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German Pages 593 [598] Year 2017
BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE DER UNIVERSITÄT GREIFSWALD
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BAND 12
OLIVER AUGE (HG.)
KÖNIG, REICH UND FÜRSTEN IM MITTELALTER
FRANZ STEINER VERLAG STUTTGART
KÖNIG, REICH UND FÜRSTEN IM MITTELALTER
BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE DER UNIVERSITÄT GREIFSWALD HERAUSGEGEBEN VON DIRK ALVERMANN MITBEGRÜNDET VON CHRISTOPH FRIEDRICH, JÖRG OHLEMACHER UND HEINZ-PETER SCHMIEDEBACH
BAND 12
FRANZ STEINER VERLAG STUTTGART 2017
KÖNIG, REICH UND FÜRSTEN IM MITTELALTER Abschlusstagung des Greifswalder „Principes-Projekts“ Festschrift für Karl-Heinz Spieß HERAUSGEGEBEN VON OLIVER AUGE REDAKTION: NINA KÜHNLE
FRANZ STEINER VERLAG STUTTGART 2017
Umschlagbild: Auszug aus dem Heidelberger Sachsenspiegel des Eike von Repgow, Ostmitteldeutschland, Anfang 14. Jahrhundert (Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. Germ. 164, fol. 21r)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-515-10895-9 (Print) ISBN 978-3-515-11508-7 (E-Book) Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. © 2017 Franz Steiner Verlag, Stuttgart Satz: DTP + TEXT EVA Burri, Stuttgart Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Printed in Germany
TABULA GRATULATORIA Uwe Albrecht, Reithofen Gerd Althoff, Münster Dirk Alvermann, Greifswald Helga Amlang, Greifswald Cristina Andenna, Dresden Kurt Andermann, Freiburg Christina Antenhofer, Innsbruck Franz-Josef Arlinghaus, Bielefeld Oliver Auge, Kiel Cornell Babendererde, Winsen Ingrid Baumgärtner, Kassel Matthias Becher, Bonn Thomas Behrens, Dortmund Berliner MGH Arbeitsstelle Felix Biermann, Göttingen Ludwig Biewer, Berlin Andreas Bihrer, Kiel Ralf Bleile, Schleswig Michael Borgolte, Berlin Laura Brander, Bamberg Stefan Brüdermann, Bückeburg Martin Buchsteiner, Greifswald Enno Bünz, Leipzig Stefan Burkhardt, Heidelberg Reinhardt Butz, Dresden Martin Clauss, Chemnitz Klaus-Peter Decker, Büdingen Lars Deile, Berlin/Potsdam Jürgen Dendorfer, Freiburg Volker Depkat, Regensburg Gerrit Deutschländer, Halle an der Saale Stefanie Dick, Kassel Bernhard Diestelkamp, Kronberg im Taunus Gerhard Dilcher, Königstein im Taunus Heinrich Dormeier, Kiel Ivonne und Jörg Driesner, Greifswald Alexander Drost, Greifswald Elfie-Marita Eibl, Berlin
Klaus van Eickels, Bamberg Verena Epp, Marburg Thomas Ertl, Wien Stefan Fassbinder, Greifswald Franz J. Felten, Mainz Helmut Flachenecker, Würzburg Gerhard Fouquet, Kiel Werner Freitag, Münster Johannes Fried, Frankfurt Torsten Fried, Schwerin/Greifswald Udo Friedrich, Köln Kirsten O. Frieling, Bielefeld Franz Fuchs, Würzburg Marian Füssel, Göttingen Mariacarla Gadebusch Bondio, München Claudia Garnier, Vechta Patrick J. Geary, Princeton Andreas Gestrich, London Martina Giese, Potsdam Knut Görich, München Hans-Werner Goetz, Hamburg Albrecht Greule, Regensburg Manfred Groten, Bonn Achim Hack, Jena Rolf Hammel-Kiesow, Lübeck Gabriele Haug-Moritz, Graz Alfred Haverkamp, Trier Werner Hechberger, Koblenz Heinz-Dieter Heimann, Potsdam Christiane und Hartmut Heinemann, Wiesbaden Paul-Joachim Heinig, Mainz Johannes Helmrath, Berlin Nikolaus Henkel, Hamburg/Freiburg Klaus Herbers, Erlangen Jürgen Herold, Greifswald Christian Hesse, Bern Sabine von Heusinger, Köln
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Tabula gratulatoria
Thomas Hill, Kiel Torsten Hiltmann, Münster Sigrid Hirbodian, Tübingen Erhard Hirsch, Greifswald Jan Hirschbiegel, Kiel Ivan Hlaváček, Prag Julia Hörmann-Thurn und Taxis, Innsbruck Franz-Josef Holznagel, Rostock Ute Hoser, Greifswald Jasmin Hoven-Hacker, Greifswald/ Göttingen Wolfgang Huschner, Leipzig Stefanie Irrgang, Berlin Uwe Israel, Dresden Kay Peter Jankrift, Münster Nikolas Jaspert, Heidelberg Peter Johanek, Münster Klaus-Frédéric Johannes, Ingenheim Bernhard Jussen, Frankfurt am Main Mathias Kälble, Dresden Hermann Kamp, Paderborn Brigitte Kasten, Saarbrücken Joachim Kemper, Frankfurt am Main Jan Keupp, Münster Nicole Kiesewetter-Müllejans, Behnkenhagen Martin Kintzinger, Münster Jürgen Klöckler, Konstanz Arthur König, Greifswald Andreas Kotula, Erfurt Detlev Kraack, Plön Marita Krauss, Augsburg Steffen Krieb, Freiburg Heinz Krieg, Freiburg Martin Krieger, Kiel Joachim Krüger, Greifswald/Schleswig Nathalie Kruppa, Göttingen Ludolf Kuchenbuch, Berlin Nina Kühnle, Kiel Ute Kümmel, Stuttgart Guido Lammers, Bonn Stephan Laux, Trier Christian Lübke, Leipzig Heiner Lück, Halle an der Saale
Claudia Märtl, München Christine Magin, Greifswald Werner Maleczek, Wien Anke Mann, Greifswald Michael Matheus, Mainz Helmut Maurer, Konstanz Gert Melville, Dresden Michael Menzel, Berlin Carla Meyer-Schlenkrich, Heidelberg Ilgvars Misāns, Riga Jean-Marie Moeglin, Paris Frank Möller, Greifswald Olaf Mörke, Kiel Johannes Mötsch, Meiningen Pierre Monnet, Frankfurt am Main/Paris Heribert Müller, Frankfurt am Main/Köln Matthias Müller, Mainz Ernst Münch, Rostock Benjamin Müsegades, Heidelberg Immanuel Musäus, Greifswald Klaus Neitmann, Potsdam Bernhard Nellessen, Mainz Mathias Niendorf, Greifswald Eberhard J. Nikitsch, Mainz Marlene Nikolay-Panter, Bonn Cordula Nolte, Bremen Michael North, Greifswald Damaris Nübling, Mainz Lutz Oberdörfer, Greifswald Jenny Oesterle, Heidelberg Jörg Ohlemacher, Göttingen Robert Oldach, Greifswald Marjatta und Jens E. Olesen, Greifswald Klaus Oschema, Heidelberg/Paris Anke und Werner Paravicini, Kiel Michel Pauly, Luxemburg Jörg Peltzer, Heidelberg Christian Peplow, Greifswald Ursula Peters, Köln Stefan Petersen, Würzburg Gustav Pfeifer, Bozen Tilman Plath, Greifswald Matthias Puhle, Magdeburg Sven Rabeler, Kiel Olaf Bruno Rader, Berlin
Tabula gratulatoria
Andreas Ranft, Halle an der Saale Claudia Rapp, Wien Jürgen Regge, Neuenkirchen/Greifswald Folker Reichert, Stuttgart Christine Reinle, Gießen Arnd Reitemeier, Göttingen Frank Rexroth, Göttingen Hedwig Richter, Greifswald Robert Riemer, Greifswald Hedwig Röckelein, Göttingen Volker Rödel, Karlsruhe Jürgen Römer, Lichtenfels in Waldeck Andreas Röpcke, Schwerin Werner Rösener, Gießen Jörg Rogge, Mainz Fred Ruchhöft, Greifswald Peter Rückert, Stuttgart Stefanie Rüther, Frankfurt am Main David Warren Sabean, Los Angeles Jürgen Sarnowsky, Hamburg Benjamin Scheller, Essen Winfried Schich, Berlin Rudolf Schieffer, Bonn Ulrich Schindel, Göttingen Uwe Schirmer, Jena Dirk Schleinert, Stralsund Eva Schlotheuber, Düsseldorf Heinz-Peter Schmiedebach, Berlin Frederieke Maria Schnack, Kiel Joachim Schneider, Dresden Bernd Schneidmüller, Heidelberg Martin Schoebel, Kirchdorf Sebastian Scholz, Zürich Jürgen Schröder, Ostseebad Heringsdorf Uwe Schröder, Greifswald Markus Schürer, Dresden Hansmartin Schwarzmeier, Karlsruhe Gisela und Rainer Christoph Schwinges, Zollikofen bei Bern Harm von Seggern, Kiel Hubertus Seibert, München Stephan Selzer, Hamburg Gabriela Signori, Konstanz Thomas Stamm-Kuhlmann, Greifswald Kai Steffen, Greifswald
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Włodzimierz Stępiński, Szczecin Barbara Stollberg-Rilinger, Münster Brigitte Streich, Wiesbaden Birgit Studt, Freiburg Christian Suhm, Greifswald Gabriele Szkola, Greifswald Stefan Tebruck, Gießen Simon Teuscher, Zürich Hans Georg Thümmel, Greifswald Matthias Thumser, Berlin Uwe Tresp, Potsdam Karl Ubl, Köln Monika Unzeitig, Greifswald Grischa Vercamer, Berlin Thomas Vogtherr, Osnabrück Christoph Volkmar, Magdeburg Jens Boye Volquartz, Kiel Wolfgang Eric Wagner, Münster Bastian Walter-Bogedain, Münster/ Wuppertal Gerrit Walther, Wuppertal Immo Warntjes, Belfast Caroline Elisabeth Weber, Kiel Sabine Wefers, Jena Stefan Weinfurter, Heidelberg Jürgen Weis, Ostfildern Sabine-Maria Weitzel, Greifswald Ralf-Gunnar Werlich, Greifswald Matthias Werner, Jena Horst Wernicke, Greifswald Jörg Wettlaufer, Göttingen Thomas Wetzstein, Eichstätt Bernard van Wickevoord Crommelin, Greifswald Thomas Willich, Berlin Armin Wolf, Frankfurt am Main Eike Wolgast, Heidelberg Doreen Wollbrecht, Greifswald Christine Wulf, Göttingen Heide und Dieter Wunder, Bad Nauheim Pauline Yu, New York Frederic Zangel, Kiel Gabriel Zeilinger, Kiel Claudia Zey, Zürich Thomas Zotz, Freiburg
INHALTSVERZEICHNIS Tabula gratulatoria .........................................................................................
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Oliver Auge König, Reich und Fürsten im Mittelalter – eine Hinführung...........................
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Patrick J. Geary Nostalgia for the Court. Desiderius of Cahors and his Circle .........................
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Stefan Weinfurter Eindeutigkeit. Karl der Große und die Anfänge europäischer Wissens- und Wissenschaftskultur.........................................................................................
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Werner Rösener Ressourcen der deutschen Königsherrschaft im Hochmittelalter ....................
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Thomas Zotz Fürsten und Ministerialen am Stauferhof ........................................................
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Gerhard Fouquet Heinrich (VII.), Friedrich II., geistliche Reichsfürsten und ihre Städte. Aushandlungsspielräume unter Ungleichen in der politischen Ordnung zu Beginn des 13. Jahrhunderts .......................................................................
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Bernd Schneidmüller Verantwortung aus Breite und Tiefe. Verschränkte Herrschaft im 13. Jahrhundert ........................................................................................... 115 Ursula Peters Fürsten, Adel, Rittertum. Die höfische Dichtung vor dem Hintergrund der neueren Feudalismus-Debatte ................................................................... 149 Martin Kintzinger Inter Pares: Innere und äußere Referenzen fürstlicher Politik im Spätmittelalter. Gegenwärtige Fragen an die vormoderne Geschichte ....................................................................................................... 197 Klaus Oschema Die Herren und die Mädchen. Fürsten und städtische Prostitution im spätmittelalterlichen Reich ......................................................................... 223
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Inhaltsverzeichnis
Werner Paravicini König Christian in Italien (1474) .................................................................... 255 Sigrid Hirbodian Geistliche Fürstinnen im Südwesten des Reiches zwischen Familienbindung und Reichsbezug ............................................................................................. 369 Paul-Joachim Heinig Sein und Bewusstsein. Aspekte reichsfürstlicher Entregionalisierung am Ende des Mittelalters ................................................................................. 387 Kurt Andermann Der König zu Gast. Maximilians I. Besuch beim Grafen von Hohenlohe in Neuenstein................................................................................................... 407 Rainer Christoph Schwinges Im Dienst. Gelehrte im Reich der deutschen Könige und Fürsten des späten Mittelalters ..................................................................................... 421 Enno Bünz Die Wettiner auf den Reichstagen. Kurfürst Friedrich der Weise auf dem Wahltag 1519 in Frankfurt am Main, gesehen mit den Augen eines Zeitzeugen ........................................................ 441 Matthias Müller Hofkunst zwischen Konkurrenz und Kulturalität. Die Kunstförderung an den Höfen Kaiser Maximilians I. und Kurfürst Friedrichs III. von Sachsen als Element fürstlicher Statuskonkurrenz ................................... 461 Andreas Ranft Luther und die Fürsten .................................................................................... 483 Oliver Auge Schlusswort zur Tagung .................................................................................. 513 Abbildungsnachweise...................................................................................... 521 Farbabbildungen .............................................................................................. 523 Ortsregister ...................................................................................................... 573 Personenregister .............................................................................................. 581
KÖNIG, REICH UND FÜRSTEN IM MITTELALTER – EINE HINFÜHRUNG Oliver Auge Am 4. Dezember 2013 feierte Karl-Heinz Spieß seinen 65. Geburtstag. Aus diesem Anlass versammelte sich vom 13. bis 15. Juni 2014 die stattliche Zahl von 18 Referentinnen und Referenten, die allesamt Rang und Namen in der gegenwärtigen Mittelalterforschung haben, und eine noch weit umfänglichere und nicht minder renommierte Zuhörerschaft im Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald, um zwei Tage lang über die Thematik „König, Reich und Fürsten im Mittelalter“ zu sprechen und zu diskutieren. Am dritten Tag fand eine Exkursion auf den Spuren der pommerschen Greifenherzöge ins Greifswalder Umland statt. Die Tagung wurde großzügig von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, den Universitäten Greifswald und Kiel sowie der Fondation pour la Protection du Patrimoine Culturel Historique et Artisanal zu Lausanne unterstützt, wofür an dieser Stelle nochmals ausdrücklich gedankt sei. War der 65. Geburtstag der festliche Anlass der wissenschaftlichen Zusammenkunft, so stand dieselbe ganz unter dem Zeichen der bevorstehenden Pensionierung des Jubilars im September 2014. Damit ergab sich die passende Gelegenheit, ein wissenschaftliches Resümee bezüglich seiner 20-jährigen Forschungs- und Lehrtätigkeit an der Universität Greifswald zu ziehen. Konkret stand das von Karl-Heinz Spieß und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bzw. Schülerinnen und Schülern am Greifswalder Lehrstuhl für Allgemeine Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften initiierte und regsam betriebene „Principes“-Projekt im Blickfeld. Ganz bewusst firmierte die Tagung im zugehörigen Flyer auch als „Abschlusstagung des Greifswalder ‚Principes‘-Projekts“.1 Bekanntlich hat sich Karl-Heinz Spieß in seiner 1993 in einer ersten und 2015 in einer zweiten Auflage erschienenen Habilitationsschrift mit dem Untersuchungsgebiet von Familie und Verwandtschaft im deutschen nichtfürstlichen Hochadel des Spätmittelalters befasst.2 Darin hat er sich in grundlegender Art und Weise mit dem sozialen Beziehungsnetz von Grafen und Freiherren beschäftigt, was die Adelsforschung in Deutschland insgesamt ungemein beflügelt hat.3 Freilich ist er für das 14. und 15. Jahrhundert in manchen Bereichen an seine Grenzen gestoßen, weil die Quellen in dieser Adelsschicht für den Untersuchungszeitraum sehr dünn gesät wa1 2 3
Siehe das Tagungsprogramm mit ebendiesem Untertitel unter http://www.histsem.uni-kiel.de/ de/abteilungen/regionalgeschichte/tagungen/fruehere-tagungen/tagungen_alt/2014-Principes (6. März 2016). Vgl. auch Kühnle/Kümmel 2014. Spiess 1993; Ders. 2015. Vgl. die Auflistung der positiven Besprechungen in Ders. 2015, S. Vf.
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Oliver Auge
ren. Bei den Recherchen zum Buch aber hatte er festgestellt, dass in den fürstlichen Archiven die einschlägigen Quellen sehr viel reichhaltiger flossen. Als Karl-Heinz Spieß dann 1994 als erster Historiker aus den alten Bundesländern nach Greifswald in das ehemalige Herzogtum Pommern berufen wurde, wollte er nicht nur die Mittelalterforschung insgesamt stärken, wovon das Anfang 1995 gegründete und nach wie vor gedeihlich arbeitende Greifswalder Mittelalterzentrum zeugt, sondern auch mit einem langfristig angelegten Projekt der mediävistischen Forschung einen nachhaltigen eigenen Beitrag implementieren. Generell ging es bei dem Vorhaben darum, die bislang meist isoliert untersuchten Fürstendynastien vergleichend in den Blick zu nehmen. Schon 1986 hatte Peter Moraw festgestellt: „Es fehlen […] Studien über die Situation der Fürsten im Reich insgesamt, auch über ihre politischgesellschaftlichen Kontakte untereinander und ihr reichsständisches Verhalten.“4 Diese Forschungslücke wollte Karl-Heinz Spieß schließen und so begann er damals mit seinen Berufungsmitteln die gedruckten Quellen zu den Reichsfürsten zu sammeln und erste Archivreisen zur Erkundung der Materialien zu unternehmen. Im Frühjahr 1996 erreichte ihn das Gerücht, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft gebe es einen eigenen Fördertopf für Projekte aus den neuen Bundesländern, der bei weitem nicht ausgeschöpft sei, weswegen die Chance zur Erlangung von Drittmitteln einmalig groß sei. Wenn sich auch das Gerücht im Nachhinein als falsch herausstellte, so löste es zunächst heftige Aktivitäten am Lehrstuhl aus. Denn auf diesen Zug wollte Karl-Heinz Spieß unbedingt aufspringen, zumal er kurz zuvor mit seinem ersten DFG-Antrag überhaupt in dem Verbundprojekt zum Kloster Eldena bereits erfolgreich gewesen war. Der Antrag zwang zur Präzisierung des Vorhabens. Vier Ziele kristallisierten sich dabei heraus: Erstens die Analyse des sozialen Beziehungsnetzes innerhalb der Reichsfürsten (Konnubium, Besuche, Begegnungen auf Festen und Turnieren, Erziehung der Fürstensöhne an fremden Höfen sowie schriftliche und mündliche Formen der Kommunikation); zweitens die Entwicklung geeigneter Parameter für eine Schichtungsanalyse des Reichsfürstenstandes (wie Höhe der Mitgiften, Zahl und Qualität des Gefolges, Rangposition am Königshof, Lehnsbeziehungen innerhalb des Fürstenstandes etc.), zum Dritten die Erforschung der Binnenstruktur fürstlicher Familien (Fürstin und Fürst, ElternKind-Beziehungen, Rollenerwartungen, Probleme bei internationalen Heiraten, Position der Hofdamen usw.) sowie viertens und letztens die Einordnung der für die Reichsfürsten erzielten Ergebnisse in den europäischen Kontext, um zu prüfen, ob sich die soziale und politische Stellung der Fürsten grundlegend von den Verhältnissen außerhalb des Reichs unterschied. Zur Erreichung dieser Ziele wurden in dem ersten Anlauf Gelder für eine ganze Wissenschaftlerstelle, zwei halbe Stellen und vier Hilfskräfte sowie weit über 100.000 DM Archivreisegelder beantragt, um in möglichst vielen Archiven das Material zu sichten. Wie sich herausstellte, war dieser Antrag allerdings zu groß dimensioniert und im Blick auf die Arbeitsschritte zu wenig begründet. Im Ablehnungsschreiben der DFG vom 21. Oktober 1996 wurde der Antrag deswegen auf der Grundlage der hierzu erstellten Gutachten zerpflückt. Es sei nicht hinreichend erkennbar, in welcher Zeit das anspruchsvolle For4
Moraw 1986, S. 118.
König, Reich und Fürsten im Mittelalter – eine Hinführung
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schungsvorhaben durchgeführt werden könne. Einer der Gutachter spreche gar von 10 bis 20 Jahren – womit er übrigens retrospektiv betrachtet die tatsächliche Laufzeit des Vorhabens gut traf. Es entstehe, so die DFG weiter, der Eindruck, es solle eigentlich nur um die Behebung spezifischer Forschungslücken auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gehen, doch passe dazu nicht so recht die Auswahl der ins Auge gefassten Archive. Aus den Ablehnungsgründen, die hier nicht weiter auszuführen sind, hat Karl-Heinz Spieß Grundlegendes für das weitere „Principes“-Projekt und auch für andere DFG-Anträge, die dann sämtlich erfolgreich waren, gelernt. Dazu gehörte ein weitaus bescheidenerer Antrag zum „Principes“-Vorhaben, der nun keine Stellen, aber die Gelder für die Archivreisen sicherte. Zur unerlässlichen Standortbestimmung veranstaltete der Lehrstuhl im Jahr 2000 dann eine große Tagung zum Thema „Principes. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter“, deren Ergebnisse 2002 in der angesehenen Reihe „Residenzenforschung“ publiziert wurden.5 So hat sich das trotz des gescheiterten DFG-Antrags unverdrossen begonnene „Principes“-Projekt letztlich gut entwickelt und einen deutschlandweiten und auch darüber hinausgehenden Bekanntheits- und Wirkungsgrad erlangt. Für die Richtigkeit dieser Feststellung steht wohl am besten die Zahl der in seinem Kontext entstandenen Qualifikationsarbeiten. Zu nennen sind hier die Habilitationsschriften von Cordula Nolte über Familie, Hof und Herrschaft bei den Zollern6 und von Oliver Auge über die Handlungsspielräume der Fürsten im Nordosten des Reiches7 sowie die Dissertationen von Cornell Babendererde über Sterben und Tod der Reichsfürsten8, von Erhard Hirsch zu den generationsübergreifenden Verträgen reichsfürstlicher Dynastien9, von Kirsten Frieling über die Kleidung an Fürstenhöfen10 und von Benjamin Müsegades zur Erziehung und Ausbildung der Fürstensöhne11. Kurz vor dem Abschluss stehen die weiteren Doktorarbeiten von Jasmin Hoven-Hacker über die geistlichen Fürstentöchter, von Ute Kümmel über den Schatz der Fürsten und von Jürgen Herold über Briefe und Boten am Beispiel der Korrespondenz der Gonzaga mit deutschen Reichsfürsten. Hinzu kommen zahlreiche, im Projekt entstandene Staatsexamens- und Magisterarbeiten, die wegen ihrer Forschungsergebnisse immer wieder in Anmerkungen zitiert werden. Nicht zu vergessen sind die vielen Publikationen in monographischer oder Aufsatzform, die Karl-Heinz Spieß selbst zum Untersuchungsgebiet der Principes verfasst hat.12 Es hätte natürlich nahegelegen, die Greifswalder Abschlusstagung in erster Linie als eine Forschungsbilanz aufzufassen, so dass hier vornehmlich die damit ehemals und nach wie vor aktiv Befassten zu Wort gekommen wären. Jedoch ist dies bereits ein erstes Mal bei einem Symposium zum 60. Geburtstag von Karl-Heinz 5 6 7 8 9 10 11 12
Principes 2002. Nolte 2005. Auge 2009. Babendererde 2006. Hirsch 2013 Frieling 2013. Müsegades 2014. Spiess 2008. Siehe auch seine Publikationsliste unter http://www.phil.uni-greifswald.de/ fileadmin/mediapool/histin/Mittelalter/Publikationsverzeichnis_Spiess.pdf (6. März 2016).
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Oliver Auge
Spieß am 4. Dezember 2008 unter dem Titel „Membra imperii – Fürsten und höherer Adel im Reich“ gemacht worden. Vielmehr sollten nun, im Juni 2014, mit dem Thema „König, Fürsten und Reich“ auch neue Felder beackert werden und vor allem ein viel weiterer Kreis von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu Wort kommen. Größtmöglicher Offenheit wegen wurde deshalb im Vorfeld auch auf ein sonst übliches Raster mit Fragen und Thesen, worin sich die Vorträge hätten einordnen sollen, verzichtet. Mit dem Titel „König, Reich und Fürsten im Mittelalter“ war indes schon eine Erweiterung der im „Principes“-Projekt gewohnten Binnenperspektive über die Fürsten hinaus auf den König und das Reich insinuiert. Weitere Gruppen neben den Fürsten wie Ministerialen, Gelehrte oder Bürger gerieten in den Blick. Damit ordnete sich die Tagung in den Paradigmenwechsel der letzten Jahre ein, der die Fürsten und ihre Helfer nicht mehr als Gegenspieler zu Königtum und Königsmacht ansieht, sondern die Mitverantwortung der Fürsten für das Reich, die konsensuale Herrschaft von König und Fürsten betont. Nebenbei war der interdisziplinäre Ansatz für die Tagung eine Selbstverständlichkeit. So kamen auch die germanistische Mediävistik und die Kunstgeschichte gebührend zu Wort. Praktizierte Interdisziplinarität war stets ein Credo des „Principes“-Unternehmens, wovon etwa das Greifswalder DFG-Projekt „Kulturtransfer am Fürstenhof“ zeugt, an dem neben der Geschichtswissenschaft wiederum die Kunstgeschichte und die germanistische Mediävistik beteiligt waren.13 In diesem Band sind nun alle Vorträge der Tagung, zu Aufsätzen erweitert und in weitgehend chronologischer Reihenfolge angeordnet, versammelt. Den Reigen der Beiträge eröffnet Patrick J. Geary mit seinem englischsprachigen Aufsatz zu Desiderius von Cahors und seinem Kreis.14 Das Netzwerk dieses gelehrten Geistlichen, der unter den Merowingerkönigen Chlothar II. und Dagobert zum Schatzmeister und Bischof von Cahors aufstieg – und in der katholischen Kirche heute als Heiliger verehrt wird –, gibt sich gut in seiner Vita und seiner Briefsammlung zu erkennen, wie Geary eindrücklich vor Augen führt. Daraus wiederum lassen sich wichtige und neue Erkenntnisse für den Hof der Merowinger gewinnen. Darauf folgt ein eindringlicher Appell Stefan Weinfurters, das Streben Karls des Großen und seiner Umgebung nach der einen und eindeutigen Wahrheit als gewisse Gegenwelt zu unserer heutigen Zeit zu begreifen.15 Karl der Große sei ein Gegner der Unbestimmtheit gewesen, so Weinfurter: Omni ambiguitate remota. Ja, es sei zu einer richtigen Eindeutigkeitsoffensive im intellektuellen Sinne gekommen. Mit seinen Beobachtungen steuert Weinfurter einen neuen, gegenpoligen Diskussionsbeitrag zu derzeitigen wissenschaftlichen Bemühungen um ein besseres Verständnis eines ambigen Mittelalters bei. Die Ressourcen der deutschen Königsherrschaft im Hochmittelalter nimmt sodann Werner Rösener in den Blick.16 Er zeigt – insbesondere anhand des Tafelgüter13 14 15 16
Kulturtransfer 2013. Patrick J. Geary: Nostalgia for the Court. Desiderius of Cahors and his Circle, S. 23–33. Stefan Weinfurter: Eindeutigkeit. Karl der Große und die Anfänge europäischer Wissens- und Wissenschaftskultur, S. 35–52. Werner Rösener: Ressourcen der deutschen Königsherrschaft im Hochmittelalter, S. 53–73.
König, Reich und Fürsten im Mittelalter – eine Hinführung
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verzeichnisses aus der Mitte des 12. Jahrhunderts – nochmals, welche Rolle Grundbesitz und Rechte bei der Gestaltung der Königsherrschaft spielten. Eine praesentia regis war nur dort möglich, wo genügend materielle Grundlagen in Form von Fiskalgütern, Pfalzen oder aber bischöflichen Dienstbarkeiten vorhanden waren. Fürsten und Ministerialen am Stauferhof macht im Anschluss Thomas Zotz zum Thema seiner Ausführungen.17 Was bisher oft nicht genug Beachtung fand, ist die Tatsache, dass ein zentraler Weg zur Bedeutungssteigerung der Ministerialität über den Herrscherhof führte. Dies war bereits in spätsalischer Zeit der Fall, schlug aber vollends zur Stauferzeit durch. Die familia ministerialis war im Stauferhof bzw. seiner höfischen Gesellschaft dann fest integriert. Um Aushandlungsspielräume unter Ungleichen am Fallbeispiel der Staufer Heinrich (VII.) und Friedrich II., geistlicher Reichsfürsten und ihrer Städte geht es im folgenden Beitrag von Gerhard Fouquet.18 In Kompromissen oder im systemischen Bruch mit den geistlichen Stadtherren, so Fouquet, setzte sich die Kommune als neue Verfasstheit der Städte institutionell, sozial, ökonomisch und kulturell durch, wobei die städtischen Führungsgruppen mit dem König in der Ferne rechneten. Diese Vorgänge wirkten als Modell für die weitergehende Urbanisierung im 13. Jahrhundert. Bernd Schneidmüller entwickelt danach seine Beobachtung zur konsensual strukturierten Ranggesellschaft des Mittelalters im Zugriff auf Thesen und Ergebnisse der von ihm so genannten „Greifswalder Schule“ weiter, um in vier Schritten einen neuen Verständniszugang zur verschränkten Herrschaft reichsfürstlicher und ministerialischer „Verantwortungsgemeinschaften“ im 13. Jahrhundert zu suchen.19 Nicht allein Hierarchie und Rang, so sein Resümee, waren bestimmende soziopolitische Faktoren, sondern dynamische Geflechte aus beständiger Distinktion und Integration. Könige und Fürsten bildeten Rücksichts- und Verantwortungsgemeinschaften mit niedergestellten Gruppen. Die höfische Dichtung vor dem Hintergrund der neuen Feudalismus-Debatte ist Thema des darauf abgedruckten, umfänglichen Aufsatzes von Ursula Peters.20 Nach Aussage von Peters ist die literarische Vasallitäts- und Lehnswesen-Thematik bisher ein noch wenig erschlossenes Feld, das vor allem europäische Texttypenvergleiche erfordert. Interessanterweise kann sie in ihrer Untersuchung mittelalterlicher Romane drei zentrale Ergebnisse aktueller historischer Forschungen zum Bereich von Vasallität und Lehnswesen bestätigen, was den Wert interdisziplinärer Arbeit unterstreicht: Es geht darin um die Tendenz der Verstärkung und Festsetzung des Lehnswesens, die zeitgleiche Existenz unterschiedlicher Leiheformen und das Zusammenspiel von Leihe und Vasallität im militärischen und wirtschaftlichen Bereich. 17 18 19 20
Thomas Zotz: Fürsten und Ministerialen am Stauferhof, S. 75–90. Gerhard Fouquet: Heinrich (VII.), Friedrich II., geistliche Reichsfürsten und ihre Städte. Aushandlungsspielräume unter Ungleichen in der politischen Ordnung zu Beginn des 13. Jahrhunderts, S. 91–114. Bernd Schneidmüller: Verantwortung aus Breite und Tiefe. Verschränkte Herrschaft im 13. Jahrhundert, S. 115–148. Ursula Peters: Fürsten, Adel, Rittertum. Die höfische Dichtung vor dem Hintergrund der neueren Feudalismus-Debatte, S. 149–196.
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Oliver Auge
Martin Kintzinger wirft in seinem Beitrag einen vertieften Blick auf die inneren und äußeren Referenzen fürstlicher Politik im Mittelalter. Er macht dies insbesondere ausgehend von bzw. in Anlehnung an einige Aspekte, die das Greifswalder „Principes“-Projekt zum Diskurs über das Verhältnis von „Innen“ und „Außen“ in der Politik von Königen und Fürsten des späten Mittelalters beigetragen hat.21 Insgesamt bewertet der Autor für seinen thematischen Kontext und insbesondere den neueren Forschungszweig der Diplomatiegeschichte die Zusammenführung regional- und landeshistorisch vergleichender Studien mit Arbeiten aus dem Bereich traditioneller Reichs- und europäischer Geschichte als richtungsweisend. In der Hoffnung, neue Erkenntnisse zu den kulturellen Voreinstellungen und Verschiebungen im Bereich der Sexualität zu gewinnen, die untrennbar mit der menschlichen Existenz verbunden ist, macht sich danach Klaus Oschema unter der Überschrift „Die Herren und die Mädchen“ auf die Spurensuche nach dem Verhältnis der Fürsten zur städtischen Prostitution im spätmittelalterlichen Reich.22 Wiewohl mit einem Skandal einsetzend, trägt er abseits von der üblichen Skandalgeschichte schlaglichtartige Eindrücke zu dieser oft verdrängten Facette der spätmittelalterlichen Welt zusammen und erinnert dabei daran, wie diese bis in die Sphäre des Politischen durchschlagen konnte. Fast schon monographischen Umfang hat die nächste Untersuchung von Werner Paravicini zu König Christian I. von Dänemark in Italien.23 In sieben Kapiteln mit zahlreichen Unterabschnitten geht er dabei ausführlich auf die Wahl der Wege, die Größe des Gefolges, die knappe Reisekasse, die Reiseziele und die damit verbundenen Absichten, insbesondere die Pilgerfahrt nach Rom und anderes mehr ein und liefert sodann noch vier ergänzende Anhänge, unter anderem einen wertvollen Personalkatalog. Geistlichen Fürstinnen im Südwesten des Reiches unter dem Blickwinkel des Spannungsfeldes von Familienbindung und Reichsbezug wendet sich im Anschluss Sigrid Hirbodian zu.24 Die Verfasserin macht deutlich, dass die Äbtissinnen im Vergleich zu anderen Frauen zwar ein hohes Maß an Handlungsfreiheit besaßen, umgekehrt aber auch in starker Weise der direkten Einflussnahme durch ihre Herkunftsfamilien unterlagen. Ihr Handlungsspielraum konnte durch ihren Konvent weiter eingeschränkt werden, der im Normalfall mit Angehörigen konkurrierender Familien besetzt war. Der Bezug zum Reich stellte vor diesem Hintergrund oft genug eine Sicherung der hohen persönlichen Würde im Kampf um das politische Überleben dar. Am Beispiel des hessischen Landgrafen Ludwig I. des Friedsamen und seiner brabantischen Ansprüche trägt Paul-Joachim Heinig in seinem Beitrag einige As21 22 23 24
Martin Kintzinger: Inter Pares: Innere und äußere Referenzen fürstlicher Politik im Spätmittelalter. Gegenwärtige Fragen an die vormoderne Geschichte, S. 197–222. Klaus Oschema: Die Herren und die Mädchen. Fürsten und städtische Prostitution im spätmittelalterlichen Reich, S. 223–253. Werner Paravicini: König Christian in Italien (1474), S. 255–368. Sigrid Hirbodian: Geistliche Fürstinnen im Südwesten des Reiches zwischen Familienbindung und Reichsbezug, S. 369–385.
König, Reich und Fürsten im Mittelalter – eine Hinführung
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pekte zu einer, wie er meint, reichsfürstlichen Entregionalisierung am Ende des Mittelalters zusammen, die mit dazu führte, dass aus Königsferne gemeinhin Königsnähe wurde und aus Abstinenz gegenüber König und Reich ein Streben nach Teilhabe.25 Der „Aufbruch“ in neue Regionen war kein Einzelphänomen, sondern war, wie Heinig weiter schreibt, eine nahezu alle Reichsfürsten erfassende Bewegung. König Maximilians I. Besuch beim Grafen von Hohenlohe in Neuenstein Ende November 1495 stellt Kurt Andermann in den Mittelpunkt seiner mit vielen Details garnierten Ausführungen.26 Die Bewältigung des hierfür nötigen Aufwands, die dem „kleinen“ Grafen gelungen zu sein scheint, erstaunt nach wie vor. Mit neuen Resultaten seiner langjährigen Arbeit am „Repertorium Academicum Germanicum“ weiß Rainer C. Schwinges aufzuwarten, wenn er unter dem Stichwort „Im Dienst“ Gelehrte im Reich der deutschen Könige und Fürsten des späten Mittelalters nochmals näher vor Augen führt.27 Der Reihe nach spricht er dabei Zahlen und Chronologie an, verfolgt die universitäre Ausbildung der Betreffenden nach, ebenso ihre geographische und soziale Herkunft, geht auf den Fürstendienst im Konkreten ein und klärt abschließend die Frage der dafür gewährten Entschädigung. „Die Präsenz der Wettiner auf den Reichstagen ist eine Aufgabenstellung, die bislang niemals im Zusammenhang behandelt wurde“, stellt Enno Bünz in seinem Aufsatz fest. Als ersten Ansatz zur Behebung dieses Desiderats steuert er nun eine nähere Betrachtung des Augenzeugenberichts von Hans Herzheimer über Kurfürst Friedrich den Weisen auf dem Wahltag 1519 in Frankfurt am Main bei.28 Er macht deutlich, dass Herzheimer die damaligen Ereignisse lediglich aus seiner begrenzten Perspektive wahrnehmen und berichten konnte, wobei er als Besonderheit doch von der Wahl Friedrichs des Weisen und dessen Wahlverzicht schreibt, was sich mit Herzheimers Zugehörigkeit zu Friedrichs Gefolge erklären lässt. Für Wechselwirkungen zwischen König, Reich und Fürsten, wie sie hier erkennbar würden, gingen aus dem „Principes“-Projekt nachhaltige Anregungen hervor, wie Bünz zum Abschluss meint. Mit „Hofkunst zwischen Konkurrenz und Kulturalität“ sind sodann Matthias Müllers Ausführungen zur Kunstförderung an den Höfen Kaiser Maximilians I. und Kurfürst Friedrichs III. von Sachsen überschrieben.29 Die Profilierung und Spezialisierung der Cranach-Werkstatt mit ihrer immer stärkeren Tendenz zur Typisierung in der Porträtmalerei lässt sich als Mittel höfischer Differenz und Distink25 26 27 28 29
Paul-Joachim Heinig: Sein und Bewusstsein. Aspekte reichsfürstlicher Entregionalisierung am Ende des Mittelalters, S. 387–406. Kurt Andermann: Der König zu Gast. Maximilians I. Besuch beim Grafen von Hohenlohe in Neuenstein, S. 407–419. Rainer Christoph Schwinges: Im Dienst. Gelehrte im Reich der deutschen Könige und Fürsten des späten Mittelalters, S. 421–439. Enno Bünz: Die Wettiner auf den Reichstagen. Kurfürst Friedrich der Weise auf dem Wahltag 1519 in Frankfurt am Main, gesehen mit den Augen eines Zeitzeugen, S. 441–460. Matthias Müller: Hofkunst zwischen Konkurrenz und Kulturalität. Die Kunstförderung an den Höfen Kaiser Maximilians I. und Kurfürst Friedrichs III. von Sachsen als Element fürstlicher Statuskonkurrenz, S. 461–481.
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tion deuten. Statuskonkurrenz – gerade im Fall der Wettiner und Habsburger – bedingte den Wunsch nach künstlerischer Exklusivität. Von der Konkurrenz Habsburgs mit dem Haus Wettin zur Zeit Friedrichs des Weisen ist es nicht mehr weit zu den Ereignissen der Reformation, derer sich Andreas Ranft in seinem reich bebilderten Beitrag annimmt. Ihm geht es vor dem Hintergrund der schon älteren Feststellung, dass sich Luthers Erfolg der Rolle der Fürsten, insbesondere der sächsischen Kurfürsten verdankt, um das Verhältnis Luthers zu den Fürsten und umgekehrt.30 Er fragt insbesondere nach Luthers Beziehung zum Hof, möchte ihn nicht als Theologe, Reformer und Reformator, sondern als Akteur auf der höfisch-politischen Bühne sichtbar machen, wobei er auf verschiedene Quellen und eben auch das Medium der Bildkunst zurückgreift. Am Schluss ist noch einmal das Schlusswort zur Tagung von Oliver Auge wiedergegeben.31 Es ist keine sonst übliche Tagungszusammenfassung im eigentlichen Sinn. Vielmehr handelt es sich um eine Ansprache an den seinerzeitigen Jubilar Karl-Heinz Spieß, ein kurzes Resümee des „Principes“-Projekts, eine knappe Beschreibung der Tagungsvorbereitung und einen telegrammstilartigen Ausblick auf Forschungsaufgaben und -perspektiven. Das Schlusswort wurde ganz bewusst im kaum veränderten Wortlaut den wissenschaftlichen Beiträgen des Symposiums zur Seite gestellt, um so noch einmal den es auszeichnenden freundschaftlich-kollegialen Ton und die insgesamt positive Aura der Greifswalder Zusammenkunft vom Juni 2014 ein wenig einzufangen. Die als Abschluss des Greifswalder „Principes“-Projekts konzipierte Tagung diente, wie gesagt, zugleich der Würdigung der Forschungsarbeit von Karl-Heinz Spieß und seinen Greifswalder Schülerinnen und Schülern. Es lag angesichts des 65. Geburtstags von Karl-Heinz Spieß, der den unmittelbaren Anlass bot, nahe, den Tagungsband, der daraus hervorgeht, zur Festschrift für Karl-Heinz Spieß umzuwidmen. Es freut mich, dass alle beteiligten Autorinnen und Autoren und der Franz Steiner Verlag diesem Ansinnen ohne Zögern folgten. Dafür, dass die Drucklegung der Festschrift in vergleichsweise kurzer Zeit gelingen konnte, sei allen Autorinnen und Autoren, die bei der Abgabe ihrer Aufsätze und deren nochmaliger Durchsicht im Rahmen der redaktionellen Arbeit großartige Disziplin bewiesen, herzlichst gedankt! Zu danken ist an dieser Stelle insbesondere auch Frau Dr. Nina Kühnle, die aus Verbundenheit Karl-Heinz Spieß und mir gegenüber nimmermüde die Hauptlast der Redaktion trug und die Register hauptverantwortlich zusammenstellte. Sie wurde dabei von Frau Caroline Weber und Herrn Jan Ocker unterstützt, denen dafür ebenfalls herzlich gedankt sei! Danken möchte ich sodann dem Franz Steiner Verlag, namentlich Frau Katharina Stüdemann, Herrn Dr. Thomas Schaber und Frau Sarah Schäfer. Der Franz Steiner Verlag begleitete die Arbeit am Band stets flexibel und kompetent und machte die Realisierung des Buchs als Festschrift durch sein Entgegenkommen überhaupt erst möglich. Das ist in der heutigen Verlagswelt längst nicht mehr selbstverständlich. Damit in Zusammenhang steht mein herzlicher Dank an Dr. Dirk Alvermann vom Archiv der Universität Greifswald. Er wil30 31
Andreas Ranft: Luther und die Fürsten, S. 483–512. Oliver Auge: Schlusswort zur Tagung, S. 513–519.
König, Reich und Fürsten im Mittelalter – eine Hinführung
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ligte ohne Zögern in die Aufnahme der Festschrift in die von ihm herausgegebene wissenschaftliche Reihe der Beiträge zur Geschichte der Universität Greifswald ein, ohne dass der Inhalt der Festschrift einen thematischen Bezug zur Greifswalder Universitätsgeschichte aufweist. Er tat dies vielmehr deswegen, weil der durch die Festschrift geehrte Karl-Heinz Spieß diese Reihe seinerzeit initiiert und dann bis zur Pensionierung mitherausgegeben hat, was die langjährige enge Verbundenheit des Jubilars mit seiner Universität nochmals eindrucksvoll unterstreicht. Dankbarkeit empfinden zuletzt Herausgeber und Autoren und Autorinnen des Bandes für Karl-Heinz Spieß, dem diese Festschrift gewidmet ist, Dankbarkeit für den umsichtigen Lehrer, den fairen Kollegen, den stets verlässlichen Freund! Literaturverzeichnis Auge, Oliver: Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter. Der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit (Mittelalter-Forschungen, 28), Ostfildern 2009. Babendererde, Cornell: Sterben, Tod, Begräbnis und liturgisches Gedächtnis bei weltlichen Reichsfürsten des Spätmittelalters (Residenzenforschung, 19), Ostfildern 2006. Frieling, Kirsten O.: Sehen und gesehen werden. Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450–1530) (Mittelalter-Forschungen, 41), Ostfildern 2013. Hirsch, Erhard: Generationsübergreifende Verträge reichsfürstlicher Dynastien vom 14. bis zum 16. Jahrhundert (Studien zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgeschichte, 10), Berlin 2013. Kühnle, Nina/Kümmel, Ute: Tagungsbericht zu: König, Reich und Fürsten im Mittelalter. Abschlusstagung des Greifswalder Principes-Projekts. Greifswald, 13.06.–15.06.2014, in: H-SOZKULT, 21.11.2014, URL: http://www.hsozkult.de/searching/id/tagungsberichte-5642?title= koenig-reich-und-fuersten-im-mittelalter-abschlusstagung-des-greifswalder-principesprojekts?q=Principes-Projekt&sort=&fq=&total=3&recno=1&subType=fdkn (6. März 2016). Kulturtransfer am Fürstenhof. Höfische Austauschprozesse und ihre Medien im Zeitalter Kaiser Maximilians I. (Schriften zur Residenzkultur, 9), hg. von Matthias Müller/Karl-Heinz Spieß/ Udo Friedrich, Berlin 2013. Moraw, Peter: Fürstentum, Königtum und „Reichsreform“ im deutschen Spätmittelalter, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 122 (1986), S. 117–136. Müsegades, Benjamin: Fürstliche Erziehung und Ausbildung im spätmittelalterlichen Reich (Mittelalter-Forschungen, 47), Ostfildern 2014. Nolte, Cordula: Familie, Hof und Herrschaft. Das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440–1530) (Mittelalter-Forschungen, 11), Ostfildern 2005. Principes. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter. Interdisziplinäre Tagung des Lehrstuhls für Allgemeine Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften in Greifswald in Verbindung mit der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen vom 15.–18. Juni 2000 (Residenzenforschung, 14), hg. von Cordula Nolte/Karl-Heinz Spieß/ Ralf-Gunnar Werlich, Stuttgart 2002. Spiess, Karl-Heinz: Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters. 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte, 111), Stuttgart 1993. Ders.: Fürsten und Höfe im Mittelalter, Darmstadt 2008. Ders.: Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters. 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts, Stuttgart 22015.
NOSTALGIA FOR THE COURT Desiderius of Cahors and his Circle Patrick J. Geary Just as the first Frankish dynasty had taken over the reins of political power from the remaining Roman administrators in Gaul, they also took over the traditions of cultural creation and the performance of power as did other military successors in the west, notably, Theoderic the Great in Italy, Thrasamund in North Africa, and Visigothic rulers such as Sisebut in Spain. Recently, Yitzhak Hen has provided a panoramic overview of royal courts and court culture in the early medieval west, a survey which underlines the importance of royal courts in the Ostrogothic, Vandal, Frankish, and Visigothic kingdoms, both as centers where power was negotiated between rulers and elite factions and as centers of Christian cultural production and representation. Not only, as he argues, were courts the continuing centers of cultural creation and display, but the usual institutions credited with providing such cultural continuity, religious institutions, were hardly intellectual and cultural centers until the seventh century, and then they gradually began to play a role in the cultural life of the West only because courtiers began to assume roles as bishops and abbots, and in so doing brought the culture of the court to their institutions.1 But as important as royal courts were as centers of cultural production and consumption, they were first and foremost centers of power. There young aristocrats obtained an education in law and in practical affairs, sought the favor of monarchs who could advance them and their families, and developed networks of clientage and mutual support that could serve them long after they had left the court. There too the elites of the kingdom, powerful regional power-brokers, religious leaders, and representatives of aristocratic alliances met in often fragile harmony to deal with the fundamental issues of the realm. Only at court could the whole kingdom be represented through the diversity of courtiers, the spectrum of interests and issues debated, and the competition for status, power, and office. Thus, to use the phrase of Benedict Anderson, only at court could the kingdom as a whole be imagined, and thus, for aspiring young elites and grizzled veterans alike, the court remained a destination of promise but also of danger.2 In the complex world of Merovingian politics with its multiple kings and shifting boundaries, the royal court, a blending of the royal household composed of 1 2
Hen 2007. Prior to the appearance of Hen’s book, the best guide to the cultural history of the barbarian courts was Riché 1976. On royal residences in the early Middle Ages see also Ewig 1974b. Anderson 1983.
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servants and conviviae regis, royal companions, as well as the remnants of Roman provincial administrations, was essential to the preservation of regional identity, whether or not a specific kingdom had its own king. Each of the major sub-kingdoms, Austrasia, Neustria, and Burgundy, had its own palace with its own maior. Even in periods when the Merovingian kingdom was united under a single ruler these palaces with their maiores continued to be of vital importance to regional elites.3 Nevertheless, the sedes regia, the actual location of the monarch, carried particular weight. Our most detailed insight into the complexity of the aula regis in the Merovingian period comes in the first quarter of the seventh century, during the reigns of Chlothar II (613–629) and his son Dagobert (c. 629–639). It was during their reigns that Frankish courts, although never truly itinerant, became increasingly fixed in the Seine basin around Paris.4 Paris had long been central to the Merovingian dynasty: Its advantages as a crossroads between fluvial and terrestrial trade routes as well as its military significance dating back to the time of Julius Caesar, and perhaps most importantly, its revered tomb of St. Genevieve, all may have led Clovis to establish there his cathedra regni5 and to select it as the site of his own future burial. Even after the division of the kingdom following Clovis’s death, when Paris was assigned to Childebert and his brothers established themselves at Reims, Orleans, and Soissons, Paris retained its central importance. At the death of Clovis’s last surviving son, Chlothar I, his own son Chilperic entered Paris and occupied the sedes Childeberthi regis in an attempt to reunite the kingdom.6 His brothers prevented this, but they and their successors formed a pact that none of them could enter the city without the assent of the others.7 Thus, it was hardly surprising that Chlothar II chose Paris and its environs, particularly Étrépagny on the lower Seine, where Chlothar had what was termed his vetus palatium8 and increasingly Clichy (Saint-Ouen-sur-Seine), which functioned as his preferred residence and thus the center of his court. Dagobert in turn favored Clichy, and in the words of the Fredegar Chronicler, he greatly liked this sedes patris suae and made it his residence.9 The courts of Chlothar and his son are best known not through documentation produced there, but through the recollections of those who had been among the nutrii at the court, chiefly, Desiderius of Cahors and his correspondents. Desiderius’s vita and collection of letters provides the basis for the partial reconstruction of
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As in Fredegar, lib. IV, cap. 42, p. 35, when, following the execution of Brunechildis the palaces of Burgundy and Austrasia were guaranteed by Chlothar II even though the kingdom was now united. Abbreviations mentioned here and in the following are explained in the table of sources. Dierkens/Périn 2000, p. 286. Gregory of Tours, Libri Historiarum X, lib. II, cap. 1, p. 38. Ibid., lib. IV, cap. 22, p. 154. Ibid., lib. VI, cap. 27, p. 295; Dierkens/Périn 2000, p. 286. MGH D Mer. 1, no. 22, p. 64. Fredegar, lib. IV, cap. 60, p. 50.
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the network of persons drawn to the court and then sent out from it to rule the Frankish kingdom as ecclesiastical or lay potentes.10 Desiderius was from the region of Albi, the son of Salvius and Herchenefrida, characterized in his vita as a parentage honestissimus et apud Gallicanas familias prae ceteris gratia generositatis ornatus.11 The names given their children, Desiderius, Rusticus, Syagrius, Avita, and Selina, have echoes among the most renown Gallo-Roman families of late antiquity, while his mother’s name might make one think of an alliance between regional aristocracy and perhaps Frankish magnates established in this region on the border with Visigothic Septimania. Certainly the family had important connections at court, since Desiderius and his brothers went to court at an early age and were further trained there for higher office. Syagrius became count of Albi and then iudicarius of Provence. Rusticus, ordained an archdeacon in Rodez, became the head of the royal chapel before being consecrated in 623 bishop of Cahors, in which capacity he continued to be active in the north, participating in the council of Clichy in 626/27 until his murder by some of the citizens of Cahors ca. 629.12 Desiderius, who according to his vita had studied Gallicana eloquentia in Albi, began at court to study Roman law so that, in the words of his biographer: “Roman gravity might temper the richness of Gallic eloquence and the glitter of discourse.”13 This education and his conduct at court led to his assuming the post of royal treasurer. When his older brother Syagrius died while on mission in Marseille, Dagobert appointed Desiderius in his place. He finally left the court, like other successful courtiers of his day, to assume the position of Bishop of Cahors following his brother’s murder. Magnate sons from other regions likewise found their way to the royal palace. As Ian Wood has suggested, the palace served “as a clearing house, placing the sons of officials and magnates in appropriate households for their upbringing.”14 From Soissons, the sons of Audecharius and Aiga, Ado, Dado, and Rado also found royal favor: Rado becoming treasurer under Dagobert and Dado or Aiudoinus serving in the royal court and then, through royal favor, being named bishop of Rouen. From further north around Douai, the brothers Erchinoald and Adalbald from a family connected to the mother of Dagobert, likewise found themselves at court, the former raised to the position of maior domus under Dagobert’s son Clovis.15 As part of the conturbium regis these young aristocrats rubbed shoulders not only with their equals from different parts of the kingdom, but also with men of different backgrounds. The most famous was Eligius, who began life as an apprentice to a moneyer in Limoges before catching the eye of Chlothar’s treasurer and 10
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On the creation and transmission of the correspondence of Desiderius see Mathisen 1998. Mathisen has suggested that the survival of Desiderius’s letter collection may be related to specific family traditions, perhaps tying him to the family of Sidonius (Mathisen 1981, p. 108). Vita Desiderii 1902, cap. 1, p. 563. Stroheker 1948, no. 335, p. 211 f. Vita Desiderii 1902, cap. 1, p. 564. Wood 1990, p. 74. See also Reimitz 2015. Ebling 1974, no. CLVI, pp. 137–139.
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eventually, because of his artistic skill, honesty, and piety, becoming a trusted advisor and diplomat of Dagobert I before being named bishop of Noyon.16 Such arrangements for young aristocrats could be facilitated by soliciting the help of powerful courtiers who would agree to take young men under their protection, thus assuring them a safe haven from the dangers of court life. Desiderius himself apparently played this role, or was at least solicited to do so. In a letter, Bishop Verus of Rodez requested that Desiderius take his nephews under his patrocinium and defensio.17 One can assume that Desiderius’s response was positive, since the letter was preserved in Desiderius’s collection and the two continued their relationship after Desiderius’s election to the episcopate. Forming bonds with other royal favorites from across the kingdom also included, presumably with royal favor, finding good marriages that linked powerful kindreds from across regions. We know less of these because the vitae that inform us of court life are those of clerics, but if Desiderius’s brother Syagrius married Bertolena, an aristocratic woman from his home region of Albi,18 others made marriages from far afield. Erchinoald’s brother Adalbald apparently was given a wife, Rictrudis, who was a noble woman of Gascon origin who had also been brought to be raised at court.19 Indeed, while our clerical sources are largely silent on the matter, one should imagine not only a swarm of young men surrounding the king but also of young women of similar background under the tutelage of the queen, the potential mates and rich prizes to be awarded to successful courtiers. But to win these prizes, a young courtier had to steer clear of the intrigues and dangers that lurked at court, or at least find himself on the winning side. In a letter to Desiderius, his mother Herchenefreda, gave him good advice for survival: Regi sis fidelis, contubernales diligas, Deum semper ames et timeas.20 This was easier written than done, especially when the conflict was between two royals, as it was for example in 622 when Dagobert, newly married to a sister of his father’s queen, demanded the kingdom of Austrasia as his own. Chlothar at first refused, but clearly the Austrasian nobility wanted their own king and court, and ultimately through the arbitration of twelve magnates led by Bishop Arnulf of Metz, he granted Dagobert a reduced Austrasian kingdom.21 Most of the political conflicts, however, were between competing magnate families, and these were often played out at court and involved fierce competition for royal favor.22 In 623, for example, the Aglolfian magnate Chrodoald ran afoul of Arnulf of Metz and Dagobert’s maior of the palace, Pippin, who urged Dagobert to kill him. Chrodoald sought Chlothar’s protection, but ultimately Dagobert managed to have him murdered.23 A few years later Chlothar was able to turn the tables: When the Neustrian mayor of the palace Warnachar 16 17 18 19 20 21 22 23
Scheibelreiter 2004. Epistulae S. Desiderii 1961, lib. II, cap. 19, pp. 73 f. Vita Desiderii 1902, cap. 4, pp. 565 f. Geary 1985, pp. 132 f. Vita Desiderii 1902, cap. 9, p. 569. Fredegar, lib. IV, cap. 53, p. 44. Wood 1994, p. 147. Fredegar, lib. IV, cap. 52, p. 43.
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died and his son Godinus married his widowed step-mother, Chlothar ordered his death. Godinus fled to Dagobert’s court in Austrasia and Dagobert sent emissaries to his father in an attempt to save him, but to no avail: Chlothar arranged his murder while Godinus was making a round of penetintial visits to the principal churches of the kingdom.24 Loss of royal favor or loss of the friendship of fellow courtiers could easily prove deadly. Herchenefreda was right. The murder of Desiderius’s brother and his own ascension to the see of Cahors may have been part of a major political conflict: Following Chlothar’s death in 629 Dagobert had granted his half-brother Charibert a sub-kingdom in Aquitaine that included the sees of Toulouse, Agen, Périgueux, Saintes, and Rusticus’s own Cahors.25 Charibert was the son of one Sichild, whose sister Gomatrude Dagobert had been forced to marry by Chlothar. Tensions between the half-brothers were serious: Shortly after he established Charibert in his kingdom Dagobert arranged the assassination of Charibert’s maternal uncle (and his own brother-in-law) and divorced his wife. It was during this tense period that Rusticus was murdered “by perfidious and evil locals,” an event that, according to the Vita Desiderii, “caused great consternation in the church, not only in the city of Cahors, but also in the royal court.”26 Dagobert, and not King Charibert in whose kingdom Cahors was found, was said to have been moved to great wrath and ordered severe penalties including death, banishment, and servitude on the perpetuators. Desiderius’s mother Herchenefreda wrote to Desiderius urging him to pursue the killer so that an example could be made.27 It is not unlikely that the assassination of a member of Dagobert’s court circle was part of the accelerating conflict between the two kings and Dagobert’s decision to appoint Rusticus’ brother, a senior member of his court, as the murdered bishop’s successor may well have been part of the King’s plan for retribution. Within two years of Desiderius’s arrival in Cahors, Charibert and his infant son were dead, reportedly killed by Dagobert’s supporters, and Dagobert took over his kingdom. Desiderius’s role in this intrigue, if any, is unknown. 24 25
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Ibid., cap. 54, pp. 44–46. Ibid., cap. 57, pp. 47 f. On the short-lived subkingdom of Charibert which served as a sort of buffer kingdom against the Basques and the Britons, see Ewig 1976a, pp. 197 f.; Id. 1976c, p. 468. The exact dates of Charibert’s short-lived kingdom are uncertain but critical for understanding the possible connection between the murder of Rusticus and the events that led to Desiderius’s appointment as his successor. Weidemann 1998, p. 183 assumes that since Desiderius was named bishop of Cahors by Dagobert 8. April 630, Charibert’s reign as subking could only have begun on 9. April 630. However, the Fredegar Chronicler states that in the third year of his reign Charibert conquered all of the Basque country (Fredegar, lib. IV, cap. 57). However, Charibert died, again according to Fredegar, in the ninth year of Dagobert’s reign, so before February 632. Weidemann thus concludes that the calculation of his reign must have begun before his actual assumption of power, ca. November or December 629. However, Ewig 1976a, p. 196 and n. 97 had previously suggested that Dagobert continued to control episcopal nominations in his brother’s sub-kingdom, just as he did in the kingdom of Sigibert. This appears the more likely explanation, namely that Charibert’s assumption of his kingdom and Rusticus’s assassination happened at roughly the same time. Vita Desiderii 1902, cap. 8, p. 568. Ibid., cap. 11, p. 570.
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Although he entered Cahors at a particularly troubled moment as a partisan of Dagobert and the avenger of his brother, Desiderius had powerful ecclesiastical and political support. As bishop of Cahors, Desiderius’s metropolitan was bishop Sulpicius II of Bourges who had been a fellow nutritus at the court of Chlothar. Their relationship, to judge from their letters, remained amicable. However, following the divide between the Neustrian-Burgundian and Austrasian kingdoms and the death of Sulpicius, his successor Vulfoleudus apparently began to distance himself from his Austrasian king, going so far as to call a regional council without royal permission, a synod which Sigibert forbade Desiderius to attend.28 This may have been an indication of Vulfoleudus’s movement toward the camp of Sigibert’s half-brother Clovis II: He appears among the signatories of the bishops attending Clovis’s council of Chalon-sur-Saône.29 Desiderius had to negotiate between his obligations to his metropolitan and those to his king. He apparently chose the latter. Choosing the winning network then, was a primary activity at court, and these networks could endure long after the individuals had left court for careers across the kingdom, but they needed frequent reaffirmation. It is worthwhile, then, to look at one such network in detail, that of Desiderius as revealed in his correspondence such as it has come down to us. However, we must do so with the proviso that this correspondence, for the most part, represents a network of memory: with few exceptions and apart from letters from his mother which he received at court and some royal correspondence, these letters were written long after his service at court. Those with whom he corresponded, especially those whom he sought to remind of their days together in royal service, were necessarily a selection: friends from his court days who had survived, but probably too those whom time and political life had not alienated, or at least not completely. Thus, when we reconstruct Desiderius’s network, we must remember that it is not a complete picture of his networks through the decades but a selection based on unknown criteria of the selection of his letters preserved after his death. Many of Desiderius’s letters deal with affairs of his diocese, either letters to and from his metropolitan Sulpicius II of Bourges,30 letters with neighboring bishops such as Caesarius of Auvergne,31 Verus of Rodez,32 Auiulfus of Valence,33 Gallus of Auvergne,34 and Constantius of Albi,35 or letters of commendation or negotiation with more distant figures such as Rauracius of Nevers36 and Palladius of Auxerre.37 Just as his fellow bishops commend their emissaries to his protection, he wrote the 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37
Epistulae S. Desiderii 1961, lib. II, cap. 17, pp. 69 f. Concilium Cabilonense 1893, p. 213. Epistulae S. Desiderii 1961, lib. I, cap. 13, pp. 33 f., lib. II, cap. 1, pp. 41–44, cap. 5, pp. 50 f. and cap. 10, pp. 58 f. Ibid., lib. I, cap. 14, pp. 34–36. Ibid., lib. II, cap. 16. Ibid., lib. II, cap. 3, pp. 46–48. Ibid., lib. II, cap. 20, pp. 74 f. Ibid., lib. II, cap. 4, pp. 48–50. Ibid., lib. II, cap. 7, pp. 54 f. Ibid., lib. II, cap. 18, pp. 71–73.
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bishops of Hispania to ask them to provide support to his agent the Presbyter Antedius whom he had presumably sent on diocesan business.38 Others are letters of consolation, such as one to an otherwise unknown Abbess Aspasia.39 More significant, for our purposes, are his letters that connect him with the court, either directly or through the evocation of past courts. First are his correspondences with the kings themselves. These include Dagobert himself and Sigibert III of Austrasia, son of Dagobert by his concubine Ragnetrude and half-brother of King Clovis II. Dagobert continued to reign for the first nine years of Desiderius’s episcopacy, during which time Desiderius could activate their companionship together, ipsa tamen recordatio contubernii et dulcido auspicatae indolis pubertatis40 and in so doing call on him for assistance in settling cases involving his diocese of Cahors. But Cahors soon fell within the Austrasian kingdom of Sigibert III, which Dagobert established as a concession to the Austrasian aristocracy in 633 when Sigibert was a small child, and his correspondence with the young king (or perhaps actually with his advisors and tutors, chiefly, Pippin of Landen) seek to maintain the same relationship that he had enjoyed with Dagobert.41 In his first letter, written when Dagobert was still alive, he excuses himself for having missed a meeting with Sigibert but asks that Sigibert show him the same favor that he had received from his father.42 In 639, upon the death of Dagobert, Desiderius penned a letter exhorting Sigibert to follow the example of his father urging him to be mindful of his Christian duties and urging him to virtue.43 A letter from the king asks for Desiderius’s prayers that the people of his kingdom, granted him by God, will obey him peacefully and laments that the kingdom is surrounded by barbarian pagans.44 This may refer to the disastrous campaign against the Thuringians that ended with the autonomy of Thuringia under its Duke Radulf who thereafter styled himself, according to the Fredegar chronicler, Rex in Toringia.45 Being away from the court did not mean that the bishop was away from the affairs of the kingdom. Throughout his short reign, (he died around 656, probably at the age of about 24) Sigibert was under the control of his maiordomus, and Desiderius’s correspondence with the court, in its omissions and inclusions, seems to demonstrate his political position. Pippin of Landen had been Dagobert’s maior and someone close to Desiderius, and he continued as maior of the Palace in Austrasia until his death in the late 630 s. Thus one might as well see Desiderius’s early correspondence with the king as much with Pippin as with Sigibert. But after Pippin’s death, his position was acquired by the son of Dagobert’s domesticus, Otto, and for a few years Pippin’s son Grimoald was excluded from the court until he managed to engineer Ot38 39 40 41 42 43 44 45
Ibid., lib. II, cap. 8, pp. 56 f. Ibid., lib. I, cap. 14, pp. 37 f. Ibid., lib. I, cap. 5, p. 18. On the divisions of the combined kingdom under Dagobert see Ewig 1976a, especially pp. 201–204. Epistulae S. Desiderii 1961, lib. I, cap. 4, pp. 16–18. Ibid., lib. I, cap. 3, pp. 15 f. Ibid., lib. II, cap. 9, pp. 57 f. Fredegar, lib. IV, cap. 87, p. 74.
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to’s death in 643.46 We have no correspondence between Desiderius and Otto: perhaps it never existed, and perhaps since Desiderius had been close to Pippin, the brief period that Otto was in office was a period when Desiderius’s relationship with the court was weakened. However, once Grimoald was mayor of the palace, Desiderius wrote him an elegantly worded letter stating that he was bound to Grimoald’s family by a unique affection and begged him to deign to hold Desiderius in the same favor as he had held his father.47 It was probably around the same time that Desiderius wrote a similar letter to Chlodulf, the son of Arnulf of Metz, whom he addresses as vir inluster, presumably when he was a domesticus in the court of Sigibert and ally of Grimoald, urging him to remember the example of his father and commending himself and his church to him.48 The sort of support and protection Desiderius sought in these letters is evident in a subsequent letter to Grimoald in which he commends to him Abbot Lupus of St. Amand, the monastery Desiderius built near Cahors where he would be buried. In this letter, which Mabillon suggested was written shortly before the bishop’s death, he hoped to obtain the protection of the mayor for his new institution.49 Most revealing for Desiderius’s ties to court, not those of Sigibert but those of his father and grandfather, however, is Desiderius’s correspondence with those who, like him, had been raised in the court of Dagobert. These include Abbo of Metz,50 Dado of Rouen,51 and Eligius of Noyon,52 as well as Paulus of Verdun and Sulpicius of Bourges. These letters famously invoke, as in his letter to Dagobert, their formative years together: Abbo reminds Desiderius of their time in palacio regis, ubi inutriti fuistis53 and Desiderius writes a colleague about their time sub saeculi habitu in contubernio serenissimi Flothari principis mutuis solebamus relevare fabellis.54 Writing to Dado, he is even more explicit, reminding him of how close they were in their first flower of youth quemadmodum in aula terreni principis socii fuimus.55 While much has been written about these letters with their reminiscences of a shared youth at court, one should not assume that the primary emotion evoked by them was love or even friendship. Writing about this correspondence in her book on emotional communities, Barbara Rosenwein has pointed out that, in spite of these evocations of the closeness of the past, the language of these letters is remarkably restrained in its emotional register.56 Although the bonds of the past are evoked, the 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56
Wood 1994, p. 157 and Fredegar, lib. IV, cap. 86 and 88. Epistulae S. Desiderii 1961, lib. I, cap. 6, pp. 20–22. Ibid., lib. I, cap. 8, pp. 24–27. Ibid., lib. I, cap. 2, pp. 12–14. Ibid., lib. I, cap. 9, pp. 27 f. and lib. II, cap. 13, pp. 63–66. Ibid., lib. I, cap. 11, pp. 30 f. Ibid., lib. II, cap. 6, pp. 52 f. Ibid., lib. II, cap. 13, p. 63. Ibid., lib. I, cap. 10, pp. 28 f. The beginning of this letter is missing but the editor suggests that the recipient was Paul of Verdun. Ibid., lib. I, cap. 11, p. 30. Rosenwein 2006, pp. 135–144.
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emphasis is less on amicitia than on hierarchy and status. The primary theme, uniting them as well as many of the other letters exchanged between Desiderius and his contemporaries, was, as Rosenwein observes, not friendship but commendation. This should be understood in a quite technical sense: correspondents commended themselves, their own clients, and their institutions to powerful persons, just as Desiderius did to Sigibert57 and later to Grimoald,58 as Auiulfus commends himself to Desiderius;59 Verus,60 Rauracius,61 and Medoaldus of Trier62 they all commend third parties to Desiderius. Barbara Rosenwein has pointed out that at least a third of the letters contain the word in some form.63 This is evidence that these letters, in spite of their evocation of a shared past and of ties that bound Desiderius to his former colleagues or of intimacies with a previous generation that Desiderius seeks to reaffirm are all part of the mechanisms of power, negotiations both among equals and across hierarchies, hierarchies that are dominated by the court, present or past. The extent to which the letters represent networks of power at both the local and kingdom levels is most evident if one considers with whom Desiderius corresponded as well as with whom he did not, or at least whose letters, if they ever existed, were not preserved. Although his Vita claims that Queen Nanthildis held him in particular affection,64 no correspondence is preserved either with the queen (who appears not to have been the mother of Desiderius’s king Sigibert but rather of his half-brother Clovis II).65 Nor is any of his correspondence with members of the Court of Clovis, or the short-lived Charibert or indeed with those courtiers who remained in the court of Dagobert after the former had created a sub-kingdom for Sigibert. Henri-Irénée Marrou pointed out that if one looks at the correspondence, one sees that for the most part they are actually in a narrow band that runs north to south and connects Agen-Albi, Limoges-Clermont, Bourges-Nevers, Laon/Reims/Metz. So they are entirely in the kingdom of Sigibert III.66 This is not entirely true, however. While Desiderius apparently carried on (or preserved) no correspondence with any one of the court of Clovis II, he was in communication with bishops in the rival kingdom, especially those with whom he had lived at court. Two letters, one from Rauracius of Nevers and one from Palladius Bishop of Auxerre ask Desiderius to look after, and to protect, their rights and their personnel in his diocese.67 The only 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67
Epistulae S. Desiderii 1961, lib. I, cap. 4, pp. 16–18. Ibid., lib. I, cap. 6, pp. 20–22. Ibid., lib. II, cap. 3, pp. 46–48. Ibid., lib. II, cap. 19, pp. 73 f. Ibid., lib. II, cap. 7, pp. 54 f. Ibid., lib. I, cap. 7, pp. 22–24. Rosenwein 2006, pp. 141 f. Vita Desiderii 1902, cap. 5, p. 566. Wood 1994, p. 361 on the question: The Liber Historiae Francorum 1888, cap. 42, p. 315 says that his mother was Nanthildis while Fredegar, lib. IV, cap. 59, p. 50 says Sigibert’s mother was Ragentrude. Marrou 1962, pp. 395 f. Epistulae S. Desiderii 1961, lib. II, cap. 7, pp. 54 f. and lib. II, cap. 18, pp. 71–73.
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letters from Desiderius himself to bishops in Neustria however, are those he addressed to his former colleagues, Eligius of Noyon68 and Dado of Rouen.69 Unlike the other letters in the collection, these are neither concerned with the affairs of the church or the kingdom: the correspondents do not ask for help or favor. They recall their relationship, now separated by time, distance, and politics. They recall a time when the Frankish kingdom was united and when young men of promise could live and talk together. In conclusion, the courts of Chlothar II and Dagobert were, like the courts of the fifteenth century, centers that drew ambitious and well-connected youths who threw themselves into the intense factionalism of court life, and, if they survived, sent them out laden with honors, wealth, and the expectation of enduring bonds to those parties at court to which they owed their preference.70 Our rare glimpse into this court, provided by hagiography and the letters of Desiderius, shows how these individuals sought to maintain these bonds, to negotiate the changing circumstances of court and kingdom, and to renew generations of patronage and protection. They hoped to continue to exert their influence, both at the center of royal power and in those areas that had become potentially hostile or alienated from it, by recalling their time together at court. It was a time, as Desiderius wrote, “while in the secular world, in the entourage (contubernio) of the most serene prince Chlothar, when we relaxed by exchanging comments without any importance.”71 Sources Concilium Cabilonense 639–654, in: Concilia aevi Merovingici (MGH Concilia, 1), ed. Friedrich Maassen, Hannover 1893, pp. 208–214. Epistulae S. Desiderii Cadurcenses (Acta Universitatis Stockholmiensis. Studia Latina Stockholmiensia, 6), ed. Dag Ludvig Norberg, Stockholm 1961. [Fredegar] The Fourth Book of the Chronicle of Fredegar. With its continuations (Medieval classics), tr. and ed. John M. Wallace-Hadrill, London 1960. Gregory of Tours, Libri Historiarum X (MGH Scriptores rerum Merovingicarum, 1), ed. Bruno Krusch/Wilhelm Levison, Hannover 1951. Liber historiae Francorum, in: Fredegarii et aliorum chronica. Vitae sanctorum (MGH Scriptores rerum Merovingicarum, 2), ed. Bruno Krusch, Hannover 1888, pp. 215–328. [MGH D Mer. 1] Die Urkunden der Merowinger (MGH Diplomata regum Francorum e stripe Merovingica, 1), ed. Theo Kölzer, Hannover 2001. Vita Desiderii Cadurcae urbis episcopi, in: Passiones vitaeque sanctorum aevi Merovingici, vol. 2 (MGH Scriptores rerum Merovingicarum, 4), ed. Bruno Krusch, Hannover 1902, pp. 547–602.
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Ibid., lib. II, cap. 6, pp. 52 f. Ibid., lib. I, cap. 11, p. 30. In his testament, Desiderius leaves not only property from his inheritance that he had acquired in Cahors, but also valuables that he had received years before in royal service (Vita Desiderii 1902, cap. 29, p. 585). Epistulae S. Desiderii 1961, lib. I, cap. 10, p. 28.
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EINDEUTIGKEIT Karl der Große und die Anfänge europäischer Wissens- und Wissenschaftskultur Stefan Weinfurter Eindeutigkeit!1 Ist das ein zeitgemäßes Thema? Es gibt dazu aufschlussreiche Bemerkungen in einem Aufsatz meines Kollegen Valentin Groebner von der Universität Luzern mit dem Titel „Schock, Abscheu, schickes Thema“: Auf den Tagungen, die er besuche, vor allem auf denen, die als internationale Tagungen angekündigt seien, höre er ständig dieselben Floskeln. Das Ziel der wissenschaftlichen Tagung, so werde am Beginn angekündigt, sei es „der Vereindeutigung zu entkommen“. Und am Ende solcher Tagungen würden die Veranstalter mit großer Zufriedenheit das Resümee ziehen mit den Worten, es sei „ausgesprochen horizonterweiternd gewesen“, weil das Herausarbeiten von „Mehrdeutigkeiten“ gelungen sei.2 Ich denke, diese Vorgänge unserer wissenschaftlichen Moderne sind uns allen geläufig. Wir sind heute zu einer Gesellschaft, oder sagen wir vorsichtiger, zu einer Wissenschaftsgesellschaft der „Unbestimmtheit“ geworden.3 „Ambiguität“ ist längst zum Leitbegriff des neuen Diskurses geworden.4 Wir wollen uns mit dem Axiom der Mehrdeutigkeit für globale Dimensionen öffnen und vielfältig anschlussfähig sein.5 Überkommene Traditionen und Werte werden dafür als störend empfunden.6 Diese seit Jahren um sich greifende Entwicklung wirkt fundamental und hat vieldiskutierte Folgen für unseren Wahrheitsbegriff. Wahrheit verlangt ja grundsätzlich das Bemühen um Eindeutigkeit. Aber nachdem die Eindeutigkeit kein Forschungsziel mehr darzustellen scheint,7 ist es auch um das Wahrheitsaxiom der Wissenschaft schlecht bestellt. Die über Jahrzehnte und Jahrhunderte lang entwickelten Wahrheitsmethoden unserer Disziplinen werden fragwürdig. Ganz folgerichtig werden die ‚Eindeutigkeiten‘ auch der Geschichtswissenschaft seit langem dekonstruiert. „Master narratives“ werden reihenweise entlarvt8 – meist ohne durch neue Deutungen ersetzt zu werden. Seit geraumer Zeit diskutieren wir sogar darüber, ob das menschliche Gehirn überhaupt zur Wahrheitserkennt1 2 3 4 5 6 7 8
Der Vortragscharakter des Beitrags wurde beibehalten. Groebner 2007, Zitate S. 71. Kemmerling 2009/2010; Schneidmüller 2009/10; Manfé 2013. Siehe schon Friedrichs 1975. Siehe etwa Scheller 2014. Auch Bauer 2011. Hybride Kulturen 2010. Sloterdijk 2014. Hierzu gibt es eine Flut von Publikationen. Genannt seien nur: Das Ende der Eindeutigkeit 2000; Fuchs 2007. Siehe auch schon Inciarte 1973. Meistererzählungen 2007. Auch Fried 2012.
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nis fähig ist9 und inwiefern die Beschäftigung mit der Vergangenheit noch sinnvoll sei. Aus all dem folgt jedenfalls die Vermutung und vielfach die Überzeugung, dass es Wahrheit überhaupt nicht gibt, weil es sie nicht geben kann. Aber damit geben wir keineswegs unseren Anspruch auf Wissen auf. Ganz im Gegenteil. Der Begriff ‚Wissen‘ wird lediglich vom Begriff ‚Wahrheit‘ entkoppelt – und damit gelingt es unserer Überzeugung nach, den „essentialistischen Wahrheitsbegriff“ ohne Wissenseinbußen aufzugeben.10 Auf diese Weise, so glauben wir, können wir die Voraussetzung dafür schaffen, „dass verschiedene, kulturell spezifische Formen epistemischer Praxis als prinzipiell gleichwertige Alternativen gelten können.“11 Diese Entwicklung gilt nicht nur für die Geschichtswissenschaften, sondern ebenso für die Rechts- oder Sozialwissenschaften. Dort spielen sich ganz ähnliche Diskurse ab.12 Bei den Juristen findet man immerhin noch die Forderung, man müsse sich um Eindeutigkeit und Wahrheit in jedem einzelnen Rechtsfall wenigstens bemühen, mehr könne man nicht verlangen. Und die Sozialwissenschaftler erkennen zwar das Unbestimmtheits-Virus unserer Zeit, schaffen sich aber nach wie vor ihre Eindeutigkeiten durch entsprechende innerdisziplinäre Definitionen.13 Was hat das alles mit Karl dem Großen zu tun? Sehr viel! Er und seine Zeit waren nämlich von einem ganz anderen Geist erfasst. Sie waren, um die Dinge auf den Punkt zu bringen, von der Überzeugung und vor allem von der Gewissheit geleitet, dass es die Wahrheit gibt, die eine und eindeutige Wahrheit. Wahrheitsaxiomatisch betreten wir mit der Welt Karls des Großen gleichsam eine Gegenwelt zu unserer heutigen Zeit.14 Karl selbst, so hören wir, war bestrebt, die Dinge so zu regeln, dass „jede Unbestimmtheit beseitigt“ werde: omni ambiguitate remota.15 Diese Formel kann man geradezu als Grunddevise Karls an den Anfang stellen: Karl war ein Gegner der Unbestimmtheit. Ständig war er um Eindeutigkeit bemüht, und zwar, wie wir sehen werden, um Eindeutigkeit auf allen Gebieten der religiösmoralischen, der politischen, der wirtschaftlichen und der gesellschaftlichen Ordnung. Es war keineswegs so, dass man sich der Vielfalt im Kosmos und auf Erden in früheren Epochen nicht bewusst gewesen wäre. Aber man war von der Idee geleitet, dass die Vielfalt der Geschöpfe und der Erscheinungen in der Natur letztlich in einem kosmischen Wirkverbund stünde, dass dieser einem höheren Willen folge, dass es eine concors discordia gebe – wie es in der Sachsengeschichte Widukinds von Corvey heißt16 –, einen gottgewollten, harmonischen Zusammenklang des Verschiedenartigen. Dass dieser Zusammenklang nicht gestört oder immer wieder hergestellt werde, dafür hatte in erster Linie der König zu sorgen. Er hatte die Vielfalt 9 10 11 12 13 14 15 16
Fried 2003; Ders. 2004; Ders. 2008. Hilgert 2009, S. 284, Anm. 35. Ebd. Siehe etwa Thaler 1982; Opp 2005; Sprache, Theorie und Wirklichkeit 1990. Opp 2005. Eine ausführliche Darlegung dieser Grundlagen bei Weinfurter 2014. Einhard, Vita Karoli Magni, cap. 33, S. 38. Widukind von Korvei, Sachsengeschichte, S. 100, Z. 14.
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der Interessen der Mächtigen zu einem Ausgleich zu bringen, er hatte mit dem Herrschaftsinstrument der Gnade zu vermitteln17 und musste, wenn nötig, mit unbarmherziger Härte durchgreifen, um das fragile und fluide System einer ungeschriebenen Ordnung im Gleichgewicht zu halten. Dieses Konzept der Gesamtordnung und der Rolle des Königs war im Werk „Vom Gottesstaat“ („De civitate Dei“) des Augustinus ausführlich beschrieben worden. In Buch 11, Kapitel 22, führte Augustinus aus,18 dass es zwar die Vielfalt auf der Welt gebe, dass aber alles aufgehe in Harmonie, wenn sich jedes Ding und jeder Mensch an seinem richtigen Platz befinde und wenn sein Name seiner Funktion entspreche. Der richtige Name für die richtige Funktion, das war auch ein Kerngedanke, von dem Karl und sein Hof um 800 geleitet war. Am deutlichsten unterrichtet uns darüber die wichtigste Schrift, die aus der Herrschaft Karls überliefert ist. Es handelt sich um das „Opus Caroli“, das „Werk Karls“, das man früher unter der Bezeichnung „Libri Carolini“ führte und das 792/94 entstanden ist.19 Es gibt sich in der Überschrift als Werk Karls aus. Das können wir zumindest so interpretieren, dass er die Herstellung intensiv begleitet hat, dass er vielleicht sogar Anteil an den Argumentationen hatte. Das Buch wirkt in der Tat wie ein Regierungsprogramm. Geradezu sensationell ist die Tatsache, dass es Bemerkungen Karls des Großen enthält, die am Rand in der Kurzschrift der tironischen Noten festgehalten wurden. Immer wieder finden sich Kommentare Karls wie „sehr gut“, „hervorragend“, „sehr klug“, „bestens“. Das gesamte Werk, das in der Hauptsache von dem Gelehrten Theodulf von Orléans verfasst wurde, fand am Ende seine Zustimmung. Dazu gehörte auch die Ausführung in Buch IV, Kapitel 23, die Ordnung auf Erden könne nur dann gut sein, wenn alles seinen ihm zugehörigen, seinen richtigen Namen habe. Man dürfe nicht glauben, so lesen wir da, „dass sich die Dinge den Namen anpassen. Vielmehr müssen sich die Namen den Dingen anpassen.“20 Nur dann war Eindeutigkeit hergestellt. Eben dies war auch Karls Überzeugung. Doch es war ein gewaltiges Vorhaben, eine gesellschaftliche und politische Ordnung zu schaffen, in welcher Sache und Name übereinstimmten. Es war vor allem eine gewaltige intellektuelle Leistung. Um sich das Rüstzeug in Bildung und Wissen für dieses Unternehmen „Eindeutigkeit“ anzueignen, gab es nur eine Möglichkeit: Man musste sich das spätantike Wissensniveau wieder verfügbar machen. Von Karl hören wir in den Quellen, er sei rastlos begierig gewesen, „die heiligen Gedanken der Alten zu kennen.“ Es habe ihn danach gedrängt, „die Schätze der Ehrwürdigen kundigen Sinnes zu prüfen“ und „die Geheimnisse heiliger Weisheit zu erkunden.“ Ferner, so hören wir, habe er den Wunsch gehabt, „Lehrer zu haben an seinem Hof, Weise im Geist, zur Zier, zum Ruhm der Wissenschaft, um lebendigen Geistes die Weisheit der Alten zu erneuern.“ Diese Worte wurden vor 1200 17 18 19 20
Weinfurter 2005; Ders. 2009. Augustinus, De civitate dei, Bd. 2, S. 340 f.; Augustinus, Vom Gottesstaat, Bd. 2, S. 34–36. Opus Caroli regis contra synodum 1998. Ebd., S. 544 f.: […] nec credendum est, ut res aptentur nominibus, sed nomina potius aptentur rebus. Siehe dazu die klugen Ausführungen von Ertl 2006.
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Jahren niedergeschrieben, formuliert von dem Franken Angilbert, dem Laienabt von S. Riquier.21 Er war einer aus dem Kreis der Gelehrten am Hof Karls des Großen, wo sich die Urform einer Akademie herausbildete.22 Gewiss: Karl der Große war ein Barbar. Mit Waffengewalt und unendlichem Blutvergießen hat er ein Reich aufgebaut, das von den Pyrenäen bis an die Grenze der dänischen Wikinger reichte, von der Atlantikküste bis an die Elbe, im Süden bis nach Rom und im Osten die Donau abwärts bis zum Balkan. Aber Karl sammelte nicht nur Völker, sondern auch deren Wissenschaften. Aus Italien führte er den Dichter und Grammatiker Petrus von Pisa und den Grammatiker und Theologen Paulinus über die Alpen. Hinzu kam der Geschichtsschreiber Paulus Diaconus aus Monte Cassino. Aus Spanien stammte der schon erwähnte Theodulf, aus Irland kamen Dungal, Clemens und Dicuil. Allen voran stand Alkuin, der Angelsachse, der hochgebildete Mann aus der berühmtesten Schule dieser Zeit: York in Northumbrien.23 Keiner von Rang und Namen fehlte in der Umgebung Karls. Mit ihnen, den bedeutendsten Gelehrten des westlichen Europa, baute Karl der Große ein Spitzenteam von Wissenschaftlern an seinem Hof auf. Auf diese Weise entstand ein Wissens- und Wissenschaftszentrum, das Impulse von großer Kraft und Tragweite hervorbrachte. Karl selbst also war begierig nach Wissen und Bildung – ein Grundzug, der bei Politikern nicht zu allen Zeiten anzutreffen ist. Ein Barbar, das heißt, ein Nichtromane, vor 1200 Jahren: begierig nach Wissen und Bildung! Von seinem Biographen Einhard erfahren wir,24 Kaiser Karl habe sich dem Erlernen von Fremdsprachen gewidmet. Latein habe er wie die eigene Sprache verstanden und gesprochen. Auch Griechisch habe er verstehen können. Viel Zeit habe er auf das Studium der Rhetorik, der Dialektik und der Mathematik verwendet. Die Bewegungen der Himmelskörper habe er aufmerksam verfolgt. Auch geschichtlichen Werken habe er sich zugewandt, mehr noch den Werken der Theologen, allen voran denen des Augustinus, und hier wiederum der Schrift „De civitate Dei“, also dem Buch „Vom Gottesstaat“.25 Auch von diesem Werk war schon die Rede und ich möchte schon an dieser Stelle unterstreichen, dass der Gottesstaat von Augustinus gleichsam der staatstheoretische Leitfaden Karls des Großen war. Karl hatte sich damit ein strammes Programm vorgenommen, zumal er sich die Hälfte eines jeden Jahres auf Kriegszug befand. In der übrigen Zeit war er überdies den Freuden des Lebens durchaus zugeneigt. Seine amourösen Eskapaden haben immerhin dazu geführt, dass sein Verhalten mit „schändlicher Wollust“ beschrieben wurde.26 Berühmt sind seine Badefreuden. „Karl“, so berichtet Einhard,27 „liebte die Dämpfe heißer Naturquellen und schwamm sehr viel und so gut, dass es nie21 22 23 24 25 26 27
Angilberti carmina, Nr. II, S. 360–363. Möbius 2013; Weinfurter 2014, S. 178–204; Fried 2014, S. 251 f. Alkuin von York 2010; Alcuin, de York à Tours 2004. Einhard, Vita Karoli Magni, cap. 25, S. 30. Zu Einhard siehe: Einhard 1997; Patzold 2013. Einhard, Vita Karoli Magni, cap. 24, S. 29. Walahfrid Strabo, Visio Wettini, S. 66, Z. 461. Einhard, Vita Karoli Magni, cap. 22, S. 27.
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mand mit ihm aufnehmen konnte. Darum baute er einen Palast in Aachen und verbrachte seine letzten Lebensjahre ununterbrochen bis zu seinem Tod dort. Er lud nicht nur seine Söhne, sondern auch Adlige und Freunde, manchmal sogar sein Gefolge und seine Leibwache zum Baden ein. Oft badeten mehr als hundert Leute zusammen mit ihm.“ In der Forschung wurde zuletzt daraus die interessante Überlegung entwickelt, Karl habe seine Regierungsgeschäfte bisweilen im Wasser erledigt und außerdem so etwas wie Schwimm-Meisterschaften veranstaltet.28 Karls Freude am Baden im warmen Wasser ist jedenfalls anschaulich überliefert. Aber das Entscheidende war, dass Karl offenkundig klare Vorstellungen davon hatte, dass sich ein Imperium nicht nur auf Gewalt, Krieg und freie Lustentfaltung gründen ließ und dass damit allein keine nachhaltige Politik zu gestalten war. Eine seiner Aufgaben bestand darin, den ganz unterschiedlichen Völkern seines Reiches ein Identifikationsangebot zu machen. Die Franken, nach denen sein Reich, das regnum Francorum, benannt war, stellten nur eine Minderheit der Bewohner dar. Ansonsten bestand die Bevölkerung aus Romanen und Kelten, aus Juden und Slawen, aus Ost- und Westgermanen wie den Ostgoten, den Westgoten, den Burgundern, den Alemannen, Bajuwaren und Sachsen. Überall lebte man nach anderen rechtlichen und kulturellen Traditionen, alle redeten sie in mehr oder weniger verschiedenen Sprachen, manche von ihnen konnten die anderen gar nicht verstehen. Ebenso war ihre Religion, wenn auch überwiegend dem christlichen Glauben zuzuordnen, alles andere als einheitlich in der Liturgie und in den sonstigen Regeln. Das Reich Karls des Großen – es war das Muster einer multikulturellen Gesellschaft. Wie konnte so ein Reich Bestand haben? Welche Identifikationsmuster waren dafür geeignet oder auch nur möglich? Der kriegerische Erfolg war eine Möglichkeit. Karl war ein in höchstem Maße erfolgreicher Kriegsführer. Die eine oder andere Niederlage ändert an diesem Bild nichts. Allein sein Siegernimbus, verbunden mit einer eindrucksvollen Erscheinung und einer gewaltigen Durchsetzungskraft, brachte ihm die Anerkennung als unumstrittene Autorität ein. Er entwickelte, wie man heute sagt, ein Höchstmaß an vertikaler Identifikation.29 Die Krieger der verschiedenen Völker, die in seinem Heer dienten und meist beutebeladen heimkehrten, waren stolz darauf, im Krieg allesamt Franken zu sein. Aber das allein reichte nicht aus, um ein so großes und vielfältiges Reich zusammenzuhalten. Die Menschen benötigten auch klare Regeln und Grundlagen, mit denen Vertrauen im Umgang miteinander möglich war. Sie mussten sich verständigen können. Sie benötigten vor allem einen Wertekanon, nach dem das Handeln der Menschen ausgerichtet, gemessen und beurteilt werden konnte. Mit anderen Worten: Das neue, gewaltig große Reich Karls, mit dem sich um 800 außer dem Kalifat in Bagdad kein Reich vergleichen konnte, brauchte neben der vertikalen Identifikation auch die horizontale Identifikation. Die Grundidee dafür lieferte ein weiteres Mal das Buch des Augustinus über den Gottesstaat. Karls Ziel war es, sein Reich dem Gottesstaat, wie ihn Augustinus 28 29
Bredekamp 2014. Kaina 2003; Handbuch Militär- und Sozialwissenschaft 2006, S. 362–365.
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beschrieben hatte, möglichst weit anzunähern.30 Vieles, was wir bei Augustinus antreffen, finden wir bei Karl ausgeführt: Menschen müssten sich beispielsweise in einer Sprache verständigen können, sonst seien sie kläglicher als Tiere.31 Die gemeinsame Sprache entstand in der Tat aus einer Mischung aus klassischem und volkstümlichem Latein. Es wurde die Sprache Europas für ein ganzes Jahrtausend. Der gerechte, erfolgreiche und glückliche Herrscher über das Volk Gottes, so wieder Augustinus, dürfe keine konkurrierenden Herrscher neben sich haben.32 Dass Karl unermüdlich damit beschäftigt war, alle Konkurrenten der Macht aus dem Weg zu räumen, ist damit vollkommen in Einklang zu bringen. Der Langobardenkönig Desiderius und der Bayernherzog Tassilo III. waren nur die prominentesten Opfer dieser Maxime der Gottesreichstheorie. Entscheidend aber war, dass das von Karl angestrebte Gottesreich auf eindeutigen Regeln und Gesetzen aufgebaut sein sollte – und das waren die Regeln und Gesetze Gottes und der Kirche. Das scheint aus heutiger Sicht vielleicht ein überschaubarer Bereich zu sein, haben wir doch die Heilige Schrift und das kanonische Recht der Kirche. Das aber war vor 1.200 Jahren keineswegs so eindeutig. Es gab ganz unterschiedliche Varianten der Bibel, es gab in der Kirche unterschiedliche Riten und Rituale, die Kirchenfeste wurden keineswegs einheitlich gefeiert, für die Berechnung des Osterfestes gab es die alexandrinische Variante und diejenige des Beda Venerabilis, die Heiligenfeste boten ein wüstes Durcheinander, die Tauf- und Segensformeln wurden in abartigen Deformationen gesprochen. Sogar das Glaubensbekenntnis war alles andere als einheitlich. In Rom wurde gebetet, dass der Heilige Geist aus dem Vater hervorgegangen sei, am Hof Karls des Großen und bei den Franken hieß es dagegen: hervorgegangen aus dem Vater „und dem Sohn“ (filioque). Dieser Unterschied führte in der Tat zu heftigen Konflikten in der Christenheit.33 Diese wenigen Hinweise können doch schon eine Ahnung hervorbringen, welch immens ehrgeiziges Unternehmen Karl sich vorgenommen hatte. Er wollte eine Vereindeutigung all dieser Regeln, Normen und Texte herbeiführen, um die Grundlagen für sein Gottesreich zu schaffen. Und er erkannte, dass es – um eine horizontale Identifikation zu erreichen – nur einen einzigen Weg dahin geben könne: Den Aufbau einer Wissensgesellschaft durch eine Bildungsreform und durch ein geistig-kulturelles Erneuerungsprogramm umfassender Art!34 Die Vorbereitungen sind in den 780er Jahren zu erkennen. Aus dem Jahr 787 stammt die Abhandlung über die Pflege der Wissenschaften („Epistola de litteris colendis“).35 Im großen Umfang wurde das Unternehmen dann 789 in Gang gebracht durch einen „allgemeinen Mahnerlass“, die „Admonitio generalis“.36 Damit 30 31 32 33 34 35 36
Nelson 2013. Augustinus, De civitate dei, Bd. 2, lib. 19, cap. 7. Ebd., Bd. 1, lib. 5, cap. 24. Eine treffliche Einführung von Scholz 2010. Fleckenstein 1953; Fried 1994, S. 271 f.; Weinfurter 2014, S. 178–204. UB Kloster Fulda, S. 251–254; vgl. Martin 1985. Die hier und im Folgenden verwendeten Siglen werden im Quellenverzeichnis aufgelöst. Admonitio generalis.
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wurde ein bildungspolitischer Vorgang eingeleitet, über den zuletzt einer der besten Kenner dieser Geschichte, der Heidelberger Mittellateiner Walter Berschin, die Meinung vertreten hat: „Nie in der abendländischen Geschichte ist dem Lesen und Schreiben, der Grammatik, kurzum der Schule ein so hoher Rang eingeräumt worden wie damals.“37 Durch die Bestimmungen des Königs sollten, wie es programmatisch heißt, künftig Irrtümer korrigiert, Überflüssiges entfernt und das ganze Leben auf das Richtige hin konzentriert werden: errata corrigere, superflua abscidere, recta coartare.38 Interessant ist dabei die Einleitung: Niemand möge den Eindruck gewinnen, Karls Unternehmen sei vermessen (ammonitio praesumtiosa),39 das heißt, von vornherein unrealistisch. Er war sich also sehr wohl im Klaren darüber, welche Dimension mit seinem Projekt verbunden war. In einem Rundschreiben („Epistola generalis“) ließ Karl 787 verkünden: „Mit regem Eifer wollen wir […] die Pflege der Wissenschaften verbessern, die durch die Nachlässigkeit unserer Vorfahren fast in Vergessenheit geraten ist, und laden alle durch unser eigenes Beispiel zum eifrigen Studium der freien Künste ein.“40 Die freien Künste, die artes liberales: Das war gewissermaßen das Zauberwort. Damit war – im Unterschied zu den artes mechanicae – der gelehrte Wissens- und Wissenschaftskanon gemeint, der eines freien Menschen für würdig erachtet wurde.41 Dazu gehörten die drei sogenannten ‚redenden‘ Künste, die Grammatik, die Rhetorik und die Dialektik, die Gebiete des Triviums also, auf denen man das Denken und Sprechen einübte. Hinzu kamen vier weitere, mathematische Künste, die Arithmetik, die Geometrie, die Musik und die Astronomie, also das Quadrivium. Die freien Künste waren in der Antike entwickelt, in der Zwischenzeit aber immer weniger beachtet worden. Nun entdeckte man die klassischen Lehrbücher wieder. Vor allem das Werk des Martianus Capella befand sich darunter. Dass der Autor einer der letzten Heiden der Antike war, kümmerte niemanden. Das Lehrbuch trug den Titel „Über die Hochzeit der Philologie mit Merkur“ („De nuptiis Philologiae et Mercurii“). Es erzählt von der Suche Merkurs, des Gottes der Rede, nach einer Gemahlin. Er findet sie in der Jungfrau Philologie, die ihrerseits nach der Heirat unter die Unsterblichen aufsteigt. Ihr junger Gemahl schenkt ihr sieben Mägde, die sich ausführlich in sieben Büchern vorstellen: Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musik. Massenhaft wurde dieses Buch nun abgeschrieben und verbreitet. Man mag das europäische Abendland bedauern, dass es an diese etwas absonderliche mythologische Einkleidung der Wissenschaften in eine Götter- und Musenhochzeit geriet, aber vielleicht wurde gerade dadurch der Brückenbau zu dem noch wenig abstrakten und dialektischen Denken der karolingischen Welt erleichtert. Zu Martianus Capella gesellten sich zahlreiche weitere spätantike Werke über die Wissenschaften und über kosmologische Fragen hinzu. Eines davon stammte 37 38 39 40 41
Berschin 1991, S. 112. Admonitio generalis, S. 182. Ebd. MGH Capit. 1, Nr. 30, S. 80. Englisch 1994; Lindgren 1992; Köhn 2002; Fried 1997.
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von Boëthius und trägt bekanntlich den Titel „Über den Trost der Philosophie“ („De consolatione Philosophiae“). Ein weiteres war der Kommentar des Macrobius zum „Traum des Scipio“ („Somnium Scipionis“) und ein drittes die von Calcidius stammende lateinische Übersetzung von Platons „Timaios“. Mit allen setzten sich die brillantesten Köpfe des Karolingerreichs, darunter Scotus Eriugena (= „der aus Irland stammende“) und Martin von Laon, intensiv auseinander. Dabei ging es um das Verhältnis von Materie und Seele, um das Verhältnis von Zeitlichem und Ewigem, um die Deutung der Welt. Sogar das Gesamtwerk des Gelehrten Plinius des Älteren (gest. 79 n. Chr.), in dem die gesamte Welt, der Kosmos, die Natur, die Menschen, die Ordnung, die mathematischen Wissenschaften dargestellt sind, wurde abgeschrieben und war fortan verfügbar.42 Der schon genannte Hofgelehrte Alkuin aus England, der eine Art Kultusminister im fränkischen Reich wurde, verfasste selbst Lehrbücher und Einführungen.43 Diese gestaltete er in der Form von Dialogen zwischen Schülern und Lehrern – ein didaktischer Ansatz, der heute wieder modern zu werden scheint. In manchen dieser Lehrbücher erscheint Karl als der Schüler, eine besonders bemerkenswerte Variante der Motivation.44 Man müsste sich das heute so vorstellen, dass Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel an dieser Stelle erscheint und nun Fragen über die Rhetorik oder Dialektik stellt. Vielleicht wäre das ein Erfolgsmodell. Alle diese Werke gewannen einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf die künftige abendländische Wissenschaft. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass am Hof Karls des Großen regelrechte Gelehrtenteams gebildet wurden, die sich systematisch mit bestimmten Themen auseinandersetzten. Dazu zählte etwa die Frage nach dem Termin der Tagundnachtgleiche, von dem der Ostertermin abhängt.45 Abt Richbod von Lorsch wurde beauftragt, mit seinen Mönchen einen Reichskalender zu erstellen.46 Auch die Frage nach dem Wesen der Zeit, nach ihrem Anfang und ihrem Ende, war ein wichtiges Thema. Im Jahre 809 entstand schließlich auf Veranlassung Karls des Großen eine Enzyklopädie der Astronomie und der Zeitrechnung.47 Seit den bahnbrechenden Forschungen des Konstanzer Kollegen Arno Borst wissen wir, dass die karolingischen Gelehrten sehr wohl auch mit den antiken naturwissenschaftlichen Studien vertraut waren. „Die Erforschung der Natur“, so stellte er fest, „begann im lateinischen Europa nicht um 1120 an den Hochschulen Frankreichs, sondern um 780 am fränkischen Königshof; ihr erster Anstoß kam nicht vom Staunen über die Vernunft im Kosmos, sondern vom Zwang zur (eindeutigen) Regelung der Feiertage und Arbeitszeiten; ihre frühesten Lehrmeister heißen nicht Platon und Aristoteles, sondern Plinius und Beda.“48 Man 42 43 44 45 46 47 48
Die Naturgeschichte des Gaius Plinius Secundus 2007; Borst 1994. Brunhölzl 1975, S. 272 f. und 547. Eine gute Übersicht über die Werke Alkuins in: Alkuin von York 2010, S. 293 f. Im Übrigen: Schaller 1978. Alkuin, Grammatica; Ders., De Dialectica; The rhetoric of Alcuin 1941. Springsfeld 2002; Ders. 2004. Borst 1998, S. 246. Cordoliani 1943; Borst 1993. Borst 1994, S. VIII.
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wird also vorsichtig sein müssen mit der Annahme, dass der lateinische Westen seine Kenntnisse auf diesem Feld allein Byzanz und den Arabern verdanke. Was aber für die künftige Kultur Europas noch schwerer wog, ist Folgendes: Durch diese Hinwendung zu den antiken Autoren wurden in der Zeit Karls des Großen Tausende von klassischen Texten abgeschrieben, und zwar auf haltbarem Pergament aus Tierhaut. In der Antike hatte man auf Papyrus, hergestellt aus dem Mark der Papyrusstaude, geschrieben, das rasch brüchig wurde. Man muss sich das klar vor Augen stellen: Mindestens 80 % aller klassischen Texte sind uns nur dadurch überliefert, dass sie unter Karl dem Großen und seinen Nachfolgern abgeschrieben wurden, weil man sich mit ihnen beschäftigt hat. Die von uns so gerühmte antike Klassik mit ihrer Philosophie, ihrer Naturlehre und ihren staatstheoretischen Schriften gäbe es gar nicht oder nur rudimentär ohne die Bildungsreform um 800.49 Die Beschäftigung mit den klassischen Autoren sollte nach dem Willen Karls freilich keineswegs nur eine geistige Elite fördern. Vielmehr war das Programm auf Bildung für das gesamte Volk ausgerichtet. Das war in der Tat völlig neu. Die Kloster- und Domschulen sollten nicht nur junge Mönche unterrichten, sondern auch Kinder aufnehmen, die Laien bleiben sollten.50 Das klingt für uns wahrlich sensationell. Jahrhunderte vor der preußischen allgemeinen Schulpflicht begegnen wir ihr in Ansätzen schon unter Karl dem Großen. In Ansätzen sage ich deshalb, weil sie gar nicht zu verwirklichen war. Aber immerhin gibt es Anordnungen aus dem Kreis der Hofgelehrten, in denen es heißt, dass auch die Pfarrer in den Dörfern und auf den Gutshöfen Schule halten und die Kinder mit größter Liebe unterrichten sollten. Auf einer bayerischen Synode von 798 wurde beschlossen, jeder Bischof solle in seiner Bischofsstadt eine Schule eröffnen.51 Von einem bayerischen Bischof hören wir sogar, dass er anlässlich einer Kirchenvisitation die Eltern ermahnte, ihre Kinder in die Schule zu schicken.52 Wer nicht lernen wolle, den solle man mit Schlägen und Fasten bei Wasser und Brot dazu zwingen. Das blieb bekanntlich dann über Jahrhunderte ein pädagogisches „Erfolgsrezept“. Doch wofür dieser ganze Aufwand? Bildung, so hatte es Karl schon in seiner „Admonitio generalis“ formuliert, sollte dazu verhelfen, das Richtige zu erkennen und zu tun, sollte dazu verhelfen, recta coartare.53 Das heißt eigentlich, mit zwingender Eindeutigkeit das Richtige festzustellen. Die Menschen sollten in die Lage versetzt werden, das Richtige und damit auch das Falsche zu erkennen und zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Dafür sollte Kritikfähigkeit entwickelt und das Denken, Argumentieren und klare Sprechen gefördert werden. Die Menschen sollten, wie Alkuin es formulierte, lernen, „korrekt zu leben“ und „korrekt zu sprechen“: recte vivere und recte loqui.54 Erst auf dieser Grundlage könne das Gesetz 49 50 51 52 53 54
Eigler 2013; Häse 2002; Becker 2015. Admonitio generalis, cap. 70, S. 222 und 224. Instructio pastoralis, ediert bei Étaix 1981, hier S. 119. MGH Capit. episc. 3, S. 215, cap. 12. Admonitio generalis, S. 182, Zeile 29. Alkuin, Epistolae, S. 486, Z. 32 f. Ebenso in der von Alkuin verfassten „Epistola de litteris colendis“ von 787: UB Kloster Fulda, S. 251–254.
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allen Lebens, aller Ordnung und des Heils, also das Gesetz Gottes, richtig erkannt und befolgt werden. Die Unterscheidung von Gut und Böse führte unweigerlich zur Frage der Wahrheit. Nur das Gute konnte das Wahre sein. Genauso wird in den Schriften der Gelehrten am Hof Karls des Großen argumentiert. Dafür gäbe es zahlreiche Beispiele und nur eines greife ich heraus. Es handelt sich um das Gedicht Theodulfs von Orléans Nr. 45, über das vor kurzem meine Züricher Kollegin Carmen Cardelle de Hartmann gearbeitet hat.55 Schon die korrekte Lektüre von Texten, so Theodulf, sei die erste Voraussetzung dafür, Texte zu erfassen. Hinzu komme die Fähigkeit, eine Allegorie zu erkennen, Allegorese zu betreiben und auf diese Weise eine möglicherweise verborgene Wahrheit zu begreifen. So könnte auch bei lügnerischen antiken Texten die moralische Wahrheit herausgelesen werden. Ein solchermaßen geschulter Leser werde sogar erotische Dichtungen lesen können und in ihnen die Warnung vor der verheerenden Wirkung der Liebe finden. So entwickle sich der Leser vom passiven Rezipienten zum sophus und zum Erforscher der Wahrheit. Die Kunst, das Richtige und Wahre zu erkennen, sollte in großem Maßstab darauf angewendet werden, korrekte Texte für die Ordnung der Kirche, der Gesellschaft und des gesamten gemeinsamen Lebens zu erstellen. Eine Bedingung dafür – wie auch bei Theodulf zu sehen ist – war, dass man mit Sprache umgehen konnte. Karl und seine Gelehrten waren der Meinung, dass ein Wort oder ein Begriff eindeutig sein müsse. Diese Überzeugung war in erster Linie die Folge der religiösen Grundhaltung. Ein Gebet oder eine liturgisch-religiöse Formel musste in den Worten exakt sein, um wirksam sein zu können. Eindeutigkeit wurde also als Voraussetzung für Wirksamkeit gesehen – ein bemerkenswerter Gedanke. Der gute Wille reichte nicht aus. Wenn, wie aus der Mitte des 8. Jahrhunderts überliefert wird, ein Priester in Bayern die Taufformel sprach mit dem Satz: In nomine patria et filia et spiritus sancti, also: „Im Namen Vaterland und Tochter und des Heiligen Geistes“,56 dann war nach der Überzeugung Karls und seiner Gelehrten dieser Spruch eben nicht wirksam und das Kind gar nicht getauft. Oder wenn im Messbuch der Satz stand: Bibo ego, dicit dominus, also „Ich trinke, spricht der Herr“, wo es heißen müsste: „Ich lebe“, also vivo ego, dann rief das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht das Wohlgefallen Gottes hervor.57 Die einzelnen Worte und die Grammatik der Texte mussten daher im Sinne der Eindeutigkeit überprüft und korrigiert werden. Das war gemeint mit dem Befehl errata corrigere. Aber die Sache ging noch weiter. Das entscheidende Problem steckte ja in der Frage, was Eindeutigkeit der Sprache eigentlich bedeutet. Über die Frage nach dem Sinn von sprachlicher Eindeutigkeit findet auch heute wieder ein angeregter Diskurs statt. Dazu hat Thomas Steinfeld mit seinem Buch „Der Sprachverführer“ Aufschlussreiches beigetragen.58 Sein Grundgedanke lautet, dass Sprache nicht angeordnet, sondern viel mehr in ihren Möglichkeiten und Wirkungen durchschaut und 55 56 57 58
Cardelle de Hartmann 2015. Die Briefe des heiligen Bonifatius und Lullus 1916, Nr. 68, S. 141. Berschin 1991, S. 108 f. Steinfeld 2010.
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genutzt werden müsse. Es sei also eher die Stilkunde, die deutlich mache, was Sprache auslösen und über den Schreiber oder Sprecher aussagen kann. Als Beispiel zitiert er den Eingangssatz in Franz Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“. Er lautet: „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.“ Mit einem Satz, der unglaublich kunstvoll gestaltet ist, tue sich eine ganze Welt auf. Der Satz wird von Steinfeld als ein symmetrisches Gefüge interpretiert, bei dem das erste Wort „als“ eine Spannung erzeuge, die erst das allerletzte Wort, das Partizip „verwandelt“, auflöse. Der stete rhythmische Wechsel zwischen einer betonten und einer unbetonten Silbe lasse den Satz leicht dahinfließen und das gemeinsame /a/ in „erwachte“ und „verwandelt“ vermittle durch die Assonanz einen Eindruck von Geschlossenheit. Das sei die Sprache der volltönenden Eindeutigkeit – und es ist, so darf man hinzufügen, die Kunst des Umgangs mit Sprache, die schon vor 1200 Jahren in der Disziplin Rhetorik eingeübt wurde. Bereits 787 ließ Karl in dem erwähnten „Brief über die Pflege der Wissenschaften“ („Epistola de litteris colendis“) verkünden, die Menschen sollten die kunstvollen Wort- und Sinnfiguren begreifen lernen, den Redeschmuck (schemata) und die Tropen, das heißt, die Metaphern, die Ironie, die Emphase, die Hyperbel und alles andere, was zu den rhetorischen Wendungen gehört.59 Vor allem durch Metaphern, so betonte Alcuin in seinen Lehrbüchern, werde die Eindeutigkeit in der Sprache erhöht. Mit anderen Worten: In der Zeit um 800 übte man das Sprechen in Metaphern, erfreute sich an der Variation des Ausdrucks und suchte den Schmuck in den Worten.60 An dieser Stelle könnte man sich fragen, ob diese Auswirkungen des Strebens nach Eindeutigkeit nicht ein ganz simpler Bestandteil des Fortschrittsbemühens sind, in dem sich die Menschheit seit Jahrhunderten zu bewegen wähnt. Hier wird man aber rasch eines Besseren belehrt, wenn man einen Blick auf andere Schriftkulturen wirft. Als Beispiel möchte ich die altorientalische Zeichenschrift nennen. Mein früherer Heidelberger Kollege, der Assyriologe Markus Hilgert, hat in einer scharfsinnigen Studie gezeigt, dass die mesopotamischen Keilschriftzeichen prinzipiell ein ganz anderes Ziel verfolgten.61 Wortzeichen (Logogramme) oder Silbenzeichen (Phonogramme) konnten hier ganz unterschiedlich eingesetzt werden, je nachdem, was der Gesamtzusammenhang eines Textes nahelegte. Damit sollten möglichst weitgreifende Wissens- und Bedeutungsfelder abgedeckt werden. Überdies gab es bei den Keilschriftzeichen durch bestimmte identische Grapheme die Möglichkeit, ganze Cluster von Wissensgeflechten bereitzuhalten. Für diese Schrift war also ein hoher Grad an Mehrdeutigkeit kennzeichnend. Mit ihr konnte Wissen gespeichert werden, das aber dennoch in unterschiedlichen Kontexten und unter kulturellen Veränderungsprozessen stets abrufbar und anschlussfähig blieb. Markus Hilgert spricht daher vom rhizomatischen oder rhizomorphen Charakter dieser 59 60 61
UB Kloster Fulda, S. 251–254. Zu diesem Themenfeld siehe: Roudet 1921; Jakobson 1956; Blumenberg 1981; Lakoff/ Johnson 1980; Sprache, Theorie und Wirklichkeit 1990; Reichmann 1995. Grundlegend: Arbusow 1948. Hilgert 2009.
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Schrift. Eine der frühen und bedeutendsten Hochkulturen der Menschheit hat sich demnach also gerade nicht für die Eindeutigkeit der Sprache und der Schrift entschieden, sondern für Multidimensionalität, Variabilität, Instabilität und Offenheit von vielfältig verflochtenen, aber nicht linearen Wissensinhalten und Wissensobjekten. Mit solchen Gegenüberstellungen und Relativierungen bekommt die Eindeutigkeitsoffensive der Zeit Karls des Großen ein noch stärkeres Profil im Sinne einer spezifischen Entwicklung. Nur andeuten möchte ich in diesem Zusammenhang, dass das Streben nach Eindeutigkeit in Wort und Sprache auch von der Einführung einer neuen Schrift begleitet wurde. Es handelt sich um die karolingische Minuskel, deren früheste Zeugnisse noch unter Karls Vater, König Pippin, im Kloster Corbie nachgewiesen werden können.62 Aber unter Karl trat sie ihren Siegeszug an. Wir kennen sie alle, denn sie ist bekannt als unsere sogenannte lateinische Schrift, die wir heute noch schreiben. Den modernen Menschen des Computerzeitalters ist sie vor allem vertraut als die Schrift „Times New Roman“. Exakt diese heute wohl am meisten gebrauchte Computerschrift ist diejenige Schrift, die um 800 entstand. Sie baute zwar auf Vorlagen auf, aber, das muss man betonen, sie war gleichzeitig eine regelrechte Neuschöpfung und gehört in das Gesamtpanorama der umfassenden Maßnahmen zur Vereindeutigung in allen Bereichen der menschlichen Ordnung im karolingischen Reich um 800. Diese Prozesse, begleitet von der Schärfung des Wahrheitsgedankens und des Axioms der Rechtheit, getragen von der Unverwechselbarkeit der Begriffe und der Präzision der Schrift als Informationsträger, all das, so darf man resümieren, hat bemerkenswerte Entwicklungen in weiten Bereichen der europäischen Geschichte und Kultur hervorgebracht. Die enge Verknüpfung von Eindeutigkeit, Rechtheit (was das „Gute“ in einem weiten Sinn bedeutet) und Wahrheit war in die Wissensspeicher der karolingischen Bibliotheken eingespeist worden und konnte jederzeit wieder abgerufen und weiterentwickelt werden. Als Erster hat sich Anselm von Canterbury dieser Frage gezielt wieder angenommen: Wie nämlich Eindeutigkeit, Rechtheit und Wahrheit zusammengehören. In seinem Buch „Über die Wahrheit“ („De veritate“)63 von 1082/85 lässt er den Lehrer die Frage an den Schüler richten: „Sag also, was erkennst Du als Wahrheit“ (Dic ergo, quid ibi intelligas veritatem, cap. 4). Daraufhin bringt der Schüler die vorangegangene Disputation auf den Punkt: „Nichts anderes als die Rechtheit (Non nisi rectitudinem). „Nichts anderes kann unter Wahrheit verstanden werden als die Rechtheit“ (non aliud ibi potest intelligi veritas quam rectitudo). Die Rechtheit, die gleichzeitig Wahrheit ist, könne, so wird weiter ausgeführt, allein mit dem Verstand erkannt werden (cap. 11): veritas est rectitudo mente sola perceptibilis. Aber auch jede Art von Gerechtigkeit, so geht die Argumentation in Kapitel 12 weiter, könne es ohne Rechtheit nicht geben: nulla iustitia quae non est rectitudo. Der Höhepunkt der Argumentation wird in Kapitel 13 erreicht: Hier wird der Nachweis geführt, dass es in allen Dingen und Handlungen der Menschen nur eine Wahrheit geben könne und daher auch nur eine 62 63
Licht 2012. Anselm von Canterbury, Über die Wahrheit.
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Rechtheit. Die Wahrheit verlange Eindeutigkeit, die durch die Vernunft und den Verstand des Menschen, durch seine Kraft der Argumentation und durch die dialektische Methode, ausgedrückt in einer präzisen, eindeutigen Sprache, gefunden werden könne. An dieser Stelle könnte man leicht eine Geschichte der Anfänge der Wissenschaften im Mittelalter anfügen,64 könnte über die Entstehung der Universitäten im 12. Jahrhundert sprechen, über die scholastische Methode, die im Grunde die dialektische Methode war, oder über die Vereindeutigung von Gut und Böse in sämtlichen Lebensbereichen durch die Juristen vor allem seit dem 13. Jahrhundert. Auf allen Feldern würden wir erkennen, dass die Grundlagen in der Zeit Karls des Großen gelegt wurden, insbesondere für die Überzeugung, dass nur Eindeutigkeit die Wahrheit ans Licht bringen könne, sei es durch den Verstand (sola ratione), sei es durch die Anwendung der Folter, was von den Juristen des frühen 13. Jahrhunderts als ein bahnbrechender Fortschritt angesehen wurde. Und auch die Papstkirche hat sich unter Gregor VII. den Satz angeeignet: Christus habe nicht gesagt, „ich bin die Gewohnheit“, sondern „ich bin die Wahrheit“.65 Als Stellvertreter Christi lag die Wahrheit beim Papst, dem damit das Recht zukam, eindeutige Entscheidungen zu treffen.66 So dominierte die Idee der ‚Wahrheit‘, entstanden in engster Verbindung mit dem Streben nach Eindeutigkeit, fortan den Wissens- und Wissenschaftsdiskurs in Europa bis in die neueste Zeit. Noch in meiner eigenen Studienzeit Ende der 1960er Jahre wurde mir von meinen Lehrern eindringlich mit auf den Weg gegeben, dass es auch in der Geschichtswissenschaft am Ende nur die Erkenntnis der einen und reinen Wahrheit gäbe, wenn man die wissenschaftlichen Methoden nur sorgfältig anwende. Die wissenschaftlichen Methoden sind geblieben, aber wo ist die Wahrheit? Man wird trefflich darüber debattieren können, weshalb uns im letzten halben Jahrhundert die Wahrheit abhanden gekommen ist, insbesondere die „eurozentrische“ Wahrheit. Doch das ist nicht Thema des Beitrags. Ich möchte nur noch ein paar Beobachtungen erwähnen: Studien und Bücher mit dem Titel „Die Wahrheit kehrt zurück“ sollte man nicht unbeachtet lassen. Wahrheitssuche, Verantwortlichkeit und Wissenschaft werden auch weiterhin in einer ständigen Wechselwirkung gesehen.67 Überdies können wir beobachten, wie die Regulierungen und Vereindeutigungsmaßnahmen auf allen Ebenen um uns herum unaufhaltsam zunehmen. Um jeden Ermessensspielraum in unserer Lebenswelt möglichst klein zu halten, sehen wir uns einer Flut von Reglementierungen gegenüber. Bei all diesen Vorgängen wird Eindeutigkeit und ihre Beachtung geradezu zum Gradmesser von ‚Wahrheit‘. Das Zweite ist, dass in der Wissenschaft nach Auswegen gesucht wird, was man an die Stelle der Wahrheit setzen könnte. Ein Vorschlag, der kürzlich von meinem Heidel64 65 66 67
Fried 2001. The Epistolae vagantes 1972, Nr. 67, S. 151: Dominus dicit: ‚Ego sum ueritas et uita.‘ Non dicit: ‚Ego sum consuetudo‘, sed ‚ueritas‘. Weinfurter 2012/13. Gerhardt 2012.
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berger Kollegen, dem Althistoriker Jürgen Paul Schwindt, gemacht wurde, lautet, man könnte Wahrheit in der Wissenschaft durch „Genauigkeit“ ersetzen68. Freilich wird man nicht übersehen können, dass es sich dabei um sehr unterschiedliche Wertigkeiten handelt. Hervorheben möchte ich zum Dritten vor allem die Überlegungen des vormaligen Direktors des Deutschen Historischen Instituts in Paris Werner Paravicini. Er lehnt in einer scharfsinnigen Studie Wissenschaft ohne Anspruch auf Wahrheit als einen Widerspruch in sich ab. Überdies definiert er das Wesen von Wahrheit mit ‚Rechtheit‘ und macht hierin den Kern unserer Wertevorstellungen aus69 – faszinierend schon deshalb, weil sich damit der Bogen zur rectitudo von Karl und Anselm von Canterbury zu schließen scheint. Eine letzte Beobachtung könnte den Befürwortern der Eindeutigkeit vielleicht den größten Trost bringen: Eine Spiegel-Umfrage vor einigen Jahren brachte das Ergebnis, dass Frauen zwischen 20 und 25 Jahren keineswegs den Mann bevorzugen, der entschlussschwach, unbestimmt und „schwach in der Birne“ sei. Sie wünschen sich vielmehr einen Partner, der eine klare Linie verfolge und eindeutige Positionen beziehe.70 Damit scheint sich dem Vertreter der Eindeutigkeit mit einem Schlag ein riesiges Reservoir von Frauen zu eröffnen. Sollte sich da ein Wandel andeuten? Quellenverzeichnis [Admonitio generalis] Die Admonitio generalis Karls des Großen (MGH Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum, 16), hg. von Hubert Mordek/Klaus Zechiel-Eckes/Michael Glatthaar, Hannover 2012. [Alkuin, De Dialectica] Alkuin, De Dialectica, in: B. Flacci Albini seu Alcuini, abbatis et Caroli magni imperatoris magistri, opera omnia, Bd. 2 (Patrologiae cursus completus, Series Latina, 101), hg. von Jaques Paul Migne, Paris 1863, Sp. 949–976. [Alkuin, Epistolae] Alcuini sive Albini epistolae, in: Epistolae Karolini aevi, Bd. 2 (MGH Epistolae, 4), hg. von Ernst Dümmler, Berlin 1895, S. 1–493. Alkuin, Grammatica, in: B. Flacci Albini seu Alcuini, abbatis et Caroli magni imperatoris magistri, opera omnia, Bd. 2 (Patrologiae cursus completus, Series Latina, 101), hg. von Jaques Paul Migne, Paris 1863, Sp. 849–902. [Angilberti carmina] Angilberti (Homeri) carmina, in: Poetae Latini aevi Carolini, Bd. 1 (MGH Poetae Latini medii aevi, 1), hg. von Ernst Dümmler Berlin 1881, S. 355–381. Anselm von Canterbury, Über die Wahrheit. Lateinisch – Deutsch (Philosophische Bibliothek, 535), hg. von Markus Enders, Hamburg 2001. [Augustinus, De civitate dei] Aurelii Augustini opera (Corpus Christianorum, Series Latina, 47–48), hg. von Bernhard Dombart/Alfons Kalb, 2 Bde., Turnhout 1955. [Augustinus, Vom Gottesstaat] Aurelius Augustinus, Vom Gottesstaat, übers. von Wilhelm Thimme, 2 Bde., München 1977/78. Die Briefe des heiligen Bonifatius und Lullus (MGH Epistolae selectae in usum scholarum, 1), hg. von Michael Tangl, Berlin 1916. Einhard, Vita Karoli Magni (MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi, [25]), hg. von Georg Waitz, Hannover/Leipzig 61911. 68 69 70
Schwindt 2012. Paravicini 2010. Scheuermann 2012.
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RESSOURCEN DER DEUTSCHEN KÖNIGSHERRSCHAFT IM HOCHMITTELALTER Werner Rösener 1. EINLEITUNG In seinem Werk über die „Taten Friedrichs I.“ („Gesta Frederici“) berichtet uns Rahewin, dass Friedrich I. Barbarossa im August des Jahres 1157, also fünf Jahre nach seinem Regierungsantritt, einen Feldzug gegen Polen unternommen habe. Der Kaiser wollte damals zugunsten von Herzog Lolizlaw eingreifen, der mit Gertrud, einer Verwandten des Kaisers, verheiratet war.1 Als der Kaiser nun mit einem starken Heer gegen Polen vorrückte, hatte er an der Oder eine Grenze zu überwinden, die durch Befestigungen und Naturverhältnisse stark gesichert war, wie der Chronist hervorhebt. Barbarossa musste bei seinem Vormarsch Grenzsperren bezwingen, die die Polen an mehreren Stellen durch das Fällen von Bäumen errichtet hatten. Er überschritt dann am 22. August 1157 den Flusslauf der Oder, der an der Übergangsstelle „Polen wie eine Mauer (quasi murus) umgibt und durch seine Tiefe und seine Strömung jeden Zugang verwehrt, wider Erwarten der Bewohner mit dem ganzen Heer.“2 Die Oder, die Barbarossa hier bei seinem Feldzug gegen die Polen überquerte, war damals der wichtigste Grenzfluss zwischen dem Stauferreich und Polen und markierte in einem bedeutsamen Abschnitt die Ostgrenze des Reiches. Das von Slawen bewohnte Land Polen (Polimia) wird gemäß der Beschreibung Rahewins „im Westen begrenzt von der Oder, im Osten von der Weichsel, im Norden von den Russen und dem Skythischen Meer und im Süden von den böhmischen Wäldern. Das Land ist allenthalben durch natürliche Befestigungen gut geschützt, das Volk ist durch die ihm eigene Wildheit sowie durch die Berührung mit den Nachbarvölkern fast barbarisch und äußerst leicht zum Kämpfen bereit.“3 Polen wird in dieser Beschreibung raummäßig als ein Land geschildert, das einerseits durch geographische Elemente wie Flüsse, Meere und Waldgebirge begrenzt wird und andererseits von verschiedenen Völkern umgeben ist, von denen es sich durch spezifische Kulturformen wie Ackerbau, Jagd und kriegerische Lebensweise unterscheidet. Mit den räumlichen Dimensionen der Geschichtsentwicklung hat sich der „Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte“ speziell im Herbst 1995 auf einer Arbeitstagung mit dem Titel „Raumerfassung und Raumbewußtsein im späteren Mittelalter“ befasst, die unter der Leitung von Peter Moraw stand.4 Das 1 2 3 4
Otto von Freising/Rahewin, Die Taten Friedrichs, S. 398–405. Ebd., S. 400 f. Ebd., S. 398 f. Raumerfassung 2002.
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Thema des Raumes wurde auch auf anderen Tagungen des Konstanzer Arbeitskreises berührt, wie vor allem auf den von Walter Schlesinger inspirierten Sitzungen über die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europäischen Geschichte.5 Neue Anstöße zur Beschäftigung mit dem historischen Raumaspekt gehen seit einiger Zeit von der Richtung des spatial turn aus, nachdem im Zusammenhang mit dem Wegfall der politischen Blöcke und der Öffnung der Grenzen in der Zeit um 1990 sich ein neues Interesse der Kulturwissenschaften an geographischen Phänomenen und an der räumlichen Dimension entwickelte.6 Der Raum wird dabei nicht mehr als ein Bereich verstanden, in dem sich Kulturen isoliert gegenüberstehen. Vielmehr erscheint der Raum als Ergebnis sozialer Beziehungen, die dem Interesse und dem Handeln einzelner Menschen und Gruppen entspringen. Der reale Raum wird ergänzt durch die sozial und kulturell überformte Raumwahrnehmung, so dass der Raum „zu einer neuen zentralen Wahrnehmungseinheit und zu einem theoretischen Konzept geworden ist.“7 In den folgenden Untersuchungen geht es um die räumliche Dimension der deutschen Königsherrschaft in der Epoche des Hochmittelalters und insbesondere um den Wirkungsbereich der deutschen Könige in der Stauferzeit. Die materiellen und personellen Elemente der Königsherrschaft stehen dabei im Vordergrund, also die Ressourcen im eigentlichen Sinne. Die Ressourcen der Königsherrschaft werden hier nicht im Kontext von Rang und Ehre, von Symbolen und Ritualen verstanden, sondern als konkrete Grundlagen der Königsherrschaft während des Hochmittelalters.8 In den Darlegungen sollen zunächst Fragen zur Entwicklung von Reichsgut und Pfalzen sowie zu den Wandlungsprozessen in der königlichen Grundherrschaft behandelt werden, bevor nach Kernlandschaften der Königsherrschaft und nach Entwicklungsunterschieden in den einzelnen Räumen des Stauferreiches gefragt wird. In einem weiteren Schritt soll der Königshof als Zentrum der stauferzeitlichen Königsherrschaft beleuchtet und die personale Verbindung des Königshofes mit dem Raum analysiert werden, bevor zum Schluss ein Resümee gezogen wird. Das komplexe Thema der Ressourcen der deutschen Königsherrschaft kann hier verständlicherweise nur in einigen Hauptaspekten behandelt werden. 2. REICHSGUT, TAFELGÜTER UND KÖNIGLICHE GRUNDHERRSCHAFT Die materielle Grundlage der Königsherrschaft bildete im Hochmittelalter das Reichsgut, wie es schon in der Karolingerzeit gewesen war.9 Sein Umfang und seine Verteilung im Reichsgebiet sind trotz einer intensiven Reichsgutforschung
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Die deutsche Ostsiedlung 1975. Vgl. Bachmann-Medick 2006, S. 284–328; Osterhammel 1998. Bachmann-Medick 2006, S. 284. Vgl. Althoff 2012, der unter Ressourcen der Königsherrschaft vor allem Elemente von Rang und Ehre versteht. Vgl. Fleckenstein 1974, S. 85 f.; Ders. 1989; Metz 1960; Rösener 2003.
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nur unzulänglich bekannt.10 Man weiß aber, dass es aus zahlreichen größeren und kleineren Besitzungen und Rechten bestand, die sich über das ganze Reichsgebiet verteilten, wobei allerdings zwischen den einzelnen Landschaften hinsichtlich der Dichte des Kronguts erhebliche Unterschiede bestanden. So traten einige Landschaften als Kernlandschaften der Königsherrschaft hervor und bildeten in besonderem Maße die Grundlage der Herrschaft einzelner Königsgeschlechter. Das Reichsgut ermöglichte es den Königen, dass sie auf ihren ständigen Zügen durch das Reich fast immer auf eigenem Grund und Boden verweilen konnten.11 Ihr Interesse zielte aber darauf hin, über diese Zentren der königlichen Macht hinauszuwirken und von ihnen aus nach Möglichkeit das gesamte Reich herrschaftlich zu erfassen und auch in die Herrschaftsbereiche des Adels und der Kirche vorzustoßen. Mit Schenkungen aus Reichsgut wurden treue Anhänger und Gefolgsleute des Königs belohnt, Bistümer und Klöster großzügig ausgestattet. Ein großer Teil des Reichsguts wurde für die königliche Hofhaltung und für die Hoftage als Kommunikationsformen mit den Fürsten des Reiches gebraucht. Auf Reichsgut lagen auch die Pfalzen und Königshöfe, die für längere oder kürzere Zeit der königlichen Familie und dem reisenden Königshof als Aufenthaltsorte dienten, wobei die Erträge aus der königlichen Grundherrschaft partiell verbraucht wurden.12 In diesen Zusammenhang sind die sogenannten Tafelgüter einzuordnen, die besonders im „Tafelgüterverzeichnis“ hervortreten.13 Tafelgüter sind nach Carlrichard Brühl „ solche Güter, deren Zweck und Bestimmung so gut wie ausschließlich darauf gerichtet sind, die Naturalverpflegung des Königs und seines Hofhaltes zu decken.“14 Betrachtet man die Itinerare der Könige, so stellt man fest, dass bestimmte Gegenden häufig und regelmäßig, andere dagegen selten oder überhaupt nicht aufgesucht wurden. Dies hat zur Folge, dass das in den vom König häufig besuchten Gebieten gelegene Königsgut, also das Krongut in den Königslandschaften, ungleich viel stärker für die Versorgung des Hofes in Anspruch genommen wurde als das Königsgut in entlegenen Gebieten. Diese Aussonderung von Tafelgütern bedeutet keine rechtliche Sonderstellung eines Teils des Krongutes, sondern lediglich eine faktische Aussonderung im Hinblick auf einen bestimmten Zweck, nämlich der Sicherstellung der königlichen Hofhaltung im engeren Wirkungsbereich des Königtums. Dies besagt auch keineswegs, dass die übrigen Fronhöfe und Villikationen des Kronguts von der Beherbergung und Verpflegung des Hofes ausgeschlossen gewesen wären. Selbstverständlich wurden auch die abgelegenen Villikationen zur Versorgung des Hofes in den Zentrallandschaften des Königtums genutzt: Beauftragte und Verwalter des Königguts wurden dort untergebracht, etwaige Überschüsse auf den Märkten verkauft und deren Erlöse an die königliche 10 11 12 13 14
Allgemein zur Reichsgutforschung: Metz 1971; Ders. 1978; Heusinger 1923; Rieckenberg 1942; Brühl 1968. Vgl. Peyer 1964. Allgemein zur Pfalzenforschung: Heimpel 1965; Deutsche Königspfalzen 1963–2007; Zotz 1982; Schieffer 2002. Brühl/Kölzer 1979. Brühl 1965, S. 510.
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Kammer abgeführt. Die Tafelgüter in den Kernlandschaften des Königs wie dem Aachener Raum15 und dem Rhein-Main-Gebiet16 standen dagegen fast ausschließlich dem Königshof zur Verfügung und bildeten die ökonomische Basis im Itinerar des Königs, wie sich aus dem Tafelgüterverzeichnis ergibt. Bei der Bewertung des Tafelgüterverzeichnisses standen lange Zeit Fragen der Datierung dieser wichtigen Quelle im Mittelpunkt der mediävistischen Forschung, weniger aber die inhaltliche Beurteilung.17 Überblickt man diese jahrzehntelange Forschungsdiskussion, so sind die Argumente, die Walter Schlesinger 1975 für eine Datierung des Schriftstücks in die Mitte des 12. Jahrhunderts vorbrachte, noch immer überzeugend:18 Das Verzeichnis ist demnach 1152 im ersten Regierungsjahr Friedrich Barbarossas angefertigt worden, als der neue Stauferkönig einen Umritt im Reich vorbereitete. Die Zuordnung des Verzeichnisses zum 11. Jahrhundert, zur frühen Regierungszeit des Salierkönigs Heinrich IV., wurde im Allgemeinen aufgegeben, da schwerwiegende Gründe gegen diese Datierung in die Salierzeit sprechen. Der Text des Tafelgüterverzeichnisses ist offenbar auf der Grundlage einer Vorlage zwischen 1174 und 1215 von einem Schreiber abgefasst worden, der ihn in eine Sammelhandschrift des Aachener Marienstifts eintrug.19 Im Hinblick auf den Zeitansatz der Mitte des 12. Jahrhunderts sprechen mehrere Argumente für diese zeitliche Terminierung. Die Verwendung des Wortes curia statt curtis als Terminus für einen königlichen Wirtschaftshof spricht eindeutig für das 12. Jahrhundert, da curia in diesem Sinne im 11. Jahrhundert noch ganz ungewöhnlich ist. Die Vorrangstellung Sachsens im Verzeichnis ist so auffällig, dass Sachsen als wichtige Machtbasis des neuen Königs zu gelten hat. Das Fehlen von Schwaben und Ostfranken bezieht sich offensichtlich auf eine Zeit, in der ein Stauferherrscher im schwäbischen Raum seine hauptsächliche Machtgrundlage besaß. Die Tatsache, dass der deutsche König lange Zeit nicht mehr in Italien war, wird in dem Schlusssatz des Verzeichnisses ausdrücklich angesprochen. Die Höhe der Servitien der lombardischen Königshöfe war dem Schreiber nämlich nicht bekannt und konnte daher erst bei einem neuen Italienaufenthalt in Erfahrung gebracht werden. Schlesinger hat darauf hingewiesen, dass sich der Zeitpunkt der Abfassung des Tafelgüterverzeichnisses durch weitere Argumente genauer eingrenzen lasse, und zwar auf die Zeitspanne nach der Königskrönung Friedrichs I. in Aachen am 9. März 1152 und vor Antritt seines großen Umritts durch das Reich.20 Die mensa regis Romanorum, zu der die im Verzeichnis aufgeführten Höfe in Sachsen, Rheinfranken und Bayern gehörten, stand damals offensichtlich in einem Kontrast zu einer anderen mensa, nämlich die des staufischen Herzogs Friedrich IV. von Schwaben. Die Königshöfe in Schwaben und im Elsass waren im Frühjahr 1152 offenbar bereits dem jungen Schwabenherzog, dem Vetter Friedrichs I. zugewiesen, so dass 15 16 17 18 19 20
Flach 1992/93. Schalles-Fischer 1969. Vgl. Rösener 1996, S. 289; Dannenbauer 1953; Brühl 1956; Kaminsky 1973. Schlesinger 1975. Vgl. Eisenlohr 1985. Schlesinger 1975.
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sie im Verzeichnis fehlen. Nach dem Tode Konrads III. war bekanntlich nicht sein unmündiger Sohn Friedrich zum König gewählt worden, sondern stattdessen sein Neffe Friedrich, Herzog von Schwaben. Der junge, noch unmündige Friedrich erhielt daher das Herzogtum Schwaben als Ausgleich, mitsamt den dort gelegenen Reichs- und Hausgütern. Vor Antritt des großen Umritts durch das Reichsgebiet richtete der Kanzler des Königs, Arnold von Selehofen, offenbar eine Anfrage an einen Angehörigen der königlichen Kanzlei und erbat eine Auskunft über die wirtschaftlichen Grundlagen der geplanten Reise.21 In diesen Zusammenhang gehört eine Passage des Verzeichnisses, die folgendermaßen lautet: Die Höfe in Sachsen gewähren dem König so viele Servitien, wie es Tage im Jahr gibt und noch vierzig mehr (Iste curie tantum de Saxonia dant regi tot servitia quot sunt dies in anno et XL plus).22 Diese ungewöhnliche Aussage ist nur dann verständlich, wenn eine Anfrage in dem Sinne vorlag, wie lange denn der Königshof in Sachsen überhaupt verpflegt werden könne. Die beruhigende Antwort lautete: das ganze Jahr hindurch und noch etliche Tage darüber hinaus. Im Tafelgüterverzeichnis werden daher auch keineswegs alle sächsischen Königshöfe vollständig aufgeführt, sondern nur diejenigen im Umkreis des Harzes, im nordthüringischen Raum und im östlichen Markengebiet. Ausgespart bleibt der engere Herrschaftsbereich Heinrichs des Löwen, der sich von Lüneburg über Braunschweig nach Northeim erstreckte,23 aber auch das Reichsgut im südlichen Westfalen mit seinen Zentren in Dortmund und Soest. Frage und Antwort werden daher im Sinne eines neuen Königs gegeben, der Sachsen bisher wenig kannte und hier seine Anwesenheit vor allem in den südlichen Landesteilen mit ihren beiden Hauptorten Goslar und Merseburg sichtbar inszenieren wollte. Der Höhepunkt seines Aufenthalts im Norden des Reiches war zweifellos Merseburg, wo Friedrich Barbarossa feierlich das Pfingstfest beging und seinen ersten Hoftag abhielt.24 Unter den geistlichen und weltlichen Herren, die diesen Hoftag besuchten, befand sich an vorderster Stelle Heinrich der Löwe, mit dem Friedrich Barbarossa ein Übereinkommen über die Neuordnung im Herzogtum Sachsen und im Reich erzielte.25 Welche Bedeutung hatten gemäß dem Tafelgüterverzeichnis die Königshöfe in der Mitte des 12. Jahrhunderts? Welche Maßnahmen ergriff Friedrich I. zur Stärkung seiner Königsmacht? Nach der Beilegung des Konflikts mit Heinrich dem Löwen konnte Friedrich Barbarossa mit neuer Zuversicht daran gehen, die wirtschaftlichen und politischen Machtgrundlagen des Königtums im Bereich des Reichsguts und der Reichsrechte zu konsolidieren und im Zuge einer aktiven Reichslandpolitik neue königliche Machtkomplexe und Herrschaftsbereiche aufzubauen.26 Grundlage königlicher Territorialpolitik mussten neben den Städten und 21 22 23 24 25 26
Ebd., S. 198; Hausmann 1956, S. 122–134. Brühl/Kölzer 1979, S. 53. Vgl. Jordan 1980, S. 103–111. Vgl. Opll 1978, S. 8 f. Vgl. Jordan 1980, S. 48. Dazu Bosl 1950/51, Bd. 1, S. 140–143; Vollmer 1951; Opll 1990, S. 228–230.
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Burgen auch die Grundbesitzungen des Reiches sein, die im Tafelgüterverzeichnis mit ihren Zentren, den Königshöfen (curiae), klar hervortreten. Diese curiae standen als Haupthöfe im Mittelpunkt von Villikationen, die sich im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts in zweierlei Hinsicht veränderten. Erstens bildete sich immer mehr ein sogenanntes Servitiensystem mit festen Abgaben zu bestimmten Terminen heraus,27 wie es die Grundherrschaft der früheren Jahrhunderte noch nicht gekannt hatte. „Servitium“ konnte zwar schon länger eine vorgeschriebene Lieferung für den Bedarf des Grundherrn bedeuten, aber ein fixiertes Servitium als Abgabe von einzelnen Villikationen darf vor der Mitte des 12. Jahrhunderts im Allgemeinen nicht erwartet werden. Im Laufe des 11. und 12. Jahrhunderts entwickelten sich dann besonders in den kirchlichen Grundherrschaften, aber auch in den Grundherrschaftskomplexen des Königs detaillierte Servitienordnungen heraus, die auch bei den Servitien des Tafelgüterverzeichnisses hervortreten. Konsumzentren wie Klöster, Stiftskirchen und Bischofshöfe werden durch ein kompliziertes System von Wochen- und Tagesservitien mit genau berechneten Naturallieferungen an Schlachtvieh, Getreide, Wein und sonstigen Produkten versorgt. Zweitens vollzog sich innerhalb der Villikationen allmählich ein grundlegender Wandel, der unsere Aufmerksamkeit verdient.28 Die alte Villikationsverfassung löste sich auf, die Grundherren reduzierten ihre Eigenwirtschaft auf den Fronhöfen und wandten sich einem System zu, bei dem Geld- und Naturalrenten hervortraten. Es ging dabei vorwiegend um fixierte Geld- und Naturalrenten, aber daneben kam bei der Verpachtung von Meierhöfen auch der Teilbau mit einer quotierten Aufteilung der Ernteerträge vor. Von den im Tafelgüterverzeichnis aufgeführten curiae lagen 20 in Sachsen, 21 in Rheinfranken, zwölf in Bayern und 28 in der Lombardei.29 Alle Königshöfe waren mit bestimmten Servitien (regalia servitia) belastet, die sich in Deutschland aus Naturalien (Kühe, Schweine, Hühner, Eier, Käse, Gänse, Bier, Pfeffer, Wachs und Wein), in Italien aber weitgehend aus Geldbeträgen zusammensetzten. In diesem unterschiedlichen Leistungskatalog der deutschen und lombardischen Königshöfe spiegelt sich deutlich die differenzierte Wirtschaftsentwicklung in beiden Reichsteilen. Die nordalpinen Königshöfe waren in ihren Rentenformen noch stark naturalwirtschaftlich ausgerichtet, während die Königshöfe in Reichsitalien bereits überwiegend von der voranschreitenden Geldwirtschaft geprägt waren. Was lässt sich zur Größe der Kurien mit ihren Haupt- und Nebenhöfen sagen? Berechnungen zum Königshof Grone30 bei Göttingen, der im Tafelgüterverzeichnis auftaucht, haben ergeben, dass zum königlichen Wirtschaftshof in Grone im Nahbereich ungefähr 30 Hufen gehörten, der Reichsgutkomplex Grone insgesamt aber ein Zubehör von etwa 70 Hufen aufwies.31 Ihre größte Bedeutung erlangte die 27 28 29 30 31
Vgl. Metz 1978, S. 10–20; Brühl 1968, S. 180–219. Zum Strukturwandel der Grundherrschaft: Lütge 1967, S. 83–94.; Dollinger 1982, S. 121– 126; Rösener 1991, S. 373–386. Brühl/Kölzer 1979, S. 53. Zur Pfalz Grone: Gauert 1965; Zotz 1987. Rösener 1996, S. 295 f.
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Pfalz Grone im frühen 11. Jahrhundert, als sich König Heinrich II. jeweils für längere Zeit in Grone mit großem Gefolge aufhielt und dort im Sommer 1024 auch verstarb.32 Die Pfalz Grone mitsamt ihrem Wirtschaftshof und dazugehörigen Pertinenzen muss eine beachtliche Versorgungskapazität besessen haben, da sie zwischen 941 und 1025 18 bezeugte Königsaufenthalte zu bewältigen hatte33 und offenbar auch noch im 12. Jahrhundert von den Königen als Reisestation genutzt wurde. Der Umfang der im Tafelgüterverzeichnis gleichfalls erwähnten Kurie in Werla war ursprünglich wahrscheinlich größer als in Grone.34 1086 gelangten etwa 200 Hufen aus dem Fiskus Werla durch eine Schenkung des Salierkönigs Heinrich IV. an das Hildesheimer Hochstift. Wie viele Hufen nach dieser Besitzübertragung dem Reich im Werlaer Fiskalbereich noch verblieben sind, ist schwer abzuschätzen. Der Reichsbesitz von Werla, dem alten Vorort des sächsischen Stammes, war auch nach der Güterschenkung an Hildesheim sicherlich noch beträchtlich. Nur so konnte der König, der sich im 11. und 12. Jahrhundert oft für längere Zeit in der benachbarten Goslarer Pfalz aufhielt, mit den notwendigen Getreidemengen und Lebensmitteln versorgt werden.35 Das Servitiensystem der Königshöfe mit seiner genau bemessenen Zahl von Naturallieferungen, wie sie im Tafelgüterverzeichnis auftauchen, ist Ausdruck des Strukturwandels, den die Grundherrschaft des Königs ebenso wie die Grundherrschaften der Kirchen und des Adels im 12. Jahrhundert erlebten.36 An die Stelle eines unbemessenen Servitiums, wie es für die frühmittelalterliche Grundherrschaft charakteristisch war,37 trat im 11. und 12. Jahrhundert ein System von fixierten Naturallieferungen, die von den Fronhöfen verlangt wurden. Die Vielfalt von Naturalien, die im Tafelgüterverzeichnis in Form von Rindern, Schweinen und anderen Agrarprodukten in Erscheinung tritt, steht dabei keineswegs isoliert da. Ein Blick auf die Grundherrschaften vieler Reichsklöster und Bischofskirchen lässt ähnliche Bewirtschaftungssysteme und Grundherrschaftsformen erkennen. Dies lässt sich im sächsischen Raum bei den Grundherrschaften des Reichsklosters Corvey, des Klosters St. Liudger zu Helmstedt und auch beim Goslarer Domstift St. Simon und Juda, das eng mit dem Pfalzort Goslar verbunden war, gut beobachten.38 In den Untersuchungen von Bruno Heusinger, Wolfgang Metz und anderen zur Wirtschaftsverfassung der im Tafelgüterverzeichnis aufgeführten Kurien wird der Teilbau als typische Bewirtschaftungsform des 12. Jahrhunderts hingestellt39 und damit das Fehlen des Getreides bei dem Servitienkatalog der Kurien erklärt. Die Fronhöfe der königlichen Grundherrschaft seien nämlich nach Teilbaurecht bewirtschaftet worden, so dass die Höhe der gelieferten Getreidemenge nicht präzise verzeich32 33 34 35 36 37 38 39
Gauert 1965, S. 126 f. Zotz 1987, S. 32. Zu Pfalz und Kurie Werla: Berges 1963; Rieckenberg 1965. Wilke 1971, S. 20–33. Vgl. Rösener 1991, S. 373–386. Vgl. die Beiträge in dem Sammelband: Strukturen der Grundherrschaft 1989. Vgl. Rösener 1980, S. 128–138; Kaminsky 1972, S. 224–239; Kötzschke 1901; Wilke 1971, S. 20 f. Metz 1978, S. 45–64; Heusinger 1923, S. 100.
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net werden konnte. Ein Vergleich mit den geistlichen Grundherrschaften des 12. Jahrhunderts lässt aber erkennen, dass die Herrenhöfe in der Mitte des 12. Jahrhunderts in der Regel noch in eigener Regie bewirtschaftet wurden und dass das gewonnene Getreide unbemessen an die jeweiligen Grundherren gelangte, während gleichzeitig bereits fixierte Abgabenkataloge bei Schlachtvieh, Geflügel und anderen Produkten dominierten. Servitiensysteme mit festen Abgabenvorschriften für verschiedene Naturalien und unbemessene Getreidelieferungen sind daher keine Gegensätze, sondern existieren in vielen Grundherrschaften des 12. Jahrhunderts nebeneinander.40 Die im Tafelgüterverzeichnis aufgeführten Kurien dienten offenbar vor allem der Versorgung des reisenden Königshofes. Wie war der deutsche Königshof in der Mitte des 12. Jahrhunderts organisiert, welche Verwaltungsstrukturen und Größenverhältnisse lassen sich erkennen? Bedauerlicherweise besitzen wir für das 11. und 12. Jahrhundert keine genauen Zahlenangaben über den Umfang des königlichen Gefolges auf den Reiserouten durch das Reich und an den einzelnen Aufenthaltsorten, so dass wir auf vereinzelte Hinweise von Chronisten und auf Überschlagsrechnungen angewiesen sind. An den einzelnen Stationen des königlichen Itinerars, auf den Pfalzen und Königshöfen, wird das Hofgefolge des Königs leicht mehr als tausend Personen umfasst haben, zumal zahlreiche Gäste und das ständige Personal am Ort selbst hinzukamen.41 Einen außergewöhnlichen Charakter besaßen große Hoftage wie das berühmte Mainzer Hoffest von 1184, an dem viele Reichsfürsten mit großem Gefolge teilnahmen, so dass sicherlich mehr als 10.000 Personen in Mainz versammelt waren, nicht jedoch 70.000 Ritter, wie der Chronist Giselbert von Mons übertreibend darstellt.42 Aufgrund der beachtlichen Quantität des königlichen Gefolges auch an normalen Tagen sind vereinzelte Nachrichten über den Bedarf und Konsum der königlichen Hofhaltung wertvoll, da sie uns einen Eindruck vom Umfang der erforderlichen Leistungen und von der Höhe der ökonomischen Belastung königlicher Wirtschaftshöfe vermitteln. Der Annalista Saxo beziffert den Tagesverbrauch des königlichen Hofes zum Jahr 968 auf 1.000 Schweine und Schafe, 10 Fuder Wein und ebenso viele Fuder Bier, 1.000 Malter Getreide, acht Rinder und anderes mehr.43 Eine vorsichtige Hochrechnung der Schweine- und Schaffleischmenge würde nach Brühl ein Gefolge von über 4.000 Personen ergeben.44 Diese Zahl ist aber viel zu hoch angesetzt und entspricht nicht der Stärke des königlichen Gefolges in Normalzeiten. Trotz dieser Einschränkung bleibt aber festzuhalten, dass der reisende Königshof Tag für Tag auf eine beträchtliche Zufuhr von Fleisch und Getreide angewiesen war. Unsere Untersuchungen zum Tafelgüterverzeichnis haben verdeutlicht, dass die Königshöfe des Reiches in der Anfangszeit König Friedrichs I. eine unentbehr40 41 42 43 44
Rösener 1996, S. 300. Brühl 1968, S. 169. La Chronique de Gislebert de Mons 1904, S. 156; Fleckenstein 1976. Annalista Saxo 1844, S. 622. Brühl 1968, S. 176.
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liche Grundlage der Königsherrschaft darstellten. Die Kurien der Tafelgüter versorgten mit ihren beträchtlichen Lieferungen den ambulanten Königshof mit den wichtigsten Lebensmitteln und garantierten so die materielle Basis der Königsherrschaft in den verschiedenen Reichsteilen. Die Höhe der Servitien einzelner Kurien erlaubt dabei einige Rückschlüsse auf den Umfang und die Leistungskraft königlicher Villikationen mit ihren dazugehörigen Salländereien und Bauernhufen. Das Servitiensystem der Tafelgüter unterscheidet sich dabei im 12. Jahrhundert nicht grundsätzlich von Servitialordnungen kirchlicher Grundherrschaften, in denen man ähnliche Formen der Wirtschaftsverfassung und Grundherrschaftsorganisation findet. Im Tafelgüterverzeichnis spiegelt sich eine noch weitgehend naturalwirtschaftliche Ausrichtung der Königshöfe, was zugleich ein Hauptargument für die Datierung dieser Schriftquelle auf die Mitte des 12. Jahrhunderts darstellt. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und erst recht im 13. Jahrhundert setzte sich im Zuge des Grundherrschaftswandels immer stärker die Geldwirtschaft auch im Agrarbereich durch und Naturalleistungen wurden häufig durch Geldzahlungen ersetzt. Im Laufe des 13. Jahrhunderts traten jedenfalls die geldwirtschaftlichen Faktoren und ein festes System von Geld- und Naturalrenten auch in der Reichsverwaltung in den Vordergrund.45 Ein wichtiger Beleg für diesen Wandlungsprozess ist die Jahresrechnung des Amtmanns Gerhard von Sinzig aus dem Jahre 1242.46 Im Tafelgüterverzeichnis ist Sinzig noch mit zwei Servitien eingetragen; die Kurie Sinzig, die inmitten eines bedeutenden Reichsguts am Rhein bei Andernach lag, hatte demnach um 1150 die üblichen Naturalleistungen für den Königshof aufzubringen.47 In der Sinziger Jahresrechnung von 1242 spielten aber die Naturaleinkünfte nur noch eine marginale Rolle; sie bestanden aus wenigen Getreide- und Weinmengen, die sofort verkauft wurden. Als Konrad IV. 1242 Sinzig besuchte, erwuchs dem Amtmann Gerhard daraus eine Geldausgabe von 62 Mark und 26 Denaren; außerdem musste der Amtmann für den Aufenthalt Konrads IV. in Trier eine Geldsumme von acht Pfund beisteuern.48 Das frühere Servitium mit Naturalleistungen ist also ganz durch Geldzahlungen ersetzt worden. Parallel zu diesem Vordringen der Geldwirtschaft hat sich die Wirtschaftsstruktur des Reichsguts Sinzig im ausgehenden 12. Jahrhundert erheblich gewandelt: Die Eigenwirtschaft der Fronhöfe ist stark reduziert, die Frondienste der Hufenbauern sind zumeist durch Geldrenten abgelöst worden. Daher bestand im Jahre 1242 nur noch ein Rest von grundherrlicher Eigenwirtschaft. Die geringe Bebauung des Fronhoflandes ergibt sich deutlich aus den Geldaufwendungen des Amtmanns bei der Getreide- und Weinernte. Ein direkter Verbrauch der Erträge durch den Königshof fand aber zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr statt, da die Ernteerträge sofort auf dem Markt abgesetzt wurden.49
45 46 47 48 49
Vgl. Niese 1905, S. 92–113; Brühl 1968, S. 196; Deich 1974. Helbach 1989. Vgl. Metz 1964, S. 116–121. Brühl/Kölzer 1979, S. 53. Helbach 1989, S. 261 f. Vgl. Zotz 1995, S. 111 f.
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Im Zuge des Vordringens der Geldwirtschaft und des Aufblühens des Städtewesens traten die Reichslandstädte im 13. Jahrhundert immer mehr an die Stelle der alten Krongüter. Infolge der Turbulenzen des Thronstreites zwischen Philipp von Schwaben und Otto IV. und aufgrund der langjährigen Kämpfe in der Spätzeit der Staufer wurde das Reichsgut in vielen Reichsteilen stark geschmälert.50 So stützten sich die Könige nun hauptsächlich auf die mächtig anwachsenden Städte, deren Wirtschaftspotential den Ausfall der Lieferungen der Tafelgüter und der Reichskirche ausgleichen musste. Die Stadtsteuern wurden daher im Spätmittelalter zur wichtigsten Einnahmequelle des deutschen Königtums. In welchem Ausmaß bereits Friedrich II. auf die Geldleistungen der Reichslandstädte angewiesen war, zeigt das staufische Steuerverzeichnis von 1241, das insgesamt die beträchtliche Höhe von 7.100 Mark Silber ausweist.51 3. RÄUMLICHE ENTWICKLUNGSUNTERSCHIEDE IM REICH In welchem Ausmaße haben die deutschen Könige den ausgedehnten Raum des Regnum Teutonicum im Hochmittelalter erfasst? Welche Entwicklungsunterschiede mussten die Herrscher bei ihren Reisen durch das Reich berücksichtigen? Der deutsche König des Hochmittelalters hatte bekanntlich keine feste Residenz, er zog vielmehr in einem „Reich ohne Hauptstadt“ von Pfalz zu Pfalz, von Stadt zu Stadt.52 Die ältere Forschung hat den Grund dafür in der Naturalwirtschaft gesucht und angenommen, dass der König den Unterhalt für sich und seinen Hof nur dadurch finden konnte, dass er die Überschüsse der Domänenerträge an Ort und Stelle verzehrte. Diese Auffassung wurde in ihrer allgemeinen Form bald als übertrieben erkannt und auf ein berechtigtes Maß reduziert. Der Annahme, dass der König und sein Gefolge die Überschüsse nicht selbst verzehren müssten, lag allerdings der berechtigte Gedanke zugrunde, dass die Königsreisen mit den Königsgütern und der darauf beruhenden Versorgung mit Lebensmitteln in ursächlichem Zusammenhang standen. Es stellt sich aber die Frage, ob die Leistungsfähigkeit der Königshöfe tatsächlich die primäre Ursache des königlichen Reisewegs war oder politische Gründe für die Wahl bestimmter Reiserouten sprachen. Der Königsumritt, der die neuen Könige im 11. und 12. Jahrhundert immer wieder zu einigen Hauptorten und durch dieselben Landschaften führte, wurde besonders als Argument gegen die „Konsumtheorie“ vorgebracht.53 Mit den räumlichen Aspekten der deutschen Königsherrschaft hat sich vor allem Theodor Mayer befasst und anhand der Itinerare die Raumdurchdringung der Könige analysiert. Aus den Itinerarkarten der deutschen Könige lassen sich durchaus wichtige Erkenntnisse zum Wirkungsbereich des deutschen Königtums und zur 50 51 52 53
Dazu die Untersuchungen von Schlunk 1988, S. 179–202. MGH Const. 3, S. 1–5; Vgl. Metz 1964, S. 98–115; Martin 1977. Die hier und im Folgenden verwendeten Siglen werden im Quellenverzeichnis aufgelöst. Berges 1952; Peyer 1964. Vgl. Müller-Mertens 1980; Ders./Huschner 1992; Schmidt 1961.
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Struktur der deutschen Königsherrschaft gewinnen.54 Das deutsche Reich hatte keinen geographischen Mittelpunkt, verfügte aber über eine Rheinlinie, von der aus sich das deutsche Land in zwei getrennten Zonen nördlich und südlich der mitteldeutschen Höhenzüge erstreckte. Aus dieser geographischen Lage entwickelten sich im deutschen Reich des Hochmittelalters drei Kernlandschaften: der Raum um den Harz, das Rhein-Main-Gebiet und die Gegend um Regensburg. Neben diesen zentralen Räumen gab es selbstverständlich weitere Landschaften und Regionen, in denen die königliche Gewalt im Zeitalter des Personenverbandsstaates zur Wirkung gelangte. Eine frühe Form der Flächenherrschaft entwickelten nach Mayer die Herzöge von Zähringen, indem sie durch eine dichte Raumerfassung einen Territorialstaat begründeten.55 Wichtige Aspekte zur deutschen Raumgliederung und Raumentwicklung nannte auch Walter Schlesinger, indem er auf die Gliederung des hochmittelalterlichen deutschen Reiches in drei Siedlungs- und Kulturräume verwies: eine Germania Romana im Westen, eine Germania Germanica in der Mitte und eine Germania Slavica im Osten.56 Unbestritten war der Rhein die von der Spätantike fixierte und von der kirchlichen Organisation akzentuierte erste entwicklungsgeschichtliche Grenzlinie, die den römischen Kulturraum vom freien Germanien trennte. Der Rhein markierte auch noch im 10. Jahrhundert zu Beginn der deutschen Geschichte ein Entwicklungsgefälle zwischen dem Rheinland und dem weniger entwickelten rechtsrheinischen Gebiet. Der slawische Raum jenseits von Elbe und Saale wurde erst seit dem 12. Jahrhundert im Rahmen der deutschen Ostsiedlung stärker erschlossen. Anregende Gedanken zu den Entwicklungsunterschieden im deutschen Reichsgebiet gingen 1987 von Peter Moraw aus. Deutschland wurzelt nach seiner Meinung „in Kern- und in Randlandschaften und entfaltete seine selbstständige Geschichte in nichtkarolingische Gebiete hinein.“57 Die Entwicklungsunterschiede zwischen den älteren und jüngeren Reichsteilen skizzierte er vor allem in drei Bereichen: in der Kirchenorganisation, im Städtewesen und bei den Universitätsgründungen. Neben dem West-Ost-Gefälle wird von Moraw auch ein Süd-Nord-Gefälle im mittelalterlichen Europa konstatiert. Wichtige Hinweise zur Raumordnung der Stauferzeit gewährt der Umritt, den Friedrich Barbarossa 1152 zu Beginn seiner Regierungstätigkeit unternahm.58 Nach der Wahl in Frankfurt am 4. März 1152 begab sich Friedrich I. nach Aachen, wo er von Erzbischof Arnold von Köln gesalbt und gekrönt wurde. Von Aachen aus trat der neue König seinen Umritt durch das Reich an, der zunächst nach Köln führte, wo das Osterfest feierlich begangen wurde. Von hier aus zog Friedrich auf dem Hellweg nach Sachsen, mit Stationen in Paderborn und Goslar. Zu Pfingsten fand ein großer Hoftag zu Merseburg statt, der von vielen Fürsten aus Sachsen und 54 55 56 57 58
Mayer 1959a (mit Itinerarkarten). Ders. 1959b. Schlesinger 1961; Ders. 1963. Moraw 1995, S. 294. Vgl. Opll 1990, S. 41–45; Ders. 1978. Eine Kartenskizze zum Umritt Barbarossas von 1152 bei Rösener 1996, S. 291.
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Thüringen besucht wurde. Von Merseburg ging die Fahrt weiter zur bayerischen Herzogsstadt Regensburg, wo Barbarossa von Herzog Heinrich und den bayerischen Magnaten empfangen wurde. In Ulm traf der König auf einem Hoftag vor allem mit schwäbischen Fürsten und Herren zusammen. Im Oktober 1152 wurden auf einem Hoftag im fränkischen Würzburg dann dringliche Fragen zur künftigen Politik in Italien besprochen. Zu Ende des Jahres begab sich Friedrich nach Westen und feierte in Trier das Weihnachtsfest. Damit hatte er im Jahre 1152 bereits alle wichtigen Stammesgebiete besucht und das Reich raummäßig erfasst, wie es von einem neuen König erwartet wurde. Aufschlussreiche Einsichten zur Raumerfassung des Stauferkönigs im Regnum Teutonicum gewährt das Gesamtitinerar Friedrichs I. von 1152 bis 1189.59 Wirkungsbereich und Intensität königlicher Herrschaft in den einzelnen Reichsteilen spiegeln sich deutlich in diesen Zügen durch das Reich. Ein eindeutiger Schwerpunkt königlicher Aufenthaltsorte lag in dem Gebiet zwischen Rhein, Main und Donau.60 Davon abgestuft ergeben sich zwei weitere Zentren: eines in SachsenThüringen und eines im Raum Köln-Aachen. Mehr als ein Drittel aller bezeugten Aufenthalte entfällt auf Bischofskirchen, an der Spitze Worms, Würzburg und Regensburg, und bereits mehr als ein Viertel auf die Pfalzorte, die zusammen mit den Reichsstädten bis zum Ende der Staufer in den Vordergrund treten sollten. Als natürliche Drehscheibe des Itinerars stellt sich das Rhein-Main-Gebiet dar, das bereits unter den Salierkönigen eine erstrangige Bedeutung hatte.61 Der Raum nördlich von Main und Mosel tritt in dem Jahrzehnt nach 1180 im Itinerar Barbarossas stark zurück. Die Aufenthaltsorte des Königs in Sachsen nach 1180 konzentrierten sich auf die kriegerischen Auseinandersetzungen mit Heinrich dem Löwen sowie auf einige Ordnungsmaßnahmen im Jahre 1188 im Vorfeld des Kreuzzuges. Im Süden engt sich das bayerische Itinerar des Königs fast ganz auf den Vorort Regensburg ein. Als Resümee zum Itinerar Barbarossas ergibt sich demnach, dass im letzten Jahrzehnt Barbarossas Rhein- und Ostfranken, Schwaben, Elsass sowie der bayerische Nordgau in räumlicher Hinsicht den Wirkungsbereich des Königs darstellten.62 Der Schwerpunkt der Königsherrschaft liegt dabei unverkennbar in den staufischen Stammlanden und in Süddeutschland, wie es später unter König Rudolf von Habsburg noch stärker der Fall sein sollte.63 Unter Friedrich Barbarossa wurden mehrere Pfalzen und Königshöfe im Reichsgebiet planmäßig ausgebaut und erneuert, die dem König bei seinen Reisen als Stationen dienten. In den „Gesta Frederici“ schreibt dazu der Chronist Rahewin: „Die herrlichen, einst von Karl dem Großen errichteten und großartig ausgestatteten Pfalzen in Nimwegen und bei dem Hof Ingelheim, äußerst starke, aber durch Vernachlässigung und Alter schon sehr morsch gewordene Bauwerke, hat er aufs Beste wiederhergestellt und dabei seine außergewöhnliche, ihm angeborene Hoch59 60 61 62 63
Kölzer 2002, S. 45 f. Ebd., S. 7 f. Vgl. Schlesinger 1965. Kölzer 2002, S. 7 und 47 (Kartenskizze). Vgl. Boshof 2002; Martin 1977, nach S. 288 (Itinerar Rudolfs von Habsburg).
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herzigkeit bewiesen; in Kaiserslautern hat er eine Königspfalz aus roten Steinen errichtet und mit nicht geringer Freigebigkeit ausgestattet.“64 Neben diesen von Rahewin genannten Pfalzen gehen offenbar auch die Pfalzen in Hagenau, Nürnberg, Gelnhausen, Eger, Altenburg und Kaiserswerth auf Friedrich I. zurück.65 Damit setzte der machtbewusste Stauferkönig in den alten und neuen Kernlandschaften des Reiches neue Akzente, die der Stärkung seiner Herrschaft dienen sollten. Die Pfalz Hagenau im nördlichen Elsass ging aus einer Burg hervor, deren Anfänge wahrscheinlich auf den Grafen Hugo von Egisheim zurückreichen und die von den Staufern zusammen mit dem angrenzenden Heiligen Wald erworben worden war.66 In unmittelbarer Nähe zu dieser Burg gründete Herzog Friedrich II. von Schwaben vor 1125 eine Stadt, deren Rechte der Sohn des Gründers, Friedrich I., 1164 schriftlich fixierte. Pfalz und Stadt gingen im Laufe der Zeit eine enge Verbindung ein, was sich besonders im Hagenauer Stadtrecht ausdrückte. Zwei Bestimmungen dieses Stadtrechtes sind dabei besonders auffällig. Wenn der König die Stadt betrat, sollte sein Marschall ohne Schaden für die Bürger Verordnungen über die Quartiere erlassen.67 Die Stadt und ihre Bürgerschaft wurden demnach der königlichen Herrschaftspraxis bei der Quartiersuche nutzbar gemacht, doch schien es notwendig, diese Vorgehensweise mit den Bedürfnissen der Hagenauer Bürger abzustimmen. In der östlichen Wetterau entstand unter Friedrich Barbarossa die Pfalz Gelnhausen als wichtige Station im Königsitinerar.68 Am 13. April 1180 hielt Kaiser Friedrich in Gelnhausen den berühmten Hoftag ab, auf dem der in mehreren Etappen geführte Prozess gegen Heinrich den Löwen durch die Aufteilung des Herzogtums Sachsen zu einem gewissen Abschluss gebracht wurde.69 Die Gründung dieser Pfalz erfolgte nahe der Stadt Gelnhausen, für die der König bereits 1170 eine wichtige Urkunde ausgestellt hatte. Wann genau und unter welchen Bedingungen die Pfalz Gelnhausen entstand, die ursprünglich mit Rechten des Mainzer Erzstifts verknüpft war, ist noch immer weitgehend unklar. Die Errichtung der prächtigen und gut befestigten Königspfalz Gelnhausen trug wesentlich zur Stärkung der königlichen Stellung in einer Zeit bei, in der die Grundlagen der Königsherrschaft sowohl in der Wetterau als auch im Reich neu geordnet werden mussten.70 In diesem Kontext erhielten besonders die Pfalzen in Frankfurt und Gelnhausen eine wichtige Funktion in der Zentrallandschaft des Rhein-Main-Gebiets. Nach Ansicht des Chronisten Otto von Freising befand sich im Gebiet von Mainz den Rhein entlang bis nach Basel die vis maxima imperii, die Hauptbasis des Stauferreiches.71 64 65 66 67 68 69 70 71
Otto von Freising/Rahewin, Die Taten Friedrichs, S. 712 f. Vgl. Zotz 1994, S. 17. Ebd., S. 17–19. Ebd., S. 17. Vgl. Schwind 1994. MGH D F I, Bd. 3, Nr. 795. Vgl. Heinemeyer 1981 (dort die ältere Literatur sowie der Text der Gelnhäuser Urkunde). Zur staufischen Reichslandpolitik in der Wetterau: Metzner 2009, S. 206–212; Schwind 1972, S. 1–86. Otto von Freising/Rahewin, Die Taten Friedrichs, S. 152.
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Hier lagen im 12. Jahrhundert die wichtigsten Königshöfe, Burgen und Städte der Stauferherrscher. Inwieweit man dabei von einem Stauferstaat am Oberrhein und im südwestdeutschen Raum sprechen kann, soll hier nicht weiter erörtert werden. 4. DER KÖNIGSHOF ALS MITTELPUNKT DES REICHES Neben den ökonomischen Ressourcen des Königtums spielte der Königshof mit seinem Personenkreis eine wichtige Rolle als Integrationsfaktor der Königsherrschaft. Der Königshof des Hochmittelalters tritt uns als ein komplexes Herrschaftsund Sozialgebilde entgegen, in dem politische, soziale und kulturelle Strukturelemente eng miteinander verknüpft waren.72 Der Hof des Königs war in der Stauferzeit die Bühne königlichen Handelns und der Interaktion mit den das Reich tragenden Großen, das Zentrum königlicher Herrschaft und Verwaltung.73 Wenn wir unseren Blick auf den Hof Friedrichs I. richten, so können wir eine Unterscheidung zwischen Kernhof und erweitertem Hof vornehmen.74 Der engere Hof des Stauferkönigs setzte sich an den jeweiligen Aufenthaltsorten aus den Mitgliedern der Hofkanzlei und der Hofkapelle sowie aus den ständig anwesenden Hofbeamten und einer unterschiedlichen Zahl von Gefolgsleuten zusammen, die den König auf seinen Reisen durch das Reich begleiteten. Innerhalb des engeren Hofes, an dem sich auch die Ratgeber des Königs in unterschiedlichen Reichsangelegenheiten befanden, konnten mit der Bezeichnung curia auch eigene Institutionen benannt sein wie vor allem das Hofgericht sowie das Lehnsgericht. Der Hof des Königs, der unter den Bedingungen des Reisekönigtums eine hohe Mobilität und Anpassungsfähigkeit haben musste, bildete auch den Kern der Hofversammlungen, die bei den ungefähr 150 Hoftagen in den einzelnen Reichsteilen unter Friedrich I. hervortraten.75 Auf den personalen Bezügen, der unmittelbaren Kommunikation zwischen König und Fürsten, beruhte in erster Linie die Verbindung von Königshof und Reich. Die Königsherrschaft war im Hochmittelalter vor allem auf die Mitwirkung der weltlichen und geistlichen Großen angewiesen, da nur so der Herrschaftsraum des ausgedehnten Reiches erfasst und durchdrungen werden konnte. Der König war daher immer wieder auf die Schaffung eines erträglichen Einvernehmens mit den Großen angewiesen, die ihrerseits durch vielfältige personale Bindungen vernetzt waren.76 Unter den Bedingungen des hochmittelalterlichen Reisekönigtums spiegelte sich der Wirkungsraum königlicher Herrschaft unter Friedrich I. auch in dem Kreis angesehener Personen, die der König bei seinen Reisen jeweils an seinen Hof zu ziehen vermochte. Die personelle Zusammensetzung des reisenden Stauferhofes änderte sich daher durch Zu- und Abgang ständig und die Begleitung hochgestellter Personen über viele Stationen des königlichen Itinerars hinweg ist die Ausnahme 72 73 74 75 76
Vgl. Rösener 2008, S. 53–72. Vgl. Kölzer 2002, S. 4 f. Vgl. Rösener 2002. Ebd., S. 378. Vgl. Ders. 2008, S. 55.
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und trifft insgesamt nur für einen kleinen Personenkreis zu. Einen personalen Kern erkennt man besonders in den Hofgeistlichen und in den Notaren der Kanzlei sowie in den Inhabern der Hofämter.77 Aufs Ganze gesehen war das institutionelle Gefüge des staufischen Königshofes im Vergleich mit Frankreich und England relativ unterentwickelt und rückständig. Die vom täglichen Hof nur graduell unterschiedene Hoftagspraxis wies eine regionalisierte Struktur auf. Der König hielt auf seinen Reisen durch das Regnum Teutonicum an bestimmten Orten Hof und beschäftigte sich vor allem mit Problemen, auf die sich das Hauptinteresse der örtlichen Hofbesucher richtete. Die normale Regierungstätigkeit Barbarossas fand also vor Ort in der jeweils aufgesuchten Region statt, wobei eingesessene Fürsten und Magnaten sich an der Konsensbildung beteiligten.78 Hier wurden regionale Probleme durch einen jeweils erweiterten Hof verhandelt und entschieden. Wichtige überregionale Konflikte wurden vorrangig in bestimmten Zentralräumen und an prominenten Pfalzorten verhandelt, wozu unter Barbarossa vor allem solche im Mittelrheingebiet zählten. Aus Sicht der Hofbesucher rechtfertigte das eigene Interesse die Fahrt zum Königshof auch über größere Entfernungen, wenn wichtige Entscheidungen anstanden. Bei allen Untersuchungen zur Hofstruktur und Hofpräsenz muss aber auch die Multifunktionalität des Königshofes berücksichtigt werden. Karl Leyser, der den Hof Barbarossas detailliert untersuchte und Vergleiche mit den westeuropäischen Höfen anstellte, betonte den wenig institutionalisierten Charakter des deutschen Königshofes.79 Den Stauferhof wollte er nicht in erster Linie als Entscheidungsinstanz für politische Entschlüsse sehen, sondern als „sozialen Mittelpunkt“ des Reiches: „Oft sieht man, wie sich dort die Generationen ablösten. Grafen und Reichsministeriale etwa waren bemüht, ihre Söhne dort einzuführen und vorzustellen, wie sich das gelegentlich aus den Zeugenlisten der Diplome klar ergibt.“80 Die Regierungshandlungen Friedrich Barbarossas seien außerdem nur eine Kette von sporadischen Streitschlichtungen und Gunsterweisungen gewesen. Das Mainzer Pfingstfest von 1184 war in diesem Sinne eine höchste Steigerung des gesellschaftlichen Zusammenhangs von König, Adel und Rittertum.81 Neben den edelfreien Adligen erlangten die Angehörigen der Ministerialität im 12. Jahrhundert eine wachsende Bedeutung am Stauferhof und besetzten im letzten Jahrzehnt der Herrschaft Barbarossas bereits entscheidende Positionen in Regierung und Verwaltung. Die Reichsministerialität wurde so zu einer wichtigen sozialen Gruppe, die zielbewusst ihre politische Position ausbaute.82 Der alltägliche Dienst in den Hofämtern am Königshof wurde hauptsächlich von Ministerialen geleistet. Unter der Herrschaft Friedrichs I. und seiner Nachfolger stößt man daher in den Hofämtern auf einige Reichsdienstmannen, die für die Hof- und Güterverwaltung der Staufer eine hervorragende Bedeutung erlangten. 77 78 79 80 81 82
Vgl. Ders. 2002, S. 377. Vgl. Spiess 2002. Leyser 1992. Ebd., S. 523. Vgl. Fleckenstein 1976, S. 392–396. Vgl. Bosl 1950/51; Keupp 2002.
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Hinsichtlich des königlichen Wirkungsraumes unter Friedrich I. ist Theo Kölzer zu dem Ergebnis gekommen, dass die Hauptlasten der damaligen Königsherrschaft allein von einigen Kernregionen des Reiches getragen wurden. Im letzten Jahrzehnt seiner Herrschaft fand aber eine Verengung auf eine Zentrallandschaft zwischen Rhein, Main und Donau statt, während gleichzeitig Interesse und Einsatz der Fürsten nach der Peripherie des Reiches hin und vor allem im nördlichen Deutschland deutlich abnahmen.83 Die Zentrallandschaft deckte sich weitgehend mit dem Schwerpunkt des Itinerars und den Zentren staufischer Besitzungen und Rechte. Untersuchungen zu den Hoftagen Kaiser Friedrichs I. im Regnum Teutonicum haben ergeben, dass bei Hoftagen der Hof des reisenden Herrschers den Kern der Hofversammlungen bildete, diese aber durch die Teilnahme von Fürsten und Magnaten aus den verschiedenen Reichsteilen als Nahtstellen zwischen König und Reich fungierten. In der Spätphase der Regierung Barbarossas trat eine Konzentration der Hoftage auf Franken ein,84 das sich damals hinsichtlich des königlichen Itinerars und der Reichslandpolitik zu einer Kernlandschaft des Reiches entwickelte. Bischofsstädte wie Mainz, Worms und Würzburg sowie Pfalzorte wie Frankfurt, Nürnburg und Ulm wurden vom Königshof bevorzugt als Stätten königlicher Hoftage gewählt.85 Diese Einengung der Hoftagsfrequenz auf die süddeutsche Kernregion ist auch als ein Zeichen der Schwäche des deutschen Königtums zu werten, da sie eine mangelnde Präsenz des Königs in den übrigen Reichsteilen und besonders in Norddeutschland zur Folge hatte. 5. SCHLUSS Unsere Untersuchungen zu den Ressourcen der deutschen Königsherrschaft im Hochmittelalter und zur Raumerfassung des Königs im Reich haben ergeben, dass die Grundbesitzungen und Rechte des Königtums während des Hochmittelalters eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Königsherrschaft spielten. Anhand des Tafelgüterverzeichnisses konnte aufgezeigt werden, dass die Villikationen, Einnahmen und Herrschaftsrechte des Königs in den einzelnen Reichsgebieten und Stammesräumen eine fundamentale Bedeutung für den Reiseweg des Königs und seine Präsenz in den verschiedenen Reichsteilen hatten. Die Gegenwart des Herrschers und seine Anwesenheit an festen Herrschaftsorten, wie sie Pfalzen, Königshöfe und Burgen darstellten, gehörten zur königlichen Herrschaftspraxis. Die Präsenz des Königs und seine Begegnung mit den Untergebenen in den verschiedenen Orten und Regionen des Reiches hatten eine grundlegende Bedeutung für die königliche Herrschaftsausübung mit ihren spezifischen Formen und Symbolen. Die Wirkkraft dieser praesentia regis konnte aber nur dort zur Entfaltung gelangen, wo genügend materielle Grundlagen in Gestalt von Fiskalgütern, Pfalzen oder bischöflichen Ser83 84 85
Kölzer 2002, S. 42. Rösener 2002, S. 386. Vgl. die Kartenskizze zu den Hoftagsorten unter Friedrich I. Barbarossa im Regnum Teutonicum ebd., S. 381.
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vitien zur Verfügung standen. Das Tafelgüterverzeichnis aus der Mitte des 12. Jahrhunderts gewährt uns einen Einblick in die Versorgungskapazitäten der Tafelgüter zu einer Zeit, in der die Naturallieferungen noch eine wichtige Rolle spielten. Im Zuge der aufkommenden Geldwirtschaft und des Wandels der königlichen Grundherrschaft gewannen die Geldzahlungen aber eine zunehmende Bedeutung, wie es in der Reichssteuerliste von 1241 klar zum Ausdruck kommt. Im Laufe der Regierung Friedrich Barbarossas erfolgte eine Einengung der Königsherrschaft auf eine Zentrallandschaft in Süddeutschland, so dass andere Gebiete des Reiches und insbesondere der norddeutsche Raum eine mangelnde Präsenz des Königs zu beklagen hatten. Die Schwäche der staufischen Königsherrschaft und die geringe institutionelle Modernisierung der deutschen Königsgewalt in Güterorganisation, Reichsverwaltung und Hofstruktur zeigen sich vor allem bei einem Vergleich mit dem Nachbarland Frankreich, wo das Königtum im 12. und 13. Jahrhundert festere Gerichts- und Verwaltungsstrukturen aufbauen konnte. In Frankreich entwickelte sich während dieser Zeit die kleine Krondomäne zu einem Zentrum der Königsherrschaft mit einer leistungsfähigen Ämterorganisation, von der aus die französischen Könige moderne Verwaltungsstrukturen auch auf die benachbarten Räume übertrugen und so die Königsherrschaft dauerhaft konsolidierten.86 Quellenverzeichnis Annalista Saxo a. 741–1139, hg. von Georg Waitz/P. Kilon, in: MGH Scriptores, Bd. 6, Hannover 1844, S. 542–777. La chronique de Gislebert de Mons. Avec une carte du Comté de Hainaut à la fin du XIIe siècle (Recueil de textes pour servir à l’étude d l’histoire de Belgique), hg. von Léon Vanderkindere, Brüssel 1904. [MGH Const. 3] Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 3: 1273–1298 (MGH Leges, IV/3), hg. von Jakob Schwalm, Hannover 1904–06. [MGH D F I, Bd. 3] Die Urkunden Friedrichs I., Bd. 3: 1168–1180 (MGH Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, 10/3), bearb. von Heinrich Appelt, Hannover 1985. Otto von Freising/Rahewin, Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe, 17), hg. von Franz-Josef Schmale, Darmstadt 21974.
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FÜRSTEN UND MINISTERIALEN AM STAUFERHOF Thomas Zotz Das „Chronicon Ebersheimense“, die um 1160 von einem unbekannten Autor verfasste Chronik des Klosters Ebersheim im nördlichen Elsass,1 enthält eine Passage über Julius Caesar und die Germanen, die schon seit langem das Interesse der Forschung, vornehmlich zur Ministerialität, gefunden hat:2 Caesar habe die Germanen wegen der Unterstützung, die sie ihm bei seiner Unterwerfung der senonischen Gallier hatten zukommen lassen, und wegen ihrer fides belohnt, indem er ihre principes zu senatores, die minores hingegen zu milites Romani ernannt und eingeschrieben habe (appellavit et conscripsit). Vor seiner Rückkehr nach Rom habe Caesar dann in der Germania einen conventus veranstaltet und dabei die minores milites den principes kommendiert, auf dass diese sie nicht als servi und famuli benutzen, sondern gleichsam als ihre domini ac defensores deren Dienste empfangen. Daher, so die Ansicht des Autors, besitzen die Germani milites das Alleinstellungsmerkmal vor den übrigen nationes, dass sie fiscales regni und ministeriales principum, also Ministerialen des Reiches bzw. der Fürsten, genannt werden.3 In der Tat mündet die Passage in eine dezidierte Aussage über den Sonderstatus der Ministerialen im Reich, den der Chronist auf Caesars zweite Handlung, die Kommendation der minores milites an die principes, zurückführt. Doch lohnt es mit Blick auf das Thema dieses Beitrags, auch der erstgenannten Tat Caesars als legitimierender Autorität nähere Aufmerksamkeit zu schenken. Hier geht es um die Integration der Germanen in die römische Gesellschaftsordnung: Caesar habe die Fürsten zu senatores und die minores, wie wohl bewusst unscharf formuliert wird, zu römischen Rittern ernannt und beide Gruppen „eingeschrieben“. Wer zu diesen minores gehörte, wird nicht weiter gesagt, doch ergibt sich aus dem späteren Zusammenhang, dass hierzu auch die Ministerialen zählten.4 Mit conscripsit lenkt der Autor den Blick auf den Senat im antiken Rom, wurden doch dort die Senatoren in einer asyndetisch verkürzten Formulierung als patres conscripti angeredet; dabei sind nach der bei Livius greifbaren Tradition mit patres die patrizischen, mit conscripti die plebeiischen Mitglieder gemeint.5 In der Vorstellungswelt des Chronisten wurden also die principes wie die minores zu eingeschriebenen Mitgliedern des 1 2 3 4 5
Zum Werk Wattenbach/Schmale 1976, S. 332–338; zuletzt Walther 2013. Vgl. Wattenbach/Schmale 1976, S. 334 mit Anm. 51; Zotz 1991, S. 37 f.; Keupp 2002, S. 31 mit Anm. 67 (mit Hinweis auf das divergierende Textverständnis in der Forschung). Chronicon Ebersheimense 1874, S. 432. Insofern wird man die minores nicht den principes zurechnen können, wie dies Keupp 2002, S. 31 tut. Vgl. Moore 1935, Sp. 674 f.
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römischen Senats, wenngleich nur die erste Gruppe, die principes, die Bezeichnung senatores erhielt. Bleibt im „Chronicon Ebersheimense“ der Begriff minores unerläutert, so verfährt – etwa zur gleichen Zeit – Otto von Freising in den „Gesta Friderici imperatoris“ beim Gebrauch dieses Wortes anders: Auf dem Hoftag Barbarossas in Regensburg 1155 wurde der dortige Bischof Hartwich wegen seines Umgangs mit den Regalien zur Rechenschaft gezogen. Otto erwähnt dabei die lex curiae, das bei Hofe geltende Recht, zur Staffelung der Buße, falls jemand den Zorn seines princeps auf sich ziehe: 100 Pfund für jeden de ordine principum, zehn Pfund für alle übrigen minoris ordinis viri, seien sie ingenui, liberi oder ministri.6 Auch in diesem Zeugnis begegnet also das Gegenüber von principes und minores, wobei auffällt, dass die minoris ordinis viri rechtsständisch aufgeschlüsselt werden; die Grafen bleiben unerwähnt, war deren Status doch mit Blick auf die principes in jener Zeit durchaus noch unscharf, wie Dietmar Willoweit herausgestellt hat.7 Für unseren Zusammenhang wird man aber festhalten können, dass laut der lex curiae die ministri in einem Atemzug mit den ingenui und liberi genannt werden. Der Ebersheimer Chronist seinerseits lässt die minores zu milites Romani werden, zu römischen Rittern, deren ordo dem ordo senatorius nachgeordnet war. Aus der Gruppe der zu Rittern ernannten minores kommendierte dann Caesar die minores milites – verwirrender Gebrauch desselben Worts –, die sich klar als Ministerialen zu erkennen geben, den principes. In dieser Geschichte der Ebersheimer Chronik, flankiert durch die Aussage Ottos von Freising, scheint sich die Wahrnehmung des Stauferhofes und die Position, welche die Ministerialen hier als Teil der minores mittlerweile innehatten, zu spiegeln: Sie werden in der Projektion auf den altrömischen Senat genau wie die Fürsten als eingeschriebene Mitglieder eines Gremiums, einer Institution, nämlich der curia, erkennbar. Dieses Wort bezeichnete seit der Mitte des 11. Jahrhunderts den Herrscherhof, trat neben die althergebrachten Begriffe palatium und aula, bedeutete aber darüber hinaus auch – und hierin anders als die beiden genannten Begriffe – den Hoftag, die beratende Versammlung um den Herrscher.8 Die Gruppe der beratungsberechtigten Großen, die den Hof im weiteren Verständnis bildeten, wurde in der Karolinger-, Ottonen- und Salierzeit vereinzelt senatus, ihre Mitglieder senatores genannt.9 Ein Beleg verdeutlicht den Zusammenhang von Senatoren und Hof besonders klar: In einer Urkunde Heinrichs IV. von 1062 für einen Frauenkonvent in Verdun ist davon die Rede, dass Graf Gottfried der Bärtige den letztlich dem Kloster zugesprochenen Hof seinem senior, dem Bischof von Verdun,
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Otto von Freising/Rahewin, Gesta Friderici I., lib. II, cap. 44, S. 152. Zum Hoftag in Regensburg vgl. RI IV,2, Lfg. 1, Nr. 365. Die hier und im Folgenden verwendeten Siglen werden im Quellenverzeichnis aufgelöst. Willoweit 1999. Vgl. Zotz 1986; Ders. 1996. Notitia de servitio monasteriorum 1883, S. 350; Hinkmar von Reims, De ordine palatii, S. 90; Die Annales Quedlinburgenses 2004, Wortregister S. 675.
Fürsten und Ministerialen am Stauferhof
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in praesentia imperatoris (gemeint ist Heinrich III.) asstantibus totius curiae senatoribus zurückgegeben habe.10 Fürsten und Ministerialen in der Umgebung des Königs: Damit ist gewissermaßen die oberste und unterste Stufe der gesellschaftlichen Rangleiter markiert, denn auch Grafen und Herren bzw. Edelfreie waren bei Hofe präsent. In der Erzählung des Ebersheimer Chronisten werden diese indes nicht eigens auf den Begriff gebracht; ihm geht es vordringlich um das Gegenüber von Fürsten und Ministerialen, deren Verhältnis zueinander Caesar in Form der Kommendation vertrauensvoll und für die Ministerialen ehrenhaft – in Abgrenzung von den servi und famuli – gestaltet hat. Doch enthält, was bisher weniger beachtet wurde, der erste Teil der Geschichte von Caesar und den Germanen einen höfischen Aspekt, der für das Thema des Beitrags nicht uninteressant erscheint. Im Folgenden gilt es, der Präsenz von Fürsten und Ministerialen am staufischen Hof nachzugehen, dabei auf das quantitative Verhältnis der beiden Gruppen und auf konjunkturelle Schwankungen achten. Wie und wann spielten die staufischen Ministerialen eine besondere Rolle bei Hofe, welchen Platz nahmen sie hier in ihrer spezifischen Nahbeziehung zum Herrscher ein? Wie wurde ihre Position wahrgenommen und umschrieben? Mit diesen Fragen sind einschlägige, nicht zuletzt methodisch wichtige Studien von Karl-Heinz Spieß berührt, so sein Aufsatz „Königshof und Fürstenhof. Der Adel und die Mainzer Erzbischöfe im 12. Jahrhundert“11 und der spätere, darauf aufbauende „Der Hof Kaiser Friedrich Barbarossas und die politische Landschaft am Mittelrhein. Methodische Überlegungen zur Untersuchung der Hofpräsenz im Hochmittelalter“.12 Die hier aufgestellten Warntafeln für den Umgang mit dem Urkundenmaterial gilt es zu beherzigen: Die Zeugenlisten, zu denen es mit den Worten von Spieß „trotz aller Fallstricke keine Alternative“ gibt,13 müssen behutsam und mit manchen Vorbehalten ausgewertet werden. Nicht zuletzt ist sein Beitrag über Rangdenken und Rangstreit im Mittelalter für jeden anregend, der über die Ordnung bei Hofe nachdenkt.14 Vor dem zeitlich gestaffelten Überblick über Fürsten und Ministerialen am Stauferhof sei noch ein Aspekt angesprochen, den man gleichsam als einen Grundton höfischer Kultur bezeichnen könnte, die familiaritas als Ausdruck der Nahbeziehung zum Herrscher. Wer in dessen Urkunden das Attribut familiaris erhielt, wurde der „Reichsöffentlichkeit“ in seiner besonderen Stellung kenntlich gemacht. Insofern erscheint es lohnend, auf die Vergabe dieses Attributs im chronologischen Längsschnitt zu achten.15 Bis ins 11. Jahrhundert hinein blieb die Kennzeichnung als familiaris hochgestellten Personen geistlichen und weltlichen Standes vorbehalten, die hierdurch in ihrer Herrschernähe charakterisiert wurden. Doch erweiterte sich der Kreis unter Heinrich IV., wie das Beispiel seines fidelissimus et carissimus 10 11 12 13 14 15
MGH D H IV, Nr. 92. Spiess 1987. Ders. 2002. Zitat ebd., S. 53. Ders. 1997. Vgl. dazu Zotz 2009, S. 65–69.
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miles Liupold zeigt, für dessen Jahrtag der König 1071 dem Kloster Hersfeld Besitz stiftete.16 Dessen Rat und Tat habe Heinrich IV. familiarissime gebraucht, wie Lampert von Hersfeld anmerkt,17 und in der Stiftungsurkunde nennt der König Bischof Werner II. von Straßburg und Liupolds Brüder in einem Atemzug als seine familiares. Dieser vertraute Umgang Heinrichs IV. mit Personen niederen Standes – wenngleich Liupold nicht als Ministerialer, sondern als Adliger kleineren Ranges zu gelten hat18 – kränkte bekanntlich die süddeutschen Herzöge Rudolf von Schwaben, Welf von Bayern und Berthold von Kärnten, die sich deshalb vom Hof zurückzogen.19 Solche Einzelzeugnisse finden sich am staufischen Hof nun auch eindeutig in Bezug auf Ministerialen,20 und damit korrespondiert deren verstärkte Präsenz in den Zeugenlisten der Herrscherurkunden, auf die noch einzugehen sein wird.21 Familiaritas als Signum des Hofes: Dies kommt sehr schön in einem Schreiben Friedrich Barbarossas von 1162 an geistliche und weltliche Fürsten zum Ausdruck, in welchem er diese auffordert, sich am 25. August in Besançon einzufinden, damit sie dann von dort gemeinsam mit ihm freundschaftlich nach Art des Hofes zum vorgesehenen Treffen mit dem französischen König in St. Jean de Losne ziehen: quatinus apud Bisantium familiariter more curie nobis occurras.22 Auch die heimliken lude, denen nach dem Zeugnis der „Sächsischen Weltchronik“ Friedrich II. 1220 seinen Sohn Heinrich anvertraute (beval) – namentlich genannt sind der Kanzler Konrad von Scharfenberg, Bischof Otto von Würzburg und Graf Gerhard II. von Diez – waren Männer königlichen Vertrauens.23 Dem Personenkreis gehörten auch die Reichsministerialen Eberhard von Waldburg, Konrad von Winterstetten und der Reichstruchsess Werner III. von Bolanden an. Im Folgenden ist nun das Gegenüber von Fürsten und Ministerialen am Stauferhof näher in den Blick zu nehmen, wobei es sich empfiehlt, von der spätsalischen Zeit auszugehen: In den Diplomen Heinrichs IV., bekanntlich den ersten durch Zeugenschaft bekräftigten Königsurkunden, traten neben den Fürsten und Adligen niederen Ranges Ministerialen kaum in Erscheinung,24 doch verdient eine außerhalb der Kanzlei vorgenommene Aufzeichnung vom Hoftag zu Regensburg 1104 Aufmerksamkeit:25 Eine Besitzrestitution an das Augsburger Domkapitel während dieser curia erfolgte in presentia Heinrici imperatoris tercii, episcoporum iudicio nec non omnium qui aderant testimonio. Unter den Laienzeugen folgen auf Herzog Welf IV. und seinen Bruder Heinrich, mehrere Grafen und Edelfreie der kaiserliche Truchsess Volcmar und die kaiserlichen Kämmerer Gundekar und Erkenbolt. Die 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
MGH D H IV, Nr. 243. Vgl. hierzu Schmid 1984, S. 247–249. Lampert von Hersfeld, Annales, S. 130. Maurer 1972. Vgl. Zotz 2004, S. 342. Ders. 2009, S. 68 f. Vgl. unten ab S. 79. MGH D F I, Bd. 2, Nr. 363 f. Thorau 1998, S. 110–121, Quellenzitat auf S. 111, Anm. 102. Neumeister 1987. MGH D H IV, Nr. 483.
