Frankreich, Burgund und das Reich im späten Mittelalter: Ausgewählte Aufsätze 9783161506956, 9783161585944, 3161506952

Frankreichs politischer Wiederaufstieg in der Endphase des Hundertjährigen Kriegs, die zukunftsweisenden Reformdebatten

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German Pages 519 [536] Year 2011

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Siglenverzeichnis
L’érudition gallicane et le concile de Bâle (Baluze, Mabillon, Daguesseau, Iselin, Bignon)
Der bewunderte Erbfeind. Johannes Haller, Frankreich und das französische Mittelalter
„Von welschem Zwang und welschen Ketten des Reiches Westmark zu erretten“. Burgund und der Neusser Krieg 1474/75 im Spiegel der deutschen Geschichtsschreibung von der Weimarer Zeit bis in die der frühen Bundesrepublik
Die Reichstagsakten (Ältere Reihe) und ihre Bedeutung für die europäische Geschichte
Der französische Frühhumanismus um 1400. Patriotismus, Propaganda und Historiographie
„Die Geschichte des Christentums“. Deutsch-französische Anmerkungen anläßlich des Bandes VII: „Von der Reform zur Reformation“
Cum res ageretur inter tantos principes. Der Streit um das Bistum Tournai (1433–1438). Zu einem Kapitel französisch-burgundischer Beziehungen aus der Zeit des Konzils von Basel
Besançon, Burgund und das Reich. Der Streit um die causa Bisuntina auf dem Basler Konzil (1433–1435)
Zwischen Konzil und Papst, Fürstendienst und Ordensreform. Geoffroy de Montchoisi, Abt von St-Honorat/Lérins und St-Germain-des-Prés († 1436)
Gesandtschaft und Gewissen. Bernard de La Planche, ein Bischof aus dem englischen Aquitanien, auf dem Basler Konzil
et sembloit qu’on oÿst parler un angele de Dieu. Thomas de Courcelles et le concile de Bâle ou le secret d’une belle réussite
La division dans l’unité. Le congrès d’Arras (1435) face à deux diplomaties ecclésiastiques
Siège, rang et honneur. La querelle de préséance entre la Bretagne et la Bourgogne au concile de Bâle (1434)
Köln und das Reich um 1400. Anmerkungen zu einem Brief des französischen Frühhumanisten Jean de Montreuil
Les pays rhénans, la France et la Bourgogne à l’époque du concile de Bâle. Une leçon d’histoire politique
Warum nicht einmal die Herzöge von Burgund das Königtum erlangen konnten
Bibliographische Nachweise
Schriftenverzeichnis von Heribert Müller
Register der Personen- und Ortsnamen
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Frankreich, Burgund und das Reich im späten Mittelalter: Ausgewählte Aufsätze
 9783161506956, 9783161585944, 3161506952

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Spätmittelalter, Humanismus, Reformation Studies in the Late Middle Ages, Humanism and the Reformation herausgegeben von Berndt Hamm (Erlangen) in Verbindung mit Amy Nelson Burnett (Lincoln, NE), Johannes Helmrath (Berlin) Volker Leppin (Tübingen), Heinz Schilling (Berlin)

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Heribert Müller

Frankreich, Burgund und das Reich im späten Mittelalter Ausgewählte Aufsätze herausgegeben von Gabriele Annas, Peter Gorzolla, Christian Kleinert und Jessika Nowak

Mohr Siebeck

Heribert Müller, geboren 1946; Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie an der Universität zu Köln; 1973–1982 ebendort wiss. Assistent bei Theodor Schieffer und Erich Meuthen; 1976 Promotion; 1982–1987 wiss. Mitarbeiter bei der Histor. Kommission bei der Bayer. Akademie der Wissenschaften; 1986 Habilitation; 1987–1994, 1998–2011 Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt; 1994–1998 Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität zu Köln; 1999–2007 Beirat und Beiratsvorsitz am Deutschen Histor. Institut Paris; 2000 ordentl. Mitglied der Histor. Kommission bei der Bayer. Akademie der Wissenschaften; 2004 Korrespondierendes Mitglied des Institut de France (Académie des Inscriptions et Belles-Lettres); 2009/10 Stipendiat des Histor. Kollegs in München.

ISBN 978-3-16-150695-6 / eISBN 978-3-16-158594-4 unveränderte eBook-Ausgabe 2019 ISSN 1865-2840 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2011 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen aus der Bembo-Antiqua belichtet, von GuldeDruck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Am 16. März 2011 wird Heribert Müller, Professor für Mittelalterliche Geschichte am Historischen Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität, membre corréspondant de l’Institut de France, Kölner von Geburt und Bekenntnis, fünfundsechzig Jahre alt und scheidet damit aus dem aktiven Dienst der Universität aus, an der er in den Jahren 1987 bis 1994 und – nach seinem Wechsel an die Universität zu Köln in den Jahren 1994 bis 1998 – erneut seit 1998 gelehrt hat. Frankfurter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben aus diesem Anlaß den vorliegenden Band zusammengestellt. Um eine Festschrift handelt es sich dabei nicht. Heribert Müller, hierin nicht zuletzt geprägt durch seinen Kölner Lehrer Theodor Schieffer und ganz im Einklang mit den ihm liebgewordenen Frankfurter Traditionen, hat sich solchen Ehrungen gegenüber Skepsis bewahrt, auch wenn er selbst entsprechenden Anfragen stets gerne Folge geleistet hat. Wenn daher auf eine Festschrift im traditionellen Sinne verzichtet wurde, so ist doch der Nutzen ‚Ausgewählter Aufsätze‘ so offensichtlich, daß sich der Jubilar dieser Form der Festgabe nicht entziehen mochte – und konnte. Und gerade in diesem Fall hat eine solche Sammlung ihre besondere Berechtigung, kennzeichnet die hier vorgelegte Auswahl aus Heribert Müllers kleineren Schriften – bei allem Facettenreichtum im einzelnen – doch große Kohärenz. Sie wird damit zum Zeugnis einer sich selbständig und ohne Rücksicht auf kurzlebige Trends an wichtigen Fragen weiterentwickelnden Forscherpersönlichkeit, die im Zusammenwirken dieser bislang nur einzeln greifbaren Aufsätze ein prägnantes Profil gewinnt. Dabei treten neben die in den großen Zeitschriften unseres Faches publizierten und entsprechend beachteten Studien nun auch jene, und dies trifft gerade auf manche französischsprachigen zu, die, in Freundschaftsgaben für französische Weggefährten gleichsam versteckt, längst ein größeres Publikum verdient hätten. Die äußeren Zwänge einer solchen Festgabe und der Wunsch, dem Publikum auch thematisch eine „runde“ Auswahl in die Hand zu geben, erforderten harte Entscheidungen. So wird man insbesondere Heribert Müllers Forschungen zur rheinischen Geschichte vor allem des Frühmittelalters vermissen, die mit einer unter der Leitung von Theodor Schieffer entstandenen Dissertation über seinen Namenspatron – Erzbischof Heribert von Köln – bereits einen markanten Auftakt erfuhren. Aber wenn er diesen Forschungsbereich auch nie aus den Augen verloren hat, wie neben seinen Studien zu Kölner Bischöfen des Frühmittelalters nicht zuletzt seine so aufschlußreichen Rezensionen entsprechender Publikationen zur rheinischen Geschichte bezeugen, so hat er doch in seinen Jahren als Professor an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt und an der Uni-

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Vorwort

versität zu Köln andere Forschungsakzente gesetzt. Der Titel dieses Bandes führt also nicht in die Irre. Frankreich, Burgund und das Reich im späten Mittelalter, in ihren Beziehungen zu den großen Konzilien des 15. Jahrhunderts und in ihrem Verhältnis zueinander, so läßt sich das Spektrum der hier wiedervorgestellten Aufsätze umreißen. Untersuchungen zur französisch-deutschen Historiographiegeschichte schließen sich nahtlos an. In den Entstehungszeitraum dieser Arbeiten fällt aber auch Heribert Müllers Hinwendung zu einem personengeschichtlichprosopographischen Ansatz, dessen Fruchtbarkeit für die unterschiedlichen hier behandelten Fragestellungen er immer wieder unter Beweis stellen konnte. Einheitlichkeit prägt diese Auswahl also auch in methodischer Hinsicht. Seinen aus der frühmittelalterlichen Reichs‑ und Kirchengeschichte, von Theodor Schieffer kommenden jungen Kölner Assistenten hat Erich Meuthen zur Konzilsforschung gebracht, die Liebe zu Frankreich zum Thema seiner Habilitationsschrift „Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil“. Sie wurde nicht nur allein vom Umfang her ein großes Werk. Denn was manchem auf den ersten Blick wie eine Spezialabhandlung zur spätmittelalterlichen Kirchengeschichte vorkommen mag, ist nicht nur ein Markstein der Konziliengeschichte, ausgezeichnet mit dem Giovanni Domenico Mansi-Preis der Gesellschaft für Konziliengeschichtsforschung, sondern ein wichtiger Beitrag der Mediävistik zur vieldiskutierten Frage nach der genèse de l’État moderne, zum Werden des modernen Staates in Frankreich, dem europäischen Modellfall. Mit der Anwendung der Prosopographie auf ein Ereignis eröffnete Müller der neuen politischen Geschichte Frankreichs einen bis dahin unerprobten methodischen Zugang, mit der Kirchengeschichte ein neues Feld. Zugleich lenkte er den Blick über das Zentrum königlicher Macht, den Hof in Bourges und Poitiers, hinaus in die politischen Landschaften Frankreichs mit ihren Fürstenhöfen, ihren Universitäten, ja vor allem ihren Bischofssitzen und Kathedralkapiteln, und auf das sie verbindende enge Geflecht persönlicher Beziehungen. All dies wußte er in der französischen Konzilsnation des Basiliense aufzuspüren, all diese Vielgestaltigkeit und Vielschichtigkeit fügte sich der Frage nach dem Wiederaufstieg der französischen Königsmacht aus der Krise des Hundertjährigen Krieges. Aber selbst auf tausend Seiten ließ sich dieses Thema nur exemplarisch abhandeln, niemals erschöpfen. Manches wurde seinen Schülern zum Ausgangspunkt eigener Forschungen, von anderen Aspekten ließ sich Heribert Müller selbst bis in die jüngste Zeit zu immer wieder neuen Fragen anregen. Aus der großen Zahl daraus hervorgegangener Aufsätze sind hier einige ausgewählt, die das breit gefächerte Spektrum dieser Fragestellungen allerdings nur andeuten können. Mit dem Streit um das Bistum Tournai rollt Müller einen der zahllosen am Basler Konzil anhängigen Prozesse auf, um an diesem nordfranzösischen Beispiel die Interaktion der politischen Konfliktparteien vor Ort und am Konzil zu erhellen. Die Skizze zu Geoffroy de Montchoisi, dem Fürstenrat und Abt aus dem Midi, rückt die Anstrengungen des Konzils um die Reform der Orden in den Blick, diejenige

Vorwort

VII

zu Bernard de La Planche, Bischof aus der englischen Guyenne, die Bruchlinien zwischen königlicher Beauftragung und persönlicher Überzeugung. Und wie die Beschäftigung mit den erst seit wenigen Jahren in ihrem hohen historischen Aussagewert erkannten Rangstreitigkeiten in der Konzilsaula bestätigt, können auch die neuen Wege der Diplomatiegeschichte zum Basler Konzil führen. Das Thema „Frankreich und das Basiliense“ hat Heribert Müller nicht losgelassen. „Das Ende des konziliaren Zeitalters“, so der Titel des von ihm während eines Stipendienjahrs am Historischen Kolleg in München im Juni 2010 veranstalteten Kolloquiums, scheint für ihn nicht erreicht und wird es auch mit der Veröffentlichung seines Bandes der Enzyklopädie deutscher Geschichte zur kirchlichen Krise des Spätmittelalters hoffentlich nicht sein. Gleichwohl hat sich Heribert Müller von seinem Konzilsinteresse nicht gefangennehmen lassen. Immer wieder hat ihn Forscherneugier zu neuen Themen geführt, die er dank einer Gelehrsamkeit Schiefferscher und Meuthenscher Prägung und eines scharfen Blicks für die Entwicklungslinien und Interdependenzen europäischer Geschichte aufgegriffen und weitergeführt hat, ohne ältere Schwerpunkte vernachlässigen zu müssen. So wurde ihm die Beteiligung an der Kölner Festschrift für Odilo Engels über den eigenen Beitrag zu einem Brief des französischen Frühhumanisten Jean de Montreuil hinaus zum Anlaß, sich über lange Jahre mit dieser in der deutschen – historischen und romanistischen – Forschung in erstaunlicher Weise vernachlässigten geistigen Bewegung im Frankreich um 1400 zu beschäftigen. Resultat war ein großer, nach wie vor grundlegender Aufsatz, in dem er die seit Jahrzehnten im Nachbarland mit Eifer und bemerkenswerten Ergebnissen betriebene Spezialforschung für die deutsche Fachwelt aufarbeitete, nicht ohne einen ganzen Katalog eigener Fragen hierzu zu entwickeln. Eine ideale Erweiterung seiner Forschungen zum Basiliense stellte dann für ihn die Reichstagsaktenforschung dar, mit der er durch die Tätigkeit in der von Erich Meuthen geleiteten Kölner Forschungsstelle „Reichstagsakten (Ältere Reihe)“ in Berührung gekommen war und die er heute, selbst Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Nachfolger Erich Meuthens als Leiter ihrer ältesten Abteilung, in Frankfurt fortführt. Denn das intensive Quellenstudium zu den großen Reichsversammlungen des 15. Jahrhunderts verstärkte nicht zuletzt die europäischen Bezüge seiner weiteren wissenschaftlichen Arbeit und lenkte zugleich seinen Blick auf den wichtigsten westlichen Nachbarn des Reichs, Burgund. Neben seiner in der Schriftenreihe der Historischen Kommission erschienenen, wie die Habilitation preisgekrönten Studie zur Kreuzzugspolitik Herzog Philipps des Guten entsprang diesem Interesse eine Reihe von Abhandlungen über die Beziehungen des Reichs zu Frankreich und Burgund. Einige dieser Studien, welche die politischen Implikationen solcher Trilateralität besonders anschaulich aufzeigen, finden sich in diesem Band. Hervorgehoben sei in diesem Zusammenhang der in der Festschrift für Michel Parisse erschienene Beitrag zu Besançon, jener in der deutschen Forschung so

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Vorwort

sehr vernachlässigten großen Reichsstadt, der wiederum von Heribert Müllers Talent zeugt, sich und dem Leser – ausgehend von einer übergeordneten Fragestellung – auf knappem Raum das politische und insbesondere personelle Gefüge einer ganzen Region zu erschließen. Die Wiederbegegnung mit diesen Aufsätzen hielt auch für langjährige Mitarbeiter Unerwartetes bereit. Denn daß Heribert Müller im Laufe der Jahre ein eigenes kleines Œuvre zu Themen der Geschichte unserer Disziplin von der Frühen Neuzeit bis in die unmittelbare Gegenwart geschaffen hat, das von konzentrierter und teils sehr kritischer Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Tradition zeugt, ließ erst eine Gesamtsichtung seiner Aufsätze deutlich werden. Mit einigen Beispielen ist auch dieser Schwerpunkt vertreten, wobei zugegeben sei, daß den Herausgebern hier der Verzicht die größten Schwierigkeiten bereitet hat. Auch bei diesen Arbeiten geht es nicht nur mit der „Westforschung“ wiederum um einen, diesmal historiographischen Aspekt deutschfranzösischer Beziehungen. Charakteristischer ist das durchgängige Interesse an der politischen Bedingtheit historischer Forschung: sei es die Konzilsforschung als Waffe der gallikanischen Kirche in den Auseinandersetzungen mit Rom im Zeitalter Ludwigs XIV. oder die neue, auf Europa ausgerichtete Konzeption der traditionellen Reichstagsaktenforschung (die zwischenzeitlich wieder auf eine wesentlich „deutsche“ Sichtweise eingegrenzt werden mußte). Mit seinen Forschungen zu Johannes Haller hat Heribert Müller nicht zuletzt auf einen Gelehrten aufmerksam gemacht, der, gleichermaßen baltischer Geistesaristokrat wie deutschnationaler Republikfeind, methodisch strenger Wissenschaftler wie scharfzüngiger politischer Pamphletist, zu den wichtigsten Historikern seiner Generation zählte und wohl der meistgelesene war. Ein einziges und durch seinen Umfang eher untypisches Beispiel vertritt schließlich jene kleine Form, mit der intensiv zu beschäftigen sich Heribert Müller nie zu schade war: die Rezension. Zahllose dieser kritischen Texte hat er vorgelegt, ohne die die Berichterstattung über Neuerscheinungen zur französischen und burgundischen Geschichte in den wichtigsten Zeitschriften unseres Faches nicht nur um einiges unvollständiger, sondern auch um einiges langweiliger wäre. Es ist wissenschaftliche Kärrnerarbeit, die er hier Monat für Monat, manchmal Woche für Woche geleistet hat und leistet. Auch darin ist er ein unermüdlicher Vermittler zwischen den wissenschaftlichen Kulturen seiner beiden Länder – und das eher untypische Beispiel dann wohl doch ein treffend gewähltes. Dieses Vermitteln, dieses Verständlichmachen, dieses Auffordern, sich von der Geschichte, der eigenen, der französischen, der europäischen, in ihren Bann ziehen zu lassen, prägen sein wissenschaftliches Arbeiten, sie prägen seine Lehre und kennzeichnen insbesondere seine großen, vielbesuchten Vorlesungen, sind untrennbar auch mit dem Menschen Heribert Müller verbunden. Die Mitgliedschaft im Institut de France und im Beirat des Deutschen Historischen Instituts in Paris, dem er in schwieriger Zeit als Vorsitzender diente, waren folgerichtige

IX

Vorwort

Auszeichnungen. Den Grad seines Engagements für die Erforschung und Vermittlung der französischen und der deutsch-französischen Geschichte können sie kaum ausreichend würdigen. Darüber hinaus, so sei abschließend noch angemerkt, auch wenn dieser Band kein solches Textbeispiel bietet, ist Heribert Müller ein akademischer Redner von hohen Graden. Nicht nur weil es ihm gelingt, dem Ernsten seine Schwere zu nehmen und doch seine Würde zu lassen, nicht nur weil er ein feines Gespür für Form und Angemessenheit besitzt, sondern auch weil ihm hier jene Grundhaltung zu Gute kommt, die sein ganzes wissenschaftliches Werk durchzieht. Denn bei aller Aufmerksamkeit für Strukturen und Ereignisse, bei allem Willen zum Übersetzen ferner Zeiten und nur scheinbar naher Forschungskulturen prägt ihn sein nie erlahmendes Interesse am Menschen in der Geschichte. „Et l’homme dans tout cela?“ Dieses Wort Lucien Febvres ist Heribert Müller zum Credo geworden. Ja, was auch sonst? Ohne engagierte Unterstützung und Hilfe wäre diese Festgabe nicht möglich gewesen. Unser Dank gebührt Herrn Prof. Dr. Berndt Hamm (Tübingen) und Herrn Prof. Dr. Johannes Helmrath (Berlin) für die Aufnahme dieser Sammlung in die Reihe „Spätmittelalter, Humanismus, Reformation“. Danken möchten wir gleichzeitig auch dem Verlag Mohr Siebeck und dem verantwortlichen Lektor Herrn Dr. Henning Ziebritzki, der uns immer wieder seine Unterstützung gewährte. Bei der Konzeption und Gestaltung konnten wir uns in zahlreichen Gesprächen stets auf den Rat von Eric Burkart stützen, Dr. Wolfgang Voss half uns bei der Erstellung des Schriftenverzeichnisses. Beiden möchten wir an dieser Stelle herzlich danken. Zu großem Dank sind wir ebenfalls Jochen Fischbach, Patrick Matheisl, Christian Meinecke und vor allem Lisa-Maria Speck verpflichtet, die uns bei der technischen Erstellung des Manuskripts mit Eifer und Sorgfalt assistierten. Danken möchten wir aber schließlich auch historiae faveo, dem Förder‑ und Alumni-Verein Geschichtswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, für seinen Beitrag zu den Druckkosten. Wir verstehen diese Unterstützung als Zeichen des Dankes der vielen studentischen Vereinsmitglieder an einen außergewöhnlichen akademischen Lehrer. Frankfurt am Main, im August 2010

Gabriele Annas Peter Gorzolla Christian Kleinert Jessika Nowak

Für die erneute Drucklegung wurden die Texte formal behutsam angeglichen. Die bibliographischen Angaben sind vereinheitlicht und um Querverweise für diesen Band ergänzt worden. Druckfehler wurden kommentarlos korrigiert, fehlende Angaben vervollständigt.

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Siglenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII L’érudition gallicane et le concile de Bâle (Baluze, Mabillon, Daguesseau, Iselin, Bignon) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Der bewunderte Erbfeind. Johannes Haller, Frankreich und das französische Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 „Von welschem Zwang und welschen Ketten des Reiches Westmark zu erretten“. Burgund und der Neusser Krieg 1474/75 im Spiegel der deutschen Geschichtsschreibung von der Weimarer Zeit bis in die der frühen Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 *** Die Reichstagsakten (Ältere Reihe) und ihre Bedeutung für die europäische Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Der französische Frühhumanismus um 1400. Patriotismus, Propaganda und Historiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 „Die Geschichte des Christentums“. Deutsch-französische Anmerkungen anläßlich des Bandes VII: „Von der Reform zur Reformation“ . . . . . . . . . 204 *** Cum res ageretur inter tantos principes. Der Streit um das Bistum Tournai (1433–1438). Zu einem Kapitel französisch-burgundischer Beziehungen aus der Zeit des Konzils von Basel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Besançon, Burgund und das Reich. Der Streit um die causa Bisuntina auf dem Basler Konzil (1433–1435) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 ***

XII

Inhaltsverzeichnis

Zwischen Konzil und Papst, Fürstendienst und Ordensreform. Geoffroy de Montchoisi, Abt von St-Honorat / Lérins und St-Germain-des-Prés († 1436) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Gesandtschaft und Gewissen. Bernard de La Planche, ein Bischof aus dem englischen Aquitanien, auf dem Basler Konzil . . . . . . . . . . . . . . . 289 et sembloit qu’on oÿst parler un angele de Dieu. Thomas de Courcelles et le concile de Bâle ou le secret d’une belle réussite . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 *** La division dans l’unité. Le congrès d’Arras (1435) face à deux diplomaties ecclésiastiques . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Siège, rang et honneur. La querelle de préséance entre la Bretagne et la Bourgogne au concile de Bâle (1434) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 *** Köln und das Reich um 1400. Anmerkungen zu einem Brief des französischen Frühhumanisten Jean de Montreuil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 Les pays rhénans, la France et la Bourgogne à l’époque du concile de Bâle. Une leçon d’histoire politique . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Warum nicht einmal die Herzöge von Burgund das Königtum erlangen konnten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421

Bibliographische Nachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 Schriftenverzeichnis von Heribert Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 Register der Personen- und Ortsnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483

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Siglenverzeichnis

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Siglenverzeichnis

ZHF ZKG

Zeitschrift für Historische Forschung Zeitschrift für Kirchengeschichte

XV

L’érudition gallicane et le concile de Bâle (Baluze, Mabillon, Daguesseau, Iselin, Bignon) Lorsque František Palacký fit, en 1853, à l’Académie Impériale de Vienne un Bericht an die akademische Commission zur Herausgabe der Acta Conciliorum, über die in der Pariser Bibliothek vorhandenen Handschriften zur Geschichte des Basler Concils, il souligna le fait qu’Étienne Baluze avait estimé le procès-verbal du concile du notaire arrageois Pierre Brunet digne de deux copies de sa propre main: « Wenn ein Mann von solcher Stellung und solchem Geiste, wie Baluze, es der Mühe werth erachtete, ein so umfangreiches Werk zweimal eigenhändig abzuschreiben, so werden Sie, meine Herren, schon aus diesem Umstande allein einen vollgiltigen Schluss über die ungemeine Wichtigkeit seines Inhaltes zu ziehen im Stande sein »1. Si l’historien tchèque avait su combien de « Mühe », combien d’efforts en outre le bibliothécaire de Colbert et professeur au Collège de France avait consacrés en réalité pendant sa longue vie (1630–1718)2 à la collection des Acta Basiliensia, il lui aurait chanté encore plus de louanges: Depuis 1683 au plus tard, Baluze s’intéressa particulièrement à ce concile, il demanda souvent à ses nombreux amis de la « République des lettres » des copies pour réaliser son objectif d’éditer les actes du synode de Bâle. Encore à la fin de ses jours, il prépara le terrain avec l’aide de personnalités importantes de la vie politique et érudite telles le chancelier Daguesseau et le bibliothécaire du roi, Bignon, pour que se fasse une copie systématique des documents conciliaires se trouvant à Bâle. Ainsi 1 Sitzungsber. der Kaiserlichen Akad. der Wissenschaften, philos.-histor. Classe, XI, Wien 1853, 280. – Les copies de Baluze sont cotées aujourd’hui: Paris, Bibliothèque Nationale [BN], ms. lat. 1497 et ms. lat. 9515; l’original porte la cote ms. lat. 15623/24. Le ms. lat. 1497 date de la fin de 1698: Philippe Lauer, BN. Catalogue général des manuscrits latins, II, Paris 1940, 42; cf. cet essai p. 11. Le ms. lat. 9515 est une des dernières copies de Baluze; voir la note de l’abbé Louis de Targny, garde de la bibliothèque du roi et chargé de trier le « fonds » Baluze après la mort du savant: Mons. Baluze avoit entrepris de faire une seconde copie du journal de Brunetti, elle devoit servir pour l’impression. Il a marqué qu’il avoit commencé cette 2e copie le 30 janv. 1717, mais il ne l’a pas achevée etant mort le 30 juillet 1718 (BN, ms. lat. 9512, fol. 36r / v). Lucien Auvray, La Collection Baluze à la Bibliothèque Nationale, dans: BECh 81 (1920), 169: « de la main de Baluze vieillissant. Sans date [sic!] ». 2 Meilleure esquisse de sa vie et de son œuvre: G[uillaume] Mollat, dans: DHGE VI (1932), 439–452. Émile Fage, Étienne Baluze. Sa vie – ses œuvres – son exil – sa défense, Tulle 1900, ne répond pas aux exigences d’une biographie de valeur. Orest Ranum, Artisans of Glory. Writers and Historical Thought in Seventeenth-Century France, Univ. of North Carolina – Chapel Hill 1980, ne fait que quelques remarques marginales sur Baluze. On trouve le fragment d’une autobiographie dans la préface de la Bibliotheca Baluziana seu catalogus librorum v. cl. d. Stephani Baluzii Tutelensis, I, Paris 1719.

2

L’érudition gallicane et le concile de Bâle

il devint au-delà de sa mort l’instigateur d’une entreprise scientifique qui engagea jusqu’en 1725 la cour et la bibliothèque royale à Paris d’une part, le magistrat et des érudits de Bâle de l’autre. L’abbé Jourdain, « interprète » à cette époque auprès de Bignon et chargé de la collaboration aux travaux de copie à Bâle et de leur surveillance, a brièvement esquissé ces faits dans son Mémoire historique sur la Bibliothèque du Roy3. En raison de quelques documents inconnus trouvés à la Bibliothèque Nationale, ces activités françaises ébauchées par Baluze et poursuivies par d’autres savants pour une édition des Acta Basiliensia, méritent pourtant de nouveau notre attention4.

I Depuis ses années d’« apprentissage gallican » auprès de Pierre de Marca, archevêque de Toulouse puis de Paris, auquel il servit de secrétaire et collaborateur, Baluze recueillit des documents concernant l’histoire des conciles5. Après la mort de son protecteur, il édita son œuvre De concordia sacerdotii et imperii seu de libertatibus ecclesiae gallicanae libri octo, malgré la mise à l’index par Rome; probablement il n’hésita pas à intervenir de sa propre autorité dans le texte pour accentuer le ton gallican6. De même Colbert, dont il fut bibliothécaire à partir de 1667, encouragea ses recherches conciliaires qui rendirent service indirectement au ministre, quand il demanda à Baluze du matériel approprié soit à la défense des doctrines gallicanes dans les démêlés avec Rome, soit à des objectifs politiques en France7 3 Dans: Catalogue des livres imprimez de la Bibliotheque du Roy – Theologie, premiere partie, Paris 1739, LXI–LXII. 4 Cet essai se situe dans le cadre des études préparatoires à une thèse d’État sur « Les Français et le concile de Bâle (1431–1449) ». N’étant pas spécialisé dans l’histoire de l’Ancien Régime, je dois beaucoup à MM. Gasnault et Voss (Paris) dont l’aide et les conseils m’ont facilité la tâche pour travailler sur un « terrain inconnu ». En m’appuyant exclusivement sur des documents parisiens je présente ici plutôt le point de vue français, mais j’espère en complément pouvoir publier des sources se trouvant à Bâle, à une date ultérieure. 5 Stephani Baluzii Tutelensis … epistola ad … Samuelem Sorberium, de vita, rebus gestis, moribus, et scriptis illustrissimi viri Petri de Marca …, Paris 1663. Cf. Charles Godard, De Stephano Baluzio Tutelensi libertatum ecclesiae gallicanae propugnatore, Paris 1901, 1–19, 63–67. François Gaquère, Pierre de Marca (1594–1662). Sa vie, ses œuvres, son gallicanisme, Paris 1932, passim; cf. Gabriel Le Bras, Note sur Pierre de Marca et le traité ‹ De concordia ›. À propos d’un livre récent, dans: Revue des sciences religieuses 13 (1933), 591–601; Mollat, Baluze (cit. n. 2), 440, 444; Fage, Baluze (cit. n. 2), 16–17; Robert Sommerville, Baluziana, dans: AHC 6 (1974), 409. 6 Le Bras, Note (cit. n. 5), 599–600. 7 Léopold Delisle, Le cabinet des manuscrits de la Bibliothèque Impériale, I, Paris 1868 (nouv. impr. 1969), 364–365; Godard, De Stephano Baluzio (cit. n. 5), 23–24, 38–40 et appendice; Jacqueline Rambaud-Buhot, Baluze, bibliothécaire et canoniste, dans: Études d’histoire canonique dédiées à G. Le Bras, I, Paris 1965, 328–335. – Colbert, protecteur des travaux scientifiques au service de l’État: Lothar Kolmer, Colbert und die Entstehung der Collection Doat, dans: Francia 7 (1979), 463–489; Jürgen Voss, Mäzenatentum und Ansätze

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(p. ex. le 20 oct. 1670: Je prie Mr Baluze de rechercher avec soin tout ce qui concerne les conciles provinciaux dans le Royaume, en commençant par le dernier qui a esté tenu et retrogradant jusques aux regnes d’Henry second et François …)8. Lorsque Baluze édita les Concilia Galliae Narbonensis (1668), il écrivit dans son épître dédicatoire à Colbert: Institui itaque aeternitati tui nominis consecrare ingentem Conciliorum Ecclesiae catholicae collectionem … Verum quia editio illa longum deliberandi spatium requirit, multaeque me et eae graves causae vetant manum integro operi admovere impraesentiarum, hanc illius partem edere in antecessum placuit sub felicibus tui nominis auspiciis …9 Nous apprenons aussi par une lettre envoyée, le 5 juillet 1670, à Hermann Conring, célèbre érudit allemand10 que Baluze s’occupait en effet depuis longtemps, en une action de grand style, de la collection des documents conciliaires: Multi sunt anni, Vir Clarissime, ex quo in gravissimum et pulcherrimum opus incubui, nimirum in collectionem eorum Conciliorum, quae fugerunt diligentiam R. P. Philippi Labbei Presbyteri è Societate Jesu, qui aggressus erat amplissimam omnium Conciliorum editionem11. Il commença à réaliser son projet d’édition générale des actes conciliaires avec la publication du premier volume de la Nova Collectio Conciliorum (1683) – réponse critique à la collection insuffisante de Labbe-Cossart (18 vol., Paris 1671/2) et dédiée sanctissimis patribus ecclesiae gallicanae12. Mais son œuvre allant de l’an 125 à 554 n’eut jamais de suite; car d’après Pierre de Chiniac, éditeur des Capitularia regum Francorum de Baluze au 18e siècle, le chanoine craignit de perdre sa pension de 1000 livres sur les revenus de l’évêché d’Auxerre en cas de querelle avec Rome, où il avait déjà une réputation de gallican notoire13. Cette systematischer Kulturpolitik im Frankreich Ludwigs XIV., dans: Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert, Hambourg 1981 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 9), II, 123–132. – Pour les débuts de Baluze à la Colbertiana: BN, ms. fr. 22571 (Boivin, Mém. pour l’histoire de la bibl. du roi – Copie), p. 494–495.  8 BN, Coll. Baluze 362, fol. 143r–144r; cf. Pierre Clément, Histoire de Colbert et de son administration, II, Paris 31892, 371 et n. 1.  9 Stephanus Baluzius, Concilia Galliae Narbonensis, Paris 1668: Epistola dedicatoria, p. II–III. 10  Erich Döhring, dans: Neue Deutsche Biographie III (1957), 342–343. À peu près à cette époque Conring reçut des gratifications annuelles de Louis XIV; cf. la lettre du 20 févr. 1671 de Colbert à l’érudit: Lettres, instructions et mémoires de Colbert, publ. par Pierre Clément, V, Paris 1868 (nouv. impr. 1979), 306–307; Clément, Histoire de Colbert (cit. n. 8), II, 275, cf. 280–281; Voss, Mäzenatentum (cit. n. 7), 124, 129 n. 9. 11 Hermanni Conringii epistolarum syntagmata duo unacum responsis, II: H. Conringii ad Stephanum Baluzium Tutelensem et hujus ad illum epistolae, Helmstedt 1694, 2–3. – Baluze parle de Conciliorum generalium nation., provinc., dioeces. … historica synopsis du Père Labbe (Paris 1661). 12 Henri Quentin, Jean-Dominique Mansi et les grandes collections conciliaires, Paris 1900, 33–35; Fage, Baluze (cit. n. 2), 115; Mollat, Baluze (cit. n. 2), 448; Sommerville, Baluziana (cit. n. 5), 408. Pour l’édition des actes du synode d’Éphèse dans ce volume: Pierre Gasnault, Baluze et les manuscrits du concile d’Éphèse, dans: Bull. de la BN 1 (1976), 71–77. Cf. Lucien Ceyssens, dans: Augustiniana 31 (1981), 268 sv. 13 Capitularia regum Francorum. Nova editio auctior et emendatior ad fidem autographi Baluzii … curante Petro de Chiniac, I, Paris 1780, 70. – Pour sa « renommée » à Rome: Lettre

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explication est d’ailleurs adoptée par beaucoup d’historiens modernes. Mais on trouve dans la correspondance de Baluze avec le cardinal Casanate jusqu’en 1699 des indications sur la volonté de poursuivre l’œuvre (Nunc itaque serio cogitandum est de editione tomi secundi meorum conciliorum)14. D’après lui, les découvertes de nombreux manuscrits, les frais d’impression et le temps pris par d’autres travaux retardèrent la réalisation du projet15. De vraies raisons ou des prétextes? D’après Quentin, Baluze en abandonnant son projet, renonça à son but principal qu’était l’édition des actes du concile de Bâle dans le cadre de cette Nova Collectio16 – hypothèse à mon avis « ex eventu » compte tenu de l’ensemble de ses manuscrits et copies sous leur forme actuelle, dont la plus grande et importante partie concerne les synodes et les conciles des 14e et 15e siècles en particulier17. Baluze eut certainement connaissance des diverses mentions du concile de Bâle dans les œuvres de son maître gallican Pierre de Marca18, et en 1670 Conring lui proposa de faire copier des Basiliensia, au tout début d’une longue correspondance qui touchait souvent l’histoire des conciles (offre à laquelle le Tullois d’ailleurs ne répondit pas)19. De plus, s’il voulait continuer à long terme la Nova Collectio, la collection des sources conciliaires du haut moyen-âge était d’abord plus urgente. D’autre part, l’attitude « antiromaine » des conciles réformateurs du 15e siècle exerça au début des années quatre-vingt, à l’époque des vives discussions entre Rome et Paris20, une attraction magique sur ce partisan farouche du gallicanisme du cardinal Casanate à Baluze (1679 sept. 19): Hoc [édition d’une Nova Collectio qui rendrait justice à l’Église Romaine] tibi erit summae laudi, obtrudetque ora detrahentium tibi ac suspicionem de te a nonnullis praeconceptam penitus obliterabit, amaros animos in tui amorem contentendo: Maria d’Angelo, Il cardinale Girolamo Casanate, 1620–1700. Con appendice di lettere inedite di Mabillon, Baluze, ecc., Rome 1923, 175 n. 31. 14 Quentin, Mansi et les collections (cit. n. 12), 261 (1684 avril 13). 15 Ibid., 262–266 (1685–89, 1697, 1699). 16 Ibid., 35. 17 Cf. l’abbé Louis de Targny: L’on voit un grand nombre de conciles dans ces mss.; mais il n’y a rien de plus ample que le recueil des pièces concernant le Concile de Basle; elles composeroient plusieurs volumes; il y a bien de l’apparence qu’un grand nombre de ces pièces n’ont point été encore imprimées. M. Baluze l’assuroit ainsi: Auvray, La Collection Baluze (cit. n. 1), 99. Rambaud-Buhot, Baluze (cit. n. 7), 335: « Mais il semble qu’il se soit particulièrement intéressé aux conciles du XV e et du XVIe siècle … Il possédait … de nombreux textes relatifs au concile de Bâle, dont plusieurs copies authentiques de la main de Pierre Brunet, notaire, et quelques copies qu’il avait effectuées lui-même ». – En ce qui concerne les manuscrits se rapportant au concile de Bâle autrefois dans la possession de Baluze, soit en original soit en copie, je renvoie à la liste assez complète dressée par Mme Rambaud-Buhot, 334 n. 108, 335 n. 132, 338 n. 149, et à Lucien Auvray / René Poupardin, BN. Catalogue des manuscrits de la Collection Baluze, Paris 1921, 484 (registre: Bâle). 18 Gaquère, Pierre de Marca (cit. n. 5), 96, 107, 113, 137, 173, 179, 180, 182. 19 Conringii epistolarum syntagmata duo (cit. n. 11), II, 17 (lettre de C., 1670 nov. 19). 20 Victor Martin, Le gallicanisme politique et le clergé de France, Paris 1929, 292–322; E[ugène] Jarry, dans: Les luttes politiques et doctrinales aux XVIIe et XVIIIe siècles, [Paris] 1955 (Histoire de l’Église 19/II), 149–164; André Latreille / Étienne Delaruelle / Jean-Remy Palanque, Histoire du catholicisme en France, II, Paris [1963], 355–371, 420–428; Eberhard

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qu’était Baluze. Il n’est donc pas étonnant de trouver en 1683 un premier témoignage important de ses activités pour la découverte des textes bâlois. Nuls autres que Dom Jean Mabillon et son compagnon Dom Michel Germain l’informèrent, de Huningue – St-Louis, qu’ils avaient trouvé des manuscrits relatifs au concile. Cette lettre autographe n’ayant pas encore été éditée je la publie intégralement, bien que la première partie concerne une autre affaire bisontine21.

II a Huningue ce 20 juillet 1683 Monsieur, Il faut vous ecrire encore une fois en Francois, auparavant que nous devenions tout a fait Allemans ou Suisses. Car il faut enfin renoncer a la langue Francoise, et parler Allemand si nous voulons vivre. Nous partirons Dieu aidant demain pour aller a St Gal, qui est distant d’icy d’environ 40 lieues. Nous verrons les Abbayes qui seront dans la route. Mais il faut dire auparavant que depuis22 celle que je me donnay l’honneur de vous ecrire de Besançon, nous avons trouvé chez Monsr Saragoz Jurisconsulte23 un Sacrementaire ms. a l’usage de Besançon qui a servi autrefois a l’archevesque Charles de Neufchastel qui vivoit vers l’an 1400. J’en ay offert jusqu’à 2 Louys, mais ce bon Mr. le Jurisconsulte23 en veut avoir 4 pistoles. Je ne crois pas qu’il les vaille mais il me fache que ce ms. se perde entre ses mains. Il l’auroit déjà vendu a un relieur, s’il avoit pû trouver son compte. Il est fort bien ecrit sur du veslin, avec des figures: Il y a peu de choses particulieres. Si vous le souhaittez, j’en écrirai au P. Prieur de l’Abbaye de St Vincent de Besançon, qui est un fort honnete homme. Je vous envoieray par la 1ere commodité ce qui se trouve des Conciles de Basle et de Constance dans les Mss. de la Bibliotheque publique de Basle. Voicy cependant un petit memoire de quelques sermons qui se trouvent dans un ms. de Nre Dame de la Pierre qui est une Abbaye de religieux Suisses de Notre Ordre a 3 lieues d’icy. Obligez nous s’il vous plait de nous conserver toujours l’honneur de votre amitié et que nous n’en perdions rien par notre absence. Dom Michel vous fait ses civilités. Je suis aussi bien que luy Monsieur Votre tres humble et tres ob[eissant] serviteur fr. Jean Mabillon M. B. Weis, Ludwig XIV. und die Religionsgemeinschaften, dans: Handbuch der europäischen Geschichte, hg. v. Theodor Schieder, IV, Stuttgart 1968, 206–216; Louis Cognet, dans: Handbuch der Kirchengeschichte, hg. v. Hubert Jedin, V, Fribourg-en-Brisgau – Bâle – Vienne 1970, 64–80; Jürgen Voss, Von der frühneuzeitlichen Monarchie zur ersten Republik, 1500–1800, Munich 1980 (Geschichte Frankreichs 2), 81–86. 21 Coll. Baluze 294, fol. 11r–12r. Seul Targny fait deux brèves mentions de cette lettre en résumant le contenu de la Coll. Baluze 294: BN, ms. lat. 9512, fol. 11r, 19r. – Pour le manuscrit bisontin: Mabillon, Iter Germanicum (cf. n. 25), 7–8 (pontifical!); Catalogue général des manuscrits des bibliothèques publiques de France. Départements, XXXII: Auguste Castan, Besançon I, Paris 1897, 76–78 (ms. 115–117); Victor Leroquais, Les pontificaux manuscrits des bibliothèques publiques en France, I, Paris 1937, 75–78. 22 Ms.: demain. La phrase telle ne serait pas intelligible, je corrige donc en « depuis » selon une proposition de M. P. Gasnault. 23 Mabillon avait écrit d’abord « médecin », puis rayé et remplacé par « jurisconsulte ». Dans l’Iter Germanicum le possesseur est dit être médecin.

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J’oubliais de vous dire que dans la Bibliothèque de Mr le Docteur Feche a Basle il y a un fort beau ms. grec du 8e concile general assemblé contre Photius. Outre24 ce ms. j’ay encore trouvé dans un autre les Actes du Concile de Basle ou plutost plusieurs actions qui s’y sont passées, je doute fort que tout soit imprimé. J’ay porté le neveu de Mr Feiches a conferer ce ms. avec l’imprimé et transcrire ce qui ne l’est pas. S’il le fait, Mr le Marquis de Puisieux vous le fera tenir ou bien a nous, et ainsi d’une maniere ou d’autre vous en serez le maitre. Je souhaiterois de tout mon coeur pouvoir rencontrer quelque chose de conforme a vos desseins. Je me ferois un plaisir singulier de vo[u]s marquer par la avec quels sentimens de respect, d’estime et de fidelité je seray toujours Monsieur vostre tres humble et tres obeissant serviteur fr. Michel Germain M. B. Si j’avois cru que vous deussiez recevoir ce que j’ay transcrit a la Pierre etant fort pressé je l’aurois mieux ecrit, mais j’etois pressé et je ne le suis pas moins. J’espere que vous le dechiffrerez passablement bien.

Cette lettre est un des premiers documents du voyage de Mabillon en Suisse, Autriche et Allemagne, décrit ensuite dans son Iter Germanicum – témoignage aujourd’hui moins apprécié pour les recherches effectuées dans les bibliothèques que pour son tableau de scènes de la vie quotidienne dans le sud du monde germanophone à la fin du 17e siècle25. Le Mauriste, déjà bien connu chez les savants d’Allemagne, voyageait aux frais du roi et de Colbert; ce-dernier l’avait chargé de recueillir dans les villes et les monastères du Saint-Empire des documents relatifs à l’histoire profane et ecclésiastique de la France26. Cette mission fut très délicate à une époque où l’opinion publique en Allemagne était hostile à Paris, vu que la politique expansionniste de Louis XIV venait d’atteindre l’Alsace. La place forte de Huningue-St-Louis, où les deux moines furent accueillis par le commandant Roger Brulart de Sillery, marquis de Puysieulx, fut spécialement 24 À

partir d’« outre » la main de Michel Germain. Mabillonii Iter Germanicum …, Hambourg 1717; première édition 1685 au vol. IV des Vetera Analecta du Mauriste (21723). – J. G. Ritter von Koch-Sternfeld, Skizze des Iter Germanicum von Mabillon, dans: Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen 5 (1850), 486– 497; Robert Klopfer, Dom Johannes Mabillon in Wettingen, dans: Cistercienser-Chronik 52 (1940), 59–61; Paul Mac Donald, Mabillon’s ‹ Iter Germanicum ›, dans: Downside Review 91 (1973), 1–12; Jürgen Voss, Das Elsaß als Mittler der Geschichtswissenschaft, dans: Historische Forschung im 18. Jahrhundert …, hg. v. Karl Hammer/J. V., Bonn 1976 (Pariser Histor. Studien 13), 343–344; Bruno Neveu, Mabillon et l’historiographie gallicane vers 1700 …, dans: ibid., 27–28. – Traduction française de la partie alsacienne et bâloise du voyage: [Auguste Ingold,] Voyage littéraire en Alsace de Dom Mabillon, Colmar 1893. Traduction allemande de la partie suisse: H. Herzog, Jean Mabillons Schweizerreise, dans: Tb der Histor. Gesellschaft des Kantons Aargau für das Jahr 1900, 57–91; du séjour à Bâle: Rudolf Thommen, Ein französischer Mönch in Basel, dans: Basler Jb 1895, 92–96. 26 Iter Germanicum (cit. n. 25), 102; Emmanuel de Broglie, Mabillon et la Société de l’abbaye de Saint-Germain des Prés à la fin du dix-septième siècle, 1664–1707, I, Paris 1888, 289; Clément, Histoire de Colbert (cit. n. 8), II, 286 et n. 2; Suitbert Bäumer, Johannes Mabillon. Ein Lebens‑ und Literaturbild aus dem 17. und 18. Jahrhundert, Augsbourg 1892, 126–127; Gall Heer, Johannes Mabillon und die Schweizer Benediktiner. Ein Beitrag zur Geschichte der historischen Quellenforschung im 17. und 18. Jahrhundert, St-Gall (1938), 98; Henri Leclercq, Dom Mabillon, I, Paris 1953, 200–201; Voss, Mäzenatentum (cit. n. 7), 127, 131 n. 36. 25 Jo.

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pour la ville voisine de Bâle l’incarnation de la menace française: en juillet 1683, Vauban projetant un agrandissement de la forteresse passa aussi par Huningue, et le même mois les Bâlois très inquiets s’adressèrent instamment à la Confédération Helvétique27. Mais il semble que Mabillon accomplît cependant sa mission dans un climat amical et agréable – le monde de la « République des Lettres » n’était pas le monde agité de la politique, les intérêts d’un Bénédictin ne coïncidaient pas forcément avec ceux de son mécène Colbert, et le marquis de Puysieulx était toujours très soucieux de bonnes relations avec la ville de Bâle. Il entretint des rapports amicaux avec Augustin Reutty, abbé de Mariastein (Notre Dame de la Pierre), qui éleva deux de ses fils dans son monastère28. Plus tard Puysieulx dut d’ailleurs remplir les fonctions d’ambassadeur de France auprès de la Confédération Helvétique (1698–1708)29. Mais avant tout le marquis, correspondant de plusieurs Mauristes, fut un ami des lettres – Huningue représentait pour lui une sorte de limogeage ordonné par son ennemi intime Louvois30. Ainsi Puysieulx connut bien le deuxième bibliothécaire de la ville de Bâle Johann Jakob Buxtorf, descendant d’une célèbre dynastie d’hébraïstes de Westphalie et lui-même professeur d’hébreu31. Celui-ci accueillit les moines et leur fit ouvrir les portes de la maison de Christoph Faesch, professeur d’histoire et membre du magistrat de Bâle, qui gérait le « Museum Faesch » de son feu frère Rémi32. Après avoir fait 27 a) Huningue-Bâle: August Huber, Geschichte Hüningens von 1679–1698, Bâle 1894 (Thèse), 33–69, 71, 80–82; Paul Burckhardt, Geschichte der Stadt Basel von der Zeit der Reformation bis zur Gegenwart, Bâle 1942, 69; Andreas Heusler, Geschichte der Stadt Basel, Bâle 51957, 152, 156; Max Burckhardt, Europäische Nobilitäten auf der Durchreise in Basel, dans: BZGA 71 (1971), 216. – b) Marquis de Puysieulx: Jean de Boislisle, Les Suisses et le marquis de Puyzieulx, ambassadeur de Louis XIV (1698–1708) …, Paris 1906. Cf. Huber, 26, 109; Heer, Johannes Mabillon (cit. n. 26), 110–111; M. Burckhardt, 228; Michel Antoine, Le gouvernement et l’administration sous Louis XIV. Dictionnaire biographique, Paris 1978, 213. 28 Bäumer, Johannes Mabillon (cit. n. 26), 130; Heer, Johannes Mabillon (cit. n. 26), 108–109, 290–295; DHBS V (1930), 453. 29 Cf. n. 27 b; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder …, I, Berlin 1936, 237; Markus Fürstenberger, Die Mediationstätigkeit des Basler Bürgermeisters Johann Balthasar Burckhardt 1642–1722, Bâle – Stuttgart 1960 (Thèse Bâle), 60, 177. 30 Boislisle, Les Suisses (cit. n. 27 b), VIII–X. 31  Iter Germanicum (cit. n. 25), 15; Broglie, Mabillon (cit. n. 26), I, 293; A. M. P. Ingold, Mabillon en Alsace, Colmar 1902, 7 n. 3 (I. publie p. 16–18 une autre lettre de Mabillon, écrite de Huningue le 19 juillet 1683, à son confrère Dom Thierry Ruinart, dans laquelle il annonce son départ imminent pour les monastères suisses); Heer, Johannes Mabillon (cit. n. 26), 99–100; Leclercq, Dom Mabillon (cit. n. 26), I, 205–206; Aloys Böhmer / Hans Widmann, dans: Handbuch der Bibliothekswissenschaft, III/1, Wiesbaden 1955, 665; Burckhardt, Europäische Nobilitäten (cit. n. 27 a), 229; Mac Donald, Mabillon’s ‹ Iter Germanicum › (cit. n. 25), 5. – Pour Buxtorf voir aussi: Andreas Staehelin, Geschichte der Universität Basel 1632–1688, Bâle 1957, 204, 228, 567; Die Matrikel der Universität Basel, III: 1601/2–1665/6, hg. v. Hans Georg Wackernagel, Bâle 1962, 534 n. 22; cf. IV: 1666/7–1725/6, hg. v. †  H.G. W./ Max Triet / Pius Maurer, Bâle 1975, 135, 277. 32 Iter Germanicum (cit. n. 25), 16; Broglie, Mabillon (cit. n. 26), I, 293; Heer, Johannes Mabillon (cit. n. 26), 99–100. – Pour Faesch voir aussi: Staehelin, Universität (cit. n. 31), 193, 198, 220, 568; Matrikel Univ. Basel (cit. n. 31), III, 273 n. 44; cf. IV, 57.

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connaissance, les 19/20 juillet 1683, Puysieulx et Mabillon entretinrent une correspondance suivie jusqu’à la mort du bénédictin (1707), à qui le marquis servit souvent d’intermédiaire pour les contacts avec les érudits et religieux suisses; grâce à Puysieulx, Buxtorf et les Faesch restèrent en relation avec les Mauristes33. Nos pères envoyèrent à Monsieur Baluze bibliothécaire de Monseigr Colbert en la rue Vivienne a Paris le sommaire d’un manuscrit de l’abbaye de Mariastein contenant des sermons faits au concile de Bâle, dont ils parlaient dans leur lettre (= Coll. Baluze 294, fol. 9r–10r). Mais ils n’attachèrent d’importance ni au codex (aujourd’hui: Öffentl. Bibliothek der Universität Basel A VII 52) ni à la bibliothèque du monastère: sed nullos scriptos codices invenimus, praeter unum aut alterum, in quo multi sermones, in Concilio Basileensi habiti, referuntur omnes fere inediti sed plane luce non digni. Et l’abbé Reutty nota dans son journal: Ex nostra [bibliotheca] etiam parum aliquid descripsere34. Pour la visite de la bibliothèque de Bâle, Baluze donna à Mabillon (pour le tres Reverend Pere Dom J. M.) une liste de 49 cotes qu’il avait probablement tirées du catalogue (manuscrit!) de Zwinger, bibliothécaire et professeur de grec à Bâle (1672/78) (= Coll. Baluze 294, fol. 38r–39v, cf. 40r/ v)35. Quant au manuscrit trouvé par les Bénédictins au Cabinet Faesch, il pourrait s’agir d’un codex qui est aujourd’hui à la Bibliothèque publ. de l’Université de Bâle et coté: O (provenance Faesch) III 35, recueil d’Orationes, Epistolae, Sermones etc. du concile36. À Paris, je n’ai pas trouvé d’exécution par le neveu de M. Faesch des commandes de Michel Germain. Ce fut au contraire le bibliothécaire Jakob Christoph Iselin qui copia presque un demi-siècle plus tard (1724/5) pour la bibliothèque du roi à Paris une pièce de ce manuscrit (Sermon de Thomas de Courcelles aux funérailles de Hugues d’Orges, archevêque de 33 BN, ms. fr. 19656, fol. 157r–178r: Lettres de Puysieulx à Mabillon 1683–1707; Ingold, Mabillon (cit. n. 31), 19–20, 24; Heer, Johannes Mabillon (cit. n. 26), 453 n. 40; Leclercq, Dom Mabillon (cit. n. 26), II, 898 n. 331. 34 Iter Germanicum (cit. n. 25), 14. – Reutty: Heer, Johannes Mabillon (cit. n. 26), 99 n. 6. 35  La façon de citer les manuscrits prouve que Baluze connut (par copie? par extraits?) ce catalogue: In catalogo theol. et historico libb. mss. Academiae Basileensis continentur … (Coll. Baluze 294, fol. 38r). C’est Zwinger qui introduisit ces classifications: Theologica – Juridica – Medica – Philosophica – Historica; cf. Martin Steinmann, Die Handschriften der Universitätsbibliothek Basel, Bâle 1979 (ronéotypé), 4. – Pour le catalogue de Zwinger voir Andreas Heusler, Geschichte der Öffentlichen Bibliothek der Universität Basel (Progr. zur Rektoratsfeier der Univ. Basel), Bâle 1896, 21–22; Kurt Schwarber, Die Entwicklung der Universitätsbibliothek zu Basel, dans: Basler Studentenschaft 25/5 (1944), 12; Gustav Meyer / Max Burckhardt, Die mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Basel, Abtlg. B: Theol. Pergamenthandschriften, I, Bâle 1960, IX. 36 Dans un autre codex, O II 8, on trouve quelques documents du concile, mais principalement d’autres pièces. Je tiens à remercier M. Meuthen (Cologne) pour cette indication ainsi pour d’autres renseignements concernant les manuscrits bâlois. Le « fort beau ms. grec du 8e concile general assemblé contre Photius » que Mabillon et Germain virent chez M. Faesch, est le codex O II 25: Henri Omont, Catalogue des manuscrits grecs des bibliothèques de Suisse, dans: Centralblatt für Bibliothekswesen 3 (1886), 399.

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Rouen; Bâle 1436 août 30)37. Mais un catalogue contenant la description de dix manuscrits bâlois (entre autres les trois codices de la rote du concile retrouvés récemment)38 qui suit dans la Coll. Baluze 294 la lettre de Mabillon et Germain (fol. 13r–19r), pourrait être un autre résultat des recherches des bénédictins pour Baluze. Est-elle le supplément de la lettre du 22 oct. 1683 envoyée par Puysieulx à Mabillon qui venait de rentrer en France?: Je vous envoie ce que vous avez désiré de M. Le professeur Buxtorf qui m’a chargé plusieurs fois de vous assurer de tous ses services39. Baluze fut aussi en possession de la description d’un manuscriptum Basiliense du couvent de St-Udalric à Augsbourg qu’il voulut emprunter plus tard dans le cadre de ses travaux préparatoires à l’édition des actes du concile (Coll. Baluze 294, fol. 5r)40. Ce monastère se trouva sur la route de l’Iter Germanicum de Mabillon et Germain41. Quand les deux moines entreprirent deux ans plus tard leur Iter Italicum42, Baluze les recommanda chaleureusement au cardinal Casanate, son correspondant romain de longue date: eum [Mabillon] … tibi commendo, velut animae dimidium meae, quem sic amo, sic colo, sic veneror ut neminem heic in Gallia habeam cui magis bene velim. Eius socius Dominus Michael Germanus, vir mei item amantissimus …43

37 Cf. BN, ms. lat. 17173, fol. 74v: De la fin du Ms. qui est dans le Cabinet de Mr Fesch: Collatio facta in exequiis reverendissimi patris domini archiepiscopi Rothomagensis: Deprecabuntur eum. 38 Erich Meuthen, Rota und Rotamanuale des Basler Konzils …, dans: Römische Kurie. Kirchliche Finanzen. Vatikanisches Archiv. Studien zu Ehren von H. Hoberg, II, Rome 1979 (Miscellanea Historiae Pontificiae 46), 473–518. 39 D’après Ingold, Mabillon (cit. n. 31), 20. À cette époque Mabillon adressa d’ailleurs une autre lettre à Baluze (Strasbourg, 1683 oct. 2) parlant de la mort de Colbert: Félix Chambon, Lettre inédite de Mabillon, dans: La correspondance historique et archéologique 1 (1894), 376–377. Cf. Leclercq, Dom Mabillon (cit. n. 26), II, 898 n. 325. 40  Il s’agit du ms. 41 de la Bischöfliche Ordinariatsbibliothek à Augsbourg, cf. Placidus Braun, Notitia historico-literaria de codicibus manuscriptis in bibliotheca … monasterii O. S. B. ad SS Udalricum et Afram Augustae extantibus, V/VI, Augsbourg 1794, 60–62 (À l’appendice Br. a publié plusieurs pièces de ce codex); Benedikt Kraft, Die Handschriften der Bischöfl. Ordinariatsbibliothek in Augsburg, Augsbourg 1934, 47, 87. Cf. BN, ms. lat. 9512, fol. 11r. 41 Iter Germanicum (cit. n. 25), 51; Broglie, Mabillon (cit. n. 26), I, 307–308; Leclercq, Dom Mabillon (cit. n. 26), I, 218–219; Mac Donald, Mabillon’s ‹ Iter Germanicum › (cit. n. 25), 8. 42 Œuvre parallèle à l’Iter Germanicum: Iter ltalicum/Museum Italicum, Paris 1687/9. Cf. Correspondance inédite de Mabillon et de Montfaucon avec l’Italie …, éd. M. Valery [i. e. Antoine-Claude Pasquin], 3 vol., Paris 1846; H[enri] Omont, Mabillon et la Bibliothèque du Roi à la fin du XVIIIe siècle, dans: Mélanges et documents publiés à l’occasion du deuxième centenaire de la mort de Mabillon, Ligugé – Paris 1908, 107–123; Leclercq, Dom Mabillon (cit. n. 26), I, 293–471; Pierre Gasnault, Manuscrits envoyés d’Italie à la Bibliothèque du Roi par Mabillon, dans: BECh 129 (1971), 412–420. 43 d’Angelo, Girolamo Casanate (cit. n. 13), 189 n. 51.

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III Pendant son séjour en Italie, Mabillon resta en contact avec Baluze; le 24 décembre 1685, il lui écrivit une lettre de Rome: Vous aurez ouy parler sans doute du nouveau livre de Mr Schelestrate, il ne fait pas encore grand bruit icy. Il nous fit voir ces jours passez des mss. sur lesquels il se fonde pour dire que la clause de la reformacion in capite et in membris qui se trouve dans les imprimez de la 4e Session du Concile de Constance n’est point dans les mss. de ce Concile. Vous en scaurez plus que luy la dessus44.

En effet Baluze se sentit amené à traiter cette question de façon critique. Sa réponse aux Acta Constantiensis Concilii ad expositionem decretorum eius sessionum quartae et quintae et aussi au Tractatus de sensu et auctoritate decretorum Constantiensis Concilii sessione quarta et quinta circa potestatem ecclesiasticam editorum cum actis et gestis ad illa spectantibus de 168645, œuvres surtout antigallicanes du Flamand Schelstrate46, fut un Tractatus de concilio generali47. Comme Bossuet dans sa Defensio declarationis48, Baluze envisagea la réfutation de la thèse du préfet de la Biblioteca Vaticana selon laquelle les pères de Bâle auraient « corrompu » les textes des 4e et 5e sessions du concile du Constance dans leur collection des décrets de ce synode (1442; imprimée à Haguenau en 1500)49. Mais Baluze n’acheva pas son projet – il discuta le problème d’une convocation d’un concile (d’après P. de Marca) ainsi que la question de l’œcuménicité du Pisanum sans débattre le point de départ. Tout de même, ce traité fragmentaire et non publié manifeste de nouveau l’intérêt prépondérant de Baluze pour les conciles du 15e siècle; même dans ses Vitae paparum Avenionensium (1693) on retrouve des résonances de son attitude critique envers Schelstrate50.

44 Pierre Gasnault, Lettres inédites de Mabillon à la Bibliothèque Nationale, dans: Revue Mabillon 55 (1965), 84. 45  Mais l’imprimatur est daté du 12 juillet 1685: Ibid., 84 n. 15. 46 Lucien Ceyssens, La correspondance d’Emmanuel Schelstrate, préfet de la Bibliothèque Vaticane (1683–1692), Bruxelles – Rome 1949, 44–52; cf. Hans Schneider, Der Konziliarismus als Problem der neueren Kathol. Theologie. Die Geschichte der Auslegung der Konstanzer Dekrete von Febronius bis zur Gegenwart, Berlin – New York 1976, 60. 47 Coll. Baluze 4, p. 190–216. Coll. Baluze 279 contient beaucoup de petites notices qui formaient la base du traité. 48 Jacques-Bénigne Bossuet, Defensio declarationis celeberrimae, quam de potestate ecclesiastica sanxit clerus gallicanus 19 martii 1682 … [inachevé], II, Luxembourg 1730, 7–9 (= L. IX, c. 5): Schelestrati, de falsata sessione quarta Constantiensi, fabula confutatur: Probitas P. P. Basiliensium omnium scriptorum consensu asseritur: B. Ludovici Alemandi ejus coetus principis eximia sanctitas; cf. p. 31–32 (L. IX, c. 17), p. 53–64 [Bossuet et Bâle: R. Duchon, dans: RHE 65 (1970), 397]. 49 Cf. Karl August Fink, Zu den Quellen für die Geschichte des Konstanzer Konzils, dans: Das Konzil von Konstanz, hg. v. August Franzen / Wolfgang Müller, Fribourg-enBr. – Bâle – Vienne 1964, 473–474; cf. Schneider, Der Konziliarismus (cit. n. 46), 44 n. 118. 50 Godard, De Stephano Baluzio (cit. n. 5), 27–29.

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À cette époque, il étudia un autre manuscrit qui lui fut envoyé, en mai 1685, d’Angleterre à Paris: le codex Sprever (BN, ms. lat. 1448) – collection de documents conciliaires de Constance et de Bâle, dressée par William Sprever, qui interfuit concilio Basiliensi (ibid. fol. 1r) et qui joua un certain rôle au congrès d’Arras en 143551. Les pièces copiées par notre érudit se trouvent aujourd’hui à la fin de la Coll. Baluze 30.

IV Après la mise à l’index immédiate des Vitae paparum Avenionensium (1693) par Rome, Baluze pensa au moins temporairement, d’après H. Quentin, à une réplique en publiant les actes de Bâle52. Mais il est seulement certain qu’il intensifia ses recherches des textes bâlois à la fin du siècle: Le 20 octobre 1698. j’ay donné un billet à M. Le Moyne, Docteur de Sorbonne pour un ms. contenant un journal du concile de Basle jusques à l’an 1434. J’ay achevé de le copier le lundy matin 8 décembre 1698. J’ay commencé de copier le second volume le samedi 7 mars 1699 et ay achevé de le copier le Mercredy matin 22 avril 1699. Entre-temps, il avait entrepris la copie du 3. Cod. Attrebat. J’ay commencé de travailler sur ce ms. le XI fevrier 1699. J’ay achevé le 6 mars. Les trois manuscrits avaient été auparavant en possession de Pierre Brunet, chanoine d’Arras et premier notaire du concile53; c’est Richelieu qui les fit venir à la Sorbonne54. De plus, Baluze chercha toujours des manuscrits intéressants: en mai 51 Lauer, Cat. gén. mss. lat. (cit. n. 1), II, 4–5; Auvray/Poupardin, Cat. Coll. Baluze (cit. n. 17), 49; August Zellfelder, England und das Basler Konzil, Berlin 1913 (HS 113) (nouv. impr. 1965), 239–247; Jocelyne G. Dickinson, The Congress of Arras 1435 …, Oxford 1955, p. XII, 44–45, 216; A. N. E. D. Schofield, England and the Council of Basel, dans: AHC 5 (1973), 64. 52 Quentin, Mansi et les collections (cit. n. 12), 36. 53 Coll. Baluze 294, fol. 31r, 29r (Cf. la note de Targny: BN, ms. lat. 9512, fol. 4v). Il s’agit du procès-verbal de Brunet: BN, ms. lat. 15623/4; pour ce ms. voir Palacký, Bericht (cit. n. 1), 280–281; Johannes Haller, dans: Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel [CB], I, Bâle 1896 (nouv. impr. 1971), 9; t. II, 1897, p. XII; Deutsche Reichstagsakten [RTA], X: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigmund, 4. Abtlg.: 1431–1433, hg. v. Hermann Herre, Gotha 1906 (nouv. impr. 1957), p. LVIII–LXX. La copie est cotée: BN, ms. lat. 1497 (cf. n. 1). – Baluze copia en outre BN, ms. lat. 15627 (pièces diverses concernant le concile de Bâle); voir Palacký, 283; Haller, dans: CB, I, 8–9; RTA, X, p. LXXVII; Joseph Toussaint, Les relations diplomatiques de Philippe le Bon avec le concile de Bâle, Louvain 1942, 221; Dickinson, Arras (cit. n. 51), 227. La copie: Coll. Baluze 36; ibid., fol. 1r: ex I. codice Attrebat. c. s. anno 1698 mense decembri. Cf. Auvray / Poupardin, Cat. Coll. Baluze (cit. n. 17), 49. – De provenance arrageoise est aussi BN, ms. lat. 1509 (Concordata XII virorum); voir Palacký, 281; Haller, dans: CB, I, 10–11; t. IV, 1903, p. VIII–IX; RTA, X, p. LXVII–LXVIII; Lauer, Cat. gén. mss. lat. (cit. n. 1), II, 47–48. Baluze connaissant la valeur de ces Concordata comme complément précieux du procès-verbal, les copia aussi: Coll. Baluze 29, 35; cf. Auvray / Poupardin, 48–49. 54 Targny (BN, ms. lat. 9512, fol. 4v): Les trois mss. d’Arras sont dans la Bibliotheque de Sorbonne; [Étienne Jordan,] Histoire d’un voyage littéraire fait en MDCCXXXIII en France …, La Haye

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1698, il réussit à acquérir un codex avec des textes concernant le concile de Bâle et les Hussites55. Sur place à Paris il copia aussi tous les textes bâlois qu’il trouva dans les manuscrits provenant du collège de Navarre, dont la plupart avaient appartenu à Gilles Carlier, théologien renommé au 15e siècle et membre du concile de Bâle56. Une lettre de Samuel Battier, médecin et plus tard professeur de grec à l’université de Bâle57, prouve que le savant parisien essaya à cette époque de se procurer des copies faites à Bâle. Battier, qui avait fait la connaissance de Baluze probablement en 1696 lors de son séjour à Paris après avoir tenté deux fois sans succès d’obtenir une chaire à Bâle, lui écrivit de sa ville natale le 16 oct. 170158: Equidem hactenus hic inveni neminem, qui Acta rerum forensium Concilii Bas. quae potissimum tibi describi jubebas, describere posset et vellet, ob summam Codices legendi difficultatem qui ita scripti sunt, ut saepissime Oedipo59 opus habere videantur nisi ego vellem quaeque descriptori in calamum dictare: jam cum per aciem oculorum meorum, propter frequentes lucubrationes multum jam debilitatam, labor iste clara die esset mihi suscipiendus, et per diem aliis subinde occupationibus impeditus essem, laborem istum exequi hactenus nequivi, ea semper spe fore ut plus ocii mihi tandem concederetur ad id laboris assumendum. Ensuite il lui signale que Bibliothecarium Academiae nostrae virum celeberrimum D. Werenfelsium60 … Parisios iter produxisse, … non dubito, quin is te, vir illustris, visurus sit. Is vir non parum operae in explendo tuo desiderio circa Concilium Basil. navare forte posset.

À la fin, il l’informe de l’achèvement des copies faites de sa propre main de deux Consilia des universités de Vienne et d’Erfurt en faveur du concile de Bâle61. 1735, 12: J’ai vû [à la bibliothèque de Sorbonne] un Ms. en Parchemin, qui contient des actes du concile de Basle, qui est très-bien conservé; Haller, dans: CB, II, p. XII; Alfred Franklin, Les anciennes bibliothèques de Paris, I, Paris 1867, 29 n. 1. 55 Notice de Baluze: Coll. Baluze 34, p. 1115; il s’agit de BN, ms. lat. 1503. 56 Voir la liste dans BN, ms. lat. 1498. Une partie des Manuscripta Carleriana se trouve aujourd’hui à la BN, une autre à la Bibliothèque Mazarine. – C’est d’ailleurs vers cette époque que Jean Gerbais publia à Paris le Traité du célèbre Panorme touchant le concile de Basle (1697); cf. Paul Ourliac, Science politique et droit canonique au XV e siècle (1961), dans: Id., Études d’histoire du droit médiéval, I, Toulouse (1979), 546 n. 108. 57 Chr. Gottlieb Jöcher, Allgemeines Gelehrten-Lexikon, I, Leipzig 1750 (nouv. impr. 1961), 1510–1511; Nouvelle Biographie Générale, IV, Paris 1853 (nouv. impr. 1964), 750; DHBS II (1924), 12; Staehelin, Universität (cit. n. 31), 214, 467, 564; Matrikel Univ. Basel (cit. n. 31), IV, 137–138 n. 829. 58 BN, ms. lat. n. acq. 2336, fol. 15r–16r. 59 Battier appelle parfois Baluze ainsi; ou fait-il déjà allusion à Jakob Christoph Iselin, appelé Oedipus modernus par les Bâlois à cause de sa sagacité († Marcel Godet, Au temps de la ‹ Respublica litterarum ›. Jacob Christophe Iselin et Louis Bouguet, dans: FS K. Schwarber, Bâle 1949, 118)? Je n’ai pas réussi à résoudre cette question. 60 Samuel Werenfels (1657–1740), théologien bâlois de grande réputation (représentant de la « vernünftige Orthodoxie ») et premier bibliothécaire de sa ville natale (1707–1727): Karl Barth, S. W., Bâle 1963; Heusler, Bibliothek (cit. n. 35), 80–81; Staehelin, Universität (cit. n. 31), 267–271, 466, 548; M. Geiger, dans: Professoren der Universität Basel aus fünf Jahrhunderten, hg. v. Andreas Staehelin, Bâle 1960, 86–87; Matrikel Univ. Basel (cit. n. 31), IV, 27–28 n. 166 (1701 voyage à Paris). 61 Öffentl. Bibliothek der Universität Basel A I 27, fol. 269r–275v (Erfurt), fol. 276r–282r (Vienne); ou: A VIII, fol. 106r–115r (Erfurt), fol. 116r–123r (Vienne); ou: E I 11, fol. 396r–400r

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Au printemps 1702, Battier les confia au jeune juriste Hambourgeois Nikolaus Wilckens, qui, après sa brillante promotion au grade de docteur à Bâle préparait son voyage à Paris62. La lettre qui annonce cette nouvelle à Baluze (Bâle, 1702 mars 31) met Werenfels de nouveau au premier plan pour les travaux de copie: … hactenus is exspectavit blandiores dies, in quibus ea manuscripta quae inter scripta et Archiva Urbis nostrae de Concilio Basileensi asservantur, commodius quaeri et protrahi possent63.

Les éloges avaient sans doute une raison concrète et Baluze, d’ailleurs moins « gai » et gentil qu’on ne le croit quand quelque chose allait contre son gré64, appela dans sa réponse les choses par leur nom: l’écriture du 15e siècle en demandait trop à Battier, mais aussi à Werenfels: Facile agnovi ex exemplaribus consiliorum ad me missis vos non esse exercitatos in lectione veterum librorum manuscriptorum. Itaque si quae sunt apud vos, quae mereantur transcribi, quaerendus erit aliquis modus quo voti compos fieri possim65.

Quoique Baluze portât de l’intérêt aux œuvres de Jean de Ségovie (théologien espagnol et l’une des personnalités de premier ordre au concile de Bâle), il annonça en même temps qu’il n’envisageait pas la publication de ces deux expertises universitaires dans un proche avenir: Ago itaque tibi gratias, vir amicissime, propter missa consilia illa, quae reposui inter plurima acta quae habeo, quae tangunt factum depositionis Eugenii, suo tempore emittenda in publicum, si fas fuerit. Non enim omnia semper licent, quae expediunt65.

À cette époque, les vagues de l’émotion gallicane s’étaient apaisées en France. Cette circonstance, le manque de collaborateurs compétents à Bâle et le temps (Erfurt), fol. 400r–405v (Vienne). Imprimés dans: RTA, XV: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 1. Abtlg.: 1440–1441, hg. v. Hermann Herre, Gotha 1914 (nouv. impr. 1957), n. 246 (= p. 437–450): Erfurt; RTA, XIV: Deutsche Reichstagsakten unter König Albrecht II., 2. Abtlg.: 1439, hg. v. Helmut Weigel, Stuttgart 1935 (nouv. impr. 1957), n. 229 (= p. 430–439): Vienne. L’impression par Du Boulay: voir n. 65. – Noël Valois, Le pape et le concile 1418–1450 (La crise religieuse du XV e siècle), II, Paris 1909, 259 n. 5, 6; Joachim W. Stieber, Pope Eugenius IV, the Council of Basel and the Secular and Ecclesiastical Authorities in the Empire, Leyde 1978 (SHCT 13), 78–81 (Erfurt), 82–85 (Vienne); Klaus Wriedt, Die deutschen Universitäten in der Auseinandersetzung des Schismas und der Reformkonzilien …, Kiel 1972 (Thèse d’État pas encore publiée). 62 Zedlers Universal Lexicon, LVI, Leipzig 1748 (nouv. impr. 1961), 1670–1671; Jöcher, Gelehrten-Lexikon (cit. n. 57), IV, 1988; Staehelin, Universität (cit. n. 31), 466; Matrikel Univ. Basel (cit. n. 31), IV, 316 n. 1837. 63 BN, ms. lat. n. acq. 2336, fol. 17r/v. 64 Avec Gustave Clément-Simon, La gaieté de Baluze …, Paris 1888, cf. Pierre Gasnault, Contribution à l’histoire des registres d’Innocent VI, dans: Annali della scuola speciale per archivisti e bibliotecari dell’Università di Roma 12 (1972), 77–97. 65 Minute de la réponse de Baluze: BN, ms. lat. n. acq. 2336, fol. 19r / v (19 avril 1702). Pour les Acta … quae tangunt factum depositionis Eugenii voir BN, ms. lat. 1511. – Baluze eut cependant la courtoisie de ne pas mentionner que les deux Consilia avaient déjà été imprimés par César Égasse du Boulay, Historia Universitatis Parisiensis, V, Paris 1670 (nouv. impr. 1966), 462–479.

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pris par d’autres activités scientifiques reléguèrent momentanément le concile de Bâle à l’arrière-plan des préoccupations de Baluze. Pourtant, la collection des Basiliensia dans sa bibliothèque était déjà considérable: Les memoires, et les actes du Concile de Basle sont reliés en 7 volumes in folio notait un visiteur en 170366.

V Les efforts de Baluze pour une édition des actes du concile de Bâle culminèrent pendant les deux dernières années de sa vie. Lorsqu’il rentra de son exil à Paris, le vent de la politique avait tourné. Depuis 1715, la Régence lançait une nouvelle « offensive gallicane »67 contre Rome, fait qui favorisa la recherche approfondie de l’attitude des pères de Bâle contre la papauté. N’oublions pas qu’elle menaça le pape à cette époque d’appel à un futur concile (moyen de pression d’ailleurs assez utilisé par la cour royale depuis le 15e siècle), et que vers 1717 le clergé fit de même au cours des discussions sur la bulle Unigenitus68. Mais surtout deux hommes d’une importance décisive pour la suite des événements entrèrent alors en scène: le professeur Jakob Christoph Iselin de Bâle69 et le chancelier Henri-François Daguesseau70.

66 BN, ms. fr. 22586, fol. 175r–176r (Remarque du P. Léonard?); ibid., fol. 161r–174v des notices concernant Baluze par le P. Léonard; cf. Bruno Neveu, La vie érudite à Paris d’après les papiers du P. Léonard de Sainte-Catherine (1695–1706), dans: BECh 124 (1966), 500–501. 67 Henri Leclercq, Histoire de la Régence pendant la minorité de Louis XV, 3 vol., Paris 1921: t. I, p. 157–177, t. II, p. 25–50, t. III, p. 105–125; Jarry (cit. n. 20), 225–226; Latreille e. a., Histoire du catholicisme (cit. n. 20), 475; Cognet (cit. n. 20), 417–418. – Sur la Régence cf. aussi: La Régence, Paris 1970 (Centre aixois d’études et de recherches sur le XVIIIe siècle); Jean Meyer, La vie quotidienne en France au temps de la Régence (Paris 1979). 68 Cf. les documents publiés par René Taveneaux, Jansénisme et politique, Paris 1965, 156, et dans la Sammlung Zurlauben. Regesten und Register zu den Acta Helvetica, Gallica, Germanica, Hispanica, Sabaudica etc., necnon genealogica stemmatis Zurlaubiani, hg. v. Kurt-Werner Meyer / Josef Schenker/ Rainer Stöckli, XXVI, Aarau 1980, n. 66. Voir p. 20 et n. 99 de cet essai. 69 Mémoire sur la vie et les ouvrages de feu Mr. le Docteur Iselin [par un anonyme d’après les informations de Joh. Rud. Iselin], dans: Bibliothèque Germanique ou Histoire littéraire de l’Allemagne, de la Suisse et des pays du Nord, XLI, Amsterdam 1738, 199–211 (base d’information pour toutes les œuvres contemporaines); Histoire de l’Académie Royale des Inscriptions et Belles Lettres …, XII (1734–1737), Paris 1740, 345–357; cf. t. V (1718–1725), Paris 1729, 9, 277–284; Pierre Bayle / Jacques-George de Chaufepié, Nouveau dictionnaire historique et critique, III/1, Amsterdam – La Haye 1753, 48–50; Friedrich Weiss-Frey, Heinrich Iselin von Rosenfeld und sein Geschlecht, Bâle 1909, 175–177; Fritz Heitz, Johann Rudolf Iselin 1705–1779. Ein Beitrag zur Geschichte der schweizerischen Historiographie des 18. Jahrhunderts, Bâle 1949 (Thèse), 17–28; A. Geiger, dans: Professoren der Univ. Basel (cit. n. 60: M. Geiger), 94–95; Staehelin, Universität (cit. n. 31), 12 n. 37, 199, 222, 255, 272, 467, 547; Matrikel Univ. Basel (cit. n. 31), IV, p. 257 n. 1510, p. 469; Richard Feller/Edgar Bonjour, Geschichtsschreibung in der Schweiz vom Spätmittelalter zur Neuzeit, II, Bâle – Stuttgart 21979, 475.

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Iselin, depuis 1712 primus bibliothecarius adjunctus et à partir de 1714 professeur de théologie à Bâle (avec un intérêt particulier pour l’histoire ecclésiastique), se mit en route pour un voyage en France, Angleterre, Hollande et Allemagne (1716/7). Cependant, la vie à Paris l’attira tellement qu’il resta dans la capitale de l’esprit jusqu’en 1717, se réjouissant des conversations avec des savants comme Baluze, Montfaucon, Fénelon, de Boze, mais surtout des contacts avec Daguesseau, avocat général au parlement et chancelier à partir de février 1717, qui lui facilita les relations avec le monde érudit: Iselin reçut ainsi l’autorisation d’accéder librement dans la bibliothèque royale. Ce n’est qu’à la nouvelle de son élection au poste de recteur d’Université pour l’année (24.6) 1717–(24.6) 1718 qu’il rentra dans sa ville natale71. À Paris, il se sentit flatté de l’intérêt porté à sa personne et à la bibliothèque de Bâle – juste avant, en 1714, le roi de Prusse avait souhaité des copies pour les travaux de J. Lenfant sur les conciles de Constance et Bâle, et en 1715 la cour impériale de Vienne avait lancé une demande des Basiliensia par l’intermédiaire de son ambassadeur le comte de Trautmannsdorf 72 – et il se crut obligé de faire preuve de reconnaissance, d’autant plus qu’il avait la réputation d’être très généreux à l’égard d’autres savants. Dans une des conferences, il fut question du Concile de Basle: Monsieur le Chancelier avoit extrémement à coeur qu’on en donnât une bonne histoire; il en avoit luy même rassemblé ou fait rassembler bien des matériaux epars, et M. Baluze s’estoit chargé de les mettre en oeuvre. Mais il estoit persuadé que l’on en devoit trouver à Basle un plus grand nombre encore que nous ne connoissons point, et M. Iselin se présentoit trop à propos pour qu’on 70 Francis Monnier, Le chancelier d’Aguesseau. Sa conduite et ses idées politiques, Paris 1863 (nouv. impr. 1975); Michel Prevost, dans: DBF I (1933), 827–834; Georges Frêche, Un chancelier gallican: Daguesseau, dans: Travaux et recherches de la Fac. de droit et des sciences économiques de Paris, Sér. Sciences historiques, n. 15, Paris 1969, 1–94; Antoine, Le gouvernement (cit. n. 27 b), 2–3; Isabelle Storez, La philosophie politique du chancelier d’Aguesseau, dans: RH 266 (1981), 381–400. 71 Mémoire … sur Iselin (cit. n. 69), 202–203; Histoire de l’Académie Royale (cit. n. 69), XII, 351–352; Bayle/Chaufepié, Nouveau dictionnaire (cit. n. 69), III/1, 48; Jöcher, Gelehrten-Lexikon (cit. n. 57), II, 1993; Weiss-Frey, Heinrich Iselin (cit. n. 69), 176; Heitz, Johann Rudolf Iselin (cit. n. 69), 22–23 (d’après W.-Fr. et H., Iselin partit en 1717 de Bâle, mais déjà le 15 sept. 1716 la Régence à Bâle discuta une lettre d’I. envoyée de Paris: Heusler, Bibliothek [cit. n. 35], 40); Staehelin, Universität (cit. n. 31), 12 n. 37; Matrikel Univ. Basel (cit. n. 31), IV, 257 n. 1510. 72 Jacques Lenfant, prédicateur à la cour du roi Frédéric Guillaume Ier à Berlin, publia en 1714 une histoire du concile de Constance. C’est pour la deuxième édition de ce livre (1727) et pour son œuvre (posthume) Histoire de la guerre des Hussites et du concile de Basle (1731) qu’il profita de la générosité d’Iselin. Mais dans aucun de ces ouvrages je n’ai trouvé un signe de reconnaissance envers l’érudit bâlois. Pour Lenfant cf. p. 28 et n. 156–160 de cet essai. – Les copies demandées par Vienne ne furent pas executées peut-être à cause de la mort de Trautmannsdorf 1719 [Bayle / Chaufepié, Nouveau dictionnaire (cit. n. 69), III/1, 49 n. D; Heitz, Johann Rudolf Iselin (cit. n. 69), 21] ou de la coïncidence avec les travaux pour Paris ou ob eam fortasse causam, quod Vindobonae jam extare apographum gestorum postea compertum sit (Monumenta conciliorum generalium seculi decimi quinti [MC], éd. Caesareae Academiae Scientiarum socii delegati, IV, Bâle 1935, 15).

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négligeât de s’en éclaircir. Personne, en effet, ne pouvoit en rendre un meilleur compte; toutes ces pièces sembloient estre entre ses mains73.

Bien sûr, on accepta à Paris cette offre tout de suite; dès juin 1717, la cour royale envoya l’abbé Jourdain à Bâle, « l’interprète » qui parlait sans doute allemand74, et en août on reçut un catalogue des manuscrits bâlois établi par M. Iselin75 qui avait pour sa part, au cours de son séjour parisien, dressé une liste des Basiliensia se trouvant à Paris76. Par le même courrier, il se déclara prêt à commencer les travaux de copie avec Jourdain77: Monsieur, Les bontés que Vous avés eues pour moi ont fait de trop vives impressions sur mon esprit, et je me tiens trop honoré de pouvoir faire quelque chose qui Vous soit agreable, pour ne point embrasser avec joie cette occasion des Catalogues de nos Manuscrits sur les conciles de Constance et de Bâle, que Vous me fites l’honneur de me dire, que Vous souhaitiés d’avoir. Je n’aurois pas tant tardé a Vous les envoier, si les occupations de mon Rectorat de l’Université lesquelles selon la coutume de ces sortes de charges, donnent le plus a faire dans les commencemens, ne m’avoient empéché de les finir plûtôt … je Vous avouerai, Monsieur, que je desire ardemment, qu’il y ait quelques piéces dans ces listes, qui puissent exciter vôtre curiosité. Je Vous suplie en ce cas d’étre persuadé, que j’executerai vos ordres, et Vous ferai faire les copies, que Vous jugerés a propos de me demander, avec beaucoup de joie et de ponctualité … je me ferois une joie particuliere de contribuer en quelque chose a l’augmentation d’un si riche thrésor literaire [i. e. la bibliothèque du roi], et auquel graces a vos bontés et a l’honneteté de Messieurs vos bibliothecaires, j’ai de si grandes et de si sensibles obligations … Monsieur a Bâle ce 3 Août 1717 Vôtre tres humble et tres obéissant serviteur Iselin

73 Histoire

de l’Académie Royale (cit. n. 69), XII, 351–352. bibliothèque du Roi au début du règne de Louis XV (1718–1736). Journal de l’abbé Jourdain, publ. par Henri Omont, Paris 1893, 14; Jourdain, Mémoire historique (cit. n. 3), LXI; Delisle, Cabinet des manuscrits (cit. n. 7), I, 371. Bignon avait embauché du personnel supplémentaire à la Bibliothèque royale pour l’acquisition des livres et aussi des « interpretes des langues orientales et de presque toutes les langues vivantes de l’Europe » (Jourdain, LVII); cf. [Nicolas-Thomas] le Prince, Essai historique sur la Bibliothèque de Roi …, nouv. éd. par Louis Paris, Paris 1856, 77. 75 BN, ms. lat. 9512, fol. 69r–75v; cf. copie ibid., fol. 84r–95r. 76 Öffentl. Bibliothek der Universität Basel E I 36. 77 BN, ms. lat. 9512, fol. 67r/v. Le destinataire est sans doute Daguesseau. D’après Markus Lutz eut lieu toute une correspondance entre Iselin et Daguesseau; ce curé suisse s’en vanta dans sa Geschichte der Universität Basel, Aarau 1826: « Den mit Professor Iselin darüber gepflogenen Briefwechsel dieses berühmten Staatsmannes besitzt der Herausgeber im Original » (p. 193**). Mais Lutz ne révèle rien de nouveau dans le chapitre: « Es werden Copieen von den hiesigen Conciliums-Schriften begehrt, und was sich deswegen zugetragen » (192–196). Sur Lutz et sa collection « Vaterländische Bibliothek » cf. Steinmann, Handschriften (cit. n. 35), 37–38; quant aux sources se trouvant à Bâle cf. n. 4 de cet essai. 74 La

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Après avoir reçu cette nouvelle si prometteuse, Daguesseau écrivit officiellement au gouvernement de Bâle, comme nous l’apprenons d’une lettre à Jourdain (Paris, 1717 sept. 5)78: Je vous envoye une lettre de change de M. Law79 sur le sieur Jacques Schaub Maitre des Postes a Basle80 de la somme de 512 livres 16 sous 4 deniers argent courant revenant a 600 livres monnoye de France pour vous mettre en êtat de continüer avec la meme diligence et la meme exactitude l’ouvrage que vous avés commencé, et J’escris en meme temps a Mrs du Magistrat de Basle et M. Iselin afin que vous trouviés les secours et les facilités que vous pouvés desirer dans le travail dont vous estes chargé. Il ne me reste qu’a vous exhorter d’y aporter toujours tout le soin et toutte l’assiduité possible pour le conduire promptement jusqu’a sa perfection. Je suis a vous Monsieur Daguesseau

Daguesseau s’était adressé d’une façon officielle au magistrat de Bâle sur les instances de l’abbé François de Camps, à qui Iselin et Jourdain avaient écrit81. Cet abbé commendataire de Signy (OCist., dioc. de Reims), vivant à Paris, servit un peu d’intermédiaire dans cette affaire entre Jourdain et le chancelier; il fut, d’après Jourdain, « connu par les services qu’il aimoit à rendre aux gens de lettres ». Ami de Du Cange et de Mabillon, mais aussi familier de Daguesseau, François de Camps possédait une importante collection de médailles et de documents écrits concernant en particulier l’histoire de France (127 vol., aujourd’hui BN, n. acq. fr. 7329–7455)82. C’est pour cela qu’il s’intéressa aux travaux de Jourdain: après la découverte des sources sur la querelle de préséance entre les ambassadeurs du duc de Bourgogne et des princes-électeurs du Saint-Empire au concile, il écrivit à Iselin et Jourdain83.

78 BN, ms. lat. 17173, fol. 19r/v. D’après Heitz, Johann Rudolf Iselin (cit. n. 69), 21, Daguesseau ne s’adressa à ville de Bâle qu’en 1720, en réalité les travaux de copie étaient terminés dès 1719! 79 Il s’agit bien sûr de John Law, le célèbre financier écossais. 80  Herbert Lüthy, La banque protestante en France de la révocation de l’Édit de Nantes à la Révolution, II, Paris 1961, 18, 214; Peter Claus Hartmann, Geld aIs Instrument europäischer Machtpolitik im Zeitalter des Merkantilismus, Munich 1978, 200–201. 81 BN, ms. fr. 5895, fol. 269v, 273r (Jourdain); 271r (Iselin). 82 Jourdain, Mémoire historique (cit. n. 3), XLV. La vie et les œuvres de François de Camps: BN, Coll. Clairambault 290, p. 149–284 (Vita, écrite en 1690); Mémoires de Saint-Simon, nouv. éd. par A. de Boislisle, XXXVIII, Paris 1926, 252–257 (cf. Moréri, Le grand dictionnaire historique, III, Paris 1759, 111); Gallia Christiana [GC], IX (1751; nouv. impr. 1899), 308; Delisle, Cabinet des manuscrits (cit. n. 7), t. I, p. 321, 477; t. II, p. 284, 333; Charles de La Roncière, Catalogue de la Collection de Camps, conservée au département des manuscrits de la BN, Paris 1896; Roman d’Amat, dans: DBF VII (1956), 1009; J. M.  Canivez, dans: DHGE XIV (1960), 144–145; R. B., dans: Dictionnaire des lettres françaises, publ. sous la dir. du cardinal Georges Grente: Le XVIIIe siècle, ps. 1, Paris 1960, 250; Alexandre Cioranescu, Bibliographie de la littérature française du XVIIIe siècle, I, Paris 1969, 441. Je n’ai pas eu accès au livre de Jospeh Mathy, Histoire de l’abbaye de Signy, Reims 1970. 83 Cf. BN, ms. fr. 5895, fol. 275v, 277r, 278r.

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Six lettres de Jourdain à de Camps, écrites les premiers mois de son séjour à Bâle (juillet à nov. 1717)84, nous permettent d’avoir une idée de ses débuts de travail assez pénibles, du surmenage permanent du recteur Iselin et de ses éternels problèmes de santé, mais surtout de Jourdain lui-même: bavard, servile, grossier, cupide, léger (pas une lettre sans allusions aux jolies filles suisses), et mettant toujours beaucoup d’exagération dans ce qu’il raconte: dans la même lettre du 11 août p. ex., il prétend en même temps être connu à Bâle de tout le monde et que son ardeur au travail l’empêche de voir quiconque … En octobre il affirme être tellement plongé dans ses documents que les legats d’Eugene, ni le cardinal d’Arles aient eû ici jadis plus d’affaires que je [n’] en ai à present pour transcrite tout ce qu’ils ont fait. Il i a presque trois semaines que je ne suis sorti de ma chambre, j’ai renoncé presqu’à tout commerce, et à voir la barbe que je porte maintenant, on me prendroit quasi pour un ancien pere du Concile85. Dans cette même lettre du 20 oct. 1717 à de Camps, il écrivit d’ailleurs qu’on venait d’offrir un recueil contemporain des décrets du concile de Bâle au chancelier. À en juger par cette lettre et une autre d’Iselin à l’abbé de Signy86, ce fut officiellement le magistrat de Bâle qui fit ce don87, mais en réalité sur les instances d’un Iselin toujours reconnaissant de son séjour parisien (ou bien le recteur a-t-il juste satisfait un désir personnel du chancelier, en même temps « surintendant » des bibliothèques et propriétaire d’une belle bibliothèque très réputée?)88. Ce fut un geste de bonne volonté, mais pour une bibliothèque richement dotée d’Acta Basiliensia une perte négligeable. N’oublions pas qu’à Bâle gouvernèrent à cette époque des conseillers municipaux et marchands francophiles très liés par leurs intérêts au puissant voisin89 (et aussi très reconnoissants des gratifications particulières qu’on leur fait …)90. En 1718, Iselin eut la récompense de ses services en étant admis à l’Académie Royale des Inscriptions et Belles Lettres comme membre honoraire étranger (et

84  Ibid., fol. 268r–269v (1717 juillet 2); fol. 272r–273v (1717 août 11); fol. 274r–275v (1717 sept. 16); fol. 276r–277v (1717 oct. 28); fol. 278r–280r (1717 nov. 12); fol. 281r–282v (1717 nov. 20). 85 Ibid., fol. 276r. 86 Ibid., fol. 270r–271v. 87 BN, ms. lat. n. acq. 1677. Dédice fol. Abis: Vira omni laude ac decore abundantissimo Daguessaeo supremo Galliarum tabulario praefecto regni in toga non magis splendore muneris quam virtute constantia altitudine consilii animi magnitudine et in regem ac nationem universam meritis facile principi volumen hoc decretorum Basiliensis et Lausannensis Concilii sui in eum singularis adfectus et de ipsius eximia virtutis praestantia iudicii pignus ac monumentum in eius locupletissima bibliotheca dedicandum L. M. G. D. C. Respublica Basiliensis CIDCCXVII. 88 François Bluche, Les magistrats du parlement de Paris au XVIIIe siècle (1715–1771), Paris 1960, 290. 89 Fürstenberger, Mediationstätigkeit (cit. n. 29), 65–66. 90 Mémoire du marquis de Puysieulx, ambassadeur de France en Suisse (cf. n. 25, 27 b) du 16 mars 1705: Boislisle, Les Suisses (cit. n. 27 b), CXXI.

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premier germanophone)91. Daguesseau, à qui il dût cette nomination, lui fit savoir la nouvelle: Comme cette compagnie n’a pas ignoré le plaisir qu’un tel choix me feroit, elle a fait remettre entre mes mains l’Acte de sa Nomination. Elle a cru que je me chargerois avec joye, de vous envoyer un Titre d’honneur, qui vous est si justement déféré … je vous prie d’être persuadé que personne n’y prend plus de part que moi, soit par reconnoissance que j’ai des travaux que vous avez entrepris pour le service de la France, soit par l’estime singuliére …92

VI Ces activités trouvent leur reflet dans de nombreuses lettres, notices et communications de Baluze. Les copies qui arrivèrent peu à peu de Bâle chez Daguesseau firent mûrir sa décision de réaliser maintenant son idée de toujours: commencer une publication des Acta Basiliensia malgré une édition de St-Cyprien en cours93 et malgré son âge avancé. On peut se demander si Baluze ne fut pas lui-même l’instigateur de l’action du chancelier, si celui-ci ne fit pas tomber la conversation avec Iselin sur les sources bâloises sous l’impulsion de son vieil ami94. Mais il est aussi très possible qu’il aborda directement ce sujet avec l’érudit suisse, car d’après le témoignage d’un contemporain proche des événements ce fut lui-même qui apprit de M. Iselin, combien la bibliothèque publique de Basle renfermoit de manuscrits sur cette matiere, differens de ceux qu’on avoit en France et qui n’estoient pas moins importans et après, M. Baluze sollicita M. le chancelier de profiter d’une occasion si favorable95. De toute façon, le savant et le chancelier agirent évidemment en plein accord. Daguesseau avait la réputation d’être un fervent gallican de vieille tradition parlementaire; se mêlant très peu des questions théologiques au sens propre du mot, il incarna plutôt le gallicanisme politique96. Plusieurs passages de ses œuvres mettent 91 Histoire de l’Académie Royale (cit. n. 69), V, 9; Jacques Le Long, Bibliothèque historique de la France (nouv. éd.), V, Paris 1778, 64; DHBS IV (1928), 241; Heitz, Johann Rudolf Iselin (cit. n. 69), 23; Staehelin, Universität (cit. n. 31), 467. Je crois que Marcel Godet ne reconnut pas la vraie raison de cette nomination en écrivant: « Ses séjours en France [En 1698 déjà Iselin avait voyagé dans le Midi pour étudier les vestiges de l’Antiquité] firent apprécier son étonnante érudition et lui valurent d’être nommé membre de l’Académie … »: M. G., Au temps (cit. n. 59), 118. 92 Bayle / Chaufepié, Nouveau dictionnaire (cit. n. 69), III/1, 49 n. D; cf. Mémoire … sur Iselin (cit. n. 69), 203–204. 93 Pierre Petitmengin, Un monument controversé, le « Saint Cyprien » de Baluze et Dom Maran (1726), dans: Revue d’histoire des textes 5 (1975), 97–136. 94 Déjà en 1668 ils entretinrent tous deux une correspondance: Coll. Baluze 297, fol. 317. À cette époque Daguesseau encouragea aussi Baluze à réaliser son édition des Capitularia regum Francorum: Godard, De Stephano Baluzio (cit. n. 5), 26–27. 95 Jourdain, Mémoire historique (cit. n. 3), LXI. 96 Albert Le Roy, Le gallicanisme au XVIIIe siècle: La France et Rome de 1700 à 1715, Paris 1892, 231–232, 259, 269, 374, 380, 417, 441, 452–453, 461, 654–656; Leclercq, Histoire de la Régence (cit. n. 67), II, 30; Frêche, Daguesseau (cit. n. 70), 32–35.

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l’accent sur l’importance de la Pragmatique Sanction, l’adaptation modifiée des décrets de Bâle par Charles VII à Bourges en 143897, et l’affirmation de la thèse de la supériorité du concile envers le pape98. (En 1717, des évêques et la Sorbonne appelèrent d’ailleurs à un concile futur contre la bulle Unigenitus, et d’après Mathieu Marais, avocat au Parlement, parut mi-juillet 1717 à Paris l’ouvrage d’un anonyme « Dissertation sur l’appel interjeté de la constitution ‹Unigenitus› au concile général »)99. Le Saint-Siège et les Jésuites luttèrent toujours contre lui, bastion du gallicanisme, « qui s’est imposé comme le principal adversaire de la cour de Rome en France dans la première moitié du XVIIIe  siècle »100. Il existe un mémoire de Baluze daté du 22 juillet 1716, qui demande au Régent d’entamer des activités pour les manuscrits de Bâle101: … il est tres important d’avoir la communication des Manuscrits qui sont dans la Bibliothèque publique de cette ville [i. e. Bâle]. Pour y reussir il semble qu’il seroit à propos que M. le Regent y emploie toute son auctorité en faisant assurer de sa part ces Messieurs par Mons. l’ambassadeur que ces manuscrits leur seront renvoyéz exactement et fidelement dans six mois au plus tard … Par ce moyen je peux assurer que je fairay une tres belle edition des Actes de ce concile, si Dieu me donne une assez longue vie et une aussi bonne santé que celle, dont j’ay besoing pour un si grand et si penible travail.

En février déjà il avait dressé une liste des manuscrits entrant en ligne de compte pour un prêt102. Plus tard il n’en fut plus question; peut-être que les conversations avec Iselin ou les premiers contacts avec le magistrat avaient mis en évidence que c’était un projet tout à fait impossible. (Le conseil d’ailleurs avait déjà interdit le prêt des actes à Berlin pour les travaux de Lenfant)103. La lettre d’Iselin, citée ci-dessus, fit naître de nouvelles activités: un ami de Daguesseau, Eusèbe de Laurière, avocat au Parlement, jurisconsulte de haute  97 Œuvres complètes du chancelier d’Aguesseau, éd. Pardessus, XV, Paris 1819, 140, 149 (= Discours de M. le chancelier d’Aguesseau, II, Besançon 1846, 177, 186).  98  Frêche, Daguesseau (cit. n. 70), 57.  99 Journal et mémoires de Mathieu Marais, avocat au Parlement de Paris sur la Régence et le règne de Louis XV (1715–1737), publ. … par Mathurin de Lescure, I, Paris 1863, 219, cf. 246; E. J. F. Barbier, Journal historique et anecdotique du règne de Louis XV, publ. par. Arthur de La Villegille, I, Paris 1847 (nouv. impr. 1969) (SHF), 50. Cf. p. 14 et n. 68 de cet essai. 100 Frêche, Daguesseau (cit. n. 70), 59–60; cf. Jean Buvat, Journal de la Régence (1715– 1723), éd. Émile Campardon, II, Paris [1865], 350. 101 Coll. Baluze 294, fol. 32r /34r; cf. BN, ms. lat. 9512, fol. 20r / v. Le Duc Philippe d’Orléans fut en général bien intentionné à l’égard de Baluze: Godard, De Stephano Baluzio (cit. n. 5), 60; Petitmengin, Saint Cyprien (cit. n. 93), 107. – Déjà en 1673 Baluze avait employé le même procédé: Pour le prêt de quatre manuscrits du couvent de St-Gall il demanda l’intervention de Colbert et de l’ambassadeur de France en Suisse: Lettres de Colbert (cit. n. 10), V, 352–353 n. 109; Clément, Histoire de Colbert (cit. n. 8), II, 264. 102 Coll. Baluze 294, fol. 5r. 103 Histoire de l’Académie Royale (cit. n. 69), XII, 352; cf. Heitz, Johann Rudolf Iselin (cit. n. 69), 21.

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réputation104 et chargé de garder les copies arrivant à Paris au cours des années suivantes, reçut l’ordre de collaborer avec Baluze105, qui donna pour sa part au début d’octobre des instructions précises pour les travaux à Bâle106 et se prononça d’une façon favorable sur les premières copies arrivées dans un « billet ou mémoire » adressé probablement à Daguesseau. De cette époque surtout datent ses nombreuses petites notices recueillies aujourd’hui en particulier dans la Coll. Baluze 294 et recopiées en partie par l’abbé de Targny107. Quelques jours avant sa mort, notre érudit s’adressa encore au chancelier pour lui présenter son plan de travail de façon assez détaillée (29 juin 1718)108: il voulait examiner les nouvelles copies de Bâle que Daguesseau lui avait transmises récemment et commencer ses travaux pour les Acta Basiliensia au début de l’année 1719 après avoir terminé l’édition de St-Cyprien (le schéma est semblable: c’est aussi une œuvre « antiromaine » à laquelle il avait pensé depuis des dizaines d’années)109. Dès à présent, il disposait de documents suffisants pour publier un premier volume. En outre il demanda au chancelier de lui faire venir les copies de provenance dijonnaise. (Les « copies de plusieurs pièces concernant le concile de Basle tirées des Archives du Parlement de Dijon » furent une petite entreprise parallèle à celle de Bâle)110. Il donna même des instructions pour une impression de sa future édition aussi rapide que possible111. Mais Baluze mourut le 28 juillet 104 Buvat, Journal (cit. n. 100), I, 246–247; Zedlers Universal Lexicon, XVI, 1095–1096; Jöcher, Gelehrten-Lexikon (cit. n. 57), II, 2314–2315; Nouvelle Biographie générale, XXIX, Paris 1862 (nouv. impr. 1967), 941–944. Ses œuvres: Cf. BN, Catalogue général des livres imprimés, XC, Paris 1927, 339–341. 105 Coll. Baluze 294, fol. 22r; cf. BN, ms. lat. 9512, fol. 19v. 106 a) Instructions: Coll. Baluze 294, fol. 20r. – b) « Billet ou Mémoire »: ibid., fol. 24r; cf. BN, ms. lat. 9512, fol. 19v–20r (1717 oct. 3). 107 BN, ms. lat. 9512, fol. 11r–14v: Variae observationes, notulae, indicationes ex schedis doctiss. Baluzii … 108 Lettre éditée par Quentin, Mansi et les collections (cit. n. 12), 204–205, d’après Coll. Baluze 294, fol. 1r (cf. BN, ms. lat. 9512, fol. 19r/v). Mais Quentin ne connaissait pas le vrai contexte de ce document. 109  Voir Petitmengin, Saint Cyprien (cit. n. 93), 99 n. 1, 104, 106–107. Baluze supprima les paroles importantes Et primatus Petro datur dans l’œuvre De unitate ecclesiae (ch. 4) de Cyprien: Sancti Cypriani de ecclesiae catholicae unitate, éd. M. Bévenot, dans: S. Cypriani episcopi opera, Turnhout 1972 (Corpus Christianorum ser. lat. III/1), 251; Petitmengin, 114. 110 BN, ms. lat. 1518: Des copies surtout de B 11615 des Archives départementales de la Côte-d’Or (Dijon). Cf. la liste des copies dijonnaises, remises à la bibliothèques du roi par de Laurière: BN, ms. lat. 17173, fol. 35v = 72r/v = 84r/v. 111 mais afin d’oster tout prétexte de retardement à Mr Rigaud, je crois qu’il seroit à propos de luy faire ordonner de faire travailler incessament à une fonte de caractères pour cet ouvrage, et de lui recommander qu’il la fasse faire ample [Dom Quentin: « double » – une erreur de transcription] parce que me trouvant en un aage fort avancé, il conviendra, ce me semble Monseigneur, d’aller à deux presses, afin d’avancer cette impression, laquelle souffriroit, si Dieu me retiroit de ce monde pendant qu’on y travailleroit (d’après Quentin, Mansi et les collections [cit. n. 12], 204). – Ce passage exige une explication: Claude Rigaud, libraire lyonnais, fut le neveu de Jean Anisson, imprimeur du roi, et à partir de 1704 son successeur rue de la Harpe: Georges Lepreux, Gallia Typographica, Sér. parisienne, I: Livre d’Or des imprimeurs du roi, 1ère partie, Paris 1911, 56. – Jusqu’à sa mort 1702, François Muguet

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1718, « ehe solches ins Werck konnte gerichtet werden »112. Pourtant les activités à Bâle se poursuivirent au-delà de sa mort, et elles durent occuper le milieu érudit et politique à Paris comme au bord du Rhin jusqu’en 1725. Malgré le décès, Daguesseau escomptant une édition des Actes113 prit très vivement part à la continuation des travaux de copie; une lettre à Jourdain fait preuve qu’il fut à la hauteur même des questions spéciales114. Une autre lettre du 31 mai 1719 nous renseigne sur la fin des travaux de l’abbé à Bâle, mais le chancelier lui fit la proposition suivante115: Vous pouvés donc revenir quand vous le jugerés a propos, a moins que vous ne voulussiés parcourir les biblioteques des environs comme je vous l’ay marqué par ma derniere lettre sur la proposition que M. L’abé de Camps m’en a faitte …

Je ne sais si l’abbé fit ce voyage, lui-même se tait sur ce point. Les copies qui arrivèrent de Bâle par intervalles chez Daguesseau, furent d’abord confiées à de Laurière (mais il semble que le chancelier en garda aussi une partie dans sa belle bibliothèque). Celui-ci ordonna en 1723 le dépôt de toute la collection (faite aux frais de Louis XV) à la bibliothèque du roi, en gardant l’espoir qu’on puisse dans la suitte faire quelque usage pour l’utilité publique116.

VII Peu après commença la dernière phase des activités: On eut nouvelle en 1723 que le Magistrat de Basle, après diverses perquisitions, avoit enfin recouvré l’original du premier volume de l’histoire du Concile de Basle117 … M. l’abbé Bignon jugea qu’il n’importoit pas moins de faire collationner la copie de ce premier volume sur cet original, que de donner à toute cette collection, une forme plus authentique qu’on ne l’avoit fait118. Le fut l’imprimeur et l’ami intime de Baluze, qui institua une fille de M. légataire universelle de succession: Fage, Baluze (cit. n. 2), 130–131; Lepreux, 443–455; Auvray, La Collection Baluze (cit. n. 1), 96; Grente, Dictionnaire …: Le XVIIe s. (cit. n. 82), 740; Henri-Jean Martin, Les Bénédictins, leurs libraires et le pouvoir …, dans: Revue d’histoire de l’église de France 43 (1957) (= Mémorial du XIV e centenaire de l’abbaye de St-Germain-des-Prés), 275–276; Neveu, La vie érudite (cit. n. 66), 501; BECh 33 (1872), 187–192. 112 Zedlers Universal Lexicon, III, 293. 113 Lettre à Jourdain: Fresnes (Dép. Val-de-Marne), 1719 janv. 18: afin qu’on puisse en faire mention dans la nouvelle Edition qui sera faite de ce concile (BN, ms. lat. 17173, fol. 21r). 114 Ibid., fol. 20r–21r. 115 Ibid., fol. 22r/v. 116 Lettre à l’abbé Bignon: Fresnes, 1723 juillet 5 (BN, ms. lat. 17173, fol. 23r / v). Cf. la liste des copies remises à la bibliothèque ibid., fol. 26r–36r, voir aussi fol. 63r–71v, 76v–84v. Un cahier dans le ms. lat. n. acq. 1677 (voir n. 87) la contient aussi; Jourdain, Mémoire historique (cit. n. 3), LXII (1722). 117 Jourdain, ibid. 118 I. e. Joannis de Segovia historia gestorum generalis synodi Basiliensis (éd. dans: MC, II–IV, Vienne – Bâle 1872–1935). D’après Daniel Burckhardt-Werthemann, Häuser und Gestalten

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27 oct. 1723, Jean-Paul Bignon, bibliothécaire du roi, obtint de la cour à Versailles l’engagement de payer un deuxième voyage de Jourdain à Bâle; il demanda tout de suite à l’abbé de venir aussi tôt que possible à Paris pour les préparatifs, parce que J’ay grande impatience de voir dans la Bibliotheque du Roy un depost de si grande consequence pour les Libertéz de l’Eglise Gallicane, revetüe de toute l’authenticité possible. On pourra l’appeller dans toute la Posterité le Palladium de la France119.

Bignon, actif et compétent aussi bien comme président des Académies scientifiques que dans l’organisation de la bibliothèque royale, dirigée déjà par ses ancêtres, devint maintenant la personnalité de premier plan (« By his administrative talents and untiring zeal for learning, Jean-Paul Bignon … had earned a place among the greatest librarians of the French national library »)120. Ce fut un engagement pour les Acta Basiliensia, non moins par la conscience du devoir que par la conviction d’un fervent gallican. Il informa le 15 janv. 1724 Jean Boivin, son garde des manuscrits121, qu’il avait autorisé la remise des copies à Jourdain dans le dessein de collation et certification à Bâle122 – une ordonnance analogue de Louis XV suivit le 29 janvier 1724123. Jourdain arriva à Bâle le 8 février 1724124; mais au début de sa mission, il rencontra quelques difficultés, comme nous l’apprenons de plusieurs lettres de Bignon et de lui-même. Il semble qu’il partit seul et précipitamment sans attendre le départ de d’Avaray, ambassadeur de France en Suisse, comme il avait été prévu125. aus Basels Vergangenheit, Bâle 1925, 43, un volume des actes du concile [= Segovia?] passa en 1719/20 pour volé; cf. Lutz, Geschichte der Universität (cit. n. 77), 194–195. 119 BN, ms. lat. 17173, fol. 42r–43r; cf. Delisle, Cabinet des manuscrits (cit. n. 7), I, 371. 120 Citation: Jack A. Clarke, Librarians to the King, the Bignons, dans: The Library Quarterly 36 (1966), 296; cf. Ch. Delpérier, dans: DBF VI (1951), 437–438; Klaibert / Kolb (cit. n. 31), III / 1, 694–695; Françoise Bléchet, Recherches sur l’abbé Bignon (1662–1743), académicien et bibliothécaire du roi d’après sa correspondance, dans: ECh. Positions des Thèses 1974, 21–27; Ead., Le rôle de l’abbé Bignon dans l’activité des Sociétés savantes au XVIIIe siècle, dans: Actes du 100ème congrès nat. des Soc. savantes (Paris 1975). Section d’histoire moderne et contemporaine: Les Sociétés savantes. Leur histoire, Paris 1976, 31–41; Ead., L’abbé Bignon, bibliothécaire du Roy, et les milieux savants en France au début du XVIIIe siècle, dans: Buch und Sammler. Private und öffentl. Bibliotheken im 18. Jh. (Kolloquium Düsseldorf 26.–28.9.1977), Heidelberg 1979, 53–66; Karl Heinz Weimann, Bibliotheksgeschichte, Munich (1975), 183; Antoine, Le gouvernement (cit. n. 27 b), 39. 121 Michel Prevost, dans: DBF VI (1951), 875; Grente, Dictionnaire …: Le XVIIIe siècle (cit. n. 82), 208. 122 BN, ms. lat. 17173, fol. 25r/v. Mais il semble que ce fut en réalité de Laurière qui, n’ayant pas encore suivi les ordres de Daguesseau, remit à cette date les copies directement à Jourdain et Bignon (ibid., fol. 25v, 36r, 84v: récipissés de Jourdain et Bignon du 14 janv. 1724). 123 BN, Archives du Cabinet des Manuscrits 59, fol. 1r. Je tiens à remercier M. Gasnault (Paris) pour l’indication de cette source. 124 Ibid., fol. 5r. Journal de l’abbé Jourdain (cit. n. 74), 14: Il [Jourdain] y avoit été renvoyé, sous les ordres de M. l’abbé Bignon, au mois de février de cette année 1724 … – Il existe un relevé des frais de son séjour à Bâle allant du 15 févr. au 3 juillet 1724: BN, ms. lat. 17173, fol. 61v–62r. 125 Ibid., fol. 44r (vous marquez … que votre affaire souffre des difficultez); fol. 46r (Mais tachez de vous conduire avec une Prudence infinie, et de reparer la brusquerie avec laquelle vous estes party si

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C’est seulement après l’arrivée du marquis à Soleure vers Pâques et sa double intervention auprès des autorités locales126, soutenue par une semblable demande de la part de Bignon127, que la ville de Bâle permit à Jourdain le 1er mai 1724 de collationner les manuscrits et de chercher de nouveaux codices128. De nombreuses lettres dans le ms. lat. 17173 montrent que Bignon resta en contact étroit avec l’abbé tout au long de son séjour à Bâle. C’est la lettre du 30 mai 1724 qui attire particulièrement notre attention129. D’abord il presse son ‹interprète› de rentrer à Paris début juillet au plus tard. Quant à la copie des manuscrits récemment découverts il faut, s’il vous plaist, les bien éxaminer pour voir s’ils méritent veritablement la peine d’etre copiez et collationnez, auquel cas il faudroit prier M. Isselin de s’en charger sous les yeux de Mr d’Avaray car Mr le Duc ne juge pas à propos que vous demeuriez pour cette operation. Le temps ou nous sommes ne ressemble pas à celui ou vous avez esté envoyé pour noz premieres copies … Mr le Duc m’ayant dit nettement qu’il vouloit voir icy les fruits de vôtre travail avant de penser à le recompenser.

Quand Jourdain au début de son séjour dût constater que sans appui de l’ambassadeur et sans lettres de recommandation les autorités de Bâle n’étaient pas prêtes à lui accorder la permission de collation et d’authentification, il avait esquissé le brouillon d’une lettre royale qu’il envoya d’abord à Paris130. Bignon réagit tout de suite; mi-avril il exhorta l’abbé à ne pas se présenter comme mandataire de Louis XV131: … Les Magistrats de Basle en pourroient faire une affaire d’Etat. … le meilleur parti est de traiter la chose comme une simple affaire de Litterature et de Curiosité … Mais tachez de vous conduire avec une Prudence infinie, et de reparer la brusquerie avec laquelle vous estes party si longtemps avant Mr d’Avaray …

Un mois plus tard, Bignon calma l’esprit craintif du comte de Maurepas, secrétaire d’Etat132: Vous apprehendiez de compromettre le Roy, en faisant cette demande en son nom … Dans cet embaras ie pris moi même le party de hasarder d’ecrire simplement moi-même au chef

longtemps avant Mr d’Avaray); d’Avaray: DHBS I (1921), 473; Michel Prevost, dans: DBF IV (1948), 820–821; Repertorium der diplomatischen Vertreter (cit. n. 29), II, 127; Fürstenberger, Mediationstätigkeit (cit. n. 29), 147–148, 175. 126 BN, ms. lat. 17173, fol. 37r (cf. 37v), 38r; cf. BN, Archives 59, fol. 10r / v. 127 BN, ms. lat. 17173, fol. 38r: d’Avaray renvoie à une lettre de l’abbé (il a vous fait la même priere que je vous ay faite par ordre du Roy) jointe à son intervention. Cf. la lettre de Bignon à Jourdain du 24 avril 1724: Mr le marquis ayant jugé à propos, Monsieur, que j’ecrivisse aux Magistrats de Basle (ibid., fol. 47r); cf. BN, Archives 59, fol. 2r/v, 11r / v, 19r. 128 Ibid., fol. 9r/v, 10r/v, 11r/v; cf. BN, ms. lat. 17173, fol. 38r. 129 Ibid., fol. 50r /51v; citation: fol. 50v /51r. 130 BN, Archives 59, fol. 4r/v, cf. 6v. 131 BN, ms. lat. 17173, fol. 45r. 132 BN, Archives 59, fol. 22r. Maurepas: Antoine, Le gouvernement (cit. n. 27 b), 203.

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de cette republique a titre d’une simple curiosité de scavant et d’homme empressé à enrichir la Bibliotheque du Roy …

Pendant les dernières années, beaucoup de choses avaient changé en effet: en 1720 la banqueroute retentissante de Law, en 1723 la mort du Régent et les débuts d’une politique ressemblant à une route en zigzag menée par le Duc de Bourbon. Déjà en 1720, le gouvernement avait imposé Unigenitus, cette bulle combattue avec tant d’acharnement par Daguesseau, chancelier tombé temporairement en disgrâce. Le gallicanisme passa au second plan – on ne peut se défendre de l’impression que les responsables souhaitèrent un achèvement des travaux à Bâle au plus vite et sans faire de bruit. De plus, la note fut lourde: la somme pour les deux voyages, les copies etc. s’éleva à 8000 Livres133. Une expédition de la commande aussi rapide et économe que possible, c’est le leitmotiv des lettres de Bignon qui soupçonna probablement Jourdain de vouloir s’enrichir par sa mission (j’attens … de l’argent, on a besoin d’argent dans tous les pays du monde, mais il n’en est point où il soit plus necessaire que dans celuy où je suis à present)134; soupçon peut-être confirmé par une indication de la part d’Avaray dans ce sens135. Les lettres entre Paris et Bâle aussi bien que la correspondance de Jourdain et de la mission française à Soleure136 ne touchent presque que des questions financières et d’organisation (comme p. ex. la forme d’authentification)137. Malgré les plaintes de Jourdain sur le fait qu’Iselin continue à correspondre avec Daguesseau, pendant son séjour à Bâle, sans l’en tenir au courant138 (le professeur en avait peut-être assez du mauvais caractère de Jourdain), cette tentative évidente de semer la discorde entre Bignon et le chancelier échoua: ce fut à Iselin que l’on confia plus tard la copie des derniers manuscrits récemment trouvés139. Il avait offert lui-même ses services au bibliothécaire du roi dans une lettre du 16 juin 1724140. 133 Journal

de l’abbé Jourdain (cit. n. 74), 14. Archives 59, fol. 5r: Lettre de Jourdain à Bignon (?), 1724 févr. 9. 135  BN, ms. lat. 17173, fol. 48r–49v (Bignon à Jourdain); 60r/v (d’Avaray à Bignon) = BN, Archives 59, fol. 25r/v. 136  BN, ms. lat. 17173, fol. 54r–60v. Un certain Martinier qui écrivit (d’une façon assez familière) trois fois à Jourdain en exécutant les ordres de l’ambassadeur, est sans doute Laurent Corentin de la Martinière, chargé d’affaires de France à Soleure: Repertorium der diplomatischen Vertreter (cit. n. 29), I, 238; II, 127. 137 Ibid., fol. 52r–53r: Bignon insista pour que le magistrat fasse des authentifications dont j’estime infiniment plus la signature que celle de l’université (fol. 53r). 138 BN, Archives 59, fol. 7r. 139 Liste des pièces à copier: BN, ms. lat. 17173, fol. 73r–74v; la copie: BN, ms. lat. 1500. Iselin tira ces copies de plusieurs manuscrits, au moins quatre: Bâle, Öffentl. Bibliothek der Universität E I 1i, E I 1k, O III 35 (cf. p. 8 de cet essai), A I 31 (ou A IV 16, A V 16, E I 2?: Avis de l’université de Cracovie). Dans les lettres entre Bâle et Paris les indications de chiffres des manuscrits récemment découverts varient entre deux et quatre; la lettre de Bignon du 30 mai 1724 mentionne quatre nouveaux volumes qui ont esté trouvéz (ibid., fol. 50v). 140 BN, ms. fr. 22229, fol. 325r–326v. 134 BN,

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Cette nouvelle et le rapport de l’abbé Jourdain rentré à Paris avec les manuscrits authentifiés au début du mois de juillet, firent écrire à Bignon le 23 août 1724 une lettre au Conseil de Bâle à qui il transmit d’abord la reconnaissance de la cour royale: Le nom de vôtre Ville si fameux dans le monde Chrêtien par le concile qui s’y est tenu semble le devenir encor plus parmy nous, par les copies des differens actes de ce même Concile, qui avoient été ignorés jusqu’icy, et que vous nous avés communiqués avec tant de générosité. On peut dire que … ces volumes … seront desormais autant les monuments eternels de vôtre amour pour les lettres, qu’un des principaux ornemens de la Bibliotheque du Roy.

