Kommunen am Markt: Aktuelle Fragen der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen [1 ed.] 9783428505340, 9783428105342


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Kommunen am Markt: Aktuelle Fragen der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen [1 ed.]
 9783428505340, 9783428105342

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Schriftenreihe des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Potsdam

Band 8

Kommunen am Markt Aktuelle Fragen der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen Herausgegeben von

Christoph Reichard

Duncker & Humblot · Berlin

Kommunen am Markt

Schriftenreihe des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Potsdam Herausgegeben von Prof. Dr. Werner Jann Prof. Dr. Wolfgang Losehelder Prof. Dr. Michael Nierhaus Prof. Dr. Christoph Reichard Prof. Dr. Martin Richter Prof. Dr. Dieter C. Umbach Prof. Dr. Dieter Wagner

Band 8

Kommunen am Markt Aktuelle Fragen der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen

Herausgegeben von Christoph Reichard

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- Cl?-Einheitsaufnahme Kommunen am Markt : aktuelle Fragen der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen I Hrsg.: Christoph Reichard. Berlin: Duncker und Humblot, 2001 (Schriftenreihe des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Potsdam ; Bd. 8) ISBN 3-428-10534-6

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0949-7730 ISBN 3-428-10534-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 §

Vorwort des Herausgebers Seit einigen Jahren wird das Thema der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gemeinden immer wichtiger. Die Kommunen kommen unter stärker werdenden Wettbewerbsdruck von Seiten der EU und der nationalen Deregulierungsbestrebungen. Ihnen brechen angestammte Tätigkeitsbereiche immer mehr weg, und sie geraten unter immer stärkeren finanziellen Konsolidierungsdruck. Sie begeben sich daher auf die Suche nach neuen Geschäftsfeldern, kommen hier indes wieder in neue Konflikte mit privaten Marktteilnehmern und mit den kommunalen Aufsichtsbehörden. Der bestehende rechtliche Rahmen des Kommunalverfassungsrechts scheint aus Sicht der Kommunen nicht die erwünschte Flexibilität zu bieten. Diese hier sldzzierten Probleme werden anhand einer Reihe von Beiträgen im vorliegenden achten Band der Schriftenreihe des Kommunalwissenschaftlichen Instituts (KWIS) der Universität Potsdam veröffentlicht. Die Beiträge dieses Buches gehen auf die 6. Fachtagung des KWI zurück, die am 4. Februar 2000 unter der wissenschaftlichen Leitung von Christoph Reichard an der Universität Potsdam durchgeführt worden ist. Unter dem Gesamtthema "Kommunen am Markt- Aktuelle Fragen der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen" haben sich vor einem sachkundigen Auditorium von mehr als 200 Teilnehmern aus Kommunalpolitik, -praxis und -wissenschaft die Autoren dieses Buches als Referenten geäußert. Neben vier Plenarvorträgen hat es verschiedene Impulsreferate sowie intensive Diskussionen in drei thematischen Arbeitsgruppen gegeben, deren wesentliche Ergebnisse ebenfalls im vorliegenden Buch dargestellt werden. Wir hoffen, mit den Argumenten und Befunden dieses Bandes einen weiterführenden Beitrag zum kontrovers diskutierten Thema der wirtschaftlichen Tätigkeit von Kommunen zu leisten. Das KWI bedankt sich bei allen Autoren, die an der 6. Fachtagung sowie an der Gestaltung dieses Bandes mitgewirkt haben. Besonderer Dank gebührt überdies dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband sowie dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft für die finanzielle Unterstützung der Tagung und dieses Buches. Desgleichen danken wir den verschiedenen Unternehmungen, die als Aussteller während der Tagung über finanzielle Zuwendungen an das KWI ebenfalls zum Gelingen der Tagung beigetragen haben. Potsdam, im Dezember 2000

Prof. Dr. Christoph Reichard

Inhalt

Kommunale Wirtschaftsbetätigung im System eines unverfälschten Wettbewerbs Von R. Grawert, Bochurn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Wirtschaftliche Betätigung von Städten und Gerneinden - Grenzen und Möglichkeiten angesichts steigenden Wettbewerbs sowie zunehmender Finanzkrise Von G. Landsberg, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Strategische Herausforderungen der Sparkassen-Finanzgruppe Von H. Bemdt, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

Gerneinden als Marktteilnehmer-Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Anbietern Von C. Reichard, Potsdam . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. .

61

Ergebnisse des Arbeitskreises 1 Vorn Monopolbetrieb zum marktaktiven Unternehmen. Kommunale Energieversarger auf dem Weg in die Zukunft Von K. Rogas, Potsdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

Stadtwerke unter Wettbewerbsdruck Zusammenfassung der Diskussion in Arbeitskreis 1 Von D. Wagner/K. Rogas, Potsdam. . .. . .. ... .. ....... . . . .. . ... ... ..... .. ... . . . . . .. .

85

Ergebnisse des Arbeitskreises 2 Kommunale Betriebe auf der Flucht aus dem öffentlichen Recht? Verselbständigung und Ausgründung kommunaler Betriebe und deren Steuerung Thesen und Fragen zur Einführung Von C. Reichard, Potsdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

Inhalt

8

Organisationsformen wirtschaftlicher Betätigung brandenburgischer Kommunen - Ein Überblick Von St. Schmahl, Potsdam

91

Die GmbH als Rechtsform kommunaler Unternehmen - zu den Kompetenzkonflikten zwischen Kommunalverfassungs- und Gesellschaftsrecht Von J. Keßler, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Erfahrungen mit der Verselbständigung kommunaler Betriebe und ihrer Steuerung aus Sicht des Finanzressorts der Stadtverwaltung Solingen Von E. Schneider, Solingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Zusammenfassung der Diskussion in Arbeitskreis 2 Von /. Gebhardt, Potsdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Ergebnisse des Arbeitskreises 3 Sparkassen vor nationalen und europäischen Herausforderungen Von M. Nierhaus, Potsdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Zusammenfassung der Diskussion in Arbeitskreis 3 Von 0. Klein, Potsdam........... . .... . .............. . .. . ................ . . . . .. . .... 137 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Kommunale Wirtschaftsbetätigung im System eines unverfälschten Wettbewerbs* Von Rolf Grawert

1. Wettbewerbswirtschaft Wenn ein Drama aus der Kollision polarer Kräfte entsteht - und das ist die klassische Konstellation -, dann entwickelt die Kommunalwirtschaft sich derzeit dramatisch, drängt sie doch zum Markt, wie sie von diesem bedrängt wird: Sie übt Nachfragemacht aus und begibt sich in Abhängigkeiten von Marktkräften; sie konkurriert mit dem Mittelstand und sieht sich zugleich dem grenzenlosen Wettbewerb ausgeliefert, einerseits Einnahmen erhoffend, andererseits Einbußen befürchtend. Wahrend mutig in neue Geschäftsfelder expandiert wird, herrscht in der Versorgungs- und Verkehrswirtschaft Sorge. Während dort Wettbewerbsfreiheit beansprucht wird, sollen hier Reservatrechte Schutz bieten. Offensichtlich befindet die kommunale Selbstverwaltung sich wieder einmal in einer schwierigen Lage. Dabei stiegen die Einnahmen der Kommunen aus wirtschaftlicher Tätigkeit seit 1950 und auch nach 1990 ständig an. Die Anstiegskurve liegt durchweg über der der Länder, wird allerdings seit 1985 von der des Bundes regelmäßig übertroffen. 1 Jedenfalls ist der Anteil der Kommunen an der Staatsquote bemerkenswert, so daß die konkurrierende Privatwirtschaft nach Rechtfertigungen fragt. Steht die Kommunalwirtschaft unter einem Rechtfertigungszwang oder kann sie die Freiheit des Marktes nutzen? Tatsächlich ergibt sich der Markt aus der Vielfalt von Interessen, Initiativen und Interaktionen, die von Rechts wegen ebenso auf der Wirtschafts- und Eigentumsfreiheit wie auf staatlichen Zuständigkeiten griinden können. Zur Teilnahme an der Marktwirtschaft, die das Grundgesetz ordnet, sind auch der Bund und die Länder sowie die von diesen ermächtigten Verwaltungsträger legitimiert, und zwar nicht nur als Nachfrager, sondern auch als Anbieter, so daß sie sich in den Wettbewerb begeben dürfen.

* Überarbeiteter und um Nachweise ergänzter Vortrag auf der 6. Fachtagung des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Potsdam zum Thema "Kommunen am Markt - Aktuelle Fragen der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen" am 4. 2. 2000; die Abschnitte 6 und 7 wurden nicht vorgetragen. I Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 3.1, ergänzt durch Angaben zu 1998.

Rolf Grawert

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Wettbewerb heißt jener Zusammenhang von Verhalten, der aufgrund der Freiheit, an Marktvorgängen aus eigenem Antrieb und nach eigenem Plan teilzunehmen, entsteht? Seine Beweggründe sind die Vorteilsinteressen der Teilnehmer, und so gehen denn auch die Kommunen eifrig an den Markt, um dessen Möglichkeiten den eigenen Verwaltungsaufgaben dienstbar zu machen. Obwohl die Erfüllung dieser Aufgaben dem Gemeinwohl der Siedlungsgemeinschaften dienen soll, verschafft sie den wirtschaftenden Kommunen grundsätzlich keinen Wettbewerbsund Marktvorrang vor Privaten und deren privatnützigen Zwecken, denn am freien Markt sind alle gleich - chancengleich. Dennoch konnten und können die Kommunen sich dabei auf etliche Privilegien verlassen, durch die sie insbesondere in den Sektoren Energieversorgung, Personennahverkehr, Entsorgung sowie Sparkassenwesen begünstigt wurden und zum Teil noch werden; im jüngst eröffneten Sektor Telekommunikation gibt ihnen die Wegehoheit nach wie vor einen gewissen Vorsprung. So positioniert, genießt die Kommunalwirtschaft eine gewisse Funktionssicherheit Seine Legitimation bezieht das Privilegiensystem aus der Aufgabe, die Daseinsvorsorge für die Einwohnerschaft stetig, flächendeckend und preisgünstig zu betreiben, sowie aus der Annahme, daß dieser Aufgabe in der Regel am besten Kommunen gewachsen seien. Diese Annahme hat inzwischen an Selbstverständlichkeit eingebüßt. Denn viele Kommunen sind heute darauf angewiesen, die technischen, fachlichen und finanziellen Kapazitäten Privater in Anspruch zu nehmen; zahlreiche Gesetze ermächtigen und ermuntern zu public-private-partnerships und reservieren den Kommunen allein hoheitliche Steuerungs- und Reservefunktionen. Im Gegenzug hat sich auf öffentlichen Sektoren eine leistungsstarke Privatwirtschaft entwickelt, die kommunale Dienste ergänzt und ersetzt - man denke an das Gesundheits- 3 und Entsorgungswesen. Diese Entwicklung konvergiert mit rechtspolitischen Forderungen auf Rückführung der Staatsquote, Verschlankung des Staates durch Aufgabenprivatisierung und Liberalisierung, also Forderungen, die der Überzeugung folgen, Markt und Wettbewerb seien regulierten Wirtschaftsordnungen überlegen. Ihre Durchschlagskraft verdankt diese Überzeugung vor allem dem europäischen Gemeinschaftsrecht Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft4 zielt auf die Öffnung und Offenhaltung des Binnenmarktes. Sein Vierter Erwägungsgrund will die "bestehenden Hindernisse" beseitigt wissen, um einen "redlichen Wettbewerb" zu gewährleisten; Gemeinschaft und Mitgliedstaaten sind eiIn Anlehnung an Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, 1. Aufl. 1988, S. 298. Peters, Aufgabenkritik, u. Hofmann/Scholz, Privatisierung, in: Sachverständigenrat ,,Schlanker Staat" (Hrsg.), Abschlußbericht Bd. 3, 2. Aufl. 1998, S. 111, 121. Zum Verhältnis kommunaler, gemeinnütziger und privater Pflegeeinrichtungen vgl. § 8 II, 11 II Sozialgesetzbuch XI i. d. F. v. 26. 5. 1994 (BGBI. I S. 1014) samt amtlicher Begründung in BT-Drs. 12/ 5262, S. 61, 89 ff., u. Bericht des BT-Aussch. f. Arbeit u. Sozialordnung BT-Drs. 12/5952, S. 34 f.: hier wird die im Gesetz vorgesehene Vorrang-Nachrang-Regel mit dem Subsidiaritätsprinzip begründet. 4 V. 25. 3. 1957 i. d. F. des Amsterdamer Vertrages v. 2. 10. 1997 (BGBl. 1998 II S. 387). 2

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Kommunale Wirtschaftsbetätigung im Wettbewerb

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nem "freien Wettbewerb" verpflichtet. Der Europäische Gerichtshof hat das angestrebte System auf den Begriff eines "unverfälschten Wettbewerbs" gebracht, 5 und er setzt dieses System konsequent durch. Daraus folgt: Abbau diskriminierender Privilegien. Danach könnten die Kommunen einerseits Begünstigte, andererseits Betroffene der Wettbewerbsfreiheit sein, je nachdem sie bestehende Bindungen abstreifen und neue Geschäftsfelder betreten oder bestehende Vorzugsstellungen halten wollen. Aber nicht nur dieser Freiheitsfolgen wegen ist ihre Wirtschaftsposition ambivalent, sondern auch deswegen, weil sie zugleich Aufgabenträger und Ordnungskräfte, Dezentralen des Staates und Marktteilnehmer sind. Wenn sie je nachdem Marktfreiheit oder Bestandssicherung beanspruchen, vertreten sie eine Ordnungsoder Wettbewerbspolitik und häufig beides zugleich. Sind sie für das System eines unverfälschten Wettbewerbs eingerichtet und gerüstet? Können sie den Wettbewerb mit Privaten "unverfälscht" aufnehmen und steht ihnen der Markteuropaweit offen?

2. Wettbewerbsfähigkeit der Kommunen

Die Frage nach der Marktstellung der Kommunen zielt in erster Linie auf ihre Wirtschafts- und Wettbewerbsfähigkeit Da Kommunen und die von ihnen beherrschten Unternehmen keine Grundrechtsträger sind, ist nach Zuständigkeiten der Gebietskörperschaften zu fragen. Während das Bundesverfassungs-Gesetz Österreichs und die Verfassung Portugals6 die Kommunalwirtschaft ausdrücklich anerkennen, sichert Artikel 28 Absatz 2 GG keine bestimmten Zuständigkeitsbereiche. 7 Weil die Selbstverwaltungsgarantie aber mit Rücksicht auf ihre historischen, durch § 67 der Deutschen Gemeindeordnung geprägten Erscheinungsformen auszulegen ist, 8 dürfen die Kommunen ihre wirtschaftliche Betätigung anerkanntermaßen auf die Garantienorm stützen. s EuGH, RS 85176 - Hoffmann-La Roche -, Slg. 1979, S. 461, 554: zu Art. 3 I lit. g), Art. 4 I, Titel VI EGV. 6 Art. 116 II BV-G: Ermächtigung zum Betrieb wirtschaftlicher Unternehmungen; Art. 240 III portug. Verf. v. 2. 4. 1976: Sicherung der Einnahmen aus eigenen Dienstleistungen der Selbstverwaltungskörperschaften. 7 BVerfGE 79, S. 127, 146. 8 Bei der Auslegung des Art. 28 II GG ist insbesondere der geschichtlichen Entwicklung u. den historischen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung Rechnung zu tragen: BVerfGE 1, S. 167, 178; 7, S. 358, 364; 8, S. 332, 359; 11, S. 266, 274; 17, S. 172, 182; 22, S. 180, 205; 23, S. 353, 366 f.; 26, S. 172, 180; 26, S. 228, 238; 76, S. 107, 118; 79, S. 127, 146 f. Die Wirtschaftsermächtigung läßt sich bis zur Miquelschen Steuerreform zurückverfolgen: das preuß. KommunalabgabenG v. 14. 7. 1893 (Preuß. GS S. 152) rechnete mit Einnahmen aus "gewerblichen Unternehmungen" (§ 19); § 86 I 1 Preuß. GernFinG v. 15. 12. 1933 (Preuß. GS S. 442); Art. 61 I Z. 3 Bay GO v. 17. 10. 1927 (GVBI. Bayern 1927, S. 293 ff.); § 67 DGO v. 1. 1. 1935 (RGBI. I, S. 49).

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Rolf Grawert

Dennoch ist Wirtschaft keine kommunale Aufgabe. Zwar können Private im bloßen Erwerb ein Ziel finden. Den Kommunen stellt Artikel 28 Absatz 2 GG jedoch die Wirtschaftsbefugnis nur als ein deren Hoheitsbefugnisse ergänzendes Mittel der Aufgabenerfüllung zur Verfügung, dessen Ausgestaltung dem Gesetzgeber obliegt. Wenn der Gesetzgeber den Begriff der wirtschaftlichen Betätigung auf Leistungen konzentriert, die auch von Privaten mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden können, 9 dann charakterisiert er die Kommunalwirtschaft zwar wie die Privatwirtschaft, nämlich durch Wertschöpfung, Marktteilnahme und Gewinnorientierung, 10 löst sie aber aus dem Zuständigkeitszusammenhang, den Artikel 28 Absatz 2 GG vorgibt, nicht heraus. Auch als Marktteilnehmer bleiben die Kommunen Gebietskörperschaften und deshalb ihren sachlichen, funktionellen sowie räumlichen Zuständigkeiten verhaftet. Ihre Wirtschaftsbetätigung ist keineswegs Ausdruck eines gesellschaftlich-privatrechtliehen Status, wie ihn das frühliberale Dogma von der Gemeindefreiheit konzipiert hatte, sondern ein Modus der Verwaltung. Sie ist daher der Siedlungsgemeinschaft verpflichtet und von diesbezüglichen Verwaltungsaufgaben abhängig. 11 Unter Marktbedingungen wirken die Zuständigkeitsbindungen sich allerdings als Wettbewerbsbeschränkungen aus, verhindem sie doch Anpassungen von Unternehmenszielen an Marktlagen und Konzentrationen auf Kemgeschäfte, und begrenzen sie doch die Möglichkeit, Wirtschafts- in Finanzkraft umzumünzen. Diesem Dilemma soll eine dynamische Auslegung der Selbstverwaltungsgarantie abhelfen. Sie soll den Kommunen angeblich unumgängliche Handlungsmöglichkeiten eröffnen 12 und ihre Wettbewerbsfähigkeit der privater Grundrechtsträger 9 § 107 I 2 NW GO; Schmidt-Aßmann, in: ders. (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1999, Rn. 118: "Faustregel". IO Ebenso zu Art. 87 e III, 87 f. II GG Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 2. Auf!. 1999, Art. 28 Rn. 67 ff. Ausdrücklich schließt Art. 87 I 2 BY GO die nur gewinnorientierte Wettbewerbswirtschaft jetzt aus. Das Merkmal der Gewinnorientierung wird hinsichtlich der Kommunalwirtschaft bisweilen relativiert: vgl. Stern/ Püttner, Die Gemeindewirtschaft Recht und Realität, 1965, S. 160 f. ; Püttner; Die öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 50 f.; differenzierend Chmielewicz, Öffentliche Unternehmen, in: ders./ Eichhorn (Hrsg.), Handwörterbuch der öffentlichen Betriebswirtschaft, 1989, Sp. 1093, 1099; eindeutig § 109 I 2 NW GO: "Unternehmen sollen einen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, soweit dadurch die Erfüllung des öffentlichen Zwecks nicht beeinträchtigt wird". Dazu Held/ Becker I Decker I Kirchhof I Krämer I Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NW. Kommentare (Stand: 9/99), § 109 GON. 3. II So auch BVerfGE 23, S. 353, 365; 79, S. 127, 146. Ruffert, Kommunalwirtschaft und Landes-Wirtschaftsverfassung, NVwZ 2000, S. 763, krit. zu RPVerfGH, Urt. v. 28. 3. 2000, NVwZ 2000, S. 801. A.A. im Sinne eines "dualistischen" Institutionengehaltes des Art. 28 II 1 GG: Scholz, Das Wesen und die Entwicklung der gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen, 1967, S. 83, 127. 12 So prononciert Moraing, Kommunales Wirtschaftsrecht vor dem Hintergrund der Liberalisierung der Märkte, WiVerw 1998, S. 233, 256 ff.; Osterwind, Kommunale Unternehmen brauchen mehr Handlungsfreiheit, in: FAZ Nr. 245 v. 2 I. 10. 1995, S. 16.

Kommunale Wirtschaftsbetätigung im Wettbewerb

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gleichstellen. Warum unumgänglich? Weil Stadtwerke dem Liberalisierungsdruck ausgesetzt sind, weil die kommunale Finanzschwäche Wirtschaftserträge erfordere und weil die Fähigkeit der Kommunen zu "kraftvoller Betätigung" 13 stabilisiert werden müsse. Aber zwingen diese Argumente zur entgrenzenden Auslegung? Indem sie sich auf die kommunale Erwerbswirtschaft fokussieren, lassen sie die Alternativen der Aufgabenentlastung und Finanzausstattung 14 außer acht, und sie überschreiten die Grenzen der Verfassungsauslegung, wenn sie einem Telos folgen, der den Wettbewerb auch der Kommunen untereinander herausfordert, so daß Gewinnvorteile Strukturnachteile riskieren. Dieses Risiko ist nicht der Sinn der Selbstverwaltungsgarantie. Dagegen hat das gemeinschaftsrechtliche Konzept eines unverfälschten Wettbewerbs die Erwägung provoziert, der Gesetzgeber, der kommunale Privilegien abbaut, habe die Kommunen auch von Diskriminierungen wie dem Subsidiaritätsprinzip zu befreien, 15 da der Gemeinschaftsvertrag öffentliche, entgeltfinanzierte Wirtschaftsunternehmen in sein wettbewerbsfreundliches Regelwerk einbezieht. Zwingt deshalb der Vertrag zur Einebnung des für öffentliche Unternehmen geltenden, öffentlich-rechtlichen Rechtsregimes - das ja bis zur Grundrechtsbindung reicht? Artikel 86 EGV, der öffentliche Unternehmen betrifft, läßt sich eher das Gegenteil entnehmen, und grundsätzlich gilt, daß die vertraglichen Privilegierungs- und Diskriminierungsverbote die nationalen Märkte zwar europaweit öffnen sollen, Selbstbeschränkungen der Mitgliedstaaten aber nicht entgegenstehen. Als Träger von Staatsfunktionen haben die Kommunen und die von ihnen beherrschten Unternehmen sich deshalb in die staatliche Ordnung zu fügen. Das Gemeinschaftsrecht emanzipiert sie davon nicht. Aber es bürdet der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten die Sorge dafür auf, daß "Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse" ihren Aufgaben nachkommen können- so Artikel 16 EGV in der Fassung von Amsterdam -,und dispensiert derart dienstbare Unternehmen von den Wettbewerbsregeln, soweit diese die Aufgabenerfüllung hindem - so Artikel 86 Absatz 2 EGV. Damit könnten auch Aufgaben der örtlichen Daseinsvorsorge und Infrastruktur gemeint sein, die zum Kern der Aufgabengarantie gehören. Doch soll Artikel 86 Absatz 2 EGV keine Bereichs-, sondern lediglich unbedingt erforderliche Unternehmensausnahmen dulden, 16 so daß er die Kommunen nicht strukturell entlastet. 13 BVerfGE 1, S. 167, 175, in Anschluß an die Entscheidung des StGH für das Deutsche Reich v. 10.111. 12. 1929, RGZ 126 Anh. S. 14, 22 f. 14 So schon Grawert, Gemeinden und Kreise vor den öffentlichen Aufgaben der Gegenwart, VVDStRL 36 (1978), S. 277, 299 ff. ; ders., Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 30 ff. 15 Nagel, Gemeindeordnung als Hürde?, 1999, S. 34 ff. 16 So Pemice in: Grabitz I Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Bd. I (Stand: 3 I 1994), Art. 90 Rn. 51 mit Nachweisen; Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, S. 404 (Rn. 1055 ff.); Bieber in: BeutleriBieberiPipkomiStreil, Die Europäische Union, 4. Aufl. 1993, S. 364.

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Demnach bleibt es dabei, daß die Wettbewerbsfähigkeit der Kommunen sich nach den verfassungsgemäßen Zuständigkeitsvorschriften der Kommunalgesetze richtet und insoweit hinter der Privater hinterherhinkt eine hinkende Wettbewerbsfähigkeit. Gewiß ist sie von Nachteil, aber bereits in Artikel 28 Absatz 2 GG angelegt. Folgt man nämlich dessen traditionsgemäßer Auslegung, dann ergibt sich, daß die Zulässigkeit der Kommunalwirtschaft von vomherein mit der Rücksicht auf die Privatwirtschaft verknüpft war. Denn die erwerbswirtschaftlichen Expansionen der Gemeinden nach dem Ersten Weltkrieg veranlaßten die bis heute geläufigen Restriktionen, die in § 67 Absatz 1 der Deutschen Gemeindeordnung ihr Vorbild gefunden haben. Der Reichsgesetzgeber wollte die Gemeinden vor riskanten Unternehmungen und die Privatwirtschaft vor übermäßiger kommunaler Konkurrenz schützen. Damit wies er ihnen zugleich ihren Standort in der Verwaltung und im "Gesamtaufbau der Wirtschaft" zu. Zwar hat das Grundgesetz dieses in der amtlichen Begründung 17 ausgedrückte, volkswirtschaftliche Ordnungsprogramm nicht übernommen. Aber es hat der institutionalisierten Wirtschafts- und Wettbewerbsfähigkeit der Verwaltungsträger die objektive Grundrechtsordnung gegenübergestellt, in der Staats- und Kommunalwirtschaft ihre strukturelle, allerdings konkretisierungsbedürftige Grenze finden. Davon geht man offenbar auch in der neuerdings maßgebenden Zivilrechtsprechung aus, die Grundrechts- und Gesetzesvertöße als Auslöser von Wettbewerbsverstößen registriert: 18 Das besondere öffentliche Recht verschärft also das allgemeine Wettbewerbsrecht für Verwaltungsträger.

3. Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Wettbewerb

Im Unterschied zu privaten Unternehmen sind öffentliche Unternehmen - betriebswirtschaftlich gesprochen - auf Sachziele festgelegt: Sie haben Öffentliche Aufgaben zu erfüllen. Die Kommunalgesetze unterwerfen sie daher Öffentlichen Zwecken. Dadurch werden sie überhaupt zur Wirtschaftsbetätigung legitimiert. 19 Traditionsgemäß weisen die deutschen Kommunalgesetze deshalb Bereiche sogenannter nichtwirtschaftlicher Betätigung aus, um sie der kommunalen EinrichRAnz. Nr. 27 v. 1. 2. 1935, 1. Beilage, S. 1 f. BGH, GRUR 1965, S. 373, 374 f. ; BGH GRUR 1973, S. 655, 657; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, S. 1470, 1471; OLG Düsseldorf, NWVBI. 2000, S. 75, dazu Müller, NVwZ 2000, S. 769; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 1. 2000 - Verg 3/99-, NVwZ 2000, S. 714; OLG Harnm, NJW 1998, S. 3504 (der BGH hat die Annahme der Revision abgelehnt: Beschl. v. 8. 10. 1998, Mitt. NW-StGB 1998, S. 371; Badura, Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden zur Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze, DöV 1998, S. 818, 822. 19 Köttgen, Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden (1960), in: Scheuner (Hrsg.), Die staatliche Einwirkung auf die Wirtschaft, 1971, S. 369, 390 ff. 17

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tungsverwaltung zuzuordnen. Obwohl auch diese Betätigung Wirtschaft im funktionellen Sinne ist, insofern sie den Wettbewerb mit privaten Dienstleistern aufnimmt, bedarf sie keiner unternehmensspezifischen Legitimation, weil ihr bereits der Gesetzgeber den legitimierenden öffentlichen Zweck eingestiftet hat. Der private Wettbewerber muß diese Sonderstellung hinnehmen. Den Kommunen ist sie eine verläßliche Operationsbasis: Sie dürfen am Markt agieren, ohne deshalb der Unlauterkeit geziehen werden zu können. 20 Allerdings besteht zwischen den Kommunen der verschiedenen Länder ein erhebliches Zuständigkeitsgefälle, das Ergebnisunterschiede zur Folge haben kann. Denn in manchen Ländern sind die Bereiche der nichtwirtschaftlichen Betätigung eng begrenzt, in manchen sehr weit gefaßt; in Bayern hat man die Kategorie überhaupt abgeschafft. Allen voran hat das Land Nordrhein-Westfalen der wettbewerbsrelevanten Einrichtungsverwaltung durch generalklauselartige Bereichsdefinitionen einen so breiten Raum eröffnet, daß die Notwendigkeit, Wirtschaftsbetätigungen eigens rechtfertigen zu müssen, kaum noch greift. Diese Strategie eines fürsorglichen Kommunalgesetzgebers widerspricht jedoch Privatisierungspolitiken, wie sie etwa in den§§ 13, 16 bis 18 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes betrieben werden, und sie begegnet dem Einwand des Rechtsmißbrauchs, wenn sie zu strukturellen Verwerfungen der Gewerbefreiheit führt. Diese Folgen sind im Entsorgungsrecht relevant, seitdem das Kreislaufwirtschaftsgesetz das kommunale Entsorgungsmonopol beseitigt und die Beseitigung sowie Verwertung von Abfällen dem - geordneten - Wettbewerb überlassen hat, so daß im - wirtschaftlich interessanten - Bereich der Abfallverwertung Kommunalunternehmen mit der privaten Entsorgungswirtschaft konkurrieren. Da die Beseitigung des aus Privathaushalten stammenden Abfalls noch den Kommunen vorbehalten ist, spitzt der Wettbewerb sich auf die Abgrenzung von Verwertungs- und Beseitigungsqualitäten von Abfall zu. Diese und ähnliche Abgrenzungsquisquilien stellen die Unterscheidung von wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Betätigung überhaupt in Frage.21 Jedoch erlaubt Artikel 86 Absatz 2 EGV, öffentliche Sonderdienste von Wettbewerbsregeln freizustellen, soweit dies zur Versorgung notwendig ist. Insoweit kommt der Garantieauftrag des Artikel 28 Absatz 2 GG zum Tragen: Den deutschen Gesetzgebern ist es aufgegeben, die Kommunen zur Grundeinrichtung und Grundversorgung ihrer Siedlungsgemeinschaften instand zu setzen und sie vor Wettbewerbsfolgen dann und insoweit abzuschirmen, als der Gemeinschaftsbedarf durch Privatunternehmen erfahrungs- und erwartungsgemäß nicht stetig, flächendeckend und preisgünstig erbracht werden kann. 2o So OLG Düsseldorf, Beseht. v. 12. 1. 2000- Verg 3 I 99 -,Umdruck, S. 6 f. 21 Kreislaufwirtschafts- u. Abfallgesetz v. 27. 9. 1994 (BGBL I S. 2705). Krit. zur zit. Abgrenzung auch Tomerius, Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen zwischen Gemeindewirtschafts- und Wettbewerbsrecht, LKV 2000, S. 41, 43.

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Das heißt nicht: Ausbau der Erwerbswirtschaft, sondern: Aufgabenhilfe. Das Leistungsziel kann auch durch administrative Steuerung und Inpflichtnahmen Privater erreicht werden: In diesem Sinne ermächtigen neuere Gesetze22 die Kommunalverwaltungen zur Beauftragung, befristeten Zulassung und Überwachung von Privatunternehmen und entlasten sie zugleich von der Pflicht zur Eigenverwaltung. Dadurch behalten die Kommunen den Zugang privater Anbieter zu den einzelnen Einwohnern im Griff und können so für ihre Gemeinschaft sorgen. Ihre nichtprivilegierte Wirtschaftsbetätigung müssen sie dagegen von Fall zu Fall besonders rechtfertigen. 23 Da die Aufsicht praktisch aber nicht durchgreift, bedeutete dies bisher nicht viel; doch schreiben neuere Kommunalgesetze besondere Rechtfertigungsverfahren vor, 24 und manche Zivilgerichte gehen den Rechtfertigungsgründen eingehend nach. 25 Der Sache nach haben die Kommunen aber ohnedies die Erforderlichkeit ihrer Wirtschaftsbetätigung durch die Ermittlung einer bestehenden oder bevorstehenden Bedarfslage zu untermauern. Dabei sind auch die Chancen der Bedarfsdekkung am freien Markt abzuschätzen und die eigenen Fähigkeiten mit der Leistungskraft Privater zu vergleichen. 26 Das allgemeine Prinzip der Wirtschaftlichkeit zwingt die Kommunen zwar nicht dazu, im Falle privater Marktangebote so zurückzutreten, wie dies der Subsidiaritätsgrundsatz verlangt, ordnet aber doch aus Kostengründen die angemessene Berücksichtigung kostengünstiger, leistungsfähiger Angebote an. Dabei geht es nicht um die Bevorzugung der Privatwirtschaft, sondern um den Schutz der Kommunen vor Vermögensverlusten und Marktrisiken sowie um die Sicherstellung des Versorgungsbedarfs, namentlich durch meritorische Güter. Deutlich kommt diese Absicht in § 100 Absatz 3 der brandenburgischen Gemeindeordnung zum Ausdruck. Danach hat die Gemeinde im Interesse einer sparsamen Haushaltsführung dafür zu sorgen, daß Leistungen, die von privaten Anbietern in mindestens gleicher Qualität und Zuverlässigkeit bei gleichen oder geringeren Kosten erbracht werden können, diesen Anbietern übertragen werden, sofern dies mit dem öffentlichen Interesse vereinbar ist, und daß dazu Angebote einzuholen und Vergleichsberechnungen vorzunehmen sind. Auf die kommunale Haushaltswirtschaft ausgerichtet, stellt diese Norm zugleich die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen und die Privatwirtschaft in eine Zweckordnung. 22 z. B. §§ 12, 124, 157 ff. Baugesetzbuch i. d. F. v. 27. 8. 1997 (BGBI. I S. 2141); § 58 Wohnungsbau- u. Familienheimgesetz i. d. F. v. 19. 8. 1994 (BGBI. I S. 2137): betr. Kommunen als Kleinsiedlungsträger. 23 Ebenso Ehlers, Das neue Kommunalwirtschaftsrecht in Nordrhein-Westfalen, NWVBI. 2000, S. 1, 3; Lux, ebd., S. 7 f. 24 § 100 III Bbg. GO;§ 107 V NW GO;§ 71 I Z. 3 Thür. KO. 25 Vgl. bes. OLG Düsseldorf u. Hamm (wie Anm. 18); formelhafter VGH Mannheim, NJW 1995, S. 274 f. 26 Ebenso NW LReg. in der Antwort auf eine Kleine Anfrage: NW LT-Drs. 12 /3398, S. 3 f.; jetzt§ 107 V NW GO.

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Schon § 67 der Deutschen Gemeindeordnung normierte diesen Ordnungszusammenhang von Zweckbindung und Subsidiarität, um die Kommunen auf ihre Aufgaben zu konzentrieren und den Wettbewerb mit Privaten zu kanalisieren. Derzeit schreibt nur noch die Hälfte der Länder das kommunalrechtliche Subsidiaritätsprinzip vor. Im übrigen gilt lediglich das Zweckerfordemis. Deshalb ist es bemerkenswert, daß Nordrhein-Westfalen jetzt die Zweckbindung gelockert, zugleich aber das Subsidiaritätsprinzip wieder eingeführt hat: Eine Wirtschaftsbetätigung ist außerhalb der Energieversorgung, der Wasserversorgung, des öffentlichen Verkehrs sowie des Betriebs von Telekommunikationsleitungsnetzen nur zulässig, wenn der öffentliche Zweck durch andere Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann. In der amtlichen Begründung heißt es dazu, die Änderung formuliere den Vorrang der privaten Wirtschaft und schaffe so "Rechtsklarheit in bezug auf die grundsätzliche Subsidiarität kommunalwirtschaftlichen Handelns"27 . Man wird sofort bemerken, daß der zitierte Grundsatz restriktiv gehandhabt wird: Wohl können private mittelständische Gewerbe- und Dienstleistungsunternehmen den Vorzug auskosten und so eine mittelbare Wirtschaftsförderung erfahren; in den vermeintlich lukrativen, sogenannten "angestammten Kemgebieten" 28 - Energieversorgung- und Neuen Geschäftsfeldern-Telekommunikation - behalten die Kommunen dagegen ihren festen Platz, obwohl die Aufgabe der Daseinsvorsorge dies nicht durchweg erfordert: 29 Die neuen Privilegierungen sind daher verfassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt. Doch aufschlußreicher ist die Frage nach dem Grund des Subsidiaritätsgrundsatzes. Da das Grundgesetz nichts vom Vorrang der Privatwirtschaft sagt, könnte allenfalls der Strukturzusammenhang von Grundrechten und Staatsgewalt in Betracht kommen, als deren vorgeschobene Posten die Kommunen wirken. Insoweit kommt es aber wesentlich auf das Grundrechtskonzept an. Nach streng liberaler Auffassung distanzieren Freiheitsrechte nicht nur die Gesellschaft vom Staat, sondern beschränken dessen Tätigkeit überdies auf das für die Gemeinschaft Notwendige, das durch die Vielfalt individueller Initiativen nicht geleistet werden kann. Adam Smith, Wilhelm von Humboldt, von Hayek30 und die neoliberale Freiburger Schule können als Vordenker dieses Ansatzes bemüht werden; die Musgrave folgende Allokationstheorie kommt zu ähnlichen Ergebnissen? 1 27 NW LT-Drs. 12/3730, S. 108 Zum Subsidaritätsprinzip in RP vgl. RPVerfGH und Ruffert (wie Anm. 11). 28 NW LT-Drs. 12/3730, S. 106: "Aktivitäten in angestammten Feldern"- eine sprachlich mißglückte Metapher. 29 Dies haben sogar die NW Regierungsfraktionen erkannt: LT-Drs. 12/2113, S. 5 f. 30 von Hayek, Die Verfassung der Freiheit, 1983, S. 285 ff. 31 Vgl. Mackscheidt, Entstehung öffentlicher Aufgaben und Güter, in: Institut für Kommunalwissenschaften (Hrsg.), Reform kommunaler Aufgaben, 1978, S. 47 ff. ; Musgrave, Richard A., Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis, Band 1, 6. Auf!. Tübingen 1994. 2 Reichard

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Doch hat das Grundgesetz dieser Theorie kein Interpretationsmodell eingeräumt. Werden dagegen die Sozialbindung des Menschen und dessen Unvermögen betont, den eigenen Lebensraum zu beherrschen,32 dann ist mehr Staat gefragt und die Erweiterung der Staatstätigkeit zu Lasten freier Wirtschaftsinitiativen erscheint legitim. Welcher Ansatz maßgebend ist, der der liberalen Wettbewerbs- oder der der sozialen Marktwirtschaft, hängt also von Wertungen ab, so daß das Subsidiaritätsprinzip nicht ohne weiteres als Regel aus der Verfassung abgeleitet werden kann? 3 Deshalb haben die zuständigen Landesgesetzgeber das kommunalrechtliche Subsidiaritätsprinzip positiv begründet und ausgestaltet. Wahrend das allgemeine Wettbewerbsrecht Verhalten betrifft, stellt der kommunalrechtliche Subsidiaritätsgrundsatz eine Strukturordnung für den Wettbewerb auf. Dabei setzt er voraus, daß die Betätigungen der Kommunen und Privaten gleichartig sind. Denn nur gleichartige Unternehmen können in Konkurrenz miteinander treten. Worin besteht hier die Gleichartigkeit? Da weder die Marktteilnahme an und für sich noch das Formalziel der Gewinnerzielung eine Vorrang-Nachrang-Regelung tragen, kann der Vergleich nur über die kommunalen Sachziele, also über die öffentlichen Aufgaben erfolgen. Sie können auch von Privaten in zugleich eigen- und gemeinnütziger Absicht verfolgt werden - so im Gesundheits- und Jugendwesen oder auf dem Energiesektor. Für die Feststellung der Vergleichbarkeit kommt es also darauf an, daß öffentliche Zwecke bestimmt sind und ihrer konkreten Art nach von Privaten wie von Verwaltungsträgern angestrebt werden können. Das zweckentsprechende Anforderungsprofil definiert dasSachziel eines Unternehmens kommunen- und unternehmensspezifisch, insbesondere das Kerngeschäft, und es umfaßt je nach Sachziel auch Kriterien wie Qualität und Stetigkeit der Leistung, Sicherheit flächendeckender Versorgung, Preisgünstigkeit, Sozialverträglichkeit, Wirtschaftsförderung im Raum und dergleichen. Insoweit die Profilierung nicht durch Gesetz erfolgt, sondern genehmigungsfrei den selbstverwaltungsbefugten Kommunen obliegt, bestimmen diese praktisch das Abwägungsergebnis. Ihre Einschätzungsprärogativen lassen Rechtsaufsicht und Justiz weitgehend leerlaufen. Insoweit steht der Nutzen des Subsidiaritätsprinzips von Grund auf in Frage. Nachvollziehbar sind hingegen Vergleichsverfahren, wie § 71 Absatz 1 Ziffer 3 der thüringischen Kommunalordnung sie vorschreibt: Hier ist ein sogenanntes Markterkundungsverfahren unter Einbindung der betroffenen örtlichen Betriebe in Landwirtschaft, Handel, Gewerbe und Industrie durchzuführen. 32 Dazu Zacher, Das soziale Staatsziel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 1995, S. 1045, 1062 ff. , 1080 f., mit Nachweisen. 33 Ebenso Schmidt-Jortzig, in: ders./ Schink, Subsidiaritätsprinzip und Kommunalordnung, 1982, S. 8; Manifest der Friedrich-Naumann-Stiftung, in: FAZ Nr. 253 v. 30. 10. 1999, S. 14; a.A. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968, S. 191 ff., 220 ff.

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Derartige Verfahren formalisieren zwar Gründungsaktivitäten ähnlich wie Vergabeverfahren; sie befördern auch die Markttransparenz und simulieren einen präventiven Interessenausgleich. Aber sie erfassen - wie das Subsidiaritätsprinzip überhaupt - nur die Gründung, Übernahme oder wesentliche Erweiterung von Unternehmen, also lnvestitionsvorgänge, während Betriebsfortsetzungen auch dann nicht mehr rechtfertigungsbedürftig sind, wenn Bedarfs- und Marktveränderungen eintreten. Der Bestandsschutz etablierter Unternehmen kann private Newcomer abschrecken. Dadurch wirkt das Subsidiaritätsprinzip strukturbildend, vermag aber spätere Wettbewerbsstreitigkeiten nicht abzuwenden. Ob Markterkundungsverfahren wirklich zum Interessenausgleich von Privatund Kommunalwirtschaft beitragen, ist allerdings zu bezweifeln. Sollten etwa Stadtwerke oder kommunale Wohnungsgesellschaften die Konkurrenz informieren und fragen, ob sie mit kommunalem facility-management einverstanden sind? Die Funktion der Verfahren versagt jedenfalls dann, wenn privatrechtlich organisierte Unternehmen der Kommunen Tochtergründungen ohne Zweck- und Verfahrensbindungen betreiben dürfen. Deshalb ist fraglich, ob und wie die öffentlich-rechtlichen Ordnungselemente der Kommunalwirtschaft bei Ausgründungen zum Zuge kommen. 4. Perpetuierung öffentlicher Zwecke

Daß Kommunen ihre wirtschaftlichen Unternehmen in den Formen des Privatrechts mit und ohne Beteiligung Privater verselbständigen können, lassen inzwischen sämtliche Kommunalordnungen zu. Das ist nur scheinbar selbstverständlich: Zwar sind Ausgründungen ein bewährtes gesellschaftsrechtliches Instrument der Unternehmensorganisation und -Steuerung, und sie sind aus steuerrechtliehen Gründen beliebt. Aber ob diese Technik auf Kommunen paßt, ist doch sehr fragwürdig, weil Kommunen ihre corporate-governance-Struktur institutionell vorgegeben ist: Sie sind Dezentralen eines demokratisch organisierten Staates und deshalb auf Legitimation angewiesen: Es muß sicher sein, daß das kommunale Vertretungsorgan die Zügel in Händen behält. In dieser Hinsicht ist es bedeutsam, daß den verselbständigten, privatisierten, anstaltlichen oder kooperativen Unternehmen der - bestimmte - öffentliche Zweck eingestiftet wird? 4 Bei Beteiligungen des Bundes und der Länder an privatrechtliehen Unternehmen besteht kein derartiger Zwang zur Perpetuierung des öffentlichen Zwecks.35 Die kommunale Unternehmenswirtschaft ist also enger an die Verwaltung gebunden. 34 Ausdrücklich§ 102 I Z. 1, § 103 I Z. 2 BW GO; Art. 92 I Z. 1 BY GO;§ 102 I Z.1 Bbg. GO;§ 69 I Z. 1 MV KVerf; § 108 I Z. 7 NW GO;§ 96 I Z. 1 Sächs. GO;§ 117 I Z. 2 SAnh. GO; § 102 Ili SH GO. 35 § 65 I Z. 1 BHO; § 65 I Z. 1 NW LHO, unklar abschwächend§ 108 I Z. 1 i.V.m. § 110 I Z. 1 SLKVG. 2*

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Rechtstechnisch hat dies durch die gesellschaftsvertragliche oder satzungsrechtliche Festschreibung des Zwecks sowie durch die Einflußsicherung in Leitungsorganen der Unternehmen zu geschehen, also normativ und mitlaufend. Tatsächlich sorgt die kommunale Personalwirtschaft aber für kommunalpolitische Verflechtungen, die Kommunalwirtschaft, Kommunalpolitik und Wirtschaftszwecke in scheinbarer Eintracht wiegen. Doch spricht wenig dafür, daß Ausgründungen, die mit der Versorgung verdienter Kommunalpolitiker einhergehen, zu jener Unternehmensfreiheit führen, die aus der Gewaltenteilung von Politik, Verwaltung und Wirtschaft erwachsen soll. Insider-Wissen gleicht jedenfalls Kapitalschwäche nicht aus. Die Zukunft der kommunalen Wirtschaftsbetätigung liegt deshalb entweder in der Selbstbeschränkung oder in Beteiligungsgesellschaften, die Grenzüberschreitungen ermöglichen und die Finanzkraft erhöhen. Das Kommunalrecht und Sondergesetze wie das Kreislaufwirtschafts- und das Baugesetzbuch stellen dafür die verschiedenen Formen der interkommunalen Zusammenarbeit und der public-private-partnerships zur Verfügung, die die gemeinsame Ausrichtung auf gleiche öffentliche Zwecke sichern. Kooperationen mit privaten Kapitalgebern setzen allerdings eine kommunale Beherrschung des Unternehmens voraus, 36 so daß es darauf ankommt, die öffentlichen Zwecke mit den Unternehmensabsichten Privater zu vereinigen. Trotz Beherrschung können deren Beteiligungsinteressen in vieler Hinsicht konvergieren: Private können auf die Ortskunde, die Kundennähe, die Aufgabenkonsistenz und die Verwaltungskompetenz der Kommunen bauen, und diese können an der Unternehmenskompetenz, an der Markterfahrung und am Kapital Privater interessiert sein, so daß der Wettbewerb mit rein privaten, insbesondere externen, Großunternehmen gewagt werden kann. Dieses Wagnis empfiehlt sich auf liberalisierten und gewinnträchtigen Märkten der Kreislaufwirtschaft, der Energieversorgung und der Telekommunikation.37 Der Grundsatz, daß die Erfüllung des öffentlichen Zwecks erforderlich und in den Gesellschaftsverträgen - oder Anstaltssatzungen - vorgeschrieben sein muß, schließt schlichte Kapitalbeteiligungen der Kommunen und ihrer Trabanten aus. In der Hälfte der Länder wird dieser Grundsatz auch auf Unterbeteiligungen und Subunternehmen erstreckt. 38 Dort hält der öffentliche Zweck auch Holding-, Betreiber36 § 103 I BW GO; Art. 92 I Nr. 3 BY GO; § 102 I Z . 2 Bbg. GO; § 122 I Z. 3 Hess. GO; § 69 I Z. 3 MV KVerf; § 108 I Z. 6 NW GO; § 110 I Z . 3 SL KVG; § 96 I Z . 2 Sächs. GO; § 117 I Z. 3 SAnh. GO; § 102 I Z . 3 SH GO. 37 Kreislaufwirtschafts- u. Abfallgesetz v. 27. 9. 1994 (BGBI. I S. 2705); Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts v. 24. 4. 1998 (BGBI. I S. 730); Telekommunikationsgesetz v. 25. 7. 1996 (BGBI. I S. 1120).