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Präsenz und Funktion der kaiserlichen Ministerialen bei der Regensburger curia 1104 wird man vor dem Hintergrund zu sehen haben, dass sich die Ministerialität bei diesem Regensburger Ereignis in voller und noch dazu gewalttätiger Aktion zeigte, als Graf Sighard von Burghausen von Ministerialen getötet wurde, da er ihnen Rechte vorenthalten wollte.26 Ministerialische Hofamtsträger gehörten also mit den principes zum Kreis der Urteiler und Zeugen dieses Hofgerichtsurteils.27 Wenn man den Blick weiter in die Zeit Heinrichs V. richtet, so ist sein Diplom von 1123 zu erwähnen, mit dem der Kaiser dem Kloster Kaufungen Besitz restituierte, tam iusto rogatu quam recto iudicio principum. Werden hier auch keine weiteren Akteure genannt, so stehen immerhin am Ende der Zeugenreihe der Truchsess Volcmar und der Marschall Heinrich.28 Während bei Heinrich V. 14 Urkunden mit ministerialischen Zeugen gegenüber 42 testierten Urkunden insgesamt stehen, erhöhte sich unter Lothar III. der Anteil der ersten Gruppe auf die Hälfte (18 zu 37), während dieser unter Konrad III. noch weiter anstieg (61 zu 111).29 Auf dem Wormser Hoftag 1128 wird die Schenkung Lothars III. an seinen Ministerialen Konrad von Hagen erstmals von einer nach Kategorien geordneten Zeugenschaft beglaubigt: Nach Bischöfen und Äbten heißt es ex principibus laicis et reliquis nobilibus ac liberis – ex ministerialibus regni. Diese sind mit Truchsess Volcmar und Schenk Konrad Bacho an der Spitze und zahlreichen weiteren Namen, darunter erstmals Werner von Bolanden oder auch Dietrich von Aachen und Arnold von Boppard, vertreten.30 Es wird darauf zu achten sein, wie lange eine solche Kategorisierung gepflegt und wann die nicht nach Rubriken gegliederte Zeugenliste üblich wurde. Auch in den Diplomen Konrads III., die bereits recht häufig ministerialische Zeugen aufweisen, findet sich immer wieder die Kategorie de ministerialibus nostris oder ministeriales regni31, doch gibt es auch Beispiele für übergangslose Zeugenlisten. Aufmerksamkeit verdient eine Urkunde des Königs für die Kirche von Utrecht von 1145, der eine Sentenz des Grafen Heinrich von Geldern iudicio principum vorausgegangen ist.32 Ille vero communicato tam principum quam aliorum plurium nobilium consilio iudicavit. Die ungegliederte Zeugenliste enthält die Namen von Grafen und Edelfreien, dann folgen marescalcus noster Heinrich von Pappenheim, Arnold von Rothenburg dapifer noster, Mundschenk Konrad Pris und Kämmerer Tibertus, aber auch der Reichsministeriale Konrad von Wallerstein und dazwischen die Edelfreien Walter von Lobenhausen und Markward II. von Grumbach; sie alle dürften mit den vielen anderen Adligen, deren Rat der König eingeholt hat, gemeint sein. Die vereinheitlichende Sichtweise des Hofes! Andererseits wurde dem speziellen Status der Reichsministerialen Rechnung getragen, als auf dem Hoftag zu Speyer 1150 drei aus gegebenem Corveyer Anlass 26 27 28 29 30 31 32
Bosl 1950/51, Bd. 1, S. 96; Zotz 1991, S. 35 f.; Keupp 2002, S. 23. URH 1, Nr. 161. MGH D H V, Nr. 257 (als digitale Vorab-Edition online unter: http://www.mgh.de/ddhv/ dhv_257.htm); Stumpf 1865–83, Nr. 3191; URH 1, Nr. 188. Angaben nach Neumeister 1987, S. 60. MGH D Lo III, Nr. 14; Bosl 1950/51, Bd. 1, S. 113; Petke 1985, S. 11 f. und 120–128. MGH D Ko III, Nr. 47 (1140), und 97 f. (1144). Ebd., Nr. 139 (1145); URH 1, Nr. 241. Zu den Personen vgl. Ziegler 2008, Register.
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gefundene Grundsatzurteile festgestellt wurden secundum iudicia ministerialium nostrorum atque sententiam principum regni.33 Die besondere Mitsprache der Reichsministerialen war gefragt, nachdem der des Amtsmissbrauchs beschuldigte Corveyer Truchsess Rabano das Urteil der klösterlichen Ministerialen nicht akeptiert hatte. Es fällt auf, dass in der von Wibald diktierten Urkunde das Urteil der Reichsministerialen vor der Sentenz der Reichsfürsten genannt wird. Als Friedrich Barbarossa auf dem Merseburger Hoftag 1152 dem Kloster Corvey dessen Rechte bestätigte, heißt es in der gleichfalls von Wibald verfassten Urkunde mit Bezug auf den früheren Akt von Speyer in plena curia ex iudicio principum ac ministerialium.34 Nun war die richtige Reihenfolge wiederhergestellt. Damit ist bereits die Zeit Friedrich Barbarossas berührt. Zur Struktur seines Hofes und zur dortigen Präsenz der Großen hat die Forschung intensiv gearbeitet, so dass hier nur kurz darauf einzugehen ist.35 Pauschal lässt sich feststellen, was bereits Josef Fleckenstein36 erarbeitet und Jan Ulrich Keupp37 statistisch gefestigt hat, dass in den Urkunden der ersten Regierungsjahre der Anteil der Reichsministerialen in den Zeugenlisten mit ca. 14 % deutlich unter dem Niveau in den Urkunden Konrads III. lag, um dann ab Ende der fünfziger Jahre kontinuierlich bis auf eine Höhe von fast 80 % zu Beginn der achtziger Jahre anzusteigen. Dieser Befund ist vor dem Hintergrund zu bewerten, dass in dieser Zeit viele Fürsten vom Hof ferngeblieben sind, wie Theo Kölzer herausgestellt hat. 38 Aber nicht dieses beachtenswerte Phänomen soll hier näher interessieren, sondern strukturelle Aspekte und allgemeine Aussagen über Fürsten, Ministerialen und Hof. Was in den Urkunden Konrads III. vereinzelt zu beobachten ist, gilt für die Urkunden Friedrich Barbarossas von Beginn an: Die Zeugenlisten sind mit gleitenden Übergängen gestaltet. Damit sollte wohl die Einheitlichkeit der Hofgesellschaft zum Ausdruck kommen, nicht die Abgrenzung der gesellschaftlichen Kategorien. Nur ab und zu werden Rubriken eingeschoben, so bei hochoffiziellen Vorgängen wie dem auf dem Mainzer Hoftag 1184 geschlossenen Vertrag Friedrich Barbarossas mit Graf Balduin V. von Hennegau wegen der Markgrafschaft Namur.39 Hier folgen in der Zeugenliste auf zwei Bischöfe, den Kanzler des kaiserlichen Hofes Gottfried und den Protonotar Rudolf die Grafen Gerhard von Looz/Borgloon und Heinrich von Diez; daran schließen sich unter der Rubrik de ministerialibus imperii Werner II. von Bolanden, Kuno von Münzenberg und Philipp von Bolanden sowie Vogt Wilhelm von Aachen an, abgesetzt von den folgenden homines comitis. Einige dieser Zeugen begegnen in der Hennegauer Chronik Giselberts von Mons, der als Kanzler Graf Balduins die consilia cum principibus auf dem Mainzer Hoftag schildert:40 Kanzler und Protonotar sowie der ministerialis imperii Werner von 33 34 35 36 37 38 39 40
MGH D Ko III, Nr. 221; URH 1, Nr. 278. Zum Vorgang vgl. Jakobi 1986, S. 327–330. MGH D F I, Bd. 1, Nr. 11. Patze 1979; Lindner 1990; Plassmann 1998; Kölzer 2002; Spiess 2002; Rösener 2002. Fleckenstein 1971–73, Bd. 2, S. 1036 f. Keupp 2002, S. 340 f. Kölzer 2002, S. 21 und 37. Vgl. dazu Zotz 2009, S. 62. MGH D F I, Bd. 4, Nr. 857. La chronique de Gislebert de Mons 1904, S. 162. Dazu Zotz 2009, S. 60.
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Bolanden, als homo sapientissimus gerühmt, bevor seiner 17 Burgen und 1.100 milites als Ausweis seiner mächtigen Stellung Erwähnung getan wird. Dann nennt Giselbert den ministerialis imperii Kuno von Münzenberg, dives et sapiens, an letzter Stelle steht der Graf von Diez, homo admodum sapiens. Hier scheint der Grad des im Rat gefragten weisen Sachverstands41 die Reihenfolge bestimmt zu haben, anders als in der Zeugenliste des Vertrages, in welcher der Graf standesgemäß vor den ministeriales imperii rangiert. Fürsten, Ministerialen und Hof – am Wandel der Terminologie der Hofamtsträger, über die Werner Rösener,42 Kurt Andermann43 und Claus-Peter Hasse44 eindringlich gehandelt haben, lässt sich die verstärkte Zuordnung von Amt und Hof beobachten: War lange Zeit vom dapifer regis, imperatoris oder noster die Rede, so begegnet am Stauferhof in den sechziger und siebziger Jahren des 12. Jahrhunderts die Bezeichnung dapifer curie oder pincerna curie – eine Verbindung, die bei den geistlichen Hofamtsträgern bereits früher bestand, wenn etwa unter Konrad III. Arnold von Wied als regie curie cancellarius figurierte.45 Blickt man in die Zeit Heinrichs VI. und darüber hinaus, so begegnet 1195 Markward von Annweiler als imperialis aule dapifer oder Heinrich von Kalden 1206 als imperialis aule marescalcus.46 In den Urkunden Friedrichs II. ist von Anselm von Justingen als marescalcus imperii oder Dieto von Ravensburch als camerarius imperii die Rede.47 Von der Person des Herrschers zum Hof zum Reich – so wandelte sich die Vorstellung von der Amtsbindung in staufischer Zeit. Ernst Schubert sprach von der „Verantwortung der Hofämter für die überpersonale Rechtsgestalt“ einer Bischofskirche oder Abtei.48 Dies spiegelt sich im Wandel ihres Bezugspunkts, aber auch in ihrer Funktion bei einer Sedisvakanz: Beim Herrschaftswechsel sollen alle Ämter vakant werden außer den vier officia principalia, dapiferi videlicet et pincerne, mariscalci et camerarii.49 Als Friedrich II. dies am 25. September 1219 von der Pfalz Hagenau aus den Prälaten, Kanonikern, nobiles und ministeriales der Bremer Kirche verkündete – man beachte die soziale Differenzierung des Adressatenkreises –, sprach er davon, dass dies presentibus multis magnatibus et sapientibus coram nobis per sententiam entschieden worden sei. Zeugen werden für diese Urkunde nicht aufgeführt, aber in den zeitlich benachbarten Urkunden aus Hagenau ist die Zeugenschaft und damit wohl auch Präsenz des Straßburger und Basler Bischofs, der Äbte von St. Gallen, Murbach und Weißenburg, mehrer Grafen, des illustris 41
42 43 44 45 46 47 48 49
Vgl. Wipo, Gesta Chuonradi imperatoris, cap. 1, S. 10 über Erzbischof Aribo von Mainz, der nobilis et sapiens, aptus regalibus consiliis genannt wird, oder das Diplom Heinrichs VI. von 1188 über einen im Hofgericht verhandelten Touler Rechtsstreit, der per sententiam curie nostre sapientum entschieden worden ist (URH 1, Nr. 497). Rösener 1989. Andermann 1992. Hasse 1995. Vgl. Zotz 2009, S. 71. Ebd. MGH D F II, Bd. 2, Nr. 365 (1216), und Bd. 3, Nr. 452 (1218). Schubert 2002, S. 207. MGH D F II, Bd. 3, Nr. 565 (1219 September 25); URH 2, Nr. 114.
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princeps Heinricus dux Suevie, mit dem kein Geringerer als Friedrichs Sohn Heinrich gemeint ist, aber auch des Marschalls Anselm von Justingen und des Truchsessen Eberhard von Waldburg festgehalten.50 Presentibus multis magnatibus et sapientibus: So fasste Friedrichs II. Kanzlei hier den heterogenen Kreis der Urteiler im Hofgericht zusammen, während es in der eine andere Bremer Causa betreffenden Urkunde des Königs vom selben Tag differenzierend heißt: multis nobilibus coram positis et approbante tota familia curie nostre per sententiam coram nobis diffinitum est.51 Wenn wir nun fortfahren, im zeitlichen Längsschnitt das Verhältnis von Fürsten und Stauferhof in den Blick zu nehmen, so ist noch einmal auf die Befunde von Theo Kölzer zur Präsenz der Fürsten am Hof Friedrich Barbarossas zurückzugreifen:52 Nach 1180 sind hier im Wesentlichen die Söhne des Kaisers und dessen Verwandte wie Herzog Welf VI., Herzog Leopold V. von Österreich oder Landgraf Ludwig V. von Thüringen nachweisbar. Am Hof Heinrichs VI. weilten über einen längeren Zeitraum – ganz in Kontinuität zu Friedrich Barbarossa53 – in erster Linie Reichsministerialen wie Kuno von Münzenberg, Heinrich von Kaiserslautern, Markward von Annweiler und Heinrich von Kalden; auf fürstlicher Ebene gehörten zur dauerhaften Entourage, abgesehen von der Kanzlei, lediglich die Mitglieder des staufischen Hauses und die Bischöfe Konrad von Hildesheim und Heinrich von Worms.54 Auch für Philipp von Schwaben lässt sich beobachten, dass gegenüber den Bischöfen und Reichsministerialen nur eine kleine Gruppe weltlicher Fürsten intensiveren Kontakt zum König pflegten, so Herzog Bernhard von Sachsen, Markgraf Dietrich von Meißen und Herzog Ludwig I. von Bayern.55 Schaut man nun jenseits des personellen Tableaus auf allgemeine Formulierungen zum Verhältnis von Fürsten und Stauferhof, so ergibt sich für die Zeit Friedrich Barbarossas ein ambivalentes Bild. Zum einen ist von principes curie als dem Kreis, vor dem der Herrscher oder die Petenten agieren, die Rede,56 zum anderen gibt es Belege für das Nebeneinander bzw. Gegenüber von Fürsten und Hof: Der Herrscher oder andere handeln in presencia principum et tocius curie.57 Als es 1180 in Gelnhausen darum ging, dass der westliche Teil des Herzogtums Sachsen an Erzbischof Philipp von Köln übertragen werden sollte, wurde über die Frage, ob das erlaubt sei, die sententia der principes eingeholt und diese dann communi principum et totius curie assensu gebilligt, wobei noch der publicus consensus Herzog Bernhards, dem der restliche Teil des Dukats übertragen war, hinzukam.58 Offensichtlich wurde der Begriff curia sowohl im weiteren, Fürsten einschließenden
50 51 52 53 54 55 56 57 58
MGH D F II, Bd. 3, Nr. 556 f. und 559–561. Ebd., Nr. 564; URH 2, Nr. 113. Vgl. oben S. 80 mit Anm. 38. Dazu Keupp 2002, S. 105 (Grafik). Seltmann 1983, S. 193–197. Schütte 2002, S. 211. MGH D F I, Bd. 2, Nr. 372 (1162), und Bd. 3, Nr. 629 (1174). Ebd., Bd. 2, Nr. 382 (1162), und Bd. 3, Nr. 582 (1171). Ebd., Bd. 3, Nr. 795 (1180).
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Sinn, als auch im engeren, den Hofstaat mit den geistlichen und weltlichen Amtsträgern meinend, benutzt. Auch für die Zeit, da Friedrich II. 1212 bis 1220 in Deutschland weilte und sich in die Gepflogenheiten des Stauferhofes einfädelte, lässt sich das Gegenüber von principes und curia beobachten: Als der König 1216 in Würzburg auf die Klage der Äbtissinnen von Nieder- oder Obermünster seine 1215 vollzogene Übertragung beider monasteria an den Bischof von Regensburg zurücknehmen musste, geschah dies coram principibus et baronibus totaque curia nostra. Kein principatus dürfe ohne den Willen des entsprechenden princeps und ohne den consensus von dessen Ministerialen dem Reich entfremdet werden. Darüber sei per sententiam principum et subsecutionem tam nobilium quam baronum atque ministerialium et omnium qui aderant geurteilt worden. Das gestufte Verfahren bzw. die gestufte Kompetenz der Anwesenden wird sichtbar. Als Zeugen fungierten geistliche und weltliche Fürsten, Grafen und Adlige, ferner Anselm von Justingen als marescalcus imperii, Walther als pincerna imperii, Werner III. von Bolanden als marescalcus imperii, und Dieto von Ravensburg als camerarius imperii.59 Das hier artikulierte und festgeschriebene Mitspracherecht der Ministerialen in Angelegenheiten von Fürstentümern zeugt vom hohen politischen Gewicht, das die Ministerialität nicht nur des Reiches, sondern auch der Reichsfürstentümer mittlerweile erlangt hat. Die Einschätzung des Ebersheimer Chronisten findet nun in der konkreten Rechtswirklichkeit ihre Bestätigung, und auch im Bereich des Lehnrechts kommt das gesteigerte gesellschaftliche Ansehen der Ministerialen zur Geltung: Auf der sollempnis curia anlässlich seiner Aachener Krönung im Mai 1222 ließ König Heinrich (VII.) die sententia principum verkünden, dass in iure feodali jeder belehnte Ministeriale gleichermaßen über die Lehen von nobiles und ministeriales urteilen könne, ausgenommen indes die Lehen der Fürsten.60 Diese Annäherung der Ministerialen an die nobiles spiegelt sich nun auch in der Urkundensprache des Stauferhofes: Im Jahr 1183 bereiteten in Piacenza bevollmächtigte Unterhändler den Friedensvertrag Kaiser Friedrich Barbarossas mit dem Lombardenbund vor und hielten die Namen derer fest, die ihn beschwören sollten.61 Nomina principum et militum qui iurare debent: Erzbischöfe, Bischöfe, der Kaiser und seine Söhne Heinrich und Friedrich, Herzöge, Landgrafen, Markgrafen, Grafen, schließlich sieben Ministerialen, angeführt von Werner II. von Bolanden, Kuno von Münzenberg, Marschall Heinrich von Pappenheim und Kämmerer Rudolf von Siebeneich. In der endgültigen Konstanzer Fassung des Friedensvertrags wird die Namensliste der Schwörenden (ohne Kaiser Friedrich und König Heinrich, für die der Kämmerer Rudolf schwor) eingeleitet mit principes et nobiles curie.62 Die milites sind zu Adligen des Hofes mutiert, und die Spitzengruppe der Reichsministerialen und Hofamtsträger mit ihnen. 59 60 61 62
MGH D F II, Bd. 2, Nr. 365. Vgl. hierzu auch den Beitrag von Bernd Schneidmüller in diesem Band. MGH Const., Nr. 279. MGH D F I, Bd. 4, Nr. 844. Ebd., Nr. 848, Zitat auf S. 75. Vgl. Zotz 2009, S. 71 f.
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Diese Tendenz lässt sich in der Hofsprache Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) weiter verfolgen: Im Vertrag mit Venedig vom September 1220, als Friedrich bereits die Alpen überquert hatte und in episcopatu Mantuano weilte,63 wird die Zeugenliste, welche geistliche und weltliche Fürsten, Grafen und Edelfreie, zuletzt Marschall Anselm von Justingen und Reichstruchsess Werner III. von Bolanden umfasst, sub testimonio principum subscriptorum et aliorum baronum nostrorum eingeleitet. Aus königlich-höfischer Perspektive gehörten die Hofamtsträger zu den barones. Nicht anders verfuhr König Heinrich (VII.), als er 1226 auf dem Hoftag in Trient eine Sentenz wegen Bannung der Bürger von Cambrai beurkunden ließ per sententiam principum ac aliorum nobilium imperii.64 Die von geistlichen und weltlichen Fürsten angeführte Zeugenreihe endet mit dem Truchsessen Eberhard von Waldburg, den Schenken Konrad und Eberhard von Winterstetten sowie dem Kämmerer Dieto von Ravensburg. Am 13. Dezember 1229 meldete Heinrich (VII.) von Nürnberg aus dem Dekan, den Archidiakonen, dem Kapitel, den belehnten edlen Ministerialen, Bürgern und allen, die zur Kirche von Lüttich gehörten, dass er de providentia consilii nostri iuxta sententiam principum et magnatum imperii den erwähnten Bischof mit den Regalien investiert habe.65 Die am selben Tag ausgestellte Urkunde des Königs über den Rechtsspruch, der auf die Klage des erwählten Bischofs Johann von Lüttich von den principibus et magnatibus imperii erfolgt ist, weist in der Zeugenreihe nach Fürsten, Grafen und Edelfreien mit Truchsess Eberhard von Waldburg, Konrad von Smidevelt und dem Kastellan Gerhard von Landskron eine Reihe von Ministerialen auf.66 Fürsten und Große des Reiches – so klassifizierten die beiden eng miteinander zusammenhängenden Urkunden die höfische Gesellschaft. Mit dem in der ersten Nürnberger Urkunde König Heinrichs von 1229 erwähnten consilium kommt das um Heinrich (VII.) formierte Gremium des Hofes in den Blick. Bereits der 1220 von Friedrich II. für seinen minderjährigen Sohn eingerichtete Kreis von heimliken luden kann ansatzweise als das consilium regis gelten,67 welches 1224 urkundlich fassbar wird, als Heinrich (VII.) in Hagenau eine Verfügung bezüglich des Nonnenklosters Hohenburg traf.68 Bekanntlich bestand das consilium als Sonderinstitution am staufischen Hof über die Zeit der Unmündigkeit des 1211 geborenen Heinrich hinaus fort; so agierte der König auch noch 1234 auf dem stark besuchten Frankfurter Hoftag69 de providencia consilii nostri, als er dem Grafen Egino von Freiburg Silberbergwerke und Wildbänne im Breisgau bestätigte.70 Der auf diesen Hoftag bezügliche Brief König Heinrichs an Bischof Konrad von Hildesheim, in dem sich der Sohn über das Verhältnis zu seinem Vater äußert, 63 64 65 66 67 68 69 70
MGH Const. 2, Nr. 76. Ebd., Nr. 291. RI V,1, Nr. 4142 f. MGH Const. 2, Nr. 296; URH 2, Nr. 280. Vgl. oben S. 78 mit Anm. 23; Thorau 1998, S. 121; Hillen 1999, S. 158–162. RI V,1, Nr. 3918; Historia diplomatica Friderici secondi 1852, Bd. 2/2, S. 790. Stürner 1993, S. 28 f. FrUB, Bd. 1, Nr. 53. Dazu Butz 2002, S. 57–67.
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enthält einen weiteren Hinweis zur Fragestellung dieses Beitrags:71 Nach seinem Triumph über Herzog Ludwig von Bayern habe er ad consilium principum et magnatum eine sollempnis curia in Frankfurt gehalten pro pace et tranquillitate patrie reformanda. Wegen der castra und munitiones, von denen aus Raub und Brand ausgeübt werde, habe er aufgrund der sententia principum et aliorum nobilium deren Zerstörung verfügt. Mit den „anderen Adligen“ dürften wiederum die bei diesem Hoftag zahlreich anwesenden Reichsministerialen gemeint sein.72 Den Abschluss der Belegübersicht zu Fürsten und Ministerialen am Stauferhof soll noch ein Zeugnis der Hofsprache Friedrichs II. bilden: In der „Constitutio in favorem principum“ vom Hoftag zu Cividale im Mai 1232 berichtet die Narratio, dass der mit seinem Sohn dort zusammentreffende Kaiser durch die zahlreich anwesenden principes et magnates gebeten worden sei, ihnen die von seinem Sohn auf dem Hoftag zu Worms gewährte Gunst durch seine auctoritas zu bekräftigen.73 Anders als es der moderne Titel für dieses als concessio und confirmacio ausgewiesene privilegium zum Ausdruck bringt, betrifft es, wie im Proömium zu lesen, die iura nostrorum principum et magnatum, und dementsprechend gehören in den Paragraphen 12 und 13 neben den principes auch nobiles und ministeriales zu den Begünstigten. So wird man die von den geistlichen und weltlichen Fürsten über Grafen und Edelfreie zu Hofamtsträgern der Reichsministerialität reichende Zeugenliste als Spiegel des Adressatenkreises ansehen dürfen. Dieser wird eingangs mit principes und magnates umschrieben, während er in den besagten Paragraphen genauer aufgeschlüsselt ist. Um nun noch einmal auf das eingangs erwähnte „Chronicon Ebersheimense“ zurückzukommen: Über dessen Aussage zu Fürsten und Ministerialen bei Hofe hat sich auch ein anderes Urteil dieses beobachtenden Zeitgenossen über die Ministerialen nach der Mitte des 12. Jahrhunderts in höfischen Zeugnissen der späteren Stauferzeit bestätigt. Über die dreifach gestufte familia der curtes der Straßburger Kirche ist dort zu lesen: prima ministerialis, que etiam militaris directa dicitur, adeo nobilis et bellicosa, ut nimirum libere condicioni comparetur.74 Wenn die Feststellung des Chronisten, dass die ministerialisch-ritterliche Gruppe der familia so edel und kriegerisch sei, dass sie, wie kaum zu verwundern, dem freien Stand gleichgestellt werde, um die Mitte des 12. Jahrhunderts noch ein schmeichelndes Lob für die Straßburger Ministerialität war, die nach den neuesten Studien von Tobie Walther ein Adressat der Chronik gewesen sein könnte,75 so ist diese Einschätzung in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, der späten Stauferzeit, in vielfältiger Weise Wirklichkeit geworden. ***
71 72 73 74 75
MGH Const. 2, Nr. 322; Die deutschen Königspfalzen 1986, S. 313. Die deutschen Königspfalzen 1986, S. 311. MGH Const. 2, Nr. 171. Vgl. dazu Buschmann 2008. Chronicon Ebersheimense 1874, S. 433. Walther 2013, S. 80 f.
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Es war ein Anliegen des Beitrags zu zeigen, dass ein Weg zur Bedeutungssteigerung der Ministerialität über den Hof des Herrschers verlief, ansatzweise bereits in spätsalischer Zeit und mit dem neu ansetzenden Lothar III., in dessen Urkunden erstmals von den ministeriales regni in höfischem Kontext die Rede ist, dann aber mit immer stärkerem politischen Gewicht in dem langen Zeitraum von Konrad III. bis zu Friedrich II. und seinem Sohn Heinrich (VII.). „Fürsten und Ministerialen am Stauferhof“: Es ging darum, die Integration der staufischen familia ministerialis in die höfische Gesellschaft nachzuzeichnen, die unstrittig von den principes rangmäßig dominiert war, auch wenn diese quantitativ immer mehr gegenüber den Ministerialen und vor allem den Hofamtsträgern zurücktraten. An diesen interessierte der zu beobachtende terminologische Wandel von dapifer noster bzw. regis zum dapifer curie hin zum dapifer imperii. Gerade über dieses Amt in seiner zunehmenden institutionellen Verortung scheint die Integration der staufischen Ministerialität in die höfische Gesellschaft gelungen zu sein, und für sie konnten dann auch pauschale Gruppenbezeichnungen wie nobiles oder magnates gelten, welche die Sprache der Urkunden prägten. Eine vereinheitlichende Bezeichnung der nichtfürstlichen Hofgesellschaft in der frühen Stauferzeit war auch bereits bei Otto von Freising beobachten, der bei der Erwähnung einer lex curiae von den principes und minores spricht, nicht anders als es der Ebersheimer Chronist etwa zur selben Zeit tut. Auch der spätstaufische Chronist Reiner von Lüttich nahm die Gesellschaft der curia sollempnis Friedrichs II. in Frankfurt 1220 so wahr, als die Königswahl seines Sohnes Heinrich auf der Tagesordnung stand, flankiert durch die Confoederatio mit den geistlichen Fürsten.76 Damals ging es nicht zuletzt darum, die Menschen zum Kreuzzug zu bewegen, und so heißt es im Bericht Reiners über den Frankfurter Hoftag: Coguntur etiam omnes signati abire, tam principes quam inferiores persone.77 Fürsten und Personen minderen Standes – in diesem schlichten Gegenüber beschrieb der Chronist die vielschichtige Gesellschaft in Frankfurt, zu der nicht zuletzt auch die Ministerialen gehörten. Quellenverzeichnis Die Annales Quedlinburgenses (MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi, 72), hg. von Martina Giese, Hannover 2004. Chronicon Ebersheimense, hg. von Ludwig Weiland, in: MGH Scriptores, Bd. 23, Hannover 1874, S. 427–453. [FrUB] Freiburger Urkundenbuch, Bd. 1, bearb. von Friedrich Hefele, Freiburg i. Br. 1940. Hinkmar von Reims, De ordine palatii (MGH Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum separatim editi, 3), hg. von Thomas Gross/Rudolf Schieffer, Hannover 21980.
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Stürner 1992, S. 235–239. Reiner von Lüttich, Annales, S. 677 f.; Die deutschen Königspfalzen 1986, S. 298. Zum großen Teilnehmerkreis, der von den geistlichen und weltlichen Fürsten über die Grafen zu den Reichsministerialen und Ministerialen der Fürsten reichte, ebd., S. 297 f.
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HEINRICH (VII.), FRIEDRICH II., GEISTLICHE REICHSFÜRSTEN UND IHRE STÄDTE Aushandlungsspielräume unter Ungleichen in der politischen Ordnung zu Beginn des 13. Jahrhunderts Gerhard Fouquet I. ‚Frei‘ wollten viele sein zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Die adligen Herren waren es seit je, nun strebten auch die maiores unter ihren Knechten danach. Einer der bevorzugten sozialen Räume dafür neben dem Königshof war die Stadt, seit die Kommunenbewegung in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts auch nördlich der Alpen Fuß fassen konnte.1 Die burgenses, cives, cives de plebe, nobiles burgenses oder wie auch immer die gelehrten Schreiber diese zunächst noch unfassbare soziale Typik kommunaler libertas in ihrer lateinischen Sprache zu fassen suchten, blieben in unterschiedlichen Entwicklungsstadien ‚the happy few‘,2 bis es 1247 zuerst den Lüneburgern gelang, alle herzoglichen Eigenleute, die in der Stadt wohnten, für die enorme Summe von 350 Gewichtsmark Silber freizukaufen.3 Den wenigen Geschlechtern, Menschen aus den Ministerialitäten verschiedener Herren oder aus den sich in nachantiken sozialen Milieus genossenschaftlich assoziierenden Verbänden der Kaufleutegilden mit ihren je eigenen Rechten, denen es zuvor in einem rund vier Generationen währenden Entwicklungsprozess gelungen war, die alte Unfreiheit mehr und mehr abzustreifen und zugleich als Eidgenossenschaft eine Gemeinde zu bilden, boten die königlichen Städte, danach die Bischofsstädte die besten sozialen Räume für derartige Emanzipation. Denn der seit staufischer Zeit römische König war in der polyzentrischen Verfasstheit der Herrschaft im Reich, der seit dem 12. Jahrhundert ein gleich gearteter Urbanisierungsprozess folgte, eigentlich ein ferner Herr, aber er blieb gerade in den alten Bischofsstädten durch sein Recht der Regalieninvestitur und als oberster Vogt aller im Reich gelegenen Kirchen herrschaftlich nahe genug,4 um ihn, den fernen König, gegen den allzu unmittelbaren Bischof und sein Domkapitel zu benutzen, wenn er es denn zuließ oder es seine Opportunitäten gestatteten. 1 2 3 4
Haverkamp 1970/71; Hirschmann 2011/12; Isenmann 2012. Zuletzt, die Unzahl der Literatur glänzend zusammenfassend: Zotz 2011. Demnächst auch Fouquet, Speyer und Lübeck. Zur Ministerialität mit aller älteren Literatur: Keupp 2002. Zur städtischen Ministerialität für den Zusammenhang dieser Untersuchung besonders: Zotz 1979. Irsigler 2013, S. 129 f. Schubert 1979, S. 207–226; Krieger 1987, S. 467 f.
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Es geht in diesem Beitrag mithin nicht um den Entwicklungszustand der städtischen Freiheit am Anfang des 13. Jahrhunderts, wie sie die Kanzlei Friedrichs II. z. B. 1215 und 1219 in den Privilegien für die königlichen Städte Aachen und Goslar,5 in der Erhebung der villae Annweiler und Pfullendorf 1219 und 1220 zu Städten mit ihrer libertas perpetua6 oder in den großen Reichsfreiheitsprivilegien für Nürnberg (1219), Lübeck (1226) und Regensburg (1230)7 zum Ausdruck brachte, während Städte wie Maastricht, Vienne, Nördlingen, Oberwesel, Lauffen, Sinsheim, Eppingen, Ettlingen und Durlach oder Wimpfen gleich Hörigen oder Ministerialen verkauft, vertauscht, verpfändet oder als Lehen hingegeben werden konnten.8 Es geht auch nicht um den sozialen Emanzipationsprozess der Geschlechter in den Königs- und Bischofsstädten, wie er sich etwa 1232 in der Befreiung der wenigen, die ‚Bürger‘ in den Wetterauer Städten Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar hießen, vom Zwang kund tat, ihre Töchter einem Mitglied des königlichen Hofes zur Ehe geben zu müssen, oder sich in Lehnsübertragungen an Bürger Basels, an den Berner Schultheißen, den fidelis Heinrichs (VII.), Peter von Bubenberg,9 oder an den Goldschmied Dietrich von Köln manifestierten.10 Es geht endlich auch nicht um die Schriftlichkeit in den Städten, nach der sich, wie Gabriel Zeilinger jüngst an oberelsässischen Städten zeigte, der Grad der Urbanisierung buchstabieren lässt.11 Unser Thema heißt vielmehr: die Vermessung der politischen Spielräume zwischen dem staufischen Königtum, den Reichsbischöfen und ihren Städten in der Zeit zwischen 1212 und 1235. Die Problematik jener Aushandlungsprozesse lag darin, dass die traditionelle politische Ordnung, die zwei Generationen zuvor noch völlig vom Königtum dominiert worden, ja institutionell Sphäre des königlichen 5 6 7 8
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RI V,1, Teil 1, Nr. 814, 849 und 1025; Historia diplomatica Friderici secundi 1852–61, Bd. 1/2, S. 399–401; MGH D F II, Bd. 2, Nr. 316, S. 290–295 und Bd. 3, Nr. 528, S. 203–208. Die hier und im Folgenden verwendeten Siglen werden im Quellenverzeichnis aufgelöst. RI V,1, Teil 1, Nr. 1054 und 1136; Historia diplomatica Friderici secundi 1852–61, Bd. 1/2, S. 679–681 und 790–792; MGH D F II, Bd. 3, Nr. 559, S. 269–271 und Bd. 3, Nr. 638, S. 418– 420. RI V,1, Teil 1, Nr. 1054, 1608, 1636 und 1825; MGH D F II, Bd. 3, Nr. 578, S. 304–307 (Nürnberg); UB Lübeck 1, Nr. 35, S. 45–48. RI V,1, Teil 1, Nr. 746 (1214: Maastricht als königliches Lehen des Herzogs von Brabant), 755 (1214: Vienne als königliches Lehen des Erzbischofs von Vienne), 840 (1215: Nördlingen vom Regensburger Bischof dem König gegen ein Tauschobjekt überlassen, was scheiterte), 862 (1216: Oberwesel vom König dem Erzbischof von Köln um 2.000 Mark Silber verpfändet), 2060 (1234: Friedrich II. verpfändet dem Markgrafen von Baden Lauffen, Sinsheim und Eppingen um 2.300 Mark Silber, Ettlingen gibt er ihm zu Lehen und Durlach zu Eigentum) und 4060 (Wimpfen: Heinrich (VII.) erhält es gegen 1.300 Mark Silber als Lehen des Bischofs von Worms). Dazu Schneidmüller 2000, S. 53 f. (besonders für Nördlingen); Fouquet 2012. RI V,1, Teil 2, Nr. 4089 (1227 für Basel) und 4374 (1235 für Bern); UB Basel 1, Nr. 111, S. 79 f.; Historia diplomatica Friderici secundi 1852–61, Bd. 4, S. 719. Zu Basel: Wackernagel 1907–24, Bd. 1, S. 20–25. Zu Bern: Feller 1946, S. 26–42. RI V,1, Teil 2, Nr. 4129 (1229 für Köln); MrhUB 3, Nr. 341, S. 273 f. Dazu Groten 1998, S. 110. Zum Lehnsrecht im 13. Jahrhundert jüngst: Spiess 2013. Zeilinger 2013. Zu der in Köln versammelten gelehrten Jurisprudenz um 1200: Groten 1998, S. 31–54.
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Hofes gewesen war, sich zu einer neuartigen Ordnung, zu offener konsensualer Herrschaft wandelte. Dieser spannende, sich über zwei Jahrhunderte erstreckende Entwicklungsprozess, in dem sich ein sich immer stärker verdichtendes Reich nördlich der Alpen vom königlichen Hof emanzipierte, war in seiner frühen Formierungsphase um 1200 von einer neuartigen und von daher, wie wir noch sehen werden, sehr komplexen Dreieckskonstellation geprägt.12 Die alte politische Ordnung, deren institutionelle Struktur von vereinbarten Regeln, Normen und kognitiv-kulturellen Annahmen geprägt war, die allein von König und Hof legitimiert wurden und jedem Mitglied Güter wie Vertrauen oder Treue erst ermöglichten,13 wurde erweitert und mithin gestört durch zwei neue Akteursgruppen. Als mächtig Handelnde hatten sich zum einen die Reichsfürsten verfassungsrechtlich wie sozial formiert. Die Verhaltensnormen dieser zunehmend durch die Königswähler geschichteten Gruppe waren durch jene „Differenzierungsmöglichkeiten“ auf dauernde gegenseitige Konkurrenz ausgerichtet. Und die zu Beginn des Säkulums gefundene „gemeinschaftliche Teilhabe von König und Fürsten am Reich“ bildete nur eine situative Klammer allfälliger Konfliktbeilegung oder Allianzbildung.14 Zum anderen erschienen als mindermächtige Teilhaber an der politischen Ordnung die Kommunen. In ihnen entfaltete sich in einem doppelten, sozial wie politisch gestalteten Emanzipationsprozess die Urbanisierung Mittel-, West-, Ost- und Nordeuropas, mithin der entscheidende Vorgang des 13. und frühen 14. Jahrhunderts, der die südlich der Alpen bereits um 1100 einsetzende Kommunalisierung vollendete und Europa zu seinem Vorteil langfristig veränderte.15 Aus der Perspektive der Urbanisierungsgeschichte soll daher geprüft werden, wie die als Schultheißen, Schöffen oder schon als Räte agierenden Geschlechter der werdenden Stadtgemeinden zugleich diese Spielräume nutzten. Vorderhand galt ihnen dabei zweierlei zu erreichen: Zum einen lagen ihre individuellen Interessen darin, sich aus ihren minderrangigen Positionen als Pertinenzien im königlichen Lehnsbesitz der jeweiligen sich als Reichsfürsten etablierenden Erzbischöfe und Bischöfe, die eben verkauft, vertauscht oder verpfändet werden konnten, zu befreien. Zum anderen versuchten sie, die als ministerialische Eliten an den königlichen und fürstlichen Höfen bereits ihre politischen „Partizipationsansprüche“ durchgesetzt hatten,16 auch sich in und mit den Städten als eigenständige politische Entitäten in der neuen politischen Ordnung zu profilieren.17 Zugleich überlagerte in jenen Jahren der immer wieder aufbrechende, sich verschärfende und endlich zur Katastrophe führende Konflikt im staufischen Kaiser12 13 14 15 16 17
Als Klassiker: Moraw 1989. Ewert 2004. Schneidmüller 2000, S. 80 f. (Zitate). Zum Gesamtvorgang im Überblick: Krieger 1992. Zur Formierung der Reichsfürsten als Gruppe und zu den Handlungsspielräumen ihrer Politik: Garnier 2000; Kaufhold 2000; Spiess 2008; Auge 2009; Gramsch 2013. Isenmann 2012; Ders. 2002. Zusammenfassend zur Entwicklungsgeschichte: Moraw 1995, S. 307–312. Schneidmüller 2000, S. 60 (Zitat). Ich folge damit einem Gedankengang von: Groten 1998, S. 103. Anregend im großen Überblick: Dilcher 2002; Mittler zwischen Herrschaft und Gemeinde 2013.
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und Königshaus die Interessen und Reichweiten königlicher Herrschaft in den Bischofsstädten und gegenüber den geistlichen Reichsfürsten. Es ist dabei selbstverständlich, dass mit den thematisierten Interessen der beiden Hauptakteure auch die der jeweiligen Höfe gemeint sind, und zwar gerade im Fall des jungen Heinrichs, dessen Hof sich zunächst um Erzbischof Engelbert von Köln und ab 1226 um Herzog Ludwig von Bayern bildete, endlich sich seit 1228/29 unabhängig machte und eigenständig agierte.18 Es ist ebenso selbstverständlich, dass unter den zahlreichen Städten nördlich der Alpen, von denen 119 überlieferte Urkunden Heinrichs (VII.) und 84 Briefe Friedrichs II. bis 1235 zeugen, nur einige ausgewählte Beispiele zur Beantwortung der Ausgangsfragen herangezogen werden können. II. Normativ, so scheint es, wurde die Stadtherrschaft geistlicher Reichsfürsten im Verhältnis zum staufischen Königtum und dessen politischen Eigeninteressen im großen Privileg vom 26. April 1220 zu Frankfurt abgegrenzt. Friedrich II. war im langen Aushandlungsprozess der Königswahl Heinrichs (VII.) zu den Zugeständnissen jener seit dem 19. Jahrhundert so genannten „Confoederatio cum principibus ecclesiasticis“ genötigt worden.19 Wesentlich für die königliche Herrschaft über und mit Städten waren dabei die Punkte, welche die Aufnahme von Hörigen geistlicher Fürsten in königliche Städte, die Übergriffe von Vögten auf Kirchengut, die Errichtung von Zoll- und Münzplätzen, von Burgen und Städten auf kirchlichem Boden verboten. Das jedoch ist nur die eine Seite der Medaille, die situative Kraft des Faktischen politischer Machtaushandlung. Auf der anderen Seite erforderte die aus der Romane monarchia dignitatis fließende plenitudo potestatis des Königs und Kaisers, wie es im Dezember 1231 und im April 1232 auf den Hoftagen zu Ravenna und Aquileja hieß, dass der von den Bischöfen behaupteten Eigenherrschaft über die Städte klare Grenzen gesetzt wurden.20 Die Stadtherrschaft der Bischöfe „Alemanniens“ und ihrer Amtsgewalten sei, das ließ Friedrich II. in diesem Privileg klar festhalten, keineswegs eigenberechtigt. Sie, die ordinatio „der Städte und aller ihrer Güter“, sei den Bischöfen vielmehr „von der Erhabenheit des Reiches“, mithin vom Kaiser selbst verliehen. Sie habe, wie Eberhard Isenmann kürzlich noch einmal deutlich machte, als „abgeleitet zu gelten“.21 Mit anderen Worten, und das sagt Friedrich II. deutlich in seinem Privileg: Die Bischöfe besaßen ihre stadtherrlichen Rechte allein aufgrund kaiserlicher libertates und durch freiwillige Verleihungen oder dona. Mit seiner kaiserlichen Oberhoheit kassierte Friedrich II. bei dieser Ge18 19 20 21
Hillen 1999; Stürner 1992–2000, Bd. 2, S. 126–130 und 296–316; Gramsch 2013, S. 185– 349. RI V,1, Teil 1, Nr. 1114; MGH Const. 2, Nr. 73, S. 86–91. Dazu Stürner 1992–2000, Bd. 1, S. 236–238. RI V,1, Teil 1, Nr. 1917 und 1953; MGH Const. 2, Nr. 156, S. 191–194. Übersetzung: Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1977, S. 428–433, Nr. 113. Isenmann 2012, S. 287 f.
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legenheit denn auch alle communia, consilia, magistros civium seu rectores vel alios quoslibet officiales, die in den Städten „ohne Zustimmung der Erzbischöfe und Bischöfe eingesetzt“ worden seien. Überdies sollten nach den Machtvorstellungen des Kaisers sämtliche confraternitates seu societates, mithin die Handwerksbruderschaften oder Zünfte früher Gemeindebildung, aufgehoben sein. Im Alltag politischen Handelns als Kunst, die widerstreitende Wirklichkeit in die Balance fortlaufend auszuhandelnder Kompromisse zu bringen, bot sich das Akteursdreieck zwischen König und geistlichen Reichsfürsten als Stadtherren unterschiedlichen Rangs sowie den bereits entstandenen oder gerade sich entwickelnden städtischen Genossenschaften mit ihrer beträchtlichen urbanistischen Vielfalt wegen der großen rechtlichen wie sozialen Unterschiede sehr kompliziert und komplex dar. Friedrich, der im Oktober 1212 nach den Worten des Chronisten Burchard von Ursberg die römische Königswürde gegen den Rat seiner Leute timentes evenire sibi periculum propter fraudem Alemannorum angenommen hatte,22 agierte zunächst, wohl gewitzt weniger aus Furcht vor den hinterlistigen Deutschen als aus den Erfahrungen südlich der Alpen, gegenüber Städten geistlicher Reichsfürsten vorsichtig genug. Und dennoch hatte der König wie schon sein Großvater Friedrich Barbarossa während der 1180er Jahre mit den dilecti fideles cives nostri, mit den sich aus den Ministerialitäten emanzipierenden niederadligen Führungsgruppen gerade in den Städten der geistlichen Fürsten zu rechnen und, wie es Thomas Zotz jüngst ausdrückte, „deren Stellenwert neben und teilweise im Gegenspiel mit den Fürsten auszuloten“. Drastisch charakterisierte Zotz das zeitweilige politische Lavieren Friedrichs II. als „Zick-Zack-Kurs“.23 Doch auch der Kurs Heinrichs (VII.) bzw. seines Hofes folgte dem mäandrierenden Lauf politischer Notwendigkeiten, die ökonomisch den Spuren städtischer Wirtschaftskraft zu folgen und sich politisch eher an den Fürsten zu orientieren hatten. Von einem eigenständigeren Agieren Heinrichs (VII.) in diesem Labyrinth darf man wohl erst ab 1228 sprechen, als Herzog Ludwig von Bayern, das ‚alter ego‘ Heinrichs, den Hof des damals 17jährigen Königs verließ.24 Es war wohl weniger die Heinrich (VII.) in Handbüchern gerne unterstellte Städtefreundlichkeit als vielmehr das politische Agieren des Königs mit und gegen die Fürsten, das ihn auf dem Wormser Hoftag am 23. Januar 1231 dazu zwang, sich zu dem berühmten Spruch gegen städtische Schwureinungen zu verstehen. Herausgestellt wird dabei in der Literatur immer der Hinweis des Privilegs, dass Städtebünde (communiones, constitutiones, colligaciones seu conjuraciones) nur mit Erlaubnis der jeweiligen fürstlichen Stadtherren abgeschlossen werden dürften, weniger dagegen der Satz, dass es im Gegenzug „dem Herrn“ der civitates et oppida gleichfalls nicht gestattet gewesen sei, sine nostre majestatis assensu „derlei in
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RI V,1, Teil 1, Nr. 651; Burchard von Ursberg, Chronik, S. 99 f. Zotz 2011, S. 132 und 134 (Zitat). Der Staufer zwang ihn im Sommer 1229 zwar zur Unterwerfung, verständigte sich aber im Jahr darauf wieder mit ihm: Stürner 1992–2000, Bd. 2, S. 277 f.; Gramsch 2013, S. 213 f.
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seinen Städten zu schaffen“.25 Die Kritik Heinrichs an den Fürsten erscheint aus seiner Sicht verständlich. Denn er war es, der drei Tage zuvor, am 20. Januar 1231, schon auf die Bitte des Bischofs von Lüttich reagiert und sowohl in einem Rechtsspruch als auch in einem direkten Schreiben an die cives von Lüttich und die burgenses in den Städten des Hochstifts Eidgenossenschaften verboten hatte.26 Gleichwohl war es auch Heinrich gewesen, der seinen „treuen“ Lütticher Bürgern, den jurati, in zwei Urkunden vom 9. April und 30. Juni 1230 nicht nur die ihnen von ihrem Bischof verliehenen Freiheiten bestätigt, sondern mit ausdrücklicher Zustimmung und Mitbesieglung Herzog Ludwigs von Bayern auch ihre Schwureinung mit Huy, Dinant, Fosses-la-Ville, Sint-Truiden, Maastricht und Tongeren gebilligt hatte.27 Eidgenossenschaften zwischen königlichen Städten wie Goslar, Wimpfen, Kaiserswerth oder Dortmund, die Heinrich förderte und sie in die königliche Auftragsverwaltung im Reich aktiv einband,28 duldeten der König und sein Hof dagegen keineswegs. Im November 1226 ließ Heinrich auf dem Würzburger Hoftag im Beisein zahlreicher weltlicher wie geistlicher Reichsfürsten nicht nur die Ministerialen und anderen Eigenleute des Mainzer Erzbischofs aus seiner Stadt Oppenheim entfernen, deren milites et universi cives et habitatores Friedrich II. noch im Juni des nämlichen Jahres eine vierzehntägige Martinimesse verliehen hatte. Der König verbot vielmehr auch die Eidgenossenschaft zwischen Speyer, Worms, Mainz, Oppenheim und Bingen, Frankfurt, Gelnhausen und Friedberg,29 gleichsam eine Vorform des Rheinischen Städtebundes von 1254, der in seinem Zusammenschluss von regionalen Städtebünden und seiner (nie zustande gekommenen) baulichen Manifestation einer domus pacis als Handhabung des Mainzer Reichslandfriedens von 1235 verstanden werden kann.30 Auf jenem Hoftag zu Würzburg im November 1226 mussten Heinrich (VII.) und sein Hof auch dem Bischof von Cambrai große Zugeständnisse gegenüber dessen Stadtgemeinde einräumen. Doch – der Reihe nach. Cambrai und wenige andere 25 26 27
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RI V,1, Teil 2, Nr. 4183; Historia diplomatica Friderici secondi 1852–61, Bd. 3, S. 445 f.; MGH Const. 2, Nr. 299, S. 413 f. Übersetzung: Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1977, Nr. 106, S. 418 f. Dazu z. B. Stürner 1992–2000, Bd. 2, S. 280. RI V,1, Teil 2, Nr. 4181 f. Ebd., Nr. 4151 und 4159; Historia diplomatica Friderici secondi 1852–61, Bd. 3, S. 411–414. Zu Lüttich: Escher/Hirschmann 2005, Bd. 2, S. 366–370, bes. S. 369 f. Zum politischen Hintergrund, in dem ein zwischen König, Bischof, Domstift und Kommune von Lüttich im Verein mit anderen Städten des Hochstifts in wechselnden Koalitionen ausgetragener Steuerstreit schwelte: Diestelkamp 1983, S. 132–140. Förderung: RI V,1, Teil 2, Nr. 3904 und 4334 (Goslar: Bestätigung der Stadtrechte; Münzerhausgenossen), 3914 (Wimpfen: eigener Waldbesitz) und 4253 (Dortmund: Gewährung eines zweiten Jahrmarkts); RI V,4, Nr. 563 (Kaiserswerth: 12 Geschworene); Königliche Auftragsverwaltung: RI V,1, Teil 2, Nr. 3896 (Zürich), 3917 (Bern), 3920 (Überlingen/ Ravensburg), 3948 (Städte im Elsass), 4101 (Wetzlar), 4104 (Oppenheim), 4140 (schwäbische Städte) und 4146 (Bern). Zur königlichen Auftragsverwaltung auch: Fouquet 2006. RI V,1, Teil 2, Nr. 4028; MGH Const. 2, Nr. 294, S. 409 f. Zum Privileg Friedrichs II.: RI V,1, Teil 1, Nr. 1635. Dazu Franck 1859, S. 15 f. und 229 f., Nr. 1; Escher/Hirschmann 2005, Bd. 2, S. 481–483. Voltmer 1986; Bönnen 2006; Schulz 2009.
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bischöfliche Städte aus dem Westen und Südwesten des Reiches sollen im Folgenden als Beispiele der faktischen Möglichkeiten aktiver wie passiver königlicher Städteherrschaft im parallelen wie ineinander verflochtenen politischen Agieren und Lavieren Heinrichs (VII.) und Friedrichs II. zwischen Bischöfen und Kommunen dargestellt werden. III. In Cambrai, unserem ersten Beispiel, war wie überhaupt im Westen des Reiches, der noch durch Metz und Verdun vertreten sein soll, die Gemeindebildung um 1200 weit vorangeschritten. Eine Kommune ist in Cambrai schon für das endende 11. Jahrhundert bezeugt. Im achten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts brach sich dort ein Konflikt zwischen werdender Stadtgemeinde und der Domgeistlichkeit Bahn.31 Der Bischof appellierte an Kaiser Friedrich Barbarossa. Der ließ 1182 in einem Urteil seines fürstlichen Hofgerichts die städtische Genossenschaft der Kommune aufheben und dem Bischof das Recht einräumen, seine Leute als Prévôts, Schöffen und bone opinionis viri der Stadt voranzustellen. Denn, so urteilte der Fortsetzer der „Gesta episcoporum Cameracensium“, ein Kanoniker von Cambrai, die „Eidgenossenschaft der Kommune“ sei „allen, welche die Freiheit der Kirche liebten, verhasst“. Es sei „verabscheuungswürdig“ (abominabile), dass sie „unter dem Namen des Friedens“ firmiere, weil daraus kein Frieden flösse.32 Dies alles hinderte den Kaiser freilich nicht, 1184, zwei Jahre später, auf dem Hoftag in Gelnhausen die zuvor de jure beseitigte Kommune nun ausdrücklich als pax und ihre Vorsteher als iurati pacis bezeichnen zu lassen. Sie, die Geschworenen, sollten über die milites wie über die liberi homines in Cambrai, nicht jedoch über den Klerus „eine weitgehende Gerichtsbarkeit“ ausüben.33 Die Blaupause für diese Barbarossa-Urkunde mit ihren weiteren Vergünstigungen gab die Handfeste Graf Philipps von Flandern für St. Omer ab; fünf Bürger Cambrais, die als Zeugen genannt sind, hatten den Staufer mit ihrem Geld gefügig gemacht.34 Den Bischof beruhigte Friedrich Barbarossa mit einem Privileg, das umfassende Steuerbefreiungen der Kirchen und Stifter Cambrais samt ihrer Haushalte vorsah.35 Im staufisch-welfischen Thronstreit ließ Philipp von Schwaben 1205 der Stadtgemeinde den Status quo von 1184 bestätigen.36 Otto IV. dagegen hielt sich an Bischof Johannes von Béthune. Der Welfe restituierte die alten bischöflichen Rechte über die Stadt und ließ die Bürgerschaft ächten.37 31 32 33 34 35 36 37
Opll 1986, S. 54–63; Schwind 1992, S. 474–479. MGH D F I, Bd. 4, Nr. 825, S. 29–31; Gesta episcoporum Cameracensium 1846, S. 510 (Zitat). Dazu Schwind 1992, S. 476; Zotz 2011, S. 128; Vogeler 2011, S. 130–132. MGH D F I, Bd. 4, Nr. 858, S. 92–95. Herkenrath 1985, S. 157–159; Oppl 1986, S. 61 f.; Schwind 1992, S. 477; Zotz 2011, S. 128 f. MGH D F I, Bd. 4, Nr. 860, S. 96 f. RI V,1, Teil 1, Nr. 112. Ebd., Nr. 347.
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Die je nach wirtschaftlichen oder politischen Opportunitäten geartete interventionistisch Gemeinde oder Bischof bevorzugende königliche Stadtherrschaft über Cambrai hatte sich damit noch lange nicht erschöpft. Wolfgang Stürner charakterisierte die unterschiedlichen Wendungen, die das Ganze vor allem unter Friedrich II. nahm, mit Recht als „merkwürdigen Vorgang“.38 Am 19. Juli 1214 ließ der neue König seinen Bürgern von Cambrai zunächst einen Brief mit der Bestätigung ihrer Rechte und Freiheiten zugehen, wie sie ihnen 1184 gewährt worden waren. Die „bewährte Treue“ der Stadt sollte wenige Tage vor Bouvines ein Bollwerk gegen den immer noch welfentreuen Bischof errichten.39 Doch als Bischof Johannes nach der für den Welfen Otto verlorenen Schlacht zu Friedrich wechselte und am 29. Juli 1215 nach der Krönung seine Regalien vom König in Aachen empfing, da berief sich der Staufer auf einen Rechtsspruch der Fürsten: Die Bürger von Cambrai hätten sich ohne Wissen des Bischofs königliche Briefe „erschlichen“, und so seien alle Privilegien zu kassieren, welche die Stadtgemeinde je zum Nachteil der Kirche, wie es hieß, erhalten hatte.40 Ja, mehr noch: Wenige Tage später erneuerte Friedrich den vor fünf Jahren über die Stadt Cambrai verhängten Königsbann und erklärte am 12. April 1216 zu Speyer auch die in Abwesenheit des Bischofs gleichfalls unberechtigte königliche Bestätigung der Stadtrechte vom Jahr zuvor für abgetan.41 Zehn Jahre später, im Juni und November 1226, kam es schließlich zu einer Doppelaktion Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) gegen die Gemeinde von Cambrai, dokumentiert in drei Urkunden. Das fürstliche Hofgericht erließ mit Zustimmung des Kaisers in Borgo San Donino auf die Klage von Bürgern aus Cambrai nicht nur die bekannte Sentenz, das dort ein deutscher Hoftag (curia Alemanie) stattfinde, wo Kaiser und Reichsfürsten (principes imperii nostri) anwesend seien.42 Es entschied auch erneut über die Unwirksamkeit der einst ergangenen bürgerlichen Privilegien und Handfesten. Überhaupt sei der Rat der Kommune aufgehoben – die Bürger sollten nicht mehr beim Läuten der Ratsglocke des Beffrois (Berfrois) zusammenkommen, heißt es –, außerdem seien die Gemeinderechte außer Kraft, welche die Leute von Cambrai pax nannten.43 Das bedeutete in der Konsequenz – und die brieflich gefasste Intervention Heinrichs (VII.) vom November 1226 wird darin noch deutlicher –, dass sich die Kommune, zumal die Reichsacht im Juni des nämlichen Jahres auf dem Hoftag in Trient ausdrücklich verlängert wurde, nicht gegen den bischöflichen Stadtherrn behaupten konnte. An der Spitze von 14 Schöffen standen fortan zwei Prevots, allesamt vom Bischof ernannt.44 38 39 40 41 42 43 44
Stürner 1992–2000, Bd. 1, S. 221 (Zitat). RI V,1, Teil 1, Nr. 742; MGH D F II, Bd. 2, Nr. 241, S. 149 f. RI V,1, Teil 1, Nr. 816; MGH D F II, Bd. 2, Nr. 354, S. 362–364. RI V,1, Teil 1, Nr. 852; Historia diplomatica Friderici secundi 1852–61, Bd. 1/2, S. 449–451; MGH D F II, Bd. 2, Nr. 354, S. 362–364. Dazu Schneidmüller 2000, S. 78. RI V,1, Teil 1, Nr. 1638; MGH Const. 2, S. 134, Nr. 106. RI V,1, Teil 2, Nr. 4009 und 4025 f.; Historia diplomatica Friderici secundi 1852–61, Bd. 2/2, S. 891–895 und 895 f.; MGH Const. 2, Nr. 291, S. 406 und Nr. 293, S. 409. Dazu auch Herkenrath 1985, S. 159.
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In Metz, unserem zweiten Beispiel, wo die entstehende Gemeinde der Herrschaft Bischofs Bertram zwischen 1180 und 1212 die Treize jurés, ein DreizehnerKolleg, entgegengesetzt hatte, intervenierte Friedrich II. zwar 1215 für den bischöflichen Stadtherrn, der Stadtadel aber behauptete sich 1224 gegen den Bischof in der guerre des amis.45 Und als man 1232 in einem erneut ausbrechenden Konflikt zwischen Bischof und städtischer Führungselite die Vermittlung König Heinrichs (VII.) verweigerte, beauftragte der den Grafen von Bar, die Bürger gegen ihren Stadtherrn zu unterstützen. Heinrich bat auch König Ludwig von Frankreich um seine Hilfe, die, wie ein inseriertes Schreiben des französischen Königs an seine fideles zeigt, ihm nicht verwehrt wurde.46 Komplexer lagen dagegen die Dinge in Verdun, dem dritten Exempel. Hier waren städtische Führungsgruppen schon 1131 an der Bischofswahl beteiligt gewesen, das ius civitatis ist seit 1141/42 bezeugt.47 Als dann 1208 zum ersten Mal die Interessengegensätze zwischen Bischof und Stadtadel in einem offenen Konflikt eskalierten, versuchte Friedrich II. die Auseinandersetzungen 1215 bei seiner (nochmaligen) Aachener Krönung in einem fürstlichen Rechtsspruch zugunsten der traditionellen Herrschaftsverhältnisse in der Bischofsstadt zu beeinflussen. Die königliche Anweisung, am 19. Juli 1215 übrigens zusammen mit dem Verbot der Kommune in Cambrai ergangen, tolerierte weder Eidgenossenschaften und Befestigungsrechte noch die Steuerhoheiten der Gemeinde. Ohne den ausdrücklichen Befehl des Königs und die Zustimmung des Bischofs, auf denen allein die Herrschaft in der Stadt beruhe, sei derartiges Handeln unerlaubt.48 Fünf Jahre später griff Friedrich noch einmal in den erneut zum Ausbruch kommenden Konflikt in Verdun ein. Am 16. April 1220 ließ er von Frankfurt aus wiederum auf Grundlage eines Hofgerichtsurteils Bischof Johannes und der Gemeinde schreiben, dass alle Angehörigen der Kirche zu Verdun (familia tota ecclesiae Virdunensis simul et canonicorum) traditionell steuerfrei seien. Er untersage daher die Versuche der Gemeinde, in dieses Privileg einzugreifen.49 Heinrich (VII.) kam erst 1227 in nähere Berührung mit den Auseinandersetzungen um die faktische Stadtherrschaft zwischen den Bischöfen und den lignages, den großen Geschlechterverbänden Verduns, die wie im benachbarten Metz seit Ende des 12. Jahrhunderts die Gemeinde ausmachten. König und Hof nahmen in diesem Verfassungsstreit, der 1227 nach den Annalen von St. Vanne sogar zu gewaltsamen Auseinandersetzungen (pugna inter Radulfum episcopum Virdunensem et inter cives) führte, die Position wechselnden politischen Versteckspiels ein, und zwar je nach Opportunitäten und ohne deutlich erkennbare Linie oder Ziel.50 Diese politi45 46 47 48 49 50
RI V,4, Nr. 144. Dazu Parisse 1993, Sp. 586; Escher/Hirschmann 2005, Bd. 2, S. 408–417, bes. S. 415. RI V,1, Teil 2, Nr. 4263. Hirschmann 1996, Bd. 2, S. 634–654; Escher/Hirschmann 2005, Bd. 2, S. 633–636. RI V,1, Teil 1, Nr. 817; MGH D F II, Bd. 2, Nr. 319, S. 297 f. RI V,1, Teil 1, Nr. 1098; Historia diplomatica Friderici secondi 1852–61, Bd. 1/2, S. 751 f.; MGH D F II, Bd. 3, Nr. 604, S. 357 f. Annales Sancti Vitoni Virdunensis 1852, S. 528. Dazu Knöpp 1928, S. 44–46; Hirschmann 1996, Bd. 2, S. 639 f.
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sche Haltlosigkeit dürfte dem Ansehen des Staufers schwer geschadet haben. Zwischen März und Juni 1227 ging eine Wirrsal von neun, offenbar wenig abgestimmten königlichen Schreiben nach Verdun. Das Ganze begann im März 1227 von Aachen aus – ein Hoftag stand dort im Zeichen der Regelung von Konflikten an der westlichen Reichsgrenze51 – mit einem großen, undatierten Privileg für die Bürger von Verdun. In ihm legitimierte Heinrich ohne Verweis auf irgendeine Rechtstradition ein Siebener-Geschworenengremium, an deren Spitze ein maior decanus laicus stehen solle, der sich als Stellvertreter einen subdecanus laicus oder submonitor wählen und dem Bischof zur Investitur ohne Widerspruchsrecht vorzuschlagen habe, überdies ein Schöffenkolleg aus 14 Männern – auch dagegen besäße der Bischof keine Einspruchsmöglichkeiten – sowie endlich eine gemeine Steuer in Kernstadt und Vorstädten für den Mauerbau, allesamt Probleme mithin, die schon 1215 und 1220 ungelöst und strittig waren.52 Wohl wenige Tage später, am 30. März, schränkte Heinrich das sehr allgemein gehaltene Besteuerungsrecht jener Urkunde ein, indem er dem bischöflichen Elekten Verduns Rudolf von Thourotte und seinen Bürgern das Privileg Friedrichs II. vom 16. April 1220 mit seinem Verweis auf die steuerlichen Sonderrechte der Kleriker bestätigte.53 Am gleichen Tag ließ Heinrich in einer gesonderten Urkunde die Steuerfreiheit der Kirchen Verduns noch einmal klar und eindeutig formulieren.54 Die Tinte auf dem Pergament dieser beiden Urkunden war noch nicht trocken, da räumte Heinrich sieben Tage später, am 6. April 1227 – er war inzwischen von Aachen nach Oppenheim gekommen und gab dort der Weisung von Fürsten unter der Leitung des Trierer Erzbischofs seine Zustimmung – alle seine vorher aufgeschriebenen und besiegelten Positionen: Der König, mithin wahrscheinlich Herzog Ludwig von Bayern, damals die Führungsperson des Hofes, verbot alle Freiheiten und Konstitutionen der Gemeinde Verduns. Die Begründung ist bezeichnend für die vom Königtum zumindest situativ zu beachtenden Unterschiede in den Handlungsspielräumen der Konsensbildung zwischen Fürst/Bischof und Gemeinde: Der Rat der Fürsten habe seinem in Aachen ausgestellten Privileg über die kommunalen Freiheiten Verduns widersprochen, weil er, der König, ohne Befragung des Bischofs von Verdun dazu nicht berechtigt gewesen sei (de iure facere non poteramus). Mit ähnlicher Begründung hatte 1218 Friedrich II. sein für die Basler Bürger ausgestelltes Privileg zugunsten der älteren bischöflichen Rechte zurückgezogen.55 Im Jahre 1227 empfahl Heinrich (VII.) der Kommune von Verdun, dem Trierer Erzbischof zu gehorchen, den er mit entsprechenden Vollmachten zu ihnen schicke.56 Am 26. April hatten sich König und Hof sogar dazu zu bequemen, gegenüber dem erwählten Bischof Rudolf von Thourotte gleichsam Wort für Wort das Privileg vom März zurückzunehmen, ja die königliche Majestät verbeugte sich vor 51 52 53 54 55 56
Gramsch 2013, S. 188–190. RI V,1, Teil 2, Nr. 4043. Ebd., Nr. 4044; Historia diplomatica Friderici secondi 1852–61, Bd. 3, S. 315 f. RI V,1, Teil 2, Nr. 4045; Historia diplomatica Friderici secondi 1852–61, Bd. 3, S. 316. MGH Const. 2, Nr. 62, S. 75. Dazu Maschke 1977, S. 66; Boshof 1986, S. 54 f. RI V,1, Teil 2, Nr. 4053; MGH Const. 2, Nr. 295, S. 410.
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dem bischöflichen Herrschaftsrecht: Mit der Sanktionierung der allgemeinen Stadtsteuer habe er, ließ Heinrich in den Brief einrücken, selbst wenn er die Konstitutionen für die Gemeinde nicht widerrufen hätte, die Freiheit der Kirchen Verduns von allgemeinen, kommunalen Abgaben keineswegs antasten wollen.57 Es erscheint angesichts dieses Systembruchs politischer wie symbolischer Darbietung königlicher Macht trotz allem der politischen Ordnung inhärenten Willen zum Konsens konsequent, dass die Geschlechter Verduns dem zu ihnen gesandten Trierer Erzbischof Dietrich von Wied die kalte Schulter zeigten, mochten auch König und Hof gleichfalls am 26. April jenen Bürgern damit drohen, sie und ihre Güter für friedlos zu erklären.58 Das vorläufige Ende der Auseinandersetzungen zwischen Geschlechtern und Klerus in Verdun und – ex post betrachtet – auch der Erfolg der bürgerlichen Genossenschaft über die bischöfliche Herrschaft markieren zwei, auch durch ein Schreiben Herzog Ludwigs von Bayern bekräftigte Briefe Heinrichs (VII.) am 20. Juni 1227 wenige Wochen später – zum einen gerichtet an „die sieben Custoden und die übrigen Bürger von Verdun“, zum anderen dem erwählten Bischof mit dem Tenor zugeschickt: Alles zurück auf Beginn, sein Privileg vom März des nämlichen Jahres, so Heinrich, sei in voller Kraft. Die Hintergründe dieser neuerlichen Wende sind unklar. Möglicherweise mangelte es dem Königshof an den nötigen Informationen über die sehr komplexe Situation in Verdun, die durch widerstreitende Parteibildungen im Domkapitel um die Person des neuen Bischofs zusätzlich belastet wurde.59 Wahrscheinlicher aber lag es daran, dass der einflussreiche Bayernherzog Ludwig 1227 einem anderen ‚Cluster‘ fürstlicher Netzwerkbildung, der Gruppe jedenfalls „mit der größten Königsnähe“, angehörte als der Trierer Erzbischof, der für Verdun zuständige und seinen Suffraganbischof gegen die Gemeinde unterstützende Metropolit.60 Die Kölner Kommune, unser letztes Beispiel aus dem Westen, konnte auf dem Würzburger Hoftag vom Mai 1216 mit dem Hof Friedrichs II. in Kontakt treten. Der König bestätigte am 6. Mai seinen nobiles burgenses Coloniensis das Privileg seines Vaters Heinrich VI. vom Juni 1193, insbesondere die Zollfreiheit in Boppard und Kaiserswerth.61 Von Heinrich (VII.) dagegen das Nämliche zu erlangen, war deswegen unmöglich, weil ja der Kölner Erzbischof Engelbert von Berg zunächst zu dessen Vormund bestellt war. Schließlich am 25. Januar 1225 bequemte sich der Erzbischof doch dazu, den vierzehnjährigen Heinrich eine Urkunde unterfertigen zu lassen, in der zwar die Rechtsverleihungen Heinrichs VI. bestätigt, aber kein Bezug auf den Brief Friedrichs II. oder gar auf das ‚Epitheton ornans‘ für die Bürger Kölns genommen wurde. Im Gegenteil – Manfred Groten wies darauf hin, dass „in der Einleitung zu dem Transsumpt von 1225 […] ausdrücklich die Rede von einem der 57 58 59 60 61
RI V,1, Teil 2, Nr. 4058; Historia diplomatica Friderici secundi 1852–61, Bd. 3, S. 330–332. RI V,1, Teil 2, Nr. 4059; Historia diplomatica Friderici secundi 1852–61, Bd. 3, S. 327–329. RI V,1, Teil 2, Nr. 4063–4065. Dazu Hirschmann 1996, Bd. 2, S. 640 f. Gramsch 2013, S. 190 (Zitat) und Farbtafel 6. RI V,1, Teil 1, Nr. 855; Historia diplomatica Friderici secundi 1852–61, Bd. 1/2 S. 451–456; Quellen Köln, Bd. 2, Nr. 48, S. 56 f.; MGH D F II, Bd. 2, Nr. 357, S. 367–369.
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Kölner Kirche und der Stadt Köln gemeinsam verliehenen Privileg“ sei. Die Kölner Kommune jedenfalls war für Heinrich damals angesichts seines fürstlichen Mentors Engelbert von Berg völlig bedeutungslos.62 Politische Opportunität erlangte die Gemeinde erst 1231, als Heinrich (VII.) begann, sich aus dem starken fürstlichen Einfluss auf seinen Hof zu lösen. Am 19. Januar 1231 ließ er, freilich immer noch abgesichert durch Fürstenspruch, feststellen, dass die Schöffen und Bürger Kölns nicht in persönliche Haftung für die Schulden des jeweiligen Erzbischofs oder einer anderen Person genommen werden dürfen. Den überschwenglich für ihre Treue Gelobten verschaffte der König dadurch nicht nur wieder ein wichtiges Moment persönlicher Freiheit, ohne die allgemeine Abgabenpflicht gegenüber dem Stadtherrn aufzuheben, sondern auch Rechtssicherheit außerhalb der Stadt. Die zahlreichen Gläubiger des hoch verschuldeten Erzbischofs konnten dadurch nicht mehr in beliebiger Weise auf Person und Güter der herrschaftsunterworfenen Bürger zugreifen.63 IV. Im Südwesten des Reiches mit seinen Kathedralstädten Konstanz, Basel, Straßburg, Speyer, Worms und Mainz seien die Probleme königlich-kaiserlicher Politik mit den geistlichen Reichsfürsten und den von ihnen nicht oder nur schwer akzeptierten Kommunen nur am Speyerer und Wormser Beispiel verdeutlicht. Straßburg wird im Hinblick auf die Städtepolitik Heinrichs (VII.) in seiner Endphase gestreift.64 Mainz war Heinrich nur in Gestalt des dortigen Erzbischofs Siegfried von Eppstein 1226 eine Urkunde wert, und zwar im Zusammenhang mit der beschriebenen Auflösung des Bundes oberrheinischer und Wetterauer Städte.65 In Konstanz, dessen entstehende Gemeinde von Heinrich VI. 1192 adressiert worden war, privilegierte Heinrich (VII.) Bischof Heinrich von Tanne lediglich im April 1233 einen Wochenmarkt im Suburbium Meersburg.66 Und die zwischen 1185 und 1190 einsetzende kommunale Entwicklung Basels67 wird erst am 13. September 1218 deutlicher fassbar, als Friedrich II. ein wohl 1212 zugunsten der Stadt ausgestelltes Steuerprivileg auf Druck des Bischofs Heinrich von Thun und der auf dem Ulmer Hoftag versammelten Fürsten widerrufen und den Basler Stadtrat aufheben musste.68 Der König dekretierte dem Basler Reichsfürsten zudem in zwei weiteren Urkunden vom 12. Septem62 63 64 65 66 67 68
RI V,1, Teil 2, Nr. 3960; Quellen Köln, Bd. 2, Nr. 79, S. 90 f. Dazu Groten 1998, S. 103 (Zitat). RI V,1, Teil 2, Nr. 4180; Quellen Köln, Bd. 2, Nr. 122, S. 127 f. (falsches Datum: 1231 Juni 19). Dazu Groten 1998, S. 110. Escher/Hirschmann 2005, Bd. 2, S. 595–601. RI V,1, Teil 2, Nr. 4028; Historia diplomatica Friderici secundi 1852–61, Bd. 2, S. 898 f.; Escher/Hirschmann 2005, Bd. 2, S. 382–387, bes. S. 384. RI V,1, Teil 2, Nr. 4279; Historia diplomatica Friderici secundi 1852–61, Bd. 4/2, S. 610 f. Dazu Maurer 1996, S. 114–119. Patemann 1964, S. 447–454; Escher/Hirschmann 2005, Bd. 2, S. 49–52. MGH Const. 2, Nr. 62, S. 75 f.; UB Basel, Bd. 1, Nr. 92, S. 61–63; MGH D F II, Bd. 3, Nr. 452, S. 56–59. Dazu vor allem Hagemann 1981–87, Bd. 1, S. 13.
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ber 1218 die Einführung einer indirekten Verbrauchssteuer, des sogenannten Ungeldes, und gab ihm wie schon Heinrich VI. ein allgemeines Schutzprivileg.69 In Speyer, wo Heinrich V. mit seinen Gunstbeweisen von 1111 die „Voraussetzungen für die Konsolidierung“ der persönlichen Freiheit der Speyerer Bürger „mit einheitlichem Rechtsstatus, z. B. der Garantie für erworbenes Eigentum“ geschaffen hatte70 – sie waren von Friedrich Barbarossa 1182 lediglich bestätigt worden71 –, privilegierte 1198 Philipp von Schwaben seine Speyerer Bürger neben steuerrechtlichen Vorteilen mit dem offenbar noch von Heinrich VI. (vor 1195) verliehenen Recht, aus der Bürgerschaft zwölf Männer zu erwählen. Die sollten kraft ihres consilium, ihres Rates, in Sachen Administration und Gericht die Stadt leiten. Dies war zugleich „die Geburtsstunde des Speyerer Stadtrats, eines der frühesten und unabhängigsten städtischen Führungsgremien nördlich der Alpen“.72 Mit Recht wies Hermann Jakobs darauf hin, dass dieser „Rat“ ähnlich wie in Basel oder Worms „um die Wende zum 13. Jahrhundert in Wahrheit ein ‚consilium episcopi‘“ gewesen sei, auch wenn er „in städtischen Angelegenheiten“ gehandelt habe.73 Das Recht der Gemeinde, das dieser Rat dennoch handhabte, mit seinem freilich erst im 19. Jahrhundert geprägten Rechtssatz „Stadtluft macht frei“, scheint zuerst in der genannten Urkunde Friedrichs II. für Annweiler im Jahre 1219 auf.74 Es wurde nach seiner ersten, 1230 in Teilen erfolgten Kodifizierung75 durch Heinrich (VII.) am 29. April 1231 legitimiert. Bischof Beringer von Entringen und die Bürger Speyers hatten gemeinsam den Vorstoß am königlichen Hof unternommen.76 Immerhin – mit dieser Urkunde treten wir nach dem Urteil Erich Maschkes „in eine neue städtische Welt“77. In dieser neuen urbanen Welt war die bürgerliche Schwurgemeinschaft in Worms 1231 noch nicht angekommen, aber ihr näher getreten. Doch Worms steht in der Geschichte der Urbanisierung für zweierlei: für eine erfolgreiche Gemeindeentwicklung zu Beginn des 13. Jahrhunderts im Gegensatz etwa zu Verdun als einer der wenigen gelungenen Verfassungskompromisse mit den bischöflichen unter Ein69
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RI V,1, Teil 1, Nr. 947 f.; UB Basel, Bd. 1, Nr. 91, S. 60 und Nr. 93, S. 63; MGH D F II, Bd. 3, Nr. 450, S. 53–55 und Nr. 451, S. 55 f.: Greifbar ist die frühe Basler Kommunenbewegung insbesondere in der bischöflichen Bestätigungsurkunde für die Kürschnerzunft am 22. September 1226: UB Basel, Bd. 1, Nr. 108, S. 76–78. Voltmer 1982, S. 275 (Zitat). Dazu neuerdings: Andermann 2012. 1182 Mai 27: MGH D F I, Bd. 4, Nr. 827, S. 33–35; UB Bischöfe von Speyer, Bd. 1, Nr. 107, S. 121–124. Allgemein zur Städtepolitik Friedrich Barbarossas: Maschke 1982, S. 310 und 313. RI V,1, Teil 1, Nr. 15; Urkunden Speyer, Nr. 22, S. 25 f.; Voltmer 1981, S. 23 (Zitat); Ders. 1999, S. 27–48; Escher/Hirschmann 2005, Bd. 2, S. 572–576. Jakobs 1982, S. 21. MGH D F II, Bd. 3, Nr. 559, S. 269–271. Dazu Maschke 1980, S. 142 f.; Irsigler 2011, S. 9–26. Doll 1953 (nur in deutscher Abschrift aus den 1430/40er Jahren überliefert). RI V,1, Teil 2, Nr. 4189; Urkunden Speyer, Nr. 47, S. 41 f. Maschke 1980, S. 144. Darüber hinaus mit dem Blick ins weitere 13. Jahrhundert: Spiess 1993; Andermann 2012, S. 610–613. Zur Entwicklung des Speyerer Stadtrechts auch: Fouquet 2009, z. B. S. 344 f.
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schluss der königlichen Stadtherren und zugleich für das Scheitern der eigenständigen königlichen Politik Heinrichs (VII.) mit bzw. gegen Friedrich II., mit den Reichsfürsten und den städtischen Kommunen.78 In Worms, wo Heinrich IV. im Januar 1074 die Vormatiensis civitatis habitatores als handelnde Subjekte in die Geschichte der Städte nördlich der Alpen eingeführt79 und Friedrich Barbarossa 1184 zwar ad favorem civium Vvormatiensium, aber im Einvernehmen mit dem Bischof u. a. Todfallabgaben und Kopfzinse aufgehoben hatte,80 herrschte, nach den Quellen zu urteilen, bis weit in die 1220er Jahre hinein eine „Zustimmungs- bzw. Übereinstimmungsgemeinschaft“ zwischen Königtum, Bischof, Geistlichkeit und werdender, seit 1180 sich durch ein vierzigköpfiges Friedensgericht auch institutionell stärker ausformender Stadtgemeinde.81 Erste feine Risse in diesem Harmoniegewebe werden auch vor dem Hintergrund des finanziellen Desasters im Hochstift nicht erst, wie in der Literatur angeführt, durch das Schisma in der Bischofsherrschaft 1217/18 sichtbar, sondern bereits im Jahre 1212. Friedrich II. versprach am 5. Oktober seinem „geliebten Freund“ Bischof Lupold von Schönfeld, für dessen Verdienste eine Bede genannte Steuer nur durch ihn bei den Wormser Bürgern oder den dortigen Juden ausbringen zu lassen.82 „Ministerialen, Ratsleuten und Bürgern“, so bezeichnete sie die königliche Kanzlei, gelang es dann im April 1220, sich ein Privileg Friedrich Barbarossas von 1156 mit seiner Begründung des angeblichen Stadtfriedens bestätigen zu lassen. Friedrich II. ordnete ihnen die Brüder Werner und Philipp von Bolanden als Helfer bei, ohne dass die Quellen von einem dringenden Anlass wüssten. Der Hof Heinrichs (VII.) trat 1222 in nähere Beziehung zur Kathedralstadt Worms, als eine königliche Urkunde die in bemerkenswerter Weise vor den Ratsleuten und dem Bischof vorgenommene Güterübertragung des Ritters Rudewin von Flomborn an das Zisterzienserkloster Otterberg sanktionierte.83 Seit 1226/29 war es dann vorüber mit dieser Gemeinsamkeit. Ein Konflikt zwischen der gut beschreibbaren und beschriebenen städtischen Führungsgruppe und Bischof Heinrich von Saarbrücken tat sich auf, der im Januar 1231, als sich der königliche Hof bei Worms aufhielt, auch den jungen Staufer erreichte. Der König bestellte den frisch gewählten Mainzer Erzbischof Siegfried von Eppstein sowie den Regensburger Bischof und kaiserlichen Hofkanzler Siegfried zu Mediatoren in der Auseinandersetzung zwischen den cives Wormatienses dicti consilarii und ihrem Bischof.84 Weiter interessierte den König die Angelegenheit nicht – Bürgerzwist eben. Erst als sich dann in jenen Jahren der Konflikt mit dem Vater 1234 zum offenen Bruch ausweitete und sich Heinrich gezwungen sah, im September des nämlichen 78 79 80 81 82 83 84
Zotz 1979, S. 118–136; Vogeler 2011, S. 126–129. MGH D H IV, Nr. 267, S. 341–343. Dazu Bönnen 2005, S. 144–165; Escher/Hirschmann 2005, Bd. 2, S. 688–693. MGH D F I, Bd. 4, Nr. 853, S. 82–84. Bönnen 2005, S. 171 (Zitat). RI V,1, Teil 1, Nr. 676; UB Worms, Bd. 1, Nr. 115, S. 90; MGH D F II, Bd. 2, Nr. 176, S. 15– 17. Dazu wie zum Folgenden: Keilmann 1985, S. 55–67. RI V,1, Teil 2, Nr. 3870; UB Worms, Bd. 1, Nr. 127, S. 98 f. RI V,1, Teil 2, Nr. 4177; UB Worms, Bd. 1, Nr. 147, S. 108.
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Jahres gegenüber dem Hildesheimer Bischof zu erklären: „alles, was wir in Deutschland unternommen haben, haben wir auf würdige schriftliche Einlassung und den Rat von Fürsten und Baronen (consilio principum et baronum) zur Mehrung des Reiches hin veranlasst“ – Bürgerschaft und Stadt nahmen im Sinne einer Konsensfindung für den König keine Bedeutung ein –85, gewann Worms wie andere Städte geistlicher Reichsfürsten gerade im Südwesten, übrigens auch weitere Kommunen wie Oppenheim, Erfurt und Frankfurt,86 eine enorme Rolle im politischen Kalkül Heinrichs (VII.). Doch wie schon so häufig folgte Heinrich auch gegenüber Worms keiner eindeutigen Linie politischer Entscheidungsfindung. Während er am 17. März 1232 in Augsburg dem Rat und den Bürgern von Worms zugestand, salva tamen libertate ecclesie Wormatiensis einen Stadtrat zu institutionalisieren87 und wenige Monate später, am 3. August, seinen „treuen Bürgern“ bei Frankfurt alle ihre von seinen Vorgängern erhaltenen Privilegien bestätigte,88 hob er am Tag darauf, dem 4. August, instructi de plenitude consilii nostri alle Ratsgremien und Bruderschaften auf. Er sende den Mainzer Erzbischof Siegfried und Markgraf Hermann von Baden, Mitglieder seines Hofes, wie es heißt, nach Worms, damit sie gemeinsam mit dem dortigen Bischof die Verfassung der Stadt ordneten.89 Vier Tage später, am 8. August, bestätigte Heinrich seinen Bürgern von Worms den inzwischen ausgehandelten Kompromiss: Sie dürfen Rat und Bruderschaften haben, die erforderlichen Eide müssen sie auf ihn, den König, ablegen.90 Diese mehrfache Wende war sicherlich auch ein Reflex auf die Verhängung des Interdikts über Worms und auf zwei Briefe, die der Wormser Bischof auf seine Intervention hin im Mai 1232 von Friedrich II. empfangen hatte. Im ersten Schreiben drohte der Kaiser mit Verweis auf die Fürstensprüche von Ravenna und Aquileja den Wormsern mit der Reichsacht, wenn sie sich unterstünden, einen Stadtrat zu bilden. Im zweiten Brief beauftragte er den Bischof, das Gemeindehaus in Worms abzureißen.91 Bischof Heinrich gelang es tatsächlich, das um 1223 erbaute steinerne Haus der consules niederlegen zu lassen, in dem man den Bischof „gleichsam für nichts erachtete“ – die „Annales Wormatiensis“ berichten solches.92 Gleichwohl – Bischof und Gemeinde in Worms kamen doch noch zueinander. Am 27. Februar 1233 bestätigte Heinrich (VII.) bei Oppenheim die Rachtung über 85
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MGH Const. 2, Nr. 322, S. 431–433. Dazu mit Recht im Verweis auf die Glaubwürdigkeit dieser Aussage Heinrichs (VII.), alles auch im Sinne des notwendigen fürstlichen Konsenses richtig gemacht zu haben und letztlich einer Intrige zum Opfer gefallen zu sein: Gramsch 2013, S. 324 f. Mit anderer Einschätzung: Broekmann 2005, S. 279–281. RI V,1, Teil 2, Nr. 4350 (1234 September 11: Oppenheim – Verleihung der Stadtfreiheiten von Frankfurt), 4351 (1234 September 11: Erfurt – Bestätigung der Stadtprivilegien) und 4382 (1235 Mai 10: Frankfurt – Verleihung der Hälfte der jährlichen Einkünfte der dortigen Münze zum Unterhalt der Mainbrücke). Ebd., Nr. 4228; Historia diplomatica Friderici secondi 1852–61, Bd. 4/2, S. 564 f. RI V,1, Teil 2, Nr. 4245; UB Worms, Bd. 1, Nr. 157, S. 117–119. RI V,1, Teil 2, Nr. 4246; UB Worms, Bd. 1, Nr. 158, S. 119. RI V,1, Teil 2, Nr. 4247; UB Worms, Bd. 1, Nr. 160, S. 120 f. RI V,1, Teil 1, Nr. 1976 f.; UB Worms, Bd. 1, Nr. 155, S. 116 f. und Nr. 156, S. 117. Monumenta Wormatiensia 1893, S. 146; Bönnen 2005, S. 169; Keilmann 1985, S. 61 f.
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die Neufassung von Rat und Ratswahlen als den Kompromiss, der nach der ersten Übereinkunft vom Sommer zuvor unter der weiteren Vermittlung des Mainzer Erzbischofs und des Markgrafen von Baden sowie der aus der Ministerialität stammenden Gerlach von Büdingen und Eberhard Truchsess von Waldburg als Gesandte des königlichen Hofes gefunden worden war. Die Führungsgruppe der Gemeinde akzeptierte u. a., dass der Rat verkleinert und damit auf nur wenige Geschlechter verteilt wurde, dass der Bischof neun Ratsleute unter ihnen auswählen durfte, dass sie selbst nur sechs milites zu delegieren hatten, dass der Bischof oder sein Stellvertreter selbst dem Rat angehörten, endlich dass der König einen der beiden Bürgermeister zu ernennen habe.93 Weder Treue noch Dankbarkeit durfte Heinrich (VII.) aus einer derartigen Übereinkunft erwarten, die beide Seiten, insbesondere die Geschlechter aus der Gemeinde, wenig befriedigen musste. Und so kam es, dass der Staufer nach dem Frankfurter Hoftag vom Februar, der „strahlende[n] Inszenierung königlicher Macht und Autorität“,94 auf dem im September 1234 abgehaltenen Tag zu Boppard, wo der Bruch mit Friedrich II. vollzogen wurde, unter den Fürsten lediglich wenige seinem engeren Herrschaftskreis zuzurechnende geistliche Reichsfürsten fand: Das waren zunächst die Bischöfe von Speyer und Worms – es handelte sich um den Adligen Konrad von Tanne, der sich vor seiner Wahl zum Speyerer Oberhirten 1233 häufig am Hof Friedrichs wie Heinrichs aufgehalten hatte, und um den gerade neu gewählten Wormser Bischof Landolf von Hohenecken, den ersten Inhaber des Bischofsstuhls aus der pfälzischen Spitzenministerialität.95 Dazu kamen die Bischöfe von Augsburg und Würzburg sowie der Abt von Fulda.96 Von den Städten im Elsass und am Rhein forderte Heinrich (VII.) einen Treueid gegen jedermann, auch gegen Friedrich II., und verlangte von ihnen Geiseln, die Söhne der jeweiligen bürgerlichen Führungsgeschlechter.97 Die Speyerer akzeptierten anscheinend diese Zumutungen ihres Königs. Jedenfalls ließ Heinrich seinen Bürgern von Speyer am 21. Dezember 1234 ein Privileg zugehen. Darin bestätigte er ihnen, die „vor andern seinen Wünschen entgegengekommen“ seien, die Stadtfreiheiten Friedrich Barbarossas vom Mai 1182.98 Die Wormser dagegen weigerten sich nach den „Annales Wormatienses“ sogar in Gegenwart des Königs, ihm den Treueid zu leisten, ohne den Namen des Kaisers darin einzuschließen. Und so ließ Heinrich im April 1235 angeblich 5.000 Mann unter Graf Friedrich von Leiningen gegen Worms aufbieten. Er belagerte die Stadt und ihre eisenstarrenden Bürger jedoch vergeblich
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RI V,1, Teil 2, Nr. 4292; Historia diplomatica Friderici secondi 1852–61, Bd. 4/2, S. 954 f.; UB Worms, Bd. 1, Nr. 163, S. 122 f. Dazu Zotz 1979, S. 125 f.; Bönnen 2005, S. 170; Keilmann 1985, S. 67–80. Gramsch 2013, S. 303 (Zitat). RI V,1, Teil 1, Nr. 1055 und 1241; ebd., Teil 2, z. B. Nr. 3960 und 4079. Dazu Remling 1852– 54, Bd. 1, S. 461–470. Zu Worms: Bönnen 2005, S. 172. Zu Hohenecken: Spiess 1974/75. Stürner 1992–2000, Bd. 2, S. 302; Gramsch 2013, S. 327 f. RI V,1, Teil 2, Nr. 4349a. Dazu Stürner 1992–2000, Bd. 2, S. 302. RI V,1, Teil 2, Nr. 4365; Urkunden Speyer, Nr. 53, S. 45 f.
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und zog sich darauf nach Oppenheim und Frankfurt zurück.99 Friedrich II., aufgeschreckt sicherlich auch von den Nachrichten, dass Heinrich im Dezember 1234 ein Schutz- und Hilfsabkommen mit den Städten des Lombardenbundes, seinen gefährlichsten Gegnern, abgeschlossen hatte, machte durch seinen aufsehenerregenden Zug nach Deutschland dieser Episode der Reichsgeschichte ein Ende.100 V. Was bleibt? Am Beispiel gerade von Worms seien Bedeutung und Folgen dieser wohl wichtigsten Jahrzehnte für die Kommunenbewegung in den Kathedralstädten mit und gegen ihre Stadtherren, für das staufische Königtum wie die geistlichen Reichsfürsten, überhaupt für die Urbanisierungsgeschichte Deutschlands verdeutlicht. Friedrich II., der noch in Apulien das Schreiben der Wormser Bürger erhalten hatte, dass sie zu ihm gegen Heinrich stünden, und sie darauf hin beschwor, bei ihrer politischen Haltung zu bleiben – er werde in Kürze die Angelegenheit regeln101 –, verbriefte ihnen im Mai 1236 ihre Privilegien wie übrigens während seines Deutschlandaufenthaltes auch den Bürgern von Straßburg, Molsheim, Oppenheim, Köln, Dortmund, Mainz, Wien und Wiener Neustadt.102 Dass der Kaiser der Wormser Gemeinde wie der bischöflichen Autorität, als er im Juli 1235 prächtig Hochzeit in der Stadt mit der englischen Prinzessin Isabella feierte, von seinen Gnaden einen iudex aus der Ministerialität vorsetzte – ebenso installierte er übrigens 1236 unter Einschränkung der hochstiftischen und damit auch der stadtherrlichen Gewalt der Bischöfe in Brixen und Trient einen kaiserlichen iustitiarius bzw. officiatus –, blieb ebenso unbedeutende Episode wie die Bestätigung des Verfassungskompromisses von 1220 mit seiner Betonung der bischöflichen Stadtherrschaft im Jahr darauf.103 Derartige Fakten ließen sich auch mit kaiserlichen Briefen und fürstlicher Unterstützung nicht mehr schaffen. Von diesem Misserfolg antikommunaler Haltung blieb die auf Friedrich II. als Kaiser und römischen König weisende politische Ordnung unberührt – zumindest noch auf lange Sicht. Anders stand es um das politische Instrumentarium der Konsensbildung, mit dem Heinrich (VII.) seine Herrschaft im Reich zu begründen suchte. Der Hof des 99 RI V,1, Teil 2, Nr. 4346 und 4380a; Monumenta Wormatiensia 1893, S. 147 f. Dazu Stürner 1992–2000, Bd. 2, S. 302 f.; Bönnen 2005, S. 172. 100 Stürner 1992–2000, Bd. 2, S. 302–309. 101 RI V,1, Teil 1, Nr. 2076–2078. 102 Ebd., Nr. 2142, 2145, 2147, 2153, 2161 f., 2182 und 2237 f. 103 Ebd., Nr. 2167; UB Worms, Bd. 1, Nr. 182, S. 129 f. Dazu Zotz 1979, S. 126; Bönnen 2005, S. 172. Zu Trient: RI V,1, Teil 1, Nr. 2154. Dazu Bellabarba 2003. In Brixen fungierte 1236 bis 1240 ein Gremium aus dem Dompropst Heinrich, dem kaiserlichen Richter Harward und Ministerialen, das die bischöflichen Rechte wahrnahm. In Trient wurde der kaiserliche Podestà Wiboto im Mai 1236 mit der Ausübung der Herrschaft beauftragt; er wurde bereits im Dezember von Schwicker von Montalban aus einem Vintschgauer Ministerialengeschlecht abgelöst. Danach amtierte von 1239 bis 1255 Sodeger aus einem apulischen Geschlecht als Podestà: Riedmann 1980, bes. S. 137–140 und 142–147.
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Königs löste sich im April 1235 nach der demütigenden Niederlage vor Worms auf, seine politische Bindewirkung auf Reichsfürsten und Hocharistokratie erlahmte. Nicht das Faktum der abgebrochenen Belagerung von Worms an sich ließ das den Hof Heinrichs umgebende Kommunikationssystem, mithin die Institution Hof zerbrechen.104 Es scheiterte auch nicht das Konzept „städtefreundlicher“ königlicher Politik, das die ältere Forschung unterstellte.105 Denn eine derartige Agenda gab es nicht. Jedenfalls konnte sie auch in dieser Untersuchung nicht gefunden werden. Die Schmach des jungen staufischen Königs gegenüber mindermächtigen und -rangigen Stadtbürgern führte vielmehr zum Verlust seiner Autorität und entzog ihm das tragende Potential seines Herrschaftssystems, die Reichsfürsten und mit ihnen auch im Hinblick auf den nahenden Kaiser die übrige Hocharistokratie.106 Der Zusammenbruch der Institution Hof zeigt auch mit dem Blick auf das Beispiel der vorgestellten Bischofsstädte zweierlei: Die Staufer rechneten seit den Tagen Friedrich Barbarossas mit den entstehenden Städten nördlich der Alpen lediglich fiskalisch und machtpolitisch, und sie agierten gegenüber den städtischen Führungsgruppen aus den Ministerialitäten nur situativ je nach den gegebenen politischen Opportunitäten. König und Hof brauchten die städtische Wirtschaftskraft, „geradezu eingehämmert“ wurde in allfälligen Städteprivilegien die lateinischen Begrifflichkeiten der Treue.107 Die Kommunen waren derart zu Beginn des 13. Jahrhunderts noch keine politischen Entitäten, die von nennenswerter Relevanz für das Königtum gewesen wären. Und ihre Führungsgruppen waren bei allem adligen Habitus in keiner Weise dem Adelsethos gewachsen, wie es die europäische Hocharistokratie gerade in jener Zeit ausbildete. Gerade Friedrich II. lebte einem Ritterbild nach, das „in seiner Betonung der adeligen Abkunft […] weithin konservativ, ja restriktiv“ erscheint, und ließ darin seine Söhne erziehen.108 Erich Maschke wies schon 1977 darauf hin, dass sich Friedrich I. politisch indifferent gegenüber den Städten verhalten und dort eine Grenze gezogen hätte, „wo ihm in der Eidgenossenschaft die bürgerliche Selbständigkeit zu groß wurde“. Das Verhältnis Friedrichs II. zu den Städten aber sei allein „abhängig von seinem Verhältnis zu den Fürsten“ gewesen.109 Friedrich II. und Heinrich (VII.) standen sich in dieser Hinsicht in nichts nach.110 Beide hatten um des politischen Konsenses willen, der ihrer politischen Ordnung innewohnte, dauernd mit den Fürsten zu rechnen und ließen Entscheidungen durch ihr Hofgericht, das Fürsten, Aristokratie und Ministerialität trugen, vorbereiten und legitimieren. Dass dabei König Heinrich an dem banalen, aber komplexen Umstand scheiterte, auf Solidaritäten und Homogenitäten unter den fürstlichen Trägern der Reichsgewalt vertraut und damit der Rhe104 Hirschbiegel 2010. 105 Vgl. z. B. Knöpp 1928, S. 46 (im Kern städtefreundliche Politik, „sobald es nur die Lage zugelassen“ habe); Gramsch 2013, S. 328 f. 106 Gramsch 2013, S. 330. 107 Boshof 1986, S. 54 (Zitat). 108 Keupp 2008, S. 108 (Zitat). 109 Maschke 1977, S. 66. 110 Gramsch 2013, S. 58.
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torik der eigenen Kanzlei mehr geglaubt zu haben als den Erfahrungen aus der politischen Wirklichkeit, steht auf einem anderen Blatt.111 Trotz der vielen in dieser Studie dargestellten tagespolitischen Ereignisse mit ihren Wirrungen, die weniger vom Reskriptcharakter königlicher Entscheidungen112 als von der schwierigen Konsensfindung der politischen Ordnung des 13. Jahrhunderts handeln: Entwicklungsgeschichtlich betrachtet hatte sich die Kommune, mithin die neue Verfasstheit der Städte, indem die wie auch immer gearteten Führungsgruppen mit dem fernen König und der auf ihn bezogenen politischen Ordnung rechneten, entweder in Kompromissen mit den geistlichen (wie weltlichen) Stadtherren oder im systemischen Bruch gegen sie in den größeren Orten und zumal in den Kathedralstädten durchgesetzt: institutionell, sozial, ökonomisch, kulturell. In Worms blieb die Rachtung von 1233 als Konsens zwischen Stadtherrschaft und Gemeinde in Kraft und schuf Neues, mochte auch hier wie in anderen Städten noch mancher Strauß im Inneren wie im Äußeren ausgefochten werden.113 Das waren denn auch die Fakten und gleichsam die Modellvorstellungen, die sogar in den kleineren Städten die Urbanisierung im 13. Jahrhundert, dem Säkulum der Städte nördlich der Alpen, vorantreiben sollten. Ein anonymer Colmarer Dominikaner hatte in seinen Nachbetrachtungen auf jenes Jahrhundert Recht und mit Gabriel Zeilinger sei darauf zum Schluss hingewiesen: Die Urbanisierung jener Zeit erfasste „ganze natürliche wie soziale Landschaft[en]“ und gestaltete sie um.114 Quellenverzeichnis Annales Sancti Vitoni Virdunensis a. 96–1481, in: MGH Scriptores, Bd. 10, Hannover 1852, S. 525–530. Burchard von Ursberg, Chronik (MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum, 16), hg. von Oswald Holder-Egger/Bernhard von Simson, Hannover/Leipzig 21916. De rebus Alsaticis ineuntis saeculi XIII, hg. von Philipp Jaffé, in: MGH Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, S. 232–237. Gesta episcoporum Cameracensium, hg. von Ludwig C. Bethmann, in: MGH Scriptores, Bd. 7, Hannover 1846, S. 393–525. Historia diplomatica Friderici secundi, hg. von Jean Louis Alphonse Huillard-Bréholles, 6 Bde., Paris 1852–61, ND Turin 1963. [MGH Const. 2] Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 2: 1198–1272 (MGH Leges, IV/2), hg. von Ludwig Weiland, Hannover 1896. [MGH D F I, Bd. 4] Die Urkunden Friedrichs I., Bd. 4: 1181–1190 (MGH Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, 10/4), bearb. von Heinrich Appelt, Hannover 1990. [MGH D F II] Die Urkunden Friedrichs II. (MGH Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, 14/1–4), bearb. von Walter Koch, bislang 4 Bde., Hannover 2002–2014.
111 Ebd., S. 325. 112 Pitz 1971. In kritischer Auseinandersetzung: Gramsch 2013, S. 363 f. 113 Keilmann 1985, z. B. S. 97–116; Bönnen 2005, S. 172–177. Allgemein: Isenmann 2012, S. 289–293. 114 De rebus Alsaticis 1861. Dazu Zeilinger 2013, S. 223 (Zitat).
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Gerhard Fouquet
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VERANTWORTUNG AUS BREITE UND TIEFE Verschränkte Herrschaft im 13. Jahrhundert Bernd Schneidmüller HOMMAGE UND HYPOTHESE Das Greifswalder „Principes“-Projekt trägt wesentlich zu einem neuen Verständnis von Herrschaft, Gesellschaft, Rang und Repräsentation im Hoch- und Spätmittelalter bei. Dieser Beitrag profitiert von den wegweisenden Forschungen, die KarlHeinz Spieß1 und seine Gruppe vorlegten, und probiert dann Ideen für ein mediaevistisches Herrschaftsmodell aus der Verschränkung von Hierarchien aus. Dafür greife ich Einsichten zum Verhältnis von Fürsten und Höfen2 sowie vor allem von Rang und Herrschaft auf, die in den letzten 20 Jahren unter dem Einfluss ethnosoziologischer Impulse3 erarbeitet wurden. Die Greifswalder Schule legte dazu grundlegende Sammelbände4 und Monographien5 vor. Ich habe mich mit Skizzen über Rang, Land und Herrschaft6 oder mit einem Buch über welfische Herrschaft und Erinnerung beteiligt.7 Zuletzt publizierten Jörg Peltzer ein Buch über den Rang der mittelalterlichen Pfalzgrafen bei Rhein8 und Barbara Stollberg-Rilinger eine Studie über Logik und Semantik des Rangs in der Frühen Neuzeit.9 Wir wissen jetzt mehr über mittelalterliche Hierarchisierungen, über ihre Formen, Funktionen, Inszenierungen und Perzeptionen.10 Gelegentlich wurde in solchen Studien auch mein Aufsatz „Konsensuale Herrschaft“ zitiert.11 Ich schrieb diesen Versuch vor 17 Jahren als Diskussionsbeitrag zum Modell von Max Weber, der Referenzgröße jener Sozialwissenschaften, die mit einem bürgerlichen Schwergewicht die marxistische Theoriebildung kontern 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Spiess 1993 (Neuauflage 2015); Ders. 2011. Ders. 2008. Ein Beispiel liefert Röttger-Rössler 1989. Principes 2002; Die Familie in der Gesellschaft des Mittelalters 2009; Ausbildung und Verbreitung 2013. Bisher erschienen sind Nolte 2005; Babendererde 2006; Auge 2009; Frieling 2013; Hirsch 2013; Müsegades 2014. Schneidmüller 1998; Ders. 2012. Ders. 2014. Peltzer 2013. Vgl. auch Princely Rank 2011; Rank and Order 2015; Die Performanz der Mächtigen 2015. Stollberg-Rilinger 2014. Vgl. neuerdings auch: (Be-)Gründungen von Herrschaft 2015. Zur Forschungsgeschichte von hochmittelalterlicher Macht und Herrschaft im 20. Jahrhundert Kluge 2014. Schneidmüller 2000; gekürzte englische Version Ders. 2013.
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wollten. Das berühmte Buch „Wirtschaft und Gesellschaft“ zeichnet sich durch kategoriale Kraft und den Anspruch auf gleichsam universale historische Deutungskompetenz aus.12 Doch beim Versuch eines Mediaevisten, die drei Weberschen Typen von Herrschaft auf das Mittelalter anzuwenden, trat bald die Zeitgebundenheit der Erklärung von legitimer Herrschaft als Entwurf der Jahre um 1900 hervor. Wollte man das Mittelalter überhaupt darin unterbringen, so verwies man es am ehesten zur traditionellen Herrschaft, geprägt vom Glauben an die Heiligkeit der vorhandenen Ordnung, durch patriarchalische Relationen von Herren und Untertanen und durch die gestaltende Kraft von Privilegien. Beschäftigt man sich freilich genauer mit dem Herrschaftsgefüge von Königen, Reichsfürsten, Herren und Ministerialen, so hilft das Webersche Modell bei der Erklärung beständiger Aushandlungen fluider Kräfteverhältnisse durch Herstellung oder Inszenierung von Konsens nicht wirklich. Wenn eigene Aufsätze in die Jahre kommen, sollte man frühere Ideen nicht hartnäckig verteidigen, sondern weiterdenken. Klüger wird der Historiker dabei weniger durch kaskadenhafte Auftürmungen von Theorie- und Methodendebatten als durch die neue Lektüre alter Quellen. Als Frucht meiner Beschäftigung mit etwa tausend Urkunden und Regesten aus dem römisch-deutschen Reich des 13. Jahrhunderts lege ich hier keine umstürzenden Vorschläge für ein neues Herrschaftsmodell vor. Ich suche vielmehr Begleitung bei den Erschütterungen eigener Vorstellungen von Macht und Herrschaft aus der Begegnung mit kleinteiliger Evidenz im Übergang vom Hoch- zum Spätmittelalter.13 Am Ende sollen die Ergebnisse zu einem Gefüge verschränkter Herrschaft zusammengefasst werden, die lange vor der ständischen Formierung im alten Europa aus scheinbaren sozialen und politischen Paradoxien existierte. VERSCHRÄNKTE HERRSCHAFT IN ZWEI STAUFISCHEN HERRSCHERURKUNDEN Ausgangspunkt war ein mikrohistorischer Zugriff auf viele bunte Konflikte, die von Bernhard Diestelkamp, Ute Rödel und Ekkehart Rotter in den Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts zusammengestellt wurden.14 Bei der zunehmenden Fülle an Schriftlichkeit im 13. Jahrhundert konnten mit Hilfe 12
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Weber 1980. Die 150. Wiederkehr von Webers Geburtstag führte – mit bemerkenswerten Ausnahmen – eher zu neuen Aneignungen und Aktualisierungen als zur notwendigen Historisierung. Eine wissenschaftsgeschichtliche Würdigung bei Schluchter 2009, S. 197– 316. Hinweise auf breite Debatten zu einer Theorie der Macht bei Zenkert 2012. Wegweisend für die Erforschung historischer Semantik war der dritte Band des Lexikons „Geschichtliche Grundbegriffe“ von 1982 mit den Artikeln „Herrschaft“ (Koselleck 1982) und „Macht, Gewalt“ (Faber/Ilting/Meier 1982). Zur mediaevistischen Debatte Algazi 1996; Patzold 2009, S. 37–45. URH 2 und 3. Die hier und im Folgenden verwendeten Siglen werden im Quellenverzeichnis aufgelöst.
Verantwortung aus Breite und Tiefe
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dieser Bände erste Schneisen geschlagen werden. Dabei ist einzuräumen, dass in den Urkundenregesten nur jene bemerkenswerten Fälle erfasst wurden, die überhaupt zum Königs- und Hofgericht gelangten. Die Analyse der zahlreichen landesund stadtgeschichtlichen Urkundenbücher könnte den Rahmen der Untersuchung zwar erheblich verbreitern und Einblicke in lokale Konfliktbeilegungen gewähren. Jedoch würde das wesentlich ausgedehntere Forschungen erfordern. Sondierungen über die Urkundenregesten hinaus werden hier nur exemplarisch für signifikante Entscheidungen vorgenommen. Dabei geraten auch die Bischöfe von Eichstätt, Hildesheim und Paderborn, die Grafen von Katzenelnbogen oder die Herren von Hanau schlaglichtartig ins Blickfeld. Leitend war die Idee, Herrschaft nicht allein aus Hierarchien, sondern aus ihrer wechselseitigen Verankerung in sozialer Breite und Tiefe zu verstehen. Hilfreich für eine solche Neudeutung sind nicht die etablierten Distinktionen des sozialen Rangs, sondern neue Einsichten in ein Gesellschaftsmodell, das dezidiert mit Verschränkungen von Hierarchieebenen arbeitet. Als leitende Forschungshypothese ist deshalb zu formulieren, dass der Herrschaftsbegriff für das 13. Jahrhundert aus dem Gefüge einer hierarchisierten Verantwortungsgemeinschaft entwickelt werden soll. „Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden.“15 Für diese berühmte Definition Max Webers ließen sich viele Beispiele aus dem 13. Jahrhundert nennen. Mein Nachdenken setzt dagegen bei zwei anders gerichteten Urkunden Friedrichs II. von 1216 und 1235 ein. Sie wurden wiederholt als zentrale Dokumente für den Rang eines Reichsfürsten oder für die ständische Abschichtung des Reichsfürstenstands gewürdigt. Auf einem Würzburger Hoftag zwangen die Äbtissinnen von Obermünster und Niedermünster in Regensburg den Stauferkönig am 15. Mai 1216, die Übertragung ihrer Kirchen an den Regensburger Bischof rückgängig zu machen. In aufsehenerregendem Verfahren führten die beiden streitbaren Damen Klage gegen den König und erlangten ihr Recht von standesgleichen Fürsten. Dem stimmten Edle, Barone, Ministerialen und alle Anwesenden zu und erklärten: „Kein Fürstentum kann oder darf anlässlich eines Tausches oder irgendwelcher Veräußerung vom Reich an irgendjemand übertragen werden, es sei denn mit vollem Einverständnis und Zustimmung des leitenden Fürsten und der Dienstleute dieses Fürstentums.“16 In einer feierlichen Kaiserurkunde mit (heute verlorener) goldener Bulle hielt Friedrich II. 1235 die Formierung des neuen Reichsfürstentums Braunschweig und die Belehnung Herzog Ottos (‚des Kindes‘) fest. Zu den kaiserlichen Gunsterweisen an seinen welfischen Vetter zählte auch diese Verfügung: „Ansonsten haben Wir seine Dienstleute zu Dienstleuten des Reiches angenommen (ministeriales suos in 15 16
Weber 1980, Teil 1, Kap. 1, § 16, S. 28. MGH D F II, Bd. 2, Nr. 365, S. 385–388. Diese neue Edition bietet eine wesentlich verbesserte Textgrundlage gegenüber der früher benutzten älteren Constitutiones-Ausgabe der MGH. Vgl. auch URH 2, Nr. 83, S. 75 f. Zweisprachige Ausgabe (lateinisch-deutsch) mit der früheren lateinischen Textfassung: Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1977, Nr. 91, S. 364–369.
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ministeriales imperii assumentes) und ihm verliehen, dass diese Dienstleute all die Rechte besitzen, die die Dienstleute des Reiches besitzen.“17 Zweimal sticht hier die Verantwortungsgemeinschaft von Reichsfürsten mit ihren Ministerialenverbänden hervor. Daraus ergeben sich weiterführende Fragen nach den rechtlichen und sozialen Bindungen: Was waren jene besonderen Rechte von Reichsministerialen, dass sie als Privileg ausdrücklich an die Dienstleute des welfischen Herzogs verliehen wurden? Warum wurde der Konsens von Ministerialen für die Aufhebung oder Übertragung eines geistlichen Reichsfürstentums nötig? Welche Kompetenzen wuchsen jenen aus der Unfreiheit aufsteigenden Spezialisten für Verwaltung oder Krieg zu? Was meint Unfreiheit noch, wenn selbst Könige, Reichsäbtissinnen oder Herzöge derartige Rücksichten auf ihre Dienstleute nehmen mussten? Nützen uns präzise rechtliche und soziale Abgrenzungen des Reichsfürstenstands ‚nach unten‘, wenn Reichsfürsten ihre Herrschaft tatsächlich nur aus der Verantwortungsgemeinschaft mit ihren Untertanen gestalten konnten?18 SOZIALE DYNAMIK IN RECHTLICHEN PARADOXIEN Die immense Bedeutung der Ministerialität für den gesellschaftlichen Wandel vom 11. zum 13. Jahrhundert wurde in großen Büchern von Karl Bosl über Benjamin Arnold bis Jan Ulrich Keupp herausgearbeitet.19 Eine Forschergruppe am Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte um Josef Fleckenstein verfolgte in signifikanten Fallstudien den Aufstieg ministerialischer Eliten in den Niederadel vom 13. zum 14. Jahrhundert.20 Die facettenreiche Gemengelage zwischen Nicht-Adel und Adel lotete ein Band aus, der dezidiert auf rechtshistorische Eindeutigkeiten im Titel verzichtete.21 Doch die große sozialhistorische Synthese für das 13. Jahrhundert liegt noch nicht vor.22 Zu heterogen erscheint die Dynamik von Auf- und Abstiegsprozessen, in denen die Ministerialität als Gruppe eher in Spannungen und Widersprüchen als in Gemeinsamkeiten hervortrat. Ministerialität im 12. und 13. Jahrhundert – das war kein soziales Unterschichtenphänomen! Beispiele aus der Markgrafschaft bzw. dem Herzogtum Steier, die der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstammen, zeigen uns die Handlungsmacht der Ministerialen im Bund mit ihrem Fürsten. Seit 1160 verwiesen die Markgrafen bei ihren Verfügungen wiederholt auf Rat oder Zustimmung ihrer Getreuen
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MGH Const. 2, Nr. 197, S. 263–265, hier S. 264: Ceterum ministeriales suos in ministeriales imperii assumentes eidem concessimus, eosdem ministeriales iuribus illis uti, quibus imperii ministeriales utuntur. Zweisprachige Ausgabe (lateinisch-deutsch): Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1977, Nr. 120a, S. 484–491, hier S. 489. Vgl. Vogel 2011. Bosl 1950/51; Arnold 1985; Keupp 2002. Vgl. auch Zotz 1991. Herrschaft und Stand 1977. Zu älteren Kontroversen Schulz 2007. Weiterführende monographische Fallstudien von Hasse 1995; Derschka 1999. Zwischen Nicht-Adel und Adel 2001. Vgl. vorerst Hechberger 2004; Ders. 2005; Keupp 2010a; Rödel 2015.
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und Ministerialen.23 Als Otokar, der vierte Markgraf seines Namens und erster Herzog von Steier, in Erwartung seines erbenlosen Todes 1186 einen Erbvertrag mit Herzog Leopold V. von Österreich abschloss, regelte er zusätzlich in der „Georgenberger Handfeste“ die Rechte seiner Geistlichen, Ministerialen und Provinzialen (ministeriales et provinciales).24 Mit dem Fürsten formten sie den steirischen Herrschaftsverband, so dass sie bei Otokar die Fixierung ihrer Kompetenzen in einem besiegelten Privileg erreichten. Danach besaß ein steirischer Ministerialer Freiheit bei der Vergabe seiner Güter an einen anderen Steirer. Jeder kommende Herr wurde verbindlich auf die vorhandenen Rechte der steirischen Klosterleute, Ministerialen und Konprovinzialen verpflichtet: „Sollte er jedoch unter Missachtung der Gerechtigkeit mild zu herrschen verschmähen, sondern wie ein Tyrann sich gegen die Unseren erheben, sollen sie die Freiheit haben, den Kaiserhof anzurufen und vor ihn hinzutreten, um durch dieses Privileg vor den Fürsten ihr unverbrüchliches Recht zu fordern.“25 Zusätze, die dem Original im Lauf der folgenden Jahrzehnte eingefügt wurden, zeigen das Anwachsen dieses Selbstbewusstseins. Ein Nachtrag legte fest, dass sich die Ministerialen beim söhnelosen Tod des österreichischen Herzogs sogar ihren künftigen Herren frei wählen dürften.26 Die „Georgenberger Handfeste“ unterstrich angesichts des bevorstehenden Herrschaftswechsels zu den Babenbergern die Transpersonalität und Kontinuität jener Wirkgemeinschaft von Reichsfürst, Ministerialen und Leuten, die gemeinsam das Herzogtum Steier ausmachten.27 Auch die Anzeige der Reichsfürsten zur Wahl König Philipps an Papst Innozenz III. vermerkt 1199 ausdrücklich die zahlreiche Anwesenheit von Edlen und Ministerialen des Reichs (ubi nobilium et ministerialium imperii numerus aderat copiosus).28 Königliche und kaiserliche Mandate nennen immer wieder die Gemeinschaft von Fürsten, Edlen und Ministerialen als Urheber der Entscheidungen oder als Adressaten der Beauftragungen. Markant zählten ‚Dienstleute‘ zusammen mit Fürsten und Herren zum monarchischen Gestaltungsverband.29 Gleichzeitig beobachten wir im 13. Jahrhundert wiederholt soziale wie rechtliche Zurücksetzungen. Die Paradoxien werden wiederum abgesteckt durch zwei Quellenzeugnisse, welche die Spannbreite zwischen spöttischem Hochmut über die Herkunft der Aufsteiger und ihrer kreativen Kraft im Herrendienst deutlich machen. Berühmt ist das harte Urteil Papst Innozenz’ III. über den einstigen Reichsministerialen Markward von Annweiler, der von Kaiser Heinrich VI. neben der Freiheit die 23 24 25 26 27 28 29
UB Steiermark 1, Nr. 406, 546 und 601. UB Babenberger 1, Nr. 65. Lateinischer Text und deutsche Übersetzung bei Spreitzhofer 1986, S. 12–19; dort auch ausführliche Erläuterungen und ein Faksimile im Anhang. Text und Übersetzung (hier nach dem lateinischen Original etwas modifiziert) bei Spreitzhofer 1986, S. 16–19. Ebd., S. 14 f. Posch 1951; Das Werden der Steiermark 1980. Zur weiteren Entwicklung in Österreich Reichert 1985; Zehetmayer 2016. RNI, Nr. 14, S. 33–38, Zitat auf S. 35. Belege in den URH 2, Nr. 13, 24, 71, 73, 98, 113, 199, 206, 213, 280, 284 f., 296, 309 f., 366, 464, 490 und 524.
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Herzogtümer Ravenna und Romagna sowie die Mark Ancona erlangt hatte. Bissig notierte Innozenz III. zu diesem außergewöhnlichen Aufstieg, der Kaiser habe Markward „aus dem Staub erhoben und aus der Gosse emporgezogen“ (eum de pulvere suscitavit et erexit de stercore).30 Folgt man dagegen einem Rechtsspruch König Heinrichs (VII.) für Herzog Heinrich von Lothringen und Brabant über die Rechte des Reichs (iura imperii) in dessen Land (in terra sua), so erscheint die ministerialische Gestaltungskraft in anderem Licht und hat nichts mehr mit Staub und Gosse zu tun. Mit Urteil von Fürsten und Grafen wurde 1222 gleich an erster Stelle entschieden, dass im Lehnrecht jeder belehnte Ministeriale (in iure feodali omnis ministerialis feodotarius) in gleicher Weise über Lehen von Edlen wie Ministerialen richten durfte, mit Ausnahme von Fürstenlehen (super feodis nobilium et ministerialium, exceptis tamen feodis principum). Hier hob Herrendienst den Ministerialen im Lehnsgericht über den Edelfreien empor.31 Selbst die politisch wichtigsten Ministerialen verblieben freilich in leibherrlicher Unfreiheit. Bei Ehen zwischen Freien und Ministerialen galt für die Nachkommen das Prinzip der ‚ärgeren Hand‘. Kinder aus solchen Verbindungen wurden prinzipiell unfrei. Das macht ein Spruch deutlich, der auf einem Augsburger Hoftag 1209 in Gegenwart von König Otto IV. und den Fürsten gefällt wurde. Bischof Friedrich von Trient hatte dort ein Urteil erbeten, ob Kinder aus der Ehe eines Kirchenministerialen und einer freien Frau frei seien oder in die Kirchenministerialität fielen. Das Königsgericht wies diese Kinder in die Ministerialität und begründete dies mit der Gefahr, dass sonst die Kirchen des Reichs ihre Ministerialen verlören. Gleichzeitig wurde auch die Befugnis von Kirchenministerialen zur Veräußerung oder Vergabe von Erb- oder Lehngütern verneint, weil sonst die Kirchen verarmten.32 Auf Anfrage Bischof Heinrichs von Bamberg fällten Ludwig II. und Heinrich, Pfalzgrafen bei Rhein und Herzöge von Bayern, 1254 ein Urteil, dass Kirchenministerialen nur mit Konsens des Bischofs eine Frau aus einer anderen familia heiraten durften. Wer das nicht beachtete, verlor seine Lehen.33 Schlichtungsverfahren grenzten fürstliche oder adlige Ministerialenverbände voneinander ab. Beispiel dafür ist ein Vergleich zwischen Bischof Berthold I. von Brixen und Graf Albert von Tirol aus dem Jahr 1221. Beide Vertragspartner verständigten sich auf detaillierte Bestimmungen, wie mit dem jeweils anderen Ministerialenverband umzugehen sei. Dabei erklärte der Graf von Tirol auch, er wolle „keine Ehe zwischen einem Ministerialen der Brixener Kirche und einer Frau aus seiner 30
31 32 33
Die Register Innocenz’ III. 1979, Nr. 217, S. 422; mit veränderter Wortstellung auch Nr. 212, S. 413. Zu diesem Urteil Keupp 2002, S. 477; Ders. 2010b, S. 384–389. Über die Freilassung Markwards und seinen Aufstieg in fürstliche Positionen Italiens berichtet im 13. Jahrhundert Burchard von Ursberg, Chronik, S. 72 f.: Eo tempore imperator Marquardum de Anninwilir, dapiferum et ministerialem suum, libertate donavit et ducatum Ravenne cum Romania, marchiam quoque Ancone sibi concessit. Weitere Beispiele für Freilassungen von Ministerialen bei Arnold 1985, S. 67–69. MGH Const. 2, Nr. 279, S. 392 f.; URH 2, Nr. 159, S. 140 f. URH 2, Nr. 40, S. 39. Dort auch der Hinweis auf die anschließende Streitbeilegung von 1210 zwischen dem Bischof und seinen Vasallen. Ebd., Nr. 523, S. 435.
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Ministerialität (cum sua ministeriali) zulassen, es sei denn, dass deren Väter Ministerialen des G[rafen] waren.“34 In ihrer Partnerwahl überschritten führende Familien der Ministerialität freilich solche hausrechtlichen Schranken. Die daraus resultierenden Konflikte führten wiederholt zu schriftlich fixierten Kompromissen. Sie zeigen uns im Einzelfall, an wen die Kinder von Eltern aus unterschiedlichen Ministerialenverbänden fielen.35 Ein schönes Beispiel ist die Urkunde Ottos II., Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern, von 1235 über seine in Gegenwart Kaiser Friedrichs II. geschlossene und von hochrangigen Fürsten testierte Abmachung mit Abt, Konvent und Ministerialen des Klosters Tegernsee. Danach sollten die Kinder aus Ehen von Ministerialen der Wittelsbacher und des Klosters unter den beiden fürstlichen Herren verteilt werden.36 Wie präzise das im Einzelfall geregelt wurde, zeigt die Vereinbarung König Philipps mit Bischof Hartwig von Eichstätt aus dem Jahr 1198. Danach wurden die Kinder, die aus Mischehen königlicher und bischöflicher Ministerialen hervorgingen, hälftig zwischen König und Bischof geteilt. Das erste Kind, egal ob männlich oder weiblich, kam in den Ministerialenverband seines Vaters (conditio patris), das zweite in den seiner Mutter, und bei allen weiteren Kindern wurde entsprechend gewechselt. So fiel bei gleicher Kinderzahl jeweils die Hälfte der Nachkommen an Reich und König bzw. an den Eichstätter Bischof. Bei ungleicher Kinderzahl galt die Regelung, dass der jeweils erste in der Reihe an den Herrn seines Vaters fiel.37 Die königliche Verfügungsmacht konfrontierte indes selbst wichtige Ministerialen mit einschneidenden Veränderungen. 1223 bekundete König Heinrich (VII.) eine Streitschlichtung zwischen dem rheinischen Pfalzgrafen und bayerischen Herzog Ludwig I. und dem königlichen Ministerialen Gerhard von Erbach. Der Staufer übertrug dabei den minderjährigen Sohn und die ältere Tochter des Erbachers in die pfalzgräfliche Ministerialität. Später sollten diese Erbacher dann bis in den mittelalterlichen Grafen- und neuzeitlichen Fürstenstand aufsteigen.38 Auch nach dem Ende der Staufer ging die leibherrliche Bindung herausragender Ministerialen und ihrer Nachfahren nicht vergessen. Welche Komplikationen das späteren Generationen bereiten konnte, zeigt der Fall der Edelherren von Hanau, die später zu Landvögten des Reichs in der Wetterau aufstiegen.39 Reinhard von Hanau, ein Edelfreier mit überschaubarem Besitz, hatte 1245 Adelheid geheiratet, eine Erbin der berühmten Reichsministerialenfamilie Münzenberg.40 Als er 1256 das gewaltige Erbe des begüterten Schwiegervaters in der Wetterau antrat,41 34 35 36 37 38 39 40 41
Zitat ebd., Nr. 141, S. 123 f., hier S. 123. Vgl. Kim 1999; Pfeifer 2000. Beispiel in URH 2, Nr. 404, S. 340 f. Ebd., Nr. 397, S. 334 f. MGH D Ph, Nr. 21, S. 48–51, Zitat auf S. 51. Zu anderen Praktiken der Kinderteilung in spätmittelalterlichen Leibherrschaften Müller 1974, S. 43–66. MGH D Ph, Nr. 177, S. 157. Vgl. Steiger 2007; Ders. 2013. Schwind 1972; Dietrich 1996. Keunecke 1978. HessUB II/1, Nr. 235, S. 178 (erste gemeinsame Urkunde Reinhards und Adelheids von 1245) und Nr. 312 f., S. 228–230 (Stiftungs- und Bestätigungsurkunden der münzenbergischen Erben von 1256).
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begann der Aufstieg der Hanauer. Als Zeichen ihrer neuen Stellung heirateten die Kinder Reinhards und Adelheids 1265 und 1272 in die Grafenfamilien von Weilnau und Rieneck ein.42 Doch kurz danach schien der edelfreie Rang der Nachfahren Adelheids von Münzenberg prekär zu werden. Mit der Königswahl Rudolfs von Habsburg 1273 begann eine kritische Beurteilung der Reichsgeschichte seit dem Tod Kaiser Friedrichs II. 1250.43 Bei dieser Ordnungsbekräftigung zwischen König und Reichsfürsten geriet auch die faktische Emanzipation führender Ministerialenfamilien aus älteren Abhängigkeiten von König und Reich auf den Prüfstand. Für Leute wie Reinhard von Hanau und seine Kinder, die ihre Bedeutung einem ministerialischen Erbe verdankten, bedeutete das eine erhebliche Gefahr. Um den edelfreien Rang seiner Nachkommen besorgt, sicherte Reinhard in demütiger Bitte um königliche Huld gleich bei den Aachener Krönungsfeierlichkeiten Rudolfs von Habsburg die Rechtsstellung seiner Ehefrau und seiner Kinder.44 Der neue König gewährte dem Hanauer als seinem treuen Helfer eine besondere Gunst und sprach dessen Ehefrau Adelheid in der Königsurkunde sogleich als adlige Dame (nobilis mulier) an. Das Privileg nennt auch das etwas fadenscheinig anmutende Argument Reinhards, er hätte bei der Hochzeit mit Adelheid vor fast drei Jahrzehnten gedacht, eine adlige und ihm durch freie Herkunft ebenbürtige Ehefrau zu bekommen. Erst später sei behauptet worden, dass die Gattin gar nicht adlig (nobilis) sei und in Ulrich von Münzenberg einen ministerialischen Vater (pater ministerialis) habe. König Rudolf gewährte der Hanauerin wohlwollend und mit Konsens der bei der Krönung anwesenden Fürsten die besondere Gnade (gracia specialis), dass sie selbst und ihre Kinder edel und frei von beiden Elternteilen her (nobiles et ingenui de utroque parente) seien. Sodann befreite er sie von aller Dienstbarkeit der Ministerialen (ab omni servitute ministerialium libertamus).45 Die Königsurkunde wurde durch neun Willebriefe oder Bekundungen von fünf Wahlfürsten bekräftigt. Die ausdrücklichen Zustimmungen der Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, des Markgrafen von Brandenburg und des Herzogs von Sachsen46 zeigen nicht nur den Führungsstil des neuen Königs an. Vielmehr ging es hier um eine ganz besondere soziale und politische Herausforderung an die stän42
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Ebd., Nr. 400, S. 293 f. (Urkunde Graf Heinrichs von Weilnau von 1265 über die Wittumszuweisung an seine künftige Schwiergertochter Isengard, Tochter Reinhards von Hanau) und Nr. 463, S. 341–343 (Heiratsvertrag Graf Ludwigs von Rieneck und Reinhards von Hanau von 1272 über die Vermählung ihrer Kinder Ulrich von Hanau und Elisabeth von Rieneck). Krieger 2003. Dazu Arnold 1985, S. 68 f.; Spiess 1992, S. 181–183; Keupp 2010c; Rödel 2015, S. 20 f. HessUB II/1, Nr. 471, S. 348. Ebd. die zwischen dem 25. und 27. Oktober 1273 ausgestellten Willebriefe der Erzbischöfe von Mainz (Nr. 472, S. 348 f.), Köln (Nr. 473, S. 349), Trier (Nr. 474, S. 349), des Markgrafen von Brandenburg (Nr. 475, S. 349 f.), des Herzogs von Sachsen (Nr. 476, S. 350); dann nochmals entsprechende Bekundungen des Erzbischofs von Köln (Nr. 477, S. 350 f.), des Markgrafen von Brandenburg, des Herzogs von Sachsen und des Erzbischofs von Mainz (Nr. 478–480, S. 351).
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dische Gesamtheit, die tatsächlich nur mit dem ausdrücklichen Konsens der monarchischen Verantwortungsgemeinschaft von König und Wahlfürsten gemeinsam zu regeln war. Grundsätzlich entschied das Königsgericht nämlich ganz anders. Ein von König Rudolf verkündeter Spruch von 1282 über Ehen freier Bauern mit Partnern in einem abhängigen Vogteiverhältnis hielt fest, dass die Kinder immer dem geringeren Stand folgen mussten (quod partus conditionem semper sequi debeat viliorem).47 Die Hanauer hatten 1273 ihr gravierendes Abstammungsproblem selbst durch ein ganzes Bündel von Urkunden des Königs und der Wahlfürsten noch nicht endgültig gelöst. 1287 brauchte Ulrich, der Sohn des inzwischen verstorbenen Reinhard, jedenfalls noch einmal eine Freiheitsurkunde vom Herrscher. Der Habsburger erinnerte an Reinhards Treue gegenüber König und Reich und befreite aus der Fülle seiner königlichen Macht Ulrich wie seine Mutter Adelheid (von Münzenberg) von jeder knechtischen oder ministerialischen Bindung. Er und seine Kinder sollten dauerhaft zum freien und adligen Stand gehören, als ob sie „aus einer freien Gebärmutter geboren seien“ (ac si de ventre libero nati essent).48 Auch zu dieser königlichen Gunst stellten die Erzbischöfe von Mainz und Köln sowie der Herzog von Sachsen nochmals Willebriefe aus.49 Vergleichbare Probleme mussten auch die Eppsteiner bewältigen, die im 13. und 14. Jahrhundert immerhin vier Mainzer Erzbischöfe stellten. Der Edelfreie Siegfried von Eppstein „aus dem Geschlecht der Barone“ (barones) hatte die Ministerialentochter Isengard von Falkenstein geheiratet und musste deshalb seinem Sohn Gottfried beim Herrscher ebenfalls die Freiheit sichern. Im Konsens mit den Fürsten verkündete König Albrecht I. am 19. November 1298 die Erhebung in den Stand der Freien und Barone, als ob sie „makellos einer freien Gebärmutter entstammten“ (pares facti inter liberos et barones quasi de libero geniti ventre absque macula). Noch am gleichen Tag stellte Rudolf I., Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern, seinen Willebrief zu diesem Nobilitierungsakt aus.50 VERSCHRÄNKTE HERRSCHAFT IN VIER SUCHSCHNITTEN Die Beispiele verdeutlichen eine beträchtliche Spanne im nur scheinbar gleichförmigen Rechtszustand von Ministerialen und die Brisanz des sozialen wie politischen Wandels im 13. Jahrhundert. Angesichts der wiederholten Bekräftigung ministerialischer Unfreiheit, deren Überwindung selbst in den politischen Eliten nur mit größten Mühen glückte, ist die Integration von Ministerialen in reichsfürstliche Verantwortungsverbünde umso bemerkenswerter. Hier sollen nun solche Paradoxien zwischen Adel und Unfreiheit auf der einen, von Konsens und Partizipation 47 48 49 50
MGH Const. 3, Nr. 306, S. 300. Ebd., Nr. 392, S. 378 f. HessUB II/1, Nr. 649–651, S. 466 f. MGH Const. 4, Nr. 37 f., S. 33 f. Zu Ehen zwischen Edelfreien und Ministerialen vgl. Schulte 1910, S. 314–330.
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auf der anderen Seite in vier Suchschnitten genauer konturiert werden. Das gelingt nicht durch die Analyse normativer Quellen. Vielmehr muss erneut die Addition von Einzelbeispielen ausgehalten werden, um die in Fallentscheidungen zutage tretenden Rechtsüberzeugungen des 13. Jahrhunderts zu erkennen. Glücklicherweise produzieren Konflikte Quellen. Sie informieren uns (1) über das besondere Vorrecht von Reichsministerialen, (2) über die Kontinuität geistlicher Reichsfürstentümer aus der Dauerhaftigkeit ministerialischer Hofämter, (3) über unzeitgemäß wirkende Ansprüche auf ministerialische Partizipation bei der Bischofswahl und (4) über die Gestaltungsmacht von Ministerialen bei Schiedsverfahren ihrer fürstlichen Herren. 1) Was war das besondere Vorrecht von Reichsministerialen? Diese Frage stellte sich beim Blick auf die Kaiserurkunde zur Errichtung des Herzogtums Braunschweig 1235. Friedrich II. hatte den welfischen Ministerialen Herzog Ottos jene Rechte verliehen, die auch die Ministerialen des Reichs besaßen. Was machte ihren besonderen Rechtszustand so erstrebenswert? Wir können die Antwort nicht aus normativen Quellen ermitteln, die in der Mitte des 13. Jahrhunderts eine Art ‚Reichsministerialenrecht‘ entworfen hätten, denn hier lässt uns die Überlieferung im Stich. Hilfreich ist dagegen erneut die Lösung eines konkreten Konflikts, der ans Königsgericht gelangte. Heinrich (VII.) verkündete allen Getreuen des Reichs die Entscheidung am 17. Juli 1231.51 Das Kapitel von Nienburg (Erzdiözese Magdeburg) hatte angefragt, bis zu welchem Grad die Hoflehen von Kirchenministerialen (feoda ministerialium ecclesie sue que vulgariter houelen dicuntur) vererbt werden dürften. Darauf entschieden der König und mehrere Fürsten, dass die Kirchenministerialen nach demselben Recht (eo iure) wie Reichsministerialen (ministeriales imperii nostri) behandelt werden sollten. Deshalb müssten die Hoflehen ungehindert auf Söhne und Töchter, auf Brüder und Schwestern übergehen, wenn die Inhaber nicht auf Grund ihrer Privilegien sogar ein anderes besonderes Vorrecht (prerogativa aliqua […] specialis) vorweisen könnten. Wenn ein Ministeriale der Nienburger Kirche einer Entscheidung widerspreche, dürfe er seinen Rechtsanspruch vor dem Reich geltend machen (exequi coram imperio).52 In der Tat blieb einem Bischof auch andernorts der Zugriff auf solche Hoflehen verwehrt. 1222 ließ König Heinrich (VII.) auf Bitte des Passauer Elekten Gebhard entscheiden, ob ein Bischof ohne Rat und Zustimmung seines Kapitels und seiner Ministerialen etwas von den Einkünften der Hofmarken abgeben oder als Lehen 51
52
MGH Const. 2, Nr. 310, S. 423; URH 2, Nr. 317, S. 270 f. Die Überlieferung bedarf noch eingehender Überprüfung: Der Verfasser dieser Urkunde ist in der Kanzlei nicht nachweisbar. Das Stück selbst ist nur als Insert in einer Urkunde Kaiser Karls V. von 1530 (vom Bearbeiter Ekkehart Rotter nicht mehr aufgefunden, vgl. S. 271) und im untergegangenen Nienburger Kopialbuch überliefert. Dazu Krieger 1970, S. 409 f. mit Anm. 38.
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veräußern dürfe. Das Urteil des Königsgerichts untersagte dies dem Bischof und entschied, dass bereits vorgenommene Veräußerungen ungültig seien.53 Bei Vergabungen blieb der Bischof also stets auf den gemeinsamen Verantwortungsverbund mit Domkapitel und Ministerialität angewiesen. Der Vorstellung der älteren Forschung, welche die Ministerialen geistlicher Reichsfürsten mit den Reichsministerialen wegen der Herkunft von Kirchengut aus Reichsgut einfach gleichsetzte,54 wurde mit Hinweis auf Kölner Quellen aus dem 12. Jahrhundert widersprochen.55 Die hier vorgestellten Beispiele belegen jedoch eine zunehmende Konvergenz im 13. Jahrhundert. Das bischöfliche Recht an den Ministerialen gehörte jedenfalls zu den Regalien. So formulierte es ein Rechtsspruch König Heinrichs (VII.) von 1228 für Erzbischof Eberhard II. von Salzburg über das besondere Salzburger Rechtsverhältnis zum Bischof von Gurk. Falls der Gurker nämlich die Regalienleihe vom Erzbischof verweigere, durfte dieser alle Gurker Regalienrechte an Burgen, Münzen, Ministerialen und der Gefolgschaft der Vasallen einbehalten.56 Der Spruch für Nienburg – so lässt sich dieser Abschnitt zusammenfassen – bezeugt das autonome Erbrecht von Reichs- und Kirchenministerialen und bietet damit Einsicht in Verfügungsfreiheiten ebenjener Gruppe, deren leibherrliche Abhängigkeit gleichzeitig immer wieder unterstrichen wurde. Ministerialen besaßen für ihre Hoflehen also ein vergleichbares Erbrecht, wie es der Herrscher den Reichsfürsten seit dem „Privilegium Minus“ von 1156 für ihre Reichslehen garantiert hatte.57 Ich möchte das deshalb unterstreichen, weil derzeit das traditionelle Gebäude des Lehnrechts – mit durchaus guten Argumenten – zerpflückt wird.58 Bald wird sich indes die Frage erheben, wie nach notwendiger Dekonstruktion ein neues Bild hochmittelalterlicher Ordnungskonfigurationen aussehen könnte. Bei allen situativen Kontingenzen, die derzeit gegen jegliche Strukturen beschworen werden, halten wir einmal fest, dass es zumindest am 17. Juli 1231 in Nienburg ministerialische Hoflehen gab und dass diese als vererblich angesehen wurden.59
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58 59
URH 2, Nr. 151, S. 133 f. Ficker 1911, S. 230–232; Bosl 1950/51, Bd. 1, S. 126; Ders. 1964, S. 322. Krieger 1970, S. 409, Anm. 37. URH 2, Nr. 265, S. 231. MGH D F I, Bd. 1, Nr. 151, S. 255–260. Aus den vergleichbaren Folgeurkunden nenne ich hier die Zusicherung König Philipps an Herzog Heinrich I. von Lothringen und Brabant von 1204, nach der die Töchter des Herzogs ihm beim Fehlen männlicher Erben in seinen Lehen folgen dürften (MGH D Ph, Nr. 82, S. 186–190, Zitat auf S. 190). Wuchtige Anstöße gab Reynolds 1994. Vgl. Das Lehnswesen 2010; Dendorfer 2010; Patzold 2012; Ausbildung und Verbreitung 2013. Es wäre nützlich, die Neuentwürfe nicht nur aus den disparaten Befunden des früheren und hohen Mittelalters zu entwickeln. Interessanter wäre die Bewertung des 12./13. Jahrhunderts als Phase der Systematisierung für ein späteres formalisiertes Ordnungsgefüge. Hilfreich sind dafür die Beispiele bei Krieger 1979, zum Nienburger Fall S. 526.
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2) Was garantierte die Kontinuität geistlicher Fürstenherrschaft? Die Fortdauer eines geistlichen Reichsfürstentums beim Tod von Bischof oder Abt ließ sich weder aus dem geistlichen Amtsverständnis noch aus dem lehnrechtlichen Ordnungsgefüge des Mannfalls erklären.60 In konkreten Konflikten wurden zwischen 1219 und 1250 klare Regeln für die Kontinuität der vier ministerialischen Hofämter und für das Erbrecht ihrer Inhaber formuliert. Aus der Erblichkeit der Hofämter ergab sich eine deutliche Schichtung in der Ministerialität. Diejenigen Familien, welche die Ämter von Truchsess, Schenk, Marschall und Kämmerer bekleideten,61 durften fortan mit andauernder Zugehörigkeit zum reichsfürstlichen Verantwortungsverbund rechnen und traten im Rang über andere Ministerialen hinaus. Alle anderen Ämter fielen nämlich beim Tod eines Bischofs oder Reichsabts ledig. Die Entwicklung dieser Differenzierung zwischen 1219 und 1250 lässt sich wieder an situativen Entscheidungen des Königsgerichts ablesen. 1219 teilte Friedrich II. den Prälaten, Kanonikern, Edlen und Ministerialen der Bremer Kirche als Gerichtsurteil großer und kundiger Leute mit, dass zwischen dem Tod eines Erzbischofs und der Einsetzung seines Nachfolgers alle Ämter vakant fielen, mit Ausnahme der vier Hauptämter von Truchsess, Schenk, Marschall und Kämmerer (exceptis quatuor principalibus officiis, dapiferi videlicet et pincernae, mariscalci et camerarii).62 Ähnliche Sprüche sandten die Könige Konrad IV. und Wilhelm zwischen 1240 und 1250 an den Abt von Hersfeld63, an die Elekten von Brixen64 und Passau65 sowie an den Bischof von Minden.66 Bei seiner Bitte um das Urteil des Königsgerichts über Zugriff auf ledige Ämter hatte Bischof Johannes von Minden 1242 selbst „jene vier Hauptämter ausgenommen, die nach allgemeinem Gesetz und gemeinem Recht“ (preter illa quatuor principalia, que secundum constitutionem generalem et communem iustitiam sunt excepta) nicht zur bischöflichen Verfügungsgewalt gehörten. Die Herausgeber und Bearbeiter der Quelle notierten in ihren Ausgaben, dass ihnen eine solche constitutio generalis nicht bekannt sei.67 1223 und 1246 ergänzten König Heinrich (VII.) und König Heinrich Raspe dieses herrschaftliche Kontinuitätsprinzip für das Kloster Corvey um den Zusatz, dass die legitimen älteren Söhne der vier Hofamtsträger ihren Vätern im Amt nachfolgen durften.68 60 61 62 63 64 65
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Eine Neubewertung jetzt bei Schmidt 2015. Zur Genese der Bischofsbestellung Thier 2011. Rösener 1989. MGH Const. 2, Nr. 68, S. 80 f.; URH 2, Nr. 114, S. 103. URH 2, Nr. 443, S. 372. Ebd., Nr. 446, S. 375. Das 1250 von Fürsten und Großen des Reichs im Königsgericht gefällte Urteil schränkte das Ledigwerden aller Ämter ein. Kirchenleute, die ein altes Erbrecht besäßen, dürften ihre Ämter behalten: nisi forsan ex antiquo iure hereditario homines ecclesie aliqua officia possedissent (MGH D HR/W, Bd. 1, Nr. 128, S. 173 f.; URH 2, Nr. 494, S. 413 f.). URH 2, Nr. 466, S. 393. MGH Const. 2, Nr. 339, S. 447 f. mit Anm. 1 auf S. 448; URH 2, Nr. 466, S. 393 mit Anm. 1. URH 2, Nr. 179, S. 158 f. (1223). Dort die Hinweise auf massive ministerialische Widerstände gegen Abt Wibald von Corvey, die 1150 zu einer Urkunde Konrads III. führten: MGH D Ko III,
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Diese Minderung ihres Zugriffs auf die Ämterbesetzung wurde 1230 auch der Kirche von Besançon eingeschärft. Ein neuer Erzbischof durfte zwar alle Ämter nach eigener Auswahl mit seinen Leuten besetzen, nicht aber die vier Hauptämter.69 Ein von König Heinrich (VII.) 1230 verkündeter Spruch des Königsgerichts schränkte die familiäre Kontinuität führender Ministerialenfamilien durch die Bestimmung ein, dass in der Reichsabtei Quedlinburg keine Schwester nach Erbrecht (ratione hereditatis) in das Hofamt eines Truchsessen, Schenken, Kämmerers oder Marschalls gelangen dürfe. Im Allgemeinen könne auch keine Frau nach Erbrecht ihrem Bruder in einem Lehen folgen (quod in generali nulla mulier in aliquo feodo ratione hereditatis fratri suo succedere possit). Der König bat deshalb, die Äbtissin von Quedlinburg nicht mit solchen Belästigungen zu beschweren, ein Hinweis auf die komplexe Konfliktlage zwischen adligem Damenstift und aufstrebender Ministerialität.70 Die Lösungen solch situativer Konflikte, die von Streitparteien an das Königsgericht herangetragen wurden, sind in doppeltem Sinn bedeutsam. Zum einen garantierten sie den Fortbestand eines geistlichen Reichsfürstentums zwischen dem Tod von Fürst oder Fürstin und der Belehnung von Nachfolger oder Nachfolgerin. Während das Domkapitel für geistliche Kontinuität sorgte, stellten die Träger der vier Hofämter herrschaftliche Dauerhaftigkeit sicher. Diese Sonderstellung wurde im 14. Jahrhundert durch herausgehobene Funktionen als Träger von Kerzen, Brot und Wein zum Offertorium bei der Bischofsweihe unterstrichen. Auch beim Einzug eines neuen Bischofs spielten die Träger der Hofämter eine besondere Rolle.71 So profilierte das Erbrecht an den Hofämtern eine regionale, ministerialische Spitzengruppe in den geistlichen Fürstentümern. Ihr Selbstbewusstsein speiste sich aus administrativer Verantwortung. Drei bemerkenswerte Konflikte um Partizipation bei der Bischofswahl aus den 1220er Jahren bezeugen diese Bedeutung der bischöflichen Ministerialität. 3) Durften Ministerialen einen Bischof wählen? Die zunehmende kanonistische Fixierung geistlicher Wahlverfahren beließ den Laien keinen gestaltenden Anteil mehr.72 Gratians Dekret hatte dem Volk noch das Recht zum Konsens, nicht zur Wahl zugestanden. Diese Zustimmungspraxis blieb auch später erhalten. Wer allen vorstehen muss – so fasste es Nikolaus von Kues in seiner „Concordantia catholica“ mit Belegen aus der Rechtstradition zusammen –, solle auch von allen gewählt werden.73 Das 13. Jahrhundert stellte freilich die Wei-
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Nr. 221, S. 390–394; URH 1, Nr. 278, S. 211–213. Zur Bestätigung des Spruchs von 1223 durch König Heinrich Raspe im Jahr 1246: RI V,1, Nr. 4868. URH 2, Nr. 286, S. 248. MGH Const. 2, Nr. 298, S. 412; URH 2, Nr. 292, S. 252. Schmidt 2015. Müller 1977. Nikolaus von Kues, De concordantia catholica, lib. II cap. 32, § 233, S. 276 f. Dazu Schmidt 2015, S. 173.
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chen für die kanonistische Formalisierung der Bischofswahlen. Der laikale Einfluss wurde weitgehend verdrängt, die päpstliche Teilhabe zunehmend gestärkt. 1215 ging das Vierte Laterankonzil implizit vom alleinigen Wahlrecht des Domkapitels aus.74 Mit dem Niedergang königlicher Gestaltungskraft in den geistlichen Fürstentümern erlangten im 13. Jahrhundert regionale Eliten zunehmenden Einfluss auf die Besetzung hoher Ämter.75 Das wurde nicht durch kanonische Rechtsnormen, sondern durch hartnäckige Praxis gesichert. Adlige und ritterliche Familien brachten nämlich ihre Nachkommen in den Kapiteln unter und erlangten damit Anteil an den Bischofs- und Abtswahlen.76 Prosopographische Forschungen erwiesen dies in regionalen Fallstudien. So stellten im Spätmittelalter 107 Ministerialenfamilien, die seit dem 13. Jahrhundert in den Ritteradel aufgestiegen waren, fast zwei Drittel der Speyerer Domherren.77 Dieser rechtliche und politische Wandel lässt uns drei turbulente Bischofswahlen in Hildesheim, Paderborn und Eichstätt 1221 und 1223 besser verstehen. Bemerkenswerten Quellenniederschlag fanden vor allem die Hildesheimer Ereignisse, die 1221 weit über das Bistum hinaus an den Königs- und Kaiserhof, an Erzbischöfe und schließlich an die Kurie gelangten.78 1220 hatte Bischof Siegfried von Hildesheim eine Bitte um Resignation vom Amt an Papst Honorius III. geschickt.79 Im Mai/Juni 1221 dokumentierte er seine angefochtene Amtsführung in großer Ausführlichkeit und wehrte sich insbesondere gegen den Vorwurf einer Verschleuderung von Kirchengut.80 Bischöfliche Resignationen waren im römisch-deutschen Reich sehr selten und stellten deshalb in der kirchlichen Praxis eine besondere Herausforderung dar. In den beiden Pontifikaten von Papst Innozenz III. (1198–1216) und Papst Honorius III. (1216–1227) sind überhaupt nur drei Fälle bekannt. 1206 zog sich Bischof Berthold II. von Naumburg auf päpstliches Drängen zurück. 1208 resignierte der Halberstadter Bischof Konrad von Krosigk gegen den Willen des Papstes. 1221 folgte dann der Rückzug Siegfrieds von Hildesheim.81 Er ist – zusammen mit dem Amtsantritt seines Nachfolgers – wegen der beträchtlichen Turbulenzen in der urkundlichen Überlieferung breit dokumentiert. Diese Auflösungen des Bundes dreier Bischöfe mit ihrer Cathedra sind nicht allein aus politischen Konstellationen in Reich und Bistum zu erklären. Sie vollzogen sich vor dem Hintergrund der von Papst Innozenz III. vorgenommenen kirchenrechtlichen Präzisierungen. Seine Re74 75 76 77
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COD II/1, canon 24, S. 179 f. Vgl. Ganzer 1971/72; Benson 1968; Krüger 2013. Beispiele bei Krabbo 1901. Als klassischer Überblick Schulte 1910. Eine Fallstudie stammt von Holbach 1982. Fouquet 1987, Bd. 1, S. 85. Zur Strategie ministerialischer und ritteradliger Familien V. Rödel 1979; Andermann 1982; Mielke 1977; Andermann 1992; Grafen und Herren 2006; Ritteradel im Alten Reich 2009. Eine Fallstudie zum Bistum Bamberg im 16. und 17. Jahrhundert stammt von Ninness 2011. Dazu Crusius 1984; Das Bistum Hildesheim 2006, S. 35–133. Vgl. auch Voigt 2015. Zu Bischof Siegfried: Das Bistum Hildesheim 1984, S. 509–526, zur Resignation S. 519–522. UB H. Hild. 1, Nr. 763, S. 714–716. Zu den drei Fällen Crusius 1984, S. 431 f.
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gelungen zur Aufhebung der Ehe zwischen Bischof und Cathedra gingen später in den „Liber Extra“ Papst Gregors IX. ein.82 Siegfrieds Rücktritt war überhaupt der allererste im römisch-deutschen Reich, der vom Papst genehmigt wurde. Zum Nachfolger stieg Konrad II. auf, der sich in päpstlichen Diensten profiliert hatte und zunächst von seinem Gönner Papst Honorius III. mit der Untersuchung des Hildesheimer Falls beauftragt worden war. Hier zeichnete sich – mit staufischer Hilfe – der Durchbruch jener päpstlichen Autorität ab, die später noch viele deutsche Bischofserhebungen entscheiden sollte. Schon das päpstliche Verfahren zur Untersuchung der Hildesheimer Vorfälle war ungewöhnlich. Honorius III. hatte dafür im Januar 1221 neben zwei Geistlichen aus dem Bistum Hildesheim, nämlich dem Dekan des Hildesheimer Kreuzstifts und dem Goslarer Domscholaster, seinen Kaplan und Pönitentiar Magister Konrad ausgewählt. Bis dahin hatte Konrad schon eine vielseitige Karriere als Domdekan in Speyer, als Kreuzzugsprediger sowie als Domscholaster in Mainz absolviert und sich als zuverlässiger päpstlicher Gefolgsmann bewährt. Mit dem feierlichen Verzicht Bischof Siegfrieds, vermutlich am 4. Juni 1221, war die Arbeit der Kommission abgeschlossen. Dass Konrad als bisheriger Leiter des Untersuchungsverfahrens, der bis dahin noch keine offenkundigen Verbindungen zum sächsischen Bistum besaß, Ende Juni/Anfang Juli zum neuen Bischof von Hildesheim gewählt wurde, war keineswegs selbstverständlich. Gegen Konrads Aufstieg erhoben führende Hildesheimer Ministerialen 1221 sogleich Klage vor dem Königsgericht. Leider kennen wir ihre Argumente nur aus den Dokumenten ihrer Gegner, welche die ministerialischen Rechtspositionen als unerhörte Anmaßung geißelten. Es lohnt sich, auf diese Auseinandersetzung etwas genauer einzugehen, denn sie führt uns in eine wichtige kirchenrechtliche Transformationsphase. In ihr wandelten sich alte Gewohnheitsrechte zu klaren Zuständigkeiten, die im Kirchen- wie im Regalienrecht formalisiert wurden. Die Dichte der Schriftlichkeit und die umsichtige Absicherung des Verfahrens – sowohl im nordalpinen Reich als auch bei dem in Italien weilenden Kaiser Friedrich II. – lassen die Brisanz der Forderungen erkennen. Führende Amtsträger der Hildesheimer Ministerialität – genannt werden Marschall Konrad und Ekbert, die auch im Namen ihrer comministeriales auftraten – trugen im Königsgericht vor, dass ihnen bei Konrads Bischofserhebung Unrecht geschehen sei. Nach Recht und alter Gewohnheit hätten sie einen eigenen Rechtsanspruch bei der Wahl der Hildesheimer Bischöfe (quod eis in electione ipsius facta esset iniuria, qui ex iure et longa consuetudine in electione episcoporum Hildensemensium iusticiam habuissent). Weil dieser missachtet worden sei, müsse der König dem Elekten Konrad die Regalienleihe verweigern. Wir kennen diese ministerialische Rechtsposition nur aus der ablehnenden Entscheidung geistlicher Richter. Im Sommer 1221 verschriftlichten Erzbischof Dietrich von Trier, der Reichskanzler Bischof Konrad von Metz und Speyer, die Bischöfe von Regensburg und Basel sowie die Äbte von Weißenburg und Murbach in 82
CIC 2, Sp. 107–112.
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Weißenburg ihr ablehnendes Urteil.83 Mit Zustimmung aller anwesenden Grafen, Edlen sowie Reichs- und Kirchenministerialen verwarfen sie die Postulate der Hildesheimer Ministerialen als offensichtlich falsch, unerhört und gegen jedes gemeine Recht aller Kirchen gerichtet (inconveniens et inauditum et contra communem omnium ecclesiarum iusticiam videbatur). Den Abgewiesenen wurde die Möglichkeit eingeräumt, ihr Recht auf der nächsten Fürstenversammlung am 1. September 1221 in Frankfurt vor König und Fürsten zu suchen. Gleichzeitig trugen die geistlichen Richter ihre Rechtsauffassung König Heinrich (VII.) vor und forderten ihn auf, dem Elekten Konrad die Regalien zu verleihen.84 Im zeitlichen Umfeld zielten mehrere undatierte Schreiben an die Hildesheimer Ministerialen und an die Stadt Hildesheim auf Konfliktbeilegung. So forderten die Grafen vom Elsass, von Zweibrücken, Diez, Eberstein, Leiningen und Boyneburg die Hildesheimer Ministerialen auf, die Bischofswahl Konrads zu akzeptieren und von der Behauptung abzulassen, ihnen sei Unrecht geschehen. Wo auch immer ihr Anspruch verlesen worden sei, sei er nämlich als falsch, unerhört und rechtswidrig verworfen worden.85 Briefe des Reichskanzlers Bischof Konrad von Metz und Speyer und des Reichstruchsessen Werner von Bolanden kamen hinzu.86 Den schärfsten Ton schlug ein Schreiben Erzbischof Engelberts von Köln an. Offenbar hatten die Hildesheimer Ministerialen dem jungen König Heinrich (VII.)87 die Kompetenz zur Regalienleihe gänzlich abgesprochen und vielleicht auf ein positives Eingreifen Kaiser Friedrichs II. aus Italien gehofft. Dieses Ansinnen wies der Kölner Erzbischof empört zurück und erklärte die Sache der Hildesheimer Ministerialen für derart krank, haltlos und absurd, dass sie im ganzen Reich keinen einzigen Fürsten als Befürworter oder Verteidiger ihres Irrtums finden würden (causa vestra usque adeo infirma sit et debilis et absurda, ut in toto imperio nec principem unum fautorem et defensorem vestri reperiatis erroris).88 Die Dichte der Schreiben und der grobe Ton des Kölners zeigten indes an, dass die Reichsfürsten den Hildesheimer Konflikt kaum als Debilität regionaler Aufsteiger einschätzten. Am 1. September 1221 sicherte sich König Heinrich (VII.), damals noch von seinem geistlichen Beraterkreis geleitet, sorgfältig durch zwei keineswegs inhaltsgleiche Schreiben an den kaiserlichen Vater in Italien und an den welfischen Herzog Heinrich, den mächtigsten weltlichen Potentaten im Bistum Hildesheim, ab. Seinen Vater Kaiser Friedrich II. ersuchte der König um Bestätigung der Regalienleihe an Bischof Konrad II., ohne den Widerstand der Hildesheimer Ministerialen überhaupt zu erwähnen.89 Herzog Heinrich war dagegen besser informiert und wurde dringend als Helfer vor Ort gebraucht. Ihm berichtete der König deshalb die volle Geschichte, die ein 83 84 85 86 87 88 89
UB H. Hild. 2, Nr. 3, S. 2 f. Ebd., Nr. 9, S. 5 f.; URH 2, Nr. 145, S. 127–129. UB H. Hild. 2, Nr. 4, S. 3. Ebd., Nr. 5–7, S. 3 f. Zum Hof Heinrichs (VII.) und den fürstlichen Netzwerken Gramsch 2013; Hillen 1999. UB H. Hild. 2, Nr. 8, S. 4 f., Zitat auf S. 5. Ebd., Nr. 10, S. 6 f.
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unbekannter Schreiber so formulierte: Bischof Konrad II. von Hildesheim kam zum König mit der Bitte um die Regalieninvestitur nach Recht und Gewohnheit des Reichs. Darum baten ihn auch Propst, Dekan und Kapitel von Hildesheim schriftlich und durch Boten. Sie hatten Konrad nämlich einträchtig und nach kanonischem Recht gewählt. Der Erzbischof hatte ihn rechtmäßig bestätigt. Er, König Heinrich, befragte die Fürsten in seiner Umgebung, folgte den Briefen seiner Getreuen und investierte den Elekten mit den Regalien. Dagegen behaupteten die Ministerialen der Hildesheimer Kirche, ihnen stünde ein Recht (ius) bei der Wahl der Hildesheimer Bischöfe zu. Weil sie Konrad nicht zusammen mit dem Kapitel gewählt hätten, würden sie ihm widerstehen (quod eum non elegerint cum capitulo, adhuc ei contradi cunt). Deshalb bat der König den Herzog, diese Ministerialen vor sich zu laden und sie zu Gehorsam, Frieden und Huld gegenüber ihrem Herrn dem Elekten zu bringen. Die Behauptung der Ministerialen, sie dürften ihre Bischöfe wählen und dies sei bei der Entscheidung für Konrad nicht beachtet worden, wurde als falsch verurteilt und von allen Fürsten, Edlen wie Ministerialen als unangemessen und unerhört verworfen. Der König wollte jedenfalls den Elekten unterstützen und bat Herzog Heinrich um schriftlichen Bericht darüber, wie die Ministerialen mit seinem herrscherlichen Befehl und der herzoglichen Ermahnung umgegangen seien.90 Mittlerweile hatte auch Papst Honorius III. entschieden. Am 3. September 1221 genehmigte er gegenüber dem Domkapitel und dem Mainzer Erzbischof als Metropoliten die Wahl seines Kaplans und Pönitentiars Konrad zum Bischof von Hildesheim.91 Sechs Tage später stellte er das Bistum Hildesheim unter den Schutz des Kölner Erzbischofs, nahm den Besitz des Domkapitels in päpstlichen Schutz, erneuerte dessen Privilegien und beauftragte den welfischen Herzog Heinrich mit dem Schutz des neuen Bischofs.92 Als Reaktion auf die ministerialischen Postulate untersagte der Papst den Hildesheimer Ministerialen jede Einmischung in künftige Bischofswahlen, von denen Laien grundsätzlich ausgeschlossen seien.93 Das präzisierte kanonische Recht ließ alten Hildesheimer Gewohnheiten keine Chance mehr. Am 19. September 1221 weihte Erzbischof Siegfried von Mainz Konrad II. zum Bischof, allerdings nicht in seiner Kathedrale, sondern im Peterskloster in Erfurt. Konrad II. brauchte noch lange, bis er sich in Hildesheim gegen seine Feinde durchsetzte. Dabei erhielt er 1223 kaiserliche Unterstützung bei der Forderung, dass kein Truchsess, Marschall, Kämmerer oder Schenk ohne bischöfliche Zustimmung einen Unteramtmann (subminister) einsetzen oder über bischöfliches Gut verfügen dürfe. Wenig später exkommunizierte Konrad II. den Truchsess Gunzelin von Wolfenbüttel mit seinen Söhnen und Gehilfen.94 1226 erlangte der Bischof ein weiteres Urteil Kaiser Friedrichs II. gegen die Hildesheimer Ministerialen, die beim Tod eines Bischofs dessen Güter und Hausgeräte an sich gebracht
90 91 92 93 94
Ebd., Nr. 11, S. 7 f., Zitat auf S. 8; URH 2, Nr. 147, S. 130 f. UB H. Hild. 2, Nr. 12 f., S. 8–10. Ebd., Nr. 14, S. 10 und Nr. 16 f., S. 11 f. Ebd., Nr. 15, S. 10 f. Ebd., Nr. 61, S. 31 und Nr. 67, S. 33; URH 2, Nr. 167, S. 148 und Nr. 173, S. 153 f.
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hätten. Ausdrücklich befahl der Kaiser, von solchen Spoliierungen künftig abzulassen.95 Erst nach harten Auseinandersetzungen sollte Bischof Konrad II. als Begründer einer starken Bischofsgewalt in die Geschichte der Diözese Hildesheim eingehen.96 Unter ihm erlangten die Ministerialen jedenfalls keinen großen Einfluss mehr. Ihr stolzes Beharren von 1221 auf formaler Teilhabe an der Bischofswahl hatte schwerste Konfrontationen eröffnet. Gemeinsam hebelten Papst, Kaiser, König und die Reichsfürsten ein solches Ansinnen aus. Doch in der politischen Praxis der Bistümer im römisch-deutschen Reich blieb die Forderung ministerialischer Beteiligung an der Bischofserhebung kein Einzelfall. Allerdings hatte die normative Durchsetzung einer solchen Partizipation angesichts kanonistischer Konkretisierung keine Chance. Vergleichbare ministerialische Ansprüche auf Beteiligung an Bischofswahlen lassen sich 1223 auch in Paderborn und Eichstätt beobachten. Die Verflechtungen zumindest zwischen Paderborn und Hildesheim dürften beträchtlicher als bisher bekannt gewesen sein. In Paderborn97 entschied sich im Frühjahr 1223 in zwiespältiger Wahl eine angebliche Mehrheit der Domherren für ihren Mitkanoniker Magister Oliver, der wie Konrad von Hildesheim zunächst als Kreuzzugsprediger hervorgetreten war. Danach hatte er den Kreuzzug von 1217–1221 nach Damiette sogar maßgeblich vorbereitet und mitgestaltet. Seine Historia Damiatina gilt als eine der Hauptquellen dieses glücklosen Unternehmens und rückt den Autor angesichts vielfältigen Versagens in ein günstiges Licht.98 Neben seinem Paderborner Kanonikat hatte Magister Oliver an der erzbischöflichen Kirche von Köln als Domscholaster und Domdekan Karriere gemacht und besaß als Teilnehmer des Vierten Laterankonzils gute Beziehungen zur Kurie. Solche Netzwerke und vor allem die massive Unterstützung Papst Honorius’ III. sicherten dann Olivers Durchsetzung in Paderborn. Seinem Wirken in Westfalen war indes nur eine kurze Dauer beschert, weil sein päpstlicher Gönner ihn bereits 1225 zum Kardinalbischof von Sabina berief. Stolz verzeichnet die Paderborner Bischofsreihe den einzigen Kardinal als „eine der glänzendsten Persönlichkeiten, die aus dem Kapitel hervorgegangen sind“.99 Olivers Rivale Heinrich aus dem Geschlecht der Herren von Brakel, die im 12./13. Jahrhundert zwischen Edelfreiheit und bischöflicher Ministerialität changierten,100 durfte sich bei der zwiespältigen Wahl von 1223 zunächst gute Chancen ausrechnen. Als bisheriger Propst des Stifts Busdorf wurde er nicht nur von sechs Domherren, seinen eigenen Stiftskanonikern und dem Abt von Abdinghof zum Bischof gewählt, sondern besaß auch die Unterstützung seiner einflussreichen Familie wie weiter Teile der regionalen Eliten in Stadt und Bistum Paderborn. 95 96 97 98 99 100
UB H. Hild. 2, Nr. 183, S. 78 f.; URH 2, Nr. 232, S. 204 f. Das Bistum Hildesheim 2006, S. 75–122. Zur Ereignisgeschichte Hoogeweg 1888. Oliver von Paderborn, Historia Damiatina. Brandt/Hengst 1984, S. 117–120, Zitat auf S. 118. Schoppmeyer 1986, S. 261 f.
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Dass sich diese Repräsentanten des werdenden „Landes“101 letztlich nicht durchsetzten, war anfangs nicht zu erkennen. Heinrich erlangte nämlich sogar die für das Bischofsamt maßgebliche Bestätigung des Mainzer Erzbischofs als des für Paderborn zuständigen Metropoliten und die Regalienleihe durch König Heinrich (VII.). Dass der Ministerialenspross am Schluss scheiterte, war den effizienteren Beziehungsnetzen seines Gegenspielers Oliver im Kölner Erzbistum und an der Kurie sowie der Entscheidung von Teilen des Domkapitels geschuldet. Schon die erste Benennung einer päpstlichen Untersuchungskommission gab dem Verfahren eine klare Richtung. Honorius III. beachtete nämlich die Mainzer Zuständigkeiten nicht und übertrug am 29. Juli 1223 die kanonische Recherche wie Entscheidung einer Kölner Kommission.102 Zwei Tage zuvor hatte er einen Prüfauftrag an Bischof Konrad II. von Hildesheim, den früheren Halberstädter Bischof Konrad von Krosigk und an Abt Heinrich von Heisterbach erteilt. Die beiden Bischöfe sind uns schon begegnet. Konrad II. von Hildesheim war ein Weggefährte Olivers. Die drei geistlichen Herren sollten nach Untersuchung der zwiespältigen Paderborner Bischofswahl die beiden Anwärter vor die Kurie zur Entscheidung laden und Geistlichkeit wie Laien im Bistum eine Gehorsamserklärung zunächst untersagen. Der Text des Mandats lässt am Ausgang des Verfahrens kaum einen Zweifel und trägt die Argumente der angeblichen Mehrheit im Paderborner Domkapitel vor: Olivers Eignung wird in der Paderborner Supplik in höchsten Tönen gelobt, seine kanonische Wahl als vom Heiligen Geist geleitet dargestellt. Dem Gegenkandidaten wird dagegen der Name verweigert; seine sechs Wähler im Domkapitel seien nicht an Eintracht (concordia), sondern an Zwietracht (discordia) interessiert. Der Fall müsse zwar noch angemessen geklärt werden, doch der Papst hatte an der Eignung der Person (idoneitas persone) Olivers keinen Zweifel.103 Schritt für Schritt wurde 1224/25 Olivers Rechtmäßigkeit durch einen Kardinallegaten gesichert, das exklusive Wahlrecht des Paderborner Domkapitels gegen ältere Beteiligungen des Klosters Abdinghof und des Kapitels von Busdorf befestigt und ein negatives Bild von Heinrichs Partei entworfen, das diese als Bande von Gewalttätern und Fälschern auswies. Im Übergang von 1224 zu 1225 folgte dann die Exkommunikation Heinrichs und einer namentlich genannten, beträchtlichen Anhängerschar aus Geistlichkeit und Laien, darunter auch seine Brüder Hermann, Werner und Berthold von Brakel.104 Am 7. April 1225 setzte Papst Honorius III. den Schlusspunkt, indem er Oliver als rechtmäßigen Bischof von Paderborn anerkannte, Heinrichs Wahl kassierte und sich eine Bestrafung Heinrichs wegen Urkundenfälschung vorbehielt.105 Die Zahlung jener 65 Mark Silber für die Regalienverleihung durch Kaiser Friedrich II., die sich Oliver 1225 vom Deutschen Orden ge-
101 102 103 104 105
Ebd., bes. S. 269–272. Druck: WUB 5, Nr. 309, S. 147 f. Regest: WUB 4, Nr. 115, S. 79. WUB 4, Nr. 114, S. 78 f. Ebd., Nr. 137, S. 93. WUB 5, Nr. 325–327, S. 153 f.
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liehen hatte, bürdete Papst Gregor IX. noch drei Jahre nach Olivers Tod dem Paderborner Domkapitel auf.106 Bei einem Vergleich der Vorgänge in Hildesheim und Paderborn kam Hermann Krabbo vor mehr als einem Jahrhundert zu dem Schluss: „In beiden Fällen sind die Störenfriede die bischöflichen Ministerialen.“107 Dieses Urteil folgt der kirchlichen Rechtsentwicklung und verkennt den ministerialischen Anteil an der episkopalen Gestaltungsmacht vor Ort. In Hildesheim wie Paderborn hatten die von Papst und König bzw. Kaiser gestützten Bischöfe eine Laufbahn im kurialen Dienst vorzuweisen, die regionalen Ministerialengruppen keine effektive Opposition mehr ermöglichte. Trotzdem blieben diese durchdrungen von ihrem Anteil an verschränkter Herrschaft, der sogar die Beteiligung an der Auswahl des geistlichen Fürsten implizieren mochte. Das wird im dritten Beispiel deutlich. Eine angefochtene Eichstätter Bischofswahl von 1223 ließ die ministerialische Partizipation klar hervortreten. Noch am Bestattungstag des Amtsvorgängers wurde – auf Drängen des gräflichen Vogts wie der bischöflichen Ministerialen – Friedrich I. von der Mehrheit der Domherren zum Bischof gewählt. Friedrich entstammte der Ministerialenfamilie von Haunstadt (bei Ingolstadt) und war im Domkapitel gerade zum Domkustos aufgestiegen.108 Über die Formen der Erhebung109 sind wir durch ein Mandat Papst Honorius’ III. vom 13. Juni 1224 unterrichtet. Es fasst sowohl die Argumente der Wählermehrheit als auch den Protest des Dompropsts Heinrich (von Dischingen, später als Heinrich II. von 1228 bis 1231 Bischof von Eichstätt)110 zusammen und überträgt die Untersuchung der unregelmäßigen Wahl an drei delegierte Richter.111 Ausführlich unterstrich der Elekt Friedrich die Rechtmäßigkeit seiner Wahl und beschrieb die komplexen Stimmverhältnisse im Domkapitel. Dieses habe seine Entscheidung formal korrekt auf ein Gremium von fünf Domherren übertragen. Aus ihrer Wahl sei er als neuer Bischof hervorgegangen, was die Zustimmung der Mehrheit der Anwesenden gefunden hätte. Die Erhebung sei von Erzbischof Siegfried von Mainz als dem zuständigen Metropoliten geprüft und genehmigt worden. Darauf hätte König Heinrich (VII.) die Regalien verliehen. Doch Friedrichs Bericht an die Kurie enthielt offenbar nur die Hälfte der Wahrheit. Seinen Protest gegen die unkanonische Erhebung stützte Dompropst Heinrich nämlich nicht nur auf die mangelhafte Einberufung des Domkapitels, sondern auch auf die Beteiligung von Laien an der Bischofswahl.112 Ausdrücklich werden Graf Gebhard von Hirschberg als Vogt und die Ministerialen der Eichstätter Kirche genannt und erwähnt, dass es ihnen um Anteile am Besitz des verstorbenen Bischofs 106 WUB 4, Nr. 175, S. 116 f. Zu dieser Summe und vergleichbaren Zahlungen Bresslau 1969, S. 552–554. Zu den Wirkungen der Streitigkeiten auf die kommunale Bewegung Schoppmeyer 1999, S. 232–236. 107 Krabbo 1901, S. 95. 108 Das Bistum Eichstätt 2006, S. 93 f. 109 Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt 1938, Nr. 603, S. 187–189. 110 Das Bistum Eichstätt 2006, S. 96 f. 111 Drucke: Schlecht 1894, S. 35–38, zur Bischofswahl dort S. 26–33; Krabbo 1901, Anhang Nr. 5, S. 166–170. Regest: Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt 1938, Nr. 607, S. 190 f. 112 Über das Bistum Eichstätt und seine Vögte Arnold 1991.
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gegangen sei. Heinrichs Beschwerde bei der Kurie macht deutlich, dass sich Domkapitel und Ministerialität auf ein Gremium von je fünf Vertretern beider Gruppen verständigten. Hier fiel die von einem Laien verkündete Entscheidung sowohl über den strittigen bischöflichen Besitz als auch über die Wahl Friedrichs zum Bischof. Die Appellation gegen dieses Verfahren ging also von der unrechtmäßigen Spoliierung von Kirchengut durch Laien aus und hob auf die hälftige Beteiligung von Laienwählern (laici electores) bei der Bischofserhebung wie auf ihre Verkündigung durch einen Laien ab. Der Ausgang des Streits um Friedrichs Rechtmäßigkeit bleibt durchaus undeutlich.113 Er starb während des Kurienprozesses, ohne die Weihe erlangt zu haben. So ging Friedrich I. als Elekt in die Eichstätter Bischofsreihe ein. Alle drei strittigen Bischofswahlen von 1221 und 1223 in Hildesheim, Paderborn und Eichstätt belegen den Anspruch der Ministerialität auf formale Teilhabe am geistlichen Erhebungsakt. In zunehmender Verrechtlichung hatte das Beharren auf solch alten Gewohnheiten aber keine Durchsetzungschancen mehr. Die Vorgänge in Eichstätt spiegelten vermutlich eine durchaus gängige Praxis vor Ort, die – neben dem offiziellen Kirchenrecht – den einflussreichen Gruppen einer Diözese, Geistlichen wie Laien, Einfluss auf die Bestellung des geistlichen Reichsfürsten gewährte. Fortan beharrten ministerialische und später niederadlige Eliten nicht mehr auf formaler Beteiligung an der Bischofswahl. Vielmehr setzten sie ihren faktischen Einfluss eleganter um. Sie förderten ihre Kandidaten nämlich indirekt, indem sie ihre Verwandten als Kanoniker in den Domkapiteln unterbrachten. So bildeten sich wirkungsvolle Netzwerke von Verwandtschaft und Patronage, die ministerialischen und niederadligen Interessen – nunmehr ganz im Rahmen des kanonischen Rechts – zur Geltung verhalfen. Trotz ihres Scheiterns beleuchten die missglückten Versuche in Hildesheim und Paderborn das plurale Verantwortungsgefüge für ein geistliches Reichsfürstentum. Die Notiz vom paritätisch aus fünf Domherren und fünf Ministerialen besetzten Eichstätter Entscheidungsgremium führt uns zum letzten Suchschnitt. Mit ihm gelangen wir von den Bistümern mit ihrer ausgezeichneten schriftlichen Überlieferung zu weltlichen Fürstentümern. Hier fließen die Quellen vergleichsweise spärlicher. 4) Wie entschieden kleinere Männer den Streit größerer Fürsten? Im 13. Jahrhundert entwickelten sich Schiedsgerichte zu einem wesentlichen Verfahren der Streitschlichtung.114 Dabei variierten Vorabsprachen, Konsensfindung, Besetzung der Schiedsgerichte und Durchsetzungsfähigkeit.115 Ein ostfriesischer 113 Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt 1938, Nr. 608, S. 191 f. Hier die vage Behauptung, dass die delegierten Richter die Wahl als unkanonisch erklärt hätten. Zum Konflikt Krabbo 1901, S. 96–98. 114 Im gleichen Jahr wurden drei aus unterschiedlichen Perspektiven erarbeitete grundlegende Bücher zur Bedeutung von Schiedsverfahren und personalen Netzwerken publiziert: Garnier 2000; Kaufhold 2000, bes. S. 136–218 und 466–469; Krieb 2000. Vgl. auch Sellert 1990; Bader 1960; Obenaus 1961; U. Rödel 1979. 115 Eine wichtige Fallstudie zu Formen und Personen stammt von Kobler 1967.
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Friedensvertrag erklärte 1255 die Notwendigkeit solcher Konfliktlösungen mit dem schönen Hinweis, „dass wir Menschen und keine Engel sind“ (quia homines sumus et non angeli).116 Heute entdecken wir in zunehmender Privatisierung und Globalisierung den Charme von Schiedsverfahren jenseits des staatlichen Gewaltmonopols wieder neu.117 Frische Perspektiven auf ein altes Verfahren lohnen sich also! Vielleicht resultierten die Verfahren der Streitschlichtung im 13. Jahrhundert aus dem Schwinden monarchischer Handlungsmacht?118 Jedenfalls ließen sich Friede und Ordnung nicht mehr allein herrschaftlich organisieren. Die erprobten Formen erscheinen bunt genug.119 Nicht selten unterwarfen sich Konfliktparteien schon vorab dem Spruch von Schiedsgerichten, deren Zusammensetzung deshalb höchste Bedeutung zukam.120 Häufig entsandten die Streitparteien eine je gleiche Zahl von Schiedsmännern und ergänzten das Gericht im Fall ausbleibender Einigung um Obleute. Zwei Beispiele können das demonstrieren. Zur Konfliktbeilegung einigten sich Bischof Leo von Regensburg und Ludwig II., Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern, 1272 auf ein Schiedsverfahren (communi consilio et assensu in arbitros fuit compromissum). Dafür entsandten sie jeweils drei Personen ins Schiedsgericht: der Bischof einen Vicedominus und zwei Ministerialen, der Herzog einen Kämmerer, einen Vicedominus und einen weiteren Mann. Für den Fall einer Pattsituation entschied man sich für einen Regensburger Ministerialen als mediator, der mit dem deutschen Begriff des „Übermann“ (vͤ berman) bezeichnet wurde. Gelten sollte das, was dieser entschied – entweder mit den anderen zusammen oder allein. Das Notum der darüber ausgestellten Regensburger Bischofsurkunde formiert Fürsten und Ministerialen zu zwei Streitparteien: unsere Kirche und unsere Ministerialen auf der einen, Ludwig, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern, sowie seine Ministerialen auf der anderen Seite.121 Ein zweiter Fall: Zur Regelung vielfältiger Konflikte zwischen Fürsten, Herren und Ministerialen im Grenzgebiet zwischen der rheinischen Pfalzgrafschaft und dem Erzbistum Mainz an der Bergstraße und im Odenwald wurde ein zwölfköpfiges Schiedsgremium eingesetzt. Am 15. April 1264 verkündete es in Hemsbach an der Bergstraße seine Entscheidungen.122 Als Vorsitzende der Zwölfergruppe traten Burggraf Friedrich von Nürnberg und Graf Diether von Katzenelnbogen auf, die 116 117 118 119
OUB 1, Nr. 26, S. 19 f., Zitat auf S. 20. Der Hinweis bei Kaufhold 2000, S. 460. Schütze 2012. Stürner 2007; Autorität und Akzeptanz 2013. Zur territorialen Neugestaltung in Hessen und Thüringen und zur Rolle der Ratgeber beim Zustandekommen der Langsdorfer Verträge 1263 vgl. Neugestaltung in der Mitte des Reiches 2013, dort vor allem Krieb 2013; Ritzerfeld 2013; Krey 2013. 120 Zur Absicherung von Schiedssprüchen und ihrer Missachtung in der politischen Praxis Garnier 2000, S. 273–277. 121 Monumenta Wittelsbacensia 1857, Nr. 102, S. 244–251. Hinweis bei Kobler 1967, S. 82. Zu diesem Beispiel und vergleichbaren Funktionen von Obleuten Garnier 2000, S. 248–251. 122 Abschrift (15. Jahrhundert) im GLA Karlsruhe, 67/876, fol. 39v–40r. Abdruck des lateinischen Texts mit deutscher Übersetzung: Becher 1980. Regest: Regesten der Pfalzgrafen am Rhein 1894, Nr. 759; URH 2, Nr. 554, S. 457 f.
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sich beide auf eine Stimme einigen mussten und den Spruch im Namen ihrer Mitschiedsrichter verkündeten. Dieser Burggraf und dieser Graf zählten – das belegen andere Fälle – zu den erfahrenen und anerkannten Streitschlichtern ihrer Zeit.123 Im römisch-deutschen Reich konnte man sich nicht an einen präsenten Herrscher wenden, denn die 1257 in strittiger Wahl erhobenen rivalisierenden Könige Richard (von Cornwall) und Alfons (von Kastilien) traten entweder nur kurz oder überhaupt nicht im Reich auf. So bedienten sich manche Urteile einer vom Königsgericht abgeleiteten Autorität. Auf der Grundlage des im April 1264 gefällten Spruchs verständigten sich die beiden Reichsfürsten, Erzbischof Werner von Mainz und Ludwig II., Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern, am 4. Juni 1264 auf einen Vergleich (forma conpositionis).124 Er nennt neben dem inhaltlichen Ausgleich auch die Namen der zwölf Schiedsrichter und der beiden Vorsitzenden. Das lässt uns die ständische Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums gut erkennen. Der Erzbischof schickte Graf Heinrich von Weilnau, den Edelfreien Reinhard von Hagenau, den Vicedominus Giselbert, Friedrich von Rüdesheim, Philipp Marschall von Frauenstein (heute Stadt Wiesbaden) und den Schultheißen Wolfram von Frankfurt in die Streitschlichtung. Der rheinische Pfalzgraf entsandte die Grafen Ulrich I. von Württemberg und Ludwig VI. von Oettingen, Hermann von Hürnheim (Gemeinde Ederheim, Landkreis Donau-Ries), Albert von Lutzmannstein (Gemeinde Velburg, Landkreis Neumarkt), Hademar von Laaber (Gemeinde Pilsach, Landkreis Neumarkt) und Philipp von Hohenfels (Burg bei Imsbach im Donnersbergkreis). Diese zwölf Schiedsrichter – Grafen, Herren, Ministerialen – berieten die komplexen Rechtspositionen zweier Fürsten, die im sozialen Rang weit über ihnen standen, ja von denen sie teilweise sogar persönlich abhängig waren. Die Vorsitzenden, Burggraf Friedrich von Nürnberg und Graf Diether von Katzenelnbogen, standen im Rang voran und verkündeten die Entscheidungen wie aus einem Mund – das war der Clou des Schiedsgerichts. Die minutiös ausgehandelten Finessen von Personalpolitik und Verfahrensgestaltung mögen nicht die zentrale Einsicht in die soziale Zusammensetzung der Schiedsgremien verstellen. Zumeist entsandten streitende Fürsten nämlich Männer von deutlich niederem sozialem Rang. Im Konflikt Regensburg – Bayern entstammten die Urteiler den beiden Ministerialenverbänden. Im Streit Mainz – Pfalzgrafschaft bildeten Grafen, Herren und ministerialische Amtsleute das Schiedsgericht. Auch die wittelsbachischen Brüder Ludwig II. und Heinrich vertrauten den Streit über die Teilung ihrer reichsfürstlichen Herrschaft einer ständisch gemischten und von beiden Seiten paritätisch besetzten Gruppe von je vier Edelfreien und ministerialischen Ratgebern an. Sollten diese zu keiner Lösung gelangen, benannten die beiden Wittelsbacher den Bischof von Regensburg und den Burggrafen von 123 Kobler 1967, S. 49–56. 124 Originale Pergamenturkunde im GLA Karlsruhe, 43/5518. Druck: Ausgewählte Urkunden zur Territorialgeschichte 1998, Nr. 21, S. 21 f.
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Nürnberg, welche die Entscheidung gleichsam wie ein Urteiler fällen sollten. Ihrem nach Recht und Güte (per iusticiam vel amorem) gefällten Urteil unterwarfen sich Ludwig und Heinrich vorab.125 Das Schiedsverfahren führte tatsächlich einige Tage später zu einem Vertrag zwischen den wittelsbachischen Brüdern, die sogar den Vergleich ihres Zwists mit dem von Kain und Abel bemühten. Der Urkundentext nennt noch einmal ausführlich die an der Streitschlichtung beteiligten Personen und ihre Entscheidungen. Das spiegelt ein frühes Vertrauen auf die Legitimität durch Verfahren wider.126 Solche von Reichsfürsten praktizierten Mechanismen funktionierten auch in gräflichen Familien. Die Grafen Diether und Eberhard von Katzenelnbogen ließen um 1260 die Teilung ihrer Güter durch acht ihrer Burgmannen und Freunde vornehmen.127 1229 regelten Graf Konrad von Oettingen und sein Bruder Ludwig auf der einen, Abt und Konvent des Klosters Ellwangen auf der anderen eine Streitsache durch Bestellung einer Schiedskommission, die aus jeweils drei Ministerialen beider Parteien gebildet wurde.128 Wir beobachten damit auf unterschiedlichen sozialen Ebenen vergleichbare Praktiken. Kleriker, Ministerialen und Bürger vertraten nicht nur gleichberechtigt ihre fürstlichen Herren nach außen.129 Ministerialen schlichteten auch deren fundamentale Konflikte. Gewiss ergab sich das vorrangige fürstliche Vertrauen auf Schiedsmänner niederen Standes auch aus der Scheu, Standesgleiche oder Standeshöhere nicht zu tief in eigene Belange einzuweihen, weder in Besitz und Recht noch in familiäre Bruchlinien. Deshalb gewährten sie sozial tieferstehenden oder gar persönlich abhängigen Herren Gestaltungsmacht bei der Lösung fundamentaler fürstlicher Konflikte. FAZIT Die vier Beispielreihen gewähren changierende Einsichten sowohl in reichsfürstliche als auch in ministerialische Verantwortungsgemeinschaften des zentralen Mittelalters. Zu den hier beobachteten sozialen, politischen und rechtlichen Verschränkungen wollen jene berühmten Definitionen Max Webers von Herrschaft, Macht oder Disziplin nicht so richtig passen:
125 Monumenta Wittelsbacensia 1857, Nr. 121, S. 293–295. Die Schiedsrichterbestellung lautet (S. 293 f.): in octo arbitri seu arbitratores uel // etiam amicabiles compositores, et nos dux Lvdwicus pro nobis elegimus nobilem virum Ottonem de Lapide, Chunradum de Erenuels, Heinricum de Preising et Wichnandum de Eirenspurch, nos uero dux Heinricus eligimus pro nobis nobilem virum Vlricum de Abensperch, Ortlibum de Walde, Heinricum de Mosdorf et Ottonem de Strubinga. 126 Ebd., Nr. 123, S. 296–305. 127 Regesten der Grafen von Katzenelnbogen 1953, Nr. 139, S. 96–101. 128 URH 2, Nr. 278, S. 242 f. 129 Ebd., Nr. 175, S. 154 f.
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„Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht. Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden; Disziplin soll heißen die Chance, kraft eingeübter Einstellung für einen Befehl prompten, automatischen und schematischen Gehorsam bei einer angebbaren Vielheit von Menschen zu finden.“130 Auch das Modell einer konsensual strukturierten Ranggesellschaft fängt die Verschränkungen in unseren Untersuchungsfeldern nicht hinreichend ein. Das mittelalterliche Gefüge präsentiert sich in horizontaler Schichtung zwar als Ranggesellschaft, die soziale Distinktionen zunehmend schärfte. Daraus konnten in den letzten Jahren manche wichtigen Einsichten in die politische Willensbildung aristokratischer Gemeinschaften131 oder in die Formen ihrer rituellen Inszenierung132 gewonnen werden. Die hier untersuchten Beispielreihen, die aus dem Studium sozialer Aufstiegsprozesse gewonnen wurden, entfalten dieses erprobte Verstehenskonzept. Reichsfürstliche Existenzen des 13. Jahrhunderts funktionierten nämlich nicht nur aus Bindungen in die standesgleiche Breite. Dazu gehörte in vertikaler Fundierung auch ein Rücksichtsverband in die Tiefe, den wir als verklammernde Verantwortungsgemeinschaft bei der Gestaltung von Herrschaft und bei der Lösung wichtiger Konflikte entdecken. Dies alles vollzog sich in beständiger agonaler Aushandlung von Konsens.133 Die Ministerialität als eine sich dynamisch verformende soziale Gruppe bietet für die Beurteilung solch pluraler Relationen ein besseres Beobachtungsfeld als die Konzentration auf den homogenen Stand der Fürsten jenseits seiner Rücksichtnahmen und Einbettungen. Unsere Beispielreihen offenbarten die Spannungen und Widersprüche in dezidierten sozialen wie rechtlichen Paradoxien. Neben das beständige Beharren auf sozialer Schichtung traten erstaunlich anmutende Bindungen durch Partizipation, die immer wieder neu gestaltet, ausgehandelt und verknüpft wurden. Nicht Hierarchie oder Rang allein, sondern dynamische Geflechte aus beständiger Distinktion und Integration bildeten die Webmuster dieser Gesellschaft. Königtum und Fürstentum existierten als Rücksichts- und Verantwortungsgemeinschaften mit Gruppen, deren vordergründig leibrechtliche Bindung an den Herrn ihre gestaltende Kraft in der politischen Praxis leicht verkennen lässt. Die Einsicht, dass die vor einem Jahrhundert formulierten Typen Max Webers bei der Beschreibung solcher mittelalterlichen Reziprozitäten und Verschränkungen nicht helfen, stellt keineswegs eine Kritik an diesem Helden der Sozialwissenschaft dar. Die Entdeckung der Zeitgebundenheit sozialer Modelle führt vielmehr 130 Weber 1980, Teil 1, Kap. 1, § 16, S. 28. 131 Politische Versammlungen 2009; Dücker 2011; Schneidmüller 2011, S. 111–187; Weferling 2014; Althoff 2016. 132 Althoff 2003; Schwedler 2008; Schneidmüller 2009; Ritualisierung politischer Willensbildung 2010; Büttner 2012; Stollberg-Rilinger 2013. 133 Patzold 2007.
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zur kreativen Freude über die Alterität vergangener Epochen, die uns beständig neue Muster historischen Erklärens abfordern. In diesem Beitrag wurde einmal die Idee ausprobiert, dass – Jahrhunderte vor der modernen Demokratie – völlig anders funktionierende Verantwortungsverbünde existierten. Lange vor der ständischen Formierung im Übergang zur Neuzeit strukturierten sie bei allem rechtlichen wie sozialen Gefälle bemerkenswerte Formen von Integration und Identität. Es war eine eigene, eine sehr mittelalterliche Art, Menschen mitzunehmen, Ordnungen zu formen und Gemeinschaften zu gestalten. Quellenverzeichnis Ungedruckte Quellen [GLA Karlsruhe, 43/5518] Generallandesarchiv Karlsruhe, 43/5518. [GLA Karlsruhe, 67/876] Generallandesarchiv Karlsruhe, 67/876.
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FÜRSTEN, ADEL, RITTERTUM Die höfische Dichtung vor dem Hintergrund der neueren Feudalismus-Debatte Ursula Peters Das literarhistorische Interesse an der sogenannten höfischen Dichtung, wie wir sie im westeuropäischen Hochmittelalter in der Volkssprache vornehmlich als höfische Liebespoesie und höfisches Erzählen in groß- wie kleinepischen Formen kennen, pendelte von Anfang an zwischen den extremen Polen eines eher textimmanent orientierten rhetorisch-stilistischen Interesses an der spezifischen Poetik und Ästhetik der Texte und eines dezidiert thematisch-ideologischen Textverständnisses vor dem Hintergrund kultur- bzw. bildungsgeschichtlicher, sozialhistorischer und nicht zuletzt lebensweltlicher Sachverhalte. Während die Romanistik bzw. die französische Mediävistik – entsprechend ihrer nationalphilologischen Forschungstradition einer diffizilen ‚explication du texte‘ – eher die erstgenannte Richtung rhetorischstilistischer Textanalysen bevorzugte, konzentrierte sich die Germanistik bzw. die deutsche Mediävistik sehr viel intensiver auf thematisch-ideologische Lektüren, d. h. auf Kontextfragen und legte dabei immer wieder ein besonderes Gewicht auf gesellschaftsgeschichtliche Textinterpretationen. Im Folgenden geht es ausschließlich um diese Ausrichtung, deren verschlungene Problemgeschichte in drei Punkten diskutiert werden soll: Nach einem großflächigen Überblick über die wesentlichen Stationen der gesellschaftsgeschichtlichen Forschungsgeschichte soll in einem zweiten Schritt gefragt werden, ob und wie die Literarhistoriker bei ihren sozialhistorischen Deutungen auf jeweils neue Forschungsergebnisse und Einsichten der Geschichtswissenschaft reagiert und sie für ihr Textverständnis fruchtbar gemacht haben, um – in einem letzten Punkt – einige Überlegungen zur historischen Feudalismus-Diskussion und ihrer möglichen Bedeutung für einen neuen Blick auf die Gesellschaftsthematik der höfischen Literatur anzuschließen. I. STATIONEN EINER GESELLSCHAFTSGESCHICHTLICHEN VERORTUNG UND FUNKTIONSBESTIMMUNG DER HÖFISCHEN DICHTUNG Diese Forschungsrichtung hat in Frankreich wie Deutschland in der Mediävistik eine lange und ehrwürdige Tradition,1 hatten doch schon im frühen 19. Jahrhundert nicht nur die Romantiker, in Deutschland vor allem August Wilhelm Schlegel, sondern auch die frühen Trobadorlyrik-Philologen der Romania wie Friedrich Diez 1
Sie ist detailliert nachgezeichnet bei Liebertz-Grün 1977.