Enfin il demanda l’autorisation de faire copier des manuscrits par Iselin141. Mais les travaux principaux étaient achevés. Jourdain, lui-même à la fin las de son séjour à Bâle142, présenta 30 volumes dûement légalisé(e)s par le Magistrat de cette ville, lequel y fit apposer le sceau de la republique; et c’est dans cet estat qu’elles [les copies] furent rapporté(e)s à la bibliotheque du Roy en 1724. Nous pouvons assûrer que par cette augmentation Sa Majesté possede le plus ample recueil qu’il y ait sur tout ce qui s’est passé dans le fameux concile de Basle, dont l’histoire a esté assez peu connue jusqu’icy143. Bignon se vanta lui aussi plus tard dans une lettre à Lenfant (1727 janv. 9): J’ose bien avancer que nulle autre Biblioteque n’est si riche en ce genre, surtout depuis que sa Majesté le Roy y a fait ajouter des copies aux antiques … dans les archives et dans la Biblioteque de la Republique de Basle144. Comme l’avait souhaité le bibliothécaire du roi, ce fut la république de Bâle elle-même qui authentifia les copies, représentée par son greffier Franz Christ, personne d’ailleurs connue à Paris145. On se servit de cette formule (parfois un peu modifiée): nos consul et senatus reipublicae Basileensis attestamur praesentibus, praemissum volumen continens …, ac in bibliotheca Regis Christianissimi reponendum, de verbo 141 BN,

ms. lat. 17173, fol. 39r–40v (brouillon); citation: fol. 39v / 40r. BN, Archives 59, fol. 24v. Quel contraste avec l’enthousiasme du début de son premier séjour: C’est une chose étrange, combien je suis devenu Suisse depuis que je suis a Bâle (Lettre à de Camps, 1717 août 11: BN, ms. fr. 5895, fol. 272r). 143  Citation: Jourdain, Mémoire historique (cit. n. 3), LXII. – Cf. BN, ms. fr. n. acq. 22764, fol. 75r: Le 30 aoust 1724 remis à la Bibliothèque du Roy 30 voll. in fo de pièces concernant le Concile de Basle, qui ont été copiées par ordre du Roy, pendant les années 1717, 1718 et 1719, et qui ont été renvoyées au commencement de cette année 1724 à Basle, pour y être legalisées par les Magistrats, ce qui a été executé (suit une liste des pièces copiées fol. 75r–86v, 88r / v; cf. la liste BN, Archives 59, fol. 39r–51v). Jourdain (Journal [cit. n. 74], 14) ne parle que de 29 volumes. Il s’agit de: BN, ms. lat. 1439, 1441 (2), 1445, 1446, 1494 (13), 1500, 1504, 1505, 1508 (?), 1510, 1513, 1516, 1517, 1519–21; cf. Delisle, Cabinet des manuscrits (cit. n. 7), I, 371; Le Prince, Essai historique (cit. n. 74), 378. Tous les autres chiffres indiqués dans la littérature (p. ex. Histoire de l’Académie Royale [cit. n. 69], XII, 354: « 33 »; Heitz, Johann Rudolf Iselin [cit. n. 69], 21: « 34 »; Palacký, Bericht [cit. n. 1], 284: « 25 ») sont inexacts. 144 BN, ms. fr. 22234, fol. 68v. Pour Lenfant voir n. 72 et 157. 145 Staehelin, Universität (cit. n. 31), 170, 313, 552; Matrikel Univ. Basel (cit. n. 31), IV, 338 n. 1971. Christ séjourna deux fois à Paris pour une période assez longue. 142 Cf.

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ad verbum ex vetustis Manuscriptis Codicibus … optimâ fide et maximâ diligentiâ fuisse descriptum, in cujus rei fidem, re omni cognitâ et exploratâ, haecce a Secretario nostro subscribi sigilloque nostro Majori corroborari jussimus. Die … F. Christ. La plupart des authentifications portent la date du 28 juin 1724, et Jourdain nota dans son journal avoir remis les volumes à la bibliothèque du roi le 30 août 1724146. Tout de suite après sa rentrée, Bignon s’acquitta de sa promesse de récompenser les efforts de l’abbé: à partir de juillet 1724, Jourdain remplit les fonctions de secrétaire dans les locaux agrandis de la bibliothèque à l’Hôtel de Nevers dans la rue Vivienne147. Et comme don à la bibliothèque universitaire de Bâle, on envoya de Paris une magnifique édition de l’Histoire du Roy par Médailles148. Mais les deux bibliothécaires Bignon et Iselin restèrent en contact pendant les années suivantes. Le professeur bâlois acheva les dernières copies (BN, ms. lat. 1500, authentifié par Christ le 14 févr. 1725)149, et il parle dans plusieurs lettres de ses efforts infructueux pour obtenir des copies des archives de Genève150 – le sommaire d’un manuscrit assez important pour l’histoire du concile de Bâle (coté aujourd’hui ms. 27 à la Bibliothèque publique et universitaire de Genève) dans le codex lat. 1498 de la BN pourrait être le reflet (ou le résultat?) de ces efforts. Mais Iselin essaya aussi de tirer ses propres avantages: plusieurs fois, il intervint auprès de ses amis parisiens en faveur des membres de sa famille. Dans ses lettres, qui reflètent d’ailleurs son attitude générale un peu servile et rampante, il intercéda pour ses deux cousins germains, l’historien et jurisconsulte Johann Rudolf Iselin (1726)151

146 Cf.

n. 143. à Jourdain: Meullent (i. e. Meulan [Dép. Yvelines] où B. résida dans son château ‹ L’Isle-Belle ›), 1724 avril 14: Je dois vous dire qu’enfin j’ay obtenu le 28 du mois dernier l’arrêt qui affecte à la Bibliothèque du Roy l’hôtel de Nevers avec la Maison joignante. Je compte que je vous y menageray un appartement, et que si vous menez à bien vôtre négociacion présente, je vous feray joüer un beau personnage dans nôtre Littérature à vôtre Retour (BN, ms. lat. 17173, fol. 46r; cf. ibid., fol. 50v, 52r); Histoire de l’Académie Royale (cit. n. 69), XII, 353; Le Prince, Essai historique (cit. n. 74), 79–80, 377; Buvat, Journal (cit. n. 100), II, 298–299; Journal de l’abbé Jourdain (cit. n. 74), 5–6; Jacques Hillaret, Dictionnaire historique des rues de Paris, II, [Paris 1963,] 654–657; Clarke, Librarians (cit. n. 120), 296; Id., Abbé Jean-Paul Bignon ‹ Moderator of the Academies › and Royal Librarian, dans: French Historical Studies 8 (1973), 229–230; Blechet, L’abbé Bignon [1979] (cit. n. 120), 57. 148 Bayle / Chaufepié, Nouveau dictionnaire (cit. n. 69), III/1, 49 n. D; Weiss-Frey, Heinrich Iselin (cit. n. 69), 177; Heitz, Johann Rudolf Iselin (cit. n. 69), 21. Cf. Blechet, L’abbé Bignon [1979] (cit. n. 120), 63. 149 L’indication de Lauer, Cat. gén. mss. lat. (cit. n. 1), II, 44 (« 1724 ») n’est pas exacte. Une autre erreur concerne d’ailleurs le ms. lat. 1504, dont l’authentification par Christ date de 1724 (juin 28) et non de 1726 (Lauer, 46). 150 BN, ms. fr. 22229, fol. 315r–316r (1726 nov. 26); 328r–330r (1726 mars 9); 331r–334v (1726 oct. 19). 151 Ibid., fol. 327r/v (1726 mars 5 à Jourdain); 328r–330r (1726 mars 9 à Bignon; réponse de Bignon: BN, ms. fr. 22234, fol. 27r). Pour la parenté d’Iselin voir le premier chapitre du livre de Heitz, Johann Rudolf Iselin (cit. n. 69), et le DHBS IV (1928), 241–242. J. R. Iselin: WeissFrey, Heinrich Iselin (cit. n. 69), 167–169. 147 Bignon

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et son frère, l’officier Johann Jakob Iselin (1733)152, ainsi que pour un oncle, le marchand Johann Jakob Birr (1726)153.

VIII Entre-temps en 1725, le prieur Monginot du couvent dominicain de Chartres, au courant de la prédilection de l’abbé Bignon pour les Basiliensia, correspondit avec le bibliothécaire du roi pour la vente d’un recueil des décrets du synode154. Mais à cause de la somme exigée, les négociations n’aboutirent pas. Bignon ayant déjà le manuscrit entre les mains dut le renvoyer, car un chanoine de Chartres qui a une fort belle bibliotheque nous en offre cent pistoles155. Et à partir de 1726, notre bibliothécaire du roi correspondit avec Jacques Lenfant au sujet des actes bâlois à Paris156. Ce prédicateur à la cour du roi Frédéric Guillaume Ier à Berlin (1661–1728) préparait à cette époque son Histoire de la guerre des Hussites et du concile de Basle157. Mais Bignon qui s’était déjà montré critique vis-à-vis d’une histoire du concile de Constance de cet auteur huguenot158, ne prit pas très au sérieux le nouveau projet. Il douta des talents d’un homme qui ne fut même pas capable de lui fournir une liste exacte des manuscrits déjà consultés pour le concile de Bâle en Allemagne (il la renvoya en vous suppliant de la vouloir réformer). Une remarque de Lenfant comme On m’a dit que les pieces de Mr Baluze y [i. e. Bibliothèque Royale] sont, ou peut etre meme qu’elles sont imprimées159, fut 152 BN, ms. fr. 22229, fol. 335r–336r (1733 oct. 13 à Bignon; réponse de Bignon: BN, ms. fr. 22235, fol. 248v). J. J. Iselin: Weiss-Frey, Heinrich Iselin (cit. n. 69), 159–162. 153 BN, ms. fr. 22229, fol. 331r–334v (1726 oct. 19 à Bignon). 154 BN, ms. lat. 17173, fol. 85r–98v (fol. 85r/v une expertise du ms.); cf. Delisle, Cabinet des manuscrits (cit. n. 7), I, 371. 155 Ibid., fol. 94r. Le ms. se trouve aujourd’hui à la Bibliothèque de la ville de Chartres: Cat. gén. des mss. des bibliothèques publiques de France. Départements, XI: Henri Omont/ Auguste Molinier/J. C. Couderc/Ernest Coyecque, Chartres, Paris 1890, 174–175: ms. 382. 156  BN, ms. fr. 22230, fol. 330r–331r (Lenfant à Bignon, 1726 oct. 69); ms. fr. 22234, fol. 68v (Bignon à Lenfant, 1727 janv. 9); ibid., fol. 170v–171r (Bignon à Lenfant, 1728 mars 13): Réponse à une lettre de Lenfant du 24 févr. 1728 = ms. fr. 22230, fol. 328r. Dans sa lettre du 13 mars 1728 Bignon souligne avoir écrit également à Lenfant le 31 juillet 1727. 157 Cf. n. 72; v. Hefele, dans: Wetzer-Welte, Kirchenlexikon VII (21890), 1741–1742; Adolf Harnack, Geschichte der königlich-preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, I / 1, Berlin 1900, 37, 107–108, 111, 237 n. 3, 240; C. Pfender, dans: Realencyclopädie für protest. Theol. und Kirche XI (1902), 366–367; Zscharnack, dans: Die Religion in Geschichte und Gegenwart III (21929), 1576–1577; Rudolf von Thadden, Die brandenburgischpreussischen Hofprediger im 17. und 18. Jahrhundert, Berlin 1959, 194–195; Joh. Friedrich von Schulte, Die Geschichte der Quellen und Literatur des Canonischen Rechts …, III / 2–3, Stuttgart 1880 (nouv. impr. 1956), 260–261; Schneider, Konziliarismus (cit. n. 46), 62. Une biographie et un catalogue des œuvres de Lenfant se trouvent aussi dans la traduction allemande du « Concile de Basle » par M. Chr. Hirsch (Vienne 1783/4). 158 Cf. BN, ms. fr. 22230, fol. 328v; ms. fr. 22234, fol. 171r. 159 BN, ms. fr. 22230, fol. 331r.

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pour Bignon certainement une preuve de plus que le Berlinois (originaire de la Beauce) eut de la peine à être à la hauteur de sa tâche. Néanmoins il se déclara en principe prêt à lui ouvrir les trésors de sa bibliothèque ou à laisser copier des documents, mais il refusa catégoriquement tout déplacement des manuscrits: malheureusement je me trouve les mains liées pour ce que vous souhaitiés de moy, c’est a dire pour vous envoyer les mss. à Berlin, parce que j’ay des defenses precises de [ne] laisser sortir aucun livre de la Biblioteque du Roy sans un ordre par ecrit de sa Majeste (lettre du 13 mars 1728)160. Évidemment, cet échange de lettres n’eut pas de suites – en 1731 parut le livre de Lenfant comme œuvre posthume sans que l’auteur, mort en cette année 1728, ait pu épuiser toutes les sources à Paris. Ce sont finalement les travaux de l’abbé de Targny qui forment l’épilogue: celui-ci succéda en 1726 à Boivin décédé, comme garde des manuscrits, et une de ses premières activités fut la mise en ordre de la Collection Baluze qu’il avait déjà un peu examinée en 1719 quand il avait été chargé d’une première inspection de la succession de l’érudit en vue d’une future acquisition par la bibliothèque royale161. Bien que Targny, ami des Jésuites ne partageât certes pas les idées de Baluze162, il prêta quand même une attention particulière aux Basiliensia, en raison de leur place importante au sein de la collection163; sa note concernant le vol. 294 pourrait être le leitmotiv de tous les documents bâlois copiés et réunis par Baluze: Il y a dans ce meme grand portefeuille un nombre considerable de pieces concernant le Concile de Basle et dont on peut se servir tres utilement pour donner une edition des Actes de ce concile, plus parfaite que toutes celles qui ont paru jusqu’à present164.

Mais Baluze fut un solitaire – ses successeurs n’arrivèrent pas à atteindre son niveau. Iselin fut certes très zélé et de bonne volonté. Il ajouta aux copies beaucoup de notes, émendations et améliorations conjecturales de sa propre main, et l’auteur anonyme de l’éloge funèbre d’Iselin comme membre de l’Académie royale des Inscriptions et Belles Lettres (1737) avait encore l’espoir de voir un futur érudit s’occuper de ce magnifique recueil165. Mais un regard de Palacký dans 160 BN,

ms. fr. 22234, fol. 171r.  Journal de l’abbé Jourdain (cit. n. 74), 22; Id., Mémoire historique (cit. n. 3), LXIII; Le Prince, Essai historique (cit. n. 74), 77, 379; Delisle, Cabinet des manuscrits (cit. n. 7), I, 552; Auvray, La Collection Baluze (cit. n. 1), 103, 113–118; Neveu, La vie érudite (cit. n. 66), 456; Blechet, L’abbé Bignon [1979] (cit. n. 120), 58. – La vie de Targny: Buvat, Journal (cit. n. 100), II, 459; GC, XI, 939–940. 162 Le Roy, Le gallicanisme (cit. n. 96), 617. Targny intervint aussi dans la rédaction du texte de « Saint-Cyprien » après la mort de Baluze dans un sens « proromain » (Petitmengin, Saint Cyprien [cit. n. 93], 114; cf. n. 109). 163 Presque deux tiers de ses notes, copies etc. dans BN, ms. lat. 9512 (cf. Léopold Delisle, Inventaire des manuscrits latins conservés à la BN sous les no 8823–18613, Paris 1863–71 [nouv. impr. 1974], 36: Notes de l’abbé Targny principalement relatives aux mss. à consulter pour une édition des conciles) concernent le concile de Bâle. 164 Ibid., fol. 14r/v. 165 Histoire de l’Académie Royale (cit. n. 69), XII, 354. 161

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les volumes suffît pour mettre en évidence leur peu de valeur: « Wir werden die darin enthaltenen Werke um so mehr aus den Originalien selbst schöpfen müssen, als die Pariser Handschriften an vielen Stellen unrichtige Lesearten bieten, indem Prof. Iselin, welcher ihre Collation besorgte, im Lesen mittelalterlicher Handschriften überhaupt nicht sehr fest gewesen »166. Combien de « Mühe », combien d’efforts pendant un demi-siècle! En vain? En ce qui concerne le journal de Brunet et l’histoire du concile par Jean de Ségovie, nous disposons aujourd’hui des éditions de Haller et de l’Académie de Vienne, nous consultons les originaux des pièces non-éditées à Bâle, mais ces copies ont gardé cependant une certaine valeur aussi bien pour l’histoire de la « République des lettres » que pour celle des idées: elles rendent témoignage de l’intérêt particulier de la France gallicane vers 1700 pour un concile œcuménique de tendance antiromaine. Et de plus, ces efforts des érudits français au début du siècle des lumières correspondent dans une certaine mesure au « caractère français de ce synode » (fait d’ailleurs dont Baluze et ses contemporains n’eurent peut-être pas encore conscience): il essaya de réaliser coûte que coûte l’idée de la supériorité conciliaire, idée en grande partie d’origine française; il fit formuler la plupart de ses décrets par un universitaire de Paris, Thomas de Courcelles; il se groupa à partir de 1437 autour de Louis Aleman, cardinal d’Arles, dirigeant incontesté de la majorité antipapale. On ne pourra écrire une histoire de ce concile sans rendre hommage à des pères français comme Amédée de Talaru et Philippe de Coëtquis, archevêques de Lyon et Tours, Jean Mauroux, patriarche d’Antioche, Philibert de Montjeu et Pierre de Versailles, évêques de Coutances et Digne, ou à des universitaires comme Jean Beaupère, Gilles Carlier et Denis de Sabrevois. Aucun souverain – peut-être pas même l’empereur Sigismond – n’exerça une telle influence sur le destin de ce concile que Charles VII, et on ne doit pas sousestimer le rôle de courtisans comme Regnault de Chartres ou Gérard Machet sur la politique conciliaire de la France. Baluze, Mabillon, Daguesseau, Bignon et les autres se tournèrent vers un synode qui se réunît dans une ville du Saint-Empire, mais dont les idées et les actions furent en grande partie d’origine française167.

166 Sitzungsber. Wien (cit. n. 1), XI, 285. D’autre part les notes d’Iselin rendirent service dans une certaine mesure aux éditeurs de Jean de Ségovie (MC, II–IV): Contulit textum Johannis de Segobia Jacobus Christophorus Iselin, theologiae professor. Idem quos obscuriores putabat locos adnotavit multosque sagaciter [!]. emendavit. Adnotationes conjecturasque suas in priore volumine foliis codicis inseruit schedulis inscriptas, in altero vero ipsis archetypi marginibus inscribi jussit, qua re offensionem magistratus ac reprehensionem haud immeritam sibi contraxit. Nobis quidem maximo illae usui fuerunt indagantibus locos corruptos, quos cum aliorum codicum lectionibus conferremus, et vel in emendanda editione excusa nonnihil auxilii attulerunt (MC, IV, 15–16). 167 Heribert Müller, Zur Prosopographie des Basler Konzils. Französische Beispiele, dans: AHC 14 (1982), 140–170; Id., Verfassungsprinzipien der Kirche im Basler Konziliarismus. Bemerkungen zu einer Neuerscheinung, dans: ibid. 12 (1980), 412–426.

Der bewunderte Erbfeind* Johannes Haller, Frankreich und das französische Mittelalter Johannes Haller zählt zu den meistgelesenen deutschsprachigen Historikern unseres Jahrhunderts; seine Bücher, vor allem die bis in unsere Tage vielaufgelegten „Epochen der deutschen Geschichte“, aber auch die „Tausend Jahre deutschfranzösischer Beziehungen“, haben über Historikerzunft und akademisches Bürgertum hinaus weite Kreise erreicht. Sie waren meinungsbildend und ‑prägend, zumal Haller über eine glänzende Formulierungsgabe verfügte und seine Meinung mit geradezu suggestiver Wortmächtigkeit vorzubringen verstand. Letzteres gilt besonders für seine Tätigkeit als Universitätslehrer vor großem Auditorium, wie Hörer von Theodor Eschenburg bis zu Kurt Georg Kiesinger immer wieder übereinstimmend betonten. Auch vom Katheder formte Johannes Haller also über Jahrzehnte bis zu seiner Emeritierung 1932 in Deutschland sehr wesentlich die Vorstellungen von Frankreich und französischer Geschichte. Und die bekanntesten seiner – überraschend wenigen – Schüler: Heinrich Dannenbauer, Reinhard Wittram und Fritz Ernst sollten später ihrerseits allesamt Themen aus der französischen Geschichte in der Tradition ihres Lehrers aufgreifen. Dessen Frankreichbild hat also auch in der deutschen Geschichtswissenschaft Spuren hinterlassen – in Rezeption wie Ablehnung noch bis hin zu Karl Ferdinand Werner, einem Schüler von Fritz Ernst. Der Universalhistoriker Johannes Haller mit seiner großen thematischen Spannweite handelte über fränkische und französische Geschichte durch fast alle Epochen von der Völkerwanderung bis in unser Jahrhundert. Neben den ihn persönlich bewegenden Ereignissen der eigenen Zeit war es vor allem das Mittelalter, dem sein Interesse galt; er schrieb und lehrte nicht nur, doch vornehmlich als Mediävist. Und schon innerhalb des ersten großen Forschungsunternehmens – seine Dissertation kann hier vorerst außer Betracht bleiben –, nämlich der Herausgabe der Akten des Basler Konzils, hat Haller sich denn auch als Mittelalterhistoriker mit französischer Geschichte beschäftigt. Die Art und Weise, mit der er in diesem Rahmen ein scheinbar spezielles Problem traktierte, darf generelle Aufmerksam* Vorliegender Beitrag ist die etwas erweiterte Fassung meiner öffentlichen Antrittsvorlesung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main vom 24. Mai 1989. Für Hilfen und Hinweise danke ich Johannes Fried, Notker Hammerstein (beide Frankfurt am Main), Johannes Helmrath, Georg Mölich (beide Köln) und Volker Schäfer (Tübingen). Frau Elisabeth Haller (Stuttgart) gewährte mir Zugang zu dem im Tübinger Universitätsarchiv liegenden Teil des Nachlasses ihres Vaters und erteilte darüber hinaus mehrfach Rat und Auskunft.

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keit beanspruchen, läßt sich doch daran exemplarisch zeigen, in welchem Maße persönliche Erfahrungen und zeitbedingte Stimmungen das Urteil des Historikers prägen und trüben können.

I. Zunächst fällt der Blick also auf die Stadt Basel, genauer: in das Basler Münster während des Jahres 1436. Dort tagte damals ein Konzil, das sich nach prekären Anfängen und heftigen Auseinandersetzungen mit einem nur unter Zwang zur Anerkennung bereiten Papst im Verlauf jenes Jahres vor allem der alten Frage einer Wiedervereinigung mit der griechischen Christenheit annahm1. Daß sie erneut auf der Tagesordnung stand, hatte seinen Grund in dem unter Murad II. immer bedrohlicher zunehmenden Druck der Osmanen auf Byzanz. So schienen sich den Lateinern noch einmal Chancen für eine Union aufzutun. Indes setzte innerhalb der Westkirche nun ein erbitterter Konkurrenzkampf zwischen Papst Eugen IV. und dem Basler Konzil um die Ausrichtung der künftigen Synode mit den Griechen ein. Sollte sie in Italien oder Basel, also unter päpstlichen oder konziliaren Vorzeichen stattfinden? Das mit der Unionsfrage untrennbar verbundene Ortsproblem wurde zum Credo von „Papalisten“ und „Konziliaristen“, zum Anlaß und Ausgang eines Streits beider Parteien, der sich alsbald zum Vernichtungskampf steigerte. Was die Griechen selber anging, so neigten sie von Anfang an stärker zu Rom, da sie sich eine Union ohne Teilnahme der altvertrauten Instanz Papsttum nicht vorstellen konnten. Doch führten sie angesichts der verworrenen Lage im Westen, wo nunmehr auch ein Konzil Anspruch erhob, oberste Repräsentanz der Christenheit zu sein, ebenfalls Verhandlungen mit dem an Bedeutung stetig zunehmenden Basiliense – Verhandlungen, die 1434 im Dekret Sicut pia mater ihren ersten Niederschlag fanden und die nach langen innerkonziliaren Diskussionen am 5. Dezember 1436 mit dem Votum von mehr als zwei Dritteln der Teilnehmer für Avignon als Stätte der künftigen Griechensynode zu vorläufigem Abschluß gelangten. Von Avignon war indes in Sicut pia mater als möglichem Konzilsort keine Rede gewesen, und es bedurfte schon erheblicher Basler Interpretationskünste, um die Rhonemetropole als in den Vereinbarungen von 1434 implizit enthalten darzustellen. Die naheliegende Frage, warum ausgerechnet diese Stadt sich solcher Gunst bei sehr vielen Mitgliedern der Versammlung erfreute, findet rasch ihre Erklärung in einer für das Verständnis des gesamten Basiliense grundlegenden Tatsache, nämlich in der führenden Rolle französischer Konzilsväter am Rhein. Sie verstanden sich in Basel immer wieder und so sehr 1 Zum Folgenden: Heribert Müller, Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449), 2 Bde., Paderborn u. a. 1990, hier: II, 473–539 (mit Belegen); vgl. auch I, 138–142, 335–342.

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darauf, ihre Interessen durchzusetzen, daß man von einer französisch dominierten Synode auf Reichsboden sprechen kann. Und es waren nicht allein Franzosen aus dem Machtbereich des Valoiskönigtums, sondern auch aus Burgund wie aus dem von Lancaster okkupierten Norden und Westen des Landes, die am 5. Dezember 1436 ihre Stimme für Avignon abgaben. Vielfältige personelle Verflechtungen über die Parteiungen in einem vom Krieg heimgesuchten Frankreich hinweg bestimmten dieses bemerkenswert geschlossene Verhalten. Verwandtschaftliche Bindungen, Studienkontakte und ‑freundschaften, gemeinsame frühe Karrieren in kirchlichen und staatlichen Institutionen, dies waren die Knotenpunkte eines engmaschigen Personal-„Netzes“, welches weder durch Bürgerkrieg noch eine burgundisch-englische Allianz je zerrissen wurde. Obendrein bot gerade der Konzilsort Basel den kriegführenden Parteien, insbesondere den in vorsichtiger Wiederannäherung begriffenen Valoisfrankreich und Burgund, gute Möglichkeit, auf neutralem Terrain diskret solche persönlichen Kontakte und Verbindungen auch politisch fruchtbar zu machen. In diesem Kontext spielten wiederum Konzilsgesandte des Königs Karl VII. eine wichtige Rolle; eng in das französische Personalgeflecht auf der Synode einbezogen, arbeiteten sie unter Führung des Erzbischofs Amédée de Talaru von Lyon im Verlauf des Jahres 1436 unermüdlich und erfolgreich auf die Wahl Avignons hin; eine Wahl, auf die auch der Hof selber drängte: Die Tage des Papsttums an der Rhone im Bannkreis französischer Macht waren nicht vergessen: Eine Wiedervereinigung von Ost‑ und Westkirche unter französischen Auspizien verhieß hohen Prestigegewinn, hätte den Wiederaufstieg der Macht Frankreichs am Ende des Hundertjährigen Kriegs auch kirchenpolitisch akzentuiert. Obendrein glaubte man, nach der Feier der letzten Konzilien in Italien und Deutschland jetzt einfach wieder an der Reihe zu sein. In diesem Zusammenhang fielen auch Namen anderer französischer Städte mit konziliarer Tradition wie Vienne und Lyon. Entsprechend eindeutig war das Votum einer im März 1436 zu Poitiers tagenden Versammlung des französischen Klerus zugunsten von Avignon, Vienne oder Lyon. Wenn dies ein königlicher Sondergesandter, der Ritter Simon Charles, in Basel übermittelte, so ist zu beachten, daß er, der für seine Person am kirchenpolitischen Geschehen desinteressierte Laie, unverkürzt den Willen Karls VII. kundtat. Und als getreuer Diener seines Herrn vollzog er auf seiner anschließenden Mission zum Papst Ende August / Anfang September 1436 dann auch die abrupte Kehrtwendung des Monarchen, der sich plötzlich für Florenz, also für einen päpstlichen Vorstellungen genehmen Konzilsort aussprach. Nach seiner Rückkehr vertrat Simon Charles diese ihm aufgegebene Position konsequent aufs neue in Basel gegen heftigste Anfeindungen der eigenen Landsleute bis hin zur Abstimmung am 5. Dezember 1436. Was zunächst widersinnig anmutet, daß Karl VII. die Aussicht auf ein Konzil im Bannkreis seiner Herrschaft aufgab, um einem damals in seiner Macht durch Basel empfindlich geschwächten Papst gegenüber willfährig zu sein, läßt sich indes eindeutig erklären: Mochte die

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Position Eugens IV. auch noch so prekär sein, die königlichen Verwandten Anjou hingen vom Wohlwollen des Papstes ab, denn nur er konnte sie gegen die Ansprüche eines Alfons V. von Aragón mit Neapel-Sizilien belehnen. Das Problem der neapolitanischen Sukzession gewann nun genau im August 1436 an Aktualität, als der Freikauf des damals in burgundischer Haft gehaltenen René von Anjou konkrete Formen annahm. Neapel erhielt jetzt Vorrang vor Avignon. Solch neue Präferenz hatte die starke Anjoufraktion am Hof durchsetzen können, und der Sonderbotschafter Simon Charles mußte sie in Basel vertreten, wo zur selben Zeit die Dauergesandten Karls VII. mit Erfolg für Avignon agierten und agitierten. Angesichts dieses Tatbestandes gelangte um 1900 Johannes Haller, der sich damals, wie erwähnt, vornehmlich mit der Erschließung und Edition der Protokolle des Basiliense beschäftigte, in einer Arbeit über „Die Belehnung Renés von Anjou mit dem Königreich Neapel“2 aber zu dem Schluß, daß die Franzosen ein infam-intelligentes Doppelspiel betrieben hätten: Zum einen sollte mit Hilfe des Basler Konzils der Avignon-Plan durchgesetzt werden, zum anderen ging man um der neapolitanischen Sukzession der Anjou willen auf die päpstlichen Vorstellungen einer Unionssynode in Italien ein. Man beabsichtigte, so beide Wünsche zu verwirklichen. Die Franzosen: skrupellose Meister der Doppeltaktik, des Spiels mit zwei Bällen – scheinbar eine schlüssige Argumentation, und die Haller eigene Gabe des Worts tat ein übriges, daß sich diese Theorie weitgehend durchsetzte. Noch Hermann Heimpel sprach im Anschluß an ihn von einem „glänzend gespielten Gegeneinanderarbeiten“ der von einem angeblich propäpstlichen Königshof instruierten Gesandten und der für Avignon eintretenden französischen Konzilsmitglieder3. Nur trifft diese auf den ersten Blick so einleuchtende Erklärung m. E. nicht zu. Ich führe hier kurz einige entgegenstehende Punkte auf 4, die allesamt mit dem erwähnten Zielkonflikt Avignon-Neapel zusammenhängen, um dann vor allem auf die biographischen und zeitbedingten Gründe solcher Fehlinterpretation einzugehen:

2 In: QFIAB 4 (1902), 184–207; wiederabgedruckt in: Ders., Abhandlungen zur Geschichte des Mittelalters, Stuttgart 1944 (ND [Essen] 1984), 369–392. 3 Hermann Heimpel, Deutschland im späteren Mittelalter, Konstanz 1957 (Handbuch der Deutschen Geschichte 1/5, hg. v. Otto Brandt / Arnold Oskar Meyer/ Leo Just), 101. Ähnlich auch Paul Lazarus, Das Basler Konzil. Seine Berufung und Leitung, seine Gliederung und Behördenorganisation, Berlin 1912 (ND Vaduz 1965) (HS 100), 176; August Zellfelder, England und das Basler Konzil, Berlin 1913 (ND Vaduz 1965) (HS 113), 149 f.; Jules Schweizer, Le cardinal Louis de Lapalud et son procès pour la possession du siège épiscopal de Lausanne, Paris 1929 (Études d’histoire et de philosophie religieuse publ. par la Fac. de Théologie protestante de l’Univ. de Strasbourg 20), 119; Louis Waeber, Georges de Saluces, évêque de Lausanne, envoyé en ambassade auprès du Roi Alphonse V d’Aragon par Félix V et le concile de Bâle, in: Zs. für schweizerische Kirchengesch. 47 (1953), 293 f., 304 Anm. 1; Joseph Gill, The Council of Florence, Cambridge/Mass. 1959 (ND New York 1979), 71; Walter Ullmann, Kurze Geschichte des Papsttums im Mittelalter, Berlin – New York 1978, 292. 4 Näheres zu diesen Punkten mit Belegen Müller, Franzosen (wie Anm. 1), II, 500–517.

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Bereits am 17. Januar 1437 teilte Karl VII. einer ihn aufsuchenden Konzilsdelegation mit, er habe sich zwar für Florenz als Ort der Griechensynode ausgesprochen, doch werde er nunmehr entschieden für die Verwirklichung des Basler Beschlusses eintreten, wovon denn auch in der Folgezeit eine Fülle königlicher Schreiben an Konzil und Papst, an den byzantinischen Kaiser, an die Stadt Avignon und deren Generalvikar Pierre de Foix eindrucksvoll Zeugnis ablegt5. Das eindeutige Abstimmungsergebnis vom 5. Dezember 1436 hatte auch bei Karl VII. Wirkung gezeigt. Avignon erhielt alsbald wieder Vorrang vor Neapel, zumal – der zweite Punkt – die Aushändigung der päpstlichen Belehnungsurkunde an René auf sich warten ließ, obwohl dessen Freilassung aus burgundischer Haft damals bereits beschlossene Sache war. Wenn überhaupt ein Doppelspiel inszeniert wurde, dann von kurialer Seite mit Anjou und Aragón; wenn Mißtrauen angebracht war, dann seitens der Höfe Frankreich und Aragón gegenüber Eugen IV. Sodann hieß es für beide nach dem 5. Dezember 1436, Stellung zu beziehen; im Gegensatz zur päpstlichen Optionsmöglichkeit im Fall Neapel war die Unionsfrage für Täuschungsmanöver und Winkelzüge denkbar ungeeignet, zumal man mit Finanzierung und Organisation des Griechenkonzils unter größtem Zeitdruck stand. Der Einsatz, mit dem Karl VII. und seine gallikanisch gesonnenen geistlichen Berater fortan die Kampagne zugunsten Avignons betrieben, zeigt, wie sehr die Feier der Unionssynode an der Rhone den eigentlichen Intentionen des Hofs entsprach, daß ihn allein diplomatische Rücksicht auf die Interessen der verwandten Anjou für kurze Zeit vom Wunschziel hatte abbringen können. Das eindeutige Abstimmungsergebnis vom 5. Dezember 1436 und die ausbleibende Belehnung des René von Anjou durch Eugen IV. aber führten den französischen Hof alsbald wieder auf alte kirchenpolitische Bahnen zurück. Schließlich gibt es in der Unionsfrage keinen Dissens zwischen dem Königshof und dessen Dauergesandten in Basel. Einige zeitgenössische Zeugnisse, etwa aus der päpstlichen und der mailändischen Kanzlei, die auf dem Konzil einen Gegensatz zwischen den französischen Botschaftern und deren Regierung konstatierten, heben auf eine ganz andere Problematik grundsätzlicher Art ab: Die militanten konziliaristischen Heißsporne wie die Erzbischöfe von Lyon und Tours gerieten mit ihrer Radikalität auf Dauer in Konflikt mit dem generell zwar konzilsfreundlichen, so doch wegen vielerlei politischer Rücksichtnahmen ausgleichsbedachten Königshof. Im konkreten Fall Avignon indes gingen – und das ist mit Nachdruck zu betonen – Hof und Gesandte voll zusammen; es herrschte 5 Bezeichnenderweise unternahm dieser Kardinal, der sein Amt zu Avignon 1433 als Statthalter des Papstes angetreten hatte, gegen den Willen Eugens IV. unter dem Eindruck des massiven Basler Votums beträchtliche Anstrengungen, nicht zuletzt finanzieller Art, um das Unionskonzil an der Rhone Wirklichkeit werden zu lassen: Müller, Franzosen (wie Anm. 1), II, 494–500. – S. auch Léon-Honoré Labande, Projet de translation du concile de Bâle en Avignon pour la réunion des Eglises grecque et latine, in: Ann. de Provence 1 (1904), 12, 23; François Baron, Le cardinal Pierre de Foix le Vieux (1386–1464) et ses legations, Amiens 1920, 78–86.

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ein Konsens, den das Problem des angevinischen Neapel nur vorübergehend zu überdecken vermochte. Doch hat sich der für seine scharfsinnige Quellenkritik so gerühmte wie gefürchtete Johannes Haller bei seiner Interpretation ausschließlich von den Zeugnissen des 15. Jahrhunderts leiten lassen? Es besteht Grund zur Annahme, daß persönliche Erfahrungen und tagespolitische Faktoren seine Deutung zur Fehldeutung werden ließen. Just zu jenem Zeitpunkt, da er in Rom die Edition der Basler Konzilsprotokolle voranbrachte und mit der Abfassung besagten Aufsatzes über die Belehnung des René von Anjou mit Neapel beschäftigt war, erhielt er nämlich über die französische Diplomatie am Heiligen Stuhl Informationen, die ihm Doppelspiel, Skrupellosigkeit und Lüge als Wesenselement und Konstante französischer Politik erscheinen lassen mußten, ob nun um 1436 oder um 1900: Der Gesandte beim Vatikan, von Rotenhan, hatte Haller damals wissen lassen, alle deutscherseits bei Papst und Kurie entfalteten diplomatischen Aktivitäten blieben erfolglos, da sie vom französischen Botschafter systematisch mit dem drohenden Hinweis an den – ohnedies deutschfeindlichen – Kardinalstaatssekretär Rampolla konterkariert würden, jede Konzession zugunsten der Deutschen bedeute das Ende der Hoffnungen auf Wiedererrichtung des Kirchenstaats6. Und nur einige Wochen später erhielt Haller, auf Kur in Montecatini, durch den Bischof Bonomelli von Cremona eine Bestätigung: Wenn Leo XIII. an der Fiktion des Kirchenstaats festhalte, wenn er die Legende der Gefangenschaft im Vatikan pflege, dann gründe dies – so Haller wörtlich in seinen Erinnerungen – in den „Einflüsterungen der Franzosen, die ihm versicherten, sie würden, wenn er ihnen folge, den Kirchenstaat wiederaufrichten“. Er, Bonomelli, habe kürzlich bei einer 6 Johannes Haller, Lebenserinnerungen. Gesehenes – Gehörtes – Gedachtes, Stuttgart 1960, 187 f. – Allgemein zu Hallers Aufenthalten in Rom und der damaligen Situation am dortigen Königlich Preußischen Historischen Institut: ebd., 120–195; dazu teilweise korrigierend: Leo Santifaller, Bemerkungen zu den ,Lebenserinnerungen‘ von Johannes Haller, in: RHM 5 (1961/62), 164–180. (Kürzlich hat übrigens Tilman Struve an einem Beispiel aus dem „Papsttum“ aufgezeigt, daß Haller um des Effekts willen bisweilen wohl einer freieren Gestaltung und Ausschmückung von Fakten nicht abgeneigt war: Ders., Johannes Haller – ein Romancier? Kritische Bemerkungen zur Schilderung des päpstlich-königlichen Versöhnungsmahles auf Canossa [1077], in: HJb 109 [1989], 206–210.) Vgl. auch Walter Friedensburg, Das Königliche Preußische Historische Institut in Rom in den dreizehn ersten Jahren seines Bestehens 1888–1901, in: Abhandl. der k. Preuß. Akad. der Wissenschaften 1903, Nr. 8, Berlin 1903, bes. 107, 118, 140; Max Braubach, Aloys Schulte in Rom (1901–1903), in: Reformata Reformanda. FS H. Jedin, hg. v. Erwin Iserloh/Konrad Repgen, II, Münster 1965 (Reformationsgeschichtl. Studien und Texte, Supplementbd. I/2), 509–557, bes. 520, 533 f., 548 f.; Lothar Burchardt, Gründung und Aufbau des Preußischen Historischen Instituts in Rom, in: QFIAB 59 (1979), 335–391, bes. 369, 373; Erich Pelzer, Joseph Hansen (1862–1943) und sein Beitrag zur rheinischen Revolutionsgeschichtsforschung, in: Jb des Instituts für deutsche Geschichte 18 (1989), 274. – Aufschlußreiche und bislang nicht ausgewertete Informationen liefern auch Hallers römische Briefe an seine Eltern und seine Schwester Helene (Universitätsarchiv [= UA] Tübingen, 305/35, 52) sowie an seinen Freund Ferdinand Wagner (Bundesarchiv [= BA] Koblenz, Nachlaß Haller [= NH], Nr. 28).

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Audienz feststellen müssen: „Ihn [Leo XIII.] eines Besseren zu belehren, war unmöglich, weil ihn die Franzosen in seinem Irrtum geflissentlich bestärkten“ – die Franzosen, die ein Lügenspiel betrieben, wußten sie doch nur zu genau, daß sich ihre Versprechen und Versicherungen niemals würden realisieren lassen7. Ein Blick auf die zwischen den beiden Romaufenthalten (1892–1897 und 1901/02) liegende Schweizer Zeit Hallers zeigt ähnliches: 1897 wurde er in Basel mit seinen editorischen und kommentierenden Arbeiten zum Basiliense habilitiert. In den folgenden vier Jahren seiner Tätigkeit an der Universität und als Journalist für die konservative „Allgemeine Schweizerzeitung“ machte er wiederholt deutschfeindliche Stimmungen in der Schweiz aus. Auch dies war für ihn ein Werk der Franzosen, deren „Saat des Argwohns“ auf fruchtbaren Boden fiel, da sie aus durchsichtig-eigennützigen Motiven den Eidgenossen eine Bedrohung durch die neue Großmacht Deutschland suggerierten8. Und er erlebte den deutsch-französischen Gegensatz selbst im privaten Lebenskreis: Durch seine Heirat mit Elisabeth Fueter wurde er Schwager des genialen Außenseiters der Schweizer Historiographie Eduard Fueter, dem er sich bei aller menschlichen Verbundenheit später nicht nur auf Grund von dessen methodischem, auf die „Annales“ vorweisenden Ansatz, sondern vor allem wegen seiner politischen Einstellung, wegen seines frankreichfreundlichen Liberalismus, entfremdet haben 7 Haller, Lebenserinnerungen (wie Anm. 6), 188 f. – Zur franzosenfreundlichen Haltung Leos XIII. s. Johannes Haller auch noch später in seiner Besprechung der Ausgabe der letzten römischen Briefe von Kurd von Schlözer, in: Deutsche Literaturzeitung 32 (1924), 2212 f. – Einige Jahre vor diesen Gesprächen mit v. Rotenhan und Bonomelli war Haller übrigens Zeuge des Sturzes der Regierung Crispi und des mit dem Eintritt des Mailänders Prinetti in das Ministerium verbundenen Aufstiegs einer Fraktion franzosenfreundlicher Oberitaliener geworden. Die Annäherung an Frankreich aber sei – so sein Kommentar – der Anfang einer doppelbödigen Politik gewesen, da Italien, offiziell Mitglied des Dreibundes, sich im geheimen anschickte, diesen zu verraten: Haller, Lebenserinnerungen (wie Anm. 6), 159 f. Vgl. auch Haller bereits am 16. Januar 1894 brieflich an seine Mutter aus Rom: „Kein Zweifel, daß man sich einer umfassenden und wohlvorbereiteten Revolution gegenüber befindet, von der nur das zweifelhaft ist, wie weit die französische Anstiftung geht“ (UA Tübingen 305/35, Nr. 68). 8 Haller, Lebenserinnerungen (wie Anm. 6), 202. Vgl. Fritz Ernst, Johannes Haller 16. Okt. 1865 bis 24. Dez. 1947, Stuttgart 1949, 6, wiederabgedruckt in: Ders., Gesammelte Schriften, hg. v. Gunther-G. Wolf, Heidelberg 1985, 47; Eduard Vischer, Eine Buchrezension in Form eines Freundesbriefes. Aus dem Briefwechsel zwischen Johannes Haller und Eduard Fueter, in: AKG 70 (1988), 493. – Die Studie von Ernst, Johannes Haller, die in Anm. 9 und 14 zitierten Arbeiten von Reinhard Wittram, der in Anm. 51 erwähnte Artikel von Roger Aubert und teilweise die bei Hans Georg Gundel (wie Anm. 22) verzeichneten Nachrufe liefern die biographischen Grundinformationen über Haller; die einzelnen Lebensdaten und ‑stationen werden deshalb hier nicht systematisch aufgeführt. Allerdings ist Haller – aus hier nicht zu erörternden Gründen – bislang nie Gegenstand tieferdringender biographischer Bemühung gewesen. Man sucht den Namen des schroffen Einzelgängers, der keine Schule bildete, der trotz seiner fachlichen Reputation nie Mitglied einer Akademie war und nach seinem Tode mit recht wenigen Nachrufen bedacht wurde, selbst in der neunbändigen Sammlung „Deutsche Historiker“ vergeblich. Die vorliegende sowie die in Anm. 30 angekündigte Studie wollen auch einige Bausteine zu einer zweifellos lohnenswerten Biographie des Historikers liefern.

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dürfte9. Fueter seinerseits hatte übrigens während der Berliner Studienjahre 1896–1898 die Erfahrung anmaßender Arroganz gegenüber den Schweizern und einer weitverbreiteten Antipathie gegenüber Frankreich machen müssen10. Alle diese Gespräche und Erlebnisse in Rom und Basel prägten sicherlich den jungen Haller; gerade das Moment persönlicher Erfahrung ist bei ihm, und nicht nur in jungen Jahren, hoch zu veranschlagen11. So hat er sich etwa unter dem Eindruck persönlicher Begegnungen zur Edition von Papieren aus dem Nachlaß des Fürsten Philipp zu Eulenburg-Hertefeld entschlossen, wobei ihm dann bei seinem allzugroßen Engagement für einen in seinen Augen zu Unrecht Verfolgten „dem Material gegenüber“ – wie es Reinhard Wittram vorsichtig umschrieb – „seine eigenste methodisch-kritische Schärfe nicht treu blieb“12. Da gerade eine Seite von Hallers Persönlichkeit gestreift wurde, sei nochmals auf Wittram wie auch auf Fritz Ernst hingewiesen, die beide in Nachrufen auf ihren Lehrer betonten, ihm sei eine innere Nähe zu romanischem – besonders italienischem und französischem – Wesen eigen gewesen. Sie belegten dies mit Hallers französischen Vorfahren, mit der vom Vater ererbten Gabe leicht-eleganter Unterhaltung, der causerie, mit seiner Vorliebe für geschliffene Antithesen, mit seinen Aufenthalten in Frankreich und seiner Liebe zur französischen  9 Zur Familie Reinhard Wittram, Johannes Haller, in: Neue deutsche Biographie VII (1966), 553; Hans Conrad Peyer, Der Historiker Eduard Fueter 1876–1928. Leben und Werk, Zürich 1982, 10, 13; ebd., 35, 43, über die Beziehungen Hallers zu Fueter. Ein Brief Fueters vom 14. August 1914 an Haller deutet auf Spannungen am Beginn des Ersten Weltkriegs, über den Haller sich vergeblich aus deutscher Sicht in der „Neuen Zürcher Zeitung“ zu verbreiten suchte: UA Tübingen 305/20. 10 Peyer, Eduard Fueter (wie Anm. 9), 12. Über seine Schwiegermutter, eine geborene Gelzer, trat Haller in engere Beziehungen zu dem späteren Frankfurter Althistoriker Matthias Gelzer, der möglicherweise unter seinem Einfluß und mit Blick auf eine Universitätskarriere im Deutschen Reich nach 1910 politisch wie wissenschaftlich einen Eduard Fueter entgegengesetzten Weg einschlug: ebd., 39. Christian Simon, Staat und Geschichtswissenschaft in Deutschland und Frankreich 1871–1914. Situation und Werk von Geschichtsprofessoren an den Universitäten Berlin, München, Paris, Bern – Frankfu r t / M.–New York 1988 (Europäische Hochschulschriften III/349), 236; vgl. auch 238. Zur Stellung Gelzers im Universitätsleben und zu seinen politischen Ansichten jetzt grundlegend Notker Hammerstein, Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Von der Stiftungsuniversität zur staatlichen Hochschule, I: 1914–1950, Frankfurt/M. 1989, 899, s. v. „Gelzer, Matthias“, bes. 151 f., 361. S. auch Hermann Strasburger, Matthias Gelzer und die großen Persönlichkeiten der ausgehenden Republik, in: Jochen Bleicken u. a., Matthias Gelzer und die römische Geschichte, Kallmünz 1977 (Frankfurter Althistor. Studien 9), 69–74, 83, 89–91, 94; Jochen Bleicken, Nachruf auf Matthias Gelzer, in: Sitzungsber. der Wiss. Gesellschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Bd. 12, Nr. 4, Wiesbaden 1975, 157–164. 11 So sein Schüler Heinrich Dannenbauer, in: Die Pforte 5 (1953), 395. 12 Wittram, Johannes Haller (wie Anm. 9), 553. Vgl. Ernst, Johannes Haller (wie Anm. 8), 7 f. bzw. 48 f.; BA Koblenz, NH, Nr. 28 (Briefe Hallers an Philipp Fürst zu Eulenburg 1917– 1921, 1936). Allerdings ist davon auszugehen, daß Haller für seine Arbeit von der Fürstin nicht rückhaltlos informiert wurde (Mitt. von Frau Elisabeth Haller [Stuttgart] an den Verf. v. 15. Oktober 1989 und 15. Februar 1990).

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Sprache13. Man mag ergänzend noch seine ebenso rasche wie kritisch-scharfe Denkart und sein rhetorisches Talent erwähnen. Gewisse Berührungen und Affinitäten sollen nicht geleugnet werden, und Aussagen langjähriger Augen‑ und Ohrenzeugen haben besonderes Gewicht; allein ob der Charakter des Mannes, der „aus fernem nordischen Land mit den weißen Nächten, mit der Strenge und Wärme seiner alten Häuser“ kam, dessen Briefe an den Basler Archivar Rudolf Wackernagel ihn schwerblütig, innerlich unsicher erscheinen lassen14, wirklich romanischem Wesen so nahekam, sei dahingestellt. Es bleibt auch zu bedenken, daß Haller Paris und Frankreich nie näher und tiefer kennengelernt hat, im Gegensatz zu Rom und Italien, die ihm nach langjährigen Aufenthalten wohlvertraut waren – Rom hat er wiederholt als seine zweite Heimat, Italien als das schönste Land der Welt bezeichnet und Dante ein Alterswerk gewidmet15. Und der von Paul Fridolin Kehr 1902 zu Hallers beruflicher Absicherung erwogene Plan, ihn an einem in Paris zu gründenden Historischen Institut mit der „Gallia Pontificia“ zu betrauen, wurde nie Wirklichkeit16. Vor allem aber bleibt zu bedenken, daß beim Namen „Frankreich“ im Gegensatz zu Italien stets politische und militärische Gefahr seitens eines revanchelüsternen Konkurrenten mitschwang; daß Haller sich selber wie die weitaus meisten seiner Zeitgenossen und Landsleute nicht als Europäer und Weltbürger, sondern als Deutscher empfand, als Teil eines Volks, das sich – aus ihrer Sicht – im Schicksalskampf der Nationen unter besonders widrigen Bedingungen zu behaupten hatte. Gespräche und Eindrücke, Begegnungen und Erfahrungen in Italien und der Schweiz dürften also Johannes Hallers Sicht des Themas „Frankreich und das Basler Konzil“ beeinflußt haben; sie bestimmten darüber hinaus seine Auffassung vom Wesen französischer Politik in der Vergangenheit wie auch der Gegenwart. Denn ob Emser Depesche oder später die Haltung Frankreichs am Vorabend des Ersten Weltkriegs und die Besetzung des Rheinlands: die Pariser Regierung, ein Poincaré und Clemenceau, sie sind unehrlich, verschlagen, sie betreiben, ihre eigentlichen Ziele stets verbergend, ein raffiniertes Doppelspiel, um schließ13 Ernst, Johannes Haller (wie Anm. 8), 8 bzw. 49; Wittram, Nachwort zu: Haller, Lebenserinnerungen (wie Anm. 6), 278. 14 Reinhard Wittram, Erinnerung an Johannes Haller (gest. 24. Dez. 1947), in: Die Welt als Geschichte 10 (1950), Zitat 68. Briefe an Wackernagel: Vischer, Buchrezension (wie Anm. 8), 494. 15 BA Koblenz, NH, Nr. 28 (Haller an Wagner, 16. März 1902); UA Tübingen 305/25 (Dante), 305/52 (Haller an seine Schwester Helene, 24. Juni 1892 und 19. April 1895). – Johannes Haller, Dante. Dichter und Mensch, Basel 1954. – Ders., Lebenserinnerungen (wie Anm. 6), 142. Jedoch finden sich in dem von Wittram für den Druck sinnwidrig gekürzten und „geglätteten“ Typoskript der Erinnerungen auch negative Auslassungen über den italienischen Charakter: BA Koblenz, NH, Nr. 27: II, 131 f. Vgl. Ernst, Johannes Haller (wie Anm. 8), 4 bzw. 45; Heinrich Dannenbauer, Nachwort, in: Johannes Haller, Das Papsttum. Idee und Wirklichkeit, V: Der Einsturz, Stuttgart 1953, 414. Im Herbst 1894 äußerte Haller sich allerdings in einem Brief an seinen Vater begeistert über seinen Parisaufenthalt: UA Tübingen 305/35, Nr. 78. 16 BA Koblenz, NH, Nr. 21, Heft 1 (Kehr an Haller, 2. August 1902).

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lich – ein Lieblingsausdruck Hallers – „die Maske fallen zu lassen“17. Wer das durchschaut, wer die Franzosen, wenn möglich mit ihren eigenen Mitteln, diplomatisch auszustechen oder gar zu übertrumpfen versteht, der vollbringt, ob es sich nun um Enea Silvio Piccolomini oder Bismarck handelt, ein wahres „Meisterstück“18. Den durchtrieben-hinterhältig-raffinierten und auch herrschsüchtigen Franzosen, ihn gilt es zu entlarven, ihm eben die Maske vom Gesicht zu reißen. Sein Gegenstück hat dieser Charakter übrigens im aufrecht-echten, freiheits‑ und wahrheitsliebenden Deutschen19. Haller selber stellte beide in einer Studie „Die Reformation: Fluch oder Segen für das deutsche Volk?“ – auf den bezeichnenden Titel wird noch zurückzukommen sein – gegenüber: „Dem Deutschen ist die Freiheit die Hauptsache, läßt man ihn auf seine Art leben und sterben, so begehrt er nichts mehr. Der Franzose dagegen will herrschen, andere seinem Willen unterordnen, ihnen die eigene Art – Sprache, Sitte, Glauben – aufzwingen“20. Indes französische Politiker begingen und begehen immer wieder denselben Fehler: Das Gefühl vermeintlicher Überlegenheit, vor allem ihrer Kultur über deutsche Barbarei, verleitet sie zur Unterschätzung des Gegners; eitle „französische Selbstgefälligkeit“ wiegt sich nur allzu oft in Illusionen21. Bei solcher Bewertung spielen neben persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen aber sicher auch das allgemeine Zeitklima, die vorwaltenden Stimmungen im damaligen Deutschen Reich eine wichtige Rolle; generelle und traditionsbeladene Faktoren, die sich im Lebensgang von Johannes Haller wiederum in eigenartigunglücklicher Konstellation verdichteten. Vier Umstände scheinen dabei von besonderer Bedeutung zu sein: 1. Johannes Haller wurde 1865 auf Dagö, einer dem Rigaschen Meerbusen vorgelagerten Insel, geboren, die, zu Estland gehörig, unter russischem Gouvernement stand. Den Deutschbalten bedrückte schon früh eine zaristische Russifizierungspolitik, die seit 1885 noch intensiviert wurde: „Den Feind, gegen den wir 17 Johannes Haller, Tausend Jahre deutsch-französischer Beziehungen (1930), Stuttgart ³1936, 175, 220–223; Ders., Ursachen des Weltkriegs (1931), in: Ders., Reden und Aufsätze zur Geschichte und Politik, Stuttgart – Berlin 1934, 297; Ders., Rheinlands Befreiung 1. Juli 1930 (1930), in: ebd., 348. 18  Johannes Haller, Pius II., ein Papst der Renaissance (1912), in: Ders., Reden und Aufsätze (wie Anm. 17), 76, 82 f. u. ö. 19 Das von Ulrich Muhlack nachgewiesene Fortleben des taciteischen Tugendkatalogs der Germanen in Deutschland vom 15. bis zum 18. Jahrhundert scheint hier im Widerspiel mit Frankreich sogar noch bis ins frühe 20. Jahrhundert garantiert: Ders., Die Germania im deutschen Nationalbewußtsein vor dem 19. Jahrhundert, in: Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, hg. v. Herbert Jankuhn /Dieter Timpe, I, Göttingen 1989 (Abhandl. der Akad. der Wissenschaften in Göttingen, phil.-histor. Kl., Folge 3, Nr. 175), 144 f. – Vgl. auch Herfried Münkler, Nation als politische Idee im frühneuzeitlichen Europa, in: Nation und Literatur im Europa der Frühen Neuzeit, hg. v. Klaus Garber, Tübingen 1989, 73. 20 Haller, Reden und Aufsätze (wie Anm. 17), 162. 21 Haller, Tausend Jahre (wie Anm. 17), 21, 47 f., 50 u. ö.; Ders., Rheinlands Befreiung (wie Anm. 17), 348; Ders., 1519 im Deutschen Reich und in Württemberg (1933), in: Ders., Reden und Aufsätze (wie Anm. 17), 104.

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uns wehrten, hatten wir in Reval stets vor Augen“. Haller, der gegen die russische Sprache „einen geradezu physischen Widerstand“ empfand, der die Überzeugung seiner Landsleute, den in der Tradition slawisch‑orientalischen Mongolentums stehenden Russen kulturell und moralisch überlegen zu sein, für berechtigt hielt, er brachte den russisch-deutschen Gegensatz 1890 auf eine griffig-konkrete Formel: „Wer … aus Rußland kommend, die preußische Grenze überschritt, der trat in eine bessere Welt; an dieser Grenze prallten slawisch-mongolische Halbkultur und deutsch-abendländische Gesittung hörbar aufeinander“. Primitiv und gleichwohl gefährlich war dieser Russe, und in den folgenden Jahrzehnten wurde Haller nicht müde, immer wieder diese „russische Gefahr im deutschen Hause“ zu beschwören22. Noch sein Schüler Wittram bejubelt in einem Brief an ihn den 22. Juni 1941, den Tag des deutschen Einmarschs in Rußland, „als eine Erlösung, als Befreiung aus schwerem Druck …, mit einer Freude, wie sie einem im Leben selten zuteil wird. Nun bekommt die deutsche Geschichte ihren Sinn zurück“23. Der Bedrohung aus dem Osten entspricht aber im Westen die Bedrohung durch ein revanchistisch-expansionistisches Frankreich – der Zweifrontendruck auf das Reich stellt für Haller eine der Grundgegebenheiten deutscher Geschichte überhaupt dar, er begegnet geradezu als Leitmotiv in den „Epochen der deutschen Geschichte“24. Haller lehrte und schrieb als Vertreter des Grenz‑ und Auslandsdeutschtums, und zwar einer Generation, die „von früh auf gewußt [hat], was Nationalität und nationaler Kampf ist“. Das Wesen der Geschichte aber – so resümiert er in den „Lebenserinnerungen“ – ist nichts anderes als „der Kampf der Nationen ums Dasein“25. Ihn kann jedoch nur eine in Geschlossenheit starke Nation bestehen. Deshalb sprach er sich im Ersten Weltkrieg für Gebietserweiterungen im Osten wie Westen aus, um die Konkurrenten Rußland und Frankreich zu schwächen, darum unterstützte er engagiert den von dem 22 Haller, Lebenserinnerungen (wie Anm. 6), Zitat 43, 62, 74. Scharfe Attacken gegen Rußland und die Russen finden sich auch in seinem Aufsatz: Die Deutschen in Rußland (1915), in: Ders., Reden und Aufsätze (wie Anm. 17), 244–256, und in einer 1917 publizierten Schrift „Die russische Gefahr im deutschen Hause“, die er mit heftigsten Angriffen gegen seinen Kollegen Otto Hoetzsch, den „Hofhistoriographen der Zaren und des Moskowiter Zwangsstaats“, verband. Vgl. Klaus Schwabe, Wissenschaft und Kriegsmoral. Die deutschen Hochschullehrer und die politischen Grundlagen des ersten Weltkriegs, Göttingen – Zürich – Frankfurt / M. 1969, 29, 107. – In diesem Zusammenhang ist von Interesse, daß Haller von 1909 bis 1913 in Gießen mit Gustav Roloff, dem Ordinarius für Neuere Geschichte, zusammenarbeitete. Auch er bewunderte Bismarck, auch er warnte vor Rußland – sein 1914 erschienenes Buch trug den bezeichnenden Titel „Deutschland und Rußland im Widerstreit seit 200 Jahren“. Vgl. Hans Georg Gundel, Die Geschichtswissenschaft an der Universität Gießen im 20. Jahrhundert, in: Ludwigs-Universität. Justus Liebig-Hochschule 1607–1957. FS zur 350-Jahrfeier, Gießen 1957, 229. 23 BA Koblenz, NH, Nr. 27, Heft 2 (Posen, 9. August 1941). 24 Johannes Haller, Die Epochen der deutschen Geschichte, München 1961, 28 u. ö. – S. dazu auch Bernd Faulenbach, Ideologie des deutschen Weges. Die deutsche Geschichte in der Historiographie zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, München 1982, 28. 25 Haller, Lebenserinnerungen (wie Anm. 6), Zitat 68, 192.

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Treitschke-Schüler Dietrich Schäfer ins Leben gerufenen „Unabhängigen Ausschuß für einen deutschen Frieden“: Ein solcher Frieden hieß Verwirklichung alldeutsch-annexionistischer Ziele, obwohl er den „Alldeutschen“ in früheren Jahrzehnten eher distanziert gegenübergestanden hatte26. Darum aber wandte sich Haller auch immer wieder scharf gegen den in der deutschen Geschichte so starken Partikularismus. Die Antwort auf die von ihm selber rhetorisch aufgeworfene Frage „Bundesstaat oder Einheitsstaat?“ ist klar und eindeutig27. Er verfocht vehement den Zentralismus unter preußischen Vorzeichen, er zählte zu den Hohenpriestern des „culte de l’Etat“, den Marc Bloch in einem Nachruf auf den Haller geistesverwandten Georg von Below als Teil der „mentalité collective“ deutscher Historiker zwischen 1871 und 1918 bezeichnet hat28. Unausgesprochen war Bismarck, zu dessen Zentenarfeier seines Geburtstags er am 1. April 1915 in Stuttgart eine glühende Lobrede hielt, für ihn der Staatsmann, der Deutschland gleichsam auf französisches Niveau gehoben hatte29. Der Umstand, daß sich im 26 Der von Haller in dieser Angelegenheit geführte Schriftwechsel befindet sich im BA Koblenz, NH, Nr. 5–8. Vgl. Hans Peter Bleuel, Deutschlands Bekenner. Professoren zwischen Kaiserreich und Diktatur, Bern – München – Wien 1968, 90 f.; Schwabe, Wissenschaft (wie Anm. 22), 161, 216 f. Anm. 103; Karen Thiessenhusen, Politische Kommentare deutscher Historiker zur Revolution und Neuordnung 1918/19, in: Aus Politik und Zeitgesch. B 45 (1969), 11; Bernd Weber, Pädagogik und Politik vom Kaiserreich zum Faschismus. Zur Analyse politischer Optionen von Pädagogikhochschullehrern von 1914–1933, Königstein / Ts. 1979 (Monographien. Pädagogik 26), 65; vgl. auch 116. – Gegen diese Intentionen wandte sich wiederum ein (wesentlich kleinerer) Kreis von Professoren um Hans Delbrück, der, wie Ernst Troeltsch 1917 seinem Marburger Kollegen Martin Rade schrieb, dem Ausland signalisieren sollte, „daß hinter Haller keineswegs die gesamte Universitätswelt steht“: Herbert Döring, Der Weimarer Kreis. Studien zum politischen Bewußtsein verfassungstreuer Hochschullehrer in der Weimarer Republik, Meisenheim am Glan 1975 (Mannheimer sozialwissenschaftliche Studien 10), 47; vgl. auch Weber, Pädagogik (siehe oben), 65 f. – Zu Hallers früherer Distanz gegenüber den „Alldeutschen“: Lebenserinnerungen (wie Anm. 6), 93 f. 27 Johannes Haller, Bundesstaat oder Einheitsstaat? Das Problem der deutschen Reichsverfassung in geschichtlicher Beleuchtung. Vortrag, gehalten auf der Führertagung des Reichslandbundes am 8. November 1927, Tübingen 1928; vgl. auch Ders., Partikularismus und Nationalismus. Vortrag, gehalten auf der 55. Tagung des Vereins deutscher Philologen und Schulmänner in Erlangen am 1. Oktober 1925, Stuttgart 1926. Zusammen mit Karl Brandi und Friedrich Meinecke – ihm ansonst nicht gerade nahestehend – gehörte Haller zu den führenden Unterzeichnern des Gründungsaufrufs für den „Bund zur Erneuerung des Reiches“ um den ehemaligen Reichskanzler Luther, der sich der Förderung des Einheitsstaats verschrieben hatte: Faulenbach, Ideologie (wie Anm. 24), 278. 28 Marc Bloch, Un temperament. Georg von Below, in: Ann. d’histoire économique et sociale 3 (1931), 553–559, hier 553 f., 555. Vgl. auch Otto Gerhard Oexle, Ein politischer Historiker: Georg von Below (1858–1927), in: Deutsche Geschichtswissenschaft um 1900, hg. v. Notker Hammerstein, Stuttgart 1988, 283–312, bes. 309. 29 Johannes Haller, Bismarck und Deutschland, Tübingen 1915, wiederabgedruckt unter dem Titel „Gedanken über Bismarck am 1. April 1915“, in: Ders., Reden und Aufsätze (wie Anm. 17), 228–243. S. auch seine Rede, gehalten bei der Grundsteinlegung des Bismarckturms der Gießener Studentenschaft am 29. Juli 1905, in: Gießener Anzeiger v. 1. Juli 1905; Ders., Zum 1. April 1933, in: Ders., Reden und Aufsätze (wie Anm. 17), 376–381. – Vgl. Faulenbach, Ideologie (wie Anm. 24), 60 f.; Kurt Georg Kiesinger, Dunkle und helle Jahre. Er-

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historisch-politischen Denken Hallers eine direkte, von Friedrich dem Großen über Bismarck zu Hitler führende Linie zumindest zeitweise erkennen läßt, sei hier nur angedeutet30. Als Vertreter des Grenz‑ und Auslandsdeutschtums seiner Generation wandte Haller sich also mit Schärfe gegen Rußland, aber auch gegen Frankreich, bewunderte jedoch dessen zentralistische Struktur, die im Kampf der Nationen nur von Vorteil sein konnte. 2. Der protestantische Pfarrersohn Johannes Haller war von der Überlegenheit seiner Konfession tief überzeugt – 1917 schrieb er, daß das deutsche Volk mit der Reformation die Kirche des Mittelalters überwunden habe, daß es bereit war, „sich von ihr zu trennen, sobald ihm etwas besseres gezeigt wurde“31. Damit ist innerungen 1904–1958, hg. v. Reinhard Schmoeckel, Stuttgart 1989, 88. Allgemein über die Zentenarfeiern von Bismarcks Geburtstag 1915: Egmont Zechlin, Das Bismarck-Bild 1915. Eine Mischung von Sage und Mythos, in: Ders., Krieg und Kriegsrisiko. Zur deutschen Politik im ersten Weltkrieg. Aufsätze, Düsseldorf 1979, 227–233; Lothar Gall, Die Deutschen und Bismarck, in: Deutschland und Europa in der Neuzeit. FS K. O. v. Aretin, hg. v. Ralph Melville u. a., Stuttgart 1988, 529 mit Anm. 19. 30 Das Thema „Johannes Haller und der Nationalsozialismus“ werde ich in einer eigenen Studie abhandeln, die sich auf umfängliche Korrespondenzen u. a. mit Johan Huizinga, dem Thomaskantor Karl Straube, den Freunden von Uexküll und Wagner sowie mit seinem Schüler und Tübinger Nachfolger Heinrich Dannenbauer, aber auch auf den im Typoskript fast 200 Seiten umfassenden letzten Teil der „Lebenserinnerungen“ stützen kann, die der Herausgeber Reinhard Wittram verfälschend unterschlagen hat. Wer Haller als einen geistigen Wegbereiter des Nationalsozialismus auf dem Hochschulkatheder bezeichnet, muß auch in Rechnung stellen, daß er bereits 1932 zu dessen erbitterten Gegnern zählte; der Lobredner des Führers attackierte zugleich Rosenberg und den Rassenirrsinn der neuen Herren: Der Brechungen und Widersprüche sind viele, doch sprechen gerade die privat-vertraulichen Äußerungen eine eindeutige Sprache, die das negative Urteil mancher Historiker als vorschnell-ungerechtfertigte Verurteilung erscheinen lassen. Erste Quellen‑ und Literaturhinweise: BA Koblenz, NH, Nr. 9, 20, 24, 27, 28, 29; UA Tübingen 305/1 (= Koblenz Nr. 27), 305/19 (cf. Koblenz Nr. 29), 305/25, 305/38 sowie die von Elisabeth Haller am 18. Februar 1990 zur Verfügung gestellten Briefe Hallers an seinen Sohn. Von Interesse sind auch die mehrfach geänderten Vorworte Hallers zu den verschiedenen Auflagen der „Tausend Jahre“ und besonders der „Epochen“ zwischen 1922 und 1942; s. dazu auch Faulenbach, Ideologie (wie Anm. 24), 287, sowie Karl Ferdinand Werner, Das NS-Geschichtsbild und die deutsche Geschichtswissenschaft, Stuttgart u. a. 1967, 71 f., und Ders., Deutsche Historiographie unter Hitler, in: Geschichtswissenschaft in Deutschland, hg. v. Bernd Faulenbach, München 1974, 90 f. – Hallers Tagebucheintragungen 1945: Das Drama ist zu Ende. Aus Johannes Hallers unveröffentlichtem Tübinger Tagebuch, in: Wiedergeburt des Geistes. Die Universität Tübingen im Jahre 1945. Eine Dokumentation, bearb. v. Manfred Schmid/Volker Schäfer, Tübingen 1985, 34–40. Vgl. auch Theodor Eschenburg, Aus dem Universitätsleben vor 1933, in: Deutsches Geistesleben und Nationalsozialismus, hg. v. Andreas Flitner, Tübingen 1965, 34; Uwe Dietrich Adam, Hochschule und Nationalsozialismus. Die Universität Tübingen im Dritten Reich, Tübingen 1977 (Contubernium 23), 23; Kiesinger, Dunkle und helle Jahre (wie Anm. 29), 88 f.; Vischer, Buchrezension (wie Anm. 8), 495; Winfried Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, München 1989, 25, 34. – Die Ausgabe von Hallers Erinnerungen durch Wittram stieß bereits bei Erscheinen auf Kritik: Vgl. Friedrich Bock, in: Archivalische Zs. 57 (1961), 185; Golo Mann, Geschichte und Geschichten, Frankfurt / M. 1961, 516; dabei wurde allerdings der entscheidende Punkt „Johannes Haller und der Nationalsozialismus“ nicht hervorgehoben. 31 Johannes Haller, Die Ursachen der Reformation, wiederabgedruckt in: Ders., Reden und Aufsätze (wie Anm. 17), 129–150, Zitat 139.

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auch die Antwort auf die bereits erwähnte Frage „Die Reformation: Fluch oder Segen für das deutsche Volk?“ eigentlich schon gegeben32. Deutsche Kultur stellte sich für ihn als fast ausschließlich protestantisch dar, unter ihren hervorragendsten Vertretern findet sich fast kein Katholik – ja, katholisch bedeutete ihm letztlich undeutsch, von Rom ferngesteuert; französische Protestanten des 16. Jahrhunderts hat er dagegen als „vom deutschen Geist ergriffene Fremde“ charakterisiert33. Allerdings ist hier auch auf die Gegenseite hinzuweisen: 1915 stellte etwa Baudrillart in seinem Band „La guerre allemande et le catholicisme“ den Kriegsgegner Deutschland als theoretischen und praktischen Feind des Katholizismus dar, für dessen Sache wiederum Frankreich kämpfe. In einer gegen die Kritik deutscher Katholiken34 veröffentlichten Abhandlung „L’Allemagne et ses alliés devant la conscience chrétienne“ und weiteren Schriften steigerte er sich gar zur Behauptung, seit dem mittelalterlichen Kampf zwischen Kaiser‑ und Papsttum und insbesondere seit der Reformation sei Deutschland die Mutter aller fundamentalen Häresien und radikalen Negationen, sei es zur antichristlichantikatholischen Macht schlechthin geworden. Baudrillart propagierte die Idee, Preußen-Deutschland habe den Kulturkampf lanciert, um seine zwei Erbfeinde zugleich zu treffen: das Papsttum und Frankreich, bedeute doch jede Attacke

32 In:

Haller, Reden und Aufsätze (wie Anm. 17), 151–172. Haller, Elsaß und das Reich, in: Das Elsaß. Des Reiches Tor und Schild, hg. v. Franz Kerber, Stuttgart 1940 (Jb der Stadt Freiburg im Breisgau 4), 26. Vgl. auch Ders., Das Schicksal des Deutschtums in den baltischen Provinzen (1915), in: Ders., Reden und Aufsätze (wie Anm. 17), 263. Zur Sicht des Katholizismus: Ders., Reformation (wie Anm. 32), 164. – Mit solchen Auffassungen stand Haller in der deutschen Universitätswelt natürlich keineswegs alleine: 1924 verkündete etwa der Theologe Otto Proksch in Greifswald, zu Versailles habe man Deutschland die Narrenkappe aufgesetzt, es ehr-, wehr‑ und heerlos gemacht, doch Rettung sei verheißen, wenn sich erst deutsche Art mit christlichem, sprich: protestantischem Glauben verbinde: Eschenburg, Universitätsleben (wie Anm. 30), 46. 34 Der deutsche Episkopat nahm zwar offiziell nicht Stellung zu dem durch ein Vorwort des Kardinals von Paris abgesegneten Werk Baudrillarts, doch gibt seine Position der Artikel „Unsere religiöse Kultur“ des damaligen Speyerer Bischofs Michael Faulhaber (in: Deutsche Kultur, Katholizismus und Weltkrieg, Freiburg 1915, 451–475) ebenso wieder wie die Schrift von A[rnold] J[osef] Rosenberg, Der deutsche Krieg und der Katholizismus, Berlin 1915. Insbesondere der Kölner Kardinal von Hartmann legte eine intransigente Haltung gegenüber Franzosen und Belgiern an den Tag: Norbert Trippen, Der Bischof im Zeitalter der Industrialisierung, des Nationalismus und der Weltkriege (1885–1945), in: Der Bischof in seiner Zeit. FS J. Kardinal Höffner, hg. v. Peter Berglar / Odilo Engels, Köln 1986, 408–412; Ders., F. v. Hartmann, in: DHGE XXIII (1990), 451 f. – Für die deutschen Katholiken in der Geschichtswissenschaft mag mit seinem Freiburger Kriegsvortrag Heinrich Finke (an allerdings recht exponierter Stelle) stehen: Weltimperialismus und nationale Regungen im späteren Mittelalter, Leipzig 1916. Vgl. auch Bernd Mütter, Die Geschichtswissenschaft in Münster zwischen Aufklärung und Historismus unter besonderer Berücksichtigung der historischen Disziplin an der Münsterschen Hochschule, Münster 1980 (Veröffentl. der Histor. Kommission für Westfalen 22 B: Geschichtl. Arbeiten zur Westfäl. Landesforschung. Geistesgeschichtl. Gruppe 1), 271–275. 33 Johannes

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gegen den Papst auch eine Schwächung Frankreichs35. Und der in frühen Jahren durchaus kritisch-differenzierende Baudrillart, später Mitglied der „Académie Française“, Kardinal und im Zweiten Weltkrieg übrigens für einen Kreuzzug gegen die Bolschewisten zur Kollaboration mit den Nationalsozialisten bereit36, er war beileibe nicht der einzige, der seiner Abneigung gegen den „pays de Luther“ freien Lauf ließ: Georges Goyau, eigentlich ein profunder Kenner des deutschen Katholizismus, verstand jetzt den Krieg als Kampf des katholischen Frankreich gegen das protestantische Deutschland, als einen zweiten, nach außen gewendeten Kulturkampf – wen wundert es, daß sich 1914 ein junger französischer Seminarist auf den Krieg freuen konnte, um „dresser son canon contre la fausse philosophie de Kant“. Der Gegner Deutschland brachte Laizisten und Ultramontane, atheistische Sorbonne und „Institut Catholique“ einander nahe. Und der Diplomat und Historiker Gabriel Hanotaux, stets um Nation und Kirche besorgt, als Außenminister Beförderer einer frankorussischen Allianz und später Propagator eines Völkerbunds unter antideutschen Auspizien, verkündete allen Ernstes in seiner Jeanne-d’Arc-Biographie: „Dieu est Français, oui“. Ja selbst ein katholischer Schriftsteller vom Rang Paul Claudels befürwortete den Krieg als notwendige und heilsame Abklärung, werde er doch die geistige und moralische Überlegenheit Frankreichs hervortreten lassen37. 3. Die Welt der Deutschbalten war aristokratisch geprägt; um Haller zu zitieren: Sie „war nach ihrer Entstehung, ihrem Bau und ihren Überlieferungen aristokratisch und mußte es sein, wenn sie bestehen wollte“38. Und seine Formung 35 Beate Gödde-Baumanns, Deutsche Geschichte in französischer Sicht. Die französische Historiographie von 1871 bis 1918 über die Geschichte Deutschlands und der deutsch-französischen Beziehungen in der Neuzeit, Wiesbaden 1971 (Veröffentl. des Instituts für Europ. Geschichte Mainz 49), 407, 409. Den Gedanken von Papsttum und Frankreich als der durch Deutschland attackierten beiden Erbfeinde propagierte bereits zwei Jahrzehnte zuvor Etienne Lamy in einem von Baudrillart herausgegebenen, für ein breiteres Publikum bestimmten Sammelwerk: Le Saint-Siège et la France. Pie IX et Léon XIII. Conclusion, in: La France chrétienne dans l’histoire, sous la dir. du R. P. [Alfred] Baudrillart, Paris 1896, 655. 36  Léon Papeleux, Note à propos de l’affaire Baudrillart (1941), in: RHE 82 (1987), 50–53. 37 Gödde-Baumanns, Deutsche Geschichte (wie Anm. 35), 409 f. Das Buch „Deutscher und französischer Katholizismus in den letzten Jahrzehnten“ des Bonner Kirchenhistorikers Heinrich Schrörs (Freiburg 1917) verstand sich als Antwort auf Goyau. – Henri Haag, Le cardinal Mercier devant la guerre et la paix, in: RHE 79 (1984), Zitat 740 (Seminarist). – Gabriel Hanotaux, Jeanne d’Arc. La Pucelle d’Orléans [zuerst 1911], Paris 1938, 51. Zu Hanotaux Simon, Staat und Geschichtswissenschaft (wie Anm. 10), 590 f., *126*. – Nikolaus Flüeler, Der missbrauchte Rhein. Untersuchungen zu einem problematischen Thema der Geschichte deutsch-französischer Beziehungen, Diss. Zürich, Luzern 1966 (Teildruck), 51. An diesen Beispielen zeigt sich auch, wie einend der Krieg gegen die Deutschen auf die divergierenden Richtungen des damaligen französischen Katholizismus wirkte. Dazu Jean-Marie Mayeur, Les catholiques français devant le catholicisme allemand dans les lendemains de la première guerre mondiale (1920–1922), in: Franzosen und Deutsche am Rhein 1789–1918–1945, hg. v. Peter Hüttenberger/Hansgeorg Molitor, Essen 1989 (Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgesch. und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens 23), 289–296. 38 Haller, Lebenserinnerungen (wie Anm. 6), 82.

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durch aristokratische Ideale hat ihn Parlamentarismus und Demokratie zeitlebens skeptisch gegenüberstehen lassen; es waren Ideen, die aus der westlichen Welt stammten. Gleich einem Dietrich Schäfer oder Georg von Below sah er in ihrem Vordringen einen der Gründe für die Katastrophe von 1918. Das zielte nicht nur auf England und die USA, sondern auch auf Frankreich, die Mutter der Revolutionen – „égalite“ war dem elitär-aristokratischen Haller widerwärtig, bedeutete Pöbelherrschaft des „Königs Demos“, obendrein noch unter sozialistischen Vorzeichen. Die politische Organisation der Arbeiterschaft war ihm der größte Gegner für das Deutsche Reich überhaupt. In diesem Zusammenhang ist auch eine auffällige Skepsis gegenüber dem raschen Vordringen von Technik, Industrie und Gewerbe im wilhelminischen Deutschland zu konstatieren, was seiner Meinung nach zum Niedergang der alten bäuerlichen und soldatischen Tugenden beigetragen hatte39. 4. Der wohl wichtigste Punkt: Hallers wissenschaftliche Prägung. Seine erste akademische Ausbildung erhielt er in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts an der Universität von Dorpat durch Richard Hausmann, der besonders historische Hilfswissenschaften pflegte und wegen seines Streits mit Otto Hoetzsch über die russische Gefahr für Deutschland Aufsehen erregte40 – hier die methodische Strenge des mittelalterliche Quellen prüfenden Seminarleiters, dort der zu Fragen der Gegenwart entschieden, ja polemisch Stellung beziehende politische Historiker: Wir haben zwei Seiten auch Hallerschen Wirkens vor uns. Wenn er nach weiteren Studien in Berlin und Heidelberg 1892 bei Bernhard Erdmannsdörffer mit seiner Arbeit über „Die deutsche Publizistik in den Jahren 1668 bis 1674“ promovierte, die den Untertitel trug „Ein Beitrag zur Geschichte der Raubkriege Ludwigs XIV.“, so dürfte weniger das wissenschaftliche Gewicht der Untersuchung bemerkenswert sein, das schon bei Hallers Habilitation in Basel von den Gutachtern für leicht befunden wurde, als vielmehr Betreuer, Grundton und Untertitel dieser Dissertation: Erdmannsdörffer veröffentlichte zur selben Zeit, 1892/93, seine „Deutsche Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen“, in der bei aller Kritik an Ludwigs XIV. militärischer Brutalität Frankreich als nationale Kultur von hoher Vollendung 39 Ebd., 89 f., 170, 173; Ders., Epochen (wie Anm. 24), 225, 230; Ders., Gesellschaft und Staatsform. Vortrag, gehalten auf der Hauptversammlung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute am 28. November 1926 in Düsseldorf, in: Stahl u. Eisen 47 (1927), 1–8; Ders., Die Monarchie im Wandel der Geschichte (1934), in: Ders., Reden und Aufsätze (wie Anm. 17), 375. Vgl. auch Faulenbach, Ideologie (wie Anm. 24), 92 f., 94, 96, 247, 314; Ders., Die Geschichtswissenschaft zwischen Kaiserreich und NS-Diktatur, in: Geschichtswissenschaft in Deutschland (wie Anm. 30), 68. 40 Friedensburg, Historisches Institut (wie Anm. 6), 107 mit Anm. 1; Deutschbaltisches Biographisches Lexikon 1710–1960, hg. v. Wilhelm Lenz, Köln – Wien 1970, 304; Heinz von zur Mühlen, Deutschbaltische Geschichtsschreibung 1918–1939/45 in Estland, in: Geschichte der deutschbaltischen Geschichtsschreibung, hg. v. Georg von Rauch, Köln – Wien 1986 (Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart 20), 342; Wilhelm Lenz, „Alt-Livland“ in der Geschichtsschreibung 1870–1918, in: ebd., 213 f.

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herausgestellt wird. Auch Haller verzichtet expressis verbis auf eine beim Thema „Raubkriege“ naheliegende Sammlung effekthascherischer „Kraftstellen“ aus dieser Publizistik; mehr noch, ein Unterton der Bewunderung wird trotz des skizzierten negativen Hintergrunds fortan auch bei ihm begegnen, wenn das Thema französische Geschichte ansteht41. Zu dem negativen Hintergrund gehört allerdings der Terminus „Raubkriege“, der wiederum im Kontext einer im frühen 19. Jahrhundert entstandenen und schubweise intensivierten Erbfeindtopik steht. Ich gehe auf diese Thematik nicht detailliert ein, zumal dazu Untersuchungen von Heinz-Otto Sieburg vorliegen und auch durch andere Studien wichtige Teilaspekte erfaßt worden sind42. Es sei nur daran erinnert, daß man im Mittelalter ursprünglich den Teufel mit dem Begriff erbvînt bezeichnete, der dann seit dem 15. Jahrhundert zunehmend auf den Türken übertragen wurde und noch im 18. Jahrhundert in solcher Bedeutung begegnet. Im 19. Jahrhundert diente „Erbfeind“ als Schlag‑ und Kampfwort zur Exekution des politischen Gegners – so etwa hieß für Treitschke Habsburg der Erbfeind Deutschlands, während der Welfenhistoriker Onno Klopp aus österreichischem Exil verkündete: „die Dynastie Hohenzollern ist … der eigentliche und wahre Erbfeind von Deutschland“43. Aber zunehmend und dann fast ausschließlich erscheint der Franzose im 19. Jahrhundert als Erbfeind. Zwar gibt es frühere Zeugnisse – sogar schon aus Maximilians I. Zeit –, doch bleiben sie vereinzelt; erst im Gefolge der Französischen Revolution, Napoleons und der Befreiungskriege nehmen sie zu, dann aber rasch und massiv44. Jetzt finden Worte wie von 41 Friedensburg, Historisches Institut (wie Anm. 6), 107 mit Anm. 1; Ernst, Johannes Haller (wie Anm. 8), 3 bzw. 44. – Zu Erdmannsdörffer, seinem Werk und seinen Beziehungen zu Haller zuletzt Wolfgang Weber, Biographisches Lexikon zur Geschichtswissenschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Lehrstuhlinhaber für Geschichte von den Anfängen des Faches bis 1970, Frankfurt/M. ²1987, 134 f.; Ders., Priester der Klio. Historisch-sozialwissenschaftliche Studien zur Herkunft und Karriere deutscher Historiker und zur Geschichte der Geschichtswissenschaft, Frankfurt / M.–Bern – New York 1984 (Europäische Hochschulschriften III / 216), 203, 264, 266; Peter-Michael Hahn, Frankreich und das Reich während des 17. Jahrhunderts im Spiegel der deutschen Geschichtswissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts, in: HZ 247 (1988), 67. 42  Heinz-Otto Sieburg, Die Erbfeindlegende. Historische Grundlagen der deutsch-französischen Beziehungen, in: Antike und Universalgeschichte. FS E. Stier, hg. v. Ruth Stiel / Gustav Adolf Lehmann, Münster 1972, 323–345. Vgl. auch die einschlägigen Passagen bei Flüeler, Der missbrauchte Rhein (wie Anm. 37), Gödde-Baumanns, Deutsche Geschichte (wie Anm. 35), und Faulenbach, Ideologie (wie Anm. 24). 43 Fritz Behrend, Erbfeind. Eine wortgeschichtliche Studie (1915), in: Ders., Altdeutsche Stimmen, Berlin 1916, 8–10. – Treitschke am 16. Juni 1859 an H. Bachmann: Ernst Engelberg, Im Widerstreit um die Reichsgründung. Eine Quellensammlung zur Klassenauseinandersetzung in der deutschen Geschichte von 1849 bis 1871, Berlin 1970, 127. – [Onno Klopp,] Wer ist der wahre Erbfeind von Deutschland? München 1868, 45. – Vgl. auch Karl-Georg Faber, Die nationalpolitische Publizistik Deutschlands von 1866 bis 1871. Eine kritische Bibliographie, II, Düsseldorf 1963, 436 f. (Die Hinweise verdanke ich Georg Mölich [Köln]). 44 Maximilian I. 1507: wider Frankreich als des Römischen Reichs und der Deutschen Nation natürlicher Erbfeind und Durchächter: Rechtfertigungsschrift zum Konstanzer Reichstag, in: Georg

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Ernst Moritz Arndt aus dem Jahre 1813: „ich will den Haß gegen die Franzosen nicht blos für diesen Krieg, ich will ihn für lange Zeit, ich will ihn für immer“ Widerhall und Nachfolge. Im Jahr darauf verkündete selbst der Liberale Karl von Rotteck, „der Abscheu und der Haß gegen Frankreich …, jener Haß … müsse gepflegt und heilig gehalten werden“. 1815 verbreitete der Berliner Historiker Christian Friedrich Rühs, auch seine Gesinnung sei erfüllt von Haß, der „allen redlichen Deutschen gegen das verruchte und abscheuliche Geschlecht“ der Franzosen gemeinsam ist. Friedrich Ludwig Jahn fand für Rühs’ Buch Worte höchsten Lobes und bemerkte seinerseits zum Thema: „der welsche Erbfeind hat durch seine vergiftete Mordaxt unserer tausendjährigen Irmineiche die Krone herunter geschlagen“. Ich zitiere aus Jahns „Merke zum deutschen Volkstum“ (1833) , in dessen eigenem Kapitel über den Erbfeind wir gleich zu Anfang lesen: ,,Jahrhundertelang haben diese Verschmitzten und Beschwatzten die unselige Kunst geübt, uns zu verstricken und zu umgarnen“: Hier führt ein Weg von Jahn zu Haller, auch wenn von dem „herrischen, aufthuerischen, völkerfeindlichen Geiste der Franzosen“ die Rede ist, woraus Jahn übrigens die Forderung ableitete, nur wer vorher über die Untaten der Franzosen in der Geschichte Europas hinreichend unterrichtet worden sei, nur wer wisse, wie oft „der gallische Hahn … auf deutschen Leichenhügeln“ gekräht habe, dürfe die französische Sprache erlernen45. Wenn es im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts auch Phasen der Spalatin, Friedrichs des Weisen Leben und Zeitgeschichte, hg. v. Christian Gotthold Neudecker/Ludwig Preller, Jena 1851, 207 f. Vgl. auch Alfred Schröcker, Die deutsche Nation. Beobachtungen zur politischen Propaganda des ausgehenden 15. Jahrhunderts, Lübeck 1974 (HS 426), 87 Anm. 243. – S. auch Johannes Janssen, Frankreich’s Rheingelüste und deutschfeindliche Politik in früheren Jahrhunderten, Frankfurt / M. 1861, 11 („gegen den Erbfeind, der nach dem Rheine stehe“); Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, IV, München 1981, 130 f.: „Die drei verbündeten … Häuser [Habsburg, England, Aragón] vereinigten sich [am 16. / 17. X. 1513] in engster Waffenbrüderschaft gegen den französischen Erbfeind“. – Zur Wende im frühen 19. Jahrhundert: Behrend, Erbfeind (wie Anm. 43), 20–22; Flüeler, Der missbrauchte Rhein (wie Anm. 37), passim; Sieburg, Erbfeindlegende (wie Anm. 42), 329. 45 Ernst Moritz Arndt, Ueber Volkshaß, in: Ders., Ueber Volkshaß und ueber den Gebrauch einer fremden Sprache, Leipzig 1813, 3–21. Vgl. auch Behrend, Erbfeind (wie Anm. 43), 20; Jürgen Voss, Ernst Moritz Arndt und die französische Revolution, in: Les romantiques allemands et la Révolution française. Die deutsche Romantik und die französische Revolution. Actes du Colloque international Strasbourg, 2–5 nov. 1989, o. O. 1989 (Coll. ,Recherches Germaniques‘ 3), 227 f. – Karl von Rotteck, Gesammelte und nachgelassene Schriften, hg. v. Hermann von Rotteck, II, Pforzheim 1841, 475. – Christian Friedrich Rühs, Über die historische Entwicklung des Einflusses Frankreichs und der Franzosen auf Deutschland und die Deutschen, Berlin 1815, XII. Vgl. auch Flüeler, Der missbrauchte Rhein (wie Anm. 37), 17. – Friedrich Ludwig Jahn, Merke zum deutschen Volkstum, in: Ders., Werke, neu hg. v. Carl Euler, 2/2, Hof 1887, 494, 523, 534, 530. – Es ist in diesem Zusammenhang auch an entsprechende Äußerungen Heinrich von Kleists für seine geplante Zeitschrift „Germania“ zu erinnern: „Die französische Journalistik ist die Kunst, das Volk glauben zu machen, was die Regierung für gut findet“ (Lehrbuch der französischen Journalistik) – „Wer sind deine Feinde, mein Sohn?“ / „Napoleon, und solange er ihr Kaiser ist, die Franzosen“ (Katechismus der

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Beruhigung gab, der Nationalbewegung verpflichtete Schulmänner sorgten für stetige Verbreitung solcher Vorstellungen. Germanisches Sendungsbewußtsein ging einher mit Ablehnung und Verketzerung alles Fremden – die wohlbekannte Nomenklatur wurde jetzt geschaffen: „Feigheit der Gallier“, „französische List“, „welscher Tand“, „französische Grausamkeit“, „leichtes fremdes Geschwätz“ (im Gegensatz zur „treuen“ und „herzlichen Sprache“ der Germanen), „Vergrößerungssucht“ und „Eroberungstrieb“46. Gerade letzteres griff dann Johannes Janssen in seinem vielgelesenen Buch „Frankreich’s Rheingelüste und deutschfeindliche Politik in früheren Jahrhunderten“ (1861) auf. Und die Attacken und Polemiken gewannen erneut an Schärfe, als die französische Agitation und Propaganda ihrerseits im Gefolge von 1870/71 zunahm, als für die Intellektuellen Frankreichs die Muse Germania der Madame de Staël die Pickelhaube des preußischen Feldwebels aufgesetzt hatte47.

Deutschen): Werke und Briefe in vier Bänden, hg. v. Siegfried Streller, III, Berlin – Weimar 1978, 391, 401. 46 Flüeler, Der missbrauchte Rhein (wie Anm. 37), 30–33, mit Verweis auf die ungedruckte Dissertation von Ernst Weymar, Das deutsche Selbstverständnis im Geschichtsunterricht der höheren Schulen im 19. Jahrhundert, Kiel 1959. Allgemein zur Thematik Klaus von See, Deutsche Germanen-Ideologie vom Humanismus bis zur Gegenwart, Frankfurt / M. 1970; Heinz Gollwitzer, Zum politischen Germanismus des 19. Jahrhunderts, in: FS H. Heimpel, I, Göttingen 1971, 282–356. 47 Für den ereignisgeschichtlichen Hintergrund allgemein wichtig das seit 1982 auch in deutscher Übersetzung vorliegende Werk von Raymond Poidevin / Jacques Bariéty, Les relations franco-allemandes 1815–1975, Paris 1977. – Zum Deutschlandbild französischer Historiker vor 1870: Heinz-Otto Sieburg, Deutschland und Frankreich in der Geschichtsschreibung des neunzehnten Jahrhunderts, I, Mainz 1954 (Veröffentl. des Instituts für Europ. Geschichte Mainz 2), 65 f. u. ö. Nach 1870/71: Peter Stadler, Geschichtsschreibung und historisches Denken in Frankreich 1789–1871, Zürich 1978, 323, 329–339; Flüeler, Der missbrauchte Rhein (wie Anm. 37), 40 f.; Pierre Nora, L’Histoire de France de Lavisse, in: Les lieux de Mémoire, sous la dir. de Pierre Nora, II: La Nation (1), Paris 1986, 328; Wilfried Pabst (in Zusammenarbeit mit Karl Ferdinand Werner), Das Jahrhundert der deutsch-französischen Konfrontation. Ausgewählte Quellen zur Einführung in die deutsch-französische Geschichte von 1866 bis heute, Osnabrück ²1987, Nr. 4 (S. 8–13); Beate Gödde-Baumanns, La Prusse et les Allemands dans l’historiographie française des années 1871 à 1914: une image inversée de la France, in: RH 279 (1988), 51–72; Jean Mondot, Les relations franco-allemandes à l’époque moderne, in: Bull. de la MHFA 19 (1989), 53 f. – Sein „klassisches Monument“ fand dieses Erbfeinddenken auf französischer Seite in der 1915 erstmals erschienenen „Histoire de deux peuples“ (dt. 1939/40) von Jacques Bainville, die über 97 Auflagen erlebte. Eine von ihm 1924 publizierte Geschichte Frankreichs mit deutschfeindlichen Tendenzen brachte es auf mehr als 500 000 verkaufte Exemplare. Zur Bedeutung des Jeanne d’Arc-Kults für die Revanche-Idee der Zeit jetzt (differenzierend-einschränkend) Gerd Krumeich, Jeanne d’Arc in der Geschichte. Historiographie – Politik – Kultur, Sigmaringen 1989 (Francia. Beih. 19), 154–164. – Auch in der französischen Literatur ändern sich mit 1870/71 grundlegend die Vorstellungen von Deutschland, die allerdings schon vorher einige Schriftsteller negativ akzentuiert hatten: Wolfgang Leiner, 1870/71 – Wandel des Deutschlandbilds im Spiegel der französischen Literatur, in: Eine ungewöhnliche Geschichte. Deutschland – Frankreich seit 1870, hg. v. Franz Knipping/ Ernst Weisenfeld, Bonn 1988, 28–46.

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Vor dem Hintergrund dieser wissenschaftlichen Tradition, dieser publizistischen Polemik, in Anbetracht seiner Herkunft aus der protestantisch-aristokratischen Welt der Deutschbalten im späten 19. Jahrhundert, nach seinen Erlebnissen und Erfahrungen in Deutschland und in der Schweiz um die Jahrhundertwende erscheint Hallers Fehlinterpretation der Haltung Frankreichs zum Basler Konzil und besonders zur Griechensynode sowie zur Belehnung des René von Anjou mit Neapel verständlich. Seine Sicht der Dinge hat ihn übrigens in eine große Kontroverse mit dem französischen Historiker Noël Valois geführt, wobei auch hier fraglich scheint, ob es Haller dabei letztlich nur um die Sache ging. Mit dem ihm eigenen Talent kunstvoller Polemik exekutierte er rhetorisch den Franzosen, der ihm auch wegen seiner großen Handschriftenkenntnisse als lästiger Konkurrent auf eigenem Forschungsfeld erscheinen mochte. Weil bei Valois aber Materialsammlung und kritische Durchdringung des Stoffs nicht auf gleicher Höhe standen, bot er ihm Angriffsflächen. Vor allem aber führte Haller ihn genußvoll als Geschichtsschreiber oder besser: als Verfälscher der Historie vor, der vor keiner entstellenden Harmonisierung zurückschreckte, um das Verhältnis Frankreich-Papsttum zur Zeit des Basiliense in hellstem Licht erstrahlen zu lassen. Auch das aber hatte zeitbedingte Hintergründe: Als romverbundener Katholik und französischer Patriot befand Valois sich während jener Jahre, als er seine Werke über das Große Schisma und die Reformkonzilien schrieb, in einem Zwiespalt, denn in Frankreich stand damals die Trennung von Kirche und Staat auf der Tagesordnung. Haller hat dies, ohne das Kind beim Namen zu nennen, durchschaut und bis an den Vorabend des Ersten Weltkriegs wiederholt zu scharfen Polemiken gegen den Franzosen genutzt, wobei er selber wohlgemerkt eine gleichfalls situationsbedingte Fehldeutung verbreitet hatte48. So läßt sich an diesem Exempel „Basler Konzil – Frankreich – Avignon“ das Phänomen zeitgebundener historischer Interpretation einmal ganz konkret festmachen. Wie sehr sich solche Grundstimmungen gerade auf die Behandlung französischer Themen über viele Jahrzehnte ausgewirkt haben, liegt nach allem 48  Johannes Haller, Rez. von Noël Valois, Le pape et le concile, in: HZ 110 (1913), 338–352; Entgegnung von Noël Valois, in: HZ 111 (1913), 338–344; Schlußwort von Johannes Haller: ebd., 344–348. Vgl. auch Heribert Müller, Zur Prosopographie des Basler Konzils. Französische Beispiele, in: AHC 14 (1982), 147; Ders., Franzosen (wie Anm. 1), I, 2 f. – Einige Jahre zuvor war schon Valois’ Buch über die Pragmatische Sanktion von Bourges (1438) auf Hallers Kritik gestoßen: HZ 103 (1909), 1–51, wiederabgedruckt in: Ders., Abhandlungen (wie Anm. 2), 393–438. – Verdienste und Grenzen beider Historiker in diesem Zusammenhang zeigte Adriaan G. Jongkees auf: De Pragmatieke Sanctie van Bourges in de burgondische landen, in: FS R. R. Post, Nimwegen 1964, 141. – Ihren Ursprung hatte die Kontroverse zwischen Haller und Valois indes noch früher auf benachbartem Feld gehabt: Sie waren bei der Berechnung und Bewertung der auf der Pariser Synode 1398 abgegebenen Voten zum Obödienzentzug im Großen Schisma zu verschiedenen Resultaten gelangt, wobei Haller sich von Valois den Vorwurf gefallen lassen mußte, er habe die zu Paris im Nationalarchiv im Original liegenden Bulletins nie selber eingesehen: Noël Valois, in: Bull. Critique 25 (1904), 461–464.

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Gesagten auf der Hand; bestätigt wird es übrigens durch eine kürzlich von Peter Michael Hahn in dieser Zeitschrift publizierte Untersuchung über „Frankreich und das Reich während des 17. Jahrhunderts im Spiegel der deutschen Geschichtswissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts“49. Und steht nach allem Gesagten nicht zu erwarten, daß dieses Beispiel von 1436 repräsentativ für Hallers Gesamtsicht der Geschichte des französischen Mittelalters ist? Kann man dann aber überhaupt noch von einer wissenschaftlichen Behandlung des Themas sprechen50? Dennoch lohnt es sich, die Untersuchung weiterzuführen, denn beim Versuch, Hallers Gesamtbild des mittelalterlichen Frankreich zu erfassen, zeigen sich in seinem Werk überraschende und insbesondere positive Perspektiven.

II. Johannes Haller ist im Rahmen seines auch schon für die Zeitgenossen ungewöhnlich umfangreichen Œuvre das Thema „Französisches Mittelalter“ vielfach angegangen51. „Zu seinen schönsten Hauptvorlesungen gehörte“, so sein Schüler Fritz Ernst, „die über ,Frankreich, England und der Orient im Mittelalter‘; daß Frankreich die geistige und später auch die politische Vormacht des Abendlandes jener Jahrhunderte war, hat er seinen Hörern deutlich eingeprägt“. Und, so Ernst weiter: „In Hallers Interesse für Frankreich ging eine Linie von seinen Anfängen bis zu seinen späteren Studien und stofflich eine Linie von der führenden Rolle Frankreichs im Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert“52. In seinen bekannten Hauptwerken, wie etwa den „Epochen der deutschen Geschichte“, dem „Altdeutschen Kaisertum“ und vor allem im „Papsttum“ ist vom französischen Mittel49 Wie

Anm. 41. hat Joachim Ehlers diese Frage sogar im Fall von Walter Schlesinger eher negativ beantwortet, weil in dessen Sicht der Genese der mittelalterlichen Nation persönliches Engagement im Verhältnis zur DDR, prononcierte Stellungnahme zur Wiedervereinigung und zur Ostpolitik der sozialliberalen Koalition sowie Erfahrungen der Jahre nach 1968 an den deutschen Universitäten unzulässig stark eingeflossen seien: Göttingische Gelehrte Anzeigen 240 (1988), 277. – S. auch Elisabeth Magnou-Notier, Un grand historien: Walter Schlesinger, in: Francia 16 (1989), 157. 51 Die außerordentliche thematische Breite des Universalhistorikers Haller, der sich schon in seinen frühen Dorpater Jahren ebenso Fragen aus der Vorgeschichte des Wormser Konkordats wie der Thronbesteigung der Zarin Katharina I. widmete und der später mit immenser Quellenkenntnis vom Eintritt der Germanen in die Geschichte über die Entstehung des Kirchenstaats bis zur Ära Bülow in Lehre und Forschung handelte, ist zu Recht in den Nachrufen hervorgehoben worden: Heinrich Dannenbauer, in: Zs. für Rechtsgesch. Kan. Abt. 35 (1948), 440 f.; Erich Wittenberg (med bidrag av Nils Ahnlund), in: Historisk Tidskrift Stockholm R. 2, 11 (1948), 54; Ernst, Johannes Haller (wie Anm. 8), 10 bzw. 51. Der ausführliche biographische Artikel von Roger Aubert, Johannes Haller, in: DHGE XXIII (1990), 175–177, beschäftigt sich vornehmlich mit Hallers „Papsttum“. 52 Ernst, Johannes Haller (wie Anm. 8), 12, 8 bzw. 53, 49. 50 Kürzlich

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alter natürlich immer wieder die Rede, doch haben die 1930 erschienenen und dann mehrfach wieder aufgelegten „Tausend Jahre deutsch-französischer Beziehungen“ als eine im positiven Sinne popularisierte Summa seiner Beschäftigung mit dem Thema zu gelten. In diesem Werk wie ansonsten wird französische Geschichte vorrangig, indes nicht ausschließlich in ihren Bezügen zum Reich gesehen, denn auch andere Felder, Tendenzen und Entwicklungen im Innern wie nach außen, im besonderen in den Mittelmeerraum mit Italien und dem Orient, fanden durchaus Berücksichtigung53. Eigentlich boten sich Quellen der Zeit, Zeugnisse aus und über Frankreich und die Franzosen, vielfach geradezu an, das dunkle Bild der Gegenwart ins Mittelalter zurückzuprojizieren, schon dort die Anfänge der deutsch-französischen Erbfeindschaft zu suchen bzw. solche Dokumente zu deren Pflege dienstbar zu machen, wie es etwa 1915 Henri Cochin, Präsident der „Société de l’Histoire de France“, und im Jahr darauf Heinrich Finke in kaum noch unterbietbarer Niveaulosigkeit taten, als der eine Dante, der andere Arnald von Villanova bemühte, um den Kriegsgegner als schon im Mittelalter degenerierten Säufer und Fresser an den Pranger zu stellen54. Da ist jener Dr. Berillon nicht mehr weit, der 1915 vor der Pariser „Société de medicine“ die Deutschen auf Grund der Zusammensetzung ihres Urins als anatomische Wracks, als vom Untergang gezeichnete Rasse erkannt zu haben glaubte; und ein Finke war sich nicht zu schade, genau das mit dem Hinweis aufzugreifen, schon römische Schriftsteller hätten den Geruch der Burgunder nicht ausstehen können, und um gleichzeitig die Gelegenheit zu nutzen, den Slawen zu bescheinigen, bereits Abt Sturmi von Fulda habe sie im wahrsten Wortsinn nicht riechen können55. Nur mittelalterliche Topiken, Fremdstereotypen, die man in der haßerfüllten Zeit des Ersten Weltkriegs ins 53 Wie Anm. 17. In der Fachwelt fand das Werk denn auch weniger Echo als in der Tages‑ und Wochenpresse. Von Haller wurden diese – allerdings meist wohlwollend-bedeutungslosen – Besprechungen aufgehoben (UA Tübingen 305/4) ebenso wie Briefe, die ihn zu diesem Buch erreichten (BA Koblenz, NH, Nr. 19, 20). In einem Handexemplar hat er weiter Materialien zur Sache gesammelt: UA Tübingen 305/55. 54 Finke, Weltimperialismus (wie Anm. 34), 37. Dabei hatte sich Cochin noch wesentlich „schlagendere“ Topoi und Klischees der italienischen Renaissance entgehen lassen: Peter Amelung, Das Bild des Deutschen in der Literatur der italienischen Renaissance (1400–1559), München 1964 (Münchener Romanistische Arbeiten 20), 151–162. – Auch der französische Chronist Thomas Basin charakterisierte die 1475 von Friedrich III. gegen den Burgunderherzog aufgebotenen Soldaten als gulae et ventri dediti: Histoire de Louis XI, éd. et trad. par Charles Samaran, II, Paris 1966 (CHFMA 29), 206. Vgl. auch Peter-Claus Hartmann, Die Deutschen, Deutschland und das Heilige Römische Reich im Urteil der französischen und franko-burgundischen Historiographie und Memorialistik in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: HJb 101 (1981), 465 f. 55 Finke, Weltimperialismus (wie Anm. 34), 62 Anm. 90. Vgl. ähnliche Texte bei Pabst, Jahrhundert (wie Anm. 47), Nr. 22, S. 56. Der von Finke attackierte französische Arzt ist jener Dr. Berillon, dessen Auslassungen Jean Egen, Messieurs du Canard, Paris 1973, 19 f., zitiert; danach Hans Blickensdörfer, Bonjour Madame, Tübingen 1975, 60 f., dem ich auch für den Hinweis auf das Buch von Egen zu danken habe.

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Monströs-Abstruse übersteigerte? Zur Behauptung des Suger von St-Denis im 12. Jahrhundert, die Francia habe kulturell, sprachlich und religiös ein Vorbild für die Welt zu sein, bemerkte immerhin erst vor Jahresfrist ein bekannter deutschsprachiger Mediävist: „Und an dieser Auffassung des Sugerius von St-Denis, an dieser Gallis innata superbia hat sich bis heute wenig geändert“56. Doch ungeachtet aller naiven oder böswilligen Kommentare moderner Interpreten, im weiteren Verlauf des 12. Jahrhunderts und im 13. Jahrhundert nehmen solche Stimmen wie die des Suger von St-Denis unüberhörbar zu. So preist zur Zeit des Philipp Augustus der dichtende Mediziner Aegidius von Corbeil Frankreich als über allen anderen Reichen stehend, und der Mönch Primat von St-Denis nennt 1274 im Prolog seiner volkssprachlichen „Grandes chroniques de France“ Frankreich dame renommée, ruhmreiche Herrin über alle anderen Nationen, deren Vorrang in clergie, chevalerie und foi begründet sei. Nur wenig später vergleicht Guillaume de Nangis diese drei virtutes mit den Blütenblättern der Königslilie, und zur selben Zeit verkündet Rutebœuf: Se Dieus est nule part el monde,/Il est en France, c’est sens doute57. Entsprechend schallt es zurück: Allenthalben wird seit dem 12. Jahrhundert mit Otto von Freising die gallicana levitas getadelt, und Quod Gallici superbissimi homines sunt et multum stultiçant : so der um engagiert-parteiische Urteile nie verlegene Franziskaner Salimbene von Parma. Ein Alexander von Roes – unter dem Sinnbild des Hahns die schlechten, guten und besten Eigenschaften des Franzosen abhandelnd – charakterisierte ihn negativ als superbus, clamosus, luxoriosus, inconstans, pronus ad litem, pronus ad pacem58. So ganz falsch ist mithin nicht, was 1912 Fritz Kern konstatierte, daß die französische Haltung gegenüber allen gens qui sont nez hors du royaume seit dem 12. Jahrhundert von einem „Grundgefühl feiner Überlegenheit“ bestimmt sei59. Damit einher ging 56 So Herwig Wolfram mit Bezug auch auf ein weiteres Zeugnis, den Predigttext des um 1100 im Poitou schreibenden Radulphus Ardens: Rez. von Bernd Schneidmüller, Nomen Patriae, in: Mitt. des Instituts für österr. Geschichtsforschung 96 (1988), 167. 57 Zu Gilles de Corbeil allgemein Roger Aubert, in: DHGE XX (1984), 1362 f. Zu Primat de St-Denis, Guillaume de Nangis und Rutebœuf Bernard Guenée, Les Grandes Chroniques de France, in: Les lieux de Mémoire (wie Anm. 47), II, 189–196; kurz und instruktiv auch Ders., Chancelleries et monastères. La mémoire de la France au Moyen Age, in: ebd., 25; Heinz Thomas, Frankreich, Karl IV. und das Große Schisma, in: ,Bündnissysteme‘ und ,Außenpolitik‘ im späteren Mittelalter, hg. v. Peter Moraw, Berlin 1988 (ZHF. Beih. 5), 76 f. (beide mit Quellenangaben). Zu Guillaume de Nangis auch Fritz Kern, Die Anfänge der französischen Ausdehnungspolitik bis zum Jahre 1308, Tübingen 1910, 52; Joseph Reese Strayer, France: The Holy Land, the Chosen People, and the Most Christian King (1969), wiederabgedruckt in: Ders., Medieval Statecraft and the Perspectives of History, Princeton / N. J. 1971, 303. 58 Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imperatoris, ed. Georg Waitz/ Bernhard von Simson, Hannover – Leipzig ³1912 (ND 1978) (MGH SS rer. Ger. us. scol. 46), 11. – Alexander von Roes, Schriften, hg. v. Herbert Grundmann/Hermann Heimpel, Stuttgart 1958 (ND 1985) (MGH Staatsschriften des späteren Mittelalters I/1), 107. – Cronica fratris Salimbene de Adam ordinis Minorum, ed. Oswald Holder-Egger, Hannover 1905/13 (ND 1963) (MGH SS 32), 651. 59 Fritz Kern, Der mittelalterliche Deutsche in französischer Sicht, in: HZ 108 (1912), 238.

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die Herabsetzung speziell der Deutschen als plumper, roher und bäuerischer Menschen: Das (politisch motivierte) Verdikt des durch Studien‑ und Lebensgang eng mit Frankreich verbundenen Johannes von Salisbury Quis Teutonicos constituit judices nationum? Quis hanc brutis et impetuosis hominibus auctoritatem contulit …?, es findet noch im 15. Jahrhundert seine Entsprechung bei Philippe de Commynes: ilz sont ruddes et vivent ruddement60. All dies ist auch ein Ergebnis der Begegnungen und Konfrontationen von Deutschen und Franzosen auf den Kreuzzügen wie auf Pilgerfahrten und an den Hohen Schulen, wofür Ludwig Schmugge in einem kenntnisreichen Abriß „Über ,nationale‘ Vorurteile im Mittelalter“ zahlreiche Beispiele liefert. Auf dem ersten Kreuzzug etwa glaubte Ekkehard von Aura zwischen beiden eine fast wesenhafte Abneigung festgestellt zu haben: invidiam quae inter utrosque naturaliter quodammodo versatur, und zum zweiten Kreuzzug vermerkte der königliche Sekretär und Augenzeuge Odo von Deuil: Nostris erant importabiles Alemanni. Auf wie schlechtem Fuß Deutsche und Franzosen standen, bezeugen auch Johannes Kinnamos aus Byzanz und Wilhelm von Tyrus aus dem Königreich Jerusalem61. Der furor teutonicus, das Bild des blind drauflosschlagenden unritterlichen Deutschen, zuerst bei Suger von St-Denis nachweisbar und 1160 auch von Johannes von Salisbury im zitierten Brief verwendet, ist dann im Frankreich des 13. Jahrhunderts weit verbreitet62. Mit dem beanspruchten kulturellen Vorrang einher geht der politische Aufstieg Frankreichs zur europäischen Vormacht im Verlauf ebenjenes Saeculum. Wie oft wurde der Chronist aus dem Chorherrenstift Lauterberg bei Halle zitiert, der 60 The Letters of John of Salisbury, I: The Early Letters (1153–1161), ed. by W. J. Millor/ H[arold] E[dgeworth] Butler, rev. by C[hristopher] N[ugent] L[awrence] Brooke, London u. a. 1955, No. 124. Vgl. Johannes Spörl, Grundformen hochmittelalterlicher Geschichtsanschauung, München 1935 (ND Darmstadt 1968), 99 f. und 135 Anm. 113 (weitere Belege für den Deutschenhaß im 13. Jahrhundert); Wilhelm Leonhard Grünewald, Das fränkisch-deutsche Kaisertum des Mittelalters in der Auffassung englischer Geschichtsschreiber (800–1233), Diss. Frankfurt/M. 1961, 74–88; Klaus Guth, Johannes von Salisbury (1115/20– 1180), St. Ottilien 1978 (Münchener Theol. Studien I/ 20), 220 mit Anm. 320. Weitere französische Zeugnisse des 12. Jahrhunderts für eine Sicht der Deutschen als ungeschliffener Grobiane bei Mireille Schmidt-Chazan, Le point de vue des chroniqueurs de la France du Nord sur les Allemands dans la première moitié du XIIe siècle, in: Centre de recherches internationales de l’Université de Metz. Travaux et recherches 5 (1973/2), 13–36; Philippe de Commynes, Mémoires, publ. par Joseph Calmette/G[eorges] Durville, II, Paris ²1965 (CHFMA 5), 256; cf. auch I, 140. – Vgl. Münkler, Nation (wie Anm. 19), 61 f. 61 Ludwig Schmugge, Über ,nationale‘ Vorurteile im Mittelalter, in: DA 38 (1982), 439– 459, bes. 444–448, mit Belegen; Steven Runciman, A History of the Crusades, II, Cambridge 1952, 270; Adolf Waas, Geschichte der Kreuzzüge, Freiburg 1956, 174, 337 ff. – Einschränkend zur Relevanz dieser Urteile für Nationsbildung und ‑bewußtsein im Mittelalter jetzt aber unter Bezug auf Johan Huizinga Joachim Ehlers, Die deutsche Nation des Mittelalters als Gegenstand der Forschung, in: Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im Mittelalter, hg. v. Dems., Sigmaringen 1989 (Nationes 8), 24. 62 Ernst Dümmler, Über den furor teutonicus, in: Sitzungsber. der k. Preuß. Akad. der Wissenschaften, philos.-histor. Kl., Jg. 1897, [9], 112–126; Dietrich Lohrmann, Ein Teutonicus furibundus aus Trier Ostern 1242 in Laon, in: JbWLG 10 (1984), 107–137, bes. 115 Anm. 18.

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zum Ausgang der Schlacht bei Bouvines 1214 bemerkte: Ex quo tempore nomen Teutonicum satis constat apud Gallicos viluisse63. Der folgende Zusammenbruch der Stauferherrschaft, die Anjou in Süditalien, der Sieg Philipps des Schönen über das Papsttum – all dies, Staatskunst und Waffenstärke, ließen Frankreich neben seiner geistig-kulturellen FührersteIlung auch eine politische einnehmen. Und das Erstaunliche: Johannes Haller hat es durchaus anerkannt, hat es gebührend und nicht nur notgedrungen gewürdigt. Seine Darstellung des französischen Mittelalters ist weitgehend frei von Verzerrungen oder gar Polemik; die hier genannten Quellen wie auch andere – ihm in der Mehrzahl wohl bekannt – hat er, bis auf wenige Ausnahmen, nämlich in zwei 1917 und 1940 unter Kriegseindruck verfaßten populären Skizzen, nicht zur Interpretation unter entsprechend negativen Vorzeichen genutzt64. Aber selbst noch da und vor allem in den „deutschfranzösischen Beziehungen“ gewann er der Rezeption ritterlicher Lebensformen und Bildung aus Frankreich in Deutschland nur positive Seiten ab: „Auf allen Gebieten, man sieht es, ist damals das deutsche Volk in die französische Schule gegangen, und daß das zu seinem Schaden gewesen wäre, hat noch niemand behauptet“. Und der Verlust deutschen Vorrangs im 13. Jahrhundert oder – in Hallerscher Diktion – „die Tatsache, daß … damals Deutschland in großem weltgeschichtlichem Kampfe von französischen Kräften überwunden worden ist“, daß seit Bouvines „die Rollen der beiden Länder vertauscht“65, daß Frankreich mit Erfolg expandierte, derweil im Reich unter „kleinen Königen“ die Territorialisierung fortschritt? Auch dies konstatierte er als Faktum, er erkannte Philipp dem Schönen durchaus historische Größe zu, zumal dieser König über das Papsttum – ebenjenes seit dem späten 11. Jahrhundert geistig und politisch von Frankreich getragene Papsttum – einen großen Sieg verzeichnete; einen Sieg, der deutschen Herrschern stets verwehrt geblieben war. Dies ist übrigens das Leitthema des fünften und letzten Bandes der unvollendet gebliebenen Papstgeschichte Hallers; eines Monumentalwerks, das nicht nur von der Sache her zahlreiche Verbindungen zum Thema Frankreich aufweist, sondern auch in der Gesamttendenz verblüffende Parallelen zeigt, legt Haller doch gegenüber der Institution Papsttum bewundernde Distanz und ablehnende Faszination an den Tag66. Der Sieg Philipps, das Frankreich um 1300, wo sich auch der Gallikanis63 MGH

SS 23, 186. Haller, Deutschland und Frankreich, in: Velhagen u. Klasings Monatshefte 31 (1917), 493–497; Ders., Elsaß und das Reich (wie Anm. 33). Ich messe diesen wissenschaftlich recht belanglosen Artikeln wenig Bedeutung bei; Haller selber hat auf sie später auch nicht rekurriert. Daß er auf Grund seines Wesens Urteile und Verurteilungen mitunter allzu rasch unter dem Eindruck aktueller Ereignisse formulierte, zeigt sich auch recht häufig in seiner Korrespondenz. 65 Haller, Tausend Jahre (wie Anm. 17), Zitat 10 und 11 f. 66 Immer wieder wurde das Thema „Papsttum“ von Haller in Forschung und Lehre behandelt; eine darüber zu Gießen erstmals im Wintersemester 1905/06 gehaltene Vorlesung hat er später noch mehrfach in veränderter Form wiederholt: Dannenbauer, Nachwort (wie 64 Johannes

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mus ausbildete, bedeuteten für ihn einen Höhepunkt europäischer Geschichte. Dabei richtete sich die Politik dieses Königs, wie er ausdrücklich betont, keineswegs gegen das Reich: „Die wahren Ziele französischer Machtentfaltung liegen nicht an der Ostgrenze, sie liegen im Süden und im Norden“ – der Gegner in Guyenne, Gascogne und Flandern hieß England; vom Hundertjährigen Krieg war das Reich allenfalls randhaft und sporadisch berührt. Und über die territoriale Abrundung im Süden und Norden hinaus „locken aus der Ferne“ – ich zitiere weiter Haller – „Italien, die Lombardei, Rom“. Französische Herrscher strebten zwar unter legitimierendem Rückgriff auf die karolingische Tradition nach der Kaiserkrone, verbanden damit wiederholt eine Anwartschaft auf das deutsche Königtum; allein ihr Blick ging meist in andere Richtungen als nach Deutschland, denn „gemessen an damaligen Maßstäben, hat dieses Land den Franzosen nicht viel zu bieten“67. Die bekannte, 1910 von Fritz Kern veröffentlichte Studie über „Die Anfänge der französischen Ausdehnungspolitik bis zum Jahre 1308“ hat Haller vielfach be‑ und genutzt – noch heute bildet sie ja die Materialbasis für jede Beschäftigung mit dem Thema –, indes räumte Haller der Expansion der Krone im und nach Osten keine Priorität im Rahmen französischer Staatskunst ein68. (Dieser Terminus wurde von ihm sicher bewußt gewählt.) Mit solcher Anm. 15), 415; Gundel, Geschichtswissenschaft (wie Anm. 22), 250 Anm. 34. – Es ist m. E. bezeichnend, daß Haller den zweiten Band von „Papsttum und Kirchenreform“ (1903; ND 1966) mit dem Thema der Konzilien von Konstanz und Basel nie geschrieben, mithin seine römischen Arbeiten an den Quellen des Basiliense nicht für eine Darstellung genutzt hat. Daran dürfte ihn nicht allein die ausbleibende Edition der Konstanzer Akten gehindert haben, was Dannenbauer, Haller (wie Anm. 51), 443, und Ernst, Johannes Haller (wie Anm. 8), 6 bzw. 47, als Grund anführen. Schon 1888 faszinierte Haller das Thema „Papsttum“, wie er 1934 Dannenbauer brieflich anvertraute: „Uebrigens habe ich Ihnen schon erzählt, daß es Rankes Einleitung zu dem ,Papsttum‘ war, die mich den 23jährigen auf den Gedanken brachte, selbst Geschichtsschreiber der Päpste zu werden“ (BA Koblenz, NH, Nr. 29 [1. Juli 1934]). Gerade das Erlebnis Roms, die jahrelangen Arbeiten im Vatikan, die Begegnungen mit den gelehrten Würdenträgern an der Kurie müssen den baltischen Protestanten stark bewegt haben; vgl. Haller, Lebenserinnerungen (wie Anm. 6), 174 f. Ein anonymer Rezensent der Memoiren hat im „Christlichen Sonntag“ vom 9. September 1962 richtig eine „seltsame Nähe“ Hallers zur Kirche in Rom konstatiert. Der katholische Historiker Heinrich Günter zählte zu seinen Freunden; vgl. dessen Nachruf in: HJb 62–69 (1949), 931 f. Hinzu kam in der Basler Zeit ein Gespräch mit dem Kirchenhistoriker Franz Overbeck, das ihm das Leitmotiv – die Petrusfrömmigkeit der neubekehrten germanischen Völker als Voraussetzung für den Aufstieg des Papsttums – eingab, und schließlich dürften Gestalten wie Gregor VII. oder Bonifaz VIII. ihn, der für die „große Persönlichkeit“ überaus empfänglich war, mehr interessiert haben als Autoren von Konzilstraktaten. So ist es denn nicht erstaunlich, daß er sofort nach seiner Emeritierung den Plan einer großen Papstgeschichte in die Tat umzusetzen begann. Zur Würdigung neben dem zitierten Nachwort von Heinrich Dannenbauer zuletzt Aubert, Johannes Haller (wie Anm. 51), von katholischer Seite, die dem Werk bei Erscheinen durchgängig Unrecht angetan hat; s. etwa Hermann Tüchle, in: Theol. u. Glaube 42 (1952), 142: „Wer die Summe aller nur möglichen kritischen Angriffe auf die Grundlagen des katholischen Kirchentums sucht, findet sie hier“. 67 Haller, Tausend Jahre (wie Anm. 17), Zitat 14, 14 und 13. Dabei ist wiederum deutscherseits das vorwaltende Interesse der Fürsten und Städte am Osten in Rechnung zu stellen. 68 Wie Anm. 57. Zu Kern s. auch Anm. 69.