38 § 103 III BW GO; § 122 IV Hess. GO; § 69 li MV KVerf; § 109 li Nds. GO; § 87 IV RP GO;§ 112 SL KVG; § 117 li SAnh. GO; dazu Grawert, Zuständigkeitsgrenzen der Kommunalwirtschaft, in: Grupp/Ronellenfitsch, Planung-Recht-Rechtsschutz. Festschrift für W. Blümel, 1999, S. 119, 129 ff.

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und Betriebsgesellschaften im notwendigen Aufgabenzusammenhang. Aber es ist klar, daß er sich verflüchtigt, je differenzierter die Gesellschaftsverhältnisse sind und je mehr Fremdinteressen ins Spiel kommen. Manche Großstädte haben in dieser Hinsicht erstaunliche Ausgründungsleistungen vollbracht. Doch: Stärken Allsgründungskaskaden die kommunale Verwaltungskraft? Ist selbst ein Großstadtrat noch in der Lage, der Beteiligungspolitik seiner privatisierten Unternehmen zu folgen und die Beteiligungsberichte zu durchschauen? Die Rhetorik dieser Frage soll betonen, daß die Kommunen ihre Aufgaben- und Sachverantwortung nicht aus der Hand geben dürfen, so daß Subausgründungen in Mißbrauchszonen geraten können. Der Berliner Verfassungsgerichtshoe9 hat diese kommunalrechtliche Konsequenz jüngst sogar aus dem Demokratieprinzip abgeleitet, als er die Verfassungsmäßigkeit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe durch Gründung einer Holding-Gesellschaft zu beurteilen hatte, die zusammen mit privaten Kapitalgebern die öffentliche Einrichtung betreiben sollte. Nach dem Grundsatz, daß die Ausübung öffentlicher Gewalt von der Nachvollziehbarkeit einer ununterbrochenen Legitimationskette abhängt, hat er die gerügte Konstruktion nur deshalb gutgeheißen, weil der Stadt Berlin ein maßgebendes Weisungsrecht vorbehalten war. Das eigentliche Problem ist jedoch, ob die zur Steuerung und Kontrolle erforderlichen Verwaltungskapazitäten vorhanden sind. Eine Kommune, die als Holding agieren will, braucht Verwaltungspersonal, das unternehmens- und markterfahren ist, das strategisch führen, jedenfalls kontrollieren kann. Weisungs- und Kontrollaufgaben lassen sich deshalb nicht in selbständige Controlling-Unternehmen ausgliedern. Ist die Durchschnittskommune dazu imstande? Insoweit Ausgründungen Einsparungen von Fachpersonal bezwecken, riskieren sie nicht nur Wettbewerbsschwäche, sondern stellen diese Art der Wirtschaftsbetätigung überhaupt in Frage: Wenn die kommunale Steuerungsfähigkeit versagt, ist die kommunale Unternehmerwirtschaft nicht erforderlich. Oder legitimieren letztlich Gewinnabsichten und Gewinnverwendungen? Unter dem Eindruck kommunaler Finanzschwäche wird diese Frage zur These, daß die Gewinnerzielung ein an sich zulässiges Etappenziel auf dem Wege zur Erfüllung einer Sachaufgabe ist. 40 Demnach würde dem Zweckerfordernis genügt sein, wenn Markterträge aufgabengemäß investiert würden. Aber diese These steht schon auf verfassungsrechtlich schwachen Füßen, weil Erwerb keine die Siedlungsgemeinschaft qualifizierende Angelegenheit ist; sie widerspricht der Finanzordnung und jenen Zulässigkeitsvorschriften, die zwischen Wirtschaftsbetätigung und öffentlichem Zweck einen unmittelbaren Sachzusammenhang erfordern. Zu Recht ist der VerfGH, Urt. v. 21. 10. 1999-VerfGH 42/99-, Umdruck, S. 5 ff. Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, iur. Diss. Köln 1997, S. 200 ff.; ders., Öffentlicher Zweck, Finanzhoheit und fairer Wettbewerb-Spielräume kommunaler Erwerbswirtschaft, DVBl. 1997, S. 1258, 1261 f. ; Oebbecke, Die unterfinanzierte Kommunalverwaltung, Die Verwaltung 1996, S. 323, 329 ff. 39

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herrschenden Meinung41 daher die von konkreten Zweckbezügen isolierte Erwerbswirtschaft der Kommunen suspekt. Der Formalzweck der Haushaltskonsolidierung legitimiert die Wirtschaftstätigkeit demnach nicht. Manche Kommunen halten es dennoch für zweckgerecht, für die Auslastung ihrer vorhandenen Unternehmen durch Ausbreitung der Unternehmensleistungen zu sorgen, um dem Eindringen kapitalstarker, privater Konkurrenten in traditionelle kommunale Wirtschaftsdomänen entgegenzuwirken, und sie richten auch die Dimensionen ihrer Hilfsverwaltungen und Hilfsbetriebe auf eine größere Auslastung in Neuen Geschäftsfeldern ein. Sind Auslastung, Arbeitsplatzerhaltung und Bedarfsweckung öffentliche Zwecke? Das Oberlandesgericht Hamm42 hat dies in seinem vielzitierten "Gelsengriin-Urteil" für den Fall einer Stadt verneint, die ihren Gartenbaubetrieb so dimensionierte, daß er nur bei zusätzlicher privatwirtschaftlicher Betätigung wirtschaftlich arbeiten konnte. Dagegen hat das Oberlandesgericht Düsseldort3 jüngst gemeint, die Kapazitätsausweitung eines kommunalen Entsorgungsunternehmens sei schon deshalb wettbewerbskonform, weil durch sie Bestand und Grundlagen des Leistungswettbewerbs nicht gefährdet werden und es Privaten freistehe, ihre Unternehmen ebenso zu dimensionieren. Unproblematisch ist die Lage, wenn eine an sich fällige Verkleinerung oder Einstellung des Unternehmens aus Sach- oder Rechtsgründen nicht in Betracht kommt, weil dies etwa technisch nicht geht oder weil eine flächendeckende Versorgung durch Private nicht sicher ist oder weil notwendige Hilfsbetriebe freie Kapazitäten halten müssen. Dann läßt sich ihre Randnutzung als Annexfunktion der eigentlichen Aufgabenerfüllung rechtfertigen. Dadurch können die Unternehmen zu ihrer eigenen Finanzierung beitragen. Die Zukunft der Kommunalwirtschaft gewinnt so allerdings keinen Glanz. 41 BVerfGE 61, S. 82, 107; BVerwGE 39, S. 329, 333 f.; Gönnenwein, Gemeinderecht 1963, S. 477; Stern, in: Bonner Kommentar. Zweitbearbeitung, Art. 28 Rn. 163 (1964); Stern/Püttner, (wie Anm. 10), S. 175; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 2, 2. Aufl. 1976, S. 150; Burmeister in: Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. V, 2. Aufl. 1984, S. 3, 42 f.; Schmidt-Jortzig, ebd., S. 50, 58 f.; ders., Kommunalrecht, 1982, S. 233; Seewald in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1992, S. 108; Waechter; Kommunalrecht, 1993, S. 328; Stober, Kommunalrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1996, S. 339; von Mutius, Kommunalrecht, 1996, Rn. 516; Gern, Deutsches Kommunalrecht, 2. Aufl. 1997, Rn. 727; Cronauge, Kommunale Unternehmen, 3. Aufl. 1997, Rn. 466; Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 1998, Rn. 204; Ehlers, Rechtsprobleme der Kommunalwirtschaft, DVBL 1998, S. 497, 499; Grawert (wie Anm. 38), S. 125 f.; Schmidt-Aßmann in: ders. (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1999, S. 1, 82 (Rn. 120); Pielow, Gemeindewirtschaft im Gegenwind?, NWVBL 1999, S. 369, 377; Suerbaum, Die Novellierung des Gemeindewirtschaftsrechts in NW- Segen oder Fluch?, in: Fünfundsiebzig Jahre Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Industriebezirk Bochum, 2000, S. 53, 55. 42 Vgl. Anm. 18. 43 Vgl. ebd.

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5. Kommunale Wirtschaftsräume

Deshalb wird die Zukunft in der Weite der freien Wirtschaftsräume gesucht: Gewinn versprechende Wirtschaftsbetätigungen - wie Energieversorgung, Telekommunikation, Consultingdienste - sollen über die kommunalen Gebietsgrenzen hinaus betrieben werden, um dem Eindringen überregional agierender Wettbewerber in eigene Räume und Netze offensiv begegnen zu können. Dürfen die Kommunen also auswärts auf Kundenfang gehen, um inwärts Gewinne verbuchen zu können? Die Gesetzgeber Bayerns, Thüringens und Nordrhein-Westfalens44 gehen davon ausdrücklich aus. Grenzüberschreitende Wirtschaftsbetätigungen nordrhein-westfälischer Kommunen hängen lediglich materiell-rechtlich von der Erforderlichkeil sowie der Wahrung berechtigter Interessen der betroffenen Gebietskörperschaften ab; bei der Versorgung mit Strom und Gas gelten die Interessen als berechtigt, die nach den Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes eine Wettbewerbsbeschränkung zulassen; wirtschaftliche Betätigungen zwecks Umweltschutz auf ausländischen Märkten stehen unter Genehmigungsvorbehalt Auf den Genehmigungsvorbehalt stellt man auch in Bayern ab. Doch: Nach welchen Maßstäben sollen die Genehmigungsbehörden vorgehen? Ist Genehmigung hier ein Mittel der Rechtsaufsicht oder ein Mittel kommunal-staatlicher Mitverwaltung? Tritt etwa die Genehmigungsbehörde auch als Rechts- und Interessenwahreein betroffener Nachbarkommunen und Privatunternehmer auf? Oder achtet sie nur auf die Kapitalinteressen der expandierenden Kommune - ohne Rücksicht auf weitere rechtsstaatliche und ökonomische Kosten? Werall dies für fragwürdig hält, muß die Regelung verfassungsrechtlich überhaupt in Frage stellen. Vertreter einer unbeschränkten Kommunalfreiheit halten jedoch Entgrenzungen für eine Selbstverständlichkeit und legen Artikel 28 Absatz 2 GG zugunsten ökonomischer Erfolgsaussichten aus. 45 Doch die Verfassungsnorm grenzt die Yerbaudszuständigkeiten der Kommunen von denen anderer Verwaltungsträger sowohl gegenständlich als auch gebietlieh ab. Als Gebietskörperschaften haben die Kommunen deshalb ihre Selbstverwaltung auf ihr Gebiet zu konzentrieren, 46 so daß Aufgaben und Befugnisse in die Verwaltungsgrenzen eingebunden sind, wie übrigens auch die Länder gemäß Artikel 30 GG beschränkt werden, wenn sie ihre öffentlichen Aufgaben erwerbswirtschaftlich erfüllen. 47 44 Art. 87 II BY GO; Art. 71 IV Thür. KO; § 107 III, IV NW GO: hier sind Energieversorgung, Wasserversorgung, öffentlicher Verkehr u. Telekommunikationsdienste zudem vom Subsidiaritätsprinzip befreit; krit. dazu Ehlers, NWVBL 2000, S. 1, 2 f. 45 Wieland, Schutzgut der kommunalen Selbstverwaltung, in: Städte- u. Gemeinderat 1998, S. 168 f. ; moderater Heinrichs/Schwabedissen, Wirtschaftliche Betätigung - Möglichkeiten und Grenzen, in: Städte- u. Gemeinderat 1998, S. 160, 162.

46 Näherhin Grawert (wie Anm. 38), ebenso Heintzen, Zur Tätigkeit kommunaler (Energieversorgungs-) Unternehmen außerhalb der kommunalen Grenzen, NVwZ 2000, S. 743 ff. 47 So zutreffend Pemice in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. II, 1998, Art. 30 Rn. 29 mit Nachweisen zum Streitstand.

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Manche meinen nun, diese Grenzen gälten allein für die Hoheitsverwaltung, während der Kommunalwirtschaft eine unbegrenzte Wirtschaftsfreiheit zur Verfügung stehe. 48 Dadurch würden allerdings weniger die Kommunen im Verhältnis zu Privaten als vielmehr Groß- gegenüber Kleingemeinden gestärkt werden, und es sind Schieflagen abzusehen, da wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Betätigungen von Land zu Land unterschiedlich definiert werden, so daß je nachdem Freiheit oder Bindung herrschte. In umgekehrter Richtung hat kürzlich das Oberlandesgericht Düsseldorf9 judiziert, als es der Düsseldorfer Gesellschaft für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung bescheinigte, ihr Einsatz im benachbarten Wülfrath sei nicht unlauter: Weil Entsorgung nichtwirtschaftliche Betätigung sei, griffen die Vorschriften, die die exterritoriale Wirtschaftsbetätigung der Kommunen einschränken, nicht ein. Demnach müßte sogar mit grenzüberschreitender Einrichtungsverwaltung gerechnet werden, sofern sie sich lohnt. Jedoch läßt Artikel 28 Absatz 2 GG eine derartige Zuständigkeitsermächtigung nicht zu. Da wirtschaftliche Betätigung ein Mittel zur Aufgabenerfüllung ist, ist sie an den Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der Kommune gebunden. Deshalb sind Wirtschaftsunternehmen auf die Gebietskörperschaft als Produktions-, Leitungs- und Ertragsort radiziert. Für eine grundrechtsgleiche Wirtschaftsfreiheit jenseits der Zuständigkeitsordnung besteht kein Rechtsgrund. Aber selbstverständlich läßt sich aus Artikel 28 Absatz 2 GG weder ein Gewinnverbot noch ein generelles Verbot überörtlicher Betätigung ableiten. Die Verfassung gewährleistet den Kommunen Kooperationshoheit, 50 so daß diese interkommunale Wirtschaftskooperationen eingehen dürfen, auch unter Beteiligung Privater. In Nordrhein-Westfalen wird dies sogar nachdrücklich für den öffentlichen Personennahverkehr vorgeschrieben. 51 Staatsverträge können sogar die Überschreitung der Landesgrenzen gestatten. 52 48 Gruneberg, Weiterentwickelte Zusammenarbeit von VKS- und VKU-ARGE-Entsorgung, in: Der Städtetag 1997, S. 371, 373; Moraing, Kommunale Wirtschaft in einem wettbewerbliehen Umfeld, in: Der Städtetag 1998, S. 523, 525; Wieland, Kommunalwirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebietes, in: Städte- u. Gemeindebund 1998, S. 4 ff.; ders., Kommunalwirtschaftliche Betätigung unter veränderten Wettbewerbsbedingungen, in: Bennecke (Hrsg.), Optimale Aufgabenerfüllung im Kreisgebiet?, 1998, S. 193, 197 f.; Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, 1998, S. 130; dagegen Hennecke, Gewinnerzielung und Arbeitsplatzsicherung als Legitimation kommunalwirtschaftlicher Betätigung? - verfassungsrechtliche Aspekte-, Nds.VBI. 1998, S. 273, 281. 49 Urt. v. 12. 1. 2000 - Verg. 3/99-, Umdruck, S. 5 ff. 50 So schon Grawert, Rechtsfragen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, DVBI. 1971, S. 484 ff.; BVerwGE 87, S. 237, 238. 51 §§ 5 f. Regionalisierungsgesetz NW v. 7. 3. 1995 (GVBI. NW S. 196). 52 Abkommen zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, dem Land Niedersachsen, der Bundesrepublik Deutschland u. dem Königreich der Niederlande über grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften u. anderen öffentlichen Stellen v. 23. 5. 1991 (GVBI. NW 1993, S. 530 = BGBI. 1993 II, S. 842); Abkommen zwischen dem

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Diese Befugnis ermächtigt jedoch nicht zu einseitigen oder gar feindlichen Maßnahmen. Artikel 28 Absatz 2 GG gewährleistet nämlich den Kommunen das Selbstverwaltungsrecht auch im Verhältnis zueinander. 53 Er schließt also das Wildern in fremden Feldern aus. Landesgesetze, die dies gestatten, sind deshalb verfassungswidrig. Wenn sie zur grenzüberschreitenden Wirtschaftsbetätigung unter Wahrung der Belange betroffener Kommunen ermächtigen, dann kann das verfassungskonform nur heißen, daß zwischen der expandierenden und der betroffenen Gemeinde ein Konsens hergestellt werden muß. Die Interessenwahrung ressortiert bei den Betroffenen, die ohne Einverständnis zur Duldung der Expansion nicht verpflichtet sind. Infolgedessen lassen sich die neuen interkommunalen Rücksichtsklauseln nur als schlichte Kooperationsklauseln halten, das heißt: als Ermächtigungen zur Grenzüberschreitung kraft Einverständnis: Kooperation, nicht Expansion ist das Mittel zur Geschäftserweiterung.

6. Bewehrung der Unternehmensgrenzen So intensiv die Maßstäbe der Aufgaben- und Raumbegrenzung die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen auch in deren gebietskörperschaftliche Schranken weisen sollen, so wenig hindern sie allem Anschein nach Grenzüberschreitungen. Selbstbewußte, wagemutige Kommunen folgen dabei nicht nur Zweckerwägungen, sondern auch dem auf Ökonomisierung fixierten Zeitgeist: die Kommune als Unternehmen - Verwaltung durch Unternehmen. Wer dem Wettbewerb vertraut, setzt auf Expansion. Aber die Erweiterung der Marktsphäre führt zur Erweiterung der Risikosphäre und provoziert schließlich die Frage nach den rechtsstaatliehen Kosten zuständigkeitswidriger Wirtschaftsbetätigung. Wer hält die Kommunen in Zaum? In erster Linie liegt es im Eigeninteresse der Kommunen, Selbstkontrolle zu üben, also die Rechnungsprüfung objektiviert vorzunehmen. Doch greift diese Kontrolle erst nachträglich, so daß sie Vorgänge der Unternehmensgründung, -beteiligung und -ausgründung erst nach Markteintritt erfaßt. Dagegen könnten Aufsichtsmaßnahmen vorgreiflieh wirken, wenn sie denn ergriffen würden. Da die staatliche Aufsicht den Kommunen in erster Linie helfen soll, sich in den Bahnen des Rechts zu bewegen, dürfen Wohlmeinende annehmen, daß die aufsichtliche Beratungs- und Genehmigungspraxis manches ungesetzliche Verhalten auf stillen Verwaltungswegen in Fa~on und zur Räson bringt. Doch überLand Nordrhein-Westfalen, dem Land Rheinland-Pfalz, der Wallonischen Region u. der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens über grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften u. anderen öffentlichen Stellen v. 19. 7. 1996 (GVBI. NW S. 255); § 6 IV NW Regionalisierungsgesetz (wie Anm. 51) ermächtigt zu Planungs-, Organisations- u. Zuständigkeitsvereinbarungen mit Aufgabenträgem angrenzender Länder oder Staaten. 53 BVerfGE 79, S. 127, 150 f.

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wiegen die skeptischen Äußerungen, die vom Versagen der Rechtsaufsicht sprechen. Dafür gibt es mehrere Griinde. Dem Argument, die Kommunen müßten auch selbst für ihre Finanzkraft sorgen, wird eine Landesbehörde sich nicht verschließen, die weiß, daß der staatliche Finanzausgleich nicht zu befriedigen vermag. Nachhaltiger aber wirkt die Regelungsschwäche der Wirtschaftsermächtigungen, die sich durch sehr unbestimmte Rechtsbegriffe auszeichnen und deshalb das Aufsichtsermessen nicht stringent zu leiten vermögen. Über Zweckbestimmungen, Subsidiaritätsvoraussetzungen und Leistungsgrenzen entscheiden primär die - politisch geführten - Kommunen, denen dafür Einschätzungsprärogativen zugebilligt werden. Zwar unterliegen die wichtigsten Unternehmensvorgänge einer Anzeigepflicht54 - während Genehmigungsvorbehalte nur noch ausnahmsweise vorgesehen sind -; doch kann die präventive Aufsicht nur unvertretbare Wirtschaftsengagements der Kommunen riigen. Da die Grenzen der Vertretbarkeit nicht gewiß sind, dürfen die Aufsichtsbehörden sich zuriickhalten. Im Hinblick auf rechtlich verselbständigte, privatisierte Unternehmen greift die Staatsaufsicht ohnehin zu kurz. Zwar kann die Abschlußpriifung von Eigen- und Beteiligungsgesellschaften auch die Priifung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung umfassen. 55 Doch erstreckt die Rechtsaufsicht über Kommunen sich nicht auf diese Geschäftsführung, sondern nur auf das Verhalten der Kommunen gegenüber und in der Gesellschaft, soweit die kommunalen Mit- und Einwirkungsrechte reichen. Eine Aufsicht, die sich an den Jahresabschluß anschließt, kommt allerdings recht spät. Zur mitlaufenden Aufsichtsführung sind die Aufsichtsbehörden aber nur bei gegebenem Anlaß befugt. Der könnte zwar durch Rügen eines Wettbewerbers ausgelöst werden; doch gewährt die Rechtsprechung, soweit ersichtlich, selbst betroffenen Wettbewerbern keinen Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten, so daß auch der Schutz der Privatwirtschaft, der durch Zweckbindung und Subsidiaritätsklausel jedenfalls objektiviert, nicht selten aber auch subjektiviert ist, 56 nicht nachgehalten wird. 54 Vgl. § 108 BW GO; Art. 96 BY GO; § 110 Bbg. GO; § 127 b Hess. GO; § 77 MV KVerf.; § 116 Nds. GO;§ 115 NW GO;§ 92 RP GO;§ 118 SL KVG; § 102 Sächs. GO; § 123 SAnh GO; § 108 SH GO; § 72 Thür KO. 55 § 53 I Z. 1 Haushaltsgrundsätzegesetz v. 19. 8. 1969 (BGBI. I S. 1273)- mit Änderungen - . § 112 NW GO hat jene Kann- zu einer Sollvorschrift verdichtet; § 108 II 2 NW GO sieht für Gesellschaften, die einer Kommune zu mehr als 50 v.H. gehören, überdies einen Bericht über die Einhaltung der öffentlichen Zwecksetzung vor. Es wäre nötig, diese Regel auch auf Gesellschaften zu erstrecken, die überwiegend mehreren Kommunen gehören. Wie § 108 II 2 NW GO auch § 105 III 2 Bbg. GO, ähnlich § 90 II Z. 2 RP GO, § 102 IV Z. 3 i.V.m. § 107 SH GO. 56 Zur Schutzwirkung des § 67 I DGO u. des § 107 I 1 Z. 3 NW GO i. d. F. des Ersten Modemisierungsgesetzes vgl. oben zu Anm. 17 u. 27.

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Man kann deshalb cum grano salis feststellen, daß Kommunalwirtschaft der Teil der Selbstverwaltung ist, der sich der Staatsaufsicht entzieht und deshalb, nicht aber von Verfassungs wegen, frei funktioniert - programmwidrig, da die Kommunen in jeder Hinsicht Teile des Staates sind. Da die Beziehungen von kommunalen zu privaten Unternehmen, von Kommunal- zu Privatwirtschaft nicht von Hoheits wegen in Ordnung gehalten werden, brechen die Schutzinteressen Privater sich außerhalb der öffentlich-rechtlichen Ordnung der Kommunalwirtschaft Bahn, nämlich im Wege von Wettbewerbsstreitigkeiten. Dafür zuständige Zivilgerichte wenden dabei das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb außer auf Modalitäten des Marktverhaltens auch als Maßstab für den Marktzutritt an. Sie gehen davon aus, "im geschäftlichen Verkehre" könne auch dadurch sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG gehandelt werden, daß dieser Verkehr verbotwidrig eröffnet wird, und erstre~ken diesen Grundsatz auf gesetzwidrig erfolgte Unternehmensgründungen und -beteiligungen der Kommunen. Demnach betreibt eine Kommune dann unlauteren Wettbewerb, wenn sie ohne Zwecklegitimation oder unter Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip zu wirtschaften beginnt. 57 Eine strengere Auffassung verlangt zudem wettbewerbswidriges Verhalten und wertet jene Gesetzesverstöße nur als Abwägungsfaktoren. 58 Jedenfalls sollen private Konkurrenten so oder so beanspruchen können, daß die Kommunen den Marktzutritt unterlassen oder rückgängig machen. Infolgedessen gewinnt die Verhaltensnorm des § 1 UWG die strukturelle Ordnungsfunktion, die die öffentlich-rechtlichen Ordnungsvorschriften offenbar nicht leisten, und es treten eigenartige Zuständigkeitsverschiebungen ein. Käme den landesgesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für kommunale Unternehmenswirtschaft nämlich selbst die Schutznormqualität zu, die sie durch ihre Verbindung mit § 1 UWG erhalten, hätten die Verwaltungs- statt der Zivilgerichte Rechtsschutz mit Hilfe des Untersuchungsprinzips zu bewirken. 59 Dennoch halten Verwaltungsrechtsprechung und -dogmatik mit der Kraft einer herrschenden Auffassung nahezu eisern an der tradierten These fest, daß jene Voschriften nur der öffentlichen Ordnung, nicht aber auch dem Schutz privater Wettbewerber dienen.60 Mag die These noch in puncto Zweckbindung und Leistungsfä57 BGH, GRUR 1956, S. 373, 374 f.; BGH, GRUR 1973, S. 655, 657; BGHZ 82, S. 375, 385 ff.; OLG Düsseldorf, NWVBl. 1997, S. 353, 354; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, S. 1470, 1471; OLG Düsse1dorf, NWVBl. 2000, S. 75; OLG Hamm, NJW 1998, S. 3504; LG Wuppertal, NWVBl. 1999, S. 275 f.; a.A. OLG München, Urt. v. 12. 2. 1998-6 U 2608/97 -sowie Urt.v. 20. 4. 2000, NVwZ 2000, S. 835: Art. 87 BY GO- i.d.F. v. 1998- sei kein Schutzgesetz, diene jedoch dem Schutz eines abgrenzbaren Personenkreises privater Mitbewerber mit den Folgen gern.§ 1 UWG. 58 Ehlers, DVB!. 1998, S. 497, 503; diese Auffassung kann sich auch auf Andeutungen in der Rechtsprechung des BGH (wie Anm. 57) berufen. 59 Darauf hat insbesondere Tettinger; Rechtsschutz gegen kommunale Wettbewerbsteilnahme, NJW 1998, S. 3473 f., hingewiesen.

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higkeit einleuchten, so überzeugt sie in puncto Subsidiarität nicht mehr. Denn die Privatwirtschaft, zugunsten der sie seit 1935 und insbesondere seit ihrer Reaktivierung in Nordrhein-Westfalen61 wirken soll, tritt den kommunalen Wirtschaftsunternehmen nicht als gestaltloser, anonymer Verhaltenskomplex, sondern grundrechtlieh gegliedert gegenüber. Das einzelne kommunale Unternehmen hat auf speziellen Märkten mit einzelnen, namhaften Wettbewerbern zu tun, mit deren Leistungsfähigkeit die unternehmenswillige Kommune sich im Einzelfall auseinandersetzen muß. 62 Demnach kommt den grundrechtsgemäß auszulegenden kommunalrechtlichen Vorschriften auch die Aufgabe zu, zwischen kommunalen und privaten Wirtschaftssubjekten eine konkrete Marktordnung zu stiften. Die Verbindung dieser Vorschriften mit § 1 UWG vermittelt dieser Norm hingegen einen Inhalt, der durch die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für das Sachgebiet Wirtschaft gemäß Artikel 74 Nr. 11 GG nicht mehr gedeckt ist. Denn diese Zuständigkeit umfaßt nicht Sonderregelungen von Wirtschaftsbefugnissen öffentlich-rechtlicher Rechtsträger. 63 Doch sind die Kommunen selbst dann nicht vor Fiskusabwehrklagen Privater sicher, wenn den Nachfolgeregelungen des § 67 Absatz 1 DGO nur eine objektivrechtliche Schutzwirkung zuerkannt wird. Denn dann könnten private Wettbewerber ihre Grundrechte unmittelbar geltend machen. Zwar stoßen derartige Begehren noch immer auf die Entscheidung des I. Senats des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1972, dergemäß Grundrechte nicht vor einer Konkurrenz der öffentlichen Hand schützen.64 Doch werden Ausnahmen dann anerkannt, wenn 60 BVerwGE 39, S. 329, 336; BVerwG, NJW 1978, S. 1539; VGH München, DVBI. 1976, S. 628, 629; OVG Lüneburg, NVwZ 1990, S. 506, 507; Schmidt-Jortzig in: Püttner, (wie Anm. 41), S. 60, 67; ders., Kommunalrecht (wie Anm. 41), S. 233 f.; Seewald, (wie Anm. 41), S. 112; Schricker, Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand und unlauterer Wettbewerb, 2. Aufl. 1987, S. 54, 56; Waechter (wie Anm. 41 ), S. 330 f.; Stober (wie Anm. 41), S. 341 f.; Gern (wie Anm. 41), Rn. 724; Tettinger (wie Anm. 41), Rn. 163; Ehlers, DVBI. 1998, S. 497, 499; ebenso, wenn auch bedauernd, ders. , NWVBI. 2000, S. 1, 5; Moraing, Anmerkung zu OLG Düsseldorf v. 10. 10. 1996, in: NWVBI. 1997, S. 355 f. ; Schmidt-Aßmann (wie Anm. 41), S. 83 (Anmerkung 121). - A.A. Schach, Übungsklausur Öffentliches Recht, Jura 1979, S. 601; J. Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht 1989, S. 207; von Mutius (wie Anm. 41), Rn. 521 f.; Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1997, s. 274 ff. 61 Vgl. Anm. 27; Zur Schutznormwirkung des§ 100 III Bbg. GO; Schmahl, Umfang und Grenzen wirtschaftlicher Betätigung von Gemeinden in Brandenburg, LKV 2000, S. 47, 51. 62 § 71 II Thür. KO verpflichtet zur Rücksicht auf vorhandene, selbständige Betriebe; die oben erwähnten Markterkundungsverfahren betreffen einzelne, ortsspezifische Unternehmen; Art. 89 II BY GO i.d.F. v. 6. 1. 1993 ist durch die Fassung der Art. 87, 92 v. 22. 8. 1998 erheblich geändert worden. 63 Maunz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 74 Rn. 154 (1984); Degenhart in: Sachs, Grundgesetze, Kommentar, 2. Aufl. 1999, Art. 74 Rn. 41: Art. 74 Nr. 11 betreffe nur den allgemeinen Wirtschaftsverkehr der öffentlichen Hand; Pieroch in: Jarass/ Pieroth, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 74 Rn. 24. 64 BVerwGE 39, S. 329.

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die Wettbewerbsfreiheit in unerträglichem Maße eingeschränkt wird, wenn eine Auszehrung der Konkurrenz vorliegt oder eine Monopolstellung hergestellt wird,65 und im Schrifttum dringt die Meinung vor, daß die staatliche - auch die kommunale - Wettbewerbsteilnahme stets grundrechtsrelevant und deshalb rechtfertigungsbedürftig ist. 66 Für sie spricht, daß Grundrechte auch gegen staatliche Einwirkungen schützen, die unrechtmäßig erfolgen, und daß ein kommunales Unternehmen nicht den Wettbewerb schlechthin, sondern die am Markt befindlichen, bestimmbaren und individuell betroffenen Wettbewerber treffen kann. Infolgedessen ist inbesondere die Ausweitung der Neuen Geschäftsfelder riskant, die, weil neu, nicht die Rechtssicherheit der traditionellen Kernaufgaben der Kommunen bieten.

7. Funktionszusammenhänge

Die Eingangsfrage, wie die Kommunen für den Wettbewerb gerüstet sind, trifft also auf ambivalente Antworten, die sich im Begriff einer hinkenden Wettbewerbsfähigkeit zusammenfassen lassen. Im Spannungsfeld von Gemeinschaftsfreiheiten, Selbstverwaltungsgarantien und Grundrechtsordnung dürfen die Kommunen zwar an Nachfrage- wie an Angebotsmärkten als Marktteilnehmer auftreten. Aber sie sind keine typischen, geborenen Wirtschaftssubjekte, die ihr Dasein dem Erwerbsleben verdanken: Sie dürfen Markt und Wettbewerb nutzen, leben aber nicht dafür und davon. In der Hauptsache sind sie demokratisch legitimierte, politisch geführte und fachlich administrierte Dezentralen des gegliederten Staates und deshalb in den Aufgaben- und Funktionszusammenhang des Staates eingegliedert. Die traditionsgemäße Ausrichtung der kommunalen Wirtschaftsbetätigung auf öffentliche Zwecke ist das Korrelat zur Zwecksetzung der Verwaltung des Staates und dessen Dezentralen: Sie ist ein Teil des Systems der Staatsaufgaben des demokratischen Verfassungsstaates. Dieser Staat behauptet sich als selbstbewußte und selbstbestimmte Gemeinschaftsordnung, indem er sich seine Aufgaben ohne Bindung an Vorgegebenheiten selbst setzt. Staatsaufgaben bestehen demnach nicht an und für sich, sondern ergeben sich aus dem politischen Prozeß. In diesem Prozeß wirken die Kommunen mit der Autorität ihrer Autonomie im Rahmen des staatli65 BVerwGE 30, S. 191, 198; 39, S. 329, 337; DVBI. 1996, S. 152, 153; OVG NW, NVwZ 1986, S. 1045, 1046; BWVGH, GewArch 1994, S. 464, 465; NJW 1995, S. 274 f. ; Hess. VGH, NVwZ 1996, S. 816, 817; VG SH, GewArch 1997, S. 144, 145. 66 R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Allgemeiner Teil, 1998, S. 523; Scholz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 12 Rn. 104, 303, 401 ff.; Breuer in: lsensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 1989, § 148 Rn. 60; von Mutius (wie Anm. 41), Rn. 522; Erichsen (wie Anm. 60), S. 274 ff.; Grawert, (wie Anm. 38), S. 134 f.; unentschieden Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 7. Aufl. 1991, S. 148; Tettinger, NJW 1998,S.3473, 3474.

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chen und gemeinschaftlichen Rechts mit: Insoweit können sie zum Wohl ihrer Einwohnerschaften ihre Aufgaben bestimmen, die allerdings in die übergeordneten Aufgabenzusammenhänge einzuordnen sind. Zur Erfüllung der heteronom oder autonom gestellten Aufgaben stehen den Kommunen die Befugnisse zur Verfügung, die ihnen besonders übertragen sind und die ihnen zu eigenverantwortlicher Regelung gemäß Artikel 28 Absatz 2 GG zustehen: Anordnungsbefugnisse, schlicht-hoheitliche Verwaltungsbefugnisse, Wirtschaftsbefugnisse. Die aktuelle Diskussion über die Zukunft der Kommunalwirtschaft läßt leicht übersehen, daß die Kommunen in der Verwaltung und nicht am Markt ihre Mitte haben und daß Wettbewerb nur ein Mittel zum Zweck sein kann. Im Hinblick auf das Aufgabenspektrum ist die kommunale Wirtschaftsbetätigung in einen politisch-administrativ-ökonomischen Funktionszusammenhang eingebettet, in dem ein Zweck auf verschiedenen oder verbundenen Wegen, von Hoheits wegen oder durch Marktteilnahme oder durch Unterstützung privatgesellschaftlicher Aktivitäten erfüllt werden kann. Ordnungsvorgaben des Staates und die Selbstverwaltungsgarantie überantworten den Kommunen den aufgabengerechten Mitteleinsatz, wie sich dies für markante Aufgabenfelder veranschaulichen läßt: Eines dieser Felder ist der Städtebau. Städtebau prägt den Siedlungsraum der Siedlungsgemeinschaft, und die Kommunen beherrschen ihn durch ihre Zuständigkeit für die Bauleitplanung. Ihre Pläne ordnen den Raum und definieren zugleich Möglichkeiten der Sauwirtschaft, die die Kommunen beauftragen, stimulieren und an deren Markt sie sich auch aktiv beteiligen können. Die Instrumente des Vorhabens- und Erschließungsplans gemäß § 12 des Baugesetzbuches67 , des Erschließungsvertrages gemäß § 124 und der Sanierungsträgerschaft gemäß § 157 dieses Gesetzes ergeben überdies differenzierte Funktionssymbiosen zwischen Hoheitsverwaltung, Kommunal- und Privatunternehmen, die durch zweckorientierte Arbeitsteilung und Verwaltungssteuerung gekennzeichnet sind. So wird die planakzessorische Grundstückserschließung als Aufgabe der Gemeinde dekretiert, die diese durch eigene Werkleistungen ihres Tiefbauamtes oder durch Werkunternehmer oder durch Erschließungsträger durchführen lassen kann, aber jedenfalls zu verantworten hat; eine kommunale Selbstvornahme infrastruktureller Wertschöpfung ist demnach in das umfassende Verwaltungsvorhaben eingebunden. Bei geringerem Steuerungsbedarf findet Wohnungswirtschaft durch privat-, gemein- oder kommunalwirtschaftliche Unternehmen statt. Zwar setzen Kommunen auch hier dem Marktgeschehen bauplanungs- und ordnungsrechtliche Rahmendaten voraus und nehmen die Bauaufsicht wahr. Aber Wohnungsbau ist keine primär den Kommunen obliegende Aufgabe. Er kann zu deren Aufgabe um sozialstaatlieber Ziele willen werden. In diesem Sinne verpflichtet das Zweite Wohnungsbauförderungsgesetz68 die Kommunen zur Bereitstellung von Bauland, insbesondere

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I. d. F. V. 27. 8. 1997 (BGBl. I s. 2141). Wohnungsbau- u. Familienheimgesetz (wie Anm. 22), §§ 33 ff.; § 58 ff. ; §§ 89 ff.

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für den sozialen Wohnungsbau, sowie zur einschlägigen Immobilienberatung, und es gestattet ihnen, sich an der Bedarfsdeckung als förderungsberechtigte Bauherren und Kleinsiedlungsträger zu beteiligen und dabei mit professionellen Bau- und Baubetreuungsunternehmen zu kooperieren. Ob und wie sie dies tun, entscheiden sie selbst. Ihre Entscheidung beeinflußt natürlich die gegebene Wettbewerbslage sowie das Marktgeschehen, sei es, daß die Kommunen als Auftraggeber, Förderer und Nachfrager, sei es, daß sie selbst als Unternehmer für Wohnungsbau, -Vermittlung, -Verwaltung und -management tätig werden. Artikel 97 Absatz 1 Satz 2 der sächsischen Gemeindeordnung begrenzt speziell derartige wohnungswirtschaftliche Engagements der Kommunen durch die Regelvermutung ihrer Zulässigkeit, wenn der von der Kommune unmittelbar oder mittelbar gehaltene Wohnungsbestand 20 vom Hundert des gesamten Wohnungsbestandes in der Kommune nicht überschreitet und ein Unternehmen nicht mehr als 15.000 Wohnungen verwaltet. In Bayern können Kommunen durch Art. 89 Absatz 3 Satz 2 ausdrücklich zur Wohnungsermittlung ermächtigt werden, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit angemessenen Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Eine ähnliche Rolle dürfen Kommunen im Bereich der sozialen Dienste spielen. Hier werden sie in einem Versorgungs- und Kooperationsverbund mit freien Wohlfahrtsverbänden und freigewerblichen Anbietern tätig:69 Das Pflege-Versicherungsgesetz von 199470 verpflichtet sie zur Förderung einer ortsnahen und aufeinander abgestirnrnten ambulanten sowie stationären pflegerischen Versorgung der Bevölkerung und zu Ergänzungsmaßnahmen. Es ordnet aber den Vorrang von Pflegeeinrichtungen freigemeinnütziger und freier Träger von Pflegeeinrichtungen vor solchen öffentlicher Träger an. 71 Ob kommunale Pflegeeinrichtungen sich dieser Rangordnung durchweg beugen müssen, ist zu bezweifeln. 72 Doch haben die Kommunen ungeachtet dessen die ortsspezifische Gesamtverantwortung für den Leistungszusammenhang administrativer und erwerbswirtschaftlicher Maßnahmen der verschiedenen Aufgabenträger und Unternehmer. Das Bundesverfassungsgericht hat dafür einen "Grundsatz des sinnvollen Einsatzes finanzieller Mittel und der Zusarnrnenarbeit" postuliert,73 dem die Kornrnunen verpflichtet sind. Im Bereich der Energieversorgung, die man zu den "angestarnrnten" Kommunalaufgaben rechnet, hat das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschafts69 Dazu u. a. Heinze!Naegele, Thesen zur Zukunft der sozialen Dienste, in: Theorie und Praxis der sozialen Arbeit 11 (1994), S. 419 ff.; Evers, The Wohlfahrtsmix Approach. Understanding the Pluralism of Welfare Systems, in: Evers I Svetlik (Hrsg.), Balancing Pluralism, 1993, s. 3 ff. 70 Gesetz v. 26. 5. 1994 (BGBI. I S. 1663), §§ 8, 11. 71 Zur Begründung BT-Drs. 12/5262, S. 92 (§ 8), 93 (§ 11). Zum vergleichbaren Verhältnis von öffentlicher und privater Jugendhilfe BVerfGE 22, S. 180 ff. n Grawert, Die Zuständigkeit der Kommunen für Pflegeeinrichtungen. Unveröffentlichtes Rechtsgutachten, 1996, insbesondere S. 73 ff. 73 BVerfGE 22, S. 180, 201, 206.

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rechts74 die bisherigen Monopol- und Standortvorteile der Kommunen beseitigt und diese in den freien Wettbewerb entlassen. Konnten die Kommunen sich bisher auf die Geschlossenheit ihrer Versorgungsgebiete stützen,75 so dürfen sie jetzt zwar weiterhin Elektrizität produzieren und verteilen, müssen aber ihre Wege- und Leitungsnetze auch anderen Anbietern öffnen. Infolgedessen stehen sie unter einem Rechtfertigungszwang und sind zugleich der interkommunalen sowie europaweiten Konkurrenz um Versorgungsgebiete und Großkunden ausgesetzt. 76 Dem Gesetz wurden Verfassungsverstöße vorgeworfen?7 Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Energieversorgung einst beiläufig als typische Kommunalaufgabe verzeichnet hatte, 78 hat es jüngst nur nach spezifischen Nachteilsfolgen für konkrete Unternehmen statt nach institutionellen Beeinträchtigungen gefragt. 79 Angesichts dessen sind die Kommunen gehalten, ihre Unternehmungen auf einem rechtlich offenen Markt neu zu positionieren: Konzentration auf gewinnträchtige Kerngeschäfte? Reduzierung auf Notstandsgebiete? Privatisierung und Unternehmensverkauf? Interkommunal-private Kooperation? Zugunsten der Kommunen und ihrer Stadtwerke sprechen nach wie vor Ortserfahrung, Kundennähe und Wegehoheit, Faktoren, mit denen die Kommunen auch im Wettbewerb wuchern können und die sich durch Professionalisierung, Entpolitisierung und facility-management anreichern lassen. Das System des verhandelten Netzzugangs zwingt zwar zu Durchleitungsverträgen, gibt den Kommunen aber auch eine Schlüsselposition zwischen Anbietern und Endverbrauchern, von der aus sie die Erfüllung der Versorgungsaufgabe mitverantwortlich steuern können.