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und Claude Fauriel die höfische Liebes- und Ritterdichtung des 12. Jahrhunderts in aller Selbstverständlichkeit in die vermuteten aristokratischen Lebensformen und imaginären Welten der zeitgenössischen Adelsgesellschaft eingebunden und vor dieser Folie die spezifischen literarischen Ausdrucksformen dieser volkssprachigen Liebesdichtung erklärt. Um die Wende des 19. und in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erfuhren dann im Rahmen der sogenannten positivistischen Schule der Literaturwissenschaft diese Funktionsüberlegungen eine detailliertere historische Konkretisierung wie auch texttypen- und länderspezifische Diversifizierung: So richtete Eduard Wechssler in seinen weit ausgreifenden Studien „Das Kulturproblem des Minnesangs“2 den Blick auf die soziale Abhängigkeit der trobadoresken (lohnabhängigen) Hofdichter, die ihre Ich-Aussagen der freiwilligen Unterwerfung als panegyrische Preisrede an die Dame des Hofes richteten, aber zugleich mit ihrer ausgeprägt vasallitischen Liebesmetaphorik3 den fürstlichen Ehemann adressierten. Als Reaktion auf diese Funktionsbestimmung der Trobadorpoesie als „politischer Panegyrikus“4 aus der Perspektive der Berufssänger analysiert Paul Kluckhohn5 die Spezifik der Gesellschaftsterminologie der Liebesbeteuerungen im deutschen Minnesang, die gerade nicht auf Ausdrucksformen vasallitischer Bindungen und Treueversicherungen rekurrierten, sondern in ihrer unkonkret-generalisierenden Dienstmetaphorik eher ministerialische Denkmuster aufgriffen und auf diese Weise sehr direkt von einer spezifischen Gesellschaftsentwicklung des Adels im deutschen Herrschaftsraum, der Herausbildung der Ministerialität, geprägt zu sein scheinen.6 Ende der dreißiger Jahre verband Norbert Elias7 Wechsslers Aussagen zur besonderen Rolle der abhängigen Berufsdichter mit seinen zivilisationshistorischen Überlegungen zur Einbindung der Liebespoesie in die (auch sexuellen) Bedrängtheiten des engen Zusammenlebens einer adeligen Kriegerkaste am Fürstenhof, die sich um das Fürstenpaar scharte, in poetischen Ich-Aussagen erotischer Selbstdisziplinierung und freiwilliger Unterwerfung ihren geheimsten Ambitionen poetischen Ausdruck verlieh und damit zugleich einen ‚Zivilisatonsschub‘ courtoiser Umgangsformen bewirkte. Und als dann mit den späten fünfziger Jahren auf breiter Front und in wechselnden Theorieräumen eine ebenso vielgestaltige wie höchst kontroverse literarhistorische Diskussion um die Diffizilitäten des Gesellschaftsbezugs der Literatur einsetzte, war auch die Mediävistik zur Stelle, vielleicht sogar an vorderster Front, und erprobte an der höfischen Dichtung, der Liebeslyrik wie dem 2 3 4 5 6 7
Wechssler 1909. Dazu vor allem Ders. 1902, aber auch Ders. 1909, S. 140–182 (9. Kap.: „Der Frauendienst“). Ders. 1909, S. 113: „Dass Minnelied war nach Sinn und Zweck ein politischer Panegyrikus in der Form persönlicher Huldigung.“ Kluckhohn 1910. Vier Jahre später sollte allerdings Ders. 1914 in den eher generalisierenden Dienstwendungen des Minnesangs weniger ministerialische Spezialformulierungen als „eine allgemeine Ausdrucksweise der ritterlichen Kultur im ganzen“ (ebd., S. 81) sehen. Die im Jahre 1939 in Basel erschienene, seinerzeit kaum beachtete weit ausgreifende kulturhistorische Studie hat erst mit ihrer zweiten Auflage (Elias 1976) die Aufmerksamkeit der Mediävisten erfahren, die sich besonders auf das Kapitel „Zur Soziogenese des Minnesangs und der courtoisen Umgangsformen“ (ebd., S. 88–122) konzentriert haben.
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Höfischen Roman, vor allem dem Artusroman, die verschiedensten gesellschaftsbezogenen Lektüren: Unter den Rahmenbedingungen der die DDR-Germanistik bestimmenden materialistischen Geschichtstheorie diente die höfische Dichtung mit ihren Themenbündelungen von höfischer Liebe und ritterlichem Kampf, idealem Artuskönigtum und adeligem Dienstethos, ritterlicher Treue und Ehre als ein ideologisches Nebenprodukt feudaler Ausbeutung grundsätzlich der Verschleierung der sich längst abzeichnenden gesellschaftlichen Widersprüche der Feudalgesellschaft, die sie auf sehr unterschiedliche Weise umgesetzt habe: Während die Liebeslyrik auf die Krisensituationen der „feudalen Anarchie“ des 12. Jahrhunderts mit höchst anspruchsvollen Form- und Minnekonzepten reagiert und damit zu einer „Sicherung des Herrschaftsanspruches der Feudalklasse durch den Nachweis ethischer und ästhetischer Qualitäten bzw. Erziehung der eigenen Klasse zu diesen Qualitäten“8 beigetragen habe, boten die Höfischen Romane mit ihrer Glorifizierung des Aventiureritters, der im Namen des Artushofs gesellschaftsfeindliche Gegner besiegt und damit zugleich die feudale Gesellschaftsordnung restituiert, dem in dem hochmittelalterlichen „Feudalstaat“9 von Funktionsverlust bedrohten, wenn nicht schon längst „in die Lage von Funktionsträgern oder bloßen Parasiten abgedrängten Rittern“10 eine höchst attraktive Selbstdeutung. Diese Lesart des Höfischen Romans als eines vor allem aus niederadeliger Perspektive artikulierten Krisensymptoms hatte im wesentlichen bereits Erich Köhler im Jahre 1956 in der Erstauflage seines wirkungsmächtigen Chrétien-Buchs11 vorgegeben, allerdings weniger in der Begrifflichkeit materialistischer Geschichtsteleologie, sondern terminologisch und konzeptionell eher in der Nachfolge von Georg Lukács’ hegelianischem Entwurf einer Romantheorie: Im Aventiuregeschehen des Artusromans spiegele sich „eine komplexe politische und geistige Situationsveränderung des Defensorenstandes“12, der im Rahmen der fürstlichen und königlichen Territorialpolitik des 12. Jahrhunderts seine militärische Bedeutung eingebüßt und in der literarischen Figur des Aventiureritters eine ideologische Aufwertung erfahren habe. Mit dieser „Moralisierung des abenteuerlichen Kriegslebens“13 reagiere zwar der Artusroman in besonderer Weise auf die prekäre Lage des niederen Adels, finde aber zugleich in der ethischen Stilisierung des königlichen Artusritters den „Konsensus des feudalen Hochadels“14, der sich mit diesem gruppenübergreifenden Ritterideal angesichts der „Bedrohung aller Adelsschichten durch die ökonomische Revolution des 12. Jahrhunderts“15 der „Bundesgenossenschaft
8 9 10 11 12 13 14 15
Spiewok 1963, S. 488. Hartung 1966, S. 519. Ebd. Köhler 1956; im Jahr 1970 ist die zweite, ergänzte Auflage erschienen (mit einem Anhang auf S. 263–273, in dem Köhler auf kritische Einwände reagiert) und 2002 die dritte. Köhler 1956, S. 67. Ebd., S. 70. Ebd., S. 71. Ebd.
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des schon durch seine Zahl politisch außerordentlich ins Gewicht fallenden Kleinadels“16 versichere. Diese ideologische Funktionsbestimmung des Höfischen Romans17 bestimmt dann auch Erich Köhlers Arbeiten zur Trobadorlyrik: Vor allem der Liedtypus des „grand chant courtois“ leihe mit seiner Figurentrias von liebendem Ich, Dame und einer eher feindlichen Gesellschaft des eifersüchtigen Ehemanns und der missgünstigen Übelsprecher in den typusbestimmenden Ich-Beteuerungen eines unverzagten (Liebes-)Dienstes geradezu paradigmatisch den sozioökonomischen Problemen des besitzlosen Ritteradels, seinen sozialen Aufstiegsbestrebungen und Hoffnungen auf Erwerb eines Lehens eine poetisch wie ethisch höchst attraktive Stimme, finde aber zugleich in der lyrischen Rollenfigur des selbstlos dienenden Ich die Zustimmung des Hochadels, der sich nicht nur als Gönner, sondern auch als Trobador dieser faszinierenden Selbstdeutung bemächtige. Auf dem Berliner Germanistentag von 1968 propagierte Köhler schließlich eine Übetragung seines trobadoresken Deutungsmodells auf den deutschen Minnesang,18 der mit seiner Rezeption des Lyriksystems der Trobadorpoesie zwar prinzipiell von vergleichbaren gesellschaftlichen Konflikten der Adelsgesellschaft bestimmt gewesen sei, aber mit seiner Zurückhaltung gegenüber dem gesellschaftsbezogenen Konfliktpotential der Streitgedichte und Pastourellen und dem Verzicht der Ich-Rede des Werbungslieds auf Konkreta der Vasallitätsmetaphorik und direkten Ansprüchen an die Dame offenbar von der gesellschaftlichen Situation einer noch abhängigeren niederen Adelsschicht geprägt sei: der deutschen Ministerialität, deren engere Bindung an ihre Herren, vor allem aber ihre juristische Unfreiheit ihre Aufstiegsbestrebungen in den Adel empfindlich behindert und auf der Ebene der literarischen Konstruktion des Minnesangs in der Ich-Rede des liebenden Sängers über seinen aussichtslosen Dienst einen eher resignativen Ton bewirkt habe, dem sich nur Walther von der Vogelweide als freier Ritter entzogen habe. Diese Ministerialenthese19 wurde schließlich gut 15 Jahre später mit Gert Kaisers Arbeit zu den Artusromanen Hartmanns von Aue20 als eine Art germanistisches Pendant zu Erich Köhlers soziohistorischen Lektüren romanischer Texte zum Standardmodell eines gesellschaftsgeschichtlichen Verständnisses des Höfischen Romans in Deutschland. Dies war der Startschuss für eine intensive Diskussion: in der Romanistik als weiterführende Ausdifferenzierung der Köhler-Thesen und ihre Übertragung auf andere Texte und Gattungen,21 in der Germanistik eher als Auseinandersetzung 16 17 18 19 20 21
Ebd., S. 72. Bender 1967 überträgt sie in eine sozialhistorische Gattungsgeschichte der Chanson de geste; in Bezug auf die „Chanson de Roland“ vgl. auch Köhler 1968. Köhler 1970. Vergleichbare Überlegungen hatte bereits Moller 1958/59 unter dem sozialpsychologischen Konzept des „marginal man“ in die Diskussion eingebracht. Kaiser 1973. Vgl. auch seine entsprechenden Minnesang-Überlegungen: Ders. 1980. Vor allem durch die Köhler-Schüler Henning Krauss (vgl. etwa Krauss 1973; Ders. 1994) und Dietmar Rieger (vgl. Rieger 1976; Ders. 2001); zu Köhlers Thesen als Ausgangspunkt erbitterter literaturwissenschaftlicher Fehden vgl. Wolfzettel 1996 (am Beispiel der sizilianischen Dichterschule) und genereller Neumeister 2000.
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über die sachlichen wie methodischen Grundlagen sozialgeschichtlicher Interpretationen der höfischen Dichtung, die sich zunehmend auf die Vermittlungsproblematik von gesellschaftlichen Faktoren und literarischer Darstellung konzentrierte22 und dabei – vor allem gegen die Spiegel- bzw. (Ab-)Bild-Metaphorik materialistischer Literaturwissenschaft gerichtet23 – die verschiedensten Konzeptbegriffe durchdeklinierte.24 Diese Überlegungen bereiteten zugleich den Weg für eine allmähliche Abwendung des literarhistorischen Interesses, wenn nicht gar für eine ausgeprägte Abwehr von genuin sozial-, wirtschafts- und verfassungshistorischen Sachverhalten als den entscheidenden Grundlagen für das Verständnis der höfischen Dichtung. Sie räumten den Platz für Fragestellungen und Themenschwerpunkte der Psychohistorie, Mentalitätsgeschichte, historischen Anthropologie, nicht zuletzt auch der historischen Emotionsforschung – eine Interessensverlagerung, die man in den neunziger Jahren mit dem Stichwort einer ‚Modernisierung‘ der Geisteswissenschaften als Kulturwissenschaften belegte.25 Nun ging es weniger um das Auf- und Absteigen adeliger Gruppen, um die drohende Verarmung des europäischen Niederadels und die wirtschaftliche Prosperität der Städte, weniger um die Zentralisierungspolitik der Könige oder die Territorialisierungsbestrebungen der Fürsten in ihren vielfältigen Konsequenzen, sondern um die dynastische Ehe- und Familienpolitik, die Generationskonflikte und Geschlechterbeziehungen, die Konfliktlösungsstrategien und Ritualpraktiken königlich-fürstlicher Herrschaft, die den lyrischen Ich-Aussagen der romanischen und deutschen Liebespoesie ebenso wie den Erzählwelten des Höfischen Romans eingeschrieben und deshalb die entscheidenden Kontexte seien für ein adäquates Verständnis der literarischen Imaginationen von aussichtsloser Liebe und königlicher Brautwerbung, von ritterlichen Aventiurefahrten und Turnierdiensten, aber auch von Erbauseinandersetzungen, Familienkonflikten, Fürstenrebellion oder Gewaltausbrüchen.
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Dass bereits bei Köhler der „Terminus Vermittlungsschichten […] ein methodologisches Schlüsselwort“ bezeichnet, betont neben Krauss 1984, S. 11, vor allem Schulz-Buschhaus 1984, S. 151, in seiner Würdigung der historisch-soziologischen Arbeiten Erich Köhlers. Vgl. aber vor allem den Band Nach der Sozialgeschichte 2000, dessen Herausgeber in der „Vorbemerkung“ (S. IX–XII) darauf hinweisen, dass das Konzept einer sozialgeschichtlichen Literaturgeschichtsschreibung wohl im deutschsprachigen Raum seine weiteste Verbreitung gefunden habe. Jedenfalls hat sich hier in der älteren wie der neueren Germanistik im Laufe der achtziger Jahre eine überaus intensive wie kontroverse Grundlagendiskussion entfaltet. Diese Richtung mediävistischer Literaturwissenschaft ist in programmatischen Beiträgen textanalytischer Fallstudien bestens dokumentiert in dem Band Literatur im Feudalismus 1975; zu den theoretischen wie terminologischen Problemen vgl. auch: Höfische Dichtung 1977. Von Lucien Goldmanns struktureller Homologie über systemtheoretische Modelle der funktionalen Ausdifferenzierung (dies vor allem bei Köhler 1982) zu den „Austauschprozessen“, den „Verhandlungen“ oder der „Zirkulation sozialer Energien“ des New Historicism, von diskurstheoretischer Kontextualisierung über Pierre Bourdieus Feldtheorie zum „social unconscious“ von Fredric Jameson; vgl. dazu den knappen forschungsgeschichtlichen Abriss bei Peters 2004. Frühwald/Jauss/Koselleck/Mittelstrass/Steinwachs 1991, S. 11.
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Damit war zugleich die Sozialgeschichte im engeren Sinne als Leitdisziplin literarhistorischer Textlektüren verabschiedet zugunsten ethnologischer bzw. kulturanthropologischer Theorieentwürfe, von denen man sich bessere Erklärungsmodelle für bestimmte literarische Figurenkonstellationen, Interaktionsmuster des Handelns oder choreographische Zeremonialformen der Personenauftritte in der höfischen Dichtung versprach. Dieser Paradigmenwechsel vollzog sich allerdings ebenso unbemerkt wie rasant, so dass Jan-Dirk Müller im Jahre 2007 zurecht von einem „abgebrochenen Projekt einer Sozialgeschichte der Literatur“26 spricht, das man „unter neuen Prämissen und mit erweitertem Fragehorizont fortsetzen“27 könne. Im Rahmen dieser theoretischen Neujustierung hat in den letzten 25 Jahren eine kulturwissenschaftlich ausgerichtete Mittelalterphilologie die verschiedensten Fragestellungen erprobt:28 Von zentraler Bedeutung war (und ist immer noch) der Problembereich von Ehe, Familie, Verwandtschaft, Geschlechter- und Generationsbeziehungen, der mit den unterschiedlichsten Instrumentarien in seinen literarischen Entfaltungen erschlossen wurde: Während sich mit den analytischen ‚Werkzeugen‘ von Gendertheorie und Heteronormativitätsforschung an der literarischen Ausgestaltung des Themenschwerpunkts ‚höfische Liebe‘ auch eher verborgene Schichten literarischer Geschlechterhierarchisierung und Sexualitätskonstellationen aufdecken ließen, öffnete Claude Levi-Strauss’ Strukturanthropologie den Blick für eine systematische Funktionsanalyse der differierenden Verwandtschaftssysteme und Familienfigurationen der Höfischen Romane, aber auch der in ihnen entfalteten alimentären und topographischen Codes. Victor Turners RitualdynamikSzenarien bildeten den Beobachtungsrahmen für Transgressions- und Liminalitätsphasen der Romanprotagonisten, Michail Bachtins Karnevalisierungskonzept für 26
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Müller 2007, S. 2. Dieser Verabschiedung der „Sozialgeschichte der Literatur“, aber auch ihrer möglichen Neukonstitutierung unter dem Leitbegriff einer Kulturwissenschaft ist im wesentlichen der auf die gesamte Germanistik bezogene Band Nach der Sozialgeschichte 2000 gewidmet; vgl. hier etwa Schönert 2000, der feststellt: „Die Theorie-Diskussionen in der Literaturwissenschaft der zurückliegenden dreißig Jahre sind unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass sie – zumeist zugunsten einer neuen Debatte – abgebrochen wurden, ehe ihre Möglichkeiten ausgeschöpft waren. Dieser Befund gilt auch für die theoretischen Explikationen zu Vorgaben und Verfahrensweisen für eine Sozialgeschichte der Literatur“ (ebd., S. 95), oder Fohrmann 2000, S. 110: „[…] das Paradigma wurde eher verlassen denn in seinen Problemen diskutiert.“ Eine meines Erachtens sehr gelungene übergreifende wissenschaftsgeschichtliche Darstellung der germanistischen Paradigmenwechsel im Laufe des 20. Jahrhunderts bietet Rosenberg 2003. Müller 2007, S. 2. In seinen Studien zum Höfischen Roman, mit denen Müller explizit an „das – inzwischen aufgegebene – Projekt einer Sozialgeschichte der Literatur“ (ebd., S. 40) anknüpft, entwirft er zugleich – auf der Basis „eines erweiterten Realitätsbegriffs“ (ebd.) – die Konturen einer textwissenschaftlichen „Kulturwissenschaft vom Mittelalter“ (ebd., S. 2), mit der es einerseits gelinge, „einige Reduktionismen einer sozialgeschichtlichen Literaturbetrachtung zu korrigieren und vor allem die damals dominierende streng funktionalistische Betrachtungsweise aufzugeben“ (ebd.) und zugleich zur „grundsätzlichen Frage, wie im Mittelalter literarische Imagination und gesellschaftliches Imaginäres zusammenhängen“ (ebd., S. 45), einen Beitrag zu leisten. Zu den wichtigsten mediävistischen Arbeiten der im Folgenden aufgeführten Turns vgl. die Überblicke bei Peters 2009 und Dies. 2010.
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die Analyse literarischer Darstellungen exzessiver Gewaltausbrüche, skatologischer Kaskaden und Sexualitätsorgien bestimmter Texte, seine Ausführungen zum Chronotopos für eine kultursemiotische Durchdringung der Raum-Zeit-Strukturen des Höfischen Romans, die allerdings zunehmend – im Zuge des spatial turn – in postkoloniale Raum- und Zeitkonzepte eingebunden werden. Die kulturanthropologische wie historische Ritualforschung führte zu einem besseren Verständnis der ‚Spielregeln‘ öffentlicher Kommunikation, jenem verschwiegenen, aber umso wirksameren Regelwerk, das den Interaktionen der handelnden Romanfiguren vor allem im Umkreis literarischer Szenarien der Konfliktlösung und Gewaltvermeidung zugrundeliege. Ähnliches gilt für den Rückgriff sowohl auf die kognitionspsychologische Scripttheorie wie auch das kulturanthropologische Ökonomiekonzept der Gabentausch-Interaktion, mit deren Analyseinstrumentarium die literarische largesse-Thematik, besondere Akte herrschaftlicher Praktiken, vor allem aber umstrittene Szenen des Artushandelns durchleuchtet wurden. Daneben bemüht sich die literarhistorische Mediävistik schon seit einiger Zeit im Rahmen einer übergreifenden historischen Emotionsforschung um Funktionsanalysen literarischer Affektdarstellung, die vor allem das Gesellschaftshandeln der literarischen Figuren in den Blick nehmen. Gemeinsam ist diesen Arbeiten, die unter einer kulturwissenschaftlichen Perspektive ein breites Spektrum an Fragestellungen der im weitesten Sinne Gesellschaftsthematik der höfischen Dichtung interpretatorisch abdecken und in ihrer methodischen Problematik vermessen, dass sie dabei in den meisten Fällen nicht (mehr) auf die Ebene sozialgeschichtlicher Faktoren ausgreifen, sondern sich auf einer mittleren Ebene der Wirklichkeitskonstruktion einrichten, sich im Interaktionsspektrum der Diskurse, im kultursemiotischen Feld der symbolischen Zeichen bewegen, auf der allgemeineren Kontext-Ebene der „Kulturmuster“29 oder im „Zwischenbereich zwischen Materiellem und Immateriellem“ der „kulturellen Konfigurationen“, in dem die „Austauschbeziehungen zwischen Text und Kultur historisch-philologisch analysierbar“30 seien, ohne sich – so hofft man – in den Fallstricken einer zu direkten Analogiebeziehung zu verfangen. Seit einigen Jahren zeichnet sich allerdings, vor allem in der angelsächsischen Romanistik,31 deutlich eine Rückkehr der Sozialgeschichte ab, wenn etwa Robert M. Stein unter dem Titel „Reality Fictions“ in einer Gattungsgeschichte epischen Erzählens im 12. Jahrhundert von der Reimchronistik und Hagiographie über Chansons de geste und Artusromane bis zu den Lais der Marie de France die intri29 30 31
Als Gegenbegriff zu „Erzählmuster“ decken die „unhinterfragten“ bzw. „vorliterarischen Kulturmuster“ bei Müller 2007 im wesentlichen den Bereich der „allgemeinen kulturellen Vorgaben“ (ebd., S. 1) ab, die in der Literatur ihre „imaginäre Lösung“ erfahren (ebd., S. 37). Kiening 2007, S. 81, der die „kulturellen Konfigurationen“ den „narrativen Mustern“ entgegenstellt; in fast identischer Formulierung Ders. 2009, S. 35 f. Wobei in der Romanistik allerdings ohnehin die sozialgeschichtliche Lektüre der volkssprachigen Dichtung nicht in der gleichen Weise wie in der Germanistik aufgegeben wurde, sondern auch in den neunziger Jahren des vorigen und dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts zumindest auf kleinerer Flamme weitergeführt wurde; vgl. dazu Wolfzettel 2005, der die Forschungsdiskussion bis 2000 dokumentiert.
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kate Verbindung von „political process and its connection with literary innovation“ verfolgt, da die Texte mit ihrem „play of complicities and resistances“ die Möglichkeit böten „to explore the ways that dislocations and transformations of power are registered in the consciousness of those who live through them“32. Oder wenn Fidel Fajardo-Acosta in seiner Trobador-Studie des Jahres 2010 u. a. im Rückgriff auf Jacques Lacan und Slavoj Žižek zeigen will, dass „the courtly subject and its desires enabled and were enabled by an emerging world of commerce, money, commodity consumption, social difference, and the concentration of political authority“33. Damit werden – mit oder ohne Rekurs auf die von Erich Köhler bestimmte mediävistische Diskussion der sechziger bis frühen achtziger Jahre – wieder die bekannten gesellschaftsgeschichtlichen Deutungsmuster und die damit verbundenen ‚üblichen Verdächtigen‘ feudale Machtkonzentration, Ausdifferenzierung von Adelsgruppen, Stadt und Geldwirtschaft abgerufen, ohne dass zugleich die seinerzeit so intensiv geführte Diskussion um die methodischen wie sachlichen Probleme der damit verbundenen Engführung von sozialen und literarischen Fakten berücksichtigt wird.34 Im Problembereich einer gesellschaftsgeschichtlichen Verortung der höfischen Dichtung scheint jedenfalls die literarhistorische Diskussion in ihrer neuesten Wendung trotz ihrer ambitionierten kulturwissenschaftlichen Terminologie wie Konzepte kaum voranzukommen, sondern eher in einer Kreisbewegung zu verharren, ohne ihren Blick für neuere Diskussionen der mediävistischen Gesellschaftsgeschichte zu öffnen. Welche Chancen sie allerdings damit vergibt, lässt sich in einem kurzen Rückblick auf die Disziplinengeschichte der Interaktion von mediävistischer Geschichts- und Literaturwissenschaft zeigen. II. DAS ZUSAMMENWIRKEN VON GESCHICHTSUND LITERATURWISSENSCHAFT Dass es nicht nur in den Anfängen eines gesellschaftsgeschichtlichen Dichtungsverständnisses um die Wende des 19. Jahrhunderts immer wieder Phasen engster Kooperation gab, dokumentieren schon die nicht seltenen Fälle, dass sich Historiker für die Gesellschaftsthematik poetischer Texte interessieren und funktionsgeschichtliche Fragen stellen, die in der Literaturwissenschaft dankbar aufgenommen und für die eigene Argumentation anverwandelt werden. So lieferten etwa in der frühen Diskussion um die gesellschaftliche Verortung der höfischen Liebeslyrik die Aufsätze des zunächst als Ministerialitätshistoriker auftretenden Paul Kluckhohn zur trobadoresken Vasallitätsterminologie und den Ergebenheits- und Dienstwen32 33 34
Stein 2006, S. 1 f. (erstes Zitat), 5 (drittes Zitat) und 6 (zweites Zitat). Fajardo-Acosta 2010, S. 10. Vorausgegangen ist eine gesellschaftsgeschichtliche Textanalyse des Lerchenlieds von Bernard de Ventadorn (Ders. 2006). Eine Ausnahme ist allerdings die Chanson de geste-Arbeit von Kay 1995 mit ihrer intensiven Diskussion des neomarxistischen Konzepts des „politischen Unbewußten“, das Jameson 1988 für ein Verständnis „kultureller Artefakte als Symbole sozialen Handelns“ (ebd., S. 15 f.) vorgeschlagen hat.
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dungen der Minnesänger wichtige Argumente im Streit um deren gesellschaftlichen Status.35 Und gut 50–60 Jahre später – nun allerdings wissenschaftstheoretisch eigens begründet – entfalten französische Historiker der sogenannten Nouvelle Histoire wie Jacques Le Goff und Georges Duby an spezifischen Themen zentraler literarischer Texte36 ihre historiographischen Konzepte einer historischen Anthropologie bzw. einer familienhistorisch basierten Histoire des mentalités und werden intensiv in der Literaturwissenschaft rezipiert.37 Für die germanistische Diskussion, die sich gut zehn Jahre später im Umfeld der Mündlichkeit-Schriftlichkeit-Diskussion auf die literarischen Spezifika einer ‚Poetik der Sichtbarkeit‘ konzentriert hat, spielt der Historiker Gerd Althoff mit seinen Arbeiten zu den symbolischen Kommunikationsformen als „Spielregeln“ politischen Handelns im Mittelalter,38 deren kompliziertes Funktionieren er nicht nur an berühmten Interaktionsszenen der Historiographie erarbeitet, sondern auch an der höfischen Dichtung erprobt,39 in terminologischer wie konzeptioneller Hinsicht eine vergleichbare Rolle als ‚Diskursbegründer‘.40 Doch diese Sonderfälle, dass sich Historiker mit ‚unseren‘ Texten beschäftigen und schon deshalb von der literarhistorischen Mediävistik rezipiert werden, sind nur ein schmaler und aufs Ganze gesehen auch nicht unbedingt repräsentativer Ausschnitt aus der Geschichte des Zusammenwirkens mediävistischer Geschichts- und Literaturwissenschaft. Abseits der mittelalterphilologischen Grundlagenforschung in literarhistorischer Sachkommentierung und der Prosopographie der Autoren wie ihres Publikums, die sich zur Erschließung historischer Personen und Sachverhalte grundsätzlich der historischen Expertise bedienen,41 bietet die neuere Forschungsgeschichte eines funktionshistorischen Verständnisses der höfischen Dichtung Phasen, in denen die Literarhistoriker bei bestimmten Themenschwerpunkten verstärkt auf historische Arbeiten zurückgegriffen und mit den neuesten Ergebnissen der Historiker argumentiert haben. Dies gilt vor allem für die in den sechziger Jahren von Erich Köhler angestoßenen funktionsgeschichtlichen Überlegungen zur höfischen Ritterdichtung in Frankreich und Deutschland, die sich ‚Argumentationshilfe‘ für das Verständnis der romanischen Texte bei der auf Marc Bloch42 zurückgehenden ‚société féodale‘35 36
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Vgl. oben S. 150. Etwa Le Goff/Vidal-Naquet 1979 an der Wahnsinnsepisode des Protagonisten in Chrétiens „Yvain“; Le Goff/Le Roy Ladurie 1971 an der dämonischen Schlangenfrau Melusine in der lateinischen und volkssprachigen Literatur; Duby 1964 an den jungen Aventiurehelden des Artusromans; Ders. 1988 an der Dreiecksgeschichte des Tristanromans und der fin’amor-Programmatik der Trobadorlyrik. Zunächst eher in der französischen Romanistik (etwa Marchello-Nizia 1981; RouillanCastex 1984; Régnier-Bohler 1999), bald aber auch in der Germanistik; vgl. dazu den Forschungsbericht von Schnell 1991. Vgl. vor allem den Sammelband Althoff 1997 mit Arbeiten aus den Jahren 1989 bis 1996. Vgl. etwa Ders. 1999; Ders. 2000; Ders. 2003; Ders. 2008. Aus der Vielzahl an germanistischen Umsetzungen vgl. neben Brüggen 1996; UnzeitigHerzog 1998; Fiedler-Rauer 2003 vor allem die „Nibelungenlied“-Arbeit von Müller 1998. Vorbildlich etwa Bumke 1979; Regesten deutscher Minnesänger 2005. Bloch 1939/40.
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Diskussion der französischen Geschichtswissenschaft im Umkreis von Georges Duby,43 Jean Lemarignier44 oder Robert Boutruche45 holten, für die deutschen Texte eher bei den Arbeiten von Karl Bosl46 zur deutschen Ministerialität, von Walter Schlesinger47 und Hans Patze48 zur Territorialisierungsproblematik oder Otto Brunner49 zu Fehde und landesherrlicher Gewalt. Grundlegend und einzelne gesellschaftsgeschichtliche Aspekte überschreitend war jedoch die Diskussion um die Entstehung und Ausbreitung des mittelalterlichen ‚Rittertums‘, an der sich in einem ganz ungewöhnlich regen internationalen Austausch Historiker wie Literarhistoriker beteiligt haben – meines Erachtens mit großem Erfolg und gewichtigen Ergebnissen, die vor allem auch dem funktionsgeschichtlichen Verständnis der sogenannten höfischen Ritterdichtung sehr zugute gekommen sind. Denn hier erfolgte in einem – wie sich heute im Rückblick erweist – höchst gelungenen Zusammenwirken von historischer und literaturwissenschaftlicher Ritterforschung die gemeinsam unternommene mühevolle und keineswegs immer geradlinig verlaufende Erschließungsarbeit von begriffsgeschichtlicher Rekonstruktion, sozialhistorischer Expertise, ideologischer Entmystifizierung und thematisch-ideologischer Imaginationsanalyse der so komplizierten Geschichte des adeligen Rittertums.50 Diese interdisziplinäre Rittertumsforschung der sechziger bis achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, die in ihrer Kombination von sozialgeschichtlichen und imaginationshistorischen Interessen in der literarhistorischen Diskussion um die gesellschaftliche Verortung und ideologische Funktion der sogenannten ritterlich-höfischen Dichtung neue Fragen provoziert und unser Verständnis dieser Texte auf eine neue Basis gestellt hat, scheint mir als eine der ‚Sternstunden‘ erfolgreicher Kooperation historischer und literaturwissenschaftlicher Forschung geradezu beispielgebend vor allem für die literarhistorische Seite zu sein. In den folgenden Jahren haben sich die Mittelalterphilologen zwar in sachlicher wie methodischer Hinsicht immer wieder von historischen Vorgaben inspirieren lassen, vor allem von den historisch-anthropologischen Themenschwerpunkten der französischen Nouvelle Histoire bzw. der ethnologisch ausgerichteten Ritualforschung amerikanischer und deutscher Geschichtswissenschaft.51 Doch bieten – 43
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Im Falle von Georges Duby konzentrierten sich die Literarhistoriker allerdings weniger auf seine frühen Gesellschaftsgeschichten (vgl. Duby 1953; Ders. 1962) als auf die mit dem „Jeunes“-Aufsatz (Ders. 1964) und dem Beitrag zum Ursprung des Rittertums (Ders. 1968) einsetzenden Arbeiten zum adeligen Rittertum: Ders. 1973; Ders. 1981; Ders. 1984; Ders. 1986; Ders. 1988. Lemarignier 1970. Boutruche 1959–70. Bosl 1950/51; Ders. 1964. Schlesinger 1941. Patze 1962. Brunner 1939; zur Problematik dieses Gewährsmanns für literarhistorische Überlegungen vgl. neuerdings Schweier 2004. Eine besondere Rolle spielten dabei Painter 1940; Borst 1959; Winter 1965; Bumke 1964; Köhler 1964; Duby 1968; Johrendt 1971; Fleckenstein 1972 (sowie Ders. 1997; Ders. 2002); Reuter 1975; Flori 1983 sowie als eine Art Nachlese Jackson 1994 und Flori 1998. Vgl. dazu oben S. 155.
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ohne die unbestreitbaren Erfolge dieser eher kulturanthropologisch als historisch orientierten Forschungsrichtung beim Aufspüren bislang kaum beachteter literarischer Themenkomplexe und ihrer subtilen analytischen Entzifferung wie funktionsgeschichtlichen Deutung gering zu achten – diese Arbeiten mit ihren konzeptionell wie terminologisch wechselnden Anleihen aus den verschiedensten kulturtheoretischen Richtungen sehr oft eher punktuell textbasierte Einsichten, die zur Grundlage sehr genereller funktionsgeschichtlicher Aussagen werden. Und sie verzichten in den meisten Fällen auf eine übergreifende Einbindung ihrer Fragestellung in neuere historische Forschungsdiskussionen über die Funktionsmechanismen mittelalterlicher Adelsgesellschaften Westeuropas. Ein eindrückliches Beispiel für diese Zurückhaltung der neueren literarhistorischen Forschung gegenüber zentralen Forschungsergebnissen der Geschichtswissenschaft ist die sogenannte Feudalismus-Kontroverse, die spätestens mit Susan Reynolds’ Fundamentalkritik von 199452 heftig entbrannte, aber bereits eine längere Vorgeschichte hatte. Sie hat einen Großteil scheinbar gesicherter Annahmen im Problemfeld Feudalismus/Lehnswesen noch einmal auf den Prüfstand gestellt und scheint noch keineswegs abgeschlossen zu sein. Aufgrund national divergierender Forschungstraditionen und entsprechend unterschiedlicher Erkenntnisinteressen bewegt sich diese Diskussion sachlich wie methodisch auf sehr verschiedenen Ebenen: In Frankreich schließt sie an eine bis ins 18. Jahrhundert zurückreichende, im 20. Jahrhundert im wesentlichen von Marc Bloch, Jean Lemarignier und vor allem Georges Duby bestimmte Forschungstradition an, die sich auf die Rekonstruktion der Herausbildung und Funktionsmechanismen der im 10.–13. Jahrhundert in Westeuropa bestimmenden Gesellschaftsformation der sogenannten ‚société féodale‘ konzentriert und sich in den letzten 30 Jahren – als Weiterführung wie Reaktion auf Dubys Überzeugung von der Jahrtausendwende als einer entscheidenden Zäsur, einer ‚révolution féodale‘ – in höchst kontroverse Auseinandersetzungen nicht nur über die Einschätzung der Jahrtausendwende im Spannungsfeld von tiefgreifendem Umbruch und kontinuierlichen Adaptationsprozessen,53 sondern auch über die spezifische Rolle 52
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Reynolds 1994; vorangegangen war Brown 1974. Reynolds’ forschungskritische Thesen haben sehr bald eine intensive Diskussion entfaltet, die sich zunächst auf der Ebene von (im Ganzen eher kritischen) Rezensionen und Reynolds’ Antworten bzw. Reaktionen abspielten. Vgl. etwa Magnou-Nortier 1996 und Barthélemy 1997a, vor allem aber die Rezension von Fried 1997 und Reynolds’ Antwort: Reynolds 1997; in einem bilanzierenden Aufsatz nimmt sie im Jahre 2001 noch einmal Stellung: Dies. 2001. Und mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts sind dann ihre Thesen und die damit im weitesten Sinne verbundenen weiterführenden Fragen auf interdisziplinären Feudalismus-Kolloquien verhandelt worden, deren Beiträge inzwischen im Druck erschienen sind: vgl. etwa Feudalesimo 2000; Lehnswesen im Hochmittelalter 2010; Feudalism 2011; Ausbildung und Verbreitung 2013. Susan Reynolds’ „Preface“ zu ihrer Aufsatzsammlung Reynolds 2012, S. IX–XV, ist meines Wissens bislang ihre letzte Stellungnahme in dieser Debatte. Eine bedeutende Rolle in dieser Diskussion, die sich um die Konzeptbegriffe ‚mutation féodale‘, ‚révolution féodale‘ bzw. ‚continuation féodale‘, ‚ajustements successifs‘, ‚réadaptation permanente‘ und ‚évolution graduelle‘ formiert, spielen die Arbeiten von Bonnassie 1975/76; Poly/Bournazel 1980; Bois 1989; Bonnassie 2001 und ihres Kontrahenten Barthélemy
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der „feudalen Gewalt“54 in der westeuropäischen Adelsgesellschaft des 12. Jahrhunderts verstrickt hat. Die angelsächsische Mediävistik, die sich schon immer, vor allem in den USA, weniger um die Systematik einer ‚société féodale‘ als um die Bestimmung konkreter Praktiken und Organisationsformen einer ‚feudal society‘ gekümmert hat,55 bemüht sich vornehmlich um eine historisch-anthropologische Erschließung der Interaktionsformen von Vereinbarungen56 im Rahmen verschiedener Möglichkeiten von Austauschmodellen, darunter auch der sogenannten „feudalen Reziprozität“.57 Und in Deutschland dominiert hingegen eher der wissenschaftskritische Impetus einer systematischen Überprüfung des mit den Namen Heinrich Mitteis und François L. Ganshof verbundenen verfassungsgeschichtlich ausgerichteten ‚klassischen‘ Modells des Lehnswesens als einer übergreifenden und die Lebenswirklichkeit in allen Bereichen zutiefst bestimmenden Vergesellschaftungsform im europäischen Mittelalter.58 Die Fragestellungen und Erkenntnisinteressen der Beteiligten an dieser länderübergreifenden Feudalismus-Debatte mögen zwar im einzelnen sehr unterschiedlich sein, aber es zeigt sich doch schon jetzt, dass diese historische Diskussion auf den verschiedensten Ebenen bedeutende Ergebnisse erbracht hat, die unser Bild von der Adelsgesellschaft des 12. und 13. Jahrhunderts ganz wesentlich verändern und deshalb auch der literaturwissenschaftlichen Mediävistik wichtige Informationen über die gesellschaftsgeschichtliche Kontextebene ihrer Texte liefern, auf die man nicht ohne Grund verzichten sollte. So hat etwa die kritische Überprüfung des klassischen Lehnswesen-Modells bislang zwar nicht zu seiner kompletten Verabschiedung geführt, aber doch zu tiefgreifenden Problematisierungen und Neujustierungen, die einschneidende Auswirkungen nicht nur auf unser Verständnis bestimmter konzeptioneller Besonderheiten der höfischen Dichtung im Bereich der Lehns- und Vasallitäts-Terminologie, der literarischen Szenarien lehnsrechtlicher Zeremonien oder komplizierter Vasallitäts-
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1997b; neuerdings auch Brand 2009; Mazel 2010b; zur Forschungsgeschichte vgl. neben der ‚Feudal Revolution‘-Debatte der Zeitschrift „Past and Present“ der Jahre 1994 bis 1997, an der sich Bisson 1994; Ders. 1997; Barthélemy 1996; White 1996; Reuter 1997 und Wickham 1997 beteiligt haben, vor allem Fossier 2000; Seischab 2005. Vor allem Bisson 2009. So weist etwa Bouchard 1998, S. 38, darauf hin, dass die US-Mediävistik auf die breite Feudalismus-Terminologie der französischen Sozialgeschichte eher verzichte und sich um begriffliche wie sachliche Präzisierung bemühe; vgl. dazu vor allem die Arbeiten von Theodore Evergates zur Grafschaft Champagne (Evergates 1975) sowie Feudal Society 1993, hier vor allem S. XVII–XIX. Vgl. dazu vor allem Kosto 2001. White 2001; Ders. 2003, S. 97. Vgl. aus der breiten Diskussion der letzten Jahre – neben dem Band Heinrich Mitteis nach hundert Jahren 1991 und den Einzelbeiträgen von Kasten 1998; Dilcher 2000; Dendorfer 2004; Kasten 2009 – vor allem die Sammelbände Feudalesimo 2000; Gegenwart des Feudalismus 2002; Lehnswesen im Hochmittelalter 2010; Feudalism 2011; Ausbildung und Verbreitung 2013; die beiden dezidiert forschungsproblematisierenden Einführungen von Spiess 2009 und Patzold 2012 und neuerdings die pointierte Zusammenfassung der Diskussion bei Auge 2013/14.
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konstellationen, sondern auch auf die übergreifenden funktionsgeschichtlichen Lektüren der Texte haben müssten. Ausgangspunkt dafür sind vier zentrale Diskussionsfelder der neueren Lehnswesen-/Feudalismus-Forschung: Fragen der Periodisierung und der damit verbundene neue Blick auf das 12. und 13. Jahrhundert, das Insistieren auf gravierenden Unterschieden in den europäischen Regionen, die Probleme einer inhaltlichen Konkretisierung vieldeutiger Lehns- und Vasallitäts-Begrifflichkeiten und nicht zuletzt eine Neupositionierung bedeutender sozialer Praktiken und ‚politischer‘ Ereignisse, die bislang ausschließlich unter lehnsrechtlichen Gesichtspunkten betrachtet worden sind. Am einschneidensten – auch für das literarhistorische Textverständnis – sind sicherlich die Konsequenzen der historischen Periodisierungsdiskussion: Während im Rahmen des klassischen Modells das 13. Jahrhundert unter der Perspektive einer zunehmenden Erblichkeit der Lehen und politischer Komplikationen durch Mehrfachvasallität den Beginn einer allmählichen Erstarrung des Lehnswesens markierte, die sich in krisenhaften Auseinandersetzungen und Problemkonstellationen lehnsrechtlicher Kasus auch in die ritterlich-höfische Dichtung dieser Zeit eingeschrieben habe, firmiert dieses Jahrhundert in der neueren historischen Diskussion hingegen gerade umgekehrt zusammen mit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts als Beginn einer „eigentliche[n] Hochphase des Lehnswesens“59. Diese Umorientierung in der Periodisierung des Lehnswesens ist in der historischen Forschung bestimmt von Detailstudien, die sowohl die ausgeprägten regionalen Unterschiede in der Ausbildung und Verbreitung des Lehnswesens und damit der ‚Feudalisierung‘ der Gesellschaft herausstellen, als auch in diffizilen begriffsgeschichtlichen Analysen die Unschärfe der Lehnsterminologie in den historischen Quellen auch noch des 13. Jahrhunderts betonen. Beide Ergebnisse sind von großer Relevanz für die Literaturgeschichte: Während die Feudalitätsregionalismen eine ausgezeichnete Basis für gesellschaftsgeschichtlich belastbare komparatistische Untersuchungen – in besonderer Weise etwa für eine systemvergleichende Betrachtung des Höfischen Romans in Frankreich und Deutschland – darstellen, zwingen die Einsichten der Historiker in die auch noch im 13. Jahrhundert changierende, ja sogar austauschbare Begrifflichkeit für Leihe und Lehen, hinter der sich – so am dezidiertesten Brigitte Kasten – eine „praktizierte komplexe Rechtswirklichkeit bei Leiheverhältnissen“60 verberge, auch die Literarhistoriker des Höfischen Romans zu einem genauen Blick auf die Spezifik der Lehns- und Vasallitäts-Begrifflichkeit ihrer Texte, die den so komplizierten Prozess der Ausbildung und Verbreitung des Lehnswesens im Westeuropa des 12. und 13. Jahrhunderts begleiten und sich im Fall der deutschen Texte sogar im Zentrum der „Schubphase für die Durchsetzung
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Patzold 2012, S. 95. Auge 2013/14 setzt im Reich sogar erst ab 1300 die „eigentliche Hochphase des Lehnswesens“ (ebd., Sp. 731) an. Und unmissverständlich formuliert Patzold 2012, S. 41, die Konsequenzen dieses neuen Blicks: „Das Lehnswesen bildete sich überhaupt erst in jener Form aus, die der älteren Forschung bereits in Teilen als Verfallsprodukt, als dysfunktional, ‚dekadent‘ und ‚entartet‘ erschien.“ Kasten 2013, S. 186.
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des Lehnswesens im Reich“61 bewegen. Dies gilt vor allem aber für die Analyse literarischer Szenarien lehnsrechtlicher Argumentation, gesellschaftlicher Praktiken und Formalhandlungen, die – als Pendant zu entsprechenden historischen Detailuntersuchungen von Rechtsgeschäften, Huldigungs- und Treueid-Akten oder (scheinbar) lehnsrechtlich motivierten politischen Prozessen – die Spezifik der literarischen Gesellschaftsdarstellung im thematischen Umfeld von Lehen und Vasallität in ihrer möglichen funktionsgeschichtlichen Bestimmung erarbeitet. Es ist jedenfalls sehr zu wünschen, dass auf dieser Basis in Zukunft die literarhistorische Mediävistik im Austausch mit den Ergebnissen der historischen Feudalismus-Diskussion eine weit in die verschiedensten Themenbereiche ausgreifende, grundlegende Erschließung des Verständnispotentials literarischer Imaginationen von Vasallität und Lehnswesen anvisiert und damit möglicherweise eine ähnliche interpretatorische Neuvermessung, ja funktionsgeschichtliche Umcodierung der literarischen Lehns- und Vasallitäts-Figurationen erreicht, wie es in den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der im Zusammenwirken von Historikern und Literarhistorikern so erfolgreichen interdisziplinären Rittertumsforschung bei ihrem übergreifenden ‚Projekt‘ einer ideologischen Entmystifizierung und gesellschafts- wie ideengeschichtlichen Funktionsbestimmung der Rittertumsthematik der höfischen Dichtung gelungen ist. Die Voraussetzungen für einen vergleichbaren Erfolg im Bereich der Feudalitätsthematik sind allerdings zur Zeit nicht besonders günstig. Da für eine kulturwissenschaftlich ausgerichtete literarhistorische Mediävistik gesellschaftsgeschichtliche Faktoren wie Lehnswesen, Vasallität oder auch übergreifende Problemfelder von Feudalität/Feudalismus nicht gerade im Zentrum des Interesses stehen, ist es geradezu konsequent, dass bislang die literarhistorische Forschung noch kaum die inzwischen sachlich wie methodisch breit aufgefächerte Feudalismus-/Lehnswesen-Diskussion der Historiker zur Kenntnis genommen, geschweige denn das reiche Argumentationsarsenal von Methodenfragen, historisch-empirischen Fallbeispielen und Detailergebnissen für einen neuen Blick auf literarische FeudalitätsPhantasmen der höfischen Dichtung genutzt hat.62 Angesichts dieses Ausfalls an einschlägigen Vorarbeiten sollen im Folgenden nur zwei ausgewählte Problembereiche angesprochen werden, um an ihnen – gleichsam als Breschen in einem noch eher unwegsamen Gelände – mögliche Fragestellungen und Untersuchungsfelder einer literarhistorischen Feudalismus-Diskussion zu erproben: die problematische Unschärfe literarhistorischer Feudalismus-Begrifflichkeit und die möglichen Konturen eines lehnsthematischen Blicks auf den Höfischen Roman.
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Patzold 2013, S. 272. Zu den wenigen Ausnahmen vgl. unten S. 168.
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III. PROBLEME UND PERSPEKTIVEN EINER LITERARHISTORISCHEN FEUDALISMUS-DISKUSSION Dass – im Gegensatz zum juristisch und institutionell präzisen Gegenstandsbezug des Begriffs Lehnswesen auf Lehen und Vasallität – das gesamte FeudalismusWortfeld ein viel breiteres, aber auch viel diffuseres, zwischen Recht, Ökonomie, sozialer Ordnung und Herrschaftsverfassung oszillierendes Bedeutungsspektrum abdeckt und deshalb als Analysekategorie eigentlich nur bedingt brauchbar ist, wenn nicht gar in seiner schillernden Vieldeutigkeit die untersuchten Sachverhalte eher verunklärt als erhellt, hat die historische Forschung schon seit Langem gesehen, in begriffsgeschichtlichen Rekonstruktionen Präzisierungen versucht und dabei den nicht sehr geradlinigen Weg des Feudalismus-Konzepts in seinen ideologischen Prämissen nachgezeichnet:63 vom negativen Schlagwort für den Gesamtbereich aristokratischer Privilegien im Umfeld der Französischen Revolution64 über seinen Einsatz als Spezialterminus für die Produktionsverhältnisse der mittelalterlichen Grundherrschaft mit ihrer ökonomischen Ausbeutung der unfreien Bauern bei Karl Marx und der an ihn anschließenden historisch-materialistischen Periodisierungen mit den Stationen der antiken Sklavenhaltergesellschaft, des mittelalterlichen Feudalismus und des frühbürgerlichen Kapitalismus bis hin zu seinem Nebeneinander von juristisch begründetem Terminus technicus für die vom Lehnswesen bestimmten Nachfolgestaaten des karolingischen Reiches und seinem eher konzeptionell wie sachlich breit angelegten Auftreten in der französischen Sozial- und Mentalitätsgeschichte des 20. Jahrhunderts als ‚société féodale‘ bzw. ‚féodalisme‘, wo er zunächst – vor allem bei Marc Bloch – vornehmlich die entscheidenden Signaturen der postkarolingischen Gesellschaft bezeichnet, bald aber fast zu einem Synonym für Adelsgesellschaft oder gar Mittelalter werden kann.65 Angesichts dieser eher verworrenen Assoziationsgeschichte ist Elizabeth A. R. Browns Vorschlag von 1974 sehr verständlich, entweder die Feudalismus-Terminologie strikt auf jene mit dem deutschen Wort Lehnswesen bezeichnete Verbindung von Lehen und Vasallität zu beschränken oder lieber ganz auf dieses im Ancien Régime entstandene ideologische Begriffskonstrukt zu verzichten und mit anderen, konkreteren Beschreibungsinstrumentarien die Spezifik mittelalterlicher Gesellschaftsformen im 63
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Vgl. dazu neben Bouchard 1998, S. 35–42, vor allem Wunder 1974, aber natürlich auch Reynolds 2009 sowie Dies. 2012, S. XIII, in komprimierter Form; zur unterschiedlichen Füllung des Feudalismus-Begriffs in der westdeutschen und der DDR-Geschichtswissenschaft in den Jahren 1950 bis 1989 vgl. Borgolte 1996. Zu den ideologisch-politischen Konnotationen von ‚régime féodal‘ und ‚féodalité‘, ‚fief‘ und ‚seigneurie‘, die dem 18. Jahrhundert zu verdanken sind, vgl. Robin 1971 und Mazauric 1977. Ein eindrückliches Beispiel dieser weit ausgreifenden ‚féodalisme‘-Begrifflichkeit der französischen Sozialgeschichte sind die beiden Bände, in denen nach Georges Dubys Tod unter den Titeln „Les trois ordres ou l’imaginaire du féodalisme“ (Duby 1996) bzw. „Qu’est-ce que la société féodale?“ (Ders. 2002) ein Großteil seiner Werke zu den verschiedensten Aspekten der Adelsgesellschaft, ihrer Ökonomie und Sozialstruktur, ihrer militärischen Organisationsformen und Familienstrukturen, ihrer Literatur und Imaginationen zusammengestellt sind.
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Bereich der Dienstversprechen, Treueverpflichtungen, Eidesleistungen, Hilfsangebote oder Allianzen zu analysieren: „The tyrant feudalism must be declared once and for all deposed“.66 Man ist ihr nicht gefolgt, sondern bedient sich weiterhin und sogar verstärkt der Feudalismus-Begrifflichkeit, so dass etwa Steffen Patzold in seinem Einführungsband zum Lehnswesen resigniert konstatiert: „Historiker weltweit operieren aber nun einmal mit den schillernden Wörtern ‚feudalism‘, ‚féodalité‘, ‚feudalesimo‘“,67 so dass sie sich auch in den eigenen Ausführungen nicht vermeiden ließen. Wie problematisch jedoch dieser Umgang mit dem Feudalismus-Wortschatz vor allem in der deutschen Mediävistik sein kann, hat vor einigen Jahren Ludolf Kuchenbuch gezeigt. Er erinnert an die „von der Aufklärung initiierte pejorative Tradition“ des Feudalismus-Begriffs und seiner Syntagmen, die ihn – als Gegenkonzept zur juristischen Lehnsterminologie – in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu einem „wissenspolitischen Reizwort“ und damit zu einem „Schlüsselbegriff einer kritischen Mittelalterwissenschaft“68 in der DDR wie der BRD gemacht habe. Erstaunlicherweise verschwinde allerdings auch nach dem Zusammenbruch der DDR-Mediävistik und einem deutlichen Desinteresse an historisch-materialistischen Geschichtskonzepten aus den neueren historischen Arbeiten keineswegs das „Fahnenwort“ Feudalismus mit seinen verschiedenen Syntagmen, sondern es werde weiterhin von der agrarisch-feudalen Welt, dem feudalen Charakter der städtischen Gesellschaft, von feudalen Gewalten, der Fehde als feudaler Unsitte gesprochen, nun freilich eher beiläufig, generalisierend „feudalrhetorisch angereichert“69, jedenfalls ohne jede Verbindung mit jeglicher Art materialistischer Theoriebildung oder gesellschaftskritischer Geste. Für Kuchenbuch dokumentiert sich in der „Entschärftheit“ dieser „typisch deutschen Feudal-Florilegien“ ein „nahezu gelassener, ja auch nachlässiger Umgang“70 mit den traditionell auratisch aufgeladenen Feudalsyntagmen. Und man fragt sich, welcher Erkenntniswert mit diesem „nachlässigen“, wenn nicht gar nichtssagenden Einsatz verbunden ist. 66
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Brown 1974, S. 1088. Auch Wunder 1974, S. 44, konstatiert im selben Jahr wie Elizabeth Brown das Nebeneinander mehrerer Feudalismus-Begriffe: „Das Verwirrende besteht darin, daß derselbe Begriff ‚Feudalismus‘ eine Institution, eine Gesellschaftsstruktur und eine Gesellschaftsentwicklung in bestimmten europäischen Ländern wie auch in einigen außereuropäischen Ländern bezeichnet, also gleichzeitig für mehrere Stufen der historischen Begriffsbildung benutzt wird.“ Und sie stellt deshalb ebenfalls die Frage, „ob es sinnvoll ist, diesen vielschichtigen Begriff weiter in der Wissenschaft zu verwenden“ (ebd., S. 13). Patzold 2012, S. 13. Allerdings zeigt nicht nur dieser in seiner forschungsorientierten Klarheit bestens gelungene Einführungsband, sondern auch das zehn Jahre davor, 2009 in einer erweiterten Auflage erschienene, ebenso gelungene Studienbuch von Spiess 2009 sehr eindrücklich das hohe terminologische wie konzeptionelle Niveau der derzeitigen Feudalismus-LehnswesenDiskussion, das sich ebenso in den in Anm. 58 aufgeführten neueren Sammelbänden spiegelt. Kuchenbuch 2002, S. 295 (alle drei Zitate). Vgl. ebd., S. 296: „Wer sich im deutschen Sprachraum der Feudal-Terminologie bediente, wußte sich dementsprechend in der revolutionär-bürgerlichen Tradition.“ Ebd., S. 295 (erstes Zitat) und 300 (zweites Zitat). Ebd., S. 299 (beide Zitate). Dieser Umgang ist für ihn das Pendant zur „Abnutzung durch allzu plakativen und breiten Einsatz“ (ebd., S. 307) in der DDR-Mediävistik.
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Diese Frage stellt sich allerdings noch vehementer für die Literaturwissenschaft, in der die Feudalismus-Begrifflichkeit in den letzten 50 Jahren eine vergleichbare Rolle gespielt, aber erstaunlicherweise in der neuesten Diskussion sogar noch ganz wesentlich an Bedeutung gewonnen hat. Wie in der Geschichtswissenschaft bestimmt sie natürlich vor allem jene Arbeiten, die sich mehr oder weniger direkt in den Theorierahmen des historischen Materialismus einbinden: also vor allem die Literaturgeschichte der DDR-Altgermanistik, aber auch zu einem großen Teil die Mittelalterphilologie im Westen, soweit sie sich an der gesellschaftsgeschichtlichen Wende der Literarhistorie in den sechziger bis achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts beteiligt hat. Allerdings zeigen sich signifikante Unterschiede im Einsatz der Feudalismus-Syntagmen. Die DDR-Germanisten begnügen sich im wesentlichen mit dem vorgegebenen Begriffsarsenal wie ‚Feudalgesellschaft‘, ‚feudale Vergesellschaftung‘, ‚feudale Herrschaft‘, ‚Feudalpyramide‘, ‚Feudalwelt‘, ‚feudale Anarchie‘, ‚feudale Gewalt‘, ‚feudaler Adel‘, ‚feudaler Grundherr‘, ‚Feudalherr‘ und einer eher begrenzten Auswahl von Adjektivverbindungen wie ‚feudaladlig/feudalaristokratisch‘, ‚feudalherrscherlich‘, ‚feudalständisch‘, ‚feudalanarchisch‘ und haben nur im Bereich der Charakterisierung der volkssprachigen Literatur neben ‚feudalhöfisch‘71 mit der Kombination von ‚feudal‘ und ‚Klassik‘ eine spezielle Adjektivverbindung erfunden: ‚feudalklassische Literaturperiode/Literatur/Epik/Lyrik‘ bzw. ‚feudale Klassik‘, die allerdings nach 1989 sofort wieder aufgegeben wird.72 Im Westen erfährt hingegen in den sechziger bis achtziger Jahren die Feudalismus-Terminologie – in quantitativer Hinsicht wie auch auf der Ebene neuer Wortverbindungen – einen ungeahnten Aufschwung und zwar nicht nur in Arbeiten, die sich explizit historisch-materialistischen Theorietraditionen verpflichtet fühlen,73 71 72
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Etwa: „feudalhöfischer Auftraggeber“ (Bräuer 1984, S. 19 f.), aber auch eher verworrene Kombinationen wie „höfisch-feudalherrscherliche Interessen feudalhöfischer Auftragsdichtung“ (ebd., S. 20) und „weltlich-feudale höfische Predigergesellschaft“ (ebd., S. 23). Dieser merkwürdigen Verbindung bedient sich zwar Rolf Bräuer schon im Jahre 1984 (ebd., S. 17), sie bestimmt aber vor allem den erst im Jahre 1990 erschienenen, aber bereits am 15. Dezember 1987 redaktionell abgeschlossenen Blütezeit-Band der Geschichte der deutschen Literatur 1990 in ihrer gesamten Perioden-Kategorisierung von ‚frühfeudalklassisch‘, ‚hochfeudalklassisch‘ und ‚spätfeudalklassisch‘. Wie wenig akzeptiert offenbar diese ‚Feudalklassik‘-Begrifflichkeit selbst bei dem Initiator der Literaturgeschichte gewesen ist, zeigt der ebenfalls von Bräuer organisierte und im Jahre 1990 erschienene, aber wohl erst um bzw. kurz nach der Wende redaktionell abgeschlossene Überblick über Erzähltexte im europäischen Mittelalter: Dichtung des europäischen Mittelalters 1990, in dem zwar das übliche Feudalismus-Wortfeld wie ‚feudales Gesellschaftssytem‘, ‚Feudalpyramide‘, ‚Feudalwelt‘, ‚Feudalgewalten‘, ‚feudale Anarchie‘, ‚innerfeudale Auseinandersetzungen‘ und ‚weltlich feudaladelig‘ vertreten ist, aber nicht mehr die ‚Feudalklassik‘-Periodisierung. Zu den ideologiegeschichtlichen wie machtpolitischen Hintergründen der Drucklegung des trotz aller forcierten Feudalismus-Terminologie im Ganzen sehr informativen und gelungenen Mittelalter-Bandes der DDR-Literaturgeschichte vgl. Müller 1992. Vgl. etwa den programmatischen Sammelband Literatur im Feudalismus 1975, aber auch Röcke 1978 oder die dreibändige Literaturgeschichte: Einführung in die deutsche Literatur 1979–1982. Eine historisch abgewogene Diskussion des Oszillierens der Bezeichnung der
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sondern auch in gesellschaftsgeschichtlich orientierten Arbeiten, deren Textlektüren auf anderen Gesellschaftsmodellen basieren, sich eher aus dem ‚société féodale‘–/‚féodalité‘-Begriffsfundus der französischen Sozialgeschichte bedienen, aber zugleich – neben dem allumfassenden Substantiv ‚Feudalität‘74 – eine Vielzahl neuer Feudalsyntagmen kreieren, deren Erkenntnisleistung sich allerdings nicht immer ohne weiteres erschließt:75 etwa ‚feudales Bewusstsein‘, ‚feudale Existenzform‘, ‚feudale Glaubensmoral‘, ‚feudaler Idealismus‘, ‚feudale Ostentation‘, ‚feudale Persönlichkeitsstruktur‘, ‚feudale Repräsentation‘, ‚feudale Rollenabläufe‘, ‚feudaler Weltzustand‘, ‚feudalethische Traditions- bzw. Standeswerte‘, ‚feudaladlige Normen/Vorbilder‘, ‚feudaladlige Untugenden‘, ‚feudalherrscherliches Kalkül‘. In vielen Fällen ließe sich das Feudalsyntagma durch adelig, aristokratisch, gelegentlich durch fürstlich bzw. herrscherlich ersetzen, ohne dass sich am Aussagegehalt etwas änderte. Und nicht selten hätte man sich eine gesellschaftsgeschichtliche Präzisierung der adjektivischen ‚feudal‘-Koppelung gewünscht, die allzu oft im Bereich des Ungefähren, Diffusen verbleibt und bestenfalls die Aura eines gesellschaftskritischen Deutungsrahmens vermittelt, so dass mir hier Ludolf Kuchenbuchs Monitum eines „nachlässigen Umgangs“76 noch treffender zu sein scheint als bei seinen Beispielen aus historischen Arbeiten der letzten Jahrzehnte. Erstaunlicherweise ebbte jedoch in der literarhistorischen Argumentation diese Feudalitätsterminologie mit ihren diversen adjektivischen Erweiterungen auch dann nicht ab, als sich in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts das Forschungsinteresse von der Rekonstruktion sozialgeschichtlicher Kontexte eher auf kulturtheoretische Fragestellungen verlegte und dementsprechend auch die literarhistorischen Analysen nicht unbedingt mehr von jenen historischen Grundlageninformationen über entscheidende Gesellschaftsprozesse begleitet waren, die in den früheren Arbeiten das zentrale Einfallstor für feudalitätsterminologisch angereicherte Ausführungen gewesen sein mochten. Nun bestimmt das Feudalitätswortfeld – in leichter Akzentverschiebung gegenüber den historisch-materialistisch gefärbten früheren Arbeiten77 – die gesamte Argumentation,78 von der literarhistorischen Themenerschließung bis zur kulturhistorischen Kontextbestimmung, und schraubt sich hoch von den üblichen Syntagmen wie ‚Feudalgesellschaft‘, ‚Feudalkultur‘, ‚Feudalsystem‘, ‚feudaler Adel‘ über ‚feudale Literatur/Epik/Diskurs‘ oder ‚feudaler
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volkssprachigen Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts zwischen ‚feudalistisch‘, ‚ritterlich‘ und ‚höfisch‘ bietet Haubrichs 1977, S. 14 f. Vgl. vor allem Bender 1967, aber auch noch Rieger 2001. Vor allem in den Beiträgen der Sammelbände Literatur – Publikum – historischer Kontext 1977; Legitimationskrisen 1979; Adelsherrschaft und Literatur 1980, wobei hier und im Folgenden auf die Dokumentation im Einzelnen verzichtet wird, da es eher um einen Trend als um bestimmte Arbeiten geht. Kuchenbuch 2002, S. 299. So fehlen die marxistischen Dogma-Begriffe wie ‚feudale Vergesellschaftung‘ und ‚interne Widersprüche des Feudalismus‘. Die nachfolgenden Feudalsyntagmen entstammen folgenden Arbeiten: Müller 2007; Friedrich 2009; Schulz 2012 sowie einzelnen Beiträgen der Sammelbände Text und Kultur 2001; Gewalt im Mittelalter 2005; Text und Kontext 2007.
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Held/Heros‘ bis zu einer Fülle höchst flexibler Feudalitätsverbindungen wie ‚feudale Denk- oder Kulturmuster‘, ‚feudale Ethik‘, ‚feudales Erzählen‘, ‚feudale Existenz‘, ‚feudale Identität‘, ‚feudale Körper‘, ‚feudale Memorialkultur‘, ‚feudales Selbst‘, ‚feudale Selbstbehauptung‘, ‚feudale Statusrivalität‘, ‚feudales Zeichensystem‘. Wie in den früheren Arbeiten steht auch hier das Adjektiv ‚feudal‘ für ‚adelig/aristokratisch/fürstlich‘, in bestimmten Fällen der Oppositionsbildung zu ‚geistlich/klerikal/christlich‘ wohl auch für die Konkretisierung ‚laienadelig‘, hält sich aber mit dem Blütenstrauß an Zielnomina noch mehr als bisher von allen gesellschaftsfaktischen Konnotationen frei, entfaltet jedenfalls keine gesellschaftsspezifische Erkenntnis, bestenfalls eine Aura gesellschaftstheoretischer Rahmung und verkommt deshalb aufs Ganze gesehen doch eher zu einer Leerformel ideologischen Jargons – ein teurer Preis, den die Mittelalterphilologie mit ihrer kulturwissenschaftlichen Wende und der damit verbundenen Distanzierung von gesellschaftlichen Kontexten zahlt. Und es wäre sehr zu wünschen, dass auch die literarhistorische Forschung in Zukunft das Feudalismus-Wortfeld entweder in einem sehr genau bestimmten gesellschaftlichen Bezugsrahmen einsetzt oder vielleicht doch besser ganz auf es verzichtet. Auch wenn die kontextorientierte literarhistorische Forschung offensichtlich keine Berührungsangst gegenüber einer ausdifferenzierten Feudalismus-Begrifflichkeit zu haben scheint, so verhält sie sich jedoch eher zurückhaltend gegenüber der Thematisierung von Vasallität und Lehen in der höfischen Dichtung. Während im Rahmen der literarhistorischen Ritterdiskussion, vor allem im Kontext der germanistischen Ministerialitätsthese, der gesamte literarische Themenkomplex von Herrschaft, Rittertum und Dienst in seinen gesellschaftsgeschichtlichen Grundlagen und ideologischen Konstruktionen intensiv ausgeleuchtet wurde und dabei auch vasallitische Dienste bzw. lehnsrechtliche Aspekte einbezogen waren, fand doch aufs Ganze gesehen in der Literaturgeschichte der gesamte Themenbereich Vasallität und Lehnswesen erstaunlich wenig Beachtung. Zwar war in der Lyrikforschung die vasallitische Dienstmetaphorik vor allem der Trobadorpoesie von Anfang an einer der entscheidenden Ausgangspunkte gesellschaftsgeschichtlicher Entstehungstheorien und hat auch im Folgenden immer wieder sozialhistorisch orientierte Deutungsversuche bestimmt.79 Ähnliches gilt für die Chanson de geste-Forschung, die natürlich schon immer die für manche Texte so bestimmende Vasallitätsthematik im Blick hatte,80 in den letzten Jahren vor allem durch die Arbeiten
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Vgl. etwa die frühe Diskussion bei Wechssler 1902; Kluckhohn 1910; Ders. 1914; Lejeune 1959, die neuerdings noch bei Touber 1995 nachklingt. So etwa im frühen 20. Jahrhundert Werner 1907, der sich vornehmlich auf das Königtum konzentriert; in den sechziger Jahren vor allem Bender 1967, allerdings in einer sehr allgemeinen Form, ohne auf lehnsrechtliche Details einzugehen, aber auch die „Chanson de Roland“Studie von Köhler 1968 und schließlich, sachlich, methodisch und vor allem terminologisch an Bender 1967 anknüpfend und bis ins 14. Jahrhundert ausgreifend, Heintze 1991; ähnlich noch zehn Jahre später Rieger 2001; kritisch Paterson 1992. Zur Lehnswesen-Motivik der Chansons de geste vgl. Martin 1992: Kap. 1.4 „Promesse de fief“; Kap. 1.6 „Défi“; Kap. 5.3 „Saisie des fiefs“; Kap. 5.4 „Don (ou restitution) de fief“.
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des Historikers Stephen D. White,81 der sich auf die historischen Voraussetzungen wie literarischen Zurüstungen der Vasallitätsproblematik vor allem der sogenannten Empörergeste konzentriert und dabei die textspezifischen Varianten eines „well established feudal discourse“82 herauspräpariert hat, ohne dass diese neueren historischen Arbeiten allerdings nennenswerte Spuren in der Literaturwissenschaft, geschweige denn in der Germanistik, auch nicht in der „Willehalm“-Forschung hinterlassen haben.83 Eine Ausnahme war im Jahre 1993 Lisa Jeffersons Arbeit über „Oaths, Vows and Promises“ im ersten Teil des französischen „Prosalancelot“84 mit einem großen Kapitel zu den „feudal bonds“85 in der Welt von Claudas und Pharien, die kürzlich ein germanistisches Pendant in Hans-Joachim Ziegelers „Prosalancelot“-Aufsatz86 gefunden hat. Und tatsächlich gibt es seit einigen Jahren zumindest punktuelle Ansätze einer literarhistorischen Diskussion über die literarische Thematisierung von Vasallität und Lehnswesen.87 Und doch fehlt ein über81 82 83
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Vgl. vor allem White 1994; Ders. 2001; Ders. 2002; Ders. 2003. Ders. 2002, S. 130. Wie sehr die Bemerkung von Bumke 2004, „daß die politisch-gesellschaftliche Thematik im ‚Willehalm‘ mit den Schwerpunkten Hofkritik und dem problematischen Verhältnis zwischen König und Fürsten noch nicht die Beachtung gefunden hat, die sie verdient“ (ebd., S. 321), auch heute noch gilt, zeigt sich in der „Willehalm“-Partie des Handbuchs Wolfram von Eschenbach 2011, Bd. 1, S. 523–702: So findet die Lehnsthematik im 4. Kapitel „Themen und Motive“ (ebd., Bd. 1, S. 653–675) von Joachim Heinzle keine Berücksichtigung und Fritz Peter Knapp vermisst im folgenden 5. Kapitel „Perspektiven der Interpretation“ (ebd., Bd. 1, S. 678– 702) ähnlich wie Bumke ein deutlicheres Interesse auch der neueren „Willehalm“-Forschung für die Themen Hofkritik und Lehnsproblematik (vgl. ebd., Bd. 1, S. 685 f.). Selbst Starkey 2002, die in der Munleun-Szene das Auftreten Willehalms als nonverbalen Akt im Vorfeld einer „Aufkündigung seiner Lehnstreue“ (ebd., S. 333) sieht und die gesamte Szene unter die Thematik „Herrschaft und die Beziehung zwischen einem Herren und seinem Vasallen“ (ebd., S. 340) stellt, blendet spezifisch lehnsrechtliche Probleme aus. Und es ist angesichts dieses Forschungsinteresses nicht erstaunlich, dass etwa Haferland 1989 in seinen Ausführungen über Agon und Reziprozität nur in sehr knappen Nebenbemerkungen mögliche Beziehungen zur Lehnsbindung anspricht (vgl. ebd., S. 122–125). Jefferson 1993, die die damalige neueste historische Literatur zur ‚société féodale‘ berücksichtigt und offenbar von Maurice Keen fachkundige Beratung erhalten hat. Ebd., Kap. 2: „Feudal Bonds: The World of Claudas and Pharien from which Lancelot is abstracted“ (S. 43–101). Ziegeler 2012, der in der Nachfolge von, aber auch in kritischer Auseinandersetzung mit Jeffersons feudalrechtlicher Lektüre, allerdings ohne Berücksichtigung der neueren historischen Feudalismus-Diskussion, an den zu Beginn des französischen und deutschen „Lancelot propre“ erzählten komplizierten Herrschaftsgeschichten der Könige Ban, Bohort und Claudas die „Probleme feudaler Gegenwart des 13. Jahrhunderts“ (ebd., S. 196) herausdestilliert, die – auf einer Abstraktionsbasis ‚einfacher‘ Vasallitäts-Regeln – in Serien verschiedener VasallitätsKasus durchgespielt und diskutiert worden seien. Etwa Plate 1997, der in Hartmanns „Gregorius“ spezifische Ausprägungen einer „lehensrechtlichen Problematik“ (ebd., S. 219) zu identifizieren versucht; Terada 2002 mit seinen Überlegungen zur Darstellung der Mehrfachvassalität in historischen und literarischen Texten; Schweier 2004, dessen forschungskritische Dissertation allerdings kaum beachtet worden ist; Müller 2010, der im Rahmen einer forschungsbilanzierenden Feudalismus-Diskussion der Historiker die literarhistorische Position vertritt und am Beispiel einer Gruppe heldenepischer
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greifendes literarhistorisches Interesse an der Lehns- und Vasallitäts-Thematik der höfischen Dichtung, das – vergleichbar der Erforschung der literarischen Ritterkonstruktion – auf einer breiteren Ebene und vor allem im Austausch mit der neueren Diskussion der Historiker die lehnsrechtliche Begrifflichkeit, die Spezifik der literarischen Darstellung von Lehnshuldigung, Lehnsvergabe, Investitur und Vasallität, aber auch ihre Überblendung mit anderen Formen personaler Bindungen herausgearbeitet hätte,88 wie es inzwischen die Historiker vorgemacht haben.89 Diese relative Zurückhaltung der literarhistorischen Forschung hat sicher etwas damit zu tun, dass nicht nur die historischen Quellen des Hochmittelters – so das Ergebnis der neueren historischen Forschung90 – erstaunlich wenig Konkretes über den Status von Vasallen und spezifische Lehnspraktiken bieten, sondern auch die höfische Dichtung literarische Konstellationen von Vasallität und Lehnswesen im Vergleich zu literarischen Szenarien von ritterlichen Fürstenfiguren und Ritterschaft eher spärlich einsetzt, jedenfalls nicht gerade zu einem zentralen Thema macht. Dies zeigt sich schon an der Begrifflichkeit, die sich in den Texten des 12. und frühen 13. Jahrhunderts wie in den historischen Quellen nicht unbedingt durch eine besondere Präzision auszeichnet: Zwar wird die personale Seite, der ‚Lehnsmann‘/‚Vasall‘ (fidelis/homo/vassus), neben der Bezeichnung (sîne) holde91 oder (sîne) liute vornehmlich als (mîn/sîn) man bezeichnet, ohne dass die genauere Abhängigkeit dieses man deutlich wird, auch wenn er bei Einzelauftritten nicht selten durch lobende Adjektive in seiner wohl auch sozialen Sonderstellung herausgestellt wird: ich hân in mînem lande / einen harte wîsen man / der uns wol gerâten kan,92 bzw.: Der vürste was sîn hôchster man.93 Als Gruppe treten diese man, vor allem in Ratsszenen und militärischen Kontexten, in der Regel in der generellen Verbund-
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Texte des 13. Jahrhunderts zeigt, welch geringe Rolle das Lehnswesen in seinen zudem unscharfen und mehrdeutigen Begrifflichkeiten spielt. Eine Ausnahme stellt allerdings Fiedler-Rauer 2003 dar, der sich im Sinne von Gerd Althoff vor allem für die literarische Umsetzung symbolischer Kommunikationsformen politischer Verhandlungen interessiert und dabei zugleich auch sehr konkrete lehnsrechtliche Konstellationen herausarbeitet, die sich vor allem in Pleiers „Garel von dem bluenden Tal“ hinter den dominierenden Interaktionsformen höfischer Freundschaftsbündnisse verbergen. So bereits Reynolds 1984, aber auch Dendorfer 2004, S. 54–59; Althoff 1990; Ders. 2011; Eickels 2002; für Spiess 2013, S. 15 f., ist dies eine der wichtigen zukünftigen Aufgaben der Lehnswesen-Forschung. So etwa Deutinger 2010, S. 464–466; Schieffer 2013, S. 237 f.; Auge 2013, S. 341. Relativ häufig in Veldekes „Eneas“. Vgl. etwa Eneas, V. 79, 559, 737, 1307, 1973, 4861, 6001, 6263, 6492, 6987 (in der Verbindung frivnt unde holden), 7343 und 9189. Die hier und im Folgenden für die Texte verwendeten Siglen werden im Quellenverzeichnis aufgelöst. Gregorius, V. 490–492. Parzival, V. 345, 2. Ungewöhnlich ist in deutschen Texten die Adaptation des vassal-Begriffs der französischen Vorlagen (etwa guotem vassâle [Rolandslied,V. 6630] oder bêâs vassal [Tristan, V. 3354: Marke zu Tristan im Kontext anderer französischer Einsprengsel]), der in den französischen Texten sehr häufig in der generellen Bedeutung ‚adeliger Ritter‘ eingesetzt ist, aber in Zweikampf-Reizreden auch abwertend-beleidigend gemeint sein kann; zur Vasallitätsterminologie der französischen Dichtung vgl. Hollyman 1957; Venckeleer 1982; Pickens 1997; Ders. 1998; Ders. 2002.
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formel von mâge und man bzw. vriunde unde man94 auf, zunehmend auch in der Umkehrung man unde mâge,95 selten einmal in einer Spezifizierung, die – wie mâge, man und dienestman96 – auf eine Unterscheidung von adeligen Verwandten, Vasallen und Ministerialen abhebt.97 Und nur gelegentlich finden sich etwas konkretere Angaben des Typs ze man(ne) enpfan,98 ze man gern,99 ze man wellen,100 ze man (ge)ruochen,101 iuwer/dîn/sîn man werden/sîn,102 ze man ergeben,103 mit handen sine man werden,104 die tatsächlich so etwas wie ein persönliches Lehnsverhältnis annehmen lassen.105 Die dingliche Seite, der Besitz eines Lehens und die mit seiner Übergabe verbundenen Akte, scheinen hingegen – neben der Umschreibung liut unde lant106 – eine etwas präzisere terminologische Bestimmung durch das Substantiv lêhen/lên zu erfahren, das ausgegeben wird.107 So erfolgt neben der neutralen Formulierung ein lehen hân108 nicht selten eine genauere Kennzeichnung dieses Lehens, wenn es von der gâbe109 abgesetzt wird und als ‚Land/Herzogtum/Grafschaft‘ in den For-
94 Vgl. etwa aus dem 12. Jahrhundert: Eneas, V. 71, 4515 und 5336 (mage unde man) bzw. 4971, 5029 und 12777 (friunt unde man); in Strickers „Daniel“ des frühen 13. Jahrhunderts mit dem Zusatz sie sîn eigen oder frî (Daniel, V. 6317). Etwas ungewöhnlicher ist die Zusammenstellung von man und sîn kunne (Eneas, V. 12192). 95 Etwa Parzival, V. 53, 20; Tristan, V. 9705; Wigalois, V. 4197. 96 Gregorius, V. 201; daneben aber auch andere Konstellationen: mâge, fürsten unde man (Parzival, V. 194, 21); mîne man und mîne dienestman (Tristan, V. 5808). Zum Vordringen der dienestman-Begrifflichkeit im 13. Jahrhundert vgl. Kotzenberg 1907, S. 34–44. 97 Im altfranzösischen „Enéas“ unterscheidet allerdings Turnus sehr genau bei seinen militärischen Parteigängern zwischen cels ki tienent lor feus de mei (Enéas, V. 4165) und mes veisins, ki por m’amor / por lor franchise et por m’enor / a mon besoing sont venu ci (ebd., V. 4167– 4169). 98 Eneas, V. 12587; Erec, V. 4448 und 4478; Lanzelet, V. 9209; Garel, V. 6364. 99 KR, V. 2569; Daniel, V. 3014. 100 Daniel, V. 465 und 3014. 101 Ebd., V. 459 und 2985. 102 Erec, V. 4517; Willehalm, V. 179, 10 und 184, 13; Wigalois, V. 7192, 8500 und 8584; Daniel, V. 905; Garel, V. 6352, 12183 und 12734; Meleranz, V. 5165 und 6100. 103 Daniel, V. 451 und 6157. 104 KR, V. 4724. 105 Eine in ihrer Konzentration auf die Art ihrer Besitzverhältnisse eher ungewöhnliche VerbFormulierung (gelêhenen) für die gegnerischen Kämpfer bietet in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Strickers „Daniel“: ir hôrtet wol daz er sprach, / dis landes sint siben schar, / der kome ie tages einiu har, / unde sîn gelêhent darzuo (Daniel, V. 3872–3875). 106 Dies ist eine sehr häufige Formulierung etwa in Rudolfs von Ems „Alexander“ in der Mitte des 13. Jahrhunderts; vgl. etwa mit küneclîchem lône / lônd in des edelen küneges hant, / er [= Alexander] lêch in liut unde lant (Alexander, V. 13302–13304). 107 In Gottfrieds „Tristan“ erfährt es eine konkretisierende Zuspitzung als lantlêhen (Tristan, V. 16034), in Konrads von Würzburg „Engelhard“ als vil rîchiu swertlêhen (Engelhard, V. 317). 108 Eneas, V. 369; Parzival, V. 347, 3. 109 Vgl. etwa König Lois’ Rede zu Willehalm: ich mac gâbe und lêhen hân: / daz kêrt mit vuoge an iuweren gewin (Willehalm, V. 147, 4 f.).
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meln weder erbe noch lehen110 oder eigen noch/und lêhen111 ausdrücklich von erblichem Allod abgetrennt ist. Und doch warnen auch hier die Ergebnisse der historischen Forschung zum changierenden Leihe-Begriffsfeld vor einem zu großen Optimismus hinsichtlich einer präzisen lehnsrechtlichen Bestimmung des lêhen-Begriffs, in dem Brigitte Kasten eine Art „Oberbegriff für alle Leihen, darunter auch die lehnrechtliche“112 sieht. Ein dezidiert lehnsrechtliches Verständnis bedarf jedenfalls zusätzlicher Bestimmungen, sei es die Opposition zu Eigenbesitz113 oder wie – in Wolframs „Parzival“ – in der schnippigen Bemerkung von Obie gegenüber dem Fürsten Meljanz, dem Lehensherrn ihres Vaters: ine wil von niemen lêhen hân: / mîn vrîheit ist so getân […]114. Für den Akt der Vergabe des lêhen, die Landleihe,115 stehen die Verben lîhen/ verlîhen, oft in auch kontrastiver Verbindung mit geben,116 und für den Empfang von lêhen die Verben enphâhen,117 nemen118 oder hân,119 seit dem frühen 13. Jahrhundert im Falle von Fürstentümern auch mit dem Zusatz mit vanen lîhen/mit vanen enpfâhen bzw. nemen,120 in dem das seit der Jahrtausendwende im deutschen Reich bezeugte Amtssymbol der Fahnenlanze121 zum Zeichen fürstlicher Investitur mit einem Fahnlehen geworden ist.122 Diese Akzidentien-Präzisierung verweist so-
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Eneas, V. 8563. Rolandslied, V. 8117; HE, V. 1420; WvO, V. 274. Kasten 2013, S. 186. So etwa zu Beginn des 13. Jahrhunderts: mit gâbe, mit lêhen, mit eigen (Willehalm, V. 184, 13) oder Kudrun, Str. 350, V. 3 f. Parzival, V. 347, 3 f. Oft wird es auch bestimmt als lant, liute unde lant oder ganze Fürstentümer. Vgl. in Texten des 12. Jahrhunderts etwa in der Versöhnungsszene des „König Rother“ das Nebeneinander von lîhen und geben: unde leh im ein lant dar (KR, V. 4718); he lech die richen […] lant / […] dem helede (ebd., V. 4825 f.); unde lech im die Marke (ebd., V. 4830); Lorringen unde Brabant, / Vriesen unde Hollant / gaf he vier heren (ebd., V. 4834–4836); Erwine gaf he Ispanien (ebd., V. 4845 f.). Vgl. auch im „Herzog Ernst“: lîhen unde geben (HE, V. 586); er gap unde lêch (ebd., V. 6017). Lanzelet, V. 8378; Parzival, V. 6, 9, aber auch 803,14 f. und 826,4 f.; Tristan, V. 5285–5287: si empfiengen al besunder / ir lêhen, ir liut unde ir lant / von ir hêrren Tristandes hant. So etwa in Willehalms Rede an die Fürsten: do ich vom rîche nam mit vanen / min lant (Willehalm, V. 298, 2 f.). Wigalois, V. 8583; vgl. aber auch jdm. sîn lehen gemêren (StA, V. 2787). Häufig im „Parzival“: dô lêch mit vanen hin sîn hant / von Azagouc der fürsten lant (Parzival, V. 51, 27 f.); […] ein herzentum: / daz lêch er […] / Lahfilirost schahtelacunt / nam ez mit vanen sâ zestunt (ebd., V. 52, 11–16); ich möht mit êrn von sîner hant / mit vanen enpfâhen mîn lant (ebd., V. 420, 13 f.); ebenso ebd., V. 802, 17–20. Vgl. auch Willehalm, Str. 298,V. 1–3 oder Rolandslied, V. 2904 f. und 3115–3119, aber auch Tandareis, V. 18114 f. und nicht zuletzt in der „Kudrun“ den Hinweis auf das Mundschenkenamt, das mit zwölf Fahnen ausgegeben werden solle (Kudrun, Str. 1612,V. 3 f.). Gelegentlich wird auch das (eigentlich für die Belehnung der geistlichen Reichsfürsten bestimmte) Szepter als Investiturzeichen erwähnt: si enpfiengen’s mit zepter oder mit vanen (Willehalm, V. 302, 7); daz herzentuom und die stat […] lêch er dem grâven Môrâl / mit dem zepter âne twal (Wigalois, V. 11177–11180). Vgl. dazu besonders Weinfurter 2013, S. 25 f. Zu den Fahnen als Investitursymbol vgl. Spiess 2009, S. 43.
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gar auf eine Art zeremoniellen Akt der Lehnsinvestitur, der in der LehnswesenForschung lange Zeit in seiner Verbindung von persönlicher Treuebindung in Mannschaftsleistung (Huldigung durch Handgang/hominium/homagium) und Treueid und der dinglichen Komponente der Lehnsinvestitur als (rechts-)entscheidender Vollzug eines auf persönlichen Treueversprechen beruhenden Vertragsakts zwischen Lehnsherrn und Vasall eine große Rolle gespielt hat, aber in der neueren Diskussion etwas zurückgetreten ist, ja sogar seinen Zeugnischarakter für die Existenz vasallitisch-lehnsrechtlicher Bindungen eingebüßt zu haben scheint, da die historischen Berichte solcher Zeremonialakte am ehesten im Kontext der Beilegung von Konflikten auftreten, in der Regel wenig detailliert ausfallen und vor allem keine präzise Unterscheidung von sonstigen Formen der Huldigung, Sicherheitsund Treueide zulassen.123 Und es fragt sich, ob und ab wann die höfische Romanliteratur dem Zeremonialakt der Lehnsvergabe einen besonderen Raum bietet und vor allem in welchem institutionellen Rahmen und mit welchen prozessualen Details. Auch in der höfischen Romanliteratur erfährt der Akt der Lehnsinvestitur nur selten eine etwas ausführlichere Darstellung. In vielen Fällen verbleibt es bei der lapidaren terminologischen Verbindung von jdn. (ze man) enpfân bzw. sîn man werden und ihm ein bestimmtes Land bzw. die damit verbundenen Einkünfte zu (ver-) lîhen124 oder generellen Vasallitäts-Angeboten bzw. Dienst- und Treueversprechen.125 Auch noch im 13. Jahrhundert werden bestimmte Zeremonialpraktiken eher in formelhaften Wendungen oder Nebenbemerkungen angedeutet126 und erfahren nur selten eine präzisere lehnsrechtliche Zurüstung: daz kint er minneclîche enphie / und lêch im vor den vürsten hie / nâch manschaft daz rîche.127 Und dass etwa Lehen in einem mit Ritualgesten angereicherten Zeremonialakt vergeben wer123 Vgl. vor allem Hyams 2002; Becher 2006; Depreux 2010; Eickels 2010; Deutinger 2010, S. 467; Mazel 2010a, S. 272; Dendorfer 2013, S. 194; Schieffer 2013, S. 238; Weinfurter 2013, S. 27–29. 124 So etwa im 12. Jahrhundert: er lîhet dir halbe Hyspaniam / […] / unde werdestu du sîn man (Rolandslied, V. 2034–2036) oder das Angebot Baligans an Karl (im Zweikampf): unt wirdestu mîn man. / ich lîhe dir Yspaniam / und habe dich immer mit minnen (ebd., V. 8475–8477); oder zu Beginn des „Daniel“ aus der ersten Häfte des 13. Jahrhunderts die provozierende Botschaft, die König Matur von Cluse durch seinen Riesen König Artus zukommen lässt: dû ergebest dich im ze manne / und habest dîn lant danne / von im ze lêhene iemer mê (Daniel, V. 451–453). Vgl. auch: diu lêch er gar den vürsten hin / und enphie sie dô ze man (Alexander, V. 13318 f.). 125 Wenn etwa Eneas vor dem entscheidenden Zweikampf mit Turnus in aller Öffentlichkeit die Rede an König Latinus richtet: ich wil gerne iwer man sein / die wile, daz ich wirbe leben. / swas ir mir gerne welt geben, / daz diene ich gern, swa ich mach, / baidiv nacht vnde tach / mit dienste vnd mit guoten. / ich wil mich dez gerne huoten, / daz ich iwer hulde / von meiner schulde /nimmer wil uerwurchen (Eneas, V. 11720–11729). 126 So etwa in Rudolfs von Ems „Alexander“, wenn Alexander bei seinem siegreichen Einritt in Babylon die Unterwerfung des Satrapen Mazeus mit einer Investitur belohnt, die die Landvergabe (er lêch in liut unde lant, [Alexander, V. 13304]) mit einem Treueid (und swuoren im hulde sâ [ebd., V. 13307]) verbindet. 127 Mit diesem Hinweis auf einen vorangegangenen Kommendationsakt mit anschließender Investitur fasst Rudolf von Ems in seinem „Alexander“ eine der vielen Unterwerfungsszenen (ebd., V. 13451–13453).
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den, lässt sich z. B. der Zusatzformulierung von mînen/sînen handen entnehmen, die gelegentlich dem Empfang des Lehens,128 aber auch der Mannschaftsleistung beigefügt ist: die wurdin bit handen sine man129. Diese Handgeste vasallitischer Mannschaftsleistung bestimmt auch in Veldekes „Eneasroman“ die missglückte Versöhnungsszene nach dem Zweikampf von Turnus und Eneas, als der Sieger Eneas seinen unterlegenen Gegner schonen, ja sogar in seine frühere Stellung als Großvasall wieder einsetzen will130 und dafür das entsprechende Handritual der Kommendation entgegennimmt: do er (= Turnus) Enee sein hend bot / vnd wolte werden sein man / vnd Eneas den mut gewan, / daz er in ze manne wolt enphan.131 Und noch konkreter an die lehnsrechtliche Handgeste der immixtio manuum erinnert Willehalm in seinem Vorwurf an König Lois: ouwê der missewende, / daz ich mîne hende / zwischen die iuweren ie gebôt!132 Ebenso findet sich spätestens in Romanen des 13. Jahrhunderts die Verbindung von Mannschaft, Treueid und Lehnsvergabe, wenn etwa im „Wigalois“ der getreue Graf Morel nach Wigalois’ siegreichem Kampf gegen den Teufelsbündler Roaz ihn als seinen legitimen Herrn anerkennt und um die Wiedereinsetzung in sein Lehen bittet: ouch sol ich hie an dirre stat / mîniu lêhen von iu hân. / Ich wil werden iuwer
128 Etwa: manc hêrr von sîner hende enpfienc / ir lêhen (Parzival, V. 826, 4 f.). Oder: er wolde sîn künicrîche / enpfahen von des heldes hant (Wigalois, V. 9060 f.). 129 KR, V. 4724. 130 Allerdings lässt zunächst die Begrifflichkeit jegliche lehnsrechtliche Spezifik vermissen: vnd wolt im geben / fride vnd seine hulde / vnd gutes, swas er wolde, / baidiv burge vnde lant / vnd schaz vnde gewant (Eneas, V. 12568–12572). 131 Ebd., V. 12584–12587. An dieser Stelle ist der französische Text im Sinne eines Vasallitätszeremoniells weniger explizit. Zwar bietet auch hier Turnus seinem Gegner zum Zeichen seiner Bitte um Gnade die Hände dar: andeus ses palmes li tendi, / et puis li a crie merci (Enéas, V. 9779 f.), erklärt sich als besiegt, überlässt Eneas Lavinia und das gesamte Land, verspricht, ihm im Falle seiner Begnadigung nie mehr militärisch entgegentreten zu wollen, und endet mit einer vasallitischen Unterwerfungserklärung: tes oem serai, a tei me rent (ebd., V. 9791). Aber die entscheidende Handgeste, durch die Eneas den Pallas-Ring erblickt, ist hier nicht eine Kommendationsgeste, sondern eher eine militärische deditio-Szene, in der Turnus dem Sieger seinen Helm überreicht: Donc prist son helme, se li tent. / Eneas en ot grant pitié, / Turnus li a l’elme baillié. / Endementres qu’il li tendeit, / en son dei l’anel Pallas veit (ebd., V. 9792–9796). 132 Willehalm, V. 146, 1–3. Und während etwa in der „Chanson de Roland“ Ganelon in Karls Beratungsszene Marsilies Vasallitätsangebot zweimal mit dem Hinweis auf diese immixtio manuum-Geste der Kommendation anspricht (Quant ço vos mandet li reis Marsiliun, / Qu’il devendrat jointes ses mains tis hom, / E tute Espaigne tendrat par vostre dun, / Puis recevrat la lei que nus tenum [ChR, V. 222–225]; Jointes ses mains iert vostre comandet; / De vos tendrat Espaigne le regnet [ebd., V. 696 f.]), fehlt im deutschen „Rolandslied“ dieser Hinweis und Genelun wird später als Bote nur generell Karls Vasallitätsforderung an Marsilie (ich lîhe im halbe Yspaniam, / wirdet er deme rîche undertân [Rolandslied, V. 1508 f.]) ausrichten: er lîhet dir halbe Hyspaniam / […] / und werdest dû sîn man, / sô muost du wole fride hân (ebd., V. 2034–2037). Umso mehr scheint in der „Kudrun“ in der Szene, in der der junge Hagen bürge unde lant (Kudrun, Str. 189, V. 2) als Lehen ausgibt, tatsächlich die Kommendationsszene der immixtio manuum als Rechtsgeste angesprochen zu sein: Nâch lêhenlîchem rehte gestraht ir maniges hant / wart dem jungen künige (ebd., Str. 190, V. 1 f.).
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man / und leisten swes ir, herre, gert, / wand ir sît aller êren wert.133 Und der in deutschen historischen Quellen nur selten aufgeführte Lehnskuss134 erhält schließlich in einem Artusroman des Pleier aus der Mitte des 13. Jahrhunderts eine ironische Szene, wenn König Artus einer Dame ein Herzogtum als Lehen verleiht und von ihr – zum Vergnügen der Umstehenden – einen Kuss nach lêhens reht einfordert.135 Diese erotische Umfunktionalisierung des Lehnskusses ist zwar ein hochinteressantes literarisches Zeugnis für das Wissen des Publikums im 13. Jahrhundert um die Ergänzung der Mannschaftsleistung durch einen Lehnskuss, aber detaillierter ausgestaltete und auch begrifflich lehnsrechtlich ausdifferenzierte Offizialakte einer Lehnshuldigung und Lehnsvergabe sind in der deutschen höfischen Dichtung doch wesentlich seltener als vermutet. Und vor allem: Sie setzen überhaupt erst um die Wende des 12. Jahrhunderts, verstärkt sogar erst in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein und zwar in bestimmten thematischen Konstellationen des Herrschaftswechsels: einerseits im Rahmen von Zeremonialakten der Nachfolgeregelungen, sei es beim Tod des bisherigen Herrschers, der durch Eheschließung erreichten Herrschaft oder als fürstliche Entscheidung der Übergabe der Herrschaft an die nächste Generation, vor allem aber als Verbindung von Unterwerfung und Aussöhnung nach vorangegangenen Kriegshandlungen, d. h. im Rahmen von suone-Verhandlungen.
133 Wigalois, V. 8582–8586. In etwas verdeckter Form findet sich diese Verbindung bereits in Veldekes „Eneas“, wenn Drances im königlichen Rat dem König Latinus seine Unterstützung versichert, in Absetzung von etwaigen Verpflichtungen gegenüber Turnus: ovch enhan ich von ime [= Turnus] niet / weder erbe noch lehen, / ich endarf in niht flehen. / ich bin, herre, iwer man. / swa ich iht bedenchen chan / iwers fruomen vnd iwere eren, / da zuo wil ich cheren / min herze und minen sin, / als ich iv von rehte schuldich bin (Eneas, V. 8562–8570). Dass flehen (ebd., V. 8564) möglicherweise nicht nur eine dringliche Bitte bezeichnet, sondern ein lehensorganisatorischer Terminus technicus im Sinne von ‚Bitte um Belehnung‘ ist, ergibt sich u. a. aus seinem mehrmaligen Einsatz in Strickers „Daniel“, der mit einer aggressiven Vasallitätsforderung des Königs Matur an König Artus einsetzt und mit einer gestaffelten Lehnsinvestitur abschließt: So verweist der Riese, der zu Beginn des Romans König Artus das Vasallitätsultimatum seines königlichen Herrn überbringt, zur Unterstreichung des Ernsts der Lage auf die Macht dieses fernen Königs, der zwar keineswegs immer auf das freiwillige Vasallitätsangebot vieler Könige eingehe, aber in seinem riesigen Land nur Lehensträger dulde: daz lant ist grôz unde wît. / die daz hânt besezzen, / er hât sich des vermezzen, / die rûmen im daz rîche / ob sie im vil vorhtlîche / niht weln dienen unde flêhen. / er hât in gelîhen lêhen / daz ir dienest sî bewant (Daniel, V. 640–647). Flêhen (ebd., V. 645) steht hier für ‚um ein Lehen bitten‘, ebenso wie in der Versöhnungszeremonie des Königs Artus (ebd., V. 5792; vgl. unten S. 178, Anm. 150) und dem Abschlusskommentar des Autors zu Daniels königlichem Verhalten der Neuvergabe der Lehen nach seinem Sieg: die in dâ solden vlêhen, / den lêch er die selben lêhen / die in der künec [= Matur] lêch der dâ lac (ebd., V. 8463–8465). 134 Spiess 2009, S. 25. Generell zur Symbolik des Lehnskusses vgl. Carré 1993, S. 187–220; zur wenig ausgeprägten Rolle des Lehnskusses vor allem Heirbaut 2009, S. 63 f. 135 So in „Tandareis und Flordibel“: der werde künec lêch ir sân / ein herzoctuom rîche. / er sprach zer meide minneclîche / ‚vrowe, ir sult küssen mich / nâch lêhens reht.‘ ‚daz tuon ich‘ / sprach diu minneclîche maget. / als mir diu âventiure saget, / des wart vil gelachet dâ / diu maget kust den künec sâ (Tandareis, V. 15229–15237).
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Während etwa in der Eingangsszene von Wolframs „Parzival“, die mit dem Bericht vom Tod König Gandins und der Erbfolge des ältesten Sohnes Galoes beginnt, der Akt der Wiedereinsetzung der fürstlichen Großvasallen in ihre Lehen durch den neuen Herrscher nur beiläufig, jedenfalls ohne alle Details eines Formalhandelns erwähnt wird,136 ist am Ende des Textes die Szene, in der der Gralkönig Parzival seinen Sohn Kardeiz als König der Länder Waleis, Norgals, Anschouwe und Bealzenan einsetzt und seine Männer zum Lehnsempfang auffordert, mit etwas genaueren Angaben über den damit verbundenen Zeremonialakt der Übergabe von Fahnlehen angereichert: ‚nu enpfâhet ir an disem mâl / iweriu lêhn von mîme kinde, / ob ich an iu triwe vinde.‘ / mit guotem willen daz geschach: / vil vanen man dort füeren sach. / dâ lîhen zwuo kleine hende / wîter lande manec ende. / gekroenet wart dô Kardeiz.137 Und in Rudolfs von Ems „Wilhelm von Orlens“ bereitet Herzog 136 Parzival, V. 6, 2–9: sîn elter sun für sich gebôt / den fürsten ûzem rîche. / die kômen ritterlîche, / wan sie ze rehte solden hân / von im grôz lêhen sunder wân. / dô si ze hove wâren komen / und ir reht was vernomen, / daz se ir lêhen alle enpfiengen. Ähnlich knapp sind die Informationen in Rudolfs von Ems „Wilhelm von Orlens“ beim endgültigen Übergang der Herrschaft des Herzogs Johfrit von Brabant an den jungen Fürsten Wilhelm: Fur den fursten drungen sa, / Junge, alte, arm und riche / Und enpfiengent wirdecliche / Ir lehen von dez fursten hant, / Die sine man warant genant, / Und warent sin ze herren vro (WvO, V. 14994–14999) bzw. nach dem Tod des mütterlichen Großvaters Graf Bernant aus der Normandie: Und was dem hohgebornen man / Sin lant worden undertan. / Die von der herschaft solten han / Lehen do, die giengen / Fur in und enpfiengen / Ir lehen von dem furste wert (ebd., V. 15002–15007). Dass es bei dem Zeremonialakt der Übernahme der Herzogsherrschaft von Brabant dem Autor weniger um lehnsrechtliche Modalitäten als um die Etablierung einer fürstlichen Landfriedensgesetzgebung gegangen ist und er sich in diesem Zusammenhang möglicherweise sogar auf Detailbestimmungen des Mainzer Landfriedens von 1235 bezogen haben mag, diskutiert Brackert 1968, S. 67–79. 137 Parzival, V. 803, 14–21. Dies gilt auch für die Lehnsinvestitur, die in Pleiers „Garel“ aus den 1250er Jahren der Protagonist nach seiner Eheschließung mit der Königin Laudamie und seiner Krönung als Herrscher von Anferre vornimmt: Graven, vrien, dienstman / Fuer den chuenich giengen. / Ireu lehen si enpfiengen, / Deu si von im solten han. / Do lech mit vanen sunder wan / Den fuersten puerg und lant / Garel mit ellenthafter hant (Garel, V. 9092–9098). Im „Meleranz“ erweitert der Pleier eine vergleichbare Investitur-Szene um einige Informationen: Da daz geschach [gemeint ist die Wahl des Meleranz zum König], darnach ye sa / lech der tegen werd erkannt / baide bürg unnd lannd / den, die eß von im sollten hon. / Do das alleß ward gethon, / daz sy all ir lehen empfiengen, / für den küng sy all giengen / unnd schwuoren huld all gelich. / Do gepott inn der küng rich, / daz sy daz lannd richten, / ebenten unnd schlichten, / was unrechtes dar inn waß (Meleranz, V. 6716–6727). Ähnlich ist auch die Lehnsinvestitur-Szene im Rahmen des den Roman abschließenden Festes gestaltet, wobei hier zwei Akte miteinander verbunden sind, die Lehnsvergabe durch Meleranz und die Huldigung seiner Ehefrau Tydomei: Melerantz der werd man / hyeß die fürsten für sich gan / von der Chamareyen. / Dinstman unnd fryen / den lech er da mit siner hand / beide bürg unnd lannd, / daz sy von im sollten hon. / Do daz alles was gethon / die von Terranndes giengen dar / mit mänger werden schar / unnd schwuoren huld ir frowen (ebd., V. 12289–12299). Auch in Pleiers „Tandareis und Flordibel“ wird die Lehnsherrschaft des Protagonisten in dem von ihm im Kampf gegen vier Riesen erstrittenen Land sogar in zwei Zeremonialakten der Lehnsinvestitur dokumentiert: zunächst als Übernahme der Herrschaft durch den Sieger Tandareis in einem Akt von Unterwerfung der Landesherren, Lehnsvergabe und Treueschwur (Tandareis, V. 7737–7744) und am Ende des Romans nach der Doppelkrönung des Protagonistenpaars in einer Wiederholung des
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Johfrit von Brabant, der Ziehvater des jungen Wilhelm von Orlens, vor der endgültigen Übergabe des Herzogtums Brabant an den jungen Fürsten am Ende des Romans in zwei lehnsrechtlichen Akten diese Entscheidung schon sehr früh vor: zunächst lässt er sine man dem fürstlichen Waisenkind – als Erneuerung ihrer Eide – schwören, dass sie ihn als ihren Herren annehmen und ihm in getrulicher staetkait jederzeit beistehen: des swuorenz an der selben stat, / Als si der rich furste bat, / Und nuwertent ir aide da.138 Und einige Jahre später teilt ihm Johfrit von Brabant mit, dass er ihn an Kindes statt zu seinem Nachfolger machen und sich dies am Hoftag des Kaisers in Köln unter Anwesenheit der Herren, von denen er lute […], burge und lant, / Urborn, gulte, lehen vil habe, bestätigen lassen wolle. Mit einer großen Gefolgschaft begibt sich der furste von Brabant mit seinem jungen Ziehsohn nach Köln, wo er vom Kaiser freundlich empfangen wird und diesen darum bittet, dass er seine Lehen, Rechte und Länder mit der Zustimmung des Kaisers seinem Ziehsohn Wilhelm vertraglich zusichern dürfe.139 Der Kaiser ist einverstanden und es erfolgt die Investitur des jungen Herrn durch die Fürsten, deren Vasall Johfrit ist: Das edel hoh geborne kint / Mit zuhten vur den kaiser gie, / Sinu lehen es enpfie / Und von al der fursten hant. / Der man was Johfrit genant, / Die enphiengen in ovch da ze man140. Dies ist einer der Fälle, in denen ein Roman des frühen 13. Jahrhunderts komplizierte besitzrechtliche Sachverhalte entfaltet.141 Dies gilt in besonderer Weise für Gottfrieds „Tristan“, der sogar vier eindrückliche lehnsrechtliche Zeremonialakte bietet, die in ihren Prozedurinformationen weit über das hinausgehen, was sich sonst in den Höfischen Romanen um die Wende des 12. Jahrhunderts an lehnsrechtlichen Detailrealismen findet.142 Im Folgenden soll nur kurz die vierte Szene vorgestellt werden, da sie als Spezialfall einer
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Lehnszeremoniells (ebd., V. 18113–18116), an das sich – wie im Falle der „Meleranz“Investiturszene – königliche Mahnungen gerechter Rechtsprozeduren anschließen (ebd., V. 18117–18123). WvO, V. 2615, 2638 und 2641–2643. Ebd., V. 3109–3011. Ebd., V. 3130–3135. Da es hier offenbar nicht um das Herzogtum als Reichslehen geht, sondern um bestimmte Lehen und Rechte, die Johfrit von verschiedenen Fürsten hat und die er mit der Zustimmung des Kaisers seinem Ziehsohn sichert, entspricht diese literarische Lehnsszene sehr genau nicht nur der von Kasten 2013 erarbeiteten „komplexen Rechtswirklichkeit bei Leiheverhältnissen“ (ebd., S. 186), sondern auch den Ergebnissen von Deutinger 2013, dass bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts die Quellen „den Herzogtümern keinen Lehenscharakter zumessen“ (ebd., S. 139). Auf die von Tristan als jungem Herrscher von Parmenien initiierte Lehnserneuerung seiner Herren (Tristan, V. 5284–5287) folgen zweitens seine Rachefahrt zu Morgan (ebd., V. 5294– 5633), die er als Lehnsmutung ausgibt und bei der das Procedere der Lehnserneuerung eine große Rolle spielt, drittens vor seiner Rückkehr nach Cornwall seine Regelungen für die Organisation seiner Herrschaft in Parmenien mit detaillierten leihe-, lehns- und erbrechtlichen Bestimmungen (ebd., V. 5777–5847) und schließlich viertens die von Tristan erwirkte suoneVereinbarung in Arundel mit einer Lehnsauftragung der besiegten Gegner (ebd., V. 18936– 18946). Alle vier Szenen haben bislang merkwürdigerweise noch keine befriedigende lehnsrechtliche Kommentierung erfahren; Combridge 1964, S. 13–47, argumentiert im Falle der Morgan-Episode zu sehr auf der Basis der Heerschildordnung.
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Verbindung von Mannschaftsleistung und Lehnsinvestitur zugleich ein lehnsrechtliches Procedere bietet, mit dem in zahlreichen Texten des späten 12., vor allem aber des 13. Jahrhunderts militärische Aktionen, feindselige Handlungen oder richtige Großkriege beendet werden: eine Friedens- und Sühnevereinbarung, bei der die Unterwerfung des besiegten Gegners in einer erzwungenen Lehnsauftragung dokumentiert und einer Vassalitätsgeste sichtbar gemacht wird. Tristan erreicht als befreundeter Helfer nach einer ebenso erbitterten wie landzerstörerischen Nachbarschaftsfehde, dass Herzog Kaedin als Sieger mit seinen gefangenen Gegnern einen dauerhaften Frieden schließt, der vornehmlich aus der Lehnshuldigung für die in den Kämpfen verlorengegangenen Allod-Ländereien und einem Versprechen der ‚negativen Treue‘ besteht: Tristan der nâchraete, / dô sîn gesinde dan geschiet, / umb die gevangenen er riet, / daz si ze hulden kaemen / und von ir hêrren naemen, / swaz er’n ir guotes wider lêch / den worten, daz er in verzêch; / und versigelten ouch daz, / daz disiu schulde und dirre haz / dem lande unschadebaere / ir halben iemer waere143. Erst nach diesem suone-Akt von Lehnsauftragung und Huldigung erhalten die besiegten Herren wieder ihre Freiheit.144 Vergleichbare lehnsrechtliche suone-Konstellationen begleiten in einer Vielzahl von Texten die kriegerischen Auseinandersetzungen: Sie bestimmen nicht nur als Vasallitätsangebot, mit denen der Gegner zur Kapitulation überredet werden soll, die Schilderungen von Kampfhandlungen, ihrer juristischen Präliminarien, Zwischenverhandlungen in Kampfpausen oder Abschlussregularien,145 sondern sie markieren auch nicht selten als Konfliktlösungsstrategie den Handlungsabschluss. So begeben sich etwa in Ulrichs von Zazikhofen „Lanzelet“ der Protagonist und seine Partnerin Iblis als Königspaar am Ende des Romans gemeinsam in ihre jeweiligen Länder und nehmen die Lehnshuldigung der Fürsten entgegen: zunächst in Genewîs, daz sîn erbe was, im Rahmen von Lanzelets Krönung: si swuoren im des einen eit, / daz si im nihtes abe giengen. / Ir lêhen si enpfiengen / von dem künige wol gezogen, / fürsten, grâven, herzogen, / vrîen und dienestman. / einen grôzen hof
143 Tristan, V. 18936–18946. 144 In ihrer Verbindung von Unterwerfungsgeste, Treueversprechen im Sinne eines Verzichts auf jede Schädigung des Herrn, die in der historischen Forschung unter dem Stichwort der ‚negativen Treue‘ verhandelt wird (vgl. Dendorfer 2004, S. 55; Eickels 2010, S. 407–409; Deutinger 2010, S. 465 f.), und Lehnsübergabe ist die friedensstiftende Funktion dieses Zeremonialakts unter dem Rubrum homagium pacis/„Sühnemannschaft“ inzwischen an zahlreichen Beispielen diskutiert worden; vgl. etwa Althoff 2011, S. 110; Mazel 2010a, S. 271– 274; Deutinger 2010, S. 466; Patzold 2012, S. 73; detailliert im Blick auf den Spezialfall von Lehnsauftragung als Sühne: Brückner 2011, S. 64–82. 145 So etwa im späten 12. Jahrhundert das „Rolandslied“ mit seinen diversen Vasallitätsangeboten im Rahmen von Kampfhandlungen: Rolandslied, V. 2034–2037, 8474–8477 und 8944 f. Oder 100 Jahre später, wenn es in Konrads von Würzburg „Partonopier und Meliur“ beim Zweikampf zwischen dem heidnischen König Sornagiur und dem französischen König Lois bzw. einem von ihm gestellten Kämpfer, mit dem der Krieg zwischen beiden Heeren beendet werden soll, um die lehnsrechtliche Unterwerfung der besiegten Partei gehen wird: Partonopier, V. 5391– 5403.
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er gewan146; dann in Dodône, des sich Iblis underwant, / daz ir erbe solte sîn147, wo ebenfalls, nachdem beide gekrönt worden sind, Lanzelet eine Lehnsinvestitur vornimmt.148 Wirnt von Gravenberg versieht im „Wigalois“ die Hoftagsszene, die den Korntîn-Teil abschließt, mit etwas mehr Detailinformationen über den Ablauf der Versöhnung zwischen Wigalois und dem besiegten König Rîal und seiner Fürsten. Sie beginnt mit der Lehnsvergabe: Rîal, der künic von Jeraphîn, / sîn lant aldâ von im enpfie; / dar nâch vil manic vürste gie, / die sînes ortes waren geil; und dann folgt ihr Treueid: dô er die vürsten hêt gewert / ir lêhen, als si an gezôch, / ir deheines muot dâ von envlôch / sine swüeren im alle hulde dâ.149 Auch Strickers „Daniel“ liefert in zwei abschließenden suone-Szenen präzisere Zeremonialakte einer Lehnsinvestitur, bei der die Besiegten ihre Lehen dem neuen Herrn, König Artus, übergeben und als solche wieder zurückerhalten, sobald sie ihm den Treueid geleistet haben. Bei den Herren von Clûse, deren König Matur im Krieg gefallen ist, geschieht dies in einem offiziellen Unterwerfungsakt, wobei vor allem die ‚negative‘ Treueleistung des Verzichts auf Schädigung des neuen Herrn betont wird.150 Im Falle des alten Riesenvaters nimmt die als Versöhnungsszene gefasste Lehnsmutung allerdings eine andere Wendung. Der Alte will von Artus nicht beschenkt werden, sondern nur jenes Land über den berc als Lehen wiedererlangen, mit dem ihn sein bisheriger Herr, König Matur, in friuntschaft belehnt hat.151 Er werde ihm auch denselben Dienst leisten.152 Artus scheint dies zu akzeptieren, geht aber ein Stück weiter, verwandelt – als Lohn dafür, dass er ihn freigegeben hat – dieses Lehen in Eigenbesitz ohne irgendwelche Dienstverpflichtung und übereignet es dem Alten mit einem Handschlag153 als Bekräftigung des Versprechens: ‚enpfâch dû mînen hantslac / daz ez dîn eigen iemer sî, / und bis des dienstes frî, / des dû biz her hâst getân. / daz silt dû ze lône hân‘ 154. Hier werden 146 Lanzelet, V. 8133 und 8376–8382. 147 Ebd., V. 9092 f. 148 Zu ihr gehört wohl auch, allerdings nicht explizit so formuliert, ein Treueversprechen: Ouch enpfienc her Lanzelet / sîne fürsten alle ze man, / dar nâch er schiere gewan / den gewalt mit ganzer êre. / dô wart dâ vröuden mêre / danne vor, daz was reht, / wanne im manic guot kneht / was getriuwe unde holt. (ebd., V. 9208–9215). 149 Wigalois, V. 9520–9523 und 9549–9554. 150 Allerdings fragt es sich angesichts der Formulierung lant unde lîp / dâ zuo kint unde wîp (Daniel, V. 5790 f.), ob hier möglicherweise über die bisherigen Lehen hinaus noch mehr übergeben wird: dô giengen die von Clûse / zuo dem künege Artûse, / sie gâben im lant unde lîp / dâ zuo kint unde wîp, / und enpfiengen ez wider ze lêhen. / sus begunden sie in flêhen, / sie swuoren des sînen hulden / daz sie mit ir schulden / des niht wolden begân / des er deweder möhte hân / schaden oder schande (ebd., V. 5787–5797). 151 Ebd., V. 8358 und 8365. 152 Hier geht es ausdrücklich nur um die bisherigen Lehen: daz lêch mir der herre mîn. / nû tuot iuwer tugende schîn, / sît ez an iuch gevallen ist, / und lîhet mirz an dirre frist. / ich diene iu gerne dâvon, / alz ich unz her bin gewon (ebd., V. 8379–8384). 153 Im Deutschen Rechtswörterbuch (DRW) ist diese „Daniel“-Stelle der erste Beleg für den Handschlag als „Zeichen des Vertragsabschlusses oder zur Bekräftigung einer Versicherung“ (Deutsches Rechtswörterbuch 1960, Bd. 5, Sp. 118; vgl. auch www.deutsches-rechtswoerterbuch.de). 154 Daniel, V. 8394–8398.
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sehr genaue Unterschiede in den Besitz- und Nutzungsverhältnissen sichtbar, die sonst bestenfalls in der Formel lêhen und eigen präsent sind, aber in der literarischen Darstellung normalerweise doch eher verdeckt bleiben.155 Und es ist vielleicht kein Zufall, dass auch der Artusroman, mit dem in der Mitte des 13. Jahrhunderts, d. h. einige Jahre später, der Pleier unüberhörbar an Strickers „Daniel von dem Blühenden Tal“ anknüpft, der „Garel von dem Blühenden Tal“, zwar eine Reihe von Kampf- und anschließenden Versöhnungsszenen bietet, bei denen vasallitische Unterwerfungskonstellationen und Lehnsauftragungsangebote terminologisch wie auch in der Sache als Freundschaftsbünde dargestellt sind und damit die mit den Formulierungen ze man werden oder mein lant/guot gern von deiner hant enpfan suggerierten feudo-vasallitisch konkretisierten Unterwerfungsgesten eher zurückgedrängt werden,156 doch auch einige in ihrer Detailgenauigkeit ungewöhnliche lehnsrechtliche Prozeduren aufweist. So erfährt man hier z. B., dass König Artus seinen jungen Verwandten Garel nicht nur an seinem Hof aufgenommen und zum Ritter gemacht hat, sondern auch – weil sein eigenes Land so weit entfernt liegt – ein einträgliches Lehen überantwortet, von dem er nun seinen Beinamen ableitet.157 Schon dies ist ein besitzrechtlich-ökonomisches Detail, das über die spärlichen Angaben zur wirtschaftlichen Basis der jungen Artus155 Ein eindrückliches Beispiel für eine königliche und fürstliche Lehnsauftragung, die nicht in eine suone-Vereinbarung eingebunden ist, sondern eine kaiserliche geistliche Stiftung bestimmt, bietet die Rahmenhandlung des „Guten Gerhard“: Kaiser Otto, der als Gründer des Erzbistums Magdeburg seine Stiftung reich ausstattet, begibt sich nicht nur selbst in die Vasallität des Bischofs (GG, V. 204–207), sondern erreicht, dass auch die Fürsten Eigenbesitz dem Bistum auftragen und als Lehen zurückerhalten: mit den fürsten warp er sâ / daz sî ir eigen gâben dran / und ez enpfiengen wider dan / mit rehter mannes lêhenschaft (ebd., V. 208–211). 156 Vgl. dazu Fiedler-Rauer 2003, der an den zahlreichen sicherheit-Vereinbarungen, mit denen normalerweise die erfolgreichen Tjoste des Protagonisten abschließen, die für diesen Roman charakteristische „Überlagerung eines lehnsrechtlichen Verhältnisses durch einen Freundschaftsbund“ (ebd., S. 61) herausarbeitet. Vergleichbare Überlagerungen von homagium und amicitia diskutiert am Beispiel englisch-französischer Friedensverhandlungen des 12. Jahrhunderts Eickels 1997; und generell zum Verhältnis von Vasall und Herr als einer „Sonderform der Freundschaft“ Ders. 2007, S. 26; weiter ausgreifend Ders. 2002. Auch im „Garel“ folgen allerdings nicht alle Friedensvereinbarungen diesem Muster eines Changierens zwischen lehnsrechtlichen Bestimmungen und vriuntschaft-/geselleschaft-Beteuerungen, die in den meisten Fällen das lehnsrechtliche Auftragungspotential der Unterwerfungsangebote überblenden: etwa die Versöhnungsszene nach Garels Sieg über den Zwerg Albewin, der nach seiner Niederlage ebenfalls seine Dienste als man anbietet (Garel, V. 6364–6367). Hier erfolgt jedoch keine Verwandlung dieses Unterwerfungsangebots in einen Freundschaftsbund, sondern es schließt sich eine Vasallitätszeremonie mit Treueid und Kuss des Herrn an: Mit aiden lobt er im zehant / Daz er immer waer / Getrew und auch gewaer. / Do daz geschach, an der stunt, / Chust in Garel an den munt, / Alz von recht ein herre seinen man (ebd., V. 6369–6374). Dass mit dieser Zeremonie tatsächlich auch eine Lehnsinvestitur verbunden ist, zeigt die spätere Bemerkung des Zwergs gegenüber Garel: Ir sult mein voget [und] mein herre sein, / Wan ich mein lant von eu han (ebd., V. 7030 f.). 157 Entscheidend sind dabei die Einkünfte: Ein insel in dem mere leit / Und ein purch unmazzen weit, / Deu ist ze dem bluenden tal genant. / Pei dem namen wil ich sein bechant. / Die lech mir der chuenich her. / Wol tausend march oder mer / Gilt si ze dem iar oder paz (Garel, V. 4233– 4239).
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ritter am Hof des Königs in anderen Artusromanen hinausgeht. Aber noch ungewöhnlicher ist die Chanadich-Erzählsequenz, die sich zunächst – mit Garels Sieg über den Riesen Malseron, dem Hauptmann der Grenzfeste von König Ekunavers Reichs, und dem Treueid des Besiegten158 – in das übliche Erzählmuster der erfolgreichen Tjost mit sich anschließenden sicherheit-Vereinbarungen einfügt, dann aber nicht nur die sich damit für Malseron (und seine drei Brüder) ergebenden Loyalitätsprobleme zwischen dem neuen und alten Herrn thematisiert, sondern auch in detailrealistischen Verhandlungen das juristische Procedere ihrer Lösung im bevorstehenden Krieg entfaltet, das Fiedler-Rauer zurecht unter dem Gesichtspunkt lehnsrechtlicher Kasus erörtert, die sich im Kriegsfall durch Mehrfachvasallität ergeben können.159 Die „Garel“-Episoden der persönlichen sicherheit-Angebote und übergreifenden Friedensverhandlungen mögen zwar im wesentlichen von Formulierungen wie Prozeduren höfischer Interaktion bestimmt sein, dennoch blitzen auch bei diesem Text immer wieder juristische wie ökonomische Details vasallitischer MehrfachBindungen, Lehnsauftragung und lehnsrechtlicher Fallkonstruktionen in einer Konkretheit auf, wie sie im 13. Jahrhundert – nach Lisa Jeffersons und Hans-Joachim Ziegelers detaillierten Studien160 – nur noch durch die so diffizile und in all ihren Problemzonen ausgeleuchtete Loyalitäts-Problematik des französischen und deutschen „Prosalancelot“ übertroffen werden. Schon diese wenigen Beispiele zeigen, dass in der deutschen höfischen Erzählliteratur des 12./13. Jahrhunderts die Gesellschaftsthematik von Vasallität und 158 Ebd., V. 11629–11670. 159 Fiedler-Rauer 2003, S. 84–90. Die mit der sicherheit-Vereinbarung eidlich versprochene Dienstbarkeit bedeutet für Malseron, dass er im bevorstehenden Krieg Garels gegen seinen ehemaligen Herrn König Ekunaver diesen nicht mehr unterstützen kann: Nu hat ewer manhait erwant, / Daz ich im dienstez ab muezz gan, / Wan ich ze dienen willen han / Eu […] (Garel, V. 11804–11807). Deshalb begibt er sich mit seinen Brüdern zu Ekunaver, um sich und seine Brüder von den bisherigen Treueverbindungen und Hilfsverpflichtungen zu lösen: Wir wellen von dir ledig sein / Unser trewen und unser sicherhait. / Ich han gesworen einen ayt, / Daz ich eu nicht helfen sol (ebd., V. 12316–12319), dann in Bezug auf Garel: Ich pin sein man, er ist mein herre (ebd., V. 12326). Dass diese Lösung des Treueversprechens zugleich mit einer Rückgabe der Lehen verbunden ist, zeigt sich im weiteren Verlauf der Verhandlungen, wenn Malseron fortfährt: herre, nemt in ewer gewalt, / Swaz wir von eu ze lehen han (ebd., V. 12334 f.). Damit haben die vier Riesen die Voraussetzung für ihre Neutralität im bevorstehenden Kampf geschaffen. Und auch die Geschenke, die König Ekunaver ihnen anbietet, lehnen sie ab: Ewerr gab sueln wir gerne enpern, / Seit wir euch dienstez nicht muegen gewern (ebd., V. 12401 f.). Erst nach dieser Auflösung des Lehnsverhältnisses der vier Riesenbrüder mit König Ekunaver bittet Malseron dann Garel, seinen neuen Herrn, auch seine drei Brüder als man anzunehmen: Ich pin worden ewer man, / Da von ich eu wol eren gan. / Nu enphahet auch in ewer gewalt / Dise drey degen palt. / Die muegt ir gern haben ze man. / Si sint eu gern undertan / Durch ewer grosz manhait (ebd., V. 12733–12739). Und nun erfolgt die Aufnahmezeremonie mit beiderseitigen Eidesleistungen: Garel der degen palt, / Enpfie die risen in sein gewalt. / Die swueren im dez ayde, / Daz si duerch lieb noch duerch laide / […] / Von im geschaiden uencz an iren tot (ebd., V. 12745–12750). – Auch swür in dez der helt gemait / daz […] (ebd., V. 12757 f.). 160 Jefferson 1993; Ziegeler 2012.
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Lehnsbesitz – von Ausnahmen wie Konrads von Würzburg „Heinrich von Kempten“161 abgesehen – nicht unbedingt einen der Ritterthematik vergleichbaren überragenden Platz einnimmt. Dennoch zeichnen sich drei Problembereiche ab, die meines Erachtens eine weitere Untersuchung lohnen: Erstens: Die literarische Vasallitäts- und Lehns-Thematik des Romanerzählens bestätigt drei zentrale Ergebnisse der neueren historischen Forschungsdiskussion: die erst im 13. Jahrhundert deutlich sichtbare „Tendenz der Verstärkung und Festsetzung des Lehnswesens“,162 die sich in einer ausgeprägten Zurückhaltung der Quellen des 12. Jahrhunderts gegenüber lehnsrechtlichen Argumentationen und Konstellationen zeige; die Existenz unterschiedlichster Leiheformen, die sich bis ins 13. Jahrhundert hinein in einer Unschärfe lehnsrechtlicher Begrifflichkeit spiegle; und schließlich die besondere Bedeutung, die der Funktionsverbund von Lehen und Vasallität im Rahmen militärischer Konfliktlösungsstrategien und in der Wirtschaftswelt der Kauf- und Tauschgeschäfte habe. Denn – zum ersten Punkt – auch für die poetischen Texte gilt Steffen Patzolds Diktum, dass man „im 12., aber auch noch im frühen 13. Jahrhundert […] nördlich der Alpen im Reich Geschichte erzählen [konnte], ohne dabei zentral von Vasallen und Lehen zu handeln.“163 Sie sind zwar in literarischen Texten des 12. Jahrhunderts in formelhaften Wendungen präsent, ohne dass sich jedoch damit spezifische vasallitisch-lehnsrechtliche Problemkonstellationen verbinden, wie es sich zunehmend in Romanen des 13. Jahrhunderts beobachten lässt. Diesem Befund entspricht eine unübersehbare Unschärfe der Lehnsterminologie in den poetischen Texten des 12. und frühen 13. Jahrhunderts, da hier – wie in den historischen Quellen – in den nicht so selten erwähnten Leihe-Akten der Bitte um bzw. der Vergabe von lêhen eine Vielfalt begrifflicher Umschreibungen164 eine präzise Bestimmung der Art dieser Leiheform verhindern und erst in Texten des 13. Jahrhunderts nicht nur zunehmend die Landleihe eine lehnsrechtliche Grundierung in ihrer Verbindung mit einem Kommendationsakt von Mannschaft/Huldigung und Treueid erhält, sondern auch immer wieder ausgesprochen detailgenaue und terminologisch präzise lehnsrechtliche Problemkonstellationen in die Romanhandlung eingebaut sind. Am auffallendsten ist allerdings der dritte Punkt, denn auch in den Höfischen Romanen wird von feudo-vasallitischen Huldigungsakten am ehesten im Rahmen von suone-Verhandlungen berichtet,165 im 13. Jahrhundert nicht selten sogar mit verblüffenden lehns- wie besitzrechtlichen Detailangaben. Wenn aber tatsächlich – wie die neuere Lehnswesen-Forschung vermutet – das Lehnswesen im deutschen Reich seine früheste Entfaltung und vielleicht sogar seine bedeutendste Funktion in der Wirtschaftswelt der Besitz161 Zur Feudalismus-Diskussion dieses Textes vgl. neben den Beiträgen von Fischer/Völker 1975 auch die Eingangsüberlegungen des Historikers Keupp 2010, während die neuere literarhistorische Forschung an diesem Text eher das Thema der Gewalt diskutiert: vgl. Brall 1989; Kellner 2002. 162 Auge 2013, S. 341. 163 Patzold 2013, S. 275. 164 Sie bedürfen dringend einer ebenso detaillierten Untersuchung wie seinerzeit die literarische Ritterbegrifflichkeit. 165 Und nicht – wie etwa in den französischen Chansons de geste – in lehnsrechtlichen Prozessen.
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rechte, Einkünfte und Investitionen hatte,166 dann mag sich daraus auch die relative Zurückhaltung der höfischen Autoren gegenüber der Thematisierung feudo-vasallitischer Interaktionsbeziehungen erklären, waren diese als Wirtschaftsfaktor doch sehr viel weniger prädestiniert für eine poetische Imagination ethischer Überhöhung, persönlichen Ansehens und höfisch-repräsentativen Glanzes, wie es sich im Falle des Themas Rittertum anbot und in der höfischen Dichtung entsprechend genutzt wurde. Dennoch fällt – zweitens – bei einer auch nur oberflächlichen Durchsicht der Höfischen Romane des 12. und 13. Jahrhunderts nicht nur die Weite des Spektrums auf, unter der die Lehns- und Vasallitäts-Thematik Eingang in die Texte findet, sondern auch ihre Verbindung mit anderen Gesellschaftsthemen. So entfernt sich eine Reihe von Texten unter den verschiedensten Gesichtspunkten von der lehnsthematischen ‚Normalverteilung‘: So bieten im 13. Jahrhundert einige Romane167 ungewöhnlich präzise, mit juristischen wie ökonomischen Details angereicherte Vasallitäts-Szenen, die in ausgeprägten lehnsrechtlichen Problemszenarien einen scharfen Blick für zeitgenössische Gesellschaftsfragen zeigen, mit den Begriffen gelt/gülte – wie etwa Konrads von Würzburg „Partonopier und Meliur“ – auf den ökonomischen Ertrag von Geldlehen abheben168 oder – ebenfalls in diesem Roman – den vasallitischen Treueid in einem expliziten Vergleich mit der Verwandten- bzw. Sohnespflicht zu einer alle anderen personalen Bindungen überragenden ethischen Maxime machen, wie wir es aus den literarischen Ritter-Imaginationen kennen.169 Demgegenüber siedeln sich im späten 12. Jahrhundert etwa Hartmanns „Erec“, in etwas abgemilderter Form auch der „Iwein“, geradezu am anderen Ende der Skala an, da sie fast auf jegliche Art von Lehns- oder Vasallitäts-Problematik verzichten170 bzw. – wie am deutlichsten in der Guivreiz-Szene des „Erec“ – die in der Formulierung enphat mich ze man171 abgerufene Vasallitätsthematik sofort auf die metaphorische Ebene der Freundschaftsbekundung überführen. Eine systematische 166 Dies zeigt Patzold 2013, S. 277–286, eindrücklich vor allem an den „Annales Stederburgenses“; vgl. aber auch Dendorfer 2004, S. 60 f., an der „Historia Welforum“ sowie übergreifend Auge 2013, S. 353. 167 So etwa Gottfrieds „Tristan“, Pleiers „Garel“, aber auch Rudolfs von Ems „Wilhelm von Orlens“ und vor allem der „Prosalancelot“. 168 Vgl. vor allem Partonopier, V. 2878, 17706 f. und 17914–17923. 169 Alius fordert im Rahmen von Kampfhandlungen seine Brüder auf, nicht dem gefangenen Vater, sondern Partonopier, ihrem Herrn, dem sie Treue geschworen haben, zu Hilfe zu eilen: ‚den vater lâzen füeren hin / und îlen wir dem künege nâch. / zuo dem sol uns hie werden gâch, / daz râte ich, werder bruoder mîn. / wir sulen im von rehte sîn / mit ganzen triuwen undertân. / man sol dem herren bî gestân / vor allen friunden, hoere ich jehen. / dar an wir hüete müezen sehen, / ob wir die hôhen sicherheit / behaben wellen und den eit, / den wir im gesworen hân‘ (ebd., V. 21562–21572). 170 Insofern kann Weigand 2002 mit einem gewissen Recht in Bezug auf Hartmanns Artusepen behaupten, „daß die höfische Erzählung nicht als Diskussionsort der lehnrechtlichen Problematik gedacht war“ (ebd., S. 830, Anm. 3). Jedenfalls dokumentiert sich in diesem Befund zugleich auch die Sonderstellung dieser beiden Texte, die sich auch in anderen Bereichen, etwa der Ritterbegrifflichkeit, zeigt. 171 Erec, V. 4475.
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Erschließung der auch untergründigen oder durch courtoise Umgangsformen überschriebenen Vasallitätsthematik des höfischen Erzählens und ihre Engführung mit anderen Formen personaler wie kollektiver Gesellschaftsbindung, vor allem Verwandtschaft und Freundschaft, würde nicht nur der in der derzeitigen historischen Feudalismus-Diskussion angemahnten historisch-anthropologischen Erweiterung des Blicks entsprechen,172 sondern möglicherweise auch eine Spezifik der zwischen höfisch idealisierenden Interaktionsformen und lehnsrechtlichen Detailrealismen changierenden Gesellschaftsdarstellung der höfischen Dichtung erschließen, die so noch nicht gesehen worden ist. Und schließlich drittens: Auch bei diesem gesellschaftsgeschichtlichen Thema verspricht ein Vergleich mit französischen Texten einen schärferen Blick für mögliche Besonderheiten der deutschen Texte, bei denen ja auch in anderen Themenbereichen immer wieder eine Tendenz zur Reduzierung bis Ausblendung gesellschaftlicher Problemkonstellationen, wenn nicht gar ein Desinteresse für gesellschaftsgeschichtliche Detailrealismen konstatiert wird. Und schon immer hat man hinter diesem Ergebnis textanalytischer Vergleiche Unterschiede auf der Ebene des gesellschaftlichen Kontextes vermutet, die für die jeweilige literarische Darstellung verantwortlich seien. In besonderer Weise stellt sich diese Frage bei den Vorlagen deutscher Übersetzungen, im Falle der Vasallitäts- und Lehns-Thematik sogar prononciert bei Chrétiens Romanen, die offenbar im Umkreis der Fürsten von Flandern und Champagne und damit in den französischen Kernlandschaften eines schon früh ausgebildeten Lehnswesen entstanden sind.173 Die für die französische Literatur ohnehin charakteristische gesellschaftsgeschichtliche Detailkonkretheit müsste dann eigentlich im Falle der Vasallitäts-/Lehnsterminologie besonders markant ausgeprägt sein. Es wird sich allerdings zeigen, dass – wie immer – die Sachlage komplizierter als vermutet ist, da zwar die französischen Texte sehr wohl Partien mit einer sehr konkreten Lehnsbegrifflichkeit und detailgenauen Vasallitätsprozeduren aufweisen, die in den jeweiligen deutschen Übersetzungen ausgespart sind. Aber es finden sich eben auch gegenläufige Beispiele, etwa Wolframs „Parzival“ mit ausgeprägten Lehns- und Vasallitäts-Szenarien gerade in den nicht von Chrétien stammenden Rahmenpartien. Jedenfalls ist die literarische Vasallitäts- und Lehnswesen-Thematik in ihrer autor-, text- und typenspezifischen Vielfalt ein noch wenig erschlossenes Feld, das vor allem im Bereich europäischer Texttypenvergleiche neue Einsichten in die gesellschaftsthematische Tiefenstruktur der höfischen Dichtung des 12. und 13. Jahrhunderts verspricht. 172 Vgl. dazu etwa Dendorfer 2004, S. 54 und 59; Althoff 2011, S. 102; neuerdings Spiess 2013, S. 15, und vor allem Auge 2013/14, der im Lehnswesen die „dritte Säule personaler Bindung im Mittelalter“ (ebd., Sp. 721) neben Verwandtschaft und Freundschaft sieht; ähnlich ebd., Sp. 733. 173 Dies gilt vor allem für Flandern; vgl. etwa Patzold 2012, S. 58–63, der – unter Verweis auf Dirk Heirbauts Arbeiten, u. a. Heirbaut 2001 – programmatisch formuliert: „In Flandern gab es spätestens seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert tatsächlich im wesentlichen ein Lehnswesen der Form, die François-Louis Ganshof in seinem Klassiker beschrieben hat.“ (Patzold 2012, S. 59).
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197; wiederabgedruckt in: White, Stephen D.: Re-Thinking Kinship and Feudalism in Early Medieval Europe (Variorum Collected Studies Series, 823), Aldershot/Burlington 2005, Nr. V. Ders.: Debate. The „Feudal Revolution“ II, in: Past and Present 152 (1996), S. 205–223. Ders.: The Politics of Exchange. Gifts, Fiefs, and Feudalism, in: Medieval Transformations. Texts, Power, and Gifts in Context (Cultures, Beliefs and Traditions, 11), hg. von Esther Cohen/ Maryke B. De Jong, Leiden/Boston/Köln 2001, S. 169–188; wiederabgedruckt in: White, Stephen D.: Re-Thinking Kinship and Feudalism in Early Medieval Europe (Variorum Collected Studies Series, 823), Aldershot/Burlington 2005, Nr. X. Ders.: Giving Fiefs and Honor. Largesse, Avarice, and the Problem of „Feudalism“ in Alexander’s Testament, in: The Medieval French Alexander (SUNY series in medieval studies), hg. von Donald Maddox/Sara Sturm-Maddox, Albany 2002, S. 127–141; wiederabgedruckt in: White, Stephen D.: Re-Thinking Kinship and Feudalism in Early Medieval Europe (Variorum Collected Studies Series, 823), Aldershot/Burlington 2005, Nr. XI. Ders.: Service for Fiefs or Fiefs for Service. The Politics of Reciprocity, in: Negotiating the Gift. Pre-Modern Figurations of Exchange (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 188), hg. von Gadi Algazi/Valentin Groebner/Bernhard Jussen, Göttingen 2003, S. 63–98; wiederabgedruckt in: White, Stephen D.: Re-Thinking Kinship and Feudalism in Early Medieval Europe (Variorum Collected Studies Series, 823), Aldershot/Burlington 2005, Nr. XII. Wickham, Chris: Debate. The „Feudal Revolution“ IV, in: Past and Present 155 (1997), S. 196–208. Winter, Johanna Maria van: Ridderschap. Ideaal en werkelijkheid (Fibulareeks, 11), Bussum 1965; deutsche Ausgabe: Rittertum. Ideal und Wirklichkeit, übers. von Axel Plantiko/Paul Schritt, München 1969. Wolfram von Eschenbach. Ein Handbuch, hg. von Joachim Heinzle, 2 Bde., Berlin 2011. Wolfzettel, Friedrich: ‚Funktion der Funktionslosigkeit‘. Zur Sizilianischen Dichterschule, in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 20 (1996), S. 461–479. Ders.: La littérature française du Moyen Âge: perspectives sociologiques (1970–2000), in: Trente ans de recherches en langues et en littératures médiévales (Perspectives médiévales, numéro jubilaire), hg. von Jean-René Valette, Gémenos 2005, S. 469–502. Wunder, Heide: Einleitung: Der Feudalismus-Begriff. Überlegungen zu Möglichkeiten der historischen Begriffsbildung, in: Feudalismus. Zehn Aufsätze (Nymphenburger Texte zur Wissenschaft: Modelluniversität, 17), hg. von Ders., München 1974, S. 10–76. Ziegeler, Hans-Joachim: Norm und Narration. Profilierung und Problematisierung des Feudalsystems in der Anfangssequenz des Lancelot-Prosaromans – eine Skizze, in: Text und Normativität im deutschen Mittelalter. XX. Anglo-German Colloquium, hg. von Elke Brüggen u. a., Berlin/Boston 2012, S. 169–197.
INTER PARES: INNERE UND ÄUSSERE REFERENZEN FÜRSTLICHER POLITIK IM SPÄTMITTELALTER Gegenwärtige Fragen an die vormoderne Geschichte Martin Kintzinger 1. DAS BILD DER „GLEICHEN“ ODER: INNEN UND AUSSEN Zeitgenossen von heute kennen die Bilder aus der Presse: Regierungschefs der europäischen Staaten treffen sich zu Gesprächen und haben im Anschluss daran einen offiziellen Fototermin. Die Krisengespräche zur Beendigung des Krieges in der Ostukraine im Februar 2015 in Minsk boten das jüngste eindrückliche Zeugnis dafür. Der weißrussische Präsident als Gastgeber, der russische Präsident, die deutsche Bundeskanzlerin, der französische Staatspräsident und der ukrainische Präsident wurden, nach dem kontroversen Verhandlungsmarathon sichtlich erschöpft, bei dem abschließenden Pressetermin in dieser Reihenfolge vor ihren jeweiligen Landesflaggen postiert, um die immer noch fragilen Ergebnisse ihrer Verhandlungen zu präsentieren.1 Die bei solchen Anlässen inszenierte Einigkeit entspricht oft nicht den Divergenzen in der Sache oder suggeriert vorschnell, dass die soeben beendeten Gespräche auch Erfolg gehabt hätten. Aber die sorgfältige Inszenierung auf dem Bild folgt ihren eigenen Regeln: Unterschiede zwischen den Protagonisten scheinen für einen Moment aufgehoben zu sein, alle sind einander gleichgestellt. Die Voraussetzung der Gleichheit im Bild gilt selbst dann, wenn das Verhältnis zwischen den Akteuren sichtbar gestört ist. Auf derartigen Fotos verhalten sich die Regierungschefs aber in jedem Fall zueinander als Amtskollegen. Im Französischen gibt es dafür das treffende Wort ‚homologue‘, etymologisch aus dem Griechischen (‚homólogos‘, von ‚homos‘ und ‚légein‘) für ‚Menschen, die übereinstimmend sprechen‘. Im Deutschen wie im Englischen kennt man den Begriff ‚homolog‘ nur im naturwissenschaftlich-medizinischen Wortfeld, im Lateinischen der Vormoderne bedeutete ‚homologare‘ bzw. ‚homologi‘ die Selbstübereignung oder die veränderte Statuszuschreibung durch Wechsel der Zugehörigkeit.2 Das Foto zeigt also, um im Lateinischen zu bleiben, die principes oder regentes als homologi oder anders gesagt: Jeder von ihnen findet sich inter pares wieder, unter seinesgleichen. Das Bild der pares, die keinen primus 1 2
Dazu das aktualisierte Blog mit Fotostrecke bei Zeit Online: Minsk Live-Blog 2015. Von den im Weiteren verwendeten Abbildungen befinden sich Abb. 2–6 als Farbabbildungen im Bildanhang am Ende des Bandes. Vgl. Du Cange 1710, Bd. 2/1, S. 862 f.
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inter se [pares] kennen, demonstrieren einen verbindenden Willen ihrer Einheit. Indem sie nach innen einig sind, können sie nach außen gemeinsam handeln, so soll die Botschaft sein. „Die EU-Außen- und Sicherheitspolitik wurde über die Jahre schrittweise entwickelt und ermöglicht es der EU, auf der internationalen Bühne mit einer Stimme zu sprechen. Gemeinsam haben die […] Mitgliedstaaten weitaus mehr Gewicht, als wenn jedes Land seine Interessen allein vertreten würde.“ So ist es auf der Homepage der Europäischen Union unter der Rubrik „Außen- und Sicherheitspolitik“ nachzulesen.3 Innen und außen gehören zusammen in der europäischen Politik, nicht nur in der Demonstration von Einigkeit. Es gibt auch den umgekehrten Effekt. Wahlen zum europäischen Parlament, zuletzt 2014, zeigen, wie unmittelbar Unzufriedenheit mit der EU-Politik die politischen Mehrheitsverhältnisse in den Mitgliedsstaaten beeinflusst, sobald dort der Eindruck entsteht, die eigenen Bedürfnisse seien durch die europäische Politik vernachlässigt oder gar geschädigt worden. Dient gemeinsame Außenpolitik vor allem der effektiveren Vertretung von Eigeninteressen, wie sie die einzelstaatliche Politik bereits bestimmen? So jedenfalls ist es der zitierten Seite von der Homepage der EU zu entnehmen. Einem wirtschaftswissenschaftlichen Informationsdienst zufolge unterscheidet sich entsprechend „das Verhalten der a[m] Handel Beteiligten nicht grundlegend [danach, ob] der Handel über eine Grenze hinweg stattfindet oder nicht“.4 Sind die Regeln für das politische und ökonomische Handeln nach innen und außen im Grundsatz dieselben und ist das Ganze einer Staatengemeinschaft oder der internationalen Wirtschaftsbeziehungen und vielleicht auch der politischen Einheit wirklich nicht mehr als die Summe seiner Teile? Ist also Außenpolitik, angelehnt an ein bekanntes Diktum Carls von Clausewitz, die „Fortsetzung der Innenpolitik mit anderen Mitteln“?5 Seit dem grausamen islamistischen Mordanschlag von Paris vom 7. Januar 2015 – ein Datum, das für die europäische Geschichte ähnlich markant in Erinnerung bleiben könnte wie der 11. September 2001 für die USA – ist ein neuer Bildtypus entstanden: Eine historisch einmalige Solidarität aller europäischen und vieler außereuropäischer Staatschefs in der Protestdemonstration in Paris vom 11. Januar 2015. Das Szenario überwunden geglaubter brutaler terroristischer Gewalt in Europa eint die Staatslenker über alle traditionellen wie aktuellen politischen Konflikte hinweg! Noch hat die Suche nach geeigneten Begriffen zur Beschreibung dieses Geschehens kaum begonnen, aber die in der Weltpresse verbreiteten Bilder sprechen bereits ihre eindrucksvolle eigene Sprache.
3 4 5
Außen- und Sicherheitspolitik 2015. Außenhandel 2012. Hacke 1997, S. 514, zitiert nach: Rosenthal 2000, S. 237. Hacke behauptet demnach, „fehlende allgemeine Gesetzgebung oder Rechtssicherheit“ kennzeichneten außenpolitisches Handeln im Gegensatz zu innenpolitischem.
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2. DAS KONZEPT VON „INNEN“ UND „AUSSEN“ Innen und außen und vor allem ihr Verhältnis zueinander waren in der Vergangenheit und sind noch heute nur scheinbar klar definierte Einheiten. Der US-amerikanische Semiotiker Charles Pierce hat 1865 im Anschluss an Immanuel Kant zwischen einer Erkenntnis „von innen“, aus dem Bewusstsein, und einer Erkenntnis „von außen“, aus Erfahrung, unterschieden.6 In der philosophischen wie in der psychologischen Reflexion ist von einer „Innen-Außen-Dichotomie“ gesprochen worden, die je nach den bevorzugten Bewertungsparametern unterschiedlich gedeutet und in der Anwendung auf bestimmte Phänomene zurückgewiesen, aber als Denkkategorie grundsätzlich bestätigt wird.7 Sie wird stets auf Kants Rechtsdenken zurückgeführt, das zwischen einem von „innen“ motivierten Tugendhandeln und einem von „außen“ motivierten Rechtshandeln ausgeht, das sowohl das positive wie das Naturrecht (als Vernunftrecht) umfasst.8 Demnach sind die für innen und außen geltenden Gründe und Normen gerade nicht dieselben, weil sie anderen Veranlassungen folgen. In allen diesen Überlegungen sind das „Innen“ und das „Außen“ trotz aller kategorialen Unterschiede wechselseitig aufeinander verwiesen. Bereits Georg Simmel hat in seiner Soziologie von 1908 exemplarisch die verbindende Zusammengehörigkeit von „innen“ und „außen“, von In- und Exklusion, betont und dies an Beispielen aus der Sozialgeschichte der mittelalterlichen Gesellschaft verdeutlicht.9 Auch die jüngste kritische Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte, Thomas Pikettys „Le capital au XXIe siècle“ von 2011, handelt von der Ungleichheit („inégalité“) als der fundamentalen und fortgeführten Tradition der sozioökonomischen Differenzierung in der modernen Welt.10 Piketty fordert eine stärker als bisher auf politische und historische Erkenntnisse bezogene ökonomische Theoriebildung. So verweist er in seiner Analyse auf die Spannung zwischen gewordenen nationalen Identitäten und einer ökonomischen Performanz, die den Bedingungen der Globalisierung folgt. Ohne die Begriffe zu verwenden, ist es wieder das Verhältnis von „innen“ und „außen“, das hier zum Thema gemacht wird.
6 7 8 9 10
Vgl. Topa 2007, S. 398–401. Mit Bezug vor allem auf Ludwig Wittgenstein: Treitz 2009, S. 145–149. Zur Deutung der Dichotomie von innen und außen als Moralität gegenüber Legalität, autonomer Wille gegenüber Willkürfreiheit: Teifke 2001, S. 43. Alexy 2005, S. 96 f. Vgl. die bewusstseinspsychologische Unterscheidung von äußerer (mittelbarer) und innerer (unmittelbarer) Erfahrung (Stuppy 2013). Simmel 1908, S. 512–532 (Kap. „Der Arme“). Piketty 2013, im Einzelnen S. 740–744, bes. S. 743 („divergence international“, „divergence oligarchique“), 827–830 („Identités nationales et performance économique“), 845–947 („Pour une économie politique et historique“), siehe z. B. S. 947: „On [les économistes] peut par exemple passer beaucoup de temps à démontrer l’existence incontestable d’une causalité pure et vraie, en oubliant au passage que la question traitée a parfois un intérêt limité. Ces méthodes [des chercheurs en économie] conduisent souvent à négliger les leçons de l’histoire et à oublier que l´expérience historique demeure notre principale source de connaissance.“
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2012 schließlich hat der Soziologe Bruno Latour in seinem Entwurf einer Anthropologie der Moderne festgestellt, eine diplomatische Verhandlung ergebe sich aus der wechselseitigen Bindung von innen und außen, sie werde zunächst innen geführt, dann außen. Aus der Geschichte wisse man, dass Diplomaten häufig zu denen, für die sie handelten, ein gespannteres Verhältnis gehabt hätten als zu den Vertretern der anderen Verhandlungspartei.11 Das Handeln nach außen folge demnach (zeitlich und sachlich) auf ein Aushandeln nach innen und dieses wirke auf jenes zurück. Zudem eröffnet Latour eine nicht nur diplomatiegeschichtlich notwendige Einsicht: Die dauerhafte Zugehörigkeit nach innen kann im Einzelfall in Widerspruch stehen zu einer temporären Nähe gegenüber Kontaktpersonen außen. Man könnte, über Latour hinausgehend, von einem potentiellen Loyalitätskonflikt sprechen. Die Formel einer „Innen-Außen-Dichotomie“ verwenden Piketty und Latour nicht, setzen sie aber gleichermaßen voraus und lösen sie, wie bereits Simmel, zugunsten einer verbindenden Wahrnehmung der distinkten Kategorien von „innen“ und „außen“ auf: „innen“ und „außen“ erweisen sich als Realisierungsfelder desselben intentionalen Handelns der Akteure. Alle drei Autoren als Verfasser von Gesellschaftsanalysen unter den Bedingungen ihrer jeweils eigenen Zeit verweisen zur Begründung ihrer theoretisch deduzierten Aussagen über das Verhältnis von „innen“ und „außen“ auf historische Exempla. 3. BILDER DER UNGLEICHEN Drei Fragen ergeben sich danach aus der Moderne an das Mittelalter: Waren „innen“ und „außen“ in der Praxis mittelalterlicher Herrschaft und Diplomatie erkennbar definiert und differenziert? War Außenpolitik lediglich die Anwendung innenpolitischer Handlungsmuster jenseits der Grenzen des eigenen Herrschaftsbereichs? Gehörten Außenpolitik, Diplomatie und internationale Beziehungen zu den erklärten Entscheidungs- und Handlungsfeldern mittelalterlicher Herrscher? Ist demnach eine bildliche Darstellung wie die Federzeichnung zum Treffen des römisch-deutschen Königs und späteren Kaisers Sigismund mit dem byzantinischen Kaiser Johann VIII. Palaiologos und König Erich VII. von Dänemark 1424 in Ofen (Abb. 1) ähnlich zu verstehen wie ein modernes Pressefoto? Inhalt und Ergebnis dieses Treffens bleiben tatsächlich weitgehend unklar und das Bild zeigt kaum mehr als die Tatsache eines diplomatischen Aktes der Außenpolitik zwischen den beteiligten Herrschern. Wenngleich unterschiedlichen Ranges, sind die Beteiligten in ihrer jeweiligen Stellung als Regenten nicht aufeinander bezogen. Es gab offenbar kein Muster für dieses Bildarrangement. Die Federzeichnung, vermutlich eine „private“ Skizze, jedenfalls kein offizielles Auftragswerk, stellt die drei Figuren deshalb scheinbar beziehungslos nebeneinander. Nicht übersehen werden darf 11
Latour 2012, S. 485: „[…] une négociation pourrait se nouer. Négociation à l’intérieur d’abord et ensuite à l’extérieur. […] Or, l’histoire de la diplomatie est là pour en témoigner, les diplomates ont souvent plus de mal avec leurs mandants qu’avec les autres parties.“
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Abb. 1:Treffen von König Sigismund mit dem byzantinischen Kaiser und König Erich von Dänemark 1424
allerdings der Rückgriff auf ein sehr altes Deutungsmuster: die zentrale Position des römisch-deutschen Königs sowie die Tatsache, dass der kaiserliche Gast zu dessen Rechter platziert ist, und selbstverständlich die Aussagekraft der beigefügten Insignien. Als pares werden die drei Fürsten zweifelsfrei nicht gezeigt. Ein spatial turn hilft hier allerdings nicht weiter. Deshalb wurde bei der Ankündigung der 2014 veranstalteten Abschlusstagung des Greifswalder „Principes“-Projekts Oliver Auge zitiert mit der Bemerkung, es sei „nach dem ‚cultural turn‘ ein gewisser ‚political return‘“ festzustellen.12 Entsprechend soll es im Folgenden um die politisch-diplomatische Praxis von Königen und Fürsten gehen. Sind auf der Federzeichnung drei souveräne Monarchen involviert, so zeigt die um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstandene Illustration der Begegnung wiederum König Sigismunds, diesmal mit Herzog Friedrich von Österreich 1425, ein Treffen zwischen einem Monarchen und einem Fürsten seines eigenen Reiches (Abb. 2).13 Vorausgegangen war ein schweres, jahrelanges Zerwürfnis, das jetzt beigelegt werden konnte. Da der Herzog den König in seinem Territorium empfing, 12 13
Vgl. Ankündigung 2014. Hier ist auch auf das Forschungsprojekt „Rang und Ordnung/RANK“ an der Universität Heidelberg (Prof. Dr. Jörg Peltzer) hinzuweisen. Vgl. Koller 1994, S. 17 f.
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würde diese Szene folgerichtig einen Vorgang der Innenpolitik sowohl des Reiches als auch des Herzogs von Österreich bezeichnen und auf Anhieb nicht als außenpolitisches Handeln eingeordnet werden. Dies zumal, da der Herzog im eigenen Territorium Gastgeber und zugleich der König auf Reichsgebiet bei einem Lehnsmann seines Reiches zu Gast ist. Sowohl das Verhältnis von Gast und Gastgeber als auch und vor allem dasjenige von König und Fürst geben allerdings eine bestimmte Konstellation der Figuren vor, die die Darstellung aber sogleich wieder auflöst: Beide begegnen sich zu Pferde, reiten linksseitig aneinander heran und begrüßen einander durch Umarmung wie Freunde oder Brüder. Nur die Krone des Königs lässt an dieser Stelle den Rangunterschied deutlich werden. Die bekannten, in den 1450er-Jahren entstandenen prächtigen Illustrationen aus der Werkstatt Jean Fouquets in den „Grandes Chroniques de France“ zur Begegnung zwischen Kaiser Karl IV. und König Karl V. von Frankreich anlässlich des Besuches des greisen Kaisers Ende 1377 in Paris (Abb. 3) zeigen wiederum zweifelsfrei ein Thema der Außenpolitik. Es folgt dem Motiv der notwendig grenzenübergreifenden Herrscherbegegnung. Auch hier ist einer der beteiligten Regenten Gast, der andere Gastgeber. Auch hier werden die Rangunterschiede in ganz gleicher Weise situativ überbrückt: Beide Monarchen begegnen sich zu Pferde, reiten linksseitig aneinander heran und deuten eine freundschaftlich-brüderliche Umarmung an. Dass der Zeichner den königlichen Gastgeber (seinen Auftraggeber) gegenüber dem kaiserlichen – und insofern mit einem Geltungsvorsprung ausgestatteten – Gast zweifelsfrei eindrucksvoller darstellt, ist unübersehbar: diesen mit einem schlichten Reisekittel, jenen im Prunkornat, das Pferd des Gastes im Kontrast zu seiner Kleidung mit der prächtigen Schabracke des gastgebenden Königreichs und, nicht zuletzt, den Gast auf einem dunklen und den Gastgeber exklusiv auf einem weißen Pferd.14 Anlass, Verlauf und Ergebnis des „Staatsbesuches“ werden in der Bilderfolge an keiner Stelle erkennbar. Die Werkstatt der Illuminatoren hatte offenbar allein den Auftrag, das Rangverhältnis zwischen König und Kaiser entsprechend der Deutung des Pariser Hofs darzustellen. Nicht das außenpolitische Handeln der beiden Herrscher wird somit zum Thema, sondern die repräsentative Selbstdarstellung des Königs von Frankreich. König und Fürst können in der einen Bildkomposition zweifellos nicht als pares gesehen werden, König und Kaiser in der anderen ebenso wenig. Während aber der König dem Fürsten gegenüber in seinem Statusvorrang gezeigt wird, verhält es sich hier anders: König und Kaiser werden im gemeinsamen Vollzug von rituellen Handlungen als gleichrangig gezeigt, womit der König gegenüber dem Kaiser aufgewertet und zudem durch dezente Details ihm sogar vorgeordnet wird. Nicht anders als dem Kaiser ergeht es dem englischen König Eduard IV. auf einer weiteren Illustration Fouquets in den „Grandes Chroniques“ (Abb. 4): Obwohl im königlichen Ornat und mit Krone auf dem Haupt, wird er in der knienden 14
Vgl. Kintzinger 2003a. Für die in der Vortragsdiskussion genannten weiterführenden kunsthistorischen Hinweise auf die Darstellung des repräsentativen Brokatstoffes am Gewand des französischen Königs danke ich Prof. Dr. Matthias Müller (Mainz). Vgl. Keupp 2010, bes. S. 143–157 (Kap. „Die Diplomatie der Kleider“).
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Haltung des Lehnsmanns am Thron seines Lehnsherrn gezeigt. 1273 musste sich Eduard I. für die Belehnung mit dem (strategisch wichtigen) Herzogtum Guyenne gegenüber Philipp IV. in Paris dieser Zeremonie beugen, obwohl sie für ihn als König und insofern Gleichrangigen gegenüber dem französischen König nicht angemessen war. Der Konflikt um die Belehnung der englischen Könige mit ihrem Stammland, dem Herzogtum Normandie, wurde aus demselben Grund über Generationen fortgeführt. Ein Herzog der Normandie konnte und musste sich als Lehnsmann des Königs von Frankreich inszenieren lassen, für einen König von England war dies mit seinem Rang unvereinbar. Wenn beide Ämter in einer Person zusammenfielen, ergab sich ein mit den Regeln der höfischen Inszenierung nicht lösbares Problem. Es wurde dann von beiden Seiten so dargestellt, wie es zur Demonstration des eigenen Vorrangs und zur Rangminderung des Gegenübers geboten schien. Entsprechend findet sich dieselbe Szene in anderen Handschriften der „Grandes Chroniques“, die noch einer früheren Fassung aus dem Ende des 14. Jahrhunderts entstammen, in differenter Darstellung: Betont wird dort weniger die Geste der Unterordnung als diejenige der brüderlich-freundschaftlichen Umarmung, wie wir sie aus den Szenen der Herrscherbegegnungen zu Pferde kennen. Die faktisch identische Rechtslage – den unvermeidlichen Lehnseid eines souveränen Fürsten vor einem anderen souveränen Fürsten für ein Territorium in dessen Reich – konnte also durch sehr unterschiedliche Narrationen im Bildarrangement dargestellt werden. Offensichtlich legte man zunächst, in der Chronikfassung des 14. Jahrhunderts, noch Wert auf die Gleichrangigkeit der Beteiligten, die durch den Lehnsakt nur situativ gemindert, durch die demonstrative, freundschaftliche Umarmung aber wiederhergestellt worden war. In der Fassung des 15. Jahrhundert wurde die Deutung genau umgekehrt vorgetragen: Obwohl der zur Lehnshuldigung Verpflichtete als König seines Reiches gleichrangig mit dem König von Frankreich war, zeigt die Huldigungsszene doch dessen Überlegenheit jenem gegenüber. Zwischen den Entstehungsdaten der Fassungen der „Grandes Chroniques“ lag nicht weniger als die Eskalation des langen, seit 1337 kontinuierlich andauernden Konflikts zwischen beiden Reichen durch die militärische Besetzung eines großen Teils Frankreichs 1415 und schließlich deren Überwindung 1453. Nun wollte der französische König den schwer errungenen Sieg über die englischen Okkupatoren inszenieren und den seit 1340 erhobenen Anspruch der englischen Könige auf den Thron Frankreichs sichtbar zurückweisen.15 Dafür ließ sich eine eindrückliche Imagination zu der fast zweihundert Jahre zurückliegenden Belehnungsszene nützlich in Szene setzen.
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Dieses Problem stellte sich in ähnlicher Form allen, auch späteren Fürsten eines Reiches, die durch die Übernahme der Krone eines auswärtigen Reiches dort Könige geworden waren, im Reich ihrer ursprünglichen Zugehörigkeit aber Fürsten geblieben waren. Die Entstehung des Königreichs „in“ Preußen 1701 kannte dieses Muster ebenso wie die Herrschaft des Hauses Hannover auf dem britischen Thron von 1714 bis 1901 und dort wohl selbst das Haus CoburgGotha seither und bis zu seiner Umbenennung in „Windsor“. Mit diesem Schritt hatte man die Fiktion bemüht und aus einem deutschen Fürstenhaus ein englisch-britisches gemacht.
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Die Illustrationen sind also einerseits durch die Codierung der Bildarrangements im Deutungshorizont der westeuropäischen Hof- und Adelskultur lesbar, ihr Verständnis erfordert aber stets die Einrechnung des Entstehungs- wie auch des beabsichtigten Wirkungskontextes. Ob pares gezeigt werden oder ein primus die Szenerie dominiert, ergibt sich nicht ohne Weiteres aus der Realität, sondern erst aus dem situativen Entstehungskontext und der jeweiligen Wirkungsabsicht der bildlichen (wie selbstverständlich auch der textlichen) Darstellungen. 4. DIE DOPPELTE BEDEUTUNG DER BILDER Historische Realität und deutende Fiktion – so die aufwendige Wiedergabe des Prunkornates des gekrönt knienden englischen Königs in der Illustration Jean Fouquets – verbinden sich vielfach zu einer suggestiven Narration. In der Belehnungsszene wird sie gerade durch die sinnfällige bildliche Darstellung zur Stütze der Selbstvergewisserung der französischen Krone. Selbstvergewisserung im Inneren erforderte die Abgrenzung nach außen, die sich durch den Streit um den Vorrang und die konstruierte rituelle Deklassierung des eigentlich ranggleichen Gegenübers ausfechten ließ. Zu diesem Zweck wurde das in der Chronistik Berichtete entsprechend geglättet und mit Konstruktionen fiktiver, aber einprägsamer Szenengestaltungen angereichert. Nicht um die Darstellung des Handelns nach außen ging es dabei vorrangig, sondern um die Repräsentation des eigenen Herrschaftsanspruchs der französischen Krone nach innen, sozusagen gespiegelt im Verhältnis des Königs zu den Herrschern anderer Reiche. Man tat dabei nur, was andere zeitgleich auch taten. Schon der universale Geltungsanspruch eines Kaisers des Heiligen Römischen Reiches beispielsweise und sein Verlangen nach sichtbarer Inszenierung seiner Prärogative allen christlichen Königen gegenüber hatte in der politischen Realität etwas Fiktives. Obwohl der Titel und die damit ausgedrückten Ansprüche über Generationen gewachsen und zur legitimen Tradition geworden waren, standen sie doch im 14. und 16. Jahrhundert nicht mehr für faktische Macht. Der auf einen symbolischen Vorrang reduzierte Geltungsanspruch des Kaisers erleichterte dessen Adaptation durch andere Höfe zu eigenen Zwecken. Vermutlich um 1415, zeitgleich mit dem Beginn der Besetzung Frankreichs durch England, entstand in der Werkstatt des so genannten Boucicaut-Meisters eine Illustration, die die Rückkehr Karls des Großen von seinem Feldzug in die spanische Mark nach dem Tod Rolands zeigt (Abb. 5). Eine legendarische Episode zu der Niederlage Karls des Großen 778 gegen die Basken, die seit dem 12. Jahrhundert in der literarischen Figur des Rolands gestaltet wurde, bildet den Hintergrund für eine im 15. Jahrhundert politisch aussagekräftige Geschichtskonstruktion: Karl der Große ist durch die typisierte (ottonische) Bügelkrone des Heiligen Römischen Reiches und den Reichsadler auf dem Wappenrock erkennbar. Der Wappenrock des Kaisers und das Wappen auf der Fahne seiner Ritter nimmt aber zugleich ein altbekanntes ikonographisches Muster auf, die hälftige Aufteilung der Bildfläche in die Darstellung des Reichsadlers rechts und der Fleur-
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de-Lys links.16 Das Motiv der Lilie repräsentiert die französische Monarchie und war seit dem 13. Jahrhundert im Wappen des Königreichs Frankreich zu finden. Der heraldischen Validität entsprechend, wird auf der vorrangigen rechten Seite das Reichswappen gezeigt und zudem durch die Farbe Rot auf dem Schild eines der Ritter zugleich der Anspruch des Kaisers auf die Herrschaft über die Stadt Rom geltend gemacht. Wie üblich wird die historische Figur des Kaisers in eine für die Entstehungszeit des Bildes, also des frühen 15. Jahrhunderts, typische Szenerie hineingestellt. Dass Realität und Fiktion hier vermischt oder, genauer, zu einer neuen Aussage gefügt werden, war intendiert und den Zeitgenossen selbstverständlich bewusst. Mit der Figur des Kaisers wird in der Fiktion das Äußere zu einem Bestandteil des Inneren, der Legitimation und dem Rang der eigenen Krone. Der reale kaiserliche Hof vermochte diese Inanspruchnahme seiner eigenen Tradition durch andere Höfe, namentlich denjenigen der französischen Könige, in keiner Weise zu beeinflussen. Die Berufung auf Karl den Großen war, wie man heute sagen würde, gemeinfrei. Innen und außen, die Grenzen von eigener und fremder Tradition, von Königreich und Kaiserreich, lösten sich angesichts solcher Narrationen auf. Gerade weil das Kaisertum im späten Mittelalter lediglich symbolischen Vorrang beanspruchen konnte, war seine Würde für jeden christlichen König adaptierbar, was von den französischen Königen in einer einzigartigen Weise genutzt und zu einem Element ihrer eigenen historischen Legitimation ausgestaltet wurde. Dies hatte auch unmittelbare Konsequenzen für die aktuellen politischen Verhältnisse: Bei repräsentativen Anlässen war der Kaiser ein gern gesehener Gast, sofern er sich in den am gastgebenden Hof gesetzten zeremoniellen Rahmen einfügte und keinerlei Hoheitsrechte beanspruchte. Darauf hatte man, wie erwähnt, offenbar auch anlässlich des Kaiserbesuchs von 1377 sehr genau geachtet. Jedenfalls legte man 80 Jahre später, bei der Überarbeitung der Hofchronistik, besonderen Wert auf diese Lesart der kollektiven Erinnerung. Den Kaisern des 14. und 15. Jahrhunderts waren diese Gegebenheiten im Ganzen bewusst. Dies führte insbesondere zu einer zunehmend verdichteten Konzentration auf eine dynastische Territorialpolitik, insbesondere unter dem Luxemburger Karl IV. und wieder unter dem Habsburger Friedrich III. Hinter deren außenpolitischen Unternehmungen verbarg sich zumeist die von den Zeitgenossen vielfach gescholtene Selbstbeschränkung auf das eigene Haus und Territorium innerhalb der von ihnen regierten Reiche. Eine der wenigen belastbaren Annahmen für die Absichten, die Kaiser und König mit dem Besuchszeremoniell in Paris 1377/78 verbunden haben könnten, ist ebenso zu verstehen: Der Kaiser wollte seinen im Vorjahr 1376 zum deutschen König gewählten Sohn Wenzel vorstellen und in die Politik zwischen den Höfen einführen und der französische König suchte im Gegenzug die Belehnung seines ältesten Sohnes, des Dauphin, mit der Franche Comté (in den „Grandes Chroniques“ wird rangsteigernd auf die Tradition des alten Arelats verwiesen) zu erhal-
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Für das Folgende verdanke ich Proff. Dres. Werner Paravicini (Paris/Kiel) und Bernd Schneidmüller (Heidelberg) wertvolle Hinweise in der Diskussion.
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ten.17 Nicht zu übersehen ist dabei, dass die beiden Herrscher einander verwandt waren und der jetzige Kaiser in seinen Jugendjahren am Hof des damaligen Königs von Frankreich und Vaters Karls V. erzogen worden war. Persönliche und dynastische Verflechtungen standen also unmittelbar im Hintergrund des diplomatischen Aktes von 1377/78. Die genannten dynastiepolitischen Ziele wurden beide erreicht. In den „Grandes Chroniques“ wird die Belehnung des Dauphins im Text erwähnt und wie eine Zwangsläufigkeit behandelt, aber nicht im Bild gezeigt. Hingegen wird der unter Bruch der Vorgaben der Goldenen Bulle von 1356 zu Lebzeiten des kaiserlichen Vaters gewählte Wenzel absichtsvoll als zögerlicher, unfertiger junger Mann im Schatten seines alten Vaters dargestellt. Die Wahl Wenzels war 1376 erfolgt, also unmittelbar im Vorjahr des Besuches in Paris. Der König von Frankreich ließ den Kaiser als sein Gegenüber zeigen, während der deutsche König offensichtlich keine Gleichrangigkeit beanspruchen konnte. Für die angesichts des Alters des kaiserlichen Vaters erwartbare und tatsächlich bereits im Folgejahr 1378 durch dessen Tod eingetretene Vakanz im Kaisertum und das künftige Verhältnis zum deutschen König waren damit Zeichen gesetzt, so sollte es jedenfalls im Rückblick dargestellt werden. Bei der Verabschiedung der Goldenen Bulle auf dem Hoftag von Metz 1356 war der jetzige französische König, damals soeben nach der Gefangenschaft seines Vaters in England Regent Frankreichs geworden, persönlich zugegen gewesen. Diese Erfahrung hatte ihn offensichtlich zu dem Auftrag eines eigenen „Verfassungstextes“ zur Thronfolgeregelung veranlasst, des 1364 abgeschlossenen „Livre du sacre“.18 Darin wird die komplizierte Abstimmung zwischen dem erblichen Anspruch des regierenden Hauses auf die Krone Frankreichs und der obligatorischen Akklamation der fürstlichen Elite minutiös dargelegt und somit der fundamentale Unterschied zwischen der Thronfolgeregelung im Königreich Frankreich und dem römisch-deutschen Reich manifestiert. Es ist eine offene Frage, ob in der faktisch dynastisch begründeten Königswahl Wenzels als Bruch der Ordnung von 1356 oder in den in der Historiographie vielfach beschriebenen schlechten persönlichen Erfahrungen mit Wenzel der tiefere Grund für dessen negative Darstellung in der französischen Historiographie und so auch den „Grandes Chroniques“ zu sehen ist.19 Sollte der Bruch der Goldenen Bulle eine tragende Rolle in der Wahrnehmung des französischen Hofes gespielt 17
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Über die sonstigen rekonstruierbaren Verhandlungsgegenstände und Absichten Karls IV. und Karls V. im Kontext internationaler dynastischer Politik insbesondere in Ostmitteleuropa wie auch des Papstschismas, die beide zu einer Konkurrenz zwischen den Häusern Valois und Luxemburg führten, muss an dieser Stelle nicht gehandelt werden. Zuletzt dazu Schwedler 2008, S. 297–329. Vgl. Kintzinger 2009. Zur Rezeption Wenzels am französischen Hof: Ders. 2007. Inwieweit die Wahl Wenzels 1376 im Reich wie insbesondere in Frankreich als Ordnungsbruch verstanden worden ist, bedarf noch genauerer Nachweise. Formal konnten sich die Verteidiger der Rechtmäßigkeit der Wahl Wenzels vivente imperatore darauf beziehen, dass die Goldene Bulle nicht eindeutig den Tod des regierenden Kaisers als Voraussetzung der Wahl eines neuen Königs ausgewiesen habe.
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haben? Ohne weitere Erklärung scheint diese Vorstellung eines „Verfassungsvergleichs“ als Strategie des französischen Hofes abwegig. Aber allein die Tatsache könnte in diese Richtung deuten, dass der Regent Karl aus seiner Erfahrung der persönlichen Zeugenschaft bei der Verabschiedung der Goldenen Bulle unmittelbar nach seinem Regierungsantritt als König 1364 ein strukturell sehr ähnlich angelegtes Werk schreiben ließ, aber mit dem erheblichen und programmatischen Unterschied, dass dieses nicht einen Wahlmodus, sondern das bewährte Verfahren der Weitergabe der Krone innerhalb der regierenden Familie zu beschreiben und damit zu legitimieren hatte. Sicher ist allemal, dass Karl V. sowohl angesichts der schwierigen Durchsetzung seines Thronanspruchs an einer Stabilisierung des Erbgedankens gelegen sein musste und er diesen in tatsächlicher Kenntnis des Wahlverfahrens im Nachbarreich formulieren konnte. Eine abwägende Bewertung des Wahlverfahrens war damit nicht beabsichtigt, sondern ausschließlich der Nachweis der (modern gesprochen) vermeintlichen Alternativlosigkeit und traditionalen Bewährung des eigenen, auf Erbe und Nachfolge basierenden Verfahrens der Thronfolgeregelung. Es mag zu den Gepflogenheiten der Diplomatie gehören, das Wesentliche nicht zu sagen und nicht zu zeigen. Angesichts der in den „Grandes Chroniques“ mitgeteilten Details erstaunt die Fülle scheinbar marginaler Abläufe bei dem Kaiserbesuch von 1377/78: der Pferdewechsel, Begrüßungen und Begegnungen, Einritte und Empfänge. Dass die Situation der Verhandlungen fehlt, kann nicht erstaunen, sie wurden auch ansonsten niemals dargestellt. Aber das Zusammentreffen des Kaisers mit dem König und den Fürsten Frankreichs zu politischen Gesprächen war zweifellos real inszeniert worden und hätte insofern dargestellt werden können. Die am Hof mit der Chronik verbundene Aussageabsicht war indes eine andere: Sie sollte bezeugen, dass es dem königlichen Gastgeber eindrucksvoll gelungen sei, dem alten Lehrsatz des rex Franciae imperator in regno suo, der sichtbar gemachten Prärogative des Königs von Frankreich in seinem Reich gegenüber allen anderen Herrschern, auch dem Kaiser, durch vorausschauende und erfolgreiche Inszenierung Geltung zu verschaffen. Genau diese gewichtige Aussage wurde im Text der „Grandes Chroniques“ erklärt und in den Illuminationen gezeigt, so banal die dazu gezeigten Szenen sich im Einzelnen auch ausnehmen mögen. Sie illustrieren, anders gesagt, die grundlegende Bedeutung der inneren herrschaftspolitischen Ordnung für die Stabilisierung der Kontakte nach außen (streng genommen also nicht diese selbst). Die bisher referierten bildlichen Szenen zwischen Königen, unter Einschluss des Kaisers, sind in großer Zahl dargestellt worden, zumeist als Illuminationen in historiographischen Werken, und sie folgten den hier skizzierten Ordnungen des Bildarrangements. Insofern waren sie für die europäische, zumindest die westeuropäische Hofkultur repräsentativ und konnten an den Höfen und von dem dort präsenten Adel gelesen und verstanden werden. Daher kann die eingeschränkte Öffentlichkeit der Hofgesellschaft als Adressat der Bilddarstellungen angesprochen werden, die die Details der Darstellung gleichermaßen verstanden haben wird: Die feinen Unterschiede zwischen den gezeigten Figuren und in ihrem Verhältnis zueinander, die dezente Sichtbarkeit von Rangunterschieden und die Tatsache, dass
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stets und ausnahmslos eine Hierarchie zwischen den Beteiligten beachtet wurde. Gerade dann, wenn sie inter pares zu sein schienen, stellte das Bildarrangement klar, worauf zu achten war, um die intendierten Aussagen zu erkennen, und sie lagen gerade nicht in einer Visualisierung von Gleichrangigkeit. Stets erklärten sich die Bildformationen aus den Eigeninteressen der dargestellten Personen. Gerade indem sie Außenkontakte zeigten, markierten sie die besondere Bedeutung des Inneren, der herrschaftlichen, territorialen und dynastischen Interessen bei deren Gestaltung. Politik nach außen, so scheint es, war stets eine Fortführung, wenn nicht ein Spiegel der inneren Verhältnisse in den beteiligten Reichen. Dass die Illuminationen ausnahmslos von königlichen Akteuren handeln und fürstliche Personen unterhalb königlichen Ranges nicht allein oder in Verbindung mit ihresgleichen, sondern nur im Verhältnis zu königlichen Akteuren gezeigt werden, ist noch nicht zu erklären, aber festzustellen. Fürstenbegegnungen jeder Art sind offenbar nicht in bildlicher Form repräsentiert worden, obwohl von ihnen in Chroniken berichtet wird.20 Die Beteiligung von Fürsten bei Begegnungen von Königen ist ebenfalls chronikalisch ausgiebig bezeugt, aber nicht bildlich repräsentiert worden. Unter dem Gefolge der Könige dürfen bestimmte fürstliche Personen ihrer Reiche vermutet werden, identifizierbar dargestellt sind sie aber nicht. Entsprechend gilt diese Feststellung für repräsentative Inszenierungen an einem Königshof wie auch für Prozessionen oder sonstige öffentliche Veranstaltungen der Hofgesellschaft.21 Umso mehr ist festzuhalten, dass es zwei Bildtopoi gibt, die gerade auf das Handeln fürstlicher Personen abzielen. Eine davon ist die Legitimation des Königs bei seiner Inthronisierung durch die kollektive symbolische Zustimmung der Elite der Reichsfürsten, im römisch-deutschen Reich durch die rituellen Dienste der Kurfürsten an der Tafel des Königs, im Königreich Frankreich durch die Akklamation und die Geste der sustentatio, die die Pairs am Thronsessel des soeben investierten Königs vollziehen. In beiden Varianten handeln die Fürsten allerdings nicht „nach außen“, also nicht jenseits der Grenzen ihres Territoriums, sondern unabhängig davon in dem eigens definierten exklusiven Handlungsraum der Königserhebung und sie handeln als Legitimatoren ihres Königs innerhalb von dessen Reich. Dabei definiert der Text der Goldenen Bulle von 1356 die Stellung des gewählten Königs aus der Gruppe der Kurfürsten, die ihn soeben gewählt haben, als primus inter pares und die Illustrationen in der Ausgabe von 1400 zeigen diese Formation sinnfällig an. Hingegen wird im „Livre du sacre“ von 1364 die Position des aus der väterlichen Nachfolge legitimierten neuen Königs zwar in enger, symbolischer Verbin-
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Die Diskussion auf der Greifswalder Tagung führte zu der allgemeinen Feststellung, dass auf diesem Feld noch ein Forschungsdesiderat besteht. Vgl. zur frühneuzeitlichen Territorialgeschichte den Katalog der Brandenburgischen Landesausstellung 2014: Preußen und Sachsen 2014. Das Titelbild gibt die Darstellung eines zeitgenössischen Ölgemäldes des 17. Jahrhunderts wieder, auf dem die beiden Kurfürsten sich in der Freundschaftsgeste des Händehaltens zeigen lassen. Vgl. Schwedler 2008, S. 284–288.
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dung zu den Pairs (pares), die keinen Anteil an der Auswahl haben, gezeigt, jener aber diesen nicht als primus gegenübergestellt.22 Wenn es um die ritterliche Ehre ging und die Kultur der Wappen zum Tragen kam, war offenbar die Stunde der bildlichen Darstellung von Fürstentreffen gekommen. Wenn fürstliche Kombattanten, erkennbar an ihrer eigenen heraldischen Kennzeichnung in den prachtvollen Schabracken ihrer Pferde, in das Turnier zogen, waren sie als sie selbst erkennbar. Derartige Turnier spielten sich allerdings in aller Regel innerhalb eines Reiches ab, versammelten dessen adelige Elite und hatten mit Außenpolitik wenig zu tun. In außenpolitischen Kontexten sind fürstliche Personen dann mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht, beschrieben und abgebildet worden, wenn sie in außerordentlicher Art und Weise die üblichen Begrenzungen ihres Handlungsspielraumes überschritten. Dies gilt für jene Fürsten insbesondere der Grenzregion zwischen dem Königreich Frankreich und dem deutschen Reich, die sich durch virtuose Handhabung von Mehrfachvasallitäten bedeutende Freiheiten zwischen den benachbarten Königreichen sichern konnten. Herzog Karl der Kühne von Burgund war nur einer dieser Fürsten, repräsentierte aber in einzigartiger Weise die Möglichkeiten territorialfürstlicher Expansion und Bedeutungssteigerung zwischen den Kronen. Karls des Kühnen Treffen mit Kaiser Friedrich III. 1473 in Trier, auf dem die später realisierte Eheschließung seiner einzigen Tochter mit dem habsburgischen Erbprinzen vereinbart wurde, die Verhandlungen über eine Statuserhöhung des Burgunders durch Verleihung einer Königskrone aber scheiterten, ist in der vergleichsweise ungelenken Zeichnung von Diebold Schillings des Älteren seit 1460 entstandener Chronik bezeugt. Man sieht beide fürstliche Personen in einer geradezu bürgerlichen Manier und ohne jegliche zeremonielle Rahmung an der Tafel sitzen. In der Luzerner Chronik Diebold Schillings des Jüngeren (entstanden zwischen 1511 und 1513) ist ähnlich ein Zusammentreffen des Burgunders mit Herzog Sigmund von Österreich von 1469 anlässlich dessen Verpfändung der habsburgischen Besitzungen im Elsass und Breisgau dargestellt, das beide in der Verhandlungssituation zeigt. Zwei Fürsten herzoglichen, nicht königlichen Ranges, die zu unterschiedlichen Reichen gehörten, begegnen sich in dieser Szene zu politischen Verhandlungen und dem Abschluss eines Vertrages. Dieses Bildmotiv ist neu. Wie bei anderen Themenfeldern auch wäre denkbar, dass sich mit dem Übergang zum 16. Jahrhundert die Bildarrangements änderten, und mit einem stadtbürgerlichen Entstehungsumfeld sind in den beiden bezeichneten Fällen ohnehin die Deutungskontexte andere geworden.23 Aber auch hierzu bedarf es noch weiterer Untersuchungen. Das höfische Format zur Abbildung von Begegnungen zwischen Monarchen war weiterhin unverändert geblieben. 1540 trafen sich Kaiser Karl V. und der französische König Franz I. in Paris, um eine kurze Phase der Annäherung inmitten ihres seit langem mit heftiger militärischer Gewalt ausgetragenen und auch kurz 22 23
Vgl. Kintzinger 2009. Vgl. Ders. 2003b, S. 45 und 49.
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danach wieder fortgeführten Konflikts zu zelebrieren.24 Der Einzug in der von Prozessionen und Papstempfängen bekannten Form unter dem Baldachin zeigt beide Monarchen (inzwischen porträthaft zu identifizieren) einträchtig nebeneinander zu Pferde, der gastgebende König von Frankreich selbstverständlich auf der rechten Seite und auf dem weißen Pferd reitend (Abb. 6). Im Gefolge werden weltliche wie geistliche Männer erkennbar. So könnte die Szene ausgesehen haben 1540. Tatsächlich ist dieses Bild aber ein weiterer Beweis für die Nutzung der Fiktion: Es ist fast zwanzig Jahre nach dem Ereignis entstanden und der feierliche gemeinsame Einzug ist schlicht Erfindung im Gewand der bekannten Inszenierungsformen.25 Tatsächlich hat der französische König seinen kaiserlichen Gast in der Stadt empfangen, was nicht in bildlicher Darstellung überliefert ist. 5. PRINCIPES – HANDLUNGSSPIELRÄUME NACH AUSSEN? Zeigen die Bilder von Herrscherbegegnungen königlicher und in ihrem Gefolge auch fürstlicher Personen lediglich Muster und Formen traditioneller Bildarrangements oder lassen sie tatsächlich eine bewusste oder sogar programmatische Unterscheidung von „innen“ und „außen“ in der Politik der spätmittelalterlichen Reiche erkennen? Sollten sie die in der westeuropäischen Adels- und Hofkultur bekannten Vorstellungen etwa von Ehre, Rang und Repräsentation oder auch von Freundschaft (amicitia) und der Nähe personaler Bindung inszenieren und dafür jede Bühne nutzen, auch die der „Außenpolitik“? Oder macht es einen Unterschied, ob sich solche Vorstellungen im Innenverhältnis zwischen dem König und den Fürsten desselben Reiches oder im Außenverhältnis zwischen Königen verschiedener Reiche beobachten lassen? In dem in der Reihe „Residenzenforschung“ 2002 erschienenen Band „Principes. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter“, dem programmatischen Auftaktband zu dem Greifswalder Projekt, fasste Karl-Heinz Spieß in seiner Einführung leitende Stichworte zum Thema zusammen: Zunächst und vor allem die Dynastie, sodann der Hof, schließlich die Reichsfürsten (jene Principes, die dem Projekt den Namen gaben). Es sollte von „dem sozialen Beziehungsnetz sowie der inneren Struktur und der Rangordnung der spätmittelalterlichen Reichsfürsten“ sowie von „Erinnerungskultur“ und „Herrschaftsrepräsentation“ die Rede sein.26 Wenn man heute zu dem Fachbegriff der Reichsfürsten jenen der Pairs oder anderer Eliteformationen des regierenden fürstlichen Adels anderer Königreiche hinzuzählt, so ist mit den genannten Stichworten auch die Grundlage des Funktionierens von Außenpolitik im europäischen Spätmittelalter bezeichnet.
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Vgl. Ders. 2011. Die Inszenierung folgt hier auch dem spätantiken Bildmuster zur Darstellung der Begegnung Kaiser Konstantins mit Papst Silvester; für den Hinweis danke ich Dr. Bernard van Wickevoort Crommelin (Greifswald). Spiess 2002, hier S. 9 f., die Zitate ebd. und S. 13.
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Obwohl das „Principes“-Projekt diesen Anspruch nicht, jedenfalls nicht in dem Band von 2002, vertrat, zielten zwei Beiträge des Bandes auch auf einen solchen Horizont, diejenigen von Peter Moraw und Werner Paravicini. Moraw unterschied sehr detailliert eine „Reichsinnenpolitik“ der Kurfürsten von einer „innerterritorialen Seite fürstlicher Existenz“ und setzte diese von der Erscheinung eines Landes „nach außen hin“ ab.27 Moraw hat sich als einer der ersten deutschsprachigen Mittelalter-Historiker seit spätestens Ende der 1980er-Jahre für eine programmatische Erforschung der Außenpolitik im Spätmittelalter ausgesprochen.28 Er ging dabei stets von fürstlich-dynastischer Politik aus und von der Grundthese, dass Innenund Außenpolitik strukturell zusammenhingen: Verfahren und Instrumente von Außenpolitik seien aus denjenigen der Innenpolitik abgeleitet gewesen und zu erklären.29 In seinem Beitrag im Sammelband von 2002 wie auch seinen sonstigen Studien sprach Moraw deshalb nicht von einer erklärten, programmatischen oder gar theoretisch begründeten Politik nach außen, sondern von einer (in Parenthese gesetzten) Innenpolitik oder innerterritorialen Politik einerseits und von der Wahrnehmungswirkung eines Territoriums oder Reiches sowie seiner inneren Strukturen „nach außen hin“. Dieser Befund bestätigt sich auch anhand des zweiten hier zu zitierenden Beitrags aus dem „Principes“-Band von 2002, desjenigen von Werner Paravicini, der das evident unterschiedliche Repräsentationsverhalten Ludwigs XI. von Frankreich, der durch irritierende Schlichtheit auffiel, und Karls des Kühnen von Burgund, der eine geradezu aufdringliche Pracht entfaltete, vergleichend untersucht.30 Die Regel, wonach ein König auch unköniglich handeln könne, ein Fürst, der König werden wolle, aber nicht, erklärt den Unterschied treffend. Für den hier interessierenden Zusammenhang ist insbesondere bemerkenswert, dass Paravicini eine unerklärte Bezogenheit der Akteure auf den wechselseitigen Rangabgleich durch intentionale Repräsentationsgestaltung voraussetzt. Das Handeln nach außen setzt die Inszenierung der eigenen Selbstvergewisserung (auch) in Bezug auf ein bestimmtes Gegenüber voraus. Politik „nach außen“ ist deshalb keineswegs marginal, sekundär oder beiläufig. Sie wird sehr bewusst gestaltet, gerade weil sie in Zielen und Methoden den Wertsetzungen aus dem Inneren des eigenen Herrschaftsbereichs folgt und den jeweils spezifischen Absichten und Planungen in Bezug auf die eigene herrscherliche Stellung. Vielleicht könnte man sogar davon sprechen, dass die Politik „nach außen“ einen Spiegel der Politik „im Inneren“ darstelle. Ein Konzept von Außenpolitik als Horizont eines politisch Gestaltbaren oberhalb und jenseits des eigenen Zuständigkeitsbereichs ist im Spätmittelalter bereits in Traktaten und Theorien angedeutet, in der praktischen Politik königlichen und fürstlichen Handelns aber noch nicht identifizierbar.31 Allerdings war die Einsicht 27 28 29 30 31
Moraw 2002, S. 21. Vgl. „Bündnissysteme“ 1988. Vgl. Kintzinger 2000, S. 17 f. Paravicini 2002. Fürstenspiegel enthalten als rezeptive Textgattung mit Bezug auf autoritative Vorläufertexte nicht vor dem 15. und sodann ab dem 16. Jahrhundert genauere Hinweise auf eine Politik nach
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erkennbar vorhanden, dass die Erreichung der eigenen Ziele auch und zunehmend ein Engagement jenseits der eigenen Territorial- oder Reichsgrenzen erforderte. Der andere, das politisch-diplomatische Gegenüber, war nicht das Ziel des eigenen Handelns, wurde aber konsequent mitgedacht, wenn die aus den Erfahrungen im Inneren bewährten Instrumentarien auf das Äußere Anwendung finden sollten. Entsprechend waren die deutenden Erklärungen, die auf dem Feld des „Äußeren“ im Spätmittelalter als Theorie der Praxis nachfolgten, sorgfältig konstruierte Narrative, die doch den Wertsetzungen der inneren Ordnung verbunden waren und in der Spannung zwischen „innen“ und „außen“ blieben. Was 2013 zum Umgang mit Diversitäten im mittelalterlichen Europa als „the power of difference within historiography“32 beschrieben worden ist, trifft auch hier zu. Neuere philosophiehistorische Überlegungen, so in Studien von 2014 zu „L’Espace intérieur“, der Konstruktion des eigenen Ortes, oder zu den „Figures de l’altérité“, der Gestaltung des Unvertrauten im Eigenen, können helfen, die historischen Zusammenhänge konzeptionell genauer zu erschließen.33 Der Ausgangspunkt historischer Forschungen müssen weiterhin die historischen Exempla sein. Dass Karl der Kühne als nicht-königlicher Fürst und dessen Verhältnis zu König Ludwig XI., schon 1962 von Richard Vaughan für eine erste Ahnung von „foreign policy“ bemüht, bis heute sozusagen das Paradebeispiel darstellt, ist nach den zitierten Ausführungen von Werner Paravicini eindeutig.34 Niemand sonst in vergleichbarer Stellung hat es in seiner Zeit gewagt, sich selbst als souverän zu erklären, und konnte diese Selbstzuschreibung gegen den Widerstand seines königlichen Lehnsherren durchsetzen.35 Welcher andere Fürst hätte mit dem Regenten eines Reiches über die dortige Verleihung der (verfassungsgemäß durch Wahl zu regelnden) Nachfolge oder alternativ einer neu eingerichteten Königswürde verhandelt? Unter Hinweis auf Karl V. von Frankreich, die Kaiser Karl IV. und Friedrich III. und weitere betont schlicht auftretende Herrscher wie etwa Rudolf von Habsburg führt Paravicini im europäischen Vergleich aus: „[Er] ist ein Extremfall, aber kein Sonderfall.“36 Außer auf Karl den Kühnen ist dieses Diktum trotz aller Unter-
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„außen“ und die „internationale“ politische Kommunikation. In politischen Traktaten und Herrschaftstheorien sind erste Ansätze einer Reflexion auf „internationale Beziehungen“ im 14. Jahrhundert konstatiert worden, gleichzeitig mit der Entstehung der ersten konzeptionellen Vorstellungen eines Völkerrechts. Ob an den europäischen Höfen von einer verbreiteten Kenntnis dieser Überlegungen und ihrer Textzeugen ausgegangen werden kann, muss fraglich bleiben. Auf dieses Diskursfeld kann hier nicht eingegangen werden. Die vorliegenden Ausführungen konzentrieren sich ausschließlich auf Überlieferungszeugnisse zur praktischen Politik und behandeln die Praxis als der Theoriebildung vorgängig. Kintzinger 2013, S. 377. Chrétien 2014; Figures de l’alterité 2014. Vgl. Vaughan 1962, S. 107. Vgl. Kintzinger 2010. Vgl. auch Ehm 2002, S. 295: „Ziel und Zentrum der Politik Herzog Karls war die Souveränität, die er in der Auseinandersetzung mit Frankreich und mit dem Reich, von denen seine Länder zu Lehen gingen, zu erlangen suchte. Der Ausgangspunkt seiner Bestrebungen war die Gleichberechtigung mit der französischen Krone, die sich nach innen vor allem in der Ausübung der letztinstanzlichen Gerichtsbarkeit manifestierte.“ Paravicini 2002, S. 81.