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Sicht der Bedeutung französischen Rittertums und Geisteslebens im Hochmittelalter, der Konsolidierung und Expansion des französischen Königtums seit dem 13. Jahrhundert hat Haller Akzente gesetzt, Wertungen getroffen, die m. E. wegweisend waren und im Kern bis heute Gültigkeit besitzen. Dies gilt auch für eine Vielzahl von Einzelpunkten; ich führe hierfür nur zwei Beispiele an: 1. Zu einer Zeit, da in Deutschland vielerorts der Angliederung Lothringens an das Reich vor tausend Jahren gedacht wurde, handelte selbst einer der besten Vertreter der Historikerzunft, Wilhelm Levison, 1925 im Kölner Gürzenich den „Sinn der rheinischen Tausendjahrfeier“ historisch zwar tiefgreifend, so doch unter dem Eindruck der damaligen Ereignisse in deutschnationalem Geiste ab – damit übrigens auch Repräsentant deutschen Judentums. Und zu einer Zeit, da Professoren wie Martin Spahn in Köln oder Paul Wentzcke und Walter Platzhoff in Frankfurt unter dem Eindruck von Rheinlandbesetzung und Ruhrkampf in ihren Arbeiten zur elsaß-lothringischen Geschichte des 19. / 20. Jahrhunderts nationale Antagonismen ins Mittelalter rückprojizierten; zu einer Zeit, da auch Haller selber gleich Fritz Kern und vielen anderen Fachkollegen die französische Politik an Rhein und Ruhr scharf attackierte69, da konstatierte derselbe Johannes Haller zu den Auseinandersetzungen zwischen den Herrschern des ostfränkischdeutschen und westfränkisch-französischen Reichs im 10. Jahrhundert um Lothringen: „Es war kein Kampf der Völker um ihren Raum, es war ein Erbstreit der Könige um den Besitz ihrer Vorfahren“. Nachdem seit den Ausführungen von 69 Wilhelm Levison, Der Sinn der rheinischen Tausendjahrfeier, Bonn – Leipzig 1925, wiederabgedruckt in: Ders., Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit. Ausgewählte Aufsätze, Düsseldorf 1948, 172–201. Vgl. Theodor Schieffer, Wilhelm Levison, in: RhVjbll 40 (1976), 232. – Martin Spahn, Elsaß-Lothringen, Berlin 1920. Zu ihm allgemein Gabriele Clemens, Martin Spahn und der Rechtskatholizismus in der Weimarer Republik, Mainz 1983 (Veröffentl. der Kommission für Zeitgesch., Rh. B, 37); dazu Elmar Gasten, Ein Historiker in Köln – Martin Spahn (1875–1945), in: Geschichte in Köln 15 (1984), 144–156. – Paul Wentzcke, Der deutschen Einheit Schicksalsland. Elsaß-Lothringen und das Reich im 19. und 20. Jahrhundert, München 1921. Walter Platzhoff hat mehrfach im Elsaß-Lothringischen Jb über das Thema gehandelt; u. a. 3 (1924), 1–9; 8 (1929), 359–369; 10 (1931), 249–270. Zu beiden jetzt Hammerstein, Universität Frankfurt (wie Anm. 10), 904, 907 ss. vv. „Platzhoff, Walter“, „Wentzcke, Paul“. – In einem „Kriegsvortrag der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn“ hat Fritz Kern noch einmal seine Vorstellungen über den „Kampf an Rhein und Ruhr“ dargelegt; abgedruckt in: Der Kampf um den Rhein, hg. v. Karl F. Chudoba, Bonn 1943, 279–324. An unvermuteter Stelle, im Koblenzer Nachlaß Haller (Nr. 11), findet sich aber auch ein Brief, den er am 19. April 1932 an den Direktor des „Temps“ zu einem Artikel von Wladimir d’Ormesson „Problèmes intérieurs allemands“ schickte. Darin analysiert Kern ebenso distanziert wie klarsichtig die Gründe für den Aufstieg des Nationalsozialismus und dessen künftiges Erstarken. Im selben Jahr war Kern einer der deutschen Teilnehmer der von dem französischen „Inspecteur général“ Jules Isaac initiierten „Conférence international pour l’enseignement de l’histoire“, die um Annäherung und Verständigung bemüht war: Gilbert Garrier, Les historiens contre les préjugés ou comment s’est transformée l’image de l’Allemagne dans les manuels scolaires français, in: Cah. d’histoire 34 (1989), 164. – Johannes Haller, Rheinlands Befreiung 1. Juli 1930, in: Ders., Reden und Aufsätze (wie Anm. 17), 385–396; Ders., Verständigung?, in: Berliner Börsen-Zeitung v. 6. August 1931; Ders., Tausend Jahre (wie Anm. 17), 219–224.

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Carlrichard Brühl und Josef Fleckenstein „Die Anfänge der deutschen Geschichte“ in den letzten Jahren wieder sehr diskutiert werden, sollte dieser schlichte und für die Zeit seiner Niederschrift keineswegs selbstverständliche Satz Hallers nicht unbeachtet bleiben. Ebenso treffend ist seine Erkenntnis, daß dann gerade der Besitz der entwickelten karolingischen Kernlandschaft Lothringen dem deutschen Reich des Frühmittelalters ein entscheidendes Übergewicht gegenüber Frankreich gab – ein Faktum, das noch von Joachim Ehlers in seiner 1987 erschienenen „Geschichte Frankreichs im Mittelalter“ aufgegriffen und betont wurde70. 2. Zur Problematik von Staat und Nation im Mittelalter hat Bernard Guenée, einer der anregendsten französischen Mediävisten unserer Tage, 1967 eine bahnbrechende Studie vorgelegt, in der er das schwierige Thema mit der ihm eigenen Souveränität in Sache und Sprache für Frankreich auf die klare Formel brachte: „En France, l’Etat a précédé la nation“. Oder noch zugespitzter: „L’Etat a créé la nation“; will sagen: Staatliche Organisation und Administration und nicht zuletzt die Qualifikation ihrer Träger haben die entscheidenden Voraussetzungen und Grundlagen für die französische Königsnation geschaffen. Immer wieder und zu Recht wird die fast schon klassisch zu nennende Studie von Guenée zum Thema zitiert, allein bei Haller lesen wir schon 1930: „Hier [er spricht von Frankreich und Deutschland] ist nicht, wie wir nach modernen Begriffen uns vorstellen möchten, der Staat aus der Nation hervorgegangen, sondern die Nation verdankt ihre Ausprägung dem Staat“: eine vor allem auf Frankreich voll zutreffende Feststellung (für Deutschland scheint sie problematischer)71. Es ließen sich noch weitere Beispiele dafür aufführen, wie manche Sichtweise Hallers Gemeingut der Geschichtsschreibung geworden ist, und zwar so sehr, daß sie meist ohne Nennung seines Namens, ja zum Teil mittlerweile wohl auch ohne Kenntnis der Urheberschaft übernommen wurde. Mag die Forschung heute bei Einzelfragen und ‑problemen über Hallers Positionen hinausgelangt sein, mögen manche seiner Interpretationen nicht mehr tragen, die von ihm skizzierten Grundlinien französischer Geschichte im Mittelalter und besonders der Beziehungen zwischen Krone und Reich haben noch immer Gültigkeit. 70  Ders., Tausend Jahre (wie Anm. 17), Zitat 6; Ders., Epochen (wie Anm. 24), 28. – Ehlers, Geschichte Frankreichs im Mittelalter, Stuttgart u. a. 1987, 40. 71 Bernard Guenée, Etat et nation en France au Moyen Age, in: RH 237 (1967), 27, 30, wiederabgedruckt in: Ders., Politique et histoire au moyen-âge. Recueil d’articles sur l’histoire politique et l’historiographie médiévale (1956–1981), Paris 1981 (Publ. de la Sorbonne. Sér. Réimpressions 2), 161, 164; Haller, Tausend Jahre (wie Anm. 17), Zitat 4. Vgl. Walter Schlesinger, Die Entstehung der Nationen, in: Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter, hg. v. Helmut Beumann /Werner Schröder, Sigmaringen 1978 (Nationes 1), 23. – Zum unterschiedlichen Verhältnis von Staat und Nation in der west‑ und mitteleuropäischen Tradition vor allem der Moderne Heinrich August Winkler, Der Nationalismus und seine Funktionen, in: Nationalismus, hg. v. Dems., Meisenheim 1978 (Neue Wiss. Bibl. 100), 9. Winkler bezieht sich dabei auf die zuerst in HZ 202 (1966), 58–81, publizierten und in dem erwähnten Sammelband wiederabgedruckten Überlegungen von Theodor Schieder zu „Typologie und Erscheinungsformen des Nationalstaats in Europa“ (119–137).

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Dies zeigt sich an den jüngsten Überblicksdarstellungen etwa von Karl Ferdinand Werner – über Fritz Ernst übrigens ein „Enkelschüler“ Hallers –, von Joachim Ehlers oder teilweise auch bei Bernhard Töpfer aus der DDR72. Und was die Weite des Blicks, die Souveränität des Urteils, das verstehende Anerkennen des Anderen, sofern ihm Größe eignet, anbelangt, so steht Haller selbstredend hoch über Historikern vom Schlage etwa eines Hermann Stegemann, der den „Kampf um den Rhein“ –  so der Obertitel seines 1924 erschienenen Buchs – als zweitausendjährigen Streit zwischen christlicher Romanitas und Germanentum ansah73. Schwieriger fällt dagegen der Vergleich mit einem angesehenen Vertreter der folgenden Generation wie Walter Kienast, dessen monumentales, auf Grund der Fülle des Materials unentbehrliches Werk über „Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit“ sich wegen seiner detaillierten Darstellung und wegen seines zeitlichen Schwerpunkts 900 bis 1270 nur bedingt neben Hallers generellen Überblick bzw. dessen verstreute Ausführungen zu Frankreich etwa in den „Epochen“ oder im „Papsttum“ stellen läßt. Für einen Vergleich scheint allenfalls vom Zeitpunkt der Veröffentlichung wie von der Konzeption auch für einen breiteren Leserkreis her die erste, 1943 erschienene Auflage geeignet; geeigneter jedenfalls als deren Ausarbeitung zu jenem Monumentalwerk von 1974/75, einem Quellen‑ und Faktensteinbruch für die Fachwissenschaft. Indes sind beide Auflagen m. E. vom steten Bemühen gekennzeichnet, den Vorrang des „Weltkaisers“ vor den „Einzelkönigen“ herauszustreichen. Kienasts Sympathie für die einschlägigen Bestimmungen des römischen Rechts ist ebenso unverkennbar wie andererseits das Auftreten eines souveränen und sich als niemandes Untertan fühlenden Königs von Frankreich (Rex est imperator in regno suo) letztlich als Attacke auf eine sakrosankte Weltordnung erscheint. Damit gibt er allerdings eine deutscherseits zumindest 1943 vorherrschende machtgeschichtlich-vitalistische Sicht wieder. Kienast wandte sich – das ist mit Nachdruck zu betonen – schon damals gegen die Vorstellung einer deutsch-französischen Erbfeindschaft74, doch bleibt mit František Graus und Heinz Thomas festzustellen, daß ein unbelasteter Leser selbst noch 1974/75 durchaus den Eindruck gewinnen 72  Karl Ferdinand Werner, Les origines, Paris 1984 (Histoire de France, sous la dir. de Jean Favier); dt.: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000, Stuttgart 1989. Vgl. Ders., Die Streitkräfte Frankreichs und Deutschlands im Jahrhundert des Konflikts und der Zusammenarbeit (1978); überarbeiteter ND in: Pabst, Jahrhundert (wie Anm. 47), Nr. 1. In seiner Studie über das NS-Geschichtsbild (wie Anm. 30), 71–74, wurde Haller von Werner etwas einseitig in die Ecke der nationalkonservativen Herolde des deutschen Machtstaats und der partiellen Nationalsozialisten gestellt. – Ehlers, Geschichte Frankreichs (wie Anm. 70). – Bernhard Töpfer, in: Heinz Köller / Bernhard Töpfer, Frankreich. Ein historischer Abriß, Köln 1978 [= Berlin ³1977], 5–267. 73 Vgl. dazu Flüeler, Der missbrauchte Rhein (wie Anm. 37), 56. 74 Zur randhaften Berührung Kienasts mit dem Nationalsozialismus Helmut Heiber, Walter Frank und sein Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschland, Stuttgart 1966 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgesch. 13), 286, 290, 303. Allgemein Weber, Biographisches Lexikon (wie Anm. 41), 301 f.

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kann, Frankreich habe seit dem 10. Jahrhundert konsequent alle imperialen Ansprüche zurückgewiesen, nach Osten expandieren wollen, und spätestens seit dem 13. Jahrhundert sei von einem tiefgreifenden deutsch-französischen Antagonismus auszugehen75. Wenn Kienast auch in der zweiten Auflage nach eigenem Bekunden einige „das Nationalgefühl ansprechende Sätze“ und eine Passage „zu intensiven zeitgeschichtlichen Bezugs“ strich („obwohl ich heute keineswegs anders denke“), wenn auch der von anderen Rezensenten geäußerte Vorwurf, er höhne stellenweise im Stil des Offizierskasinos, er halte Kaisergeburtstagsreden ebenso wie die Unterstellung von „cranky passions“ etwas übertrieben sein dürfte, so bleibt doch bei aller kritischen und selbstkritischen Einstellung des Autors ein ganz gewisser Grundton76. Ähnliches ist auch bei Paul Kirn festzustellen, der in seiner ebenfalls 1943 erschienenen Studie über die Frühzeit des Nationalgefühls, auf Frankreich und Deutschland vom 8. bis ins 13. Jahrhundert konzentriert, bis auf einige Ausnahmen eine für seine Zeit zwar bemerkenswerte Sachlichkeit mit großer Materialkenntnis verband, allein „Das Trennende zwischen Deutschen und Franzosen“ wie schon zuvor in seiner „Geschichte der deutschen Grenzen“ stark hervorhob77. Beide, Kirn und vor allem Kienast, konnten sich letztlich bei der Betrachtung von Deutschland und Frankreich – für Kienast in der er­ sten Auflage übrigens „die feindlichen Brüder“, in der zweiten „oft feindliche Brüder“ – nicht wie Haller zu einer freimütigen und auch bewundernden Anerkennung französischer Größe durchringen. Größe – in der Geschichte des französischen Mittelalters hatte Haller neben der des Papsttums und der deutschen Kaiserzeit das ihm gemäße Sujet gefunden; selbst 1917 in einem populär gehaltenen Beitrag für „Velhagen und Klasings Monatshefte“ spricht er sogar noch dem französischen Revanchismus seiner Zeit Größe zu, „und wir sollten, wenn es uns schon nicht gegeben ist, es nachzufühlen, doch suchen es zu verstehen“78. Den Parteigänger des Einheitsstaats faszinierte die Formierung einer zentralistischen Königsnation; für den Verfechter 75  František Graus in: Schweizerische Zs. für Geschichte 26 (1976), 236–238; Heinz Thomas, in: HZ 226 (1978), 682–685. Unter den zahlreichen weiteren Besprechungen des Werks kommt besonders derjenigen von Paul Egon Hübinger Gewicht zu: AHVN 179 (1977), 252–257. 76 Walter Kienast, Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit (900–1270). Weltkaiser und Einzelkönige, I, Stuttgart 1974 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 9/1), Zitat XVII. Die erwähnten Rezensionen stammen von Ludwig Falkenstein (in: QFIAB 57 [1977], 395–397) und Howard Kaminsky (in: Speculum 52 [1977], 1005–1009). 77 Paul Kirn, Politische Geschichte der deutschen Grenzen, Leipzig ²1938; vgl. dazu Flüeler, Der missbrauchte Rhein (wie Anm. 37), 56 f. Zum Thema der deutsch-französischen Grenze im Mittelalter und in der frühen Neuzeit jetzt sehr gut Bernard Guenée, Des limites féodales aux frontières politiques, in: Les lieux de Mémoire (wie Anm. 47), 11–33, bes. 18–28. – Paul Kirn, Aus der Frühzeit des deutschen Nationalgefühls. Studien zur deutschen und französischen Geschichte sowie zu den Nationalitätenkämpfen auf den britischen Inseln, Leipzig 1943, bes. 36–61. 78 Haller, Deutschland und Frankreich (wie Anm. 64), 496.

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der prägenden Kraft der Persönlichkeit in der Geschichte, der wirtschaftliche und soziale Faktoren nur randhaft berücksichtigte, führte nach dem Niedergang der deutschen Kaiserherrlichkeit der Weg zu den großen Königen Frankreichs von Ludwig dem Heiligen bis zu Ludwig XI. Eine verwandte Haltung ist indes bei Percy Ernst Schramm zu konstatieren, der in seinem während der dreißiger Jahre geschriebenen Buch über den König von Frankreich zwar von einem speziellen, jedoch für unser Thema zentralen Punkt ausging, da er durch Untersuchung von Herrschaftszeichen und Staatssymbolik das Wesen der französischen Monarchie des Mittelalters zu erfassen suchte. Der Prozeß kontinuierlicher Herrschaftsverdichtung bis zur Identifikation von Königtum und Nation, die Verwurzelung des Absolutismus in der mittelalterlichen „religion royale“ und das daraus resultierende Traditionsbewußtsein, die bruchlosen Kontinuitäten bis in das republikanische 20. Jahrhundert, all das ließ Schramm in seine – im Gegensatz zur Hallerschen Diktion – von nüchterner Sachlichkeit bestimmte Darstellung wiederholt Wertungen wie „erstaunlich“, „packend“, „bewundernswert“ einflechten79. Obwohl die Behandlung des Themas hier mediävistische Akzente hat, scheint noch ein Ausblick auf die Darstellung der neueren Geschichte Frankreichs bei Haller geboten. Unverkennbar nehmen die kritischen Untertöne, die polemischen Anmerkungen in dem Maße zu, in dem der Autor sich der eigenen Zeit nähert, doch wollen dabei der erwähnte Zeitgeist, die Antagonismen und Animositäten nach dem Ersten Weltkrieg in Rechnung gestellt sein. So schrieb damals ein französischer Kapitän seiner Mutter, daß man den Feind Deutschland „non pas seulement au moyen de la force, mais bien par la dernière brutalité“ zu Tributen und Abtretungen wie der des linken Rheinufers zwingen müsse. Und in einem Brief an seinen Vater bemerkte dieser Militär zustimmend, ein Durchsetzen der Vorstellungen Clemenceaus unter den Alliierten bedeute „un écrasement complet, politique, militaire et économique, que l’on va imposer à l’odieux vaincu“: Äußerungen des Kapitäns Charles de Gaulle80. Wenn sich auch bei Haller solch negative Tendenzen in späteren Auflagen der „Tausend Jahre deutschfranzösischer Beziehungen“ sogar noch verstärkten – von Tagebucheintragungen 79  Percy Ernst Schramm, Der König von Frankreich. Das Wesen der Monarchie vom 9. zum 16. Jahrhundert. Ein Kapitel aus der Geschichte des abendländischen Staates, 2 Bde., Weimar 1939 (ND mit Nachträgen Darmstadt 1960). – In Schramms wie Hallers Einstellung zur Weimarer Republik und besonders zum Nationalsozialismus gibt es neben herkunftsbedingten Gegensätzen manch überraschende Parallelen, vor allem was die Bejahung Hitlers als Wiederbegründers deutscher Macht und die Ablehnung der braunen Ideologie angeht – dieser Widerspruch, so Schramm, „das ist nicht nur mein Schicksal, sondern das der deutschen Intelligenz überhaupt“; Joist Grolle, Der Hamburger Percy Ernst Schramm – ein Historiker auf der Suche nach der Wirklichkeit, Hamburg 1989 (Vorträge und Aufsätze, hg. v. Verein für Hamburgische Geschichte 28), 34. 80 Charles de Gaulle, Lettres, notes et carnets 1919–juin 1940, Paris 1980, 32, 21. In seinen persönlichen Aufzeichnungen aus dem Jahre 1919 ist zu lesen: „Le chant du coq gaulois fait jaillir enfin le soleil des revanches“ (ebd., 11). Vgl. auch die Texte bei Pabst, Jahrhundert (wie Anm. 47), Nr. 46, 48.

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über die Franzosen und ihre marokkanischen Kontingente beim Einmarsch in Tübingen im April 1945 ganz zu schweigen81, die fast an Frobenius’ Wort über den „Völkerzirkus unserer Feinde“ (1917) und an Broschüren der Zeit mit Titeln wie „Farbige Franzosen am Rhein. Ein Notschrei deutscher Frauen“ erinnern –, wenn sich also Wissenschaftlichkeit und Ressentiment bisweilen in gefährlicher Weise verbanden, so ist doch gerade vor solchem Hintergrund bemerkenswert, daß er die französische Expansion des 16. und vor allem des 17. Jahrhunderts als im Kern defensiv wertete – der Ausgriff nach Osten bedeutete letztlich eine kunstvolle, in Richelieus Politik gipfelnde Strategie der Verteidigung gegen ein Haus Habsburg, dessen Handeln über weite Strecken als eigensüchtig, aggressiv und undeutsch gebrandmarkt wird. Hier zeigt sich Haller – bei allen sonstigen Reserven des Balten gegenüber Preußen und insbesondere dem wilhelminischen Deutschland – ganz als Historiker in borussisch-kleindeutscher Tradition, der nach eigenen Worten bei Besuchen von München und Wien eine fremde Welt betrat82. Der eigentliche, entscheidende Bruch in den deutsch-französischen Beziehungen begann für ihn erst mit der Revolution von 1789; erst jetzt sollte die seit der habsburgischen Heirat der Maria von Burgund 1477 im Keim angelegte Erbfeindschaft voll zum Tragen kommen. Wesentlich mitschuldig an diesem Unheil war aber für ihn die politische Formierung des Dritten Standes, jenes Frankreichs „der Kaufleute und Industriellen, der Anwälte und Tagesschriftsteller, der Ehrgeizigen und Enttäuschten“, kurz „das Frankreich des unruhigen, begehrlichen, unzufriedenen Mittelstands“83. Für den aristokratisch geprägten Johannes Haller garantierte der Adel Alteuropas letztlich eine in Standessolidarität und Erfahrung ruhende Politik des Maßes und Ausgleichs. „Tiers Etat“ aber war gleichbedeutend mit dem Appell an Eitelkeit, an Herrsch‑ und Rachsucht, an Grausamkeit und Habgier. Wie gesagt, in seiner Darstellung der französischen Geschichte vom 16. Jahrhundert bis in seine eigene Zeit klingen verstärkt uns wohlbekannte Mißtöne an, was Marc Bloch in einer aufs Ganze ungerechten Rezension der „Tausend Jahre“ Haller jegliche Qualifikation als Historiker absprechen ließ. Zustimmung in Frankreich fand Haller, wie einige Briefe von Privatleuten an ihn zeigen, wohl nur auf der äußersten Rechten84. Dennoch darf 81 Haller,

Das Drama ist zu Ende (wie Anm. 30), 34, 36. Tausend Jahre (wie Anm. 17), 28–62, bes. 40 („Was sie [Richelieu, Mazarin] leitete, war der Gedanke der Verteidigung, der eigenen Sicherheit“), 45 (Die „festländischen Kriege Ludwigs [XIV.] … sind noch immer wie unter Richelieu, wesentlich von defensiven Gedanken beherrscht“.). – Zu Habsburg: ebd., 18 f., 25 f., 28 f.; Ders., Epochen (wie Anm. 24), 109–111 u. ö.; Ders., 1519 im Deutschen Reich (wie Anm. 21), 125; Ders., Elsaß (wie Anm. 33), 22 f., 28 u. ö.; Ders., Lebenserinnerungen (wie Anm. 6), 104–110. 83 Ders., Tausend Jahre (wie Anm. 17), 61. 84 Marc Bloch, in: RH 175 (1935), 158: „Qu’un homme, à quelque pays il appartienne, puisse, écrivant de pareils livres, se dire, se croire et être cru historien, voilà le vrai drame intellectuel“. – Briefe: BA Koblenz, NH, Nr. 19: P. Bertrand; J.-F. Cartier: „Malheureusement on ne voit guère en France maintenant que des ,Allemands‘ à profil judaïque ou bien de haineux émigrés aussi antipathiques que dangereux“. 82 Ders.,

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er selbst auf diesem Gebiet der neueren Geschichte mit Einschränkungen als ein Wegbereiter sachgerechter Präsentation gelten, und manche Arbeit der letzten Jahrzehnte hängt trotz ostentativer Distanzierung im Kern stark von ihm ab. Dies bleibt festzuhalten, mag es auch provozierend klingen und festgefügte Urteile in Frage stellen. Immerhin hat ein Johan Huizinga 1931 Übungen seiner Studenten Hallers „Tausend Jahre deutsch-französischer Beziehungen“ zugrunde gelegt85. Ja, man kann dieses Werk durchaus zusammen mit dem zwei Jahre später erschienenen Buch von Gaston Zeller „La France et l’Allemagne depuis dix siècles“ nennen – dem nach Heinz-Otto Sieburg objektivsten Beitrag zum Thema überhaupt –, obgleich es sich unausgesprochen als Antwort auf Haller versteht und obgleich es dessen Werk nicht einmal erwähnt, das mithin für Zeller zur bewußt ausgesparten Tendenzliteratur zählte. Durch eine 1926 publizierte Arbeit „La Réunion de Metz à la France (1552–1648)“ zum Thema gekommen, hat der Straßburger und spätere Pariser Universitätslehrer 1932 mit seinem ebenfalls für einen breiteren Leserkreis bestimmten – und unter politischen Vorzeichen 1954 in Baden-Baden in deutscher Übersetzung erschienenen – Buch fast eine Tendenzschrift unter positiven Vorzeichen verfaßt, derweil französische Schulbücher der Zeit beim Thema fast durchgängig das Erbfeinddenken pflegten86. Im Geist von Locarno wollte Zeller, der überzeugte Demokrat, Brücken in die Zukunft schlagen, dem „nationalisme outrancier“, der unseligen Feindschaft neuerer Zeit die ungleich längeren Perioden auskömmlicher Beziehungen entgegenstellen, getragen von der Hoffnung: „Puisse notre lointain successeur, celui qui, au terme d’un second millénaire, racontera cette nouvelle ère de relations franco-allemandes, n’avoir plus à évoquer l’image maudite de la guerre“. (Unter dem Eindruck des zweiten Weltkriegs schrieb er allerdings in der zweiten Auflage 1948, dieser Optimismus sei hinfällig: „il s’agit de mettre l’Allemagne en cage“. Doch selbst hier schimmert noch manches Mal die Hoffnung auf bessere Zeiten durch, und die deutsche Übersetzung von 1954 geht dann entgegen der Angabe auf dem Vorblatt stillschweigend wieder auf den Text der Erstausgabe von 1932 zurück87.) In der Sache selber aber gibt es zwischen Zeller und Haller in vielen Bereichen, insbesondere bei der Darstellung des Mittelalters, zahlreiche Gemeinsamkeiten 85 BA Koblenz, NH, Nr. 20, H. 7 (29. Juli 1931). Im übrigen stellen die zwanzig im Nachlaß liegenden Briefe des niederländischen Historikers, meist in den dreißiger Jahren geschrieben, Haller ein menschlich glänzendes Zeugnis aus. 86 Gaston Zeller, La France et l’Allemagne depuis dix siècles, Paris 1932; 2e éd., revue et augmentée, Paris 1948; dt.: Tausend Jahre deutsch-französische Beziehungen. Ein geschichtlicher Abriß in französischer Sicht, Baden-Baden 1954. Die „Notes de cours“ von Zeller, welche meist die Grundlage seiner Bücher bilden, hat kürzlich die Pariser Nationalbibliothek erwerben können: Rev. de la BN 31 (1989), 34. – Zu den französischen Schulbüchern der Zwischenkriegszeit und um 1950 Garrier, Historiens (wie Anm. 69), 161 ff.; Sieburg, Erbfeindlegende (wie Anm. 42), 323 Anm. 1. 87 Zeller, La France (wie Anm. 86), Zitat 207 (Erstauflage) bzw. Zitat 209 Anm. 1 (Ausgabe von 1948).

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zu konstatieren. Johannes Haller, also auch er ein früher Verfechter deutschfranzösischen Zusammengehens? Durchaus, und solche Vision ließ ihn etwa Tocqueville rühmen, der ein deutsch-französisches Bündnis gegen Rußland für wünschenswert erachtet hatte. Hallers Bedauern, daß sich durch Revolution und napoleonische Zeit zwei eigentlich zu Bundesgenossen bestimmte Mächte entzweit hätten, ist durchaus aufrichtig88. Ihn als Herold der Erbfeindschaft zu apostrophieren, hieße, einen Historiker von Rang in ein Primitivklischee pressen zu wollen. Nur in der Schlußfolgerung unterschied er sich grundlegend von Zeller. Während der Franzose eine gemeinsame Zukunft geradezu beschwor, lautete für Haller die Bilanz: Zu spät. Nach allem im 19. und 20. Jahrhundert Geschehenen, so konstatierte er resignierend und in Übereinstimmung mit Ernest Lavisse, kann es „zwischen diesen beiden Völkern … keine Versöhnung mehr“ geben, „zum Unglück für sie selbst und für die ganze Welt“. Das Versäumte nachzuholen, dazu „ist es für immer zu spät, und über den Verlust der schönsten Möglichkeiten können wir uns nur mit der entsagenden Einsicht trösten, daß das Vollkommene wohl einmal im Reiche der Kunst, im Leben niemals Wirklichkeit wird“89. Man mag Haller mit Fritz K. Ringer als einen der Rechtsaußen einer im Niedergang begriffenen Kaste deutscher Gelehrtenmandarine ansehen; Hans-Peter Bleuel hat ihn zu den Wortführern der Annexionisten an Deutschlands Ost‑ und Westgrenze gezählt; und Georg G. Iggers rechnete ihn unter die ultranationalistisch-antidemokratischen, Weimar ablehnenden Kräfte in der deutschen Professorenschaft. Allein ihn mit Alexander Deisenroth als einen jener Mediävisten zu beschimpfen, die im Dienste der aristokratisch-bourgeoisen Herrenklasse die Überlegenheit des deutschen Volkes gegenüber anderen Völkern aus dem Mittel88 Haller, Tausend Jahre (wie Anm. 17), VIII. Zu Tocqueville ebd., 114 f. – Wenig bekannt ist, daß Haller einem unvollendet gebliebenen Spätwerk über Karl den Großen möglicherweise den Untertitel „Mittler zwischen Ost und West“ geben wollte; so Aubert, Johannes Haller (wie Anm. 51), 176. Doch fehlt er bei den zwei handschriftlichen Fassungen im Tübinger Nachlaß (UA 305/25). Hallers Tochter Adelheid erinnert sich indes, ihn auf einem Umschlag gesehen zu haben (so deren Schwester Elisabeth am 29. Oktober 1989 brieflich an den Verf.). Nach Auskunft von Elisabeth Haller hatte ihr Vater zunächst seinem 1945 entlassenen Schüler Dannenbauer vorgeschlagen, eine solche Biographie zu schreiben, was dieser mit der Bemerkung „Das ist doch etwas für einen Studienrat“ [!] ablehnte, worauf der Lehrer ihm demonstrieren wollte, daß es sich durchaus um ein „professorables“ Thema handle. 89 Haller, Tausend Jahre (wie Anm. 17); vgl. das Vor‑ und Schlußwort der 5. Auflage von 1941, abgedruckt bei Pabst, Jahrhundert (wie Anm. 47), Nr. 51. Dazu auch Ernst Schulin, Das Frankreichbild deutscher Historiker in der Zeit der Weimarer Republik, in: Francia 4 (1976), 662. (Die Studie berücksichtigt ansonsten keine mediävistischen Forschungen: 662 Anm. 4.) – Hallers Hinweis auf „das Vollkommene im Reiche der Kunst“ ist sicher mehr als leeres Pathos bei dem musikalisch Begabten und Interessierten, der eigentlich die Musik zu seiner Profession machen wollte (Lebenserinnerungen [wie Anm. 6], 35, 57), der Musikkritiker war und noch 1944 eine Studie über „Beethovens frühe Klaviersonaten“ veröffentlichte. – Zu Ernest Lavisse, dem unermüdlichen republikanischen Propagandisten einer historisch fundierten Nationalpädagogik, Nora, L’Histoire (wie Anm. 47), 317–375; Pabst, Jahrhundert (wie Anm. 47), Nr. 10.

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alter hergeleitet und propagiert hätten, zeugt – zurückhaltend formuliert – zumindest von partieller Unkenntnis oder voreingenommener Lektüre des Hallerschen Œuvre90; die Darstellung des mittelalterlichen Frankreich belegt fast schon das Gegenteil. Denn auf Haller trifft keinesfalls zu, was Marc Bloch über von Below bemerkte: ,,Il connaissait très bien l’Allemagne, il connaissait assez mal l’Europe“. Überdies war Haller in Vergangenheit wie Gegenwart keineswegs blind für deutsche Schwächen und ausländische Vorzüge, wie Karl Ferdinand Werner richtig konstatierte91. Mit seinem resignierenden „Zu spät“ hat Haller sich geirrt, die Vision eines Gaston Zeller ist von der Wirklichkeit noch übertroffen worden. Eine viel ge‑ und befeierte deutsch-französische Partnerschaft scheint mittlerweile selbstverständlich, und in den meisten der hier zitierten Untersuchungen neueren Datums gehört es denn auch schon zur Vorwort-Topik, nationales und erst recht nationalistisches Denken als heute weitgehend überholt darzustellen. Wirklich? Stehen dem nicht die ebenso klischeehaft beschworene Kontinuität des Nationalen in Frankreich, der dort in allen politischen Lagern gehegte Argwohn angesichts deutsch-deutscher Annäherungen ebenso entgegen wie ein zwar noch diffuses, aber durchaus konstatierbares national getöntes Selbstwertgefühl der Deutschen? Und wie verhält es sich ungeachtet aller politischen, ökonomischen und technischen Verflechtungen, die übrigens ein Robert Bosch in seinem Dankschreiben an Haller für die Übersendung der dritten Auflage der „Deutsch-französischen Beziehungen“ 1936 geradezu prophetisch als zwangsläufig zur europäischen Einigung führende Elemente einschätzte92, mit jenem tiefgreifenden Kulturgegensatz zwischen beiden Nationen, den vor über 150 Jahren bereits der kluge Deutschlandkenner Edgar Quinet konstatierte93? Wirkt er untergründig fort, oder ist er im Begriff, in einem Auflösungsprozeß der traditionellen, national geprägten Kulturen zu schwinden? Und wäre ein solches Schwinden wiederum nur positiv zu bewerten?: Fragen, denen ich nicht weiter 90 Fritz K. Ringer, Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine, Stuttgart 1983, 196–207 (ohne namentliche Nennung Hallers); Bleuel, Deutschlands Bekenner (wie Anm. 26), 90; Georg G. Iggers, Deutsche Geschichtswissenschaft. Eine Kritik der traditionellen Geschichtsauffassung von Herder bis zur Gegenwart, München 1971, 320; Alexander Deisenroth, Deutsches Mittelalter und deutsche Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert. Irrationalität und politisches Interesse in der deutschen Mediävistik zwischen aufgeklärtem Absolutismus und erstem Weltkrieg, Rheinfelden ²1985 (Reihe der Forschungen 11), 339 f., 351 f. Diese Bremer Dissertation stellt m. E. ein Produkt außergewöhnlicher ideologischer Verbohrtheit dar. 91 Bloch, Un temperament (wie Anm. 28), 557 f.; Werner, Deutsche Historiographie (wie Anm. 30), 90. Auf diesem Hintergrund wirkt eine Verlagswerbung aus der Mitte der sechziger Jahre für die damals einer Auflage von 200 000 Exemplaren zusteuernden „Epochen“ nicht nur vom Zeitpunkt, sondern auch in der Sache peinlich, wenn das Buch als notwendige Orientierung in der Zeit „einer immer undurchsichtiger und fragwürdiger werdenden europäischen Integration“, eines „Schmelztiegel Europa als Großfrankreich“ empfohlen wird. In: Johannes Haller, Das Papsttum. Idee und Wirklichkeit, II, Reinbek bei Hamburg 1965, 450. 92 BA Koblenz, NH, Nr. 19 (4. August 1936). 93 Vgl. Flüeler, Der missbrauchte Rhein (wie Anm. 37), 23.

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nachgehen kann und will, zumal aktuelle Stellungnahmen nicht das Geschäft des Historikers sein sollen und gerade Hallers Ausflüge in die Tagespolitik zur Vorsicht mahnen.

III. Zum Schluß ist vielmehr auf einen merkwürdigen Bruch, einen seltsamen Widerspruch einzugehen: Johannes Haller einmal als Historiograph des mittelalterlichen Frankreich mit einer für seine Zeit bemerkenswert sachlichen, ja positiven Sicht der Geschichte des Nachbarn, mit bis heute gültigen Wertungen und Interpretationen in zentralen Fragen; dann aber Johannes Haller als Geschichtsschreiber des Basiliense in der Rolle des Enthüllers eines raffiniert-hinterhältigen Doppelspiels französischer Politik. Es ist ein Bruch, ein Widerspruch, der sich einerseits mit den Hinweisen auf seine persönlichen Erfahrungen und akademischen Anfänge, auf seine Erlebnisse in Italien und der Schweiz, also auf seine Biographie und wissenschaftliche Herkunft, andererseits mit seinem Rang als unbestechlich-souveräner Historiker94 wie mit seiner Empfänglichkeit für geschichtliche Größe zwar erklären, letztlich aber nicht ganz auflösen läßt. Johannes Haller bewunderte die in sich ruhende „grande nation“, den unbeschadet aller politischen Brüche aus seiner Tradition lebenden Zentralstaat, die großen Könige des Hoch‑ und Spätmittelalters, doch dann erweist er sich als distanzierter Kritiker Frankreichs seit den Tagen der Revolution und Napoleons, mit seinen maliziösen Machinationen und Agitationen um 1900 und in den von ihm als so schmachvoll empfundenen Jahren des Diktats von Versailles, der Rheinlandbesetzung und des Ruhrkampfs: Frankreich, der bewunderte Erbfeind. 94 So anerkannte Haller etwa bei aller prinzipiellen Kritik am Ansatz seines Schwagers Eduard Fueter dessen Leistung bei der Darstellung der „Geschichte des europäischen Staatensystems von 1492 bis 1559“ (Peyer, Eduard Fueter [wie Anm. 9], 43), er erfaßte als politischer Historiker voll die Bedeutung des Geistes‑ und Kulturgeschichtlers Huizinga (BA Koblenz, NH, Nr. 10) und setzte sich in Tübingen mit Nachdruck für die Verleihung des Ehrendoktorats an seinen niederländischen Kollegen ein (Ernst, Johannes Haller [wie Anm. 8], 11 bzw. 52). Dagegen verweigerte er 1936 die Bitte von Karl Alexander von Müller um ein Gutachten für die Beförderung von Kleophas Pleyer auf eine außerordentliche Professur; „überzeugt, daß mein Urteil mit den Voraussetzungen, nach denen in solchen Fällen an maßgebender Stelle entschieden wird, nicht in Einklang steht“ (BA Koblenz, NH, Nr. 23). Pleyer, sudetendeutscher Nationalsozialist der ersten Stunde, hatte bei Haller in den zwanziger Jahren sein Studium mit einer mittelmäßigen Dissertation über die Politik des Papstes Nikolaus V. abgeschlossen. – Am 14. Juli 1934 mahnte Haller seinen Schüler Dannenbauer (bei aller gemeinsamen Ablehnung des Nationalsozialismus), „Allotria von jetzt ab ganz zu unterlassen und sich auf wissenschaftliche Arbeit zu konzentrieren. In Ihrem eigenen Interesse. Die Zeit ist vielleicht nicht fern, wo Ihr Schicksal … ganz von der Anerkennung abhängen wird, die Sie sich bei den Kollegen erworben haben werden“ (BA Koblenz, NH, Nr. 29). Auch Eschenburg, Universitätsleben (wie Anm. 30), 35, konstatierte fallweise die Souveränität von Hallers Urteil bei allem Tadel der gefährlichen Mischung von Wissenschaftlichkeit und Ressentiment in dessen Tübinger Vorlesungen.

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Aber – und damit rückt das einleitende Thema wieder in den Mittelpunkt – letztlich scheint es nicht nur ein biographischer, von Begegnungen und Erfahrungen in Rom und Basel abhängiger Zufall zu sein, daß sich ausgerechnet im Zusammenhang mit dem Basiliense, also mit dem 15. Jahrhundert, erstmals negative Akzente, Distanz und Kritik bemerkbar machen. Dies spiegelt vielmehr dem Autor selber offensichtlich nicht deutlich gewordene geschichtliche Entwicklungen, nämlich eine neue Qualität nationalen Denkens und Fühlens. Die Rolle der Franzosen auf dem Basler Konzil – wenn auch von Haller im konkreten Fall „Avignon und Unionskonzil“ fehlinterpretiert – fügt sich in einen größeren historischen Kontext. Denn nach einem ersten, vor allem französisch bestimmten „pränationalen Schub“ im 12. / 13. Jahrhundert und einer in der Folgezeit nie ganz abreißenden Kette einschlägiger Äußerungen mehren sich dann seit dem 14. und vor allem in eben jenem 15. Jahrhundert in Frankreich wie auch im Deutschen Reich merklich die Anzeichen für die Existenz eines – im einzelnen schwer bestimmbaren – nationalen Gefühls, einer patriotischen Begeisterung95. Dafür stehen deutscherseits Reaktionen auf die französische Haltung im Großen Schisma; Reaktionen auf die bei Johannes de Rupescissa und vor allem in der Telesphorusprophezeiung avisierte eschatologische Weltkaiserrolle des französischen Herrschers, auf dessen Sieg über den deutschen Kaiser, den Antichrist, wogegen etwa ein Heinrich von Langenstein sowie ein noch nicht enträtselter Gamaleon und in dessen Folge 1439 ein Johannes von Wünschelburg in ihrerseits für deutsches Selbst‑ und Sendungsbewußtsein aufschlußreichen Repliken Stellung bezogen96. Besonders aber sind es Reaktionen unter dem Eindruck der französischen und burgundischen Bedrohung: auf den Armagnakeneinfall 1444 ins Elsaß und den Zug Karls VII. 1444/45 nach Lothringen sowie vor allem dreißig Jahre später auf den Griff des Burgunderherzogs Karl des Kühnen nach den Kölner Stiftslanden97. Auch die zeitgenössischen Bemühungen um die Reichsreform wollen hier genannt sein98. 95 Beste Zusammenstellung der einschlägigen neueren Literatur zum spätmittelalterlichen „Nationalismus“ in Deutschland und Frankreich bei Johannes Helmrath, Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Köln – Wien 1987 (KHA 32), 324 Anm. 567. 96  Franz Kampers, Ueber die Prophezeiungen des Johannes de Rupescissa, in: HJb 15 (1894), 796–802; Ders., Die deutsche Kaiseridee in Prophetie und Sage, München 1896, 124–128, 137; Emile Donckel, Studien über die Prophezeiung des Fr. Telesforus von Cosenza, O. F. M. (1365–1386), in: AFH 26 (1933), 29–104, 282–314; Erwin Herrmann, Veniet aquila, de cuius volatu delebitur leo. Zur Gamaleon-Predigt des Johannes von Wünschelberg, in: Festiva Lanx. FS J. Spörl, hg. v. Karl Schnith, München 1966, 95–117; Dietrich Kurze, Nationale Regungen in der spätmittelalterlichen Prophetie, in: HZ 202 (1966), 1–23; Roberto Rusconi, L’attesa della fine. Crisi della società, profezia ed apocalisse in Italia al tempo del grande scisma d’Occidente (1378–1417), Rom 1979, 174–184 (Hier ist für Hinweise Felicitas Schmieder [Frankfurt / M.] zu danken). 97 Zu Armagnakeneinfall und Karls VII. lothringischem Unternehmen bieten das wichtigste Quellenmaterial Deutsche Reichstagsakten, XVII: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 3. Abtlg.: 1442–1445, hg. v. Walter Kaemmerer, Göttingen 1963, sowie Alexandre Tuetey, Les écorcheurs sous Charles VII. Episodes de l’histoire militaire de la France au XV e siè-

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Weniger bekannt ist aber die Rolle der Nationen auf den allgemeinen Konzilien des 15. Jahrhunderts. Wir wissen zwar von den erbitterten Auseinandersetzungen unter den Nationen in Konstanz, wo ein Pierre d’Ailly die zukunftsträchtige Unterscheidung zwischen den in universitärer Tradition stehenden organisatorischen Großgebilden, den nationes principales, und den unseren Vorstellungen von Nation schon näheren nationes particulares traf, wo der Vorschlag eines Wechsels des Papsttums unter sechs Nationen eingebracht wurde und wo ein englischer Kleriker die natio dreifach, nämlich von der Volksgemeinschaft, der Sprache und dem Territorium her verstand. Haben Heinrich Finke und Salvador Gomez de Arteche y Catalina für Konstanz schon Hinweise geliefert99, so wissen wir jedoch weit weniger über die Nationen auf dem Basler Konzil, das, offiziell zwar in Deputationen / Sachausschüsse gegliedert, in seinem Verlauf aber weitgehend von ihnen bestimmt wurde100. Studien von Ulrich Nonn und Heinz cle d’après des documents inédits, 2 vols., Montbéliard 1874. Zur Bewertung der Ereignisse, die von Haller und vielen anderen als Vorspiel späterer französischer Rheinpolitik fehlgedeutet und negativ akzentuiert wurden, durch die neuere Forschung s. Hans Berger, Der Alte Zürichkrieg im Rahmen der europäischen Politik, Zürich 1978, 134–172; Ignaz Miller, Jakob von Sierck 1398/99–1456, Mainz 1983 (QMRhKG 45), 143–153; Heinz Thomas, Deutsche Geschichte des Spätmittelalters 1250–1500, Stuttgart u. a. 1985, 452–465. – Zur Manifestation eines deutschen Nationalgefühls im Umfeld des Neusser Kriegs Günther Franz, Die Bedeutung der Burgunderkriege für die Entwicklung des deutschen Nationalgefühls, in: Jb d. Stadt Freiburg / Bg. 5 (1942), 161–173; Hermann Heimpel, Karl der Kühne und Deutschland, in: Elsaß-Lothringisches Jb 21 (1943), 44–49; Richard Vaughan, Charles the Bold. The Last Valois Duke of Burgundy, London 1973, 333–339; Schröcker, Deutsche Nation (wie Anm. 44), 42–44; Thomas, Deutsche Geschichte (wie Anm. 97), 484–486; Brigitte Maria Wübbeke, Die Stadt Köln und der Neusser Krieg 1474/75, in: Geschichte in Köln 24 (1988), 44–48; Francis Rapp, Les origines médiévales de l’Allemagne moderne. De Charles IV à Charles Quint (1346–1519), Paris 1989, 120 ff. Allgemein zur Thematik zuletzt Peter Moraw, Bestehende, fehlende und heranwachsende Voraussetzungen des deutschen Nationalbewußtseins im späten Mittelalter, und Eberhard Isenmann, Kaiser, Reich und deutsche Nation am Ausgang des 15. Jahrhunderts, beide in: Ansätze und Diskontinuität (wie Anm. 61), 99–120 bzw. 145–246.  98 S. hierzu zusammenfassend Heinz Angermeier, Die Reichsreform 1410–1555. Die Staatsproblematik in Deutschland zwischen Mittelalter und Gegenwart, München 1984.  99 Heinrich Finke, Die Nation in den spätmittelalterlichen allgemeinen Konzilien, in: HJb 57 (1937), 323–338, wiederabgedruckt in: Das Konstanzer Konzil, hg. v. Remigius Bäumer, Darmstadt 1977 (Wege der Forschung 415), 347–368; Salvador Gomez de Arteche y Catalina, Las ,Nationes‘ en la historia de los concilios, in: Hispania Sacra 39 (1987), 623–651. Auch der vor allem um den Begriff des Nationalkonzils bei Nikolaus von Kues kreisende Beitrag von Hermann-Josef Sieben, Das Nationalkonzil im frühen Selbstverständnis, in theologischer Tradition und in römischer Perspektive, in: Theol. u. Philos. 62 (1987), 527, 534–537, sieht die Genese des Terminus concilia nationalia im Konstanzer Umfeld. 100 S. vorerst Erich Meuthen, Rota und Rotamanuale des Basler Konzils, in: Römische Kurie. Kirchliche Finanzen. Vatikanisches Archiv. FS H. Hoberg, hg. v. Erwin Gatz, Rom 1979 (Miscellanea Historiae Pontificiae 46), 482 f.; Helmrath, Basler Konzil (wie Anm. 95), 47–51; Ders., Kommunikation auf den spätmittelalterlichen Konzilien, in: Die Bedeutung der Kommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft, hg. v. Hans Pohl, Stuttgart 1989 (VSWG. Beih. 87), 125. Die in Anm. 99 zitierte Arbeit von Gomez de Arteche y Catalina steuert trotz ihres Titels zu Basel nichts bei.

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Thomas konnten nun nachweisen, daß zur Zeit und im Umkreis des Basiliense die Belege für natio Germanica auffällig zunehmen101. Vor allem aber kommt in diesem Zusammenhang den bisher nur unzulänglich untersuchten Rangstreitigkeiten in Basel zentrale Bedeutung zu – es ging damals nicht oder nicht nur um die rechte Sitzordnung der Gesandtschaften in der Konzilsaula, sondern um viel mehr: Das Konzil spiegelte ein sich formierendes Europa der Nationen, ein offenes System konkurrierender Mächte, deren Wert sinnfällig über Rang und Sitz im Münster gehandelt wurde. Daß hier ein historisches Thema ersten Ranges, von kaum zu überschätzender Bedeutung für das Phänomen Prä‑ oder Proto­ nationalismus, noch gehoben werden will, hat niemand anderer als Hermann Heimpel erkannt, aber nicht mehr bearbeiten können102. Zur natio Gallicana auf dem Basler Konzil und in dessen Umkreis gibt es keine Nonn und Thomas vergleichbaren Untersuchungen, doch bleibt festzustellen, daß die Synode zum kirchenpolitischen Part von Frankreichs Wiederaufstieg zur europäischen Vormacht am Ausgang des Hundertjährigen Kriegs wurde. Diese Bedeutung der großen Konzilien des 15. Jahrhunderts und insbesondere Basels für die Ausformung des französischen Nationalgefühls – für jene Zeit gemeinhin nur an Jeanne d’Arc und den Kriegserfolgen festgemacht – ist bislang kaum gewürdigt worden. In Basel erwies sich die natio Gallicana als erfolgreichste „pressure group“; es ist die Geschichte des Erfolgs einer Nation, die auch im Fall des Unionskonzils nicht mit List und Trug, sondern in beeindruckender Geschlossenheit auf ihr Ziel hinarbeitete103. Wie aber reagierten die anderen Nationen auf diese französische Vorherrschaft? Wir wissen es nicht genau – Sitzungsprotokolle der Nationen haben sich bisher nicht gefunden –, doch deuten schon die Auseinandersetzungen um die Stätte der künftigen Griechensynode, die Vielzahl der Vorschläge für andere Veranstaltungsorte als Avignon auf Reibungen und unterschiedliche nationale Zielvorstellungen104. Rangstreitigkeiten, Ortsfrage u. a. m. ließen die Konzilsväter also zu Zeugen wie Mitwirkenden im Nationenstreit werden. Internationale Veranstaltungen haben schon im Mittelalter nicht nur Verständnis befördert, sondern auch polarisiert. Und so schrieb man denn 101  Ulrich Nonn, Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Zum Nationenbegriff im 15. Jahrhundert, in: ZHF 9 (1982), 129–142; Heinz Thomas, Die Deutsche Nation und Martin Luther, in: HJb 105 (1985), 426–454. Heinz Thomas bereitet eine größere Arbeit vor zum Thema „Die Deutschen, ihr Reich und ihre Nation von den Anfängen bis zur Reformation“. 102 Hermann Heimpel, Eine unbekannte Schrift über die Kurfürsten auf dem Basler Konzil, in: Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter. FS J. Fleckenstein, hg. v. Lutz Fenske u. a., Sigmaringen 1984, 469–482; Gert Melville, Vorfahren und Vorgänger. Spätmittelalterliche Genealogien als dynastische Legitimation zur Herrschaft, in: Die Familie als sozialer und historischer Verband, hg. v. Peter-Johannes Schuler, Sigmaringen 1987, 203–209; Helmrath, Basler Konzil (wie Anm. 95), 322–326. 103 Dazu Müller, Franzosen (wie Anm. 1), bes. II, 759–839. 104 Einige Anmerkungen hierzu und speziell zur Haltung der Deutschen gegenüber Avignon finden sich samt ersten Quellen‑ und Literaturhinweisen bei Müller, Franzosen (wie Anm. 1), II, 503 Anm. 8.

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auch zu Basel grenzenlose geistliche Solidarität klein; das Konzil war nicht oder nicht nur Ort des Kennenlernens, der Begegnung und der Aufgeschlossenheit, vielmehr auch eine Stätte der Konfrontation. Neben der Durchsetzung von individuellen und ständischen Anliegen ging es eben um nationale Interessen. Auf diesem Gebiet aber vermochte niemand mit Frankreich zu konkurrieren. Hinzu kam, daß die führenden Mitglieder der natio Gallicana fast ausnahmslos eine Laufbahn an den Universitäten und dann vor allem in einem für die Zeit großen und differenzierten Staatsapparat durchlaufen hatten, also überaus qualifiziert waren105. Die nichtfranzösischen Teilnehmer in Basel machten über Jahre hin die Erfahrung kirchenpolitisch-diplomatischer Überlegenheit der Franzosen, und diese für sie oft negative Erfahrung nahmen sie mit in ihre Heimat, wo sie ihrerseits meinungsbildend wirkten. Was diese Überlegungen noch mit unserem Thema zu tun haben? Frankreich in der Sicht des Johannes Haller: Das reicht von der Bewunderung des hoch‑ und spätmittelalterlichen Königreichs bis zur Darstellung eines Gegners seit Richelieu und Erbfeinds seit der Revolution und Napoleon. Im Verlauf der Jahrhunderte aber kommt dem 15. Jahrhundert die Funktion von Übergang und Nahtstelle zu; es ist gleichsam ein „siècle charnière“. Mag Haller bei seiner Deutung der Vorgänge um ein Unionskonzil in Avignon dies nicht einmal vor Augen gehabt haben, mag er auch Irrtümern aufgesessen sein, die sich aus seiner Biographie und Zeit erklären, so hat er doch ungeachtet seiner Fehlinterpretation mit der ihm eigenen Sensibilität für historisch entscheidende Phänomene, die sich oft hinter weniger bekannten und spektakulären Ereignissen verbergen, ein Thema angeschnitten, das auf die bislang kaum erkannte kirchenpolitische Seite des ansonsten so intensiv erforschten Phänomens „Naissance de la nation France“, des französischen Wiederaufstiegs am Ausgang des Mittelalters verweist106. Darüber hinaus hat er unsere Aufmerksamkeit allgemein auf die bislang ebenfalls wenig erfaßte Bedeutung des Basler Konzils für die Geschichte der Nation und des Nationalgefühls im 15. Jahrhundert gelenkt – von etwas anderem Ausgangspunkt, den Basler Rangstreitigkeiten, fand auch Hermann Heimpel dorthin, ohne daß er dem noch näher hätte nachgehen können. Es liegt auf der Hand, daß seine

105 Trotz oder gerade wegen der Krise der französischen Monarchie unter einem geistig umnachteten König Karl VI. und dessen einander bekämpfenden herzoglichen Onkeln gewann in den kritischen Jahren um 1400 der administrative Unterbau als Element staatssichernder Kontinuität entscheidend an Gewicht, wie Françoise Autrand am Beispiel des Pariser Parlaments überzeugend darlegte: Naissance d’un grand corps de l’Etat. Les gens du Parlement de Paris 1345–1454, Paris 1981. Vgl. auch Dies., Charles VI, Paris 1986, 192 f., 204–213, 469, und Roger G. Little, The Parlement of Poitiers. War, Government and Politics in France 1418–1436, London – New Jersey 1984. 106 Ich nehme den Titel eines 1985 erschienenen Buchs von Colette Beaune auf, die über dieses Thema vor allem unter staatssymbolischen Aspekten handelt.

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Sammlungen und Vorstudien möglichst rasch von kundiger Hand aufgegriffen und vollendet werden müssen107.

Zusammenfassung Französische Geschichte und Politik nehmen in dem zu seiner Zeit vielgelesenen und einflußreichen Werk Hallers einen zentralen Platz ein. Bewundernde Anerkennung der Bedeutung des mittelalterlichen Frankreich kontrastiert mit distanziert-ablehnender Sicht der Geschichte der Neuzeit und vor allem des 19. / 20. Jahrhunderts. Dem 15. Jahrhundert mit der Ausformung der französischen Königsnation fällt dabei die Rolle eines „siècle charnière“ zu, wie Hallers Darstellung des Themas „Frankreich und das Basler Konzil“ erweist. An ihm läßt sich überdies zeigen, wie sehr über vorwaltende Zeitstimmungen hinaus Hallers historisches Urteil über Frankreich durch seine Herkunft aus der protestantischaristokratischen Welt der Deutschbalten und durch seinen wissenschaftlichen Werdegang, besonders im Rom und Basel der Jahrhundertwende, geprägt wurde.

107 Das Material wurde kürzlich von Johannes Helmrath (Köln) übernommen, der es im Rahmen seiner Forschungen zum Basiliense bearbeiten und der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich machen will.

„Von welschem Zwang und welschen Ketten des Reiches Westmark zu erretten“* Burgund und der Neusser Krieg 1474/75 im Spiegel der deutschen Geschichtsschreibung von der Weimarer Zeit bis in die der frühen Bundesrepublik Burgund: Kaum ein anderes Thema aus dem Spätmittelalter erfreut sich wohl derart intensiver und obendrein internationaler Aufmerksamkeit der Forschung als zugleich auch recht großen Interesses eines breiten Publikums. Für Historiker wie Touristen ist die Welt zwischen Brügge und Dijon von offenbar ungebrochener Faszination, bietet sie sich doch als ein eigen‑ und einzigartiges Gebilde auf der Scheide von Mittelalter und Neuzeit dar, als ein Konglomerat disparater Territorien unterschiedlicher Tradition, scheinbar gegen jede Entwicklung zur Nation der Neuzeit und dabei doch für eine bemerkenswerte Intensität von Staatlichkeit stehend. Im Innern zwischen Haarlem und Mâcon von geradezu überbordender Vielfalt, wird Burgund im Europa seiner Zeit als großfürstliche Machtkonzentration von beeindruckender Potenz wahrgenommen. Da sind das Zeremoniell und Raffinement des herzoglichen Hofs, da sind die selbstbewußten Stände und Städte des Nordens, der Reichtum der bürgerlichen Handels‑ und Gewerbezentren Gent, Brügge und Ypern, da ist Philipps des Guten Vision eines Kreuzzugs, der ihn als neuen Jason mit seinen Argonauten, den Rittern vom Goldenen Vlies, nach Osten führen soll. Burgund: eine Lebensform, die seit dem berühmten Buch von Johan Huizinga1 als letzte Aufgipfelung und Vollendung mittelalterlichen Stils erscheint – Spätzeit, Herbst, doch hinter und neben Glanz und Pracht einer schwermütig-aristokratischen Welt zeigt sich eben schon die Rationalität arbeitsteiliger Verwaltung und Ökonomie, der Utilitarismus der Frühmoderne. * Für Rat, Hilfe und Anregungen bei der Abfassung dieser Studie seien mein Lehrer Erich Meuthen (Köln), die Kollegen Heinz Duchhardt (Mainz), Johannes Fried (Frankfurt/M.), Klaus Hildebrand (Bonn), Klaus Pabst (Köln) sowie mein Frankfurter Mitarbeiter Christian Kleinert bedankt. Weiterer Dank für Literaturrecherchen und ‑beschaffung gilt Gabriele Annas, Josef van Elten, Georg Mölich (alle Köln) und Peter Herden sowie Mark Jakob (beide Frankfurt / M.). 1 Johan Huizinga, Herbst des Mittelalters. Studien über Lebens‑ und Geistesformen des 14. und 15. Jahrhunderts in Frankreich und in den Niederlanden, Stuttgart 111975, 121987 [illustr. Sonderausgabe]. Zu Huizinga und seinem im niederländischen Original erstmals 1919 erschienenen Werk s. zuletzt Christoph Strupp, Johan Huizinga. Geschichtswissenschaft als Kulturgeschichte, Göttingen 2000.

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Und wer personifizierte jene „innige Verflechtung von Traum und Rechnung, von phantastischen Zielen und rationalen Mitteln“– so suchte Hermann Heimpel das janusköpfige Wesen Burgund auf den Begriff zu bringen2 – in Faszination wie Widerspruch vollkommener als der letzte der großen Herzöge, Karl der Kühne: Der neue Alexander, der Kaiser in spe tritt als arbeitswütiger Rechnungsprüfer auf den Plan, Charles le Téméraire und Charles le Travaillant zugleich. Wir glauben seine Züge von jenem wohl auf Rogier van der Weyden zurückgehenden Portrait zu kennen, das ihn als jungen Vliesritter zeigt, doch auch andere Züge scheinen ihm eigen: brutal-widerwärtige als Reichsfeind und Welscher, der im Jahrhunderte währenden Kampf zwischen romanischer und germanischer Welt, zwischen Frankreich und Deutschland eine zwar nur vorübergehende, so doch besonders gefährliche Variante jenes französischen Drangs nach Osten hin zum Rhein darstellt, mit dem überdies ein gleichmacherischer Untertanenstaat der Vielfalt von Freiheiten, Rechten und Privilegien in deutschen Landen ein Ende zu bereiten drohte. Das erweist neben der burgundischen Präsenz am Oberrhein im besonderen der Neusser Krieg 1474/75 – zumindest nach Ausweis einer deutschen Geschichtsschreibung, die in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts unter dem Eindruck von Versailles und Rheinlandbesetzung solche Akzente setzte. Huizinga mochte ein Fall für die respublica litterarum sein, der wahre Kampf wurde 1474 wie 1925 am Rhein ausgetragen, und der Schlachtenlärm sollte noch bis in manche Publikation der fünfziger Jahre nachhallen. Damit fügt sich unser Thema zeitlich ganz in den Rahmen dieses Sammelbands, räumlich dagegen wird es teilweise weiter ausgreifen angesichts mancher – hier sinnvollerweise mitzubehandelnder – Burgundprojekte und ‑phantasien vor allem aus nationalsozialistischer Zeit, welche die Freigrafschaft (Franche-Comté), ja noch Gebiete westlich von Dijon und Chalon s/Saône miteinschlossen. Sachlich handelt es sich um den – ansonsten nur noch in der folgenden Studie von J. Arndt unternommenen – Versuch, ein ganz konkretes Ereignis als Ausgangspunkt zu wählen, an dem Grundzüge und Entwicklungen deutscher Geschichtswissenschaft, genauer: einer in unserem Fall vielfach in die Westforschung eingebundenen deutschen Mediävistik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgezeigt werden sollen (was ebenso zwangsläufig wie gewollt zur Folge hat, daß manche der hier nur mit Blick auf Neuss und Burgund erwähnten Namen und Institutionen in weiteren Beiträgen des Bands in anderen Kontexten begegnen bzw. eigens thematisiert werden). Es wird sich dabei – auf den einfachsten Nenner gebracht – eine gewisse Einheit in der Vielfalt zeigen, und solche Einheit scheint weniger durch den Nationalsozialismus als bereits die Weimarer Zeit bedingt und vorgegeben. Von langwährenden Kontinuitäten wird zu berichten sein, deren Wirkkraft, wie gesagt, bis 2 Hermann Heimpel, Burgund am Rhein und auf dem Schwarzwald (Aus der Geschichte Karls des Kühnen), in: Genius 2 (1948), 23.

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in die Bundesrepublik der fünfziger Jahre ausstrahlt. Das Ergebnis scheint ebenso aufschlußreich wie weithin beklemmend, spiegelt sich darin doch eine deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts, die mit dem teils selbstverschuldeten, teils neue Schuld geradezu herausfordernden Vertrag von Versailles eine verhängnisvolle Entwicklung nehmen sollte.

I. Doch zuvor sei einleitend kurz auf den Neusser Krieg selbst eingegangen, weil es sich hierbei zum einen um ein außerhalb der Stadt Neuss heute wohl nur noch der mediävistischen Fachhistorie geläufiges Ereignis handelt, und weil zum andern etliche Aspekte für dessen Sicht und Wertung in der deutschen Geschichtsschreibung – unser Hauptthema – von besonderem Belang sind3. Als 1463 nach fast fünfzigjährigem Pontifikat der Kölner Erzbischof Dietrich von Moers gestorben war, zeigte auch Herzog Philipp der Gute von Burgund an der Nachfolge in Kirche und Kurfürstentum großes Interesse. Denn unter seiner nicht minder langen Regierung war das Burgund der großen Herzöge aus dem Hause Valois, das unter seinen ersten Fürsten, Philipp dem Kühnen und Johann Ohnefurcht, noch stark auf Frankreich ausgerichtet war, immer mehr in den Westen des deutschen Reichs hineingewachsen4. Gleich zwei Kandidaten wußte der Burgunder für den Kölner Stuhl zu präsentieren, beide Söhne von Philipps Schwester Agnes von Bourbon: Der eine, Karl, war bereits seit jungen Jahren Erzbischof von Lyon; daß seine Translation immerhin vom gallischen Primatialsitz an den Rhein erwogen wurde, beweist, welche Bedeutung man am herzoglichen Hof dem Kölner Stuhl beimaß, der allerdings zudem wesentlich einträglicher als der Lyoner war. Der andere, Ludwig, regierte seit 1456 nicht gerade überzeugend das Fürstbistum Lüttich. Welche Bedenken man vor Ort erwartete, zeigt die Versicherung der Gesandten, ein Bourbon als Kölner Erzbischof bedeute nicht, daß 3  Bei diesen einleitenden Ausführungen stütze ich mich auf einen von mir am 5. Mai 1998 im Rahmen der Sigurd Greven-Vorlesungen am Kölner Schnütgen-Museum gehaltenen Vortrag. Er wurde unter dem Titel „Frankreich, Burgund, Köln und die Rheinlande am Ausgang des Mittelalters. Kirche – Kreuzzug – Neusser Krieg“ als Privatdruck der Sigurd Greven-Stiftung veröffentlicht, ist mithin aber der wissenschaftlichen Öffentlichkeit bislang noch nicht bekannt. Den weiteren – niederrheinischen – Rahmen des Themas skizzierte zuletzt Wilhelm Janssen, Die niederrheinischen Territorien im Spätmittelalter. Politische Geschichte und Verfassungsentwicklung (1300–1500), in: RhVjbll 64 (2000), 115–126. 4 Allgemein zum Burgund der großen Herzöge Richard Vaughan, Valois Burgundy, London 1975; Bertrand Schnerb, L’État bourguignon (1363–1477), o. O. [Paris] 1999. Die bislang grundlegenden Biographien der vier Herzöge stammen ebenfalls von Richard Vaughan: Philip the Bold. The Formation of the Burgundian State, London 1962 (ND 1979); John the Fearless. The Growth of Burgundian Power, London 1966 (ND 1979); Philip the Good. The Apogee of Burgundy, London 1970; Charles the Bold. The Last Duke of Burgundy, London 1973.

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zugleich eine französische Administration in Kirche und Kurfürstentum installiert werde5. Allein das Domkapitel entschied sich bekanntlich mit Ruprecht für einen jüngeren Bruder des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, weniger trotz, sondern gerade wegen seines fehlenden persönlichen Profils. Man erhoffte von dem Wittelsbacher zum einen die Sanierung der nach Dietrich von Moers’ großen Fehden zerrütteten Finanzen, zum anderen möglichst geringe Einwirkungen auf die Stiftsregierung. Solche Hoffnungen schienen sich zu bestätigen, da Ruprecht eine Wahlkapitulation akzeptierte, die in der Tat eine veritable Kapitulation war. Auf Einnahmen aus einem einzigen Amt beschränkt, machte er sich indes bald daran, diese Situation, teilweise mit Gewalt, zu ändern6. Als seine Verletzungen ständischer, vor allem städtischer Rechte immer gravierender wurden, ergebnislose Vermittlungen wie auch Interventionen seines kurfürstlichen Bruders sich häuften, ernannte das Domkapitel am 23. März 1473 den jungen Dekan Hermann, Sohn des Landgrafen von Hessen, zum Hauptmann, Beschirmer und Verweser Kurkölns. Darauf ging der in Brühl residierende Erzbischof, dem nur noch wenige Städte vornehmlich im Süden wie Remagen, Linz, Unkel, Erpel und Sinzig verblieben waren, genau ein Jahr später mit Karl dem Kühnen einen Vogtei‑ und Protektionsvertrag ein, der vorsah, die abtrünnigen Untertanen – darin war auch die Stadt Köln eingeschlossen – wieder in den Gehorsam zu zwingen. Dies vor Ort zu verkünden, hatte ein vom burgundischen Herzog bestellter Herold den Auftrag, der in Köln überall dort, wo er dies tat, das Wappen 5 Die Chroniken der niederrheinischen Städte. Cöln, I, bearb. v. Hermann Cardauns, Leipzig 1875 (ND 1968) (DStChr 12), 373–387 (Wahlverhandlungen von 1463), bes. 38 ff.; cf. Die Chroniken der niederrheinischen Städte. Cöln, III, bearb. v. H. C., Leipzig 1877 (ND 1968) (DStChr 14), 806 (Koelhoffsche Chronik). Vgl. zuletzt Henny Grüneisen, Die westlichen Reichsstände in der Auseinandersetzung zwischen dem Reich, Burgund und Frankreich bis 1473, in: RhVjbll 26 (1961), 36; Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 4), 313 f.; Yvon Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire: Bilan d’un règne (II), in: Francia 10 (1982), 186 f.; Wilhelm Janssen, Eine Vereinbarung über die Bischofswahl zwischen dem Kölner Domkapitel und den Landständen aus der Zeit des Erzbischofs Dietrich von Moers, in: Studien zum 15. Jahrhundert. FS E. Meuthen, hg. v. Johannes Helmrath /Heribert Müller, II, München 1994, 1000; Ders., Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter (1191–1515), I, Köln 1995 (Geschichte des Erzbistums Köln II / 1), 277. 6 Zu Ruprecht und seinem Kölner Pontifikat bis 1473 siehe Ellen Widder, Karriere im Windschatten. Zur Biographie Erzbischof Ruprechts von Köln (1427–1478), in: Vestigia Monasteriensia. Westfalen – Rheinland – Niederlande, hg. v. E. W. u. a., Bielefeld 1995 (Studien zur Regionalgesch. 5), 29–72; vgl. auch die Publikationen von Wilhelm Janssen: a) Der Bischof als Reichsfürst und Landesherr (14. und 15. Jahrhundert), in: Der Bischof in seiner Zeit. Bischofstypus und Bischofsideal im Spiegel der Kölner Kirche. FS J. Kardinal Höffner, hg. v. Peter Berglar/ Odilo Engels, Köln 1986, 198, 231; b) Der Verzicht des Erzbischofs Ruprecht von der Pfalz auf das Erzbistum Köln um die Jahreswende 1478/79, in: Köln. Stadt und Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters. FS O. Engels zum 65. Geburtstag, hg. v. Hanna Vollrath / Stefan Weinfurter, Köln – Weimar – Wien 1993 (KHA 39), 662 f.; c) Erzbistum Köln (wie Anm. 5), I, 277–287; d) Ruprecht von der Pfalz, in: LexMA VII (1995), 1111; e) Ruprecht von der Pfalz, in: LThK VIII (31999), 1368 f.

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seines Herrn anbrachte. Mit Dreck bewarfen es die Kölner oder rissen es ab; Angst hatten sie vor Karl, dem Städtefeind, der wenige Jahre zuvor über Lüttich so grausames Strafgericht gehalten hatte7. Ein am 13. Juni 1474 mit Ludwig XI. von Frankreich geschlossener Waffenstillstand gab dann dem Herzog freie Hand für den Feldzug gegen Kurköln8. Burgund schien mehr denn je den Westen des Reichs zu dominieren – schon das letzte Jahrzehnt hatte dort in seinem Zeichen gestanden, da der 1460 erwogene Plan eines linksrheinischen Reichsvikariats für Philipp den Guten auf andere Weise, nämlich durch ein dichtes Allianzensystem, Wirklichkeit zu werden schien: 1465 war Philipps Sohn Karl, damals noch Graf von Charolais, ein spektakulärer Erfolg gelungen, als er mit dem Pfälzer Friedrich dem Siegreichen, eben Ruprechts Bruder, den damals wohl bedeutendsten deutschen Kurfürsten auf seine Seite ziehen konnte. Bald schon folgte ihm Ruprecht, der Kölner aus der Pfalz, und 1469 der Mainzer Adolf II. aus dem Hause Nassau, dessen Linie Dillenburg – Breda/ Vianden zu den tragenden Stützen der burgundischen Administration gehörte. Selbst Trier, zum übermächtigen Nachbarn Burgund ja stets auf Distanz bedacht, fügte sich in dieses Bündnissystem, als Erzbischof Johann von Baden bewußt wurde, daß von Ludwig XI. im Konfliktfall keine unmittelbare Hilfe gegen Karl den Kühnen zu erwarten war. Auch am Oberrhein stand es gut für die Vormacht Burgund, die zudem gerade erst in Geldern als Sieger auf den Plan getreten war9. 7 Hierzu (unter Berücksichtigung der einschlägigen handschriftlichen und gedruckten Quellen) zuletzt Maria Fuhs, Hermann IV. von Hessen. Erzbischof von Köln 1480–1508, Köln – Weimar – Wien 1995 (KHA  40), 51–63; Brigitte Maria Wübbeke, Die Stadt Köln und der Neusser Krieg 1474/75, in: Geschichte in Köln 24 (1988), 38–41. Für die detaillierte Wiedergabe des Gangs der Ereignisse immer noch von Nutzen sind die faktenreichen Darstellungen von Ferdinand Schmitz, Der Neusser Krieg 1474–1475 nach archivalischen Quellen bearbeitet, in: Rhein. Geschichtsblätter 2 (1895), 1–10, 33–60, 65–80, 97–113, 129–145, 161–177, 193–209, 225–241, 257–263 [sep. Bonn 1896]; Hermann Diemar, Die Entstehung des deutschen Reichskrieges gegen Herzog Karl den Kühnen von Burgund, in: Westdt. Zs. für Geschichte und Kunst 15 (1896), 60–106, 274–328 [sep. Marburg 1896]. Aus Kölner Perspektive ausführlich, aber veraltet Leonard Ennen, Geschichte der Stadt Köln, III, Köln 1869, 453–560; aus Neusser Sicht Erich Wisplinghoff, Geschichte der Stadt Neuss von den mittelalterlichen Anfängen bis zum Jahre 1794, Neuss 1975, 102–116. Fallweise zu konsultieren sind die Beiträge von Joseph Lange, Pulchra Nussia. Die Belagerung der Stadt Neuss 1474/75, und Helmut Gilliam, Der Neusser Krieg in der europäischen Geschichte, in: Neuss, Burgund und das Reich. Mit Beiträgen von J. L. u. a., Neuss 1975, 9–190, 201–254. Auftrag Karls des Kühnen an Stefan von Carin, wapen regent von Royer: Der Briefwechsel Karls des Kühnen (1433–1477). Inventar, hg. v. Werner Paravicini, red. v. Sonja Dünnebeil/ Holger Kruse, bearb. v. Susanne Baus u. a., II, Frankfurt / M. u. a. 1995 (Kieler Werkstücke D 4), n. 2444. 8 Über die ansonsten spannungsvollen Beziehungen zwischen französischem König und burgundischem Herzog handelte zuletzt Jean-Marie Cauchies, Louis XI et Charles le Hardi. De Péronne à Nancy (1468–1477): le conflit, Brüssel 1996 (Bibl. du Moyen Age 8). Ebd., 89, 105 f., speziell zum Waffenstillstand vom 13. Juni 1474. 9 Hierzu immer noch grundlegend der vor allem auf die sechziger und frühen siebziger Jahre des 15. Jahrhunderts konzentrierte Aufsatz von Grüneisen, Die westlichen Reichsstände (wie Anm. 5), den die Autorin als Vorlaufstudie zum geplanten Bd. XXIII der Älteren Reihe der

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Sie würde – dies stand aller Voraussicht nach zu erwarten – zunächst das Ruprecht feindliche Neuss belagern, in das sich Hermann von Hessen zurückgezogen hatte, um nach diesem Auftakt dann zum entscheidenden Schlag gegen Köln auszuholen. Aus diesem Grund befahl der Rat der Stadt Köln, dem bislang vor allem aus wirtschaftlichen Erwägungen stets an auskömmlichen Beziehungen zu den Herzögen gelegen war – so hatte man sich noch 1467 im sogen. Schoßstreit der Hanse über den burgundverbundenen Propst von St. Andreas an Karl den Kühnen gewandt10 –, im August 1474, vor der Stadt alle Gebäude vorsorglich abzureißen, die der burgundischen Heeresmacht von Nutzen sein mochten; unter anderem fielen das Zisterzienserinnenkloster St. Mechtern und der Augustinerinnenkonvent St. Maria zum Weiher dieser Maßnahme damals zum Opfer11. Eine Quelle des ausgehenden 15. Jahrhunderts, die sogen. Koelhoffsche Chronik, weiß zu berichten, daß auch andernorts im Reich und sogar weit von Köln ebenfalls vil cloister ind schoinre wonunge vur den steden afgebrochen wurden, as to Straisburch, zo Bonne, zo Collen ind anderswae, in Sassen, zo Lubeck ind in Friesland12. Schon ein unmittelbarer Zeitgenosse von 1474/75, der Basler Münsterkaplan Johann „Deutschen Reichstagsakten“ [RTA] (Karl der Kühne und das Reich, 1472–1477) konzipiert hatte. Siehe auch Lacaze, Philippe le Bon (II) (wie Anm. 5), insbes. Kap. 6/7 des ersten Teils; Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 4), 123–155; Werner Paravicini, Karl der Kühne. Das Ende des Hauses Burgund, Göttingen u. a. 1976 (Persönlichkeit und Geschichte 94/95), 84 f. Speziell zu Geldern Ders., Kleve, Geldern und Burgund im Sommer 1473 …, in: Francia 23/I (1996), 5–93 (mit ausführlichen Angaben älterer Lit. 88–93). 10 Henri Stein, Catalogue des Actes de Charles le Téméraire (1467–1477) …, bearb. v. Sonja Dünnebeil, Sigmaringen 1999 (Instrumenta 3), n. 631, 718*, 807* (dazu auch 1198*, 1199*), 1186*, 1225, 1939 (= Der Briefwechsel Karls des Kühnen [wie Anm. 7], II, n. 2645), 2261; Die Hanse und Köln. Ausstellungskatalog – Histor. Archiv der Stadt Köln [HAStK], bearb. v. Joachim Deeters, Köln 1988, 69; Die Beschlüsse des Rates der Stadt Köln 1320–1550, I, bearb. v. Manfred Huiskes, Düsseldorf 1990 (PGRhGK LXV/1), 1470/103. Vgl. Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 4), 314. Für die Kontakte zwischen Köln und Karl dem Kühnen ist auch der Heinsberger Dekan Simon Mulart von Interesse, der u. a. dem Rat der Stadt 1470 ein Preiswerk auf den Herzog als neuen Alexander unterbreitete: Beschlüsse des Rates, 1470/106; Briefwechsel Karls des Kühnen, I, n. 1939; Vaughan, Charles the Bold, 314; Petrus C. Boeren, Twee Maaslandse dichters in dienst van Karel de Stoute, Den Haag 1968, 87. 11  Koelhoffsche Chronik (wie Anm. 5), 834; Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493), nach Archiven und Bibliotheken geordnet, hg. v. Heinrich Koller, H. 7: Die Urkunden und Briefe aus den Archiven und Bibliotheken des Regierungsbezirks Köln, bearb. v. Thomas R. Kraus, Wien u. a. 1990, n. 536, 538, 555/56, 559. Vgl. Ennen, Geschichte (wie Anm. 7), 510, 554–566; Wübbeke, Stadt Köln (wie Anm. 7), 43; Irene Gückel, Das Kloster Maria zum Weiher vor Köln (1198–1474) und sein Fortleben in St. Cäcilien bis zur Säkularisation, Köln 1993 (Kölner Schriften zur Geschichte und Kultur 19), 54 ff.; Claudius Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus. Die Burgunderkriege am Oberrhein und in der Eidgenossenschaft, Göttingen 1995 (VMPIG 116), 401 Anm. 13. 12 Koelhoffsche Chronik (wie Anm. 5), 833. Vgl. Franz Petri, Nordwestdeutschland in der Politik der Burgunderherzöge, in: Westfäl. Forschungen 7 (1953/54), 95; ND in: F. P., Zur Geschichte und Landeskunde der Rheinlande, Westfalens und ihrer westeuropäischen Nachbarländer. Aufsätze und Vorträge aus vier Jahrzehnten, hg. v. Edith Ennen u. a., Bonn 1973, 495. Zur Quelle s. jetzt Spätmittelalterliche städtische Geschichtsschreibung in Köln und im

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Knebel, notierte damals in sein Tagebuch, Karl wolle innerhalb zweier Jahre das Reich erobern et primo civitatem Coloniensem13. Der Neusser wurde indes nie zum Kölner Krieg. Die kleine Stadt widerstand fast ein Jahr dem großen Herzog; am 27. Juni 1475 zogen die letzten Burgunder ab. Die Belagerung selbst wurde in ihrem Verlauf schon vielfach und detailliert dargestellt14, so daß das Ereignis in seinem Ablauf als wohlerforscht gelten darf, wenn auch gewisse neue Aufschlüsse durch bislang unveröffentlichte Korrespondenzen Karls des Kühnen und durch die – noch zu publizierende – Bearbeitung des im Kölner Stadtarchivs liegenden kölnischen Burgunder-Briefbuchs zu erwarten stehen15. Aus obengenannten Gründen seien indes in aller Kürze noch fünf Aspekte hervorgehoben, die zum einen in der Forschung bislang etwas unterbelichtet scheinen wie beispielsweise die im engeren Sinn kirchengeschichtlichen Facetten des Themas – diese Ergänzung sei dem Mediävisten gestattet –, und die zum anderen, was etwa den Umstand „nationaler Tönung“ mancher Dokumente betrifft, schon zum Verständnis für die Sicht dieses Ereignisses in der deutschen Geschichtsschreibung von Belang sind. – Bereits im Juni 1472 hatte sich das Domkapitel im Streit mit Ruprecht hilfesuchend an die römische Kurie gewandt, die seit Oktober 1473 ihr althergebrachtes Mittleramt vor Ort durch die Legaten-Bischöfe von Fossombrone und Forlì wahrnahm. Berief Karl der Kühne sich anfangs gegenüber der Stadt Köln darauf, auch er sei von Sixtus IV. mit der Mediation beauftragt worden, so wußten die Beteiligten spätestens seit Juni 1474 durch Rundschreiben des Papstes, daß dies allein auf Kaiser Friedrich III. zutraf und Rom zudem am Niederrhein doch nicht als neutraler Schlichter auf den Plan zu treten gedachte, sondern gegen Ruprecht wie ihn unterstützende weltliche Fürsten Position bezog – eine Reich. Die „Koelhoffsche“ Chronik und ihr historisches Umfeld, hg. v. Georg Mölich/ Uwe Neddermeyer /Wolfgang Schmitz, Köln 2001 (Veröffentl. des Köln. Geschichtsvereins 43). 13 Basler Chroniken, II (Johannis Knebel capellani ecclesiae Basiliensis diarium), ed. Wilhelm Vischer/ Heinrich Boos, Leipzig 1880, 112. Vgl. Gabriela Signori, Ritual und Ereignis. Die Straßburger Bittgänge zur Zeit der Burgunderkriege (1474–1477), in: HZ 264 (1997), 297 Anm. 71. 14  Siehe hierzu vor allem die Anm. 7 zitierte Lit. sowie Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 4), 312–345; Cauchies, Louis XI (wie Anm. 8), 83–102 (in Teilen wurde dieses Kapitel „Neuss [1474/75]: l’art de piétiner“ vom Autor wiederaufgenommen in: Charles le Hardi à Neuss [1474/75]: folie militaire ou contrainte politique?, in: Publ. du centre européen d’études bourguignonnes 36 [1996], 105–115). – Eine gute Kurzübersicht über die gedruckten Quellen bzw. Regesten sowie die älteren Arbeiten zum Neusser Krieg bei Widder, Karriere (wie Anm. 6), 30 mit Anm. 4–6. 15 Die Korrespondenz Karls des Kühnen wird bekanntlich von Werner Paravicini und dessen Mitarbeitern systematisch erschlossen; das der Forschung zwar seit langem bekannte, indes noch nicht vollständig durch Edition bzw. Regestierung erschlossene und kritischer Einordnung harrende Burgunder-Briefbuch war Gegenstand einer 1998 bei mir – mit Unterstützung durch W. P. – angefertigten Kölner Magisterarbeit von P. Lejeune, die von diesem zur Veröffentlichung vorgelegt werden soll: Das Burgunder-Briefbuch. Eine stadtkölnische Aktensammlung zur Stiftsfehde zwischen Erzbischof Ruprecht von der Pfalz und dem Domkapitel.

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der klassischen Vermittlungstradition zwar widersprechende Haltung, die indes in den vielfachen Spannungen zwischen Karl und Sixtus IV. ihre Erklärung findet16. – Der Widerstand der Geistlichkeit gegen Karl den Kühnen richtete sich nicht nur gegen den Burgunder als Verbündeten Ruprechts, sondern auch gegen einen Herzog, der im Siegesfall die Kölner Kirche unter sein finanzielles Joch gezwungen hätte; eine gerade im Juli 1474 erlassene, Hand auf den Besitz der Toten Hand legende Ordonnanz war überdeutliche Warnung17. – Vielfältig und vielerörtert sind die Gründe des erfolgreichen Neusser Widerstands, wobei die gute Befestigung, die für die Belagerer ungünstige wasserreiche Umgebung, die noch rechtzeitige Verproviantierung mit der Ernte des Sommers 1474, das organisatorische und psychologische Geschick Hermanns von Hessen sowie vor allem die nie unterbrochene Verbindung der Stadt zur Außenwelt sicher wesentliche Faktoren waren. Warum aber – eine ebenso vielerörterte Frage – brach der Burgunder angesichts solcher Abwehr die Belagerung nicht einfach ab? Neuss, so der französische Historiker Pierre-Roger Gaussin, sei ohnehin nur eine „guerre picrocholine“, eine Art Operettenkrieg der burleskrabelaisschen Art, gewesen18. Genau das aber war er nicht: Nach den gescheiterten Trierer Verhandlungen über König‑ und Kaisertum wollte Karl keine zweite, überdies öffentliche Niederlage riskieren. Ein Abzug Richtung Westen, um mit dem englischen Bündner gegen Ludwig XI. zu Felde zu ziehen, wäre – ich folge hier JeanMarie Cauchies19 – zudem eine wiederum öffentliche Manifestation politischer Präferenzen gewesen; ja man könnte mit dem Maximilian-Biographen Hermann Wiesflecker sogar annehmen, daß der Burgunder sein an der Mosel gescheitertes Kronprojekt durch die Eroberung des Erzstifts am Rhein, d. h. durch einen Einfall ins Reich nunmehr mit Gewalt zu erzwingen gedachte20. Zudem waren unter Philipp dem Guten sich bereits abzeichnende Tendenzen inzwischen zu Schwerpunkten geworden: Kurköln lag jetzt in einer von Geldern bis an den Oberrhein reichenden Zone unmittelbaren burgundischen Einflusses und Interesses. Überdies eignete dem – natürlich auch aus Gründen des Prestige 16 HAStK, Köln und das Reich: Burgunder-Briefbuch (vgl. Anm. 15 und Joachim Deeters, Die Bestände des Stadtarchivs Köln bis 1814. Eine Übersicht [Mitt. aus dem Stadtarchiv von Köln 76], Köln u. a. 1994, 55), fol. 8r–13r, 18r, 19r–31r. 17 Vgl. Édouard de Moreau, Histoire de l’Église en Belgique, IV: L’Église aux Pays-Bas sous les ducs de Bourgogne et Charles-Quint, Brüssel 1949, 101 f. 18 Pierre-Roger Gaussin, Louis XI roi méconnu [weiterer Untertitel: Un roi entre deux mondes], Paris 1976, 267. 19 Cauchies, Louis XI (wie Anm. 8), 90–94; Ders., Charles le Hardi (wie Anm. 14), 108. 20 Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, I, München 1979, 105; danach (?) auch Bertrand Schnerb, Burgundy, in: The New Cambridge Medieval History, VII: c. 1415 – c. 1500, ed. by Christopher T. Allmand, Cambridge 1998, 454: „This undertaking has been seen as a response to the setback suffered at his meeting with the emperor at Trier“. Vgl. schon Franz Petri, Niederlande, Rheinland und Reich vornehmlich vom 13. bis 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur deutsch-niederländischen Grenzgeschichte, in: Niederrhein. Jb 8 (1965), 29.

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erfolgenden – Ausharren vor Neuss durchaus jene Logik, die Jacob Burckhardt in seinen „Weltgeschichtlichen Betrachtungen“ beschrieb: „solange das äußere Wachstum dauert, strebt jede Macht nach völliger Ausrundung und Vollendung (nach innen und außen!) und hält kein Recht des Schwächern für gültig. … Endlich bildet sich ein permanentes Gelüste des Arrondirens; man nimmt was Einem gelegen liegt und was man erwischen kann …“21. Das scheinbar gelegene Neuss erwies sich als ungelegen, indes bedeutete die schließliche Aufgabe der Belagerung keineswegs eine Katastrophe: Die Bedingungen waren honorabel, Karls Militärmacht blieb intakt. Neuss war zwar noch keine Entscheidung über das Schicksal Burgunds, doch burgundische Rheinlande, den Rhein als „fleuve bourguignon“ – um John Bartier zu zitieren – würde es nicht geben, der Kairós war vorüber22. – die Franckrichszen komen langsem, got gebe, das es den frummen luden zu Newsz nit zulang werde, meldete der Frankfurter Vertreter, Walter von Schwarzenberg der Jüngere, im Mai 1475 aus Köln an seine Stadt23. Nach dem am Jahresende zuvor in Andernach zwischen Kaiser und König von Frankreich geschlossenen Vertrag erwartete man Ludwigs XI. Hilfe. Daß der Monarch ein geradezu natürlicher Bundesgenosse im Kampf gegen den Burgunder war, das wußte buchstäblich jedes Kind. Der Erfurter Vikar Konrad Stolle berichtet in seiner Chronik vom Kriegsspiel dreier Knaben im fränkischen Staffelstein zur Zeit der Belagerung von Neuss: Da kämpften ein Kaiser und ein König von Frankreich gegen Karl den Kühnen, der vaste großer vnnd sterker was, doch endete für den Jungen, der die Rolle des Burgunders übernommen hatte, dieses Spiel mit einem tödlichen Unglück: Vnnd man meynte – so Stolle dazu – daß iß eyn figure vnnd eyn vorspel were, vnnd mochte villichte jn der warheit dor zu kome24. 21 a) Jacob Burckhardt, Über das Studium der Geschichte. Der Text der „Weltgeschichtlichen Betrachtungen“ auf Grund der Vorarbeiten von Ernst Ziegler hg. v. Peter Ganz, München 1982, 259 f. b) Die Konzentration burgundischer Interessen auf die linksrheinischen Lande unter Karl dem Kühnen sei betont gegen Jean Favier, Louis XI, Paris 2001, nach dem der Herzog seine Zeit unnütz vor dem an der Mosel (!) gelegenen Neuss vertan haben soll (662, 675). 22  a) So u. a. Paravicini, Karl der Kühne (wie Anm. 9), 91, und schon Fritz Ernst, Lothringen und Burgund, in: Die Welt als Geschichte 9 (1943), 7. Zum Versuch der burgundischen Hofhistoriographie (Chastellain, Molinet), die Aufgabe im nachhinein zum Sieg umzudeuten, siehe Werner Paravicini, Die zwölf Magnificences Karls des Kühnen, in: Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter, hg. v. Gerd Althoff, Stuttgart 2001 (VuF 51), 369–375. – b) Jean Bartier, Charles le Téméraire, Brüssel 1944, 234. 23 Urkunden und Acten betr. die Belagerung der Stadt Neuss am Rheine (1474–75), hg. v. Ernst Wülcker, Frankfurt/M. 1877 (Mitt. aus dem Frankfurter Stadt-Archiv – Neujahrs-Blatt des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde zu Frankfurt am Main für das Jahr 1877), 93 (n. XXI); vgl. Lange, Pulchra Nussia (wie Anm. 7), 135. Die Zusammenfassung einer bei mir angefertigten Seminararbeit „Der Neusser Krieg aus der Sicht des Frankfurter Rates und dessen Gesandter“ von Alexandra Nusser ist 2002 als Aufsatz im Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 68, 11–34, erschienen. 24 Konrad Stolles Thüringisch-Erfurtische Chronik, hg. v. Ludwig-Friedrich Hesse, Stutt-

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Die Zurückhaltung dieses scheinbar so natürlichen Bundesgenossen Frankreich aber war überdeutlich; am Niederrhein wird mancher genau das gedacht haben, was den Trierer Erzbischof zu seiner Haltung bewog und einen Kolmarer wenig später über Ludwig XI. äußern ließ: ist doch gantz keyn truwe noch glaub an dem konig von Frankrich25. Die verwirrenden diplomatischen Schachzüge dieses Enigmatikers ließen die auf Hilfe Hoffenden verzweifeln. Wer aber hatte seit seinen fünf am burgundischen Hof verbrachten Jahren so viele Erfahrungen mit Karls Ungestüm gesammelt, wer kannte ihn so gut wie er? Ludwig XI. beobachtete, spann sein Netz und wartete auf seine Stunde; das Cliché der „universelle araigne“, der allumgarnenden Spinne, so falsch ist es nicht26. – Die Belagerten fanden zwar keine direkte Hilfe an Frankreich, doch setzte sich schließlich ein Reichsheer zum Entsatz in – schwerfällige – Bewegung. Eine Hauptlast trugen dabei die Städte, allen voran Köln. Die Kölner zwar hulpen den van Nuiß uis den smertzen, wie es wenig später in einer Reimchronik heißt, doch die Ressourcen und finanziellen Möglichkeiten wurden in einer Weise überbeansprucht, daß die Stadt in der Folge lange Jahre darunter zu leiden hatte27. Köln gart 1854 (ND 1968) (Bibl. des Litterar. Vereins in Stuttgart 32), 88 f. (Von etlichen knaben, dy einen keyser und einen herczogen vnder sich gemacht hatten) [Die von R. Thiele besorgte Edition der Chronik war mir nicht zugänglich]. – Vgl. Aloys Schulte, Das Haus Burgund. Karl der Kühne. Die Belagerung von Neuß, in: Tausend Jahre deutscher Geschichte und deutscher Kultur am Rhein, hg. v. Dems., Düsseldorf 1925, 106; Sieber-Lehmann, Nationalismus (wie Anm. 11), 401; Frieder Schanze, Überlieferungsformen politischer Dichtungen im 15. und 16. Jahrhundert, in: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im Mittelalter. Erfassen, Bewahren, Verändern, hg. v. Hagen Keller u. a., München 1999 (Münstersche Mittelalter-Schriften 76), 323. 25 Zit. nach Sieber-Lehmann, Nationalismus (wie Anm. 11), 241 Anm. 443. 26 Paul Murray Kendall, Louis XI: ‚L’universelle araigne‘, Paris 1974, 65–69; Gaussin, Louis XI (wie Anm. 18), 38 ff.; Favier, Louis XI (wie Anm. 21), 16 („l’image qui colle si justement à la personnalité de Louis XI, celle d’une ‚universelle araignée‘ “). Weitere Angaben bei Heribert Müller, Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philipp des Guten von Burgund, Göttingen 1993 (SHKBAW 51), 91 f. 27 Zitat: Reimchronik über die Unruhen 1481–82, in: Die Chroniken der niederrheinischen Städte. Cöln, III (wie Anm. 5), 949 (freundl. Hinweis von H. Stehkämper [Köln]). Zur Sache grundlegend Brigitte Maria Wübbeke, Das Militärwesen der Stadt Köln im 15. Jahrhundert, Stuttgart 1991 (VSWG. Beih. 91), 267–276, 288–291, 296; vgl. Dies., Stadt Köln (wie Anm. 7), 61 ff.; Johannes Helmrath, „Köln und das Reich“. Beobachtungen zu Reichstagsakten, Reichstagen, Städtetagen, in: Geschichte in Köln 43 (1998), 28 f. Doch selbst in solcher Lage wetteiferte noch Städtestolz miteinander. Verf. darf als in Frankfurt tätiger Kölner auf eine Episode am Rande hinweisen: Am 24. April 1475 zogen über hundert kurz vor ihrer Ankunft in Köln für den Anlaß eigens neueingekleidete Frankfurter in ihren roten Uniformen unter dem Spiel von drommeten und pfiffern … durch das hercze der stat Collen. Das Volk strömte zusammen, der Frankfurter Hauptmann erstattete dem aus seinem Mittagsschlaf aufgeweckten Kaiser Meldung und erwiderte auf dessen Frage nach der auffällig guten Ausstattung seiner Leute, sie sei der k(eiserlichen) m(ajestat) vnd dem h(eiligen) r(iche) zu erenn. Solchen Auftritt der alten knecht … in iren nuwen cleydungen wollte man in Köln nicht auf sich beruhen lassen. Umfaßte das Frankfurter Kontingent schließlich 566 bzw. 602 Mann, so eskortierten Friedrich III. wenig später beim Aufbruch gegen Neuss auf Kölns Kosten 1500 Mann, einheitlich in den Stadtfarben rot-weiß gekleidet: item die stat van Coellen mit irem volk und heirwagen umbtrint 15 hondert man in einre cleidunge wis und roit: Urkunden und Acten (wie

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entfachte zudem die intensivste Propaganda, beschwor vornehmlich die anderen Städte des Reichs, alles zu tun, damit die gantze duytsche natien … nyet an vreymde herren noch tzungen en komen noch gedrongen werde28. Solcher Appell zur Abwehr des fremden Einfalls in gemeinsamer Solidarität wurde auch im ersten kaiserlichen Aufgebot vom 27. August 1474 aufgegriffen, in dem es heißt, daß das Heil. Reich und Teutsche Nation … unter frembde sprachen gezogen werden m󰀄chte, falls man sich dem Burgunder nicht widersetze29. Bereits zwei Jahrzehnte zuvor hatte gleichfalls eine Bedrohung von außen, die nach dem Fall Konstantinopels 1453 kurzfristig empfundene Türkengefahr, nationales Empfinden wie entsprechendes Vokabular befördert und dies nicht zuletzt im Gefolge der brillanten Reichstagsrhetorik des Italieners Enea Silvio Piccolomini30. Am Oberrhein brachte man zur Zeit des eigenen Kampfs gegen Karl den Kühnen, doch durchaus auch mit Blick auf den Neusser Krieg, beides zusammen: die nationale Solidarität gegen den Burgunder mit der Türkentopik, welche den Herzog nunmehr zum Türk im occident, der die cristenheit also schendt, werden ließ31. Solcher Begrifflichkeit und Metaphorik bediente man sich indes nur auf kurze Zeit, denn kaum befand sich das Reichsheer auf dem Weg nach Neuss, verschwanden sie auch schon wieder aus der städtischen Korrespondenz32. Mithin handelt es sich im Falle Kölns lediglich um ein Propagandamittel auf Zeit, um Anm. 23), 59 f. (n. 164) (Frankfurt); Koelhoffsche Chronik (wie Anm. 5), 838; danach Ennen, Geschichte (wie Anm. 7), 544 (Köln). 28 Quelle bei Wübbeke, Stadt Köln (wie Anm. 7), 52 Anm. 99; ebd. weitere einschlägige Zitate aus der kölnischen Korrespondenz. Vgl. auch Götz Landwehr, „Nation“ und „Deutsche Nation“. Entstehung und Inhaltswandel zweier Rechtsbegriffe unter besonderer Berücksichtigung norddeutscher und hansischer Quellen vornehmlich des Mittelalters, in: Aus dem Hamburger Rechtsleben. FS W. Reimers, hg. v. Heinrich Ackermann u. a., Berlin 1979, 16 f. 29 Sieber-Lehmann, Nationalismus (wie Anm. 11), 188 Anm. 143; vgl. Urkunden und Acten (wie Anm. 23), 23 (n. 19); Diemar, Entstehung (wie Anm. 7), 326 ff.; Lange, Pulchra Nussia (wie Anm. 7), 47. 30 Siehe hierzu die Kölner Habilitationsschrift von Johannes Helmrath, die in Kürze ebenso erscheinen wird wie die von ihm zusammen mit Gabriele Annas (Köln) in der „Älteren Reihe“ der „Deutschen Reichstagsakten“ besorgte Edition der Quellen zu den Türkenreichstagen von Frankfurt am Main und Wiener Neustadt 1454/55 (RTA XIX / 2,3: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 5. Abtlg./2. Teil: 1454, hg. v. J. H. [im Erscheinen]; 3. Teil: 1455, hg. v. G. A. [im Erscheinen]). 31 Sieber-Lehmann, Nationalismus (wie Anm. 11), 251–281; vgl. Ders., „Teutsche Nation“ und Eidgenossenschaft. Der Zusammenhang zwischen Türken‑ und Burgunderkriegen, in: HZ 253 (1991), 600 f. Anm. 160. Einen Teilaspekt, nämlich „Die Reaktion der Reichsstände am Bodensee auf die Belagerung von Neuss durch den Herzog von Burgund 1474/75“, behandelt ein Aufsatz von Rainer Brüning, der den Obertitel trägt „Wie ich mich in disen dingen halten solle?“ (in: Zwischen Habsburg und Burgund. Der Oberrhein als europäische Landschaft im 15. Jahrhundert, hg. v. Konrad Krimm/ R.B., Stuttgart 2003 [Oberrhein. Studien 21], 177–192). 32 Eine exemplarische, mit Einführung und Kommentar versehene Edition zweier Schreiben Kölns – ohne „nationalen Appell“ – an Straßburg vom 29. August 1474 und 25. Februar 1475 hat Brigitte Maria Wübbeke vorgelegt in: Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, II: Spätes Mittelalter und Frühe Neuzeit (1396–1794), hg. v. Joachim Deeters / Johannes Helmrath, Köln 1996, 119–128 (n. 10).

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einen mehr oder minder oberflächlichen „Anstrich nationaler Gesinnung“33, keinesfalls aber um eine grundlegende Idee, wie B. M. Wübbeke treffend konstatierte34. Und ebenso treffend wies ihr Lehrer H. Thomas darauf hin, daß auch Kaiser Friedrich III. in der Nation nur ein bei Bedarf einsetzbares Mittel sah. Vor Neuss angekommen, vermied er aus Interesse an der erstrebten Heirat seines Sohns mit der Erbtochter des Burgunders sehr wohl, sich dieses Instruments zu bedienen, das er aber nach 1477 wieder in Stellung brachte, als es galt, die burgundische Erbschaft Maximilians gegen Ansprüche des französischen Königs zu sichern35. Und wenn C. Sieber-Lehmann in seiner 1995 erschienenen magistralen Arbeit die Burgunderkriege am Oberrhein dennoch unter dem Titel „Spätmittelalterlicher Nationalismus“ abhandelte, geschah dies im Bewußtsein sowohl um die Problematik eines seit der Wende des 18. / 19. Jahrhunderts mit neuen Inhalten aufgefüllten Begriffs als auch um die Tatsache, daß vor Neuss die Beteiligten weniger National‑ als Eigeninteresse leitete. Solche Sicht bestimmt im übrigen durchgängig alle jüngeren Darstellungen, die innerhalb weitergespannter thematischer Rahmen – die letzte, ausschließlich dem Neusser Krieg gewidmete Publikation datiert aus dem „Jubiläumsjahr“ 197536 – das Ereignis am Niederrhein berühren. Die Arbeiten etwa von W. Jans33  Janssen, Die niederrheinischen Territorien (wie Anm. 3), 115. – Den ephemeren nationalen Charakter der Appelle Kölns erkannte im Prinzip schon richtig Arnold Stelzmann, Die Politik der Stadt Köln im Neußer Kriege, in: JbKGV 31/32 (1957), 116, 124, nicht ohne solchen „Egoismus statt Nationalismus“ Kölns zu mißbilligen; vgl. Anm. 102. 34 Wübbeke, Stadt Köln (wie Anm. 7), 44–53, bes. 52 f.; ebd. 44 f. Anm. 5 die neuere Spezialliteratur zum Thema (Schröcker, Nonn, Thomas). Auch die nationale Rhetorik der gegen Burgund kämpfenden Eidgenossen wurde kürzlich als ein eher „taktisches Propagandamittel seitens der Schweizer zur Aktivierung von Bündnisgenossen“ charakterisiert: Constantin Hruschka, Luy avoit Dieu troublé le sens – Karl der Kühne und der Krieg in der zeitgenössischen Chronistik, in: Der Krieg im Mittelalter und in der frühen Neuzeit: Gründe, Begründungen, Bilder, Bräuche, Recht, hg. v. Horst Brunner, Wiesbaden 1999 (Imagines Medii Aevi 3), 205; Hruschka verweist auf die Würzburger Dissertation von Gerrit Himmelsbach, Die Renaissance des Krieges. Kriegsmonographien und das Bild des Krieges in der spätmittelalterlichen Chronistik am Beispiel der Burgunderkriege, der jedoch zumindest in der gedruckten Fassung seiner Arbeit (Zürich 1999, 149 ff.) teilweise andere Akzente setzt, was auch für Rolf Sprandel gilt („Das Gespenst des Erbfeindes scheint sich zu erheben und aus den Welten des spätmittelalterlichen Nationalismus emporzutauchen“): Frankreich im Spiegel der spätmittelalterlichen Historiographie Deutschlands, in: Kultureller Austausch und Literaturgeschichte im Mittelalter/ Transferts culturels et histoire littéraire au Moyen Age, hg. v./éd. par Ingrid Kasten/ Werner Paravicini / René Pérennec, Sigmaringen 1998 (Francia. Beih. 43), 36. 35 Heinz Thomas, Deutsche Geschichte des Spätmittelalters 1250–1500, Stuttgart u. a. 1983, 484 f. Vgl. auch Eberhard Isenmann, der hierzu wie zu den Türkeneinfällen und dem Krieg gegen König Matthias Corvinus von Ungarn bemerkt: „Der Kaiser beutete dabei für lange Zeit den Umstand aus [!], daß er sich zuvor 1474 in eigener Person zugunsten von Nation und Reich nach Neuss ins Feld gegen Herzog Karl von Burgund begeben hatte“: Kaiser, Reich und deutsche Nation am Ausgang des 15. Jahrhunderts, in: Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im Mittelalter, hg. v. Joachim Ehlers, Sigmaringen 1989 (Nationes 8), 163. 36 Neuss, Burgund und das Reich (wie Anm. 7). Darin hat sich der damalige Neusser Stadtarchivar Joseph Lange noch einmal und m. W. als letzter unter Rekurs auf Aloys Schulte

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sen, E. Meuthen, P. Moraw, W. Paravicini, H. Schilling oder E. Wisplinghoff stehen exemplarisch für eine allenfalls randhafte oder gar ganz unterbleibende Erwähnung der nationalen Komponente37: Reflex fortgeschrittener Erforschung des Nationsbegriffs im deutschen Spätmittelalter, doch wohl auch der Historikerexistenz in einer bundesrepublikanischen Gesellschaft, die, seit Jahrzehnten westlich orientiert, sich bis 1989 ganz und danach immer noch überwiegend auf dem Weg nach einer in westlichen Traditionen stehenden Wertegemeinschaft Europa sah und sieht.

II. Die der Weimarer Republik dagegen sah sich, vor allem in den ersten Jahren nach einem Weltkrieg, dessen Ausgang und Folgen als ungerecht und demütigend erlitten wurden, aus der Welt expansiven Nationalstolzes wilhelminischer Prägung verstoßen in Isolation und Erniedrigung, in den Kampf um die nationale Existenz. Gerade der Besetzung des Rheinlands durch alliierte Truppen eignete Symbolkraft zwischen Schmach und Selbstbehauptung38. Vor solchem Hintergrund („größte rheinische Heldentat“) im Geist nationaler Interpretation früherer Jahrzehnte verbreitet: „Vor Neuss … wurden die Lande am Rhein für das Deutsche Reich gerettet und die Geschicke Europas für Jahrhunderte bestimmt“: Pulchra Nussia (wie Anm. 7), 9. 37 a) Siehe die zahlreichen, hier Anm. 3, 5 und 6 aufgeführten Publikationen von Wilhelm Janssen; zuletzt: Die niederrheinischen Territorien (Anm. 3) und die Kleine Rheinische Geschichte, Düsseldorf 1997, 103–159 (Spätmittelalter). – b) Erich Meuthen, Das 15. Jahrhundert, München 31996 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte 9), 49, 52. – c) Peter Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250–1490, Berlin 1985 (Propyläen Geschichte Deutschlands 3) (ND als Propyläen-Studienausgabe), 411. – d) Paravicini, Karl der Kühne (wie Anm. 9), 90 f. – e) Heinz Schilling, Vom Christenheitseuropa zum Europa der Staaten. 1250–1750, Berlin 1999 (Siedler Geschichte Europas), 146. – f) Wisplinghoff, Geschichte der Stadt Neuss (wie Anm. 7), 102–116. – g) Etwas stärker akzentuierend dagegen Karl-Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf  I. bis Friedrich III., Stuttgart u. a. 1999 (Urban Tb 452), 217 („Der militärische Einfall des Burgunders führte zu einer bis dahin kaum gekannten nationalen Erregung im Reich, die sich auch Kaiser Friedrich … zunutze machte“). 38 Hierzu allgemein Franzosen und Deutsche am Rhein 1789–1945, hg. v. Peter Hüttenberger / Hansgeorg Molitor, Essen 1989 (Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgesch. und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens 23) (Beiträge von M. Köhler, G. Brunn, J.-M. Mayeur); Franziska Wein, Deutschlands Strom – Frankreichs Grenze. Geschichte und Propaganda am Rhein 1919–1930, Essen 1992 (Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgesch. und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens 33); Das Rheinland in zwei Nachkriegszeiten 1919–1930 und 1945–1949 [Ergebnisse einer Tagung des Bundesarchivs in der Univ. Trier vom 12. bis 14. Okt. 1994], hg. v. Tilman Koops /Martin Vogt, Koblenz 1995; Janssen, Kleine Rheinische Geschichte (wie Anm. 37), 375–382; Josef Smets, Der Rhein, Deutschlands Strom, aber Frankreichs Grenze, in: JbWLG 24 (1998), 46 (dieser Beitrag greift allerdings viel weiter aus, da er von der Rheinmythologie in Frankreich und in Deutschland vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert handelt); Edgar Wolfrum, Geschichte als Waffe. Vom Kaiserreich bis zur Wiedervereinigung, Göttingen 2001 (Kleine Reihe Vandenhoeck & Ruprecht 4028), 34.

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bot die Erinnerung an den erfolgreichen Kampf des belagerten Neuss gegen einen – 1474 wie zur eigenen Zeit – aus dem Westen eindringenden Feind Anlaß zur Hoffnung; das Thema – bislang patriotisch-positivistisch behandelt (Diemar, Schmitz) – gewann neue, gesteigerte Valenz. Man möchte jenes Wort, das Karl Brandi 1919 als Vorsitzender der „Historischen Kommission für Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe und Bremen“ den Mitgliedern auf der ersten Versammlung nach dem Krieg mit auf den Weg gab, als Leitmotiv der Beschäftigung mit Neuss in jenen Jahren voranstellen: „In der Erforschung deutscher Vergangenheit, in der Pflege der Landesgeschichte könnten wir uns aufrichten vom schweren Druck der Gegenwart“39. Kein deutscher Historiker in damaliger Zeit erblickte, ungeachtet der 1474/75 wirkkräftigen städtischen und kaiserlichen Eigeninteressen, denn auch ein Problem darin, das Ereignis als Manifestation rheinischen Widerstands und nationaler Solidarität gegen einen welschen Eindringling aus Burgund zu feiern, der den seit der Herrschaft König Philipps des Schönen eingeschlagenen expansionistischaggressiven Weg Frankreichs nach Osten variierend fortsetzte40. 1474 „war für die gesamten Rheinlande die Schicksalsfrage gestellt. Denn nach dem Fall des zentral gelegenen Köln waren auch sie dem lüsternen Nachbarn rettungslos preisgegeben. Die Bedeutung und die Gefahr der Stunde wurden von den Rheinlanden sofort erkannt. Vor aller Welt erbrachten sie den Beweis, daß sie deutsch waren und deutsch bleiben wollten“. Mit des Reiches Hilfe hatte sich am Ende „Neuss … wirklich als ‚Bollwerk gegen die Welschen‘ erwiesen. … Er [der burgundische Druck] hatte … die unlösbar enge Verbindung der Rheinlande mit dem deutschen Reich vor aller Welt erhärtet. Die deutsche Gesinnung der Rheinländer, ihr unerschütterlicher Willen, am Reich festzuhalten, war über jeden Zweifel erhaben“41. Was der aus einer Elberfelder evangelisch-reformierten Pastorenfamilie 39 Zit. nach D. von Reecken, Wissenschaft, Raum und Volkstum: Historische und gegenwartsbezogene Forschung in und über „Niedersachsen“ 1910–1945 …, in: Niedersächs. Jb für Landesgesch. 68 (1996), 47. 40  Vgl. Ernst Schulin, Das Frankreichbild deutscher Historiker in der Zeit der Weimarer Republik, in: Francia 4 (1976), 661, 663, der allerdings das Mittelalter in seiner Studie unberücksichtigt läßt. Hierzu im Rückblick 1941 (der nationalsozialistischer Sympathien sicher unverdächtige) Paul E. Hübinger: „Als die deutschen Waffen nach dem Zusammenbruch von 1918 den Rhein nicht mehr schützen konnten, und Frankreich dort auf seine Besatzungsmacht gestützt, jahrhundertalte machtpolitische Absichten endlich zu verwirklichen hoffte, wurde an der geistigen Front ein Kampf weitergeführt … Die ‚Historikerschlacht um den Rhein‘ trat damals in das Stadium ihrer äußersten Heftigkeit. Das Ringen endete mit einem klaren Sieg der deutschen Wissenschaft. Es gelang ihr die Brüchigkeit, ja teilweise beschämende Ungereimtheit der Argumente zu entlarven, mit denen das französische Ausdehnungsstreben gegenüber Deutschland ideologisch unterbaut wurde; zugleich konnte dieses selbst endgültig als eine beherrschende Konstante der französischen Politik bloßgelegt werden“ (Um die Westgrenze des alten Reiches, in: Die Westmark 9 [1941/42], 65). 41 Walter Platzhoff, Vom Interregnum bis zur Französischen Revolution (1250–1789), in: Geschichte des Rheinlandes von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart, hg. v. der Gesellschaft für Rhein. Geschichtskunde, I, Essen 1922, 194 f. (1. Zitat), 197 (2. Zitat).

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stammende a. o. Professor an der Universität Bonn – später als Ordinarius und in nationalsozialistischer Zeit über ein Dezennium als Rektor der Frankfurter Universität amtierende – Walter Platzhoff 42 1922 in seinem Beitrag zur Geschichte des Rheinlandes schrieb, das gab über Konfessions‑ und Parteigrenzen hinweg die communis opinio wieder: Im Schatten des verlorenen Weltkriegs, von Versailles und Rheinlandbesetzung gedemütigt, heimgesucht von wirtschaftlicher Not, hatten die Historiker einer, wie sie glaubten, zu Unrecht bestraften Nation einen Abwehr‑ und Selbstbehauptungskampf der Feder zu führen43. Der Vorsitzende der für diese „Geschichte des Rheinlandes“ verantwortlichen „Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde“, Joseph Hansen, ein aus dem Milieu des rheinischen Katholizismus stammender, wissenschaftlich hochverdienter Kölner Stadtarchivar und in Kriegstagen Propagandist deutscher Sendung der Rheinlande44, hatte im Vorwort das Leitmotiv vorgegeben: „Die deutsche West42  Zu Platzhoff grundlegend Notker Hammerstein, Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Von der Stiftungsuniversität zur staatlichen Hochschule, I: 1914 bis 1950, Frankfurt/M. 1989, 449–462; S. auch Paul E. Hübinger, Das Historische Seminar der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn …, Bonn 1963 (Bonner Histor. Forschungen 20), 434 s. v.; Ursula Wolf, Litteris et Patriae. Das Janusgesicht der Historie, Stuttgart 1996 (Frankfurter Histor. Abhandl. 37), 513 s. v., bes. 421; Peter Schöttler, Von der rheinischen Landesgeschichte zur nazistischen Volksgeschichte oder „Die unüberhörbare Stimme des Blutes“, in: Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, hg. v. Winfried Schulze / Otto Gerhard Oexle, Frankfurt/M. 22000 (Fischer-Tb 14606), 105 Anm. 6. In den vom „Haut Commissariat de la République Française“ geführten Unterlagen über rheinische Universitätsprofessoren der Zeit heißt es zu Platzhoff in einer anläßlich der Wahl des Bonner Universitätsrektors am 1. Juli 1922 angelegten Akte, er instrumentalisiere die geschichtlichen Fakten wie alle in Preußen lehrenden Historiker: „Il est difficile d’imaginer quelque chose de plus tendacieux que l’étude du Dr. Platzhoff parue dans la Festgabe dédiée à Friedrich von Bezold … intitulée ‚La Rhénanie dans l’histoire allemande‘ “; zit. nach Wein, Deutschlands Strom (wie Anm. 38), 41 Anm. 44. In dem genannten Aufsatz „Die Stellung der Rheinlande in der deutschen Geschichte“ (304–320) handelt Platzhoff den Neusser Krieg ganz im Geiste seiner zitierten Darstellung in der „Geschichte des Rheinlandes“ ab (309 f.); der Beitrag beginnt mit der programmatischen Feststellung: „Französischerseits ist [nach dem Ersten Weltkrieg] das alte Verlangen nach der ‚natürlichen Grenze‘ im Osten erneut erhoben worden, aber bislang sind alle Versuche zu einer Losreißung der Rheinlande von Deutschland an dem Widerstand des rheinischen wie des gesamtdeutschen Volkes … gescheitert. Für die Zugehörigkeit der Rheinlande zum Deutschen Reich braucht der historische Beweis nicht geführt zu werden, sie ist über jeden Zweifel erhaben“ (304). Ähnlich die Schlußbemerkung, „des Deutschen Reiches Schicksalsland“ vermöchte sich der Umklammerung nur in fester Gemeinschaft mit diesem Reich zu erwehren: „Und darum kann die Verzahnung nicht dicht genug sein“ (320). 43 So stellte z. B. Paul Wentzcke dem zweiten Band seines „Rheinkampf “ die programmatische Erklärung voran, die darin enthaltenen Vorträge und Aufsätze seien „im Gefecht selbst entstanden. Als Kampfmittel, wie sie geschichtliche Wissenschaft bietet, waren sie gedacht, als Kampfmittel sollen sie weiterwirken … Sie wollen zugleich zeigen, wie sich der Historiker die Verbindung mit dem blutwarmen Leben zurückerobert, die jahrzehntelang verloren schien“; P. W., Rheinkampf, II: Im Kampf um Rhein und Ruhr 1919–1924, Berlin 1925, 9 f. 44 E. Kleinertz, Joseph Hansen (1862–1943), in: Joseph Hansen, Preußen und Rheinland von 1815 bis 1915. Hundert Jahre politischen Lebens am Rhein, … hg. v. Georg Mölich, Köln 1990 (Rheinprovinz 4), 273–325, bes. 309; ebd., 275 zu Hansens Bruch mit dem Katholizismus

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mark, von der wir glaubten, daß die Gefahr fremden Übergriffs auf sie für immer beseitigt sei, erscheint uns heute nicht mehr als sicherer eigener Besitz, sondern als heiß umstrittener Kampfpreis der Fremden. Wenn infolge des verlorenen Kriegs ganz Deutschland wieder der Tummelplatz fremdländischen Machtstrebens geworden ist, so muß das von den Armeen unserer Kriegsgegner besetzte Rheinland jetzt den Kelch politischer Demütigung bis zur Neige leeren, und die Unversehrtheit des nationalen Territoriums erscheint hier auf das äußerste gefährdet“. Um eben sie zu retten, soll das Werk an das Rheinland als „älteste … Stätte deutscher Kultur“ erinnern und so „der heutigen Bevölkerung einen starken Rückhalt biete(n) … Eines lehrt die Geschichte unserer rheinischen Heimat besonders eindringlich: Das Glück dieses Landes war immer dann am größten, wenn seine Einheit mit dem deutschen Vaterlande am festesten geschlossen war und in der deutschen Westmark selbst am wärmsten empfunden wurde“45. Ebenfalls 1922 erschien das erste Heft der „Rheinischen Neujahrsblätter“, herausgegeben von dem zwei Jahre zuvor im Rahmen des rheinischen Abwehrkampfs und zum Zweck der wissenschaftlichen Begründung einer Revision des Status quo an der Universität Bonn gegründeten „Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande“46. Darin ließ sich Justus Hashagen, gleich Platzhoff in Bonn habilitiert und erster Ordinarius für Mittlere und Neuere Geschichte an der neuen Universität zu Köln, über „Rheinische(n) Volkscharakter und Rheinische Geistesentwicklung“ aus, wobei er für beides trotz eines unleugbaren westlichen Einflusses starkes Eigenprofil konstatierte, dessen engen Zusammenhang mit dem deutschen Reich für ihn wiederum gerade der Neusser Krieg erwies47. in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts und seiner seitdem betont antiklerikal-nationalliberalen Einstellung. 45 Geschichte des Rheinlandes (vgl. Platzhoff: Anm. 41), V (1. Zitat), VII (2. und 3. Zitat). Rudolf Morsey wertet das Werk „als Bilanz des Forschungsstands, jedoch unter einer vom Herausgeber Joseph Hansen ausdrücklich zugegebenen politisch-pädagogischen Zielsetzung“; R. M., Die Rheinlande, Preußen und das Reich, in: RhVjbll 30 (1965), 17. Nach Franziska Wein „trat neben den auch hier nicht zu leugnenden politischen Impetus ein wissenschaftlicher“; F. W., Der Rhein in der Landesgeschichte. Deutscher Strom oder europäische Achse?, in: Westfäl. Forschungen 46 (1996), 182. 46  Hierzu Marlene Nikolay-Panter, Geschichte, Methode, Politik. Das Institut und die geschichtliche Landeskunde der Rheinlande, in: RhVjbll 60 (1996), 233–262, bes. 233–247; Wilhelm Janssen, Das Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande der Universität Bonn nach der Ära Steinbach (seit 1961), in: Landesgeschichte in Deutschland. Bestandsaufnahme – Analyse – Perspektiven, hg. v. Werner Buchholz, Paderborn u. a. 1998, 316, 321; Wein, Deutschlands Strom (wie Anm. 38), 116–121; Schöttler, Von der rheinischen Landesgeschichte (wie Anm. 42), 94. 47 Justus Hashagen, Rheinischer Volkscharakter und rheinische Geistesentwicklung, Bonn – Leipzig 1922 (Rhein. Neujahrsblätter 1); zu Hashagen vgl. Hübinger, Das Historische Seminar (wie Anm. 42), 431 s. v.; Bernd Heimbüchel, Die neue Universität. Selbstverständnis – Idee und Verwirklichung, in: Kölner Universitätsgeschichte, hg. v. der Senatskommission für die Geschichte der Univ. zu Köln, II: Das 19. und 20. Jahrhundert, Köln – Wien 1988, 498–502; Peter Borowsky, Die Philosophische Fakultät 1933 bis 1945 – Geschichtswissenschaft an der Hamburger Universität 1933 bis 1945, in: Hochschulalltag im „Dritten Reich“. Die Hamburger

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Das aber waren geradezu leise, differenzierte Töne im Vergleich zu jenem dröhnenden, auflageträchtigen Pathos, das Hermann Stegemann 1924 in seinem „Kampf um den Rhein“ entfachte. Neuss ist für ihn eine weitere Schlacht in einem seit 2000 Jahren währenden Streit zwischen Deutschen und Welschen, zwischen echtem Germanentum und einer christlichen Romanitas, die in ihrer französischen Ausprägung Rhein und Reich bedroht. Mochte auch der Armagnakenzug 1444/45 sein – angebliches – Ziel, die Ufer des Rheins, nicht erreicht haben, Frankreich „wandte … sich mitnichten vom Rheine ab … Das politische Gedächtnis der Franzosen kennt keine Verzichte“. Und deshalb, so Stegemann in ignoranter oder absichtsvoller Verkennung des französisch-burgundischen Antagonismus: „Karl VII. … ließ Burgund als Vorkämpfer welschen Wesens an den Ufern des Rheins zurück“. Wenn dieser Vorkämpfer scheiterte, dann weniger am römischen König als – wir registrieren es aufmerksam – an Volk und Stämmen: „Die Gefahr, die dem Rheine drohte, war von allen deutschen Stämmen als ein Angriff auf den Bestand des Reiches erkannt worden, und der Kampf wurde überall als ein Kampf zwischen Deutsch und Welsch aufgefaßt … Selbst die gelehrte Welt und das verträumte Volk der Dichter wurden von der Bewegung erfaßt und erhoben sich in Wort und Schrift gegen das friedlose welsche Wesen“48. Das aber taten auch Stegemanns eigene dichtende Zeitgenossen: „Was deutsch ist, soll deutsch bleiben, bei unserer Väter Gedächtnis“, kündete Hugo von Waldeyer-Hartz in seinem „Ein Spiegelbild deutscher Not im Mittelalter“ untertitelten Roman „Der Hanstein“ von 1921, in dem der Einfall des Burgunders in das Erzstift alle Fehden im Reich vergessen läßt, wie auch schon in der 1915 von Karl Schütz verfaßten Erzählung „Der Bürgermeister von Zons“ deutscher

Universität 1933–1945, II: Philosophische Fakultät/Rechts‑ und staatswissenschaftliche Fakultät, hg. v. Eckart Krause u. a., Berlin – Hamburg 1991 (Hamburger Beitr. zur Wissenschaftsgesch. 3/II), 442–446, 548–552; Ders., Justus Hashagen, ein vergessener Hamburger Historiker, in: Zs. des Vereins für Hamburg. Geschichte 84 (1998), 163–183. J. Hansen griff Hashagen 1925 wegen seiner Hervorhebung rheinischer Eigenart in dieser Schrift an und betonte, das Rheinland stehe vielmehr als erster Träger deutschen Einheitswillens geschlossen zum und im deutschen Reich; vgl. Wein, Deutschlands Strom (wie Anm. 38), 115 Anm. 74. Man mag es als beschwichtigende Reaktion des so Attackierten werten, wenn er in seiner anläßlich der „6. Gründungsfeier der Universität am 23. Mai 1925 im Eintausendjahr der Zugehörigkeit der Rheinlande zu Deutschland“ gehaltenen Kölner Rede über „Rheinisches Schicksal“ ebendieses als politische und kulturelle Zersplitterung charakterisierte, die nur überwunden wurde, wenn eine starke Zentralgewalt – ob Ottonen oder Preußen – die Wacht am Rhein hielt. Doch ähnlich hatte Hashagen sich bereits 1924 in seiner Schrift „Das Rheinland und die preußische Herrschaft“ geäußert. 48 Hermann Stegemann, Der Kampf um den Rhein. Das Stromgebiet des Rheins im Rahmen der Großen Politik und im Wandel der Kriegsgeschichte, Berlin – Leipzig 1924, 149 (1. und 2. Zitat [Hervorhebung durch den Autor]), 156 f. (3. Zitat). Vgl. Niklaus Flüeler, Der mißbrauchte Rhein. Untersuchungen zu einem problematischen Thema der Geschichte deutschfranzösischer Beziehungen, Diss. Zürich, Luzern 1966 [Teildruck], 56.