Vgl. Anm. 37. Dazu statt vieler Langen! Niederleithniger I Ritter I Schmidt, Kommentar zum Kartellgesetz, 6. Aufl. 1982, zu§ 103. 76 Übergangsweise positiviert Art. 4 § 3 EnWG eine Schutzklausel zugunsten der Verstromung von Braunkohle in den Neuen Ländern - mit der Folge, daß manche Kommunen sich vom Bezug billigeren Stroms durch langfristige Verträge mit heimischen Produzenten abgeschnitten haben. Art. 1 § 6 III EnWG bevorzugt Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen u.lädt unternehmensfreudige Stadtwerke zum an sich anachronistischen Neubau solcher Anlagen ein, die bisher überwiegend defizitär arbeiten sollen. 77 Friauf, Energierechtsreform und kommunale Selbstverwaltung, in: Baur/Friauf (Hrsg.), Energierechtsreform zwischen Europarecht und kommunaler Selbstverwaltung, 1997, S. 55, 62, 85 ff.; Cronauge, Energierechtsreform und kommunale Selbstverwaltung, in: Städte- u. Gemeindebund 1995, S. 275, 279, 282.- A.A. Ossenbühl, Energierechtsreform und kommunale Selbstverwaltung, 1998, S. 14 ff.; A. Krebs, Rechtliche Grundlagen und Grenzen kommunaler Elektrizitätsversorgung, 1996, S. 315 ff.; Löwer; Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft, 1989, S. 233 ff. (differenzierend nach Produktion u. Verteilung); Leidinger, Energiewirtschaftsgesetz contra kommunale Selbstverwaltungsgarantie?, DOV 1999, S. 861 f., mit Hinweisen auf Verfassungsbeschwerden. 78 BVerfGE 6, S. 104, 116; 38, S. 258, 270; 3. Kammer des 1. Senats, NJW 1990, S. 1783: die Zurechnung erfolgte lediglich deskriptiv. Grundsätzlich BVerfGE 79, S. 127, 146: keine Garantie eines gegenständlich bestimmten Aufgabenbestandes. 79 BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 9. 9. 1999-2 BvR 1646/98; 2 BvR 2257 I 98 - , Umdruck, S. 8 ff. 74

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Ähnlich ist jetzt die Lage auf dem Gebiet der Telekommunikation, das als Neues Geschäftsfeld gilt, aufgrund des Telekommunikationsgesetzes von 1996.80 Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat sich beeilt, die Kommunen von lästigen öffentlich-rechtlichen Bindungen zu befreien. 81 Etliche Städte betreiben bereits die Vermarktung ihrer Netze und den Aufbau von Diensten. 82 Dafür ist der Markt allerdings erst noch zu schaffen - und deshalb wird die Bestimmung öffentlicher Zwecke problematisch werden. Ob die Kommunen ihre Netzbetriebe überhaupt zu Dienstleistungsbetrieben so ausbauen dürfen, wie dies die Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalens vorsieht, hängt zuvor von der Auslegung des Artikels 87 f Absatz 2 Satz 1 GG ab. Positiviert diese Norm ein Rückverstaatlichungsverbot, 83 dann schließt sie auch kommunale Betriebe aus. Ungeachtet dessen sichert die Wege- und Netzhoheit auch hier den Kommunen eine Schlüsselposition. Da die Kommunen in der Regel keine marktbeherrschende Stellung einnehmen, unterliegen sie nicht dem Prinzip des offenen Netzzugangs, das fremden Anbietern die intern genutzten und die öffentlich angebotenen Leistungen der Kommunen ohne weiteres zugänglich macht. 84 Betreiben die Kommunen aber öffentliche Kommunikationsnetze, dann müssen sie anderen Netzbetreibern auf Nachfrage ein Angebot auf Zusammenschluß der Netze abgeben. 85 Eine Alleinstellung ist dadurch ausgeschlossen. Der Bereich der örtlichen Telekommunikation ist also wie der der Energieversorgung durch das Steuerungselement der Wege- und Netzhoheit und im übrigen durch ein öffentlich-rechtlich geordnetes Nebeneinander von privaten, kommunalen und kooperierenden Anbietern ausgezeichnet. Ohne spezielle öffentlich-rechtlich Rahmenordnung finden die sogenannten neuen Geschäfte statt, die, autonomen Zielsetzungen folgend, bisher administrierte Hilfstätigkeiten und -betriebe - wie Planung, Fachberatung, Werkdienste, Managementtätigkeiten, Bau- und Reparatureinrichtungen - der Öffentlichkeit offeriert und marktgängig gemacht werden. Da Gewinnerzielung kein anerkanntes Verwaltungsziel ist, werfen derartige Unternehmen, die sich ihre Nachfragemärkte erst suchen und Bedarfe wecken müssen, besondere Rechtfertigungsprobleme auf, sofern sie nicht nur Annexe der Hoheitsverwaltung, Einrichtungsverwaltung oder notwendiger Wirtschaftsbetätigung sind. Vgl. Anm. 37. § 107 I Nr. 3 u. S. 2 mit Abs. 3 bis 5 NW GO; im wesentlichen zust. Pielow, NWVBI. 1999, S. 369, 372 ff.; krit. Ehlers, NWVBI. 2000, S. 1, 4 ff. 82 Insbesondere: Neubrandenburger Medianet KFA GmbH; Münchner Mnet Telecommunication GmbH; Kölner Netcologne GmbH; Düsseldorfer JSJS Multimedia Net GmbH. 83 Sou. a. Scholz, Unentgeltliche Durchleitungsrechte für Zwecke der Telekommunikation - Verfassungsgemäßes Korrelat zur Grundversorgung, ArchPT 1996, S. 95, 107; Bullinger, Durchleitungsrechte, Mitbenutzungsrechte und Planfeststellung für konkurrierende Telekommunikationsnetze, ArchPT 1998, S. 105, 127; Müller, Zur verfassungsrechtlichen Problematik kommunaler Unternehmen auf dem Telekommunikationsmarkt, DVBI. 1998, S. 1256, 1260 ff.; a.A. Kämmerer, Verfassungsstaat auf Diät?, JZ 1996, S. 1042, 1048. 84 Vgl. §§ 33 I I, 35 I 1 TKG. 85 § 37 TKG. 80 81

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Folgen die beispielhaft veranschaulichten Betätigungen der Kommunen einem Systemansatz, der die jeweils mögliche und ausgeübte Wirtschaftsbetätigung der Kommunen in einem Zusammenhang mit Verwaltungsfunktionen zu erklären erlaubt? In der Volkswirtschaftstheorie wird die Funktionsteilung zwischen Staatstätigkeit und Marktbereich im Anschluß an Musgrave's Allokationsmodell danach vorgenommen,86 wie der marktliehe Koordinationsmechanismus die erstrebte Bedarfsdeckung optimal zu leisten vermag: Läßt der Markt Lücken, versagt er vor dem Bedarf, leistet er nicht die erforderliche Versorgung, dann lassen sich allokationspolitische Eingriffe der staatlich organisierten Gemeinschaft in das Marktgeschehen rechtfertigen, dem grundsätzlich die größere und flexiblere Leistungsfähigkeit zugetraut wird. Für eine Gemeinschaft, die sich aus der Verbindung von Staat und Gesellschaft, von politischem und ökonomischem System entwickelt und im ständigen Wandel existiert, sind jedoch nicht Alternativen maßgebend, sondern Gemeinschaftsleistungen der beiden Steuerungssysteme des Marktes, so daß sich eine differenzierte Typik der Systembeziehungen ergibt: Unabhängige Staatstätigkeit, die durch Steuerungseingriffe auf das Marktgeschehen mittelbar einwirkt; korrektive Staatstätigkeit, die durch Eingriffe Marktparameter beeinflußt; additive Staatstätigkeit, die in das Marktgeschehen marktkonform eingreift, um insbesondere marktliehe Versorgungsleistungen zu ergänzen. Auf der Kommunalebene findet eine Mischung dieser Markteingriffstypen statt. Soweit keine bestimmten Lösungswege vorgeschrieben werden - Erschließungspflichten - , entscheiden die Kommunen autonom, ob sie Versorgungsaufgaben dem Preismechanismus des Marktes überlassen können - wie derzeit im Bereich der Lebensmittelversorgung - oder ob sie selbst Marktleistungen erbringen, um Defizite abzudecken - wie beim sozialen Wohnungsbau oder im Personennahverkehr -, oder um das Leistungs- und Preisniveau zu beeinflußen - kommunales Kino, kommunale Schülerhilfe - oder ob sie Dritte zu Marktleistungen stimulieren Wirtschaftsförderung - oder ob sie ihre Hoheitsbefugnisse steuernd einsetzen. Kommunale Unternehmen kommen vor allem in der Produktion meritorischer Güter - Güter zur Deckung von allgemein anerkannten Grundbedürfnissen - zum Einsatz: Hier gilt es, die Versorgung vor Marktrisiken und Marktschwankungen abzusichern und Preisgünstigkeil herzustellen. Die gesetzlich vorgeschriebenen und autonom verfügbaren Steuerungsinstrumente indizieren, welche Güterproduktionen und Dienstleistungen insoweit für notwendig gehalten werden. Liberalisierung heißt dann: Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit des Wettbewerbs oder Inkaufnahme von Risiken und Defiziten. Normative Ordnung und Steuerung heißt dann: Risikovorsorge und Bevorzugung politischer Vorgaben vor Preisregulierungen.

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Dazu Mackscheidt (wie Anm. 31), S. 47, 52 f.

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8. Wettbewerb und Ordnung In den letzten Jahrzehnten wurden Gemeinschafts-, Bundes- und Landesrecht vornehmlich von den Ideen der Wettbewerbsgesellschaft getrieben. Eine Rechtsordnung, die die Wirtschaft dem Wettbewerb überläßt, unterstellt ihm - aus Erfahrung oder Überzeugung - eine sich selbst regulierende Ordnung, die das gemeine Beste ergibt, und beschränkt die Ordnungskraft des Staates darauf, den Wettbewerb offen zu halten. Aber es ist nicht zu verkennen, daß ein Wettbewerbssystem versagt, wenn der Preismechanismus nicht funktioniert oder aus politischen und rechtlichen Gründen nicht zur Entfaltung kommen soll - wie im Krankenhauswesen, im Personennahverkehr und im Schulwesen. Defizitäre Betriebe sind für Privatunternehmen ohne Interesse, so daß die Varianten: Unter- bis Nichtversorgung, Wirtschaftsförderung, öffentliche Unternehmungen zur Entscheidung stehen. Dies gilt namentlich hinsichtlich meritorischer Güter. Sofern Unter- bis Nichtversorgung - etwa in Randgebieten oder bei einkommensschwachen Bevölkerungsteilen - inakzeptabel ist, kommt es darauf an, den Wettbewerb durch Ordnungspolitik zu ergänzen oder zu ersetzen. Diese Funktion fällt traditionsgemäß und typischerweise bei den Kommunen an. Aber dazu müssen sie personell und finanziell imstande sein oder instand gesetzt werden. Da ihre Beteiligung am freiem Markt den Wettbewerb nur stört oder steigert, ist die Eröffnung neuer und weiter Wirtschaftsräume kein zur Haushalts- und Bedarfsdeckung geeignetes Mittel. Eine marktergänzende Wirtschaftsbetätigung der Kommunen ist auf öffentliche Subventionen und auf Sonderzuständigkeiten angewiesen. Deshalb erscheint es angemessen, an den Leistungsgrenzen des Marktes die Steuerungshoheit der Kommunen hinsichtlich Infrastruktur und Grundversorgung zu stärken.

9. Leitthesen Die Frage, ob die Kommunen für einen unverfälschten Wettbewerb am Markt gerüstet sind, trifft auf ambivalente Antworten, die sich im Begriff einer hinkenden Wettbewerbsfähigkeit zusammenfassen lassen. 1. Den Horizont jeder kommunalen Wirtschaftsinitiative bildet der gemeinsame Binnenmarkt, der diskriminierungsfrei funktionieren soll. Er ist ein offener Markt, der Vorzugsstellungen und -maßnahmen nur duldet, insoweit "Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse" dies erfordern (Artikel 16, Artikel 86 Absatz 2 EGV). 2. Auf diesen Markt haben Verfassung und Gesetze die Kommunen durch Wirtschaftsermächtigungen eingerichtet, die deren Wettbewerbsfähigkeit begründen, aber keine grundrechtsgleiche Wirtschaftsfreiheit gewährleisten. 3•

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3. Die Wirtschaftsermächtigungen haben instrumentale Bedeutung für die Erfüllung der den Kommunen aufgedrungenen oder von diesen selbst definierten Aufgaben. Kommunale Wirtschaftsbetätigung muß dabei eines öffentlichen Zwecks wegen erforderlich oder durch einen solchen Zweck gerechtfertigt sein. 4. Die Landesgesetzgeber haben durch die Definition sogenannter nichtwirtschaftlicher Betätigungen die erforderliche Rechtfertigung von Gesetzes wegen kategorial vorgegeben, so daß die Kommunen insoweit ohne besondere Rechtfertigung am Wettbewerb teilnehmen dürfen und deshalb nicht der Wettbewerbsstörung geziehen werden können. 5. Ob derartige Bereichsdefinitionen auch "Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse" im Sinne von Artikel 86 Absatz 2 EGV unvorgreiflich kategorisieren und dadurch Privilegierungen durch Vorrangstatus oder Beihilfen rechtfertigen können, hängt von der noch ungewissen Auslegung des Gemeinschaftsrechts ab: Behält es sich Konkretisierungen für unternehmensspezifische Interessen vor, dann können die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten nur als Systemelemente in die Auslegung und Anwendung im Einzelfall eingehen. 6. Von dieser Alternative hängt unter anderem ab, ob kommunalen Energieversorgern eine Position eingeräumt werden darf, die eine wettbewerbsunabhängige, stetige, flächendeckende und preisgünstige Versorgung sichert, und ob Sparkassen durch die kommunale Gewährträgerschaft bevorzugt werden dürfen. 7. Im übrigen wirken derartige Legalrechtfertigungen nicht als Privilegierungen, sondern als Rechtsgleichstellungen mit privaten Wettbewerbern, die in sogenannten wirtschaftlichen Bereichen aufgrund ihres Grundrechtsstatus ohne weiteres tätig sein dürfen. 8. Diese Bereiche stehen den Kommunen auch zur Bestellung neuer, das heißt: bisher zugänglicher, aber nicht wahrgenommener sogenannter Geschäftsfelder im Rahmen der Selbstverwaltungszuständigkeit zur Verfügung, insoweit die gesetzlichen Zweckrahmen eingehalten werden. 9. Der Ausbau verwaltungstechnischer Hilfstätigkeiten wie Datenermittlung, Vorplanung, Programmentwicklung und verwaltungsinterner Hilfsbetriebe zu öffentlichen Dienstleistungsangeboten, das heißt: zur Eröffnung Neuer Geschäftsfelder, ist insoweit unproblematisch, als er der Funktionserhaltung dient und den Rahmen der Randnutzung nicht übertrifft, stößt im übrigen aber auf den Einwand der Unzuständigkeit und damit auf die Kritik einer nur gewinnorientierten Erwerbswirtschaft. 10. Zwar schließt weder die Zuständigkeit zu nichtwirtschaftlicher noch die zu wirtschaftlicher Betätigung gewinnorientierte Unternehmen und damit Wertschöpfung zugunsten kommunaler Haushalte aus. Doch sieht die herrschende Meinung in der überwiegenden Gewinnabsicht keinen auch nur mittelbar legitimierenden öffentlichen Zweck, so daß Erwerbsunternehmen die Rechtsrisiken der Mindermeinung teilen.

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11. Die wirtschaftliche Betätigung im engeren gesetztestechnischen Sinne ist im Unterschied zur nichtwirtschaftlichen Betätigung nur erlaubt, wenn sie durch einen zu definierenden, unternehmensspezifischen öffentlichen Zweck gefordert wird beziehungsweise gerechtfertigt werden kann. 12. Die vorzunehmende und auszuweisende Zweckbestimmung steht den autonomen Kommunen ebenso zu wie die Entscheidungsprärogativen hinsichtlich Erforderlichkeit beziehungsweise Rechtfertigung. Infolgedessen sind Kommunalaufsicht und Justiz im wesentlichen auf Verfahrens- und Mißbrauchskontrollen beschränkt. Dies garantiert den Kommunen eine gewisse gebundene Gestaltungsfreiheit 13. Die öffentliche Zweckbindung ist in Ausgründungen zu perpetuieren, wobei einige Kommunalordnungen Subausgründungen nicht ausdrücklich umfassen, aber umfassen sollten. Reine Kapitalbeteiligungen der Kommunen sind demnach unzulässig. Vielmehr haben die ausgründenden Kommunen public-private-partnerships in ihre Aufgabenzuständigkeit einzubinden. Ob die Rechtsprechung diesen Konsequenzen ausnahmslos folgt, ist allerdings noch nicht sicher, so daß für Rechtspolitik Raum ist. 14. Da Kommunen als demokratisch legitimierte, politisch geführte und fachkompetente Verwaltungsträger eingerichtet sind, findet ihre Ermächtigung zu Ausgründungen dort eine Mißbrauchsgrenze, wo die kommunale Führungs- und Verwaltungskraft nicht mehr vollziehbar ist. 15. Public-private-partnerships sind Instrumente zur Verbindung kommunaler Verwaltungskompetenz mit der Sachkenntnis, dem Kapital und der Markterfahrung Privater. Sie können daher die Wettbewerbsfähigkeit kommunaler Unternehmen anreichern. 16. Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, dem die Kommunen aus haushaltsökonomischen Gründen zu folgen haben, widerspricht Hilfsbetrieben und wirtschaftlichen Betätigungen, deren Leistungen am Markt günstiger und ebenso erfolgreich abgerufen werden können. 17. Das grundgesetzlich nicht vorgeschriebene, aber in der Hälfte der Länder kommunalgesetzlich traditionsgemäß positivierte - echte oder unechte - Subsidiaritätsprinzip weist kommunale Unternehmensgründungen in den Nachrang hinter privaten Initiativen und Betätigungen. Zur nachträglichen Einstellung eines laufenden Betriebes führt es nur bei unlauterem Wettbewerbs verhalten. 18. Da Subsidiarität Vergleichbarkeit der Leistungen und diese ein Anforderungsprofil voraussetzen, haben es die Kommunen im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative im wesentlichen in der Hand, ihre Marktposition aufgabengemäß zu bestimmen. 19. Weil die generalklauselartig unbestimmten Gesetzesbegriffe der Ermächtigungen zu wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Betätigung den Kommunen erhebliche Auslegungs- und Gestaltungsspielräume lassen, greifen Rechtsaufsicht

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und Justizkontrolle weder zum Schutz der Gemeinden vor Marktrisiken noch zum Schutz der Privatwirtschaft vor der Konkurrenz öffentlicher Unternehmen intensiv genug. 20. Infolgedessen bleibt das kommunalgesetzliche Ordnungsprogramm für das Verhältnis von Kommunal- und Privatwirtschaft imperfekt. Korrekturen erfolgen fallweise auf Rechtsschutzinitiativen einzelner privater Wettbewerber, die Wettbewerbsverstöße riigen. Dadurch ist den für derartige Wettbewerbsstreitigkeiten zuständigen Zivilgerichten eine eigenartige Kompetenz zur Justierung der Wirtschaftsordnung zugewachsen. 21. Entgegen der Verwaltungsrechtsprechung anerkennt eine im Schrifttum vordringende Auffassung die Möglichkeit eines subjektivierten Grundrechtsschutzes vor wettbewerblieh einschneidenden Wirtschaftsbetätigungen der Kommunen. 22. Der kommunale Wirtschaftsraum deckt sich nach herrschender Meinung in der Regel mit den Grenzen der Gebietskörperschaft. Vereinzelte Stimmen plädieren für eine grenzenlose Wirtschaftsfreiheit der Kommunen, die Artikel 28 Absatz 2 GG nicht garantiert. 23. Grenzüberschreitende Wirtschaftsbetätigungen der Kommunen sind jedenfalls zulässig in den öffentlich- und privatrechtliehen Formen der kommunalen Zusammenarbeit. 24. Die neueren Beriicksichtigungsklauseln enthalten keine Ermächtigungen zu einseitigem Eindringen in die Wirtschaftsräume anderer Kommunen; sie ermöglichen aber eine schlichte, einverständliche Kooperation. 25. Da Artikel 28 Absatz 2 GG keine bestimmten Sachzuständigkeiten gewährleistet, unterliegen auch sogenannte angestammte Kerngebiete wie die Energieversorgung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips gesetzlichen Dispositionen. Diese lassen sich durch gemeinschafts- und grundrechtliche Ziele der Marktordnung rechtfertigen. 26. Die Öffnung kommunaler Wirtschaftsräume für auswärtige, private Wettbewerber kann bei einzelnen Unternehmen gemäß den Voraussetzungen des Artikels 86 Absatz 2 EGV unter Darlegung der besonderen Gemeininteressen und deren Schutzbedürftigkeit vor offenem Wettbewerb im Einzelfall relativiert und sogar aufgehoben werden. 27. Die Märkte für Energieversorgung und Telekommunikation sind allerdings aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben durch das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts und des Telekommunikationsgesetzes unvorgreiflich liberalisiert worden. Die Liberalisierung betrifft Gebiete, die einerseits zum sogenannten angestammten Kern und andererseits zu den neuen Geschäftsfeldern gehören, die ökonomisch besonders attraktiv sind.

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28. Die Kommunen müssen auf jenen Gebieten regelmäßig private Konkurrenten in ihren Wirtschaftsräumen dulden, dürfen aber auch selbst fremde Netze nutzen. 29. Sich auf den erweiterten Markt einstellen, heißt Professionalisierung und Entpolitisierung der Unternehmensführung, Begründung, strategischer und operativer Partnerschaften, Intensivierung der Netzbetriebe, Verbindung der Verteilung mit facility-management samt Kundenpflege. 30. Das Baugesetzbuch, das Zweite Wohnungsbaugesetz, das Kreislaufwirtschaftsgesetz, das Energiewirtschaftsgesetz, das Telekommunikationsgesetz und andere Bundes- sowie Landesgesetze weisen den Kommunen typische Schlüsselpositionen an den diversen Märkten zu: Die Bauplanungs-, die Wege- und die Netzhoheit ermächtigen die Kommunen, das Wirtschaftsgeschehen bereichsweise zu steuern beziehungsweise die Netzvermarktung ökonomisch und strategisch zu betreiben und dergleichen auf diesen Wegen die Marktzugänge zu kontrollieren und von Hoheits wegen für die Versorgung ihrer Einwohnerschaft zu sorgen. Derartige Position sollte der Gesetzgeber zur Ordnung des Wettbewerbs stärken. 31. Die Arbeitsteilung zwischen Verwaltung und (Privat-)Wirtschaft läßt sich als Strukturelement einer kooperativen Bedarfsdeckung verstehen. 32. Strukturpolitisch sollten Hoheitsverwaltung, Wirtschaftsförderung, Kommunal- und Privatwirtschaft effektiv zusammenwirken. In diesem Zusammenhang kommen der Kommunalwirtschaft eine Initiativ-, Ergänzungs- und Ersatzfunktion zu, die primär durch Abgabenhoheit und Finanzausstattung sicherzustellen sind.

10. Quellenmaterial

(zusammengestellt von stud. iur. Meike Henneke, Zur Datenbasis vgl. Fußnote. 1)

a) Artikell6 EGV

Unbeschadet der Artikel 73, 86 und 87 und in Anbetracht des Stellenwerts, den Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse innerhalb der gemeinsamen Werte der Union einnehmen, sowie ihrer Bedeutung bei der Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts tragen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse im Anwendungsbereich dieses Vertrags dafür Sorge, daß die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren dieser Dienste so gestaltet sind, daß sie ihren Aufgaben nachkommen können.

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b) Artikel 86 EGV (1) Die Mitgliedstaaten werden in bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine diesem Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 12 und 81 bis 89 widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten. (2) Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Vorschriften dieses Vertrages, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft. (3) Die Kommission achtet auf die Anwendung dieses Artikels und richtet erforderlichenfalls geeignete Richtlinien oder Entscheidungen an die Mitgliedstaaten.

c) Artikel28 Absatz 2 GG Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

d) § 67 Deutsche Gemeindeordnung v. 1. 1. 1935 (1) Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen nur errichten oder wesentlich erweitern, wenn

l. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt,

2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht, 3. der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann.

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(2) Wirtschaftliche Unternehmen im Sinne dieses Abschnitts sind nicht 1. Unternehmen, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, 2. Einrichtungen des Unterrichts-, Erziehungs- und Bildungswesens, der körperlichen Ertüchtigung, der Kranken-, Gesundheits- und Wohlfahrtspflege. Auch diese Unternehmen und Einrichtungen sind nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verwalten. (3) Bankunternehmen darf die Gemeinde nicht errichten. (4) Für das öffentliche Sparkassenwesen verbleibt es bei den besonderen Vorschriften.

e) Artike/89 Gemeindeordnung Bayern i.d.F. v. 6. 1. 1993 (1) Die Gemeinde darf wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen oder erweitern, wenn 1. der öffentliche Zweck das Unternehmen erfordert, 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht, 3. der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann. (2) Gemeindliche Wirtschaftsunternehmen dürfen keine wesentliche Schädigung und keine Aufsaugung selbständiger Betriebe in Landwirtschaft, Handwerk, Handel, Gewerbe und Industrie bewirken. (3) Bankunternehmen darf die Gemeinde nicht errichten. Für das öffentliche Sparkassenwesen verbleibt es bei den besonderen Vorschriften. Gemeinden, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, können mit Genehmigung der örtlich zuständigen Regierung Wohnungen vermitteln. (4) Unternehmen einer Gemeinde, die nicht auf das Gemeindegebiet beschränkt bleiben, bedürfen der Genehmigung.

f) Artike/87 Gemeindeordnung Bayern i.d.F. v. 22. 8. 1998 (1) Die Gemeinde darf ein Unternehmen im Sinne von Art. 86 nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn 1. ein öffentlicher Zweck das Unternehmen erfordert, insbesondere wenn die Gemeinde mit ihm gesetzliche Verpflichtungen oder ihre Aufgaben gemäß Art. 83 Abs. 1 der Verfassung und Art. 57 dieses Gesetzes erfüllen will,

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Rolf Grawert 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht, 3. die dem Unternehmen übertragenden Aufgaben für die Wahrnehmung außerhalb der allgemeinen Verwaltung geeignet sind, 4. bei einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann.

Alle Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen die Gemeinde oder ihre Unternehmen an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnehmen, um Gewinn zu erzielen, entsprechen keinem öffentlichen Zweck. Soweit Unternehmen entgegen Satz 2 vor dem 1. September 1998 errichtet oder übernommen wurden, dürfen sie weitergeführt, jedoch nicht erweitert werden. (2) Die Gemeinde darf mit ihren Unternehmen außerhalb des Gemeindegebiets nur tätig werden, wenn dafür die Voraussetzungen des Absatzes l vorliegen und die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind. Bei der Versorgung mit Strom und Gas gelten nur die Interessen als berechtigt, die nach den Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen. (3) Für die Beteiligung der Gemeinde an einem Unternehmen gilt Absatz l entsprechend. Absatz 2 gilt entsprechend, wenn sich die Gemeinde an einem auch außerhalb ihres Gebietes tätigen Unternehmen in einem Ausmaß beteiligt, das den auf Gemeindegebiet entfallenden Anteil an den Leistungen des Unternehmen erheblich übersteigt. (4) Bankunternehmen darf die Gemeinde weder errichten noch sich an ihnen beteiligen. Für das öffentliche Sparkassenwesen verbleibt es bei den besonderen Vorschriften. Die Gemeinde kann einen einzelnen Geschäftsanteil an einer eingetragenen Kreditgenossenschaft erwerben, wenn eine Nachsch~ßpflicht ausgeschlossen oder die Haftsumme auf einen bestimmten betrag beschränkt ist.

g) § 100 Gemeindeordnung Brandenburg v. 15. 10. 1993 (l) Wirtschaftliche Betätigung im Sinne dieses Gesetzes ist das Herstellen, Anbieten oder Verteilen von Gütern, Dienstleistungen oder vergleichbaren Leistungen, die ihrer Art nach auch mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden können. (2) Die Gemeinde darf sich zur Erledigung von Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft wirtschaftlich betätigen, wenn l. der öffentliche Zweck dies rechtfertigt und

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2. die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht.

h) § 107 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen i.d.F. v. 14. 7. 1994 (1) Die Gemeinde darf sich zur Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wirtschaftlich betätigen, wenn 1. ein dringender öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert und 2. die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht. Als wirtschaftliche Betätigung ist der Betrieb von Unternehmen zu verstehen, die als Hersteller, Anbieter oder Verteiler von Gütern oder Dienstleistungen am Markt tätig werden, sofern die Leistung ihrer Art nach auch von einem Privaten mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden könnte.

i) § 107 GemeindeordnungNordrhein-Westfalen i.d.F. des Ersten Modemisierungsgesetzes v. 15. 6. 1999 (1) Die Gemeinde darf sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben wirtschaftlich betätigen, wenn

1. ein öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert, 2. die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht und 3. bei einem Tätigwerden außerhalb der Energieversorgung, der Wasserversorgung, des öffentlichen Verkehrs sowie des Betriebes von Telekommunikationsleitungsnetzen der öffentliche Zweck durch andere Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann. Als wirtschaftliche Betätigung ist der Betrieb von Unternehmen zu verstehen, die als Hersteller, Anbieter oder Verteiler von Gütern oder Dienstleistungen am Markt tätig werden, sofern die Leistung ihrer Art nach auch von einem Privaten mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden könnte. (3) Die wirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind. Bei der Versorgung mit Strom und Gas gelten nur die Interessen als berechtigt, die nach den Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen. (4) Die Aufnahme einer wirtschaftlichen Betätigung oder einer nicht wirtschaftlichen Betätigung nach Absatz 2 Nr. 4 auf ausländischen Märkten bedarf der Genehmigung.

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(5) Vor der Entscheidung über die Gründung von bzw. die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an Unternehmen im Sinne des Absatzes 1 ist der Rat auf der Grundlage einer Marktanalyse über die Chancen und Risiken des beabsichtigten wirtschaftlichen Engagements und über die Auswirkungen auf das Handwerk und die mittelständische Wirtschaft zu unterrichten. Den örtlichen Selbstverwaltungsorganisationen von Handwerk, Industrie und Handel und der für die Beschäftigten der jeweiligen Branche handelnden Gewerkschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Marktanalysen zu geben.

j) § 71 Kommunalordnung Thüringen i.d.F. v. 14. 4. 1998

(1) Ungeachtet des mit ihnen verfolgten öffentlichen Zwecks darf die Gemeinde wirtschaftliche Unternehmen nur gründen, übernehmen oder erweitern, wenn 1. der öffentlichen Zweck das Unternehmen erfordert, 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht, 3. der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Gegebenenfalls ist ein Markterkundungsverfahren unter Einbindung der betroffenen örtlichen Betriebe in Landwirtschaft, Handel, Gewerbe und Industrie durchzuführen. (2) Wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde dürfen keine wesentliche Schädigung und keine Aufsaugung selbständiger Betriebe in Landwirtschaft, Handel, Gewerbe und Industrie bewirken. (3) Bankunternehmen darf die Gemeinde nicht gründen. Für das öffentliche Sparkassenwesen verbleibt es bei den besonderen Vorschriften. Gemeinden, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, können mit Genehmigung des Landesverwaltungsamts Wohnungen vermitteln.

Wirtschaftliche Betätigung von Städten und Gemeinden Grenzen und Möglichkeiten angesichts steigenden Wettbewerbs sowie zunehmender Finanzkrise Von Gerd Landsberg Sehr geehrte Damen und Herren, zunächst möchte ich mich herzlich bedanken, daß ich Gelegenheit erhalte, zur Problematik der wirtschaftlichen Betätigung von Städten und Gemeinden hier vorzutragen. Bei diesem Thema handelt es sich unzweifelhaft um ein sehr heisses Eisen. Zwischen Wirtschaft, Politik, Kommunen und deren Verbänden wird heftig diskutiert. Auch hier gilt allerdings der Grundsatz: Unter 100 Besserwissern ist regelmäßig nur ein Bessermacher. Ich möchte meinen Vortrag wie folgt gliedern: 1. Die Dimension der Kommunalwirtschaft

2. Die jeweils extremsten Auffassungen 3. Das Meinungsbild innerhalb des Deutschen Städte- und Gemeindebundes 4. Aktuelle Fragen im Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung der Kommunalwirtschaft

1. Die Dimension der Kommunalwirtschaft Die Dimension, meine Damen und Herren, lässt sich am Besten anhand von einigen Zahlen verdeutlichen: Allein die Stadtwerke hatten im Jahr 1998 mehr als 150.000 Beschäftigte. Sie tätigten Investitionen in Höhe von 14 Milliarden DM. Im selben Jahr deckten die kommunalen Versorger 36 Prozent des Stromverbrauchs, 62 Prozent des Wärmebedarfs, 73 Prozent der Gasnachfrage und 51 Prozent des Wasserverbrauchs in Deutschland. Schon diese Zahlen machen deutlich, daß es hier nicht nur um einen Theorienstreit geht. Dahinter stehen gewachsene Wirtschaftsstrukturen, gestaltende Kommunalpolitik vor Ort, Aufgabenwahrnehmung für die Bürgerinnen und Bürger und nicht zuletzt auch Arbeitsplätze.

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2. Die extremen Auffassungen

Aus der Sicht eines Unternehmers mit einem kleinen oder mittelständischen Betrieb wird folgendes zu gelten haben: Jede wirtschaftliche Tätigkeit von Städten und Gemeinden in Wirtschaftsbereichen, die auch durch ihn abgedeckt werden können, wird er als unliebsame Konkurrenz auffassen. Er fragt sich, ob das kommunale Unternehmen ihm gegenüber mit günstigeren Wettbewerbsvoraussetzungen versehen ist. Die zweite Sichtweise ist die des Leiters eines Stadtwerkes. Dieser wiederum sieht sich in seinen angestammten Tätigkeitsfeldern stark veränderten Rahmenbedingungen gegenüber. Verursacht wurden diese Veränderungen durch die Liberalisierung weiter Bereiche der Aufgaben der Daseinsvorsorge. Bestes Beispiel hierfür ist der Energiemarkt Bestanden in diesem Bereich bisher Versorgungsgebiete mit Monopolstellungen der Anbieter, ist nunmehr der Wettbewerb um jeden einzelnen Stromkunden entbrannt. Ich erspare Ihnen an dieser Stelle die Frage nach der Farbe des Stromes. Doch nun zunächst zu dem privatwirtschaftliehen Unternehmer. Nach seiner Auffassung führt die kommunalwirtschaftliche Betätigung zu Wettbewerbsverzerrung bis hin zur Existenzgefährdung von Handwerkern und sonstigen mittelständischen Unternehmen. Zur Begründung seiner Behauptung, dass kommunale Dienstleister und privatwirtschaftliche Unternehmen unter ungleichen Voraussetzungen arbeiten, nennt er folgende Argumente: Kommunale Betriebe trügen kein Konkursrisiko, sie könnten sich über städtische Bürgschaften absichern und erhielten auf diese Weise niedrigere Zinsen; darüber hinaus fänden auch Quersubventionierungen statt; des weiteren erreichten kommunale Betriebe durch die Verknüpfung mit amtlichen Tätigkeiten einen besseren Inforrnationszugang; und außerdem sei auch ein Amtsbonus bei potentiellen Kunden nicht auszuschließen. Nach einer Umfrage des Nordrhein-Westfälischen Handwerkstages fühlt sich bereits jeder 12. der befragten Handwerksbetriebe von der kommunalen Konkurrenz betroffen. Die Kommunen sollten daher nur im Bereich der Daseinsvorsorge wirtschaftlich aktiv werden. Und auch nur dann, wenn Güter und Dienstleistungen, die für die Versorgung der Bevölkerung als unverzichtbar angesehen werden, durch private Anbieter nicht, oder nicht in ausreichendem Umfang oder Qualität zur Verfügung gestellt werden. Populärstes Beispiel für die so kritisierte wirtschaftliche Betätigung einer Stadt ist das oft zitierte Fingernagel-Studio der städtischen Wohnungsbaugesellschaft in Mühlheim. Weniger plakativ zum Ausdruck gebracht und auf die Ebene des Gemeindewirtschaftsrechts heruntergebrochen, stellt sich die Position des privaten Unternehmers folgendermaßen dar: Kommunale Wirtschaft muss immer einen öffentlichen Zweck verfolgen. Sie ist kein Selbstzweck. Erfolgt eine Bedürfnisbefriedigung aus Sicht des Bürgers bereits

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durch den Markt, bedarf es der öffentlichen Aufgabenerfüllung nicht. Im Extremfall heißt das, ändern sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen, wird ein Markt dereguliert und werden die Aufgaben der Daseinsvorsorge nunmehr durch einen Privaten erfüllt, muss die Gemeindewirtschaft weichen. Dies gilt selbst dann, wenn die Aufgabe bisher durch die Gemeinde zur vollsten Zufriedenheit der Bürger erfüllt wurde. Schon die privaten Unternehmer zur Zeit der Weimarer Republik forderten den Gesetzgeber auf, die unternehmefischen Aktivitäten der Kommunen zu begrenzen. Die spätere Deutsche Gemeindeordnung traf daher folgende grundsätzlichen Aussagen: "Ein öffentlicher Zweck muß die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde rechtfertigen, die Tiitigkeit muß in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen, und sie darf nicht durch andere besser und wirtschaftlicher erledigt werden können." Diese Regelungen prägen die Gemeindeordnungen bis heute. Vollig konträr stellt sich die Auffassung des oben vorgestellten Leiters eines Stadtwerkes dar. Aus seiner Sicht ist die historisch gewachsene Teilhabe der Kommunen am Wirtschaftsleben nachhaltig gefährdet. Die monopolartigen Strukturen in den angestammten Geschäftsfeldern der Kommunen sind aufgegeben worden. Wettbewerb und Deregulierung wurden durch gesetzgebensehe Maßnahmen umgesetzt. Zu nennen ist z. B. der Bereich der Abfallentsorgung aber auch der schon erwähnte Energiemarkt und die hier erfolgte Aufgabe geschlossener Versorgungsgebiete. An dieser Stelle setzt auch eine weitere starke Veränderung an, die zunehmende Globalisierung. Sie verschärft den Wettbewerb noch. Selbst ausländische Investoren drängen auf den bisher kommunalen Markt der unterschiedlichen Versorgungssparten wie Strom, Gas und Wasser. Der verstärkte Wettbewerb hat für das kommunale Unternehmen weitreichende Folgen. Zum einen geht die Aufgabenwahrnehmung in herkömmlichen Tätigkeitsfeldern zurück. Nicht ausgelastete Kapazitäten, insbesondere im Bereich des Personals, suchen neue Aufgaben. Entlassungen sind keine Maßnahmen, die sich für die Kommunalpolitik in der Öffentlichkeit darstellen lassen. Gesucht werden also neue Aufgabenfelder, wie z. B. die Telekommunikation. Aber auch Dienstleistungen, die bisher nur innerhalb des kommunalen Unternehmens angeboten wurden, sollen nun Dritte als Kunden erreichen. Als Beispiel zu nennen wäre hier die Werkstatt des kommunalen Fuhrparks. Eine andere Folge des zunehmenden Wettbewerbs ist das Abschmelzen der bisher erwirtschafteten Überschüsse in einigen Sparten. Das Geld das im Energiesektor nicht mehr verdient wird, kann den defizitären ÖPNV nicht mehr unterstützen. Der Querverbund wird faktisch abgeschafft. Zukünftig muss sich der Kämmerer überlegen, mit welchen Mitteln er diese Aufgabe erfüllen will. Sollen Gelder aus seinem Haushalt eher für den Kindergarten oder für den Busverkehr ausgegeben werden. Daher steht aus der Sicht unseres Leiters der Stadtwerke fest: sollen sich auch zukünftig die kommunalen Unterneh-

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men mit ihren unterschiedlichen Aufgaben aus sich selbst heraus finanzieren, muss er neue Einnahmen erschließen. Auch dies sei an dieser Stelle nicht verschwiegen, die angespannte finanzielle Situation in vielen Städten und Gemeinden lässt Begehrlichkeilen gegenüber den eigenen Unternehmen wachsen. Es soll möglichst ein Gewinn erwirtschaftet werden, der dem Gemeindehaushalt zugeführt werden kann. Aufgrund dieser Überlegungen empfindet der Leiter des Stadtwerkes das bestehende Gemeindewirtschaftsrecht als eine Fessel. In seinem Bemühen, neue Tatigkeitsfelder und neue Einnahmequellen zu erschliessen, sind insbesondere Subsidiaritätsklauseln und das Örtlichkeitsprinzip hinderlich. Aber auch das Gebunden sein an einen öffentlichen Zweck möchte er gerne aufweichen.

3. Die Positionen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Auch unser Verband hat sich mit diesem Thema sehr eingehend befasst. Zuletzt im September 1999 hat das Präsidium seine Position bestimmt. Es sprach sich dafür aus, dass die wirtschaftliche Betätigung stets von einem öffentlichen Zweck getragen werden muss. Ein Tätigwerden außerhalb des eigenen Gemeindegebietes soll möglich sein. Allerdings ist dazu die Zustimmung der betroffenen Nachbargemeinde erforderlich. Eine Ausnahme besteht für europarechtlieh deregulierte Märkte. Dies trifft insbesondere auf den Energiemarkt zu. Sollten noch weitere Bereiche dereguliert werden, sind auch hier die kommunalen Belange zu beriicksichtigen. Subsidiaritätsklauseln lehnt das Präsidium ab. Das Präsidium hat sich bei seinem Beschluss von folgenden Erwägungen leiten lassen: Wirtschaftliche Betätigung ist nicht Selbstzweck. Sie muss sich an der Notwendigkeit der Erfüllung eines öffentlichen Zwecks orientieren. Sie dient den öffentlichen Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Dies allein ist die Rechtfertigung für die wirtschaftliche Betätigung von Städten und Gemeinden. Wann liegt jedoch ein solcher öffentlicher Zweck vor? Entscheidend ist, dass die kommunalen Unternehmen nicht auf ihre momentanen Tätigkeitsfelder festgelegt werden. Sie müssen weiterhin die Möglichkeit haben, auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Sie benötigen ein gewisses Maß an wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit Diese soll sich an den örtlichen Bedürfnissen und Angeboten orientieren. Noch einige Überlegungen zum Örtlichkeitsprinzip: Für die Diskussion um das Örtlichkeitsprinzip ist die Liberalisierung des Energiemarktes von ganz entscheidender Bedeutung. Die Klagen der kommunalen Energieversorgungsunternehmen sind berechtigt. In ihrem bisherigen Wirkungskreis sind sie nunmehr der Konkurrenz anderer Anbieter ausgesetzt. Sie selbst dürfen aber nicht über die Grenzen ih-

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rer Kommunen hinaus im Bereich anderer Anbieter tätig werden. "Faire Wettbewerbsbedingungen" war daher das entscheidende Stichwort für den Beschluss des Präsidiums. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund präferiert jedoch Lösungen, die die betroffenen Städte- und Gemeinden im Konsens miteinander finden. Gefordert werden daher Regelungen im Gemeindewirtschaftsrecht, die dies berücksichtigen. Daher: wirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebietes ,ja", aber nur mit Zustimmung der betroffenen Gemeinde. Anders verhält es sich in liberalisierten Märkten. Die hier verordnete Deregulierung setzt die ungehinderte Marktteilnahme voraus. Die Zustimmung der betroffenen Gemeinden ist daher obsolet. Dies trifft aktuell auf den Energiemarkt zu. Aber die Deregulierung des Wasser- und Abwassermarktes wird schon diskutiert. Damit komme ich zum vierten Abschnitt meines Vortrages, nämlich zu den aktuellen Fragen im Zusammenhang mit der Kommunalwirtschaft

4. Aktuelle Fragen im Zusammenhang mit derKommunalwirtschaft

Zwei Themen möchte ich Ihnen näherbringen: "die Liberalisierung der Wasserwirtschaft" und "die neuerliche Diskussion um Gewährträgerhaftung und Anstaltslast bei Sparkassen".

a) Die "Liberalisierung der Wasserwirtschaft"

Gespräche mit Vertretern der Europäischen Kommission haben gezeigt: die Liberalisierung der Wasserwirtschaft ist noch kein europäisches Thema. Eine Deregulierung ist noch nicht geplant. Grenzüberschreitender Handel mit Wasser findet noch nicht statt. Die Freizügigkeitsregeln des EG-Vertrages sind daher nicht einschlägig. Ich betone bei alldiesen Aussagen das Wort "noch". Anders sieht es schon heute auf nationaler, auf deutscher Ebene aus. Insbesondere im Bundeswirtschaftsministerium bestehen Überlegungen, die deutsche Wasserwirtschaft zu deregulieren. Die geschlossenen Versorgungsgebiete sollen auch hier aufgegeben werden. Gründe für diese Pläne sind in der Globalisierung der Wasserwirtschaft zu suchen. Die deutsche Wasserwirtschaft soll exportfähig werden. Diese Fähigkeit verspricht man sich aber nur von größeren Einheiten. Bisher werden ausländische Projekte im Bereich der Wasserwirtschaft überwiegend von englischen und französischen Unternehmen bestritten. Man geht scheinbar davon aus, dass allein schon ihre Größe sie dazu besser befähigt. Einige Zahlen zur Verdeutlichung: In Deutschland bestehen im Bereich der Wasserversorgung mehr als 6600 Unternehmen, davon in den Neuen Ländern etwa 540. In England sind von vormals 3500 lediglich 10 regionale und 14lokale Unter4 Reichard

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nehmen verblieben. Noch deutlicher ist das Bild in Frankreich. Dort existieren lediglich 4 große Unternehmen. Ich möchte an dieser Stelle nicht falsch verstanden werde. Ich vertrete nicht die Auffassung, dass überkommene Strukturen um ihrer selbst willen erhalten werden sollen. Aber die Deregulierung ist auch kein Königsweg. Das Ziel, die deutsche Wasserwirtschaft fit für den Export zu machen, ist unterstützenswert. Die Anregung dazu wurde durch die Weltbank gegeben. Der Weltmarkt der Wasserwirtschaft braucht neue Mitspieler. Der Weg dahin führt aber nicht zwangsläufig über größere Einheiten in Deutschland. Die bestehenden Strukturen müssen nicht zerschlagen werden. Ausreichend wäre schon eine Zusammenarbeit geeigneter kommunaler Unternehmen. Auch eine Kooperation mit privaten Anbieter ist denkbar. So bleibt die Bürgemähe vor Ort gewahrt und trotzdem wird die Exportfähigkeit ermöglicht.

b) Die Sparkassendiskussion

Das zweite Thema ist die neuerliche Diskussion um die Gewährträgerhaftung und die Anstaltslast der Kommunen für ihre Sparkassen: Gefahren für die Sparkassenstrukturen in Deutschland drohen hier aus Europa. Da dies heute Nachmittag noch Gegenstand einer Arbeitsgruppe sein wird, möchte ich nur kurz darauf eingehen. Sollte die Europäische Kommission die Gewährträgerhaftung und die Anstaltslast als Beihilfen im Sinne des EG-Vertrages einstufen, werden die Sparkassen in der heutigen Form nicht weiterbestehen können. Entweder werden die Sparkassen als Gegenleistung für diese Garantien ein Entgelt an ihre Trägerkommunen zahlen müssen, oder sie wechseln ihre Rechtsform. Zukünftig wären sie dann möglicherweise auch keine Anstalten des öffentlichen Rechts mehr. Auch zu dieser Problematik haben wir das Gespräch mit der Kommission gesucht. Gegenstand des Gesprächs waren dabei zunächst natürlich juristische Erwägungen, die gegen eine Einstufung als Beihilfen sprechen. Dariiberhinaus war dies aber auch der Versuch, die zuständigen Mitarbeiter der Wettbewerbskomission für die besondere Funktion der Sparkassen in Deutschland zu sensibilisieren. Diese Informationen sollten bei einer Entscheidung der Kommission Berücksichtigung finden. Es geht dabei insbesondere um die, für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes wichtigen Besonderheiten des Sparkassensystems. In Deutschland bestehen ca. 600 Sparkassen mit mehr als 18.000 Zweigstellen. Durch dieses dichtmaschige Netz wird insbesondere die Versorgung mit finanziellen Dienstleistungen in Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern sichergestellt. Private Geschäftsbanken sucht man hier oft vergeblich. Erst vor wenigen Wochen war einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu entnehmen, dass eine deutsche

Wirtschaftliche Betätigung von Städten und Gemeinden

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Großbank ihr Filialnetz weiter ausdünnen wird. Das sogenannte "Konto für Jedermann" wird überwiegend bei Sparkassen geführt. Es ermöglicht jedem, am modernen Finanzverkehr teilzunehmen. Rund 75% aller mittelständischen Unternehmen und Handwerksbetriebe unterhalten eine Kontoverbindung zu einer Sparkasse. Die Sparkassen sind ganz wesentliche Träger, wenn es um die Förderung und Finanzierung von Existenzgriindungen gerade im dünner besiedelten und ländlichen Raum geht. Als Anstalten des öffentlichen Rechts sind die Sparkassen eng mit ihrer Trägerkommune verbunden. Dies bezieht sich auch auf die personelle Besetzung in Gremien der Sparkassen. Sparkassen sind dadurch ein Instrument für gestaltende Kommunalpolitik vor Ort. Über die Vergabe eines Kredites an einen Existenzgeiinder entscheidet daher nicht nur der Ertragsgedanke, sondern auch kommunalpolitische Ziele der Wirtschaftsförderung. Bei einem Rechtsformwechsel hin zu einer privatrechtliehen Form ginge diese Verbundenheit verloren. Erlauben Sie mir noch einige Bemerkungen zum Schluss: Ich denke, meine Ausführungen haben gezeigt, dass sich das Umfeld für die Kommunalwirtschaft geändert hat und auch zukünftig starken Veränderungen ausgesetzt sein wird. Die Rahmenbedingungen und die Regelungen des Gemeindewirtschaftsrechts müssen daher fortlaufend angepasst werden. Das Bestehende darf nicht lediglich um seiner selbst willen verteidigt werden. Anpassung heißt aber nicht, dass gewachsene Strukturen vor Ort ohne Zögern aufgegeben werden. Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung sind nicht immer der bessere Weg. Kommunalwirtschaft soll den öffentlichen Interessen der Bürgerinnen und Bürger vor Ort dienen. Wenn dies in den überkommenen Strukturen besser geschehen kann, müssen diese erhalten bleiben.

4*

Strategische Herausforderungen der Sparkassen-Finanzgruppe Von Holger Berndt Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerne bin ich der Einladung gefolgt, im Rahmen dieser 6. Fachtagung des Kommunalwissenschaftlichen Instituts der Universität Potsdam zu den strategischen Herausforderungen der Sparkassen-Finanzgruppe zu sprechen. Kern dieser Finanzgruppe sind rund 580 lokal und regional verankerte Sparkassen, die von Kommunen oder Gemeindezweckverbänden getragen werden. Zu dieser Gruppe gehören auch 12 überregional tätige Landesbanken I Girozentralen in der Trägerschaft von Bundesländern bzw. regionalen Sparkassen- und Giroverbänden, ferner die DGZ DekaBank und weitere Verbundunternehmen wie Landesbausparkassen, öffentliche Versicherer, Factoring-, Leasing- und Kapitalbeteiligungsgesellschaften. Insgesamt handelt es sich um rund 800 rechtlich selbständige Finanzdienstleistet mit mehr als 370.000 Beschäftigten in Deutschland. Der mehrstufige Organisationsaufbau korrespondiert mit dem föderal gegliederten Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland. Er spiegelt damit den verfassungsrechtlichen Gestaltungsauftrag der öffentlichen Hand wider, innerhalb der marktwirtschaftliehen Ordnung Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrzunehmen und mitzuhelfen, ausgewogene wirtschaftliche Entwicklungschancen in allen Regionen zu gewährleisten. Die Rechtsform und die Aufgabenstellung von Sparkassen und Landesbanken bringen ihre enge Verknüpfung mit ihren öffentlich-rechtlichen Trägern zum Ausdruck. Die strategischen Herausforderungen, vor denen die Sparkassen-Finanzgruppe steht, sind zweifacher Art: Einmal sind es die Herausforderungen des Marktes in Zeiten tiefgreifender Umbrüche auf den Finanzdienstleistungsmärkten - in Deutschland, Buropa und weltweit. Zum anderen sind es politische Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen. Ich werde Ihnen deshalb zunächst die Herausforderungen des Marktes schildern und die Strategie und Positionierung der Sparkassen-Finanzgruppe erläutern. Im dritten Teil meines Referats möchte ich auf die politischen Herausforderungen eingehen.

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1. Herausforderungen des Marktes Der tiefgreifende Wandel auf den Märkten für Finanzdienstleistungen ist vielfach analysiert und beschrieben worden. Ich möchte mich hier auf einige Stichworte konzentrieren. 1. Da sind einmal die dramatischen Veränderungen in der Technik, insbesondere in der Informationstechnologie: Sie reduzieren die Mobilitätskosten einschneidend. Sie schaffen neue Vertriebswege (Internet, Direct-Banking). Sie schaffen ebenso neue Voraussetzungen und Möglichkeiten für die innerbetriebliche Organisation, zur Rationalisierung von Arbeitsabläufen und zur Steuerung kreditwirtschaftlicher Prozesse. Sie schaffen aber auch neue Möglichkeiten und Qualitäten im Kundenservice. 2. Da sind des weiteren die erheblichen Änderungen im Kunden verhalten: - Die Wandlung von eher "passiven" Bank- bzw. Sparkassenkunden zu emanzipierten, kritischen und aktiven Nachfragern nach Finanzdienstleistungen. - Die wachsende Professionalisierung des Kunden in ökonomischen Fragen geht einher mit einer intensiven Nutzung moderner Komrnunikationstechnologien. - Steigende Leistungs- und Preissensibilität Der Kunde wird zunehmend zum Geschäftspartner und der Kunde nutzt zunehmend selektiv Anbieter, Vertriebswege und Produkte. 3. Veränderungen auf der Angebotsseite: - Neue Konkurrenten: durch Internationalisierung des Bankgeschäfts (Euro und Europäischer Binnenmarkt), durch technologiegetriebene Direktbanken und durch Near-Banks (wie Versicherungsgesellschaften, Investmentfonds), aber auch Non-Banks wie Software- und Telekomrnunikationsanbieter. Schon heute erwirtschaften "Branchenfremde" rund ein Achtel des Geschäftsvolumens auf dem deutschen Finanzdienstleistungsmarkt - Breitere und effizientere Kapitalmärkte drücken die Margen, - Firmenkunden mit guter Bonität decken ihren Eigen- und Fremdkapitalbedarf kostengünstig direkt am Kapitalmarkt. Traditionelle Vermittlungsfunktionen der Kreditinstitute zwischen Einlagen einerseits und Krediten andererseits treten in einigen Marktbereichen in den Hintergrund. 4. Steigende Regulierungsanforderungen Sie sind ein wahrer Wachstumszweig im Bankgeschäft mit steigenden Regulierungskosten: - Regulierungen - Eigenkapitalanforderungen

Strategische Herausforderungen der Sparkassen-Finanzgruppe

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Institute als Hilfsmittel des Staates: Geldwäsche Verbraucherschutz. Welches sind die generellen Konsequenzen aus diesen Entwicklungen? - Höhere Kosten durch steigende Investitionsanforderungen in neuen Techniken geringere Margen schärferer Wettbewerb kürzer werdende Reaktionszeiten.

2. Strategische Antworten der Sparkassen-Finanzgruppe

Wir stehen vor neuen Bedingungen im Wettbewerb. Dies gilt vor allem für den deutschen Markt, wie die intensiven Diskussionen und noch heftigeren Spekulationen belegen. In diesen Diskussionen geht es darum, die kritischen Größen zu steigern, Kerngeschäftsfelder zu definieren, Wertschöpfungsketten aufzubrechen und sich auf bestimmte Segmente dieser Wertschöpfungsketten zu konzentrieren. Es geht, kurz zusammengefaßt, um Fusionsstrategien - Fusionen im nationalen, im europäischen und im kontinentübergreifenden Maßstab. Die Beispiele sind bekannt. Die Schwierigkeiten auch. Dennoch: Solche Strategien mögen für Wettbewerber sinnvoll und attraktiv sein. Für die Sparkassen-Finanzgruppe sind Fusionen mit anderen Banken oder Bankengruppen keine weiterführende Strategie. Wir haben die notwendige Größe, die erforderliche Marktposition und wir verfügen über das gesamte Spektrum an Finanzdienstleistungen. Diese Marktposition haben wir erreicht, weil und nicht obwohl wir dezentral operieren. Wir sehen deshalb zu unserer Strategie der "vernetzten Dezentralität" keine Alternative. Diese Dezentralität werden wir gezielt und bewußt als Stärke im Wettbewerb einsetzen. Dazu werden wir die Schlagkraft unseres flächendeckenden Vertriebsnetzes nutzen und weiterentwickeln. Hier geht es um die Stärkung des direkten Kontaktes zum Kunden und um eine Differenzierung der Leistungsangebote in den Geschäftsstellen. Die hohe Stückzahl aus dem Vertrieb sichert uns die großen Mengengerüste. Auf dieser Grundlage können wir bei der Produktentwicklung und bei der Abwicklung der Geschäftsvorfälle in betriebswirtschaftlich effizienten Strukturen arbeiten. Damit komme ich zum zweiten Element der vernetzten Dezentralität: der Vernetzung und Bündelung der Kräfte. Wir können und wir müssen die Ressourcen immer dort zusammenführen und bündeln, wo es auf die Nähe zum Kunden nicht entscheidend ankommt: also in der Abwicklung der Geschäfte. Dort zählt die betriebswirtschaftliche Effizienz. Hier brauchen wir keine Dezentralität, sondern Effizienz in den Abwicklungsgrößen. All diejenigen Aufgaben, die nichts mit direktem Kundenkontakt zu tun haben, sollten wir allein unter betriebswirtschaftliehen

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Kostengesichtspunkten betrachten. Nur so läßt sich die Dezentralität im Vertriebsbereich betriebswirtschaftlich absichern. Eine solche Bündelung der Kräfte haben wir uns vor allem in den Bereichen Wertpapierabwicklung, EDV und Zahlungsverkehr vorgenommen: Das Wertpapiergeschäft ist nicht zuletzt wegen der notwendigen privaten und betrieblichen Altersvorsorge ein entscheidender Wachstumsmarkt Als Marktführer im Privatkundengeschäft muß die Sparkassenorganisation benchmarks im Wettbewerb um den Wertpapierservice setzen. Nach der erfolgreichen Verbindung von DGZ und DekaBank zu einem auch europaweit schlagkräftigen Produktlieferanten im Zukunftsmarkt Investment-Sparen geht es um die Zusammenführung der Wertpapierabwicklung. Die bisherigen Aktivitäten haben zu keinem Erfolg geführt. Das Thema bleibt aber auf der Tagesordnung. Die Bereitstellung von EDV-Leistungen ist in der Kreditwirtschaft heute ein entscheidender Erfolgsfaktor. Es geht nicht nur um Kosteneinsparungen, sondern um die Erhöhung der Leistungsfähigkeit und der Schnelligkeit. Es ist deshalb notwendig, die EDV-Einheiten der Sparkassenorganisation zusammenzuführen. Bei Reduzierung auf eine, höchstens zwei IT-Entwicklungseinheiten können wir, vorsichtig geschätzt, hier jährlich rund eine halbe Milliarde DM einsparen. Und wir werden uns damit zugleich die Chance erschließen, noch stärker technische Standards für die Bankgeschäfte von morgen zu setzen - Standards, bei denen wir sicher davon ausgehen können, daß sie auch internationale Relevanz haben werden. Der dritte große Kostenblock im Back-Office ist der Zahlungsverkehr. Trotz der ständig steigenden Transaktionsvolumina ist es uns gelungen, durch erhebliche Automatisierungserfolge unsere Kosten bei ca. 10 Milliarden DM jährlich zu stabilisieren. Aber mit dieser Kostenkonstanz können wir uns nicht zufriedengeben. Wir haben deshalb Konzepte für eine verbesserte Effizienz im Zahlungsverkehr entwickelt. Wenn es uns gelingt, in den drei genannten Bereichen - beim Wertpapierhaus, in der EDV und im Zahlungsverkehr- unsere Maßnahmen wirksam werden zu lassen und weitere Felder für die Bündelung der Kräfte zu entwickeln, bin ich davon überzeugt, daß wir in der Abwicklung bereits in der nahen Zukunft zu erheblich besseren Kostenstrukturen kommen können. Und dies wird es uns erlauben, unseren Trumpf noch besser auszuspielen: den direkten Kontakt zum Kunden in der Fläche. Ich hatte eingangs darauf hingewiesen, daß Rechtsform und Aufgabenstellung von Sparkassen und Landesbanken eine enge Partnerschaft mit den Kommunen und den Ländern begründen. Die Sparkassen sind in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben vor Ort unmittelbarer Partner der Kommune. Hierzu einige Fakten: - Sparkassen sind ein wichtiger positiver Faktor für Arbeits- und Ausbildungsplätze und für das Steueraufkommen in den Regionen.

Strategische Herausforderungen der Sparkassen-Finanzgruppe

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- Sparkassen sind an beinahe der Hälfte der bundesweit rund 270 Technologieund Gründerzentren beteiligt. Über 150 Sparkassen unterstützten 1998 die Zentren mit insgesamt 40 Mio. DM. - Sparkassen sind in über 440 lokalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften und initiativen aktiv. - Sparkassen erschließen Wohngrundstücke und fördern die Ansiedlung von Unternehmen. - Sie sind vor Ort an Maßnahmen zur Strukturförderung unmittelbar beteiligt. - Über 50 Prozent der Sparkassen sind an Regionalinitiativen mit örtlichen Industrie- und Handelskammern sowie Unternehmen aus Industrie, Handwerk und Dienstleistung beteiligt. - Die Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe sind der Hauptfinanzierer der Kommunen (60% der Kommunalkredite). Sie sind oft auch Projektträger, Finanzmanager und Programmabwickler. Es wäre falsch, den Nutzen der Sparkassen für ihre Kommune ausschließlich und vorrangig an der Höhe der Ausschüttung zu messen. Es muß bei einer angemessenen Bewertung um den Beitrag der Sparkasse für die örtliche Wirtschaft, für Beschäftigung, Steuerkraft und regionale Entwicklung gehen. Und es muß um die Erfüllung des öffentlichen Auftrages von Sparkassen und Landesbanken gehen. Die Erfüllung dieser gesetzlichen Aufgaben hat bei Sparkassen und Landesbanken Vorrang gegenüber der Gewinnorientierung. Dabei ist wirtschaftlich rentables Handeln notwendig, um zugleich im kreditwirtschaftlichen Wettbewerb bestehen zu können. Die Wahrnehmung des öffentlichen Auftrages durch die Institute steht in engem Zusammenhang mit ihrer öffentlichen Rechtsform. Die aufgabenorientierte Unternehmensform der Anstalt des öffentlichen Rechts bietet den geeigneten Handlungsrahmen für die gemeinwohlorientierte Banktätigkeit im Wettbewerb. Die von den öffentlichen Trägern, Kommunen und Ländern, übernommene Unternehmerische Finanzierungsverantwortung in Form von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung ist dabei ein Äquivalent für die gesetzlich angeordnete Aufgabenbindung der Landesbanken und Sparkassen. Beim öffentlichen Auftrag geht es vor allem darum, allen Bevölkerungsschichten den Zugang zu modernen Finanzdienstleistungen zu ermöglichen. Eine Aufgabe, die angesichts des Rückzugs der privaten Bankkonzerne immer aktueller wird. Weiter geht es um: - Das Sparen und die Vermögensbildung für alle und überall zu fördern. - Kleine und mittlere Unternehmen mit Finanzdienstleistungen und Unternehmensfinanzierung zu versorgen. - Eine Kultur der Selbständigkeit zu fördern.

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Holger Berndt

- Einen intensiven Wettbewerb in allen Regionen zu sichern. - Eine ausgewogene regionale Wirtschaftsstruktur zu erhalten. - Ländliche Gebiete weiterzuentwickeln. - Kommunen und Länder bei ihren Aufgaben zu unterstützen. - Gesellschaftliche, soziale und kulturelle Verantwortung vor Ort wahrzunehmen. - Die Finanzmärkte durch Verankerung in der Region zu stabilisieren.

3. Politische Herausforderungen

Die Herausforderungen des Marktes und das Arbeitsprogramm, das ich Ihnen skizziert habe, reicht eigentlich aus, um die Kräfte der Sparkassenorganisation voll in Anspruch zu nehmen. Nun stehen wir, wie Sie wissen, zusätzlich in einer kritischen Diskussion mit der EU-Kommission. Über die aktuelle Entscheidung der EU-Kommission zur Zuführung von Eigenkapital bei der WestLB durch den Teileigentümer- das Land NRW -hinaus müssen wir nüchtern feststellen, daß die öffentliche Rechtsform in Europa eine deutsche Besonderheit ist, die neben anderen deutschen Spezialitäten in Brüssel auf Mißtrauen, Mißverständnis, Unverständnis und Ablehnung stößt. Die Kommission wurde dabei erst heimlich, dann immer offener von unserer nationalen und europäischen Konkurrenz aus dem Lager der privaten Großbanken animiert und unterstützt. Denen geht es weniger um Ordnungspolitik, sondern um den Privatkundenmarkt Dies erleichtert es der Europäischen Kommission, ihre Vorstellung von einer Neuordnung der Bankenmärkte in Europa über den Umweg des Wettbewerbsrechtes durchzusetzen. Die jüngste WestLB I WfA-Entscheidung war dabei der erste Schritt. Hier hat die Kommission entschieden, daß die WestLB das vom Land Nordrhein-Westfalen in Form von Wohnungsbauvermögen zur Verfügung gestellte Eigenkapital mit 26,7% vor Steuern zu verzinsen hat. Dies ist das Dreifache der Rendite, die etwa die Deutsche Bank ihren Aktionären im relevanten Zeitraum aus Dividenden und Kurssteigerungen geboten hat. Nicht nur, daß die Höhe von Renditen nur für öffentliche Investments vorgeschrieben wird. Bereits dies ist ein dirigistischer Akt, den sich Private -zu Rechtniemals bieten ließen. Die völlig unrealistische und am Markt vorbeigerechnete Höhe zeigt, worum es im Kern geht. Durch öffentlich-rechtliche Eigner zur Verfügung gestelltes Eigenkapital soll für die Unternehmen wirtschaftlich unattraktiv gemacht werden. Die öffentliche Hand soll dadurch aus jeglichen wirtschaftlichen Engagements herausgedrängt werden. Und die nächsten Schritte sind absehbar: Die Kommission wird zum einen versuchen, diese Entscheidung auf weitere Landesbanken auszudehnen. Und sie unternimmt Schritte in Richtung eines Verfahrens zu Anstaltslast und Gewährträgerhaftung Das Ergebnis hat Herr von Miert, der frühere Wettbewerbskommissar, ja bereits vor Einleitung des Verfahrens bekannt gegeben. Man will bei der Kommission nicht sehen, daß eine staatliche Ga-

Strategische Herausforderungen der Sparkassen-Finanzgruppe

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rantie für einen Dritten etwas gänzlich anderes ist als die Haftung für eigenes unternehmerisches Handeln. Haftung gehört zum Unternehmerischen Handeln. Außerdem: Sich nur auf einen Teilaspekt des Rechtsrahmens öffentlicher Kreditinstitute zu konzentrieren, ohne die Gesamtkonstruktion einschließlich der erheblichen Belastungen aus dem öffentlichen Auftrag zu analysieren, ist einäugig und unredlich. Die privaten Bankkonzerne blenden bei ihren Vorwürfen völlig aus, daß sie selbst über eine implizite Staatsgarantie verfügen. Jede Rating-Agentur weiß, daß der Staat Großunternehmen, wenn sie in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, beispringt. Dies verschafft den Unternehmen Marktvorteile. Es sind deshalb Zweifel angebracht, ob tatsächlich noch unvoreingenommen geprüft und unsere Argumente überhaupt noch gehört werden. Welches ist unsere Antwort? Wir werden Bund und Länder in ihren Gesprächen mit der EU-Kommission unterstützen. Wir werden unsere Erfahrungen und unsere Kenntnisse in diesen Prozeß einbringen. Es geht um die Vermeidung jahrelanger Auseinandersetzungen mit Brüssel. Wir wollen möglichst schnell und umfassend Rechtssicherheit Wir werden für die dreigliedrige Struktur des deutschen Bankenmarktes mit Aktiengesellschaften, Genossenschaften und öffentlich-rechtlichen Instituten kämpfen und werben, denn diese Struktur bringt Vorteile für die Stabilität des Marktes (viele kleinere Einheiten sind stabiler als wenige große!), Vorteile für die wirtschaftliche Entwicklung der Regionen und Vorteile für Umfang und Struktur des Angebots an Finanzdienstleistungen für alle Kunden, in allen Regionen, insbesondere auch für kleine und mittelständische Unternehmen. Im Vordergrund steht die Selbständigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, gesichert durch den Verbund und gesichert durch Ordnungsprinzipien innerhalb des Verbundes, eines Verbundes mit eigener Identität der Gemeinwohlorientierung, der kommunalen Bindung und der dezentralen Untemehmerverantwortung. Trotz der Härte der Auseinandersetzung besteht kein Anlaß für Panik. Es geht um Haftung und Rendite für öffentliche Unternehmen. Die gemeinsame Position der Ministerpräsidenten der Länder für den Erhalt der Strukturen von Sparkassen und Landesbanken ist eine wichtige Unterstützung. Wichtig ist: Nicht durch unterschiedliche regionale Initiativen den Zusammenhalt der Sparkassen-Finanzgruppe zu gefährden.

4. Fazit Die veränderten Marktbedingungen verlangen von der Sparkassen-Finanzgruppe klare strategische Antworten. Ich habe diese Antworten aufgezeigt, zum einen Stärkung des dezentralen Vertriebssystems, zum anderen Abwicklungs- und Produktzulieferungseinheiten unseres Verbundes kostenorientiert zusammenführen.

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Es gilt, diese Strategie zügig umzusetzen. Mindestens ebenso wichtig ist, die Partnerschaft mit den Kommunen weiterzuentwickeln und zu stärken. Es gilt, den öffentlichen Auftrag zu erkennen und als wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch wichtige Orientierung für die Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe zu begreifen. Beides: Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit sowie Umsetzung des öffentlichen Auftrags sind Grundlage und Voraussetzung für eine gute gemeinsame Partnerschaft von Sparkassen-Finanzgruppe und Kommunen.

Gemeinden als Marktteilnehmer Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Anbietern

Von Christoph Reichard

1. Wettbewerb als "Eflizienzspritze"

Wettbewerb wird im Rahmen von Staats- und Verwaltungsmodemisierung weltweit als ein wichtiges Reformelement angesehen 1 . Man erhofft sich von stärkerem Markt- und Wettbewerbsdruck vor allem eine "Effizienzspritze" gegenüber öffentlichen Einrichtungen- getreu dem Motto "Wettbewerb belebt das Geschäft". Ein bekanntes Beispiel bildet Großbritannien2: Dort verlangt die Regierung seit etwa 15 Jahren von den Kommunen, daß sie alle ihre Leistungen öffentlich ausschreiben (Compulsory Competitive Tendering; CCT) und daß sie den Erfüllungsauftrag an denjenigen vergeben, der das "bessere" (das bedeutet in der Regel: billigere) Angebot abgibt3 . Und das Erstaunliche ist, daß die Kommunen durchschnittlich etwa 80% der ausgeschriebenen Leistungen für sich "gewinnen", sich also im Wettbewerb mit Privaten durchaus erfolgreich schlagen konnten. Die Kosten konnten dabei im Vergleich zu vorher teilweise beachtlich gesenkt und die Qualität konnte im wesentlichen gehalten werden. Allerdings waren erhebliche Reorganisationen erforderlich und die kommunalen Dienstleister mußten sich weitgehend der Managementpraxis privater Unternehmen anpassen; sie wurden im Hinblick auf Arbeits-, Steuer-, Haftungsrecht usw. in großem Umfang mit Privatunternehmen gleichgestellt. Für die Beschäftigten bedeutete das den Verzicht auf vorherige Privilegien und den Verlust öffentlicher Arbeitsplätze. Analoge Erfahrungen mit Wettbewerbseffekten gibt es in zahlreichen anderen Staaten4 . 1 Vgl. z.B. Reichard, C., Wettbewerbselemente in der öffentlichen Verwaltung - Kommentierung aus wissenschaftlicher Sicht, in: K. König, N . Füchtner (Hrsg.), "Schlanker Staat"- Verwaltungsmodernisierung im Bund, Speyer 1998, S . 305-325; Wegener, A., Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Dienstleistungsanbietern, in: F. Naschold; M. Oppen; A. Wegener (Hrsg.), Innovative Kommunen. Internationale Trends und deutsche Erfahrungen, Stuttgart usw. 1997, S. 77-106. 2 Vgl. Wegener (wie Anm. 1).

3 Die Labour-Regierung hat den Ausschreibungszwang unter dem neuen Motto "Best Value" 1997 gelockert; dennoch verhalten sich die meisten Kommunen in Großbritannien weiterhin im Sinne des "Auftraggeber-Auftragnehmer-Modells" (s. dazu Abschn. 8). 4 Vgl. zu Voraussetzungen und Wirkungen von Wettbewerb in öffentlichen Einrichtungen Reichard (wie Anm. 1).

62

Christoph Reichard

Auch in Deutschland wird dieser Gedanke- etwa im Neuen Steuerungsmodell der KGSt5 -betont (z. B. durch den früheren Vorstand der KGSt Banner: "Wettbewerb setzt das NSM erst unter Strom"6 ). Man erwartet, daß sich staatliche und kommunale Einrichtungen verstärkt dem Wettbewerb stellen und öffnen. In der Praxis spielt dieses Reformelement in Deutschland bis heute im Vergleich zu verschiedenen anderen Staaten allerdings keine herausragende Rolle. Die deutschen Reformen konzentrieren sich sehr stark und einseitig auf die inneren Strukturen und Mechanismen der Verwaltung, was von den Fachleuten in diesem Bereich seit längerem als ernsthafter Mißstand beklagt wird und als ein Grund für die seit einiger Zeit etwas lahmende Verwaltungsreform auf kommunaler Ebene angesehen wird7 . Erst in jüngerer Zeit gibt es erste zaghafte Schritte in Richtung Marktöffnung, bspw. indem sich die Servicebereiche verschiedener Städte (z. B. Gebäudereinigung und -management) einem "Markttest" mit privaten Konkurrenten stellen. Über erste Erfahrungen dazu wurde im "Netzwerk Kommunen der Zukunft" berichtet, das von etwa 100 deutschen Kommunen 1998 gebildet wurde. Etwas anders sieht es im Bereich der kommunalen Betriebe aus. Sie sind seit einigen Jahren unter zunehmenden Wettbewerbsdruck geraten. Angestammte regionale Monopole sind ihnen teilweise - u. a. aufgrund der Marktöffnungsstrategien der EU - abhanden gekommen. In immer mehr kommunalen Geschäftsfeldern entsteht Wettbewerb von privater Seite (Bsp.: Elektrizität, Abfallwirtschaft, Wasser, Personenverkehr). Diese Tendenz dürfte sich zukünftig deutlich ausweiten und stellt die kommunale Wirtschaft vor ernsthafte Herausforderungen, wenn nicht Krisen8.

2. Formen und Richtungen von Wettbewerb

Wenn von der Einführung von Wettbewerb im öffentlichen Sektor gesprochen wird, ist zunächst zwischen zwei Grundformen von öffentlichem Wettbewerb zu unterscheiden 9 : • marktlieber Wettbewerb • nicht-marktlieber Wettbewerb

s Vgl. KGSt, Das Neue SteuerungsmodelL Bericht 5/1993; KGSt, Kommunale Leistungen im Wettbewerb- Leistungsvergleich, Markttest und Vergabeverfahren. Bericht 12 /2000. 6 Banner; G., Neue Trends im kommunalen Management, in: VOP 1994, S. 5-12. 7 Vgl. z. B. Reichard, C., Deutsche Trends der kommunalen Verwaltungsmodernisierung, in: F. Naschold; M. Oppen; A. Wegener (Hrsg.), Innovative Kommunen. Internationale Trends und deutsche Erfahrungen, Stuttgart usw. 1997, S. 49-74. s Vgl. z. B. P. Eichhorn, C. Reichard, G. F. Schuppert (Hrsg.), Kommunale Wirtschaft im Wandel - Chancen und Risiken, Baden-Baden 2000. 9 Vgl. i.e. Reichard (wie Anm. 1), S. 308 ff.

Gerneinden als Marktteilnehmer

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Zunächst kurz zum nicht-marktliehen Wettbewerb: In einer Reihe von öffentlichen Aufgabenbereichen - insbesondere etwa im hoheitlichen Bereich - dürfte Marktwettbewerb keine sinnvolle Alternative sein; hier bieten sich jedoch zumindest als Surrogate marktliehen Wettbewerbs diverse Formen nicht-marktliehen Wettbewerbs an. Weit verbreitet sind in Deutschland seit einiger Zeit etwa die Leistungsvergleichsringe (Bertelsmann Stiftung, IKO-Netz der KGSt), in denen Kommunen ihre Leistungen im Hinblick auf vereinbarte Kosten- und QualitätsBenchmarks vergleichen. Erwähnenswert sind ferner Auszeichnungswettbewerbe wie etwa der im Jahr 2000 zum 5. Mal stattgefundene "Speyerer Qualitätswettbewerb". Leistungsvergleiche und Qualitätswettbewerbe haben ohne Zweifel eine Innovations- und Motivationsfunktion. Sie können das Lernen von Anderen fördern und können Produkt- oder Prozeßverbesserungen stimulieren 10• Erfahrungen zeigen jedoch, daß die Anreizwirkung von nicht-marktlichem Wettbewerb begrenzt ist und daß sich die Effizienzeffekte ebenfalls in Grenzen halten. MarktUeher Wettbewerb kann sich in zwei Richtungen abspielen (s. Abb. 1):

I

Unternehmen A

Contracting-ln

Kommune

-

.... ....

Unternehmen B

Contracting-Out

Abb. 1

(1) Im Sinne von "Contracting-Out", d. h. der - zeitlich begrenzten - Auslagerung öffentlicher Leistungen in den Markt. Wettbewerbsteilnehmer können in diesem Falle sein:

• private Unternehmungen • privat-gemeinnützige Organisationen (z. B. Wohlfahrtsverbände) • öffentliche Organisationen (z. B. kommunale Betriebe oder Verwaltungen) Dementsprechend kann sich der Wettbewerb um die Erbringung öffentlicher Leistungen entweder als "private I private-competition" (d. h. unter ausschließlicher Teilnahme privater Organisationen), als "public I private-competition" (d. h. 10 Vgl. z. B. Adamaschek, B., Szenario 2000: Die Zukunft der Leistungsvergleiche. Wettbewerb führt Verwaltungen zu ständiger Lemfähigkeit, in: VOP 11/1998, S. 16 - 19.

64

Christoph Reichard

unter Einschluß von privaten und öffentlichen Organisationen auf der Anbieterseite) oder - seltener - auch als "public I public-competition" (d. h. als Wettbewerb unter öffentlichen Anbietern) abspielen. (2) Wettbewerb kann jedoch auch im Sinne von "Contracting-ln" geschehen, d. h. als "Hereinholen" bzw. "Einlagern" von Aufträgen in öffentliche Einrichtungen. Hier erfolgt die Beteiligung von Staat und Kommune an einem bereits vorhandenen marktliehen Wettbewerb, der sich in manchen Fällen auch auf Leistungen erstreckt, die traditionell nicht explizit als "öffentliche Aufgaben" angesehen werden. Eine öffentliche Einrichtung versucht also in diesem Falle, sich "ein Stück vom Markt-Kuchen abzuschneiden". Beide Richtungsvarianten marktliehen Wettbewerbs finden sich seit einiger Zeit verstärkt auch im kommunalen Bereich in Deutschland, wobei das "Auslagern" gegenüber dem "Einlagern" ganz klar das Übergewicht hat. Das "Contracting-In", das auch mit Begriffen wie "wirtschaftliche Betätigung" oder "Tätigkeit auf neuen Geschäftsfeldern" umschrieben wird, erscheint bei Kommunen insbesondere im Hinblick auf Aufgaben, mit denen nicht traditionell ein "öffentlicher Zweck" verbunden wird, als rechtlich problematisch. Die Frage der Zulässigkeil und I oder Wünschbarkeit solcher marktliehen Aktivitäten von Gemeinden wird bei der gegenwärtig beobachtbaren Diskussion um "wirtschaftliche Betätigung von Kommunen" mit beachtlicher Kontroversität ausgetragen 11 •

3. Kommunale Wirtschaft unter Wettbewerbsdruck

Die Europäische Gemeinschaft verfolgt seit Jahrzehnten relativ konsequent eine klare Marktöffnungsstrategie, d. h. eine Politik der Deregulierung, Wettbewerbsstärkung und Privatisierung 12. Es ist ihr gelungen, im EU-Recht weitgehend ordoliberale Wettbewerbsvorstellungen zu verwirklichen. Diese Vorstellungen sind auch jeweils auf den nationalen Rechtsrahmen durchgeschlagen. Dies wird beispielhaft etwa an der Elektrizitäts- und Gas-Binnenmarktrichtlinie, durch die II Vgl. bspw. Cronauge, U., Kommunale Wirtschaft zwischen Recht und Realität, in: AfK 1999, S. 24-43; Ehlers, D., Rechtsprobleme der Kornmunalwirtschaft, in: DVBI. 1998, S. 497- 508; Grawert, R., Zuständigkeiten der Kornmunalwirtschaft, in: K. Grupp; M. Ronellenfitsch (Hrsg.), Planung, Recht, Rechtsschutz (FS Blümel), Berlin 1998, S. 119 - 139; Henneke, H.-G., Einnahmeerzielung aus kommunalwirtschaftlicher Tätigkeit- eine Alternative zum kommunalen Finanzausgleich?, in: Der Landkreis 1999, S. 226-240; Hennerkes, J., Für eine Zukunft der Stadtwirtschaft 13 Thesen, in: AfK 1999, S. 64-70; Hili, H., Kommunalwirtschaft. Speyerer AH 118, Speyer 1998. 12 Vgl. i.e. z. B. Ehlers 1998, S. 506 ff. In der neuesten Erklärung der EU-Kommission zu Leistungen im allgemeinen Interesse vom 20. 9. 2000 sind allerdings die Besonderheiten öffentlicher Leistungen sowie die Notwendigkeit einer hinreichenden Balance zwischen Markteffizienz und Gemeinwohl in einer ausgewogenen Weise bekräftigt worden. Dies zeigt, daß der EU-Kommission sehr wohl der Gemeinwohlauftrag öffentlicher Unternehmen vertraut zu sein scheint.

Gemeinden als Marktteilnehmer

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Rechtsetzung bei Telekommunikationsdienstleistungen, durch EG-Richtlinien für die Abfallwirtschaft oder durch die absehbare Novellierung der EG-Verordnung zum ÖPNV deutlich 13 . Über das EU-Wettbewerbsrecht, insbes. die restriktive Kontrolle von Beihilfen, sind zukünftig weitere Einwirkungen auf tradierte kommunalwirtschaftliche Betätigungsfelder zu erwarten (im Sparkassenbereich wird dies gegenwärtig bereits deutlich spürbar). Zukünftig dürfte überdies die Auffassung der EU, daß öffentliche Leistungen nicht ohne vorherige Ausschreibung an (verselbständigte öffentliche oder private) Lieferer vergeben werden dürfen, für zusätzliche Probleme sorgen. Angesichts der - weiter unten noch genauer thematisierten - Beschränkung der Wettbewerbsmöglichkeiten von kommunalen Einrichtungen durch das deutsche Gemeindewirtschaftsrecht haben diese Einrichtungen keine fairen Chancen gegenüber privaten bzw. ausländischen Mitwettbewerbern. Eine erst jetzt langsam beginnende Folge der Liberalisierungspolitik der EU ist das zunehmende Eindringen ausländischer Unternehmungen aus der EU auf kommunale Märkte. Erste Beispiele französischer, britischer oder schwedischer Unternehmungen finden sich im Elektrizitäts-, ÖPNV- oder Wasserbereich. Dieser Trend dürfte im Zuge genereller Globalisierung künftig noch wesentlich stärker werden und auch zum Auftritt außereuropäischer Multinationals aus den USA oder aus Asien führen. Dies bedeutet, daß angestammte Geschäftsfelder der Kommunen wie Energieversorgung, Wasser I Abwasser, Personenverkehr, Abfallwirtschaft verstärkt für private Anbieter geöffnet werden und daß sich die kommunalen Betriebe einem immer mehr zunehmenden Wettbewerb ausgesetzt sehen. Als Folge brechen den Kommunen wichtige Finanzierungsquellen weg, die z.T. zur Subventionierung verlustbringender Sparten oder auch anderer wichtiger kommunaler Aufgaben genutzt werden konnten (Stichwort Querverbund). Ferner ergeben sich Kapazitätsauslastungsprobleme sowie - aufgrund des Fixkosteneffekts - Gebührenerhöhungen für kommunale Kunden. Ein weiterer Druckfaktor ist bekanntlich die seit Jahren anhaltende Finanzkrise der deutschen Kommunen. Bund und Länder haben ihre Kommunen bei der Finanzierung der ihnen übertragenen Aufgaben mehr oder weniger im Stich gelassen (Beispiel Sozialhilfe) 14. In dieser Situation brauchen die Kommunen die Überschüsse ihrer eigenen Betriebe umso nötiger, um Löcher bei den Pflicht- und (vor allem) den freiwilligen Aufgaben stopfen zu können. Da die Rückflüsse von den Betrieben zu den Mutterkommunen jedoch aufgrund der geschilderten Wettbewerbssituation wegbrechen, suchen die Kommunen naheliegenderweise nach neuen Einnahmemöglichkeiten.

13 Vgl. zu den verschiedenen EU-Richtlinien i.e. z. B. Ehlers (wie Anm. 11); Cronauge (wie Anm. 11), S. 26 ff. 14 Vgl. Henneke (wie Anm. 11), S. 226.

5 Reichard

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Wettbewerbsdruck von außen und anhaltende Finanzkrise veranlassen die Kommunen daher, sich nach anderen, "neuen" Finanzierungsquellen umzusehen. Dabei kommen sie vermehrt auch auf den Gedanken, sich in Geschäftsfeldern zu betätigen, in denen Kommunen in der Vergangenheit nicht aktiv waren, die jedoch zusätzliche Einnahmemöglichkeiten versprechen.

4. Neue Geschäftsfelder von kommunalen Betrieben

Finanzkrise und externer Druck sind aber nicht die einzigen Auslösefaktoren für das Interesse der Kommunen an neuen Geschäftsfeldem. Ein weiterer Faktor sind sicherlich die reformierten Strukturen, die sich im Zuge der Einführung des "Neuen Steuerungsmodells" in zahlreichen Kommunen herausgebildet haben. Der Grundsatz der "dezentralen Ergebnisverantwortung" hat zur Errichtung von Leistungszentren und Serviceeinheiten geführt, die jeweils mit begrenzten Budgets auskommen müssen und die zunehmend dem Wettbewerb ausgesetzt werden. Infolge dessen denken und handeln die Leiter solcher Einheiten wie die Manager privatwirtschaftlicher "Profit-Center": sie versuchen, sich wie Quasiunternehmer auf Märkten zu positionieren und erfolgsträchtige Geschäftsfelder zu erschließen 15 . In noch stärkerem Maße gilt dies für die Manager der kommunalen Betriebe. Ein weiterer Faktor ist zweifellos die Unkündbarkeit des kommunalen Personals: Wenn aufgrund des Dienstrechts und der besonderen sozialen Verantwortung der öffentlichen Arbeitgeber Personal nicht freigesetzt werden kann, sondern gehalten werden soll, dann muß dieses Personal auch angemessen ausgelastet werden, d. h. es muß für entsprechende Aufträge gesorgt werden 16. Auch dies stärkt das Interesse an "neuen Geschäftsfeldern". Kommunen entdecken also aus verschiedenen Motiven und aufgrund unterschiedlicher Druckfaktoren seit einiger Zeit "neue Geschäftsfelder". Die neuen ökonomischen Interessen der Kommunen lassen sich grob in zwei Kategorien gliedern, denen sich verschiedene Beispiele aus der neueren Praxis zuordnen lassen 17 : a) Öffnung von Hilfs- und Annexfunktionen von Kommunalverwaltungen für Dritte: • Durchführung von Fahrzeugreparaturen (PKW und LKW) • Grünflächenpflege auch für Private

15 Vgl. Hill, H., In welchen Grenzen ist kommunalwirtschaftliche Betätigung Daseinsvorsorge?, in: Betriebsberater 1997, S. 425 - 431, hier S. 426; ferner auch Ehlers (wie Anm. 11), S. 497; Cronauge (wie Anm. 11), S. 29. 16 Vgl. Hili (wie Anm. 15). 17 Vgl. zu den folgenden Beispielen u. a.: Unterausschuß "Kommunale Wirtschaft" des AK III der IMK: Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen in neuen Geschäftsfeldern. Ms Stuttgart März 1998; ferner z. B.: Hill (wie Anm. 15); Henneke (wie Anm. 11).

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• Vermessungsdienstleistungen (außerhalb des öffentlichen Auftrags) • Gebäudereinigung, Gebäudeinstandhaltung, Facility Management • Wohnungsverwaltung auch für private Hauseigentümer, Maklerdienste, Umzugsservice • Druckarbeiten durch städtische Druckereien b) Besetzung neuer Geschäftsfelder, in denen die Kommunen bislang nicht vertreten waren: • Telekommunikationsdienste auf Basis vorhandener Stadtnetze • "Paketlösungen" im Ordnungs- wie auch Ver- und Entsorgungsbereich (z. B. Elektrohandwerksdienste durch kommunale Elektrizitätswerke; "Ambientetrauungen" mit diversen Nebenleistungen durch Standesämter) • Abschleppdienst bei Falschparkern • Recycling von Kraftfahrzeugen u.ä. • Betreiben von Kfz-Schilderpräge-Einrichtungen • Rettungsdienste • Engineering- und Consulting-Dienstleistungen (im In- und Ausland) • Erteilung von Nachhilfeunterricht in Volkshochschulen • Dienstleistungen im Tourismus (Erweiterung traditioneller Fremdenverkehrsamtstätigkeiten) • Betreiben von Gaststätten, Campingplätzen, Party-Services • Betreiben von (Solar-)Taxiunternehmen • Betreiben von (notleidenden) Brauereien (wegen Arbeitsplatzerhalts) Inwieweit die "wirtschaftliche Betätigung" in solchen Feldern rechtlich zulässig und I oder kommunalpolitisch wünschenswert ist, hängt stark von der Ausprägung des "öffentlichen Zwecks", dem regionalen Zuschnitt der Betätigung und den Wettbewerbsbedingungen im Einzelfall ab.

5. Die rechtlichen Grenzen der Marktteilnahme von Kommunen Die kommunalrechtliche Regelung der Marktteilnahme von Kommunen und deren Betrieben wird durch ein kompliziertes Prüfraster bestimmt. Zunächst ist zu klären, ob es sich bei der betrachteten Leistung um eine "wirtschaftliche Betätigung" der Kommune handelt. Wird dies bejaht, werden im wesentlichen vier Schranken durchgeprüft: • Wird durch Erbringung der Leistung ein (dringender) öffentlicher Zweck erfüllt? s•

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• Erstreckt sich die Erbringung der Leistung ausschließlich auf das eigene Territorium der betreffenden Gemeinde (Örtlichkeits- bzw. Territorialprinzip)? • Gibt es für die Erbringung der Leistung private Anbieter, die diese Leistung günstiger (oder verschärft: zumindest gleich günstig) erbringen können (Subsidiaritätsprinzip)? • Ist die Gemeinde zur Erbringung der Leistung hinreichend leistungsfähig? Diese Grenzziehungen werden nachstehend einer kritischen Prüfung aus ökonomisch-verwaltungswissenschaftlicher Sicht unterzogen.

a) Wirtschaftliche Betätigung

Mit dem Begriff "wirtschaftliche Betätigung" führen Juristen in der Regel einen "Eiertanz" auf, der tieferer ökonomischer Analyse kaum Stand hält. Man spricht im allgemeinen von wirtschaftlicher Tätigkeit, wenn die Kriterien "Wertschöpfung" und "Führung im Sinne eines kaufmännischen Geschäftsbetriebes" gegeben sind 18 • Dabei wird offenbar unterstellt, daß die "normale" kommunale Verwaltungstätigkeit weder durch "Wertschöpfung" noch durch Merkmale eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs gekennzeichnet ist. Wertschöpfungsakte finden jedoch zweifellos in Verwaltungen ebenso statt wie in Unternehmen (nur daß sie in ersteren schwieriger zu messen sind); ein kaufmännischer Geschäftsbetrieb läßt sich in Kommunen im Zuge der Umsetzung des Neuen Steuerungsmodells und der Einführung der kaufmännischen Buchführung ebenfalls immer deutlicher beobachten. Im übrigen ist es allenfalls noch historisch, aber kaum noch funktional begründbar, daß in den Gemeindeordnungen- mit heftigen steuerrechtliehen Konsequenzen!manche untereinander eng verwandten kommunalen Leistungen teilweise als "hoheitlich" und damit "nicht-wirtschaftlich" eingestuft werden (Bsp.: Wasserentsorgung), teilweise jedoch als "wirtschaftlich" angesehen werden (Bsp. Wasserversorgung). Die feinsinnige Unterscheidung zwischen "wirtschaftlicher" und "nichtwirtschaftlicher" Tätigkeit scheint immer mehr obsolet zu werden.

b) Öffentlicher Zweck

Den Kern der juristischen Argumentation rund um die Frage der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen bildet der " öffentliche Zweck ", der in allen deutschen Gemeindeordnungen beschworen wird. Von einem öffentlichen Zweck wird üblicherweise gesprochen, wenn eine Aufgabe einen konkreten Gemeinwohlbezug aufweist bzw. wenn ihre Erfüllung im "öffentlichen Interesse" ist. Dies ist in der Regel insbesondere dann der Fall, wenn eine Leistung nicht nur einzelnen Perso18 Vgl. z. B. Hösch, V., Öffentlicher Zweck und wirtschaftliche Betätigung von Kommunen, in: DÖV 2000, S. 393-406, hier S. 399.

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nen Nutzen stiftet, sondern wenn sie für eine größere Gemeinschaft nützlich ist, d. h. wenn bei einer Leistung über den Individualnutzen hinaus verschiedene Kollektivwirkungen auftreten (z. B. Sicherung der Lebensqualität, Korrektur von Marktversagen, Sicherung von gesellschaftlicher Entwicklung, Förderung von wirtschaftlicher Entwicklung, aber auch von Solidarität u. a.m.). Ökonomen sprechen in diesem Zusammenhang von öffentlichen und von meritorischen Gütern. Juristen präferieren auch heute noch die Kategorie der "Daseinsvorsorge", obwohl diese Begriffswahl, die auf Forsthoff zuriickgeht, aus dem heute kaum noch zeitgemäßen Staatsverständnis der dreißiger Jahre entstammt 19 . Bei solchen Gemeinschaftsgütern sind Märkte häufig wenig wirksam, sie neigen zum "Marktversagen". Unzureichende Marktergebnisse können insoweit ein Anhaltspunkt dafür sein, daß die öffentliche Hand bei der betreffenden Leistung eine Auffangverantwortung hat und - sofern diese Leistung für die Versorgung der Bürger von Bedeutung ist- daß ein "öffentlicher Zweck" gegeben ist. Welche Leistungen im "öffentlichen Interesse" sind und welche nicht, kann nicht wissenschaftlich allgemeingültig festgelegt werden, sondern ist letztlich das Ergebnis politisch legitimierter Entscheidung. Insofern währt der "öffentliche Zweck", der mit einer bestimmten Leistung verbunden ist, nicht ewig, sondern kann im Zeitablauf politisch irrelevant werden. Bspw. fragt es sich, ob hinter "Telekommunikation" heute noch ein "öffentliches Interesse" steht oder ob sich das durch Technikentwicklung u.ä. erledigt hat. Bei der Wohnungswirtschaft scheint sich ja das öffentliche Interesse und Gemeinwohl bereits verabschiedet zu haben, wie man an der nicht mehr gegebenen Gemeinnützigkeit von Wohnungsbaugesellschaften (insbes. Genossenschaften) erkennen kann. Umgekehrt kann sich die Notwendigkeit ergeben, neue Leistungen als im "öffentlichen Interesse" festzulegen, weil wirtschaftliche, soziale, technische oder ökologische Entwicklungen das erfordern. Bspw. lassen sich Situationen denken, bei denen das öffentliche Interesse an der Bereitstellung eines bezahlbaren, sozial verträglichen Wohnraums so groß wird, daß dieser Aufgabe ein öffentlicher Zweck politisch zuerkannt wird. Die Bestimmung des "öffentlichen Zwecks" ist also eine politische Daueraufgabe: die Politik ist einerseits gefordert, überkommene "öffentliche Aufgaben" auf ihre Sinnhaftigkeit und ihren eventuellen Abbau zu überpriifen (Aufgabenkritik). Andererseits steht sie ständig vor der Notwendigkeit, neue Aufgaben als "öffentlich" zu erklären. Bei der "Aufgabenpolitik" öffentlich legitimierter Gremien wird es je nach ordnungspolitischer Grundposition einen eher engen Fokus (auf staatliche Kernfunktionen im Sinne eines neoliberalen "Minimalstaates") oder einen eher weiten Fokus (auf staatliche Kern- und Gewährleistungsaufgaben im Sinne des aktivierenden bzw. Gewährleistungsstaates) geben20 . 19 Die EU-Kommission ~pricht anstau von "public interest" von "services of general interest", was in den deutschen Obersetzungen von EU-Texten regelmäßig mit "Daseinsvorsorge" gleichgesetzt wird.

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Da Aufgaben, mit denen ein "öffentlicher Zweck" verbunden ist, nicht gesetzlich abschließend aufgelistet oder wissenschaftlich endgültig definiert werden können, sondern nur im politischen Entscheidungsprozeß für einen begrenzten Zeitraum bestimmt werden können, hat man mit einem extrem weiten Ermessensspielraum zu tun, wenn man Aufgaben auf ihre öffentliche Zweckbestimmung hin untersuchen wi11 21 . Die Kategorie des "öffentlichen Zwecks" erscheint somit ähnlich gummihaft und nebulös wie die der "öffentlichen Aufgabe" Es drängen sich deshalb Zweifel auf, inwieweit diese Kategorie überhaupt justiziabel sein kann. Im Sinne einer Negativabgrenzung ist man immerhin ganz überwiegend der Auffassung, daß die Gewinnerzielungsabsicht alleine nicht als hinreichender öffentlicher Zweck angesehen werden könne22 , obwohl von kommunaler Seite gerne darauf hingewiesen wird, daß mit den erzielten Erlösen zumindest indirekt andere "notleidende" Aufgaben finanziert werden könnten 23 . Hier besteht ein deutlicher Unterschied zur wirtschaftlichen Tätigkeit anderer staatlicher Ebenen: Bund und Länder können im Gegensatz zu den Kommunen sehr wohl Unternehmen aus rein fiskalischem Interesse, d. h. aus Gewinnerzielungsabsicht betreiben (und haben das ja auch in der Vergangenheit reichlich getan). Im Sinne der betriebswirtschaftliehen Unterscheidung von Leistungs- und Erfolgszielen ist es allerdings sehr wohl möglich und zulässig, daß kommunale Betriebe im Rahmen der Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags auch Gewinne erzielen, d. h. daß sie bei Dominanz des Leistungsziels ein positives Erfolgsziel anstreben24. Im Hinblick auf die Anwendung des Ausschlußkriteriums "öffentlicher Zweck" stellen sich eine Reihe kritischer Nachfragen: • Kann die Entscheidung über die Zubilligung eines öffentlichen Zwecks zu einer bestimmten Leistung angesichts des bestehenden weiten Einschätzungsspielraums auf Seiten der Kommune nicht von vomherein der jeweiligen politischen Vertretungskörperschaft der Kommune überlassen werden und der Eingriff der Kommunalaufsicht auf ganz offenkundige Mißbrauchsfälle begrenzt werden?25 Ist nicht mit vielen wirtschaftlichen Aktivitäten der Kommunen zumindest indirekt ein "öffentlicher Zweck" verbunden, z. B. Erhaltung von Arbeitsplätzen 20 Vgl. zur Unterscheidung von Kern- und Gewährleistungsaufgaben bspw. Reichard, C., Umdenken im Rathaus. Neue Steuerungsmodelle in der deutschen Kommunalverwaltung, Berlin 1994. 21 Vgl. auch Ehlers (wie Anm. 11), S. 498 f. 22 Vgl. ebenda, S. 499. 23 Immerhin schließt sich dieser Auffassung unter gewissen Voraussetzungen auch Otting an; vgl. Otting, 0., Öffentlicher Zweck, Finanzhoheit und fairer Wettbewerb - Spielräume kommunaler Erwerbswirtschaft, in: DVBI. 1997, S. 1258-1264, hier S. 1259 ff. 24 Vgl. zur Zulässigkeil von Gewinnrnitnahmen: Ehlers (wie Anm. 11), S. 500. 25 Diese Auffassung vertritt bspw. besonders klar der Deutsche Städte- und Gemeindebund; vgl. dazu Dedy, H., Sonnenschein, R., Kommunale Wirtschaft vor neuen Herausforderungen! in: Stadt und Gemeinde 7-8/ 1998; Beilage, S. 2; die Rechtsprechung ist nicht allzu weit davon entfernt: vgl. z. B. BVerwGE 39, 329, 334.

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[Bsp.: Weiterführung eines konkursreifen Unternehmens durch die Kommune], Nichterhöhung kommunaler Gebühren, Erzielung ökologischer Effekte [Bsp.: Betrieb von Solartaxis durch Stadt] usw., so daß ein klarer Trennstrich zwischen Zweckbezug und Nicht-Zweckbezug überhaupt kaum gezogen werden kann ?26 • Findet nicht ständig ein fließender Wandel des "öffentlichen Zweckes" statt? Kann nicht etwas zukünftig im öffentlichen Interesse sein, was heute unstrittig nicht dazu gehört?27 Ist die Identifikation des "öffentlichen Zwecks" demzufolge nicht ein dynamischer Prozeß, der gar nicht "endgültig" durch Recht gesetzt werden kann? Ist die Rechtsprechung für solche dynamischen Abwägungen dann überhaupt eine geeignete Instanz?

privates Angebot gering

privates Angebot hoch

Sachzusammenhang hoch

+

?

Sachzusammenhang gering

0

-

Abb. 2

Ohne hier auf die teilweise ungeklärten Punkte der öffentlichen Zweckbestimmung näher eingehen zu können, wird man mit Blick auf Abb. 2 grundsätzlich sagen können, daß eine wirtschaftliche Tätigkeit einer Kommune, die in einem engen Sachzusamrnenhang zu einer bereits ausgeübten öffentlichen Leistung steht und bei der die privatwirtschaftliehen Angebotsstrukturen gering ausgeprägt oder nicht vorhanden sind, eher als "öffentlich-zweckdienlich" anzusehen sein wird (d. h. Bewertung mit"+" in der Tabelle) als eine Tätigkeit in völlig neuen, traditionell nicht als "öffentlich" erachteten Aufgabenbereichen, in denen es bereits ein ausgeprägtes Angebot von privater Seite gibt (d. h. Bewertung mit "-" in der Tabelle). Die Situation, in der ein im engen Sachzusammenhang mit kommunaler Kerntätigkeit stehendes Angebot auf ein ebenfalls hohes privates Angebot trifft, d. h. wo eine klare Wettbewerbslage gegeben ist, erscheint besonders problematisch und kontrovers (d. h. Bewertung mit "?" in der Tabelle). Hier sollte im Sinne des später geschilderten Wettbewerbsgedankens ein fairer Wettbewerb zwischen kommunal und privat ermöglicht werden. Eine andere Lage entsteht, wenn eine Kommune eine Leistung plant, die nicht in engem Zusammenhang zu ihrem Kernleistungsspektrum steht, wo jedoch von privater Seite keine angemessenen Angebote vorliegen. 26 Vgl. dazu z. B. Cronauge, U., Welchen rechtlichen Rahmen braucht die kommunale Wirtschaft von morgen?, in: AKP 4/1998, S. 36-40, hier S. 40; ferner Ehlers (wie Anm. 11), S. 498; Deutlich radikaler argumentiert Bozeman: Bei fast allen Produkten und Leistungen im sogenannten privaten Sektor kann man eine "öffentliche" Zweckwidmung erkennen, wobei oft privater Haupt- und öffentlicher Nebenzweck kaum voneinander zu trennen sind; vgl. Bozeman, B., All Organizations are Public, San Francisco I London 1987. 27 Vgl. Cronauge (wie Anm. 26), S. 39; ders. (wie Anm. 11), S. 33.

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Hier kann es politisch geboten sein, daß die Kommune die Leistung anbietet, wenn dies politisch als "zweckmäßig" angesehen wird. Insbesondere bei Annextätigkeiten wird im übrigen einschränkend festzustellen sein, daß sie über eine untergeordnete Rolle im Vergleich zur eigentlichen Hauptfunktion nicht hinausgehen sollten28. c) Territorialprinzip

Die derzeitige Rechtslage wird von den Kommunen insbesondere im Hinblick auf das Territorialprinzip als unzureichend empfunden29 . Hier sieht man vor allem die Bedrohung durch in- und ausländische (private) Unternehmen, die in einer Gemeinde die Ausschreibung einer Leistung für sich gewinnen können. In dieser Situation, in der ein kommunaler Betrieb sein bisheriges Tätigkeitsfeld verliert, muß es ihm- so argumentiert die Kommunalwirtschaft- möglich sein, auch außerhalb der Gemeindegrenzen tätig zu werden. Sonst entstehe ein eklatantes Ungleichgewicht in den Wettbewerbschancen. Überdies sollte es möglich sein, daß sich kommunale Unternehmen aus Gründen der Kapazitätsauslastung oder der economies of scale mit anderen öffentlichen oder auch privaten Unternehmen zusammenschließen, um außerhalb der Gemeindegrenzen aufzutreten. Technisch-ökonomische Notwendigkeiten der gemeindlichen Grenzüberschreitung werden heutzutage vor allem in der Energiewirtschaft und der Abfallwirtschaft sichtbar. Bei grenzüberschreitender Leistungserbringung treten allerdings stets potentielle Konflikte mit denjenigen Gemeinden auf, auf deren Territorium die "fremde" Gemeinde tätig werden will. Hier wird es auch künftig sicher nicht ohne Absprachen zwischen den betroffenen Gemeinden gehen können, wenngleich ein gewisses Maß an "cross-border-competition" zwischen verschiedenen Gemeinden (und deren Betrieben) durchaus nicht schädlich sein dürfte. Insgesamt scheint hier eine Lockerung des engen Rechtsrahmens in besonderem Maße geboten zu sein.

d) Subsidiaritätsprinzip und Leistungsfähigkeitsgrundsatz

Alle Kommunalverfassungen regeln in mehr oder weniger strenger Form, daß kommunale Betriebe nur dann wirtschaftlich tätig werden dürfen, wenn keine adäquaten privaten Anbieter vorhanden sind, die die betreffende Leistung gleich günstig oder günstiger erbringen können30. Wenn im Rahmen des Auftraggeber- I Auftragnehmermodells eine Gemeinde eine bestimmte öffentliche Leistung für ihre Vgl. Unterausschuß "Kommunale Wirtschaft" 1998, S. 26 f. Vgl. Cronauge (wie Anm. 26), S. 38 f.; eher restriktiv sind demgegenüber die meisten Stellungnahmen aus dem kommunalrechtlichen Feld: z. B. Ehlers (wie Anm. 11), S. 504; Hösch (wie Anm. 18), S. 403. 30 Vgl. z. B. Cronauge (wie Anm. 11), S. 32. 28

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Bürger gewährleisten will, dann steht in der Tat die Frage "wer kann es besser?" an. Solange hier nicht verengt dogmatisch "im Zweifel pro Privat" entschieden wird, ist gegen eine sinnvolle Praxis des Subsidiaritätsprinzips nichts einzuwenden. Kommunale Betriebe müssen sich eben dem Wettbewerb stellen - soweit dieser in fairen Bahnen verläuft (s. dazu Abschn. 7). Allerdings erscheint die in einigen Gemeindeordnungen (z. B. Rheinland-Pfalz) verankerte "verschärfte Subsidiarität", d. h. der Zwang, eine Leistung durch einen Privaten erbringen zu lassen, wenn dieser "gleich gut" wie die Kommune ist, wiederum als normativ verengt. Hier wird wieder das "Privatisierungsdogma" sichtbar. Der Vergleich zwischen privaten und öffentlichen Angeboten kann im übrigen z. B. im Wege eines Markterkundungs- bzw. Interessenbekundungsverfahrens erfolgen, wie es bspw. in der Brandenburgischen Gemeindeordnung vorgesehen ise 1. Gegen den vierten Grenzziehungs-Grundsatz - die Forderung nach angemessener Leistungsfähigkeit - ist ebenfalls kaum etwas einzuwenden. Allenfalls gilt es festzuhalten, daß dabei auch und vor allem die zukünftige Leistungsfähigkeit einer Kommune und ihres Betriebs eingeschätzt werden muß (was beachtliche Prognoseprobleme nach sich zieht).

6. Die Kontroverse um die Zulässigkeit der Marktteilnahme von Kommunen

In der kommunalen Welt meint man, daß die Regelungen des Gemeindewirtschaftsrechts der neuen bedrohlichen Lage der Kommunalwirtschaft nur ungenügend Rechnung tragen und daß deshalb eine Novellierung der Vorschriften mit dem Ziel einer deutlichen Flexibilisierung und Öffnung wünschenswert see2 . Die Kommunen argumentieren, daß die Privaten sich nicht nur die gewinnträchtigen Bereiche wie Wasser, Abfall oder Energie herauspicken und den Städten den unrentablen Rest (ÖPNV, Bibliotheken, Museen usw.) überlassen dürften, sondern daß es faire Chancen auch für die Städte geben müsse, d. h. daß auch die Städte dazu ermächtigt sein sollten, finanziell erfolgreiche Aktivitäten durchführen zu können. Auf der anderen Seite stehen die (mittelständischen) Privatunternehmen und deren Verbände und fordern einen weitgehenden Verzicht der Kommunen auf wirtschaftliche Tätigkeit sowie deren Rückzug auf die kommunalen Kernaufgaben33 .

31 Vgl. Hösch (wie Anm. 18), S. 403 unter Verweis auf § 101 Abs. 4 iVm § 100 Abs. 3 BbgGO. 32 Vgl. Cronauge (wie Anm. 26), Dedy, Sonnenschein (wie Anm. 25). 33 Vgl. z. B. Zengraf, B., Privatisieren statt expandieren, in: Das Rathaus 2000, H. 4, S. 112- 117 u. H. 5; S. 160-162; o.V., Partnerschaft auf der schiefen Ebene? Gefährdet eine neue Gemeindepolitik die alte Partnerschaft zwischen Kommune und Handwerk?, in: Dialog Handwerk 2/1998.

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Außerdem verweisen sie auf aus ihrer Sicht ungleiche Wettbewerbsbedingungen (u. a.: Nichtkonkurs von Kommunen). Faßt man die verschiedenen Argumente zusammen, die zur Frage der wirtschaftlichen Tätigkeit genannt werden, ergibt sich der in der folgenden Tabelle wiedergegebene Stichwort-Katalog: Argumente "pro wirtschaftliche Betätigung"

Argumente "contra wirtschaftliche Betätigung"

wenn contracting-out, dann auch contrac- Marktaktivitäten sind Sache der privaten ting-in! Wirtschaft Kapazitätsauslastung

Kommunale Marktaktivitäten gefährden private Wirtschaft (insb. KMU)

Personalauslastung, weil Personal nicht ent- Kommunale Marktaktivitäten Markteintritt Privater verhindem lassen werden kann

können

Ergänzung eines bestehenden kommunalen Kommunen haben kein vergleichbares UnSortiments (Erhaltung der "Wettbewerbsfä- temehmerrisiko ("ungleiche Waffen") higkeit" einer Kommune) Finanzkrise und zu geringe Zuwendungen Kommunen sind steuerlich bevorzugt erzwingen Marktaktivitäten Ausgleich für "Rosinenpickerei" privater Letztlich muß Steuerzahler bei Scheitern eiAnbieter (Motto: wenn Kommune verlust- nes Marktabenteuers zahlen trächtige "Restaktivitäten" hat, dann soll sie auch attraktive Marktaktivitäten haben ... ) Ausgleich für notwendige verlustträchtige Kommune trennt nicht zwischen hoheitlikommunale Leistungen chen und wirtschaftlichen Funktionen; sie nützt Informations-Vorteile aus (z. B. im Baugenehrnigungswesen) wenn von Kommune ,,untemehmerisches Contracting-In verhindert Konzentration eiHandeln" verlangt wird, soll sie auch so han- ner Verwaltung auf ihre Kernaufgaben dein dürfen. . . (freedom to manage means investing in new business) warum sollen Kommunen nicht dürfen, was Gefahr des "Kommunalkannibalismus", d. h. der Staat mit seinen öffentlichen Erwerbsun- der Beeinträchtigung von Kommunen durch andere Kommunen34 temehmen darf? Abb. 3 34 So Meyer, H., Nichtwirtschaftliche Betätigung der Kommunen: Spiel ohne Grenzen?, in: LKV 8/2000, S. 321-324, hier S. 324.

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Wie man sieht, haben beide Seiten durchaus plausible Argumente. Auf der einen Seite stehen die Kommunen und deren Verbände35 . Sie sprechen sich für Lockerungen im Gemeindewirtschaftsrecht, insbesondere im Hinblick auf das Territorialprinzip aus und plädieren für eine "dynamische Rechtsentwicklung" 36 . Auf der anderen Seite steht einerseits die überwiegende Mehrheit der Rechtswissenschaftler, andererseits die Phalanx der privaten Unternehmen und der Kammern, die für einen Rückbau der kommunalen Wirtschaftstätigkeit und die Öffnung der entsprechenden Märkte plädieren. In zahlreichen Gerichtsverfahren vor Zivilgerichten (und nicht vor Verwaltungsgerichten, wo solche Streitverfahren eigentlich hingehören würden) haben die Vertreter der privaten Interessen aufgrund von Klagen auf Basis des UWG und GWB in jüngerer Zeit nicht selten Recht bekommen. Eine klare und eindeutige Lösung ist nicht erkennbar. Für die Zukunft muß man daher fordern, daß es durch eine die Interessen beider Seiten beriicksichtigende Wettbewerbspolitik sowie durch Fortentwicklung des kommunalrechtlichen Rahmens und die Anpassung desselben an das allgemeine EU- und nationale Wettbewerbs- und Infrastrukturrecht gelingen muß, aus dieser unbefriedigenden Konfliktlage herauszukommen. Bis zur umfassenden Novellierung des Gemeindewirtschaftsrecht in den deutschen Bundesländern, die möglicherweise erst in einer unsicheren und fernen Zukunft erfolgen wird, sind jedoch einige Zwischenschritte denkbar, die aus Sicht der Innenministerkonferenz z. B. folgende Optionen umfassen könnten37 : • Verzicht auf Beanstandung unzulässiger Aktivitäten durch die Kommunalaufsicht • befristete Duldung unzulässiger Aktivitäten durch die Kommunalaufsicht • "neue" bzw "dynamische" Rechtsauslegung unter Beachtung der eingetretenen Rahmenveränderungen • verstärkte interkommunale Zusammenarbeit zwischen Kommunen, um den Restriktionen des Territorialprinzips zu entgehen • Ausnahmen von einzelnen Regelungen (z. B. Territorialprinzip) durch Landesgesetze bzw. Öffnungsklauseln Bei diesen zukunftsbezogenen Gestaltungsmaßnahmen sollte jedenfalls auf einen für beide Seiten fairen Wettbewerb geachtet werden. Nur dann haben die Kommunen und deren Betriebe wie auch ihre privaten Mitbewerber gleiche Chancen. In den folgenden Passagen werden dazu einige Hinweise gegeben. 35 Dabei nimmt der DStGB die offensivste Position "pro neue Geschäftsfelder" ein, der DST verhält sich deutlich abwägender, während sich der Landkreistag - vor allem durch seinen Hauptgeschäftsführer Henneke [vgl. Henneke (wie Anm. 11)]- eher restriktiv-konservativ äußert. 36 Vgl. Cronauge (wie Anm. 11), S. 33; kritisch demgegenüber Henneke (wie Anm. 11), S. 238, der das für einen "Irrweg" erachtet. 37 Vgl. Unterausschuß "Kommunale Wirtschaft" 1998, S. 62 ff.

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7. Bedingungen eines fairen "public/private"-Wettbewerbs Wird die Zulässigkeit und normative Wünschbarkeil eines Marktwettbewerbs prinzipiell bejaht (s. Abschn. 2), so fragt es sich, welche Voraussetzungen und Bedingungen auf Seiten der kommunalen Betriebe zu fordern sind, damit ein hinreichend fairer Wettbewerb zwischen diesen Betrieben und privaten Anbietern erwartet werden kann. Aus vorliegenden ausländischen und ersten inländischen Erfahrungen lassen sich vor allem die folgenden Punkte festhalten. • Zwischen hoheitlichen Funktionen und Dienstleistungsfunktionen sollte in einer Kommune strikt getrennt werden, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Dem sollte auch organisatorisch Rechnung getragen werden, etwa durch Verselbständigung von Dienstleistungseinheiten im Sinne des Gewährleistungs- bzw. Auftraggeber-/-nehmermodells (s. Abschn. 8). • Kommunale Einrichtungen sollten in rechtlich selbständiger Form organisiert werden, soweit sie wirtschaftlich tätig werden; vorzugsweise in privatrechtlicher Form. Sie sollten im Prinzip auch "konkursfähig" sein können, d. h. an sie sollten analoge Maßstäbe der Insolvenz angelegt werden wie an private Unternehmen. Treten Liquiditätskrisen auf, müßten die Fortführungschancen durch Tätigkeit unabhängiger Wirtschaftsprüfer beurteilt und es müßte im Falle einer kritischen Einschätzung auch die Einstellung der Wirtschaftstätigkeit veranlaßt werden können38 . • Kommunale Betriebe sollten mit Privaten im Hinblick auf Steuerrecht, Kreditgewährung (z. B.: keine Vorzugskonditionen bei Kommunalkredit) und Bürgschaftsgewährung gleich gestellt werden • Es sollte ein klares Verbot von Quersubventionierung und Dumpingpreisen gelten (für kommunale wie private Unternehmen gleichermaßen) • Es wäre die Kalkulation (voll-)kostendeckender Preise einschl. angemessener Kapitalverzinsung zu fordern 39.

38 Diese Forderung widerspricht zweifellos den bisherigen Vorstellungen vom Schutz der Gemeinden durch den Staat (vgl. als Schrift in dieser Buchreihe z. B. Nierhaus, M., Gebhardt, 1., Zur Ausfallhaftung des Staates für zahlungsunfähige Kommunen, Berlin 1999). Sie bezieht sich auch lediglich auf rechtlich selbständige, am Markt tätige "Konzerntöchter" von Kommunen. Entscheidender Faktor dabei dürfte die Durchsetzung eines Verbots der Subventionierung solcher gefährdeten Kommunalbetriebe durch ihre Mutterkommune sein. Am Rande sei in diesem Zusammenhang angemerkt, daß einiges dafür spricht, Kommunen in ihrem Finanzgebahren stärker an die privatwirtschaftliche Praxis anzunähern, sie bspw. in ihrer Kreditwürdigkeit wie Unternehmen einem Rating zu unterziehen (wie das in zahlreichen anderen Staaten der Fall ist!), anstatt ihnen das Sonderprivileg der Konkursunfähigkeit einzuräumen.

39 Hier sei auf die Praxis in Großbritannien verwiesen, wo die Kommunen im Falle von "Eigenfertigung" öffentlicher Leistungen in ihrer Kostenrechnung eine Eigenkapitalverzinsung auszuweisen haben; vgl. dazu Wegener, A., Kommunale Verwaltungsmodernisierung zwischen zentralstaatlicher Regulierung und lokaler Initiative. Fallstudie Braintree Distriel Council. WZB DP FS II 96-203, Berlin 1996.

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• Für die Beschäftigten sollte ein gleichartiger Status wie im Privatsektor gelten. Sie sollten insbesondere gleich hohe Bezahlungsniveaus und analoge Arbeitsund Sozialbedingungen haben40. Unter diesen Bedingungen verläuft ein Beschäftigtenübergang vom kommunalen zum privaten Betrieb, falls letzterer eine Ausschreibung für sich gewinnt, wesentlich konfliktärmer und sozialverträglicher, als das bislang in Deutschland der Fall ist. • Die Kommunalbetriebe müssen ein aussagefähiges Berichtswesen praktizieren und wirksame Priifverfahren (Kommunalaufsicht, Rechnungshöfe, Wirtschaftspriifungsfirmen) durchlaufen. Man wird dann wohl auch ein besonderes "Kartellrecht" benötigen, das entsprechend regulierend in Wettbewerbsverzenungen eingreift. Schließlich wird es darauf ankommen, daß angemessene Sanktionen auch wirksam durchgesetzt werden. Analog wird man auch für private Anbieter bestimmte Regeln festsetzen und durchsetzen müssen, die sich bspw. auf das Unterlassen von "Rosinenpickerei", die Überpriifbarkeit von Kalkulationen u.ä. beziehen müßten. Hier kann einiges durch entsprechende Vertragsregelungen erreicht werden, etwa durch das Ausschreiben von flächendeckend zu bedienenden Versorgungsgebieten, die das "Rosinenpicken" von Privaten verhindern. Aus verschiedenen ausländischen Erfahrungen (Bsp.: Niederlande, Großbritannien) wissen wir, daß kommunale Betriebe in einer solchen Form ausgestaltet werden können und daß sie dann sehr wohl in der Lage sind, den Wettbewerb mit Privaten zu bestehen, ohne daß sie bevorzugte Wettbewerbsbedingungen hätten41 . Völlige "Waffengleichheit" wird man allerdings wohl nie herzustellen vermögen. Die Kommunalverwaltung wird stets gewisse - z.T. ja auch gerade erwünschte! (z. B.: politisch-demokratische Steuerung und Kontrolle, Gemeinwohlorientierung) - systemprägende Besonderheiten im Vergleich zur Privatwirtschaft behalten, insbesondere was die intensivere Bindung an Recht und Gesetz betrifft42.

40 In zahlreichen Staaten der Welt ist bereits seit längerem ein Prozeß der "Normalisierung" des öffentlichen Dienstes abzusehen, d. h. einer fortschreitenden Angleichung der Arbeitsverhältnisse im öffentlichen und privaten Sektor (vgl. dazu allg.: Naschold, F., Jann, W., Reichard, C., Innovation, Effektivität, Nachhaltigkeit, Berlin 1999, insbes. S. 37 ff. ); auch hier ist im übrigen das Fallbeispiel Großbritannien instruktiv, wo seit Beginn der Reformen in den 80er Jahren die Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst weitgehendst denen im Privatsektor angenähert wurden und wo z. B. kommunale Dienstleister in sogen. "direct-labororganisations" als quasi-selbständige Anbieter gegenüber der Kommune auftraten; vgl. dazu ebenfalls Wegener (wie Anm. 39). 41 Vgl. z. B. Wegener (wie Anm. 1). 42 Vgl. Cronauge (wie Anm. 26), S. 40; Hili (wie Anm. 11), S. 26.

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8. Gewährleistungsstaat und Verzahnung von Staat und Markt

In den neueren Staatsmodellen vom "Aktivierenden Staat" (s. das aktuelle Konzept der Bundesregierung43 ) oder vom "Gewährleistungsstaat"44 wird ein neuartiges Verständnis von öffentlichen Aufgaben, ihrer Gewährleistung und ihrer Erfüllung entwickelt. Der Staat und die Kommune müssen nicht alle öffentlichen Aufgaben selbst vollziehen, die sie für politisch notwendig und gegenüber ihren Bürgern für gewährleistungsbedürftig befinden. Nach dieser Staatsidee gilt zunächst der einfach klingende (aber schwer zu verwirklichende) Grundsatz: "Aufgabenerfüllung durch den, der es besser kann". Und das heißt, daß die Aufgabenerfüllung entweder durch eine öffentliche oder durch eine private Einrichtung erfolgen kann, je nachdem, welche Organisation dazu "besser", d. h. wirksamer und effizienter in der Lage ist45 . Damit gilt nicht mehr das ordnungspolitische Privatisierungsprimat des Neoliberalismus, das von der schlichten normativen Annahme ausgeht, daß Private stets effizienter als der Staat arbeiten könnten. Zahlreiche Erfahrungen belegen, daß die Effizienz von - privaten wie öffentlichen - Organisationen primär vom Marktregime, d. h. von der Wirksamkeit des Wettbewerbs abhängig ist und nicht so sehr von den Eigentumsverhältnissen. Wenn es gelingt, auch kommunale Einrichtungen stärker unter Wettbewerbsdruck zu setzen, ist damit zu rechnen, daß diese ähnlich effizient wie Private zu handeln in der Lage sind46. In einer Reihe von Staaten hat es sich bewährt, diesem Gewährleistungsgedanken auch strukturell Rechnung zu tragen, indem man in einer Kommunalverwaltung zwischen dem Auftraggeber (contractor) und dem Leistungserbringer (provider) trennt. Gemeinderat und Verwaltungsführung fungieren dabei zusammen mit einem kleinen "Vergabestab" als Auftraggeber von politisch gewünschten Leistungen, während die verschiedenen kommunalen Fachdienste (Jugendamt, Entsorgungsbetrieb usw.) gemeinsam mit externen privat-kommerziellen und -gemeinnützigen Anbietern als Auftragnehmer bzw. "Lieferanten" auftreten 47 • Der Auftraggeber vergibt in zeitlich begrenzter Form die Leistungsaufträge an die Anbieter, die das jeweils günstigste Angebot unterbreitet haben (wobei neben dem Preis auch Qualität und nachhaltige Wirkung eine Rolle spielen). Hierdurch werden die

43 Vgl. Moderner Staat- Moderne Verwaltung. Das Programm der Bundesregierung. Kabinettsbeschluß vom 1. 12. 1999 (www.staat-modem.de); vgl. dazu auch Reichard, C., Staatsund Verwaltungsmodemisierung im "aktivierenden Staat", in: Verwaltung und Fortbildung 1999, S.ll7 - 130. 44 Vgl. Mastronardi, Ph., Schedler; K., New Public Management in Staat und Recht. Bern usw. 1998; Schuppert, G. F., Verwaltungswissenschaft, Baden-Baden 2000, insbes. S. 933 ff. 45 V gl. dazu auch das Konzept der Leistungstiefenpolitik, wie es etwa in folgender Arbeit zum Ausdruck kommt: Naschold, F. u. a., Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, Berlin 1996. 46 Vgl. ähnlich auch Cronauge (wie Anm. 11), S. 43 f. 47 Vgl. i.e. z. B. Reichard, C., Institutionelle Wahlmöglichkeiten bei der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung, in: D. Budäus (Hrsg.), Organisationswandel öffentlicher Aufgabenwahrnehmung. Baden-Baden 1998, S. 121-153.

Gemeinden als Marktteilnehmer

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eigenen kommunalen Fachdienste unter deutlichen Wettbewerbs- und Effizienzdruck gestellt. Im übrigen wird es künftig immer schwieriger, überhaupt noch trennscharf zwischen "Staat" und "Markt" zu unterscheiden - die Grenzlinien verwischen sich zunehmend. Wir beobachten immer mehr hybride Organisationen, die sich nicht eindeutig einer Seite zurechnen lassen (Bsp.: Public Private Partnerships). Wir finden außerdem in immer höherem Maße komplexe institutionelle Arrangements, die bestimmte öffentliche Leistungen gemeinsam erbringen. Wenn wir konkrete Wertschöpfungsketten betrachten - ob in der Abfall- bzw. Kreislaufwirtschaft oder in den sozialen Diensten - dann sind daran in vielen Fällen unterschiedliche privatkommerzielle wie privat-gemeinnützige, halböffentliche und öffentliche Organisationen beteiligt, die netzwerkartig kooperieren und deren Kooperationsnetz nicht mehr eindeutig als "öffentlich" oder "privat" gekennzeichnet werden kann, weil es "beides" zugleich ist. Die Verwischung der Grenzen findet nicht zuletzt auch im Selbstverständnis der Manager kommunaler Unternehmen statt, die sich in ihrer Leitungsrolle zunehmend als "private Manager" wahrnehmen und sich kaum noch mit ihren Mutterkommunen identifizieren48. Wenn sich die Führungskräfte der kommunalen Betriebe als wesentliche Anspruchsgruppe selbst in Richtung Markt orientieren und wenn auch die marktliehen Wettbewerbsprozesse immer mehr zunehmen, dann sind damit wichtige Voraussetzungen für eine Teilnahme der Kommunen - oder zumindest ihrer Betriebe-am Marktgeschehen gegeben. Wenn dann weitere strukturelle Voraussetzungen für eine Marktteilnahme geschaffen werden - bspw. durch die organisatorische Umsetzung des erwähnten "Gewährleistungsmodells" - und wenn schließlich auch das Recht nachzieht - einerseits mit Lockerungen des restriktiven Marktbeteiligungsrahmens, andererseits mit klarer Regulierung der Wettbewerbsvoraussetzungen und -prozesse - dann sind gute Chancen für einen produktiven Marktwettbewerb zwischen kommunalen und privaten Anbietern öffentlicher Dienstleistungen gegeben.

48 Dies läßt ein DFG-Forschungsprojekt an der Universität Potsdam erkennen, das die Einstellungen und Orientierungen von Managern von Stadtwerke-Betrieben untersucht hat. Das Selbstbild der Manager orientiert sich eindeutig an der marktorientierten, privatwirtschaftliehen Unternehmensführung; Gemeinwohl und kommunale Bindungen spielen dagegen nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Akteure in den kommunalen Betrieben sind also in Richtung "Markt" programmiert. Vgl. Edeling, Th., Kommunale Unternehmen zwischen Marktliberalisierung und öffentlichem Auftrag, in: Berliner Debatte Initial, 3/2000, S. 50 - 59.

Arbeitskreis 1 Vom Monopolbetrieb zum marktaktiven Unternehmen Kommunale Energieversorger auf dem Weg in die Zukunft Von Karsten Rogas Den kommunalen Energieversargem war durch das Energiewirtschaftsgesetz von 1935 und durch die Freistellung vom Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 1957 in den von ihnen bedienten Territorien ein Monopolstatus ermöglicht worden: Sie waren innerhalb ihrer Gebietsgrenzen alleinige Anbieter von leitungsgebundener Energie. Mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes vom April 1998 änderte sich dies. Die traditionellen Gebietsmonopole in der leitungsgebundenen Energiewirtschaft werden aufgebrochen. Der Strommarkt öffnet sich. Zunächst setzt ein Wettbewerb um Großkunden und seit Sommer 1999 auch um Tarifkunden ein. Wie reagieren kommunale Energieversarger auf diese Deregulierung und Marktöffnung? In einem an der Universität Potsdam durchgeführten Forschungsprojekt untersuchen wir diese Frage. 1 Befragt wurde dazu das Management in insgesamt neun Stadtwerken unterschiedlicher Größe aus verschiedenen Regionen Deutschlands. Im Friihjahr und Sommer 1998 wurden dazu insgesamt 58 Gespräche mit der Geschäftsführung, dem mittleren Management und den Arbeitnehmervertretern geführt. Zudem wurden insgesamt 173 Fragebögen ausgewertet. Um im härter werdenden Wettbewerb zu bestehen, orientieren sich die Stadtwerke bzw. kommunalen Energieversarger stärker als bisher an Wettbewerbern, KunI Die Ergebnisse dieses Artikels beruhen auf einem an der Universität Potsdam im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführten Forschungsprojekt Die Leitung dieses Projektes haben Prof Edeling, Organisations- und Verwaltungssoziologie, Prof Stölting, Allgemeine Soziologie und Prof Wagner, BWL Schwerpunkt Organisation und Personal. Der Autor, jetzt Berater der KPMG Consulting AG, war wissenschaftlicher Mitarbeiter in diesem Projekt, ebenso wie Dipl. Pol. Sören Lieske und Dipl. Soz. Roger Sitter. Ziel des Projektes ist es, das Management in öffentlichen und privaten Betrieben zu untersuchen und zu vergleichen. Untersucht wurden kommunale Verwaltungen, kommunale Verkehrsbetriebe, kommunale Energieversorger, ein größeres Energieuntemehmen, und ein größeres privates Unternehmen der Verkehrstechnik. Die folgenden Ausführen beziehen sich nur auf die kommunalen Energieversarger bzw. Stadtwerke.

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den, Ertrag und Kosten. Wie setzen die Unternehmen dies in Marktstrategie, Struktur und Instrumenten der Unternehmensführung um? Das befragte Management in den Stadtwerken betont, daß die kommunalen Energieversarger sich stärker am Markt ausrichten müssen, um im Wettbewerb zu bestehen. Entsprechend werden die Spielräume für die Subventionierung politisch gewollter, aber unrentabler Leistungen, wie Hallenbäder und öffentlicher Personennahverkehr, in der Zukunft geringer werden. Deutlicher noch als bisher wird man sich in Zukunft gegen Eingriffe der kommunalen Eigentümer in die Unternehmensführung wehren, wenn diese dem auf Gewinn und Ertrag ausgerichteten Kalkül zu wider laufen. Ihre Autonomie gegenüber den Eigentümern wollen die Stadtwerkemanager stärken. Aus der Perspektive der Stadtwerkemanager trägt auch die Rechtsform dazu bei: Im Unterschied zum Eigenbetrieb verspricht man sich von der GmbH oder der Holding im härter werdenden Kampf um Kunden schnellere Entscheidungen und mehr Flexibilität. Dies sei nötig, um sich am Markt zu behaupten. Durch Verbindungen mit anderen Unternehmen, wie z. B. die Bildung von Einkaufsgemeinschaften, erhoffen die Stadtwerke sich Vorteile über sogenannte Skaleneffekte. Der Wettbewerb um Tarifkunden hat 1998 noch nicht eingesetzt. Veränderungen betreffen hier in erster Linie die Verbesserung des Kundenservices, z. B. über die Errichtung von Callcenter. Anders bei den Großkunden: Durch eine ganzheitliche Betreuung, die die einzelnen Sparten Strom, Gas, Warme und Wasser zusammenfaßt, durch feste Ansprechpartner, und langfristige Lieferverträge mit entsprechenden Preisnachlässen versuchen die Stadtwerke, ihre Großkunden an sich zu binden. Eine spartenübergreifende Organisation soll zudem helfen, Synergien besser als in der Vergangenheit zu nutzen. Auch die einzelnen Geschäftsprozesse werden reorganisiert, um Effektivität, Effizienz und Kundenorientierung zu verbessern. Die Einführung von Profit- und Castcenter soll dazu beitragen, transparente Leistungs- und Organisationsstrukturen aufzubauen. Die im Unternehmen erbrachten Leistungen werden vor dem Hintergrund ihrer Kosten bewertet und gegebenfalls von außen bezogen. Bei gleichzeitiger Erhöhung der Produktivität wurde bereits in den letzten Jahren Personal, überwiegend sozialverträglich, abgebaut. Dieser Prozeß wird auch zukünftig noch fortgesetzt. Neu rekrutiert wird lediglich Personal für bestimmte, strategisch relevante und neu aufgebaute Bereiche, wie Marketing und EnergiehandeL Systeme der Zielvereinbarung sollen die Führung der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten stärker an vereinbarte Leistungskennzahlen koppeln. Flankiert wird dies durch eine leistungsorientierte Entlohnung. Die Mitarbeiter sollen vor allem ihre Kundenorientierung und ihr unternehmerisches Denken durch entsprechende Trainings (weiter-)entwickeln.

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Zieht man ein Resümee, so reagieren die untersuchten kommunalen Energieversorger auf die Marktöffnung, indem sie sich stärker als in der Vergangenheit an Wettbewerbern, Kunden, Ertrag und Kosten orientieren. Sie unterscheiden sich nicht in diesen Orientierungen, variieren allerdings in dem Grad der Umsetzung entsprechender betrieblicher Reorganisationsschritte. So sind zum Beispiel noch längst nicht bei allen Stadtwerken Managementinstrumente wie Profitcenter, Zielvereinbarungssysteme und leistungsorientierte Entgeltsysteme umgesetzt worden. Im Trend kann man konstatieren, das die kleineren Energieversorgungsunternehmen sich zum Zeitpunkt der Untersuchung -1998- erst am Anfang des Prozesses der Umstrukturierung befinden, wohingegen die größeren und stärker von ihren Eigentümern unabhängigen Unternehmen auf diesem Wege bereits weiter fortgeschritten sind. Als wichtiger Faktor erweist sich zudem die Person des Geschäftsführers: Er vermittelt das neue Leitbild des marktorientierten Unternehmens, muß Initiativen anstoßen und um Akzeptanz und Verbündete innerhalb und außerhalb seines Unternehmens werben.

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Stadtwerke unter Wettbewerbsdruck Zusammenfassung der Diskussion im Arbeitskreis 1

Von Dieter Wagner und Karsten Rogas Den kommunalen Energieversargem war durch das Energiewirtschaftsgesetz von 1935 und durch die Freistellung vom Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 1957 in den von ihnen bedienten Gebieten ein Monopolstatus ermöglicht worden: sie waren innerhalb ihrer Gebietsgrenzen alleinige Anbieter von leitungsgebundener Energie. Mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes vom April 1998 änderte sich dies. Die traditionellen Gebietsmonopole in der leitungsgebundenen Energiewirtschaft wurden aufgebrochen. Der Strommarkt öffnete sich. Zunächst setzte ein Wettbewerb um Großkunden und seit Sommer 1999 auch um Tarifkunden ein. Zunächst gab Rainer Eberth, Technischer Geschäftsführer der Stadtwerke Güstrow GmbH, einen Situationsbericht über die Lage seines Unternehmens. Dieses ist zu 100% Eigentum der Stadt Güstrow und hat die Geschäftsbereiche Strom, Gas, Wasser, Fernwärme und Abwasser. Dabei entfällt jeweils die Hälfte auf Strom, die andere Hälfte auf Gas, Warme und Wasser. Hinzu kommt eine Freizeitund Immobiliengesellschaft, u. a. mit einem Spaßbad und der Besitz eines Breitband-Kabel-Netzes. Vor der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes gab es einen 20 Jahre gültigen Stromlieferungsvertrag mit den Stadtwerken in Neubrandenburg, wobei mit der E.dis, einer Tochtergesellschaft der Preußenelektra, ein Durchleitungsvertrag bestand. Dieser Vertrag wurde im Anschluss an die Gesetzesnovellierung auf den symbolischen "Bezug" einer äußerst niedrigen Strommenge gekürzt und statt dessen mit einem anderen Stromlieferanten, der über ein relativ großes Gasturbinenkraftwerk verfügt, ein neuer Vertrag abgeschlossen. Allerdings wurde hierzu von der VEAG zum Zeitpunkt der Tagung die Durchleitung verweigert. Zusätzlich kam es zu einem Gerichtsstreit mit dem bisherigen Stromlieferanten mit dessen Mahnung, die vertraglich vereinbarten Liefermengen auch abzunehmen. Das Verhalten der Stadtwerke Güstrow wurde durch das Ziel geleitet, faire Preisanpassungsklauseln zu erreichen, denn zwischen dem alten und dem neuen Lieferanten waren deutliche Preisspannen festzustellen. Gab es also auf der Lieferantenseite durchaus erhebliche Veränderungen, so war die Anzahl der Vertragskündigungen seitens der Stromabnehmer relativ gering.

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Dieter Wagner und Karsten Rogas

Dieses Treueverhalten wurde auf das relativ gute Image der Stadtwerke zurückgeführt, wobei durchaus kritisch eingeräumt wurde, dass sie einerseits immer noch zu technisch strukturiert und in erster Linie auf Abrechnung und Verwaltung ausgerichtet sind. Auch Vertrieb und Kundenbetreuung werden als verbesserungsbedürftig angesehen. Bemd Willmert, Kaufmännischer Geschäftsführer der Stadtwerke Bochum GmbH, gab als Vertreter eines relativ großen Unternehmens zuerst die Prognose ab, dass von den größten acht Energieversargem in Deutschland durch Fusionen nur noch vier übrig bleiben werden. Mittlerweile hat ihm die Wirklichkeit hier recht gegeben. Für das erfolgreiche Weiterbestehen eines Stadtwerkes im Energiebereich nannte er die folgenden vier Kriterien: die Größe, die Flexibilität, die Beschaffungsoptimierung und den Marktauftritt Gerade in dem letzten Punkt wird hier noch ein erheblicher Nachholbedarf gesehen. Nichtsdestotrotz werden den Stadtwerken Bochum im Bereich Mittleres Ruhrgebiet (Bochum - Heme - Witten) große Chancen eingeräumt, überleben zu können. Dabei steht die Optimierung von Energiebezug, -erzeugung und - handel im Mittelpunkt der Aktivitäten. Dies soll flankiert werden durch zentrale Dienstleistungen, die in der Holding angesiedelt werden, die Einführung moderner Computersoftware, das Agieren auf dem überregionalen Energiemarkt und durch tragfähige Nischen- bzw. Spezialangebote. Hinzu kommt die Aktivierung neuer Geschäftsfelder wie die Nutzung von Breitbandkabel, Internet und Sprachtelefonie sowie das Facility-Management. Gerade hier dürfte bei vielen Stadtwerken eine spürbare Ernüchterung eingetreten sein, denn der Grundsatz, sich auf die Kernkompetenzen zu beschränken, gilt auch hier. Gute Chancen werden mittelfristig gesehen, wenn die Einschränkungen der kommunalen Rechtsvorschriften gelockert, Unternehmerische Entscheidungen gefördert und die Managementqualifikationen verbessert werden. Dr. Karsten Rogas, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt "Managementvergleich", Universität Potsdarn, berichtete von ersten Untersuchungsergebnissen. Befragt wurde das Management in neun Stadtwerken unterschiedlicher Größe aus verschiedenen Regionen Deutschlands. Im Frühjahr und Sommer 1998 wurden dazu insgesamt 58 Gespräche mit der Geschäftsführung, dem mittleren Management und den Arbeitnehmervertretern geführt. Zudem wurden insgesamt 173 Fragebögen ausgewertet. Um im härter werdenden Wettbewerb zu bestehen, orientieren sich die Stadtwerke stärker als bisher an Wettbewerbern, Kunden, Ertrag und Kosten. Wie setzen die Unternehmen dies in Marktstrategie, Struktur und Instrumente der Unternehmensführung um? Das befragte Management in den Stadtwerken betont, dass die kommunalen Energieversarger sich wieder stärker am Markt ausrichten müssen, um im Wettbe-

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werb zu bestehen. Entsprechend werden die Spielräume für die Subventionierung politisch gewollter, aber unrentabler Leistungen, wie Hallenbäder und der öffentliche Personennahverkehr, in der Zukunft geringer werden. Deutlicher noch als bisher wird man sich in Zukunft gegen Eingriffe der kommunalen Eigentümer in die Unternehmensführung wehren, wenn diese dem auf Gewinn und Ertrag ausgerichteten Kalkül zuwider laufen. Aus der Perspektive der Stadtwerkemanager trägt auch die Rechtsform dazu bei: von der GmbH oder der Holding verspricht man sich im härter werdenden Kampf um Kunden schnellere Entscheidungen und mehr Flexibilität. Dies sei nötig, um sich am Markt zu behaupten. Durch Verbindungen mit anderen Unternehmen, wie z. B. die Bildung von Einkaufsgemeinschaften, erhoffen sich die Stadtwerke Vorteile über sogenannte Skaleneffekte. Der Wettbewerb um Tarifkunden hat 1998 noch nicht eingesetzt. Veränderungen betreffen hier in erster Linie die Verbesserung des Kundenservices, z. B. über die Errichtung von Callcentern. Anders ist es bei den Großkunden: durch eine ganzheitliche Betreuung, die die einzelnen Sparten Strom, Gas, Warme und Wasser umfaßt, durch feste Ansprechpartner und durch langfristige Lieferverträge mit entsprechenden Preisnachlässen versuchen die Stadtwerke, ihre Großkunden an sich zu binden. Eine spartenübergreifende Organisation soll zudem helfen, Synergien besser als in der Vergangenheit zu nutzen. Auch die einzelnen Geschäftsprozesse werden reorganisiert, um Effektivität, Effizienz und Kundenorientierung zu verbessern. Die Einführung von Profit- und Costcentern soll dazu beitragen, transparentere Leistungs- und Organisationsstrukturen aufzubauen. Die im Unternehmen erbrachten Leistungen werden vor dem Hintergrund ihrer Kosten bewertet und gegebenenfalls von außen bezogen. Bei gleichzeitiger Erhöhung der Produktivität wurde bereits in den letzten Jahren Personal abgebaut, und zwar sozialverträglich. Dieser Prozeß wird auch in den nächsten Jahren fortgesetzt. Neu rekrutiert wird lediglich Personal für bestimmte, strategisch relevante und neu aufgebaute Bereiche wie Marketing und EnergiehandeL Systeme der Zielvereinbarung sollen die Führung der Mitarbeiter durch die Vorgesetzten stärker an vereinbarte Leistungskennzahlen koppeln. Flankiert wird dies durch eine leistungsorientierte Entlohnung. Die Mitarbeiter sollen vor allem ihre Kundenorientierung und ihr unternehmerisches Denken durch entsprechende Trainings weiterentwickeln. Zieht man ein Fazit, so reagieren die kommunalen Energieversorger auf die Marktöffnung, indem sie sich stärker als in der Vergangenheit an Wettbewerbern, Kunden, Ertrag und an Kosten orientieren. Sie unterscheiden sich nicht in diesen Größenordnungen, variieren allerdings in dem Grad der Umsetzung entsprechender betrieblicher Reorganisationsschritte. So sind zum Beispiel noch längst nicht bei allen Stadtwerken Managementinstrumente wie Profitcenter, Zielvereinbarungssysteme und leistungsorientierte Entgeltsysteme umgesetzt worden. Im Trend kann man konstatieren, dass die kleineren Energieversorgungsunternehmen sich

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zum Zeitpunkt der Untersuchung- 1998- erst am Anfang des Prozesses der Umstrukturierung befinden, wohingegen die größeren und stärker von ihren Eigentümern unabhängigen Unternehmen auf diesem Wege bereits weiter fortgeschritten sind. Als wichtiger Faktor erwies sich dabei die Person des Geschäftsführers: er vermittelt das neue Leitbild des marktorientierten Unternehmens, muß Initiativen anstoßen und um Akzeptanz und um Verbündete innerhalb und außerhalb seines Unternehmens werben.

Arbeitskreis 2 Kommunale Betriebe auf der Flucht aus dem öffentlichen Recht? Verselbständigung und Ausgründung kommunaler Betriebe und deren Steuerung Thesen und Fragen zur Einführung

Von Christoph Reichard 1. In der deutschen Kommunalverwaltung findet eine anhaltende Flucht verselbständigter Einrichtungen aus dem öffentlichen Recht statt. Motive sind neben anderen: Ablegung der Fesseln des öffentlichen Dienstrechts, des Personalvertretungsrechts, des Haushaltsrechts, des Vergaberechts; ferner Verringerung politischer Eingriffe und Kontrolle ins Betriebsgeschehen (verdeckt auch: Anhebung der Geschäftsführerbezüge). Die Fluchtbewegung führt vom Eigenbetrieb (gelegentlich auch: Regiebetrieb) in Richtung Eigengesellschaft (vorwiegend in Form der GmbH). Ist dieser Trend- aus Sicht der Trägerkommune oder aus Sicht des Betriebes wünschenswert? Wenn nein: Ist der Trend aufhaltbar, wenn "lebenswerte" Bedingungen für die Betriebe im öffentlich-rechtlich regulierten kommunalen Biotop geschaffen werden?

2. Jüngere Novellierungen in den deutschen Gemeindeordnungen haben einige Änderungen gebracht: zum einen dringt der Typus der "kommunalen Anstalt" als neue Rechtsform vor (ausgehend von Bayern sowie den Stadtstaaten Berlin und Harnburg nunmehr z. B. auch in Rheinland-Pfalzund Sachsen-Anhalt), zum anderen gibt es immer noch eher restriktive Regelungen "pro Eigenbetrieb" und "contra privatrechtliche Eigengesellschaft", bspw. in Baden-Württemberg. Wie wird die zukünftige Entwicklung eingeschätzt? Insbesondere für die Kommunen in den neuen Ländern, ganz speziell für Brandenburg? Sollte man die Rechtsformenwahl liberalisieren und alle geeigneten Rechts- und Organisationsformen zur Disposition der Kommunen stellen? Oder sind regulierende und restriktive Eingriffe nach wie vor angezeigt?

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Christoph Reichard

3. Die Steuerung kommunaler Betriebe wird in Deutschland - insbesondere im Falle von Eigengesellschaften oder gemischtwirtschaftlichen Beteiligungen - als defizitär eingeschätzt. Die administrative Steuerung durch die Verwaltung (häufig: Kämmerei) erfolgt in vielen Fällen eher reaktiv ("Beteiligungsaktenverwaltung") und beschränkt sich auf ein Finanzcontrolling. Die politische Steuerung durch die in den Aufsichtsgremien vertretenen Politiker (Ratsmitglieder) ist eher durch die jeweiligen betrieblichen Partialinteressen als durch das Gesamt-(Gemeinwohl-)Interesse der Kommune geprägt. Vermehrt wird auf Seiten der Trägerkommune der Eindruck empfunden, daß die kommunalen Betriebe "aus dem Ruder laufen" und daß sie nicht mehr voll zur "kommunalen Familie" gerechnet werden können (obwohl in den Betrieben mittlerweile in größeren Städten mehr als 50% der Beschäftigten tätig sind und ein großer Teil der kommunalen Wertschöpfung erfolgt).

Sind diese Befunde zutreffend? Was gibt es an wirksameren Ansätzen der Beteiligungssteuerung (Bsp. Leipzig) ? Kann man die Ratsmitglieder in den Aufsichtsräten zu mehr "Gemeinwohlorientierung" bringen? Ist der Schritt zur GmbH vielleicht sogar eine Fehlentwicklung und sollte man verstärkt über "Rückgründungen" - etwa zu Eigenbetrieben - nachdenken? Oder ist die kommunale Anstalt hier eine Lösung? 4. Die Manager der kommunalen Betriebe identifizieren sich - wie ein aktuelles Forschungsprojekt an der Universität Potsdam zeigt - nicht länger mit ihrer Kommune, sie sehen sich in der gleichen Rolle wie Manager von Privatunternehmen, sie wollen möglichst wenig mit ihrem Träger zu tun haben und erwarten weitgehende Selbständigkeit.

Ist das zu begrüßen oder erscheint das eher bedenklich? Wie kann dann noch der "öffentliche Auftrag" eines kommunalen Betriebes gesichert werden? Ist das vielleicht ein Indikator, daß eine schleichende Erosion der kommunalen Selbstverwaltung stattfindet? Ist Organisationsprivatisierung insofern der erste Schritt zur materiellen Privatisierung und damit zum Rückzug des Staates aus öffentlichen Dienstleistungen?

Organisationsformen wirtschaftlicher Betätigung brandenborgiseher Kommunen Ein Überblick

Von Stefanie Sehrnaht

1. Einführung

Die möglichen Organisationsfonnen wirtschaftlicher Betätigung von Gemeinden in Brandenburg sind vielgestaltig und so komplex, daß man mühelos einen Vormittag zu diesem Thema referieren könnte 1. Da uns diese Zeit nicht zur Verfügung steht, möchte ich Ihnen nun in der gebotenen Kürze einen knappen Überblick über die unterschiedlichen Organisationstypen geben. Entschließt sich eine brandenburgische Gemeinde, ein kommunales Unternehmen zu gründen, kann sie sich - freilich unter Beachtung der allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen an die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden (§ 100 BbgGO)- den in §§ 101 bis 103 BbgGO zugestandenen Organisationsfonneo bedienen. Da sich die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden regelmäßig in einem Spannungsfeld zwischen öffentlicher Aufgabenerfüllung und unternehmenscher Aktivität befindet, gesteht das Kommunalrecht den Gemeinden2 Wahlfreiheit zu, in welcher Organisationsfonn sie ihre Tätigkeit durchführen wollen, solange und soweit die Gemeinde bei der Auswahl der Organisationsfonn von ihrem Ermessen pflichtgemäß Gebrauch macht und eine effektive Steuerung und Kontrolle des Unternehmens gewährleistet3 •

I Zur Problematik der Wirtschaftstätigkeit von brandenburgischen Kommunen im allgemeinen vgl. St. Schmahl, Umfang und Grenzen wirtschaftlicher Betätigung von Gemeinden in Brandenburg, LKV 2000, S. 47 ff. 2 Entscheidungsbefugt ist hierbei allein die Gemeindevertretung, vgl. § 35 Abs. 2 Nr. 23 bis 27 BbgGO. 3 R. Stober; Kommunalrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Auf!. 1996, S. 343 f.; F. Schach, Der Beitrag des kommunalen Wirtschaftsrechts zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben, DÖV 1993, S. 377 (381); K. Waechter; Kommunalrecht, 3. Auf!. 1997, Rn. 639. Zur Rechtsformenwahl im einzelnen vgl. R. Scholz/R. Pitschas, Kriterien für die Wahl der Rechtsforrn, in: G. Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Band 5, Kommunale Wirtschaft, 2. Auf!. 1984, S. 128 ff.

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2. Öffentlich-rechtliche Organisationsformen

Das öffentliche Recht stellt für die erwerbswirtschaftliche Betätigung von Gemeinden unselbständige und selbständige Organisationsformen zur Verfügung.

a) Unselbständige Unternehmensformen

Da sie der geltenden Grundkonzeption des brandenburgischen Kommunalrechts besonders nahestehen, möchte ich zunächst auf die unselbständigen öffentlichrechtlichen Organisationstypen eingehen, zu denen der Regiebetrieb und der Eigenbetrieb zählen.

aa) Regiebetrieb Für die Organisationsform des Regiebetriebs gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage, sie basiert vielmehr auf der (allgemeinen) Organisationsgewalt der Gemeinde. Der Regiebetrieb ist eine Form des öffentlich-rechtlichen Unternehmens, bei dem technische Mittel lediglich als besondere Abteilung innerhalb der Gemeindeverwaltung geführt werden. Da der Regiebetrieb vollständig in die Verwaltungshierarchie eingegliedert ist, hat er keine eigene Rechtspersönlichkeit4 . Dementsprechend besitzt er auch kein eigenes Betriebsvermögen; sein Finanzaufwand wird durch eine Kostenstelle im kommunalen Haushaltsplan ausgewiesen5 . Der Rechnungsstil des Regiebetriebs ist eine reine kameralistische Einnahmenund Ausgabenrechnung. Eine selbständige Wirtschaftsführung ist dadurch ausgeschlossen, wenngleich ein Regiebetrieb sehr wohl auch mit der Absicht der Gewinnerzielung geführt werden darfi. Ferner besitzt der Regiebetrieb keine selbständigen Leitungsorgane; alle wichtigen Fragen der Betriebsführung werden von den zuständigen Stellen der Kommunalverwaltung entschieden. Regiebetriebe dienen regelmäßig der Deckung des Eigenbedarfs von Gemeinden; sie sind deshalb keine kommunalen wirtschaftlichen Unternehmen im engeren Sinne7 . 4 D. Sterze[, Verfassungs-, europa- und kommunalrechtliche Rahmenbedingungen für eine Privatisierung kommunaler Aufgaben, in: Th. Blanke/R. Trümmer (Hrsg.), Handbuch Privatisierung, 1998, S. 99 (232). s Der Regiebetrieb wird regelmäßig als sog. Bruttobetrieb geführt; sämtliche Einnahmen und Ausgaben erscheinen im Haushalt, vgl. A. Gern, Deutsches Kommunalrecht, 2. Aufl. 1997, Rn. 747; R. Stober (Fn. 3), Rn. 345; 0 . Reidt, in: H. D. Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3. Aufl. 1997, § 12 Rn. 10. 6 BVerwGE 39, 329 (333)- kommunales Bestattungswesen; vgl. auch D. Sterze[ (Fn. 4), s. 233. 7 Die Organisationsform des Regiebetriebs findet man daher typischerweise bei Versorgungsbetrieben kleinerer Gemeinden, so z. B. bei Schlachthöfen, Fuhrparks oder Gärtnereien.

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Im Rahmen der Effektivierung des gemeindlichen Verwaltungshandeins durch die sog. "Neuen Steuerungsmodelle" 8 kann der Regiebetrieb allerdings neue Bedeutung erlangen. Infolge der Dezentralisierung der Gesamtverwaltung und aufgrund einer Verselbständigung des Budgets und des Rechnungswesens wird der insoweit "optimierte" Regiebetrieb dem Eigenbetrieb wohl angenähert9. bb) Eigenbetrieb Im Gegensatz zum Regiebetrieb ist der Eigenbetrieb in der brandenburgischen Gemeindeordnung in § 101 Abs. 3 BbgGO als mögliche konununale Unternehmensform erwähnt. Danach sind Eigenbetriebe rechtlich unselbständige Vermögens- und Verwaltungsteile der Gemeinde. Trotz seiner ebenfalls fehlenden Rechtspersönlichkeit ist der Eigenbetrieb organisatorisch und finanzwirtschaftlich deutlich von der Gemeindeverwaltung getrennt10. Die organisatorische Selbständigkeit ist bereits an dem Vorhandensein eigener Organe abzulesen. So wird der Eigenbetrieb gemäß § 103 Abs. 4 BbgGO durch eine Werksleitung geführt, die den Betrieb weitgehend selbständig steuert und die für die laufende wirtschaftliche Führung der Geschäfte im Außenverhältnis verantwortlich ist. Der Werksausschuß - gemäß § 103 Abs. 3 BbgGO ein Ausschuß der Gemeindevertretung - stellt die Verbindung zwischen politischer Führung und ökonomischer Betriebstätigkeit her. Er beschließt über die wichtigen Angelegenheiten des Betriebs, sofern nicht eine Vorbehaltsaufgabe der Gemeindevertretung vorliegtn . Die interne Organisationsstruktur des Eigenbetriebs ist gemäß § 103 Abs. 2 S. 1 BbgGO durch eine Betriebssatzung zu regeln. Die Eigenbetriebe verfügen also trotz ihrer Eigenschaft als nichtrechtsfähige Anstalten über einen hohen Grad organisatorischer Selbständigkeit innerhalb der kommunalen Verwaltungsorganisation, so daß sie zu Recht als Schnittstelle zwischen konununaler Verwaltung und selbständigem Unternehmen angesehen werden 12 . 8 Vgl. hierzu ausführlich 0 . Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, 1997, S. 44 ff. 9 N. P. Benedens, in: Schumacher I Augustesen I Benedens I Erdmann, Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Gemeindeordnung für das Land Brandenburg, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand September 2000, § 100 Rn. 4.2. 10 W. Plumbaum, in: Städte- und Gemeindebund BrandenburgiMuth (Hrsg.), Potsdamer Kommentar zur Kommunalverfassung Brandenburg, 1995, § 100 GO Rn. 7 b und § 101 GO Rn. 3 c; R. Stober (Fn. 3), S. 345; 0. Seewald, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Auf!. 1999, Kap. I. B. Rn. 289. Zu Stellung und Aufgaben des Eigenbetriebs ausführlich: F. Zeiss I H. Bolsenkötter I H. Dau et. al., Das Recht der gemeindlichen Eigenbetriebe, 4. Auf!. 1993. II Dies ist z. B. der Fall bei der Entscheidung über einen Anschluß- und Benutzungszwang, vgl. OVG Münster, DÖV 1989, S. 594. 12 F.-L. Knemeyeri B. Kempen, Kommunales Wirtschaftsrecht, in: AchterbergiPüttnerl Würtenberger (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band 2, 2. Auf!. 2000, S. 87; A. Gern (Fn. 5), Rn. 741; F. Zeissi H. Bolsenkötter IR. Dau et. al. (Fn. 10), Rn. 22.

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Finanzwirtschaftlich werden die Eigenbetriebe als gemeindliches Sondervermögen behandelt. Namentlich Haushalts- und Kassenführung, Vermögensverwaltung und Rechnungslegung jedes Eigenbetriebs sind so einzurichten, daß sie eine gesonderte Betrachtung der Verwaltung und des Ergebnisses ermöglichen 13 . Das Vermögen des Eigenbetriebs wird als Sondervermögen verwaltet; nur das wirtschaftliche Endergebnis erscheint im Haushalt 14. Da zudem das Eigenbetriebsrecht die Anwendung betriebswirtschaftlicher Methoden vorschreibt 15 , sind Eigenbetriebe für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele erheblich besser geeignet als die unselbständigen Regiebetriebe. Weil die Eigenbetriebe insgesamt in die Entscheidungsstrukturen der kommunalen Selbstverwaltung eingebunden sind, bleibt die politische Kontrolle und Verantwortung der Gemeinde bestehen; dadurch wird die demokratische Legitimation der kommunalen Aufgabenerfüllung im vollen Umfang gewährleistet 16 . Diesem Umstand kommt deshalb besonderes Gewicht zu, weil Eigenbetriebe häufig öffentliche Aufgaben im Versorgungsbereich wahrnehmen und eine Monopolstellung innehaben17. Wegen seines komplizierten Kompetenzgefüges und aufgrundder notwendigen Austarierung zwischen politischem Einfluß einerseits und kaufmännischem Arbeiten andererseits ist der Eigenbetrieb allerdings eine eher schwerfällige Betriebsform, die Unternehmerischen Initiativen im Wege stehen kann.

b) Selbständige Unternehmensformen

Von den selbständigen öffentlich-rechtlichen Organisationsformen sind vor allem die selbständigen rechtsfähigen öffentlichen Anstalten und die Zweckverbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts bedeutsam 18.

13

D. Sterze[ (Fn. 4), S. 234; A . Gern (Fn. 5), Rn. 744.

14

Sog. Nettobetriebe, vgl. R. Stober (Fn. 3), S. 345; 0. Reidt (Fn. 5), § 12 Rn. 11; V.

Cronauge, Kommunale Unternehmen, 3. Auf!. 1997, Rn. 149. N. Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, 1993, S. 448. A. Gern (Fn. 5), Rn. 741. 17 P. Münch, Aspekte öffentlich-rechtlicher Unternehmensverfassung, in: Eichhorn (Hrsg.), Unternehmensverfassung in der privaten und öffentlichen Wirtschaft, 1989, S. 177 (186). 18 Im übrigen können Kommunen gemäß § 99 BbgGO auch rechtsfähige Stiftungen des öffentlichen Rechts schaffen oder verwalten, wenn sie einen öffentlichen Zweck verfolgen, der im Rahmen der gemeindlichen Aufgabenerfüllung liegt. Weiterführend hierzu: M. Twehues, Rechtsfragen kommunaler Stiftungen, 1996. 15

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aa) Anstalten des öffentlichen Rechts Anstalten des öffentlichen Rechts sind rechtsfähige juristische Personen und als solche Teil der öffentlich-rechtlichen Verwaltungsorganisation. Sie sind dazu bestimmt, einen besonderen öffentlichen Zweck mit Hilfe der ihnen hierfür zur Verfügung gestellten persönlichen und sächlichen Mittel dauerhaft zu erfüllen 19 . Sie werden von einer Körperschaft getragen, so daß Anstaltsträger auch Gemeinden sein können. Sie verfügen nicht über Mitglieder, sondern werden von Benutzern als Empfänger der von der Anstalt angebotenen Leistungen in Anspruch genommen. Die Anstalten des öffentlichen Rechts nehmen eine funktionelle Sonderstellung in der Verwaltungsorganisation ein, weil sie im Rahmen und zum Zweck ihrer öffentlichen Aufgabenerfüllung wie ein privates Unternehmen kaufmännisch geführt werden. Sie versprechen eine deutlich größere Selbständigkeit als der Eigenbetrieb und dienen gleichzeitig der Befriedigung öffentlicher Interessen. Aus diesem Grund bietet sich dieser Organisationstypus als öffentlich-rechtliche Unternehmensform im Bereich der kommunalen Wirtschaft grundsätzlich geradezu an. Gleichwohl können die brandenburgischen Kommunen bislang nur beschränkt auf die Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts zurückgreifen. Die Gemeinden können öffentlich-rechtliche Anstalten nur bilden, wenn sie durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes dazu ermächtigt werden20. Sofern eine derartige spezialgesetzliche Befugnis fehlt, ist die Kommune nicht in der Lage, diese Rechtsform in ihre Überlegungen einzubeziehen. Das einzige in Brandenburg bestehende Beispiel für eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts auf kommunaler Ebene sind die Sparkassen, denen diese Organisationsform gemäß § I Abs. I Satz 1 BbgSpkG verliehen worden ist21 •

bb) Zweckverbände I Körperschaften des öffentlichen Rechts Die wirtschaftlichen Zweckverbände22 sind ihrer Rechtsnatur nach Körperschaften des öffentlichen Rechts und dienen der gemeinsamen (interkommunalen) Wahrnehmung bestimmter kommunaler Aufgaben. Gemeinden und GemeindeverA. Gern (Fn. 5), Rn. 750. U. Cronauge (Fn. 14), Rn. 157; H . Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auf!. 2000, § 23 Rn. 51. 21 Zum Sparkassenwesen vgl. etwa K. Stern/ J. Burmeister. Die kommunalen Sparkassen, 1972; A. von Mutius, Die kommunalen Sparkassen- Status und Organisation, in: G. Püttner (Fn. 3), S. 453 ff.; K. Stern/M. Nierhaus, Rechtsfragen der Neuordnung des Sparkassenwesens als Folge kommunaler Neugliederung, 1976; sowie dies., Regionalprinzip und Sparkassenhoheit im europäischen Bankenbinnenmarkt, 1992. 22 Zu denken ist beispielsweise an Verkehrsverbände, vgl. St. Schmahl (Fn. 1), S. 50; U. Cronauge (Fn. 14), Rn. 212. 19

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Stefanie Schmahl

bände können sich entweder auf freiwilliger Basis zu einem Zweckverband zusammenschließen, sie können aber auch zwangsweise durch aufsichtsbehördliche Verfügung zur Erfüllung von Pflichtaufgaben zusammengeschlossen werden. In Brandenburg können Zweckverbände gemäß § 4 Abs. 1 BbgGKG sogar zur Erfüllung von Aufgaben gebildet werden, zu denen die Gemeinden nicht verpflichtet sind23 . Der Zweckverband verwaltet gemäß § 5 Abs. l BbgGKG seine Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung. Verfassung und Verwaltung des Zweckverbandes richten sich nach der von dem betreffenden Zweckverband zu erlassenden Verbandssatzung (§§ 7 und 9 BbgGKG), die von der Aufsichtsbehörde gemäߧ§ 10 Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 2 BbgGKG zu genehmigen ist. Regelmäßig besitzt der Zweckverband zwei Organe, die Verbandsversammlung (§ 15 BbgGKG) und den Verbandsvorstand (§§ 16, 17 BbgGKG). 3. Privatrechtliche Organisationsformen

Die Kommunen können ein Unternehmen auch in einer Rechtsform des privaten Rechts gründen, übernehmen oder sich an einem solchen beteiligen. Je stärker die Aufgabenerfüllung unternehmerisches Handeln erfordert, desto eher wird die Gemeinde auf eine Organisationsform des Privatrechts zurückgreifen 24 . Wegen der damit verbundenen Gefahr der Verselbständigung kommunaler Wirtschaftsunternehmen stellt die Gemeindeordnung in§ 102 BbgGO besondere Voraussetzungen für die Gründung von Unternehmen in privatrechtlicher Organisationsform auf, nicht zuletzt um die Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeindeorgane sicherzustellen. Neben den für die Errichtung, Übernahme und Erweiterung wirtschaftlicher Unternehmen allgemein geltenden Zulässigkeilsvoraussetzungen (§§ 101, 100 BbgGO), die auch für die Gründung von privatrechtliehen Unternehmen anzuwenden sind, verlangt die öffentliche Verantwortlichkeit der Gemeinde, daß der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung die Erfüllung einer Gemeindeaufgabe sicherstellt (§ 102 Nr. l BbgGO) und die Gemeinde einen angemessenen Einfluß auf das Unternehmen erhält. Diese in § 102 Nr. 2 BbgGO festgelegte und in § 104 BbgGO personell konkretisierte Aufsichts- und Kontrollpflicht trägt dem Umstand Rechnung, daß das Handeln der Verwaltung auch bei der Wahl einer privaten Rechtsform wegen der rechtsstaatliehen Bindung der Verwaltung an die geltenden Legitimations- und Kontrollerfordernisse gebunden bleibt25 . Vgl. V. Cronauge (Fn. 14), Rn. 210. U. Gundlach, Die Haftung der Gemeinde für ihre Eigengesellschaften, LKV 2000, S. 58. Vorteile privatrechtlicher Unternehmensformen gegenüber ihrem öffentlich-rechtlichen "Pendant" bestehen etwa in der Befreiung von den Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts, speziell bei der Lohngestaltung und dem Personalvertretungsrecht, sowie in einer flexibleren Preisgestaltung aufgrund einer leichter handhabbaren Tarifpolitik; so auch A. Gern (Fn. 5), Rn. 762. 25 Ähnlich U. Gundlach (Fn. 24), S. 58; vgl. auch E. Th. Kraft, Eigengesellschaften, in: G. Püttner (Fn. 3), S. 168 (175 ff.). 23

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Die Haftung der Gemeinde ist auf einen ihrer Leistungsfähigkeit angemessenen Betrag zu begrenzen(§ 102 Nr. 3 BbgGO). Wegen dieser Haftungsbegrenzung ist der Kommune die Rechtsform der OHG und der BGB-Gesellschaft verschlossen; das gleiche gilt für eine Beteiligung als Komplementäon an einer KG26• Vornehmlich entscheiden sich die Gemeinden deshalb für die Gründung von Aktiengesellschaften oder GmbHs - nicht zuletzt auch, weil sie eigene Rechtspersönlichkeiten darstellen27 . Die Gemeinden können Kapitalgesellschaften allein (sog. Eigengesellschaften, vgl. § 101 Abs. 3 Nr. 2 BbgGO) oder als Beteiligungsgesellschaften mit anderen Verwaltungsträgem (gemischt-öffentliche Beteiligungsgesellschaften) oder mit Privatpersonen (gemischt-wirtschaftliche Beteiligungsgesellschaften28 ) zusammen betreiben. Nun stellt sich die Frage, welcher der privaten Gesellschaftsformen im Einzelfall der Vorzug zu geben ist. Die zu treffende Entscheidung sollte sich vor allem an zwei Kriterien orientieren: Einerseits sollte diejenige private Organisationsform gewählt werden, die ein Höchstmaß an Wirtschaftlichkeit des Betriebs bei gleichbleibendem Leistungsangebot gewährleistet; andererseits ist sicherzustellen, daß der maßgebliche kommunalpolitische Wille bei Unternehmensentscheidungen ausreichend berücksichtigt wird. Unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Optimierung bietet die AG den Vorteil, daß sie - anders als die GmbH - Eigenkapital beschaffen kann. Sie ist börsenfähig und leicht zu veräußern. Bei der GmbH hingegen eröffnet das Gesellschaftsrecht die Möglichkeit, im Gesellschaftsvertrag Weisungsrechte der Kommunen festzuschreiben(§§ 45, 46 GmbHG), während das AktG Weisungen der Hauptversammlung an den gemäß § 76 Abs. 1 AktG selbständigen Vorstand nicht zuläßt und die Aufsichtsratsmitglieder bei ihren Entscheidungen nur verpflichtet sind, die Belange der Gesellschaft zu berücksichtigen (§ 111 Abs. 3 AktG). Zwar kann eine Gemeinde, die Mehrheitsaktionäon einer AG ist, ihren Einfluß auf das Unternehmen dadurch absichern, daß sie Aufsichtsratsmitglieder entsendet, sofern sie sich ein satzungsmäßiges Entsendungsrecht gemäߧ 101 Abs. 2 Satz 1 AktG vorbehalten hat29 . Ferner läßt das Aktienrecht den Abschluß eines Beherrschungsvertrages gemäߧ§ 291 ff., 308 Abs. 2 AktG zu, so daß auch hierüber für die Kommune hinlängliche Aufsichts- und Kontrollrechte sichergestellt werden können 30. Der Rück26 W. Plumbaum (Fn. 10), § 101 GO Rn. 3 d; St. Sehrnaht (Fn. 1), S. 50. Entsprechendes gilt für den nichtrechtsfähigen Verein. Auch bei diesem ist die Haftung nicht beschränkbar. Eine Haftungsbegrenzung besteht lediglich beim Idealverein, vgl. BGHZ 42, 210 (216). 27 N. P. Benedens (Fn. 9), § 102 Rn. 3.2.; K. Waechter (Fn. 3), Rn. 641. 28 Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Public Private Partnership (PPP), vgl. P. J. Tettinger, Die rechtliche Ausgestaltung von Public Private Partnership, DÖV 1996, S. 764 ff.; 0. Reidt (Fn. 5), § 12 Rn. 2. 29 U. Cronauge (Fn. 14), Rn. 327. 30 A. Gern (Fn. 5), Rn. 764; D. Sterze/ (Fn. 4), S. 241; G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 2. Aufl. 1985, S. 236. Zur Anerkennung der öffentlichen Hand als herrschendes Unternehmen siehe BGHZ 69, 334 (338 ff.). 7 Reichard

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Stefanie Sehrnaht

griff auf das Konzernrecht mit der öffentlichen Hand als Konzernmutter bietet sich allerdings wohl nur für gemischt-wirtschaftliche Unternehmen an31 . In Zweifelsfällen sollten die Kommunen daher zur Rechtsform der GmbH greifen, bei der die notwendige direktive Einflußnahme der Gemeinde im Gesellschaftsvertrag verankert werden kann. 4. Sonstige Voraussetzungen für die Gründung eines kommunalen Unternehmens

Unabhängig davon, für welche Art des Unternehmens sich die Gemeinde entscheidet, ist sie verpflichtet, das Unternehmen so zu führen, daß der öffentliche Zweck nachhaltig erfüllt wird(§ 102 Nr. 1, § 107 BbgGO). Ihre Entscheidung über Gründung, wesentliche Erweiterung, Veräußerung oder Übernahme eines Unternehmens hat die Gemeinde grundsätzlich gemäß § 110 Abs. 1 BbgGO der Kommunalaufsichtsbehörde anzuzeigen; bis zum 31. 12. 2003 sind geplante Veränderungen der Organisationsstruktur gemeindlicher Unternehmen sogar gemäß § 110 Abs. 4 BbgGO genehmigungspflichtig. Außerdem verlangt § 105 BbgGO, daß die Informations- und Prüfrechte nach § 53 Abs. I und § 54 Haushaltsgrundsätzegesetz sichergestellt werden, wenn einer Gemeinde die Mehrheit der Anteile an einer Gesellschaft gehören. 5. Fazit

Die Praxis zeigt, daß die selbständigen privatrechtliehen Unternehmensformen bei der kommunalen Wirtschaftstätigkeit zunehmend bevorzugt werden 32 • Die genannten gesetzlichen Restriktionen verdeutlichen hingegen, daß das Land Brandenburg - ungeachtet der den Kommunen grundsätzlich eröffneten Möglichkeit, privatrechtliche Unternehmen zu gründen, - nach wie vor bemüht ist, den Vorrang öffentlich-rechtlicher Organisationsformen im Gemeindewirtschaftsrecht aufrechtzuerhalten. Nicht zuletzt deshalb sollte der brandenburgische Gesetzgeber über die Einführung von sog. "Kommunalunternehmen", wie sie bereits in einigen Bundesländern33, insbesondere im Freistaat Bayern34 existieren, nachdenken. Durch die 31 Zu den kommunalen Gebietskörperschaften als Unternehmen im Sinne des Konzernrechts ausführlich: T. Koch, Kommunale Unternehmen im Konzern, DVBI. 1994, S. 667 ff.; G. Püttner (Hrsg.), Der kommunale Querverbund, 1995, insbes. S. 133 ff. 32 0 . Seewald (Fn. 10), Kap. I. B. Rn. 292. 33 So sind z. B. in Berlin durch das Eigenbetriebsreformgesetz vom 9. 7. 1993 (GVBI. 1993 S. 319) bisherige Eigenbetriebe kraft Gesetzes in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts umgewandelt worden. Zum Hamburger Modell dieser neuen Unternehmensform, vgl. das Gesetz vom 9. 3. 1994 (GVBI. 1994 S. 79). Vgl. auch§§ 86a und 86b RhPfGO (4. ÄndGKomR, GVBI. 1998 S. 108) sowie § 114a NWGO (1. ModernGNRW, GVBI. 1999 S. 386). Hierzu F. W. Held, Die Zukunft der Kommunalwirtschaft im Wettbewerb mit der privaten Wirtschaft, NWVBI. 2000, S. 201 (204 f.).

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Möglichkeit, selbständige Kommunalunternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts zu gründen oder bestehende Regie- und Eigenbetriebe im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in derartige Anstalten umzuwandeln (vgl. Art. 89 BayGO), verfügt etwa die kommunale Praxis in Bayern über eine weitere öffentlich-rechtliche Alternative bei der Wahl der Organisationsform für ihre wirtschaftliche Tätigkeit. Die Vorteile dieser Anstaltslösung liegen auf der Hand: Gegenüber den Eigenbetrieben besitzen die Kommunalunternehmen eine erhöhte dienst-, arbeits-, steuer-und wirtschaftsrechtliche Flexibilität35 . Im Vergleich zu privatrechtliehen Unternehmensformen bieten sie den Vorteil, daß der Einfluß der Kommunen auf ihre Unternehmen dauerhaft gesichert ist. Damit vermag das Kommunalunternehmen diejenigen Entwicklungen der Organisationsprivatisierung aufzufangen, die zu einer "demokratischen Schattenwirtschaft"36 geführt haben.

34 Durch das Gesetz zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts vom 26. 7. 1995 (GVBI. 1995 S. 376) wurde das selbständige kommunale Unternehmen des öffentlichen Rechts erstmalig in die BayGO, und zwar in deren Art. 96 eingeführt. Infolge des Gesetzes des kommunalen Wirtschaftsrechts vom 24. 7. 1998 (GVBI. 1998 S. 424) wurde Abschnitt IV des drittes Teils der Gemeindeordnung umstrukturiert; Art. 96 BayGO ist nunmehr Art. 89 BayGO. Zu den Umbrüchen im kommunalen Wirtschaftsrecht, namentlich zu den Kommunalunternehmen, siehe etwa F.-L. Knemeyer, Das selbständige Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts, in: Kirchgässner I Knemeyer I Schulz, Das Kommunalunternehmen, in: Kommunalforschung für die Praxis, Heft 35, 1997, S. 9 ff. ; ders. , Vom kommunalen Wirtschaftsrecht zum kommunalen Unternehmensrecht, BayVBI. 1999, S. 1 ff.; B. Thode/H. Peres, Die Rechtsform Anstalt nach dem kommunalen Wirtschaftsrecht des Freistaates Bayern, BayVBI. 1999, S. 6 ff. 35 F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 9. Auf!. 1996, Rn. 263; Th. Mann, Das "Kommunalunternehmen" - Rechtsformenalternative im kommunalen Wirtschaftsrecht, NVwZ 1996, S. 557 f. 36 F.-L. Knemeyer, BayVBI. 1999 (Fn. 34), S. 3; ähnlich: D. Sterze/ (Fn. 4), S. 237.

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Die GmbH als Rechtsform kommunaler Unternehmen zu den Kompetenzkonflikten zwischen Kommunalverfassungsund Gesellschaftsrecht 1 Von Jürgen Keßler

1. Einleitung und Problemstellung

Die rechtliche Organisation und Verselbständigung kommunaler Daseinsvorsorge bedient sich zunehmend der privatrechtliehen Mechanismen des Gesellschaftsrechts2. Fragt man nach der "Räson" dieser Entwicklung, so gründet diese in ihrem Kern in der Annahme, die Instrumentarien der Privatrechtsordnung zeitigten gegenüber den überkommenen Institutionen und Handlungsformen des öffentlichen Rechts - insbesondere im Vergleich mit den landesspezifischen Regelungen des Eigenbetriebs sowie den öffentlich-rechtlichen Anstalten und Stiftungen - erhebliche Gestaltungsvorteile. Nach den durchweg einheitlichen Bestimmungen der jeweiligen Kommunalverfassungen, kommt eine Betätigung in privater Rechtsform seitens der Gemeinden allerdings nur in Betracht, soweit hinsichtlich des gesellschaftsrechtlich verfaßten Unternehmensträgers die Haftung beschränkt ist3 . Daß hierbei der Rechtsform der GmbH eine überragende Bedeutung zukommt, ist keineswegs zufällig, sondern gründet unmittelbar in den tragenden Regelungsprinzipien des GmbH-Rechts. So weist die GmbHaufgrund der Disponibilität ihrer inneren Regelungsstruktur (vgl. § 45 Abs. 2 GmbH) im Vergleich zu der vom Grundsatz der "formellen Satzungsstrenge" (§ 23 Abs. 5 AktG) geprägten AG signifikante Anpassungsvorteile auf, die es ermöglichen, die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags (der Satzung), weitgehend an den politischen Zielvorgaben des (Allein-) Gesellschafters zu orientieren4 . Darüber hinaus erweist sich die AusErweiterte und um Fußnoten ergänzte Fassung des Vortrags des Verfassers. Siehe hierzu Schäfer I Roreger, Kommunale Aufsichtsratsmitglieder: Rechte, Pflichten, Haftung, Strafbarkeit; Rechtsstellung kommunaler Vertreter in Aufsichtsräten privater Unternehmen, Friedrich-Ebert-Stiftung, Kommunalpolitische Texte Band 17, 1998. 3 Siehe: § 122 Abs. 1 S. 2 HessGO; § 69 KommVerf M-V;§ 108 Abs. 1 S. 3 GO NRW, § 117 Abs. 1 S. 4 GO Sa.-An., § 103 Abs. 1 S. 4 GO BW, Art. 91 Abs. 1 S. 4 BayGO, § 102 Nr. 3 GO Brand,§ 109 Abs. 1 NdsGO, § 109 Abs. 1 S. 2 KSVG Saar, § 96 Abs. 1 S. 3 SächsGO, § 102 Abs. I S. 2 GO Schl.-H., § 87 Abs. 1 GO Rh.Pf., § 73 Abs. 1 S. 3 ThürKO. 4 Siehe hierzu eingehend Keßler, in: Daumke/Keßler Der GmbH-Geschäftsführer, 1999, s. 21. I

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gestaltung der Leitungsstrukturen der GmbH aus Sicht der kommunalen Entscheidungsträger meist gegenüber der AG als vorzugswürdig. Leitet der Vorstand der AG die Gesellschaft- weisungsfrei- "unter eigener Verantwortung" (§ 76 Abs. 1 AktG), so bleibt der Geschäftsführer der GmbH - mangels einer entgegenstehenden Satzungsregelung - durchweg an Weisungen der Gesellschafterversammlung oder - im Bereich unseres Untersuchungsfelds - des Alleingesellschafters gebunden (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Dies ermöglicht in weitem Umfange die Koordination von kommunaler- und Unternehmenspolitik. Dabei verläuft der Abstimmungsprozeß zwischen den Mandatsträgern in den Gebietskörperschaften und den Organwaltern - Geschäftsführer und Aufsichtsräte - im gesellschaftlichen Binnengefüge nicht immer reibungslos. Mitunter stoßen sich die politischen Zielprojektionen an den harten Normen des Gesellschaftsrechts5 . Ein Kompetenzkonflikt, der für alle Beteiligten nicht unbeachtliche Haftungsrisiken in sich trägt. In welchem Umfange sich das Recht der GmbH einer heteronomen Steuerung seitens des gebietskörperschaftlich verfaßten Gesellschafters öffnet und wo die Grenzen einer "politischen Instrumentalisierung" liegen, soll nachfolgend einer knappen Betrachtung unterzogen werden. 2. Kommunalrecht und Gesellschaftsrecht in der grundgesetzliehen Kompetenzordnung

Untersucht man das normative "Spannungsfeld" im Konfliktbereich zwischen Gesellschaftsrecht und Kommunalverfassung, so richtet sich der Blick zunächst zwangsläufig auf die divergierenden Vorgaben und Zuweisungen der grundgesetzliehen Kompetenzordnung. Während die Zuständigkeit hinsichtlich der Kommunalverfassung in der originären Befugnis des Landesgesetzgebers liegt (vgl. Art. 70 GG), bleibt das Gesellschaftsrecht zwingend der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes überantwortet (Art. 74 Abs. 1 GG). Dieser hat hiervon durch die Ausgestaltung der divergierenden Regelungstypen vor allem im Lichte des - nach wie vor unbestrittenen - "numerus clausus" gesellschaftsrechtlicher Verbandsformen in erschöpfender Weise Gebrauch gemacht. Kompetenzen der Länderorgane bestehen folglich nur dort, wo es um die normative "Vernetzung" kommunalrechtlicher Organisationsbestimmungen mit den verfaßten Körperschaften des Privatrechts zu tun ist. Ein "Eingriff' in die gesellschaftsrechtliche Verbandsordnung selbst bleibt den Ländern demgegenüber auch dort verwehrt, wo diese ihre konkrete Ausgestaltung nicht unmittelbar dem Kodifikationsakt des Bundesgesetzgebers sondern im Kern der Rechtsfortbildung seitens der Judikative, insbesondere der Rechtsprechung des zweiten Zivilsenats des BGH, verdanken. Die konzeptionelle Weiterentwicklung der gesetzlichen Vorgaben seitens der Gerichte läßt den bundesrechtlichen Charakter der Regelungen insoweit unberührt.

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Zu den konzernrechtlichen Aspekten siehe jetzt: Keßler, GmbHR 2001, S. 320 ff.

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Fragt man angesichts der verfassungsrechtlichen Kompetenzzuweisung nach den verbleibenden Gestaltungsspielräumen des Landesgesetzgebers, so ergibt sich - zumindest auf den zweiten Blick - ein deutlich ausgeprägtes und dogmatisch schlüssiges Regelungskonzept Wahrend interne Verbands- sowie externe Haftungsordnung des Gesellschaftsrechts der abschließenden Regelungbefugnis des Bundes unterfallen, obliegt es der alleinigen Zuständigkeit der Länder, die kommunalrechtliche Willensbildung der Gebietskörperschaft und deren Vertretung in den Gesellschafter-, Leitungs- und Aufsichtsorganen des privatrechtliehen Unternehmensträgers in gesetzlicher Weise zu bestimmen. Darüber hinaus bleibt es dem Landesgesetzgeber unbenommen, im Rahmen des Kommunalrechts bindende Vorgaben hinsichtlich des Gesellschaftsvertrags (der Satzung) zu treffen, soweit die normative Ordnung des Gesellschaftsstatuts durch das Bundesrechts keine zwingenden oder abschließenden Vorgaben enthält. Im Rahmen des seitens des Landesrechts nicht ausgeschöpften Gestaltungsspielraums kommt die Befugnis, auf eine funktionale Durchsetzung öffentlicher Interessen in der "corporate governance" der Gesellschaft hinzuwirken, notwendig den gemeindlichen Handlungsorganen nach Maßgabe der gemeinderechtlichen Organisationsordnung zu. Hier eröffnet die "statuarische" Flexibilität des GmbH-Rechts Gestaltungsmöglichkeiten, die seitens der kommunalen Anteilseigner häufig nur ungenügend beachtet werden. Dies mag seine Ursache nicht zuletzt darin finden, daß sich die Diskussion hinsichtlich der privatrechtliehen Betätigung der Gebietskörperschaften - unter den Vorzeichen des öffentlichen Rechts - meist auf die Frage des "Ob" im Sinne der generellen Zulässigkeit konzentriert, ohne der Problematik des "Wie" genügende Beachtung zu schenken. So enthalten die Kommunalverfassungen zumeist implizite 6 oder explizite7 Bestimmungen, welche die gemeindlichen Vertreter in den Gesellschaftsorganen insbesondere im Aufsichtsrat - an die Beschlüsse der kommunalen Organe binden. Zwar erscheint das Bemühen um die Angleichung der Entscheidungsprozesse aus Sicht der Gemeinde durchweg verständlich, doch verkennen die Vorgaben des Landesgesetzgebers nicht selten die verfassungsrechtlichen Schranken ihrer Eingriffsbefugnis (Art. 31 GG). Diese besteht lediglich innerhalb der gesellschaftsrechtlichen Grenzen, nicht jedoch darüber hinaus. Allerdings folgt hieraus nicht, daß Weisungsrechte des Alleingesellschafters gegenüber den Gesellschaftsorganen generell unzulässig sind; doch bestimmt sich die Zulässigkeit "heteronomer" Bindungen der Organwalter nach dem für die jeweilige Gesellschaftsform geltenden bundesrechtlichen - Regelungsstatut Im übrigen findet sich die verfassungsrechtliche Trennung der Kompetenzbereiche zumindest in den Gemeindeordnungen jüngerer Provenienz - insbesondere der § 103 Abs. 1 S. 3 GO BW, § 96 Abs. 1 S. 2 SächsGO, § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 ThürKO. Art. 93 Abs. 2 S. 2 BayGO, § 125 Abs. 2 HessGO, § 113 Abs. 1 GO NRW, § 71 Abs. 2 KV M.-V, § 104 Abs. 2 GO Brand.,§ 88 Abs. 3 GO Rh.-Pf., § 119 Abs. 2 GO Sa.-An. Keine Weisungsbindung für Aufsichtsratsmitglieder besteht in Niedersachsen, vgl. § 111 NdsGO. 6

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neuen Bundesländer - wider. So postuliert die GO des Landes Brandenburg das Weisungsrecht der Gemeindevertretung ausdrücklich nur "soweit nicht gesetzliche Bestimmungen des Gesellschaftsrechts entgegenstehen".

3. Weisungsrechte des Gesellschafters nach dem GmbHG a) Die Veifassung der GmbH

Betrachtet man die Leitungsstrukturen der GmbH im Lichte unserer Fragestellung, so offenbart sich deutlich die zentrale Funktion der Gesellschafterversammlung oder des Alleingesellschafters und die insofern eingeschränkte Unternehmerische Autonomie des Geschäftsführers. Die Gesellschafterversammlung ist oberstes Willensbildungs- und Geschäftsführungsorgan der Gesellschaft8 . Folgerichtig sind die Geschäftsführer - mangels einer abweichenden Regelung der Satzung - an die Beschlüsse der Gesellschafter gebunden (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Abweichend von AG und eG kennt das GmbHG keinen obligatorischen Aufsichtsrat. Allerdings kann der Gesellschaftsvertrag die Bildung eines Aufsichtsrats vorsehen9 . Dies ist bei kommunalen Gesellschaften meist der Fall; zumal die Kommunalverlassungen in aller Regel entsprechende Vorgaben enthalten 10. Danach kommt seitens der Kommunen eine Beteiligung an Unternehmen privater Rechtsform nur in Betracht, wenn "die Gemeinde einen angemessenen Einfluß, insbesondere im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Überwachungsorgan des Unternehmens, erhält" 11 • Was die satzungsrechtliche Kompetenz dieses "fakultativen" Aufsichtsrat betrifft, so bestehen im Lichte des Gesellschaftsrechts erhebliche Gestaltungsspielräume. Nur soweit die Satzung keine abweichende Regelung enthält, gelangen zum Teil die Kompetenzvorgaben des Aktienrechts zur Anwendung. (vgl. § 52 Abs. 1 GmbH). Es steht daher weitgehend im Ermessen der Gesellschafter, im Rahmen der Satzungsgestaltung die Zuständigkeit und die Mitwirkungsbefugnis des Aufsichtsrats im Vergleich zum aktienrechtlichen Referenzmodell zu erweitem oder zu verengen. Allerdings besteht Einigkeit, daß die Sachkompetenz des Aufsichtsrats entsprechend § 111 Abs. 1 AktG - zwingend und unabdingbar die Überwachung der Geschäftsführer umfaßt. Dies folgt notwendig aus der mit der Einrichtung des Kontrollorgans verbundenen -mittelbaren - Gewährsübernahme gegenüber den Gesellschaftsgläubigem. Die entsprechende Verlautbarung der s Flume, Juristische Person S. 61, insbes. F.N.l28. 9 Siehe ausführlich: Grassfeld I Brondics, AG 1987, S. 293 ff. 10 § 108 Abs. 1 S. 6 GO NW, § 103 Abs. 1 S. 3 GO BW, Art. 91 Abs. 1 S. 3 BayGO, § 102 Nr. 2 GO Brand, § 109 Abs. 1 S. 6 NdsGO, § 109 Abs. I S. 3 KSVG Saar, § 96 Abs. 1 S. 2 SächsGO, § 102 Abs. 1 S. 3 GO Schl.-H., § 122 Abs. 1 S. 3 HessGO, § 117 Abs. I S. 3 GO Sa.-An., § 69 Abs. 1 S. 3 KV M.-V.; siehe hierzu auch: Spannowsky, ZGR 1996, S. 400 ff., 424 ff. II § 102 Nr. 2 GO Brand.

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Satzung schafft im Rahmen der Registerpublizität einen Vertrauenstatbestand, dem seitens der Gesellschafter angemessen Rechnung zu tragen ist. Wird den Mitgliedern des Aufsichtsrats im Rahmen der statuarischen Begründung ihrer OrganstelJung zugleich die Überwachungsfunktion entzogen, so stellt die entsprechende Satzungsbestimmung insofern regelmäßig als rechtsmißbräuchlich dar (§ 242 BGB). Sieht man hiervon ab, so entspricht die zwingende Überwachungskompetenz des Aufsichtsrats regelmäßig auch dem Willen des Landesgesetzgebers und damit der "ratio Jegislatoris" der Kommunalverfassung. Soweit diese gebietet, einen Aufsichtsrat oder ein "entsprechendes Überwachungsorgan" einzurichten, wird man die Vorgabe im Wege einer an Sinn und Zweck orientierten Interpretation durchweg als materielle Aufgabenzuweisung zu vestehen haben. Es besteht somit auf seiten der Gemeinde die Verpflichtung, die Befugnisse des Überwachungsorgans im Gesellschaftsvertrag so auszugestalten, daß dieses zu einer effektiven Kontrolle der Geschäftsführung imstande ist. Dies bedingt im Regelfall eine Organkompetenz, die sich ihrem Inhalte nach an den durch die Verweisungsnorm des § 52 einbezogenen Bestimmungen des Aktienrechts orientiert. 12

b) Die Weisungsbefugnis des kommunalen Gesellschafters

aa) Anforderungen an die Gesellschafterweisung Die - rechtsverbindliche - Weisung gegenüber dem Geschäftsführer bedarf zwingend und unabdingbar eines wirksamen Gesellschafterbeschlusses. Die "Anweisung" eines einzelnen Gesellschafters, genügt auch dann nicht, wenn diesem die Mehrheit der Anteile zusteht. Anders verhält es sich bei der "Einmann" GmbH. Hier besteht weitgehend Einigkeit, daß es nicht der Durchführung einer Gesellschafterversammlung bedarf, um durch Beschlußfassung auf den Geschäftsführer einzuwirken. Insofern genügt es, wenn der Alleingesellschafter seinen Willen als "Entschluß" gegenüber dem Geschäftsführer offenbart. Handelt es sich bei dem Alleingesellschafter um eine kommunale Gebietskörperschaft, so reicht allerdings der Beschluß der Gemeindeversammlung oder eines sonstigen Willensbildungsorgans regelmäßig nicht, die Weisungsbindung des Geschäftsführers zu begründen. Aus Sicht des Gesellschaftsrechts kommt eine "Folgepflicht" des Geschäftsführers vielmehr nur soweit in Betracht, wie die Weisung im Lichte der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre der Gemeinde als Gesellschafter zuzurechnen ist (§§ 164 ff. BGB). Entscheidend ist somit, ob und in welchem Umfang der jeweilige Weisungsgeber nach den Bestimmungen der Kommunalverfassung befugt ist, die Gebietskörperschaft in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu vertreten oder zumindest seine Weisungsbefugnis von dem insofern zuständigen Kommunalorgan herleitet. Ob und in welchem Umfange dies der Fall ist, hat der Geschäftsführer ei12

Spannowsky, ZGR 1996, S. 400 ff., 424 ff.

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genständig zu prüfen. Bestehen Zweifel, inwiefern die Weisung der Kompetenzordnung der Kommunalverfassung entspricht, bedarf es in jedem Einzelfalle der Rückversicherung. Nur dort, wo die Vertretungsbefugnis der Gemeindeversammlung selbst zugewiesen ist, kommt eine unmittelbare Bindung an deren Beschlußfassung in Betracht. Liegt die rechtsgeschäftliche Vertretungskompetenz demgegenüber - wie meist - in den Händen anderer Kommunalorgane (hauptamtlicher Bürgermeister, Oberamtsdirektor), so sind nur deren Vorgaben hinsichtlich der Geschäftsführung verbindlich. Dabei bleibt der Geschäftsführer auch dort an Weisung des zuständigen Vertreters gebunden, wo diese inhaltlich von der internen Willensbildung der Gemeindeversammlung abweicht. Etwas anderes kann sich - ausnahmsweise - unter dem Gesichtspunkt des "Mißbrauchs der Vertretungsmacht" (§ 242 BGB) ergeben, wenn die Divergenz zwischen der öffentlich-rechtlich bindenden Beschlußlage in der Gemeindeversammlung und der konkreten Vorgabe des Weisungsberechtigten aus Sicht des Geschäftsführers zweifelsfrei erkennbar ist. Allerdings ist der Geschäftsführer nicht verpflichtet, sich im Einzelfall zu versichern, ob und in welchem Umfange sich die Weisung des Vertretungsorgans mit dessen interner Bindung an die Beschlüsse sonstiger Beschlußgrerninen deckt. Im übrigen besteht nach der normativen Verfassung des GmbHG im Regelfall keine Bindung des Geschäftsführers an Vorgaben des - meist mit politischen Repräsentanten der Kommune besetzten - Aufsichtsrats. Des ungeachtet ist es möglich - sei es durch die Satzung, sei es durch Beschluß des Aufsichtsrates - einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen an die vorherige Zustimmung des Überwachungsorgans zu binden. Darüber hinaus kann der Gesellschaftsvertrag der GmbH - anders als die Satzung der AG (vgl. § 23 Abs. 5 AktG)- die Geschäftsführer generell der Weisung des Aufsichtsrats unterwerfen, soweit dem nicht zwingende Bestimmungen des GmbHG entgegenstehen (vgl. unten 3.2.4). Allerdings erscheint eine solche Regelung im Lichte der gebotenen Flexibilität und Sachgerechtigkeit unternehmenscher Entscheidungen wenig sinnvoll.

bb) Die Protokollierung der Gesellschafterweisung Sieht man von den kompetenzrechtlichen Vorgaben ab, so ist der Alleingesellschafter gern. § 48 Abs. 3 GmbHG verpflichtet, unverzüglich nach der "Beschlußfassung" eine Niederschrift des Beschlusses aufzunehmen und diese zu unterschreiben. Dies gilt gleichermaßen für das Vertretungsorgan der Kommune. Allerdings ist die fehlende Protokollierung nach dem Willen des Gesetzgebers kein Wirksamkeitserfordernis bezüglich der Gesellschafterweisung 13 . Es ist somit fraglich, ob die unterlassene Niederschrift die Folgepflicht des Geschäftsführers entfallen läßt. Nach zutreffender Auffassung, gilt es zu differenzieren: Ist die Weisung 13 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. 8/3908 S. 75, Rothin Roth/ Altmeppen GmbHG § 48 Anm. 33, a.A. Lutter DB 1980, S. 1317 ff., 1322.

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eindeutig und betrifft die Vomahme von im Lichte der tatsächlichen Verhältnisse der Gesellschaft "üblichen" Rechtsgeschäften oder Maßnahmen, so besteht in jedem Falle eine Verpflichtung des Geschäftsführers, der Weisung nachzukommen. Geht diese über die gewöhnlichen Rechtsgeschäfte - insbesondere über die Grenzen der Satzung (vgl. unten 3.2.5) - hinaus und ist mit ihrer Befolgung die konkrete Gefahr einer Schädigung der GmbH verbunden, so ist der Geschäftsführer berechtigt, die Umsetzung der Weisung von der Beachtung der Protokollierungspflicht abhängig zu machen. Dies folgt bereits aus den zwingenden Grundsätzen der Organhaftung. Eine Haftungsfreistellung des Geschäftsführers hinsichtlich schädigender Geschäftsführungsmaßnahmen (§ 43 Abs. 2 GmbHG) kommt nur insofern in Betracht, wie diese auf einer ordnungsmäßigen Weisung des Gesellschafters beruhen. Die Beweislast für das Vorliegen einer Gesellschafterweisung liegt hierbei auf Seiten des Geschäftsführers (vgl. § 93 Abs. 2 AktG).

cc) Weisungsrecht und politische Willensbildung Angesichts der zentralen Stellung der Gesellschafterversammlung im Binnengefüge der GmbH unterwirft der Gesetzgeber deren Weisungsrecht nur in geringem Umfange inhaltlichen Schranken 14 . Die Anteilseigner bestimmen nicht nur die Grundlinien der Untemehmenspolitik; sie sind darüber hinaus - mangels einer abweichenden Regelung der Satzung -jederzeit befugt, einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen an sich zu ziehen(§ 37 Abs. 1 GmbHG). Dabei haben die Geschäftsführer grundsätzlich auch solche Weisungen zu befolgen, die der Gesellschaft zum Nachteil gereichen, soweit diese nicht die gesetzliche Kapitalbindung (§ 30 GmbHG) beeinträchtigen oder die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft begriinden 15 . Zudem sind die Geschäftsführer unabhängig von der Existenz konkreter Weisungen verpflichtet, bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben dem mutmaßlichen Willen der Gesellschafter angemessen Rechnung zu tragen. Insofern sind die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Vorgaben der kommunalen Willensbildungsorgane seitens der Geschäftsführer jedenfalls dort zu beachten, wo die jeweils weisungsberechtigten Vertreter der Gemeinde sich diese zu eigen machen. Dies kann auch - stillschweigend - dadurch geschehen, daß die Beschlüsse der Gemeindeversammlung den Organwaltem "auf dem Dienstweg" zur Kenntnis gebracht werden. Allerdings obliegt es insofern den kommunalverfassungsrechtlichen Vertretern klarzustellen, ob die Beschlußlage der Gemeindeorgane den Gestaltungsspielraum der Geschäftsführer in verbindlicher Weise beschränkt oder diesen im Einzelfall ein dariiber hinaus weisendes untemehmerisches Ermessen zukommt, bei dessen Konkretisierung den kommunalpolitischen Vorgaben zwar Rechnung zu tragen ist, ohne daß diese jedoch den Entscheidungs14 Lutter/Hommelhoff GmbHG § 37 Anm. ; zurückhaltend Baumbach/Hueck!Zöllner § 37 Anm. 6g. 15 OLG Frankfurt IM. ZIP 1997, S. 450 ff., 451 f.

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akt abschließend präjudizieren. Es bleibt somit bei dem Grundsatz, daß es streng zwischen der internen Willensbildung in den Gemeindeorganen und der rechtlich bindenden Weisung gegenüber den Gesellschaftsorganen zu unterscheiden gilt. Ergeben sich aus Sicht der Geschäftsführer begründete Zweifel hinsichtlich des Umfangs ihrer Entscheidungsbefugnis, so haben diese die davon betroffenen Geschäftsführungsmaßnahmen der Gesellschafterversammlung oder dem Gesellschaftervertreter auch ungefragt zur Entscheidung vorzulegen 16 •

dd) Gesellschafterweisungen und Drittinteresse Bleibt der Geschäftsführer somit in weitem Umfange dem Weisungsrecht des Gesellschafters unterworfen, so kommt im Einzelfall dennoch eine Beschränkung der Folgepflicht in Betracht. Dies gilt vor allem dort, wo der Gesetzgeber im Lichte übergeordneter Interessen Dritter - insbesondere der Gesellschaftsgläubiger und des Rechtsverkehrs - dem Organwalter einen eigenständigen Bereich autonomer Leitungsbefugnis zugewiesen hat 17• Insofern kommt auch eine Durchbrechung der drittschützenden Kompetenzordnung durch Satzungsregelungen nicht in Betracht. Dies betrifft insbesondere den Bereich der Kapitalerhaltung. So darf entsprechend § 30 GmbHG das zur Erhaltung des normativen Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden. Für entsprechende Kapitalrückführungen hat der Geschäftsführer haftungsrechtlich einzustehen. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist, wird die Verpflichtung des Geschäftsführers auch nicht dadurch aufgehoben, daß er in Befolgung einer Gesellschafterweisung gehandelt hat(§ 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG). Dabei ist es gleichgültig, in welcher Art und Weise die Kapitalrückführung erfolgt. Entscheidend ist, ob der Leistungstransfer zugunsten des Gesellschafters eine Unterbilanz begründet oder eine bereits bestehende Unterbilanz weiterhin verstärkt. Die Regelung des § 30 erlaßt somit auch verdeckte Vorteilsgewährungen zugunsten eines Gesellschafters im Rahmen von Austauschgeschäften, soweit sich die Leistung der Gesellschaft und die Gegenleistung des Gesellschafters nicht gleichwertig gegenüberstehen 18 . Dies gilt über unmittelbare Zuwendungen zugunsten des Gesellschafters hinaus auch für einseitige Leistungen gegenüber einem mit dem Gesellschafter verbundenen Untemehmen 19, also beispielsweise einer weiteren kommunalen Gesellschaft der gleichen Gemeinde. Weisungen, die im Ergebnis eine Rückgewähr des zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens herbeiführen, sind folglich für den Geschäftsführer nicht verbindlich. Dieser bleibt vielmehr eigenverantwortlich verpflichtet, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die 16

BGH ZIP 1997, S. 199 f., 200; BGH NJW 1984, S. 1461.

Siehe auführlich Konzen NJW 1989, S. 29 77 ff.; Keßler in Daumke/Keßler, a. a. 0., s. 142 f. 18 Lutter/Hommelhoff, a. a. 0 ., Anm. 24. 19 Lutter/Hommelhoff, a. a. 0., Anm. 36. 17

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Vorgabe des Gesellschafters den unabdingbaren Grundsatz der Kapitalbindung berührt. Der gesetzliche Autonomiespielraum der Organwalter umfaßt zudem den gesamten Bereich der Insolvenzantragspflicht, einschließlich der im Vorfeld von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung geltenden Prüfungs- und Sorgfaltspflichten. Weisungen des Gesellschafters, welche geeignet sind, die Gefahr einer Insolvenz zu begründen oder zu verstärken, sind folglich unverbindlich 20. Darüber hinaus begründet die gesetzliche Kompetenzordnung eine originäre Zuständigkeit des Geschäftsführers für das Rechnungswesen der Gesellschaft (§ 41 GmbHG, § § 264, 242 HGB)21 • Die Buchführungspflicht trifft den Organwalter als höchstpersönliche Amtspflicht, die durch entsprechende Vorgaben der Gesellschafter nicht eingeschränkt oder in Abweichung von den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ausgestaltet werden kann. Dies umfaßt auch die Prüfung, inwiefern Forderungen gegenüber der Gemeinde oder kommunalen Unternehmen werthaltig und durchsetzbar sind.

ee) Satzungswidrige Weisungen und Anfechtungsbefugnis Im übrigen stellt sich die Frage ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen satzungswidrige Weisungen geeignet sind, eine rechtliche Folgepflicht des Geschäftsführers zu begründen. Dies gilt insbesondere dort, wo - in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Kommunalverfassungsrechts - der Gesellschaftsvertrag die Tätigkeit der Gesellschaft gegenständlich oder örtlich - beispielsweise auf das Gebiet der Gemeinde - beschränkt. Grundsätzlich findet die Weisungsbefugnis des Gesellschafters ihre Grenzen in den statuarischen Vorgaben des Gesellschaftsvertrags, doch gilt es zu beachten, daß die Restriktionen der Satzung im wesentlichen dem Schutz der Gesellschafter vor Kompetenzüberschreitungen der Geschäftsführungsorgane dienen und lediglich eng begrenzte Außenwirkungen zeitigen. Insofern ist der Geschäftsführer zwingend und unabdingbar verpflichtet, die Übereinstimmung des Weisungsinhalts mit der Satzung einer eigenständigen Prüfung zu unterziehen und den weisungsbefugten Vertreter der Kommune sowie den Aufsichtsrat auf den drohenden Satzungsverstoß hinzuweisen. Demgegenüber bezwecken die statuarischen Grenzen jedenfalls dort keine Beschränkung geschäftsleitender Gesellschafterbeschlüsse, wo es - wie bei der (kommunalen) EinmannGmbH- an schutzwürdigen Minderheitsinteressen weiterer Anteilseigner fehlt. Etwas anderes mag allenfalls dort gelten, wo der Gesellschaftsvertrag - in entsprechender Anlehnung an § 76 Abs. 1 AktG - eine eigenständige und weisungsfreie Leitungsbefugnis des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschafterversammlung 20 Zu diesen "existenzgefährdenden" Weisungen siehe Fleck, ZGR 1990, S. 31 ff., 36 ff.; Ulmer, F.S. Pfeiffer 1988, S. 853 ff., 868 ff. 21 Lutter I Hommelhoff, a. a. 0 ., § 41 Anm. 2.

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begründet. Hier kommt eine bindende Gesellschafterweisung erst nach einer Satzungsänderung in Betracht. Sieht man davon ab, so bleibt der Geschäftsführer in jedem Falle befugt, die Befolgung der Weisung von einer vorherigen Niederschrift der inhaltlichen Vorgaben abhängig zu machen (vgl. oben 3.2.2). Im übrigen begründen satzungswidrige Weisungen stets eine umfassende Prüfungspflicht des Geschäftsführers. Zwar besteht im Regelfall keine Veranlassung des Organwalters zu untersuchen, ob und inwiefern die Weisung seitens des kommunalverfassungsrechtlich berufenen Vertreters der Gemeinde den internen Vorgaben der Gemeindeversammlung entspricht, doch legt der Umstand, daß die Befolgung der Gesellschafterweisung die Grenzen der Satzung überschreitet eine entsprechende Prüfung unter dem Gesichtspunkt des Mißbrauchs der Vertretungsmacht nahe. Dies setzt zwingend und unabdingbar eine umfassende Beteiligung des Aufsichtsrats voraus. Allerdings gilt es zu beachten, daß gern. § 243 AktG die Satzungswidrigkeit eines Gesellschafterbeschlusses in der Mehrpersonen-GmbH regelmäßig nur dessen Anfechtbarkeit bewirkt und anders als der Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsregeln nicht geeignet ist, die Nichtigkeit und damit die Unverbindlichkeit der darin liegenden Weisung zu begründen. Hieraus folgt bereits nach allgemeinen Grundsätzen, daß der Geschäftsführer seinerseits zur Befolgung verpflichtet ist, wenn der Beschluß - etwa durch Fristablauf oder Verzicht der Anfechtungsberechtigten - unanfechtbar geworden isr22 . Alterdings stellt sich im Zusammenhang kommunaler Einmann-Gesellschaften vorrangig die Frage der Anfechtungsberechtigung des Geschäftsführers selbst. Eine praktische Bedeutung kommt der Anfechtbarkeit einer Gesellschafterweisung folglich nur zu, soweit neben dem - insofern obsoleten - Anfechtungsrecht des Gesellschafters eine Anfechtungsbefugnis des Organwaltees selbst besteht. Die ältere Rechtsprechung hat eine Anfechtungsbefugnis des Geschäftsführers grundsätzlich abgelehnt23 . Dies gelte jedenfalls, soweit die Ausführung des Beschlusses den Geschäftsführer nicht zu einem unerlaubten Handeln zwinge24. Demgegenüber bejaht die neuere Literatur überwiegend ein Anfechtungsrecht des Geschäftsführers, soweit der Beschluß seitens des Geschäftsführers der - rechtsgeschäftliehen - Ausführung bedarf25 oder die Gefahr besteht, daß der Organwaltee sich durch die Befolgung der Gesellschafterweisung strafbar oder schadensersatzpflichtig macht26. Wägt man die divergierenden Interessenstandpunkte zwischen der autonomen Steuerung der Gesellschaft seitens der Anteilseigner und den berechtigten Schutzinteressen der Geschäftsführer, so kann eine eigenständige Anfechtungsbefugnis der Organwaltee mit der letzteren Einschränkung bejaht werden. Allerdings ist damit aus Sicht der Betroffenen wenig gewonnen. Beschlüsse, deren Befolgung die 22

BGHZ 76, S. 160 ff.

23

BGHZ 76, S. 154 ff., 159.

BGH a. a. 0 . unter Verweis auf Scholz/ Karsten Schmidt § 45 Anm. 98. Scholz/ Karsten Schmidt, a. a. 0 ., § 45 Anm. 134; Baumbach I Hueck / Zöllner, a. a. 0., Anh. § 47 Anm. 75. 26 Lutter/ Hommelhoff, a. a. 0., Anh. § 47 Anm. 33, 64; § 37 Anm. 22. 24 25

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Strafbarkeit oder Schadensersatzpflicht der Beteiligten nach sich zieht, sind grundsätzlich nichtig, so daß den Organwattern jedenfalls die Befugnis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage zukommt27 . Diese ist allerdings unverzichtbar. Es kann den Geschäftsführern nicht zugemutet werden, die Frage der Rechtswidrigkeit einer Gesellschafterweisung incidenter in einem Haftungs- oder Kündigungsprozeß überpriifen zu lassen28 .

ff) Die Anfechtungsbefugnis des Aufsichtsrats Die hier zu Tage tretenden Restriktionen der Anfechtungsbefugnis gelten im Grundsatz auch bezüglich des "fakultativen" Aufsichtsrats. So wird die Aktivlegitimation des Überwachungsorgans - über den Bereich strafbaren oder ersatzpflichtigen Verhalten hinaus - üblicherweise nur dort bejaht, wo der Gesellschaftsvertrag ein ausdriickliches Anfechtungsrecht des Aufsichtsrats statuiert29 . Allerdings gilt es zu beachten, daß hinsichtlich kommunaler Gesellschaften die Einrichtung des Überwachungsorgans im Regelfall zwingenden Vorgaben des öffentlichen Rechts entspricht. Dies spiegelt sich notwendig in den Diligenzpflichten der mit der Aufsichtsratstätigkeit betrauten Sachwalter wider. Zwar liegt die Aufgabe des Aufsichtsrats auch insofern - wie hinsichtlich "privater" Gesellschaften - zuvörderst in der Überwachung der Geschäftsführung nach Maßgabe des Gesellschaftsinteresses (vgl. ausführlich unten 5), doch kommt den Organwattern im Lichte der kommunalverfassungrechtlichen Vorgaben die ergänzende Funktion zu, das Handeln der Unternehmensleitung soweit an den Bestimmungen des Landesrechts zu messen, wie dem zwingende Regelungen des Gesellschaftsrechts nicht entgegenstehen. Dies betrifft vor allem solche Fallgestaltungen, in denen die satzungsmäßige Beschränkung der Geschäftstätigkeit gerade in Verfolgung öffentlicher Interessen erfolgt. Im Lichte der satzungsprägenden Vorgaben der jeweiligen Kommunalverfassung erfaßt die Aufgabenzuweisung an das Überwachungsorgan folglich nicht nur die Art und Weise der Geschäftsführung durch das Leitungsorgan, sondern erstreckt sich dariiber hinaus auch auf die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen und satzungsrechtlichen Schranken privatwirtschaftlicher Tätigkeit. Legt man dies zugrunde, so ist der Aufsichtsrat kommunaler Gesellschaften bei Gesellschafterweisungen, welche die satzungsmäßigen Grenzen überschreiten, zur Anfechtung befugt und - regelmäßig - verpflichtet. Kommen die Organwalter dieser Verpflichtung nicht nach, so sind sie der Gesellschaft gegebenenfalls zum Schadensersatz verpflichtet (§ 52 GmbHG, §§ 116, 93 AktG). Eine Haftungsfreistellung durch die Kommune kommt jedenfalls dort nicht in Betracht, wo der Satzungsverstoß seitens der Aufsichtsratsmitglieder billigend in Kauf genommen wurde. Lutter I Hommelhoff, a. a. 0., Anm. 33. Lutter/Hommelhoff, a. a. 0. 29 Siehe hierzu: Karsten Schmidt, Anfechtungsbefugnisse von Aufsichtsratsmitgliedem, F. S. Sem/er, 1993, S. 329 ff. 27

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4. Informationspflichten Gern. § 51 a GmbH kommen den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft umfassende Auskunfts- und Einsichtsrechte zu. Dies betrifft auch die Protokolle des Aufsichtsrats 30. Handelt es sich hinsichtlich des Gesellschafters um eine kommunale Gebietskörperschaft, so ist auskunftsberechtigt der nach der Kommunalverfassung bestimmte Vertreter der Gemeinde. Demgegenüber kommt sonstigen Bediensteten der Kommune sowie der Gemeindeversammlung oder den politischen "Fraktionen" kein eigenständiger Auskunftsanspruch zu. Insofern bleibt der Geschäftsführer einer umfassenden Schweigepflicht unterworfen. Diese wird nur dort durchbrochen, wo der weisungsbefugte Vertreter der Gemeinde den Organwalter ausdrücklich und nachweisbar von seiner Schweigepflicht entbindet oder diesen anweist, bestimmte Auskünfte zu erteilen. Hiervon abgesehen sind die Beschäftigten der GmbH ihrerseits nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Geschäftsführers Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch gegenüber dem Gesellschafter. Prinzipal im Sinne des Arbeitsrechts und damit dispositionsbefugt hinsichtlich der arbeitsvertragliehen Verschwiegenheitspflicht ist ausschließlich der Geschäftsführer. Dieser - nicht die Arbeitnehmer - ist damit Adressat des Auskunftsverlangens. Eine Auskunftsverweigerung seitens des Geschäftsführers kommt nur dort in Betracht, wo zu besorgen ist, daß der Gesellschafter die erlangten Informationen zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden will und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen ein nicht unerheblicher Schaden zugefügt wird (§ Sla Abs. 2). Darüber hinaus bleibt die Abwägung der widerstreitenden Interessen zwischen grundsätzlichem Informationsanspruch der Gesellschafter und dem gebotenen Schutz der Wettbewerbsstellung der Gesellschaft der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter zugewiesen: Die Auskunftsverweigerung bedarf folglich in jedem Falle eines Gesellschafterbeschlusses. Zwar bleibt hierbei der die Auskunft verlangende Gesellschafter in entsprechender Anwendung von § 47 Abs. 4 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen 31 , doch hilft dies nicht gegenüber dem Alleingesellschafter der Einmann-GmbH. Die Anwendung des Stimmverbots auf "Beschlüsse" des Alleingesellschafters würde den Willensbildungsprozeß innerhalb der GmbH zum erliegen bringen. Das Stimmverbot des § 47 Abs. 4 unterliegt insofern zugunsten des Alleingesellschafters einer teleologischen Reduktion32. Eine Auskunftsverweigerung gern.§ Sla Abs. 2 GmbH kommt somit gegenüber dem Alleingesellschafter nicht in Betracht. Auch wenn das Ergebnis aus Sicht der betroffenen Geschäftsführer wenig befriedigend erscheint, so entspricht es dennoch dem bereits erörterten Grundsatz, wonach auch hinsichtlich gesellschaftsschädigender Weisungen eine Folgepflicht des Geschäftsführers besteht.

BGHZ 135, S. 48 ff., 56 f. Ausschußbericht, BT-Drucks. 8/3908; Scholz/Karsten Schmidt §51 a Anm. 42; Bitter ZIP 1981, S. 828; a.A. GrunewaldZHR 146 (1982), S. 233. 32 BGHZ 105, S. 324 ff., 333; BGH ZIP 1992, S. 992 ff., 994. 30 31

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Im übrigen folgt das gleiche Ergebnis unter Beriicksichtigung des in § 46 Nr. 6 GmbHG fußenden kollektiven Auskunftsanspruchs der Gesellschafterversammlung. Hier besteht durchweg Einigkeit, daß angesichts der umfassenden Leitungsbefugnis der Gesellschafter - und dies gilt um so mehr bezüglich des Alleingesellschafters - ein Informationsverweigerung seitens des Geschäftsführers nicht in Betracht kommt. Im Verhältnis Geschäftsführer I Gesellschafterversammlung oder Alleingesellschafter besteht folglich kein Vertraulichkeitsschutz33 .

5. Die organschaftliehen Befugnisse kommunaler Aufsichtsräte a) Die Bestellung

Die Inauguration eines - nach den Vorgaben des Gesetzes "fakultativen" - Aufsichtsrats entspricht hinsichtlich kommunaler Gesellschaften regelmäßig den bindenden Regelungen des Kommunalverfassungsrechts. Insofern unterliegen die Organwalter ergänzend zu den normativen Bindungen des Gesellschaftsrechts den öffentlich-rechtlichen Vorgaben der Kommunalverfassung. Allerdings gilt es zu beachten, daß der Aufsichtsrat zunächst und zuvörderst Gesellschaftsorgan ist. Folgerichtig sind die Organwalter in ihrer Funktion vor allem und unabdingbar dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet. Eine - weitergehende - Pflichtenbindung seitens des öffentlichen Rechts kommt nur insofern in Betracht, wie diese den Regelungen der privatrechtliehen Unternehmensordnung nicht widerspricht. Insofern unterliegt das Gesellschaftsrecht nicht der Disposition des Landesgesetzgebers. Was die Amtsstellung der Organwaller betrifft, so gilt es deutlich zwischen dem gesellschaftsrechtlichen Akt der Bestellung zum Mitglied des Überwachungsorgans und dem vorgelagerten Auswahlverfahren hinsichtlich der (künftigen) Organwalter im Rahmen des kommunalen Entscheidungs- und Willensbildungsprozesses zu unterscheiden. Teilweise finden sich in den Kommunalverfassungen der Länder dezidierte Vorgaben, nach der die Vertreter im Aufsichtsrat kommunaler Gesellschaften durch die Gemeindevertretung 34 nach dem Verhältniswahlrecht (sie. ! !) zu benennen sind35 . Gerade hier offenbart sich die mitunter prekäre Doppelstellung der Mandatsträger zwischen politisch eingebundenem Repräsentationsorgan der Kommune und dem GmbH-Recht verpflichteten Gesellschaftsorgan. Wann und in welcher Weise die gewählten Vertreter in ihre Organstellung einriicken, bestimmt sich dabei ausschließlich nach Maßgabe des Bestellungsaktes und den Vorgaben des Gesellschaftsvertrages. Auch die unter Verstoß gegen die Bestimmungen der

So jetzt ausdrücklich BGHZ 135, S. 48 ff., 56. Müller, NWVB11997, S. 172 ff. 35 §50 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 GO NW; § 71 Abs. 1 S. 2 GO M-V;§ 112 Abs. 2 GO Saarland;§ 119 Abs. 1 S. 2 GO Sachs.-Anh.; § 105 Abs. 1 S. 2 GO BW; § 88 Abs. 1 S. 2 GO Rh.Pf.; § 104 Abs. 1 S. 3 GO Brand.;§ 98 Abs. 1 S. 3 Sächs. GO. 33 34

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Kommunalverfassung erfolgte Bestellung zum Aufsichtsrat ist somit gesellschaftsrechtlich uneingeschränkt wirksam.

b) Die Weisungsbindung der Aufsichtsratsmitglieder

Die meisten kommunalverfassungsrechtlichen Kodifikationen postulieren die Bindung der Aufsichtsratsmitglieder kommunaler Unternehmen an Weisungen und Beschlüsse der Gemeindevertretung oder -Verwaltung. Eine solche politische Fremdsteuerung der Mitglieder des Überwachungsorgans ist - wie die kompetenzrechtliche Analyse zeigt - nur insoweit zulässig, wie gesellschaftsrechtliche Bestimmungen des Bundesrechts dem nicht entgegenstehen 36 . Dabei besteht hinsichtlich der Rechtslage kommunaler Aktiengesellschaften durchweg Einigkeit: Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind Inhaber eines ungebundenen, höchstpersönlichen Mandats und als solche an Weisungen Dritter, auch der jeweiligen Entsendungskörperschaft, nicht gebunden. So betont der BGH bereits in seiner Entscheidung vom 29. 1.196237 hinsichtlich eines kommunalen Energieversorgungsuntemehmens: "Entsandte Aufsichtsratsmitglieder haben dieselben Pflichten wie die gewählten Aufsichtsratsmitglieder. Als Angehörige eines Gesellschaftsorgans haben sie den Belangen der Gesellschaft den Vorzug vor denen des Entsendungsberechtigten zu geben und die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen, ohne an Weisungen des Entsendungsberechtigten gebunden zu sein ... ". Bereits in seinem Urteil vom 21. 12. 197938 betont der BGH den stringenten Charakter der Interessenbindung der Organwalter auch im Verhältnis zu privaten Entsendungsberechtigten: "Der Beklagte kann ... nicht mit Erfolg geltend machen, daß er nur in seiner Eigenschaft als Vertreter des Bankhauses gehandelt habe und sein Verhalten durch dessen Interessen gerechtfertigt gewesen sei. Die Spaltung einer Person mit kollidierenden Pflichten in solche Verhaltensweisen, die nur einem, nicht aber zugleich dem anderen Verantwortungsbereich zugeordnet werden können, ist, wenn tatsächlich beide Bereiche betroffen sind, nicht möglich. Interessenkollisionen sind, wenn ein Aufsichtsratsmitglied zwei Gesellschaften angehört, auch grundsätzlich nicht in dem Sinne entlastend, daß die Pflichterfüllung gegenüber der einen die Pflichtverletzung gegenüber der anderen Gesellschaft rechtfertigen könnte".

36 Siehe bereits Säcker, Behördenvertreter im Aufsichtsrat, F.S. Kurt Rebmann, 1989, S. 781 ff., Schwintowsky, NJW 1995, S. 1316 ff., Grams, LKV 1997, S. 397 ff. Lutter/Grunewald WM 1984, S. 385 ff. 37 BGHZ 36, S. 296 ff., 306. 38 BGH NJW 1980, S. 1629 ff. =AG 1980, S. 111 ff.; hierzu ausführlich: Säcker, a. a. 0., S. 787 f.

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Die hier zu Tage tretende Ausrichtung der Organpflichten am Gesellschaftsinteresse gilt uneingeschränkt auch dort, wo die Anteile der AG einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft zustehen. So betont denn BGH ausdrucklieh in seiner Veba/Gelsenberg Entscheidung vom 13. 10. 197739, es gehe nicht an, der öffentlichen Hand- soweit sie sich privatwirtschaftlich betätige - "wegen ihrer Bindung an das Allgemeinwohl eine Sonderstellung" einzuräumen. Die im vorliegenden Untersuchungszusammenhang zu erörternde Problemstellung gilt somit in erster Linie der Frage, ob und in welchem Umfange sich der bezüglich des Aktienrechts geltende Erkenntnisstand auf kommunale Unternehmen in der Rechtsform der GmbH übertragen läßt. Dabei ist die normative Ausgangssituation auf den ersten Blick alles andere als eindeutig. Zwar verweist § 52 GmbHG ausdrucklieh auf § 111 AktG und damit den höchstpersönlichen Charakter der Aufsichtsratstätigkeit, doch gilt die lnbezugnahme des aktienrechtlichen Regelungsmodells nur "soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist". So wird den vereinzelt in der juristischen Literatur die Auffassung vertreten, der durch § 52 GmbHG eröffnete Dispositionsbereich gestatte es, die Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats einer externen Weisungsbindung zu unterwerfen40. Da die Gesellschafter der GmbH grundsätzlich befugt seien, auf die Einrichtung eines Überwachungsorgans gänzlich zu verzichten, komme ihnen auch das Recht zu "weniger geeignete Kontrolleure" zu bestellen41 . Allerdings erweist sich diese Argumentation bei genauerer Betrachtung als kaum stichhaltig. Zwar sind die Gesellschafter der GmbH nach den Vorgaben des Gesetzgebers nicht zur Inauguration eines - eben "fakultativen" - Aufsichtsrats verpflichtet, doch wird dieser auf Grund einer entsprechenden Satzungsregelung notwendig zum Gesellschaftsorgan. Damit unterliegen die Organwalter zwingend und unabdingbar der organschaftliehen Pflichtenbindung innerhalb des korporativen Binnengefüges. Eine mögliche öffentlich-rechtliche "Überlagerung" der Organstellung seitens der Vorgaben der Kommunalverfassung vermag diese Zielorientierung nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht zu ändern. Alleiniger Orientierungsmaßstab des Organhandeins bleibt somit das Unternehmensinteresse42. Im übrigen widerspricht eine solche Ausrichtung - bei funktionaler Betrachtungsweise - entgegen gelegentlich geäußerten Befürchtungen nur zum Teil den Vorgaben der Landesgesetzgeber. Zwar kommt eine stringente Weisungsbindung der Organwalter im Aufsichtsrat an die Beschlüsse der Gemeindeversammlung nicht in Betracht, doch bleiben diese gehalten, im Rahmen ihres Entscheidungsermessens die kommunalpolitischen Vorgaben angemessen Rechnung zu tragen. Bei dem hinsichtlich des Aufsichtsratshandeins insofern maßgeblichen Unternehmensinteresse handelt es sich nämlich keineswegs um eine feststehende 39

BGHZ 69, S. 334 ff., 339.

40 Altmeppen in Roth/ Altmeppen GmbHG §52 Anm. 15. 41 Altmeppen a. a. 0 . Anm. 7. 42 Säcker, a. a. 0., S. 785; vgl. bereits RGZ 105, S. 392 ff.; RAG ARS 10, 122. 8*

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Größe. Vielmehr erweist sich der Orientierungsmaßstab als interessenplurale "Resultante", welche neben der Berücksichtigung der berechtigten Anliegen der Gesellschaftsgläubiger und der Allgemeinheit (stakeholder) auch und zuvörderst einer Ausrichtung an den Belangen des kommunalen Anteilseigners (shareholders) Raum bietet. Im Unterschied zum mitunter recht einseitigen Impetus der Kommunalverfassungen gerinnen die Ergebnisse der politischen Willensbildung allerdings nicht zur alleinigen Bestimmungsgröße. Dies betont der BGH in seiner Stellungnahme zur Schweigepflicht der Aufsichtsratsrnitglieder43 , wenn er ausführt: "Die Größe der Verantwortung bedingt auch ein gewisses Maß an Freiheit, im Einzelfall mit der gebotenen Sorgfalt selber zu prüfen und zu entscheiden, wie die übernommenen Aufgaben am besten zu erfüllen sind... .Inwieweit. . .dem Mitglied eines Gesellschaftsorgans ein angemessener Raum für eigenverantwortliches Handeln verbleibt und inwieweit dieser Raum durch zwingende Vorschriften eingeengt werden muß, ist eine Frage, deren Regelung der Gesetzgeber nicht den einzelnen Gesellschaften überlassen konnte. Denn sie geht ihrer öffentlichen Bedeutung nach über den Einzelfall und die dabei ins Spiel kommenden Kräfte und Interessen weit hinaus.... " Sieht man hiervon ab, so sichert die Mitwirkung der seitens der Gemeindevertretung gewählten Repräsentanten im Aufsichtsrat im übrigen eine ergänzende Mißbrauchskontrolle gegenüber dem Weisungsrecht des kommunalverfassungsrechtlichen Vertreters. Dies offenbart sich vor allem in den Fällen "satzungsdurchbrechender" Gesellschafterweisungen. Anders als die Vertreter des Gesellschafters bleiben die Mitglieder des Aufsichtsrats bei dem ihnen zugewiesenen Abwägungsprozeß auf Grund ihrer Organstellung zwingend in den Rahmen der Satzung eingebunden. Die durch sie repräsentierten kommunalpolitischen Interessen finden im Rahmen ihrer Überwachungstätigkeit nur insofern Berücksichtigung wie dies den Zielprojektionen und Restriktionen der Satzung entspricht. Zwar können die Organwalter satzungswidrige Weisungen letztlich nicht verhindern, doch sorgt die Partizipation des Aufsichtsrates für eine gewisses Maß an gegengewichtiger Satzungsorientierung. Es liegt somit in der Funktion der Aufsichtsratstätigkeit und der personalen Verantwortung der Organwalter selbst begründet, diesen im Rahmen ihrer Aufsichtsfunktion einen eigenständigen, ausschließlich am Unternehmensinteresse orientierten und damit weisungsfreien Autonomiebereich zuzubilligen. Dies gilt ohne Einschränkungen gleichermaßen für AG, e.G. und den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH44 • Mit der Einrichtung eines Aufsichtsrats und der partiellen Verlagerung der den Gesellschaftern zukommenden Kontrollrechte auf ein gesondertes Unternehmensorgan ist notwendig und unabdingbar die weisungsfreie Wahrnehmung BGHZ 64, S. 325 ff., 327. Scholz/ Uwe H. Schneider§ 52 Anm. 232; Schwintowsky NJW 1990, S. 1009 ff., 1013; Reichert, Die besondere Stellung der Vertreter der öffentlichen Hand im Aufsichtsrat einer GmbH, München 1983; Püttner, DVBL 1986, S. 751 ff. 43 44

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der ihnen zugewiesenen Kontrollfunktion durch die Mitglieder des Überwachungsorgans verbunden. Im übrigen rechtfertigt sich diese Sichtweise auch aus dem Blickwinkel berechtigter Interessen der Gläubiger sowie der Allgemeinheit. Die erneut aufgeflammte Diskussion über die Haftung und Verantwortlichkeit von Aufsichtsratsmitgliedern hat deutlich werden lassen, daß auch außerhalb der Gesellschaft stehende Dritte in nicht unerheblichem Maße auf die Kontrolle seitens des Überwachungsorgans vertrauen. Es widerspräche den Geboten einer funktionalen Unternehmenspublizität, durch die Einrichtung eines "Aufsichtsrats" den Anschein ausreichender Risikovorsorge bei der Überwachung der Leitungstätigkeit zu erwecken und andererseits die Mitglieder des Überwachungsorgans durch heteronome Weisungen der zentralen Funktionsbedingung ihrer Tätigkeit zu berauben.

Erfahrungen mit der Verselbständigung kommunaler Betriebe und ihrer Steuerung aus Sicht des Finanzressorts der Stadtverwaltung Solingen Von Ernst Schneider Wie sieht es mit der Verselbständigung und Ausgründung kommunaler Betriebe und deren Steuerung in Solingen aus? Zunächst einige Worte zur Stadt Solingen: Sie hat rund 165.000 Einwohner und ist umgeben von den Großstädten Düsseldorf im Westen, sowie Wuppertal im Osten und Köln im Süden. Bei einem Haushaltsvolumen von rund 600 Mio DM muß ein jährliches strukturelles Defizit von ca. 40 Mio DM abgebaut und müssen Altschulden in einer Größenordnung von 75 Mio DM zurückgeführt werden. Die Stadt muss sich daher in dem engen Rahmen eines Haushaltssicherungskonzeptes bewegen. Der Haushalt 1999 war der erste seit 5 Jahren, der noch im laufenden Haushaltsjahr genehmigt wurde. In den beiden Vorjahren gelang es nicht, die Genehmigung des Regierungspräsidenten zum Haushalt zu erhalten. Vor diesem finanziellen Hintergrund haben in Solingen seit Beginn der neunziger Jahre Überlegungen zu einer Verwaltungsreform stattgefunden. Diese wurde geprägt von den Gedanken des damaligen Oberstadtdirektors Dr. Deubel und der Unternehmensberater Martens, Thiel und Partner, die im übrigen später in Bielefeld tätig gewesen sind und zur Zeit die Stadt Duisburg beraten. Der zentrale Gedanke des Solinger Weges lag in der Absicht, über eine Wettbewerbsorientierung zur Konsolidierung des Haushaltes zu gelangen. Voraussetzung hierfür war die Bildung von betrieblichen Einheiten, die als Auftragnehmer auf der Basis kalkulierter Preise kommunale Leistungen oder Vorleistungen erstellen sollten. In welcher Rechtsform diese Einheiten am "Markt" agierten, war dabei nicht entscheidend, sei es die Führung im Haushalt, sei es der Eigenbetrieb, sei es die Gesellschaft. Entscheidend war vielmehr die Schaffung von Auftraggeber- und Auftragnehmerbeziehungen bzw. von Mieter- und Vermieterbeziehungen. So wurden im Bereich der Kernverwaltung Servicedienste für die Bereiche Personal, Organisationsberatung, zentrale Dienste, Rechtsberatung, Kassenverwaltung, Vollstreckungs- und Inkassowesen sowie für Reproduktionsaufträge geschaffen.

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Diese Servicedienste sollen ihre Leistungen in mit Preisen versehenen Angebotslisten darstellen und anbieten und sich nach einer Übergangszeit auch gegenüber privaten Unternehmen behaupten. Sie selber können allerdings nicht aufgrund der Restriktionen der Gemeindeordnung als gleichwertige Marktteilnehmer auftreten, da sie auf das Aufgabenfeld der städtischen Betriebe und Gesellschaften beschränkt sind und im Einzelfall höchstens für öffentlich- rechtliche Körperschaften, Nachbarkommunen oder karitative Organisationen und Einrichtungen tätig werden können. Der Herstellung von Wettbewerbsbeziehungen dienten dann aber insbesondere die vorgenommenen Ausgliederungen: - 01. 01. 1992 Eigenbetrieb Altenzentren, 300 Mitarbeiter - 01. 01. 1995 Eigenbetrieb Entsorgungsbetriebe Solingen, 270 Mitarbeiter (Altes Stadtreinigungsamt und Müllverbrennungsanlage) - 22. 09. 1995 Stadtwerke Solingen GmbH, 900 Mitarbeiter (vorher Eigenbetrieb; Strom-, Gas-, Wasserversorgung und öffentlicher Personennahverkehr) - 01. 01. 1996 Eigenbetrieb Wohnbauverwaltung Solingen, 5 Mitarbeiter (Teile des alten Liegenschaftsamtes) - 01. 01. 1996 Bergische Symphoniker GmbH, 90 Mitarbeiter (Fusion der Orchester der Städte Remscheid und Solingen) - 01. 01. 1997 Eigenbetrieb Vermögensbetrieb Solingen, 700 Mitarbeiter (Liegenschaftsamt, Hochbauamt, Tiefbauamt, Garten-, Forst- und Friedhofsamt, Reinigungskräfte und Hausmeister) - 01. 01. 1997 Eigenbetrieb Kommunale Informationsverarbeitung, 30 Mitarbeiter (altes Amt für automatisierte Datenverarbeitung) - 01. 10. 1997 Gesellschaft für Information und Organisation GmbH, 30 Mitarbeiter (Ausgriindung aus der Stadtwerke GmbH) - 01. 01. 1999 die Beitrags- und Grundsteuerabteilung des Steueramtes wird in die Entsorgungsbetriebe eingegliedert, 10 Mitarbeiter - 01. 01. 1999 Wirtschaftsförderung Solingen GmbH & Co. KG, 10 Mitarbeiter (Teile des Amtes für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung) - 01. 01. 1999 Musikschule Solingen gGmbH, 20 Mitarbeiter - 01. 01. 1999 Eingliederung der Wohnbauverwaltung Solingen in den Vermögensbetrieb Solingen Seit Anfang der siebziger Jahre besteht daneben in Solingen das städtische Klinikum als Eigenbetrieb mit 1550 Mitarbeitern.

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Erfahrungen mit der Verselbständigung kommunaler Betriebe

In der Kernverwaltung arbeiten noch ca. 1600 Mitarbeiter, das sind rund 30% der Gesamtbeschäftigten der Stadt und ihrer Betriebe und Gesellschaften. Mit diesen Ausgliederungen sollte durch die Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens eine wirtschaftlichere Erledigung der Aufgaben und eine Transparenz über die tatsächlich anfallenden Kosten und die Preise der Leistungen erzielt werden. In einzelnen Fällen ging es auch darum, Synergieeffekte zu nutzen, auch wenn dabei die Grenzen der Stadt überschritten werden mußten. Durch die Übertragung des Vermögens insbesondere an die Entsorgungsbetriebe und den Vermögensbetrieb mit den dazugehörigen Schulden wurde direkt eine Entlastung des Haushaltes um den entsprechenden Schuldendienst erzielt. In der nachfolgenden Tabelle werden die haushaltstechnischen Auswirkungen der Ausgliederungen nochmals im Einzelnen dargestellt. Haushaltstechnische Auswirkungen der Ausgliederungen Jahr

Haushaltssummen Vermögenshaushalt

Verwaltungshaushalt

in MioDM

1994 1995 1996 1997 1998

653 611 641 640 599

Schuldenstand

nachrichtlich

Kernverwaltung

Konzern Stadt

am Jahres- Änd.geende g.Vorj. in in in MioDM MioDM MioDM

121 107 131 87 95

613 220 239 0 0

7 -392 19 -239 0

je Kopf amJahresende in in DM MioDM

3.691 1.329 1.528 0 0

710 758 751 809

je Kopf in DM

4.286 4.590 4.555 4.904

Während sich im Verwaltungshaushalt kaum Auswirkungen zeigen, wird die Reduzierung des Vermögenshaushaltes von 1994 auf 1995 durch die Ausgründung der Entsorgungsbetriebe und von 1996 auf 1997 durch die Gründung des Vermögensbetriebes deutlich. Da im Vermögenshaushalt die Altdefizite enthalten sind, ist dessen Volumen noch relativ hoch. Beim Schuldenstand der Kernverwaltung wird zu denselben Zeiträumen deutlich, wie sich die Verlagerung der Schulden auf die Entsorgungsbetriebe und den Vermögensbetrieb ausgewirkt haben. Die Verschuldung insgesamt ist dagegen weiter angestiegen, was im Zusammenhang mit den weiter getätigten Investitionen auch verständlich ist. Als verwaltungspolitisches Ergebnis der Ausgliederung läßt sich festhalten, daß - ca. 70% des Personals, - annähernd 100% der investiven Ausgaben,

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- 100% der Schulden auf Eigenbetriebe und Gesellschaften entfallen. Die Kernverwaltung beschäftigt sich lediglich noch mit 20 bis 25% der kommunalen Aufgaben. Das bedeutet im Umkehrschluß, daß bei einer reinen Betrachtung der Kernverwaltung und einer Beschränkung der Verwaltungsreform nur auf diese 75 bis 80% des kommunalen Aufgabenbestandes nicht mehr betrachtet und damit vernachlässigt werden. Wahrend sich die Kommunen in der Vergangenheit stark mit der Verwaltungsreform, mit der Konsolidierung und mit der Konzeption und Durchführung der Ausgliederungen beschäftigt haben, sind die Möglichkeiten der Beteiligungssteuerung nicht im gleichen Umfange verfolgt worden. Die Stadt Solingen versucht, diese Entwicklung wieder einzufangen, indem sie sich verstärkt dem Bild vom "Konzern Stadt" zuwendet. Hierzu trägt die Beteiligung an dem "Projekt Solingen" bei, das von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Price Waterhouse Coopers, dem Institut für Wirtschaftsprüfung an der Universität des Saarlandes, der Firma SAP AG und der Zeitschrift Die Woche initiiert wurde. Dabei geht es darum, inwieweit die Vorgehensweisen bei der Konzernrechnungslegung auf den kommunalen Bereich übertragen werden können, und inwieweit man damit zu einem integrierten öffentlichen Rechnungswesen gelangen kann. Durch die Erstellung einer Konzernbilanz soll die Verwaltungsspitze bei Investitions- und Finanzierungsentscheidungen unterstützt werden. Gegenüber den politischen Gremien soll durch die Dokumentation konzernweiter Sachverhalte Transparenz erzeugt werden. Darüber hinaus soll durch die Erfassung des kommunalen Vermögens und der Schulden die wahre Situation der öffentlichen Finanzen auf kommunaler Ebene abgebildet werden und Aussagen zum Substanzverlust des Konzerns Kommune gemacht werden. Im einzelnen sind folgende Ziele für das Projekt Konzernrechnungswesen formuliert worden: - Gesamtüberblick über die tatsächliche finanzielle Lage der Kommunen und ihrer Beteiligungen - Auskunft über Gesamtvermögen und Finanzierungen durch Eigen- und Fremdmittel - Beurteilung der Finanzlage zur Versachlichung der öffentlichen Diskussion - Grundlagen für die Diskussion über Ausgliederungen - Steuerung von Kernverwaltung und Beteiligungen

Erfahrungen mit der Verselbständigung kommunaler Betriebe

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Zur Erreichung dieser Ziele sind folgende Einzelschritte erforderlich: 1. Phase - Inhalt und Gliederung der Konzernrichtlinie bestimmen - Den Konzernkontenrahmen festlegen - Den (Voll-)Konsolidierungskreis diskutieren und festlegen - Einbeziehung der Eigenbetriebe diskutieren und festlegen 2. Phase - Vereinheitlichung der Bilanzierung und Bewertung sichern - Kapitalkonsolidierung diskutieren und festlegen - Schuldenkonsolidierung diskutieren und festlegen - Zwischenergebniseliminierung diskutieren und festlegen - Eliminierung steuerlicher Einflüsse diskutieren und festlegen - Interne I Externe Berichterstattung diskutieren und festlegen 3. Phase - Pilotabschluß manuell erstellen und diskutieren (PC-Version) - Abschlußdokumentation erstellen und vorlegen Im Rahmen der Durchführung dieses Projektes wird die Schulung der Mitarbeiter einen wichtigen Abschnitt darstellen. Hierbei geht es vor allen Dingen um die kaufmännische Buchführung, deren Denk- und Funktionsweise für die Anwender, vor allem für die Mitarbeiter in der Kasse von grundlegender Bedeutung ist. Weiterhin muß die Theorie der Konzernrechnungslegung vermittelt und eingeübt werden. Neben diesem zentralen und umfassenden Projekt versucht die Stadt Solingen die Beteiligungssteuerung durch folgende Instrumente zu verbessern: - Finanz- und Beteiligungsausschuß Der bisherige Finanz- und Vermögensausschuß ist in einen Finanz- und Beteiligungsausschuß umbenannt worden. Neben einer durch den Namen angeregten Bewußtseinsänderung soll vor allen Dingen durch die Inhalte der Sitzungen der Blick der Politiker auf die Ausgliederungen gelenkt werden. Dabei geht es in einem ersten Schritt nur darum, die in den Gremien der Betriebe und Gesellschaften behandelten Wirtschaftspläne, Jahresabschlüsse und Controllingberichte in komprimierter und einheitlicher Form vorzulegen. Dazu werden von der Beteiligungsverwaltung wertende Bemerkungen erstellt.

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- Konzernvorstand Die Betriebsleiter der Eigenbetriebe und die Geschäftsführer der Gesellschaften bilden zusammen mit dem Verwaltungsvorstand den "Konzernvorstand". In diesem Gremium, das viermal jährlich tagt, sollen koordinierende und strategische Themen besprochen werden. Dariiber hinaus werden Themen, die im ganzen Konzern gelten sollen, diskutiert und gegebenenfalls dazu Vereinbarungen getroffen. Rechtlich gesehen erfolgen in dem Gremium nur Absprachen und Vereinbarungen. Sanktionen sind nur über das Weisungsrecht des Oberbürgermeisters gegenüber den Betriebsleitern der Eigenbetriebe und durch die Aufsichtsregelungen bei den Gesellschaften möglich. - Konzernkoordinierungsgruppen Im Rahmen der Verwaltungsreform sind fünf Konzernkoordinierungsgruppen gebildet worden, die jeweils von einem Vorstandsmitglied des Verwaltungsvorstandes geleitet werden: Planung Qualitätsmanagement Personalentwicklung Informatik Controlling, Berichtswesen, Beschaffung Hier werden auf der Ebene der leitenden Mitarbeiter übergreifende Themen und Fragen behandelt. - Beteiligungsverantwortung Für jede Beteiligung erhält ein Mitglied des Verwaltungsvorstandes die Beteiligungsverantwortung. Dem zuständigen Beigeordneten wird dadurch die Weisungsbefugnis des Oberbürgermeisters gegenüber den Betriebsleitern zur einheitlichen Durchführung von Aufgaben übertragen. Der Beigeordnete sitzt in den Betriebsausschussitzungen mit auf der Verwaltungsbank und ist im übrigen in den Gremien der Gesellschaften vertreten. Er ist verwaltungsseitig für die strategische und fachliche Steuerung der Beteiligung zuständig. Die verwaltungsmäßigen und finanziellen Aspekte der Beteiligungen werden dagegen zentral bei der Beteiligungsverwaltung im Ressort des Stadtkämmerers wahrgenommen. - Mitgliedschaft in Leitungs- und Kontrollgremien Dieser Punkt soll im folgenden in weiteren Einzelheiten dargestellt werden. Wie oben angeführt, haben die Beigeordneten bzw. der Oberbürgermeister die Beteiligungsverantwortung für die Ausgliederungen inne. Sie sind Mitglieder der Leitungs- und Kontrollgremien der einzelnen Betriebe und Gesellschaften. Nur bei zwei Gesellschaften ist dabei ein Aufsichtsrat installiert, nämlich bei den Stadtwer-

Erfahrungen mit der Verselbständigung kommunaler Betriebe

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ken und bei der Wirtschaftsförderungs-GmbH. Bei dieser Gesellschaft ist der alte Wirtschaftsförderungsausschuß in annähernd gleicher Größe zum Aufsichtsrat geworden, um auch die Verbände der Arbeitnehmer und Arbeitgeber beteiligen zu können. Die Hauptentscheidungen fallen allerdings in der Gesellschafterversammlung, die nur den Oberbürgermeister und den Stadtkämmerer als stimmberechtigte Vertreter kennt. Dimeben nimmt von jeder im Rat vertretenen Partei ein Mitglied beratend teil. Diese Festlegung ist auch für die anderen Gesellschaften, bei denen kein Aufsichtsrat besteht, so getroffen worden. Der Beigeordnete, der die Beteiligungsverantwortung hat, und der Stadtkämmerer bilden jeweils die Gesellschafterversammlung. Schließlich ist in den Gesellschaftsverträgen und in den Betriebssatzungen die Stellung des Kämmerers hervorgehoben. Die Wirtschaftspläne der Gesellschaften müssen im Benehmen mit dem Stadtkämmerer erstellt werden. Bei den Betrieben muß der Kämmerer den Wirtschaftsplänen sogar beitreten und im übrigen ist er vor allen Entscheidungen über finanzwirtschaftliche Angelegenheiten des Betriebes, die den Haushalt der Stadt berühren, zu hören. In diesen Fällen nimmt er auch an den Sitzungen des Betriebsausschusses teil. Die Entwürfe des Wirtschaftsplanes, des Finanzplanes, des Jahresabschlusses, die Zwischenberichte sowie die Ergebnisse der Statistiken, Kosten- und Leistungsrechnungen und auf Verlangen alle sonstigen finanzwirtschaftliehen Berichte sind dem Kämmerer zuzuleiten.

Zusammenfassung der Diskussion im Arbeitskreis 2 Von Ihno Gebhardt Die sich an die Kurzvorträge der Referenten anschließende Diskussion wurde von Prof. Reichard mit der rethorischen Frage eröffnet, ob die Kommunen auf der Flucht aus dem öffentlichen Recht sind. Die Gründe für die allenthalben zu beobachtende Fluchtbewegung lägen im öffentlichen Dienstrecht, im Haushaltsrecht, im Personalvertretungsrecht und im Vergaberecht Mit der Aufgabenverlagerung auf Eigengesellschaften werde zugleich der Versuch unternommen, die politischen Fesseln der Gemeindevertretung abzustreifen. Im Zuge der Novellierungen von Kommunalverfassungen sei gerade jüngst eine kommunale Anstalt neuen Typs erkennbar geworden, zuerst in Bayern und nunmehr auch in einigen anderen Bundesländern. Prof. Reichard konstatiert Probleme in der Steuerung und Steuerungsfähigkeit der kommunalen Eigengesellschaften, insbesondere da in den Kommunen das Beteiligungsmanagement nicht ausreichend entwickelt sei. Es erschöpfe sich häufig in einer bloßen Beteiligungs-Aktenführung. In diesem Zusammenhang könnte die Leipziger Konzeption Modellcharakter haben: Die Steuerungsaufgaben würden durch eine Beteiligungsholding und eine Beteiligungsberatungsgesellschaft unterstützend wahrgenommen. Andererseits gebe es in der über die Kommunalwirtschaft geführten Diskussion inzwischen durchaus die Meinung, daß die zunehmende Ausgründung von Aufgabenbereichen im allgemeinen, die Rechtsformwahl der GmbH zur Erledigung kommunaler Aufgaben im speziellen, eine korrekturbedürftige Fehlentwicklung sei. Der öffentliche Auftrag der Kommunen drohe durch die Privatisierung der Aufgabenerledigung verloren zu gehen. Die Organisationsprivatisierung sei mit anderen Worten vielleicht nur der erste Schritt zur materiellen Privatisierung von Aufgaben und damit zum Rückzug der Kommunen aus bestimmten Aufgabenfeldern. Nach den einleitenden Worten von Prof. Reichard ergriff Ernst Schneider, Stadtdirektor und Stadtkämmerer von Solingen, das Wort für ein Kurzreferat zu Fragen der Verselbständigung und Ausgründung kommunaler Betriebe und deren Steuerung. In der sich anschließenden Diskussion wurden zunächst die rechtlichen Aspekte der Konzernsteuerung erörtert. Der Vergleich zwischen GmbH und Anstalt läßt nach Auffassung von Prof. Keßler keine besonderen Vorteile zugunsten der einen oder der anderen Organisationsform erkennen. Dem GmbH-Geschäftsführer könnten ebenso stringente Weisungen erteilt werden wie dem jeweiligen Leitungsorgan

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Ihno Gebhardt

einer Anstalt. Umgekehrt könnten besondere Anreize zu stärkerer unternehmenscher Betätigung des GmbH-Geschäftsführers durch weisungsfreie Räume geschaffen werden. Es bestünden bei der GmbH gewisse Vorteile bei der Gestaltung von Verträgen, weil insoweit die Fesseln des öffentlichen Rechts abgeworfen würden. Der spezifische Vorteil der GmbH liege im übrigen in der möglichen Haftungsbeschränkung. Schneider vermag im Hinblick auf die Anstalt des öffentlichen Rechts als Organisationsform für externalisierte Aufgabenbereiche keinerlei Vorteile zu entdecken. Er bekennt eine "innerliche Abwehr" gegen diese Organisationsform: Die Bezeichnung Anstalt des öffentlichen Rechts passe nicht zur Abschaffung der Kameralistik und Einführung der Doppik. Er frage sich, worin der Vorteil der öffentlich-rechtlichen Organisationsform liegen könne.

Die Diskussion endete mit Fragen und Hinweisen zur europarechtlichen Beihilfediskussion. Frau Dr. Schmahl äußerte in diesem Zusammenhang die Auffassung, daß der Kommission in weiten Teilen zuzustimmen sei, wenn sie die öffentlichrechtlichen Institute der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung als mit dem gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfen qualifiziere.

Arbeitskreis 3 Sparkassen vor nationalen und europäischen Herausforderungen Von Michael Nierhaus Die deutschen kommunalen Sparkassen und erst recht die deutschen Landesbanken stehen gegenwärtig vor ihrer größten und schwierigsten, vielleicht sogar "lebensgefährlichen" Herausforderung, und zwar sowohl in nationaler als auch europäischer Hinsicht. Den Überlebenskampf der Landesbanken hat die FAZ kürzlich mit der Headline umschrieben: "Zu retten, was wohl nicht zu retten ist". Bislang galt als ausgemacht, daß die deutsche Seite (sowohl die Bundesregierung als auch die Landesregierungen bzw. ihre Ministerpräsidenten) im Abwehrkampf gegen den Angriff der Europäischen Kommission auf die deutsche öffentlich-rechtliche Kreditwirtschaft Arm in Arm bzw. im Schulterschluß mit der Sparkassenorganisation angehen. Aus dieser Phalanx sind kürzlich einige Bundestagsabgeordnete ausgebrochen. Der finanzpolitische Sprecher der CDU I CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz, hat die Haltung der öffentlichen und privaten Banken sowie der Bundesregierung bzw. der Bundesländer als eine "Blamage für Deutschland" bezeichnet. Sie würden innerdeutschen Streit, die berühmt-berüchtigten querelles allemandes, im Bankgewerbe nach Brüssel tragen. Das im nordrhein-westfälischen Staatsbankensystem entstandene "Filzwesen" trägt mit zu dem schlechten Image der öffentlichen Banken in Brüssel bei. Immerhin will Herr Merz ambewährten deutschen Banksystem mit seinen drei Säulen und dem öffentlichen Sparkassenauftrag festhalten. Er bezweifelt zu Recht die Kompetenz der Kommission, die Gewährträgerhaftung und Anstaltslast in Frage zu stellen, solange es nur um Aktivitäten mittlerer und kleinerer Sparkassen in regionalen Märkten gehe. Dagegen vertritt der europapolitische Sprecher der F.D.P.-Fraktion, Helmut Haussmann, die Meinung, die Sonderstellung der deutschen Sparkassen sollte nach einem Übergangszeitraum auslaufen. Er rügt insbesondere Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Volks- und Raiffeisenbanken, die nicht auf staatlich I kommunale Garantien zurückgreifen könnten. Die 37. Protokollnotiz zum Amsterdamer Vertrag hält er - insoweit muß man ihm zustimmen - für rechtlich nahezu unverbindlich. 9 Reichard

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Michael Nierhaus

Nach einer Meldung der Reuters-Agentur vom 27. Januar 2000 fahren immerhin die deutschen Ministerpräsidenten gegen die Kommission schweres Geschütz auf: Wenn die europäische Kommission nicht ihre Finger von den öffentlich-rechtlichen Banken in Deutschland lasse, würden sie die geplanten Reformen der Europäischen Union über ihre Mitwirkungsrechte im Bundesrat (Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG) blockieren. Diese massive Drohung könnte sich allerdings als ambivalent erweisen. Kommissar Monti reagierte darauf nur mit der Bemerkung, er plane keine "Vendetta" gegen die deutschen öffentlichen Banken. Doch in der Sache (Anstaltslast und Gewährträgerhaftung als unzulässige Beihilfen) will Monti hart bleiben. Er droht offen an, daß die öffentlichen Institute in Deutschland auf "die eine oder andere Weise" in Zukunft für die öffentlichen Garantien "zahlen" müßten. Dr. Holger Berndt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV in Berlin, hat uns heute morgen in seiner beeindruckenden Rede die strategischen Herausforderungen der Sparkassen-Finanzgruppe durch den Markt und die Politik geschildert. Aus Termingründen kann er heute leider nicht an dieser Arbeitsgemeinschaft III (,,Sparkassen vor nationalen und europäischen Herausforderungen") teilnehmen. Herr Dr. Berndt hat in sehr nachdrücklicher Weise die Zwänge zur Neuorientierung und Neustrukturierung der Sparkassen (und Landesbanken) auf vielen geschäftspolitischen Feldern geschildert. Es sprach verständlicherweise zunächst betriebswirtschaftliche Herausforderungen an: Herausforderungen, die sich aus der Teilnahme an Zukunftsmärkten ergeben, aber auch mit rasanten Entwicklungen in der EDV und der Telekommunikation zusammenhängen. Auf die besondere Rolle der Sparkassen und Landesbanken in einem Europa der Regionen hat er bereits in Rostock hingewiesen. Dem Thema "Europa der Regionen und kommunale Selbstverwaltung" war im übrigen die vierte Tagung des KWI im Jahre 1997 gewidmet. Als Jurist möchte ich mich zu den betriebswirtschaftliehen Anpassungszwängen und Modernisierungsanforderungen nicht äußern. Insoweit möchte ich nur einige Stichworte nennen: - die Neufassung der Base/er Eigenmittelübereinkunft (Baseler Akkord) in Hinblick auf ein einheitliches Rating zur Bonitätsermittlung u. a. der Kreditnehmer und ein einheitliches Adressenrisikomodell, - neue kombinierte Vertriebswege im Filial-, Automaten- und Direktvertrieb, wobei letzterem steigende Bedeutung zukommt, - im Abwicklungsbereich u. a. die bereits vollzogene Anhindung eines Wertpapier- bzw. Wertpapierservicehauses an die DGZ/DEKA-Bank, - Konzentration und Erzielung von Synergieeffekten im sogenannten Back-Office-Bereich (Zusammenlegung aller kundenkontaktlosen Aktivitäten außer Hauses, sozusagen ein "out-sourcing" innerhalb der Sparkassenorganisation, insbesondere was die EDV und Wertpapierabwicklung anbelangt).

Sparkassen vor nationalen und europäischen Herausforderungen

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Allerdings sollte es nicht zu Zweigstellenschließungen größeren Stils kommen. Wir sollten entsprechend den Vorgaben des öffentlichen Sparkassenauftrages an dem Angebot flächendeckender Finanzdienstleistungen festhalten. Auch sollten Fusionen größeren Stils unterbleiben. Mit wachsender Größe geht die regionale Verbundenheit und Marktdurchdringung verloren. In der Begrenzung auf den regionalen Markt liegt ein wesentliches Element der Risikorninirnierung. Wenn ich Fusionsvorhaben im süddeutschen Raum richtig deute, werden dort Sparkassen angestrebt, die eine durchschnittliche Bilanzsumme von 15- 20 Mrd. DM haben. Diese Betriebsgröße stellt eine ordnungspolitisch vertretbare Marge dar. Ich komme jetzt aus juristischer Sicht zu den europäischen und nationalen Herausforderungen, die auf die deutschen Sparkassen und Landesbanken zukommen. Ich möchte für die nachfolgende Diskussion zwei Schwerpunkte vorschlagen: Einen ersten Schwerpunkt im Bereich des europäischen Beihilfenrechts und einen zweiten bei den Strukturoptionen bzw. -änderungen in der deutschen Sparkassenorganisation. Wegen der Aktualität des europäischen Themas schlage ich vor, dieses vorzuziehen. Konkreter Anlaß ist das von der Europäischen Bankenvereinigung (auf Betreiben des Bundesverbandes der deutschen Banken) eingeleitete Beihilfe-Beschwerdeverfahren bei der Europäischen Kommission. Die Beschwerde ist darauf gerichtet, die Kommission solle förmlich entscheiden, Anstaltslast und Gewährträgerhaftung zugunsten der Westdeutschen Landesbank, der Stadtsparkasse Köln und der Westdeutschen Immobilienbank Mainz seien nach Art. 87, 88 EGV I A. als unzulässige Beihilfen einzustufen. Dieses Beschwerdeverfahren macht sich eine dreifache Strategie der Kommission gegenüber der deutschen öffentlich-rechtlichen Kreditwirtschaft zu Nutze. Zum einen die Überprüfung der Übertragung des Wohnungsbauvermögens der WfA vom Land NW auf die West LB in Form einer Eigenkapitalzufuhr mit angeblich nicht marktgerechter Verzinsung. Zum anderen das generelle Infragestellen der deutschen "Bankengarantien" für die Sparkassen und Landesbanken. Zum dritten eine Änderung der Transparenzrichtlinie, die darauf zielt, die Finanzbeziehungen zwischen Staat und öffentlichen Unternehmen transparenter zu machen und eine doppelte Buchführung für den Wettbewerbsbereich und für den öffentlichen Sektor einzuführen. Das jüngste Beschwerdeverfahren, auf das ich mich konzentrieren möchte, ist taktisch klug eingefädelt worden: Der Angriff zielt erstens gegen eine Landesbank stellvertretend für andere, zweitens gegen eine öffentlich-rechtliche, kommunale und zudem noch "geratete" Stadtsparkasse und drittens gegen eine öffentliche Immobilienbank, die einen sog. Neubeihilfenfall darstellt. Bei der WestLB und der Stadtsparkasse Köln handelt es sich dagegen um Altbeihilfenregelungen. Die EU-Kommission hält die unbegrenzten staatlichen bzw. kommunalen Haftungsinstitute der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung als eine Art Bürgschaft für 9*

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unzulässig. Um Marktkonformität zu erreichen, hat die Kommission folgende, im einzelnen noch recht vage Zielvorstellungen entwickelt: Anstaltslast und Gewährträgerhaftung müßten "betragsmäßig" begrenzt werden; hinzu kommen müsse eine marktübliche Vergütung bzw. Verzinsung (WestLB/WfA: 26,7% vor Steuern, ca. das 3-fache des Gewinns der Deutschen Bank). Dazu stellt die Kommission (in prinzipieller Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH) einen Privatinvestorvergleich an und fragt, welche Investitionsrendite im Bankenbereich zu erzielen sei. Die Kommission nimmt insoweit eine marktübliche Verzinsung von 12% nach Steuern an. Ich brauche den hier anwesenden Vertretern der Sparkassen und der Sparkassenorganisation nicht zu erläutern, daß selbst ertragsstarke und überdurchschnittlich verdienende Sparkassen diese "Avalprovision" aus versteuerten Gewinnen nicht bezahlen können. Im übrigen läßt die Kommission bisher, soweit ersichtlich, die Bemessungsgrundlage für die Beschränkung der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung völlig offen. Soll sie sich auf die öffentlichen Lasten der Sparkassen beziehen? Sind diese überhaupt quantifizierbar? Das Vorgehen gegen die deutschen öffentlich-rechtlichen Banken ist nur ein weiterer, aber entscheidender Schritt zur Zurückdrängung aller öffentlichen Unternehmen bzw. Wirtschaftsstrukturen in Deutschland und der EU. Die Kommission strebt eindeutig eine rein private Wirtschafts- und Unternehmensordnung an. Die Anwendung der Beihilfevorschriften zum Zwecke der Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Banken halte ich für eine Denaturierung, um nicht zu sagen Pervertierung der Beihilfevorschriften. Letztlich würde damit in die durch Art. 295 EGV I Amsterdam geschützte deutsche Eigentumsordnung i. w. S., die auch öffentlich-rechtliche Strukturen urnfaßt, umgestaltend eingegriffen. Dafür liefert aber Art. 87 EGV I Amsterdam keine Ermächtigungsgrundlage. Darüber hinaus enthalten die Beihilfevorschriften auch keinen Rechtsgrund zur Abkopplung des öffentlichen Auftrages von den Sparkassen. Die mit dem öffentlichen Auftrag und der öffentlichen Rechtsform verbundenen Lasten und Geschäftsbegrenzungen dürfen natürlich auch nicht mit Mindestrenditevorschriften zusätzlich belastet werden. Deren Einführung, die in Brüssel bereits diskutiert wird, würde im übrigen nur den faktischen Zwang- zur rechtlich verbotenen- Gewinnmaximierung erhöhen. Zum Privatinvestorprinzip bzw. zum Privatinvestorvergleich möchte ich nur kurz folgendes anführen: In der Tat kann sich die Kommission auf eine gefestigte Rechtsprechung des EuGH berufen. Sie übersieht dabei aber, daß es sich um einen Privatinvestor "in vergleichbarer Lage" handeln muß! Korrekterweise müßte demnach folgender Vergleich angestellt werden: Staat und Gemeinden als Bürgen für ein anderes Unternehmen in der Form einer Dritthaftung einerseits und Kommunen als Gewährträger und Anstaltsherren von Sparkassen mit öffentlichem Auftrag, der letztlich auf die der Gemeinde selbst zuzurechnende geld- und kreditwirtschaftliche Daseinsvorsorge zurückgeht, andererseits. Die entscheidende Frage lautet: Wie kann man einen Privatinvestor mit seinen hohen Renditeerwartungen mit einer dem Gemeinwohl verpflichteten kommunalen Gebietskörperschaft vergleichen,

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die sozusagen den öffentlichen Sparkassenauftrag als verfassungsrechtlich gewährleistete Sparkassenhoheit (Art. 28 Abs. 2 GG) mit im Rucksack trägt. Eben diesen Rucksack trägt ein privater Investor nicht! Die Kommission und die deutsche private Bankwirtschaft macht folgende einfache, wie ich finde zu einfache, Rechnung auf: Gewährträgerhaftung und Anstaltslast als Bonitätsvorteile, daraus folgend ein günstiges Rating und daraus wiederum folgend günstigere Refinanzierungsbedingungen. Damit soll der Beihilfetatbestand erfüllt sein: wirtschaftlicher Vorteil plus Einseitigkeit plus Wettbewerbsverzerrung im grenzüberschreitenden Wettbewerb!? Nach dieser Gleichung müßte man zunächst näher untersuchen, zumindest hinterfragen, worauf sich das Rating im einzelnen bezieht. Bezieht es sich allein auf die innere "financial strength" und I oder das "long-term-deposit-rating"? Werden bei letzterem maßgeblich und bonitätserhöhend die Gewährträgerhaftung und Anstaltslast berücksichtigt (z. B. als Eigenkapitalersatz)? Auch das Merkmal der Einseitigkeit ist zu hinterfragen. Man sollte den umgekehrten Ansatz wählen: Öffentlicher Auftrag (insbesondere Unterhaltung eines flächendeckenden Zweigstellennetzes, geld- und kreditwirtschaftliche Versorgung vor allem der schwächeren Bevölkerungskreise und der KMU, Schuldnerberatung und die kostenträchtige Führung von Jedermannskonten), das Regionalprinzip, das Verbot des Marktaustritts in EU-Mitgliedstaaten angesichts des Markteintrittsrechts der ausländischen Institute (umgekehrte Diskriminierung) , das kommunalrechtliche Bankbetriebsverbot (§ 101 Abs. 5 S. 1 GO Bbg.), aus dem das BVerfG (E 75, 192 [199]) in einer Leitentscheidung zu Recht das Verbot der Gewinnmaximierung abgeleitet hat, und sonstige mit der öffentlichen Rechtsform und dem öffentlichen Auftrag verbundenen Geschäftsbegrenzungen (u. a.: Zwang, Eigenkapital aus versteuerten Gewinnen zu bilden, keine Kapitalerhöhungen durch Ausgabe eigener Aktion vornehmen zu können, keine generelle Befugnis, an ausländischen Börsenplätzen zu emitieren, u.s.w.). All diese Faktoren stellen mehr oder weniger quantifizierbare Nachteile dar, die durch die Übernahme von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung der Kommunen für ihre Sparkassen kompensiert werden. Die vielfältigen kommunalen An- und Einbindungen der Sparkassen belegen, daß diese Haftungsinstitute in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu den von den Sparkassen erbrachten besonderen öffentlichen Leistungen stehen (Sparkassen als Partner der Kommunen). Meine These lautet also: Anstaltslast und Gewährträgerhaftung stellen ein Äquivalent für die von den Sparkassen erbrachten gemeinwirtschaftliehen und regionalwirksamen geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen dar. Es geht mithin nicht um die undefinierte ,,Stützung" banküblicher oder bankgleicher Geschäftstätigkeit, sondern um einen "Ausgleich" für öffentlich-rechtliche Sonderlasten. Die hier und heute zu diskutierende Kernfrage (für manchen die Glaubensfrage schlechthin) lautet: Ist die öffentliche Haftung eine beihilfeausschließende Gegenleistung für

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die Erfüllung öffentlicher Aufgaben und für das Tragen besonderer öffentlicher Lasten? Abgesehen von diesen schwierigen beihilferechtlichen Problemen können weitere Fragestellungen nur aufgeworfen werden: - Stärkung bzw. Ausweitung der Sparkassensicherungsfonds zur Reduzierung der kommunalen Haftung?

- Abschaffung der Gewährträgerhaftung unter Aufrechterhaltung der Anstaltslast (letztere ist als wesens- und strukturbedingtes Element öffentlich-rechtlicher Aufgabenwahrnehmung in Anstaltsform nicht aufgebbar)? - Anerkennung der bereits vor Abschluß der Römischen Verträge im Jahre 1957 (geschrieben oder ungeschrieben) bestehenden Haftungsgarantien als sog. AltbeihilferegeJungen und Unterwerfung unter das Brüsseler Beihilferegime erst und ausschließlich im Falle einer Aktivierung der Anstaltslast (wie z. B. im Fall der Stadtsparkasse Mannheim)? Damit komme ich zu dem zweiten Schwerpunkt der Diskussion, den wir heute erörtern sollten: die für die Sparkassen bzw. Sparkassenorganisation bestehenden Strukturoptionen bzw. Strukturanpassungszwänge. Zu nennen ist zunächst die bereits vollzogene Novellierung des Sparkassengesetzes Rheinland-Pfalz und die geplante Änderung des sachsen-anhaltinischen Sparkassengesetzes. Nach rheinland-pfälzischem Sparkassenrecht können die Rücklagen der Sparkassen in fungibles (veräußerbares bzw. handelbares) Stammkapital umgewandelt werden. Sparkassen und Kommunen im Lande RheinlandPfalz können mithin Stammkapitalanteile an rheinland-pfälzischen Sparkassen erwerben. Dadurch entsteht letztlich eine bislang unbekannte Kapitalgesellschaft des öffentlichen Rechts sui generis. Das bislang als einheitlich gedachte und auch rechtlich so ausgestaltete Anstaltsvermögen wird in Anteile aufgespaltet. Ich bezweifle zunächst, ob der Landesgesetzgeber überhaupt die Kompetenz hat, eine derartige gesellschaftsrechtliche Neugestaltung vorzunehmen. Nach Art. 74 Nr. 11 GG i. V. m. Art. 72 GG hat der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Gesellschaftsrecht bekanntlich abschließend Gebrauch gemacht. Ich rüge insoweit auch einen fundamentalen Verstoß gegen das bislang allgemein anerkannte und bewährte Regionalprinzip. Die Möglichkeit der Mitgewährträgerschaft bzw. Kapitalbeteiligung an "fremden", außerörtlichen Sparkassen stellt einen Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG i. V. m. den nahezu gleichlautenden Selbstverwaltungsgarantien der Landesverfassungen dar. Danach dürfen sich Gemeinden und damit mittelbar auch die von ihnen getragenen Sparkassen nur im Bereich der "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" betätigen. Im kommunalverfassungsrechtlichen Schrifttum und in der Rechtsprechung wird diese Umschreibung des kommunalen Selbstverwaltungsrechtes allgemein als "ne-ultra-vires-Prinzip" gedeutet. Das Verbot der wirtschaftlichen, auch der geld- und kredit-

Sparkassen vor nationalen und europäischen Herausforderungen

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wirtschaftlichen Betätigung außerhalb des eigenen kommunalen Hoheitsgebietes ist verletzt, weil mit der Übernahme von Stammkapitalanteilen nicht nur eine abstrakte Mitgewährträgerschaft begründet wird, sondern nach dem neuen Sparkassengesetz Rheinland-Pfalz zugleich auch die Übernahme der Verantwortung für die Unternehmerische Führung der Sparkasse. Der denkbare Hinweis oder Gegeneinwand, einen gleichen, zumindest ähnlichen Effekt könne man durch zulässige Zweckverbandslösungen erreichen, halte ich letztlich nicht für stichhaltig. Jedenfalls können Sparkassenzweckverbände nur von benachbarten Kommunen gebildet werden. Strategische Allianzen quer durch das ganze Land können und dürfen auf Zweckverbandsebene nicht gebildet werden. Die deutsche öffentlich-rechtliche Kreditwirtschaft sollte auch einen Blick über den deutschen Tellerrand werfen auf diejenigen EU-Mitgliedstaaten, die- aus welchen Gründen auch immer - bereits Strukturveränderungen vorgenommen haben: In Frankreich sind durch Gesetz vom 25. Juni 1999 die dortigen Sparkassen in private Genossenschaftssparkassen umgewandelt worden. Dabei handelt es sich um eine sehr schwerfällige, doppelte genossenschaftliche Struktur. Die Genassenschaftssparkassen sind mit einem umfassend formulierten Gemeinwohlauftrag versehen. Sie sind selbst genossenschaftlich organisiert und getragen durch wiederum genossenschaftlich strukturierte, örtliche Sparvereinigungen. Diese fungieren als Träger der Genossenschaftsanteile und haben diese zu emittieren. Dieses französische Modell wird kaum mit dem deutschen Genossenschaftsmodell der Raiffeisenund Volksbanken konkurrieren können. Auch Österreich hat seine Sparkassen 1998 erneut reformiert. Dort existieren noch einige klassische Gemeindesparkassen mit kommunaler Haftung, daneben aber auch private Vereinssparkassen und bereits 21 Sparkassen-Aktiengesellschaften. Die wichtigste Neuerung besteht in der Möglichkeit der Umwandlung in Privatstiftungssparkassen. Der Stifter der Privatstiftungssparkassen ist die jeweils umzuwandelnde Sparkasse selbst. Mithin können die vorhandenen Gemeinde- und Vereinssparkassen in Privatstiftungssparkassen übergeführt werden. Dieses System ist zwar vielgestaltig und flexibel, weil sich z. B. auch Privatstiftungssparkassen an Sparkassenaktiengesellschaften beteiligen können. Die Nachteile der Österreichischen Reform sind aber bekannt: Aufgabe des Regionalprinzips, Zerstörung des bewährten Verbundsystems mit der Folge eines unbeschränkten Wettbewerbs unter Sparkassen. Unter Führung der Ersten Bank rudern die Österreicher derzeit zurück und versuchen, die Vorteile des überkommenden Systems wiederherzustellen. Ein Blick sollte auch nach Italien wandern, wo seit 1990 die Sparkassen größtenteils in Sparkassen-Aktiengesellschaften mit gemeinnützigen Trägerstiftungen umgewandelt worden sind. Aus deutscher Sicht sollte an den Prinzipien der Regionalität und der Dezentralisation, dem Ausschluß des Wettbewerbes unter Sparkassen mit identischem öffentlichen Auftrag sowie an der Einbettung in ein starkes, gegebenenfalls reformiertes Verbundsystem festgehalten werden.

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Aus dem Teilnehmerkreis, so kann ich mir vorstellen, könnten noch weitere Modelle bzw. Modellvarianten vorgetragen bzw. vorgeschlagen werden. Ich möchte es bei diesem eher schraffierenden oder skizzierenden Kurzvortrag belassen, um der jetzt folgenden Diskussion nicht die Zeit zu stehlen.

Zusammenfassung der Diskussion im Arbeitskreis 3 Von Oliver Klein Prof. Nierhaus eröffnete die Diskussionsrunde und referierte zunächst die jüngsten Äußerungen der Generaldirektion IV (GD IV) der Europäischen Kommission zu Anstaltslast und Gewährträgerhaftung in der deutschen öffentlich-rechtlichen Kreditwirtschaft, die Diskussionen darüber in den Medien und die Überlegungen in den Sparkassenverbänden zu Fragen bankbetriebswirtschaftlicher Modemisierungen. Danach ergriff Herr Thallacker (OSGV) das Wort für ein Kurzrefererat. Nachdem er eingangs die historischen Wurzeln der etwa 200-jährigen Sparkassengeschichte und den Wandel des öffentlichen Auftrages in dieser Zeit kurz nachzeichnete, stellte er die heutigen Inhalte des öffentlichen Auftrages dar. Anband einiger Daten verdeutlichte er die Regionalität der Sparkassen und die speziell damit verbundenen Aufgaben. Er hob die Qualität der Sparkassen in der Fördermittelberatung und -durchleitung sowie das Engagement von Sparkassen in der Wirtschaftsförderung hervor. In diesem Zusammenhang sprach er auch die durch die Sparkassen erfolgreich bewältigten Probleme beim Aufbau Ost an. Anschließend nahm er die von Prof. Nierhaus aufgeworfenen Fragen und die nationalen und europäischen Herausforderungen zum Anlass, die Sparkassen in ihrerneuen Rolle als "Nutzenstifter" zu profilieren. Eine Neudefinition oder Konkretisierung der aktuellen Sparkassenaufgaben sei ohne weiteres möglich. Hiernach eröffnete Prof. Nierhaus die Diskussion und gab das Wort an Herrn Prof. Hummel. Einleitend stellte Prof. Hummel mit Blick auf die am 21. 12. 1999 erhobene Beschwerde der EFB bei der Europäischen Kommission gegen die Rechtsinstitute Anstaltslast und Gewährträgerhaftung als mögliche Beihilferegelungen - heraus, dass diese Beschwerde das sog. Drei-Säulen-System der Banken in Deutschland nicht in Frage stellen solle. Ebensowenig werde mit der Beschwerde die Existenz von Landesbanken und Sparkassen als öffentlich-rechtliche Kreditinstitute angegriffen. Auf dem Weg über das europäische Beihilfenrecht solle auch nicht etwa ein Wettbewerb der verschiedenen Bankensysteme innerhalb der deutschen DreiSäulen-Struktur ausgetragen werden. Er betonte in diesem Zusammenhang die in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft stark voneinander abweichenden Bankensysteme und Bankenstrukturen und hob hervor, dass gerade deshalb ein fairer Wettbewerb zwischen allen Banken einerseits und den Bankensystemen an-

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dererseits gewährleistet sein müsse. Das sei aber nach seiner Ansicht durch das in Buropa einzigartige Haftungssystem bei den öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten in Deutschland nicht der Fall. Die zersplitterte Bankenlandschaft und die Anzahl der Kreditinstitute in Deutschland böten grundsätzlich eine gute Basis für einen fairen Wettbewerb; die angegriffenen Haftungsinstitute würden jedoch zu einer Wettbewerbsverzerrung führen. Im "globalen Wettbewerb" der deutschen Privatbanken wären diese aufgrund der ungleichen Wettbewerbsvoraussetzungen in Deutschland grundsätzlich benachteiligt. Er begriißte die regional begrenzte Betätigung der Sparkassen als eigenständige Strategie und könne sich eine Aufteilung der Geschäftsfelder zwischen allen Banken als einen Ausweg aus der derzeitigen Situation vorstellen. Prof. Hummel hob unter Bezug auf den öffentlichen Sparkassenauftrag hervor, dass der Gesetzgeber in der Lage wäre, eine Akzentuierung und Trennung von genau umrissenen Gemeinwohlaufgaben ("Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Bankensektor" 1) und sonstigen Aufgaben vorzunehmen. Anhand dieser Trennung könne dann zwischen den ausschließlich gewinnorientierten Geschäftszweigen und den aufgabenorientierten Bereichen unterschieden werden. Ob diese Trennung letztlich aus der Sicht eines Kreditinstitutes praktikabel und durchführbar ist, ließ Prof. Hummel offen. Kritik äußerte er an den Landesbanken, die sich nach seiner Ansicht außerhalb des öffentlichen Auftrages und somit außerhalb des ihnen auferlegten rechtlichen Rahmens bewegen würden. Insbesondere im internationalen Konsortialgeschäft würden die Landesbanken am Markt bessere Konditionen anbieten, die allein auf eine günstigere Refinanzierung zuriickzuführen seien. In diesem Geschäftsbereich seien deshalb die deutschen Großbanken mit ihren Tochtergesellschaften, aber auch kleinere deutsche Privatbanken benachteiligt. Prof. Hummel merkte hierzu an, dass insbesondere die zunehmende "Vermischung" von privaten und öffentlichen Rechtsformen (Bankgesellschaft Berlin oder der geplante Sachsen-Finanzverband) zu einer Unübersichtlichkeit des öffentlichen Bankensektors führe und die Abgrenzung zwischen den Geschäften zur Erfüllung des öffentlichen Auftrages und denen, die der ausschließlichen Gewinnmaximierung dienen, unscharf werden würde. Abschließend verwies er auf die zuvor angesprochene Entscheidung der Kommission vom 08. Juli 1999 im Fall WestLB /Wfa; die dort angenommene (VorSteuer-)Rendite von ca. 23% auf das Eigenkapital (Return on Equity) oder auf eine Investition (Return on Investment) sei unrealistisch. Die hiergegen angestrengten Nichtigkeitsklagen vor dem EuG I und dem EuGH dürften seiner Einschätzung nach erfolgreich sein. Dem Kurzreferat von Herrn Prof. Hummel folgten Anmerkungen von Herrn Schubert, Vorsitzender des Vorstandes der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, I

Sog. ECOFIN-Bericht der Europäischen Kommission vom Juni 1998.

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Potsdam. Er entgegnete Prof. Hummel, dass sich die Landesbanken, insbesondere die WestLB, im Rahmen ihres öffentlichen Auftrages bewegten, wenn und soweit sie die Kunden der Sparkassen im internationalen Geschäft begleiteten. Er führte weiter aus, dass die Wettbewerbskorrekturfunktion von Landesbanken und Sparkassen sich gerade hieran zeige und diese Funktion als neue Aufgabe stärker gewichtet und in allen Sparkassengesetzen verankert werden müsse. Die Forderung der EU-Kommission nach einer sog. Avalprovision oder Avalprämie an den Gewährträger für die gesetzlich angeordnete Haftungsübernahme (hier: die Gewährträgerhaftung) für Schulden einer Sparkasse lehnte er ab und verwies auf das Fehlen einer gleichartigen Provision für Haftungszusagen privater Banken an ihre Tochterinstitute. Anschließend mahnte Herr v. Keußler (Finanzministerium Thüringen) an, das Verhältnis von Sparkassen und Landesbanken zu ihren Anstaltsherrn und Gewährträgem grundsätzlich unter Bezug auf die sich verändernden Marktstrukturen zu überdenken. Er hob hervor, dass sich diese Institute nicht losgelöst vom Markt bewegen würden und ihre Stellung dort eigenständig und mit den Mitteln des Marktes behaupten müssten. Bedenken äußerte er zur Aufrechterhaltung des Regionalprinzips in der heute herrschenden Globalisierungswelle. Unabhängig von den Ergebnissen eines Verfahrens vor der EU-Kommission oder einer Klage vor dem EuGH prophezeite er weitere "Nachhut-Gefechte" in den Kommunen, welche den Einfluss auf "ihre" Sparkassen stärken und - unter Bezug auf die einleitenden Worte von Herrn Thallacker- die Nutzenstiftung beeinflussen werden. Ferner stellte Herr v. Keußler zur Diskussion, dass die dauerhafte finanzielle Schwäche der Kommunen die inhaltliche Entleerung der Haftungsinstitute bedeute und hieraus Rückschlüsse für die Zukunft gezogen werden müssten. Er stellte die These auf, dass Ausschüttungen der Sparkassen an ihre Gewährträger eine stärkere Identifikation der Kommunen mit "ihren" Sparkassen zur Folge hätte und hierdurch Kräfte gebündelt werden könnten; dies würde möglicherweise neue Synergien freisetzen. Herr Schubert betonte den Strukturfaktor von Landesbanken und Sparkassen. Er bescheinigte den Landesbanken und Sparkassen eine besondere "Hilfsfunktion" als Motor für die Gestaltung von regionalen und kommunalen Strukturen. Anband des Programms "Aufbau Ost" führte er beispielhaft an, wie erfolgreich die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute diese Aufgabe (auch und insbesondere unter Verzicht auf Gewinnmaximierung) bewältigten. Im Gegensatz dazu stünden die Vorstände alle privaten Kreditinstitute unter dem Druck der Gewinnerwirtschaftung (shareholder value). Herr Lange (OSGV) lenkte das Thema in eine andere Richtung und bezweifelte, ob der EU-Vertrag mit seinen Beihilferegeln das deutsche Verfassungssystem, resp. die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik in Form der sozialen Marktwirtschaft unterminieren könne. Er zeigte das Spannungsverhältnis zwischen dem EG-Vertrag als einem zwischenstaatlichen Vertrag und dem deutschen Grundgesetz auf. Außer-

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dem hob er hervor, dass es sich bei den derzeit auf dem Prüfstein stehenden Haftungsinstituten Anstaltslast und Gewährträgerhaftung um sog. Altbeihilfen handeln müsse, sofern man überhaupt davon ausgehen dürfe, dass beide Haftungsinstitute unzulässige Beihilfen darstellten. Hieran schloss sich eine Diskussion über Vor- und Nachteile eines "ratings", den neuen "Basler Akkord" zur Bewertung von spezifischen Kredit- und Geschäftsrisiken bei Banken, die Einhaltung des Regionalprinzips, den öffentliche Auftrag im Bereich des Investmentbanking und Internetbanking sowie über grundsätzlich neue Ansätze hinsichtlich der Aufgabenstellung und Aufgabenerfüllung öffentlicher Kreditinstitute. Prof. Nierhaus beendete die Diskussion mit einer kurzen Darstellung des Problems sog. Altbeihilfefälle und den Auswirkungen eines ratings von öffentlichen Kreditinstituten.

Autorenverzeichnis Dr. Holger Bemdt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Berlin Ass. iur. lhno Gebhardt, Universität Potsdam, Kommunalwissenschaftliches Institut (KWI), wissenschaftlicher Mitarbeiter (bis 31. 12. 2000) Prof. Dr. Dr. h.c. Rolf Grawert, Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät, Professur für Öffentliches Recht Prof. Dr. Jürgen Keßler, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Professur für Deutsches und Europäisches Handels-, Gesellschafts-, Arbeits- und Wirtschaftsrecht Ass. iur. Oliver Klein, Universität Potsdam, KWI, wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Gert Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Berlin Prof. Dr. Michael Nierhaus, Universität Potsdam, Juristische Fakultät, Professur für Staatsrecht, Allgemeines Verwaltungsrecht und Kommunalrecht, Stellv. Geschäftsf. Direktor des KWI Prof. Dr. Christoph Reichard, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Professur für Public Management, Geschäftsführender Direktor des KWI Dr. Karsten Rogas, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, wissenschaftlicher Mitarbeiter (bis Ende 2000) Dr. LL. M Stefanie Schmah/, Universität Potsdam, Juristische Fakultät, wissenschaftliche Mitarbeiterin Dip!. Kfm. Ernst Schneider, Stadtdirektor und Stadtkämmerer der Stadt Solingen Prof. Dr. Dieter Wagner, Vizepräsident der Universität Potsdam, Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Professur für BWL mit dem Schwerpunkt Organisation und Personalwesen