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schiede im Detail grundsätzlich ebenso auf Ottokar von Böhmen, Karl von Valois oder Ludwig von Orléans anwendbar. Sie alle versuchten, wenn auch nicht mit der Exzentrik Karls des Kühnen, ihre fürstliche Stellung zu einer königlichen zu steigern, und mussten daher notwendig „nach außen“ handeln, um „nach innen“ gewinnen zu können – auch wenn es ihnen allen nicht gelang. Seit den ersten Impulsen Peter Moraws 1998 und dem Intitialband des „Principes“-Projekts 2002 ist auf diesem Feld grundlegend weitergearbeitet worden, seit Ende der 1990er-Jahre zur Außenpolitik, dann zur Formierung internationaler Beziehungen und der Ausformung diplomatischer Praxis, schließlich zur Entstehung völkerrechtlicher Konzeptionen im späten Mittelalter und neuerdings im Kontext transkultureller und globalhistorischer Herausforderungen.37 Gegenwärtig lassen sich insbesondere drei Analysefelder identifizieren, auf denen exemplarische und zugleich methodisch programmatische Forschungsergebnisse zu verzeichnen sind, die auch künftig Studien beeinflussen werden: Zunächst die Regional- und Dynastiegeschichte, sodann die Reichsverfassungsgeschichte und schließlich die europäische Diplomatiegeschichte.38 Die Regional- und Dynastiegeschichte ist unmittelbar mit dem Greifswalder Projekt verbunden. 2005 erschien die Studie von Cordula Nolte über verwandtschaftliche Beziehungen und Kommunikationsnetze der Reichsfürsten und 2009 diejenige von Oliver Auge über die Handlungsspielräume fürstlicher Politik im südlichen Ostseeraum.39 Sie dürfen als wesentlicher Ertrag des Greifswalder Projekts gelten. Thematisch nicht auf die Untersuchung von Außenpolitik orientiert, beziehen doch beide Studien an entsprechender Stelle das Handeln „nach außen“ in ihre Überlegungen ein, Nolte mit Ausführungen über die Territorial- und Reichsgrenzen überschreitende dynastische Heiratspolitik der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, Auge über eine interterritorial wie reichsübergreifend konzipierte Expansionspolitik insbesondere der Herzöge von Mecklenburg und Pommern. Unbestritten wird, wie erwähnt, im europäischen Spätmittelalter die dynastische Heiratspolitik als eines der zentralen Instrumente fürstlicher wie königlicher Politik sowohl zur Stärkung der inneren Stabilität als auch zur Etablierung nachhaltiger und verlässlicher auswärtiger Beziehungen zu gelten haben. Nolte weist nach, dass „sich die Markgrafen als eingebunden [erwiesen] in die von Peter Moraw beschriebene Heiratslandschaft an der südlichen Ostseeküste, die von Holstein bis Polen/Litauen reichte und nach Mitteldeutschland und Skandinavien ausstrahlte.“40 Das Konnubium als Gestaltungsinstrument und die sorgfältige Fortführung bewährter „Heiratskreise“ ließ das fürstliche Haus vor allem in der weiteren Region an seiner dynastischen Verdichtung arbeiten. Mehr als die Hälfte der Eheschließungen zielte auf die regionale Vernetzung. Entscheidend war der Rang der für die 37 38 39 40
Vgl. Kintzinger 2012; Faktum und Konstrukt 2011. Im Folgenden wird, mit Bezug auf das Greifswalder Projekt, vor allem von den ersten beiden Analysefeldern zu handeln sein. Das dritte, die Diplomatiegeschichte, wird zuletzt eingehend behandelt und soll hier nur summarisch berücksichtigt sein. Nolte 2005, bes. S. 95–114; Auge 2009. Nolte 2005, S. 100.
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Verheiratung eigener Kinder ausgewählten (und verfügbaren) Adressaten: Niemals heiratete man unterhalb fürstlichen Standes, in einem Drittel der Eheschließungen während der zweiten Hälfte des 15. und des ersten Drittels des 16. Jahrhunderts verband man sich mit Familien im Königsrang. Über die so vermittelte Steigerung des sozialen Status und die enge Vernetzung mit reichsfürstlichen Dynastien gelang es schließlich, in etlichen Plänen und einigen Realisierungen heiratspolitisch auf außerdeutsche Reichsgebiete (Mailand) oder sogar Fürstentümer oder Königreiche außerhalb des Heiligen Römischen Reiches (Polen/Litauen) auszugreifen.41 In allen diesen Fällen bleibt erkennbar, dass die dynastische Konstruktion von „innen“, der eigenen Familie und dem eigenen Herrschaftsgebiet, über die weitere Region nach „außen“ führte. „Außen“ war insofern unterschiedlich konnotiert: Es begann jenseits des eigenen Territoriums innerhalb des Reiches, aber selbst die umgebende Region, seit jeher Gestaltungsraum eigenen politischen Handelns, wird nicht ohne Weiteres als „außen“ verstanden worden sein. Wenn es gelang, über Kontakt zu reichsfürstlichen Familien mit einer souveränen Stellung in anderen Regna (wie am Beispiel Dänemarks oder der Planung bezüglich Polens) „internationale“ Beziehungen aufzubauen, so waren auch diese über dynastisch-regionale Verbindungen generiert und erst insofern Ziel des politischen Handelns. Auge untersucht die dichte, zugleich vielfältige und auffällig flexible oder pragmatische Konzeption von Bündnispolitik durch die Herzöge. Wie von den Grafen von Luxemburg oder den Herzögen von Burgund in der westlichen Grenzregion des Reiches bekannt, nutzten auch sie alle sich bietenden Gelegenheiten, um mit ihren Nachbarn politische Verbindungen einzugehen, bis hin zu förmlichen Mehrfachvasallitäten, die den eigenen Handlungsspielraum nochmals erweiterten. Auch in ihrer Planung lag die Konzentration auf der Stabilisierung und kontrollierten Expansion des eigenen Territoriums, der Sicherung von Einfluss bis hin zu einer Vormachtstellung in der Region und waren Vernetzungen mit Fürsten außerhalb des Reiches eine mögliche Konsequenz aus einer programmatischen Regionalpolitik, nicht deren eigentliches Ziel. Aus der wechselseitigen Verwiesenheit von innerem und äußerem politischen Handlungs- und Entscheidungsfeld resultierten, so Auge, eine Spannung und „Ambivalenz von Außenbeziehungen“, weil innere Stabilität und nach außen gerichtete Weitung nicht immer kongruent sein mussten.42 Auge unterscheidet deshalb das „äußere Umfeld“ und „die inneren Verhältnisse“ und spricht von „Handlungsspielräume[n] im Innern“ oder sogar von „Innenpolitik“ sowie, wenn in anderem Zusammenhang, auch von „Außenpolitik“.43 Für die intendierte territoriale Konsolidierung und regionale Stabilisierung mussten wegen der besonderen geostrategischen Situation für die Herzöge des südlichen Ostseeraumes sowohl das Reich wie auch Skandinavien und Polen als, wie es Auge formuliert, „überterritoriales Referenzsystem“ gelten.44 41 42 43 44
Ebd., S. 100 f., 103 f., 111 und 114. Auge 2009, das Zitat auf S. 21, ebenso auch S. 300. Ebd., S. 16–27 und 167–180, zur Außenpolitik S. 41. Ebd., S. 19.
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Angesichts dessen mag die erstmals von Dieter Berg 1997 und zwei Jahre später auch von Arnd Reitemeier vorgeschlagene und auf dem damaligen Kenntnisstand zielführende Definition, Außenpolitik sei jede politische Aktion eines Herrschers über die Grenzen seines Machtbereichs hinaus, heute nicht mehr zureichend sein.45 Den referierten aktuellen Forschungen zur Außenpolitik von Territorialfürsten zufolge wird man die dynastisch, territorialherrschaftlich und regional motivierte Strategie und Praxis der politisch Handelnden stärker in die Bestimmung dessen einbeziehen müssen, was Außenpolitik im Spätmittelalter gewesen ist. Dass die Außenbeziehungen von Territorialfürsten ihren wesentlichen Bezugspunkt in den benachbarten Mächten der eigenen Region fanden, hatte bereits 2002 Reinhard Butz für die Politik der Wettiner in Sachsen formuliert.46 Auge geht jetzt davon aus, dass diese Feststellung „schlichtweg für jeden Herrschaftsbereich dieser Zeit zutreffen“ werde und Bündnisse von Fürsten mit dem König des eigenen Reiches solchen mit Fürsten oder Königen anderer Reiche deshalb prinzipiell gleichzustellen seien.47 Daher verwendet er die Begriffe ‚Bündnispolitik‘ und ‚Außenpolitik‘ (Letzteren nur in diesem Kontext und nicht als Gegensatz zu ‚Innenpolitik‘) synonym und verweist darauf, dass Bündnisverträge durch eingeschlossene Heiratsabreden häufig ein dynastisches Moment enthalten hätten.48 Aus Auges exemplarischen Analysen ergibt sich für die Unterscheidung von königlicher und fürstlicher Politik „nach außen“ die zweifellos ebenfalls allgemeingültige Schlussfolgerung, „daß königliche und fürstliche Bündnis- und Außenpolitik […] nur qualitative Nuancen trennten. Grundsätzlich unterschieden sie sich wohl nicht wesentlich voneinander; sie folgten den gleichen Regeln.“ Auge formuliert allerdings an dieser Stelle einen neuen und substantiell weiterführenden Gedanken, der für die Territorialpolitik offenkundig verifiziert ist, für die Königs- und Reichspolitik aber noch zu überprüfen sein wird: derjenige von der „Überwindung des Raumes“ (damit der Abhängigkeit eines Fürsten von der Bindung an die inneren Verhältnisse des eigenen Territoriums und der umgebenden Region) durch Bündnisse mit auswärtigen Königen: „Die so [durch dynastische Heiratspolitik in auswärtige, königliche Häuser] hergestellten und gepflegten Kontakte konnten den Fürsten zu einer überregionalen Unterstützung und Kooperation bei Konflikten verhelfen, die sie in ihrem Raum auszufechten hatten.“49 Es geht hierbei um die Rückwirkung von „Außenpolitik“ auf „Innenpolitik“ – angesichts der bislang dominanten These von der Außenpolitik als Weiterführung der Innenpolitik eine vielversprechende Öffnung des Fragehorizonts. Sie wird auch deshalb künftig stärker zu berücksichtigen sein, weil sie einen neuen Rahmen für das Verständnis des Verhältnisses von fürstlicher und königlicher Politik vorgibt, indem die königliche Ebene nicht mehr notwendig allein als Erhöhung der fürstlichen definiert ist, sondern als Spielraum für die Umsetzung fürstlicher Interessen 45 46 47 48 49
Berg 1997, S. 1; Reitemeier 1999, S. 22. Dazu Auge 2009, S. 17. Butz 2002, S. 194 f. Auge 2009, S. 41 mit Anm. 223, das Zitat ebd. Ebd., S. 41, das folgende Zitat ebd. Ebd., S. 300.
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verstanden wird. Wenn die Bindung an Könige für die Fürsten eine Stärkung in ihren fürstlichen Territorien bedeuten kann, dann gilt das von Werner Paravicini zitierte Diktum entsprechend: Ein Fürst, der König werden will, muss königlich handeln – aber ein Fürst, der Fürst bleiben will, kann mit Königen fürstlich handeln. An dieser Stelle setzt das zweite der erwähnten Analysefelder an, das sich mit der Reichsverfassungsgeschichte beschäftigt. Sabine Wefers hat, in konsequenter Umsetzung der Anregungen Peter Moraws erstmals 1995, sodann in den 2000erJahren und zuletzt 2013 monographisch zum Thema der „Außenpolitik“ des römisch-deutschen Reiches im 15. Jahrhundert gearbeitet.50 Wefers betont einerseits die Verbindung zwischen Innenpolitik und Außenpolitik und fragt andererseits programmatisch danach, inwiefern äußere Herausforderungen und deren Handhabung Einfluß hatten auf die Entwicklung der Reichsverfassung.51 Sie geht grundlegend davon aus, dass die Vielzahl und Dichte äußerer Herausforderungen in Europa das Reich des 15. Jahrhunderts derart unter Druck gesetzt habe, dass sich dessen Kräfte zu neuen Handlungsmustern und innovativen Formen der Selbstorganisation zusammengefunden hätten. So sei es gelungen, die Herrschaftsordnung im Reich nach einer Phase der Schwäche wieder zu stärken. Die politische und herrschaftliche Ordnung im Reich habe davon profitiert, ebenso wie der König im Verbund mit den Kurfürsten – und gestützt auf Bündnisse mit auswärtigen Reichen. Die Fürsten seien hingegen geschwächt worden, weil sie weiterhin vor allem an ihre territorialen und dynastischen Eigeninteressen gebunden geblieben seien. Während Auge die auch durch auswärtige Kontakte untermauerte Absicht der Fürsten zeigt, als principes imperii reichsfürstlichen Ranges zu sein, unterscheidet Wefers kategorisch zwischen den principes electores und den übrigen principes.52 Auge betont die pragmatische Umsetzung der territorial-dynastischen Eigeninteressen der Fürsten gerade auch im Kontext „nach außen“ zielender Kooperation, Wefers erklärt die Beharrungskraft der Fürsten auf einer Politik „nach innen“ aus ihrer Fortschreibung der personal-vorinstitutionellen Bindungsformen, wohingegen König und Kurfürsten die außenpolitische Herausforderung angenommen hätten. Während Auge das politische Handeln „nach außen“ als intendierte und kalkulierte Fortführung der Politik im Inneren definiert und nach Rückwirkungen der außenpolitischen Kontakte und Bindungen auf die Herrschaftspolitik in Territorium und Region fragt, konstatiert Wefers in einer Zeit innerer Krisen ein erhebliches äußeres Herausforderungspotential, das letztlich zu Änderungen in der inneren politischen Ordnung des Reiches geführt habe. Beide Autoren identifizieren schließlich eine systemische Variante der politischen Ordnung, die die beschriebenen Phänomene zu erklären erlauben soll, Auge ein „überterritoriales Referenzsystem“, Wefers das als solches beschriebene „politische System des Reichs“.53 Wegen des damit bezeichneten Wandels in der Ausrichtung der politischen Verfassung des Reiches spricht Wefers schon im Titel ihres Buches vom „Primat der 50 51 52 53
Wefers 2007; Dies. 2002; Dies. 1995; Dies. 2013. Wefers 2013, S. 10 f. Auge 2009, S. 328–331; Wefers 2013, S. 30–41. Auge 2009, S. 19; Wefers 2013, S. 16–19.
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Außenpolitik“.54 Sie nimmt damit den Ansatz von Claudius Sieber-Lehmann von 1995 auf, der in seinem „Spätmittelalterlicher Nationalismus“ betitelten Buch die Entstehung einer ersten nationalen Identität im Reich unter dem Druck der Burgunderkriege und der Türkenbedrohung in den 70er-Jahren des 15. Jahrhunderts beschreibt.55 Von ‚Außenpolitik‘ spricht Sieber-Lehmann nicht, was dem Forschungskontext der Entstehungszeit seiner Studie geschuldet sein wird. Er geht stattdessen von einem „Primat der gemeinsamen Sprache bei der Nationsbildung“ aus.56 Sieber-Lehmann konzentriert sich auf die Reichsperspektive und berücksichtigt insbesondere die Politik der Städte. Fürstliche im Unterschied zu königlicher Politik ist in seinem Zugriff nicht thematisiert. Im Gegenzug sind die Städte in der heutigen Mittelalterforschung seit wenigen Jahren für das Arbeitsgebiet der Außenpolitik entdeckt, bislang aber nicht in dem hier interessierenden Kontext fürstlicher und königlicher Politik thematisiert worden. Auch hier ist das Feld für künftige Studien noch offen.57 6. INNEN UND AUSSEN: FÜRSTEN UND EUROPA Der Diskurs über das Verhältnis von „innen“ und „außen“ in der Politik der Fürsten und Könige des späten Mittelalters wird, nach einer weiter zurückreichenden Vorgeschichte, im Fachdiskurs der historischen Mediävistik seit fast 25 Jahren geführt. Das Greifswalder „Principes“-Projekt hat dazu Wesentliches beigetragen. Indem es die Außenpolitik von Fürsten als integralen Bestandteil ihrer auf Territorium, Dynastie, Region und Reich zielenden Herrschaftspolitik bestimmte, konnte der in dieser Form bis dahin nur allgemein vermutete Befund exemplarisch gesichert werden. Inwiefern sich die künftige Forschung zwischen Regional- und Dynastiestudien einerseits und Studien zur Reichsverfassungsgeschichte andererseits orientieren wird, bleibt abzuwarten. Wenn es, wie auf der Homepage des Greifswalder Projekts zu lesen, künftig geraten erscheint, „über die Fürsten hinaus den König und das Reich […] in den Blick zu nehmen“, so ist zu hoffen, dass auch die Außenpolitikforschung und damit die europäische Vergleichsperspektive stärker als bislang zur Geltung kommen kann. Die Auswahl an pares, unter die sich die Fürsten und Könige im Spätmittelalter bei ihren Grenzen übergreifenden politischen Handlungen gestellt sahen, wird sich damit nochmals weiten. Neben den erwähnten beiden Analysefeldern ist die Diplomatiegeschichte als drittes seit etlichen Jahren mit neuen, aus den historischen Kulturwissenschaften angeregten Ansätzen zu einer im internationalen Kontext innovativen Disziplin geworden. Insbesondere in Frankreich hat sich hier ein weites Forschungsfeld erschlossen, etwa durch die Arbeiten von Jean-Marie Moeglin, der mit weitaus grö54 55 56 57
Wefers 2013. Sieber-Lehmann 1995. Ebd., S. 406. Ein genauerer Nachweis des Forschungsstandes ist hier nicht beabsichtigt.
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Martin Kintzinger
ßerer Selbstverständlichkeit, als es zuvor in der deutschsprachigen Forschung üblich war, Fürsten und Könige gleichermaßen untersucht.58 Moeglin und Pierre Monnet haben zudem jüngst im internationalen diplomatiehistorischen Vergleich das methodische Feld zwischen einer Histoire comparée und einer Histoire croisée ausgelotet.59 Auch für das Reich bedeutende Fürstentümer wie das Herzogtum Burgund oder das Herzogtum Mailand kommen in der aktuellen französischen Diplomatiegeschichtsforschung zur Geltung.60 Schließlich hat Stéphane Péquignot jüngst die Erforschung mittelalterlicher Diplomatiegeschichte für die aktuellen globalhistorischen Herausforderungen geöffnet.61 Auf den beschriebenen Feldern besteht für die deutschsprachige Mittelalterforschung noch Entwicklungspotential. Es wird künftig insbesondere in der Zusammenführung von als exemplarisch definierten regional- und landeshistorischen Studien mit Ansätzen der traditionellen Reichs-, vor allem aber der vergleichenden europäischen Geschichte liegen.62 Die zitierten Arbeiten aus dem Umfeld des Greifswalder Projekts können hier richtungsweisend sein, schon indem sie ihren Untersuchungszeitraum im 15. und 16. Jahrhundert finden und damit über einen induktiven Ansatz einen neuen Zugang zur Geschichte Europas im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit aufzeigen. Zufällig gleichzeitig zur Abschlusstagung des Greifswalder Projekts im Juni 2014 fand in der Berliner Akademie eine Diskussion unter dem Rahmenthema „Europa in globaler Perspektive“ zur europäischen wie zur außereuropäischen Perspektive auf die Entstehung einer europäischen Einheit in der Frühneuzeit statt. Eine der dort diskutierten Thesen war, Europa habe seine Konturen durch die ständige Konkurrenz unter den einander verwandten Dynastien erhalten. Die mediävistische Principes-Forschung hätte hier ein gewichtiges Wort mitreden können.63 Literaturverzeichnis Alexy, Robert: Ralf Dreiers Interpretation der Kantischen Rechtsdefinition, in: Integratives Verstehen. Zur Rechtsphilosophie Ralf Dreiers, hg. von Dems., Tübingen 2005, S. 95–109. Ankündigung der wissenschaftlichen Fachtagung „König, Reich und Fürsten im Mittelalter. Abschlusstagung des Greifswalder ‚Principes-Projekts‘. 13. bis 15. Juni 2014“, in: Stiftung Alfried Krupp Kolleg Greifswald. Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald, URL: http://
58 59 60 61 62 63
Vgl. Moeglin 2010b; Ders. 2011; Ders., Le droit. Vgl. auch bereits Autrand 2002. Moeglin 2010a; Monnet 2005. Vgl. auch Rivière 2011; Collet 2011. Spitzbart 2010; Pibiri 2010. Péquignot 2009. Künftig: Kintzinger, Neukonfigurationen. Zur genannten Veranstaltung siehe Tunc 2014. Die Berliner Veranstaltung wurde von Barbara Stollberg-Rilinger, Sebastian Conrad und Ute Frevert bestritten; die erwähnten Dikate stammen von Stollberg-Rilinger. Vgl. zur Datierung des Beginns internationaler Beziehungen aus der Sicht der etablierten französischen Frühneuzeitforschung: Hélie 2008; Bély 2007. Zu den analogen Zäsurenbildungen in der deutschsprachigen Forschung künftig Kintzinger, Neukonfigurationen.
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DIE HERREN UND DIE MÄDCHEN Fürsten und städtische Prostitution im spätmittelalterlichen Reich* Klaus Oschema Ein Beitrag unter dem gewählten Titel sollte wohl – wie könnte es anders sein – mit einem Skandal einsetzen. Allen Forschungen zum Trotz, die in den vergangenen Jahrzehnten die Sexualität als zentralen Gegenstand kulturwissenschaftlicher Erforschung des Mittelalters ausgewiesen haben und dabei auch die ‚Sonderform‘ der Prostitution aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten, interessiert häufig noch die schlichte Frage: „Haben sie – oder haben sie nicht?“ Angesichts der fundamentalen Bedeutung, die der Sexualität (wie auch immer man diesen sensiblen Bereich genau definieren möchte) für das individuelle Dasein zukommt, darüber hinaus aber auch für das gesellschaftliche Zusammenleben, wirkt dies beinahe bestürzend. Mit Blick auf die Neueste Geschichte stellt man etwa verblüfft fest, dass sich manche Rezensenten begeistert auf die Details des Sexuallebens von Carl Schmitt stürzten, vom Umgang mit Prostituierten bis hin zu seinen „Erregungen und Ejakulationen“1, die in Reinhard Mehrings voluminöser Biographie Carl Schmitts thematisiert werden. Welche Erkenntnisfortschritte diese Details zu einem besseren Verständnis von Schmitts Werk beitrugen, das bekanntermaßen hochgradig problematische Seiten aufweist, blieb dabei leider meist in einem schwül-metaphorischen Dunst verborgen. I. EIN SKANDAL ZUM EINSTIEG: KÖNIG SIGISMUND BESUCHT BERN Da einschlägige Geschichten um das sexuelle Handeln also offensichtlich die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, soll eine solche hier ebenfalls am Beginn stehen, auch wenn es im Weiteren gerade nicht um die Lust am Skandalösen gehen soll. Wer nach einem Zusammenhang zwischen Herrschern und Prostituierten im spätmittel*
1
Ich danke den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Greifswalder Tagung für die rege und kontroverse Diskussion, insbesondere Christine Reinle (Gießen). Für die kritische Lektüre danke ich meiner Frau Monica Corrado Oschema sowie Folker Reichert (Heidelberg), der mich vor einem argen Missgriff bewahrte. Wichtige Anregungen erhielt ich von den Studentinnen und Studenten meines Hauptseminars „Die Fürsten und die Frauen im europäischen Spätmittelalter“, das ich im Winter 2013/14 in Heidelberg anbot; vor allem Frau Cora Schuster und Frau Melanie Joswig haben mich auf wichtige Aspekte aufmerksam gemacht. Vgl. Stockhammer 2009, S. 7, etwas zurückhaltender Christophersen 2009; das Werk: Mehring 2009.
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Klaus Oschema
alterlichen Reich sucht, gerät unweigerlich an die einschlägig notorische Figur König Sigismunds. Von ihm oder genauer: von seinem Besuch in der Stadt Bern im Jahr 1414 handelt eine gleichermaßen berühmte wie mythenumrankte Episode.2 Als der Herrscher nämlich, aus Italien kommend, am 3. Juli 1414 mit großem Gefolge in Bern eintraf, wurde ihm nicht nur ein standesgemäß feierlicher Empfang bereitet, den der städtische Chronist Konrad Justinger detailliert beschrieb. Über die auch aus anderen Beispielen bekannten Festlichkeiten solcher Herrscherempfänge und Aufenthalte hinaus vermerkte Justinger zum Abschluss seiner Schilderung stolz, dass die Berner keine Kosten gescheut, sondern vielmehr alle Ausgaben übernommen hätten. Für Geschenke, Kost und Logis kam damit die stattliche Rechnung von 2.000 Pfund zusammen – die auch die Kosten für die schönen frouwen im geslin beinhalteten.3 Gemeint waren damit die Prostituierten des städtischen Frauenhauses, die bei diesem Anlass aus der städtischen Kasse entlohnt wurden – offensichtlich eine gewinnbringende Investition, sorgte sie doch dafür, dass der Herrscher noch lange das Lob der Stadt Bern in die Welt trug: nachdem do der küng uf dem rine und vil andern stetten und landen gewesen waz, do rümde der küng offenlich, daz im in keiner richstat me eren und wirdikeit nach aller ordnunge erbotten were, denne ze bern. Und daz ist kuntlich war.4 Diese gleichermaßen knappen wie vielversprechenden Bemerkungen des Berner Chronisten sorgten in der Historiographie seit dem 15. Jahrhundert für ein gewaltiges Echo: Schon in den folgenden Jahrzehnten schrieben Justingers Nachfolger die Nachricht mal mehr, mal weniger ausführlich fort, wobei die Konnotationen des Verweises auf die Prostituierten des Frauenhauses ganz offensichtlich ambiva2
3
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Ausführlich zu den Herrscherbesuchen in Bern siehe Braun 1999; die Episode des Berner Besuchs greift auch Duerr 1990, S. 318 f. auf. Die im vorliegenden Zusammenhang einschlägige Kontroverse zwischen Norbert Elias und Hans Peter Duerr sei an dieser Stelle ausgeklammert, da die vertretenen Positionen sich in der Analyse des Materials jeweils stark von den postulierten großen Entwicklungslinien leiten lassen. Allerdings sei angemerkt, dass Duerrs vehemente Reaktion v. a. auf Elias 1997 und Ders. 1983 zum Zusammentragen großer Materialmengen in Duerr 1988 und Ders. 1990 geführt hat. Justinger, Die Berner-Chronik, S. 220. Eine detaillierte Darstellung zur Geschichte des Frauenhauses in Bern fehlt. Es befand sich wohl im heutigen Ryffligässchen, dem ehemaligen „Frowengäßli“, siehe Howald 1877, hier S. 206, Anm. 3. Vgl. auch Sommer 1969, S. 14 f., und Hofer 1947, S. 457 f. B. Schuster 1995, S. 450, verzeichnet die Schließung des Frauenhauses für 1531; siehe den entsprechenden Ratsbeschluss in Aktensammlung 1918–23, Bd. 2, S. 1361, Nr. 3022 (9. Juni 1531): Das frouwenhuss besliessen und metzen hinweg wysen. Auch Valerius Anshelm, Berner-Chronik, Bd. 6, S. 137, hält für 1531 fest: Das gmein frouwenhus abgetan. Die gmeinen frouwen hinweg gewist und das nw gebwen hus fromen huslten gelichen. Allerdings begegnen noch geraume Zeit später Rechnungsbelege, die sich auf das Frauenhaus beziehen, siehe etwa Benziger 1903/04, S. 187 (zu 1553/I): Hans Batschelet um 10 vänster nüw und altt im frouwenhus 25 lb. 3 ß sowie Keller-Ris 1915, S. 78 (zu 1574/II): Denne Pilgier Steinecker dem glaßer vonn fenstern by den oberen zweien toren und im frouwenhus ze bessern und ettliche nüw ze fassen 21 lb. 3 ß 1 d. Justinger, Die Berner-Chronik, S. 220. Braun 1999, S. 323, sieht diese positive Einschätzung insbesondere im Zusammenhang mit der 1415 erfolgten Eroberung des Aargaus und der daraus resultierenden Landeshoheit, die Bern und seinen Bundesgenossen übertragen wurde; vgl. knapp Hesse 1999, S. 340 f.
Die Herren und die Mädchen
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lent waren. In der offiziellen Berner Chronik, die ihrem Prolog zufolge ab 1420 ausdrücklich im Auftrag des städtischen Rats entstand,5 traten die schönen frouwen im geslin zwar explizit auf, aber ihre Rolle für das resümierende Lob des Königs bleibt offen. Anders dagegen die sogenannte „Anonyme Stadtchronik“, die wohl ebenfalls als Werk Justingers zu betrachten ist,6 der hier deutlicher formuliert: Ouch hatt die stat einen keller mit win geordnet, da man allermenglichen win gab; si hattend ouch geordnet in dem frowenhus, das allermenglich wol enpfangen war und nieman nützit bezalt; dieselben zwo herrlichkeit der küng darnach vil und dik rümte vor fürsten und vor herren.7 Der spätere Chronist Bendicht Tschachtlan verschwieg dieses Detail in seiner Stadtgeschichte schamhaft,8 aber schon Diebold Schilling hob es stolz (oder genüsslich) wieder hervor,9 und es ging auch in die „Eidgenössische Chronik“ des Petermann Etterlin ein.10 Die Nachwirkungen dieser Episode und ihrer historiographischen Reflexe lassen sich bis in die neueste Zeit hinein verfolgen: 1912 verwies Iwan Bloch in seinem groß angelegten Werk über die Prostitution auf Sigismund als „kaiserlichen Bordellenthusiasten“11. Nicht nur würde man heute wohl anders formulieren, vor allem wird man vor dem Hintergrund der aktuellen Forschung Blochs Einschätzung nicht mehr teilen, beruht sie doch nicht zuletzt auf einer Fehlinterpretation weiterer Quellen, die angeblich mehrfache Besuche des Herrschers im Ulmer Frauenhaus im Jahr 1434 belegen sollten.12 Angesichts weiterer Spielarten der historischen Phantasie wirkt Blochs Darstellung aber noch zurückhaltend: Vollständig belegfrei gestaltete nämlich Reinhold Dörrzapf Sigismunds Besuch in Bern in einer sensationslüsternen Beschreibung aus, der zufolge der König gar von einem „Spalier nackter Gunstgewerblerinnen“13 empfangen worden sei. 5 6
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Zu Autor und Werk zuletzt ausführlich Jost 2011, hier S. 126 f.; der Prolog in Justinger, Die Berner-Chronik, S. 2. Jost 2011, S. 122–126, referiert die kontroverse Diskussion um das Verhältnis zwischen den beiden Werken. Sie plädiert vorsichtig für eine frühere Entstehung der „Anonymen Stadtchronik“. Duerr 1990, S. 318 f., stuft die „Anonyme Stadtchronik“ unzutreffend als von Justinger unabhängig ein. Justinger, Die Berner-Chronik, S. 486. Tschachtlan, Chronik, S. 257. Schilling, Spiezer Bilderchronik, S. 550 (by den gemeinen frowen); vgl. Ders., Berner Chronik, Bd. 1, S. 329 (bi den schönen frowen im geßlin). Zur historiographischen Tradition im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bern siehe Zahnd 1999 und Ders. 2005; vgl. auch Schmid 2009, v. a. S. 60–71. Etterlin, Kronica, S. 185: Ouch hat die statt ein keller mit wyn geordnett, da man allen menschen wyn gab; sy hattent da by geordnett in dem Frowen huß, das aller menglich wol entpfangen unnd nyeman nütz bezalte, weder lützel noch vil. Die selben zwo eren und herlikeiten mit dem wyn und dem Frowen huß rmpte der Künig darnach, wo er by fürsten und herren saß, gar hoch unnd hielt es gar für ein große sach. Bloch 1912, S. 671. Vgl. zur Berichtigung P. Schuster 1992, S. 120; die Deutung geht zurück auf Jäger 1831, S. 544 f. Schuster verweist auf die Diskussion der einschlägigen Belege bei Duerr 1990, S. 319–322. Dörrzapf 1995, S. 117.
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So zweifelhaft aber auch viele Darstellungen sein mögen, die zudem auch nicht dem mediävistischen Fachdiskurs zuzurechnen sind: Bis in die jüngste Zeit blieb die Figur Sigismunds notorisch und auch seinen seriösen Biographen erschien es nötig zu diskutieren, ob er nun Bordelle frequentiert habe oder nicht.14 In ihrer Schlichtheit, so wird man festhalten dürfen, erscheint diese Frage auf den ersten Blick nicht unbedingt von besonderer Relevanz für die historische Forschung. Tatsächlich liefern sie und die unterschiedlichen Beiträge zu ihrer Beantwortung seit dem 18. Jahrhundert aber durchaus eindrucksvolle Einsichten, die allerdings vor allem die Befindlichkeiten der betreffenden Historiker (seltener der Historikerinnen) betreffen – ich komme darauf zurück. II. SYSTEMATISIERUNG: FÜRSTEN UND SEXUALITÄT ZWISCHEN STADT UND HOF Abgesehen von anekdotischen Mitteilungen und sensationslüsterner Neugierde – oder auch verschämter Ignoranz –, besitzt die Frage nach der Verbindung zwischen den spätmittelalterlichen Fürsten und der städtischen Prostitution aber auch ein systematischeres Interesse. Die Begründung für diesen Zusammenhang lässt sich unmittelbar aus den jüngeren Forschungen zur Hofkultur und zur herrschaftlichen Repräsentation herleiten. Zahlreiche Studien haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten gezeigt, dass Stadt und Hof nicht voneinander getrennte und unabhängige Domänen oder Sphären darstellen, sondern dass vielmehr der Hof und die von ihm geleistete herrschaftliche Repräsentation grundlegend der Stadt als Bühne bedürfen:15 Viele der fürstlichen Residenzen sind topographisch Teil von Städten, die ihrerseits erst die nötige Infrastruktur und materielle Versorgung für das höfische Leben gewährleisten konnten. Auch genügte sich die höfische Gesellschaft in Momenten der festlichen Repräsentation – bei Turnieren, Hochzeitsfeiern, Herrschertreffen und weiterem – keineswegs selbst, sondern benötigte ein entsprechendes Publikum, das sich nicht nur, aber doch auch aus den Städten rekrutierte. Die Formel des „Theaterstaats“, die David Nicholas, für seine Analyse des spätmittelalterlichen Burgund von Clifford Geertz entlehnte,16 lässt sich hier umstandslos dazu nutzen, mit der Metapher des Theaters den Kreis der Beteiligten etwas schärfer zu fassen. Angesichts der engen Verzahnung von Hof und Stadt liegt es damit aber buchstäblich nahe, ein für die spätmittelalterliche Sozialgeschichte so bedeutendes Phänomen wie die Prostitution auf dessen Verflechtung mit dem Hof hin zu untersuchen: Ohne dass dies tatsächlich der Intention der vielfach hochwertigen Forschungsbeiträge entspräche, die in den vergangenen drei Jahrzehnten zum Phäno14 15 16
Ausführlich zuletzt Hoensch 1996, S. 482–502 (Kap. „Der Mensch“), hier v. a. S. 500–502. Abgesehen von Einzelstudien zu individuellen Residenzstädten oder spezifischen Aspekten der höfischen Repräsentation, siehe insbesondere die Beiträge in: Symbolische Interaktion 2013; Städtisches Bürgertum 2012; Der Hof und die Stadt 2006. Nicholas 1994.
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men der Prostitution im späten Mittelalter vorgelegt wurden, könnte man nämlich durchaus den Eindruck erhalten, es habe sich hierbei in erster Linie um ein städtisch-bürgerliches Phänomen gehandelt, das sich insbesondere ab dem 14. Jahrhundert nachweisbar entwickelte.17 Die Geschichte des Adels dagegen erscheint weniger mit dem Phänomen bezahlter Dienstleistungen sexueller Natur verbunden als vielmehr mit mehr oder weniger langfristigen Konkubinatsverhältnissen, aus denen auch die zahlreichen illegitimen Nachkommen hervorgingen, von denen wir wissen.18 Die Hintergründe für den zuerst genannten Eindruck sind ohne Weiteres nachvollziehbar: Ab dem späten Mittelalter können wir in den sich dynamisch entwickelnden Städten Europas – zunächst im französischen und italienischen Süden, dann auch im Reich nördlich der Alpen – die Entwicklung einer obrigkeitlich geregelten Prostitution beobachten, deren institutioneller Ort die vielerorts eingerichteten und von den städtischen Obrigkeiten reglementierten ‚Frauenhäuser‘ waren.19 Mit der institutionalisierten Fassung der Prostitution verfügen wir nun gerade für diese spezifische Variante über Quellenmaterial unterschiedlichster Natur – von Erwähnungen in der Historiographie über normative Texte bis hin zu Gerichtsakten –, die es erlauben, einschlägige historische Studien durchzuführen. Die Praktiken vor dieser Entwicklung dagegen erscheinen aus moderner Perspektive ebenso wenig klar zugänglich wie die sicher weiterhin existierenden Formen nicht obrigkeitlich sanktionierter Prostitution. Mit anderen Worten: Die Natur und Zusammensetzung unserer Quellen verweist uns auf einen spezifischen gesellschaftlichen Ort, an dem die Ausübung der Prostitution relativ klar nachzuzeichnen ist, während andere Bereiche quasi ‚unterbeleuchtet‘ bleiben.20 Zu diesen unterbeleuchteten Zonen gehört unter anderem die Inanspruchnahme entsprechender Leistungen durch Vertreter des Adels im späten Mittelalter, die im Zentrum der folgenden Überlegungen stehen soll. Dabei ist eine vollständige Bestandsaufnahme, etwa für den gesamten Raum des Reichs nördlich der Alpen, selbstverständlich nicht zu leisten und soll daher auch gar nicht erst versucht werden, zumal die seit jeher existierende Sensibilität des Lebensbereichs der Sexualität, insbesondere wenn diese Gegenstand wirtschaftlicher Austauschbeziehungen ist, zu einer außerordentlich schwierigen Quellenlage geführt hat. Denn bei aller Offenheit, mit der spätmittelalterliche Quellen zuweilen Dinge ansprachen, die wir heute als ‚sexuell‘ einstufen und gerne auch tabuisieren,21 darf man sich für den 17 18 19 20 21
Vgl. die Hinweise in Anm. 19. Hierzu näher die in Anm. 22 genannten Titel (mit weiterführenden bibliographischen Hinweisen). Aus der reichhaltigen Literatur sei hier nur exemplarisch verwiesen auf P. Schuster 1992; B. Schuster 1995. Als knappe Zusammenfassung siehe Lömker-Schlögell 2001; für England siehe Karras 1996, für Frankreich Otis 1985 und Rossiaud 1994. Hemmie 2007, S. 126, verweist zudem auf den materiellen Aspekt: „Nur in der Stadt war die Nachfrage so groß, daß sich ein Vollzeitgewerbe tragen konnte. […] Die These der Prostitution als hauptsächlich urbanes Phänomen hat ihre Berechtigung.“ Für knappe Überlegungen zur Terminologie siehe etwa Karras 2006, S. 22–29; vgl. auch Classen 2008, S. 12–16.
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von mir gewählten Gegenstand nicht allzu viele und vor allem nicht allzu eindeutige Informationen erwarten: Zwar mag die Forschung zu fürstlichen Konkubinen und Bastarden im späten Mittelalter den Eindruck vermitteln, dass das Zeugen außerehelicher Nachkommen im metaphorischen wie im Wortsinne als Indikator fürstlicher Potenz betrachtet wurde.22 Auch machen weitere Details der realen Lebensumstände spätmittelalterlicher Adliger zumindest die Existenz außerehelicher – und damit in den Augen der vorherrschenden christlichen Moral per se illegitimer23 – sexueller Aktivität plausibel: dazu zählen etwa das teilweise späte Heiratsalter, die häufige räumliche Trennung adliger Paare oder der politisch arrangierte Charakter der Ehen, der zum anderweitigen Ausleben der Leidenschaften motiviert haben mag. So kam es zu den vielzitierten 26 „Bastarden“, die Herzog Philipp der Gute von Burgund mit vielleicht 33 Geliebten gezeugt haben soll.24 Auch Kaiser Maximilian, dem die Frauen ohnehin zugetan gewesen sein sollen,25 kam dem sogenannten „Fuggerschen Ehrenwerk“ zufolge auf neun „Bastarde“ von vier Konkubinen, in der Forschung ist von bis zu 30 illegitimen Nachkommen die Rede.26 Gerade weil die fürstliche Potenz in Form dieser Nachkommen handfest Gestalt annahm 22
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Zur Rolle der Konkubinatsverhältnisse siehe v. a. Heinig 2002; zur Präsenz illegitimer Nachkommen und den einschlägigen sozialen Praktiken im Reich siehe Widder 2004. Zur Rolle der Bastarde – aber auch ihrer Zeugung durch im Wortsinne ‚potente‘ Fürsten – legte Simona Slanička (Bern) mehrere Beiträge vor, siehe etwa SlaniČka 2009 sowie Dies. 2008. Die von Slanička seit längerem angekündigte Habilitationsschrift wird fraglos wichtiges Material vorlegen. Grundlegend für das französische Spätmittelalter ist weiterhin Harsgor 1975. Im Überblick siehe Karras 2006, S. 138–149; vgl. auch Dinzelbacher 2008, S. 208. Dass neben dem christlich-moralischen Diskurs auch weitere Diskursstränge existierten, die zu ganz anderen Perspektivierungen und Einschätzungen gelangten, sei hier nur angedeutet: So verwiesen einzelne Autoren medizinischer Werke vor dem Hintergrund der Viersäfte-Lehre abseits aller moralischen Erwägungen auf den therapeutischen Wert des Geschlechtsverkehrs, etwa im Gefolge des medizinischen Werks von Constantinus Africanus, siehe etwa Wack 1990, S. 188. Ähnliche Argumente fanden durchaus auch Eingang in die Historiographie, siehe etwa die Darstellung des als tugendhaft keusch präsentierten Karl von Anjou, der trotz einer Krankheit dem Ratschlag seiner Ärzte widersteht, den Geschlechtsverkehr mit einer anderen zu vollziehen als mit seiner Ehefrau, siehe Andreas Ungarus, Descripcio, S. 21 f. Ich danke für den Hinweis auf diese Quellenstelle Cristina Andenna (Dresden). Knapp Vaughan 2004, S. 133, u. a. mit Verweis auf Bergé 1955. Die Zahlen schwanken zwar je nach Autor, aber es geht hier vorrangig um die Größenordnung. Grünpeck, Historia Friderici III., S. 91: Qua humanitate atque liberalitate sibi multum fauoris tum principum tum populi praecipue foeminarum conciliauit. Fugger/ Jäger, Wahrhaftige Beschreibung, fol. 320–322. Interessanterweise wurde der „Ehrenspiegel“ im 17. Jahrhundert in dieser Hinsicht stark umgearbeitet: Die jüngere Fassung erweist sich im Hinblick auf die illegitimen Nachkommen wesentlich weniger aussagefreudig und drückt damit auch gewandelte Zeitvorstellungen aus. Nicht nur reduziert sie die mitgeteilten Informationen, sondern sie unterstreicht auch, dass Maximilian nur in solchen Phasen außerehelich sexuell tätig gewesen sei, in denen er nicht verheiratet war, vgl. Fugger/ Birken, Spiegel der Ehren, S. 1387. Zu Clemens Jäger siehe Blendinger 1974; die erste Fassung des Textes wurde wohl erst nach 1555 fertiggestellt, die Autorschaft ist Jäger zuzuschreiben, siehe Friedhuber 1973, hier v. a. S. 104 f. Zu den Konkubinen und illegitimen Nachkommen Maximilians siehe Heinig 2002, S. 282 f.
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(und vielleicht auch annehmen sollte), dürfen wir aber nicht alle Hinweise beim Wortlaut nehmen. Auch müssen wir uns davor hüten, aufgrund bestimmter Verhaltensweisen der Förderung einzelne Individuen erst als vermutliche „Bastarde“ zu identifizieren, um dann anhand ihres Beispiels typische Verhaltensmuster im Umgang mit „Bastarden“ zu rekonstruieren. Kurz: Viele Unschärfen umgeben den sensiblen Bereich des Sexuellen; dennoch erscheint mir auf der Basis einzelner Quellenreflexe zumindest der Versuch einer Annäherung möglich. Diese Annäherung soll im Folgenden in aller gebotenen Kürze in insgesamt drei Schritten erfolgen: Erstens werde ich Aspekte der institutionellen Beziehung zwischen Fürsten und der organisierten Prostitution thematisieren. Zweitens komme ich auf die Frage nach den Fürsten (und allgemein Adligen) als Kunden der Prostitution im späten Mittelalter zu sprechen. Drittens soll schließlich König Sigismund nochmals die Bühne betreten, um vorzuführen, wie die Zugriffe der Geschichtswissenschaft auch bei diesem Thema zuweilen mehr Klarheit über die Historiker vermitteln als über ihren Gegenstand. Bei allen Schritten ist zudem zu beachten, dass es mir in diesem Beitrag nicht darum geht, sämtliche verfügbaren, mehr oder weniger aussagekräftigen Quellenhinweise vorzuführen. Vielmehr zielt meine Darstellung auf eine kritische Reduktion der Belege ab, indem ich einen großen Teil jener (oftmals bekannten) Texte bewusst ausklammere, die nicht unmittelbar auf die oben beschriebenen Fragen zu antworten vermögen. Dies betrifft insbesondere jene Belege, die sich ausschließlich auf städtische Verhältnisse beziehen, sowie allzu ausufernde und impressionistisch herbeigezogene Verweise zu Verhältnissen außerhalb des Reichs. III. ORGANISATORISCHE KONTAKTE ZWISCHEN FÜRSTEN UND PROSTITUTION Die vor allem in den 1980er- und 1990er-Jahren als Teil der „Randgruppen“-Forschung rege betriebene Untersuchung der Prostitution im Mittelalter wies insbesondere die Zeit des späten 13. bis ins frühe 16. Jahrhundert als eine Phase aus, in der Prostitution obrigkeitlich geregelt und organisiert wurde.27 Für das Reich nördlich der Alpen rückte dabei zumal die typisch städtisch wirkende Institution des Frauenhauses in das Zentrum zahlreicher Untersuchungen, wie noch jüngst die Studie von Dagmar Hemmie zeigt, obschon sie sich mit dem Norden des Reichs einer Region zuwendet, in der jene Institution weniger prägnant Fuß fassen konnte.28 Überall dort, wo Frauenhäuser nachzuweisen sind, erscheinen sie aber vorrangig als eine Sache der städtischen Obrigkeiten, wobei in erster Linie der Rat als entscheidende Instanz begegnet. Auf den zweiten Blick lässt sich dieses Bild allerdings nuancieren, da offensichtlich auch übergeordnete Instanzen ein gewisses Interesse an den Tag legten, einschlägig regelnd tätig zu werden: So führt eine lokale Tradition in Augsburg jene 27 28
Vgl. die in Anm. 19 genannten Werke. Hemmie 2007, S. 15.
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Passagen des Stadtrechts, die sich mit den hubslerinnen beschäftigen, also mit den Prostituierten in der Stadt, auf den Einfluss König Rudolfs von Habsburg zurück.29 Zwar handelt es sich hier wohl nicht unmittelbar um die königlichen Vorgaben selbst, sondern um spätere, nicht genau zu datierende Nachträge.30 Tatsächlich kümmerte sich Rudolf aber durchaus um die Regelung der Prostitution, als er im Jahr 1278 den Bürgern Wiens ihre Rechte in einer Urkunde bestätigte.31 Die knappen Verweise zum Schutz der „gemeinen Frauen“ bauen dabei Vorgaben aus, die in ihren Grundzügen schon in Vorgängerurkunden Herzog Leopolds VI. und Kaiser Friedrichs II. knapp aufscheinen,32 und wurden ihrerseits später aufgegriffen, etwa im Stadtrechtsprivileg Herzog Albrechts II. von 1340.33 Diese herrscherlichen Akte fügen sich durchaus in ein breiteres Panorama der Zeit ein, denn auch andere Monarchen des spätmittelalterlichen Europa regelten ausdrücklich die Umstände, unter denen in ihrem Reich Prostitution ausgeübt werden durfte.34 Eine Sonderstellung des Reichs resultierte in diesem Sinne bestenfalls aus den verfassungsrechtlichen Umständen der Stadtherrschaft, da die Vorgaben hier nicht vom Monarchen generalisierend für sein Reich ausgesprochen wurden, sondern individuell für Städte, über die er verfügen konnte. Je nach Sachlage reichte dann aber der Zugriff konkret bis hin zur Institution des Frauenhauses. In Wien etwa fiel diese Kompetenz bis in das frühe 15. Jahrhundert in die Verfügungsgewalt des Herzogs von Österreich: als herzogliches Lehen befanden sich die Rechte noch 1395 in der Hand des Hofmarschalls; erst im Jahr 1415 wurden sie an den Rat der Stadt Wien veräußert.35 Auch andernorts agierten die Fürsten wenig empfindlich: Dass im 15. Jahrhundert Ercole d’Este als Herzog von Ferrara aktiv an der Einrichtung des Frauenhauses und vor allem an der Abschöpfung des Gewinns beteiligt war, verärgerte zwar offensichtlich seine Gemahlin.36 Aus der Sicht unserer Frage nach den Verhältnis29
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Das Stadtbuch von Augsburg 1872, S. 190, Art. 113 (Nachträge): Man sol auh wizzen daz chein hubslerin hie in der stat wonen sol die heiligen vierzik tage furst man conplete gelutet. Unde swelhe man nah conplet hinne vindet in den vorgenanten tagen, der sol man die nase uz dem chophe sniden, unde alle samztagen nehte, ane so herren hie sint. Vgl. schon den Hinweis in: Taschenbuch für die vaterländische Geschichte 1836, S. 320 f. Zur Datierung des 1276 von Rudolf I. autorisierten Stadtrechts und der Nachträge siehe: Das Stadtbuch von Augsburg 1872, S. xxif. und xxiv. Die Rechtsquellen der Stadt Wien 1986, S. 64–73, Nr. 11, hier v. a. S. 69, Art. 26 („De meretricibus“): Item de communibus mulierius nullum statutum facimus, quia indignus esset ipsas legum laqueis innodare. Volumus, ne ab aliquo indebite offendatur, sed offensor pro qualitate offense ad arbitrium consulum corrigatur. Vgl. bereits Schlager 1846, S. 349, sowie P. Schuster 1992, S. 25. Für wichtige Hinweise in diesem Zusammenhang danke ich Herrn Folker Reichert (Heidelberg). Die Rechtsquellen der Stadt Wien 1986, S. 30–39, Nr. 4 (Leopold VI., 18. Oktober 1221), hier S. 34, Art. 8, und S. 49–56 (Friedrich II., 1. Juli 1244), hier S. 53, Art. 8. Ebd., S. 107–125, Nr. 20 (Albrecht II., 24. Juli 1340), hier S. 114, Art. 32. Siehe die Hinweise unten in Anm. 41. So Kühnel 1984, S. 44. Ghirardo 2001, S. 414 f. und Anm. 88–98. Ghirardo unterstreicht, dass Ercole I. von der Prostitution außerhalb der öffentlichen Häuser gewusst habe, aber nicht dagegen vorgegangen sei, da sie Steuereinnahmen generierte, siehe ebd., S. 406 mit Anm. 32.
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sen im Reich ist seine Praxis jedoch keinesfalls als Besonderheit in der oberitalienischen Signorie und ihrer spezifischen Kultur zu werten, denn auch in München regelten noch im Jahr 1433 die Herzöge Ernst und Wilhelm III. von Bayern-München ausdrücklich die Einrichtung des städtischen Bordells.37 Die Argumente, die sie hierfür ins Felde führten, unterschieden sich kaum von den Erklärungen, die auch in städtischen Ordnungen zu finden sind:38 Es ging um die Sicherung von zucht und erberchait in der Stadt, und die Tätigkeit der Prostituierten erscheint hier als jenes „kleinere Übel“, als welches es in zahlreichen Zusammenhängen von Ratsherren wie von Theologen angesprochen wird. Die kurze Begründung, die für die Einrichtung des Frauenhauses für die gemainen dochterlein gegeben wird, wirkt dabei aber zumindest ambivalent: sie könnte sich entweder auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Prostituierten selbst beziehen, andererseits aber auch die Lebensverhältnisse in der Stadt im Blick haben. Wie auch immer man die benutzte Formel (damit die gemainen dochterlein hie bei der Stat desterpas beleiben mügen) nun deuten möchte – auf jeden Fall markieren die Vorgaben der herzoglichen Urkunde insofern eine gewisse Distanznahme zur institutionalisierten Sexarbeit, als die Stadt ausdrücklich nicht von den generierten Einnahmen profitieren sollte.39 Selbst wenn die Herzöge hier als Landes- und Stadtherren konkret und unmittelbar die Ausübung der Prostitution in ihrer Stadt regelten (wobei der größte Teil der zitierten Urkunde sich um anderweitige Vergnügungen wie das Glückspiel dreht), so ist dieser Zugriff offensichtlich kaum mit den Verhältnissen in Frankreich zu vergleichen. Folgt man nämlich den Erläuterungen von Jacques Rossiaud, so führte dort im frühen 15. Jahrhundert der roi des ribauds gewissermaßen die Aufsicht über eine Art Hofbordell, dessen Personal allerdings kaum je aus dem Zwielicht trat.40 Immerhin bot aber das am königlichen Hof angesiedelte Amt des roi des ribauds ein Modell für die obrigkeitliche Organisation der Prostitution in zahl-
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Monumenta Boica 1849, S. 306–312, Nr. 228 (Die Herzöge Ernst und Wilhelm verbieten in der Stadt und dem Burgfrieden alle Spiele etc., 29. Mai 1433 München), hier S. 311: Vnd das daz alles desterpas vnd nüczlicher gehalten auch alle zucht und erberchait an mannen vnd frawen In vnser Stat München gefurdert werde, So haben wir mit dem Rat vnser mergenanten Stadt geschaft vnd schaffen ernstlich In kraft des briefes, fur vns all vnser erben vnd nachkomen, das sy auch ain frawen haws machen sollen den gemainen dochterlein auch das besetzen vn zurichten damit die gemainem dochterlein hie bei der Stat desterpas beleiben mügen. Daraus aber der Stet kain gult noch zins geuallen sol dann allain was es zu pawen vnd ze pesseren kostet […]. Vgl. knapp Lömker-Schlögell 2001, S. 77–79. Dass das Profitinteresse bei der Gründung der Frauenhäuser keine entscheidende Rolle spielte, unterstreicht P. Schuster 1992, S. 45–48. Andererseits bestand etwa der Würzburger Bischof wohl recht lange auf Sach- und schließlich Geldleistungen des Frauenwirtes in Würzburg, siehe ebd., S. 106. Auch der Mainzer Erzbischof forderte die Einkünfte aus den Frauenhäusern der Stadt, die ihm die Bürger verweigerten, siehe Lömker-Schlögell 2001, S. 65. Rossiaud 1994, S. 82 und 84 f. Am englischen Königshof wurde zunächst versucht, die Präsenz von Prostituierten am Hof zu verbieten; 1370 richtete man dann aber das Amt eines „marshal of the court prostitutes“ ein, siehe Karras 1996, S. 79.
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reichen Städten; der roi selbst war zudem nicht nur für das Umfeld des Hofes zuständig, sondern auch für die Kontrolle der Prostituierten in der Stadt Paris.41 Insgesamt aber bleiben die deutschen Fürsten, soweit das auf der Grundlage der bisherigen Forschung zu überblicken ist, als Herren und Träger von städtischen Frauenhäusern weitgehend im Hintergrund. Anders als etwa in den Königreichen der spanischen Halbinsel42 legten es die politischen Verhältnisse auch nicht nahe, dass die Könige eine übergeordnete Regelungskompetenz für diesen spezifischen Bereich beanspruchten: meist wurden die Bedingungen, unter denen der obrigkeitlich geregelten Prostitution nachgegangen werden konnte, eben auf lokaler Ebene festgeschrieben. Damit aber lag die Regelungskompetenz im späten Mittelalter zumeist entweder in der Hand der Stadtherren oder sie war, insbesondere in Reichsstädten und Freien Städten, bereits in die Regelungsfreiheit der städtischen Kommunen und ihrer Räte übergegangen. Wie die Beispiele München und Wien zeigen, bei denen die fürstlichen Herren mehr oder weniger direkt aktiv wurden, rührte die Regelung der einschlägigen Fragen aber keineswegs an moralische oder ständische Prinzipien. Darüber hinaus konnten situativ übergeordnete Rechtsansprüche auch im Reich die etablierten Verhältnisse durchaus übersteuern: Einen Beleg hierfür bietet das berühmte Beispiel der zahlreichen Prostituierten, die sich anlässlich des Konzils zwischen 1414 und 1418 in der Stadt Konstanz versammelt haben sollen. Das wohl deutlichste und weit rezipierte Zeugnis liefert hier der Chronist Ulrich Richental, der in seiner Beschreibung der Konzilsereignisse auch darauf zu sprechen kommt, wie Rudolf von Sachsen als Reichsmarschall ihn mit einer Erhebung zur Zahl der Prostituierten in der Stadt beauftragt habe. Ulrich nennt die seither in der Forschung immer wieder zitierte Zahl von 700 offnen oder gemainen fro¤wen, die er habe zählen können.43 Über diese an sich schon beeindruckende Zahlenangabe hinaus bietet Ulrichs Bericht vor allem zwei zentrale Einblicke: Zum einen verweigerte er sich nämlich, seiner eigenen Darstellung zufolge, als Herzog Rudolf ihn zudem beauftragen wollte, auch die Zahl der haimlichen fro¤wen zu erfassen. Diese Tätigkeit sei ihm nicht recht gewesen, hätte wohl seine Fähigkeiten überstiegen und ihn außerdem in
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Zum Amt am Hof siehe Rossiaud 1994, S. 82 und 84 f.; detailliert zuletzt Viltart 2010, hier S. 86 f. und 90. Auch in Spanien sind zentrale Regelungsversuche der Könige in den einzelnen Reichen zu beobachten, siehe Lacarra Lanz 2002, v. a. S. 164, 171–174 und 179–181; zu den Verhältnissen in Dänemark siehe Hemmie 2007, S. 243. Vgl. die genannten Passagen bei Lacarra Lanz 2002 in Anm. 41. Ulrich Richental, Chronik, S. 170, § 406, und S. 206, § 520: Offen huºren in den huºrhüsern und sust, die selb hüser gemiet hattend und in den sta™len lagen und wa sy mochten, dero waren ob vijc, on die haimlichen, die laß ich beliben. B. Schuster 1995, S. 45–49, betont hier Ulrichs Bemühen, die Zustände in Konstanz als wohlgeordnet darzustellen. Auf ähnliche Zahlen für das Basler Konzil und den Frankfurter Reichstag des Jahres 1394 (mit 800 Dirnen) weisen hin Irsigler/Lassotta 2001, S. 210. Siehe hierzu mit weiteren Vergleichen B. Schuster 1995, S. 43–45, mit dem Hinweis auf die topische Bedeutung einer großen Zahl Prostituierter für das Ausmaß des jeweils geschilderten Ereignisses; vgl. auch Hemmie 2007, S. 217 f.
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die Gefahr gebracht, dabei zum Opfer tödlicher Gewalt zu werden.44 Für Konstanz ist folglich über die bereits hohen Zahlenangaben Richentals hinaus mit einer großen Dunkelziffer an Prostituierten zu rechnen, welche die Gelegenheit des Großereignisses nutzten, ohne in den öffentlichen Frauenhäusern tätig zu werden. Dies verweist zugleich auf den zweiten wichtigen Aspekt, denn eigentlich verfügte die Konzilsstadt über Frauenhäuser, die der Aufsicht des Rates unterstanden. Soweit die zeitgenössische Überlieferung dies erkennen lässt, fand hier aber in den Konzilsjahren von städtischer Seite keine gesteigerte Regelungsaktivität statt.45 Stattdessen griff die organisatorische Kompetenz des Reichsmarschalls, der Ulrich Richental mit der Bestandsaufnahme betraute. Dem fürstlichen Administrator stand aber ganz offensichtlich die Bedeutung eines angemessenen Angebots offner frwen klar vor Augen und in der Sondersituation des Konzils wurde er entsprechend aktiv. Mit diesen knappen Hinweisen sind zugleich die klaren Verweise auf unmittelbare institutionelle Zusammenhänge zwischen fürstlichen Herren und der organisierten Prostitution bereits erschöpft, soweit sie aus der vorliegenden Forschung zu erschließen sind: Ansätze zur Einrichtung eines bezahlten höfischen „Harems“46 oder einer entsprechenden Subkultur im Umfeld einzelner, größerer Höfe, wie sie etwa in Frankreich erschließbar zu sein scheint, sind für das Reich schlicht nicht plausibel zu machen. Zwar können wir durchaus einzelne Fälle identifizieren, in denen Fürsten und Adlige unmittelbar in Zusammenhang mit organisierter Prostitution zu bringen sind, doch handelte es sich hierbei nicht um die Bereitstellung entsprechender Unternehmungen für den eigenen Hof. Stattdessen nahmen die betreffenden Herren hier hoheitliche Aufgaben als Landes- oder Stadtherren wahr,47 deren Regelung an zahlreichen Orten bereits in die Kompetenz der jeweiligen Stadträte übertragen wurde.
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Ulrich Richental, Chronik, S. 170, Anm. 122: Do antwurt ich im, das sin gnad das thätt, ich war es nit mächtig ze tuºnd. Ich würd villicht umb dis sach ertött, unnd mocht ouch finden, das ich nit gern hett. Do sprach min herr, ich hett recht. Erfolgreicher war in dieser Hinsicht in der Zeit um 1400 ein Amtmann in Cambrai, der auch die „unabhängigen“ Prostituierten in der Stadt verzeichnete, siehe Prevenier 2011, S. 63–65. Vgl. auch Buck/Kraume 2013, S. 218–223. Zu den Schwierigkeiten, das Konzil als „städtisches Ereignis“ in den Blick zu bekommen, siehe zuletzt Maurer 2007. Die Frage der Prostitution im Kontext des Konzils wurde in den aktuellen Publikationen aus Anlass des 600-jährigen Jubiläums kaum beachtet, siehe etwa die Beiträge im Ausstellungskatalog Das Konstanzer Konzil 2014. Vgl. Moraw 2000, der wohl zu Recht auf „eine gewisse Promiskuität fürstlicher Herren und Damen untereinander“ verweist (ebd., S. 445), den Begriff des „Harems“ im Sinne einer organisatorisch verfestigten Institution aber nicht plausibel machen kann. Ähnliches dürfte wohl auch für den Bischof von Winchester gelten, unter dessen Aufsicht sich die als Bordelle verrufenen Badestuben (stuwes) in Southwark (London) befanden, siehe Karras 1996, S. 45.
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IV. FÜRSTEN UND ADLIGE ALS KUNDEN UND AUFTRAGGEBER STÄDTISCHER PROSTITUIERTER Nach diesem insgesamt wenig ertragreichen Blick auf die Fürsten als ‚Organisatoren‘ institutionalisierter Prostitution ist nun in einem zweiten Schritt zu fragen, wie es um die Rolle der Fürsten und des Adels als Abnehmer einschlägiger Dienstleistungen bestellt war?48 Naturgemäß bleiben auch hier die expliziten und tragfähigen Zeugnisse rar. Folgt man etwa Peter Schuster, so kamen zwar die „Bordellbesucher […] aus allen Bevölkerungsschichten“49, aber zugleich notierte er in aller Deutlichkeit: „Kein Kaiser war Frauenhausbesucher.“50 Die beiden Einschätzungen lassen sich offensichtlich nicht leicht miteinander in Einklang bringen. Insbesondere die Sonderrolle der Monarchen – wenn man den Kreis von den Kaisern ausgehend erweitern möchte – reizt dazu, Schusters Urteil zu hinterfragen. Schließlich bietet ja schon ein knapper Blick in die gleichermaßen außergewöhnliche wie bunte Chronik der Grafen von Zimmern zahlreiche Verweise darauf, dass sowohl auf der Ebene des niederen wie des höheren Adels durchaus ein nicht geringes Interesse an einschlägigen Diensten bestanden zu haben scheint.51 Allerdings weist ebendieser Text zugleich auf gewisse Besonderheiten der adligen Lebensweise hin, denn in den zahlreichen anekdotischen Berichten Froben Christophs von Zimmern begegnen zwar durchaus auch höhergestellte Herren, welche Prostituierte frequentierten: So soll sich etwa Johann Christoph von Zimmern in Frankreich bei einer solchen Gelegenheit ein Leiden zugezogen haben, das ihn für die Zukunft seiner Zeugungsfähigkeit beraubt habe,52 während der Augsburger Domherr Christoph vom Stein in Löwen wohl eine Prostituierte misshandelt hatte und dafür in Haft gesetzt wurde.53 Auch wenn Froben dies nicht ausdrücklich erwähnt, kann man wohl mit einer gewissen Berechtigung davon ausgehen, dass die hier geschilderten Vorkommnisse sich durchaus in Frauenhäusern oder an anderen
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Vgl. den Hinweis von Viltart 2010, S. 86: „À la cour des princes, cette prostitution est plus difficile à étudier, l’existence du roi des ribauds et son lien étroit avec la prostitution montre qu’elle devait être significative, bien que difficilement quantifiable. Elle pouvait être requise pour l’éducation des jeunes hommes, la satisfaction des plaisirs des plus fortunés, ou encore pour la compagnie des plus âgés.“ P. Schuster 1992, S. 114. Ebd., S. 120; mit Bezug auf Duerr 1989. Vgl. schon die Hinweise bei B. Schuster 1995, S. 226–228. Weitere Beispiele bietet: Die Chronik der Grafen von Zimmern 1964–72, Bd. 3, S. 90, 98, 239 und 332. Zur Chronik siehe knapp Kruse 1998. Die Chronik der Grafen von Zimmern 1964–72, Bd. 3, S. 90: darneben aber war ime ain untrew zu Burges von einer magt in der herbrig (sie, die bestia, hieß Johanna) widerfaren, das ich glaub, er derhalben sein lebenlang hernach desto weniger künder hab kinden überkommen, wie dann solche künsten laider in frawenzimmern nur zuvil practiciert werden und im gebrauch sein. Zaig ich allain derhalben an, damit sich ein ieder gueter gesell hüete und wol fürsehe, dann ich mehr, dann ain grosen Hansen gekennt, dem sollichs in frawenzimmer begegnet; die haben ir lebenlang hernach von irem leib nie kein kindt bekommen. Ebd., Bd. 3, S. 98.
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entsprechend beleumundeten Orten abgespielt haben, soweit sie überhaupt der Realität entsprechen. Grundsätzlich dürfte es aber wohl nicht selten zu den Privilegien des Adels gehört haben, nicht auf den Besuch dieser Lokalitäten angewiesen zu sein, sondern vielmehr eine Art ‚Lieferung‘ der entsprechenden Dienste in ihre Unterkunft in Anspruch nehmen zu können. Allerdings macht auch hier wieder die Quellenlage eine sichere historische Rekonstruktion nicht leicht; stattdessen geraten wir hier rasch in einen Unschärfebereich, in dem unterschiedliche Phänomene zu verschmelzen drohen: Die Anekdoten Froben Christophs von Zimmern legen es nahe, dass Adlige und Fürsten auf Reisen wohl nicht selten sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nahmen.54 Gemeinhin ist aber davon auszugehen, dass gerade diese okkasionellen Kontakte mit Prostituierten auf Grund der flüchtigen Natur der Beziehung am wenigsten Niederschlag in Quellen finden konnten. Hinzu kommt außerdem, dass einschlägige Verweise in der Historiographie zumeist hochgradig polemisch aufgeladen sind, so dass die Entscheidung über den historischen Hintergrund schwerfällt. So wird man etwa den in der Straßburger Chronistik aufscheinenden Hinweis auf die entsprechenden Neigungen und Ausschweifungen Bischof Ruprechts nicht ohne Weiteres beim Wort nehmen wollen, wenn es heißt: Unnd als er noch jung war und den niemansz straffen dorfft oder wolt, fieng er an zu sein ein liebhaber der wollust und lept mer nach den sitten eins weltlichen fursten dan eins geistlichen. Er hielt ein offenliche hochzitt synem sun zu welcher vil geistliche und weltliche geladen wurden. In einner nacht wolt er stigen zu einer eefrowen und fiel das recht beyn enzweyg, darvon hanek [= hinkte] er sin leptag lang. Er begabet die huren richlich, under welchen eine Heinrich Mertin von Brethen zu der ee nam.55 Der ausdrückliche Verweis auf die huren könnte an dieser Stelle ebenso gut als polemischer Anwurf gegenüber dem ungeliebten Prälaten zu lesen sein wie als zutreffende Sachnachricht. Aufhorchen lässt aber zumindest die Bemerkung zu den Sitten der weltlichen Fürsten, die als Andeutung notorischer Verhaltensmuster zu verstehen sein könnte.56
54 55 56
Hinweise zur Situation in England gibt Karras 1996, S. 78 f. Berler, Chronik, S. 52 f. Zu Bischof Ruprecht siehe knapp Rödel 2005. Auch hier tut sich aber ein Unschärfebereich zwischen moralisierenden Diskursen über einschlägige Normen auf, die nicht zuletzt aus argumentativen Gründen entsprechende Bilder transportieren, ohne dass diese ohne Weiteres als Beschreibung realer Zustände gelesen werden können. Das Ideal der Keuschheit wird in Texten der Fürstenspiegel-Literatur nicht nur mit Blick auf den Fürsten formuliert, sondern auch auf seine Ratgeber, siehe Müller 2005, S. 36 und 38 f. Vgl. beispielsweise die Bemerkungen eines bayerischen Fürstenspiegels aus der Mitte des 15. Jahrhunderts bei Brinkhus 1978, S. 102 (II 1): O edler und gutiger fürst, naig dich nicht zu unkewschn wercken, wan es ist ain aygenschafft der schwein; was glori und ere volgt dir nach, ob du würckest den tieren geleich? Wiß furwär, das unkeusch zerpricht den leib, zerstört die tugent, swecht guten lewmat, kürczt das leben, pringt den tid und gepirdt wiplich sitten und alle laster. Weitere Ratschläge ebd., S. 93 (I 23), 97 (I 32) und 104 f. (II 4–5). Ähnlich Jakob Wimpfeling in seiner „Agatharchia“ siehe: Jakob Wimphelings pädagogische Schriften 1892, S. 342 (18); vgl. Singer 1981, S. 173–248, hier S. 241 (Text) sowie 185–187 (Deutung und Einordnung).
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Wie auch immer man diese und ähnliche Notizen im Detail verstehen möchte: Größere Chancen auf Überlieferung hatten Beziehungen mittel- bis längerfristigen Charakters, die eben nicht mehr als Prostitutionsverhältnisse zu beschreiben sind, sondern Züge des Konkubinats aufweisen. Auch von solchen Beziehungen weiß die „Zimmerische Chronik“ einiges zu erzählen, wobei sogar ‚mehrpolige‘ Verhältnisse begegnen.57 Auch wenn man nicht mit Beate Schuster annehmen will, dass die Einwohner der Städte die Prostitution gewissermaßen vom Konkubinat des Adels gelernt hätten:58 Ein tiefgreifendes moralisches Problem war für die Angehörigen des Adels mit einschlägigem Verhalten kaum verbunden, wenn wir den detailreichen Beiträgen von Paul-Joachim Heinig und Ellen Widder zu den Konkubinen und den illegitimen Nachkommen des deutschen Adels im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit folgen.59 Stellte der außereheliche Verkehr aber kein klares Skandalon dar, so konnte nur die sozial-ständische Differenz Adlige und Fürsten mit einschlägigen Neigungen und Bedürfnissen von der Frequentierung städtischer Prostituierter abhalten. Wirklich verlässliche Angaben hierzu sind aber nicht zuletzt deswegen kaum möglich, weil häufig zwar illegitime Nachkommen oder „Bastarde“ nachzuweisen sind – auf Herzog Philipp den Guten von Burgund hatte ich bereits verwiesen. Einschlägige Berühmtheit erlangten aber auch manche Fürsten im Reich, wie etwa Herzog Sigmund der Münzreiche, der gar ein großer frawn man gewesen sein soll,60 oder eben Kaiser Maximilian selbst.61 Wer genau die Mütter ihrer Nachkommen waren und vor allem wie es zum Kontakt kam, bleibt dabei aber nicht selten im Dunkeln. Zumindest zu vermuten ist allerdings, dass hier und da auch Kinder aus dem Besuch von Prostituierten zu verzeichnen sein könnten: Dies wäre eine mögliche Erklärung dafür, dass zu manchen dieser illegitimen Nachkommen Informationen über die Mütter überliefert sind, während dies bei anderen nicht der Fall ist. Allen Deutungsschwierigkeiten zum Trotz bietet die Historiographie zuweilen auch Verweise, die man in ihrer Aussage ungebrochen ernst nehmen sollte: So berichtet der burgundische Chronist Georges Chastellain, der als Historiograph Philipps des Guten ein offizielles Werk zur Geschichte der burgundischen Herzöge verfasste,62 ausdrücklich von der mittelbaren Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen im diplomatischen Kontext. Bereits Johan Huizinga zitierte diese Passage mit einem gewissen Genuss: Um eine englische Gesandtschaft in Valenci57 58 59 60
61 62
Die Chronik der Grafen von Zimmern 1964–72, Bd. 3, S. 207 (die Grafen von Werdenberg halten eine gemeinsame Konkubine, mit Wissen ihrer Ehefrauen) und 302 (Dorothea Grüninger als Konkubine dreier Domherren aus gräflichem Haus). B. Schuster 1995, S. 231: „Der Kontakt städtischer Oberschichten mit dem Adel des Umlandes brachte die Vorstellung vom Konkubinat in die Stadt.“ Heinig 2002; Widder 2004; vgl. auch SlaniČka 2009. Das Zitat nach Jakob Mennel zuletzt bei Brandstätter 2007, S. 180. Herzog Sigmund wurden mehr als 40 außereheliche Nachkommen zugeschrieben, siehe Baum 1987, S. 87; Köfler/ Caramelle 1982, S. 103. Eine knappe Auflistung von 52 Kindern bietet Granichstaedten 1956–58, S. 34–37. Knapp Granichstaedten 1956–58, S. 37 f.; Heinig 2002, S. 282 f. Siehe zu Chastellain und seiner Karriere ausführlich Small 1997 sowie Delclos 1980.
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ennes im Jahr 1461 gebührend zu bewirten, so Chastellain, habe Philipp der Gute für deren Teilnehmer nämlich nicht nur die Badstuben der Stadt herrichten und kostenlos öffnen lassen, sondern auch dafür gesorgt, dass sie mit allem ausgestattet waren, was „für das Geschäft der Venus nötig“ ist.63 Eine ironisierende oder moralisierende Deutung dieser Praxis ist im Text nicht zu erkennen; stattdessen setzt der Chronist vor allem die repräsentativ wirkende Großzügigkeit seines Fürsten in Szene, seine Tugend der largitas.64 Dies ist im vorliegenden Fall umso beachtlicher, als Herzog Philipp ohnehin im Hinblick auf sein Verhältnis zu den Frauen eine zweifelhafte Reputation genoss. Deutlich macht dies ein kurzer Hinweis, den Guillaume Fillastre, der Kanzler des Ordens vom Goldenen Vlies, in seine eigentlich panegyrisch ausgerichtete Beschreibung Philipps des Guten einfügte, die er im ersten „Buch vom Goldenen Vlies“ bot:65 In einer Auflistung von sieben „Seligpreisungen“ (sept beatitudes) pries der Verfasser den Herzog hinsichtlich seiner Demut, Sanftmut, des Bereuens seiner Sünden, seiner Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Herzensreinheit und Friedfertigkeit. Gänzlich ungebrochen mochte er das Bild aber nicht gestalten, da man – so Fillastre – ihn für einen Schmeichler gehalten haben mochte, hätte er nicht die herzogliche Schwäche des Fleisches erwähnt. Immerhin, so hob er hervor, habe Philipp sich dabei keiner Gewalttaten schuldig gemacht.66 Auch vor diesem Hintergrund sollte man das von Chastellain geschilderte Vorgehen des Herzogs in Valenciennes nicht leichtfertig als dekadente Eigenart abtun, die im franko-burgundischen Raum möglich war, aber nicht im Reich. Tatsächlich bietet die Lebensbeschreibung Wilwolts von Schaumburg einen parallelen Beleg, der zwar erneut nach Flandern führt, bei dem diesmal aber mit Wilwolt selbst immerhin ein fränkischer Niederadliger als Protagonist im Zentrum steht: Während der Belagerung von Sluis habe Wilwolt nämlich ein reiches Bankett veranstaltet, um den tristen Alltag des Kriegs vergessen zu machen.67 Bei dieser Gelegenheit, bei der sich hohe Adlige die Ehre gaben (Graf Engelbrecht von Nassau, Charles de Croy, der Herr von Chimay und andere), wurden nicht nur reiche Speisen und Getränke aufgetragen. Folgt man dem Text, so habe der Gastgeber nämlich auch dafür gesorgt, dass „aus Brügge […] die hübschesten Frauen“ und die „besten Musiker“ 63
64 65 66 67
Chastellain, Œuvres, Bd. 4, S. 165 f.: Et à tant partirent de luy et retournèrent à Valenciennes, là où le duc arrière avoit fait appointier les bains pour eux et pour quiconque avoient de famille, voire bains estorés de tout ce qu’il faut au mestier de Vénus, à prendre par choix et par élection ce que on désiroit mieux, et tout au frais du duc. Dont l’yssue, pour ce qu’elle estoit en compaignon et commune à tous, leur fist dire cent mille biens de la maison et de la manière du faire. Vgl. bereits Huizinga 1975, S. 149 f. Allgemein hierzu siehe Starobinski 1994; vgl. zum franko-burgundischen Umfeld auch die knappen Hinweise bei Oschema 2008, v. a. S. 172 f. und 177. Die erwähnten Ausführungen sind ediert in: Fillastre, Ausgewählte Werke, S. 289–302. Vgl. zum Autor ausführlich Prietzel 2001. Fillastre, Ausgewählte Werke, S. 300: De la fragilité de la char ne le vœil trop excuser, car on me tendroit pour flateur. […] Mais dieu mercy, par lui ne pour lui ne fut oncques commis rapt ne violence ne chose faicte dont esclandre soit advenu. Vgl. die Analyse bei Rabeler 2006, S. 282–284.
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herbeigeschafft wurden: „Nach der Gewohnheit des Landes“, so der Autor weiter, habe der Veranstalter die Mädchen dann den Herren kostenlos für die Nacht zur Verfügung gestellt.68 Auch wenn der Text nicht in allen Details eindeutig zu lesen ist, darf man unter der erwähnten regionalen Gewohnheit wohl die kostenfreie Versorgung mit der recht unverblümt angesprochenen sexuellen Dienstleistung verstehen – nicht aber grundsätzlich den Zugriff auf die „hübschen Frauen“, die städtischen Prostituierten, als Ressource für das Fest selbst. In verschiedenen Zusammenhängen ist auch im Reich nachzuweisen, dass bei der Ausgestaltung festlicher Momente Prostituierte zu den Eingeladenen zählten, die damit den ausgelassen-fröhlichen Rahmen komplettierten.69 Dies bedeutet allerdings weder eine wertschätzende Integration der betreffenden Frauen in die Gesellschaft, wie unter anderem bereits Peter Schuster hervorhob.70 Vor allem aber bieten uns die einschlägigen Berichte kaum Hinweise auf die Inanspruchnahme sexueller Dienste im engeren Sinne. Zur alltäglichen Lebenserfahrung dürfte ein Vorgehen, wie es Wilwolt von Schaumburg zugeschrieben wurde, auf jeden Fall nicht gehört haben. Andernfalls hätte sich der österreichische Adlige Andreas von Lappitz wohl nicht so enthusiastisch geäußert, als er in Italien angeblich selbst mit ähnlicher Freizügigkeit konfrontiert war. In seinem Bericht zur Italienreise Friedrichs III. im Jahr 1452 malte der Autor beeindruckt aus, wie im gesamten Königreich Neapel die Gesandten mit Essen, Trinken und Logis freigehalten wurden. Dieselbe Großzügigkeit habe sogar im Frauenhaus gegolten: Die Frawen in FrawenHauss die waren alle bestelt, derfft khaine khain Pfening nicht nemen, schnittens nuer auff ein Rabisch, zallets alles von Hof. Da fandt ainer Mo™rin und sonst scho™ne Frawen was ain lustet.71 Für das Reich selbst kennen wir für diesen Zeitraum keine ähnlich klaren Belege, wobei ja auch im Falle des Andreas von Lappitz durchaus kontrovers diskutiert werden kann, inwiefern hier männliches Wunschdenken und maskuline Prahlerei 68
69 70 71
Ludwig von Eyb, Die Geschichten und Taten, S. 125 f.: […] her Wilwolt von Schaunburg richtet zue en banket, lud den obristen englischen capitani mimt seinem treffenlichisten adl, den prinzen von Simei, den reichen von Nassau, den von Bebers und ander vil großer hern und mechtiger leut, het sich darzue gericht, das er in von vischen, wilpret, auch getrenk, iporras, Malmasier, parsehart und anderm, so ers im lant aufs köstlichst und best haben und bekomen mocht, gab. Darzue het er von Brück aus Flandern die aller huptschn frauen, die da gesein mochten, darzue die pesten spilleut bestelt, fingen an zu tanzen und zu mal frölich sein, und auf die nach vereret et ein iedlichen hern mit einer hüpschen frauen nach des lants gewonheit auf glauben zu schlafen. Des morgens wurden die ime alle gütlich geantwort, des hochlich tankt, die er ein iedliche nach iren statten begabt und ehrlich zu haus schicket. Vgl. auf der Basis literarischer Verweise Blaschitz 2008, S. 727; siehe auch P. Schuster 1992, S. 135–138. P. Schuster 1992, S. 138; vgl. auch B. Schuster 1995, S. 159–177, die für das 15. Jahrhundert die Prostituierten positiver in die städtische Gesellschaft integriert sieht, sowie LömkerSchlögell 2001, S. 80–83. Wurmbrand 1705, S. 62–68, hier S. 65; vgl. bereits Schlager 1846, S. 352 sowie jüngst Blaschitz 2008, S. 727 f. Zum Autor, der um 1435 geboren wurde und 1506 starb, siehe Tersch 1998, S. 91–98. Aus seinem Werk sind nur die bei Wurmbrand gedruckten Passagen bekannt, die Handschrift gilt als verloren.
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eine Rolle gespielt haben mögen. Aber auch wenn wir die Fürsten und Adligen des Reichs kaum jemals in flagranti in den Frauenhäusern der Städte auffinden, so begegnen wir doch im Sinne der eingangs betonten Symbiose von Stadt und Hof Verweisen auf die Abnahme entsprechender Dienste durch den weiteren Hofstaat: Zu diesen Belegen zählen nicht nur chronikalische Überlieferungen wie jene zu König Sigismund und dem Berner Frauenhaus. Im selben Ort befand sich wenige Jahrzehnte später nämlich auch Herzog Philipp der Gute, von dem die burgundischen Historiographen behaupteten, er sei bei seiner Reise durch das Reich im Jahr 1454 wie der Kaiser selbst empfangen worden.72 Diese Darstellung entlarvte Werner Paravicini schon vor längerer Zeit als Mythos, wobei nicht zuletzt die Dienste der Berner Prostituierten ein sprechendes Zeugnis boten: Während nämlich für die kaiserliche Gefolgschaft die Kosten von der Stadt übernommen wurden (soweit darf man Justingers Bericht vermutlich folgen), existiert für Philipp den Guten ein Rechnungsbeleg, der die Zahlung von 30 sous an die „Mädchen der Stadt“ festhält.73 Auch aus dieser Aufzeichnung wird man keinesfalls schließen dürfen, dass der Herzog selbst diese Kosten verursacht habe. Sie macht aber deutlich, dass der Aufenthalt adliger Gäste in der Stadt auch eine entsprechende Infrastruktur voraussetzte. Besonders markant ist dies – neben den bereits genannten Konzilien und anderen Versammlungen – im Falle größerer Festanlässe zu beobachten, die innerhalb von Residenzstädten durchgeführt wurden: Anlässlich der Hochzeit Pfalzgraf Ludwigs IV. mit Margarethe von Savoyen im Jahr 1445 wurde etwa den Studenten der Heidelberger Universität ausdrücklich untersagt, die Frauenhäuser der Stadt zu besuchen.74 Man mag diese Maßnahme mit dem Wunsch begründen, „nicht den Eindruck eines liederlichen Studentenlebens“ erwecken zu wollen.75 Nicht von der Hand zu weisen ist aber zugleich die potentielle Konkurrenzsituation, die sich aus der Anwesenheit zahlreicher Festgäste und ihres großen Gefolges ergab, das den Kundenkreis der Prostituierten signifikant vergrößern mochte.76 72 73
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Vgl. knapp Vaughan 2004, S. 298–302; Müller 1993, S. 64 f. (mit ausführlichen bibliographischen Hinweisen auf die ältere Literatur). RTA ÄR 19/1, S. 178 (Nr. 19 b 4: zum Aufenthalt Philipps des Guten in Bern, am 13.–15. April 1454): aux fillettes de lad. ville pour don a elles fait par md. s. 30 s. t. Vgl. zur Reise Philipps an den Regensburger Reichstag detailliert Paravicini 2002, hier v. a. S. 542 und 549–551 (zu den Unterschieden zwischen den Empfängen Philipps und jenen des Kaisers). Die hier verwendete Sigle wird im Quellenverzeichnis aufgelöst. Urkundenbuch der Universität Heidelberg 1886, S. 156 f., Nr. 102, hier S. 157: Insuper mandamus, quatenus nullus vestrum, maxime prefatis diebus, domum publicam seu lupanar ne de die neque de nocte intrare vel circa eam spaciari presumat, sub pena exclusionis. Ausführlich zum Eheschluss Cornaz 1932, der die eigentlichen Hochzeitsfeierlichkeiten aber nur knapp schildert (ebd., S. 38). So P. Schuster 1992, S. 119, der in der Folge auf ein erneutes Verbot des Jahres 1460 verweist, das ihm zufolge Konflikten mit den in der Stadt anwesenden Soldaten vorbeugen sollte (ebd., S. 119 f.); vgl. Urkundenbuch der Universität Heidelberg 1886, S. 178, Nr. 119. Auf diese Dimension im sozialen Geflecht von Hof, Stadt und Universität in Heidelberg geht Moraw 1983 leider nicht ein. Für andere Hochzeitsfeiern im Reich des 15. Jahrhunderts sind mir allerdings analoge Hinweise nicht bekannt, siehe etwa zu Urach 1474 die Beschreibung bei Zeilinger 2003 (mit
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V. FAZIT: MODERNE UND MITTELALTERLICHE BEFINDLICHKEITEN Vor dem Hintergrund der angeführten Belege erscheint, trotz ihrer recht eingeschränkten Zahl, die bereits eingangs erwähnte „fama“ König Sigismunds in einem zumindest nuancierteren Licht. Zwar versetzt ihn selbst tatsächlich keine der bekannten Quellen unmittelbar und eindeutig in das Frauenhaus; auch existieren keine klaren Belege dafür, dass er sich von dort Damen ‚bestellt‘ hätte. Mit Sicherheit auszuschließen ist dies aber auch nicht und wir tun wohl gut daran, die verfügbaren Indizien nicht einfach pauschal von der Hand zu weisen. Schließlich bringen nicht nur die Berner Chronisten Sigismund mit dem Frauenhaus der Stadt in Zusammenhang, sondern zahlreiche weitere Autoren der Zeit entwerfen ein Bild des Herrschers, das ihn im Hinblick auf sein Verhältnis zu den Frauen zumindest in zweifelhaftem Licht erscheinen lässt. In der Forschung der vergangenen Jahrzehnte bemühte man sich zumeist um eine nüchterne Deutung einschlägiger Passagen: Mit Verweis auf die ritualisierte Präsenz der lokalen Prostituierten bei Herrschereinritten und bei städtischen Festen erklärte man recht überzeugend, dass jene Quellen, die etwa einen Frauenhausbesuch des Kaisers in Ulm anzudeuten scheinen, tatsächlich fehlinterpretiert worden seien.77 Auf der anderen Seite wird man aber wohl zu berücksichtigen haben, dass die Zeitgenossen Sigismund allerhand zutrauten: Dies gilt nicht nur für die kritischpolemischen Anwürfe von Seiten eines Jean de Montreuil in Frankreich78 oder des Enea Silvio Piccolomini, der in seinem „De viris illustribus“ unterstreicht, der Kaiser sei uini cupidus, in Venerem ardens, mille adulteriis criminosus gewesen.79 Selbst Eberhard Windecke, der sich insgesamt um eine positive Würdigung seines Protagonisten bemühte, berichtete nicht nur von einer Krise zwischen Sigismund und seiner zweiten Gemahlin Barbara von Cilli, deren Hintergrund eigentümlich unklar bleibt.80 Vor allem schilderte er auch ausführlich einen Zwischenfall am Hof Herzog Friedrichs von Österreich, bei dem Sigismund 1415 beschuldigt worden sein soll, er habe ein jungfrouwe eins burgers dochter verczukt und an ein heimlich stat gefürt und genotzoget.81 Klare Belege bietet auch das freilich nicht, zumal Sigismund im eben erwähnten Fall auch entlastet wurde; die Verweise führen aber in einen Graubereich, der ganz unterschiedliche Deutungen zulässt. An dieser Stelle erscheint es mir wenig hilfreich, nun meinerseits eine klare Position zu beziehen und mich damit in die
77 78 79 80
81
Quellenanhang); vergleichende Darstellungen der großen Hochzeitsfeste nehmen diese Frage auch nicht in den Blick, vgl. etwa Spiess 2001 und Ranft 1995. Siehe oben in Anm. 12. Jean de Montreuil, Pamphlet; vgl. Hoensch 1996, S. 485–487 und 497. Piccolomini, De viris illustribus, S. 54. Detailliert hierzu Fössel 2006, S. 109–112. Vgl. zu Windecke knapp Johanek 2006; Ders. 1998. Die bei Korner, Chronica novella, S. 78, zum Jahr 1384 verzeichnete Mitteilung, Sigismund habe seine erste Frau Maria von Polen brutal misshandelt, nachdem sie ihn zunächst verachtet habe, besitzt wohl keinen historischen Kern, siehe Hoensch 1996, S. 492. Dennoch unterstreicht sie die Ausrichtung der über ihn kursierenden Erzählungen. Windecke, Denkwürdigkeiten, S. 49 f.
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Zahl derjenigen einzureihen, die den Kaiser entweder im Frauenhaus vermuten oder ihn von solchen Ausflügen freisprechen. Stattdessen möchte ich abschließend auf eine Beobachtung hinweisen, die mir in diesem Rahmen wichtiger erscheint als Glaubenssätze zu den historischen Details: Wie in vielen anderen Zusammenhängen auch, vielleicht aber im vorliegenden Kontext der Frage nach illegitimer bzw. außerehelicher Sexualität ganz besonders, verraten die Deutungen moderner Historiker und Historikerinnen nämlich zuweilen mehr über diese selbst als über die diskutierten historischen Sachverhalte. Aus dieser Warte ist es dann eindrucksvoll zu sehen, wie etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts der Frankfurter Historiker und Archivar Ludwig Kriegk ganz selbstverständlich davon ausging, dass Sigismund auf die Dienste der Prostituierten zugegriffen habe; zu den Reichstagen und Konzilien des späten 14. und frühen 15. Jahrhunderts erklärte Kriegk weiter: „Die Dirnen waren […] hauptsächlich um der anwesenden Fürsten, Grafen und Edelleute willen gekommen, und in dieser Klasse der Nation war allerdings der hier in Rede stehende Verfall der Sitten weit ärger, als während des deshalb gleichfalls verrufenen 18. Jahrhunderts. Im 15. Jahrhundert scheuten sich sogar das Reichsoberhaupt und andere Könige nicht, mit ihrem Gefolge am hellen Tage die Frauenhäuser zu besuchen […].“82 Der Blick in die Sittengeschichte der Vergangenheit diente dem Autor offensichtlich dazu, ein moralisierendes Urteil über den adligen Stand zu illustrieren, dem (an dieser Stelle implizit) die bürgerlichen Ideale der eigenen Gegenwart gegenübergestellt werden konnten. Aus dieser Warte betrachtet, ist es dann auch wenig erstaunlich, dass der knappe und fehlerhafte Hinweis von Carl Jäger zum angeblichen Aufenthalt König Sigismunds im Ulmer Frauenhaus so breit rezipiert wurde.83 Während Kriegk vor dem Hintergrund der bürgerlichen Ideale seiner eigenen Zeit die Dekadenz des Adels brandmarkte, bemühten sich spätere Historiker vielleicht allzu fleißig um die ‚neutralisierende‘ Erklärung der in den Quellen vorhandenen Andeutungen als Reflexe rein ritueller Praktiken. In der Feststellung, dass diese eben nichts mit sexuellen Dienstleistungen zu tun gehabt haben sollen, mag man eine ebenfalls zeitgebundene argumentative Strategie erkennen, die dazu diente, das Mittelalter in der modernen Beschreibung vor dem Vorwurf einer primitiven Archaik zu bewahren. Je nach Interesse und Position der Autorinnen und Autoren eröffnete die unhintergehbare Unsicherheit darüber, was denn nun wirklich hinter den verschlossenen Türen, unter den Decken oder auch an ganz anderen Orten passiert sein mag, den Freiraum für Deutungen, die sich in ganz unterschiedliche Ideologien einfügen konnten. So betonten die einen, Sigismund sei einfach zu leutselig gewesen und dies habe zu Missverständnissen geführt.84 Im Gegenzug erschrieb zumindest ein sensationslüsterner Autor in den 1990er-Jahren für den feierlichen Empfang des Königs in Bern 1414 sogar das bereits erwähnte „Spalier nackter Gunstgewerblerinnen“.85 82 83 84 85
Kriegk 1871, S. 261 f. Vgl. oben in Anm. 12. So das Fazit von Hoensch 1996, S. 500. Dörrzapf 1995, S. 117.
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Es hilft hier nicht weiter, wenn man dem Urheber solcher Bilder seine überbordende Phantasie vorwirft – schließlich kommt sein Buch ohnehin gänzlich ohne Nachweise aus. Vor allem ist auch die Beobachtung interessant, wie hier mit frei erfundenen Motiven ein Spätmittelalter lüsterner Männer und williger Mädchen evoziert werden soll, das selbstverständlich nichts mit wissenschaftlich vertretbarer (Re-)Konstruktion der Vergangenheit zu tun hat. Zugleich ist es gleichermaßen bedenklich wie aufschlussreich, dass Dörrzapfs Darstellung ungebrochen in eine geschichtswissenschaftliche Dissertation Eingang fand, die 2007 in einer angesehenen Reihe publiziert wurde.86 Dass andererseits eine detaillierte Analyse des Textes von Wilwolt von Schaumburg im Jahr 2006 zwar ausführlich und zutreffend auf die repräsentative Dimension des Banketts von 1492 hinwies, auf das teure Essen und den Wein, aber mit keinem Wort die kostenlosen Sexualdienstleistungen ansprach, wirkt nicht weniger bezeichnend.87 All dies lässt in unterschiedlichster Hinsicht tief blicken – und erzeugt zugleich bedauerliche Effekte und Leerstellen. Denn tatsächlich müssen wir wohl davon ausgehen, dass die sexuelle Dimension des menschlichen Daseins in all ihren Spielarten eine wichtige Rolle spielte und zuweilen vielleicht sogar in Bereichen entscheidenden Einfluss ausübte, der sich über die „private“ Existenz der Person hinaus bemerkbar machte. Zumindest stand es bereits den Zeitgenossen lebhaft vor Augen, dass das Sexualleben der Fürsten weit über das individuelle Wohlergehen hinaus von eminent politischer Bedeutung war. Dabei ging es keineswegs nur um den Wunsch der Untertanen nach der Herrschaftsabsicherung durch die Existenz legitimer Erben.88 Politische Konsequenzen resultierten auch nicht nur aus so eklatanten Skandalen wie jenem um Graf Johann V. von Armagnac, der ein inzestuöses Verhältnis mit seiner Schwester hatte, in die er offensichtlich so verliebt war, dass er sogar seine Herrschaft riskierte.89 Für das Reich sei angesichts dieser Überlegungen zum Abschluss nur auf das Beispiel Friedrichs des Siegreichen von der Pfalz verwiesen: Um die Herrschaft für seinen minderjährigen Neffen Philipp antreten und sich selbst die Pfalzgrafenwürde für die Dauer seines Lebens sichern zu können, akzeptierte Friedrich in einem Arrogationsvertrag 1451 für sich selbst die Ehelosigkeit und damit den Verzicht auf eheliche Nachkommen.90 Von den politischen und herrschaftlichen Implikationen dieses Vorgangs einmal ganz abgesehen, verzichtete Friedrich damit ganz grundsätzlich auch auf die Möglichkeit eines im kirchlichen Sinne „legitimen“ Sexualle86 87 88 89 90
Hemmie 2007, S. 223. Rabeler 2006, S. 199 und 282–284. Vgl. hierzu etwa die ausdrückliche Aufforderung der Untertanen Johanns V. von Armagnac, sich zu verheiraten, um den Fortbestand seines Hauses zu sichern, siehe knapp Oschema 2011, S. 45. Ebd., S. 42–47. Zum ereignisgeschichtlichen Kontext siehe knapp Schaab 1999, S. 175 f.; Huth 2013, S. 135 f.; Fuchs 2013, S. 198 und 203; Fössel 2013, S. 93 f., und allgemein die Beiträge in: Die Wittelsbacher 2013. Vgl. zum Folgenden ausführlich Rödel 2004. Interessanterweise bestätigte Papst Nikolaus V. zwar die Arrogation, verwies in seiner Bestätigung aber nicht auf die Frage der Ehelosigkeit (ebd., S. 97–99).
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bens.91 Faktisch mag das kein größeres Problem dargestellt haben, war man ja – wie schon mehrfach erwähnt – im spätmittelalterlichen Adel des Reichs mit der Existenz von Konkubinen wohl vertraut;92 der existierenden Praxis zum Trotz blieben solche Beziehungen aber wohl stets in einem schwierigen Graubereich des Anrüchigen angesiedelt. Und so unterstrich bereits zeitgenössisch Matthias von Kemnat, dass Friedrich sich mit dieser Vereinbarung einer zentralen Facette des menschlichen Dasein beraubt habe, die von Gott in seinem Schöpfungswerk vorgesehen gewesen sei – denn eine Frau könne dem Mann Trost und Lust bieten, die aus Verbindung hervorgehenden Kinder Freude.93 Aus welcher Perspektive auch immer man argumentieren mag: Es kann kaum verwundern, dass der Pfalzgraf einen Ausweg suchte, den er in der Person von Clara Dett (oder Tott) fand, die an der Seite Friedrichs und durch die Verbindung mit ihm eine ganz außergewöhnliche Karriere durchlief.94 Nicht zuletzt weil Clara durch die Nachkommen, die sie gemeinsam mit Friedrich zeugte, zur Stammmutter des Grafenhauses von Löwenstein wurde, sind wir über manche Aspekte ihres Daseins recht gut informiert, auch wenn sich ihre Beziehung zu Friedrich über lange Jahre im Zwielicht der Illegitimität abspielte. Ihre Herkunft aus einer bürgerlichen Familie in Augsburg ist aber nur recht hypothetisch nachzuvollziehen. Gänzlich im Dunkel bleibt schließlich die Antwort auf die Frage nach dem Moment ihrer Begegnung mit dem Pfalzgrafen. Aller Wahrscheinlichkeit nach fand diese in München am Hof der bayerischen Herzöge statt, wo Clara auf unklare Weise integriert war. Folgen wir Matthias von Kemnat, so dürften wir Clara wohl am ehesten im Frauenzimmer des Hofs vermuten.95 Da Matthias sich aber sichtlich darum bemühte, nicht nur seinen Protagonisten Friedrich, sondern auch dessen unstandesgemäße Frau insgesamt im allerbesten Licht darzustellen, wird man diese Verortung nicht unbedingt beim Wort nehmen können. Doch selbst wenn man ihm folgt, fällt seine Darstellung der Begegnung zwischen den beiden wenig schmeichelhaft für 91 92 93
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Vgl. oben in Anm. 23. Hierzu vor allem Heinig 2002, S. 277–280, und Widder 2004, S. 477 f. Matthias von Kemnat, Chronik, S. 17 f.: […] got schepfer der welt, do er das menschlich geschlecht vffenthalten wolt durch die geburt der kinder, do hat er zusamen gekuppelt den man vnd die frauwe eins dem andern zu einem trostgesellen vnd der zufugung hatt er geben ein wollust, der do fast sere zu begern ist vnd auch mit ettlicber sussigkeit der kinder, die von ine geborn werden ein vetterlich begirlichkeit, das sie begern sie zu spiessen, vffzubringen vnd das ine woil sie, dan sie meinen das in den geliedern irer kinder ettlich hoffnung, die do nit zergehe, ires geblutes vnd auch ire bildtnus vnd das sie nit gantz sterben, wan sie hinder ine lassen kinder bei dem leben. Soliche grosse trostung des weibes vnd hoffnung der kinder seines eigen leibs hait sich vnser fürst willichklichen selbs beraubt, das er alle liebe, alle miltigkeit vnd dennoch alle vetterliche neygung in seins bruder sone vnd, das warer sage, nw in sein eigen sone volnbringen moge. Zu Matthias und seinem historiographischen Werk siehe Studt 1992. Ausführlich hierzu Rödel 2004; zur Legitimierung der Söhne, die aus dieser Verbindung hervorgingen, siehe knapp Widder 2004, S. 437 f. Matthias von Kemnat, Chronik, S. 138: Man sol hie wissen, das pfaltzgraff Friederich sich begeben hat grosser trostung eins eweibes, […]. Doch der gemelt pfaltzgraff hett bei ime ein stetige beiwonung, ein jungffrawn, Clara genant, von Augsburg geborn, die ein hoffejungfrawe zu Monchen was gewesen.
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den Pfalzgrafen aus, erklärt Matthias doch zu Clara, die er als stetige beiwonung Friedrichs einführt: Die bracht er zu vall und macht mit ire hubscher naturlicher sone zwen.96 Hinter dem Begriff der hoffejungfrawe mag sich im Fall Claras Unterschiedliches verbergen, zumal Matthias’ Chronik hier das einzige Zeugnis darstellt. Tatsächlich bot der Hof mancherlei Betätigungsfelder und Aufstiegschancen auch für nicht-adlige Frauen, aber diese konnten ganz unterschiedlich angelegt sein: Letztlich erscheint sogar das Umfeld des Frauenzimmers, auf dessen Tugendhaftigkeit man insgesamt stark bedacht war, zumindest auch als Ort, an dem sich manche amourösen und sexuellen Verbindungen entwickeln konnten.97 Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass man Clara ganz anders am Hof verorten muss: Eine mögliche Hypothese verweist zumindest darauf, dass sich die Augsburger Bürgerstochter am Münchner Hof als Musikantin betätigt habe und damit zugleich Teil eines Milieus von zumindest zweifelhaftem Ruf gewesen sei. 98 Damit soll nun keinesfalls behauptet werden, dass Clara Dett als Prostituierte einzustufen sei, die durch die Begegnung mit dem Pfalzgrafen eine dauerhafte Sicherung ihrer Existenz habe erreichen können. Ganz im Gegenteil werden wir sie, auch angesichts der ihr zugeschriebenen musikalischen und intellektuellen Fähigkeiten,99 sicher in einem ganz anderen Bereich zu verorten haben als die Prostituierten der Frauenhäuser. Zugleich mag man sich aber bei der Einordnung als Sängerin doch an die Schilderung des Banketts erinnert fühlen, das Wilwolt von Schaumburg organisierte: Hier ging es ja vermutlich auch weniger um Prostituierte im engeren Sinne als vielmehr um Frauen, die im weitesten Sinne zur Unterhaltung im höfischen Kontext beitrugen – durch Tanz oder Gesang –, und vielleicht sollten wir die kategorialen Grenzen hier nicht allzu eng stecken, da sich bei entsprechenden Anlässen ein Graubereich auftun mochte, in dem auch sexuelle Handlungen unterschiedlichster Natur und Intensität stattfinden konnten. Schon vor längerer Zeit wies Claudia Opitz darauf hin, dass es einem Autor des 13. Jahrhunderts nicht außergewöhnlich erschien, dass man Landgraf Ludwig von Thüringen angeboten habe, ihm Frauen zuzuführen, die er beim Tanz bewunderte.100 Der eigentliche Clou der Erzählung liegt natürlich nicht im Angebot selbst, 96 Ebd. 97 Grundsätzlich zum „Frauenzimmer“ siehe: Das Frauenzimmer 2000; vgl. auch Bojcov 2005. Zu Gerüchten Anlass gab die Karriere von Apollonia Lang, die als Geliebte Kaiser Maximilians ab 1494 als Hofdame Aufnahme in das Frauenzimmer von dessen Gemahlin Bianca Maria Sforza fand. Zu ihr existierten Vermutungen, sie habe ein Verhältnis mit Herzog Georg von Bayern-Landshut gehabt, vgl. Stauber 1993, S. 627. Auch wenn man diese Hinweise mit dem Autor als „Klatsch“ abtun will (ebd., S. 628), bezeugen sie doch eine Facette der kursierenden Vorstellungen vom Frauenzimmer. Vgl. zu Apollonia auch Gebele 1952. Eine buchstäblich abenteuerliche Episode zu Wilwolt von Schaumburg präsentiert Nolte 2007, S. 219–222. 98 Siehe Koldau 2005, S. 575 f., die Clara Dett neben Barbara Blomberg, einer Mätresse Kaiser Karls V., als eines von zwei Beispielen ausführt, in denen „professionelle Musikerinnen als Kurtisanen“ begegnen (so die Überschrift des Kapitels). Zur Präsenz von „Spielfrauen“ in den Städten siehe ebd., S. 550–562 99 Einige der nachgerade panegyrischen Schilderungen aus dem Umfeld des Heidelberger Hofs versammelt Rödel 2004, S. 103 f. 100 Opitz 1985, S. 177.
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sondern in der erbosten Reaktion des Landgrafen, der sich hier als tugendhaft-keuscher Fürst und Gatte der Elisabeth von Thüringen erweist.101 Dass sich auf diese Weise seine Besonderheit narrativ fassen ließ, stellt aber ein aussagekräftiges Detail dar: Man muss nicht an sicherlich unangebracht-schwülstige Bilder eines laszivlibertinären Spätmittelalters denken, in dem die Badestuben Orte hemmungsloser Lustbarkeiten gewesen wären. Dennoch erscheint es sinnvoll, mit einer Verschiebung der Parameter für die Einschätzung und Wahrnehmung des Sexuellen zu rechnen. Allen theologischen und religiösen Diskursen zum Trotz müssen sexuelle Kontakte keineswegs als Momente intimster Handlung betrachtet werden. Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass sie für viele der weltlichen Zeitgenossen einen recht ‚normalen‘ Aspekt des menschlichen Daseins bildeten, mit dem man auch ganz pragmatisch umgehen konnte, ohne gleich tiefgehende Identitätsfragen daran zu binden.102 Dies wäre zumindest eine Lesart der skurril wirkenden Mitteilung, man habe dem nicht zurechnungsfähigen König Karl VI. von Frankreich anstelle seiner Gemahlin in der Gestalt der Odette de Champdivers eine schöne junge Frau zugeführt, die in der sogenannten „Chronik des Religieux de Saint-Denys“ als concubina bezeichnet wird.103 Um ein genaueres Bild aus diesen stets nur schlaglichtartigen Einblicken heraus zu entwickeln, ist ohne Frage weitere Forschung nötig – zusätzliche Beispielfälle können dann unser Wissen mit neuen Nuancen bereichern. Diese Arbeit ist 101 Chronica Reinhardsbrunnensis 1896, S. 590; vgl. die deutsche Wiedergabe in: Elisabeth von Thüringen 1963, S. 124: „Er war keusch an Leib und Seele. Eines Tages schaute er aus dem Fenster einer unten tanzenden Gruppe zu. Da zeigte einer aus seiner Umgebung auf eine der Vortänzerinnen und sagte zu ihm: ‚Herr, wenn du sie in die Arme schließen möchtest, will ich dir zu dieser Lust verhelfen.‘ In großem Zorn erwiderte der Fürst: ‚Schweig still! Und wenn dir an meiner Gunst und Freundschaft gelegen ist, dann lass mich nie mehr solcherlei Reden hören!‘“ 102 An dieser Stelle erscheint doch ein kurzer Verweis auf die „Duerr-Elias-Kontroverse“ angebracht (siehe Anm. 2), die zwischen den Polen anthropologischer Konstanten und einer linearen Entwicklung der „Zivilisation“ hin zu größerer Körperferne schwankt. Stattdessen erscheint es mir im Sinne einer kulturwissenschaftlich orientierten historischen Forschung angebracht, von jeweils spezifischen Konfigurationen auszugehen, bei denen anthropologische Grundverfasstheiten (wie etwa die Körperlichkeit des Menschen) kulturell unterschiedlich eingebettet werden konnten, ohne dass dies auf eine klare, lineare Entwicklung herunterzubrechen wäre. 103 Chronique du religieux 1839–1852, Bd. 3, S. 486 und 488: Quia tamen occasione sue infirmitatis dubitabatur non modicum ne in personam regine aliquid sinistrum committeret, secum dormire non sinebatur. Sed sibi data fuit in concubinam quedam pulcherrima, delectabilis et placens juvenis, filia cujusdam mercatoris equorum, de consensu tamen regine; quod valde videbatur absonum. Zu Karl VI. und seiner Krankheit siehe Guenée 2004. Der zitierte Passus entstand nach dem Tod des Königs und steht im Umfeld der Beschreibung seines Begräbnisses; Autor ist damit nicht Michel Pintoin, sondern sein Fortsetzer Jean Chartier, der am Hof Karls VII. schrieb, siehe knapp Oschema 2010, S. 1218. Wie die Tatsache zu interpretieren ist, dass Chartier ausgerechnet diesen Bericht aufnahm, in dem er auch erwähnt, dass Odette als „kleine Königin“ bezeichnet worden sei, ist schwierig zu deuten. Zur Identifizierung der Konkubine mit Odette de Champdivers siehe Vallet de Viriville 1859; leider noch nicht zugänglich waren mir die Beiträge zur Tagung „Maîtresses et favorites dans les coulisses du pouvoir“, die am 13. und 14. Dezember 2012 in Lüttich stattfand.
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lohnenswert, weil sie nicht nur neue Erkenntnisse zu den kulturellen Voreinstellungen und Verschiebungen in einem Bereich eröffnen kann, der untrennbar mit der menschlichen Existenz verbunden ist. Weit darüber hinaus wird bei fortschreitender Verdichtung des Bildes auch deutlicher hervortreten, welche Auswirkungen diese Seite der menschlichen Existenz auf andere Facetten der spätmittelalterlichen Welt hatte und dass sie bis in die Sphäre des Politischen durchschlagen konnte. Und wenn damit an dieser Stelle die Frage nach dem Besuch der Monarchen, Fürsten und Adligen des Reichs bei Prostituierten nicht zufriedenstellend geklärt werden konnte, so sei abschließend schlicht gefragt, wo sich denn ab dem späten 15. Jahrhundert jene Adligen infiziert haben mögen, für die man eine Syphilis-Erkrankung vermuten kann?104 Quellenverzeichnis Ungedruckte Quelle Fugger, Johann Jakob/Jäger, Clemens, Wahrhaftige Beschreibung […] deß Habspurgischen unnd Oesterreichischen geblüets […] in diß werkh der Ehren beschließlichen gebracht Anno 1555 [Ehrenspiegel des Hauses Österreich]; Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 8613 und 8614.
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104 Nolte 2004, S. 67–71.
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KÖNIG CHRISTIAN IN ITALIEN (1474) Werner Paravicini EINLEITUNG: WAS WIR WISSEN KÖNNEN UND WAS WIR WISSEN WOLLEN Wenn Könige reisen, sprudeln die Quellen.1 Über die Pilgerfahrt nach Rom, die Christian I. von Dänemark und Norwegen, nominell auch von Schweden, im reifen Alter von 48 Jahren2 am 9. Januar 1474 in Segeberg in dem ihm seit 1460 unterstehenden Holstein begann und am 24. August 1474 im ebenfalls holsteinischen Reinfeld nach 226 Tagen und ca. 4.700 km beendete,3 gibt es darum Texte in Hülle und Fülle und sogar Bilder, in Malpaga nahe Bergamo (Abb. 3), in Rom (Abb. 7), Mantua (Abb. 4 und 8–10) und Kopenhagen (unter Anm. 352), dazu zwei italienische Medaillen (Abb. 5 und 6), auch viele Aufsätze in dänischer,4 italienischer5 und deutscher6 1
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Jürgen Herold, Karl-Heinz Spieß (beide Greifswald, s. u. z. B. Anm. 10) und Francesco Somaini (Lecce/Mailand, unten Anm. 11, 14 und 253) stellten in großem Umfang unveröffentlichtes Material zur Verfügung. Vivian Etting (Kopenhagen) spendete Bilder, Christina Antenhofer (Innsbruck) sandte Ungedrucktes und Franziska Hormuth (Kiel) setzte mich über Sachsen-Lauenburg ins Bild (siehe Anhang 3, Nr. 1). Antjekatrin Graßmann (Lübeck) kopierte für mich aus der Chronik des Reimar Kock (siehe Anhang 2); Andreas Rehberg und Jörg Hörnschemeyer (Rom) suchten mir aus dem in Arbeit befindlichen 10. Band des Repertorium Germanicum heraus, was Herzog Johann V. von Sachsen-Lauenburg angeht (siehe Anhang 3, Nr. 1), Rainer Christoph Schwinges (Bern) erfreute mich mit bislang (17. September 2014) noch nicht online gestellten Nachrichten aus dem Repertorium Academicum Germanicum (siehe Anhang 3, Nr. 6, 7, 9, 35 und 41), Walter Landi (Bozen) erteilte Auskunft über Tridentiner Leute (siehe Anhang 3, Nr. 4), Tobias Daniels (Rom) sandte Verborgenes aus Venedig (siehe Anhang 3, Nr. 59), Martin Bauch (Rom) schrieb mit Kopierverbot Belegtes ab und Torsten Hiltmann (Münster) forschte für mich in der burgundischen Heroldsdatenbank (siehe Anhang 3, Nr. 36 f.). Für freundliche Hinweise und Hilfen danke ich außerdem Gräfin Armgard von Dohna (Rheden), Jan Hirschbiegel (Kiel), Eberhard Holtz (Berlin), Jens E. Olesen (Greifswald), Anke Paravicini (Kronshagen) und Thomas Riis (Kiel). Weitere Schulden nennt Anhang 1. Von den im Weiteren verwendeten Abbildungen befinden sich Abb. 1, 3, 4, 7b und 8–10 als Farbabbildungen im Bildanhang am Ende des Bandes. Andrea da Schivenoglia sagt dagegen: Era homo de 56 anny, grando, grosso, con uno àiero signorily (Schivenoglia, Cronaca, wie Anm. 280). Er wurde im Februar 1426 geboren. So die Berechnung von Jürgen Herold (Greifswald). – Ursprünglich wolle er schon zu Ostern (10. April) wieder zu Hause sein, siehe Niitemaa 1960, S. 271 mit Anm. 5, nach Höfler 1851, S. 84, Nr. 68, Zettel 1 (Christian an Kurfürst Albrecht am 18. März 1474). Neugierigen in Viterbo wurde prahlend erzählt, die Reise habe schon am 10. September begonnen, s. u. Anm. 331. Krogh 1871; Ders. 1882; Paludan-Müller 1874, S. 116–123; Ders. 1880/81 (grundlegend); Bildt (ein Schwede) 1900, S. 220–225; Ders. 1908; Lindbæk 1902, S. 477–496; Dies.
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Sprache, aber noch keine wirkliche Gesamtdarstellung.7 Diese ist auch hier nicht beabsichtigt. Es geht nur um Christians Zeit in Italien, denn sobald er in die papierne Welt der italienischen Gesandtenberichte und Fürstenkorrespondenzen8 eintaucht, können wir sein Tun und Lassen fast von Tag zu Tag verfolgen, zuweilen von Stunde zu Stunde, denn die Italiener beobachteten ihn genau und mit Hingabe. Sogar seine Essensgewohnheiten, die Tischordnung und der bevorzugte Wein wurden notiert: „Für alle einen guten weißen und roten, für den König aber und diejenigen, die mit ihm an seinem Tische essen, einen von mittlerer Farbe, leicht, ein wenig zwischen herb und sauer schmeckend – den würde er gerne trinken“, heißt es.9 Dies zu wissen war wichtig, wollte man ihn angemessen bewirten. Karl-Heinz Spieß und Jürgen Herold in Greifswald haben mir aus ihren Funden im GonzagaArchiv zu Mantua höchst freigebig das Wichtigste mitgeteilt,10 während Francesco
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1907, S. 84–90; Krarup 1935, S. 39–49 (unter Verwendung der APD); in jüngerer Zeit Etting/Werdelin 1982; Etting/Signorini/Werdelin 1984; Christensen 2000. Ansonsten wird die Reise in jeder dänischen Geschichte des Zeitraums behandelt, besonders ausführlich bei Etting 1998, S. 131–159. Die hier und im Folgenden verwendeten Siglen werden im Quellenverzeichnis aufgelöst. Cancellieri 1820, S. 13 f.; Ghinzoni 1888; Ders. 1891; Belotti 1939a; Ders. 1939b; Lubkin 1994, S. 182–184 (Mailand); die Arbeiten von Rodolfo Signorini seit 1972 (z. B. Signorini 1976; Ders. 1977; Ders. 1979; Ders. 1980a; Ders. 1980b; Ders. 1982; Ders. 1984; Ders. 2011), davon grundlegend, mit umfangreichem Dokumentenanhang aus dem mantuanischen Archiv Ders. 1981, z. T. wiederholt und mit Abb., auch von Archivalien, reich illustriert in Ders. 2007, S. 62– 73 mit Anm. 194–252 auf S. 111–115; zuletzt Holm 2005 (aus dem Dänischen übersetzt). Löher 1869 (zu Mailand, nach Höfler 1851); Hasse 1877; Pastor 1904, S. 497–500 und 619; Niitemaa 1960, S. 268–301 (die beste, detailreiche Einordnung in den Gesamtzusammenhang); Rüdebusch 1971, S. 175–180. Der schmale Band (106 S.) von Etting/Signorini/Werdelin 1984 konzentriert sich auf Text und Faksimile von Nuvolonis Preisrede (s. u. Anm. 168) und kann nicht als Gesamtdarstellung gelten. Siehe dazu: Briefe aus dem Spätmittelalter 2015; auch Paravicini 2014a, S. 19 f. Der König esse in camera cum cinque de li soy et non più [vgl. Anhang 3, Nr. 1–5], et il resto de li soy gentilhomini [zur gleichen Zeit] tuti insieme in una sala; es folgen weitere Angaben, u. a. zur Anzahl der benötigten Tische und zum bereitzustellen Wein: Del vino provediti haver qualche bon vino biancho et così vermiglio per tuti, ma per la maestà soa et per alchuni de quilli che manzano cum sì se trovàstivo de uno vino de mezo collore, lezero, che havesse un pocho di respondente tra buscho e soro, soa maestà lo beve voluntera (AS Mantua, AG, b. 2187, Nr. 1119: 1474 März 16, Mailand, Giovanni Castronovate und Giovanni Chiàppano an Giovanni Càimo und Luigi Cinìsculo, Beamte des Herzogs von Mailand, mit der Betreuung des Königs beauftragt). Abgedruckt bei Signorini 1981, S. 27 f. Karl-Heinz Spieß verdanke ich die vollständige Kopie der Briefe Konrad von Hertensteins (siehe Anhang 2, Nr. 76), die im AS Mantua, AG, b. 439 aufbewahrt werden und inzwischen fast alle in Barbara Gonzaga, Die Briefe veröffentlicht worden sind. Jürgen Herold stellte mir seine Ausarbeitung „Die Romreise des Königs Christian von Dänemark 1474“ und das von ihm aufgestellte Itinerar sowie weitere Stücke aus dem Gonzaga-Archiv zur Verfügung; insgesamt hat er über 140 Briefe der dänisch-mantuanischen Korrespondenz ermittelt, die mir nicht alle zugänglich waren. Mantuaner Stücke benutzte bereits Lindbæk 1902 (siehe S. 461, Anm. 1), im DDL sind mehrere von ihnen nach Kopien im Dänischen Reichsarchiv veröffentlicht. Die Gonzaga-Korrespondenz ist unlängst Gegenstand und Quelle umfassender Arbeiten geworden, zumal von deutschösterreichischer Seite: Severidt 2002; Nolte 2005; Antenhofer 2007a; Dies. 2007b; Dies. 2009; Dies. 2011; Dies. 2014; Dies. 2015; Dies. 2016; Von Mantua nach Württemberg 2011;
König Christian in Italien (1474)
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Somaini aus Lecce mir die einschlägigen Stücke aus den Berichten des Mantuaner Gesandten in Mailand überließ.11 Überaus wertvoll ist das Tagebuch des Kanzlers Francesco, genannt Cicco Simonetta,12 sind die gedruckten Berichte des mailändischen Gesandten in Bologna13 – an unveröffentlichten Dokumenten ist indes noch mehr zu erwarten, als hier geboten werden kann.14 Von der dänischen Überlieferung, voran der Reiserechnung, die es doch gegeben haben muss, ist nichts oder nur sehr wenig erhalten,15 viel dagegen im Archiv von Christians Schwager und Verbindungsmann zum Kaiserhof, Kurfürst Albrecht (Achilles), Markgraf von Branden-
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Barbara Gonzaga, Die Briefe; Briefe aus dem Spätmittelalter 2015; Rückert 2015; Herold 2002; Ders. 2014a und b; Ders. 2015; erwartet wird derweil Jürgen Herolds Greifswalder Dissertation zum Thema: Ders., Briefe und Boten. Zum Gonzaga-Archiv insgesamt siehe L’Archivio Gonzaga 1920–22; Behne 1990; Antichi inventari dell’archivio Gonzaga 1993; Lazzarini 1996, S. 1–88, hier bes. S. 69–79: „Una giornaliere testimonianza: le fonti di carteggio“. Ganz zu Recht schreibt Esch 2005: „So ist das kleine Mantua eine Großmacht der Überlieferung“, was allerdings auch für Mailand gilt und für Venedig und erst recht für das Vatikanische Archiv. Aus seinem noch unveröffentlichten Band 9 der Mailänder Depeschen des mantuanischen Gesandten Zaccaria Saggi (Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9). Siehe auch unten in Anhang 1. Sein Diario, 1962 veröffentlicht (Simonetta, Diari), wurde schon von Ghinzoni 1888 auszugsweise für unseren Gegenstand herangezogen. Der Aufenthalt Christians wird in Simonetta, Diari, S. 94–100 und 116 f., mit Hin- und Rückweg behandelt, mit Gesamtitinerar des Hinwegs auf S. 98 f. und Verzeichnis der Begleitung (s. u. Anhang 2 (a)). Auf S. 112 wird für den 27. April 1474 verzeichnet, dass u. a. Christian und sein Sohn Hans Mitglied im St. Michaelsorden Ludwigs XI. waren. Auf S. 154 heißt es vom König von Neapel, der am 7. Februar 1475 nach Mailand kam, dass er in derselben camera wohnte wie ehemals der König von Dänemark. Auf S. 161 ist der Einzug der Königin Dorothea von Dänemark in Mantua am 7. April 1475 notiert, wovon der mailändische Hof nicht rechtzeitig unterrichtet worden war. Auf S. 220 heißt es zum 18. November 1476, dass der Herzog entgegengeritten sei al carezo de le bombarde grosse et artigliarie, le quali gionsero qua in su la sera. El Danese ne fuo el conductore d’esso carregio – norddeutsch-dänischer Sachverstand in Sachen Artillerie, wie so oft in dieser Zeit. Das hatte Tradition, siehe die Handschrift des Technikspezialisten Konrad Gruter von Werden von 1424 (Gruter, De machinis), die zeigt, wie dieses Wissen zwischen Dänemark und Padua zirkulierte. Vgl. dazu auch Lohrmann 2007. Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007. Auf weitere, bislang kaum herangezogene Stücke, die sich auf Christians Romaufenthalt beziehen, weist hin Somaini 2003, Bd. 1, S. 546 f., Anm. 204. – Paludan-Müller 1880/81 benutzte eine umfangreiche, ca. 300 Stück umfassende Sammlung von Abschriften zu Christians Reise aus dem Mailänder Archiv, die dessen Direktor Luigi Osio im Jahre 1858 dem dänischen Hofjägermeister F. v. Bertouch zur Verfügung gestellt hatte und die in den Besitz des Geheimarchivars Cfrd. Wegener übergegangen war (siehe Exkurs 5 auf S. 336, ein Beispiel unten bei Anm. 213), doch ohne sie auszuschöpfen; der gegenwärtige Aufbewahrungsort dieser Abschriften ist mir nicht bekannt. Das Mailänder Archiv dürfte noch manches Neue zum Thema enthalten. Ebensolche Abschriften aus dem Mantuaner Archiv existier(t)en im Dänischen Reichsarchiv zu Kopenhagen, woraus im DDL zahlreiche Stücke veröffentlicht und unten nachgewiesen sind. Heute können die Mantuaner Königsbriefe aus Dänemark im Mikrofilm Danica 922 Nr. 1 ebendort eingesehen werden (Etting/Signorini/Werdelin 1984, S. 24). In einem Kopenhagener Codex, der von Engelstoft und Werlauff 1834 veröffentlicht wurde (SS rer. Dan. 8), darin S. 360–446: „Epistolae Regis Christiani I. vel ad eum scriptae“, die allerdings nur von 1462 bis 1468 reichen. Wenig ergiebig für unseren Gegenstand ist die Edition der Missiver fra Kongerne Christiern I’s 1912–14.
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burg-Ansbach.16 Dazu kommen Überlieferungen in Chroniken17 und Archiven an jedem Ort, den er berührte. Sie sind noch keineswegs vollständig erfasst.18 Eine wichtige Quelle, Mitte des 19. Jahrhunderts noch vorhanden, ist jetzt im Original verloren: das sogenannte „Tagebuch“ des Klerikers Albert oder Albrecht (von) Klitzing, Propst von Berlin, ein Mann des Kurfürsten Albrecht, der Christian auf der Reise als vertrauter Sekretär zur Seite stand und in seinen Dienst überwechselte.19 Mit all dem kann man ein nahezu lückenloses Itinerar aufstellen, wie es Jürgen Herold bereits getan hat,20 oder die Rituale untersuchen, mit denen der König aus dem Norden vielfach empfangen, untergebracht, gefeiert, beschenkt wurde – und würde doch dabei nur wenig mehr erfahren, als was wir aus anderen Beispielen schon wissen.21 Ganz werde ich davon nicht lassen, möchte aber eher schildern, in welche verschiedenen Situationen er unterwegs geriet und welche Geschäfte er gleichzeitig und nacheinander auf dieser Reise erledigte. Denn dass ein Mann solchen Ranges während so langer Abwesenheit nicht (nur) als demütiger Pilger dem Gebet oblag, das können wir uns denken. Die große Politik22 aber lassen wir fast ganz beiseite, die in jener Zeit vom Konflikt zwischen König Ludwig XI. von Frankreich und Herzog Karl dem Kühnen von Burgund beherrscht wurde und im Reich vom missglückten Treffen Karls mit Kaiser Friedrich III. in Trier, Karls Invasion des Erzstifts Köln, der endlosen Belagerung von Neuss, dem Zusammenbruch der burgundischen Herrschaft am Oberrhein, aus dem alsbald die schweizerisch-lothringischen Burgunderkriege entstanden, die Karl den Tod bringen sollten. An all dem ist auch König Christian beteiligt gewesen: Während er durch Italien zog, gingen unablässig Boten von und zu diesen Herrschern hin und her.23 Dass er 16 17 18 19 20
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Minutoli 1850; Höfler 1851; Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894– 98. Siehe auch unten Anhang 1. Zu Kurfürst Albrecht siehe Heinig 1997, Bd. 1, S. 1098–1136; Kurfürst Albrecht Achilles 2014, hierin bes. der Beitrag von Jürgen Herold (Herold 2014a). Auch in der gut informierten Lübecker Ratschronik 1911, S. 124–127. Bekannt aus Augsburg, Brescia, Bologna, Florenz, Siena, Viterbo und Graubünden. – Die Briefe des Lorenzo de’ Medici (Medici, Lettere) enthalten auffälligerweise keine Nachrichten zu Christians Reise. Siehe Anhang 1, zur Person Anhang 3, Nr. 9. Weshalb es hier fehlt. Es wird in seiner Dissertation veröffentlicht werden (Herold, Briefe und Boten). Zeitgenössische Elemente siehe bei Simonetta, Diari, S. 98 f. (Lübeck – Mailand) und bei Albert Klitzing (Petersen, Chronica bzw. Minutoli 1850, siehe Anhang 1). Etting 1998, S. 132, hat eine Übersichtskarte zum Itinerar vorgelegt (siehe Abb. 2), die allerdings nicht ohne Fehler ist, z. B. was die Rückreise von Rom angeht, die wie die Hinreise über Siena und Florenz führte. Zu Friedrich III. 1452 und 1468/69 s. u. Anm. 26 und 172; zu Graf Eberhard im Barte von Württemberg 1482 unten bei Anm. 131 und 296. Vgl. 1474 Mai 1, Rom, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 845/136), abgedruckt bei: DDL 4, Nr. 218, S. 196–198 (nach Abschrift im Dänischen Reichsarchiv), und Signorini 1981, S. 52, Nr. 24: Questo re mostra pur havere animo a cose grande et maxime ad intelligentie cum lo imperatore, re de Franza e duca de Milano, e pàrtese cum intentione de havere a drizar qui molte soe facende importante, de le quale non me extenderò altremente perché son certo tuto communicarà cum vostra signoria. Eine Spur davon ist das Geschenk von 30 £ im April 1474 an Dannemarke, Christians Herold (s. u. Anhang 3, Nr. 36 f.), in der Jahresaufstellung 1474 des burgundischen Argentiers, siehe Comptes de l’argentier, Bd. 4, 2009, S. 169, § 140; zum Monat November 1474 auch ebd.,
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beim Kaiser die Erhebung der Grafschaft Holstein zum Herzogtum, die Kräftigung seiner Herrschaft dort und den Gewinn Dithmarschens ebenso betrieb wie beim Papst die Stärkung seines dänischen Kirchenregiments, ist ebenfalls seit langem bekannt und wird deshalb hier nur gestreift.24 Vermutlich unternahm er aus diesen Gründen seine Fahrt schon im Jahre 1474 und nicht erst im großen Jubeljahr 1475, wie seine Frau Dorothea es tat, ganz ohne ihn.25 Es wäre auch Christians Fahrt mit den Romreisen Kaiser Friedrichs III. von 1452 und 1468/6926 und Eberhards im Barte von Württemberg 1482,27 ja Dorotheas von Dänemark zu vergleichen, die im Jahre 1488 erneut über Berg zog, aber das mag ein andermal oder von einem anderen geschehen. Hier nur so viel, dass der päpstliche Zeremonienmeister Johannes Burckard, ein Deutscher, viel an ihr und ihrer Begleitung auszusetzen hatte: Er konnte nicht verwinden, dass sie sich dem Zeremoniell verweigerte, und ihr „ungebildeter“ Haushofmeister fand keine Gnade vor seinen Augen.28 Die Fragen der großen Politik stehen also nicht im Mittelpunkt, obwohl sie nicht gänzlich ausgeblendet werden können. Ich möchte lieber dem König über die Schulter schauen und mit ihm gleichsam eine Reihe schöner Tage erleben. Es geht um den Alltag eines reisenden Fürsten – ein Thema wohl ganz nach dem Geschmack von Karl-Heinz Spieß. 1. WAHL DER WEGE Die Route nach Rom war bekannt. Man meldete sich an: Beim Markgrafen von Mantua schon aus Segeberg am 9. Januar 1474,29 dann wieder am 19. Januar aus Brandenburg an der Havel mit der Bitte um Weitertransport von Briefschaften nach
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S. 190, § 447 das Geschenk von 18 £ an ung ancien fol du roy de Dannemarche. Annexe II, § 22–24 (ebd., S. 289 f.) enthält weiteres Material zum Empfang des Königs vor Neuss Ende 1474. Siehe auch unten Anm. 112. – Christians Wappenkönig Konrad (s. u. Anhang 3, Nr. 36 f.) hatte bereits einen Brief seines Herrn an Herzog Karl den Kühnen vom 1. Mai 1473 überbracht, siehe: Der Briefwechsel Karls des Kühnen 1995, Bd. 2, Nr. 2271, dort unter Nr. 2525 f. weitere dänisch-burgundische Kontakte vor März 1474, Nr. 2678 vor dem 12. August; eigens behandelt das dänisch-burgundische Verhältnis Johnsen 1947. Siehe unten Kap. 6.1.2 und 6.2.2. Siehe unten Anhang 4. Vgl. Esch/Esch 2003. Das Gefolge zählte 1468/69 nach Angabe der Quellen 500–700 Pferde, tatsächlich wohl nur etwa 400; der Kaiser selbst war, wie später König Christian, im kaiserlichen Quartier im Vatikan untergebracht (vgl. Platina, Leben Papst Sixtus’ IV., zit. nach Howe 2005, S. 190: parari aedes, quibus suscipi imperatores solent, mandat, siehe auch unten Anm. 307: in aedibus suis), was man auch in Lübeck wusste (Lübecker Ratschronik 1911, S. 126: Zwei Kardinäle brochten en uppe des kaysers pallas, dar de plecht te liggende, wan he is to Rome; dar hadde de pawes bereden laten syne kost), das Gefolge in verschiedenen Herbergen, Kurfürst Albrecht von Brandenburg aber in der Nähe des Kardinals von Mantua, s. u. Anm. 251. Bei der zweiten Romfahrt des Kaisers handelte es sich vordergründig ebenfalls um die Erfüllung eines Gelübdes. – Weiteres bei Heinig 2016 (Literatur) und zum Vergleich (Venedigbesuche) bei Märtl, Friedrich III. Siehe unten Anm. 296. Siehe unten Anhang 4. Siehe Anm. 36.
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Rom,30 welche spätestens am 3. März dort eintrafen;31 erneut am 1. Mai 1474 aus Siena für den 9. Mai.32 Bei der Stadt Bologna aus Mailand, dann erneut am 23. März 1474 aus Mantua.33 Selbstverständlich beim Papst, der mit einem Begrüßungsschreiben antwortete.34 Quartiermacher wurden vorausgesandt.35 Durch angefragtes und gewährtes Geleit sorgte man für Sicherheit, ausgestellt durch den Markgrafen von Mantua,36 den Kaiser, der auch eine Empfehlung an den Papst mitgab, für den König und eigens Albert Klitzing,37 durch den Herzog von Mailand (der nicht in Mailand, sondern auf der Wolfsjagd im Ticino-Tal bei Belreguardo erreicht 30 31 32 33
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AS Mantua, AG, b. 563/43, freundl. Hinw. von Jürgen Herold, Greifswald; erwähnt bei Lindbæk 1902, S. 478, Anm. 2. 1474 März 3, Rom, Kardinal Francesco Gonzaga an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 845/211, freundl. Hinw. von Jürgen Herold, Greifswald; erwähnt bei Lindbæk 1902, S. 484 mit Anm. 3). AS Mantua, AG, b. 563/52, Auszug bei Signorini 1981, S. 34, Anm. 58, erwähnt bei Lindbæk 1902, S. 493 mit Anm. 2. Cristiernus Dei gratia Dacie, Suecie, Norwegie etc. rex […]. Pridie, viri clarissimi, de ingressu nostro in Bononiam vos ex Mediolano no potuimus reddere certiores. Sed quoniam heri [= März 22] Mantuam venimus, instituimus cras [= März 24] in Merendola [Mirandola], die Veneris [März 25] Mutine [= Modena] et die sabati [= März 26] tandem Bononiam profiscisci. Quod vos, quemadmodum desideratis, voluimus utique non latere. Datum Mantue, die mercurii ante dominicam Iudica MoCCCCoLXXIIIIo (AS Bologna, Lettere al Comune, b. 3/82, Druck: Piana 1984, S. 189, Anm. 631. Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 9 (nicht bei Petersen, Chronica): „Sobald Pabst Sixtus IV. aus dem abgelassenen Notificationsschreiben Nachricht bekam, daß der König sich denen päbstlichen Landen näherte, überschickte Ihre Heiligkeit demselben ein Beglückwünschungsschreiben des schmeichelhaftesten Inhalts.“ Das undatierte päpstliche Begrüßungsschreiben (wohl in Viterbo überreicht, s. u. Anm. 58) siehe in APD 4, Nr. 2516 nach Müller 1713, Tl. 2, S. 651; in dänischer Übersetzung bei Paludan-Müller 1880/81, S. 283. Vgl. Christensen 2000, S. 141 mit Anm. 13. Der spenditore de sua maestà ist erwähnt 1474 Mai 1, Siena, Bartolomeo Bonatto (der mantuanische Geschäftsträger in Florenz) an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1101/311, Druck: Signorini 1981, S. 52 f., Nr. 25). Es muss sich um den mandatario handeln, der zuvor in Florenz bezeugt ist und dann nach Siena ging, s. u. Anm. 39. 1474 Januar 9, Segeberg, König Christian an Ludovico Gonzaga, Markgraf von Mantua: nos solempni ex voto limina beatorum Petri et Pauli apostolorum in urbe Romana Altissimo favente e proximo peregrinationis gratia persona visitare intendimus und bittet um einen salvusconductus, den der Überbringer Henricus [Heinrich Sprenger, siehe Anhang 3, Nr. 78] zurückbringen soll (AS Mantua, AG, b. 563/42, Druck: Signorini 1981, S. 40, Nr. 1). – Ludovico antwortete 1474 Februar 13, aus Goito: Salvumconductum per Arrichinum nuncium su[u]m, quamquam minime opus erat, magnificentie vestre consignandum tradidi. Erit enim eadem in terris et locis meis non minus tuta ac secura quam in ipsius regno et domo propria (AS Mantua, AG, b. 2187/1012, Druck: Signorini 1981, S. 40, Nr. 2). Das Taxregister der römischen Kanzlei 2001, Nr. 3799: Item litera passus pro rege Dacie ad urbem Romanam. Ebd., Nr. 3800: Item commendacio ad papam pro eodem rege. Ebd., Nr. 3801: Item similis commendacio ad papam pro Alberto Glitzingk, alle unter dem Datum des 16. Februar 1474 (als König und Kaiser in Rothenburg ob der Tauber waren) und gratis. Auch Graf Eberhard von Württemberg wurde für seine Brautfahrt nach Mantua mit solchen Briefen ausgestattet, ebd., Nr. 3925 (17. März 1474): Item litera passus gen Rome für graf Eberhart von Wirtemberg und eyn recommendacio ad papam; Niderdorer sollicitavit; nichil dedit.
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wurde),38 durch die Florentiner.39 Diese Anfragen verwunderten die Italiener, denn anscheinend waren sie dergleichen nicht gewohnt; Ludovico Gonzaga wollte diese deutsche Gewohnheit erst von König Christian erfahren haben: Bisher habe er niemals für seine Söhne und seine Leute Geleitbriefe im Reich erbeten, doch jetzt wolle er für seine jüngst mit Graf Eberhard im Barte verheiratete Tochter Barbara auf dem Wege nach Württemberg um solche bitten; sie sei ja nun eher eine Deutsche als eine Italienerin und deshalb wolle er nun die Sitte der Deutschen befolgen, bei denen es Brauch sei, von Fürsten und Herren Geleitbriefe zu erlangen, was er unlängst am Beispiel des Königs von Dänemark erfahren habe, dem er auf seine Bitte denn auch ein öffentliches Geleit ausgestellt habe.40 Anfangs zog die Reisegesellschaft so, wie die Nürnberger Etzlaub-Karte von ca. 1499 den Weg über den Brenner zeigt (Abb. 1),41 abgesehen von einem Abstecher nach Ansbach zum Schwager Kurfürst Albrecht und nach Rothenburg ob der 38
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Sprenger (s. o. Anm. 36) ging auch nach Mailand, wo er ebenfalls einen Geleitbrief erbat und erhielt, siehe 1474 Februar 17 (la quale era a cacciare a le volpe in la valle de Tesino presso a Bereguardo) und März 9, Mailand: Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9). 1474 März 27, Bologna, Gerardo Cerruti an Galeazzo Maria Sforza (Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007, Bd. 2, S. 363 f., Nr. 1086): El re di Dacia, sumpto prandio, partì per essere quest sira ad Luyano [Loiano, Provinz Bologna]. Ero aviato con la sua maestà per andare seco almeno fin ad Pianora [Pianoro, Provinz Bologna], ma se ricordò gli bisognava salvoconducto de’ signori Firentini per certa represaglia exerciciscono contra suoi populi et volse ritornasse indreto per scriverne et farne opera. Io lo obedi’ e hone scripto a domino Philippo [Filippo Menclozzi di Sacramoro, mailändischer Geschäftsträger in Florenz] per cavallari dele poste, con quella acceleratione che m’è parso conveniente, affrezandolo al mandare di tal salvoconducto, perchè mostra lo expectarà per via. – 1474 Mai 2 (?), Florenz, Pietro del Tovaglia an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1101/40, Druck: Signorini 1981, S. 53, Nr. 26): Gestern [Mai 1?] ist der mandatario des Königs in Florenz angekommen und wurde gut aufgenommen; a la parte del salvocondocto ne fumo con questa Signoria e per cag[i]one che el numero de’loro consiglieri non si trovavano qui el g[i]orno nella terra, non se li poté inmediate dare expeditione, ma deinde questa matina si sono insieme runiti et liberissimamente et tutti di bona voglia uniti gliene ànno conceduto et pienissimo per cavagli 150, per mesi VI e senza alcuna spesa, la qualcosa per li altri non è consuetudine dàllo sanza costo almanco de 3 ducati, et tutto s’è hoperato e facto per amore delle vostra eccellentia. El decto salvocondocto se manda per l’actore presente, e el presente mandatario è andato questa mactina a Siena. – Zu Geleitbitten innerhalb Deutschlands siehe Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 628, Nr. 787: 1474 Februar 17, Bayern betreffend, durch Vermittlung Kurfürst Albrechts. Mai 1474 Mai 2, Saviola, Ludovico Gonzaga an Herzog Sigmund von Österreich-Tirol (AS Mantua, AG, b. 2893/76, fol. 39r, Druck: Barbara Gonzaga, Die Briefe, S. 136 f., Nr. 44): existimantes ipsam non amplius Italam sed potius Germanam volentesque Germanorum consuetudinem observare, quibus mos est a principibus illustribus et dominis salvosconductus impe trare, quod nuper nos in serenissimo rege Datie experti sumus, cui sic ipsius regia maiestate volente fidantiam publicam concessimus. Herzog Sigmund stellte das Geleit aus, das aber erst nach bangem Warten eintraf, siehe ebd., Nr. 50, 62 und 65. Zur üblichen „via teutonica“, die ab Florenz mit der „via francigena“ identisch war, siehe Stopani 2010 und Ders. 1988 (vgl. auch die Homepage des Centro Studi Romei unter http://www. centrostudiromei.eu/) sowie den Tagungsband La via Teutonica 2013, auch Zweidler 2003, S. 133, Karte: Von Lucca nach Rom. Stopani ignoriert jedoch völlig die für das Jubiläum des Jahres 1500 angefertigte Karte des Nürnbergers Erhard Etzlaub, die sogar Meilenangaben ent-
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Abb. 2: Des Königs Itinerar. Die Angaben sind nicht immer genau, z. B. wurde auf der Rückreise zwischen Rom und Bologna derselbe Weg genommen wie auf dem Hinweg. – Siehe Anm. 20.
Tauber zum Kaiser (Abb. 2). Zu Rothenburg erinnert noch heute eine späte Tafel am Haus des Adam Rein, Markt 6, daran, dass er damals dort Quartier genommen hatte.42 Jenseits des Brenners ging es zunächst nur bis Meran, denn des Königs Ziel war nicht wie üblich Verona, sondern Mailand, weiter westlich. Herzog Galeazzo Maria
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hält, siehe Krüger 1958; Springer 1950; Szabó 1997; Esch 2000a; Ders. 2003a, S. 9–12; Ders. 2007, S. 47; Kugler 2016. Zu den Alpenpässen nach Venedig jetzt Braunstein 2016, S. 31–74 („Traverser les Alpes“). „Hier wohnte im Febr. 1474 König Christian I. von Dänemark 7 Tage lang.“ Heute RestaurantCafé „Ratsstube“, siehe Signorini 2007, S. 63, Abb. 66a (Haus) und b (Inschrift). Zum Aufenthalt in Augsburg siehe Etting/Werdelin 1982, S. 29 mit Anm. 3 f. auf S. 36.
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Sforza muss ihn dorthin eingeladen haben, doch fehlt jegliche Nachricht hierzu. Hingegen ist bezeugt, dass er eine zeitlang zumindest vorgab, zunächst nach Mantua und dann erst nach Mailand gehen zu wollen.43 In Wirklichkeit plante er, den direkten, durch den Vinschgau führenden Weg über Bormio und das Veltlin nach Mailand zu nehmen: Dort erwarteten ihn wichtige Geschäfte, wie er Ludovico Gonzaga wissen ließ – möglicherweise hatte der Herzog von Mailand ihn damit angelockt.44 In Como erwartete man ihn schon ungeduldig, ja die hierfür abgeordneten Leute hatten schon wieder nach Hause entlassen werden müssen;45 auch der Mantuaner Gesandte war dorthin entsandt worden, blieb aber abwartend in Mailand und zog dem König dann in Richtung Bergamo entgegen.46 Aber jetzt im Februar war das Wormser Joch (der Umbrailpass oder das Stilfser Joch, 2501 bzw. 2757 m ü. M.) des überreichen Schnees wegen unpassierbar.47 Eine Gruppe von Savoyarden sei dort oben ums Leben gekommen, hieß es in Mailand.48 Der König musste über Bozen bis Trient weiterreiten und von dort den Weg bis kurz vor Verona und, nach Westen abbiegend, über Brescia49 nehmen. Das hatte zur Folge, dass der oberste venezianische Feldhauptmann und Condottiere Bartolomeo Colleoni ihn am 12. März in seinem Schloss Malpaga südlich von Bergamo feierlich empfangen konnte, was er, rechtzeitig unterrichtet,50 denn auch mit allem Aufwand tat, und 43 44 45 46 47
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Siehe unten bei Anm. 182–191. Siehe unten Anm. 191. Um welche es sich handelt, ist unter 6.2.1 zu lesen. 1474 Februar 22, März 2, 4, 9 aus Mailand, 13 aus Caravaggio, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9). 1474 März 13, Caravaggio, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 41, Nr. 6; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9, Nr. 294). Simonetta, Diari, S. 94 f.; 1474 März 7, Bozen, Christian an Ludovico Gonzaga, AS Mantua, AG, b. 563/45 (freundl. Hinw. von Jürgen Herold, Greifswald): Hat einen (nicht registrierten) Brief Ludovicos erhalten. Schickt seinen Sekretär Dr. Heinrich Sanckenstede (s. u. Anhang 3, Nr. 35) nach Mantua, damit er weitere nötige Verabredungen treffe. Dieser solle Ludovico eine Änderung des Reiseplans mitteilen. Christian hatte zunächst die Absicht, über das Wormser (Worms ist Bormio) Joch auf kürzestem Weg nach Mailand zu reiten. In Meran musste er aber erfahren, dass dieser Weg wegen des hohen Schnees nicht passierbar war, weswegen er umkehrte und den Weg über Trient nahm. Siehe auch unten Anm. 191 (8. März aus Trient). Zur ernüchterten Anwort Ludovicos vom 9. März 1474 aus Mantua siehe AS Mantua, AG, b. 2893/74, fol. 29v (freundl. Hinw. von Jürgen Herold, Greifswald): Er könne nichts anderes tun, als dies zur Kenntnis zu nehmen. Um von nun an ständigen Kontakt zu Christians Reisegesellschaft zu halten, schicke er ihm als Begleiter seinen armorum ductor Guido da Bagno. In den Tridentiner Quellen scheint keine Spur der Durchreise des Königs erhalten zu sein, auch nicht in den Archivi principatus Tridentini regesta 2001 (freundliche Auskunft von Walter Landi, Bozen). 1474 Februar 28, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9): mercatanti che venghono di là dicono che gli sonno le magior nieve del mondo, e venti grandissimi, e che si i passa con grandissimo pericolo, e ne sonno morti una frotta Savoini che passavao quelle montagne. Siehe unten Anm. 163. Die Etsch wurde bei Ponton überquert, siehe Cronaca di Anonimo Veronese 1915, S. 302 (zit. von Signorini 1981, S. 24, Anm. 11): passa l’Adice a Ponton, lassando Verona, e de lì a Peschera e a Milano; dort ist auch die Rede davon, daß der König nach Rom con divotione unterwegs sei. Ursprünglich war die Etappe im noch weiter südlich liegenden Martinengo vorgesehen, siehe 1474 März 8, Trient, Christian an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 563/48, Druck: Sig-
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sich damit als das erwies, was er immer hatte sein wollen: fürstengleich.51 Seine Erben hielten das ehrenvolle Ereignis in einer Folge von Fresken fest, die noch heute erhalten ist und den König bärtig zeigt (Abb. 3)52 – wir werden auf diese Tracht zurückkommen.53 Auch von Mailand aus ging es nicht stracks nach Südosten in Richtung Bologna, denn es sollten nun doch die Gonzaga-Verwandten in Mantua aufgesucht werden, auffälligerweise aber nicht die Este im nicht allzu fernen Ferrara, wohin man von Borgoforte mit dem Schiff leicht hätte fahren können. Diese bemühten sich vergeblich um die Ehre seines Kommens, wenigstens auf dem Rückweg.54 Erst in Modena und Bologna erreichte die Route den traditionellen Weg wieder, der über den Appenin nach Florenz,55 Siena,56 Acquapendente (wo der Kirchenstaat begann)57 und Viterbo58 nach Rom führte.59 Der Rückweg war in Italien mit dem Hinweg identisch, doch ging es diesmal jenseits von Mailand im Mai nach Como, dann in heiterer Fahrt mit Gesang und Saitenklang und von mancherlei Booten begleitet zu Schiff über den See nach Norden: Den 23. Mai kam er zu Cum / hie ließ der Hertzog von Meylan Schiff zurichten / damit er den König vber den Cumer See (der zwölff Meilen lang ist / vnd ein halbe breit) führen ließ / dem Könige in sonderheit ein schön Schiff / in der mit ein hoch Gezelt setzen / bey dem Könige vier Senger vnd andere Spielleut mit seitenspiel vnd andern Instrumenten / auch essen vnd trincken gnug / vnd zwölff andere Schiff mit Kriegßleuten / bey den deß Hertzogen Hoffmeister mit spiel vnd gesange / vnd grosser herrligkeit / vnd geschrey / das die Kriegßleut in iren Schiffen getrieben / die zu zeiten für auß / dann zu ruck vmb des Königs Schiff füreten / also den König geleiten den Cumer See zu lengst / Es kamen auch auß vielen Stedten die an dem See ligen /
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norini 1981, S. 41, Nr. 5). Hierin ist auch der geplante Weg über das Wormser Joch (Bormio) genannt und der tatsächliche Weg angegeben: Bozen, Meran, Trient, Borghetto, Peschiera, Brescia, Mailand. Paravicini 2014a, bes. S. 8 f. Ebd., S. 9 mit Anm. 55 und Farbtaf. 9. Alle 6 (erhaltenen) Fresken auch bei Signorini 2007, S. 64, Abb. 67 b–f und S. 242, Abb. 195 (Ausschnitt aus dem Abschied): Christian zu Pferde, bärtig, im dunkelroten, schwarz verzierten Pilgergewand bzw. Reitmantel; die Darstellung ist jedoch erst zwei Generationen nach dem Ereignis gemalt worden. Siehe unten bei Anm. 282 f. 1474 Mai 1, Siena, Bartolomeo Bonatto an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1101/311, Druck: Signorini 1981, S. 52 f., Nr. 25). Immerhin hielt der König mit Ercole d’Este brieflichen Kontakt – 1474 Mai 1, Siena, Christian an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 563/52, Auszug bei Signorini 1981, S. 34, Anm. 58) – und machten Angehörige des Hauses Este dem König ihre Aufwartung, obschon weniger angelegentlich als Ercole d’Este es wünschte, s. u. Anm. 70. Siehe unten Anm. 97, 137, 166, 207, 235, 271 und 285. Siehe Anm. 32, 54, 70, 168 und 286. Erreicht am 3. April, siehe Petersen, Chronica, S. clv, und Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 9. Wo er am 4. April ankam und im Palast S. Sisto wohnte, mit dem Kardinal von Mantua, siehe Tuccia, Cronache di Viterbo, S. 111. In Viterbo dürfte auch das päpstliche Begrüßungsschreiben überreicht worden sein, oben Anm. 34. Zu den Quellen aus Viterbo siehe mit dänischer Übersetzung Paludan-Müller 1880/81, Exkurs 7, S. 338 f. Die üblichen Zwischenstationen Firenzuola, Poggibonsi und S. Quirico d’Orcia sind nicht belegt, aber anzunehmen. Siehe Krüger 1958, S. 201–211 und 281–283, und die Karten bei Stopani 1988, Taf. 1 und 12; Stopani 2010, S. 49 f.; auch Zweidler 2003, S. 133.
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Frawen vnd Jungkfrawen mit kleinen Schiffen / fuhren an des Königs Schiff mit gesang / vnd schenckten im Wein vnd weiß Brodt zun ehren.60 Weiter zog er über Chiavenna und durch das Engadin anders als ursprünglich geplant61 ohne weitere Umwege nach Augsburg, wohin der Kaiser ihn bestellt hatte, und dann wieder nach Ansbach, zu Kurfürst Albrecht von Brandenburg.62 Später suchte er noch Mansfeld auf, wo ein anderer Schwager residierte.63 Der gewählte Weg – in den Alpen eine Folge von Schnee, Wind und Eis, sonst des Öfteren auch von prasselndem Regen beeinträchtigt, weshalb in Mantua der eigens bereitete prächtige Tuchmarkt kaum besucht werden konnte,64 in Viterbo die größten Feierlichkeiten ins Wasser fielen,65 in Mailand einen Tag später aufgebrochen wurde, in einem Wagen66 – war also zu nicht geringem Teil aus politischen und verwandtschaftlichen Rücksichten abgeändert worden. Bestimmend waren die Wünsche des Kaisers und die Hoffnungen, die Christian auf ihn setzte. Daneben musste beachtet werden, dass man nicht an jenem Wochentag aufbrach, auf den im Jahre 1474 der Tag der Unschuldigen Kindlein fiel: Am 24. April schrieb der mantuanische Geschäftsträger in Rom, wie schon zweimal berichtet sei beschlossen, 60
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Petersen, Chronica, S. clvj. Sehr viel kürzer Minutoli 1850, S. 10: „Den 23. May kam der König gen Cuma, da hatte der Herzog von Mayland köstliche schöne Schiffe, dem König zu Ehren zurüsten lassen, damit er über die Cummer See, die zwölf Meilen lang, und eine halbe breit ist, fahren konnte.“ Dass der Weg über Rätien genommen wurde, zeigen die lokalen Chroniken, s. u. Anm. 162 und Sprecher 1622, S. 96: Anno 1474 per Rhaetiam Christianus Rex Daniae, Rômam tendens, iter fecit (wobei hier Hin- und Rückreise verwechselt werden). Geplant war zunächst der Zug über Bormio und das Wormser Joch, siehe Simonetta, Diari, S. 117: intentione […] andare ad Como et, deinde, ad Bormi. Siehe 1474 Mai 30, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9): El magnifico domino Agostino Rosso [Rossi, s. u. Anm. 234] partì sabato [Mai 28] per andare dietro a la maestà del re di Datia, con cavalli XX. La maestà del re ha fato la via di val Chiavena, perché la via de Bormio era pessimo adesso. Niitemaa 1960, S. 271 f.: Kurfürst Albrecht wählte Rothenburg wahrscheinlich als Treffpunkt mit dem Kaiser und ließ den König den Rückweg über seine Residenz Ansbach nehmen; siehe Albrechts Itinerar von Müller 2014, S. 584 f. (1474). Ankunft am 28. Juli, der König besuchte seine Schwester Adelheid, die seit 1457 mit Graf Gebhard VI. von Mansfeld verheiratet war (vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. 1/3, 2000, Taf. 277, und Bd. 19, 2000, Taf. 85), siehe Petersen, Chronica, S. clvij (fehlt bei Minutoli 1850): „Den 28. Julii ist der König zu Manßfeld kommen, da empfieng in Graff Gerhard [sic] sein Schwager gantz freundtlich, und erzeigt im viel guts nach seinem vermögen, da blieb er drey nacht.“ Vgl. Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 685 unter Nr. 882, nach Spangenberg, Mansfeldische Chronica, Kap. 338, S. 394 (offensichtlich nach Petersen, Chronica, s. u. Anhang 1); Niitemaa 1960, S. 301 mit Anm. 4. Schivenoglia, Cronaca, wie Anm. 280: Ma Dio volse che tuto quello dì foe uno malle tenpo che li ditti todeschi no andone a tôrne tropo. Siehe unten bei Anm. 328. Einer carreta, siehe Simonetta, Diari, S. 116 zum 23. Mai 1474: nonobstant fosse grandissima pioggia, S. 117: per la piogia grande. Vgl. 1474 März 16, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 43 f., Nr. 8), zum 15. März: doppo desnare, li acompagnoe in corte havendo dato ordine de andare per la terra, che non si puoté seguire per rispecto del piovere.
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dass der König am nächsten Montag (25. April) Rom verlassen werde; heute abend habe er aber erfahren, dass er wegen der morgigen S. Markus-Prozession sich erst am Dienstag auf den Weg zu machen gedenke. Er vermute aber, dass der König insgeheim nicht an der festa de’ Innocenti aufbrechen wolle, das in diesem Jahr auf den Dienstag fiel.67 Tatsächlich reiste der König erst am Mittwoch ab. Natürlich entstanden Konkurrenzen und Verstimmungen, zumal zwischen Mailand und Mantua: Zu wem käme er zuerst?68 Mailand und Colleoni: Wie konnte er nach Malpaga gehen, wo beide doch bis aufs Blut verfeindet waren?69 Mantua und Ferrara: Würde er etwa auch Ercole d’Este aufsuchen, und jenen gar zuerst? Er tat es nicht.70 Zeitweilig hieß es sogar, der König werde auf dem Rückweg nicht nach Mantua, sondern nach Parma gehen – was Ludovico Gonzaga mit dem Hinweis auf ein feierliches königliches Versprechen nicht glauben wollte und auch nicht zu glauben brauchte.71 Die Sforza in Mailand waren eine unumgängliche Macht, die der Kaiser zu legitimieren zwar ablehnte, mit denen als Bundesgenossen gegen Burgund aber ebenso zu rechnen war wie mit König Ludwig XI. von Frankreich. Christian konnte die Sforza auch wegen seiner savoyischen Heiratspläne für seinen Sohn Hans 67 68 69 70
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1474 April 24, Rom, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 845/135, Druck: Signorini 1981, S. 50, Nr. 20). Siehe zu diesem Aberglauben Huizinga 1930. Siehe unten bei Anm. 183–191. Paravicini 2014a, S. 6 f., 74–76 und 93 f. 1474 Mai 1, Siena, Christian an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 563/52, Auszug bei Signorini 1981, S. 34, Anm. 58): will die sabati [7. Mai] esse Bononie, die dominico sequenti [8. Mai] ad Castellum Sancti Ioannis [S. Giovanni in Persiceto] et ultra Mantuam versus directo profecturi, prout hoc ipsum ad ducem Ferrarie litteris nostris deteximus. – 1474 Mai 1, Siena, Bartolomeo Bonatto an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1101/311, Druck: Signorini 1981, S. 52 f., Nr. 25): Trionfo (vgl. unten bei Anm. 132–135 und Anhang 3, Nr. 77) habe den König gefragt, ob er erst zum Herzog von Ferrara (Ercole d’Este) nach Ferrara gehen werde oder direkt nach Mantua. Antwort: Er habe dem Herzog von Ferrara nichts versprochen und beabsichtige, von Bologna auf dem kürzesten Wege nach Mantua zu kommen. – 1474 Mai 6, [Mantua], Ludovico Gonzaga an Trionfo Norlinger: per un momento Ludovico aveva temuto che Christiano volesse recarsi a Ferrara prima di dirigersi verso Mantova (AS Mantua, AG, b. 2893/76, fol. 51r, erwähnt bei Signorini 1981, S. 34, Anm. 58). Am 7. Mai meldete Gerardo Cerruti aus Bologna seinem Herrn Galeazzo Maria Sforza: Ad Ferrara non anderà (Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007, Bd. 2, S. 402, Nr. 1138). In diesem Zusammenhang kam es zu einem Eklat, weil Alberto d’Este (der doch in Begleitung des Königs bezeugt ist, s. u. Anm. 95) sich wiederholt geweigert habe, König Christian im Auftrag Herzog Ercoles aufzusuchen, recusò iussus pluries l’andare ad honorare il serenissimo re di Dacia, wofür er nach Neapel exiliert wurde, siehe 1474 Mai 19, Bologna, Gerardo Cerruti an Galeazzo Maria Sforza (Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007, Bd. 2, S. 415, Nr. 1157, mit Anm. 1). Ercole d’Este entschuldigte sich dafür bei Giovanni II. Bentivoglio in Bologna, siehe 1474 Mai 19, Bologna, Gerardo Cerruti an Galeazzo Maria Sforza (ebd., Bd. 2, S. 415, Nr. 1158): signorie se mantengono con la obedientia. 1474 April 22, [Mantua], Ludovico Gonzaga an Zaccari Saggi (AS Mantua, AG, b. 2893/74, fol. 47r, Auszug bei Signorini 1981, S. 33, Anm. 55): a la parte tocchi de la maestà del re de Datia s’el farà la via da Mantua o da Parma et cetera, te aviso che ad nui sua maestà promisse a la fede de liale et vero de re de far ad ogni modo questa via nel ritorno et cussì l’aspetiamo. In Finanzdingen galt das königliche Wort indes wenig, s. u. bei Anm. 262.
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gebrauchen,72 denn sie waren mit den Savoyen verschwägert, ebenso wie Ludwig XI. Bei den Gonzaga in Mantua handelte es sich um direkte Verwandte, denn Dorothea von Brandenburg, Christians Frau, war eine Tochter von Kurfürst Albrechts Bruder Johann, des „Alchimisten“ (man stritt sich aber, wie üblich, um Mitgift und Erbe73), und ihre Schwester Barbara hatte den Markgrafen von Mantua Ludovico Gonzaga geheiratet, dem diese hohe Eheverbindung so wichtig war, dass er auf eine sofortige Mitgift verzichtete.74 Albrecht war also Onkel der beiden Damen, nicht eigentlich Schwager, wie es in den Briefen durchweg heißt; das war hingegen Christian in Bezug auf Ludovico. So wollen wir uns den König und sein Gefolge denn auf wegsamen und unwegsamen Straßen vorstellen, zuweilen unter strömendem Regen75 und auch nicht immer zu Pferde. Auf dem Comer See76 und zwischen Mailand und Pavia glitt er auf einem Schiff (nave) dahin (während der Tross über Land ging),77 auf dem Ticino, dann auf dem Po von Pavia bis zum mantuanischen Viadana auf einem prachtvollen bucintorro,78 einer Flussgaleere, die es unter diesem Namen nicht nur in Venedig gab. Und als er sich nicht wohlfühlte, bestieg er auf dem Rückweg auch streckenweise den Wagen (carreta), von Mantua bis Pavia einen, den ihm samt Kutscher seine Schwägerin Barbara geliehen hatte, vier Schimmel zogen ihn – nicht zufällig 72 73
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Siehe unten Anm. 203. Zu den Forderungen Königin Dorotheas an Kurfürst Albrecht seit dem Tag von Wilsnack 1472 siehe Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 2, S. 418 f. mit Anm. 2, Nr. 436 (die Königin an Herzogin Dorothea von Mecklenburg, Kopenhagen, 17. September 1478), mit der Weiterleitung der Herzogin an Kurfürst Albrecht vom 13. Oktober und dessen Antwort an die Herzogin, Frankfurt a. M., 21. Oktober, auch an die Königin direkt: Eine Mitgift habe nie mehr als 20.000 fl. betragen. Nach Severidt 2002, S. 293 f., hatte Dorothea Anspruch auf 12.000 fl. und eine Leibrente von 1.000 fl. in Nürnberg (vgl. unten Anm. 108), aber erst nach dem Tode ihres Vaters; unmittelbar hatte es keine Mitgift gegeben. Weiteres bei Nolte 2005, S. 65, 328, Anm. 85, und 324; Herold 2014a, S. 141–146 („Der Erbstreit“). 20.000 Rh. fl. würde auch die Mitgift Paola Gonzagas betragen, die 1476 Leonhard, den Grafen von Görz, heiratete, dazu Aussteuer im Wert von weiteren 10.000 fl. (Antenhofer 2007a, S. 153, 157 und 198). 20.000 fl. wurden dem König von Polen geboten (Barbara Gonzaga, Die Briefe, Nr. 28) – nicht genug, wie sich herausstellte. Siehe die vorangehende Anm. und Swain 1986 aufgrund der Mantuaner Korrespondenz. Siehe oben bei Anm. 64–66 und unten Anm. 79, 80, 328 und 344. Am 19. Mai 1474 Ankunft in Lodi in pioggia battente (Signorini 1981, S. 36). Siehe oben Anm. 60. Simonetta, Diari, S. 97, 17. März 1474: in nave per andare ad Pavia. Tross über Land: siehe den in der folgenden Anm. genannten Brief vom 18. März 1474. Ebd., S. 100 zum 18. März 1474: uno bucintorro, ornato de tapezarie et coperto de veluto cremonsino. Am selben Tag teilte der Herzog zum Abschied Geschenke aus ad tuti quelli signori zentilhomini et fameglii, che erano in compagnia sua, cioè drappo d’oro et veluti, secundo il grado loro (vgl. unten Anm. 83 und Anhang 3 (a)). – 1474 März 16 bzw. 18, Mailand bzw. Pavia, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 43 f., Nr. 8 f.): Am 19. März monterà in bucintoro per aviarsi verso vostra signoria bzw. circha le 14 hore [ca. 8.30 Uhr] wird der König mit dem Herzog montare in bucintoro a la darsena [= zum Arsenal] per mostrarli li galeoni.
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war diese Farbe gewählt: Weiß war bei Pferden die Farbe der Souveränität.79 Von Pavia bis Como tat es dann ein Wagen der Herzogin von Mailand, Bona von Savoyen.80 2. VIELE LEUTE Gerne wüssten wir, wie umfangreich die Reitertruppe war, die da durch die Lande zog, und wie sie sich zusammensetzte. Eine vollständige Liste gibt es nicht, die kleine Gruppe der Vornehmsten wird immer wieder genannt, die einfache Dienerschaft namentlich gar nicht. Anwesenheitslisten wurden in Bologna nicht ausgefüllt,81 Namen von adligen Bürgen in Rom nicht genannt.82 Lediglich aus Mailand ist vom Hinweg eine Liste von 39 Namen erhalten, denn man musste ja wissen, für welchen Rang und für wie viele zu sorgen sein würde; es gab auch eine vom Rückweg, doch ist diese Aufstellung (anscheinend) verloren.83 Die deutschen und dänischen Namen, wie üblich vom Hörensagen niedergeschrieben, sind darin so verballhornt, dass man sie kaum wiedererkennen kann (s. Anhang 2 (a)). Laut dem „Tagebuch“ des Albert Klitzing in Petersens Version (s. Anhang 1) nahm der 79
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1474 Mai 23, Pavia, Christian an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 563/46): Schickt ihr den in Mantua ausgeliehenen Wagen mitsamt Kutscher zurück und bedankt sich dafür; sie möge dem Kutscher Johann dessen Dienste in seinem Namen entgelten; für die Strecke von Mantua nach Cremona siehe Krogh 1871, S. 483 und 490 (freundl. Hinw. von Jürgen Herold, Greifswald); für die Fortsetzung bis Pavia 1474 Mai 23, Pavia, Antonio Bonatto an Ludovica Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 54, Nr. 27); hier plötzlich ein Bild sich kreuzender Blicke: la maestà del re usite da camara per venire al ducha, lo qual era a una finestra guardando nel cortivo del castello, cum lo qual io alora parlava. – Vgl. per esser quel giorno gran piogia monto in una caretta con la coperta e lecto di panno doro rizo: e quatro cavalli bianchi la conducevano verso Milano […] lo seguitava la sua comitiva che era de trecento cavalli oltra a quagli mandati dal Principe a modo regio (Corio, Mediolanensis patria historia, 6. Tl., fol. O5r). Corios Text und kritischer Kommentar dazu bei Signorini 2007, S. 244, und in dänischer Übersetzung bei Paludan-Müller 1880/81, Exkurs 11, S. 344–347. Die Tatsache, dass Kaiser Karl IV. 1378 in Paris Schimmel nicht zugestanden wurden, ist oft beobachtet worden. Ein weißer Zelter des Königs ist unten Anm. 102 erwähnt, die Knaben, die ihn in Treviglio empfingen, trugen weiße Kleider (unten vor Anm. 138). Der König werde heute nach Mailand gehen, et anderà in una de le carrette di questa illustrissima madonna bis Como, wohin er am 24. aufbrechen werde: Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1625, Druck: Signorini 1981, S. 54 f., Nr. 28); darin auch wieder Nachrichten vom ständigen Regen: In quest’hora piove molto forte, ne so se la maestà del re serà lassata partire per questo perch’el me pare il tempo molto disposto a piovere tuto hoggi. Siehe Anhang 3, Nr. 7. Siehe unten Anm. 262: multos fidejussores nobiles viros. 1474 Mai 19, Bologna, Gerardo Cerruti an Galeazzo Maria Sforza (Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007, Bd. 2, S. 415, Nr. 1158): Vostra excellentia non hebbe le liste del Danese per la cavalcata di questa nocte perche gli trovò scontrandola meco certi errori, li quali volse correzere. Serrano mò con questa. Auch die hierarchische Liste der mailändischen Stoffgeschenke (oben Anm. 78) kennen wir nicht. In Siena wurde auf der Rückreise zwischen 30 signori und (insgesamt 150) Pferden unterschieden bzw. zwischen 200 Pferden und 60 proceres (s. u. Anm. 286).
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König mit im auß seinen Reichen und Fürstenthumen / Prelaten vnd Ritter mit iren Dienern / vngefehr anderhalb hundert Pferdt / darneben nachfolgende Fürsten vnd Prelaten auf die Reise.84 Wir haben also mit Weltlichen und Geistlichen auf bis zu 150 Pferden zu rechnen, denn die Herren und Prälaten mit ihrer Umgebung sind angesichts der anderswo überlieferten Gesamtangaben85 doch wohl eher in dieser Zahl enthalten. Die Vornehmsten waren laut Petersen-Klitzing:86 Johann V., Herzog von Sachsen-Lauenburg, mit 16 Pferden (s. Anhang 3 Nr. 1); Burchard, Graf zu Mühlingen und Barby, mit 8 (Nr. 2) und Ludwig, Graf von Helfenstein, mit 5 (Nr. 3). Mit ihnen saß der König auch zu Tisch.87 Dann folgten drei Doktoren: Dr. (art. et jur.) Heinrich Sanckenstede (Nr. 35), Dr. (jur.) Hermann Reinsberger, der unterwegs in Bologna feierlich promoviert wurde (Nr. 7)88, und, ebenfalls in Bologna, aber weniger feierlich graduiert, Dr. (jur.) Johann Heisen (des Königs Leibarzt, Nr. 6),89 mit zusammen 10 Pferden. Diese Gelehrten brauchte der König für die Verständigung auf Latein,90 zum juristischen Verhandeln, für sein körperliches Wohlergehen, z. B. als er in Rom erkrankte und danach für einige Zeit geschwächt war.91 Schließlich ist genannt der Wirdige Herr Albert (von) Klitzing, Propst zu Berlin, ein Geistlicher also, mit vier Pferden (d. h. drei Leuten); er stammte aus der 84 85 86 87
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Petersen, Chronica, S. cliij. Dieser Passus lautet bei Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 8 weniger genau: „In des Königs Begleitung befanden sich die Fürsten Johann von Sachsen, von Lauenburg, und andere Herzoge und Grafen, so wie 150 Edelleute.“ Siehe unten Anm. 97. Petersen, Chronica, S. cliij. Vgl. Anhang 1. Am 17. April gab der Kardinal von Mantua dem König in Rom ein Essen, dove era fatto splendido e copioso apparato, ma non ambitioso; an der Tafel der König, der Herzog (Johann) von Sachsen(-Lauenburg, siehe Anhang 3, Nr. 1), der Graf (Ludwig) von Helfenstein (Elvesten, ebd., Nr. 3) e lo marescalcho (Claus Rønnov, ebd., Nr. 5), an anderen Tischen die famiglia soa, la qual, pro maiori parte mangioe qui. 1474 April 19, Rom, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 845/134, Drucke: DDL 4, Nr. 208, S. 182 f. (nach Abschrift im Dänischen Reichsarchiv) und Signorini 1981, S. 48 f., Nr. 18); vgl. Chambers 1992, S. 44, Anm. 63 und S. 84, Anm. 266; Christensen 2000, S. 149 und Anm. 22. – Siehe auch oben Anm. 9, wo von einer Tischgemeinschaft von fünf Personen in Mailand die Rede ist, bei der es sich wohl um dieselben handelt, die in Anhang 3, Nr. 1–5 genannt sind. Zu seiner Promotion s. u. Anhang 3, Nr. 7. Der hatte möglicherweise seine jungen geistlichen Verwandten (Neffen, Söhne) Christofer und Georg mitgebracht (Anhang 3, Nr. 44 f.). Siehe unten Kap. 4 und Anhang 2. Siehe 1474 April 23, Rom, Bartolomeo Marasca (der Hofmeister des Kardinals Francesco Gonzaga, siehe Chambers 1997a) an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 845/286, Druck: Signorini 1981, S. 49, Nr. 19): Hat den König seit seinem Eintritt in den Kirchenstaat geleitet (è stato governato per le mie mane). In summa non l’ò habandonato né dì nè notte, idest per infine ch’è intrato in letto. Meldet eine vorübergehende Erkrankung des Königs, er solle sich in Mantua purgare. Erwähnt bei Christensen 2000, S. 141 mit Anm. 12; Lindbaek 1902, S. 489 f. (dänische Übersetzung), vgl. auch Etting/Signorini/Werdelin 1984, S. 17. – Das Gerücht von der Erkrankung eilte dem König voraus: 1474 April 29, Florenz, Bartolomeo Bonatto an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1101/309, Druck: Signorini 1981, S. 51, Nr. 22): Es sei ihm gesagt worden, dass der König ein wenig Fieber habe und, um die Luft zu wechseln, zu einer Burg der Orsini gegangen sei, aber man wisse nicht, zu welcher (Bracciano?). – Sein Leibarzt war Dr. Johannes Heisen, s. u. Anhang 3, Nr. 6.
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Prignitz, unterhielt die besten Beziehungen zum Kurfürsten Albrecht, Markgraf von Brandenburg-Ansbach, und war offensichtlich des Königs vertrautester Sekretär (Nr. 9). Höhere geistliche Chargen, etwa eines Bischofs, fehlten. Albert Krummendiek von Lübeck, vor dem Aufbruch in Segeberg anwesend,92 hätte sich dafür geeignet, zumal er schon in Rom gewesen war.93 Edelleute ritterlichen Ranges sind hier gar nicht genannt, doch wissen wir sicher, dass Christians Marschall Claus Rønnov dabei war (Nr. 5), wohl mit seinem geistlichen Sohn Carl (Nr. 57). An weiteren Personen sind bei Klitzing lediglich erwähnt zwen Ernholt, zwei Herolde, von denen wir wissen, dass der eine den Amtsnamen „Dänemark“ trug. Sie wurden für feierliche Botschaften, auch Geleitsbitten gebraucht, verließen also oft die Reisegruppe (Nr. 36–37). Das macht zusammen mindestens 45 Pferde. Als König Christian in Rom als Gast im Vatikanpalast wohnte, brachte er 20 Pferde mit,94 deren Reiter sicher seiner engeren Umgebung angehörten. Damit kommen wir auf ca. 65. Die Aufzeichnungen des Mailänder Kanzlers Francesco (genannt Cicco) Simonetta sind ausführlicher: Er nennt 39 Personen mit insgesamt 149 Pferden (stimmt also mit Klitzings Angaben überein). Am Anfang steht der König mit 36 Pferden (also bei weitem mehr als jene 20), es folgen der Herzog (Johann V.) von SachsenLauenburg mit 17, weiter der Conte de Grapia (identisch mit Burchard, Graf von Mühlingen und Herr von Barby) mit 10, der Graf (Ludwig) von Helfenstein mit 3, Herr Leonhard von Weineck, (Hauptmann von Trient und) Rat des Herzogs von Österreich-Tirol, mit 6 und Claus Rønnov, der dänische Marschall, mit 8; die weiteren Namen mit 2 bis 8 Pferden – einige sind auch „Einspänner“ – müssen teils noch identifiziert werden (siehe Anhang 2 (a)). Wie zu erwarten, schwankte also die Zahl der Pferde und kamen Leute hinzu, die nicht von Anfang an dabei gewesen waren und auch nicht auf Dauer blieben, wie hier der Mann Herzog Sigmunds von Tirol oder Gianfrancesco di Castrobarco, ein junger Edelmann, der den König auf dem Rückweg von Mantua aus begleitete.95 Da der König in der Regel (wenngleich 92 93
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Am 4. Januar 1474, siehe RDRDM 2/2, Nr. 3383, S. 393 f.: ad relationem reverendi patris domini Alberti episcopi Lubicensis. Siehe auch unten Anm. 105, 106 und 249. Im Jahre 1462, auf Veranlassung König Christians, dessen Rat er war, siehe Prange 2014, S. 79 f. (Notiz von Klaus Wriedt). Aus seiner Umgebung waren durchaus Leute dabei, siehe Anhang 3, Nr. 49 (Eggherd Crumdyck?), 65 (Gerhard Schare, sein Sekretär) und 66 (sein Nepot Sifrid Sestede). Petersen, Chronica, S. clv: Der König ist bey dem Bapst in seinem Pallast geblieben mit zwentzig Personen / vnd zwentzig Pferden 21. tag / sein ander Volck blieb in der Stadt in den Herbergen; ähnlich Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 9. Dass er dort untergebracht werden würde, war zuvor mitgeteilt: 1474 März 18, Pavia, Zaccaria Saggi an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 44 f., Nr. 10; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9): Der König habe Briefe aus Rom erhalten des Inhalts, dass der Papst ihn in palazo unterbringen werde, ihm Kardinal Francesco Gonzaga nach Viterbo entgegenschicke, alle anderen Kardinäle ihm eine Meile entgegenziehen, der Kardinal von Novara [Giovanni Arcimboldo], come cardinale di sua excellentia [= des Herzogs von Mailand], aber einen Tag (vgl. zu diesem unten Anm. 253). Siehe Anhang 3, Nr. 75. Siehe auch 1474 März 26, Ludovico Gonzaga an Antoniomaria Pico della Mirandola (AS Mantua, AG, b. 2893/74, fol. 38v, Auszug: Signorini 1981, S. 29, Anm. 37): abbiamo etiam havuto gratissimo ch’el prefato domino Galeotto [Pico della Miran-
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nicht immer) von Landesgrenze zu Landesgrenze auf Geheiß des jeweiligen Landesherrn geleitet wurde, ohne wie üblich dafür Entgelt zahlen zu müssen,96 vermehrte und verminderte sich die Reisegruppe. Freiwillige Interessenten mögen dazugekommen sein.97 Nun wurde während des Königs Romaufenthalt, also im April 1474, eine große Zahl von Briefen und Bullen für deutsche und dänische Empfänger in Anwesenheit oder auf Bitten des Königs ausgestellt; zumeist handelte es sich um Pfründenreservierungen in Dänemark und im Reich. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass es sich bei den meisten Begünstigten um Leute seiner Begleitung handelte.98 Eine Liste dieser Namen ist in Anhang 2 (b) zusammengestellt. Auf diese Weise sind weitere 20 bis 30 Personen bekannt, die mit dem König geritten sind: einige weitere Edelund Rittersleute und zahlreiche Kleriker.
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dola] habio facto questo piacere a sua maestà de andargli per compagnia fin a Modena, perhò di novo ringratiamo esse vostre magnificentie del suo bon animo e ben volere et che habiano facto intendere cum effecto a la prefata maestà sua che, essendo stata a la Mirandula, la pò stimare esser stata in casa nostra. – 1474 März 27, Bologna, Gerardo Cerruti an Galeazzo Maria Sforza, siehe Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007, Bd. 2, S. 361–363, Nr. 1085 (siehe auch Nr. 1088), zum 26. März: Seco era el signor messer Albertho da Este, signore Marco d’i Pii, conte Galeoto dala Mirandula, messer Ugoloto da Facino et il conte Nicolò Rangono, i quali compagnareno sua maestà fin sul riva del Panaro dal canto suo. Siehe die vorangehende Anm., oben bei Anm. 36–40 (Geleit), unten bei Anm. 109–112 (Freihaltung). 60 Pferde nennt die Lübecker Ratschronik 1911, S. 124, in Lübeck: Da hatte die Gruppe ihre volle Zahl noch nicht erreicht. Kurfürst Albrecht forderte am 2. Februar Rothenburg ob der Tauber auf, Platz für 120 Pferde zu schaffen (Bachmann 1892, Nr. 243, S. 263; Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 625, Nr. 780: Regesten), und als Konrad von Hertenstein (s. u. Anhang 3, Nr. 76) den König am 22. Februar in (Garmisch-)Partenkirchen traf, schätzte er seine Begleitung ebenfalls auf 120 Pferde (unten Anm. 188); allerdings wurden am 19. Februar in Augsburg nur 100 wahrgenommen (Chronik des Hector Mülich 1892, S. 240 f., Anm. 6); in Mailand waren es dann 149 (s. o. im Text und unten Anhang 3 (a)), in Florenz um 140 (con pochissimo carriaggio, Ricordi storici di Filippo di Cino Rinuccini 1840, S. CXXIIf., vgl. unten Anm. 270), was zum erbetenen Geleit für 150 Pferde passt (oben Anm. 39); in Bologna zählte man sogar um 300 (Corpus chronicorum Bononiensium 1938–68, Bd. 1. vol. 4, S. 439 f.), in Viterbo aber lediglich circa 100 cavalli belli (unten Anm. 331). Auf dem Rückweg waren es in Siena 30 signori et 150 cavagli, woraus wenig später 60 und 200 geworden waren (unten Anm. 286), zwischen Pavia und Mailand wieder 300, ohne die „königliche“ Begleitung, die der Herzog zur Verfügung stellte (oben Anm. 79); der König selbst bat am 22. Mai aus Pavia Kurfürst Albrecht, die Stadt Augsburg aufzufordern, für 200 Pferde Quartier bereitzuhalten (Minutoli 1850, Tl. 2, S. 17, Nr. 323, und Höfler 1851, S. 95, Nr. 81 (Druck); RDHD II/1,2, Nr. 7183). Natürlich profitierten auch in Rom ansässige Schweden und Dänen von der Gegenwart des Königs, so am 16. April 1474 in einer absolutio ab homicidio auf Bitten des Königs Petrus Henrici, Kleriker der Diözese Linköping, Provisor und Prokurator des St. Brigitten-Spitals in Rom, regis dilectus: Er hatte im 18. Jahr seiner Jugend aus Versehen jemanden mit einem Bogenschuss getötet (APD 4, Nr. 2593). Auch Johannes Breyde, Archidiakon der Schleswiger Kirche, in registro supplicationum per nos seu de mandanto nostro signatarum clericus et, ut asseris, de nobili, etiam militari genere ex utroque parente procreatus ac […] regis illustris dilectus, am 21. April (APD 7, Nr. 5982; vgl. Nr. 5984).
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Insgesamt war es eine mit einem Herzog, wenn auch nur „mäßigen Werts“ (modici pretii),99 zwei Grafen, drei Doktoren (von denen zwei aber erst in Bologna promoviert wurden), zwei Herolden und insgesamt stets über 100 Mann zählende, würdige, jedoch nicht überaus zahlreiche Begleitung: Die Mittel des Königs waren begrenzt und er befand sich auf einer Pilgerfahrt. 3. KNAPP BEI KASSE Die Mittel des Königs: Er war kein reicher Fürst, zumal er im Kampf um Schweden viel hatte hergeben müssen bis hin zu den Juwelen seiner Frau. Die Reise erfolgte also auf Kredit.100 Das war nicht weiter auffällig und entsprach einer weit verbreiteten Übung. Auch König Sigmund lebte auf Pump,101 nicht anders Kaiser Friedrich III. Wirte behielten auch in Christians Fall Pfänder ein, damit sie gegebenenfalls auf ihre Kosten kamen. Das wissen wir zwar nicht von der Romreise, aber von der anschließenden Reise an den Rhein: Am 16. April 1475 schrieb Albert Klitzing an Kurfürst Albrecht, König Christian würde seine Bitte um den weißen Zelter gern erfüllen, aber der stehe noch zu Köln und der wirt den nicht gerne van im lyst nach gestalt der dinge. Er selbst wolle aber nach Köln kommen und mit dem Wirt reden.102 Seine cleynot hatte Christian beim Wirt „Zur Krone“ versetzt.103 Geliehen wurde vor der Romreise vom dänisch-holsteinischen Adel an die 20.000 Mark lübisch,104 bei der Stadt Hamburg 1.000 Mark lübisch105 und in unbekannter Höhe bei der Stadt Lübeck, die von Italien aus um Aufschub für die Rückzahlung gebeten werden musste.106 Die italienischen Bankhäuser, vor allem 99 So 1479 Martinus de Fregeno, s. u. Anhang 3, Nr. 1. 100 Laut Hamelmann, Oldenburgisch Chronicon, S. 141, setzte Christian das Geld, was er von den Engelschen hatte bekommen, und geschatzet, ein, d. h. die Summen, die er nach dem (Hansisch-)Englisch-Dänischen Krieg infolge des Vertrags von Utrecht (vom 28. Februar 1474) erhalten habe. Angesichts des Reisedatums (Christian brach am 9. Januar auf) ist dies wohl eine unbegründete Vermutung. 101 Siehe Fouquet 2014. 102 1475 April 16, Düsseldorf, Albert Klitzing an Kurfürst Albrecht (Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 2, S. 140 f., Nr. 98). 103 Hanserecesse II/7, S. 460 f., Anm. 2, nach: Actenstücke und Briefe 1854–58, Bd. 2, S. 558. 104 Die vom 21. Dezember 1473 bis 13. Januar 1474 beurkundeten einzelnen Anleihen sind nachgewiesen im Registrum König Christians 1875, S. XLf. und Nr. 148, 154, 157, 391 f., 417, 420 und 438–443; auch im RDHD II/1,2. Fuhrmann 2002, S. 60, hat (nach Arup 1932, S. 257) lediglich 16.500 lübische Mark, beide ohne Quellenangabe. 105 Registrum König Christians 1875, Nr. 392; RDHD II/1,2, Nr. 7126. Bürgen waren u. a. Königin Dorothea und Albert (Krummendiek), Bischof von Lübeck. Der Bürgermeister von Hamburg Hinrick Murmester war darüber hinaus auch Bürge für die Rückzahlung anderer Anleihen: Registrum König Christians 1875, Nr. 391 und 439; RDHD II/1,2, Nr. 7111 f. Die Edition der (unvollständig erhaltenen) Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg 1878 verzeichnet auf S. 157, Z. 11 lediglich zum Jahre 1474 ohne Monat und Jahr: 18 lb. 4 s. pro 1 ame vini et 1 vase cerevisie Embecensi [Einbecker Bier] propinatis domino rege [sic] in reditu de Roma. 106 1474 März 18, Pavia, Christian an Kurfürst Albrecht (Minutoli 1850, Tl. 2, S. 32–34, Nr. 34; Höfler 1851, S. 83–86, Nr. 68), Zettel 1: ee wir uns aus disem land [Holstein] gefügt, haben
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die Medici und andere Florentiner, die derzeit die päpstliche Kasse verwalteten und etwa den Transfer der Annaten und Servitien aus Schleswig organisierten,107 hatten damit, soweit bekannt, nichts zu tun. Das Geld reichte also nicht. Wie finanzierte sich der König unterwegs? Da wurde in Nürnberg schon einmal das Geld angetastet, das eigentlich seiner Frau zustand – was diese ein Jahr später entdeckte, als sie es auf ihrer Rom-Reise dort abrufen wollte: Nürnberg zahlte ihr trotzdem, wollte dies aber bescheinigt haben.108 Eine große Erleichterung war ihm, dass er von Herren109 und Fürsten mitsamt seinem Gefolge im jeweiligen Territorium freigehalten wurde.110 Nur in Bologna beschränkte sich diese Freigebigkeit auf das Stadtgebiet:111 Die Bentivoglio waren
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wir von den von Lübeck etlich summa gelts gelihen, wider zu geben oder zu betzalen auf disen zukünftigen Ostern [10. April], oder in den heiligen feyertagen daselbs, oder, wo wir das nit teten, das wir denen etlich pfande dafur einsetzen sollten. Albrecht möge an Lübeck schreiben, das sie uns der betzalung solichs gelts wollten frist geben bis uff unser widerkunfft zu landen. Grund für die Verzögerung sei, das uns die kaiserlich majestet etliche gewerbe und geschefte zu handeln bevolhen habe, dadurch unser walfart verlanget wird.; doch versehen wir uns, das wir uns korzlich unserm lande nehen wollen […] und das ewr lieb mit einem eigen boten solich ewr schriftt, mitsambt den andern brieffen, die wir ewr lieb hierbei schicken, an den bischoff von Lübeck [Albert Krummendiek] senden wollen, ge eer, ge besser, wann uns macht daran gelegen ist. – Im Februar/März 1475 konnte Christian die 1.000 fl., die er bei Herzog Albrecht von Sachsen aufgenommen hatte, nicht fristgerecht zurückzahlen und bat ebenfalls um Aufschub, siehe Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 2, S. 109, Nr. 52; auch im September 1476 war noch nicht bezahlt, ebd., S. 256, mit Anm. Siehe z. B. APD 4, Nr. 2591 (23. April 1474). Vgl. RDRDM 2/2, S. 410–413, Nr. 3458 (29. April 1474). Allgemein Esch 2000b, bes. S. 116 f.; die Medici waren auch in Lübeck vertreten, ebd., S. 125–129, und Fouquet 1998. Siehe auch unten Anm. 244 (per manus mercatorum), 262 (Tommaso Spinelli, Medici-Gesellschaft) und 317 (Lorenzo und Giuliano de’ Medici). 1475 April 2, Nürnberg, Nürnberg an König Christian (Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 2, S. 134, Nr. 91); hier auch Weiteres über ihre Reise. Zu diesem Nürnberger Leibgedinge von 1.000 fl. pro Jahr, zahlbar seit dem Tode ihres Vaters († 16. November 1464), siehe Severidt 2002, S. 294 mit Anm. 312 f., und oben Anm. 73. Siehe unten Anm. 162. Mailand: Simonetta, Diari, S. 100: faecendoli fare le spese per tuto il dominio suo; S. 117: El Signore in ogni luoco de Dominio suo ha ordinato che alla Maestà Sua et alla compagnia, sì como nelle venuta, così nel ritorno suo, gli siano facte le spese honorevolmente. – Der Fortsetzer des Nicola della Tuccia in Viterbo schrieb (ebd., S. 111) vom Markgrafen von Mantua sogar: félli fare le spese per tutta Italia allo andare e allo tornare. Benchè il papa li fè le spese da Acquapendente a Roma, e così al tornare. Die Freigebigkeit des Herzogs von Mailand ignorierte er ebenso wie diejenige der Bentivoglio in Bologna und der Städte Florenz und Siena. Dass Könige im Kirchenstaat freigehalten wurden, war üblich, siehe L’Œuvre de Patrizi Piccolomini 1980–82, Bd. 1, S. 195–199, § 541–558: Empfang eines Königs, hier S. 195, § 541: cum omni sua familia publicis sumptibus, § 542: dum erit in terris Ecclesie, faciant expensas regi. 1474 April 5, Bologna, Gerardo Cerruti an Cicco Simonetta (Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007, Bd. 2, S. 376, Nr. 1099): Alla maestè del re di Dacia fu facto le spese del tutto per sua maestà et per tutti li suoi in città, fuori non. Sumus minus gravati et spendemo mal volontieri etc. – Vgl. 1474 April 22, Bologna, Ders. an Dens. (ebd., S. 393 f., Nr. 1122): L’honorare sua maestà sta tutto in messer Zohanne [Giovanni Bentivoglio] et lui non gli è di suo pé tropo disposto – che già ne havimo ragionato – se non quanto el cognosca compiacere alla vostra celsitudine [dem Herzog von Mailand]. Di questo l’ho facto certo et sua magificentia mi pro-
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nicht eigentlich Signoren und hatten weniger Zugriff auf Einkünfte und Steuern als der Herzog von Österreich, der Herzog von Mailand, der Markgraf von Mantua oder der Papst im Kirchenstaat. Dennoch: Christians Ausgaben waren beträchtlich, wie Petersen nach Klitzing vermerkt: Er ward von vielen auß quitiert frey aller Zerung / doch vber das alles verzert er auff dieser Reise fünff und zwentzig tausend Reinischer gülden.112 Wie also zu Geld kommen auf der Reise? Die Antwort lautet wiederum: durch Anleihen, dazu aber durch Geschenke, in bar oder aus Edelmetall, die notfalls zu Bargeld gemacht werden konnten (was hier aber nicht überliefert ist). Wir haben Nachricht von 3.000 Dukaten, die der Markgraf von Mantua auf dem Rückweg lieh; der König konnte sie schon in Mailand zurückzahlen, auf welche Weise wird noch berichtet werden.113 Natürlich war die Reisekasse auf dem Heimweg besonders leer. Auf dem Hinweg war Christian der Reichtum des Herzogs von Mailand in Pavia eindrücklich vor Augen geführt worden,114 was ihn zu einem Kommentar veranlasst haben soll, der in der Tat der verbreiteten Ehrauffassung entsprach: Ein wahrer und großmütiger Fürst horte nicht das Geld, sondern gebe es aus.115 Nun verfiel er auf der Rückreise auf die Idee, zwei seiner Räte vorzuschicken und Herzog Galeazzo Maria um eine Anleihe von 100.000 Dukaten zu bitten, welche ungeheure Summe natürlich nicht nur die Reisekosten decken, sondern vor allem das militärische Vorgehen gegen Dithmarschen finanzieren sollte. Vorher sprach er aber mit dem Mantuaner Gesandten und bat ihn um seine Meinung hierzu. Auf dem Hinweg hatte der schon davon abgeraten, um 20.000 Dukaten zu bitten, ausdrücklich für die Eroberung dieses neuen Landes (perché vorria aquistare certo paese che nuovamente gli ha concesso l’imperatore);116 er tat es jetzt erneut, was ihn die
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mise di farlo et susì credo fermamente lo farà, vedendo questa che vostra excellentia me ha scripto adesso. 1474 April 25, Bologna, Ders. an Dens. (ebd., S. 395, Nr. 1025): Del re di Dacia fin ad quest’hora del desinare non havimo altro. Ad messer Zohanne ritocchai de l’honore se gli à a rendere. Faràssi, insoma, quel che se fece nel andare. Petersen, Chronica, S. clvij; bei Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 10 nur in größerer Schrift (also nicht Textzitat) der Sachverhalt. Die anschließende Reise an den Rhein war noch erheblich teurer, siehe Petersen, Chronica, S. clix: In dieser Reise auß und zu Hauß verzehret der König mit den Fürsten und Herren, die er bey im hatte, uber fünff und viertzig tausent Gülden (fehlt bei Minutoli 1850). Auch auf dieser Reise hatte Christian Geschenke erhalten: 2.340 £ 1 s. au roy de Dannemarche verzeichnet zu November 1474 die Rechnung des burgundischen Argentiers, erneut 1.000 £ im Dezember, siehe Comptes de l’argentier, Bd. 4, 2009, S. 190, § 454, S. 193, § 494 (vgl. ebd., S. 192, § 479–481, S. 194, § 517, und oben Anm. 23); vgl. Paludan-Müller 1880/81, S. 328 f., Anm. 1, der als Gesamtsumme 4.340 fl. 1 s. in drei Raten nennt. Siehe unten bei Anm. 158. Angeblich zwei Millionen in bar, eine in Juwelen: Fece monstrare a quel Re Galeazo il suo Thesauro che era dui Milioni de oro et oltra ale Margarite quale puo e ho mancho de uno ascendevano di precio (Corio, Mediolanensis patria historia, 6. Tl., fol. O5r). Questa pecunia fu biasmata del re dicendo per interpetre [sic] che ad uno vero e magnanimo principe non se conveneva il cumulare denari (ebd.). 1474 März 18, Pavia, Zaccaria Saggi an Barbara von Brandenburg (nicht an Ludovico Gonzaga) (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 44 f., Nr. 10; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9).