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Mannesmut den welschen Eroberer in die Schranken weist49. Sicher, um große Literatur und Literaten handelt es sich da nicht, doch stehen diese Zeugnisse, die wohl mehr über ihre eigene Zeit als das 15. Jahrhundert aussagen, für Geschmack und Erwartung eines breiten Publikums. (Ich darf an dieser Stelle aber auch auf das damalige Interesse einiger Schriftsteller von Rang an Karl dem Kühnen hinweisen. So setzten sich Werner Bergengruen 1930 und 1942 – das Datum will beachtet sein – Reinhold Schneider am Beispiel des Burgunders mit dem sittlichen Problem von Macht und Moral auseinander50. Und bereits kurz nach 1920 beschäftigte den jungen Bert Brecht der Plan eines historischen Romans „Flucht Karls des Kühnen nach der Schlacht von Murten“, den er mit der merkwürdig anmutenden Begründung aufgab, der Untergang des Temerarius habe „nicht das gehobene plateau historischer katastrofen“, und überdies ergäbe „die aneinanderreihung aller einzelbezüge“ kein „vorstellbares karakterbild“51.) Unter jener – wohlgemerkt recht dichten – „Gebrauchsliteratur“ verlangt das Werk von Werner Beumelburg gewisse Aufmerksamkeit. 1924 legte der an der Mosel geborene Weltkriegsoffizier, der nach abgebrochenem Studium der Staatswissenschaften in Köln als Journalist tätig war, unter dem Titel „Der Strom“ elf Erzählungen vor, die vom jeweiligen Stand der nationalen Sache zwischen Römerzeit und Ende des Ersten Weltkriegs – und damit auch über die Belagerung von Neuss – an Rhein und Mosel berichten52. Diese mußten ihrerseits, so 49 Hans-Joachim Lope, Karl der Kühne als literarische Gestalt. Ein themengeschichtlicher Versuch mit besonderer Berücksichtigung der französischsprachigen Literatur Belgiens im europäischen Kontext, Frankfurt/M. u. a. 1995 (Studien und Dokumente zur Geschichte der Roman. Literatur 30), 152, 151. 50 Werner Bergengruen, Herzog Karl der Kühne oder Gemüt und Schicksal. Historischer Roman, München 1930; Reinhold Schneider, Der Tod des Mächtigen. Novelle, Zürich 1946 (das Werk wurde 1942 vollendet). Vgl. Lope, Karl der Kühne (wie Anm. 49), 159–164, 174 f. 51 Brechts Romane. Materialien, hg. v. Wolfgang Jeske, Frankfurt / M. 1984, 16; Zitate bei Lope, Karl der Kühne (wie Anm. 49), 153. – Der Herzog begegnet m. W. bislang letztmals in der deutschsprachigen Literatur in „Margarete in Aix“, einem historischen Drama von Peter Hacks (1967). 52  In der – mir zugänglichen – Ausgabe Leipzig 1934 findet sich die „Belagerung von Neuß“ S. 136–162; vgl. dazu Lope, Karl der Kühne (wie Anm. 49), 154 f. Weitere Beispiele dieser „Gebrauchsliteratur“ sind aufgeführt in: Der Rhein in der Literatur, in: „Deutscher Rhein – fremder Rosse Tränke?“ Die Rheinlandbesetzung im Spiegel der Literatur [Eine Ausstellung des Instituts „Moderne im Rheinland“ an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in der Univ.‑ und Landesbibl. Düsseldorf], Düsseldorf 2001, 32–37. Der Rheinstrom spielt bekanntlich auch in den – teilweise zu ebenjener Zeit komponierten – Liedern von Willi Ostermann, der wohl wie kein zweiter kölnisches Lebensgefühl in Töne zu setzen wußte, eine zentrale Rolle; weniger bekannt aber dürfte sein, daß er dabei bisweilen auch ein Meister nationaler und nationalistischer Töne war, der Sanges‑ und Schunkelseligkeit am Rhein mit klaren Besitzfeststellungen verband: „Wir trinken auf den deutschen Strom, der Menschen fröhlich stimmt, / Stoßt an auf das, was uns gehört und was uns keiner nimmt“ (Es gibt nur einen deutschen Rhein, 1926) – „Den Rhein vergißt ein Deutscher nicht … / Denkt er voll Sehnsucht an die Heimat, den ewig Deutschen Rhein zurück“ (Sehnsucht nach dem Rhein, o. J.): Willi Ostermann in Gold. Textbuch, zusammengest. v. Reinold Louis, Köln 1996, 52, 111; vgl. auch 23 („Dä kölschen Boor en leser“).

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das Leitmotiv, „als Ströme und nicht Grenzflüsse Deutschlands gegen Römer, Neustrier, Normannen und Franzosen verteidigt werden“ – gegen die Franzosen hatte er sich übrigens schon 1921 mit seinem Erstling „Die gestohlene Lüge“ gewandt, in dem es um die von diesen wider besseres Wissen verbreitete Lüge deutscher Kriegsschuld geht und bereits der Ruf nach einem Führer für das deutsche Volk laut wird53. Beumelburg gehörte zu jener Radikalopposition im Umkreis des „Stahlhelm“, die in den zwanziger Jahren den Frontsoldatenstaat und ein künftiges Reich als höchste und letzte Instanz predigte. Der Schriftsteller war für ihn ein Soldat der Feder, der Stahlgewitter im Stil und Sinn des ihm geistig nahestehenden Ernst Jünger zu schildern hatte54. Die über 200 000 mal verkauften Bücher „Sperrfeuer um Deutschland“ und „Gruppe Bosemüller“ (1929/30) trugen Beumelburg denn auch die Gunst der Nationalsozialisten ein. Er avancierte 1933 zum jüngsten Mitglied der Sektion für Dichtung der Preußischen Akademie der Künste und alsbald zu deren faktischem Geschäftsführer, um später als Görings Protegé zu dessen offiziellem Chronisten des Zweiten Weltkriegs bestellt zu werden55. Die „Schmach am Rhein“56 schweißte zusammen, der heroische Widerstand des kleinen Neuss gegen den großen Herzog war erbauendes und einendes 53  Stefan Busch, „Und gestern, da hörte uns Deutschland“. NS-Autoren in der Bundesrepublik. Kontinuität und Diskontinuität bei Friedrich Giese, Werner Beumelburg, Eberhard Wolfgang Möller und Kurt Ziesel, Würzburg 1998 (Studien zur Literatur‑ und Kulturgesch. 13), 82–85, 99 (Zitat). 54 Werner Mittenzwei, Der Untergang einer Akademie oder die Mentalität des ewigen Deutschen. Der Einfluß der nationalkonservativen Dichter an der Preußischen Akademie der Künste 1918–1947, Berlin – Weimar 1992, 206. 55 Mittenzwei, Untergang (wie Anm. 54), 205 ff.; Inge Jens, Dichter zwischen rechts und links. Die Geschichte der Sektion für Dichtkunst an der Preußischen Akademie der Künste, Leipzig 21994, 258 f., 262; Busch, „Und gestern“ (wie Anm. 53), 105–116. 56 Der Begriff wurde auch mit Blick auf die Übergriffe von Besatzern auf Frauen im Rheinland verwendet, wobei insbesondere farbige Soldaten am Pranger standen: „Schmach am Rhein“ nannte sich eine vom „Deutschen Notbund gegen die schwarze Schmach und Bedrückung der besetzten Gebiete“ eigens zu solchem Zweck zwischen 1921 und 1926 herausgegebene Zeitschrift, die ebenso in mehrere Sprachen übersetzt wurde wie der von der „Rheinischen Frauenliga“, einem überparteilichen und überkonfessionellen Zusammenschluß, 1920 besorgte und mehrfach aufgelegte Band „Farbige Franzosen am Rhein. Ein Notschrei deutscher Frauen“. Titel wie „Die schwarze Pest in Deutschland!“, „Geschändete deutsche Frauen“ oder „Der Idsteiner Lustmord“ deuten auf eine merkwürdige Mischung von Leid und Propaganda wie Neugier und Verklemmtheit bei manchen Konsumenten dieser Art von „Literatur“. Auch Hitler wußte dies für seine Zwecke auszunutzen, wenn er in „Mein Kampf “ erklärte: „… die Verpestung durch Negerblut am Rhein im Herzen Europas entspricht ebensosehr der sadistisch-perversen Rachsucht dieses chauvinistischen Erbfeindes unseres Volkes wie der eisig kalten Überlegung der Juden, auf diesem Wege die Bastardisierung des europäischen Kontinents im Mittelpunkt zu beginnen …“ (München 361933, 704). Siehe dazu auch unter speziellem Aspekt Reiner Pommerin, „Sterilisierung der Rheinlandbastarde“. Das Schicksal einer farbigen deutschen Minderheit 1918–1937, Düsseldorf 1979, bes. 10–22. 1923 konnte man immerhin an der Medizinischen Fakultät der Tübinger Universität mit einer Arbeit „Sind die schwarzen Besatzungstruppen eine besondere gesundheitliche Gefahr für

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historisches Vorbild; ein allgemeiner, antifranzösisch inspirierter Nationalismus konnte – die Beispiele Stegemann und Beumelburg lassen es erahnen – zum Nationalsozialismus führen, mußte es aber keineswegs. Das zeigt sich an einigen Protagonisten der 1925 abgehaltenen Feiern der tausendjährigen Zugehörigkeit des Rheinlands zum Reich, die teilweise wiederum mit der des 450. Jahrestags des Abzugs der burgundischen Belagerer von Neuss verbunden waren. Diese Feiern stellten in erster Linie eine politische Willensbekundung zum Deutschtum dar, bisweilen wurden sie zu aufwendigen nationalen Demonstrationen wie die große Jahrtausendausstellung in den Kölner Messehallen57: Solch historisch fundierter bzw. verbrämter rheinischer Selbstbehauptungswille fand geschlossenen publizistischen und universitären Flankenschutz aus und in ganz Deutschland. Einer der Initiatoren, welcher die Öffentlichkeit überhaupt erst auf jenes Jahr 925 aufmerksam gemacht hatte, seit dem das Rheinland mit dem Anfall Lothringens zur Gänze und auf Dauer dem für 925 wohlgemerkt schon als existent vorausgesetzten deutschen Reich zugehörte – deutsch war es nach seiner Ansicht ohnehin bereits ein halbes Jahrtausend früher geworden –, hieß Wilhelm Levison. Er, ein jüdischer Patriot, der menschliche Noblesse mit hoher Reputation monumen-

das deutsche Volk?“ den Doktorgrad erwerben. Nachweis der Schriften bei Georg Reismüller/ Josef Hofmann, Zehn Jahre Rheinlandbesetzung. Beschreibendes Verzeichnis des Schrifttums über die Westfragen mit Einschluß des Saargebietes und Eupen-Malmedys. Die selbständig erschienenen Schriften, Breslau 1929, n. 1050, 1030–35a, 1037, 1038, 1046, 1049. – Allgemein zur Thematik jetzt Christian Koller, „Von Wilden aller Rassen niedergemetzelt“. Die Diskussion um die Verwendung von Kolonialtruppen in Europa zwischen Rassismus, Kolonial‑ und Militärpolitik (1914–1930), Stuttgart 2001 (Beitr. zur Kolonial‑ und Überseegesch. 82); vgl. auch Die farbigen Truppen, in: „Deutscher Rhein – fremder Rosse Tränke?“ (wie Anm. 52), 21. 57 Wein, Deutschlands Strom (wie Anm. 38), 123–142 (Die Rheinische Jahrtausendfeier 1925); danach Tilman Koops, Die rheinische Tausendjahrfeier 1925, in: Das Rheinland in zwei Nachkriegszeiten (wie Anm. 38), 91–102, bes. 98 f. Anm. 38; Horst Matzerath, „Das Tor zum Westen“. Die Rolle Kölns in der Expansionspolitik des Dritten Reiches, in: Köln und die Niederlande in ihren historischen Raumbeziehungen (15.–20. Jahrhundert), hg. v. Dieter Geuenich, Köln 2000 (Veröffentl. des Histor. Vereins für den Niederrhein 17), 418; Die Jahrtausendfeiern, in: „Deutscher Rhein – fremder Rosse Tränke?“ (wie Anm. 52), 28 ff.; Rüdiger Haude, „Kaiseridee“ oder „Schicksalsgemeinschaft“. Geschichtspolitik beim Projekt „Aachener Krönungsausstellung 1915“ und bei der „Jahrtausendausstellung 1925“, Aachen 2000 (ZAGV. Beih. 6). Bezeichnenderweise wurde im selben Jahr auch der Verein für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande gegründet, der nicht nur die Arbeit des fünf Jahre zuvor ins Leben gerufenen Bonner Instituts gleichen Namens, sondern generell die rheinische Heimatbewegung fördern wollte; hierzu jüngst Marlene Nikolay-Panter, Der Verein für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande. Gründung und frühe Jahre, in: RhVjbll 65 (2001), 374–395. 1925 erschien zudem eine von R. Wenz besorgte Anthologie „Tausend Jahre rheinischer Dichtung“. Hinzuweisen bleibt auf einen Sammelband, der die am 26./27. April 2001 auf dem 5. Interdisziplinären Kolloquium des Arbeitskreises zur Erforschung der Moderne im Rheinland gehaltenen Referate zum Thema „Rheinlandbesetzung und Jahrtausendfeiern. Das Rheinland 1919 bis 1925“ enthalten wird; vgl. die Anzeige von G. Müller, in: Geschichte im Westen 16 (2001), 253 f.

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tageprägter Gelehrsamkeit vereinte, wurde schon im nächsten Jahrzehnt von den Nazis aus seiner rheinischen Heimat vertrieben58. An seiner Seite wußte der Jude Levison 1925 mit dem Bonner Kollegen Aloys Schulte einen westfälischen Katholiken, der in jenem Jahr seiner eigenen Emeritierung unter größtem Zeitdruck, doch – so Schulte selbst – in Aufnahme der Monumenta-Devise „Die heilige Liebe zum Vaterlande verleiht Mut und Kraft“ ein umfängliches Sammelwerk „Tausend Jahre deutscher Geschichte und Kultur am Rhein“ herausgab und zum größten Teil selbst verfaßte. Damit wollte er – im übrigen kenntnisreich und in überraschend moderatem Ton – Lesern in Deutschland wie im Ausland zeigen, wie tief und fest das Rheinland seit einem Millennium im Reich verwurzelt war, „damit auch diese unsere Geschichte und damit unser Recht erkennen“. Das Ereignis von 1474/75 fügt sich für ihn ganz und gar in solchen Rahmen: „Es wurde ein Kampf um den Verbleib des Stiftes im Rahmen des Reiches oder um sein Aufgehen in Großburgund, um die Herrschaft am Niederrhein überhaupt“. Am Ende hat „Neuß … dem Deutschen Reiche den Niederrhein gerettet“, wobei einmal der „deutsche Rhein“ seinerseits die Stadt rettete, als er mit seinem Hochwasser den Belagerten half, wie Schulte darlegte. Er, der sich im Ersten Weltkrieg entschieden für die deutsche Seite exponiert und von dem Waffengang im Inneren ein Einebnen der konfessionellen Gegensätze erhofft hatte, der seit 1918 Sicht und Ziele französischer Rheinpublizistik zu widerlegen gesucht hatte, steht auch mit am Anfang des Bonner Instituts für geschichtliche Landeskunde59. 58 Wilhelm Levison, Der Sinn der rheinischen Tausendjahrfeier 925–1925, in: Elsaß-Lothring. Jb 4 (1925), 1–34 [sep. Bonn – Leipzig 1925]; ND in: Ders., Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit. Ausgewählte Aufsätze, Düsseldorf 1948, 172–201. Eine vorzügliche biographische Skizze zum 100. Geburtstag des Gelehrten verfaßte dessen Schüler Theodor Schieffer, in: RhVjbll 40 (1976), 225–242, 232 zur politischen Position Levisons in den zwanziger Jahren. Siehe auch Paul E. Hübinger, Wilhelm Levison (1876–1947), in: Rheinische Lebensbilder, VII, hg. im Auftrag der Gesellschaft für Rhein. Geschichtskunde v. Bernhard Poll, Köln 1977, 227–252; Rudolf Schieffer, Der Mediävist Wilhelm Levison (1876–1947), in: Vertreibung jüdischer Künstler und Wissenschaftler aus Düsseldorf 1933–1945, hg. v. Kurt Düwell u. a., Düsseldorf 1998, 165–175; Hans-Peter Höpfner, Die vertriebenen Hochschullehrer der Universität Bonn 1933–1945, in: Opfer des nationalsozialistischen Unrechts an der Universität Bonn …, hg. v. Klaus Borchard, Bonn 1999 (Alma Mater 88), 64; vgl. allgemein ebd. Klaus Hildebrand, Universitäten im „Dritten Reich“ – Eine historische Betrachtung, 25–35. Zu Levison als „Entdecker“ des Jahres 925 – wenig später machte ihm Paul Wentzcke dies streitig (Ruhrkampf, II, Berlin 1932, 475) – siehe neben Theodor Schieffer auch Max Braubach, Aloys Schulte und die rheinische Geschichte, in: RhVjbll 22 (1957), 26 f.; Hübinger, Die „Anfänge der französischen Ausdehnungspolitik“ im Licht von Verfassungsstruktur und Staatsidee des mittelalterlichen Deutschland und Frankreich [Vortrag Bonn 1985], in: Ders, Ausgewählte Aufsätze und Vorträge, hg. v. Magnus Ditsche/Raymund Kottje, Siegburg 1990, 223; Koops, Rheinische Tausendjahrfeier (wie Anm. 57), 93. 59 Tausend Jahre (wie Anm. 24), Vorwort (1. und 2. Zitat), 104 (3. Zitat), 105 (4. Zitat). Zu Schulte vgl. Braubach, Aloys Schulte (wie Anm. 58), 1–30, bes. 27 f.; s. auch Ders., Aloys Schulte – Kämpfe und Ziele, in: HJb 78 (1959), 82–109; Ders., Aloys Schulte 1857–1941, in: Bonner Gelehrte. Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. Geschichtswissenschaf-

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Daß der Rhein Deutschlands Strom und nicht Grenze sei, dies war in der Tradition eines Ernst Moritz Arndt das damalige Credo aller bürgerlich-nationalen Historiker, die sich 1925 nicht nur in Bonn60, sondern beispielsweise ebenso in Frankfurt, an dessen junger Universität das Institut der Elsaß-Lothringer im Reich seine Heimstatt gefunden hatte, in Heidelberg, Mannheim, München, Münster, Berlin, Halle-Wittenberg, Graz oder Königsberg zu Vorlesungsreihen, Vorträgen und Publikationen zusammenfanden, während Rheinische Vereine bis nach Schleswig und Danzig Jahrtausendfeiern abhielten61. Nur auf Frankfurt (wo der im Oktober 1924 zusammengetretene Deutsche Historikertag einhellig gegen die französische Rheinlandbesetzung protestiert hatte) und Halle-Wittenberg sei hier kurz und exemplarisch eingegangen. Unter dem Titel „Die französische Ausdehnungspolitik von 1250 bis zur Gegenwart“ handelte der inzwischen an den Main berufene Walter Platzhoff auch von Burgund als einem „vorwiegend romanischen Staate“, den Karl der Kühne zu einem erneuerten Zwischenreich Lotharingien unter Einschluß des Rheinlands auszuweiten gedachte. Siegte er im Kurfürstentum Köln, „so war das gesamte Rheinland für Deutschland verloren. Diese Gefahr wurde auch im Reich erkannt. Karls Unternehmen rief in der öffentlichen Meinung eine lange nicht dagewesene und steigende nationale Erregung wach …“62. Ein knappes Jahrzehnt später sollte ten (150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 1818–1968), Bonn 1968, 299–310; Hübinger, Das Historische Seminar (wie Anm. 42), 435 s. v.; Wein, Der Rhein in der Landesgeschichte (wie Anm. 45), 179 ff.; Nikolay-Panter, Verein (wie Anm. 57), 374. Recht treffend dürfte der am 20. Juni 1920 von dem französischen Delegierten in der Interalliierten Rheinlandkommission, Oberst Gelin, gemachte Aktenvermerk sein: „Le Professeur Dr. Alois Schulte est connu depuis longtemps comme un catholique convaincu et un nationaliste ardent … Cependant le Professeur Schulte s’abstient de faire la politique militante“; zit. nach Wein, Deutschlands Strom (wie Anm. 38), 41 Anm. 44. 60 Die Festrede hielt Aloys Schulte; sie erschien noch im selben Jahr als Separatum unter dem Titel „Grundzüge der Geschichte der Rheinprovinz 925–1925“. Im Vorfeld der Jahrtausendfeier versuchte sich übrigens der Bonner Schulte-Schüler Max Braubach mit einem Stück „Kanzler Brun“ erfolglos als mediävistischer Theaterautor; s. Wein, Deutschlands Strom (wie Anm. 38), 129 Anm. 16. 61 Belege für Heidelberg (Vorlesungsreihe „Der deutsche Rhein“), Mannheim (Rede von Walther Tuckermann an der Handelshochschule), München (Rede von Hermann Oncken), Münster und Graz (Reden von Aloys Schulte), Berlin (Rede von Erich Marcks), Königsberg (Dem deutschen Rhein. Ostlandstimmen aus drei Jahrhunderten. Im Auftrage des Hochschulringes Deutscher Art an der Albertus-Universität zu Königsberg, Pr. gesammelt und hg. v. F. Neumann, Königsberg 1925): Reismüller/Hofmann, Rheinlandbesetzung (wie Anm. 56), n. 478, 497, 489, 486, 465; Feiern in Danzig und Schleswig: ebd., n. 539, 541; Reden von Schulte: Braubach, Aloys Schulte (wie Anm. 58), 28. Zur selben Zeit mahnte Gräfin Pauline Montgelas, Tochter des österreichischen Botschafters in Paris, in ihrem Buch „Von Frankreichs Seele und Form. Der Kampf um den Rhein“, Charlottenburg 1925, zur Zurückhaltung gegenüber den Franzosen; der Rhein und seine tausendjährige Geschichte solle ein Maßstab dafür sein, wie wir in Gesinnung, Haltung und Wertung zunächst uns selbst als Deutsche suchen und behaupten: Reismüller / Hofmann, n. 488. 62 In: Rudolf Kautzsch u.  a., Frankreich und der Rhein. Beiträge zur Geschichte und geistigen Kultur des Rheinlands, Frankfurt/M. 1925, 42–70; Zitate 45. Zur Protestresolution

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Platzhoff sich mit Erfolg für den 1925 noch als Stadtarchivar in Düsseldorf tätigen Paul Wentzcke als neuen Leiter des Elsaß-Lothringen-Instituts verwenden, der seit 1919 ohne Unterlaß als Historiker, Publizist und Redner in Sachen Kampf an Rhein und Ruhr wirkte und dabei auch von Neuss in geläufigen Begriffen und Bildern handelte. (Neu und makaber war jedoch, wenn er im Zusammenhang mit nach Osten gerichteten französischen und burgundischen Unternehmungen des 15. Jahrhunderts bemerkte: „Mit leichter Mühe überrannten sie das Vorflutgelände der Reichsromanen“63.) Ausschließlich auf Frankreich gerichtet war der Blick des damals in Halle lehrenden, persönlich und wissenschaftlich aber zwischen 1874 und 1913 ganz in Straßburg und von dessen Universität geprägten Robert Holtzmann, der, selbst eigentlich ein vorzüglicher Kenner des mittelalterlichen Frankreich64, in seinem Überblick „Aus der Geschichte des Rheingebiets“ doch nur eine einzige Leitidee beim Nachbarn in bruchloser Kontinuität bis in die eigene Gegenwart erkennen konnte: Deutschland zum abhängigen Gebilde eines französischen Großreichs zu machen, dies beherrscht „seit über tausend Jahren die französische Phantasie und seit über sechshundert Jahren die französische Politik“. Solcher Expansionsdrang erklärt sich für ihn schlicht „aus der Mentalität (geistigen Beschaffenheit) des französischen Volks, die so alt ist, wie es selbst, und vermutlich auch so lange dauern wird, als es Franzosen gibt“. Und deren Wille ist nach 1918 einmal mehr Wirklichkeit geworden: „Wieder sitzen am Rhein, zu beiden Seiten des Stroms, die Franzosen … Mit dem Strom aber ist Deutschland selbst in die französische des Historikertags in Frankfurt, in der auch der Versailler Vertrag für ungültig erklärt wurde, siehe Ingo Haar, Historiker im Nationalsozialismus. Deutsche Geschichtswissenschaft und der „Volkstumskampf “ im Osten, Göttingen 2000 (Krit. Studien zur Geschichtswissenschaft 143), 37. 63 Im ersten Band seines Hauptwerks „Rheinkampf “ (vgl. Anm. 43) ging er auf den Neusser Krieg ein (150 f.), das Zitat ebd., 346 [Hervorhebung durch den Autor]. 1925 erschien von ihm auch eine kleinere, wohl aus einem Vortragstext hervorgegangene populäre Schrift „Tausend Jahre Rheinland im Reich“. – Zu Wentzcke in Frankfurt: Hammerstein, Johann Wolfgang Goethe-Universität (wie Anm. 42), 401 ff.; Eine höhere Form des Plünderns. Der Abschlußbericht der „Gruppe Archivwesen“ der deutschen Militärverwaltung in Frankreich 1940–1944, eingel. v. Karl-Heinz Roth, in: 1999. Zs. für Sozialgesch. des 20. und 21. Jhs. 4 (1989), 90. 64 Erinnert sei nur an seine Dissertation über „Wilhelm von Nogaret. Rat und Großsiegelbewahrer Philipps des Schönen von Frankreich“ (1898) und an seine „Französische Verfassungsgeschichte. Von der Mitte des 9. Jahrhunderts bis zur Revolution“ (1910; ND 1965). H. Sproemberg vermerkt in seinem Nachruf auf Holtzmann, dieser habe bis an sein Lebensende den Plan einer französischen Geschichte verfolgt: HZ 170 (1950), 449. Von der tiefen Verbundenheit des Gelehrten mit seiner früheren Alma Mater zeugt u. a. sein Artikel in der Wochenschrift für deutschstämmige Amerikaner „Die Neue Zeit“: „Eine erhabene Werkstatt des Geistes, von der Leben und Wärme über Deutschland und alle Völker der Erde strahlte, ist untergegangen. Ist sie damit tot und begraben? Es fällt schwer, im Augenblick von deutschen Hoffnungen zu sprechen. Aber wir vertrauen, dass das, was aus Geist geboren war und als Geist gewirkt hat, niemals untergehen kann …“. Es „wird seine lebendige Kraft bewahren, wenn die Orgien des militärischen Gewaltregiments, dessen Zeugen heute der Rhein und die Ruhr sind, [sich] längst ausgetobt haben“ (Ausgabe vom 30. August 1924, 6).

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Abhängigkeit gegeben“. Denn nach Holtzmann gilt seit römischen Tagen ein ehernes Gesetz: „Wer das linke Ufer des Rheins hat, kann auf das rechte nicht verzichten“65. Selbstredend, und hierin stimmte – nochmals und nachdrücklich sei es betont – die bürgerlich-nationale Welt Deutschlands völlig überein, galt es solches Unrecht zu revidieren, was natürlich ein wieder deutsches Elsaß einschloß. Nein, auch ein Außenseiter stimmte in diesen Chor mit ein: „Denn darüber muß man sich endlich vollständig klar werden: Der unerbittliche Todfeind des deutschen Volkes ist und bleibt Frankreich. Ganz gleich, wer in Frankreich regierte oder regieren wird, ob Bourbonen oder Jakobiner, Napoleoniden oder bürgerliche Demokraten, klerikale Republikaner oder rote Bolschewisten: das Schlußziel ihrer außenpolitischen Tätigkeit wird immer der Wunsch einer Besitzergreifung der Rheingrenze sein und einer Sicherung dieses Stromes für Frankreich durch ein aufgelöstes und zertrümmertes Deutschland“: Adolf Hitler, „Mein Kampf “, zweiter Band, geschrieben 1925/2666. Wie aber solch tödlicher Gefahr begegnen? Fast eine direkte Antwort meint man jener gereimten Bilderfolge entnehmen zu können, die der Bonner Philosoph Adolf Dyroff für die in Neuss 1925 abgehaltenen 450-Jahrfeiern zum Ende der burgundischen Belagerung erstellte: „Drum, rheinisch Volk, erheb’ dein Haupt. / Nur der zwingt Not, der an sich glaubt“. Eben deswegen konnten die Neusser „Hunger, Durst und Plagen / Und arges Herzeleid ertragen“, um „Von welschem Zwang und welschen Ketten / Des Reiches Westmark zu erretten“. Schluß‑ und Höhepunkt des Ganzen waren dann die „Gott mit uns“-Verse: „Im Streite zur Seite/Ist Gott uns gestanden./Er wollte, es sollte/Das Recht siegreich sein. / Da ward, schlimm begonnen, / Der Kampf doch gewonnen. / Du Gott warst ja mit uns, / Der Sieg, er war Dein“. Darauf kam es dem Autor an, darum ordnete er für die Aufführung an: „Die ganze Strophe wiederholen. Erneutes Glockengeläute. Schluß“67. Ein in Neuss gebürtiger Studienrat und Privatdozent der Geschichte übergab in gleicher Absicht eine umfängliche Darstellung der Belagerung von Neuss durch Karl den Kühnen den Schülern seiner Stadt 1925: Es möge, so Gerhard Kallen, der noch im selben Jahr eine Professur in Münster erhalten und 1927 die Nachfolge Hashagens als Ordinarius an der Kölner Universität antreten und über 65 Robert Holtzmann, Aus der Geschichte des Rheingebiets. Germanen und Deutsche, Römer und Franzosen am Rhein, in: Der Deutsche und das Rheingebiet. Von Gustav Aubin u. a. Professoren der Universität Halle-Wittenberg, Halle/S. 1926, 89–132; Zitate 129 (1. und 3. Zitat), 98 (2. Zitat), 91 (4. Zitat). 66 Zit. nach der Ausgabe München 361933, 699. Vgl. Peter Schöttler, Die historische „Westforschung“ zwischen „Abwehrkampf “ und territoritaler Offensive, in: Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft, hg. v. P. Sch., Frankfurt/M. 21999 (suhrkamp tb wissenschaft 1333), 219. 67 Adolf Dyroff, Die Neusser Not und ihr Ende. Bilder aus der Belagerung der Stadt Neuss 1474/75, Neuss 1925, 3 (1. Zitat), 11 (2. und 3. Zitat), 12 (4. Zitat).

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drei Jahrzehnte erheblichen Einfluß in der rheinischen Geschichtswissenschaft ausüben sollte, „das Vorbild der Väter die Jungen begeistern, es ihnen gleichzutun an Gemeinsinn, Opfergeist und zuversichtlichem Mut; es möge sie leiten zu der Einsicht, daß gemeinsame Not nur gemeinsam überwunden werden kann“68. Kein Zweifel, Kallen verstand sich gut darauf, den Ablauf des Ereignisses ebenso kenntnisreich wie anschaulich auf 66 Seiten darzustellen und es im nächsten Jahr in einer gleichfalls für ein breiteres Publikum bestimmten Studie stärker in den Rahmen der damaligen deutschen und europäischen Politik zu stellen69. Wenn er in seiner abschließenden Bewertung das nationale Echo auf die Bedrohung durch Karl den Kühnen hervorhob, zugleich aber auch die zwar nicht national, sondern durch eigene Hausmachtinteressen im niederländischen Raum motivierte Schutzschildfunktion des Burgunderben Habsburg für das Reich nach 1477 betonte, und wenn er vor allem die heroische Anstrengung seiner Heimatstadt rühmte, die „das Reich vor dem Verlust ältester, wertvollster deutscher Kernlande bewahrt“ und „den mit größten Mitteln und allem Nachdruck unternommenen Versuch vereitelt“ habe, „die Masse der burgundischen Länder in einem Mittelstaat zwischen Frankreich und Deutschland zusammenzufassen, den Rhein zu einem burgundischen Strom zu machen“70, dann lag der bei seiner Berufung an die Kölner Universität dem Zentrum zugerechnete Kallen mit solcher Interpretation ganz und gar im Rahmen dessen, was man als lediglich von einigen Separatisten und Autonomisten bestrittenen und auch durch intensive französische Kulturpropaganda71 nie ernsthaft gefährdeten Rheinlandkonsens in einer ansonsten vielfach innerlich zerrissenen Weimarer Republik bezeichnen möchte. 68 Gerhard Kallen, Die Belagerung von Neuss durch Karl den Kühnen 29. Juli 1474– 5. Juni 1475, Neuss 1925, V. Auch Kallen muß mit seinen Schülern an den damaligen Neusser Theateraufführungen beteiligt gewesen sein; vgl. U. Lewald, Gerhard Kallen, in: RhVjbll 37 (1973), XIV. – Kallens weiterer Werdegang wird in dieser Studie an späterer Stelle zu erörtern sein; grundsätzlich ist hierfür aber auf Klaus Pabst, „Blut und Boden auf Rheinische Art“. Gerhard Kallen, der Nationalsozialismus und der ‚Westraum‘, in: Griff nach dem Westen. Die „Westforschung“ der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum (1919–1960), hg. v. Burkhard Dietz u. a., Münster u. a. 2003 (Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas 6), 945–978, hinzuweisen. 69 Gerhard Kallen, Die Belagerung von Neuß durch Karl den Kühnen im Rahmen der deutschen und europäischen Politik. 29. Juli 1474 bis 5. Juni 1475, in: Neuss am Rhein, bearb. und hg. im Auftrag der Stadtverwaltung von Gottfried Entner, Düsseldorf 1926, 27–40; ebenfalls in: Westdeutsche Monatshefte 1 (1925), 523–548. 70 Kallen, Belagerung (1925) (wie Anm. 68), 60 [Hervorhebung durch den Autor]. 71 Grundlegend Wein, Deutschlands Strom (wie Anm. 38), 25–89; vgl. auch Ingrid Voss / Jürgen Voss, Die „Revue Rhénane“ als Instrument der französischen Kulturpolitik am Rhein (1920–1930), in: AKG 64 (1984), 403–451; G. Brunn, Französische Kulturpolitik in den Rheinlanden nach 1918 und die Wiesbadener Kunstausstellung des Jahres 1921, in: Franzosen und Deutsche (wie Anm. 38), 219–249; W. Kreutz, Französische Rheintheorie und französische Kulturpolitik im besetzten Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg, in: Das Rheinland in zwei Nachkriegszeiten (wie Anm. 38), 19–37; Die französische Kulturpropaganda, in: „Deutscher Rhein – fremder Rosse Tränke?“ (wie Anm. 52), 24 f.

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Zur Befestigung solchen Konsenses, zu dem noch der ebenfalls einige Zeit als Studienrat in Neuss tätige Ludwig Mathar, ein katholisch-konservativer Heimatschriftsteller, 1924 mit der Erzählung „Der Held“ beigetragen hatte72, bot sich 1927 weitere Gelegenheit. „Im Januar vor 450 Jahren hat Karl der Kühne von Burgund vor Nancy den Soldatentod gefunden. Für das gesamte Rheingebiet bedeutet sein Untergang die Befreiung von einem ungeheuren Alp. Der Erinnerung an jene Schicksalsstunde der Rheinlande ist das vorliegende Heft gewidmet“. Die Redaktion, die diese Bemerkung der Februar / März-Nummer der in Koblenz erscheinenden „Rheinische(n) Heimatblätter“ voranstellte, veröffentlichte insgesamt acht Aufsätze zum Thema, wobei die Aufmerksamkeit mehr noch als dem Neusser Krieg den Ereignissen am Oberrhein und bei den Eidgenossen galt. Geradezu auffällig ist der im Vergleich zu manchen der bislang zitierten Beiträge meist sachlich-informative Ton der Artikel. Das mag teilweise mit der recht speziellen Thematik einiger Studien zusammenhängen, teilweise mit der Beteiligung von Schweizer Historikern (die sich bei dieser Gelegenheit wegen des faktischen Abgangs der Eidgenossen aus dem Reichsverband nach den Burgunderkriegen glaubten rechtfertigen zu müssen und dies mit Hinweis auf die rücksichtslose Hausmachtpolitik Habsburgs taten), schließlich und vor allem aber mag sich darin die damalige Phase zeitweiliger Konsolidierung der Weimarer Republik spiegeln, mit der die Räumung des Ruhrgebiets durch die Alliierten und deren beginnender Rückzug aus dem Rheinland einhergingen. Auf zwei Artikel sei etwas näher eingegangen. In seinem eigentlich auf die Schweiz konzentrierten Kurzbeitrag resümiert Hektor Ammann: „Das deutsche Land an der Westgrenze wurde durch diesen Ausgang der Burgunderkriege davor bewahrt, in einem deutsch-französischen Mischreich unter französischer Führung aufzugehen“73. Der germanophile und früh zumindest partiell mit den Nationalsozialisten sympathisierende Ammann74 bringt auf den Punkt, was die meisten seiner deutschen Kollegen sicherlich auch dachten und schrieben, aber derart vereinfachend-zugespitzt selten formulierten: Letztlich ist das aus der Krone Frankreichs erwachsene Burgund der Valoisherzöge, trotz seines Aus72  Diese im Januar 1924 in den „Düsseldorfer Nachrichten“ erschienene „Erzählung aus der Zeit der Belagerung der Stadt Neuss“ ist bei Lope, Karl der Kühne (wie Anm. 49), 167 Anm. 43, verzeichnet, fehlt aber im Werkverzeichnis des Bands Ludwig Mathar 1882–1958. Ein Querschnitt durch sein Werk, hg. v. Freundeskreis L. M., Monschau 1982. Darin ist aber die um dieselbe Thematik kreisende Erzählung „Das Mädchen von Neuß“ (1937) wiederabgedruckt (252–258; 252: „ ‚Der Burgunder‘ bläst Anneken verächtlich ein Lüftchen fort, ‚laß ihn nur kommen! Der Hessenheld jagt ihn, daß er das Wiederkommen vergißt!‘ “; 253: „ ‚Was sollen da die Weiber?‘, schnaubt Cornel, ‚die welschen Jüngelchen hol’ ich mir zum Tanz‘ “). Zuletzt zu Mathar: Kölner Autoren-Lexikon 1750–2000, I, bearb. v. Enno Stahl, Köln 2000, 160 f. 73 Die Bedeutung der Burgunderkriege für die Schweiz, in: Rhein. Heimatblätter, Febr. / März 1927, 58. 74 Christian Simon, Hektor Ammann – Neutralität, Germanophilie und Geschichte, in: Intellektuelle von rechts. Ideologie und Politik in der Schweiz 1918–1939, hg. v. Aram Mattioli, Zürich 1995, 29–53; vgl. auch Haar, Historiker (wie Anm. 62), 428 s. v. „Ammann, Hektor“.

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griffs in die Niederlande und seiner Versuche, am Rhein Fuß zu fassen, trotz all seiner Spannungen und Waffengänge mit den Valoiskönigen, doch ein französisch dominiertes Gebilde und damit eben nur eine spezifische Ausformung des aggressiv-expansionistischen, zum Rhein drängenden Frankreich (zu dem übrigens zur Zeit Ammanns auch andere, die Eidgenossenschaft in ihrem Wesen als eigentlich „kerndeutsches Staatsgefüge“ definierende Schweizer Historiker in kritischer Distanz standen). Überlegungen zum Eigenprofil dieses Herzogtums, wie sie etwa ein Johan Huizinga 1932/33 unter dem Aspekt einer „Krise des romanischgermanischen Verhältnisses“ anstellte, waren da eigentlich überflüssig75. Und es läßt zum zweiten ein Aufsatz „Die geschichtliche Stellung Lothringens“ von Franz Steinbach aufmerken, der sich übrigens noch in den fünfziger Jahren nachdrücklich für den 1945 wegen seiner politischen Einstellung aus dem Aargauer Kantonsdienst entlassenen Ammann verwenden sollte76. Der Beitrag erschien unter einer Sonderrubrik der „Rheinischen Heimatblätter“, den „Mitteilungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde an der Universität Bonn“, die von ebendiesem, 1926 ebendort mit seinen „Studien zur westdeutschen Stammes‑ und Volksgeschichte“ habilitierten Autor verantwortet wurden77. Steinbach hatte schon kurz zuvor im Jubiläumsjahr 1925 in einer umfänglichen Studie „Schicksalsfragen der rheinischen Geschichte“78 keinen Zweifel daran gelassen, was ihm zentrales Anliegen war: Volk und Volkstumskampf. Die Schicksalsfragen – Burgund am Rhein bedeutete ihm dabei nur ein „Zwischenspiel“79 – lassen sich letztlich allesamt einem einzigen, „auf den ersten Blick trivial erscheinenden Problem unterordnen, dem Kampf des Deutschtums und Welschtums um ihre Grenzen“, wobei „Deutschland unveräußerlichen Anspruch auf die ganzen Rheinlande“ hat, „weil deutsches Volkstum unversehrt bis weit über das Rheintal hinaus sich ge75 a) Zum Komplex Schweiz-Frankreich s. etwa Hans von Berlepsch-Valendas, Kämpfe der Schweiz mit Karl dem Kühnen, Jena 1926 (Deutsche Volkheit), für den die Gegner Burgunds, d. h. die den späteren Kampf um den Rhein vorwegnehmenden Männer wie Nikolaus von Diesbach „trotz ihrer unbestreitbaren Größe gezeichnet [bleiben] als Nehmer französischen Goldes und französischer Ehren. Ihr Verhalten hat den Eidgenossen in dieser Hinsicht verhängnisvoll die Richtung gewiesen“ (75; vgl. 77 f.). – b) Johan Huizinga, Burgund. Eine Krise des romanisch-germanischen Verhältnisses, Tübingen 1932 (NDD 1952/67). 76 Ammann erhielt 1958 den Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Saarbrücken, 1960 wurde er Direktor des Instituts für Landeskunde der Saarlande; vgl. Simon, Hektor Ammann (wie Anm. 74), 41 f. 77 Rhein. Heimatblätter, Febr./März 1927, 76–80; ebenfalls in: Geschichtl. Landeskunde 2 (1927), 13–27. Trotz etwas weiteren Ausholens an dieser Stelle werden hier und im Folgenden nur einige Aspekte von Leben und Werk Steinbachs berücksichtigt. 78 In: Der Rhein in Vergangenheit und Gegenwart …, bearb. und hg. v. Otto Brües, Stuttgart u. a. 1925, 107–178. 79 Es heißt dazu lediglich: „Das Schicksal der dazwischenliegenden Gebiete schien sich erfüllen zu wollen, als Karl im Jahre 1474 mit einer starken Armee vor der kurkölnischen Stadt Neuß erschien. Aber hier stieß er auf entschlossenen Widerstand der Bürgerschaft, und angesichts der offensichtlichen Gefahr für den ganzen Rhein entstand im Reiche eine starke nationale Bewegung“ (Schicksalsfragen [wie Anm. 78], 159).

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schlossen erstreckt. Auch wenn der Rhein ein seichtes Gewässer im Wüstensand wäre, bliebe es schwarze Sünde wider das deutsche Volkstum, wenn wir die Menschen an seinen Ufern den Welschen auslieferten“80. Stärker als die „Schicksalsfragen“ läßt besagte – Neuss zwar nicht erwähnende, aber für das Verständnis eines noch zu besprechenden Aufsatzes von Steinbach zu ebendiesem Thema aus dem Jahr 1950 prinzipiell aufschlußreiche – Abhandlung über Lothringens geschichtliche Stellung die in der jüngeren Forschung vielerörterten innovatorischen Ansätze des Verfassers erkennen, die etwa geographische Gegebenheiten oder Haus‑ und Dorfformen in Lothringen, doch ebenso rassenkundliche Beobachtungen einschließen81. Sein Mittelalter und Neuzeit umfassender konziser Überblick vermag durchaus zu imponieren; wenn Lothringen als „Kampfzone zweier gegensätzlicher Kulturen“ definiert wird, möchte man das noch als Nachhall einer in den frühen zwanziger Jahren üblichen Diktion abtun. Doch dann der Schluß mit Überlegungen zur Zukunft der Deutschlothringer: Wie sie retten, nachdem die romanischen Teile der Provinz schon „rettungslos der Assimilierung verfallen“ sind und ihr eigenes Gebiet „in sich keinen geistigen Mittelpunkt“ besitzt? „Es ist bei der heutigen Grenzregelung ein Anhängsel der romanischen Kerngebiete von Metz und Nancy“82. „Heutigen“ will betont sein, denn der katholische Bauernsohn aus dem Bergischen Land mit starken, nicht zuletzt familiären Beziehungen ins Saarland hatte schon seine Hintergedanken, als er diese Sätze zu Papier brachte. Ende 1933, inzwischen Bonner Lehrstuhlinhaber, konterte Steinbach als Vorsitzender der „Westdeutschen Forschungsgemeinschaft“ Hitlers damalige taktische, um Vertrauen werbende Aussage, das Deutsche Reich erstrebe bis auf das Saarland keine Revision seiner Westgrenze, knapp und harsch: „Die Ausführungen des Reichs80 Zitate: Schicksalsfragen (wie Anm. 78), 108  f. Darum gilt: „Daß die rheinische Seele deutsch und urdeutsch ist, daran gibt es unter ehrlichen Menschen keinen Zweifel … Wenn ein Rheinländer die aus Frankreich importierten Modegesinnungen und das entsprechende Gebaren, wie sie sich leider allzu häufig breitmachen konnten, als Merkmal rheinischen Wesens bezeichnen würde, schämte ich mich, sein Landsmann zu sein. Nehmt aber Verwelschung und Überfremdung fort, so kommt ihr der rheinischen Volksseele näher!“ (124). Steinbach ist folglich auch gegen „alles Gerede von der Völkerbrücke“ Rhein und somit kann er, Katholik und Mitglied der Görres-Gesellschaft, sich strikt gegen die „Überwindung der nationalen Unterschiede, sei es durch die Nationen umspannenden, internationalen Kräfte christlich-abendländischen Kulturbewußtseins, sei es durch die Bande einer internationalen Wirtschaft“ verwahren (127 f.). Im Gegenteil: „Der nationale Gedanke hat sich nicht überlebt. Er hat seine Wirkungen erst begonnen und birgt erfreuliche Zukunftskeime in sich“ (178) – geschrieben 1925 … 81 „Es ist nicht uninteressant, daß gerade das romanische Gebiet um Metz die meisten blonden Langschädel von verhältnismäßig höherem Wuchse hat“: Die geschichtliche Stellung Lothringens (siehe oben, 98), 79. 82 Die geschichtliche Stellung Lothringens (siehe oben, 98), 80 (sämtliche Zitate). Der Aufsatz erschien nochmals 1967 – wohlgemerkt in unveränderter Form – in: Collectanea Franz Steinbach. Aufsätze und Abhandlungen zur Verfassungs-, Sozial‑ und Wirtschaftsgeschichte, geschichtlichen Landeskunde und Kulturraumforschung, hg. v. Franz Petri / Georg Droege, Bonn 1967, 243–252 (Zitate 251 f.).

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kanzlers Hitler … bedeuten keinerlei Preisgabe der alten volksdeutschen Gebiete im Westen. Diese Ansprüche verjähren nicht“83. Wenige Monate später wurde er in der von ihm mitverantworteten „Geschichte der französischen Saarpolitik“ noch deutlicher: „Unsere Hoffnung richtet sich darauf, daß die Wellen der völkischen Revolution mit Naturgewalt über die künstlichen und willkürlichen Staatsgrenzen hinüberschlagen, daß aus den Tiefen des unverfälschten Volkstums doch noch die Kräfte aufsteigen, die der geistigen Verkrüppelung im Gefolge der Überfremdung unerbittlichen Kampf ansagen und das bodenständige Volk zur Selbstbestimmung führen“84. Eben dazu wollte Steinbach damals mit seinen eigenen Forschungen und auf von ihm konzipierten Tagungen wie der 1934 in Kleve über „Germanische Wissenschaftsaufgaben im Westen“ beitragen, aber auch mit den Arbeiten seines Protegé Franz Petri, dessen 1937 vorgelegte, von Hitler hochgeschätzte Habilitationsschrift „Germanisches Volkserbe in Wallonien und Nordfrankreich“ bekanntlich den Nachweis germanisch-fränkischer Kolonisation des belgischen und französischen Raums bis hin zur Loire zu erbringen suchte85.

III. Damit ist die Zeit des Nationalsozialismus erreicht. Wenn nun aus Gründen einer einigermaßen übersichtlichen Präsentation zunächst diese vom Bonner „Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande“ ausgehende Linie weitergezogen wird, bedeutet das zunächst weiterhin ein Entfernen vom eigentlichen Thema 83 Zit. nach Schöttler, „Westforschung“ (wie Anm. 66), 211. – Im Oktober 1938 gehörte Steinbach auch zu jenen Historikern, die gegen Hitlers Zugeständnis einer Aussiedlung der Südtiroler protestierten: Haar, Historiker (wie Anm. 62), 314 f. Anm. 32. 84 Martin Herold /Josef Niessen/Franz Steinbach, Geschichte der französischen Saarpolitik. Ausgangsstellung und Angriff – Von der Saar zum Rhein – Wende und Wiederkehr, Bonn 1934, 10. Auch dieser Beitrag wurde 1967 unverändert in die „Collectanea Franz Steinbach“ aufgenommen (das Zitat ebd., 257)! Vgl. Schöttler, „Westforschung“ (wie Anm. 66), 246 f. Anm. 90; zuletzt zu Steinbachs saarpolitischen Aktivitäten kurz Nikolay-Panter, Verein (wie Anm. 57), 390. Ähnlich – und programmatisch – hieß es im ersten Heft der 1933 gegründeten Zeitschrift „Westmark“, die der „Volksbildungsverband Pfalz / Saar – Kampfbund für deutsche Kultur in der Westmark“ unter der Leitung des Gaukulturwarts Kurt Kölsch herausgab: „Kampf in der Westmark ist Kampf nicht mehr in der Verteidigung, sondern auf der Bastion des Angriffs“; zit. nach Wolfgang Geiger, Vom Grenzland zur Westmark. (Südwest‑) deutsche Blicke über den Rhein im Dritten Reich, in: Allmende 60/61 (1999), 116. 85 Siehe hierzu Karl Ditt, Die Politisierung der Kulturraumforschung im Dritten Reich. Das Beispiel Franz Petri, in: Griff nach dem Westen (wie Anm. 68: Pabst), 927–945; Martina Pitz, Franz Petris Habilitationsschrift in inhaltlich-methodischer und forschungsgeschichtlicher Perspektive, in: ebd., 225–246. Zu Steinbach zuletzt Hans-Peter Höpfner, Die Universität Bonn im Dritten Reich. Akademische Biographien unter nationalsozialistischer Herrschaft, Bonn 1999 (Academica Bonnensia 12), 389–392. Vgl. auch kurz Matzerath, „Tor zum Westen“ (wie Anm. 57), 423; Der Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte 1951–2001. Die Mitglieder und ihr Werk. Eine bio-bibliographische Dokumentation, hg. v. Jürgen Petersohn, bearb. v. Jörg Schwarz, Stuttgart 2001, 417–424 (419 zur Tagung in Kleve).

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„Neusser Krieg“. Doch kann man gerade von hier aus zum einen gut den Gesamtkomplex „Burgund im Nationalsozialismus“ skizzieren, zum anderen im Anschluß daran direkt den Blick auf die Nachkriegszeit lenken, als Steinbach jenen aufschlußreichen Beitrag „Die Rheinlande in der Burgunderzeit“ für eine von Kallen besorgte Neuss-Festschrift beisteuerte. Der Neusser Krieg wird schließlich aber wieder Ausgangs‑ und Mittelpunkt sein, wenn danach erneut Beiträge von Gerhard Kallen und am Ende von Hermann Heimpel im Blickpunkt stehen; auch da lassen sich die frühen Jahre der Bundesrepublik gleich mitberücksichtigen. Zuerst also zu den „Bonner Dioskuren“, wobei ich mich kurzfassen kann, da hierzu neben den Spezialbeiträgen in diesem Band bereits eine Fülle neuerer und neuester Untersuchungen etwa von Dietz, Ditt, Oberkrome und Schöttler vorliegt86. Der 1940/41 als Gastprofessor in Gent tätige Steinbach und wohl noch mehr Petri intendierten mit ihrer methodisch breit angelegten, fächerübergreifenden und damit durchaus innovativen Kulturraumforschung eine, so jüngst Burkhard Dietz sehr pointiert, „rein zweckorientierte Bereitstellung von stark historisch ausgerichtetem Wissen für die aggressiven Ziele der deutschen Außenpolitik“ in der NS-Zeit; an die Stelle der Rankeschen Idee einer romanischgermanischen Kultureinheit, so ebenfalls jüngst Matthias Steinbach, trat für sie die des Kampfs der Volkstümer87. Das erweist Petris Vorwort zum „Germanische(n) Volkserbe“; das erweist jene von der Somme bis zum Jura reichende sogenann86 Burkhard Dietz, Die interdisziplinäre „Westforschung“ der Weimarer Republik und NSZeit als Gegenstand der Wissenschafts‑ und Zeitgeschichte, in: Geschichte im Westen 14 (1999), 189–209; Karl Ditt, Die Kulturraumforschung zwischen Wissenschaft und Politik. Das Beispiel Franz Petri (1903–1993), in: Westfäl. Forschungen 46 (1996), 73–176; Willi Oberkrome, Volksgeschichte. Methodische Innovation und völkische Ideologisierung in der deutschen Geschichtswissenschaft 1918–1945, Göttingen 1993 (Krit. Studien zur Geschichtswissenschaft 101), bes. 61 ff.; Peter Schöttler: a) Lucien Febvres Beitrag zur Entmythologisierung der rheinischen Geschichte, in: Lucien Febvre, Der Rhein und seine Geschichte, hg., übers. und mit einem Nachwort von P. Sch., Frankfurt/M. u. a. 1994, 230; b) „Westforschung“ (wie Anm. 66); c) Von der rheinischen Landesgeschichte (wie Anm. 42). Schöttlers Wertungen scheinen mir zwar nicht immer frei von jenem „kurzatmigen Moralismus“, gegen den sich ein H.-U. Wehler in der Schieder – Conze-Debatte verwahrte, doch sind seine Arbeiten schon durch die von ihm beigebrachten Materialien zur „Westforschung“ von Wert. 87  Dietz, „Westforschung“ (wie Anm. 86), 205; Matthias Steinbach, Des Königs Biograph. Alexander Cartellieri (1867–1955). Historiker zwischen Frankreich und Deutschland, Frankfurt / M. u. a. 2001 (Jenaer Beitr. zur Geschichte 2), 218. Zu grundsätzlich anderer Einschätzung gelangte Horst Lademacher, Franz Petri zum Gedächtnis (22. Februar 1903–8. März 1993), in: RhVjbll 57 (1993), X f., mit Blick auf Petris Habilitationsschrift: „Es wäre nun widersinnig anzunehmen, daß dieses umfangreiche Werk mit dem Ziel einer Neubegründung von Expansion oder in der Absicht der subtil begründeten Abwehr französischer Ansprüche geschrieben worden sei; vielmehr dürfte die Einsicht in die Fruchtbarkeit des von Steinbach konzipierten volksgeschichtlichen Ansatzes im Rahmen historisch-landeskundlicher Methodik der allererste Impetus für Petri gewesen sein …“. Zur Kulturraumforschung Steinbach – Petrischer Provenienz sei eine ebenso kurze wie treffende – allerdings auf das Rheinland beschränkte – Bemerkung von Heinz Finger zitiert: „Was wir auf Grund historischer Prozesse heute als ‚rheinisch‘ verstehen, wurde … mehr durch Altar und Kanzel geprägt als von den oft allzu numinosen Eigenheiten eines sog. ‚Kulturraums‘ “; H. F.,

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te „Führerlinie“, die der Staatssekretär Wilhelm Stuckart unter ausdrücklicher Berufung auf Steinbach und Petri im Sommer 1940 in Hitlers Auftrag erarbeitete88; das erweisen schließlich die zahlreichen Aktivitäten des (Ober‑)Kriegsverwaltungsrats Petri – seit 1942 übrigens Kölner Lehrstuhlinhaber –, mit denen er von Brüssel aus als Leiter der Kulturabteilung der Militärverwaltung in Belgien in Rede, Schrift und Ausstellung um die Niederlande warb, in deren „Kernsubstanz unerschüttertes germanisches Volkserbe lebt“89. „Deutsche Größe“ hieß die im Frühjahr 1942 im Brüsseler „Palais du Cinquentaire“ organisierte Ausstellung, in deren Katalog Petri den Blick auch auf die französischsprachigen Niederlande lenkte: „Wallonien trägt das nordische Erbe … neben seiner vorgeschichtlichkeltoromanischen Grundsubstanz tief in seinem Blut und Wesen“90. Ganz ohne Echo blieb das nicht. „Nous sommes des Germains de langue française“ verkündete Léon Degrelle, Chef der „Légion Wallonie“ im germanischen Korps der Waffen-SS, der sein selbst einem Petri in seiner Schärfe wohl nicht ganz geheueres Bekenntnis zum Germanentum mit der Vision eines neuen Burgund verband. In einem in Anspielung auf den französischen Beinamen des letzten Herzogs „Le Téméraire“ genannten „Organe des Bourguignons“ ver‚Rheinische Kirche‘ – Kirche im Rheinland, in: ‚Rheinisch‘. Zum Selbstverständnis einer Region, hg. v. Bernd Kortländer / Gunter E. Grimm, Stuttgart – Weimar 2001, 45. 88 Schöttler, Von der rheinischen Landesgeschichte (wie Anm. 42), 100 f.; vgl. Eberhard Jäckel, Frankreich in Hitlers Europa …, Stuttgart 1966 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgesch. 14), 47. 89 Zitat: Franz Petri, Die Niederlande (Holland und Belgien) und das Reich. Volkstum, Geschichte, Gegenwart, Bonn 1940, 55. Diese Schrift sollte, so Petri in seinem nach dem Westfeldzug verfaßten Nachwort, „Dienst tun für die von uns erhoffte innere Wiederbegegnung zwischen den Niederlanden und dem Reich in einem erneuerten Europa“ (56). Zu Petris Tätigkeiten während des Zweiten Weltkriegs s. Ditt, Kulturraumforschung (wie Anm. 86), 104–131; Frank-Rutger Hausmann, „Auch im Krieg schweigen die Musen nicht“. Die deutschen wissenschaftlichen Institute im Zweiten Weltkrieg, Göttingen 2001 (VMPIG 169), 256–276; vgl. auch Schöttler, „Westforschung“ (wie Anm. 66), 218 f.; Ders., Von der rheinischen Landesgeschichte (wie Anm. 42), 98; Nikolay-Panter, Geschichte (wie Anm. 46), 258 f.; Wolf, Litteris et Patriae (wie Anm. 42), 306; Ludwig Jaeger, Seitenwechsel. Der Fall Schneider / Schwerte und die Diskretion der Germanistik, München 1998, 85 f. (202 mit dem Hinweis auf seine Bemühungen, Steinbach zum Gastprofessor an der Universität Gent zu machen); Versäumte Fragen. Deutsche Historiker im Schatten des Nationalsozialismus, hg. v. Rüdiger Hohls / Konrad H. Jarausch, Stuttgart 2000, 465 f. (biograph. Glossar); eine positivere Sicht wiederum bei Lademacher, Franz Petri (wie Anm. 87), XII f. Siehe auch Frank-Rutger Hausmann, Das Deutsche (Wissenschaftliche) Institut in Brüssel (1941–1944), in: Griff nach dem Westen (wie Anm. 68: Pabst), 907–924. An der Vorbereitung für die Brüsseler Ausstellung war mit Leo Just ein weiterer Bonner Historiker beteiligt, der – aus rheinisch-katholischem Milieu stammend – Petris Geschichtspolitik schon 1937 als „Propaganda“ abgelehnt hatte, um sich 1940/41 aber aus Karrieregründen widersprüchlich-halbherzig den Nationalsozialisten zu nähern: Michael F. Feldkamp, Leo Just. Briefe …, Frankfurt/M. 2002 (Beitr. zur Kirchen‑ und Kulturgesch. 12), LXXXI–LXXXVII; vgl. auch Ders., Reichskirchengeschichtsschreibung und Grenzlandforschung. Zum wissenschaftlichen und publizistischen Werk des Bonner Historikers Leo Just (1901–1964), in: Griff nach dem Westen (wie Anm. 68: Pabst), 1017–1036. 90 Zit. nach Schöttler, „Westforschung“ (wie Anm. 66), 248 Anm. 102.

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kündete er seine Ideen, die übrigens noch 1975 ein gewisser Saint-Loup unter dem Titel „Les SS de la Toison d’Or“ aufgriff. Das Gefolge um Degrelle sang: „Si nous combattons / Comme de vrais Bourguignons / C’est pour te rendre la vie / Vieille patrie“91. Nur, wie dieses Burgund von Hitlers Gnaden genau aussehen sollte, blieb ebenso nebulös wie jene Burgundschwärmerei des „Führers“ selbst, der in einem Tischgespräch am 25. April 1942 äußerte, „daß ein großes Stück deutscher Geschichte im alten Königreich Burgund gespielt habe, daß dieses Land also uralter deutscher Boden sei, den uns die Franzosen im Zeitalter der Schwäche geraubt hätten“92. Tags darauf vermerkte Goebbels hierzu in seinem Tagebuch: Frankreich „wird auf seine Grenzen von 1500 zurückgeworfen werden, d. h. also, daß Burgund wieder zum Reichsgebiet kommt. Wir gewinnen damit ein Land, das an Schönheit und Reichtum kaum mit einer anderen deutschen Provinz vergleichbar ist“. Dies lenkt den Blick eher auf die Freigrafschaft Burgund als etwa auf das Reich der Burgundionen in der Völkerwanderungszeit oder die welfisch-bosonischen Königtümer Hoch‑ und Niederburgund des frühen bzw. das Arelat des hohen Mittelalters, selbst wenn vereinzelt unter Rekurs auf „graue Germanenvorzeit, Heldenlied, Mittelalter, Nibelungenerinnerungen“ das „Gemein-Germanische in der Burgunderidee“ konstatiert wurde und an die Elite Deutschlands („keine Angelegenheit für die Gasse und die Menge“) die Aufforderung erging, sich innezuwerden, daß Burgund „ein deutscher Herzgedanke“ sei93. Und mit der Freigrafschaft verfolgte in der Tat jemand aus dem innersten Führungszirkel ganz konkrete Absichten: der Reichsführer-SS Heinrich Himmler. Damit ist nicht seine Vision eines vom Atlantik bis zum Mittelmeer reichenden Modellstaats der SS gemeint, der das werden sollte, was Karl der Kühne erstrebt, aber nicht erreicht hatte94, sondern vielmehr der von ihm seit Mai/Juni 1940 betriebene Plan einer Umsiedlung der Südtiroler in ein bis um die Gegend westlich von Dijon und Chalon s / Saône erweitertes Gebiet der ehemaligen Freigrafschaft Burgund, dessen Hauptstadt das in Bozen umbenannte Besançon werden sollte; als weitere Zentren waren Brixen und Bruneck, vormals Dôle und Pontarlier, 91

 Vgl. Lope, Karl der Kühne (wie Anm. 49), 179 ff. Picker, Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier. 1941–1942 …, neu hg. v. Percy Ernst Schramm in Zusammenarbeit mit Andreas Hillgruber / Martin Vogt, Stuttgart 21965, 296; vgl. Lothar Kettenacker, Nationalsozialistische Volkstumspolitik im Elsaß, Stuttgart 1973 (Studien zur Zeitgesch. 4), 109. 93 a) Die Tagebücher von Joseph Goebbels, hg. v. Elke Fröhlich, II (Diktate 1941–1945), IV (April – Juni 1942), bearb. v. E. F., München u. a. 1995, 178; vgl. Kettenacker, Volkstumspolitik (wie Anm. 92), 310 f. Anm. 96. b) A. von Grolmann, Burgund – ein deutscher Herzgedanke, in: Die Westmark 9 (1941/42), 473–479, Zitate 474, 478, 479, 473. 94 Zur Sache (und Quelle) Kettenacker, Volkstumspolitik (wie Anm. 92), 109, 311 Anm. 97; Ders., Der Mythos vom Reich, in: Mythos und Moderne. Begriff und Bild einer Rekonstruktion, hg. v. Karl Heinz Bohrer, Frankfurt/M. 1983, 275. Zu weiteren „Visionen“ von neuen Grenzen im Westen Geiger, Grenzland (wie Anm. 84), 119 ff. 92 Henry

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vorgesehen95. Damit dürfte auch ein im Rahmen des „Westprogrammes der deutschen Archivverwaltung“ und in Absprache mit der „Westdeutschen Forschungsgemeinschaft“ dem Wiener Reichsarchiv im Jahr 1940 erteilter Auftrag zusammenhängen, eine Materialsammlung zum Nachweis der Reichszugehörigkeit der Freigrafschaft bzw. des burgundischen Kreises zu erstellen. Sie erschien, herausgegeben im Auftrag des Reichsministers des Innern, dann noch kurz vor Kriegsende, um – wie es im Vorwort heißt – „das Rüstzeug für eine quellenmäßig gesicherte, ideelle Untermauerung der deutschen Vorrangstellung“ zu liefern96. Die Realisierung von Himmlers Plänen war damals schon seit langem auf die Zeit nach dem vermeintlichen Endsieg verschoben worden, doch noch 1944 raunte Max Hildebert Boehm, Jenaer Ordinarius und förderndes SS-Mitglied, vom „Geheimnisvolle(n) Burgund“. Mit diesem Buch eines der Vordenker völkisch inspirierter Großdeutschlandideologie über „Werden und Vergehen eines europäischen Schicksallandes“ sollte nach Ansicht von Lothar Kettenacker aber weniger ein mythischer Stimmungszauber entfacht als deutschen Besitzansprüchen wissenschaftlich vorgearbeitet werden – ein Jahr zuvor hatte Boehm in der Tat über „Lothringen und Burgund“ geschrieben, daß deren Namen im Angesicht des gewaltigen, uralten Mythos aufglühen lassenden Gegenwartserlebnisses „für uns einen Klang gewonnen (haben), der geheimnisvoll an unser Inneres rührt. Denn in diesen Namen lebt und wirkt der Mythos des Reiches germanischer Nation“97. 95 Paul Kluke, Nationalsozialistische Europaideologie, in: Vierteljahrshefte für Zeitgesch. 3 (1955), 256 ff.; Europastrategien des deutschen Kapitals, hg. v. Reinhard Opitz, Köln 1977, 670–673; Karl Stuhlpfarrer, Umsiedlung Südtirol 1939–1940, II, Wien – München 1985, 649–669, bes. 657–661. 96 Urkunden und Aktenstücke des Reichsarchivs Wien zur reichsrechtlichen Stellung des burgundischen Kreises, 3 Bde., bearb. v. Lothar Gross / Robert von Lacroix / Josef Karl Mayr, Wien 1944/45/44 (Veröffentl. des Reichsarchivs Wien, hg. im Auftrag des Herrn Reichsministers des Innern im Rahmen des Westprogrammes der deutschen Archivverwaltung) (Zitat: Geleitwort, I, S. III). Vgl. Kluke, Europaideologie (wie Anm. 95), 256; Kettenacker, Volkstumspolitik (wie Anm. 92), 109. Beiden blieb aber offensichtlich unbekannt, daß es noch zu dieser Veröffentlichung der Arbeit kam. Ähnlich hieß es im Beitrag eines K. Mehrmann zu dem 1941 erschienenen Sammelband „Deutschland und der Westraum“: „Die Burgundische Pforte und das burgundische Saonebecken liegen in der Militärgewalt des Großdeutschen Reiches. Die Front ist wieder, wie sie die Herkunft der Burgunder und die Geographie des Landes verlangen, nach dem Süden gerichtet“ (127). Kurz zuvor findet sich das ganze arelatische Burgund als „Vorwerk des Deutschtums“ charakterisiert (126). Der Band wurde von F. Heiss in dem von ihm geleiteten Verlag der Zeitschrift „Volk und Reich“ herausgegeben, einem offiziösen Organ des Auswärtigen Amts; vgl. Geiger, Grenzland (wie Anm. 84), 120 f. mit Anm. 5. Wenn Theodor Mayer für sich später in Anspruch nahm, gegen „die unsinnige und schädliche Burgundpropaganda“ 1941 beim Reichsinnenministerium vorstellig geworden zu sein, ist das angesichts der bekannten nationalsozialistischen Affinitäten dieses Mediävisten mit Vorsicht zur Kenntnis zu nehmen; aufzufinden und zu überprüfen bliebe die daraufhin auf Weisung des Ministeriums von ihm und – dem Regimegegner – H. Büttner erarbeitete Denkschrift hierzu: Th. M., Mittelalterliche Studien …, Lindau – Konstanz 1959, 476. 97 Max H. Boehm, Geheimnisvolles Burgund. Werden und Vergehen eines europäischen Schicksallandes, München 1944; Ders., Lothringen und Burgund, in: Die Westmark 10 (1942/43), 406 (Zitat). Vgl. Kettenacker, Volkstumspolitik (wie Anm. 92), 209; Kluke, Euro-

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Boehm tat, was eben ein Franz Steinbach und ein Franz Petri auch getan hatten – und was uns wieder zum Thema führt. Für diesen hatte es 1945 mit der Professur vorerst und noch auf längere Zeit ein Ende, jener konzentrierte sich, zumindest in seinen Vorlesungen, worauf unlängst Wilhelm Janssen hinwies, fortan ausschließlich auf deutsche Wirtschafts-, Sozial‑ und Verfassungsgeschichte und mied konsequent die Themen Rheinland und Westen98. Doch handelte er 1950 in einem Aufsatz über „Die Rheinlande in der Burgunderzeit“, der in der von Gerhard Kallen herausgegebenen Neuss-Festschrift erschien99 – schließlich kannte und schätzte man sich. (Es wäre im übrigen ein eigenes Thema, den vielfältigen und dichten personellen wie institutionellen Verflechtungen und Kontinuitäten von „Westdeutscher Forschungsgemeinschaft“, „Arbeitsgemeinschaft rheinischer Geschichtsvereine“ und Kölner Regionalzentrum der „Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung“ in nationalsozialistischer Zeit sowie der in NordrheinWestfalen nach Kriegsende unter identischer Leitung eingerichteten „Landesarbeitsgemeinschaft für Raumforschung“ bzw. „für Landes‑ und Volksforschung“ nachzugehen100.) Steinbach, ehemaliger Neusser Gymnasiast, spricht in besagter Studie selbstverständlich auch das Neusser Ereignis an, sieht neben der traditionell beschworenen nationalen Bewegung eine ständische im Kampf gegen Karl den Kühnen, der seinerseits ebenfalls als doppelter Gegner auf den Plan tritt, da er „für die Deutschen nicht nur der absolutistische Zwingherr, sondern zugleich paideologie (wie Anm. 95), 256; Schöttler, „Westforschung“ (wie Anm. 66), 251 Anm. 113. Zumindest lassen sich hinter dem Schicksalsgewabere und der Beschwörung einer europäischen Mission Burgunds – das neue Europa würde ja von Deutschland beherrscht werden – deutliche Hinweise auf die reichische Vergangenheit der Freigrafschaft Burgund ausmachen. Allgemein über Boehm zuletzt Jörg Gutberger, Volk, Raum und Sozialstruktur. Sozialstruktur‑ und Sozialraumforschung im „Dritten Reich“, Münster 1996 (Beitr. zur Geschichte der Soziologie 8), 502 f.; Haar, Historiker (wie Anm. 62), 27, 33 ff., 48 f., 70 f. u. ö. Sein 1932 erschienenes Schlüsselwerk „Das eigenständige Volk“ sollte die Wissenschaftliche Buchgesellschaft unter Anrichs Ägide 1965 erneut auflegen: Haar, 85, 396; vgl. hier Anm. 105.  98 Janssen, Institut (wie Anm. 46), 319. Ein erster entsprechender Hinweis findet sich bereits bei Franz Petri, Franz Steinbach zum Gedächtnis …, in: RhVjbll 29 (1964), 19 f.  99  Franz Steinbach, Die Rheinlande in der Burgunderzeit, in: Neuss. Festschrift für die Jubiläen des Jahres 1950, hg. … durch Gerhard Kallen, Köln 1950, 37–46; ND in: Collectanea Franz Steinbach (wie Anm. 82), 91–95 (nach diesem Nachdruck wird im folgenden zitiert). 100 Siehe hierzu die Beiträge im III. Teil von: Griff nach dem Westen (wie Anm. 68: Pabst) („Organisationen, Institute und Initiativen der Westforschung“); Michael Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik? Die „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften“ von 1931–1945, Baden-Baden 1999, 353–440, 691–727, 783–786. In seiner Rezension dieser Arbeit konstatiert Th. Kleinknecht treffend eine „selbstgewollte wissenschaftlich-politische Vernetzungsdichte“: RhVjbll 65 (2001), 519. Einiges zur Rolle des Kölner Wirtschaftshistorikers Bruno Kuske in diesem Kontext bereits bei Dietz, „Westforschung“ (wie Anm. 86), 202 ff.; Frank Golczewski, Kölner Universitätslehrer und der Nationalsozialismus. Personengeschichtliche Ansätze, Köln – Wien 1988 (Studien zur Geschichte der Univ. zu Köln 8), 353–357. Keine Angaben zu diesem Komplex dagegen bei Friedrich-Wilhelm Henning, Bruno Kuske (1876–1964), in: Kölner Volkswirte und Sozialwissenschaftler …, hg. v. F.-W. H., Köln – Wien 1988 (Studien zur Geschichte der Univ. zu Köln 7), 69–95.

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auch der welsche Usurpator“ war101. Das aber bedeutet französische Gefahr im Verzug – Steinbach bringt 1950 auf den Punkt, was das deutsche Volk 1475 fühlte bzw. zu fühlen hatte: „Mochten sich einzelne Politiker, Soldaten, Künstler, Gelehrte durch den Glanz des neulotharingischen Reichs blenden lassen, die breiten Schichten der Bevölkerung hatten ein untrügliches Empfinden für die einseitige nationale [d. h. französische] Gebundenheit dieser neuen Großmacht und lehnten ihre Pläne ab“102. Was aber 1475 gegolten hatte, sollte nach Ansicht dieses an der Friedrich Wilhelms-Universität wieder mächtigen und für die Ausbildung mehrerer Studentengenerationen verantwortlichen Professors auch für die junge Bonner Republik Gültigkeit haben: Nur ja keine „lotharingische Sonderstellung der Rheinlande …, weil sie nicht dem europäischen Brückenbau, sondern nur einem einseitigen Landungsmanöver Vorschub leistete“103. Landungsmanöver auf der anderen Seite hatte er dagegen – es sei nur an seine 1933/34 getroffenen Äußerungen erinnert – keine zwei Jahrzehnte zuvor ausdrücklich befürwortet. Für einen Mann mit solcher Weltsicht, die auch eine 1963 publizierte, aggressive und einseitig-lückenhafte Selbstrechtfertigung mit einschließt („kein Historiker und kein Bußprediger wird uns davon überzeugen, daß wir eine ‚unbewältigte Vergangenheit‘ hinter uns hätten“104), war und blieb das Bonner Institut, waren und blieben die rheinischen Universitäten letztlich „geistige Grenzfestungen“, wie sie Ernst Anrich 1936 bezeichnet hatte, seines Zeichens Gründungsdekan der 101 Steinbach, Rheinlande (wie Anm. 99), 94 [Hervorhebung durch den Autor]. – Zur Neusser Gymnasialzeit Steinbachs siehe Max Braubach, in: HJb 84 (1964), 383. 102 Steinbach, Rheinlande (wie Anm. 99), 94. – Im übrigen ist dies ein Axiom in der Geschichtsauffassung eines Autors, der stets seine bäuerliche Herkunft betonte; schon in den „Schicksalsfragen“ heißt es: „Es liegt so, wie regelmäßig bei entsprechenden Vorgängen [d. h. bei Kultureinflüssen und Blutsmischung]: die unteren Schichten wahren ihre Eigenart, die oberen lassen sich entwurzeln“ (114). Hier wäre eigentlich eine weitere Abhandlung der fünfziger Jahre aus ähnlichem Geiste zum Thema zu nennen: Stelzmann, Die Politik der Stadt Köln im Neußer Kriege (wie Anm. 33), 111–124 („diese Niederlage [Karls d. Kühnen] hatte nicht nur für das Rheinland und für das Reich, sondern für ganz Europa die Errettung aus einer tödlichen Gefahr im Gefolge“; 124). Doch ist der Aufsatz bis auf einen Punkt – den Ausweis diplomatischen Bemühens des Bürgers Heinrich vom Geisbüsch in kölnischem Auftrag um die Hilfe Ludwigs XI. – so belanglos und unzureichend, wie es des Autors erstmals 1958 veröffentlichte „Illustrierte Geschichte der Stadt Köln“ war, die es dank mancher List ihres späteren Herausgebers Robert Frohn auf elf Auflagen brachte und bis in die neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts eine Monopolstellung behauptete (ebd., 173 zum Neußer Krieg: „Die Verwirklichung seines [Karls d. Kühnen] Planes hätte für das Reich einen tödlichen Ausgang bedeutet“). 103 Steinbach, Rheinlande (wie Anm. 99), 95. – Die Feststellung von Wolfgang Geiger im Rahmen seiner – ansonsten treffenden – Kurzpräsentation von Steinbachs „Westforschungen“ halte ich für zweifelhaft: „il [St.] reste étonnamment modéré quant à la dénonciation de l’expansionisme français“: W. G., L’image de la France dans l’Allemagne nazie 1933–1945, Rennes 1999, 159 f., 162 f. (Zitat 162). 104 Bürger und Bauern im Zeitalter der Industrie. Studien zur Geschichte des Bürgertums (III), in: RhVjbll 28 (1963), 2 f.; ND in: Collectanea Franz Steinbach (wie Anm. 82), 867 f. Vgl. Peter Schöttler, Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918–1945. Einleitende Bemerkungen, in: Geschichtsschreibung (wie Anm. 66), 9 f.

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Reichsuniversität Straßburg und nach dem Krieg verantwortlich dafür, daß die „Wissenschaftliche Buchgesellschaft“ die Werke Steinbachscher und Petrischer Provenienz wiederauflegte105. 1933 hatte auch Gerhard Kallen die Kölner Universität zum geistigen Bollwerk im Westen erklärt und ihre Bedeutung für die NS-Politik hervorgehoben106. Wenn er sich 1940 nochmals mit dem Neusser Krieg beschäftigte, griff er dabei im wesentlichen auf seine Arbeiten von 1925 zurück. Seine Darstellung scheint zunächst das Urteil von Frank Golczewski zu bestätigen, Kallen sei „insgesamt … politisch … unauffällig“ gewesen107. „Neuss 1474–1475“ ist Teil seines umfänglichen Beitrags „Rheinische Geschichte bis zum Zusammenbruch des zweiten Reiches“ zu einem Sammelband „Grenzland im Westen. Ein Heimatbuch vom Rhein“108. In dessen Vorwort heißt es nun, er erscheine „zu einer Zeit, in der das gesamte Volk einen ihm aufgezwungenen Krieg führen muß zur Verteidigung und zur Sicherung seiner Lebensrechte, wiederum als ‚Kampf um den Rhein‘ “. Doch dieser Kampf wird mit dem Dritten Reich siegreich enden, da ist sich der ehemals dem Zentrum zugerechnete Historiker sicher, weil – und hier will sein gesamter Beitrag gelesen sein – nach den „zersetzenden Auswirkungen“ des Parteiwesens, „dem Schlamm-Meer des Parlamentarismus“ ein Wunder dank des von der Vorsehung aus der Mitte des Volkes berufenen Führers geschehen sei: „Es dauerte nur wenig mehr als zwei Jahre, da hatte dieser Führer Adolf Hitler ein altgermanisches 105 Ernst Anrich, Universitäten als geistige Grenzfestungen, Stuttgart 1936. Hübinger verwies in diesem Zusammenhang darauf, daß bereits in einer Denkschrift des Jahres 1817 unter den für die Errichtung einer Universität in Bonn angeführten Punkten das Argument begegne, eine solche Hochschule könne dem preußischen Staat „gleichsam wie eine positiv wirkende Festung“ dienen (Das Historische Seminar [wie Anm. 42], 211 Anm. 130) – dies ist allerdings nicht die aggressiv-national(sozial)istische Diktion eines Anrich und Steinbach. Zu Anrich siehe Lothar Kettenacker, Kontinuität im Denken Ernst Anrichs. Ein Beitrag zum Verständnis gleichbleibender Anschauungen des Rechtsradikalismus in Deutschland, in: Paul Kluke zum 60. Geburtstage dargebracht von Frankfurter Schülern und Mitarbeitern, Frankfurt / M. 1968 (masch.), 140–152; Wolf, Litteris et Patriae (wie Anm. 42), 418, 506 s. v.; Geiger, L’image de la France (wie Anm. 103), 143 f., 156; Versäumte Fragen (Biograph. Glossar) (wie Anm. 89), 442; Pierre Racine, Hermann Heimpel à Strasbourg, in: Deutsche Historiker im Nationalsozialismus (wie Anm. 42: Schöttler), 143 ff., 152 Anm. 10; Höpfner, Universität Bonn (wie Anm. 85), 19–27 (über Anrichs Denkschrift von 1933 speziell zu „Bonn als geistige Festung an der Westgrenze“); P. Bahners, Wege der Forschung. Von der SS zur WBG: Die Karrieren des Historikers Ernst Anrich, in: FAZ vom 29. Oktober 2001, 51. 106 Vgl. Golczewski, Kölner Universitätslehrer (wie Anm. 100), 357  f. Der von G. gemeinte Artikel Kallens und sein Druckort lauten vollständig: Köln als Universitätsstadt. Mittelalter – Humanismus – Nationalsozialismus, in: Rhein. Blätter. Amtl. Organ der Landesleitung Rheinland des Kampfbundes für deutsche Kultur 10 (1933), 1187–1198. 107 Golczewski, Kölner Universitätslehrer (wie Anm. 100), 358. 108 Grenzland im Westen. Ein Heimatbuch vom Rhein, hg. v. Fritz Pferdmenges u. a., Düsseldorf 1940, 87–92. Zu einem anderen Kapitel dieses Beitrags von Kallen siehe Georg Mölich, Chlodwig und die Schlacht bei Zülpich in der Sicht der rheinischen Landesgeschichte im „Dritten Reich“ – Eine Fallstudie, in: Chlodwig und die „Schlacht bei Zülpich“ – Geschichte und Mythos 496–1996 [Begleitbuch zur Ausstellung in Zülpich, 30. August – 26. Oktober 1996], Euskirchen 1996, 172 ff.

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Ideal wieder hergestellt: er stand an der Spitze eines Volkes in Waffen“109. Das war mehr als Anpassungsformel oder opportunistische Diktion; nein, dieser niederrheinische Katholik und Bauernsohn, der selbst einen Gneisenau, Görres, ja einen Nikolaus von Kues als „politische Erzieher“ in seinem Sinne instrumentalisierte, war als Künder von Blut und Boden, von deutschem Bauerntum und deutscher Volksgemeinschaft in vielem ein von „tiefste(r) Dankbarkeit gegen den Führer“ erfüllter Nationalsozialist, der denn auch an der Kölner Universität ein „Institut für Propagandawissenschaft“ eingerichtet wissen wollte110. Die Belege sind zahlreich, eindeutig, erdrückend, und so ist es durchaus nachvollziehbar, wenn Ursula Wolf in ihrer stets um sachliche Abwägung bemühten Frankfurter Dissertation „Litteris et Patriae. Das Janusgesicht der Historie“ (1996) in Kallen gar den Prototyp des bekennenden Nationalsozialisten auf historischem Lehrstuhl erkennen will111. Das ist zwar nicht unser Thema, bedarf aber weiteren Aufschlusses. Eher gilt dies schon für Kallens antifranzösische Grundhaltung: „Die Wacht am Rhein“ bedeutete ihm „Reichswacht“, und unter solchen Vorzeichen würdigte er das historische Verdienst etwa eines Baldewin / Balduin von Trier oder Jan van Werth / Johann von Werth. Für den nachhaltigen Förderer von Franz Petri und 109 In: Grenzland im Westen (wie Anm. 108), 188. Vgl. Gerhard Kallen, Gneisenau – der deutsche Wehrgedanke in der Westmark, in: Jb der Arbeitsgemeinschaft der Rhein. Geschichtsvereine 1 (1935), 9 f.: „Adolf Hitler hat am 16. März 1935 dem deutschen Volke zur Wahrung seiner Ehre und Sicherheit das alte Gesetz der allgemeinen Wehrpflicht aufs neue geschenkt. Tiefste Dankbarkeit gegen den Führer und Kanzler des Reiches gebietet …“; Ders., Die Bedeutung des Rheins in der deutschen Geschichte, in: Rhein. Heimatpflege 8 (1936), 34 f.: „Da, in seiner äußersten Verelendung erwuchs dem Volke der Retter … er zwang sein deutsches Volk wieder zum Glauben an sich selbst … Dem sittlich erneuerten Volk gab der Führer Ehre und Wehrhaftigkeit zurück … Es liegt ein tiefer Grund darin verborgen, daß das zum äußeren Zeichen am denkwürdigen 7. Maerz 1936 die Rückkehr der Wehrmacht an den Rhein erfolgte. Der Rhein wurde damit zum Symbol wie der deutschen Einheit so auch der deutschen Freiheit“. [Hervorhebungen durch den Autor]. 110 Zitat: wie Anm. 109 (Grenzland). Näheres hierzu in Pabst, „Blut und Boden“ (wie Anm. 68). Einiges findet sich schon in dessen Aufsatz: Die „Arbeitsgemeinschaft der Rheinischen Geschichtsvereine“ im Dritten Reich, in: Auf der Suche nach regionaler Identität: Geschichtskultur im Rheinland zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. Mit Beiträgen von B. Bouresh u. a., Bensberg 1997 (Bensberger Protokolle 89), 120, 129. Insbesondere Kallens Annäherung zu Nikolaus von Kues fiel recht zwiespältig aus: Einerseits erwarb er sich als Editor cusanischer Opera Verdienste, andererseits stellte er in seiner – einmal mehr den undeutschen Parlamentarismus Weimarer Prägung attackierenden – Schrift Nikolaus von Kues als politischer Erzieher (Leipzig 1937, 16) den Cusaner als jenen Protagonisten deutschen Denkens dar, „der sich von dem romanischen Denken zwar belehren, aber nicht blenden ließ“ (4), der antike und christliche Überlieferung „in neuer Ausprägung wirklich fruchtbar gemacht [hat] für deutsches Denken“ (21). Sein „Individualismus ist an das Ganze gebunden, nicht, wie der romanische, isoliert“ (4), und mit solchem Blick auf die Totalität ist er, über die Jahrhunderte hinweg, Erzieher für eine Gegenwart, die „im eigenen Volk als einer blutmäßig zusammengehörenden Einheit in der Gesamtheit der anderen Völker“ das Ideal der Ganzheit erblickt (17). Ähnlich Ders., Reich und Rhein, in: Rhein. Blätter der NS-Kulturgemeinde 12 (1935), 205 ff. 111 Wolf, Litteris et Patriae (wie Anm. 42), 420, 510 s. v., bes. 88 f., 281 Anm. 6 (mit zahlreichen Zitaten und Belegen); vgl. auch kurz Matzerath, „Tor zum Westen“ (wie Anm. 57), 423, 438.

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Utrechter Gastprofessor der Jahre 1943/44 waren selbstverständlich auch „die ‚terrae inferiores‘, die ‚niederen Lande‘ vollends … Kerngebiete des alten Reichs der Deutschen mit geringen romanischen Einflüssen in den Grenzgebieten nach Frankreich hin“, die für ein in sich gefestigtes Reich aber „keine Gefahr für die Grenze, geschweige denn für die Reinheit der Kultur“ darstellten112. Eigene Erfahrungen Kallens wie seine mehrjährige französische Gefangenschaft im Ersten Weltkrieg mögen hier hineingespielt haben; überhaupt zeigen sich in seinem Persönlichkeitsbild auch andere, hellere und widersprüchliche Facetten, wenn man nicht nur die – teilweise für ein breiteres Publikum bestimmten – Publikationen, sondern mit K. Pabst auch Vita und engeres fachliches Wirken des Gelehrten berücksichtigt: Nie war Kallen Mitglied der NSDAP und offensichtlich auch kein Antisemit; als Schüler von Schulte, von Bezold und Stutz113 lag ihm an der Unabhängigkeit und Qualität wissenschaftlichen Arbeitens, in dem allerdings wiederholt die politische Überzeugung die historische Analyse überlagert. Und um das Kölner Historische Seminar, um dessen Bibliothek wie die Betreuung seiner Studenten hat sich der nicht ins politische Tagesgeschäft drängende, eher unauffällig im Hintergrund wirkende und wohl auch deshalb nach Kriegsende nur für ein Jahr entlassene Kallen114 durchaus verdient gemacht. Wie seine Tätigkeit als Vorsitzender der „Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde“ von 1927 bis 1958 (!) und damit auch als führendes Mitglied mehrerer historischer Arbeitsgemeinschaften in nationalsozialistischer wie bundesrepublikanischer Zeit zu bewerten ist, wird K. Pabst als Geschichtsschreiber der „Gesellschaft“ in einer künftigen Monographie darlegen115. Nach dem Zweiten Weltkrieg verstand Kallen sich darauf, neue Akzente zu setzen bzw. bereits früher Gesagtes und Geschriebenes stärker zu akzentuieren, wenn es nunmehr angesichts grundlegend veränderter Verhältnisse angebracht schien. So hat er sich 1950 nochmals dem Neusser Krieg, jetzt unter dem Titel „Die Verteidigung von Recht und Freiheit in den Burgunderkriegen“, zugewandt; 1965 erschien diese Studie erneut in einem Abhandlungen von ihm vereinenden Band „Probleme der Rechtsordnung in Geschichte und Theorie“116. 112  Gerhard Kallen, Vorwort zu: Rheinische Kulturgeschichte in Querschnitten aus Mittelalter und Neuzeit, hg. v. G. K., III: Zwischen Rhein und Maas. Ein Beitrag zur Landes-, Wirtschafts‑ und Kulturgeschichte des Maasraumes im Mittelalter, Köln 1942, 5 f.; Ders., Reich und Rhein (wie Anm. 110), 209: „ ‚Wacht am Rhein‘ ist Reichswacht“. 113 Vgl. die Nachrufe von Theodor Schieffer, in: HJb 93 (1973), 259; Erich Meuthen, in: HZ 216 (1973), 522; Lewald (wie Anm. 68). 114 Golczewski, Kölner Universitätslehrer (wie Anm. 100), 358; Winfried Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, München 1993 (dtv-Tb 4597) [zuerst erschienen als HZ. Beih. N. F. 10, München 1989], 124. 115 Zu Letzterem s. aber schon Pabst, „Arbeitsgemeinschaft“ (wie Anm. 110), 109–133, und „Blut und Boden“ (wie Anm. 68). 116 Gerhard Kallen, Die Verteidigung von Freiheit und Recht in den Burgunderkriegen (1467–1477) [Festvortrag gehalten am 8. Mai 1950 im Zeughaus der Stadt Neuss], Köln 1950 (Jubiläen der Stadt Neuss); ND in: Ders., Probleme der Rechtsordnung in Geschichte und

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Recht, Rechtsordnung – die Termini sind kein Zufall. Hier kommt zu den alten Deutungsmustern des Neusser Ereignisses ein zwar nicht gänzlich neues, so doch jetzt hervorgehobeneres Moment: Neuss 1474/75 lehrt, daß hier der Freiheitssinn stolzer und tapferer Bürger noch einmal die Oberhand gewann über den modernen, zentralistischen Staat, wie ihn Burgund schon damals verkörperte. Ständische Freiheiten und Genossenschaftsrecht stehen gegen das Gesetz des Herrscherwillens, der alte Geist bürgerlicher Freiheit triumphiert über den absolutistischen Staat117 – ein Leitgedanke, den Kallen fortan auch in anderen Zusammenhängen noch mehrfach aufgreifen sollte. Es war nicht eigentlich der seine, sondern der eines größeren, eines der größten unserer Disziplin im gerade vergangenen Jahrhundert, dessen Vergangenheit auch vierzehn Jahre nach seinem Tod noch lange Schatten wirft; Schatten, die ihn selbst ins hohe Alter verfolgten, obgleich er einer der wenigen war, die ihre Verstrickung und Schuld in nationalsozialistischer Zeit eingestanden hatten. Der greise Hermann Heimpel schrieb auf das Titelblatt von Luthers Katechismus: „Habe ich aber die Kraft auf Gottes Gnade zu vertrauen?“, und für seine Trauerfeier wünschte er eine Predigt über das Thema „Vergebung der Sünden“. Die Sünden sind bekannt und vielerörtert; Unbekanntes mag noch der Göttinger Nachlaß bergen, der bis 2018 gesperrt bleiben soll118. Das bislang Bekannte sei hier nicht erneut ausgebreitet; wie intensiv es erörtert wird, zeigt schon der Umstand, daß Theorie. Zehn ausgewählte Aufsätze, Köln – Graz 1965 (KHA 11), 200–222. 1950 leitete Kallen auch eine von ihm herausgegebene Neuss-Festschrift (vgl. Anm. 99) ein (9–15). Erich Meuthen im in Anm. 113 zitierten Nachruf hierzu wie zum Aufsatzband: „Die für ihn persönlichste Verdichtung erfuhr das Verhältnis von Rhein und Reich wohl im reichsgeschichtlichen Kairos seiner Vaterstadt Neuß von 1474/75, den er wiederholt mit Wärme nachgestaltete. Doch welche Thematik in diesen Studien auch zur Rede steht, ihre besondere Prägung finden sie immer wieder durch seine rechtshistorischen Fragestellungen. Ein Wiederabdruck seiner wichtigsten Aufsätze … erschien 1965 unter dem Titel ‚Probleme der Rechtsordnung in Geschichte und Theorie‘ “ (523). 117 Kallen, Verteidigung (wie Anm. 116), 22–26, 33 f. bzw. 212–215, 220 f. 118 Siehe vorläufig Hartmut Boockmann, Der Historiker Hermann Heimpel, Göttingen 1990 (Kleine Vandenhoeck-Reihe 1553); Ders., in: HZ 251 (1990), 265–282; vgl. auch den Nachruf von Arnold Esch, einem weiteren Schüler Heimpels, in: Deutsche Akad. für Sprache und Dichtung. Jb 1988 (1989), 153–158. Weniger bekannt, doch lohnend: Herbert Obenaus, Geschichtsstudium und Universität nach der Katastrophe von 1945: Das Beispiel Göttingen, in: Geschichte als Möglichkeit. Über die Chancen von Demokratie. FS H. Grebing, hg. v. Karsten Rudolph /Christl Wickert, Essen 1995, 311, 316 f., 320–323; Heinrich Schmidt, Erinnerungen an drei Göttinger Historiker: Hermann Heimpel, Karl Gottfried Hugelmann, Siegfried A. Kaehler, in: Nationalsozialismus und Region. FS H. Obenaus, hg. v. Marlis Buchholz u. a., Bielefeld 1996 (Hannoversche Schriften zur Regional‑ und Lokalgesch. 11), 15–39. Wichtige Biographica finden sich auch in den von Heimpels Freund Arnold Berney handelnden Arbeiten von Heinz Duchhardt, Arnold Berney (1897–1943). Das Schicksal eines jüdischen Historikers, Köln u. a. 1993 (Münstersche Histor. Forschungen 4); Michael Matthiesen, Verlorene Identität. Der Historiker Arnold Berney und seine Freiburger Kollegen 1923–1938, Göttingen 1998 [dazu aufschlußreich aus französischer Sicht A. Escudier, in: Bull. d’information de la MHFA 35 (1999), 328–333]; sowie Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft (wie Anm. 114), 360 s. v.; Ernst Schulin, Hermann Heimpel und die deutsche Nationalgeschichtsschreibung, Heidelberg

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allein im vorletzten Jahr vier Publikationen erschienen – übrigens eine direkte wie indirekte Folge des Frankfurter Historikertags 1998 –, die sich entweder ausschließlich auf Hermann Heimpel beziehen (Racine) oder auf seine Rolle während der Weimarer, der nationalsozialistischen und bundesrepublikanischen Zeit in größeren Zusammenhängen eingehen (Schreiner, Oexle, Althoff)119. Unsere Aufmerksamkeit gilt dagegen zunächst nur dem umfänglichen, 1943 im „Elsaß-Lothringische(n) Jahrbuch“ veröffentlichten Aufsatz Heimpels „Karl der Kühne und Deutschland“, in dessen Zentrum die Trierer Verhandlungen von Herzog und Kaiser im Herbst 1473 und die Ereignisse am Oberrhein stehen. Neuss findet eher sekundäres Interesse und nüchterne Bewertung. Ein Satz wie „Das große Reich ermannte sich vor der kleinen Stadt Neuß“ nimmt sich da schon pathetisch aus; ja, das Wort Rettung (nämlich von Neuss und Köln) wird gar in Anführungszeichen gesetzt120 – ein deutlicher Kontrapunkt etwa zu jenem unsäglichen Blut-Boden-Bauern-Geschwafel, das sein damaliger Straßburger Kollege und SS-Untersturmführer Günther Franz ein Jahr zuvor zur „Bedeutung der Burgunderkriege für die Entwicklung des deutschen Nationalgefühls“ von sich gegeben hatte121 und das nur noch unterboten wurde in der Dissertation 1998 (Schriften der philos.-histor. Klasse der Heidelberger Akad. der Wissenschaften 9), 26–43 (Heimpels Weg zur „Deutschen Geschichte“). 119  Racine, Hermann Heimpel (wie Anm. 105), 142–158; vgl. ebd., 159 f.: Esch, Über Hermann Heimpel (wie Anm. 118). – K. Schreiner, Reichsbegriffe und Romgedanken. Leitbilder politischer Kultur in der Weimarer Republik, in: Deutsche Italomanie in Kunst, Wissenschaft und Politik, hg. v. Wolfgang Lange/Norbert Schnitzler, München 2000, 137–177, bes. 155 ff.; Otto Gerhard Oexle, „Zusammenarbeit mit Baal“. Über Mentalitäten deutscher Geisteswissenschaftler 1933 – und nach 1945, in: Histor. Anthropologie 8 (2000), 1–27, bes. 10 ff.; Gerd Althoff, Das Mittelalterbild der Deutschen vor und nach 1945. Eine Skizze, in: Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. FS P. Moraw, hg. v. Paul-Joachim Heinig u. a., Berlin 2000 (Histor. Forschungen 67), 731–749, bes. 734 ff. Frankfurter Historikertag: Intentionen – Wirklichkeiten. 42. Deutscher Historikertag in Frankfurt am Main 8. bis 11. September 1998. Berichtsband, hg. … v. Marie-Luise Recker u. a., München 1999, bes. 1–6 (Eröffnung durch den Vorsitzenden des Verbandes der Historiker Deutschlands Prof. Dr. Johannes Fried; ebenfalls in: ZfG 46 [1998], 869–874) und 209–214 (Deutsche Historiker im Nationalsozialismus; aus dieser Sektion ging der Anm. 42 zitierte Sammelband gleichen Titels hervor). 120  Hermann Heimpel, Karl der Kühne und Deutschland (mit besonderer Rücksicht auf die Trierer Verhandlungen im Herbst des Jahres 1473), in: Elsaß-Lothring. Jb 21 (1943), 1–53, 39 (Zitat), 40 („Rettung“). 121 G. Franz, Die Bedeutung der Burgunderkriege für die Entwicklung des deutschen Nationalgefühls, in: Burgund. Das Land zwischen Rhein und Rhone, hg. v. Franz Kerber, Straßburg 1942 (Jb der Stadt Freiburg im Breisgau 5), 161–172: „Der Gegensatz zwischen Herzog Karl und dem Deutschen Reich, besser noch dem deutschen Volke, war … über die sprachlichen Unterschiede hinweg in den letzten Tiefen geschichtlichen Seins verankert. In ihm kam der Kampf zwischen der völkischen Ordnung des Reiches und der staatlichen Gliederung des Westens zu offenem Ausbruch“ (163). – „So ist der Kampf gegen Burgund hineingestellt in die große Auseinandersetzung zwischen dem Reiche und dem Westen. Er galt als eine Sache des gesamten Deutschtums …“ (170). Eigentlicher Träger dieses Kampfes war ihm, zumindest im Südwesten, der deutsche und da vor allem der schweizerische Landmann: „Der Bauer sah in diesem ersten Vordringen Frankreichs an den Rhein den Angriff gegen die deutsche Führung in

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von dessen Heidelberger Schüler Hans Fritzsche „Ein deutscher Grenzlandkampf im ausgehenden Mittelalter. Die Abwehrbewegung deutschen Volkstums gegen Burgund“, auf die trotz ihrer wiederholten Rekurse auf Neuss einzugehen man sich guten Gewissens versagen darf 122. Heimpel bewegte vornehmlich Dreierlei beim Thema Burgund am Nieder‑ und vor allem am Oberrhein. Zum ersten eben das, was Gerhard Kallen, anson­ sten ungleich stärker als er der „Blut und Boden“-Ideologie verhaftet, aufnehmen sollte: „Karl … gedachte im Elsaß nicht ein Bündel von Privilegien, sondern ein Land zu erwerben, das er zu einem Teil des ‚Staatsgebietes‘ machen wollte, an Europa“ (162). Daß ausgerechnet dieser rassisch so wertvolle Teil sich alsbald vom Reichskörper zu lösen begann, konnte der Autor natürlich nur mit tiefem Bedauern konstatieren. Franz (1901–1992) hat sich noch in einem 1981 publizierten, bezeichnenderweise vor der Ranke-Gesellschaft gehaltenen Vortrag apologetisch mit seiner Disziplin wie seiner eigenen Rolle in nationalsozialistischer Zeit auseinandergesetzt: Das Geschichtsbild des Nationalsozialismus und die deutsche Geschichtswissenschaft, in: Geschichte und Geschichtsbewußtsein, … hg. v. Oswald Hauser, Göttingen – Zürich 1981, 91–119. Siehe zu Franz jetzt Jürgen Miethke, Die Mediävistik in Heidelberg seit 1933, in: Geschichte in Heidelberg. 100 Jahre Historisches Seminar, 50 Jahre Institut für Fränkisch-Pfälzische Geschichte und Landeskunde, … hg. v. J. M., Berlin u. a. 1992, 98–102; Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft (wie Anm. 114), 359 s. v.; Wolf, Litteris et Patriae (wie Anm. 42), 419 f.; Matthias Werner, Stationen Jenaer Geschichtswissenschaft, in: Identität und Geschichte, hg. v. Dems., Weimar 1997 (Jenaer Beitr. zur Geschichte 1), 12 f.; Wolfgang Behringer, Von Krieg zu Krieg. Neue Perspektiven auf das Buch von Günther Franz „Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk“ (1940), in: Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe, hg. v. Benigna von Krusen­ stjern / Hans Medick, Göttingen 1999 (VMPIG 148), 543–591; Ders., Bauern-Franz und Rassen-Günther. Die politische Geschichte des Agrarhistorikers Günther Franz (1902–1992), in: Deutsche Historiker im Nationalsozialismus (wie Anm. 42: Schöttler), 114–141; Versäumte Fragen (Biograph. Glossar) (wie Anm. 89), 449; Joachim Lerchenmüller, Die Geschichtswissenschaft in den Planungen des Sicherheitsdienstes der SS. Der SD-Historiker Hermann Löffler und seine Denkschrift „Entwicklungen und Aufgaben der Geschichtswissenschaft in Deutschland“, Bonn 2001, passim; Steinbach, Des Königs Biograph (wie Anm. 87), 237. 122 Berlin 1937. – Der 1914 im westpreußischen Graudenz geborene Autor ist nicht mit dem gleichnamigen Leiter der Abteilung Deutsche Presse im Reichspropagandaministerium identisch [*24. Januar 1900, Bochum]. Das wirre Elaborat Fritzsches hat indes einen – ganz den Vorstellungen des Lehrers entsprechenden – konsequent durchgehaltenen Grundgedanken: Alle Kraft kommt aus dem Volk, das in den germanischen Bergbauern der Eidgenossenschaft seine herrlichste Entfaltung findet (60: „Maßgebend ist das Volk selbst, das der gesamt-politischen Entwicklung aus seiner unerschöpflichen Substanz die wesentlichen Kräfte zuführt“). Zu Neuss nur eine einzige – makabre – Kostprobe: „Der Führer der Abwehr war in Neuß Landgraf Hermann von Hessen, dessen menschliche und soldatische Führerleistung die Stadtgemeinschaft in äußerster Verzweiflung immer wieder emporriß. Er leitete nicht nur die militärischen Operationen, darüber hinaus hielt er auch die seelischen Kräfte frisch, indem er zum inneren Ausgleich in den Kampfpausen die Bevölkerung auf dem Marktplatz zusammenrief und sie durch gemeinsame Spiele und Körperbewegungen für Augenblicke den furchtbaren Kampf ums Dasein vergessen ließ, während draußen die Wehr auf den Mauern stand (Recreavit animis). Wer wird hier nicht an die modernen Begriffe des ‚totalen Kriegs‘ und der ,totalen Mobilmachung‘ erinnert!“ (48). Es ist mir unverständlich, daß Richard Vaughan, letzter wissenschaftlicher Biograph Karls des Kühnen, neben dem Aufsatz Kallens von 1950 die Arbeiten von Franz und Fritzsche als einzige deutsche Titel – wenn auch kritisch – zum Neusser Krieg aufführt: Charles the Bold (wie Anm. 4), 333 Anm. 2.

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dessen Einheitlichkeit er arbeitete“ – Es „trat dem deutschen Wesen, besonders der deutschen Rechtsauffassung in Karl und seinen Sendlingen gerade das entgegen, was Burgund mit Frankreich verband …: der gleichmacherische bürokratische Staat“ – „Mochte den Verwegenen seine Ruhmsucht aufblähen, seine Rachsucht blenden, mochte seine Phantasie zur Kreuzfahrt schweifen und zur Weltherrschaft springen, mochte er sich mit Cäsar vergleichen und auf Alexander berufen, dies alles verbindet sich mit bürokratischer Staatsverwaltung, mit dem lauernden, mißtrauischen, rechnenden, knauserigen, nicht ritterlichen, sondern artilleristischen Wesen des letzten Herzogs von Burgund“123. Lauernd-mißtrauisch, das läßt auch an Karls Vertreter am Oberrhein, Peter von Hagenbach, denken, über den Heimpel 1942 (in einem für den zunehmend intensiveren Blick des nationalsozialistischen Deutschland auf Burgund aufschlußreichen, von dem Freiburger Oberbürgermeister Franz Kerber herausgegebenen Sammelband „Burgund. Das Land zwischen Rhein und Rhone“) schrieb, der Landvogt habe „seine deutsche Grobheit … durch welsche Kälte unerträglich“ gemacht. Bei dem Oberelsässer zeigt „Anderes, Gemeineres, Raffinierteres … Züge eines doch wohl nicht deutschen Zynismus. Auf seinem Gesicht lag das kalte Lächeln des Romanen, das biedere deutsche Bürger zur Verzweiflung trieb“124. Und Heimpel zeigt hier seinerseits – dies das zweite Moment – seine starke Aversion gegen Franzosen und Frankreich, das er 1939 „das Land der feindlichen, der bösartigen, der heimlich geliebten Brüder“ nannte125. Sein Schüler E. Schulin 123 Karl

der Kühne und Deutschland (wie Anm. 120), 45 f. (1. Zitat), 45 (2. und 3. Zitat). von Hagenbach und die Herrschaft Burgunds am Oberrhein, in: Burgund. Das Land zwischen Rhein und Rhone (wie Anm. 121), 145. Insbesondere zum Prozeß gegen Hagenbach hat Hermann Heimpel sich noch mehrfach geäußert: Das Verfahren gegen Peter von Hagenbach in Breisach. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Strafprozesses, in: ZGO N. F. 55 (1942), 321–357; Mittelalter und Nürnberger Prozeß, in: FS E. E. Stengel, Münster – Köln 1952, 443–452; ND in: H.H., Aspekte. Alte und neue Texte, hg. v. Sabine Krüger, Göttingen 1995, 42–51. Auch die Dissertation von Hildburg Brauer-Gramm, Der Landvogt Peter von Hagenbach. Die burgundische Herrschaft am Oberrhein 1469–1474, Göttingen 1957 (Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft 27), geht auf ihn zurück. Zu den zwischen Verständigung und Annexion wechselnden Frankreichpositionen des Freiburger Oberbürgermeisters Kerber und damit des Jahrbuchs der Stadt s. Geiger, Grenzland (wie Anm. 84), 112 ff.; 122 (spez. zum Band „Burgund. Das Land zwischen Rhein und Rhone“). 1942 war Burgund auch ein Schwerpunktthema der Zeitschriften „Volksforschung“ und „Westmark“: Geiger, 121 f. 125 Frankreich und das Reich, in: HZ 161 (1940), 232 [es handelt sich um den Druck eines bereits 1939 gehaltenen Vortrags]. Interessanterweise ist in einem veränderten Nachdruck des Aufsatzes aus dem Jahre 1941 nurmehr die Rede vom „Land der feindlichen Brüder“: Hermann Heimpel, Deutsches Mittelalter, Leipzig 1941, 164. Heimpel im November 1933 an die Hörer seiner im Wintersemester abgehaltenen Freiburger Vorlesung in einer Vorrede (sie und diejenige zum Kolleg des vorangegangenen Sommersemesters, beide im Privatdruck veröffentlicht, spielen bekanntlich in der jüngeren Diskussion um seine Rolle im Dritten Reich eine zentrale Rolle): „wir fragen: wo liegt denn das Abendland? Wir antworten: Das Abendland liegt in Deutschland. Das Abendland ist nicht mehr das Frankreich der Zivilisation, der Sicherheit, der Ostbündnisse, der bourgeoisen Versicherung, deren 124 Peter

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konstatierte gar: „Am nächsten kam er dem nationalsozialistischen Geschichtsbild in seinem auffallenden antifranzösischen Affekt“126. Sicher war dies partiell generationsbedingt, auch wenn der Münchner Großbürgersohn und Autor der „Halben Violine“ kaum persönlich negative Erfahrungen mit Frankreich in Kriegs‑ und Besatzungszeiten gemacht haben dürfte, wie sie wohl für Kallen und Platzhoff anzunehmen stehen. Manches wird auch auf das Konto seiner beiden akademischen Lehrer gehen, der nationalkonservativen und miteinander befreundeten von Below und Finke127. Immer wieder scheint es bei ihm ein Anschreiben, und zwar – man kann sich des Eindrucks kaum erwehren – ein Anschreiben wider besseres Wissen gegen eine als übermächtig empfundene französische Geschichte und Kultur zu sein, ein trotziger Alleinvertretungsanspruch auf das Erbe Karls des Großen. Sein für die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ vom 24. März 1940 verfaßter Artikel über die Auseinandersetzung um dieses Erbe beginnt „Frankreich ist wieder zum Kampf gegen Deutschland angetreten“, und endet „Nur dem schwachen Deutschland wagt man die preußischen Soldatenkönige zu Barbaren zu machen, seine Kaiser nachträglich zu bannen, sein Aachen zu nehmen. Die Selbstbehauptung Deutschlands aber wahrt das tausendjährige Erbe: das Reich Karls des Großen“128. Wer 1941 an die Reichsuniversität Straßburg ging, der stand hinter dem Wort ihres ersten Rektors Karl Schmidt: „Unsere Bestimmung, gegen Westen zu blicken und zu kämpfen, ist klar und eindeutig“129. Heimpel Prämien immer und immer wieder das geschwächte Deutschland in der Mitte Europas zahlt; sondern das Abendland ist und wird sein das Deutschland der Wahrheit … Deutschland wird das Abendland tragen – mögen wir vergehen, wir Sandkörner im Winde der Geschichte“; zit. nach Schulin, Hermann Heimpel (wie Anm. 118), 34, der ebd., Anm. 58 auf die kaum veränderte Publikation dieser Passage in einem Aufsatz Heimpels aus dem Jahre 1941 hinweist. Hierzu Oexle, Zusammenarbeit (wie Anm. 119), 12: „ein mit Emphase erlebtes und zutiefst gewolltes Dabei-Sein“; Fried, Eröffnung (wie Anm. 119), 5 bzw. 873: „Das den Terror verherrlichende Pathos Hermann Heimpels dröhnte seinen Studenten zu Beginn des Wintersemesters 1933/34 in den Ohren …“. 126 Schulin, Hermann Heimpel (wie Anm. 118), 37; vgl. Schöttler, „Westforschung“ (wie Anm. 66), 250 Anm. 112. 127 Heimpels Nachrufe auf bzw. Erinnerungen an seine Lehrer sind gesammelt in: Aspekte (wie Anm. 124), 164–176, 186–201. Zu Georg von Below: Otto Gerhard Oexle, Ein politischer Historiker. Georg von Below (1858–1927), in: Deutsche Geschichtswissenschaft um 1900, hg. v. Notker Hammerstein, Stuttgart 1988, 283–312; Hans Cymorek, Georg von Below und die deutsche Geschichtswissenschaft um 1900, Stuttgart 1998 (VSWG. Beih. 142). – Über Heinrich Finke, der Heimpel übrigens durch die Kirchengeschichte im Spätmittelalter das spezifisch Deutsche zu sehen lehrte, zuletzt Ansgar Frenken, Heinrich Finke, der Nationalsozialismus und die Zwangsauflösung der Görres-Gesellschaft, in: HJb 118 (1998), 287–303 (288 Anm. 5 Angaben weiterer Arbeiten zu Person und Werk). 128 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 143/144 – Beiblatt 1 vom 24. März 1940. Vgl. Karen Schönwälder, Historiker und Politik. Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus, Frankfurt / M.–New York 1992, 173; Schulin, Hermann Heimpel (wie Anm. 118), 38. 129 Straßburger Monatshefte, 5. Jg./Heft 19, 683. Dazu Racine, Hermann Heimpel (wie Anm. 105), 145: Heimpel „se mettait au service d’une université dont il est difficile de nier le rôle éminemment politique“.

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besaß ebensowenig wie die meisten seiner Kollegen jene Größe eines Johannes Haller, der, bei überaus ausgeprägtem nationalen Bewußtsein, die Überlegenheit französischer Kultur gerade im Mittelalter ohne Wenn und Aber anzuerkennen bereit war und eine französische Offensivpolitik gen Osten erst vom 17. Jahrhundert an, in aggressiver Weise sogar erst seit der Revolution und mit Napoleon am Werk sah130. So erstaunt am Ende denn auch nicht Heimpels zunächst recht überraschend wirkende positive Sicht eines scheinbar alles aussitzenden Kaisers Friedrich III., der in Wirklichkeit vor Neuss und nicht nur dort abwartend und klug den Erwerb eines möglichst geschonten Burgund zu Habsburgs und des Reiches Nutzen betrieb. Friedrich bereitete damals vor, was Heimpel in besagtem Aufsatz des Jahres 1943 einen geradezu jubelnden Schlußpunkt setzen ließ: „Endlich aber, da der Herrscher Burgunds nicht mehr Karl von Valois [i. e. Karl der Kühne], sondern Maximilian von Habsburg war, beriefen sich nun auch die burgundischen Niederlande wie einst das deutsche Straßburg auf das Reich, damals, als die germanischen Flandrer, die Untertanen des deutschgesinnten Maximilian, des habsburgischen Erben Burgunds, sich gegen Frankreich zu wehren hatten wie einst in der Schlacht der goldenen Sporen. Ein Deutscher war Herr Burgunds“131. Dies aber ist das Dritte und Wichtigste: Romanisch-Welsches darf nicht ins Reich ein‑ und vordringen, das Reich aber sehr wohl über altangestammte Gebiete in der Romania herrschen. Da wirkt jener von Boehm beschworene „Mythos des Reiches germanischer Nation“, da trifft sich das Erste Reich des Mittelalters mit dem Dritten Hitlers, nämlich in „einer europäischen Ordnung aus der volkreichen willensstarken Mitte, wie sie einst von Heinrich I. begründet, von unseren Kaisern verwirklicht war“ – „Was aber heute erstritten wird, war auch die Ordnung des ersten Reichs: der Friede der Völker aus der Kraft ihrer Mitte“ – „Denn Weltdienst, nicht Weltherrschaft war der Inhalt des Reichs: die Deutschen sind die großen Ordner unter den europäischen Völkern gewesen“132. Im selben Heft erschien auch Heimpels „Straßburger Programm“: Die Erforschung des deutschen Mittelalters im deutschen Elsaß (738–743). Vgl. Schulin, Hermann Heimpel (wie Anm. 118), 38 f.; Klaus Sommer, in: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensio/ buecher/1999/sokl0299.htm, 12; Racine, 146: „Son enseignement était nettement engagé dans une ligne nationaliste, qu’il ne dissimulait pas à son arrivée à la Reichsuniversität, en exaltant l’appartenance de l’Alsace au monde allemand“. 130 Heribert Müller, Der bewunderte Erbfeind. Johannes Haller, Frankreich und das französische Mittelalter, in: HZ 252 (1991), 296, 303 ff. [in diesem Band: 55, 60 ff.]. Von besonderem Belang hierfür ist die nach ihrem ersten Erscheinen 1930 mehrfach wiederaufgelegte Monographie Hallers „Tausend Jahre deutsch-französischer Beziehungen“. 131 Karl der Kühne und Deutschland (wie Anm. 120), 50 [Hervorhebung durch den Autor]. 132 Heimpel, Erforschung (wie Anm. 129), 742 (1. Zitat ). – Das Erste Reich – Schicksal und Anfang [1938], in: H. H., Deutsches Mittelalter (wie Anm. 125), 207 (2. Zitat). – Deutschlands Mittelalter – Deutschlands Schicksal [1933], in: ebd., 12 (3. Zitat). Siehe hierzu Boockmann, Hermann Heimpel (wie Anm. 118), 21; Wolf, Litteris et Patriae (wie Anm. 42), 253 ff., 258 f., 260–263 (267–276 eine Liste mit Namen weiterer mediävistischer „Ordnungspolitiker“); Schulin, Hermann Heimpel (wie Anm. 118), 34–38; Althoff, Mittelalterbild (wie Anm. 119),

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Klaus Schreiner hat in sensibler Interpretation aufgezeigt, daß Heimpel mit solchen, in Variationen über ein Jahrzehnt getroffenen Äußerungen keineswegs immer einer bruchlosen Kontinuität oder gar Identität von Erstem und Drittem Reich das Wort geredet hat, daß feine Nuancen und Schattierungen auch als unmerkliche Distanzierungen ausgelegt werden können133 – Heimpel war eben ein Magier des Worts; glänzend, schillernd, mehrdeutig sein Stil, und gerade das sollte er selbst später, so Schulin, als politische Schuld empfinden (wobei selbst Bekennen und Gedenken noch unter dem „eitlen Gesetz der Form“ stehen, um einen von Heimpel selbst bevorzugten Ausdruck zu benutzen)134. Trotz dieser differenzierenden Beobachtungen scheint es mir aufs Ganze aber doch seiner tiefsten, nicht zuletzt auch von der Staatsfixierung traditioneller deutscher Mediävistik geprägten Überzeugung zu entsprechen, daß das Reich in Vergangenheit wie Gegenwart zum Ordner Europas berufen ist. (Über die praktischen 735; Wolfrum, Geschichte als Waffe (wie Anm. 38), 48 f. (dabei aber mit m. E. zweifelhafter Pauschalverurteilung der meisten nichtemigrierten deutschen Historiker der Zeit als Munitionslieferanten „in Form von historischer Sinnstiftung … für ein verbrecherisches Regime und dessen Eroberungs‑ und Vernichtungskampf “; ebd.). Die Schrift des am „Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands“ tätigen Karl Richard Ganzer „Das Reich als europäische Ordnungsmacht“ erreichte nach ihrem ersten Erscheinen 1941 eine Gesamtauflage von 850 000 Exemplaren: Helmut Heiber, Walter Frank und sein Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands, Stuttgart 1966 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgesch. 13), 377 ff. 133 Klaus Schreiner, Führertum, Rasse, Reich. Wissenschaft von der Geschichte nach der nationalsozialistischen Machtergreifung, in: Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Peter Lundgreen, Frankfurt/M. 1985, 183 ff., 197 f.; Ders., Reichsbegriffe (wie Anm. 119), 156 f.; vgl. Elmar Wadle, Visionen vom „Reich“. Streiflichter zur Deutschen Rechtsgeschichte zwischen 1933 und 1945, in: Die deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, hg. v. Joachim Rückert / Dietmar Willoweit, Tübingen 1995 (Beitr. zur Rechtsgesch. des 20. Jhs. 12), 258 f. Schreiner wie Wadle beziehen sich vor allem auf Heimpels Aufsatz „Reich und Staat im deutschen Mittelalter“, in: Archiv des Öffentl. Rechts N. F. 27 (1936), 257–283. Allerdings rückte Heimpel noch in seinem „Straßburger Programm“ Erstes und Drittes Reich eng zusammen; dieses ist – auf den einfachsten Nenner gebracht – Reich des Mittelalters plus Volksempfänger plus Motorisierung: „Auf solchen Grundlagen [sc. wie das Erste] steht auch unser Reich. Auch dieses Reich ist Ordnung Europas aus seiner Mitte … Aber diesem neuen Reiche dienen die Lehren der neueren Jahrhunderte, jene Mittel und Erkenntnisse, die unseren Kaisern fehlten … Selten zeigte sich der kaiserliche Reiterzug den Bauern und Bürgern, in die entlegenste Hütte dringt das Wort des Führers. Mühsam schleppte sich der königliche Troß, der Motor bezwingt den Raum, der den Deutschen aufgegeben ist“; Erforschung (wie Anm. 129), 743. Friedrich Heer, „enfant terrible im Nachkriegskatholizismus“, führte 1949 in seinem höchst kontrovers diskutierten Buch „Aufgang Europas“ Klage über die – für ihn zweifelsfrei vorhandene – Kontinuität von heiligem Reich des Mittelalters und nationalsozialistischem Reich: „Der Totalstaatsversuch Hitlers läßt sich nur von reichischen Bezügen her verstehen – aus der Perversion, gewiß, aber auch aus der echten Nachfolge des alten Sacrum Imperium“; zit. nach Arnold Angenendt, Liturgik und Historik. Gab es eine organische Liturgie-Entwicklung?, Freiburg / Brsg. u. a. 22001 (Quaestiones disputatae 189), 92 f. (ebd. auch das erste Zitat). 134 Schulin, Hermann Heimpel (wie Anm. 118), 36; vgl. Escudier in seiner Besprechung des Buchs von Matthiesen (s. Anm. 118), 332: „Ses talents d’écriture lui auront permis de cultiver, après 1945, le flou artistique le plus total“.

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Konsequenzen im Falle eines deutschen Endsiegs braucht kein Wort verloren zu werden135.) Dies vor allem erklärt seine Affinität zu dem von ihm wohl in manch anderen Punkten innerlich abgelehnten Nationalsozialismus; eine Affinität, die sich kaum auf jenes Freiburger Jahr 1933 unter dem Rektorat Heideggers begrenzen läßt136 – es hilft nicht, kritische Anfragen einfach nach dem Motto „Da krabbeln sie nun wie die Ratten auf der Keule des Herkules“ (Schiller, „Die Räuber“) abzufertigen, was Heimpels Schwiegersohn, der frühere Frankfurter Rechtsprofessor Hans Erich Troje, 1999 per Internet versuchte137. Heimpels Reichsvorstellung weist nun frappierende Übereinstimmungen mit Carl Schmitts Konzeption einer „Völkerrechtlichen Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte“138 auf, die ihrerseits u. a. die Reichsideologie des protestantischen Publizisten Wilhelm Stapel aus den frühen dreißiger Jahren aufgreift und in die wohl auch Schmitts persönliche Erfahrungen der Rheinlandbesetzung eingeflossen sind139. Dem Mythos des Reichs eignete gerade in der sich auflösenden Weimarer Republik generell ein ebenso hoher wie diffuser 135 Ordnen im Raum durch die deutschen Armeen, bereits vor dem vermeintlichen Endsieg: „Es ist der Geist ihres Führers und Feldherrn, der sie unüberwindlich macht; es ist dieser tiefe Glaube an den göttlichen Auftrag des Reiches zur Ordnung der Völker in seinem Raum“. So der Dramatiker und NS-Propagandist Felix Lützkendorf, der dies als Begleiter der SS in Frankreich in seinem Buch „Söhne des Krieges. Berichte von drei Fronten“ (Berlin 1942, 213) festhielt. 136 Heimpels Schüler Esch: „Wir wußten doch, daß er 1933 eine Zeitlang regelrecht ausgeflippt ist“ (Über Hermann Heimpel [wie Anm. 119], 160). 137 Hermann Heimpel (1901–1988): „Da krabbeln sie nun wie die Ratten auf der Keule des Herkules“ (Karl von Moor). Vorbemerkung – Zwei Vorreden zu Vorlesungen 1933 – Nachbemerkung – Gratulationsliste: . 138 Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte, Berlin u. a. 1940 (Die Schrift geht auf einen an der Kölner Universität 1939 gehaltenen Vortrag zurück, für den seinerseits der Anschluß Österreichs und die Besetzung der „Rest-Tschechei“ den Anlaß lieferten: Felix Blindow, Carl Schmitts Reichsordnung. Strategie für einen europäischen Großraum, Berlin 1999, 56). Sowohl bei Heimpel als auch bei Schmitt spielen rassische und völkische Kategorien kaum eine Rolle, vielmehr wird eine historische und völkerrechtliche Beweisführung versucht. Siehe auch Schreiner, Reichsbegriffe (wie Anm. 119), 159, 162. Expressis verbis auf Schmitt berief sich übrigens der Rechtshistoriker H. E.  Feine, der im Großdeutschen Reich des „Führers“ die „Großraumordnung“ verwirklicht sah (Textauszug bei Wadle, Visionen [wie Anm. 133], 265). 139 a) Zu Stapel und dessen Werk „Der christliche Staatsmann. Eine Theologie des Nationalismus (1932)“ s. Kurt Sontheimer, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, München 1962, 284 f.; Schreiner, Reichsbegriffe (wie Anm. 119), 140 ff., mit Verweis auf die Arbeit von H. Thomke (1973). b) Erfahrungen Schmitts mit der Rheinlandbesetzung: Blindow, Reichsordnung (wie Anm. 138), 62. – Am 14. April 1925 hielt Schmitt bei der Jahrtausendfeier des rheinischen Zentrums eine – auch ins Englische übersetzte – Festrede „Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik“ (gedruckt: Köln 1925 [Flugschriften der Rheinischen Zentrumspartei 2,4]: Reismüller / Hofmann, Rheinlandbesetzung [wie Anm. 56], n. 492/493). Hierzu künftig Georg Mölich, Carl Schmitt im Rheinland. Sein Vortrag „Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik im zeitgenössischen Kontext“ in dem in Anm. 57 genannten Kolloquiumsband Rheinlandbesetzung und Jahrtausendfeiern.

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Symbolwert, der unter der gemeinsamen Devise „Nulla salus sine Germania“ und mit einer diesem Reich unterstellten positiven Gemeinschaftsordnung von katholischer bis zu nationalsozialistischer Seite mit unterschiedlichsten Inhalten aufgefüllt werden konnte140. Trotz oder gerade wegen dieses undeutlichen Charakters wurde er „zur wichtigsten Brücke zwischen Hitler und großen Teilen des gebildeten Deutschland“. „Die ‚Reichsidee‘ “ – so H. A. Winkler – „das war die Erinnerung an die Größe des deutschen Mittelalters und an die Aufgabe, die Deutschland damals für das ganze christliche Abendland übernommen hatte: die Abwehr von Gefahren aus dem heidnischen Osten. In den Köpfen und Herzen ihrer Anhänger hatte die ‚Reichsidee‘ auch die Demütigungen überlebt, denen sich Deutschland seit Jahrhunderten von Westen her, durch Frankreich ausgesetzt sah … ‚Das Reich‘ war der irdische Abglanz des Ewigen und darum der letzte Grund einer bestimmten Sendung der Deutschen. Sie mußten Europa führen, weil nur sie einen universalen Auftrag hatten, der sie weit heraushob über die anderen Nationen und ihre Nationalstaaten“141. In diesem Kontext bedarf das Thema Heimpel – Schmitt noch näherer Untersuchung bis hin zur Klärung der profanen Frage, ob Heimpel an jenen beiden im Rahmen von Ritterbuschs „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaft“ 1940 und 1941 abgehaltenen Historikertagungen beteiligt war, deren erste sich mit dem Projekt „Die Westmächte und die europäische Ordnung“ beschäftigte und auf deren zweiter Carl Schmitt über eine globale Raumordnung unter deutscher Führung dozierte („Neue Kräfte und neue Energien tragen die neue Raumrevolution, und dieses Mal ist es das deutsche Volk, dem die Führung zukommt. Ab integro nascitur ordo“)142. 140 Dies ist das Thema von Schreiners Untersuchung „Reichsbegriffe“ (wie Anm. 119). Ähnlich und bereits grundlegend Sontheimer, Antidemokratisches Denken (wie Anm. 139), 280–306 („Die Vision des Reiches“). Siehe dazu auch – mit speziellem Blick auf den Jenaer Historiker Friedrich Schneider und dessen Sicht von „Dantes Welt“ – die Studie von Matthias Steinbach, Friedrich Schneiders „Kaiserpolitik des Mittelalters“. Zur Karriere eines Bestsellers im Spannungsfeld ideologisierter Geschichtsbilder und universitärer Machtkämpfe, in: „Kämpferische Wissenschaft“. Studien zur Universität Jena im Nationalsozialismus, hg. v. Uwe Hoßfeld u. a., Köln – Weimar – Wien 2003, 943–966. 141  Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen, I: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik, München 2000, 554; danach Wolfrum, Geschichte als Waffe (wie Anm. 38), 37; Steinbach, Des Königs Biograph (wie Anm. 87), 221. – Vgl. auch Winkler, in: Versäumte Fragen (wie Anm. 89), 378, zur Rolle der jüngeren deutschen Historiker im Nationalsozialismus: „Das war nicht nur Mitläufertum und partielle Anpassung, sondern einiges mehr. Wenn ich die Texte aus dieser Zeit richtig lese, bedeutete vor allem der ‚Reichsgedanke‘ eine Brücke zwischen den jungkonservativen Intellektuellen unter den damaligen Historikern und den Nationalsozialisten. Sie trafen sich mit Hitler in einem deutschen Sendungsbewußtsein, das im Reichsmythos seinen höchsten Ausdruck fand … In dieser Hinsicht sind vor allem die Texte von Hermann Heimpel aus dem Jahre 1941 erschreckend lesenswert“. 142 Staatliche Souveränität und freies Meer. Über den Gegensatz von Land und See im Völkerrecht der Neuzeit, in: Fritz Hartung u. a., Das Reich und Europa, Leipzig 1941, 79–105; vgl. dazu Blindow, Reichsordnung (wie Anm. 138), 126–134. In einem von den im Rahmen

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Burgund, es ließ Hermann Heimpel auch nach dem unrühmlichen Ausgang seiner Straßburger „Mission“ und vorübergehendem Rückzug ins Private am Ende des Zweiten Weltkriegs nicht los, und doch ließ er schließlich davon (wie er auch, zerrissen vom Widerspruch zwischen den Erfahrungen und Konsequenzen eines hypertrophen Nationalismus unter dem Signum des „Reichs“ einerseits und der Verpflichtung auf das Humanum andererseits von der Niederschrift einer „Deutschen Geschichte“ absah143). Seine beiden Skizzen „Burgund am Rhein und auf dem Schwarzwald“ (1948) sowie „Burgund – Macht und Kultur“ (1953) sind glänzend formulierte Essays, die mit wenigen Strichen jene Welt „von Traum und Rechnung“ suggestiv einfangen und dabei zugleich geschickt neue Akzente setzen, werden doch nunmehr die burgundischen Jahre am Oberrhein als „beträchtliche(r) Schritt zur fürstlichen, zur landesherrlichen Einheit“ gewürdigt144. Hieß es 1948 zwar noch mit Blick auf den Neusser Krieg „Köln war dem Reich gerettet“, so ist fünf Jahre später – und 1953 war auch das Jahr ersten Schuldeingeständnisses und Lossagens von der Reichsmystik – davon nicht einmal mehr ansatzweise die Rede; vielmehr nimmt der erstaunte Leser über die Gegenseite jetzt folgende Aussage zur Kenntnis: „Wer die Kraft des nationalen Gedankens im 15. Jahrhundert nicht überschätzt, wird der Meinung sein, daß ein großes Reich Karls des Kühnen nicht weniger Dauer zu erwarten hatte als des „Kriegseinsatzes“ für die Historikersektion verantwortlichen Walter Platzhoff und Theodor Mayer unterzeichneten Vorwort zu diesem Band, welcher die auf der zweiten Tagung am 7. / 8. Februar 1941 in Nürnberg gehaltenen Vorträge enthält, heißt es: „Die deutschen Historiker sind sich ihrer Pflicht bewußt, für das zentrale Problem des jetzigen Krieges und der bevorstehenden Neuordnung Europas das geschichtliche Rüstzeug beizubringen … Sie wollen sich mit dieser Schrift zu dem politischen Charakter ihrer Wissenschaft bekennen“. In seinem Geleitwort betonte P. Ritterbusch, dem mittelalterlichen Reich eigne ein gewisser Vorbildcharakter für die neue Ordnung Europas unter deutschen Vorzeichen (XIII). Nach Frank-Rutger Hausmann ist bislang noch keine vollständige Liste der Teilnehmer an der Nürnberger Tagung aufgetaucht: Die Aktion Ritterbusch. Auf dem Weg zum Politischen: Carl Schmitt und der Kriegseinsatz der deutschen Geisteswissenschaft, in: FAZ vom 13. März 1999 – Beilage; vgl. vor allem Ders., „Deutsche Geisteswissenschaft“ im Zweiten Weltkrieg. Die „Aktion Ritterbusch“ (1940–1945), Dresden – München 1998 (Schriften zur Wissenschafts‑ und Universitätsgesch. 1), 177–203. Danach wurde Heimpel zur Konferenz der Mittelalterhistoriker – sie hatten sich nach der Nürnberger Tagung von den Neuzeithistorikern getrennt – im Mai 1942 eingeladen, mußte aber absagen (192 f.). Auf der Zusammenkunft Ende Oktober 1944 in Pretzsch bei Wittenberg dürfte er einen Vortrag über Karl den Kühnen (und Kallen über Nikolaus von Kues?) gehalten haben (198 f.). 143 So die gegenüber Verf. mündlich geäußerte Einschätzung von Erich Meuthen, den mit Heimpel eine Jahrzehnte währende gelehrte Freundschaft verband. Heimpel selbst 1956: „Seitdem sich die nationale Idee … so oft von ihrer humanitären Grundlage gelöst, seitdem endlich einseitiger und übertriebener Nationalismus seinen eigenen Standboden, die Volkssouveränität verlassen und zu einem Imperialismus geworden war, der fremde Volksrechte nicht mehr achtete, bleibt uns die patriotische Parole als Phrase im Halse stecken“; Die Wiedervereinigung im Spiegel der Geschichte, in: H. H., Kapitulation vor der Geschichte? Gedanken zur Zeit, Göttingen 1956, 26 f.; vgl. Obenaus, Geschichtsstudium (wie Anm. 118), 321. 144 a) Burgund am Rhein (wie Anm. 2), 19–44, Zitate ebd., 23, 33; b) Burgund – Macht und Kultur, in: GWU 4 (1953), 257–272.

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früher das kleinere …. Burgund Philipps des Guten und später das Weltreich Karls V.“ – eine Aussage, die sich auch schon drei Jahre zuvor in einem nicht minder wohlformulierten Beitrag „Karl der Kühne und der burgundische Staat“ für die Gerhard Ritter-Festschrift findet145. Doch mit 1953 hat das Thema „Heimpel – Burgund“ ein Ende gefunden, erst in hohem Alter sollte er sich dem Herzogtum zur Zeit Philipps des Guten im Rahmen seiner Studien zu den Sitz‑ und Rangstreitigkeiten auf dem Basler Konzil erneut und letztmals, jedoch eher randhaft nähern146. Scheute der Vielbeschäftigte die mit der Erforschung des spätmittelalterlichen Burgund zwangsläufig verbundenen aufwendigen Archivarbeiten oder aber wollte er die Straßburger Jahre verdrängen und vergessen? Das gelang im Zeichen des aufziehenden Kalten Kriegs um so leichter, als er manchen Anhänger und Gegner des braunen Regimes in der Zunft schon bald zu stillschweigend-einvernehmlicher Zusammenarbeit finden ließ. Fiel so dem schlechten Gewissen ein großes Thema zum Opfer, das ihm früh schon vorgeschwebt hatte: die Biographie Karls des Kühnen? Bei allem Respekt vor seinem opus magnum, den für die Fachwelt bedeutsamen Bänden über die Vener147: Karl der Kühne wäre ein Sujet ganz anderen Zuschnitts für den obendrein glänzenden Stilisten und Meister der Form gewesen.

IV. Von Einheit in der Vielfalt, von einem in Weimarer Zeit angeschlagenen und teilweise bis in die frühen Jahre der Bundesrepublik nachklingenden Grundton, von einem aufschlußreich-beklemmenden Ergebnis war einleitend im Vorgriff die Rede gewesen. Doch vollständig ist dies Ergebnis am Ende bei weitem nicht; noch manches ließe sich präzisieren und ergänzen, es bedürfte weiterer Fragen und wohl auch in gewissem Umfang positiver Nuancierung.

145 Burgund am Rhein (wie Anm. 2), 42 (1. Zitat); Burgund – Macht und Kultur (wie Anm. 144), 271 f. (2. Zitat); Karl der Kühne und der burgundische Staat [1950; ND] in: Aspekte (wie Anm. 124), 1–41 (34 die dem 2. Zitat entsprechende Aussage). 146 Hermann Heimpel, Eine unbekannte Schrift über die Kurfürsten auf dem Basler Konzil, in: Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter. FS J. Fleckenstein, hg. v. Lutz Fenske u. a., Sigmaringen 1984, 469–482; Ders., Sitzordnung und Rangstreit auf dem Basler Konzil. Skizze eines Themas. Aus dem Nachlaß hg. v. Johannes Helmrath, in: Studien zum 15. Jahrhundert (wie Anm. 5: Janssen), I, München 1994, 1–9. Zur Sache selbst zuletzt – mit wiederholter Würdigung der Arbeit Heimpels hierzu – Helmrath, Rangstreite auf Konzilien des 15. Jahrhunderts als Verfahren, in: Vormoderne politische Verfahren, hg. v. Barbara Stollberg-Rilinger, Berlin 2001 (ZHF. Beih. 25), 139–173. 147 Hermann Heimpel, Die Vener von Gmünd und Straßburg 1162–1447. Studien und Texte zur Geschichte einer Familie sowie des gelehrten Beamtentums in der Zeit der abendländischen Kirchenspaltung und der Konzilien von Pisa, Konstanz und Basel, 3 Bde., Göttingen 1982 (VMPIG 52/I–III).

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Präzisieren: Das träfe etwa auf die Erfassung der frühen Arbeit und Ziele des Bonner Instituts zu, und zwar vom Wirken eines die Lehrjahre im Westen später für die Ostforschung nutzenden Hermann Aubin bis hin zu jener für 1927 bemerkenswerten Studie von Josef Niessen – er ist bekannt vor allem als Bearbeiter des „Geschichtliche(n) Handatlas der Rheinprovinz“ – über „Karl der Kühne und die niederrheinischen Herzogtümer“, der dort allein städtische und nicht nationale Gegnerschaft zum Burgunder wirkkräftig sah148. Ergänzen: Ein eigenes, lohnendes Komplementärthema wäre „Het beleg van Neuss“ / „Le siège de Neuss“ in der damaligen französischen und belgischniederländischen Historiographie. Jene stellte den Krieg vornehmlich in den Kontext der spannungsvollen Beziehungen zwischen Ludwig XI. von Frankreich und einem Karl dem Kühnen, dessen Unternehmungen teilweise als destruktive Rebellion gegen die sich formierende Königsnation, teilweise aber auch als Versuch der Schaffung eines „Pays de l’Entre-Deux“ dargestellt wurden – eine Sicht, die sich aber vor allem in einem um seine innere Kohäsion besorgten Belgien findet und nach 1945 auch vor dem Hintergrund der Idee eines neuen Europa eine gewisse Rolle spielen sollte149. Weitere Fragen: Wie verhält es sich beispielsweise mit jenem erwähnten Justus Hashagen, der in den dreißiger Jahren auf Grund der Anzeige angeblich regimefeindlicher Äußerungen und undeutschen Verhaltens auf einem Kreuzfahrtschiff für unzurechnungsfähig erklärt und zwangspensioniert wurde150, und der dann in seinem 1940 erschienenen Buch „Das Rheinland im Wandel der Zeiten“ bei der Schilderung des Neusser Ereignisses – und beileibe nicht nur hierbei – in einen wahren Blut‑ und Boden-Rausch verfiel („Der rheinische Boden war zwar selbst 148 a) Zu Aubin siehe Edith Ennen, Hermann Aubin und die geschichtliche Landeskunde der Rheinlande, in: RhVjbll 34 (1970), 9–42; Marc Raeff/E. Melton, Some Observations on the Work of Hermann Aubin (1885–1969), in: Paths of Continuity. Central European Historiography from the 1930s to the 1950s, ed. by Hartmut Lehmann/ James van Horn Melton, Cambridge 1994, 239–249, 251–261; Haar, Historiker (wie Anm. 62), 428 s. v. „Aubin, Hermann“; Hans-Erich Volkmann, Historiker aus politischer Leidenschaft. Hermann Aubin als Volksgeschichts-, Kulturboden‑ und Ostforscher, in: ZfG 49 (2001), 32–49. b) Zum „Geschichtliche(n) Handatlas der Rheinprovinz“ (1926) bzw. „der deutschen Länder am Rhein. Mittel‑ und Niederrhein“ (1950) s. Nikolay-Panter, Geschichte (wie Anm. 46), 244 f.  –  Josef Niessen, Karl der Kühne …, in: Rhein. Heimatblätter, Febr. / März 1927, 80–83. 149 Ersten Einstieg bietet die materialreiche, randhaft auch die Geschichtsschreibung berücksichtigende Arbeit von Lope, Karl der Kühne (wie Anm. 49), Kap. VIII / IX. Wegen seiner Fernwirkungen bleibt auch der schon 1902 erstmals erschienene zweite Band der „Histoire de Belgique“ von Henri Pirenne zu beachten. – Bis zur Drucklegung dieses Beitrags war mir noch nicht zugänglich Geneviève Duchenne, Visions et projets belges pour l’Europe. De la belle époque aux Traités de Rome (1900–1957), Brüssel u. a. 2001 (Euroclio 22). 150 Zum „Fall Hashagen“: Borowsky, Die Philosophische Fakultät – Geschichtswissenschaft (wie Anm. 47), II, 442–446, 548–552; Ders., Justus Hashagen (wie Anm. 47), 176–180; Helmut Heiber, Universität unterm Hakenkreuz, II: Der Professor im Dritten Reich. Bilder aus der akademischen Provinz, München u. a. 1991, 307–316; Wolf, Litteris et Patriae (wie Anm. 42), 332 f., 420.

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mit rheinischem Blute in zahllosen inneren, selbstmörderischen Fehden reich gedüngt worden. Aber vor Neuß war das rheinische Blut mit dem deutschen zu einem prächtigen Abwehrstrome zusammengeflossen“151). Wollte er sich damit den Mächtigen zwecks Rehabilitierung andienen oder aber, geschützt vom § 51, höchste nationalsozialistische Werte als von einem Geisteskranken propagiert desavouieren? Es fällt auf, daß Hashagen, dem manche notorisches Querulantentum unterstellten, 1951 noch ein zitatreiches Spätwerk über das europäische Mittelalter mit betonter Hervorhebung der nichtdeutschen Staaten veröffentlichte152. Positive Nuancierung: Hier wäre an jene deutschen Mediävisten zu denken, die das Neusser Ereignis im Rahmen von Handbuch‑ und Übersichtsartikeln der dreißiger und vierziger Jahre zwar nur streiften, aber dabei – wie in ihren gesamten Darstellungen – ungeachtet aller nationalen und teilweise auch prononciert nationalistischen Überzeugungen kaum oder keine Konzessionen an den Ungeist der Zeit machten wie etwa ein Friedrich Baethgen, Martin Lintzel oder der 1936 nach einer studentischen Denunziation von der Erlanger Universität entfernte Bernhard Schmeidler153. 151 Justus Hashagen, Das Rheinland im Wandel der Zeiten, Bonn 1940, 55. Diese Passage findet sich im dritten, „Rheinisches Blut und rheinischer Boden im späten Mittelalter“ betitelten Kapitel, das programmatisch einsetzt mit: „Die ganze rheinische Geschichte wurzelt in Blut und Boden. Blut kreist in den Adern des Volkes und bewahrt als unzersetzbarer und unzerstörbarer Lebenssaft das Erbe der Ahnen und die Hoffnung der Zukunft“ (42). Gegen Ende wird unter Rekurs auf Kuske behauptet, die rheinischen Zünfte hätten Franzosen und Slaven – im Gegensatz zu Niederländern, Dänen, Skandinaviern und Deutschbalten – als „unehrlich“ abgelehnt; „der Franzose wurde durchaus mit dem Slaven auf eine Stufe gestellt, er galt als ‚unzünftig‘ und wurde rechtlich auch sonst schlechter als der Niederländer behandelt … Wenn dem aber so ist, so wird man den rheinischen Handwerkern und Gewerbetreibenden ein ähnliches deutsches und germanisches Rassebewußtsein zuschreiben dürfen wie den Fernkaufleuten der Hanse und den Kapitalisten [sic!] … Die Rheinländer waren nicht gesonnen, diesen fremden Volkssplittern, die von der rheinischen Prosperität immer wieder angelockt wurden, das kostbare Gut ihres Deutschtums auszuliefern“ (67). Borowsky, Justus Hashagen (wie Anm. 47), 181 Anm. 41, erwähnt das Buch zwar am Rande, ohne sich aber der Problematik bewußt zu sein. 152 Europa im Mittelalter. Alte Tatsachen und neue Gesichtspunkte. Eine Einführung mit besonderer Berücksichtigung der nichtdeutschen Staaten, München 1951. Vgl. Althoff, Mittelalterbild (wie Anm. 119), 741. 153  a) Baethgen konnte seine Darstellung Europa im Spätmittelalter, in: Die neue PropyläenWeltgeschichte, hg. v. Willy Andreas, II: Der Aufstieg des Germanentums und die Welt des Mittelalters, Berlin 1941, 351–460, unverändert 1951 und 1968 erscheinen lassen (1968 als Bd. I / 2 der „Deutsche(n) Geschichte“ des Ullstein-Verlags; dort 157 zum Neusser Krieg). Das schloß nicht aus, daß er etwa in Artikeln wie Das Elsaß im mittelalterlichen Reich, in: Handwörterbuch des Grenz‑ und Auslanddeutschtums, II, Breslau 1936, 332–341, oder Reichspolitik und Ostpolitik im deutschen Reich, in: Der ostpreußische Erzieher, Jg. 1937, Heft 7/8 (zit. nach Wolf, Litteris et Patriae [wie Anm. 42], 246 Anm 33) zeitüblich-nationalistische Positionen vertrat. b) Zu Lintzel siehe Leo Stern, Zum Andenken an Martin Lintzel, in: ZfG 3 (1955), 817 ff.; Walter Zoellner, Karl oder Widukind?: Martin Lintzel und die „NS-Geschichtsdeutung“ in den Anfangsjahren der faschistischen Diktatur, Halle 1975 (Wissenschaftl. Beitr. der Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg 10 [T. 9]); Vertriebene Wissenschaftler der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel (CAU) nach 1933 …, hg. v. Ralph Uhlig, Frankfurt / M. u. a. 1991 (Kieler

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Und ganz am Ende mag der letzte Blick noch auf ein Buch fallen, das weder direkt auf den Neusser Krieg eingeht noch von einem deutschen Historiker geschrieben wurde, und auf eine kleine, gleichermaßen unzeitgemäße Schrift eines Kölner Hochschullehrers, der überhaupt nicht zur Historikerzunft gehörte. Jenes Buch wirkte bei seinem Erscheinen 1931 (als Festgabe zur Fünfzigjahrfeier der „Société Générale Alsacienne de Banque“) bzw. 1935 (als Buchhandelsausgabe) vor allem in Deutschland denkbar unzeitgemäß, ja provozierend in Methode wie Aussage, machte sein Autor doch, wie ein offensichtlich von Steinbach vorgeschickter Rezensent in den „Rheinische(n) Vierteljahrsblätter(n)“ vermerkte, den Kardinalfehler, „daß er sich die eine große und entscheidende Tatsache, die der Zugehörigkeit der Rheinlande zum deutschen Volks‑ und Kulturboden, nicht eingestehen will“154. Allerdings auch nicht zum französischen. Denn der aus Lothringen stammende Lucien Febvre, 1911/12 mit einer großen Arbeit über Philipp II. und die Freigrafschaft Burgund und 1928 mit einer Monographie über Martin Luther hervorgetreten, seit 1919 in Straßburg lehrend und dort gemeinsam mit Marc Bloch an der Wiege der „Annales“ stehend155, betrachtete in seinem Werk „Le Rhin. Problèmes d’histoire et d’économie“ den Rhein als europäischen Strom. Und eine europäische Option hätte sich den Rheinländern, so Febvre, gerade mit einem neuen Lotharingien unter Herzog Philipp dem Guten angeboten: „französisch genug, um reich und geachtet zu sein; aber auch rheinisch genug, damit die Menschen am Rhein ihre uralten Lebensweisen und Gefühlswelten darin wiedererkannten“. Es war ein kurzer Traum, zerstört vom Sohn des guten Herzogs, von einem „aktivistische(n) Kämpfer“ Karl, unter dem der Traum zum kriegerisch-erobernden „Unternehmen“ degenerierte156. Sicher, Lucien Febvre neigte zur Idealisierung Philipps des Guten, träumte selbst einen Traum über Möglichkeiten im 15. Jahrhundert am Rhein, aber hier ließ sich eine leise, Werkstücke A 2), 89 ff.; Wolf, 511 s. v., bes. 275: Er war „gegen eine Heroisierung der Rolle Deutschlands im Mittelalter resistenter, sein Blick kritischer und sein Urteil sachlicher als das anderer. Die Romzüge wurden nicht zum ‚Weltdienst‘ hochstilisiert“. c) Bernhard Schmeidler, Das spätere Mittelalter von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis zur Reformation, Wien 1937 (ND 1980); zum Neusser Krieg ebd., 254. Vgl. Klaus Herbers, Von Venedig nach Nordeuropa. Bernhard F. Schmeidler und die europäische Mittelalterforschung in Erlangen seit 1921, in: Geschichtswissenschaft in Erlangen, hg. v. Helmut Neuhaus, Erlangen – Jena 2000 (Erlanger Studien zur Geschichte 6), 92 f. („Die Entlassung“). 154 G. Pfeifer, in: RhVjbll 6 (1936), 95–101, Zitat 100 [Hervorhebung durch den Autor]. 155 a) Lucien Febvre, Philippe II et la Franche-Comté. Étude d’histoire politique, religieuse et sociale, Paris 1912; Ders., Un destin. Martin Luther, Paris 1928 – dt.: Martin Luther. Religion als Schicksal, Berlin 1976. b) Au berceau des Annales. Le milieu strasbourgeois. L’histoire en France au début du XXe siècle (Actes du colloque de Strasbourg, 11–13 X 1979), éd. par Charles-Olivier Carbonell / Georges Livet, Toulouse 1983. 156 Ich zitiere nach der erst 1994 möglich gewordenen, vorzüglichen und mit einem instruktiven Nachwort versehenen Übersetzung durch Peter Schöttler: Lucien Febvre, Der Rhein und seine Geschichte (wie Anm. 86), 139 f.

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eigen‑ und fast einzigartige Stimme in einer Zeit der lauten Unversöhnlichkeit vernehmen. Ganz einzigartig war sie indes nicht, denn Ähnliches wurde auf deutscher Seite von einem kleinen und politisch einflußlosen Kreis zwar reichstreuer, so doch konsequent antipreußischer katholischer Föderalisten im Rheinland geäußert, für den vor allem der Kölner Universitätsprofessor für Sozialpolitik Benedikt Schmittmann steht157. Er wies 1925 – und damit um Dezennien früher als die mediävistische Fachforschung – auf die Fehlinterpretation des Jahres 925 als eines nationalen Gedenkdatums hin, mit fatalen Folgen auch für die eigene Gegenwart: „In national-staatlicher Aufmachung kann die Jahrtausendfeier nur dazu dienen, das Trennende zwischen Frankreich und uns in einer der geschichtlichen Grundlage gar nicht entsprechenden Weise zu betonen. Es steht dann hart Nationalstaat neben Nationalstaat … Sollte es nicht möglich sein, der Jahrtausendfeier einen versöhnlicheren Charakter zu geben?“ Die Aufgabe eines von der christlichabendländischen Tradition geprägten Rheinlands sah Schmittmann vielmehr darin, Brücken zu bauen und zu einen: „Politische Grenzziehungen können nichts an der Tatsache ändern, dass der Rhein die verbindende Lebensader des Abendlandes darstellt“158. Dieses einfache Zeugnis eines Nichthistorikers, der 157  Siehe zu ihm die biographische Skizze von Hugo Stehkämper in: a) Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, VI, hg. v. Jürgen Aretz u. a., Mainz 1984, 28–49; b) Rheinische Lebensbilder, X, hg. im Auftrag der Gesellschaft für Rhein. Geschichtskunde v. Wilhelm Janssen, Köln 1985, 199–221; Helmut Moll, „Wenn wir heute nicht unser Leben einsetzen“. Märtyrer des Erzbistums Köln aus der Zeit des Nationalsozialismus, Köln 21999, 74 f.; Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, hg. v. H. M., I, Paderborn u. a. 32001, 328–331; Alfred Kuhlmann / Helmut Moll, Professor Dr. Benedikt Schmittmann (1872–1939) – ein christlicher Gesellschaftspolitiker im Räderwerk des Nationalsozialismus, in: AHVN 202 (1999), 229–238, bes. 234 (zu den politischen Vorstellungen Schmittmanns). Vgl. auch Heimbüchel, Die neue Universität (wie Anm. 47), 703 s. v. Eine kritische Würdigung der von Schmittmann und seinem Kreis propagierten Ideen, die nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Mitte der fünfziger Jahre eine gewisse Renaissance erlebten, bei Peter Heil, Föderalismus als Weltanschauung. Zur Geschichte eines gesellschaftlichen Ordnungsmodells zwischen Weimar und Bonn, in: Geschichte im Westen 9 (1994), 165–182. 158  Benedikt Schmittmann, Die Jahrtausendfeier des Rheinlands, Wiesbaden 1925 [unpaginierter SD aus: Die Menschheit 19, 1925]; vgl. Reismüller / Hofmann, Rheinlandbesetzung (wie Anm. 56), n. 494. Schmittmann an die Seite gestellt zu werden verdient der dem Reformkatholizismus verpflichtete Bonner Professor für französische Geistes‑ und Gesellschaftsgeschichte Hermann Platz (1880–1945), Autor von „Um Rhein und Abendland“ (Köln 1924), Gründer der Zeitschrift „Abendland“ (1925) und der Organisation „Union des études francoallemandes“ (1930): „Unser Sitz ist die Mitte. Die Mitte Europas … Wir spüren noch lebendig das Herzblut christlich-abendländischer Gemeinschafts‑ und Volkskultur“ (H. P., Um Rhein und Abendland, 19). Vgl. W. Ferber, Hermann Schell – Hermann Platz. Zwei Wegbahner des modernen deutschen Katholizismus, in: Begegnung. Zs. für Kultur und Geistesleben 13 (1958), 141 ff.; Vincent Berning, Hermann Platz 1880–1945. Eine Gedenkschrift, Düsseldorf 1980; Hans Manfred Bock, Tradition und Topik des populären Frankreich-Klischees in Deutschland von 1925 bis 1955, in: Francia 14 (1986), 482, 485, 488, 498; Le discours européen dans les revues allemandes (1918–1933). Études réunies par Michel Grunewald, Bern u. a. 1997

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wegen seiner Überzeugungen 1939 von den Nationalsozialisten verhaftet wurde und im KZ Sachsenhausen an den Folgen ihm zugefügter Mißhandlungen starb, unzeitgemäß geäußert in einer Epoche wortgewaltig-zeitgemäßer deutscher Geschichtswissenschaft, es sollte, wie auch das Buch von Lucien Febvre, einer über sich selbst reflektierenden deutschen Fachhistorie zu denken geben.

(Convergences 3); Guido Müller/Vanessa Plichta, Zwischen Rhein und Donau. Abendländisches Denken zwischen deutsch-französischen Verständigungsinitiativen und konservativkatholischen Integrationsmodellen 1923–1957, in: Journal of European Integration History / Revue d’histoire d’integration européenne 5 (1999), 27–47, bes. 21 ff.; Höpfner, Universität Bonn (wie Anm. 85), 22 f., 188 f., 374 f., 535.

Die Reichstagsakten (Ältere Reihe) und ihre Bedeutung für die europäische Geschichte I. Welchen Fortschritt Reichstagsaktenforschung für die deutsche Geschichtswissenschaft bedeutet, erweist sich einmal mehr an dem zuletzt erschienenen Werk des Unternehmens, der Edition der Akten des Wormser Reichstags von Heinz Angermeier, in der die säkulare Bedeutung dieses Tages für die Verfassungsgeschichte des Reichs eindrucksvoll dokumentiert wird1. Doch die Ausgabe will mehr: Sie zeigt Worms 1495 als Schaltstelle der europäischen Politik, sie weitet den Tag zu einem Panorama der damaligen Welt, auf dem, um mit dem Herausgeber zu sprechen, „große dynastische Politik, Türkenpolitik und Italienpolitik sich gegenseitig abwechseln, durchdringen und bedingen“2. Den Charakter des Reichstags als Veranstaltung der deutschen und europäischen Geschichte verdeutlicht auch die vorletzte Ausgabe der Älteren Reihe: Die wesentlich von Henny Grüneisen bearbeiteten Akten des Regensburger Reichstags von 1454 zeigen den Herzog Philipp den Guten im Mittelpunkt des Geschehens; über den Burgunder nahm der Plan des Türkenkriegs Dimensionen eines europäischen Kreuzzugsprojekts an3. Beide Werke stehen in bester Editionstradition und besitzen wie das gesamte, nunmehr fast hundertdreißigjährige Unternehmen der Reichstagsakten in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft hohes Ansehen. Diese Editionstradi­ tion hat aber darüber hinaus wie etwa im Fall der Monumenta Germaniae Historica auch im Ausland Maßstäbe gesetzt, und bis zum heutigen Tag gründet dort der Ruf speziell der deutschen Mediävistik wesentlich auf ihren Textausgaben4; ein Ruf, den jedoch die Reichstagsakten trotz vergleichbarer Leistungen jenseits unserer Grenzen kaum genießen. Nur wenige nahmen etwa den Hinweis von Alfred Leroux auf, der 1892 im Vorwort zu seinen „Nouvelles recherches critiques 1 Deutsche Reichstagsakten [RTA] unter Maximilian I., V: Reichstag von Worms 1495, 3 Bde., Göttingen 1981. 2 Die Reichstagsakten-Edition für die Zeit Maximilians I. Aus einer Abteilung der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, in: Jb der histor. Forschung. Berichtsjahr 1981 (1982), 50. 3 RTA XIX / 1: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 5. Abtlg. / 1. Hälfte: 1453–1454, hg. v. Helmut Weigel /Henny Grüneisen, Göttingen 1969. 4 S. etwa zum Einfluß auf die französische Geschichtswissenschaft um 1900 kurz Jean Favier, Sources et racines du Moyen Age français, in: La France médiévale, sous la dir. de J. F., Paris 1983, 9.

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sur les relations politiques de la France avec l’Allemagne de 1378 à 1461“ rühmte: „la richesse de ce que fournissent à notre histoire les nombreuses collections de documents que publient nos voisins depuis deux siècles. A ce point de vue … surtout les Deutsche Reichstagsakten … sont inépuisables. Ils rendent au centuple à l’histoire de France ce que l’histoire d’Allemagne doit à certains recueils de Baluze, de Dom Luc d’Achéry, de Dom Martène et de Huillard-Bréholles“. War das Echo auf solche Empfehlung schon zu Zeiten von Leroux eher verhalten, so scheint es in den letzten Jahren noch schwächer geworden zu sein. Vier Beispiele aus neuester Zeit mögen stellvertretend für viele stehen – wenn ich übrigens auch sie aus dem französischen Sprachraum wähle, so weil die Erforschung des 15. Jahrhunderts gerade in unserem Nachbarland mit größter Intensität und auf hohem Niveau, jedoch weitgehend ohne Rezeption der Reichstagsakten als Quelle auch zur französischen und europäischen Geschichte betrieben wird. Überhaupt richtet sich im folgenden der Blick etwas häufiger nach Westen als nach Osten und Südosten, ist öfter von Frankreich und Burgund als vom Donauraum und den Türken die Rede. Das hängt mit meinem engeren, später noch zu umschreibenden Arbeitsgebiet zusammen; es geschieht auch, weil sich hier neue Erkenntnisse abzeichnen, die in das wissenschaftliche Gespräch eingebracht werden sollen. Bei dieser Gelegenheit sei noch bemerkt, daß die Akzente auch in anderer Hinsicht einseitig gesetzt werden: Zentrale Aufgaben und Leistungen der Reichstagsaktenforschung auf den Gebieten Reichsverfassung und Beziehungen innerhalb des Reichs bleiben ausgeklammert (ohne damit natürlich deren Bedeutung hintanstellen zu wollen5), ich konzentriere mich auf einen bislang weniger gewürdigten Teilaspekt, der gleichwohl in besonderer Weise universal ist, nämlich auf die europäische Bedeutung der Reichstagsakten, und berücksichtige dabei eben besonders die französisch-burgundische Komponente. Doch nun zu den Beispielen: 1) 1986 erschien eine Biographie des Königs Karl VI. von Frankreich von Françoise Autrand, die nicht erst seit ihrer methodisch wegweisenden Thèse d’État über das Pariser Parlament des 14. / 15. Jahrhunderts zu den besten Kennern der Epoche zählt6. Wenn der auch auf ein breiteres Publikum hin konzipierte Charakter der Reihe, in der das Buch erschien, keinen Anmerkungsapparat erlaubte, so läßt die Darstellung selber doch 5 Überdies erfolgt eine Konzentration auf das von der Edition Geleistete und zu Leistende; Forschungen im Umkreis der Reichstagsakten bleiben hier außer acht, wobei Arbeiten wie etwa von Moraw zur Genese und Selbstorganisation des Reichstags oder das zu einer neuen Sicht des Alten Reichs führende Buch Angermeiers über die Reichsreform unter komparatistischem Blickwinkel natürlich durchaus auch von internationalem Interesse wären: Peter Moraw, Versuch über die Entstehung des Reichstags, in: Politische Ordnungen und soziale Kräfte im Alten Reich, hg. v. Hermann Weber, Wiesbaden 1980, 1–36; Heinz Angermeier, Die Reichsreform 1410–1555. Die Staatsproblematik in Deutschland zwischen Mittelalter und Gegenwart, München 1984. 6 Charles VI, Paris 1986. – Thèse d’État: Naissance d’un grand corps de l’État. Les gens du Parlement de Paris 1345–1454, Paris 1981 (Publ. de la Sorbonne. NS Recherche 46).

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erkennen, daß Material aus den Reichstagsakten keine Berücksichtigung fand, obwohl es für die Haltung des französischen Hofs in der deutschen Königsfrage 1400, für die Projekte einer Allianz gegen Mailand, die Verhandlungen über eine Heirat von Ruprechts Sohn Johann mit einer Tochter Karls VI., für die Bedrohung der Stadt Metz durch Ludwig von Orléans oder für den 1416 gegen Frankreich zustandegekommenen deutsch-englischen Vertrag von Canterbury durchaus einschlägig ist7. 2) Ebenfalls 1986 wurde eine vierbändige Edition der Werke des französischen Frühhumanisten Jean de Montreuil abgeschlossen; der Herausgeberkreis, die „Équipe de recherche sur l’humanisme français des XIV e et XV e siècles“8, hat sicher im ganzen vorzügliche Arbeit geleistet. Reichstagsakten wurden indes nur einmal randhaft herangezogen, obgleich sich mit ihrer Hilfe das weitere Umfeld jener Gesandtschaft Karls VI., die im Oktober 1400 mit Montreuil wegen der erwähnten Königsfrage ins Reich abging, noch intensiver hätte erhellen lassen, zumal im Anhang die „Relations franco-allemandes en 1400“ eigens erörtert werden9. 3) In einer 1984 erschienenen Geschichte des mittelalterlichen Savoyen wird das 15. Jahrhundert auf immerhin fast 150 Seiten abgehandelt, ohne im Zusammenhang mit Herzog Amadeus VIII., dem später vom Basler Konzil erhobenen Gegenpapst Felix V., auch nur ein einziges Mal die großen Reichstage der vierziger Jahre oder zumindest in der Bibliographie die Reichstagsakten zu erwähnen – immerhin ging es auf jenen Versammlungen ja wesentlich um die Beilegung des Schismas10. 4) Den berühmten Fasanenschwur Philipps des Guten, das spektakuläre Symbol burgundischer Kreuzzugspolitik im Jahre 1454, hat Agathe Lafortune-Martel in einer eigenen Monographie 1984 untersucht11. Henny Grüneisens profunde Einführung und Kommentare zur Kreuzzugspolitik Philipps wurden für die Ausleuchtung der avisierten politischen, sozialen und kulturellen Aspekte indes nicht genutzt. Doch zeigt sich bei einem zentralen Stück der Edition, daß LafortuneMartel damit keineswegs alleine steht: Obwohl Grüneisen die Kreuzzugsbulle Nikolaus’ V. vom 30. September 1453 in mustergültiger Ausgabe vorlegte12,  7 RTA IV–VII.

 8 Jean de Montreuil, Opera, I–IV, Turin 1963, 1975; Paris 1981, 1986. – Seit dem 1. Januar 1986 steht die zu diesem Datum in „Équipe de recherche sur la culture écrite du Moyen Age tardif “ umbenannte Arbeitsgruppe unter der Leitung von Ezio Ornato, der auch den größten Anteil am Zustandekommen dieser Ausgabe hat.  9 Opera, IV: Monsteroliana, par Ezio Ornato / Gilbert Ouy / Nicole Pons, Paris 1986, 333–337. 10 Réjane Brondy/Bernard Demotz/Jean-Pierre Leguay, La Savoie de l’an mil à la Réforme. XIe–début XVIe siècle, Rennes 1984 (Histoire de la Savoie 2), bes. 291–437. 11 Fête noble en Bourgogne au XV e siècle. Le banquet du faisan (1454): Aspects politiques, sociaux et culturels, Montréal – Paris 1984 (Cahiers d’études médiévales 8). 12 RTA XIX /1, n. 10 (S. 56–64).

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wird diese neunzehn Jahre nach Erscheinen weiterhin fast nur nach Raynaldus zitiert13. Das gilt zum Beispiel für das große Werk von Kenneth M. Setton „The Papacy and the Levant“, dessen zweiter, ausschließlich dem 15. Jahrhundert gewidmeter Band (1978) ausführlich auf den Regensburger Reichstag eingeht, doch eben ohne Kenntnis der Reichstagsakten, die auch Malcolm Graham Vale für seine Biographie Karls VII. von Frankreich (1974) ebenso außer acht ließ wie Agostino Pertusi in seiner Sammlung zeitgenössischer Reaktionen auf den Fall Konstantinopels14. Ich erwähne das nur am Rande, um Reichstagsaktenabstinenz nicht als französische Exklusive erscheinen zu lassen. Hie und da muß man Defizite oder zumindest mangelnde Nutzung der Fundgrube Reichstagsakten sogar in der deutschsprachigen Forschung konstatieren. Der Ursachen solchen Nicht‑ oder Kaum-zur-Kenntnisnehmens im Ausland sind viele, und an manchen dürfte sich kaum etwas ändern lassen. So wird die Sprachbarriere immer höher; jüngere Historiker empfinden Deutschkenntnisse nicht mehr als unbedingt verpflichtend. Man mag das ignorieren oder beklagen, der Satz „Germanica non leguntur“ hat zunehmende Gültigkeit. Doch wird in unserem Fall die Barriere nicht noch zusätzlich durch eine schwerfällig-subtile Präsentation des Materials erhöht, wenn selbst der deutschsprachige Spezialist sich nur zu leicht im gelehrten Irrgarten der Untergliederungen und Verweise Grüneisens verläuft? Auch ruft sich das Unternehmen beziehungsweise dessen Ältere Reihe – und hier ist Selbstkritik angebracht – der Fachwelt nicht gerade nachhaltig dadurch in Erinnerung, daß es die Spatien zwischen dem Erscheinen der Bände immer größer werden läßt; so wenn seit 1969 von den ausstehenden Bänden XVIII bis XXIV für den Zeitraum 1446 bis 1485 nur zwei, gerade fünf Jahre abdeckende Faszikel ausgeliefert werden konnten. Dennoch ist das bereits Vorgelegte – und dies darf man wiederum ohne Überheblichkeit auf der Habenseite verbuchen – oft beeindruckend genug. Und so gilt es, bei sich bietenden Gelegenheiten gegenüber der ausländischen Forschung auf das Geleistete, auf die schon erzielten Fortschritte hinzuweisen; hinzuweisen auch darauf, daß gerade die besten Bände der Reihe entgegen ihrem von der Tradition vorgegebenen, „restriktiven“ Titel „Reichstagsakten“ in Wirklichkeit

13 Vgl. auch das Monitum von Erich Meuthen, Der Fall von Konstantinopel und der lateinische Westen, in: HZ 237 (1983), 14 Anm. 41; ebenfalls in: Mitt. und Forschungsbeitr. der Cusanus-Gesellschaft 16 (1984), 44 f. Anm. 41. 14 a) Kenneth M. Setton, The Papacy and the Levant (1204–1571), II: The Fifteenth Century, Philadelphia 1978, 151–154 (Regensburger Reichstag). – b) M. G. A.Vale, Charles VII, London 1974. – c) Agostino Pertusi, La caduta di Costantinopoli. L’eco nel mondo, Mailand 1976. – In der postum durch Antonio Carile besorgten Ausgabe „Testi inediti e poco noti sulla caduta di Costantinopoli“ von Pertusi (Bologna 1983 [Il mondo medievale. Sez. di storia bizantina e slava 4]) findet sich die Regensburger Rede des Enea Silvio Quamvis omnibus qui adestis [1454 Mai 16] teilweise ediert ohne Kenntnis der (wesentlich besseren) Ausgabe bei Grüneisen: RTA XIX / 1, n. 34, 1.

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Reichsakten enthalten, daß sie – hier ist einer illusionslosen Feststellung Hermann Heimpels beizupflichten – Darstellungen weniger vorbereiten als vielmehr schon ersetzen15. Der ausländische Benutzer soll erfahren, daß sich durchaus Einschlägiges auch zur Geschichte seines Landes und dessen Beziehungen zum Reich findet. Gerade der Titel „Reichstagsakten“ hat sich für unser Unternehmen international sicher nachteilig ausgewirkt, und so bedarf seine europäische Komponente eben besonderen Bekanntmachens. Das ist keineswegs eine banal-indiskutable Forderung: Was der deutschen Spätmittelalterforschung vertraut und selbstverständlich erscheint, ist jenseits unserer Grenzen keineswegs überall vertraut und selbstverständlich. Reichstagsakten als Reichsakten implizieren internationale Beziehungen schon aus der universalen Tradition des Reichs und zudem im 15. Jahrhundert angesichts merklich intensivierter diplomatischer Aktivitäten auf zwischenstaatlicher Ebene. Daher liefern die erschienenen Bände eine Fülle von Materialien zu europäischen Themen, die hier kurz skizziert beziehungsweise in Erinnerung gerufen seien. So finden sich vom erwähnten Vertrag von Canterbury bis zu dem auf dem Ulmer Reichstag 1434 abgeschlossenen deutsch-französischen Bündnis immer wieder Dokumente zum Hundertjährigen Krieg. Für den Komplex „Armagnaken“ hat der von Walter Kaemmerer besorgte Band XVII sogar als wichtigste Quellensammlung überhaupt zu gelten und die für ihre Zeit durchaus verdienstliche Zusammenstellung von A(lexandre) Tuetey weitgehend ersetzt16, was aber außerhalb der deutschsprachigen Geschichtsforschung allgemein ebensowenig zur Kenntnis genommen wurde wie die Tatsache, daß manche der in den Reichstagsakten publizierten Hussitica, neben ihrer offenkundigen Bedeutung für die böhmisch-tschechische Geschichte (und von der dortigen Historiographie in der Regel auch gebührend zur Kenntnis genommen), durchaus für das Thema Hussitismus in Europa von Bedeutung sind. So waren etwa auf dem Preßburger Reichstag von 1429 Pariser Universitätslehrer als Ratgeber Sigismunds zugegen, die wie Gilles Carlier – später auch auf dem Basler Konzil profilierter Böhmenspezialist – nicht nur als Vertreter der noch immer führenden theologischen Hochschule, sondern auch als Burgunder am Kampf gegen die in ihrem Herzogtum vor allem im Raum Arras-Douai virulente Ketzerei interessiert waren17. 15 Hermann Heimpel, Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe, in: Die historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1858–1958, Göttingen 1958, 109. Vgl. Heribert Müller, Les diètes du Saint-Empire à la fin du Moyen Age et à l’aube des temps modernes. L’édition des „Reichstagsakten“ et leur intérêt pour l’histoire de France, in: Bull. d’information de la MHFA 8 (1984), 9. 16 Les écorcheurs sous Charles VII. Épisodes de l’histoire militaire de la France au XV e siècle d’après des documents inédits, I/II, Montbéliard 1874. 17 Im Rahmen der ansonsten globalen Übersicht des ersten Kapitels seien hier ausnahmsweise genauere Hinweise gegeben, da einige der Arbeiten zu diesem Themenkreis im deutschsprachigen Raum weniger bekannt sein dürften: a) Preßburg 1429: František M. Bartoš, Husitská revoluce, II: Vláda bratrstev a její pád, Prag 1966, 47, 132; vgl. Ders., The Hussite Revolution

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Das Thema Burgund wiederum – von ihm als einem der Leitmotive künftiger Reichstagsaktenarbeit wird noch zu reden sein – beschäftigte die Reichstage als politisches und juristisches Problem immer stärker im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts. Die außerordentliche Expansionsleistung der großen Herzöge in einem territorial fixierten Alteuropa bedeutete für Kaiser und Reichsfürsten den Zwang zur Auseinandersetzung wie zur Bündnispolitik mit dem teilweise lehnsabhängigen Emporkömmling; in den Akten des Regensburger Reichstags von 1454 schlägt sich diese vielschichtige Problematik nieder. Zu Regensburg wurde des weiteren das Thema Deutscher Orden – Polen wieder einmal reichstagsanhängig: ein säkularer Konflikt, der, abgesehen von seiner Bedeutung für die polnische Geschichte, auch internationale Auswirkungen bis auf die Konzilien von Konstanz und Basel sowie die Kurie hatte18. Kurie und Papsttum sind natürlich im Zeitalter des Großen Schismas und der Kirchenfrage weitere wichtige 1424–1437, New York 1986 (East European Monographs 203), 41, 93 f.; Hermann Herre, Die Hussitenverhandlungen auf dem Preßburger Reichstage vom April 1429, in: QFIAB 2 (1899), 311 Anm. 1. Vgl. aber Josef Macek, Die Versammlung von Preßburg 1429, in: Folia diplomatica (FS H. Sebánek), I, Brünn 1971, 197. – b) Zur Ketzerei im burgundischen Norden: Arthur Duverger, La Vauderie dans les États de Philippe le Bon, Arras 1885, bes. 23 f.; Paul Beuzart, Les hérésies pendant le Moyen Age et à la Réforme jusqu’à la mort de Philippe II, 1598, dans la région de Douai, d’Arras et au pays d’Alleu, Paris 1912, 37 ff., 42–46; Francouzská Hussitica …, ed. Augustin Neumann, Olmütz 1923 (Studie a texty k náboženským dějinám českým III / 2– 4), 15–23, 25 f., 29 ff., n. 14, 23, 24, 28; Kamil Krofta, La France et le mouvement religieux tchèque, in: Le Monde Slave 12/III (1935), 337–341; tschech.: Francie a české hnutí náboženské, Prag 1936, 45–49; J[ean] Lestocquoy, La vie religieuse d’une province: Le diocèse d’Arras, Arras 1949, 66 ff. (behandelt die Ereignisse um 1460); Michel Mollat, La vie et la pratique religieuses au XIV e siècle et dans la première moitié du XV e, principalement en France, fasc. 2, Paris 1965, 222 f.; Yvon Lacaze, Croisade et politique au XV e siècle: Philippe le Bon et le problème hussite jusqu’aux ,Compactata‘ de Prague (novembre 1433), Paris 1967 [masch. Exemplar in Paris, Bibliothèque Nationale (BN), Dép. des Imprimés, LK2. 10999], 37–41, 54 ff.; Ders., Philippe le Bon et le problème hussite … Un projet de croisade bourguignon en 1428–1429, in: RH 241 (1969), 70 ff.; Jaroslav Purš/Miroslav Kropilak, Přehled dějin Československa, I / 1, Prag 1980 (do roku 1526), 458; Josef Macek/Robert Mandrou, Histoire de la Bohême. Des origines à 1918, Paris 1984, 108, 120. – Ob in der Gegend um Arras – Douai – Valenciennes – Tournai die „einzig wahren Hussiten“ im französischsprachigen Raum lebten (Duverger, Krofta), ob sie „direkte Wyclifiten“ waren (Beuzart) oder die Unruhen – wie etwa fast zur selben Zeit im Forez und Dauphiné – andere Gründe hatten, ist hier nicht zu erörtern und bedürfte obendrein neuer Untersuchungen (Lacaze). 18 Es ist bedauerlich, daß wegen der strikten Beschränkung auf das Thema „Reichstag“ der von Dietrich Kerler besorgte Band VII wichtige, im Umkreis des Konstanzer Konzils geknüpfte Verbindungen nicht hervortreten läßt, die von politischer Relevanz bis in die Zeit des Basiliense waren, wie etwa jene Beziehungen Sigismunds oder des Herzogs Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt als Führer der Delegation König Karls VI. zu Vertretern des Hofs und der Kirche von Frankreich. – Zu Herzog Ludwig und seinen vielfältigen französischen Kontakten jetzt aber Theodor Straub, Herzog Ludwig der Bärtige von Bayern-Ingolstadt und seine Beziehungen zu Frankreich in der Zeit von 1391–1415, Kallmünz 1965; kurz auch Ders. im Handbuch der Bayerischen Geschichte, hg. v. Max Spindler, II, München 1966/77, 224, 228 f., 242 u. ö. Noch 1446 wurde Frankreich für seinen alten Schützling Ludwig den Bärtigen auf dem Frankfurter Reichstag aktiv.

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Themen aller bislang erschienenen Bände. Niemand aber steht für diese enge Verbindung von Reich, Reichstag und Papsttum, Kurie so sehr wie Enea Silvio Piccolomini, dessen Briefe und Reden die Quellenbasis gar mancher Reichstagsaktenarbeit bilden. Sein Leben und Wirken führt uns überdies in die italienische Staatenwelt des Quattrocento, dessen Geschichte ohne die Reichstagsakten nicht mehr geschrieben werden kann. Besonders gilt dies angesichts der engen Verbindungen des Reichs als Legitimationsinstanz zu Venedig und zu dem erb‑ und lehnsrechtlich abhängigen Mailand der Visconti und Sforza. Mailand, Venedig und die italienische Staatenwelt, Enea Silvio, Papsttum und Kurie, Polen und Deutscher Orden, Hussiten, Burgund, Armagnaken, Frankreich und England im Hundertjährigen Krieg – zu allen diesen Themen wurde von unserem Unternehmen eine Vielzahl neuer Quellen publiziert19; der hier wiederholte Appell, die Reichstagsakten aus der Exklusivität beziehungsweise dem Schatten bloß nationaler Bekanntheit herauszuholen, hat angesichts des Geleisteten, allein auch nach Jahrzehnten nicht allenthalben Rezipierten, sicherlich seine begründete Berechtigung.

II. Dies aber ist nur ein Aspekt des Themas; ein zweiter scheint, mit Blick auf die Zukunft, noch wichtiger: Wenn der bereits von Johannes Haller empfohlene und dann vor allem von Hermann Heimpel gewiesene Weg „Das Werk soll vielmehr die Politik des Reiches im ganzen darstellen“20 konsequent unter Betonung der internationalen Komponenten dieser Politik weiterbeschritten wird, wenn mithin die Fortschreibung dieses Postulats unter verstärkt europäischen Vorzeichen erfolgt, dann müßten die in Bearbeitung befindlichen beziehungsweise noch ausstehenden Bände der Älteren Reihe auf längere Sicht das Interesse auch der ausländischen Fachkollegen finden. Vor allem aber gebietet das die Sache selber, denn Fortschritte durch Reichstagsaktenforschung dürften gerade in diesem Bereich zu erwarten sein. Große konzeptionelle Änderungen sind dabei kaum nötig, weil die wichtigsten dieser künftigen Bände sich ohnehin allesamt mit Leitthemen des europäischen 15. Jahrhunderts auseinanderzusetzen haben; Themen, die zwar 19 Auch die bereits von Julius Weizsäcker geplanten Supplemente zu den Reichstagsakten, die Helmut Weigel für die frühen Jahre des Königs Wenzel bis in das Stadium der Druckfahnen voranbrachte und die sich – schließlich doch nicht veröffentlicht – in der Arbeitsstelle der Älteren Reihe der Reichstagsakten (gegenwärtig am Historischen Seminar der Universität zu Köln) befinden, enthalten manches in unserem Zusammenhang interessante Material, wie etwa zu den Verhandlungen zwischen Karl IV. und Gregor XI. über die Krönung Wenzels oder zum Plan der Hochzeit Wenzels mit einer Nichte des ungarischen Königs. 20 a) Johannes Haller, Rezension von RTA X/1, XI, XII, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 163 (1901), 809. – b) Hermann Heimpel, Aus der Arbeit der gesamtdeutschen historischen Kommission, in: HZ 168 (1943), 346.

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teilweise auch Gegenstand bereits erschienener Editionen waren und vorstehend schon kurz gestreift wurden, nunmehr aber ganz in den Mittelpunkt treten: die Kirchenfrage, das Türkenproblem, der Donauraum zwischen Einung und Verselbständigung sowie Aufstieg und Untergang der europäischen Großmacht Burgund. 1. Die Kirchenfrage Nachdem die bereits vorliegenden Bände X bis XVII (1431–1445) wichtiges Material zur Auseinandersetzung zwischen Papst Eugen IV. und dem Basler Konzil erschlossen haben, wird Band XVIII (1446–1452) wesentlich das Ende des konziliaren Zeitalters im Zeichen konkordatären Ausgleichs zwischen Papsttum und Fürstengewalt sowie die Liquidation des schismatischen Basler Konzils dokumentieren. Mit der Obödienzerklärung Friedrichs III., den sogenannten Fürstenkonkordaten und dem Wiener Konkordat zogen Kaiser und Landesherren einen Schlußstrich, der ganz der europäischen Tendenz zum Landeskirchentum entsprach. In Band XVIII spiegelt sich also der deutsche Beitrag zur allgemeinen Geschichte der Kirche zwischen konziliarem Scheitern und päpstlicher Restitu­ tion, die um den Preis erheblicher Konzessionen an die weltlichen Mächte erkauft wurde. Doch dieser deutsche Beitrag ist in Kooperation und Widerspiel vielfach mit der französischen Politik verflochten, um am Ende in deren Schatten zu stehen. Das ergibt sich schon aus einer Auswertung des ersten Teils der leider ungedruckten, jedoch den Reichstagsaktenmitarbeitern in Kopie zugänglichen Berliner Habilitationsschrift von Heinz Quirin „Studien zur Reichspolitik König Friedrichs III. von den Trierer Verträgen bis zum Beginn des süddeutschen Städtekriegs“, die der Autor als früherer Bearbeiter von Band XVIII im Hinblick auf die künftige Edition verfaßte. Dieser Band wird somit grundlegend auch für die französische Geschichte um 1450 sein. Im einzelnen: Bereits die großen Reichstage der dreißiger und frühen vierziger Jahre spiegeln die konziliare Dominanz von Deutschen und Franzosen; Versammlungen wie etwa zu Mainz 1439 und 1441 stellten europäische Kongresse in deutsch-französischer Regie dar, auf denen die Gesandten Karls VII. vollberechtigt an den Beratungen über ein drittes Konzil teilnahmen21. Damit 21 RTA XIV: Deutsche Reichstagsakten unter König Albrecht II., 2. Abtlg.: 1439, hg. v. Helmut Weigel, Stuttgart 1935 (ND 1957), n. (1–)40–78(–169) (Mainz 1439); XV: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 1. Abtlg.: 1440–1441, hg. v. Hermann Herre, Gotha 1914 (ND 1957), n. 302–381 (Mainz 1441). – Acta Cusana. Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues, I/2: 1437 Mai 17–1450 Dezember 31, hg. v. Erich Meuthen, Hamburg 1983, n. 387–390 (1439), 467–484 (1441). Wichtigste neuere Lit.: Erdmann Johannes Nöldeke, Der Kampf Papst Eugens IV. gegen das Basler Konzil. Seine Bemühungen um Gewinnung Frankreichs in den Jahren 1438–1444 (Mit einem Urkundenanhang), Diss. (masch.) Tübingen 1957, 24–28 (1439), 69–71 (1441); Heinz Hürten, Die Mainzer Akzeptati-

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waren sie Reflex einer Synode zu Basel, die quantitativ wie qualitativ von Vertretern beider Nationen beherrscht wurde, wo königliche Gesandte wie Amédée de Talaru und Philippe de Coëtquis im Verein mit ihren deutschen Kollegen Peter von Schaumberg und Johannes Schele mehr als einmal den Gang der Verhandlungen bestimmten22. Der Frankfurter Reichstag 1446 – seiner Aktenedition haben die „Acta Cusana“ (I / 2) schon vorgearbeitet23 – zeigt nochmals die Bedeutung der Reichstage jener Zeit als Stätte theologischen und ekklesiologischen Wettstreits zwischen päpstlicher und konziliarer Partei um die Gunst von König und Reichsständen; er war der letzte in der Reihe hochkarätig besetzter Foren gelehrten Disputs. Auf den Reichstagen also wurde die Kirchenfrage diskutiert, teilweise in besagter deutsch-französischer Regie (allerdings relativieren Redner wie Niccolò Tudeschi, Johannes von Segovia, Juan de Torquemada oder Juan de Carvajal diese Suprematie zumindest in qualitativer Hinsicht und deuten bereits auf die Vororte katholischer Theologie im 16. Jahrhundert); entschieden wurde Basels Schicksal indes letztlich am französischen Königshof: Karl VII., nicht Friedrich III. hieß der eigennützige Liquidator des Konzils und einer ganzen Epoche24. Dieser leion von 1439, in: AMRhKG 11 (1959), 42–75; Remigius Bäumer, Eugen IV. und der Plan eines „Dritten Konzils“ zur Beilegung des Basler Schismas, in: Reformata Reformanda. FS H. Jedin, I, hg. v. Erwin Iserloh/Konrad Repgen, Münster 1965 (Reformationsgeschichtl. Studien und Texte. Suppl. I / 1), 94 ff. (1439), 97–100 (1441); Joachim W. Stieber, Eugenius IV, the Council of Basel and the Secular and Ecclesiastical Authorities in the Empire. The Conflict over Supreme Authority and Power in the Church, Leiden 1978 (SHCT 13), 155–183 (1439), 215–231 (1441). 22 a) Talaru / Coëtquis: Heribert Müller, Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449), I, Paderborn u. a. 1990 (KonGe.U), 27–219, 223–268. b) Schaumberg/Schele: Anton Uhl, Peter von Schaumberg, Kardinal und Bischof von Augsburg 1424–1469. Ein Beitrag zur Geschichte des Reiches, Schwabens und Augsburgs im 15. Jahrhundert, Diss. München, Speyer 1940; Ders., Bischof Peter von Schaumberg (1388– 1469), in: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben, III, hg. v. Götz Frhr. von Pölnitz, München 1954, 37–80; Hans Ammon, Johannes Schele, Bischof von Lübeck auf dem Basler Konzil. Ein Beitrag zur Reichs‑ und Kirchengeschichte des 15. Jahrhunderts, Diss. Erlangen, Lübeck 1931. Am Rande sei angemerkt, daß die Position der deutschen Nation in Basel zu der von Frankreich betriebenen Feier einer Griechensynode in Avignon einmal neu und systematisch untersucht werden müßte; dafür scheinen mir die Ausführungen von Ludwig Quidde in der Einleitung zu Band XII auch heute noch immer der beste Ausgangspunkt, LVIII–LXIII. 23 Acta Cusana, I/2 (wie Anm. 21), n. 705–719(–724), ebd. wichtigste Literatur; s. auch Viktor von Kraus, Deutsche Geschichte im Ausgange des Mittelalters (1438–1519), I, Stuttgart – Berlin 1905, 186 ff.; John B. Toews, Emperor Frederick III and his Relations with the Papacy from 1440 to 1493, Diss. Univ. of Colorado 1962 [Microfilm: Ann Arbor 62–6294], 199 ff. 24 Dies (unter anderem) gegen Johann Loserth, Geschichte des späteren Mittelalters von 1197 bis 1492, München – Berlin 1903 (Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte, 2. Abt.), 528; J[ames] H[enderson] Burns, Scottish Churchmen and the Council of Basle, Glasgow 1962, 84 („meetings in the Empire“ entscheidend); Werner Krämer, Die ekklesiologische Auseinandersetzung um die wahre Repräsentation auf dem Basler Konzil, in: Der Begriff der Repraesentatio im Mittelalter, Berlin – New York 1971 (Miscellanea Mediaevalia 8), 237; Francis Oakley, Western Councils (1311–1449), in: Dictionary of the Middle Ages III (1983), 654.

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stete Gehorsam, jener dominierte als Schiedsrichter die kirchenpolitische Szene. Dabei vermochte Karl VII. auch die oppositionelle Kurfürstenfraktion unter Führung des versatilen Trierer Erzbischofs Jakob von Sierck in seine Politik einzubinden, der seine außerordentlichen diplomatischen und finanziellen Fertigkeiten bezeichnenderweise auf französischem Parkett erworben hatte und der gerade damals während seiner und des Kölner Metropoliten Absetzung durch Eugen IV. zugunsten burgundischer Parteigänger – übrigens auch ein Thema des Frankfurter Reichstags – enge Anlehnung an Karl VII. suchte25. Mit dem Trierer Kurfürstentag (Februar 1445) sowie dem Vertrag von Bourges (Juni 1447) griff der Franzose direkt in die Reichspolitik ein; der gescheiterte Nürnberger Reichstag (März 1447) und der improvisierte Aschaffenburger Tag mit seinen vorbehaltlichen, im Bann von Bourges getroffenen Beschlüssen (Juli 1447) stehen für verpaßte Chancen und unzulängliche Antworten des deutschen Herrschers26. Vor allem aber verfügte die Macht Frankreich über Instrumente wirkungsvoller politischer Pression, die vitale Interessen Savoyens berührten: Karl VII. wußte den Gegenpapst Felix V. mit dem Geld eines Jacques Cœur27 und der militärischen Kompetenz eines Bastard von Orléans – diese Laien waren nicht umsonst Mitglieder der französischen Vermittlungsgesandtschaft – zum Rücktritt zu bewegen28. Denn beides war für Savoyen im Kampf um die Sukzession im Herzogtum Mailand vonnöten (bei der wiederum Valois-Orléans und Habsburg 25 Dazu grundlegend Ignaz Miller, Jakob von Sierck 1398/99–1456, Mainz 1983 (QMRhKG 45), bes. 114–173. 26 a) Trier (Februar 1445): RTA XV, n. 321–333; vgl. Heinz Quirin, Studien zur Reichspolitik König Friedrichs III. von den Trierer Verträgen bis zum Beginn des süddeutschen Städtekriegs, Habil. (masch.) Berlin o. J., 6; Miller, Jakob von Sierck (wie Anm. 25), 149. b) Bourges (Juni 1447): Jean Chartier, Chronique de Charles VII, roi de France, éd. Auguste Vallet de Viriville, II, Paris 1858, 48–51, bes. 51 (c. 162); Gilles Le Bouvier, dit Le Héraut Berry, Les chroniques du roi Charles VII, éd. †Henri Courteault/ †Léonce Celier / MarieHenriette Jullien de Pommerol, Paris 1979, 280; vgl. Quirin, 39–46; Stieber, Eugenius IV (wie Anm. 21), 305–308. c) Nürnberg/Aschaffenburg (März, Juni 1447): Quirin, 34–39, 56–61. – Miller, 166 ff. (mit weiteren Literaturangaben). 27 Michel Mollat du Jourdin, Résumé de la communication: Jacques Cœur et la Cour de Rome, in: CRAI a. 1979, 65. Nähere Aufschlüsse stehen von seiner in Vorbereitung befindlichen Jacques Cœur-Biographie zu erwarten. – Am 18. März 1449 schrieb Felix V. an seinen in Geldnöten befindlichen Sohn, den Herzog Ludwig von Savoyen: Nam argentarius regis qui etiam hic est et a quo multum sperabamus, utique non disposuit aliquid facere ante conclusionem rerum ecclesie …: Alexander Eckstein, Zur Finanzlage des Basler Konzils, Diss. Königsberg, Berlin 1911, 96. Vgl. auch schon Noël Valois, Le pape et le concile (1418–1450) (La crise religieuse du XV e siècle), II, Paris 1909, 347; G. Mollat, Nicolas V, in: Dict. de théol. catholique 11 (1931), 542; M. Mollat, Jacques Cœur, in: LexMA III (1986), 17 f. 28 In Auswahl: Concilium Basiliense [CB]. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel, VIII, Basel 1936 (ND 1976), 251 (265)–428; vgl. P.-L. Péchenard, Jean Juvénal des Ursins …, Paris 1876, 253–256; G[aston] Du Fresne de Beaucourt, Histoire de Charles VII, IV, Paris 1888, 257–259, 267–283; Gabriel Pérouse, Le cardinal Louis Aleman et la fin du Grand Schisme, Lyon 1904, 440–463; Valois, Pape (wie Anm. 27), II, 327–348; Stieber, Eugenius IV (wie Anm. 21), 322–330.

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eigene Absichten verfolgten)29. So versteht es sich von selbst, daß Band XVIII auch für die Geschichte Savoyens von Belang ist, wobei neben der Resignation des Gegenpapstes und der mailändischen Nachfolge der Freiburger Krieg eine Rolle spielt, in dessen Verlauf der Öhringer Fürstentag 1448 eine Reichsheerfahrt gegen Savoyen anberaumte30. Dieses Thema leitet dann weiter zu dem habsburgisch-eidgenössischen Konflikt, welcher wiederum auch die französische und burgundische Politik beschäftigte. Doch zurück zur Beilegung des Schismas: Wie erklärt sich dieser schon von Zeitgenossen wie Enea Silvio und Jean Chartier gefeierte Erfolg des Valois31? Der Versuch einer Antwort führt zunächst scheinbar vom Thema ab, um sich ihm dann von neuer Warte aus zu nähern, die zudem Möglichkeiten forschungsinitiierender Reichstagsaktenarbeit eröffnen könnte. Den Erfolg Karls VII. nur negativ mit der bis zum Überdruß allenthalben angeführten Indolenz Friedrichs III. oder der Uneinigkeit und individuellen Interessenpolitik der Reichsstände erklären zu wollen, greift zu kurz. Entscheidend war vielmehr die Qualität französischer Staatlichkeit und Politik; Karl VII. konnte sich am Hof auf ein in Finanzen, Justiz, Universität 29 E. H. Gaullieur, Correspondance du pape Félix V (Amédée VIII) et de son fils, Louis, duc de Savoie, au sujet de la ligue du Milanais (1446–1449), in: Archiv für Schweizerische Geschichte 8 (1851), 269–364; Th. Sickel, Beiträge und Berichtigungen zur Geschichte der Erwerbung Mailands durch Franz Sforza, in: Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen 14 (1855), 189–258; Ders., Die Ambrosianische Republik und das Haus Savoyen. Beitrag zur Geschichte Mailands im XV. Jahrhundert, in: Sitzungsber. der k. Acad. der Wissenschaften, philos.-histor. Cl. 20 (1856), 185–260; B. Buser, Die Beziehungen der Mediceer zu Frankreich während der Jahre 1434–1494 in ihrem Zusammenhang mit den allgemeinen Verhältnissen Italiens, Leipzig 1879, 26–78; B. de Mandrot, Un projet de partage du Milanais en 1446, in: BECh 44 (1883), 179–191; P. M.  Perret, Histoire des relations de la France avec Venise du XIIIe siècle à l’avènement de Charles VIII, I, Paris 1896, 171–218; Georges Peyronnet, Les relations politiques entre la France et l’Italie, principalement au XIV e et dans la première moitié du XV e siècles, in: MA 55 (1949), 333 ff.; 56 (1950), 86–91; Francesco Cognasso, Il ducato Visconteo e la repubblica Ambrosiana (1392–1450), in: Storia di Milano, VI, Mailand 1955, 387–448; Quirin, Studien (wie Anm. 26 a), 46–54. 30 Regesta chronologico-diplomatica Friderici III. Romanorum imperatoris (regis IV.) …, v. Joseph Chmel, Wien 1859 (ND 1962), n. 2438 f., 2459 f.; cf. XCVIII f.; Bernard de Mandrot, Étude sur les relations de Charles VII et de Louis XI, rois de France, avec les cantons suisses 1444–1483 (I), in: Jb für Schweizerische Geschichte 5 (1880), 66–75; Quirin, Studien (wie Anm. 26 a), 277–281 (Öhringen: 280); Werner Maleczek, Die diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Frankreich in der Zeit von 1430 bis 1474, Diss. (masch.) Innsbruck 1968, 107–116; Hans Berger, Der Alte Zürichkrieg im Rahmen der europäischen Politik …, Zürich 1978, 189–192. 31 a) Enea Silvio/Pius II. in seinen Kommentaren [1458 sqq.]: … nec ulla spes esset obedientie nanciscende, mortuo iampridem Eugenio ac Nicolao V suffecto interventu Caroli Francorum regis [Felix V.] pacem ecclesie dare decrevit: Pii II Commentarii rerum memorabilium que temporibus suis contigerunt, ed. Adrianus van Heck, I, Vatikanstadt 1984 (Studi e testi 312), 440 (l. VII, c. 8) = Enea Silvio Piccolomini. Papa Pio II, I Commentarii. Edizione …, a cura di Luigi Totaro, II, Mailand 1984 (Classici 47), 1412/14. – Ähnlich auch in anderen Werken (falsch interpretiert bei Alfred Leroux, Nouvelles recherches critiques sur les relations politiques de la France avec l’Allemagne de 1378 à 1461, Paris 1892, 326 Anm. 1). – b) Jean Chartier, Chronique de Charles VII (wie Anm. 26 b), II, 48–60 (c. 162–166).

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und Kirche qualifiziertes Fachpersonal stützen, das seinerseits durch Herkunft, Verwandtschaft, Studium und Karriere vielfach untereinander verflochten war; ein Netz, das auch in allen Wirrnissen des Hundertjährigen Kriegs intakt blieb32. Diese personell breit fundierte Effizienz vermochte sich mit besonderem Erfolg in der französischen Kirchenpolitik zur Zeit des Basiliense zu entfalten33. Die Synode war nützliches Instrument zur Verwirklichung einer französischen Königskirche; überflüssig geworden, oblag ihre souveräne Beseitigung der königlichen Diplomatie, die von Jacques Juvénal des Ursins geführt wurde – Mitglied einer in dieser „Nomenclatura“ aufgestiegenen Familie, die ihrerseits bereits eine Dynastie im Staatsdienst bildete34. Im Umfeld jener Liquidationsverhandlungen begegnen wir nun so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Thomas de Courcelles35, 32 Ein hervorragendes Beispiel hierfür stellt das von Françoise Autrand prosopographisch untersuchte Parlament dar (wie Anm. 6); vgl. allgemein auch Dies. in ihrer Biographie Karls VI. (wie Anm. 6), 204–213 („Changer l’État“). Dieses Bild wird durch eine Untersuchung des (Exil)Parlaments zu Poitiers unter Karl VII. bestätigt: Roger G. Little, The Parlement of Poitiers. War, Government and Politics in France 1418–1436, London – New Jersey 1984 (Royal Historical Society, Studies in History Ser. 42); s. auch Neithard Bulst, Studium und Karriere im königlichen Dienst in Frankreich im 15. Jahrhundert, in: Schulen und Studium im sozialen Wandel des hohen und späten Mittelalters, hg. v. Johannes Fried, Sigmaringen 1986 (VuF 30), 375–405. Eine gute Übersicht über weitere Forschungen liefert Hélène Olland, La France de la fin du Moyen Age: L’État et la nation (Bilan de recherches récentes), in: Médiévales 10 (1986), 86–90 („L’entourage du roi et l’affirmation de l’État“). Letzte Zusammenfassung (mit Akzent auf der Zeit Ludwigs XI.) durch Robert Folz, Frankreich von der Mitte des 11. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, in: Handbuch der Europäischen Geschichte, hg. v. Theodor Schieder, II: Europa im Hoch‑ und Spätmittelalter, hg. v. Ferdinand Seibt, Stuttgart 1987, 762 f., 765 f. 33 Dazu ausführlich das Schlußkapitel im 1989 erschienenen zweiten Band meiner Anm. 22 a zitierten Habilitationsschrift. 34 a) Zur königlichen Gesandtschaft: wie Anm. 28. – Zu Jacques Juvénal: Joseph Salvini, Un évêque de Poitiers: Jacques Jouvenel des Ursins (1410–1457), in: Bull. de la Soc. des Antiquaires de l’Ouest, 4e sér., VI (1961), 85–107. Weitere Quellen und Literatur (auch zu Jakobs Bruder Johannes) bei Müller, Franzosen (wie Anm. 22 a), Abschnitt III/3. Kapitel. b) Zur Bildung von Familiendynastien im französischen Königsdienst des 15. Jahrhunderts Françoise Autrand, Vénalité ou arrangements de famille: La résignation des offices royaux en France au XV e siècle, in: Ämterhandel im Spätmittelalter und im 16. Jahrhundert. Referate eines Internat. Colloquiums in Berlin vom 1. bis 3. Mai 1980, hg. v. Ilja Mieck, Berlin 1984 (Einzelveröffentl. der Histor. Kommission zu Berlin 45), 69–82. 35 Erste Arbeitshinweise: a) Grundlegend für eine Biographie des Thomas von Courcelles ist die Erfassung des umfänglichen handschriftlichen Materials in den Archives Nationales [AN] und der BN zu Paris (für die Zeit des Basiliense wurde das teilweise schon von Erich Meuthen und dem Verfasser geleistet); weiteres dürfte sich noch in der pikardischen Heimat der Courcelles finden lassen (Amiens). b) Gedruckte Quellen, im besonderen für sein synodales Wirken und für seine Bedeutung im Reich und auf den Reichstagen, liegen vor mit den Konzilsprotokollen (CB, II–VIII), mit der Konzilsgeschichte des Johannes von Segovia (Monumenta Conciliorum Generalium seculi decimi quinti [MC] …, II–IV, Wien – Basel 1873–1935), mit den bereits erschienenen Bänden der RTA (XIII–XVII), den verschiedenen Kommentaren des Enea Silvio (α) 1440: Ed. and transl. by Denys Hay /W. K. Smith, Oxford 1967; β) 1450/51: Der Briefwechsel des Enea Silvio Piccolomini, hg. v. Rudolf Wolkan, II. Abt., Wien 1912 (FRA II / 67), 164–228; γ) 1458 sqq.: wie Anm. 31 a, den Acta Cusana, I/2 (wie Anm. 21; n. 374–376, 454, 476, 483,

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Jean de Grôlée36 oder als Rat Karls VII. Gerhard von Blankenheim37, deren oft verschlungene, vom Widerspruch zwischen Überzeugung und Opportunität 520) und schließlich mit den gallikanischen Sammlungen des 17. / 18. Jahrhunderts wie Dupuy oder Durand de Maillane. Unabdingbar für das Verständnis des Theologen, der zu Basel die Texte zahlreicher Dekrete entwarf, ist seine zentrale Rolle an der Pariser Universität. S. dafür zunächst den IV. Bd. des Chartularium Universitatis Parisiensis (ed. Heinrich Denifle / Émile Châtelain, Paris 1897 [ND 1964]), mit den dazugehörenden Auctaria, vor allem Bd. II (ed. Denifle/Châtelain, Paris 1937) und Bd. VI (ed. Astrik L. Gabriel/Gray C. Boyce, Paris 1964), sowie das Material in den Universitätsgeschichten von César Egasse du Boulay (V, Paris 1670 [ND 1966]) und Crevier (IV, Paris 1761) und in der Geschichte der theologischen Fakultät dieser Hochschule von P. Feret (IV, Paris 1897). Hinweise auch bei Eliane Deronne, Les chanoines de Notre-Dame de Paris aux XV e et XVIe siècles (ECh. Positions des Thèses 1970; masch. Exemplar in den AN: AB XXVIII 146), 159 ff. c) In der französischen Literatur fand Thomas vorwiegend unter negativen Vorzeichen Interesse im Zusammenhang mit Jeanne d’Arc, da er Mitglied des Tribunals von Rouen war, wo er für die Folter Johannas votierte (s. etwa Joseph Fabre, Les bourreaux de Jeanne d’Arc, Paris 1915, 66: „Ce Saint-Just de l’Inquisition“): Pierre Champion, Procès de condamnation de Jeanne d’Arc …, II, Paris 1921 (Bibl. du XV e siècle 23), 342–344, 442 s. v. „Courcelles (Thomas de)“; Procès de condamnation de Jeanne d’Arc, II … par Pierre Tisset/Yvonne Lanhers, Paris 1970, 394 f. Kurze biographische Artikel von Adrien Huguet, Recherches sur trois juges du procès de condamnation de Jeanne d’Arc, originaires d’Amiens, in: Bull. de la Soc. des Antiquaires de Picardie 33 (1929/30), 331–338; M. Prevost, Thomas de Courcelles, in: DHGE XIII (1956), 951; A. Trin, Thomas de Courcelles, in: DBF IX (1961), 959 f. – Weiteres, doch wohlgemerkt Vorläufiges bei Du Fresne de Beaucourt, Charles VII (wie Anm. 28), VI, 542; Valois, Pape (wie Anm. 27), II, 396; Stieber, Eugenius IV (wie Anm. 21), 493 s. v. „Courcelles, Thomas de“. 36 Für die Biographie des Kommendatarpriors des Großen St. Bernhard (Montjoux) gibt es noch weniger Vorarbeiten als im Fall des Thomas von Courcelles. Dabei gewinnt der aus dem Bugey stammende und über seine Familie fest im Raum Lyon-Savoyen verwurzelte Jean de Grôlée, als Protonotar, Vizekämmerer, Gesandter (so zum Nürnberger Reichstag 1443) und später auch als Generalvikar eng dem früheren savoyischen Herzog und Konzilspapst Amadeus VIII.– Felix V. verbunden, gerade im Vor‑ und Umfeld der Schismaliquidation seit 1444 Bedeutung: Wie Courcelles für Savoyen und dann für Sachsen (!) und Frankreich unter anderem auch im Reich tätig, wußte er als Rat König Karls VII. und Empfänger finanzieller Zuwendungen des königlichen Kaufmanns Jacques Cœur „seinen Schnitt zu machen“: Erste Hinweise bei Ernest Cornaz, Le mariage palatin de Marguerite de Savoie (1445–1449), Lausanne u. a. 1932 (Mém. et doc. publ. par la SHSR, 2e sér., XV), 19 f. Anm. 1, n. VI–IX, XXI, XXIII; Lucien Quaglia, La Maison du Grand-Saint-Bernard des origines aux temps actuels, Aosta 1955, 189–192; Robert Guillot, Le procès de Jacques Cœur, o. O. o. J. [1975], 62 Anm. 69; Louis Binz, Diocèse de Genève – Administrateurs, in: L. B. /Jean Emery / Catherine Santschi, Helvetia Sacra, I / 3, Bern 1980, 132–135; Heribert Müller, Zur Prosopographie des Basler Konzils: Französische Beispiele, in: AHC 14 (1982), 154; Ders., Lyon et le concile de Bâle. Études prosopographiques, in: Cahiers d’histoire 28 (1983), 38 (mit weiteren Angaben); Henri T[ribout] de Morembert, Jean de Grolée, in: DBF XVI (1985), 1299 f. 37 Ungedrucktes Material zu Gerhard befindet sich in dem heute zu Prag liegenden Archiv Manderscheid-Blankenheim (vgl. K. Otermann, in: Jb des Kreises Euskirchen 1978, 111); das Landeshauptarchiv Koblenz verfügt über Kopien. Eine wichtige Quelle stellt die von Ad[olphe] Borgnet herausgegebene Chronik des Johann von Stablo dar: Collection de chroniques belges inédites X / 1, Brüssel 1861, bes. 547 ff. Weiteres Material in RTA XVII: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 3. Abtlg.: 1442–1445, hg. v. Walter Kaemmerer, Göttingen 1963, 837 s. v. „Blankenheim – Gf. Gerhard von Looz …“, sowie bei Tuetey (wie Anm. 16), I, 268–271 (dazu Texte in Bd. II). Der Graf gehörte zu den Korrespondenten des königlichen

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gezeichnete französisch-deutsch-savoyische Lebenswege genau in dem Rahmen abliefen, den der künftige Band XVIII abzustecken hat. Noch handelt es sich um zumeist nur Spezialisten bekannte Namen, deren eigentliche Bedeutung sich dank der Reichstagsakten besser abschätzen lassen dürfte. In dem einen oder anderen Fall mag dies dann intensivere biographische oder prosopographische Bemühungen auslösen: Auf der Suche nach Dissertationsthemen tut sich hier meines Erachtens ein gutes Feld auf; welche Ernte sich einbringen läßt, hat die erwähnte Doktorarbeit von Ignaz Miller über Jakob von Sierck (1983) gezeigt38. Auch läge ein Vergleich zwischen den französischen und deutschen Räten nahe, denen zu Recht in jüngster Zeit besonderes Interesse zuteil wird, bestimmten sie doch hinter den Kulissen, nicht zuletzt auf den Reichstagen, verstärkt ein politisches Leben, das immer mehr juristische Kompetenz erforderte. So fügt es sich gut, daß gerade Hartmut Boockmann, neben Hermann Heimpel und Peter Moraw bester Kenner der Materie, die Bearbeitung des Bandes XVIII übernommen hat39. Es wäre strukturgeschichtlich zu fragen, ob die französischen Beichtvaters Gérard Machet, was auch auf eine gewisse Nähe zum französischen Hof schließen läßt: Joannis Launoii … regis Navarrae gymnasii historia …, II, Paris 1677, ep. 292 (S. 554 f.). Literatur: Johann Friedrich Schannat/Georg Bärsch, Eiflia illustrata …, I / 1, Köln 1824, 258; Du Fresne de Beaucourt, Charles VII (wie Anm. 28), VI, 561 s. v. „Loss (Gérard de)“; Peter Neu, Geschichte und Struktur der Eifelterritorien des Hauses Manderscheid vornehmlich im 15. und 16. Jahrhundert, Bonn 1972 (Rhein. Archiv 80), 54 f., 63. 38 Wie Anm. 25; s. auch Ders., Der Trierer Erzbischof Jakob von Sierck und seine Reichspolitik, in: RhVjbll 48 (1984), 86–101. Der Wert der Reichstagsakten für prosopographisches und biographisches Arbeiten im „innerdeutschen“ Bereich bedarf wohl keines Nachweises; vgl. nur als jüngstes Beispiel Gerhard Fouquet, Das Speyerer Domkapitel im späten Mittelalter (ca. 1350–1540). Adlige Freundschaft, fürstliche Patronage und päpstliche Klientel, 2 Bde., Mainz 1987 (QMRhKG 57/I-II). 39 Hartmut Boockmann, Zur Mentalität spätmittelalterlicher gelehrter Räte, in: HZ 233 (1981), 295–316; Ders., Stauferzeit und spätes Mittelalter. Deutschland 1125–1517, Berlin 1987 (Das Reich und die Deutschen 7), 314; Hermann Heimpel, Die Vener von Gmünd und Straßburg 1162–1447. Studien und Texte zur Geschichte einer Familie sowie des gelehrten Beamtentums in der Zeit der abendländischen Kirchenspaltung und der Konzilien von Pisa, Konstanz und Basel, 3 Bde., Göttingen 1982 (VMPIG 52/I–III). Viele der insbesondere an Beamtentum, Rat und Kanzlei unter Ruprecht von der Pfalz gewonnenen Erkenntnisse und Thesen von Peter Moraw finden sich jetzt zusammengefaßt in den von ihm verfaßten §§ 1–5 (S. 21–65) des ersten Bands der Deutschen Verwaltungsgeschichte, hg. v. Kurt G. A. Jeserich / Hans Pohl / Georg Christoph von Unruh, Stuttgart 1983. Man denke aber auch an die Studien von Heinz Lieberich, Die gelehrten Räte. Staat und Juristen in Baiern in der Frühzeit der Rezeption, in: Zs. für Bayerische Landesgesch. 27 (1964), 120–189, von Karl E. Demandt, Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter. Ein „Staatshandbuch“ Hessens vom Ende des 12. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts, 2 Teile, Marburg 1981 (Veröffentl. der Histor. Kommission für Hessen 42/1–2), sowie von Klaus Wriedt: a) Das gelehrte Personal in der Verwaltung und Diplomatie der Hansestädte, in: Hansische Geschichtsblätter 96 (1978), 15–37; b) Amtsträger in norddeutschen Städten des Spätmittelalters, in: Medieval Lives and the Historian. Studies in Medieval Prosopography (Proceedings of the First Internat. Interdisciplinary Conference on Medieval Prosopography, Univ. of Bielefeld, 3–5 XII 1982), ed. by Neithard Bulst / JeanPhilippe Genet, Kalamazoo 1986, 227–234.

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Kollegen eines Johann von Lieser und Tilmann von Linz40 nicht über einen erheblichen Qualitätsvorsprung verfügten, da sie in der Regel nach ihrem Studium Erfahrungen in staatlichen Zentralinstitutionen wie Parlament oder Finanzverwaltung sammeln konnten, die das Reich nicht kannte. Das System von Paris und Poitiers produzierte Qualität, die Qualität vervollkommnete das System, über das die Habsburger und die anderen Reichsfürsten so nicht verfügten. Sicher, ein Martin Mair oder Gregor Heimburg waren auf ihre Art profilierte Persönlichkeiten41; allein die Frage zielt nicht auf individuelle Qualität, sondern auf die personelle Breite des staatlichen Unterbaus42, in dem ortsfeste Zentraladministration und flächendeckende Lokalverwaltung einander ergänzten und der Nichtadeligen (rôturiers) größere Aufstiegschancen bis in den Hofrat bot als im Reich, wo noch Adelsrang und Hausmacht dominierten. Derweil die königliche Verwaltung in Frankreich agierte und expandierte, blieb sie in Deutschland „etwas Reagierendes, kein Mittel des Ausgreifens“43. 40 a) Lysura: Helmut Weigel, Kaiser, Kurfürst und Jurist. Friedrich III., Erzbischof Jakob von Trier und Dr. Johannes von Lysura im Vorspiel zum Regensburger Reichstag von April 1454, in: Aus Reichstagen des 15. und 16. Jahrhunderts. Festgabe, dargebracht der Historischen Kommission zur Feier ihres hundertjährigen Bestehens von den Herausgebern der Deutschen Reichstagsakten, Göttingen 1958, 80–115 (Weigel erkannte übrigens als erster Mitarbeiter die Bedeutung des Reichstagsaktenmaterials für prosopographische und biographische Studien; vgl. etwa DA 5 [1942], 112–177); Ingrid Heike Ringel, Studien zum Personal der Kanzlei des Mainzer Erzbischofs Dietrich von Erbach (1434–1459), Mainz 1980 (QMRhKG 34), 237–242; Miller, Jakob von Sierck (wie Anm. 25), passim, bes. 274 f. b) Tilmann (und Jakob) von Linz: Miller, 366, 376 ss. vv. „Jakob / Tilman von Linz“. 41 Bachmann, Gregor Heimburg, in: ADB XI (1880; ND 1969), 327–330; Riezler, Martin Mair, in: ADB XX (1884; ND 1970), 113–120; Paul Joachimsohn, Gregor Heimburg, Bamberg 1891 (Histor. Abhandl. aus dem Münchener Seminar 1); Frederick G. Heymann, George of Bohemia. King of Heretics, Princeton/NJ 1965, 408–436 („The Mighty Pen: Gregory Heimburg“), 664 s. v. „Mair, Dr. Martin“; Alfred Wendehorst, Gregor Heimburg, in: Fränkische Lebensbilder. Neue Folge der Lebensläufe aus Franken, hg. v. Gerhard Pfeiffer, IV, Würzburg 1971, 112–129; Morimichi Watanabe, Gregor Heimburg and Early Humanism in Germany, in: Philosophy and Humanism. Renaissance Essays in Honor of P. O. Kristeller, ed. by Edward P. Mahoney, New York 1976, 406–422; Ders., Imperial Reform in the Mid-Fifteenth Century: Gregor Heimburg and Martin Mair, in: Journal of Medieval and Renaissance Studies 9 (1979), 209–235. 42 Karl VII. zählte in seiner Regierung 283 „wirkliche“ Räte: Pierre-Roger Gaussin, Les conseillers de Charles VII (1418–1461). Essai de politologie historique, in: Francia 10 (1982), 67–130. Für sich sprechen auch die – allerdings sämtliche Amtsträger einschließenden – Zahlen am Hof Karls des Kühnen: Die Hofordnung von Februar 1474 führt 1030 Namen auf, Olivier de La Marche nennt für den November desselben Jahres gar 1860 Amtsträger: Werner Paravicini, Karl der Kühne. Das Ende des Hauses Burgund, Göttingen 1976 (Persönlichkeit und Geschichte 94/95), 64; Ders., „Ordonnances de l’Hôtel“ und „Escroes des gaiges“. Wege zu einer prosopographischen Erforschung des burgundischen Staats im fünfzehnten Jahrhundert, in: Medieval Lives (wie Anm. 39: Wriedt), 254, 263 Anm. 43; vgl. auch Walter Prevenier/ Wim Blockmans, Die burgundischen Niederlande, Weinheim 1986, 257–261: „Das Anwachsen des Beamtentums“. 43 Peter Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490, Berlin 1985 (Propyläen Geschichte Deutschlands 3), 175.

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2. Das Türkenproblem Die zweite Hälfte des Bands XIX mit den Akten der Reichstage von Frankfurt und Wiener Neustadt (1454/55) als Fortsetzung der erwähnten Edition der Regensburger Reichstagsdokumente durch Henny Grüneisen (XIX / 1)44 dürfte noch größere europäische Perspektiven als Band XVIII eröffnen. Daß Grüneisen Philipp den Guten als herausragenden Teilnehmer jenes Regensburger Tags vorführte, entsprang keineswegs nur persönlicher Vorliebe für burgundische Geschichte, sondern war eine sachlich gebotene Gewichtung. Das Türkenproblem betraf im Rahmen der Reichstage durchaus nicht allein die Reichsstände; die Versammlungen – schon nach dem Adressatenkreis der kaiserlichen Ausschreiben als europäische Kongresse geplant45 – standen sogar in einem solch weiten, durch und über Burgund zu erschließenden Kontext, daß hier erstmals Konturen des europäischen Mächtesystems der frühen Neuzeit erkennbar werden, wie Studien im Umfeld des von mir zu bearbeitenden Bandes XIX / 2 ergaben46: Von seiner 44 Wie

Anm. 3.

45 RTA XIX / 1,

n. 14. diese unter dem Titel „Die Kreuzzugsprojekte des Herzogs Philipp des Guten von Burgund und die frühen Türkenreichstage“ in einem Band der Schriftenreihe der Historischen Kommission separat veröffentlicht werden sollen, führe ich hier nur die wichtigsten Arbeiten zum Thema auf, die es jedoch sämtlich nicht unter dem von mir avisierten Aspekt abhandeln: Jules Finot, Projet d’expédition contre les Turcs préparé par les conseillers du duc de Bourgogne Philippe-le-Bon (janvier 1457), Lille 1890; Johanna Dorina Hintzen, De kruistochtplannen van Philips den Goede, Diss. Rotterdam 1918: Die Huizinga-Schülerin H. arbeitete nur an gedruckten chronikalischen Quellen; Georges Doutrepont, Notice sur le manuscrit français 11594 de la Bibliothèque Nationale: La croisade projetée par Philippe le Bon contre les Turcs, in: Notices et extraits des manuscrits de la BN et autres Bibliothèques 41 (1923), 1–28 (wichtig im übrigen auch die Handschriften Paris, BN, ms. fr. 1278, sowie Paris, Bibl. de l’Arsenal, ms. 4798); N. Jorga, Les aventures ,sarrazines‘ des Français de Bourgogne au XV e siècle, in: Mélanges d’histoire générale, publ. par Constantin Marinescu, Cluj [Klausenburg] 1927 (Univ. de Cluj. Publ. de l’Institut de l’histoire générale 1), 9–56; Constantin Marinesco, Philippe le Bon, duc de Bourgogne, et la croisade (Ière partie, 1419–1453), in: Actes du VIe Congrès internat. d’études byzantines (Paris 1948), Paris 1950, 147–168; Ders., Philippe le Bon … (IIe partie, 1453–1467), in: Bull. des études portugaises et de l’Institut Français au Portugal, n. s. 13 (1949), 3–28; Armand Grunzweig, Philippe le Bon et Constantinople, in: Byzantion 24 (1954), 47–61; Ders., Le Grand Duc du Ponant, in: MA 62 (1956), 119–165; Yvon Lacaze, Philippe le Bon et les terres d’Empire. La diplomatie bourguignonne à l’œuvre en 1454–1455, in: Annales de Bourgogne 36 (1964), 81–121; Roger Degryse, De Bourgondische expedities naar Rhodos, Constantinopel en Ceuta 1441–1465, in: Marine Academie/Académie de Marine – Mededelingen / Communications 17 (Antwerpen 1965), 227–252; Jean Richard, La croisade bourguignonne dans la politique européenne, in: Publ. du Centre des études burgondo-médianes 10 (1968), 41–44; Yvon Lacaze, Politique ,méditerranéenne‘ et projets de croisade chez Philippe le Bon: De la chute de Byzance à la victoire chrétienne de Belgrade (mai 1453–juillet 1456), in: Annales de Bourgogne 41 (1969), 5–42, 81–132; Richard Vaughan, Philip the Good. The Apogee of Burgundy, London 1970, 442 s. v. „crusade“; Werner Schulz, Andreaskreuz und Christusorden. Isabella von Portugal und der burgundische Kreuzzug, Diss. Freiburg / Schw. 1976 (Histor. Schriften der Univ. Freiburg/Schw. 1); Yvon Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire: bilan d’un règne (Ière et IIe partie), in: Francia 9 (1981), 133–175; 10 (1982), 167–227; Henri Taparel, Un épisode de la politique orientale de Philippe le Bon: Les Bourguignons en Mer 46 Da

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politisch begabten Gattin Isabella von Portugal im eigenen Kreuzfahrteifer bestärkt, plante der Herzog als neuer Jason seines Argonautenkreises, des auch als Kreuzritterorden gegründeten „Toison d’Or“47, den Krieg gegen die Ungläubigen48. Portugal und Aragón wurden für den saint voyage de Turquie geworben, finanziell unterstützte der Burgunder die von Heinrich dem Seefahrer im Rahmen seines Plano das Índias forcierte portugiesische Suche nach dem legendären Priesterkönig Johannes in Gestalt des äthiopischen Herrschers Zar’a Yā’qōb als Bundesgenossen im Rücken der Osmanen49. Da Frankreich gegen diese Allianz Noire (1444–1446), in: Annales de Bourgogne 55 (1983), 5–29; Lafortune-Martel, Fête noble (wie Anm. 11); Jacques Paviot, La piraterie bourguignonne en Mer Noire à la moitié du XV e siècle, in: Horizons marins, itinéraires spirituels (V e – XVIIIe siècles), II: Marins, navires et affaires. Études réunies par Henri Dubois/Jean-Claude Hocquet / André Vauchez, Paris 1987 (HAM 21), 203–214. 47 Eine heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Gesamtdarstellung der Geschichte des Ordens steht aus; zur ersten Information von Nutzen: Malcolm Vale, War and Chivalry. Warfare and Aristocratic Culture in England, France and Burgundy at the End of the Middle Ages, London 1981, 33–62; D’Arcy Jonathan Dacre Boulton, The Knights of the Crown. The Monarchical Orders of Knighthood in Later Medieval Europe 1325–1520, Woodbridge 1987, 356–396. Eine Dissertation über den Orden (bis 1477) ist bei Werner Paravicini / Kiel in Vorbereitung. – Der fünfte Artikel des Statuts verpflichtete die Ordensmitglieder im Fall eines herzoglichen Waffengangs für Glaube, Kirche und Hl. Stuhl zu persönlicher und materieller Hilfe. So sahen denn auch schon einen Zusammenhang zwischen „Toison d’Or“ und Kreuzzug: Ferdinand Frhr. von Biedenfeld, Geschichte und Verfassung aller geistlichen und weltlichen, erloschenen und blühenden Ritterorden, II, Wien 1841, 42 f.; H. Kervyn de Lettenhove, La Toison d’Or. Notes sur l’institution et l’histoire de l’Ordre …, Brüssel 1907, 10 ff.; Luc Hommel, L’histoire du noble ordre de la Toison d’Or, Brüssel 1947, 35; Victor Tourneur, Les origines de l’ordre de la Toison d’Or et la symbolique des insignes de celui-ci, in: Acad. royale de Belgique. Bull. de la classe des lettres et des sciences morales et politiques, 5e sér., XLII (1956), 313 u. ö.; Charles Terlinden, Coup d’œil sur l’histoire de l’ordre illustre de la Toison d’Or, in: La Toison d’Or. Cinq siècles d’art et d’histoire, Brügge 1962 (catalogue de l’exposition Bruges, 14 VII– 30 IX 1962), 22, 26 f.; Ders., Der Orden vom Goldenen Vlies, Wien – München 1970, 17. 48 Dabei wurde Philipp von einer großen Gruppe qualifizierter Fachleute unterstützt, die vom Orientkundschafter und Diplomaten über den Korankenner bis zum portugiesischen Schiffsbauer auf den Werften von Sluis und Villefranche-en-Provence reichten; sie gaben der ritterlichen Vision, aber auch den handfesten kommerziellen Interessen Burgunds ein festes Fundament: wiederum also ein Personalverband, diesmal in Sachen Kreuzzug, der im Reich nirgends seinesgleichen hatte. Ich erwähne hier nur einige Namen (näheres in der Anm. 46 angekündigten Studie): Jean Germain, Guillaume Fillastre, Ghillebert de Lannoy, Bertrandon de La Broquière, Geoffroy de Thoisy, Simon de Lalaing, Pedro Vásquez de Saavedra (Pierre Vasque), Jean Miélot, Jean Le Tourneur, João de Coimbra, Martin Afonso de Oliveira. 49 a) Lille, Arch. dép. du Nord, B 1988, fol. 182; B 1991, fol. 189 (nach Schulz, Andreaskreuz [wie Anm. 46], 206 f.). b) Nach dem Zeugnis von Heinrichs Hofhistoriographen Gomes Eannes de Azurara bestand eines der Motive für die Entdeckungsfahrten des Infanten in der Suche nach christlichen Fürsten in fernen Weltgegenden, die – in Ermangelung europäischer Bundesgenossen – zum gemeinsamen Kampf gegen die Ungläubigen bereit waren: The Chronicle of the Discovery and Conquest of Guinea, transl. by Charles Raymond Beazley / Edgar Prestage, I, London 1896 (ND 1967), 28 (c. 7); französische Übersetzung in: La découverte de l’Afrique, prés. par Catherine Coquery, o. O. 1965, 88. Vgl. Wolfgang Reinhard, Geschichte der europäischen Expansion, I: Die Alte Welt bis 1818, Stuttgart u. a. 1983, 41 f., 234 (mit weiteren Angaben).

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verständlicherweise in argwöhnischer Ablehnung stand – die Dynastie Avis war Parteigänger Englands, der Spanier galt als Usurpator angevinischer Rechte auf Neapel –, schlug Philipp bei seiner Bündnersuche einen anderen Weg ein: aliam viam temptavit, um mit dem burgundischen Gesandten Guillaume Fillastre zu sprechen50; er band nämlich nunmehr Habsburg in seine Pläne ein. Eine der ersten Etappen dieses Wegs bildete die bezeichnenderweise unter aragonischer Hilfe angebahnte Heirat Friedrichs III. mit der portugiesischen Prinzessin Eleonore51. Nach dem Fall Konstantinopels, dem Gelübde von Lille52 und dem Triumph über Gent53 verstand der Burgunder den Zug nach Regensburg und das Reichstagstheatrum selbst als glanzvollen Eintritt in den Türkenkrieg54 – in Deutschland sollte der bislang von ihm vor allem als mediterranes Seeunternehmen geplante Kreuzzug zusätzliche Schlagkraft zu Lande erhalten. Zwei mailändische Depeschen aus Dijon, die Aufgebotsliste des Frankfurter Reichstags mit einem herausragenden burgundischen Kontingent und endlich die Zusagen der herzoglichen Gesandten in Wiener Neustadt zeigen Philipp auch hier zur Leistung eines substantiellen Beitrags bereit, der obendrein Statusverlangen wie faktische

Zum Plano das Índias: Joaquim Bensaúde, A cruzada do Infante D. Henrique, Lissabon 1943, 51–54 (teilweise überholt; vgl. Schulz, 206 Anm. 113); C[harles] R[alph] Boxer, The Portuguese Seaborne Empire 1415–1825, London 1969, 19 f.; Joaquim Veríssimo Serrão, História de Portugal, II: A formação do Estado moderno (1415–1495), Lissabon 31980, 124 ff. 50 RTA XIX / 1, n. 41 f  2 (S. 412, Z. 16/17). 51 Ernst Birk, Actenstücke, Herzog Philipp’s von Burgund Gesandtschaft an den Hof des römischen Königs Friedrich IV. in den Jahren 1447 und 1448 betreffend, in: Der österreichische Geschichtsforscher, hg. v. Joseph Chmel, I, Wien 1838, n. I (S. 235), IV (S. 239), IX (S. 252 f.), bes. X (S. 259). Vgl. Fr. von Krones, Leonor von Portugal. Gemahlin Kaiser Friedrichs III., des steirischen Habsburgers (1436–1467). Ein Lebens‑ und Zeitbild, in: Mitt. des Histor. Vereins für Steiermark 49 (1902), 59 f.; Antonia Zierl, Kaiserin Eleonore und ihr Kreis. Eine Biographie (1436–1467), Diss. (masch.) Wien 1966, 12–18; ergänzt und verbessert von Schulz, Andreaskreuz (wie Anm. 46), 187 f. Unklar stellten sich die Motive für diese Verbindung dagegen jüngst H. Koller dar: Eleonore von Portugal, in: LexMA III (1986), 1804. 52  RTA XIX / 1, n. 19 a 3. – Neuere Literatur neben Lafortune-Martel (wie Anm. 11): Robert Schwoebel, The Shadow of the Crescent: The Renaissance Image of the Turk, Nieuwkoop 1967, 85–91; Vaughan, Philip the Good (wie Anm. 46), 217–220; Emmanuel Bourassin, Philippe le Bon. Le grand lion des Flandres, Paris 1983, 267–291. 53 In unserem Zusammenhang interessiert vor allem ein Brief des Johannes Kapistran an den Burgunder, der die Bitte um Milde gegenüber den Besiegten mit der Aufforderung verband, die Waffen lieber gegen den Ungläubigen zu wenden: Gaston Du Fresne de Beaucourt, Lettre de Saint Jean de Capistran au duc de Bourgogne 19 mars 1454 [richtig: 1453], in: Annuaire-Bull. de la Soc. de l’histoire de France a. 1864, 160–166. Übersetzung: Une lettre de Saint Jean de Capistran au duc de Bourgogne, en faveur de la commune de Gand (1453), par … Kervyn de Lettenhove, in: Bull. de l’Acad. royale des sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique 32 (= n. s. 16) (1865), 216–220; s. auch AFH 35 (1942), 277 n. 2 (s. Anm. 56: Lippens); Grüneisen: RTA XIX / 1, 145 Anm. 5. 54 Im Detail wie in der Übersicht souveräne Präsentation des Materials durch Grüneisen: RTA XIX / 1, n. 19 (S. 141–193) – eines der Meisterstücke der Arbeit an den Reichstagsakten überhaupt!

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Stärke demonstrierte55. Sicher war es kein Zufall, daß auch der vom Burgunder in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommene Alfons V. von Aragón zu den Türkenreichstagen Gesandte schickte. Wenn sich die Pläne trotz aller Frankfurter Predigten und Briefe eines Johannes Kapistran an die Fürsten Europas56, trotz aller rhetorischen Glanzleistungen eines Enea Silvio57 schließlich doch zerschlugen, so gründete dies sicher mit in 55  a) Mailänder Depeschen: Dispatches with Related Documents of Milanese Ambassadors in France and Burgundy 1450–1483, I: 1450–1460, ed. with transl. by Paul M. Kendall/Vincent Ilardi, Athens/Ohio 1970, n. 24/25; Carteggi diplomatici fra Milano e la Borgogna, I: 8 marzo 1453–12 Iuglio 1475, a cura di Ernesto Sestan, Rom 1985 (Fonti per la storia d’Italia [140]), n. 2/3 (1455 Februar 18 und März 5). b) Burgundisches Aufgebot nach Abschied des Frankfurter Reichstags 1454 Oktober 27 ff.: RTA XIX / 2: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 5. Abtlg. / 2. Teil, hg. v. Johannes Helmrath [im Erscheinen], n. 20, 2b (nach Nürnberg, Staatsarchiv, Ansbacher Reichstagsakten, Bd. 2, fol. 24r): Der herzog von Burgundien mitsampt allen den seinen, seinen undertanen und zugewandten, sol haben III m ze rosz und VI m ze fosz. Auf differierende Angaben (2000/4000) in anderen Quellen (Mathieu d’Escouchy, Speierische Chronik) ist hier nicht einzugehen. – Noch 1463 kam der burgundische Botschafter Guillaume Fillastre vor Pius II. auf die Höhe dieses Aufgebots zurück: Rede des burgundischen Gesandten und Bischofs von Tournay Wilhelm Filastre in Sachen eines Kreuzzugs gegen die Türken, gehalten zu Rom am 8. October 1463 im öffentlichen Consistorium vor Papst Pius II., hg. v. H.V   .  Sauerland, in: RQ 5 (1891), 356. c) Burgundische Zusagen in Wiener Neustadt (und ire herr were one zweifel in t󰀂glicher warte und gevertigt z󰀆 dem zuge): Nürnberg, Staatsarchiv, Nürnberger Reichstagsakten 1, fol. 130v–131r. Vgl. Gustav Georg König von Königsthal, Nachlese in den Reichs-Geschichten, bestehend in einer neuen Sammlung von ungedruckten Reichs-Tags‑ und ins besondere von ReichsStädtischen Collegial-Handlungen unter der Regierung Kaiser Friedrichs III., 1. Sammlung, Frankfurt / M. 1759, 107 f.; Gustav Frhr. von Hasselholdt-Stockheim, Herzog Albrecht IV. von Bayern und seine Zeit. Archivalischer Beitrag zur deutschen Reichsgeschichte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Leipzig 1865, 26. 56 RTA XIX /2, n. 15. – Im Anschluß an den Frankfurter Reichstag predigte Kapistran den Kreuzzug im süddeutschen Raum und in Österreich, dann im Juni 1455 auf dem ungarischen Tag in Raab und schließlich in Transsylvanien: Schwoebel, Shadow (wie Anm. 52), 42 f. Unter den Frankfurter Schreiben Kapistrans befinden sich zwei an das ihm seit einer Legation in den vierziger Jahren verbundene burgundische Herzogspaar: RTA XIX / 2, n. 15, 3f und g; Lucas Wadding, Annales Minorum …, Ed. tertia, XII, Quaracchi 1932, 205–208. – Einen Brief, der wahrscheinlich die Antwort Isabellas auf die Frankfurter Mahnungen des Franziskaners darstellt, druckt Schulz, Andreaskreuz (wie Anm. 46), 109 f., ab; s. auch Johannes Hofer, Johannes Kapistran. Ein Leben im Kampf um die Reform der Kirche. Neue, bearbeitete Ausgabe, II, Heidelberg 1965 (Bibl. Franciscana 2), 307–311. Zur Freundschaft Kapistrans mit dem Herzogspaar Hugolin Lippens, Saint Jean de Capistran en mission aux États bourguignons (1442–1443) …, in: AFH 35 (1942), 113–132, 254–295. 57 Im Rahmen der RTA XIX/2 ist eine neue Ausgabe der handschriftlich reich überlieferten Frankfurter Rede des Enea Silvio „de Constantinopolitana clade et bello contra Turcos congregando“ vorgesehen, die, zwar schon früh gedruckt, so doch nur in veralteten Editionen vorliegt wie in der Basler Ausgabe seiner Werke (1551; ND 1967), in den beiden Auflagen von Antoine Geuffroy, Aulae Turcicae … descriptio, Basel 1573; 1577 [pars] I, sowie bei Nicolaus Reusner, Selectissimarum nationum et consultationum de bello Turcico … volumina quatuor, I, Leipzig 1596, oder im ersten Band der durch Giovanni Domenico Mansi besorgten Edition von Eneas Reden, Lucca 1755, und bei Johann Joachim Müller, Des Heil. Römischen Reichs, Teutscher Nation, Reichs Tags Theatrum, I, Jena 1713. Vgl. Ulrich Paul, Studien zur

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der wortreichen Entscheidungslosigkeit (dieta dietam peperit58), dem taktischen Finassieren und den eigensüchtigen Streitereien der Reichsstände wie auch im Attentismus des abwesenden Kaisers. Indes entscheidend war auch hier einmal mehr die Macht Frankreich: So suchte Philipp der Gute im reichstaganhängigen Streit um Luxemburg um des höheren Ziels Kreuzzug willen den Ausgleich mit der gegnerischen Partei Böhmen, die jedoch im Wissen um französischen Beistand unnachgiebige Härte an den Tag legte59. Überhaupt stellen sich alle damals umstrittenen Orte im Westen des Reichs von Utrecht über Lüttich bis nach Badenweiler, Pfirt und in die Eidgenossenschaft auch als Nebenschauplätze des französisch-burgundischen Konflikts dar60, der seine Schatten ebenfalls über die Soester Fehde und die (auf dem Frankfurter Reichstag zur Sprache gebrachte) Münstersche Stiftsfehde warf 61: Hinter den Kontrahenten Moers und Kleve Geschichte des deutschen Nationalbewußtseins im Zeitalter des Humanismus und der Reformation, Berlin 1936 (ND 1965) (HS 298), 25–33; Jürgen Blusch, Enea Silvio Piccolomini und ­Giannantonio Campano. Die unterschiedlichen Darstellungsprinzipien in ihren Türkenreden, in: Humanistica Lovaniensia 28 (1979), 78–138, bes. 84–89; Heinz Thomas, Die deutsche Nation und Martin Luther, in: HJb 105 (1985), 441 f. Enea Silvio stellte in dieser Rede übrigens den jungen Fürsten des Reichs den Kreuzzugseifer der bejahrten Herrscher Alfons V. von Aragón und Philipp d. Guten als vorbildlich hin: Franz Babinger, Mehmed der Eroberer und seine Zeit. Weltenstürmer einer Zeitenwende, München 1953, 128. 58 So Enea Silvio am 21. Mai 1454 aus Regensburg an den Kölner Erzbischof Dietrich von Moers: RTA XIX / 1, n. 39, 6. Ähnlich bereits zehn Jahre zuvor an Carvajal über den Nürnberger Reichstag: scis quid hoc verbo sentiam: fecunde sunt omnes diete, quelibet in ventre alteram habet: RTA XVII, n. 119. Am 16. April 1455 an denselben Empfänger aus Wiener Neustadt: communeque omnium consilium est alteram dici diem: Rom, Bibl. Apost. Vat., Ottob. lat.  347, fol. 59r. – Eneas Bild wurde dann auch in der Literatur oft aufgegriffen, so etwa schon 1835: Joseph Hefele, Blicke in’s fünfzehnte Jahrhundert und seine Konzilien …, in: Jbb. für Theol. und prakt. Philos. 4, 104. 59 Grundlegend RTA XIX / 1, n. 41, mit der instruktiven Einführung von Grüneisen, 339–346(–359); ebd., 347 Anm. 1 Literatur zur Vorgeschichte des luxemburgischen Konflikts; s. dazu auch Lacaze, Philippe le Bon et les terres d’Empire (wie Anm. 46), 82–93; Ders., Philippe le Bon et l’Empire (wie Anm. 46), I, 157–166, II, 168–180; Miller, Jakob von Sierck (wie Anm. 25), 80–113, 237–240 u. ö.; s. auch das hier Anm. 61 a zitierte Buch von Heimann sowie zuletzt – mit der abstrusen These, daß Philipp den Böhmenkönig habe ermorden lassen – E. Kruta-Bahuault, Les relations entre la France et la Bohême au XV e siècle, in: Soc. des lettres, sciences et arts du Saumurois 76 (1985), 52–61. 60 Eine Übersicht bei Lacaze, Philippe le Bon et les terres d’Empire (wie Anm. 46), 93–111; Ders., Philippe le Bon et l’Empire (wie Anm. 46), II, 168–180. 61 a) Soest: Joseph Hansen, Westfalen und Rheinland im 15. Jahrhundert, I: Die Soester Fehde, Leipzig 1888 (PPSA 34). – Letzte Darstellungen: Heinz-Dieter Heimann, Zwischen Böhmen und Burgund. Zum Ost-West-Verhältnis innerhalb des Territorialsystems des Deutschen Reiches im 15. Jahrhundert, Köln – Wien 1982 (Dissertationen zur mittelalterlichen Geschichte 2); dazu auch Franz Petri, Zum Ost-West-Verhältnis in der deutschen Landesgeschichte …, in: Westfäl. Forschungen 33 (1983), 127 f.; Abraham Glezerman / Michael Harsgor, Cleve – ein unerfülltes Schicksal. Aufstieg, Rückzug und Verfall eines Territorialstaates, Berlin 1985 (Histor. Forschungen 26), 162–179. b) Münster: Hansen, Westfalen und Rheinland im 15. Jahrhundert, II: Die Münsterische Stiftsfehde, Leipzig 1890 (PPSA 42); Literatur bei Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire (wie

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standen Karl VII. und Philipp der Gute in einem Westen, der von beiden weitgehend als Bündnerreservoir betrachtet wurde62. So schrieb auch Thomas Basin in seiner Geschichte Karls VII.: idem Francorum rex … federa … cum pluribus sacri imperii electoribus atque principibus iniit, tam ecclesiasticis quam secularibus, et cum eis presertim quibus invisum vel exosum fore eundem ducem Burgundionum agnosceret63. (Diese Perspektive wird hierzulande m. E. in jüngeren territorialgeschichtlichen Darstellungen nicht immer hinreichend beachtet; schon um solche Engführung und Innenschau zu verhindern, müssen Reichstagsakten die weiteren Zusammenhänge aufzeigen64.) Eben dieser französisch-burgundische Konflikt bedeutete schließlich das Ende für die von Philipp gehegten – und vielleicht auch mit stillem Hoffen auf die Königswürde verfolgten65 – Kreuzzugspläne, als nämlich der Dauphin 1456 durch seine Flucht zum beau oncle de Bourgogne die Spannungen zu neuem Höhepunkt brachte66 und als Ludwig selber dann acht Jahre später zu Lille als Lehnsherr den von Pius II. auf den Türkenkrieg verpflichteten Herzog zum Aufschub und zur faktischen Aufgabe seines Lebensziels bewegte67. So wurde in Frankreich und Burgund ein letztes Wort über die Türkenpläne der deutschen Reichsstände Anm. 46), II, 168 Anm. 259; Glezerman/Harsgor, 180–197. Wegen der Fehde hatten der Bischof von Münster, die Stadt sowie Herzog Friedrich von Braunschweig Abordnungen nach Frankfurt entsandt: RTA XIX/2, n. 4, 3 [13], [36]; n. 4, 2 [16], [20]. 62 Dazu – aus deutscher Perspektive – grundlegend Henny Grüneisen, Die westlichen Reichsstände in der Auseinandersetzung zwischen dem Reich, Burgund und Frankreich bis 1473, in: RhVjbll 26 (1961), 22–71. 63 Histoire de Charles VII, éd. et trad. par Charles Samaran, II, avec la collaboration de Henry de Surirey de Saint Remy, Paris 21965 (CHFMA 21), 246. 64 Das gilt besonders für die Anm. 61 a genannte Arbeit von Heimann. Vgl. Franz-Reiner Erkens, in: Blätter für deutsche Landesgesch. 119 (1983), 464; Heribert Müller, in: AKG 66 (1984), 482–485; Hartmut Boockmann, in: GWU 36 (1985), 723; Werner Maleczek, in: Mitt. des Instituts für österr. Geschichtsforschung 94 (1986), 218. 65 Sehr vorsichtig und differenziert dazu Grüneisen: RTA XIX/1, 339–343; s. auch Lacaze, Philippe le Bon et les terres d’Empire (wie Anm. 46), 113 ff.; Ders., Philippe le Bon et l’Empire (wie Anm. 46), II, 177; Marianne Awerbuch, Über die Motivation der burgundischen Politik im 14. und 15. Jahrhundert, Diss. Berlin 1970, 102–123. 66 Der Dauphin rechtfertigte das gegenüber seinem Vater mit dem Vorwand, an Philipps Seite gegen den Türken ziehen zu wollen. Druck des Briefs bei Du Fresne de Beaucourt, Histoire de Charles VII (wie Anm. 28), VI, 89. Vgl. zuletzt Paul Murray Kendall, Louis XI … „The Universal Spider“ …, London 1971, 81–89, französische Ausgabe: Paris 1974, 69–79; PierreRoger Gaussin, Louis XI. Roi méconnu. Un roi entre deux mondes, Paris 1976, 41–43. 67 Quellen: Georges Chastellain, Œuvres, publ. par Joseph Kervyn de Lettenhove, V, Brüssel 1864 (ND 1971), 62 f.; Ludwig Pastor, Ungedruckte Akten zur Geschichte der Päpste vornehmlich im XV., XVI. und XVII. Jahrhundert, I: 1376–1464, Freiburg / Brsg. 1904, n. 182, 184, 187–190, 192; Epître à la maison de Bourgogne sur la croisade turque projetée par Philippe le Bon (1464), publ. par Georges Doutrepont, in: Analectes pour servir à l’histoire ecclésiastique de la Belgique 32 (1906), 144–195; Marie-Rose Thielemans, Bourgogne et Angleterre. Relations politiques et économiques entre les Pays-Bas bourguignons et l’Angleterre 1435–1467, Brüssel 1966, 465–469; Giuseppe Valentini, La Crociata di Pio II dalla documentazione veneta di archivio, in: AHP 13 (1975), 271 n. 486; cf. 273 f. n. 546, 560; Literatur: Georg Voigt, Enea Silvio de’ Piccolomini als Papst Pius der Zweite und sein Zeitalter, III, Berlin 1863 (ND 1967),

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gesprochen, da ein Kreuzzug ohne burgundischen Impetus undenkbar war. Was aber auf Dauer blieb, ungeachtet aller künftigen Irritationen und Brüche, aller politischen und dynastischen Zufälle, war jene von Philipp zum Türkenkampf unter antifranzösischen Vorzeichen geschmiedete Allianz zwischen Portugal, dem später mit Kastilien vereinigten Aragón und einem Haus Habsburg, das ein mit der Gegnerschaft zu Valois belastetes burgundisches Erbe antreten wird: Vorschau auf die Mächtekonstellation der frühen Neuzeit, ermöglicht durch ein in Grüneisens Nachfolge burgundisch akzentuiertes Studium der frühen Türkenreichstage. Die Türkenhilfe oder besser: die Vertagung und Ablehnung der Türkenhilfe war fortan ein Thema fast aller Reichstage, teilweise unter antikurialen Vorzeichen68, später teilweise auch aus Mißtrauen gegen einen Kaiser, der unter Türkenhilfe Unterstützung gegen Matthias Corvinus verstand. Indes drängte sich auf den nächsten Reichs‑ und Fürstentagen der sechziger Jahre, wo zwar auch die Übernahme der Feldhauptmannschaft im Türkenkrieg durch König Georg Podiebrad von Böhmen und weitere Anschläge zum Krieg wie etwa in Nürnberg 1466/67 beraten wurden, ein anderes Thema in den Vordergrund: Eben dieser böhmische König, der für die Übernahme jenes Amts die deutsche Königswürde verlangte und dessen Sturz als hussitischer Ketzer bald schon unter Führung päpstlicher Legaten mit eigennütziger ungarischer Hilfe auf den Tagen von Nürnberg (1466/67) und Regensburg (1469) betrieben wurde69. 708 ff.; Hintzen, Kruistochtplannen (wie Anm. 46), 167 f., 173–176; Vaughan, Philip the Good (wie Anm. 46), 369 ff.; Setton, Papacy (wie Anm. 14 a), II, 267, 287 f. 68 So mußte sich Kardinal Bessarion auf dem Wiener Reichstag 1460 gegen den Vorwurf verwahren, Rom wolle unter dem Vorwand des Türkenkampfs den Deutschen das Fell über die Ohren ziehen; nach dem Willen des Hl. Vaters solch geld nie[n]derthin solt kommen dann allein zu Nutz des Zugs (Müller, Reichs Tags Theatrum [wie Anm. 57], I, 784); cf. Nürnberg, Staatsarchiv, Nürnberger Reichstagsakten 1, fol. 167r/v; Heinrich Christian von Senckenberg, Selecta Juris et historiarum tum anecdota tum jam edita, sed rariora, IV, Frankfurt / M. 1738, 339 f.; vgl. Jakob Reissermayer, Der Große Christentag zu Regensburg 1471, 1. T, Regensburg 1887 (Programm zum Jahresberichte über das K. neue Gymnasium zu Regensburg für das Studienjahr 1886/87), 18; Von Kraus, Deutsche Geschichte (wie Anm. 23), I, 365 f. 69  Für die Nürnberger Tage ist immer noch auf Müllers Reichs Tags Theatrum (wie Anm. 57), II, 211–259, 260–310, zurückzugreifen; s. auch József Teleki, Hunyadiak kora Magyarországon, XI, Pest 1855; Franz Palacky, Urkundliche Beiträge zur Geschichte Böhmens und seiner Nachbarländer im Zeitalter Georg’s von Podiebrad, Wien 1860 (FRA II / 20), bes. n. 366/67, 405: Augustinus Theiner, Vetera monumenta historica Hungariam sacram illustrantia …, II, Rom 1861; Scriptores rerum Silesiacarum, IX: Politische Correspondenz Breslaus im Zeitalter Georgs von Podiebrad, hg. v. Hermann Markgraf, Breslau 1874; Adolf Bachmann, Urkunden und Actenstücke zur österreichischen Geschichte im Zeitalter Kaiser Friedrichs III., Wien 1879 (FRA II / 42). Die Vorarbeiten für den diese Reichstage erfassenden Band XXI wie überhaupt die Untersuchung der Vorgänge um Podiebrad und Böhmen hat Ingeborg MostKolbe weit, teilweise bis zur Druckreife, vorangetrieben. I. Most-Kolbe ist auch die Editorin der Akten der Regensburger Versammlung von 1469: RTA XXII/1: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 8. Abtlg./1. Hälfte: 1468–1470, hg. v. Ingeborg Most-Kolbe, Göttingen 1973, n. 20–30. Literatur: Senckenberg, Selecta (wie Anm. 68), IV, 316 f.; Franz

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Dieser Kampf zwischen dem Böhmen und dem Corvinen lenkt nun den Blick auf ein Zentralthema ostmitteleuropäischer Geschichte: 3. Der Donauraum zwischen Einung und Verselbständigung – ein Thema, das ich mit einem Blick auf den nächsten Reichstag verbinde, dessen Akten neben denen der Versammlungen von Frankfurt und Wiener Neustadt (1454/55) momentan bearbeitet werden, nämlich auf den neuerlich wegen der Türkengefahr nach Regensburg einberufenen Christentag von 147170. Ein Problem jener frühen Türkenreichstage belastete erneut diese schon vom Kreis der Geladenen her internationale Versammlung71: Regensburg 1471 wurde ebenfalls vom französisch-burgundischen Antagonismus überschattet, da Herzog Karl der Kühne sein persönliches Nichterscheinen mit der fortgesetzten Friedbrüchigkeit Ludwigs XI. begründete und – gleich seinem Vater – eine Kriegsteilnahme von den Sicherheitsgarantien des französischen Königs abhängig machte72. Des weiteren sah sich die Konferenz bereits zu Beginn mit einem alten, Palacky, Geschichte von Böhmen …, IV/2, Prag 1860 (ND 1968), 416 f. (mit weiteren Quellen zu den Nürnberger Reichstagen), 468–472, 556 ff.; August Kluckhohn, Ludwig der Reiche, Herzog von Bayern. Zur Geschichte Deutschlands im 15. Jahrhundert, Nördlingen 1865, 263 f., 268 f., 284–287, 376–379 (mit weiterer Quelle zum Nürnberger Reichstag 1467); Adolf Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte im Zeitalter Friedrich III. und Max I., II, Leipzig 1894, 30–37, 90–98; Von Kraus, Deutsche Geschichte (wie Anm. 23), I, 442 f., 505 f., 513 f.; Rudolf Urbánek, Věk Poděbradsky, IV: Čechy za kralováni Jiří ka Poděbrad Léta 1460–1464, Prag 1962, 331–770 („Zápas s papežským universalismem za Pia II“: Zu Vorgeschichte und Umfeld); Heymann, George of Bohemia (wie Anm. 41), 429–432, 461–463, 510 f.; Karl Nehring, Matthias Corvinus, Kaiser Friedrich III. und das Reich. Zum hunyadisch-habsburgischen Gegensatz im Donauraum, München 1975 (Südosteurop. Arbeiten 72), 28, 33; Purš / Kropilak (Hgg.), Přehled dějin Československa (wie Anm. 17), I / 1, 496 ff. (ebenfalls zu Vorgeschichte und Umfeld); Boockmann, Stauferzeit (wie Anm. 39), 332 f. Corvinus hatte schon im Oktober 1465 Papst Paul II. angeboten, gegen den Böhmen einen Kreuzzug zu unternehmen: Stephanus Katona, Historia critica regum Hungariae stirpis mixtae VIII (ordine XV), Cluj [Klausenburg] 1792, 136; vgl. Ladislaus von Szalay, Geschichte Ungarns, III/1, Pest 1873, 257 f.; Heymann, 420 f.; Otakar Odložilík, The Hussite King. Bohemia in European Affairs 1440–1471, New Brunswick / NJ 1965, 173. 70  Erste Information in der Anm. 68 zitierten Monographie von Reissermayer (dazu auch: 2. T. = Programm zum Jahresberichte über das K. neue Gymnasium zu Regensburg für das Studienjahr 1887/88, Regensburg 1888). Diese, vor einem Jahrhundert verfaßte Arbeit klammert allerdings die uns interessierenden Fragen weitgehend aus; s. auch Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte (wie Anm. 69), II, 347–371; Von Kraus, Deutsche Geschichte (wie Anm. 23), I, 521–528; Ludwig Pastor, Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance von der Thronbesteigung Pius’ II. bis zum Tode Sixtus’ IV., Freiburg/ Brsg. 101931 (ND 1955), 436 ff. 71 Helmut Wolff, dem Bearbeiter von Band XXII/ 2 habe ich für manchen Hinweis zu den folgenden Ausführungen zu danken. 72 RTA XXII /2: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 8. Abtlg. / 2. Hälfte: 1471, hg. v. Helmut Wolff, Göttingen 1999, n. 111 („Handlungen“) zum 26. Juni (S. 602): werde er [Karl der Kühne] des durch den konige von Franckreich verhindert. Vgl. Reissermayer, Christentag (wie Anm. 68), 2. T., 32 (mit falscher Quellenzitierung). In Art. 46 des kaiserlichen Vorschlags zur Vorbereitung des Türkenzugs ist denn auch die Rede davon, daß sich eine aus

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schon frühere Reichstage und Konzilien lähmenden Streit um Sitz und Rang der burgundischen Gesandten konfrontiert73 – Spiegelung jener angesprochenen Problematik des Emporkömmlings in einem auch hierarchisch fixierten Europa. Allerdings läßt die kleine und kaum in die Beratungen über die Türkenhilfe eingreifende Delegation erkennen, daß sich der „lotharingisch“ denkende Karl der Kühne trotz aller Kreuzzugsrhetorik von den Plänen Philipps des Guten weitgehend abgewandt hatte74.

Vertretern des Papstes, des Kaisers, der Kurfürsten und Fürsten gebildete Gesandtschaft um die Aussöhnung Ludwigs XI. und Karls des Kühnen bemühen solle, so daß sich beide alsdann am Kampf gegen den Ungläubigen beteiligen könnten: RTA XXII/ 2, n. 118 (S. 791) (im Patrizi-Bericht über den Reichstag wird dagegen am 28. Juli 1471 nur der Erzbischof von Trier als möglicher Mittler genannt: n. 112 [S. 674]). – Hier und im Folgenden wird also nach den 1988 zunächst noch vorläufigen Nummern des Bandes XXII/2 zitiert; auf Grund des jeweils aufgeführten Tagesdatums bei den „Handlungen“ und bei Patrizi dürften sich die erwähnten Stellen in den früheren Drucken leicht verifizieren lassen: a) n. 111 („Handlungen“): König von Königsthal, Nachlese in den Reichs-Geschichten (wie Anm. 55), 2. Sammlung, 69–96; b) n. 118 (kaiserlicher Vorschlag): Müller, Reichs Tags Theatrum (wie Anm. 57), II, 477–485 (weitere Drucke bei Koch und Lünig); c) n. 112 (Patrizi): Teildrucke bei Marquardus Freherus / Burcardus Gotthelfius Struvius, Rerum Germanicarum scriptores varii, II, Straßburg 1717, 288–292; Ignaz Philipp Dengel, Eine Beschreibung Tirols aus dem Jahre 1471, in: Veröffentl. des Museum Ferdinandeum in Innsbruck 12 (1932) = Voltelini-FS, 217–228(–232) (Übersetzung in Auszügen); Hans Kramer, Agostino Patrizzis Beschreibung der Reise des Kardinallegaten Francesco Piccolomini zum Christentag in Regensburg 1471, in: FS zur Feier des zweihundertjährigen Bestandes des Haus-, Hof‑ und Staatsarchivs, I, hg. v. Leo Santifaller, Wien 1949 (Mitt. des österr. Staatsarchivs, Erg.-bd. II), 549–565 (Textauszüge in Anmerkungen); Frank-Rutger Hausmann, Giovanni Antonio Campano (1429–1477). Erläuterungen und Ergänzungen zu seinen Briefen, Diss. (masch.) Freiburg/Brsg. 1968, 533–575. Vgl. auch Alfred A. Strnad, Francesco Todeschini-Piccolomini: Politik und Mäzenatentum im Quattrocento, in: RHM 8/9 (1964/66), 101–425, bes. 229–249; Klaus Voigt, Italienische Berichte aus dem spätmittelalterlichen Deutschland. Von Francesco Petrarca zu Andrea de’Franceschi, Stuttgart 1973 (Kieler Histor. Studien 17), 160–171. 73 RTA XXII / 2, n. 111 („Handlungen“) und 112 (Patrizi) zum 24. und 26. Juni. S. auch Reissermayer, Christentag (wie Anm. 68/70), II, 13 f., 21; Rudolf Bemmann, Zur Geschichte des deutschen Reichstages im XV. Jahrhundert, Leipzig 1907 (Leipziger Histor. Abhandl. 7), 74. Vgl. etwa zum Basler Konzil Hermann Heimpel, Eine unbekannte Schrift über die Kurfürsten auf dem Basler Konzil, in: Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter. FS J. Fleckenstein, Sigmaringen 1984, 469–482; Johannes Helmrath, Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Köln – Wien 1987 (KHA 32), 323–326. 74 Richard J. Walsh, Charles the Bold and the Crusade: Politics and Propaganda, in: JMH 3 (1977), 53–86; irrig Emil Dürr, der von Olivier de La Marche überlieferte Äußerungen des Herzogs unkritisch übernimmt: Karl der Kühne und der Ursprung des habsburgisch-spanischen Imperiums, in: HZ 113 (1924), 52 f. – Wie gering man in Regensburg das Interesse der Burgunder an dem mit der Türkenfrage befaßten Christentag einschätzte, zeigt sich auch daran, daß während der organisatorischen Vorbereitungen die Delegation Burgunds zusammen mit der des Bischofs von Bamberg gerade auf 14 Pferde und 8 Männer veranschlagt wurde (dagegen etwa Herzog Ludwig von Bayern auf 1758/1506, Friedrich III. 1432/1189, Polen 94/40, Ungarn 108/160, Venedig 40/40): Helmut Wolff, Regensburgs Häuserbestand im späten Mittelalter. Eine topographische Beschreibung der alten Reichsstadt aufgrund der Beherbergungskapazitäten für den Reichstag von 1471, in: Studien und Quellen zur Geschichte Regensburgs, III, Regens-

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Der Kampf gegen Mehmed II. wurde nunmehr, wie auf allen Reichstagen, um so entschiedener von der päpstlichen Legation, jetzt aber auch erstmals von Venedig betrieben, das seit den sechziger Jahren und vor allem nach dem Fall von Negroponte verstärkt auf militärische Aktionen drängte75. Im Interesse gemeinsamen Handelns wies die Serenissima Friedrich III. auf die Erfüllung seiner kaiserlichen Pflicht der Aussöhnung Polens und Ungarns hin76, die nach dem Tod des Georg Podiebrad am 22. März 1471 über die böhmische Nachfolge zerfallen waren. Damit ist das uns hier besonders interessierende Thema angesprochen: Die Ungarn brachten zu Regensburg ihrerseits Anträge ein, die unter Hinweis auf die Verdienste des Matthias Corvinus als defensor fidei im päpstlichen Auftrag gegen ungläubige Türken und ketzerische Hussiten den Anspruch auf Wenzelskrone und Kurwürde untermauern sollten77; ein Anspruch, der nicht nur einen um klare Stellungnahme verlegenen, dem Corvinen mißtrauenden Kaiser78, sondern auch Brandenburg und Sachsen beschäftigte79. burg 1985, 180. Zur burgundischen Quartierfrage auch RTA XXII / 2, n. 105 b (München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, RU Regensburg 1471 IV 28). 75 a) Regensburg: RTA XXII/2, n. 111 („Handlungen“) zum 26. Juni, 28. Juni, 22. Juli; n. 112 (Patrizi) zum 26. Juni, 12. Juli, 14. August, 19./ 20. August. b) Venezianische Türkenpolitik seit 1463: Heinrich Kretschmayr, Geschichte von Venedig, II, Gotha 1860 (ND 1964), 370–381; Roberto Lopez, Il principio della guerra veneto-turca nel 1463, in: Archivio Veneto 64 (1934), 1–44; Erich Schilbach, Venedigs widersprüchliche Stellung zur türkisch-osmanischen Expansion, in: Venezia centro di mediazione tra Oriente e Occidente (sec. XV–XVI). Aspetti e problemi …, ed. Hans Georg Beck e. a., Florenz 1977, 77–81. 76 RTA XXII /2, n. 111 („Handlungen“) zum 8. und 9. August; cf. n. 104 (venezianische Instruktionen, zumeist an die Gesandten in Regensburg), nur teilweise schon gedruckt in: Monumenta Hungariae Historica, IV/5: Magyar Diplomacziai Emlélek. Mátyás király korából 1458–1490, ed. Iván Nagy/Albert B. Nyáry, II, Budapest 1877 ab n. 133. 77 RTA XXII /2, n. 111 („Handlungen“) zum 31. Juli, n. 112 (Patrizi) zum 31. Juli und 1. August. Vgl. Reissermayer, Christentag (wie Anm. 68/70), 2. T., 54 f.; Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte (wie Anm. 69), II, 365; Nehring, Matthias Corvinus (wie Anm. 69), 53 f.: Dabei ist ein gewisser Zwiespalt nicht zu verkennen, denn während Corvinus vorrangig die böhmische Kandidatur verfolgte, war der „nationalen“ Partei unter Johannes Vitéz vor allem am Türkenkampf gelegen. Am 6. Juli 1471 erreichte denn auch den Reichstag ein Brief des Erzbischofs über die Türkennot in Ungarn (n. 111); Purš / Kropilak (Hgg.), Přehled dějin Československa (wie Anm. 17), I/1, 521 f., 576; Heinz Thomas, Deutsche Geschichte des Spätmittelalters 1250–1500, Stuttgart u. a. 1983, 472 f.; G. Rázsó, Die Türkenpolitik Matthias Corvinus’, in: Acta Historica 32 (1986), 3–50. 78 RTA XXII /2, n. 111 („Handlungen“) zum 7.–9. August, n. 112 (Patrizi) zum 7.–9., 14. und 21. August; cf. n. 118 (kaiserlicher Vorschlag), art. 46–59. Vgl. Reissermayer, Christentag (wie Anm. 68/70), 2. T., 109 ff., n. 13; Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte (wie Anm. 69), II, 366 f.; Von Kraus, Deutsche Geschichte (wie Anm. 23), I, 526 f.; Nehring, Matthias Corvinus (wie Anm. 69), 53. 79 RTA XXII /2, n. 94/97 (bes. wichtig Nürnberg, Staatsarchiv, Ansbacher Reichstagsakten, Bd. 2, fol. 94r–96r), n. 114. Bekanntlich stand Markgraf Albrecht Achilles trotz eines (faktisch inexistenten) Bündnisses mit Ungarn dem Matthias Corvinus feindselig gegenüber; sein Schwiegersohn Heinrich von Münsterberg ging gegen Breslau und Schlesien vor, derweil Sachsen wegen der Erwerbung des niederschlesischen Sagan auf die Gunst des Königs angewiesen war

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Die politische Ordnung des Donauraums wurde zwar beileibe nicht nur auf dem Regensburger Reichstag erörtert, geschweige denn entschieden, vielmehr erneut in Augsburg 1473/74 und dann vor allem an der Wende der achtziger Jahre in Nürnberg und später noch in Frankfurt behandelt80, doch zeichnet sich 1471 das Problem in seinen beiden Grundtendenzen Einung und Verselbständigung besonders deutlich ab: Podiebrad und Corvinus stehen für die Ausformung der nationalen Autonomie Böhmens und Ungarns, Corvinus repräsentiert zugleich aber auch die nicht minder starken Versuche dynastischer Zusammenfassung dieses Raumes unter Einschluß Österreichs81, die nicht allein Ausdruck des Vormachtstrebens einzelner großer Herrscher wie des uffgeruckten ungarischen homo novus waren, sondern zugleich der Entwicklung zu einem sozialen und wirtschaftlichen Großraum entsprachen82. Auch Polen war seit Ludwig von Anjou und sich obendrein mit den traditionellen Gegnern des Brandenburgers wie Landshut, Pfalz, Nürnberg und später auch mit Burgund traf. S. die Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles, hg. und erl. v. Felix Priebatsch, I, Leipzig 1894 (PPSA 59), 810 s. v. „Matthias, K. v. Ungarn“. Vgl. Nehring, Matthias Corvinus (wie Anm. 69), 58–63 („Die Rolle der Reichsfürsten bei der Unterstützung des hunyadischen Anspruchs auf Böhmen“). 80 a) Augsburg 1473/74: Müller, Reichs Tags Theatrum (wie Anm. 57), II, 603–611, 617–655, bes. 604–611 („von den fernern B󰀄hmischen h󰀂ndeln und wie deshalber die Könige in Polen und B󰀄heim … invitieret werden“; cf. 616 f.). Wichtiges, über die Reichstage hinausreichendes Material zur Sache vor allem in Wien, Haus-, Hof‑ und Staatsarchiv, Fridericiana III 1472/73, sowie Nördlingen, Stadtarchiv, Missiven 1472/73. Vgl. Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte (wie Anm. 69), II, 406 ff.;Von Kraus, Deutsche Geschichte (wie Anm. 23), I, 540; Nehring, Matthias Corvinus (wie Anm. 69), 63 f. b) Nürnberg 1479/80: Müller, Reichs Tags Theatrum, II, 729–739, 739–754, bes. 744–752 („Von keyserl. Majest󰀂t kriege mit k󰀄nig Matthiaßen in Ungarn …“). Vgl. Bachmann, II, 683 f., 692 f.; Von Kraus, I, 623, 629, 632 f.; Nehring, 115 ff., 127–131. c) Frankfurt 1485: Bachmann, II, 733; Von Kraus, I, 694; Nehring, 164 ff. Von Bedeutung für den gesamten Komplex auch die von Joseph Chmel herausgegebenen Monumenta Habsburgica, I / 1 (Actenstücke und Briefe zur Geschichte des Hauses Habsburg im Zeitalter Maximilians I.), Wien 1854 (ND 1968), n. 181–190; I/2 (1855, 1968), n. 1–22; I / 3 (1858, 1968), n. 101–184; Scriptores rerum Silesiacarum: a) VIII/IX = Politische Correspondenz Breslaus im Zeitalter Georgs von Podiebrad (wie Anm. 69), Breslau 1873/74; b) XIII/XIV: Politische Correspondenz Breslaus im Zeitalter des Königs Matthias Corvinus, hg. v. Berthold Kronthal/Heinrich Wendt, Breslau 1893/94. 81  Grundlegend hierfür die zitierten Arbeiten von Heymann (wie Anm. 41) und Odložilík (wie Anm. 69) über Podiebrad, von Nehring (wie Anm. 69) über Corvinus sowie von Karl / Mathilde Uhlirz, Die nationalen Könige in Böhmen und Ungarn, Georg von Podiebrad und Matthias Corvinus. Die Regierung Kaiser Friedrichs III., in: Handbuch der Geschichte Österreich-Ungarns, I, Graz u. a. 21963, 439–443 (mit guter Bibliographie der älteren Literatur). 82 Eine Entwicklung, die sich im 16. Jahrhundert unter habsburgischen Vorzeichen (mit dem Kontaktplatz Wien) noch wesentlich verstärkt: Miroslav Hroch / Josef Petránˇ sowie László Makkai, in: Handbuch der europäischen Wirtschafts‑ und Sozialgeschichte, III, … hg. v. Hermann Kellenbenz, Stuttgart 1986, 991 ff., 1026 ff. Vgl. auch Krzysztof Baczkowski, Der jagiellonische Versuch einer ostmitteleuropäischen Großreichsbildung um 1500 und die türkische Bedrohung, in: Europa 1500. Integrationsprozesse im Widerstreit. Staaten, Regionen, Personenverbände, Christenheit, hg. v. Ferdinand Seibt/Winfried Eberhard, Stuttgart 1987, 444 (Tendenz zur Begrenzung bürgerlicher und bäuerlicher Rechte sowie zur Einführung des Systems der Gutsherrschaft und Leibeigenschaft).

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und Wladislaw III. an diesen Versuchen beteiligt, um nach seinem endgültigen Ausscheiden 1492/1501 auf Dauer zu einer ausschließlich auf das nördliche Ostmitteleuropa orientierten Macht zu werden83, während Habsburg nach dem Präludium des Ladislaus Postumus und nach dem Überstehen der corvinischen Angriffe schließlich im 16. Jahrhundert die Einung gelingen wird. Die generelle Bedeutung der Reichstage für die Geschichte Ostmitteleuropas ergibt sich vor solchem Hintergrund von selbst – erinnert sei auch nochmals an das Thema „Deutscher Orden – Polen“, das bis zum zweiten Frieden von Thorn immer wieder auf der Tagesordnung von Reichs‑ und Fürstenversammlungen stand84 –, doch scheint mir noch ein spezieller Hinweis angebracht: Unter dem Aspekt der ungarischen Thronkandidaturen von 1444 und 1457/58, vor allem aber wegen der gemeinsamen, die Ungarn jedoch unmittelbarer bedrohenden Türkengefahr ist ein steter vergleichender Blick auf die ungarischen Reichstage jener Jahre zu richten, die zu keiner Zeit so häufig zu Ofen, Pest, Raab, Preßburg und Szegedin zusammentraten wie unter Hunyadi und Corvinus. 1455 und 1466/67 standen ungarische und deutsche Tage in direkter Verbindung85. Große 83 Für Regensburg vgl. RTA XXII/2, n. 112 (Patrizi) zum 24. Juli, n. 118 (kaiserlicher Vorschlag), art. 59. Vgl. allgemein F. Papée, Imperial Expansion and the Supremacy of the Gentry 1466–1506, in: The Cambridge History of Poland from the Origins to Sobieski (to 1696), Cambridge 1950, 251–255; Marian Biskup, Die polnische Diplomatie in der zweiten Hälfte des 15. und in den Anfängen des 16. Jahrhunderts, in: Jbb. für Geschichte Osteuropas 26 (1978), 168–173; Gotthold Rhode, Geschichte Polens. Ein Überblick, Darmstadt 31980, 157–161; Baczkowski, Der jagiellonische Versuch (wie Anm. 82), 433–444, erkennt zwar den Auseinanderfall der Interessen der Mitglieder des jagiellonischen „Staatenblocks“ nach 1490 an, sieht aber noch im polnischen König Johann Albrecht (1492–1501) einen letzten Verfechter jagiellonischer Einheit in Ostmitteleuropa. 84 Für 1452 bis 1454 liegt eine mustergültige Edition des Materials durch Grüneisen vor: RTA XIX / 1, n. 42–45; Fortsetzung in XIX/2, n. 21–23. Vgl. A. Bruce Boswell, Jagiello’s Successors: The Thirteenth Years’ War with the Knights, 1454–66, in: The Cambridge History of Poland (wie Anm. 83), 244–249; Marian Biskup, Trzynastoletnia wojna z Zakonem Krzyżackim 1454–1466, Warschau 1967; Ders., Die polnische Diplomatie (wie Anm. 83), 164–167; Rhode, Geschichte Polens (wie Anm. 83), 152–157; Hartmut Boockmann, Der deutsche Orden. Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, München 21982, 197–220, 282–287 (mit weiteren Quellen und Literaturangaben). 85  Enea Silvio am 1. Februar 1455 aus Wiener Neustadt an Heinrich Senftleben: Hungari de bello contra Turchos gerendo soliciti concilium apud Budam habent, unde huc legatos mittent: Rom, Bibl. Apost. Vat., Ottob. lat. 347, fol. 38v (ebenso am selben Tag an Nikolaus von Kues: fol. 37v). – Während Guillaume Fillastre, Simon de Lalaing und Pedro Vásquez de Saavedra (Pierre Vasque) als burgundische Gesandte in Wiener Neustadt weilten, reiste der Dominikaner Nicolas Jacquier zum erwähnten ungarischen Reichstag im Auftrag Philipps des Guten, der seinerseits 1456 ungarische Gesandte an seinem Hof empfing: Rom, Bibl. Apost. Vat., Ottob. lat. 347, fol. 45v; cf. 34r, 38r. Vgl. Lino Gómez Canedo, Un español al servicio de la Santa Sede. Don Juan de Carvajal, cardenal de Sant’Angelo, legado en Alemania y Hungria (1399?–1469), Madrid 1947, 324, 331, 334; Lacaze, Philippe le Bon et les terres d’Empire (wie Anm. 46), 90 mit Anm. 3; s. auch Ignaz Aurelius Fessler, Geschichte von Ungarn, II, 2. Aufl. bearb. von Ernst Klein, Leipzig 1869, 550; Nicolas Jorga, Geschichte des Osmanischen Reiches, II (bis 1538), Gotha 1909 (Allgemeine Staatengesch. I, 37/2), 64; Elemér Mályusz, A magyar rendi állam Hunyadi korában, in: Századok 91 (1957), 101 ff.

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Delegationen wie etwa in Wiener Neustadt mit dem Kanzler Johannes Vitéz als Redner an der Spitze drängten den auch von Hunyadi selbst angegangenen Kaiser und die Städte zur Hilfe86. Doch zählten die Ungarn beim Bau des antemurale della cristianità vor allem auf jene Mächte, die eher Beistand versprachen: auf das Papsttum seit Calixt III., auf Neapel und – verständlich nach dem Gesagten – auf Burgund87. Burgund, das Stichwort für einen letzten Blick nach Westen. Wenn ich abschließend kurz noch einiges zu 4. Aufstieg und Untergang der europäischen Großmacht Burgund im Spiegel der Reichstagsakten anmerke, so weil sich dieses ebenfalls innerhalb der Älteren Reihe immer wieder anstehende Thema zum Leitmotiv des künftigen Bandes XXIII verdichten wird, dem für unsere Fragestellung, soweit heute abzuschätzen, größte Bedeutung zukommt. Über Jahrzehnte hat Henny Grüneisen zum Komplex „Karl der Kühne und das Reich“ eine Fülle von Material aus den Archiven und Bibliotheken Europas zusammengetragen, die ihresgleichen sucht88. Diese einzigartige Dokumentation, die sich gegenwärtig in der am Historischen Seminar der Universität zu Köln untergebrachten Arbeitsstelle der 86 „Pulsatis merore publico animis“ – Wiener Neustadt, 1455 März 23. Letzte Ausgabe: Johannes Vitéz de Zredna Opera quae supersunt, ed. Iván Boronkai, Budapest 1980 (Bibl. scriptorum medii recentisque aevorum ser. nova III), n. 7; cf. n. 8–11. Vgl. Vilmos Fraknoi, Vitéz János esztergomi érsek élete, Budapest 1879 (Házi könyvtár 30), 104–113; Iván Boronkai, Die literarische Tätigkeit von Johannes Vitéz, in: Acta Conventus Neo-Latini Amstelodamensis, München 1979, 141 f. 87 Katona, Historia (wie Anm. 69), VI (ordine XIII), Pest 1790, 1004  f. Vgl. Fessler, Ungarn (wie Anm. 85), II, 556; Ludwig Frhr. von Pastor, Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance bis zur Wahl Pius’ II., Freiburg/Brsg. 101931 (ND 1955), 714; Constantin Marinescu, Le pape Calixte III (1455–1458), Alphonse V d’Aragon, roi de Naples, et l’offensive contre les Turcs, in: Acad. Roumaine. Bull. de la Sect. Historique 19 (1935), 80; Setton, Papacy (wie Anm. 14 a), II, 173. 88  Ich erspare mir zu diesem Abschnitt Anmerkungen, da eine noch so knappe Übersicht über diese Sammlung handschriftlicher Dokumente den Umfang eines Inventars annehmen würde, und verweise auf die Möglichkeit der Einsicht in die Anm. 89 erwähnte Filmkartei. Gedruckte Quellen und Literatur lassen sich über die bibliographischen Angaben folgender Werke jüngeren Datums finden: Richard Vaughan, Charles the Bold. The Last Valois Duke of Burgundy, London 1973; Ders., Valois Burgundy, London 1975; Neuss, Burgund und das Reich, Neuss 1975 (Schriftenreihe des Stadtarchivs Neuss 6); Werner Paravicini, Guy de Brimeu. Der burgundische Staat und seine adlige Führungsschicht unter Karl dem Kühnen, Bonn 1975 (Pariser Histor. Studien 12); Ders., Karl der Kühne (wie Anm. 42); Ders., Moers, Croy und Burgund. Eine Studie über den Niedergang des Hauses Moers in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: AHVN 179 (1977), 7–113; Algemene Geschiedenis der Nederlanden, IV, Haarlem 1980. – Eine laufende Bibliographie findet sich in den „Annales de Bourgogne“. An Spezialstudien seien neben der Anm. 62 aufgeführten Arbeit von Grüneisen nur genannt: Hermann Heimpel, Karl der Kühne und Deutschland, in: Elsaß-lothring. Jb 21 (1943), 1–54; Hildburg Brauer-Gramm, Der Landvogt Peter von Hagenbach. Die burgundische Herrschaft am Oberrhein 1469–1474, Göttingen 1957 (Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft 27).

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Älteren Reihe der Reichstagsakten befindet und auch sonstigen Interessenten offensteht89, harrt noch ihres Bearbeiters. Wer dazu Bereitschaft und Mut aufbringt – und es bedarf großen Muts –, verwirklicht das Arbeits-, mehr noch: das Lebensziel einer Frau, die weitaus mehr für die Reichstagsakten getan hat als ihre Mitherausgeberschaft an Band XIX / 1 erkennen läßt90. Nicht nur daß sie mit ihrer philologischen Detailtreue und stupenden Gelehrsamkeit durch diesen von ihr geprägten Band XIX / 1 höchste editorische Maßstäbe gesetzt hat; sie hat darüber hinaus mit ihrer „weiten“, europäischen Konzeption die Richtung künftigen Arbeitens gewiesen. Sollten die Akten zum Thema „Karl der Kühne und das Reich“ eines Tages diesen Vorstellungen entsprechend bearbeitet vorliegen, und nur so kann und darf man sie publizieren, dann werden sie Weg und Wandel der Vorstellung von Reichstagsakten seit den Tagen Rankes bis in unsere Zeit spiegeln. An dieser Stelle – es ist von den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts die Rede – sei noch ergänzend bemerkt, daß eine solche Ausweitung auf Reichsakten zur deutschen und europäischen Geschichte auch schon deshalb geboten ist, weil die Reichstage selbst im Verlauf der Regierung Friedrichs III. und besonders in diesem Dezennium seltener zusammenkamen, sie mithin als bestimmende Fixpunkte (und damit auch als Gerüst und Gliederungsprinzip für den Historiker) zurücktreten. Nun mag man einwenden, solches Ausgreifen verlängere die ohnehin übergroße Bearbeitungsdauer der Bände über Gebühr, lasse den Umfang von Einleitung, Kommentar und bibliographischen Angaben weiter zunehmen und bedeute nicht zuletzt noch höhere Anforderungen an die Bearbeiter. Indes scheint mir ein solcher, nicht zuletzt in Mark und Pfennig zu leistender Preis91 in der Relation vor allem zur Sache selber, zu den zu erwartenden Fortschritten vollauf gerechtfertigt. Des weiteren wird damit in gewissem Sinne auch den Ideen und Idealen eines früheren Abteilungsleiters der Reichstagsakten Reverenz erwiesen, der in seiner Zeit weniger als Editor denn als Politiker, Pazifist und Friedensnobelpreisträger bekannt und umstritten war, doch auf Unterstützung von Mitgliedern der Historischen Kommission rechnen durfte: Ludwig Quidde, unzeitgemäßer Europäer früher Stunde92. Und schließlich läßt eine solche Konzeption die Ältere Reihe der Reichstagsakten nicht nur als ein Unternehmen dastehen, das bereits 89 Bei der vom Verf. vorgenommenen Ordnung und Verzeichnung der Mikrofilmbestände unserer Abteilung zeigte sich alsbald, daß der überwiegende Teil des umfangreichen Materials Bd. XXIII betrifft. Genutzt wird diese Dokumentation bereits von Werner Paravicini für seine geplante Ausgabe der Korrespondenz Karls des Kühnen; vgl. dazu Ders., Der Briefwechsel Karls des Kühnen: Ein Editionsprojekt, in: JMH 11 (1985), 347–367. 90 S. den Nachruf von Hermann Heimpel auf Henny Grüneisen, in: HZ 218 (1974), 521 f. 91 Vgl. dazu auch die treffenden Bemerkungen von Heinz Angermeier in dem Anm. 2 genannten Bericht (47). 92 Heimpel, Deutsche Reichstagsakten (wie Anm. 15), 96–98; Reinhard Rürup, Ludwig Quidde, in: Deutsche Historiker, III, hg. v. Hans-Ulrich Wehler, Göttingen 1972, 124–147.

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in der Vergangenheit wichtige Beiträge zur europäischen Geschichte am Ausgang des Mittelalters erbracht hat, die es außerhalb des deutschen Sprachraums teilweise erst noch zu rezipieren gilt, sondern auch als ein Unternehmen, dessen Legitimation und Notwendigkeit am Ende dieses Jahrhunderts nicht zuletzt darauf beruhen, daß es künftig verstärkt einen deutschen Anteil zur Erforschung des 15. Jahrhunderts im europäischen Kontext liefern kann.

Der französische Frühhumanismus um 1400 Patriotismus, Propaganda und Historiographie Am Anfang steht Petrarca. Sein berühmt-berüchtigtes Dictum Oratores et poetae extra Italiam non quaerantur sollte gerade Frankreich treffen1. Und wie es traf: tief, heftig, auf Dauer. Wann immer von Renaissance und Humanismus in Frankreich die Rede ist, schwingt auch jene „naturale e continua inimicizia ch’era tra il nome italiano e francese“ mit, von der ein mailändischer Geschichtsschreiber noch 1503 spricht. Wenig später stellte der Lyoner Arzt und Humanist Symphorien Champier in seinem „Duellum epistolare, Galliae et Italiae antiquitatem summatim complectens“ fest: Ergo et studiorum laudem Romanis abstulimus et doctrinarum decus, ut Atheniensium heredes, nobis vindicamus2. Damit wiederholte er nur, was den Italienern immer wieder entgegengehalten worden war, seitdem es 1389/90 der junge Jean Gerson in einer Art erstem Manifest des französischen Humanismus formuliert hatte. Und als 1539 eine Geschichte Frankreichs aus der Feder eines aus Italien stammenden Autors, Paolo Emilio, erschien, da wurden sogleich kritische Stimmen laut, die auf den amor patriae als unerläßliche, natürlich nur von einem Franzosen erfüllbare Vorbedingung solcher Arbeit hinwiesen

1 Seniles IX, 1; in: F. Petrarchae opera quae extant omnia, II, Basel 1554, 937. Vgl. dazu vor allem Dario Cecchetti, Petrarca, Pietramala e Clamanges. Storia di una querelle inventata, Paris 1982, 13–32. Gilbert Ouy, mit Franco Simone Begründer eines neuen Ansatzes zur Erforschung des französischen Frühhumanismus, rekurrierte in vielen seiner Studien auf dieses Wort und die Reaktionen hierauf in Paris; stellvertretend sei nur auf eine ältere und eine jüngere Arbeit hingewiesen: Paris, l’un des principaux foyers de l’Humanisme en Europe au début du XV e siècle, in: Bull. de la Soc. de l’histoire de Paris et de l’Ile-de-France 94/95 (1967/68), 82, und: Pétrarque et les premiers humanistes français, in: Petrarca, Verona e l’Europa, hg. v. Giuseppe Billanovich, Padua 1997 (Studi sul Petrarca 26), 415–434, bes. 417. Vgl. zuletzt Ezio Ornato, Cicéron et les humanistes français de la première génération, in: Ciceroniana, n. s. 9 (1996), 29; Ders., L’Humanisme à la cour pontificale avignonnaise, in: Annuaire de la Soc. des amis du Palais des Papes 2000, 56. Für zahlreiche Literaturrecherchen und Hinweise habe ich meinen Frankfurter Mitarbeitern Oliver Hihn und Christian Kleinert, vor allem aber Jessika Nowak zu danken. Bei der Literaturbeschaffung unterstützte mich Rolf Große (Paris). 2 a) Bernardino Corio, Patria Historia; zit. nach Eduard Fueter, Geschichte der neueren Historiographie, München – Berlin ³1936 (ND 1985) (Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte, 1. Abt.), 46. – b) Symphorien Champier, Duellum epistolare; zit. nach Gilbert Ouy, Les recherches sur l’Humanisme français des XIV e et XV e siècles, in: La filologia medievale e umanistica greca e latina nel secolo XX (Atti del Convegno int., Roma, 11–15 XII 1989), I, Rom 1993 (Testi e studi bizantino-neoellenica 7), 294.

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und die königliche Förderung des Verfassers mißbilligten, „comme si la France fust despourveuë de bons esprits“3. Petrarcas herbe Lektion verstand man im Paris des Jahres 1368 sofort und richtig. (Man braucht da keineswegs spätere, verkomplizierende Mißverständnisse anzunehmen, wie es Alexander Peter Saccaro 1975 in seinem Buch über den französischen Humanismus des 14. und 15. Jahrhunderts tat4.) Denn nur ein Jahr zuvor hatte eine königliche Gesandtschaft unter Anseau Choquart versucht, Urban V. gerade mit dem Hinweis auf die Größe von Frankreichs Geschichte und Kultur zu weiterer Residenz in Avignon zu bewegen5. Dennoch begab sich der Papst nach Rom, und das bot – ungeachtet seiner eigentlichen, aber sicherlich auch von Petrarca beeinflußten Motive – dem poeta laureatus willkommene Gelegenheit, den neuen kulturellen Hegemonieanspruch triumphierend zu verkünden. Gerade in Paris mußte man sich davon getroffen fühlen, wurde doch hier behauptet, schon zu Karls des Großen Zeiten Roms Nachfolge als Hauptstadt des Studiums angetreten zu haben; hier hieß es mit Gerson: Parisiensis studii Universitas ut origine prior, sic gloria et dignitate ceteris eminencior semper fuit 6. 1361 hatte Petrarca selbst als Gesandter an der Seine geweilt und dabei zwar auch Gespräche mit Männern wie dem Livius-Übersetzer Pierre Bersuire führen können7, indes wohl erkannt, daß, ungeachtet eines gewissen und im übrigen 3 Vgl. Franck Collard, Paulus Aemilius’ De rebus gestis Francorum. Diffusion und Rezeption eines humanistischen Geschichtswerks in Frankreich, in: Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten, hg. v. Johannes Helmrath/ Ulrich Muhlack / Gerrit Walther, Göttingen 2002, 377–397. 4 Alexander Peter Saccaro, Französischer Humanismus des 14. und 15. Jahrhunderts. Studien und Berichte, München 1975 (Freiburger Schriften zur roman. Philologie 27), 148–177 („Zur Polemik Petrarcas gegen die französische Kultur“); vgl. zu diesem aus einer Freiburger Dissertation des Jahres 1971 hervorgegangenen Buch die kritische Rezension von Gilbert Ouy, La recherche sur l’Humanisme français des XIV e et XV e siècles. A propos d’un ouvrage récent, in: Francia 5 (1977), 693–707. 5 S. hierzu Franco Simone, Il Rinascimento francese. Studi e ricerche, Turin ²1965 (Biblioteca di Studi francesi 1), 47; Ouy, Paris (wie Anm. 1), 81 f.; Ders., L’Humanisme français des XIV e et XV e siècles et les origines de la Renaissance en France: Bilan de vingt ans de recherche, in: Les Cahiers Franco-Polonais 1981, 36; Colette Beaune, Naissance de la nation France, Paris 1985, 303; Domenico Defilippis, L’area francese, in: Umanesimo e culture nazionali europee. Testimonianze letterarie dei secoli XV–XVI, hg. v. Francesco Tateo, Palermo 1999 (Bibliotheca 17), 196. 6 Gilbert Ouy, La plus ancienne œuvre retrouvée de Jean Gerson: Le brouillon inachevé d’un traité contre Juan de Monzon (1389–90), in: Romania 83 (1962), 474. 7 Georg Voigt, Die Wiederbelebung des classischen Alterthums oder Das erste Jahrhundert des Humanismus, II, Berlin 41960, 332 (an dieses erstmals 1859 erschienene Werk knüpfte die jüngere französische Frühhumanismusforschung – insbesondere mit Blick auf Jean de Montreuil – an; vgl. etwa Simone, Il Rinascimento [wie Anm. 5], 84 f., 95). – Zur Sache in jüngerer Zeit Giovanni Matteo Roccati, La formazione intellettuale di Jean Gerson (1363–1429): un esempio del rinnovamento umanistico degli studi, in: L’educazione e la formazione intellettuale nell’età dell’umanesimo (Atti del II Convegno int. 1990), hg. v. Luisa Rotondi Secchi Tarugi, Mailand 1992, 240–244 („L’atmosfera culturale a Parigi negli anni Sessanta – Ottanta“), bes. 241; Ouy, Paris (wie Anm. 1), 80; Jean-Patrice Boudet, Le bel automne de la culture médiévale

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durchaus traditionellen Interesses am Altertum, in Paris kein ihm genehmes intellektuelles Klima herrschte – und daran sollte sich, dies sei vorweggenommen, in den nächsten Jahrzehnten einiges, jedoch nichts Entscheidendes ändern. Was dem Laureaten als Inbegriff des Verhockten und Verzopften, des Antiquierten und Scholastischen erschien, galt am Ort selbst als Gipfel der Wissenschaft; überdies mochte die säkulare Grundierung der angeblich neuen Bildung und ihrer Lehrer dem von Kirche und Theologie beherrschten Pariser Wissenschaftsbetrieb verdächtig erscheinen. In der Regel blieben die Gelehrten beim Bekannten und aus ihrer Sicht Bewährten, um es mit der eloquentia so zu halten wie noch gut siebzig Jahre später nach dem Zeugnis des am Ort anwesenden Enea Silvio Piccolomini viele Basler Konzilsväter: nullam se habere aut habere se velle dixerunt eloquentiam8. Anfang 1373 erreichte Petrarca die Antwort auf sein Verdikt in Form einer scharfen Invektive des Jean de Hesdin. (Besagter Symphorien Champier sollte sie übrigens unter dem Titel „Apologia in Galliae calumniatorem“ wieder herausgeben, ohne den Verleumder, die Unperson, in seinem nicht minder scharfen Vorwort mit Namen zu nennen – auch das hatte in Frankreich inzwischen schon gewisse Tradition.) Es waren Petrarcas umgehende Replik, die den Anspruch der französischen Barbaren auf Gleichrangigkeit verspottende Attacke contra eum qui maledixit Italiae9, dann aber vor allem der Ausbruch des Großen Abendländischen (XIV e – XV e s.), in: Histoire culturelle de la France, I: Le Moyen Age, hg. v. Michel Sot, Paris 1997, 260; Defilippis, L’area (wie Anm. 5), 195. Zu Pierre Bersuire s. Charles Samaran / Jacques Monfrin, Pierre Bersuire, prieur de St-Éloi de Paris (1290?–1362), in: Histoire littéraire de la France 39 (1962), 259–450; M(arie) H(élène) T(esnière), Pierre Bersuire, in: Dictionnaire des lettres françaises. Le Moyen Age (Édition entièrement revue et mise à jour), hg. v. Geneviève Hasenohr / Michel Zink, Paris 1994, 1161 f. 8 Johannes Dominicus Mansi (Hg.), Pii II P. M. olim Aeneae Sylvii Piccolominei Senensis orationes politicae et ecclesiasticae, I, Lucca 1755, 6. Vgl. dazu Johannes Helmrath, Die italienischen Humanisten und das Basler Konzil (1431–1449), in: Vita activa. FS J. Zilkens, hg. v. Anneliese Senger/Hans Joachim Hoffmann-Nowottny, Köln 1987, 61 f.; ebd. auch der Hinweis auf des Humanisten und Bischofs von Lodi Gherardo Landriani Konzilsreden in hoc dicendi genere novo et inusitato – so jedenfalls nach dem Urteil seines aus humanistischer Sicht urteilenden Mailänder Mitgesandten und Erzbischofs Francesco Pizzolpasso. 9 Enrico Cocchia (Hg.), Magistri Johannis de Hysdinio invectiva contra Franciscum Petrarcham et Francisci Petrarchae contra cuiusdam Galli calumnias apologia. Revisione critica del testo con introduzione storica e commento, in: Atti della R. Accademia di archeologia, lettere e belle arti di Napoli 7 (1920), 112–202 (Petrarcas Schrift liegt in weiteren Editionen von Guido Martellotti und Pier Giorgio Ricci vor). Vgl. Voigt, Wiederbelebung (wie Anm. 7), 333 f.; Ouy, Paris (wie Anm. 1), 82; Ders., Pétrarque (wie Anm. 1), 417 f.; Nicholas Mann, Humanisme et patriotisme en France au XV e siècle, in: Cahiers de l’Association int. des études françaises 23 (1971), 53; Alain Demurger, Temps de crises, temps d’espoirs. XIV e – XV e siècle, Paris 1990 (Nouvelle histoire de la France médiévale 5/Coll. ‚Points Histoire‘ 205), 231; Evencio Beltran, L’Humanisme français au temps de Charles VII et Louis XI, in: Préludes à la Renaissance. Aspects de la vie intellectuelle en France au XV e siècle, hg. v. Carla Bozzolo / Ezio Ornato, Paris 1992, 160 f.; Giovanni Matteo Roccati, La formation des humanistes dans le dernier quart du XIV e siècle, in: Pratiques de la culture écrite en France au Moyen Age, hg. v. Monique Ornato/Nicole Pons, Louvain-la-Neuve 1995 (Textes et études du Moyen Age 2), 65 (mit weiteren Angaben zu Jean de Hesdin); Defilippis, L’area (wie Anm. 5), 196; Ezio Ornato,

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Schismas 1378 zwischen einem römischen und einem von Frankreich abhängigen Papst Avignoneser Obödienz, welche die Spannungen weit über Petrarcas Tod 1374 hinaus noch verschärften. (Um kein allzu vereinfachtes Bild zu zeichnen, bleibt aber zu beachten, daß im selben Jahr 1378 ein Jean Daudin, Kanoniker an der Pariser Sainte-Chapelle, von König Karl V. 200 Francs für seine Übersetzung der „Remediae utriusque fortunae“ Petrarcas erhielt, der im übrigen als Moralist selbst von seinen französischen Gegnern geschätzt wurde10.) Dies ist nun auch die Zeit, da an der königsnahen Talenteschmiede der Pariser Universität, am 1304 von Johanna von Navarra, der Gemahlin Philipps des Schönen, gegründeten Navarrakolleg also, drei besonders begabte Aufsteiger geformt wurden bzw. durch entsprechende Lektüre sich selbst formten, um dann seit den achtziger Jahren gegen Petrarcas langen Schatten mit dessen eigenen Waffen der Rhetorik und Eloquenz anzufechten – für einen unter ihnen sollte es gar ein lebenslanger Kampf gegen einen ungenannten, übermächtigen Gegner sein, dem er sich zugleich aber heimlich anzuverwandeln suchte. Über das Navarrakolleg, „le berceau de l’humanisme français“, wie es von Gilbert Ouy in einer programmatischen Rede vor dreißig Jahren bezeichnet wurde11, und über den dort offensichtlich erstmals in Frankreich gepflegten Humanismus, über dessen spezielles Profil und Einfluß auf das geistige Leben der Hauptstadt, soll zuerst gehandelt werden (I), sodann wird die Rede sein von den erwähnten drei Sodalen des Kollegs, nämlich Jean Gerson, Jean de Montreuil und ebenjenem sich als französischer Petrarca stilisierenden Petrarcagegner Nicolas de Clamanges, wie auch kurz von einigen weiteren Persönlichkeiten aus ihrem Umfeld (II). Wenn Ouy und in dessen Nachfolge Ezio Ornato wiederholt auf jenen „Paris“ genannten Monozentrismus Frankreichs hingewiesen haben, der sich – in unserem Kontext – nach dem burgundischen Massaker in der Hauptstadt 1418 verheerend auf den Fortbestand humanistischer Kräfte und Tendenzen ausgewirkt habe, dann sei dem in einem dritten Abschnitt zwar nicht unbedingt die Behauptung eines ausgeprägten Polyzentrismus entgegengestellt, indes sollen mit Blick auf Avignon, die Normandie und Burgund – Gebieten, die damals zwar nicht oder nur teilweise zum Königreich der Valois gehörten, L’intertextualité dans la pratique littéraire des premiers humanistes français. Le cas de Jean de Montreuil, in: ‚Auctor et auctoritas‘: invention et conformisme dans l’écriture médiévale (Actes du Colloque de St-Quentin-en-Yvelines, 14–16 VI 1999), hg. v. Michel Zimmermann, Paris 2001, 232. 10 Dario Cecchetti, Sulla fortuna del Petrarca in Francia: Un testo dimenticato di Nicolas de Clamanges, in: Studi francesi 10 (1966), 215 f.; Enea Balmas, Saggi e studi sul Rinascimento francese, Padua 1982, 4 („Baudin“); S(ylvie) L(efèvre), Jean Daudin, in: Dictionnaire (wie Anm. 7: Tesnière), 767; Roccati, La formazione (wie Anm. 7), 241; Françoise Autrand, Charles V le sage, Paris 1994, 723, 725. 11 Gilbert Ouy, Le collège de Navarre, berceau de l’Humanisme français, in: Enseignement et vie intellectuelle (IXe–XVIe siècle) (Actes du 95e Congrès nat. des Soc. Savantes, Reims 1970 – Section de philologie et d’histoire jusqu’à 1610), Paris 1975, I, 275–299.

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jedoch damit im engsten historischen Wirkverbund standen – auch in Aufnahme des Tagungsthemas „Diffusion des Humanismus“ hier doch etwas andere Akzente gesetzt werden; Akzente, die zudem für die Widerlegung der alten These einer durch jenes Ereignis von 1418 bedingten „Renaissance avortée“ von Belang scheinen und damit zugleich die neue These einer zwar nicht gerade starken, aber zweifellos vorhandenen Kontinuität des französischen Humanismus nach 1418 bekräftigen (III). Schließlich bleibt nach dem „patriotischen“ Beitrag des französischen Frühhumanismus im Zeitalter des Hundertjährigen Krieges zu Propaganda und Geschichtsschreibung zu fragen – gerade daran soll ja das allgemeine Tagungsthema exemplarisch abgehandelt werden (IV).

I. Zunächst also zum Navarrakolleg, der „Wiege des französischen Humanismus“. Als stolzer Forschungsvater stand an ihr, wie gesagt, Gilbert Ouy12. Und dazu gibt es nun Erstaunliches ausgerechnet mit Blick auf die deutsche Forschung zu berichten, die immerhin mehr als ein Jahrhundert zuvor mit den Ausführungen von Georg Voigt insbesondere zu Jean de Montreuil im Rahmen seines Werks „Die Wiederbelebung des classischen Alterthums oder Das erste Jahrhundert des Humanismus“ erste wichtige und von Ouy auch wiederholt gewürdigte Hinweise zur Sache gegeben hatte13. Das heißt zu allererst also – gleichsam als Vorspann – ein kurzer Abriß der jüngeren französischen Forschung zum Thema und zu deren Rezeption auf deutscher Seite. Ouy, in den fünfziger und frühen sechziger Jahren neue „ganzheitliche“ Wege der Handschriftenkunde als Konservator am „Cabinet des Manuscrits“ der „Bi12 Vgl. Anm. 11. Unter dem speziellen Aspekt der Beziehungen zwischen Kolleg und königlicher Kanzlei aufschlußreich Nicole Pons, Les chancelleries parisiennes sous les règnes de Charles VI et Charles VII, in: Cancelleria e cultura nel Medio Evo (Communicazioni presentate nelle giornate di studio della Commissione [i. e. Comm. int. de Diplomatique], Stoccarda, 29–30 VIII 1985 – XVI Congresso int. di scienze storiche), hg. v. Germano Gualdo, Vatikanstadt 1990, 157–160. Grundlegend für die allgemeine Geschichte des Kollegs im 14. und frühen 15. Jahrhundert ist die prosopographisch ausgerichtete Thèse von Nathalie Gorochov, Le collège de Navarre de sa fondation (1305) au début du XV e siècle (1418). Histoire de l’institution, de sa vie intellectuelle et de son recrutement, Paris 1997 (Études d’histoire médiévale 1). Diese Studie bedürfte – nicht zuletzt auch unter dem Aspekt der Frage einer Kontinuität des französischen Humanismus nach 1418 – unbedingt einer das weitere 15. Jahrhundert behandelnden Fortsetzung; vgl. die Rez. von Heribert Müller, in: HZ 266 (1998), 186–189. Bislang liegt als einzige Gesamtdarstellung der Kolleggeschichte nur das Werk von Jean Launoy, … regii Navarrae gymnasii historia …, 2 Bde., Paris 1677, vor; das Projekt eines neuen Werks, 1968 geplant von ehemaligen Absolventen der „École Polytechnique“ – deren Gebäude befinden sich an der Stätte des Kollegs –, wurde nicht realisiert. 13 Voigt, Wiederbelebung (wie Anm. 7), 330–356; dazu Ouy, Paris (wie Anm. 1), 72; Ders., L’Humanisme (wie Anm. 5), 19 f.; Ders., Les recherches (wie Anm. 2), 276; vgl. auch Dario Cecchetti, Il primo umanesimo francese, Turin 1987, 13 f.

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bliothèque Nationale“ erprobend, machte um 1960 die Bekanntschaft des Turiner Renaissanceforschers Franco Simone, der damals der gelehrten Welt sein opus magnum „Il Rinascimento francese“ vorlegte14. Dies war der Beginn einer intensiven, zunächst in Seminaren an der „École Pratique des Hautes Études“ realisierten Zusammenarbeit, die bald schon durch den C.N.R.S. institutionalisiert wurde: Mit Beginn des Jahres 1968 nahm eine „Équipe de recherche sur l’humanisme français des XIV e et XV e siècles“ ihre Tätigkeit auf, und diese führt sie bis zum heutigen Tag zielgerichtet fort, jetzt unter dem Titel „Humanisme et culture écrite des XIV e et XV e siècles“, als Teil einer Arbeitsgruppe „Textes, cultures et communication“ im Rahmen der 1998 gegründeten Pariser mediävistischen Forschungsorganisation „LAMOP“ (i. e. Laboratoire de Médiévistique Occidentale de Paris)15. Die Fülle der bereits in den sechziger Jahren einsetzenden Publikationen dieser bald schon internationale Beziehungen anknüpfenden, im Kern aber über die Jahrzehnte franko-italienischen Gruppierung läßt sich kaum mehr überblicken. Doch als 1975 von Alexander Peter Saccaro nach langer Zeit wieder ein deutschsprachiger Beitrag zum französischen Humanismus des 14. und 15. Jahrhunderts vorgelegt wurde, da war diese über weite Strecken recht polemische und im naßforschen Hans Albers-„Hoppla, jetzt komm’ ich“-Ton verfaßte Freiburger Dissertation schon bei ihrem Erscheinen kaum mehr auf der Höhe des Forschungsstands, weil die Arbeit der Pariser Equipe dem Autor weitgehend unbekannt geblieben war, was im übrigen auch für das Kapitel „Die Humanisten um 1400 in ihrem Verhältnis zu Italien“ einer weiteren Freiburger Doktorarbeit gilt, die Helmut Böhm 1977 unter dem Titel „Gallica Gloria. Untersuchungen zum kulturellen Nationalgefühl in der älteren französischen Neuzeit“ veröffentlichte16. Im selben Jahr war Klaus Heitmann im Rahmen eines literaturhistorischen 14 Gilbert Ouy, Franco Simone, pionnier des recherches sur le Quattrocento francese, in: L’aube de la Renaissance. Études réunies par Dario Cecchetti / Lionello Sozzi / Louis Terreaux pour le 10e anniversaire de la disparition de F. S., Genf 1991 (Bibl. Franco Simone 18), 11–25. 15  In seinen Aufsätzen geht Gilbert Ouy oft auf die Anfänge und Entwicklung der Forschungsgruppe ein; so u. a. in: Paris (wie Anm. 1), 74 f.; L’Humanisme (wie Anm. 5), 23–26; Franco Simone (wie Anm. 14), 11–15; Les recherches (wie Anm. 2), 279 f.; aufschlußreich hierfür auch sein Vorwort zum Buch seines Nachfolgers in der Leitung der Equipe, Ezio Ornato, Jean Muret et ses amis Nicolas de Clamanges et Jean Montreuil. Contribution à l’étude des rapports entre les humanistes de Paris et ceux d’Avignon (1394–1420), Genf 1969 (Centre de recherches d’histoire et de philologie de la IV e Section de l’École pratique des Hautes Études, Reihe 5: Hautes études médiévales et modernes 6), VII–XV. Neueste Angaben (Stand August 2001) unter http://panoramix.univ-paris1.fr/UFR09/LAMOP/hi.html. – Eine Umbenennung der Arbeitsgruppe in „Traditions textuelles et vie culturelle“ ist geplant. 16 Nähere Angaben zu Saccaro s. Anm. 4; Helmut Böhm, „Gallica Gloria“. Untersuchungen zum kulturellen Nationalgefühl in der älteren französischen Neuzeit, Diss. (masch.) Freiburg / Brsg. 1977, 39 ff. – Josef Bohatec, der seine Monographie über Budé und Calvin mit dem Untertitel „Studien zur Gedankenwelt des französischen Frühhumanismus“ versah, trifft dagegen solcher Vorwurf nicht, da seine Arbeit 1950, also zwei Jahrzehnte vor den ersten Publikationen der „Ouy-Gruppe“, erschien.

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Forschungsberichts zur französischen Renaissance die Tätigkeit der Arbeitsgruppe gerade eine Kürzesterwähnung in Form der Zitierung eines einzigen Aufsatzes von Ouy wert17. Jahre gingen ins Land, Editionen und Studien wurden von Ouy und Ornato, von weiteren Mitarbeitern wie Carla Bozzolo, Dario Cecchetti, Evencio Beltran, Nicole Pons oder Giovanni Matteo Roccati in dichter Folge vorgelegt, dabei die von Ouy vorgegebene prosopographische und kodikologisch-paläographische Akzentuierung der Forschungen stetig verfeinert; 1991/92 und 1995 erschienen schon von ihren Titeln her einschlägige Tagungsbände „L’aube de la Renaissance“, „Préludes à la Renaissance. Aspects de la vie intellectuelle en France au XV e siècle“ und „Pratiques de la culture écrite en France au XV e siècle“18. Allein als der renommierte Freiburger Romanist Frank-Rutger Hausmann 1997 eine Monographie zur französischen Renaissance vorlegte, mußte man ein weiteres Mal feststellen, wie weit offensichtlich der Weg von Frankreich nach Freiburg ist. Montreuil und Clamanges werden gerade einmal genannt, und unverdrossen redet der Autor jener alten, auf Michelet zurückgehenden Vorstellung vom Beginn der französischen Renaissance im späteren 15. Jahrhundert das Wort19. Die bei Erscheinen des Buchs seit immerhin dreißig Jahren in Paris geleistete Spezialforschung erfährt weder Zustimmung noch Ablehnung – sie wird schlicht nicht zur Kenntnis genommen, was im wesentlichen auch für den Artikel über den französischen Humanismus in dem mediävistischen Referenzwerk „Lexikon des Mittelalters“ (1991) gilt (und im übrigen partiell auch für den angelsächsischen Raum; ich denke beispielsweise an den Überblick von Eugene Rice jr. „Humanism in France“ in dem großen, 1988 von Albert Rabil jr. herausgegebenen Sammelwerk „Renaissance Humanism“20). Die mit Blick auf das geisteswissenschaftliche Frankreich unserer Tage immer wieder und nicht ganz zu Unrecht vorgetragene Klage „Germanica non leguntur“ hat also durchaus ihr Pendant: „Gallica non leguntur“. Mithin wird manch Folgendes neu scheinen, ohne es in Wirklichkeit zu sein, denn ich resümiere publizierte, im deutschen Sprachraum aber offensichtlich nicht oder kaum rezipierte Forschungen. Solch „bekanntmachender Vorlauf “ erklärt den Umfang des Beitrags und mag ihn rechtfertigen, zudem werden natürlich auch eigene, andere Akzente gesetzt21. 17 Klaus Heitmann, Die heutige literarhistorische Definition der französischen Renaissance (Forschungsbericht zur Literaturgeschichtsschreibung seit 1950), in: BHR 39 (1977), 329–366. 18 L’aube: s. Anm. 14 (Ouy); Préludes: s. Anm. 9 (Beltran); Pratiques: s. Anm. 9 (Roccati). Hinzuweisen bleibt hier auch auf den materialreichen Übersichtsartikel von Giovanni Matteo Roccati, L’umanesimo francese e l’Italia nella bibliografia recente (1980–1990), in: Franco – Italica 1 (1992), 161–171. 19 Frank-Rutger Hausmann, Französische Renaissance, Stuttgart 1997 (Lehrbuch Romanistik). 20 S(em) Dresden, Humanismus – D. Frankreich, in: LexMA V (1991), 198 f.; Eugene F. Rice jr., Humanism in France, in: Renaissance Humanism. Foundations, Forms and Legacy, II: Humanism Beyond Italy, hg. v. Albert Rabil jr., Philadelphia 1988, 109–122. 21 Im übrigen weiß ich mich selber der Gruppe zu Dank verpflichtet, da sie mir bei früheren Arbeiten zum französischen 15. Jahrhundert, auch wenn diese Humanistica nicht oder nur

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Wenn Jean Gerson um 1381 mit einem „Pastorium carmen“ auf den Plan tritt, das sein unmittelbares Vorbild in Petrarcas „Bucolicum carmen“ hat, wenn dies ebenso für eine 1394 geschriebene Ekloge des den poeta laureatus beharrlich totschweigenden Nicolas de Clamanges gilt22, wenn derselbe Gerson 1382 in einem an einen ungenannten Lehrer – wahrscheinlich Pierre d’Ailly – gerichteten Brief in elegantem Latein seine Kenntnis der antiken Mythologie ausbreitet23, wenn 1384 ein Jean de Montreuil, damals als Teilnehmer einer Kampagne des Enguerran de Coucy zur Unterstützung Ludwigs I. von Anjou in Italien, aus dem Feldlager vor Arezzo den florentinischen Kanzler Coluccio Salutati, übrigens mit Erfolg, um das Studium von dessen Briefen ersucht (aber fast gleichzeitig einen Pariser Adressaten wissen läßt, Italien sei das Reich des Pluto und er sehne sich nach Paris, dem Hort aller Wissenschaft, zurück), dann sind das schon eindeutig Indizien für das Werden eines von Beginn an in ambivalentem Verhältnis zu Italien stehenden französischen Humanismus24. Und dies erfährt nur wenig randhaft betrafen, Hilfe und Unterstützung gewährte. Vgl. Heribert Müller, Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449), I, Paderborn u. a. 1990, VI; Ders., Köln und das Reich um 1400. Anmerkungen zu einem Brief des französischen Frühhumanisten Jean de Montreuil, in: Köln. Stadt und Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters. FS O. Engels, hg. v. Hanna Vollrath/Stefan Weinfurter, Weimar – Köln 1993 (KHA 39), 592 f. Anm. 8 [in diesem Band: 364 f. Anm. 8]. 22 a) Gerson: Gilbert Ouy, Gerson, émule de Pétrarque: le Pastorium carmen, poème de jeunesse de Gerson, et la renaissance de l’églogue en France à la fin du XIV e siècle, in: Romania 88 (1967), 175–231. Vgl. Ders., L’Humanisme du jeune Gerson, in: Genèse et débuts du Grand Schisme d’Occident (Avignon, 25–28 IX 1978 – Colloques internationaux du C.N.R.S., Bd. 586), Paris 1980, 260 f.; Ders., Paris (wie Anm. 1), 89; Ders., L’Humanisme (wie Anm. 5), 26 f.; Ders., Les recherches (wie Anm. 2), 287 f.; Ders., Pétrarque (wie Anm. 1), 419 f. – b) Clamanges: Dario Cecchetti, Un egloga inedita de Nicolas de Clamanges, in: Miscellanea di studi e ricerche sul Quattrocento francese, hg. v. Franco Simone, Turin 1967, 25–47; vgl. Ders., Sulla fortuna (wie Anm. 10), 206; Ouy: a) Paris, b) L’Humanisme, c) Les recherches: s. Anm. 22 a. – Zu Petrarcas Vorbild vgl. Agostino Sottili, Preumanesimo, in: Die italienische Literatur im Zeitalter Dantes und am Übergang vom Mittelalter zur Renaissance, hg. v. August Buck, Heidelberg 1989 (Grundriß der roman. Literaturen des Mittelalters 10), II, 270–274. Trotz des einschlägigen Titels ist dieser gehaltvolle Beitrag im übrigen für unser französisches Thema nicht einschlägig, da er sich, der Thematik des ganzen Bands entsprechend, natürlich auf Italien konzentriert und in diesem Rahmen die Führungsposition des nordöstlichen Vor‑ und Frühhumanismus im Dreieck Padua – Verona – Bologna behandelt. 23 Gilbert Ouy, Une lettre de jeunesse de Jean Gerson, in: Romania 80 (1959), 461–472; teilweise korrigierend Ders., L’Humanisme du jeune Gerson (wie Anm. 22), 257 ff.; Ders., Pétrarque (wie Anm. 1), 419. – In diesem Zusammenhang bleibt grundsätzlich hinzuweisen auf das 1942 erstmals publizierte Werk von André Combes, Jean de Montreuil et le chancelier Gerson. Contribution à l’histoire des rapports de l’humanisme et de la théologie en France au début du XV e siècle, Paris ²1973 (Études de philosophie médiévale 32), da hier – in überaus polemischer Auseinandersetzung mit Antoine Thomas und Alfred Coville – von Gerson ausgehend der Nachweis erbracht wurde, daß kein prinzipieller Gegensatz französischen Frühhumanismus und Pariser Theologie der Zeit trennte. 24 Ezio Ornato / Gilbert Ouy/Nicole (Grévy‑)Pons (Hg.), Jean de Montreuil, Opera: a) I: Epistolario, Turin 1963, ep. 93, ep. 107; b) III: Textes divers, appendices et tables, Paris 1981, ep. 229; cf. S. 173 s. v. „[Salutati] Coluccio“; IV: Monsteroliana, Paris 1986, 168 ff.,

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später, 1389/90, seine Bestätigung durch jenes eingangs erwähnte Manifest in Form einer programmatischen Vorrede, die Jean Gerson, im Zuge des damaligen Streits um die Immaculata Conceptio, einem Traktat gegen den in Paris lehrenden spanischen Dominikaner Juan de Monzon voranstellte: Gallia que viris semper et strenuis bello et omni sapientia eruditis illustrata est, gravium et eloquencium hystoricorum atque poetarum magnam hactenus passa est inopiam. O si illam attigisset prior illa scriptorum solers industria, quamquam Dei nutu habunde aucta famataque sit, apud omnes tamen, et maxime posteros, clarior et quodammodo immortalior effulsisset! … Hec si nostris scribendi sollicitudo obligisset, viros sane haberemus quos Ytalis Grecisque aut preponere liceret aut opponere, ac unde mordax lividaque emulorum gallici nominis insultacio repercuti posset25 – es mangelte also bisher (hactenus) eben nur an geeigneten, die großen Taten großer Franzosen ins rechte Wort setzenden Geschichtsschreibern, damit jene mordax lividaque emulorum gallici nominis insultacio endlich die ihr gebührende Reaktion erführe; ein Gedanke, den Gerson übrigens 1392 in einer Predigt vor der Pariser Universität am Fest Ludwigs des Heiligen nochmals aufgreifen sollte26. Und am mordax mochte die gelehrte Welt erkennen, daß der junge Autor auf der Höhe seiner Zeit war, spielte er damit doch auf Coluccio 189 f., 305, 309. Vgl. hierzu vor allem Giuseppe Billanovich / Gilbert Ouy, La première correspondance échangée entre Jean de Montreuil et Coluccio Salutati, in: Italia medioevale e umanistica 7 (1964), 337–364; Nicole Pons, La présence de Coluccio di Salutati dans le recueil épistolaire de Jean de Montreuil, in: Franco – Italica 1 (1992), 9–24. S. auch Gilbert Ouy, L’Humanisme et les mutations politiques et sociales en France aux XIV e et XV e siècles, in: L’Humanisme français au début de la Renaissance (Colloque international de Tours – XIV e stage / De Pétrarque à Descartes, Bd. 29), Paris 1973, 39 f.; Ders.; La dialectique des rapports intellectuels franco-italiens et l’Humanisme en France aux XIV e et XV e siècles, in: Rapporti culturali ed economici fra Italia e Francia nei secoli dal XIV al XVI (Atti del Colloquio italofrancese, Roma, 18–20 II 1978), Rom 1979, 141; Ders., Jean de Montreuil, in: Jean-Pierre de Beaumarchais u. a. (Hg.), Dictionnaire des littératures de langue française III (1987), 1684; Ders., Paris (wie Anm. 1), 83 f.; Ders., Le collège de Navarre (wie Anm. 11), 280 f.; Ders., Pétrarque (wie Anm. 1), 431 ff.; Dario Cecchetti, Temi umanistici nell’opera di Jean de Montreuil, in: Le Moyen Français 8/9 (1983), 57; Françoise Autrand, Charles VI. La folie du roi, Paris 1986, 375; Müller, Köln (wie Anm. 21), 591; Ornato, Cicéron (wie Anm. 1), 25–28; Ders., L’intertextualité (wie Anm. 9), 235–239; Boudet, Le bel automne (wie Anm. 7), 261; Defilippis, L’area (wie Anm. 5), 200. 25  Ouy, La plus ancienne œuvre (wie Anm. 6), 472 (Edition des Textes: 472–492); danach Saccaro, Französischer Humanismus (wie Anm. 4), 167. Vgl. Gilbert Ouy, Avant-propos, in: Nicole Grévy / Ezio Ornato/G. O. (Hg.), Jean de Montreuil, Opera, II: L’œuvre historique et polémique, Turin 1975, XII f.; Ders., Le collège de Navarre (wie Anm. 11), 276; Ders., L’Humanisme du jeune Gerson (wie Anm. 22), 263 ff.; Ders., Les recherches (wie Anm. 2), 289; Ders., Pétrarque (wie Anm. 1), 425; S(ylvie) L(efèvre), Jean Gerson, in: Dictionnaire (wie Anm. 7: Tesnière), 783 („un véritable manifeste du jeune humanisme parisien“); Boudet, Le bel automne (wie Anm. 7), 261 f.; Ornato, L’Humanisme (wie Anm. 1), 60. 26 Dominus regnavit: [Palémon] Glorieux (Hg.), Jean Gerson, Œuvres complètes, V: L’œuvre oratoire, Tournai 1963, 229–243, bes. 240 f. Auszüge bei a) Ornato, Jean Muret (wie Anm. 15), 150; b) Saccaro, Französischer Humanismus (wie Anm. 4), 167 f. Anm. 75; c) Nathalie Gorochov, Entre théologie, humanisme et politique. Les sermons universitaires de la fête de SaintLouis sous le règne de Charles VI, in: Saint-Denis et la royauté. Études offertes à B. Guenée, hg. v. Françoise Autrand u. a., Paris 1999 (HAM 59), 62 Anm. 50 (ebd., 51 Anm. 2 zur Ergänzung

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Salutati an, der Petrarcas Verdikt zwar nicht in der Sache, so doch wegen des Tons als parum nimis mordax kritisiert hatte27. Wie gesagt, alle drei Genannten waren Absolventen eines Kollegs, aus dem das französische Königtum seine Amtsträger am Hof und in der Verwaltung bevorzugt zu rekrutieren pflegte. Es drängt sich mithin die Vermutung auf, gerade ein König wie Karl V. (1364–1380), dem bekanntlich sehr an Übersetzungen antiker Autoren lag, habe – auch hier ganz „der Weise“ – in die Lehrpläne „seines“ Kollegs eingegriffen28. Doch gibt es hierfür weder Beleg noch Anhalt, und besagte Übersetzungen dienten als direkte Regierungsratgeber zur Umsetzung der „bonne policie“. Auch war jene tulliana facundia, von der etwas später der noch ganz in mittelalterlichen Traditionen stehende sog. „Religieux de St-Denis“ Michel Pintoin spricht und die den (wahrscheinlichen) Gersonschüler Guillaume Euvrie zur Sammlung von Ciceros Werken bewog, ja keineswegs unbekannt; im übrigen ist hier an die banale Tatsache zu erinnern, daß etwa ein Cicero, Vergil oder Horaz durchaus Autoritäten, würdige Präfigurationen der christlichen Erfüllung für ein Mittelalter waren, in dem es bekanntlich mehrere sogenannte Renaissancen gab29. Auch lud der im Paris des 14. Jahrhunderts bzw. Korrektur der Edition von Glorieux). Vgl. auch Gilbert Ouy, La preuve par les textes de l’authenticité gersonienne du traité contre Juan de Monzon, in: Romania 88 (1967), 270–273. 27  … iudicio meo epistola illa parum nimis mordax fuit, cum presertim ad Gallicum loquereris; Francesco Novati (Hg.), Coluccio Salutati, Epistolario, I, Rom 1891, 73. 28 Ohne später ausdrücklich darauf zu rekurrieren, vertrat Ouy diese These 1980 bzw. 1981 in seinen Studien „L’Humanisme du jeune Gerson“ (wie Anm. 22) bzw. „L’Humanisme français“ (wie Anm. 5): „il paraît justifié de formuler l’hypothèse que la soudaine apparition d’Humanisme au Collège de Navarre ait été le résultat d’une véritable décision de Charles V, dont l’un des proches conseillers, Nicole Oresme, avait été grand maître de l’établissement“ (1981, 36); vgl. Ornato, L’Humanisme (wie Anm. 1), 56. – Zu Karl V. allgemein neben der Anm. 10 zitierten Biographie von Autrand noch Roland Delachenal, Histoire de Charles V, 5 Bde., Paris 1909–1931; Heinz Thomas, Karl V. (1364–1380), in: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888–1498, hg. v. Joachim Ehlers / Heribert Müller / Bernd Schneidmüller, München 1996, 285–302. 29 a) Diese insbesondere in der Pariser Theologie des 14. Jahrhunderts starke Tradition hebt u. a. hervor Cesare Vasoli, Les débuts de l’Humanisme à l’Université de Paris, in: Preuves et raisons à l’Université de Paris. Logique, ontologie et théologie au XIV e siècle, hg. v. Zenon Kaluza / Paul Vignaux, Paris 1984 (Études de philosophie médiévale. Hors série), 269–286. b) Sie findet auch Bestätigung bei dem von Bernard Guenée seit über einem Jahrzehnt intensiv studierten „Religieux de St-Denis“: „L’éloquence cicéronienne, la tulliana facundia dont Michel Pintoin parle, dont il fait tant de cas et qu’il reconnaît à quelques-uns ne manifeste d’ailleurs, en ce temps où l’humanisme commence à toucher la France, rien de nouveau: c’est simplement l’art d’appliquer les règles de cette rhétorique qui est enseignée, depuis longtemps, dans les écoles“: B. G., Le Religieux et les docteurs. Comment le Religieux de Saint-Denis voyait les professeurs de l’Université de Paris, in: CRAI a. 1992, Paris 1992, 686; ND in: Ders., Un roi et son historien. Vingt études sur le règne de Charles VI et la ‚Chronique du Religieux de SaintDenis‘, Paris 1999 (Mém. de l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, N.S. 18), 355; Ders., L’opinion publique à la fin du Moyen Age d’après la ‚Chronique de Charles VI‘ du Religieux de Saint-Denis, Paris 2002, 13. Die Identifizierung des „Religieux“ mit Michel Pintoin gelang Nicole Grévy-Pons / Ezio Ornato, Qui est l’auteur de la chronique latine de Charles VI dite du Religieux de Saint-Denis?, in: BECh 134 (1976), 85–102.

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lehrende Roberto de’ Bardi als Universitätskanzler 1340 Petrarca (vergeblich) ein, und der Name des Zisterziensers Pierre de Ceffons sei stellvertretend für all jene genannt, die sich damals in Paris für antike Werke interessierten30. So ist es auch naheliegend, nach den Lehrern unserer Talente zu fragen, allein hier lassen sich, trotz akribischer Untersuchungen etwa von Giovanni Matteo Roccati über den jungen Gerson, keine eindeutigen Zuordnungen treffen31. Was Pierre d’Ailly anlangt, so ist sein Wohlwollen für die jungen Humanisten unverkennbar, er schrieb sogar deren Werke ab und erhob auf dem Konstanzer Konzil ganz in deren Sinne seine Stimme zum Lob der französischen Nation gegen alle Galliae detractores suique honoris et gloriae atque prosperitatis et pacis invasores et turbatores, nur er selbst ist – und darin besteht in der jüngeren Forschung von Ouy bis Guenée Einigkeit – kein Humanist32. Nach Ouy soll dies in dem Umstand gründen, daß er schlicht zu früh, nämlich in den fünfziger Jahren des 14. Jahrhunderts, geboren war, wie auch ein Jean de Montreuil, der es allen Anstrengungen zum Trotz nie zur Meisterschaft im humanistischen Latein brachte, während die in den frühen sechziger Jahren geborenen „Navarristen“ schon von entsprechend qualifizierten Lehrern unterrichtet wurden. Doch fand Montreuil, worauf die Guenéeschülerin Nathalie Gorochov in ihrer kenntnisreichen Thèse über das Navarrakolleg im 14. und frühen 15. Jahrhundert (1997) hinwies, erst spät – nämlich 1374 – den Weg dorthin, also zu einem Zeitpunkt, als die Generation der „frühen 60er“ gerade ihre Ausbildung begann33. Wie Gorochov möchte auch ich, allerdings stärker vor c) Élisabeth Pellegrin, Un humaniste normand du temps de Charles VI: Guillaume Euvrie, in: Institut de Recherche et d’Histoire des Textes. Bulletin 15 (1967/68), 9–29, glaubte, den aus dem normannischen Cotentin stammenden, burgundverbundenen Pariser Universitätslehrer Euvrie († 1427) allein wegen seiner Vorliebe für Cicero als Humanist bezeichnen zu können, was sich die einschlägige Spezialforschung m. W. nie zu eigen gemacht hat. d) Allgemein bleibt auch auf die Überlieferung antiker Autoren in französischen Klosterbibliotheken des Spätmittelalters hinzuweisen, die im Norden des Königreichs stärker als im Süden zu sein scheint: Jean-Loup Lemaître, Les ‚classiques‘ dans les bibliothèques monastiques de la France méridionale d’après les inventaires médiévaux, in: Cahiers de Fanjeaux 35 (2000), 187–218. 30 Ouy, Paris (wie Anm. 1), 80; Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 19; Roccati, La formazione (wie Anm. 7), 241; Ders., La formation (wie Anm. 9), 66; J(ean) F(rançois) G(enest), Pierre de Ceffons, in: Dictionnaire (wie Anm. 7: Tesnière), 1166 f.; Damasus Trapp, Peter Ceffons of Clairvaux, in: Recherches de théologie ancienne et médiévale 24 (1957), 101–154. 31 La formazione (wie Anm. 7), 229–244. 32 Zit. nach Louis Salembier, Petrus de Alliaco, Lille 1986, 296 f.; cf. Saccaro, Französischer Humanismus (wie Anm. 4), 165. Ouy hat dazu wiederholt Stellung genommen, hier sei nur stellvertretend aus dessen Artikel „Pierre d’Ailly“ im „Dictionnaire“ (wie Anm. 7: Tesnière), 1155–1158, zitiert: „Il a certes été lié d’amitié avec les principaux humanistes français de la première génération, … mais il est demeuré en marge de ce mouvement“ (1157). Bernard Guenée, Entre l’Église et l’État. Quatre vies de prélats français à la fin du Moyen Age (XIV e – XV e siècle), Paris 1987, 125–299, bes. 166, 179, 263. 33 Ouy u. a. in a) Le collège de Navarre (wie Anm. 11), 282, b) L’Humanisme du jeune Gerson (wie Anm. 22), 257; Gorochov, Le collège de Navarre (wie Anm. 12), 671; vgl. 361, 576.

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dem skizzierten Hintergrund eines im Paris des 14. Jahrhunderts deutlich zu konstatierenden, traditionellen Interesses an antiker Literatur, von einer individuellen Aneignung der Werke klassischer und humanistischer Autoren ausgehen: „Les humanistes, entrés au collège de Navarre sous le règne de Charles V, Jean Gerson, Nicolas de Clamanges, Jean de Montreuil sont des autodidactes, comme ils le reconnaissent d’ailleurs eux-mêmes“ – mit letzterem dürfte sie vor allem auf einen 1402/03 von Gerson im Zusammenhang mit der damaligen Rosenromandebatte an Pierre Col geschriebenen Brief rekurrieren, der eine Liste der von Gerson seit jungen Jahren studierten Autoren enthält34. Ob deren Werke auch alle in der Kollegbibliothek vorhanden waren, wissen wir nicht; der Bücherbestand von Navarra läßt sich heute leider nur noch zu kleinen Teilen erschließen. Doch könnten die bildungshungrigen Aufsteiger aus der Provinz nicht auch von jenen Aufsteigern im Umkreis Karls V. und des jungen Karl VI. angeleitet worden sein, die so entscheidend für die Sicherung und Festigung staatlicher Strukturen in krisenhafter Zeit wirkten, also von jenen „Marmousets“, den kleinen gelehrten Affen, als die sie alter Adel und reiches Bürgertum verächtlich bezeichneten, und auf deren Verdienste um den Staatsauf‑ und ‑ausbau Françoise Autrand – sie spricht gar von deren veritablem „culte de l’État“ – wiederholt und nachdrücklich hingewiesen hat35? In ebendiesem Kontext spielen natürlich die königliche Kanzlei, deren Notare und Sekretäre eine wichtige Rolle36, und über die generelle Bedeutung der Kanzleien für die Genese und Ausformung des Humanismus braucht schon mit Blick auf Italien im Trecento oder Prag unter Karl IV. wohl kein Wort verloren zu werden. Weniger von Belang scheinen dabei die hier verfaßten, das Königreich selbst betreffenden internen Rechts‑ und Verwaltungsakte, für die immer mehr das Französische, die langue d’oïl, in Gebrauch kam, als vielmehr die Bereiche des „Auswärtigen“, wo Latein sowohl für Schriftsätze und für den von Kanzleibeamten wesentlich mitgetragenen Gesandtschaftsverkehr als auch für die sich auf das Kanzleiarchiv stützende Propaganda bedeutsam war37 – hier aber setzte das Italien der Zeit die lateinischen Maßstäbe. Ein Jean de Montreuil, der nach seiner Ausbildung im Navarrakolleg Sekretär des 34  Gorochov, Le collège de Navarre (wie Anm. 12), 466 (Zitat). Der Brief Gersons von 1402/03 an Pierre Col Talia de me bei Glorieux (Hg.), Gerson, Œuvres (wie Anm. 26), II, 65–70; vgl. Roccati, La formazione (wie Anm. 7), 233. Ein anderes Zeugnis aus der Zeit um 1375 führt eine noch größere Zahl an klassischen Autoren an (Glorieux, X, 419), sollte nach Roccati (ebd.) jedoch nicht wörtlich genommen werden. – Angaben zur Debatte um den Rosenroman s. Anm. 58. 35 Autrand, Charles VI (wie Anm. 24), 189–213; Dies., Marmousets, in: LexMA VI (1993), 317 f.; Dies., Jean de Berry. L’art et le pouvoir, Paris 2000, 190–193. 36 Hierzu Pons, Les chancelleries (wie Anm. 12), 137–168; Dies., L’activité des chancelleries parisiennes, in: Équipe de recherche sur l’Humanisme français des XIV e et XV e siècles. Rapport scientifique 1981–1985, Paris 1985, 15 f.; Boudet, Le bel automne (wie Anm. 7), 260–265 („Le premier humanisme français: une culture de chancellerie“). 37 Ouy, Paris (wie Anm. 1), 86; Ders., L’Humanisme français (wie Anm. 5), 38; Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 22; Pons, Les chancelleries (wie Anm. 12), 140.

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französischen Kanzlers Miles de Dormans wurde und bis zu seiner Ermordung durch die Burgunder 1418 stets als Sekretär, Gesandter und Propagandist der Krone tätig blieb38, wußte genau, warum er den florentinischen Kanzler um „Nachhilfe“ anging und dessen Briefe und Werke später auch pro eloquutionis eruditione den Nachwachsenden zur Verfügung stellte39; ein einziger von Salutatis Briefen, so Gian Galeazzo Visconti, der mailändische Herzog und Gegner, anerkennend, sei ebensoviel wert wie tausend Bewaffnete40. Vor diesem Hintergrund scheint mir ein Zusammenhang zwischen dem Wirken der „Marmousets“ und den Anfängen des französischen Humanismus durchaus möglich, allein bei der hier m. W. erstmals geäußerten Möglichkeit handelt es sich wohlgemerkt nur um eine solche, die ich bislang mit keiner Quelle zu belegen vermag. Und angesichts der in den letzten Jahrzehnten auf der Basis von Archiv‑ und Bibliotheksstudien so intensiv vorangetriebenen Erschließung des Zeitalters Karls V. und Karls VI. durch Bernard Guenée, Philippe Contamine, Françoise Autrand, Gilbert Ouy und deren großen Mitarbeiter‑ und Schülerkreis bin ich eher skeptisch, daß sich ein solcher Nachweis, bisher unentdeckt, noch auffinden läßt41. Aussichtsreicher erscheint da schon die bislang nur in ersten Ansätzen geleistete Einbeziehung der Kanzlei des königlichen Bruders Ludwig von Orléans (1372–1407) in unseren Kontext. Auch in ihr arbeiteten nämlich zeitweise Jean de Montreuil und der als sein Korrespondent wiederholt begegnende königliche Mitsekretär und ‑notar Gontier Col wie der wegen seines lateinischen Stils gerühmte Plato‑ und Cicerokenner Jacques de Nouvion – „Navarrist“ auch er und wohl Schützling des Nicolas de Clamanges – sowie vor allem der Mailänder Ambrogio dei Migli, der zu Beginn des 15. Jahrhunderts den Ambitionen seines Herrn auf das römische Kaisertum mit drei Gedichten Nachdruck zu verleihen suchte42. Vermerken wir nur am Rande, daß Migli und Montreuil sich später 38 Zu Jean de Montreuil s. außer der in den Anm. 24 und 60–69 zitierten Literatur die biographischen Skizzen bei Carla Bozzolo/Hélène Loyau, La Cour Amoureuse dite de Charles VI, I, Paris 1982, n. 60 (S. 73); Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 47–51; N(icole) P(ons), Jean de Montreuil, in: Dictionnaire (wie Anm. 7: Tesnière), 823 f.; Gorochov, Le collège de Navarre (wie Anm. 12), 671 f. 39  Jean de Montreuil, Opera, I (wie Anm. 24), ep. 93 (S. 132); cf. IV, S. 169. Vgl. Roccati, La formation (wie Anm. 9), 69 Anm. 86. 40 Überliefert ist dieser Ausspruch von Enea Silvio Piccolomini in dessen „Libellus dialogorum de auctoritate concilii generalis ac de gestis Basiliensium et Eugenii papae contradictione“, in: Adamus Franciscus Kollar (Hg.), Analecta monumentorum omnis aevi Vindobonensia, II, Wien 1762, 755 A. Vgl. Autrand, Charles VI (wie Anm. 24), 376. 41 Nur Ouy wies einmal auf die Marmousets als im Navarrakolleg umherspringende „petits singes savants“ hin: L’Humanisme et les mutations (wie Anm. 24), 42; vorsichtig anklingen ließ er es in: Franco Simone (wie Anm. 14), 20 f. 42 a) Jean de Montreuil: Opera, IV (wie Anm. 24), 405 (mit Beleg); vgl. Ornato, Jean Muret (wie Anm. 15), 97 mit Anm. 100. – b) Gontier Col: Alfred Coville, Gontier et Pierre Col et l’Humanisme en France au temps de Charles VI, Paris 1934 (ND 1977), passim, bes. 10–98; Bozzolo/Loyau, La Cour Amoureuse (wie Anm. 38), I, n. 59 (S. 71). – c) Jacques de Nouvion: Alfred Coville, Recherches sur quelques écrivains du XIV e et XV e siècles, Paris

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überwarfen und ihre Anfeindungen weit über Polemiken um die Einschätzung von Cicero, Vergil oder Ovid hinaus auf Persönliches zielten, wenn Vorwürfe bis hin zu Homosexualität und Unglauben per Brief publik gemacht wurden43. Für uns scheint Migli aus anderem Grund von Bedeutung, steht er doch für die seit der Vermählung des Herzogs mit Valentina Visconti engen Beziehungen zwischen Mailand und Orléans, die sich bis auf den von Andrea / Andreolo Arese besorgten Handschriftentransfer erstreckten und übrigens ebenfalls in der näch­ sten Generation des wiederum auch mit lombardischen Humanisten in der Normandie verbundenen Poetenherzogs Karl von Orléans noch nachweisbar sind44. Ein Kapitel für sich wäre noch das – natürlich nicht auf Humanisten beschränkte, sie aber miteinschließende – Mäzenatentum der Herzöge Anjou, Berry, Burgund und Orléans. Im Falle des Ludwig von Orléans erfuhr mit Nicolas de Gonesse ein Plutarch‑ und Valerius Maximus-Übersetzer Förderung, der sich für seine um 1400 verfaßte „Collatio artis poeticae probativa“ auf die damals in Frankreich wohl noch kaum bekannten „Genealogiae deorum gentilium“ des Boccaccio stützte45. Und ein mit Jean de Montreuil bekannter Rat von Orléans sollte die am 1935, 175–207; Ders., Un ami de Nicolas de Clamanges, Jacques de Nouvion (1372?–1411), in: BECh 96 (1935), 63–90; Guenée, Entre l’Église et l’État (wie Anm. 32), 244 ff.; Nathalie Gorochov, Entre la cour et l’école: les étudiants au service de l’État en France à la fin du Moyen Age (XIV e – XV e siècle), in: Les serviteurs de l’État au Moyen Age (XXIXe Congrès de la Soc. des historiens méd. de l’enseignement supérieur public, Pau, mai 1998), Paris 1999 (HAM 57), 250 ff. – d) Ambrogio (dei) Migli: Gilbert Ouy, Humanisme et propagande politique en France au début du XV e siècle: Ambrogio Migli et les ambitions impériales de Louis d’Orléans, in: Culture et politique en France à l’époque de l’Humanisme et de la Renaissance, hg. v. Franco Simone, Turin 1974, 13–42; vgl. auch Ders. /Christine M. Reno, Où mène le Chemin de long estude? Christine de Pizan, Ambrogio Migli, et les ambitions impériales de Louis d’Orléans (A propos du MS. BNF fr. 1643), in: Christine de Pizan 2000. Studies on Christine de Pizan in Honour of A. J. Kennedy, hg. v. John Campbell /Nadia Margolis, Amsterdam 2000, 177–195, 325–328. Zum Ganzen auch Autrand, Charles VI (wie Anm. 24), 375 f.; Demurger, Temps de crises (wie Anm. 9), 231; Ornato, Jean Muret, 187: „… jusqu’à la mort de Louis d’Orléans, la plupart des humanistes semblent avoir gravité dans son entourage“. 43 Jean de Montreuil, Opera, I (wie Anm. 24), ep. 106; cf. epp. 129, 130, 132; dazu IV, S. 185–189, 209–213. Vgl. Johan Huizinga, Herbst des Mittelalters. Studien über Lebens‑ und Geistesformen des 14. und 15. Jahrhunderts in Frankreich und in den Niederlanden [1919], Stuttgart 111975 (Kröners Taschenausgabe 204), 229; Coville, Gontier et Pierre Col (wie Anm. 42), 115–139; Ouy, Paris (wie Anm. 1), 91 f.; Ornato, Jean Muret (wie Anm. 15), 262 s. v. „Montreuil (Jean de) – (Violente) polémique avec A. dei Migli“. 44 Simone, Il Rinascimento (wie Anm. 5), 255; Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 22 f., 70; Ornato, Cicéron (wie Anm. 1), 32 („le mariage de Louis d’Orléans avec Valentina Visconti avait fait du parcours Milan – Paris une véritable ‚autoroute de l’informa­ tion‘ “), 42 (zu Arese). 45 Giuseppe di Stefano, Ricerche su Nicolas de Gonesse traduttore di Valerio Massimo – Tendenze culturali del primo umanesimo francese, in: Studi francesi 9 (1965), 201–221, 401–422; Ders., Nicolas de Gonesse et la culture italienne, in: Cahiers de l’Association internationale des études françaises 23 (1971), 27–44; Jacques Monfrin, La connaissance de l’Antiquité et le problème de l’Humanisme en langue vulgaire dans la France du XV e siècle, in: The Late Middle Ages and the Dawn of Humanism Outside Italy (Proceedings of the International Conference, Louvain, 11–13 V 1970), hg. v. Gérard Verbeke/Jozef IJsewijn, Löwen – Den Haag 1972

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herzoglichen Hof gemachten Erfahrungen mit Mäzenatentum und Humanismus später als Kardinal selbst zugunsten der Kirche von Reims praktizieren – von dem durch Ludwig von Orléans auch finanziell geförderten Guillaume Fillastre dem Älteren sowie dessen gleichnamigem Sohn wird noch zu reden sein46. Guillaume Fillastre der Ältere, Nicolas de Gonesse, Ambrogio dei Migli, Jacques de Nouvion, Gontier Col, Jean de Montreuil: Die herzogliche Kanzlei und Entourage scheint weiterer Nachforschung wert, in die mit Jean Lebègue ein junger Sekretär aus der königlichen Kanzlei noch einbezogen werden sollte, der 1395 bei Pierre l’Orfèvre, dem Kanzler von Orléans, um die Hand von dessen Tochter in einem Schreiben anhielt, mit dem er sich durch seine darin demonstrierte Kunstfertigkeit im Lateinischen und seine umfassenden mythologischen Kenntnisse ins rechte Licht zu setzen suchte, um über die Heirat sein wohlgemerkt eigentliches Ziel zu erreichen: quo magis … ad honorum apicem conscendere statumque valeam sublimari magnificum. Um Aufstieg, Ehre und Anerkennung in dieser Welt ging es also dem jungen, an Leonardo Bruni interessierten Mann, der später eine reiche, von ihm nicht minder reich mit gelehrten Anmerkungen versehene Klassikerbibliothek besitzen und noch im Alter Brunis „De bello Punico“ übersetzen sollte47. Ihn zeichnete genau das aus, was Francesco da Fiano, (Mediaevalia Lovaniensia I/1), 139 (mit Verweis auf eigene frühere Studien); Hélène Millet, Nouveaux documents sur Nicolas de Gonesse, traducteur de Valère Maxime, in: Romania 102 (1981), 110–114; S(ylvie) L(efèvre), Nicolas de Gonesse, in: Dictionnaire (wie Anm. 7: Tesnière), 1066 f. 46 a) Jüngste biographische Notizen bei Malte Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (1400/07–1473). Kirchenfürst und herzoglich-burgundischer Rat, Stuttgart 2001 (Francia. Beih. 51), 19–26 (25 Anm. 23 Beleg einer Zahlungsanweisung des Herzogs); Pierre Desportes, Diocèse de Reims, Turnhout 1998 (Fasti Ecclesiae Gallicanae. Répertoire prosopographique des évêques, dignitaires et chanoines de France de 1200 à 1500, 3), n. 525 (S. 304 f.). Für Leben und Wirken jetzt grundlegend Humanisme et culture géographique à l’époque du concile de Constance. Autour de Guillaume Fillastre (Actes du Colloque de l’Université de Reims, 18–19 XI 1999), hg. v. Didier Marcotte, Turnhout 2002 (Terrarum Orbis 3). b) Ausstattung der Reimser Kapitelbibliothek mit von ihm auf dem Konstanzer Konzil in Auftrag gegebenen Handschriften: Louis Salembier, Fillastre, Guillaume, in: Dictionnaire de Théologie catholique V/2 (1924), 2351; Ezio Ornato, Les humanistes français et la redécouverte des classiques, in: Préludes (wie Anm. 9: Beltran), 20–23, 43; vgl. XIII; Bernard Merlette, Guillaume Fillastre, ami de Pierre d’Ailly et l’Humanisme au concile de Constance, in: Bull. de la Soc. historique de Compiègne 33 (1993), 142–146; Colette Jeudy, La bibliothèque cathédrale de Reims, témoin de l’Humanisme en France au XV e siècle, in: Pratiques (wie Anm. 9: Roccati), 75–91 (die beiden letztgenannten Titel sind teilweise recht diskutabel); Ornato, Cicéron (wie Anm. 1), 43 f.; Boudet, Le bel automne (wie Anm. 7), 264; Laure-Cassandre Devic, Le cardinal Guillaume Fillastre (1348–1428). Un prélat humaniste dans la tourmente du Grand Schisme et de la guerre civile, in: ECh. Positions des Thèses 1997, Paris 1997, 105–110. 47 Gilbert Ouy, Le songe et les ambitons d’un jeune humaniste parisien vers 1395, in: Miscellanea (wie Anm. 12: Cecchetti), 355–407 (Zitat 395); S(ylvie) L(efèvre), Jean Le Bègue, in: Dictionnaire (wie Anm. 7: Tesnière), 799 f.; Nicole Pons, Érudition et politique. La personnalité de Jean le Bègue d’après les notes marginales de ses manuscrits, in: Les serviteurs de l’État (wie Anm. 42: Gorochov), 281–297. Trotz des Titels ihrer Studie fallen die Lebègue betreffenden Ausführungen sehr speziell aus bei Anne Hagiopan van Buren, Le sens

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Humanist in kurialen Diensten, 1403 als Antrieb großer Männer, selbst der Kirchenväter, benannte: Ehrgeiz und Streben nach Ruhm. Spätestens mit Jean Lebègue scheint der Pariser Humanismus an der Wende vom 14. / 15. Jahrhundert kräftigere Konturen zu gewinnen, scheint Ouys vollmundiges „Paris, l’un des principaux foyers de l’humanisme en Europe au début du XV e siècle“ – so der Titel einer programmatischen Studie von ihm aus den Jahren 1967/68 – treffend und gerechtfertigt. Indes reichten all diese Ansätze keineswegs aus, um das geistige Profil der Hauptstadt auch nur annähernd zu prägen. Es mangelte allein schon an der hierfür erforderlichen quantitativen Dimension; Paris ist nicht Florenz, hier gibt es – bis vielleicht auf eine einzige, noch zu erörternde Ausnahme – keinen Humanismus als lebensweltliche Grundlage. Nur einzelne betrieben (auch) studia humanitatis, ohne sich jedoch existentiell als Humanisten zu fühlen und zu gerieren, nur einzelne bemühten sich in Auseinandersetzung mit Petrarca und Italien um einen neuen Sprach-, nicht aber Lebensstil. Poggios Qui sim, ex stilo cognosces hatte hier keinen Platz, und lange noch wird es dauern, bis Rabelais’ Gargantua seinem Sohn Pantagruel schreiben kann: „Maintenant toutes disciplines sont restituées, les langues instaurées … Tout le monde est plein des gens savans, de precepteurs tresdoctes … Je voy les brigans, les boureaulx, les avanturiers, les palefreniers de maintenant plus doctes que les docteurs et prescheurs de mon temps. … Somme que je voye un abysme de science“48. Einzelne also übten sich in die neue Rhetorik und Eloquenz ein, doch hatte sie, abgesehen von Kanzleibelangen, ancilla sapientiae und das heißt in Paris: fidei zu sein – Gersons Manifest ist die Vorrede zu einem Traktat über die Frage der unbefleckten Empfängnis Mariens! Wer sich in dieser von Kirchenmännern dominierten Welt zum Anwalt der Poesie machte – und das taten ein Jean Gerson oder eben Nicolas de Gonesse durchaus49 –, der wollte, daß Dichtkunst und Theologie in Harmonie konkordieren, de l’histoire dans les manuscrits du XV e siècle, in: Pratiques (wie Anm. 9: Roccati), 518 f. – Zu Pierre L’Orfèvre / Lorfèvre: Françoise Autrand, Naissance d’un grand corps de l’État. Les gens du Parlement de Paris 1345–1454, Paris 1981 (Publ. de la Sorbonne. NS Recherches 46), 403 s. v. „Lorfèvre, Pierre (2)“; kurz auch Jean Thibault, Les hommes de pouvoir à Orléans et le service de l’État (fin XIV e – début XV e siècle), in: Les serviteurs, 124. 48 a) Poggio: Poggio Bracciolini. Lettere, hg. v. Helene Harth, II, Florenz 1984, 152 (Z. 199). Ouy unterschied in diesem Kontext einmal zwischen einem nur auf das Literarische beschränkten umanesimo und einem existenzbestimmenden umanismo italienischer Provenienz: L’Humanisme français (wie Anm. 5), 20. – b) Rabelais: Rabelais, Œuvres complètes, hg. v. Mireille Huchon, Paris 1994 (Bibl. de la Pléiade), 243 ff. Vgl. Henry Hornik, Three Interpretations of the French Renaissance, in: Studies in the Renaissance 7 (1960), 43. 49 a) Jean Gerson: Potest utique et poetria et rhetorica et philosophia cum theologia et sacris litteris admitti vel misceri (Collatio De angelis; Ludovicus Ellies Du Pin [Hg.], Joannis Gersonii opera omnia …, III, Antwerpen 1706, 1489). Grundlegend hierzu die Publikationen von Giovanni Matteo Roccati: Note a proposito delle poesie latine di Jean Gerson, in: Studi francesi 22 (1978), 341–349; A propos de la tradition manuscrite de l’œuvre poétique de Jean Gerson, in: Revue d’histoire des textes 10 (1980), 277–304; Gerson e il problema dell’espressione poetica …, in: Studi francesi 26 (1982), 278–285; Recherches sur les poèmes contenus dans les Tractatus

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ohne indes so weit wie ein Boccaccio zu gehen, der in seinem „Tratatello in laude di Dante“ schreibt: Dunque bene appare, non solamente la poesì essere teologia, ma ancora la teologia essere poesia50. Schließlich war an einer durch alte Traditionen und Strukturen festgefügten Großuniversität wenig Platz für Humanisten, ob es nun um Ausbildung oder Stellen ging (und letztere waren in den Kanzleien auch nur in recht begrenzter Zahl vorhanden). Ernüchternd und treffend zugleich ist der Befund von Jacques Verger, daß die Universität damals ihren Studenten nur die Wahl ließ „entre un thomisme ou un scotisme momifiés et un nominalisme … généralement devoyé en verbiage“. Mochten Mystik und Humanismus auch präsent sein, so Verger in Anspielung auf wie in Abgrenzung von Ouys Titel, „il faut admettre que ce n’étaient là que quelques reflets de mouvements dont le foyer était ailleurs“51. Daran änderte sich in den nächsten Dezennien des 15. Jahrhunderts nichts; auch nicht, als der päpstliche Legat Guillaume d’Estouteville 1452 eine vornehmlich von König Karl VII. gewollte, auf Statuten von 1366 rekurrierende Reform durchführte, die sich allenfalls auf die Disziplin, nicht aber die Lehrinhalte auswirkte52. Und wie schwer tat man sich mit der Einführung de canticis de Gerson, in: Le Moyen Age Français 8/9 (1983), 149–182; En marge de l’édition critique de l’œuvre poétique de Gerson: le manuscrit Paris, B.N. lat. 3624, in: Pluteus 6 (1988), 75–90; Aspetti umanistici dell’opera poetica latina di Jean Gerson, in: Protrepticon. Studi di letteratura classica ed umanistica in onore di Giovannangiola Secchi-Tarugi, hg. v. Sesto Prete, Mailand 1989, 117–124. Vgl. auch Anm. 22 a. – b) Nicolas Gonesse verfaßte ausgangs des 14. Jahrhunderts eine „Collatio artis poeticae probativa“ unter stetem Rekurs auf Boccaccios damals in Frankreich noch kaum bekannte „Genealogiae deorum gentilium“; s. hierzu neben der Anm. 45 angegebenen Literatur Ouy, L’Humanisme du jeune Gerson (wie Anm. 22), 254. c) Hinzuweisen bleibt auf das von Zeitgenossen wie Loschi und Lebègue geschätzte poetische Œuvre des Laurent de Premierfait, das lange als größtenteils verschollen galt, bis Gilbert Ouy in einem Basler Codex auf fünf von ihm im Kontext des Konstanzer Konzils verfaßte Gedichte stieß: Poèmes retrouvés de Laurent de Premierfait. Un poète „engagé“ au début du XV e siècle, in: Préludes (wie Anm. 9: Beltran), 207–241. 50 Vittore Branca (Hg.), Tutte le opere di Giovanni Boccaccio, o.  O. 1974 (I Classici Mondadori), 475 (§ 155). 51 Jacques Verger, Les universités françaises au XV e siècle: crise et tentative de réforme, in: Cahiers d’histoire 21 (1976), 45. Angesichts solcher Verhältnisse verwundert es nicht, daß der ersten Generation Pariser Humanisten keine Institutionalisierung der studia humanitatis gelang; zudem wirkten sich neben Krieg und Epidemien – so wenigstens Ezio Ornato – die ungenügenden städtischen Strukturen im Königreich negativ auf deren Implantierung aus: La redécouverte des classiques, révélateur de rupture et de continuités dans le mouvement humaniste en France au XV e siècle, in: L’aube (wie Anm. 14: Ouy), 94; Ders., Vorwort zum Sammelband „Préludes“ (wie Anm. 9: Beltran), XIV. 52 Heinrich Denifle / Émile Chatelain (Hg.), Chartularium Universitatis Parisiensis [CUP], IV (1394–1452), Paris 1897 (ND 1964), XX–XXIV, 713–734 (n. 2690). Vgl. Cesar Egassius Bulaeus (Du Boulay), Historia Universitatis Parisiensis, V, Paris 1670 (ND 1966), 562–577; Gabriel de La Morandière, Histoire de la maison d’Estouteville en Normandie, Paris 1893, 394–398; Paul Ourliac, La Pragmatique Sanction et la légation en France du cardinal d’Estouteville (1451–1453), in: Mélanges d’Archéologie et d’Histoire 55 (1938), 403–432; ND in: Ders., Études d’histoire du droit médiéval, I, Paris 1979, 375–398; Combes, Jean de Montreuil (wie Anm. 23), 150 ff.; Bernardin de Mathan, Guillaume d’Estouteville, cardinal-légat du pape, archevêque de Rouen, in: Association des amis du Vieux-Fécamp et du pays de Caux.

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des Griechischen; Cicero wurde zwar studiert, doch als Guillaume Fichet für einen neuen Rhetorikunterricht eintrat, sah er sich einer mächtigen Opposition gegenüber, die mit hoc dicendi genere novo et inusitato nichts zu tun haben wollte53. Man lebte und wirkte an einer Universität, in einer Stadt und einem Königreich mit einem „großen und schönen“ Mittelalter. Hier setzte sich das Neue und Ungewohnte ungleich schwerer durch als in Italien, wo jene Epoche nur zu oft als Zeit des Niedergangs und der Fremdherrschaft empfunden wurde – mochte diese auch teilweise fortdauern, der Humanismus bedeutete nunmehr kulturelle Hegemonie54.

II. War aber neben Pierre d’Ailly nicht Jean Gerson der Pariser Universitätslehrer um 1400 schlechthin, ebenjener Gerson, der die Speerspitze des „mouvement humaniste“ gewesen sein soll? Es gibt dickleibige Monographien über den Professor und Universitätskanzler, den Kirchenreformer und Ekklesiologen, den Prediger und Seelsorger – wie zuletzt noch die große Arbeit von Posthumus Meyjes (1999)55 –, die den Humanisten Gerson nicht einmal zu kennen scheinen. Dabei sind die frühen Zeugnisse eindeutig; eindeutig scheint aber auch seine bereits im Manifest von 1389/90 für sich persönlich getroffene Entscheidung, die zum Ruhme Frankreichs so notwendige Tätigkeit als gravis et eloquens hystoricus nicht übernehmen zu wollen, weil sich ihm in der Krise des Großen Abendländischen Schismas und angesichts deren Auswirkungen auf die Pariser Universität andere Bulletin 1970/71 (1972), 26 ff.; Pierre Blet, Histoire de la représentation diplomatique du Saint Siège, des origines à l’aube du XIXe siècle, Vatikanstadt 1982 (Collectanea Archivi Vaticani 9), 177 ff.; Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 71; Beltran, L’Humanisme français (wie Anm. 9), 152 mit Anm. 143; André Tuilier, Histoire de l’Université de Paris et de la Sorbonne, I: Des origines à Richelieu, Paris 1994, 244–254; Defilippis, L’area (wie Anm. 5), 197 f. – Allgemein zu Guillaume d’Estouteville Heribert Müller, in: LexMA IV (1989), 40 f.; Anna Esposito, in: DBI XLIII (1993), 456–460; Vincent Tabbagh, Diocèse de Rouen, Turnhout 1998 (Fasti Ecclesiae Gallicanae. Répertoire [wie Anm. 46 a: Desportes] 2), 130–136. 53  Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 71 f.; Beltran, L’Humanisme français (wie Anm. 9), 127, 159; Tuilier (wie Anm. 52), 266, 269 f.; Defilippis, L’area (wie Anm. 5), 197 f. 54 Hiermit greife ich dankend ein in der Diskussion meines Beitrags von Thomas Maissen vorgebrachtes Argument auf, das mir stärker als die von Ornato genannten Negativfaktoren (s. Anm. 51) ins Gewicht zu fallen scheint. 55 G(uillaume) H(enri) M(arie) Posthumus Meyjes, Jean Gerson. Apostle of Unity. His Church Politics and Ecclesiology, Leiden u. a. 1999 (SHCT 94). Der Autor beläßt es in dieser überarbeiteten und erweiterten Fassung seiner 1963 in niederländischer Sprache publizierten Dissertation bei einem einzigen kurzen Hinweis, da er Gersons Ausbildungsstätte, das Navarrakolleg, als damaliges „centre of French humanism“ (14) bezeichnet. – Ähnlich Christoph Burger, Aedificatio, Fructus, Utilitas. Johannes Gerson als Professor der Theologie und Kanzler der Universität Paris, Tübingen 1986 (Beitr. zur histor. Theol. 70); dazu die Rez. von Johannes Helmrath, in: ZHF 17 (1990), 361 ff.

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Prioritäten stellten: quanto atrocior immaniorque est invasio religionis quam urbium, et deterior vite spiritualis quam temporalis ereptio … Bono igitur animo sublimioribus ingeniis bella ut scribant linquo. Mihi … satis est hunc fidei Universitatisque triumphum qualicumque stilo in apertum deducere56. Und auf den beiden Feldern fidei Universitatisque sollte er fortan in der Tat unermüdlich auch als Schriftsteller tätig sein; gerade diese nach Hunderten zählenden Opera und Opuscula bestimmten sein Bild in der Nachwelt. Bei ihrer Abfassung entwickelte er mit Blick auf den klassischen Maßstab (ad Ciceronis imitationem) seine eigene Werteskala: minori certe eloquentia, sed pari veritate et … majori fide57. Möglicherweise ließ Gerson auch die in der Debatte um den „Roman de la Rose“ 1401/02 von Jean de Montreuil und den Gebrüdern Col gegen ihn und Christine de Pisan gerichtete Verteidigung der Positionen von Guillaume de Lorris und besonders Jean de Meung zur Liebe und zur Rolle der Frau auf Distanz zu den früheren humanistischen Mitstreitern gehen58. In einem späten Gedicht aus den Tagen des Lyoner Exils zeigt sich zudem, bei feinen Anklängen an Ovid und Horaz, das Motiv der Vanitas. Formal beherrschte Gerson bereits in jungen Jahren das humanistische Sprachinstrumentarium, ging dann jedoch angesichts der kirchlichen Not seiner Zeit auf Abstand zu einer auch als eitel und vordergründig empfundenen lateinischen Wortartistik59. Darum aber bemühte sich sein Konsodale Jean de Montreuil ein Leben lang; indes entsprach dem stilistischen Wollen nicht ganz das Talent, wie sein umfängliches Briefcorpus immer wieder erweist60. Weitgereist und welterfahren war er, als Mitglied der „Cour Amoureuse“ gehörte er zum Tout-Paris seiner Zeit61. Ob 1384 bei Salutati, 1413 bei Leonardo Bruni anläßlich einer römischen Mission 56 Ouy,

La plus ancienne œuvre (wie Anm. 6), 473. qui lugent: Glorieux (Hg.), Gerson, Œuvres (wie Anm. 26), V, 93. Vgl. dazu Ouy: a) L’Humanisme du jeune Gerson (wie Anm. 22), 264; b) L’Humanisme français (wie Anm. 5), 28 f.; c) Les recherches (wie Anm. 2), 289. 58 Eric Hicks (Hg.), Le débat sur Roman de la Rose. Christine de Pisan, Jean Gerson, Jean de Montreuil, Gontier et Pierre Col. Édition critique, introduction, traduction et notes, Paris 1977 (ND 1996) (Bibl. du XV e siècle 43); vgl. Huizinga, Herbst des Mittelalters (wie Anm. 43), 161 ff.; Coville, Gontier et Pierre Col (wie Anm. 42), 191–228; Eric Hicks / Ezio Ornato, Jean de Montreuil et le Débat sur le Roman de la Rose, in: Romania 98 (1977), 34–64, 186–219; Guenée, Entre l’Église et l’État (wie Anm. 32), 231 ff. Zuletzt kurz S(ylvie) L(efèvre), Roman de la Rose (Débat sur le), in: Dictionnaire (wie Anm. 7: Tesnière), 1311; Gorochov, Entre théologie, humanisme et politique (wie Anm. 26), 62. 59 Ouy, L’Humanisme du jeune Gerson (wie Anm. 22), 265; Giovanni Matteo Roccati, Humanisme et préoccupations religieux au début du XV e siècle: Le prologue de la Josephina de Jean Gerson, in: Préludes (wie Anm. 9: Beltran), 111; vgl. den Text des Prologs ebd., 121. 60 Vgl. etwa Saccaro, Französischer Humanismus (wie Anm. 4), 98; André Godin, Rez. von Jean de Montreuil, Opera, I (wie Anm. 24), in: BHR 39 (1977), 189; Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 48; Ornato, Les humanistes français (wie Anm. 46), 43; Müller, Köln und das Reich (wie Anm. 21), 593 [in diesem Band: 364 f.]; Ouy, Pétrarque (wie Anm. 1), 431; Defilippis, L’area (wie Anm. 5), 200. 61 Siehe Anm. 38 (Bozzolo/Loyau). 57 Beati

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oder auch 1403 in Avignon, stets suchte der Notar und Sekretär Kontakte zur humanistischen Kanzleiwelt62. Zwar verwehrte auch er sich gegen das Verdikt Petrarcas, doch wurde dieser von ihm insbesondere als devotissimus catholicus ac celeberrimus philosophus moralis geschätzt63. Montreuil verbreitete Boccaccio in Frankreich, bemühte sich um die neue Schrift und suchte alte Textzeugen64. In seinen lateinisch wie französisch verfaßten Propagandatraktaten verkündete der aus einer französischen Enklave im Westen des Reichs stammende Lothringer mit vehementem, wohl auch aus der Grenzlandsituation gespeistem Patriotismus das alleinige Recht der Valois auf das Königreich gegen alle englischen Prätentionen, wobei er sich u. a. auf im Archiv seiner Kanzlei vorhandene Dokumente stützte65. Mit der Herabsetzung der Anderen, gleich ob Engländer, Italiener oder in barbaries befangener Deutscher – den Aachenern machte er übrigens während und nach einer Gesandtschaft ins Reich 1400/01 nachdrücklich klar, in welcher Tradition Karl der Große auch und vor allem stehe66 –, ging der Preis der Einzig62 1384: Siehe Anm. 24. – 1403/13: Voigt, Wiederbelebung (wie Anm. 7), 346; Ornato, Jean Muret (wie Anm. 15), 263 s. v. „Montreuil – Ses relations avec les milieux avignonnais“; Ders., Les humanistes français (wie Anm. 46), 43; Gilbert Ouy, Les premiers humanistes et leurs livres, in: Histoire des bibliothèques françaises. Les bibliothèques médiévales: VIe siècle–1530, hg. v. André Vernet, Paris 1989, 275; Defilippis, L’area (wie Anm. 5), 200. – Zu Montreuils römischer Gesandtschaftstätigkeit selbst s. Jean de Montreuil, Opera, I (wie Anm. 24), ep. 196; dazu IV, S. 267 ff.; Noël Valois, La France et le grand schisme d’Occident, IV, Paris 1902 (ND 1967), 213 f. 63 Jean de Montreuil, Opera, I (wie Anm. 24), ep. 208; dazu IV, S. 286 f. Vgl. Huizinga, Herbst des Mittelalters (wie Anm. 43), 466; Coville, Gontier et Pierre Col (wie Anm. 42), 147; Simone, Il Rinascimento (wie Anm. 5), 59 f.; Ezio Ornato, Il contributo del Petrarca alla formazione culturale di Jean de Montreuil, in: Studi francesi 6 (1962), 401–414; Saccaro, Französischer Humanismus (wie Anm. 4), 98–108; Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 50. 64 a) Ezio Ornato, Per la fortuna del Boccaccio in Francia, in: Studi francesi 5 (1961), 260– 267; Dario Cecchetti, L’elogio delle arte liberali nel primo umanesimo francese, in: ebd. 11 (1967), 9–14. – b) Ouy, Le collège de Navarre (wie Anm. 11), 286; Ders., Jean de Montreuil et l’introduction de l’écriture humanistique en France au début du XV e  siècle, in: Litterae Textuales. Essays presented to Gerard Isaac Lieftinck, IV: Miniatures, Scripts, Collections, Amsterdam 1976, 53–61; Ders., in: Jean de Montreuil, Opera, IV (wie Anm. 24), 49–60 („Les manuscrits autographes et originaux“); Defilippis, L’area (wie Anm. 5), 200. – c) Ornato, Cicéron (wie Anm. 1), 31–34. 65 Jean de Montreuil, Opera, II (wie Anm. 25). Dazu Nicole Grévy-Pons, Propagande et sentiment national pendant le règne de Charles VI: L’exemple de Jean de Montreuil, in: Francia 8 (1980), 127–145; Jacques Krynen, Idéal du prince et pouvoir royal en France à la fin du Moyen Age (1380–1440). Étude de la littérature politique du temps, Paris 1981, 281–296 (Jean de Montreuil); allgemeiner: Nicole Pons, La propagande de guerre française avant l’apparition de Jeanne d’Arc, in: JS a. 1982, 191–214; weitere Angaben bei Müller, Köln und das Reich (wie Anm. 21), 594 f. mit Anm. 13–17 [in diesem Band: 366–368 mit Anm. 13–17]. – Zur Herkunft Gilbert Ouy, Jean de Montreuil (alias de Monthureux-le-Sec), Pétrarque et Salutati, in: Mélanges à la mémoire de F. Simone. France et Italie dans la culture européenne, I: Moyen Age et Renaissance, Genf 1980 (Bibl. Franco Simone 4), 47–55, 591–593. 66 Quellen (nach der Werkausgabe zitiert) und Angaben zur Aachener Lokalliteratur bei Müller, Köln und das Reich (wie Anm. 21), 606 f. [in diesem Band: 377–379]; vgl. Ders., Rez. von Jean de Montreuil, Opera, III (wie Anm. 24), in: Francia 10 (1982), 790.

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artigkeit seiner gens Francorum einher: I ergo ad Indos usque Afros Scitasve aut ultima Tile, mea est semper opinio, liberalitate refertam … aut plenam gratiarum omnimode gentem supra Francos invenies minime (dicam plane quod sentio) aut que eos etiam longissimo attingat intervallo67. Auch solch patriotisches Credo, dessen Überheblichkeit und exkludierender Charakter übrigens dem deutschen Humanismus im Zeichen erstarkenden Nationalbewußtseins ein Jahrhundert später ebenfalls keineswegs fremd sein wird (u. a. Trithemius, Krantz), scheint für die von Georg Voigt 1859 getroffene Einschätzung zu sprechen, der Propst von Lille sei „der erste rechte Humanist in Frankreich“ gewesen68, doch dieser einzige Ansatz zu einer humanistischen Existenz blieb ohne das entsprechende heimische Umfeld singulär und auch schon deshalb ziemlich erfolglos, weil Montreuil sich bei seinem Bemühen, ein französischer Salutati zu werden, eher als ein für das neue Latein entflammter Schulmeister denn als Meister der claritas zeigt. (Bei Guenée ist die Rede von seiner für die italienischen Humanisten der Zeit „ardeur de néophyte quelque peu pédante“69.) Meisterschaft im Lateinischen legte dagegen wiederum Nicolas de Clamanges an den Tag, der sich selbst als reparator und excitator klassischer Latinität verstand70. Seine im Namen der Universität tanto cum stili splendore verfaßten Schreiben 67 Jean de Montreuil, Opera, I (wie Anm. 24), ep. 117; dazu IV, S. 196 ff. Vgl. (seinerseits aus überaus zeitgebunden-nationalistischer Sicht) Karl Schmid, Jean de Montreuil als Kirchenpolitiker, Staatsmann und Humanist, Freiburg/Brsg. 1904 (Wissenschaftl. Beilage zum Jahresbericht der Oberrealschule zu Freiburg i. Brsg. für das Schuljahr 1903/04), 12 f.; Müller, Köln und das Reich (wie Anm. 21), 605 [in diesem Band: 377]. 68 Wiederbelebung (wie Anm. 7), 344. – Zu Trithemius s. Rolf Sprandel, Geschichtsschreiber in Deutschland 1347–1517, in: Mentalitäten im Mittelalter. Methodische und inhaltliche Probleme, hg. v. František Graus, Sigmaringen 1987 (VuF 35), 296 f.; Ulrich Andermann, Albert Krantz. Wissenschaft und Historiographie 1500, Weimar 1999 (Forsch. zur mittelal­ ter­lichen Geschichte 38), 194 f., Ders., Historiographie und Interesse. Rezeptionsverhalten, Quellenkritik und Patriotismus im Zeitalter des Humanismus, in: Das Mittelalter 5 (2000), 91 Anm. 20. 69  Entre l’Église et l’État (wie Anm. 32), 179. 70 Johannes Martinus Lydius (Hg.), Nicolai de Clemangiis opera omnia, II, Leiden 1613 (ND 1967), ep. 46 (nach dieser Ausgabe sind die Briefe noch immer zu zitieren, da eine von Dario Cecchetti 1960 in Turin erstellte Edition des Epistolars ungedruckt blieb). Vgl. Dario Cecchetti, L’evoluzione del latino umanistico in Francia, Paris 1986 (Rubricae. Histoire du livre et des textes 3), 16 mit Anm. 8. Insbesondere die von Cecchetti geleistete philologische Analyse des Briefcorpus erweist die Einschätzung von Sprache und Stil des Nicolas de Clamanges durch Augustin Renaudet als Fehlurteil: „Son humanisme prétendu se borne à une recherche de la correction et de l’élégance dans l’expression; son style est souvent enflé et déclamatoire, aucune influence des écoles italiennes ne se sent encore dans ses écrits“: Préréforme et Humanisme à Paris pendant les premières guerres d’Italie (1494–1517), Paris ²1953, 78. Letzte Überblicke über Leben und Werk von Clamanges bieten S(ylvie) L(efèvre), in: Dictionnaire (s. Anm. 7: Tesnière), 1063 ff.; Christoph Burger, in: Theol. Realenzyklopädie XXIV (1994), 546–549; Ders., in: LThK VII (31998), 848 f.; Gilbert Ouy, in: Dict. encyclopédique du Moyen Age II (1997), 1074; Gorochov, Le collège de Navarre (wie Anm. 12), 616 f.; Desportes, Diocèse de Reims (wie Anm. 46 a), 441; Christopher M.

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machten an der Kurie in Avignon derart Eindruck, daß Kardinal Galeotto Tarlati da Pietramala darob mit ihm Ende 1394 in einen Briefwechsel trat, der von Seiten Clamanges’ aber eher als Petrarcainvektive geführt wurde71. Kurz zuvor hatte er sich obendrein in einer Ekloge zum Herold seiner allüberragenden Alma Mater gemacht, aus deren Reihen der nächste Papst kommen müsse72 – was ihn selbst aber keineswegs daran hinderte, 1397 als Skriptor in die avignonesische Kanzlei des Spaniers Benedikt XIII. einzutreten und solange wie irgendmöglich im Dienst dieses Papstes zu bleiben73. Unhaltbar wurde seine Situation, als er 1408 in Verdacht geriet, die Exkommunikationsbulle gegen König Karl VI. verfaßt zu haben. Clamanges betonte daraufhin in Briefen an die Pariser Universität wie an Vertraute seine Treue zu Herrscher und Reich, zog sich aber in die Einsamkeit der Kartause von Valprofonde und des Priorats von Fontaine-au-Bois zurück74. Stilisierte hier jemand sein Leben nach dem Vorbild des großen Gegners zwischen Avignon und der Stille von Fontaine-de-Vaucluse? Ich greife damit eine vage Vermutung von Pierre Santoni auf 75, die aber gewisse Bestätigung durch die von Dario Cecchetti geführten Nachweise findet, daß Clamanges in seinen Werken und Briefen stilistisch und thematisch von Petrarca in außerordentlich hohem Maß abhängig ist. (Dabei überarbeitete er insbesondere die Briefe mit Blick auf Ruf und Ruhm in der Nachwelt nach dem Modell ciceronianischer Rhetorik so tiefgreifend, daß sie – bislang nur in einer Ausgabe von 1613 vorliegend – als Quelle mit Vorsicht zu benutzen sind76.) Noch 1423 verbreitete er die widerBellitto, Nicolas de Clamanges. Spirituality, Personal Reform, and Pastoral Renewal on the Eve of the Reformations, Washington / D.C. 2001, 11–32. 71 Edition bei Cecchetti, Petrarca, Pietramala e Clamanges (wie Anm. 1), 135 ff. (Zitat 136), 138–161, 162–176; vgl. Ders., Sulla fortuna (wie Anm. 10), 202 mit Anm. 4; Simone, Il Rinascimento (wie Anm. 5), 48 f.; Ouy, Le collège de Navarre (wie Anm. 11), 285; Saccaro, Französischer Humanismus (wie Anm. 4), 155 ff. (Nach S. sind die Briefe weiterer Beleg für eine französische Petrarcarezeption im Zeichen steten Mißverständnisses.) 72 Siehe Anm. 22 b. 73 Ornato, Jean Muret (wie Anm. 15), 40–45; Ders., L’Humanisme (wie Anm. 1), 60 ff.; vgl. Coville, Recherches (wie Anm. 42), 35 ff.; Guenée, Entre l’Église et l’État (wie Anm. 32), 224; Gorochov, Le collège de Navarre (wie Anm. 12), 617 (zu 1395); Steven Ozment, The Age of Reform 1250–1550. An Intellectual and Religious History of Late Medieval and Re­for­ mation Europe, New Haven – London 1980, 78, 158 f. 74 Lydius (Hg.), Clemangiis opera, II (wie Anm. 70), epp. 42, 43, 45; cf. 46, 49, 52, 55. Vgl. Coville, Recherches (wie Anm. 42), 255; Ornato, Jean Muret (wie Anm. 15), 61 ff.; Guenée, Entre l’Église et l’État (wie Anm. 32), 252 ff. 75 Pierre Santoni, Les lettres de Nicolas de Clamanges à Gérard Machet. Un humaniste devant la crise du Royaume et de l’Église, in: MEFRM 99/II (1987), 796 f. mit Anm. 18. 76 Cecchetti: a) Sulla fortuna (wie Anm. 10), 201–222; b) Petrarca, Pietramala e Clamanges (wie Anm. 1), 33–59, 61–89; c) L’evoluzione (wie Anm. 70), 13–42, 91–126; d) ‚Sic me Cicero laudare docuerat.‘ La retorica nel primo umanesimo francese, in: Préludes (wie Anm. 9: Beltran), 46–106; vgl. auch Ornato, Jean Muret (wie Anm. 15), 134 Anm. 167. Möglicherweise hat Clamanges, wohlbedacht auf seinen Ruf in der Nachwelt, sogar alle aus der Zeit vor 1394 stammenden Schriften vernichtet; hierzu Ouy, Le collège de Navarre (wie Anm. 11), 284; Ders., Les recherches (wie Anm. 2), 288.

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sprüchliche Fiktion, er kenne diesen Autor nicht, den er immer seltener gelesen habe: cuius ego auctorem ignorans, quem semper rarius perlegi, um spitz zu schließen: Neque enim aut laurea poetam aut verbosa facit loquacitas oratorem77. Clamanges, das ist Stilisierung und Fiktion, schillerndes Spiel von Schein und Sein, angewiderte Bewunderung eines Großen für einen in Leben und Werk Größeren. Sein eigenes Leben und Werk stehen für einen Wesenszug des gesamten europäischen Renaissancehumanismus, der in Frankreich besonders früh und deutlich und am deutlichsten eben bei Clamanges aufscheint: der Erziehung und Formung durch Italien, alles und aller Modell und Maßstab, dessen Prägekraft man sich zugleich abwehrend, ja leugnend zu entziehen suchte. Vieles noch ließe sich über den Philologen und Sammler insbesondere ciceronianischer Opera sagen, den deswegen wohl auch ein Poggio aufsuchte, des weiteren über den ausschließlich für antike Werke die Antiqua verwendenden oder über den sich um das Griechische mühenden Schreiber78, schließlich über seine späte Rückkehr in das Navarrakolleg zur Zeit der angloburgundischen Herrschaft über Paris. Mochte er im Alter dort vielleicht auch nicht mehr viel bewegen (Guenée: „Son corps lui survécut“)79, sein Entschluß war vielleicht für das Fortleben der Stätte von Bedeutung, weil Clamanges stets den parteiübergreifenden Briefkontakt zu früheren Navarraabsolventen – ob nun Humanisten oder nicht – aufrechthielt, die, als königsnahe Aufsteiger mehrheitlich Gegner Burgunds und Englands, sich im innerfranzösischen Exil um Karl VII. geschart hatten und nach ihrer Rückkehr in das 1436 wiedereroberte Paris gerade an solche Verbindungen anknüpfen konnten80. Auch im Alter hat Clamanges nicht 77 Lydius (Hg.), Clemangiis opera, II (wie Anm. 70), ep. 135. Vgl. Cecchetti, Sulla fortuna (wie Anm. 10), 208 ff.; Ouy, Paris (wie Anm. 1), 84 f.; Ders., Le collège de Navarre (wie Anm. 11), 285. – Zum Adressaten Carla Bozzolo, Renaud de Fontaines, évêque de Soissons, 1423–1442, in: Bull. de la Soc. historique de Compiègne 28 (1982) (= Actes du Colloque ‚Jeanne d’Arc‘ …, 25/26 X 1980), 119–131. 78 Hierzu vor allem Ouy: a) Paris (wie Anm. 1), 94–97; b) Le collège de Navarre (wie Anm. 11), 286 ff., 296 f.; c) L’Humanisme français (wie Anm. 5), 30–34; d) Les recherches (wie Anm. 2), 281–284; e) Nicolas de Clamanges (ca. 1360–1437), philologue et calligraphe: imitation de l’Italie et réaction antiitalienne dans l’écriture d’un humaniste français au début du XV e siècle, in: Renaissance‑ und Humanistenhandschriften, hg. v. Johanne Autenrieth, München 1988 (Schriften des Histor. Kollegs. Kolloquien 13), 31–50. 79 Entre l’Église et l’État (wie Anm. 32), 180. – Zur Rückkehr nach Paris und (indes nicht ganz gesicherten) Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit s. Peter Hemmerle, Das religiöse und kirchenpolitische System des Pariser Theologen Nicolaus Poillevilain gen. Nicolaus von Clemanges, 1363–1437, Diss. Tübingen 1912, 113; Anton Simon, Studien zu Nikolaus von Clemanges, Diss. Freiburg / Brsg. 1929, 27; Ouy, Le collège de Navarre (wie Anm. 11), 291, 293; GrévyPons, Propagande (wie Anm. 65), 132 Anm. 30; Gorochov, Le collège de Navarre (wie Anm. 12), 617. 80 Ich selbst habe dies an den großen kirchenpolitischen Fragen der Zeit aufzuzeigen versucht (Die Franzosen; vgl. Köln und das Reich [beide wie Anm. 21]), doch ließe es sich ebenso eindeutig an zahlreichen anderen Beispielen wie etwa dem Parlament nachweisen: Autrand, Naissance (wie Anm. 47); vgl. Roger G. Little, The Parlement of Poitiers. War, Government and Politics in France 1418–1436, London – New Jersey 1984 (Royal Historical Society Studies

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von seinen humanistischen Interessen gelassen; wenn er einmal schrieb, sich von der paganen Literatur abwenden zu wollen, entspricht dies nur dem Topos des taedium scriptorum gentilium, nicht aber seinem weiteren Tun und seinen grundsätzlichen Vorstellungen81. Diese hat er einmal 1408 programmatisch formuliert, als er sich gegen die Vorwürfe des Verrats an König und Land wehren mußte, und hier mag man den Verschleierer durchaus beim Wort nehmen, nämlich bei seinem Wunsch, daß ipsam eloquentiam diu sepultam, in Gallicis quodammodo renasci. Wenig später fährt er in Aufnahme des Leonardo Bruni-Worts zu Petrarca et nobis viam aperuit fort: meo exemplo praevioque ducatu viam diutius obseptam paululum aperui, in qua ad patriae gloriam alios gaudebo magis proficientes id assequi posse, quod ipse forte non potui82.

III. Mit Clamanges, der übrigens gleich Gerson als vielgelesener Autor der Kirchenreform von Nachwelt wie Forschung gleichermaßen geschätzt wurde und wird – neuerdings sieht man ihn auch im Kontext der Devotio Moderna, und eine soeben erschienene Arbeit von Christopher M. Bellitto handelt bezeichnenderweise von ihm unter den Aspekten „Spirituality, Personal Reform and Pastoral

in History Series 42). – Insbesondere Gérard Machet, der aus dem Navarrakolleg hervorgegangene Beichtvater König Karls VII., darf als geheime Mitte eines ebenso engmaschigen wie weitgespannten Beziehungsnetzes gelten, das, die Parteiungen im Hundertjährigen Krieg übergreifend, einen Jean Gerson im armagnakischen Exil von Lyon ebenso einschloß wie jene in Paris verbliebenen ehemaligen Sodalen des Kollegs, die für Burgund und England optiert hatten. Vgl. Müller, Franzosen, I, 346–368 („Gérard Machet, königlicher Beichtvater und Bischof von Castres“); Ders., Zur Prosopographie des Basler Konzils. Französische Beispiele, in: AHC 14 (1982), 159–166 („Eine Stätte der Gelehrsamkeit und Basel: Das Navarrakolleg“). Jene von Santoni (Les lettres [wie Anm. 75], 793–823) untersuchten Briefe des Nicolas de Clamanges an Gérard Machet aus den Jahren 1410 bis 1417 muten wie ein Vorspiel dazu an; vgl. hierüber auch schon die – von Santoni teilweise mit Skepsis aufgenommenen – Ausführungen von Dario Cecchetti, Nicolas de Clamanges e Gérard Machet. Contributo allo studio dell’epistolario di Nicolas de Clamanges, in: Atti dell’Accademia delle scienze di Torino, Reihe 2: Classe di scienze morali, storiche et filologiche 100 (1965/66), 133–191. Eine äußerst wertvolle Quelle, auch für die Geschichte des Königreichs am Ausgang des Hundertjährigen Kriegs, stellt die – noch immer unediert gebliebene – Briefsammlung Machets dar (Paris, BN, ms. lat. 8577); da aber die meisten der darin überlieferten Stücke aus den Jahren 1440 bis 1448 datieren und keine Humanistica betreffen, sind sie für unser Thema nicht mehr von unmittelbarer Relevanz. 81 Ouy: a) Paris (wie Anm. 1), 92 f.; b) Le collège de Navarre (wie Anm. 11), 289 f.; c) Les recherches (wie Anm. 2), 283; d) Le thème du taedium scriptorum gentilium chez les humanistes, particulièrement en France au début du XV e siècle, in: Cahiers de l’Association internationale des études françaises 23 (1971), 9–26. 82 Lydius (Hg.), Clemangiis opera, II (wie Anm. 70), ep. 46; vgl. Cecchetti, Sulla fortuna (wie Anm. 10), 216. – Bruni: Dialogi ad P. P. Istrum, in: Eugenio Garin (Hg.), Prosatori latini del Quattrocento, Mailand – Neapel 1952 (La letteratura Italiana. Storia e testi 13), 94.

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Renewal on the Eve of the Reformations“83 –, mit Clamanges also zeichnet sich, sit venia verbo, eine „humanismusrelevante Achse“ Paris – Avignon ab: für uns Anlaß, die Aufmerksamkeit auf weitere Stätten des frühen Humanismus in und nahe Frankreich zu lenken, nicht ohne zuvor aber noch aus Paris den Navarraabsolventen Jean Courtecuisse, Stellvertreter Gersons und Ortsbischof auf kurze Zeit, sowie den Augustiner Jacques Legrand wegen ihrer humanistisch getönten Redner‑ und Predigerkunst wenigstens zu erwähnen; im Falle von Legrand bleibt zudem auf gewisse Hebräischkenntnisse und vor allem auf sein weitverbreitetes „Sophilogium“/„Archiloge Sophie“ hinzuweisen, dessen Kapitel über die Poesie noch Wimpheling als einführende Lektüre empfehlen wird84. Gleich den ebenfalls aus der Champagne oder deren Nachbargebieten stammenden und nach den Orten ihrer Herkunft genannten Gerson, Montreuil und Clamanges bezeichnete sich auch der um 1365 geborene Laurent Guillot nach seinem bei Troyes gelegenen Heimatdorf als Premierfait85. Es ist unsicher, ob der Talentierte den Weg in das Studenten aus dieser Region vorbehaltene Navarrakolleg fand; auf jeden Fall tritt der ob seiner Dichtkunst von dem mailändischen Sekretär Antonio Loschi Gelobte und auch von Jean Lebègue als poeta et orator eximius Gerühmte erstmals um 1390 in Avignon als Sekretär des Kardinals Amédée de Saluces in Erscheinung, vermittelt vielleicht von dem in Reims bepfründeten und daher in der Champagne auf ihn aufmerksam gewordenen

83 Siehe

Anm. 70.

84 a) Courtecuisse:

Giuseppe di Stefano (Hg.), L’œuvre oratoire française de Jean Courtecuisse, Turin 1969; vgl. Ders., L’opera oratoria di Jean Courtecuisse e la letteratura parenetica del sec. XV, in: Miscellanea di studi (wie Anm. 22: Cecchetti), 93–164. Vgl. auch Alfred Coville, Recherches sur Jean Courtecuisse et ses œuvres oratoires, in: BECh 65 (1904), 469– 529; vgl. Ders., in: ebd. 80 (1919), 109–120; Ouy, Le collège de Navarre (wie Anm. 11), 292; Ders., La recherche (wie Anm. 4), 705; Guenée, Entre l’Église et l’État (wie Anm. 32), 177; Beltran, L’Humanisme (wie Anm. 9), 129. Allgemein Guillaume Mollat, in: DHGE XIII (1956), 953 f. – Nachträge dazu ebd. XXVI (1997), 1444; Francis Oakley, The Tractatus de fide et ecclesia, Romano pontifice et concilio generali of Johannes Breviscoxe, in: AHC 10 (1978), 99–130 (99 f. Vita und Literaturüberblick); Louis Binz, Le diocèse de Genève, in: Ders./ Jean Emery / Catherine Santschi, Helvetia Sacra, I/3, Bern 1980, 97 f.; S(ylvie) L(efèvre), in: Dictionnaire (wie Anm. 7: Tesnière), 764 f. b) Legrand: Evencio Beltran (Hg.), Archiloge Sophie – Livre de Bonnes Meurs, Paris 1986 (Bibl. du XV e siècle 49); vgl. Ders.: a) Jacques Legrand: sa vie et son œuvre, in: Augustiniana 24 (1974), 132–160, 387–414; b) Un hébraïsant à Paris vers 1400: Jacques Legrand, in: Archives Juives 17 (1981), 41–49 (mit Gilbert Dahan); c) L’idéal de sagesse d’après Jacques Legrand, Paris 1989; d) L’Humanisme (wie Anm. 9), 130. Allgemein S(ylvie) L(efèvre), in: Dictionnaire (wie Anm. 7: Tesnière), 733 f. 85 Carla Bozzolo, Le dossier Laurent de Premierfait, in: Italia medioevale e umanistica 22 (1979), 439–477; R. C.  Famiglietti, Laurent de Premierfait: the Career of a Humanist in Early Fifteenth-Century Paris, in: JMH 9 (1983), 25–42; S(ylvie) L(efèvre), in: Dictionnaire (wie Anm. 7: Tesnière), 922 ff.; Ornato, Cicéron (wie Anm. 1), 37 f. Anm. 38; Ders., L’Humanisme (wie Anm. 1), 61. Zuletzt: Un traducteur et un humaniste de l’époque de Charles VI: Laurent de Premierfait, hg. v. Carla Bozzolo, Paris 2004.

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Sekretär Clemens’ VII., Jean Muret86. Anders als Clamanges, trennte Premierfait sich aber schon 1398 anläßlich des ersten französischen Obödienzentzugs von Benedikt XIII., um in Paris eine dank der humanistischen Lehrjahre im Schatten des Papstpalastes wohlvorbereitete und von prominenten Mäzenen aus Adel und Administration getragene Karriere als Boccaccio‑ und Ciceroübersetzer sowie als Kommentator von Statius, Terenz und Livius zu beginnen87. Fünf vor einigen Jahren von Ouy wiederentdeckte politische Gedichte – ansonsten scheint seine von den humanistischen Zeitgenossen geschätzte Lyrik verloren –, die Premierfait wohl auf dem Konstanzer Konzil in Umlauf brachte, lassen ihn als karriereorientierten Aufsteiger à la Jean Lebègue erscheinen, der andererseits in den Prologen oder an ihm geeignet erscheinenden Stellen seiner Übersetzungen offenkundig ohne Rücksicht auf seine Gönner mit den Vergehen der Regierenden seiner Zeit in Welt und Kirche scharf ins Gericht geht, um die desolate Gegenwart mit dem seiner Ansicht nach in den moralischen Qualitäten des Volks gründenden Aufstieg Roms zu kontrastieren88. Jean Muret, dem möglichen Entdecker dieses Dichters und Übersetzers, hat Ezio Ornato 1969 ein ganzes Buch gewidmet89. Zu Recht, denn der 1345/50 bei Le Mans geborene Muret, der in den achtziger Jahren gleichfalls als Sekretär eines Kardinals in Avignon in Erscheinung tritt, hat als Genius französischer Humanistenfreundschaft zu gelten, da er Kontakte zu Montreuil und Gontier Col wie auch zu Clamanges pflegte, dem er vielleicht ebenso wie Premierfait Zugang zum kurialen Dienst verschaffte. In Avignon schloß Muret eine weitere, später durch die wechselseitige Widmung von Gedichten besiegelte Freundschaft mit seinem, gleich ihm aus der Herrschaft der Anjou stammenden, neapolitanischen Altersgenossen, dem Petrarcaliebhaber Giovanni Moccia, der seinerseits in den frühen achtziger Jahren einen neuen, eloquentia Italiana genannten Stil in die Kanzlei eingeführt hatte90. Unter seinem Einfluß wurde nun von Muret die Gestaltung 86 a) Ein unsicheres Indiz für eine Ausbildung im Navarrakolleg bei Roccati, La formation (wie Anm. 9), 61 Anm. 32. – b) Eine Vermittlung Murets vermutete Famiglietti, Laurent de Premierfait (wie Anm. 85), 29; zu Premierfait in Avignon Ornato, Jean Muret (wie Anm. 15), 274 s. v. „Premierfait (Laurent de)“. 87  Hierzu vor allem Carla Bozzolo, Manuscrits des traductions françaises d’œuvres de Boccace, XV e siècle, Padua 1973 (Medioevo e umanesimo 15), 3–23, 25–29, 49–91, 100–110, 123–149, 155–165, 173–180, 183–190. Die französische Übersetzung von Boccaccios „De casibus virorum illustrium“ durch Premierfait übertrug John Lydgate unter dem Titel „Fall of Princes“ ins Englische: Patricia M. Gathercole, Lydgate’s Fall of Princes and the French Version of Boccaccio’s De casibus, in: Miscellanea di studi (wie Anm. 22: Cecchetti), 165–178. 88 a) Zu den Gedichten s. die Anm. 49 c zitierte Studie von Ouy. – b) Invektiven: Carla Bozzolo, La conception du pouvoir chez Laurent de Premierfait, in: Préludes (wie Anm. 9: Beltran), 191–205; vgl. Ezio Ornato in seinem Vorwort zu diesem Sammelband (XI). S. auch Anm. 140. 89 Wie Anm. 15. 90 Hierzu Ornato, Jean Muret (wie Anm. 15), passim. Eine kurze biographische Skizze bietet Ders. auch in seiner Studie: L’umanista Jean Muret ed il suo dialogo De contemptu mortis, in: Miscellanea di studi (wie Anm. 22: Cecchetti), 244 f. – Zu Giovanni Moccia Ornato, Jean

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eines eminent mittelalterlichen Themas, des u. a. bereits von Innozenz III. abgehandelten Contemptus mortis, in humanistischer Form versucht, d. h. mit weitaus mehr Klassiker‑ als Bibelzitaten sowie mit Anrufungen heidnischer Götter und mythologischen Reminiszenzen. Wohl schon vor 1388 verfaßt, handelt es sich um das früheste humanistische oder zumindest um die Adaptation von Humanistica bemühte größere Werk eines Franzosen überhaupt91. Erwachsen aber ist es einer Welt, die im 14. Jahrhundert kulturell stärker von Italien als Frankreich geprägt wurde – in Avignon ließ sich, und das wußte ein Clamanges sehr wohl (wie wir es nach einem Blick in den Katalog der päpstlichen Bibliothek von 1379 wissen92), weitaus besser als in Paris auf Petrarcas Spuren wandeln. Mochte auch dieser Welt keine Zukunft mehr beschieden sein, als in Paris endgültig die auf Konfrontation mit Benedikt XIII. setzenden Kräfte die Oberhand gewonnen hatten93, so hinterließ sie doch am Ort ihre Spuren, etwa an der Universität, wo ein Cosma Raimondi von 1436 bis 1441 die Rhetorik der Alten lehrte, oder in den Bibliotheken der Kollegien wie etwa in St-Michel oder St-Marcel, wo Guillaume Fichet 1455 nach eigenem Bekunden alle Werke Petrarcas in Händen hielt94. Ganz konkret war dieses Ende mit der Ermordung des Herzogs Ludwig von Orléans durch den Burgunder 1407 in Paris gekommen. Denn damit ging Benedikt XIII. seines mächtigsten Protektors verlustig, der ihn übrigens, unterstützt von einer Demarche des Jean de Montreuil, noch 1403/04 mit Nouvion im Gefolge in Avignon aufgesucht hatte95. Das aber bedeutete einen fast ebenso herben und zudem doppelten Schlag für den jungen Humanismus wie 1418 das burgunMuret, 260 f. s. v. „Moccia (Giovanni)“. S. auch Coville, Gontier et Pierre Col (wie Anm. 42), 148–164; Franco Peano, Giovanni Moccia e Laurent de Premierfait: problemi di stile e di linguaggio nel primo umanesimo francese, in: Studi francesi 24 (1980), 66–73; Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 22 ff. 91 Ornato, L’umanista Jean Muret (wie Anm. 90), 241–353 (mit Edition; im Anhang eine weitere Edition von fünf metrischen Gedichten des Giovanni Moccia, drei davon sind Muret dediziert [343–353]); Ders., L’Humanisme (wie Anm. 1), 59 f.; Ders., L’intertextualité (wie Anm. 9), 240; s. dazu auch Coville, Gontier et Pierre Col (wie Anm. 42), 235–242. 92  Vgl. Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 21. Es gilt aber bereits für die Zeit vor dem großen Schisma: „cette bibliothèque était vraisemblablement, sur le plan quantitatif, la plus riche d’Europe; même la bibliothèque de la Sorbonne … ne pouvait lui être comparée de ce point de vue“ [hinsichtlich der Zahl der antiken Klassiker]: Ornato, L’Humanisme (wie Anm. 1), 54. 93 Hierzu immer noch grundlegend Noël Valois, La France et le grand schisme d’Occident, III, Paris 1901 (ND 1967). Vgl. auch Howard Kaminsky, Simon de Cramaud and the Great Schism, New Brunswick / NJ 1983; Hélène Millet, Du conseil au concile (1395–1408). Recherche sur la nature des assemblées du clergé en France pendant le grand schisme, in: JS a. 1985, 137–159. 94 Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 69. 95 Grundlegend Bernard Guenée, Un meurtre, une société. L’assassinat du duc d’Orléans 23 novembre 1407, Paris 1992. – Zu Ludwig von Orléans und Nouvion in Avignon sowie zu Montreuil: Valois, La France, III (wie Anm. 93), 354–364; Coville, Recherches (wie Anm. 42), 186; Ornato, Jean Muret (wie Anm. 15), 103 f. Anm. 23, 108 f., 164, 189; Vasoli, Les débuts (wie Anm. 29), 271.

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dische Massaker in der Hauptstadt: Er verfügte weder im Umkreis von Orléans noch in Avignon mehr über eine Heimstatt – nicht ohne Grund hatte übrigens Jean de Montreuil bei der ersten Substraktion der Obödienz 1398 versucht, die in der avignonesischen Kanzlei tätigen Clamanges und Muret zur Übersiedlung nach Paris und zum Eintritt wohl in den Dienst des Herzogs zu bewegen96. Und trotzdem führte der Tod dieses bezeichnenderweise die „Marmousets“ fördernden, durch seine Gattin nach Mailand hin orientierten und weitausgreifende Italienpläne hegenden Fürsten ebensowenig wie das fast gleichzeitige Ende des avignonesischen Kanzleihumanismus oder dann das Blutbad von 1418 zur vielzitierten „Renaissance avortée“. Einige Repräsentanten der ersten Generation wie Clamanges oder Lebègue lebten ja noch, und es wuchsen ungeachtet der Krise und des Krieges sogar so viele Vertreter nach – dabei handelt es sich wohlgemerkt weiterhin um einzelne Persönlichkeiten, jetzt aber vornehmlich außerhalb von Paris –, daß man durchaus von einer gewissen Kontinuität des französischen Humanismus sprechen darf 97. Die zahlreichen Indizien und Nachweise hierfür verdanken wir vornehmlich der ebenso aufwendigen wie geduldigen Arbeit von Evencio Beltran, hinter dessen Terminus „humanisme hybride“ (Zwitter-, Bastardhumanismus) zur Bezeichnung dieser die erste Humanistengeneration mit einem Fichet und Gaguin verbindenden „Zwischenglieder“ jedoch mit Malte Prietzel ein Fragezeichen gesetzt sei, zumal Beltran den Begriff später anders definierte, da er mit ihm nunmehr all jene französischen Theologen bereits seit der Generation Gersons meint, für die sich Humanismus in Formenadaptation erschöpft habe bei gleichzeitiger Distanz zur „idéologie humaniste“98. Auch sollte 96 Jean de Montreuil, Opera, I (wie Anm. 24), ep. 139, 145; dazu IV, S. 223 ff., 227 ff. – Lydius (Hg.), Clemangiis opera, II (wie Anm. 70), ep. 14, 16, 19. Vgl. Ornato, Jean Muret (wie Anm. 15), 68 f., 72, 78, 80 f., 188 f. – Zur Substraktion allgemein Hélène Millet / Emmanuel Poulle, Le vote de la soustraction d’obédience en 1398, I, Paris 1988, bes. 1–7 („Les événements“). 97 Mit dieser vor allem durch Augustin Renaudet (Préréforme [wie Anm. 70]) verbreiteten und, wie dargelegt, bis heute noch fortwirkenden These einer „Renaissance avortée“ setzte sich zunächst Franco Simone (Il Rinascimento [wie Anm. 5]) auseinander, dessen grundsätzliche Kritik Gilbert Ouy in vielen seiner hier zitierten Arbeiten – auch im Zusammenhang mit immer wieder neu gebotenen Überblicken zur Forschungsgeschichte – aufnahm und weiter untermauerte. Eine gewisse Skepsis brachte dann wieder Ezio Ornato zum Ausdruck, dessen Einwürfe sich hier in Anm. 51 resümiert finden. 98 Evencio Beltran, Continuité de l’Humanisme français au XV e siècle: L’exemple de Pierre de la Hazardière, in: L’aube (wie Anm. 14: Ouy), 123–136; Ders., L’Humanisme français (wie Anm. 9), 123–162. Parallel dazu edierte er die entsprechenden Texte: Humanistes français du milieu du XV e siècle. Textes inédits de Pierre de la Hazardière, Jean Serra, Guillaume Fichet. Édition, introduction, notes et index, Genf 1989 (THR 235); Nouveaux textes inédits d’humanistes français du milieu du XV e siècle. Pierre de la Hazardière, Jean Serra, Jean Jouffroy, Guillaume Fillastre et Antoine de Neufchatel. Édition, introduction, notes et index, Genf 1992 (THR 266). – Zum „humanisme hybride“ Beltran, L’Humanisme français, 155; Ders. / Malte Prietzel, Le second chancelier de l’ordre: Guillaume Fillastre II, in: L’ordre de la Toison d’or, de Philippe le Bon à Philippe le Beau (1430–1505): idéal ou reflet d’une société?, unter der Leitung v. Pierre Cockshaw hg. v. Christiane Van den Bergen – Pantens, Brüssel 1996, 120.

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in diesem Zusammenhang nicht, wie es Cecchetti und vor allem Simone taten, der am Hof Karls VII. mächtige königliche Beichtvater Gérard Machet bemüht werden. Zwar war dem ehemaligen Navarrasodalen bis an sein Lebensende 1448 sehr an dem Kolleg gelegen, und er pflegte deshalb auch jene parteiübergreifende Korrespondenz wie ein Clamanges und mit Clamanges, jedoch im Unterschied zu diesem ist der Stil seiner Briefe allem Humanistischen denkbar fern (was jedoch den hohen und bislang nur zum Teil erkannten Wert seines nie edierten Epistolars für die französische Geschichte der Zeit in keiner Weise mindert99). Nach Avignon soll nun von einem Sonderfall, der Normandie, die Rede sein, wo der Humanismus dank der Regierung von Bischöfen aus der mailändischen Familie Castiglione nach 1430 über mehrere Jahrzehnte eine stärkere Prägekraft als andernorts in Frankreich und vor allem beachtliche Transferleistungen nach England entfalten bzw. erbringen sollte. Ausschlaggebend für besagte Pontifikate war wohl – so auch Tino Foffano – das gute Einvernehmen des Kardinals Branda da Castiglione mit den Engländern auf dem Konstanzer Konzil, insbesondere mit dem Bischof von Winchester und späteren Kardinal von England, Henry Beaufort100. Branda übernahm alsbald die Administration des Bistums Lisieux in der englisch besetzten Normandie, der Neffe Zanone folgte ihm dort 1424 als Bischof, um von 1432 bis zu seinem Tod 1459 die Kirche des benachbarten Bayeux zu leiten101. Gleichfalls in der Normandie, nämlich in Coutances, begann Den von Beltran in diese gemeinsame Veröffentlichung eingebrachten Begriff sah Prietzel – zu Recht – aber als wenig glückliche Bezeichnung an, „die suggeriert, es handele sich um etwas Kümmerliches und Mangelhaftes, von einem angeblichen Normalfall im negativen Sinne Abweichendes“: Guillaume Fillastre der Jüngere (wie Anm. 46), 411 Anm. 22.  99 Simone, Il Rinascimento (wie Anm. 5), 116, wies darauf hin, daß zwischen dem Tod Machets und der Ankunft Fichets in Paris nur drei Jahre lagen; vgl. Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 70. Dies ist eine allenfalls chronologisch zutreffende, indes keinerlei sachliche Zusammenhänge erhellende Feststellung; s. dazu auch Robert Klein in seiner Besprechung des Buchs von Simone: BHR 23 (1961), 649, sowie hier Anm. 80. 100 Tino Foffano, Umanisti italiani in Normandia nel secolo XV, in: Rinascimento II / 4 (1964), 5, 31 Anm. 1; Susanne Saygin, Humphrey, Duke of Gloucester (1390–1447) and the Italian Humanists, Leiden 2001 (Brill’s Studies in Intellectual History 105), 146 f. Anm. 7 (mit weiterer Literatur). 101  (Jean) Hermant, Histoire du diocèse de Bayeux, Caen 1705, 326 f.; H(onoré) Fisquet, La France pontificale (Gallia Christiana): Bayeux et Lisieux, Paris o. J. [1866], 72 f.; Henri de Formeville, Histoire de l’ancien évêché-comté de Lisieux, III, Lisieux 1873 (ND 1971), 176; Charles de (Robillard de) Beaurepaire, Notes sur les juges et assesseurs du procès de condamnation de Jeanne d’Arc, in: Précis analytique des travaux de l’Académie des sciences, belleslettres et arts de Rouen 91 (1888/89), 492; Noël Valois, Histoire de la Pragmatique Sanction de Bourges sous Charles VII, Paris 1906 (Archives de l’histoire religieuse de la France), LIV; August Zellfelder, England und das Basler Konzil, Berlin 1913 (ND 1965) (HS 113), 79 ff.; Pierre Champion, Procès de condamnation de Jeanne d’Arc …, II: Introduction, traduction et notes, Paris 1921 (Bibl. du XV e siècle 23), 407 (mit irriger Gleichsetzung von Zanone und Giovanni da C., übernommen von Pierre Tisset / Yvonne Lanhers, Procès de condamnation de Jeanne d’Arc, II, Paris 1970, 388); Joseph Toussaint, Les relations diplomatiques de Philippe le Bon avec le concile de Bâle (1431–1449), Löwen 1942 (RTHP III / 9), 17; Bernard de Mahieu, Étude sur les évêques et le diocèse de Bayeux au milieu du XV e siècle (1431–1479),

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1444 dessen Neffe Giovanni da Castiglione als Bischof eine Laufbahn, die ihn bis ins Kardinalat und damit übrigens auch in jenes Konklave des Jahres 1458 führen sollte, in dem er Enea Silvio anvertraute, er werde für Guillaume d’Estouteville als Nachfolger Calixts III. votieren, und sich daraufhin – zumindest nach dem Selbstzeugnis des dann tatsächlich zum Papst gewählten Piccolomini – von diesem uns Wohlbekanntes anhören mußte: Italus homo, Galliae melius quam Italiae consulis102. Doch zunächst zu dem u. a. bei Gasparino Barzizza ausgebildeten, sich später auch als Philologe und Kollationator betätigenden Zanone: Er fand aus der englischen Normandie rasch zu guten Beziehungen zu dem humanismusinteressierten Protektor im englischen Regentschaftsrat, Herzog Humphrey von Glou-

in: ECh. Positions des Thèses 1943, 144; R. Mols, Zanon di Castiglione, in: DHGE XI (1949), 1447 ff.; Henri Tribout de Morembert, Zanon de Castiglione, in: DBF VII (1956), 1389; René Herval, Trois grands évêques italiens en Normandie au XV e siècle: Branda, Zeno et Giovanni Castiglione, in: Études Normandes 32 (1959), 190–195; Mario Emilio Cosenza, Biographical and Bibliographical Dictionary of the Italian Humanists, IV, Boston / Mass. 1962, 3751 f., und ebd., V, 1962, 493; Foffano, Umanisti (wie Anm. 100), passim; Ders., Tra Costanza e Basilea. Rapporti col mondo d’oltrealpe del card. Branda Castiglioni, legato pontificio e mecenate della cultura, in: The Late Middle Ages (wie Anm. 45: Monfrin), 24; Ders., La mediazione culturale di alcuni discepoli di Gasparino Barzizza, di Vittorino da Feltre e di Guarino Veronese in Francia e in Inghilterra, in: Rapporti e scambi tra umanesimo italiano e umanesimo europeo (Atti del Convegno int., Chianciano – Pienza, 19–22 VII 1999), hg. v. Luisa Rotondi Secchi Tarugi, Mailand 2001, 577–584; Gianni Mombello, Dalla cattività avignonese alla caduta de Carlo VIII. Le tappe dell’influenza culturale italiana in Francia. Risultati e prospettive, in: Rapporti culturali (wie Anm. 24: Ouy), 177; M. G.  Cruciani Troncarelli, Zanone Castiglioni, in: DBI XXII (1979), 178–181; Guenée, Entre l’Église et l’État (wie Anm. 32), 336 f.; François Neveux, Les chanoines de Bayeux et de Lisieux (XIIIe– XV e siècle), in: Sylvette Lemagnen / Philippe Manneville (Hg.), Annales de Normandie. Sér. des Congrès des Soc. historiques et archéologiques de Normandie, II: Chapitres et cathédrales en Normandie, Caen 1997, 186 f.; Gilles Désiré dit Gosset, Les origines géographiques et sociales des chanoines de Coutances aux XV e et XVIe siècles, in: ebd., 203 f.; Saygin, Humphrey (wie Anm. 100), 144–171. 102 Hermant, Histoire (wie Anm. 101), 327; (Laurent) Rouault, Abbregé [sic] de la vie des evesques de Coutances, Coutances 1742, 287 ff.; (Auguste François) Lecanu, Histoire du diocèse de Coutances et Avranches depuis les temps les plus reculés jusqu’à nos jours, I, Coutances u. a. 1877, 394; De Beaurepaire, Notes (wie Anm. 101), 486; Claude Laplatte, Le diocèse de Coutances, Coutances – Rouen 1942, 92; R. Mols, Giovanni di Castiglione, in: DHGE XI (1949), 1446 f.; Herval, Trois grands évêques (wie Anm. 101), 194; Foffano, Umanisti (wie Anm. 100), 13, 18; F. Petrucci, Giovanni Castiglioni, in: DBI XXII (1979), 156 ff.; Margaret Harvey, England, Rome and the Papacy 1417–1464. A Study of a Relationship, Manchester – New York 1993, 76 f., 98; Neveux, Les chanoines (wie Anm. 101), 185 f.; Désiré dit Gosset, Les origines (wie Anm. 101), 203 f.; Tabbagh, Diocèse de Rouen (wie Anm. 52), n. 43 (S. 239); Jeanne Vieilliard (Hg.), Le registre de prêt de la bibliothèque du collège de Sorbonne (1402–1536) …, Paris 2000 (Documents, études et répertoires publ. par l’Institut de recherche et d’histoire des textes 57), 617; cf. 333 ff. (n. 84); Saygin, Humphrey (wie Anm. 100), 160 f. – Zitat: Luigi Totaro (Hg.), Enea Silvio Piccolomini. Papa Pio II, I Commentarii, Mailand 1984 (Classici 47), 208; cf. Adriaan van Heck (Hg.), Pii II Commentarii rerum memorabilium que temporibus suis contigerunt, I, Vatikanstadt 1984 (Studi e testi 312), 102 (geringfügig andere Lesung).

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cester, wie auch zu dessen Sekretär Antonio Beccaria103. In Gloucesters Auftrag wurde der Bischof vornehmlich mit Blick auf Werke von Bruni und Guarino da Verona 1434 auf dem Büchermarkt des Konzils von Basel tätig, wo wir ihn im engen Einvernehmen mit dem Mailänder Erzbischof und Humanisten France­ sco Pizzolpasso sehen. (Grundsätzlich lohnten weitere Studien über die großen Kirchenversammlungen der Zeit als Orte der Begegnung von Humanisten und eben des Handschriftenhandels, wie er in wichtigen Teilen von Paul Lehmann für Konstanz und Basel 1921 untersucht wurde104.) 1437 finden wir Zanone dann 103  Seit jüngstem hierzu grundlegend Saygin, Humphrey (wie Anm. 100), 144–171 (Chap. XIII: A Family Operation. Zanone da Castiglione, Bishop of Bayeux 1432–1459, and his Role as Mediator of Contacts between Gloucester and Italian Humanists). S. auch George Williams (Hg.), Thomas Bekynton, Official Correspondence (Memorials of the Reign of King Henry VI), I, London 1872 (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores [Rolls Series] 56/1), CVIII (Einleitung); K(enneth) H(otham) Vickers, Humphrey, Duke of Gloucester, London 1907, 354 ff.; B(erthold) L(ouis) Ullman, Studies in the Italian Renaissance, Rom 1955 (Storia e letteratura 51), 349, 352, 354; Foffano, Umanisti (wie Anm. 100), 4 (Barzizza), 9, 19 (Gloucester), 26, 32 ff. (Beccaria); Ders., Tra Padova, Parma e Pavia: appunti su tre allievi di Gasparino Barzizza, in: Quaderni per la storia dell’Università di Padova 2 (1969), 30 ff.; Ders., Tra Costanza e Basilea (wie Anm. 101), 24; R(oberto) Weiss, Humanism in England During the Fifteenth Century, Oxford ³1967, 49–54; Cruciani Troncarelli, Zanone Castiglioni (wie Anm. 101), 180; Alfonso Sammut, Unfredo duca di Gloucester e gli umanisti italiani, Padua 1980 (Medioevo e umanesimo 41), 23. – Freundschaftlich waren Zanone und seine italienische Umgebung auch mit dem seit 1415 in England festgehaltenen und 1440 unter burgundischer Hilfe freigekommenen Dichterprinzen Karl von Orléans verbunden, den der Bischof von Bayeux mit einer Valerius Maximus-Handschrift beschenkte: Tino Foffano, Charles d’Orléans e un gruppo di umanisti lombardi in Normandia, in: Aevum 41 (1967), 452–473; vgl. Patrick Gilli, Au miroir de l’Humanisme. Les représentations de la France dans la culture savante italienne à la fin du Moyen Âge (c. 1360–c. 1490), Rom 1997 (Bibl. des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome 296), 192 f. 104 a) Konzil: Damals hatte sich Zanone bereits zum zweiten Mal, und zwar als Gesandter Heinrichs VI. von England für das von diesem beanspruchte Königreich Frankreich nach Basel begeben: Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel [CB], III: Die Protokolle des Concils von 1434 und 1435, hg. v. Johannes Haller, Basel 1900 (ND 1976), 272; cf. ebd., 627, und CB, II, 586 s. v. „Bayeux“. Vgl. Christopher T. Allmand, Normandy and the Council of Basel, in: Speculum 40 (1965), 10 f.; A. N. E. D. Schofield, England and the Council of Basel, in: AHC 5 (1973), 54 f. (beide mit weiteren Belegen). S. auch Vickers, Humphrey (wie Anm. 103), 351; De Mahieu, Étude (wie Anm. 101), 144 f.; Herval, Trois grands évêques (wie Anm. 101), 190; Foffano, Umanisti (wie Anm. 100), 8 f.; Ders., La mediazione (wie Anm. 101), 580; Weiss, Humanism (wie Anm. 103), 49; Cruciani Troncarelli, Zanone Castiglioni (wie Anm. 101), 179; Sammut, Unfredo (wie Anm. 103), 23; Guenée, Entre l’Église et l’État (wie Anm. 32), 338. b) Konzilien der Zeit als Humanistentreffpunkte und Umschlagsorte für Handschriften: Paul Lehmann, Konstanz und Basel als Büchermärkte während der großen Kirchenversammlungen, in: Zs. des deutschen Vereins für Bücherwesen und Schrifttum 4 (1921), 6–11, 17–27; ND in: Ders., Erforschung des Mittelalters, I, Stuttgart 1941 (ND 1959), 253–280; Vittorio Zaccaria, Pier Candido Decembrio traduttore della ‚Repubblica‘ di Platone, in: Italia medioevale e umanistica 2 (1959), 183, 202; Johannes Helmrath, Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Köln – Wien 1987 (KHA 32), 166–175; Ders., Die italienischen Humanisten (wie Anm. 8), 55–72; Ders., Die lateinischen Teilnehmer des Konzils von Ferrara / Florenz, in: AHC 22 (1990), 186–194, mit weiteren Literaturangaben 187 Anm. 139; Claudia Märtl,

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in Bologna anläßlich einer Reform der Statuten des von seinem Onkel an der Universität Pavia gegründeten Kollegs, in dem bei Lehrern wie Barzizza, Panormitanus oder Valla auch Plätze für normannische Studenten reserviert waren, die ihrerseits gleich einem Jean Morelet oder Eudes de Creil, dem Grabredner von Fichet, wieder nach Frankreich hineinwirken sollten – im weiteren Umfeld wäre hier noch der Geschichtsschreiber Thomas Basin zu erwähnen105. Des Bischofs Aktivitäten für den von ihm auch mit einer Handschrift mit Ciceros Briefen bedachten Gloucester (Paris, BN, ms. lat. 8537) erreichten damals in Bologna und wenig später auf dem Konzil von Ferrara – Florenz 1438/39 ihren Höhepunkt, als er Kontakte zu Lapo di Castiglionchio dem Jüngeren, Antonio Pacino, Guarino da Verona und vor allem Pier Candido Decembrio anknüpfte106. In der Normandie vor Ort, wo er es bei seinem Pontifikatsantritt 1432 mit ignorantibus magistris zu tun hatte107, wußte Zanone seinen außerordentlich befähigten Sekretär Rolando Talenti, der für Decembrio direkte Verbindung mit dem herzoglichen Hof aufnahm, nachdem dieser ihn zunächst grundsätzlich hatte wissen lassen Nec enim, michi credo Rolande, latinas profiteri potest qui Grecas ignorat litteras, um ihm dann mitzuteilen, er möchte nove traductionis assumere laborem (gemeint ist Platos „Politeia“), et stilo ornato et eleganti reseratam tradere Latinis et dicto duci ascribere ad decus et nomen108. Als Übermittler einzelner Teile der ÜberKardinal Jean Jouffroy († 1473). Leben und Werk, Sigmaringen 1996 (Beitr. zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 18), 29 f. 105 É(mile) Picot, Les professeurs et étudiants de langue française à l’Université de Pavie aux XIV e et XV e siècles, in: Bull. philol. et historique (jusqu’à 1715) du Comité des travaux historiques et scientifiques 1915 [1917], 27 f.; Mols, Zanon di Castiglione (wie Anm. 101), 1448; Foffano, Umanisti (wie Anm. 100), 14 ff.; Ders., La mediazione (wie Anm. 101), 580; Weiss, Humanism (wie Anm. 103), 50 mit Anm. 4; Sammut, Unfredo (wie Anm. 103), 26; vgl. 168, 171, 192; Beltran, Continuité (wie Anm. 98), 127; Saygin, Humphrey (wie Anm. 100), 144, 157. – Speziell zu Thomas Basin: Foffano, 11 bzw. 580; Georgette de Groër, La formation de Thomas Basin en Italie et le début de sa carrière, in: BECh 142 (1984), 272 f.; Guenée, Entre l’Église et l’État (wie Anm. 32), 326, 330; Mark Spencer, Thomas Basin (1412–1490). The His­ tory of Charles VII and Louis XI, Nieuwkoop 1997 (Bibliotheca Humanistica et Reformatorica 57), 15; Tabbagh, Diocèse de Rouen (wie Anm. 52), n. 27 (S. 375). 106 Williams (Hg.), Thomas Bekynton, Official Correspondence, I (wie Anm. 103), n. 42 (S. 59). Vgl. Léon Hommey, Histoire générale, ecclésiastique et civile du diocèse de Séez …, III, Alençon 1900, 287 f.; Mario Borsa, Correspondence of Humphrey Duke of Gloucester and Pier Candido Decembrio, in: EHR 19 (1904), 509–526; Pierre Flament, Les évêques de Sées aux conciles oecuméniques (I), in: Soc. historique et archéol. de l’Orne 80 (1962), 50; Cesare Colombo, Quattro lettere inedite di Guarino, in: Italia medioevale e umanistica 8 (1965), 233– 239; Weiss, Humanism (wie Anm. 103), 50–53; Helmrath, Die lateinischen Teilnehmer (wie Anm. 104), 189. – Zu Paris, BN, ms. lat. 8537 s. auch Vickers, Humphrey (wie Anm. 103), 351, 436; Ullman, Studies (wie Anm. 103), 354; Foffano, Umanisti (wie Anm. 100), 20; Ders., La mediazione (wie Anm. 101), 580. 107 So die Ende 1432 dem Basler Konzil vorliegenden Avisamente des Bischofs von Bayeux: CB, VIII, Basel 1936 (ND 1976), 44. Vgl. Foffano, Tra Costanza e Basilea (wie Anm. 101), 27 f. 108 a) Die Zitate stammen aus dem von Decembrio in der zweiten Hälfte des Jahres 1437 an Talenti gerichteten Brief (hg. v. Foffano, Umanisti [wie Anm. 100], 26 f.). In seiner Antwort schmeichelte Talenti ihm übrigens mit den Worten Te Platonis umbre, te veteres Academici,

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setzung sah er übrigens einen Mailänder Fernkaufmann vor: Rolandos Vater109, was uns Gelegenheit zumindest zur Frage nach der Bedeutung von Kaufleuten und Bankiers für die ganz konkrete Diffusion des Humanismus gibt. Sieben Schreiben des bischöflichen Sekretärs hat Tino Foffano – neben dem von Decembrio und einer Epistel des Zanone – zwischen 1964 und 2000 aus einem insgesamt 49 Briefe und Reden enthaltenden, heute in den Archives Départementales du Calvados liegenden Codex aus der Bibliothek des Domkapitels von Bayeux publiziert, der für den Humanismus in der Normandie wie für besagte „Achse“ Italien – England höchst aufschlußreich und m. E. edierenswert wäre110. So geht aus diesen Briefen hervor, daß Rolandos Neffe Marco Corio, bei dem es sich wohl um den Vater des eingangs zitierten mailändischen Geschichtsschreibers Bernardino Corio handelt, ebenfalls Sekretär des Herzogs war – wie übrigens ein weiterer Italiener, Stefano Fieschi da Soncino111 –, und wir erfahren über Rolando, der wahrscheinlich auch unter Zanones Nachfolger Louis d’Harcourt im Amt blieb, daß sein Bruder Antonio eine Rechtsprofessur an der 1436/37 ihre Tätigkeit aufnehmenden Universität Caen innehatte. Deren Kanzler aber war niemand anderer als der Bischof von Bayeux, der wiederum mit Pietro da Castiglione Anfang der fünfziger Jahre einem Familienmitglied an der Hochschule eine theologische Professur verschaffte – 1457 sollte dieser te litterati omnes suppliciter obsecrantur, ut talem Platonem ipsum latinis ostendas, qualem sese Grecis exhibuit (ebd., 29). b) Zu Talenti: (Camille-Jacques) Laffetay, Notice sur la vie et les écrits de Rolando de Talentis, chanoine de Bayeux, in: Publ. de la Soc. d’agriculture, sciences, arts et belles-lettres de Bayeux 2 (1852–1855) [Paris – Bayeux 1858], 13–60 (veraltet, zudem von sehr eingeschränktem Wert wegen moralisierender Tendenzen und des steten Versuchs, Talenti vom Verdacht der Kollaboration mit dem englischen Feind zu befreien); Foffano, Umanisti (wie Anm. 100), 8 f., 23; Ders., Charles d’Orléans (wie Anm. 103), 455 f.; Ders., La mediazione (wie Anm. 101), 579; Sammut, Unfredo (wie Anm. 103), 30 ff.; vgl. 223–226; Christopher T. Allmand, Lancastrian Normandy 1415–1450. The History of a Medieval Occupation, Oxford 1983, 119; Guenée, Entre l’Église et l’État (wie Anm. 32), 339; Neveux, Les chanoines (wie Anm. 101), 185 f.; Gilli, Au miroir (wie Anm. 103), 191 f. 109 Decembrio in seinem in Anm. 108 zitierten Brief: Nam si eidem [Humphrey] gratus fuerit labor meus, opere genitoris tui, viri optimi, ad te particulas mittam; Foffano, Umanisti (wie Anm. 100), 27; vgl. ebd., 24 und 27 f. Anm. 4 (Gabriele de Tallentis [?]). 110 Zum Codex: Laffetay, Notice (wie Anm. 108 b), 58 ff.; E(ucher) Deslandes, Manuscrits de la bibliothèque du chapitre de Bayeux, in: Catalogue général des manuscrits des bibliothèques publiques de France, X, Paris 1889, 302. – Editionen: Foffano: a) Umanisti (wie Anm. 100), 27–31, 32 ff.; b) Charles d’Orléans (wie Anm. 103), 461–473 (zu 461–469 s. auch Gilli, Au miroir [wie Anm. 103], 192 f.); c) Tommaso Franco, medico greco alla corte del cardinale d’Inghilterra Henry di Beaufort e di Carlo VII di Francia, in: Aevum 74 (2000), 665 f. 111 Foffano, Umanisti (wie Anm. 100), 24, 30 mit Anm. 1; Ders., Charles d’Orléans (wie Anm.  103), 454 f.; Ders., Tra Costanza e Basilea (wie Anm. 101), 24; Ders., La mediazione (wie Anm. 101), 578 f.; Daniela Mazzuconi, Stefano Fieschi da Soncino: un allievo di Ga­ sparino Barzizza, in: Italia medioevale e umanistica 24 (1981), 257–285; Guenée, Entre l’Église et l’État (wie Anm. 32), 339; Beltran, Continuité (wie Anm. 98), 126; Neveux, Les chanoines (wie Anm. 101), 186.

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Pietro u. a. mit der Stimme des Studenten Francesco da Castiglione zum Rektor gewählt werden112. Ohne nun diese umstrittene, da von der Pariser Alma Mater als bedrohliche Konkurrenz heftig attackierte, Universitätsgründung gleich zur Pflanzstätte des Humanismus in der Normandie machen zu wollen, sei doch darauf hingewiesen, daß an ihr seit 1441 neben Thomas Basin der aus der Diözese Coutances stammende Theologe Pierre de La Hazardière lehrte, der sich schon bald an seiner neuen Wirkungsstätte mit einer in exzellentem Latein gehaltenen Preisrede auf Thomas von Aquin einführte und der wegen weiterer Werke wie etwa einer Rhetoriklehre „Summa dicendi“ von Beltran zu Recht als eines jener besagten humanistischen „Verbindungsglieder“ ausgemacht wurde113. De La Hazardière nun hatte zuvor, Mitte der dreißiger Jahre, rasch Karriere an der Pariser Sorbonne gemacht, und zwar just zu einem Zeitpunkt, als Zanones Neffe Giovanni da Castiglione in diesem Kolleg als Bibliothekar tätig war und ihm als solcher Ciceros und Senecas Werke auslieh; beide traten obendrein damals in brieflichen Kontakt zu dem Humanisten Cencio Rustici Romani114. Hier also dürfte der italienisch 112 a) Antonio Talenti: Foffano, Umanisti (wie Anm. 100), 9, 25; Ders., La mediazione (wie Anm. 101), 579; Allmand, Lancastrian Normandy (wie Anm. 108 b), 119; Neveux, Les chanoines (wie Anm. 101), 186. – b) Pietro/Francesco da Castiglione: Foffano, Umanisti, 13 f.; zu weiteren Mitgliedern (Branda jr., Paris) in der Normandie Foffano, Charles d’Orléans (wie Anm. 103), 455; Saygin, Humphrey (wie Anm. 100), 167 f. mit Anm. 80. – c) Zu Zanone da Castiglione als Kanzler der Universität Caen s. die Anm. 113 a angegebene Literatur zur Gründung dieser Hochschule. 113 a) Zur Gründung der Universität Caen und zu deren Kanzler Zanone da Castiglione Allmand, Lancastrian Normandy (wie Anm. 108 b), 105–120; aus der älteren Literatur: Amédée de Bourmont, La fondation de l’Université de Caen et son organisation au XV e siècle, Caen 1883, 26–54; vgl. Ders., in: ECh. Positions des Thèses 1882, 13–20; Henri Prentout, Esquisse d’une histoire de l’Université de Caen, in: 1432–1932. L’Université de Caen. Son passé – son présent, Caen 1932, 29–55; Michel de Boüard, Quelques donnés nouvelles sur la création de l’Université de Caen (1432–1436), in: MA 69 (1963), 727–739; vgl. Ders., in: Mém. de l’Académie nat. des sciences, arts et belles-lettres de Caen, n. s. 16 (1965), 169 f.; Simonne Guenée, Bibliographie de l’histoire des Universités françaises des origines à la Révolution, II, Paris 1978, 106–124, bes. 107. Weniger aussagekräftig dagegen für unsere Thematik die jüngsten Studien von Lyse Roy, Histoire d’une université régionale: l’Université de Caen au XV e siècle, in: Paedagogica Historica 34 (1998), 403–419; La fondation de l’Université de Caen, in: La Normandie dans la guerre de Cent Ans 1346–1450, hg. v. Jean-Yves Marin, Caen 1999, 101–105. Speziell zu Zanone in diesem Kontext de Mahieu, Étude (wie Anm. 101), 146; Herval, Trois grands évêques (wie Anm. 101), 193; Foffano, Umanisti (wie Anm. 100), 10; Ders., Tra Costanza e Basilea (wie Anm. 101), 23; Ouy, La recherche (wie Anm. 4), 706; Cruciani Troncarelli, Zanone Castiglioni (wie Anm. 101), 174. b) Thomas Basin / Pierre de la Hazardière: Foffano, La mediazione (wie Anm. 101), 580; Spencer, Thomas Basin (wie Anm. 105), 19; Beltran, Continuité (wie Anm. 98), 123–136; Ders., L’Humanisme français (wie Anm. 9), 136–141. – Preisrede auf Thomas von Aquin: Ders. (Hg.), Humanistes français (wie Anm. 98), 18–25; „Summa dicendi“: Ders. (Hg.), Nouveaux textes (wie Anm. 98), 13–27 (Auszüge). 114 Beltran, Continuité (wie Anm. 98), 128 f.; Ders., L’Humanisme français (wie Anm. 9), 137 f.; Veilliard (Hg.), Le registre (wie Anm. 102), 336 n. 11 (Petrus de la Hazardiere); cf. 334 n. 16 (Johannes de Castellione, zu 1435 August 24: rehabuit clavem [librarie]). Schon 1434 be-

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geprägte Castiglione-Humanismus der Normandie auf die soeben wieder unter die Herrschaft Karls VII. geratene Hauptstadt eingewirkt haben; jenes Königs, an den Zanone seinerseits noch einen der für Humanisten so typischen Aufrufe zum Kreuzzug gegen die Türken richtete115 und dessen protophisicus Thomas Le Franc / Tommaso Franco von ihm im März 1454 mit einem Codex beschenkt wurde, der Übersetzungen aus dem Griechischen von Bruni und Guarino da Verona sowie Werke von Pier Paolo Vergerio und Francesco Barbaro enthielt (Cod. Vat. Regin. lat. 1321) – dieser aus dem venezianischen Corone stammende griechische Humanist hatte während seines Studiums in Padua mit den Castiglione Bekanntschaft und insbesondere mit Zanone Freundschaft geschlossen, von dem er wahrscheinlich schon 1436 als Arzt an den Hof des Kardinals von England vermittelt worden war. Von dort pflegte er engen Kontakt zu Gloucesters Sekretär Antonio Beccaria, um 1451 – der Kreis schließt sich – vielleicht wiederum dank des seinerseits den Übergang zu Karl VII. geschickt vollziehenden Bischofs von Bayeux bis zu seinem Tod 1456 als philosophus medicusque regius am Hof des französischen Königs zu wirken116. Ohne direkte Wirkzusammenhänge aufzeigen zu können, sei in diesem Kontext der Umstand zumindest vermerkt, daß der bis zu seinem Tod 1437 in Paris lebende Nicolas de Clamanges mit Kantorat und Archidiakonat wichtige Ämter und Einkünfte an der seit 1432 von Zanone geleiteten Kirche von Bayeux hatte. Kanoniker und Kanzler war dort mit Simon de Plumetot ein sich bis 1436 meist in der Hauptstadt aufhaltender Normanne, dessen humanistische Interessen sowie Verbundenheit mit Gerson und Clamanges seine große, dem Pariser Stift St-

gegnet Giovanni, der 1436 auch als Scholaster an der Kirche von Bayeux bezeugt ist, in Paris als Magister artium und Student der Theologie: CUP, IV, 592 Anm. 1 (n. 2490). 115 Paris, BN, ms. lat. 3127, fol. 154v–157r. Vgl. Gaston du Fresne de Beaucourt, Histoire de Charles VII, V: Le roi victorieux (1449–1453), Paris 1890, 395; Ludwig Frhr. von Pastor, Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters, I: Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance bis zur Wahl Pius’ II., Freiburg/Brsg. – Rom 111955, 631 Anm. 3; Foffano, Umanisti (wie Anm. 100), 24; Heribert Müller, Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philipp des Guten von Burgund, Göttingen 1993 (SHKBAW 51), 51 f.; Foffano, La mediazione (wie Anm. 101), 583. 116 a) Foffano, Tommaso Franco (wie Anm. 110), 657–667. Vgl. auch Ders., Umanisti (wie Anm. 100), 20 f.; La mediazione (wie Anm. 101), 581 f.; Ernest Wickersheimer, Dictionnaire biographique des médecins en France au Moyen Age, II, Paris 1936, Neuausgabe hg. v. Guy Beaujouan /Danielle Jacquart, Genf 1979, 762; Beltran, Continuité (wie Anm. 98), 127, 135 Anm. 20. b) Zum bruchlos vollzogenen Übergang des Bischofs zu Karl VII. u. a. de Beaurepaire, Notes (wie Anm. 101), 494; Champion, Procès (wie Anm. 101), 407; De Mahieu, Étude (wie Anm. 101), 147; Tribout de Morembert, Zanon de Castiglione (wie Anm. 101), 1389; Foffano, Umanisti (wie Anm. 100), 17; Ders., La mediazione (wie Anm. 101), 583. 1442/43 hatte Zanone sich noch wegen der Not in der vom Krieg heimgesuchten Normandie an den Herzog von Gloucester gewandt: Williams (Hg.), Thomas Bekynton, Official Correspondence, I (wie Anm. 103), 289–295 (n. 205); Sammut, Unfredo (wie Anm. 103), 218–223.

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Victor hinterlassene Bibliothek spiegelt (der sich nach Ouy 73 erhaltene Handschriften sicher, 113 wahrscheinlich zuordnen lassen117). Humanismus in Avignon – wenig erstaunlich; Humanismus in der Normandie – schon erstaunlicher, wenn man nicht von dem der Sache förderlichen Nepotismus der Castiglione weiß; Humanismus in Burgund – mehr als erstaunlich: Denn entfaltet sich nicht in dieser Gegenwelt zu Jacob Burckhardts Italien gerade das Mittelalter in letzter, aristokratischer, melancholisch-müder Schönheit? Schwer fällt es, sich der Suggestion und genialen Einseitigkeit von Huizingas „Herbst des Mittelalters“ zu entziehen, indes sehen wir heute deutlicher auch jene in die Moderne weisenden Züge der janusköpfigen großfürstlichen Machtkonzentration an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, und zu ihnen mag man auch die humanistischen Tendenzen im Umkreis der großen Herzöge zählen. Da in unserem Rahmen ausschließlich vom Frühhumanismus und den zur Generation von Fichet und Gaguin führenden Kontinuatoren die Rede ist, bleiben folglich Humanisten am Hof Karls des Kühnen wie etwa Vasco da Lucena oder der aus Burgund stammende Memorialist Philippe de Commynes mit seinen noch späteren Italienerfahrungen ausgespart. Ich durchmesse auch nicht den weiten außerfranzösischen Raum, der von den Niederlanden (Universität Löwen, Antoine Haneron) bis nach Portugal (Vermittlungen durch Isabella, Gattin Philipps des Guten) für den Humanismus im Burgund der großen Herzöge von Relevanz sein könnte. Ebenfalls nicht berücksichtigt wird die bereits um die Mitte des 15. Jahrhunderts beginnende Übersetzertätigkeit des am Hof vielbeschäftigten Jean Miélot. Denn seine Traduktionen von Werken italienischer Zeitgenossen wie Buonaccorso da Pistoia, Giovanni Aurispa und Boccaccio (zweites und drittes Kapitel des XIV. Buchs der „Genealogiae“) sowie Ciceros sind nur ein Ausschnitt aus seinem breitgefächerten, von Theologica bis zu Reiseberichten reichenden Übersetzerœuvre; im übrigen hat ja der Blick auf das Paris des 14. Jahrhunderts 117 a) Clamanges: Ouy, Le collège de Navarre (wie Anm. 11), 297; Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 64; L(efèvre), Clamanges (wie Anm. 70), 1064; Gorochov, Le collège de Navarre (wie Anm. 12), 617. Clamanges muß auch in direkter Beziehung zu Humphrey von Gloucester gestanden haben: François Bérier, Remarques sur l’évolution des idées politiques de Nicolas de Clamanges, in: Pratiques (wie Anm. 9: Roccati), 117 Anm. 34. b) Plumetot: Gilbert Ouy, Simon de Plumetot (1371–1443) et sa bibliothèque, in: Miscellanea codicologica F(rançois) Masai dicata, hg. v. Pierre Cockshaw, II, Gent 1979 (Les Publ. de Scriptorium 8), 362 ff., 366 f.; vgl. Ders., Gerson et l’Angleterre: à propos d’un texte polémique retrouvé du chancelier de Paris contre l’Université de Oxford (1396), in: Humanism in France at the End of the Middle Ages and in the Early Renaissance, hg. v. A(nthony) H(erbert) T(igar) Levi, Manchester – New York 1970, 49; Ders., Le collège de Navarre, 297; Ders., Introduction, in: Le catalogue de la bibliothèque de Saint-Victor de Paris de Claude de Grandrue 1514, hg. v. Veronika Gerz von Buren u. a., Paris 1983, X ff.; Ders., Les manuscrits de l’abbaye de SaintVictor. Catalogue établi sur la base du répertoire de Claude de Grandrue (1514), I, Turnhout 1999 (Bibliotheca Victorina 10), 388 f. s. v. „Plumetot, Simon de“. S. auch G. Le Hardy (Hg.), Michel Béziers [1721–1781], Mémoires pour servir à l’état historique et géographique du diocèse de Bayeux, I, Rouen – Paris 1896, 396 f.; Cecchetti, Petrarca, Pietramala e Clamanges (wie Anm. 1), 107.

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gelehrt, daß zumindest Klassikerübertragungen auf traditionellen, vom Humanismus wenig berührten Bahnen verlaufen können118. Der Blick fällt vielmehr allein auf zwei Bischöfe, die man als Dioskuren auf Zeit im diplomatischen Dienst Philipps des Guten bezeichnen mag: Guillaume Fillastre den Jüngeren (1400/07–1473) und Jean Jouffroy (1405/10–1473) – zu beiden liegen übrigens jetzt mit den Habilitationsschriften von Malte Prietzel und Claudia Märtl Monographien jüngerer deutscher Historiker vor119. Fillastre und Jouffroy haben gleich anderen Vertretern der Mittlergeneration in Italien studiert; Fillastre in Bologna, möglicherweise als condiscipulus bzw. famulus der späteren Päpste Nikolaus V. und Paul II.120. Zudem nannte der uneheliche Sproß einen berühmten Vater sein eigen – wir erinnern uns des wohl im Kreis von Ludwig von Orléans mit dem Humanismus in Kontakt gelangten späteren Kardinals Guillaume Fillastre des Älteren. Am 13. Pult auf der linken Seite in der Bibliothek des Reimser Domkapitels, dessen Dekan er seit 1393 war, fand man all jene Schätze angekettet, die er bei seinen Italienaufenthalten und vor allem auf dem Konstanzer Konzil in Auftrag gegeben hatte: Abschriften der lateinischen Übertragungen griechischer Texte etwa von Bruni oder Francesco Aretino sowie die 118 a) Literaturhinweise zu Vasco da Lucena und Jean Miélot bei Müller, Kreuzzugspläne (wie Anm. 115), 128 Anm. 6, 27 Anm. 7. Für Miélot bleiben nachzutragen Gianni Mombello, Per la fortuna di Boccaccio in Francia. Jean Miélot traduttore di due capitoli della Genologia, in: Studi sul Boccaccio 1 (1963), 415–463; S(ylvie) L(efèvre), Jean Miélot, in: Dictionnaire (wie Anm. 7: Tesnière), 819 f. – b) Commynes: Joël Blanchard, Commynes l’Européen. L’invention du politique, Genf 1996 (Publ. Romanes et Françaises 216), 488 s. v. „humanisme“. – c) Zu Löwen die „Humanistica Lovaniensia“, zu Haneron Jozef IJsewijn, Haneron, Anthonius, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon III (²1981), 431–435 (mit Angabe der von IJsewijn–Jacobs in den „Humanistica Lovaniensia“ 24 [1975] ff. publizierten Edition seiner Werke und weiterer Literatur); Gérard Isaac Lieftinck, Antoine Haneron introduisant l’écriture humanistique dans les Pays-Bas, in: Classical, Mediaeval and Renaissance Studies in Honor of B. L. Ullman, hg. v. Charles Henderson jr., II, Rom 1964, 283 f.; Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (wie Anm. 46), 38 Anm. 69. – d) Isabella: Cannon Charity Willard, Isabel of Portugal, Patroness of Humanism?, in: Miscellanea di studi (wie Anm. 22: Cecchetti), 519–544. Allgemeine Übersicht bei Pierre Jodogne, L’umanesimo italiano nei Paesi Bassi sotto i duci di Borgogna, in: Rinascimento II/38 (1998), 317–335, und Beltran, Nouveaux textes (wie Anm. 98), 172 f. 119  Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (wie Anm. 46); Märtl, Kardinal Jean Jouffroy (wie Anm. 104 b). – Zu Fillastre des weiteren Evencio Beltran, Guillaume Fillastre (ca. 1400– 1473), évêque de Verdun, Toul et de Tournai, in: Pratiques (wie Anm. 9: Roccati), 31–54 (dazu wiederum recht kritisch Prietzel, 15 mit Anm. 17); Ders./Prietzel, Le second chancelier (wie Anm. 98), 118–127. Kurzartikel neueren Datums: Bernard Ardura / Louis Châtellier, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448–1648. Ein biographisches Lexikon, hg. v. Erwin Gatz, Berlin 1996, 183 f. – Zu Jean Jouffroy auch Arjo Vanderjagt, Frans-bourgondische geleerde politici in de vijftiende eeuw, in: Theoretische Geschiedenis 16 (1989), 411 f. Lexikonartikel aus jüngerer Zeit: Xavier de La Selle, in: LexMA V (1991), 638 f.; G(ilette) T(yl)-L(abory), in: Dictionnaire (wie Anm. 7: Tesnière), 621 ff.; Claudia Märtl, in: LThK V (31996), 1017 f.; Roger Aubert, in: DHGE XXVIII (2003), 309–313. 120 Beltran, Guillaume Fillastre (wie Anm. 119), 35; Ders./ Prietzel, Le second chancelier (wie Anm. 98), 119; Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (wie Anm. 46), 32 (alle mit Belegen für condiscipulus/famulus).

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für seine kosmographischen Interessen aufschlußreichen Werke des Pomponius Mela und Ptolemaios121. Jean Jouffroy dagegen war Schüler von Lorenzo Valla gewesen, mit dem er über seine Studienzeit in Pavia 1431/33 hinaus in Kontakt blieb; seinen Neffen Henri übergab er Guarino da Verona zur Erziehung122. Auffällig ist nun, daß von den vier im Wortlaut überkommenen lateinischen Reden des Guillaume Fillastre die späten Orationen aus den sechziger Jahren, nämlich die 1463 vor Pius II. gehaltene Kreuzzugsrede – Lieblingsthema eines jeden Humanisten, da es um die Rettung der Mutter der Humanitas, Griechenland, ging – und die Obödienzansprache vor Paul II. 1465 weitaus stärker humanistischen Stilkriterien entsprechen als diejenigen, die er auf dem Reichstag von Nürnberg 1444 und 1454 in Prag vor dem jungen Böhmenkönig Ladislaus hielt123. Lernte der Gesandte im Lauf seiner langen Tätigkeit hinzu? Zeigt sich hier der Einfluß des erst spät von ihm eingestellten italienischen Sekretärs Angelo T(h)ani(s)? Oder aber verstand Fillastre, der für seine Grablege im Kloster StBertin ein imposantes Renaissancemausoleum bei der florentinischen Werkstatt des Andrea della Robbia in Auftrag gab, sich auf den jeweiligen Adressaten einzustellen, d. h. schienen ihm – was Prietzel in Abrede stellt – Reich und Böhmen konservativer, „mittelalterlicher“ als der päpstliche Hof 124? Und nehmen die von ihm als Kanzler des Ordens vom Goldenen Vlies verfaßten Bücher über den „Toison d’Or“ mit ihren auch auf Cicero rekurrierenden moralisch-didaktischen

121 a) Zur Vaterschaft des Kardinals wohl abschließend Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (wie Anm. 46), 19–31; Beltran, Guillaume Fillastre (wie Anm. 119), 32–35. S. aber bereits Joseph Du Teil, Un amateur d’art au XV e siècle: Guillaume Fillastre, évêque de Tournai …, Paris 1920, 1–6; A. Leman, Notes sur les origines de Guillaume Fillastre, évêque de Tournai, in: Bull. historique de la Soc. des antiquaires de la Morinie 14 (1922–1929), 7 f. – b) Handschriften: wie Anm. 46. 122 Märtl, Kardinal Jean Jouffroy (wie Anm. 104 b), 24 (mit Beleg und Verweisen); danach auch Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (wie Anm. 46), 412; s. auch Beltran, L’Humanisme français (wie Anm. 9), 132, 147. – Zuvor war Jouffroy 1429 kurzzeitig in Köln immatrikuliert gewesen; vgl. Märtl, 20; Agostino Sottili /Marina Tagliaferri, La tradizione notarile degli Acta graduum pavesi fino al primo ventennio del Cinquecento, in: Studenti e dottori nelle università italiane (origine – XX secolo) (Atti del Convegno di studi, Bologna, 25–27 XI 1999), hg. v. Gian Paolo Brizzi / Andrea Romano, o. O. 2001, 125. 123 Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (wie Anm. 46), 407–416, 512 ff.: n. 1 (1444), 8 (1454), 19 (1463), 26 (1465) mit Angabe der jeweiligen Editionsorte. Vgl. Müller, Kreuzzugspläne (wie Anm. 115), 17, 26, 66, 73–76, 117; Beltran, Guillaume Fillastre (wie Anm. 119), 48 ff. – Die Reden von 1463 und 1465 – letztere in einer vom Bischof in Auftrag gegebenen französischen Übersetzung – jetzt neu bzw. erstmals ediert durch Malte Prietzel, Guillaume Fillastre d. J. Ausgewählte Werke. Mit einer Edition der Kruzzugsbulle Pius’ II. „Ezechielis prophete“, Ostfildern 2003 (Instrumenta 11), n. 2 und 5. 124 a)  T(h)ani(s): Beltran, Guillaume Fillastre (wie Anm. 119), 41; Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (wie Anm. 46), 407 f. – b) Mausoleum: Du Teil, Un amateur d’art (wie Anm. 121 a), 56–67; Beltran, 40, 51; Prietzel, 402–408. – c) Prietzels Einschätzung: „Wenig wahrscheinlich ist, daß er damals Rücksicht auf sein Publikum genommen hatte, das derlei noch nicht gewohnt war. Eher dürfte der Redner im Lauf der Jahre dazugelernt haben“ (412).

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Ausführungen für den burgundischen Adel eine Art Mittelstellung zwischen den beiden stilistischen Positionen ein125? Mit Prietzel, aber auch mit Märtl und Beltran kann dagegen kein Zweifel daran bestehen, daß Jean Jouffroy im Dienst des Burgunders und später des französischen Königs das Genre humanistischer Prunkrede ungleich besser als Fillastre beherrschte. Selbst im Heimatland des Humanismus erregte er ähnlich Cusanus Aufsehen, als er 1438 mit der Entdeckung der Kommentare des Tiberius Claudius Donatus aufwarten konnte und im Jahr darauf, am Rande des Humanistentreffpunkts Florentiner Konzil, eine Rede auf den verstorbenen römischen König Albrecht II. hielt126. Bei Jouffroy, dem Auftraggeber und Mäzen italienischer Humanisten, der Dichter wie der Übersetzer, dem langjährigen Kunden des Buchhändlers Vespasiano da Bisticci in Florenz, dem konzentrierten Leser Platons, dem Gelegenheitspoeten und Besitzer zweier großer Bibliotheken – der einen in Rom, der anderen an seinem Bischofssitz Albi – kam selbst ein Giovanni Aurispa um eingeschränktes Lob nicht herum: et doctus et solers antiquitatis indagator, quamvis Gallus127. Offenbart der Lebensstil des italiennahen Jouffroy eine veritable Humanistenexistenz, oder aber waren dem Gesandten und Kirchenmann seine Kenntnis der Klassiker und seine die Beherrschung aller rhetorischen Regeln demonstrierende, von Pius II. und dem Mitkardinal Jacopo Ammanati Piccolomini dennoch als schwerfällig und gekünstelt kritisierte Redekunst – der wahre Grund des Tadels war wohl ein anderer, politischer – letztlich nur Mittel zur wirkungsvollen Beförderung der eigenen Karriere, wie Claudia Märtl vermutet128? Ich lasse diese 125 Grundlegend Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (wie Anm. 46), 416–432; Ders. / Beltran, Le second chancelier (wie Anm. 98), 121–127. Prietzel hat bereits einen Auszug aus dem ersten Buch über das Goldene Vlies ediert: Guillaume Fillastre d. J.: Über Herzog Philipp den Guten von Burgund, in: Francia 24/I (1997), 83–121. Vgl. auch La Toison d’Or. Cinq siècles d’art et d’histoire [Ausstellungskatalog], Brügge 1962, 120–123; M(artina) P(ippal), in: Trésors de la Toison d’Or [Ausstellungskatalog], Brüssel 1987, 114–119; Müller, Kreuzzugspläne (wie Anm. 115), 26 mit Anm. 5 b. 126 a) Tiberius Claudius Donatus: Remigio Sabbadini, Le scoperte dei codici latini e greci ne’ secoli XIV et XV, hg. v. Eugenio Garin, I, Florenz 1967 (Biblioteca stor. del Rinascimento, NS 4x), 194 f. Danach Beltran, L’Humanisme français (wie Anm. 9), 144; Märtl, Kardinal Jean Jouffroy (wie Anm. 104 b), 23 f. – b) Rede auf Albrecht II.: Märtl, 30 ff., 334 f. (n. 2); Beltran, 142 mit Anm. 103. 127 Märtl, Kardinal Jean Jouffroy (wie Anm. 104 b), 285–291, 297. Vgl. Sabbadini, Le scoperte (wie Anm. 126 a), 195; Beltran, L’Humanisme français (wie Anm. 9), 144 f., 147. – Aurispa: Sabbadini, 195 Anm. 53 (1447 verfaßt); Märtl, 24; Beltran, 144. 128 a) Pius II. /Ammanati: Totaro (Hg.)/van Heck (Hg.), Commentarii (wie Anm. 102), II, 2478, bzw. II, 782. Der Papst war auch überzeugt: Ambitio et avaritia excaecavit hominem [i. e. Jean Jouffroy] et quod Italico sanguini suapte natura inimicaretur (2468 bzw. 779). Cf. Aeneae Silvii Piccolomini … opera inedita descripsit … Josephus Cugnoni, Rom 1882/83 (ND 1968) (Atti della Romana Accademia dei lincei. Memoria della Classe di scienze morali, storiche e filologiche, III / 8), 546 ff. Vgl. auch Beltran, L’Humanisme français (wie Anm. 9), 146. b) Märtl, Kardinal Jean Jouffroy (wie Anm. 104 b), 303. Sie hat denn auch der Position von Jouffroy im Humanismus der Zeit kein eigenes Kapitel gewidmet, weist aber auf die – stets von konkreten Interessen motivierte – Vermittlerrolle des Kardinals zwischen Italien und Frankreich

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von Evencio Beltran positiver beantwortete Frage offen129, wenn auch Vieles in der Vita dieses finassierenden Taktikers für Märtls Annahme spricht. Eindeutig läßt sie sich dagegen im Fall eines weiteren burgundischen Gesandten, Bischofs und Kardinals klären: Von Jean Le Jeune ist die Suche nach verlorenen (Cicero‑) Texten belegt, doch als er erst einmal von Eugen IV. als Zeichen des Danks an den in schwerer, da konziliarer Zeit stets papstverbundenen Burgunderherzog den Purpur erhalten hatte, stellte er offensichtlich seine Suche ein130. Mit Blick auf Guillaume Fillastre und Jean Jouffroy, die durch ihre italienische Prägung, burgundische Gesandtentätigkeit und ihre hohen kirchlichen Ämter zwar teilweise über Frankreich hinausweisen, sollten dennoch zwei weitere Zeugen für die Kontinuitätsthese benannt werden, da sie schon von ihrer Herkunft (Fillastre) bis zum Übergang in den Dienst Ludwigs XI. (Jouffroy) vielfach mit dem Königreich verbunden waren. Es ließen sich hierfür durchaus noch weitere Belege anführen, etwa mit dem in den vierziger und fünfziger Jahren an den Universitäten Montpellier und Toulouse wirkenden Spanier Juan Serra, einem europaweit wirkenden Experten in Sachen Rhetorik, als den ihn Beltran charakterisierte. In Lehre und Schrift wurde er auf ausdrücklichen Wunsch des Tolosaner Studiums entsprechend tätig, er stand in Verbindung zum Ortsbischof Bernard de Rousergue / Rosier, der seinerseits auf Grund eigener, in einem Handbuch („Ambaxiator brevilogus“) niedergelegter diplomatischer Erfahrungen um den Wert guten Stils in Rede und Brief wußte. Schließlich hatte Serra in seinem Landsmann Jacobus / Santiago Publicius einen – auch vor akademischem Streit mit ihm selbst nicht zurückschreckenden – Schüler, dessen Opera zu Rhetorik und Epistolarkunst weite Verbreitung fanden und früh gedruckt wurden131. Dieses Kapitel abschließend hin (vgl. auch ihren Anm. 119 zitierten Lexikonartikel); ähnlich Aubert, Jean Jouffroy (wie Anm. 119), 312. 129 Beltran, Nouveaux textes (wie Anm. 98), 148: „Voici donc un auteur qui par sa passion pour les manuscrits, par ses préoccupations philologiques, par son extraordinaire érudition littéraire et historique, par ses discours fort éloquents et par son action guidée par l’idéal de vie active des humanistes italiens, appartient pleinement à la nouvelle culture“. 130  Sabbadini, Le scoperte (wie Anm. 126 a), 194 mit Anm. 51 (Beleg); vgl. Voigt, Wiederbelebung (wie Anm. 7), 337 f. 131 a) Beltran, Humanistes français (wie Anm. 98), 9–26; Ders., L’Humanisme français (wie Anm. 9), 132 f., 147–150. In den Anm. 98 aufgeführten Ausgaben wurden von Beltran fünf Werke des Juan Serra ediert, u. a. der „De institutione rhetorica dialogus“ (Nouveaux textes, 87–145) und die „Epistola responsiva ad Jacobum Publicium“ (Humanistes français, 128–135). b) Zu Rousergue /Rosier vgl. die bibliographischen Angaben bei Müller, Die Franzosen (wie Anm. 21), II, 682 f. mit Anm. 4 a; zu ergänzen um Patrick Arabeyre, Un prélat languedocien au milieu du XV e siècle. Bernard de Rosier, archevêque de Toulouse, in: JS a. 1990, 291–326. – Vgl. Ders., in: BECh 150 (1992), 245–285; Riccardo Fubini, L’ambasciatore nel XV secolo …, in: MEFRM 108/II (1996), 647–653. c) Agostino Sottili, Note biografiche sui Petrarchisti Giacomo Publicio e Guiniforte Barzizza e sull’umanista valenziano Giovanni Serra, in: Petrarca und seine Zeit 1304–1374. Beiträge zu Werk und Wirkung, hg. v. Fritz Schalk, Frankfurt/M. 1975, 270–286; Ders., Giacomo

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sei nur noch bemerkt, daß in Frankreich über das gesamte 15. Jahrhundert hin Petrarcas Werke mindestens 150mal abgeschrieben wurden und bislang zwölf Handschriften auswärtiger Provenienz als im Besitz von Franzosen für diese Zeit nachweisbar sind132; daß Schriftsteller wie Alain Chartier – auch er lange Mitglied der königlichen Kanzlei – oder Martin Le Franc ebenso stark von Petrarca und Boccaccio beeinflußt wurden wie ein König René von Anjou („Le livre du cuer d’amours espris“)133; daß um die Mitte des Saeculums nicht nur im Pariser Navarrakolleg (Jean Garcin) und in der Normandie (Jean Darquet / d’Arquet) Klassiker und Humanisten abgeschrieben wurden, sondern dies ebenso fleißig von St-Malo über Reims bis in das Land um Avignon und nach Grasse geschah134. Der Hundertjährige Krieg war vorbei, „réveil“ und „redressement“ füllten auch die Bibliotheken, und ein Jean Jouffroy pries seinen neuen Herrn, den König von Frankreich, als mächtigsten Herrscher und die Monarchie als festeste und dauerhafteste auf der Welt. Stolz könnten die Franzosen auf ihre Abstammung von den Trojanern sein, so Jouffroy weiter, und es gebe keinen Grund für sie, neidvoll nach Italien zu blicken135.

IV. Nach Petrarca bestand indes sehr wohl Grund dazu. Nicht nur in Sachen Poesie und Rhetorik hatte er den Franzosen eine bissige Lektion erteilt, sondern in seiner Erwiderung auf die Apologie des Jean de Hesdin ausdrücklich auch die Geschichte monopolisiert. Die einzige Historie sei die zum Lobe Roms, alles Publicio ‚Hispanus‘ e la diffusione dell’Umanesimo in Germania, Barcelona 1985, bes. 17; zu Sottilis Publicius-Studien vgl. auch Beltran, L’Humanisme français, 149 Anm. 135. 132 Mann, Humanisme (wie Anm. 9), 58 mit Anm. 31. 133 Allgemein einführende Artikel über Alain Chartier von S(ylvie) L(efèvre) und über Martin Le Franc von H(arry) F. W(illiams), in: Dictionnaire (wie Anm. 7: Tesnière), 29–32, 997 f. – Speziell zu unserer Thematik a) bei Chartier: Mann, Humanisme (wie Anm. 9), 59 f.; Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 46; Pascale Bourgain, Style professionnel et style personnel: les différents niveaux stylistiques chez Alain Chartier, secrétaire de Charles VII, in: Cancelleria (wie Anm. 12: Pons), 169–185; Cynthia J. Brown, Poets, Patrons, and Printers. Crises of Authority in the Late Medieval France, Ithaca – London 1995, 286 s. v. „Chartier, Alain“. – b) bei Le Franc: Mann, 59; Cecchetti, 70; Oskar Roth, Martin Le Franc et les débuts de l’humanisme italien. Analyse des emprunts faits à Pétrarque, in: Studi sul Petrarca 2 (Il Petrarca ad Arquà) (1975), 240–255; Anna Slerca, L’utilizzazione del De claris mulieribus in due testi della querelle des femmes: il Champion des Dames di Martin Le Franc (1440) e il Jugement poetic de l’honneur femenin di Jean Bouchet (1538), in: L’aube (wie Anm. 14: Ouy), 47–65; Marc-René Jung, Situation de Martin le Franc, in: Pratiques (wie Anm. 9: Roccati), 13–30. – c) Zu René d’Anjou jetzt: Giovanni Matteo Roccati, Pétrarque et Boccace modèles de René d’Anjou, in: Favola, mito ed altri saggi di letteratura e filologia in onore di Gianni Mombello, hg. v. Antonella Amatuzzi /Paola Cifarelli, Alessandria 2004 (= Franco-Italica 23–24, 2003), 377–388. 134 Beltran, Continuité (wie Anm. 98), 126, 135 Anm. 17; Ders., L’Humanisme français (wie Anm. 9), 131, 157 f. 135 Beltran, L’Humanisme français (wie Anm. 9), 147.

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andere Kinderspiel und Wortgeklingel: Quid est enim aliud omnis historia quam Romana laus? … Quod [sc. Imperium] licet inter manus barbaricas imminutum atque debilitatum, et paene consumptum sit, Romanas inter manus tale fuit, ut omnia mundi imperia illi admota pueriles ludi fuisse videantur et inania nomina136. Dabei hatte es – und das bleibt mit Blick auf Geschichte und Geschichtsschreibung als erstes festzuhalten – im mittelalterlichen Frankreich genauso wie anderwärts im lateinischen Europa ein stetes, geradezu selbstverständliches Interesse an der gesamten antiken Geschichte gegeben. Zu Zwecken der Belehrung und Unterhaltung wurden etwa der Troja‑ und Alexanderstoff immer wieder bearbeitet, fanden muttersprachliche Kompilationen wie – ich beschränke mich auf Frankreich – die sog. „Histoire ancienne jusqu’à César“ oder die „Faits des Romains“ weite Verbreitung137. Die erwähnte Livius-Übersetzung des Pierre Bersuire ist, oft zusammen mit der Übertragung von Brunis „De bello Punico“ durch Jean Lebègue, in über 40 Handschriften überliefert und die von Nicolas Gonesse vollendete, um Glossen wie Auszüge aus Werken von Plutarch bis Boccaccio erweiterte Übersetzung des Valerius Maximus durch Simon de Hesdin sogar in mehr als 60 Manuskripten und fünf Drucken138. Dieses, wie die Übertragungen belegen, auch in Laienkreisen durchgängige Interesse an antiker Geschichte wurde im 15. Jahrhundert weiterhin bedient („La Bouquechardière“ des normannischen Ritters Jean de Courcy [1416–1422], die „Histoires Romaines“ des Burgunders Jean Mansel [1454] oder der „Abrégé de Tite-Live“, eine popularisierende Zusammenfassung der Livius – Bruni-Übersetzungen von Bersuire / Lebègue durch Henri Romain, Kanoniker in Tournai [vor 1477]139). Auch ein Münzen des Altertums sammelnder Herzog von Berry, Tapisserien mit antiken 136 Cocchia (Hg.), Magistri Johannis de Hysdinio invectiva … et Francisci Petrarchae … apologia (wie Anm. 9), 171; vgl. Saccaro, Französischer Humanismus (wie Anm. 4), 166 Anm. 70. 137 a) František Graus, Troja und trojanische Herkunftssage im Mittelalter, in: Kontinuität und Transformation der Antike im Mittelalter (Veröffentl. der Kongreßakten zum Freiburger Symposion des Mediävistenverbandes), hg. v. Willi Erzgräber, Sigmaringen 1989, 25–43, bes.  35 f., 39 f.; Marc-René Jung, La légende de Troie en France au moyen âge. Analyse des versions françaises et bibliographie raisonnée des manuscrits, Basel – Tübingen 1996 (Romanica Helvetica 114); Michael Borgolte, Europas Geschichten und Troia: Der Mythos im Mittelalter, in: [Begleitband zur Ausstellung] Troia. Traum und Wirklichkeit, Stuttgart 2001, 190–203. b) Paul Meyer, Alexandre le Grand dans la littérature française du Moyen Age, 2 Bde., Paris 1886; George Cary, The Medieval Alexander, hg. v. David J. A. Ross, Cambridge 1956; L(ouis)-F(ernand) F(lûtre) / C(hristine) R(uby), Roman d’Alexandre, in: Dictionnaire (wie Anm. 7: Tesnière), 1306 ff.; Laurence Harf-Lancner, Alexandre le Grand dans les romans français du Moyen Age. Un héros de la démesure, in: MEFRM 112 (2000), 51–64. 138 Monfrin, La connaissance (wie Anm. 45), 137, 139 f., 147; vgl. 164–167. S. auch die Angaben hier in Anm. 7, 45 und 47 zu Bersuire, Gonesse und Lebègue. 139 Monfrin, La connaissance (wie Anm. 45), 149–152; vgl. 162 ff. – In seiner Widmung an König Karl VII. begründete Jean Lebègue die Übersetzung des Werks „De bello Punico“ von Leonardo Bruni damit, daß „les cours des princes et seigneurs sont plus voulentiers receus et leus livres françois que en latin, en tant communement plus y conversent des gens laiz que de clers“ (Monfrin, 165; Hervorhebung durch H. M.).

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Motiven am burgundischen Hof und dessen Kult um das Goldene Vlies schienen, inhaltlich erweitert um die griechische Antike, aufs Ganze Petrarca doch recht zu geben. Selbst der politischste Kopf unter den französischen Frühhumanisten, Laurent de Premierfait, wählte ja – wir erinnern uns – für seine scharfe Kritik an den Zuständen der eigenen Gegenwart virtus und Freiheitsliebe des römischen Volks in republikanischer Zeit als Vergleichsmaßstab; obendrein interessierte er sich umfassend für die Lebenswelt der Römer bis hin zu ihren Theatern140. Doch wo bleibt der von Gerson 1389/90 geforderte gravis et eloquens hystoricus, der als französischer Humanist endlich die Geschichte der Franken und Franzosen zum Lob und Ruhme der Königsnation schreibt, der die Feststellung obsolet macht: Nostros vero vel reges, quorum non est laus inferior Cesaribus, vel in omni fortuna probatissimos homines, quibus Francia non orba est, nemo in lucem tollit splendore litterarum? So Robert Gaguin141 am Ausgang des 15. Jahrhunderts – nur wenig später wird in Deutschland ein Willibald Pirckheimer Ähnliches äußern und ein Celtis Klage führen gegen Italiens Beschimpfung und Verachtung der Deutschen als Barbaren142. Gaguin nun sollte der erste sein, der, um eloquencia und eruditio bemüht, in seinem „Compendium de origine et gestis Francorum“ eine „glorification du royaume de France et de ses souverains“ erstrebt, um aus der Monographie von Franck Collard zu zitieren (wobei Gaguin in hohem Maße aus der sandionysianischen Geschichtsschreibung, mithin einer noch überaus mittelalterlichen Quelle, schöpfte143). Die französischen Frühhumanisten, Theologen zumeist, vermochten es also nicht – das sei zum zweiten konstatiert –, ihr eigenes Postulat einer „nationalen“ Geschichtsschreibung einzulösen, womit hier selbstredend weitere Kriterien humanistischer Historiographie wie die Domi140 Carla Bozzolo, L’intérêt pour l’histoire romaine à l’époque de Charles VI: l’exemple de Laurent de Premierfait, in: Saint-Denis et la royauté (wie Anm. 26: Gorochov), 109–124; Dies., La conception (wie Anm. 88 b), 204. 141 Louis Thuasne (Hg.), Robert Gaguini epistolae et orationes, I, Paris 1903 (ND 1977), 280 (n. 30); vgl. Franck Collard, Un historien au travail à la fin du XV e siècle: Robert Gaguin, Genf 1996 (THR 301), 90 f. S. auch Saccaro, Französischer Humanismus (wie Anm. 4), 170 (mit anderem Beleg); Ouy, Les recherches (wie Anm. 2), 294; Ders., Pétrarque (wie Anm. 1), 433. 142 Pirckheimer: sed cogor potius de Germanicae gentis infortunio, aut etiam calamitate conqueri, quod tam paucos, seu ut rectius dicam, nullos sortita sit scriptores, qui ingentia illius et celeberrima facta, memoriae, ut decuisset, mandassent ; zit. nach Andermann, Historiographie (wie Anm. 68), 91 Anm. 20; ebd., 90 Anm. 17 zu Celtis. Von Maximilian I. bis zu Luther, von Schedel und Naucler bis zu Sebastian Münster äußerten sich viele Zeitgenossen ähnlich: Uwe Neddermeyer, Das Mittelalter in der deutschen Historiographie vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, Köln – Wien 1988 (KHA 34), 26 f. 143 Collard, Un historien (wie Anm. 141), 112 f. (Zitat), 131 ff. (zu Saint-Denis). Aus den zahlreichen, diese Thèse vor wie nach deren Publikation begleitenden Studien des Autors sei besonders hervorgehoben: La pensée politique d’un clerc humaniste de la fin du XV e siècle. Robert Gaguin (1433–1501), in: Revue française d’Histoire des idées politiques 7 (1998), 3–45; vgl. 155–164. Zu verweisen ist daneben auch auf den Beitrag von Collard, Paulus Aemilius’ De rebus gestis Francorum … im Sammelband Diffusion des Humanismus (wie Anm. 3).

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nanz von Profangeschichte, deren Gestaltung nach ästhetischen Prinzipien oder gar Historisierungstendenzen entfallen. Zudem traten sie – so Nicole Pons in ihrer Studie „L’historiographie chez les premiers humanistes français“, einer der wenigen Untersuchungen zum Thema – kaum als Übersetzer antiker Historiker hervor und verhielten sich, soweit feststellbar, beim Erwerb von deren Werken wie beim Zitieren daraus eher zurückhaltend144. Doch zu Recht lenkt Pons in diesem Zusammenhang mit weiteren Arbeiten unsere Aufmerksamkeit auf das (von ihr zusammen mit Ouy und Ornato edierte) „Œuvre historique et polémique“ des Jean de Montreuil und damit auf eine Reihe einzigartiger und zugleich doch zeittypischer Traktate145. Sie ergeben zwar keine zusammenhängende Geschichte Frankreichs aus der Feder eines Humanisten, sind aber Zeugnisse eines politischen Patriotismus, der im Gegensatz zum kulturellen der französischen Frühhumanisten nicht Petrarcas als Widerpart bedurfte, sondern aus den andrängenden Ereignissen der Zeit erwuchs, den Ansprüchen der englischen Könige auf Frankreichs Thron und der daraus resultierenden säkularen Auseinandersetzung, seit dem 19. Jahrhundert „Hundertjähriger Krieg“ genannt146. (Ähnliches läßt sich, natürlich unter anderen Vorzeichen, auch von jenem „Perbrevis epilogus gestorum Karoli Magni“ sagen, der 1400 Teil einer von Montreuil konkret in und gegen Aachen mit dem Ziel geführten Kampagne war, den Beherrscher des regnum Franciae auch für Frankreich zu reklamieren147.) In seinen 144 Nicole Pons, L’historiographie chez les premiers humanistes français, in: L’aube (wie Anm. 14: Ouy), 104–111. 145 Jean de Montreuil, Opera, II (wie Anm. 25). Vgl. dazu die Anm. 65 und 144 zitierten Studien von Nicole (Grévy‑)Pons sowie Dies.: a) ‚L’honneur de la couronne de France‘. Quatre libelles contre les Anglais (vers 1418 – vers 1429), Paris 1990, 10, 23, 56 f. u. ö.; b) La guerre de Cent Ans vue par quelques polémistes français du XV e siècle, in: Guerre et société en France, en Angleterre et en Bourgogne XIV e – XV e siècle, hg. v. Philippe Contamine u. a., Lille (Villeneuve d’Ascq) 1991 (Histoire et littérature régionales 8), 143 f., 146 f., 151 f., 155 u. ö.; c) ‚Pour ce que manifestation de Verité‘. Un thème du débat politique sous Charles VI, in: Penser le pouvoir au moyen âge (VIIIe–XV e siècle). Études d’histoire et de littérature offertes à F. Autrand, hg. v. Dominique Boutet/Jacques Verger, Paris 2000, 343 ff. – S. auch Peter Shervey Lewis, War, Propaganda and Historiography in 15th Century France and England [1965; ND] in: Ders., Essays in Later Medieval French History, London – Ronceverte 1985, 194–198, 203 ff., 212 f.; Cecchetti, Il primo umanesimo (wie Anm. 13), 50 f.; Krynen, Idéal du prince (wie Anm. 65), 281–296. 146 Diese Unterscheidung nach Nicholas Mann, Autor des neben der Studie von Pons (wie Anm. 144) zweiten, für das Thema wichtigen Beitrags: Humanisme et patriotisme en France au XV e siècle (wie Anm. 9), 51–66. 147 Jean de Montreuil, Opera, II (wie Anm. 25), n. 228; vgl. ebd., S. 48 f. sowie Opera, I (wie Anm. 24), n. 209, und Opera, IV (wie Anm. 24), 286 ff. Zur Sache Müller, Köln und das Reich (wie Anm. 21), 606 f. [in diesem Band: 377–379]; Grévy-Pons, Propagande (wie Anm. 65), 137 f., 144; s. auch hier Anm. 66. Pascale Bourgain, L’historiographie humaniste en France (1400–1560), in: La storiografia umanistica (Convegno int. di studi, Messina, 22–25 X 1987), hg. v. Anita di Stefano u. a., I**, Messina 1992, glaubt allein in diesem Kurztraktat und bei „Regali ex progenie“ Montreuils „allure historique“ entdecken zu können. Dennoch firmieren beide Texte für sie „parmi les moins humanistes de ses œuvres“, da der Autor auf Quellen aus StDenis rekurriere und sie – was auch immer das heißen mag – „de façon traditionelle“ behandle

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lateinisch wie französisch verfaßten Traktaten gegen die englischen Prätentionen – kein anderer französischer Humanist der Zeit verfaßte Vergleichbares, auch keiner der in den Kanzleien des Königs und von Orléans wirkenden Sekretäre – mußte Montreuil natürlich schon wegen der Verwerfung dieser Ansprüche geschichtlich argumentieren, Quellenbeweise liefern, um so aus dem in historischen Arsenalen gefundenen Material seine Propagandawaffen zu schmieden. Und dabei machte sich der Humanist im Königsdienst, der auf das Kanzleiarchiv wie die Geschichtsschreibung von St-Denis zurückgreifen konnte, durchaus Gedanken über die Grundlagen seines Tuns, über Quellensuche und ‑auswahl wie über das Problem der Wahrheit: Et se on me demande pourquoy c’est que j’ay seulement cy mis la prosperité et bonne fortune des Françoiz, et du remenant me suis teuz; et aussi se tout est vray ce que j’ay recité et reciteray de leurs grans faiz; je respons quant au premier: c’est une voulenté et plaisance; car, ainsi comme en un pré un cueille l’erbe, l’autre la fleur, l’un cecy, l’autre cela, chascun selon son delit, pareillement j’ay esleu desdictes croniques et histoires ce qu’il m’a pleu; un autre en face a sa guise. Quant au second, je diz ce que pieça en semblable cas fut respondu par un clerc nommé Crispus: la verité en soit requise et imputee ou le contraire, aux historiens et aucteurs desquelz j’ay loyaulement tout extrait. Der Nachweis der Wahrheit wird hier, im Traktat „A toute la chevalerie“, unter Berufung auf eine nicht existierende Stelle bei Sallust(ius Crispus) also schlicht den zitierten Autoren auferlegt (in einer weiteren Schrift, „Regali ex progenie“, indes unter Rekurs auf Cicero gesagt, der Historiker dürfe nichts von der Wahrheit unterschlagen, sich nicht von Sympathie oder Antipathie leiten lassen148). Montreuil wählt seine Quellen nach einem einzigen Kriterium aus: ihrem Nutzen für die Sache der französischen Monarchie; dies leitet ihn beispielsweise bei seiner Suche nach Textzeugen der Lex Salica und bei deren Auslegung149. Auf der bunten Wiese, die Geschichte heißt, betätigt er sich als Pflücker nach eigenem Gusto, weit entfernt von jener zerpflückenden, sprich: analytisch-philologischen Quellenkritik eines Lorenzo Valla und diesem zugleich doch nah, da Valla den Nachweis der Fälschung des Constitutum Constantini als (767 f.). Nach solch prononcierter Einschätzung folgt die zwar nicht falsche, so doch zugespitzte Feststellung: „Ce n’est pas en tout cas de l’histoire humaniste, et c’est à peine de l’histoire: ce sont des documents issus d’une situation précise et orientés par celle-ci“ (768). Trotz einschlägiger Thematik scheint dieser den Frühhumanismus im übrigen in wenigen Zeilen abhandelnde Beitrag aufs Ganze von eher beschränktem Wert und durch die ungleich tieferdringenden Ausführungen von (Grévy‑)Pons zumindest für das frühe 15. Jahrhundert bereits überholt. Ähnliches gilt auch für den Aufsatz von Philippe Desan, Nationalism and History in France During the Renaissance, in: Rinascimento II/24 (1984), 261–288, der – bis auf eine kurze Bemerkung über Jean de Montreuil – den Frühhumanismus völlig ausblendet und lediglich beiläufig die französischen Reaktionen auf das hier einleitend zitierte Petrarca-Verdikt erwähnt (274). 148 a) A toute la chevalerie: Jean de Montreuil, Opera, II (wie Anm. 25), 93 (Zitat Z. 59–68); vgl. ebd., 136 (zu Z. 66–68) und XIII f. (Ouy, Avant-propos). – b) Regali ex progenie: ebd., 68 (Z. 34–39). 149 Beaune, Naissance (wie Anm. 5), 271, 276, 278, 281; vgl. auch Krynen, Idéal du prince (wie Anm. 65), 281–296.

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Sekretär Alfons’ V. von Aragón lieferte. Fürstendiener war er mithin wie Jean de Montreuil und viele Humanisten, welche die Geschichte ihren Herren dienstbar zu machen verstanden. Parteilichkeit, ja Leidenschaft führte die Feder; hier wird ab‑ und ausgegrenzt, marginalisiert und exkludiert, wie es schon im Zusammenhang mit Montreuil und Trithemius / Krantz zu konstatieren war. Humanistische Geschichtsschreibung ist, selbst wenn sie wie im Fall des Robert Gaguin keinen Auftraggeber kennt, interessengebunden, verfolgt konkrete Absichten, was als drittes festzuhalten wäre. Das allerdings darf durchaus gewisse Allgemeingültigkeit beanspruchen, denn immer wieder verkünden humanistische Geschichtsschreiber unterschiedlicher Generation und Herkunft programmatisch die Verpflichtung auf die Wahrheit als unabdingbare Voraussetzung für ihr Tun150, und immer wieder rekurrieren sie dabei auf Ciceros Historia vero testis temporum, lux veritatis, vita memoriae, magistra vitae, nuntia vetustatis, qua voce alia, nisi oratoris, immortalitati commendatur? (De oratore II, 36). Doch gerade ihr rhetorischer Patriotismus weckt vorgeblich bekämpfte Leidenschaften und gibt der lux veritatis Leuchtkraft allein in jeweils gewünschter Richtung. Man mag sich an einer noch im Vorwissenschaftlichen befangenen Quellenkritik der Humanisten stoßen151, ungleich gravierender scheint, daß schlichte Maximen einer Historikermoral zwar betont, doch oftmals kaum befolgt werden. Die Opera des Jean de Montreuil sind, wie gesagt, in einer ganz bestimmten Situation des Königreichs entstanden, die auch andere Autoren des späten 14. und früheren 15. Jahrhunderts veranlaßte, sich für dieselben Ziele wie der Propst von Lille einzusetzen, ohne dabei jedoch humanistische Formprinzipien zu befolgen. Einem Philippe de Mézières, Jean de Terrevermeille, einer Christine de Pisan oder später einem Jean II Juvénal des Ursins und Alain Chartier, um nur einige von ihnen zu nennen, lag ebenso an der Sicherung und Stärkung der Königsnation Frankreich angesichts der englischen Gefahr, angesichts eines geliebten, aber in geistiger Umnachtung befangenen Monarchen, angesichts blutiger Parteikämpfe zwischen Armagnac und Burgund im eigenen Land. Unteilbarkeit, Stärke und Konstanz Frankreichs waren für diese Autoren nur durch die einheitsstiftende Institution Königtum gewährleistet152. Die besondere Lage des von 150 Vgl. die Belege bei Rüdiger Landfester, ‚Historia magistra vitae‘. Untersuchungen zur humanistischen Geschichtstheorie des 14. bis 16. Jahrhunderts, Genf 1972 (THR 123), 95 f.; 96–100 zum Gebot der strikten Unparteilichkeit des Geschichtsschreibers. Für Deutschland s. Andermann, Historiographie (wie Anm. 68), 90 ff. 151 So Landfester, ‚Historia‘ (wie Anm. 150), 168. Zu diesem Thema m. E. aber differenzierter die kurz nach Landfesters Arbeit erschienenen Studien von Werner Goez, Die Anfänge der historischen Methodenreflexion in der italienischen Renaissance und ihre Aufnahme in der Geschichtsschreibung des deutschen Humanismus, in: AKG 56 (1974), 25–48; E(dmund) B(oleslaw) Fryde, The Revival of a ,Scientific‘ and Erudite Historiography in the Earlier Renaissance [1974; ND] in: Ders., Humanism and Renaissance Historiography, London 1983, 3–31. 152 Hierzu grundlegend die Monographie von Krynen, Idéal du prince (wie Anm. 65). Vgl. auch Peter Shervey Lewis, Écrits politiques de Jean Juvénal des Ursins, III: La vie et les œuvres,

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großer Not heimgesuchten Reichs ließ die historisch argumentierenden, oder besser: die Historie absichtsvoll instrumentalisierenden Propagandaschriften eines Humanisten aus der königlichen Kanzlei Teil einer breiter ausgelegten Bewegung sein, die ansonsten von noch in „mittelalterlichem Stil“ schreibenden Autoren getragen wurde – dieses Spezifikum gilt es viertens zu beachten. Wegen der offensichtlich geringen Verbreitung der Traktate haben Bernard Guenée und Peter Shervey Lewis an der Angemessenheit des Terminus „propagande“ gezweifelt und Begriffen wie „littérature politique“ oder „littérature engagée“ den Vorzug gegeben153. Guenée ging 1977 sogar soweit, die Verfasser wenig schmeichelhaft als „des humanistes en mal d’écrire et répandus à deux ou trois exemplaires“ zu bezeichnen154, obwohl das Etikett „Humanist“ eigentlich allein auf Montreuil paßt. Über die natürlich nur sehr schwer festzumachende Wirkung seiner Traktate und der seiner Kollegen mag man trefflich streiten – Nicole (Grévy‑) Pons konnte durchaus Nachweise für die Rezeption des Propstes von Lille beibringen155 –, doch schon die Existenz dieser ja nicht gerade wenigen Schriften scheint mir Ausdruck eines royalistisch getönten Patriotismus, der weit über gelehrte Zirkel hinaus auch auf anderen Ebenen zwar oft nur in diffuser Form, aber bis hinunter zum „peuple menu“ vorhanden war. Hierfür steht nicht zuletzt eine Jeanne d’Arc – auf ihre Art wiederum natürlich eine singuläre Erscheinung, doch: „Nul doute que, s’il avait vécu, Montreuil n’ait été un des plus ardents partisans de Jeanne d’Arc“156. Paris 1992; Claude Gauvard, Christine de Pizan et ses contemporains: L’engagement politique des écrivains dans le royaume de France aux XIV e et XV e siècles, in: Une femme de lettres au Moyen Age. Études autour de Christine de Pizan, hg. v. Liliane Dulac / Bernard Ribémont, Orléans 1995 (Medievalia 16 – Sér. ‚Études christiniennes‘), 105–128; Nicole Pons, Ennemi extérieur et ennemi intérieur: la double lutte des défenseurs du futur Charles VII, in: Memini. Travaux et doc. publ. par la Soc. des études médiévales du Québec 3 (1999), 91–125; Heribert Müller, Frankreich im Spätmittelalter: Vom Königsstaat zur Königsnation (1270–1498), in: Geschichte Frankreichs, hg. v. Ernst Hinrichs, Stuttgart 2002, 84. 153 ‚Des humanistes en mal d’écrire‘. Réflexions sur la motivation et sur la réception de la polémique, en France, à la fin du Moyen Age, in: Saint-Denis et la royauté (wie Anm. 26: Gorochov), 637–646. – Pouvoir ‚speculative‘ et pratique: quelles voix entendre?, in: Penser le pouvoir au moyen âge (wie Anm. 145: Pons), 157–170. Zur relativ schmalen Überlieferungsbasis s. bereits Heribert Müller, Königtum und Nationalgefühl in Frankreich um 1400, in: HJb 103 (1983), 142 f. 154 Les tendances actuelles de l’histoire politique du moyen âge français, in: Tendances, perspectives et méthodes de l’histoire médiévale (Actes du 100e Congrès nat. des Sociétés Savantes, Paris 1975 – Section de philologie et d’histoire jusqu’à 1610), Paris 1977, 59. Lewis nimmt schon im Titel seines Beitrags zur Guenée-Festschrift (vgl. Anm. 153) darauf direkt Bezug. 155 Jean de Montreuil et Guillebert de Mets, in: Revue belge de philol. et d’histoire 58 (1980), 565–587; Un exemple de l’utilisation des écrits politiques de Jean de Montreuil: un mémorandum diplomatique rédigé sous Charles VII, in: Préludes (wie Anm. 9: Beltran), 243–264. 156 Zitat: Grévy-Pons, Propagande (wie Anm. 65), 145. Zur angesprochenen Bedeutung Johannas vgl. man etwa die zahlreichen Publikationen von Régine Pernoud zum Thema, zuletzt zusammen mit Véronique Clin: Jeanne d’Arc, Paris 1986 (dt. 1991), oder den mit dem Epitheton „héroïne française de la guerre de Cent Ans“ einsetzenden Artikel über Jeanne d’Arc

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Anderes, ebenfalls Singuläres soll, wiederum im Anschluß an Pons, abschließend als fünfter Punkt festgehalten werden: Ungeachtet seiner wenig gelungenen Versuche, es in Stil und Form des Lateinischen einem Coluccio Salutati gleichzutun, erweist Jean de Montreuil sich am Ende doch noch als „der erste rechte Humanist in Frankreich“; dann nämlich, wenn er – nicht nur in seinen Traktaten – auf historische Phänomene zu sprechen kommt. Er sieht sie ganz innerweltlich, nie greift Gott bei ihm, wie etwa später noch bei Commynes, unversehens in den Gang der Ereignisse ein; ihn interessiert vielmehr, vielleicht im Anschluß an Salutatis gleichnamigen Traktat, das Walten von Fatum und Fortuna. In der Welt des Skeptikers haben Mythen und Mirakel keinen Platz157, ob er nun beredt über die trojanische Abstammung der Franken schweigt oder sich nach einem Besuch Kölns – auf das Lob der Stadt könnten die Kölner heute noch stolz sein, kennten sie es denn nur – kritisch über die reliquienträchtige Verehrung der hl. Ursula und ihrer 11 000 Jungfrauen ausläßt158. Der Propst von Lille wirft einen kalten Blick auf die Geschichte, sofern es nicht um Rettung und Preis der Valoismonarchie geht; Politik und Moral können für ihn zweierlei sein. Damit aber steht Jean de Montreuil in Paris, im Frankreich seiner Zeit allein, damit hat er auch keinen Schüler und Nachfolger gefunden159. Doch warum sollte in einer Studie, in der es vornehmlich um Gruppen und Zentren, um Verbindungen und Kontinuitäten ging, nicht auch das vornehmste Objekt der Geschichtsforschung, das historische Individuum, in sein Recht gesetzt werden, zumal sich dessen Individualität gerade an seiner Sicht auf die Geschichte erweist? von Roger Aubert, in: DHGE XXVII (2000), 915–922. Die jüngste große Studie über Johanna von Heinz Thomas, Jeanne d’Arc. Jungfrau und Tochter Gottes, Berlin 2000, ist weniger auf dieses Thema als auf detaillierte Untersuchungen zahlreicher Einzelprobleme der Jeanne d’ArcForschung hin fokussiert. 157 Dazu (Grévy‑)Pons: a) La présence (wie Anm. 24), 20–23 (mit Belegen); s. auch b) Propagande (wie Anm. 65), 140; c) L’historiographie (wie Anm. 144), 111 f., 114. Vgl. Cecchetti, Temi umanistici (wie Anm. 24), 39. – Zur Einschätzung von Commynes – hier im Gegensatz zur grundsätzlich jedoch ebenso anregenden wie weiterführenden Studie von Blanchard (wie Anm. 118 b) – Joachim Ehlers, Philippe de Commynes und die Fürsten dieser Welt. Von der Heilsgeschichte zur Pragmatik, in: Les princes et l’histoire du XIV e au XVIIIe siècle (Actes du Colloque …, Paris – Versailles, 13–16 III 1996), hg. v. Chantal Grell / Werner Paravicini / Jürgen Voss, Bonn 1998 (Pariser Histor. Studien 47), 222–229, bes. 223; Heribert Müller, Fasanenfest und Orden vom Goldenen Vlies. Neuerscheinungen zur burgundischen Geschichte und Geschichtsschreibung, in: ZHF 27 (2000), 222. 158 a)  Troja: Pons, L’historiographie (wie Anm. 144), 111. – b) Köln / St. Ursula: Jean de Montreuil, Opera, I (wie Anm. 24), n. 117; vgl. Müller, Köln und das Reich (wie Anm. 21), 616–619 [in diesem Band: 383–387]. Gerade dieses Angehen gegen Legenden und Fabeln wird von Goez, Die Anfänge, und Fryde, The Revival (beide wie Anm. 151), 28 f. bzw. 21, als eines der grundlegenden Merkmale humanistischer Geschichtsschreibung angesehen. 159 So konnte auch der – prinzipiell unzutreffende – Eindruck entstehen, Jean de Montreuil stehe für ein Humanismusverständnis mit fast heidnischer Grundierung, sei mit seinem Skeptizismus ein Vertreter paganisierender Tendenzen: Voigt, Wiederbelebung (wie Anm. 7), 348 („Viel religiösen Sinn möchten wir dem Kanzler nicht zutrauen“); Coville, Gontier et Pierre Col (wie Anm. 42 b), 78 u. ö.

„Die Geschichte des Christentums“ Deutsch-französische Anmerkungen anläßlich des Bandes VII: „Von der Reform zur Reformation“1 Gut dreißig Jahre mag es her sein, da baute Citroën die französischen Autos schlechthin, und die Augen der Nostalgiker des Automobils leuchten noch heute, wenn von „DS“und „ID“ die Rede ist. „Déesse“ und „Idée“, das waren Esprit und Eleganz alternativ; doch nicht nur böse Zungen behaupteten, diese Autos begännen schon im Prospekt zu rosten. Und wer eine Zündkerze auswechseln wollte, mußte gleich fast den gesamten Motor ausbauen. Rezensent erinnert sich an das Wort eines solchen Zündkerzenwechslers: „Diese Autos, aber bei Mercedes gebaut, das wär’s doch“. Also das alte Cliché: Esprit versus, oder besser: mit Solidität; Marianne und Michel Hand in Hand, und alles ist optimal. Was dies mit dem hier anzuzeigenden Band zu tun hat? Er ist wie die gesamte „Geschichte des Christentums“ ein französisch-deutsches Gemeinschaftsunternehmen; übersetzt und bearbeitet erscheinen die deutschen Bände fast zeitgleich mit entsprechenden „Originalen“ der „Histoire du christianisme“. Das Ergebnis stellt sich nach Meinung des Rezensenten aber alles andere als optimal dar. Da er als Historiker ein deutsch-französischer „Grenzgänger“ ist und da mittlerweile schon recht viele der auf insgesamt 14 Bände berechneten Kollektion vorliegen, sei die Gelegenheit zunächst zu einigen Anmerkungen grundsätzlicher Art genutzt.

I. l) „Fast zeitgleich“: Wie hier („wegen der Kürze der Zeit“, IX), so wird auch in den Vorworten der anderen Bände von den deutschen Bearbeitern mehr oder minder deutlich auf den enormen Zeitdruck hingewiesen, unter dem Übersetzung und Bearbeitung standen (vgl. etwa Bd. V, S. VII). Hast und Eile – man hört förmlich die Verlegerpeitsche knallen – dürften aber nicht unbedingt beste Voraussetzung und Bedingung für ein abgerundetes wissenschaftliches Werk darstellen. Und dies gilt wohlgemerkt gleichfalls für das Original; ein zusätzliches 1 Von der Reform zur Reformation (1450–1530), hg. v. Marc Venard, deutsche Ausgabe bearb. u. hg. v. Heribert Smolinsky, Freiburg/Brsg. u. a. 1995 (Die Geschichte des Christentums. Religion – Politik – Kultur 7), XX + 892 S., zahlr. Abb. in Farbe und sw, 14 Karten.

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Movens für dessen rasche Realisierung mag noch das warnende Beispiel der von Fliche-Martin begründeten „Histoire de l’Église“ gewesen sein, deren einzelne Bände über Jahrzehnte hin erschienen, ohne daß es je zu einem Abschluß des Handbuchs gekommen wäre – so bedeutet im übrigen die „Histoire du christianisme“ wohl die endgültige Aufgabe jenes Unternehmens. 2) Der Verlag wirbt mit einem Satz, der in der Wochenzeitung „Die Zeit“ zu lesen war: „Wer es genau wissen will, wird sich an dieser ‚Geschichte des Christentums‘ nicht satt lesen“. Satt lesen – dies gilt um vieles mehr für das französische Original. Dessen enges und strenges Druckbild sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß hier Autoren schreiben, die durchgängig auch literarischen Ehrgeiz haben. Im Land der Strukturgeschichte ging nie der Sinn dafür verloren, daß Klio eine Muse, daß Historiographie auch Erzählkunst ist. Und so bemerkte denn Nicole Lemaître in ihrer Besprechung der französischen Version dieses siebenten Bandes zur Arbeit der daran beteiligten elf Verfasser: „Ils racontent cette histoire de passions d’une plume alerte, car ce pavé de 920 pages … se lit presque comme un roman“2. R. Reinhardt ließ mit Blick auf den vierten und fünften Band lakonisch verlauten: „Mehr ‚Lesebuch‘ denn Lehrbuch“3. Das aber bedeutete Probleme für die nicht weniger als neun Übersetzer: Bei wörtlicher Übertragung dürfte der an Handbuchdeutsch Gewohnte verwundert reagieren, um alsbald Zweifel an der Seriosität des Unternehmens anzumelden; bei einer Umsetzung in die deutsche Wissenschaftssprache geht der Tonus des Originals verloren, und manches wirkt dann auch schlicht hölzern. Beispiele für solche Inkommoditäten aus dem ersten Teil „Erschütterte Kirchen“ („Des Églises ébranlées“) des hier zu besprechenden Bandes: Dort heißt ein Unterkapitel „Die Verteidigung und Festigung des Kirchenstaats als dauerhafte Aufgabe ersten Ranges“ (86); im Original lesen wir: „Défendre et fortifier les États pontificaux: une tâche prioritaire toujours à réprendre“ (92; im folgenden beziehen sich bei deutschen und französischen Zitierungen die Seitenangaben selbstverständlich auf die entsprechenden Ausgaben). Der Verfasser jenes Abschnitts sieht wenig später die Kirche „zwischen mundtot gemachtem Konziliarismus und vertagter Reform“ (117) – „Le conciliarisme bâilloné: la réforme escamotée“ (121), so schreibt er selber. In diesem Zusammenhang begegnet auch das „von vornherein gescheiterte Konzil in Basel“ (125; gemeint ist der gescheiterte Konzilsversuch des Andreas Jamometić von 1482) – das heißt im Original „Bâle, un concile mort-né“ (129). Manches ist eben „sehr französisch“, kaum übertragbar. Dahinter stehen schlicht (auch) eine andere Kultur und dementsprechende Ausbildung, die auf Form und Präsentation Wert legt. Wenn der Elsässer Francis Rapp eine Überschrift wählt wie „La religion flamboyante en France: équilibre et dynamisme“ (358), so weiß er natürlich nur zu genau, was man „à l’Intérieur“ 2 Revue

3 Theol.

d’histoire de l’église de France 81 (1995), 336. Quartalschrift 176 (1996), 170.

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hören will, während der an stilistische Hausmannskost gewöhnte deutsche Mediävist die Stirn runzelt, ob er’s nun in Französisch oder in Deutsch als „Die spätmittelalterliche Religion in Frankreich: Ausgewogenheit und Dynamik“ (362) geboten bekommt. Wenn man im übrigen so viele Übersetzer verpflichtete, sollte damit natürlich ein schnelles Erscheinen des Bandes sichergestellt werden, doch bedeutet das zwangsläufig weitere Uneinheitlichkeit. Von direkten Übersetzungsfehlern wird noch zu reden sein. 3) Dies ist kein traditionelles „Handbuch der Kirchengeschichte“, es ist eher eine „Histoire religieuse sans frontières“; d. h., es kommen zum einen Themen der „Histoire vécue du peuple chrétien“ zur Sprache, zum anderen findet nicht nur die römisch-katholische Kirche, sondern die Gesamtheit des Christentums Berücksichtigung. Die Kritik hat, soweit ich übersehen kann, bislang auf diese Konzeption durchweg positiv reagiert, und ich schließe mich dem grundsätzlich an, indes nicht ohne darauf hinzuweisen, daß bei solcher Ausweitung bisweilen des Guten doch wohl etwas zuviel getan wurde – so nehmen beispielsweise in Band IV „Bischöfe, Mönche und Kaiser (624–1054)“ die Themen „Byzantinisches Christentum“ und „Christenheit im Osten“ fast zwei Drittel der knapp 1000 Seiten ein4: In vorliegendem Band scheinen allerdings, bei fortwährender Offenheit für „Neue Horizonte“ – so der Titel des dritten Teils –, die Akzente unter diesem Aspekt ausgewogener gesetzt. Im übrigen ist es ja sicher nicht das schlechteste, wenn der Leser als Laie – denn fachliche Kompetenz für alles hier zur Sprache Kommende kann niemand beanspruchen –, von Neugier und Interesse geleitet, die Begegnung mit der Klosterwelt Rußlands wie den Christen Äthiopiens sucht, wenn er sich mit den portugiesischen Entdeckern gen Indien und Brasilien begibt. Warum nun zwischen den Ausführungen eben zu den Thomas-Christen und zu Brasilien (588 f.) ausgerechnet Abbildungen von Luther, Tetzel und Albrecht von Brandenburg eingefügt werden, dürfte Verlagsgeheimnis sein. Dafür findet sich im Luther-Kapitel (nach 684) eine Abbildung von Schongauers „Madonna im Rosenhag“, von der wiederum im Überblick über Deutschland (323) die Rede ist. Generell wurde das farbige Bildmaterial nicht gerade überlegt plaziert – doch es ist immerhin vorhanden im Gegensatz zur französischen Ausgabe, die dafür wesentlich mehr sw-Abbildungen und doppelt so viele (den Informationsgrad eines solchen Werkes m. E. erhöhende) Karten enthält.

II. Womit nunmehr Band VII in den Blickpunkt gerückt ist, der – von den Herausgebern bereits der Neuzeit zugeordnet – im Vergleich zu seinen drei „mittel4 Dazu

auch kritisch u. a. P. Engelbert, in: Theol. Revue 91 (1995), 292 f.

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alterlichen Vorläufern“ eine nur kurze Zeitspanne von gerade achtzig Jahren umfaßt. Das ist sachlich gerechtfertigt, handelt es sich doch um eine Epoche intensivster Frömmigkeit und Kirchlichkeit und steht doch – bei allem Polyzentrismus – die Reformation als Leitthema an. Wenn der Begriff „Réformation“ auch im französischen Original – schon mit Blick auf die deutsche Parallelausgabe? – zu lesen ist, so entspricht das keineswegs generellem Sprachgebrauch. „Réforme“ (und „Contre-Réforme“) ist eigentlich geläufiger, und im Original schleichen sich diese Termini hie und da denn auch wieder ein (z. B. 874). Zudem bietet solche Begriffswahl den Vorteil, den außerhalb der engeren Fachhistorie nur wenig bekannten Sachverhalt der Reform (besser: einer beeindruckenden Vielzahl von Reformen und Reformversuchen) vor der Reformation recht ins Licht zu rücken – ich halte die Wahl des Titels, auch wenn er dann wieder nur die lateinische Christenheit Europas und selbst diese nicht einmal in all ihren Teilen betrifft, für durchaus geglückt. Mithin ein guter Anfang auf dem Titelblatt, doch welch mißglücktes Ende! Die deutsche Ausgabe schließt mit Bemerkungen von Marc Venard zu den Provinzialsynoden von Sens 1522 und Köln 1536, und der Leser fragt sich, ob das tatsächlich den Abschluß eines fast 900seitigen Werks darstellen soll. Offensichtlich rechnen Verlag und Herausgeber nicht damit, daß er auch das französische Original konsultieren könnte. (Meist dürfte ihre Rechnung aufgehen, weil zum einen der Benutzer in der Regel kaum die Zeit zu solch verifizierender Kontrolle hat und weil zum anderen in einem zusammenwachsenden Europa 2000 die realen Französischkenntnisse, zumindest der jüngeren Generation in Deutschland eher abnehmen.) Dort aber findet sich, (k)eine Überraschung, eine ebenso kurze wie eigenwillige „Conclusion“, gleichfalls von Marc Venard stammend. Nicole Lemaître hielt sie in besagter Besprechung für so interessant, daß sie sie nicht resümieren, sondern zur Lektüre des Texts selbst anregen wollte („qu’on se gardera bien de dévoiler ici“5). Der Schleier sei hier gelüftet: Es handelt sich um ein dem Historiker eigentlich untersagtes „was wäre wenn“-Gedankenspiel: Was wäre geschehen, wenn die Reformen des 15. Jahrhunderts gegriffen, wenn die Christen des 16. Jahrhunderts erasmianische Pfade eingeschlagen hätten? Sie wären über kurz oder lang auf deistische Abwege geraten, doch ein Martin Luther hat ihnen mit Nachdruck das Wesentliche allen Christseins vor Augen geführt: daß der gebrechliche Mensch sein Heil nur im Glauben an den gnädigen Gott findet. Also „un formidable coup de barre“ anstelle einer lauen „conception optimiste de l’humanisme chrétien“ (880). Solche Sicht mag man teilen oder nicht, allein man darf sie nie und nimmer unterschlagen. (Daß am Ende auch Zeittafel und „Bibliographie générale“ nicht übernommen werden, fällt da weniger ins

5 Wie

Anm. 2, 336.

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Gewicht, etwas mehr schon das Fehlen von Orts‑ und Sachregister, weil manche Dinge an verschiedenen Stellen abgehandelt werden6.)

III. Hier zeigt sich in krasser Ausformung ein anderes Grundproblem des gesamten Unternehmens: Wie weit darf die „Bearbeitung“ eines wissenschaftlichen Texts gehen, welchen Weg hat sie zwischen Respekt vor dem – möglichst adäquat zu übersetzenden – Original und der Absicht zusätzlicher oder gar geänderter Information einzuschlagen, und dies mit speziellem Blick auf ein deutsches Publikum, das in anderer historischer Schule groß geworden ist? Sicher, manches Mal spiegeln die Artikel der französischen Kollegen in der Tat schlicht nicht den neuesten Forschungsstand – ist es dann Ausdruck oberlehrerhafter Besserwisserei (und dies ausgerechnet von deutscher Seite) oder aber stillen Diensts an der Sache, wenn in den Text eingegriffen wird? Das geschieht hier etwa in substantieller Weise bei den Ausführungen von Marc Lienhard über Luther und die Reformation (vgl. etwa 691 Anm. 55 zum – angeblichen – Wittenberger Thesenanschlag), das führt gar zu einem eigenen, zusätzlichen Kapitel des Bearbeiters über die altgläubige Kontroverstheologie bis 1530. Auf der anderen Seite bleibt aber etwa der Abschnitt „Entdeckungen und Christianisierung der Fernen“ von Alain Milhou von solchen Interventionen fast unberührt, weil es dem Bearbeiter hier wohl schlicht an entsprechender Kompetenz mangelt. Dies ist beileibe kein Vorwurf gegen Heribert Smolinsky, der sich gleich den Bearbeitern der anderen Bände fürwahr bemüht hat, seine (auch gegenüber den Autoren der Originalbeiträge) undankbare Aufgabe befriedigend zu erledigen; es ist vielmehr ein Vorwurf an die Adresse derjenigen, die eine solche Mischung von Übersetzung und Bearbeitung mit aller dabei vorprogrammierten Uneinheitlichkeit und allem Ungleichgewicht zu verantworten haben. Und Weiteres kommt hinzu: Die Beiträge stammen von diversen Autoren mit diversen Interessen und bewegen sich auf diversem Niveau. Solche Diversität, so Nicole Lemaître, „transforme parfois ce volume, en dépit de louables efforts d’homogénéisation, en agréable patchwork plutôt qu’en bonne toile solidement tramée“7; („à l’instar de Jedin“ ist man versucht, am Schluß hinzuzufügen). Ob das Patchwork angenehm wirkt, bleibe dahingestellt; sicher aber gilt dies nicht mehr, wenn darauf noch ein zusätzlicher Flickenteppich, gewebt aus Extrakten meist deutscher Spezialforschungen, gesetzt wird. Nach Lektüre der Vorworte der deutschen Bearbeiter in den bislang erschienenen Bänden habe ich denn auch den Eindruck gewonnen, daß am Ende kein einziger von ihnen 6 Vgl. dazu – aber auch mit Hinweis auf den als Gesamtregister geplanten Band XIV – Franz Xaver Bischof, in: ZKG 107 (1996), 104 f. 7 Wie Anm. 2, 336.

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rundum zufrieden mit dem jeweiligen Ergebnis unbedenklich das „Imprimatur“ für ein in allen Teilen ausgewogenes Werk erteilt hätte. Es wäre m. E. – ungeachtet aller Lücken, Fehler und Schwächen – besser bei einer Übersetzung der „Histoire du christianisme“ geblieben, zumal dann auch noch deutlicher das von der Tradition neuerer französischer Geschichtswissenschaft geprägte Eigenprofil der Reihe hätte hervortreten können. (Die von R. Reinhardt8 geäußerte Ansicht, besser wären von vornherein deutsche Kollegen mit der Abfassung von Abschnitten über die Reichskirche betraut worden, vermag ich nicht unbedingt zu teilen – zumindest wenn darüber Sachkenner wie etwa Michel Parisse oder Francis Rapp schreiben, wirkt der „Blick von außen“ doch immer anregend.) Und unabhängig hiervon hätte der Verlag ja eine eigene „Geschichte des Christentums“ planen können, geschrieben von deutschsprachigen Autoren, die willens und fähig sind, Ansätze und Methoden dieser Art aufzugreifen. Solche Autoren von A(ngenendt) bis W(olf) gibt es durchaus – ein Hinweis, der auch als Wink für die fernere Zukunft verstanden werden kann und soll. Welche Ergebnisse ein derartiges Konzept zu zeitigen vermag, belegen die besten Bände des nach dem Vorbild der französischen „Nouvelle Clio“ konzipierten „Oldenbourg Grundriss der Geschichte“ wie etwa Band 6: „Die Formierung Europas 840–1046“ von Johannes Fried9 oder Band 9: „Das 15. Jahrhundert“ von Erich Meuthen10.

IV. Doch nach erneutem Exkurs ins Grundsätzliche zurück zum anzuzeigenden Band und jetzt zu einzelnen, ausgewählten Punkten, wobei in einer Zeitschrift für Konziliengeschichtsforschung die zur Sprache kommenden Kirchenversammlungen sicher besondere Aufmerksamkeit verdienen. Mit dem Scheitern des Basiliense war bekanntlich das Zeitalter der Konzilien und des Konziliarismus vorüber (dazu – noch immer knapp ausfallende – zusätzliche Literaturhinweise des Bearbeiters 118 Anm. 131/132). Die Basler „Wiederbelebung“ des Andreas Jamometić 1482 erhält das Prädikat „bedauerlicher Mißerfolg“ (125). Man wundert sich ob solcher Wertung, konsultiert das Original, wo es denn auch „échec pitoyable“ (129, und nicht „regrettable“) heißt. Und hinter dem Erzbistum Krania / Crania (126 bzw. 129), das Jamometić innehatte, verbirgt sich die seit 1452 in vatikanischen Quellen als Erzsitz belegte nordalbanisch-montenegrinische Region Krajna, von der eine Katholisierung des orthodoxen Slawentums ihren Ausgang nehmen sollte11. Etwas mißtrauisch geworden, verfolgt man die „Konzilsspur“  8 Wie

Anm. 3, 170.

 9 München 21993. 10 München 31996.

11 Vgl. Jürgen Petersohn, Zum Personalakt eines Kirchenrebellen. Name, Herkunft und Amtssprengel des Basler Konzilsinitiators Andreas Jamometić (†1484), in: ZHF 13 (1986), 1–14.

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weiter und begegnet dem für die Verbindlichkeit der Konstanzer Dekrete zu Beginn des 16. Jahrhunderts eintretenden Mattia Ugoni, „der seine Amtseinsetzung in Padua erreicht hatte“ (119) – gemeint ist natürlich seine akademische Ausbildung an der dortigen Universität („qui avait conquis ses grades à Padoue“ [123]). Diese akademische Welt scheint der Übersetzerin indes wenig vertraut, macht sie doch nur wenige Zeilen später die „maîtres de Bologne“ zu Bologneser Anwälten. – Das V. Lateranum wird sodann samt seinem Auslöser, dem Conciliabulum von Pisa (zu dessen Betreiber, dem französischen König, grundlegend Bernard Quilliet, Louis XII, Père du Peuple [1986]), relativ breit und ausgewogen dargestellt (129–139), allerdings findet der danach Suchende die Ausführungen nicht sogleich, weil die Überschrift des betreffenden Kapitels keinen direkten Hinweis darauf liefert (132), während das Original präzise angibt „La réforme ajournée par le pape, ébauchée par le concile: Latran V“ (135). Und Übersetzungsfehler begleiten den Leser weiter: Ob die Venezianer Tommaso Quirini und Vincenzo Giustiniani 1513 Leo X. wirklich vorschlugen, die Heilige Schrift solle „zur weiteren Verbreitung in heute gebräuchliche Mundarten [!] übertragen“ (137) werden? Offensichtlich wußte die Übersetzerin mit dem Begriff „langues vernaculaires“ (139) ebensowenig anzufangen wie mit dem Terminus der diversen „familles religieuses“ (138), um deren Zustand sich die beiden Kamaldulenser sorgten. Jene werden modern als „Religionsgemeinschaften“ (136) deklariert, und gar modisch ist kurz zuvor von „staatlichen Dienstleistungsstellen“ (134) die Rede, wobei mit den „services gouvernementaux“ (137) eindeutig die kurialen Behörden unter Sixtus IV. gemeint sind. Es ließe sich leicht eine lange Liste weiterer ähnlicher Mißgriffe erstellen, denn im gesamten Werk finden sich immer wieder Beispiele für solch unpassendes, da unhistorisches „Behördendeutsch“. Und wenn in diesem von Francis Rapp verfaßten Kapitel vom „Kaiserreich“ die Rede ist, mag man eher an wilhelminische Zeiten denn an das Reich des Spätmittelalters denken, das derselbe Autor in einem eigenen Kapitel näher skizziert (305–329). Hier hat der deutsche Bearbeiter, in der Sache m. E. oft zu Recht (aber es gilt natürlich generell der erwähnte grundsätzliche Vorbehalt), bis hin zur abschließenden Bibliographie etliche Ergänzungen vorgenommen, ob es nun um den von der neueren Forschung als eher beschränkt erkannten Umfang der finanziellen „Auspressung“ Deutschlands durch die Kurie am Vorabend der Reformation (313) oder um den Pfeifer von Niklashausen (327) geht. Das erstaunt ein wenig, weil Rapp, Autor einer Monographie „Les origines de l’Allemagne moderne. De Charles IV à Charles Quint (1346–1519)“ (1989) ansonsten, wie gesagt, als guter Kenner des deutschen Spätmittelalters und insbesondere seiner kirchlichen Verhältnisse zu gelten hat. In mindestens einem Fall führte das korrigierende Bearbeiten indes zu einer Verschlimmbesserung, wenn es heißt – wir befinden uns wohlgemerkt im 15. Jahrhundert –, dem Herzog von Jülich-KleveBerg (!) sei es gelungen, „in Jülich und Kleve ein im wesentlichen landesherrliches Kirchenregiment aufzubauen“ (311). Richtiger (und rhetorischer) formuliert da

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Rapp: „Bientôt, le duc de Clèves se croirait en droit d’affirmer qu’il était pape chez lui“ (313). Doch Rhetorik, ja Pathos – gerade in diesem Kapitel präsent und in der Übersetzung wohl bewußt etwas abgemildert („Le cri d’un seul homme, mais quel homme, Luther“ – „Der Aufschrei eines Mannes, Luthers“; 327 bzw. 329) – sollen nicht den Blick aufs „Kleingedruckte“ verstellen, der hier einmal etwas genauer sein mag (wobei er in anderen Kapiteln Ähnliches zutage fördern würde): Daß Hermann Heimpel, Herbert Grundmann († 1970) und Willy Andreas († 1967) noch im Jahre 1982 gemeinsam eine Monographie „Aus Reichstagen des 15. und 16. Jahrhunderts“ verfaßt haben sollen (308 Anm. 9; nach 311 Anm. 7 in der Originalausgabe), hat Rezensenten zunächst an seiner eigenen Literaturkenntnis zweifeln lassen, bis er sich als ehemaliger „Reichstagsakten“-Mitarbeiter an den von diesen dreien (als damaligen Leitern der RTA-Abteilungen der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften) 1958 unter solchem Titel herausgegebenen Sammelband erinnerte. – Beim treffend konstatierten Aufkommen eines deutschen Patriotismus in der Auseinandersetzung mit den „Welschen“ während des 15. Jahrhunderts wäre nicht nur auf Italiener und französischen König, sondern auch und vor allem auf den Burgunder Karl den Kühnen hinzuweisen – dies ist Thema einer vorzüglichen Basler Dissertation von Claudius Sieber-Lehmann, die zeitgleich mit dem vorliegenden Band erschien, deren Hauptthesen aber schon Jahre zuvor in Aufsatzform publiziert wurden12. – Das Wiener Konkordat von 1448 (312) ließe sich im Anschluß an Andreas Meyer auch positiver einschätzen, der es schon im Titel seiner Studie, vielleicht seinerseits etwas überzeichnend, als „eine erfolgreiche Reform des Spätmittelalters“ bewertete13. – Fast im selben Zusammenhang begegnet hier der Trierer Erzbischof Jakob von Sierck, dessen außerordentliche Bedeutung als Kurfürst und Diplomat internationalen Zuschnitts nach wie vor nur der Spezialforschung bekannt zu sein scheint, denn über deren Zirkel hinaus wird die in mancher Hinsicht exemplarische Dissertation von Ignaz Miller14 offensichtlich kaum zur Kenntnis genommen. – Ergänzend zu Nürnberg vor bzw. während der Reformation (311 f. mit Anm. 18) sei auf ein erst kurz vor Abfassung dieser Rezension veröffentlichtes Buch von Berndt Hamm hingewiesen, welches, auf diese Stadt fokussiert, den theologischen Charakter der Stadtreformation entschieden betont: Bürgertum und Glaube. Konturen der städtischen Reformation (1996). Doch weitaus wichtiger, weil grundlegend für das gesamte Deutschland-Kapitel, d. h. für dessen Zentralthemen wie religiöse Zustände, Reformen 12 HZ 253 (1991), 561–602. Vgl. letztens dazu auch – ebenso kurz wie überzeugend am Beispiel des Erfurter Chronisten Konrad Stolle – Winfried Eberhard, Städtisch-regionale Identität und Endzeitbedrohung in der Sicht spätmittelalterlicher Erfurter Chronisten, in: Identité régionale et conscience nationale en France et en Allemagne du Moyen Age à l’époque moderne, publ. par Rainer Babel / Jean-Marie Moeglin, München 1997 (Francia. Beih. 39), 385 f. 13 QFIAB 66 (1986), 108–152. 14 Jakob von Sierck 1398/99–1456, Mainz 1983 (QMRhKG 45).

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und Reformversuche, scheint mir ein weiterer ergänzender Hinweis, nämlich auf die Ende 1996 erschienene, von Erich Meuthen herausgegebene 3. Lieferung des 1. Bandes der „Acta Cusana“15. Das aus nicht weniger als 335 Archiven und Bibliotheken für die minutiöse Rekonstruktion der deutschen Legationsreise des Nikolaus von Kues (1451 Januar – 1452 März) geschöpfte Material stellt weitaus mehr als die in ihrer Art einzigartige Dokumentation einer außerordentlichen Persönlichkeit des ausgehenden Mittelalters dar: „Die ‚Acta Cusana‘ präsentieren … zugleich ein Stück Zeitgeschichte des 15. Jahrhunderts. Wenn ich recht sehe, fehlt ein Quellenwerk, das in exemplarischer Form im besonderen die kirchlichen Strukturen jener Zeit editorisch dokumentiert. Die ‚Acta Cusana‘ möchten über die biographische Zuwendung hinaus gerade auch diesen allgemeineren Aspekt berücksichtigen“. Mit diesen Worten leitet der Herausgeber seine im Wortsinn grundlegende Arbeit ein, dank derer fortan alle wissenschaftliche Beschäftigung mit den genannten Themen eine ungleich gesichertere Basis besitzt, als sie der Forschung je zuvor zur Verfügung stand. Weit über 500 Nummern auf fast 1000 Quartseiten zu Person und Wirken des Legaten Nikolaus von Kues tun eine ganze Welt auf. Die Überfülle dringlicher Probleme läßt An‑ und Überforderung, letztlich aber auch schon die Vergeblichkeit aller Anstrengungen dieses „Herkules der Reformer“ erahnen. Erschließt sich hier eine Welt, so sollte man bei der Verallgemeinerung von in begrenztem regionalem Rahmen gewonnenen Erkenntnissen Vorsicht walten lassen. Genau daran aber läßt es Rapp m. E. ein wenig fehlen, wenn er im gleichfalls von ihm verfassten Frankreich-Kapitel (345–373) „zugunsten einer noch recht vorläufigen Bestandsaufnahme das neulich über die südfranzösische Provinz Rouergue abgegebene Urteil auf das ganze Land ausdehnen will“ (372). Dabei stützt er sich auf die zweifellos exzellente Thèse von Nicole Lemaître16, die aber eine Region von sehr spezifischer Gegebenheit und vor allem mit erheblichen Binnenunterschieden untersucht hat17. Besitzt, vereinfacht und zugespitzt formuliert, Rodez im 15. Jahrhundert ebenfalls für das Paris der Zeit repräsentativen Charakter? – Nur am Rande erwähnt sei, daß, wie auch im Kapitel über Deutschland, wo „courtisans“ zu „Kurtisanen“ (315 bzw. 313) werden, bisweilen Übersetzungsfehler weiterhin den Sinn verfälschen: Ob das Frankreich Ludwigs XI., wo man es für angebracht hielt, gegenüber dem Heiligen Stuhl „einmal kräftig aufzutrumpfen, die Dekrete von Konstanz hervorzuheben, die Geldsendungen nach Rom zu verbieten“, tatsächlich zugleich „von dort eine abzuwartende Haltung zu erbitten“ gedachte (353)? Es hätte doch auffallen müssen, daß letzteres mit ersterem einfach nicht in Einklang stehen kann. Im Original 15 Acta Cusana. Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues, im Auftrag der Heidelberger Akad. der Wissenschaften hg. v. Erich Meuthen / Hermann J. Hallauer, I 3a (1451 Januar – September 5), 3b (1451 September 5–1452 März), Hamburg 1996. 16 Le Rouergue flamboyant. Clergé et paroisses du diocèse de Rodez (1417–1563), Paris 1988. 17 Vgl. auch Francia 17/I (1990), 306–311.

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heißt es denn auch „Le moment était venu … d’y [Rome] solliciter expectatives et vacants“ (349) … Daß der deutsche Bearbeiter jenen 1483 gestorbenen König noch 1487 leben läßt (357) – dafür wird das Konkordat von Bologna auf 1515 vorverlegt (769), und die berühmte „Assertio“ Heinrichs VIII. von England soll einmal 1521, dann wieder 1523 erschienen sein (849, 865) – und daß er im Zusammenhang mit dem 1435 zu Arras von der französischen Krone „mit der Bourgogne“ (349) geschlossenen Vertrag an solcher (Nicht‑)Übersetzung keinen Anstoß nahm, mag man ebenso dem Zeitdruck anlasten wie den Umstand, daß hier und im Original aus dem Historiographen und Humanisten Robert Gaguin (gest. 1501) ein Jean Gaguin (gest. 1503) wurde (359 bzw. 305). Ein letzter Blick soll noch auf die von Bearbeiterhand weitgehend unberührten „Entdeckungen und Christianisierung der Fernen“ und da insbesondere auf den portugiesischen Bereich fallen (568–589). Weitere Male läßt die Übersetzung Fragen stellen: Gibt es auch eine uneigentliche Missionsexpedition, ist doch bei der Taufe des kongolesischen Herrschers Nzinga a Nkuwa 1491 von der Präsenz einer „eigentliche(n) Missionsexpedition“ die Rede? (580 f. Im Original heißt es schlicht „une véritable expédition missionnaire“; 584). Und ob die (ab)wertende „Profitsuche“ so ganz einer „recherche de l’intérêt“ (573 bzw. 576 f.) entspricht? Indes, der „sehr französische“ Stil des erwähnten Autors Alain Milhou wirft seine Probleme auf; hier ist das Werk mehr denn je eher (assoziationsreiches) Lese‑ denn Handbuch. Wie läßt sich beispielsweise folgende zentrale, da auch auf die Motive Heinrichs des Seefahrers abhebende Aussage adäquat übersetzen?: „Mais très vite la géostratégie à coloration messianique, avec plus de rêve que de réalisations missionnaires effectives, se mêla à la quête de l’or et à l’esprit de rapine“ (572; der deutsche Übersetzungsversuch 569). M. E. werden Wirken und Ziele des Infanten trotz des ihm kurz zuvor angehefteten Negativetiketts einer Zugehörigkeit zur „Partei der Intransigenz“ (569) durchaus richtig zwischen Kreuzzugstradition und pragmatischen Wirtschaftsinteressen eingeordnet, ohne daß allerdings die intensive Forschungsdebatte der letzten Jahrzehnte über die (eben zweifellos auch religiöse Motive miteinschließenden) Beweggründe des Prinzen wie der portugiesischen Expansion insgesamt auch nur ansatzweise Niederschlag gefunden hätte. Ohne antiquarischer Anmerkungsgelehrsamkeit das Wort reden zu wollen: Hier ist der Lesewert hoch, der – ja auch durch Belege und weiterführende Angaben gekennzeichnete – Handbuchwert indes gering. Die in meiner Monographie über die Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philipp des Guten von Burgund (1993) gegebenen einschlägigen Hinweise mögen den Umfang der internationalen Historikerdebatte zumindest etwas aufscheinen lassen (43 f. Anm. 16). Gerade Milhou gelingen schöne und anschauliche Passagen wie etwa die Schilderung der Begegnung von abendländischer und äthiopischer Christenheit in den Personen von Francisco Alvares und dem Negus David II. (Lébna Dengel) im Jahre 1520 (583 f.), gerade hier hat aber auch besagtes Dictum von R. Reinhardt seine Gültigkeit.

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V. Fazit dieser Anzeige: Dünne Mäkeleien an einem dicken Buch? Herausgeber, Verlage, Autoren und Übersetzer rüsteten zu kühnem Unternehmen, mochten sich zusammen wie jene „Ínclita Geração“ fühlen, welcher der Seefahrer angehörte – und jeder von ihnen sich ein wenig wie ein kirchengeschichtlicher „Navegador“ –, doch da steigt Beckmesser an Bord, inspiziert nur einige wenige Teile, vermißt diese dann noch mit speziell deutsch-französischer Elle und erstellt ein Fehlerregister, das ihn auch für die Rolle eines kritikasternden Leporello prädestinierte. Indes behagt ihm die Rolle des 1003 Fehler und Fehlerchen Verzeichnenden selbst am wenigsten, weil er das Unternehmen einer methodisch neu‑ und thematisch breitangelegten Geschichte des Christentums als Alternative bzw. Ergänzung zu einer (darob keineswegs ihre Berechtigung verlierenden) Kirchengeschichte traditionellen Stils für durchaus sinnvoll und notwendig hält. Es waren „nur“ die übergroße Eile und mangelnde Sorgfalt bei der Umsetzung des Konzepts und erst recht bei der bearbeitenden Übertragung ins Deutsche, die solche Vielzahl kritischer Einwendungen gegenüber diesem Band wie dem gesamten Unternehmen notwendig machte.

Cum res ageretur inter tantos principes Der Streit um das Bistum Tournai (1433–1438) Zu einem Kapitel französisch-burgundischer Beziehungen aus der Zeit des Konzils von Basel Auseinandersetzungen um Bischofsstühle, die auf dem Basiliense zum Austrag gelangten, sind über den jeweiligen lokalen und regionalen Rahmen hinaus von Interesse. Denn zum einen wurden sie zwangsläufig in den damaligen gesamtkirchlichen Konflikt zwischen Konzil und Papst einbezogen, zum anderen standen hinter den Prätendenten weltliche Mächte, die ihrerseits den Kampf zwischen Basel und Rom zielstrebig zum Auf‑ und Ausbau eigener landeskirchlicher Hoheit auszunutzen suchten1. In solchem Zusammenhang ist die Bedeutung des Streits um den Stuhl von Tournai recht hoch zu veranschlagen, da hier – in einer politischen und wirtschaftlichen Zentralregion des Spätmittelalters – neben den Konzilsvätern und Eugen IV. mit Frankreich und Burgund jene beiden westeuropäischen Vormächte auf den Plan traten, die gerade in den Jahren der Auseinandersetzung um den Bischofssitz mit dem Vertrag von Arras (1435) zu einem den Ausgang des Hundertjährigen Kriegs mitentscheidenden Ausgleich fanden, der indes äußerst fragil und prekär, da von stetem gegenseitigen Mißtrauen überschattet blieb. Denn die früheren Spannungen zwischen Burgund und Armagnac, die sich mit der Ermordung der Herzöge Ludwig von Orléans und Johann Ohnefurcht zu offenem Bürgerkrieg gesteigert wie zum Bündnis Burgunds mit England geführt hatten, waren nicht vergessen2. Dennoch kam es trotz solchen, von Argwohn und 1 Die zu Basel anhängigen Bistumsstreitigkeiten behandelt im Überblick Johannes Helmrath, Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Köln  –  Wien 1987 (KHA 32), 188–193 (mit Lit.); zu einigen ausgewählten französischen Fällen siehe meine Studie: Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449), Paderborn u. a. 1990, II, 684–731. – Hinzuweisen in weiterem Zusammenhang ist auch auf den Beitrag von Jürgen Petersohn, Bischof, Konzil und Stiftsstadt. Die Bischöfe von Kammin und die Hansestadt Kolberg im Obedienzkampf zwischen Basel und Rom, in: Studien zum 15. Jahrhundert. FS E. Meuthen, I, hg. v. Johannes Helmrath / Heribert Müller, München 1994, 255–268. 2 Die Fülle der diese allgemeinen Hintergründe ausleuchtenden Literatur kann hier nicht ausgebreitet werden; sie läßt sich rasch durch die einschlägigen Artikel von Philippe Contamine im „Lexikon des Mittelalters“ erschließen: a) Frankreich – Die Krisenperiode, in: LexMA IV (1989), 762–765; b) Hundertjähriger Krieg, in: V (1991), 215–218; c) Jeanne d’Arc, in: ebd., 342 ff.; d) Karl VII., König von Frankreich, in: ebd., 978 ff.; vgl. Françoise Autrand, Karl VI., König von Frankreich, in: ebd., 977 f. Neue Literatur verzeichnen auch der zweite und dritte „Supplément bibliographique“ des Standardwerks von Bernard Guenée, L’Occident aux XIV e

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Verdächtigungen bestimmten Klimas fallweise zu kalkuliertem Einvernehmen auf Zeit, wenn dies den Beteiligten um der Wahrung eigener Interessen willen opportun erschien. In der Auseinandersetzung um das Bistum Tournai zeichnet sich mithin nicht nur der große kirchliche Konflikt der Zeit ab, sondern es spiegeln sich darin auch die vielen Facetten der komplex-komplizierten Beziehungen zwischen französischen und burgundischen Valois wider, auf die im ganzen der fast zeitgenössische Begriff der paix faincte zutrifft, welche der Franziskaner Pierre des Gros in seiner 1467 entworfenen Friedenstypologie dann gegeben sah, quant au dehors on monstre beau semblant et au dedans on ha haine de ceste paix3.

I. Schon ihre außergewöhnliche geographische und politische Situation prädestinierten Stadt und Bistum Tournai, nach dem Abschluß des Vertrags von Arras zum Indikator und Testfeld dieses zwischen Konfrontation, Mißtrauen und Annäherung wechselnden französisch-burgundischen Verhältnisses zu werden. Denn seit 1187 unterstand die Stadt zwar dem französischen König4, aber aller – vor allem durch Philipp II. Augustus und Philipp IV. den Schönen bewirkter – Ausbau der Kronmacht im Norden verhinderte nicht, daß sie und ihr nahes Umland, der Tournaisis, zur französischen Exklave wurden5, als die burgundischen Herzöge seit der Heirat Philipps des Kühnen mit der flandrischen Erbtochter Margarete von Maele ihre Herrschaft über die Niederlande errichteten6. Mochte et XV e siècles. Les États, Paris 51993 (Nouvelle Clio 22). Ersten Überblick bietet Alain Demurger, Temps de crises, temps d’espoirs. XIV e – XV e siècle, Paris 1990 (Nouvelle histoire de la France médiévale 5). Wegen ihrer Qualitäten seien indes zwei Spezialmonographien eigens hervorgehoben: Bernard Guenée, Un meurtre, une société. L’assassinat du duc d’Orléans 23 novembre 1407, Paris 1992; Jacques Krynen, L’empire du roi. Idées et croyances politiques en France. XIIIe–XV e siècle, Paris 1993. 3 Vgl. Philippe Contamine, Notes sur la paix en France pendant la guerre de Cent Ans [1980; ND] in: Ders., La France au[x] XIV e et XV e siècles. Hommes, mentalités, guerre et paix, London 1981, 182 Anm. 32. 4  Paul Rolland, Histoire de Tournai, Tournai 31964, 70 ff.; Gérard Sivéry, Philippe Auguste, Paris 1993, 89; vgl. auch Joseph Toussaint, Les relations diplomatiques de Philippe le Bon avec le concile de Bâle (1431–1449), Löwen 1942 (RTHP III / 9), 154. 5 Zur Lage der Stadt und zum Gegensatz von Stadt und (weiterem) Umland Armand D’Herbomez, Élection d’évêques à Tournai au Moyen-Age (1274–1484), in: Bull. Soc. historique et littéraire de Tournai 24 (1892), 27; Édouard de Moreau, Histoire de l’Église en Belgique, IV, Brüssel 1949, 56; Gabriel Wymans, Le déclin de Tournai au XV e siècle, in: Album É. Lousse, Löwen – Paris 1961 (Anciens pays et assemblées d’États / Standen en landen 22), 113; Paul Ourliac, in: Étienne Delaruelle/Edmond-René Labande/ P.O., L’Église au temps du Grand Schisme et de la crise conciliaire (1378–1449), I, Paris 1962 (ND 1985) (HE XIV / 1), 353 Anm. 3. 6 Für den „burgundischen Hintergrund“ sei hier generell auf die in den sechziger und siebziger Jahren erschienenen Biographien der vier großen Herzöge von Richard Vaughan sowie auf dessen sich daran anschließende Sachsynthese „Valois Burgundy“ verwiesen; bibliographische

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diese Expansion zunächst noch in engem Einvernehmen mit der Krone erfolgen, so sollten die alsbald einsetzende Entwicklung zu offenem Krieg zwischen Armagnacs und Bourguignons sowie die Allianz Philipps des Guten mit König Heinrich V. von England im Verbund mit einem weiteren systematischen Ausbau der burgundischen Position die Situation von Tournai immer prekärer werden lassen. Die Stadt war zunehmend esseulée et eslongiée des aultres villes de France, avironnée de Flandre, Haynau, Brabant, Liege, Namur, Artois et aultres pays estrangiers, wie es noch in einer Urkunde aus der Mitte des 15. Jahrhunderts heißt7. Burgund mußte natürlich auch daran gelegen sein, daß einer Diözese, zu der weite Teile seiner Kernherrschaft Flandern mit den Vorstädten Gent und Brügge gehörten8, ein Mann ihres Vertrauens vorstand. Die Krone dagegen suchte die Lage der Stadt als „französischer Pfahl im burgundischen Fleisch“ zu nutzen, die alten Bindungen und Verbindungen zu sichern und nicht zuletzt aus der ökonomischen Potenz Tournais Vorteil zu ziehen – Karl VII. sollte in seinen Schreiben an das Basler Konzil stets die ausnehmende Bedeutung der civitas Tornacensis ampla et opulenta, ymo altera insigniorum et principaliorum civitatum nostrarum betonen9. (Dem u. a. auf Scheldehandel, Lakenweberei und später auch Teppichwirkerei beruhenden wirtschaftlichen Gewicht entsprach im übrigen ein reiches künstlerisches Leben am Ort10.) Wußte Burgund seit 1388 mit Louis de La Trémoïlle und vor allem seit 1410 mit Jean de Thoisy, der auch als Präsident des großen herzoglichen Rats fungierte, einen unbedingten Walter seiner Sache an der Spitze des Bistums11, so konnte Frankreich auf ebenso entschiedene Anhänger in der Angaben bei Erich Meuthen, Das 15. Jahrhundert, München 21984 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte 9), 193. Zu den Niederlanden im 14./15. Jahrhundert: Algemene Geschiedenis der Nederlanden, IV, Bussum 1980; Walter Prevenier/Wim Blockmans, Die burgundischen Niederlande, Weinheim 1986 (franz. und niederländ. Ausgabe: 1983; engl. Ausgabe: 1986).  7 Zitiert bei Rolland, Tournai (wie Anm. 4), 159.  8 Dazu letztens David Nicholas, Medieval Flanders, London – New York 1992, 139 f.  9 1437 Mai 4; ediert nach dem Original von Johannes Haller, Beiträge zur Geschichte des Konzils von Basel, in: ZGO N. F. 16 (1901), n. 14. Die Lesung insigniorum et principal[i]orum findet sich auch in der zeitgenössischen Kopie Paris, BN, ms. lat. 15625, fol. 235r. Ähnliche Formulierungen enthalten die königlichen Schreiben vom 9. Juli und 3. Dezember 1437 an die Synode: quia civitas Tornacensis munitissima et capitalis patrie circumadiacentis coroneque Francie longevi­s a temporibus annexa existit (ebd., fol. 94r/v); cum autem ipsa nostra Tornacensis civitas munitissima regionis circumposite capitalis existat (ebd., fol. 102r). 10 Erinnert sei nur an Robert Campin, den in Tournai wirkenden „Meister von Flémalle“ (um 1375–1444), der Rogier van der Weyden zu seinen Schülern zählte und dessen Atelier zahlreiche Künstler der Zeit bis (wahrscheinlich) zu Stefan Lochner aufsuchten, oder an Jacques Daret und an Simon Marmion, den bekanntesten Buchmaler des französischen Nordens. Siehe zuletzt D. R. Täube, in: Stefan Lochner Meister zu Köln. Herkunft – Werke – Wirkung, hg. v. Frank G. Zehnder [Ausstellungskatalog], Köln 1993, 93, 264, 272; Nicole Reynaud, in: François Avril/ N.R., Les manuscrits à peintures en France 1440–1520 [Ausstellungskatalog], Paris 1993, 71, 80. 11 Zu Jean de Thoisy: Joseph Warichez, in: Biographie nat. … de Belgique XXV (1930/32), 19 ff.; Pierre Champion/Paul de Thoisy, Bourgogne – France – Angleterre au traité de Troyes. Jean de Thoisy, évêque de Tournai, chancelier de Bourgogne, membre du Conseil du Roi 1350–

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Bürgerschaft zählen, insbesondere nachdem das wegen seiner Handelsinteressen auf Ausgleich mit Burgund bedachte Patriziat 1423/24 aus dem Stadtregiment verdrängt worden war12. Tournai galt wieder und mehr denn je als chambre du Roy, und es dürfte kein Zufall sein, daß eine – ihrerseits von patriotischer Grenzlandmentalität geprägte – Jeanne d’Arc sich 1429/30 nicht weniger als viermal an die dortigen loiaux … Franchois wandte13, mit denen wiederum Jean de Thoisy, obwohl als Bischof auf Mäßigung und Ausgleich bedacht, wiederholt im Streit lag14. Zudem mußte er sich mit einem mehrheitlich für die Sache Frankreichs eintretenden Kapitel auseinandersetzen; bereits im Großen Schisma hatten die Kanoniker für den von der Krone unterstützten Clemens VII. Partei ergriffen,

1433, Paris 1943; Paul de Thoisy/ E. Nolin, La maison de Thoisy au duché de Bourgogne [Dijon 1948], 35 u. ö.; Richard Vaughan, Philip the Good. The Apogee of Burgundy, London 1970, 218 f.; Werner Paravicini, Soziale Schichtung und soziale Mobilität am Hof der Herzöge von Burgund, in: Francia 5 (1977), 148 Anm. 97; Pierre Cockshaw, Le personnel de la chancellerie de Bourgogne-Flandre sous les ducs de Bourgogne de la maison de Valois, KortrijkHeule 1982 (Anciens pays et assemblées d’États/Standen en landen 79), passim, bes. 41–44 (mit weiteren, Handschriften entnommenen Angaben); Carla Bozzolo / Hélène Loyau, La Cour Amoureuse dite de Charles VI, I, Paris 1982, n. 75; Hélène Millet, Les chanoines du chapitre cathédral de Laon 1272–1412, Rom 1982 (Coll. de l’EFR 56), 429 f. – Ein gleichnamiger Neffe des Bischofs, seines Zeichens Archidiakon von Tournai, begegnet in den dreißiger und vierziger Jahren mehrfach als burgundischer Gesandter; er besaß Kanonikate und Dignitäten auch in Lille, Cambrai und Seclin: [J. J.] Vos, Les dignités et fonctions de l’ancien chapitre de Notre Dame de Tournai, I, Brüssel 1898, 273; Deutsche Reichstagsakten [RTA], XVI: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 2. Abtlg.: 1441–1442, hg. v. Hermann Herre / Ludwig Quidde, Stuttgart – Gotha 1928 (ND Göttingen 1957), 634 f.; Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 154, 168 Anm. 2, 170 f., 187; Thoisy/Nolin, La maison, 87. 12 Wymans, Déclin (wie Anm. 5), 115 f.; Rolland, Tournai (wie Anm. 4), 152. Wenn John Bartier die Bürger von Tournai als „loyaux sujets du roi, mais prudents voisins du duc“ beschreibt, so trifft die zweite Charakterisierung vornehmlich für die Oberschicht zu: Légistes et gens de finance au XV e siècle. Les conseillers des ducs de Bourgogne Philippe le Bon et Charles le Téméraire, Brüssel 1955 (Acad. royale de Belgique. Cl. des lettres et des sciences morales et politiques. Mémoires, Coll. in 8° – 50/2), 312. Zeugnisse der Königstreue Tournais aus den Jahren 1422 bis 1425 führt auf Gaston Du Fresne de Beaucourt, Histoire de Charles VII, II, Paris 1882, 9 Anm. 1. Mit in Tournai zwischen 1423 und 1426 zu erledigenden Aufträgen sollte übrigens die bedeutende Gesandtenkarriere des königlichen Rats Simon Charles beginnen: Müller, Franzosen (wie Anm. 1), I, 331. 13 Jules Quicherat (éd.), Procès de condamnation et de réhabilitation de Jeanne d’Arc …, V, Paris 1849 (SHF), 125 = De brieven van Jeanne d’Arc, uitgeg. door Johanna M. van Winter/ Diederik Th. Enklaar, Groningen – Djakarta 1954 (Fontes minores medii aevi 1), n. 7: Nur dieses eine Schreiben ist überliefert, die Existenz der anderen Briefe (n. 13, 14, 25) läßt sich aber erschließen. – Über das Verhältnis der Stadt zu den französischen Königen von 1422 bis 1483 handelt ein bei Gérard Sivéry angefertigter, ungedruckter Mémoire de maîtrise, der mir nicht zugänglich war: B. Claessens ép. Lefebvre, Les relations entre la ville de Tournai et la royauté au XV e siècle sous les règnes de Charles VII et Louis XI; vgl. Revue du Nord 70 (1988), 221. 14 M. Vleeschouwers-van Melkebeek, Het archief van den bischoppen van Doornik: en inventaris uit 1477, Brüssel 1983 (Acad. Royale de Belgique. Bull. Commission Royale d’histoire 149/3–4), 139 f.; vgl. auch Maurice Houtart, Les Tournaisiens et le roi de Bourges, Tournai 1908 (Annales Soc. historique et archéol. de Tournai, n. s. 12), 40 ff.

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während der Klerus in den flandrischen Gebieten des Bistums der römischen Obedienz verpflichtet gewesen war15.

II. Vor solchem Hintergrund sind nun jene Entwicklungen und Ereignisse zu sehen, die mit der 1433 anstehenden Nachfolge des Jean de Thoisy einsetzten. Am Ort wie an der Kurie – doch zunächst nur randhaft auf dem Konzil – suchten König Karl VII. und Herzog Philipp der Gute mit Bitten und Druck ihren Kandidaten durchzusetzen16. Daß Eugen IV. sich trotz der Empfehlung des burgundischen Gesandten Jean Vivien gegen den vom Herzog favorisierten Jean Chevrot und zugunsten des Jean d’Harcourt, d. h. für die französische Partei entschied17, mag zunächst erstaunen, wußte der Papst in Philipp doch einen der wenigen seiner Sache gewogenen Fürsten, während in einem von gallikanischen und konziliaren Traditionen geprägten Frankreich Königshof und Geistlichkeit seit der Klerusversammlung von Bourges im Februar 1432 eher der Basler Synode zuneigten18. Auch wenn der Burgunder das Basiliense im Frühjahr 1433 mit einer Gesandtschaft beschickte, änderte dies nichts an seiner grundsätzlichen kirchenpolitischen Ausrichtung, da er damit lediglich dem Umstand Rechnung trug, daß sich die 15 Joseph Warichez, Les nominations épiscopales au diocèse de Tournai, in: Collationes dioecesis Tornacensis 19 (1923/24), 151. So war etwa Philippe de Coëtquis, schon in den frühen Tagen des Dauphin Karl VII. einer der wichtigsten französischen Gesandten und später Erzbischof von Tours, Kanoniker in Tournai: Müller, Franzosen (wie Anm. 1), I, 226. 16 Enguerran de Monstrelet, Chronique, publ. par Louis Douët-D’arcq, V, Paris 1861 (SHF), 58 f. (c. 139). Vgl. Henri T(ribout) de Morembert, Jean Chevrot [I], in: DHGE XII (1953), 651; Ders., Jean Chevrot, évêque de Tournai et de Toul, vers 1395–1460 [II], in: Mém. Acad. nat. de Metz 145 (1963/64), 177; Lucien Fourez, L’évêque Chevrot de Tournai et la Cité de Dieu, in: Revue belge d’archéologie et d’histoire d’art 23 (1954), 74 f.; Ourliac, in: Delaruelle, L’Église (wie Anm. 5), 353 Anm. 3. 17 Konrad Eubel, Hierarchia catholica medii aevi …, II, Münster 1901 (ND 1960), 253; Taxae pro communibus servitiis ex libris obligationum ab anno 1295 usque ad annum 1455 confectis, exc. Hermann Hoberg, Vatikanstadt 1949 (Studi e testi 144), 121; Gallia Christiana [GC], III, Paris 1876 (ND 1970), Instr. Tournai n. 15 (Eugen IV. unterrichtet Philipp den Guten über die Ernennung); Extraits analytiques des registres des consaulx de la ville de Tournai 1431–1476, publ. par A. de La Grange, in: Mém. Soc. historique et littéraire de Tournai 23 (1893), 36 (Schreiben des Jean d’Harcourt von 1436 Dezember 13 mit Bezug auf die päpstliche Ernennung); Haller, Beiträge (wie Anm. 9), n. 14 (Schreiben Karls VII. an das Basler Konzil von 1437 Mai 4 mit gleichem Bezug); Monstrelet, Chronique (wie Anm. 16), V, 58. Vgl. JeanMarie Mioland, in: Actes de l’Église d’Amiens. Recueil publ. par J. M., t. I, Amiens 1848, S. LIII; L. Devillers, Jean d’Harcourt, in: Biographie nat. … de Belgique VIII (1884/85), 710; Noël Valois, Histoire de la Pragmatique Sanction de Bourges sous Charles VII, Paris 1906 (Archives de l’histoire religieuse de la France), LXIV; Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 154; Fourez, Chevrot (wie Anm. 16), 75; Bartier, Légistes (wie Anm. 12), 313. 18 Dazu die Arbeiten von Toussaint (wie Anm. 4) für Burgund sowie für Frankreich von Reinhard Wittram, Die französische Politik auf dem Basler Konzil während der Zeit seiner Blüte, Riga 1927 (Abh. des Herder-Instituts zu Riga II 5), und von Müller (wie Anm. 1).

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Versammlung am Rhein endgültig etabliert hatte und es nunmehr darum ging, mäßigenden Einfluß auf sie auszuüben19. Bei Karl VII. und seinen Beratern war dagegen noch nicht abzusehen, ob sie den radikalen Kräften folgen würden, die wie etwa die Gesandtschaftsführer am Konzilsort, die Erzbischöfe Amédée de Talaru von Lyon und Philippe de Coëtquis von Tours, das Votum von Bourges dezidiert probaslerisch auslegten und für ihre Person mehr oder minder offen eine Suspension Eugens IV. befürworteten, oder ob jene vor allem vom Hause Anjou repräsentierten Kräfte die Oberhand behielten, die wegen ihrer von der Zustimmung des päpstlichen Lehnsherrn abhängigen Ansprüche auf Unteritalien stärker auf Ausgleich und Konsens mit Rom drängten20. Seit Frühjahr 1433 zeichnete sich solche Parteibildung deutlich ab, und in dieser Situation mag es Eugen IV. opportun erschienen sein, den Königshof durch einen Entscheid zugunsten des französischen Kandidaten für Tournai in seinem Sinne zu beeinflussen. Große Verärgerung des Burgunders handelte er sich damit ein, doch der grundsätzlichen Gefolgschaft des Herzogs durfte er weiterhin ziemlich gewiß sein. Das Votum gegen Jean Chevrot bedeutete für den Papst mithin ein begrenztes Risiko, während er mit der Ablehnung von Jean d’Harcourt die Gefahr endgültigen Bruchs mit Frankreich eingegangen wäre, was seine damals ohnehin bedrängte Lage weiter und wesentlich verschlechtert hätte. War also letztlich Verständnis Philipps des Guten für die Nöte und Zwänge Eugens IV. im Spiel, als der Herzog gegen die päpstliche Translation Harcourts von Amiens nach Tournai offensichtlich nicht sogleich mit letzter Entschiedenheit opponierte? Indes dürften seine Sympathien für die römische Sache kaum so weit gereicht haben, daß er um ihretwillen eigene Interessen aufgegeben hätte. Ein anderes Moment kam vielmehr ausschlaggebend hinzu: Im Verlauf des Jahres 1434 zeichnete sich erstmals ernsthaft die Möglichkeit einer französisch-burgundischen Annäherung ab21. Instinktsicher vollzog der Herzog – zwar langsam, zögernd 19 Noël Valois, Le pape et le concile (1418–1450) (La crise religieuse du XV e siècle), I, Paris 1909, 230 ff.; Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 50, 127 u. ö.; Ders., Philippe le Bon et le concile de Bâle, Brüssel 1942 (Acad. Royale de Belgique. Bull. Commission Royale d’histoire 57/1), 30 (mit Belegen). Damals ließ sich auch Jean de Thoisy prokuratorisch inkorporieren: Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel [CB], II, 378 (1433 März 30); vgl. Dean L. Bilderback, The Membership of the Council of Basle, Diss. Washington / D.C. 1966 [Microfilm: Ann Arbor 66–7868], 282, 297. 20 Zu Talaru und Coëtquis: Müller, Franzosen (wie Anm. 1), I, 27–268; zu Anjou: ebd., I, 355, 386 f. u. ö. (vgl. II, 910 s. v. „Anjou“), sowie Johannes Haller, Die Belehnung Renés von Anjou mit dem Königreich Neapel, in: QFIAB 4 (1902), 184–207; ND in: Ders., Abhandlungen zur Geschichte des Mittelalters, Stuttgart 1944 (ND 1984), 369–392, mit m. E. aber teilweise falschen Schlußfolgerungen. 21 Zu den folgenden Ausführungen – insbesondere zur Konferenz von Nevers und zum Vertrag von Arras – grundlegend Friedrich Schneider, Der europäische Friedenskongreß von Arras (1435) und die Friedenspolitik Papst Eugens IV. und des Basler Konzils, Greiz 1919; Jocelyn G. Dickinson, The Congress of Arras. A Study in Medieval Diplomacy, Oxford 1955. Siehe auch Du Fresne de Beaucourt, Charles VII, II (wie Anm. 12), 523–559; August Zellfelder, England und das Basler Konzil, Berlin 1913 (ND 1965) (HS 113), 138–143; Toussaint,

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und unter Skrupeln, doch letztlich konsequent – die Abkehr vom englischen Bundesgenossen, als sich mit und seit der gescheiterten Belagerung von Orléans 1429 angedeutet hatte, daß mit diesem der große Krieg kaum gewonnen werden konnte. Sein Mißtrauen war überdies schon zuvor durch den Versuch des Regenten Humphrey von Gloucester geweckt worden, sich zu Lasten Burgunds in den Niederlanden festzusetzen; vertraut dagegen waren ihm die zahlreichen und engen verwandtschaftlichen Bindungen zwischen burgundischem und französischem Adel, angefangen im eigenen Hause bei seiner mit Karls VII. Konnetabel Arthur de Richemont verheirateten Schwester Margarete. Nicht minder fielen die Verflechtungen der staatstragenden Eliten auf beiden Seiten ins Gewicht, die in noch gemeinsam absolviertem Studium und zusammen begonnener beruflicher Laufbahn gründeten. Daß gegen den Bellizismus einer Jeanne d’Arc die Vertreter von Verhandlung und Diplomatie – mit königlicher und herzoglicher Zustimmung – am Ende die Oberhand behielten, war schließlich und vor allem das Werk der beiden Kanzler Nicolas Rolin und Regnault de Chartres. Diese Strukturen und Tendenzen führten dazu, daß im Januar / Februar 1435 auf einer Konferenz zu Nevers die entscheidenden Präliminarien für einen frankoburgundischen Ausgleich ohne Beteiligung der Engländer ausgehandelt wurden, die ihrerseits die Grundlagen für den bekannten Vertragsabschluß vom 21. September auf dem Kongreß von Arras bildeten. Wenn Jean d’Harcourt nur sechs Tage später den Zeitpunkt für gekommen hielt, um mehr als zwei Jahre nach seiner Ernennung im nahen Tournai als Bischof Einzug zu halten22, dürfte er dabei wohlkalkuliert zu Werke gegangen sein.

III. Jean d’Harcourt entstammte dem wohl bedeutendsten normannischen Adelsgeschlecht, dessen geistliche Mitglieder seit dem 12. Jahrhundert immer wieder den Bistümern ihrer Heimat vorgestanden hatten23 wie zu Anfang des 15. JahrRelations (wie Anm. 4), 93–101; Vaughan, Philip the Good (wie Anm. 11), 98–101; Roman Berger, Nicolas Rolin. Kanzler der Zeitenwende im burgundisch-französischen Konflikt 1422– 1461, Freiburg/Schw. 1971 (Scrinium Friburgense 2), 119–142; Albert Compton Reeves, The Congress of Arras, in: History Today 22 (1972), 724–732; Demurger, Temps (wie Anm. 2), 122 f.; Müller, Franzosen (wie Anm. 1), II, 817 ff. (ebd., Anm. 43 Lit. speziell zu Nevers); Ders., Konzil und Frieden. Basel und Arras (1435), in: Träger und Instrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter, hg. v. Johannes Fried, Sigmaringen 1996 (VuF 43), 333–390. 22 Gilles-André De la Roque, Histoire généalogique de la maison d’Harcourt, III (Preuves), Paris 1662, 634; Devillers, Jean d’Harcourt (wie Anm. 17), 710; Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 155; Fourez, Chevrot (wie Anm. 16), 75 (irrig zu 1434); Vaughan, Philip the Good (wie Anm. 11), 219. 23 Für die Familiengeschichte ist immer noch auf die vierbändige Darstellung von De la Roque aus dem 17. Jahrhundert (wie Anm. 22) sowie auf das Werk des um 1780 schreibenden Mauriners Jacques-Louis Le Noir zurückzugreifen: Preuves généalogiques et historiques de la

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hunderts noch Louis d’Harcourt, der als Oberhirte von Rouen dem englischen König als neuem Herrn der lancastrischen Normandie trotz mehrfacher Aufforderung das Homagium verweigerte, was ihn 1421 seiner Besitzungen verlustig gehen ließ24. Dies dürfte mit einer dezidierten neuen Positionsbestimmung der Familie im französisch-englisch-burgundischen Konflikt zusammenhängen, als seit dem Abschluß des Vertrags von Troyes 1420 eine Übergabe des Königreichs an Lancaster mit Philipps des Guten Unterstützung drohte. Denn bislang hatten die Harcourt in durchaus auskömmlichen Beziehungen zum Haus der Valoisherzöge gestanden, mit denen sie obendrein entfernt verwandt waren. So begegnet Jean d’Harcourt noch am 23. Oktober 1419 in Arras als Zelebrant der Gedächtnisfeier für den ermordeten Herzog Johann Ohnefurcht, und mit ihm war dort sein Bruder Jacques zugegen, der seinerseits als Milchbruder dieses Herzogs aufgewachsen war und zu dessen Nachfolger in Dienstpflicht stand25. Weil Jacques aber den neuen burgundisch-englischen Bund entschieden ablehnte, begann er – so die Vermutung des Chronisten Georges Chastellain – heimlich Burg und Stadt Le Crotoy an der Sommemündung, deren Kapitän er war, für den Belagerungskampf auszurüsten26. Diejenigen, die davon Kenntnis erhielten, vermuteten maison d’Harcourt, publ. par le Mquis D’Harcourt, Paris 1907. Weitere Angaben bei FrançoisAlexandre Aubert de la Chesnaye des Bois /Badier, Dictionnaire de la noblesse, X, Paris 3 1866 (ND 1988), 282–323, und über Gaston Saffroy, Bibliographie généalogique, héraldique et nobiliaire de la France …, III, Paris 1974, n. 42.639–42.651. Eine Genealogie findet sich auch in Paris, BN, Coll. Baluze 59, fol. 185–189. Letzte Überblicke bei Henri T(ribout) de Morembert, Harcourt (Famille d’), in: DBF XVII (1989), 612–616; U. Mattejiet, Harcourt, Herren von, in: LexMA IV (1989), 1931 f. 24 A. Chéruel, Histoire de Rouen sous la domination anglaise au XV e siècle …, Rouen 1840 (ND 1976), 186; Paul Le Cacheux, Rouen au temps de Jeanne d’Arc et pendant l’occupation anglaise (1419–1449), Rouen – Paris 1931, CXIII; Robert Favreau, La ville de Poitiers à la fin du Moyen Age. Une capitale régionale, I, Poitiers 1978 (Mém. Soc. des Antiquaires de l’Ouest IV 14), 301 Anm. 1052; M. Nortier, Louis d’Harcourt, in: DBF XVII (1989), 630 f. Allgemein zur Normandie unter englischer Herrschaft Christopher T. Allmand, Lancastrian Normandy. The History of a Medieval Occupation, Oxford 1983. – Das Pariser Collège d’Harcourt scheint aber von den Engländern in der Folgezeit kaum behelligt worden zu sein, da sie, wie H. Bouquet vermutet, grundsätzlich auskömmliche Beziehungen zu den Normannen – und hier handelt es sich um ein normannisches Kolleg – anstrebten: L’ancien Collège d’Harcourt et le Lycée St-Louis, Paris 1891, 121. 25 Georges Chastellain, Œuvres, éd. [Joseph] Kervyn de Lettenhove, I, Brüssel 1863 (ND 1971), 78 (Arras), 88 (Jacques d’Harcourt, nourry avec le duc Jehan et remis arrière au service du fils par serment de le servir en tous ses affaires). Die Anwesenheit in Arras ist auch belegt in den Comptes généraux de l’État bourguignon entre 1416 et 1420, publ. par Michel Mollat, I, Paris 1965 (Recueil des historiens de la France. Documents financiers V / 1), 476 (n. 1446); ebd., 450 (n. 1436) wird Jacques am 14. Januar 1420 noch als conseillier et chambellan des Herzogs bezeichnet. Vgl. De la Roque, Harcourt, III (Preuves) (wie Anm. 22), 629 (Auszug aus Adrian de La Morlière, Antiquitez … de la ville d’Amiens, 1621). 26 Chastellain, Œuvres (wie Anm. 25), I, 89, cf. 231 (dort nennt er Philipps harten Kampf gegen den Dauphin als weiteren möglichen Grund seiner Abwendung vom Herzog); Jehan de Wavrin, Recueil des croniques et anchiennes istories de la Grant Bretaigne, a present nommé Engleterre, II, ed. by W. Hardy, London 1868 (ND 1972) (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores 39/II), 294 f. (Die vorangehende Passage, in der von den engen Banden zwischen

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zu Recht, que ledit Harcourt devoit avoir quelque estrange et nouvelle ymagination sur le temps a advenir27. Und das galt nicht nur für Jacques, dessen Position jetzt eben auch Familie und Haus bezogen. Gleich ihm in Le Crotoy oder später gleich seinem als Kapitän von Loches fungierenden Bastardbruder Mathieu28 leisteten die anderen Harcourt in Armee wie Staatsverwaltung der Monarchie Dienste – so etwa tat dies mit Christophe d’Harcourt ein weiterer Bruder, der von 1424 bis zu seinem Tod 1438 zweiundzwanzigmal als Rat und Kammerherr Karls VII. belegt ist, zur französischen Gesandtschaft in Arras 1435 gehörte und Gouverneur bzw. Kapitän von Beaumont und Mouzon in den Ardennen war29. Er hatte zudem das Amt eines grand maître des Eaux et Forêts inne, in dem 1452 mit Guillaume d’Harcourt einer der einflußreichsten Räte Karls VII. überhaupt folgen sollte30. Als solcher hat für die späten Jahre dieses Monarchen wie für Ludwig XI. ebenfalls Erzbischof Ludwig von Narbonne zu gelten, ein 1442 legitimierter Bastard aus der Hauptlinie der Harcourt, dessen Großvater Johann VII. in den zwanziger Jahren mehrfach als königlicher Rat begegnet und dessen Vater Johann VIII. sich als mal des Anglais bis zu seinem Tod in der Schlacht bei Verneuil 1424 hervortat, während er selber wiederum bei seiner geistlichen Karriere durch den Großonkel, „unseren“ Jean d’Harcourt, entscheidende Förderung erfuhr31. Herzog und Jean d’Harcourt die Rede ist, könnte m. E. auch auf Jacques zu beziehen sein, mithin evtl. eine Verwechslung des Autors vorliegen.) – Zu seiner Verteidigung von Le Crotoy: Albéric de Calonne, Histoire de la ville d’Amiens, I, Amiens 1899, 375 ff.; Dictionnaire historique et archéologique de la Picardie, I, Paris – Amiens 1909, 31; J. Godard, La fin d’une époque: L’évolution des esprits, in: Histoire de la Picardie, publ. sous la dir. de Robert Fossier, Toulouse 1974, 227. 27 Chastellain, Œuvres (wie Anm. 25), I, 89; vgl. Du Fresne de Beaucourt, Charles VII (wie Anm. 12), I, Paris 1881, 376. Die von Charles A. J. Armstrong, England, France and Burgundy in the Fifteenth Century, London 1983, 95 Anm. 6, hervorgehobene Bindung der Harcourt an die königliche Partei trifft generell mithin erst seit den zwanziger Jahren des 15. Jahrhunderts zu. 28 Du Fresne de Beaucourt, Charles VII (wie Anm. 12), III, Paris 1885, 457; V, Paris 1890, 72 f., 107; Gustave Dupont-Ferrier, Gallia regia ou État des officiers royaux des bailliages et des sénéchaussées de 1328 à 1515, VI, Paris 1961, n. 22.534. 29 Auguste Vallet de Viriville, Charles VII, roi de France, et ses conseillers, Paris 1859, 10 f., 14–18, 40; Du Fresne de Beaucourt, Charles VII (wie Anm. 12), VI, Paris 1891, 554 s. v. „Harcourt (Christophe d’)“; [L. de la Trémoïlle,] Les La Trémoïlle pendant cinq siècles, I, Nantes 1890, 278; Dupont-Ferrier, Gallia regia (wie Anm. 28), VI, n. 23.287, 23.382; Dickinson, Arras (wie Anm. 21), 7 f.; Pierre-Roger Gaussin, Les conseillers de Charles VII (1418–1461). Essai de politologie historique, in: Francia 10 (1982), 117. 30 Vallet de Viriville, Conseillers (wie Anm. 29), 40, 49; Du  Fresne de Beaucourt, Charles VII, VI (wie Anm. 12 bzw. 29), 554 s. v. „Harcourt (Guillaume d’)“; Gaussin, Conseillers (wie Anm. 29), 71, 117. 31 Vallet de Viriville, Conseillers (wie Anm. 29), 25–28, 30; Honoré Fisquet, La France Pontificale (Gallia Christiana): Bayeux et Lisieux, Paris o. J. [1866], 75; Du Fresne de Beaucourt, Charles VII, VI (wie Anm. 12 bzw. 29), 554 s. v. „Harcourt (Louis d’)“; Bernard Mahieu, Étude sur les évêques et le diocèse de Bayeux au milieu du XV e siècle (1431–1479), in: ECh. Positions des Thèses 1943, 152; Jean-Louis Gazzaniga, L’Église du Midi à la fin du règne de Charles VII (1444–1461) …, Paris 1976, 60, 76, 78; Gaussin, Conseillers (wie

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IV. Dieser, Lizentiat des Zivilrechts, hatte seine Laufbahn an der Kirche von Rouen in der heimatlichen Normandie begonnen. Der Kanoniker und Pfründner des Kapitels fungierte als Kanzler und als Archidiakon im französischen Teil des Vexin32, bis er 1418 Bischof von Amiens wurde33. Zum damaligen Zeitpunkt stellte dies für die königliche, aber – wie gesagt – auch noch für die burgundische Partei eine akzeptable Besetzung dar, selbst wenn letztere mit Jean de Mailly eigentlich einen anderen Kandidaten favorisierte. Daß Jean d’Harcourt sich in Amiens erst nach langen, auch vor dem Pariser Parlament anhängigen Streitigkeiten 1424 durchsetzen konnte, hing indes mit einem weiteren Prätendenten, dem von Martin V. providierten Burgunder Philibert de Montjeu, zusammen34 – die finanziellen Aspekte und Folgen der Auseinandersetzung sollten sogar noch das Basler Konzil bis 1435 beschäftigen35. Bald danach ließ ihn das brutale Regiment des Bailli von Amiens, Robert Le Jeune, in noch schlimmere Bedrängnis geraten. Anm. 29), 117; Nortier, Louis d’Harcourt (wie Anm. 24), 631; R. Aubert, Louis d’Harcourt, in: DHGE XXIII (1990), 332; Jean-Louis Gazzaniga, Les clercs au service de l’État dans la France du XV e siècle, in: Droits savants et pratiques françaises du pouvoir (XIe–XV e siècles), sous la dir. de Jacques Krynen/Albert Rigaudière, Bordeaux 1992, 260. Weitere Angaben hier Anm. 90. Zu Jean VII und Jean VIII d’Harcourt Du Fresne de Beaucourt, Charles VII; Gaussin, Conseillers; Mattejiet, Harcourt (wie Anm. 23), 1932; Henri T(ribout) de Morembert, Jean VII – Jean VIII d’Harcourt, in: DBF XVII (1990), 628 f. (Unklar ist, an wen von beiden Papst Martin V. seine Bitte richtete, sich für die Freiheiten der Kirche im Königreich einzusetzen: Paris, AN, LL 4a, fol. 43v.) Zu den verwandtschaftlichen Verhältnissen innerhalb der Familie siehe zuletzt neben Mattejiet (Harcourt) Tribout de Morembert, Harcourt (wie Anm. 23), 612. 32 De la Roque, Harcourt, III (Preuves) (wie Anm. 22), 627 ff.; Mioland, in: Actes (wie Anm. 17), I, S. LIII. 33 De la Roque, Harcourt, III (Preuves) (wie Anm. 22), 629; GC, X (Prov. Remensis II), Paris 1751 (ND 1970), 1119; Eubel, Hierarchia (wie Anm. 17), I, Münster 21913 (ND 1960), 85, cf. II, 97. Vgl. Mioland, in: Actes (wie Anm. 17), I, S. LII; Devillers, Jean d’Harcourt (wie Anm. 17), 710; Valois, Pragmatique Sanction (wie Anm. 17), VII Anm. 2; Fourez, Chevrot (wie Anm. 16), 75; M. Nortier, Jean d’Harcourt, in: DBF XVII (1989), 629; Henri T(ribout) de Morembert, Jean d’Harcourt, in: DHGE XXIII (1990), 331. (Die beiden letzteren Artikel weisen etliche – übereinstimmende – Fehler auf.) 34 a) Mit neuen Aufschlüssen zum damaligen Streit über Amiens: Christian Kleinert, Philibert de Montjeu (ca. 1374–1439). Ein Bischof im Zeitalter der Reformkonzilien und des Hundertjährigen Krieges, Ostfildern 2004 (Francia. Beih. 59). (Ich habe C. Kleinert [Frankfurt / M.] im übrigen für zahlreiche Hinweise zu dieser Studie zu danken.) Damit sind die einschlägigen Darlegungen bei Mioland (wie Anm. 17) und De Calonne (wie Anm. 26) ebenso wie von E. Soyez, Notices sur les évêques d’Amiens, Amiens 1878, 115, überholt. b) Zur Auseinandersetzung vor dem Pariser Parlament: Clément de Fauquembergue, greffier du Parlement de Paris 1417–1435, Journal, éd. Alexandre Tuetey / Henri Lacaille, I, Paris 1903 (SHF), 386 (1419 September 19); II, Paris 1909, 32 (1421 Dezember 16). 35 Nota compromissi inter dominos episcopos Constanciensem [Philibert de Montjeu] et Tornacensem [Jean d’Harcourt] facti per eorum procuratores, 1435 März 30: Paris, BN, ms. lat. 1495, p. 20–25; Abschrift: ebd., Coll. Baluze 30, 453–462; vgl. Müller, Franzosen (wie Anm. 1), I, 132 Anm. 126 c.

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Dieser fanatische angloburgundische Parteigänger setzte seit seiner Vertreibung des Jacques d’Harcourt aus Le Crotoy nämlich alles daran, nunmehr auch dessen Bruder aus Amiens zu verjagen, um dort seinen eigenen Sohn Jean als Bischof zu installieren36. Möglicherweise hat Jean d’Harcourt im Wissen darum, daß seine Position auf Dauer unhaltbar sein würde, schon damals selbst die Möglichkeit der Nachfolge im Amt des hochbetagten und ihm wohlbekannten Jean de Thoisy37 zu Tournai erkundet. Denn nach Enguerran de Monstrelet war ihm von Philipp dem Guten noch zu Lebzeiten von Thoisy das Versprechen abgenommen worden, nicht in dessen Sukzession einzutreten38. Allerdings ist gegenüber dem Zeugnis des burgundischen Chronisten Vorsicht angebracht, kann es sich hier doch um eine Behauptung handeln, welche ex eventu die Ansprüche Harcourts gegenüber denjenigen Chevrots von vornherein als unberechtigt erscheinen lassen soll. Auf jeden Fall erreichte Robert Le Jeune 1433 in Amiens sein Ziel – und Eugen IV. legalisierte obendrein den Gewaltakt, da der päpstliche Referendar Jean Le Jeune sein besonderes Vertrauen genoß; die künftige Karriere des Protegierten sollte noch bis zum Kardinalat führen39. Allein ein vertriebener Bischof wollte 36 Mioland, in: Actes (wie Anm. 17), I, S. LIII; Cte  de la Rochette, Histoire des évêques de Mâcon, II, Mâcon 1867, 371; Soyez, Évêques d’Amiens (wie Anm. 34 a), 120–123; de Calonne, Amiens (wie Anm. 26), 379 ff.; Henri Peltier, Histoire religieuse de la Picardie, II, Abbeville o. J. [1966], 45 f.; Nortier, Jean d’Harcourt (wie Anm. 33), 629; Tribout de Morembert, Jean d’Harcourt (wie Anm. 33), 331. – Allgemein zu Robert Le Jeune: Édouard Maugis, Essai sur le recrutement et les attributions des principaux offices du siège du bailliage d’Amiens de 1300 à 1600, Paris 1906, tables VII, XXVI sq.; Paravicini, Soziale Schichtung (wie Anm. 11), 149, 168. 37 Schon am 22. Januar 1410 hatte Thoisy von seinem neuen Bistum Auxerre durch niemand anderen als Harcourt prokuratorisch Besitz ergriffen: Honoré Fisquet, La France Pontificale (Gallia Christiana): Sens et Auxerre, Paris o. J. [1865], 361. 38 Chronique (wie Anm. 16): Et mesmement [Philipp der Gute] avoit aultre fois parlé audit de Harcourt, adfin que se cely éveschié [Tournai] estoit vacant, qu’il ne le volsist impétrer. Lequel, comme disoit ledit duc, lui avoit accordé de le non prendre; vgl. De la Roque, Harcourt, III (Preuves) (wie Anm. 22), 629. – Trotz der seit dem Vertrag von Troyes einsetzenden Distanzierung der Harcourt von Philipp dem Guten stand Jean weiterhin in Kontakt zum Herzog und muß – zumindest vereinzelt – auch noch für ihn tätig geworden sein. So nahm er nach dem Zeugnis des brabantischen Chronisten Edmond de Dynter auf burgundischer Seite etwa am 5. Oktober 1430 an den Verhandlungen über das Erbe Philipps I. von Brabant teil: Chronique des ducs de Brabant, publ. … avec des notes et l’ancienne traduction française de Jean Wauquelin, par P. F. X. de Ram, III, Brüssel 1860, 500. Eugen IV. nennt Jean d’Harcourt in seinem den Herzog über dessen Bestellung als Bischof von Tournai unterrichtenden Schreiben vom 15. Juli 1433 – natürlich aus durchsichtigen Gründen – consiliarium et consanguineum tuum dilectum: GC, III (wie Anm. 17), Instr. Tournai n. 15. Dennoch kann prinzipiell natürlich keine Rede davon sein, daß die Bestellung eines im französisch-burgundischen Konflikt angeblich neutralen Jean d’Harcourt als Bischof von Tournai herzoglichen Interessen entgegengekommen sei, wie Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 154, schreibt. 39 Dieser Prälat lohnte unbedingt biographisches Bemühen; bereits die gedruckt vorliegenden Quellen von Enea Silvio Piccolomini bis zu Jacques Du Clercq erlauben neue Aufschlüsse. Siehe vorerst (u. a. und teilweise mit weiterführenden Angaben) P. Frizon, Gallia purpurata …, Paris 1638, 484 f.; (Aubery,) Histoire des cardinaux, II, Paris 1643, 219 ff.; GC, X (wie Anm. 33),

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versorgt sein, und Jean d’Harcourt wußte der Dringlichkeit des Problems persönlich vor einem Papst Nachdruck zu verleihen, bei dem schon ein schlechtes Gewissen die Bereitschaft zu einvernehmlicher Regelung befördert haben dürfte. Ein erster Versuch Eugens IV., ihn auf den Stuhl von Reims zu transferieren, um so zugleich Regnault de Chartres, den konzilsgeneigten Kanzler Karls VII., zu entmachten, ließ sich indes nicht durchsetzen. In rechter Einschätzung der Verhältnisse traute offensichtlich der Begünstigte weder der Verfügung noch dem Verfügenden, da er in dieser Sache auch das Basler Konzil anging, dessen Kommundeputation sich am 3. Juni 1433 dafür aussprach, unbeschadet seiner Promotion auf den Erzstuhl in der Champagne solle Jean d’Harcourt weiterhin die Amtsgewalt eines Bischofs von Amiens innehaben40. Dann aber schien sich mit der Vakanz von Tournai nach Thoisys Tod Anfang Juni 1433 eine bessere und realistischere Lösung zu bieten, konnte so doch der Stuhl in einer Frankreich verbundenen Stadt einem vom König nominierten Kandidaten verliehen werden; die Ernennung ließ Eugen IV. – wie gesagt – obendrein und vor allem das so dringend benötigte Wohlwollen des Königshofs erhoffen41. Auf einem anderen Blatt stand, daß Philipp der Gute das päpstliche Angebot, Jean Chevrot auf den durch die Translation des Jean Le Jeune nach Amiens freigewordenen Stuhl von Mâcon zu befördern, keineswegs als hinreichende Entschädigung für das entgangene „Schlüsselbistum“ im Norden betrachtete42. Und wie schon im Fall von Reims, so suchte der nun auf Grund päpstlicher Verfügung zum Übergang von Amiens nach Tournai legitimierte Jean d’Harcourt zusätzliche Sicherung durch das Konzil von Basel, wo er als Kapitelkandidat wie als Protégé Karls VII. vorab auf Sympathie rechnen durfte: Auf 1199 f., 1566; Mioland, in: Actes (wie Anm. 17), I, S. LIII; Soyez, Évêques d’Amiens (wie Anm. 34 a), 123 f.; Régestes des évêques de Thérouanne 550–1553, par O. Bled, II / 1, StOmer 1907, n. 2595–2630; Eubel, Hierarchia (wie Anm. 33 bzw. 17), I, 331; II, 8, 97, 217; Bruno Katterbach, Referendarii utriusque signaturae …, Vatikanstadt 1931 (ND 1965) (Studi e testi 55), 16 n. 2; Johannes Haller, Piero da Monte. Ein Gelehrter und päpstlicher Beamter des 15. Jahrhunderts. Seine Briefsammlung, Rom 1941 (ND 1971) (BDHIR 19), 216 Anm. 1; François Baix, La chambre apostolique et les ‚libri annatarum‘ de Martin V (1417–1431), I, Brüssel – Rom 1942/47 (Analecta Vaticano-Belgica XIV / 1), 248 n. 5. Weitere Hinweise über Valois, Pape (wie Anm. 19), II, 404; Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 326; RTA X: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigmund, 4. Abtlg.: 1431–1433, hg. v. Hermann Herre, Gotha 1906 (ND 1957), 1106, und XVII, 853 ss. vv. „Jeune (Jean Le)“, „Lejeune, Jean“, „Mâcon … Bf. Johannes Juvenis“, „Jeune (Juvenis), Jean Le“. 40 a) Reims: Eubel, Hierarchia (wie Anm. 17), II, 97 Anm. 1. Wenige Monate zuvor hatte Eugen IV. gleichfalls ohne Erfolg versucht, Regnault de Chartres in das hofferne Embrun zu transferieren: Müller, Franzosen (wie Anm. 1), I, 382. b) Basel: CB, II, 419. 41 Belege: Anm. 17. – Über eine Verwendung der Einkünfte aus dem Bistum Tournai für die Zeit der Vakanz hatte man sich übrigens in Basel Gedanken gemacht. Nach dem Beschluß der Kommundeputation vom 24. Juli 1433 sollten damit Friedensgesandtschaften des Konzils nach Frankreich finanziert werden (CB, II, 455). 42 GC, III, Instr. Tournai n. 15; vgl. Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 154 f.

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Grund seiner entsprechenden Supplik beschloß die Synode am 21. August 1434 auf ihrer Generalkongregation, quod ex parte sacri concilii unus notabilis dominus mittatur ad dominum ducem Burgundie et dominam ducissam eius conthoralem, ipsos in favorem prefati domini episcopi et ecclesie sue benigne exhortaturus43. Harcourts Wahl (auch) der via concilii wird die Zustimmung des französischen Königshofs gewiß gewesen sein, doch dürfte die daraus resultierende Intervention der Versammlung bei Herzog und Herzogin wenig Wirkung gezeitigt haben (wobei übrigens das Konzil zu Recht einen starken Einfluß der eigens genannten Isabella von Portugal auf die burgundische Politik in Rechnung stellte44). Denn Philipp der Gute hielt weiterhin grundsätzlich an Jean Chevrot fest, wie ein – diesen Anspruch dilatorisch behandelndes – Schreiben Eugens IV. vom 13. September 1434 an den Burgunder erkennen läßt45. Nur blieb angesichts des übergeordneten Interesses an dem sich zu Nevers und Arras abzeichnenden bzw. erreichten Ausgleich mit Frankreich die Entschlossenheit zur Durchsetzung des eigenen Kandidaten zunächst einmal begrenzt, selbst wenn der Herzog auf den Einzug Harcourts in Tournai mit der Konfiskation der bischöflichen Einkünfte in Flandern antwortete46.

V. Im Gegensatz zu Jean d’Harcourt war Jean Chevrot ein Aufsteiger; Studium, Kirche und Protektion hatten dem Bürgersohn aus der Freigrafschaft Burgund den Weg nach oben ermöglicht. 1416 als Bakkalar und 1420 als Lizentiat der

43 a) CB, III, 164 (Supplik), 183 (Zitat; Beschluß der Generalkongregation). Johannes von Segovia in seiner ex eventu geschriebenen Konzilsgeschichte dazu mit einem Kommentar, der das Gewicht der causa ecclesie Tornacensis in deren weiterem Fortgang auch für Basel verdeutlicht: Introducta quoque fuit causa ecclesie Tornacensis, quam primo sancta synodus studuit per viam pacis terminari, ordinato ambasiatorem unum mittendum ad ducem ducissamque Burgundie, exhortaturum eos in favorem Johannes episcopi dicte ecclesie; causa autem hec necdum vexacionibus magnis patres afflixit, sed et ipsum concilium, prout in sequentibus, grandi periculo exposuit (Monumenta Conciliorum Generalium seculi decimi quinti [MC], II, 732). b) Kapitelkandidat: Tribout de Morembert, Chevrot [I/II] (wie Anm. 16), 651 bzw. 177. 44 Werner Schulz, Andreaskreuz und Christusorden. Isabella von Portugal und der burgundische Kreuzzug, Diss. Freiburg/Schw. 1976 (Histor. Schriften der Univ. Freiburg 1); Claudine Lemaire / Michele Henry, Isabelle de Portugal, duchesse de Bourgogne, 1397–1471 [Ausstellungskatalog], Brüssel 1991; Heribert Müller, Isabella von Portugal, in: LexMA V (1991), 672; Ders., Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philipp des Guten von Burgund, Göttingen 1993 (SHKBAW 51), 183 s. v. „Isabella von Portugal“. 45 Dijon, Archives Départementales Côte-d’Or, B 11.618 (Hinweis von Kleinert, siehe oben Anm. 34 a). 46 Monstrelet, Chronique (wie Anm. 16), V, 59. Vgl. Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 155; De Moreau, Histoire (wie Anm. 5), IV, 56; Fourez, Chevrot (wie Anm. 16), 75; W. P. Blockmans, Jean Chevrot, in: LexMA II (1983), 1806.

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Dekrete an der Universität Paris belegt, wurde er 1421 deren Rektor47. Aus jenen Jahren dürften auch erste, über einen Onkel wie seinen Freund Jean Chousat laufende Kontakte zum Burgunderhof resultieren, wo er seinen juristischen Rat einbringen konnte und künftig in Kanzler Nicolas Rolin einen Förderer fand. Kanonikate und Ämter an Kirchen in Herzogtum und Freigrafschaft ließen nicht auf sich warten48, und als 1423 mit Jean de Rochetaillée der bisherige Bischof von Paris an die Spitze der reichen und reputierten Kirche von Rouen trat, nahm Chevrot auch dort leitende Positionen ein. Von ihr ergriff er für Rochetaillée am 27. November 1423 prokuratorisch Besitz; hier hatte er Kanonikat und Pfründe inne, hier amtete er als Offizial und hier stand er seit 1427 als Archidiakon dem normannischen Teil des Vexin vor49 – knapp zwanzig Jahre zuvor hatte Jean d’Harcourt, der ja ebenfalls an dieser Kirche seine Laufbahn begonnen hatte, im französischen Teil dieselbe Dignität bekleidet. Gleich den Bischöfen von Coutances und Évreux, Philibert de Montjeu und Martial Formier, oder dem auf Rochetaillée folgenden Erzbischof von Rouen, Hugues d’Orges, gehörte Jean Chevrot damit zu jenen aus Burgund stammenden kirchlichen Würdenträgern im lancastrischen Frankreich, deren Position seit den frühen dreißiger Jahren angesichts der wachsenden burgundisch-englischen Entfremdung zunehmend schwieriger wurde50. Um des burgundisch-französischen Ausgleichs willen hatte Philipp der Gute sich nicht mit letzter Entschiedenheit für eine neue Versorgung Chevrots mit Tournai eingesetzt. Doch galt es natürlich trotz und nach Arras, für den entschiedenen Parteigänger standesgemäße Stellung 47 César Égasse du Boulay [Bulaeus], Historia Universitatis Parisiensis, V, Paris 1670 (ND 1966), 349–352 u. ö.; Marcel Fournier/Léon Dorez, La faculté de décret de l’Université de Paris au XV e siècle, I/2, Paris 1895, 151 f., 162, 177, 195, 203, 210, 218; Bartier, Légistes (wie Anm. 12), 310 f.; Tribout de Morembert, Chevrot [II] (wie Anm. 16), 171, 174; Ders., Jean Chevrot, in: DBF VIII (1959), 1126; Bozzolo/Loyau, Cour Amoureuse (wie Anm. 11), I, n. 90; Blockmans, Chevrot (wie Anm. 46), 1806. 48 So war er Kanoniker in Beaune, Besançon, Cambrai, Harlebeke, Laon, St-Marcel bei Paris, Kaplan an St-Jean-de-Salins, Pfarrer von Chilly im Bistum Besançon und Thesaurar der Kirche von Meaux: Siehe allgemein Tribout de Morembert (wie Anm. 47) und Fourez, Chevrot (wie Anm. 16), 75; speziell zu Cambrai: E. Varenbergh, Jean Chevrot, in: Biographie nat. … de Belgique IV (1873), 73; H. Dubrulle, Les bénéficiers des diocèses d’Arras, Cambrai, Thérouanne, Tournai, sous le pontificat d’Eugène IV …, in: Analectes pour servir à l’histoire ecclésiastique de Belgique 32 (1906), n. 106; zu St-Marcel: Paris, AN, LL 112, p. 525 f.; zu Chilly: Comptes, devis et inventaires du manoir archiépiscopal de Rouen, rec. et annotés par … Jouen, Paris – Rouen 1908, 94 Anm. 3; zu Meaux: Le Cacheux, Rouen (wie Anm. 24), 86. 49 a) Prokurator des Erzbischofs: Rouen, Archives Départementales de Seine-Maritime, G 2123, fol. 132r /v. b) Verleihung von Kanonikat und Pfründe: ebd., G 2132 (unfoliiert) zu 1426 März 25/30; Ernennung zum Archidiakon: ebd. zu 1427 November 10/11 und Dezember 31; Offizial: ebd. zu 1426 März 25 u. ö. (Hinweise von Kleinert, vgl. oben Anm. 34 a). Siehe auch Varenbergh, Chevrot (wie Anm. 48), 73; Le Cacheux, Rouen (wie Anm. 24), 86; Fourez, Chevrot (wie Anm. 16), 75; Tribout de Morembert, Chevrot (wie Anm. 47: DBF), 1126; Bozzolo/Loyau, Cour Amoureuse (wie Anm. 11), I, n. 90. 50 Müller, Franzosen (wie Anm. 1), I, 43, 101, 131 f.; II, 776 f.

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und Einkünfte zu finden. Daß genau seit 1433 die Belege für seine Tätigkeit als Rat, Kommissar und Gesandter des Herzogs in auffälliger Weise zunehmen, mag auch mit seiner Niederlage in Tournai zusammenhängen. Der neue Vorsteher des conseil ordinaire und ständige Vertreter des Kanzlers, als Bischofskandidat gescheitert und darum immer noch unter dem geistlichen Titel eines Archidiakon des Vexin firmierend, bedurfte trotz beträchtlicher Hofeinkünfte zudem noch einer adäquaten Prälatur51.

VI. Am 5. November 1436 wurde sie Jean Chevrot zuteil, und zwar mit dem Stuhl von – Tournai. Daß Eugen IV. in scheinbar völligem Widerspruch zu seiner bisherigen Haltung den Vertrauten des Herzogs nun doch zum Vorsteher dieses Bistums erhob, um unter eigens betontem Verzicht auf die Versorgung seines Neffen Francesco Condulmer zugleich Jean d’Harcourt nach Narbonne zu transferieren52, erklärt sich erneut aus den großen politischen und kirchlichen Ent51 Für seine Ratstätigkeit seien exemplarisch aus den Jahren 1433 bis 1436 nur die Belege genannt im Cartulaire des Comtes de Hainaut de l’avènement de Guillaume II à la mort de Jacqueline de Bavière, publ. par L. Devillers, V, Brüssel 1892, 167, 190, 225, 229, 231, 266, 285, 320, 343, 349, 351, 360. Zu Ratsvorsitz und Stellvertretung des Kanzlers F. de Reiffenberg, État des officiers et domestiques de Philippe, dit le Bon, duc de Bourgogne, in: Collection des chroniques nationales françaises … XXXVII, Paris 1826, CLXII; Eugène Lameere, Le Grand Conseil des ducs de Bourgogne de la maison de Valois, Brüssel 1900, 46, 49, 110; Bartier, Légistes (wie Anm. 12), 311, 314; Johan Huizinga, Herbst des Mittelalters …, Stuttgart 111975 (Kröners Taschenausgabe 204), 384 („neben Rolin der intimste Ratgeber des Herzogs“); Cockshaw, Chancellerie (wie Anm. 11), 51, 79; Bozzolo/Loyau, Cour Amoureuse (wie Anm. 11), I, n. 90; Werner Paravicini, Die Hofordnungen Herzog Philipps des Guten von Burgund. Edition: a) Teil IV, in: Francia 15 (1987), 219 (§ 478), b) Teil V, in: ebd. 18/I (1991), 118 (§ 5). Zu Chevrot als herzoglichem Unterhändler siehe etwa Du Fresne de Beaucourt, Charles VII, III (wie Anm. 12 bzw. 28), 161, 259 f.; IV, Paris 1888, 350; V (wie Anm. 12 bzw. 28), 241 f., 246; Charles Hirschauer, Les États d’Artois de leurs origines à l’occupation française 1340–1640, II, Paris – Brüssel 1923, 28, 30; Bartier (siehe oben), 315–318; Tribout de Morembert, Chevrot [II] (wie Anm. 16), 178 f., 184; Marie-Rose Thielemans, Bourgogne et Angleterre. Relations politiques et économiques entre les Pays-Bas bourguignons et l’Angleterre 1435–1467, Brüssel 1966 (Univ. de Bruxelles – Travaux de la Fac. de philosophie et lettres 30), 78 f., 120, 122, 125, 136, 138, 147; Hans-Jürgen Brandt, Klevisch-märkische Kirchenpolitik im Bündnis mit Burgund in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: AHVN 178 (1976), 68; Marc Haegeman, De anglofilie in het graafschap Vlaanderen tussen 1379 en 1435 …, KortrijkHeule 1988 (Anciens pays et assemblées d’États/Standen en landen 90), 247. 52 Eubel, Hierarchia (wie Anm. 17), II, 199, 253; CB, I, 438 Anm. 1 (mit Quellen); Caesar Baronius / Odoricus Raynaldus/Jac. Laderchius/Augustinus Theiner, Annales ecclesiastici, XXVIII, Bar-le-Duc 21887, 129 (ad a. 1437 § 5); Ursmer Berlière, Inventaire analytique des Libri obligationum et solutionum des Archives Vaticanes du point de vue des anciens diocèses de Cambrai, Liège, Thérouanne et Tournai, Rom 1904, 170 (n. 1505, cf. n. 1508, 1512, 1513); Claude de Vic / Joseph Vaissète, plus tard E. Roschach/Auguste Molinier e. a., Histoire de Languedoc, IV, (nouv. éd.) Toulouse 1872–76 (ND 1973), 255, cf. ebd., V, Toulouse 1875 (ND 1973), 1595. Vgl. Devillers, Jean d’Harcourt (wie Anm. 17), 710; Valois, Pragmatique

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wicklungen der Zeit seit dem Vertrag von Arras und der Zuspitzung des Kampfs zwischen Papst und Konzil: Der französisch-burgundische Sonderfriede erwies sich trotz der Philipp in seinem Gefolge angetragenen Taufpatenschaft über einen nach ihm benannten Königssohn sehr bald als brüchig. Bereits gegen Ende des Jahres 1435 setzte mit der französischen Weigerung, die vertraglich vorgesehene Rückgabe der Orte Chablis (bei Auxerre) und Charlieu (bei Mâcon) durchzuführen, der meist von der Partei Karls VII. verschuldete Streit um die Applikation der Bestimmungen von Arras ein53 – dabei ging es immer wieder um solche Ex‑ bzw. Enklaven, zu denen faktisch auch das weiterhin beim Königreich verbliebene Tournai gehörte. Überdies erinnerten die seit Ende 1436 in Flandern ausbrechenden Revolten Philipp den Guten nachdrücklich daran, wie gefährdet seine Herrschaft im Norden war und welches Risiko im Fall eines neuen französischburgundischen Kriegs aus der Verbindung der aufständischen Kommunen mit einer von ihrem Vorposten Tournai aus agierenden Krone resultieren mochte54. Das ganze Jahr 1436 über gingen zahlreiche königliche und herzogliche Gesandtschaften wegen solcher Streitigkeiten hin und her; als der Herzog obendrein zunächst wenig Bereitschaft zur Entlassung von Karls VII. Schwager René von Anjou aus der Gefangenschaft zu erkennen gab, ließ das die mit Nevers und Arras verknüpften Hoffnungen auf wirklichen Ausgleich weiter sinken. Und diese Verschlechterung im französisch-burgundischen Verhältnis, an der auch Gegner des Vertrags in beiden Lagern ihren Anteil hatten, verschränkte sich mit der Auseinandersetzung zwischen Eugen IV. und dem Basler Konzil um die Stätte einer künftigen Unionssynode mit den Griechen, wobei hier weit mehr als nur ein Ortsproblem zur Debatte stand – dies war der Ausgangspunkt des Entscheidungskampfs um die Kernfrage, ob Kirche weiterhin papale Monarchie Sanction (wie Anm. 17), LXIV; Valois, Pape (wie Anm. 19), II, 82 Anm. 2; Warichez, Nominations (wie Anm. 15), 153; Bartier, Légistes (wie Anm. 12), 313; Paul Carbonel, His­ toire de Narbonne des origines à l’époque contemporaine, Narbonne 1956, 210; Ourliac, in: Delaruelle, L’Église (wie Anm. 5), 353 Anm. 3; Blockmans, Chevrot (wie Anm. 46), 1806. Der darüber ausbrechende Streit wird auch kurz in folgenden (und in diesem Zusammenhang nur hier zitierten) Arbeiten gestreift: Konrad Eubel, Die durch das Basler Konzil geschaffene Hierarchie, in: RQ 16 (1902), 279; Adriaan G. Jongkees, Staat en kerk in Holland en Zeeland onder de bourgondische hertogen 1425–1477, Groningen 1942, 38 Anm. 3; Ders., Philips de Goede, het concilie van Bazel en de heilige stoel, in: Tijdschrift voor Geschiedenis 58 (1943), 205 f.; Paul Bonenfant, Philippe le Bon, Brüssel 31955, 73; Marcelin Defourneaux, La vie quotidienne au temps de Jeanne d’Arc, Paris 1952, 161. 53 Du Fresne de Beaucourt, Charles VII, III (wie Anm. 12 bzw. 28), 95 ff.; Vaughan, Philip the Good (wie Anm. 11), 101–107 (zu Chablis und Charlieu 113). 54 Vaughan, Philip the Good (wie Anm. 11), 86–92; M. Ryckaert, Brügge (I), in: LexMA II (1983), 745; W. Prevenier, Flandern (A II 3), in: ebd., IV (1989), 522; M. Boone / W.P., Gent (II 3), in: ebd., 1242; Nicholas, Flanders (wie Anm. 8), 328 f. Ein interessantes Beispiel für französische Einflußnahme in etwas späterer Zeit liefert Marc Boone, Diplomatie et violence d’État. La sentence rendue par les ambassadeurs et conseillers du roi de France, Charles VII, concernant le conflit entre Philippe le Bon, duc de Bourgogne, et Gand en 1452, in: Bull. Commission Royale d’Histoire 156 (1990), 1–54.

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bleiben oder künftig stärker konziliar-korporativ strukturiert sein sollte. Dabei agierte und agitierte die auf dem Basiliense mächtige französische Partei 1436 wirkungsvoll für eine Versammlung in Avignon – ihre Aktivitäten erreichten gerade im Herbst dieses Jahres, also zur Zeit der Ernennung Chevrots, den Höhepunkt –, derweil für die Anhänger Eugens IV. nur eine italienische Stadt in Frage kam55. Fand der Papst an Philipp dem Guten Rückhalt, der sich wie kein anderer Fürst des lateinischen Westens für einen Kreuzzug gegen die Türken engagierte und im Vorfeld gleich den Griechen eine Union unter Einschluß Roms wünschte, so propagierte der französische Hof aus naheliegenden Gründen mit Avignon einen Ort, dessen Name nunmehr geradezu Symbol und Fanal des Konziliarismus bedeutete56. Es wurde ernst, und Eugen IV. wußte nur zu gut, an wem er in entscheidender Stunde Rückhalt fand: Die Erhebung Chevrots zum Bischof von Tournai – Burgund hatte den Anspruch darauf nie aufgegeben57 – war Zeichen seiner Dankbarkeit gegenüber einem Fürsten, bei dem er sich gewiß sein durfte, wie er zwei Monate nach der Nomination verlauten ließ, quod tua prudentia conabitur conplacere nobis toto posse in omnibus que spectant ad conservacionem et augmentum status et honoris nostri58. Daß Karl VII. und seine Berater unter dem Einfluß der angevinischen Hofpartei wegen der erhofften Belehnung eines – noch freizulassenden – René von Anjou für kurze Zeit ebenfalls auf die Position Eugens IV. umschwenkten, stellte nur ein wider eigene Überzeugung unternommenes taktisches Manöver dar und wurde von Papst und Kurie offensichtlich als solches auch bald durchschaut. Bereits gut einen Monat nach dem Votum der großen Basler Mehrheit am 5. Dezember 1436 für Avignon ließ der König nämlich eine ihn aufsuchende Konzilsdelegation wissen, fortan werde er ganz für eine Verwirklichung dieses Beschlusses eintreten, woran er sich in der Folgezeit konsequent hielt59. Als Eugen IV. die Unionssynode nach Ferrara einberief, verbot der Monarch seinen Untertanen denn auch den Besuch dieser Versammlung, derweil Philipp der

55 a) Zu den Gegnern des Vertrags zuletzt Haegeman, Anglofilie (wie Anm. 51), 241–257; er vermutet, Chevrot selber habe solange zu ihnen gehört, wie Tournai im Besitz Harcourts gewesen sei. – b) Avignon: Haller, Belehnung (wie Anm. 20), 184–207 bzw. 369–392; Léon Honoré Labande, Projet de translation du concile de Bâle en Avignon pour la réunion des Églises grecque et latine …, Aix-en-Provence 1904; Valois, Pape (wie Anm. 19), II, 34–70; Müller, Franzosen (wie Anm. 1), I, 138–141; II, 500–517. 56 a) Burgund: Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 152 f.; zu Philipps Projekt des Türkenkriegs Müller, Kreuzzugspläne (wie Anm. 44). – b) Frankreich: Müller (wie Anm. 55). 57 Vgl. den zwischenzeitlichen Briefwechsel Karls VII. und Philipps des Guten, zitiert bei De la Roque, Harcourt, III (Preuves) (wie Anm. 22), 630; siehe auch Du Fresne de Beaucourt, Charles VII, III (wie Anm. 12 bzw. 28), 96, 98. 58 Zitiert nach Jongkees, Philips de Goede (wie Anm. 52), 206. 59 Müller, Franzosen (wie Anm. 1), II, 500–517; Ders., Der bewunderte Erbfeind. Johannes Haller, Frankreich und das französische Mittelalter, in: HZ 253 (1991), 266–271 [in diesem Band: 32–36].

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Gute sie als einer der wenigen nichtitalienischen Fürsten mit einer offiziellen Delegation beschickte60.

VII. Solch „große“ Politik schlug vor Ort unmittelbar durch: Die Tatsache, daß Jean d’Harcourt nach seinem Einzug als Bischof von Tournai eine offensichtlich allseits geschätzte Wirksamkeit entfaltet hatte, die selbst auf burgundischer Seite nicht geleugnet wurde (demoura longue espace dedens la ville de Tournay, où il vesqui à simple estat, et y estoit obéy et très bien amé des bourgois et habitans d’ycelle cité), sicherte ihm im Verein mit der Königstreue seines Sitzes zunächst eine recht starke Position61. Die Versetzung nach Narbonne, so ließ er die Konsuln am 13. Dezember 1436 wissen, wenn sie denn kein Gerücht sei, werde er ohne Autorisation Karls VII. nicht akzeptieren, und im übrigen könne der Papst keine Translation gegen den Willen des Betroffenen verfügen. Und der Herrscher selbst sprach sich am 30. Januar 1437 – nur wenige Tage, nachdem er in der Ortsfrage so eindeutig gegen Eugen IV. Stellung bezogen hatte – nicht minder eindeutig in einem Brief an das Regiment von Tournai gegen die päpstlicherseits verfügte Translation Harcourts, d. h. für dessen Verbleib auf dem nördlichen Vorposten seines Königreichs aus62. Als Anfang April 1437 Étienne Vivien, von Chevrot bestellter Generalvikar und Bruder des herzoglichen Vertrauten Jean Vivien, im Schutz des Grafen von Étampes, eines herzoglichen Cousins, für seinen Herrn vom Bischofssitz prokuratorisch Besitz ergreifen wollte, löste dies solche Gewalttätigkeiten seitens der empörten communes aus, daß Stadtregierung und sogar Jean d’Harcourt persönlich (disant que tout se feroit bien et qu’il garderoit son droit par justice) schlichtend eingreifen mußten63. In der Sache selbst blieben die 60 a) Karl VII.: Müller, Franzosen (wie Anm. 1), II, 527 mit Anm. 2 (Quellen und Lit.). – b) Burgund: A. Perrault-Dabot, Le duc de Bourgogne Philippe le Bon et le concile de Florence, in: Mém. Commission des Antiquités du Département de la Côte-d’Or 13 (1895– 1900), 199–214; Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 169 ff.; Johannes Helmrath, Die lateinischen Teilnehmer des Konzils von Ferrara/Florenz, in: AHC 22 (1990), 177 mit Anm. 109. 61 Monstrelet, Chronique (wie Anm. 16), V, 59; ähnlich Karl VII. in seinem Schreiben an das Basler Konzil: ut verus episcopus in eaque [i. e. Tornacensi ecclesia] continue residerit, debitum pastorale officium personaliter laudabiliter exercens ac explens per annos multos (Haller, Beiträge [wie Anm. 9], 220); vgl. De la Roque, Harcourt, III (Preuves) (wie Anm. 22), 634; Devillers, Jean d’Harcourt (wie Anm. 17), 710; Wymans, Déclin (wie Anm. 5), 126. Keine Rolle scheint in jener Zeit der Kampf gegen häretische Bewegungen gespielt zu haben, die sich in den zwanziger Jahren (und dann erneut um 1460) im Gebiet von Douai, Valenciennes, Cambrai und auch Tournai manifestierten; vgl. dazu (mit Quellen‑ und Literaturangaben) Müller, Franzosen (wie Anm. 1), I, 82 f.; II, 819; Müller, Kreuzzugspläne (wie Anm. 44), 15 Anm. 6. 62 Registres des consaulx (wie Anm. 17), 36; vgl. Fourez, Chevrot (wie Anm. 16), 75. 63 Monstrelet, Chronique (wie Anm. 16), V, 60 f. (Zitat: 61); Registres des consaulx (wie Anm. 17), 41; vgl. Devillers, Jean d’Harcourt (wie Anm. 17), 710; Warichez, Nominations

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Fronten indes unverändert: Einen Herold Philipps des Guten, der am 14. Juni 1437 die Bulle Eugens IV. samt herzoglichem Begleitschreiben in Tournai zu Gehör bringen wollte, ließen die Regierenden wissen, man stehe weiterhin zu Karl VII. wie zu Jean d’Harcourt, den sie bereits zehn Tage zuvor in aller Form ihrer Unterstützung versichert hatten64.

VIII. Und nur vier Tage später, am 18. Juni 1437, erhielt Jean d’Harcourt die Nachricht des Basler Konzils, ihm sei auch weiterhin als Bischof von Tournai Gehorsam zu leisten65. Mittlerweile war nämlich die Synode, die übrigens seit Ende 1435 Suppliken aus dem Bistum in auffällig großer Zahl erreichten66, ebenfalls (wie Anm. 15), 153; De Moreau, Histoire (wie Anm. 5), IV, 57; Fourez, Chevrot (wie Anm. 16), 77; Bartier, Légistes (wie Anm. 12), 313. Zu Étienne Vivien, der als bepfründeter Kanoniker und Archidiakon von Gent zur burgundischen Minderheit im Kathedralkapitel von Tournai gehörte, siehe Vos, Dignités (wie Anm. 11), I, 272; H. Dubrulle, Les bénéficiers des diocèses d’Arras, Cambrai, Thérouanne, Tournai, sous le pontificat de Martin V …, in: Analectes pour servir à l’histoire ecclésiastique de Belgique 31 (1905), n. 551, 563, 581; Dubrulle, Bénéficiers … Eugène IV (wie Anm. 48), n. 104, 144; Baix, Chambre apostolique (wie Anm. 39), I, 276 Anm. 3, 374 Anm. 1, 389 Anm. 4, 410 Anm. 3, cf. II, Brüssel – Rom 1955/60 (Analecta Vaticano-Belgica XIV / 2), 773 f. – Zahlreiche Belege zu Jean Vivien, der ja bereits 1433 die Ansprüche Chevrots vor Eugen IV. vertreten hatte und als burgundischer Gesandter u. a. auf den Konzilien von Basel und Ferrara – Florenz tätig war, ebenfalls bei Vos, Dubrulle und Baix (siehe Register); cf. Langres, Bibl. Mun., ms. 54, fol. 44v, 52v; Les statuts et privilèges des universités françaises de leur fondation jusqu’en 1789, publ. par Marcel Fournier, III/1, Paris 1892 (ND 1970), n. 1891; Repertorium Germanicum [V]: Pontificat Eugen IV. (1431–1447), I, bearb. v. Robert Arnold, Berlin 1897, n. 16, 117, 964, 984. Vgl. Honoré Fisquet, La France Pontificale (Gallia Christiana): Nevers – Bethléhem, Paris o. J. [1866], 66 f.; Ders., La France Pontificale (Gallia Christiana): Paris II, Paris o. J. [1868], 138 f.; Cte de Soultrait, Armorial historique et archéologique du Nivernais, I, Nevers 1879, 46; François Baix, La carrière ‚bénéficiale‘ de Guillaume Dufay …, in: Bull. Institut historique belge de Rome 8 (1928), 270 Anm. 6 (ebensolche Karriere des Jean Vivien in Kurzform skizziert); E. Poncelet, Jean Vivien, in: Biographie nat. … de Belgique XXVI (1936/38), 803; Charles A. J. Armstrong, La politique matrimoniale des ducs de Bourgogne de la maison des Valois [1968; ND] in: Armstrong, England (wie Anm. 27), 326 mit Anm. 8; Bernard Guenée, Catalogue des gens de justice de Senlis et de leurs familles (1380–1450) (II), in: Soc. d’histoire et d’archéol. de Senlis. Comptes rendus et Mémoires 1981/82 (1983), n. 265 b. 64 Registres des consaulx (wie Anm. 17), 42 f. 65 Ebd., 43. 66 CB, III, 559, 604, 607; IV, 74, 113, 174, 245, 271, 343 f.; VI, 80, 91 f., 96, 173, 179, 186, 199, 205, 227, 269: Die erhöhte Supplikenfrequenz ist also für die Zeit des Amtens von Harcourt vor Ort zu konstatieren. – Daß der Kölner Theologieprofessor und Rektor Johannes Tinctoris im Konflikt zwischen Eugen IV. und Basel eine dezidiert konziliaristische Position einnahm, dürfte wohl weniger mit der Zugehörigkeit seines Geburtsorts Tournai zu einem prokonziliar ausgerichteten Frankreich als vielmehr seinem wissenschaftlichen Werdegang zusammenhängen. Zu ihm Martin Grabmann, Der belgische Thomist Johannes Tinctoris (gest. 1469) … [1948], in: Ders., Mittelalterliches Geistesleben, III, München 1956, 411–432, bes. 413; Erich Meuthen, Die alte Universität, Köln – Wien 1988 (Kölner Universitätsgesch. 1), 615 s. v. „Tinctoris,

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mit der causa Tornacensis beschäftigt, vor allem seit sie Karl VII. Anfang Mai 1437 nachdrücklich zur Unterstützung seines Verwandten aufgefordert hatte gegen einen Eindringling Chevrot non oriundum de nostro regno, sed foraneum ac nobis ignarum67. Noch zwei weitere Male wurde der Herrscher im Verlauf dieses Jahres auf dem Konzil tätig: In einem auf den 9. Juli datierten Schreiben aus Bourges wiederholte er sein Anliegen, wobei er – in diesem Fall: naheliegenderweise – Basel zur einzig legitimen Berufungsinstanz erklärte68, was ihn indes nicht an mehrfacher Intervention bei Eugen IV. hinderte, wie er in seinem anderen Brief vom 3. Dezember aus Paris zu erkennen gab. Darin stand des weiteren einmal mehr zu lesen, wie sehr er die Sache zu seiner eigenen gemacht habe (causam presentem quam profecto nostram propriam reputamus), und daß Familie und Freunde des Bischofs sich am Königshof für die Sache des Konzils einsetzten (cuius eciam parentes et amici pro negociis vestre beate concionis apud nos seduli oratores extiterunt indefesseque existunt)69. In der Tat handelte man in abgestimmter Aktion: Christophe d’Harcourt hatte sich am selben Tag vom Hof aus ebenfalls bei den Baslern für seinen Bruder verwendet und sie dabei in aller Offenheit an ihre Abhängigkeit von Karl VII. erinnert, wenn sie an der Verwirklichung ihres Beschlusses der Feier eines Unionskonzils in Avignon festhalten wollten. Um der Synode wie des königlichen Wohlwollens willen – ut non confundatur ecclesie congregate auctoritas et regalis honor extollatur – sei es notwendig, des Bruders Verbleiben in Tournai durchzusetzen70. Solcher Mahnung hätte es letztlich nicht bedurft, „funktionierte“ die Versammlung doch bereits ohnehin in französischem Sinne, selbst wenn sie entsprechende burgundische Aktivitäten zugunsten Chevrots zunächst in eine gewisse Zwangslage brachten (contrariis litteris per synodum susceptis non parve affuere requisiciones et opposiciones – Quo vero ad Tornacensem ecclesiam, peticione iusticie facta ad instanciam non solum episcopi, sed regis Francie, quod non licebat, cum res ageretur inter tantos principes, inauditis partibus poni silencium, sed contemplacione ducis concilium vellet se interponere ad ea que pacis71). Denn auch und gerade nach dem Bruch mit Johannes“; Götz-Rüdiger Tewes, Die Bursen der Kölner Artisten-Fakultät bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, Köln – Weimar – Wien 1993 (Studien zur Geschichte der Univ. zu Köln 13), 910 s. v. „Johannes Tinctoris de Tornaco“; Ders., Frühhumanismus in Köln. Neue Beobachtungen zu dem thomistischen Theologen Johannes Tinctoris von Tournai, in: Studien zum 15. Jahrhundert (wie Anm. 1: Petersohn), II, 667–695. 67 Haller, Beiträge (wie Anm. 9), 220 f.; zu Basel verlesen am 24. Mai 1437: ebd., 221; cf. CB, VI, 58. – Eine spätere Quelle aus dem Pariser Parlament zur Konzilsappellation von Harcourt selbst zitiert Valois, Pragmatique Sanction (wie Anm. 17), LXIV Anm. 3. 68 Paris, BN, ms. lat. 15625, fol. 94r/v; zu Basel verlesen am 24. Juli 1437: ebd. und MC, II, 999; vgl. