mit einem Zuschlag versehen, je nach zu erwartender Steigerung. Auch sind hier alle Risiko- oder Gewinnfaktoren mit Werten hinterlegt. Das Berechnungsmodell besteht technisch aus zwei Bereichen: im linken Teil (in der Exceltabelle mit weißem Hintergrund ) erfolgt die Berechnung oder Kalkulation, während im rechten Teil (in der Exceltabelle mit grauem Hintergrund dargestellt) die Auswertung erfolgt.
10.2 Abgrenzungsfragen Ein Modell zur Kalkulation prospektiver Kosten oder zur Nachkalkulation tatsächlicher Kosten kann nicht alle Besonderheiten abbilden, wie sie sich in den historisch gewachsenen Vergütungssystemen im SGB V und SGB XI in den 16 Bundesländern etabliert haben, bei allein 18 verschiedenen Vergütungssystemen im SGB XI oder weiteren diversen Vertragsvarianten im SGB V.2 Daher sind folgende Punkte vorab zu klären. Stundensatzkalkulation: Die ‚Berechnungseinheit‘ in der Pflege ist ein Stundensatz, auch wenn viele Leistungen und Vergütungen nicht in konkreten Zeiteinheiten, sondern meist als Pauschalen (Leistungskomplexe, Leistungsgruppen etc.) definiert sind. Die möglichen Varianten einer Umrechnung eines Stundensatzes in Punkte oder Pauschalen wird in einem späteren Abschnitt thematisiert. Der Stundensatz kann sowohl als gemischter Stundensatz aller Berufsgruppen ermittelt werden (wie im Regelfall bei den körperbezogenen Pflegeleistungen) oder als Stundensatz für eine bestimmte 2
Ausführlich dazu: Heiber, A. (2019)
98
10.2 Abgrenzungsfragen
Berufsgruppe (wie sie in Baden-Württemberg nötig sind, weil dort im Leistungskatalog Pflegeversicherung die Preise nach Berufsgruppen differenziert sind.3 Die abgegrenzten Zahlen kann eine entsprechende Kostenträgerrechnung liefern. Einsatzpauschale getrennt vom Stundensatz: Die Wegekosten enthalten den gesamten Wegeaufwand, also vom Büro oder Wohnung des Kunden bis zur Wohnung des nächsten Kunden. In vielen Katalogen wird hier von Fahrt- oder Hausbesuchspauschalen gesprochen, der Gesetzgeber spricht inzwischen von „Wegezeit“4. Der Begriff „EINSATZPAUSCHALE“, den wir verwenden, soll verdeutlichen, dass es eben nicht nur um die Fahrt selbst geht, sondern auch um die erst noch im Einzelfall notwendige Parkplatzsuche sowie den Weg bis zur Wohnungstür (z.B. im dritten Stock). In einigen Bundesländern wie Saarland, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen werden im Bereich SGB XI bisher die Einsatzpauschalen nicht separat ausgewiesen, auch in einigen Katalogen der Behandlungspflege (SGB V) ist dies der Fall. Allerdings hat der Gesetzgeber mit dem PpSG 2019 die besondere Berücksichtigung längerer Wegezeiten insbesondere im ländlichen Raum ins Gesetz aufgenommen. So soll die Möglichkeit geschaffen werden, insbesondere auch im ländlichen Raum höhere Wegevergütungen zu vereinbaren, um so die Versorgung auch bei längeren Wegen sicherstellen zu können. Das funktioniert technisch jedoch nur, wenn die Wegekosten auch separat, also mit eigenständig verhandelten Positionen ausgewiesen sind. In der Konsequenz müssten alle die Kataloge weiterentwickelt werden, die bisher Wegepauschalen in die Leistungen inkludiert haben, so dass nicht erkennbar ist, zu welchem Anteil der Wegeaufwand refinanziert wird.5 Muss man (z.B. übergangsweise) mit der Stundensatzkalkulation einen Stundensatz inklusive Wegekosten ermitteln, sind die Verbrauchskosten der Fahrzeuge in die Sachkosten zu buchen. Der Stundensatz würde somit die Sachkosten der Einsatzpauschale enthalten. Die Wegezeit des Personals, die sich aus der Anzahl der Einsätze pro Stunde hochgerechnet ableiten muss, muss dann über die entsprechende Reduzierung der Nettoarbeitszeit, bspw. im Punkt „Dienstbesprechung/Übergabe“, berücksichtigt werden. Gedeckelte Systeme wie in Nordrhein-Westfalen (hier darf die Hausbesuchspauschale LK 15 nur zweimal pro Tag abgerechnet werden) lassen sich kalkulatorisch aber auch so kaum als Stundensatzkalkulation darstellen.
3 4 5
Ausführlich dazu: Beschreibung Modell Baden-Württemberg: Heiber, A. (2019), S. 61 ff. § 89 Abs. 3 Satz 3, ebenso wie SGB V, § 132a Abs. 1 Satz 3, Punkt 5 Ausführlich dazu Heiber, A. (2019,2), S. 77 ff.
10 Modell zur Berechnung/Kalkulation99
Zuschläge für ungünstige Zeiten etc. separat darstellen: Je nach Tarifwerk oder Vereinbarung mit den Mitarbeitern werden nachts und/oder am Wochenende teilweise Zuschläge bei den Personalkosten fällig. In einigen Leistungskatalogen sind diese Extrakosten als separate Zuschläge (beispielsweise über eine erhöhte Wegepauschale) vergütet, in anderen sind diese Kosten nicht separat vergütet und damit folglich in den normalen Kosten mit enthalten. Formal müsste man entsprechend differenziert die Kalkulation nutzen: bei Vergütungsvereinbarungen mit separaten Zeitzuschlägen sind die entsprechenden Zeitzuschläge aus den Pflegepersonalkosten herauszurechnen, bei den inklusiven jedoch nicht. In Bundesländern mit separaten Zuschlägen, die an bestimmte Zeiten geknüpft sind (beispielsweise ab 20.00 Uhr abends), führen die dann erhöhten Kosten dazu, dass viele Kunden vor dieser Zeit versorgt werden wollen, weil sie die erhöhten Kosten nicht tragen möchten. Weil dies organisatorisch kaum möglich ist, gibt es hier mögliche Konfliktherde. Einfacher auch für die dauerhafte Steuerung und Planung wären Leistungskataloge ohne differenzierte Zeitzuschläge oder mit Zeitdefinitionen, die auch real umgesetzt werden können.6 Dauerhaft wäre daher zu empfehlen, Zeitzuschläge in die Stundensätze einzurechnen.
10.3 Ermittlung der Kosten Im ersten Teil des Berechnungsmodells werden die Kosten dargestellt: 1. Pflegepersonalkosten: Hier sind die Personalkosten des Pflege-, Hauswirtschafts- und Betreuungspersonals aufgeführt, also der Mitarbeiter, die konkrete Leistungen vor Ort erbringen. Anzugeben sind jeweils die Berufsgruppe, die Anzahl der Stellen (umgerechnet in Vollzeitstellen) sowie die (prospektiven) Gesamtkosten der jeweiligen Gruppe (pro Jahr). Die Berufsgruppen Pflegefachkräfte, Pflegekräfte sowie Pflegehilfen sind fest definiert,7 zwei weitere Berufsgruppenfelder sind frei zu definieren. Zu beachten ist, dass Körperpflegeleistungen, Hauswirtschaft oder Betreuungsleistungen in der Regel eine andere Personalanforderung haben als beispielsweise Behandlungspflege. Deshalb ist
6 7
So sind in Bayern lt. Vergütungsvereinbarung auch Zeitzuschläge in Form höherer Wegepauschalen in der Zeit von 20.00 Uhr bis 8.00 Uhr morgens fällig, während in allen anderen Katalogen die Nacht schon um 6.00 Uhr aufhört, ausführlich Heiber, A. (2019) analog der Definition der Kontierung, Kap. 4.2, S. 40
100
10.3 Ermittlung der Kosten
Berechnung/Kalkula�on einer Leistungsstunde
Berechnung SGB XI
Einrichtung
Interne Auswert
Mustereinrichtung
1. Pflegepersonalkosten
1. Pflegepersona
Berufsgruppen Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfen
Rechn. Stellen
Personalnebenkosten (BG, Arbeitsmed. etc.) Pflegepersonal Gesamt
4,15 4,50 4,01
Summe 255.147 € 221.399 € 170.023 €
12,66
4.070 € 650.639 €
2. Steuerung und Verwaltung Personalkosten für Leitung und Steuerung (PDL + Stellv. + ggfls. Qualitätssicherung (soweit nicht in der Pflege)) Personalkosten Verwaltung + Geschä�sführung Externe Verwaltung Zuschlag Risiken Steuerung/Verwaltung
1,20 0,80
Verwaltung Gesamt 3. Sachkosten Sachkosten - nicht inves�v (ohne Fahrzeugkosten) Medinzisch/therapeu�scher Bedarf Wirtscha�sbedarf Verwaltungsbedarf Steuern, Abgaben, Versicherungen, Zinsen Sons�ge Sachkosten (nicht inves�v), Fortbildung, Qualitätssicherung
Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfen
Personalnebenko
78.893 € 37.630 € 15.387 € 0€
2. Steuerung und Personalkosten f (PDL + Stellv. + g Pflege)) Personalkosten V Kosten Steuerun Legende Zuschla
131.910 €
Erhöhter Leitung
Einarbeitung neu 832 € 3.360 € 17.307 € 3.160 € 780 €
Sachkosten - inves�v (ohne Fahrzeugkosten): nicht bei SGB XI ausfüllen! Mieten Büroaussta�ung, Instandhaltung von Sachanlagen Abschreibungen
3. Sachkosten
0€ 0€ 0€
Zuschlag Risiken Sachkosten
Legende Zuschla Personalgewinnu
0€ Sachkosten Gesamt
Gesamtkosten
25.439 € in Prozent zu Kosten
4. R Unternehmerisches Wagnis Unternehmergewinn + branchenspezif. Wagnis 5.
Berechnung
807.988 €
4. Legende Unte
0,0
Gesamt mit Unternehmensrisiko
0€
Unternehmensg Ambulante Pfleg
807.988 €
Gesamtkosten pro Vollzeitstelle in der Pflege © SysPra.de; Heiber/Ne� 2/2020
63.822 €
6. Leistungszeit pro Vollzeitstelle Anzahl Jahrestage Anzahl arbeitsfreier Tage und Feiertage Arbeitsstunden pro Tag Arbeitstage pro Woche (5-Tage; 5,5-Tage; 6-Tage) Jahresarbeitsstunden Gesamt
365 113 8 5 2.016,0
Urlaubstage pro Jahr Krankheitstage pro Jahr
33,8 15,9 1.618,4 1.618,4
Zwischensumme (Stunden) 0,0
Zeitreduzierung durch Risiken Mitarbeiter Anzahl Mitarbeiter pro Vollzeitstelle Tage für Fort-/Weiterbildung pro Jahr pro Kopf
1,8
Tabelle: 21
2,54
179,9 1.393,88
45,79 € © SysPra.de; Heiber/Ne� 1/2020
in Arbeitswochen* 39,3
44,6
Verfügbare Arbeitszeit für Leistungserbringung pro Jahr = Leistungszeit 7. Kosten pro Leistungsstunde
6. Legende Risike
Std. pro Jahr
3,1
Dienstbesprechung/Organisa�on pro Arbeitswoche in Stunden pro Kopf
Krankheitsquote
Zeitverzögerung Nicht abrechenb Nicht abrechenb
10 Modell zur Berechnung/Kalkulation101
ng SGB XI
Berechnung/Kalkula�on einer Leistungsstunde:
Berechnung SGB XI
Interne Auswertung/Controlling 1. Pflegepersonalkosten Kosten pro Stelle 61.481 € 49.200 € 42.400 € 0 0€ 0 0€ Personalnebenkosten (BG, Arbeitsmed. etc.) Kosten pro Stelle Pflegepersonal Gesamt pro Stelle 51.393 €
Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfen
2. Steuerung und Verwaltung Personalkosten für Leitung und Steuerung (PDL + Stellv. + ggfls. Qualitätssicherung (soweit nicht in der Pflege)) Personalkosten Verwaltung + Geschä�sführung Kosten Steuerung/Verwaltung ohne Zuschlag Legende Zuschlag Risiken Steuerung/Verwaltung
Stellenverhältnis 32,78% 35,55% 31,67% 0,00% 0,00%
Kostenverhältnis 39,21% 34,03% 26,13% 0,00% 0,00% 321 € Pflegepersonalkosten zu Gesamt
Kennzahlen
80,53%
Kosten pro Stelle
65.744 € 47.038 €
Stellen Leitung im Verhältnis Pflegepersonal
9,48%
131.910 €
Erhöhter Leitungsaufwand wegen Änderung Personalzusammensetzung, Einarbeitung neuer Mitarbeiter, höherer Krankheitsrate/Ausfall (auch wegen Alter) Zuschlag in % 0,0% Steuerung und Verwaltung: Kosten pro Pflegepersonalstelle Personalkosten gesamt 3. Sachkosten Sachkosten: Kosten pro Pflegepersonalstelle
10.419,43 94,95% 2.009,40
Legende Zuschlag Risiken auf Sachkosten Personalgewinnungskosten, Forderungsausfall, etc.; nur bei SGB V auch inves�ve Risiken z.B. durch Schäden durch Unfälle Zuschlag Risiken Sachkosten auf Budget Sachkosten
0,0%
4. Legende Unternehmerisches Wagnis Unternehmensgewinn in Deutschland durchschni�lich 4 %; Ambulante Pflege Branchenspezifisches Risiko im Durchschni� 1,39 %
Zuschlag auf Gesamtkosten
0,0%
Krankheitsquote: Tage im Verhältnis zu Jahresarbeitsstunden
6,3%
6. Legende Risiken Mitarbeiter
in Arbeitswochen* 39,3
Zeitverzögerung/Ausfälle wegen Verkehr und Unfälle Nicht abrechenbare Einsätze wegen No�all etc. Nicht abrechenbare Zeit/Leistung wegen gesundheitlicher No�älle Zeitreduzierung Risiken Mitarbeiter in Stunden
Std. pro Jahr 44,6 179,9 1.393,88
© SysPra.de; Heiber/Ne� 1/2020
pro Jahr 0,0
pro Monat 0,0
102
10.3 Ermittlung der Kosten
der Personalmix für Pflegeversicherungsleistungen ein anderer als bei Behandlungspflegeleistungen mit entsprechenden Auswirkungen auf die Preise. Die Personalkosten Leitung und Verwaltung sind unter 2. dargestellt (hier unter 1. wird bei Bedarf nur ihr Pflegeanteil eingerechnet, unter dem Anteil der Fachkräfte). Zur besseren Transparenz auch in Bezug auf einen späteren Nachweis der Personalkosten sind die Personalnebenkosten wie die Kosten für die Berufsgenossenschaft separat dargestellt und nicht den konkreten Berufsgruppen zugeordnet. Die Kosten sind in der Musterkostenrechnung unter dem Bereich 4. ebenfalls getrennt dargestellt. Neben der Angabe der Kosten pro Berufsgruppe ist anzugeben, auf wie viele Mitarbeiterstellen sich diese Kosten verteilen. Die Mitarbeiterstellenanzahl (umgerechnet in Vollzeitstellen) dient später als Divisor, denn nur diese hier dargestellten Mitarbeiter können Leistungen erbringen, die abrechenbar sind. 2. Kosten für Steuerung und Verwaltung: Hier werden die Kosten der Leitungskräfte (PDL, Stellv. PDL sowie QM-Mitarbeiter) dargestellt, allerdings nur mit dem Anteil, mit dem sie dafür tätig sind. Wenn beispielsweise die PDL auch teilweise noch abrechnungsfähige Leistungen wie zum Beispiel Erstgespräche oder Beratungsbesuche nach § 37.3 SGB XI erbringt, ist dieser Kosten- und Zeitanteil bei den Pflegepersonalkosten zu berücksichtigen (beispielsweise mit 10 % als Fachkraft, 90 % hier als Leitungskraft). Dazu kommen Kosten für eigene Verwaltungskräfte und Geschäftsführungsanteile oder alternativ/ergänzend Kosten für externe Verwaltung (beispielsweise für Finanz- und Personalbuchhaltung, Geschäftsführung etc.). Die Kosten finden sich in der Musterkostenrechnung unter 4. bzw. 5. Für eine prospektive Kalkulation ist ein Risikozuschlag für den potenziellen Aufwand durch erhöhte Personalausfälle, Umplanungen und Einarbeitung neuer Mitarbeiter zu berücksichtigen 3. Sachkosten: Die Sachkosten sind bedingt durch den Investitionskostenbegriff der Pflegeversicherung in zwei Bereiche eingeteilt, zusätzlich sind die Fahrzeugkosten hier (dann) nicht zu berücksichtigen, weil (und wenn) sie in der Einsatzpauschale separat berechnet werden. 3a Sachkosten – nicht investiv (ohne Fahrzeugkosten): in der Musterkostenrechnung unter 6. Medizinisch/therapeutischer Bedarf: zum Beispiel Blutzuckermessgeräte, Blutzuckermessstreifen, Einmalspritzen etc. (nur Bereich SGB V) oder Pflegeverbrauchsmaterial wie Schutzhandschuhe, Einmalschürzen, Desinfektionsmittel (im SGB V als auch im SGB XI).
10 Modell zur Berechnung/Kalkulation103
Wirtschaftsbedarf: Verbrauchskosten beim Betrieb des Dienstes, bspw. Dienstkleidung, aber auch Heizkosten etc. Verwaltungsbedarf: Büromaterial und anderer Verwaltungsbedarf, Telefonkosten etc. Steuern, Abgaben, Versicherungen: außer Fahrzeugkosten Sonstige Sachkosten (nicht investiv): z. B. Fortbildungs- und Beratungskosten, Qualitätssicherung etc. 3b Sachkosten – investiv (ohne Fahrzeugkosten): diese Aufwendungen werden nur bei der Berechnung der Stundensätze SGB V sowie Privat berücksichtigt (siehe Investitionskosten SGB XI, S. 19). In der Musterkostenrechnung unter 7. zu finden. Mieten: Büro- oder Raummiete Büroausstattung, Instandhaltung von Sachanlangen: Büromöbel, Ausstattung, aber auch Wartungsverträge für Geräte, Softwarewartung Abschreibungen: Abschreibungen auf Sachanlagen In einer prospektiven Kalkulation ist ein Risikozuschlag bei den Sachkosten zu berücksichtigen, der besondere Kosten der Personalgewinnung, aber auch Forderungsausfälle oder im investiven Bereich unvorhersehbare Kosten durch Unfälle etc. kalkuliert. Die in der Musterkostenrechnung unter 8. dargestellten Aufwendungen (Abschreibungen Forderungen, Spenden an Dritte, Andere Verbandsumlagen werden in der Stundensatzberechnung nicht berücksichtigt. Denn sie gehören nicht zu den normalen, sondern zu den außerordentlichen Aufwendungen, die im Regelfall nicht anfallen sollten (siehe auch Kontenrahmen, S. 187). 4. Vergütung Unternehmerisches Wagnis Der Zuschlag auf die Gesamtkosten beinhaltet den kalkulatorischen Unternehmergewinn sowie das branchenspezifische Wagnis, er wird hier als prozentualer Wert definiert. 5. Gesamtkosten Die Positionen 1–4 addiert bilden die Gesamtkosten ab, die dann durch die Anzahl der Vollzeitstellen (Pflegepersonal) dividiert werden und so zu den Kosten pro Vollzeitstelle führen.
104
10.4 Definition der verfügbaren Leistungszeit
10.4 Definition der verfügbaren Leistungszeit Unter „6. Leistungszeit pro Vollzeitstelle“ werden die verfügbaren Arbeitsstunden ermittelt, die für abrechnungsfähige Leistungen zur Verfügung stehen. Den früher verwendeten Begriff „Nettoarbeitszeit“ haben wir ersetzt, weil dieser Begriff auch im stationären Bereich genutzt, dort aber anders definiert ist. Durch einen neuen Begriff soll mehr Klarheit bei der Definition und in der Diskussion geschaffen werden Folgende Werte sind einzutragen: • Anzahl Jahrestage pro konkretem Jahr, • Anzahl der arbeitsfreien Tage und Feiertage: Die Anzahl der Feiertage ist je nach Bundesland verschieden. Die Anzahl der arbeitsfreien Tage richtet sich auch nach der Anzahl der Arbeitstage pro Woche (5-, 5,5- oder 6-Tagewoche), • Arbeitsstunden pro Tag: je nach Arbeitszeitmodell, • Arbeitstage pro Woche: 5-, 5,5- oder 6-Tagewoche. Die Zwischensumme benennt die möglichen Jahresarbeitsstunden. Im nächsten Schritt sind davon die Ausfalltage abzuziehen: • Urlaub: umfasst neben den Urlaubstagen auch Bildungsurlaub oder Mutterschutzzeiten; die Urlaubstage differieren auch je nach Modell der Wochenarbeitstage, • Krankheitstage pro Jahr. Die folgende Zwischensumme benennt die Jahresarbeitsstunden abzüglich Urlaub und Krankheit, dazu kommen: • Zeitreduzierung durch Risiken Mitarbeiter Hierunter sind kalkulatorische Zeitanteile zu verstehen, die während der Einsätze/ Touren unvermeidlich sind, wie Verzögerungen durch Verkehr, Baustellen und Unfälle, nicht abrechenbare Einsätze oder Leistungen/Zeiten wegen Notfällen. Daraus resultiert die nächste Zwischensumme als verfügbare Arbeitszeit nach Urlaub, Krankheit und prospektiv Risiken. • Anzahl Mitarbeiter pro Vollzeitstelle Da einige Arbeitszeitanteile nicht pro Vollzeitstelle, sondern pro Kopf zu definieren sind, ist festzuhalten, wie viele Mitarbeiter rechnerisch auf eine Vollzeitstelle kommen. Denn die Positionen „Fortbildung“ sowie „Dienstbesprechung/Übergabe“ sind pro Mitarbeiter
10 Modell zur Berechnung/Kalkulation105
zu berechnen; schließlich muss jeder Mitarbeiter nachweisbar eine jährliche Hygienebelehrung absolviert haben oder auch eine aktuelle Notfallschulung nachweisen, unabhängig von der tatsächlichen Wochen- oder Jahresarbeitszeit. • Tage für Fort- und Weiterbildung pro Jahr: Eintrag pro Mitarbeiter Durchschnittliche Anzahl der Fort- und Weiterbildungstage pro Jahr und Mitarbeiter. Gegebenenfalls unterschiedlich in den Bereichen SGB V und SGB XI bzw. in den Leistungsarten (Grundpflege, Hauswirtschaft, Häusliche Betreuung), daher theoretisch je nach Kalkulation unterschiedlich hoch. • Zeit für Dienstbesprechung/Organisation pro Arbeitswoche und Mitarbeiter: Hier wird die dafür notwendige Zeit pro Woche hinterlegt. Es sind sowohl die täglichen Rüstzeiten des Personals (Organisation von Schlüsseln, Materialbesorgung, Fahrzeuge tanken und pflegen, Kontrolle der Arbeitsaufträge im Tourenplan, Abgabe der Schlüssel, Hinweise ins Übergabebuch, Organisation von Kontakten etc.) wie auch die in der Regel wöchentlichen Dienstbesprechungen zu berücksichtigen. Dabei ist je nach Kalkulation zu unterscheiden zwischen den unterschiedlichen Tätigkeiten je nach Leistungsträger: so gehören beispielsweise „Arztgespräche“ im Regelfall allein in den Bereich SGB V (und nicht zu SGB XI). Leistungen, für die eine Vergütung abgerechnet wird (zum Beispiel Medikamentenmanagement als Privatleistung etc.), sind hier nicht aufzuführen, weil sie über konkrete Leistungen refinanziert sind.8 Auch dürfte der Dienstbesprechungsaufwand im Bereich SGB V höher sein als im SGB XI; bei Hauswirtschaft- oder Betreuungsleistungen dürfte der Aufwand mutmaßlich geringer sein als bei Grundpflegeleistungen.
7. Kosten pro Leistungsstunde Die so definierte Leistungszeit bildet den Divisor für die Gesamtkosten, um die Kosten pro Leistungsstunde (= abrechenbare Arbeitszeit vor Ort und Wegezeit) zu ermitteln.
10.5 Auswertung und Kennzahlen Im rechten Teil des Kalkulationsmodells erfolgt die Auswertung in Kennzahlen. Auch sind hier weitere Konkretisierungen insbesondere der Risikofaktoren beschrieben. 1. Pflegepersonalkosten Folgende Auswertungen werden dargestellt
8
siehe Hinweise zur Erfassung und Abgrenzung, Seite 58
106
10.5 Auswertung und Kennzahlen
• Pflegepersonalkosten pro Berufsgruppe pro Stelle: Diese Darstellung kann auch zur Plausibilisierung genutzt werden, indem die hier dargestellten Personalkosten mit den Daten der Lohnbuchhaltung, insbesondere den Jahreslohnjournalen, verglichen werden. Weichen hier die Werte ab, kann dies insbesondere auch daran liegen, dass die Umrechnung/Ermittlung der rechnerischen Stellen fehlerbehaftet ist. Insbesondere, wenn Urlaubs- oder Mehrarbeitsstunden ausgezahlt wurden, diese aber nicht rechnerisch dem Stellenanteil ergänzend zugeordnet wurden. • Personalmix der Berufsgruppen im Verhältnis: prozentuale Angabe im Stellenanteil und im Kostenanteil. • Durchschnittkosten aller Pflegepersonalkosten pro Stelle. • Prozentsatz der Pflegepersonalkosten zu den Gesamtkosten. Dabei bilden nicht nur in unserem Beispiel die Pflegepersonalkosten den höchsten Kostenblock (Hinweis: Dies sind Beispielzahlen, aber keine realen Werte, die als Benchmarks dienen können!). Ein Vergleich der Kostenblöcke Pflegepersonalkosten, Leitung und Verwaltung sowie Sachkosten ergibt keine brauchbaren Erkenntnisse, denn die Verhältnisse geben keine Hinweise auf sinnvolle Kennzahlen oder Anhaltswerte: Je höher die vereinbarten Personalkosten sind (z.B. wegen Tarifwerk), desto geringer sind im Verhältnis die Sachkosten. In manchen Bundesländern werden bei Verhandlungen solche Benchmarks genutzt, die jedoch nicht valide sind: denn die Höhe der Sachkosten wird nicht beeinflusst von Tarifwerken, sondern eher von anderen Faktoren, wie Standort, Organisation, etc. Dazu kommt, dass die Definition insbesondere von Sachkosten oft nicht einheitlich ist. In der Praxis werden unter Sachkosten oft auch Teile der Verwaltungskosten verstanden, beispielsweise wenn die Personalabrechnung über einen Steuerberater abgewickelt wird und dieser dafür eine Rechnung schreibt. Wenn man dauerhaft zur Plausibilisierung von Kalkulationen Kennzahlen nutzen will, ist eine einheitliche und saubere Abgrenzung Voraussetzung dafür. 2. Steuerung und Verwaltung Folgende Auswertungen stehen zur Verfügung • Kosten pro Stelle Leitung/Steuerung • Kosten pro Stelle Verwaltung und Geschäftsführung: da hier im Einzelfall zwei sehr unterschiedlich hoch bezahlte Berufsgruppen auftauchen können, ist der Durchschnittswert unter Vorgehalt zu betrachten.
10 Modell zur Berechnung/Kalkulation107
• Kennzahl Stellen Leitung/Steuerung im Verhältnis Pflegepersonalstellen. Mit dieser Kennzahl, die Thomas Sießegger schon vor langer Zeit eingeführt hat,9 ist das Verhältnis von Leitungskräften zu geleiteten Mitarbeitern (in Stellen) zu betrachten. Hier ist jedoch nicht erkennbar, wie viele Mitarbeiter sich eine Stelle teilen (siehe aber Punkt 6 des Modells), da der Leitungsaufwand höher ist, je mehr Mitarbeiter pro Stelle zu leiten sind (mehr Fragestellungen, weniger Routine durch kürzere Arbeitszeiten etc.). • Risikozuschlag für Leitungskosten: Auswertung in % zu Leitungskosten. • Kennzahl: Gesamtkosten Steuerung und Verwaltung pro Pflegepersonalstelle. Diese Kennzahl wird allerdings immer auch durch die arbeitsrechtlich vereinbarten Vergütungshöhen der Leitungskräfte beeinflusst. Sie könnte trotzdem ein hilfreicherer Vergleichswert sein als das Verhältnis der Kostenblöcke (wie oben beschrieben). 3. Sachkosten Sachkosten pro Vollzeitstelle: Die Sachkosten werden ebenfalls im Verhältnis der Pflegepersonalstellen als Kennzahl dargestellt. Zuschlag Risiken Sachkosten: Auswertung in Prozent zu Sachkosten 4. Unternehmerwagnis Verhältnis in Prozent zu Gesamtkosten (inhaltliche Beschreibung siehe Seite 84) 5. Leistungszeit Krankheitsquote: Krankheitstage (bzw. umgerechnete Stunden) im Verhältnis zu Jahresarbeitsstunden Risiken Mitarbeiter bei der Leistungserbringung: Umrechnung der Prozentzahl in Stunden pro Jahr bzw. Monat, dient auch zur Plausibilisierung des Eintrags.
10.6 Berechnung der Einsatzpauschale In der Berechnung der Arbeitszeit pro Einsatz wird die tatsächliche durchschnittliche Wegezeit pro Einsatz benötigt. Die Zeit ist definiert als die Wegezeit von „Wohnungstür“ zu „Wohnungstür“ einschließlich der Zeit für Parkplatzsuche sowie der Laufzeit bis zur Wohnungstür. Zur Ermittlung siehe auch Kap. 5.6 S. 60.
9
z.B. Sießegger, T. (2009), S. 193
108
10.6 Berechnung der Einsatzpauschale
Im zweiten Teil wird der Sachaufwand pro Kilometer erfasst, soweit ein Transportmittel wie Auto, Fahrrad, Roller etc. genutzt wird (bei Fußgängertouren gibt es keinen Sachaufwand). Die Verbrauchskosten pro Kilometer sind hier einzutragen (also nur die Kosten für Kraftstoff, Steuer, Versicherung). Bei einer Berechnung außerhalb SGB XI sind im zweiten Feld die dazugehörigen Investitionskosten einzutragen (siehe Investitionskostenbegriff, S. 19). Dazu kommt die durchschnittliche Anzahl Kilometer pro Einsatz. Rückfahrt Bei der klassischen Betrachtung gibt es pro Kunde eine Einsatzpauschale für den Fahrtaufwand zu ihm (vom Büro oder vom vorherigen Kunden). Aber als Wegezeit wird auch die Fahrt vom letzten Kunden zurück zum Büro/Stützpunkt erfasst und zu berücksichtigen sein. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Tourenplanung dezentral organisiert ist und damit der Arbeitsbeginn beim ersten und das Arbeitsende beim letzten Kunden ist und zusätzlich der Mitarbeiter an diesem Tag nicht (z.B. während der Tour) ins Büro fährt. Der Begriff „Rückfahrt“ muss jedoch nicht bedeuten, dass hier automatisch immer die Fahrt ins Büro gemeint ist. Ein Alternativbegriff wie „Leerfahrt“ wird jedoch in anderen Themenfeldern anders verstanden (kein Einsatz) und wird daher hier nicht genutzt. Diese Rückfahrt, die im Regelfall pro Tour anfällt, muss kalkulatorisch berücksichtigt werden. Sie den Organisationszeiten zuzurechnen, würde jedoch auch verhindern, dass die Sachkosten der Fahrt berücksichtigt werden, denn diese sind kalkulatorisch nicht in den Sachkosten des Stundensatzes enthalten. Sinnvoller ist ein Rückfahrtzuschlag auf die vorhandenen Wegepauschalen. Dazu wird als Kalkulationsbasis eine durchschnittliche Kundenanzahl pro Tour erhoben, so kann man die Wegepauschalen kalkulatorisch entsprechend um diesen Faktor erhöhen. Bei der Ermittlung dieses Wertes ist zu beachten, dass hier jeweils auf die durchschnittliche
Anzahl der refinanzierten Wegekosten Klassische Tour: von Büro/Anlaufstelle/Zentrale Büro
1. Kunde
Wegepauschale Kunde
1. Kunde
2. Kunde
Wegepauschale Kunde
2. Kunde
3. Kunde
Wegepauschale Kunde
3. Kunde
4. Kunde
Wegepauschale Kunde
4. Kunde
x. Kunde
Wegepauschale Kunde
x.Kunde
Büro
Leerfahrt
Tabelle: 22
10 Modell zur Berechnung/Kalkulation109
Anzahl der zu kalkulierenden Leistung abgestellt wird: Bei Sachleistungen SGB XI werden beispielsweise nicht die Einsätze der Privat- und Kostenerstattungsleistungen dazu gerechnet (die im Regelfall in kürzeren Touren mit weniger Einsätzen organisiert sind). Wird die Einsatzpauschale zur Behandlungspflege SGB V kalkuliert, dürfte die durchschnittliche Einsatzmenge pro Tour wiederum höher sein als bei Sachleistungen SGB XI. Vor dem Hintergrund der Nachvollziehbarkeit der Kalkulation dürfte dies die transparenteste Lösung sein. Dauerhaft sollte das genutzte Softwareprogramm in der Lage sein, solche Auswertungen differenziert nach Teilbereichen zu liefern. Ersatzweise könnte eine manuelle Auszählung für eine Woche gute und plausible Werte liefern. Beschreibung der Eintragfelder (Tabelle 23). 1. Zeitaufwand: Eintrag des Zeitaufwandes pro Einsatz Wegezeit; der im vorherigen Arbeitsschritt ermittelte Stundensatz wird hier übernommen.
Berechnung einer Einsatzpauschale 1. Zeitaufwand Stundensatz Mitarbeiter
45,79 €
Wegezeit pro Einsatz in Minuten (von Wohnungstür zu Wohnungstür)
6,5
Kosten Zeitaufwand pro Einsatz
2,98 €
2. Sachaufwand Verbrauchskosten pro Kilometer (Kra�stoff, Steuer, Versicherung) Inves��onskosten pro Kilometer (nicht bei SGB XI!)
0,15 € -
€
Durchschni�liche Anzahl gefahrener Kilometer pro Einsatz
3,5
Kosten Sachaufwand pro Einsatz
0,53 €
Anzahl durchschni�liche Einsätze pro Tour
8,0
3. Berücksich�gung Rückfahrt
3,94 €
4. Gesamtaufwand pro Einsatz nachrichtlich: ohne Rückfahrt
Tabelle: 23
3,50 €
110
10.6 Berechnung der Einsatzpauschale
2. Sachkosten (für Fahrzeuge): Beim Sachkostenaufwand ist zu berücksichtigen, für welchen Leistungsbereich hier die Kosten ermittelt werden: im Bereich Pflegeversicherung nur die Verbrauchskosten Kraftstoffe, Steuer, Versicherung, ohne investive Anteile; im Bereich Behandlungspflege oder Privatleistungen mit investiven Anteilen. Dazu kommen die Anzahl der gefahrenen Kilometer pro Einsatz/Hausbesuch. 3. Berücksichtigung Rückfahrten: Anzahl der durchschnittlichen Einsätze pro Tour, um auf diese die zusätzliche ‚Leerfahrt‘ zu verteilen. Der Berechnungsweg: Werden beispielsweise 8 Einsätze pro Tour gefahren, muss eine zusätzliche Wegepauschale auf die 8 Einsätze verteilt werden, so das bei 8 Einsätzen rechnerisch 9 Einsatzpauschalen abgerechnet werden. 4. Gesamtaufwand pro Einsatz = Kosten pro Einsatz Nachrichtlich werden die Kosten ohne die obligatorische Rückfahrt mitgeteilt.
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 111
11 Praxis der Kalkulation Beim Ausfüllen des Berechnungsschemas müssen immer die zwei schon angesprochenen Sichtweisen unterschieden werden: • Ist-Kostenberechnung = retrospektiv • Prospektive Kalkulation Wenn die Stundensätze auf der Basis der Kostenrechnung für die verschiedenen Teilbereiche SGB XI, SGB V etc. ermittelt werden, unterscheiden sie sich nur dann, wenn die Kostenrechnung nicht nach Umsatz, sondern differenziert nach Aufwand sowie Anzahl der Einsätze (4. Variante) erstellt wurde. Bei einer Verteilung nach Umsatz wird weder die unterschiedliche Personalzusammensetzung im SGB V (höherer Fachkraftanteil im Gegensatz zu SGB XI und anderen) noch der unterschiedliche Aufwand für Steuerung und Verwaltung (im Bereich SGB V vielmehr Einsätze pro Stunde mit höherem Verwaltungs- und Abrechnungsaufwand) berücksichtigt. Heraus kommt eigentlich nur ein Stundensatz für den Gesamtbetrieb „Ambulante Pflege“. Um eine sinnvolle prospektive Kalkulation zu erstellen, empfiehlt sich folgendes Vorgehen (das natürlich eine verursachungsgerechte Kostenrechnung voraussetzt: • 1. Erstellen einer Ist-Kostenberechnung auf der Basis der verursachungsgerechten Kostenrechnung • 2. Plausibilisierung der Zahlen • 3. Prospektive Kalkulation durch Ergänzung der Istkosten um zu erwartende Kostensteigerungen Plausibilisierung der Zahlen Bei der Nutzung des Modells gibt es einige klassische Fehler zu vermeiden: • Plausibilisierung der Personalkosten: Durch die rechnerische Ausweisung der Stellen ist einfach zu überprüfen, ob die eingegebenen Zahlen real sind: wenn die rechnerischen Jahresgehälter pro Stelle abweichen von den realen Zahlen aus den Jahreslohnjournalen, ist oft der Divisor = Stellenanteil unzureichend ermittelt. Es reichen nicht allein die beispielsweise in Wirtschaftsplänen definieren Stellenanteile, es müssen dazu noch die möglicherweise anfallenden, bezahlten oder aufgelösten Plusstunden sowie evtl. aufgelösten Urlaubsrückstellungen berücksich-
112
tigt werden: den verbuchten Kosten müssen die real damit finanzierten Arbeitszeiten gegenüber gestellt werden. • Leitung/Steuerung im Verhältnis: Bei den Leitungskosten unter Punkt 2 sind nicht die formal freigestellten Stellenanteile von Leitungskräften zu berücksichtigen, sondern nur der Stundenanteil, den diese nicht selbst Leistungen erbracht und abgerechnet haben. Insbesondere die Beratungsleistungen (Erst- und Folgegespräche, Beratungsbesuche nach § 37.3 oder Schulungen nach § 45) oder Spontanvertretungen wegen Ausfall werden meist von Leitungskräften erbracht: Diese Stundenanteile gehören rechnerisch in die Pflegepersonalkosten (Fachkraft), nur die restlichen Zeitanteile, in denen keine abrechenbaren Leistungen erbracht werden, gehören zu den Leitungs- und Steuerungszeiten. • Anteil Verwaltung/Geschäftsführung: Insbesondere bei komplexen Verbänden/ Trägern mit vielen Betriebsteilen ist die Verteilung von Overheadkosten oft ein Politikum. Es gibt dann eher tradierte Schlüssel wie Verteilung nach Einrichtungen oder Kostentragfähigkeitsprinzip: Nur sind beide nicht leistungsgerecht in dem Sinne, dass hier die Kosten entsprechend der damit erbrachten Leistungen verteilt werden. Dabei ist die Verteilung vieler Kostenbestandteile einer zentralen Verwaltung nachvollziehbar zu gestalten: so kann die Personalabrechnung nach Anzahl der Mitarbeiter, die möglicherweise zentrale Leistungsabrechnung nach Zeitaufwand pro Station, Geschäftsführungskosten ebenfalls nach geschätztem Zeitaufwand usw. verteilt werden. Es geht immer um die durch den Pflegedienst tatsächlich verursachten Kosten. Dazu ein Beispiel: Ein Wohlfahrtsverband hat neben dem Pflegedienst noch die Abteilungen Hausnotruf, Kindergarten und Fahrdienste. 75 % des Umsatzes erbringt der Pflegedienst. Der Pflegedienst arbeitet weitgehend eigenständig unter Leitung der PDL, der Geschäftsführer des Verbandes kümmert sich hauptsächlich um die anderen Bereiche, faktisch hat er nur in etwa 10 % seiner Arbeitszeit mit Fragen des Pflegedienstes zu tun. Folgende Verteilungsschlüssel des Geschäftsführergehaltes wären nicht nachvollziehbar: – Verteilung nach Umsatz = 75 % auf die Kostenstelle Pflegedienst (Kostentragfähigkeitsprinzip), – Verteilung nach Anzahl Einrichtungen = 25 % der Betriebsteile auf die Kostenstelle Pflegedienst.
11 Praxis der Kalkulation113
Eine Verteilung von 10 % wäre entsprechend dem Arbeitsaufwand nachvollziehbar. • Krankheitstage: Hier sollten bei der Ist-Kostenberechnung nur die Krankheitstage ermittelt und pro Vollzeitstelle errechnet werden, für die dem Pflegedienst auch Kosten im Rahmen der Lohnfortzahlung entstehen. Zeiten für Dauerkranke außerhalb der Lohnfortzahlung sind hier ebenso wenig zu erfassen wie Freistellungen wegen Schwangerschaft, die über das Aufwendungsausgleichsgesetz refinanziert werden. Denn wenn keine Kosten für den Pflegedienst entstehen, weil diese erstattet werden, können/sollten auch keine Kosten in einer Kalkulation/ Nachberechnung zu berücksichtigen sein. • Aufwand für Fort- und Weiterbildung: Hier sollte nicht nur der durch externe Referenten nachweisbare Fortbildungsaufwand berücksichtigt werden, sondern, soweit dokumentiert oder dokumentierbar der Aufwand interner Fortbildungsanteile beispielsweise im Rahmen von Dienstbesprechungen etc. Nicht dazu zu rechnen sind Weiterbildungen zu bestimmten Qualifikationen wie PDL, Palliativfachkraft etc. Diese einmaligen Kosten gehören kalkulatorisch nicht in den hier zu dokumentierenden Fortbildungsaufwand, weil es einmaliger Sonderaufwand ist. Dieser könnte beispielsweise über ‚Gewinnanteile‘ refinanziert werden oder zumindest analog einer ‚Abschreibung‘ auf mehrere Jahre verteilt werden. • Ermittlung Zeiten für Dienstbesprechung/Organisation: Während sich die wöchentlichen oder monatlichen Dienstbesprechungszeiten sauber ermitteln lassen, gibt es bei den anderen Organisationszeiten oft sehr große Spannen und Unterschiede: Im Regelfall liegt es einerseits an der genauen abgegrenzten Definition (so gehört der Zeitaufwand zum Bestellen von Medikamenten in die Privatleistung Medikamentenmanagement, nicht aber in nicht direkt refinanzierte Organisationsleistungen, siehe Seite 60), aber auch evtl. an fehlender Planung und Steuerung von Organisationszeiten: Diese müssen genauso geplant werden wie andere konkrete Einsätze, ansonsten besteht die Gefahr der willkürlichen Aufschreibung von Zeiten.1
11.1 Istkostenberechnung des Stundensatzes Bei der Istkostenberechnung (Abb. 21 und 23) werden die Daten aus der bisherigen Kostenrechnung übernommen. Auch die Werte für die Definition der Leistungszeit, insbesondere in Bezug auf tatsächliche Krankheitstage, Fortbildung und Or1
ausführlich dazu: Heiber, A./Nett, G. (2014), S. 175 ff.
114
11.1 Istkostenberechnung des Stundensatzes
ganisationszeiten, stammt dann sinnvollerweise aus den Istdaten der vorherigen Periode. Dieser so ermittelte Stundensatz enthält keinerlei Risiko- oder Gewinnzuschläge, weil alle Risiken in der vergangenen Periode ‚realisiert‘ (= bezahlt) sind und das Ergebnis den tatsächlichen Gewinn oder Verlust darstellt. Diese Ist-Kostendarstellung enthält auch keinerlei mögliche/notwendige Rücklagen etc., sondern beschreibt nur die reale Istkostensituation. So sind in den Istkosten die echten Zeiten für Dienstbesprechung/ Organisation mutmaßlich höher als in der Kalkulation, wo das Risiko von Ausfällen über den Risikofaktor Zeitreduzierung abgedeckt wird. Der Stundensatz der Istkosten/Nachkalkulation eignet sich nicht als Basis für zukünftige Fragestellungen wie zum Steuern in der Tourenplanung. In vielen Softwareprogrammen für die ambulante Pflege, insbesondere bei Koppelung mit einer Einsatzplanung, sind Stundensätze die Voraussetzung, um eine Kostendeckung von Einsätzen und Touren auszurechnen. Auch wenn dieser Ansatz („erlösorientierte Einsatzplanung“) weder inhaltlich noch vertragstechnisch richtig und sinnvoll ist,2 sollten, falls Stundensätze eingetragen werden, nur solche genutzt werden, die auf einer differenzierten und damit verursachungsgerechten Kostenrechnung beruhen, aber eben auch die prospektiven Bestandteile beinhalten. Daher kann hier nicht der Stundensatz einer Nachberechnung genutzt werden, sondern nur prospektiv kalkulierte Stundensätze. Der Ist-Kostenstundensatz kann für eine Nachberechnung und Abgleich zur Ertragssituation genutzt werden, genauso für einen internen Vergleich verschiedener Dienste eines Trägers. Die mit den Istkosten ermittelten Kennzahlen und Verhältnisdaten könnten auch Grundlage für die Definition von Benchmarks betriebsintern, aber auch verbandsintern oder sogar verbandsübergreifend sein. Denn es fehlen zur Führung von ambulanten Vergütungsverhandlungen differenzierte und aussagekräftige Kriterien, um damit beispielsweise einen externen Vergleich zu erstellen oder Korridore zu definieren, innerhalb derer eine wirtschaftliche Betriebsführung zu vermuten ist. Der Ist-Kostenstundensatz bildet dann die Grundlage für die prospektive Kalkulation.
2
Ausführlich: Heiber, A./Nett, G. (2014), S. 195
11 Praxis der Kalkulation115
11.2 Stellschrauben der Kalkulation Überträgt man die Ist-Kosten in die Kalkulation (siehe Tab. 24 – 25), beispielsweise wie in unserem Beispiel mit erhöhten Personalkosten von 6 % und erhöhten Sachkosten von 2 %, bilden diese Zahlen zwar die Grundlage für eine Verhandlung. Sie bilden die reale Situation im Pflegedienst ab, aber trotzdem stellt sich die Frage, ob die Höhe der jeweiligen Kalkulationspositionen plausibel und wirtschaftlich sind: diese beiden Prüfschritte werden die Leistungsträger bei jeder Vergütungsverhandlung vornehmen.
Zwischenfrage: Stimmen die alten Preise? In der stationären Pflege gibt es in jedem Bundesland klare strukturelle Vorgaben und daraus resultierend Kennzahlen: So sind Personalschlüssel oder Korridore auch für Leitung und Verwaltung im Verhältnis der zu versorgenden Bewohner definiert, die im Rahmen einer Kalkulation einfach überprüft werden können. Bei Abweichungen von diesen Schlüsseln oder Korridoren bedarf es besonderer Begründungen. Diese vereinbarten Schlüssel und Kennzahlen gibt es in der ambulanten Pflege nicht. Das liegt nicht nur am differenzierten Leistungssystem mit mindestens drei verschiedenen Bereichen Pflegeversicherung, Krankenversicherung sowie Privat, sondern auch an der historischen Entwicklung der Vergütungen: Diese stammen alle aus landesweiten Vereinbarungen, die je nach Bundesland schrittweise differenziert wurden, beispielsweise nach Trägergruppen und Verbänden, die bis auf im Verhältnis wenige Einrichtungen eben nicht einzeln verhandelt wurden. Es gibt aktuell nur außer in Nordrhein-Westfalen und wohl auch Thüringen kein Bundesland, dass ein dem stationären Bereich vergleichbares Nachweisschema vereinbart hat mit der Folge, dass es kaum außerhalb dieser Länder echte Einzelverhandlungen gab. Aktuell kann man jedoch eine Zunahme von Einzelverhandlungen über alle Bundesländer sehen, allerdings noch in sehr kleinen Zahlen. Wie schwer es ist, landesweit einheitliche Schemata zur Kalkulation bzw. Kostennachweis zu entwickeln und einzuführen, kann man gerade beispielsweise in Niedersachsen sehen. Hier gibt es seit Jahren Streit um geeignete Nachweise, die auch die Schiedsstelle nicht gelöst hat. Mit dem von der Landesregierung umgesetzten Prozess zum KAP Niedersachsen3 gibt es nun konkrete Planungen für ein landesweit gültiges
3
Infos siehe dazu: https://www.ms.niedersachsen.de/startseite/gesundheit_pflege/pflege/konzertierte-aktion-pflege-niedersachsen-kap-ni-gestartet-181846.html (Stand 22.04.2020)
116
11.2 Stellschrauben der Kalkulation
Kalkulationsschema sowie vereinfachte Nachweisverfahren.4 Andere Bundesländer sind noch nicht so weit, so dass es oftmals keine verlässlichen Vergleichsparameter und validen Vergleichsdaten gibt. Obwohl, wie schon oben hingewiesen wurde, die Vertragsparteien dazu aufgefordert sind (siehe Seite 82). Das heißt auch praktisch, dass die bisherig geltenden Vergütungen nicht wirklich auf der Basis von konkreten Faktoren und Verhältnissen ermittelt wurden, sondern nur fortgeschrieben sind. Auch das ist sicherlich ein Grund für die krassen Vergütungsunterschiede zwischen den Bundesländern.5 Welche Konsequenzen hat diese Feststellung? • Die bisher vereinbarte Vergütungsvereinbarung scheint zwar in irgendeiner Form (und sei es in der Mischfinanzierung mit anderen Leistungen) ausreichend zu sein, ansonsten hätten die Pflegedienste (schon eher) verhandelt, aber eine valide Grundlage im Sinne einer nachvollziehbaren Kalkulation gab es nicht. Also müssten in Verhandlungen eigentlich alle Grundlagen geprüft werden. • Da die Leistungsträger die bisher gültige Vergütungsvereinbarung ebenfalls als plausibel und wirtschaftlich anerkannt haben (siehe Seite 149), können sie nicht ohne Verlust der Glaubwürdigkeit (und vielleicht unter Anerkennung der Verletzung ihrer gesetzlichen Sorgfaltspflicht) diese in einer neuen Vergütungsverhandlung grundsätzlich anzweifeln. Für Leistungsträger heißt das auch, dass sie zwar Transparenz und Plausibilität der vorgelegten Kalkulation verlangen dürfen, sie gleichzeitig aber die bisherige Vergütungsvereinbarung als Ausgangsmaßstab nehmen müssen. Für Pflegedienste heißt das auch, dass nicht in jedem Fall die vorhandenen Strukturen widerspruchslos refinanziert werden müssen, sondern diese müssen unter dem Gesichtspunkt der Plausibilität und Wirtschaftlichkeit überprüft werden. Auf diese Gradwanderung läuft jede Vergütungsverhandlung hinaus, die daher dringend konkretere Rahmenbedingungen benötigt, damit nicht in jeder Verhandlung Grundsatzdiskussionen geführt werden müssen. Die gesetzliche Grundlage zur Schaffung solcher Verhandlungsgrundlagen steht im Gesetz, sie müsste auf Landesebene nur umgesetzt werden (siehe Seite 84).
4 5
Ob der Zeitplan, diese Ergebnisse im Juni 2020 vorzustellen, zu halten ist, dürfte angesichts der aktuellen Coronakrise bezweifelt werden. siehe Heiber, A. (2019)
11 Praxis der Kalkulation117
Für die strategische Planung und Kalkulation stellt sich die Frage, mit welchen Faktoren man eine Kalkulation wie beeinflussen kann, was also Auswirkungen auf den Preis hat. Aber auch, ob bestimmte gewählte Wege von den Leistungsträgern als unwirtschaftlich bestritten werden können. Daher gilt es, die Stellschrauben der Kalkulation kritisch zu beleuchten.
Der Personalmix der Pflegekräfte Die Pflegepersonalkosten sind immer der höchste Kostenblock in der ambulanten Pflege. Daher sind die Auswirkungen von Veränderungen hier am größten. Insbesondere der Mix der verschiedenen Berufsgruppen hat teilweise deutliche Auswirkungen auf die kalkulierten Preise. Würde man in unserem Beispiel der Istkostenberechnung auf den Seiten 100, 101 den Stellenanteil der Fachkräfte von 33% auf 50 % erhöhen und den Stellenanteil der beiden anderen Gruppen jeweils entsprechend reduzieren, lässt aber alle anderen Faktoren gleich, würde sich der Stundensatz um ca. 1,77 € oder 4 % erhöhen. Würde man den Fachkraftanteil aber auf 20 % absenken und den Hilfskraftanteil daher auf 45 % anheben, dann sinkt der Preis um 1,79 € oder – 4 %. Das zeigt, wie bedeutend der Personalmix bei der Kalkulation des Stundensatzes ist. Aus Sicht der Pflegekassen wäre also ein geringerer Fachkraftanteil im Bereich SGB XI wünschenswert, weil er zu niedrigeren Preisen führt. Allerdings hängt der Personalmix der Einrichtung auch wesentlich von dem von der Einrichtung erbrachten Leistungsmix (SGB XI zu SGB V und Privatleistungen), von der geografischen Situation (bei langen Fahrtwegen wird man aus wirtschaftlichen Gründen einen höheren Fachkraftanteil benötigen, um einen zweiten Einsatz zu vermeiden), aber auch vom Arbeitsmarkt ab. Dazu kommen landesspezifische Vertragsgestaltungen insbesondere im Bereich der Wegepauschalen; sind je Vergütungsvereinbarung volle oder reduzierte Wegepauschalen bei kombinierten Hausbesuchen abzurechnen, verweisen gerade Krankenkassen auf eine wirtschaftliche Leistungserbringung und verweigern die Abrechnung einer zweiten (bzw. vollen) Wegepauschale, wenn beide Einsätze zur gleichen Tageszeit stattfinden. Dazu ein Beispiel: In Niedersachsen gibt es zurzeit eine in der Höhe identische Wegepauschale in der Pflege- und Krankenversicherung. Bei zeitgleichen Einsätzen darf jeweils pro Leistungsträger nur die halbe Wegepauschale abgerechnet werden (man fährt ja auch nur einmal hin). Erbringt der Pflegedienst aus organisatorischen Gründen die Leistungen Körperbezogene Pflegeleistungen und Behandlungspflege mit zwei ver-
118
11.2 Stellschrauben der Kalkulation
Berechnung/Kalkula�on einer Leistungsstunde
Kalkula�on SGB XI
Einrichtung
Interne Auswertung/C
Mustereinrichtung
1. Pflegepersonalkosten
1. Pflegepersonalkoste
Berufsgruppen Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfen
Rechn. Stellen
Personalnebenkosten (BG, Arbeitsmed. etc.) Pflegepersonal Gesamt
4,15 4,50 4,01
Summe 270.456 € 234.683 € 180.224 €
12,66
4.151 € 689.515 €
2. Steuerung und Verwaltung Personalkosten für Leitung und Steuerung (PDL + Stellv. + ggfls. Qualitätssicherung (soweit nicht in der Pflege)) Personalkosten Verwaltung + Geschä�sführung Externe Verwaltung Zuschlag Risiken Steuerung/Verwaltung
1,20 0,80
Verwaltung Gesamt 3. Sachkosten Sachkosten - nicht inves�v (ohne Fahrzeugkosten) Medinzisch/therapeu�scher Bedarf Wirtscha�sbedarf Verwaltungsbedarf Steuern, Abgaben, Versicherungen, Zinsen Sons�ge Sachkosten (nicht inves�v), Fortbildung, Qualitätssicherung
Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfen
Personalnebenkosten
83.627 € 39.888 € 15.695 € 5.000 €
2. Steuerung und Verw Personalkosten für Lei (PDL + Stellv. + ggfls. Q Pflege)) Personalkosten Verwa Kosten Steuerung/Ver Legende Zuschlag Risik
144.209 €
Erhöhter Leitungsaufw
Einarbeitung neuer Mi 915 € 3.427 € 17.653 € 3.223 € 1.000 €
Sachkosten - inves�v (ohne Fahrzeugkosten): nicht bei SGB XI ausfüllen! Mieten Büroaussta�ung, Instandhaltung von Sachanlagen Abschreibungen
3. Sachkosten
0€ 0€ 0€
Zuschlag Risiken Sachkosten
Legende Zuschlag Risik Personalgewinnungsko
1.000 € Sachkosten Gesamt
Gesamtkosten
27.219 € in Prozent zu Kosten
4. R Unternehmerisches Wagnis Unternehmergewinn + branchenspezif. Wagnis 5.
Berechnung/Kal
0,1
Gesamt mit Unternehmensrisiko
860.942 €
4. Legende Unternehm 46.405 €
Unternehmensgewinn Ambulante Pflege Bran
907.347 €
Gesamtkosten pro Vollzeitstelle in der Pflege © SysPra.de; Heiber/Ne� 1/2020
71.670 €
6. Leistungszeit pro Vollzeitstelle Anzahl Jahrestage Anzahl arbeitsfreier Tage und Feiertage Arbeitsstunden pro Tag Arbeitstage pro Woche (5-Tage; 5,5-Tage; 6-Tage) Jahresarbeitsstunden Gesamt
365 113 8 5 2.016,0
Urlaubstage pro Jahr Krankheitstage pro Jahr
33,8 13,8 1.635,2 1.605,8
Zwischensumme (Stunden) 0,0
Zeitreduzierung durch Risiken Mitarbeiter Anzahl Mitarbeiter pro Vollzeitstelle Tage für Fort-/Weiterbildung pro Jahr pro Kopf
1,8
Tabelle: 24
2,00
140,5 1.420,63
50,45 € © SysPra.de; Heiber/Ne� 2/2020
in Arbeitswochen* 39,0
44,6
Verfügbare Arbeitszeit für Leistungserbringung pro Jahr = Leistungszeit 7. Kosten pro Leistungsstunde
6. Legende Risiken Mi
Std. pro Jahr
3,1
Dienstbesprechung/Organisa�on pro Arbeitswoche in Stunden pro Kopf
Krankheitsquote: Tage
Zeitverzögerung/Ausfä Nicht abrechenbare Ei Nicht abrechenbare Ze
11 Praxis der Kalkulation119
on SGB XI
Berechnung/Kalkula�on einer Leistungsstunde:
Kalkula�on SGB XI
Interne Auswertung/Controlling 1. Pflegepersonalkosten Kosten pro Stelle 65.170 € 52.152 € 44.944 € 0 0€ 0 0€ Personalnebenkosten (BG, Arbeitsmed. etc.) Kosten pro Stelle Pflegepersonal Gesamt pro Stelle 54.464 €
Pflegefachkrä�e Pflegekrä�e Pflegehilfen
2. Steuerung und Verwaltung Personalkosten für Leitung und Steuerung (PDL + Stellv. + ggfls. Qualitätssicherung (soweit nicht in der Pflege)) Personalkosten Verwaltung + Geschä�sführung Kosten Steuerung/Verwaltung ohne Zuschlag Legende Zuschlag Risiken Steuerung/Verwaltung
Stellenverhältnis 32,78% 35,55% 31,67% 0,00% 0,00%
Kostenverhältnis 39,22% 34,04% 26,14% 0,00% 0,00% 328 € Pflegepersonalkosten zu Gesamt
Kennzahlen
75,99%
Kosten pro Stelle
69.689 € 49.860 €
Stellen Leitung im Verhältnis Pflegepersonal
9,48%
139.209 €
Erhöhter Leitungsaufwand wegen Änderung Personalzusammensetzung, Einarbeitung neuer Mitarbeiter, höherer Krankheitsrate/Ausfall (auch wegen Alter) Zuschlag in % 3,6% Steuerung und Verwaltung: Kosten pro Pflegepersonalstelle Personalkosten gesamt 3. Sachkosten Sachkosten: Kosten pro Pflegepersonalstelle
11.390,93 89,61% 2.149,98
Legende Zuschlag Risiken auf Sachkosten Personalgewinnungskosten, Forderungsausfall, etc.; nur bei SGB V auch inves�ve Risiken z.B. durch Schäden durch Unfälle Zuschlag Risiken Sachkosten auf Budget Sachkosten
3,8%
4. Legende Unternehmerisches Wagnis Unternehmensgewinn in Deutschland durchschni�lich 4 %; Ambulante Pflege Branchenspezifisches Risiko im Durchschni� 1,39 %
Zuschlag auf Gesamtkosten
5,4%
Krankheitsquote: Tage im Verhältnis zu Jahresarbeitsstunden
5,5%
6. Legende Risiken Mitarbeiter
in Arbeitswochen* 39,0
Zeitverzögerung/Ausfälle wegen Verkehr und Unfälle Nicht abrechenbare Einsätze wegen No�all etc. Nicht abrechenbare Zeit/Leistung wegen gesundheitlicher No�älle Zeitreduzierung Risiken Mitarbeiter in Stunden
Std. pro Jahr 44,6 140,5 1.420,63
© SysPra.de; Heiber/Ne� 2/2020
pro Jahr 29,4
pro Monat 2,5
120
11.2 Stellschrauben der Kalkulation
schiedenen Kräften, also in zwei Einsätzen, kürzt die Krankenkasse die Wegepauschale im SGB V mit dem Verweis auf eine notwendige wirtschaftliche Betriebsführung. Dabei hat der Pflegedienst genau dies getan: Aus seiner Sicht ist es wirtschaftlicher, zwei Kräfte einzusetzen, aber nicht wegen der zweiten Wegepauschale, sondern weil dadurch die Pflegefachkraft mehr Behandlungspflegeeinsätze erbringen kann, und gleichzeitig der Personalmix in der Pflegeversicherung finanziell günstiger ist. Und teilweise ist es formal auch gar nicht anders möglich, weil Pflegehilfskräfte nur eingeschränkt Behandlungspflege erbringen können. In Vergütungsverhandlungen kann der Personalmix nicht allein durch allgemeine Korridore oder Kennzahlen festgelegt werden, sondern muss von der Einrichtung aufgrund ihrer spezifischen Besonderheiten dargestellt und plausibel begründet werden. Insbesondere der Leistungsmix (wie viel Behandlungspflege erbracht wird), spielt hier eine ebenso große Rolle wie die geografischen Faktoren. Ein weiterer Weg zu Reduzierung der Personalkosten ist scheinbar die Beschäftigung von Aushilfen (Geringfügig Beschäftigte). Der Betrieb reduziert zwar die Personalnebenkosten, aber die bezahlten Stundenlöhne dürften nicht von denen vergleichbarer Qualifikation abweichen, da geringfügige Beschäftigung nur eine Form der Teilzeitbeschäftigung ist und damit eine Fachkraft pro Stunde genauso bezahlt werden muss wie eine Fachkraft als Aushilfe. Sie hat auch formal die vergleichbaren Ansprüche in Bezug auf Krankheit und Urlaub. Aber die Aushilfskräfte verursachen in der Regel einen erhöhten Leitungs- und Fortbildungsaufwand: denn auch die Aushilfen müssen genauso (gut) ausgebildet und geschult sein wie die anders angestellten Mitarbeiter. Je weniger Stunden ein Mitarbeiter regelmäßig im Pflegedienst arbeitet, desto höher ist der Leitungs- und Steuerungsaufwand. Vieles muss öfter erklärt werden, vieles ist immer wieder neu oder wurde vergessen. Dass man mit der Anstellung von Aushilfen tatsächlich Kosten reduzieren kann, darf bezweifelt werden. Ob also ein höherer Fachkraftanteil insgesamt zu höheren Preisen führen muss, ist nicht automatisch festgelegt. Dazu kommt, dass die Lohnunterschiede zum Teil gar nicht mehr so groß sind, insbesondere wenn andere Faktoren wie unterschiedliche Betriebszugehörigkeit oder andere Zuschläge zu berücksichtigen sind. Auch auf Landesebene sollte es keine Festlegung auf eine konkrete Fachkraftquote oder Ähnliches geben, sie würde den differenzierten und individuellen Bedingungen der ambulanten Pflege nicht gerecht. In einer Kalkulation insbesondere bei Leistungen der Kranken- oder Pflegeversicherung sollte man grundsätzlich keine Mitarbeitergruppen aufnehmen, die nur ausnahmsweise oder aushilfsweise im Pflegedienst arbeiten, die aber nicht fest und konstant da
11 Praxis der Kalkulation121
sind: dazu gehören auch Mitarbeiter im Bundesfreiwilligendienst (BuFDi), im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) oder andere Mitarbeiter, die im Rahmen von Projekten beschäftigt werden. Zu beachten ist, dass Vergütungsvereinbarungen im Regelfall mindestens ein Jahr laufen, in dieser Zeit sich aber viele dieser Beschäftigungsverhältnisse verändern könnten. Ein kalkulatorisches Problem bleibt die Beschäftigung von Auszubildenden, insbesondere nach den ab 2020 geltenden neuen Ausbildungsstrukturen. Hier sind die Pflegedienste zwar weiterhin als Ausbildungsträger vorgesehen, aber in welchem Maße Auszubildende dann tatsächlich im Laufe ihrer Ausbildung abrechenbare Leistungen eigenständig erbringen können, ist schwer abzuschätzen. Das hängt nicht nur vom Ausbildungsstand ab, sondern auch von den verfügbaren Einsatzzeiten in der Einrichtung, die nach Schule, Praktika etc. tatsächlich übrig bleiben. Daher sollten auch diese Gruppen nicht oder nur in sehr geringem Maße berücksichtigt werden.
1. Zeitaufwand
Berechnung einer Einsatzpauschale Stundensatz Mitarbeiter
50,45 €
Wegezeit pro Einsatz in Minuten (von Wohnungstür zu Wohnungstür)
6,5
Kosten Zeitaufwand pro Einsatz
3,28 €
2. Sachaufwand Verbrauchskosten pro Kilometer (Kra�stoff, Steuer, Versicherung) Inves��onskosten pro Kilometer (nicht bei SGB XI!)
-
€
Durchschni�liche Anzahl gefahrener Kilometer pro Einsatz
3,5
Kosten Sachaufwand pro Einsatz
0,53 €
Anzahl durchschni�liche Einsätze pro Tour
8,0
3. Berücksich�gung Rückfahrt
4. Gesamtaufwand pro Einsatz
4,28 € nachrichtlich: ohne Rückfahrt
Tabelle: 25
0,15 €
3,80 €
122
11.2 Stellschrauben der Kalkulation
Weitere Bereiche Vergleicht man die prozentualen Anteile der Leitungs- und Sachkosten an den Gesamtkosten, sind diese Faktoren eher von untergeordneter Bedeutung. Allerdings ist hier die sachgerechte Abgrenzung der Leitungskosten von wesentlicher Bedeutung und könnte sonst zu völlig unterschiedlichen Ansätzen führen: • Pflegedienstleitung/Stellv. Pflegedienstleitung und andere: Bei den Leitungskosten sollten nur die Personalkostenanteile kalkuliert werden, die der Arbeitszeit entsprechen, die die Leitungskräfte für die Steuerung/Leitung auch verwenden (siehe oben, Seite 102). Allerdings übernehmen Leitungskräfte gerade in kleinen Pflegediensten auch noch klassische Verwaltungsaufgaben oder sogar Geschäftsführungsaufgaben, in dem sie beispielsweise die Abrechnung und das Verordnungsmanagement übernehmen, was bei größeren Einheiten oft eigene Verwaltungskräfte oder Leitungsassistenten erledigen. Hier wäre ebenfalls eine analoge Aufteilung (wie bei Pflegetätigkeiten) sinnvoll, indem man z.B. 10 % der Arbeitszeit und Kosten PDL unter Verwaltung + Geschäftsführung darstellt. • Verwaltung und Geschäftsführung: Die Kostenanteile für Geschäftsführung oder andere Verwaltungskosten sollten verursachungsgerecht verteilt sein und nur die für den Pflegedienst zutreffenden Kosten enthalten (siehe Seite 112). Das gilt insbesondere auch für Einzelunternehmer (siehe Seite 41). Valide Kennzahlen für beide Bereiche der Steuerung und Verwaltung gibt es kaum: Hier hat lediglich Thomas Sießegger aus seiner langjährigen Beratungserfahrung folgende Erfahrungswerte veröffentlicht,6 die auch ich aus meiner Berufserfahrung für plausibel halte: Bei der Leitung geht er von einer guten Leitungsquote von ca. 10 % bis 14 % (in Verhältnis zu Pflegevollzeitstellen) aus, bei der Verwaltung von einer Quote von ca. 4 % – 6 %. Da gerade die „Overheadkosten“, also im Regelfall die Kostenblöcke Verwaltung und Geschäftsführung, in Verhandlungen oft streitig sind, vermeidet dieses Modell nicht nur den unspezifischen Begriff „Overhead“ und versucht stattdessen, die tatsächlichen Arbeitsbereite zu definieren. Auch weil es je nach Betriebsorganisation und Betriebsgröße völlig unterschiedliche Lösungen gibt, bietet sich als Vergleichs- oder Benchmarkwert evtl. das Verhältnis der Kosten Steuerung/Verwaltung zu Vollzeitstellen 6
z.B. Sießegger, T. (2018)
11 Praxis der Kalkulation123
an: Darüber könnten auf Landesebene Korridore definiert werden, die eventuell je nach Tarifwerk noch etwas differieren könnten. Auch für die Sachkosten gibt es keinerlei Vergleichs- oder Anhaltswerte. Wesentlich ist jedoch die saubere Definition und Abgrenzung von den investiven Sachkosten. Als möglicher Maßstab für Korridore könnte auch hier das Verhältnis zu den Pflegepersonalstellen dienen, wie es in der Auswertung des Modells dargestellt ist. Denn je mehr Mitarbeiter/Stellen arbeiten, um so größer sind Verbrauchs- und Verwaltungsaufwand wie Verbrauchsmaterial, Telefonkosten etc. Dabei sind sowohl die Leitungs- und Verwaltungskosten als auch die Sachkosten bei kleineren Einrichtungen naturgemäß höher als bei größeren Einrichtungen.
Definition der Leistungszeit Die verfügbare Arbeitszeit vor Ort, also die Leistungszeit ist ein weiterer wichtiger Faktor zur Kalkulation. Allerdings spielt die vertragliche Wochenarbeitszeit eine große Rolle bei der Ermittlung der Jahresarbeitsstunden: Je nach Arbeitsstunden pro Tag ergeben sich hier unterschiedliche Werte, die dann auch zu unterschiedlichen Leistungszeiten führen. Das heißt jedoch nicht, dass Tarifwerke mit 38,5 Wochenstunden grundsätzlich teurer sind als Tarifwerke mit 40 Wochenarbeitsstunden, da die Vergütungshöhe unterschiedlich sein kann. Wenn man also Arbeitskosten pro Stunden bewerten will, sollten diese immer ins Verhältnis zur Wochenarbeitszeit gesetzt werden. Ein Beispiel auf der Basis NRW zeigt die Schwankungsbreite: Bei einer 38,5 Stundenwoche stehen mit 1940 ca. 76 Std. pro Jahr weniger zur Verfügung als bei einer 40-Stundenwoche.
Wochenarbeitszeit und verfügbare Arbeitsstunden am Beispiel NRW 2020 252
Verfügbare Arbeitstage NRW Wochenarbeitszeit
Tabelle: 26
pro Tag (5 Tage)
Jahresarbeitszeit
Differenz
38,5
7,7
1940,4
-75,6
-3,8%
39,0
7,8
1965,6
-50,4
-2,5%
40,0
8,0
2016,0
0,0
0,0%
41,0
8,2
2066,4
50,4
2,5%
124
11.2 Stellschrauben der Kalkulation
Auch wenn aus Leistungsträger- und Arbeitgebersicht eine 40-Stundenwoche wünschenswert wäre, dürfte dies weder der Marktsituation noch der Arbeitssituation der Pflege entsprechen. Wenn Mitarbeiter zu vergleichbaren Konditionen weniger Stunden arbeiten müssen, werden sie dauerhaft den Arbeitgeber wechseln. Durch Arbeits- und Tarifverträge sind Urlaubszeiten und freie Tage festgelegt. Diskutierbar sind dabei folgende Faktoren: Krankheitstage: Hier sollte und kann nicht auf die tatsächlichen Krankheitstage, sondern auf die durchschnittlichen statistischen Krankheitstage der Berufsgruppe im Bundesland oder sogar bundesweit abgestellt werden. Selbst wenn man im abgelaufenen Jahr deutlich unter dem Durchschnitt geblieben ist, wäre es wirtschaftlich nicht zu verantworten bzw. bedürfte es hellseherischer Fähigkeiten, diesen Wert dann ins nächste Jahr zu übertragen. Denn man kann schlichtweg nicht vorhersagen, wie sich die Krankheitstage entwickeln werden. Zeit für Fort- und Weiterbildung: Hier wird man auf Landesebene am Einfachsten bestimmte Korridore und Mindestzeiten definieren können. Wer allerdings versucht, an den Fortbildungskosten zu sparen (also weniger Fortbildungen durchführt als veranschlagt), wird schon bei den Qualitätsprüfungen Probleme bekommen können. In einigen Rahmenverträgen nach § 132a SGB V sind verpflichtende Umfänge der Fortbildung geregelt, deren Nichtnachweis zu Vergütungskürzungen führen kann.7 Bei den Fort- und Weiterbildungszeiten muss man nach den verschiedenen Leistungsbereichen (SGB XI, SGB V …) unterscheiden, außerdem je nach definierter Leistungsart (z. B. in der Pflegeversicherung: Grundpflege, Hauswirtschaft, Häusliche Betreuung). Es muss definiert werden, was alle Mitarbeiter können müssen (Notfall, Hygiene, Kranken- und Situationsbeobachtung) und was nur spezielle Mitarbeiter (z. B. Pflegeplanung, bestimmte Pflegeprobleme) können müssen. Dienstbesprechung/Übergabe: Diese Position ist von der inhaltlichen Beschreibung schwieriger zu definieren als die beiden ersten Punkte. Dabei sollte man sehr genau abgrenzen, für welchen Teilbereich (Kranken- oder Pflegeversicherung oder Privatleistungen) der Preis kalkuliert wird: So wird der Übergabe- und Organisationsaufwand bei Behandlungspflegeleistungen SGB V deutlich höher sein als bei der Grundpflege, Hauswirtschaft oder Pflegerische Betreuung. Arztgespräche gehören beispielsweise im Normalfall immer zur Behandlungspflege, sind aber in der Grundpflege kaum notwendig, außer in Notfällen. Pro Einsatz gibt es sicherlich immer Rüstzeiten für die Überprüfung des Tourenplans (sind noch kurzfristige Veränderungen vorgenommen worden; 7
siehe § 132a Abs. 4 Satz 2-4
11 Praxis der Kalkulation125
Übergabebuch oder MDA (= Datenerfassungsgeräte wie Smartphones etc.) checken), Holen benötigter Materialien bzw. Schlüssel, evtl. kurzfristige Absprachen. Nach der Tour kommen neben dem Wegbringen von Schlüsseln noch die Dokumentation von Übergabeinformationen (Übergabebuch oder MDA oder mündlich im Büro) dazu. Eher punktuell und nicht für alle Mitarbeiter in gleichem Maße kommen dann noch Aufgaben, wie Schreiben einer neuen Pflegeplanung und ähnliche Aufgaben, hinzu. Die Dienstbesprechungen im periodischen Rhythmus mit Anwesenheit aller Mitarbeiter gehören hier ebenfalls eingerechnet (weitere Hinweise zur Abgrenzung Seite 60). Wesentlich für die Bereiche Fortbildung und Dienstbesprechung/Übergabe ist die Berechnung pro Kopf und nicht allein pro Stelle! Auch dieser Faktor würde dann dazu führen, dass eine höhere Anzahl an geringfügig Beschäftigten Mitarbeitern zu höheren Kosten führen kann (siehe oben Personalkosten).
Einsatzpauschalen Bei der Einsatzpauschale ist der Hauptkostenfaktor die Arbeitszeit des Mitarbeiters, nicht jedoch die gefahrenen Kilometer. Insbesondere im städtischen Bereich ist die Verkehrsdichte und die Parkplatzsuche ein wesentlicher Zeitfaktor. So sind die Wegezeiten auf dem Land trotz längerer Fahrtwege meist gar nicht länger als in der Stadt. Logischerweise gibt es keine Unterscheidung in der Wegezeitdauer zwischen SGB V oder SGB XI-Einsätzen. Die Verbrauchskosten bzw. Fahrzeugkosten (Sachaufwand) pro Kilometer kann man auch mithilfe der in den Autozeitschriften oder von den Automobilverbänden veröffentlichten Durchschnittswerte gut vergleichen und überprüfen. Normalerweise muss der Sachaufwand außerhalb SGB XI wegen des Investitionskostenbegriffs höher sein. Im Kalkulationsbeispiel SGB XI Grundpflege liegt der Sachaufwand bei 3,5 Kilometer bei 0,53 € (Tab. 25). Für die Krankenversicherung gerechnet, liegt der Sachaufwand ca. doppelt so hoch, also bei 1,06 €, da zusätzlich der investierte Sachkostenanteil berücksichtigt werden muss. Das wird in vielen Bundesländern im Bereich SGB V nicht berücksichtigt. Das schon angesprochene Bundesland Niedersachsen hat im SGB XI und SGB V identisch hohe Wegepauschalen, obwohl die Wegepauschale im SGB V auch die investiven Fahrzeugkosten finanzieren muss.
126
11.3 Weitere Praxisfragen
11.3 Weitere Praxisfragen Stundensatzberechnung ohne Einsatzpauschale In einigen Ländern (Saarland, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen) werden im SGB XI keine separaten Einsatz- oder Fahrtpauschalen ausgewiesen, auch in einigen Katalogen der Häuslichen Krankenpflege gibt es keine separaten Einsatzpauschalen. Doch jenseits der Kalkulationsfrage ist dauerhaft in diesen Bundesländern eine Katalogänderung anzustreben (siehe auch geänderte Rechtslage Wegezeit, Seite 98). Will man dieses Modell bei der Stundensatzkalkulation weiterführen, müsste man die Einsätze pro Stunde definieren und die potenzielle Wegezeit von der Nettoarbeitszeit abziehen:
Beispiel Erbringt man pro Stunde Grundpflege 2 Einsätze, dabei beträgt die Wegezeit jeweils 5 Minuten, kommt man pro Stunde auf eine Wegezeit von 10 Minuten, was einem Anteil von 16 % entspricht. Die Nettoarbeitszeit wäre also dann um 16 % zu kürzen. In unserem Kalkulationsbeispiel wären das 230 Stunden, die Nettoarbeitszeit sinkt von 1.420,63 auf 1.190,63 Std. Damit erhöht sich der Stundensatz von 50,45€ ohne Wegezeiten auf 60,20 € inklusive Wegezeiten. Dazu kämen allerdings auch noch die erhöhten Sachkosten von 2 x 0,53 €, so dass sich kalkulatorische Gesamtkosten pro Leistungsstunde vor Ort inklusive Wegekosten von 61,26 € ergeben. Würde man dieses Beispiel für SGB V anwenden, müssten jedoch die Wegezeiten deutlich höher liegen, weil eben viel mehr kurze Einsätze pro Stunde durchgeführt werden.
Kosten abhängig auch von der Größe des Pflegedienstes Kleine Pflegedienste müssten proportional höhere Stundensätze verlangen und erhalten als größere Pflegedienste. Denn insbesondere die Leitungs- und Verwaltungskosten und teilweise auch die Sachkosten müssen zunächst ein Mindestniveau an Fähigkeiten finanzieren: Ob ein Pflegedienst 50 oder 100 Kunden verwaltet, dafür die Einsatzplanung gestaltet und Leistungen abrechnet, wird faktisch einen vergleichbaren Aufwand verursachen, denn sowohl das Wissen als auch die Hard- und Software sowie der Zeitaufwand dürften sich kaum unterscheiden. Im Gegenteil: Das weitere Wachstum hat im Wesentlichen anfangs nur geringe Auswirkungen auf den Verwaltungs- und Sachkostenbereich.
11 Praxis der Kalkulation127
Ungleichbehandlung von neuen Pflegediensten Seit vielen Jahren gibt es in vielen Ländern die zu beobachtende „Tradition“, dass Pflegedienste, die neu gegründet werden, anfangs nur den Punktwert des unteren Drittels erhalten. Und zwar unabhängig von ihren Personalkostenstrukturen oder realen prospektiven Kosten, sondern allein aus der Tatsache, dass sei neu anfangen. Das trifft dann genauso Träger, die nach TVÖD bezahlen wie Existenzgründer, die erst nach Haustarif bezahlen. Wollen diese Dienste dann im nächsten Jahr deutlich höhere Preise verhandeln, wird dies oft mit Verweis auf die erste Vereinbarung abgelehnt, weil die Preissteigerungen in dieser Höhe nicht zu begründen wären. Diese – deutlich formuliert unsägliche und auch schon lange rechtswidrige – Praxis sollte endlich mit der Garantie der Refinanzierung der Personalkosten (also seit PSG II) vorbei sein. Allerdings unterschreiben auch weiterhin viele Existenzgründer oder Neugründer vornehmlich aus Unwissenheit noch solche Verträge. Als Vergleichsmaßstab für Neugründer könnten insbesondere bei der Anwendung von bestimmten Tarifwerken wie verbandseigene Arbeitsvertragsrichtlinien, Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien hier andere Einrichtungen mit diesen Personalkosten als Maßstab genutzt werden.
11.4 Vom Stundensatz zu Punkten? Gerade in Zusammenhang mit der Einführung des PNG 2013 gab es viele Diskussionen und Versuche, aus dem Punktwert einen Stundensatz zu extrahieren. Das PNG schrieb vor, dass parallel zu den Leistungskomplexen auch eine Zeitabrechnung verbindlich zu vereinbaren sei, damit der Kunde die direkte Wahl hätte zwischen den Systemen. Mit dem PSG I wurde dies jedoch ab 2015 wieder abgeschafft und auf die Fassung vor 2013 zurückgeführt.8 Dabei ist der Punktwert in vielen Ländern zwar mit einer fiktiven „Umrechnung“ von 600 Punkten eingeführt worden, allerdings war das Mitte der 90er-Jahre und ohne Erfahrung mit dem neu eingeführten Leistungskomplexsystem. Auch wurde in keiner Vergütungsvereinbarung eine Punktwertrelation festgelegt.9 Kein Pflegedienst kann heute mit 600 Punkten pro Stunde überleben, in der Praxis werden deutlich mehr Punkte pro Stunde erbracht und abgerechnet.
8 9
BT-Drucks. 18/2909, S. 43 Ausführlich dazu Heiber, A. (2019), S. 27 ff
128
11.4 Vom Stundensatz zu Punkten?
Aus Sicht der Leistungsträger und Verbände hätte eine Punktwertumrechnung für den Stundensatz den Vorteil, dass man vorhandene Systeme nutzen kann und weiterhin nur den Punktwert verhandeln muss. Es sind zurzeit Punktwertumrechnungen von 800 bis 1200 Punkte in der Diskussion. In Niedersachsen gibt es zurzeit durch eine Schiedsstellenentscheidung eine in den Vergütungsvereinbarungen festgelegte Punktwertrelation von 900 Punkten für die Stunde Grundpflege sowie 600 Punkte für die Stunde Pflegerische Betreuung. In Hamburg, aber auch in Bayern sind Minutenpreise unabhängig vom Punktwert definiert, ebenso in Bremen. Für den Pflegedienst dürfte es schwierig sein zu ermitteln, wie viele Punkte pro Stunde er tatsächlich erbringt. Das liegt einerseits an den sogenannten gemischten Einsätzen (zeitgleiche Erbringung von SGB V und SGB XI Leistungen in einem Einsatz), die eine genaue Abgrenzung verhindern, aber auch daran, dass die Leistungsdefinition nach Punkten einen jeweiligen Jahresdurchschnitt für eine einzelne Leistung darstellt und man deshalb nicht einfach zurückrechnen kann. Umrechnungen aus der Menge der erbrachten Punkte pro Stunde, wie es teilweise versucht wird, bringt ein systematisches Problem mit sich: denn der Pflegedienst, der effektiv arbeitet und auch alle Leistungen vertragskonform abrechnet, erbringt rechnerisch pro Stunde viele Punkte, bei der Umrechnung sinkt entsprechend sein Punktwert. Der andere Pflegedienst, der weniger effektiv arbeitet und (vor allem) nicht immer alle Leistungen in Rechnung stellt, erwirtschaftet pro Stunde weniger Punkte. Bei der Umrechnung wäre sein Divisor also niedriger, sein Punktwert wäre höher. Faktisch würde mit einer solchen Umrechnungsformel der ‚schlechter‘ wirtschaftende Pflegedienst sogar belohnt! Eine für das Bundesland faire und allgemeingültige Umrechnung eines Punktwertes aus einer Stundensatzkalkulation funktioniert nur mit einer spezifischen landesweiten Festlegung eines Umrechnungsfaktors, der von den Verbänden und Leistungsträgern festgelegt und jährlich angepasst wird. Alternativ kann, insbesondere wenn schon eine Stundensatzkalkulation des Vorjahres vorliegt, ein Vergleich der Kosten des letzten Jahres mit dem prospektiven Jahr erfolgen, die Abweichung/Veränderung in % wäre dann der Steigerungsgrat der neuen Vergütung. Soweit die Wegezeiten pro Einsatz vergütet werden, kann hier die Stundensatzberechnung direkt genutzt werden.
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 129
12 Pflegeversicherung: Gesetzliche Grundlagen der Vergütungsverhandlungen Wie schon zu erwarten, führen die unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen des SGB XI, V und anderer nicht nur zu getrennten Kostenrechnungen. Auch die Regelungen zur Vergütung und Vergütungsverhandlungen sind in den verschiedenen Bereichen unterschiedlich: Während in der Pflegeversicherung der gesetzliche Rahmen immer deutlicher ausformuliert und geklärt ist, sieht dies in der Krankenversicherung noch anders aus, auch wenn der Gesetzgeber hier an einigen durchaus auch versteckten Stellen den gleichen Weg wie in der Pflegeversicherung eingeschlagen hat und das BSG in seinen letzten Urteilen genau diesen Weg geht.1 Inzwischen hat der Gesetzgeber die Rechtsgrundlagen im SGB XI und V weiter angepasst, indem er die Regelungen zur Tarifbezahlung für ambulante Dienste ins SGB V übernommen hat und auch die Finanzierung höhere Wegekosten insbesondere im ländlichen Raum im SGB V eingefügt hat mit einer direkten Verknüpfung zum SGB XI.2 Daher werden zunächst ausführlich die Regelungen der Pflegeversicherung dargestellt, danach die Regelungen und Möglichkeiten im Bereich der Krankenversicherung sowie weiterer Leistungsträger. Die zentrale Regelung für die ambulante Vergütungsvereinbarung findet sich in § 89 SGB XI, der weitere Regelungen aus den §§ 84 und 85 mit einbezieht.
§ 89 Grundsätze für die Vergütungsregelung (1) Die Vergütung der ambulanten Leistungen der häuslichen Pflegehilfe wird, soweit nicht die Gebührenordnung nach § 90 Anwendung findet, zwischen dem Träger des Pflegedienstes und den Leistungsträgern nach Absatz 2 für alle Pflegebedürftigen nach einheitlichen Grundsätzen vereinbart. Sie muß leistungsgerecht sein. Die Vergütung muss einem Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seine Aufwendungen zu finanzieren und seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen unter Berücksichtigung einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden. Für eine darüber 1 2
BSG vom 23.06.2016, B 3 KR 25/15R, RZ 35 durch PpSG zum 01.01.2019
130
hinausgehende Bezahlung bedarf es eines sachlichen Grundes. Eine Differenzierung in der Vergütung nach Kostenträgern ist unzulässig. (2) Vertragsparteien der Vergütungsvereinbarung sind die Träger des Pflegedienstes sowie 1. die Pflegekassen oder sonstige Sozialversicherungsträger, 2. die Träger der Sozialhilfe, die für die durch den Pflegedienst versorgten Pflegebedürftigen zuständig sind, sowie 3. die Arbeitsgemeinschaften der unter Nummer 1 und 2 genannten Träger, soweit auf den jeweiligen Kostenträger oder die Arbeitsgemeinschaft im Jahr vor Beginn der Vergütungsverhandlungen jeweils mehr als 5 vom Hundert der vom Pflegedienst betreuten Pflegebedürftigen entfallen. Die Vergütungsvereinbarung ist für jeden Pflegedienst gesondert abzuschließen und gilt für den nach § 72 Abs. 3 Satz 3 vereinbarten Einzugsbereich, soweit nicht ausdrücklich etwas Abweichendes vereinbart wird. (3) Die Vergütungen können, je nach Art und Umfang der Pflegeleistung, nach dem dafür erforderlichen Zeitaufwand oder unabhängig vom Zeitaufwand nach dem Leistungsinhalt des jeweiligen Pflegeeinsatzes, nach Komplexleistungen oder in Ausnahmefällen auch nach Einzelleistungen bemessen werden; sonstige Leistungen wie hauswirtschaftliche Versorgung, Behördengänge oder Fahrkosten können auch mit Pauschalen vergütet werden. Die Vergütungen haben zu berücksichtigen, dass Leistungen von mehreren Pflegebedürftigen gemeinsam abgerufen und in Anspruch genommen werden können; die sich aus einer gemeinsamen Leistungsinanspruchnahme ergebenden Zeit- und Kostenersparnisse kommen den Pflegebedürftigen zugute. Bei der Vereinbarung der Vergütung sind die Grundsätze für die Vergütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, die in den Rahmenempfehlungen nach § 132a Absatz 1 Satz 4 Nummer 5 des Fünften Buches vorzusehen sind, zu berücksichtigen.§ 84 Absatz 4 Satz 2 und Absatz 7, § 85 Absatz 3 bis 7 und § 86 gelten entsprechend. Diese Vorschrift ist im Laufe der Jahre, zuletzt maßgeblich durch die PSG II und PSG III-Gesetze sowie das PpSG 2019 in die jetzige Fassung verändert worden. Die Kernpunkte zur Vergütung stehen in Absatz 1: • Die Vergütung muss in dem Sinne leistungsgerecht sein, dass ein Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung seine Aufwendungen unter angemessener Vergütung seines Unternehmerrisikos finanzieren und deshalb seinen Versorgungsauftrag erfüllen kann. • Dabei ist die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechts-
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 131
regelungen wirtschaftlich, selbst eine darüberhinausgehende Bezahlung ist bei Vorliegen eines sachlichen Grundes wirtschaftlich. • Eine Differenzierung in der Vergütung nach verschiedenen Kostenträgern ist unzulässig.
Vier Bestandteile der leistungsgerechten Vergütung Das Bundessozialgericht hat mit seinem Urteil aus dem Jahre 2009 vier Bestandteile für eine leistungsgerechte Vergütung definiert, die auch im Jahr 2020 weiterhin gültig sind: „Eine Vergütung für ambulante Pflegeleistungen ist deshalb im Grundsatz erst dann leistungsgerecht, wenn sie die Kosten einer Einrichtung hinsichtlich der voraussichtlichen Gestehungskosten unter Zuschlag einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos und eines etwaigen zusätzlichen persönlichen Arbeitseinsatzes sowie einer angemessenen Verzinsung ihres Eigenkapitals deckt.“3 • Voraussichtliche Gestehungskosten: Weil für die Zukunft, also einen zukünftigen Vergütungszeitraum verhandelt wird, müssen die Positionen einer Kostenprognose auch das ‚Zukunftsrisiko‘ berücksichtigen. Denn eine Nachforderung nach Ablauf des Vergütungszeitraums (z.B. weil Personalkosten doch höher waren) ist nicht möglich (keine Selbstkostenerstattung). Um es verkürzt zu sagen: Der Pflegedienst darf Gewinne und Verluste behalten! • Angemessene Vergütung des Unternehmerrisikos: Der Gesetzgeber hat diesen Aspekt inzwischen auch im Gesetzestext übernommen: Wenn es keine nachträgliche Erstattung von Kosten gibt, ist mit jeder prospektiven Kalkulation ein Zukunftsrisiko verbunden. Wenn aber gleichzeitig die Personalkosten quasi fest vergütet werden (soweit der genaue Nachweis erfolgt und erfolgen kann, siehe S. 137), dann bleibt wenig Spielraum, um einerseits das Zukunftsrisiko abzusichern, aber auch um als Unternehmer eine Gewinnchance zu haben. Denn richtigerweise hat das BSG 2013 festgestellt, dass die Kehrseite des unternehmerischen Wagnisses der Unternehmergewinn ist.4 Wie hoch ein angemessener Risiko- und Gewinnzuschlag sein soll und muss, wird den Vertragsparteien zur Aushandlung überlassen. Fest steht lediglich, dass ein solcher Zuschlag Bestandteil der Vergütung sein muss (siehe S. 84). • Vergütung des zusätzlichen persönlichen Arbeitseinsatzes: Der Arbeitseinsatz spielt dann eine Rolle, wenn die Unternehmensform eine Personengesellschaft ist 3 4
BSG 17.12.2009, RZ 52 BSG, 16.05.2013, B 3 P 2/12 R, RZ 52
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(Einzelunternehmen oder Gesellschaften bürgerlichen Rechts [GbR]), denn in dieser Unternehmensform wird der Arbeitseinsatz des Unternehmers bzw. der Gesellschafter durch den (hier besser ‚sogenannten‘) Gewinn des Unternehmens refinanziert. Wenn ein Pflegedienst in der Form eines Einzelunternehmens einen Überschuss in der Gewinn- und Verlustrechnung von beispielswiese 100.000 € ausweist, ist noch nicht geklärt, wie hoch der reale Gewinn ist: denn von diesem Überschuss muss erst noch der mitarbeitende Unternehmer finanziert werden (siehe S. 41). Für eine bessere Vergleichbarkeit und sachgerechtere Aussagen sollte eben nicht ein separater „Unternehmerlohn“ verhandelt werden, sondern die Mitarbeit entsprechend des Aufwandes und der Aufgaben dargestellt werden. • Angemessene Verzinsung des Eigenkapitals: Für den Bau und Betrieb eines Pflegeheimes benötigt man erheblich mehr Kapital und Eigenkapital als für einen ambulanten Pflegedienst. Daher ist diese Position in der ambulanten Pflege im Regelfall ohne große Bedeutung.
Was ist „leistungsgerecht“? Die Frage, wie man (hier die Vertragsparteien) beurteilt, ob eine Vergütung leistungsgerecht ist, hat sich seit Beginn der Pflegeversicherung im Jahre 1995 wesentlich verändert. Vor Einführung der Pflegeversicherung wurden Leistungen zur Pflege insbesondere in der vollstationären Pflege nach dem Prinzip der Selbstkostenerstattung finanziert: Aufgrund vertraglicher Festlegungen war der inhaltliche Rahmen definiert (beispielsweise Fachkraftquote etc.). Das Pflegeheim hat dann am Jahresende seine Kosten dargestellt und die notwendigen Kosten erstattet bekommen. Damit einher ging aber auch eine Zulassungssteuerung durch den Sozialhilfeträger. Die Pflegeversicherung wollte mit der Einführung des Marktprinzips die Selbstkostenerstattung abschaffen. Mit Beginn der Pflegeversicherung wurde daher die Zulassungssteuerung aufgehoben und die Vergütung umgestellt auf eine prospektive Vergütung: Sie ist nun vor Beginn einer Wirtschaftsperiode zu verhandeln für die Zukunft (§ 85, Abs. 3, gilt ambulant entsprechend). Das Bundessozialgericht hat die sich daraus ergebenden wettbewerblichen Bedingungen für Vergütungsverhandlungen mit seinem sogenannten Marktpreisurteil aus dem Jahre 20005 ausformuliert: Weil der Wettbewerb und der Markt das Regelungsinstrument der Wahl sind, wurde demzufolge der externe Vergleich das Mittel der Wahl zur Bestimmung der Leistungsgerechtigkeit einer Vergütungsforderung. Selbst hohe 5
BSG, Urteil vom 14.02.200 B 3 P 19/00 R
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 133
Personalkosten für ältere Mitarbeiter, die bedingt durch tarifvertragliche Vereinbarung zu zahlen waren, wurden nicht mehr berücksichtigt. Allein der externe Vergleich zählte. Das hätte und hat teilweise dazu geführt, dass es zu einer Abwärtsspirale der Vergütungen hätte kommen müssen, denn die teureren Einrichtungen hätten immer ihre Preise senken müssen. Um diese Gefahr zu stoppen, hat der Gesetzgeber seitdem durch zahlreiche Änderungen reagiert (angefangen mit Einführung der Beachtung einer ortsüblichen Vergütung in § 72 mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz 20086) und damit die Interpretation des Bundessozialgerichts korrigiert. Auch das Bundessozialgericht hat seine reine anfängliche Marktpreisausrichtung dann aufgegeben und mit den Urteilen aus dem Jahre 2009 und 2013 die neuen Grundlagen für die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit einer Vergütung definiert, die der Gesetzgeber inzwischen im Gesetzestext nachvollzogen hat.7 Wesentlicher Kern der Rechtsprechung ab 2009 sowie später der Gesetzesänderungen war und ist der Schutz der Personalkosten vor dem ‚Markt‘ durch die Feststellung, dass eine tarifliche (oder ähnliche) Vergütung grundsätzlich wirtschaftlich ist und damit dem externen Vergleich entzogen.8 Der Gesetzgeber hat § 89 Abs. 1 nun so formuliert, dass folgende Vergütungen WIRTSCHAFTLICH und damit LEISTUNGSGERECHT sind: • PERSONALKOSTEN, DIE TARIFLICH ODER NACH ENTSPRECHENDEN VERGÜTUNGEN KIRCHLICHER ARBEITSRECHTSREGELUNGEN VEREINBART SIND. Damit sind alle allgemein gültigen Tarifverträge oder entsprechende vergleichbare kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gemeint • sowie Personalkosten BIS ZU DIESER HÖHE wirtschaftlich und damit leistungsgerecht sind. Als Maßstab können dann Tarifwerke der Wettbewerber gelten, beispielsweise die Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie oder der Caritas. Solange die eigene Personalvergütung unter diesen liegt, ist sie wirtschaftlich. • Selbst DARÜBER HINAUSGEHENDE PERSONALKOSTEN können wirtschaftlich sein, wenn sie besonders begründet sind. Gemeint ist beispielsweise eine übertarifliche Bezahlung von Leitungskräften in besonders teuren Gegenden, wie z.B. München, weil sonst keine Leitungskräfte zu finden sind oder eine höhere Vergütung von Pflegefachkräften in ländlichen Re6 7 8
BR-Drucks. 210/08 vom 04.04.2008 BSG 19.12.2009 B 3 P 3/08 R (ambulant) sowie 16.05.2013, B 3 P 2/12 R Ausführlich dazu: Heiber, A. (2017), S. 77 ff.
134
12.1 Prüfung der Plausibilität
gionen, um sie vom ‚Abwandern‘ in die Städte abzuhalten oder eben eine ‚Münchenzulage‘ 9 auch für Pflegekräfte, weil diese sich sonst keine Wohnung hier leisten können. Die mit dem PSG III eingeführte Formulierung „bis zur Höhe“ sollte auch nicht tarifgebundene Einrichtungen in den ‚Schutz‘ der Personalkosten aufnehmen. Denn in der Praxis hatten die Leistungsträger zwar die Personalkosten nach einem Tarifwerk akzeptiert, nicht jedoch gleich hohe Personalkosten aufgrund von Einzelvereinbarungen oder sogenannten Haustarifen. Nur weil ein Unternehmen keinem Tarifvertrag beigetreten ist, bedeutet das nicht automatisch, dass hier geringere Vergütungen bezahlt werden. Oft will man nur vermeiden, dass die manchmal sehr detaillierten und deshalb auch mal unübersichtlichen Tarifregelungen in Gänze anzuwenden sind. Das heißt aber nicht, dass ein solches Unternehmen die Mitarbeiter nicht genauso hoch vergütet wie nach Tarifvertrag. Diese Gruppe wird nun nach dem Willen des Gesetzgebers in die Regelungen zur Personalvergütung einbezogen.10 Inzwischen haben auch viele private Verbände wie der bpa Arbeitsvertragsrichtlinien (meist je nach Bundesland differenziert) entwickelt, die die Mitglieder alternativ als Vergütungsregelung nutzen und in vielen Ländern auch umsetzen.
Prüfung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütung Das BSG hat mit seinem Urteil aus 2009 ein zweistufiges Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit entwickelt, das den zuvor favorisierten alleinigen externen Vergleich abgelöst hat: 1. Schritt: Prüfung der Plausibilität der Vergütungsforderung. 2. Schritt: Prüfung der Leistungsgerechtigkeit über externen Vergleich, jedoch aufgrund der Sonderregelungen zum Personal deutlich eingeschränkt.
12.1 Erster Schritt: Prüfung der Plausibilität Die Anforderungen an die Plausibilitätsprüfung hat das BSG 2009 so formuliert: „Diese voraussichtlichen Gestehungskosten müssen plausibel und nachvollziehbar sein, also die Kostenstruktur des Pflegedienstes erkennen und eine Beurteilung seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall zulassen (§ 89 Abs. 1 Satz 2 und 9
gibt es tatsächlich schon beim kommunalen Arbeitgeber Münchenstift, siehe Wochenzeitschrift Carekonkret 28.02.2020, S. 6 10 BT-Drucks. 18/10510, S. 115
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 135
3 SGB XI). Deshalb hat der Pflegedienst zunächst geeignete Nachweise beizubringen; die Vorlage einer reinen Kostenkalkulation ohne weitere Angaben reicht in aller Regel nicht aus. Die Kostenkalkulation ist vielmehr hinreichend zu belegen und muss tatsächlich nachvollziehbar sein. Diesem Plausibilitätserfordernis wird etwa genügt, wenn Kostensteigerungen z. B. auf erhöhte Sachkosten (Kfz, Büro) zurückzuführen sind oder im Personalbereich auf die normale Lohnsteigerungsrate begrenzt sind.“11 Anders als in den ersten Urteilen aus 2009 hat das Bundessozialgericht den durchaus missverständlich zu verstehenden Begriff der „Kalkulation“ in den späteren Urteilen ‚ersetzt‘ durch die Formulierung: „anhand einer plausiblen und nachvollziehbaren Darlegung (Prognose)“12. Denn je nach Verhandlungsgrund kann es sein, dass sich im Verhältnis zum Vorzeitraum auch nur einzelne Parameter, insbesondere der Personalkosten, verändert haben und so nicht grundsätzlich eine umfassende Kalkulation benötigt wird. Zudem ist in der Praxis durchaus unklar, wie und welche Kalkulation für diesen Zweck hilfreich sein könnte. Eine Stundensatzkalkulation als Basis für eine nachvollziehbare Darlegung der Kosten ist im ambulanten Bereich keine sinnvolle Grundlage, weil sie in den meisten Vergütungsvereinbarungen an der Übersetzung von Zeit in Punktwerten scheitern dürfte (siehe s. 127). Eine Darstellung der Kosten im Verhältnis zu den Erträgen, wie sie in NRW genutzt wird, dürfte hier zielführender sein und viele Diskussionen um Nettoarbeitszeiten, Umrechnungen etc. vermeiden. (siehe S. 154, Beispiel NRW) Für die Plausibilität der eigenen Vergütungsforderung (außerhalb der Personalkosten) könnten beispielhaft folgende Unterlagen sinnvoll sein: • Gestiegene Mietkosten = geänderte Mietverträge oder Mietvertrag (bei Staffelmiete) • Gestiegene Sach- und Energiekosten: Nachweise wie vergleichende Rechnungen, erhöhte Verbrauchsabrechnungen etc. • Wegekosten: Nachweis der durchschnittlichen Wegezeiten durch Tourenkarte, Auswertung Wegezeiten aus Einsatzplanungsprogramm.
11 Siehe BSG 19.12.2009 B 3 P 3/08 R, RZ 53 12 Siehe BSG 23.06.2016, B 3 KR 25/15 R, RZ 35: zwar ging es hier um die Vergütung Häuslicher Krankenpflege, das BSG hat aber ausdrücklich auf seine Rechtsprechung im SGB XI verwiesen.
136
12.1 Prüfung der Plausibilität
Substanziiert auf Unschlüssigkeiten hinweisen Im Rahmen der Plausibilitätsprüfung haben die Vertragspartner die vorgelegten Unterlagen und Materialien zu prüfen und zu hinterfragen. Erscheinen einzelne Positionen oder Vergütungsforderungen nicht plausibel, haben die Pflegekassen dies substanziiert darzustellen. Auch hier hat das BSG sehr konkret formuliert, wie die Pflegekassen vorzugehen haben: „Für die 1. Prüfungsstufe - Nachvollziehbarkeit der prognostizierten Kostenansätze – hat zunächst der Pflegedienst seine voraussichtlichen Gestehungskosten zu benennen und ggf. durch Unterlagen zu belegen. Daraus erwächst für die Pflegekassen aus der im Rechtsverhältnis zu den Versicherten bestehenden Treuhänderstellung (vg. BSGE 87, 199, 201 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4) bereits auf dieser ersten Prüfungsstufe die Rechtspflicht, die von der Einrichtung vorgelegte Kalkulation in sich und ggf. auch im Vergleich mit den Werten anderer Einrichtungen auf Schlüssigkeit und Plausibilität in dem Sinne zu überprüfen, ob diese Kostenkalkulation eine nachvollziehbare Grundlage für die vergleichende Bewertung auf der zweiten Prüfungsstufe sein kann. Ist das nicht der Fall, haben die Pflegekassen den Einrichtungsträger bereits in dieser Phase der Prüfung substanziiert auf Unschlüssigkeiten im eigenen Vorbringen hinzuweisen oder durch geeignete Unterlagen anderer Pflegedienste mit Verweis auf deren Kostenstruktur konkret darzulegen, dass die aufgestellte Kalkulation der voraussichtlichen Gestehungskosten nicht plausibel erscheint. Wird die Kostenprognose der Einrichtung durch ein solch substanziiertes Bestreiten der Kostenträger erschüttert, muss die Einrichtung wiederum im Nachweisverfahren nach § 89 Abs. 3 Satz 4 iVm § 85 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB XI weitere Belege dafür beibringen, dass ihre Vergütungsforderung auf einer plausiblen Kalkulation der voraussichtlichen Gestehungskosten beruht. Entsprechendes gilt für das Schiedsstellenverfahren.“13 Auch schon im Rahmen der Plausibilitätsprüfung haben die Pflegekassen die vorgelegten Unterlagen auch im Vergleich zu anderen Einrichtungen zu überprüfen und zu plausibilisieren. Allerdings können sie nur dann weitere Unterlagen verlangen und konkreter nachfragen, wenn sie „SUBSTANZIIERT AUF UNSCHLÜSSIGKEITEN“ in der Vergütungsforderung und den begründenden Unterlagen hinweisen. Allein die Aussage, bestimmte Kostenanteile oder Positionen wären zu hoch, entspricht jedoch nicht dem Standard des BSG. Auch ist im ersten Schritt nur die Plausibilität der Forderung zu prüfen, nicht jedoch deren Wirtschaftlichkeit oder Leistungsgerechtigkeit. Beispielsweise sind in einer vorgelegten Kostenprognose die Kosten für Strom massiv höher als 13 BSG 19.12.2009 B 3 P 3/08 R, RZ 65
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 137
zu erwarten. Dann müssten zunächst die Pflegekassen durch Vorlage von nachvollziehbaren Vergleichswerten bzw. mit Beispielen von anderen vergleichbaren Einrichtungen darlegen, warum aus ihrer Sicht diese Kostenposition zu hoch ist (substanziiert). Im nächsten Schritt könnte/müsste die Pflegeeinrichtung darlegen, warum in ihrem Fall die Stromkosten trotzdem plausibel sind, beispielsweise wird das Büro mit Nachtspeicheröfen geheizt und der Vermieter ist zu keiner Änderung bereit, andererseits ist der Standort optimal für den Pflegedienst. Mit dieser Begründung wären die hohen Stromkosten plausibel, zumal dem sicherlich auch Einsparungen bei anderen Heizkosten gegenüberstehen. Auch die Pflegekassen müssen in der Plausibliltätsprüfung darlegen, warum sie einzelne Positionen der Kostenprognose nicht für plausibel halten und dies ‚plausibel‘ belegen beispielsweise durch Vergleichsdaten anderer aber vergleichbarer Einrichtungen. Diese Vergleichsdaten müssen überprüfbar sein, das heißt auch hier wären die Leistungsträger zum Nachweis aufgefordert.
12.2 Sonderrolle Personalkosten Bei der Frage der Plausibilität und damit des Nachweises spielen die Personalkosten eine Sonderrolle, nicht nur weil ambulant über 80 % aller Kosten Personalkosten sind. Die in der aktuellen Gesetzgebung garantierte Refinanzierung bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen hat der Gesetzgeber mit mehreren Nachweispflichten gekoppelt, die er aktuell ( Juli 2017) noch verschärft hat: • In § 85 Abs. 3: „Dabei sind insbesondere die in der Pflegesatzverhandlung geltend gemachten, voraussichtlichen Personalkosten einschließlich entsprechender Erhöhungen im Vergleich zum bisherigen Pflegesatzzeitraum vorzuweisen. Personenbezogene Daten sind zu anonymisieren.“ • § 84 Abs. 7: „Der Träger der Einrichtung ist verpflichtet, im Falle einer Vereinbarung der Pflegesätze auf Grundlage der Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten jederzeit einzuhalten. Auf Verlangen einer Vertragspartei hat der Träger der Einrichtung dieses nachzuweisen. Personenbezogene Daten sind zu anonymisieren.“ • § 115 Abs. 3: „Hält die Pflegeeinrichtung ihre gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere ihre Verpflichtungen zu einer qualitätsgerechten Leistungs-
138
12.2 Sonderrolle Personalkosten
erbringung aus dem Versorgungsvertrag (§ 72) ganz oder teilweise nicht ein, sind die nach dem Achten Kapitel vereinbarten Pflegevergütungen für die Dauer der Pflichtverletzung entsprechend zu kürzen.“ Neu: § 115 Abs. 3a „Eine Verletzung der Verpflichtungen zu einer qualitätsgerechten Leistungserbringung im Sinne des Absatz 3 Satz 1 wird unwiderlegbar vermutet …“. Entsprechendes gilt bei Nichtbezahlung der nach § 84 Absatz 2 Satz 5 bzw. nach § 89 Absatz 1 Satz 4 zu Grunde gelegten Gehälter. Abweichend von Absatz 3 Satz 2 und 3 ist das Einvernehmen über den Kürzungsbetrag unverzüglich herbeizuführen, und die Schiedsstelle hat in der Regel binnen drei Monaten zu entscheiden.“14
Zusammenfassend bedeuten diese Gesetzesvorschriften: 1. Wer mit überdurchschnittlich gestiegenen Personalkosten argumentiert, muss diese auch im Vergleich zur Vergangenheit entsprechend vorweisen. 2. Wer mit dem Argument der gestiegenen Personalkosten eine höhere Vergütung erhalten hat, muss nach Beginn der neuen Vergütungsperiode jederzeit auf Verlangen einer Vertragspartei den Nachweis erbringen, dass die (behauptete) Vergütung(shöhe) auch den Mitarbeitern ausgezahlt wird. 3. Wer die Vergütung nicht in der in der Verhandlung behaupteten Höhe bezahlt, muss diese an die Pflegekassen entsprechend zurückzahlen. Wer also mit konkreten Personalkostensteigerungen argumentiert, ist verpflichtet, diese auch genau umzusetzen: Jede Einsparung oder Notlagenregelung würde deshalb keinen Effekt haben, weil dann die Pflegekassen (jederzeit) die Rückzahlung dieser Einsparung verlangen können und werden. Andererseits könnten die Leistungsträger durch die strengen gesetzlichen Rahmenbedingungen Vergütungsverhandlungen anders führen: Wenn eine Einrichtung eine höhere Vergütung mit einer hohen Personalkostensteigerung begründet, kann auch nach Abschluss der Vereinbarung jeder Leistungsträger quasi jederzeit die Auszahlung überprüfen oder ansonsten zurückfordern. Daher könnte sich die Prüfung in der Verhandlung auf eine einfache Plausibilität beschränken. Der Nachweis der höheren Personalkosten ist in jedem Fall durch die mehrfach im Gesetz vorgeschriebenen ANONYMISIERUNGSVORSCHRIFTEN in § 84, Abs. 7 sowie
14 Geändert durch Art. 9 Gesetz zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften vom 18. Juli 2017 (BGBl S. 2757)
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 139
§ 85 Abs. 3 (einbezogen durch § 89 Abs. 3) begrenzt: Eine Vorlage vollständiger Personallisten kann aus diesem Grunde nicht verlangt werden. Um eine höhere Tarifsteigerung darzustellen, wären pro Berufsgruppe exemplarische Nachweise (auch Lohnjournale) denkbar. Da je nach Vergütungsstruktur und Gehaltssteigerungen evtl. einzelne Lohngruppen mehr erhalten als andere, müsste in diesem Fall auch erläutert werden, wie aus den unterschiedlichen Steigerungsraten sich eine Steigerungsrate für die Vergütung ermittelt. Dies könnte beispielsweise auf dem in Tab. 27 dargestellten Weg erfolgen. Neben der Steigerung pro Berufsgruppe müsste eine Gewichtung nach Mitarbeitern/Stellen erfolgen sowie eine Gewichtung der Personalkosten im Verhältnis zu den Gesamtkosten. Stufensprünge mit berechnen! Ein wesentlicher Kostenfaktor bei Personalkostensteigerungen sind neben den vereinbarten Erhöhungen sogenannte Stufensprünge aufgrund der Beschäftigungszeit oder durch Entwicklung der Qualifikation (z.B. durch Fortbildungen). Je nach Vertragswerk können diese Stufensprünge oft deutlich höher liegen als die normale ‚Tariferhöhung‘: das heißt, die Personalkosten steigen prozentual und durch Stufensprünge. Als Beispiel sei eine Pflegefachkraft gewählt, die nach den Arbeitsvertragsrichtlinien des Paritätischen Gesamtverbandes bezahlt wird.15 Die Pflegefachkraft ist 2019 in die Tarifgruppe D, Stufe 2 eingestuft und erhält lt. Tabelle ein Bruttogehalt von 2.958,45 €. Für 2020 ist ein Bruttogehalt von 3.058,45 € vereinbart,16 was einer Steigerung von 3,4 % entspricht. Da sie aber bereits seit 2 Jahren in Stufe 2 arbeitet, erfolgt 2020 ein Stufensprung in Gruppe 3 (siehe AVR Parität § 10 Regulierte Stufenregelung). Nun verdient sie 3199,23 €, so dass sie einschließlich Stufensprung eine Steigerung von 8,1 % erhält. Das Beispiel zeigt, dass die durch Steigerungsstufen bedingten Kostensteigerungen sogar mit 4,7% höher liegen als allein die tariflich vereinbarte Steigerung von 3,4 %. Würde der Pflegedienst nur die tarifliche Steigerung vereinbaren, würde er auf Sicht seine Kosten nicht mehr decken können. Enthält das ‚Tarifwerk‘ (unabhängig ob AVR, Tarif, vergleiche kirchliche Regelung, Haustarif) eine solche Stufensteigerungsregelung, kann eine sachgerechte Personalkostensteigerung nur durch die Hochrechnung über das Lohnabrechnungsprogramm ermittelt werden.
15 Fundstelle AVB Paritätischer Gesamtverband: https://www.der-paritaetische.de/publikation/arbeitsvertragsbedingungen-avb-stand-januar-2019/ 16 https://www.der-paritaetische.de/fachinfos/arbeitsvertragsbedingungen-avb-gueltig-ab-01012020/
140
12.2 Sonderrolle Personalkosten
Soll erst im nächsten Jahr/Periode eine höhere Vergütung bezahlt werden, kann der „Nachweis“ über erste Umsetzungsschritte erfolgen, wie veränderte Arbeitsverträge, schriftliche Ankündigungen gegenüber den Mitarbeitern, Absprachen mit Arbeitnehmervertretungen oder auch Vorstandsbeschlüsse, Festlegungen der Tarif- oder arbeitsrechtlichen Kommissionen etc. Die prospektive Umsetzung kann dann erst nach Umsetzung, rechtlich gesehen aber jederzeit überprüft werden. Personalkostensteigerung Vergleichszeitraum
Vorjahr
Berufsgruppen
Anzahl Stellen
2020 Verhältnis Stellen
Zukün�iger Zeitraum
2021
Kosten pro Stelle Vorjahr
Zukün�ig
Veränderung
Leitungskrä�e
1,2
8,2%
65.744 €
69.689 €
6,0%
Pflegefachkrä�e (3-jährige Ausbildung)
4,15
28,3%
61.481 €
65.170 €
6,0%
Pflegekrä�e (1-jährige Ausbildung)
4,5
30,7%
49.200 €
52.152 €
6,0%
Angelernte Pflegekrä�e (ohne Ausbildung)
4,01
27,4%
42.400 €
44.944 €
6,0%
Verwaltung
0,8
5,5%
47.038 €
49.860 €
6,0%
Gewichtete Veränderung der Personalkosten
6,0%
Steigerung der Vergütung um:
5,4%
14,66
Verhältnis Personalkosten zu Gesamtkosten
89,6%
Tabelle: 27 (Tabelle im Downloadbereich kostenfrei)
Da die Personalkostensteigerung nicht identisch ist mit der Gesamtkostensteigerung, werden oft pauschale Prozentverhältnisse gewählt: Geht man beispielsweise von 80 % Personalkosten und 20 % Sachkosten aus, dann hieße das bei 6 % Personalkostensteigerung 4,8 % Gesamtsteigerung. Bei der Berechnung der Personalkosten zu den Gesamtkosten sollten nicht nur die Pflegepersonalkosten, sondern auch die anderen Personalkosten aus Leitung und Verwaltung mitberücksichtigt werden. Zwar sind in unserem Beispiel der Kalkulation (Seite 118 – 119) die Pflegepersonalkosten bei 80,09 %, aber die gesamten Personalkosten einschließlich Leitung liegen bei 75,99 %. Somit müssten die Gesamtkosten um 5,4 % gesteigert werden, um die Steigerung der Personalkosten zu refinanzieren (hier nicht dargestellt ist die Steigerung der Sachkosten).
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 141
Nachholen von Vergütungssteigerungen Gerade bei der Refinanzierung der Personalkosten ergeben sich auch für die Einrichtungen neue Perspektiven durch die geänderte Rechtslage, die früher von Tarifwerken etc. aus wirtschaftlichen Gründen abgewichen sind und daher nun aktuell einen ‚NACHHOLEFFEKT‘ haben. Schon 2009 hat das BSG auf eine solche Konstellation hingewiesen und festgestellt: „Nicht von vornherein als unplausibel ausgeschlossen ist auch die Erhöhung von Kostenansätzen, die in den Vorjahren aufgrund fehlerhafter Kalkulation oder sogar bewusst – etwa um Marktsegmente zu erobern – zu niedrig angesetzt worden sind; im letzteren Fall besteht allerdings eine besonders substanziierte Begründungspflicht des Pflegedienstes.“17 Klarzustellen ist zunächst, dass ein ‚Nachholen‘ von in der Vergangenheit nicht durchgeführten Vergütungssteigerungen sich nur auf die Zukunft bezieht, es gibt also keine ‚Nachzahlungen‘. Aber nur weil die Einrichtung in der Vergangenheit die Erhöhungen nicht berücksichtigt/verhandelt hat (aus welchem Grund auch immer), muss dies nicht für Zukunft gelten. Nur ist die Einrichtung entsprechend verpflichtet, die Gründe und die daraus resultierende Veränderung plausibel darzustellen. In einem vergleichbaren Verfahren zur Vergütung in der Häuslichen Krankenpflege hatte die Schiedsperson eine Steigerung über die letzten 6 Jahre auf der Basis der Grundlohnsumme errechnet, weil seit dieser Zeit keine Vergütungserhöhung durchgeführt worden war. Die Krankenkassen hatten hier nur auf das aktuelle Jahr abgestellt. Das BSG hat aber entschieden, dass dann Vergütungssteigerungen für die Vergangenheit zulässig sind (in diesem Falle in Höhe der Grundlohnsumme), wenn in den Vorjahren (also bis heute) keine Vergütungssteigerung stattgefunden hat.18 Auch wenn beispielsweise in den letzten drei Jahren nur Vergütungssteigerungen von jeweils 1 % abgeschlossen wurden (beispielsweise auf Empfehlung der Landesverbände), aber die tariflich bedingten Lohnsteigerungen und stufenbedingten Steigerungen bei 8 % lagen, könnte dies mit einer entsprechenden Auflistung dargestellt und durch exemplarische Lohnjournale, aus denen die realen Personalkostensteigerungen hervorgehen, belegt werden. Allerdings wird hier immer von den Leistungsträgern die Frage gestellt, warum der Pflegedienst nicht schon früher Einzelverhandlungen geführt hat und wie er in der Zwischenzeit das vermeintliche Defizit finanziert hat? Hier muss die Einrichtung entsprechend argumentieren können.
17 Siehe BSG 19.12.2009 B 3 P 3/08 R, RZ 53 18 BSG 25.11.2010, B 3 KR 1/10 R, RZ 44
142
12.3 Prüfung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütung
12.3 Zweiter Schritt: Prüfung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütung Zur Prüfung der Leistungsgerechtigkeit ist der externe Vergleich heranzuziehen. Er dient vor allem der Frage, ob die Vergütung im Vergleich zur Vergütung anderer Einrichtungen als nicht unwirtschaftlich anzusehen ist.19 Da per Gesetz aber die Personalkosten bis zur Höhe tariflich vereinbarter Vergütungen oder nach entsprechenden Vergütungen nach kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen wirtschaftlich sind (§ 89 Abs. 1 Satz 4), entfällt dann der externe Vergleich, wenn mit diesen Personalkosten die Vergütungserhöhung (auch) verlangt wurde. In diesem Punkt ist wegen der Änderung der Gesetzeslage das hier ansonsten maßgebliche BSG-Urteil aus 2009 nicht mehr aktuell, da der Gesetzgeber mit dem PSG III hier auch die gesetzliche Klarstellung vorgenommen hat (siehe Seite 129). Sollten nicht die Personalkostensteigerung als Hauptgrund zur Vergütungsforderung führen, sondern allgemeine Steigerungen, so ist zunächst zur Prüfung der Leistungsfähigkeit der externe Vergleich durchzuführen, um zu prüfen, ob hier schon Anhaltspunkte für eine Leistungsgerechtigkeit der Vergütung gegeben sind.
Einschlägiger räumlicher Markt Den externen Vergleich haben die Pflegekassen durchzuführen, das heißt: sie müssen die entsprechenden Daten vergleichbarer Pflegedienste vorlegen. Dieser ist auf den „einschlägigen räumlichen Markt einzugrenzen“20. So dürfte ein externer Vergleich auf der Ebene einer Großstadt oder eines Landkreises problematisch und nicht sachgerecht sein, wenn das Einzugsgebiet des Pflegedienstes im Versorgungsvertrag oder in der Realität anders, im Regelfall kleiner, definiert ist. Daher sollte bei Durchführung/Prüfung des externen Vergleichs geprüft werden, ob die Vergleichsgruppe geografisch richtig zusammengestellt wurde. In stationären Verhandlungen wird der externe Vergleich mit den Einrichtungen auf Landkreisebene oder in der kreisfreien Stadt erstellt, was bei Heimen deshalb sachgerecht ist, weil Angehörige auch bereit sind, etwas längere Wege zum Besuch zurückzulegen und daher eher auch ein gutes, aber etwas weiter entfernt liegendes Heim wählen. Ambulant fahren Pflegedienste weder durch den ganzen Landkreis noch oft in alle Stadtteile einer größeren Stadt; es wäre auch vollkommen
19 BSG 19.12.2009 B 3 P 3/08 R, RZ 59 20 Siehe BSG 19.12.2009 B 3 P 3/08 R, RZ 66
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 143
unwirtschaftlich. Daher entspricht ein externer Vergleich ambulant über den Landkreis oder der gesamten Stadt nicht den Vorgaben des BSG. Andererseits sollten Pflegedienste an dieser Stelle ihre Versorgungsverträge überprüfen und evtl. das örtliche Einzugsgebiet verändern und so klarstellen. In den Anfangsjahren der Pflegeversicherung war es üblich, möglichst große Versorgungsgebiete zu benennen, um sich strategisch nicht einzuschränken. Allerdings ist in der aktuellen Gesetzesfassung genauer formuliert, wie das Einzugsgebiet festzulegen ist: „Bei ambulanten Pflegediensten ist in den Versorgungsverträgen der Einzugsbereich festzulegen, in dem die Leistungen zu erbringen sind.“21 Unter Kenntnis der gesetzlichen Grundlage müsste die Pflegekasse bei der Auswahl des externen Vergleichs also prüfen, ob ein identischer Einzugsbereich in den Versorgungsverträgen der Vergleichseinrichtungen festgelegt ist. Eine Sortierung allein nach der Trägeradresse und dem Landkreis oder der kreisfreien Stadt, wie es zur Zeit üblich ist, genügt daher nicht den Anforderungen des BSG-Urteils.
Vergleichbarkeit prüfen Das BSG geht zunächst beim externen Vergleich davon aus, dass Pflegedienste wie Pflegeheime grundsätzlich die identischen Voraussetzungen haben und damit vergleichbar sind: Weil der Maßstab für die leistungsgerechte Vergütung nicht der konkrete Pflegedienst, sondern „ein(em)“ Pflegedienst sein soll, ist über den externen Vergleich als Maßstab ein idealtypischer und wirtschaftlich operierender Pflegedienst anzunehmen.22 Allerdings, und hier schlägt das BSG durchaus Differenzierungsmöglichkeiten vor, sind die Vergleichseinrichtungen am konkreten Versorgungsauftrag („seinen Versorgungsauftrag“ § 89, Abs.1) auszurichten. Der „einrichtungsindividuelle Versorgungsauftrag ist im Versorgungsvertrag nach § 72 sowie etwaigen weiteren Vereinbarungen im Einzelfall“ definiert.23 Pflegedienste sind grundsätzlich gemischte Einrichtungen und vor allem der Anteil und die Art der Behandlungspflegeleistungen nach SGB V haben auch Einfluss auf die Personal- und damit Kostenstruktur des Pflegedienstes. So wird beispielsweise ein Pflegedienst, der vornehmlich auch psychiatrische Krankenpflege erbringt, einen anderen höher qualifizierten (und damit teureren) Personalstamm auch im Bereich der
21 § 72 Abs. 3 Satz 3 22 S.s.O. RZ 57 23 S.s.O, RZ 57
144
12.3 Prüfung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütung
Pflegeversicherung einsetzen als ein Pflegedienst, der im Kern (nur) Altenpflege mit ergänzender Behandlungspflege erbringt. Gerade bei solchen speziellen Konstellationen und Zielgruppen könnte man diesen Umstand berücksichtigen (und die Vergleichbarkeit im externen Vergleich einschränken), wenn man im Versorgungsvertrag die Zielgruppe entsprechend (einschränkt) definiert: Im Versorgungsvertrag nach § 72 sind „Art, Inhalt und Umfang der allgemeinen Pflegeleistungen (§ 84 Abs.4) festzulegen, die von der Pflegeeinrichtung während der Dauer des Vertrages für die Versicherten zu erbringen sind (Versorgungsauftrag)“24. So könnte ein Pflegedienst seinen Versorgungsauftrag beispielsweise auf die Zielgruppe „Pflegebedürftige mit Diabetes“ oder für „gerontopsychiatrische Pflegebedürftigen“ beschränken und hinsichtlich der Zielgruppe entsprechend höhere Personalqualifikationen vorhandeln und höhere Vergütungen verlangen. Ob eine solche Zielgruppenbeschränkung im ambulanten Bereich sinnvoll ist, muss im Einzelfall kritisch überprüft werden, sie wäre aber formal zulässig und könnte für höhere Vergütungen sorgen. Vergleichbares kennt man aus dem vollstationären Bereich von Pflegeheimen mit eigenen Stationen für Menschen im Wachkoma (mit entsprechend höheren Pflegesätzen). Ob man die Vergleichbarkeit auch allein vom Anteil der Behandlungspflege nach SGB V abhängig machen kann, wäre eine weitere offene Frage, denn das BSG spricht (wie zitiert) auch von „etwaigen weiteren Vereinbarungen im Einzelfall“, die die allgemeine Vergleichbarkeit einschränken könnten. Hier wird man nur substanziiert vortragen können, wenn es tatsächlich gravierende Unterschiede zu anderen Pflegediensten gibt, beispielsweise wegen der Teilnahme an der SAPV-Versorgung (deshalb die Vorhaltung zusätzlich ausgebildeter Fachkräfte) oder spezieller Wundversorgung.
Methodik des externen Vergleichs Der externe Vergleich nach der Methodik des BSG kennt drei Vergleichsgruppen: die günstigste Vergütung, eine Vergütung im Bereich des unteren Drittels der Preisspanne sowie eine Vergütung oberhalb des unteren Drittels. Bei der Berechnung der Vergleichswerte spielt allein die Preisspanne, nicht aber die Anzahl der Einrichtungen innerhalb dieser Preisspanne oder der Teilgruppen eine Rolle: Liegt die Preisspanne der Vergütungen nach Punktwert beispielsweise zwischen 0,040 und 0,060 Cent, dann ermittelt sich das untere Drittel aus der Differenz dividiert durch Drei: 0,060 ct – 0,040 ct. = 0,020
24 § 72 Abs. 1 Satz 2
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 145
ct. dividiert durch 3 = 0,0066. Niedrigster Punktwert 0,040 ct. + 0,0060 ct. = 0,046 ct. ist dann die Grenze des unteren Drittels. • Niedrigster Preis: Hat der zu vergleichende Pflegedienst die günstigste Vergütung, ist sie ohne weitere Prüfung leistungsgerecht. • Untere Drittel: Liegt der Pflegedienst mit seiner Forderung im unteren Drittel der Vergleichseinrichtungen, entfällt ebenfalls eine weitere Prüfung. • Oberhalb untere Drittel: Liegt der Pflegedienst mit seiner Forderung oberhalb des unteren Drittels, „so hat die Einrichtung die Gründe dafür anzugeben und nachvollziehbar zu begründen. Zu dieser Begründung haben die Kostenträger nach Maßgabe ihrer – notfalls noch zu beschaffenden – Marktkenntnis Stellung zu nehmen, sodass sowohl dem Einrichtungsträger als auch – bei ihrer Anrufung – der Schiedsstelle eine sachgerechte Beurteilung der Pflegesatzforderung möglich ist“.25 Problematisch an dieser vom BSG so definierten Ermittlung26 der Gruppen für den externen Vergleich ist die Tatsache, dass es keine Rolle spielt, wie viele Pflegedienste niedrigere Preise haben. Wenn beispielsweise nur ein Pflegedienst von 30 im externen Vergleich weiterhin zum Punktwert von 0,040 (wie im Beispiel) abrechnet, alle anderen aber schon mindestens 0,050 ct. pro Punkt verhandelt haben, spielt das für den externen Vergleich nach dem BSG-Muster keine Rolle. Ob man hier aber von einem marktgerechten Maßstab ausgehen kann, darf bezweifelt werden, denn alle anderen Marktteilnehmer liegen deutlich über dem ‚Ausreißer‘. In der ambulanten Pflege kann es für einzelne Pflegedienste verschiedene Gründe geben, keine Preiserhöhung anzustreben, beispielsweise wird im Regelfall nicht danach differenziert oder ist es in Preisvergleichslisten erkennbar, ob ein Pflegedienst (nur) im Betreuten Wohnen oder einem Wohnstift arbeitet oder als klassischer Pflegedienst mit langen Anfahrwegen. Im Betreuten Wohnen können viele Synergien aus den sehr kurzen Wegen genutzt werden, die ein normaler Pflegedienst nicht hat. Gleiches gilt zum Beispiel für Intensivpflegedienste, deren Haupteinkommensquelle die Behandlungspflege ist, die gleichwohl aber einen Versorgungsvertrag nach SGB XI und eine Vergütungsvereinbarung haben, weil ein sehr geringer Teil der Kosten hierüber abgerechnet wird. Oftmals haben diese Dienste dann ausgesprochen niedrige Punktwerte, verzerren den externen Vergleich damit aber massiv. 25 BSG Urteil vom 19.12.2009 B 3 P 3/08 R, RZ 66 26 Siehe BSG Urteil vom 19.12.2009 B 3 P 3/08 R, RZ 62
146
12.3 Prüfung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütung
Dazu ein Beispiel: In Erfurt, der Landeshauptstadt von Thüringen, gab es mit Stichprobe vom 01.02.2020 35 Pflegedienste, deren Punktwerte von 0,03908 € bis 0,06059 € reichten, was einer Bandbreite von 36 % entspricht.27 Diese Prozentzahl wäre aber noch höher, da es auch noch einen Pflegedienst mit einem Punktwert von 0,03638 € und damit 7 % unter dem niedrigsten Wert gab, der allerdings erkennbar nur Intensivpflegebedürftige betreut hat. Berechnet man den Wert für das untere Drittel ohne den Intensivpflegedienst, dann kommt man auf einen Grenzwert von 0,04625 € für das untere Drittel. Aber mit dem Intensivpflegedienst reduziert sich das untere Drittel auf den Punktwert von 0,0445 €! Im Preisvergleich werden diese ungleichen Dienste im Regelfall nicht herausgelassen, da sie weder systematisch erfasst noch in der Zusammenstellung von Preisvergleichslisten abgefragt werden. Was in der stationären Pflege als Vergleichsinstrument geeignet erscheint, ist es für die ambulante Pflege nur dann, wenn der Vergleich auf der Basis weiterer Angaben erstellt wird, die über die Adresse, den Landkreis/Stadt und die Vergütungshöhe hinausgehen.
Verhandlung einzelner Komponenten und externer Vergleich Ein weiterer Diskussionspunkt für die Vergleichbarkeit ist die Struktur der ambulanten Vergütung. Die Vergütungen bestehen in vielen Bundesländern aus mehreren Komponenten (siehe Tab. 28, S. 148): • Der Preis für die Pflegeleistung, im Regelfall als Punktwert definiert (bis auf Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz). • Ergänzend gibt es in einigen Ländern parallel Zeitvergütungen für die körperbezogenen Pflegemaßnahmen • Pflegerische Betreuungsmaßnahmen werden oft nach Zeit vergütet • Eine Fahrt- oder Wegepauschale (in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und im Saarland sind diese in der Vergütung inkludiert. • Zuschläge für Nacht-/oder Wochenendarbeit werden teilweise über erhöhte Wegepauschalen oder mit anderen Zuschlägen vergütet.
27 Heiber, A. (2020), S. 56
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 147
Je nach Verhandlungsstrategie kann es sein, dass Pflegedienste nur Teilbereiche der Vergütungskomponenten verhandeln oder erhöht haben, beispielsweise nur die Wegepauschale. Da der zeitliche Aufwand für den Weg bei ca. 20 % bis 25 % der Arbeitszeit der Pflegemitarbeiter liegt,28 könnte hier eine deutliche Erhöhung sinnvoller und leistungsgerechter sein als eine prozentual identische Erhöhung aller Leistungen. Das kann aber mit einem externen Vergleich allein der Wegekosten nicht sachgerecht beurteilt werden, hier ist der externe Vergleich ein ungeeignetes Mittel. Andererseits könnten über die Darstellung der höheren Wegezeiten abweichende Gründe vorgetragen werden, die höhere Vergütung über den sonst üblichen Wegekosten ermöglichen. Bei all den vorgetragenen Einschränkungen und Problemen beim Erstellen des externen Vergleiches in der ambulanten Pflege darf man den Zweck dieses Instrumentes nicht vergessen: Er sollte nur die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütungsforderung erleichtern. Denn jede Vergütungsforderung über dem unteren Drittel, und das dürfte bei Einzelverhandlungen der Normalfall sein, ist sowieso weitergehend zu prüfen und damit verliert der externe Vergleich hier noch stärker seine Bedeutung. Mit der Feststellung, dass die Vergütungsforderung oberhalb des unteren Drittels liegt, beginnt daher für die Pflegekassen die weitere Arbeit. Sie müssen dann prüfen, ob die Gründe, die die Einrichtung zur höheren Vergütung vorgetragen hat, wirtschaftlich im Sinne von „leistungsgerecht“ sind. Dabei ist der Bereich „Personalkosten“ durch die gesetzlichen Klarstellungen abschließend geregelt. Ob weitere Kostenbereiche (wie Sachkosten, Verwaltungsanteile) zu hoch sind, müssten die Pflegekassen mit entsprechenden Vergleichsdaten vergleichbarer Einrichtungen transparent darstellen, ansonsten sind solche Einwände gegenstandslos. Wenn beispielsweise die Pflegekasse die Höhe der Sachkosten infrage stellt, muss sie dies mit Daten vergleichbarer (also gleich großer) anderer Einrichtungen im Einzugsgebiet unterlegen.
Vergütungsverhandlung ist keine Wirtschaftlichkeitsprüfung Die Vergütungsverhandlungen haben nicht zum Ziel, im Detail die Wirtschaftlichkeit des einzelnen Pflegedienstes zu überprüfen. Das BSG legt zwar fest, dass den individuellen Besonderheiten des konkreten Pflegedienstes Rechnung zu tragen, der Vergleichsmaßstab aber wie im Gesetz ausgeführt „ein“ (abstrakter) Pflegedienst ist und nicht der konkrete. 28 Nach Heiber, A. in Wochenzeitschrift Carekonkret vom 15.11.2002
148
12.3 Prüfung der Leistungsgerechtigkeit der Vergütung
Leistungskataloge SGB XI der Bundesländer im Systemvergleich © System & Praxis, A.Heiber, Stand Juni 2018 Preissystem Bewertung pro Berufsmit Punkten Leistung gruppe
Bundesland BadenWürttemberg
Wegepauschalen Körperpflege nach Zeit
x
Zeitzuschläge
Bewertung Punkte Nacht
Wochenende
Einschl. Samstag?
Pflegerische Betreuung
Haushalt nach Zeit
Zeit
x
Euro
x
20.00 bis 6.00 Uhr
x
x
Euro
über W.
20.00 bis 8.00 Uhr
-
-
x
Euro
über W.
20.00 bis 8.00 Uhr
-
-
über W.
extra Deckelung
Definition
Bayern Wohlfahrt
x
alternativ
Zeit
x x
Bayern Privat
x
alternativ
Zeit
x
Berlin
x
100 P.
x
65
22.00 bis 6.00 Uhr
über W.
ja
Brandenburg
x
100 P.
x
80
-
-
-
Bremen
x
alternativ
Zeit
alternativ
68
-
Hamburg
x
alternativ
Zeit
alternativ
x
60
x
20.00 bis 6.00 Uhr
x
ja
Hessen Module
x
Zeit
x
x
Euro
über W.
20.00 bis 6.00 Uhr
über W.
ja
x
x
Euro
über W.
20.00 bis 6.00 Uhr
über W.
ja
92
x
20.00 bis 6.00 Uhr
x
ab 14.00 Uhr
Hessen Zeitabrechnung Meckl.-Vorpommern
x
x
150 P.
x
Niedersachsen
x
Nordrhein-Westfalen
x
Rheinland-Pfalz
alternativ
Zeit Zeit
x
bis 3x täglich
x x alternativ
x
Euro
über W.
20.01 bis 6.00 Uhr
über W.
ja
2x, evtl. öfter
Euro
-
-
-
-
bis 3x täglich
Euro
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
Zeit x
ab 13.00 Uhr
Saarland
x
Zeit
Sachsen
x
150 P.
-
-
-
-
-
-
Sachsen-Anhalt
x
150 P.
-
-
-
-
-
-
-
Schleswig-Holstein
x
500 P.
bis 2 x täglich
Euro
x
22.00 bis 6.00 Uhr
x
ja
Thüringen
x
150 P.
-
-
-
-
-
-
Tabelle: 28
Es geht also nur um die Frage, wie hoch zum Vergleich ein allgemein erforderlicher Betreiberaufwand wäre.29 Deshalb muss im Einzelfall auch gar nicht geprüft werden, ob der Pflegedienst beispielsweise noch Wirtschaftlichkeitsreserven hätte, da es nicht auf den Einzelfall als Maßstab ankommt. Haben die Pflegekassen den Verdacht einer unwirtschaftlichen Betriebsführung, können und müssen sie dann eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 79 Abs. 1 einleiten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte gegen den Verstoß des Versorgungsvertrages nach § 72 vorliegen. In der Vergütungsverhandlung ist die Prüfaufgabe auf die Plausibilität der Angaben sowie die im Vergleich zu vergleichbaren Einrichtungen nachvollziehbare wirtschaftliche Leistungserbringung beschränkt. Die Vergütung ist auch leistungsgerecht, wenn es für die im Vergleich höhere Vergütung plausible Gründe gibt und ohne diese Vergütungshöhe der Versorgungsauftrag nicht erfüllt werden kann. Ob das schon oben besprochene BSG-Urteil vom 26.09.2019 über den Gewinnzuschlag hier etwas ändern wird, ist fraglich: einerseits fordert das Gericht von der Schiedsstelle, auch im Detail alle Kalkulationspositionen in Hinblick auf versteckte Gewinnausschüttungen zu überprüfen,30 allerdings basiert dieser Ansatz auf der grund-
29 BSG Urteil vom 19.12.2009 B 3 P 3/08 R, RZ 57 30 BSG vom 26.09.2019, B 3 P 1/18 R, RZ 30
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 149
sätzlichen Annahme, man dürfe keine pauschalen Gewinnzuschläge vereinbaren. Allerdings hat sich hier die Rechtslage mit dem PSG III geändert (ausführlich Seite 87 ff.).
Bisher nicht geprüfte Wirtschaftlichkeit? Ein Argument, was in ambulanten Einzelverhandlungen durch die Leistungsträger immer wieder vorgetragen wird, ist die Aussage, dass man deshalb so umfangreiche Nachweise und Unterlagen in der Einzelverhandlung benötige, weil man bisher immer nur generell pauschal die Vergütungen erhöht habe und damit gar nicht wisse, ob noch Wirtschaftlichkeitsreserven vorhanden wären. Hier wird dann mit dem BSG-Urteil vom 23.06.2016 argumentiert: „Soweit in den Vergütungsverhandlungen auf nachvollziehbar festgesetzte Vergütungen der Vorjahre als Basis für aktuelle Vergütungsverhandlungen zurückgegriffen werden kann, bezieht sich die Darlegungs- und Substantiierungslast lediglich auf die eingetretenen Veränderungen, die eine Erhöhung der zuvor vereinbarten Vergütung rechtfertigen. Damit werden an Leistungserbringer keine unzumutbaren Darlegungslasten gestellt.“31 Weil es jedoch an einer nachvollziehbar festgesetzten Vergütung aus den Vorjahren fehle, müsste man diese Prüfung nun komplett nachholen. Würde man die Aussage der Mitarbeiter der Kranken- und Pflegekassen hier ernst nehmen, würde das ja bedeuten, dass die bisherigen Vergütungsvereinbarungen oder jährlichen pauschalen Steigerung, ohne rechtliche Basis erfolgt sind. Denn wenn die Wirtschaftlichkeit der Einrichtung nur bei Vergütungsforderungen in Einzelverhandlungen infrage gestellt wird, aber bei pauschal auf Landesebene vereinbarten Vergütungen die Wirtschaftlichkeit nicht bestritten wird, stellt sich die Frage nach den Maßstäben und der Willkürlichkeit. Mit einem konkreten Beispiel wird diese Beliebigkeit der Kassenargumentation noch deutlicher: Fordert ein Pflegedienst in einer Einzelverhandlung wegen nachgewiesen gestiegenen Personalkosten eine Erhöhung von 10 %, stellen die Kassen die Wirtschaftlichkeit grundsätzlich infrage und wollen diese zunächst prüfen. Verlangt der Pflegedienst jedoch nur die landesweit abgesprochenen 2,5 %, so muss seine Wirtschaftlichkeit nicht geprüft werden. Hier darf man sich ernsthaft die Frage stellen, wie die Kranken- und Pflegekassen ihre Sachwalterrolle als Vertreter der Versicherten und im Auftrag des Staates als Mitarbeiter einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gerecht werden. Zumal wenn im Einzelfall die geforderte Vergütung nicht über den Vergütungen anderer Einrichtungen liegt, sondern innerhalb des am Markt bereits vorhandenen
31 BSG vom 23.6.2016, B 3 KR 26/15 R, RZ 42
150
12.4 Der praktische Ablauf der Vergütungsverhandlung
Korridors. Hier wird die weitere auch rechtliche Entwicklung zu beobachten sein, aber grundsätzlich ist die Begründungskette der Leistungsträger nicht nachvollziehbar. Nicht anwendbar ist jedoch die Rechtsprechung des BSG zur Vergütungsfindung in der Krankenversicherung für die Pflegeversicherung; denn anders als die Pflegeversicherung kennt die Krankenversicherung eine wesentliche Einschränkung bei der Vergütungsfindung: den Grundsatz der Beitragsstabilität und damit den Maßstab der Steigerung der Grundlohnsumme sowie die bei einer Abweichung nötige Begründung von ausgeschöpften Wirtschaftlichkeitsreserven (ausführlich S. 165). Daher sind die BSG-Urteile aus 2016 zum Recht der Krankenversicherung32 nur eingeschränkt auf das SGB XI übertragbar. Auch die Ausführungen des BSG im Urteil vom 26.09.2019 zur Beachtung der Beitragsstabilität im SGB XI stehen dem nicht entgegen, weil Vergütungssteigerung keinen Einfluss auf das Ausgabegeschehen und damit die Beitragsstabilität haben (siehe auch Seite 91).
12.4 Der praktische Ablauf der Vergütungsverhandlung Der konkrete Ablauf der Vergütungsverhandlungen ist in § 85 Abs. 3 bis 7 auch für die ambulante Pflege beschrieben. Da dieser Paragraf aber für die stationäre Pflege ausformuliert wurde, gilt er für den ambulanten Bereich nur „entsprechend“, wie es im Verweis des § 89, Abs. 3 formuliert ist. Im konkreten Fall gilt also nicht der genaue Gesetzestext, sondern dieser nur in Anwendung auf die (Besonderheiten der) ambulanten Pflege.
Definition der Vertragsparteien Die Definition der Vertragsparteien findet sich in § 89 Abs. 2: Die Vertragsparteien der Kostenträger hat der Gesetzgeber auf diejenigen Pflegekassen, Sozialversicherungsträger oder Sozialhilfeträger begrenzt, auf die im Jahr vor Beginn der Vergütungsverhandlung jeweils mehr als 5 % der vom Pflegedienst BETREUTEN PFLEGEBEDÜRFTIGEN entfallen. Dabei können einzelne Pflegekassen oder Kostenträger auch Arbeitsgemeinschaften bilden, hier gilt die 5 %-Grenze dann für die Arbeitsgemeinschaft. Durch diese Regelung wollte der Gesetzgeber die Anzahl der in einer konkreten Verhandlung vertretenden Kostenträger begrenzen. Die abgeschlossene Vergütungsvereinbarung gilt dann aber für alle Kostenträger im Land. Aus der Formulierung im Gesetz: „vom Pflegedienst betreuten Pflegebedürftigen“ lässt sich schließen, dass hier alle Leistungs32 BSG vom 23.06.2016; B 3 KR 26/15 R sowie B3 KR 25/14
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 151
bezieher von Pflegeversicherungsleistungen zu zählen sind, unabhängig von der Art des Leistungsbezugs. Da hier also nicht nur die Sachleistungsbezieher gemeint sind, gehören zur Ermittlung der Anzahl der Pflegebedürftigen neben den Sachleistungsbeziehern auch die Pflegegeldbezieher. Als Divisor dient somit die Gesamtzahl aller vom Pflegedienst mit Leistungen versorgten Pflegebedürftigen. Bezieher von Leistungen der Kostenerstattung (§§ 39/45b) dürften hier auch gezählt werden, weil sie (unabhängig von der Finanzierungsart) ebenfalls vom Pflegedienst betreut werden und Leistungen der Pflegeversicherung erhalten. Allerdings dürfte diese Gruppe weitgehend identisch sein mit den bereits genannten Sach- und Geldleistungsbeziehern. Beispielhaft ist in der Tabelle die Ermittlung der Vertragsparteien dargestellt. Einrichtung Beispieleinrichtung
Ermi�lung der Vertragsparteien im Sinne § 89 SGB XI
Pflegekassen Allgemeine Ortskrankenkasse - AOK
Erhebungsjahr Gesamtanzahl Kunden im Vorjahr 144
Prozent 71,3%
2020 Vertragspartei ja
Bundesknappscha�
12
5,9%
ja
Innungskrankenkasse - IKK
0
0,0%
nein
Krankenkasse für den Gartenbau
5
2,5%
nein
Landwirtscha�liche Krankenkassen
5
2,5%
nein
Seekasse
5
2,5%
nein
Betriebskrankenkasse a - BKK a Betriebskrankenkasse b - BKK b Betriebskrankenkasse c - BKK c
0 0 0
0,0% 0,0% 0,0%
nein nein nein
Barmer Ersatzkasse - BEK Deutsche Angestelltenkrankenkasse - DAK Hamburg Münchener Krankenkasse Handelskrankenkasse - hkk Hansea�sche Krankenkasse - HEK Kaufmännische Krankenkasse - KKH Techniker Krankenkasse - TK Summe VdaK e.V. Kassen Gmünder Ersatzkasse - GEK KeH Ersatzkasse Krankenkasse für Bau und Holzberufe - HZK Summe AEV e.V. Kassen
3 3 3 3 3 3 0 18 0 0 0 0
1,5% 1,5% 1,5% 1,5% 1,5% 1,5% 0,0% 8,9% 0,0% 0,0% 0,0% 0,0%
nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein
Träger der Sozialhilfe
13
6,4%
ja
Private Pflegeversicherung - a Private Pflegeversicherung - b
0 0
0,0% 0,0%
nein nein
202 © SysPra.de; Heiber/Ne� 2020
Tabelle: 29/ Tabelle im Downloadbereich
152
12.4 Der praktische Ablauf der Vergütungsverhandlung
Aufforderung zur Verhandlung Die Vergütungsverhandlung beginnt mit der Aufforderung zur Verhandlung. Jede Vertragspartnerseite (Leistungsträger oder Pflegedienst) kann zu Verhandlungen aufrufen. Dies sollte schriftlich und nachvollziehbar geschehen (sei es vorab per Fax bzw. als Einschreiben), um den Beginn zu dokumentieren. Die Verhandlungsaufforderung muss „Art, Inhalt, Umfang und Kosten der Leistungen, für die es eine Vergütung beansprucht, durch Pflegedokumentation und andere geeignete Nachweise rechtzeitig vor Beginn der Pflegesatzverhandlung darlegen“33. Die Formulierung im Gesetz, dass die Verhandlungsunterlagen rechtzeitig vor Beginn der Verhandlung darzulegen sind, ist nicht dahingehend zu verstehen, dass die Verhandlung erst dann beginnt, wenn alle Unterlagen vorliegen. Dann könnte jedes Verfahren allein wegen der ungeklärten Frage der notwendigen Unterlagen beliebig in die Länge gezogen werden, der im Gesetz definierte Verhandlungsrahmen von 6 Wochen, nach dem dann die Konfliktlösung in Form der Schiedsstelle angerufen werden kann, wäre ohne jede Wirkung. Die Verhandlung beginnt daher mit der Aufforderung, die die vom Pflegedienst für notwendig erachteten Unterlagen enthalten sollte. Verlangen die Pflegekassen weitere Unterlagen, wird dadurch der Zeitablauf der 6-Wochenfrist nicht berührt.34 Zumal es anders als in der vollstationären Pflege zurzeit (April 2020) nur in NRW und Thüringen ein geeintes Formular zur Vorlage von Daten gibt. In allen anderen Ländern gibt es nach dem bisherigen Kenntnisstand keine geeinten Formulare zur Einzelverhandlung ambulanter Vergütungen, in Niedersachsen ist kurzfristig etwas zu erwarten.
Prospektive Ausrichtung und Laufzeit Die verlangte Vergütung bezieht sich auf einen zukünftigen Zeitraum. Daher stellt sich die Frage, welche Laufzeit verhandelt werden sollte: Aus Sicht der Pflegekassen ist eine längere Laufzeit sinnvoller als eine kurze, allein wegen des Aufwandes einer sonst erneuten Vergütungsverhandlung: Wer für zwei Jahre abschließt, braucht nur einmal zu verhandeln im Gegensatz zu jährlichen Verhandlungen. Oft gibt es auch etwas höhere Angebote bei Annahme einer längeren Laufzeit. Allerdings heißt das auch, dass man für diese lange Zeit Vergütungssteigerungen etc. voraussagen muss bzw. später nicht nachverhandeln kann. Da im Normalfall der Blick in die fernere Zukunft immer weiter getrübt ist, sollte man immer nur im JAHRESZEITRAUM abschließen. Nach Ablauf der 33 § 85 Abs. 3 Satz 2 34 So auch Brünner/Hofer in Krahmer/Plantholz (2018), S. 941
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 153
Vereinbarungszeit kann dann jederzeit neu verhandelt werden, muss aber nicht. Denn nach § 85 Abs. 6 gelten die vereinbarten oder festgesetzten Vergütungen bis zum Inkrafttreten neuer Vereinbarungen weiter.
Verhandlungsunterlagen Über die vorzulegenden Unterlagen als Bestandteil von Vergütungsverhandlungen insbesondere für die ambulante Pflege hat der Gesetzgeber nur wenige Festlegungen getroffen. Leitend ist hier wiederum § 85 Abs. 3: „Das Pflegeheim hat Art, Inhalt, Umfang und Kosten der Leistungen, für die es eine Vergütung beansprucht, durch Pflegedokumentationen und andere geeignete Nachweise rechtzeitig vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen darzulegen.“ Zunächst ist zu übersetzen, was „Art, Inhalt, Umfang und Kosten“ ambulant bedeuten kann. • Art: Falls nicht eine prozentuale Steigerung für die gesamte Vergütung verlangt wird, wäre hier zu differenzieren in bestimmte Leistungen (wie Pflegerische Betreuung oder Leistungskomplexe der körperbezogenen Pflegemaßnahmen) und andere Inhalte wie Wegepauschalen oder Zeitzuschläge. • Der Inhalt der Leistungen ist im Regelfall über landesweit gültige oder geltende Leistungskataloge definiert und in der Praxis in Vergütungsverhandlungen nicht Verhandlungsgegenstand. • Der Umfang der zu erbringenden Leistungen, also die Menge, dürfte nur eine fiktive Rolle spielen; denn anders als in der stationären Versorgung ist die in der nächsten Vergütungsperiode zu erbringende Leistungsmenge nur dann von Interesse, wenn sie zur Darlegung der Gesamtkosten sinnvoll ist. Da aber in der ambulanten Versorgung nur tatsächlich abgerechnete Leistungen finanziert werden, wird diese Menge von Jahr zu Jahr variieren, ohne dass dies wesentliche Auswirkungen auf die Vergütung haben kann. Denn der wesentliche Teil der ambulanten Kosten sind variable Kosten, Fixkosten im Sinne von Vorhaltekosten sind nur zu einem geringen Anteil vorhanden. • Die Kosten der Leistung sind wesentlicher Vorlage- und Nachweispunkt und durch geeignete Unterlagen zu belegen.
154
12.4 Der praktische Ablauf der Vergütungsverhandlung
Welche Unterlagen sind geeignet? Der Gesetzgeber hat zwar hier den Auftrag der Rahmenvertragsparteien nach § 75 aktuell mit dem PSG III erweitert, damit diese die Unterlagen festlegen,35 aktuell sind hier noch keine geänderten Verträge bekannt. Bis auf NRW gibt es kaum oder keine geeinten Unterlagen oder Kalkulationsschemata, die bei ambulanten Vergütungsverhandlungen vorzulegen sind.
Beispiel NRW In NRW gibt es seit Jahren Empfehlungen des sogenannten „Grundsatzausschusses“. Dieser hat lt. Rahmenvertrag § 75 NRW die Aufgabe, Verfahren der Vergütungsverhandlungen sowie Kennzahlen/Kriterien zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit festzulegen.36 Darüber hinaus gibt der Grundsatzausschuss jährliche Empfehlungen zur (auch pauschalen) Vergütungssteigerung heraus, hier in der Rolle einer Pflegesatzkommission37. Je nach Höhe der Steigerung reicht ein einfacher Antrag ohne weitere Nachweise oder bei höherer Steigerung ein Antrag mit Darlegung der Erträge und Kosten. Im dritten Fall (bei der Forderung noch höherer Vergütungen) bleibt der Weg zu Einzelverhandlungen. Der Nachweis bei Vergütungsverhandlungen besteht aus folgenden Bestandteilen, die alle nur den Bereich SGB XI betreffen und entsprechend abzugrenzen sind: 1. Angabe der Grunddaten, wie Adressen, Mitgliedschaften und Vergütungsforderung. 2. Anzahl der Kunden nach Pflegegraden sowie Anzahl der erbrachten Leistungskomplexe aktuell und evtl. abweichend prospektiv. 3. Personaldarstellung nach Berufsgruppen und Anzahl Stellen. 4. Abgrenzung zu anderen Leistungsbereichen: Darstellung der buchhalterischen Abgrenzung des SGB XI von anderen Betriebsbereichen sowie Aufzählung weitere Bereiche (wie Hausnotruf, Verhinderungspflege etc.). 5. Kostenträgerstatistik zur Ermittlung der zu beteiligenden Vertragsparteien. 6. Tarifbindung/ortsübliche Vergütung: Benennung des Tarifwerkes bzw. Angabe von Durchschnittslöhnen pro Berufsgruppe. 35 § 75, Abs. 2, Punkt 11, eingeführt durch PSG III vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3191) 36 Nach § 75 Rahmenvertrag NRW § 19a i.d.F. vom 01.07.2001. 37 Strittig ist allerdings, ob der Grundsatzausschuss im Sinne einer Pflegesatzkommission nach § 86 tätig sein kann, da hier keine Legitimation nach § 86 (Beauftragung) vorliegt
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 155
7. Anlage 1: Diese Anlage 1 wird NUR BEI HÖHEREN VERGÜTUNGSFORDERUNGEN benötigt/vorgelegt: Sie enthält eine Kostendarstellung über das vergangene (komplette) Jahr, das laufende Jahr sowie prospektiv. Darstellt werden die Personalkosten pro Berufsgruppe mit Angabe der entsprechenden Personalstellen sowie Darstellung der Leitungs- und Sachkosten und des Risikozuschlages. Einerseits ist insbesondere der Nachweis nach Anlage 1 relativ weitgehend. Aber aus der Anlage 1 kann beispielsweise die Deckung der Kosten über den Vergleich der Einnahmen aus den Leistungen sowie den dargestellten Ausgaben ermittelt werden. Mit diesem ausführlichen Nachweis lassen sich in NRW auch deutlich höhere Kostensteigerungen begründen und erfolgreich verhandeln. In weiteren Schritten könnte anhand der Anlage 1 auch über die Personalzusammensetzung oder den Overhead- und Sachkostenanteil diskutiert werden, wobei immer zu berücksichtigen ist, dass ambulante Pflegedienste gemischte Einrichtungen sind, deren andere Betriebsteile (z.B. eine Spezialisierung im SGB V) auch Auswirkungen auf die Personalmischung im SGB XI haben werden. Die Darstellung in NRW vermeidet aber Diskussionspunkte wie „Nettoarbeitszeit“, „Fahrtzeiten“, „Organisationszeiten“; da es nach dem Wortlaut des Gesetzes sowie der BSG-Rechtsprechung nicht prinzipiell um die konkreten individuellen Kosten einer Einrichtung geht, sondern nur um das Verhältnis der Kosten im Verhältnis zu anderen vergleichbaren Einrichtungen („Die Vergütung muss einem Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seine Aufwendungen zu finanzieren …“38), dürften diese Angaben zur Plausibilisierung der Wirtschaftlichkeit mehr als ausreichen.
Vertretung, Pflegesatzkommission und Entscheidung Anstelle der Einzelverhandlung kann auch die Verhandlungsvollmacht auf eine Pflegesatzkommission nach § 86 übertragen werden. Die Pflegesatzkommission kann dann für Pflegedienste im gleichen regionalen Einzugsgebiet einheitliche Vergütungen vereinbaren. Faktisch gibt es auf Landesebene oft sogenannte Pflegesatzkommissionen, die zwar Rahmenempfehlungen abgeben können, jedoch nach dem Gesetzeswortlaut keine landesweit einheitlichen Vergütungen. Trotzdem sind landesweit gültige Empfehlungen noch geübte Praxis, die dann im Unterschriftsverfahren durch jeden Pflegedienst gesondert unterschrieben und damit gültig werden.
38 § 89 Abs. 1 Satz 2
156
12.4 Der praktische Ablauf der Vergütungsverhandlung
In § 85 Abs. 4 ist geregelt, dass sich die Vertragsparteien, die die Verhandlung führen, auch vertreten lassen können, der Pflegedienst beispielsweise durch einen Verhandler des Verbandes, einen Berater oder einen Anwalt. Dann ist dieser Vertreter schriftlich mit einer Verhandlungs- und Abschlussvollmacht auszustatten. Gleiches gilt für die beauftragten Kassenvertreter. Hintergrund dieser Regelung ist der Wille des Gesetzgebers, unnötige Nachfragen zu vermeiden und in der konkreten Verhandlung zum Abschluss zu kommen.39 Gleichwohl erlebt man in der Praxis immer wieder Kassenvertreter oder auch Vertreter von Sozialhilfeträgern, die ein Verhandlungsergebnis nicht unterschreiben können, weil ihnen hierfür die entsprechenden Vollmachten fehlen. Da auf Leistungsträgerseite auch mehrere Vertragsparteien beteiligt sein können, hat der Gesetzgeber auch in § 85 Abs. 4 geregelt, dass die Mehrheit der an der Verhandlung teilnehmenden Leistungsträger entscheidet. Es kann also auch ein Vertreter durch die anderen überstimmt werden, was in der Praxis aber kaum vorkommt. Die Vergütungsvereinbarung ist schriftlich abzuschließen, was sich aber von selbst versteht. Da es keinen Zwang zur Unterschrift gibt, sondern eine Konfliktlösung vor der Schiedsstelle möglich ist, muss man davon ausgehen, dass die abgeschlossene Vergütung leistungsgerecht im Sinne des § 89 Abs. 1 ist. Gleiches gilt auch für eine Vergütungsvereinbarung, die nicht gekündigt wurde. Sie ist per Definition solange leistungsgerecht, bis sie neu verhandelt wird.
Zeitrahmen für Verhandlungen Grundsätzlich steht es den Vertragsparteien frei, so lange wie gewünscht zu verhandeln. Aus Sicht der Pflegekassen wäre eine längere Verhandlungsdauer zu begrüßen, dann würden die Versicherten erst später eine höhere Vergütung bzw. höhere Eigenanteile bezahlen müssen. Aus Sicht der Pflegeanbieter ist eine kurze, schnelle Verhandlung sinnvoll, damit zum geplanten Umstellungszeitraum die neue Vergütung gelten kann. Werden sich die Vertragsparteien nicht innerhalb von 6 Wochen einig, kann ab diesem Zeitpunkt eine Vertragspartei die Schiedsstelle zur Konfliktlösung anrufen. Die Schiedsstelle hat strittige Bestandteile der Vergütungsvereinbarung unverzüglich festzusetzen, in der Regel binnen drei Monaten.40 Während die Vertragsparteien nur prospektiv, also für die Zukunft eine Vereinbarung abschließen dürfen, gilt dies zwar nach der Formulierung im Gesetz auch für die Schiedsstelle. Das BSG hat aber klargestellt, dass nur mit der Möglichkeit einer rückwirkenden Festsetzung durch die Schiedsstelle ein effektiver 39 BR-Drucks. 505/93, S. 144 bis 146 40 Konkretisiert durch PSG III zum 01.01.2017
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 157
Rechtsschutz für die Vertragsparteien möglich ist.41 Denn auch ein Schiedsverfahren benötigt seine Zeit, in der Vergangenheit gab es teils deutlich längere Verfahrenszeiten als nur 3 Monate. Würde ein generelles Rückwirkungsverbot auch für die Entscheidung der Schiedsstelle bestehen, dann würde die Zeit immer für die Pflegekassen ‚arbeiten‘. Während im vollstationären Bereich ein rückwirkendes Inkrafttreten von Pflegesätzen im Regelfall einfach umzusetzen ist (durch entsprechende Nachberechnungen der Eigenanteile, nach vorheriger Ankündigung der Vergütungsverhandlungen), sieht das ambulant anders aus: denn hier ist schon die Rückberechnung deutlich schwieriger. In den Fällen, in denen über den Pflegegrad hinaus Eigenanteile berechnet wurden, ist die Rückrechnung vergleichbar einfach wie stationär. Aber in den Fällen, in denen die Pflegebedürftigen Pflegeverträge ohne Eigenanteile abgeschlossen haben, müssten in einer Neuberechnung evtl. sowohl Pflegekassen als auch Pflegebedürftige neue und erhöhte Rechnungen erhalten, öfter sogar erstmals Pflegebedürftige. Gleichzeitig wäre ein evtl. bisher ausgezahltes Pflegegeld durch die Pflegekassen zurückzufordern. Daher ist es ratsam, von solchen Rückrechnungen abzusehen. Denn selbst wenn man die Kunden rechtzeitig auf mögliche Vergütungserhöhungen und eine mögliche Nachberechnung hinweist, werden das viele Kunden nicht verstehen und es wird entsprechend Ärger geben. Daher sollte man bei der Aufforderung zur Vergütungsverhandlung mit der Aussicht auf strittige Verhandlungen und Anrufung der Schiedsstelle ausreichend Zeit einplanen, im Regelfall 3 Monate. In manchen Verfahren mit längeren Wartezeiten hat auch die Schiedsstelle (ggf. auf Antrag) die Wartezeit und damit den entgangenen Umsatz in die geforderte Vergütungserhöhung eingepreist, um einerseits den vom BSG angesprochenen effektiven Rechtsschutz zu entsprechen und gleichzeitig eine Nachberechnung zu vermeiden.
Die Schiedsstelle Können sich die Vertragsparteien nicht auf ein Ergebnis einigen oder nach Zeitablauf, kann jede Seite die Schiedsstelle anrufen. Daraus ergibt sich auch der Charakter und die Aufgabe der Schiedsstelle: Sie soll einen Konflikt schlichten, den die Vertragsparteien nicht lösen können. Daher kann die Schiedsstelle nur innerhalb der Anträge der Vertragsparteien entscheiden und nicht über die Anträge hinaus.42 Wenn beispielsweise ein Pflegedienst einen Punktwert von 0,060 ct. beantragt, die Leistungsträger aber nur 0,050 ct. anbieten, liegt der Entscheidungsspielraum der Schiedsstelle genau zwischen 41 BSG Urt. V. 14.12.2000, B3 P 19/00 R, RZ 32 42 so auch aktuell: BSG vom 23.06.16, B 3 KR 25/15 R, RZ 26
158
12.4 Der praktische Ablauf der Vergütungsverhandlung
den beiden Anträgen. Damit ist aber auch das ‚Risiko‘ definiert, dass man mit einem Schiedsstellenantrag eingeht (zuzüglich der nach Landesrecht definierten Gebühren für das Schiedsverfahren). Die Schiedsstelle SGB XI ist nach § 76 paritätisch besetzt jeweils zur Hälfte durch Vertreter der Pflegekassen und Sozialhilfeträger und der Anbieterverbände auf Landesebene. Dazu kommt ein unparteiischer Vorsitzender sowie zwei weitere unparteiische Mitglieder. Durch Rechtsverordnung auf Landesebene sind die entsprechenden Formalitäten geregelt. Die Entscheidungen der Schiedsstelle werden mit der Mehrheit der Mitglieder getroffen. Ergibt sich keine Mehrheit, entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Da in der Praxis oftmals die beiden ‚Bänke‘ (Anbieter oder Kassen) jeweils einheitlich abstimmen, ist die Stimme des Vorsitzenden entscheidend. Die Schiedsstelle hat auch das Recht, eigene Ermittlungen im Verfahren anzustellen und deshalb von den Vertragsparteien zusätzlich über die bisher vorgelegten Unterlagen hinaus weitere Auskünfte zu fordern. Ob das in Kap. 9.1 ausführlich besprochene Urteil des BSG vom 26.09.2020 Einflüsse auf die Arbeit der Schiedsstellen hat, ist zurzeit nicht abzusehen. Wie ausführlich dargestellt, würde dies nicht nur die Rolle der Schiedsstelle völlig ausweiten, sondern diese auch rein praktisch im Regelfall überfordern. Deshalb ist davon auszugehen, dass es hier entweder weiterhin die hier beschriebene Praxis geben wird oder der Gesetzgeber gezwungen ist, die Interpretation des BSG zu korrigieren. Das in § 85 Abs. 5 definierte eigenständige Recht des Sozialhilfeträgers zur Anrufung der Schiedsstelle spielt in der ambulanten Praxis keine Rolle. Da stationär viele Pflegebedürftige bei der Finanzierung der Eigenanteile auf Sozialhilfe angewiesen sind, diese aber bei den Verhandlungen überstimmt werden kann, wurde dieses Sonderrecht im Gesetz verankert.43
Umsetzung des Schiedsspruchs und Klageverfahren Der Schiedsspruch gilt ab der Entscheidung unmittelbar und ist entsprechend dem Beschluss umzusetzen. Eine mögliche Klage hat keine aufschiebende Wirkung.44 Das heißt auch ganz praktisch, dass der jeweilige Schiedsspruch immer umgesetzt werden muss, auch wenn er beklagt und später abgeändert wird. Da die Schiedsstellenentscheidung ein Verwaltungsakt ist, andererseits ein Vorverfahren aber nicht stattfindet, kann nur durch Klage beim hier zuständigen Lan43 1. SGB XI-Änderungsgesetz vom 14.06.1996 (BGBl. I S. 830) 44 § 85 Abs. 6
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 159
dessozialgericht45 die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes überprüft werden. Dabei hat das BSG den Schiedsstellen einen breiten Ermessensspielraum eingeräumt und die gerichtliche Überprüfung entsprechend eingeschränkt: „Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze und des Entscheidungsspielraums der Schiedsstelle ist gerichtlich ausschließlich zu überprüfen, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist, ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten worden ist.“46 Die zuständigen Sozialgerichte werden also lediglich auf Formalien und die Einhaltung der gesetzlichen Grundsätze achten, nicht aber konkret beispielsweise einen Punktwert festsetzen, sondern nur die Schiedsstelle zur Neuentscheidung unter Beachtung des entsprechenden Urteils verpflichten.
12.5 Praktische Fragen zur Verhandlung Die Frage der NACHWEISPFLICHTEN und der vorzulegenden Unterlagen wird auch durch die Verhandlungsstrategien bestimmt. Grundsätzlich sind die Nachweise und Unterlagen immer auf den jeweiligen Verhandlungsbereich beschränkt: Im Bereich SGB XI sind nur die Daten und Zahlen und evtl. Ergebnisse aus dem Jahresabschluss der Pflegeversicherung relevant, nicht jedoch des Gesamtbetriebs! Dabei ist die Pflegeeinrichtung zunächst einmal recht frei in der Fragestellung, welche Kostenanteile oder Aspekte zur Begründung der Vergütungserhöhung infrage kommen: So könnte man beispielsweise allein die Erhöhung der Wegekostenvergütung (Fahrtkosten) mit erhöhten Benzinkosten oder/und längeren Wegezeiten begründen. Zum Nachweis würde dann die Kostensteigerung der Treibstoffkosten zu belegen sein sowie die veränderte Dauer der Wegezeiten. Nachweispflichten zu anderen Fragestellungen durch die Leistungsträger wären wohl deshalb nicht statthaft, weil diese gar nicht zur Begründung der Steigerungen angeführt wurden. Bei einer Begründung der Vergütungserhöhung mit allgemeinen Kostensteigerungen sind von der NACHWEISPFLICHT dann aber auch alle Kostenbereiche im BEREICH SGB XI umfasst. Dabei dürfte bei Verweis auf allgemeine Steigerungsraten wie die Lebenshaltungskosten oder die Steigerung der Grundlohnsumme gemäß § 71 Abs. 3 SGB V keine andere, weitergehende Nachweispflicht ausgelöst werden (so auch prak-
45 Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 29, Abs. 2 46 BSG-Urteil vom 19.12.2009 B 3 P 3/08 R, RZ 69
160
12.5 Praktische Fragen zur Verhandlung
tiziert in NRW). Darüberhinausgehende Steigerungsraten müssen dann mit konkreten Nachweisen begründet werden. Durch den besonderen Schutz der Personalkosten, die losgelöst von anderen Bewertungsmaßstäben einen Sonderstatus genießen, ergibt sich hier eine andere Verhandlungsstrategie und Nachweißpflicht: Diese kann sich allein auf den Nachweis der Personalkosten beziehen, wenn für die anderen Kostenbereiche gar keine Erhöhung verlangt wird. Der Personalkostennachweis ist relativ einfach zu erbringen: Man muss nur die realen Kosten den zukünftigen Kosten gegenüberstellen, allerdings unter Beachtung der Besonderheiten der ambulanten Pflege sowie der mehrfach im Gesetz angemahnten Anonymisierungsvorschriften.47 Dabei ist der Nachweis nicht so einfach darzustellen, weil ambulante Pflegedienste immer gemischte Einrichtungen im Sinne der PBV sind (siehe S. 16). Auch wenn der Verhandlungsgegenstand nur der Bereich SGB XI ist, lassen sich zwar die Personalkosten über Stellenanteile für eine Kostenrechnung technisch abgrenzen. Wenn es aber um den Nachweis konkreter Personalkosten pro Stelle und damit evtl. pro Person geht, wird man diese nur mit konkreten Lohnjournalen nachweisen können (auch wenn beispielsweise dieser Mitarbeiter nur teilweise im SGB XI arbeitet). Dabei sind jedoch weder vollständige Personallisten noch genaue Angaben pro Mitarbeiter zulässig, weil sie den expliziten Anonymisierungsvorschriften widersprechen würden. Um den PROZENTSATZ DER VERÄNDERUNG zu ermitteln, müsste man die Personalkosten des Vorzeitraumes den Personalkosten des zukünftigen Zeitraums gegenüberstellen. Aus der Darstellung müssten die bisherigen Bruttopersonalkosten und die zukünftigen Bruttopersonalkosten zu erkennen sein (siehe S. 140). Dazu bedarf es stichhaltiger Begründungen für die Erhöhung: das könnten Festlegungen von Tarifkommissionen bzw. von arbeitsrechtlichen Kommissionen sein, Ankündigungen der Entgelterhöhungen an die Mitarbeiter, Schreiben/Protokolle an die (der) Mitarbeitervertretungen bzw. Betriebsräte und Ähnliches. Da, wie in den gesetzlichen Grundlagen auf S. 135 beschrieben, eine ‚permanente‘ Nachweispflicht der Personalkosten besteht, wenn man mit dieser in einer Vergütungsverhandlung argumentiert, kann jeder Leistungsträger im ersten Monat ab Bestehen der neuen Vergütungsvereinbarung dies nachprüfen,48 bei Nichteinhaltung als Pflichtverletzung nach § 115 a anzusehen und unmittelbar eine Rückzahlung verlangen.49 47 In § 85, Abs. 3, letzter Satz, in § 84, Abs. 7, letzter Satz 48 § 89, Abs. 3, hier Verweis auf Abs. § 84, Abs.7 49 Siehe § 115, geändert durch Gesetz zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften, Bundesratsdrucksache 456/17, S. 20
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 161
Wegen dieser sehr engen rechtlichen Überprüfungs- und Sanktionsmöglichkeit müssten die Vertragsparteien bei der Vergütungsverhandlung nicht in letzter Tiefe den Nachweis verlangen, der prospektiv im Einzelfall gar nicht zu führen sein wird (wenn man erst eine Erhöhung plant). Aber jede Pflegeeinrichtung, die mit Personalkostenerhöhungen argumentiert, ist nicht nur schlecht beraten, diese nicht durchzuführen. Denn die Nachweispflicht gekoppelt mit der Rückzahlung sorgt dafür, dass eine Nichtumsetzung sofort auffällt und zu Rückzahlungen führt. Es ist mit der Nichtumsetzung also keinerlei unternehmerischer Profit oder Vorteil verbunden, im Gegenteil. Der Gesetzgeber hat die Verpflichtung der Leistungsträger, Gehälter bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen zu refinanzieren, an ein lückenloses Prüf- und Rückzahlungssystem gekoppelt, deshalb ist die Kritik, hier würde die Selbstkostenerstattung vor der Zeit der Pflegeversicherung wieder eingeführt, durchaus berechtigt.50 Oder positiv formuliert: Bei plausiblem Nachweis der Personalkostenerhöhung gibt es keinen Verhandlungsspielraum der Pflegekassen. Daher könnten die Leistungsträger auch eine neue Strategie für Vereinfachung von Vergütungsverhandlungen nutzen: Bei der (alleinigen) Argumentation mit Personalkostensteigerungen für das Folgejahr reicht eine entsprechende Erklärung im Rahmen der Verhandlung, die Umsetzung wird dann einfach Monate später nachgefragt und muss nachgewiesen werden.
Verhandlung der Vergütung nach Zeittakten In Ländern mit Vergütungskomponenten nach Zeit (insbesondere der Pflegerischen Betreuung) kann man diese auf der Basis einer Stundensatzkalkulation sachgerecht verhandeln. Dabei wird man (für den ambulanten Bereich neu) sich sowohl über den verursachungsgerechten Aufwand von Leitungs- und Verwaltungskosten wie auch um die Frage der richtigen Leistungszeit (Nettoarbeitszeit) verständigen müssen. Im stationären Bereich ist man hier traditionell weiter, hier gibt es fixe Schlüssel für Leitung, Verwaltung und verfügbare Arbeitszeiten. Eine ausgehandelte Stundensatzvergütung hätte den Charme, dass diese dann als Basis für die weitere Verhandlung oder auch andere Bewertung der Leistungskomplexe dienen könnte.
50 siehe auch Heiber, A. (2017), S. 78
162
12.6 Berücksichtigung längerer Wegezeiten
Eine andere, hier nicht zu führende Diskussion ist die Frage, ob eine Zeitabrechnung nicht die bessere Wahl vor der Berechnung nach Leistungskomplexen wäre.51
12.6 Berücksichtigung längerer Wegezeiten Die Wegezeiten bilden, wie oben schon ausgeführt, einen wesentlichen Kostenblock, da im SGB XI die Wegezeiten ca. 25 % der Leistungszeit ausmachen, im SGB V sogar deutlich mehr (weil hier die Leistungen kürzer sind). Das kann dazu führen, dass Pflegedienste Anfragen von Pflegebedürftigen nicht (mehr) annehmen, die zu weit weg von der Station wohnen. Da die Pflegedienste immer nur im Rahmen ihrer Kapazitäten versorgen können, ist es durchaus sinnvoll, die Wegezeiten durch die Beschränkung des Einzugsgebietes zu beschränken, denn dann können einerseits mehr Kunden versorgt werden, andererseits rechnen sich Kunden nicht, die zu weit weg leben.52 Mit dem PpSG hat der Gesetzgeber sowohl im SGB XI als auch im SGB V ausdrücklich die „Berücksichtigung längerer Wegezeiten insbesondere im Ländlichen Raum“ in die Gesetzestexte eingefügt, auch um (nicht nur im ländlichen Raum) die Versorgung aller Pflegebedürftigen zu gewährleisten, aber gleichzeitig auch eine verursachungsgerechte Finanzierung „durch einen angemessenen Zuschlag“ 53dafür sicherzustellen. Die Konkretisierung soll über die Bundesrahmenempfehlung nach § 132a SGB V erfolgen, die dann auch für den Bereich SGB XI gelten soll (siehe Kap. 13). Die Vergütung der Wegezeiten/Einsatzpauschalen ist in den Leistungskatalogen SGB XI und SGB V je nach Katalog und Bundesland völlig unterschiedlich geregelt, dazu einmal eine Übersicht der Pflegeversicherungskataloge:54 Im SGB XI gibt es folgende Varianten (bei 18 Katalogen, siehe Tabelle 30):55 1. Preise pro Einsatz in Euro: in 6 Katalogen/Ländern (Baden-Württemberg, Bayern (Wohlfahrt und Privat), Hessen (beide Kataloge), Niedersachsen). 2. Preise pro Einsatz in Euro mit Deckelung der Menge: 2 Kataloge/Länder (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz). 3. Preise ermittelt über Punktwert: 4 Kataloge/Länder (Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern). 51 52 53 54 55
ausführlich: Heiber, A. (2019) Heiber, A./Nett, G. (2014), S. 180 ff. BT-Drucksache 19/5593, S. 100 aus: Heiber, A. (2019,2), S. 77 ff. Eine Übersicht über die Vergütungssysteme SGB V findet sich ebenfalls in der Studie von Heiber, A. (2019), S. 160
12 Pflegeversicherung: Grundlagen der Vergütungsverhandlungen 163
4. Preise ermittelt über Punktwert mit Deckelung: 2 Kataloge/Länder (Bremen, Schleswig-Holstein) 5. Kataloge ohne ausgewiesene Wegepauschalen = Wegekosten sind kalkulatorisch Bestandteil jeder Leistung: 4 Kataloge/Länder (Saarland, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen) Vergleich der Leistungskataloge SGB XI Wegekosten der Bundesländer in der Studie © System & Praxis, A.Heiber, Stand August 2019 Wegekosten Bewertung
Einschränkungen
Wegekosten bei kombinierten Einsätzen SGB V
Baden-Württemberg Bayern Wohlfahrt Bayern Privat Berlin Brandenburg Bremen
fest fest fest Punkte Punkte Punkte
Pro Einsatz pro Einsatz pro Einsatz pro Einsatz pro Einsatz max. 3 Einsätze
reduziert pro Einsatz reduziert pro Einsatz reduziert pro Einsatz keine Regelung reduziert pro Einsatz keine Regelung
Hamburg
Punkte
pro Einsatz
reduziert pro Einsatz
Hessen: Leistungskomplexe
fest
pro Einsatz
reduziert pro Einsatz
Hessen: Zeitmodell
fest
pro Einsatz
reduziert pro Einsatz
Mecklenburg-Vorpommern
Punkte
pro Einsatz
reduziert pro Einsatz
Niedersachsen
fest
pro Einsatz
reduziert pro Einsatz
Nordrhein-Westfalen
Fest
pro Einsatz, max. 2 x; 2 verschiedene Pauschalen
keine Regelung
Rheinland-Pfalz
Fest
max. 3 Einsätze
reduziert pro Einsatz
Saarland
keine gesonderte Vergütung
keine Regelung
Sachsen-Anhalt
keine gesonderte Vergütung
keine Regelung
Sachsen
keine gesonderte Vergütung
keine Regelung
Punkte max. 2 Einsätze keine gesonderte Vergütung
keine Regelung
Schleswig-Holstein Thüringen
keine Regelung
Tabelle: 30
Soweit die Preise pro Einsatz definiert sind (Gruppe 1), lassen sich Zuschläge für längere Wegezeiten einfach definieren und vereinbaren. Schwieriger bis unmöglich wird es bei Katalogen, die die Wegekosten inkludiert haben, wie beispielsweise in Sachsen. Nicht nur kalkulatorisch ist es unmöglich, hier Wegezeiten abzugrenzen zwischen Grafiken Kostenrechnung 2020 schwarzweiß neu.xlsx ‚normalen‘ = über den bisherigen Preis finanzierten Wegezeiten und die darüber hin-
164
12.6 Berücksichtigung längerer Wegezeiten
ausgehenden. Denn dann müsste erst einmal der Kostenanteil definiert werden, der in der Pauschale bereits für die Wege definiert ist. Daher ist zu erwarten und zu empfehlen, dass dauerhaft die Wegezeiten in allen Leistungskatalogen SGB XI und V als separate Vergütungsposition definiert werden.
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 165
13 Die Krankenversicherung: Rechtliche Grundlage 13 Die Krankenversicherung: Rechtliche Grundlagen Das Recht der Krankenversicherung zur Vereinbarung einer leistungsgerechten Vergütung für die ambulante Pflege ist in § 132a SGB V definiert. In der Praxis gelten auch durch die Rechtsprechung des BSG im Wesentlichen die für das SGB XI gefundenen Grundsätze und Wege zur Ermittlung einer leistungsgerechten Vergütung.1
13.1 Der Grundsatz der Beitragsstabilität Es gibt aber einen systematischen Unterschied: Alle Vergütungsvereinbarungen im Bereich der Krankenversicherung müssten den Grundsätzen der Beitragsstabilität nach § 71, Abs. 1 SGB V genügen: „(1) Die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer haben die Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch so zu gestalten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Ausgabensteigerungen auf Grund von gesetzlich vorgeschriebenen Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen oder für zusätzliche Leistungen, die im Rahmen zugelassener strukturierter Behandlungsprogramme (§ 137g) auf Grund der Anforderungen der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137f oder der Rechtsverordnung nach § 266 Abs. 7 erbracht werden, verletzten nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität. (2) Um den Vorgaben nach Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 zu entsprechen, darf die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach Absatz 3 ergebende Veränderung der Vergütung nicht überschreiten.“ Nach Abs. 3 ist das Bundesministerium für Gesundheit beauftragt, jeweils bis zum 15. September die Veränderungsraten bekanntzugeben. Die aktuellen Veränderungsraten seit 2008:
1
BSG vom 23.06.2016, B 3 KR 25/15R, RZ 35
166
13.1 Der Grundsatz der Beitragsstabilität
Veränderung der Grundlohnsumme der beitragspflichten Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung Veränderungsraten gemäß § 71, Abs. 3 SGB V Quelle: Bekanntmachungen des BMG, Stand September 2019 Jahr
Prozentsatz
2020
3,66%
2019
2,65%
2018
2,97%
2017
2,50%
2016
2,95%
2015
2,53%
2014
2,81%
2013
2,03%
2012
1,98%
2011
1,15%
2010
1,54%
2009
1,41%
2008
0,64%
Tabelle: 31
Um den Systemunterschied zu verdeutlichen, muss man die Finanzierungssysteme der Kranken- und Pflegeversicherung vergleichen (hier kurz zusammenfassend formuliert) : • In der PFLEGEVERSICHERUNG ist der Beitragssatz im Gesetz festgeschrieben, eine Veränderung der Einnahmen ist nur durch den Gesetzgeber möglich.2 Die Leistungen der Pflegeversicherung unterstützen nur den Pflegebedürftigen bei der Absicherung der Pflege, sind aber keine Vollversorgung.3 Daher sind auch die Sachleistungen nicht als Festbeträge im Gesetz definiert, sondern nur als mögliche Höchstbeträge („bis zu“)4. Reichen die Beitragseinnahmen für die Finanzierung mit den Höchstbeträgen nicht mehr aus, so können und müssen die Pflegekassen die Leistungsausgaben entsprechend begrenzen.5 Dann reduziert sich zwar die Absicherung, aber das System bleibt stabil (siehe auch Seite 91, Urteil BSG). Dem
2 3 4 5
§ 55 SGB XI: „er (der Beitragssatz) wird durch Gesetz festgelegt“ § 4 Abs. 2 SGB XI: Die Leistungen ergänzen nur die familiäre, nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung. z.B. § 36 Abs. 3 … bis zu einem Gesamtwert von xxx € § 70 SGB XI: Beitragsstabilität
13 Die Krankenversicherung: Rechtliche Grundlagen167
Grunde nach gibt es auch nur eine Pflegeversicherung, weil innerhalb der Pflegekassen ein Jahresausgleich stattfindet.6 1. Der Auftrag der gesetzlichen KRANKENVERSICHERUNG ist ein umfassender und nicht budgetierter Versorgungsauftrag: „Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern.“7 Dieser Auftrag ist nicht durch finanzielle Grenzen begrenzt wie in der Pflegeversicherung. Die Mittel der Krankenversicherung werden durch Beiträge der Versicherten aufgebracht.8 Per Gesetz ist ein allgemeiner Beitragssatz von zurzeit 14,6 Prozent festgelegt.9 Übersteigt der Finanzierungsbedarf einer Krankenkasse die vorhandenen Mittel, so ist ein Zusatzbeitrag von den eigenen Versicherten zu erheben.10 Da es zurzeit noch ca. 105 Krankenkassen gibt,11 ist jede Krankenkasse auch im Wettbewerb zu den anderen Kassen bestrebt, ihren Zusatzbeitrag niedrig zu halten. Daher wird bei allen Verträgen mit Leistungserbringern entsprechend verhandelt, auch wenn im Bereich der Häuslichen Krankenpflege die Ausgaben 2018 nur 2,85 % der Gesamtausgaben12 betragen und höhere Veränderungen hier kaum den Beitragssatz gefährden können.13 Wegen dieser systematischen Unterschiede sind bei Verhandlungen nach SGB V Fragen zur Beitragsstabilität zu beachten, die so in der Pflegeversicherung keine unmittelbare Rolle spielen. Solange Vergütungsforderungen die Grundlohnsumme nicht überschreiten, dürften sie als wirtschaftlich gelten. Im Gegensatz dazu gibt es im Bereich des SGB XI diesen Maßstab nicht! Eine höhere Steigerung der Vergütung oberhalb der Grundlohnsummensteigerung ist nach § 71 Abs. 1 nur dann möglich, wenn auch nach AUSSCHÖPFUNG VON WIRTSCHAFTLICHKEITSRESERVEN die medizinische Versorgung nicht anders zu gewährleisten ist, also ansonsten gefährdet wäre. Die Nutzung dieser Ausnahmeregelung setzt aber eine DARLEGUNG DER BESONDEREN SITUATION voraus. Das BSG verweist hier zunächst auf das zweistufige Verfahren, dass es für das SGB XI angewandt hat 6 7 8 9 10 11
§ 68 SGB XI: Jahresausgleich § 1 Abs. 1 SGB V § 220 SGB V ff. § 241 SGB V: Allgemeiner Beitragssatz § 242 V: Zusatzbeitrag GKV-Spitzenverband 2020: https://www.gkv-spitzenverband.de/gkv_spitzenverband/presse/zahlen_und_ grafiken/zahlen_und_grafiken.jsp Stand 23.04.2020 12 GKV-Spitzenverband, Ausgaben 2018; https://www.gkv-spitzenverband.de/gkv_spitzenverband/presse/ zahlen_und_grafiken/gkv_kennzahlen/gkv_kennzahlen.jsp Stand: 23.04.2020 13 BSG vom 23.06.2016, B 3 KR 25/15R, RZ 32
168
13.1 Der Grundsatz der Beitragsstabilität
(1. Plausibilität, 2. Externer Vergleich). Und wenn die „Betriebs- und Kostenstruktur durchschnittlicher Pflegeeinrichtungen eine solche höhere Vergütung erfordert“, liegt ein Ausnahmetatbestand gemäß § 71 Abs. 1 vor.14 „Die Leistungserbringer, die eine weit oberhalb der Grundlohnsummensteigerung liegende Erhöhung der Vergütung für das Jahr 2009 verlangen, kommen nicht umhin, die für eine solche Vergütungssteigerung notwendigen Informationen in den Vertragsverhandlungen gegenüber dem Vertragspartner bzw. der Schiedsperson offenzulegen. Sie müssen ihre Vergütungsforderung in tatsächlicher Hinsicht plausibel und nachvollziehbar belegen, sodass eine zuverlässige Kostenprognose möglich ist. Die Darlegungs- und Substantiierungslast für die fehlende Sicherstellung der notwendigen krankenpflegerischen häuslichen Versorgung im Fall ausgeschöpfter Wirtschaftlichkeitsreserven liegt bei den Leistungserbringern, die über die erforderlichen Daten verfügen (vgl BSG vom 13.5.2015 - B 6 KA 20/14 R - BSGE 119, 43 = SozR 4-2500 § 120 Nr 4, RdNr 35; BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1, RdNr 25). Soweit in den Vergütungsverhandlungen auf nachvollziehbar festgesetzte Vergütungen der Vorjahre als Basis für aktuelle Vergütungsverhandlungen zurückgegriffen werden kann, bezieht sich die Darlegungs- und Substantiierungslast lediglich auf die eingetretenen Veränderungen, die eine Erhöhung der zuvor vereinbarten Vergütung rechtfertigen. Damit werden an Leistungserbringer keine unzumutbaren Darlegungslasten gestellt.“15 In dem schon zitierten Urteil des BSG verlangten Pflegeeinrichtungen eine deutlich höhere Steigerung mit Verweis auf die deutlich höheren Tarifsteigerungen. Das BSG hier begründet den weitreichenden Nachweis, dass einerseits auch Tarifsteigerungen zumindest teilweise in der Grundlohnsumme eingeflossen sind, andererseits aber die Pflegeeinrichtungen nicht weiter dargestellt haben, warum eine höhere Steigerung trotzdem notwendig sei. Und ohne diese zusätzlichen Informationen ist eine solche Steigerung nicht begründet. Wer also für die Vergütung Häuslicher Krankenpflege eine höhere Vergütung als die Grundlohnsummensteigerung verlangt, muss immer auch darlegen, warum eine besondere Situation für die Steigerung vorliegt. Damit ist die Hürde zu Vergütungssteigerung ungleich höher als in der Pflegeversicherung.
14 BSG vom 23.06.2016, B 3 KR 25/15R, RZ 36 15 BSG vom 23.06.2016, B 3 KR 25/15R, RZ 42
13 Die Krankenversicherung: Rechtliche Grundlagen169
13.2 Personalkosten sind analog SGB XI geregelt Neu mit dem PpSG eingeführt wurden die gleichen Regelungen zur Anerkennung der Personalkosten wie im SGB XI: „Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten nach Satz 6 jederzeit einzuhalten und sie auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen.“16 Die Einführung vergleichbarer Regelungen zur Personalkostenbezahlung im SGB V trägt auch dem Umstand Rechnung, dass Pflegedienste einerseits immer gemischte Einrichtungen im Sinne der PBV sind (siehe Seite 16), andererseits das Personal aber fast immer auch in den beiden größten Bereichen arbeitet und man daher auch keine unterschiedliche Vergütung (SGB XI nach Tarif, SGB V aber anders) umsetzen kann. Der Gesetzgeber hat auch ausdrücklich hier den Grundsatz der Beitragsstabilität nach § 71 SGB V ausgesetzt, so dass hier auch jegliche Diskussionen vermieden werden. Ebenso ist die Nachweispflicht integraler Bestandteil dieser Regelung. Die genauen Inhalte einschließlich Kriterien zur Berücksichtigung längerer Wegezeiten im ländlichen Raum sollen in der Bundesrahmenempfehlung nach § 132a, Abs. 1 geregelt werden, die dann auch eine Bindungswirkung für den Bereich SGB XI hat.17 In Punkt 5 der in der Bundesrahmenempfehlung zu regelnden Punkte ist Folgendes formuliert: „Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte sowie erstmals bis zum 30. Juni 2019 Grundsätze für die Vergütung von längeren Wegezeiten, insbesondere in ländlichen Räumen, durch Zuschläge unter Einbezug der ambulanten Pflege nach dem Elften Buch“. Da die Rahmenempfehlung allen Verträgen nach § 132a zugrunde zu legen ist,18 wird darüber eine Vereinheitlichung der Verträge aller 105 Krankenkassen angestrebt und eine bundesweit gleiche Rechtsgrundlage geschaffen. Trotz der im Gesetz genannten Frist vom 30. Juni 2019 gibt es bis heute (April 2020) noch keine erweiterte Bundesrahmenempfehlung, die den Punkt 5 behandelt.19 Das heißt jedoch nicht, dass der definierte Rechtsrahmen nicht gilt. Es fehlen nur die bundeseinheitlichen Hinweise zur Umsetzung. Dabei dürfte das Thema der Personalkosten 16 17 18 19
§ 132a Abs. 4 Satz 7 ff. siehe § 89 Abs. 3 Satz 3 § 132a Abs. 1 letzter Satz und angesichts der aktuellen Corona-Lage im April 2020 dürfte es vermutlich noch etwas länger dauern, weil alle beteiligten Gruppen auf Bundesebene zurzeit andere Probleme bewältigen müssen.
170
13.2 Personalkosten sind analog SGB XI geregelt
einschließlich des Nachweises analog SGB XI ausformuliert werden, so dass man auch diese Regelungen hier schon anwenden kann. Offen sind Hinweise zur Vergütung der Wegezeiten, dabei ist das Problem in den Leistungskatalogen SGB V vergleichbar wie im SGB XI: die bundesrepublikanische einschließlich der Kassen-Vielfalt ist hier ebenso groß:
Leistungskataloge der Bundesländer Vertragsregeln SGB V (© System & Praxis, A.Heiber, Stand Juni 2018) EinzelLeistungs- WegeBundesland leistung gruppen pauschale BadenWür�emberg x Bayern Wohlfahrt Bayern Privat
x
x
x
x
Berlin
x
Brandenburg
x
Bremen
x
x x
Hamburg AOK/IKK/BKK Hamburg VDEK
x
Hessen Module
x
x x x
Meckl.-Vorpommern Niedersachsen
x
x
x x
x
Nordrhein-Wes�alen Rheinland-Pfalz
x
x
Saarland
x
x
Sachsen
x
Sachsen-Anhalt
x
Schleswig-Holstein
x
Thüringen
x
x x
Tabelle: 32
Die Kataloge, die keine separaten Wegepauschalen haben (immerhin 6 von 18 bekannten Varianten) , werden hier weiter entwickelt werden müssen (siehe auch SGB XI, Tab. 28, S. 148).
Preisgünstig heißt nicht „billigster“ Preis Als zusätzliches Kriterium in § 132a SGB V kennt die Krankenversicherung die Formulierung, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig zu erbringen sind. Das zusätz-
13 Die Krankenversicherung: Rechtliche Grundlagen171
liche Kriterium „preisgünstig“ ist nach Auffassung des BSG nicht so zu verstehen, dass dies nur die Orientierung am billigsten Anbieter bedeutet. Auch eine solche Definition durch die Leistungsträger würde einen marktgerechten Preiswettbewerb ausschalten.20 Es ist daher wie schon im SGB XI ausgeführt durch geeignete Nachweise darzulegen, warum eine Steigerung über die Grundlohnsummensteigerung notwendig ist. Nur weil die Einrichtung dann nicht die „preisgünstigste“ ist, kann eine solche Steigerung nicht grundsätzlich abgelehnt werden.
13.3 Der praktische Ablauf der Verhandlungen Anders als in der Pflegeversicherung sind die vertraglichen Vereinbarungen mit den Pflegediensten nicht weitgehend gesetzlich geregelt (in der Pflegeversicherung über Versorgungsverträge § 72, Rahmenverträge § 75, Vergütungsvereinbarungen § 89 und Qualitätsmaßstäbe § 113 ff.), sondern es bleibt den Vertragsparteien nach § 132a SGB V überlassen, diese in ihren Verträgen zu konkretisieren. Die Rahmenempfehlung auf Bundesebene soll für eine Einheitlichkeit sorgen. Allerdings ist die Rahmenempfehlung bisher nur teilweise umgesetzt (siehe auch Wegekosten S. 169). Mit dem PSG III hat der Bundesgesetzgeber hier Konsequenzen gezogen: Die Inhalte der Rahmenempfehlung wurden erweitert, die Möglichkeit einer Festlegung durch eine Schiedsstelle wurde geschaffen, das Bundesministerium für Gesundheit hat ein eigenständiges Recht, die Schiedsstelle anzurufen und die Inhalte sollten in den Verträgen zwischen den Anbietern und Krankenkassen berücksichtigt werden.21 Es bleibt zu hoffen, dass hier auf Bundesebene schnell die fehlenden Inhalte der Rahmenempfehlung vereinbart werden, so dass sie dann auf Landesebene in den Verträgen einfließen können. Allerdings ist die Hoffnung mit Stand von April 2020 eher enttäuscht, weil vieles bisher weiterhin nicht geregelt ist.22 Der Ablauf und die besonderen Inhalte Abs. 4 § 132a: „(4) Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen die Krankenkassen Verträge mit den Leistungserbringern. Wird die Fortbildung nicht nachgewiesen, sind Vergütungsabschläge vorzusehen. Dem Leistungserbringer ist eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Fortbildung nachholen kann. Erbringt der Leistungserbringer
20 BSG vom 23.06.2016, B 3 KR 25/15R, RZ 38 21 § 132a SGB V; siehe auch Heiber, A., Das Pflegestärkungsgesetz 3, Hannover 2017, S. 109 ff 22 Bundesrahmenempfehlung § 132a SGB V
172
13.3 Der praktische Ablauf der Verhandlungen
in diesem Zeitraum die Fortbildung nicht, ist der Vertrag zu kündigen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht. Der Leistungserbringer ist verpflichtet, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten nach Satz 6 jederzeit einzuhalten und sie auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen. Im Fall der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die vertragschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen.“ Die wichtigsten Punkte zum Ablauf: • VERTRÄGE MIT DEN EINZELNEN KRANKENKASSEN oder ihren Zusammenschlüssen (nicht wie im SGB XI mit den Landesverbänden der Pflegekassen gemeinsam und einheitlich): es kann und gibt folglich unterschiedliche Verträge beispielsweise mit der AOK und der Bundesknappschaft. • Bei NICHTEINIGUNG kann eine SCHIEDSPERSON angerufen werden, die dann unverzüglich innerhalb von 3 Monaten entscheidet. Eine Frist zur Einigung wie im SGB XI (hier 6 Wochen) gibt es nicht. Wenn also eine Vertragspartei das Scheitern der Verhandlung erklärt, kann die Schiedsperson angerufen werden. Allerdings ist gerade die Konfliktlösung mithilfe einer Schiedsperson problematisch und umstritten: denn es kann je nach Verhandlung immer eine andere Schiedsperson ein, deren Entscheidungen man dann umsetzen muss: Insbesondere bei Intensivpflegediensten wird dies problematisch, weil hier im Prinzip für jede Versorgung ein eigener Vertrag geschlossen wird: Entscheidet beispielsweise die Schiedsperson im Verfahren mit der ersten Krankenkasse auf den einen Preis, die andere Schiedsperson im zweiten Verfahren aber ganz anders, hat der Pflegedienste beides evtl. sogar widersprüchliche trotzdem unmittelbar umzusetzen. Diese Konfliktlage ist im SGB XI nicht vorhanden, weil es hier eine feste Institution Schiedsstelle gibt, die für alle Verfahren zuständig ist. Aufgrund dieser Konfliktlage gibt es inzwischen u.a. eine anhängige Verfassungs-
13 Die Krankenversicherung: Rechtliche Grundlagen173
beschwerde,23 von der aus Impulse bzw. Vorgaben für eine Änderung dieser Regelung erfolgen könnte. Weitere Regelungen zu Verhandlungen sind dann unmittelbar den Verträgen nach § 132a zu entnehmen. Da sie mit der jeweiligen Kasse/Kassenart im Bundesland abgeschlossen werden, kann es und gibt es im Detail viele verschiedene Regelungen, selbst im gleichen Bundesland. Auch aus diesem Grund ist zu hoffen, dass eine neue und fertige Bundesrahmenempfehlung hier mehr vergleichbare Regelungen und Klarheit schaffen.
Sonderfall Kollektivverhandlungen Gerade im Bereich der Krankenversicherung gab und gibt es auf Landesebene im Regelfall KOLLEKTIVVERHANDLUNGEN und Vertragsabschlüsse. Wie weit diese unter welchen Bedingungen zulässig sind, das war Grundlage der beiden Verfahren vor dem BSG in 2016 (B 3 KR 26/15 R sowie B3 KR 25/14). In diesen beiden Urteilen hatten einmal die LIGA der freien Wohlfahrtsverbände in Hessen sowie eine Gruppe privater Pflegeverbände in Hessen geklagt. Grundsätzlich sind nach Auffassung des BSG Kollektivverfahren zulässig.24 Bei solchen Gruppenverfahren ist zwar auch im ersten Schritt die Plausibilität zu prüfen, aber ein externer Vergleich würde durch die homogene Gruppe im Kollektivverfahren nicht möglich sein. Da der Maßstab einer leistungsgerechten Vergütung nicht die konkrete einzelne Einrichtung ist, sondern ein genereller vom einzelnen Pflegedienst losgelöster Maßstab zugrunde zu legen ist, müssen die Pflegedienste aus ihrer Gruppe für eine repräsentative Auswahl von Diensten (in Bezug auf Größe, Versorgungsstrukturen, Personalausstattung) eine konkrete Darstellung der Betriebsund Kostenstruktur offenlegen (in anonymisierter Form).25 Die konkrete Auswahl und die Ausgestaltung der Nachweise bleibt zunächst den Pflegeeinrichtungen überlassen, solange die Anforderungen des BSG erfüllt sind. Auf dieser Basis würde dann der kollektive Nachweis den Einzelnachweis ersetzen und eine Gruppenverhandlung möglich sein, deren Ergebnis sich dann auch andere bisher nicht am Verfahren beteiligte Einrichtungen anschließen könnten. Für Gruppenverfahren nach den BSG-Grundsätzen gibt es bisher noch keine bekannten Vorbilder oder Nachweismuster, daher müssten hier erst noch Erfahrungen gesammelt werden. Dieses Vorgehen ist nur bedingt auf den Bereich SGB XI übertragbar, weil
23 siehe auch Heiber, A. in Wochenzeitschrift Carekonkret vom 13.12.2020, S. 10 24 BSG vom 23.06.2016, B 3 KR 26/15 R, RZ 34 25 BSG vom 23.06.2016, B 3 KR 26/15 R, RZ 42
174
13.3 Der praktische Ablauf der Verhandlungen
es hier im Prinzip Regelungen zu Gruppenverhandlungen gibt (§ 86 Pflegesatzkommission) und die Kriterien der Beitragsstabilität sowie der Nachweis der Ausschöpfungen von Wirtschaftlichkeitsreserven keine Voraussetzung ist.
Leistungsabgrenzung und Besonderheiten beachten Wie auch in der Pflegeversicherung gilt bei einer Verhandlung zur Vergütung der Preise für Häusliche Krankenpflege: Grundlage und evtl. Nachweisgrundlage sind nur allein die Leistungen und Zahlen aus dem Bereich SGB V. Hierbei gelten die gleichen Fragestellungen zur Personalabgrenzung wie im SGB XI und sicherlich genauso die Anonymisierungsvorschriften, auch wenn sie im SGB V in 132a so nicht formuliert sind: Das BSG hat in den Urteilen aus 2016 ausdrücklich darauf hingewiesen.26 Bei der Leistungsabgrenzung insbesondere der Verwaltungs- und Sachkosten sind die Systemunterschiede zu beachten: Im SGB V gibt es keine ‚separate‘ Finanzierung der Investitionskosten, sie sind integraler Bestandteil der Vergütung und damit auch in der Kostenrechnung oder einem möglichen Kostennachweis enthalten. Der Steuerungsund Verwaltungsaufwand im Bereich der Behandlungspflege ist deutlich höher, auch die Schulungsanforderungen über die Verträge nach § 132a sind konkreter ausformuliert und führen daher auch zu höheren Kosten bzw. einer geringeren Leistungszeit (oder auch Nettoarbeitszeit).
Vergütungsdefinitionen SGB V Im Bereich der Krankenversicherung finden sich bundesweit die unterschiedlichsten Vergütungssysteme, wegen der auch getrennt möglichen Verträge sogar innerhalb eines Bundeslandes (siehe auch Tab. 32, S. 170): • Preise für Einzelleistungen: Jede Leistung (z.B. Medikamentengabe) ist mit einem Einzelpreis vergütet. • Preise für Leistungsgruppen: Eine Gruppe von Leistungen wird in einer Gruppe zusammengefasst, es wird immer der Gruppenpreis abgerechnet, unabhängig davon, wie viele der in der Gruppe definierten Leistungen pro Einsatz erbracht werden. • Wege- oder Fahrtkostenpauschalen pro Einsatz: Preis pro Anfahrt, oftmals auch gekoppelt mit SGB-XI-Wegepauschalen, so dass pro Einsatz (Anfahrt) insgesamt nur in Höhe einer Pauschale abgerechnet werden kann. 26 z.B. BSG 23.06.2016, B 3 KR 25/15 R, RZ 38 sowie 43
13 Die Krankenversicherung: Rechtliche Grundlagen175
• Pauschalpreis inklusive Weg: Leistungspauschale für Gruppe einschließlich Wegekosten (z. B. NRW). Ein Bewertungssystem der Leistungen nach Punkten wie in der Pflegeversicherung existiert in keinem Bundesland. Dazu kommt, dass die Personalanforderungen je nach Vertrag und/oder Bundesland völlig unterschiedlich definiert sind: von Verträgen, in denen jegliche Behandlungspflege nur durch Pflegefachkräfte (dreijährige Ausbildung) erbracht werden darf bis hin zu Verträgen, in denen die PDL entscheidet, wer formal und/oder materiell für die Leistung qualifiziert ist. In dieser förderalen Vielfalt ist schon ein landesweiter Vergleich nur eingeschränkt möglich, bundesweit unmöglich. Auch deshalb bleibt zu hoffen, dass die Gesetzesänderungen mit dem PSG III zu den Rahmenvertragsempfehlungen nach § 132a dauerhaft zu einem einheitlicheren System führen werden.
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 177
14 Private Leistungen Die Vergütungssystematik und Preishöhe für Privatleistungen, beispielsweise für haushaltsnahe Dienstleistungen oder Betreuungsleistungen, kann jeder Pflegedienst selbst festlegen bzw. mit seinen Kunden aushandeln, formale Regelungen dazu gibt es nicht. Allerdings ist die „Freiheit“ durch die Plausibilität für die Kunden eingeschränkt: Warum soll eine Betreuungsleistung, die beispielsweise bei der Pflegeversicherung pro Stunde 32 € kostet, privat 50 € kosten? Was formal zulässig ist, kann man noch lange nicht seinen Kunden erklären, wenn offensichtlich der gleiche Mitarbeiter die gleiche Leistung erbringt. Auch Argumente, dass die Vergütung der Pflegeversicherung nicht kostendeckend sei, greifen nicht. Denn wie bereits ausführlich dargestellt, ist die Vergütung per Unterschrift als leistungsgerecht anerkannt worden, warum sollte dann privat ein anderer Preis für den identischen Tatbestand nötig sein. Für den Leistungsbezieher ist der Grundsatz „Gleiche Leistung = gleicher Preis“ verständlich und nachvollziehbar, eine Abweichung ist kaum zu erklären1 und daher nicht empfehlenswert. Für die Kalkulation einer Stundenvergütung kann die dargestellte Kalkulation genutzt werden, ebenso für die Wegepauschale. Selbst wenn im eigenen Bundesland im Rahmen der Pflegeversicherung keine ausgewiesene Wegepauschale vorhanden ist, sollte man diese zumindest bei den Privatleistungen einführen. Im Unterschied zu den Pflegeversicherungsleistungen müssen die Privatleistungen um die investiven Kosten ergänzt werden, die in der Pflegeversicherung separat, aber zusätzlich finanziert werden (siehe Investitionskosten, S. 19).
Kostenerstattungsleistungen Auch die Kostenerstattungen der Verhinderungspflege (§ 39) sowie der Entlastungsleistungen (§ 45b) sind Privatleistungen, denn der Versicherte erhält sie nur in Form (nachträglicher) Kostenerstattung; der Rechnungsempfänger ist also formal immer der Versicherte. Das gilt auch bei der Nutzung von Abtretungserklärungen, wenn der Pflegedienst im Auftrag/in Vertretung die Bezahlung der Leistungen direkt mit der Pflegekasse abrechnet.
1
Die einzige Berufsgruppe, der das gelungen ist, sind die Ärzte, die bei Privat-Versicherten deutlich höher abrechnen ‚dürfen‘ als bei Gesetzlich-Versicherten.
178
Entlastungsleistungen nach § 45b Diese ‚Freiheit‘ zur Preisgestaltung nutzten nach Erkenntnissen des Bundesministeriums für Gesundheit Pflegeeinrichtungen (auch der Tages- und Kurzzeitpflege) aus, indem sie hier deutlich mehr abgerechnet haben als bei den vergleichbaren Sachleistungen. Zum Teil auch, um wegen nicht verhandelter Sachleistungen (beispielsweise in der Hauswirtschaft) zumindest hier auskömmliche Vergütungen zu erhalten. Dabei liegt bei nicht leistungsgerechten Sachleistungsvergütungen der ‚Fehler‘ bei nicht verhandelten Sachleistungen und sollte und kann nicht durch höhere Vergütungen bei anderen Leistungen kompensiert werden.2 Bei allen Sachleistungen gilt der Grundsatz aus § 84 Abs. 4 Satz 2, dass für die Pflegeleistungen ausschließlich die vereinbarten Preise zu berechnen sind, “ohne Rücksicht darauf, wer zu ihrer Zahlung verpflichtet ist“. Aus diesen Gründen hat der Gesetzgeber die Deckelungsregelung in § 45b, Abs. 4 eingeführt:3 „(4) Die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 verlangte Vergütung darf die Preise für vergleichbare Sachleistungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen nicht übersteigen.“ Die (zumindest fiktive) Obergrenze sind die Preise vergleichbarer Sachleistungen. Da im Rahmen der Entlastungsleistungen im Regelfall Leistungen der Betreuung und hauswirtschaftlichen Versorgung erbracht werden, sind die Preise an den entsprechenden Leistungen der Sachleistungen zu orientieren. Soweit im Bundesland für die Betreuung und Hauswirtschaft Preise nach Zeit (Minuten oder Stunden) vereinbart wurden, ist die Grenze eindeutig definiert. Schwierig wird es in den Ländern, in denen die vergleichbaren Leistungen nur mit Pauschalen oder Punktmengen definiert sind. Dann wäre als vergleichbare Leistung der interne Zeitwert heranzuziehen. Beispiel Berlin: hier wird die Leistung LK 20 Betreuungsmaßnahmen zwar mit 100 Punkten vergütet, lt. Vergütungsvereinbarung hat der Pflegedienst aber die konkrete von ihm verwendete Zeiteinheit mit dem Pflegebedürftigen zu vereinbaren. Diese vereinbarte Zeit müsste sich auch im Preis der Entlastungsleistung widerspiegeln: Werden für 100 Punkte beispielsweise 8 Minuten Leistung erbracht, ergibt sich aus dem Punktwert (hier beispielsweise 4,97 €) sowie der Zeit ein Stundenpreis von 37,27 €. Dazu kommen auch hier die Investitionskosten (siehe S. 19), es sei denn in den Landesvereinbarungen zur Investitionskostenförderung sind diese bereits berücksichtigt (ist teilweise in Niedersachsen der Fall). Ein Sonderfall dürfte jedoch vorliegen, wenn es keine vergleichbaren Sachleistungen gibt. Das könnte für Pauschalen gelten (z.B. im Bereich der Hauswirtschaft) oder 2 3
siehe Heiber, A. (2017), S. 51 BT-Drucks. 18/10510, S. 119
14 Private Leistungen179
für Gruppenangebote (Betreuungsgruppe). Zwar hat der Gesetzgeber schon seit 2008 vorgeschrieben, dass differenzierte Preise bei der gemeinsamen Nutzung von Leistungen zu vereinbaren sind, auch um Wirtschaftlichkeitsreserven zu nutzen (gemeinsame Hauswirtschaft etc.),4 doch in vielen Leistungskatalogen gibt es keine oder nur sehr unkonkrete Regelungen zu Poolleistungen (Ausnahme Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern: hier sind alle poolfähigen Leistungen mit eigenen Preisen versehen)5. Auch wenn der Kunde beispielsweise durch seine Wunsch-Fachkraft betreut werden will, dürfte die Preishöchstgrenze nur eingeschränkt gelten; denn einerseits soll im Rahmen der Bezugspflege eine hohe Kontinuität ermöglicht werden.6 andererseits wünscht der Kunde einen bestimmten Mitarbeiter und ist auch bereit, hierfür mehr zu bezahlen. Dann wäre der Vergleichspreis eben nicht der ‚normale‘ Betreuungspreis, sondern dürfte sich orientieren am Stundensatz der Grundpflege (soweit vorhanden) oder an vom Zeitaufwand vergleichbaren Leistungskomplexen.7
Verhinderungspflege § 39 Im Rahmen der Verhinderungspflege ist bisher keine Preisobergrenze definiert worden, mutmaßlich wäre aber hier eine vergleichbare Reaktion des Gesetzgebers zu erwarten, weil auch hier in der Praxis eine große Bandbreite zu beobachten ist. Deshalb sollten Pflegedienste sich an den gleichen Kriterien orientieren wie bei den Entlastungsleistungen oder den Privatleistungen. Die Verhinderungspflege kann auch Körperpflegeleistungen enthalten, daher wäre eine Orientierung an den vergleichbaren Leistungskomplexen nachvollziehbar. Die Verhinderungspflege könnte auch nach den vorhandenen Leistungskomplexen abgerechnet werden, aber auch alternativ als Zeitabrechnung in vergleichbarer Höhe.
4 5 6 7
BT-Drucks. 16/7439, S. 73 siehe auch Darstellung der Leistungskataloge SGB XI in: Heiber, A. (2019) auch Kriterium der Qualitätsprüfungen, Nr. 4.1; Qualitätsprüfungs-Richtlinien (QPR) mit Stand vom 06.09.2016 siehe auch Heiber, A. (2017), S. 52
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 181
15 Verhandlungsstrategien VORWEG: Ein heute inzwischen auch in der Politik angekommener Allgemeinplatz: Es fehlt jetzt und dauerhaft Personal in der Pflege und die Vergütung ist noch nicht immer der Arbeit angemessen. Zudem gibt es weder inhaltlich noch fachlich begründbare deutliche Unterschiede in den Bundesländern. Wenn der einzelne Pflegedienst dauerhaft nicht in der Lage ist, die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser zu bezahlen oder zumindest genauso gut wie die Mitbewerber, werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Arbeitgeber wechseln oder gleich den Pflegeberuf verlassen! Ob es gut ist, bleibt abzuwarten: Aber (erst wieder) durch die Corona-Zeiten wird deutlich, welche Berufsgruppen wirklich systemrelevant sind: und dazu gehört ohne jede Frage die Ambulante Pflege. Sie ist auch dann da, wenn andere fragile, weil weitgehend auf Schwarzarbeit gegründete Versorgungsstrukturen plötzlich wegfallen, wie die temporäre Abwesenheit osteuropäischer ‚Haushaltshilfen‘ deutlich macht. Die im April aktuelle Diskussion um eine einmalige Anerkennungsprämie von 1.500 € für die Pflegekräfte sollte nicht übertünchen, dass die Pflege in den allermeisten Bundesländern dauerhaft viel besser finanziert werden muss und es in keinem Bundesland mehr eine finanzielle Unterscheidung zwischen ambulanter und stationärer Pflege geben darf.1 Mindestlohn Pflege erweitert Nicht vergessen darf man auch die weiter fortgeschriebenen Mindestlöhne bzw. die Neueinführung von Mindestlöhnen und höheren (Mindest-)Urlaubsansprüchen, die die Pflegekommission am 28.01.2020 festgelegt hat2 und die das Bundeskabinett in seiner Sitzung vom 22. April 2020 zur Kenntnis genommen hat, so dass sie das Bundesministerium für Arbeit Soziales kurzfristig als Verordnung erlassen kann.3
1 2 3
Heiber, A. (2019,2), S. 7 BMAS: https://www.bmas.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/hoeherer-mindestlohn-in-altenpflege. html, Stand 23.04.2020 BMG: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2020/2-quartal/4-voarbeitsbedingungen-pflegekraefte.html, Stand 23.03.2020
182
Übersicht Mindestlohnentwicklung
Pflegehilfskrä�e
Baden-Wür�emberg, Brandenburg, Bayern, Berlin, Bremen, MecklenburgHamburg, Hessen, Vorpommern, Sachsen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Wes�alen, Thüringen
bis 30.06.2020
11,35 €
10,85 €
ab 01.07.2020
11,60 €
11,20 €
ab 01.04.2021
11,80 €
11,50 €
ab 01.09.2021
12,00 €
12,00 €
ab 01.04.2022
12,55 €
12,55 €
ab 01.04.2021
12,50 €
12,20 €
ab 01.09.2021
12,50 €
12,50 €
ab 01.04.2022
13,20 €
12,30 €
ab 01.07.2021
15,00 €
15,00 €
ab 01.04.2022
15,40 €
15,40 €
Pflegekrä�e mit 1-jähriger Ausbildung
Pflegefachkrä�e
Tabelle: 33
Es gibt ab Mai 2020 steigende Mindestlöhne für Pflegehilfskräfte, die schon 2020 höher sind als der gesetzliche allgemeine Mindestlohn von 9,35 € pro Stunde. Darüber hinaus werden für die Berufsgruppen Pflegekräfte (1-jährige Ausbildung) ab April 2021 sowie für Pflegefachkräfte (3-jährige Ausbildung) ab Juli 2021 verbindliche Mindestlöhne eingeführt. Weiterhin gibt es zusätzliche Urlaubsansprüche für die Pflege über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus von 5 Tagen in 2020 und 6 Tagen in 2021 und 2022 (der gesetzliche Urlaubsanspruch liegt bei 24 Werktagen)4. Je nach Bundesland und Tarifvertrag wird sich für einen Teil der Pflegeeinrichtungen und damit der Pflegekräfte nichts ändern. Aber alle die Pflegedienste, die zurzeit noch weniger zahlen (können oder müssen) und nur den gesetzlichen Urlaubsanspruch gewähren, werden spätestens hiermit die Notwendigkeit haben, Vergütungsverhandlungen zu führen. Allein bei den Hilfskräften steigert sich der Pflegemindestlohn in den östlichen Bundesländern von Mai 2020 bis April 2022 um 15,6 %, in den westlichen 4
Bundesurlaubsgesetz, § 3 Abs. 1
15 Verhandlungsstrategien183
um 10,6%. Auch der ab 01.05.2020 erhöhte Urlaubsanspruch wirkt sich schon mit 2,92 Tagen in 2020 aus. Angesichts der realen Preise und Verhältnisse eine dringend notwendige Entwicklung, was allerdings auch durch angepasste Vergütungsvereinbarungen refinanziert werden muss. Schon hier wird sich für manche Dienste die Frage stellen, ob sie nicht kurzzeitig neu verhandeln müssen, wenn sie bisher weniger Urlaub vereinbart haben. Auch der Mindestlohn für die Hilfskräfte steigt je nach Bundesland um 2 bis 3 %, was evtl. auch wieder indirekt Auswirkungen auf die anderen Löhne haben kann (Abstand der Lohngruppen untereinander). Es gibt dauerhaft keine Alternative zu einer für die Einrichtung leistungsgerechten und bei Bedarf einzeln verhandelten Vergütung. Ob die „Corona-Zeit“ hier einen positiven Schwung bringt, bleibt abzuwarten; es liegt aber an den Einrichtungen und ihren Verbänden, diesen Schwung zu nutzen. Betrachtet man die unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben und Strukturen zur Führung von Vergütungsverhandlungen, lassen sich einige Punkte zusammenfassen: • Im Bereich SGB XI ist das Recht und die Regelungen für Einzelverhandlungen klar ausformuliert. Im Gegenteil: Der Gesetzgeber geht von Einzelverhandlungen als dem Normalfall aus. • Die Bestandteile einer leistungsgerechten Vergütung sind durch die weitgehende Übernahme der Rechtsprechung des BSG ins SGB XI klar definiert. Insbesondere die Personalkosten sind bei Nachweis vollständig refinanzierbar. • Eine ausgeprägte Verhandlungskultur existiert in der ambulanten Pflege noch nicht (anders stationär). Zurzeit gibt es bis auf NRW und Thüringen keine bekannten abgestimmten Unterlagen und Abläufe, obwohl in einigen Bundesländern hier Entwicklungen zu sehen sind. Deshalb sind im Einzelfall Verhandlungen auch noch schwieriger zu führen, weil sie für alle Beteiligten neu sind. Aber es ist möglich und in vielen Fällen und in immer mehr Bundesländern erfolgreich! Daher ist es gerade auf Seiten der Pflegedienste wichtig, die rechtlichen und vertraglichen Grundlagen zu kennen und ggf. in den Verhandlungen den Pflegekassen formale Grenzen zu setzen. • Auch wenn der Gesetzgeber Einzelverhandlungen im Prinzip seit Beginn der Pflegeversicherung vorgesehen hat, würde das für alle, insbesondere auch für die Pflegekassen, einen sehr hohen (und zusätzlichen) Aufwand bedeuten. Auch des-
184
halb wird es vermutlich weiterhin landesweite Empfehlungen geben. Ob diese Empfehlungen für die einzelne Einrichtung passen, kann man nur prüfen, wenn man eine differenzierte Kostenrechnung hat! • Nicht alle Pflegedienste ‚können‘ Einzelverhandlungen führen: In manchen Fällen ist es durchaus sinnvoll und hilfreich, nicht allein den Verhandlungsprofis der Pflegekassen gegenüber zu treten, sondern dies über den Verband oder mit anderer Hilfe zu tun. Viele Pflegedienste werden von Pflegefachkräften geleitet, die sich sehr gut in der Pflege, aber deutlich weniger gut in betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Fragen auskennen, und schon aus diesem Grunde in Verhandlungen übervorteilt werden (können). • Aber wer Dienstleister, wie Steuerberater, Abrechnungszentren, Unternehmensberater oder andere, beauftragt, darf erwarten, dass diese die gesetzlichen Grundlagen kennen und den Pflegedienst sachgerecht beraten und auch die richtigen Unterlagen liefern bzw. prüfen. Und das fängt damit an, dass die Pflegedienste eine differenzierte Kostenrechnung haben (einführen), um erkennen zu können, in welchem Bereich wirklich wirtschaftliche Probleme vorhanden sind. Das ist der erste Rat und der erste Schritt, der beispielsweise von Steuerberatern kommen und umgesetzt werden muss! • Im Bereich der Krankenversicherung ist wegen der Besonderheiten der Beitragssatzstabilität jedes Jahr zumindest die definierte Grundlohnsummensteigerung das Maß zur Vergütungserhöhung. Aber gerade mit den aktuellen Änderungen 2019 und der damit verbundenen Angleichung insbesondere bei der Personalvergütung müssten Personalkostensteigerungen, die im SGB XI ausgehandelt wurden, auch so in SGB V-Vergütungsvereinbarungen übernommen werden. Daher können Verhandlungen im SGB XI auch als ‚Türöffner‘ für spätere Verhandlungen im SGB V verstanden werden. Und die oben angesprochene Mindestlohnverordnung gilt auch für die Krankenversicherung; allerdings hat man manchmal insbesondere in einigen ostdeutschen Bundesländern bisher nicht den Eindruck!5 • Privatleistungen einschließlich der Leistungen der Kostenerstattung müssen sich immer rechnen, sollten aber nicht mit einem übermäßigen Gewinnzuschlag zum Ausgleich von Defiziten in anderen Bereichen dienen (müssen). Der Grundsatz: „gleiche Leistung = gleicher Preis“ ist schon aus Marketinggründen sachgerecht.
5
Heiber, A. (2019)
15 Verhandlungsstrategien185
Das Führen von Vergütungsverhandlungen setzt eine gute Vorbereitung voraus. Wer seine Zahlen und Strukturen nicht verursachungsgerecht aufbereitet hat, wird in einer praktischen Verhandlung schnell an seine Grenzen kommen. Deshalb ist auf dem Weg zu Vergütungsverhandlungen eine differenzierte Kostenrechnung der erste Schritt. Daraus lassen sich dann weitere Fragen und Schritte ableiten. Angebote/Vorschläge auf Landesebene bzw. der Verbände sind immer vor dem Hintergrund der eigenen konkreten Zahlen zu prüfen und mit dem Aufwand einer Einzelverhandlung abzuwägen. Auch die Verbände könnten bessere Verhandlungen führen, wenn sie konkretere und im formalen Sinne sauber abgegrenzte Zahlen und Beispiele hätten. Ohne differenzierte Kostenrechnung keine Vergütungsverhandlung!
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 187
16 Musterkontenplan mit Erläuterungen (Abb. 34, siehe Seite 188ff.)
Ertragskonten 4000 Weitere Erläuterungen zu einzelnen Ertragskonten, die über die Kurzbeschreibung in der Tabelle hinausgehen.
Konten 4000 bis 4049 Die Erträge der Pflegeversicherung sind lt. PBV-Kontenrahmen in Pflegegrade sowie in Leistungsträger zu unterteilen. Auch aus Sicht differenzierter Einnahmeauswertungen ist dies für ein weiteres Controlling eine sinnvolle Aufteilung. Klassischerweise wird unterschieden in Erträge: • • • •
Pflegeversicherung, Sozialhilfe, Selbstzahler, Übrige.
Dabei werden vor allem die beiden letztgenannten Konten in der Praxis sehr unterschiedlich gebucht. Für klarere Aussagen bezüglich der tatsächlichen Ertragssituation empfiehlt sich folgende Abgrenzung: Selbstzahler: Hier werden nur die ‚echten’ Selbstzahleranteile verbucht. Dies sind alle Beträge über den jeweiligen Pflegegrad hinaus. Privat Versicherte Pflegekunden bekommen zwar insgesamt eine oder ggf. zwei ‚Selbstzahlerrechnungen‘, wobei der vergleichbare Anteil der Gesetzlichen Pflegeversicherung von der vorhandenen Privaten Pflegeversicherung übernommen wird. Diese Anteile (Private Pflegeversicherung) sollten unter „Übrige“ verbucht werden. Übrige: Erträge Private Pflegekassen bzw. Beihilfestellen. Diese Systematik wiederholt sich für alle Pflegegrade. Die Problematik zum Pflegegrad 1 siehe S. 33 Alle weiteren Leistungen müssen lt. PBV-Kontenrahmen nicht nach Pflegestufen differenziert werden.
188
Umsetzung PBV ambulant Musterkontenrahmen: Erträge und Aufwendungen
für eine ambulante Pflegeeinrichtung, Stand 1/2020; zu ergänzen um weitere Konten, die beispielsweise aus steuerlicher Sicht notwendig sind Konto nr.
Titel
Zusätzliche Beschreibung
Zusamm Kostenstellen enfassu Schlüssel ng
Eigene Konten
Hinweise zum Verständnis Die Kontenbezeichnungen entstammen in der Regel der Pflegebuchfürungsverordnung (PBV) bzw. dem DATEV-Kontenrahmen SKR 45 (Fassung 2020) oder/und ergänzen diesen: PBVKonten sind im Grundsatz nicht verändert, so das keine Überleitungstabelle nach § 1 PBV notwendig ist. - Die Hinweise schlagen eine Zuordnung zu bestimmten Bereichen und Kostenstellen vor, die im Buch: Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen, 4. Auflage 2020 umfassend erläutert - Die vorgeschlagene Kostenstellenverteilung bezieht sich nur auf eine ambulante Pflegeeinrichtung. Die Verteilung aller sonstigen hier genannten Konten wird nicht kommentiert. Abkürzungen: KV = Krankenversicherung; PV = Pflegeversicherung; Soz. = Sozialhilfeleistungen; Pr. = Privatzahlerleistungen; Inv. = Investitionskosten nach PV; Zeiterf.= verteilen nach Zeiterfassung; Aufteilung: Aufteilung Sachkosten; o.k. = ohne weiteren Kommentar Alle durch die Pflegeversicherung verursachten Einnahmen und Ausgaben werden in der Kostenstelle "Pflegeversicherung" zusammengefaßt: unabhängig davon, wer im Einzelnen die Kosten trägt (die Leistungen werden nach § 89 Abs. 2 sowie § 84 Abs. 4 alle einheitlich und gemeinsam verhandelt!) Kontenklasse 4: Betriebliche Erträge Erträge aus ambulanten Pflegeleistungen 4000 Pflegegrad 1 Pflegekasse 4001
Pflegegrad 1 Sozialhilfe
4002 4003 4010 4011
Pflegegrad 1 Selbstzahler Pflegegrad 1 Übrige Pflegegrad 2 Pflegekasse Pflegegrad 2 Sozialhilfe
4012
Pflegegrad 2 Selbstzahler
4013 4020 4021
Pflegegrad 2 Übrige Pflegegrad 3 Pflegekasse Pflegegrad 3 Sozialhilfe
4022
Pflegegrad 3 Selbstzahler
4023 4030 4031
Pflegegrad 3 Übrige Pflegegrad 4 Pflegekasse Pflegegrad 4 Sozialhilfe
4032
Pflegegrad 4 Selbstzahler
4033 4040 4041
Pflegegrad 4 Übrige Pflegegrad 5 Pflegekasse Pflegegrad 5 Sozialhilfe
4042 4043
von pbv vorgesehen: aber keine Leistungen möglich im Einzelfall Leistungen nach § 66 im Sinne § 64b SGB XII von pbv vorgesehen: aber keine Leistungen möglich von pbv vorgesehen: aber keine Leistungen möglich o.k. o.k. Nur Erträge über die Pflegegrad hinaus (‚echte’ Selbstzahleranteile), keine Privaten Pflegekassen, keine anderen Pflegeleistungen (wie Verhinderungspflege, etc.) Erträge Private Pflegekassen / Beihilfestellen o.k. o.k. Nur Erträge über die Pflegegrad hinaus (‚echte’ Selbstzahleranteile), keine Privaten Pflegekassen, keine anderen Pflegeleistungen (wie Verhinderungspflege, etc.) Erträge Private Pflegekassen / Beihilfestellen o.k. o.k. Nur Erträge über die Pflegegrad hinaus (‚echte’ Selbstzahleranteile), keine Privaten Pflegekassen, keine anderen Pflegeleistungen (wie Verhinderungspflege, etc.)
1.1.1
PV
1.1.2
PV
1.1.3 1.1.4 1.1.1 1.1.2
PV PV PV PV
1.1.3
PV
1.1.4 1.1.1 1.1.2
PV PV PV
1.1.3
PV
1.1.4 1.1.1 1.1.2
PV PV PV
1.1.3
PV
1.1.4 1.1.1 1.1.2
PV PV PV
Pflegegrad 5 Selbstzahler
Erträge Private Pflegekassen / Beihilfestellen o.k. o.k. Nur Erträge über die Pflegegrad hinaus (‚echte’ Selbstzahleranteile), keine Privaten Pflegekassen, keine anderen Pflegeleistungen (wie Verhinderungspflege, etc.)
1.1.3
PV
Pflegegrad 5 Übrige
Erträge Private Pflegekassen / Beihilfestellen
1.1.4
PV
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16 Musterkontenplan mit Erläuterungen189
Umsetzung PBV ambulant Musterkontenrahmen: Erträge und Aufwendungen
für eine ambulante Pflegeeinrichtung, Stand 1/2020; zu ergänzen um weitere Konten, die beispielsweise aus steuerlicher Sicht notwendig sind Konto nr. 4050
Titel Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson
4060
Erträge aufgrund von Regelungen über Pflegehilfsmittel
4062 4065 4070
Beratungsbesuche nach § 37.3 Schulungen nach § 45 Entlastungsleistungen § 45b
4072
Erträge Pflegeversicherungsleistungen in anderen Bundesländern
4085
Erträge Privatleistungen (Haushaltsnahe Dienstleistungen)
4090 4091
§ 37.1a SGB V: Grundpflege/Hauswirtschaft § 37.2 SGB V: Behandlungspflege
4093
Behandlungspflege lt. Einzelvereinbarung
4094
§ 38 SGB V Haushaltshilfe (inkl.§ 24g oder 24h SGB V)
4095
Erträge Sozialhilfe andere Leistungen
Andere Erträge Erträge aus öffentlicher Förderung für Investitionskosten nach 4500 SGB XI 4641 4834 4860 4861 4882 4883
Erträge aus gesonderter Berechnung Investitionsaufwendungen gegenüber Pflegebedürftigen Erstattungen Aufwandsausgleichsgesetz/Lohnfortzahlungen Zuschüsse Trägerleistungen/ideelle Leistungen Einmalige Zuschüsse Trägerleistungen Verrechnete Sachbezüge aus Kfz-Gestellung Verrechnete sonstige Sachbezüge
4900Frei für besondere Betriebsteile 4999 Kontenklasse 5: Andere Erträge 5100 Zinsen und ähnliche Erträge 5200 Erträge aus Anlagenverkäufen 5270 Erträge aus Wertberichtigungen 5300 Erträge aus Auflösung von Rückstellungen 5305 Erträge aus Auflösung von Rückstellungen investiv 5307
Erträge aus Auflösung von Rückstellungen Personalkosten
5500
Sonstigen Betrieblichen Erträge
5520 5522
Versicherungsentschädigungen Versicherungsentschädigungen für Investitionsg.
Zusätzliche Beschreibung nach § 39 SGB XI im Prinzip sind hier nur Erträge möglich, wenn auch eine vertragliche Vereinbarung nach § 78 SGB XI besteht; meist in Zusammenhang mit Hausnotruf Differenzierung nach Pflegestufen nicht notwendig Einnahmen Schulungskurse ebenso wie Einzelschulungen vor Ort/am Bett Entlastungsleistungen nach § 45b durch Pflegedienste Lt. PBV vorgegeben, aber nicht zu nutzen, weil keine Zuordnung nach Pflegegraden möglich Privat bezahlte Leistungen, die nicht durch andere Leistungsträger definiert sind: beispielsweise Tierbetreuung, Spazieren gehen, etc.. Privat bezahlte Leistungen gesetzlicher Leistungsträger (z.B. privat bezahlte Behandlungspflege) gehören hier nicht dazu Erträge Grund- und Behandlungspflege nach § 37.1 SGB V Erträge Behandlungspflege Erträge Behandlungspflege aufgrund von Sondervereinbarungen mit den Leistungsträgern: beispielsweise bei Beatmungspatienten Hauswirtschaftliche Versorgung nach § 38, sowie nach § 24 g bzw. § 24 h SGB V: häusliche Pflege / Haushaltshilfe vor/nach der Geburt Andere Erträge Leistungen Sozialamt wie Haushaltshilfe § 70 oder Eingliederungshilfeleistungen Förderung Investitionskosten Pflegeversicherung durch öffentliche Zuschüsse Erträge Einnahmen Investitionskosten bei Weiterberechnung an die Pflegekunden wegen fehlender oder unzureichender öffentlicher Förderung nach SGB XI bei Schwangerschaft, Krankheit, Lohnfortzahlung Krankenkasse, etc. dauerhafte Zuschüsse des Trägers für Serviceleistungen/Ideelle Leistungen einmalige Zuschüsse des Trägers o.k. o.k. z.B. Wohngemeinschaften, Intensivpflege, Hospitzpflege, etc.
o.k. o.k. z.B. aus bereits abgeschriebenen Forderungen o.k. Auflösung von Rückstellungen für Investitionsgüter Auflösung von Urlaubs- und Mehrstundenrückstellungen bzw. andere Personalkostenrückstellungen, soweit nicht direkt über Personalkonten (als Erträge) gebucht Beispielsweise Einnahmen Essen auf Rädern oder ähnliche betriebsfremde Einnahmen o.k. o.k.
Zusamm Kostenstellen enfassu Schlüssel ng
1.4.2
PV
1.1.5
PV
1.1.5 1.1.5 1.4.2
PV PV PV
1.5.2
PV
1.4.1
Privat
1.2.1 1.2.1
KV KV
1.2.1
KV
1.2.2
KV
1.3
Sozialhilfe
2.1
PV
2.2
PV
Verr. 4.x 1.5 1.5 3.3.1 3.3.1
Trägerl. Trägerl.
1.x
Bes. Betriebsteile
3.1.2 2.5 3.1.3 3.1.4 2.3
4 4 4 4 4
Verr. 4.x 3.3 3.1.5 2.4
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4 4
Eigene Konten
190
Umsetzung PBV ambulant Musterkontenrahmen: Erträge und Aufwendungen
für eine ambulante Pflegeeinrichtung, Stand 1/2020; zu ergänzen um weitere Konten, die beispielsweise aus steuerlicher Sicht notwendig sind Konto nr.
Titel
Außeordentliche Erträge 5575 Periodenfremde Erträge 5660 Spenden und ähnliche Zuwendungen 5690 Sonstige außerordentlichen Erträge Kontenklasse 6: Aufwendungen 600
Pflegedienstleitung
6005
Stellv. PDL
6010 6015 6020 6025
Pflegefachkräfte Pflegefachkräfte - Aushilfen Pflegekräfte, einjährig Pflegekräfte - Aushilfen
6030
Pflegehilfskräfte/Hauswirtschaftliche Kräfte
6035 6040 6041 6046 6050 6055
Aushilfen - Hilfskräfte Verwaltung Geschäftsführung Verwaltung Aushilfen Technischer Dienst Technischer Dienst Aushilfen
6060
Sonstige Dienste
6090
Zuschüsse der Agenturen für Arbeit (Haben)
Zusätzliche Beschreibung o.k. o.k. o.k.
Differenzierung zur Stellv. PDL/anderen wegen unterschiedlicher Arbeitsinhalte (Anteil Pflege/Organisation) Differenzierung zur PDL/anderen wegen unterschiedlicher Arbeitsinhalte (Anteil Pflege/Organisation) dreijährige pflegerische Berufsausbildung o.k. Einjährige pflegerische Berufsausbildung o.k. Pflegemitarbeiter mit kürzerer Ausbildung als ein Jahr o.k. o.k. soweit separat 0.k. Hausmeister u.ä. o.k. Schüler, Bundesfreiwilligendienst, Freiwilliges Soziales Jahr
z.B. Lohnkostenzuschüsse bei Langzeitarbeitslosen, etc. z.B. von Rentenversicherungsträgern
Zusamm Kostenstellen enfassu Schlüssel ng
3.2.1 3.2.2 3.2.1
4 Träger 4
4.1.1
4
4.1.2
4
4.2 4.2 4.3 4.3
1 1 2 2
4.4
3
4.4 4.5 4.5 4.5 4.6 4.6
3 4 4 4 4 4 4, aber auch anders wählbar
4.7 Verr. 4.x Verr. 4.x
6091
Eingliederungsbeihilfe Personal (Haben)
6100 6105 6110 6120 6130 6140 6150 6160 6190
Pflegedienstleitung Stellv. PDL Pflegefachkräfte Pflegekräfte, einjährig Pflegehilfskräfte/hauswirtschaftliche Kräfte Verwaltung Technischer Dienst Sonstige Dienste Beiträge zur Berufsgenossenschaft
o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k.
4.1.1 4.1.2 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8
4 4 1 2 3 4 4 4 4
6200 6205 6210 6220 6230 6240 6250 6260
Pflegedienstleitung Stellv. PDL Pflegefachkräfte Pflegekräfte, einjährig Pflegehilfskräfte/hauswirtschaftliche Kräfte Verwaltung Technischer Dienst Sonstige Dienste
o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k.
4.1.1 4.1.2 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7
4 4 1 2 3 4 4 4
6300 6305 6310 6320 6330 6340 6350 6360
Pflegedienstleitung Stellv. PDL Pflegefachkräfte Pflegekräfte, einjährig Pflegehilfskräfte/hauswirtschaftliche Kräfte Verwaltung Technischer Dienst Sonstige Dienste
o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k.
4.1.1 4.1.2 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7
4 4 4 1 2 3 3 3
© System & Praxis Andreas Heiber 1/2017, Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen
Eigene Konten
16 Musterkontenplan mit Erläuterungen191
Umsetzung PBV ambulant Musterkontenrahmen: Erträge und Aufwendungen
für eine ambulante Pflegeeinrichtung, Stand 1/2020; zu ergänzen um weitere Konten, die beispielsweise aus steuerlicher Sicht notwendig sind Konto nr.
Titel
Zusätzliche Beschreibung
Zusamm Kostenstellen enfassu Schlüssel ng
6400 6405 6410 6420 6430 6440 6450 6460
Pflegedienstleitung Stellv. PDL Pflegefachkräfte Pflegekräfte, einjährig Pflegehilfskräfte/hauswirtschaftliche Kräfte Verwaltung Technischer Dienst Sonstige Dienste
6490 6491 6492 6495 6499
Arbeitsmedizinische Untersuchungen Maßnahmen zur Arbeitssicherheit Förderung der Dienstgemeinschaft Nicht differenzierbare Fortbildungskosten Sonstige nicht differenzierte Personalkosten
6620
Medizinischer Bedarf Behandlungspflege
6630
Medizinischer Pflegebedarf
6660 6664 6690
Lehr- und Lernmittel Zeitschriften und Bücher Dokumentationsmaterial
Medizinischer Bedarf, der nur in der Behandlungspflege genutzt wird: z.B. Blutzuckermeßgeräte, Einmalspritzen, ... Medizinischer Pflegebedarf (Verbrauchsmittel), die für alle Leistungsträger benötigt werden: Schutzkleidung, Desinfektionsmittel, etc. für die Pflege für die Pflege Papier etc., soweit nicht Software
6700
Wasser, Energie Brennstoffe
Haus/Büroversorgung
6804 6808 6810 6812 6820
Hausverbrauch Material Hausverbrauch Reinigung Hausverbrauch Wäsche Dienstkleidung Wirtschaftsbedarf andere Betriebszweige
6825 6826 6827 6828 6830 6831 6832 6833 6834
Verwaltung Finanzbuchhaltung Leistungsabrechnung Technische Dienste/EDV Aufwendungen Zentrale Dienste Geschäftsführung Reinigung Rufbereitschaft über externe Zentrale Hintergrunddienst über Kooperationspartner
6836
Kosten externe Qualitätssicherung
o.k. 6.2 4 o.k. 6.2 4 o.k. 6.2 4 Dienstkleidung Mitarbeiter 6.2 4 z.B. Einkauf Essen auf Rädern 6.3 Dienstleistungen, die nicht mit dem direkt angestellen Personal (s.o.) erbracht werden; falls eine Differenzierung nicht möglich ist, jeweils sinnvolle Konten ansprechen: z.B. Verwaltung allgemeine Verwaltung (kann auch bedeuten: komplett) 5.1 4 Erstellung der Finanzbuchhaltung (nicht Abschluss) 5.1 4 Externe Leistungsabrechnung/Fakturierung 5.1 4 i.d.R: EDV, aber auch Hausmeisterdienste, etc. 5.1 4 kann Sammelkonto sein (s.o.) 5.1 4 Dienstleistung Geschäftsführung 5.1 4 Büroreinigung 5.1 4 ausgelagerte Rufbereitschaft 5.2 4 Ausgelagere Hintergrunddienste 5.2 4 externe Kosten Qualitätssicherung: Zertifizierer, Schulungsmaßnahmen zu diesem 5.2 4 Ziel, Qualitätsprüfungen
6838
Personalbuchhaltung
Personalabrechnung
mit persönlichen Fortbildungskosten mit persönlichen Fortbildungskosten mit persönlichen Fortbildungskosten mit persönlichen Fortbildungskosten mit persönlichen Fortbildungskosten mit persönlichen Fortbildungskosten mit persönlichen Fortbildungskosten mit persönlichen Fortbildungskosten
beispielsweise Fahrsicherheitstraining Verpflegung, Ausflüge, ect. keine Personalabrechnung!
4.1.1 4.1.2 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.6
4 4 4 1 2 3 3 3
4.8 4.8 4.8 4.8 4.8
6.1
4
6.1
4
6.1 6.1 6.1
4 4 4
6.2
4
5.1
© System & Praxis Andreas Heiber 1/2017, Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen
4
Eigene Konten
192
Umsetzung PBV ambulant Musterkontenrahmen: Erträge und Aufwendungen
für eine ambulante Pflegeeinrichtung, Stand 1/2020; zu ergänzen um weitere Konten, die beispielsweise aus steuerlicher Sicht notwendig sind Konto nr.
Titel
Zusätzliche Beschreibung
Zusamm Kostenstellen enfassu Schlüssel ng
6840 6842 6844 6846 6850 6852 6858 6862 6864 6866 6868 6870 6871 6872 6878 6880 6891
Sonstiger Verwaltungsbedarf Büromaterial Porto Telefon Zeitschriften und Bücher Verwaltung Rundfunk- und Fernsehgebühren Nebenkosten des Geldverkehrs EDV- und Organisationskosten Rechts- und Beratungskosten Abschluß- und Prüfungskosten Personalbeschaffungskosten Werbekosten Selbstdarstellung, Prospekte Geschenke abzugsfähig Repräsentationskosten Bewirtungskosten Reisekosten Arbeitnehmer
6894
Kilometergelderstattung Arbeitnehmer
6895 6899
Reisekosten Unternehmer Kilometergelderstattung Unternehmer nur Dienstreisen
beispielsweise für externe Schulungen o.k.
6.3 6.3 6.3 6.3 6.3 6.3 6.3 6.3 6.3 6.3 6.3 6.3 6.3 6.3 6.3 6.3 6.3 6.7 + 7.3 6.3 6.3
6951 6955 6960 6961 6970 6971
Laufende Kfz-Betriebskosten (insb. Treibstoff) Fahrkosten Öffentlicher Nahverkehr Kfz-Versicherungen Kfz-Steuern Garagenmiete Fahrzeug-Leasing
keine Anschaffungen, nur Verbrauchsstoffe! o.k. o.k. o.k. o.k. o.k.
6.7 6.7 6.8 6.8 7.7 7.1
4 4 4 4 4 4
6.4 6.4 8.4
4 4 PV
6.5
PV
6.5 6.4 6.2
4 4 4
o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. keine Wartungsverträge, Lizenzen o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. beispielsweise für externe Schulungen für die dienstliche Nutzung von Privatwagen
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Kontenklasse 7: Weitere Aufwendungen 7100 7120 7153
Körperschaftssteuer Sonstige Steuern Umlage Verordnung Altenpflegegesetz / Ausbildungsabgabe
7154
Beiträge an Verbände und Organisationen
7157 7158 7181
Ausgleichsabgabe im Sinne des Schwerbehindertengesetzes Versicherungen (außer Kfz) Abfallbeseitigung
o.k. o.k. Kosten für Altenpflegeumlage bzw. Ausgleichsfond für Pflegeberufe beispielsweise Mitgliedsbeiträge beim Spitzenverband; keine undifferenzierte Umlage o.k. o.k. o.k.
7200
Zinsen
o.k.
6.6
4
7500 7510 7512 7514 7517
Abschreibungen auf immatrielle Anlagegüter Abschreibungen auf Sachanlagen Abschreibungen auf technische Anlagen Abschreibungen auf Fahrzeuge Abschreibungen auf GWG
7.5 7.5 7.5 7.2 7.5
7554
Abschreibungen auf Forderungen
o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. (sollte eigentlich nicht vorkommen)
4 4 4 4 4 Freie Aufteilung
8.1
© System & Praxis Andreas Heiber 1/2017, Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen
Eigene Konten
16 Musterkontenplan mit Erläuterungen193
Umsetzung PBV ambulant Musterkontenrahmen: Erträge und Aufwendungen
für eine ambulante Pflegeeinrichtung, Stand 1/2020; zu ergänzen um weitere Konten, die beispielsweise aus steuerlicher Sicht notwendig sind Konto nr.
Titel
Zusätzliche Beschreibung
Zusamm Kostenstellen enfassu Schlüssel ng
7600 7652
Miete Geschäftsräume Miete für technische Anlagen (Telefon, Computer, etc.)
o.k. o.k.
7.6 7.7
4 4
7710 7712 7714 7715 7716 7717
Instandhaltung und Instandsetzung von Gebäude Instandhaltung Betriebsausstattung Kfz-Reparaturen/Inspektion Wartung Betriebsausstattung Wartung Hard- und Software Wartung technische Anlagen
o.k. o.k. o.k. o.k. o.k. o.k.
7.4 7.4 7.1 7.4 7.4 7.4
4 4 4 4 4 4
7810 7820
Periodenfremde Aufwendungen Spenden
4 4
7830
Aufwendungen für sonstige Verbandsumlagen
8.5 o.k. 8.2 allgemeine Verbandsumlagen, hinter denen keine mittelbaren Dienstleistungen für 8.3 die Pflegeeinrichtungen stehen
© System & Praxis Andreas Heiber 1/2017, Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen
Tabelle: 34
Konto 4050: Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson Alle Einnahmen aus der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI, unabhängig vom Pflegegrad und den erbrachten Leistungen: Es können neben den klassischen Pflegeversicherungskomplexen/-modulen auch andere Leistungen, wie Betreuung, erbracht und abgerechnet worden sein. Die Leistung wird auf Basis der Kostenerstattung finanziert. Konto 4062 Beratungsbesuche nach § 37.3 Beratungsbesuche bei Pflegegeldbeziehern sowie bei Sachleistungskunden (ab 2017 als freiwillige Leistung möglich); sollte weiterhin getrennt gebucht werden, auch wenn die Preise inzwischen nicht mehr gedeckelt, sondern die Preise im Rahmen der Vergütungsverhandlungen nach § 89 vereinbart werden. Konto 4065 Schulungen nach § 45 Schulungen im Sinne von Schulungskursen, Beratung bei der Überleitung oder individuelle Schulungen in der eigenen Häuslichkeit aufgrund einer Vereinbarung/Auftrag der Pflegekassen. Konto 4060 Erträge aufgrund von Regelungen über Pflegehilfsmittel Erträge sind hier im Grunde nur möglich, wenn die Pflegeeinrichtung auch einen Vertrag über die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln nach § 78 SGB XI mit den Pflegekassen besitzt. Im Regelfall werden die meisten Pflegehilfsmittel inzwischen über entsprechende Hilfsmittelpools der Pflegekassen oder beauftragter Partner bezogen. Pflegedienste halten hier auch wegen der damit verbundenen Haftungsfragen kaum noch Pflegehilfsmittel (wie Toilettenstühle oder Rollatoren) vor und verleihen diese. Wenn, dann dient © System & Praxis Andreas Heiber 1/2017, Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen
4
Eigene Konten
194
dies nur der sehr kurzfristigen Übergangsversorgung. Klassisch ist hier eher der Bereich Hausnotruf anzusehen, der allerdings einen anderen Betriebsbereich als die ambulante Pflege darstellt! Sonstige Erträge für Pflegehilfsmittel, die nicht durch die Pflegekasse finanziert werden, sind bei Privateinnahmen zu verbuchen.
Konto 4070 Entlastungsleistungen nach § 45b Entlastungsleistung nach § 45b durch den Pflegedienst erbracht. Die Leistung wird auf Basis der Kostenerstattung finanziert. 4072 Erträge Pflegeversicherungsleistungen in anderen Bundesländern Sonderkonto für NRW, sollte nicht genutzt werden, siehe Begründung S. 23. 4085 Erträge Privatleistungen (andere Haushaltsnahe Dienstleistungen) Privat finanzierte Dienstleistungen des Pflegedienstes wie beispielsweise Versorgung von Haustieren, Begleitung etc., jedoch keine Leistungen nach § 45a Angebote zur Unterstützung im Alltag, weil hier ein separater Vertrag nötig ist und diese deshalb einen eigenen Betriebsteil darstellen. 4090 § 37.1a SGB V: Grundpflege/Hauswirtschaft Grund- und Behandlungspflege auf der Grundlage von § 37.1a bei Versicherten, die keine Einstufung ab Pflegegrad 2 haben. 4091 § 37.2 Behandlungspflege Alle Behandlungspflegeleistungen nach § 37.2 (Häusliche Krankenpflege – HKP) außer Einzelvereinbarungen insbesondere für Intensivpflege. 4093 Behandlungspflege laut Einzelvereinbarung Z. B. 24-Stundenbetreuung bei Beatmungspatienten, die über Einzelvereinbarungen mit den Krankenkassen vergütet wird u. Ä. 4094 § 38 SGB V inkl. § 24 g/§ 24 h: Haushaltshilfe Haushaltshilfe, Familienpflege und Kinderbetreuung nach § 38 SGB V sowie Pflege (§ 24g) und Haushaltshilfe (§ 24h) bei Schwangeren/Wöchnerinnen. 4095 Erträge Sozialhilfe andere Leistungen Hier werden nur die Leistungsbereiche gebucht, die nicht nach „Pflegeversicherungsspielregeln“ erbracht und abgerechnet werden.
16 Musterkontenplan mit Erläuterungen195
Konto 4500 Erträge aus öffentlicher Förderung für Investitionskosten nach SGB XI Werden auf Landes-/regionaler oder kommunaler Ebene die Investitionskosten im Sinne des SGB XI gefördert, werden die Erträge hier verbucht. Konto 4641 Erträge aus gesonderter Berechnung von Investitionsaufwendungen gegenüber Pflegebedürftigen Erträge aus der Weiterberechnung, wenn keine Landesförderung vorhanden oder die Landesförderung nicht ausreichend und zusätzlich eine Weiterberechnung erlaubt ist. Die Erträge stammen vom Pflegekunden direkt, werden oft auch auf der Eigenanteilsrechnung mit ausgewiesen. Konto 4834 Erstattungen Aufwandsausgleichsgesetz/Lohnfortzahlungen Erstattungen nach dem Aufwandsausgleichsgesetz für Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall sowie bei Beschäftigungsverboten aufgrund des Mutterschutzgesetzes; Lohnfortzahlungserstattung für Dauerkranke, deren vertragliche betriebliche oder gesetzliche Lohnfortzahlung ausgelaufen ist und für die die Krankenversicherung die Lohnfortzahlung übernimmt. Diese Erträge mindern dann die Personalkosten! Konto 4860 Zuschüsse Trägerleistungen/ideelle Leistungen Dauerhafte bzw. regelmäßige Zuschüsse für Trägerleistungen/ideelle Leistungen. Konto 4861 Einmalige Zuschüsse Trägerleistungen/ideelle Leistungen Einmalige Zuschüsse. 4900 bis 4999 Frei für Besondere Betriebsteile Hier können besondere Betriebsteile, wie Intensivpflege, Wohngemeinschaften etc., gebucht werden. Dabei sollten die Einnahmen inhaltlich so getrennt werden, wie es in der Praxis benötigt wird. Kurzbeschreibung der Aufwandskonten Hier finden Sie weitergehende Hinweise zu den einzelnen Aufwandskonten. Konto 6x00 Pflegedienstleitung Personalaufwendungen Pflegedienstleitung(en), nicht jedoch Stellvertretung. Konto 6x05 Stellvertretende Pflegedienstleitung Personalaufwendungen Stellvertretende PDL.
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HINWEIS FÜR PDL UND STELLVERTRETUNG in Bezug auf den Verteilungsschlüssel Kostenstellenrechnung. Da die PDL und Stellvertretung zu unterschiedlichem Anteil in der Verwaltung (Einsatzplanung, Kostenklärung, Organisation, Verwaltung) und Pflege (direkt beim Pflegebedürftigen, aber auch Beratungsbesuche nach § 37.3 oder Erst- und Folgegespräche, aber genauso auch Übernahme von bestimmten Behandlungspflege etc.) arbeiten, sollten in den beiden Leitungskonten nur die Verwaltungsanteile der PDL und Stellvertretung gebucht werden, deren Arbeitszeit vor Ort beim Pflegekunden (bzw. deren anteilige Personalkosten) jedoch direkt bei den Pflegekräften. Damit erhält man ein eindeutigeres Bild des Leitungsaufwands, der sich nicht in den Gesamtpersonalkosten der PDL/Stellvertretung darstellt. Zur Ermittlung der Verteilung bei PDL und Stellvertretung dürfte im Regelfall die Schätzung eine sachgerechte Aufteilung liefern, unter Umständen unterstützt durch eine kurze Zeiterfassung. Alternativ kann auch später eine solche Verteilung in einer Kostenrechnung erfolgen.
Konto 6x10 Pflegefachkräfte Pflegefachkräfte im Sinne des SGB XI: Krankenschwestern, Kinderkrankenschwestern, Altenpfleger, Gesundheitspfleger, Pflegefachfrau bzw. Pflegefachmann, jeweils immer mit dreijähriger Ausbildung und Berufsabschluss oder vergleichbar anerkannter Ausbildung. Konto 6x20 Pflegekräfte einjährig Pflegekräfte mit mindestens einjähriger Berufsausbildung und Abschluss: klassischerweise Krankenpflegehelfer, Altenpflegehelfer, aber auch Arzthelferinnen. Konto 6x30 Pflegehilfskräfte/Hauswirtschaftliche Kräfte Mitarbeiter mit pflegerischer Ausbildung unter einem Jahr (z. B. Schwesternhelferin nach 6-Wochenkurs) oder angeleitete und berufserfahrene Hilfskräfte. Eine Differenzierung in hauswirtschaftliche Kräfte ist in der ambulanten Praxis weder sinnvoll noch sachgerecht: Anders als in der vollstationären Pflege kann man ambulant oftmals gar nicht die hauswirtschaftliche Leistung von anderen Grundpflegeleistungen (wie Hilfen beim Aufstehen) oder Betreuung abgrenzen. Auch dürften die Entgeltgruppen dieser Mitarbeiter weitgehend gleich sein.
16 Musterkontenplan mit Erläuterungen197
Verwaltung und andere Konto 6040 Verwaltung Leitung und Mitarbeiter Verwaltung: Werden diese Tätigkeiten ganz oder teilweise von der PDL oder stellv. PDL erbracht, sind deren Arbeitszeitanteile hier zu buchen. Die Abgrenzung kann auch über eine Schätzung erfolgen. Konto 6x41 Geschäftsführung In größeren Pflegediensten gibt es oft eine Geschäftsführung (im kaufmännischen Sinne) oder Abteilungsleitung. Werden solche Dienstleistungen extern erbracht (Verbundeinrichtung etc.) und über Umlagen refinanziert, sind sie dort zu buchen (siehe weitere Sachkosten). Werden diese Tätigkeiten teilweise von der PDL erbracht, sind Arbeitszeitanteile der PDL hier zu buchen. Die Abgrenzung kann auch über eine Schätzung z.B. anhand der Arbeitszeit erfolgen. Konto 6050 Technischer Dienst Hausmeister, Mitarbeiter zur Fahrzeugpflege, Gärtner etc. soweit in der Einrichtung vorhanden und tätig. Konto 6x60 Sonstige Dienste Alle weiteren, nicht einer Teilgruppe zuzuordnenden Mitarbeitenden, wie Bundesfreiwilligendienst, Freiwilliges Soziales Jahr und andere, auch Schüler. Sonstige Personalkosten und Fortbildungskosten Direkt einzelnen Berufsgruppen zuzuordnende sonstige Personalkosten, wie beispielsweise arbeitsmedizinische Untersuchungen etc., sollten direkt zugeordnet werden. Sind die Kosten nicht direkt zuzuordnen, können sie auch im Bereich „Nicht differenzierte Personalkosten“ gebucht werden und müssen dann später im Rahmen der Kostenstellen und Kostenträgerrechnung auf die Berufsgruppen verteilt werden, beispielsweise nach Anzahl der Köpfe. Für die Beiträge zur Berufsgenossenschaft oder auch Fortbildungskosten gilt das Gleiche. Nicht differenzierte Fortbildungskosten können auf das Konto 6495 gebucht werden. Kosten für die Personalverwaltung und Personalabrechnung stellen originär keine Personal-, sondern Verwaltungskosten dar. Sie sind in diesem Kontenrahmen im Bereich Zentral Dienste/Fremddienstleistungen (Konten: 6825-6839) angesiedelt.
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Sachkosten Bei der Differenzierung der Sachkosten ist der spezielle Investitionskostenbegriff der Pflegeversicherung zu beachten. Die Gliederung und Kontierung der Sachkosten richtet sich weitgehend nach dem in der Praxis gebräuchlichen und vorhandenen Buchungsrahmen. Im Weiteren werden nur einige Kontengruppen sowie hierin besondere Konten besprochen. Der Inhalt der meisten Konten ergibt sich aus deren eindeutiger Bezeichnung.
Medizinischer und therapeutischer Bedarf (6620 - 6699) Der Medizinische Bedarf Behandlungspflege (6620) umfasst allein den Bereich SGB V: so zum Beispiel Blutzuckermessgeräte, Blutzuckermessstreifen, Einmalspritzen etc. Unter Medizinischer Pflegebedarf (6630) ist das Pflegeverbrauchsmaterial zu buchen, das sowohl im SGB V als auch im SGB XI-Bereich eingesetzt wird: Schutzhandschuhe, Einmalschürzen, Desinfektionsmittel. Die hier gebuchten Verbrauchsmittel werden auf beide Leistungsträger aufgeteilt. Mit Lehr- und Lernmittel (6660) sowie Zeitschriften und Bücher (6664) ist die pflegefachliche Lektüre gemeint, die für die Pflege vorzuhalten ist. Fachliteratur der Verwaltung – siehe Verwaltungsbedarf. Versorgung und Wirtschaftsbedarf (Konten 6700 - 6824) In der ambulanten Pflege eher zu vernachlässigende Kostenbereiche, daher vor allem im Punkt Versorgung hier nicht weiter differenziert. Beim Wirtschaftsbedarf könnte lediglich der Bereich Dienstkleidung interessanter sein. Zentrale Dienste/Fremdleistungen Gerade für die Bildung von qualifizierten Kennzahlen und bei Betriebsvergleichen ergibt sich mit externen Dienstleistungen (z.B. gemeinsame Geschäftsstelle, Kreisverband, u.Ä.) immer ein Problempunkt: Oft werden bei größeren Organisationseinheiten Verwaltungs- und Geschäftsführungsdienstleistungen zentral erbracht und über eine Umlage bei den verursachenden Kostenstellen gebucht. Allerdings sind solche Umlagen selten in Dienstleistungsgebiete differenziert (oft sind hier auch investive und andere Sachkosten eingeschlossen) und verführen Außenstehende zu zutreffenden oder abwegigen Vermutungen wie, dass die Umlage = Overhead die Einrichtung überproportional belastet und in keinem angemessenen Verhältnis zu tatsächlich notwendigen und erbrachten Leistung steht. Um hier dauerhaft zu sachlicheren Diskussionen und Kennzahlen zu kommen, ist zu empfehlen, allgemeine Umlagen in Dienstleistungs-
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 199
bereiche aufzuteilen. Besser wären interne Rechnungen für einzelne Fachbereiche wie Buchhaltung oder Personalverwaltung. Die vorgeschlagene Kontendifferenzierung in diesem Bereich will diese Leistungstransparenz fördern.
Verwaltungsbedarf Bei den Reisekosten Arbeitnehmer (6891) sind hier nur Fahrten und Reisekosten zu externen Veranstaltungen wie Schulungen etc. gemeint. Die Nutzung des Privatwagens im Rahmen der Pflegetouren gegen Kilometergelderstattung wird im Konto 6894 gebucht. Fahrzeugkosten Wegen des Investitionskostenbegriffs der Pflegeversicherung auf die inhaltliche Trennung der Konten achten: auf Konto 6951 gehören nur Verbrauchskosten: Treibstoffe, ggf. Schmierstoffe (Öl), falls nicht im Rahmen einer Inspektion. Alle anderen Verschleißmaterialien unter Konto 7714 wie Scheibenwischer, Winterreifen, aber auch TÜV-Gebühren sowie Reparaturen und Inspektion.
Steuern, Abgaben, Versicherungen Konto 7153: Umlage Verordnung Altenpflegegesetz/Ausbildungsabgabe Soweit sie im Bundesland erhoben wird, zahlen Pflegedienste zurzeit zur Refinanzierung der Ausbildung im Land festgesetzte Beträge. Teilweise werden sie durch einen Sonderzuschlag auf die Vergütung refinanziert. Ab 2020 wird im Rahmen der Refinanzierung der Pflegeausbildung nach dem Pflegeberufereformgesetz jeder ambulante Pflegedienst zur Finanzierung des Ausgleichsfonds Pflege herangezogen. Die Kosten werden hier verbucht. Konto 7154: Beiträge an Verbände und Organisationen Da Pflegeverbände bei der Umsetzung und Durchführung der Pflegeversicherung eine wichtige Rolle einnehmen (so z. B. die Aushandlung der Rahmenverträge nach § 75 SGB XI auf Landesebene oder die Gemeinsamen Maßstäbe und Grundsätze zur Qualität und Qualitätssicherung in der ambulanten Pflege nach § 113 SGB XI auf Bundesebene), sind die Beiträge für die Spitzenverbandstätigkeit selbstverständlich Bestandteil der ordentlichen Betriebsaufwendungen.
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Sonstige ordentliche und außerordentliche Aufwendungen Die unter Konto 7830 zu verbuchenden ANDERE VERBANDSUMLAGEN sind dadurch zu definieren, dass hiermit keinerlei direkte oder indirekte Dienstleistung für die Pflegeeinrichtung verbunden ist, sondern dass über eine hier gebuchte Umlage einrichtungsfremde Zwecke finanziert werden. Alle direkten Verbandsdienstleistungen für die Pflegeeinrichtung sind unter dem Bereich Zentrale Dienste/Fremddienstleistungen und/ oder unter Konto 7154 Beiträge an Verbände und Organisation zu buchen.
17 Musterkostenstellenrechnung201
17 Musterkostenstellenrechnung Erläuterung der Kostenrechnung, siehe Abb. 16, Seite 74 – 75
Gliederung der Erträge 1. Erträge Pflege Unter Erträge Pflege werden alle durch Pflege, Hauswirtschaft und Betreuung erwirtschafteten Erträge summiert, differenziert nach den schon diskutierten Kostenstellen:
1.1. Pflegeversicherung Unter Pflegeversicherung werden alle Erträge Pflegeversicherung summiert, unabhängig von der Pflegegradaufteilung. 1.1.1 Erträge Pflegekasse Erträge Pflegekassen (Konten 4010, 4020, 4030, 4040): Hinweis: Pflegegrad 1 kennt keine Sachleistungen! 1.1.2 Erträge Sozialhilfe Erträge Sozialhilfe (Konten 4001, 4011, 4021, 4031, 4041): Leistungen bei Pflegegrad 1 theoretisch begrenzt möglich 1.1.3 Erträge Selbstzahler Erträge Selbstzahler (Konten 4012, 4022, 4032, 4042). 1.1.4 Erträge Übrige Erträge Übrige (Konten 4013, 4023, 4033, 4043). 1.1.5 Sonstige Leistungen PV Alle sonstigen Erträge für Leistungen nach Pflegeversicherungsgesetz: Kontenbereich 4050-4069 außer 4050 (Verhinderungspflege) und 4070 (Entlastungsbetrag § 45b): Beide Leistungen sind als Leistungen der Kostenerstattung Privatleistungen und werden hier als solche summiert (siehe unter Punkt 1.4.2)
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1.1. Krankenversicherung Unter Krankenversicherung werden alle Erträge zu Lasten der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung summiert. Eine Differenzierung nach Sozialhilfe oder Selbstzahler ist hier nicht notwendig, weil beide jeweils als ‚Krankenversicherung’ auftreten. 1.1.1 Grund- und Behandlungspflege Erträge Grund- und Behandlungspflege sowie Sondervereinbarungen (Konten 40909093). 1.1.2 Hauswirtschaftliche Versorgung Erträge für Haushaltshilfe nach SGB V oder Leistungen bei Schwangerschaft nach § 24g und § 24 h SGB: Konten 4094. 1.2. Sozialhilfeleistungen Erträge für Sozialhilfeleistungen außerhalb des Definitionsrahmens der Pflegeversicherung (Konto 4095). 1.3. Privatleistungen Erträge für Privatleistungen außerhalb des Definitionsrahmens der Pflegeversicherung (Konten 4085) 1.4.2: Leistungen Kostenerstattung SGB XI: Erträge Verhinderungspflege (§ 39) und Entlastungsleistungen (§ 45b) Erläuterung siehe auch S. 35). 1.4. Trägerleistungen Erträge und/oder Zuschüsse für Trägerleistungen (ideelle Leistungen) (Konten 4860, 4861).
2. Erträge Investitionskosten Hier werden alle Erträge gesammelt, die unter den Investitionskostenbegriff der Pflegeversicherung fallen: Nicht nur direkt dafür erzielte Erträge, sondern auch Positionen, die anteilig hierfür relevant sind, wie beispielsweise Versicherungserstattungen Kfz. Durch diese Summierung ist in der Kostenstellenrechnung ein schneller Überblick über die tatsächliche Finanzierung der Investitionskosten gegeben.
2.1. Erträge aus öffentlicher Förderung für Investitionskosten Konto 4500
17 Musterkostenstellenrechnung203
2.2. Erträge aus der gesonderten Berechnung Investitionskosten gegenüber Pflegebedürftigen Konto 4640 2.3. Erträge aus Auflösung von Rückstellungen für Investitionen Konto 5305 2.4. Versicherungsentschädigungen Investitionsgüter Konto 5522 2.5. Erträge aus dem Verkauf von Anlagegütern Konto 5200
3. Andere Erträge Zusammenfassung aller anderen, außerordentlichen und sonstigen Erträge.
3.1. Sonstige Erträge Verrechnete Sachbezüge, beispielsweise bei Kfz-Gestellung u.Ä. (Konto 4882). 3.1.2 Zinsen und ähnliche Erträge Konto 5100 3.1.3 Erträge aus Wertberichtungen Beispielsweise für Erträge von abgeschriebenen Forderungen (Konto 5270). 3.1.4 Erträge auf Auflösung von Rückstellungen Keine Rückstellungen für Investitionskosten oder Personalkosten; z. B. für Steuern (Konto 5300) 3.1.5 Versicherungsentschädigungen Keine Erträge für Investitionsgüter (Konto 5520) 3.2. Außerordentliche Erträge 3.2.1 Periodenfremde und außerordentliche Erträge Konten 5575 und 5690 3.2.2 Spenden und ähnliche Zuwendungen Konto 5660
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Die Gliederung der Aufwendungen Auch die Aufwendungen werden thematisch zusammengefasst. So ergibt sich für das Controlling sowie die weitere Nutzung auch zur Kalkulation eine klare Sortierung und ein Überblick über die tatsächlichen Kosten eines Bereichs.
4. Personalaufwendungen Die Personalaufwendungen sollten differenziert nach den einzelnen Berufsgruppen bzw. Kontengruppen gegliedert sein. Werden beispielsweise bei den Pflegekräften zwei verschiedene Gruppen/Kontenbereiche geführt, sollten auch beide in dieser Gliederung differenziert dargestellt werden. Unter Umständen werden deren Summen nach verschiedenen Verteilungsschlüsseln verteilt. Aushilfen werden jeweils der Berufsgruppe direkt zugeordnet, weil Aushilfen im Normalfall immer im Rahmen ihrer Berufsqualifikation arbeiten und eingesetzt werden. Da in diesem Modell die Personalkostenzuschüsse direkt auf die Personalkonten verrechnet (saldiert) werden, tauchen sie hier nicht mehr als Erträge auf.
Differenzierung 4.1.1 Pflegedienstleitung Konten 6000, 6100, 6200, 6300, 6400 4.1.2 Stellv. Pflegedienstleitung Konten 6005, 6105, 6205, 6305, 6405, 6405 4.2. Pflegefachkräfte Konten 6010, 6015, 6210, 6310, 6410 4.3. Pflegekräfte Konten 6020, 6025, 6120, 6320, 6420 4.4. Pflegehilfskräfte/Hauswirtschaftliche Kräfte Konten 6030, 6035, 6130, 6230, 6330, 6430 4.5. Verwaltung einschl. Geschäftsführung Konten 6040, 6041, 6046, 6140, 6240, 6340, 6440 4.6. Technischer Dienst Konten 6050, 6055, 6150, 6250, 6350, 6450
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4.7. Sonstige Dienste Konten 6060, 6160, 6460, 6461 4.8. Personalnebenkosten gesamt Konten 6190, 6490, 6491, 6492, 6495, 6499
5. Zentrale/Fremde Dienstleistungen Hier werden alle externen Dienstleistungen bzw. Aufwendungen zusammengefasst:
5.1. Zentrale Dienste/Fremdleistungen Zusammenfassung aller externen Verwaltungsleistungen, auch beispielsweise die externe Geschäftsführung (beispielsweise der Kreisgeschäftsführer eines Wohlfahrtsverbandes, der auch für die Pflegeeinrichtung tätig ist): Konten 6825-6832; 6838. 5.2. Fremddienstleistungen Pflege/Rufbereitschaft Externe Kosten für Pflegedienstleistungen, z. B. externe Rufbereitschaft über eine fremde Zentrale oder Kosten für externe Qualitätssicherung: Konten: 6833-6837, Fortbildungskosten 6495
6. Sachkosten Hier werden nur Sachkosten summiert, die nicht zum Bereich der sogenannten investiven Kosten gemäß SGB XI gehören:
6.1. Medizinscher und therapeutischer Bedarf Konten: 6620-6699 6.2. Versorgung, Wirtschaftsbedarf Konten: 6700-6819 6.3. Verwaltungsbedarf Konten 6840-6899 außer 6894 Kilometergelderstattung Arbeitnehmer. 6.4. Steuern, Abgaben, Versicherungen Konten 7100-7181, ohne 7153 Altenpflegeumlage/Ausgleichsfonds Pflegeberufe und 7154 Beiträge an Verbände und Organisationen.
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6.5. Verbandsbeiträge Konto 7154 6.6. Zinsen und ähnliche Aufwendungen Konten 7200 ff. 6.7. Fahrzeugkosten (Betriebskosten) Nur Betriebskosten im Sinne SGB XI: 6951-6969 ohne 6955 Nahverkehr. 6.8. Andere Fahrtkosten Kilometergelderstattung: Konten 6894, Nahverkehr 6955. Bei der Kilometergelderstattung an die Mitarbeiter ist folgender Gedankengang zu beachten: Auch hier solte man von einem fiktiven Investitionskostenanteil ausgehen, da auch das Mitarbeiterauto unter die Investitionskostenregelung des §82 SGB XI fällt. Als Aufteilungsschlüssel kann man der Einfachheit halber von ca. 50 % ausgehen, die Verbrauchskosten sind, sowie 50 %, die Investitionskosten sind. Das Konto 6894 könnte man dann entsprechend aufteilen. Der investive Anteil wird unter Position 7.3 erfasst. Gleiches gilt für den Nahverkehr.
7. Investive Kosten (im Sinne SGB XI) Hier werden alle sogenannten investiven Kosten summiert, um einfacher die Überprüfung mit den Erträgen vornehmen zu können.
7.1. Fahrzeugkosten (investive Kosten im Sinne SGB XI) Leasing und Reparaturen/Instandhaltung: Konten: 6970, 6971, 7714. 7.2. Abschreibungen Fahrzeuge Konto 7514 7.3. Investiver Anteil Fahrtkostenerstattung (siehe 6.8) Anteil Konto 6894, 6955 7.4. Instandhaltung, Wartung (außer Fahrzeuge) Konten 7710-7717 ohne 7714 7.5. Abschreibungen Sachanlagen etc. Konten: 7500 - 7513, 7517(nicht 7514)
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7.6. Mieten Geschäftsräume Konto 7600 7.7. Andere Mieten Konto 7652
8. Abschreibung Forderungen/Außerordentliche Aufwendungen 8.1. Abschreibungen Forderungen Konto 7554 8.2. Spenden Konto 7820 8.3. Aufwendungen für Verbandsumlagen Konto 7830 8.4. Altenpflegeumlage/Ausgleichsfond Pflegeberufe Konto 7153 8.5. Periodenfremde, sonstige ordentliche u. außerordentliche Aufwendungen Konten: 7810 Zusammenfassung In der Zusammenfassung werden die 3 Ertragspositionen mit ihren Ergebnissen und der Gesamtsumme dargestellt. Die Aufwandspositionen (4.–8) werden im zweiten Teil mit ihren Ergebnissen dargestellt, daran schließt sich die Saldierung an. Zusätzlich als Information wird die Umsatzverteilung (Umsätze Pos. 1 Erträge Pflege und Pos. 2 Investitionskosten) im prozentualen Verhältnis dargestellt.
Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen 209
18 Anhang Abkürzungen BGBL. = Bundesgesetzblatt BR = Bundesrat PBV: Pflegebuchführungsverordnung PpSG: Pflegepersonal-Stärkungsgesetz
PSG I: Pflegestärkungsgesetz I PSG II: Pflegestärkungsgesetz II PSG III: Pflegestärkungsgesetz III
Literaturverzeichnis Alle Bundesgesetze und bundesweit gültigen Verordnungen unter www.gesetze-im-internet.de BlGB: Bundesgesetzblatt: https://www.bgbl.de/ hier: Bürgerzugang BSG: aktuelle Urteile des Bundessozialgerichts zu finden unter Bundessozialgericht: https://www. bsg.bund.de/DE/Home/home_node.html unter Entscheidungen
Heiber, A. (2016): Das Pflege-Stärkungsgesetz 2, Pflegeversicherung 2.0 – die Änderungen meistern; Hannover Heiber, A. (2017): Das Pflege-Stärkungsgesetz 3: Die neuen Schnittstellen; Hannover Heiber, A. (2019): Leistungskataloge und Vergütungen SGB XI 2018: ein Bundesweiter Vergleich – Studie; Hannover
BR-Drucksache = Bundesrats-Drucksachen: zu finden unter Deutscher Bundestag: https://www.bundesrat.de/DE/dokumente/dokumente-node.html
Heiber, A. (2019,2): Beratungsbesuche, Betreuungsdienste und mehr: PpSG und TSVG – der Praxiskommentar; Hannover
Bt-Drs. = Bundestagsdrucksachen: zu finden unter Bundesrat: https://www.bundestag.de/dokumente/drucksachen/
Heiber, A., A./ Nett, G. (2014): Handbuch Ambulante Einsatzplanung; Grundlagen, Abläufe, Optimierung, Hannover
Bundesrahmenempfehlung § 132a: aktuelle Fassungen zu finden unter: GKV-Spitzenverband: https:// www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/ambulante_leistungen/haeusliche_krankenpflege/haeusliche_krankenpflege_1.jsp
Heiber, A. (2020): Faire Preise: Häusliche Pflege, Ausgabe 3/2020, Hannover
DATEV SKR 45 Kontenrahmen: aktueller Stand zu finden unter: DATEV https://www.datev.de/web/ de/datev-shop/material/kontenrahmen-skr-45-soziale-einrichtungen-nach-pbv
Rothgang u.a.: Zweiter Zwischenbericht im Projekt: Entwicklung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben gemäß § 113c SGB XI; https://www.gs-qsa-pflege.de/wpcontent/uploads/2020/02/2.-ZwischenberichtPersonalbemessung-%C2%A7-113c-SGB-XI.pdf (Stand 23.4.2020)
Friedrich/Herten/Neldner/Hoff/Uhlig/Plantholz: Unternehmerisches Wagnis in der stationären Pflege, medhochzwei, Heidelberg 2018 Friedrich/Herten/Seidel/Fikar/Uhlig/Zieschang/ Plantholz: Unternehmerisches Wagnis in der ambulanten Pflege; medhochzwei, Heidelberg 2019; Hinweis: der Autor war Mitglied im Expertenbeirat der ambulanten Studie Heiber (1997) Leistungsgerechte Vergütung, ein Modell zur Kalkulation, Hannover Heiber, A. (2002): Kostenrechnung für die ambulante Pflege, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung in der Praxis; Hannover
Krahmer/Plantholz 2018: Sozialgesetzbuch XI Soziale Pflegeversicherung, Lehr- und Praxiskommentar, 5. Auflage, Baden-Baden
Sießegger,T. (2009): Kalkulieren, Organisieren, Steuern: 50 Fragen und Lösungen zur Betriebswirtschaft, Hannover Sießegger,T. (2018): wegweiserambulant, Hamburg
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Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen Abb.: 1: Leistungsspektrum Pflegedienst 11 Tabelle: 2 Unterschied ambulanter und Stationärer Versorgung 17 Tabelle: 3 Kostenstellen im Gesamtbetrieb (Beispiel)29 Tabelle: 4 Sinnvolle Kostenträger eines ambulanten Pflegedienstes 32 Tabelle: 5 Personalkosten Beispiel 37 Tabelle: 6 Kosten pro Kostenstelle 38 Tabelle: 7 Aufwand Steuerung/Verwaltung im Vergleich verschiedener Leistungen 44 Tabelle: 8 Verteilung nach Umsatz 46 Tabelle: 9 Verteilungsschlüssel nach Arbeitszeit vor Ort 47 Tabelle: 10 Musterkostenrechnung mit Verteilung ausschließlich nach Arbeitszeit vor Ort 48 Tabelle: 11 Verteilungsschlüssel nach Arbeitszeit vor Ort und Fahrtzeit nach Einsätze 50 Tabelle: 12 Musterkostenrechnung mit Verteilung nach Arbeitszeit vor Ort + Fahrtzeit/ Einsatz51 Tabelle: 13 Differenzierter Verteilungsschlüssel für Kostenrechnung 53 Tabelle: 14 Musterkostenstellenrechnung mit differenziertem Verteilungsschlüssel 54 Tabelle: 15 Vergleich der Verteilungsschlüssel 56 Tabelle: 16 Musterkostenstellenrechnung ambulante Pflege 72-73 Tabelle: 17 Kostenträger SGB XI Verteilungsschlüssel76
Tabelle: 18 Musterkostenträgerrechnung SGB XI 77-78 Tabelle: 19 Basis der Stundensatzberechnung 93 Tabelle: 20 Stundensatzberechnung 94 Tabelle: 21 Berechnung/Kalkulation einer Leistungsstunde 98-99 Tabelle: 22 Anzahl der refinanzierten Wegekosten106 Tabelle: 23 Berechnung einer Einsatzpauschale 107 Tabelle: 24 Berechnung/Kalkulation einer Leistungsstunde116-117 Tabelle: 25 Berechnung einer Einsatzpauschale 119 Tabelle: 26 Wochenarbeitszeit und verfügbare Arbeitsstunden121 Tabelle: 27 Personalkostensteigerung 138 Tabelle: 28 Leistungskataloge SGB XI der Bundesländer im Systemvergleich 146 Tabelle: 29 Ermittlung der Vertragsparteien im Sinne § 89 SGB XI 149 Tabelle: 30 Vergleich der Leistungskataloge SGB XI 161 Tabelle: 31 Veränderung der Grundlohnsumme der beitragspflichten Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung 164 Tabelle: 32 Leistungskataloge der Bundesländer168 Tabelle: 33 Übersicht Mindestlohnentwicklung 180 Tabelle: 34 Musterkontenrahmen: Erträge und Aufwendungen186-188
Downloads Folgende Downloads gibt es kostenfrei unter www.haeusliche-pflege.net/Produkte/ Downloads-zu-Buechern oder Syspra.de/shop • Verteilungsschlüssel für Kostenrechnung und Kalkulation 2020 (Tab. 14) • Stundensatzkalkulation 2020 (Tab. 21/23 bzw. 24/25) Folgende Downloads gibt es kostenpflichtig unter vincentz oder Syspra.de/shop • Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung mit Musterkontenrahmen (Tab. 16, 17, 18 sowie 34)
18 Anhang211
Der Autor Andreas Heiber wurde 1963 in Bielefeld geboren, wo er auch aufwuchs und später einige Jahre Geschichte an der Universität Bielefeld studierte. Nach langjähriger ehren- und hauptamtlicher Tätigkeit beim Verband Deutscher Schullandheime e.V. in Flensburg war er mehrere Jahre angestellt im Softwarevertrieb für den sozialen Bereich, bevor er 1993 die Unternehmensberatung System & Praxis Andreas Heiber mit heutigem Sitz in Bielefeld gegründet hat. Fachbuchautor (u. a. Ambulante Einsatzplanung, Kostenrechnung und Preiskalkulation, Beratungshandbuch SGB XI, Studienbriefe für die Hamburger Fern-Hochschule (Bereich ambulant), Stern-Ratgeber Pflegeversicherung, Bücher zu aktuellen Pflegereformen wie PNG, PSG 1, 2 und 3, sowie eine Vergleichsstudie der Leistungskataloge der Pflegeversicherung sowie ihrer Vergütung(2018). Er war Mitglied im Expertenbeirat der Studie zum Unternehmerischen Wagnis in der ambulanten Pflege, die 2019 veröffentlicht wurde. Seit 1998 regelmäßiger Autor der Fachzeitschrift Häusliche Pflege, vor allem mit den Kolumnen in PDL Praxis sowie „Hier spricht Heiber“. Referent für viele Verbände und Kongresse (u. a. Altenpflege, Häusliche Pflege Managertag, Vincentz Akademie, Sozialgerichtstag, DATEV, Bank für Sozialwirtschaft, Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V.). Unternehmensberatung für ambulante Pflegedienste mit den Schwerpunkten Organisation, Kostenrechnung und Vergütungsverhandlung für einzelne Einrichtungen, Träger und Verbände, Entwicklung von Strategien zur Quartiersversorgung, Ambulante Wohngemeinschaften sowie Umsetzung der gesetzlichen Veränderungen. Sein Kollege Gerd Nett (Arzt, Unternehmensberater) aus Wershofen ist sein 2002 mit in der Unternehmensberatung System & Praxis tätig. Gerd Nett betreut insbesondere die Schwerpunkte Qualitätsprüfungen, SIS und Einstufungen.