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Sympathie des Königs kostete.117 Die Leute Christians baten daraufhin nur um 4.000 bis 5.000 Dukaten. Der Herzog von Mailand war befremdet und, da Christian als Befürworter seiner Standeserhöhungspläne118 bislang wenig effizient gewesen war, bei weitem weniger zu Großzügigkeit aufgelegt als noch auf der Hinreise. Er verlangte Bürgschaft des Markgrafen von Mantua, die es angesichts der Tatsache, dass der schon auf beträchtliches Risiko selbst geliehen hatte, nicht geben konnte.119 Wie die Sache ausging, wird später gesagt werden.120 4. SPRACHPROBLEME Wenn der König solche Verhandlungen durch seine Räte führen ließ und nicht in eigener Person, war dies nicht nur in der möglichen Rückzugsdistanz begründet, sondern auch in seiner mangelnden Sprachkenntnis. Die Räte konnten sich auf Latein mit den italienischen Fürsten oder wenigstens mit dessen Leuten mühelos verständigen, wie das Beispiel des Albert Klitzing bei Verhandlungen mit dem Kardinal von Mantua zeigt. Der dabei anwesende mantuanische Geschäftsträger misstraute Klitzing jedoch, wie er aus Rom berichtete: „Bei seinen wichtigen Sachen hat der König jenen Albertus als Dolmetscher (interprete) benutzt, einen Propst des Markgrafen Albrecht (von Brandenburg), der mir in der Seele nicht ganz geheuer ist und der, soweit ich mit ihm zu tun hatte, zwei schlechte Eigenschaften zu besitzen scheint: Hochmut und Verschlagenheit (superbia et malignità). Ich kann nicht beurteilen, wie er sich in unseren Angelegenheiten verhielt, denn ich verstand die Sprache nicht, aber insgesamt und als Vermutung habe ich von ihm keine gute Meinung“121. In der Tat kann man dem Mann eine rauhbeinige Geschäftigkeit nicht absprechen.122 117 1474 Mai 24, Christian I. an Ludovico Gonzaga: ex variis tractatibus nunc cum illustri principe, domino duce Mediolani et cetera, hincinde habitis sane intelleximus, eundem dominum ducem vestram caritatem minime confovere nichilquoque boni erga vos in curia eius practicari, cuiusqunque negocii dominum Sachariam, vestrum apud dictum ducem procuratorem, causam efficientem realiter agnovimus […] de quo vestra caritas amicabiliter sit avisata, desuper cogiet et et melius deliberare studeat, ut morbo huic, cum peterit et expedierit, medelam prestet efficacem (AS Mantua, AG, b. 563/49, zit. bei Signorini 1981, S. 38 mit Anm. 77 f.; erwähnt bei Lindbæk 1902, S. 494, Anm. 3). 118 Siehe unten den Abschnitt 6.2.1. 119 Der ganze Vorgang in 1474 Mai 23, Pavia, Zaccaria Saggi an Ludovica Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1625, Druck: Signorini 1981, S. 55 f., Nr. 29). 120 Siehe unten bei Anm. 157. 121 1474 Mai 1, Rom, der mantuanische Geschäftsträger Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 845/136, Druck: DDL 4, Nr. 218, S. 196–198 (nach Abschrift im Dänischen Reichsarchiv), und Signorini 1981, S. 52, Nr. 24): A le cose suoe importante ha usato per interprete questo Alberto, preposito del marchese Alberto, del qual io non son cum l’animo ben sincero, e, per quello l’ho praticato, me pare havere doe male condicione, de superbia et malignitate. Non posso iudicare come se sia portato ne li facti nostri, perché non intendeva la lingua, ma in summa per coniectura io non ho buona opinione. – Vgl. zur Verständigung in der Fremde allgemein Fouquet 2006, zu Dolmetschern (eher literarisch) Hone-
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Christians Lateinignoranz war unter den deutschen Fürsten eher die Regel, auch Kurfürst Albrecht konnte im Jahre 1474, also zu ebendieser Zeit, einen lateinischen Brief nicht verstehen.123 Noch in den 1480er-Jahren setzte der studierte Breslauer Patrizier Nikolaus von Popplau vor geistlichen Kurfürsten vergeblich zu lateinischer Rede an, bei Herzog Sigmund von Tirol versuchte er es gar nicht erst,124 mehr als ein paar Worte brachte 1497 auch Herzog Bogislaw X. von Pommern nicht über die Lippen, als er in Rom weilte.125 In Italien aber erregte die königliche Unkenntnis des Lateins Aufsehen: „Der Pabst, alle Cardinäle, Bischöfe und Praelaten verwunderten sich zwar seiner herrlichen grossen Person, aber eins kam ihnen seltzsam fur, das nemlich ein solcher ansehnlicher berühmter Potentat kein Latein gelernt hatte, denn sie alles durch Dollmetschen, und was ihr Begehren wäre, reden, und des Königs Meinung wiederum durch andre sich vortragen und entdecken lassen müssen.“126 Statt seiner führte Dr. Heinrich Sanckenstede das Wort.127 Dass Christian des Lateinischen nicht mächtig war, vermerkte kritisch auch der mailändische Gesandte in Bologna.128 Der Papst soll in des Königs Gegenwart den Kardinälen und dem Dolmetscher sogar gesagt haben: Pulcra bestia, si non careret loquela – „Ein prächtiger Kerl, wenn er nur reden könnte.“ Wenngleich erst eine Generation später überliefert, scheint dies kein Lübecker Schmäh des 16. Jahrhunderts gewesen zu sein.129 Als im Jahre 1488 die Königin Dorothea zum zweiten Male nach Rom pilgerte, fand ihr das Wort führender Haushofmeister keine Gnade vor dem (deutschstämmigen) Zeremonienmeister Johannes Burckard: homo moribus et literis carens, totus rusticus, „ein Mann bar jeglicher Sitte und Bildung, ganz und gar bäurisch“ urteilte er – nur weil der Ritter kein Latein konnte.130 Da wird Graf Eberhard
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mann/Roth 2006; eigens zu Italien Israel 2000 und Braunstein 2016, S. 464–498 und 850–853 (Sprachführer). Siehe Anhang 3, Nr. 9. Offiziell war Klitzing zu jener Zeit nicht mehr in brandenburgischen Diensten. Siehe allgemein Müsegades 2014, S. 228–245, zu Albrecht hier S. 243. Paravicini 2014b. Siehe unten Anhang 2. Minutoli 1850, Tl. 2, S. 9. Vgl. Petersen, Chronica, S. clv: Wie der Bapst mercket das er kein Latein kundt, verwündert er sich sehr, das ein so grosser gewaltiger Herr nichts gestudiert hatte. Vgl. Krantz, Dennmärckische Chronick, S. ccccxciij: Der Bapst hat sich verwundert / das ein solicher grosser Herr keine latein künne / vnd nicht studiert habe. Ähnlich Reimar Kock (s. u. in Anhang 2). Es liegt auf der Hand, dass es hier eine gemeinsame Quelle gibt, möglicherweise die originalen Aufzeichnungen des Albert Klitzing (siehe Anhang 1). Krantz [†1517], Saxonia, lib. XII, cap. 12: Miraculo fuit visentibus regis proceritas; sed pręlatis inscitia fuit ingrata, quod non haberet commercium linguę latinę, vt multua cum illo sermone conferrent. Vtebatur interprete doctori Henrico Sankenstede legum doctori [siehe Anhang 3, Nr. 35], uiro satis ad dicendum accurato: qui causam regii itineris apud pontificem deposuit. Siehe unten Anm. 291 (1474 März 27). Zur Sprachenkenntnis des Königs insgesamt siehe Christensen 2000, S. 142 mit Anm. 14, und S. 148 f., Anm. 22. Siehe unten Anhang 2. Siehe unten Anhang 4.
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im Barte von Württemberg 1482 mit seinem Dolmetscher, dem hervorragenden Latinisten Johannes Reuchlin, mehr Ehre eingelegt haben.131 Auch das Italienische war Christian verschlossen. Ein Beobachter in Volterra schrieb zwar allerhand Anerkennendes über seinen Auftritt, beendete seinen Text aber mit der Bemerkung: non sapeva parlare niente in nostra lingua.132 Deshalb gab es an seiner Seite deutsch-italienische Spezialisten, die der Markgraf und die Markgräfin von Mantua ihm zeitweilig zur Verfügung stellten: Tristano de Saxoduro alias Konrad von Hertenstein und Trionfo alias Johannes Nurlinger (Nördlinger), deren Spitznamen, mit denen sie auch zeichneten, allein schon anzeigen, wie sehr sie in Mantua zu Hause waren.133 Vor Bologna versuchte der mailändische Botschafter über den Dolmetscher mit dem König ins Gespräch zu kommen, ohne rechten Erfolg bei einer Person, die von allen Seiten angeredet wurde.134 Ganz unberührt blieb aber auch der König von der neuen sprachlichen Umgebung nicht: Als der mailändische Gesandte den König noch eine Weile über Bologna hinaus nach Norden begleitete, beobachtete er, dass der König unterwegs jeden grüßte: Er hatte gelernt, „Guten Tag“ (bon dì) auf Italienisch zu sagen. Dem Trionfo, der als begabter Dolmetscher diente, wurde aufgetragen, dies dem Markgrafen von Mantua mitzuteilen, worüber der König herzlich lachte und seine Leute auch, so sehr, dass man sich darüber verwundern konnte.135 Der König zeigte eine Leutseligkeit, die wohl nicht allen einleuchtete.
131 Darüber nach unveröffentlichten mantuanischen Korrespondenzen Esch 2005. 132 Siehe unten Anm. 332. 133 Siehe Anhang 3, Nr. 76 f. Dolmetscher sind laufend erwähnt, s. o. Anm. 115 und 121, unten Anm. 318, Anhang 3, Nr. 35, und 1474 März 14, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga über Christians Empfang durch den Herzog (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 41–43, Nr. 7): entrati in camera per uno interpetre de la maestà del re si fecero hinc inde le belle parole. – Im selben Jahr 1474 diente Pieter Bogaert, der burgundische Prokurator an der Kurie, als Dolmetscher für den dänischen Gesandten (Barby, siehe Anhang 3, Nr. 2) in Neapel, siehe Walsh 1976, S. 192 mit Anm. 198, nach 1474 April 22, Neapel, der mailändische Geschäftsträger Francesco Maletta an seinen Herrn (AS Mailand, Archivio Sforzesco, 225). 134 1474 März 27, Bologna, Gerardo Cerruti an Galeazzo Maria Sforza (Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007, Bd. 2, S. 361–363, Nr. 1085): Videla [la maestà] da longe et intramone in regionamento l’interprete et mi, sed rege non intelligente, et essendo interpellato da più canti bisognava che l’interprete attendesse alla sua maestà cusì non se ne poté ragionare se non pocho. 135 1474 Mai 8, Bologna, Gerardo Cerruti an Galeazzo Maria Sforza (ebd., Bd. 2, S. 403, Nr. 1139): Per via se disse assai piacevoleze, salutando chiunque trovava molto dimesticamente, per havere imparato dire bon dì in ’taliano. Triunpho de l’illustre signor marchese di Mantua era lo interprete, per il quale gli feci dire che di questo bon dì ne voleva dar noticia alla vostra celsitudine. Se ne rise sua maestà et molti deli suoi, tanto che ve ne hareste maravigliato. Trionfo machte seine Sache gut: È cosa miravigliosa l’affectione che sua maestà mostra portarvi [dem Herzog von Mailand] et quanto lo venga edificando Triunpho anche v’el poteria mal sufficientemente exprimere, ma in vostra commendatione io reputo l’officio suo tanto più digno quanto ch’el sa bene assettare et comporre quel che dire vole.
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5. EHRE NEHMEN, EHRE GEBEN Eine Adels-, geschweige denn Fürstenreise ist ohne Begriff und Macht der „Ehre“ nicht zu verstehen.136 Sie bestimmte das Verhalten, nötigte zu Repräsentation und Ritualen, zu Geschenken und zu Großzügigkeit. Man hatte entsprechend seinem tatsächlichen oder angestrebten Rang aufzutreten. Nur der Ranghöchste, hier der König, konnte den Aufwand bis zu einem gewissen Grade einschränken, weil er sich seiner Stellung sicher war. Christian bekannte, in Italien sowohl Ehre als auch Gut empfangen zu haben.137 Es war ihm also gelungen, diese in der aristokratischen Vorstellungswelt so gegensätzlichen Güter zu vereinen und für sich nutzbar zu machen. Die Durchreise des Königs war eine schwere Last für die Gastgeber, zumal er zumeist zweimal gefeiert werden musste, zunächst auf der Hinreise, dann wieder auf dem Weg zurück in den Norden. Die Unterschiede zwischen den beiden Empfängen zu beobachten, ist aufschlussreich: Es kann wenig erstaunen, dass der zweite ein wenig schlichter ausfiel als der erste, zumal im Mailand der enttäuschten Erwartungen. Beim ersten Einzug in Treviglio werden dort noch 400 weißgekleidete Knaben erwähnt, die Fähnchen mit dem Wappen des Königs und des Herzogs schwenkten und Christiano, Christiano de Dania Dania, danach Galeazo, Galeazo Duca Duca riefen, welche Art von Empfang bei anderen auch anderswo bezeugt ist.138 Auch in Mantua wollte man übrigens des an den Herbergen anzubringenden 136 Vgl. Lubkin 1994, S. 184 (zu Christians Besuch): „In an age when honor was the currency of aristocracy, the duke [of Milan] sought to gain and hold as much honor as possible.“ Siehe auch unten bei Anm. 169 f. (umb ere willen). – Zum Unterschied von Adels- und Fürstenreisen siehe Spiess 2005, S. 33 f. 137 1474 März 18, Pavia, Christian an Kurfürst Albrecht (Minutoli 1850, Tl. 2, S. 32–34, Nr. 341, und Höfler 1851, S. 83–86, Nr. 68 (Text); Auszug bei Löher 1869, S. 269–273 (nach Höfler); RDHD II/1,2, Nr. 7153; Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 632 f., Nr. 798 (Regest); Holm 2005, S. 44 (Auszug in dänischer Übersetzung, nach Paludan-Müller 1880/81, S. 273 f.)), Zettel 3: Venediger land […], dar wir durch die iren ungewohnet, und uns von den iren, wo wir komen sein, ere und gut beweist ist. – 1474 Mai 4, Florenz, Christian an Kurfürst Albrecht (Minutoli 1850, Tl. 2, S. 15 f., Nr. 321 (im Regest irrtümlich zu Mai 3); Höfler 1851, S. 91, Nr. 77; RDHD II/1,2, Nr. 7174; Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 661, Nr. 839 (Regest), vgl. Niitemaa 1960, S. 282 f. mit Anm. 4, S. 283 mit Anm. 1, S. 284 mit Anm. 4 f.): uns von dem hiligen vader, dem pabesse und den Cardinälen, unde oek süss allenthalben, wer wii unses rysendes hen und wider gekeret hebben, menigerleye grote ere unde gud beschen ist. – Petersen, Chronica, S. clvj: Den 3. May kam der König zu Florentz da schlug er zwen Florentiner zu Ritter; ähnlich Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 10. – Siehe zu den florentinischen Quellen mit dänischer Übersetzung Paludan-Müller 1880/81, Exkurs 10, S. 342–344. Kristeller 1990 verzeichnet auf S. 555a im Archivio di Stato Florenz, Signori, Legazioni e Commissarie, Risposte verbali d’Oratori, Bd. 2: Christernus Danorum rex (1474, fol. 43v und 44), eine bisher nicht bemerkte Ansprache zu seinen Ehren. 138 Petersen, Chronica, S. cliiij: Den 13. Martij kam der König biß gen Treuilij [Treviglio, fast 40 km östlich von Mailand] / da sandt der Hertzog von Meylan Galeazo dem König vnter augen / da er in sein gebiet kam in das Feld / 400. Knaben zu Fuß / in weiß gekleidt / vnd ein jeglicher ein kleines Baner in seiner Hand auff einem langen stecken / auff einer seit des Königs / auff der andern des Hertzogen Wapen gemalet / mit grossem Feldgeschrey den König zu empfahen
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königlichen Wappens sicher sein und zog deshalb in Venedig Erkundigungen ein: Man kenne es nur von den farblosen Siegeln her.139 Christian wurde vom Herzog von Mailand untergebracht, so hieß es, „als ob der Papst oder Kaiser käme“140. In Mantua befahl der Markgraf dem Andrea Mantegna, die berühmte camera dipinta im Castello S. Giorgio zu vollenden, bevor der König wiederkehre, ließ ihm auch eigens und eilens dafür aus Venedig Blattgold und deutsches Azur senden.141 Tatsächlich ist die Kammer bei Christians zweitem Aufenthalt mit seinem Porträt abgeschlossen worden (Abb. 4).142
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in grosser herrligkeit / Erstlich rieffen sie alle / Christierno Christierno / de Dania Dania / darnach Galeazo Galeazo / auffs letzt Duca Duca / diß laut durch einander biß in die Stadt. Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 8, paraphrasiert: „Am 13. März ist der König angelangt zu Treviso [!], eine Stadt, welche dem Herzog von Mayland gehörig, da ihm der Herzog 400 Knaben in weißen Kleidern zu Fuß entgegen schicket, denen iglicher ein kleines Panier in seiner Hand getragen, und zwar auf einem langen Stecken, auf welchen auf einer Seiten des Königs und auf der andern Seiten des Herzogs von Mayland Wappen gemalet und abgerissen war. Wie die nun König Christian zusehen, rufeten sie alle: ‚Christiano, Christiano de Dania‘, darnach ‚Galeazo, Galeazo‘.“ – Vgl. den Empfang Herzog Philipps des Guten von Burgund in Bern im Jahre 1454 bei Paravicini 2002, S. 546. 1474 März 8, Ludovico Gonzaga an Giovanni Striggi, seinen Schatzmeister in Venedig (AS Mantua, AG, b. 2893/74, fol. 28v, Auszug bei Signorini 1981, S. 24 mit Anm. 13; Ders. 2007, S. 113, Anm. 206: voressemo etiam tu vedisti mandarne le arme del prefato signor re pinte suxo qualche carte, perché serà gran facto non ne habiamo questi d’esso signor re seco per lassar per le hostarie. Qui habiamo bene li sigelli, ma non havemo come voleno essere colorite, sì che vedi mandarcele più presto poterai. In Mailand ist deputato il suo allogiamento in corte ne le camere [ove] stava la buona memoria del duca Francesco [Sforza, † 1466], le quale sonno apparechiate e poste in ordine non altramente come s’el papa o l’imperatore gli havesse a venire. Così questi sescalchi hanno comandament [di] far provisione come se per questi tr[e] se havessero a fare. 1474 Febr. 22, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9). 1474 März 1, Ludovico Gonzaga an Giovanni Striggi, seinen Geschäftsträger in Venedig (AS Mantua, AG, b. 2893/74, fol. 21v, zit. bei Signorini 1981, S. 24 mit Anm. 12, Abb. des Briefs bei Signori 2007, S. 160, Abb. 114 mit einem Auszug aus dem Brief auf S. 398 f., Dok. 13): vogliamo etiam tu ne mandi dua migliara d’oro batuto per la camera nostra del castello, che voressemo pur vedere che Andrea Mantegna ce la fornisse, che almanco al ritorno indreto del serenissimo re de Datia la fosse compita. Vgl. Signorini 1974, S. 232. – 1474 März 6, Mantua, Ludovico bestätigt in zwei verschiedenen Briefen Giovanni Striggi, das erneut bestellte Gold (oro batuto) erhalten zu haben; er solle nun una libra de azurro de Alemagna bono per la camera nostra bestellen (AS Mantua, AG, b. 2893, lib. 74, fol. 26r und 36r; Signorini 2007, S. 161 f., Abb. 114 und 119 mit Auszügen aus den Briefen auf S. 399, Dok. 14 und 18. – 1474 März 20, [Venedig], Giovanni Striggi schickt das für Mantegna bestellte [weitere] Gold an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1431, fol. 940r; Signorini 2007, S. 161, Abb. 117 mit einem Auszug aus dem Brief auf S. 399, Dok. 16. – 1474 März 21, Venedig, Giovanni Striggi schickt das erneut für Mantegna bestellte Gold an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1431, fol. 941r; Signorini 2007, S. 162, Abb. 118 mit einem Auszug aus dem Brief auf S. 399, Dok. 17. Zu dem erst seit 1648 als „camera degli sposi“ bezeichneten, von 1465–1474 von Mantegna ausgemalten Zimmer, das als Audienzsaal, aber auch als Schlafzimmer und zu anderen Zwecken diente, siehe Signorini 2007 und zuletzt Antenhofer 2009 sowie Dies. 2016; Dies.
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Abb. 5a–b: Medaille (1) Bartolomeo Melliolis anlässlich der Romfahrt König Christians, Mantua 1474. Der Drachen auf seiner Rüstung verweist auf sein Wappen (siehe Abb. 6b). Der König ist langhaarig, aber bartlos. Die Medaille ist unter den Pferden signiert. – Siehe Anm. 143–145.
In Mantua auch fertigte Bartolomeo Mellioli143 zwei Medaillen mit seinem Bilde an (Abb. 5a–b): Die eine, kreisrund, zeigt sein barhäuptig-langhaariges Porträt (die Krone erscheint am unteren Rand), geschmückt mit einer Kette, an der eine Medaille (Gorgonenkopf?) hängt, angetan mit einer Rüstung all’ antica (doch durch den Lindwurm in heraldischer Verwandtschaft mit seinem Wappen, wie der Vergleich mit der anderen Medaille zeigt), dazu die Umschrift: CHRISTIERNVS ·DACIE · REX · CVI · ENSIS · ET · DEVS · III · SVBMISIT · REGNA: Christian, König von Dänemark, dem das Schwert und Gott (in dieser Reihenfolge!)144 drei Königreiche unterwarfen, nämlich Dänemark, Schweden und Norwegen. Auf der anderen Seite sieht man ihn an der Spitze seines Zuges zu Pferde reiten: TALIS · ROMAM · PETIIT · SISTI · QVARTI · PONT(ificis) · MAX(imi) · ANNO · III, so lautet die Inschrift: „So strebte Christian im dritten Jahr des Papstes Sixtus IV. nach Rom.“ Die zweite, ovale Medaille (Abb. 6a–b) zeigt ihn mit einer italienischen Kappe (auch sein vermutliches Porträt zeigt eine italienische Kopfbedeckung), ebenfalls langhaarig und mit einer Kette versehen; die Umschrift bezeichnet ihn als CHRISTIERNUS · REX · DACIE · AC · BELLORUM · VICTOR: „Christian, König Dänemarks und in Kriegen Sieger“. Die Rückseite bietet ohne Umschrift sein gekröntes, ungewöhnlich eckiges Wappen. Geviert: 1 Dänemark, 2 Schweden, 2009, S. 227, gibt irrtümlich an, sowohl Friedrich III. als auch Christian I. seien 1459 auf dem Mantuaner Kreuzzugskongress anwesend gewesen. Friedrich III. war nie in Mantua (s. u. Anm. 345). 143 Seine Signatur erscheint unter den Pferden des Revers der runden Medaille: MELIOLUS · SACRAVIT. 144 Auch Schivenoglia schreibt: quallo re andaxìa Roma per avire com ordene la chorono, inperò luy era fato re con la spada in mano (Schivenoglia, Cronaca, wie Anm. 280).
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Abb. 6a–b: Medaille (2) Bartolomeo Melliolis (?) auf den siegreichen König Christian, Mantua 1474. Der König ist langhaarig, aber ebenfalls bartlos. Die Rückseite zeigt sein Wappen mit dem Drachen, der für das Königreich der Wenden steht. Die Medaille ist nicht signiert. – Siehe Anm. 143–145.
3 Norwegen, 4 Wenden (Lindwurm); Herzschild: geviert von Schleswig und Holstein, belegt mit dem Herzschild Oldenburg.145 In Mailand war man nach bislang nie (und nie wieder) aufgewandter Pracht geradezu stolz auf das Geleistete: Der König von Dänemark war der erste Souverän, der dem um seine Legitimität ringenden Herzog einen „Staatsbesuch“ gewährte.146 Der mailändische Gesandte am burgundischen Hof berichtete einem seiner Kollegen geradezu begeistert davon, nicht aus eigener Anschauung, sondern aufgrund eines Berichts, den er vom neapolitanischen Gesandten in Mailand erhalten hatte – wie man sieht, machte die Nachricht die Runde und sollte es auch. Darin erwähnte der Neapolitaner „die großen Triumphe, die würdigen und großartigen Vorkehrungen, die aufwendigen Feste und splendiden Bankette, die großzügigen und überaus freigebigen Geschenke“, die der Herzog bei Ankunft des Königs in Mailand gemacht habe. Er habe ihn mit allerhöchster Ehre (summo honore) empfangen, sicherlich um „den Ruhm und das Ansehen“ seiner selbst „in der Nachbarschaft verbreiten zu können“. Der Brief wurde am burgundischen Hof herumgezeigt, „mit dem Haupt [d. h. Herzog Karl dem Kühnen] angefangen“ und dabei wurde ihm (Herzog Karl) bedeutet, „dass die italienischen Fürsten nicht allein, was 145 Vgl. Svane 1994, S. 82–87 und 171 f. (ohne Kenntnis der Medaille). 146 Lubkin 1994, S. 182.
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die Waffen angeht, die fortschrittlichsten sind und die Norm des Militärwesens,147 sondern dass sie alle anderen übertreffen, wenn sie ihre Macht und ihre Freigebigkeit zeigen wollen“148. Eine überaus hohe Ehre wurde Christian auch in Mantua zuteil: Der Markgraf entließ aus Anlass seines Besuchs eine Gruppe von Gefangenen, 32 an der Zahl. Das erinnert an den Einzug von Verbannten mit dem Fürsten bei Gelegenheit seines ersten Kommens.149 Über die Geschenke wissen wir im Fall von Malpaga, Mailand, Mantua, Rom recht gut Bescheid: eine Mailänder Missaglia-Rüstung (also das Beste, was es auf dem Markt gab),150 Juwelen, die (obligatorischen) Goldbrokattuche,151 goldgezäumte Maulesel, kostbar gefasste Reliquien, deren Wert in den Berichten zumeist beziffert wurde: Er konnte im Falle Mailands die 1.300 Dukaten übersteigen.152 147 Das war ohnehin Karls Überzeugung, weshalb er sich um Colleoni und andere italienische Kondottieri bemühte, siehe Paravicini 2014a, ab S. 2. Im Laufe der Auseinandersetzung mit den Schweizern dürfte er seine Meinung geändert haben. 148 1474 April 29, Luxemburg, Giovanni Palomar an Francesco da Pietrasanta (AS Mailand, Achivio Sforzesco, Borgogna, Nr. 515, Druck: Carteggi diplomatici 1985–87, Bd. 1, S. 356–358, Nr. 213, nach einem Brief des neapolitanischen Gesandten Antonio Cicinello, den Palomar empfangen hatte: in la quale diffusamente me narra li grande triumphi, li degni et magnanimi aparati, li sumptuose feste et splendidi conviti, li largesse et liberalissimi doni che sua Celsitudine ha facti in la venuta del serenissimo re de Dacia a Milano, et recevutolo con summo honore, certamente per posser spandere la gloria e fama de sua illustrissima Signoria del canto di qua. Hat den Brief am Hof herumgezeigt, incipiendo a càpite, demonstrandoli che non solum in armis li principi de Italia sonno paratissimi et norma de la disciplina militare, sed etiam quando vòleno mostrare la loro potentia et liberalità, tucti li altri avancano. 149 Paravicini 2002, S. 547–549 („Rentrer avec les bannis”). Zusammenfassend hierzu jetzt Boytsov 2016. 150 Jedenfalls wurden die Werkstätte und das Haus des Antonio Missaglia besichtigt: intrando in qualche botegha o del Misaglia o altrove, bzw. passarono per le boteghe de l’arme, le quale erano tute in ordine et entroe in casa del Misaglia, la quale era tuta piena d’arme, 1474 März 14 bzw. 16, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 41–44, Nr. 7 f.); vgl. ebd., S. 25 mit Anm. 20: Geschenk einer Missaglia-Rüstung, nach Thomas/Gamber 1958, S. 721; vgl. Lubkin 1994, S. 147 f. mit Anm. 147 auf S. 343. Schon im Jahre 1469 hatte König Christian Galeazzo Maria um eine Rüstung gebeten; der ließ sie ihm durch Antonio Missaglia anfertigen und schickte sie ihm (ebd., S. 182 mit Anm. 141 auf S. 343); schon im Jahre 1455 hatte der König Ludovico Gonzaga darum gebeten, ihm eine italienische Rüstung zu verschaffen (Herold 2002, S. 199, nach AS Mantua, AG, b. 2885/26, fol. 61r: 1455 Dezember 24, Ludovico an Christian). – In Malpaga hatte Christian von Colleoni ebenfalls eine Rüstung erhalten (Belotti 1923, S. 480). 151 Zum brocato d’oro morello für den König s. u. Anm. 182. Auch Königin Dorothea erhielt in Mantua ein solches Stück auf ihrer Romreise, siehe Carteggio degli oratori mantovani 2008, Nr. 53–55 und 58 (1475 Mai 25 und 30, Juni 1 und 10). 152 Simonetta, Diari, S. 97 zum 15. März: una collana con le colunbine et con uno zafiro pendente, estimato ogni cosa ducati MCCC, et doe mulle belle con le fornimenti de cremosino. Petersen, Chronica, S. cliiij: in Pavia gab er dem König ein gülden Halßband mit einem Sapphir / so gut als tausend Ducaten; vgl. Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 9: „verehrte ihm ein köstlich gülden Halsband, mit einem Saphir an die 1000 Dukaten werth“. Auf der Rückseite zeigte es ein Madonnenbild in Email, s. u. Anm. 156. Der Saphir wurde um 1670 in die neue dänische Krone eingefügt und ist mit ihr erhalten, siehe Holm 2005, S. 44 mit Anm. 4 auf S. 52.
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Was Rom angeht, so lautet die Liste der Geschenke bei Klitzing in Petersens Version folgendermaßen: Im Montag [11. April] gab der Babst dem König die Rosen für St. Peters Münster selbs in die Hand / die füret er offentlich durch die Stadt Rom / biß in des Cardinals ad Vincula Petri Hoff, der den König zu gast gebeten hatte / jm folgeten alle Cardinäl / Bischoff / Prelaten / vnd die gantze Curtaise zu Pferde vnd zu Fuß. Der Bapst gab dem König groß Geschenck / als zum ersten eine schöne Schauben / Wambs vnd Bireth von gülden stücken / noch ein Mauleselin mit einem vergulten Sattel / noch einen vergülten Kopff [Pokal] so gut als sieben hundert Ducaten / noch etliche gülden Creutz vnd Agnus Dei [geweihte Kerzen] / auch gabe er im ein stück von dem Holtze des Heiligen Creutzes / vnd manigfaltig Heiligthumb / Ablaß / Geweichte Zwelen [= geweihte Tücher] / Neßtücher [Messtücher?] / Priuilegien und gratien die er begerte. Auch hielt der Bapst den König frey / inwendig und ausserhalb Rom / in seinen gebieten hin vnd widerum aller zerung. […] Herr Franciscus [Gonzaga] Cardinal zu Mantua schencket dem König drey Maulesel / jeden mit zweyen vergülten Kasten darauff / vnd darzu einen eignen Maultreiber.153 Dies entsprach ganz dem, was für Könige üblich war.154 Aus Mailand verzeichnete Klitzing (Petersen) folgende Gaben: Der Hertzog schencket dem König vier tausend Ducaten [erst auf dem Rückweg, siehe weiter unten] / vnd zwey Mauleselin mit gülden Sätlen / darzu mancherley güldin vnd silberin stück / vnd von seyden / auch ließ der Hertzog jm die Schlüssel zu allen seinen Heusern vnd Stedten / dahin er kam fürtragen / vnd quitierte alle seine Zerung. Er fuhr selhgst mit jm zu Schiff Biss gen Pauia / da gabe er dem König ein gülden Halßband mit einem Sapphir / so gut als tausent Ducaten / zu Pauia lagen sie eine nacht / da schlug der König zwen zu Ritter von des Hertzogen Edelleuten.155 Die Geschenke entsprachen zum Teil Bitten des Beschenkten, wie der mantuanische Geschäftsträger aus Mailand berichtete: Die Leute des Herzogs hätten ihm gesagt, dass der König um ein Maultier gebeten habe und dass man ihm ein gute mula und einen mulo gebe, gut ausgestattet und ordentlich, wie es sich für seine Majestät gehöre. Dergleichen war in der Tat auf Reisen von Wert.156 153 Petersen, Chronica, S. clv–clvj. Fast wortgleich bei Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 9 f., der aber den Wert des „Kopfes“ versehentlich nur mit 100 Dukaten beziffert und die Hl. KreuzReliquie auslässt, ebenso alles von „Ablaß“ bis „Priuilegien“. 154 L’Œuvre de Patrizi Piccolomini 1980–82, Bd. 1, S. 198, § 555: Pontifex donabit regem aliquibus muneribus devotis et pretiosis, vesta aurea et equo falerato [faleratus = geschmückt], sicut fecit Sixtus IV Christigerno regi Dacie et Ferdinando regi Sicilie, qui Romam venerunt tempore iiubilei, anno millesio quadringentesio septuagesimo quinto. Christian von Dänemark und Ferdinand von Neapel waren jedoch nicht gleichzeitig in Rom, Ferdinand kam erst am 28. Januar 1475, und nur er zum Jubiläum (zu diesem Esch 1998). 155 Petersen, Chronica, S. cliiij; ähnlich Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 9. 156 1474 März 14, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 41–43, Nr. 7): Hammi detto anchora che la maestà del re gli ha richiesto una mula e ch’el gli ne darà una buona et un mulo a presso e ben forniti et in ordine, come si conviene a sua maestà. Hammi detto enchora volere donare a sua maestà un zafìllo [= Saphir] molto grosso el quale ha da riverso una nostra donna di smalto, il quale dice costò 1200 ducati, e con esso gli darà un colaro conveniente e bello, poi, a questi suoi principali donerà brocati et drappi di seta; 1474 März 18, Pavia, Ders. an Dens. (zwei Briefe): quello
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Hier sei noch die Fortsetzung der oben157 abgebrochenen Geschichte der Mailänder Anleihe zu Ende erzählt: Galeazzo Maria Sforza hatte nicht die geringste Lust, weiter Geld in die Person des Königs zu investieren, aber die Situation wurde für ihn kritisch, als nicht nur die Mantuaner Bürgschaft für die erbetene Anleihe von 4.000 Dukaten verweigert wurde, sondern der Gast als Rückzahlungsgarantie sein (Ehren-)Wort anbot. Um wiederum seine Ehre zu wahren, musste der Herzog sich jetzt als freigebig erweisen, d. h. anstatt zu leihen schenken. Und das tat er. Von der Hand des Kanzlers Cicco Simonetta wurden Christian 4.000 frisch geprägte Golddukaten in einer Silberschüssel überreicht – der damit seine Schulden an den Markgrafen von Mantua bezahlte.158 Dem Mantuaner Gesandten aber sagte Galeazzo Maria, dass er die gleiche Summe, die er dem Markgrafen habe zahlen wollen, nun erst später geben werde.159 Mit demselben Schreiben teilte der Gesandte außerdem das endliche Urteil Galeazzos über seinen Gast mit: „Zwar liebt er ihre Majestät wirklich und redet ziemlich gut (bene assay) von ihr, indes sagte er zu Schluss, dass sie in ihrem Königreich überaus arm sein müsse und dass, wenn es diese Geldhilfe nicht gegeben hätte, zaffìro grosso con una cadenella d’oro […] quello gli è per pendente dinanti bzw. quello colar d’oro fato a colombine che la portava questo Natale, che cum quello zafféro è stato bello e degno presente: Die Halskette hatte der Herzog also selbst letzte Weihnachten getragen (Signorini 1981, S. 44, Nr. 8 f.). 157 Bei Anm. 120. 158 Signorini 1981, S. 37 f. mit Anm. 76. Außerdem 1474 Mai 23, Pavia, Zaccaria Saggi an Ludovica Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1625, Druck: Signorini 1981, S. 54 f., Nr. 28): Saggi geht mit dem König nach Mailand e farò ogni opera possibile per mandare il resto de la pagha a vostra signoria come io sia a Milano. – 1474 Juni 2, [Mantua], Barbara von Brandenburg an Anselmo Folengo, den Mantuaner Gesandten am Kaiserhof (AS Mantua, AG, b. 2893/74, fol. 70v, zit. bei Signorini 1981, S. 37 f., Anm. 76, dort auch Weiteres): Perché la maestà del re de Datia hebe in prestito da nui, quando l’andava Roma, ducati tre millia, et mille ne dovea dare al cardinale nostro [Francesco Gonzaga], di quali, essendo a Milano, ce ne ha restituito ducati dua millia octocento, et li ducento per el compito pagamento de li 3000 ha retenuti per dar in Datia a Triumpho [Johannes Nurlinger, siehe Anhang 3, Nr. 77] per comprare cavalli per lo illustre signor nostro [Ludovico Gonzaga], como sapeti, sì che de li tre millia ducati veniamo ad esser satisfacte; li altri mille per il cardinale nostro doveano essere riposti a Vienesia over in Auspurg [Venedig oder Augsburg], et havendo mandato a Vinesia el messe che li dovea exbursare, ha risposto che lì non g’è i modo, ma che li faranno exbursare in Aspurg et cossì facemo che Hertristano [Konrad von Hertenstein, siehe Anhang 3, Nr. 76] ne scrive per le alligate. Vedeti adunche havere questi mille et portarli quando venireti, lassando li altri ducento per dar poi in Datia a Triumpho. 159 Der Hergang im Detail in 1474 Mai 23, Pavia, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1625, Druck: Signorini 1981, S. 55 f., Nr. 29): bastava la promessa de la fede sua sotto sua lettera e sigillo, habe der König gesagt. Schließlich glaubt der Herzog di non potere uscire senza caricho und schenkt ihm 4.000 Dukaten a presentare in uno bacile d’argento tuti quatro milia de la sua testa, nuovi di cecca, sagt aber Saggi, dass er die 4.000, die er in diesem Jahr Ludovico zu geben begonnen habe, erst infine de l’anno zahlen werde. – Wesentlich kürzer Simonetta, Diari, S. 116 f. zum selben Tag: havendogli […] richiedere in prestito ducati IIII M. per il bisogno de questo suo retorno, piacque alla Signoria Sua de donarli dicti denari. Et, così, per mi, Cecho, gli furono presentati dicti ducati IIII M testoni in una bacilla. – Corio, Mediolanensis patria historia, 6. Tl., fol. O5r, schreibt, sotto nomine de mutuo da Galeazo: il Re hebbe .x. milia ducati. Von einer solchen Anleihe ist in den streng zeitgenössischen Quellen nicht die Rede.
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sie als Bettler mit Schande nach Hause zurückgekehrt wäre.“160 Das waren noch gemessene Worte. Was er wirklich dachte, soll alsbald mitgeteilt werden.161 Es wurde vom hohen Gast aber nicht nur erwartet, dass er Ehre nehme, sondern auch, dass er welche gebe, zumal wenn es sich um einen König handelt. Und welche Ehre konnte er bieten, abgesehen von der Tatsache seiner Gegenwart? Er konnte Taufpate werden, was einmal, in Vicosprano in Rätien bezeugt ist: Das adlige Mädchen erhielt den Namen Regina.162 Mehr noch: Er konnte Ritter kreieren. König Christian tat dies an vielen Orten und bei verschiedenen Gelegenheiten, aber stets in kleiner Zahl: zwei in Brescia,163 zwei in Pavia,164 einen in Bologna, den Erbsohn der Bentivoglio, erst fünf oder sechs Jahre alt, in der Dominikanerkirche vor dem Grabmal des hl. Dominikus, aber auch des unglücklichen Staufer-Königs Enzio, das Christian hatte sehen wollen – so möchte man meinen, in Wirklichkeit wurde Enzio als ein ehemaliger König von Dänemark angesehen, war also ein Vorgänger, dem Reverenz zu erweisen war.165 Weitere zwei in Florenz,166 zwei Edelleute in 160 L’excellentia del signore in vero ama la sua maestà e ne parla bene assay di quella; pure conclude che la debba essera poverissima in quel suo regno et che, se non fosse questo aiutto de denari, se ne sarìa tornata a casa cum vergogna e mendicando (AS Mantua, AG, b. 1625, Druck: Signorini 1981, S. 55 f., Nr. 29). 161 Unten bei Anm. 344. 162 Von Como und Chiavenna kommend Plurium [Piuro] attigit, Joannes Giapanius [Giovanni Giapano] omnem sumptum commeatumque necessarium præstitit procuravitque Vicosupranum [Vicosprano/Vespran] usque, inclytum Prægaliæ [Bergell] in Rætia vicum, atque toti simul eius comitatui. Ubi quum contigisset commodum Rudolpho Fabio a Praepositis, alias a Castello Alto [Castelalto] vulgo nuncupato, filiolam recentissime natam ad sacrum baptismi lavacrum tingendam afferri, rex rogatus, ut in baptismate illi conferendo susceptor eius esse dignaretur, ubi nobiles Rudolphi natales et a gente Fabia Romana inde usque manantem originem exacte cognovit, lubenti promptoque animo annuit. Puellæ autem recens in lucem editæ nomen propter susceptorem REGINÆ, haud abs re neque temere inditum fuit. Quæ deinceps tandem Jacobi Castromurii, Turriani alias vulgo appellati („De la Turr“), conjux fuit. Campell [† 1582], Historia Raetica, Bd. 1, S. 556 f. 163 Palazzo, Diario, S. 242: Adì 11 marzo [1474] in venerdi gionse in Bressa el Re de Datia chiamato Cristiano et con secho el duca de Saxonia et fece la matina sequente [12. März], essendo nel partirse, cavagliere et figliolo ultimo de M. Pietro Avogaro et un doctore paduano. Klitzing erwähnt dieses Rittererhebung nicht, siehe Petersen, Chronica, S. cliiij: Den eilfften tage Martij kam er gen Brix / da zoch der Venediger Hauptmann dem Könige vnter augen ins Feld mit grossem Volck zu Pferd vnd Fuß / vnd fürte jn vmb die Stadt in einen Pallast mit grossem pracht; ähnlich Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 8. 164 Petersen, Chronica, S. cliiij (ähnlich Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 9), zit. oben vor Anm. 155. 165 Borselli, Cronica gestorum, S. 103: visitavit archam beati Dominici et sepulturam regis Hentii, qui et fuerat rex Datiae, vel Daniae, et ibi, scilicet in hac ecclesia, equitem fecit Hannibalem Bentivolum sexennem filium domini Iohannis secundi. – Ghirardacci (1519–1598), Della historia di Bologna, S. 214: Kommt am 26. März an: Fu il dopo desinare da Giovanni Bentivogli et da molti altri gentilhuomini et cittadini accompagnato per la città et poi condotto a la chiesa di san Domenico, dove visitò il santissimo corpo di san Domenico. Et avanti la sepoltura del santo fece cavalliere aurato Annibale primogenito di Giovanni Bentivogli, sendovi presente il signor Roberto da San Severino capitano di 1200 cavalli del duca di Milano, et habitava in Bologna; il quale, insieme con Carlo Antonio Fantucci, li posero gli speroni d’oro. Abreise am
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Mantua bei Gelegenheit eines Stechens167 und dazu auch den Filippo Nuvoloni, nachdem der seine lateinische (dem König also unverständliche) Lobrede gehalten hatte.168 Es mag noch andere Rittererhebungen an anderen Orten gegeben haben, doch wissen wir bislang nur von diesen. Christian schlug aber nicht nur in Brescia und Mantua einen Doktor zum Ritter, sondern wohnte in Bologna auch der Promotion zweier seiner Räte zu Doktoren des Zivilrechts bei, der Magister Hermann Reinsberger und Johannes Heise.169 Einige Leute scheinen sich von dem König aber noch mehr erhofft zu haben. Der unermüdliche Albert Klitzing hatte dies bemerkt und schrieb am 18. März aus Pavia seinem ehemaligen Herrn, dem Kurfürsten Albrecht eigens auf einem seinem Brief beigefügten Zettel: Gnediger herr. Mein gnedigster here der konig wyrt ofte von merklichen mechtigen walen [Welschen, Italienern] besucht und gebeten, die zcu graven zcu machen. Also sagt sein gnade wider, in seinen landen und konigkreichen hette er des wol maght, aber in diissen landen gebür jm das nicht wider die keyserlich maiestat zcu thunde, und hot sich des nicht wollen underwynden. Konde ewr furstlich gnaden von unserm gnedigen herrn dem Romisch keyser erworben, das er meim gnedigen hern konige von gnade und fruntschaft wegen wolte vergunnen, zwey oder drey
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27. März. Die Rückkehr ist nicht vermerkt. – 1474 März 27, Bologna, Gerardo Cerruti an Galeazzo Maria Sforza (Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007, Bd. 2, S. 361–363, Nr. 1085): Questa matina [März 27] è ito ad dire messa ad San Dominico per divotione di quel sancto et per vedere l’archa et, oldita la messa, fece cavalliero il figliolo maiore [Annibale Bentivoglio, * 1469] di messer Zohanne [Giovanni II. Bentivoglio]. – Vgl. zu den bolognesischen Quellen Paludan-Müller 1880/81, Exkurs 6, S. 336–338, mit dänischen Übersetzungen. Siehe oben Anm. 137. Petersen, Chronica, S. clvj: Den 9. May ritt er biß gen Mantua / da blieb er sechs nacht / der Marggraff thet dem König grosse ehr / sonderlich ließ er für im Rennen in dem Zaun zwen tag / da ward mancher nider gestochen / vnd vber hundert spieß zerbrochen / der König schlug da zwen Edelleut zu Ritter / vnd gab der Marggräffin seine güldine gesellschaft. Ähnlich Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 10. Am 12. Mai 1474. Nuvoloni, Oratio, S. 84 und 107 (Faks. des Drucks in Kopenhagen; auch bei Signorini 2007, S. 66, Abb. 69, nach dem Exemplar Havard College Library, Riant Collection, inc. 6882. l): Qua oratione finita creatus est miles cum magna omnium applausu. Dänische Version von Christiern Pedersen (Anfang 16. Jahrhundert, † 1554) ebd., S. 85: Der hand hagde dette sagd, do slo kongh Christiern hanom till ridder och gaff hannom en deiligh selskaff aff guld […] och gaff hannom siden en kosteligh ridderligt selskaff aff guld. Vgl. Signorini 1981, S. 35 f. mit Anm. 66: Exemplar in der Kgl. Bibl. Kopenhagen, Inc. Danske Pal. Nr. 1 α; Hs. Florenz, Bibl. Mediceo-Laurenziana, MS Ashb. 690, fasc. 5, fol. 19v–30v; mit dem Hinweis auf ein Kreditiv für Philippus Nugolanus, miles ei dilectus in einem Brief von 1474 Mai 18, Cremona, Christian an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 563/51, zit. von Lindbaek 1902, S. 493 f., Anm. 1, erwähnt auch bei Signorini 1981, S. 36, Anm. 66) und auf seine frühere Arbeit Signorini 1972. – Die Nuvoloni waren eine bedeutende Mantuaner Familie, siehe Lazzarini 1996, S. 399–409, zu Filippo hier S. 403 f.: „poeta, umanista et certamente animo inquieto“; zuletzt zu ihm Rondinelli 2013. – Eine lateinische Begrüßungsrede wurde auch in Siena gehalten, von Agostino Dati, sowohl auf dem Hin- wie auf dem Rückweg, siehe die kurzen, formelhaften Texte bei Dati, Opera, IV, fol. XCVIr, übernommen in SS rer. Dan. 8, S. 332, ccxxiv–ccxxv. Zu einer unveröffentlichten florentinischen Rede s. o. Anm. 137. Siehe Anhang 3, Nr. 6 f.
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graven zcu machen von seiner keyserlichen majestat wegen umb ere willen, were meynem hern dem konige eine grosse ere, und hette das von der keiserlichen maiestat vor eine grosse gnade und fruntschaft. Doch hot myr seyn gnade nichts davon befolhen. Aber ich vermerke, mocht es gesein, das es sein gnade vor einen grossen guten willen von der keiserlichen maiestat ufnehme.170 Der Markgraf tat das Notwendige, antwortete am 4. Mai aus Augsburg und gab Anweisung, wie die fälligen Kanzleitaxen zwischen dem Kaiser, dem Erzbischof von Mainz als römischem Kanzler und ihm verteilt werden sollten.171 Die von diesem Brief begleitete Urkunde des Kaisers über drei mögliche Grafenerhebungen in seinem Namen ist einen Tag später ebenfalls aus Augsburg datiert und war von dem Text eines ligischen Eides contra omnes et quoscunque homines begleitet, den die neuen Grafen zu leisten hätten.172 Eine Woche später mögen die Papiere beim König eingetroffen sein; zu jener Zeit weilte er in Mantua, könnte also noch solche Standeserhöhungen vorgenommen haben. Dass er es tatsächlich tat, ist aber unwahrscheinlich, denn kein Bericht erwähnt den notwendig spektakulären Akt. Welche Gegengeschenke konnte der König sonst noch offerieren? Natürlich war er gehalten, den Reliquien etwas zu stiften, die man ihm zeigte, so am 12. April fünf päpstliche Dukaten und am 23. zehn venezianische in St. Peter oder 10 päpstliche
170 Höfler 1851, S. 83, Nr. 67, auch Minutoli 1850, Tl. 2, S. 31 f., Nr. 340 (Text); Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 633, Anm. 1 (ausführliches Regest). 171 Minutoli 1850, Tl. 2, S. 35 f., Nr. 345; Höfler 1851, S. 90 f., Nr. 76; Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 660 f., Nr. 838 (Text): Der graven halben zween oder drei der königlichen würde unserm herrn und swager zu erlauben, in unsers herrn kaiserl. namen zu machen, läßt die K. M. gescheen, nach laut der brieve und instruktion, die du hiebei findest. Die haben mir der Römisch canzler herausgegeben, und fordre von solchem im recht. Nu hat unser herr der kaiser der königl. wird zu eren umb unser beste willen gegeben sein teil, der im unzweifentlich wol gebürt von dem, was davon gefellt. Aber mit unserm swager von Mentz [Adolf von Nassau, Erzbischof von Mainz], Römischen cantzler, haben wir abgeredt, was von solchem gefellt, soll im und der canzlei die hellft von werden, und der ander halbteil der königl. würd bleiben. Ob aber der konig die graven gratis machen wird, so soll es zu uns steen, was im und der canzlei fur die briev gegeben werden soll. Nit neher habe wir es mogen bringen. 172 Die Grafschaften sollten auch vom Kaiser bzw. König zu Lehen gehen. Text der Urkunde (ad mandatum proprium domini imperatoris) und der Eidesformel nach einer Abschrift im Archiv der Plassenburg bei Häberlin 1775, S. LIV–LVI, Nr. IIIf.; Chmel 1838, Nr. 6861, Regesta Imperii online (URL: http://www.regesta-imperii.de/regesten/suche.html); nicht enthalten in: Das Taxregister der römischen Kanzlei 2001. – Die Italienreisen Kaiser Friedrichs waren selbst von solchen Verleihungen begleitet gewesen, nicht nur in Form der massenhaften Rittererhebungen auf der Tiberbrücke, siehe Gregorovius 1988, Bd. 3, S. 55: „Dem römischen König diente übrigens seine Krönungsreise zugleich als einträgliches Finanzgeschäft; er konnte sich mit den Geschenken Italiens bereichern und dort Tausende von Gnadenbriefen ausstreuen, welche Eitelkeit erkaufte“ (1452), und S. 111: „Er hatte reichlich Ehrendiplome ausgestreut und setzte dies einträgliche Geschäft auf seiner Heimreise fort“ (1468–1469). Diese Stücke sind bei Chmel 1838 und in den Regesta Imperii Online nachgewiesen (http://www.regesta-imperii.de/ regesten/suche.html); Untersuchung und Listen bieten Hack 1999; Ders. 2004; Ders. 2007.
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Gulden am 27. April an S. Maria dell’Anima.173 Aber das waren alltägliche Vorgänge. Belangreicher ist, dass er 1457 eine höfische Rittergesellschaft gegründet hatte, den Elephantenorden, und diesen jetzt vergeben konnte.174 Schon im Jahre 1462 scheint ein Exemplar nach Mantua gegangen zu sein.175 Dort hat er ihn nun (erneut) verliehen, an Ludovico Gonzaga, Barbara von Brandenburg und sogar an seinen Lobredner Filippo Nuvoloni.176 Zuvor aber hatte er sich damit auch bei Galeazzo Maria in Mailand bedankt.177 Ansonsten waren seine Geschenke, soweit wir wissen, lediglich symbolischer Art. In Rom erhielten der Papst und die Kardinäle Hering, Fisch aus Bergen und Hermelin; diese Gaben repräsentierten ausdrücklich die drei Königreiche Dänemark, Norwegen und Schweden.178 Den Pelz vielleicht ausgenommen,179 war ihr materieller Wert gering im Vergleich zu dem, was der König empfing. Hinsichtlich Kleidung, Juwelen, Aufwand konnte er nicht mit dem konkurrieren, was ihm geboten wurde. Einen Leoparden wie der Herzog von Mailand hatte er nicht im Gefolge.180 Aber andere Tiere, die Aufsehen und Bewunderung erregten: Pferde. Andrea de Schivenoglia beobachtete sie beim Einzug in Mantua: fünfzehn splendide Tiere gingen, eines nach dem anderen, dem Souverän voran.181 Eines dieser Pferde schenkte Christian am 16. Mai beim Abschied dem Ludovico Gonzaga, nachdem er einen kostbaren dunklen Goldbrokat erhalten hatte, den sein 173 Cancellieri 1820, S. 13 nach Garampi 1752, der den Libro dell’Entrate della Sagristia Vaticana 1466–1476 zitiert: Christian opfert am 12. April 1474 Ducati 5 papales und am 23. April Ducatos 10 Venetos anlässlich der Reliquienzeigung. Zur Anima s. u. Anm. 306. – Möglicherweise hat der König eine Wachsrepräsentation seiner selbst an die SS. Annunziata in Florenz gestiftet, siehe Signorini 1981, S. 34 mit Anm. 60. 174 Boulton 2000, S. 399–402, mit Erwähnung einer Bulle Sixtus’ IV. vom 20. April 1474 (vgl. APD 4, Nr. 2575 f.), aber ohne Kenntnis der dänischen Literatur, z. B. Verwohlt 1972, S. 207 f. Der Orden hatte auch weibliche Mitglieder. 175 SS rer. Dan. 8, S. 432 f., 1462 Dezember 1, Gottorf, Christian an Markgraf „Franco Fredericus“ (?) von Mantua: Torquem itaque, affinis amantissime, vobis per Casperum nostrum mittimus, qualem nobis colla humerosque regios instituimus circumire. 176 Siehe oben Anm. 168. – Vgl. Signorini 2007, S. 71 mit Anm. 240 auf S. 114 (Literatur); dominus Philippus Nuvolonus gehörte dann mit 4 Pferden zur Begleitung Barbara Gonzagas, die am 5. Juni 1474 mit ihrem Mann Eberhard nach Württemberg aufbrach, ebd., S. 120a (Nr. 17). 177 1474 März 14, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 44, Nr. 8): sua prefata maestà donoe a la sua excellentia […] porta al collo e così quella la […] tera finché la […]. Dieser Brief ist leider am Ende unvollständig und darum nicht eindeutig. Ein Dokument vom 10. April 1474 gibt Gewissheit, siehe Anhang 3, Nr. 36 f. 178 Siehe zum 11. April 1474 (Ostermontag) Petersen, Chronica, S. clv–clvj: Der Könige brachte mit jm gen Rom seiner dreyer Reich gaben / als Hering / Bergerfisch vnd Hermelein futter / daruon gab er dem Bapst vnd auch den Cardinelen seine Ehrengabe nach gebür. Ähnlich Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 10. 179 Dorothea von Dänmark schenkte 1462 ihrer Schwester in Mantua 14 Zimmer (je 40, zuweilen 60) Hermelinfelle, s. u. Anm. 182. – Vgl. Delort 1978, Bd. 2, S. 1261–1267, der den Hermelin zu „peaux moyennement précieuses“ zählt, vor den Eichhörnchen-, nach den kostbaren Marder- und Zobelfellen. 180 La parda sua, erwähnt in 1474 März 14 und 16, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 41–44, Nr. 7 f.). 181 Schivenoglia, Cronaca, wie Anm. 280: Quando questo re introe in Mantoa avìa inanze cercha 12 o 16 chavay, l’uno più belle cha l’altro.
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Schwager eigens für ihn in Mailand hatte anfertigen lassen, damit er der Pilgerfarbe seines Gastes entsprach.182 Auf des Königs Pferde hatte der Mantuaner Hof schon während der Hinreise sein Auge geworfen: Vom dänischen Geschäftsträger Anichino183 unterrichtet, schrieb Ludovico am 13. Februar 1474 seiner Frau Barbara, dass, wenn der König zuerst nach Mailand gehe und der Herzog, quale è appetitoso, dort jene Pferde sehe, dann sei zu befürchten, dass der Herzog den König darum bitten werde; der König aber sei freigebig und werde nicht nein sagen können. Deshalb möge die Markgräfin Hertristano184 instruieren, dass er, wenn er den König auf seinem Weg treffe, ihn in des Markgrafen Auftrag ersuche, er möge, im Falle der Herzog ihn um die Pferde bitte, sich entschuldigen und sagen, er habe sie uns versprochen und uns bereits davon unterrichtet; auch Zacharia Saggi, der mantuanische Geschäftsträger in Mailand,185 solle entsprechend unterrichtet werden186 182 Il sovrano fece dono al marchese di uno splendido cavallo baio, AS Mantua, AG, b. 2415/1204, danach Signorini 1981, S. 36 mit Anm. 68 (Datum des Briefs nicht angegeben). Es war ein Gegengeschenk für il prezioso broccato d’oro morello, den Ludovico ihm wenige Tage zuvor geschenkt hatte und den er in Mailand hatte herstellen lassen, siehe die Briefe vom 9., 11., 13., 27. April und 7. Mai, auszugsweise enthalten in Signorini 1981, S. 36, Anm. 69, künftig in Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9. – Solche Brokate waren begehrt, siehe 1462 Juli 15, Kopenhagen, Königin Dorothea von Dänemark schickt ihrer Schwester Barbara in Mantua quatuordecim tymmer [je 40 oder zuweilen 60] hermelinorum durch Schelmerus Gerard [ders. in DDL 4, Nr. 22: Scheliverus Gerszen, 1462 Dezember 7], multus fidus servitor et precipue dilectus des Königs auf dem Weg an die römische Kurie in certis arduis negociis. Der Kardinal von Mantua [Francesco Gonzaga], dem ebenfalls geschrieben wird, möge ihn in diesen Geschäften unterstützen. Sie erneuert ihre Bitte um una pecia auri brocati sangwinei coloris generis melioris (DDL 4, Nr. 15, S. 18 f., nach AS Mantua, AG, hier nach Abschrift im Dänischen Reichsarchiv); dieser Brokat war blutrot, nicht pilgerdunkel. – Später gingen erneut Hermelinpelze nach Rom: 1466 Oktober 2, Kopenhagen, Königin Dorothea an Kardinal Francesco Gonzaga: Schickt per notariium vestre reverentie Wilhelmum Molitoris [Müller, zu diesem Deutschen im Dienst des Kardinals siehe Severidt 2002, S. 268 f., auch unten Anm. 244 f. und 248 f.] duodecim timmer pellium albissimarum vulgariter Hermelin (SS rer. Dan. 8, S. 435). 183 Heinrich Sprenger, siehe Anhang 3, Nr. 78. 184 Konrad von Hertenstein, siehe ebd., Nr. 76. 185 Siehe oben Anm. 11. 186 1474 Februar 13, Goito, Ludovico Gonzaga an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 2102/11 (freundl. Hinw. von Jürgen Herold, Greifswald, dem ich auch die folgende Transkription verdanke)): Illustris consors nostra carissima. Doppo che siamo partiti da vui el c’è intrato un dubio in la mente, cioè che capitando la maestà del re de Datia a Millano e conducendo […] quelli cavalli, dice Anichino et stiamo aparendolo, che vedendoli lo illustrissimo signore de lo duca quale è appetitoso come sapeti el non li richeda al prefato signore re et essendo sua maestà liberale, come l’è, el non ge ne sapia dire de non. Perhò voressemo che vui ordinastine ad Hertristano che, ritrovando sua maestà in via, el gli dica da parte nostra che la voglia haver a mente s’el prefato illustrissimo signore glie richedesse questi cavalli, el facia scusa et dica de haverli promessi ad nui et haverne già facto intendere ch’el ce li conduce et che non ce voria inganare. Simelmente voressemo che in la littera scrivereti a Zacharia – la quale se haverà a mandarli per uno deli cavallari nostri inseme cum quella [scil. littera] facessemo far hozi et quest’altra alligata [scil. littera] che gli scrivemo per biava da cavalli voressemo veder de haver dal canto di là – vui facestine far una post inclusa [scil. littera] e dirgli che anche lui metesse mente s’è gionto che serà el prefato signore re a Milano ge fosse richeste questi cavalli el ge facia intendere a sua maestà quanto è dicto de sopra.
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und der bestätigte, dass er darauf achten werde.187 Der Mantuaner Agent Konrad von Hertenstein berichtete sogar, er habe den König davon überzeugen können, sich zuerst nach Mantua und dann nach Mailand zu begeben,188 und eine Zeit lang scheint er dies vorgehabt zu haben oder hat es jedenfalls vermuten lassen.189 Der mantuanische Geschäftsträger machte sich sogar schon Gedanken darüber, wie der König sich dafür in Mailand entschuldigen könnte.190 Doch schließlich wurde nichts daraus.191 Zwölf bis fünfzehn dieser Prachtgäule hielten in Mantua Einzug, nachdem man zuvor in Mailand gewesen war. Es sind also keineswegs alle dort geblieben. Nur eines wurde aber dem Markgrafen zum Geschenk gemacht.192 Die Gonzaga fanden solchen Gefallen an diesen Edeltieren, dass sie Trionfo eigens nach Dänemark sandten, um solche dort einzukaufen – eine Mission die gänzlich misslang, weil König Christian die Hand auf die dafür vorgesehenen Gelder legte.193 Nur ein nobles Pferd ging aus dem Norden als Geschenk des Königs nach Mantua.194 Der Herzog von Mailand wollte ebenfalls dänische Pferde haben, sein Inter187 1474 Februar 17, Mailand, Zaccaria Saggi an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 1624; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9): haverò l’ochio a quelli cavalli come me scrive vostra signoria. E se mi sarà concesso, gli piglierò bonissimo partito. 188 1474 Februar 22, [Garmisch-]Partenkirchen, Tristan de Saxoduro (Konrad von Hertenstein, siehe Anhang 3, Nr. 76) an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 439/164, Druck: Barbara Gonzaga, Die Briefe, S. 132, Nr. 40: Zu Partnkirchen hab ich den kunig von Tenmarck fonden und hab in geladen in masen als mir eur genad wefollen hat. Das hat er gar gern gehort und wil den weg gen Mallant unterwegen lasen und wil auf Manta den nasten reitn. Ich hab ausgerechnit, das gen Manta kom in 7 tagn des marzo. Er hat 120 pferd in punt als pilgrom al svarcz kleit. 189 1474 Februar 27, Innsbruck, Christian an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 563/44, daraus Signorini 1981, S. 24, Anm. 10; Ders. 2007, S. 112 Anm. 203): die crastino ex Iisprug [!] Mantuam versus iter prosequamur. 190 1474 März 6, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9): Per questi che intendono si teneva per opinione, quando se disse che la prefata maestà del re faceva el carnevale con la serenità del imperatore [Friedrich III. in Rothenburg ob der Tauber], che esso re non havesse poi a fare questa via. […] credo che, mancando questa venuta, come farà, non serà cosa troppo grata a questo signore [dem Herzog von Mailand], si per rispetto del apparato fato e per la fama già sparsa di tal venuta, si etiamdio per dimostratione di qualche diffidentia, e credo che seria ben fatto che la maestà del re, quando si troverà esser gionta a Mantua, facci scrivere qualche buona lettera a l’excellencia di questo signore, over mandi qualche persona a dir quelle parole sopra tal materia siano più conveniente. 191 In zwei Briefen vom 7. März aus Bozen (siehe oben Anm. 47) und vom 8. März aus Trient unterrichtete er Ludovico Gonzaga von dem veränderten Itinerar seiner peregrinatio, im zweiten sich nicht nur darauf berufend, dass in Meran persuasa est illorum montium asperitas, ut terreri nos tandem expertorum periculis consulto pateremur, sondern auch, dass nobis archana quedam negocia nec parva quidem cum duce Mediolani primum peragenda incubunt. AS Mantua, AG, b. 563/45 und 48 (freundl. Hinw. von Jürgen Herold, Greifswald), der zweite gedruckt bei Signorini 1981, S. 41, Nr. 5. 192 Siehe oben Anm. 182. 193 Siehe Anhang 3, Nr. 77. 194 Freundl. Hinw. von Jürgen Herold (Greifswald) und künftig in dessen Dissertation (Herold, Briefe und Boten).
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esse richtete sich aber auch auf Falken, insbesondere Gerfalken aus dem Norden.195 Insgesamt aber musste der vielfache Königstitel ausgleichen, was unter dem Gewand der Pilgerreise an Mitteln und handgreiflicher Pracht fehlte. 6. ABSICHTEN UND ZUMUTUNGEN Wie wir noch sehen werden,196 war die italienische Reise Christians I. wirklich eine Pilgerfahrt. Das heißt aber nicht, dass der König sich ohne politisches Programm auf den Weg gemacht, und auch nicht, dass man ihm unterwegs nicht politische Aufgaben zugemutet hätte. 6.1 Absichten Die politische Großwetterlage haben wir bereits skizziert:197 Der Konflikt zwischen Ludwig XI. von Frankreich und Karl von Burgund beherrschte die Szene; derjenige zwischen Karl, den Schweizern und Sigmund von Habsburg-Tirol drängte sich im ersten Halbjahr 1474 ebenso in den Vordergrund wie derjenige zwischen Karl und der Stadt sowie dem Hochstift Köln. Mailand und Kaiser Friedrich III., untereinander eher verfeindet, schwankten zwischen den Parteien. Alles hing mit allem zusammen. Als möglicher Bündnispartner und Vermittler gewann der König von Dänemark eine bislang ungewohnte Statur.198 Nachdem die Verhandlungen zwischen dem Kaiser und dem Herzog von Burgund am 25. November 1473 zu Trier gescheitert waren, mischte er mit auf der Ebene der europäischen Politik.199 Das alles ist 195 In processo di tempo il Duca a quello Re mando Bernardino Mislalia [= Missaglia], suo famigliare, con honorevole summa de pecunia per condure certi cavalli: ma intervenendo la morte de Galeazzo [26. Dezember 1476] […] il Re, facto immemore de li beneficii ricevuti, detenne il Mislalia e toltoli li dinari e a faticha fu liberato: e cosi intervenea chi serve a gente barbara (Corio, Mediolanensis patria historia, 6. Tl., fol. O5r). – 1474 Juni 20, Pavia, Galeazzo Maria an König Christian (Ghinzoni 1891, S. 61 f.): Quoniam equis et aucupio maxime ablectamur et in dies illos et aves rapaces habere conamur, impresentiarum mittimus ad partes Norveghe Ricium aucupatorem et Venturinum equitatorem nostros presentium latores pro emendis et conducendis ad nos huiusmodi equis et avibus et maxime girifalchis. Unter dem Datum des 26. April 1474 notierte der Kanzler Simonetta in sein Tagebuch eine Liste von Sachen, che se trovano excellenti in Rosia (Russland): Raubvögel und Pelze, angefangen mit falconi pelegrini, falconi sacri, gierofalchoni (Simonetta, Diari, S. 111). – Bartolomeo Colleonis bestes Pferd hieß il Frixone, der Friese, siehe Paravicini 2014a, S. 38 mit Anm. 230. Auch Ludwig XI. war ein passionierter Liebhaber nordischer Tiere, siehe Ders. 1993 und Ders. 2003. 196 Unten in Kap. 7. 197 Siehe oben bei Anm. 22 f. 198 Moraw 1997, S. 329: „Auch die Tatsache, daß der König von Dänemark durch den Aufweis von Distanz endlich wirklich ‚königlich‘ (im west- und mitteleuropäischen Sinn) werden wollte, gehört dazu“, nämlich zur zunehmenden Hierarchisierung der sozialen Beziehungen im Zeremoniell. Die Italiener bemerkten seine großen Pläne, siehe oben Anm. 22. 199 Niitemaa 1960, u. a. S. 280, 283 und 339–337. Zu diesen Treffen zuletzt Paravicini 2001, S. 348–358 und 395; Ehm 2002a, S. 65 f. und 130–197; Dies. 2002b; Dies. 2007; Dies. 2008; Rabeler 2006, S. 110–115; Karl der Kühne 2008, S. 262–291; Müller 2011; Schmidt 2012.
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bereits beschrieben worden und auch in einem Beitrag von Jürgen Herold zum Neusser Krieg aufgrund der mantuanischen Korrespondenzen behandelt.200 Aus diesem „Alltag der Entscheidung“, wie Arnold Esch treffend das politische Leben benannt hat, soll hier nur zweierlei herausgegriffen werden, das nicht nur manchmal, sondern immer auf der Tagesordnung stand: Heirat und Herrschaft. Dass der König während der Reise auch mit dänischen Angelegenheiten beschäftigt war, liegt auf der Hand.201 6.1.1 Eine vorteilhafte Heirat für den Sohn Hans Dynasten waren unablässig auf der Suche nach der besten Eheverbindung für Schwester und Bruder, Sohn und Tochter, Neffen und Nichten. Für Christian ging es um den schon 19 Jahre alten Sohn Johann oder Hans, wie die Dänen sagen. In Mailand war intensiv die Rede von einer Verbindung mit Johanna oder Anna von Savoyen, deren eine Schwester (Bona) die Frau Galeazzo Marias war und die andere (Charlotte) Gemahlin König Ludwigs XI. von Frankreich. Aus Pavia, am 18. März, unterrichtete Christian Kurfürst Albrecht über den Stand der Dinge: als wir uns zu unsrem besunderen freunde, dem von Maylant gefugt haben und von im freuntlich und erlich mit aller wirdigkeit empfangen, eingeführt und mit im etlicher unser gewerbe in verhandlung komen sein, als nemlich von der freuntschaft wegen zwischen unserm Sonn [Hans] und der Tochter von Sophoy [Savoyen], seines rates dorinn tzu pflegen, und er uns hoch zu solicher freuntschaft geraten hat, mir erbitens, wer des not, sich von demselben persönlich zu dem von Frankreich zu fügen. Als er denn im die seinen geschickt und geschriben hat. Auf dem zweiten beigefügten Zettel heißt es zusätzlich: haben von Maylant noch eine botschaft zu dem konig von Frankreich geschickt, und hat der von Maylant mit uns geschriben, und haben den gegen unser wyderfart gein Lugdun202 gefördert, die Jungfraw von Sophoy mit sich dar zu bringen, handel zu haben, wie er vor an uns hat gelangen lassen, was uns geleynen wird, soll ewr lieb vorenthalten nit bleiben.203 200 Herold 2015, auch Rückert 2015, S. 4; zwei Briefe siehe bereits in: Von Mantua nach Württemberg 2011, S. 260 f. (IV 1 und 2) und 328–331, Nr. 6 f. (mit Abb.). Zu Christian I. als (wenig glücklichem) Vermittler im Neusser Krieg siehe Kamp 2011, S. 112–116 mit Anm. 104–145 auf S. 116–123; Paravicini 1975, S. 472 f., Anm. 83; Rüdebusch 1971, S. 181–186; Niitemaa 1960, S. 301–329 (grundlegend); Paludan-Müller 1880/81, S. 327–332. 201 1474 März 26, Bologna, Christian in dänischer Sprache an Christian Niels Eriksøn Gyldenstjerne sowie an seinen Hofmeister Erik Ottensøn Rosenkrantz (Missiver fra Kongerne Christiern I’s 1912–14, Bd. 1, S. 45 f., Nr. 63 f.; RDHD II/1,2, Nr. 7157 f. 202 Lyon, s. u. im Text. 203 1474 März 18, Pavia, Christian an Kurfürst Albrecht (wie oben Anm. 137). Am selben Tag und Ort Zaccaria Saggi an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 44 f., Nr. 10; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9): König Christian hat erreicht, dass Herzog Galeazzo Maria an Ludwig XI. schrieb, che la viglia dare la figliuola del duca di Savoia morto [Amadeus IX., † 16. April 1472], Schwester des gegenwärtigen Herzogs Philibert I., für dessen Erstgeborenen. Der Herzog ha scritto molto favorevolmente per questa facenda, et ha detto a sua maestà che se l’havesse una sua figliuola la darìa di buona voglia al figliuolo. – Zur savoyischen Heirat auch Niitemaa 1960, S. 280 und 285.
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Erste Schritte wurden eingeleitet, nachdem schon 1472 eine Eheverbindung verabredet worden war.204 Sogar ein Treffen mit Ludwig XI. in Lyon,205 dann in Straßburg206 wurde vorgesehen. Allerdings wechselte derweil die politische Konjunktur: Eine so nahe Verbindung mit Frankreich erschien Friedrich III. nicht mehr angeraten, Lyon und Straßburg wurden fallengelassen, stattdessen sollte Christian eilends zum Reichstag nach Augsburg kommen.207 Am 12. Mai 1474 schrieb Christian aus Mantua seinen neuen Reiseplan an Kurfürst Albrecht: Er habe erneut einen Brief des Kaisers erhalten (hefft uns ytzundt geschrewen), worin er ihm mitteilt, dass das Tref204 Im Vertrag von Edinburgh vom 7. September 1472. Druck: DCP, Nr. 183, S. 264–273. Christians Schwiegersohn Jakob III., König von Schottland, hatte als Vermittler gedient. Siehe MacDougall 1982, S. 91 f., und Riis 1988, Bd. 1, S. 17–19 und 245–256: Queen Margaret († 1488). 205 Siehe oben Anm. 202 sowie 1474 März 16, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 43 f., Nr. 8); 1474 März 18, Pavia, Christian an Kurfürst Albrecht (siehe die Anm. 203), Zettel 2: haben von Maylant noch eine botschaft zu dem konig von Frankreich geschickt, und hat der von Maylant mit uns geschriben, und haben den gegen unser wyderfart gein Lugdun [Lyon] gefördert, die Jungfraw von Sophoy mit sich dar zu bringen, handel zu haben, wie er vor an uns hat gelangen lassen, was uns geleynen wird, soll ewr lieb vorenthalten nit bleiben. Dazu mehrere Briefe König Ludwigs XI., in: Lettres de Louis XI 1895, Nr. 781 (Senlis, 11. April: ein Treffen sei unmöglich, entsendet Gesandte, François d’Orléans, den Grafen von Dunois, den Bischof von Périgeux Geoffroy de Pompadour u. a.); ebd., Nr. 782 (Senlis, 12. April, an König Christian: Dankt für das, was er ihm durch seinen Herold „Stockholm“ [siehe Anhang 3, Nr. 36 f.] hat sagen lassen, siehe Verbesserungen in: HansUB 10, S. 178, Anm. 5); Lettres de Louis XI 1895, Nr. 789 (Senlis, 4. Mai); ebd., Nr. 792 (Senlis, 11. Mai, an Kaiser Friedrich III., kommt eventuell nach Konstanz); ebd., Nr. 796 (20. Mai, Compiègne, kündigt dem Herzog von Mailand die Gesandtschaft an). 206 1474 April 25, Kaiser Friedrich III. an Christian: Item eyn missive an den kunig von Dennemargkt, sich [nicht nach Straßburg, sondern auf den Reichstag] gen Augspurg uf den tag zu fugen. Gratis, Das Taxregister der römischen Kanzlei 2001, Nr. 4050, schon bei Niitemaa 1960, S. 284 mit Anm. 1 (freundl. Hinw. von Henny Grüneisen). – Vgl. 1474 April 28, Viterbo, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 845/334, Druck: Signorini 1981, S. 50, Nr. 21): In Viterbo hat der König Briefe vom Kaiser bekommen, in dem er ihm mitteilt, dass er zu Pfingsten sich mit ihm und Ludwig XI. in civitate Strasburgensi einzufinden habe, der König zeigt sich willens, direkt dort hinzugehen. – 1474 Mai 1, Rom, Francesco Gonzaga an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 845/217, Druck: DDL 4, Nr. 217, S. 194–196 (nach Abschrift im Dänischen Reichsarchiv), und Signorini 1981, S. 51 f., Nr. 23; Chambers 1992, S. 44, Anm. 62 (Auszug zu Lund, nach dem Original)): In viagio esso re hebbe una lettera da lo imperatore, la qual mando qui alligata ad una mia directiva a suoa m[aestate]. La dieta che li significa lo imperatore havere a fare questa Pentecoste, ne la qual se trovarà in Argentina [= Straßburg] lo re di Franza, e prégala che voglia anchor lei trovarseli. – 1474 Mai 4, Florenz, Christian an Kurfürst Albrecht (wie oben Anm. 137): Is to uns gekomen unnsers hern unde bruders des Romischen keysers bade und hefft uns siner leve breff behendet, dar he uns inne vermeldet, dat he mit unnserm bruder dem konige von Frankriiken am hilgen pinxstedat negest komen [27. Mai 1474] sin wille to Strassburg, uns biddende wii als denn darsulvest to Strassburg mit en komen mochten. Christian bittet Albrecht, ebenfalls nach Straßburg zu kommen, wente wii mit unnserm bruder demm keysern etlicke sacke to verhandelende hebben, da wii an iwe leve nicht wol verhandeln edder utrichten konen (vermutlich geht es um die Frieslandfrage). 207 Vgl. Anm. 208.
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fen mit Ludwig XI. in Straßburg (zu Pfingsten) nicht stattfinden werde; stattdessen sei er aufgefordert worden, so schnell wie möglich nach Augsburg zu kommen. Der König war etwas ungehalten über diese Änderung, wo wol wii alle unnse sake dar na geschicket hadden, dat wii uns to Strasspurg wolden gefuget hebben, erklärte sich aber dennoch dazu bereit, um den Romischen keyser to leve und wolgefallen unnse saken wedder dar na richten bii siner leve to Augsburg to sinde.208 Ein Anzeichen dafür war, welch geringen Stellenwert der Post aus Frankreich geblieben war. Am 7. Mai 1474 sandte der mailändische Geschäftsträger in Bologna seinem Herrn Briefe aus Frankreich, die ihm Christians Sekretär (Klitzing?) übergeben hatte. Der scheine der Antwort wenig Bedeutung beizumessen, es komme ihm nur darauf an, dass sie zum Herzog gelangten: Sonnoci incluse certe littere havute di verso Franza, secundo me ha dicto el secretario, et mostra non fare gran caso di risposta, ma li basta pur che certa sia che la provenga ad vostra celsitudine.209 Christian wartete schließlich nicht einmal das Eintreffen einer – hochrangigen – französischen Gesandtschaft210 in Mailand ab, bevor er abreiste, was Galeazzo Maria sehr verstimmte.211 Zeitweilig wurde sogar das Gegenteil, eine burgundische Heirat mit Karls Erb208 Christian an Kurfürst Albrecht: Minutoli 1850, Tl. 2, S. 16, Nr. 322, und Höfler 1851, S. 94 f., Nr. 80 (Text); RDHD II/1,2, Nr. 7181; Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 662 f., Nr. 844 (Regest); Niitemaa 1960, S. 284 mit Anm. 2. 209 1474 Mai 7, Bologna, Gerardo Cerruti an Galeazzo Maria Sforza (Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007, Bd. 2, S. 402, Nr. 1138). 210 1474 Mai 12, Pavia, Zaccharia Saggi an Ludovico Gonzaga: Nennt die Mitglieder der französischen Gesandtschaft, li quali vengono per aboccarsi con la maestà del re di Dacia per rispetto di contrahere quel parentato praticato tra loro, nach einem an den Herzog von Mailand adressierten Brief: monsignor Dunois [François d’Orléans, Graf von Dunois], questo è cognato di questo illustrissimo signore [des Herzogs von Mailand]; l’arcivescovo da Leone, legato de Avignone [Charles de Bourbon], monsignor de Cursol [Louis de Crussol]; uno de parlamento [des Parlaments von Paris], AS Mantua, AG, b. 1624 (Milano); Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9; zit. von Signori 1981, S. 36, Anm. 70 (Namen der Gesandten). – 1474 Mai 21, Christians Ankunft in Pavia, er trifft den Herzog von Mailand und wartet zwei Tage auf die Ankunft der französischen Gesandten che venivano a trattare il suddetto matriomonio fra Anna di Savoia, nipote di Luigi XI, ed il principe Giovanni (Signorini 1981, S. 36). Siehe ebd., S. 54, Nr. 27, 1474 Mai 23, Pavia, Antonio Bonatto an Ludovico Gonzaga: De li ambasatori di Franzia anchora non si ha certeza alcuna né se lor véneno e dove siano, sowie ebd., S. 55, Nr. 28, Ders. an Dens. vom selben Tage: Gestern [22. Mai] ist der König in Pavia angekommen, hat gestern und heute mit dem Herzog beraten sopra la materia de l’andarsi ad abochare con questi ambassatori del re di Franza che dovevano venire a Vigliana et intorno a questo è stato detto assay e pro e contra, ma perché de la venuta loro no gli è alchuna certezza anchora né certa scientia ove se siano hat der König sich entschlossen, nicht zu warten, und hat jemanden nach den französischen Gesandten geschickt, um ihn zu entschuldigen, offerendosi di mandare o venire ad altro loccho che sia idoneo per poter continuare e seguire l’effecto dela pratica incominciata. – 1474 Juni 11, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9): il re [Ludwig XI.] havea scritto a quegli ambasatori che dovessero venire a Milano per abocarsi con la maestà del signore re di Datia per concludere quel parentato, mostrando di farlo volontieri e di buona voglia. 211 1474 Mai 15, Pavia, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9): Saggi hat den Brief Ludovicos erhalten, wonach der König am nächsten Montag [16. Mai] Mantua verlassen werde, dies habe der König auch an den Herzog
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tochter Maria erwogen, die den habsburgischen Plänen jedoch noch mehr zuwiderlief.212 Dazwischen tauchte das Projekt einer neapolitanischen Verbindung auf: Aus der Umgebung König Christians ging der Graf von Mühlingen-Barby nach Neapel ab und kam mit Geschenken beladen zurück.213 Auch hieraus wurde nichts, Hans heiratete schließlich vier Jahre später Christine von Sachsen. Nur am Rande sei erwähnt, dass Tristano de Saxoduro ein Jahr zuvor in Polen unterwegs gewesen war, um für das Haus Gonzaga einen Königssohn zu gewinnen,214 was ebenfalls misslang: Barbara heiratete am 4. Juli 1474 in Urach Graf Eberhard von Württemberg215 und ihre Schwester Paola 1478 den Grafen Leonhard von Görz.216 Auf einen Grafen von Sayn, für den sich Kurfürst Albrecht (zurückhaltend) verwandt hatte, wurde dabei keine Rücksicht genommen.217
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von Mailand geschrieben, der Ludovico durch Saggi ersuchen lässt, che quella faci soprasedere la prelibata maestà del re fin tanto che si habbi risposta da li ambasatori del re di Franza, secondo per la mia scrissi per il cavallaro ducale, e così questo prelibato signore ne scrisse a la maestà del re di Datia solo per farla soprasedere, per rispecto che, venendo li antedecti ambasatori a Milano, la maestà del re se drizerà per la via da Lodi Milano, e non venendo loro quella si drizerà qui. – 1474 Mai 16, Pavia, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9): Hat das Antwortschreiben Ludovicos auf seinen Brief erhalten. Ist dadurch unterrichtet, dass der König heute [16. Mai] von Mantua aufbrechen und nach Mailand kommen wolle, entschlossen, sich keinesfalls unterwegs aufhalten zu lassen, sondern stracks zum Tag mit dem Kaiser zu ziehen, wegen der grande instatia fattali d’esserli, lassando ogn’altra sua particulare facenda. Der Herzog von Mailand ist darüber sehr ungehalten und hat dem König geschrieben, dass er den französischen Botschaftern nach Novara (oder Vigliana) entgegengehen solle. Saggi meint, dass der König andernfalls kaum se ne rittorni a casa con buona amicitia et gratia come ne la venuta sua si havea aquistato. 1474 Mai 17, Cremona, Konrad von Hertenstein an Ludovico Gonzaga: Christian habe Briefe des Königs von England und des Herzogs von Burgund erhalten. Herzog Karl habe großes Interesse daran, seine Tochter mit dem dänischen Thronfolger zu verheiraten. Außerdem versuche er mit Nachdruck, Christian als Vermittler zwischen ihm und dem Kaiser zu gewinnen, AS Mantua, AG, b. 439/165 (freundl. Hinw. von Jürgen Herold, Greifswald). Überbringer war der Wappenkönig Danmark, siehe Anhang 3, Nr. 36 f., Dokument (5) vom 18. Mai 1474. Siehe unten Anhang 3, Nr. 2. Ein Brief des Antonius Mirabilia (Antonio Maraviglia, vgl. unten Anm. 239) an den Herzog von Mailand vom 28. Mai 1474 aus Chiavenna erwähnt ein Treffen des Königs mit einer neapolitanischen Gesandtschaft in Lodi, Paludan-Müller 1880/81, S. 310 mit Anm. 1 (nach AS Mailand, Archivio Sforzesco). Siehe seine Schreiben in: Barbara Gonzaga, Die Briefe, Nr. 20–35 (1. Dezember 1472–20. Mai 1473). Zeilinger 2003; Barbara Gonzaga, Die Briefe; zuletzt Zeilinger 2014 (wo in Anm. 1 weitere Arbeiten genannt sind); Rückert 2014; Antenhofer 2014, Bd. 2, S. 836–855; Behne 2015. Vgl. Anhang 3, Nr. 3 (Helfenstein). Zu Paola (1464–1496) siehe Lazzarini 2001b und Antenhofer 2007a. 1474 März 6, Nürnberg, Kurfürst Albrecht an Ludovico Gonzaga (Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 630, Nr. 792 (nach AS Mantua, AG)): Empfehlungsbrief für den Grafen [Gerhard d. J.?] von Sayn, der eine Tochter des Markgrafen von Mantua zu heiraten wünsche und unus de principalioribus comitibus Alamanie magnarumque facultatum sei. Siehe Herold 2014a, S. 149 mit Anm. 63 f.
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6.1.2 Herrschaft in Norddeutschland Sehr viel geplanter, auf der Hinreise wie auf der Rückreise, auch von Italien aus betrieben und weitgehend von Erfolg gekrönt war ein zweites Vorhaben König Christians, das er auf seiner Fahrt zu verwirklichen gedachte: Die Erhebung von Holstein und Stormarn zum Herzogtum mitsamt der Übertragung Dithmarschens218 und den Gewinn Frieslands,219 nebst allerlei Sondervergünstigungen betreffend Zoll und Münze. Hierbei stützte er sich, obwohl persönlich in Augsburg anwesend,220 ganz auf seinen Schwager Kurfürst Albrecht, der für ihn verhandelte und mit dessen Hilfe es auch gelang, den Kaiser zur Ausstellung der entsprechenden Urkunden zu bewegen. Die meisten wurden am 23. Juni und 1. Juli 1474 ausgefertigt; das Datum des 13. Februar ist fiktiv und bezieht sich auf eine ursprüngliche Entscheidung des Kaisers auf dem Hinweg in Rothenburg ob der Tauber.221 Der Preis war die Unterstützung der kaiserlichen Politik bis hin zum formalen, recht folgenlosen Bündnis.222 Dass die Dithmarscher allen kaiserlichen Mandaten zum Trotz sich erfolgreich gegen diese Übertragung wehrten, ist bekannt.223 In der friesischen Sache blieb der Kaiser dagegen unentschlossen: Friesland wurde weder dänisch noch burgundisch. Interessant an diesen Geschäften ist, dass wir den Gesprächszettel Markgraf Albrechts für seine Unterredung mit dem Kaiser haben, auf dem dessen fiat vermerkt ist oder auch nicht. Wir können also recht genau verfolgen, wie die Entscheidungen zustande kamen.224 218 Siehe zu diesem vielbehandelten Ereignis und seinen Folgen zuletzt Auge 2010, S. 29 f. 219 Die Bedeutung dieser vergeblich verfolgten Interessen ordnet weitblickend ein Karl Bittmann, in: Paravicini 2014a, S. 234, § 153; ansonsten Niitemaa 1960 (wie oben Anm. 200). 220 Seit dem 3. Juni (Petersen, Chronica, S. xlvj, bzw. Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 10); seit dem 4. Juni schreibt Mülich (Chronik des Hector Mülich 1892, S. 244) mit dem Vermerk: und ritten im der kaiser und alle fürsten, gaistlich und weltlich, entgegen. – Am 1. August verließ der König Augsburg wieder, ebd.; Petersen, Chronica, S. clvij, und Minutoli 1850, Tl. 2, Nr. 313, S. 10. 221 Die zahlreichen Briefe und Urkunden sind mit ihren Veröffentlichungsorten teils bei Chmel 1838, vollständig in den Regesta Imperii online (http://www.regesta-imperii.de/regesten/suche. html) nachgewiesen und in RI XIII, Heft 31. Knapp verzeichnet sind sie in: Das Taxregister der römischen Kanzlei 2001, Nr. 3896–3907 (hier aber unter dem 13. März 1474) und 4355–4357, 4360 und 4363 (1. Juli 1474). 222 1474 Juli 1, Augsburg (Chmel 1838, Nr. 6895; RDHD I/1, Nr. 4508; DCP, Nr. 204, S. 305 f.; Das Taxregister der römischen Kanzlei 2001, Nr. 4360. Dazu Niitemaa 1960, S. 277, Anm. 2, S. 286 mit Anm. 2 und S. 295 f. 223 Hier nur Niitemaa 1960, S. 287–293, 299 f., 302, 308 mit Anm. 3 und S. 330–333. Die Dithmarschen, die sich als Untertanen des Erzbischofs von Bremen betrachteten, appellierten an den Papst. Christian gedachte dagegen die Intervention Francesco Gonzagas, des Kardinals von Mantua, einzusetzen, siehe 1474 Oktober 17, Christian an Kurfürst Albrecht (Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 729, Nr. 944): Er habe sich an den Kardinal von Mantua gewandt, den er von seiner Italienreise her kenne, und ihn gebeten, darauf hinzuwirken, dass der Papst die Beschwerde der Dithmarschen abweise. Erst das Jahr 1559 brachte das Ende der Dithmarscher Unabhängigkeit. 224 Siehe Höfler 1851, S. 96–101, Nr. 84 f. und 87 f., alle den Augsburger Verhandlungen im Juni 1474 zuzuordnen. Die Agenda siehe schon in Christians Brief an Kurfürst Albrecht vom 18. März 1474 aus Pavia mitsamt seinen sechs Zetteln (wie oben Anm. 137).
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6.2 Zumutungen Christian betrieb aber nicht nur eigene Politik, er wurde auch zum Instrument fremder Interessen, was er natürlich nicht zugelassen haben würde, hätte er sich davon keinen Vorteil versprochen. 6.2.1 Investitur und Königskrone für den Herzog von Mailand In Mailand versuchte Galeazzo Maria, ihn als Fürsprecher beim Kaiser für seine Belehnung mit Mailand und Pavia und für die Verleihung der Königswürde zu gewinnen. Nur in diesem Zusammenhang ist der ungeheure Aufwand verständlich, den er für Christian trieb: Die fehlende Legitimität war die offene Flanke der SforzaHerrschaft. Sie zu schließen, war man bereit, sehr große Summen auszugeben.225 Schon am 16. März 1474 war der mantuanische Gesandte auf dem Laufenden und berichtet nach Mantua weiter: „Der Herzog von Mailand habe den König ersucht, er möge sich auf die ihm am besten scheinende Weise dafür einsetzen (si vogli interponere), dass der Kaiser Mailand zum Königreich erhebe und Pavia zum Herzogtum, und er habe angeboten, ihm [dem Kaiser] dafür 200.000 Dukaten zu geben.“ Markgraf Ludovico möge verständige Leute an den Kaiserhof senden, um mit dem Markgrafen von Brandenburg für die Sache zu werben: pratichare questa cosa. Der König meine hingegen, es reiche vorerst, dem Markgrafen von Brandenburg zu schreiben und damit die Sache einzuleiten, ansonsten zu warten, bis er aus Rom wiedergekehrt sei; er hoffe zusammen mit dem Markgrafen von Brandenburg die Sache voranbringen zu können. Man solle dem Kaiser aber kein Geldangebot machen, denn er hoffe, die Sache vielleicht zu geringeren Kosten zum Erfolg zu führen (di condur la cosa forsi con minor costo). Die Sache solle morgen in nave (mit dem der König und der Herzog nach Pavia fuhren) endgültig beschlossen werden.226 Am 18. März 1474 schrieb der König tatsächlich aus Pavia an Albrecht von Brandenburg und berichtete davon, dass der Herzog angesichts der Tatsache, dass Christian auf dem Rückweg erneut an den Kaiserhof komme, ihn in Sachen der Königserhebung um Intervention bei Friedrich III. gebeten habe; er habe daraufhin versprochen, sich bei seinem Schwager zu verwenden, was er mit diesem Brief nun tat. Albrecht möge doch dafür sorgen, dass die Sache erledigt sei, wenn er auf dem Rückweg wieder nach Mailand käme – der König hatte seine Bedenken also zugunsten eines erstaunlichen Optimismus aufgegeben, es sei denn, er wollte lediglich guten Willen zeigen und sich auf diese Weise dem Drängen Galeazzo Marias entziehen. Ein beigefügter Zettel erläutert die finanzielle Seite der Angelegenheit: Der 225 Siehe Minutoli 1850, Tl. 2, S. 30–36, Abschnitt „Galeazzo Sforza, Herzog von Mailand, bewirbt sich durch den Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg um die Königswürde. 1474“, dieselben Stücke bei Höfler 1851, S. 82–95: Briefe 1474 März 18 (2) und 24, April 11, Mai 4 (2) und 25; siehe Löher 1869 (nach Höfler); Bachmann 1894, S. 474; Dürr 1911, S. 284–287; Niitemaa 1960, S. 281 und 284 f. 226 1474 März 16, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 43 f., Nr. 8).
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Herzog wolle sich die Erhöhung 200.000 Dukaten kosten lassen, von denen 30.000– 40.000 auf Albrecht fallen würden.227 Ein gleichzeitiger Brief des Albert Klitzing an den Kurfürsten lässt uns an dem entscheidenden Gespräch teilnehmen, das nur zwischen vier Personen stattfand: König und Herzog, Klitzing und Cicco Simonetta; danach war es Klitzing, der den Betrag von 30.000–40.000 Gulden für Albrecht und Weiteres für andere Kurfürsten aufbrachte, ohne erkennen zu lassen, das ich ewr Gnaden Diner bin gewesen (was heißt, dass er es jetzt nicht mehr war); die Sache müsse ge heimliher je besser gehalten werden, um dem Vorwurf der Käuflichkeit zu entgehen.228 Christian sorgte auch dafür, dass Markgraf Ludovico Gonzaga sich für die Königserhebung einsetzte und deshalb am 24. März aus Mantua an den Kaiser schrieb.229 Am 11. April sandte der Kurfürst aus Ansbach dem Markgrafen die Nachricht, dass er am 24. April mit dem Kaiser zusammenkommen und darüber reden werde, es sehe aber nicht gut aus.230 Am 23. April musste der mailändische Gesandte aus Mantua an seinen Herrn berichten, dass Albrecht dies für eine „sehr schwierige und heikle Angelegenheit“ halte (una cosa molta difficile et ardua), „eine Sache von allergrößtem Gewicht“ (una cosa di grandissimo peso), und dass dafür die Zustimmung der Kurfürsten notwendig sei.231 Es sei erinnert, dass kurz zuvor, im November 1473, die Königserhebung Karls des Kühnen eben daran gescheitert war. Währenddessen, am 26. Mai, unterrichtete Galeazzo Maria seinen Gesandten in Rom darüber, dass ihm die Investitur mit dem Herzogtum Mailand 80.000 Gulden wert sei und die Titel eines Königs der Lombardei und Herzogs von Pavia weitere 120.000 Gulden.232 Dieselben Zahlen nennt der mantuanische Geschäftsträger in Mailand in seinem Brief an Ludovico vom Folgetag; er hatte mit dem Herzog gesprochen, gehört, dass, wenn alles nicht fruchte, er die 200.000 Dukaten dem Papst für einen Kreuzzug zur Verfügung stellen werde, worauf der Gesandte entgegnete, 227 1474 März 18, Pavia, Christian an Kurfürst Albrecht, mit Zettel 5–6 (wie oben Anm. 137). – Im Juli 1475 war das Angebot noch höher gestiegen: 200.000 Dukaten für die Herzogsinvestitur, 300.000 für den Königstitel (Lubkin 1994, S. 210); siehe auch Paravicini 2014a, S. 74 f. mit Anm. 437, nach den Berichten des mantuanischen Gesandten in Mailand Zaccaria Saggi. 228 1474 März 18, Pavia, Klitzing an Kurfürst Albrecht: Häberlin 1775, S. LIII (nur Passus zu den Grafungen); Minutoli 1850, Tl. 2, S. 31 f., Nr. 340, und Höfler 1851, S. 82 f., Nr. 67 (Text); Löher 1869, S. 273 (nach Höfler); RDHD II/1,2, Nr. 7154; Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 633, Anm. 1 (Regest). Vgl. unten Anhang 3, Nr. 9. 229 1474 März 24, Mantua, Ludovico Gonzaga an Kurfürst Albrecht: Minutoli 1850, S. 34, Nr. 342, und Höfler 1851, S. 86 f., Nr. 70 (Text); RDHD II/1,2, Nr. 7156; Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 633, Anm. 1 (Erwähnung). 230 1474 April 11, Ansbach, Kurfürst Albrecht an Ludovico Gonzaga (in deutscher Sprache, also Entwurf, die Ausfertigung wohl lateinisch): Minutoli 1850, Tl. 2, S. 34 f., Nr. 343, und Höfler 1851, S. 88 f., Nr. 72 (Text); RDHD II/1,2, Nr. 7163; Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 645, Nr. 817 (Text). Vgl. Niitemaa 1960, S. 284 mit Anm. 3. 231 1474 April 23, [Mailand], Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 2187/1033, erwähnt bei Signorini 1981, S. 26, Anm. 22). 232 1474 April 26, der Herzog von Mailand an Sacramoro da Rimini, seinen Geschäftsträger beim Hl. Stuhl (AS Mailand, Archivio Sforzesco, 75/120–122, zit. von Signorini 1981, S. 26, Anm. 22).
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dass dies den Abfall ganz Germaniens zur Folge haben könnte und die Einberufung eines Konzils (per dubbio che l’imperatore no gli levasi l’obedientia di tuta Germania, e che gli movesse contra uno concilio), welcher Meinung sich der Herzog aber nicht anschloss: Er sei guter Hoffnung und werde seinerseits zusammen mit dem König zum Kaiser senden233 – was er später (ohne Erfolg) auch tat.234 Als Christian am 4. Mai in Florenz immer noch keine Rückmeldung von Kurfürst Albrecht erhalten hatte, wurde er in einem Brief ungeduldig, bedauerte, dass die Sache vor seiner Wiederkunft in Mailand nicht erledigt sei, und mahnte seinen Schwager zur Antwort.235 Er konnte nicht wissen, dass Albrecht am selben Tag aus Augsburg den ersehnten Bescheid auf den Weg geschickt hatte. Er hatte mit dem Kaiser über die mailändischen Wünsche gesprochen und vollständige Ablehnung erfahren: Die kaiserliche meynung darauf vermerkt, die ist also: Es sind vier cron im reich in teutschen und welischen landen, die erst zu Aach, die annder zu Aralat, die dritt zu Meylannd in Lambardey, die vird zu Rom, die allein auf sein haubt gehören, und, nachdem er ein merer des reichs genennet werd und sey, so wöll er das nit mynndern oder sein wirdigkeit einem andern geben. Der Herzog von Mailand könne mit Christian nach Augsburg kommen und wegen der Belehnung gütlich verhandeln, Albrecht selbst und der Erzbischof von Mainz seien mit den Verhandlungen beauftragt.236 Am selben Tag unterrichtete Markgraf Albrecht auch Albert Klitzing:
233 1474 April 27, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9, erwähnt bei Signorini 1981, S. 26, Anm. 22 und S. 36, Anm. 69). Am selben Tag schrieb Galeazzo Maria an Filippo Menclozzi di Sacramoro, seinen Geschäftsträger in Florenz, und erteilte ihm den Auftrag, Lorenzo de’ Medici von diesen Plänen zu unterrichten (AS Mailand, Archivio Sforzesco, Milano-Firenze, Druck: Buser 1879, S. 449 f., Nr. 39); keine Spur davon in Medici, Lettere. 234 Agostino Rossi zusammen mit Cristoforo da Cambiago in Begleitung Christians, con opportuna commissione del facto de li privilegii del Ducato de Milano; sie sollten am 28. Mai 1474 aufbrechen, der König hatte Pavia aber schon am 23. Mai verlassen, siehe Simonetta, Diari, S. 117; siehe auch oben Anm. 61. – Vom 25. Mai, aus Pavia, datiert eine Kredenz bei Kurfürst Albrecht für spectabilem equitem auratum et doctorem d. Augustinum Rubeum [Rossi] Parmensem, oratorem et consiliarium dilectissimum, von Cicco Simonetta gegengezeichnet, erwähnt nach dem Original bei Häberlin 1775, S. LVIII (zum 20. Mai); Minutoli 1850, Tl. 2, S. 36, Nr. 346, und Höfler 1851, S. 95 f., Nr. 82 (Text); Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 666, Nr. 851 (Regest). Im Chiffrenhandbuch der mailändischen Kanzlei wurde dementsprechend zu Pavia der Rex Dacie, de Dacia unter dem 24. und dem 31. Mai 1474 eingetragen: Tranchedino, Diplomatische Geheimschriften, fol. 74v (Cum Christoforo de Cambiago) und 75r (Cum reverendo domino Alexandro episcopo Foroliviensis [= Alexander Numai, Bischof von Forlì] Legato Apostolico ituro ad Imperatorem). Über den Verlauf der Verhandlungen dort siehe 1474 Juni 25, Pavia, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9). 235 1474 Mai 4, Florenz, Christian an Kurfürst Albrecht (wie oben Anm. 137). 236 1474 Mai 4, Augsburg, Kurfürst Albrecht an Christian, Häberlin 1775, S. LIV, Nr. II (Auszug die Grafung betreffend), S. LVIII (zu den 4 Kronen); Minutoli 1850, Tl. 2, S. 35, Nr. 344, und Höfler 1851, S. 89 f., Nr. 75 (Text); Löher 1869, S. 274 f. (nach Höfler); RDHD II/1,2, Nr. 7175; Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 660 f., Nr. 638 (vgl. Nr. 798, oben Anm. 137), Regest; Niitemaa 1960, S. 284, Anm. 5, und S. 293 mit Anm. 2.
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Als du uns geschriben hast des von Maylands halben, haben wir vermerckt, und ist nichts. Es steet auch nicht zu erlangen, denn es nymands ratet, noch wir selbs eren halben geraten muchte, denn sovil wir darin gehandelt und anbracht haben, ist unsern herrn und swager dem konig zu eren und lieb gescheen, und schreiben deshalben seiner koniglichen wirde, als du in diser eingeschlossen abschrift vernemen würdest.237 Und als du uns zu nutz drinnen teydingest, spuren wir dein gemüte und getrewen fleiss und vermercken das in gut. Aber es tut nit not, darum lass dich nit lernen. Will der von Meylant unser bestetigung haben als eines Kurfürsten, er wird uns wol willen darinne machen. Er hat vor wol dreimal als vil unserm herrn dem kaiser geboten und den curfürsten soviel, als er sich itzo erbeuth, allein um die lehnschafft. Wir gesweigen, das man dem keiser die kron in Lombardey soll erlangen zu entwenden und im die aufsetzen.238 Es ist nichts, schreibt er und lässt erkennen, dass er sich ohne Überzeugung für Christian verwandt hatte. Christians Mission war also gescheitert. Wenn wir wiederum annehmen, dass dieser Bescheid spätestens eine Woche später in Mailand bekannt wurde, also am 11. Mai oder früher, verstehen wir, weshalb die mailändischdänische Freundschaft abgekühlt war.239 Christian traf am 21. Mai in Pavia ein.240 Am 24. warnte er Ludovico Gonzaga vor Herzog Galeazzo Maria.241 Nicht einmal zur Belehnung mit dem Herzogtum Mailand ist es schließlich gekommen, vielmehr führt der Kaisersohn Maximilian zeitweilig selbst diesen Titel.242
237 Siehe die vorangehende Anm. 238 1474 Mai 4, Augsburg, Kurfürst Albrecht an Klitzing (liber getreuer), Häberlin 1775, S. LIII, Nr. I (Auszug die Grafungen betreffend); Minutoli 1850, Tl. 2, S. 35 f., Nr. 345, und Höfler 1851, S. 90 f., Nr. 76 (Text); Löher 1869, S. 275 f. (nach Höfler); RDHD II/1,2, Nr. 7176; Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 660 f., Nr. 838 (Text); Niitemaa 1960, S. 284, Anm. 5. 239 Darüber gibt Auskunft u. a. 1474 Juni 2, Pavia, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 56, Nr. 31, und Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9, Nr. 341): Der Herzog von Mailand hat ihm gesagt, der König ha usato parole in questo suo andar via che sonno di natura di voler inferire che l’excellentia del signore [Herzog von Mailand] non l’habbi vista così volentieri in questo suo ritorno come fece ne l’andar a Roma, et a me disse quelle che me ne pareva. Saggi bezweifelt dies, aber mi disse che sua maestà l’haveva ditto lei stessa ad Antonio Maraviglia, suo sescalcho [vgl. oben Anm. 213]. Siehe auch oben Anm. 117. 240 Das Ankunftsdatum erwähnt der König selbst in 1474 Mai 22, Pavia, Christian an Kurfürst Albrecht, den er darum ersucht, in Augsburg Quartier für 200 Pferde zu besorgen (Minutoli 1850, Tl. 2, S. 17, Nr. 323, und Höfler 1851, S. 95, Nr. 81 (Text); RDHD II/1,2, Nr. 7183; Niitemaa 1960, S. 285, Anm. 2). Bestätigt in 1474 Mai 23, Pavia, Antonio Bonatto an Ludovico Gonzaga (Signorini 1981, S. 36 und 54, Nr. 27). 241 Illustris princepes, ex variis tractatibus nunc cum illustri principe, domino duce Mediolani et cetera, hincinde habitis sane intelleximus, eundem dominum ducem vestram caritatem minime confovere nichilquoque boni erga vos in curia eius practicari, cuiusqunque negocii dominum Sachariam [Zaccharia Saggi], vestrum apud dictum ducem procuratorem, causam efficientem realiter agnovimus […] de quo vestra caritas amicabiliter sit avisata, desuper cogiet et et melius deliberare studeat, ut morbo huic, cum peterit et expedierit, medelam prestet efficacem. AS Mantua, AG, b. 563/49, zit. von Signorini 1981, S. 38 mit Anm. 77 f. 242 Paravicini 2014a, S. 75 mit Anm. 437.
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6.2.2 Das Erzbistum Lund für Francesco Gonzaga Die andere Affäre – geringeren Formats, aber für Christian doch wichtig – wurde in Rom verhandelt. Er brachte sie mit, aber sie trat auch an ihn heran. Über zehn Jahre lang war sie, mehr oder minder groß, schon anhängig gewesen. Jetzt war die Gelegenheit, sie endgültig zu regeln. Papst Pius II. hatte 1463 dem finanzhungrigen Kardinal von Mantua, Francesco Gonzaga,243 die Dompropstei von Lund und das Priorat von Dalby in Schonen verliehen.244 Auf beide hat Francesco, auch auf Drängen Christians, 1465/66 verzichtet, zugunsten von Leuten des Königs.245 Sixtus IV. wiederum vergab 1472 das Lundische Erzbistum selbst an Francesco, gegen die Wahl des Kapitels.246 Das widersprach allen Vorstellungen, die der König von seinem Zu243 Zu ihm (1444–1483) Lazzarini 2001a; Chambers 1992 und aus dessen Aufsatzsammlung Ders. 1997e. 244 Am 23. August 1463, die Propstei im Wert von 15 M., das Priorat von 20 M., durch Pius II. motu proprio und gratis pro cardinali verliehen; Wilhelm Müller (Molitoris), Kleriker der Diözese Lüttich, verpflichtete sich am 20. September 1463, dafür die Annaten zu zahlen; am 28. Dezember 1465 hatte der Kardinal die Propstei (6 M.) bereits resigniert, siehe APD 3, Nr. 2288–2290, 2292 f., 2350, 2358, 2361 und 2364 f.; DDL 4, Nr. 32 f., 35 f. und 77; erwähnt bei Chambers 1992, S. 44, Anm. 60. Nachdem Francesco die Königin Dorothea aufgefordert hatte, dass sie ihm die Einkünfte per manus mitteret mercatorum, teilte ihm Christian am 3. Oktober 1463 (nicht 1462) aus Segeberg mit, die Abrechnung habe ergeben, dass die Einkünfte Dalbys den Aufwand nicht überstiegen: Nam prioratus ille ad magna regi ac regno facienda onera obligatur (welche im Einzelnen aufgezählt werden); und hinsichtlich der Propstei hieß es: Ipsa vero Lundensis prepositura aut nichil aut minimum dat absenti: quanquam vobis longe aliter, ut intelleximus, est narratum (SS rer. Dan. 8, S. 424 f.; DDL 4, Nr. 72, S. 62 f.; Signorini 1981, S. 33, Anm. 48). Vgl. Chambers 1992, S. 44 mit Anm. 59; Lindbæk 1902, S. 476; Ders. 1907, S. 209. 245 1465 Dezember 28, Rom, Kardinal Francesco suppliziert an Paul II., nachdem er die Propstei Lund zu Händen des Papstes resigniert hat, zugunsten des Johannes Bling, Domherrn von Lund, adligen Kaplans des Königs: Fiat. Am selben Tag ernennt der Papst den Johannes Bling, der am 8. Januar 1466 eine Quittung über 15 Kammergulden Annaten etc. erhielt, siehe DDL 4, Nr. 77 f. und 80 f., S. 67–71. – 1466 März 3, Rom, Paul II. erteilt dem Abt von Sorø den Auftrag, Johannes Bostrup in Besitz des Priorats Dalby zu setzen, ebd., Nr. 84, S. 72 f. Derselbe wird ihm auch als Erzbischof von Lund nachfolgen, s. u. – 1466 Oktober 2, Kopenhagen, Christian und Francesco Gonzaga de revocatione Henrici Gervini et constitutione nove Procuratoris, nämlich Wilhelmus Molitor, clericus Leodiensis [= Lütticher] diocesis et vestre dominationis notarius fidelis; Francesco möge Dalby zugunsten seines Kaplans Johannes Brocstorp resignieren (SS rer. Dan. 8, S. 434; APD 4, Nr. 2389). Molitor war dann der Überbringer jener Hermelinpelze, die Königin Dorothea dem Kardinal schickte, siehe oben Anm. 182. 246 APD 4, Nr. 2477 (12. Juni 1472); DDL 4, Nr. 174, gratis pro persona cardinalis. Francesco versprach am 6. Juli die Bezahlung der Servitien (APD 4, Nr. 2480 bzw. DDL 4, Nr. 175); erwähnt bei Chambers 1992, S. 44 mit Anm. 61; Severidt 2002, S. 290 mit Anm. 280 (irrtümlich zu 1474). Am selben 12. April 1472, der Vorgänger war am 7. April gestorben (Hierarchia catholica 1914, S. 182), gab Johannes Brostrup, Elekt von Lund, bekannt, dass er am 10. April in Lund, presentibus […] Cristierno, rege Danorum, die Rechte dieser Kirche beschworen habe, DDL 4, Nr. 169, S. 141–143; 1473 September 29 urkundete Brostrup in Lund als Johannes dei gracia archiepiscopus Lundensis, Suecie primas et apostolice legatus, ebd., Nr. 193, S. 168–170; 1473 November 15 zu Kalundborg nannte Christian ihn urkundlich her Jens Brostorp, electus i Lwund (Nr. 194, S. 170–172).
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griffsrecht auf die dänische Kirche und von der Abwehr päpstlicher Pfründenvergabe in seinen Landen hatte und die er in Rom bestätigt wissen wollte.247 Königin Dorothea hatte schon im Jahr zuvor ihrer Schwester geschrieben, sie könnten sich in keyner masz kegen unnsir ritterschafft in Denemarken, die gar mechtig ist, gegen den Elekten Johannes Brostrup stellen, andernfalls were uns grosz zum besorgen, wir unde unnser erben desz umme land und leut kumen solten.248 Nun brauchte Christian aber die Unterstützung Francescos an der Kurie. Schon länger hatte er sich an ihn gewandt, wenn Anliegen an der Kurie durchzusetzen waren, z. B. 1466, als es um die Bestätigung der Wahl Albert Krummendieks zum Bischof von Lübeck ging.249 Francesco war de facto, wenn auch noch nicht de jure der Kardinalprotektor für Dänemark und Skandinavien.250 Die erhoffte Unterstützung wurde ihm auch zuteil, doch wohnte er nicht bei diesem seinem Kardinal in dessen Haus bei S. Lorenzo in Damaso,251 sondern im noch ehrenvolleren päpstlichen Palast im Vatikan; bewirtet wurde er auch im Hause des bei weitem mächtigeren Kardinals Giuliano della Rovere bei S. Pietro in Vincoli, des künftigen Papstes Julius II.252 Zusammen mit dem Kardinal von Novara, Giovanni Arcimboldo, der 247 Was Christian sich an der Kurie erhoffte, geht aus einer undatierten, offensichtlich mit Kurfürst Albrecht abgesprochenen Aufzeichnung der sachen halben, die in dem bebstlichen hofe zu handeln sein, hervor, die bei Höfler 1851, S. 98 f. und danach in den APD 4, Nr. 2515 gedruckt ist. Siehe auch das bei Hasse 1877, S. 106–109 besprochene Aktenstück, in dem es u. a. um die vollständige Säkularisation aller Bischofsherrschaft geht. Weiteres bei Lindbaeck 1902, S. 487; Lindbæk 1907, S. 84–90; Pastor 1904, S. 443 f. und 619; Niitemaa 1960, S. 282; Salonen 2010, S. 48; Schedel, Weltchronik, S. ccliiij, bemerkt von Signorini 1981, S. 33, Anm. 52 (s. u. Anm. 304), und zuletzt Ingesman 2014. 248 1473 März 18, Segeberg, Königin Dorothea an Barbara von Brandenburg, dem Unterhändler Wilhelm (Müller/Molitoris) mitgegeben, Druck: DDL 4, Nr. 184, S. 158 f. (AS Mantua, nach Abschrift im Dänischen Reichsarchiv). 249 1466 März 24, Kalundborg, Christian an den Kardinal von Mantua, SS rer. Dan. 8, S. 436 (Text); APD 2, Nr. 2371 f. (Regest); siehe auch ebd., Nr. 2389–2391 (betreffend auch Francescos Notar und römischen Generalprokurator Wilhelm Müller (Molitoris)), Nr. 2428 (wg. Einführung der Franziskanerobservanz). Bezeugt sind die Kontakte seit 1462, siehe oben Anm. 175 und 182. Vgl. Lindbæk 1907, S. 45 Anm., S. 54 f., 58, 88 und 91 mit Anm. 1, S. 93, 101, 155, 163, 217, 248 und 283. 250 Ingesman 2000b, S. 172 f. mit Anm. 74, und die dort gegebenen Nachweise.1474 Mai 1, Rom, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 845/136, Druck: DDL 4, Nr. 218, S. 196–198 nach Abschrift im Dänischen Reichsarchiv; Signorini 1981, S. 52, Nr. 24, nach dem Original): L’ha constituito monsignore suo protectore et procuratore generale, e son certo non vorìa passassero per altre mane; vgl. Severidt 2002, S. 287, Anm. 266. 251 Im Palast des verstorbenen Kardinals Ludovico Trevisan, der 1468 an Francesco übergegangen war; nach seinem Tode 1483 wurde er im Jahr 1489 ersetzt durch den (später so genannten) Palazzo della Cancelleria; von dem älteren ist nichts erhalten. Francesco besaß auch eine Sommerresidenz bei S. Agata dei Goti auf dem Quirinal und ein jüngst erworbenes Haus in Viterbo (Chambers 1997c, S. 32 f. und 37–39 mit Anm. 124 auf S. 38; Ders. 1992, S. 25 f., 87 f. und 90–92). 252 1474 April 19, Rom, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg: Nachdem er dem König (am 11. April) die Goldene Rose überreicht hatte, habe der Papst ihn a casa de san Petro in Vincula begleitet, dove desnoe. AS Mantua, AG, b. 845/134, Drucke: DDL 4, Nr. 208, S. 182 f. (nach Abschrift im Dänischen Reichsarchiv), und Signorini 1981, S. 48 f., Nr. 18
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im Auftrag seines Herrn, des interessierten Herzogs von Mailand handelte,253 begleitete Francesco den König auf dem Hin- und auf dem Rückweg im Kirchenstaat und stand ihm auch sonst zur Seite. Angesichts dessen und in Anbetracht der Verwandtschaft und des großartigen Empfangs, der ihm in Mantua bereitet worden war, kam eine vollständige Ablehnung von dessen Wünschen nicht in Frage. Es musste eine Verhandlungslösung gefunden werden. Wie sie am 16. April zustandekam, beschrieb drei Tage später aus Rom der mantuanische Geschäftsträger seiner Herrin Barbara von Brandenburg, Markgräfin von Mantua: Zwar habe der Kardinal per satisfactione de suoa maestate, um den König zufriedenzustellen, auf das Erzbistum Lund verzichtet (formell tat er es zwei Tage später vor dem Konsistorium). Als Entschädigung habe er aber zwei Jahreseinkünfte gefordert, 8.000 Dukaten. Der König habe quasi lacrimando, gleichsam unter Tränen geschworen, dass das Erzbistum nach Abzug aller Spesen keine 600 Dukaten pro Jahr abwerfe. Schließlich hätten sie sich auf 4.000 Rheinische Gulden geeinigt (2.000 Gulden war die kuriale Taxe, die der Kardinal als Annaten an die apostolische Kammer zu entrichten hatte),254 aber nicht aus den Bistumseinkünften, sondern de borsa suoa, aus dem Geldbeutel des Königs: 1.000, bevor er Italien verlasse, und den Rest innerhalb von drei Jahren. Um 13.30 Uhr (circa le xviij hore) habe der Kardinal die camera des Königs verlassen, nachdem er forsi tre hore mit ihm zusammengewesen war, cum gran dolceza et humanitate.255 Fast drei Stunden war also um Geld gefeilscht worden, bei guten Manieren, versteht sich. Der Kardinal, der am 18. April offiziell im Konsistorium verzichtete256 (und wo auch andere Anliegen des Königs
253 254 255
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(nach dem Original); vgl. Chambers 1992, S. 44, Anm. 63 und S. 84, Anm. 266 (nach dem Original); Christensen 2000, S. 149 und Anm. 22. – Julius II. regierte von 1503 bis 1513. Als Kurfürst Albrecht von Brandenburg 1469 Rom besuchte, brachte Francesco ihn per lor commoditate et honore et per visinanza im Haus des Kardinals Alain de Coëtivy unter, doch seine Tante Dorothea logierte 1475 bei ihm (Chambers 1997c, S. 38, Anm. 121). Zu ihm und dem (unedierten) Briefwechsel zwischen Herzog und Kardinal in dieser Sache siehe Somaini 2003, Bd. 1, S. 544 in Anm. 201, und besonders S. 546–548. Hierarchia catholica 1914, S. 182. Vgl. unten Anm. 262. 1474 April 19, Rom, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg, AS Mantua, AG, b. 845/134, Druck: DDL 4, Nr. 208, S. 182 f. (nach Abschrift im Dänischen Reichsarchiv), und Signorini 1981, S. 48 f., Nr. 18; vgl. Chambers 1992, S. 44, Anm. 63, und S. 84, Anm. 266 (Geschenke) (nach dem Original); Christensen 2000, S. 149 und Anm. 22. – Diese 4.000 Gulden bzw. Dukaten begegnen beim Augsburger Lukas Rem als Geschenk des Königs an Papst und Kardinäle, siehe die Chronik des Hector Mülich 1892, S. 244, Anm. 3: da der kunig wider weg zoch, do ließ er dem bapst und kardinalen zu letz 4 m ducaten, hort ich sagen. Zugunsten von Johannes (Jens) Brostrup, APD 4, Nr. 2565 f.; DDL 4, Nr. 206 f. (ad relationem domini Mantuani); Hierarchia catholica 1914, S. 182. Siehe auch APD 4, Nr. 2567–2569 (Francescos Intervention in Sachen der Ernennung eines neuen Schleswiger Bischofs im selben Konsistorium, vgl. Hierarchia catholica 1914, S. 239) und Nr. 2621–2623 (3. März 1474: Ernennung von Carl Rønnov, des Marschalls Claus Sohn, zum Bischof von Odense, vgl. unten Anhang 3, Nr. 57; Hierarchia catholica 1914, S. 208 datiert irrtümlich 1475). – Schon am 17. März vergab Sixtus IV. Benefizien Brostrups, nun Erzbischof von Lund, auf Empfehlung Christians I. an Peder Poulsen (APD 4, Nr. 2558; DDL 4, Nr. 206).
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zu dessen Gunsten verhandelt wurden257), berichtete selbst am 1. Mai aus Rom seiner Mutter über diese Verhandlungen und lässt noch tiefer blicken: „Der König hat mir zu verstehen gegeben, zu welchem Ruin seines ganzen Staates es führen würde, ließe er die Kirche von Lund in Kommende gehen und wenn jener Elekt [der vom Kapitel gewählte Johannes Brostrup258] ausgeschlossen würde. Er äußerte mir gegenüber so viele Entschuldigungen und gab derartige Beweise seines Missvergnügens an dem Stand der Dinge, dass ich darüber zu Mitleid bewegt wurde. […] Ich wollte ihn nicht so unzufrieden mit mir gehen lassen. […] Bei seinem Abschied [wobei es, wie wir aus anderen Quellen wissen, nicht ohne Tränen abging: che non fu senza lachrime de l’una parte et de l’altra259] gab er mir einen Zettel [una cedula], von dem ich hier eingeschlossen eine Kopie beilege, damit Ihr davon unterrichtet seid.“ Der König möchte die Sache aber geheimhalten, denn es solle nicht heißen, dass er das Bistum gekauft habe. Bis Viterbo sei über die Zahlung nicht entschieden gewesen. Er habe nicht weiter subtilizare wollen, daran denkend, dass Barbara ohne Dolmetscher mit dem König reden könne (senza interprete saperà parlare col re) und in Erfahrung bringen, wie diese Zahlungen nun laufen sollten und welcher Zahlungstermin gelte, ob die erste Rate in Mantua oder in Mailand fällig werde und wo genau. Barbara möge die ersten 1.000 Dukaten insgeheim einnehmen und ihn sofort davon unterrichten, denn er wolle damit hier (in Rom) Schulden zurückzahlen.260 Erst im letzten Augenblick, als sie sich am 29. April in Viterbo trennten, gab Christian also seine Zusage schriftlich, aber nur in Form eines Zettels (cedula), nicht, wie es sich gehörte, in Form einer rechtskräftigen Urkunde und ohne genaue Klärung von Ort und Zeit.261 Es galt nur sein Wort. Er hat es nicht 257 1474 April 19, Rom, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg (oben Anm. 87): la maestate suoa voleva al papa et a’ cardinali raccomandare alcune chiesie di suoi reami und auch für die Ehrung der Goldenen Rose danken. Es begleiten ihn der Kardinal von Mantua [Francesco Gonzaga] und [Teodoro von] Monferrato. Mantua spazoe doi vescovati che sollicitva la maestate suoa, und verzichtet auf das Erzbistum Lund. Et a tute le altre petitioni del re fece dare buon et honorevel spazamento. Die vier Kardinäle Rohan [Guillaume d’Estouteville], Vicecancelliere [Rodrigo Borgia], Spoleto [Berardo Eruli] und Mantua teilen ihm die Antwort mit. Jetzt wartet man auf das spaziamento de le bolle et supplicatione suoe […] tamen, a mio iudicio, non serà cussì presto. Entsprechende Privilegien sind in den APD 4, ab Nr. 2570 ab dem 20. April verzeichnet. 258 Brostrup hat seinerseits Abstand gezahlt, siehe Aarbogsuddrag og Optegnelser 1873, S. 273 f.: Hic ultra taxam communem dedit cardinali de Mantua aliam taxam maiorem, qui ad instantiam Christierni regis in Romana curia personaliter constituti dimisit Johanni Brodstorp ius suum. 259 1474 Mai 1, Rom, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg, AS Mantua, AG, b. 845/136, Druck: DDL 4, Nr. 218, S. 196–198 (nach Abschrift im Dänischen Reichsarchiv), und Signorini 1981, S. 52, Nr. 24. 260 1474 Mai 1, Rom, Francesco Gonzaga an Barbara von Brandenburg, AS Mantua, AG, b. 845/217, Drucke: DDL 4, Nr. 217, S. 194–196 (nach Abschrift im Dänischen Reichsarchiv), und Signorini 1981, S. 51 f., Nr. 23; Chambers 1992, S. 44, Anm. 62 (Auszug zu Lund, nach dem Original). 261 Wie Anm. 260, siehe auch 1474 Mai 1, Rom, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg, AS Mantua, AG, b. 845/136, Drucke: DDL 4, Nr. 218, S. 196–198 (nach Abschrift im Dänischen Reichsarchiv), und Signorini 1981, S. 52, Nr. 24: E per mandarlo ben contento de tuto in questa cosa del vescovato lundense, se ha lasciato ridure a ciò che ha voluto suoa ma-
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gehalten.262 Seit 1474 ist die Korrespondenz des finanziell schwachen Kardinals263 voll von vergeblichen Versuchen, durch Vermittlung seiner Verwandten und direkt den König dazu zu bringen, diese Schuld zu begleichen. Als er 1475 Königin Dorothea, seinen Gast in Rom, darauf ansprach, wollte sie davon nichts gehört haben und im Grunde auch nichts wissen.264 Alles Vergeblich.265 Nach seinem Tod im
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estate, per mostrarli che fa più stima de la suoa benivolentia che del denaro. – Der „Vertrag“ von Viterbo, aber ohne Monat und Tag auf das Jahr 1474 datiert, liegt im AS Mantua, AG, b. 2186 (siehe auch b. 2187/1137); Severidt 2002, S. 290, Anm. 286; vgl. Chambers 1992, S. 44 mit Anm. 63: „there was a written promise, never honoured, to pay the cardinal 4000 Rhenisch florins in compensation“; siehe auch Lindbæk 1902, S. 476 f., 487 f., 495 f. und 503 f.; auch Ders. 1907, S. 208 f. Hingegen hat er für die Servitien seines Kandidaten tatsächlich gezahlt, wenn auch mit Verspätung und (soweit bekannt) nur zum Teil, siehe 1474 April 27, Rom: Der Prokurator (Johannes Andree alias Jens Andersen, Domherr von Roskilde, siehe Anhang 3, Nr. 38) des Elekten von Lund (Johannes Brostrup) gelobt die Servitienzahlung von 2.000 Kammergulden. Vermerk: Ad preces regis Dacie fuerunt date bulle sub obligatione usque ad festum nativitatis domini [25. Dezember], et dedit multos fidejussores nobiles viros [die leider nicht genannt sind] coram reverendissimo domino de Vrsinis [Kardinal Latino Orsini], rogato domino Gasparo Blondo [Biondo], et patet in libro camere. Venerunt postea littere ad Ludovicum de S. Geminiano de mense decembris, que dixerunt, quod rex se excusabat, quia miserat jam pecunias, que non fuerunt solute in tempore, sed infra duos menses omnino solveret, illas portaret regina in pecunia numerata. DDL 4, Nr. 214, S. 191 f.; APD 4, Nr. 2594, nach Oblig. 84, fol. 193 (siehe auch ebd., Nr. 2600; DDL 4, Nr. 215 vom 30. April) und 2633 (DDL 4, Nr. 243 f.): Bezahlung am 25. und 29. April 1475 über Tommaso Spinelli eine Rate von 1.701 fl. 21 s. 4 d. Servitien und 1.000 Kammergulden pro communi, also 3.052 Dukaten ad exitum societati de Medicis. Dazu 1475 April 20, Rom, Kardinal Francesco Gonzaga an Barbara von Brandenburg: Ist durch den Kaplan der Königin und Barbaras Brief unterrichtet vom Kommen Dorotheas. Der Papst will ihm die Kosten aufbürden und er ihn nicht darum bitten. Wenn der Papst sie nicht in palatio aufnimmt, wird er sie in casa mia beherbergen. Der Kaplan hat keinerlei Geld mitgebracht, aber die 2.000 Dukaten, von denen in den Briefen die Rede ist, sind die Lunder Annaten für ein Jahr, für welche er Weihnachten als Termin gesetzt hat. Andernfalls werde er die Bürgen exkommunizieren lassen. Was seine 1.000 Dukaten angeht, die der König zu zahlen versprochen hat, bevor er Italien verlasse, und die 1.000 Rh. fl., die zum zweiten Termin zu Michaelis im September [29] fällig sind, nè lo messo nè le littere fanne mentione. Hofft darauf, dass die Königin etwas mitbringt, die er in jedem Fall ugni honor possibili behandeln werde (AS Mantua, AG, b. 845/3, Druck: DDL 4, Nr. 242, S. 220 f., nach Abschrift im Dänischen Staatsarchiv; nach dem Original erwähnt bei Chambers 1992, S. 44, Anm. 63. – Zur Reise der Königin Dorothea 1475 s. u. Anhang 4. Chambers 1992, S. 37–49, Kap. 2: „The financial problems of Cardinal Gonzaga“. – Seinen Verzicht hat er sich auch von demjenigen vergelten lassen, dem er zugute kam, siehe Aarbogsuddrag og Optegnelser 1873, S. 273 f.: Brostrup ultra taxam communem dedit cardinali de Mantua aliam taxam maiorem, qui ad instantiam Christierni regis in Romana curia personaliter constituti dimisit Johanni Brodstorp ius suum. 1475 Mai 15 und 16, Rom, Francesco Gonzaga an Barbara von Brandenburg; Mai 16, Rom, Giovanni Pietro Arrivabene an Ludovico Gonzaga (regt dessen Intervention an, perché invero monsignore li è un buon et utile parente in corte); Mai 22, Rom, Francesco Gonzaga an Barbara von Brandenburg (a me pare hormai puoterli havere puocha speranza): DDL 4, Nr. 247 und 250, S. 228 f. und 232 f.; Chambers 1992, S. 44, Anm. 63; Holm 2005, S. 52, Anm. 22. – 1480 Januar 23 (Chambers 1992, S. 44, Anm. 63). Siehe 1474 Juli 9, Rom, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara, Markgräfin von Mantua: Di mille ducati quali se devevano havere de la m(aes)ta del re avanti uscisse de Italia se duole
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Jahre 1483 sollte sich Francescos Erbe, der jüngere Bruder Ludovico, Elekt von Mantua, weiter um jene 4.000 Gulden bemühen.266 In Lübeck wusste man Bescheid und kommentierte nun sarkastisch die Mailänder Anleihe: desulve konynk Cristerne, so dat word lep, hadde enen guden summen geldes te Meylant geborget, do he uthreysede na Rome, men de quitancie der betalynge is vorloren267 – aber die Quittung ist verloren, mit anderen Worten: Es hat sie nie gegeben. 7. DER PILGER Viel kleine und große Politik also. Es wäre aber ein Irrtum anzunehmen, König Christian habe die Pilgerreise nach Rom lediglich zum Vorwand genommen.268 Es war ihm sicher ein Anliegen, den Kaiser in weltlichen und den Papst in geistlichen Angelegenheiten (die so deutlich gar nicht zu trennen waren) zu treffen. Aber er war Pilger und wurde auch als solcher wahrgenommen, verständlicherweise mehr auf dem Hin- als auf dem Rückweg. 7.1 Ein Gelübde Er nannte sich selbst Pilger auf Pilgerfahrt269 und wurde von anderen auch als solcher bezeichnet.269 Denn der Anlass seiner Reise war ein Gelübde,270 das er ver-
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monsignore [Francesco], perchè già ne haveva dato firmanza a chi era creditore di magior summa […] Noi siamo a tel extrimitate [sic], che dubito de qualche vergogna un di […] Se quello gientilhuomo Datiano fara quella ambasciata al re non sera inconveniente (DDL 04, S. 198, nach AS Mantua, AG, hier nach Abschrift im Dänischen Reichsarchiv). – 1474 Juli 22, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9): Hat Brief Ludovicos erhalten, dem er entnimmt, daß li 4.000 ducati prolongati fin al fine del anno seien. […] Quando questo illustrissimo signore donoe li 4.000 ducati a la maestà del re di Datia, sua excellentia ordinoe a Gabriello Pagliaro in mia presentia, piano però, che dovesse ordinare con Antonio da Landriano, che non lassasse correre a vostra signoria detti 4.000 ducati fin al fine del anno. Io dissi alhora che vostra signoria teneva che gli dovessero correre a la rata del tempo, come correvano gli altri in cinque paghe, etc. – 1475 April 20, Rom, Francesco Gonzaga an Barbara von Brandenburg, Druck: DDL 4, Nr. 242, S. 220 f. (nach Abschrift im Dänischen Staatsarchiv), nach dem Original (AS Mantua, AG, b. 845/367) erwähnt bei Chambers 1992, S. 44, Anm. 63. 1484 Juni 26, Bracciano, Ludovico Gonzaga, Elekt von Mantua, an Ruffino Gablonetta, darin sind aufgezählt seine Ansprüche aus dem Erbe des (am 21. Oktober 1483) verstorbenen Bruders: quatro milia etiam fiorini, al credere nostro, che deveva havere esso Reverendissimo Monsignor nostro fratello dal Re de Dacia (Druck: Chambers 1992, S. 198 f., Nr. 15. Lübecker Ratschronik 1911, S. 127, hier Anm. 7 der weitere Kommentar des „Chronicon Sclavicum“, S. 297: quam (pecuniam) postea legatis post eum missis non ridendo solvit. – Die Boten hat es gegeben, das Zähneknirschen sicher auch, nicht aber die Rückzahlung. Hingegen war seine Vermittlungsreise nach Köln ab 28. Oktober 1474 ab Segeberg tatsächlich als Wallfahrt zu den Heiligen Drei Königen lediglich maskiert, siehe Niitemaa 1960, S. 309. Nos solempni ex voto (oben Anm. 36), unser walfart (oben Anm. 106), peregrinatio (Anm. 36 und 191); 1474 März 8, Trient, Christian an Markgraf Ludovico: peregrinatio nostra (wie oben
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mutlich während der Schlacht am Brunkeberg bei Stockholm am 10. Oktober 1471 geleistet hatte, als er im verlorenen Kampf gegen seine schwedischen Gegner in Gefahr für Freiheit und Leben geriet. Eine Kugel schlug ihm mehrere Zähne aus. Er überlebte aber und konnte nach Dänemark entkommen.272 Ursprünglich hatte er eine Fahrt ins Heilige Land gelobt, nicht eine Pilgerfahrt nach Rom. Denn in Rom ließ er sich von dem Versprechen einer Wallfahrt zum Hl. Grab dispensieren.273 7.2 In Pilgerkleidung Das äußere Zeichen dafür, dass er sich als Pilger begriff und als solcher aufgefasst werden wollte, war die Kleidung, die er sich und seinen Leuten verordnete: Der König mit seinen Verwandten sampt den andern Herren und Prelaten hatten sich
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Anm. 50); 1474 Mai 4, Florenz, Christian an Kurfürst Albrecht: unnse pellegrinatione to Rome (wie oben Anm. 137). Zum Beispiel in Ricordi storici di Filippo di Cino Rinuccini 1840, S. CXXII: andava in pellerinaggio a Roma, e la piú parte del cammino andava a piè. Dass der König zu Fuß gegangen sei, entsprach der Vorstellung, nicht der Wirklichkeit, zumal Rinuccini unmittelbar anschließend die Zahl von ca. 140 Pferden nennt. Tuccia, Cronache di Viterbo, S. 111: veniva a Roma per voto. Fonzio, Annales suorum temporum, fol. 42v, zit. nach Signorini 1981, S. 30, Anm. 40: Christiernus Dacorum rex voti solvendi gratia Romam proficiscens; der Florentiner fügt hinzu: Is me cum voluptate eum cernente procera statura, facie liberali oblongaque erat ac iam canescenti caesarie. Weitere Belege oben Anm. 49 und unten Anm. 301 (Sixtus IV., immerhin mit Einschränkung: devotionis praecipue causa), 304, 324, 329 und 331. Zur Schlacht siehe Etting 1998, S. 119–130; Jexlev 1982. Es gibt keinen zeitgenössischen Text, der diesen Anlass des Gelübdes belegt, anscheinend wird er zuerst von Schlegel 1769, S. 42 f. vermutet: „Der geistliche Zweck [der Reise] war, […] sich […] mit päbstlicher Genehmhaltung einer [sic] Gelübde zu entledigen, die er zu einer Wallfahrt nach dem heiligen Grabe gethan. Bey welcher Gelegenheit dieß Gelübde geschehen sey, ist nicht angezeichnet. Vielleicht geschahe sie wegen der Lebensgefahr, aus der ihn der göttliche Schutz in dem erwähnten Gefechte befreyt.“ Unwahrscheinlich ist dies nicht. Auch Kaiser Friedrich III. pilgerte 1468 nach Rom aufgrund eines Gelübdes, das er 1462 während der Belagerung von Wien getan hatte. Am 15. [April] 1474, siehe Niitemaa 1960, S. 276 mit Anm. 3; Müller 1713, Tl. 2, S. 613, § 3; Dalin 1757, S. 785, auch Schlegel 1769 (siehe die vorangehende Anm.). Die Sache ist ebenfalls erwähnt bei Krantz, Dennmärckische Chronick, S. ccccxciij: Der Papst hat ym vil geschencket / das gelübd so er zů dem heyligen land verheyssen / abgenumen. das er an statt des selbigen zů dem newen Spittal / das sye in Sachsszen des Heyligen geyst Spittal nennen [S. Spirito in Sassia, s. u. mehrfach erwähnt] / nicht weit von den Palatio vnd sanct Peters münster / ein reychlich almůßen geben. Vgl. En dansk Krønike 1873, S. 518: Der Papst løste hannom och aff it løffte, som hand loffuede sigh til den hellige graff; dogh met saadanne wilkaar, at Kongen skulde giffue en stoer almisse til it nyit helligt gesthuss, som da waar begynt hart wid Sancte Peders Kircke y Rom. Siehe auch Dalin 1757, S. 606; unten Anm. 324. Eine Bestätigung aus päpstlichen Registern fehlt bislang. Die Verbindung von Rombesuch, Goldener Rose und Heiliglandfahrt war indes nicht ungewöhnlich, wie das Beispiel Friedrichs II., Kurfürst von Brandenburg, vom Jahre 1453 zeigt, beschrieben von Schuchard 2000. Weitere Beispiele bei Spiess 2005, S. 35, Anm. 15, der (auf S. 48) natürlich auch Christians Reise kennt.
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alle in schwartze farb mit weissen auffgeneyeten Steben gekleidet.274 Der Herzog von Mailand erwartete dergleichen, denn er sagte noch vor Christians Ankunft dem mantuanischen Gesandten, „dass die Herren von jenseits der Berge die Gewohnheit hätten, immer ohne jeden Pomp zu reisen, wenn sie in Erfüllung eines Gelübdes sich auf Reisen begeben.“275 Aber das Maß an allgemeiner Schlichtheit (die gleichwohl doch auch eine Livrée war) fiel in Italien auf. In Mantua notierte man: „Er war braun [also dunkel] gekleidet und ebenso alle seine Leute“.276 „Dieser König war ganz in Schwarz gekleidet mit einem roten Barett [das ihn von allen anderen unterschied] und führte auf der Brust ein Zeichen [ein I], wie es die Pilger tragen, die zum hl. Jakobus nach Galizien gehen,“ notierten der mailändische Gesandte in Bologna und ein Bologneser Chronist.277 Auch in Volterra fiel auf, dass sein ganzes Gefolge in schwarzes Tuch gekleidet war.278 Auf der Hinreise hastete Christian vorwärts, weshalb das Verfahren der Ehrenpromotion zweier seiner Räte in Bologna verkürzt werden musste „der Enge der Zeit wegen, denn der König selbst strebte eilends nach Rom.“279 In Mantua hielt er sich nicht lange auf, denn „er wollte zu Ostern unbedingt in Rom sein, um den Ablass zu erlangen“, wie ein Mantuaner Chronist vermerkte.280 Und das gelang ihm auch. Nur zufällig erfahren wir davon, dass er auf dem Rückweg vor Himmelfahrt drei Tage lang mit seiner gesamten Gesellschaft darauf verzichtete, Fleisch zu essen, also auch unterwegs fastete
274 Petersen, Chronica, S. cliij (fehlt bei Minutoli 1850). 275 1474 Februar 17, Mailand: Zaccaria Saggi an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 1624; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9): Hat gestern (16. Februar) mit dem Herzog von Mailand gesprochen: dissi che l’era costume de signori oltramontani di andare sempre senza pompa alchuna, quando andavano per voto in qualque viaggio. 276 Schivenoglia, Cronaca (wie Anm. 280): vestuto de bruna e cossì tuty li soy […] con mantelety bruny e chapuzety in testa afrapaty. 277 Ghirardacci, Della historia di Bologna, S. 214: Era questo re tutto vestito di negro cun una beretta rossa e portava nel petto un segno com portano li pelegrini che vanno a S. Jacomo di Galezia; diese Passage findet sich schon bei Pastor 1904, S. 498, Anm. 4. Siehe auch oben Anm. 188 (al svarcz kleit) und unten Anm. 324. – Schon in Lübeck war die Reisegruppe al swart gekledet, umme sake wyllen, de se dartho hadden (Lübecker Ratschronik 1911, S. 124). – Zur Reise als Pilgerfahrt (schwarze Tracht, Pilgerstab) siehe Niitemaa 1960, S. 270 mit Anm. 3 f. (Lit.). 278 Siehe unten Anm. 334 (panno nero). Im Jahre 1468 war auch der Kaiser in Rom gekleidet d’un vestitello de panno negro (unten Anm. 294), 1480 nigra veste der Kurfürst von Sachsen (unten Anm. 296). 279 Ob temporis angustiam, nam rex ipse serenissimus Romam festinus petebat, s. u. in Anhang 3, Nr. 7. 280 Schivenoglia, Cronaca, bei Signorini 1981, S. 46, Nr. 13 und Ders. 2007, S. 128, Nr. 15 (s/wAbb. von fol. 78v der Schivenoglia-Handschrift auf S. 65, Abb. 68): Abreise von Mantua am 24. März: Questo re volìa esser ognemodo a Roma a la Pasqua par avire la perdonanza. Ostern fiel auf den 10. April. Den Besuch auf dem Rückweg vermerkt der Chronist nicht. – Signorini bietet den besseren Text als die Schivenoglia-Edition von Müller (Schivenoglia, Cronaca, S. 177 f.).
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Abb. 7a: König Christian mit Gefolge kniet schwarzgekleidet (ebenso wie zwei Gefolgsleute) nach dem Empfang der Goldenen Rose vor Papst Sixtus IV., 11. April 1474. Am linken Rand ein Herold mit seinem Wappenschild (vgl. Abb. 6b). Eine Inschrift erinnert an seine Pilgerfahrt und den ihm gewährten Empfang. Wenig späteres, schlecht erhaltenes Fresko im Spital S. Spirito in Sassia zu Rom, Corsia Sistina, Sala Lancisi. – Siehe Anm. 307. Vgl. Abb. 7b im Bildanhang.
wie ein frommer Pilger.281 Wie bei Gelübden üblich,282 trug der König auch ein persönliches Zeichen, das entfiel, sobald das Versprechen eingelöst war. Die späteren Fresken in Malpaga stellen ihn alle bärtig dar (Abb. 3), auch das fast gleichzeitige Fresko in S. Spirito in Sassia tut es noch (Abb. 7a und b) und Bernardo Corio notiert in der Beschreibung seines ersten Besuchs in Mailand lunga havea la barba.283 Aber die auf der Rückreise gefertigten Medaillen (Abb. 5a und 6a) und Mantegnas Bildnis in Mantua (Abb. 4) zeigen ihn rasiert. Er trug bis Rom einen Bart, auf dem Rückweg nicht mehr. 7.3 Fromm, demütig, bescheiden König Christian machte einerseits eine gute Figur, andererseits aber trat er demütig und ehrerbietig auf: Das eine schloss das andere nicht aus, vermehrte sogar sein Ansehen.
281 1474 Mai 15, Ludovico Gonzaga an den herzoglich-mailändischen Statthalter in Cremona (AS Mantua, AG, b. 2893/74, fol. 55r, zit. bei Signorini 1981, S. 36, Anm. 67): avisandola che essa sua maestà, cominciando domane [16. Mai], non manzarà carne cum tuta la comittiva sua fin a la Ascensione [19. Mai]. 282 Einen Beleg für das Barttragen aufgrund des Gelübdes einer Heiliglandfahrt aus dem Jahr 1491 bietet Signorini 2007, S. 379, Anm. 253. 283 Corio, Mediolanensis patria historia, 6. Tl., fol. O5r.
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7.3.1 Unterwegs Allenthalben wollte und musste man den hohen Besuch seinem Rang entsprechend ehren. Man bot ihm also einen Einzug mit Prozession und Baldachin an. Zum Erstaunen von Adel und Magistraten lehnte der König diese Ehre in Bologna,284 Florenz,285 Siena286 auf dem Hinweg, auf dem Rückweg erneut in Florenz, in Cremona287 und 284 1474 März 27, Bologna, Gerardo Cerruti an Galeazzo Maria Sforza (Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007, Bd. 2, S. 361–363, Nr. 1085, das Schreiben erwähnt bei Paludan-Müller 1880/81, S. 281, Anm. 1): Sotto la porta era il baldachino et a mano a mano la processione, ma sotto el baldachino non volse intrare. Factogline grande instanti, se serria lascito sforzare, ma voleva o il locotenente o il confalonero [Galeazzo Marescotti, gonfaloniere di giustizia] con sì in compagnia: neutro consentiente […] ch’el non è de more […] neanche lui in fine no gli volse intrare. 285 Ricordi storici di Filippo di Cino Rinuccini 1840, S. CXXIIf. (3. März): andolli la Signoria con tutti li ufici incontro fino alla porta a San Gallo col baldacchino, et per accompagnarlo come era usitato farsi a’re; e lui non volle passare mai ni entrare nella porta, se pria la Signoria non fu tornata al seggio suo, nè volle compagnia di ufici nè d’altra persona, nè volle andare sotto il baldacchino. Fu tenuto umanissimo atto e di grande umiltà. Ebenso anläßlich der Rückkehr am 3. Mai (S. CXXIII): andolli la Signoria incontro fino alla porta col baldacchino, e non volle essere accompagnato della Signoria, ne venne sotto il baldacchino. Am 5. Mai suchte ihn die Signoria jedoch in S. Maria Novella auf, dove era allogiato. Der König erbot sich seinerseits zu einem Besuch bei ihr: 1474 April 19, Florenz, Pietro del Tovaglia an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1101/39, Druck: Signorini 1981, S. 47 f., Nr. 17): lla sua maestà usò grande umanità a questa signoria nel volerla vicitare insino in palazo, in modo che questa signoria ed etiam tutta questa comunitade gli sono diventati partigani et pòstoli grandissimo amore. 286 1474 Mai 1, Siena, Bartolomeo Bonatto an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1101/311, Druck: Signorini 1981, S. 52 f., Nr. 25): Die Stadt war nicht vorbereitet und bat darum, dass der König draußen ein wenig warte, was dieser nicht wollte: non volse demorare et intrò senza firmarse. Die signoria kommt ihm zu Fuß entgegen fin al sezo de’ Picolomini et li fu offerto il baldachino: non volse intrare sotto. Er ist in viscoato untergebracht, der Rest a le hostarie. – Tommaso Fecini, Cronache senesi (SS rer. Dan. 8, S. 333; Signorini 1981, S. 30, Anm. 41, und S. 34, Anm. 57; Ders. 2007, S. 113, Anm. 233), Hinreise: A dì primo d’aprile entrò in Siena Cristofano re d’Asia [lies de Dacia] et di Svezia con 30 signori et 150 cavagli che va per voto: posossi all’albergo della Corona, non volse la stanza per lui aparata per non tedire e’ signori. Rückreise: A dì primo di maggio tornò el detto re da Roma, e’signori si ferono incontra col baldachino e scontrosi ipari la loggia Picolomini, e non volse né baldachino né compagnia e scavalcò al vescovado; e’ signori l’andoro a visitare e prenstollo bene. Zu den Ansprachen Agostino Datis bei diesen Gelegenheiten siehe oben Anm. 168. Den späteren Bericht des Sigismondo Tizio (1458–1528), Historiæ Senenses (Ms.), siehe bei Bildt 1908: regulus, tametsi magnum regem predicent, cum equis ducentis et proceribus sexaginta Romam petens uxore quoque comitante [Königin Dorothea reiste ein Jahre später, siehe Anhang 4] Senam venit. Cum enim Tartaris ac Turcis infidelibus regna contermina possideret, papam adhibat, ut illum in eos exageraret, et magna moliretur […]. 287 1474 Mai 23, Pavia, Antonio Bonatto an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 54, Nr. 27): Christian, im Wagen fahrend, wird in Cremona (Teil des Herzogtums Mailand) empfangen: Erano bene aparechiati la processione e baldachino, ma niente ne volse. Weiter im Wagen nach Pavia: Vor der Stadt verfehlen sich der König und der Herzog Beim Treffen steigen beide ab, setzen a mano a mano den Weg fort. Dentro era aparechiato el baldachino cum la processione, ma non lo volse. – In Cremona sah ihn der Chronist Forèsti, Supplementum, fol. 177v: quem nos per Cremonam transeuntem vidimus. – Zu Florenz siehe oben Anm. 285.
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Pavia288 ab: non lo volse, heißt die etwas enttäuschte Formel der Berichte. In Mailand289 und Mantua nahm er diese Ehrung aber an.290 Es fällt schwer, für dieses unterschiedliche Verhalten eine Erklärung zu finden: Florenz war immer frankreichfreundlich, Mailand immer ein Feind, Siena kaiserfreundlich und Florenz in alter Abneigung verbunden, Bologna war päpstliches Gebiet. Florenz und Siena waren Stadtrepubliken; Bologna nur zum Teil; in Mailand und Mantua herrschten Signoren. Anscheinend war es allein familiär-politisches Interesse, was hier zuließ, was der Pilgerstatus dort verwehrte. Die Ablehnung der Ehre, höchste Ehrung zugleich, ging in Bologna sogar so weit, dass Christian den hohen Sitz, der ihm in der Hauptkirche bei Gelegenheit der Promotion Hermann Reinsbergers bereitet war, ebenfalls ablehnte und sich unten zu den Doktoren setzte.291 Aller Enttäuschung zum Trotz wurde diese Haltung ihm als Ausdruck der Demut zugute gehalten.292 7.3.2 In Rom In Rom, wo im Unterschied zum Kirchenstaat293 von einem Baldachin nicht die Rede ist (der 1468 jedoch dem Kaiser zugestanden worden war293), wurde er 288 Siehe die vorangehende Anm. 289 Simonetta, Diari, S. 96 f.: el balduchino, con la processione molto solemne; selbst in seiner camera gab es einen Baldachin (S. 97 f.). Vgl. Lubkin 1994, S. 343, Anm. 144. 1474 Februar 22, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624 [Milano]; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9): ordine di recevere sua maestà col baldachino [in Como, wohin er dann nicht kam], et il medesimo anchor qui a Milano. – 1474 Februar 25, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1624; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9): Der Herzog habe den Auftrag erteilt, di farli fare toto quello honore gli fusse possiblile, e di baldachino e processione et cetera. – 1474 März 14, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga: Bericht über den Einzug (AS Mantua, AG, b. 1624, Druck: Signorini 1981, S. 41–43, Nr. 7). – 1474 März 16, Mailand, Giovanni Castronovate und Giovanni Chiàppano an Giovanni Càimo und Luigi Cinìsculo, Beamte des Herzogs von Mailand, mit der Betreuung des Königs beauftragt (AS Mantua, AG, b. 2187/1119, Druck: Signorini 1981, S. 27 f.): Erwähnung von le ceremonie del baldachino et processione. 290 1474 März 21, Borgoforte, Ludovico Gonzaga an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 2893/76, fol. 20v–21, Druck: Signorini 1981, S. 44, Nr. 11): Kein Unbefugter darf Hand an il baldachino legen, bei Strafe des Verlusts einer Hand. Es ist darauf zu achten, ch’el baldachino non sia squarzato et che stiano ad esse sbarre cum bastoni in mane. – Schivenoglia, Cronaca (wie Anm. 280): in lo indrare de Mantoa era uno baldachino aparechiato con molte dottore, chavelery e zudessi, e lo honore grando et cetera. 291 1474 März 27, Bologna, Gerardo Cerruti an Galeazzo Maria Sforza (oben Anm. 284): Erali ordinato una cathedra eminente dove sedesse la persona sua, mon non gli volse ascendere, imo fu faticha a farlo sedere sule banche inferiori, dove ex ordine stano li doctori, dala quale humanità et diportamento et da quello del baldachino se fece largamente concepto che fusse signore di summa discretione et tutto zentile, come vostra celsitudine lo iudicò, adeo che la brigata cominciò ad farne migliore opinione dove che prima, per quel tale habito humile et per non havere latino, quasi che li pareva di non havere visto un re secundo la comune exportatione. Vgl. unten Anhang 3, Nr. 7. 292 So in Bologna (siehe die vorangehende Anm.) und in Florenz, oben Anm. 285 (umiltà). 293 Es fehlen jedoch direkte Belege. Siehe L’Œuvre de Patrizi Piccolomini 1980–82, Bd. 1, S. 195–199, § 541–558: Empfang eines Königs, hier S. 195, § 541: Cum civitates et insignia
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durch Kardinalsgeleit und Papstempfang, möglicherweise auch durch eine Inschrift an der Porta del Popolo295 zwar hoch geehrt, auch durch Geschenke ausgezeichnet, voran mit der Goldenen Rose.296 In Lübeck wusste man darüber Bescheid: Gaf em de pawes enen kostelen suben [= Schaube] van fluele [= Samt] myt golde ingesprenget myt eneme kostelen voder [= Futter] unde enen stolten hynchst [= Hengst] myt zadel und myt thome [= Zaumzeug] und myt alleme gerede kostel uthgherichtet; ok betalede de pawes als syne kost, de he to Rome dede.297 Der Kardinal von Mantua schenkte seinerseits: drei schöne Maultiere zum Tragen von Lasten mitsamt Tragaltar und Messparamenten, einen (Falt-)Esstisch, ein juwelenverziertes Kreuz im Wert von 150 Dukaten, „ein wenig“ vom hl. Kreuz, „welches über dem Feuer aus-
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oppida intrabit, obviet ei clerus cum processione et baldachino; ebd.: cum omni sua familia publicis sumptibus; ebd., S. 195, § 542: dum erit in terris Ecclesie, faciant expensas regi; ebd., S. 196 f., § 543–546: introitus in Rom: keine Rede vom Baldachin; ebd., S. 198, § 550: dreifacher Kniefall des Königs, Fußkuß; ebd., § 551: gesetzt nach dem ersten Kardinalbischof (auch § 554, stets auf einem goldenen oder purpurnen Kissen); ebd., S. 198, § 555: Pontifex donabit regem aliquibus muneribus devotis et pretiosis, vesta aurea et equo falerato [kostbar aufgezäumt], sicut fecit Sixtus IV Christigerno regi Dacie et Ferdinando regi Sicilie, qui Romam venerunt tempore iubilei, anno millesimo quadringentesio septuagesimo quinto. Patrizi irrt: Christian kam am 6. April 1474 an, erhielt am 11. April (Ostermontag) die Goldene Rose, reiste am 27. April ab. Ferdinand von Neapel war erst am 28. Januar 1475 in Rom (Pastor 1904, S. 488 f.) und wurde, obschon ein mächtiger Nachbar, ebenso wie Christian behandelt, siehe 1475 Februar 7, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga, Druck: Carteggio degli oratori mantovani 2008, S. 96–98, Nr. 22 (S. 97): Qui ce sonno lettere de la venuta del re [Ferdinand von Neapel] a Roma e del honore che gli è stato fatto, che pare ch’el sia stato quel medesimo che fue fatto al re di Dacia. 1468 Dezember 26, Rom, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg (Pastor 1904, S. 772 f., Nr. 91, aus AS Mantua, AG): col baldachino fatto cum l’arme del papa e suoe de damaschino biancho brachato d’oro, der Kaiser war gekleidet d’un vestitello de panno negro, der Kardinal von Mantua, Francesco Gonzaga, war an den Feierlichkeiten beteiligt. Schlegel 1769, S. 43: „man zierte das Thor, durch welches er gekommen war, mit einer Inschrift zum immerwährenden Gedächtniß.“ Über diese Inschrift scheint sonst nichts bekannt zu sein. Am Ostermontag (11. Februar 1474), siehe oben Anm. 152 f., 252 und 257, unten Anm. 301, 304, 307 f. (Darstellung) und 317 (Kosten). Cornides 1967, S. 97 mit Anm. 5 und 5a (nach Pastor 1904, S. 499 mit Anm. 3, dieser nach Krogh 1871, S. 52 f., und Howe 2005, s. u. Anm. 307). Allgemein: Schuchard 2000. Im Jahre 1475 wurde die Rose nicht vergeben. 1477 erhielt sie Ludovico Gonzaga, Markgraf von Mantua, die Jahre 1478 und 1479 wurden übersprungen, 1480 ging sie an Kurfürst Ernst von Sachsen, der ebenfalls aufgrund eines Gelübdes nach Rom gekommen war, was sich auch in der Kleidung und der Ausrüstung des Kurfürsten und seiner Begleiter zeigte: nigra veste tam princeps quam ceteri usi sunt ac super suam quilibet album baculum pregrinationis insigne in pectore deferens, so Gherardi, Il diario Romano, S. 13 f.; 1481 geschah keine Verleihung, 1482 wurde Graf Eberhard im Bart von Württenberg geehrt (Von Mantua nach Württemberg 2011, S. 265, Nr. IV 10; Reichert 2006, S. 99 mit Anm. 1; Esch 2005). Lübecker Ratschronik 1911, S. 126. Vgl. unten Anhang 2 (Reimar Kock). Vgl. 1474 April 19, Florenz, Pietro del Tovaglia an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1101/39, Druck: Signorini 1981, S. 47 f., Nr. 17): De Roma avemo ieri [18. April] el papa avere facto grandissimo honore a la maestà de rre e chome li hat donato a sua maestà una turcha di brochato d’oro e una chinea e […] gioielli con certe reliquie, e àlli donato la rosa.
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probiert wurde“; auch die Königin wurde mit einer Dorne von der Krone Christi bedacht, in Bergkristall gefasst, und der Herzog von Sachsen-Lauenburg mit „einem anderen Kreuzchen“.298 Nicht zu den päpstlichen Geschenken zählte hingegen „ein elfenbeinerner Reisealtar, der noch auf der königlichen Kunstkammer zu Kopenhagen vorhanden ist. Es sind daran in achtzehn Bildern von künstlichen [sic] Schnitzwerk die Begebenheiten und Wunderthaten verschiedener Heiligen, besonders die vom Norwegischen Schutzheiligen, dem Könige Olaus [Olaf], vorgestellt.“299 Aus dem 13. Jahrhundert stammend und aus Walrosszähnen gefertigt, hat er mit der Romfahrt nichts zu tun.300 Im Jahr 1474 war die Goldene Rose eigentlich für das türkenkämpfende Venedig vorgesehen gewesen. Zwei Jahre später wurde diese Verleihung nachgeholt.301 Auch Christian hat sich als potentiellen Türkenkämpfer ausgegeben: Seine Gesandten waren auf dem (erfolglosen) Reichstag zu Regensburg von 1471 anwesend gewesen und hatten dort für einen Feldzug gegen die Türken geworben,302 im November 1473, auf dem Treffen von Trier, verbreiteten sie, er wolle in eigener Person ausziehen: Der konig von Tennmarck hat sein botschafft, nemlich einen edelman und den heralt, der zu Regenspurg was, zu Trier gehabt. Mit den hab ich [schreibt Ludwig von Eyb d. Ä. an seinen Herrn, den Kurfürsten Albrecht von Brandenburg] nach des dechants abschid nichts mögen handeln kürtz halb des wegziehens. Aber mein g(nediger) Herr von Eistet [der Bischof von Eichstätt, Wilhelm von Reichenau] hat sie des tags vor dem uffbruch zu gast gehabt. Der saget mir, wie sie im zu versteen geben, das sie werbung hetten an den k(eiser) on credentz, wie sich der konig grosser hilff wider den Türcken erbiet, mit sein selbs leyb zu ziehen mit grosser macht, die er nu vermög, nachdem im seine reich alle williglich in gehorsam ergeben haben. Und dobei gesagt, der konig werd sich selbs in geringer macht herauß fugen des wegs zu e. g. und fürter zu dem k(eiser) und des konigs botschafft werde von in zu
298 Nach dem Essen am 17. April (siehe oben Anm. 87): tre belli muli di soma com tre para de casse, de le quale ve n’è una per altare cum toto lo fornimento da la messa, et una tavola da manzare, e dédeli une crosetta gioiellata de precio de 150 ducati, et un puocho de ligno de la croce, del qual li fece la experientia sul fuoco, e, per la regina, una spina de la corona de Christo in un vasetto de christallo, al duca de Saxonia un’altra crosetta. 299 Schlegel 1769, S. 43; siehe auch noch Pastor 1904, S. 499 mit Anm. 2. 300 Freundliche Auskunft von Vivian Etting (Kopenhagen). Abgebildet ist er u. a. bei Werdelin 1985, S. 237, Abb. 2. 301 Breve Sixtus’ IV. an den Dogen Andrea Vendramin aus Rom vom 24. März 1476 und dessen Antwortschreiben vom 2. April 1476, in dem auch an die Erhebung des überbringenden Botschafters Antonio Donato zum Ritter gedacht wird, Regesten in: I libri commemoriali, Bd. 5, 1901, S. 221, Nr. 97 f. Der Text des Breve ist abgedruckt in Veterum scriptorum […] collectio 1724, Sp. 1532 f., Nr. 108: Verum propensam hanc volutatem mentemque nostram, carissimi in Christi filii nostri Christierni Daciae regis illustris ad urbem Romam retardavit adventus, qui rex cum devotionis praecipue causa nos adiisset, eoque tempore adesset, non potuimus facere, quominus eumdem praesentem Rosa donaremus, honoremque jam pridem inclyto senatui tuo decretum necessario in aliud distulimus tempus. 302 Siehe unten im Text und Anhang 3, Nr. 3 (Ludwig, Graf von Helfenstein) und 36 f. (Herold Konrad „Dänemark“); RTA ÄR 22, besonders S. 611–613, § 7; Weiteres ebd., S. 1018 (a).
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e. g. komen und solcher sachen under richtung bringen.303 Hartmann Schedel lobt ihn in seiner 1493 erschienen Weltchronik als einen gar cristelich vnd mit vil tugenten geziert man, 1474 sei er von gelübds wegen nach Rom gezogen. Daselbst fienge er an, von gemaynem frid cristenlicher fürsten zehandeln vnnd einen gemainen zug wider die Türcken zebewegen. Aber nach dem er nichtcz geschaffen mocht, do keret er durch die welschen stett, allenthalb erlich gehalten, wider anhayms.304 Ansonsten verhielt er sich wie andere Pilger von Stand: Er besuchte die sieben Wallfahrtskirchen305 und stiftete der „deutschen“ Nationalkirche S. Maria dell’Anima, wo sein Name, derjenige des Herzogs von Sachsen-Lauenburg, des Marschalls Claus Rønnov und des Kölner Domgrafen Konrad von Rietberg im Bruderschaftsbuch stehen: Der König gab zehn päpstliche Gulden, der Herzog zwei, der Marschall nur einen, in zu erwartender, gleichwohl starker Abstufung.306 Im Spital S. Spirito in Sassia, Corsia Sistina, Sala Lancisi, ist der König, die Goldene Rose in der Hand, zum höheren Ruhm Sixtus’ IV. an der Wand von dessen monumentaler Saalstiftung abgebildet (Abb. 7a und b):307 Er kniet vor dem sitzenden 303 1473 November 28, Koblenz, Ludwig von Eyb d. Ä. an Kurfürst Albrecht, in: Ludwig von Eyb der Ältere, Schriften, Brief Nr. 18, S. 223–226, hier S. 225. 304 Schedel, Weltchronik, fol. CCLIIIIr. Er schreibt hier offensichtlich Forèsti, Supplementum, fol. 177v, aus, der den König in Cremona gesehen hatte: propter devotionem Romam proficisci ferebatur: vt christicolas principes contra turcem armaret. Romam itaque profectus [wird er vom Papst geehrt und erhält die Goldene Rose]. Agique cepit de vniversali italicorum principum pace: vt vno animo contra turcem coirent. Res tamen perfici non potuit. Indeque digressus per omnes italie vrbes transiens magno honore habitus est. – Vgl. oben Anm. 286 (Tizio) und unten Anm. 324. 305 Am 22. April, wie Giovanni Pietro Arrivabene am 24. aus Rom an Barbara von Brandenburg berichtete: andoe per devotione suoa a visitare le sette chiese, d. h. S. Pietro, S. Maria Maggiore, S. Lorenzo fuori le mura, S. Croce in Gerusalemme, S. Sebastiano, S. Giovanni in Laterano und S. Paolo fuori le mura (AS Mantua, AG, b. 845/135, Druck: Signorini 1981, S. 50, Nr. 20). 1474 April 16, Rom, Sixtus IV. bewilligt König Christian (und Königin Dorothea), da alme Urbis ecclesias sacratissimas peregre personaliter visitaveris, einen Beichtvater, der sie auch in den dem Hl. Stuhl vorbehaltenen Sünden einmal auf dem Totenbett freisprechen kann, APD 4, Nr. 2554 (Text). 306 Am 27. April 1474 im „Liber confraternitatis“, S. 10: Christiernus Dacie, Suecie, Norwegie, Sclavorum et Gothorum Rex, Sleswicensium et Holsacie dux, in Oldenborgh et Delmenhorst comes, 1474 die 27 Aprilis. – Ebd., S. 19: Johannes dux Saxonie et in Lewenborgh die XXVII Aprils 1474 [siehe Anhang 3, Nr. 1]. / Nicolaus Ronnowe Miles Regni Dacie die XXVII Aprilis [Nr. 5]. Conradus de Rethbergh, Comes, canonicus Coloniensis [Nr. 73]. Im “Liber Receptorum”, S. 190: 1474 Junii. Die Lune XX. Recepi XIII ducatos papales [qui faciunt] florenos XIII, VIIII boll., a rege Dacie et duce Saxonie et per manus domini T. Klinckrade, quorum decem dedit rex et II dux et I marscalcus regis. Gedruckt bei Lindbæk 1899–1901, S. 717, der S. 726, Anm. 20 angibt, dass die vier Namen des Bruderschaftsbuches von derselben Hand eingetragen wurden, und bemerkt, dass der ebenfalls zur Begleitung des Königs gehörende Graf Ludwig von Helfenstein [Anhang 3, Nr. 3] hier fehlt; dies trifft auch für den Grafen von Mühlingen/Barby zu [Nr. 2]. Salonen 2010, S. 19 und 48, erwähnt nach dem Liber confraternitatis lediglich den Eintrag des Königs und des Marschalls. 307 Vgl. Gatz 1990 und Howe 2005, hier S. 196, Nr. 32 (Platina, Leben Papst Sixtus’ IV.) die Inschrift: Christernum regem Daciae, Sveciae, Norvegiae, Gothorumque ad limina apostolorum et ad sedem mira cum devotione venientem magnifice ut pontificem decebat in aedibus suis
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Papst, der in der rechten Hand eine (zu überreichende?) Kollane hält, während der König die Goldene Rose in der linken Hand präsentiert. Ebenso wie zwei stehende Gefolgsleute ist er in Schwarz gekleidet und mit einer (reicheren) goldenen Kette geschmückt, dazu trägt er eine Krone auf dem Haupt und in der Rechten ein Ordenszeichen (des Elephantenordens?). Eine Figur am linken Rand, sicherlich ein Herold,308 trägt seinen Wappenschild. Er scheint auch an S. Spirito geschenkt zu haben,309 jedenfalls nahm er sich Sixtus’ IV. Stiftungen in S. Spirito zum Vorbild für ein Hl. Geist-Hospital in Kopenhagen310 und erlangte für sich und seine Leute zahlreiche Ablässe und geistliche Privilegien,311 dazu wohl auch die Zustimmung zur Errichtung einer Universität in Kopenhagen, die aber erst ein Jahr später während Königin Dorotheas Romreise
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recepit; keine Abb.). Das schlecht erhaltene Fresko ist oft abgebildet worden: s/w bei Kruse 1998, hier insbesondere zur 1879 von Vilhelm Rosenstand angefertigten Kopie im Frederiksborg-Museum; Signorini 1981, S. 31 mit Anm. 45, Abb. auf S. 32 f., auch in Angelis 1960– 62, Bd. 2, S. 467 und öfter; als farbiges Umschlagbild von Danmark og Europa 2000, bei Signorini 2007, S. 67, s/w-Abb. 70, und S. 68, Abb. 71, in Farbe. Ebenfalls in S. Spirito dargestellt sind die Empfänge für König Ferdinand von Neapel, des Königs von Bosnien, der Königin Carlotta von Zypern und einiger christlicher Herrscher der Levante, nicht jedoch der Königin Dorothea 1475 (s. u. Anhang 4). Der vermeintliche Eintrag ins Bruderschaftsbuch von S. Spirito (Salonen 2010, S. 48, Anm. 41) bezieht sich auf Christians Sohn Hans bzw. Königin Dorothea im Jahre 1488, s. u. Anhang 4. – Zum Verhältnis des Königs zum Heiliggeistorden siehe Lindbæk/Stemann 1906, besonders S. 154–159 und 215 f. Nichts bei Schäfer 1913. Für freundliche Hinweise danke ich Andreas Rehberg (Rom). Siehe Anhang 3, Nr. 36 f. Siehe Anm. 273. 1474 April 13, Rom, Sixtus IV. bestätigt König Christian, in presentia nostra personaliter constitutus, der ihm neulich dargelegt habe, dass es im Königreich Dänemark nur ein einziges Hl. Geist-Spital ordo sancti Augustini gebe und in Kopenhagen, ubi idem rex ut plurimum residet, nur ein Hl. Geist-Spital ohne Ordenszugehörigkeit und keinen Ort, wo Findelkinder und Arme aufgenommen werden, und der, sigulari devotione, quam ad hospitale nostrum eiusdem s. Spiritus in Saxia de Urbe ac prefatum ordinum gerit, dieses Spital neu begründen wolle, diese Neugründung und unterstellt sie direkt dem Hl. Stuhl, siehe RDHD II/1,2, Nr. 7165; APD 4, Nr. 2547 (Text). Siehe Christensen 2000, S. 150–155; Lindbæk/Steman 1906, S. 154–159 und 215 f. Dass die hierfür verwandten Gelder diejenigen waren, die durch den päpstlichen Dispens zur Wallfahrt zum Hl. Grabe (siehe oben Anm. 273) frei wurden, finde ich zuerst bei Schlegel 1769, S. 44. Laut Ingesman 2000a, S. 308 (vgl. Ders. 2014), die höchste Zahl von für Dänemark ausgestellte Papstbriefe im Spätmittelalter überhaupt. Siehe APD 4, S. 35–97, Nr. 2515–2610; APD 7, Nr. 5980–5083; die meisten wurden am 13. (36 Stück), am 18. (10 Stück) und am 20. April (12 Stück) ausgestellt, zumeist motu proprio und durchweg gratis. Es ist wahrscheinlich, dass es Sammelsuppliken gab; eine nur dreiteilige wurde am 6. Juni 1474 bewilligt, siehe DDL 4, Nr. 221, S. 201 f. (Text); APD 4, Nr. 2607 (Regest), und s. u. Anhang 3, unter Nr. 49. Eine umfangreichere mit 54 Positionen ist vom 1. Januar 1472 überliefert, siehe ADP 4, Nr. 2464, zitiert von Schwarz 1991, S. 375, Anm. 156 (freundl. Hinw. von Andreas Rehberg, Rom). Vgl. auch oben vor Anm. 154. Leider liegt das Repertorium Germanicum für den Pontifikat Sixtus’ IV. noch nicht vor, so dass die Auswahl nach dänischen Diözesen noch nicht durch die Betreffe der deutschen Diözesen ergänzt werden konnte. Einzelnes s. u. im Anhang 3, unter Nr. 1 (Sachsen-Lauenburg) auch eine politische Intervention Sixtus’ IV. zugunsten des Herzogs.
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offiziell beurkundet und 1479 in die Tat umgesetzt wurde.312 Mit dem Kardinal von Mantua durfte er durch den gedeckten Gang des corridoio oder passetto vom Vatikan zur Besichtigung der Engelsburg gehen.313 Und in der camera del papagallo des Vatikans nahm er Abschied von Papst und Kardinälen.314 Wo seine Leute untergebracht waren, wissen wir nicht: in Herbergen315 und sicher ebenfalls auf Kosten des Papstes; aber eine entsprechende Herbergsrechnung, wie sie für Kaiser Friedrichs III. Romaufenthalt 1468/69 erhalten ist, tauchte bislang nicht auf.316 Lediglich die Kosten der Goldenen Rose sind bekannt: gut 254 Kammergulden – der übliche Preis.317 Auch in Rom fiel aber seine einfache Demut auf, gegenüber dem Papst und den Kardinälen im Konsistorium, und wurde als beispielhaft empfunden.318 Erfolg312 Skibyske Krønike af Povl Helgesen 1873, S. 17 (siehe auch S. 405): Anno .1474. Christiernus rex veterum principum religione ac pietate commotus Rhomam peregre profectus est, sub pontificatu Sixti quarti. A quo idem rex impetravit facultatem erigendi publicam Academiam in civitate Haffnensi. – Roskilde-Aarbogen 1873, S. 315: oc besynderliig att hand motthe stigte eth wniversitet oc almindelig schole eller studium y Kiøbmenhaffn. – En dansk Krønike 1873, S. 518 f. – Der päpstliche Auftrag an den Erzbischof von Lund, die Universität zu errichten, datiert vom 19. Juni 1475 (RDHD I/1, Nr. 4546; ADP 4, Nr. 2652; Paludan-Müller 1880/81, S. 286; Lindbæk 1902, S. 488; Snorrason 1979; Signorini 1981, S. 33, Anm. 5, nach Stybe 1979, S. 17–20; Christensen 2000, S. 155, Anm. 30). 313 Sacramoro da Rimini, mailändischer Orator beim Hl. Stuhl, an Galeazzo Maria, AS Mailand, Archivio Sforzesco, b. 75/10–11, zit. von Signorini 1981, S. 31, Anm. 43 (11. April); Ders. 2007, S. 114, Anm. 235 (12. April): Partito sua maestà da Nostro Signore [Sixtus IV.], la Sua Sanctità volse che quelle et el cardinale prefato [Francesco Gonzaga] et io, per la via del corriduro, andassemo in castello Sant’Angelo a mostrarglielo cum parichii de li soy principali. 314 Am 23. April: prese da tuti in der camera del Papagallo, erwähnt in 1474 April 24, Rom, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 845/135, Druck: Signorini 1981, S. 50, Nr. 20). Zum „Papageienzimmer“ im Vatikan siehe Diener 1967. – Der definitive Abschied, wiederum im Konsistorium, fand am 27. April statt, siehe 1474 April 28, Viterbo, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 845/334, Druck: Signorini 1981, S. 50, Nr. 21). 315 Siehe oben Anm. 26 und 94. 316 Esch 2003a. Friedrich III. war (ebenfalls) Gast des Papstes, deshalb sind die Ausgaben bei der Kammer dokumentiert. Untergebracht wurden auf Kosten des Papstes in 27 Herbergen 320 Menschen und 396 Pferde, nur ein Teil jener 500–700, die an sich bezeugt sind und die anderswo wohnten, siehe oben Anm. 26. 317 Latino Orsini, Kammermeister (Camerlengo) des Papstes, befiehlt dem Generalschatzmeister Thomas Vincenz, Bischof von Terni, per manus spectabilium virorum Laurentii et Juliani de Medicis etc. pecuniarum camere apostolice depositariorum die Bezahlung der Goldschmiede, die die Goldene Rose für König Christian I. angefertigt haben. Die Rose war mit einem Saphir und einer Perle geschmückt: 254 Kammergulden 61 bol., APD 4, Nr. 2604 (25. Mai 1474). Vergleichszahlen bietet Schuchard 2000, S. 12 f. – Die Goldene Rose und die anderen römischen Reliquien wurden in der Dreikönigskapelle von Roskilde aufbewahrt, siehe Christensen 2000, S. 135, Anm. 4, nach Arhnung 1965, S. 51–59. Heute sind sie sämtlich verloren. 318 1474 April 10 (das Tagesdatum ist unsicher), Rom, Iacopo Ammannati Piccolomini, Kardinal von Pavia (also Augenzeuge) an Bernardo Lapini (Ammannati Piccolomini, Lettere, Bd. 3, S. 1814 f., Nr. 718, mit Anm. 3 auf S. 1815, siehe Lombardi 1992, S. 99; L’Œuvre de Patrizi Piccolomini 1980–82, Bd. 1, S. 198 f. Anm. 555; auch schon bei Müller 1713, S. 653): Dacarum regem honoribus summis accepimus. Turba omnis curialis egressa est obviam, patres ad portam congressi medium illum per Urbem ad basilicam Petri, inde ad pontificem perduxere,
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reich hatte er sich als „frommer König“ dargestellt319 und vielleicht war er ja auch einer. SCHLUSS: DIE ITALIENER UND DER KÖNIG AUS DEM NORDEN Christian I. ist mit sich und der Welt zufrieden in die Heimat zurückgekehrt, jedenfalls sagt dies das „Tagebuch“ des Albert Klitzing und wir haben keine Ursache, daran zu zweifeln.320 Gregorovius meint, der König habe sich in Rom davon überzeugen können, „daß daselbst nichts zu finden sei als Nepotismus, Wucher und Simonie.“321 Auch wenn die rein finanziellen Verabredungen um das Erzbistum Lund geheimgehalten werden sollten,322 gibt es kein Anzeichen dafür, dass er als früher Lutheraner die Kurie so gesehen hätte. Hingegen müssen wir uns zum Schluss fragen, wie die Italiener ihn erlebt und gesehen haben. Zunächst waren sie beeindruckt von einem König aus dem Norden, der über drei oder gar fünf Königreiche herrschte.323 Bewundernd zählen Diplomaten und Chronisten und auch die Inschrift in S. Spirito in Sassia sie auf.324 Dass der König
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iuridicundo tunc publice praesidentem. Religio summa in summo rege enituit: procubit in genua ante illius pedes, nec ante se elevari est passus, quam sermonibus suis esset responsum. Redeunti in cubiculum Xysto [= Sixto] exentuique ad divina horum dierum, gremia eius semper portavit, lavanti manus pelvim sustinuit. Inter duos primos cardinales sessum receptum, non prius sedere, non prius tegi voluit, quam utrumque ab utroque factum esset. Me hodie alterum ex duobis illi adsidentem rogari per interpretem fecit, ut pateremur post omnes cardinales ad osculum crucis eum ascendere. Est enim haec dies Parasceve [9. April]. Cum rogarem, cur ita deposceret, „Ut habeatur – inquit – iustus honos summo senatui.“ Plura huiusmodi hoc solo triduo sunt ab eo praestita Apostolicae Sedi, in quibus trium magnorum regnorum rex a septentrionibus veniens, nobis Italis quo animo esse in summum sacerdotium debeamus, exemplo suo edocuit. Zum Datum siehe auch Pastor 1904, S. 499, Anm. 1, der unverständlicherweise für den 4. April plädiert. So Christensen 2000, S. 144 f. Petersen, Chronica, S. clvij (nicht bei Minutoli 1850): Der König kommt in Reinfeld an noch gesund vnd wol zufrieden mit all seinem Volck. Heiter war er schon auf der Hinreise: Wir sein von der gnade Gotes wohl, alle di unsern frisch und gesunt und haben der unsern noch keinen verloren, 1474 März 18, Pavia, Christian an Kurfürst Abrecht, Zettel 3 (Minutoli 1850, S. 33 f.; Höfler 1851, S. 85). Doch gab es unterwegs auch Krankheit, siehe oben Anm. 91. Zum „Tagebuch“ unten Anhang 1. Gregorovius 1988, Bd. 3, S. 118. Durch das schon stark veränderte Rom der Jahre 1526/27 führt Esch 2003b, durch Rom im Übergang vom Mittelalter zur Renaissance sein Buch Esch 2016. Oben bei Anm. 259 f. Siehe oben Anm. 318. Die päpstlichen Privliegien geben den offiziellen Titel wieder, z. B. am 18. April 1474 (APD 4, Nr. 2559–2562): Cristiernus Dacie, Svecie, Norvegie, Slavorum Gottorumque rex. Die Inschrift siehe oben Anm. 307. Borselli, Cronica gestorum, S. 103: qui trium regnorum erat rex. Corpus chronicorum Bononiensium 1938–68, Bd. 1, vol. 4, S. 439 f.: Adì 26 d’aprili [1474] vene in Bologna el re Christerne re de Dazia, homo cristianisimo e de gran virtù, el quale aveva sotto de sì tri reami et doi ducha e dui marchixi [die beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein hat es gegeben, vgl. unten Anm. 331 (dui ducati); die beiden Markgrafschaften meines Wissens nicht], vene questo anno in Italia per andare a Roma a satisfare uno vóto.
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von Dänemark und Norwegen die Kontrolle über Schweden verloren hatte, Gotia Schweden meinte und das Wenden-Königreich im Baltikum und der südlichen Ostsee325 nurmehr auf dem Papier stand, spielte dabei keine Rolle, wenngleich ein wenig späterer Sienese ihn als „Kleinkönig“ (regulus) bezeichnete, der als „großer König“ angekündigt worden war. In Mantua fielen die Größe und Stärke seines Körpers und sein herrscherliches Auftreten (àiero signorily) auf.326 Mit brennender Neugier wurde der fremde Gast betrachtet: Ein Florentiner lässt uns wissen, dass er es con voluptate tat und dabei feststellte, dass des Königs Haupthaar ergraute.327 Gleich drei Bürger von Viterbo haben ihre Begegnung mit dem König aufgezeichnet. Offensichtlich tief beeindruckt trug Pier Gian Paulo Sacco in sein Memorialbuch ein, am 4. April 1474 sei bei starkem Regen la Santa e Sacra Maestà del Re di tre corone o tre Reami, cioè Svetia, Datia et Norvetia, eingeritten.328 Auch Giovanni di Iuzzo vermerkte das schlechte Wetter, es habe größere Feierlichkeiten verhindert. Er hatte aber noch mehr erfahren oder vielmehr erfragt, nämlich dass Christian aus seinem Königreich am 10. September aufgebrochen sei, was die ohnehin schon lange Reise noch einmal um vier Monate verlängerte. Hingegen traf zu, dass er nach Rom per voto, aufgrund eines Gelübdes,329 unterwegs war. „Man sagte, dass er fünf Königreiche unter sich habe, darunter dasjenige der Goten (di Goti)“; später im Text zählt er vier (tatsächlich nur drei) davon auf: Datia, Soatia, Gotia und zwei Herzogtümer, gemeint waren Schleswig und Holstein – die noch gar nicht vollzogene Erhöhung der Grafschaft Holstein zum Herzogtum330 wurde bereits in Anspruch genommen. Norwegen übergeht er.331
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[…] Non solamento se disse che l’andara a Roma per fatto, ma che veniva in Italia per exortar li cristiani contra el Turcho. […] E tutta la sua conpagnia era vestida de bruna e ’l re era vestì anchora lui de bruna poveramente chon una breta rossa: e questo feva perché andava a modo romia: e andava a Roma e da Roma volea andare a Sant Sepolcro, et portava de petto tutta la soa fameglia un I [= Iacopo] como fano quilli che vano a San Iacomo (zit. auch bei Signorini 1981, S. 30 mit Anm. 39; Ders. 2007, S. 113, Anm. 231). Siehe oben bei Anm. 143/145 (Lindwurm). Das folgende Zitat (regulus) siehe oben Anm. 286. Siehe oben Anm. 2. Siehe oben Anm. 271. Pier Gian Paulo Sacco († 18. November 1476): Ricordo nel sopradetto millesimo 1474 a dì 4 di aprile, come entrò in Viterbo alle 21 hora, con gran piovìa, la Santa e Sacra Maestà del Re di tre corone o tre Reami, cioè Svetia, Datia et Norvetia, chiamato Vivimus [!], insieme col Cardinal di Mantua suo parente [= Francesco Gonzaga], e molti altri prelati con processioni e con trionfi d’archi e di mazzieri, et ornati cittadini, et il seguente dì, che fu il Martedì Santo, il sopradetto Re con molta gente sua si partì et andò a Roma (Lombardi 1992, S. 99). Siehe oben Kap. 7.1. Siehe oben Kap. 6.1.2. Giovanni di Iuzzo († ca. 1479), Cronica di Viterbo, Florenz, Bibl. Riccardiana, Ms. 1941, fol. 158r (zit. nach Lombardi 1992, S. 138, Anm. 108): Adì 4 d’aprile passò per Viterbo lo re di Datia, la nostra communità l’haverìa fatto honore assai et feste, ma fu cattivo tempo. Andava a Roma per voto. Partisse di suo reame adì .x. de Settembre [tatsächlich am 9. Januar, oben Anm. 3]. Dicevasi che haveva sotto di sé cinque reami tra l’altri di Goti. Era bello homo lieto et di pelo rossetto di anni circa a cinquanta. Lo nome suo Christiano. Menò seco circa 100 cavalli belli; feceli compagnia da Viterbo a Roma il cardinale di Mantua il quale era suo
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Er sei etwa 35 Jahre alt, schön, voll im Gesicht, gut gebaut – und habe kein Wort in unserer Sprache zu sprechen gewusst, notierte Niccolò della Tuccia als Dritter in Viterbo (oder sein Fortsetzer).332 Giovanni di Iuzzo bezeichnete ihn als einen heiteren Mann, mit rosiger Haut, so gegen 50 Jahre alt333 – womit er der Wahrheit schon näher kam: Christian stand damals im 49. Lebensjahr. Es fiel Niccolò auf, dass er „aus seinem Lande eine große Menge von jungen Leuten mit sich führte, schön, sauber, hell, blond, gut zu Pferde. Sie sahen wie Polen aus, und alle waren in schwarzes Tuch gekleidet.“334 Das war „das blonde Haar und die helle Gesichtsfarbe der Nordländer“, wie schon Ludwig Pastor bemerkte.335 Giovanni di Iuzzo hatte auch Schauderhaftes über ihre Herkunft gehört: „Sie wohnen an kalten Orten unter dem Nordwind und ihre Tage sind kurz“336 – dabei hatte die Reise in Holstein begonnen und nicht am Polarkreis. Natürlich galten die Leute von jenseits der Alpen immer noch als Barbaren:337 Für den König aber wurde eine Ausnahme gemacht. Filippo Nuvolonis Mantuaner Rede ging vom Barbarentopos aus, von der Erinnerung an die schrecklichen Invasoren aus dem Norden, die das Römerreich in Schutt und Asche gelegt hätten. Christian aber sei gekommen als idealer Fürst und wahrer Christ.338 Als sich an der Kurie aber herausstellte, dass er nicht lateinisch reden konnte, war das böse Wort schnell bei der Hand339 und als er in Finanzdingen unlauter wurde, war er wieder der Barbar.340 Andererseits führte er den Titel eines Königs der Goten:341 Dieser Name nötigte den humanistisch gebildeten Italienern immer noch Respekt ab, hatten seine vermeintlichen Vorfahren doch ehemals Rom erobert und zerstört – so wenigstens die Lübecker Ratschronik: Der prächtige Empfang jenseits der Alpen quam her van older macht der Denen, de in vortiden Wallant [Italien] hadden underbraken unde Rome wunnen myt dem swerde, unde van older macht der Goten, de nu Sweden synt ghenomet, de in vorjarn bina de halven werlt myt herschilde
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parente. Habitano li detti in lochi freddi sotto la tramontana, hanno li detti poco de dì. Il quale re haveva sotto di sé quattro reami: Datia, Soatia, Gotia et dui ducati. Ebbe in Roma grandi honori. Ritornò adì 28 d’aprile. Tuccia, Cronache di Viterbo, S. 111: Era d’età d’anni trentacinque o circa, bello, pieno nel viso, e ben formato, e non sapeva parlare niente in nostra lingua. Zur Sprachenfrage siehe oben Kap. 4. Giovanni di Iuzzo, oben Anm. 331. Tuccia, Cronache di Viterbo, S. 111: menò detto re di suo paese grande quantità di giovanni, belli, politi, bianchi, biondi, bene a cavallo. Avevano arie di Polacchi, et tutti erano vestiti di panno nero. Pastor 1904, S. 498, Anm. 4, der den Polenvergleich indes nicht erwähnt. Siehe oben Anm. 331. Diese Grundstimmung durchzieht die Untersuchung der italienischen Berichte über das spätmittelalterliche Deutschland, siehe Voigt 1973. Siehe zur Überlieferung der Rede oben Anm. 168. Siehe Anhang 2 (Reimar Kock). Corio, Mediolanensis patria historia, siehe oben Anm. 195. Tuccia, Cronache di Viterbo, S. 111: re di Dacia e de’ Goti e di un altro reame (Norwegen). Die Inschrift in S. Spirito de Sassia nennt ihn König von Dänemark, Schweden, Norwegen Gothorumque (oben Anm. 307). Siehe auch oben Anm. 306 und 331.
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hadden overvallen.342 Sein damit kontrastierendes Auftreten in Bescheidenheit und Demut erregte Bewunderung343 – aber auch Verwunderung. Da war ein König, der kein Latein konnte. War er wirklich ein König, wenn er so schlicht auftrat? War er etwa überhaupt etwas schlicht? Sein erlerntes Grüßen grenzte denn doch an Lächerlichkeit und wurde ja auch belacht. War etwa der Weg von der humanitas und humilitas zur simplicitas nicht allzu weit? Christian war noch nicht abgereist, da verbarg Galeazzo Maria Sforza seinen Unwillen nicht länger. Ein armer Schlucker war ihm der König.344 Noch anderthalb Jahre später brach es aus ihm heraus: Was jene geschenkten 4.000 Dukaten angehe, habe er niemals eine Ausgabe getan, die mehr zum Fenster hinausgeworfen gewesen sei als diese (non fece mai spesa che fosse piu giettata via che quella), sagte er am 26. November 1475 dem mantuanischen Gesandten, um sich dann noch über etwas anderes zu beklagen: Zum Angedenken der beiden tristesten Menschen der Welt (per memoria di duy più tristi omini del mondo), nämlich Kaiser Friedrich III.345 und König Christian I., habe Markgraf Ludovico deren Porträts in seine camera malen lassen, eine camera, von der man rede und alle, die sie gesehen haben, sagten, sie sei die schönste der Welt (di qua ne parla et universalmente dice, chi l’ha vista, quella essere la più bella camera del mondo). Ausgerechnet dort fehle nun sein, Galeazzo Marias Bildnis.346 Solche Gruppenporträts wurden damals auch in Mailand (und Ferrara) geplant und Ludovico Gonzaga sollte darauf zu sehen sein.347 Leider wissen wir nicht mit letzter Sicherheit, welche Gesichter in der Incontro-Szene der Westwand (Abb. 8), ganz links in dem zerstörten Teil (Abb. 9) oder rechts, dem Kaiser
342 Lübecker Ratschronik 1911, S. 127; in Anm. 1 wird auf das Chronicon Sclavicum, Lübeck 1485, S. 295 f. verwiesen: Fuit enim Romanis maxime reverentie, quia sciverunt eum esse regem Gothorum sive Gethorum, qui jam et Sueci sunt, a quibus olim urbs devicta est, anno sciicet domini 378. Vgl. Krantz, Dennmärckische Chronick, S. ccccxciij: Der Papst und die Fürsten Italiens hätten ihn „herrlich“ empfangen, sonderlich von wegen der Goten / die auch dißer Künige vnderworfen. 343 Siehe oben Anm. 286 (Siena), 291 (Bologna) und 318 (Rom). 344 Am 23. Mai 1474, dem vorgesehenen Tag der Abreise, die des strömenden Regens wegen auf den 24. verschoben wurde, siehe oben Anm. 160. Zum Regen siehe 1474 Mai 23, Pavia, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1625, Druck: Signorini 1981, S. 55 f., Nr. 29): Ist in die Burg pivendo forte gegangen und fand den König a tavola che desinava per partirsi. Der Herzog hat ihn gebeten, per honor suo besseres Wetter abzuwarten, post multa entschied der König sich zu bleiben. 345 Der Kaiser war nie in Mantua gewesen, vielmehr suchten ihn die Gonzaga sowohl 1452 als auch 1468/69 in Ferrara auf, siehe Signorini 2007, S. 231–249. 346 1475 November 26, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga, AS Mantua, AG, b. 1625, c. 110r (ehem. 107r), zit. bei Signorini 1981, S. 39 mit Anm. 80; Ders. 2007, S. 233 (Abb. 181) und Dok. 23 auf S. 400 (langer Auszug). Vollständiger Druck: Carteggio degli oratori mantovani 2008, S. 207–210, Nr. 99. Vgl. Antenhofer 2009, S. 225 mit Anm. 44 auf S. 236, nach Signorini 2002, S. 132. Zur „camera depinta“ ausführlich mit reichen Illustrationen, auch Abb. der einschlägigen Briefe: Ders. 2007, besonders S. 149–406; Antenhofer 2007b; Dies. 2009; Dies. 2011; Dies. 2016; Von Mantua nach Württemberg 2011; Barbara Gonzaga, Die Briefe. 347 Brown 2011, S. 40–44 und 47.
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und dem König zuzuordnen sind oder wären (Abb. 10 und 4).348 Am 30. November antwortete Markgraf Ludovico seinem Gesandten und trug ihm auf, als Entschuldigung vorzutragen, dass es zwar richtig sei, dass der König zu des Herzogs Lasten in Italien gewirkt habe, jedoch sei der Kaiser nun einmal Italiens Herr und der König von Dänemark sein Schwager (cugnato); auch hätten so viele Leute ihre Porträts vor Ort gesehen, dass es allzugroße Unehre wäre, sie nun zu entfernen; blieben sie, schadeten sie niemandem.349 Er (Ludovico) habe wohl daran gedacht, auch ihn porträtieren zu lassen; aber als Mantegna unlängst von Galeazzo ein Bildnis angefertigt habe, habe es dem Herzog nicht gefallen und dieses Missfallen wollte er doch vermeiden. Mantegna sei in anderen Dingen schon ein guter Meister, aber im Porträt könnte er mehr Grazie haben und sei darin nicht so gut (Et è vero che Andrea è bon maestro in le altre cose, ma nel retrare porìa havere più gratia et non fa cussì bene).350 In Mantua wird man nicht vergessen haben, dass eine Gonzaga-Tochter von Galeazzo verschmäht worden war.351 Der unbelehnte Herzog hatte seinerseits seine Gründe, dem einem wie dem anderen gram zu sein. Der Mangel an Memoria an so hervorragendem Platz muss ihn wirklich geschmerzt haben. In Dänemark aber war die große Reise noch nach hundert Jahren nicht vergessen. Die große Kronborg-Tapisserie des Hans Knieper im Kopenhagener Nationalmuseum, im Jahre 1581 gefertigt, zeigt Christian I. vor dem Hintergrund der Engelsburg.352 348 Siehe Antenhofer 2009, S. 226, und Dies. 2016, bei Anm. 87: Aufgrund der Verwendung der Sforza-Farben in der Kleidung der empfangenen Personen könnte es sich um eine mailändische Gesandtschaft handeln – was das (bezeugte) Fehlen des mailändischen Herzogsporträts desto auffälliger machte. Mit hoher Plausibilität und exzellenten Abb. identifiziert die Porträts Signorini 2007, S. 231–249. Die Auffassung, dass die Porträts des Kaisers und des Königs verloren sind, vertreten dagegen Pasetti/Pinotti 1999. 349 Sii certo ch’el c’è rincresciuto ch’el prefato Re habia facto cosa in Italia a carico suo, pur lo Imperatore n’è signore et ’l Re de Datia cugnato, et essendo stati veduti da tante persone come sónno, serìa troppo grande deshonestade a levarli: sia como se vogliono, a stare lì non dànno impatio ad alcuno. Wie Anm. 350. 350 A dirte il vero, nui gli pensassemo de fare mettere sua sublimità nel più digno loco, ma quando Andrea Mantegna altra volta lo ritrette, non parse gli satisfacesse et intendessimo ch’el haveva facto brusare quelli fogli parendoge non lo havesse facto bene. Et è vero che Andrea è bon maestro in le altre cose, ma nel retrare porìa havere più gratia et non fa cussì bene. 1475 November 30, Goito, Ludovico Gonzaga an Zaccaria Saggi, AS Mantua, AG, b. 2894/80, fol. 39v, zit. bei Signorini 1981, S. 39, Anm. 81; Ders. 2007, S. 234, Abb. 182, Dok. 24 auf S. 400 (langer Auszug); Antenhofer 2009, S. 225, mit Anm. 44 f. auf S. 236, nach Signorini 2002, S. 130–133. – Der Gesandte berichtete wenige Tage später: 1475 Dezember 4, Mailand, Zaccaria Saggi an Ludovico Gonzaga, AS Mantua, AG, b. 1625, zit. bei Signorini 1981, S. 39, Anm. 82, Druck: Carteggio degli oratori mantovani 2008, S. 213–216 (hier S. 215), Nr. 103; Signorini 2007, S. 234, Abb. 183 (Teil), Dok. 25 auf S. 400 (Auszug): Ho visto quanto vostra signoria me scrive di quelli ritratti de l’imperatore e re di Datia. Quella non ne pigli affanno né li facci muovere dove sónno, perché non bisogna ne fue detto a quel fine. Io fin alhora satisfeci al bisogno. Son certo ch’el fosse detto a fine che serìa parso conveniente che anchor altri gli fosse stato rittratto. La scusa di vostra signoria ho inteso benissimo e, sempre che ne sia parlato, saprò che dire. 351 Nicht ohne Grund: Dorotea, über die seit 1463 verhandelt wurde, war verwachsen und starb früh (1467) (Signorini 2007, S. 49–55 und 199–201). 352 Ebd., S. 247, Farb-Abb. 198, ganzseitig.
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Zu allerletzt noch ein Wechsel der Blickrichtung. Der Herzog von SachsenLauenburg begleitete den König nicht zurück nach Deutschland. Ab Bologna ging er eigene Wege: Am 7. Mai 1474 schrieb der dortige Gesandte des Herzogs von Mailand an Galeazzo Maria: „Der Herr Herzog von Sachsen wird an diesem Kanal eine Barke besteigen und nach Venedig gehen, um die Stadt zu sehen, wonach er großes Verlangen hat“ (El signor duca di Saxonia monterà in barcha ad questo canale et anderà ad Vinesia per vederla, che ne sta in grande desiderio).353 Nicht nur Kaufleute und Künstler drängte es zur Serenissima, auch Edelleute und Fürsten, und dies sogar, wenn sie nicht ins Heilige Land fahren wollten – oder sollte der Herzog doch mit dem Gedanken gespielt haben, trotz fehlender Mittel sein Ansehen zu vermehren und eine der großen Pilgergaleeren zu besteigen? Als Wallfahrer zum Hl. Grab ist er nicht bekannt geworden.354
353 1474 Mai 7, Bologna, Gerardo Cerruti an Galeazzo Maria Sforza (Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007, Bd. 2, S. 402, Nr. 1138). 354 Er fehlt im Verzeichnis von Röhricht 1900.
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ANHANG 1 Zum „Tagebuch“ des Albert Klitzing Julius von Minutoli druckte in seinem 1850 erschienenen Werk „Friedrich I. Kurfürst von Brandenburg und Memorabilia aus dem Leben der Markgrafen von Brandenburg“ aus den Quellen des Plassenburger Archivs im 2. Teil, Nr. 313, S. 8–10, unter der Überschrift „Wallfahrt des Königs Christian von Dänemark nach Rom“ einen Text, den er folgendermaßen ankündigte: „Der Ritter Albert von Klitzing, welcher den König auf seiner Reise begleitete, führte ein Tagebuch, das er dem Kurfürsten Abrecht Achilles, in dessen Diensten er früher gestanden, abschriftlich mittheilte.“ Klitzing war zwar kein Ritter, sondern ein Geistlicher, diente aber tatsächlich zunächst dem Kurfürsten und dann dem König, den er wirklich auf seiner Italienreise begleitete und zu dessen vertrautesten Räten er gehörte (siehe Anhang 3, Nr. 9). Er könnte ein solches Tagebuch oder einen detaillierten Bericht über die Reise verfasst haben. Das hohenzollersche Archiv auf der Plassenburg über Kulmbach in Franken existiert heute dort nicht mehr, sondern wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts aufgeteilt, siehe Spiess/Märcker 1884, S. 89. Die in Frage kommenden Staatsarchive von Bamberg und Nürnberg besitzen die von Minutoli erwähnte Abschrift jedoch nicht mehr, ebensowenig das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin, wie die Archivverwaltungen am 29. Januar, 28. Januar und 7. März 2014 auf Anfrage mitteilten. Die besten Kenner der brandenburg-ansbachischen Archive unter den Historikern – Jürgen Herold (Greifswald), Mario Müller (Frankfurt am Main), Cordula Nolte (Bremen), Reinhard Seyboth (Regensburg/Leipzig) und Matthias Thumser (Berlin) – sind ihm nie begegnet. Der kostbare Text ist verschollen, wenn nicht für immer verloren. Bei der Lektüre fällt indes sofort auf, dass seine Diktion nicht diejenige des 15. Jahrhunderts ist. Der Schriftsatz ist durchweg modernisiert, sei es schon in der Vorlage, sei es vom Herausgeber: „Edelleute“, „Erzherzog“, „Einlogierung“, „Notificationsschreiben“ würde man in den 1470er-Jahren nicht sagen. Auch ist der Text ein echtes Journal nicht, in dem von Tag zu Tag die Ereignisse notiert werden. Niedergeschrieben nicht in der Ich-Form, sondern objektiv („Am 13. März ist der König angelangt […]“), wirkt er vielmehr wie ein abschließender Bericht, möglicherweise redigiert aufgrund älterer, von Tag zu Tag aufgezeichneter Notizen. Selbst aus der Zusammenfassung scheint stellenweise noch zusammengefasst worden zu sein. Nun hat Minutoli nicht bemerkt, dass es frühe Drucke gibt, deren Texte mit diesem zwar nicht identisch, aber doch in verschiedenem Grade verwandt sind. Dies gilt zunächst für Petersen, Chronica (1557), S. cliij–clix. Seine Quelle gibt Petersen nicht an. Es handelt sich aber um denselben Grundtext, nur dass er eher der Sprache des 15. Jahrhunderts gleicht und in der Regel ausführlicher ist: Z. B. werden anfangs die vornehmsten Teilnehmer namentlich genannt (s. o. bei Anm. 83– 94), während der Minutoli-Text sich damit begnügt zu schreiben: „In des Königs Begleitung befanden sich die Fürsten Johann von Sachsen, von Lauenburg, und
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andere Herzoge und Grafen, so wie 150 Edelleute“ – was sogar objektiv falsch ist, denn es gab überhaupt nur einen Herzog, denjenigen von Sachsen-Lauenburg (siehe Anhang 3, Nr. 1). Die anmutige Beschreibung von König Christians Fahrt auf dem Comer See bei Petersen ist bei Minutoli auf wenige matte Zeilen zusammengeschrumpft (oben Anm. 60). Allerdings ist es im Falle der fehlenden Lateinkenntnisse des Königs umgekehrt (oben Anm. 126). Stellenweise ist es (fast) derselbe Text, wenngleich oft durch Irrtümer und Auslassungen entstellt (z. B. oben Anm. 153); zumeist aber paraphrasiert Minutoli, was bei Petersen genauer steht (z. B. oben Anm. 138). Hinzu kommt, dass der bei Minutoli typographisch durch kleineren Schriftgrad als Quelle gekennzeichnete Text mit dem 3. Juni in Augsburg abbricht; eine offensichtlich durch Minutoli selbst geschriebene Zusammenfassung seiner Fortsetzung nennt nur noch den Aufenthalt in Ansbach und die Heimkehr nach Kloster Reinfeld. Der Petersen-Text hat hier (und anderswo) mehr Stationen (Mansfeld, s. o. Anm. 63; Braunschweig) und bietet detailliertere Nachrichten. Darüber hinaus endet er nicht mit der Heimkehr, sondern setzt seinen Bericht in ähnlicher Weise fort und beschreibt des Königs Reise 1474/75 an den Rhein (S. clviiif.), an der Klitzing ebenfalls teilnahm. Aus all dem ergibt sich, dass Petersen einen vollständigeren, verlässlicheren Text bietet und damit als die Hauptquelle für das Itinerar und gewisse Begebenheiten der Reise zu gelten hat. Ob Petersen dieselbe Vorlage wie Minutoli vor Augen hatte, ist deshalb nicht völlig ausgeschlossen, im Grunde jedoch unwahrscheinlich. Seine Quelle ist eher auf der holsteinisch-dänischen, nicht auf der brandenburgisch-ansbachischen Seite zu suchen. Zwischen den Texten Petersens und Minutolis gibt es bei Krantz, Saxonia (1520), lib. XII, cap. 12 eine Parallele (s. o. Anm. 127), die auf eine gemeinsame Vorlage hinweisen könnte; weitere Details fehlen bei Krantz, der jedoch den Namen Sanckenstedes (Anhang 3, Nr. 35) nennt, der bei jenen fehlt. Ausdrücklich nach der „Holsteniske Cronicke“ (Petersens) schildert Huitfeld, Danmarks Riges Krønike (1599), auf S. 235–244 Christians Romreise und seine Rheinreise auf S. 244–246. Dasselbe tut Hamelmann, Oldenburgische Chronike, S. 205–208 bzw. 221, jedoch in einem Druck, der erst nach seinem Tode († 1595) überarbeitet erschien und von seiner handschriftlichen Vorlage ausschmückend abweicht; die Originalfassung ist erst im Jahre 1940 von Gustav Rüthning (Hamelmann, Oldenburgische Chronik, hier S. 141–149) veröffentlicht worden und wäre allein zu zitieren. Aus der Druckfassung übernahm Müller 1713, S. 650–655, seine mit Stücken anderer Herkunft angereicherte Beschreibung. Die Forschung hat einmal diesen, einmal jenen Text zitiert ohne die Zusammenhänge zu ermitteln. Paludan-Müller 1880/81, Exkurs 1, S. 333 f., bemerkte immerhin die Abhängigkeit Müllers von Hamelmann, während Niitemaa 1960, S. 271, Anm. 1, lediglich eine Verbindung zwischen Minutoli und Müller herstellte. Während Niitemaa also kein Wort von Hamelmann sagt, ignoriert Paludan-Müller die Minutoli-Version, obwohl er sich in Exkurs 3, S. 334 f., zur allgemeinen Überlieferung im Archiv der Plassenburg eingehend äußert – mit Erwähnung (S. 277, Anm. 1) von Häberlin 1775, Vorrede S. XLVIII–LIX, der das Plassenburger Archiv ausschreibt, ebenfalls ohne das „Tagebuch“ zu erwähnen. Hasse 1877, S. 95 f., folgerte immerhin, dass Petersens Bericht „auf entschieden gleichzeitige Aufzeichnung zurückgeht“.
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Minutolis Verdienst bleibt es, dem nicht greifbaren Originaltext den Autor zurückgegeben zu haben. Er tat es jedoch, ohne die bisherigen Druckorte zu kennen oder zu nennen, voran den besseren Text bei Petersen. Die Forschung hat bis auf Niitemaa 1960 die Minutoli-Version weitgehend ignoriert und wahllos diesen oder jenen älteren Druck herangezogen, ohne ihren Zusammenhang zu erkennen. Die Suche nach dem originalen Text muss fortgesetzt werden. In der Zwischenzeit wäre an eine synoptische, kritische Edition der Drucke bei Petersen und Minutoli zu denken. ANHANG 2 Pulchra bestia, si non careret loquela Dieser Ausspruch, vorgeblich von Sixtus IV. über König Christian in dessen Gegenwart getan, wird immer wieder zitiert, doch selten belegt. Dahlmann 1843, S. 233 f., machte (anscheinend) den Anfang; Arup 1932, S. 253, folgte, doch legte er den Ausspruch den Kardinälen in den Mund. Dahlmanns Quelle ist indirekt die 1549 dem Rat überreichte, im Original verlorene Lübecker Chronik des Reimar Kock († 1569), aus der die Chronik des Franziskaner Lesemeisters Detmar 1829/30, Bd. 2, S. 607–714, Auszüge veröffentlichte. Ebd. heißt es auf S. 708, Anm. *, dass Kock „über die Reisen des Königs nach Italien und an den Rhein nichts erwähnt, was nicht schon in der der Detmarschen Chronik gesagt wäre“ [ebd., S. 357 f. und 362 f.; Lübecker Ratschronik 1911, S. 124–127, § 2003, und S. 135–137, § 2010]. Nur das bemerkt er noch, dass der König sich in Rom, weil er nicht lateinisch sprechen konnte, eines Dolmetschers, des Dr. Hinrick Sanckestede, bedienen musste und darüber viel Spott von den Welschen erfuhr. Der Papst selbst sagte ja: „Pulchra bestia, si non careret loquela.“ Dass hier der Name Sanckenstedes (siehe Anhang 3, Nr. 35) begegnet, lässt auf eine verlässliche Quelle schließen (die auch Krantz, Saxonia (1520), lib. XII, cap. 12, ausschreibt, oben Anm. 127) und vermehrt die Glaubwürdigkeit des Zitats. Was in der Vorlage der Detmar-Chronik steht, teilte mir Antjekathrin Graßmann (Lübeck) freundlicherweise mit: Reimar Kock, Lübeckische Chronica, Archiv der Hansestadt Lübeck, Hs. 854 (Abschrift von Friedrich Bruns, 1862–1945), 2. Band, zum Jahr 1474, hier S. 631 f.: Nach der Aufzählung von allerlei Geschenken für den König (s. o. Anm. 297) heißt es: Dartho einen schönen Hingst mit Sadel vnd Geräde vp dat kostlikeste gezieret vnd was alles grotes Dinges, averst do die Pawest mit dem Köninge in eigener Persohne in Gegenwerdicheit der Cardinele von wichtigen dingen handelen wolde, muste die Köningk mit einen Dolmetscher reden und andtwörden, düsse was Henricus Sanckstede Doctor in den Rechten, wordorch die Wahlen den Köningk bespotteden, dat he nichts lateinisch kunde, vnd muste ein Barbarus heten, welcken so tho vorne mit Gesange hedden ingehahlet. Pawest Sixtus dorfte unverschemet mank allen Cardinalen reden, in Gegenwärticheit des Köninges vnd sines Dolmetschers. Pulchra bestia si non careret loqvela. Ob hier ein Papstwort wiedergegeben ist oder ob Kock ein (klassisches?) Zitat bemüht hat oder den Satz selbst prägte, bleibt unklar. Gefunden habe ich ein Vorbild jedenfalls nicht.
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Derselbe Ausspruch wird auch Papst Alexander VI. Borgia in den Mund gelegt, als er Ende 1497 Herzog Bogislaw X. von Pommern in Rom empfing: Pulchra esset bestia, si sciret loqui. Der päpstliche Zeremonienmeister Johannes Burckard schildert die Szene, erwähnt auch einen Dolmetscher, ohne jedoch diese Worte zu überliefern. Immerhin war der Herzog imstande, einen kurzen lateinischen Dank zu sagen, siehe Burckard, Liber notarum, Bd. 2, S. 64 (vgl. Nolte 1998, S. 163, Anm. 45), zur Audienz am 18. Dezember: D. Philibertus Naturelli, orator serenissimi Romanorum regis, fuit interpres ducis coram papa, licet ipse dux aliquantulum competenter sciret latine loqui, nam omnibus familiis cardinalium et oratoribus in die introitus sui ad Urbem ipse tamen paucis latinis verbis gratias egit; primo autem familie pape pro illo egit gratias predictus Philibertus, qui tunc etiam intererat. Hier und bei den großen pommerschen Geschichtsschreibern Johannes Bugenhagen (1518) und Thomas Kantzow (1538, 1542) steht der Satz nicht. Hofmeister 1938, S. 8, der den Spruch zitiert, urteilt: „Dieses angebliche Wort des Papstes ist in bezug auf Bogislaw X. zu schlecht und zu jung belegt, als daß es für historisch gelten könnte.“ Auf S. 20, Anm. 11 schreibt er, dass die Zuschreibung zum ersten Mal bei Barthold 1843, S. 526, ohne Quellenbeleg begegnet und dass Wehrmann 1900, S. 102, Anm. 1, sie schon zurückgewiesen hatte, und bemerkt, dass es sich um eine Übertragung des auf König Christian angewandten Wortes bei Reimar Kock handeln muss. – Die Errichtung der Universität Kopenhagen (1475/79, s. o. Anm. 312) wurde später mit Christians römischem Lateinerlebnis in Verbindung gebracht, siehe En dansk Krønike 1873, S. 518 f.: Der Papst bemerkt, dass Christian kein Latein kann. Saa haffuer da Konningh Christen for sin forsømmelsse skyls loffuit at oprætte it Vniuersitet wdj sit kongerige Danmarck, begierrendis Pauens beuillingh och priuileger der til. Det bleff hannom samtyckt. Saa begyner hand da strax, der hand hiem kom, samme Vniuersitet wdj Kiøbenhaffn, och kalder fra Colne tre professores superiorum facultatum [folgen Namen]. Saa bleff den første Rector y Vniuersitetet indeset primo die Junij (Variante: Julij) Anno Christi 1474 [sic]. ANHANG 3 Begleiter König Christians I. auf seiner Romreise 1474 Die Nummern ohne weitere Angaben beziehen sich auf die Texte und Regesten in den Acta Pontificum Danica (APD 4) und gehören dem April 1474 an, der Zeit, während der sich König Christian in Rom aufhielt. (a) Sicher belegt: Wiedergegeben ist unter (a) die hierarchische Reihenfolge, wie sie im Tagebuch des mailändischen Kanzlers Cicco Simonetta (Simonetta, Diari, S. 97 f.) unter dem 17. März 1474 für den Weg von Mailand nach Pavia festgehalten wurde, mitsamt der Zahl der Pferde. Es liegt auf der Hand, dass dies eine Momentaufnahme ist und
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nicht alle hier Genannten von Anfang an dabeigewesen waren oder es künftig sein würden. Zumal die dänische Adelsforschung mag sich an der weiteren Identifizierung der verballhornten Namen die Zähne ausbeißen. Einige dort nicht (oder nicht erkennbar) genannte, aber sichere Namen sind angefügt, u. a. nach der kurzen Teilnehmerliste bei Petersen, Chronica, S. cliij (zu welchem oben Anhang 1). 1. el Duca de Sasonia (17 Pferde). Petersen, Chronica, S. cliij, nennt ihn: Den Hochgebornen Fürsten und Herren Johann Hertzogen zu Sachsen / zur Lawenburg (16 Pferde). Johann V. Herzog von Sachsen-Lauenburg Geboren ca. 1439, regierte er von 1463 bis zu seinem Tod 1505/07. Auch er war ein Verwandter der Hohenzollern durch seine 1464 geschlossene Ehe mit Dorothea, Tochter Kurfürst Friedrichs II. von Brandenburg. Das „Tagebuch“ des Albert von Klitzing (oben Anhang 1), die Lübecker Ratschronik 1911, S. 124, und die italienischen Quellen nennen ihn oft allein neben dem König oder zumindest als Ersten nach ihm (siehe auch unten Nr. 2, in Bamberg); er saß am Tisch des Königs (oben Anm. 87) und wurde vom Kardinal von Mantua mit einem kleinen Kreuz (crosetta) eigens beschenkt (oben Anm. 298). Bislang war nur eine einzige Urkunde bekannt, die seinen Aufenthalt in Rom bestätigt: Am 20. April 1474 ermahnte Papst Sixtus IV. den Kaiser, Herzog Johann in seinem Streit um die sächsische Kurwürde Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Johannes dux ad nos rediens […] nostrum et apostolicae sedis imploret auxilium (Häberlin 1775, Vorrede, S. XXIX, danach Chmel 1838, Nr. 6858; als einziges Dokument der Romreise auch bei Kobbe 1836/37, Bd. 2, S. 175 f., erwähnt, nach Hugo 1689, Nr. 46; die Reise selbst wird überaus knapp bei Kobbe 1836/37, Bd. 2, S. 186 gestreift). Die noch nicht abgeschlossene Erfassung des Pontifikats Sixtus’ IV. für das Repertorium Germanicum hat jedoch neue Dokumente zutage gefördert, deren Kenntnis ich Andreas Rehberg und Jörg Hörnschemeyer (Rom) verdanke. Sie verlängern die ohnehin schon stattliche Liste der auf Bitten König Christians am 20. April 1474 in Rom ausgestellten Indulgentien (siehe Nr. 2570–2581) um fünf weitere, in denen Johannes dux Saxonie als Antragsteller auftritt: 15 Jahre jeweils für die Burgkapelle in Lauenburg (ASV, Reg. Vat. 660, fol. 408r), die Marienkapelle in dem Glusingk [Glüsing, Pfarrei Artlenburg], Diözese Ratzeburg (ASV, Reg. Vat. 663, fol. 57r), die Hl. Kreuzkapelle in Schoneborne [Schönborn], Diözese Lübeck (ebd., fol. 58r) und die Marienkapelle in Lutkensechar [Klein-Zecher, s. u. Nr. 43], Diözese Ratzeburg (ebd., fol. 58v); dazu kommen Tragaltar und Butterprivileg für den Herzog selbst (ebd., fol. 57v). Außerdem hat er am 27. April 1474 die „Nationalkirche“ S. Maria dell’Anima in Rom besucht und mit 2 päpstlichen Gulden bestiftet (oben Anm. 306). – Undatiert ist seine Bitte um Ausfertigung eines kaiserlichen Zollprivilegs zu Artlenburg an der Elbe, um Schutz vor Hamburg und Lübeck und Herausgabe der Burg Bederixa (Bederkesa) durch Bremen (seit 1381 von der Stadt besetzt), die wohl in die Zeit der Verhandlungen mit dem Kaiser in Rothenburg ob der Tauber gehört, d. h. in die erste Hälfte des Februars 1474 (Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 2, S. 669). Zu seinem Ausflug nach Venedig siehe oben am Ende des Textes. Er wurde allem Anschein nach von seinem Sekretär Albert Gosman begleitet, unten Nr. 43.
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Der hohe Titel eines Herzogs von Sachsen auf geringer territorialer Grundlage war Ausdruck des nicht durchsetzbaren Anspruchs der askanischen Dynastie auf die Kurwürde gegen die sächsischen Wettiner (siehe Hormuth, Endlichkeiten). Martinus de Fregeno, der päpstliche Kollektor in Norddeutschland und Skandinavien, charakterisierte Johann V. in seiner Beschreibung Deutschlands vom Jahre 1479 folgendermaßen: Hic princeps habetur et ex sua persona satis sagax, non tamen satis probus est et pro modico reputatur, um später kurz zusammenzufassen: Johannes dux Saxoniae in Lovenborgk modici pretii est. Martinus wusste, dass es sich nur um ein Anspruchsherzogtum handelte, und beobachtete, dass Johann stets den mächtigeren Herzögen von Pommern und Mecklenburg und eben dem König von Dänemark folgte (Voigt 1968, S. 188 f., Z. 237–249, und S. 197, Z. 562–565). Allerdings verlieh ihm seine hohe brandenburgische Ehe doch ein gewisses Gewicht. Über seine Teilnahme an der Reise war in der einschlägigen Literatur zum Herzogtum Sachsen-Lauenburg nichts weiter zu erfahren (Kobbe 1836/37; Meyn 1998; Ders. 2003; Hillmann 1999; Assing 2012; Bornefeld 2008; Auge 2012; Hormuth 2014). Ein Lauenburgisches Regestenwerk existiert nicht und die Schleswig-holsteinisch-lauenburgische Urkundensammlung reicht nur bis 1400: Hier gäbe es viel zu tun. Das Archiv der 1689 erloschenen Familie wurde ab 1625 teilweise in die neue Residenz Schlackenwerth an der Eger (Ostrov nad Ohři) nach Böhmen gebracht, wo es, 555 Kartons umfassend, im Jahr 1942 noch erhalten war (Gnirs 1933; Warnstedt 1964); es hat das Ende des 2. Weltkriegs überlebt und enthält anscheinend lediglich Verwaltungsakten zu den böhmischen Besitzungen aus dem 17. Jahrhundert. Ins Schleswig-Holsteinische Landesarchiv zu Schleswig sind nur jüngere Teile gekommen (hier Abt. 210 Urkunden Akten, zu letzterem Bestand siehe das Inventar von Prange/Wenn 1985) und ein Bestand Schlackenwerth ist nicht darunter. Siehe künftig die Kieler Dissertation von Franziska Hormuth (Hormuth, Endlichkeiten). Ihr verdanke ich wertvolle Hinweise. 2. Conte de Grapia (10 Pferde), Burchard, Graf von Mühlingen und Herr von Barby Ein Graf von Grapia ist in der Umgebung des Königs nicht bekannt. Vielmehr erwartet man an dieser Stelle den Namen, den Petersen, Chronica, S. cliij an zweiter Stelle nennt: Den Wolgebornen Herren Borcharden Graffen zu Müling und Barbi (8 Pferde). Anscheinend ist Barby zu Braby, Grapi, Grapia geworden. Burchard, Graf von Mühlingen und Herr von Barby, ist in der Tat auf der Reise nachgewiesen, z. B. am 2. Februar 1474 in Bamberg, wo es zu folgender Ausgabe kam: 10 fl. rex Daciae et quidam dux Saxoniae de Lawbenburg ac N. comes de Barben (Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 623, Anm. 1, nach: Archiv des Historischen Vereins für Oberfranken 37, S. 18). Er hat während des Königs Romaufenthalt eine ganze Reihe von Papstprivilegien für sich und seine Familie, seinen Vater (Günter), seine Brüder und seine Schwestern erwirkt, wobei durchaus möglich ist, dass der eine oder andere seiner Brüder (insbesondere Johannes) ebenfalls anwesend war: [1] Nobilis vir Guntherus comes de Mulingen (der Vater) erhält auf des Königs und seine Bitten, qui etiam loci de Barbi dominus
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existis, mit seinen Söhnen Johannes, Burckardus, Albertus und Wilhelmus einen Tragaltar (Nr. 2528); [2] consideratione des Königs nobili viro Gunthero comiti de Mulingen und seinen Söhnen nobilis viris Johannes, Burchardus, Albertus, Wilhelmus und deren Schwestern Wahl eines Beichvaters mit Absolutionsvollmacht, ausgenommen die dem Hl. Stuhl vorbehaltenen Fälle (Nr. 2529); [3] petitio […] pro parte nobilis viri Guntheri comitis de Mulingen et domini loci de Barbi in der Diözese Magdeburg, die Gerichtsbarkeit des Archidiakons über seine Untertanen betreffend, consideratione des Königs, der für den Grafen suppliziert hat (Nr. 2542); [4] pro parte […] nobilis viri Johannis comitis de Mulingen et domini loci de Barbi, Diözese Magdeburg, genehmigte petitio, consideratione des Königs, der für den Grafen suppliziert hat (APD 7, Nr. 5980, Text); [5] für die Franziskanerkirche (St. Johannis) in Barby, apud quam, ut Cristierni Dacie, Svecie, Norvegie regis insinuatione didicimus, maiores nobilis viri Guntheri comitis de Mulingen et domini dicti opidi sepelliri consueverunt, ein Ablass gratis de mandato pape (APD 4, Nr. 2519); vgl. zu dieser Grablege Heinrich 1961, S. 240 f. Burchard, Graf von (Mühlingen und Herr von) Barby, wurde vom König (wohl aus Rom) nach Neapel gesandt, um über eine Heiratsverbindung mit seinem Sohn Hans zu verhandeln: Er kehrte am 23. April von dort nach Rom zurück, siehe 1474 April 24, Rom, Giovanni Pietro Arrivabene an Barbara von Brandenburg: Da Napoli tornoe heri [23. April] quello suo conte de Borbi el qual de là ha ricevuto da la maestate del re [Ferdinand I.] grandissimo honore et presenti per più di mille ducati tra veluti, panni d’oro, collana [d. h. wohl den neapolitanischen Ritterorden vom Hermelin] e doi cavalli, et ha riportato molte amorevol ambasciate et offerte a la maestà del re, e, tra l’altre, de dare la figliola al suo primogenito [Hans, eigentlich der dritte Sohn], ma costui ha più lo capo a Franza. [Pietro Guglielmo de] Rocha, vescovo de Salerno, l’haveva anche visitato per parte d’esso re de Napoli et invitato a volere andare a Napoli (AS Mantua, AG, b. 845/135, Druck: Signorini 1981, S. 50, Nr. 20). Bei dem Besuch der S. Maria dell’Anima war er anscheinend aber nicht dabei (oben Anm. 306). Dass der König auf seine Rückkehr gewartet hatte, bevor er Rom verließ, zeigt 1474 April 29, Florenz, Bartolomeo Bonatto an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1101/309, Druck: Signorini 1981, S. 51, Nr. 22): Alcuni me dissero che de la partita sua non si sentea cossa ferma, perché aspectava alcuni suoi hevea mandati a Napoli che ritornassero. Und dass der Gesandte des Italienischen unkundig war, also kein Italiener gewesen sein kann, zeigt die Nachricht, dass Pieter Bogaert, der burgundische Prokurator an der Kurie, dem dänischen Gesandten in Neapel (also Barby) als Dolmetscher diente, siehe oben Anm. 133. Einiges zu diesen Verhandlungen siehe bei Paludan-Müller 1880/81, S. 309 f. Am 10. Mai 1474 schrieb Gerardo Cerruti aus Bologna an den mailändischen Kanzler Cicco Simonetta, er sei der Meinung, dass der dänische König quel suo conte nach Neapel geschickt habe nicht so sehr aus eigenem Antrieb (tanto di suo instincto), als um einen der Unsrigen zu unterstützen (quanto per conforto de qualcuno de’ nostri), siehe Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007, Bd. 2, S. 408, Nr. 1144; in der Anm. 1 hat der Herausgeber diesen Grafen mit Brocardo (!) de’ Persico (ca. 1408–ca. 1491) gleichgesetzt, der zur Familie der Grafen von Sabbioneta gehörte, dies nach dessen biographischer Notiz bei Cerioni 1970, Bd. 1,
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S. 207, wo angegeben ist, dass er sich 1474 im Dienst König Ferdinands I. von Neapel nach „Dänemark“ begeben habe, „in Dacia“; Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007, Bd. 2, S. 409, Nr. 1146a (ebenfalls Mai 10) sind Kredenzbriefe an den König von Dänemark et ad quel conte Brocardo erwähnt; ebd., S. 410, Nr. 1147 (Mai 12) ist die Rede delo andare del conte d’Urbino ad Napoli, was der Herausgeber ebenfalls auf Brocardo de’ Persico bezieht, aber wohl eher Federico da Montefeltro meint, der gerade erst am 23. März 1474 vom Grafen zum Herzog aufgestiegen war. Eine neapolitanische Gesandtschaft traf den König Ende Mai 1474 in Lodi (siehe oben Anm. 213); sie wird hier gemeint sein. Zur Familie der Grafen von Barby (1223–1659), Grafen von (Groß-)Mühlingen in der Magdeburger Börde und Herren, später Grafen von Barby an der Elbe (beide in Sachsen-Anhalt), siehe Heinrich 1961, Kap. 3 (S. 167–242: Genealogie, dazu Stammtafel 3 am Ende des Bandes) und Kap. 6 (S. 306–334: Besitz); nichts zur Romreise. Außerdem Brademann 2012, S. 154 f.: „Neben Johann IV., der in Wien begraben sein soll, stand Burchard VII., der am dänischen Königshof erzogen wurde (Romfahrt 1474) [Belege fehlen] und sich 1449 in Leipzig immatrikulierte, in enger Beziehung zum Kaiser, stieg unter Maximilian zum Hofrat auf. Er erreichte 1497 die Erhebung der Herrschaft Barby zu einer Reichsgrafschaft (privilegium denominandi / Rotwachsfreiheit).“ Diese Innsbrucker Urkunde vom 1. Dezember 1497 ist gedruckt bei Lenz 1751, S. 85–88; vgl. zum Status der Grafschaft Mühlingen RI XIV, 2,1, Nr. 5609 (12. Dezember 1497). – Graf Günther VI. (1417– 1493) hatte aus seiner ersten Ehe mit Katharina von Regenstein die Söhne Burchard VII. († 1505), Johann IV. († 1483) (zusammen mit seinem Vater in kaiserlichen Diensten; Johann ist schon 1467, 1468/69 (mit dem Kaiser in Rom: Heinig 1997, Bd. 2, S. 432–434; Ders. 2016, S. 352 mit Anm. 32), 1470 im Dienst Friedrichs III. bezeugt, siehe Chmel 1838, Nr. 4936, 5482 und 5941; Das Taxregister der römischen Kanzlei 2001, Index), Albrecht IX. († 1483) (in brandenburgischen Diensten), Bernhard († 1478) und Hoyer († 1521); aus der zweiten Ehe mit Sophie von Anhalt-Köthen lebten 1474 noch Wilhelm († 1493), evtl. die Töchter Margarete († 17 Jahre alt) und Sophie († 14 Jahre alt) und sicher Ursula († 1484), siehe Heinrich 1961 und Europäische Stammtafeln, Bd. 12, 1992, Taf. 37. 3. Conte de Helfeson (3 Pferde). Petersen, Chronica, S. cliij: Den Wolgebornen Herren Ludwigen Graffen zu Helffenstein (5 Pferde) = Ludwig Graf von Helfenstein Ludwig, Graf von Helfenstein (Helfensteyn), und sein Bruder Friedrich sowie seine Nachfolger und alle Bewohner des castrum Hildemburg (Hildenburg, Gemeinde Bad Ditzenbach, Baden-Württemberg), des opidum Wisensteig (Wiesensteig) und der villa Gospach (Gosbach, Gemeinde Bad Ditzenbach) in der Diözese Konstanz, Provinz Mainz, que in vestro dominio consistunt et ubi oleum olivarum non crescit, erhalten auf Supplik König Christians ein Butterprivileg für die Fastenzeit, die Karwoche ausgenommen (Nr. 2541). – Der Graf von Elvesten saß am Tisch des Königs (oben Anm. 87), war anscheinend beim Besuch des Königs am 27. April in S. Maria dell’Anima aber nicht dabei (oben Anm. 306). Ludwig (III., † 1492) und sein
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jüngerer Bruder Friedrich (II., † 1483) aus der Linie Wiesensteig nahmen als Vertreter bzw. Diener König Christians 1471 mit zusammen 14 Pferden am Reichstag zu Regensburg teil, siehe RTA ÄR 22, S. 546, Z. 5 f., S. 601, Z. 15 und 21, S. 611, Z. 27, S. 613, Z. 30 (Ludwig als Rat Christians bezeichnet), S. 739, Z. 20, S. 740, Z. 32, S. 792, Anm. 1, und im Register auf S. 1039 (b); auch oben bei Anm. 302/303 und Ludwig von Eyb der Ältere, Schriften, S. 447. Bei Kerler 1840 nichts von all diesen Dingen, lediglich auf S. 120 die Mitteilung, dass Graf Friedrich (mit 14 Pferden) mit seinem Sohn Ludwig d. J. (mit 6) und seinem Bruder Ludwig d. Ä. (mit 12) an der Hochzeit Eberhards von Württemberg mit Barbara Gonzaga teilnahm (die vom 3.–6. Juli 1474 in Urach gefeiert wurde), was Zeilinger 2003 durchweg bestätigt (die Ludwige im Gefolge Graf Ulrichs von Württemberg-Stuttgart, Kerler 1840, S. 120, Ludwig [d. Ä.], auch S. 154) und dazu erkennen lässt, dass Graf Friedrich der Abordnung angehörte, die Barbara am 28. Juni in Kempten einholte, und außerdem einer der drei Fest-Tanzmeister war; Friedrich diente 1468 als adliger Rat Eberhards in Urach, in dessen Gefolge er hier begegnet, 1465–1483 auch am Stuttgarter Hof (ebd., S. 39, 76 und 95, dazu die Quellentexte auf S. 123, 144 und 153). Dies lässt vermuten, dass Friedrich am 16. April mit Graf Eberhard von Württemberg Mantua und König Christian verlassen hat. Graf Ludwig nahm sogar schon im Februar 1474 an der Amberger Hochzeit teil (Zeilinger 2003, S. 97), so dass auch er, möglicherweise früher sogar, sich von Christian getrennt hat. – Zur Familie siehe Eberl 2012a; Europäische Stammtafeln, Bd. 12, 1992, Taf. 58. Zu ihrem Vermögensstand siehe Das Taxregister der römischen Kanzlei 2001, Nr. 4485 und 4499): Item ban uber das blut fur Ludwigen grafen zu Helffenstein; pauper est, ideo dominus [Kaiser Friedrich III.] dedit gratis; neuer Arrest für Beatrix, Gräfin zu Helfenstein, gegen Graf Ludwig: dominus dedit gratis, quia hinc inde pauperes et quia propter deum etiam sunt consangwinei domini ([Augsburg], 28. Juli 1474, d. h. während des Treffens von Kaiser und König). 4. d(ominus, hier: Ritter) Leonardo de Vaynech, consiliero del Duca de Hosterlich (6 Pferde) = Leonhard von Weineck, Rat des Herzogs Sigmund von Österreich-Tirol Wohl erst in Trient dazugestoßen, ist auch anderweitig mit dem König in Mailand bezeugt, siehe 1474 März 22, [Mailand], Konrad von Hertenstein (Tristano de Saxoduro) an Barbara von Brandenburg (AS Mantua, AG, b. 1624; Carteggio degli oratori mantovani, Bd. 9), Original deutsch, hier in italienischer Übersetzung. Anfang Mai kommt er, Hauptmann von Trient, durch Mantua auf dem Weg zum König, siehe 1474 Mai 2, [Mantua], Barbara von Brandenburg an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 2012, zitiert bei Signorini 1981, S. 37, Anm. 71): È stato da me questo capitaneo da Trento et ha havuto meco un longo rasonamento de molte e varie cose, monstrando ch’el sia mandato dal signore suo, illustrissimo duca de Austria, contra el re par sollicitare suoa maestà ad ritrovarse presto ad Ispruch [Innsbruck], et dice che ancho lo imperatore li ha scripto e mandato cavallari a posta a farli instantia de questo medesimo, quasi dubitando che suoa maestà non piggliasse qualque altra intelligentia o cum lo duca de Borgogna o cum altri, over facesse parentado cum per-
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sone che non andassero ben per mente a la maestà l’imperatore. Siehe zu ihm und seiner Familie (Ministerialen des Hochstifts Brixen) Santifaller 2000, S. 162; Bellabarba 1995, S. 73 (hat Leonhard nur für 1472 und 1473 als Hauptmann von Trient); Die Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein 2013, Nr. 507, mit weiterer Literatur. Leonhard, Sohn des Hans von Weineck († 1452) und der Anna von Kronmetz († 1447), war zugleich Tiroler Oberstkammermeister; er kaufte im Jahre 1472 die Burg Schenkenberg bei Völs am Schlern (freundliche Auskunft von Walter Landi, Bozen). 5. d. Nicholò de Romon (8 Pferde). Claus Rønnov Zu lesen ist sicher Romov oder Ronnov. Es handelt sich um den nobilis vir Nicolaus Ronow, miles der Diözese Odense, regis marescallus, dem ein Tragaltar bewilligt wurde (Nr. 2549), auch das Patronat über die Pfarrkirche von Seden in der Diözese Odense, in solo atque fundo ipsius militis sittuata (Nr. 2550). Er wurde auch genannt Magnificus et nobilis vir dominus Nicolaus Ronnow, laicus, marescallus regni Dacie pro domino rege (Nr. 2595). – Am 17. April 1474 saß lo marescalcho in Rom am Tisch des Königs (s. o. Anm. 87). Seine römische Gegenwart ist auch durch den Eintrag mit der Spende eines Guldens in die Bücher der „deutschen“ Nationalkirche S. Maria dell’Anima vom 27. April bezeugt (oben Anm. 306). Sein Auftreten fand jedoch nicht nur Anerkennung, siehe 1474 April 29, Florenz, Bartolomeo Bonatto an Ludovico Gonzaga (AS Mantua, AG, b. 1101/309, Druck: Signorini 1981, S. 51, Nr. 22): Qui […] est molto comendato la maestà sua [König Christian], me quello suo capitaneo, chi è sescalco, molto biasemato et imputato de altereza, che non havesse respecto ad alcuno, ad urtare et far come se non vedesse. Ende Juni/Anfang Juli reiste er als Haupt der Gesandtschaft, die der König an Karl den Kühnen abordnete und der auch Albert Klitzing angehörte (unten Nr. 9) und der Herold Dietrich (unten Nr. 36 f.), an den Rhein (Niitemaa 1960, S. 299 mit Anm. 1 f.). Claus Rønnov († 1486), Sohn des Marqvard R. und der Margarete oder Anne von der Wisch, ist seit 1441 als Ritter belegt, seit 1449 sicher als Marschall von König und Reich Dänemark. Er versuchte mit Unterstützung des König in Rom eine kirchliche Pfründe für seinen Sohn Carl zu erwirken: Der wird im März 1475 Bischof von Odense (s. u. Nr. 57). Siehe zu Claus Salonen 2010, S. 49, nach Christensen 1900b. Ein Brief des Francesco Gonzaga, Kardinal von Mantua, an ihn, zu Mantua, am 23. Januar 1480, ist in AS Mantua, AG, b. 1896/96, fol. 174v erhalten (freundl. Hinw. von Jürgen Herold, Greifswald). 6. d. Zohanne, doctore (3 Pferde). Petersen, Chronica, S. cliij, nennt Doctorem Johannem Heisen als dritten der drei Doktoren, die zusammen zehn Pferde hatten (siehe Nr. 7 und 35) Johannes Heysen, Kleriker der Diözese Mainz (wohl aus Nordhausen), des Königs medicus (ein Doktorgrad wird nicht erwähnt), der in seiner Jugend in schwerer Krankheit gelobt, Priester zu werden, aber an einem Todesurteil mitgewirkt hatte, wird von diesem Gelübde und der irregularitas befreit (Nr. 2531, nicht im RPG 6);
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siehe auch Nr. 2574 (Benefizien in Erfurt). – Petersen, Chronica, S. clvj: Den 6. May kam [der König] gen Bononien / da ward Magister Hermannus Reinßberger deß tags in der Hauptkirchen [s. u. Nr. 7] / vnd Magister Johann Heise des abends in des Königs Herberg durch die vier Obersten Doctoren der Vniuersitet vmb fürbitt des Königs in Doctoren promouiert (Heysen zum Dr. med., nicht am 6. Mai, sondern am 26. März). Des Königs Herberge war der Palazzo de’ Signori (Ghirardacci, Della historia di Bologna, S. 214). – Im Winter 1454/55 immatrikulierte er sich in Erfurt und wurde dort im Frühjahr 1457 zum baccalaureus artium promoviert; den Grad eines magister artium erwarb er vor 1474. Siehe RAG, nach freundl. Hinw. von Rainer C. Schwinges, Bern, 17. September 2014. – Vgl. unten Nr. 44 und 45 (Christopher und Georg von Heisen). 7. d. Renzo Pergo, doctore fisico (3 Pferde). Petersen, Chronica, S. cliij, nennt Doctorem Hermannum Reinßberger als zweiten der drei Doktoren, die zusammen zehn Pferde hatten (siehe Nr. 6 und 35) Hermann Reinsberger, Kleriker der Diözese Bamberg, legum doctor und regis consiliarius (Nr. 2523). – Sein Studium hatte er im Winter 1445/46 in Leipzig begonnen, wo er im Sommer 1449 zum baccalaureus artium und im Winter 1452/53 zum magister artium promoviert wurde; er setzte es seit August 1457 im Zivilrecht zu Perugia fort und schloss es vor Mai 1471 dort oder anderswo mit der Doktorpromotion ab. Seine (Ehren-)Promotion zum Dr. im Zivilrecht (nicht der Medizin) wird von Petersen erwähnt (siehe oben Nr. 6), aber auch und vor allem von Bologneser Quellen: 1474 März 27, Bologna, Gerardo Cerruti an Galeazzo Maria Sforza (Il carteggio di Gerardo Cerruti 2007, Bd. 2, S. 361–363, Nr. 1085), zum 26. März 1474: Smontò [der König] in palazo, disnò et riposò et sule XXII hore a richiesta d’uno de suo paese che se voleva doctorare in iure civili se condusse ad tale celebratione in la chiesia patronale di San Piero et ad latus eius fu doctorato. Sie beschreibt eingehend Piana 1984, S. *189: Zulassung am 25. März 1474: convocato collegio de mandato meo, fuit dispensatum per doctores collegii cum d. Armanno Remsperger de Alamania, consiliario serenissimi regis Datie, quatenus ad conventuum publicum admitteretur, non obstante quo per duos dies ante cedule non fuerint misse; et hoc ob temporis angustiam, nam rex ipse serenissimus Romam festinus petebat. Promotion am 26. März 1474: d. Hermannus predictus in ecclesia catedrali publicum suum conventum inivit in conspectu serenissimi regis Datie, necnon d. locumtenentis [Benedetto de Mastinis da Mantova, 1475 Rat Markgraf Ludovicos], ac in presentia magnificorum dominorum Antianorum [der Anziani] et magnifici vexilliferi iustitie d. Galeaz Marascotti de Calvis [der gonfaloniere di giustizia Galeazzo Marescotti de’ Calvi], genitoris mey, pro magnifico et potenti populo Bononie, necnon in frequentissimo procerum cetu, nobiliumque hominum clarissimorumque equitum caterva et prestantissimorum doctorum numero, insigniaque doctoratus adeptus est. Intervenerunt autem huiusmodi gloriosissimo et memorando per omnia secula actui rev. omnes collegii doctores. Presentantes autem fuerunt clarissimi iurisconsulti d. Vincentius de Palliotis, d. Albertus de Cataneis et ego, Agamemnon Marschottus de
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Calvis nunc prior. Nomine omnium et maxime nostri, qui presentantes fuimus, d. Vincentius Palliotus doctoratus insignia dicto d. Hermann, ante regios pedes stanti, contulit. Intervenerunt autem huiusmodi actui magnifico et stupendo infrascripti duces et barones, videlicet inprimis … [Hier hat das Manuskript eine bedauerliche Lücke: Die Namen erfahren wir deshalb nicht]; hierzu Anm. 631: das Corpus chronicorum Bononensium 1938–68, Bd. 4, S. 439 f., hat irrtümlich das Datum des 26. April, berichtet aber richtig, dass der König el sabato andò a S. Piero e lì fè adottorare uno di soi ch’è in soa compagnia di li soi primi. – Ende 1463 war Reinsberger schon in Rom gewesen, als Prokurator von Nürnberg, siehe Thumser 1989, S. 71. Seine Familie stammte aus dieser Stadt, siehe Chmel 1838, Nr. 4609. Dort wurde er um 1427 geboren und dort starb er am 18. November 1481. Siehe RAG (freundl. Hinw. von Rainer C. Schwinges, Bern, 17. September 2014). Siehe künftig Andresen 2009/2017; siehe schon Dies. 2014, S. 170 (seit 1471 im Dienst des Albrecht Achilles). 8. d. Zohanne de Trampen, cavaliere (3 Pferde) 9. Alberto de Cinque (3 Pferde). Petersen, Chronica, S. cliij, nennt an sechster Stelle Den Wirdigen Herren Albertum Clitzing / Probst zu dem Berlyn (4 Pferde) Albert (von) Klitzing (Clitzing), Domherr zu Magdeburg (seit Anfang 1460), regis secretarius ac ex utroque parente de militari genere (Nr. 2524), dem wir den ausführlichsten Bericht über die Reise verdanken (siehe oben Anhang 1), stammte aus Möllendorf in der Prignitz, Diözese Havelberg. Nach seinem Studium in Rostock (immatrikuliert am 2. Dezember 1450) und Leipzig (immatrikuliert im Sommer 1469, Angaben über die erreichten Grade fehlen) war er spätestens seit 1460 als Schreiber, Rat, Protonotar, Diplomat in brandenburgischen Diensten, nachweislich Propst des Domstifts von Berlin vom 20. Januar 1472 bis 31. März 1475 (Das Bistum Brandenburg 1929, S. 221). Noch am 13. September und 1. Oktober 1473 diente er Kurfürst Albrecht, der ihn zu König Christian sandte (Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 572, Nr. 688, und S. 578, Nr. 701). Am 16. Februar 1474 stellte Kaiser Friedrich aber wie dem König so auch ihm ein Empfehlungsschreiben an Sixtus IV. aus (siehe oben Anm. 37): Er war nun vollständig in den dänischen Dienst getreten. Aber noch am 23. März 1474 nannte Barbara von Brandenburg ihn in Mantua orator Kurfürst Albrechts beim König (Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 1, S. 634 f., Nr. 801), und am 1. Mai 1474 galt er noch dem mantuanischen Geschäftsträger in Rom als brandenburgischer Diener (oben Anm. 121). Jedenfalls unterrichtete er seinen ehemaligen Herrn weiterhin und dieser ihn (siehe oben bei Anm. 169–171, 227 f. und 237 f.). Auf der Reise spielte er eine wichtige Rolle, war bei den geheimsten Verhandlungen dabei und wurde auf eine Weise aktiv, die nicht allen gefiel (siehe oben Anm. 228, 1474 März 18: das ich ewr Gnaden Diner bin gewesen; Anm. 121: superbia et malignitas; Anm. 207/208). Wahrscheinlich wurde er auf Bitten des Königs und Kurfürst Albrechts während des Romaufenthalts von Sixtus IV. in pectore zum päpstlichen Protonotar ernannt, doch wurde hierüber keine Bulle ausgestellt, was nachzuholen Kurfürst Albrecht am 24. August 1483 erbat (Politische Corres-
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pondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 3, S. 270, Nr. 972). Der Tod des Papstes am 12. August 1484 scheint dies endgültig verhindert zu haben. Noch vor Abschluss der Reise wurde Klitzing zu Augsburg Ende Juni/Anfang Juli Mitglied von Christians Gesandtschaft an Karl den Kühnen, die Claus Rønnov, der dänische Marschall (oben Nr. 5), leitete und der auch der Herold Dietrich (unten Nr. 36 f.) angehörte (Niitemaa 1960, S. 299 mit Anm. 1 f.), hielt aber weiter Kontakt zum einflussreichen Kurfürsten (Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 2, S. 104 f., Nr. 98; oben Anm. 102). Ende 1475 sandte der König ihn zu Herzog Albrecht von Sachsen (oben Anm. 102). Er wurde 1478 Dompropst von Hamburg (welches Amt er 1505 zugunsten seines Verwandten Joachim Klitzing resignierte, siehe APD 4, Nr. 2703), 1485–1498 Domdekan von Magdeburg und Inhaber weiterer Benefizien in dieser Stadt, nachdem er in den Dienst des Erzbischofs von Magdeburg übergewechselt war. Er starb am 8. August 1511. Siehe zu ihm RAG (freundl. Hinw. von Rainer C. Schwinges, Bern, 17. September 2014); Priebatsch 1892, S. 571–573; Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98; Lindbæk 1907, S. 92; Niitemaa 1960, S. 265 und 317; Das Erzbistum Magdeburg 1972, S. 364 f. (mit weiterer Literatur). Siehe künftig Andresen 2009/2017; siehe schon Dies. 2014, S. 165, Anm. 57, und S. 169 (seit 1467 im Dienst des Kurfürsten). 10. Magistro de la Corte, cavalere (3 Pferde) Mir ist nicht bekannt, wer auf der Reise das Amt des Haushofmeisters bekleidete. Eigentlicher Inhaber des Amtes war 1456–1480 und eventuell noch danach Erik Ottensøn Rosenkrantz († 1503), doch an den richtete Christian am 26. März 1474 aus Bologna einen Brief (siehe oben Anm. 201), er war also nicht auf die Reise mitgekommen. Siehe zu ihm Christensen 1900c. 11. Gran Cavaliero (3 Pferde) Der Stallmeister? 12. Johanne Vruc (2 Pferde), Jens oder Hans Urne Sicherlich Urne zu lesen: Johannes (Jens) Urne, magister in artibus, Rektor der Pfarrei Tikøb in der Diözese Roskilde, regis acceptus (Nr. 2543). Bei seiner Immatrikulation in Rostock am 1. Juli 1458 gab er als Herkunftsort die dänische Insel Fünen an; in Rostock wurde er im Winter 1459/60 baccalaureus artium und im Winter 1462/63 magister artium (RAG, unter „Urne“, 2. September 2014). Siehe zu ihm Christensen 1904. 13. d. Johanne Esse (4 Pferde) Johannes Hesse? 14. d. Nicholò Mordor (2 Pferde). Vgl. unten Nr. 72 (Kaplan Niclas).
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15. Torigo Henzer (2 Pferde) 16. Christiano Horner (2 Pferde) Etwa Tristano, Hertristano: Konrad von Hornstein/Hertenstein? (vgl. unten Nr. 76: Hertenstein). 17. Acauteri Zenecha, canbarero (2 Pferde) Canbarero könnte Kämmerer, Rechnungsführer meinen. 18. Nicholò Monel (2 Pferde) Vgl. unten Nr. 72 (Kaplan Niclas). 19. Existentivos (2 Pferde) 20. Cotsit Radel (2 Pferde) Es handelt sich vermutlich um den dänischen Vornamen Corfits, den z. B. Corfits Rønnov († 1494) trug, ein Neffe des Claus (oben Nr. 5); er war 1462–1475 Hofmeister der Königin Dorothea, siehe Christensen 1900b, S. 509. 21. Cotsit de Pratceche (2 Pferde) Es handelt sich vermutlich um den dänischen Vornamen Corfits. 22. Volf Pager (2 Pferde) Ein Wolf oder Wolfgang. 23. Tecelffe de Stech hostiarius (2 Pferde) Hostiarius, d. h. Pförtner, huissier. 24. Isop (2 Pferde) 25. Adel de Gramalpe (2 Pferde) 26. Eniech Senech (2 Pferde) 27. Torve Pranch (2 Pferde) 28. Otchalor (2 Pferde) 29. Thoi (3 Pferde)
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30. La carreta, et andata ad inante (8 Pferde) Der Karrentross und der Vortrab. Ein Florentiner beobachtete, dass der König pochissimo carriaggio mit sich führte, siehe oben Anm. 97. 31. Zohanni Lemenzi (1 Pferd) 32. Christoforo (1 Pferd) Vgl. unten Nr. 44: Christoforus de Heysen. 33. Michele (1 Pferd) 34. Lenarra (1 Pferd) Könnte damit ein „Narr“ gemeint sein? Bei Simonetta nicht erkennbar sind anderweitig genannt: 35. Dr. Heinrich Sanckenstede. Petersen, Chronica, S. cliij, nennt Doctorem Heinricum Sanckenstede als ersten der drei Doktoren, die zusammen zehn Pferde hatten (siehe Nr. 6 und 7) Domherr von Verden, legum doctor, wird er auf Bitten des Königs als dessen secretarius mit Kanonikaten in Verden und St. Marien zu Erfurt providiert (Nr. 2538). Derselbe begegnet als Dekan von St. Andreas zu Hildesheim (Nr. 2553), welches Amt er schon seit dem 10. Dezember 1464 besaß. – Er hatte sich im Winter 1442/43 in Erfurt immatrikuliert und dabei angegeben, dass er aus Lüneburg stamme (wo seine Familie dem Patriziat der Sülfmeister angehörte, siehe Buettner 1704, unter „Die von Sanckenstedt“, der Ort unweit Lüneburg: „Er war König Christiani I in Dännemarck Dolmetscher am Päbstlichen Hoffe 1460“ [!], ohne weitere Nachweise); in Erfurt wurde er im Frühjahr 1446 zum baccalaureus artium und im Winter 1449 zum magister artium promoviert; den Doktorgrad im Zivilrecht erwarb er am oder nach dem 30. Dezember 1454 in Padua, nachdem er am 9. Januar des Jahres der Promotion des Luderus Horneborch, Propstes von St. Cyriak in Braunschweig, zum licentiatus in decretis als Zeuge beigewohnt hatte, hier als doctor artium bezeichnet (wie für mag. art. in Italien üblich). Am 19. Oktober 1456 immatrikulierte er sich in Greifswald, als doctor legum bezeichnet und von der Gebühr befreit (siehe RAG, unter „Zaukenstede“, „Sanckenstede“ bzw. „Senckenstede“, 1. September 2014; Weiteres nach freundl. Hinw. von Rainer C. Schwinges, Bern, 3. Oktober 2014). Im Jahre 1460 ist er bereits als Rat König Christians bezeugt. In Rom sprach er vor Papst und Konsistorium im Namen des lateinunkundigen Königs (oben Anm. 127 und Anhang 2) und am 7. März 1474 schickte König Christian ihn aus Bozen nach Mantua voraus, um Ludovico Gonzaga über den abgeänderten Reiseverlauf zu unterrichten und entsprechende Vorbereitungen zu treffen, siehe oben Anm. 47. Priester seit spätestens 9. November 1464, starb er schon im Jahre 1476. Weiteres zu ihm bei Vosshall, Stadtbürgerliche Verwandtschaft, Personen-
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katalog Nr. 206, mit Hinweis zum Romaufenthalt auf die Regesten der in Niedersachsen überlieferten Papsturkunden 1993, S. 515 f. – Zu seiner Familie siehe auch RPG 6, Nr. 1145 (De matrimonialibus): Aytmanus Sanckenstede laicus et Alheida Rutiken mulier Verdensis diocesis ex certis rationalibus causis desiderant matrimonio copulari, sed quia 4. consanguinis gradus sunt coniuncti bitten sie um und erhalten Dispens, Rom, 22. Juni 1478. Vgl. zu diesem Quellentyp aus skandivischdänischer Sicht Ingesman 2009. 36–37. zwen Ernholt auff vnd an, Petersen, Chronica, S. cliij Weder die Amts- noch die Personennamen dieser Herolde sind genannt. Doch wissen wir anderweitig von zwei Herolden, die im Auftrag des reisenden Königs unterwegs waren: (1) 1473 Mai 1: Christians Wappenkönig Konrad hat einen Brief seines Herrn an Herzog Karl den Kühnen von diesem Tage überbracht, siehe Der Briefwechsel Karls des Kühnen 1995, Bd. 2, Nr. 2271. (2) 1473 Oktober–November: Ein dänischer Herold ist beim Treffen von Trier anwesend (Seggern 2003, S. 319). Ludwig von Eyb d. Ä. nennt ihn den heralt, der zu Regenspurg was (oben bei Anm. 302 f.). Da auf dem Reichstag zu Regensburg 1471 herr Conrat von Tenmargkt erhold im Gefolge des Kurfürsten von Brandenburg nachgewiesen ist (RTA ÄR 22, S. 531, Z. 8, und das Register, S. 1018 (a)), wissen wir, wer es war. (3) 1474 April: Ein Geschenk von 30 £ wird zu April 1474 an Dannemarke (ohne weitere Bezeichnung) in der Jahresaufstellung 1474 des burgundischen Argentiers aufgeführt, siehe Comptes de l’argentier, Bd. 4, 2009, S. 169, § 140; hier zum Monat November 1474 auch ebd., S. 190, § 447 das Geschenk von 18 £ an ung ancien fol du roy de Dannemarche. (4) 1474 April 12, Senlis, König Ludwig XI. schickte mit seinem Brief an Christian den heraldus suus Scocholin [Stockholm] zurück (Lettres de Louis XI 1895, Nr. 782). (5) 1474 Mai 18, Cremona, Christian an Barbara von Brandenburg: Sein Herold und Wappenkönig Danmark sei mit Briefen des Königs von England und des Herzogs von Burgund eingetroffen; er schickte eine Kopie dieser Schreiben (AS Mantua, AG, b. 563/51, freundl. Hinw. von Jürgen Herold, Greifswald). (6) 1474 Ende Juni/Anfang Juli, Augsburg: Einer Gesandtschaft Christians an Karl den Kühnen gehört auch an Dietrich, der Herold des Königs (Niitemaa 1960, S. 299 mit Anm. 1 f.). Hinzu kommt noch (7) die Darstellung eines dänischen Herolds im Bild zu S. Spirito in Sassia (oben bei Anm. 307 f.; Abb. 9). Im März und April 1467 ist der Herold „Stockholm“ am burgundischen Hof belegt (Lille, Arch. dép. du Nord, B 2064, fol. 99r und 123v bzw. 125v, freundl. Hinw. von Torsten Hiltmann, Münster; siehe Ehm 2002a, S. 282 mit Anm. 316); im Dezember 1468 ist es Stock Willems [wohl eher Stockholm zu lesen], herault d’armes du roy Dannemarche (Comptes de l’argentier, Bd. 1, 2001, S. 490 f., § 2054); een heraut van den coninc van Denemarken bzw. Schocholmen [Stockholm] herault kam am 31. August 1469 nach Leiden (Seggern 2003, S. 176 mit Anm. 223); am burgundischen Hof im Dezember 1469 Sthocholmen [Stockholm], herault darmes du roy Dennemarche (Comptes de l’argentier, Bd. 2, 2002, S. 292, § 1127); im März 1470 Conrart van Pruyssen, roy d’armes du roy Denemarche (ebd., Bd. 3/1, 2008, S. 427, § 1448); leider fehlen die Jahre 1471–1476 des Argentiers, sie hätten sonst noch nähere Auskunft geben kön-
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nen. Aus dem Vorhandenen ergibt sich, dass im fraglichen Zeitraum Herolde mit den Vornamen Konrad und Dietrich vorkommen, Konrad (von Preußen) als Wappenkönig den Amtsnamen „Dänemark“ trug und ein Unbekannter als Herold den Namen „Stockholm“. Um diese beiden wird es sich handeln. – Somit sind die Identifikationen, die Verwohlt 1972, S. 208–213 und 226 mit den Anm. vorgenommen hat, hinfällig. Der am 2. Februar 1464 nachgewiesene persefant Christiern Sieland [Sjæland, Seeland] ist nicht Cristoforo da Bollate, denn der war kein Herold, sondern der derzeitige mailändische Gesandte am französischen Hof, siehe Cerioni 1970, Bd. 1, S. 141 f.; MacDougall 1982, S. 94 (12. Mai 1473) und 113 (17. Juni 1474); Carteggi diplomatici 1985–87, Bd. 1, S. 272 f., Anm. 1, und schon richtig PaludanMüller 1880/81, S. 268. Es ist deshalb auch nicht „Seeland“, der am 10. April 1474 aus Senlis Bericht erstattete (so Verwohlt 1972, S. 209, mit Anm. 22 auf S. 226), denn wie oben (3) gezeigt, hieß der Herold (nicht Persevant) dort „Stockholm“; es war Cristoforo da Bollate (Paludan-Müller 1880/81, S. 278 f. mit Anm.), nach AS Mailand, Archivio Sforzesco; der von Verwohlt gegebene Hinweis auf S. 337 geht ins Leere. Die in der unveröffentlichten Depesche enthaltene Nachricht, Christian habe dem Herzog von Mailand Colare et ordine, also den Elephantenorden verliehen, ist zu beachten. Verwohlt will im Empfangsbild zu Malpaga wenig überzeugend auch das Wappen von Seeland (in Silber drei blaue Löwen) erkennen (siehe Verwohlt 1972, S. 210 mit Abb. 7). Riis 1988, Bd. 2, S. 81 bietet eine biographische Notiz zu Thomas Young, Persevant Sjæland, der im Oktober 1488, April 1490 und 1496 oder 1497 nach Schottland entsandt wurde, aber nicht mehr derselbe wie jener gewesen sein muss. Andererseits kann der Herold/Wappenkönig „Dänemark“ nicht mit Meister David Kock, einem Schotten, der eigentlich David Corran hieß, identisch sein (Verwohlt 1972, S. 210–213 und 226 f.), denn dieser trug nicht nur einen anderen Vornamen, sondern ist erst ab 1490 bezeugt, wie Verwohlt selbst ausweist; eine weiterführende biographische Notiz († 1529) siehe bei Riis 1988, Bd. 2, S. 57 f., der ihn zuerst in englischem und erst seit 1496 in dänischem Dienst gefunden hat, Verwohlt allerdings ignoriert. Daneben führt Verwohlt noch einen Persevant „Lolland“ an, bezeugt 1458 und 1461 (Verwohlt 1972, S. 208 f. und 226). (b) Bislang unbekannte Namen aus den Acta Pontificum Danica: Aus dem Repertorium Germanicum sind weitere Belege zu erwarten, sobald der Pontifikat Sixtus’ IV. (Bd. 10) vorliegt; Andreas Rehberg und Jörg Hörnschemeyer (Rom) haben mir jetzt schon die bis zum 1. September 2014 vorliegenden Einträge zu Johann V. von Sachsen-Lauenburg mitgeteilt (siehe oben Nr. 1). In RPG 6 wurde nur ein einziger halbwegs einschlägiger Eintrag gefunden, siehe oben Nr. 35 (Sanckenstede); es erstaunt, dass einschlägige Vorgänge (oben Anm. 98, unten Nr. 55) dort nicht begegnen. Es ist anzunehmen, dass alle diejenigen, die als dilectus, continuus commensalis oder Kaplan bezeichnet werden, Teil des königlichen Gefolges waren. Ganz sicher ist es aber nicht.
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38. Johannes Andree (Jens Andersen), Domherr von Roskilde Prokurator des Elekten von Lund Johannes Brostrup (Nr. 2594 f.; DDL 4, Nr. 214, S. 191 f.; siehe auch APD 4, Nr. 2600 und 2633; DDL 4, Nr. 215). Ders. supplizierte (fiat) für ein erledigtes Kanonikat in Lund, anstelle des † Magnus Andree, devota creatura […] Francisci sancti Eustachii cardinalis [Francesco TodeschiniPiccolomini] familiaris domesticus et continuus commensalis, qui demum ab ipsa familiaritate recessit und extra Romanam curiam gestorben ist; der Kardinal habe der Provision ausdrücklich zugestimmt, Nr. 2597; DDL 4, Nr. 215, S. 192 f. (Text). Vgl. oben Anm. 262. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich um einen Kurialen handelt, der nicht mit dem König nach Rom gekommen war. 39. Johannes Mathei (Jens Madsen oder Mathiesen [Brun]) de castro Hincegaulis de Grimis (Hindsgaul auf Fünen) Der Rektor bzw. Erzpriester der Pfarrei S. Maria in Collignola, Diözese Verona, wird consideratione […] regis, pro te dilecto suo capellano nobis super hoc supplicantis, von der Residenzpflicht befreit (Nr. 2548). Er ist 1488 mit Königin Dorothea als ihr Kaplan in Rom erwähnt, s. u. Anhang 4. 40. Matheus de Czerwest, Domherr zu Lübeck Dilectus des Königs (Nr. 2526). Aus Zerbst (Sachsen-Anhalt)? Krogh 1871, S. 347, nennt ihn Matheus von Gerwert. Keine Angaben bei Paludan-Müller 1880/81 oder Lindbæk 1902. Vosshall, Stadtbürgerliche Verwandtschaft verzeichnet unter den Lübecker Domherren (Personenkatalog Nr. 87) nur den Lübecker Heinrich Gherwer. 41. Johannes de Diepholt (Diepholz), Kleriker der Diözese Utrecht Qui de nobili genere procreatus existis, et pro quo etiam Cristiernus rex Dacie, asserens te dilectum nepotem suum fore, nobis super hoc supplicavit (Nr. 2571– 2573: Legitimation, Benefizien). Lindbæk 1902, S. 491, nennt ihn Sohn eines Bischofs und erwähnt einen weiteren Papstbrief vom 24. April 1474, der in den APD nicht aufgeführt ist. Es handelt sich um einen Bastard des Konrad III. von Diepholz, 1455–1482 Bischof von Osnabrück, siehe Europäische Stammtafeln, Bd. 17, 1998, Taf. 130 (Die Herren von Diepholz), wo jedoch allein ein Bastard Johannes des Otto von Diepholz (bezeugt 1424–1484) aus der Verbindung mit einer „Stine“ erwähnt ist, der 1487 Domscholaster und 1504 Domherr zu Utrecht war, hier aber nicht gemeint sein kann. – Piana 1984, S. 70*, enthält weitere Nachrichten zu ihm: Uno dei primi rettori utriusque Universitatis fu il magnificus d. Iohannes de Diephot [sic] de Traiecto [Utrecht] de Alemania, rector ultramontanorum nel 1475 [keine Quellenangabe]. Weiter S. 203, Anm. 671: d. Ioannes de Diepholt, artium magister et utriusque iuris doctor (Oktober 1475); *S. 205, Anm. 678: Promotion im Kirchenrecht am 23. Januar 1476 magnificus et generosus […] utriusque universitatis scolarium rector. In dieser Quelle wird sein Name auch de Dejepolt, Deiefolt geschrieben. – Seine früheren Studien hatte er in Orléans (1459 Promotion zum
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baccalaureus decretum, kurz Prokurator der deutschen Nation), Löwen (1459, Kirchenrecht), Bologna (1474 als magister artium immatrikuliert, Kirchenrecht) absolviert; in Bologna war er 1475/76 auch Lektor in decretalibus. Seit 1474 besaß er Pfründen an St. Lebuin zu Deventer, danach auch in Oldenzaal, Amersfoort und St. Johann in Utrecht. In Utrecht war er Offizial von 1500 an. Er starb dort im Jahre 1519. Siehe RAG nach freundl. Hinw. von Rainer C. Schwinges, Bern, 17. September 2014. 42. Johannes (Jens) Embe(c)k(e) [Einbeck] Domherr und Thesaurar in Schleswig, consideratione […] regis, pro te, suo secretario familiari continuo commensali, nobis super hoc supplicantis: Ernennung zum Schleswiger Dompropst (Nr. 2563 f., vgl. Nr. 2610). Als solcher Prokurator von Helrik von der Wisch, Bischof von Schleswig am 27. April 1474 in Rom (Nr. 2596, vgl. Nr. 2598 f.). – Siehe auch unten Nr. 66 (Sehestedt). 43. Albert Gosman, Domherr zu S. Marien in Hamburg, Diözese Bremen Dilectus des Königs (Nr. 2530). Vgl. unten Nr. 61 (Gosermann). Albert Gusman aus Hamburg, 1458 in Rostock immatrikuliert und dort 1459/60 zum baccalaureus artium promoviert, ist ab dem 31. März 1471 bis zum 10. Oktober 1477 als Sekretär des Herzogs von Sachsen-Lauenburg (oben Nr. 1) bezeugt; am 15. Juni 1476 präsentierte ihn sein Herr auf die Pfarrkirche in Seedorf und die Wallfahrtskirche Klein-Zecher (für die dieser in Rom einen Ablass erlangt hatte, oben Nr. 1) und am 22. Februar 1477 als Propst des Klosters Reinbeck, der er bis zu seinem Tode im Mai 1495 blieb, nachdem er 1482 auch noch Kanoniker, 1492 Kantor, 1493 Propst am Hamburger Dom geworden war. Siehe die biographische Notiz bei Petersen 2001, S. 273 f., Nr. 1. 44. Cristoforus de Heysen (Heisen), scolaris der Diözese Bremen Ungefähr im 15. Jahr, regis dilectus (Nr. 2522); Cristoforus de Heyszin, scolaris der Diözese Bremen, für den König Christian suppliziert hat, erhält seine Legitimation u. a. (Nr. 2540). – Vgl. oben Nr. 6 und unten Nr. 45. 45. Georg de Heyszin (Heisen), scolaris der Diözese Schwerin König Christian hat für ihn suppliziert, erhält seine Legitimation u. a. (Nr. 2539). – Vgl. oben Nr. 6 und 44. 46. Henricus de Hevven [Heinrich von Hewen], Kleriker der Diözese Konstanz Qui ex patre de baronum, ex matre de comitum genere procreatus, im 19. Lebensjahr, regis dilectus (Nr. 2555). Sohn Peters III. von Hewen (Hohen-Hewen im Hegau) und der Adelheid, Gräfin von Eberstein. Er war 1491–1504 Bischof von Chur, † 1509. Siehe Europäische Stammtafeln, Bd. 12, 1992, Taf. 97.
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47. Mathias Johannis (Mads Jensen), Domherr von Ripen Übertragung der Pfarrei Sinding an ihn: Ad audentiam siquidem nostram, Matthia Johannis canonico Ripensi referente, pervenit (Nr. 2581). Aus der Diözese Odense stammend, immatrikulierte er sich am 23. November 1459 bei der Kölner Artistenfakultät, erwarb dort am 1. Dezember 1460 den Grad eines baccalaureus artium (Burse: Montana, dort auch Nr. 57, Carl Rønnov) und am 27. März 1462 denjenigen eines magister artium (ebd.); am 2. November 1462 immatrikulierte er sich zusammen mit Carl Rønnov (unten Nr. 57) als magister artium in Greifswald, von der Gebühr befreit, siehe RAG unter „Matthias Johannis de Dacia“ (3. September 2014). 48. Daniel Kepken de Nulland, Domherr von Roskilde Cancellarius suus, Supplik des Königs, concessum in presentia pape (APD 7, Nr. 5981, Text). Siehe Rørdam 1895, hier nur in den 1450er–1460er Jahren nachgewiesen. 49. Eggherd Crumdyck [Krummedige], miles der Diözese Lund Devotus suus (des supplizierenden Königs), consiliarius, Reisealtar und Butterprivileg, auch für seine Frau: Teil einer Sammelsupplik, auch für die Marienkirche Lykaa und die Kapelle der Hl. Clara in Turkø, Diözese Lund (DDL 4, Nr. 221, S. 201 f. [Text]; APD 4, Nr. 2607 [Regest]). Siehe zu ihm Lindbæk 1902, S. 490 f. und 495: Ein Reichsrat, der, obschon Schwede, nicht Karl Knutson gefolgt war. Vgl. 1474 Mai 5, [Rom], Francesco Gonzaga an Barbara von Brandenburg, u. a. in Sachen Eggert Krummedige (erwähnt ebd., S. 491, Anm. 1). Ein Verwandter des Bischofs von Lübeck, Albert Krummendieck? Vgl. unten Nr. 65 (Schare) und 66 (Sehestedt). 50. Johannes Laurentii (Jens Laurenssen), Domherr von Århus Regis capellanus familiaris continuus comensalis (Nr. 2521). 51. Leo Leve (Leve Leven), Domherr zu St. Marien in Hamburg Magister in artibus und regis dilectus (Nr. 2545). Vgl. Nr. 2656 vom 28. Juni 1475: Ablass für die Pfarrkirche von Morsum (auf Sylt), Diözese Schleswig, quam destructam et collapsam nobilis vir Laurentius Leve, domicellus eiusdem diocesis, de novo reedificare incepit; auch APD 7, Nr. 5992. Zu Laurentius, Staller in Nordstrand, siehe Mollerup 1896; Weiteres bei Vosshall, Stadtbürgerliche Verwandtschaft, Personenkatalog Nr. 136. 52. Johannes (Jens) Malison, Rektor der Pfarrkirche von Stobo, Diözese Glasgow Baccalarius in decretis, regis […] dilectus (APD 7, Nr. 5983).
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53. Friedrich von Ottingen (Oettingen), Domherr von Bamberg Ca. im 20. Lebensjahr, regis dilectus, de comitum genere ex utroque parente procreatus (Nr. 2588). Siehe die folgende Nr. 54. 54. Johann von Ottingen (Oettingen), Domherr von Würzburg Ca. im 18. Lebensjahr, regis dilectus, de comitum genere ex utroque parente procreatus (Nr. 2589). – Ludwig (III.), Graf von Helfenstein, war seit 1472 mit Amalia von Oettingen verheiratet, einer Cousine der beiden geistlichen Brüder, siehe Europäische Stammtafeln, Bd. 12, 1992, Taf. 58, und Bd. 16, 1995, Taf. 99. Zur schwäbischen Familie siehe Eberl 2012b. 55. Johannes Petri (Jens Pedersen), Domherr von Århus Regis cancellarius (Nr. 2532). – Auf Bitten des Königs erteilt Sixtus IV. dem Priester Johannes Petri, cancellarius des Königs, Absolution für das Schreiben von Briefen, aufgrund derer dessen Untertanen zu Tode gekommen sind (Nr. 2602: Regest; DDL 4, Nr. 219, S. 199 f.: Text; nicht in RPG 6). Johannes Petri, Kleriker der Diözese Roskilde, secretarius suus; concessum in presentia pape (APD 7, Nr. 2581). – Johannes Petri de Dacia, Kleriker aus der Diözese Ripen, immatrikulierte sich am 7. November 1468 bei der Artes-Fakultät der Kölner Universität und erwarb dort am 9. April 1473 den Grad eines magister artium (Burse: Corneliana), siehe RAG unter „Johannes Petri de Dacia“ (2. September 2014). Jens Pedersen, Domherr von Roskilde, s. u. Nr. 57 (Carl Rønnov). 56. Thomas Roberdi (Robertsen), Domherr von Ripen Regis dilectus (Nr. 2592). 57. Carolus Ronnow (Carl Rønnov) Qui de nobili et militari genere ex utroque parente procreatus et nobilis viri Nicolai Ronnow, Cristierni regis et regni Dacie marescalli, natus, erhält nach dem Verzicht hodie in manibus nostris (Sixtus IV.) von Johannes Petri (Jens Pedersen), Domherr von Roskilde, das Dekanat von Roskilde (Nr. 2570). Ders., Domherr von Roskilde, regis dilectus (Nr. 2587). – Der Sohn des Marschalls Claus Rønnov (oben Nr. 5) wurde am 3. März 1474 zum Bischof von Odense ernannt (siehe oben Anm. 256), † 1501. – Er hatte sich am 27. Juni 1464 bei der Kölner Artistenfakultät eingeschrieben und erwarb dort am 16. November 1467 den Grad eines baccalaureus artium (Burse: Montana, siehe oben Nr. 47: Mads Jensen); am 2. November 1468 immatrikulierte er sich zusammen mit demselben Matthias Johannis de Dacia, d. h. Mads Jensen in Greifswald, siehe RAG unter „Karl Rönnov“ (2. September 2014). Siehe zu ihm Christensen 1900a. 58. Nicolaus Stuggess (Niels Stigsen [Thott]), Domherr von Lund De nobili et militari genere ex utroque parente procreatus, ca. im 21. Jahre, regis […] dilectus. DDL 4, Nr. 212, S. 189 f. (Text); APD 4, Nr. 2590 (Regest).
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59. Jacobus de Wett(e)ringe, Kleriker der Diözese Verden Consideratione […] regis, pro eodem Jacobo scriba in cancellaria sua […] supplicantis (Nr. 2586). Für denselben Jacobus de Wetteringe, seinen secretarius, stellte Christian I. am 15. Oktober 1478 ein an Sixtus IV. gerichtetes Beglaubigungsschreiben aus und unterschrieb es autograph, siehe das Original in AS Venedig, Lascito Podocataro, b. 1, Nr. 201 (freundl. Hinw. von Tobias Daniels, Rom). 60. Friedrich Wilant, Kleriker der Diözese Bamberg Ca. im 24. Jahre, dilectus familiaris continuus commensalis des Königs (Nr. 2527). (c) Andere in den Acta Pontificum Danica begegnende, möglicherweise nicht persönlich anwesende Leute: Die Tatsache, dass der König mit der jeweiligen Ernennung einverstanden war (regis acceptus), heißt noch nicht, dass der Begünstigte auch in Rom präsent war. 61. Albert Gosermann, Kleriker der Diözese Bremen Regis acceptus (Nr. 2544). Vgl. oben Nr. 43 (Gosman). 62. Johannes van Kamp, Domherr von Münster Ex utroque parente de militari genere et legitimo matrimonio procreatus und regis acceptus (Nr. 2537). 63. Marquard Quale(n), scolaris der Diözese Schleswig Will Kleriker werden und erhält die dafür notwendige Legitimation (Nr. 2551). Möglicherweise ein Bastard der adligen Familie Qualen. 64. Johannes Remstede, Kleriker der Diözese Bremen Magister in artibus und regis acceptus wird am 13. April mit ein oder zwei Benefizien providiert (Nr. 2536). – Es gab in der fraglichen Zeit zwei Träger dieses Namens und es lässt sich kaum entscheiden, welcher von beiden der gesuchte ist; vielleicht doch eher der zweite, auch wenn der Magister dann ganz frisch gewesen sein muss. Der eine erwarb seine Grade an der Universität Rostock, wo er sich am 26. April 1452 als pauper immatrikuliert hatte: im Sommer 1453 den baccalaureus artium, im Winter 1455/56 den magister artium; der andere, aus Hamburg, Diözese Bremen stammend, immatrikulierte sich ebenfalls in Rostock, am 2. Mai 1468, wurde dort baccalaureus artium im Sommer 1470 und magister artium im Winter 1473/74; am 29. Mai 1479 immatrikulierte er sich bei der juristischen Fakultät (ius civile) der Kölner Universität, siehe RAG, unter „Remstede“ (1. September 2014). 65. Gerhard Schare, Kanoniker der Kirche von Bützow, Diözese Schwerin Regis acceptus, Alberti [Krummendieck] episcopi Lubicensis, eiusdem regis consiliarii, secretarius (Nr. 2552). Vgl. oben Nr. 49 (Krummedige), unten Nr. 66 (Sehe-
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stedt). Siehe zu ihm Vosshall, Stadtbürgerliche Verwandtschaft, Personenkatalog Nr. 207, mit Hinweis zum Romaufenthalt auf ADP 4, Nr. 2552, und ASV, Reg. Vat. 681, fol. 130r. 66. Sifrid Sestede (Sehestedt), Kleriker der Diözese Schleswig Qui de militari genere ex utroque parente procreatus existit, consideratione […] regis, pro ipso Sifrido, Alberti [Krummendieck] episcopi Lubicensis ipsius regis consiliarii nepote, nobis super hoc supplicantis, erhält das von Johannes Embeck(e) (oben Nr. 42) aufgegebene Schleswiger Thesaurarsamt (Nr. 2464). Vgl. oben Nr. 65 (Schare) und 49 (Krummedige). 67. Theodericus Theten (Dietrich Thetens), Kleriker der Diözese Schleswig Im 20. Lebensjahr, studiert in Rostock, der König hat für ihn suppliziert: Pfarrei Garding (Nr. 2585). – Aus Husum (Herzogtum Schleswig) stammend, immatrikulierte er sich am 11. April 1464 in Rostock und erwarb dort im Sommer 1465 den Grad eines baccalaureus artium, im Winter 1467/68 denjenigen eines magister artium, siehe RAG unter „Johannes Thetens“ (2. September 2014). 68. Peter Wittorp, Kleriker der Diözese Bremen Des Königs acceptus (Nr. 2533). (d) Weitere Namen, belegt und unbelegt: Krogh 1871, S. 346 f., legte erstmals eine mit einer Ausnahme unbelegte Liste von Teilnehmern vor, die Paludan-Müller 1880/81, Anhang 9, S. 340–342, überprüft und ergänzt hat, ebenfalls ohne nähere Angabe von Quellen, jedoch mit dem Hinweis auf die Veröffentlichung von Regesten zu Münchner Abschriften aus dem Vatikanischen Archiv durch Helveg 1872/73, S. 560–564, Nr. 202 f., der das kuriale Material schon vor dem Erscheinen der APD in Umrissen bekanntgemacht hatte. Auch PaludanMüller ist sich bewusst, dass nicht jede päpstliche Privilegierung die Gegenwart des Empfängers vor Ort bezeugt. Lindbæk 1902 ergänzte nach den Mantuanischen Korrespondenzen. Folgende neue Namen werden von diesen drei Veröffentlichungen genannt: 69. Peter Cohorn (Horn) Bygdèn 1898/99 (danach Lindbæk 1902, S. 491) stellt einen schwedischen Parteigänger Christians vor, der nach dem Sieg des Reichsverwesers Sten Sture (am Brunkeberg 1471) nach Dänemark ging, den König nach Rom begleitete und dort einen Dänen (also wohl einen anderen Reiseteilnehmer), Konkurrenten in der Gnade (des Königs), im Zweikampf tötete. Unter dem Schutz des Kardinals Giuliano della Rovere (ab dem 23. Mai 1474 Bischof, dann Erzbischof von Avignon, siehe Hierarchia catholica 1914, S. 100) floh er nach Montfavet (heute Teil der Gemeinde Avignon), wo er am 10. Juli 1479 starb und beigesetzt wurde. Zwei do-
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kumentarische Quellen scheinen seine Teilnahme an der Romreise zu belegen und Auskunft über sein weiteres Schicksal zu geben: (1) Seine 1486 von seinem Sohn Johannes gesetzte Grabinschrift (die Grabplatte ist abgebildet bei Bygdèn 1898/99, S. 148 f., der auf S. 149 die umlaufende Inschrift wiedergibt): HIC · JACET · NOBILIS · ET · ILLUSTRIS · PETRUS · DE · COHORNO, · SUECUS, · UPSALIÆ · EPISCOPI · FAUTOR · IN · ELECTIONE · CHRISTIERNI, · IN · EJUS · GRATIA · CAMBELLANUS · CASTRISQUE · PRÆFECTUS. · VICTORE · STENO · STURO · IN · DANIAM · VENIT. · REGEM · ROMAM · COMITATUS, · IBI · DANUM · FAVORIS · ÆMULUM · SINGULARI · PUGNA · DELEVIT. · INDE · UTRINQUE · EXULEM · GALLIA · SUSCEPIT, · JOANNE · FILIO · COMITANTE · JULIANUM · DE · RUVERE; · MONTEQUE · VERE · FAVENTI · PIE · VIXIT · JUXTA · AVENIONEM. · OBIIT · X · JULII · M° · CCCC° · LXXX° · VI°. · JOHANNES · DE · COHORNO · FILIUS, · SEDATA · PROCELLA, · PATRIS · MEMORIAM · RESTITUIT · DUNTAXAT · M° · CCCC° · LXXX° · VI°. (2) Der aus dem Lateinischen übersetzte Auszug aus seinem an den Sohn Johann gerichteten Testament oder eher einer Instruktion (vom 18. März 1479) in einem anonymen Artikel im Magazin Pittoresque 11 (1843), S. 183 f. (dort auch eine weitere, gezeichnete Abbildung der seit 1741 bei Récollets in Montfavet aufbewahrten Grabplatte, doch ohne die Grabinschrift; siehe Testament de Pierre de Cohorn 1843): „[…] Enfin nous [der König und Cohorn] abordons à Rome, capitale du monde chrétien, et comme si la fortune m’eût reservé à un plus triste naufrage, cette ville qui devait être pour nous un séjour de paix et de tranquillité, devint pour moi le théâtre d’une funeste tempête. Rappelez pour un moment à votre souvenir cette maudite jalousie, ce funeste duel, cette fatale victoire qui fit succéder l’indignation à la faveur, et qui ensevelit dans un même tombeau et mon rival et toute l’affection de mon prince.“ Folgt der Bericht über die Protektion des Kardinals della Rovere, der ihn nach der „disgrâce“ in seinem Palast aufgenommen und dann nach Avignon mitgenommen habe. Das originale, mit Wappen versehene Pergament befinde sich im Besitz der Gräfin de Seguins-Vassieux, geb. Cohorn, der letzten Namensträgerin. Den Namen des getöteten Konkurrenten nennt allein das Dictionnaire de la Noblesse 1772, S. 19: „Pierre Cohorn, Chambellan et Général des Troupes de la Couronne de Suède, suivit à Rome le Roi Christian, et se retira à Avignon en 1494 [recte 1474], pour avoir tué en duel à Rome, le Comte de Schulemberg, Favori de son Roi […].“ Dass man um die Gunst einer Dame gekämpft habe, ist späterer Zusatz. Die Diktion dieses Textes ist allerdings auch in der Übersetzung moderner, als es vom 15. Jahrhundert zu erwarten ist, und die Grabplatte zeigt eine Rüstung und Wappenformen, die man eher dem 16./17. als dem 15. Jahrhundert zuordnen möchte. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich um eine im Objekt konkretisierte Abstammungssage handelt. Die Sache wäre einer genaueren Untersuchung wert. 70. Niels Ebbensen Galt, ehemals Lehnsmann zu Ålholm Krogh 1871, S. 347. Laut Paludan-Müller 1880/81, S. 341, nicht auf der Reise nachweisbar.
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71. Werner Parsberger, Lehnsmann zu Holbekslot Krogh 1871, S. 347. Werner von Parsberg († 1484) war mit Herzog Christoph von Bayern, dänischer König 1440–1448, mit anderen Familienmitgliedern aus der Oberpfalz nach Dänemark gekommen und hatte 1443 Anna (Tønnesdatter Rønnov) geheiratet, aus welchem Anlass der König ihm, seinem liben getrewen Wernher von Parsperg dem jung, ritter, für insgesamt 3.800 Rh. fl. sein Schloss und seine Herrschaft Stierberg verpfändete. Er war 1454–1483 Hauptmann der Burg Holbæk auf Seeland, siehe Olesen 1986, S. 79 f., Nr. 7. Paludan-Müller 1880/81, S. 341, kennt keine Quelle, die ihn auf der Reise nennt; Lindbæk 1902 erwähnt ihn nicht. Dass ein Bayer den König auf seiner Reise durch das Reich und insbesondere durch Bayern und Tirol begleitete, ist durchaus wahrscheinlich. Siehe zu ihm Thiset 1898, zur Familie in Dänemark auch Pokolm 1987. 72. Niclas, königlicher Kaplan Krogh 1871, S. 347 mit Anm. **, nach dem Tiroler Rait-, d. h. Rechnungsbuch für das Jahr 1474, worin zu lesen sei: Herrn Niklasen, des kunigs von Denmarkt Caplan, hab ich [= der Rechnungsführer] eodem unf [uns?] gescheft meines gnädigen herrn [Herzog Sigmunds von Tirol] ergelt geben 111 reinisch gylden. Zumindest auf der Hinreise war der Kaplan im Gefolge. In Rom ist allerdings nur Johannes Mathei (Jens Madsen) als königlicher Kaplan bezeugt, siehe oben Nr. 39. Keine Angaben bei Lindbæk 1902. Vgl. oben Nr. 14 und 18 (Nicholò). Infrage kommt evtl. auch der königliche Kaplan Magnus Nicolai, Kanoniker, dann Propst von Åbo (Turku), 1465–1466 in den ADP 4 und 7 (Index) bezeugt. 73. Konrad Graf von Ritberch/Rethberg (Rietberg), Domherr zu Köln „Schwager“ des Königs, später Bischof von Osnabrück (1482–1508) und Münster (1497–1508). Lindbæk 1902, S. 491 f., nennt als Quelle einen Brief Dorotheas von Dänemark an ihre Schwester Barbara von Brandenburg, Nyborg, 20. April 1477. Im Sommer 1473 hatte er sich zusammen mit Rabe von Pappenheim in Erfurt immatrikuliert, siehe RAG unter „Konrad Graf von Rietberg“ (2. September 2014). Vgl. Europäische Stammtafeln, Bd. 8, 1980, Taf. 38. Zu den Rietberg allgemein: Hanschmidt 2012. Dass er tatsächlich mit König Christian in Rom war, bezeugt sein Eintrag in das Bruderschaftsbuch von S. Maria dell’Anima, ebenfalls vom 27. April 1474 (oben Anm. 306). 74. Schulemberg (Schulenburg), Graf von (der) Siehe oben Nr. 69 (Cohorn). Die Herren von der Schulenburg erwarben erst 1715 den (Reichs-)Grafentitel, der ihnen hier irrtümlich schon gegeben wird. (e) Zeitweilige Begleiter: Siehe auch oben Anm. 33 (Este, Mirandola u. a.) sowie Nr. 3 (Helfenstein), 4 (Weineck) und 69 (Cohorn).
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75. Gianfrancesco di Castrobarco (Castelbarco) Am 16. Mai 1474 empfahl Barbara von Brandenburg in Mantua ihrer Schwester Dorothea, Königin von Dänemark, Gianfrancesco di Castrobarco (Castelbarco), der König Christian nach Dänemark begleiten werde, AS Mantua, AG, b. 2893/74, fol. 56r (freundl. Hinw. von Jürgen Herold, Greifswald). Die Familie war im Trentino ansässig, siehe Bellabarba 2004. Es ist in diesem Zusammenhang nicht ohne Belang, dass Ludwig, Graf von Helfenstein (oben Nr. 3), mit den Castelbarco verwandt war: Praxedis, Gräfin von Helfenstein, hatte Johann von Castelbarco geheiratet, war um die fragliche Zeit aber bereits wiederverheiratet (und zerstritten) mit Ulrich von Brandis, siehe Das Taxregister der römischen Kanzlei 2001, Nr. 1887, 2104–2107 und 4605. – Die Familie stand auch im Dienst Kaiser Friedrichs III., siehe Heinig 1997, Bd. 1, S. 148 und 296, sowie Bd. 2, S. 918 f., 925, 928 und 1017, auch Ders. 2016, S. 352 (1468/69 in Rom). 76. Konrad von Hertenstein alias Tristano de Saxoduro bzw. Hertristano Er stieß am 22. Februar 1474 im oberbayerischen (Garmisch-)Partenkirchen zur Reisegruppe (oben Anm. 188), diente zeitweilig als Dolmetscher und begleitete Barbara Gonzaga von Mantua zur Uracher Hochzeit am 3.–6. Juli. Er blieb danach noch eine Weile in ihrer Umgebung und berichtete nach Mantua, siehe Zeilinger 2003, S. 20 mit Anm. 69 (Verhandlungen mit dem polnischen Hof 1472/73, oben Anm. 214), S. 38, 79, 83 mit Anm. 108, und 122 (hier irrtümlich Peter genannt); zu seiner Korrespondenz oben Anm. 10, z. T. veröffentlicht in: Barbara Gonzaga, Die Briefe. Mit der schwäbischen Niederadelsfamilie von Hornstein/Hertenstein (Wappen: in Blau eine silberne Hirschstange über gelben Dreiberg gebogen), bei der es zur fraglichen Zeit durchaus Konrade gab (Hornstein-Grüningen 1911, S. XIII, 115–118 und 159), hat er nichts zu tun. Anscheinend war er ein Luzerner, seit langem im Dienst der Gonzaga, auf deren Fürsprache Kaiser Friedrich III. ihn am 12. Oktober 1467 geadelt hatte (AS Mantua, AG, b. 428, für Johann Herttensteiner; nicht bei Chmel 1838 oder in den Regesta Imperii), siehe Severidt 2002, S. 269– 271 mit Anm. 133. Ebenso wie Trionfo (siehe die folgende Nr. 77) hatte er sich in Mantua niedergelassen und dort eine Familie gegründet. Siehe zu ihm Behne 2015, S. 212 f. und ausführlich in der künftigen Dissertation von Jürgen Herold (Greifswald) (Herold, Briefe und Boten). 77. Johannes Nurlinger alias Trionfo (Triumpho) Diente dem König zeitweilig als Dolmetscher in Italien, wo er ihn auf dem Rückweg in Siena traf (1474 Mai 1, Siena, Bartolomeo Bonatto an Ludovico Gonzaga, AS Mantua, AG, b. 1101/311, Druck: Signorini 1981, S. 52 f., Nr. 25) und dann weiter begleitete (siehe oben Anm. 135). Er war auch in Augsburg beim Kaiser und beim Grafen von Württemberg, siehe 1474 Mai 30, Mantua, Ludovico Gonzaga an Anselmo Folengo, seinen Gesandten am Kaiserhof (AS Mantua, AG, b. 2893/74, fol. 68r, Druck: Barbara Gonzaga, Die Briefe, S. 139 f., Nr. 48). Siehe zu ihm, der ebenfalls ein Mantuaner mit Familie geworden war, Severidt 2002, S. 271 f., und
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ausführlich, auch zu seiner erfolglosen Gesandtschaft in den Norden, in der künftigen Dissertation von Jürgen Herold (Greifswald) (Herold, Briefe und Boten). 78. Heinrich Sprenger alias Anichino oder Arricchino Ein Deutscher, auch Schwarz genannt, dessen Vornamen die Italiener sofort anpassten. Er wurde aus Mantua Ende 1469 an das dänische Königspaar empfohlen und diente ihm wie Hertenstein (oben Nr. 76) dem Markgrafenpaar in Mantua, nur in umgekehrter Richtung. Mitte 1471 überbrachte er in Christians Auftrag Ludovico Gonzaga und seiner Frau Barbara je ein Pferd (freundl. Hinw. von Jürgen Herold). Siehe oben Anm. 36, 38 und 183, und künftig in der Dissertation von Jürgen Herold (Greifswald) (Herold, Briefe und Boten). ANHANG 4 Zu den Romreisen Königin Dorotheas 1475 und 1488 Der päpstliche Zeremonienmeister Johannes Burckard erwähnt anlässlich des zweiten Besuchs der Königin im Mai 1488, dass sie 1475 bei ihrem Neffen, dem Kardinal Francesco Gonzaga (also in dessen Haus bei S. Lorenzo in Damaso, s. o. Anm. 251 und 262) gewohnt habe (Burckard, Liber notarum, Bd. 1, S. 233 f.). Auch der mantuanische Geschäftsträger an der Kurie, Giovanni Pietro Arrivabene (zu ihm Chambers 1997b; Lazzarini 1996, Taf. 1, ab S. 190), nennt am 3. Mai 1475 in seinem Brief aus Rom an Barbara von Brandenburg Dorothea, qui in casa allogia cum le donne sue (AS Mantua, AG, b. 845/412, erwähnt von Chambers 1997b, S. 38, Anm. 121). Ihre römischen Suppliken wurden am 8.–9. Mai 1475 von Sixtus IV. genehmigt, siehe APD 4, Nr. 2634–2644, 2646 und 2651–2653; APD 7, Nr. 5989–5991; APD 4, Nr. 2643 ist die Erlaubnis zur Umwandlung in andere fromme Werke ihres etwaigen Gelübdes, nach Jerusalem und Santiago de Compostela zu pilgern. Ebenfalls zum Jubeljahr nach Rom zog Ludwig von Eyb d. Ä. von Eybburg, ein wichtiger Rat Kurfürst Albrechts von Brandenburg-Ansbach, doch scheint er mit Dorothea keinen Kontakt gehabt zu haben; siehe Europäische Reiseberichte 2001, Nr. 74, S. 174–176 und 543. Siehe auch oben Anm. 108. Ihr Schwiegersohn, ebenfalls vom Kardinal betreut, wohnte bei seinem Romaufenthalt 1482 im Stadtviertel Regola in einem a Prussianis zur Verfügung gestellten Haus, also wohl dem römischen Sitz des Deutschen Ordens, gleich neben dem späteren Palazzo Farnese (Esch 2005). Vom 26. April bis 8. Mai 1488 erneut in Rom, wurde Dorothea wiederum von der Pilgerfahrt zum Hl. Grab dispensiert, siehe unten. Die Zeremonialordnung in L’Œuvre de Patrizi Piccolomini 1980–82, Bd. 1, S. 199 f., § 559–562, bestimmt, dass der Empfang einer Königin grundsätzlich dem eines Königs zu gleichen habe, jedoch heißt es in § 599: sed non recipietur a pontifice ad osculum oris, sed ad pedes et manus, neque poneretur ad sedendum inter cardinales. Die dritte Rezension 1488/95 fügt hinzu (ebd., S. 199, Anm. zu Zeile 16): Quod tamen servatum non fuit in regina Dacie tempore Sixi IV [1475] et Innocentii VIII [1488]. Non enim recepta fuit in consistorio, sed a collegio deducta ad domum sue habitationis.
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Über ihren Hofmeister äußert sich Burckard ausgesprochen abfällig (Burckard, Liber notarum, S. 233 f., schon eigens bei Helveg 1872/73, S. 565–568, Nr. 204): Pro regina omnibus respondit magister curie sue, laicus miles, homo moribus et literis carens, totus rusticus; er fungierte als interpres (im Sinne von Wortführer, nicht Dolmetscher); Name und Funktion sind in päpstlichen Ablässen für seine Stiftungen genannt, Rom, 4. Mai 1488, ADP 4, Nr. 3100 f.; ADP 7, Nr. 6079; DDL 5, Nr. 66, S. 52 f.: nobilis vir Johannes Oxe de Torsa [Tordsø], miles der Diözese Lund, qui […] Dorothe Dacie, Svecie et Norvegie regine illustris magister domus et sibi plurimum gratus et acceptus exsistit. Sie selbst sei sehr zurückhaltend und unfreundlich, fährt Burckard fort, nach Rom gekommen peregrinationis causa, deinde sepulchrum Salvatoris nostri in Hierusalem visitatura. Dies wird ihr erlassen: Der Papst ad supplicationem illustris Joannis Dacie regis, predicte regine filii, per litteras sibi missas (er war also nicht persönlich anwesend), dispensavit cum eadem regina ne Hierusalem visitare deberet, sed quod ad regnum suum rediret indulsit. Dorothea selbst wird ebenfalls kritisch betrachtet: Sie verzichtet auf das Abschiedsgeleit der Kardinäle, quod […] se non fatigarent in associando eam, prout moris esset, quia venisset causa devitionis et nollet cuiquem esse molesta, was der Papst dann auch so anordnet. Die päpstlichen cursores, rem male intelligentes, rufen dennoch die Kardinäle zum Dienst und werden dafür bestraft. Regina autem ab episcopo Tornacensi [Louis Pot] tantum cum paucis ex cubiculariis et scutiferis pape extra Urbem aliquantulum associata recessit. – Ins Jahr 1488 gehören sicherlich auch die Einträge in das Bruderschaftsbuch von S. Spirito in Sassia, zusammen mit diesem ihrem Hofmeister, siehe Necrologi e libri 1908– 14, Bd. 2, S. 141 (vgl. Angelis 1960–62, Bd. 2, S. 468): D. Iohannes rex Dacie, Svęcie, Norvegie, Sclavorum, Gottorum, Holsacie, Sleszvicensis, Stormarie, Dutinercieque [= Dittmercieque, Dithmarschen] dux, comes in Oldenborg et Delmenhorst, ascriptus fuit per me fratrem Iohannem Mathie [= Jens Madsen, s. o. Anhang 3, Nr. 39], priorem hospitalis S. Spiritus Randrusiensis [= Randers] ad S. Martinum Arusiensis [= Århus] diocesis, sue gratie capellanum. D. Cristina, Regina Dacie etc. – Necrologi e libri 1908–14, Bd. 2, S. 142: D. Cristiernus, dictorum Iohannis regis et Cristine regine primogenitus etc. Strenuus nob. miles d. Ericus Ottonis de Castro Schierne etc. Zu beiden Reisen, die noch nicht eigens behandelt worden sind, siehe u. a. Schivenoglia, Cronaca, S. 180 f. (1475: vestita come una sora); Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1894–98, Bd. 2, S. 100, Nr. 42, und S. 134, Nr. 91 (s. o. Anm. 108); Deutsche Privatbriefe 1899, S. 140 f., Nr. 198; Lindbæk 1902, S. 496–509 und 511 f.; Pastor 1904, S. 515 mit Anm. 6; Lindbæk 1907, S. 90 und 102; APD 4, S. 416, Nr. 3097–3112 (4.–18. Mai 1488) und im Index; DDL 4, Nr. 242, S. 220 f. (nach Abschrift im Dänischen Staatsarchiv), nach dem Original (AS Mantua, AG, b. 845/367) erwähnt bei Chambers 1992, S. 44, Anm. 63; Simonetta, Diari, S. 161 (1475, s. o. Anm. 107); Dahlerup 1989, S. 228; Christensen 2000, S. 140 mit Anm. 11; Severidt 2002, S. 268 mit Anm. 123, und S. 272; Holm 2005, S. 50 mit Anm. 22–24 auf S. 52; Nolte 2005, S. 157, 172 f., 206, Anm. 31, und 262 mit Anm. 321; Signorini 2007, S. 73 mit Anm. 254– 260 auf S. 125, und S. 115, Anm. 256.
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Nachtrag August 2016: Carsten Jahnke (Kopenhagen) hat in zwei kräftigen Aufsätzen des Jahres 2014 (Jahnke 2014a und b) einen Vorgeschmack auf seine künftige Biographie der Dorothea von Brandenburg, Königin von Dänemark, gegeben (Ders., Dronning Dorothea), die zunächst (1445) mit König Christoph von Bayern (Pfalz-Neuburg) vermählt war, dann seit 1449 mit Christian (I.) Grafen von Oldenburg, den sie sich im Einvernehmen mit ihren Räten unter den von Herzog Adolf VIII. von SchleswigHolstein vorgeschlagenen drei Brüdern von Oldenburg ausgesucht hatte – angeblich, weil er “the most unimpressive, the one she could most easily handle“ war, im Gegensatz zu seiner tatkräftigen, „starken“ Frau: “The king acted merciful, the queen hard and powerful”. Der zweite Aufsatz, aus dem diese Zitate genommen sind und den mir der Verfasser freundlicherweise zur Verfügung stellte, behandelt beider Romreisen und die Gründung der Universität Kopenhagen. Diese ist oben Anm. 311 kurz gestreift, Dorotheas Romreisen von 1475 und 1488 wurden oben im Anhang 4 etwas ausführlicher behandelt. Zu all diesen Gegenständen, auch zu Dorotheas finanziellen Forderungen an Albrecht Achilles (oben Anm. 73) enthalten Carstens Arbeiten wertvolle Ergänzungen. Problematisch ist jedoch die Tendenz, Christian fortwährend ab- und Dorothea aufzuwerten, was gleich zu Anfang mit dem zweifelhaften Zitat (oben Anhang 1) über des Königs mangelnde Sprachkenntnis einsetzt. Christians Reise habe nichts gebracht als ein wenig Prestige durch die Erhebung von Holstein-Stormarn-Dithmarschen zum Herzogtum, denn die Dithmarscher ließen seine Abgesandten gar nicht ins Land und mit dem schleswig-holsteinischen Adel sei erst Dorothea fertiggeworden. Gleichzeitig wird aber betont, dass diese Standeserhöhung das Privileg von Ripen von 1460, auf dem die Adelsrechte beruhten, hinfällig gemacht habe. Gab es etwas in der zeitgenössischen Fürstengesellschaft, das wichtiger als Prestige und Ehre war? In der Mantuaner camera picta habe Christian es nur in die zweite Reihe geschafft – wo sonst sollte er abgebildet werden, da das Gemälde eigentlich schon fertig war, abgesehen davon, dass die Zuschreibung unsicher ist (oben Anm. 142 und 344–347)? Die Privilegienausbeute in Rom (die Überreichung der Goldenen Rose, oben bei Anm. 300 und 306– 307, wird gar nicht erst erwähnt) sei mager gewesen, obwohl sie die größte war, die es für Dänemark bis zur Reformation gab (oben Anm. 310). Die Reisekosten, denen die fast doppelt so hohen Ausgaben für die Reise an den Rhein (oben Anm. 112) gleich hinzugerechnet werden, seien viel zu hoch ausgefallen, die Vereinnahmung von Dorotheas Nürnberger Einkünften (oben Anm. 108) war angesichts des Charakters der Königin “something he should never have done“, welche Art von Vorgehen jemandem wie Kurfürst Albrecht Achilles dagegen nicht vorgeworfen wird. Nicht einmal die „normalen“ Privilegien für einen Fürsten habe Christian in Rom erlangt, weder Fastendispens noch Reisealtar noch einen eigenen Beichtvater. Glaubt der Verfasser wirklich, dass Christian entbehrte, was er seinen Reisebegleitern, dem Herzog von Sachsen-Lauenburg, dem Grafen von Mühlingen-Barby, seinem Marschall Claus Rønnov, dem Ritter Eggherd Crumdyck bei Gelegenheit dieser Reise in Rom besorgte (oben Anhang 3, Nr. 1, 2, 5 und 49)? Der Verfasser hat nicht erwogen, dass der König solche Privilegien vielleicht schon längst besaß. Das
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kann ich zwar nicht belegen. Aber hätte ihm der Kardinal von Mantua die Ausstattung zu einem (Reise-)Altar geschenkt (oben Anm. 297), wenn er ihn nicht benutzen durfte? Zum anderen aber hat Sixtus IV. sehr wohl ihm (und Königin Dorothea) einen Beichtvater mit den üblichen Vollmachten am 16. April 1474 zugestanden (oben Anm. 304), was in der Hitze des schönen Arguments übersehen wurde. Nun ist in der Tat nicht klar, weshalb die Königin im Jahre 1475 ihre eigene Reise nach Rom unternahm, wenn man die Attraktion des Jubeljahrs nicht gelten lassen will. Dass sie es tat “in order to limit the damages incurred by her husband’s ineptitude“, ist deshalb keineswegs erwiesen oder auch nur wahrscheinlich. Im Jahre 1488 hinterließ sie in Rom durchaus nicht den besten Eindruck (oben Anhang 4); so leutselig wie ihr verstorbener Mann (oben nach Anm. 342) war sie tatsächlich nicht und das deutet in der Tat auf einen harschen Charakter – aber auch auf einen erfolgreichen? Dass Christian den mantuanischen Griff nach dem Erzbistum Lund abwehrte und (notwendigerweise) dafür Geld zu zahlen versprach, das er nicht hatte und auch nicht zu zahlen beabsichtigte (oben Kap. 6.2.2), wird nicht als Verhandlungsgeschick und einstweiliger Erfolg gewertet. Richtig hat erst die Königin die Bulle zur Errichtung der Kopenhagener Universität im Jahre 1475 erhalten, und dies (nicht anders als ehemals ihr Mann für seine Privilegien) gratis, nach Intervention des Kardinals von Mantua. Vorausgehende Maßnahmen Christians im Jahr zuvor sind nicht erwiesen, aber, das sei doch zu bedenken gegeben, wahrscheinlich, jedenfalls nicht ausgeschlossen (oben Anm. 311 und Anhang 2 am Ende). “The fifteenth century was a century of strong women“, heißt es gegen Ende des Artikels. Es hat sie wohl zu allen Zeiten gegeben, und ebenso die Versuchung, dem Zeitgeist unnötige Opfer zu bringen. Quellenverzeichnis Ungedruckte Quellen [AS Bologna] Archivio di Stato di Bologna, Lettere al comune. [AS Mailand] Archivio di Stato di Milano, Archivio Sforzesco. [AS Mantua, AG, b. 422–2001] Archivio di Stato Mantua, Archivio Gonzaga, Bestand E: Dipartimento affari esteri. [AS Mantua, AG, b. 2002–3036] Archivio di Stato Mantua, Archivio Gonzaga, Bestand F: Legislazione e sistemazione del governo. [ASV, Reg. Vat.] Archivio Segreto Vaticano, Registra Vaticana. Kock, Reimar, Lübeckische Chronica, Archiv der Hansestadt Lübeck, Hs. 854 (Abschrift von Friedrich Bruns, 1862–1945).
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GEISTLICHE FÜRSTINNEN IM SÜDWESTEN DES REICHES ZWISCHEN FAMILIENBINDUNG UND REICHSBEZUG Sigrid Hirbodian Um das Jahr 1160 berichtet Äbtissin Hadziga von Andlau in einem Brief an Kaiser Friedrich Barbarossa von den Nöten und Bedrängnissen, in die ihre Kirche geraten war: In der Vakanz vor ihrer Wahl zur Äbtissin im Jahr 1159 hätten die Ministerialen des Stifts die Zeit des Interregnums genutzt, Güter zu entfremden und Gelder zu unterschlagen. Insbesondere ein Ministerialer mit Namen Bernher von Barr habe zwei Höfe und einen Garten des Stiftes an sich gebracht. Dafür sei er auf Befehl des Kaisers vor dem Vogt Hugo und den übrigen Ministerialen angeklagt und verurteilt worden. Als er aber nach sechsmaliger Aufforderung sich noch immer weigerte, das Gut zurückzugeben, sollte das Urteil schließlich vollstreckt werden. Daraufhin habe er in der Nacht nach Ostern das Kloster angezündet. Bei dem Brand seien nicht nur die Kirche und die Abtei samt einem Teil des umliegenden Ortes Andlau zerstört worden – auch eine der Kanonissen, die Dekanin des Stifts, sei in den Flammen umgekommen.1 Diese dramatischen Ereignisse aus den ersten Regierungsjahren der Äbtissin Hadziga von Andlau (1159–1172) zeigen eine Momentaufnahme in der Geschichte einer der bedeutendsten Frauenabteien des mittelalterlichen Elsass: 1. Die Kirche befand sich mitten in der in dieser Zeit überall zu beobachtenden Umstrukturierung von Herrschafts- und Besitzverhältnissen. Die Stiftsministerialen nutzten jede sich bietende Gelegenheit, die gerade sich vollziehende Emanzipation von ihrer Herrin – der Äbtissin von Andlau – abzusichern, zu erweitern und schließlich die Bindung an sie ganz abzustreifen. Im Zuge dieses Prozesses raubten die Ministerialen nicht nur Besitz ihrer Herrin, sie schreckten auch vor der Anwendung brutalster Gewalt nicht zurück. Man fühlt sich erinnert an die Mainzer Ministerialen um die Meingote, die im selben Jahr den Mainzer Erzbischof Arnold von Selenhofen – freilich selbst aus dem Ministerialenstand stammend – ermordeten,2 oder an den Trierer Ministerialen Ludwig von der Brücke rund 40 Jahre zuvor, der mit Waffengewalt gegen seinen Herrn, den Trierer Erzbischof, vorgegangen war.3 In Andlau hatten die Ministerialen gerade ihre Herauslösung aus der familia der Äbtissin erreicht: Treten sie in einer Urkunde von 1144 noch als Teil der familia auf, so werden sie 1158 zum ersten Mal getrennt aufgeführt und bildeten fortan in
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Würdtwein 1787, Nr. 190, S. 371–374; Klapp 2012a, S. 447; Wagner 1912, S. 466; zur kirchenrechtlichen Stellung von Andlau vgl. außerdem Fürstenberg 1995, S. 211–219. Weinfurter 2014; Görich 2001; Schulz 1992, S. 173–182. Schulz 1992, S. 167–172.
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der Überlieferung des Stifts einen eigenen Stand.4 Äbtissin Hadziga sah sich einer in die Unabhängigkeit strebenden, mit allen Mitteln um Macht und Besitz kämpfenden Dienstmannschaft gegenüber, die jede Schwäche ausnutzen würde, um sich auf Kosten ihrer Herrin ihre adelsgleiche Stellung zu erkämpfen. 2. Bei diesem Prozess konnte sich die Äbtissin auf ihre Schutzherren stützen. Ihr Vogt Hugo – ein Graf von Dagsburg-Egisheim – hatte das Urteil über den aufmüpfigen Ministerialen durch ein Gericht von dessen Standesgenossen herbeigeführt, und zwar auf Befehl des Kaisers. Die Dagsburg-Egisheimer waren bis 1178 Vögte von Andlau, danach ging dieses Recht an die Staufer über.5 Der hochadlige Vogt, der in anderen Szenarien des 12. Jahrhunderts oft genug selbst als Gefahr für den Besitz- und Herrschaftsbestand einer geistlichen Gemeinschaft auftrat, begegnet hier also in seiner ureigensten Aufgabe als Beschützer der Kirche. 3. Die Äbtissin wandte sich in der geschilderten kritischen Situation nicht nur an ihren Vogt, sondern genauso selbstverständlich an den Kaiser. Der enge Reichsbezug Andlaus lässt sich in der Stauferzeit an der direkten Kommunikation zwischen der Äbtissin und dem Reichsoberhaupt sowie an der Übernahme der Vogtei durch die Staufer im Jahr 1178 erkennen – Letzteres ist zudem vor dem Hintergrund der staufischen Elsasspolitik zu sehen, die auf eine starke Präsenz des Reiches abzielte.6 Aus dem Schreiben der Äbtissin geht zudem hervor, dass sie die Temporalien direkt vom Kaiser empfangen hatte.7 Dass die Äbtissin auch sonst an eine persönliche Anwesenheit am Kaiserhof gewöhnt war, geht aus einer 1172 schriftlich fixierten Forderung gegenüber dem von Andlau abhängigen Prämonstratenserstift Étival hervor: Wann immer die Äbtissin von Andlau an den Kaiserhof gerufen wurde, hatte der Abt von Étival sie dorthin zu begleiten.8 Möglicherweise bestand in dieser Zeit sogar ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen Äbtissin und Kaiser. Sicher nachweisbar sind solche Verwandtschaften für das 11. Jahrhundert, wo zumindest für zwei Äbtissinnen eine familiäre Verbindung zum Herrscherhaus zu belegen oder doch sehr wahrscheinlich zu machen ist.9 Dies ist im süddeutschen Bereich allerdings die Ausnahme, denn anders als in den berühmten sächsischen Kanonissenstiften wie Quedlinburg, Gandersheim oder Essen sind als Äbtissinnen der süddeutschen Frauenstifte nur wenige Frauen aus königlichen Familien nachzuweisen.10 Unser Eingangsbeispiel hat uns bereits mitten hineingeführt in das Dreieck zwischen den Äbtissinnen, die in den hier zur Diskussion stehenden Kirchen seit dem 13. Jahrhundert als geistliche Fürstinnen auftreten, dem Adel im Umfeld der Kirchen und der Beziehung zu König und Reich. Diese Aspekte werden im Folgen4 5 6 7 8 9 10
Wagner 1912, S. 464; Klapp 2012a, S. 447. Legl 1998, S. 526 f.; Wagner 1912, S. 453–458. Dubled 1959, S. 21; vgl. auch Legl 2007. Würdtwein 1787, S. 372; vgl. Klapp 2012a, S. 452. Klapp 2012a, S. 448; Idoux 1913, S. 41; Hörger 1926, S. 241. Hirbodian 2015, S. 423. Vgl. etwa zu Essen Küppers-Braun 2003, S. 66; siehe auch die Auflistung von Äbtissinnen aus königlichem Haus bei Hörger 1926, S. 243 f. (betreffend Quedlinburg, Gandersheim, Essen, Gernrode und Vreden); zu den elsässischen Frauenstiften Hirbodian 2015, S. 423.
Geistliche Fürstinnen im Südwesten des Reiches
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den auch als Gliederungspunkte meines Beitrages dienen. Ich werde zunächst kurz die Lebensweise der Säkularkanonissen und die wichtigsten Kanonissenstifte in Süd- bzw. Südwestdeutschland vorstellen. Danach werde ich nacheinander die Bedeutung der Familienbeziehungen und den Reichsbezug thematisieren. Im Mittelpunkt soll dabei die Frage nach den Handlungsmöglichkeiten der geistlichen Fürstinnen zwischen diesen beiden Polen stehen. Die bisherige Forschung verzeichnet in Hinsicht auf die Gesamtentwicklung dieses Beziehungsdreiecks eine Bewegung vom starken Reichsbezug im Hochmittelalter hin zu einer starken Familienbindung am Ende des Mittelalters.11 Diesem Gesamtbild ist im Großen und Ganzen zuzustimmen, es ist jedoch zu differenzieren vor dem Hintergrund von mindestens vier großen Entwicklungslinien (was im Folgenden natürlich nur skizzenhaft geschehen kann): 1. der territorialpolitischen Entwicklung des deutschen Südwestens seit der ausgehenden Stauferzeit, 2. der sozialen Differenzierung und ständischen Ausprägung des spätmittelalterlichen Adels sowie des städtischen Patriziats, 3. den wirtschaftlichen Strukturveränderungen seit dem 13. Jahrhundert, durch die die früh- und hochmittelalterlich geprägten Besitzstrukturen der Frauenstifte in eine tiefe Krisen gerieten, und 4. den Veränderungen kirchlicher Strukturen und damit einhergehende veränderte Konzepte von Lebensformen geistlicher Frauen, die für die Frauenstifte zur Marginalisierung und Existenzbedrohung führten. Ich beginne also mit einer kurzen Vorstellung der südwestdeutschen Frauenstifte – deren Vorsteherinnen in Südwestdeutschland allein in der Folgezeit als „geistliche Reichsfürstinnen“ begegnen:12 Es handelt sich um folgende Abteien: im Elsass das bereits eingangs vorgestellte Andlau, weiterhin Hohenburg und Niedermünster auf dem Odilienberg, St. Stephan in Straßburg sowie Erstein, Masmünster und Ottmarsheim.13 Hinzu kommen Säckingen am Hochrhein sowie das Frauenmünster in Zürich,14 Oberstenfeld bei Heilbronn,15 Buchau am Federsee in Oberschwaben, Lindau am Bo11
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Vgl. Hirbodian 2015, S. 423 f.; für Säckingen etwa Jehle/Enderle-Jehle 1993, S. 391 und 403 f. Aufschlussreich ist auch die umgekehrte Perspektive, die von der Strategie einer adligen Familie ausgehend die Versorgung der geistlichen Töchter dieser Familien untersucht. Grundlegend für diese Perspektive sind die Beobachtungen von Karl-Heinz Spieß zur adligen Familienstrategie in: Spiess 1993, S. 370–379. Von diesen Überlegungen ausgehend am Beispiel der Wittelsbacherinnen siehe Schlütter-Schindler 2002. Zum folgenden Abschnitt vgl. insbesondere Hirbodian 2015, S. 411–419; Klapp 2012a, S. 49–109 sowie den aktuellen Forschungsbericht von Flachenecker 2011. Zu den unterelsässischen Frauenstiften Andlau, Hohenburg und Niedermünster sowie St. Stephan in Straßburg grundlegend Klapp 2012a, bes. S. 49–109 sowie 367–473; weiterhin die entsprechenden Artikel in Barth 1960–63 sowie neuerdings die Artikel in: Les Monastères d’Alsace 2009–11; zu Andlau vgl. auch Kirakosian 2012. Gerchow 2005, S. 161; Begrich/Feller-Vest 2004, S. 392. Auch Nonnenmünster in Worms wird man vor 1236 als Kanonissenstift zu verstehen haben (Kleinjung 2008, S. 32–45). Ehmer 1998; vgl. auch Schedler 2002.
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densee, Edelstetten im Landkreis Günzburg16 sowie St. Stephan in Augsburg.17 Wichtige Beispiele sind auch die drei Frauenstifte in Regensburg: Obermünster, Niedermünster und St. Paul, die zwar streng genommen nicht in Südwestdeutschland liegen, die aber aufgrund der guten Forschungslage hier zumindest am Rande berücksichtigt werden sollen.18 Zu den übrigen genannten Kirchen ist die Forschungslage sehr unterschiedlich, besonders gut aufgearbeitet sind das Stift Buchau, zu dem Bernhard Theil bereits 1994 einen Band der „Germania Sacra“ vorgelegt hat,19 und die unterelsässischen Stifte St. Stephan, Andlau, Ober- und Niedermünster, zu denen 2012 die Dissertation von Sabine Klapp eine völlig neue Basis geschaffen hat.20 Diese Arbeiten bilden wichtige Grundlagen für meine folgenden Ausführungen. Die genannten Kanonissenstifte pflegten eine Lebensform, die sich letztlich auf die sogenannte Aachener Regel von 816 zurückführen lässt, aber keinesfalls mit einer Ordensregel gleichzusetzen ist.21 Die genannten Gemeinschaften gründeten ihre Lebensweise vielmehr auf je eigene Statuten, die teils selbstgesetzt, teils von außen vorgegeben waren, stets in einem intensiven Aushandlungsprozess zwischen Äbtissin, Konvent und geistlicher wie weltlicher Umgebung der Gemeinschaften entstanden und sich in einem permanenten Veränderungsprozess befanden.22 Ihre Lebensweise war gekennzeichnet durch eine offene Klausur, d. h. die Frauen durften Besuche empfangen und in gewissen Grenzen mit Erlaubnis der Äbtissin ihr Stift verlassen, sie hatten Eigenbesitz und Pfründen, die sie teils selbst verwalteten, teils durch Schaffner zentral oder dezentral verwalten ließen. Kanonissen konnten außerdem unter bestimmten Umständen in die Welt zurückkehren, etwa um eine Ehe einzugehen. Ähnlich wie die Säkularkanonikerstifte der Männer, an denen sie sich selbst auch orientierten, praktizierten sie über den Chordienst hinaus nur ein geringes Maß an vita communis, was z. B. auch in der Verfügung über eigene Kurien, zumindest aber über eigene Wohn- und Schlafräume sowie das Tragen weltlicher Kleidung außerhalb des Chores zum Ausdruck kam. Die Lebensform der Säkularkanonissen war eine sehr alte – alle oben genannten Kirchen gehen auf das 8. oder 9. Jahrhundert zurück – und sie befand sich seit der hochmittelalterlichen Kirchenreform in einem steten Abwehr- und Rechtfertigungskampf.23 Gegen alle Anfechtungen und Versuche, auch in diesen Kirchen die seit dem 13. Jahrhundert als für geistliche Frauengemeinschaften obligatorisch angesehene aktive und passive Klausur durchzusetzen, konnten sich die genannten Einrichtungen bis ins
16 17 18 19 20 21 22 23
Vgl. zu den zuletzt genannten Brenner 2011. Groll 2011; Ders. 2009. Vgl. insbesondere Märtl 1995. Theil 1994; vgl. außerdem: Die Urkunden des Stiftes Buchau 2009. Klapp 2012a. Schilp 1998; allgemein zur Forschungsgeschichte Andermann 1998 sowie Flachenecker 2011. Grundlegend zu den Statuten Klapp 2012a, S. 143–161. Zur kirchenrechtlichen Stellung der Frauenstifte grundlegend Fürstenberg 1995; Felten 2004. Andermann 1996, S. 53; Bodarwé 2008.
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15. Jahrhundert und oft weit darüber hinaus als – wie sie in der Frühen Neuzeit hießen – „freiweltliche Damenstifte“ halten. In der Stauferzeit verfügten all diese Kirchen – mit Ausnahme von St. Stephan in Straßburg, das bereits 1002 von Heinrich II. an den Straßburger Bischof übergeben worden war – über Immunitätsprivilegien und eine reichsunmittelbare Stellung. Einige besaßen ferner Exemtionsprivilegen gegenüber dem Bischof und verstanden sich als papstunmittelbar, wie Andlau, das diese Stellung noch im 18. Jahrhundert betonte.24 Doch waren sie im Verlauf des Hochmittelalters alle mit – oft erfolgreichen – Versuchen der Bischöfe konfrontiert, die geistliche Aufsicht über die Abteien an sich zu ziehen, oft im Gefolge von Reformmaßnahmen. 1264 waren die Äbtissinnen der elsässischen Kanonissenstifte St. Stephan, Erstein, Andlau, Eschau, Hohenburg und Niedermünster auf der Straßburger Provinzialsynode präsent, 1318 unterstützten sie zusammen mit den Säkularkanonikern und Benediktineräbten im Domininkanerstreit die Position des Straßburger Bischofs.25 EINBINDUNG IN FAMILIEN Das Ende der Stauferzeit bewirkte im Südwesten bekanntlich ein besonders hohes Maß an kleinräumiger Territorialisierung bzw. Ausweitung fürstlicher und adliger Herrschaftsbildungen. Für die Frauenstifte der Region, die anders als etwa Essen, Herford oder Quedlinburg keine nennenswerten Territorialherrschaften aufzubauen in der Lage waren,26 erreichte der Abwehrkampf gegenüber adligen und ritterschaftlichen Übergriffen eine neue Qualität, bei der der König keinen Rückhalt mehr bieten konnte oder wollte. Hierzu sei erneut das Beispiel Andlau angeführt:27 Dort beobachtet man seit dem Ende des Interregnums den unaufhaltsamen Aufstieg einer Ministerialenfamilie, die sich wie ihre Herrin „von Andlau“ nannte. Sie sammelte Rechte in, um und über Stadt und Stift Andlau, bis sie schließlich die Stadt und beide über der Stadt errichteten Burgen in ihren Händen hielten: 1274 belehnte sie Rudolf von Habsburg mit der Reichsburg Andlau28 (seither nennen sie sich „Herren von Andlau“), 1287 übertrug ihnen die Äbtissin das Schultheißenamt in der Stadt Andlau.29 1352 erlangten sie die Hälfte der von den hochadligen Vögten in den 1240er Jahren errichteten Spesburg über Andlau,30 1383 den Rest der Burg.31 1386 wurden sie vom König mit Gericht und Vogtei über die Stadt 24 25 26 27 28 29 30 31
Klapp 2012a, S. 472; Fürstenberg 1995, S. 212 und 217. Klapp 2012a, S. 385. Zu Herford vgl. Fürstenberg 1995; für Essen vgl. Küppers-Braun 2003, S. 21–33. Zum Folgenden Klapp 2012a, S. 451–453. Archivalien des gräflich von Andlawischen Archivs in Freiburg i. Br. 1909, Nr. 1, S. 20; RI VI,1, Nr. 292 (1274, Dezember 26). Die hier und im Folgenden verwendeten Siglen werden im Quellenverzeichnis aufgelöst. Archivalien des gräflich von Andlawischen Archivs in Freiburg i. Br. 1909, Nr. 4, S. 20 sowie Nr. 14, S. 21 (1303, Juli 13). Ebd., Nr. 38, S. 24. Klapp 2012a, S. 452; Biller/Metz 1991, S. 2.
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Andlau belehnt.32 Den Schlussstein konnten sie schließlich 1414 setzen, als sie vom König die Reichsvogtei über das Frauenstift Andlau zu Lehen erhielten33 – obwohl doch im Salbuch des Stifts Mitte des 14. Jahrhunderts noch ausdrücklich vermerkt war: Der Voget sol der Kaiser sin, oder ein freier herre, den er an seiner stat gesetzet. Damit also hatte die ehemalige Ministerialenfamilie sämtliche Herrschaftsrechte des Reiches in und um Andlau an sich gebracht. Parallel zu diesem Erwerb von Herrschaftsrechten verlief der Aufstieg des Geschlechts in eine adlige Stellung, doch waren die bisher (soweit erkennbar) ausschließlich hochadligen Siftsfrauen von Andlau34 lange Zeit nicht bereit, diesen Aufstieg zu akzeptieren. Als Anfang der 1370er Jahre Heinrich von Andlau, der mittlerweile beide Andlauer Burgen und das Gericht der Stadt in Händen hielt, forderte, dass seine Tochter als Stiftsdame aufgenommen werde, weigerte sich der Konvent. Die unfreie Herkunft der Andlauer war wohl gerade bei deren ehemaligen Herrinnen noch keineswegs in Vergessenheit geraten. Doch wie schon rund 200 Jahre zuvor scheuten sich die (ehemaligen) Ministerialen des Stifts auch im 14. Jahrhunderts nicht, Gewalt anzuwenden, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen: Heinrichs Söhne Petermann und Rudolf drangen mit Gewalt in die Stiftsgebäude ein, entführten eine Stiftsdame und raubten vier Pferde und ein Fohlen. Erst das Eingreifen des hochadligen Vogtes Walter von Dicka beendete die Fehde der Andlauer Herren gegen das Stift. Vorerst war der Versuch der Andlauer, mit Brachialgewalt eine der ihren in die exklusive Frauengemeinschaft aufgenommen zu sehen, gescheitert.35 Doch lange mussten sie auch hier nicht mehr auf ihren Triumph warten: Schon 1408 wurde mit Sophia von Andlau zum ersten Mal eine Frau aus der ehemaligen Ministerialenfamilie nicht nur Kanonisse, sondern gleich Äbtissin des Stifts – und es ist wohl kein Zufall, dass die Belehnung mit der Stiftsvogtei in ihre Amtszeit fällt.36 In den folgenden Jahrzehnten, unter der beinahe 40-jährigen Amtszeit der Sophia von Andlau, lief nun zunächst das „Familienunternehmen“37 Andlau für die Herren von Andlau ganz nach Wunsch: nicht nur die Stiftsvogtei, auch das Herz der verbliebenen Stiftsherrschaft, Stadt und Tal Andlau mit Hoch- und Niedergericht, Wildbann und allen sonstigen Rechten erhielten sie 1417 von ihrer Verwandten als Lehen.38 Erst kurz bevor Sophia aus Alters- und Krankheitsgründen ihr Amt niederlegte, besann sie sich auf ihre Pflicht, die Rechte des Stifts zu schützen, oder fand den Mut dazu, dies gegenüber ihren Verwandten durchzusetzen: 1442 ver32 33 34 35 36 37 38
Klapp 2012a, S. 452 mit den Nachweisen in Anm. 452. Archivalien des gräflich von Andlawischen Archivs in Freiburg i. Br. 1909, Nr. 78, S. 29; RI XI,1, Nr. 1048 (1414, Juli 17). Zur Herkunft der Andlauer Stiftsdamen Klapp 2012a, S. 482–489. Vgl. Archivalien des gräflich von Andlawischen Archivs in Freiburg i. Br. 1909, Nr. 49, S. 25 f., Schiedsspruch von 1372, Januar 2 sowie Nr. 50, S. 26 (1372, Januar 10); Archives Départementales du Bas Rhin, 39, J 49 (1372, Januar 2). Klapp 2012a, S. 479 f. und 457–461. Ebd., S. 462; zum Folgenden ebd., S. 462 f. Archivalien des gräflich von Andlawischen Archivs in Freiburg i. Br. 1909, Nr. 81, S. 29 (Lehnsrevers von 1417).
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klagte sie die Herren von Andlau wegen zahlloser Übergriffe und Anmaßungen gegenüber ihrem Stift. In 18 Punkten führte sie Klage vor einem Schiedsgericht, dem der Straßburger Bischof vorsaß. Es gab ihr bzw. ihrer Nachfolgerin schließlich in fast allen Punkten Recht.39 Der Herrschaftsaufbau der Herren von Andlau auf Kosten des Stifts wurde damit aber nicht gestoppt, allenfalls kurzzeitig ein wenig gebremst. Der hier zu beobachtende Aufstieg einer Ministerialenfamilie zu Schutzherren ihrer ursprünglichen Herrin ist in seiner Geradlinigkeit zugleich bemerkenswert und typisch. Auch in anderen Frauenstiften stiegen die ehemaligen Ministerialen zu Lehensmannen und Schutzherren auf, wobei sie die Herrschaftsrechte, oft auch die Einkünfte der Äbtissin und ihres Stifts ihrer eigenen Herrschaft einverleibten. Ihre Töchter strebten in die Stifte, gelangten mit Hilfe ihrer Familien in die Führungsämter und sorgten dort für ihre Familien, denen sie Ämter und Lehen übertrugen, Darlehen gaben und sie oder ihre Klientel mit Pfründen versorgten.40 Dabei spielt die Tatsache, dass die Äbtissinnen dieser Kirchen an keine Klausur gebunden waren und daher in engstem Kontakt zu ihren Familien stehen konnten, eine ambivalente Rolle: Einerseits führte sie dazu, dass diese Frauen ein hohes Maß an persönlicher Handlungsfähigkeit, an direkter Herrschaftsausübung besaßen. Andererseits waren sie aus demselben Grund aber deutlich ungeschützter dem Einfluss ihrer männlichen Verwandten ausgesetzt, als dies bei klausurierten Klostervorsteherinnen der Fall gewesen sein dürfte.41 Nur selten schaffte es eine besonders starke Persönlichkeit, sich diesem Druck zu widersetzen. In anderen Fällen war es das Mitspracherecht der Konvente, das eine allzu ungehemmte Politik zugunsten ihrer Herkunftsfamilie verhinderte: Immer wieder stellten sich die Stiftsdamen ihrer Äbtissin entgegen, wenn diese in Verdacht geriet, ihre Familie über jedes vertretbare Maß hinaus zu begünstigen.42 In den seltensten Fällen dominierte eine Familie ein Stift so eindeutig, dass nacheinander mehrere Äbtissinnen aus einem Haus gewählt wurden. Dabei lassen sich in den verschiedenen Stiften immer deutlicher soziale Differenzierungen beobachten: Im Elsass gelang es durchweg dem Niederadel, sich auf diese Weise in den Stiftskirchen durchzusetzen, im Stift Niedermünster auf dem Odilienberg sogar dem Patriziat, insbesondere aus dem nahen Straßburg.43 Anders verlief die Entwicklung dagegen in Buchau am Federsee. Hier gelang es den 39
40 41 42 43
Vgl. ebd., Nr. 109, S. 33 (Urteil Bischof Ruprechts von Straßburg betreffend Weinzehnt 1442, Oktober 10), und Nr. 112, S. 33 (Schiedsspruch betreffend Schultheißenamt in Andlau, u. a. Rechte der Äbtissin 1448, Dezember 21); vgl. auch ebd., Nr. 127, S. 35 (Schiedsspruch betreffend Weinzehnt in drei Dörfern 1359, Februar 26), Nr. 128 f. (Übereinkunft betreffend Schiedsspruch sowie Schiedsspruch des Pfalzgrafen in Streitigkeiten zwischen Äbtissin und Herren von Andlau [1459, Februar 26 und März 11]), Nr. 132–135 (Kundschaften betreffend Zehntstreit 1460, Januar 24 und 26, Februar 3 und März 9) und Nr. 144, S. 36 (Schiedsspruch im Streit um ein Fischwasser 1462, Juni 4). Klapp 2012a, S. 169–175; Schmitt 2004, S. 198–200; Zuncker 2004, S. 171–173 und 186. Klapp 2012a, S. 362 f. Schmitt 2004, S. 199; ausführlich zu diesem Aspekt Klapp 2012a, S. 284–352. Klapp 2012a, S. 167–175, zu Niedermünster ebd., S. 171.
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gräflichen und freiherrlichen Familien, das Führungsamt in der Hand zu behalten und zumindest im 15. Jahrhundert das Stift exklusiv zu besetzen.44 So nutzten die Herren von Gundelfingen und ihr Umfeld ihre Rechte als Vögte, um Frauen aus ihren Familien im 15. Jahrhundert über längere Zeit ins Äbtissinnenamt zu bringen: Anna von Gundelfingen (1402–1410), Klara von Montfort (1426–1449) sowie Margaretha und Anna von Werdenberg (1449–1497), schließlich Barbara von Gundelfingen (1497–1523) – sie alle entstammten eng miteinander verwandten edelfreien bzw. gräflichen Familien aus dem schwäbischen Raum.45 Diese enge Bindung an den nichtfürstlichen Hochadel der Region führte in der Folgezeit dazu, dass das schwäbische Grafenkolleg versuchte, die Stiftspfründen ganz in seine Hand zu bekommen. Im Streit um diesen Anspruch, der von der Äbtissin vehement bestritten wurde, da er das Besetzungsrecht der Stiftspfründen in erheblichem Maße eingeengt hätte, kam es 1614 zu einem Kompromiss, der zeigt, wie stark das Grafenkolleg das Frauenstift mittlerweile an sich gebunden hatte: Bei der Besetzung freiwerdender Chorfrauenpfründen waren zuerst gräfliche oder freiherrliche Bewerberinnen aus Schwaben zu berücksichtigen und nur, wenn aus ihren Reihen keine Bewerbungen vorlagen, sollten Frauen aus anderen Landstrichen zum Zuge kommen.46 Die soziale Positionierung der Frauenstifte in Patriziat, Nieder- oder Hochadel hing nicht nur mit der Frage zusammen, ob und wie machtvoll sich die Ministerialen der Stifte auf Kosten ihrer Herrin in Position bringen konnten – es hing auch schlicht mit den verbleibenden materiellen Ressourcen der Kirchen zusammen.47 Dieser Punkt kann hier nur angedeutet werden, für einen präzisen Vergleich liegen bisher auch viel zu wenige Einzeluntersuchungen vor, doch scheint mir dieser Aspekt letztlich ausschlaggebend gewesen zu sein: Während die elsässischen Stifte Andlau, Hohenburg, Niedermünster und St. Stephan am Ende des Mittelalters nur noch eine äußerst schwache materielle Basis besaßen,48 konnte Buchau seine wirtschaftliche Basis sichern – es war daher auch in der Lage, weiterhin einer größeren Gruppe von Stiftsfrauen gut ausgestattete Pfründen, Stiftsgebäude und eine Kirche in gutem Bauzustand sowie insgesamt ein standesgemäßes Leben zu bieten.49 Die elsässischen Stifte waren dagegen z. T. so verarmt, dass sie nur noch sehr wenigen Frauen ein eher kärgliches Auskommen sicherten. So war in Andlau Mitte des 16. Jahrhunderts überhaupt keine Stiftsdame mehr übrig, die Äbtissin allein hielt das Stift am Leben.50 Allerdings erlebte Andlau im 17. und 18. Jahrhundert
44 45 46 47 48 49 50
Theil 1994, S. 56. Ebd., S. 225–230. Ebd., S. 104. Zur Wirtschaftsweise der Kanonissenstifte im Spätmittelalter vgl. Hirbodian 2015, S. 430– 435; für die Frauenklöster vgl. Klapp 2012b. Grundlegend zur Wirtschaft Andlaus im Spätmittelalter siehe Maurer 1882. Klapp 2012a, S. 141 f. Theil 1994, S. 158–162. Klapp 2012a, S. 469 f.
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noch einmal eine Wiederbelebung, was auch mit den Konjunkturen der Landwirtschaft und der Inkorporation eines alten Benediktinerklosters zusammenhing.51 Die Ursachen für den wirtschaftlichen Niedergang vieler – aber eben nicht aller – Kanonissenstifte sind vielfältig und bis heute nicht zufriedenstellend erforscht. Neben den erwähnten Besitz- und Herrschaftsentfremdungen durch Ministerialen und Vögte dürften die Ursachen zunächst in der hochkomplexen Besitzstruktur dieser alten Gemeinschaften liegen: Anders als die Klöster der weiblichen Bettelorden, die als städtische Gemeinschaften im 13. und 14. Jahrhundert entstanden, von Beginn an auf die Stadtwirtschaft hin organisierte Wirtschaftsbetriebe besaßen und durch patrizische Klosterpfleger nach neuesten Methoden der Zeit wirtschaftlich organisiert wurden, basierte die Wirtschaft der im Frühmittelalter gegründeten Stifte auf Grundherrschaften und Zehntrechten. Über die Jahrhunderte gingen nicht nur Rechte und Ansprüche durch Verschweigen, Vergessen oder Usurpation verloren, auch die Besitzverwaltung war aufgrund der hochkomplexen Zuständigkeiten überaus kompliziert und nur schwer unter Kontrolle zu halten. Neben dem Pfründbesitz, der in Äbtissinnen- und Kapitelsvermögen aufgeteilt war, existierten z. B. in Buchau vier weitere Besitzkomplexe, die jeweils unterschiedlich verwaltet werden mussten: das Jahrzeitgut, das Fabrikvermögen, die Kustorei und die Präsenz.52 Schon ein nachlässiger Stiftsschaffner, eine an Wirtschaftsangelegenheiten uninteressierte Äbtissin genügten, um große, schwer wieder einzutreibende Verluste im ein oder anderen Vermögensteil zu verursachen; Schwierigkeiten bei der Umstrukturierung der Villikationen auf rentengrundherrschaftliche Prinzipien im Hochmittelalter, die Anpassung an die städtischen Märkte mit ihren Konjunkturen im Spätmittelalter bewirkten dauerhafte Vermögenseinbußen, die durch Verkäufe nur für kurze Zeit wieder aufgefangen werden konnten53 – wie besonders gut bei Andlau zu beobachten ist, wo nach und nach der gesamte Fernbesitz verkauft wurde, der Besitz im Nahbereich aber nicht dementsprechend intensiv bewirtschaftet werden konnte.54 Selbst der eigentlich sehr einträgliche Weinbau des Stifts geriet im 16. Jahrhundert aufgrund von Klimaveränderungen und Wirtschaftskonjunkturen in eine Krise und konnte erst im 17. und 18. Jahrhundert wieder als reiche Einkunftsquelle für das Stift aktiviert werden.55 REICHSBEZUG Kehren wir zurück zur eigentlichen Fragestellung. Wir haben beobachtet, dass die Stifte durch Ministerialen und Vögte in ihren Herrschafts- und Besitzrechten eingeschränkt und schließlich in einigen Fällen ganz in deren Abhängigkeit gebracht 51 52 53 54 55
Ebd., S. 471 f. Theil 1994, S. 158 f.; Hirbodian 2015, S. 430 f. Zur Wirtschaft von Zisterzienserinnenklöstern siehe Bruch 2013; Rückert 2011; vgl. auch Thoma 2008. Klapp 2012a, S. 465–467. Grathoff 2005–09.
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wurden. Fragen wir nun, welche Bedeutung bei diesem Prozess die Tatsache hatte, daß diese Kirchen Reichskirchen waren. Eröffnete der Reichsbezug den Äbtissinnen Handlungsmöglichkeiten, die andere Äbtissinnen nicht besaßen? Zunächst einmal ist zu beobachten, dass sich interessanterweise genau parallel zu der von uns verfolgten Gefährdung der Herrschaftsstellung und Vereinnahmung durch nieder- und hochadlige Familien die Stellung der Äbtissinnen als Reichsfürstinnen herausbildete.56 Man könnte es fast so formulieren: Je geringer der tatsächliche Reichsbezug der Äbtissin war, umso größeren Wert legte sie darauf, ihre reichsunmittelbare Stellung und ihre Zugehörigkeit zum geistlichen Fürstenstand zu betonen.57 Wenn Karl Hörger 1926 aber urteilt, der Titel einer geistlichen Fürstin, einer dilecta princeps nostra sei den Äbtissinnen der Reichsabteien „mehr zufällig, um der äußeren staatsrechtlichen Symmetrie willen, als aus tatsächlichem Bedürfnis zugefallen“,58 dann würde man dies heute doch etwas differenzierter sehen. Die Äbtissin von Andlau erhielt wahrscheinlich 1289 den Titel einer Reichsfürstin von König Rudolf verliehen,59 zwei Jahre nachdem sie die vom König so massiv unterstützten Herren von Andlau mit dem Schultheißenamt in Andlau betraut hatte – in der Forschung wird die Auffassung vertreten, der Fürstinnentitel könnte vom König geradezu als Gegenleistung für dieses Zugeständnis verliehen worden sein.60 Deutlich wird jedenfalls, dass die Äbtissin mit der Betonung ihrer reichsrechtlichen Würde wie auch dem immer wieder an den König herangetragenen Wunsch der Privilegienbestätigung für ihre Kirche den Übergriffen der Ministerialen begegnen wollte.61 Wann immer es ihnen möglich war, ließen die Äbtissinnen sich vom König die Lehen und Regalien in eigener Person übertragen, zumindest im 14. und 15. Jahrhundert.62 Umgekehrt mussten sie in Kauf nehmen, 56 57 58 59
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Hirbodian 2015, S. 423; Hörger 1926, S. 254. Klapp 2012a, S. 135 (Hohenburg und Niedermünster) und 134 f. (Andlau); für Säckingen vgl. Begrich/Feller-Vest 2004, S. 391 und 403 f. Hörger 1926, S. 253. Wagner 1912, S. 452 f. Wagner beruft sich dabei auf ein Registraturbuch aus dem Jahr 1668; danach auch RI VI,1, Nr. 2237A (1289, August 16); abweichende Datierung bei Hörger 1926, S. 254, der als Erstbeleg für den Reichsfürstinnentitel der Andlauer Äbtissin 1437 angibt; für Hohenburg und Niedermünster auf dem Odilienberg vgl. Klapp 2012a, S. 385. Grathoff 2005–09, vor Anm. 44; auch für Essen ist die ausdrückliche Bestätigung der reichsfürstlichen Stellung erstmals unter Rudolf von Habsburg überliefert: Küppers-Braun 2003, S. 66 f.; Hörger 1926, S. 258; siehe auch ebenso zu Säckingen (1275 abatissa regalis, 1308 princeps) ebd., S. 254. Für Andlau: RI VII,1, Heft 2, Nr. 233 (1336, September 21) und 314 (1342, August 1); RI XI,1, Nr. 1753 (1415, Juni 13); Regesta chronologico-diplomatica Friderici IV. 1838–40, Bd. 1, Nr. 690 (1442, Juli 13). Vgl. etwa die königlichen Privilegienbestätigungen für Buchau in: RI XI,1, Nr. 1452 (1415, Februar 20), und 10551 (1434, Juli 2); Regesta chronologico-diplomatica Friderici IV. 1838–40, Bd. 2 Nr. 3393 (1455, Juli 7); RI XIII, Heft 15, Nr. 113 (1455, Juli 7). Für Hohenburg: RI VI,1, Nr. 1848 (1284, Juli 15). Für Lindau: RI XIII, Heft 8, Nr. 93 (1447, Oktober 16); RI XIII, Heft 2, Nr. 153 (1474, Juni 23); Klapp 2012a, S. 385. Vgl. für Niedermünster RI VII,1, Heft 4, Nr. 73: Kaiser Ludwig verleiht der Äbtissin von Niedermünster am Odilienberg Lehen und Regalien unter der Bedingung, „daß sie, wenn er in der Nähe des Klosters ist, persönlich von ihm die Lehen feierlich empfängt“ (1331, März 4);
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dass der König sein Recht der ersten Bitte wahrnahm, d. h. er durfte die erste nach seinem Regierungsantritt freiwerdende Kanonissen- oder Kanonikerpfründe mit einer Kandidatin bzw. einem Kandidaten seiner Wahl besetzen. Noch im 15. Jahrhundert finden sich für etliche Kanonissenstifte Beispiele für dieses Königsrecht, das zeigt, wie stark der Reichsbezug der Kirchen noch im Bewusstsein des Königs verankert und den Äbtissinnen und Konventen von Wert war, wenn sie bereit waren, dieses Zugeständnis zu akzeptieren.63 Wie im Idealfall der Schutz des Königs für ein Frauenstift aussehen konnte, zeigt das Beispiel Regensburg im Jahr 1470. Hier griff Friedrich III. aktiv ein, um die Versuche der Bayernherzöge abzuwehren, die Stifte Obermünster, Niedermünster und St. Paul in Benediktinerinnenklöster umzuwandeln – wie Claudia Märtl gezeigt hat, ein klassischer „Reformversuch“, der dazu führen sollte, die Stifte in ihre Verfügungsgewalt zu bringen und damit sozusagen einen Fuß in die Reichsstadt Regensburg zu bekommen.64 Friedrich III. schützte 1470 die Äbtissinnen von Obermünster und St. Paul in Regensburg vor den Eingriffen einer päpstlichen Kommission, die die Stifte „an ihren Freiheiten, Gütern und altem Herkommen beinträchtigten“. Dies tat er, wie es in seinem Schreiben weiter heißt, weil „die genannten Klöster auf seinem und des Heiligen Reiches Grund und Boden und in der Stadt Regensburg gelegen und ihm und dem Heiligen Reich one mittel underworffen seien, auch davon fürstlich wirde hätten und er darüber obriester vogt und schermer sei und es daher niemandem anderem als ihm zustehe, sie bei ihren Freiheiten und Rechten zu hannthaben“.65 Hier wird in aller wünschenswerten Klarheit die Stellung der Äbtissin als Reichsfürstin formuliert, die unter dem Schutz von Kaiser und Reich stand und deshalb auch, wie sich in der Urkundenüberlieferung der Stifte zeigt, zu Reichsdienst und -steuern herangezogen wurde. Genauso deutlich wird in dieser Phase, dass die Äbtissinnen größten Wert auf die persönliche Belehnung durch den König legten: 1471 erscheint die Äbtissin von Obermünster, seine fürstin und liebe andechtige, persönlich vor Friedrich III. um die regalia, lehen und weltlicheit mit allen und iglichen iren eren, rechten, lewten, ambtern, rennten, gulten, nuczen und zugehorungen verliehen zu bekommen. Die Äbtissin leistete ihm in seine hennde gewonndlich glubd und eyde.66 Friedrich III. scheint in ganz bestimmten Konstellationen – wie hier zur Abwehr des Wittelsbacher Einflusses in einer dem Reich unterstehenden Freien Stadt67 – die Säkularkanonissen gegenüber Eingriffen in ihre Lebensweise unter-
63
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desgleichen ebd., Nr. 86 (1333, März 10); vgl. z. B. auch RI VII,1, Heft 3, Nr. 605 für die Äbtissin von Niedermünster in Regenburg (1337, Juli 10); Hörger 1926, S. 259–261. Niedermünster in Regensburg RI XI,1, Nr. 5293 (1422, September 24); Regesta chronologicodiplomatica Friderici IV. 1838–40, Bd. 1, Nr. 160 (1440, November 3). Friedrich III. forderte noch 1487 die Stellung eines Truppenkontingents von Niedermünster in Regensburg: RI XIII, Heft 15, Nr. 407 (1487, Oktober 9) und 408 (1488, März 16). Für Obermünster in Regensburg: RI XI,1, Nr. 3045 (1418, März 12). Für Hohenburg: RI XI,1, Nr. 1854 (1415). Märtl 1995. RI XIII, Heft 15, Nr. 251 (1470, August 22). Ebd., Nr. 272 (1471, August 7). Märtl 1995, S. 373 f.
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stützt zu haben. Auch die Straßburger Kanonissen von St. Stephan waren mit einer ähnlichen Bitte um Unterstützung bei ihm im Jahr 1442 erfolgreich.68 Ganz andere Erfahrungen hatten die elsässischen Frauenstifte mit Karl IV. rund 100 Jahre zuvor machen müssen: Karl IV. begab sich 1353/54 auf eine Reise durch das Elsass, die vor allem einem Zweck gewidmet war: dem Erwerb von authentischen Reliquien für den Prager Veitsdom.69 In Andlau erhielt er einen Arm des Hl. Lazarus, in Hohenburg ließ die Äbtissin in seiner Gegenwart den Sarkophag der Hl. Odilia öffnen und ebenfalls einen Arm entnehmen.70 Doch Karl IV. dankte den Äbtissinnen ihre Großzügigkeit schlecht: Vier Jahre später forderte er den Straßburger Bischof in einem Schreiben auf, sich um die Reform der Kanonissenstifte Andlau, Hohenburg, Niedermünster und Erstein zu kümmern, wo die geistlichen Frauen, wie er schrieb, ihre Klausur verließen, um sich an Fürsten-, Grafen und Adelshöfen aufzuhalten und persönlich an Gerichtsverhandlungen oder sonstigen Unterhandlungen teilzunehmen.71 Seinen Schutzauftrag für die elsässischen Reichsabteien verstand er also als Auftrag, dort für ein klausuriertes Leben zu sorgen, während sich die Äbtissinnen gewiss eine andere Art von Unterstützung für ihre Gastfreundschaft und Großzügigkeit erhofft hatten. Die Frauenstifte legten auch am Ende des Mittelalters noch großen Wert auf den direkten Kontakt zum Reich, nicht zuletzt, um ihren Fürstinnentitel sichern zu können. Buchau, dessen Äbtissin 1342 zum ersten Mal mit dem Titel einer Reichsfürstin angesprochen wird,72 war seit 1495 regelmäßig auf den Reichstagen präsent – in der Regel trat jedoch nicht die Äbtissin persönlich auf, sondern ließ sich vom Abt eines schwäbischen Reichsklosters vertreten. Sie bzw. ihr Vertreter saß im Reichstag auf der schwäbisch-rheinischen Prälatenbank, im Reichsfürstenrat wurde sie dagegen von den schwäbischen Grafen vertreten.73 SCHLUSS Blicken wir zusammenfassend noch einmal auf die Handlungsmöglichkeiten der süddeutschen geistlichen Fürstinnen im Spätmittelalter zwischen Familienbindung und Reichsbezug: Als Säkularkanonissen hatten sie – im Gegensatz zu ihren klausurierten Amtsschwestern – völlige Bewegungsfreiheit und dadurch auch die Möglichkeit, die weltliche Herrschaft über ihr Stiftsgut selbstständig und in eigener Person auszuüben. Sie bereisten ihre Güter, ließen sich von den Hintersassen huldigen und ihre Rechte weisen und saßen selbst zu Gericht – was Karl IV. offenbar em68 69 70 71 72 73
Regesta chronologico-diplomatica Friderici IV. 1838–40, Bd. X, Nr. 913 (1442, August 1). Schmid 2011; Ders. 2012. Ders. 2011, S. 131 f., 166 f. und 197 f.; RI VIII, Nr. 1650b (1353, November 7), 1832a (1354, Mai 3), 1650b (1353, November 7) und 1832a (1354, Mai 3). Klapp 2012a, S. 386; RI VIII, Nr. 1832a (1354, Mai 3). Theil 1994, S. 71. Ebd., S. 71 f.; Ders. 1998, S. 47. Das Stift Oberstenfeld dagegen gehörte in der Frühen Neuzeit zum Kanton Kocher der Reichsritterschaft in Schwaben: Ehmer 1998, S. 72; vgl. auch Hörger 1926, S. 261 f.
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pörte, da es mit seinem Verständnis einer geistlichen Frau nicht zusammenpasste. Sie verfügten damit über ein hohes Maß an Handlungsfreiheit, waren aber zugleich auch in viel höherem Maße der direkten Einflussnahme durch ihre Familien, insbesondere das Familienoberhaupt und dessen Familienstrategie ausgesetzt. Eingeschränkt wurde ihre Handlungsfähigkeit – und damit zugleich auch die Gefahr einer zu starken Vereinnahmung durch ihre Herkunftsfamilie – aber durch die Mitspracherechte ihres Konvents, der im Normalfall mit Personen aus konkurrierenden Familien besetzt war. Für die Äbtissinnen bedeutete der Bezug zum Reich im Spätmittelalter zunächst einmal die Sicherung einer hohen persönlichen Würde. Der Titel einer Reichfürstin, einer Fürstäbtissin in der Neuzeit war an sich schon ein hoher Wert, der für Frauen aus niederadligen oder nichtfürstlichen Hochadelsfamilien gewiss eine große Bedeutung besaß. Aus Sicht des Reiches waren die Stiftskirchen im schlechtesten Fall Verfügungsmasse – wie bei Rudolf von Habsburg, der seine Anhänger mit Burgen und Rechten belehnte, oder bei Karl IV., der sich an den geistlichen Schätzen der Stifte bediente. Die Äbtissinnen versuchten immer wieder durch Privilegienbestätigungen den Schutz des Reiches zu sichern; in Einzelfällen gelang es ihnen, darüber hinaus die Unterstützung des Kaisers zu gewinnen, wenn es die politische Konstellation erlaubte. Das Lavieren zwischen den Mächten der Region und dem Schutz des Reiches war bei ihnen wie bei allen mindermächtigen reichsunmittelbaren Herrschaften eine wichtige Option im ständigen Kampf ums politische Überleben. Quellenverzeichnis Ungedruckte Quelle Archives Départementales du Bas Rhin, 39, J 49.
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SEIN UND BEWUSSTSEIN Aspekte reichsfürstlicher Entregionalisierung am Ende des Mittelalters Paul-Joachim Heinig Sicher nicht das marginalste Ergebnis der „Principes”-Projekte im weitesten Sinne ist, dass sich bei den Reichsfürsten des späten Mittelalters (wie auch, aber andersartig, in der Stauferzeit) eklatante „Unterschiede in der Beziehungsdichte zum Königtum von völliger Abstinenz bis zur treuesten Gefolgschaft” finden1. Peter Moraw, der seine zu Beginn des Greifswalder Projekts an dieser Stelle vorgetragenen Thesen zu „Fürsten am spätmittelalterlichen deutschen Königshof“2 heute weder aktualisieren noch verteidigen kann, weil er 2013 tragisch verstorben ist, hat in derlei Spreizung zwischen Königsnähe und Königsferne zu Recht ein Element der dem Mittelalter eigenen „Regionalisierung” des Reiches gesehen und im Umkehrschluss das weitgehend akzeptierte Modell einer „Verdichtung“ nach der Mitte des 15. Jahrhunderts entworfen. Dieser Verdichtung entspricht eine frühe Form provinzielle Lebensverhältnisse überwindender „Globalisierung“, zumindest eine „Entregionalisierung” auf breiter Front, deren Indizien oder Geltungsbereiche sich nicht in der sprachgeschichtlichen Dialektüberwindung, im Siegeszug des Buchdrucks oder in dergleichen Phänomenen erschöpfen und allen Mitwirkenden, Sympathisanten und Rezipienten der „Principes“- und Residenzen-Projekte vertraut sind: Adelsreisen, Heiraten, Konferenzen und Reichstage, Ordensmitgliedschaften, Wallfahrten3 etc. Eine methodisch einwandfreie Mobilitätsstatistik europäischer und deutscher Fürsten erscheint mir zwar nicht möglich, aber die alten und neuen Hilfsmittel4 lassen eine Intensivierung deutlich hervortreten5. Symptomatisch für die Entregionalisierung bzw. Verdichtung im römisch-deutschen Reich ist auch der Übergang von der Binnenterritorialisierung zur Territorialexpansion. Vielfach wurden Ansprüche, Anwartschaften und Erbrechte erworben oder nur recherchiert und im günstigen Moment zu realisieren gesucht, zunehmend gern abgestützt auch auf reichsrechtliche Legitimation. Es bedarf hier nicht der Nennung einer Vielzahl von Beispielen aus der Schisma- und Konzilszeit sowie der anschließenden Ära innenpolitischer Krisen und äußerer Herausforderungen von Kaiser und Reich. Abweichend vom Untertitel dieser Ausführungen möchte ich auch nicht von der um 1500 1 2 3 4 5
Moraw 1976, S. 50. Ders. 2002. Siehe zu deren sozialer Bedeutung Reichert 2005; vgl. auch die Hinweise in Anm. 35 f. und 45. Siehe außer Deutsche Pilgerreisen 1880 vor allem Europäische Reiseberichte 1994–2000. Vgl. dazu auch den Beitrag über die spannende Reisetätigkeit eines Fürsten von der Peripherie von Werner Paravicini in diesem Band.
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stattgehabten Entregionalisierung rückblickend ein typologisches und Verlaufsmodell skizzieren. Vielmehr soll an einem einzigen Exempel die Formveränderung der weltlichen Fürstentümer und fürstlichen Haltung von der Abstinenz gegenüber König bzw. Kaiser und Reich zu Teilhabe, von der vielberufenen Königsferne zu Königsnähe aufzuzeigen sein, in welchem Zusammenhang natürlich auch die Entstehung des Reichstags durch ein neuartiges überregionales Engagement der weltlichen Fürsten zu sehen ist. Das Beispiel ist ein Angehöriger der Landgrafen von Hessen, deren Aufstieg zu reichspolitischen Entscheidungsträgern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts6 nicht nur die hessischen Landeshistoriker stets fasziniert hat. Die vormals gut begründete Meinung, entscheidend für die Karriere der an und für sich königsfernen Landgrafen sei die maßgeblich erbrechtlich bewirkte Territorialexpansion in die königsnahe Landschaft an Mittelrhein und Untermain gewesen (1479), welche die Landgrafschaft den alten Lehnsherrn Kurmainz umgreifen ließ und zu NachbarRivalen der Kurpfalz machte7, lässt sich heute einige Jahrzehnte nach vorn verlegen bzw. durch frühere Indizien differenzieren. Den Ausgangspunkt bildet das widersprüchliche Faszinosum, dass bei der Königswahl des Jahres 1440 angeblich die böhmische, nicht etwa die sächsische, und die brandenburgische Kurstimme zunächst auf Landgraf Ludwig I. von Hessen (1402/13–1458)8 gegen Herzog Friedrich V. von der Steiermark gefallen sind.9 Aus Enea Silvio Piccolominis Bericht darüber haben die älteren hessischen Landeshistoriker die Mär gestrickt, der Landgraf – „bekannt mit der Lage des Reiches und entschlossen, lieber einen kleinen ererbten Staat glücklich zu machen, als den Zwiespalt oder die Verminderung eines großen ihm anvertrauten Reiches zu erleben“10 – habe sich selbst seiner Wahl verweigert durch Vorschützen seiner „Unkunde in Sprachen und Wissenschaften“11. Wichtiger als das Scheitern Ludwigs I. und dessen wirkliche Gründe ist die Tatsache, dass nach allem, was wir wissen, erstmals ein hessischer Landgraf für das ehrenvolle Amt in Betracht gezogen wurde. Man täuscht sich nicht, dass dem einiges an Engagement und Bewährung, ja ‚networking‘ des Kandidaten auf Reichse6
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Aufschlussreich dazu Rüther 2009. Zu Hessen seien außer der grundlegenden Darstellung von Demandt 1972 nur genannt Wenck 1783–1803; Philippi 1983; Das Werden Hessens 1986; Hessen und Thüringen 1992; Neugestaltung 2013; Handbuch der hessischen Geschichte 2014. Moraw 1976; Ders. 1990; Ders. 1993; Ders. 1997b; siehe auch besonders Heinig 1982; Ders. 1997, Bd. 2, S. 1176–1183. Das Standardwerk von Spieß („Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters“ von 1993) liegt seit 2015 in aktualisierter Form vor (Spiess 2015). Zu ihm allgemein Diemar 1906; Philippi 1987. Piccolomini, Deutschland, S. 61: Lancravius Hassie, qui hodie vivit, ni recusasset, imperium obtinuisset. Dem Wahlbericht der Stadt Frankfurt zufolge handelte es sich um Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg, einen Onkel Ludwigs, und den böhmischen Gesandten Heinrich von Plauen. Dies und das folgende Zitat nach Rommel 1823, S. 302 f. Dies habe dann die unrühmliche Folge gehabt, dass unter Friedrichs III. „langwieriger kraftloser Regierung das Joch der Päbste von Neuem über Teutschland geworfen, Konstantinopel den Türken, Preussens Städte den Polen überlassen wurden“ (ebd., S. 303).
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bene vorausgegangen sein muss. Tatsächlich verbindet sich dies bei genauem Hinsehen mit einem wichtigen Zug der seit einigen Jahren obwaltenden politischen Situation des Reiches, für dessen Bestand die Kurfürsten sich verantwortlich fühlten: Mit der Wahl Friedrichs III. könnte diejenige politische Strömung im Kurkolleg obsiegt haben, die der Lösung von Papstschisma und Konzilsproblematik sowie der Osmanenabwehr Priorität einräumte gegenüber der Eindämmung der expansiven Politik Herzog Philipps des Guten von Burgund im Nordwesten. Möglicherweise war der Steirer auch ein Kompromisskandidat des unmilitärisch-diplomatischen Wegs, der im Übrigen auch das burgundische Problem durchaus tatkräftig anging12 und letztlich überraschend vorteilhaft löste. Dass die Frage einer Revindikation der burgundischen Okkupationen die Wahlentscheidung des Jahres 1440 beeinflusst hat, zeigt sich daran, dass der unterlegene Landgraf von Hessen es in den Jahren zuvor nicht nur bei der Memoria seiner agnatischen brabantischen Herkunft belassen13, sondern seit den 1420er- Jahren konkrete Erbansprüche erhoben und sogar – auch militärisch – durchzusetzen getrachtet hatte.14 Ein Landgraf von Hessen als burgundischer Territorialrivale, die Landgrafschaft als Bollwerk des Reiches gegen Burgund – eine zumindest überraschende Vorstellung. Zur Erinnerung: Der durch den Tod einer Tochter König Philipps von Schwaben verwitwete Herzog Heinrich II. („der Großmütige“) von Brabant (1207–1248) hatte sich in zweiter Ehe ebenso standesgemäß wie königsnah15 mit Sophie, einer Tochter Landgraf Ludwigs IV. von Thüringen und der heiliggesprochenen Elisabeth von Ungarn vermählt. Während das reiche Herzogtum Brabant über den Sohn aus erster Ehe vererbt wurde, verschaffte Sophie ab 1264 ihrem Sohn Heinrich („dem Kind“, 1244–1308) als thüringisches Nebenland die (Land-)Grafschaft Hessen. Die königsferne Genese dieses mittelgroßen, „erst ganz allmählich und nur zeitweilig königsnah werdenden“ Fürstentums hat Peter Moraw wie folgt beschrieben: „Seitdem blieben der Norden und Nordwesten eine politische und kulturelle Interessensausrichtung der Landgrafen, ohne jedoch dominant oder auch konkret auf die brabantische Urzelle bezogen zu sein. Auch der Fürstenerhebung von 1292 folgte kein großflächiges räumliches Ausgreifen. Für Reich und Kirche engagierten sich die Landgrafen allenfalls dann, wenn die Relation zwischen Kaiser und Papst oder – mehr noch – der Strukturkonflikt mit Kurmainz dies angebracht erscheinen ließen“16. Dieses Urteil lässt sich heute nicht unerheblich differenzieren: Der schon von den Zeitgenossen als „der Friedsame“ gerühmte Landgraf Ludwig I. (1413–
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Herold 2002. Siehe dazu auch Fuchs 2000. Zum Ganzen schon Kopp 1747 und Winkelmann 1697–1754, Bd. 2, S. 370–374 (online unter: http://fuldig.hs-fulda.de/viewer/resolver?urn=urn:nbn:de:hebis:66:fuldig-1564594); dann vor allem Bernhardi 1843 und Ders. 1840. Vgl. zum Ganzen Knetsch 1917 und vorher Ders. 1915; zuletzt Fuchs 2002. Zu den Vorgängen aus zeitgenössischer burgundischer Sicht Dynter, Chronique. Er heiratete eine Schwester Heinrich Raspes († 1248). Moraw 2002, S. 28.
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1458)17 hat seit seinem Regierungsantritt sein brabantisches Abstammungsmoment mit reichspolitischer Öffnung und der Schaffung eines überregionalen dynastisch-politischen Netzwerks verbunden. Das erste Indiz dieser Verhaltensänderung, deren Kern über eine reisegestützte18, gegebenenfalls frömmigkeitsmotivierte Außenwendung hinaus durch Reichsengagement und Fürstenkollaboration charakterisiert war, ist im Mai 1417 das persönliche Erscheinen des Fünfzehnjährigen mit großem Gefolge in Konstanz, um während des Konzils von König Sigismund mündig gesprochen und belehnt zu werden.19 Im Frühjahr 1421 nahm er abermals persönlich an einem königslosen (Reichs-)Tag, diesmal in Nürnberg, teil und folgte im August dem „Kreuzzugsaufgebot“ gegen die Hussiten.20 Auch diese Problematik verband ihn langfristig mit König Sigismund. Aber ein weitaus intensiveres Ferment ergab sich, als 1425 mit Herzog Johann von Holland-Straubing der letzte niederländische Wittelsbacher gestorben war. Seitdem suchte der auch persönlich erbberechtigte König Sigismund mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln die territorial-dynastische Entwicklung in Brabant, Flandern, Geldern, Hennegau und dem ganzen Nordwesten reichsrechtlich und reichspolitisch zu beeinflussen,21 wobei Gerichtsvorladungen regelmäßig in Aachen und Lüttich angeschlagen werden sollten.22 Sein diesbezüglicher „Hauptprokurator“ war der umtriebige Reichserbkämmerer Konrad von Weinsberg, dessen nachdrückliches Engagement unter anderem durch 16 Schriftstücke seines Briefwechsels mit dem Burgunderherzog im Nachlassarchiv zu Neuenstein belegt wird.23 Auch Landgraf Ludwig als Teilhaber am politischen System des Königs arbeitete frühzeitig mit dem Erbkämmerer zusammen. Schon auf dem Nürnberger Reichstag 1422 machte er dessen Belehnung mit den Herrschaften Münzenberg, Falkenstein und Königstein in der Wetterau und im Taunus sowie mit Zöllen auf dem Rhein durch König Sigismund kund und publik, dass er, Ludwig, den Weinsberger in seiner Herrschaftsausübung befehlsgemäß unterstützen werde.24 Wichtiger aber war die Interessenkongruenz der Fürsten, un17 18 19 20 21
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Rehm 2013/14. Dazu generell Spiess 2005 (online unter: http://www.perspectivia.net/content/publikationen/ bdf/babel-paravicini_grand-tour). Siehe Rommel 1823, S. 263 f.; RTA ÄR 7, Nr. 221, S. 330; Heinig 1982, S. 87; Moraw 1986, S. 208. Zu Sigismund siehe Sigismundus Rex 2006; Sigismundus von Luxemburg 2006. Die hier und im Folgenden verwendeten Siglen werden im Quellenverzeichnis aufgelöst. Annas 2004, Bd. 2, S. 253; Küch 1911; Wefers 1989; zuletzt Dies. 2013. Schon im August 1424 bevollmächtigte König Sigmund die Grafen Friedrich von Moers, Gerhard von Kleve und Johann von Heinsberg sowie Konrad von Weinsberg, die Herzöge Johann und Philipp von Burgund wegen Besetzung des Herzogtums Brabant nach Wien vorzuladen, siehe Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein GA 15, 3 Schublade C, Nr. 7. Zum Reichserbmarschall siehe Fuhrmann 2010. Vgl. Andermann 2009. Siehe die entsprechenden Belege in RI XI, ab Nr. 6199. Es handelt sich um Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein GA 5, Schublade LXVII, Nr. 5. Als der Weinsberger unter Friedrich III. den herrscherlichen Rückhalt verloren hatte und vor dem finanziellen Bankrott stand, bot er dem von ihm seit Jahren verfolgten Burgunder doch tatsächlich die Reichskrone an, siehe Müller 2011. Die pergamentene Urkunde vom 26. August 1422 aus Nürnberg trägt das aufgedrückte Siegel des Hofgerichts! Siehe Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein GA 15, Schublade K, Nr. 30/9.
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ter denen des Königs Schwiegersohn Herzog Albrecht V. von Österreich, der künftige König Albrecht II., hervorragte.25 Dieser vertrat seinen in Ungarn gebundenen Schwiegervater ausgangs der 1420er Jahre auf Reichstagen sowie als Richter im Reich und schaltete sich mit der Erlangung der Anwartschaft auf das Fürstentum Niederbayern-Straubing in den Kampf um die territoriale Gestaltung der zugehörigen niederländischen Grafschaften Hennegau, Holland, Seeland und Friesland ein. Des Habsburgers Interesse an einem auch reichsrechtlich legitimierten Engagement gegen die rigide Expansion Herzog Philipps des Guten von Burgund lief folglich demjenigen Landgraf Ludwigs I. von Hessen parallel und mit den 1425 kurfürstlich erhöhten Wettinern sei nur eine von mehreren Dynastien genannt, die sich früher oder später ebenfalls Hoffnungen im Nordwesten machten. Der hessische Landgraf ließ sich von den dortigen Aussichten auch wegen seiner brabantischen Abstammung schon bei und nach seinen ersten Begegnungen mit den Chefs der Häuser Luxemburg, Österreich, Wettin und (Hohen-)Zollern inspirieren. Als er schon 1421/22 den zweiten Schritt der fürstlichen Daseinsvorsorge unternahm, zielte sein Heiratsprojekt bezeichnenderweise in den Nordwesten und deutete eine Rückkehr zu den Wurzeln an: Am 22. Juli 1422 trafen seine Unterhändler26 in Kleve eine Eheberedung bezüglich der sechsjährigen Tochter27 Herzog Adolfs (1373–1448) und dessen zweiter Gemahlin Marie von Burgund († 1463), einer Tochter des drei Jahre zuvor ermordeten Johann Ohnefurcht. Darin kulminierte eine von Ludwig mit neuem Leben erfüllte traditionelle, nicht ohne gemeinsame Verwandtschafts- und hessische Herkunftserinnerung zu begreifende Kooperation,28 in deren Zusammenhang der Landgraf 1423 in den Bädern von
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Zu Albrecht siehe Heinig 2003. Die landgräflichen Unterhändler waren Eckhard II. von Röhrenfurt, seit 1418 hessischer Erbmarschall, und sein Bruder Friedrich (1357–1430), Eckhard Riedesel, Landvogt an der Lahn und Kreditgeber des Landgrafen, Heinrich von Holzheim und Hermann Trott, als Räte von Ludwigs verstorbenem Vater auch seine ehemaligen Vormünder. Siehe Demandt 1981, Bd. 2, Nr. 3067. Alles dies unberücksichtigt bei Moraw 1997a. Die 1416 geborene Margarethe von Kleve „heiratete am 11. Mai 1433 auf dem Konzil von Basel Wilhelm III. von Bayern-München. Aus der Ehe gingen die Söhne Adolf (1434–1441) und Wilhelm (*/† 1435) hervor, die beide früh starben. Nachdem Wilhelm III. 1435 gestorben war, wurde Margarethe am 29. Januar 1441 in Stuttgart die erste Ehefrau Ulrichs V. von Württemberg. Das Paar hatte eine Tochter, Katharina (1441–1497), die später Prämonstratenserin und Dominikanerin wurde. Margarete starb am 20. Mai 1444“ (Demandt 1981, Bd. 2, Nr. 3067). 1419 quittierten Kurt Bode und Johann von Hebenhusen, Schreiber des Herzogs Otto von Braunschweig und des Landgrafen Ludwig [I.], der Stadt Köln den Empfang von 4.000 fl. Gottfried von Hatzfeld (genannt der Ruwe) siegelte, siehe Diemar 1899, S. 22, Nr. 19. Die „Regesten der Landgrafen von Hessen“ (online unter: http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/ index/sn/lgr) verweisen unter Nr. 8834 dazu auf einen Schiedsspruch des Kurfürsten Ludwig von der Pfalz von 1426 März 2 (Heidelberg), in welchem zu den Klagepunkten Kurfürst Dietrichs von Köln gegen Herzog Adolf von Kleve u. a. gehört, dass Dietrich Adolfs wegen eine Sühne mit der Stadt Köln und Landgraf Ludwig habe eingehen müssen. Siehe RI XI, Nr. 4153 und 4154.
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Burtscheid bei Aachen weilte.29 Als er diese acht Jahre später abermals aufsuchte, wie wir noch hören werden, war sein Klever Verlöbnis zwar längst gelöst,30 nicht jedoch die landgräfliche Entregionalisierung mit ihrem starken nordwestlichen Schwerpunkt beendet.31 Offene und verschlungene Pfade gleichermaßen lassen erkennen, dass und wie die Landgrafen über die Beziehungen zu Kleve ihren brabantischen Ursprung lebendig hielten. Die weiteren Rahmendaten dieser Entregionalisierung, wie ich sie heute behandeln will, markieren dann zwei Fernwallfahrten: Den Endpunkt bildet im Heiligen Jahr 1450 eine Pilgerreise nach Rom,32 wo Ludwig von Papst Nikolaus V. vor etlichen anderen Fürsten33 durch die Verleihung der Goldenen Rose und den zugehörigen Ehrenumritt durch die Hauptstadt der Christenheit ausgezeichnet wurde.34 Diese war ihm damals schon bekannt: Durch eine zwischen März und November 1429 unternommene Wallfahrt zum Heiligen Grab nach Jerusalem,35 von wo er 29 30
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Huyskens 1911. Als sich im November 1422 der klevische Marschall Hermann von Forste beim Landgrafen in Melsungen aufhielt, bezeichnete dieser ihn als Marschall seines Schwiegervaters (swehers), siehe: Regesten der Landgrafen von Hessen, Nr. 2260. Die Bitte des Landgrafen aus dem Sommer 1434, die Stadt Köln möge seinem Knecht Peter Amelanck bei der Wiedererlangung des ihm auf des heiligen Reichs Straße von herzoglichen Klever Gesellen geraubten Geldes – es handelte sich offenbar um die beträchtliche Summe von 120 fl. rh. – behilflich sein (Regesten der Landgrafen von Hessen, Nr. 9054), mag ein beiderseitiges Zerwürfnis belegen, sicher aber des Landgrafen fortgesetztes Engagement am Niederrhein. Die Antwort der Kölner: Obwohl die Stadt erfahren habe, dass etliche ihrer Feinde an der Sache beteiligt seien, habe sie doch dem Landgrafen zu Ehren an den Herzog von Kleve darum geschrieben, aber noch keine Antwort erhalten; wegen des abgeschatzten Geldes sitze einer, der das empfangen hatte, in Köln hinter dem erzbischöflichen Hochgericht, bei dem die Stadt sich bemüht habe, dass dem Knecht das Geld wieder zurückgegeben werden solle; man werde etwaige Antwort des Herzogs mitteilen (ebd.). Zur Fortsetzung dieser Tradition in der Frühen Neuzeit siehe u. a. Bender 2005. Der Landgraf erwirkte u. a. päpstliche Spezialablässe für Kapellen in Spangenberg und für seine Gattin Anna, siehe Rep. Germ. 6, Nr. 4038 und 5230 (auch als „RG online“ unter: http:// www.romana-repertoria.net/993.html). Siehe auch Krafft 2007, S. 110 f.; vgl. Reichert 2005, S. 167. In einem wahren Ansturm von Besuchern nutzten auch etliche Fürsten die Gelegenheit des gerade überwundenen Schismas, dem einigen Papst aufzuwarten und Ablässe sowie Vergünstigungen zu erlangen. Pastor 1901, S. 414–433 nennt auf S. 429 f. u. a. Herzog Albrecht VI. von Österreich mit ansehnlichem Gefolge; den Trierer Erzbischof Kurfürst Jakob von Sierck, der im April/Mai 1450 mit angeblich 140 Rittern im Gefolge seinen Frieden mit Rom machen wollte; Herzog Johann von Kleve traf aus dem Heiligen Land kommend in Rom ein und zog von dort Ende November 1450 nach Neapel. Graf Heinrich II. von NassauDillenburg starb am 18. Januar 1451 auf dem Rückweg und liegt in der Collegiata von San Quirico d’Orcia begraben, siehe Matheus 2005. Ausführlich dazu Krafft 2007. Dort erwarb er einen Span vom Holz des heiligen Kreuzes, welchen er in Kassel kostbar fassen ließ und der von seinem Vater gestifteten Martinskirche schenkte. Der Span wird „in Bullen Papst Martins V. von 1430 für die baufällige Martinskirche erstmals erwähnt“. Siehe dazu unter dem Gesichtspunkt der Attraktivitätssteigerung des Kasseler Martinsstifts für Pilger Eckhardt 2009, S. 50. Eckhardt belegt dies mit: Die Chroniken des Wigand Gerstenberg 1909, S. 290 mit Anm. 2. Dazu zitiert er: Die hessische Congeries 1858, S. 338: 1429 Ist Landgraff Ludwig zum heiligen Grab gezogen, der brachte eine guldene Rose von Rom, und ward genandt Princeps pacis, stehet
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über Rom, wo noch kein Landgraf vor ihm gewesen war, zurückkehrte, hatte er sich an den Anfang einer Bewegung gestellt, die als eine „neue Blütezeit der Pilgerfahrten des Adels“, als eine „neue Heilig-Land-Begeisterung“ bewertet wird.36 Dass er bei dieser Gelegenheit den wegen hochgradiger Verschuldung bei angeblich Nürnberger Kaufleuten am Rialto inhaftierten Grafen Johann von Ziegenhain und Nidda auslöste, was der Dankbare ihm acht Jahre später durch Übertragung seiner Grafschaften vergalt,37 ist – obwohl eine schöne Geschichte – für uns heute weniger wichtig als die Tatsache, dass sich während Ludwigs Abwesenheit seine und seiner Mitinteressenten Aussichten im Nordwesten merklich verschlechterten. Im Jahr 1427 war Herzog Johann IV. von Brabant gestorben, der Vater seiner Klever Beinahe-Schwiegermutter. Seitdem stand Brabant weniger unter dem Einfluss Herzog Philipps von Saint-Pol aus dem Hause Burgund als unter demjenigen seines Cousins zweiten Grades Philipps des Guten, dem außer politischem und militärischem Geschick auch das Glück hold war: Nachdem ihm ein Jahr später Jakobäa von Bayern die faktische Regentschaft über ihre drei großen Fürstentümer Hennegau, Holland und Seeland hatte übergeben müssen38 – worüber auf dem Frankfurter Kurfürstentag 1428 in Anwesenheit des soeben über Kurmainz siegreichen Landgrafen von Hessen beraten worden war39 –, starb sein erst 26 Jahre alter Cousin auf dem Herzogsstuhl zu Brüssel, womit das Problem der Nachfolge in der älteren Linie des Hauses Brabant erneut aufgeworfen wurde. Landgraf Ludwig I. von Hessen hatte vorgebeugt und schon 1430 den Grafen Wilhelm IV. (II.) von Castell († 1479) mit dreißig fränkischen Rittern in Dienst genommen.40 Ob diese Truppe im Nordwesten zum Einsatz kam, ist ungewiss. Jedenfalls sondierte der Landgraf als Chef der jüngeren Brabanter Herzogslinie schon im Frühjahr 1431 seine Erbchancen auf einer als Wallfahrt nach St. Josse-sur-Mer (südlich von Boulogne) getarnten Erkun-
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uf der Freyheit in der Kirchen. Eckhardt bemerkt dazu richtig: „Hier sind wohl zwei Ereignisse zusammengezogen, denn den Bericht über die Goldene Rose bringt Gerstenberg S. 293 f. erst zur Romreise des Landgrafen im Jahr 1450.“ Zu dem außerordentlich positiven Bild Ludwigs in der hessischen Chronistik jetzt zusammenfassend Rehm 2013/14, bes. S. 54–87. Machilek 1992, S. 181 f. Siehe zum Folgenden Hesse 2008; vgl. Nolte 1997; Penth 2010. Siehe dazu umfassend Krafft 2006, hier bes. S. 49–58, der als Gläubiger die Kaufleute Veckinghusen glaubhaft macht und den konfliktreichen, durch die Grafen von Hohenlohe das kaiserliche Kammergericht befassenden Übergang der Grafschaften an Hessen ausführlich klärt. Die Philipp von Burgund nach ihrem gescheiterten Aufstand mit Wolfert van Borselen 1433 auch förmlich in Besitz nahm. Immer noch grundlegend: Vaughan 1970 und Paravicini 1980. Vgl. auch Kamp 2007, S. 60–69; Ders. 2012; umfassend zuletzt: La cour de Bourgogne 2013. Siehe Regesten der Landgrafen von Hessen, Nr. 2681; zum Reichstag zu Frankfurt 1427 siehe Annas 2004, Bd. 2, S. 319. Der seit wenigen Jahren selbstständig regierende Casteller war ihm 1417 in Begleitung seines Vaters Leonhard II. († 1426) auf dem Konstanzer Konzil begegnet und stärkte, obwohl er wegen finanzieller Schieflage als Soldritter hinzuverdienen musste, als aktueller Rat des kurfürstlichen Landgrafenonkels Friedrich I. von Brandenburg das hessische Bündnissystem. Der Casteller musste sich als Söldner verdingen, seit er sich mit dem Kauf der Reichswälder St. Sebald und St. Lorenz bei Nürnberg (1427) finanziell überhoben hatte und nach unaufhaltsamem Abstieg zwanzig Jahre später seine Grafschaft veräußern musste. Beide Bündnispartner arbeiteten später auch als Schiedsrichter in den weitläufigen Hennebergischen Familienhändeln zusammen.
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dungsreise.41 Mit wenigen Rittern und Dienern42 zog er am 2. Mai 1431 im Schutz einer größeren heimischen Wallfahrergruppe über das ihm schon bekannte Aachen/ Burtscheid sowie Valenciennes und Tournay nach Monteuil, erreichte 14 Tage später Josse43 und verließ es nach vier Tagen wieder. Entscheidend ist, dass unser Hesse im Unterschied zu König Ludwig „dem Bayern“ und König Sigismund, die 1322 bzw. 1416 den ‚Ersatzort‘ Santiagos di Compostela besucht hatten, am 21. Mai auf dem Rückweg von Belle aus nur in Begleitung zweier Diener einen Abstecher über Courtray und Grandmont nach Brüssel machte. Dass er dort gegebenenfalls seine persönlichen Erbrechte publik gemacht hat, ist unwahrscheinlich, aber er scheint wenigstens neugierig gewesen zu sein, ob sich weiteres Engagement lohne. Und die brabantischen Stände führten in der Folge ja tatsächlich eine Prüfung der erbrechtlichen Gegebenheiten durch, die allerdings zu Ludwigs Nachteil ausging.44 Drei Tage später erreichte er in Aachen/Burtscheid wieder sein übriges Gefolge und die Pilgergruppe. Kaum nach Kassel zurückgekehrt, brach der Landgraf zu einer weiteren Wallfahrt auf. Eine solch rasche Abfolge eignet zwar auch gerichtlich verordneten Sühneurteilen, spricht aber ebenso gut wie deren Ziel für abermalige kommunikative Nebenzwecke. Das Heilige Blut zu Wilsnack45 in der Mark Brandenburg wurde 1431 schon wieder stärker von Pilgern frequentiert als während der ersten In-FrageStellungsdebatte zu Beginn des Jahrhunderts (aber bei weitem noch nicht so stark 41
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Die landgräfliche Reiserechnung mit den Daten in den Regesten der Landgrafen von Hessen, Nr. 8995. Druck: Küch 1909, S. 194–196 und 240–247. Regest: Becker 1924, S. 122, Nr. 463. Literatur: Bernhardi 1843, S. 4; Landau 1850; Reumont 1860. Zu den vielfältigen Formen mittelalterlicher Informationsgewinnung, Auskundschaftung und Spionage, bei denen Pilgerreisen eine hohe Bedeutung zukam, siehe: Gesandtschafts- und Botenwesen 2003; Geheimdienste 2003; Négociations 2013; Spitzbarth 2013. Dabei waren u. a. Hermann I. Riedesel (1407–1463), genannt der Goldene Ritter, Schwiegersohn Eckhards II. von Röhrenfurth, 1432 als dessen Nachfolger mit dem inzwischen erblichen Hofamt des hessischen Erbmarschalls belehnt. Dann Gerlach von Breidenbach zu Breidenstein, den im Mai 1430 auch Herzog Adolf von Jülich-Berg als seinen Getreuen bezeichnete, dann Peter von Brunn, Angehöriger einer damals im fränkischen Münnerstadt ansässigen Adelsfamilie – laut Machilek 1992, S. 182 erscheint ein Peter von Brunn 1411 als bischöflichwürzburgischer Amtmann, ein anderer (?) Ende der 1420er Jahre als gräflich-hennebergischer Lehnsmann – sowie Werner Holzsadel aus der im Raum Homberg-Borken begüterten hessischen Lehnsfamilie mit Hauptsitz in Nassenerfurth. In landgräflichen Diensten hatten sie wichtige Ämter inne und erlangten 1483 das hessische Erbküchenmeisteramt. St. Jodok war der Patron der Pilger – sogar derjenigen, die nach Santiago di Compostela zogen, der Matrosen, Bauern/Winzer, Kranken und Kinderlosen. Seit dem 14. Jahrhundert besaß die St. Jakobs-Bruderschaft zwei ursprünglich zur geschlechtergetrennten Unterbringung Aussätziger dienende Siechenhöfe vor Marburg-Weidenhausen mit Kapelle, die nach der Reformation weiterbetrieben wurde und noch heute „St. Josts Hof“ (evangelische Filialkirche St. Jost) heißt. Siehe z. B. den Eintrag auf der Internetseite „Saint Josse Europe“ (unter: http:// www.saint-josse-europe.eu/index.php?id=103) und Krebs 2013. Vier Monate später erkannten die brabantischen Stände in Löwen Philipp den Guten von Burgund als rechtmäßigen Erben an, siehe Bernhardi 1843, S. 4 f. sowie 31–33. Vgl. Godding 2001. Breest 1881; Escher 1978; Aman 2004; Die Wilsnackfahrt 2006.
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wie nach der Jahrhundertmitte), und weil „die durch den Wallfahrtsbetrieb entstandenen zahlreichen Herbergen die Unterbringung erleichterten“46, nutzten der Kurfürst von Brandenburg und andere norddeutsche Fürsten Wilsnack gern als Konferenzzentrum. Eines der bekannteren Fürstentreffen veranstalteten dort im Februar 1443 Kurfürst Friedrich II., der seit 1437 jährlich in Wilsnack weilte und verhandelte, und König Christoph III. von Dänemark mit den Herzögen von Pommern, Mecklenburg, Sachsen und Braunschweig wegen ihres Souveränitätskonflikts mit dem Hansischen Städtebund.47 Es war dies der Kreis, dem auch unser hessischer Landgraf angehörte, so dass man annehmen darf, dass auch er diese Wallfahrt zu politischen Gesprächen nutzte. Jedenfalls erneuerten nur ein Vierteljahr später er und alle Wettiner einschließlich Friedrichs IV. von Thüringen, mit dem er schon seit 1419 durchgehend verbündet war, die sicher gut vorbereitete Erbverbrüderung ihrer Häuser,48 an deren erst 1457 vollzogener Teilhabe Ludwigs Onkel Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg schon damals interessiert gewesen sein dürfte, und vereinbarten bei derselben Gelegenheit eine Verehelichung Ludwigs mit einer Tochter Kurfürst Friedrichs I. von Sachsen, welche zwei Jahre später in Kassel gefeiert wurde.49 Damit war Landgraf Ludwig I. von Hessen in der Mitte des Reiches angekommen, zumal ihn die gemeinsamen antiburgundischen Interessen fortgesetzt auch die persönliche Nähe zu Kaiser Sigismund suchen ließen: Bei dessen Aufenthalt in Basel fungierte er zu Beginn des Jahres 1434 (wieder) als Beisitzer des Hofgerichts.50 Fünf Monate später war er offenbar bei den Verhandlungen zugegen, die der Kaiser in Baden-Baden mit Räten Philipps des Guten über die Zurückgabe der von diesem besetzten Reichslande führte.51 Folglich dürfte er dabei oder zumindest 46 47 48 49
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Aman 2004, S. 14. Siehe dazu u. a. die in Anm. 68 genannte Literatur. Siehe die Regesten der Landgrafen von Hessen, Nr. 2193. Zur Bestätigung durch Kaiser Sigismund vom 28. Juli 1434 in Ulm siehe RI XI, Nr. 10631; das Kurfürstentum Sachsen blieb ausgenommen. Siehe generell Löning 1867 sowie zuletzt Müller 2010, bes. S. 91 f. Anna Margarethe (1420–1462), Tochter Kurfürst Friedrichs I. von Sachsen-Meißen. Es gehört zum Vertrauensvorschuss und Dasein des Schwiegersohnes bzw. Schwagers, dass Landgraf Ludwig 1438 in Teilungsfragen seiner Wettiner Verwandten als Schiedsrichter fungierte und wenig später für die dreijährige Abwesenheit Herzog Wilhelms III. von Sachsen-Thüringen zusammen mit Bischof Johann von Merseburg an die Spitze eines 24-köpfigen Regierungsausschusses berufen wurde. Mehr noch: Wenn er ein Jahr später einen Ehevertrag zwischen den Kurfürstentümern Sachsen und Brandenburg vermittelte, dann war er auch als Cousin des Bräutigams dafür prädestiniert, im Vorfeld der zukünftigen Verbindung für den Ausgleich der Familieninteressen zu sorgen – die Teilhaberschaft der Hohenzollern an der hessisch-wettinischen Erbverbrüderung nahm Gestalt an. Grundlegend Rogge 2002 und Müller 2010, bes. S. 92–98. Annas 2004, Bd. 2, S. 319; RI XI, Nr. 10006. Weitere Kontakte in den Jahren 1435/36 belegen das Privileg ebd., Nr. 11151 und die Schutzauftragung der Stadt Nordhausen an Ludwig von Hessen und Kurfürst Friedrich von Sachsen ebd., Nr. 11587 f., wobei der Verbleib im Archiv der Impetranten auf Nicht-Expedition hindeutet. RI XI, Nr. 10456a. Der Hesse wird in Ober-Baden unter denjenigen genannt, denen der Kaiser bei dieser Gelegenheit gebot, dem mit dem Reichsbanner versehenen Herzog Adolf von JülichBerg militärische Hilfe gegen die geächteten Geldernschen zu leisten, siehe ebd., Nr. 10442–
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darin eingeweiht gewesen sein, dass der Kaiser gleich anschließend in Ulm ein antiburgundisches Bündnis mit König Karl VII. von Frankreich beurkundete und Herzog Philipp Anfang Dezember in Pressburg den Reichskrieg erklärte.52 Dass diese Exekution zwei Jahre später auf Ersuchen des um seinen Bestand fürchtenden Baseler Konzils suspendiert wurde,53 schaffte weder die Anlässe und Gerichtsurteile noch die Verletzungen und Beuteinteressen aus der Welt, an deren Spitze sich der Landgraf von Hessen nun auch ganz förmlich setzte: Den Höhepunkt seiner in den letzten, den böhmischen Jahren Sigismunds noch intensivierten Beziehungsdichte zum Kaiser und dessen Erb-Schwiegersohn Albrecht V. (II.)54 markiert eine am 27. Juli 1437 in Eger sicher wohlüberlegt und nach eingehenden Verhandlungen ausgefertigte plena potestas des als kaiserlicher Rat bezeichneten Landgrafen,55 das „nach Abgang des lehnberechtigten Mannstammes (sic!) theils heimgefallen, theils dem Kaiser Sigismund durch Erbrecht“56 zustehende, aber von Herzog Philipp von Burgund unrechtmäßig vorenthaltene Herzogtum sowie die Lande Brabant, Holland, Seeland, Hennegau, Antwerpen, Friesland und Limburg wieder zu des Reichs Händen zu bringen.57 Was das bedeutete, bedarf keines umständlichen Beleges: Zum ersten Mal in der Geschichte des Reiches und Hessens wurde ein Landgraf von Hessen mit einer Reichsexekution betraut. Nur diese Legitimation ermöglichte es ihm, seine seit Jahren verfolgten Erbansprüche unter dem Schirm des Gemeinwohls und unter Aufbietung anderer Reichsstände nötigenfalls auch militärisch durchzusetzen. Dass der Landgraf selbst diese Ermächtigung impetriert hat, muss bei geringen Zweifeln58 als sicher gelten. Vor allem nutzte Ludwig unter Hintanstellung seiner dynastischen Ansprüche diese Vollmacht auch praktisch aus: Schon am 15. August zog er mit diesmal ansehnlichem Gefolge, an dessen Spitze Reichsgraf Johann von Ziegenhain und Nidda, Graf Gerhard von Spiegelberg und sein Marschall Johann II. von Meisenburg standen, nach dem ihm seit der Jugend vertrauten Aachen und lud als Bevollmächtigter von Kaiser und Reich die vier Hauptstädte von Brabant (Löwen,
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10454, hier Nr. 10453. Dass dieses Mandat, welches des Landgrafen Interessen im Nordwesten zusätzlich belegt, wie etliche andere im StA Düsseldorf aufbewahrt wird, deutet darauf hin, dass es vom Jülicher nicht genutzt wurde. Zu Geldern siehe umfassend Gelre 2001. RI XI, Nr. 10512 und 10986–10990. Siehe auch Bernhardi 1843, S. 33 f. RI XI, Nr. 11107. So ernannte der Kaiser den Landgrafen 1437 zum Protektor der Stadt Schweinfurt sowie der Erfurter Kartause, siehe ebd., Nr. 11925 und 12026. Annas 2004, Bd. 2, S. 328 f. Des Landgrafen Reise nach Eger dauerte vom 27. Mai bis zum 23. Juli 1437, siehe Bernhardi 1843, S. 3; am Datum der Vollmacht vom 27. Juli (s. u.) wäre er dann aber nicht mehr in Eger, sondern schon in Eschwege gewesen. Bernhardi 1843, S. 5. RI XI, Nr. 11914; das Gehorsamsmandat an die betroffenen Stände ebd. Nr. 11915. Die Ausfertigung trägt den rückseitigen Registraturvermerk Rta, doch fehlt ein Eintrag in den „Reichsregistern“; dass sie überdies im HHStA Wien, also im Archiv des Ausstellers bzw. der diesen beerbenden Habsburger überliefert ist, könnte dafür sprechen, dass sie nicht expediert wurde. Auch bei Dynter, Chronique, Bd. 3, S. 519 ist die Rede davon, der Landgraf habe in Aachen besiegelte Transsumpte verwendet.
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Brüssel, Antwerpen und ’s-Hertogenbosch) vor sich.59 Hatte er wirklich mehr erwartet als deren Erwiderung, sie hätten Philipp dem Guten als dem (aus ihrer Sicht) nächsten Erben gehuldigt und seien weder willens noch befugt, ohne dessen Genehmigung Gesandte nach Aachen abzuordnen? Es scheint, als habe er während seines immerhin vierwöchigen Aufenthalts keine weiteren diplomatischen Anstrengungen unternommen, also vor allem keinen Kontakt zu dem mächtigen Burgunder gesucht. Aber weil er doch naiv gewesen wäre, wenn er nicht schon in Eger oder Kassel vorausgesehen hätte, mit einem derartigen Bescheid nicht einfach aufgeben zu wollen, mag er versuchsweise doch die Legitimation zur Gewaltanwendung genutzt haben. Indes wurden etliche seiner mutmaßlichen niederrheinischen Helfer, welche während seiner Anwesenheit einen blutigen Einfall in das „burgundische“ Limburg unternahmen, von der dortigen Bevölkerung nach Aachen zurückgeworfen, wo angeblich der Herr von Reifferscheidt und andere in der Sakristei der Marienkirche Schutz vor nachsetzenden Bauern suchen mussten.60 Nun in der Erkenntnis, dass sein Unternehmen damit fehlgeschlagen war, zog Landgraf Ludwig daraufhin am 19./20. September 1437 nach Hessen zurück, ohne dass er und seine Nachkommen Brabant und den Nordwesten ganz aus den Augen verloren hätten.61 Dies zeigt gleich anschließend der Abschluss einer größeren familienpolitischen Allianz zwischen den Häusern Habsburg, Hessen und Wettin unter dem Mantel des römisch-deutschen Königtums mit deutlicher Stoßrichtung auf das herrenlose Erbe der Luxemburger: Bei einem persönlichen Treffen der drei beteiligten Fürsten im April 1439 in Pressburg verlobte König Albrecht II. seine Tochter Anna mit Herzog Wilhelm III. von Sachsen-Thüringen und trat der hessisch-sächsischen Erbverbrüderung in Form eines Verteidigungsbündnisses bei. Wohl bei dieser Gelegenheit ernannte König Albrecht nach dem Vorbild seines verstorbenen Schwiegervaters unseren persönlich anwesenden Landgrafen, mit dem er schon zwei Jahrzehnte lang auch gegen Burgund kooperiert hatte und welcher 1438 durch seine Anwesenheit in Frankfurt62 jedweder Erwägung der Kurfürsten vorgebeugt hatte, statt des Habsburgers etwa den Usurpator zum römischen König zu wählen,63 gegen einen Jahressold von zweitausend Gulden zu seinem Rat und Kriegshaupt59 60 61 62
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Bernhardi 1843, S. 5, wo anschließend die Grundlagen dieser Ansprüche hergeleitet werden. Ebd., S. 36 f. Beim spanischen Sukzessionskrieg machten die Hessen ihre Ansprüche noch einmal geltend, siehe ebd., S. 38 f. mit einem Resümee zur frühneuzeitlichen Sukzession in Brabant usw. bis 1797, 1814 und 1831. Rehm 2013/14, S. 47 hebt unter Verweis auf RTA ÄR 13, Bd. 1, Nr. 60, S. 121 f. die von Albrecht vermittelte Ausnahmegenehmigung Frankfurts für den Landgrafen hervor, mit Gepränge einziehen zu dürfen; seine Anwesenheit ist auch bezeugt durch Windecke, Denkwürdigkeiten, S. 448. Vgl. zu diesem Zeugen Schneider 2012. Der von Hödl 1978, S. 10–19 lediglich referierten Erwägung von Paravicini 1975, das Königswahlangebot Kurfürst Dietrichs von Köln an Herzog Philipp von Burgund sei nicht ganz ernst gemeint gewesen, sondern habe den Nimbus des Hauses Moers am burgundischen Hof verbessern sollen (besonders ebd., S. 111), stellen neuerdings Elbel/Zajic 2012, S. 123 die Möglichkeit gegenüber, es habe sich um „eine Art Druckmittel“ gehandelt, „um von Albrecht [V./II. von Österreich] eine möglichst günstige Wahlkapitulation zu erpressen“. Siehe zum Grundproblem Müller 2011.
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mann. Aus dem Kreis der Verbündeten suchte der Wettiner die mit seiner Ehe erworbenen Erbansprüche v. a. auf das Herzogtum Luxemburg umgehend zu realisieren: Als er dieses schon 1441, fünf Jahre vor der Hochzeit mit Anna (von Österreich), militärisch besetzte, wurde er von Philipp dem Guten nach einigen Gefechten zum Abzug gezwungen. Von hier über die „Soester Fehde“, in welcher Hessen und die Wettiner für Kurköln gegen Burgund und Kleve im Feld standen, bis zum Reichskrieg gegen Karl den Kühnen zur Befreiung des belagerten Neuss zieht sich ein reichspolitischer Strang mit hessischer Beteiligung, die weniger unter Kaiser Friedrich III., mit welchem Ludwig I. möglicherweise einen Kapellan und Beichtvater gemein hatte,64 als infolge des Bruderkriegs unter Ludwigs I. Söhnen noch einmal eine Delle erhielt.65 Hermann von Köln, der erste und letzte hessische Erzbischof und Kurfürst, bügelte das schon wieder aus.66 Statt dies hier auszubreiten, belege ich meine Entregionalisierungsthese mit einem letzten Beispiel, wobei ich den Ihnen nun schon längst vertrauten dynastischen Rahmen noch etwas erweitern kann: Zu dem Kreis um den letzten Luxemburger und dessen zu früh verstorbenen habsburgischen Schwiegersohn Albrecht V. (II.) gehörte auch der 1416 geborene Pfalzgraf Christoph, Sohn Pfalzgraf Johanns von Neunburg-Neumarkt (1404/10–1443) und Katharinas von Pommern-Stolp, einer Schwester König Eriks VII. von Dänemark, Schweden und Norwegen (1397, 1412–1439). Nach dessen Besuch in Dänemark (1434) diente der mit seinem Vater die Hussiten im oberpfälzisch-böhmischen Grenzgebiet bekämpfende Enkel König Ruprechts am Hof Kaiser Sigismunds, wo er unseren Landgrafen spätestens kennengelernt hat. Als der dänische Reichsrat seinen Onkel Erik 1438/39 absetzte, nahm er das Angebot an, dessen Nachfolger zu werden.67 Zunächst Gubernator, ließ er sich 1440 zum König von Dänemark krönen und wurde binnen Jahresfrist auch mit den Kronen Schwedens und Norwegens geziert.68 Ohne in die Einzelheiten gehen zu können, sei hier nur hervorgehoben, dass sich in diesen Entwicklungen hoch im Norden die west- und mitteleuropäischen Grundkonflikte abbildeten. Der abgesetzte Erik hatte in seiner antilübischen Hansepolitik die holländischen Kaufleute und als seinen Nachfolger Herzog Bogislaw von Pommern-Stolp begünstigt, was alles dem politischen Einfluss Philipps des Guten von Burgund entsprach. Nicht zuletzt dessen politisches System wurde durch die skandinavische Karriere des Wittelsbachers Christoph geschwächt, die antibur64
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Jedenfalls führt das Rep. Germ. 6, Nr. 3394 unter dem 10. Juli 1453, also nicht lange nach der Kaiserkrönung Friedrichs III., den Augustinereremiten lect. theol. Johannes Prefecti als cap. et confess. Frederici R. I. et Ludovici lantgravii Hassie supplic. dd. imper. et lantgravio de disp. recip. benef. eccles., siehe RG online unter: http://194.242.233.132/denqRG/index.htm. Mit Anna von Sachsen hatte Landgraf Ludwig I. vier Söhne und eine Tochter. Der erste Sohn Ludwig wurde 1438 geboren, Heinrich 1441, Friedrich starb jung und Hermann wurde Erzbischof von Köln. Die Tochter Elisabeth heiratete den Grafen Johann von Nassau-Weilburg. Zu ihm Fuhs 1995. Schon zwei Jahre früher war Christoph die dänische Krone angeboten worden. Er nannte sich fortan „König der Reiche Dänemark, Schweden, Norwegen und der Wenden und der Goten, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog zu Bayern“. Grundlegend nach Deutinger 1995 und mit der neuesten Literatur Zeilinger 2006.
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gundischen Reichskräfte mit König Albrecht II., den Wettinern, Hohenzollern, Holstein, der Hanse und unserem Landgrafen von Hessen gestärkt. Allerdings blieb Christophs Position gefährdet,69 so dass eine kluge Bündnispolitik unabdingbar war. Die beste Gelegenheit dazu boten eine kluge Verheiratung und eine rauschende Hochzeitsfeier. Beides tat Christoph, und da überrascht es jetzt nicht mehr, dass er erstens im Rahmen eines Schlichtungsvertrages zwischen Erik VII. und der Hanse eine Tochter seines territorialen Nachbarn Markgraf Johanns „des Alchimisten“ von Brandenburg-Kulmbach (1406–1464) zur Frau nahm, des älteren Bruders Albrechts „Achilles“ und Begründers der skandinavischen Zollern-Liaisons.70 Und zweitens, dass unser Landgraf Ludwig I. von Hessen im September 1445 einer der Hochzeitsgäste im Residenzschloss zu Kopenhagen war, ja sogar als zeremonieller Hofmeister fungierte und so enge Bande knüpfte, dass ihn König Christoph zwei Jahre später, kurz vor seinem überraschenden Tod, zu seinem Rat und Diener mit einem Jahressalär von 500 fl. ernannte.71 Wir wissen nicht, was Landgraf Ludwig I. von Hessen mit seinem burgundischen Kontrahenten Philipp dem Guten besprochen hat, als beide sich 1454 auf dem Regensburger Reichstag persönlich begegneten.72 Die brabantischen Ansprüche, deren Neubewertung in der Dialektik von Sein und Bewusstsein die landgräfliche Entregionalisierung lange vor dem bisher angesetzten Termin bewirkt haben, wurden jedenfalls nicht vergessen73. Mit und seit Ludwig I. haben die Landgrafen von Hessen ihre spätmittelalterliche Provinzialisierung abgestreift und ansehnliche Beziehungsdichten sowohl zum Papsttum als auch zum römisch-deutschen Königbzw. Kaisertum erlangt. Der Nordwesten hat darauf stets katalytisch gewirkt. Das Interesse, das die Landgrafen ausgangs des Mittelalters dorthin geleitet hat und seit dem Höhepunkt unter Philipp dem Großmütigen nicht mehr abreißen sollte, war nicht einfach ein Aufbruch in völlig neue Regionen, sondern in gewisser Weise eine Rückkehr zu den Wurzeln, denen sie in der Mitte des 13. Jahrhunderts erwachsen 69 70
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Nicht nur durch den von Gotland aus operierenden Erik. Siehe zu diesem nach Barüske 1997 z. B. auch Olesen 2007. Wodurch er zugleich Schwager seines Onkels Erik wurde. Der Ausgleich verkörperte sich geradezu in Dorothea von Brandenburg und ihrer Dynastie, so dass sie 1448 auch Christian von Oldenburg, den Nachfolger des frühverstorbenen Christoph, heiraten musste. Siehe zu ihr jetzt Jahnke 2013. Vgl. zur Heiratspolitik im Norden des Reiches Auge 2012; Ders. 2013. Vgl. Knetsch 1917, S. 53; Rommel 1823, S. 315; Kromnow 1981, S. 206; Zeilinger 2006, S. 27 f. und 30 f. Annas 2004, Bd. 2, S. 400. Siehe nun auch die Belege RTA ÄR 19/2 und 19/3. Ludwigs I. Sohn Ludwig II. stimmte sich im Vorfeld des Nürnberger Türken-Tages 1466 mit seinem „Onkel“ Philipp dem Guten ab, was an der Kurie registriert wurde, siehe Rep. Germ. 9, Bd. 1, Nr. 4295: Ludovicus landgravius Hassie com. in Cziegenhain et in Nidda epistula ex Cassel ad legatos ap. sedis in qua rogat dd. legatos ut credentie fidem adhibeant Adolpho de Marcka leg. doct. et mil. ambasiatori principis Burgundie ducis avunculi d. Ludovici unac. scutifero et consiliario d. Ludovici necnon camerario hereditario terre Hassie Philippo de Berleubschen quibus ipse Ludovicus dedit auctoritatem ad comparendum suo nomine in dieta Nurembergen. die 11. nov. 66 celebranda et ad tractandum c. ceteris principibus ibidem congregatis sup. adiutorio contra Turkorum imperatorem 6. nov. 1466 Rota Misc. 1 218rs. Vgl. RG online unter: http://rg-online.dhi-roma.it/RG/9/4295.
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waren. Aber ihr erwachtes Interesse an überregionalen, ja europäischen Zusammenhängen, an kirchen- und reichspolitischem Engagement war kein Einzelphänomen, sondern stand im Zusammenhang einer cum grano salis alle weltlichen Reichsfürsten erfassenden Bewegung. Nicht zuletzt die säkularfürstlichen Ansprüche auf Willensbildung und Willensäußerung, auf reichspolitische Partizipation auf und abseits der königlichen Hof- und Reichstage treten schon vor der Mitte des 15. Jahrhunderts neben die klassischen Akteure und Akteursgruppen, neben den Herrscher und dessen Hof samt den königsnahen Personenverbänden und die Kurfürsten. Dies war Verdichtung wie deren Katalysator zugleich. Quellenverzeichnis Ungedruckte Quellen Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, Bestand GA 5: Gemeinschaftliches Hausarchiv, Abteilung I/ II: Grunddokumente der hohenlohischen Geschichte, Schublade LXVII: Reichs- und Grafentagssachen, Nr. 5: Herzogtum Brabant und die Ansprüche des Römischen Reiches betreffend, 1425–1445. Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, Bestand GA 15, Gemeinschaftliches Hausarchiv, Abteilung IV: Archiv der Herrschaft Weinsberg mit dem Nachlass des Reichserbkämmerers Konrad von Weinsberg, 3 Schublade C: Kaiserliche Aufträge an Konrad von Weinsberg, Nr. 7. Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, Bestand GA 15: Gemeinschaftliches Hausarchiv, Abteilung IV: Archiv der Herrschaft Weinsberg mit dem Nachlass des Reichserbkämmerers Konrad von Weinsberg, Schublade K: Erworbene und ererbte Rechte der Herren von Weinsberg, Nr. 30/9.
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DER KÖNIG ZU GAST Maximilians I. Besuch beim Grafen von Hohenlohe in Neuenstein Kurt Andermann Neuenstein liegt an der A6 beziehungsweise E50, einer der großen Magistralen Europas, auf der sich, Stoßstange an Stoßstange, tagtäglich viele tausend Lastzüge durchs Land schieben, von Westen nach Osten und von Osten nach Westen. Der Ort liegt in der Senke des Epbachs, eines kleinen Rinnsals, das am nördlichen Rand der Schwäbisch-Fränkischen Waldberge unterhalb von Waldenburg entspringt und dessen kurzer Weg, noch bevor es Öhringen erreicht, mit der Mündung in die Ohrn endet.1 Schon im Mittelalter führte auf der Höhe über Neuenstein eine vielfrequentierte Straße vorbei und im 18. Jahrhundert ein in Öhringen abzweigender Cours der Thurn und Taxis’schen Reichspost via Rothenburg nach Nürnberg. Diese Straßen verbanden jahrhundertelang Wimpfen und Heilbronn mit Schwäbisch Hall und Dinkelsbühl oder, weiträumiger betrachtet, die Landschaften am Rhein mit jenen Frankens und Böhmens.2 Neuenstein selbst war von diesem Verkehr in älterer Zeit nur wenig tangiert und heute könnte man bisweilen den Eindruck gewinnen, als litte es unter der nahen Autobahn mehr, als es von ihr profitierte. Neuenstein war schon immer ein Schloss mit vorgelagertem Städtlein. Das kommt nicht von ungefähr, denn, wie bereits der Name zu erkennen gibt, war am Anfang das Schloss. Um die Wende zum 13. Jahrhundert von einem Ministerialen, dessen Nachkommen sich danach benannten,3 im Mündungswinkel von Epbach und Bernbach auf einem Fels oder Stein als festes Haus4 gegründet, entstand alsbald am flachen Hang davor eine Dienstboten- und Handwerkersiedlung, die – spätestens 1315 im Besitz der Herren von Hohenlohe – 1351 von König Karl IV. als Stadt privilegiert wurde.5 Ende des 14. Jahrhunderts war Neuenstein Sitz eines hohenlohischen Amts und 1455 fiel es mit der Teilung unter den Brüdern Kraft († 1472) und Albrecht († 1490) von Hohenlohe an den jüngeren Albrecht,6 der
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Beschreibung des Oberamts Oehringen 1865, S. 275–292; Der Landkreis Öhringen 1961–68, Bd. 2, S. 352–377; Der Hohenlohekreis 2006, Bd. 2, S. 126–167. Schaab 1982; Leibbrand 1988. Biedermann 1751, Taf. 394–396; Albrecht 1857; Gross 2001; Alberti 1889–1916, Bd. 2, S. 548; Der Hohenlohekreis 2006, Bd. 2, S. 143. Zum Typus vgl. Andermann 2009b. HUB 3, Nr. 11. Die hier und im Folgenden verwendeten Siglen werden im Quellenverzeichnis aufgelöst. Fischer 1866–71, Bd. 1, S. 116–120 und 138–141; Andermann 2013.
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Kurt Andermann
fortan hier residierte und den einstigen Ritteradelssitz zu einem offenbar bereits anspruchsvollen Grafenschloss ausbaute.7 Die Hohenlohe sind ein Edelherrengeschlecht aus dem Taubergrund um Pfitzingen, Weikersheim und Mergentheim; die namengebende Burg Hohlach stand zwischen Creglingen und Uffenheim.8 Als Gefolgsleuten der Staufer gelang ihnen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein weiträumiges Ausgreifen nach Süden und Westen in die Region um Kocher und Jagst, wo sie ausgehend von Langenburg, Waldenburg und Öhringen im Lauf des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit ein zwar nicht geschlossenes, aber doch sehr weitgehend arrondiertes Territorium aufbauen konnten. Den Grafenstand erlangten sie 1450 mit der im Übrigen an der Macht und Rücksichtslosigkeit der Landgrafen von Hessen gescheiterten Erbfolge in den Grafschaften Ziegenhain und Nidda.9 Am Ende des 15. Jahrhunderts erlebte das Haus Hohenlohe insofern einen Höhepunkt seiner Geschichte, als damals zum einen seine Herrschaft bereits konsolidiert war und zum anderen daran nicht mehr als zwei Linien partizipierten.10 Die Königsnähe, der sie sich während der späten Stauferzeit befleißigt hatten, setzten die Hohenlohe nach dem Interregnum ungeachtet aller Dynastiewechsel bruchlos fort. Von Rudolf von Habsburg über Adolf von Nassau und Albrecht von Österreich bis hin zu Heinrich von Luxemburg wurden sie mit zahlreichen Vergünstigungen bedacht.11 Im Thronstreit zwischen Friedrich von Österreich und Ludwig von Bayern hielten drei Hohenloher Vettern zu dem Wittelsbacher und ein vierter zu dem Habsburger, aber bald nach dessen Niederlage bei Mühldorf wurde auch Kraft von Hohenlohe, um den sich in Franken und Schwaben die österreichischen Parteigänger geschart hatten, von dem Bayern in Gnaden aufgenommen und mit vielfältigen Gunsterweisen bedacht. Zum Jahr 1333 ist sogar ein Aufenthalt des Kaisers im hohenlohischen Öhringen bezeugt.12 Im Konflikt zwischen Ludwig dem Bayern und Karl IV. waren die Hohenlohe erneut auf beiden Seiten engagiert und versammelten sich danach einmütig um den Luxemburger. Am Hof des ihren Territorien beinahe unmittelbar benachbarten Königs Ruprecht von der Pfalz hingegen traten sie infolge einer damaligen generativen Krise ihres Hauses nicht weiter in Erscheinung,13 aber in der Umgebung des Nachfolgers Sigmund waren sie wieder präsent. Auch mit dem Ende der Luxemburger brach die Königsnähe des Hauses Hohenlohe nicht etwa ab, sondern dauerte, wie Karl-Heinz Spieß hervorgehoben hat, 7
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Die ältere Baugeschichte des Schlosses ist nicht erforscht. Einige wenige Hinweise finden sich in: Beschreibung des Oberamts Oehringen 1865, S. 277 f.; Der Landkreis Öhringen 1961–68, Bd. 2, S. 356. Vgl. auch Andermann 2012, Bd. 1, S. 613–615; eine jüngere Untersuchung gilt allein dem bestehenden Neubau: Kowalewski 1993. Fischer 1866–71; HUB; Weller 1904–08; Taddey 1995; Störmer 1993, S. 263; Europäische Stammtafeln 1984–2013, Bd. 17, Taf. 1–23; Schiffer 2002; Lubich 2005; Andermann 2012, Bd. 1, S. 603–621. Taddey 1977. Ders. 1985. Einzelnachweise im HUB; im Übrigen vgl. Annas 2004; Spiess 2006; Andermann 2009a. RI VII,1, Heft 1, Nr. 207. Moraw 1968.
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gerade zu Zeiten Kaiser Friedrichs III. unvermindert fort:14 1450 erfolgte im Zusammenhang mit dem schließlich gescheiterten Anspruch auf die Grafschaften Ziegenhain und Nidda die förmliche Standeserhöhung als Grafen,15 1453 die Belehnung mit dem Blutbann16 und 1465 die ausdrückliche Zusicherung des kaiserlichen Schirms.17 In der langwierigen, zeitweise nahezu alle Fürsten Oberdeutschlands beschäftigenden Tierberger Fehde zwischen den Hohenlohe und den ritteradligen Stetten, deren Gerechtsame vielfach miteinander im Gemenge lagen, ergriff der Kaiser 1489 nachdrücklich für Kraft von Hohenlohe Partei und suchte zu dessen Vorteil auf das rechtliche Verfahren Einfluss zu nehmen.18 Zwischen den bedrohlichen Machtblöcken Brandenburg-Ansbach im Osten, Württemberg im Süden und Kurpfalz im Nordwesten war solche Königsnähe für die Bewahrung der hohenlohischen Eigenständigkeit unentbehrlich.19 Auf dem Reichstag in Worms 149520 schließlich erneuerte der inzwischen zur Regierung gelangte König Maximilian21 nicht allein sämtliche hohenlohischen Reichslehen und Privilegien,22 sondern verwandte sich bei den Domstiften in Mainz und Speyer mit Ersten Bitten für Hohenloher Agnaten23 und bewirkte in der Ziegenhainer Angelegenheit eine tragfähige Vereinbarung mit dem Landgrafen von Hessen, in deren Ergebnis die Hohenlohe eine Entschädigungszahlung erhielten und obendrein ihre angestammten Territorien zur eigenständigen Grafschaft erklärt wurden.24 Und Ende November 1495, auf der Heimreise von Worms, beehrte der König seinen Getreuen Kraft von Hohenlohe mit einem Besuch auf dessen Schloss in Neuenstein.25 Nachdem der große Reformreichstag Mitte August zu Ende gegangen war, war Maximilian noch viele weitere Wochen in Worms und Frankfurt geblieben26 und machte sich endlich im November über Speyer (22./23.)27 und Wimpfen (25./26.) auf den Weg nach Augsburg. Schon von Speyer aus wurde Graf Kraft von Hohenlohe durch seinen angeheirateten Vetter, den frischgebackenen Herzog Eberhard von Württemberg,28 benachrichtigt, der König habe vor, in zwei oder drei Tagen in 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
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Spiess 2006, S. 32. Taddey 1977, S. 87. Regesta chronologico-diplomatica Friderici IV. 1838–40, Bd. 2, Nr. 3015, S. 306. Ebd., Nr. 4194, S. 429. Bechstein 2004, S. 117 f., 136–139, 152–155 und 171–173. Press 1998; Kluge 1988. Moraw 1995; Stollberg-Rilinger 2008, S. 23–91; Mertens 2012. Wiesflecker 1971–86; Hollegger 2005; Kaiser Maximilian I. 2009; Maximilian I. 2011. RI XIV,1, Nr. 1486, 1497 und 2333; RTA MR 5, Nr. 599, 611 und 781. RI XIV,1, Nr. 1709 und 2061; vgl. auch Santifaller 1949, Nr. 820 und 1421. RI XIV,1, Nr. 2083; Taddey 1977, S. 104–107. Das Folgende, soweit ohne nähere Angaben, nach Hansselmann 1751, S. 610–614 (nur auszugsweise Edition des zeitgenössischen Berichts), beziehungsweise nach der zeitgenössischen Originalvorlage: Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, Z, Nr. 5; vgl. auch Fischer 1866–71, Bd. 1, S. 121 f. RI XIV,1, Nr. 2285–2665. Ebd., Nr. 2666 f. Ernst 1933; Mertens 1997; Lang 2009.
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Öhringen zu übernachten, und am 25. November präzisierte der königliche Hofmarschall und Kämmerer Wolfgang von Polheim29 von Wimpfen aus diese Ankündigung: die rö[misch] kö[nigliche] m[ajestä]t wurdet morgen gein Orinngaw mit vierdhalbhundert pferden komen und daselbst ubernacht pleiben. Ob dieser Besuch bereits in Worms in Erwägung gezogen worden war, entzieht sich unserer Kenntnis. Indes dürfte der dem König aufgrund vieler Gunsterweise dankbare Kraft von Hohenlohe dort zumindest eine entsprechende Einladung ausgesprochen haben. Von Worms nach Speyer war es zu Pferd eine Tagesreise, von Speyer nach Wimpfen beziehungsweise Heilbronn eine stramme Tagesreise und von dort nach Öhringen noch einmal eine knappe Tagesreise.30 So lag, zumal im Spätjahr, wenn es früh dunkel wird, für die Weiterreise eine Zwischenstation in Öhringen eigentlich auf der Hand. Als nächstes mögliches Ziel hätte sich die Reichsstadt Schwäbisch Hall angeboten, aber das wäre noch einmal ein gutes Stück weiter gewesen und die letzte Etappe dorthin, von der Hohenloher Ebene hinunter ins Kochertal, war etwas beschwerlich und im Licht eines neuen Tags gewiss leichter zu bewältigen als bei hereinbrechender Nacht. Das vom König und seinem Hofmarschall als Etappenziel ins Auge gefasste Öhringen war und ist unter allen hohenlohischen Städten die bei weitem größte und wirtschaftlich bedeutendste.31 Einen Herrschaftssitz jedoch gab es dort im Mittelalter nicht.32 Das nächstgelegene hohenlohische Schloss – und zu jener Zeit die eigentliche Residenz der Grafen – war das nur etwa sieben Kilometer weiter östlich gelegene Neuenstein.33 Also lud Graf Kraft den König und sein engeres Gefolge mit 50 bis 60 Pferden in sein Schloss nach Neuenstein ein. Die übrige Begleitung sollte, wie ursprünlich vorgesehen, im nahen Öhringen Quartier nehmen. Allerdings verzögerte sich der Besuch noch einmal um einen Tag, weil Maximilian von Wimpfen aus nicht direkt ins Hohenlohische reiste, sondern kurzentschlossen einen Umweg über Heilbronn nahm34 und auch dort noch einmal übernachtete. Am 27. November aber war es endlich soweit. An der Gemarkungsgrenze zwischen Bitzfeld und Verrenberg,35 der westlichen Grenze seines Territoriums, begrüßte Graf Kraft von Hohenlohe den König persönlich und geleitete ihn zuerst nach Öhringen. Dort hatte sich, angetan mit ihren Ornaten, die Priesterschaft am unteren Tor versammelt, um den Herrscher mit Heiltümern und einem Himmel gebührend zu empfangen.36 Dass aber Maximilian, da es bereits dunkelte, weder vom Pferd steigen und unter dem für ihn bereitgestellten Himmel gehen, noch das altehrwürdige Stift besuchen wollte, sondern ungesäumt durch das obere Tor gleich weiter nach Neuenstein strebte, dürfte den Öhringern einige Enttäuschung bereitet haben. Immerhin jedoch blieb der größte Teil des königlichen Gefolges – darunter 29 30 31 32 33 34 35 36
Zwiedineck 1888. Ohler 2004. Öhringen 1988; Der Hohenlohekreis 2006, Bd. 2, S. 188–251. Andermann 2012, S. 615 f. Ebd., S. 613–615. RI XIV,1, Nr. 2668. Der Hohenlohekreis 2006, Bd. 1, S. 283–286, und Bd. 2, S. 244 f. Vgl. allgemein Schenk 2003.
Der König zu Gast
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zahlreiche Adlige nachgeordneter Ränge, Geistliche, das Küchenpersonal, Pfeifer, Trommler, Trompeter, Falkner, Trabanten und viele andere mehr – in Öhringen zurück und fand dort mit weit mehr als zweihundert Pferden Unterkunft in Häusern der örtlichen Oberschicht. In der kleinen Stadt dürfte damit auch ohne die Anwesenheit des Herrschers für Kurzweil gesorgt gewesen sein. Der König selbst, in Neuenstein angekommen, wurde in dem schloß unnd dem gemache in der gewelb stuben unnd der gewelb camer dargegen uber uff der erden einquartiert. Im Neuensteiner Schloss logierten außerdem die königlichen Kämmerer und Räte: Veit von Wolkenstein37 in dem zwerchstüblin, zwischen den zween hewsern gelegen, Kaspar von Meckau38 und Graf Heinrich von Fürstenberg39 in der Gewölbekammer beim König, der Hofmarschall Wolfgang von Polheim40 in der grossen camern neben der grossen newen stuben, Gotthard von Wolkenstein,41 Anton von Ivano42 und Zyprian von Serntein43 in der schneider camer sowie Leonhard von Fraunberg,44 Georg von Liechtenstein45 und andere in der gewelb camern ob der capellen. Alle anderen, Adel und Gesinde, bezogen Herbergen im Städtlein, darunter der Barbier, der Silberkämmerer, der Küchenschreiber und der Mundkoch des Königs. Bewirtet aber wurden alle Gäste im Schloss, wobei der über dieses Spektakel alsbald verfasste Bericht ausdrücklich festhält: Unnd ist den wol erboten unnd futer und male gegeben worden. Deßgleichen sind alle der konniglichen maiestat diener unnd verwanndten, die zu Orinngew plieben, […] mit gnugsamer speise unnd futerung versehen worden, alles uff grave Craffts costen und bezalung, ebenso wie die frembden botschafften, die dem konniglichen hoff nachgefolgent sind, auch hurn und buben. Der Graf ließ es also an nichts fehlen, und wie die Beschreibung der Gästequartiere im Neuensteiner Schloss zu erkennen gibt, muss auch dieses bereits damals sehr stattlich gewesen sein. Getafelt wurde in der großen Stube in dem fordern hawß des Schlosses mit costlichen speysen unnd getranncke[n]. Der Graf und sein königlicher Gast saßen an einem Tisch für sich allein. Und selbstverständlich hatte Graf Kraft die große Stube aus diesem Anlass auch aufwendig dekorieren lassen mit schonen tuchern, auch einer or[dent]lichen credenntz mit vil stücken von silbergeschirre in mann37 38 39 40 41 42 43 44 45
Seyboth 2009; Joos 2009. Als Kämmerer in der Umgebung Maximilians bezeugt von 1493 bis 1503; vgl. RI XIV, Register. In der Umgebung Maximilians bezeugt von 1493 bis 1499; vgl. RI XIV, Register; Europäische Stammtafeln 1984–2013, Bd. 5, Taf. 14. Wie Anm. 29. Seyboth 2009, S. 90, 94, 96, 98 und 100. Ansonsten in der Umgebung Maximilians (als Rat und Fürschneider) erst ab 1497 bezeugt; vgl. RI XIV, Register. Hyden 1973. Königlicher Truchsess, vgl. RI XIV,1, Nr. 2703 und Register; Europäische Stammtafeln 1984– 2013, Bd. 16, Taf. 60. Ansonsten in der Umgebung Maximilians (als Rat und Fürschneider) erst ab 1496 bezeugt; vgl. RI XIV, Register; Europäische Stammtafeln 1984–2013, Bd. 3/1, Taf. 32.
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cherley formen unnd gestalt daruff gestanden. Nach dem Mahl spielten der Graf und sein hoher Gast etwiwvil zeit miteinander Schach. Auch versäumte man nicht, des Grafen Tochter Margarethe samt iren junckfrawen und frawen dem König vorzustellen, der sich mit der Fünfzehnjährigen angelegentlich unterhielt. Indem der Bericht hervorhebt, die jungen Damen seien etliche zeit bey graven unnd hern in derselben stuben gesessen, kann man sich leicht ausmalen, was diese Vorstellung bezweckte. Gleichwohl heiratete Margarethe schließlich keinen Herrn aus dem engeren Umkreis des Königshofs; vielmehr wurde sie drei Jahre später einem Reichsfürsten, dem Pfalzgrafen Alexander von Zweibrücken-Veldenz, vermählt und geriet so zur Stammutter der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken und letztlich des bayerischen Königshauses.46 Anschließend an das Gespräch mit den jungen Damen begab Maximilian sich auch noch ins Frauenzimmer,47 um der Hausfrau seine Aufwartung zu machen. Gräfin Helene war von Haus aus eine Württembergerin48 und lag eben mit der wenige Tage zuvor geborenen Tochter Elisabeth im Kindbett. Der König erkundigte sich angelegentlich nach ihrer Gesundheit, beglückwünschte sie und machte ihr allerlei Komplimente. Nach annähernd einer Stunde schied er mit dem segen. Als ganz besonders schmeichelhaft registrierte man, dass er die Gräfin als sein mumen titulierte und damit sowohl ihr als auch dem Haus Hohenlohe huldvoll soziale Nähe bescheinigte. Am nächsten Morgen – es war Andreasabend – erklärte der König fasten zu wollen und ritt nüchtern weiter nach Schwäbisch Hall49. Wiederum gab Graf Kraft seinem hohen Gast das Geleit, diesmal bis nach Westernach50 unterhalb von Waldenburg, wo Hohenloher und Haller Gebiet aneinandergrenzten. Von Hall aus ließ Maximilian durch seinen Hofmarschall von Polheim dem Grafen von Hohenlohe für die in Neuenstein gewährte Gastfreundschaft noch einmal schriftlich danken und der Gräfin als Geschenk ein Kleinod übersenden, ein roslin von dyematen mit etlichen rubin und perlin in gold gefasset, geacht an 1000 guldin.51 Selbstverständlich antwortete Graf Kraft dem König darauf umgehend, dankte in seinem und seiner Gemahlin Namen für das ihnen zuteilgewordene herrscherliche Wohlwollen und versicherte, das ich von unnser beder wegen soliche gnade unnd gabe mit allem vermogen, leibs und guts, in aller gehorsamer unndertennigkeit und nach meiner armudt williglichen und mit allem vleiß wolle verdienen. In den nächsten Tagen zog der König mit seinem Tross von Schwäbisch Hall nach Nördlingen und von dort im neuen Jahr weiter nach Augsburg.52 König Maximilians Aufenthalt in Neuenstein war nicht der einzige Herrscherbesuch in Hohenlohe, wohl aber der einzige in Neuenstein. Von Kaiser Ludwigs 46 47 48 49 50 51 52
Europäische Stammtafeln 1984–2013, Bd. 1/1, Taf. 96 und 102; Holzfurtner 2005, S. 343 und 472 f. Das Frauenzimmer 2000. Fischer 1866–71, Bd. 1, S. 118 f. Ehemann 1882, S. 2. Der Hohenlohekreis 2006, Bd. 2, S. 68–70. Die Wertangabe hat Hansselmann 1751 in seiner Edition des Berichts unterschlagen. RI XIV,1, S. 332–340.
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Aufenthalt in Öhringen 1333 war bereits die Rede. König Maximilian nahm sich, wie wir hörten, 1495 in Öhringen nicht einmal die Zeit, vom Pferd zu steigen. Ein halbes Jahrhundert später, am Heiligabend des Jahres 1546, kehrte sein Enkel,Kaiser Karl V. in der Stadt ein, aber wiederum nur auf der Durchreise. Kaiser Maximilian II. und seine Gemahlin Maria von Spanien machten Mitte Juni 1570, auf dem Weg zum Reichstag nach Speyer in Öhringen Station, wobei sie in der Stiftsschule übernachteten, und am 21. Dezember 1570 lagerte Maximilian II. noch einmal in Öhringen; beide Male führte er einen naturgemäß großes Aufsehen erregenden Elefanten mit.53 Es ist anzunehmen, dass bei allen diesen Gelegenheiten die Grafen von Hohenlohe dem Reichsoberhaupt gebührende Aufwartung machten und allerlei Artigkeiten ausgetauscht wurden, aber nähere Einzelheiten kennt man von allen diesen Herrscherbesuchen nicht. Dass wir über die Einzelheiten von König Maximilians Aufenthalt in Neuenstein 1495 so gut Bescheid wissen, ist der Tatsache zu verdanken,54 dass offenbar unmittelbar danach Graf Kraft von Hohenlohe einen detaillierten Bericht darüber hat verfassen lassen, zu seiner eigenen Erinnerung und zur Erinnerung der Nachkommen. Indes deutet eine auf der im Hohenlohe-Zentralarchiv in Neuenstein verwahrten Handschrift vom selben Schreiber angebrachte Widmung zu Ehren des Kurfürsten Philipp von der Pfalz55 darauf hin, dass zumindest intendiert war, mit dem ehrenvollen Herrscherbesuch in Neuenstein auch gegenüber anderen zu renommieren.56 Das war in diesem Fall umso mehr geboten, als die Hohenlohe damals zur Pfalz in einem nicht ganz freiwillig zustande gekommenen Dienst- und Schirmverhältnis standen.57 Es ist also davon auszugehen, dass sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit an dem glanzvollen Heidelberger Hof58 verkehrten,59 und wenn sich gegenüber dem unbequemen Hegemon nun einmal die Gelegenheit bot, die eigene Bedeutung ins rechte Licht zu rücken, konnte dies nur recht sein. Wer weiß, vielleicht hatte ja schon bald darauf der Pfälzer Kurfürst seine Finger im Spiel, als die Heirat Margarethes von Hohenlohe mit Herzog Alexander von Zweibrücken angebahnt wurde? Versucht man schließlich das Neuensteiner Ereignis vom 28. und 29. November 1495 in einem allgemeineren Kontext zu betrachten, stellt sich zunächst die Frage, wie häufig oder selten dergleichen königliche Besuche bei Mindermächtigen 53 54 55 56 57 58 59
Beschreibung des Oberamts Oehringen 1865, S. 184 f.; Becker 1969, S. 18. Esch 1985. Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, Z, Nr. 5: Dem durchleuchtigenn, hochgebornnen fürstenn unnd hern, hern Philipsen pfaltzgraven bey Reine, hertzogen in Beiern, des Heiligen Römischenn Reichs ertztruchsessen unnd churfürstenn, meinem gnedigen hern. Dem widerspricht es nicht, dass zumindest dieses Exemplar schließlich gar nicht in den Besitz des Pfälzer Kurfürsten gelangte, sondern im hohenlohischen Archiv landete. Cohn 1965, S. 127 f.; Spiess 2013, S. 386. Cohn 1965; Schaab 1994; Wissen für den Hof 1994; Krimm 2002; Widder 2002; Andermann 2002; Studt 2013. Darauf deutet auch das prächtige Wappenlehnbuch hin, das sich Graf Albrecht von Hohenlohe nach Pfälzer Vorbild hat anfertigen lassen, vgl. Andermann 2013.
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im späten Mittelalter überhaupt vorkamen, ob man sie eher für Ausnahmen oder für etwas Alltägliches halten muss. Zu beantworten wäre diese Frage natürlich nur aufgrund detaillierter Itinerarstudien, die es bislang aber nicht gibt.60 Eine kursorische Durchsicht von Wiesfleckers Maximilian-Regesten – in denen die Neuensteiner Episode bezeichnenderweise gar keine Erwähnung findet61 – vermittelt indes den Eindruck, als seien solche Besuche doch eher die Ausnahme gewesen. Das erstaunt nicht weiter und erklärt sich wohl vor allem daher, dass schon allein der bei solchen Gelegenheiten nötige logistische Aufwand – immerhin galt es, mehrere hundert Menschen und Pferde unterzubringen und zu verpflegen – enorm war und schon im ganz Praktischen die Möglichkeiten und Kapazitäten eines kleineren Grafen oder Herrn leicht überfordern konnte.62 Auch für eine Reichsstadt war das jedesmal eine Herausforderung.63 Gleiches gilt selbstredend bezüglich der für einen Empfang in so großen Dimensionen erforderlichen finanziellen Ressourcen, die, selbst wenn der damit verbundene Zugewinn an Sozialprestige noch so wünschenswert war, erst einmal aufgebracht werden mussten.64 Eine Herausforderung für die potentiellen Gastgeber stellte aber nicht minder die bisweilen sehr kurzfristige Disponierung der Etappenziele dar, wie sie sich am Beispiel der zunächst offenbar gar nicht vorgesehenen Zwischenstation in Heilbronn zeigt. Gleichgültig, ob dieser Abstecher auf besonderen Wunsch des Königs erfolgte oder ob die Stadt ihrerseits initiativ wurde, weil sie von dem Herrscher nicht um- und übergangen werden wollte, erforderte ein derartiges Manöver bei allen Beteiligten eine hohe Flexibilität und ein ebenso großes logistisches Reaktionsvermögen. Und zu bewundern ist nicht zuletzt der König selbst für das umfangreiche und dichtgedrängte Pensum, das er bei solchen Gelegenheiten absolvierte. Gewiss, die Öhringer mögen enttäuscht gewesen sein, dass ihr Anteil an der Ehre des Herrscherbesuchs so bescheiden ausfiel. Aber im Schloss des Grafen von Hohenlohe in Neuenstein ließ Maximilian mit dem abendlichen Mahl, der Schachpartie mit dem Gastgeber, dem Gespräch mit der Tochter sowie dem Besuch im Frauenzimmer und am Wochenbett der Gräfin keine Gelegenheit aus, dem Grafen und seinem Haus alle nur erdenkliche Ehre zu erweisen, demonstrativ. Gar zu gern möchte man wissen, um welche Stunde sich der König an diesem Abend in Neuenstein schlafen legte. Früh kann es nicht gewesen sein und allzu lang kann die Nachtruhe nicht gewährt haben, denn am nächsten Morgen ging es ja schon beizeiten weiter – nüchtern! Den Besuchern des Neuensteiner Schlosses wird noch heute die eindrucksvolle mittelalterliche Schlossküche gezeigt, in der einst für König Maximilian gekocht 60 61 62 63 64
Über die bloße Registrierung der Ausstellungsorte von Urkunden hinaus käme es darauf an, auch Chroniken und vor allem Reiseberichte auszuwerten, die aber leider nicht sehr zahlreich überliefert sind; vgl. etwa Schellhass 1893. RI XIV,1, S. 331. Hofwirtschaft 2008. Becker 1969, S. 12–18; Kramml 1985, S. 79–88; Schenk 2003; Friess 2005; Isenmann 2012, S. 304–307. Bünz 2006.
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worden sein soll, dazu die große, ebenerdige Gewölbestube und -kammer, in der er logierte, und im Archiv – unter demselben Dach – liegt der zeitgenössische, auf Hadernpapier geschriebene Bericht,65 der uns von dem königlichen Besuch so viel verrät, wenngleich doch nicht alles, was wir darüber auch noch gern wissen möchten. Die Erinnerung an den Neuensteiner Herrscherbesuch lebt fort, auch noch nach mehr als einem halben Jahrtausend. Vor einem halben Jahrhundert erlebte das Hohenloher Land einmal mehr einen Herrscherbesuch: Queen Elisabeth besuchte im Mai 1965 ihre Verwandten, den Fürsten zu Hohenlohe und seine Familie, in Langenburg. Eine Autobahn gab es damals hierzulande noch nicht, deshalb kam die Königin per Bahn, über Crailsheim und Blaufelden; die Strecke ist inzwischen längst stillgelegt. Auch die Erinnerung an diesen königlichen Besuch ist noch heute vital, nicht zuletzt aufgrund einer kurzen Filmsequenz mit der in Englisch gehaltenen Ansprache des damaligen Langenburger Bürgermeisters, die inzwischen via YouTube in aller Welt verfügbar ist.66 Ob indes am Ende auch diese Erinnerung ein halbes Jahrtausend überdauern wird, werden erst künftige Generationen wissen. Quellenverzeichnis Ungedruckte Quelle Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, Z, Nr. 5.
Gedruckte und online publizierte Quellen Ansprache des Langenburger Bürgermeisters Fritz Gronbach anläßlich des Staatsbesuchs Queen Elisabeths II. im Jahr 1965, in: YouTube, URL: https://www.youtube.com/watch?v=qmg7go FnTkI [29. Mai 2014]. Hansselmann, Christian Ernst: Diplomatischer Beweis, daß dem Hause Hohenlohe die LandesHoheit mit denen zu selbiger gehörigen Rechten, nicht etwan in dem sogenannten großen Interregno oder nach solchen Zeiten erst zu theil worden, sondern demselben schon lang vorher zugestanden und in ruhiger Übung zugekommen […], Nürnberg 1751. [HUB] Hohenlohisches Urkundenbuch, bearb. von Karl Weller/Christian Belschner, 3 Bde., Stuttgart 1899–1912. Regesta chronologico-diplomatica Friderici IV. Romanorum regis (imperatoris III.). Auszug aus den im K. K. Geheimen Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien sich befindenden Reichsregistraturbüchern vom Jahre 1440 bis 1493, nebst Auszügen aus Originalurkunden, Manuskripten und Büchern, bearb. von Joseph Chmel, 2 Bde., Wien 1838–40. [RI VII,1, Heft 1] Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern (1314–1347), nach Archiven und Bibliotheken geordnet, Heft 1: Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken Württembergs (Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii, VII/1,1), bearb. von Johannes Wetzel, Köln/Weimar/Wien 1991. [RI XIV] Ausgewählte Regesten des Kaiserreiches unter Maximilian I. (1493–1519) (Johann Friedrich Böhmer, Regesta Imperii, XIV), bearb. von Hermann Wiesflecker, 4 Bde., Wien/Köln/ Weimar 1990–2007. 65 66
Wie Anm. 25. Ansprache 1965.
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[RTA MR 5] Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I., Bd. 5: Reichstag von Worms 1495 (Deutsche Reichstagsakten. Mittlere Reihe, 5), bearb. von Heinz Angermeier, 2 Bde., Göttingen 1981. Schellhass, Karl: Eine Kaiserreise im Jahre 1473, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 3, Folge 4 (1893), S. 161–211.
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IM DIENST Gelehrte im Reich der deutschen Könige und Fürsten des späten Mittelalters Rainer Christoph Schwinges Albrecht Achilles, Kurfürst von Brandenburg und Markgraf von Ansbach, war einer der wichtigsten Reichsfürsten der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Zu Gelehrten in seinem Dienst oder im Dienst anderer hatte er zunächst ein sehr kritisches Verhältnis. Zu Beginn seiner Regierungszeit, seit 1440 in Ansbach, hielt er noch wenig von den Doctores, so in den püchern lesen. Dadurch sie maynen, allem einen schein zu geben, es hab grund oder nicht.1 Bei der bloßen Meinung blieb es nicht, Albrecht handelte entsprechend und ließ sogar einen kaiserlichen Rat, den Doktor beider Rechte Ulrich Riederer, im Dezember 1452 aus der Stube der Burg von Wiener Neustadt werfen, als er, der Fürst, eintrat. Rüde fuhr ihn dieser an, wie der anwesende Enea Silvio Piccolomini überliefert: Tu ne princeps es […], qui te principibus misces – „Du bist kein Fürst, was mischt Du dich hier unter die Fürsten?“ Dieser Auftritt und das ständisch abwertende „Du“ zeigten, wo die Grenzen der sozialen Akzeptanz lagen, so Christine Reinle, auch für einen arrivierten Juristen immerhin niederadeliger Herkunft wie Doktor Riederer.2 Albrecht stand um die Mitte des Jahrhunderts mit Ansicht und Verhalten beileibe nicht allein. Peter von Andlau, Begründer der deutschen Staatsrechtslehre, Doktor des Kirchenrechts von Pavia und erfolgreicher Werber für die Errichtung einer Universität in Basel, beklagte in den fünfziger bis siebziger Jahren wiederholt die Verachtung der Gelehrten durch Kaiser, Fürsten und Adel, obgleich sich diese im Niedergang befänden und unfähig erschienen, die ihnen einmal zugedachten Aufgaben im Reichsverband zu lösen. Gestützt auf italienische ‚Juristengrößen‘ wie Bartolo di Sassoferrato forderte er, dem Geburtsadel einen Verdienstadel beiseite zu stellen, den man aus dem Reservoir der Universitätsgelehrten und -gebildeten schöpfen könne. Der Doktorgrad adle und eine zwanzigjährige Universitätstätigkeit erhebe in den Grafenstand. Peter von Andlau hatte sich seit 1438 für eine Universitätskarriere entschieden.3 Die Diskrepanz zwischen fehlender Anerkennung und Selbstachtung lag im Trend der Zeit, doch hatte sie auch persönliche Gründe, die zum einen im defectus natalium des Sprosses aus elsässischem Ritter1 2 3
Vgl. Schubert 1971, S. 145; Andresen 2009, Bd. 1; Dies. 2007a, S. 451. Speziell Reinle 1993, Zitat nach Enea Silvio Piccolomini, hier S. 346. Die Szene in der Burg beleuchtet ausführlich Krieger 1986. Peter von Andlau, Kaiser und Reich, S. 317–331, bes. S. 331. Zum Biogramm Peters und zu Biogrammen aller künftig hier genannten Gelehrten siehe die Online-Datenbank „RAG – Repertorium Academicum Germanicum“ unter http://www.rag-online.org/de/datenbank/abfrage.html. Dazu unten Anm. 26. Siehe auch Walther 1989.
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geschlecht liegen, zum anderen in der jahrelangen Vizekanzlerschaft beim Bischof von Basel wurzeln mochten.4 Nur ungern erledigten Kölner Professoren beratende oder gutachterliche Aufträge am herzoglichen Hof zu Kleve. Hier ging es im Dienst anders zu als an den Burgunderhöfen, zum Beispiel am Utrechter Bischofshof Davids von Burgund, einem Sohn Herzog Philipps. Magister Arnold Heymerick, ein in Köln und an der römischen Kurie ausgebildeter Rechtspraktiker, späterer Dompropst zu Xanten, kannte beide Höfe und musste miterleben, wie Kölner Gelehrte in Kleve behandelt wurden, Gelehrte wie er selbst oder die italienerfahrenen Legisten Fastrardus Bareit van dem Busche oder Lambertus Langenhave von Rees. Einmal habe der klevische Hofadel dem Dr. Langenhave bedeutet, er solle sich mit Bartolus und Baldus davonscheren, man habe genügend eigene Kenntnisse, um die Geschäfte zu erledigen. Flugs hätten sie ihm das Konzept so zusammengestrichen, dass er es hinterher selbst nicht mehr hätte erkennen können.5 Hinter solchen Szenen stand natürlich der langwierige und schwierige Prozess, den man früher Rezeption, heute „Verwissenschaftlichung des Rechtslebens“ nennt, in dem es Experten gelehrter Rechte erst allmählich, wenn auch unaufhaltsam gelang, Gewohnheitsrechte zu überlagern.6 Denn trotz der höfischen Bremser pflegten die Klever Herzöge des 15. Jahrhunderts von Adolf bis Wilhelm V. nebst ihren Gattinnen durchaus rege Kontakte zur Kölner Universität, vor allem, um ihren Landeskindern Lekturen und Pfründen und sich selbst bei Bedarf ein Angebot an Gelehrten zu sichern.7 Dr. Bareit van dem Busche ging aber nicht mehr an den Hof zurück, blieb quasi ein „Titularrat“ und erstellte die gewünschten Gutachten von Köln aus.8 Irgendwie gebraucht, aber nicht geachtet, so schien das Los der Gelehrten in Diensten an Höfen zu sein – doch gerade der so rabiat handelnde Markgraf von Brandenburg schien bald einmal, vor allem nach Übernahme der Kurwürde 1470, gelernt zu haben, wie nützlich ihm und seinen Landesstaaten gelehrte Doktoren sein konnten: Bei seinem Rat Hertnidt von Stein, einem Doktor des Zivilrechts von Bologna, bedankte er sich für erfolgreiches Wirken zugunsten Brandenburgs an der Römischen Kurie mit den Worten: Schick einen weysen und bevihle im wenig, so richt er vil auß oder schick einen toren und bevihle im vil, so richt er nichts auß.9 Dieser Satz hätte auch Friedrich Sesselmann von Kulmbach gelten können, dem Doktor beider Rechte von Bologna, der in jahrzehntelanger Ratstätigkeit, zuletzt als brandenburgischer Kanzler und Bischof von Lebus, schon unter Albrechts Bruder Kurfürst Friedrich II., den Hohenzollern wesentlich geholfen hatte, ihre Macht in der Mark zu verankern.10 Am Ende seiner Regierungszeit († 1486) hatte Albrecht
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Peter von Andlau, Kaiser und Reich, S. 317; Walther 1989, S. 79. Oediger 1973, S. 260 f. Programmatisch Coing 1974; Männl 1987, S. 1; Sellert 1998. Vgl. Schwinges 1986, S. 305–308; Meuthen 1988, S. 134 f. Oediger 1973, S. 260. Zitat nach Schubert 1971, S. 145. Zu Hertnidt siehe Thumser 1989. Zu ihm Andresen 2009, Bd. 2, S. 276–286 mit Literatur.
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nach dem Kaiser11 von allen deutschen Reichsfürsten die meisten Doktoren als gelehrte Räte um sich geschart, mindestens 64 an der Zahl,12 adlige und bürgerliche Juristen, zumeist sogar die utroque iure promovierten und damit akademisch ranghöchsten Juristen, aber auch Theologen und Mediziner, und gerne lieh er sie mit spezieller Empfehlung an Standesgenossen aus, die das Niveau seiner Räte zu schätzen wussten. Albrecht und mit ihm so mancher Standesgenosse hatten erkannt, dass hinter den ‚Bücherdoktoren‘ und Besserwissern doch mehr steckte als der bloße Schein. Sie waren je länger je mehr die „Strategen am Hof“, so der einschlägige Titel der Dissertation von Suse Andresen, die den Räten Albrechts gewidmet ist, oder, speziell auf Juristen gemünzt, sie waren die „Techniker der Tagespolitik“, wie sie Peter Moraw nannte, gar „Techniker der Macht“.13 Universitätsabsolventen hatten als Räte wesentliche Anteile am Erfolg und konnten von ihren Dienstorten aus sowie auf diplomatischen Missionen Wirkung im Sinne von Landespolitik entfalten. Der Umgang mit ihnen, mit Albrecht Klitzing, Georg von Absberg, Nickel Pfuhl, Hermann Reinsberger oder Peter Knorr und den schon Genannten, scheint sogar das Verhalten des Kurfürsten direkt beeinflusst zu haben: Seine Schroffheit im Auftreten hatte sich – ersichtlich nicht zuletzt aus seiner Korrespondenz – zu smarter Verhandlungsbereitschaft gewandelt.14 Die erwähnten Beispiele ließen sich in negativer wie positiver Hinsicht vermehren, zumal über „Gelehrte im Dienst“ von Königen und Fürsten seit Jahren neue Kenntnisse gewonnen werden, sowohl aus höfischer, dom- und stiftskirchlicher als auch städtischer und universitärer Perspektive.15 Dass es im Umkreis von fürstlichen Universitätsstiftern besonders positive Beziehungen zu Ratgebern gab, versteht sich von selbst; man denke nur an Erzherzog Albrecht VI. und Matthäus Hummel für Freiburg im Breisgau oder für Greifswald an Heinrich Rubenow und Herzog Wartislaw IX.16 Einigen Räten hat man politische Biographien gewidmet wie zum Beispiel Laurentius Blumenau, Martin Prenninger oder Ulrich Riederer, Martin Mair, Hertnidt vom Stein oder in jüngerer Zeit Martin Pirkheimer, Dietrich von Bocksdorf, Johannes Hinderbach, Sixtus Tucher oder Johannes von Lysura oder auch der ganzen Familie Vener in fast drei Jahrhunderten. Allen Autoren ist gemein, dass sie dabei auf ein sich emanzipierendes Gelehrtentum hinweisen können.17 Auch wenn die Gelehrten um und nach 1500 durchaus noch kritisch betrachtet werden – man denke an die Sprüche „die Gelehrten – die Verkehrten“, „Juristen – böse Christen“18 oder an den Spruch, den schon Enea Silvio 1454 vom Basler Konzil kolportierte, in durchaus zwiespältiger Anerkennung des Nikolaus 11 12 13 14 15 16 17 18
Moraw 1986, S. 143, kommt bis 1493 auf 109 Räte. Heinig 1997, Bd. 3, Beilage 16, S. 1417– 1422, listet 171 gelehrte Räte auf bei rund 400 Räten insgesamt in der Zeit von 1440–1493. Andresen 2009, Bd. 1, S. 66; Dies. 2014, S. 152. Moraw 1968, S. 123; „Techniker der Macht“ ist eine Äußerung Moraws im Gespräch mit mir. Andresen 2009, Bd. 1, S. 289–297; Dies. 2007b. Die wichtigste Literatur bei Schwinges 2008. Rexroth 1993; Schmidt 1981. Boockmann 1965; Zeller 1973; Thumser 1989; Hansen 1993; Reinle 1993; Rando 2008; Strack 2010; Wejwoda 2012; Daniels 2013; Landois 2014; Heimpel 1982. Gilly 1991, S. 233–248.
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von Kues und des Johannes Hofmann von Lieser: Cusa et Lysura pervertunt omnia iura19 – am Ende zeigt sich damit nur, dass Gelehrte im politischen Geschäft wie im öffentlichen Bewusstsein angekommen waren.20 Dass hinter diesem Ankommen eine ganze Reihe von Prozessen gelaufen sind, Basisprozesse, soziokulturelle und ökonomische und insbesondere Bildungs- und Professionalisierungsprozesse, sei nur erwähnt, ich habe andernorts auf sie aufmerksam gemacht ebenso wie auf die Tatsache, dass weniger Bedarf und Nachfrage nach Gelehrten, sondern deren steigender Angebotsdruck die Dinge in Bewegung brachte, ‚Arbeitsmärkte‘ elastisch machte und berufliche Möglichkeiten ausweitete, allerdings unter außerordentlich großen zeitlichen wie regionalen Schwankungen innerhalb des Reiches.21 Gelehrte im Dienst von Königen und Fürsten sind an sich zeitunabhängige Beobachtungen, dennoch wird man mit dem Entstehen der Universitäten und dem Anstieg der Universitätsbesucher- und der Absolventenzahlen aller Stufen und Fachrichtungen eine andere, eine ‚verwissenschaftlichte‘ Qualität der Dienstbeziehungen unterstellen dürfen.22 Empirisch begründet ist dies von den Personen her in der gesamtgesellschaftlichen und überregionalen Breite trotz der schon genannten Studien und weiteren, in denen auch die Ratstätigkeit universitärer Gelehrter thematisiert ist,23 in Reich und Europa noch nicht. Ein erster Versuch eines Gesamtüberblicks über Fürstengelehrten in den deutschen Territorien, angelegt zwischen 1250 und 1440, stammt von Ingrid Männl, deren Arbeit von 1987 bis auf wenige Regionalbeispiele ungedruckt geblieben ist;24 ein weiterer von Bettina Koch betraf die Räte auf deutschen Reichsversammlungen des 15. Jahrhunderts, der jedoch prosopographischen Ansprüchen nicht ganz gerecht wird.25 Hier springt nun das Forschungsunternehmen des „Repertorium Academicum Germanicum“ (RAG) ein, das der Personenforschung, mithin der Herkunft, dem Studium, den Lebens- und Wirkungswegen sowie der spezifischen Kultur der deutschen Gelehrten zwischen 1250 und 1550 gewidmet ist. Mehr als 50.000 Personen sind zu erwarten, größtenteils bereits online abrufbar.26 Kriterien für die Aufnahme in dieses Repertorium sind mindestens eine Promotion zum Magister Artium oder der Besuch einer der höheren Fakultäten oder ein Universitätsbesuch mit Adelsstatus. Als gelehrte Räte gelten im RAG daher alle Personen, die diesen Kriterien genügen und die mindestens einmal in unterschiedlichsten Quellen als Räte belastbar bezeichnet sind, also als consiliarii, raet, Geheime Räte, ausserordentliche Räte, Hofräte, Kammerräte, Oberräte, Räte von Haus aus, Räte 19 20 21 22 23 24 25 26
Daniels 2013, S. 13 Schwinges 2006, S. 229–231. Vgl. z. B. Ders. 1986, z. B. S. 33–36; Ders. 2001b, S. 476–478 und 482 f. Siehe jetzt auch Daniels 2013, S. 17 mit Anm. 21. Exemplarisch sei verwiesen auf Lieberich 1965; Stievermann 1986; Gelehrte im Reich 1996; Noflatscher 1999; Schmutz 2000; Gramsch 2003; Hesse 2005a; Immenhauser 2007. Männl 1987; Dies. 1996; Dies. 1998. Koch 1999. Zum Stand des RAG siehe www.rag-online.org. Erläuternd Schwinges 2008, zuletzt Ders. 2013b mit weiterer Literatur.
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auf Lebenszeit und dergleichen, unabhängig davon, als was sie sonst noch bezeichnet werden (etwa als Räte und Rechtskonsulenten, Räte und Prokuratoren, Fiskale, Sekretäre oder Gesandte).27 Im Folgenden möchte ich in fünf Punkten einen Überblick über das gelehrte Dienstpersonal im Untersuchungszeitraum geben. Ich beginne mit Zahlen und Chronologie, überprüfe sodann die universitäre Ausbildung, die Herkunft, den Fürstendienst und abschliessend die Frage der Entschädigung. ZAHLEN UND CHRONOLOGIE Das RAG erreicht derzeit eine Zahl von rund 700 Räten im Dienst bei Königen und Fürsten im Gesamtraum des Reiches. Die Zahl sollte man gleich wieder vergessen, sie ist nur der augenblickliche Stand im Forschungsprozess,28 Relationen und Tendenzen sind wichtiger, denn mit dieser Zahl erfasst man gerade einmal 1,5 Prozent aller Universitätsgelehrten, die auch „Fürstengelehrte“ im Sinne von Räten geworden sind. Es ist auf den ersten Blick eine sehr kleine Kategorie, jedoch von der Ausbildung her eine Elite bzw. eine der Eliten an einem Hof. Dieses Phänomen der kleinen, aber qualitativ mächtigen Zahl korrespondiert indessen trefflich mit den tatsächlichen Verhältnissen sowohl am Königshof29 als auch am Hof des Brandenburger Kurfürsten Albrecht, der hier als Bezugsgröße dienen soll. Albrecht hatte, wie oben erwähnt, nach dem Kaiser die meistens gelehrten Räte um sich versammelt, nämlich mindestens 64; die Gesamtheit seiner Räte in mehr als 40 Regierungsjahren betrug jedoch ein Vielfaches, nämlich 390. Die Gelehrten unter ihnen machen also nur 16,4 Prozent aus; jene anderer Herren blieben noch weit darunter.30 Die verhältnismäßig kleine Zahl korrespondiert aber auch mit dem in Deutschland im europäischen Vergleich erstaunlich niedrigen Stand promovierter Absolventen ab Magistergrad aufwärts. Artistenmagister beschränkten sich reichsweit um 1500 auf 3 bis 10 Prozent – je nach Universität – während juristische, medizinische und theologische Lizentiaten und Doktoren unter 3 bis 4 Prozent der Gesamtbesucherschaft blieben.31 Wer sich aber entschloss, seine gelehrten Dienste anzubieten, tat das wesentlich häufiger bei Fürsten, denn bei den Städten. Das hatte nicht nur mit Prestige zu tun, sondern auch damit, dass sich nur eine überschaubare Anzahl von Städten, Groß- und allenfalls Mittelstädten, überhaupt einen gelehrten Rat leisten wollte. Das RAG kommt derzeit auf nur 0,3 Prozent (selbst unter Einschluss von Syndici, Rechtskonsulenten und Sekretären), wovon die Mehrheit zu27 28 29 30 31
Man kann hier nur pragmatisch vorgehen. Zu „methodischen Problemen einer Ratsliste“ vgl. Heinig 1997, Bd. 1, S. 165–171. Stand im März 2016: 1085 oder 2,15 Prozent bei rund 50.500 Gelehrten. So schon Moraw 1986, S. 143 f. Was in dieser Hinsicht „Hof“ ist, klärt u. a. Heinig 1997, Bd. 1. S. 1–31. Zu allen Zahlen Andresen 2009; Dies. 2014, S. 152. Für den Kaiser ermittelt Heinig 1997, Bd. 1, S. 172 und 543, rund 400 Räte bis 1493. Zuletzt dazu Hesse 2007, S. 229–250; Immenhauser 2007, S. 189–228.
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dem in städtischen und in fürstlichen Diensten tätig gewesen ist.32 In diesem Zusammenhang sei zum Vergleich auf Bern hingewiesen, den größten Stadtstaat nördlich der Alpen und mächtigsten Kern der alten Eidgenossenschaft. Bern leistete sich nur einmal während des ganzen 15. Jahrhunderts einen gelehrten Juristen als Rat und Gesandten, den in Pavia 1473 promovierten Dr. Thüring Fricker.33 Er hatte einige ordnende Veränderungen in der Kanzlei bewirkt, die dem Studium der Rechte geschuldet waren, aber viel wichtiger war für die Stadt, dass man jetzt jemanden hatte, der mit den juristischen Experten, Gesandten und Räten der umgebenden europäischen Mächte sowie dem Papst und seiner Kurie auf Augenhöhe verkehren und verhandeln konnte. Dieses Motiv steht freilich für alle Räte im Vordergrund und rechtfertigt von daher auch jede noch so kleine Zahl. Wie zu vermuten, stieg die Zahl der tatsächlich beschäftigten Räte seit den 1340er-Jahren an, jedoch nicht etwa in Parallele zum allgemeinen Verlauf des Universitätsbesuchs,34 sondern mit eigenen markanten Zäsuren, die zunächst die beiden Großereignisse des 15. Jahrhunderts, die Konzilien von Konstanz und Basel, betrafen, die für eine jahrzehntelang steigende Rätekonjunktur sorgten. Die Konzilien sind bekannt als Bühnen und Märkte für Gelehrte und Experten aller Couleur und eben auch für Möglichkeiten, sich den anwesenden geistlichen und weltlichen Fürsten, Könige eingeschlossen, anzudienen.35 Ein sehr typisches Beispiel für die Konstanzer Zeit ist der energische Vertreter der Zollfreiheit des Pfarrweins auf dem Rhein, der Doktor des Kirchenrechts Winandus von Steeg. Bevor er seinen Lebenstraum, die einträgliche Stelle des Großpfarrers zu St. Peter in Bacharach, ergattern sollte, diente Winandus rund um das Konzil nacheinander und nebeneinander den Bischöfen von Würzburg und Passau, dem Pfalzgrafen bei Rhein, König Sigismund, den er nach Ungarn begleitete, sowie den Städten Nürnberg und Augsburg als Rats- bzw. Rechtskonsulent.36 Das Basler Konzil brachte einen neuen Schub mit sich und lag bereits mehr als 100 Prozent über dem von Konstanz. Eine dritte Zäsur begann mit den 1470er-Jahren, der ‚Take-off-Phase‘ für den sich bildenden Angebotsdruck an Universitätsgelehrten,37 was sich auch regional deutlich niederzuschlagen vermochte, etwa in der großen Konstanzer Diözese.38 Allgemeiner gesagt, war dies die Phase, in der Peter Moraw die Verdichtung des Reiches hat beginnen lassen, an der gerade die Königs-und Fürstengelehrten, insbesondere die Juristen unter ihnen, einen kaum zu überschätzenden Anteil hatten.39 Neben Moraw hat auch Paul Heinig wiederholt darauf hingewiesen.40 Die vierte Phase führte seit ca. 1510 mit neuerlichem Anstieg bis über die Mitte des 16. Jahrhunderts hinaus. Interessant an ihr ist vor allem die Tatsache, dass sie dem soge32 33 34 35 36 37 38 39 40
Stand im März 2016: 0,5 Prozent, vgl. Anm. 28. Beispiele wie in Anm. 17. Siehe Immenhauser 2003a, S. 159. Schwinges 1986, S. 23–60, zusammenfassend S. 57–59. Dazu Müller 2011. Schmidt/Heimpel 1977, S. 14–21. Wie Anm. 34. Vgl. die Graphik bei Immenhauser 2007, S. 445. Moraw 1985, S. 389–394; Ders. 1986, S. 138–145. Heinig 1998, bes. S. 172–174; Ders. 1997, Bd. 1, S. 542–564 (allein für den Hofrat).
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nannten Frequenzeinbruch der deutschen Universitäten der ersten Reformationsjahrzehnte zwischen den 1520er- und 1540er-Jahren völlig zuwiderlief.41 Das Angebot an Gelehrten für den Dienst reichte offenbar noch aus, zumal (aber das müsste man genauer untersuchen) die katholisch gebliebenen großen Universitäten im Westen wie Köln und Löwen und nach wie vor die italienischen Hochschulen produktiv blieben und den Bedarf an den Höfen weiter Teile des Reiches sichern halfen. DIE UNIVERSITÄTSBILDUNG DER RÄTE Wie nicht anders zu erwarten, stammten die künftigen Fürstenräte vor allem aus der akademischen Juristenelite, waren zu 60 Prozent graduiert, davon knapp zwei Drittel Doktoren des Kirchen- oder Zivilrechts und die Hälfte sogar Doktoren beider Rechte. Theologen kamen als Lizentiaten oder Doktoren auf 5,8 Prozent, Doktoren der Medizin noch auf 2,7 Prozent. Reine Artistenmagister ohne weitere höhere Studien erreichten 9 Prozent. Nur jeder fünfte Rat hatte eine Universität ohne jeden Abschluss besucht, was jedoch keinerlei Qualitätskriterium war.42 Diese Hierarchie ist eindeutig, gleichwohl ein Ergebnis der Entwicklung seit den 1440er-Jahren und noch einmal verstärkt seit der Jahrhundertwende. Die Tendenz der Juristen, gleich utroque iure zu promovieren, sollte erheblich zunehmen. Alle Räte folgten jetzt dem Muster, das sich zunächst im südlichen und westlichen Europa ausgebildet hatte und sich dann auch im deutschen Sprachraum zu verbreiten begann, dem Muster nämlich, das berufliche Tätigkeiten erst im Anschluss an ein Fachstudium vorsah, ungeachtet natürlich jenes Pfründengenusses, etwa aus Stifts- und Domkanonikaten, der Abkömmlichkeit zum Studium ermöglichte.43 Fürstengelehrte besuchten so gut wie alle deutschen Universitäten und die Juristen unter ihnen in erheblichem Maße die italienischen Rechtsschulen, allen voran Bologna, gefolgt mit Abstand von Padua und Pavia, allesamt die herausragenden Zentren der damaligen Rechtswissenschaften; alle übrigen italienischen Hochschulorte blieben vereinzelte Nennungen oder gelegentlich Zweit- und Drittuniversitäten wie Ferrara und Siena. Das überrascht nicht weiter, auch nicht, dass in Frankreich zu allererst Orléans besucht wurde, weit vor Paris und wenigen anderen, worunter aber noch die Rechtsschulen von Bourges und Dôle auffallen.44 Dass sich jedoch eine überaus klare Spitzengruppe von deutschen Universitäten als Studien- und Promotionsorte der Räte herausstellt, überrascht dann doch. Ohne ins Detail zu gehen, hier das Ergebnis: Die am meisten frequentierten Orte vom 15. bis 41 42 43 44
Siehe Immenhauser 2003b; Asche 2001. Zur Wertigkeit der Promotionen, der Abschlüsse und Nicht-Abschlüsse siehe den Band: Examen 2007; Immenhauser 2007, bes. S. 204–227; auch Schwinges 2012, S. 15–20. Schwinges 1996; Ridder-Symoens 1981; Moraw 1993; Ders. 1995. Dieses Besuchsverhalten korrespondiert mit allgemeinen Beobachtungen, etwa von Dotzauer 1977; Matschinegg 1999; Schmutz 2000, Bd. 1, S. 206–212 (wobei bis 1425 Bologna noch nicht sonderlich bevorzugt gewesen zu sein scheint, S. 211); Tervoort 2005, S. 45–82; Ridder-Symoens 1978.
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ins frühe 16. Jahrhundert waren in dieser Reihenfolge Köln, Heidelberg und Löwen, gefolgt von der deutschen Nation zu Bologna, von Tübingen, Freiburg, der deutschen Nation zu Orléans sowie von Leipzig und Erfurt. An diesen Orten zusammen wurden mehr als drei Viertel aller Fürstenräte promoviert. Ein gewisser Vorbehalt sei freilich angebracht: Es könnte sein, dass die Tatsache, dass das RAG zur Zeit der Abfassung dieses Textes insbesondere im Rheinraum arbeitete, die Gefahr in sich birgt, gerade wegen der Spitzengruppe Köln, Heidelberg, Löwen Artefakte zu produzieren. Deswegen sind auch keine absoluten Zahlen genannt. Dennoch ist die Tendenz ganz eindeutig: Alle genannten Universitäten von Köln bis Erfurt hatten von Anfang an neben kanonistischen auch legistische Lehrstühle zu bieten, Löwen sogar für die beiden Rechte je eine Fakultät, und sie galten bereits im 15. Jahrhundert als Hochburgen der juristischen Ausbildung nördlich der Alpen.45 Ein weiterer Grund, der das Ergebnis plausibel macht, betrifft den rheinischen Raum, der aus vielerlei Gründen immer wieder als Vorsprungs- oder Führungsraum des Reiches angesehen wird und dies auch hier wieder unter Beweis stellen kann.46 Als Drittes kommt hinzu, dass sich seit den 1480erJahren einer der politischen Schwerpunkte des Reiches in die burgundisch-habsburgischen Niederlande verlagerte und Kräfte aller Art, auch eben künftige Räte anzog. HERKUNFT Könige und Fürsten umgaben sich als Herren mit Herren, auch und gerade in ihrem Rat.47 Dessen hohe Standesqualität färbte offenbar auf die rekrutierten akademischen Berater durch. Gemessen am Adelsanteil der Gesamtbevölkerung des Reiches (man schätzt ihn auf rund 2 Prozent) oder der Universitätsbesucherschaft im Reich (3 bis 4 Prozent) war der studierte Adel unter den Räten völlig überproportional vertreten.48 Das gilt schon für das 15. Jahrhundert, ganz besonders aber für das 16., als der Adel verstanden hatte (man denke an den prominenten Bildungsaufruf Ulrich von Huttens an seine Standesgenossen), dass das von bürgerlichen Universitätsgelehrten besetzte Terrain nur durch eigenes und überdies auch qualifiziertes und graduiertes Studium wettgemacht werden konnte.49 Allgemein bietet das RAG eine Adelsquote unter den fürstlichen Räten von 26,2 Prozent an; jeder vierte Rat war also von adliger Herkunft. Sehr wahrscheinlich lag die Quote noch höher, denn wir konnten die soziale Herkunft bisher nur für die Hälfte aller Räte ermitteln. Unter Adel sind sowohl Angehörige des Grafen- und Herrenstandes sowie des ritterschaftlichen Adels, die nobiles unserer universitären Quellen, als auch des niederen 45 46 47 48 49
Garcia Garcia 1993. Schwinges 2001a. Für das Königtum schon klar ausgewiesen durch Moraw 1986, S. 142, und Heinig 1997, Bd. 2; für die Fürstenebene siehe Männl 1987, S. 202–207. Zum Adelsanteil Schwinges 1986, S. 380–382. Dazu Müller 1974, S. 44–59; Ridder-Symoens 1978.
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Adels verstanden, samt – soweit erkennbar – den inzwischen landsässigen Aufsteigern und Nobilitierten. Ein gelehrter und zugleich adliger Fürstenrat zu sein, hieß jedoch nicht, dass nun alle Tore zum sozialen Erfolg bei Hofe weit offen gestanden hätten. Gegen meine früher vielleicht allzu optimistische Sichtweise, was den Vorrang des Adels, erst recht studierten Adels angeht, hat Marek Wejwoda gezeigt, wie mühselig es auch für einen vom Stande sein konnte, erst recht für einen Mann von kleinadeliger Herkunft, fast aus der Grauzone zwischen Adel und Nichtadel, sich in der fürstlichen Rätewelt zu behaupten. Sein Protagonist, der Leipziger Jurist, Rat Kurfürst Friedrichs II. von Sachsen und spätere Naumburger Bischof Dietrich von Bocksdorf († 1466), kämpfte sich mit großem persönlichen Einsatz und Ehrgeiz nach oben.50 Kurz gesagt: Der Einzelfall kann selbstverständlich jeden Trend durchbrechen und spiegelbildlich sehr schön beleuchten. Ob er die Tendenz jedoch wirklich wird aufheben können, steht dahin. Noch gab es nicht wenige vom Adel, die nit begehrten doctor zu werden und dennoch reüssierten.51 Auch die soziale Herkunft des stadtbürgerlichen Elementes in den Räten war von überraschend hoher Qualität. Wo wir es ermitteln konnten, was natürlich der höheren Überlieferungschance in diesen wie in den Adelskreisen zu verdanken ist, entstammten künftige Räte zu 75 Prozent aus patrizischen bzw. Rats-, Schöffenoder Kaufmannsfamilien, oder wie man v. a. im Süden des Reiches sagte, aus der Ehrbarkeit; und nicht zu übersehen waren darunter Beamten- und Gelehrtenfamilien, die Studium und rätlichen Fürsten- oder Landesdienst bereits vor 1500 in die familiäre Strategie übernommen hatten.52 Das restliche Viertel stellte städtisches Bürgertum mit teils gewerblichem, teils nicht näher zu erkennendem Hintergrund. Unter den Vaterberufen befinden sich (ohne statistische Belastbarkeit) auf Seiten der Amtleute etwa Vögte, Schaffner, Rentmeister, Landschreiber, Landrichter, Klosterverwalter, dazu Ärzte und Professoren; auf Seiten der Gewerbe etwa Fleischhauer, Bierbrauer, Goldschmiede, Hutmacher, Steinmetze, Gastwirte, Seiler und (Schiffs-)Zimmerleute. Interessant eigentlich an dieser zufälligen Auflistung sind jene Vaterberufe, die hier fehlen und damit ein zusätzliches Schlaglicht auf die Herkunftsfrage werfen: Weber nämlich, Gerber, Bäcker, Fischer, Schmiede. Dieses allgemeine Herkunftsbild spiegelte sich am Hofe des Kurfürsten von Brandenburg in gesteigerter Form wider, und auch an Höfen beispielsweise Sachsens und Bayerns war es nicht fremd.53 Über ein Drittel der gelehrten Räte Albrechts war adlig und kam zumeist aus dem märkischen Landesadel; der Rest stammte aus stadtbürgerlich-patrizischen Familien, mehrheitlich aus den fränkischen Stammlanden. Echte Aufsteiger fanden sich an seinem Hofe nicht (wie allerdings auch sonst kaum). Das vielfach kolportierte hohe Standesbewusstsein Albrechts mag zwar gegenüber Gelehrten flexibler geworden sein, behielt aber durchaus seine sozialen Grenzen.54 50 51 52 53 54
Wejwoda 2012, bes. S. 354–357 Fouquet 1998, S. 95. Immenhauser 2007, S. 228–231. Hesse 2005a, S. 358–378. Andresen 2009, Bd. 1, S. 66–81; Dies. 2014, S. 153 f.
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Der Hinweis auf märkischen Landesadel und fränkisches Bürgertum sollte schon anzeigen, dass auch die regionale Herkunft ein wichtiges Kriterium für die Berufung in den Fürstendienst gewesen ist. Albrecht stützte sich wie andere auch vor allem auf Landeskinder, so jedoch, dass er seine gelehrten bürgerlichen Franken vor allem in der noch unruhigen Mark gleichsam als Landfremde und daher besonders loyale Räte einsetzte, seine gelehrten Adelsräte aus der Mark aber unter ihresgleichen wirken ließ. Der schon genannte Dr. Friedrich Sesselmann aus dem fränkischen Kulmbach war einer der bürgerlichen Räte, dem es als Koordinator oblag, die bisweilen gegen die Zollernherrschaft aufsässigen Städte im Zaum zu halten, was ihn beinahe in Stendal das Leben gekostet hätte.55 Die regionale Herkunft auszubreiten, ist hier nicht möglich. Ich beschränke mich auf Ergebnisse, die vom gewöhnlichen Rückgriff auf Landeskinder abweichen: Die Könige von Friedrich III. über Maximilian bis Karl V. rekrutierten ihre Räte reichsweit, allerdings mit beträchtlichem Anteil aus den alten königsnahen oberdeutschen Gebieten sowie aus den alten und neuen habsburgischen Territorien, nach 1500 eben auch aus den alten Niederlanden.56 Besonders aber fallen Regionen auf, die ich als „Überschussregionen“ bezeichnen möchte, weil an ihnen gleich mehrere Herren partizipierten. Neben dem Rheinland bemerkt man sehr stark die Pfalz, Württemberg und Baden, vor allem Oberschwaben und Südbaden mit dem Elsass und nördlicher Eidgenossenschaft, und nicht zuletzt Franken.57 Von hier holten sich nicht nur die Brandenburger ihre Räte, sondern Könige und Kaiser, die vier rheinischen Kurfürsten, die Erzherzöge von Österreich, nicht nur die fränkischen Fürstbischöfe von Würzburg, Bamberg und Eichstätt, sondern auch die von Straßburg oder Konstanz. Diese Beobachtungen passen gut in das allgemeine Bild Süd-Nord und West-Ost in der deutschen Geschichte.58 In diesen Regionen war die territoriale sowie auch die Städtedichte sehr hoch, v. a. die der Reichs- und freien Städte mit ihren entsprechenden sozialen und bildungsnahen Schichten; und im Übrigen ist auch die Zahl der Universitätsbesucher und Gelehrten ganz allgemein in diesen Regionen im Vergleich zu anderen sehr viel höher gewesen.59 Dies hat zum Beispiel auch eine entsprechende Auswertung des Deutschen Verfasserlexikons schlagend belegen können.60 Und nicht zuletzt, was schon Ingrid Männl für die Zeit bis 1440 beobachten konnte, deckten sich die Herkunftsregionen der (juristischen) Räte im Wesentlichen mit den Einzugsbereichen ihrer Universitäten, d. h. für Franken v. a. mit den Einzugsbereichen der Universitäten von Köln, Heidelberg, Erfurt und Leipzig.61
55 56 57 58 59 60 61
Dies. 2009, Bd. 1, S. 192 f. Zur Person Sesselmanns ebd., Bd. 2, S. 276–286. Heinig 1997, Bd. 1; kurz auch Ders. 1998, S. 174–176; Noflatscher 1999. Wie Anm. 56; siehe auch Willoweit 1996; Noflatscher 1995; Bauer 2012. Nord und Süd 1990; hieraus einschlägig Wriedt 2005. Ein treffliches Beispiel für ein fränkisches „Bildungszentrum“ ist die Stadt Hof, dazu Becker 2014, S. 307–312. Immenhauser 1996. Männl 1987, S. 170–179 (mit Tabellen); Schwinges 1994, S. 9–15.
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FÜRSTENDIENST Man gelangte in den Dienst durch verschiedene Arten sozialer Beziehungen. Die wichtigste scheint der Hof gewesen zu sein, dessen Patronat wie das des Fürsten selbst wohl nach dem Vorbild der römischen Kurie funktionierte. Man schien gewusst zu haben, wann ein Kandidat von den Universitäten zurückkehrte, denn Studiendaten und Erstbelege als Räte lagen auffallend dicht beieinander. Dem Kurfürsten von Brandenburg gelang es, eine ganze Reihe seiner Räte bereits kurz nach Rückkehr von den Studien zu verpflichten.62 Damit dies gelang, standen Verwandte bereit, Brüder und später auch Väter in den kommenden Gelehrtenfamilien, vor allem aber gelehrte, oft noch geistliche Onkel, die entsprechende Hinweise gaben. Daneben bemerkt man Studienbekanntschaften einschließlich Lehrer-Schüler-Verhältnissen, aber mehr und mehr auch etwas Moderneres, eigene Leistungen nämlich, auf die man bei Hofe aufmerksam geworden war, sei es durch erfolgreiche Ratstätigkeit andernorts, durch Finanzbeziehungen und Mitunternehmerschaften63 oder durch gelehrte Schriftstellerei in Gutachten oder wissenschaftlichen Abhandlungen. Jeder vierte Rat, zumeist zugleich Universitätsprofessor, hatte sich bereits auf diese Weise empfohlen wie zum Beispiel in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts der schon genannte kurpfälzische Rat Winandus von Steeg und später Dietrich von Bocksdorf oder der bekannte Ulrich Zasius.64 Eintreten in den Dienst ist freilich das eine, im Dienst bleiben das andere. Im Überblick von mehr als 250 Jahren lässt sich feststellen, dass die kontinuierliche Besetzung von Ratsämtern mit Gelehrten die Ausnahme gewesen ist. Solche Ausnahmen gab es v. a. bei geistlichen Reichsfürsten, wobei sich die Ratstätigkeit in der Regel mit Ämtern in den geistlichen Behörden verband wie etwa im Offizialat.65 Ansonsten war der Rat aufgaben-, aber nicht laufbahngebunden, jedenfalls nicht vor den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts. Lange ging es auf Fürstenseite noch eher um Prestige als um den Wunsch nach professionellem Einsatz. Im Kreis der anderen Herren auch einen gelehrten Rat, einen Juristen zumeist, ins Feld schicken zu können, war noch Motivation genug. Und überdies war das Ausleihen von gelehrten Räten zwischen Königen, Fürsten und Städten noch lange üblich, wenn nicht die Räte von sich aus den Wechsel anstrebten.66 Diese offene Situation war aber nichts Ratsspezifisches, sondern etwas, dass die Räte mit anderen Berufsgruppen, in die Gelehrte Eingang fanden, teilten. Statt Kontinuität gab es immer Alternativen zum Akademiker. Sie galten selbst für den größten Arbeitgeber, für die Papstkirche, auch in den höheren Rängen der Dom- und Stiftskirchen, in denen die sozialen Überformungen durch regional-adlige und großbürgerliche Umgebungen
62 63 64 65 66
Andresen 2009, Bd. 1, S. 135–145. Zu ähnlichem Verhalten siehe Lieberich 1965, S. 121 f.; Stievermann 1986, S. 254 f. und 267–269. Hesse 2005a, S. 374 f., 379–382 und 403–409. Schmidt/Heimpel 1977; Wejwoda 2012; Rowan 1987. Zum Überblick Männl 1987, S. 41–51. Ebd., S. 216–226 und 238; Andresen 2009, Bd. 1, S. 228–245; Dies. 2014, S. 159.
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oft viel mächtiger waren als die kirchlichen und speziell konziliaren Bildungsprogramme; und dies sollte sich bis um 1500 kaum grundsätzlich ändern.67 Mit dieser Einschätzung korrespondiert die Tätigkeitsdauer der Räte. Im Zeitverlauf ist keine Verstetigung erkennbar. Alles hing, ob kurz oder lang, von den individuellen Abmachungen und der Dauer der einzelnen Aufträge ab. Sie folgten dem Regierungsrhythmus von Königen und Fürsten und der politischen Tagesproblematik. Die weitaus meisten Räte arbeiteten nur kurz für ihre Herren, d. h. zwei Drittel der Räte (67 Prozent) waren höchstens bis zu einem Jahr beschäftigt bzw. nicht weiter im Dienst aufzufinden. Das restliche Drittel diente im Durchschnitt 10,4 Jahre mit Ausreißern zwischen 2 und 43 Jahren, wobei alle Dienstzeiten über 20 Jahre dem späteren 15. und dann dem 16. Jahrhundert angehören. Das heißt auch: Für die Zeit zuvor lässt sich keine Regelmäßigkeit entdecken. Die lange Dienstzeit von 43 Jahren gehörte dem Dr. utr. juris Heinrich Bars, genannt Olisleger aus Wesel, der spätestens seit 1532 bis zu seinem Tod 1575 Rat der Herzöge von Jülich-Kleve-Berg war und seit 1547 (oder 1554) auch jülich-klevischer Kanzler. Olisleger gehörte freilich schon dem Typus der professionellen Räte an, die bereits Amtsdynastien entstammten, die sich seit der Jahrhundertwende mehr und mehr herausbildeten: Vater und Großvater waren Räte bzw. Landrentmeister, zwei Brüder ebenfalls Räte und sein Schwager (in dritter Ehe) der bekannte Kölner HanseSyndikus Heinrich Sudermann, Doktor beider Rechte.68 Diesen noch weitgehend instabilen Verhältnissen entsprechen die Tätigkeitsoder Wirkungsfelder der Räte, die hier nur kurz aufgezeigt werden können. Ihre Aufgaben waren bei Königen und Fürsten prinzipiell gleich und bezogen sich schwergewichtig zunächst auf das, was man Außenpolitik nennen könnte, nämlich Kuriendiplomatie, Konzilsteilnahme, Gesandtschaften zu Hof- und Fürstentagen oder zu auswärtigen Königen und Fürsten. Zu dieser älteren, geradezu klassischen Form des Rates treten auch in zeitlicher Hinsicht jüngere Formen hinzu, innere Aufgaben regionaler Art. Ingrid Männl hat dazu bereits Entwicklungslinien beobachten können, einen Zuwachs der jüngeren Formen bzw. inneren Aufgaben, fortschreitend von größeren zu kleineren Territorien, ebenfalls von West nach Ost und Süd nach Nord, was ich auch für die Zeit nach 1440 bestätigen kann.69 Solche inneren Aufgaben verlangten ein längeres Verweilen, Aufgaben wie z. B. Ausgleichsmissionen zwischen Fürsten oder zwischen Fürsten und Städten in Konfliktfällen, Prokurationen an Hof- und Schiedsgerichten, insbesondere jedoch Aufgaben im dynastischen Geschäft der Erbfolgeregelungen und der Ehekontrakte. Gerade in diesem Bereich empfahlen sich die Juristen, nicht zuletzt Kanonisten, denen v. a. das 4. Buch der Dekretalen („Liber quattuor decretalium“) geläufig war, das sich u. a. mit Eherecht, mit Blutsverwandtschaften und Verschwägerungen auch in Be67 68 69
Moraw 1993, S. 250 f. Zum Wandel danach im 16. Jahrhundert Immenhauser 2007, S. 514– 517. Zu ihm Les livres des procurateurs 1978, S. 343–345 (Nr. 584); Meuthen 1988, S. 134 und 211. Männl 1987, S. 251 f. Zu den einzelnen Tätigkeits- und Wirkungsfeldern sei auf die Literatur in Anm. 17 verwiesen.
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zug aufs Erbrecht befasste. Schon Winand von Steeg hatte dazu eine Abhandlung verfasst, begonnen bereits als Dozent in Heidelberg, von der er sicher sein konnte, dass sie in den großen Häusern nachgefragt würde. Auf dessen Wunsch hin hat er sie seinem Kurfürsten und Dienstherrn Ludwig III. von der Pfalz unter dem traditionellen Titel „Arbor consanguinitatis et affinitatis“ gewidmet.70 ENTSCHÄDIGUNGEN Mit einem Blick auf Entschädigungen, d. h. auf die Frage, was Räte für sich selbst vom Dienst hatten, komme ich zum Schluss. Angesichts der hohen Adelsdichte wird man annehmen dürfen, dass der Dienst eine angemessene Existenz war. Versorgung geschah auch rangkonform. Für andere gab es Wappenverleihungen oder Standeserhöhungen. Nobilitierungen der Räte durch König bzw. Kaiser oder Landesherren häuften sich seit der Mitte des 15. Jahrhunderts. Dr. Konrad Stürtzel zum Beispiel, Freiburger Rechtsprofessor, Rat und Kanzler Erzherzog Siegmunds von Österreich-Tirol, erlangte 1491 mit dem Ritterschlag das, was dem eingangs erwähnten Peter von Andlau 20 Jahre zuvor noch versagt geblieben war.71 Die große Mehrheit der Räte, v. a. diejenigen, die nur kurze Zeit Dienst leisteten, dürften sich mehr oder weniger selbst versorgt haben. Hier kam den Dienstherren die typische Doppelgleisigkeit des vormodernen Berufslebens zupass. Gerne übernahmen sie höhere Kleriker, entlehnten sie ihren kirchlichen Ämtern und Pfründen als Domherren, Chorherren oder Plebane und griffen nicht zuletzt auf Professoren zurück, die versorgungstechnisch gesehen meistens auch nichts anderes als Pfründner waren.72 Professuren ohne kirchlichen Rückhalt sah man um 1500 noch selten. Dem Personal, das man an sich binden wollte, musste man freilich etwas bieten, um es für den Hofdienst abkömmlich zu halten. Und auch dabei griff das enorm starke Vorbild der Kirche. Könige und Fürsten haben durchweg und zeitlos – ungeachtet der Reformation – versucht, ihre Diener aus den Pfründen und Gütern der Kirche zu entschädigen, bevor sie Bestallungsverträge schlossen und damit in die eigene Schatulle griffen oder Lehen und Ämter vergaben oder sonstige geldwerte Leistungen erbrachten. Fast die Hälfte aller Räte (allerdings abnehmend seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts) war auf diese Weise durch kirchliche, meistens dignitäre Positionen versorgt. Selten geworden war freilich die aus früheren Zeiten bekannte Form der Versorgung durch ein Bischofsamt. Die bekannten kirchenpolitischen Entwicklungen standen dem entgegen, es sei denn, es handelte sich um Mediatbistümer oder Randbistümer von eingeschränkter Bedeutung, wo König und Landesherren Zugriff hatten, nicht selten dann auch zugunsten von Räten städtisch-bürgerlicher Herkunft (z. B. Verden, Lebus, Lübeck, Schwerin, Halberstadt, Havelberg, Naumburg, Regensburg, Wien, Seckau, Gurk, Lavant und Chiemsee).73 70 71 72 73
Schmidt/Heimpel 1977, S. XX; zum Genre siehe Teuscher 2013. Mertens 2011. Hesse 2005b, z. B. S. 61–67. Schwinges 2013a, S. 234 f.
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Schließlich kündigten sich mit Abnahme des klerikalen Standes unter den Räten auch schon laikale Formen der Entschädigung an. Durchaus ernst gemeint war eine davon, wenn auch nicht uneigennützig: Es war der Rat des Kurfürsten Albrecht von Brandenburg an seine Gelehrten, am besten doch reiche Töchter zu heiraten.74 Hätte Albrechts Rat der Gesamtheit der Räte gegolten, so hätten ihn rund 20 Prozent aller Gelehrten in Fürstendiensten des 15. Jahrhunderts befolgt. Quellenverzeichnis Peter von Andlau, Kaiser und Reich. Libellus de Cesarea monarchia (Bibliothek des deutschen Staatsdenkens, 8), hg. von Rainer A. Müller, Frankfurt/Leipzig 1998. Les livres des procurateurs de la nation germanique de l’ancienne Université d’Orléans 1444–1602, Teil 1/2: Premier livre des procurateurs 1444–1546. Biographies des étudiants, Bd. 1: Introduction, sources et bibliographie, biographie des étudiants 1444–1515, hg. von Hilde de Ridder-Symoens/Detlef Illmer/Cornelia M. Ridderikhoff, Leiden 1978. RAG – Repertorium Academicum Germanicum, URL: http://www.rag-online.org/ [14.02.2016].
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Im Dienst
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DIE WETTINER AUF DEN REICHSTAGEN Kurfürst Friedrich der Weise auf dem Wahltag 1519 in Frankfurt am Main, gesehen mit den Augen eines Zeitzeugen Enno Bünz Die Wettiner haben als Fürsten im Reichsverband bereits seit dem Hochmittelalter eine bedeutende Rolle gespielt, doch sind sie erst durch die Verleihung der sächsischen Kurwürde an Markgraf Friedrich den Streitbaren 1423 in den reichsrechtlich höchsten Rang aufgestiegen und zu einer der „Säulen des Reiches“ geworden.1 Die langfristige Wirkung dieser Rangsteigerung sollte sich erst in der Reformationszeit zeigen, als die Stunde der Wettiner schlug und das ernestinische Kurfürstentum Sachsen zum „Mutterland der Reformation“ wurde. Das ist in der laufenden Reformationsdekade in Sachsen und Mitteldeutschland ein Dauerthema, auf das ich hier nicht näher eingehen muss. Die Präsenz der Wettiner auf den Reichstagen ist eine Aufgabenstellung, die bislang niemals im Zusammenhang behandelt wurde. Gabriele Annas hat in ihrer voluminösen Dissertation über Hoftag, Gemeiner Tag, Reichstag lediglich die Aufenthalte der Wettiner bis 1471 erfassen können.2 Schon das dort aufbereitete Material würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Für die spätere Zeit gibt es vor allem drei Probleme, nämlich erstens die doppelte Präsenz der Wettiner auf den Reichstagen nach der Leipziger Teilung von 1485 als ernestinische Kurfürsten bzw. albertinische Herzöge von Sachsen, zweitens der kontinuierlich anschwellende Umfang der Reichstagsakten-Bände, die gleichwohl nur einen Teil der kurfürstlichen Überlieferung erschließen, und drittens die nach wie vor bestehenden Lücken bei der Bearbeitung aller drei Editionsreihen der Reichstagsakten, nämlich zwischen 1471 und 1486 (Ältere Reihe), zwischen 1505 und 1519 (Mittlere Reihe), für 1530, 1541 und 1543 (Jüngere Reihe).3 Dabei böte gerade die jüngere Reihe der Reichstagsakten die auf den ersten Blick breiteste Grundlage für unser Thema, denn in den letzten beiden Jahrzehnten sind geradezu atemberaubende Fortschritte erzielt worden, allerdings vor allem für die nachmittelalterliche Zeit, die hier außerhalb unseres Zeithorizonts liegt, und unter starken konzeptionellen Beschränkun1 2 3
Gotthard 1999; Wolf 2013, der allerdings die Entwicklung seit dem 15. Jahrhundert nur in einer Druckspalte behandelt; Bünz 2013b; Schirmer 2005. Annas 2004. Siehe Neuhaus 2009a; Ders. 2009b; Wolgast 2008. Die Frage, was denn Reichstagsakten eigentlich seien, bedarf für das späte Mittelalter intensiverer Diskussion als für die Frühe Neuzeit. Laut Helmrath 1995 sind die Reichstagsakten „kein authentischer mittelalterlicher Quellentyp, sondern das Produkt gelehrter Komposition durch das gleichnamige Editionsunternehmen” (ebd., Sp. 643).
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gen der Bandinhalte.4 Lagen den älteren Bänden noch Auswahlkriterien zugrunde, die auch scheinbar Randständiges, positiv gewendet eben kulturgeschichtlich Relevantes mitberücksichtigten, wurden die neueren Bände immer stärker auf die eigentlichen Reichstagsmaterien beschränkt.5 Zudem wurde in den letzten beiden Jahrzehnten die Anzahl der systematisch ausgewerteten Archive reduziert, und zwar gerade zum Nachteil der wettinischen Bestände in Weimar und in Dresden. Für das Ernestinische Gesamtarchiv in Weimar hat aber Johannes Mötsch bereits 1996 ein gedrucktes Repertorium der Registrande E „Reichstage“ veröffentlicht, das ahnen lässt, welcher unendliche Stoff bereitliegt.6 Deshalb kann hier nicht mehr als eine Fallstudie geboten werden. Kein wettinischer Kurfürst dürfte so häufig auf Reichstagen präsent gewesen sein wie Friedrich der Weise, der von 1486 bis 1525 regierte. Als Reichspolitiker und Landesherr gleichermaßen bedeutend, hat dieser Wettiner auch als Förderer der Künste und nicht zuletzt als Landesherr Martin Luthers einen bleibenden Platz in der Geschichte erlangt.7 Der Wettiner gehört zu den Großen einer ohnehin großen Generation von Reichsfürsten um 1500.8 Das seit 2009 laufende Forschungsprojekt „Ernestinisches Wittenberg 1486–1547“ verdeutlicht freilich, dass wir von Kurfürst Friedrich letztlich noch immer sehr wenig wissen oder – positiv gewendet – noch viel mehr wissen könnten, denn die Quellenlage ist vorzüglich.9 Für die Präsenz des Wettiners auf den Reichstagen böte sich schon aufgrund der landesherrlichen Überlieferung ein unerschöpfliches Material. Kurfürst Friedrichs einstiger Sekretär Georg Spalatin, der sich nach dem Tod seines Herrn vom Hof nach Altenburg zurückzog, hat dem Wettiner posthum mit der Lebensbeschreibung Friedrichs des Weisen ein Denkmal gesetzt und ein Kapitel unter die Überschrift „Wie viel Reichstage dieser Kurfürst ersucht hat“10 gestellt: Dieser Churfürst zu Sachsen hat unter dreissig Reichstage nicht ersucht, und sonderlich bald im 1494. Jahre, dem nächsten darnach als s. Churf. G. vom heiligen Grab Christi wiederum anheim kommen, auf des Herrn röm. Kaisers Maximiliani zu Wormbs den ersten [1495], da auch Graf Eberhardt zu Wirtemberg zum ersten Hertzoge zu Wirtemberg gemacht worden ist. Darnach hin zu Nürnberg, Ulm, Augsburg, Costentz, Freiberg im Breisgau, Cöln, und etlichen andern Enden. Desgleichen in etlichen kaiserlichen Regimenten, zuweilen auch nicht allein s. Churf. G., sondern auch samt ihrem Bruder, Herzog Johanns, auf folgend Chur4 5 6 7 8 9
10
Bünz 2010. Seitdem sind erschienen: RTA JR 5/6 und 21. Die hier und im Folgenden verwendeten Siglen werden im Quellenverzeichnis aufgelöst. Aulinger 2003. Ernestinisches Gesamtarchiv 1996, Reg. E. Zur Biographie Ludolphy 1984; Stephan 2014. Principes 2002; Spiess 2008; Fürsten an der Zeitenwende 2009. Vgl. die Homepage des Projektes unter http://wittenberg.zwoelfmedien.net/site/home/dasprojekt [09.09.2015]. Die laufenden Forschungen werden in einer eigenen Reihe veröffentlicht: Das ernestinische Wittenberg 2011; Das ernestinische Wittenberg 2013. Ich verweise in diesem Zusammenhang besonders auf die Arbeiten meines Schülers Thomas Lang, zuletzt: Lang 2014c; Ders. 2014b; Ders. 2014a; Ders. 2015. Georg Spalatin’s historischer Nachlaß 1851.
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fürst. Darüber auch ihre beide Churfürstliche Gnaden viel Guts und Gelds verzehret. Den letzten Reichstag aber s. Churf. G. zu Nürnberg am Ende des 23. und Anfang des 24. Jahrs besucht […]. Darnach kamen s. Churf. G. nicht mehr in das Reich, denn bald des folgenden 25. Jahrs […] verschieden s. Churf. G. in Gott.11 Wie Spalatin rückblickend verdeutlicht, ist der sächsische Kurfürst häufig – wie er es nennt – „in das Reich“ gekommen, auch wenn die Zahl von mehr als 30 Reichstagsbesuchen nicht allein auf die Reichstage im Sinne der Edition der „Deutschen Reichstagsakten“ bezogen werden kann,12 sondern auch die Teilnahme an Hoftagen, Kurfürstentagen und dergleichen einschloss.13 Wenn Spalatin schreibt, Kurfürst Friedrich habe erstmals 1494 einen Reichstag besucht, meint er tatsächlich wohl den Reichstag von Worms 1495, denn im Vorjahr fand gar kein Reichstag statt.14 Den ersten Reichstag haben Friedrich und Johann allerdings schon gemeinsam mit ihrem Vater Kurfürst Ernst 1486 in Frankfurt am Main besucht.15 Es sei aber auch angemerkt, dass Friedrich der Weise keineswegs alle Reichstage seiner Regierungszeit aufgesucht hat.16 In einer Hinsicht hat aber Spalatin fraglos recht: Die Ausgaben für die Teilnahme an den Reichstagen verschlangen viel Geld. Der Reichstag zu Nürnberg im Frühsommer 1487 kostete den Ernestiner 11.000 Gulden, eine Summe, die allerdings noch von den Aufwendungen für die Pilgerreise ins Heilige Land 1493 um einiges übertroffen wurde.17 Die Teilnahme am Reichstag zu Worms 1495 summierte sich sogar auf 13.101 Gulden.18 Kontrastierend sei auf andere Ausgabeposten verwiesen: Als der Albertiner Herzog Georg und Barbara von Polen 1493 in Leipzig vermählt wurden, prangten die ernestinischen Vettern mit enormem Aufwand und unterstützten die Hochzeit mit 19.665 Gulden, und als 1497 der Ernestiner Herzog Johann und Sophie von Mecklenburg heirateten, beliefen sich die Ausgaben sogar auf über 30.000 Gulden.19 Die Teilnahme Friedrichs des Weisen am Reichstag zu Augsburg 1500 schlug mit mindestens 11.700 Gulden zu Buche, der Reichstag zu Köln 1505 mit 14.000 Gulden und der zu Konstanz 1507 mit ca. 11.420 Gulden.20 Diese Zahlenangaben sind alle der grundlegenden Leipziger Habilitationsschrift von 11 12 13
14 15 16 17 18 19 20
Georg Spalatin’s historischer Nachlaß 1851, S. 39 f. Zur vielerörterten Frage, was ein Reichstag sei, siehe den wichtigen Tagungsband: Deutscher Königshof 2002. Für die Regierungszeit Kurfürst Friedrichs III. sind die Reichstage zu Augsburg (1500), Konstanz (1507), Worms (1509), Augsburg (1510), Trier/Köln (1512) und Augsburg (1518) in der Mittleren Reihe der Reichstagsakten noch nicht ediert. Siehe die von den Bearbeitern der Reichstagsakten-Edition zusammengestellten Übersichten: Heil/Seyboth, Reichsversammlungen; Schweinzer-Burian, Reichstage. 1494 hat sich der Kurfürst allerdings als königlicher Rat auf ein Jahr an Maximilian gebunden, siehe Ludolphy 1984, S. 145 f. Ebd., S. 137. Z. B. ebd., S. 174. Schirmer 2006, S. 305 f., nach einer über die Reichstagsteilnahme geführten Rechnung. Die Pilgerfahrt ins Heilige Land kostete 16.645 Gulden, siehe Sladeczek 2013. Schirmer 2006, S. 306. Ebd., S. 307; Ders. 2002. Ders. 2006, S. 308.
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Uwe Schirmer zu verdanken, der die gewaltigen Summen mit der Bemerkung quittiert hat, dass „die kursächsischen Herrschafts- und Machtansprüche […] finanziell auch entsprechend flankiert“ worden seien, denn die albertinischen Herzöge in Dresden hätten für Reichstagsbesuche weitaus weniger Geld aufgewandt.21 Die kursächsischen Einnahmen lagen 1492–1508 bei jährlich im Durchschnitt 62.446 Gulden, 1514–1522 bei 75.000 Gulden und 1527–1531 bei durchschnittlich 122.350 Gulden.22 Die Steigerung war vor allem der nun direkten Besteuerung der Untertanen und der Klosteraufhebung im Zuge der Reformation zu verdanken. Da eine systematische Analyse der Präsenz des Hauses Wettin auf den Reichstagen aus verschiedenen Gründen hier nicht möglich ist, wähle ich eine eher ungewöhnliche Perspektive und befrage ein Quellenzeugnis, das bislang weitgehend unbekannt geblieben ist und das auch im ersten Band der Deutschen Reichstagsakten, jüngere Reihe, den August Kluckhohn 1893 herausgebracht hat, nicht berücksichtigt wurde. Dabei geht es nicht um einen klassischen Reichstag, sondern um einen Wahltag, nämlich die Wahl Kaiser Karls V. im Juni 1519 in Frankfurt.23 Zu uns spricht ein Zeitzeuge, mit allen Vor- und Nachteilen.24 Im Gefolge Kurfürst Friedrichs des Weisen hat an diesem Wahltag der niederbayerische Adlige Hans Herzheimer teilgenommen, der seit Ende 1518 Kursachsen bereist und darüber einen tagebuchartigen Bericht verfasst hat, dessen Edition ich seit geraumer Zeit vorbereite.25 Die Ausgabe wird im kommenden Jahr hoffentlich erscheinen können. Der Reisebericht Hans Herzheimers gehört nicht nur zu den bedeutendsten derartigen Aufzeichnungen, die aus Spätmittelalter und Früher Neuzeit über Mitteldeutschland erhalten sind, sondern diese Quelle beleuchtet auch die Sicht eines Niederadligen auf einen der bedeutendsten deutschen Fürstenhöfe dieser Zeit, den Hof Friedrichs des Weisen. Zu den Höhepunkten des Berichts gehören die Schilderungen der kurfürstlichen Residenzen Wittenberg, Torgau und Lochau (heute Annaburg).26 Nahezu unbekannt blieb bislang auch Hans Herzheimers Schilderung der Teilnahme Kurfürst Friedrichs des Weisen am Wahltag in Frankfurt am Main im Juni 1519.27 Hans III. Herzheimer (1464–1532) hat eine breite Überlieferungsspur hinterlassen, u. a. in Gestalt einer Vielzahl von Grab- und Gedenksteinen sowie Stifterbildern, die er an seinen zahlreichen Wirkungsorten wie Bad Aussee, Frauenchiemsee oder an seinem Stammsitz Heretsham zurückließ, und dies ist nur eine kleine Auswahl erhaltener Zeugnisse!28 Wenn wir die Spur dieses Adligen in Sachsen auf21 22 23 24 25 26 27 28
Ebd., S. 309. Ebd., S. 380. RTA JR 1. Vgl. zu dieser Problematik: Die Geburt des Zeitzeugen 2012. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20. Die Edition erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem MAK, siehe http://www.mak.at/sammlung/forschung/forschung_artikel?article_id= 1342703973153 [09.09.2015]. Bünz 2013a; Ders. 2016; Hoppe 2006. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 296r–303r. Siehe Plazer 1907, S. 107 (Bad Aussee); Kreilinger 1988, S. 6 f. (Gedenkstein aus Heretsham); Bomhard/Benker 1994, S. 18.
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nehmen, muss von seinem Vetter Degenhard Pfeffinger (1471–1519) die Rede sein. Beide entstammten altbayerischen Niederadelsfamilien, die sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Während Hans Herzheimer im Dienste Kaiser Maximilians I. aufstieg und bis 1518 das kaiserliche Hallamt in Bad Aussee verwaltete, absolvierte Degenhard Pfeffinger nach 1493 im Dienste Kurfürst Friedrichs des Weisen eine steile Karriere, wurde schließlich kursächsischer Kämmerer und stand dauerhaft in einem freundschaftlich engen Verhältnis zum Kurfürsten, das selbst Georg Spalatin nicht erreicht hat. Andreas Meinhardi rühmt in seiner 1508 gedruckten Beschreibung der Stadt Wittenberg Degenhard Pfeffinger als treuen und in jeder Hinsicht umsichtigen Diener Friedrichs des Weisen und betont: „Wem er den Zutritt zum Hof des erlauchten Fürsten gestattet, dem stehen Toren und Türen ohne Zweifel weit offen.”29 Davon profitierte 1518/19 Hans Herzheimer. Trotz seiner Dienstaufgaben in Sachsen behielt Degenhard Pfeffinger seinen Familiensitz Salmanskirchen bei Mühldorf am Inn im Herzogtum Bayern bei.30 Güterbesitz, Tätigkeit und Ämter zeigen, dass die Person Degenhart Pfeffingers ein Bindeglied zwischen Altbayern und Kursachsen darstellt. Als er 1519 starb, trat Hans Herzheimer einen Teil seines Erbes an, u. a. Schloss Salmanskirchen, wo Herzheimer zur Erinnerung an den Besitzwechsel 1520 eine prächtige Rotmarmortafel anbringen ließ, die den früheren und den jetzigen Besitzer im Bild festhält. Pfeffinger mag es gewesen sein, der seinen Vetter Herzheimer bewog, zwei Söhne zum Studium an die kursächsische Universität Wittenberg zu schicken. Die Söhne nach vielen Jahren der Trennung einmal wiederzusehen, bildete den eigentlichen Anlass der Reise nach Kursachsen. Als Herzheimer mit Pfeffinger im Dezember 1519 in Salmanskirchen aufbrach, schloss sich ihnen noch ein prominenter Mitreisender an: der päpstliche Legat Karl von Miltitz (1490–1529), der wegen der causa Lutheri nach Kursachsen unterwegs war.31 Wie den fast täglichen Aufzeichnungen Herzheimers zu entnehmen ist, brach der sächsische Kurfürst am St. Urbanstag, also am 25. Mai, früh um sechs Uhr von Altenburg aus nach Frankfurt auf, doch musste unser Berichterstatter selbst wegen meins posen payn noch zwei Tage zurückbleiben.32 Im Bestand der Wahlsachen im Hauptstaatsarchiv Dresden hat sich aber eine Aufzeichnung über die Wahlreise Friedrichs des Weisen erhalten, die das Datum des Aufbruchs bestätigt und auch die Stationen der nächsten Tage nennt. Die Tagesetappen betrugen zumeist 30 bis 40 km:33 Aufbruch in Altenburg und Reise bis Jena am 25. Mai, Weiterreise nach 29 30 31
32 33
Meinhardi, Über die Lage, S. 89. Zu Verfasser und Werk nun Kipf 2013. Zusammenfassend Stahleder 1976, S. 183–185 über die Hofmark Salmanskirchen. Hingewiesen sei auf das ungedruckte Manuskript von Weichselgartner 1956–60 (Exemplar in der Dom- und Metropolitanbibliothek zu München). Karl von Miltitz (1490–1529), der aus einer meißnisch-sächsischen Niederadelsfamilie stammte, war seit 1514 in verschiedenen Funktionen an der Römischen Kurie tätig und wurde am 10. September 1518 mit einer Gesandtschaft zu Kurfürst Friedrich dem Weisen beauftragt: Smolinsky 1994; Volkmar 2008, S. 299. 1519 gehört er zu den Zeugen des Testaments Degenhard Pfeffingers: Gümbel 1926, S. 63. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 293r. HStA Dresden, Wahlsachen, Nr. 4 (Konzept) und 6 (Kopie).
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Weimar am 26. Mai, von dort am 30. Juni weiter nach Königsee, am 31. Mai nach Eisfeld, am 1. Juni nach Heldburg.34 Von dort schrieb Friedrich der Weise seinem Rat Fabian von Feilitzsch, er habe zwei fast schwerer tagerais gehabt, dan das weter ist haiß gewesen, der weg weid und boße.35 Derweil reiste Hans Herzheimer über Neustadt/Orla, Gräfenthal und Coburg dem kurfürstlichen Zug hinterher, auf den er am 2. Juni, an Christi Himmelfahrt, in Heldburg traf.36 Von nun an stimmen der Dresdner Reisebericht und der Herzheimers überein: Am 3. Juni ging es nach Königsberg in Unterfranken, am 4. Juni nach Haßfurt am Main. Dort fand der Kurfürst aber die erwarteten Schiffe nicht vor,37 so dass es auf dem Landweg weiter nach Gerolzhofen (5. Juni) ging und man am 6. Juni Würzburg erreichte.38 Nach einer zweitägigen Ruhepause in Würzburg erfolgte am 8. Juni die Weiterreise auf dem Main, wo wiederum in Rothenfels (8. Juni), Obernburg (9. Juni) und Steinheim (10. Juni) Station gemacht wurde, bis der sächsische Kurfürst am 11. Juni in Frankfurt eintraf. Herzheimer schreibt über die Ankunft in Frankfurt, das seit der Goldenen Bulle als Wahlort gesetzt war:39 An gemeltem Samstag, was der heilig pfingst abent, als mein gn. herr curfurst zw landt bei Franckfordt zue lendt [anlandete], waren ir c. f. g. endgegen khomen funff churfursten Mayntz, Tryer, Chollen, pfallentzgraff vnd margraff [also Brandenburg] mitt einer grossen menig graffen, freyen herren, rittern, edlewten geistlichen vnd weltlichen, mit schemberlichen geprenck frundlichen empfahens, vnd ir c. f. g. bis fur die herberg belaydent.40 Aufzeichnungen des Frankfurter Stadtschreibers Melchior Schwarzenberger41 über die Kaiserwahl beginnen mit der Schilderung der Ankunft der Kurfürsten und bestätigen bezüglich des Wettiners die Darstellung Hans Herzheimers.42 Wir verdanken dem Bericht des Stadtschreibers auch Angaben dazu, wie peinlich genau der Frankfurter Rat darauf achtete, dass jeder Kurfürst nur mit dem Gefolge in die Stadt einzog, das ihm laut Goldener Bulle zustand, also mit 200 Pferden.43 Das Gefolge des sächsischen Kurfürsten 1519 ist dahinter gewiss nicht zurückgeblieben, doch kennen wir durch Aufzeichnungen des Reichsherolds Georg Rixner nur 65 Personen namentlich.44 Bildzeugnisse aus dieser Zeit fehlen. Erst anlässlich der Kaiserwahl 1658 fertigte man in Frankfurt eine Beschreibung der damaligen Einzüge an, darunter auch des sächsischen Kurfürsten Johann Georg II.45 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45
RTA JR 1, S. 746, Nr. 321, Anm. 3. Ebd., S. 746, Nr. 321. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 294r. RTA JR 1, S. 746, Nr. 321, Anm. 4. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 295r. Vgl. Die Kaisermacher 2006. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 296r. Zur Person RTA JR 1, S. 932 (Register). Ebd., S. 760–764, Nr. 329, hier S. 764. Ebd. Die Bestimmung der Goldenen Bulle: MGH Const. 11, S. 572 f. RTA JR 1, S. 746, Nr. 321, Anm. 3. Abgebildet in: Preußen und Sachsen 2014, S. 94 (Katalogartikel von Peter Langen). Aus dem 16. Jahrhundert scheint es solche Darstellungen nicht zu geben, siehe Aulinger 1980.
Die Wettiner auf den Reichstagen
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Der sächsische Kurfürst hatte Quartier im Haus des Frankfurter Patriziers Nikolaus Stalburg genommen, über den Hans Herzheimer nur lakonisch bemerkt, ein reich man, auf 40.000 gulden geacht,46 was den Tatsachen entsprach. Claus Stalburg war damals der reichste Frankfurter und verfügte mit der Großen Stalburg über ein repräsentatives Wohnhaus am Kornmarkt in der Nähe des Franziskanerklosters.47 Dort wurde auch Degenhard Pfeffinger einquartiert, was neuerlich sein enges Verhältnis zum Kurfürsten verdeutlicht.48 Der Kurfürst hatte sich erst am 29. Mai vom fränkischen Königsberg aus, das zum wettinischen Territorium gehörte, an den Frankfurter Rat gewandt und um Quartier im Hause Stalburgs gebeten.49 Dass dies ohne Buchung über HRS oder andere Dienstleister so kurzfristig funktionierte, überrascht, doch mag es sein, dass der Stadtrat schon vorsorglich Quartiere reserviert hatte. Dafür für spricht auch, dass die anderen Kurfürsten ebenfalls erst recht kurzfristig um Quartier nachgesucht hatten. Bekanntlich gibt es über das eigentliche Wahlgeschehen 1519 keine Wahlakten, sieht man einmal von dem notariellen Protokoll der Wahl Karls V. ab, das aber nur die Stimmabgaben, nicht die vorhergehenden Verhandlungen dokumentiert.50 Diese Feststellung mag mit Blick auf den imponierenden Umfang des einschlägigen ersten Bandes der Reichstagsakten (Jüngere Reihe) überraschen, aber dieser resultiert aus den monatelangen Vorverhandlungen, die vor allem von französischer, englischer und habsburgischer Seite mit den Kurfürsten geführt wurden, um sie für einen bestimmten Kandidaten zu gewinnen (worüber übrigens Herzheimers Reisebericht auch einiges enthält, da er bei seinen Aufenthalten am kursächsischen Hof im Frühjahr 1519 mehrere europäische Gesandtschaften erlebt hat). Die Quellen über den Frankfurter Wahltag selbst im Juni 1519 füllen im Reichstagsakten-Band hingegen wenig mehr als hundert Druckseiten. Die beiden Hauptzeugnisse über den Verlauf des Frankfurter Wahltags sind der bereits erwähnte Bericht des Frankfurter Stadtschreibers Schwarzenberger51 und der des Reichsherolds Georg Rixner (Rüxner), genannt Jerusalem, den er übrigens Margareta, der Frau Herzog Johanns von Sachsen, gewidmet hat.52 Als drittes Zeugnis treten nun die Aufzeichnungen Hans Herzheimers hinzu, die der Herausgeber der Reichstagsakten 1893 nicht kennen konnte, weil sich die Handschrift damals noch in einer Privatsammlung befand.53 46 47
48 49 50 51 52 53
RTA JR 1, S. 764, Anm. 1. Johann 2002, S. 44 f. und 49 f. zu seinem Vermögen und zur Großen Stalburg am Kornmarkt. Abbildung des Hauses in: Bothe 1929, S. 76. Siehe auch Matthäus 2012. Stalburg wurde 1524 im Karmeliterkloster beigesetzt, wo er ein Wandgemälde Jörg Ratgebs gestiftet hatte, siehe Johann 2002, S. 50 f. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 298v. Dass Pfeffinger in dessen Haus verstorben ist, belegt auch sein Testament: Gümbel 1926, S. 57. RTA JR 1, S. 764, Anm. 1. Zur dortigen Einquartierung auch: Chronicon sive Annales Georgii Spalatini 1728, Sp. 596. Siehe dazu unten Anm. 82. Siehe oben bei Anm. 41. RTA JR 1, S. 764–766, Anm. 1 und S. 858–861, Nr. 384. In der Sammlung des österreichischen Bankiers Albert Figdor (1843–1927), die 1933 versteigert wurde; siehe Otruba 1961.
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Die Darstellung Herzheimers deckt das eigentliche Wahlgeschehen vom 17. bis zum 28. Juni 1519 ab, wobei er stets Kurfürst Friedrich den Weisen im Blick hat. Die Wahlverhandlungen spielten sich demnach zwischen dem Frankfurter Rathaus (Römer) und der wenige hundert Meter entfernten Stiftskirche St. Bartholomäus ab. Darüber hinaus notiert Herzheimer aber auch alltägliche Einzelheiten wie den Weg des Kurfürsten ins Quartier oder den Besuch von Gottesdienst und Chorgebet in der Franziskanerkirche, die Friedrich der Weise bevorzugt zu haben scheint, und manches andere mehr. Unter der Überschrift „Vota electorum etc.“ beschreibt unser Gewährsmann den ersten Wahltag:54 Am quottemer freitag in der pfingstwochen, der 17. juni, sein die churfürsten in der 8. vr von dem radthauss zw kirichen gen s. Barthlmeo geritten, vnd ydem churfurssten hat man ein swerdt vor gefuerdt. Als sij in den chor khomen, hat yder churfursst sein churfurstlichs claydt in der sacrisstey an gethan, vnd sein widerumb herr fur in ydes ver ordenten standt gangen vnd gestanden. Bischolf von Mayntz ist auf der rechten hand, im ersten stuel gestanden, nach ime der cantzler von Peheym an statt vnd von wegen des kunigs zu Peheym [der Großkanzler Ladislaus von Sternberg], vnd hat khain churfurstlich clayd, sonnder in einer gulden schawben an gehabt vnd gestanden. Nach yme ist der pfalzgraff in seinem churfurstlichen rottem sammatem habydt gestanden. Auf der lingken handt ist ym ersten stuel bischolf von Collen, nach im mein gn[edigster] herr von Sachsen, vnd nach volgendt marckgraf von Branburg, yder in seinem churfurstlichenn rotten habitt, vnd zbischen beden seytten im chor hat bischolf von Trier allain ein stuell gehabt vnd dar inn gestanden. Als sij also yder in seinem stuel sind gestand [!], ist der suffraganus von Meyntz55 her aus zw dem altar in seinem pontifical gegangen vnd ist vor dem altare nyder khnyedt vnd zw singen angefangen „Veni sancte spiritus”. Dar auf der chor dasselbig gar hinaus gesungen. Dar auf hat der suffraganus die collecten gelesen. Nach volgendt hat man das ambt vom heiligen geist vor den churfursten mit gantzer andecht volbracht, vnd als der suffraganus den segen gegeben vnd von dem altare in die sacristeij gegangen ist, sein die churfurssten samend lich hinfur zw dem alltar gegangen vnd haben den aydt yder in sunder gethan, zwm ersten der von Mayntz, nach im der von Tryer, nach im der von Collen, dar nach werdt des kunigs von Peheym cantzler der aydt vor gelesen, nach ime phaltzgraff, darnach Sachsen vnd zum lessten marckgraff [von Brandenburg], also sein sy nach solhem samendlichen in die sacristeij gegangen vnd beij ein ander allein gewesst. Darnach haben sij ire churfursstliche chleider aus gethan vnd yder von der chirchen an sein herberg geritten. Die Feier der Messe vom Heiligen Geist und die Vereidigung der Kurfürsten gehörten als konstitutive Akte des Wahlverfahrens zu den normativen Vorgaben, die in der Goldenen Bulle ausgeführt werden.56 Natürlich sind diese zeremoniellen 54 55 56
MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 297r–v. Mit suffraganus kann nicht der Erzbischof gemeint sein, doch ist wohl auch nicht an einen der zahlreichen Suffraganbischöfe des Mainzer Erzbischofs zu denken, sondern an den Weihbischof. Als solcher amtierte in partibus Rheni 1511–1537 Johannes Münster: Jürgensmeier 1996. MGH Const. 11, S. 574–578.
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Aspekte auch aus anderen Quellen bekannt, aber trotzdem mag eine solche Schilderung eines Zeitzeugen nicht uninteressant sein, der vom eigentlichen Verlauf der Beratungen freilich ebenso wenig erfuhr wie die Frankfurter Bürger: Kurfürsten reiten und schreiten hinter dem Schwert in speziellen Kurgewändern, verschwinden dann in der Wahlkapelle der Bartholomäuskirche, die seit 1486 diesem Zweck diente,57 reiten wieder zum Römer, führen dort Beratungen (in der Frühen Neuzeit gab es dafür eine feste Wahlstube),58 begeben sich dann in ihre Herbergen, wohnen aber auch immer wieder der Messfeier oder der Vesper bei, der sächsische Kurfürst dabei bevorzugt im Franziskanerkloster, der Barfüsserkirche, die 1786/87 der Paulskirche weichen musste.59 Ein wenig fühlt man sich angesichts dieser Beschreibungen an Goethes Äußerung über die Wahl Josephs II. 1764 erinnert, die er als Jugendlicher miterlebt hatte: „Ich verglich […] diese Feierlichkeiten und Funktionen mit einem Schauspiel, wo der Vorhang nach Belieben heruntergelassen wurde, indessen die Schauspieler fortspielten, dann werde er wieder aufgezogen und der Zuschauer könne an jenen Verhandlungen einigermaßen wieder teilnehmen.“60 Vorhang auf, Vorhang zu, damit ist die Zeitzeugenperspektive recht gut beschrieben, die eher die rituelle Fassade als das Geschehen dahinter erfassen kann. Was in der Sakristei von St. Bartholomäus als dem üblichen Ort der Wahlversammlung besprochen wurde, verraten uns die Quellen leider nicht. Da Herzheimer stets den sächsischen Kurfürsten im Blick hat, weiß er auch von seinen gesundheitlichen Kalamitäten zu berichten, beispielsweise am 18. Juni, als der Kurfürst nicht zur Beratung aufs Rathaus kommen konnte, weil er ettwas swach was (er kam die Treppe nicht hinauf) – was ihn dann freilich nicht davon abhielt, das Mittagessen in einem Garten vor der Stadt einzunehmen und abends der Vesper bei den Franziskanern beizuwohnen.61 Am folgenden Sonntag Trinitatis trafen sich die Kurfürsten nicht auf dem Rathaus, sondern Friedrich der Weise aß mit dem Mainzer Kurfürsten zu Mittag und besprach sich danach mit dem Trierer Erzbischof bis zur Vesper.62 Zur Fronleichnamsprozession aber hat mein gn. herr von Sachsen […] nit mögen geen seins fueßs halben.63 Den 56-jährigen Wettiner plagte damals die Gicht so sehr, dass er nach der Rückkehr vom Wahltag in Torgau geschlagene acht Wochen lang ausharren musste.64 Auch anderes wird nebenbei mitgeteilt, beispielsweise dass ein Teil des Gefolges Friedrichs des Weisen am 25. Juni in Mainz war, der eins teils herrn Carl von Miltitz auf den stifft seiner vor elldern frundschafft herkhomens beweisung gegeben haben, als den des stiffts zu Meintz gebrauch ist.65 Damit ist die mit der Aufschwörung verbundene Ahnen57 58 59 60 61 62 63 64 65
Die Kaisermacher 2006, S. 418–424; Kinkel 1986, S. 54–57. Die Kaisermacher 2006, S. 141 f. Dehio 1982, S. 253; Fischer 2000. Zur Topographie und Gestalt siehe Rexroth 2000. Goethe, Dichtung und Wahrheit, S. 179. Über die letzte Kaiserwahl in Frankfurt siehe: Wahl und Krönung Leopolds II. 1981. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 297v. Ebd., fol. 298r. Ebd. Ludolphy 1984, S. 58 f. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 298v.
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probe des bereits erwähnten päpstlichen Legaten Karl von Miltitz gemeint, die er zwecks Aufnahme in das Mainzer Domkapitel ablegen musste.66 In all dem Einerlei des Hin- und Herreitens der Kurfürsten, des Beratens und Betens berichtet Hans Herzheimer dann doch noch eine kleine Sensation, die sich „hinter dem Vorhang“ abspielte, um im obigen Bild zu bleiben. Der Montag nach Pfingsten, der 27. Juni, schien ein Tag wie viele andere zu werden. Um 6 Uhr hatten sich die Kurfürsten auf dem Rathaus versammelt, um 8 Uhr ritten sie dann – wie üblich und mehrfach beschrieben – mit vorfuerungen ir ydes swertess – in die Stiftskirche St. Bartholomäus.67 Dort feierten sie einen Gottesdienst zu Ehren der Muttergottes. Dann heißt es weiter: An vor berurtem montag hetten die churfursten all vnd samendlichen nach begangen loblichem ambt […] mit eyntrechtiger stymb, mein g[nedig]sten herren hertzog Fridreichen, churfursten von Sachsen etc., zw einem Römischen kunig vnnd khunfftigem kayser etc. erwellt. Der frumb churfursst, als er solhs sich vnwirdig vor gemellten churfurssten allen endredte, vnd irer aller liebe mit hochstem vleis ansyndte, vnd sein geallter vnd geprechlicheit seins leibs swacheit erzellte, haben die churfurssten solchs behertzendt vnd disen gemeltem tag auf den morgigen tag erstreckt, vnd also wie vor gemelt, von der selben wall aus der sacristey aus ein yder an sein herberg geritten.68 Hans Herzheimer berichtet also von der Wahl Kurfürst Friedrichs von Sachsen zum römischen-deutschen König bzw. römischen Kaiser. Diese bislang unbeachtete Nachricht69 ist geeignet, eine alte Kontroverse wieder aufleben zu lassen, die der Reformationshistoriker Paul Kalkoff (1858–1928) 1925 mit seinem Buch über „Die Kaiserwahl Friedrichs IV. und Karls V. (am 27. und 28. Juni 1519)“ ausgelöst hatte.70 Kalkoff, dem grundlegende Forschungen zur frühen Reformationsgeschichte zu verdanken sind, hatte seinerzeit den Bogen allerdings überspannt, indem er nicht nur behauptete, Friedrich der Weise sei in Frankfurt zum Kaiser gewählt worden, sondern er habe auf diese Würde dann angesichts der vom Hause Habsburg aufgebotenen Streitkräfte wieder verzichtet. Letzteres aber war bloße Spekulation und machte es namhaften Rezensenten des Buches wie Karl Brandi, Gustav Wolf und Paul Kirn leicht, Kalkoff als Phantasten nachhaltig in Misskredit zu bringen.71 Communis opinio dieser älteren Forschung war, „daß vor der Wahl
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Die Namen der den Eid leistenden Adligen überliefern der Eintrag im Domkapitelsprotokoll und die darüber am gleichen Tag ausgestellte Urkunde: Die Protokolle aus der Zeit des Erzbischofs Albrecht v. Brandenburg 1932, Bd. 1, S. 175. Beispiele bietet Forst de Battaglia 1913, allgemein Graf 2005. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 299r. Ebd., fol. 299v. Lediglich Ludolphy 1984, S. 217 f. hat diese Stelle zitiert, ohne freilich ihren Quellenwert zu erkennen und die Frage der Wahl des Wettiners weiter zu erörtern. Ludolphy wurde auf den Herzheimer-Bericht durch den österreichischen Kirchenhistoriker Karl Amon (Graz) aufmerksam, der ihr Auszüge aus dem Reisebericht mitgeteilt hat. Siehe Amon 1980. Kalkoff 1925. Brandi 1925; Wolf 1927; Kirn 1925.
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Karls V. Friedrich der Weise drei Stimmen (Trier, Pfalz, Brandenburg) hätte haben können, aber die Krone ausgeschlagen habe“.72 Erst jüngst aber ist die These von der Wahl des Wettiners zum Kaiser wieder neu erörtert worden. Der Hallenser Rechtshistoriker Heiner Lück wertete drei zeitgenössische Zeugnisse des kursächsischen Sekretärs Georg Spalatin, des Humanisten Erasmus von Rotterdam und des venezianischen Gesandten in London, Sebastiano Giustiniani, aus.73 In Einzelheiten differieren diese Berichte aber, da sie unterschiedlich nahe am Ereignis waren, so dass Lücks Ergebnis unentschieden bleibt: Friedrich sei zwar ein „aussichtsreicher Königskandidat“ gewesen, der über einen größeren Sympathisantenkreis in Frankfurt verfügte, aber: „Ob die Wahlvorgänge zugunsten Friedrichs so weit gediehen waren, dass er die Wahl ‚ablehnen‘ konnte, kann aus den Quellen heraus nicht hinreichend klar beantwortet werden.“ Es seien, so Lück weiter, „die Voraussetzungen für eine rechtswirksame Königswahl zwar in Gestalt der Mehrheitsverhältnisse potentiell vorhanden“ gewesen, doch mündete das Wahlverfahren „nicht in eine konstitutiv vollendete Herrschererhebung“ ein. „Mag das ‚Küren‘ im Zweifel absolviert worden sein, so fehlte es in jedem Fall am ‚Kiesen‘, der essentiellen und damit konstitutiven Ausrufung und Benennung des Herrschers.“74 Für Letzteres bietet auch die Darstellung Hans Herzheimers keinen Anhaltspunkt, aber unser Zeitzeuge betont, dass Friedrich der Weise von den Kurfürsten einstimmig gewählt worden sei (mit eyntrechtiger stymb), was übrigens auch Erasmus von Rotterdam in seinem Brief an Kardinal John Fisher von Rochester zu berichten wusste (ab omnibus).75 Wichtig ist, dass ein formaler Wahlakt durchgeführt wurde, was Herzheimer nicht im Kontext dieses Kapitels erwähnt, sondern erst im folgenden Kapitel über die Wahl Karls V. einflicht; dort beschreibt er nämlich, wie die Kurfürsten in die sacristen gegangen vnd zw inn 12 tappfer herren vnd drei notarien, wie an gestrigem tag beschehen, genomen, womit also die Wahl Friedrichs von Sachsen gemeint ist. Die zwölf Männer fungierten, wie wenige Zeilen später betont wird, als Zeugen der Wahl, während die Notare die Aufgabe hatten, die Voten der Kurfürsten zu protokollieren.76 Dann fährt er fort, die Kurfürsten haben abermals die walle eines Römischen kunigs vnd kunfftigen kaisers
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Wolf 1927, S. 22. Lück 2014, S. 42 f. Ebd., S. 45. Entschieden für die erfolgte Wahl Friedrichs plädierte jüngst der Leipziger Kirchenhistoriker Armin Kohnle in seinem am 14. Juni 2013 vor der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig gehaltenen Plenarvortrag „Kaiser Friedrich? Friedrich der Weise, die Königswahl des Jahres 1519 und ein Epigramm Martin Luthers”, siehe dazu die Zusammenfassung auf der Homepage der Akademie: Kohnle 2013. Die Publikation dieses Vortrags bleibt abzuwarten. Zitiert nach Lück 2014, S. 45. Die Goldene Bulle bestimmt in Kap. 4 nur die Reihenfolge der Stimmabgabe durch die Kurfürsten (Trier, Köln, Böhmen, Pfalz, Sachsen, Brandenburg, Mainz): MGH Const. 11, S. 580–583. Organisatorische Einzelheiten wie die zwölf Wahlzeugen und die drei Notare werden dort nicht geregelt.
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gethan,77 mit anderen Worten: Sowohl der Wettiner als auch der Habsburger ist am 27. bzw. 28. Juni in formal gleicher Weise gewählt worden. Dass aber am 27. Juni der gewählte Wettiner die Königs- bzw. Kaiserwürde angenommen und dann – nach drei Stunden, wie Paul Kalkoff aufgrund des venezianischen Berichts Glauben machen wollte78 – wieder unter Druck „abgedankt“ habe, bestätigen auch Herzheimers Ausführungen nicht. Vielmehr hat der sächsische Kurfürst unmittelbar nach der Wahl verzichtet, alls er solhs sich vnwirdig vor gemellten churfurssten allen endredte, und dies mit seinem Alter und Gesundheitszustand begründet (vnd sein geallter vnd geprechlicheit seins leibs swachheit erzellte), was ja auch den Tatsachen entsprach.79 Die Kurfürsten hätten sich, wie Herzheimer weiter berichtet, zu einem neuerlichen Wahlakt auf den nächsten Tag vertagt (von einem Versuch, den Gewählten umzustimmen, ist also nicht die Rede) und seien von der selben wall aus der sacristey aus ein yder an sein herberg geritten,80 wie es abschließend heißt. Demnach ist Kurfürst Friedrich der Weise am 27. Juni 1519 tatsächlich zum römisch-deutschen König bzw. zum römischen Kaiser gewählt worden, und zwar von allen Kurfürsten, doch hat der Wettiner noch in der Wahlkapelle des Bartholomäusstiftes auf diese Würde unter Verweis auf Alter und Gebrechlichkeit verzichtet. Den Wettiner als Kaiser Friedrich IV. auszurufen, den Gekorenen also auch zu kiesen, dazu bestand kein Anlass. Angesichts der spärlichen und widersprüchlichen Zeugnisse zur Wahl Friedrichs von Sachsen verdient dieser Bericht Hans Herzheimers mehr Aufmerksamkeit, da er nicht nur zeitlich dem Ereignis am nächsten steht (sein Reisebericht beruht, wie schon erwähnt wurde, auf tagebuchartigen Aufzeichnungen und ist noch 1519 niedergeschrieben worden), sondern der Verfasser durch seine Verbindungen zum kursächsischen Hof über verlässliche Informationsquellen verfügte (allerdings nicht Degenhard Pfeffinger, der zu diesem Zeitpunkt schon im Sterben lag, wie noch zu schildern sein wird).81 Nicht verschwiegen werden soll allerdings das Faktum, dass von der Wahl Karls V. das Protokoll überliefert ist (allerdings nur als private Abschrift), während sich von dem Protokoll der Wahl Friedrichs des Weisen keine Spur findet, obwohl der Bericht Herzheimers nahelegt, dass ein solches angefertigt wurde.82 Ebenso mag man gegen Herzheimer auch das Schweigen der anderen zeitgenössischen Quellen ins Feld führen, denn beispielsweise hat Kurfürst Friedrich seinem mitregierenden Bruder Johann am 28. Juni von der Wahl Karls V. berichtet, seine eigene 77 78 79 80 81 82
MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 300r. Lück 2014, S. 46. Siehe oben bei Anm. 64. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 299v. Siehe unten nach Anm. 95. Das Wahlprotokoll Karls V. ist enthalten in: RTA JR 1, S. 849–853, Nr. 380. Es ist allerdings nicht als Ausfertigung überliefert, sondern nur als Abschrift im Nachlass des Mainzer Sekretärs Andreas Rucker. Dieser verweist in einer Vorbemerkung zum Protokoll darauf, dass am 27. Juni auch eine Wahlmesse gefeiert wurde und dass die Kurfürsten bis 11 Uhr tagten, erwähnt aber keinen Wahlakt (ebd., S. 849 f., Anm. 2). Wolf 1927, S. 23 bestreitet deshalb, dass es an diesem Tag eine Wahl gegeben habe.
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Wahl am Vortag aber nicht erwähnt,83 und Hermann von Pack hat den albertinischen Herzog Georg von Sachsen am 30. Juni ebenfalls über die erfolgte Wahl des Habsburgers informiert, nicht aber über die des wettinischen Vetters, obwohl eine solche Nachricht in Dresden gewiss von Interesse war.84 Weitaus größeren Raum als die wettinische Kaiserepisode nimmt in Hans Herzheimers Bericht natürlich die Schilderung der Wahl Karls V. ein, denn das Kapitel über die electio divi Caroli quinti regis Romanorum beansprucht drei Seiten in der Handschrift.85 Demnach kamen die Kurfürsten früh um sechs Uhr aufs Rathaus, ritten dann um acht Uhr unter Voranführung der Kurschwerter zum Frankfurter Dom, legten dort in der Sakristei ihre kurfürstlichen Gewänder an und bezogen dann in der Stiftskirche ihre Stühle, so dass der Mainzer Weihbischof vor dem Altar stehend die (von der Goldenen Bulle vorgeschriebene)86 Pfingstsequenz „Veni sancte spiritus“ anstimmte und dann die Heilig-Geist-Messe zelebrierte. Der Wahlakt selbst muss hier nicht referiert werden. Herzheimer beschreibt das, was auch andere beschrieben haben. Nur zwei Aspekte seien herausgegriffen: Herzheimer schildert, wie nach erfolgter Wahl der Mainzer Domdekan Lorenz Truchsess von Pommersfelden mit den Kurfürsten in den Chor trat und (vom Lettner) die Wahl bekannt machte,87 also ebenjenen Akt des „Kiesens“ vollzog, der im Falle Friedrichs des Weisen aufgrund seines Verzichts nicht möglich war. Danach sei, so Herzheimer, das „Te deum laudamus“ angestimmt worden, die Kurfürsten hätten ihren Habit wieder abgelegt und seien in ihre Herbergen gezogen.88 Der Wahltag wurde mit einem großen Feuerwerk beschlossen, von dem nur Herzheimer berichtet und das er mit einer kleinen Zeichnung illustriert: Zw der nacht zbischen 8 vnd 9 vr warde ein gross freidenfewer auf dem platz gemacht, vnd mit trumetten vnd paucken da beij frolichenn gehofiert, vnd warde ein große menig aller leij volks da beij, als man geachtet auf 6000 person. Das selb fewer was wie hie vnden gemacht [damit ist die kleine Zeichnung in der Handschrift gemeint], vnd mit dem fann des adlers zw hochst an einer stangen, dar vnnder die dreij fännlen der geistlichen churf[ursten] Mayntz, Tryer, Collen, dar vnder aber niderer, der vier laij churf[ursten] fännlen, alles in die obgemelten stanngen gesteckt vnd gemacht. Ausserhalben der selben langen stangen steckten zw ringes her vmb aber 6 stanngen, […] dar auf waren des Caroli etc. eribfan gemacht, vnd auf yder stangen drei […] fennlen gesteckt vnd inwendig […] waren villaij fewrwerchs von puchsen, die alls pald man das fewr anzundet, gross geprasstel machten, […] alles gantz formlich wol vnd meisterlich auf gemacht.89 83 84 85
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RTA JR 1, S. 855, Nr. 382. Ebd., S. 861–863, Nr. 385. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 299v–300v (zwischengeschaltet fol. 300Ar–v). Vgl. dagegen den knappen, wesentlich später entstandenen Bericht Spalatins „Wie sich dieser Churfürst in der Wahl des itzigen römischen Kaisers Herrn Karln des Fünften gehalten“: Georg Spalatin’s historischer Nachlaß 1851, S. 40 f. Siehe oben bei Anm. 43. Der genaue Ort wird im Wahlprotokoll genannt: RTA JR 1, S. 852, Nr. 380. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 300v. Ebd., fol. 300Av.
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Die Kurfürsten sind nach der Wahl noch einige Tage in Frankfurt geblieben, nicht zuletzt, weil Karl V. und sein Gefolge, wie Herzheimer und andere Quellen übereinstimmend schildern, aus dem kurmainzischen Schloss Höchst am Main herbeigeholt werden mussten und die Beurkundung der Wahlverschreibung abzuwarten war, die am 3. Juli ausgestellt wurde.90 Karl V. war der erste römisch-deutsche König, der sich auf eine Wahlkapitulation verpflichten ließ. Wie Hans Herzheimer vermeldet, ist Kurfürst Friedrich der Weise am 4. Juli morgens zu Schiff aufgebrochen – von Franckfurt in einem regen vnd plizen eines wetters auf dem Mayn erhebt – und mainaufwärts bis nach Aschaffenburg gefahren.91 Bereits am 28. Juni hatte der Kurfürst in einem Brief an seinen Bruder Johann geklagt, er hoffe bald seinen Abschied nehmen zu können, dan es warlichen des sterbens halben und sunst nicht lustig alhie ist.92 Nach dem Bericht des Reichsherolds Rixner starben damals täglich mehr als 24 Personen in Frankfurt.93 Am 1. Juli schrieb der Kurfürst, dass er bald aufbrechen werde, weil es des sterbens halben nicht fast kurzweilig sei,94 doch blieb er trotzdem noch drei weitere Tage. Der Grund war wohl, dass der Kurfürst das nahe Ende seines Kämmerers und engen Vertrauten Degenhard Pfeffinger abwarten wollte. Hinter der großen Geschichte, die in die Wahl Karls von Burgund zum König und Kaiser mündete, gab es eben noch die persönliche Geschichte, über die Hans Herzheimer parallel Rechenschaft ablegt, nämlich das Sterben seines Vetters Degenhard Pfeffinger, der mit dem Kurfürsten im Haus Nikolaus Stalburgs einquartiert worden war.95 Wann sich Pfeffinger mit der in Frankfurt grassierenden Seuche infiziert hatte, ist aus dem Bericht nicht ersichtlich. An Johannes Baptist (24. Juni) war er schon sterbenskrank, denn Herzheimer berichtet, der Franziskanerbruder Jakob (Vogt), meins gnedigsten herren churfürsten peichtvattern, habe ihn mit dem hochwürdigsten Sakrament versehen wollen, aber es ist nit beschehen vrsach, der mundt vnd gurgll was ime zw durr worden.96 Zwei Tage später, am Dreifaltigkeitssonntag, notiert Herzheimer dann aber erleichtert: Nota, den tag hat mein lieber herr vnd vetter Herr D[egenhart] Pfeffinger gepeicht vnd von vatter Jacobum […] das hochwirdigist sacrament, wie wol mit grossen sorigen seiner swachheit vnd durre im munde, seligklichen vnd wol empfangen, gott hab ewig lob. Und ein wenig erleichtert fügt Herzheimer hinzu: Disen tag hat sich sein swachait auch wol gepesserdt, des ich der junckfr[au] Marie getreulichen danckber bin ewigklich.97 Schon am 30. Juni muss Herzheimer aber feststellen, dass sein Vetter den gantzen tag so swach gewest vnd das reissend hart gehabt, das ine meins gnedigsten 90 91 92 93 94 95 96 97
RTA JR 1, S. 864–876, Nr. 387. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 303r. RTA JR 1, S. 855, Nr. 382. Ebd., S. 860, Nr. 384. Ebd., S. 855, Nr. 382, Anm. 1. Siehe oben Anm. 48. MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 298v. Ebd., fol. 299r.
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herrn doctor Pistoris [also der kurfürstliche Leibarzt]98 hat lassen ein cristier bereitten, derbeg [derwegen] gott welle ime sein lebn lenger vergunnen vnd frissten nach seiner gotlichen parmhertzigkait.99 Zwei Tage später ist mein lieber vetter aber mals cristiert worden.100 Samstag, den 2. Juli notiert Herzheimer dann lakonisch: An diesem tag hat mein liber vetter herr D[egenhart] Pfeffinger sein testament beschreiben lassen.101 Degenhard Pfeffinger starb einen guten Tod, wie ihn die zeitgenössischen „Artes moriendi“ den Gläubigen empfahlen: vnder der vesper vmb die viert stundt am morgen frue, hat er vnder der mess, die vor ime in der camer gelesen worden, die heilig olung empfangen vnd ist in der funfften stundt in das Parfuesser closter getragen, mit bewilligumb des wirdigen vatter custos, herren Conrad Morel, daselbs.102 Sechs kursächsische Adlige, darunter der Hofmarschall Philipp von Feilitzsch, haben Degenhard Pfeffinger unter dem Geleit zahlreicher weiterer Adliger zu Grabe getragen. Beigesetzt wurde er im Chor der Franziskanerkirche vor dem hochwirdigsten sacramendt bei dem vodern alltar. Sein Gedächtnis sollte dort jährlich mit Verkündigung von der Kanzel begangen werden. Das alles hat mein gnedigster herr churf[urst] lassen selbs bezalen. Wil ime auch schillt, helben vnd panner vnd ein gehawtten grabstein machen lassen. Dass dies tatsächlich geschehen ist, belegen Nachzeichnungen in den Frankfurter Epitaphienbüchern.103 Das imposante Grabmal am Stammsitz Pfeffingers in Salmanskirchen, das den Verstorbenen im prächtigen Maximiliansharnisch zeigt, ist hingegen ein Kenotaph; der testamentarische Wunsch Degenhard Pfeffingers, dorthin überführt zu werden, ist nie erfüllt worden. Auf der Rückreise von Frankfurt soll der Kurfürst gegenüber Spalatin bemerkt haben: Ach der gute Pfeffinger, wol einen getreuen, frummen und guten Diener hab ich an ihm verloren.104 98 Leibarzt Kurfürst Friedrichs des Weisen war seit 1512 Simon Pistoris d. Ä. (1453–1523), Professor für Pathologie an der Universität Leipzig: Bünz 2009, S. 248 und 253 f. sowie Stephan 2014, S. 108 f., Anm. 424 (Auflistung der Leibärzte). Im Testament Degenhard Pfeffingers erscheinen 1519 allerdings Theobald Fertich und Christoph Pistoris, bede doctor der ertznei: Gümbel 1926, S. 63. Christoph war der Sohn des Simon Pistoris, kann also nicht schon 1518 verstorben sein, wie Sudhoff 1909, S. 95 angibt. Fertich (auch Fettich) hatte in Köln studiert und war Arzt in Worms. In den Dunkelmännerbriefen wird er zweimal erwähnt: Epistolae obscurorum virorum 1924, Bd. 2, Nr. 9, S. 108 und Nr. 12, S. 113. 99 MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20, fol. 301v. 100 Ebd., fol. 302r. 101 Ebd. Das Testament ist ediert von Gümbel 1926, S. 57–64, Nr. XVI. 102 Konrad Mörlin, der 1520 als verstorben genannt wird, war Kustos am Rhein, stand also einem Unterbezirk innerhalb der Oberrheinischen Ordensprovinz vor und gehörte dem Franziskanerkonvent in Frankfurt an, siehe Fischer 2000, S. 73 und 99. Dass der Kustos am Rhein das Begräbnis Pfeffingers in der Barfüßerkirche genehmigte, mag damit zusammenhängen, dass es damals weder einen Guardian noch einen Vizeguardian gab. Jedenfalls weisen die Personallisten ebd., S. 97 f. für das Jahr 1519 keine Amtsträger aus. 103 Der Grabstein ist mit dem Abriss der Franziskanerkirche 1786/87 verloren gegangen. Siehe die Nachzeichnungen und Abschriften der Inschrift in: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a. M., Epitaphienbücher, Nr. 11, fol. 80v und Nr. 12, fol. 41v. Fischer 2000, S. 42 geht nur auf die bürgerlichen Begräbnisse ein. 104 Georg Spalatin’s historischer Nachlaß 1851, S. 161.
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Die Stärken und Schwächen des Reiseberichts Hans Herzheimers werden in den referierten Abschnitten über den Wahltag zu Frankfurt im Juni 1519, die ziemlich am Ende seiner Aufzeichnungen stehen, besonders deutlich. Hans Herzheimer war unmittelbar dabei, seine Aufzeichnungen sind die eines Zeitzeugen, aber er konnte vieles eben nur aus seiner letztlich begrenzten Perspektive wahrnehmen und schildern. So nimmt er in Gestalt des Ein- und Ausziehens, Hin- und Herreitens der Kurfürsten nur die zeremonielle Fassade eines ohnehin stark ritualisierten Wahlverfahrens wahr, sieht also das, was auch die Tausenden Frankfurter Zuschauer sahen. Aber wie Herzheimer in seinem gesamten Reisebericht den sächsischen Kurfürsten und den wettinischen Hof im Blick hat, so auch in Frankfurt. Neben manchen Belanglosigkeiten wie kurfürstlichen Mahlzeiten oder Kirchenbesuchen gerät sodann doch ein Ereignis in seinen Blick, das vielen anderen Besuchern des Wahltages keiner Erwähnung wert erschien, aus kursächsischer Perspektive aber doch nicht übergangen werden konnte: die Wahl Friedrichs des Weisen und sein Wahlverzicht, auch wenn damit keine Reichsgeschichte geschrieben wurde, sondern die Wahl wohl nur deshalb auf den sächsischen Kurfürsten fiel, weil die Königswähler wussten, dass er diese Würde nicht anstrebte und ablehnen würde. Es sollte mit diesem Beitrag in einer besonderen Perspektive das wechselseitige Verhältnis von „König, Reich und Fürsten im Mittelalter“ beleuchtet werden und damit gezeigt werden, dass von dem Greifswalder „Principes“-Projekt nachhaltige Anregungen ausgehen, die in der sächsischen Landesgeschichte dankbar aufgenommen werden. Das Thema „Die Wettiner auf den Reichstagen“ bleibt eine gewaltige Forschungsaufgabe. Quellenverzeichnis Ungedruckte Quellen [HStA Dresden, Wahlsachen] HStA Dresden, Bestand 10026: Geheimes Kabinett, Abt. 060: Kurland, 060.016: Wahlsachen, Nr. 4 und 6. [Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a. M., Epitaphienbücher] Institut für Stadtgeschichte, Karmeliterkloster Frankfurt a. M., Bestand: Städtisches Archiv bis 1868, Abt. 1.18: Nach 1909 gebildete Pertinenzbestände, Epitaphienbücher Nr. 11 f. [MAK Wien, Inv. B.I.21.517, Standort S20] Österreichisches Museum für angewandte Kunst in Wien (MAK), Inv. B.I.21.517: Reisebericht des Hans Herzheimer, Standort S20.
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HOFKUNST ZWISCHEN KONKURRENZ UND KULTURALITÄT Die Kunstförderung an den Höfen Kaiser Maximilians I. und Kurfürst Friedrichs III. von Sachsen als Element fürstlicher Statuskonkurrenz Matthias Müller 1. KUNST IN HÖFISCHEN DIENSTEN ZWISCHEN POLITIK, FÜRSTENDIDAXE UND THEORIEDISKURS Dass Bilder eines der wichtigsten Mittel sind, um politische oder gar territoriale Interessen durchzusetzen und damit einen vorhandenen oder beanspruchten Status der Macht und ihrer Legitimität zu demonstrieren, davon konnte sich jeder aufmerksame Zeitgenosse in den letzten Jahren am Beispiel der fotografischen bzw. filmischen Inszenierung und Stilisierung von Regierungschefs in Europa und der Welt überzeugen. Unter diesen medienwirksamen Inszenierungen nehmen die Bemühungen des russischen Präsidenten Vladimir Putin einen besonderen Rang ein, vertrauen er und seine Berater doch auf bemerkenswerte Weise der körperlichen Ausstrahlungskraft des durchtrainierten Herrschers (Abb. 1). Die medialen Strategien Putins – und teilweise auch seiner Gegenspieler – dürfen dabei bis zu einem gewissen Grad mit Vorgängen verglichen werden, die sich vor Jahrhunderten im Europa der fürstlichen Territorialherrschaften ereigneten, auch wenn es damals noch nicht die Macht der digital generierten und verbreiteten Bilder gab, sondern sich die Macht der Bilder auf die Künste der Architektur, der Malerei (ein zu Abb. 1 passendes Gegenstück aus der Vormoderne ist Tizians „Kaiser Karl V. zu Pferd“ von 1548; vgl. Abb. 2), der Graphik und der Skulptur stützen musste. Aus diesem Grund besitzt der eingangs angestellte Vergleich mit den heutigen Medien und Mechanismen der Bilder im Dienste politischer, territorialer oder gar imperialer Macht auch seine Grenzen, erschöpfte sich die Bedeutung und Botschaft der durch die architektonischen und bildenden Künste erzeugten politischen Bilder zumindest im Bereich der Hochkunst nicht alleine in der Propaganda und auch nicht in einer zwar gelehrten, aber letztlich nicht über die Sphäre eines Instrumentariums der Macht hinausweisenden „politischen Ikonographie“.1 Im Mittelalter und in der Frühen 1
Diese Reduktion der Bedeutungszuweisung an Bild- und Bauwerke, die vor allem deren instrumentellen Charakter betont, stellt ein Grundproblem der Forschungsansätze zu einer politischen Ikonographie dar. Dies gilt auch für die wichtigen und verdienstvollen Ansätze von Martin Warnke, dessen Analysen die künstlerisch-ästhetischen und kunsttheoretischen Aspekte, die selbst bei propagandistisch eingesetzten, künstlerisch anspruchsvollen Bildern und Architekturen vorhanden sein können und ihnen eine weitergehende inhaltliche Dimension verleihen, weitgehend unberücksichtigt lassen. Vgl. hierzu das von Martin Warnke initiierte und mitherausgegebene Handbuch: Handbuch der politischen Ikonographie 2011. Von den im Weiteren
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Neuzeit waren die Künste zwar eines der wichtigsten Mittel, um politischer und ökonomischer Macht bzw. – um in den Kategorien der Vormoderne zu sprechen – dynastischem und territorialherrschaftlichem Rang zu anschaulicher Sichtbarkeit, zu einem auf den Eindruck der Sinne zielenden „Glanz“ herrschaftlicher Majestät, zu verhelfen. Doch funktionierte dieses Konzept – vor allem in Italien, Frankreich und in den burgundischen Niederlanden – nicht ohne die gleichzeitige Wertschätzung der Kunst als Gegenstand eigenen Rechts auf dem Gebiet von Mimesis, Schönheit und Ästhetik. Auf diesem Gebiet der später sogenannten „L’art pour l’art“ wetteiferten Künstler wie Mantegna, Leonardo, Tizian oder Michelangelo um die besten künstlerisch-ästhetischen Lösungen und wurde der Kunst sowohl von den Künstlern selbst als auch von ihren Rezipienten zugleich ein ethisch-moralischer und wissenschaftlicher, an theoretischen Normen orientierter Wert zugemessen.2 Nicht zufällig entwickelte sich seit dem 14. und 15. Jahrhundert in Italien und Frankreich die Figur des princeps philosophus, der die arma und die litterae beherrscht, zu einem Leitbild der Fürstendidaxe. Dabei wurden zum Bereich der litterae auch die Artes liberales einschließlich der Architektur und der bildenden Künste gezählt und ihre Bedeutung sowohl für die Friedenssicherung als auch die Kriegsführung betont.3 Leon Battista Alberti und Giorgio Vasari – um nur zwei prominente Beispiele aus dem 15. und 16. Jahrhundert zu nennen – haben ihre bedeutenden Abhandlungen über die Künste bzw. über Künstlerbiographien daher auch Fürsten gewidmet,4 um nicht zuletzt ihnen als den mächtigsten Förderern und Auftraggebern die zivilisatorisch-kulturelle wie die politisch-dynastische Leistungs-
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verwendeten Abbildungen befinden sich Abb. 1, 2, 4–10 und 12–17 als Farbabbildungen im Bildanhang am Ende des Bandes. Zu Andrea Mantegnas humanistischen Interessen siehe Tosetti Grandi 2009; zu Mantegnas Beschäftigung mit kunsttheoretischen und historischen Themen siehe Blumenröder 2008, S. 221–252. Zu Leonardos Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen und naturphilosophischen Problemstellungen siehe die grundlegende Studie von Fehrenbach 1997. Zu Tizians Reflexion materialästhetischer und mimetischer Aspekte siehe Rosen 2001 sowie Bohde 2002. Unter den zahlreichen Abhandlungen über Michelangelos neuplatonische Interessen siehe in jüngerer Zeit Doel 2010. Zur Konkurrenz zwischen Michelangelo und Leonardo siehe die Studie von Verspohl 2007. So seien die Artes einerseits für den Bereich des Militärischen wichtig, da sie mit ihren Fertigkeiten – von der Arithmetik über die Rhetorik bis hin zur Architektur, Malerei und Musik – erst eigentlich die Kunst der Kriegsführung ermöglichten, und andererseits unverzichtbar für den Bereich der Friedenssicherung, könne doch nur mit Hilfe der Artes z. B. die Rhetorik ihre beschwichtigende Wirkung auf kriegerische Parteien entfalten oder die bildenden und musischen Künste ihre friedensstiftenden, zivilisatorischen Kräfte ausüben und die Untertanen, wie es der venezianische Humanist Stefano Guazzo in seinen 1586 erschienenen „Dialoghi piacevoli“ formulierte, in einen Zustand der Ruhe und der Zufriedenheit versetzen (Guazzo, Del paragone, S. 212: à regger non meno se stesso, che i sudditi, & conservarli in statu tranquillo, et felice). Zu Stefano Guazzo und seinem kultur- und ideengeschichtlichen Kontext im frühneuzeitlichen Venedig siehe auch Horodowich 2008. So widmete Leon Battista Alberti – wenn auch posthum durch Angelo Poliziano – seinen 1485 erschienenen Trakat über die Baukunst („De Re Aedificatoria“) Lorenzo de’ Medici, während Giorgio Vasari seine Lebensbeschreibungen der berühmtesten italienischen Künstler (Vasari, Le vite de’ piu eccellenti pittori, scultori e architettori) Cosimo I. de’ Medici zueignete.
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kraft der Künste in Erinnerung zu rufen. Wenn daher auch die Künste im späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit wesentliche und unverzichtbare Mittel waren, um der zwischen den Fürstenhöfen ausgetragenen Konkurrenz um einen möglichst hohen dynastischen Status und möglichst große territoriale und ökonomische Ressourcen einen sinnlich erfahrbaren Begriff zu vermitteln, so repräsentierten die Künste doch zugleich auch einen tiefergehenden, weiterreichenden Anspruch auf Kulturalität und damit die Verheißung, mit Hilfe von Kunst zivilisierend auf die kriegerische Macht des Kriegsgottes Mars einzuwirken. Vor diesem Hintergrund ist es dann auch nicht weiter erstaunlich, dass der französische König Franz I. 1516 nach seiner zunächst erfolgreichen Besetzung Oberund Mittelitaliens Leonardo da Vinci (Abb. 3) das Angebot unterbreitete, nach Frankreich überzusiedeln, um dort ein Jahr später im Schloss Clos Lucé bei Amboise bis zu seinem Tod eine von allen materiellen Sorgen freie Künstlerexistenz zu führen.5 Zur richtigen Einschätzung dieses Angebots muss man wissen, dass Leonardo damals schon über 60 Jahre alt war (ein nach damaligen Maßstäben durchaus stattliches Alter) und der König nicht mehr damit rechnen konnte, von Leonardo eine größere Zahl von Bildwerken oder architektonischen bzw. technischen Entwürfen zu erhalten. Dies aber war auch gar nicht das Ziel Franz’ I., der mit der Gewinnung Leonardos eine zweifache Strategie verfolgte: Zum einen konnte er durch die Anwesenheit eines der berühmtesten Künstler des damaligen Europa an seinem Hof das kulturelle Prestige Frankreichs stärken und zum anderen konnte er auf diese Weise seiner glaubwürdig überlieferten tiefen Bewunderung und Hochachtung vor dem künstlerischen, technischen und intellektuellen Talent Leonardos angemessenen Ausdruck verleihen. Damit besaß Leonardo am französischen Hof zwar auch den Status einer königlichen Künstler-Trophäe, um die andere Fürsten und Monarchen Franz I. beneiden konnten, doch darüber hinaus hatte der König mit Leonardos ständigem Wohnsitz in Amboise dem Königreich Frankreich auch einen kulturellen Ort verschafft, der Künstler, Intellektuelle und Verehrer aus ganz Europa anzog und der damit weit über die Grenzen Frankreichs ausstrahlte. 2. DIE NÄHE DES KÜNSTLERS ZUM HERRSCHER ALS SYMBIOSE VON MACHT UND KUNST: LUCAS CRANACH D. Ä. UND KURFÜRST JOHANN FRIEDRICH VON SACHSEN ALS AUSNAHMEFALL IM REICH Vergleichen wir die solchermaßen skizzierte Bedeutung der Künste und der Künstler im frühneuzeitlichen Italien und Frankreich mit der Situation im Alten Reich, so werden wir zwar von dem eingangs geäußerten Postulat der Bedeutung der Künste im Konkurrenzverhalten der Fürstenhöfe nicht abrücken müssen, doch einige wesentliche Unterschiede aufzuzeigen haben. Denn eine Situation, wie sie Leonardo mit Franz I. erleben durfte und wie sie auch andere herausragende Künstler wie z. B. Andrea Mantegna am Hof der Gonzaga in Mantua, Piero della Francesca am 5
Zu Leonardos letzten Lebensjahren auf Schloss Clos Lucé siehe Castelot 1977; siehe auch Alcouffe-Houssard 1975.
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Abb. 3: Leonardo da Vinci: Selbstbildnis (?) (gegen 1516, Turin, Biblioteca Reale)
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Hof der Montefeltre in Urbino oder Raffael und Michelangelo in Rom am päpstlichen Hof erlebten, die außergewöhnlich große, da aus der künstlerischen und persönlichen Wertschätzung geborene Nähe zwischen Künstler und Herrscher, blieb im Reich die seltene Ausnahme. Eine solche Ausnahme war auf besonders eindrucksvolle Weise das Verhältnis zwischen Lucas Cranach d. Ä. und den sächsischen Kurfürsten, denen Cranach immerhin fast 50 Jahre seines Lebens diente.6 Über die Beziehung Cranachs zu Friedrich dem Weisen schreibt bereits der Wittenberger Universitätsrektor und Humanist Christoph Scheurl 1509 in seiner Lobrede auf Cranach unter Rückgriff auf antike Topoi, dass Cranach „freundlich, gesprächig, freigebig, leutselig und gefällig“ erschien und daher „unserem Kurfürsten Friedrich nicht weniger lieb, als es Apelles dem Alexander war“.7 Noch enger und geradezu schicksalsträchtig war jedoch die Verbindung zwischen Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Cranach, dessen Werkstatt für diesen Kurfürsten immerhin 27 Jahre arbeitete: von 1525, als Johann Friedrich nach dem Tod Friedrichs des Weisen als Mitregent seines Bruders, Johanns des Beständigen, in die kursächsische Regierung eintrat, bis 1553, als Lucas Cranach über 80-jährig starb, nur ein Jahr vor Johann Friedrichs eigenem Tod. Die vielen Dienstjahre als Hofkünstler hätten das hier zur Rede stehende außergewöhnlich enge Verhältnis zwischen dem Hofkünstler Cranach und dem Kurfürsten Johann Friedrich freilich nicht begründet. Denn zunächst war es ein nüchternes Vertragsverhältnis, das Cranach auch dazu verpflichtete, Wappenschilder und Pferdedecken für festliche Turniere zu bemalen bzw. durch seine Mitarbeiter bemalen zu lassen oder Entwürfe für Hofkleidung herzustellen.8 Erst die besondere – und wie im Folgenden noch zu zeigen sein wird – ganz und gar außergewöhnliche Produktivität von Cranachs Werkstatt, die hohe Qualität der dort fabrizierten Bilder und die Fähigkeit zur Entwicklung geeigneter Bildkonzepte mit einer einzigartigen, unverwechselbaren Stilistik – d. h. erst die Tatsache einer außergewöhnlichen Konzentration verschiedener sich multiplizierender und potenzierender Talente und Fertigkeiten in der Person eines einzigen Hofkünstlers ließen Lucas Cranach für Johann Friedrich so wertvoll und unentbehrlich werden, dass er selbst in der kaiserlichen Gefangenschaft, nach der verlorenen Schlacht von Mühlberg, dem ‚Waterloo‘ des protestantischen Fürstenbundes, nicht auf ihn verzichten wollte. Die außergewöhnliche Nähe zwischen dem Hofkünstler Cranach und dem Kurfürsten Johann Friedrich, die auch in ihrem äußeren Habitus nur mit Leonardos Nähe zu König Franz I. oder Michelangelos Nähe zu Papst Julius II. verglichen werden kann, äußert sich daher auch am 6 7 8
Zur Etablierung Cranachs am kursächsischen Hof unter Friedrich III. dem Weisen siehe Hansmann 2010. Lobrede Christoph Scheurls auf Lucas Cranach (1509), zit. nach: Lucas Cranach der Ältere im Spiegel seiner Zeit 1953, S. 53. Siehe hierzu die kommentierten Quellen bei Lang/Neugebauer 2015, bes. S. 217, Nr. 130 (Auftrag an Lucas Cranach d. Ä., aus Anlass der Reise Herzog Johanns von Sachsen 1513 zur Hochzeit von Heinrich V. von Mecklenburg, zur Bemalung von Stechdecken und gedruckten Wappen sowie zur Anfertigung von Entwürfen für Hofkleidung), und S. 218 f., Nr. 133 (Auftrag an Lucas Cranach d. Ä. zur Vorbereitung von Dekorations- und Ausstattungselementen für die Hochzeit Herzog Johanns von Sachsen 1513).
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sichtbarsten in diesem brieflich geäußerten Wunsch des gefangen genommenen und entmachteten sächsischen Kurfürsten: dass Cranach ihm von Weimar aus in seine Gefangenschaft in Augsburg nachreisen möge, was Cranach dann 1550 auch nach längeren Überlegungen tat und erst 1552 mit dem von Kaiser Karl V. begnadigten Johann Friedrich von Sachsen wieder zurückkehrte.9 Und was tat Cranach während seiner Zeit im kurfürstlichen Exil in Augsburg und Innsbruck? Er fertigte dort auf Anordnung des in politischer und persönlicher Bedrängnis befindlichen ehemaligen Kurfürsten Bildwerke, vor allem Porträts, damit diese als kostbare diplomatische Geschenke an vorhandene und potentielle Freunde und Unterstützer weitergegeben werden konnten.10 Der Wunsch des entmachteten Kurfürsten, auch in der Gefangenschaft seinem Hofkünstler persönlich nahe zu sein, besaß also einen durchaus rationalen, politischen Kern, der mit dem Kalkül verbunden war, dass der national wie international bekannte und vielgerühmte Cranach, dessen Werke zu den teuersten auf dem Kunstmarkt bzw. den wertvollsten im innerhöfischen Geschenkverkehr zählten, dem bedrängten sächsischen Kurfürsten in zweierlei Hinsicht auch noch im Exil nützlich sein konnte: zum einen durch die Anfertigung von neuen Bildwerken (darunter zahlreiche Porträts) als Geschenke und zum anderen durch die Präsenz des damals neben Dürer berühmtesten Künstlers im Reich, dem selbst der in Augsburg zur selben Zeit anwesende Tizian als Hofmaler Kaiser Karls V. Respekt zollen musste. Als Tizian 1550/51 in Augsburg sein heute in Wien aufbewahrtes Porträt von Johann Friedrich von Sachsen (Abb. 4) malte, orientierte er sich in der physiognomischen Grunddisposition unverkennbar an dem von Cranach entwickelten Bildnisschema (Abb. 5), das damals bereits einen geradezu ikonischen Wert besaß.11 Genau an diesem Punkt wird Cranachs Anwesenheit in Augsburg in letzter Konsequenz auch zu einem Mittel fürstlicher Statuskonkurrenz, indem der berühmte Hofkünstler Johann Friedrichs von Sachsen dem noch berühmteren Hofkünstler Karls V. begegnete, beide bei dieser Gelegenheit Porträts ihrer herrschaftlichen Auftraggeber anfertigten12 (vgl. Cranachs Bildnis Karls V., Abb. 6) und auf diese Weise im Medium der Bildniskunst einen impliziten Wettstreit um den kulturellen Status des kursächsischen und des kaiserlichen Hofes ausübten. 9
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Seinen Wunsch, Cranach solle ihm in die Gefangenschaft in Augsburg nachfolgen, äußert Johann Friedrich von Sachsen in einem Brief an seinen ehemaligen Hofrat Christian Brück. Auszüge des Wortlauts finden sich bei: Lucas Cranach der Ältere im Spiegel seiner Zeit 1953, S. 79 f. Siehe hierzu u. a. den Bericht Johann Försters des Jüngeren über die „Custodia et liberatio Herzog Johann Friedrichs des älteren zu Sachsen, geborenen Churfürstens“, der 1587 erschien. Friedrich Hortleder hat sie dann in sein 1617 erstmals herausgegebenes Geschichtswerk „Der Römischen Kaiser- und Königlichen Majestäten auch des Heiligen Römischen Reichs Geistlicher und Weltlicher Stände, Kurfürsten, Fürsten etc. Handlungen und Ausschreibungen von Rechtmäßigkeit, Anfang, Fort- und endlichem Ausgang des Teutschen Krieges Kaiser Karls des Fünften“ (2. Aufl. Gotha 1645) aufgenommen. Ein Auszug findet sich abgedruckt bei: Lucas Cranach der Ältere im Spiegel seiner Zeit 1953, S. 80–83. Dieselbe Beobachtung findet sich auch bereits bei Hinz 2004, S. 219. Ders. 1999; Ders. 2004, S. 219. Siehe auch Schweikhart 1997.
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3. KÜNSTLERWETTBEWERB UND HOFKONKURRENZ: DIE FÖRDERUNG DÜRERS, JACOPOS DE’ BARBARI UND CRANACHS DURCH MAXIMILIAN I. UND FRIEDRICH DEN WEISEN War dieser Fall einer Symbiose von Macht und Kunst und von Kunst als Mittel fürstlicher Statusdemonstration im damaligen Reich singulär? Welchen Rang bzw. Bedeutung besaß Kunst als Mittel und Medium fürstlicher Statuskonkurrenz zwischen den verschiedenen Höfen und Dynastien im Alten Reich? Kam ihr – um erneut einen vergleichend fragenden Blick gen Süden zu richten – ein ähnlicher Rang zu wie in Italien, wo etwa die Familien der Este oder Sforza geradezu eifersüchtig auf die Gonzaga blickten, nachdem diese unter Ludovico III. den berühmten Andrea Mantegna von Padua nach Mantua hatten locken und 1460 unter Vertrag nehmen können und von ihm zwischen 1465 und 1474 die Staunen erregende Camera picta bzw. Camera degli Sposi (Abb. 7) ausmalen ließen?13 Mantegnas Ausmalung dieses Raumes im Palazzo Ducale in Mantua wurde von den Zeitgenossen immerhin als schönstes Gemach der Welt (la più bella camera del mondo) empfunden.14 Bemühte man sich im Reich ähnlich intensiv und zugleich interessiert um die besten Maler für die Bildnisse der eigenen Dynastie, wie es der italienische Humanist, Politiker und Übersetzer Angelo Decembrio in seinem Werk „De Politia Litteraria“ für den Marchese von Ferrara, Nicolo III. d’Este, überliefert? Dieser hatte 1441 für das Porträt seines Sohnes Leonello d’Este (Abb. 8) einen Wettbewerb initiiert, der zwischen dem venezianischen Maler Gentile Bellini und dem Hofmaler der Gonzaga, Pisanello, ausgetragen wurde. Berühmt geworden ist das kritische Urteil des Sohnes, Leonellos, über die Ergebnisse des Künstlerwettstreits: „Du wirst Dich erinnern“, so schreibt Leonello an seinen Vater, „daß kürzlich ein Pisaner [gemeint ist Pisanello] und ein Venezianer [gemeint ist Gentile Bellini], die besten Maler unserer Zeit, auf verschiedene Weise uneins waren über die Darstellung meiner Züge. Der eine machte mich zu dünn, der andere malte mich fahl statt dünn. Was kaum mit meinen Wünschen überein ging. Es gelang mir nicht, sie zu[r] Übereinstimmung zu bringen“.15 13
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Zu Mantegnas Ausmalung der Camera degli Sposi, den historischen Rahmenbedingungen und der politisch-dynastischen Intention des Bildprogramms siehe in jüngerer Zeit Antenhofer 2009. Zur Camera degli Sposi und ihrer quellenkundlichen Überlieferung siehe Signorini 2002; Ders. 2007. So charakterisiert der Gesandte der Gonzaga in Mailand, Zaccaria Saggi da Pisa, in einem auf den 26. November 1475 datierten Brief an Ludovico Gonzaga die Raumausmalung Mantegnas. Der im Archiv von Mantua aufbewahrte Brief besitzt die Archivnummer ASM AG b. 1625, c. 107r; siehe auch Signorini 2002, S. 130. Die hier und im Folgenden verwendeten Siglen werden im Quellenverzeichnis aufgelöst. Zit. nach: Beyer 2002, S. 77 (deutsche Übersetzung von Martina Kempter); der Originaltext von Angelo Decembrio findet sich bei Cordellier 1995, Dok. 52. Zum Problem, mit diesem Wettstreit das bekannte Bildnis Leonellos d’Este aus der Accademia Carrara in Bergamo in Verbindung zu bringen, wie es bislang nahezu die gesamte Forschung getan hat, siehe zuletzt
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Solche von einem Sinn für künstlerische Qualitäten zeugenden, schriftlich fixierten Kunsturteile aus fürstlichem bzw. adligem Mund wird man im Reich im 15. und frühen 16. Jahrhundert – wenn überhaupt – nur sehr selten finden und nach höfischen Künstlerwettbewerben braucht man erst gar nicht zu suchen, da es sie im Reich in dieser Zeit als selbstverständlichen Teil höfischer Konkurrenz nicht gab. Kunst- und Künstlerförderung waren – vor allem auf dem Gebiet der bildenden Künste – als Element fürstlicher Statuskonkurrenz im Reich bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts kaum ausgeprägt. Aus diesem insgesamt recht niedrigen Niveau aktiver Kunstförderung ragen jedoch zwei Ausnahmen heraus: zum einen der Hof von König bzw. Kaiser Maximilian I. und zum anderen der Hof der sächsischen Kurfürsten. Maximilian hat die Künste nicht nur im Rahmen seines bekannten „Gedechtnus“-Projektes gefördert und für diesen Anlass Architektur, Malerei, Graphik und Skulptur geradezu generalstabsmäßig in den Dienst der persönlichen wie der dynastischen Memoria, aber auch der kulturellen Singularität der Habsburger im Umfeld der konkurrierenden Herrscherhäuser gestellt, sondern sich darüber hinaus gezielt bemüht, einzelne herausragende Künstler an seinen Hof zu berufen, darunter Albrecht Dürer, Albrecht Altdorfer und Hans Burgkmair. Ein Kriterium, das diese Künstler erfüllen mussten, war u. a. ‚Berühmtheit‘. So kann anhand der brieflich dokumentierten Anwerbeversuche Albrecht Dürers (Abb. 9) nachgewiesen werden, dass Maximilian an der Person des damals international bekanntesten deutschen Künstlers neben dem künstlerischen Talent vor allem dessen ‚Berühmtheit‘ interessierte.16 Maximilian gelang es zwar nicht, Dürer als Hofkünstler exklusiv unter Vertrag zu nehmen, da Dürer als versierter Geschäftsmann seine Unabhängigkeit nicht verlieren wollte, doch immerhin lieferte ihm der „deutsche Apelles“ Entwürfe für zwei der wichtigsten und mediengeschichtlich herausragendsten Bildprojekte des Königs bzw. Kaisers: die Ehrenpforte (Abb. 10) und den Triumphzug.17 Dafür, dass der ‚berühmte‘ Dürer die ‚Berühmtheit‘ des damals mächtigsten europäischen Herrschers mit Hilfe seiner einzigartigen Kunstfertigkeit auf dem Gebiet der druckgraphischen Medien bildlich zu propagieren verhalf und sich auf diese Weise der Glanz des bedeutendsten deutschen Künstlers mit dem Glanz des bedeutendsten deutschen Fürsten und europäischen Monarchen vorteilhaft verband, ließ Maximilian für Dürer eine lebenslange steuerfreie Leibrente in Höhe von jährlich 100 rheinischen Gulden auszahlen.
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den Beitrag von Keith Christiansen in Gesichter der Renaissance 2011, Kat.-Nr. 70, S. 205– 207. Die kaiserliche Förderung Dürers aufgrund von dessen ‚Berühmtheit‘ wird ganz offen in einem Schreiben des Kaisers vom 12. Dezember 1512 an den Nürnberger Bürgermeister und Rat, in dem Maximilian I. die Befreiung Dürers von den städtischen Steuern fordert, angesprochen (vgl. Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien 1889, Reg. Nr. 5789). Auch für die Bestätigung der Jahresrente Dürers in einem Schreiben des Kaisers – wiederum an den Nürnberger Bürgermeister und Rat – vom 6. September 1515 ist das Kriterium der ‚Berühmtheit‘ ausschlaggebend (vgl. ebd., Reg. Nr. 5810). Zu diesem Thema siehe auch Schauerte 2001, S. 93–95. Zur Ehrenpforte siehe Schauerte 2001; zum Triumphzug siehe zuletzt Michel 2012.
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Dass der Versuch, mit Dürer einen nicht nur fähigen und auf dem Gebiet der Kunsttheorie bewanderten, sondern auch einen ‚berühmten‘ Künstler für sich zu gewinnen, bei Maximilian kein Einzelfall war, zeigt die Untervertragnahme des Venezianers Jacopo de’ Barbari. Anders als Dürer hatte sich Jacopo vertraglich exklusiv an den königlichen Hof gebunden, wobei der in den Gedenkbüchern Maximilians erhalten gebliebene Dienstbrief bzw. Vertrag vom 8. April 1500 eine Besonderheit aufweist: Maximilian verlangte von seinem neuen Hofkünstler, dass sich dieser vornehmlich in der Freien Reichsstadt Nürnberg aufhalten solle.18 Mit dieser Vereinbarung verfolgte König Maximilian das Ziel, in der für die Kunstproduktion damals wichtigsten deutschen Stadt einen eigenen, exklusiven Künstler zu positionieren, der ihm dort jederzeit auf Abruf zur Verfügung stand.19 Diese Vereinbarung brachte es dann auch mit sich, dass Jacopo de’ Barbari von Maximilian kurz darauf als besonderen Gunsterweis einen zusätzlichen Geldbetrag erhielt, um sich ain pfert zu kaufen.20 Außer als herrschaftliches Statussymbol zu dienen, sollte das Pferd dem Künstler gleichzeitig seine Mobilität garantieren und es ihm ermöglichen, ohne Zeitverzug zum König zu reiten, falls dieser den Wunsch äußerte, ihn persönlich zu sehen und zu sprechen. Vergleichbare Geschenke anderer Herrscher an ihre Künstler, so etwa ein türkisches Pferd für Michelangelo von Kardinal Ippolito d’Este, belegen, dass es sich hier um eine tradierte Form der Ehrbezeugung des Herrschers gegenüber seinem exklusiv unter Vertrag genommenen Künstler handelte.21 Hinzu kommt der Nutzen für den Herrscher selbst, der seinen Künstler durch die prachtvollen Geschenke in der Öffentlichkeit als eine Person erscheinen ließ, in deren Auftritt sich zugleich auf respektgebietende Weise der Glanz des souveränen Herrschers widerspiegelte.22 18 19 20 21
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ÖStA Wien, FHKA, Gedenkbücher Kaiser Maximilians I., Nr. 5, fol. 107v (neu fol. 122v); publiziert bei Zimerman/Kreyczi 1885, S. VII, Nr. 2280. […] wenn wir ime icht zu contrafeten und illiminieren zuschigkhen, daz er uns dasselb alzeit auf sein aigen costn und darlegen vor aller ander arbait mit hochstem fleiss und auf das pest und fuderlichst zuricht und mache (zit. nach Zimerman/Kreyczi 1885, S. VII, Nr. 2280). Ebd., S. VIII, Nr. 2284 (ÖStA Wien, FHKA, Gedenkbücher Kaiser Maximilians I., Nr. 7, fol. 92v [neu fol. 94v]): Mittwoch den XV tag aprilis zu augspurg: Jacobus de Barberi aus gnaden umb ain pfert zu kauffen xxiiii guldin re. So berichtet Vasari, dass Giulio Romano nach seiner Ankunft in Mantua eines der Lieblingspferde aus der Zucht der Gonzaga als Geschenk erhalten habe (Vasari, Le vite, Bd. 5, S. 535 f.). Und in der Lebensbeschreibung Michelangelos berichtet Vasari, dass Kardinal Ippolito d’Este Michelangelo ein türkisches Pferd übereignet habe (ebd., Bd. 7, S. 271). Siehe zu dieser Praxis auch Warnke 1986, S. 180. Zu den fürstlichen Auszeichnungen von Künstlern gehört auch die Verleihung von Wappen, die, wie im Falle Cranachs, auch im Zusammenhang mit diplomatischen Missionen bzw. Auslandsreisen des Künstlers im Auftrag seines fürstlichen Dienstherrn stehen konnten. So erfolgte die Wappenverleihung an Cranach unmittelbar, bevor er 1508 auf eine Reise in die Niederlande entsandt wurde. Siehe hierzu Weilandt 2007, S. 65. Lucas Cranach war der erste Künstler im Reich, dem eine solche Auszeichnung zuteil wurde; 1516 folgte dann Kaiser Maximilian I., indem er Hans Burgkmair ein Wappen verlieh. Siehe hierzu auch Hansmann 2010, S. 51–53. Eine andere, vor allem in den burgundischen Niederlanden und in Frankreich ausgeübte Möglichkeit, bestimmte Künstler eng an einen Fürstenhof zu binden, war die Verleihung von Hof-
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Eine solche gezielte und nachhaltige Förderung und Nutzung der Künstler und der Künste als Instrumente herrschaftlicher Prestigegewinnung konnte im Reich um 1500 nur noch der Hof des sächsischen Kurfürsten Friedrichs des Weisen in Wittenberg für sich beanspruchen. Und Friedrich dem Weisen gelang es, nach dem vermutlichen Tod seines niederländischen Hofmalers Jan, der u. a. das monumentale Retabel für den Hochaltar des Meißner Doms gemalt hat,23 ausgerechnet Jacopo de’ Barbari aus Nürnberg nach Wittenberg zu holen. Aufgrund der vertraglichen Bindung Jacopos an Maximilian I. konnte dieser Personaltransfer nur mit Zustimmung des Königs geschehen, was wiederum ein aus der Perspektive der Kunstgeschichte bezeichnendes Licht auf das auch persönlich zu diesem Zeitpunkt noch gute Verhältnis zwischen dem sächsischen Kurfürsten und dem römisch-deutschen König wirft.24 Angesichts der langen, seit dem 14. Jahrhundert in Kursachsen ausgeübten Tradition, neben nur temporär engagierten auch festangestellte Hofkünstler zu beschäftigen, und der Tatsache, dass mit dem niederländischen Meister Jan bereits vor Jacopo de’ Barbari und Lucas Cranach ein bedeutender Künstler in Kursachsen das Amt eines Hofmalers bekleidet hatte, drängt sich dennoch der Eindruck auf, hier eine für die weitere Forschung hochinteressante Konkurrenzsituation zwischen den Habsburgern und den Wettinern vorzufinden, die nicht erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts unter Friedrich dem Weisen und Maximilian I. einsetzte.25 4. KUNST ALS WISSENSCHAFT: JACOPO DE’ BARBARI ALS WEGBEREITER EINES THEORETISCHEN KUNSTVERSTÄNDNISSES AM KURSÄCHSISCHEN HOF – EIN ERNEUTER BLICK AUF DAS MÜNCHNER „JAGDSTILLLEBEN“ Der vertraglichen Bindung Jacopos an den Wittenberger Hof ging ein Brief Jacopos an Friedrich den Weisen voraus, den Jacopo interessanterweise bereits drei Jahre vor seiner Übernahme in kursächsische Dienste im Jahr 1500/01 aus Nürnberg geschrieben hatte und der sich heute im Thüringischen Hauptstaatsarchiv in Weimar befindet (Abb. 11). Diesem Brief legte Jacopo einen eigenen knappen, dem Kurfürsten gewidmeten Kunsttraktat („De la ecelentia de pitura“, ca. 1500–1502) bei,26 in dem Jacopo nicht nur eine Kunsttheorie entwirft, sondern darüber hinaus die
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ämtern bzw. Titeln. Siehe hierzu für die Verhältnisse des 14. bis späten 15. Jahrhunderts Fircks 2010. Donath 2001. Siehe hierzu Böckem 2013a; Dies. 2013b. Marx 2005, S. 10–12, hat zutreffend auf die zu Beginn des 16. Jahrhunderts erkennbaren Bemühungen Friedrichs des Weisen hingewiesen, gegenüber Maximilian I. Eigenständigkeit zu erlangen und eine mit eigenen Akzenten versehene Politik zu entwickeln, doch dürfte der Beginn der zwischen Wittenberg und Wien ausgetragenen politischen wie kulturellen Konkurrenz wesentlich früher anzusetzen sein. Der Wortlaut des Traktats ist abgedruckt in: Scritti d’arte del Cinquecento 1971, S. 68 f.; Levenson 1981, S. 342–345. Auszüge mit einer deutschen Übersetzung finden sich auch bei Marx 2005, S. 15 f. Die nachfolgenden Zitate folgen der Übersetzung von Marx.
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Abb. 11: Eine Seite aus dem Brief Jacopos de’ Barbari an Kurfürst Friedrich den Weisen von Sachsen (ca. 1500/01, Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Inv.-Nr.: Reg. O 156, Bl. 209r–210v)
Kriterien erläutert, die ein guter Künstler für einen anspruchsvollen fürstlichen Dienstherrn erfüllen sollte. Auf diese Weise erfahren wir recht differenziert die Bedeutung eines anderen, in Italien entwickelten Kriteriums für eine anspruchsvolle höfische Kunstproduktion und für die Wertschätzung herausragender Künstler durch kulturell ambitionierte Fürsten: Dieses Kriterium war wissenschaftliche Bil-
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dung. Jacopo erläutert in seinem Brief ausführlich, weshalb eine anspruchsvolle künstlerische Tätigkeit – besonders die Malerei – aufgrund ihrer Anwendung von Arithmetik und Geometrie ein mit der wissenschaftlichen Theorie und Praxis und damit den artes liberales vergleichbares und ihnen damit letztlich auch zugehöriges Metier sei. Malerei, so Jacopo, sei eine mathematisch fundierte Wissenschaft.27 Mit diesem gegenüber Friedrich dem Weisen formulierten und von diesem positiv aufgenommenen Anspruch legte er in Wittenberg gewissermaßen den Grundstein für eine zu Italien konkurrenzfähige Kunstpolitik, die auch seinem Nachfolger Lucas Cranach d. Ä. ein günstiges Arbeitsumfeld bereiten sollte.28 Damit komme ich zu der nachhaltigen, über die eigentliche, sehr kurze, nur eineinhalbjährige Wirkenszeit in Wittenberg weit hinausreichende Bedeutung Jacopo de’ Barbaris für die Kunstpolitik des kursächsischen Hofes und die Arbeitsbedingungen von Lucas Cranach und seiner Werkstatt. Denn die für Lucas Cranachs Tätigkeit am kursächsischen Hof charakteristische Verbindung einer künstlerisch anspruchsvollen und zugleich höfisch-funktionalen Kunst war von Jacopo de’ Barbari gewissermaßen vorbereitet und unter ihm am Wittenberger Hof als Anspruch an die ästhetische wie propagandistische Leistungsfähigkeit von Kunst etabliert worden. Diese besondere Verbindung von Kunst und Hofkultur bzw. die Indienststellung einer mit wissenschaftlichen Methoden entwickelten mimetischen, d. h. das Prinzip der Naturnachahmung ausübenden Kunst zur Demonstration des kulturellen Status und Rangs eines Fürstenhofes kann anschaulich an dem berühmten „Jagdstillleben“ (Abb. 12) verdeutlicht werden, das Jacopo de’ Barbari 1504, dem Jahr seines Arbeitsbeginns in Wittenberg, für Friedrich den Weisen oder seinen Bruder Johann den Beständigen gemalt hat. Das Bild zeigt uns seine Gegenstände auf eine geradezu verblüffend augentäuschende Weise: So als ob wir sie mit Händen greifen könnten, präsentiert uns Jacopo de’ Barbari mit den illusionistischen Mitteln der Malerei Eisenhandschuhe, Armbrustbolzen und ein erlegtes Rebhuhn, die allesamt mit einem Nagel an einer hölzernen Wand befestigt wurden. Dabei erreicht der Maler seinen Trompe-l’oeilEffekt nicht alleine durch den subtilen Farbauftrag in Form von zahlreichen, sehr lichten Lasuren, die teilweise verblüffende Glanz- und Spiegeleffekte erzeugen und mit hauchdünnen Pinselstrichen aufgetragen wurden, sondern auch durch die Herausarbeitung von solchen Bilddetails, die einen besonderen räumlichen Effekt garantieren. Hierzu gehören im Münchner Stillleben der Armbrustpfeil mit seiner Metallspitze, der leicht diagonal ins Bild gesetzt ist, die Metallringe der Eisenhandschuhe, die scheinbar plastisch aus dem Bild herausragen und auf der fiktiven Holzwand ebenso fiktive Schatten werfen sowie der Cartellino, der kleine, aufgefaltete Zettel, auf dem des Künstlers Namen und das Datum der Bildentstehung zu lesen sind. Die ursprüngliche Verwendung dieses außergewöhnlich raffinierten Bil27 28
Siehe zu diesem Aspekt auch Baader 2003. Siehe hierzu in jüngerer Zeit Marx 2005, S. 14–18. Siehe des Weiteren die Dissertation von Levenson 1981, S. 13–22; Böckem 2013b sowie die jüngst erschienene Dissertation von Dies. 2015. Hinzuweisen ist auch auf die in zahlreichen Einzelpunkten strittige Studie von Ferrari 2006.
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des ist unbekannt. Der überwiegende Teil der Forschung geht davon aus, dass es Friedrich der Weise ursprünglich als bewundernswertes und zugleich unterhaltsames Ausstattungsstück seines wichtigsten Jagdschlosses, Schloss Lochau (heute Annaburg), in Auftrag gegeben hat. Immerhin kann nachgewiesen werden, dass sich Jacopo in diesem Jagdschloss – vermutlich für Dekorationsarbeiten – aufgehalten hat.29 Heiko Lass und Beate Böckem haben kürzlich die Vermutung geäußert, dass der von Jacopo in diesem Gemälde betriebene künstlerische Aufwand nicht nur der „L’art pour l’art“, der Kunst um der Kunst willen, dienen, sondern im Gestus der ästhetisch-illusionistischen Überwältigung dem Bildbetrachter zugleich handfeste politische Ansprüche der sächsischen Kurfürsten vermitteln sollte.30 Diese Ansprüche bezogen sich demnach vor allem auf das im Reich hochangesehene und mit zahlreichen Privilegien ausgestattete königliche Amt des Erzjägermeisters, das die Wettiner bereits seit 1350 inne hatten. Die Tragweite dieses Amtes war bedeutend, denn der Erzjägermeister hatte das Recht, überall im ganzen Reich zu jagen, und fungierte zumindest theoretisch als oberstes Gericht in Jagdstreitigkeiten. Das Amt war also weitaus mehr als ein bloßer Titel.31 Vor diesem Hintergrund könnte Jacopos de’ Barbari augentäuschendes Münchner „Jagdstillleben“ als Bravourstück einer politischen Ikonographie gelten, die sich gezielt der innovativsten Leistungen einer Kunst zu bedienen weiß und neben ästhetischem Wohlgefallen zugleich den naturnachahmenden Illusionismus einer wissenschaftlich betriebenen Malerei hervorruft. Angesichts dieser weitreichenden künstlerischen wie politischen Dimension des Bildes kann es nicht verwundern, dass Lucas Cranach, der Nachfolger Jacopos de’ Barbari, sich dem Thema der Jagd in einer Reihe von eigenen und z. T. durchaus originellen Bildern ebenfalls intensiv gewidmet hat. Allerdings hat bereits Ulrich Pfisterer auf Merkwürdigkeiten im Bild hingewiesen, die es zweifelhaft erscheinen lassen, das Münchner „Jagstillleben“ problemlos und mit großer Selbstverständlichkeit im Kontext der Bildausstattung eines Jagdschlosses zu verorten.32 So ist das Rebhuhn eine eher rangniedere, da relativ leicht zu erlegende Jagdbeute und vom Prestige daher eher für jagende Hofdamen als für jagende Fürsten geeignet. Auch passen weder die Form des Armbrustbolzens (der nicht dem sogenannten Preller für die Vogeljagd entspricht) noch der von einer Rüstung stammende Eisenhandschuh zum Vorgang der Rebhuhnjagd. Der Armbrustbolzen ist zudem durch Goldgravuren kostbar verziert, was seine Nutzung für eine reale Jagd ausschließt und ihn eher als höfisches Zeremonial- oder Schmuckobjekt oder aber als repräsentativ gestalteter Bolzen für höfisches Wettschießen plausibel macht. Diese Merkwürdigkeiten lassen sich aber – folgen wir Ulrich Pfisterer – auflösen, wenn wir in dem Gemälde kein autonomes Jagdstillleben als Wandschmuck eines Jagdschlosses, sondern den Deckel eines nicht mehr vorhan29 30 31 32
Schade 1974, S. 23. Lass 2010, S. 201; Böckem 2013b, S. 350–352. Lass 2010. Siehe auch Stisser 1754; Hobusch 1992, S. 59. Noch im 18. Jahrhundert hatten alle Wettiner das Recht der Jagdfolge auf fremdem Territorium (vgl. Stapff 1992, S. 23). Siehe zum Folgenden Pfisterer 2004, S. 172–183.
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denen Aufbewahrungskastens für ein Porträt oder die ehemalige Rückseite eines solchen Bildnisses erkennen.33 In diesem Fall erhielte das vermeintliche Jagdstillleben den Charakter einer persönlichen, allegorisch verschlüsselten Devise bzw. Imprese, deren Inhalt unter Rückbezug auf antike bzw. humanistische Deutungskonzepte, so Pfisterer, auf die augentäuschende Kraft der Liebe bzw. des sexuellen Begehrens und der nicht minder den Augensinn verführenden Malerei hinweisen würde. So wie die Sinneslust der Liebe – hier vertreten durch das sexuell konnotierte Rebhuhn und den Armbrustbolzen bzw. -pfeil – der kontrollierenden und abwehrenden Kraft der Ratio bedarf (hier symbolisiert im Handschuh einer Rüstung), so bedürfen die mimetischen, durch die Anwendung wissenschaftlicher Kriterien erzielten Trompe-l’œil-Effekte der Malerei des kritisch reflektierenden Verstands, um nicht der Trugkraft des Bildes zu erliegen. Pfisterers Deutung hat einiges für sich und würde – stellen wir seine Überlegungen in den höfischen Kontext – Jacopos de’ Barbari Münchner Stillleben nicht nur als Bravourstück einer kunsttheoretisch-wissenschaftlichen Malerei nachvollziehbar machen, sondern darüber hinaus als ein Objekt, dessen theoretisch-wissenschaftlicher Anspruch sich in spielerischer Weise direkt auf einen auch für das höfische Leben zentralen Bereich beziehen ließe: den Bereich der höfischen Liebe und der Affektkontrolle, für deren angemessene Ausübung und Bewältigung Jacopos vermeintliches Jagdstillleben als Deckel oder Rückseite eines Porträts gewissermaßen als ein Erinnerungs- und Spiegelbild gedient haben könnte. Von daher besteht der Reiz von Jacopos Gemälde gerade in der Ineinanderverschränkung und Überlagerung verschiedener höfischer Deutungsebenen und semantischen Zugänge, so dass die Aspekte ‚Mimesis‘, ‚Jagdkultur‘ und ‚Erotik/Sexualität‘ das Gemälde zu einem regelrechten Vexierbild für den sowohl gelehrten als auch erotisch empfindsamen höfischen Bildbetrachter werden ließen. Bleibt zu fragen, wen das mutmaßliche, verloren gegangene Porträt einstmals darstellte – womöglich Friedrich den Weisen oder seinen Bruder selbst oder aber eine vornehme Dame?34 Das Münchner Bild lässt jedenfalls weiterhin wichtige Fragen offen! 5. KUNST ALS HÖFISCHE ‚MARKE‘: LUCAS CRANACH D. Ä. UND DIE ENTWICKLUNG EINES EINHEITLICHEN STILKONZEPTS FÜR DEN KURSÄCHSISCHEN HOF Das in dem künstlerisch anspruchsvollen und zugleich mit einer inhaltlichen Aussage versehenen „Jagdstillleben“ erkennbare Bewusstsein Friedrichs des Weisen, Kunst als Mittel höfisch-dynastischer Statuskonkurrenz einzusetzen, folgte vor Lucas Cranach allerdings keinem übergreifenden stilistischen Konzept. Jeder Hofkünstler, sei es der Niederländer Jan oder der Italiener Jacopo de’ Barbari, brachte sein eigenes, länder- bzw. regionalspezifisches Stilidiom mit an den kursächsischen Hof, weshalb in dem ästhetischen Erscheinungsbild der Bildwerke – von den An33 34
Dafür plädierte bereits Baldass 1938 und zuletzt Dülberg 1990, Kat.-Nr. 326. Auf die Möglichkeit eines Frauenbildnisses verwies bereits Pfisterer 2004, S. 182.
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dachtsbildern über die Porträts bis hin zu den Historienbildern – eine charakteristische Formensprache fehlte, die in der überregionalen Wahrnehmung unmittelbar mit dem kursächsischen Hof in Verbindung gebracht werden konnte. Anders als in den burgundischen Niederlanden oder Italien, wo Künstler wie Jan van Eyck, Rogier van der Weyden, Andrea Mantegna oder Piero della Francesca mit ihrem spezifischen Stil dem burgundischen, dem Mantuaner oder dem urbinatischen Hof ein unverwechselbares, wiedererkennbares ästhetisches Profil verschafft haben, herrschte in Wittenberg das Prinzip künstlerischer Heterogenität und Disparatheit vor. Dass diese Situation aber nicht mit der Laune des Zufalls von relativ schnell wechselnden Hofkünstlern verwechselt werden darf, beweist der politische Kontext, in dem die Indienststellungen des Niederländers Jan und des Italieners Jacopo de’ Barbari vorgenommen wurden. Diese geschahen in jener Zeit, in der Friedrich der Weise noch eine sehr enge Verbindung zu König Maximilian I. pflegte und darüber in direkten Kontakt sowohl mit niederländischer als auch italienischer Kunst gelangte.35 Maximilian hatte allerdings schon Ende des 15. Jahrhunderts im Bereich des habsburgischen Porträts für ein stilistisch und konzeptionell einheitliches, unverwechselbares und vor allem wiedererkennbares Erscheinungsbild gesorgt. Hierfür war maßgeblich sein Hofmaler Bernhard Strigel verantwortlich, der dem König mit seinen bekannten Maximilian-Porträts (Abb. 13) ein regelrechtes Images verschaffte.36 Zumindest im Vergleich zum Hof Maximilians I., der vor allem in der Porträtkunst eine sehr bewusste Bildnispolitik verfolgte, ergab sich für den kursächsischen Hof daher ein deutliches Defizit, das erst von Lucas Cranach behoben werden sollte. Damit komme ich abschließend auf die spezifische Leistung Cranachs und seiner Werkstatt zu sprechen, die in der Forschung noch bis vor wenigen Jahren eher für die konfessionell ausgerichtete, protestantische Bildpolitik und Bildästhetik und weniger für die höfische Imagebildung gewürdigt wurde. Bemerkenswert ist, dass auch Cranach in Wittenberg 1505 zunächst mit seinem spezifischen, in Wien entwickelten Stil – dem sogenannten ‚Donaustil‘ – in Erscheinung trat, ein Jahr später, 1506, jedoch mit dem Dresdner Katharinenretabel (Abb. 14) einen abrupten, vermutlich dem Kunstgeschmack Friedrichs des Weisen folgenden und in der For-
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36
Die von Bierende 2002, S. 157–167, aufgrund von nordischen Stiladaptionen bei Jacopo de’ Barbari gezogene Schlussfolgerung, dass Friedrich der Weise der italienischen Malerei gegenüber keine besondere Wertschätzung empfunden habe, kann nicht mehr als Stand der Forschung gelten. Sowohl Friedrichs Anwerbung eines Italieners als Hofkünstler und sein quellenkundlich belegbares Interesse an Bildern von Andrea Mantegna (siehe hierzu Marx 2005, S. 14) als auch die Konzeption der Bildausstattung des Wittenberger Residenzschlosses sprechen für eine grundsätzlich positive Rezeption der aktuellen italienischen Kunsttendenzen. Diese mussten allerdings für die Belange des kursächsischen Hofes und seiner von den künstlerischen Traditionen im Reich bestimmten ästhetischen Erwartungshaltung abgewandelt und an die eigene nordalpine Tradition angepasst werden, wodurch gerade das Werk Jacopos de’ Barbari von einer aufschlussreichen Form des Kunsttransfers bestimmt ist. Siehe hierzu Pizzini 2009. Siehe demnächst auch Bellin, Heraldische Individualität?
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schung vieldiskutierten Stilwechsel hin zur niederländischen Malerei vollzog,37 um schließlich ab etwa 1510/15 mehr und mehr den für ihn und seine Werkstatt charakteristisch werdenden „Cranach-Stil“ zu entwickeln. Diesen Stil (auf Abb. 15 exemplarisch anhand von Cranachs Berliner Fassung von „König David und Bathseba“ gezeigt) kennzeichnet ein eigentümliches Oszillieren zwischen einer mimetischen, der Naturnachahmung verpflichteten Malweise und einer Malweise, die erkennbar von der Absicht zur ornamentalen Formelhaftigkeit bestimmt ist. Die ornamentale Formelhaftigkeit findet besonders bei komplizierten Details wie den Stoffmustern und Faltenbildungen von Kleidung oder der Physiognomie von Körpergliedmaßen und Gesichtszügen Anwendung und zeichnet sich durch eine auffällige, durch Rundungen und Kurvaturen geprägte Eleganz der Linienführung aus. Hinzu kommt eine intensive, durch hochwertige Farbpigmente und komplexe Lasur- und Schichttechniken gewonnene Farbigkeit, die überwiegend auf leuchtenden Primärfarben aufbaut und den Gemälden Cranachs eine eigentümliche, scheinbar von innen heraus strahlende Leuchtkraft verleiht. Jüngere restauratorische und naturwissenschaftliche Untersuchungen zu Cranachs Maltechnik konnten nachweisen, dass Cranach sowohl bei der Stilistik als auch bei der Farbmaterialität geschickt Balance hielt zwischen einerseits anspruchsvoller Komplexität und Wertigkeit und andererseits strikter Formalisierung und ökonomischer Reduktion.38 Zu Letzterer gehört u. a. die Entwicklung eines beschränkten, aber dafür vielfältig kombinierbaren Formrepertoires und – daraus konsequent abgeleitet – der Einsatz von Formschablonen beispielsweise für Körperglieder sowie der Einsatz von speziellen Malpinseln zur schnellen, zeitsparenden Ausführung beispielsweise von Bart- und Haarpartien. Auch das Bildformat wurde rationalisiert, indem es weitgehend vereinheitlicht und dem Buchdeckelformat angeglichen wurde. Diese Entscheidung ermöglichte es Cranach, direkt auf die für die Buchbinder hergestellten Holztafeln als Bildträger zurückgreifen und auf Einzelanfertigungen verzichten zu können. Erst diese Balance zwischen Komplexität und Rationalisierung erlaubte es Cranach, in Wittenberg einen hochgradig arbeitsteiligen Werkstattbetrieb aufzubauen, der Bildwerke in hoher Stückzahl von gleichbleibender, insgesamt hoher Qualität produzieren konnte. Denn prinzipiell war jeder entsprechend qualifizierte Mitarbeiter dazu in der Lage, den typisierten, formelhaften und dadurch entpersonalisierten 37
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Zur Frage einer bewussten, aus politischen Gründen veranlassten Orientierung Friedrichs des Weisen und seines neuen Hofmalers Lucas Cranach an der burgundisch-niederländischen Malerei siehe die Überlegungen von Bierende 2002, S. 157–167, dessen Schlussfolgerungen (hier bes. S. 162) allerdings diskussionsbedürftig sind. Dies gilt nicht zuletzt für die These, dass Cranachs Abwendung vom ‚Donau-Stil‘ und seine Orientierung an niederländischen Bildkonzepten aus der historisch nachweisbaren Abgrenzung Friedrichs des Weisen von König Maximilian I. erfolgt sei. Denn selbst wenn der ‚Donau-Stil‘ zur Zeit Maximilians I. in Wien in Mode war, so kann er doch nicht als kaiserlicher Stil gelten. Genauso besteht kein Anlass, die burgundisch-niederländische Malweise in einen Gegensatz zu Maximilian I. zu bringen, musste sie dem in erster Ehe mit einer burgundischen Erbherzogin verheirateten König doch eher vertraut vorkommen und wurde niederländische Malerei von den Habsburgern selbstverständlich für ihre Kunstsammlungen angekauft. Heydenreich 2007; Most 2009.
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„Cranach-Stil“ nachzuahmen und komplette „Cranach“-Bilder selbständig und ohne Mitwirkung des Meisters zu malen. Damit hatte Lucas Cranach nicht nur erstmals im Alten Reich an einem Fürstenhof eine unverwechselbare ästhetische Marke geschaffen, die dem kursächsischen Hof ein einheitliches künstlerisches Gesicht gab und selbst die vorausgegangenen Bemühungen Maximilians I. übertraf, sondern darüber hinaus eine regelrechte Bildermanufaktur begründet, wie sie bis dahin nur aus den Niederlanden bekannt war und die Cranach zu einem der reichsten Künstler im Reich werden ließ.39 Dank der außergewöhnlichen Produktivkraft der Cranach-Werkstatt konnten die sächsischen Kurfürsten zahlreiche ihrer Residenzund Jagdschlösser komplett mit Bildern im Cranach-Stil ausstatten lassen – wovon das Inventar von Schloss Torgau aus dem Jahr 1546 ein selten detailliertes Zeugnis ablegt40 – und darüber hinaus auch noch befreundete Fürsten beliefern, wovon etwa die Kurfürsten von Brandenburg, Kardinal Albrecht von Brandenburg, die Herzöge von Pommern oder die Herzöge von Mecklenburg profitierten. Dass an dieser Profilierung und Spezialisierung der Cranach-Werkstatt die Verstrickung der sächsischen Kurfürsten in die konfessionellen Auseinandersetzungen im Reich einen gewichtigen Anteil hatte, steht außer Frage. Doch wäre es zu kurz gegriffen, nur das Bekenntnis Kursachsens zur Reformation und die daraus erwachsenden Zwänge eines geradezu propagandistischen, auf hohe Stückzahlen angewiesenen Bildgebrauchs als Motiv erkennen zu wollen. Alleine die Tatsache, dass Cranach seinen spezifischen Stil bereits ab ca. 1510 und damit einige Jahre vor dem Ausbruch der Reformation zu entwickeln begann, belegt, dass hierfür noch andere Motive maßgeblich waren und Fragen fürstlicher Statuskonkurrenz – in diesem Fall nicht zuletzt die Konkurrenz der Wettiner mit den Habsburgern und ihren Verbündeten – und der Wunsch nach künstlerischer Exklusivität eine nicht geringe Bedeutung besessen haben. Hierauf deuten in besonderer Weise die von Cranach in Wittenberg entwickelten Porträtkonzepte für Kurfürst Friedrich den Weisen und seine Nachfolger hin, die in einem längeren Prozess die Merkmale physiognomischer Individualität zunächst immer stärker schematisieren und schließlich zugunsten einer geradezu siegelbildartigen Typisierung von hohem Wiedererkennungswert – vergleichbar den von Strigel entworfenen Bildnissen für Maximilian I. – nahezu vollständig aufgeben (Abb. 16). Damit unterschieden sich Cranachs für die sächsischen Kurfürsten entwickelten Porträtkonzepte fundamental von den Porträtkonzepten vor allem der süddeutschen Höfe, wo etwa an den Höfen der Wittelsbacher in München und Neuburg an der Donau seit den 1520er Jahren eine an Dürer und Oberitalien orientierte Bildniskunst bevorzugt wurde. Stellen wir diese von Bartel Beham oder Peter Gertner gemalten und von raffinierten mimetischen Effekten bestimmten Bildnisse der Wittelsbacher (Abb. 17) neben diejenigen der Wettiner, so werden nicht nur die Unterschiede der ästhetischen Konzepte deutlich, sondern
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Zum Vermögen Cranachs d. Ä. und zu den Umsätzen des unter Cranach d. J. ab 1550 weitergeführten Werkstattbetriebs siehe Lücke 2015. Zum Inventar und seinem Potential für eine Rekonstruktion der ursprünglichen Bildausstattung und Bildprogramme des Torgauer Schlosses siehe zuletzt Müller 2015a.
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auch die Bedeutung von künstlerischen Stilkonzepten (nicht zuletzt im Bereich des Porträts) als Mittel höfischer Differenz und Distinktion.41 Quellenverzeichnis Ungedruckte Quellen [ASM AG b. 1625] Archivio di Stato di Mantova, Archivio Gonzaga, b. 1625. [ÖStA Wien, FHKA, Gedenkbücher Kaiser Maximilians I., Nr. 5] Österreichisches Staatsarchiv Wien, Abt. Finanz- und Hofkammerarchiv, Gedenkbücher Kaiser Maximilians I., Nr. 5. [ÖStA Wien, FHKA, Gedenkbücher Kaiser Maximilians I., Nr. 7] Österreichisches Staatsarchiv Wien, Abt. Finanz- und Hofkammerarchiv, Gedenkbücher Kaiser Maximilians I., Nr. 7.
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Siehe hierzu ausführlich Müller 2015b.
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LUTHER UND DIE FÜRSTEN* Andreas Ranft Ausgangspunkt meiner Beobachtungen zum Thema ist die keineswegs neue und doch bemerkenswerte Feststellung des Kirchenhistorikers Thomas Kaufmann, dass der Erfolg Luthers und der reformatorischen Bewegung „nur deshalb Fuß fassen und sich dauerhaft etablieren [konnte], weil die rechtlichen und politischen Verhältnisse im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation dies zuließen, ja sogar begünstigten und beförderten“1; und insbesondere den Fürsten, und hier natürlich wiederum den sächsischen Kurfürsten, räumt er dabei eine führende Rolle ein. Diese hätten mit ihrer Politik einen „immensen strategischen Positionsgewinn für die Sache Luthers“2 erreichen und ausbauen können. Was aber heißt das? Luther, der unbeirrbare Kirchenkritiker, Reformer und am Ende erfolgreiche Reformator, der an seiner Kirche baut auf der einen Seite; auf der anderen Seite der geistlichen Dingen aufgeschlossene, vor Acht, Bann und Inquisition schützende Friedrich, der als mächtiger Reichsfürst einflussreich aufgestellt ist und dem es andere Fürsten im Reich spätestens mit ihrem geistlichen Bekenntnis nachtun? Spiritualia und Temporalia gleichsam in je eigenen Sphären eigengesetzlich wirkend?3 Ungeachtet mancher Darstellungen, die einer solchen Vorstellung durchaus Vorschub leisten, indem sie auf die berühmten, dem Reformator späterhin
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Der Vortragsstil wurde bis auf wenige Änderungen beibehalten und das Manuskript lediglich um die wichtigste weiterführende Literatur ergänzt. Nicht mehr berücksichtigt werden konnte der ebenfalls unter dem Titel „Luther und die Fürsten“ erschienene Katalog und Essayband zur gleichnamigen Ausstellung in Torgau (15. Mai–21. Oktober 2015): Luther und die Fürsten 2015. Mein Beitrag kann in diesem Zusammenhang als Ergänzung und Perspektiverweiterung insbesondere zu den dort veröffentlichten Essays von Martin Eberle und Ruth Slenczka verstanden werden: Eberle 2015; Slenczka 2015. Für die sich in vielen Fällen als außerordentlich aufwendig erweisenden Provenienzrecherchen der gebotenen Abbildungen, für Beschaffungen und eine bis zuletzt präzise begleitende Bildredaktion, die manche technisch schwierigen und organisatorischen Hürden zu überwinden hatte, bin ich meiner Mitarbeiterin Claudia Hahne zu großem Dank verpflichtet. Herzlicher Dank gilt auch Nina Kühnle für ihre redaktionelle Hilfe am Text und die unkomplizierte und überaus kompetente Zusammenarbeit bei der Einrichtung der Bilddatenbank für den Verlag und die Umsetzung des gewünschten Layouts im Abbildungsteil. Von den im Weiteren verwendeten Abbildungen befinden sich Abb. 1–19, 23, 24 und 31 als Farbabbildungen im Bildanhang am Ende des Bandes. Kaufmann 2006, S. 44. Ebd., S. 52. Kunst 1976, S. 42–44 thematisiert diese Frage ausdrücklich und konstatiert Überschneidung und Zusammenhang beider Sphären, die es hier weiter zu verfolgen gilt.
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zugeschriebenen Worte „Hier stehe ich und kann nicht anders“4 oder auf den nicht minder berühmten Brief Luthers an Friedrich den Weisen unterwegs von der Wartburg endlich zurück nach Wittenberg verweisen, der gemeinhin interpretiert wird als ebenso starkes Bekenntnis im Sinne von „Hier reite ich und kann nicht anders“ und damit auf einen politischer Rücksichtnahme und politischer Raison abholden Reformator,5 kann eine solche Frage lediglich rhetorisch gemeint sein und verschärft darauf aufmerksam machen, dass hier nach Zusammenhängen zu suchen ist und Wirkungsfelder auszumachen sind, die den ganz offenbaren synchronen Prozess des politischen und damit öffentlichen und auch nichtöffentlichen Handelns auf beiden Seiten erklären helfen.6 Auf ebendiesen Aspekt möchte ich mich im Folgenden konzentrieren und nach Luther und seiner Beziehung zum Hof fragen und nach Belegstellen, die das angedeutete Handlungs- und Wirkungsgefüge verdeutlichen und in seiner Bedeutsamkeit sinnfällig machen. Luther ist hier also nicht in seiner Tätigkeit als Theologe, Reformer und Reformator interessant (obgleich diese Rolle selbstverständlich stets mitzudenken ist), sondern als Akteur auf höfisch-politischer Bühne.7 Und es gilt auszumachen, ob und wie der Hof darauf reagiert und auf welchen Voraussetzungen alles dies beruht. Wie begegnet Luther dem Fürsten und seinem Hof? Man muss nicht so weit gehen wie die seit der Jahrhundertwende aufblühende „Lutherarchäologie“, die ihn gleichsam in Bodenhaftung nehmen will und als gediegenen Bürger ausmacht, weil sie das, was aus Kloaken, Fundamenten und Gemäuer seiner Wohnhäuser ergraben wurde, städtischer Provenienz und Oberschichtenkultur zuordnet.8 Es ist der Be4
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So noch der SPIEGEL (51) 2003 ausdrücklich im Titel seiner Heftstory (Schwarz 2015) oder als Auslegungssatz („So wurden Luthers Worte am Ende seiner Rede auf dem Reichstag 1521 in Worms überliefert“) auf der Homepage der Luther-Gesellschaft e. V.: Hier stehe ich 2012. Der Satz findet sich jedoch lediglich als Aufschrift auf einem kolorierten Holzschnitt von 1557, der die Verhörszene im Nachhinein wiederzugeben versucht. WA BR 2, Nr. 455; seinen eilend abgefertigten (ebd.) Brief an Friedrich den Weisen, in dem er diesen mit seinem unabwendbaren Entschluss zum Verlassen der „Schutzhaft“ auf der Wartburg konfrontiert, versteht Schilling 2012, S. 281, als beredtes Beispiel für die ganz eigene Handlungslogik des Reformators im geistlichen Bereich, die sich auf die Logik politischer Taktik und Opportunität nicht einließ. Die hier und im Folgenden verwendeten Siglen werden im Quellenverzeichnis aufgelöst. Schilling 2012, S. 283 f., spricht in diesem Zusammenhang von der „Komplementarität“ der weltlichen und geistlichen Bereiche: „Fürst und Reformator gingen ihre Wege getrennt, und jeder ließ dem anderen im jeweiligen Bereich die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit“, wobei er sich auf Luthers Formulierung in seinem Brief an Kurfürst Friedrich vom 7. (8.?) März 1522 gestützt haben mag: Denn E. K. F. G. ist nur der Güter und Leibe ein Herr; Christus aber ist auch [!] der Seelen ein Herr, zu welchen er mich gesandt, und dazu erweckt hat (WA BR 2, Nr. 456). Dass Luther die Eigengesetzlichkeit der höfisch-politischen Bühne nicht nur erkannte, sondern sich ihrer ‚Logik‘ durchaus bewusst war und mit Kalkül öffnete, bemerkt schon mit zahlreichen Beispielen Bezold 1900, S. 189 f., denn er habe nicht nur „der peinlichen Lage seines gütigen Beschützers Rechnung getragen, sondern sogar versucht sich selbst auf die Fechterkünste der verachteten Weltklugheit einzulassen“. Fundsache Luther 2008.
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fund am Ende einer Sozialisation, die formal den Weg aus bürgerlichem Haus über Mönchtum und Studium zu Gelehrtentum und in die Professur beschreibt, was auch seine Rechtsstellung gegenüber Kommune und Hof begründet. Als Professor wurde er dem Hof bekannt, Friedrich schätzte seine theologischen Arbeiten, bezog ihn beim Aufbau seiner Reliquiensammlung ein,9 ließ ihn in heiklen Fragen gutachten wie bei der Frage über den Wert jüdischer Schriften im sogenannten Reuchlinstreit10 und beschenkte ihn wiederholt mit Tuch,11 wie es ansonsten einem Hofmann zukam.12 Derart bemerkenswerte Transfers beantwortete Luther in der Bilanz ebenso bemerkenswert, nämlich mit ungewöhnlich offener Kritik beispielsweise gegenüber fürstlicher Steuerpolitik,13 wobei er einen Ton anschlug, der dem Anspruch gegenseitiger Augenhöhe näher kommt als untertänigem Rat.14 Bürgerlicher Sozialisation kann solches kaum geschuldet sein. Gewiss spielte seine immer bedeutendere Rolle als theologische Instanz und Führerschaft im schärfer werdenden Streit um das richtige Glaubens- und Kirchenverständnis eine große Rolle, doch es fällt auf, dass Luther spätestens mit der Heirat Katharinas von Bora sich die Welt des Adels aktiv erschloss. Nicht nur erlebt man Luther, wie er immer wieder dem irritierten bürgerlichen Milieu Wittenbergs den adligen Lebenshabitus seiner Frau erklärte und sie beredt verteidigte:15 er selbst fädelte sich in seiner privaten Korrespondenz aktiv in deren adlige Netzwerke ein, sorgte mit großzügigen Empfehlungen und rasch wachsenden und weitreichenden Verbindungen in die Welt der fürstlichen Höfe für seine adlige Verwandtschaft und entfaltete im schwarzen Kloster mit seiner Frau einen Lebensgestus, der in seiner Struktur einem fürstlichen Hof nahe kommt.16 Durch das prächtige Tor des Hauses geschritten (Abb. 1), berichtete der polnische Botschafter Dantiscus seinem Fürsten, Luther kleide sich so, dass er von einem vornehmen Hofmann nicht zu unterscheiden sei.17 Fürstliche Reiseitinerare – wenn es sie denn gäbe – würden auch Luthers „Hof“ darin ausweisen, wenn man beispielsweise an die Bewirtung protestantischer Fürsten wie Johann Heinrich von Schwarzburg, Albrecht von Mansfeld, 9 10 11 12 13 14
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WA BR 1, Nr. 30 und 51. Luthers briefliche Stellungnahme in WA BR 1, Nr. 6; für den Zusammenhang Schilling 2012, S. 132. WA BR 1, Nr. 30. Brieflich erinnerte Luther seinen Fürsten sogar an sein „Hofkleid“, das ihm zwar zugesagt, aber nicht geliefert worden sei (ebd., Nr. 51). Vgl. Kunst 1976, S. 42. WA BR 1, Nr. 51; WA BR 2, Nr. 455; WA BR 8, Nr. 3159. Luther erheischte vom Fürsten nach einer Frist Auskunft über den Stand der beklagten Angelegenheiten: Ich erwarte auch eine Antwort des Kurfürsten […], WA BR 2, Nr. 375, zitiert nach Kunst 1976, S. 69, der nicht nur für diesen Zusammenhang zu Recht bemerkt, dass Luthers Briefe an den Fürsten „auf erstaunliche Weise von Gleich zu Gleich geschrieben“ seien (ebd., S. 42). Ranft 2002, bes. S. 714–716. Ebd., S. 720–722; in derselben Diktion Schilling 2012, S. 338–340. „Iudicium meum de Lutero“ 1523, abgedruckt bei: Hipler 1868; deutsche Übersetzung bei Bornkamm 1979, S. 260–262, zitiert nach Schilling 2012, S. 293. Zum sogenannten Katharinenportal des Wittenberger Wohnhauses ebd., S. 340 f. Zur Funktion des Tores als „Kommunikationsmedium einer abgestuften Distinktion“ siehe Müller 2013, S. 43–45.
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Wolfgang von Anhalt oder an die Unterkunft der Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg denkt.18 Und nicht zuletzt weist sein eng geknüpfter Freundeskreis im Zuge seiner Karriere zunehmend typische Asymmetrien auf, wie sie zwischen dem Fürsten und seinem Hof systemisch angelegt waren.19 So war es nicht der Freundschaft zur Familie Cranach geschuldet, dass Luther von beiden Cranachs vielfach konterfeit wurde und sein Bildnis als Teil fürstlicher Bildpolitik weite Verbreitung fand. Martin Warnke hat wohl als Erster die propagandistische Absicht der unzähligen Lutherporträts der Cranachwerkstatt herausgearbeitet und auch eine Dynamik im Wandel dieser Porträts, die zweifellos als Auftragswerke des Wittenberger Hofs zu verstehen sind, mit denen er zunächst anlässlich der Reichstage auf die Wahrnehmung Luthers im Kampf um seine Schriften psychologisch Einfluss zu nehmen versuchte.20 Man kennt die berühmten Bilder des mönchischen Luther, die Cranach nach Bildniskonzepten Dürers, die Spalatin als Dank für die Zusendung der Schriften Luthers erhalten hatte,21 anfertigte. Nicht jedoch darauf will ich an dieser Stelle abheben, sondern, angeregt von Untersuchungen Matthias Müllers zur Bildwerdung des Fürsten (Abb. 2), die er in Halle erstmals vorgeführt hat,22 sozusagen die Phase der Lutherporträts markieren, die Luther meines Erachtens in die fürstlich-höfische Sphäre hoben (Abb. 3a in Verbindung mit Abb. 3b) und ihm eine ebenso starke Repräsentation als „Amtskörper“ verschafften, wie sie der Fürst als Fürst beanspruchte – die „Bildwerdung Luthers“ als Mitträger fürstlicher Herrschaft, so könnte man sagen. Keine anderen Porträts sind mit leichten Abwandlungen im Detail so oft vervielfältigt und kopiert worden wie diese beiden. Und wo der Fürst, wie Matthias Müller zeigt, auf hinzugefügten Papierbögen wortreiche Selbsterklärungen aufschreiben ließ (Abb. 4a–d), die seine politischen, diplomatischen und militärischen Verdienste für Kaiser und Reich und die Erneuerung des christlichen Glaubens aus dem Geist des Evangeliums proklamieren, bedurfte es bei Luther am Ende lediglich des Verweises auf die Heilige Schrift selbst, die er in Händen hält (Abb. 5a–d). Auf diesen jeweils spezifischen Zusammenhang von Bild und Text wird noch zurückzukommen sein. Dass Luther mit seiner Person und seinem Lebenszuschnitt auch auf andere – weniger direkt auf die politische als auf die soziale Dimension zielende – Weise in die höfische Bildrepräsentation aufgenommen wurde, verdeutlichen weitere Auftragsbilder des Hofes, die ihn im Doppelporträt zusammen mit Katharina zeigen (Abb. 6a und b),23 ganz so wie ein Fürstenpaar Repräsentation erfuhr 18 19 20 21 22
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Eine repräsentative Auflistung findet sich bei Junghans 2001, S. 164. Vgl. Schilling 2012, S. 142 f. Warnke 1984. Dürer, Schriftlicher Nachlass, Bd. 1, S. 86 f. Unter Bezugnahme insbesondere auf die dortige Abbildung Friedrichs des Weisen Müller 2013, S. 29–31, in Verbindung mit Abb. 3 ebd.; Müller 2008. Vgl. Scribner 1994, S. 14–36 („Images of Luther 1519–25“), der jedoch solchen Beobachtungen wie hier keine Aufmerksamkeit schenkt. Heydenreich 2007, bes. S. 32, mit Dokumentation eines weiteren Doppelporträts des Lutherpaares und Ausführungen zu „Virtuosität und Effizienz in der künstlerischen Praxis Lukas Cranachs d. Ä.“. „Wie man Hofmaler wird und bleibt“, als Hofporträtist weitere Kontakte
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(Abb. 7).24 Dass hier bewusst das Ehepaar Luther in die höfische Sphäre gerückt wurde, belegen eindrücklicher noch zwei exklusive Medaillons mit Luther und Katharina (Abb. 8a und b), die ihre Parallele beispielsweise in den Medaillons der Fürstenporträts (Abb. 9a und b) finden. Endgültig überzeugend für ein solches Verständnis sind meines Erachtens die leider nicht im Bild zur Verfügung stehenden Kapselbildnisse Friedrichs des Weisen und seiner Gefährtin Anna Dornle aus ebenjener Zeit, auf die Iris Ritschel aufmerksam gemacht hat,25 und das Kapselmedaillon von Johann Friedrich für seine Frau Sibylle von Cleve (Abb. 9c). In solche Zusammenhänge höfischer Bildproduktion gehören schließlich auch das Porträt Katharinas von Bora als vornehme Frau (Abb. 10a in Verbindung mit Abb. 10b) sowie das Doppelporträt von Luthers Eltern (Abb. 11a und b), die auf diese Weise fürstliche Approbation erfuhren.26 Doch als wie tragfähig erweist sich ein solcher Bildbefund? Luther selbst hat den propagandistischen Zweck solcher Bilder – sei es als provokatorischer Akt oder Mittel der Legitimation – durchaus erkannt und goutiert. In seinen Tischgesprächen verweist er beispielsweise darauf, dass er große Lust habe, ein Doppelporträt vom ihm mit Katharina nach Mantua auf das Konsilium [zu] schicken, und die heiligen Väter, allda versammelt, fragen lassen, ob sie lieber haben wollen den Ehestand oder das Zölibat, das ehelose Leben der Geistlichen.27 In seinem Text „Wider die Propheten“ (1525) spricht er ganz allgemein von solchen Bildern als Erinnerungsund Zeugnisbilder, die zu loben seien, weil Gedächtnis und Zeugnis daran hingen.28 Wichtiger aber noch ist ein anderer Befund, der die beinahe symbiotische Nähe Luthers zum fürstlichen Hof erweist: Von den 3.599 Briefen seiner Gesamtkorrespondenz sind drei Viertel der fürstlich-höfischen Sphäre zuzuordnen; d. h. seine Hauptkorrespondenz hat die fürstlichen Höfe als Gegenadressaten. Dort lag das Gravitationszentrum seiner Kommunikation in allen Angelegenheiten, also sowohl in geistlichen wie auch in weltlichen Dinge. Rund tausend Briefe gingen an den ernestinischen Hof, allein 315 Nummern sind der direkten Korrespondenz mit Kurfürst Johann Friedrich zuzuordnen, während die Korrespondenz mit Friedrich aus politisch-taktischen Gründen überwiegend über seine Räte – insbesondere Spalatin – vermittelt wurde. Bei solchen Zahlen wird handgreiflich, was Horst Wenzel im Zusammenhang mit seiner Untersuchung zu Luthers Briefen „im Medienwechsel von der Manuskriptkultur zum Buchdruck“ als „vom Schreiben als Reden“ kennzeichnet, als „zerdehnten Sprechakt“, der den Wechsel von Rede und Gegenrede
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erschließt und Aufträge des Kurfürsten Friedrich des Weisen und seines Bruders Johann des Beständigen auszulösen versteht, dokumentieren Brinkmann/Dette 2008, bes. S. 173, 175 und 195, die das abgebildete Doppelporträt im landgräflichen Besitz ausmachen. Dass Katharina als Gemahlin mit ihren Porträts in die öffentliche Sphäre gehoben wurde, zeigt das Porträtpendant zum Bildnis „Martin Luther als Junker Jörg“ in der Stadtkirche von Penig: Kelm 2015, S. 355 f. Vgl. Slenczka 2011, S. 100, die einen regelrechten Markt für diese Porträts konstatiert. Ritschel 2006, S. 338–341. Siehe auch Dülberg 1990, bes. S. 93–98. Vgl. Grimm 1994, in Verbindung mit S. 352. WA TR 3, Nr. 3528. WA 18, S. 62–84.
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über die Distanz von Raum und Zeit ermöglicht.29 Luther war, mit anderen Worten, über seine dichte Korrespondenz am Hof beinahe täglich präsent, wobei die formalen Hürden angemessener Adressierung durch Anrede und formelhafte Ehrerbietung sich zunehmend einebneten und auf das Nötigste beschränkten und zuweilen auch dieses ausließen. Luther selbst sprach öfter vom „Reden“, wenn er „Schreiben“ meinte – und unter Freunden charakterisierte er das „Schreiben“ sogar als Möglichkeit zu „plaudern“.30 Bekanntlich hat Luther Friedrich den Weisen nur zweimal kurz gesehen (und auch das ist umstritten). Umso bemerkenswerter ist gerade hier der vertrauensvolle, komplizierte geziemende Anredeformeln vemeidende Ton, wenn er sich direkt an den Fürsten wandte. Beschäftigt man sich dabei mit dem schon erwähnten berühmten Brief an Friedrich, der ihn über das Ende seines freiwilligen Asyls auf der Wartburg unterrichtete (das inoffiziell schon längst durchbrochen war und nun angesichts der in Wittenberg eskalierenden Verhältnisse um Karlstadt so nicht länger aufrechterhalten werden konnte), wollte Luther offiziell intervenieren und der Brief entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Glied einer geschickten Verhandlungskette, in der Luther, Fürst und Hof gemeinsam aushandelten, wie sich dieser Befreiungsakt am besten öffentlich vermitteln ließe und wie vor allem der Fürst selbst gegenüber Kaiser und Reich unbeschädigt und weiterhin unangreifbar bleiben könne in der Handhabung von Reichsacht und -bann. Luther setzte hier kein hermetisch-protestantisches Bekenntnis, wie oft zu lesen ist, sondern räumte ein, dass der Fürst ebenso wie er selbst Sicherheit brauche, und beteiligte sich an der Redaktion eines entsprechenden Entlastungsschreibens zu Händen des Kurfürsten.31 Durchmustert man die Korrespondenz auf Inhaltliches, so fällt natürlich auf, dass Luther in allen geistlichen Dingen eine Autorität zuwuchs, die ihn spätestens mit den 1525 einsetzenden Bekenntnissen der Fürsten zum protestantischen Glauben unentbehrlich machte und ihn in eine Position hineinwachsen ließ, die man getrost als geistlichen Rat und Letztinstanz für den Fürsten in Angelegenheiten des Glaubens und der Kirche charakterisieren kann.32 Er beglaubigte von nun an das wahrhaft christliche Fundament fürstlicher Herrschaft, legte vielfach Zeugnis davon ab und ermöglichte so dem Fürsten das Amt als Wahrer und Haupt der christlichen Kirche. Denn durch die Erschütterung und Infragestellung bisher unangefochten geltender Lebensnormen und Autoritäten mussten sich die evangelisch gewordenen Fürsten ihres Handlungsspielraumes und der Verwendung bislang gültiger politisch-juristischer Mittel immer wieder am Maßstab der für sie verbindlich ge-
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Wenzel 2001, S. 209–211. Ebd., S. 210. Hier ist Bezold 1900, S. 199–202, zu folgen, dass nämlich Luthers „eilends angefertigter“ Brief im Zusammenhang mit dem Verlassen der Wartburg (s. o. in Verbindung mit Anm. 5) im Gegenteil als politisch überaus klug kalkulierter Schachzug zu verstehen sei, der dem Fürsten gegenüber dem Kaiser weiterhin Spielraum politischen Handelns erhalten sollte, was der weitere in diesem Zusammenhang stehende Briefwechsel mit dem Hof zeigt (ebd., S. 202–204). Mau 1992, bes. S. 129–131.
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wordenen neuen Lehre vergewissern.33 Dass damit eigentlich alles Politische dem geistlichen Urteil unterworfen war, liegt auf der Hand. Bevor jedoch Rahmen und Folgen einer solchen Entwicklung zu bedenken sind, sei noch einmal nachdrücklich festgehalten, dass Luther, wie schon angedeutet, auch unabhängig davon in weltlichen Angelegenheiten aktiv in die höfischen Handhabungen einwirkte. Vor allem in Steuer- und Finanzproblemen, in Fragen der Auslegung geltenden Rechts, sozialer Ungerechtigkeiten, Gefahr der Übergriffe untergeordneter Stellen und nicht zuletzt in den so wichtigen Fragen der Stellenbesetzungen zeigte er sich nachhaltig engagiert.34 Er intervenierte beim Mansfelder Grafen wegen dessen Enteignungspolitik der Hüttenwerke (1542) und schaltete dazu mit schwerwiegenden Folgen die sächsischen Herzöge Johann Friedrich und Moritz sowie den Landgrafen Philipp von Hessen ein. Ebenso wirkte er von sich aus an dem auszuhandelnden „Staatsvertrag zwischen den Mansfelder Grafen“ (1546) mit, der sich neben dem Problem der Patronatsrechte vor allem Fragen der Burgrechte, Erbregelungen, Rechtsverhältnisse der Neustadt, Bergwerkseinkünfte, Bestimmungen der Verschuldungsgrenzen, der Geländeabgrenzungen, der gemeinsamen Einrichtung von Archiv und Gefängnis etc. widmet. Luther agierte hier als unabhängig eingeschätzte Instanz, dem – wie der Vertragstext selbst ausweist – eine moralische und allgemein anerkannte Autorität zukam, die über die normalen Rechtsinstanzen hinausragte.35 An den fordernden Ton der Ministerpräsidenten gegenüber der Bundesregierung erinnern seine Einlassungen zur großzügigen Schadensregelung nach katastrophalen Elbüberschwemmungen.36 In allen diesen Angelegenheiten zeigte er sich bestens informiert und vernetzt, man staunt, wie er alles das zusammenbrachte und -hielt. Erklären lässt sich das bei aller bekannten Schaffenskraft nicht ohne den stetig wachsenden und auf der Ebene der Schüler sich stets erneuernden Wittenberger Kollegen- und Freundeskreis, zu dem neben Cranach auch die Drucker mit ihren Lektoraten gehörten. Ohne ihre Zuarbeit, Expertise und Bereitschaft, den Zustrom an Manuskripten, Entwürfen, Rede- und Predigtmanuskripten zu redigieren und zu redaktionieren, Nachrichten aufzunehmen, zu kanalisieren und Erarbeitetes zu protokollieren und zu verbreiten, wäre Luther nicht so präsent in alledem gewesen.37 Dieser Wittenberger Kreis ließe sich insofern als eine Mischung aus gelehrtem Rat und intellektuellem Widerpart, Kanzlei und administrativer Infrastruktur beschreiben, über die er zunehmend autoritativ verfügte. Und je mehr Schüler und frühe Weggefährten in eigene Ämter und Verantwortung in Kirche und an fürstlichen Höfen gelangten, erwies sich Luthers Wittenberg als Kern eines informellen Netzwerks, das sich tief 33 34 35 36 37
Liermann 1941, insbesondere S. 316–318. und 321 f. sowie Wolgast 1977, insbesondere S. 111 f. und 209–211. Zu Letzterem auch dezidiert Kunst 1976, S. 61–63, mit zahlreichen Beispielen. Ebd., bes. S. 35–37, 52–54, 84–86 und 89 f. Vgl. Elliger 1952, bes. S. 287 f. und 294. WA BR 3, Nr. 787; vgl. Kunst 1976, S. 68, und Kohnle 2014, S. 45–47, der auf die Wechselseitigkeit solchen Austausches mit Blick auf Spalatin abhebt. Wartenberg 1975, S. 64. Auch Schilling 2012, S. 139–143, beschäftigt sich mit diesem „Netz von Freunden und Bekannten“, zu dem auch der Kollegenkreis der Wittenberger Universität zu rechnen ist.
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in die personale Infrastruktur der protestantischen Höfe erstreckte und erklärt, wie Luther eigentlich überall über persönliche Verbindungen dorthin verfügte und Zugang bis zum Fürsten fand.38 In gewisser Weise könnte man von ‚Verhofung‘ sprechen, die dieser dynamische Prozess um Luther herum auslöste. Natürlich besaß die Wittenberger Universität mit ihrem anregenden intellektuellen Milieu zu jener Zeit in der Tat so etwas wie einen Exzellenzstatus, der gerade die kritisch-wachen Geister anzog und vielfach alsbald in attraktive Karrieren entließ.39 Hinzu kamen die ganz persönlichen Empfehlungen Luthers, oft angefragt, aber auch ungefragt ausgesprochen und meist erfolgreich.40 Die jungen protestantischen Höfe benötigten für ihre neuen Aufgaben zum inneren Ausbau ihrer territorial basierten Verwaltungen und Landeskirchen frische gut ausgebildete Kräfte, die die neue Zeit verstanden und auf gleiche Art zu kommunizieren vermochten. Man kannte sich, Universität und Luthers Haus waren zentrale Adressen für Besuche und „schreibendes Reden und Gespräch“; und regelmäßig wurde Cranach privat und öffentlich mit ihnen zusammengeführt, wenn er zu landesherrlichen Aufträgen an die Höfe gerufen wurde – ein gleichsam mobiler Außenposten der Wittenberger Kommunikationszentrale; Cranach nahm sie alle durchaus als eine Elite war, die am neuen Staat baute.41 Die Fürsten waren sich dessen bewusst und bauten auf ihre Schultern. Ihre prominentesten Vertreter rückten durch „Bildwerdung“ im Rahmen fürstlicher Propaganda (Abb. 12a und b) ans Licht der Öffentlichkeit als Zeichen eines neuen Herrschaftsverständnisses, dessen Legitimationsanspruch nicht mehr auf werkfrömmigkeitsbasierte Memoria und Kultpraxis bauen konnte, sondern sich durch tägliches Regierungshandeln zu erweisen hatte, das sich, wie schon erwähnt, am verbindlichen Maßstab der neuen Lehre messen lassen musste. Zu ihren Garanten gehörten Leute wie Johannes Bugenhagen, selbstverständlich Philipp Melanchthon, der sächsische Reformator Christoph Ering, Caspar Cruciger, Justus Jonas, Johann Forster, Johann Pfeffinger, Georg Major und Bartholomäus Bernhardi (Abb. 13a–h), aber auch Humanisten oder Juristen wie Spalatin und Gregor Brück, um nur einige zu nennen – wir werden ihnen allen noch begegnen. Durchmustert man die Cranachsche Produktion solcher Einzelporträts, wird man leicht fündig und trägt schnell eine ganze Reihe zusammen, auch wenn sie bei weitem nicht so verbreitet waren wie Luther, dem mit Abstand Melanchthon folgt und dann Bugenhagen. Bemerkenswerter als alles dies ist jedoch die Beobachtung, dass die Fürsten diese neue Situation und Konstellation in der Selbstrepräsentation symbolisch re38 39
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Schilling fasst diesen Aspekt in ähnlicher Perspektive mit dem Begriff von Wittenberg als „Luthers Kathedralstadt“ (Schilling 2012, S. 353) und seinem Arbeitszimmer als „Zentralkanzlei des Protestantismus“ (ebd., S. 374). Ebd., S. 136–138, führt in diesem Zusammenhang u. a. die fünfzehn Jahre nach der Gründung durchgesetzte Studienreform mit der Neueinrichtung zweier Professuren für Griechisch und Hebräisch sowie die damit verbundene Ausweitung des Vorlesungsangebots an. Ähnlich schon Brecht 1981, S. 264–266, mit dem Blick auf den Einfluss der Humanisten. Reinhard 1984, S. 94, attestiert Luther insofern eine überaus bedeutende Funktion in der Welt der Höfe, als er konstatiert, dass das Instrument der Empfehlung, wie es Luther virtuos beherrschte, ein wesentlicher Anteil frühneuzeitlicher Interaktion zwischen Mächtigen gewesen sei. Stievermann 1994, bes. S. 70–72.
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flektierten und beide Bildtraditionen sozusagen in einem Bild – als neuem Ausdruck ihrer Herrschaftsraison – zusammenführten. Eindrückliches Bespiel dafür mag das Fragment Cranachs mit Johann Friedrich von Sachsen sein (Abb. 14), das ihn im Kreise der Reformatoren zeigt.42 Sie waren nun Teil des Konzepts einer Herrschaftsvergewisserung und Legitimation, die auf Gebetsverbrüderung und familiare Memoria nicht mehr bauen konnte. Ihre Gesichter sind in ihrer Individualität für die Zeitgenossen klar identifizierbar, das Publikum war, wie wir ja schon anhand der erwähnten Einzelporträts sehen konnten, bestens darauf vorbereitet. Schauen wir auf weitere Bilder dieser Gattung, können wir das ebenso nachvollziehen (Abb. 15a–16b) und wir sehen, dass die Darstellung eines dem geistlichen Stand bestimmten Fürstensohns (Abb. 16a und Abb. 17)43 – von Luther 1544 im Merseburger Dom zum Koadjutor ordiniert – dem Habitus dieser Theologen- und Verwaltungselite (Georg von Anhalt arbeitete die Kirchenordnung für Moritz von Sachsen aus und setzte sie um) deutlich anverwandelt ist. Ich teile hier die Auffassung von Otto G. Oexle, der diese Bilder als Auftakt einer neu entstehenden „Memoria der Reformation“ zu lesen versteht und dabei auf Cranachs Dessauer Altarbild für Joachim von Anhalt verweist (Abb. 18),44 dem die vier zuletzt gezeigten Porträts entstammen. Seiner Einsicht in die Vielschichtigkeit dessen, was hier erinnert wird (das fundamentale Heilsereignis des Abendmahls, Lebende und Tote, der Künstler selbst, Mitglieder der fürstlichen Familie und Reformatoren mit Jesus beim Abendmahl vereint)45 und für uns heute Gelegenheit bietet, die „Steigerung und Dynamisierung von Memoria […] als fundamentalem Moment der Reformation und des 16. Jahrhunderts“ zu erschließen,46 ist nichts hinzuzufügen. Hier kommt es jedoch auf die politische Dimension des Bildes an, das mit der Inszenierung des Abendmahls, das Luther an der Seite des fürstlichen Reformators wie selbstverständlich ins Zentrum des Geschehens rückt, Gelegenheit bietet, die lebenden Vertreter des askanischen Fürstenhauses als Dienende zu zeigen (Abb. 19), sozusagen als politische, d. h. herrschaftlich-weltliche Garanten eines Christenverständnisses, für dessen rechte Praxis allein die Reformatoren einstehen und Zeugnis ablegen konnten. In diese Reihe ist schließlich auch das Epitaph des Fürsten Wolf42
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Historisch einordnend ebd., S. 70. Das Bildfragment zeigt neben dem Fürsten, ursprünglich für eine verlorene Legende mit Nummern versehen, prominent rechts und links Luther und Melanchthon sowie Spalatin, Gregor Brück, den Wittenberger Drucker Hans Lufft (mit Bart), Johann Forster, Georg Major, Johannes Bugenhagen, Justus Jonas und Caspar Cruciger – es gilt als ältestes erhaltenes Gruppenbild von Reformatoren aus Cranachs Werkstatt, siehe Moeller 1983, S. 324 f. Hier neben Martin Luther und direkt an der Seite Jesu als Lieblingsjünger an der Abendmahlstafel. Zu seiner Bedeutung Oexle 2009, S. 61. Ebd., bes. S. 59–63. Das Bild zeigt in der Mitte Jesu, rechts von ihm neben Georg von Anhalt sitzend Luther, dann Johannes Bugenhagen, Justus Jonas und Caspar Cruciger. Zur Linken Jesu sitzen Philipp Melanchthon, Johann Forster, Johannes Pfeffinger, Georg Major und Bartholomäus Bernhardi. Zum „Konzept“ des Abendmahlsbildes als „Göttliche[s] Geheimnis im Raum der Realität“ siehe Wegmann 2007, S. 22–24. Oexle 2009, S. 77, und Ders. 1995, S. 53–57.
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Abb. 20: Lucas Cranach d. J.: Epitaph des Fürsten Wolfgang von Anhalt (1566)
gang von Anhalt zu stellen (Abb. 20), das neben Mitgliedern der Familie (Abb. 21) wiederum eine beeindruckende, von Luther angeführte Gruppe von Reformatoren präsentiert (Abb. 22);47 im Hintergrund am anderen Ufer der Elbe beziehungsreich Wittenberg. 47
Dazu auch Ders. 2009, S. 70 f.
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Abb. 21: Lucas Cranach d. J.: Epitaph des Fürsten Wolfgang von Anhalt (1566), Ausschnitt: Fürst Wolfgang d. J. und Gruppen der jungen und älteren Fürsten
Beglaubigung und damit die Versicherung einer rechten christlichen Herrschaft war in solchen beziehungsreichen Bildern sofort einsichtbar. Diese Beziehungsverweise konnte es bei den fürstlichen Porträts (abgesehen von hintergründigen Landschaftsallegorien) jedoch nicht geben, so dass sie, wie Matthias Müller anhand des Cranachschen Kurfürstentryptichons (Abb. 23) gezeigt hat,48 um die schon erwähnten Selbsterklärungen ergänzt wurden. Und dass wir Luther unter den ersten
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Müller 2013, S. 29–31.
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Abb. 22: Lucas Cranach d. J.: Epitaph des Fürsten Wolfgang von Anhalt (1566), Ausschnitt: Die älteren Fürsten und die Reformatoren
Autoren dieser Texte finden – er verfasste den Zetteltext zu Friedrich dem Weisen,49 der dann wiederum vielfach abgeschrieben und auf weitere seiner zahlreichen Portraits geklebt wurde –, ist nur konsequent, denn er selbst hat den Bildern nach seinem Verständnis keine unmittelbare Wirkmächtigkeit zusprechen können, die er allein im Wort gegeben sah (Abb. 24).50 Eher noch wichtiger für die Justierung rechter Herrschaft und ihres rechten Verständnisses waren die Predigten, deren Maßgaben durch jeweils rasche Drucklegung und Verbreitung große Öffentlichkeit erfuhren und an denen sich auch das alltägliche fürstliche Regierungshandeln messen lassen musste. Spannend ist zu verfolgen wie die Predigtmanuskripte für die Drucklegung beinahe tagesaktuelle Umschreibungen, Zuspitzungen und Ergänzungen erfuhren. In seinen Korrespondenzen forderte Luther von den Hofpredigern energisch das kritisch offene Wort ein – auch hier zeigte er sich bestens informiert und reaktionsschnell. Die Predigt hatte ihre korrigierende Gewissensfunktion klar zu erfüllen und es kam vor, dass er am Ende solcher Interventionen auch vor dem (nicht immer erfolgreichen) Unternehmen der Amtsenthebung nicht zurückschreckte. Aus Untersuchungen, die ich Mat49
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Ludolphy 1984, S. 18 f., mit Verweis auf eine Notiz Georg Spalatins, die dieser auf die Rückseite eines Blattes im „Codex Gothanus“ geschrieben hat (Forschungsbibliothek Gotha, Chart. A 122, Bl. 28v). Dazu Müller 2013, S. 32 f. in Verbindung mit Anm. 8, in der ein Dissertationsvorhaben von Ruth Hausmann über ebenjene besondere Textgattung annonciert wird. Lentes 1999, S. 47–49.
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thias Meinhardt verdanke, wird klar, dass seine bemerkenswerten Vorworte zu gedruckt vorliegenden Predigten der Hofprediger umgekehrt dazu dienten, besonders kritische und anfechtende Texte durch seine Person zu schützen.51 Denn die Hofprediger waren auch von anderer, fürstlicher Seite gefährdet: allzu kritische Hofgeistliche konnten aus ihrer zentralen Position am Hof gedrängt werden.52 Diese Schlüsselstellungen galt es aber zu behaupten, denn neben ihrem Hauptamt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung im Rahmen der fürstlichen Familie und der Hofgesellschaft waren sie für alle Gottesdienste bei öffentlichen Akten des frühneuzeitlichen Staates zuständig und hielten Landtags-, Huldigungs-, Regentenund am Ende Leichenpredigten.53 Sie besaßen durch unmittelbares Zugangsrecht (das bei erneuter Einstellung jeweils dezidiert eingefordert wurde) die größte Nähe aller Räte zum Fürsten und waren in den ersten Jahrzehnten der Reformation auch ihre engsten politischen Berater. Ihr Wort bestimmte das öffentliche Bild des Fürsten am nachhaltigsten und gab ihm begleitende Konturen, mit ihren Leichenpredigten hatten sie auch das letzte Wort. Wieder prägte Luther mit Vorgaben, denn er hielt die ersten beiden protestantischen Leichenpredigten auf Friedrich den Weisen (1525)54 wie später auch auf Johann (1532), die den Fürsten als friedsamen Landesherrn, als frommen Herrn mit einem „feinen festen Glauben an Christus […, der …] in der rechten Erkenntnis des Evangeliums verschieden“ sei. Johann gegenüber, obwohl er zu ihm eine besondere emotionale Nähe verspürte, scheint auch Kritik durch, sei er doch „mehr als viel zu mild“ gewesen und dürfe so nicht „zu einem lebendigen Heiligen gemacht“ werden.55 Dem hatten die Hofprediger nachzutun und ihre Worte wurden auch gleich gedruckt, um das rechte Bild des Verstorbenen vorzugeben. Dies erfolgte durch Übernahme in die offiziell versandten Funeralschriften bzw. -drucke,56 so dass nun neben die Bildtexte der Fürstenporträts die geistlichen Würdigungen der Fürsten ge-
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Zukünftig dazu ausführlich Meinhardt 2014. Dass beispielsweise Spalatin wegen seiner Predigten in seiner Funktion als „Hofgeistlicher“ (Stephan 2014, S. 32 f.) von der fürstlichen Hofgesellschaft überaus kritisch gesehen wurde, weshalb er erstmals Rücktrittsgedanken von seinem Amt hegte, zeigt Schmalz 2009, S. 103, Anlagen 12 und 17, anhand zweier Bittschriften um Befreiung vom Predigerdienst; vgl. Oertzen Becker 2014, S. 61. Das passierte beispielsweise Nikolaus Selnecker am Dresdner Hof, der die maßlose Jagdleidenschaft des Landesherrn in öffentlichen Predigten anprangerte, siehe Sommer 2006, S. 52–54; vgl. auch Jakubowski-Tiessen 2010, bes. S. 224 f. Eine in dieser Hinsicht facettenreiche und quellengesättigte Studie zu einem solchen politisch aufgeladenen Hofamt bietet Sommer 2006. Zeitlich später einsetzend Schorn-schütte 1985 mit Beobachtungen zur allmählichen Beschränkung des Amtes auf die Funktion des Seelsorgers und Mahners im Zusammenhang mit dem abgeschlossenen Ausbau des landesherrlichen Kirchenregiments. WA 17/1, Nr. 30 f. Vgl. Wolgast 1977, S. 290–293. Zur Begrifflichkeit und begrifflichen Abgrenzung zwischen Leichenpredigt und Funeraldruck Jacobsen 1995, bes. S. 41–43.
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Abb. 25: Funeralschrift „Exequiae Saxonicae“ für Friedrich Wilhelm I. von Sachsen-Weimar (1603)
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Abb. 26: Herzog Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar auf dem Totenbett (1573)
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stellt waren (Abb. 25)57.58 Da jedoch zwischen Tod, Begräbnis und Trauerfeier viel Zeit verging, wurden zur Benachrichtigung unmittelbar nach dem Ableben SchriftBilder als Einblattdrucke versandt (Abb. 26)59, die ebenfalls mit dem Wort das Bild des verstorbenen Fürsten zu fixieren trachteten.60 Das protestantische Sterben geschah ohne Sterbesakrament, ohne Anrufung der Heiligen, ohne die Stiftung der Gemeinschaft von Lebenden und Toten; doch obgleich der protestantische Kult weder ein eucharistisches Opfer noch ein Chorgebet noch eine hierarchische Unterscheidung zwischen Klerus und Laien kennt, mit Bildern nicht mehr zu kommunizieren vermochte und die sakrale Topographie des Kirchenraums zur Gestaltung eines Grab- und Gedächtniskultes gleichsam einebnete bzw. verschwinden ließ, übertrug Luther mit seinen Einlassungen zur Symbolik des Kirchenraums in seiner Schrift „Sermon vom dreierlei guten Leben, das Gewissen zu unterrichten“ zentrale Punkte seiner Theologie (Lehre vom Laienpriestertum, Ablehnung der Werkgerechtigkeit, Rechtfertigung allein durch den Glauben) auf die traditionellen Grundbestandteile des vorreformatorischen Kirchenbaus.61 So blieb der Chor nach wie vor traditionsbegründet das sanctum sanctorum, womit zugleich die Bedeutung einer Grabstätte im Chor für die soziale Memoria, die den Herrscher in seinem weltlichen Rang bevorzugte, erhalten blieb.62 Die ersten Jahrzehnte der Reformation erscheinen als eine Zeit des Experimentierens und der Suche nach angemessenen Formen, wie der junge Fürstenstaat sich auch nach neuem Verständnis von Sterben, Tod und Auferstehung im Begräbniskult seiner Fürsten behaupten und legitimieren konnte.63 Bemerkenswert ist der Befund, dass der Chor, über den nun die Landesherren als oberste Repräsentanten der Landeskirche das uneingeschränkte Hoheitsrecht ausübten und nicht mehr von den Reglementierungen betroffen waren, mit denen die Nutzung des Chores als Begräb57
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Die abgebildete Funeralschrift gehört zu den frühesten Drucken, beinhaltend insbesondere elf Leichenpredigten (fünf in Weimar gehaltene Predigten vor und nach dem Begräbnis, eine Predigt am Hof des Pfalzgrafen in Neuburg an der Donau, dem Stammhaus der Witwe, sowie Predigten aus Jena, Coburg, Schleusingen, Sulza und Kühndorf). Im Zentrum stehen neben dem Lob Gottes die Frömmigkeit und Rechtschaffenheit des verstorbenen Fürsten. Vgl. Schmidt 2002b, S. 41 f. Grundsätzliche Beobachtungen dazu bei Bepler 1993, S. 255–257. Siehe Katalogteil bei Schmidt 2002b, S. 53 f. Die Verbreitung derartiger Einblattdrucke wurde einerseits über Messen und Märkte, den Selbstverlag der Drucker, andererseits zwischen den Höfen, Gelehrten und Politikern organisiert. WA 48, S. 61 f. (Predigten über das Evangelium nach Johannes, Kap. 6,7 und 8,19. Predigt über Kap. 6,63); vgl. Meys 2009, S. 54 f. Meys 2009, S. 56. Trauerzeremoniell und Begräbnisfeierlichkeiten nach Luthers Ableben – eindrücklich beschrieben bei Schilling 2012, S. 593–603 – wurden zum Wirkmuster zukünftiger Funeralexerzitien der protestantischen Fürstenhöfe; vgl. Schmidt 2002b, S. 36–41. Ausführlich zum Trauerzeremoniell Bäumel 1987 sowie Ziegler 1977 zu den bayerischen Verhältnissen. Die erste propagandistische Schilderung einer fürstlichen Beisetzungsfeierlichkeit – betreffend Friedrich den Weisen – verdanken wir Spalatin (Kapp 1727, S. 667–674), der den Fürsten in seinem Chronikon noch einmal besonders zu rühmen versteht, siehe Chronicon sive Annales Georgii Spalatini 1728, Sp. 643. Zur Chronik selbst Meckelnborg 2014, S. 107–113.
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nisort in vorreformatorischer Zeit stark eingeschränkt worden war, als Hauptort der sozialen, d. h. dynastischen Memoria gewählt wurde.64 Womit, das wäre gleich anzuschließen, nicht nur die Inbesitznahme des nach wie vor wichtigsten symbolischen Orts im Kirchengebäude veranschaulicht wurde, sondern auch symbolisch die Übernahme der kirchlichen Landeshoheit durch den Landesherrn beziehungsweise die landesherrliche Dynastie. Es scheint sich in diesem Zusammenhang ungeachtet nach wie vor gebräuchlicher Freigrabmäler das Wanddenkmal als dominante Denkmalform durchgesetzt zu haben, wobei meines Erachtens sehr viel experimentiert wurde. Am beeindruckendsten und innovativsten für die ersten 100 Jahre erweist sich die Weiterentwicklung der Konzepte bild- und schriftgestalteter Epitaphien als dreidimensionale Monumente der Erinnerung bzw. frommen Andenkens und festlicher Bezugspunkt reformatorischer Herrschaftsbeglaubigung, die Einzug in die neu zu gestaltenden Kirchenräume fanden.65 Beispielhaft sei an die überaus beeindruckenden Grablegen der albertinischen Herzöge erinnert, die nach Einführung der Reformation eine neue Grablege in der so wichtigen Bergbaustadt einrichteten,66 in der Herzog Heinrich als Abfindungsresidenz zuerst regierte (Abb. 27a und b)67; oder an die neue ernestinische Grablege in Weimar (Abb. 28a und b) oder auch – für viele weitere Beispiele stehend – an die Epitaphien des hessischen Landgrafen in Kassel68 oder Johann Friedrichs II. von Sachsen in Coburg (Abb. 29a und b). Im Band Oliver Meys über die Grabdenkmäler der evangelischen Landesherrn im Heiligen Römischen Reich im Zeitalter der Konfessionalisierung findet sich eine bemerkenswerte vollständige Dokumentation eines solchen Befundes.69 64
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Meys 2009, S. 60 f. mit zahlreichen Beispielen; besonders eindrücklich bei Neuerrichtung der – seit 1436 mit einem Kanonikerstift verbundenen – Wittenberger Schlosskirche (1496–1511) die bemerkenswerte Aufstellung der beiden Porträtstatuen von Friedrich selbst und seinem Bruder im Chor, der seit 1522 nicht mehr der Versammlung der Stiftskanoniker diente, in unmittelbarer Nähe zu den älteren Beterfiguren der noch „reliquiengläubigen“ Kurfürsten (ebd., S. 60). Die zunehmende Bedeutung der Leichenpredigten, d. h. die verstärkte Einbeziehung von personenbezogenen Daten, der Vita des Verstorbenen, dessen Abstammung, besonderer Tugenden usw. korrespondieren mit den für die Wandgrabmäler charakteristischen Merkmalen wie einem großen Aufwand an Heraldik und Ahnenproben sowie den ausführlichen, zusätzlich zum eigentlichen Epitaphium auftretenden Inschriften, vgl. Brinkmann 2010, bes. S. 77, wobei die Nutzung des Epitaphienbildes für die individuelle Andacht des Gläubigen nach der Reformation in das von der lutherischen Lehre geprägte Epitaph nicht übernommen werden konnte; an seine Stelle trat das persönliche Bekenntnisbild, das den Glauben des Stifters an den Tod und die Auferstehung Christi und die daraus resultierende Gnade ausdrücken sollte, siehe Ketelsen 1984, S. 80; vgl. die Untersuchungen von Ketelsen-Volkhardt 1989 sowie Oexle 1984, siehe bes. S. 385. Siehe auch Schmidt 2002b, S. 16–18, und Seeliger-Zeiss 2010, bes. S. 282 f. Zum Freiberger Dom und seiner Konzeption Magirius 1975. Vgl. Meys 2009, S. 61. Die durch Heinrich den Frommen begründete Sepultur im Freiberger Dom diente den albertinischen Wettinern bis zum Tode Johann Georgs IV. im Jahre 1694 als Grabstätte. Erst mit der Konversion Augusts des Starken zum katholischen Glauben endete die Nutzung, vgl. Brinkmann 2010, S. 144–155. Vgl. Gräf 2012, bes. S. 62–67. Meys 2009, bes. S. 39–73 und 82–93 sowie anhängender Katalog ebd., S. 321–829.
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Abb. 27a: Freiberg, Domchor
Weshalb ich gerade auf diese Grabdenkmale aufmerksam mache, hat auch seinen Grund darin, dass sie auf einen Endpunkt der Publikation von Funeralschriften zurückverweisen (Abb. 30), in der die Darstellung der persönlichen Frömmigkeit des Fürsten und seine durch Leichenpredigten (21 an der Zahl) in Verbindung mit der Beschreibung einer frommen Lebensführung und der Schilderung des zeremoniellen Ablaufs vom Sterben bis zur Darstellung des Begräbnisverlaufs, ungeachtet seiner überbordenden Opulenz in Großfolioformat – und damit selbst ein Denkmal –, noch ganz im Geiste Luthers den reformatorischen Fürsten zum Sprechen brachte.70 Dann aber brach der Impuls protestantischer Deutungsmacht und Kontrolle, wie sie Luther eingefordert und machtvoll praktiziert und gestaltend geprägt hat, ab. Schauen wir zum Schluss unserer Beobachtungen und Überlegungen auf das Ende Luthers zurück. Luthers Tod war ein reichsweites Ereignis und noch mehr als das; und sein Begräbnis war das der mächtigsten Fürsten würdig. Es wäre ein eigenes Thema, dessen Ablauf und seine anschließende Propaganda zur Befestigung der Reformation im Spiegel der protestantisch-fürstlichen Begräbniskultur wahrzunehmen und zu analysieren. Der imaginäre Hof Luthers mit seinen Wittenberger Ge-
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Funeralschrift für Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1601–1675), siehe Schmidt 2002a.
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Abb. 27b: Freiberg, Dom St. Marien, Chor, Grablege der Kurfürsten von Sachsen (1589–94)
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Abb. 28a: Weimar, Stadtkirche, St. Peter und Paul, Herzog Johann Wilhelm von Sachsen († 1573)
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Abb. 28b: Weimar, Stadtkirche, St. Peter und Paul, Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen († 1602)
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Abb. 29a: Kassel, Martinskirche, Landgraf Philipp I. von Hessen († 1567)
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Abb. 29b: Coburg, Moritzkirche, Herzog Johann Friedrich II. von Sachsen († 1595)
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Abb. 30: Funeralschrift für Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1678)
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lehrten, den Freunden und Weggefährten wurde tätig, um sein Wirken und Werk auch auf diese Weise auf Dauer zu beglaubigen.71 Es erscheint rührend und naiv – wie Heinz Schilling zu recht schreibt72 –, wenn die Mansfelder Grafen darum bitten, den Reformator in der Grafschaft, seiner Heimat, begraben zu dürfen. Der Kurfürst lehnte selbstverständlich ab und öffnete für sein Grab die Tore der Schlosskirche in Nachbarschaft seiner beiden Vorgänger. Luther war jetzt dort, wo er zu Lebzeiten nie war, aber doch – einmal abgesehen von seiner religiösen und theologischen Potenz, mit der er an der neuen Kirche baute – am mächtigsten gewirkt hat: am Hof unter den Fürsten. Beglaubigung erfährt solche Einsicht durch den Verweis auf die Grabplatte Luthers in Bronze (Abb. 31)73, mit der ein Monument fürstlicher Qualität seine Vollendung finden sollte.74 Material und Ausführung waren allein obrigkeitlicher Repräsentation vorbehalten;75 hier markierten sie die symbolische Öffentlichmachung dessen, was darzustellen Aufgabe war: Luther war den Fürsten nicht nur nahe gewesen, sondern er hatte mit ihnen im politischen Raum zusammengewirkt und nicht nur theoretisch konzeptionell ihr neues Selbstverständnis als Landesherren nach innen und außen geprägt, sondern ebenso in der politischen Praxis. Die eingangs zitierte Einschätzung Thomas Kaufmanns ließe sich nach meiner Auffassung unmittelbar dahingehend weitertreiben, dass die Fürsten einerseits mit ihrer Handhabung der Reichsverfassung und risikoreichen Behauptung ihrer Interessen Luthers Lebensweg, den er selbst zwischenzeitlich nicht ganz unrealistisch dem des gescheiterten Jan Hus gleichen sah,76 entscheidenden Gestaltungsraum eröffneten und sicherten, andererseits dies in gleichem Maße für Luther ihnen gegenüber galt.
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Dazu ausführlich Schilling 2012, S. 593–606. Ebd., S. 592. Ausführlich dazu und einordnend Slenczka 2010. Schon früh (siehe Meisner, Descriptio, S. 135 und 137) wurde die Grabplatte Gegenstand einschlägiger Betrachtungen, Deutungen und Interpretationen. Der Reformator sollte mit seinem Grabmal in die Kurfürstenmemoria einbezogen werden (Slenczka 2010, S. 1 f.). Die Bildform, der Bestattungsort sowie die komplette Finanzierung des Monuments durch den Kurfürsten kamen einer Nobilitierung Luthers gleich. Schon die Verwendung des Ädikulatypus mit der ganzfigurigen Darstellung, der nördlich der Alpen bis in die 1560er-Jahre typisch für landesherrliche Grabmäler ist, muss als Ausdruck besonderer Wertschätzung und Nähe zum Landesherrn gewertet werden, siehe Meys 2009, S. 135. Die Einbeziehung eines Reformatorengrabes in die Fürstengrablege blieb kein Wittenberger Sonderfall: In Emden ließ Edzard II. einen 1588 verstorbenen lutherischen Prediger († 27. Oktober 1588) beispielsweise in der Fürstengruft in der Großen Kirche bestatten (Smid 1974, S. 232). Vgl. die eindrückliche Schilderung bei Schilling 2012, S. 353–358. Hierauf mag Justus Jonas in seiner ersten Leichenpredigt auf Luther angespielt haben, indem er Hus’ angeblich letzte prophezeiende Worte auf dem Scheiterhaufen zitierte, dass nämlich auf die Gans (so die Übersetzung des Namens „Hus“) bald ein Schwan folgen werde, der besser und erfolgreicher singen werde, siehe Schubart 1917, Nr. 15, S. 18; vgl. Schilling 2012, S. 593.
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SCHLUSSWORT ZUR TAGUNG1 Oliver Auge Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer, ganz besonders lieber Karl-Heinz! Nun ist sie also schon wieder vorbei, unsere Tagung über „König, Reich und Fürsten im Mittelalter“. Das Ende impliziert die Aufgabe der Schlussbemerkung, die mir nun laut Tagungsprogramm zugedacht ist. Ich könnte freilich gleich an dieser Stelle den Faden aufgreifen, den Stefan Weinfurter gestern Abend mit dem Klagelied auf unsere heutige Wissenskultur der Zweideutigkeit im scharfen Gegensatz zu Karls des Großen erklärtem Willen zur Eindeutigkeit gesponnen hat: Denn die Insider unter uns wissen, dass die eigentlichen Höhepunkte dieser Tagung erst noch heute Abend und vor allem auf der morgigen Exkursion folgen werden. Selbst Schlussworte entfernen sich, ganz zeitgemäß möchte man meinen, also von ihrer Eindeutigkeit, zumindest was ihre Positionierung im Tagungsprogramm anbelangt. Diese Tagung ist akribisch von langer Hand vorbereitet worden, wobei der Löwenanteil der Planung und Organisation auf die Greifswalder Seite dieses erfolgreichen Greifswald-Kieler Gemeinschaftsunternehmens entfiel. Dafür sage ich gleich jetzt schon einmal allen dafür Verantwortlichen und daran Beteiligten, Doreen Wollbrecht, den emsigen Hilfskräften und Mitarbeitern, den Leuten vom Alfried Krupp Wissenschaftskolleg und natürlich Dir, lieber Karl-Heinz, meinen ganz herzlichen Dank. Angesichts der langen Vorlaufzeit ist man als Mitorganisator einerseits stets froh und glücklich über den reibungslosen Verlauf und den hohen wissenschaftlichen Ertrag, auch über die vielen wertvollen freundschaftlich-kollegialen Gespräche, die eine Tagung wie diese mit sich brachte. Andererseits – ich kann noch einmal den Faden der Zweideutigkeit weiterspinnen, lasse es dann hinfort aber – ist man immer zugleich auch traurig, wenn die Tagung doch so schnell vorbeiging. Man ist es insbesondere, wenn es sich, wie vermeintlich in diesem unserem Fall, um eine Abschlusstagung handelt, zumal wenn es um einen Abschluss gleich in mehrfacher Hinsicht geht. Konkret haben wir ja hier nicht nur den Abschluss des „Principes“-Projektes wissenschaftlich würdig begangen, sondern über allem stand und steht auch das bevorstehende Ausscheiden von Karl-Heinz Spieß aus der Greifswalder akademischen Activitas, zumindest was seine Stellung als C4-
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Im Folgenden gelangt die am 14. Juni 2014 gehaltene Ansprache des Verfassers zum Abschluss der Greifswalder Tagung in leicht überarbeiteter Version zum Abdruck. Der Redecharakter wurde absichtlich beibehalten, um so nochmals etwas von der Aura des Kolloquiums zu Ehren von Karl-Heinz Spieß einzufangen.
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Professor für die Allgemeine Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften betrifft. Lieber Karl-Heinz, das war und ist Deine Tagung! Damit meine ich, dass sämtliche Leute, die sich an den letzten beiden Tagen hier fürstlich im Alfried Krupp Wissenschaftskolleg versammelten, bei allem hohen Interesse an der Materie und womöglich vorhandener Neugierde auf Greifswald auch und nicht zuletzt Deinetwegen den eigentlich stets langen Weg hierher auf sich nahmen, als ein verspätetes Geschenk zum 65. Geburtstag. Wie es sich für jemanden geziemt, der sich jahrzehntelang mit gekrönten Häuptern wissenschaftlich befasst hat, folgtest Du auch bei der Feier dieses Geburtstages dem Beispiel der Queen und verlegtest die Feier einfach in die schönere Jahreszeit. Wir alle folgten dem Ruf ins frühsommerliche Greifswald sehr gern und natürlich lieber als im Winter. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wann und wie die Idee zur Tagung aufkam. Alles begann mit der Frage nach einer Festschrift. Die Planungen zu einer solchen waren angelaufen, ein Autorenverzeichnis kristallisierte sich heraus. Ich hatte Thomas Zotz um die Adressen der Mitglieder des Konstanzer Arbeitskreises gebeten, die er mir liebenswürdiger Weise sogleich zukommen ließ. Es ist eine ebenso erstaunliche wie beruhigende Gabe, über die Karl-Heinz als Chef und väterlicher Mentor stets verfügte, dass er immer genau spürt, wann etwas im Busche war oder ist. So sprach er mich genau zu dieser Zeit in seiner ehrlich-direkten Art und Weise auf etwaige Planungen an, ohne dass etwas unserer Vorbereitungen zu ihm durchgesickert war. Ehrlich deswegen, weil er mir gegenüber einfach frank und frei gestand, dass es ihm ein Graus sei, an seinem 65. Geburtstag ganz allein in seinem Büro eine Büchersendung vorzufinden, in der sich dann eine ihm gewidmete Festschrift befinde. Zur Erinnerung: Sein Geburtstag war am 4. Dezember 2013, und niemand kommt im Regelfall im Dezember nach Greifswald, es sei denn, man muss es tun. Das Szenario, das Karl-Heinz vor Augen stand, war also nicht ganz unberechtigt. „Was wäre denn dann Deine Vorstellung?“, fragte ich, und eigentlich wusste ich schon die Antwort, weil ich mein Gegenüber als leutseligen Menschen kennen und schätzen gelernt habe. „Viel lieber wäre es mir, wenn alle Kolleginnen und Kollegen, die mir über die Jahre ans Herz gewachsen sind und denen ich mich freundschaftlich verbunden fühle, mit mir diesen Geburtstag gemeinsam feiern würden“, lautete seine Antwort tatsächlich. Und so kamen wir einvernehmlich auf die Idee zu diesem Symposium mit den gestern und heute zu Wort Gekommenen, nicht im kalten dunklen Dezember Vorpommerns, sondern im sommerlich-hellen Greifswalder Juni. Nebenbei hat der Termin seine Tradition, denn die erste „Principes“-Tagung, die gestern schon erwähnt wurde und an der auch manche der heute Anwesenden teilnahmen, fand justament vom 15. bis zum 18. Juni 2000 in Greifswald statt. Der Kreis schließt sich also mit der terminlichen Würde, die sich für eine Abschlusstagung zu einem fürstlichen Projekt gebührt. Und man muss es an dieser Stelle doch einmal ganz klar und deutlich sagen: Es spricht für den hohen Grad der wissenschaftlichen Anerkennung und für die hohe Wertschätzung, die Du, lieber Karl-Heinz, als Mensch und Kollege allgemein genießt, dass all die Freundinnen und Freunde, die von uns eingeladen wurden, ohne langes Zögern ihre Teilnahme zusagten. Und es kamen erfreulicherweise noch viele Kollegen und Freunde
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mehr hierher, die wir seinerzeit aus zeitlichen und finanziellen Gründen jeweils schweren Herzens nicht auf die Aktivenliste zu setzen vermochten. Der Mensch und Kollege Spieß zeigte sich auch in der näheren Spezifizierung des Tagungsprogramms. Natürlich musste es um Principes gehen. Um Principes drehte sich ohnehin fast alles am Lehrstuhl. So darf man das im emotional verklärenden Rückblick aus Anlass der Abschlusstagung getrost konstruieren. Obwohl es nicht stimmt. Bekanntlich sind es der Spießschen Standbeine viele – und dann wohlgemerkt auch zugleich immer äußerst solide: Das Lehnswesen in all seinen Facetten gehört dazu2, Familie und Verwandtschaft im Mittelalter ganz allgemein3, Universitätsgeschichte4, ländliches Leben und Gemeindestrukturen samt Weistumsforschung5, technische Innovationen6, leider etwas an den Rand geraten, aber ungemein beeindruckend in ihrer Dichte auch Ausflüge in die Ortschronistik7. Ich darf aus meiner eigenen Erinnerung anführen, dass das erste Buchprojekt, mit dem ich als frischer Assistent am Greifswalder Mittelalterlehrstuhl im Jahr 2001 in Berührung kam, nicht etwa der in der renommierten Reihe der Residenzenkommission erschienene Band der „Principes“-Tagung von 2002 war,8 sondern der 2001 gedruckte Band „Studentisches Aufbegehren in der frühen DDR“, den Karl-Heinz gemeinsam mit Heinz-Peter Schmiedebach herausgab.9 Aber beim „Principes“Projekt handelte und handelt es sich doch um ein ganz besonderes Greifswalder „Baby“ – Bernd Schneidmüller sprach in seinem Beitrag von der „Greifswalder Schule“ –, so dass die thematische Fokussierung hinsichtlich der geplanten Tagung nicht ernsthaft schwerfallen konnte. Karl-Heinz hat gestern bereits eine kurze Bilanz geliefert: Zwei erfolgreiche Habilitationen, vier abgeschlossene Dissertationen und weitere drei, die kurz vor dem Abschluss stehen, sind allein schon ein beachtlicher oder – im heutigen Hochschuljargon – exzellenter Auswurf eines Forschungsprojekts dieses vergleichsweise bescheidenen Förderungsvolumens. Bei manchen anderen Projekten kommt für mehr DFG-Geld deutlich weniger unter dem Strich heraus, vor allem wenn man die Bilanz noch ausweitet: Denn hinzu kommen noch Karl-Heinz’ Monographie über Fürsten und Höfe10, zahlreiche Vorträge und Aufsätze aller Beteiligten, überhaupt stolze sechs Tagungen – neben der Auftakt- und Abschlusstagung 2000 und 2014 waren dies die Kiel-Greifswalder Tagung zu Fürsten an der Zeitenwende11 sowie die Tagung „Kulturtransfer am Fürstenhof“12, beide im Frühjahr 2008, das Symposium zum 60. Geburtstag von Karl-Heinz Spieß mit dem Titel „Membra imperii – Fürsten und höherer Adel im Reich“ im Dezember 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
spiess 2009; Ausbildung und Verbreitung 2013. Die Familie in der Gesellschaft des Mittelalters 2009. Universität und Gesellschaft 2006. Ländliche Rechtsquellen 1986. spiess 2010. Nieder-Olm 1983. Principes 2002. Studentisches Aufbegehren 2001. spiess 2008. Fürsten an der Zeitenwende 2009. Kulturtransfer 2013.
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2008, die Tagung „Death at Court“ in 201013 sowie die Tagung zu Fürstlichen Erbeinungen im März 201214 –, nicht zu vergessen die synergetische Einbeziehung der in den Archiven auf DFG-Kosten recherchierten, kopierten oder verfilmten Quellen immer wieder auch in die Lehre. Zu guter Letzt sei die fruchtbare Kooperation mit anderen „Fürstenfreunden“ außerhalb der Universität Greifswald angeführt. Es ist mir sicher erlaubt zu erwähnen, dass Karl-Heinz natürlich sein Doktorandenkolloquium gern z. B. für Jörg Peltzer zur Klärung von Rangfragen als Diskussionsforum zur Verfügung stellte.15 Die im Grußwort zu Beginn unserer Tagung geäußerte Freude des Prorektors über das Projekt in seiner gesamtuniversitären Stellung ist demnach nicht bloße Abschlussrhetorik gewesen, sondern ganz und gar berechtigt. Also Principes als Thema, doch entschieden wir uns für die geweitete vergleichende Perspektive: König, Reich und Fürsten im Mittelalter. Das war nicht nur dem inzwischen erreichten Wissens- und Forschungsstand, auch über Greifswald hinausgehend, geschuldet, sondern – und dies hatte Karl-Heinz von Anfang an auch im Blick – es bot den Beteiligten in wohltuender Offenheit die Chance, eigene Interessen und Schwerpunkte mit den unsrigen synergetisch zu verbinden. Nicht nur Karl-Heinz sollte damit auf der Tagung, während alle anderen fest für ihn schufteten, zum Feiern zumute sein, sondern ebendiesen allen anderen auch. Das bezog sich erfreulicherweise selbst auf mich, der ich die ehrenvolle Bürde des letzten Redners übernehmen durfte. Bewusst ist daher nicht von Zusammenfassung im Programm die Rede, welche mir die letzte Nachtruhe noch mehr verkürzt hätte als dieses Schlusswort, das ich nun Ihren Ohren feilbiete. Eine knappe Zusammenfassung wird wohlgemerkt aber im Band zu dieser Tagung geliefert16, womit ich en passent nochmals alle, die es betrifft, freundlich daran erinnere, dass an jedem Schluss immer und auch diesmal der Anfang von etwas Neuem steht. Damit meine ich die nun hoffentlich rasch zu beginnende Arbeit an den aus den Referaten zu generierenden Aufsätzen für den Tagungsband, dessen Drucklegung schon voll und ganz finanziert ist. Der nächste 4. Dezember steht vor der Tür, meine Damen und Herren. Wir haben ein zeitlich und kräftemäßig anspruchsvolles Programm hinter uns: 17 Vorträge mit einem insgesamt beeindruckend breiten epochalen, fachlich-methodischen, räumlichen und thematischen Spektrum. Von den Merowingern über staufische Ressourcen bis Luther und Cranach, vom Diskursangebot aus der Germanistik und Theoretisierungen zum Begriff der Außenpolitik bis zur Quellenstudie en detail, vom kleinen hohenlohischen Neuenstein zu den entregionalisierten Fürsten sowie dem horizontalen Gewerbe in Königsnähe, vom Zotz-Fouquet’schen „Zickzackkurs“ der königlichen Städtepolitik bis zu einem Dänenkönig auf geschäftiger Pilgerfahrt, geistlichen Fürstinnen zwischen Familie und Reich oder Gelehrten in königlichen und fürstlichen Diensten. Die vielen verschiedenen Vorträge 13 14 15 16
Death at Court 2012. Erbeinungen 2014. peltzer 2013. Siehe die entsprechenden Passagen in der Einleitung zu diesem Band: Oliver Auge: König, Reich und Fürsten im Mittelalter – eine Hinführung, S. 13–21.
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zeigen in ihrer Gesamtheit mit aller Vehemenz, dass das Thema der Fürsten in seinen weiteren Bezügen und Zugriffsmöglichkeiten nach wie vor auf unserer Agenda steht, und zwar ganz zu Recht. Als „Kind“ des „Principes“-Projekts, der ich eines bin, erfüllt es mich natürlich – und sicher ebenso wie Karl-Heinz Spieß – mit Freude, es implizit oder explizit, wie im Beitrag von Enno Bünz, zu vernehmen, dass dieses Projekt der Zunft nachhaltige Anregungen zu vermitteln vermochte. Die Diskussionen nach den Vorträgen waren entsprechend lebhaft, wenngleich ich ein gewisses Unbehagen darüber nicht verhehlen möchte, dass die vielen jüngeren Teilnehmerinnen und Teilnehmer Bernd Schneidmüllers Begrifflichkeit von der „hierarchisierten Verantwortungsgesellschaft“ offenbar allzu wörtlich nahmen und sich oft vornehm bei den Fragen zurückhielten. Die Möglichkeit, so viele gestandene Mediävistinnen und Mediävisten mit Rang und Namen in einem Raum versammelt zu haben, bietet sich in Greifswald womöglich nicht gleich übermorgen wieder. Ich möchte daher die Hinterbänkler der Tagung mit Nachdruck ermutigen, wenigstens morgen auf der Exkursion das Gespräch zu suchen. Die Kolleginnen und Kollegen sind wirklich nicht bloß Karl-Heinz Spieß gegenüber aufmerksam und aufgeschlossen, sondern Ihnen allen gegenüber. Martin Kintzinger hat dazu doch das richtige Stichwort geliefert: Inter pares sind wir hier – als prinzipiell Interessierte und als Freunde von Karl-Heinz Spieß! Auch eine Schlussbemerkung sollte einmal zum Ende kommen. Das mache ich am besten, wenn ich noch kurz über die Aussagekraft des Wortes „Abschluss“ sinniere: Eine Abschlusstagung des Projektes ist dies hier, wenn wir einmal ehrlich sind, vielleicht in formaler Hinsicht, aber real mitnichten. Denn das Projekt lebt in unserer laufenden Arbeit weiter: Die nächsten Vorträge von Karl-Heinz zum Thema stehen schon ins Haus. Auch an ein gemeinsames Editionsprojekt zur fürstlichen Korrespondenz ist gedacht. Eine Tagung zu den „kleinen“ Fürsten, die Michael Hecht, Jan Brademann und Gerrit Deutschländer mit mir gemeinsam planen, wird im April 2016 in Dessau stattfinden.17 Karl-Heinz Spieß ist selbstverständlich mit einem Vortrag dabei.18 Die restlichen Greifswalder Doktorandinnen und Doktoranden wollen ihre Themen demnächst abschließen. Aber meine Doktorandinnen zum Thema – Melanie Greinert zu den Gemahlinnen der Herzöge von Schleswig-Holstein Gottorf, Franziska Hormuth zu den Herzögen von Sachsen-Lauenburg, Frederieke Maria Schnack zur Heiratspolitik der Herzöge von Braunschweig – stecken noch mittendrin oder fangen gerade erst damit an.19 Vielleicht also wird bald nicht mehr Greifswald der einzige Nabel der „Principes“-Welt sein, was es ja ohnedies nie war und sein mochte, wenn man an all die fruchtbaren Ansätze und Beiträge aus Freiburg, Heidelberg, Leipzig, Mainz oder sonstwoher denkt. In Kiel lässt es sich künftig gleichfalls gut Fürsten erforschen. 17 18 19
„Kleine Fürsten“ im Alten Reich. Stukturelle Zwänge und soziale Praktiken im Wandel. Siehe den mittlerweile publizierten Tagungsbericht von Volquartz 2016. Der Titel des Vortrags lautete: „Große Fürsten – kleine Fürsten: Kriterien der Zuordnung“. Mittlerweile erschienen ist die mit dem Preis des Collegium Philosophicum der CAU zu Kiel für hervorragende Abschlussarbeiten 2016 prämierte Masterarbeit von Frederieke M. Schnack (schnack 2016).
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Und ich habe es damit schon angedeutet: Auch eine Abschlusstagung für KarlHeinz Spieß’ Forschertätigkeit ist das hier zum Glück nicht. Es geht weiter. Das freut uns! Principes werden dabei sicher ein Thema sein; ein anderes, das KarlHeinz auch immer wieder in Vorträgen umtrieb und womöglich noch künftig umtreiben wird, bietet mir die gesuchte Gelegenheit, mit meinen Schlussbemerkungen zu „König, Reich und Fürsten“ zum Ende zu kommen: „Essen und Trinken im Mittelalter“. Lieber Karl-Heinz, mit 66 Jahren fängt bekanntlich das Leben an, glauben wir Udo Jürgens. Insofern ist es mir erlaubt, Dich in der Mitte Deiner Lebenserwartung, in Deinem Mittelalter also, anzusiedeln und – Deines beliebten Vortragsthemas eingedenk – Dich und Sie alle anderen auch nun zum Verlassen des Krupp-Kollegs und zum Essen und Trinken im Restaurant Herrmann zu drängen! Nach all dem vielen Hören, Reden, Sitzen und Denken haben wir uns das Essen und Trinken redlich verdient. Aber erweisen Sie sich im Hinblick auf den frühen Aufbruch morgen durchaus auch im weiteren Verlauf des Abends als Verantwortungsgesellschaft im Sinn Bernd Schneidmüllers und übertreiben Sie es mit dem Konsum von Bier und Wein nicht allzu sehr. Vielen Dank! Literaturverzeichnis Ausbildung und Verbreitung des Lehnswesens im Reich und in Italien im 12. und 13. Jahrhundert (Vorträge und Forschungen, 76), hg. von Karl-Heinz Spieß, Ostfildern 2013. Death at Court, hg. von Karl-Heinz Spieß/Immo Warntjes, Wiesbaden 2012. Erbeinungen und Erbverbrüderungen in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Generationenübergreifende Verträge und Strategien im europäischen Vergleich (Studien zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgeschichte, 17), hg. von Mario Müller/Karl-Heinz Spieß/Uwe Tresp, Berlin 2014. Die Familie in der Gesellschaft des Mittelalters (Vorträge und Forschungen, 71), hg. von Karl-Heinz Spieß, Ostfildern 2009. Fürsten an der Zeitenwende zwischen Gruppenbild und Individualität. Formen fürstlicher Selbstdarstellung und ihre Rezeption (1450–1550). Wissenschaftliche Tagung, Landeskulturzentrum Schloß Salzau, 27.–29. März 2008 (Residenzenforschung, 22), hg. von Oliver Auge/Ralf-Gunnar Werlich/Gabriel Zeilinger, Ostfildern 2009. Kulturtransfer am Fürstenhof. Höfische Austauschprozesse und ihre Medien im Zeitalter Kaiser Maximilians I. (Schriften zur Residenzkultur, 9), hg. von Matthias Müller/Karl-Heinz Spieß/ Udo Friedrich, Berlin 2013. Ländliche Rechtsquellen aus dem kurtrierischen Amt Cochem (Geschichtliche Landeskunde, 23), bearb. von Christel Krämer/Karl-Heinz Spieß, Stuttgart 1986. Nieder-Olm. Der Raum der Verbandsgemeinde in Geschichte und Gegenwart, hg. von Karl-Heinz Spieß, Alzey 1983. peltzer, Jörg: Der Rang der Pfalzgrafen bei Rhein. Die Gestaltung der politisch-sozialen Ordnung des Reichs im 13. und 14. Jahrhundert (RANK. Politisch-soziale Ordnungen im mittelalterlichen Europa, 2), Ostfildern 2013. Principes. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter. Interdisziplinäre Tagung des Lehrstuhls für Allgemeine Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften in Greifswald in Verbindung mit der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen vom 15.–18. Juni 2000 (Residenzenforschung, 14), hg. von Cordula Nolte/Karl-Heinz Spieß/ Ralf-Gunnar Werlich, Stuttgart 2002.
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schnack, Frederieke Maria: Die Heiratspolitik der Welfen von 1235 bis zum Ausgang des Mittelalters (Kieler Werkstücke A, 43), Frankfurt a. M. 2016. spiess, Karl-Heinz: Fürsten und Höfe im Mittelalter, Darmstadt 2008. Ders.: Das Lehnswesen in Deutschland im hohen und späten Mittelalter (Steiner Geschichte), Stuttgart 22009. Ders.: Innovation in der Energieerzeugung und in der Technik des Mittelalters, in: Aufbruch im Mittelalter – Innovationen in Gesellschaften der Vormoderne. Studien zu Ehren von Rainer C. Schwinges, hg. von Christian Hesse/Klaus Oschema, Ostfildern 2010, S. 87–124. Studentisches Aufbegehren in der frühen DDR. Der Widerstand gegen die Umwandlung der Greifswalder Medizinischen Fakultät in eine militärmedizinische Ausbildungsstätte im Jahr 1955 (Beiträge zur Geschichte der Universität Greifswald, 2), hg. von Heinz-Peter Schmiedebach/ Karl-Heinz Spieß, Stuttgart 2001. Universität und Gesellschaft. Festschrift zur 550-Jahrfeier der Universität Greifswald 1456–2006, hg. von Dirk Alvermann/Karl-Heinz Spieß, 2 Bde., Rostock 2006. Volquartz, Jens Boye: Tagungsbericht zu: „Kleine Fürsten“ im Alten Reich. Strukturelle Zwänge und soziale Praktiken im Wandel (1300–1800). Dessau, 15.04.–17.04.2016, in: H-SOZ-KULT, 23.07.2016, URL: www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6624 (12. September 2016).
ABBILDUNGSNACHWEISE Inter Pares: Innere und äußere Referenzen fürstlicher Politik im Spätmittelalter. Gegenwärtige Fragen an die vormoderne Geschichte (Martin Kintzinger): Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6:
Hoensch 1996, S. 335. http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/59/Buch-kaiser-sigismund-L09740-26-lr-11.png [03.09.2015] Paris, Bibliothèque nationale de France, département des Manuscrits, Français 6465, fol. 444; Abb. nach: http://expositions.bnf.fr/fouquet/enimages/chroniques/ f048.htm [03.09.2015] Paris, Bibliothèque nationale de France, département des Manuscrits, Français 6465, fol. 301v; Abb. nach: http://expositions.bnf.fr/fouquet/grand/f032.htm [03.09.2015] London, British Library, Cotton Ms. Nero E.11; Abb. nach: http://www.wga.hu/ art/m/master/boucicau/chroniqu.jpg [03.09.2015] Caprarola, Palazzo Farnese; Abb. nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/ commons/8/86/Franz_I_und_Karl_V.JPG [03.09.2015]
Hofkunst zwischen Konkurrenz und Kulturalität. Die Kunstförderung an den Höfen Kaiser Maximilians I. und Kurfürst Friedrichs III. von Sachsen als Element fürstlicher Statuskonkurrenz (Matthias Müller): Abb. 1–17: Alle Bildvorlagen aus dem Archiv des Verfassers. König Christian in Italien (1474) (Werner Paravicini): Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5a–b: Abb. 6a–b: Abb. 7a–b: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10:
Esch 1998, S. 117 Etting 1998, S. 132 Signorini 2007, S. 242, Abb. 195 Etting 1998, S. 150 Signorini 2007, S. 240, Abb. 193 Signorini 2007, S. 241, Abb. 194 Signorini 2007, S. 67f., Abb. 70f. Signorini 2007, S. 188f., Abb. 138 Signorini 2007, S. 188f., Abb. 138 (Ausschnitt) Signorini 2007, S. 190, Abb. 139 Luther und die Fürsten (Andreas Ranft):
Abb. 1: Abb. 2:
Lutherstadt Wittenberg. Weltgeschichte erleben, URL: http://bilder.wittenberg.de/ nl/images/katharinenportal.jpg [15.06.2016] Kronach, Fränkische Galerie, Bayerisches Nationalmuseum München, Foto: Bastian Krack
522 Abb. 3a: Abb. 3b: Abb. 4a: Abb. 4b: Abb. 4c: Abb. 4d: Abb. 5a: Abb. 5b: Abb. 5c: Abb. 5d: Abb. 6a–b: Abb. 7: Abb. 8a–b: Abb. 9a–b: Abb. 9c: Abb. 10a: Abb. 10b: Abb. 11a–b: Abb. 12a: Abb. 12b: Abb. 13a: Abb. 13b: Abb. 13c: Abb. 13d: Abb. 13e: Abb. 13f: Abb. 13g: Abb. 13h: Abb. 14: Abb. 15a–19: Abb. 20–22: Abb. 23: Abb. 24: Abb. 25: Abb. 26: Abb. 27a: Abb. 27b: Abb. 28a–b: Abb. 29a–b: Abb. 30: Abb. 31:
Abbildungsnachweise bpk / Bayerische Staatsgemäldesammlungen Kronach, Fränkische Galerie Bayerisches Nationalmuseum München, Foto: Bastian Krack bpk / Klassik Stiftung Weimar, Foto: Anne Levin Winnipeg, Winnipeg Art Gallery Coburg, Kunstsammlungen der Veste Coburg Gotha, Stiftung Schloss Friedenstein Kassel, Gemäldegalerie alter Meister Coburg, Kunstsammlungen der Veste Coburg Stiftung Luther Gedenkstätten bpk / Klassik Stiftung Weimar Gotha, Stiftung Schloss Friedenstein Dresden, Staatliche Kunstsammlungen Basel, Kunstmuseum Basel, Foto: Martin P. Bühler bpk / Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Foto: Wolfgang Pankoke Weimar, Klassik Stiftung Weimar Kopenhagen, Statens Museum for Kunst Stockholm, Nationalmuseum, Foto: Erik Cornelius Eisenach, Wartburg Stiftung, Foto: Cranach Digital Archive Coburg, Kunstsammlungen der Veste Coburg Hamburg, Kirchenkreis Alt-Hamburg Basel, Kunstmuseum Basel, Foto: Martin P. Bühler Wittenberg, Evangelisches Predigerseminar akg / London, National Gallery London Dessau, Anhaltische Gemäldegalerie Weimar, Klassik Stiftung Weimar bpk / Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Foto: Wolfgang Pankoke Schlossmuseum Sondershausen, Standort: Klassik Stiftung Weimar, Museen bpk / Bayerische Staatsgemäldesammlungen Toledo, Toledo Museum of Art Dessau, Evangelische Kirchgemeinde St. Johannis und St. Marien Bildarchiv Foto Marburg, Foto: Dieter Schumacher bpk / Hamburger Kunsthalle, Foto: Elke Walford Bayerische Staatsgemäldesammlungen Forschungsbibliothek Gotha, Th 8° 03378 (01) Schmidt 2002b, S. 41 Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 11.5 Aug. 2°, BI. 371 Schmidt 2002b, S. 53 Dresden, Sächsische Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden/Deutsche Fotothek, Foto: Walter Möbius Dresden, Sächsische Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden/Deutsche Fotothek, Foto: Max Nowak Dresden, Sächsische Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden/Deutsche Fotothek, Foto: Heinz Nagel Bildarchiv Foto Marburg Forschungsbibliothek Gotha, Theol. 2° 367/3 Schmidt 2002b, S. 43f. Bildarchiv Monheim, Foto: Lisa Hammel, Annet van der Voort
FARBABBILDUNGEN
FARBABBILDUNGEN ZUM BEITRAG KINTZINGER
Abb. 2: Begegnung König Sigismunds mit Herzog Friedrich von Österreich Eberhard Windecke, Buch von Kaiser Sigmund, fol. 49r (Privatbesitz)
526
Farbabbildungen zum Beitrag Kintzinger
Abb. 3: Kaiser Karl IV. wird 1377 vor Paris durch den französischen König Karl V. empfangen. Illustration in den „Grandes Chroniques de France“
Abb. 4: König Eduard I. von England wird 1274 von König Philipp IV. von Frankreich mit dem Herzogtum Guyenne (Aquitanien) belehnt. Illustration in den „Grandes Chroniques de France“
Farbabbildungen zum Beitrag Kintzinger
527
Abb. 5: Karl der Große kehrt nach dem Tod Rolands in sein Reich zurück. Illustration in den „Grandes Chroniques de France“
Abb. 6: Kaiser Karl V. und König Franz I. von Frankreich reiten 1540 gemeinsam in Paris ein. Fresko von Taddeo Zuccari, um 1559
FARBABBILDUNGEN ZUM BEITRAG PARAVICINI
Abb. 1: Erhard Etzlaubs Nürnberger Romwegkarte (ca. 1499). Die dänische Route beginnt unten in Ripen/Ribe (Ryp) und führt über Flensburg, Schleswig, Neumünster und Plön nach Norden, der ungewohnterweise oben liegt. Segeberg und Reinfeld, Beginn und Ende von Christians Reise, sind nicht verzeichnet, aber Lübeck, die zweite Station. Rom ist vieltürmig am oberen Rand zu sehen. – Siehe Anm. 41.
Farbabbildungen zum Beitrag Paravicini
529
Abb. 3: Der Abschied König Christians von dem links hinter ihm dargestellten Bartolomeo Colleoni in Malpaga (Ausschnitt), Teil eines Freskenzyklus in der ‚Sala terrena‘ der Burg, ca. 1535 gemalt von Girolamo Romanino bzw. Marcello Fogolino, zwei Generationen nach dem Ereignis, möglicherweise unter Verwendung älterer Vorlagen, doch in den gegenwärtigen Kostümen. Der Mantel ist, wenn nicht schwarz, so doch dunkel gehalten und schwarz verziert. Der König trägt einen (Pilger-)Bart. – Siehe Anm. 52.
530
Farbabbildungen zum Beitrag Paravicini
Abb. 4: Mantegnas vermutetes Porträt König Christians I. (links Kaiser Friedrich III., rechts der Erbprinz Federico Gonzaga) auf der ‚Incontro‘-Seite der ‚Camera dipinta‘ im Castello S. Giorgio zu Mantua, Mai 1474. Der König ist bartlos, langes Haar (siehe Abb. 5a und 6a) ist jedoch nicht zu erkennen. Vgl. unten Abb. 8 und 10. – Siehe Anm. 348.
Abb. 7b: König Christian mit Gefolge kniet schwarzgekleidet (ebenso wie zwei Gefolgsleute) nach dem Empfang der Goldenen Rose vor Papst Sixtus IV., 11. April 1474. Am linken Rand ein Herold mit seinem Wappenschild (vgl. Abb. 6b). Eine Inschrift erinnert an seine Pilgerfahrt und den ihm gewährten Empfang. Wenig späteres, schlecht erhaltenes Fresko im Spital S. Spirito in Sassia zu Rom, Corsia Sistina, Sala Lancisi. – Siehe Anm. 307. Vgl. Abb. 7a.
Farbabbildungen zum Beitrag Paravicini
Abb. 8: Mantegnas ‚Incontro‘-Szene der Westwand im Castello S. Giorgio zu Mantua. Gesamtansicht. – Siehe Anm. 348.
531
532
Farbabbildungen zum Beitrag Paravicini
Abb. 9: Der linke zerstörte Rand der ‚Incontro‘-Szene, die möglicherweise die Porträts Kaiser Friedrichs III. und König Christians I. enthielt. Man beachte die allein erhaltene Hand. – Siehe Anm. 348.
Farbabbildungen zum Beitrag Paravicini
533
Abb. 10: Die rechte Seite mit der Darstellung Markgraf Ludovicos, des Kardinals Francesco und, nach vorherrschender Meinung, den Porträts Kaiser Friedrichs III. (links), König Christians (Mitte, vgl. oben Abb. 4) und des Erbprinzen Federico Gonzaga. – Siehe Anm. 348.
FARBABBILDUNGEN ZUM BEITRAG MÜLLER
Abb. 1: Der russische Präsident Vladimir Putin zu Pferde in der südsibirischen Republik Tuwa (2013, Foto: Reuters)
Farbabbildungen zum Beitrag Müller
Abb. 2: Tizian: Kaiser Karl V. zu Pferd (1548, Madrid, Prado)
535
536
Farbabbildungen zum Beitrag Müller
Abb. 4: Tizian: Johann Friedrich von Sachsen (ca. 1550/51, Wien, Kunsthistorisches Museum)
Farbabbildungen zum Beitrag Müller
Abb. 5: Lucas Cranach d. Ä.: Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen (kolorierter Holzschnitt, 1533, Gotha, Stiftung Schloss Friedensstein)
537
538
Farbabbildungen zum Beitrag Müller
Abb. 6: Lucas Cranach d. Ä.: Kaiser Karl V. (1552/53, Madrid, Sammlung Thyssen-Bornemisza)
Farbabbildungen zum Beitrag Müller
539
Abb. 7: Mantua, Palazzo Ducale, Castello di San Giorgio: Camera degli Sposi, 1465–1474 von Andrea Mantegna ausgemalt
540
Farbabbildungen zum Beitrag Müller
Abb. 8: Antonio Pisanello: Bildnis des Leonello d’Este (1441, Bergamo, Accademia Carrara)
Farbabbildungen zum Beitrag Müller
Abb. 9: Albrecht Dürer: Selbstbildnis im Pelzmantel (1500, München, Alte Pinakothek)
541
542
Farbabbildungen zum Beitrag Müller
Abb. 10: Albrecht Dürer und Albrecht Altdorfer: Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. (kolorierte Holzschnitte, 1517/18, Wien, Albertina)
Farbabbildungen zum Beitrag Müller
543
Abb. 12: Jacopo de’ Barbari: Stillleben mit totem Fasan, Armbrustbolzen und Eisenhandschuhen (1504, München, Alte Pinakothek)
544
Farbabbildungen zum Beitrag Müller
Abb. 13: Bernhard Strigel: Bildnis König Maximilians I. (1507, Wien, Kunsthistorisches Museum)
Farbabbildungen zum Beitrag Müller
545
Abb. 14: Lucas Cranach d. Ä.: Katharinenaltar (so genannter Dresdner Altar) (1506, Dresden, Gemäldegalerie)
Abb. 16: Lucas Cranach d. Ä.: Porträtdiptychon Kurfürst Friedrichs des Weisen und Kurfürst Johanns des Beständigen (Öl auf Holz und bedruckte Papierbögen, 1532, Weimar, Gemäldegalerie der Klassik Stiftung)
546
Farbabbildungen zum Beitrag Müller
Abb. 15: Lucas Cranach d. Ä.: König David und Bathseba (ca. 1526, Berlin, SMPK)
Farbabbildungen zum Beitrag Müller
547
Abb. 17: Barthel Beham: Herzog Ludwig X. von Bayern (1531, Wien, Palais Liechtenstein)
FARBABBILDUNGEN ZUM BEITRAG RANFT
Abb. 1: So genanntes Katharinenportal des Wittenberger Wohnhauses
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 2: Lucas Cranach: Johann der Beständige (1532)
549
Abb. 3a: Lucas Cranach: Martin Luther (1532)
Abb. 3b: Lucas Cranach: Johann der Beständige (1532)
550 Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 4a: Lucas Cranach: Friedrich der Weise (1532)
Abb. 4c: Lucas Cranach: Johann der Beständige (1532)
551
Abb. 4b: Lucas Cranach: Johann der Beständige von Sachsen (1533)
Abb. 4d: Lucas Cranach: Johann der Beständige (1536)
Abb. 5a: Lucas Cranach d. J.: Martin Luther (1565)
Abb. 5b: Lucas Cranach: Martin Luther (1540)
552 Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 5c: Lucas Cranach: Martin Luther (1541)
Abb. 5d: Lucas Cranach d. J.: Martin Luther (1546)
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
553
554
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 6a: Lucas Cranach: Martin Luther (1529)
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 6b: Lucas Cranach: Katharina von Bora (1529)
555
556
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 7: Lucas Cranach d. J.: Moritz von Sachsen und Agnes (1559)
Abb. 8a: Lucas Cranach: Martin Luther (1525)
Abb. 8b: Lucas Cranach: Katharina von Bora (1525)
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 9a: Lucas Cranach: Porträtmedaillon Friedrichs des Weisen (1525)
557
Abb. 9b: Lucas Cranach: Porträtmedaillon Johanns des Beständigen (1525)
Abb. 9c: Unbekannt (flämisch, Brüssel): Kapselmedaillon mit Portrait Johann Friedrichs des Großmütigen, Kurfürst von Sachsen, für seine Gemahlin Sibylle von Cleve (1548)
558
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 10a: Lucas Cranach: Portrait einer vornehmen Frau (1534)
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 10b: Lucas Cranach: Katharina von Bora (1526)
559
560
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 11a: Lucas Cranach: Hans Luther (um 1527)
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 11b: Lucas Cranach: Margarete Luther (um 1527)
561
562
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 12a: Lucas Cranach: Friedrich der Weise (1515)
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 12b: Lucas Cranach: Christoph Ering (1532)
563
564
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 13a: Lucas Cranach (?): Martin Luther (um 1600)
Abb. 13c: Lucas Cranach: Johannes Feige (um 1524)
Abb. 13b: Lucas Cranach: Johannes Bugenhagen (1537)
Abb. 13d: Lucas Cranachs Nachfolger Peter Rodelstedt: Paulus von Berge (um 1540)
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 13e: Lucas Cranach d. J.: Gregor Brück (1557)
Abb. 13g: Lucas Cranach: Herr von Schleinitz (1526)
565
Abb. 13f: Lucas Cranach: Georg Spalatin (1537)
Abb. 13h: Lucas Cranach (Werkstatt): Philipp Melanchthon (1532)
566
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 14: Lucas Cranach d. J.: Martin Luther und die Wittenberger Reformatoren (Fragment, um 1543)
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
567
Abb. 15a: Abendmahl, Dessauer Altarbild Cranachs d. J., Johanniskirche (um 1565), Epitaph für Joachim von Anhalt (Ausschnitt): Johannes Bugenhagen
Abb. 15b: Abendmahl, Dessauer Altarbild Cranachs d. J., Johanniskirche (um 1565), Epitaph für Joachim von Anhalt (Ausschnitt): Justus Jonas
Abb. 16a: Abendmahl, Dessauer Altarbild Cranachs d. J., Johanniskirche (um 1565), Epitaph für Joachim von Anhalt (Ausschnitt): Georg von Anhalt
Abb. 16b: Abendmahl, Dessauer Altarbild Cranachs d. J., Johanniskirche (um 1565), Epitaph für Joachim von Anhalt (Ausschnitt): Martin Luther
568
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 17: Abendmahl, Dessauer Altarbild Cranachs d. J., Johanniskirche (um 1565), Epitaph für Joachim von Anhalt (Ausschnitt): Joachim von Anhalt als Lieblingsjünger neben Jesus (der dem Judas den Bissen reicht), zu seiner Rechten Luther, zu Jesu Linken Melanchthon
Abb. 19: Abendmahl, Dessauer Altarbild Cranachs d. J., Johanniskirche (um 1565), Epitaph für Joachim von Anhalt (Ausschnitt): Lebende Angehörige des anhaltischen Herrscherhauses als Abendmahlszeugen
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 18: Abendmahl, Dessauer Altarbild Cranachs d. J., Johanniskirche (um 1565), Epitaph für Joachim von Anhalt
569
Abb. 23: Lucas Cranach: Kurfürstentryptichon (ca. 1535), Friedrich der Weise, Johann der Beständige und Johann Friedrich der Großmütige
570 Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 24: Lucas Cranach: Friedrich der Weise (1532)
571
572
Farbabbildungen zum Beitrag Ranft
Abb. 31: Grabmonument Luthers (St. Michael, Jena), Bronzeguss von Heinrich Ziegler d. J. (1548) nach einem Entwurf von Lucas Cranach
ORTSREGISTER zusammengestellt von Nina Kühnle und Jan Ocker In das Ortsregister wurden alle Ortsnamen aus dem Fließtext und aus den Bildlegenden der Farbabbildungen aufgenommen; die Fußnotenapparate wurden nicht berücksichtigt. Aachen 39, 56, 63 f., 83, 92, 98–100, 122, 299, 372, 390, 392, 394, 396 f. Marienkirche 397 Marienstift 56 Abdinghof 132 f. Åbo 347 Acquapendente 264 Agen 27, 31 Albi 25 f., 31 Alemannien 94 Ålholm 346 Alpen 181, 265, 319 Altenburg 65, 442, 445 Amberg 331 Amboise 463 Amersfoort 341 Ancona (Mark) 120 Andernach 61 Andlau 369–376, 378, 380 Annweiler 92, 103 Ansbach 261, 265, 298, 324, 421 Anschouwe („Parzival“) 175 Antwerpen 396 f. Appenin 264 Apulien 107 Aquileja 94, 105 Aquitanien 27, 526 Arelat 205, 299 Århus 342 f., 350 Artlenburg 327 Aschaffenburg 454 Augsburg 78, 105 f., 229, 234, 243 f., 265, 287, 293 f., 296, 299, 324, 335, 348, 372, 409, 412, 426, 442 f., 466 Austrasien 24, 26–29 Avignon 345 f. Bacharach 426 St. Peter 426 Bad Aussee 444 f.
Bad Ditzenbach 330 Baden 106, 430 Baden-Baden 395 Baden-Württemberg 330 Bagdad 39 Balkan 38 Baltikum 318 Bamberg 323, 327 f., 333, 343 f., 430 Staatsarchiv 323 Bar 99 Barby 328–330, 351 St. Johannis 329 Basel 65, 81, 100, 102, 129, 396, 421–423, 426 Bayern 44, 56, 58, 137, 347, 429, 445 Bealzenan („Parzival“) 175 Bederkesa 327 Belle 394 Belreguardo 260 Bergamo 255, 263, 540 Accademia Carrara 540 Berlin 152, 218, 323, 334, 476, 546 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz 323 Bern 92, 224 f., 239–241, 258, 333–335, 337, 341, 426 Besançon 78, 127 Bingen 96 Bitzfeld 410 Blaufelden 415 Böhmen 328, 407 Bologna 257, 260, 262, 264, 268 f., 272 f., 276 f., 285 f., 294, 308, 310 f., 322, 329, 333, 335, 341, 422, 427 f. Dominikanerkirche 285 Palazzo de’ Signori 333 Boppard 101, 106 Borgo San Donino 98 Borgoforte 264 Bormio 263
574
Ortsregister
Boulogne 393 Bourges 31, 427 Bouvines 98 Boyneburg 130 Bozen 263, 332, 337 Brabant 176, 389–394, 396 f., 399 Brandenburg 57, 122, 213, 297, 323, 328, 338, 394 f., 409, 421 f., 425, 429–431, 446, 448, 451, 477 Brandenburg an der Havel 259 Braunschweig 57, 117, 124, 324, 337, 395, 517 St. Cyriak 337 BRD 164 Breisgau 84, 209, 423, 442 Bremen 81 f., 126, 323, 327, 341, 344 f. Brescia 263, 285 f. Breslau 276 Brixen 107, 126, 332 Brügge 237 Brüssel 393 f., 397, 557 Brunkeberg 307, 345 Buchau 371 f., 375–377, 380 Bützow 344 Burgund 24, 28, 214, 218, 226, 266, 281, 291, 331, 338, 389 f., 393, 397 f., 475 Burtscheid 392, 394 Busdorf 132 f. Byzanz 43, 201 Cahors 16, 25, 27–30 Cambrai 84, 96–99 Chalon-sur-Saône 28 Champagne 183 Chiavenna 265 Chimay 237 Cividale 85 Clermont 31 Clichy 24 f. Clos Lucé 463 Clûse („Daniel”) 178 Coburg 446, 499, 505 Moritzkirche 505 Collignola 340 S. Maria 340 Colmar 109 Comer See 264, 267, 324 Como 263 f., 268 Corbie 46 Courtray 394 Corvey 59, 79 f., 126 Crailsheim 415
Creglingen 408 Cremona 310, 338 Dänemark 214, 271, 280 f., 285, 288, 290 f., 302, 307, 313, 318, 321, 326, 328, 330, 332, 337 f., 345, 347, 351, 398 Dalby 301 Damaso 302, 349 S. Lorenzo 302, 349 Damiette 132 DDR 15, 164 f., 515 Dessau 491, 517, 567–569 Johanniskirche 567–569 Deutschland, s. Heiliges Römisches Reich Deventer 341 St. Lebuin 341 Dinant 96 Dinkelsbühl 407 Dischingen 134 Dithmarschen 259, 274, 296, 350 f. Dodône („Lanzelet“) 178 Dôle 427 Donau 64, 68 Dortmund 57, 96, 107 Douai 25 Dresden 442, 444–446, 453, 475, 545 Gemäldegalerie 545 Durlach 92 Ebersheim 75–77, 83, 85 f. Eberstein 130 Edelstetten 372 Ederheim 137 Eger 65, 328, 396 f. Eichstätt 117, 128, 132, 134 f., 430 Einbeck 341 Eisfeld 446 Elbe 63, 327, 330, 489, 492 Eldena 14 Ellwangen 138 Elsass 56, 64 f., 75, 106, 130, 209, 370 f., 375, 430 Engadin 265 England 42, 67, 203 f., 338 Eppingen 92 Erbach 121 Erfurt 105, 131, 333, 337, 347, 428, 430 Peterskloster 131 St. Marien 337 Erstein 371, 373, 380 Eschau 373 Essen 370, 373
Ortsregister Étival 370 Étrépagny 24 Ettlingen 92 Europa 38, 40, 42 f., 93, 159, 161, 212, 216–218, 227, 230, 407, 424, 427, 461, 463 Falkenstein 390 Ferrara 230, 264, 266, 320, 427 Flandern 183, 237, 390 Flensburg 528 Florenz 264, 285, 299, 310 f., 329, 332 Fosses-la-Ville 96 Franche Comté 205 Franken 56, 64, 68, 323, 407 f., 430, 446 Frankfurt am Main 63, 65, 68, 84–86, 92, 94, 96, 99, 105–107, 241, 323, 393, 397, 409, 441, 443–451, 453–456 Römer 448 f. St. Bartholomäus 448–450 Frankreich 42, 67, 69, 149, 157, 159, 161, 203–210, 217, 231, 233 f., 240, 292–294, 427, 462 f. Frauenchiemsee 444 Freiberg 500 f. Dom St. Marien 501 Freiburg 423, 428, 433, 442, 517 Friedberg 92, 96 Friesland 296, 391, 396 Fünen 335, 340 Fulda 106 Gallien 23, 346 Gallizien 308 Gandersheim 370 Garmisch-Partenkirchen 348 Geldern 390 Gelnhausen 64, 81, 92, 96 f. Genewîs („Lanzelet“) 177 Gerolzhofen 446 Germania 63, 299 Germanica 63 Romana 63 Slavica 63 Germanien, s. Germania Glasgow 342 Glüsing 327 Marienkapelle 327 Göttingen 58, 118 Gosbach 330 Goslar 57, 59, 63, 92, 96 Domstift St. Simon und Juda 59, 129
575
Gotha 537 Schloss Friedensstein 537 Gräfenthal 446 Grandmont 394 Greifswald 13–18, 20 f., 115, 201, 210, 213, 217 f., 256, 323, 332, 337 f., 342 f., 348 f., 387, 423, 456, 513–517 Grone 58 f. Günzburg 372 Gurk 125, 433 Guyenne 203, 526 Hagenau 65, 81, 84 Halberstadt 433 Hall 412 Halle 451, 486 Hamburg 272, 327, 335, 341 f., 344 St. Marien 341 f. Harz 57, 63 Haßfurt am Main 446 Haunstadt 134 Havelberg 334, 433 Hegau 341 Heidelberg 41, 45, 47 f., 239, 413, 428, 430, 433, 517 Heilbronn 371, 407, 410 Heiliger Stuhl 264, 274, 302 f., 311, 316, 329 Heiliges Land 307, 322, 39 Heiliges Römisches Reich 13, 57 f., 60, 62–64, 66–69, 83, 105, 107, 116, 118, 123, 129, 149, 152, 157, 160–162, 171, 204, 209, 213 f., 217, 261, 271, 296, 322, 328, 347, 387 f., 396, 441, 444, 463, 467 f., 473, 477, 483, 499 Heldburg 446 Helmstedt 59 St. Liudger 59 Hemsbach 136 Hennegau 80, 390 f., 393, 396 Heretsham 444 Herford 373 Hersfeld 78, 126 Hessen 388 f., 391, 393, 396–399, 408 f., 499 Hildenburg 330 Hildesheim 59, 105, 117, 128–132, 134 f., 337 Kreuzstift 129 St. Andreas 337 Hindsgaul 340 Hispania 29 Hohen-Hewen 341 Hohenburg 84, 371, 373, 376, 380 Hohenlohe 412, 415
576
Ortsregister
Holbæk 347 Holbekslot 347 Holland 391, 393, 396 Holstein 213, 255, 259, 281, 296, 318 f., 351, 399 Hornstein 348 Huy 96 Imsbach 137 Ingelheim 64 Ingolstadt 134 Innsbruck 330 f., 466 Irland 38 Italien 18, 23, 38, 56, 58, 64, 129 f., 224, 238, 255 f., 258, 264, 272, 276, 278, 296, 303, 308, 319, 321, 323, 325, 348, 462 f., 467, 471 f., 475 Jagst 408 Jena 445, 572 St. Michael 572 Jerusalem 349 f., 392 Heiliges Grab 322, 349, 392 Jülich-Kleve-Berg 432 Kaiserslautern 65 Kaiserswerth 65, 96, 101 Kassel 394 f., 397, 499, 504 Martinskirche 504 Kaufungen 79 Kempten 331 Kiel 328, 513, 515, 517 Kirchenstaat, s. Heiliger Stuhl Klein-Zecher 327, 341 Marienkapelle 327 Kleve 391–393, 398, 422 Kocher 408 Köln 63 f., 101 f., 107, 122 f., 125, 131–133, 176, 258, 272, 291, 342, 347, 398, 422, 427 f., 430, 432, 442 f., 446, 448, 453 Universität 343 f. Königsberg in Bayern 446 Königsee 446 Königstein 390 Konstanz 42, 83, 102, 232 f., 330, 341, 426, 430, 442 f., 514 Kopenhagen 255, 313, 315, 351, 390, 399 Dänisches Staatsarchiv 350 Hl. Geist-Hospital 315 Nationalmuseum 321 Universität 315, 326, 351 f. Korntîn („Wigalois“) 178
Kulmbach 323, 430 Kurköln, s. Köln Kurmainz, s. Mainz Kurpfalz 388, 409 Kursachsen, s. Sachsen Langenburg 408, 415 Laon 31 Lauenburg 323, 327 Burgkapelle 327 Lauffen 92 Lausanne 13 Lavant 433 Lebus 422, 433 Lecce 257 Leipzig 323, 330, 333 f., 428, 430, 441, 443, 517 Lille 338 Limburg 396 f. Limoges 25, 31 Lindau 371 Litauen 213 f. Lodi 330 Lochau 444, 473 Löwen 234, 341, 396, 427 f. Löwenstein 243 Lombardei 58, 298–300 London 451 Lübeck 92, 270, 272, 276, 302, 306, 312, 319, 325, 327, 340, 345, 433, 528 Lüneburg 57, 91, 337 Lüttich 84, 96, 390 Lugdun, s. Lyon Lund 301, 303 f., 317, 340, 342 f., 350, 352 Luxemburg 398 Luzern 35, 209, 348 Lyon 292 f. Maastricht 92, 96 Madrid 535, 538 Prado 535 Magdeburg 124, 329 f., 334 f. Mailand 214, 218, 257, 260, 262–268, 270, 274 f., 278 f., 281–284, 288–292, 294, 297–300, 303 f., 306, 308 f., 311, 320, 322, 326, 331, 339 Main 64, 68, 388 Mainz 60, 65, 67 f., 77, 80, 96, 102, 104–107, 122 f., 129, 136 f., 287, 299, 330, 332, 369, 388 f., 393, 409, 446, 448–450, 453, 517 Malpaga 255, 263, 266, 282, 309, 339, 529 Mansfeld 265, 324, 489, 507
Ortsregister Mantua 255 f., 259 f., 263–267, 270, 274 f., 277–284, 286–290, 292 f., 297 f., 301, 303 f., 308 f., 311 f., 316, 318–321, 327, 331 f., 334, 337, 348 f., 352, 463, 467, 475, 487, 530 f., 539 Castello S. Giorgio 279, 530 f., 539 Gonzaga-Archiv 256 Palazzo Ducale 467, 538 Mark Brandenburg, s. Brandenburg Marseille 25 Masmünster 371 Mecklenburg 213, 328, 395, 477 Meersburg 102 Meißen 470 Dom 470 Meran 262 Mergentheim 408 Merseburg 57, 63 f., 80 Dom 491 Metz 31, 97, 99, 206 Minden 126 Minsk 197 Mirandola 347 Mittelrhein 67, 388 Modena 264 Möllendorf 334 Molsheim 107 Monte Cassino 38 Monteuil 394 Montfavet 345 f. Morsum 342 Mosel 64 Mühlberg 465 Mühldorf am Inn 408, 445 Mühlingen 330, 351 München 231 f., 243 f., 345, 472–474, 477, 541, 543 Alte Pinakothek 541, 543 Münster 338, 344 Münzenberg 390 Murbach 81, 129 Namur 80 Naumburg 433 Neapel 238, 281, 295, 329 f. Neuburg an der Donau 477 Neuenstein 19, 390, 407, 409–415, 516 Hohenlohe-Zentralarchiv 390 Neumünster 528 Neuss 258, 292, 398 Neustadt an der Orla 446 Neustrien 24, 28, 32
Nevers 31 Nidda 408 f. Niederbayern-Straubing 391 Niederlande 428, 462, 475, 477 Niedersachsen 338 Nienburg 124 f. Nimwegen 64 Nördlingen 92, 412 Nordafrika 23 Nordgau (Bayern), s. Oberpfalz Nordhausen 332 Nordstrand 342 Norgals („Parzival“) 175 Normandie 203 Northeim 57 Northumbrien 38 Norwegen 280 f., 288, 318, 398 Novara 302 Noyon 26 Nürnberg 65, 68, 84, 92, 273, 323, 334, 351, 390, 393, 407, 426, 442 f., 469 f., 528 Staatsarchiv 323 Nyborg 347 Oberitalien 463, 477 Obernburg 446 Oberpfalz 64, 347 Oberrhein 66, 258 Oberschwaben 371, 430 Oberstenfeld 371 Oberwesel 92 Odense 332, 342 f. Odenwald 136 Oder 53 Öhringen 407 f., 410, 413 f. Österreich 202, 230, 274, 331, 430 Oldenburg 281, 351 Oldenzaal 341 Oppenheim 96, 100, 105, 107 Orléans 24, 340, 427 f. Ostfranken, s. Franken Ostrov nad Ohři 328 Ostsee 318 Ostseeküste 213 Ostseeraum 213 f. Ostukraine 197 Otterberg 104 Ottmarsheim 371 Paderborn 63, 117, 128, 132–135 Padua 337, 427, 467
577
578
Ortsregister
Paris 24, 48, 198, 202 f., 205 f., 209, 427, 526 f. Parma 266 Passau 126, 426 Pavia 267 f., 274, 283, 285 f., 292, 297 f., 300, 311, 326, 421, 426 f. Périgueux 27 Perugia 333 Pfalz 137, 430, 451 Pfalz-Zweibrücken 412 Pfitzingen 408 Pfullendorf 92 Piacenza 83 Pilsach 137 Pisa 467 Plassenburg 323 f. Archiv 323 f. Plön 528 Po 267 Polen 53, 213 f., 295, 319, 348 Pommern 14, 213, 328, 395, 477 Pressburg 396 f. Prignitz 270, 334 Provence 25 Quedlinburg 127, 370, 373 Rätien 285 Randers 350 Ratzeburg 327 Ravenna 94, 105, 120 Regensburg 63 f., 76, 78 f., 83, 92, 117, 129, 136 f., 313, 323, 331, 338, 372, 379, 399, 433 Niedermünster 83, 117, 371–373, 375 f., 379 f. Obermünster 83, 117, 372, 379 St. Paul 372, 379 Regnum Teutonicum, s. Heiliges Römisches Reich Reich, röm.-dt., s. Heiliges Römisches Reich Reifferscheidt 397 Reims 24, 31 Reinbeck 341 Reinfeld 255, 324, 528 Rhein 61, 63–65, 68, 272, 324 f., 332, 351, 390 Rhein-Main-Gebiet 56, 63–65 Rheinfranken 56, 58, 64 Rheinland 63, 430 Rialto 393 Rieneck 122
Ripen 342 f., 351, 528 Rochester 451 Rodez 25 Rom 18, 38, 40, 75, 205, 255, 259 f., 262, 264–266, 268–273, 275 f., 280, 282 f., 288, 297–299, 301–309, 311 f., 314–319, 323–330, 332, 334, 337–341, 344–352, 392 f., 465, 528, 530 Engelsburg 321 Palazzo Farnese 349 Porta del Popolo 312 Regola 349 S. Maria dell’Anima 288, 314, 327, 329 f., 332, 347 S. Spirito 309, 314 f., 317, 338, 350, 530 Corsia Sistina 309, 314, 530 Sala Lancisi 309, 314, 530 Sassia 309, 314, 317, 338, 350, 530 St. Peter 283 Vatikanisches Archiv 345 Vatikanpalast 270 Romagna 120 Romania 149 Roskilde 335, 340, 342 f. Rostock 334 f., 341, 344 f. Universität 344 Rothenburg ob der Tauber 261 f., 296, 327, 407 Markt 6 262 Rothenfels 446 Rouen 25 Saale 63 Sabbioneta 329 Sabina 132 Sachsen 56–58, 63–65, 82, 122 f., 215, 322, 328, 395, 429, 441 f., 444 f., 448, 470, 477, 501 Sachsen-Anhalt 330, 340 Sachsen-Lauenburg 313 f., 322, 324, 328, 341, 351, 517 Säckingen 371 Saint-Deny 245 Saint-Ouen-sur-Seine 24 Saintes 27 Salerno 329 Salmanskirchen 445, 455 Santiago de Compostela 349, 394 Sayn 295 Schenkenberg 332 Schlackenwerth 328 Schleinitz 565
Ortsregister Schleswig 273, 281, 318, 328, 341 f., 344 f., 528 Schleswig-Holsteinisches Landesarchiv 328 Schleswig-Holstein-Gottorf 517 Schönborn 327 Hl. Kreuzkapelle 327 Schonen 301 Schottland 339 Schulenburg 347 Schwaben 56 f., 64, 376, 408 Schwäbisch Hall 407, 410, 412 Schwarzes Meer 53 Schweden 272, 280, 288, 318 f., 398 Schwerin 341, 344, 433 Seckau 433 Seden 332 Seedorf 341 Seeland 339, 347, 391, 393, 396 Segeberg 255, 259, 270, 528 Seine 24 Senlis 338 f. Septimanien 25 Serenissima, s. Venedig ’s-Hertogenbosch 397 Siena 260, 264, 310 f., 348, 427 Sinding 342 Sinsheim 92 Sint-Truiden 96 Sinzig 61 Skandinavien 213 f., 302, 328 Skythisches Meer, s. Schwarzes Meer Sluis 237 Soest 57, 398 Soissons 24 f. Spanien 23, 38 Spanische Mark 204 Speyer 79 f., 96, 98, 102 f., 106, 128 f., 409 f., 413 St. Gallen 81 St. Jean de Losne 78 St. Josse-sur-Mer 393 St. Omer 97 St. Vanne 99 Steier(mark) 118 f. Steinheim 446 Stendal 430 Stetten 409 Stierberg 347 Stobo 342 Stockholm 307, 338 Stormarn 296, 351
579
Straßburg 81, 85, 102, 107, 235, 293 f., 371, 373, 375, 380, 430 St. Stephan 371–373, 376, 380 Stuttgart 331 Sylt 342 Taunus 390 Tegernsee (Kloster) 121 Thüringen 29, 57, 64 Ticino 260, 267 Tierberg 409 Tikøb 335 Tirol 332, 347 Tongeren 96 Tordsø 350 Torgau 444, 477 Toulouse 27 Tournay 394 Trentino 348 Treviglio 278 Trient 84, 98, 107, 263, 270, 331 f. Trier 61, 64, 100 f., 122, 209, 258, 291, 313, 338, 369, 446, 448, 451, 453 Tübingen 428 Turin 464 Biblioteca Reale 464 Turkø 342 Kapelle der Hl. Clara 342 Marienkirche Lykaa 342 Turku 347 Tuwa 534 Uffenheim 408 Ulm 64, 68, 102, 225, 240 f., 396, 442 Ungarn 391, 426 Urach 295, 331, 348 Urbino 330, 465, 475 USA 160, 198 Utrecht 79, 340 f., 422 St. Johann 341 Valenciennes 236 f., 394 Vatikan, s. Heiliger Stuhl Velburg 137 Veltlin 263 Venedig 84, 267, 279, 322, 327, 467 Verden 337, 344, 433 Verdun 76, 97, 99–101, 103 Verona 262 f., 340 Verrenberg 410 Viadana 267 Vicosprano 285
580
Ortsregister
Vienne 92 Vincoli 302 S. Pietro 302 Vinschgau 263 Viterbo 264 f., 304, 318 f. Völs am Schlern 332 Volterra 277, 308 Vorpommern 514 Waldenburg 407 f., 412 Waleis („Parzival“) 175 Waterloo 465 Weichsel 53 Weilnau 122 Weimar 442, 446, 466, 470, 499, 502 f., 545 Stadtkirche St. Peter und Paul 502 f. Thüringisches Hauptstaatsarchiv 470 Weißenburg 81, 129 f. Werla 59 Wesel 432 Westfalen 57, 132 Wetterau 65, 92, 102, 121, 390 Wetzlar 92 Wien 107, 230, 232, 330, 433, 466, 475, 536, 542, 544, 547
Albertina 542 Kunsthistorisches Museum 536, 544 Palais Liechtenstein 547 Wiener Neustadt 107, 421 Wiesbaden 137 Wiesensteig 330 f. Wilsnack 394 f. Wimpfen 92, 96, 407, 409 f. Wittenberg 442, 444 f., 465, 470, 472, 475–477, 484–486, 488–490, 492, 500, 548 Universität 490 Worms 64, 68, 85, 95 f., 102–109, 409 f., 442 f. Württemberg 261, 409, 430 Würzburg 64, 68, 83, 96, 101, 106, 117, 343, 426, 430, 446 Xanten 422 York 38 Zerbst 340 Ziegenhain 408 f. Zürich 44, 371 Zweibrücken 130
PERSONENREGISTER zusammengestellt von Nina Kühnle und Jan Ocker In das Personenregister wurden alle Personennamen aus dem Fließtext und aus den Bildlegenden der Farbabbildungen aufgenommen; die Fußnotenapparate wurden nicht berücksichtigt. Adalbald, Bruder des Erchinoald 25 f. Adelheid von Eberstein 341 Ado, Sohn des Audecharius 25 Adolf, Hzg. von Kleve 391, 422 Adolf VIII., Gf. von Holstein 351 Agilolfinger Chrodoald 26 Tassilo III., Hzg. von Bayern 40 Aiga, Frau des Audecharius 25 Aiudoinus, s. Dado, Bf. von Rouen 25 Albert III., Gf. von Tirol 120 Alberti, Leon Battista 462 Albrecht von Mansfeld 485 Alexander VI., Papst 326 Alexander der Große 465 Alfons X., Kg. von Kastilien und León, röm.-dt. Kg. 137 Alkuin 38, 40, 45 Altdorfer, Albrecht 468, 542 Althoff, Gerd 157 Alvermann, Dirk 20 Andermann, Kurt 19, 81, 407 Andersen, Jens 340 Anderson, Benedict 23 Andlau, Herren von Hadziga 369 f. Heinrich 374 Peter 421, 433 Petermann 374 Rudolf 374 Sophia 374 Andree, Magnus 340 Andresen, Suse 422 Angilbert, Abt von S. Riquier 38 Anichino, s. Sprenger, Heinrich Anjou-Plantagenet Eduard I., Kg. von England 203, 526 Eduard IV., Kg. von England 202 Isabella von England, Ksn. 107 Anna von Kronmetz 332
Annalista Saxo 60 Annas, Gabriele 441 Anselm von Canterbury 46, 48 Anselm von Justingen 81–84 Antedius, Presbyter 29 Anton von Ivano 411 Apelles 465, 468 Arcimboldo, Giovanni, Kard. 302 Aristoteles 42 Arnold von Boppard 79 Arnold von Rothenburg 79 Arnold, Benjamin 118 Arrivabene, Giovanni Pietro 329, 349 Artus 174, 178 f. Askanier Bernhard III., Hzg. von Sachsen 82 Georg III., Fürst von Anhalt-Plötzkau 491, 567 Joachim I., Fürst von Anhalt-Dessau 491, 567–569 Johann V., Hz. von Sachsen-Lauenburg 269 f., 323, 327 f., 339 Margareta von Anhalt, Hzgn. von Sachsen 447 Rudolf III., Kf. von Sachsen-Wittenberg 232 Wolfgang, Fst. von Anhalt-Köthen 486, 491–494 Aspasia, Äbtissin 29 Audecharius, fränkischer Adliger 25 Auge, Oliver 13, 15, 20, 201, 213–216, 513 Augustinus 37–40 Auiulfus, Bf. von Valence 28, 31 Auvergne, Bischöfe von Caesarius 28 Gallus 28 Avita, Schwester des Desiderius von Cahors 25 Babenberger 119 Leopold V., Hzg. von Österreich 82, 119 Leopold VI., Hzg. von Österreich 230
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Personenregister
Babendererde, Cornell 15 Bacho, Konrad 79 Bachtin, Michail 154 Balduin V., Gf. von Hennegau 80 Baldus, s. Ubaldis, Baldus de Barbara von Cilli 240 Barbara von Polen, Hzgn. von Sachsen 443 Barbari, Jacopo de’ 467, 469–475, 543 Bareit van dem Busche, Fastrardus 422 Bars, Heinrich, gen. Olisleger 432 Bartolus, s. Sassoferrato, Bartolo di Bathseba 476, 546 Beda Venerabilis 42 Beham, Bartel 477, 547 Bellini, Gentile 467 Bentivoglio (Familie zu Bologna) 273, 285 Berg, Dieter 215 Berge, Paulus von 564 Bernhardi, Bartholomäus 490 Berschin, Walter 41 Berthold I., Bf. von Brixen 120 Berthold I., Hzg. von Kärnten 78 Bertolena, Frau des Syagrius 26 Bloch, Iwan 225 Bloch, Marc 157, 159, 163 Blumenau, Laurentius 423 Bodenstein, Andreas Rudolf, gen. Karlstadt 488 Böckem, Beate 473 Boëthius 42 Bogaert, Pieter 329 Bolanden, Herren von Philipp 80, 104 Werner 79 Werner II. 80 f. Werner III. 78, 83 f., 104, 130 Bollate, Cristoforo da 339 Bonatto, Bartolomeo 329, 332, 348 Borst, Arno 42 Bosl, Karl 118, 158 Boucicaut-Meister 204 Bourges, Bischöfe von Sulpicius II. 28, 30 Vulfoleudus 28 Boutruche, Robert 158 Brademann, Jan 517 Brakel, Herren von 132 Berthold 133 Heinrich, Propst des Stifts Busdorf 132 f. Hermann 133 Werner 133 Brandi, Karl 450
Brandis, Ulrich von 348 Brethen, Heinrich Mertin von 235 Brocardo de’ Persico, Gf. von Sabbioneta 329 f. Brostrup, Johannes, Elekt von Lund 302, 304, 340 Brown, Elizabeth A. R. 163 Brück, Gregor 490, 565 Brühl, Carlrichard 55, 60 Brunner, Otto 158 Bruns, Friedrich 325 Bubenberg, Peter von 92 Bünz, Enno 19, 441, 517 Bugenhagen, Johannes 326, 490, 564, 567 Burchard von Ursberg 95 Burckard, Johannes 259, 276, 326, 349 f. Burgkmair, Hans 468 Butz, Reinhard 215 Caesar, Julius 24, 75–77 Calcidius 42 Capella, Martianus 41 Cardelle de Hartmann, Carmen 44 Castrobarco, s. Castelbarco Castelbarco Gianfrancesco 270, 348 Johann 348 Cerruti, Gerardo 329, 333 Champdivers, Odette de 245 Chanadich („Garel von dem Blühenden Tal“) 180 Chastellain, Georges 236 f. Chrétien de Troyes 183 Christoph vom Stein 234 Christus, s. Jesus Christus Claudas („Prosalancelot“) 168 Clausewitz, Carl von 198 Clemens von Irland 38 Cohorn/Horn 347 Johannes 346 Peter 345 f. Colleoni, Bartolomeo 263, 266, 529 Constantius, Bf. von Albi 28 Corio, Bernardo 309 Corran, David 339 Cranach 19, 486 Lucas d. Ä. 463, 465–467, 470, 472–477, 486, 489–491, 516, 537 f., 544–546, 549–565, 570–572 Lucas d. J. 492–494, 552 f., 556, 565–569 Croy, Charles de 237 Cruciger, Caspar 490
Personenregister Dado, Bf. von Rouen 25, 30, 32 Dagsburg-Egisheim, Grafen von 370 Hugo VI., Gf. von Egisheim 65 Hugo X., Gf. von Dagsburg-Egisheim 369 f. Dahlmann, Friedrich Christoph 325 Daniels, Tobias 344 Dantiscus, s. Johannes Dantiscus David 476, 546 David von Burgund, Bf. von Utrecht 422 Decembrio, Angelo 467 Desiderius, Kg. der Langobarden 40 Desiderius von Cahors, Bf. von Cahors 16, 23–32 Detmar (Lesemeister) 325 Dett (Tott), Clara 243 f. Deutschländer, Gerrit 517 Dicuil 38 Diepholz, Herren von 340 Johannes 340 Konrad III., Bf. von Osnabrück 340 Otto 340 Diestelkamp, Bernhard 116 Dieto von Ravensburch/-burg 81, 83 f. Dietrich, Herold Christians III. 332, 335, 338 f. Dietrich von Aachen 79 Dietrich von Köln (Goldschmied) 92 Diez, Grafen von 130 Gerhard II. 78 Heinrich 80 f. Diez, Friedrich 149 Dörrzapf, Reinhold 225, 242 Dornle, Anna 487 Duby, Georges 157–159 Dürer, Albrecht 466–469, 477, 486, 541 f. Dungal 38 Ebbensen Galt, Niels 346 Eberhard II., Ebf. von Salzburg 125 Eberhard von Waldburg 78, 82–84, 106 Egino V. von Freiburg, Gf. von Urach 84 Eichstätt, Bischöfe von Friedrich I., Elekt 134 f. Hartwig 121 Heinrich II. 134 f. Wilhelm von Reichenau 313 Einhard 38 Ekbert (Hildesheimer Ministerialer) 129 Ekunavers („Garel vom Blühenden Tal“) 180 Elias, Norbert 150 Eligius, Bf. von Noyon 25, 30, 32
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Elisabeth II., Kgn. von England 415 Elisabeth von Thüringen 245, 389 Elisabeth von Ungarn, s. Elisabeth von Thüringen Embeck(e), Johannes 341, 345 Eneas („Eneasroman“) 173 Eppstein, Herren von 123 Gottfried 123 Siegfried, Ebf. von Mainz 102, 104 Siegfried 123 Erasmus von Rotterdam 451 Erchinoald, frk. Hausmeier 25 f. Erik VII., Kg. von Dänemark, s. Erich von Pommern (unter „Greifen“) Ering, Christoph 490, 563 Erkenbolt, Kämmerer unter Heinrich IV. 78 Esch, Arnold 292 Este 264, 347, 467 Ercole 230, 266 Ippolito, Kard. 469 Leonello 467, 540 Nicolo III., Mgf. von Ferrara 467 Etterlin, Petermann 225 Etzlaub, Erhard 528 Eyb, Ludwig von, d. Ä., von Eybburg 313, 338, 349 Eyck, Jan van 475 Fajardo-Acosta, Fidel 156 Fauriel, Claude 150 Feige, Johannes 564 Feilitzsch, Herren von Fabian 446 Philipp 455 Ferdinand I., Kg. von Neapel 329 f. Fiedler-Rauer, Heiko 180 Fillastre, Guillaume 237 Fisher, John, Kard. 451 Fleckenstein, Josef 80, 118 Fogolino, Marcello 529 Folengo, Anselmo 348 Forster, Johann 490 Fouquet, Gerhard 17, 91, 516 Fouquet, Jean 202, 204 Francesca, Piero della 463, 475 Franken 23, 38–40, 430 Fraunberg, Leonhard von 411 Fredegar 24, 29 Fregeno, Martinus de 328 Fricker, Thüring 426 Friedrich, Bf. von Trient 120 Friedrich, Gf. von Leiningen 106
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Personenregister
Friedrich von Rüdesheim 137 Frieling, Kirsten 15 Fugger 228 Gallier 75 Galoes („Parzival“) 175 Garel („Garel von dem Blühenden Tal“) 179 Gandin („Parzival“) 175 Ganshof, François L. 160 Garel („Garel von dem Blühenden Tal“) 179 f. Geary, Patrick J. 16 Gebhard, Elekt von Passau 124 Gebhard III., Gf. von Hirschberg 134 Geertz, Clifford 226 Genoveva, hl. 24 Georg von Absberg 423 Georg von Liechtenstein 411 Gerhard, Gf. von Looz/Borgloon 80 Gerhard, Gf. von Spiegelberg 396 Gerhard von Erbach 121 Gerhard von Landskron 84 Gerhard von Sinzig 61 Gerlach von Büdingen 106 Germanen 39, 75, 77 Gertner, Peter 477 Gherwer, Heinrich 340 Giselbert, Vicedominus des Ebf. von Mainz 137 Giselbert von Mons 60, 80 Giustiniani, Sebastiano 451 Godinus, Sohn des frk. Hausmeiers Warnachar 27 Goethe, Johann Wolfgang von 449 Gomatrude, Frau Dagoberts I. 27 Gonzaga 15, 264, 267, 290, 295, 321, 348, 463, 467 Barbara 261, 295, 331, 348 Federico I., Mgf. von Mantua 530, 533 Francesco, Kard. 283, 301–303, 306, 342, 349, 533 Ludovico, Elekt von Mantua 306 Ludovico III., Mgf. von Mantua 261, 263, 266 f., 288 f., 297 f., 300, 320 f., 329, 331–333, 337, 348 f., 467, 533 Paola 295 Gosermann, Albert, s. Gosman, Albert Gosman, Albert 327, 341, 344 Gottfried, Kanzler Friedrichs I. 80 Gottfried III. der Bärtige, Mgf. von Tuszien 76 Gottfried von Straßburg 176 Graßmann, Antjekathrin 325 Gratian 127 Gregor VII., Papst 47
Gregor IX., Papst 134 Gregorovius, Ferdinand 317 Greifen Bogislaw IX., Hz. von Pommern-Stolp 398 Bogislaw X., Hz. von Pommern 276, 326 Erich von Pommern, Kg. von Dänemark, Schweden und Norwegen 200 f., 398 f. Katharina von Pommern-Stolp 398 Wartislaw IX., Hzg. von Pommern-Wolgast 423 Greinert, Melanie 517 Grimoald, frk. Hausmeier 29–31 Groebner, Valentin 35 Groten, Manfred 101 Guivreiz („Erec“) 182 Gundekar, Kämmerer Heinrichs IV. 78 Gundelfingen, Herren von 376 Anna, Äbtissin des Stiftes Buchau 376 Barbara, Äbtissin des Stiftes Buchau 376 Gunzelin von Wolfenbüttel 131 Habsburger 20, 123, 295, 391, 397, 408, 450, 468, 470, 477 Albrecht I., röm.-dt. Kg. 123, 408 Albrecht II., röm.-dt. Kg. 230, 391, 396–399 Albrecht V., Hzg. von Österreich, s. Albrecht II. Albrecht VI., Ehzg. von Österreich 423 Anna von Österreich 397 f. Friedrich III., röm.-dt. Kg./Ks. 205, 209, 212, 238, 258 f., 272, 291, 293, 297, 316, 320, 330 f., 334, 348, 379, 388 f., 398, 409, 430, 530, 532 f. Friedrich IV., Hzg. von Österreich 201, 240, 408, 525 Friedrich V., Hz. von der Steiermark, s. Friedrich III. Joseph II., röm.-dt. Kg./Ks. 449 Karl V., röm.-dt. Kg./Ks. 209, 413, 430, 444, 447, 450–454, 461, 466, 527, 535, 538 Maria von Spanien, Ksn. 413 Maximilian I., röm.-dt. Kg./Ks. 19, 228, 236, 300, 330, 407, 409 f., 412–414, 430, 442, 445, 461, 467–470, 475, 477, 542, 544 Maximilian II., röm.-dt. Kg./Ks. 413 Rudolf I., röm.-dt. Kg. 64, 122 f., 212, 230, 373, 378, 381, 408 Si(e)gmund der Münzreiche, Ehzg. von Österreich 209, 236, 270, 276, 291, 331, 347, 433 Hademar von Laaber 137
Personenregister Hamelmann, Hermann 324 Hanau, Herren von 117, 121, 123 Reinhard 121–123 Ulrich 123 Hartmann von Aue 152, 182 Hasse, Claus-Peter 80 Hecht, Michael 517 Heinig, Paul-Joachim 18 f., 236, 426 Heinrich, Abt von Heisterbach 133 Heinrich, Bf. von Bamberg 120 Heinrich, Bf. von Saarbrücken 104 Heinrich, Gf. von Weilnau 137 Heinrich, Marschall Heinrichs V. 79 Heinrich I., Gf. von Geldern 79 Heinrich II., röm.-dt. Kg./Ks. 59, 373 Heinrich VII., Gf. von Fürstenberg 411 Heinrich von Kaiserslautern 82 Heinrich von Kalden 81 f. Heinrich von Pappenheim 79, 83 Heinrich von Tanne, Bf. von Konstanz 102 Heinrich von Thun, Bf. von Basel 102 Heinrich von Veldeke 173 Heisen Christopher 333, 337, 341 Georg 333, 341 Johann(es) 269, 286, 332 f. Helfenstein, Grafen von 347 Beatrix 331 Friedrich II., Gf. 330 f. Ludwig III., Gf. 269 f., 330 f., 343, 348 Ludwig IV., Gf. 331 Praxedis 348 Hen, Yitzhak 23 Herchenefreda, Mutter des Desiderius von Cahors 25–27 Hermann V., Mgf. von Baden 105 Hermann von Hürnheim 137 Hermann von Pack 453 Herold, Jürgen 15, 256, 258, 292, 323, 332, 338, 348 f. Herzheimer, Hans III. 19, 444–456 Hessen (Haus) Agnes von Hessen 556 Heinrich I. das Kind, Lgf. von Hessen 389 Ludwig I. der Friedsame, Lgf. von Hessen 18, 388–399 Philipp I. der Großmütige, Lgf. von Hessen 399, 489, 504 Heusinger, Bruno 59 Hewen, Herren von Heinrich, Bf. von Chur 341 Peter III. 341
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Heymerick, Arnold 422 Hildesheim, Bischöfe von Konrad I. von Querfurt 82 Konrad II. von Riesenberg 84, 129–133 Siegfried 128 f. Hilgert, Markus 45 Hiltmann, Torsten 338 Hinderbach, Johannes 423 Hirbodian, Sigrid 18, 369 Hirsch, Eberhard 15 Hörger, Karl 378 Hörnschemeyer, Jörg 327, 339 Hofmann von Lieser, Johannes 424 Hohenlohe, Grafen von 19, 407–409, 412–415 Albrecht 407 Elisabeth 412 Helene 412 Kraft 407–413 Margarethe 412 f. Hohenzollern 15, 327, 391, 399, 422, 430 Albrecht von Brandenburg, Kard. 477 Albrecht Achilles, Kf. von Brandenburg 257 f., 261, 265, 267, 270, 272, 275 f., 286, 292 f., 295–299, 313, 323, 334, 349, 351, 399, 421–423, 425, 429, 434 Barbara, Mgfn. von Mantua 267, 288 f., 303 f., 329, 331, 334, 338, 342, 347–349 Dorothea, Kgn. von Dänemark 259, 267, 276, 302, 305, 315, 327, 336, 340, 347–352 Elisabeth, Hzgn. von Braunschweig-Calenberg-Göttingen 486 Friedrich I., Kf. von Brandenburg 323, 395 Friedrich II., Kf. von Brandenburg 327, 395, 422 Friedrich III., Burggf. von Nürnberg 136–138 Johann der Alchimist, Mgf. von Brandenburg-Kulmbach 267, 399 Honorius III., Papst 128 f., 131–134 Hormuth, Franziska 328, 517 Horneborch, Luderus, Propst von St. Cyriak zu Braunschweig 337 Hoven-Hacker, Jasmin 15 Huizinga, Johan 236 Hummel, Matthäus 423 Hus, Jan 507 Hutten, Ulrich von 428 Iblis („Lanzelet“) 177 f. Innozenz III., Papst 119 f., 128 Innozenz VIII., Papst 349 Isengard von Falkenstein 123
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Personenregister
Isenmann, Eberhard 94 Iuzzo, Giovanni di 318 f. Jäger, Carl 241 Jahnke, Carsten 351 Jakobs, Hermann 103 Jakobus, hl. 308 Jan, Hofmaler Friedrichs des Weise 470, 474 Jean de Montreuil 240 Jefferson, Lisa 168, 180 Jensen, Mads 342 f. Jesus Christus 313, 495, 568 Johann, Bf. von Lüttich 84 Johann II., Gf. von Ziegenhain und Nidda 393, 396 Johann II. von Meisenburg 396 Johann V., Gf. von Armagnac 242 Johann VIII. Palaiologos, Ks. 200 Johann Heinrich von Schwarzburg 485 Johannes von Béthune, Bf. von Cambrai 97–99 Johannes Dantiscus, Bf. von Kulm und Ermland 485 Johfrit von Brabant („Wilhelm von Orlens“) 176 Jonas, Justus 490, 567 Judas 568 Jürgens, Udo 518 Julius II., Papst 302, 345 f., 465 Justinger, Konrad 224 f., 239 Kaedin („Tristan“) 177 Kafka, Franz 45 Kaiser, Gert 152 Kalkoff, Paul 450, 452 Kant, Immanuel 199 Kantzow, Thomas 326 Kapetinger Ludwig IX., Kg. von Frankreich 99 Philipp IV. der Schöne, Kg. von Frankreich 203, 526 Kardeiz („Parzival“) 175 Karlstadt, s. Bodenstein, Andreas Rudolf, gen. Karlstadt Karolinger 76 Karl der Große, frk.Kg./Ks. 16, 35–48, 64, 204 f., 513, 527 Pippin d. J., frk. Kg. 46 Pippin d. Ä. von Landen, frk. Hausmeier 26, 29 f. Kaspar von Meckau, Kaspar 411 Kasten, Brigitte 161, 171 Katharina von Bora 485–487, 555 f., 559
Katharina von Regenstein 330 Katzenelnbogen, Grafen von 117 Diether, Gf. 136–138 Eberhard, Gf. 138 Kaufmann, Thomas 483, 507 Keupp, Jan Ulrich 80, 118 Kintzinger, Martin 18, 517 Kirn, Paul 450 Klara von Montfort, Äbtissin des Stiftes Buchau 376 Klitzing Albert/Albrecht (von) 258, 260, 268–270, 272, 274 f., 283, 286, 294, 298 f., 317, 323 f., 327, 332, 334 f., 423 Joachim 335 Kluckhohn August 444 Paul 150, 156 Knieper, Hans 321 Knorr, Peter 423 Knutson, Karl 342 Koch, Bettina 424 Kock, David, s. Corran, David Kock, Reimar 325 f. Köhler, Erich 151 f., 156 f. Köln, Erzbischöfe von Arnold von Wied 63, 81 Engelbert von Berg 94, 101 f., 130 Hermann 398 Philipp 82 Kölzer, Theo 68, 80, 82 Konrad, Gf. von Rietberg, Bf. von Osnabrück und Münster 314, 347 Konrad, Marschall (Hildesheimer Ministerialer) 129 Konrad von Hagen 79 Konrad von Hertenstein 277, 289 f., 295, 331, 336, 348 f. Konrad von Krosigk, Bf. von Halberstadt 128, 133 Konrad (von Preußen), Herold Christians I. 339 Konrad von Smidevelt 84 Konrad von Wallerstein 79 Konrad von Weinsberg 390 Konrad von Würzburg 181 f. Krabbo, Hermann 134 Krantz, Albert 324 Kriegk, Ludwig 241 Krummedige, Eggert 342, 345, 351 Krummendiek, Albert, Bf. von Lübeck 270, 302, 342, 344 f. Kuchenbuch, Ludolf 164, 166
Personenregister Kühnle, Nina 20 Kümmel, Ute 15 Lacan, Jacques 156 Ladislaus von Sternberg 448 Lampert von Hersfeld 78 Landi, Walter 332 Langenhave von Rees, Lambertus 422 Lanzelet („Lanzelet“) 177 f. Lappitz, Andreas von 238 Lass, Heiko 473 Latour, Bruno 200 Laurenssen, Jens 342 Le Goff, Jacques 157 Lemarignier, Jean 158 f. Leonardo da Vinci 462–465 Leonhard, Gf. von Görz 295 Leven Laurentius 342 Leve 342 Levi-Strauss, Claude 154 Leyser, Karl 67 Liupold, Ministerialer Heinrichs IV. 78 Livius 75 Lois („Willehalm“) 173 Lolizlaw, Hzg. 53 Lothar III., röm.-dt. Kg./Ks. 79, 86 Ludowinger Heinrich Raspe, röm.-dt. Gegenkg. 126 Ludwig III. (V.), Lgf. von Thüringen 82 Ludwig IV., Lgf. von Thüringen 389 Sophie von Thüringen, Hzgn. von Brabant 389 Ludwig von der Brücke 369 Lück, Heiner 451 Lukács, Georg 151 Lupus, Abt von St. Amand 30 Luther Hans 560 Margarete 561 Martin 20, 442, 445, 483–495, 498, 500, 507, 516, 550, 552–554, 556, 564, 566–568, 572 Lutzmannstein, Albert von 137 Luxemburger 214, 391, 397, 408 Heinrich VII., röm.-dt. Kg./Ks. 408 Karl IV., röm.-dt. Kg./Ks. 202, 205, 212, 380 f., 407 f., 526 f. Sigismund, röm.-dt. Kg./Ks. 200 f., 223–226, 239–241, 272, 390, 394–396, 398, 408, 426, 525 Wenzel, röm.-dt. Kg. 205 f. Lysura, Johannes von 423
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Mabillon, Jean 30 Macrobius 42 Madsen/Mathiesen, Jens 340, 347, 350 Männl, Ingrid 424, 430, 432 Märtl, Claudia 379 Mainz, Erzbischöfe von Arnold von Sele(n)hofen 57, 369 Lupold von Schönfeld 104 Siegfried von Eppstein 102, 104 f., 131, 133 f. Werner 137 Mair, Martin 423 Major, Georg 490 Malseron („Garel vom Blühenden Tal“) 180 Mantegna, Andrea 279, 321, 462 f., 467, 475, 530 f., 539 Marescotti de’ Calvi, Galeazzo 333 Marie de France 155 Markward von Annweiler 81 f., 119 f. Markward II. von Grumbach 79 Marrou, Henri-Irénée 31 Mars 463 Martin von Laon 42 Marx, Karl 163 Maschke, Erich 103, 108 Mastinis, Benedetto de 333 Matheus von Gerwert 34 Matthias von Kemnat 243 f. Matur („Daniel“) 178 Mayer, Theodor 62 f. Medici 273 Mehring, Reinhard 223 Meingote (Ministerialenfamilie) 369 Meinhardi, Andreas 445 Meinhardt, Matthias 494 f. Melanchthon, Philipp 490, 565, 568 Meljanz („Parzival“) 171 Mellioli, Bartolomeo 280 f. Merkel, Angela 42 Merkur 41 Merowinger 16, 24, 516 Charibert II. 27, 31 Childebert I. 24 Chilperich I. 24 Chlodwig I. 24 Chlodwig II. 25, 28 f., 31 Chlothar I. 24 Chlothar II. 16, 24–28, 30, 32 Dagobert I. 16, 24–32 Sigibert III. 28–31 Metz, Bischöfe von Abbo 30
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Personenregister
Arnulf 26, 30 Bertram 99 Chlodulf 30 Konrad von Scharfenberg 78, 129 f. Metz, Wolfgang 59 Mey, Oliver 499 Michelangelo 462, 465, 469 Miltitz, Karl von 445, 449 f. Minutoli, Julius von 323–325 Missaglia (Familie aus Mailand) 282 Mitteis, Heinrich 160 Moeglin, Jean-Marie 217 f. Mötsch, Johannes 442 Monnet, Pierre 218 Montefeltre 465 Montefeltro, Federico da 330 Moraw, Peter 14, 53, 63, 211, 213, 216, 387, 389, 423, 426 Morel („Wigalois“) 173 Mühlingen und Barby, Grafen von Albrecht IX., Gf. 329 f. Bernhard 330 Burchard VII., Gf. 269 f., 295, 328–330 Günther VI., Gf. 328–330 Hoyer 330 Johann IV., Gf. 328–330 Margarete 330 Sophie 330 Ursula 330 Wilhelm 329 f. Müller, Jan-Dirk 154 Müller, Johann Joachim 324 Müller, Mario 323 Müller, Matthias 19, 486, 493 Münzenberg (Reichsministerialen) 121 Adelheid 121–123 Kuno I. 80–83 Ulrich 122 Müsegades, Benjamin 15 Nanthild, Frau Dagoberts I. 31 Nassau, Grafen von Adolf, röm.-dt. Kg. 408 Engelbrecht, Gf. 237 Naumburg, Bischöfe von Berthold II. 128 Dietrich III. von Bocksdorf 423, 429, 431 Nicholas, David 226 Niclas, Kaplan Christians I. 335 f., 347 Nicolai, Magnus 347 Niitemaa, Vilho 324 Nikolaus V., Papst 392
Nikolaus von Kues 127, 423 f. Nördlinger/Nurlinger, Johannes 277, 290, 348 Nolte, Cordula 15, 213, 323 Nuvoloni, Filippo 286, 288, 319 Ocker, Jan 20 Oettingen, Grafen von Amalia, Gfn. von Helfenstein 343 Friedrich 343 Johann 343 Konrad, Gf. 138 Ludwig VI., Gf. 137 Ludwig 138 Oexle, Otto G. 491 Olaf, hl. 313 Oldenburg (Haus) Christian I., Kg. von Dänemark, Norwegen und Schweden 18, 255–259, 261, 265–267, 270, 272, 274–282, 284–286, 288, 290–302, 304, 306, 308 f., 311, 313, 317–321, 323–327, 329–332, 334 f., 337–341, 343–352, 528–530, 532 f. Hans/Johann I., Kg. von Dänemark, Norwegen und Schweden 266, 292, 295, 329 Oliver, Bf. von Paderborn 132–134 Opitz, Claudia 244 Oschema, Klaus 18, 223 Osnabrück, Bischöfe von Konrad, Gf. von Rietberg 314, 347 Konrad III. von Diepholz 340 Otokar IV., Hzg. der Steiermark 119 Otto, Bf. von Würzburg 78 Otto, frk. Hausmeier 29 f. Otto von Freising, Bf. von Freising 65, 76, 86 Ottokar II., Kg. von Böhmen 213 Palladius, Bf. von Auxerre 28, 31 Paludan-Müller, Caspar 324, 345 Paravicini, Werner 18, 48, 211 f., 216, 239 Parsberger, Werner 347 Parzival („Parzival“) 175 Pastor, Ludwig 319 Patze, Hans 158 Patzold, Steffen 164, 181 Paulinus II. von Aquileia 38 Paulus Diaconus 38 Pedersen, Jens 343 Peltzer, Jörg 115, 516 Péquignot, Stéphane 218 Peters, Ursula 17 Petersen, Johann 268 f., 274, 283, 323–325, 333
Personenregister Petrus von Pisa 38 Pfeffinger, Degenhard 445, 447, 452, 454 f. Pfeffinger, Johann 490 Pfisterer, Ulrich 473 f. Pfuhl, Nickel 423 Pharien („Prosalancelot“) 168 Philipp, Marschall von Frauenstein 137 Philipp I., Gf. von Flandern 97 Philipp von Hohenfels 137 Piccolomini, Enea Silvio 240, 388, 421, 423 Pierce, Charles 199 Piketty, Thomas 199 f. Pirkheimer, Martin 423 Pisanello, Antonio 467, 540 Pius II., Papst 301 Platon 42 Pleier 174, 179 Plinius d. Ä. 42 Popplau, Nikolaus von 276 Pot, Louis, Bf. von Tournai 350 Prenninger, Martin 423 Pris, Konrad 79 Putin, Vladimir 461, 534 Quale(n), Marquard 344 Rabano, Truchsess von Corvey 80 Rabe von Pappenheim 347 Rado, Sohn des Audecharius 25 Radulf, Hzg. von Thüringen 29 Raffael 465 Ragnetrude, Mutter Sigiberts III. 29 Rahewin 53, 64 f. Ranft, Andreas 20 Rauracius, Bf. von Nevers 28, 31 Regensburg, Bischöfe von Hartwich 76 Leo 136 Siegfried 104 Reginare Heinrich I. der Mutige, Hzg. von Brabant und Niederlothringen 120 Heinrich II. der Großmütige, Hzg. von Brabant und Niederlothringen 389 Rehberg, Andreas 327, 339 Rein, Adam (Bürger zu Rothenburg) 262 Reiner von Lüttich 86 Reinhard von Hagenau 137 Reinle, Christine 421 Reinsberger, Hermann 269, 286, 311, 333 f., 423 Reitemeier, Arnd 215
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Remstede, Johannes 344 Reuchlin, Johannes 277 Reynolds, Susan 159 Rîal („Wigalois“) 178 Richard von Cornwall, röm.-dt. Kg. 137 Richbod, Abt von Lorsch 42 Richental, Ulrich 232 f. Rictrudis, Frau des Adalbald 26 Riederer, Ulrich 421, 423 Ritschel, Iris 487 Rixner/Rüxner, Georg 446 f. Roaz („Wigalois“) 173 Robertsen, Thomas 343 Rocha, Pietro Guglielmo de 329 Rodelstedt, Peter 564 Rödel, Ute 116 Rønnov Anna 347 Carl, Bf. von Odense 270, 332, 342 f. Claus 270, 314, 332, 335 f., 343, 351 Corfits 336 Marqvard 332 Rösener, Werner 16, 81 Roland, Gf. der bretonischen Mark 204, 527 Romanino, Girolamo 529 Rosenkrantz, Erik Ottensøn 335 Rosenwein, Barbara 30 f. Rossiaud, Jacques 231 Rotter, Ekkehart 116 Rovere, Giuliano della, Kard., s. Julius II. Rubenow, Heinrich 423 Rudewin von Flomborn 104 Rudolf, Protonotar unter Friedrich I. 80 Rudolf von Ems 175 Rudolf von Rheinfelden, Hzg. von Schwaben 78 Rudolf von Siebeneich, Kämmerer unter Friedrich I. 83 Rüthning, Gustav 324 Russen 53 Rusticus, Bruder des Desiderius von Cahors 25, 27 Sachsen 39 Sacco, Pier Gian Paulo 318 Saggi, Zacharia 289 Salier 64, 76 Heinrich III., röm.-dt. Kg./Ks. 77 Heinrich IV., röm.-dt. Kg./Ks. 56, 59, 76–78, 104 Heinrich V., röm.-dt. Kg./Ks. 79, 103 Salvius, Vater des Desiderius von Cahors 25
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Personenregister
Samsa, Gregor („Die Verwandlung“) 45 Sanckenstede, Heinrich/Hinrich 269, 276, 324 f., 337 Sassoferrato, Bartolo di 421 f. Savoyen, Herzöge von 267, 292 Bona, Hzgn. von Mailand 268, 292 Charlotte, Kgn. von Frankreich 292 Johanna/Anna 292 Margarethe, Gfn. von Württemberg 239 Schaber, Thomas 20 Schare, Gerhard 344 f. Schäfer, Sarah 20 Schedel, Hartmann 314 Scheurl, Christoph 465 Schilling Diebold d. Ä. 209, 225 Diebold d. J. 209 Schilling, Heinz 507 Schirmer, Uwe 444 Schivenoglia, Andrea de 288 Schlegel, August Wilhelm 149 Schlesinger, Walter 54, 56, 63, 158 Schmiedebach, Heinz-Peter 515 Schmitt, Carl 223 Schnack, Frederieke Maria 517 Schneidmüller, Bernd 17, 515, 517 f. Schubert, Ernst 81 Schuster, Beate 236 Schuster, Peter 234 Schwarzenberger, Melchior 446 f. Schwindt, Jürgen Paul 48 Schwinges, Reiner Christoph 19, 333–335, 337, 341, 421 Scipio Aemilianus 42 Scotus Eriugena 42 Sehestedt, Sifrid 344 f. Selina, Schwester des Desiderius von Cahors 25 Sesselmann von Kulmbach, Friedrich 422, 430 Seyboth, Reinhard 323 Sforza (Familie zu Mailand) 266, 297, 467 Sforza, Galeazzo Maria, Hz. von Mailand 262 f., 274, 278, 284, 288, 292, 294, 297 f., 300, 320–322, 333 Sibylle von Jülich-Kleve-Berg, Kfn. von Sachsen 487, 557 Sichild, Mutter Chariberts II. 27 Sieber-Lehmann, Claudius 217 Sighard, Gf. von Burghausen 79 Simmel, Georg 199 f. Simonetta, Francesco, gen. Cicco 257, 270, 284, 298, 326, 329, 337
Sisebut 23 Sixtus IV., Papst 280, 301, 309, 314 f., 325, 327, 334, 339, 343 f., 349, 352, 530 Slawen 39, 53 Somaini, Francesco 256 f. Sophie von Anhalt-Köthen, Gfn. von Mühlingen 330 Sophie von Mecklenburg, Hzgn. von Sachsen 443 Spalatin, Georg 442 f., 445, 451, 455, 486 f., 490, 565 Speyer, Bischöfe von Beringer von Entringen 103 Konrad von Scharfenberg 78, 129 f. Konrad von Tanne 106 Spieß, Karl-Heinz 13–16, 20 f., 77, 115, 210, 256, 259, 408, 513–518 Sprenger, Heinrich 289, 349 Stalburg, Nikolaus 447, 454 Staufer 17, 62, 64, 66 f., 108, 121, 285, 370 f., 373, 408 Enzio, Kg. von Sardinien 285 Friedrich I. Barbarossa, röm.-dt. Kg./Ks. 53, 56 f., 60, 63–69, 76–78, 80, 82 f., 95, 97, 103 f., 106, 108, 369 Friedrich II., röm.-dt. Kg./Ks. 17, 62, 78, 81–86, 91 f., 94–108, 117, 121 f., 124, 126, 129–131, 133, 230 Friedrich II., Hzg. von Schwaben 65 Friedrich IV. von Rothenburg, Hzg. von Schwaben 56 f. Friedrich V., Hzg. von Schwaben 83 Gertrud, Frau des Herzogs Lolizlaw 53 Heinrich VI., röm.-dt. Kg./Ks. 81–83, 101–103, 119 Heinrich (VII.), röm.-dt. Kg. 17, 78, 82–84, 91 f., 94–108, 120 f., 124–127, 130 f., 133 f. Konrad III., röm.-dt. Kg. 57, 79–81, 86 Konrad IV., röm.-dt. Kg. 61, 126 Philipp von Schwaben, röm.-dt. Kg. 62, 82, 97, 103, 119, 121, 389 Stein, Hertnidt von 422 f. Stein, Robert M. 155 Steinfeld, Thomas 44 f. Stigsen (Thott), Niels 343 Stollberg-Rilinger, Barbara 115 Straßburg, Bischöfe von Ruprecht 235 Werner II. 78 Stricker 178 f. Strigel, Bernhard 475, 477, 544
Personenregister Stüdemann, Katharina 20 Stürner, Wolfgang 98 Stürtzel, Konrad 433 Sture, Sten 345 Sudermann, Heinrich 432 Syagrius, Bruder des Desiderius von Cahors 25 f. Theil, Bernhard 372 Theoderich der Große 23 Theodulf von Orléans 37 f., 44 Thetens, Dietrich 345 Thrasamund 23 Thüringer 29 Thumser, Matthias 323 Tibertus, Kämmerer unter Konrad III. 79 Tizian 461 f., 466, 535 f. Todeschini-Piccolomini, Francesco 340 Trier, Bischöfe/Erzbischöfe von Dietrich von Wied 101, 129 Medoaldus 31 Trionfo, s. Nördlinger/Nurlinger, Johannes Tristan („Tristan und Isold“) 177 Tristano de Saxoduro, s. Konrad von Hertenstein Truchsess von Pommersfelden, Lorenz 453 Tschachtlan, Bendicht 225 Tuccia, Niccolò della 319 Tucher, Sixtus 423 Turner, Victor 154 Turnus („Eneasroman“) 173 Ubaldis, Baldus de 422 Ulrich von Zazikhofen 177 Urne, Jens/Hans 335 Valois Franz I., Kg. von Frankreich 209, 463, 465, 527 Johann IV., Hzg. von Brabant 393 Johann Ohnefurcht, Hzg. von Burgund 391 Karl V., Kg. von Frankreich 202, 206 f., 212 f., 526 Karl VI., Kg. von Frankreich 245 Karl VII., Kg. von Frankreich 396 Karl der Kühne, Hzg. von Burgund 209, 211–213, 258, 281, 291, 294, 298, 332, 335, 338, 398 Ludwig, Hzg. von Orléans 213 Ludwig XI., Kg. von Frankreich 211 f., 258, 266 f., 291–294, 338 Maria von Burgund 295
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Marie von Burgund, Hzgn. von Kleve 391 Philipp, Hzg. von Saint-Pol 393 Philipp der Gute, Hzg. von Burgund 228, 236 f., 239, 389, 391, 393, 395–399, 422 Vasari, Giorgio 462 Vaughan, Richard 212 Vener (Familie aus Schwäbisch Gmünd) 423 Verdun, Bischöfe von Paulus 30 Rudolf von Thourotte, Elekt 100 Verus, Bf. von Rodez 26, 28, 31 Verwohlt, Ernst 339 Vogt, Jakob, Beichtvater Friedrichs des Weisen 454 Volcmar, Truchsess unter Heinrich IV. 78 f. Walter von Dicka 374 Walter von Lobenhausen 79 Walther, Mundschenk unter Friedrich II. 83 Walther von der Vogelweide 152 Walther, Tobie 85 Warnachar, frk. Hausmeier 26 Warnke, Martin 486 Weber, Caroline 20 Weber, Max 115–117, 138 f. Wechssler, Eduard 150 Wefers, Sabine 216 Weineck (Ministerialienfamilie) 347 Hans 332 Leonhard 270, 331 f. Weinfurter, Stefan 16, 35, 513 Wejwoda, Marek 429 Welfen 118 Heinrich d. Ä. von Braunschweig, Hzg. von Sachsen 130 f. Heinrich der Löwe, Hzg. von Bayern und Sachsen 57, 64 f. Heinrich der Stolze, Hzg. von Bayern und Sachsen 78 Otto I. das Kind, Hzg. von Braunschweig und Lüneburg 117, 124 Otto IV., röm.-dt. Kg./Ks. 62, 97 f., 120 Welf I., Hzg. von Bayern 78 Welf VI., Mgf. von Tuszien 82 Wenzel, Horst 487 Werdenberg, Grafen von Anna, Äbtissin des Stiftes Buchau 376 Margarethe, Äbtissin des Stiftes Buchau 376 Wettiner 19 f., 215, 391, 395, 397–399, 441, 456, 470, 473, 477 Albrecht der Beherzte, Hzg. von Sachsen 335
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Personenregister
Christine, Kgn. von Dänemark, Norwegen und Schweden 295 Dietrich der Bedrängte, Mgf. von Meißen 82 Ernst I., Hzg. von Sachsen-Gotha-Altenburg 506 Friedrich I. der Streitbare, Kf. von Sachsen 395, 441 Friedrich II. der Sanftmütige, Kf. von Sachsen 429 Friedrich III. der Weise, Kf. von Sachsen 19 f., 441–446, 448–454, 456, 461, 465, 467, 470–475, 477, 484 f., 487 f., 494 f., 545, 551, 557, 562, 570 f. Friedrich IV., Lgf. von Thüringen 395 Friedrich Wilhelm I., Hzg. von SachsenWeimar 496, 503 Georg der Bärtige, Hzg. von Sachsen 443, 453 Heinrich der Fromme, Hzg. von Sachsen 499 Johann der Beständige, Kf. von Sachsen 442 f., 447, 452, 454, 465, 472, 495, 546, 549–551, 557, 570 Johann Friedrich I. der Großmütige, Kf. von Sachsen 463, 465 f., 487, 489, 491, 536 f., 557, 570 Johann Friedrich II., Hzg. von Sachsen 499, 505 Johann Georg II., Kf. von Sachsen 446 Johann Wilhelm I., Hzg. von SachsenWeimar 497, 502 Moritz, Kf. von Sachsen 489, 491, 556 Wilhelm III. der Tapfere, Hzg. von Sachsen 397 Weyden, Rogier van der 475 White, Stephen D. 168 Wibald, Abt von Stablo und Corvey 80 Widder, Ellen 236 Widukind von Corvey 36 Wied, Grafen von Arnold, Ebf. von Köln 81 Dietrich, Ebf. von Trier 101 Wiesflecker, Hermann 414 Wigalois („Wigalois“) 173, 178 Wikinger 38 Wilant, Friedrich 344 Wilhelm IV. (II.), Gf. von Castell 393 Wilhelm V., Hzg. von Kleve 422 Wilhelm von Aachen 80 Wilhelm von Holland, röm.-dt. Kg. 126
Wilhelm von Orlens („Wilhelm von Orlens“) 176 Willehalm („Willehalm“) 173 Willoweit, Dietmar 76 Wilwolt von Schaumburg 237 f., 242, 244 Winandus von Steeg 426, 431, 433 Windecke, Eberhard 240, 525 Winterstetten (Ministerialenfamilie) Eberhard 84 Konrad 78, 84 Wirnt von Gravenberg 178 Wisch, Herren von der Helrik, Bf. von Schleswig 341 Margarete/Anne 332 Wittelsbacher 137, 390, 398, 408, 477 Alexander, Pfalzgf. von ZweibrückenVeldenz 412 f. Christoph III., Kg. von Dänemark, Norwegen und Schweden 347, 351, 395, 398 f. Ernst, Hzg. von Bayern-München 231 Friedrich I. der Siegreiche, Pfalzgf. bei Rhein 242–244 Heinrich XIII., Pfalzgf. bei Rhein und Hzg. von Bayern 120, 137 f. Jakobäa von Bayern, Gfn. von Hennegau, Holland und Seeland 393 Johann, Pfalzgf. von Neunburg-Neumarkt 398 Johann III., Hzg. von Holland-Straubing 390 Ludwig I., Pfalzgf. bei Rhein und Hzg. von Bayern 82, 85, 94–96, 100 f., 121 Ludwig II., Pfalzgf. bei Rhein und Hzg. von Bayern 120, 136–138 Ludwig III., Pfalzgf. bei Rhein 433 Ludwig IV., Pfalzgf. bei Rhein 239 Ludwig X., Hzg. von Bayern 548 Ludwig der Bayer, röm.-dt. Kg./Ks. 394, 408, 412 Otto II. der Erlauchte, Pfalzgf. bei Rhein und Hzg. von Bayern 121 Philipp der Aufrichtige, Pfalzgf. bei Rhein 242, 413 Rudolf I., Pfalzgf. bei Rhein und Hzg. von Bayern 123 Ruprecht, röm.-dt. Kg. 398, 408 Wilhelm III., Hzg. von Bayern-München 231 Wittorp, Peter 345 Wolf, Gustav 450 Wolfgang von Pohlheim 410–412
Personenregister Wolfram, Schultheiß von Frankfurt 137 Wolfram von Eschenbach 171, 175, 183 Wolkenstein, Herren von Gotthard 411 Veit 411 Wollbrecht, Doreen 513 Wood, Ian 25 Worms, Bischöfe von Heinrich 82, 105 Landolf von Hohenecken 106 Lupold von Schönfeld 104 Württemberg, Grafen und Herzöge von 348 Eberhard I. im Bart, Hzg. 259, 261, 276 f., 295, 331, 409, 442 Ulrich I., Gf. 137 Ulrich V., Gf. 331
Young, Thomas 339 Zähringer 63 Zasius, Ulrich 431 Zeilinger, Gabriel 92, 109 Ziegeler, Hans-Joachim 168, 180 Ziegler, Heinrich d. J. 572 Zimmern, Grafen von Froben Christoph 234 f. Johann Christoph 234 Žižek, Slavoj 156 Zotz, Thomas 17, 75, 95, 514, 516 Zuccari, Taddeo 527 Zyprian von Serntein 411
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b e i t r äg e z u r g e s c h i c h t e d e r u n i v e r s i tät g r e i f s wa l d
Herausgegeben von Dirk Alvermann, mitbegründet von Christoph Friedrich, Jörg Ohlemacher und Heinz-Peter Schmiedebach.
Franz Steiner Verlag
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ISSN 1439–7048
Achim Link Auf dem Weg zur Landesuniversität Studien zur Herkunft spätmittelalterlicher Studenten am Beispiel Greifswald (1456–1524) 2000. 226 S. mit 63 Abb., 34 Tab. und 8 Ktn., geb. ISBN 978-3-515-07619-7 Heinz-Peter Schmiedebach / Karl-Heinz Spieß (Hg.) Studentisches Aufbegehren in der frühen DDR Der Widerstand gegen die Umwandlung der Greifswalder medizinischen Fakultät in eine militärmedizinische Ausbildungsstätte im Jahr 1955 2001. XI, 254 S., geb. ISBN 978-3-515-07704-0 Geschichte der Medizinischen Fakultät Greifswald Geschichte der Medizinischen Fakultät von 1456 bis 1713 von Christoph Helwig d.J. und Dekanatsbuch der Medizinischen Fakultät von 1714 bis 1823 Hg. und übers. von Hans Georg Thümmel 2002. 367 S., geb. ISBN 978-3-515-07908-2 Stephanie Irrgang Peregrinatio Academica Wanderungen und Karrieren von Gelehrten der Universitäten Rostock, Greifswald, Trier und Mainz im 15. Jahrhundert 2002. 310 S., geb. ISBN 978-3-515-08085-9 Jana Fietz Nordische Studenten an der Universität Greifswald in der Zeit von 1815 bis 1933 2004. 265 S., geb. ISBN 978-3-515-08084-2 Die Matrikel der Universität Greifswald und die Dekanatsbücher der Theologischen, der Juristischen und der Philosophischen Fakultät 1700–1821
Hg. von Roderich Schmidt und Karlheinz Spieß, bearb. von Reinhard Pohl Bd. 1: Text der Matrikel vom November 1700 bis Mai 1821 Bd. 2: Text der Dekanatsbücher Bd. 3: Register 2004. Zus. XXXIV, 1312 S. mit 10 Abb., geb. ISBN 978-3-515-08044-6 7. Günter Mangelsdorf (Hg.) Zwischen Greifswald und Riga Auszüge aus den Tagebüchern des Greifswalder Rektors und Professors der Ur- und Frühgeschichte, Dr. Carl Engel, vom 1. November 1938 bis 26. Juli 1945 2007. X, 610 S. mit 20 Abb., geb. ISBN 978-3-515-08942-5 8. Dirk Alvermann / Karl-Heinz Spieß (Hg.) Bausteine zur Greifswalder Universitätsgeschichte Vorträge anläßlich des Jubiläums „550 Jahre Universität Greifswald“ 2008. 207 S. mit 33 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09151-0 9. Das Dekanatsbuch der Philosophischen Fakultät der Universität Greifswald 1456–1662 Übers. und eingel. von Hans Georg Thümmel, redigiert von Boris Spix 2008. 418 S. mit 3 Abb., geb. ISBN 978-3-515-09014-8 10.1 Dirk Alvermann / Karl-Heinz Spieß (Hg.) Quellen zur Verfassungsgeschichte der Universität Greifswald. Bd. 1 Von der Universitätsgründung bis zum Westfälischen Frieden 1456–1648 2011. LXI, 554 S., geb. ISBN 978-3-515-09655-3 10.2 Dirk Alvermann / Karl-Heinz Spieß (Hg.) Quellen zur Verfassungsgeschichte der Universität Greifswald. Bd. 2 Die schwedische Großmachtzeit bis zum Ende des Großen Nordischen Krieges 1649–1720 2012. LXXIX, 412 S., geb. ISBN 978-3-515-09834-2
10.3 Dirk Alvermann / Karl-Heinz Spieß (Hg.) Quellen zur Verfassungsgeschichte der Universität Greifswald. Bd. 3 Von der Freiheitszeit bis zum Übergang an Preußen 1721–1815 2014. XCIII, 716 S., geb. ISBN 978-3-515-10420-3
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Niels Hegewisch / Karl-Heinz Spieß / Thomas Stamm-Kuhlmann (Hg.) Geschichtswissenschaft in Greifswald Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Historischen Instituts der Universität Greifswald 2015. 297 S. mit 5 Abb. und 4 Tab., geb. ISBN 978-3-515-10946-8
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Zwischen Hochschule und Öffentlichkeit
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Zwischen Hochschule und Öffentlichkeit Beiträge aus 50 Jahren Universitätsgeschichte und Hochschulpolitik
Walter Rüegg
von Walter Rüegg
Herausgegeben von joachim bauer und ruth meyer schweizer Geschichte Franz Steiner Verlag
walter rüegg
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Herausgegeben von Joachim Bauer und Ruth Meyer Schweizer, in Zusammenarbeit mit Andreas Neumann, Stefan Gerber und Notker Hammerstein.
Zwischen Hochschule und Öffentlichkeit Beiträge aus 50 Jahren Universitätsgeschichte und Hochschulpolitik
Walter Rüegg (1918–2015) gehört zu der Generation, die in ihrer Jugend die Gräuel des „Dritten Reiches“ mit verfolgen musste, und es in der Nachkriegszeit als ihre besondere Verpflichtung sah dazu beizutragen, dass Ähnliches sich nicht mehr wiederholt. Rüegg studierte in Zürich und Paris ab 1937 klassische Philologie, Philosophie und Ökonomie, promovierte 1944 und habilitierte sich 1950 in Zürich. Bekannt im Deutschland der Nachkriegszeit wurde er durch seine Teilnahme an den Marburger Hochschulgesprächen 1946–1948, als Rektor der Frankfurter Universität von 1965–1970, der in dieser bewegten Zeit zum offenen Dialog aufrief, zudem als Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz. Neben der Humanismusforschung wandte er sich vor allem als Professor in Bern der Soziologiegeschichte und Bildungssoziologie zu. Nach der Emeritierung und auf Initiative der Europäischen Rektorenkonferenz verantwortete er als Herausgeber eine vierbändige „Geschichte der Universität in Europa“. Um einen Einblick in das universitätsgeschichtliche und hochschulpolitische Wirken Rüeggs über fünf Jahrzehnte zu geben, wurden mit ihm gemeinsam die hier abgedruckten Texte ausgewählt, die auch ein Stück universitäre Entwicklung in Europa dokumentieren.
2016 333 Seiten 978-3-515-11500-1 gebunden
Hier bestellen: www.steiner-verlag.de
Im Herbst 2014 wurde der langjährige Inhaber der Greifswalder Professur für Allgemeine Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften, Prof. Dr. Karl-Heinz Spieß, in den Ruhestand versetzt. Dies nahm eine internationale und interdisziplinäre Gruppe renommierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Anlass, sich in einem dreitägigen Symposium mit den zentralen Themen auseinanderzusetzen, die Karl-Heinz Spieß in seiner Forschungs- und Lehrzeit stets intensiv beschäftigt haben, und neueste Ergebnisse hierzu zu präsentieren. Die seinerzeit gehaltenen Vorträge sind für den Druck überarbeitet und in der vorliegenden Festschrift für Karl-Heinz Spieß versammelt worden. In den zeitlich von der Epoche der Merowinger bis zur Reformation reichenden Beiträgen geht es um wichtige kultur-, politik- und verfassungsgeschichtliche Fragestellungen. Sie lesen sich wie ein repräsentativer Querschnitt des Who is Who der derzeitigen Mediävistenszene und legen ebenso ein beredtes Zeugnis davon ab, welche Fragen die Mittelalterforschung momentan umtreiben.
ISBN 978-3-515-10895-9
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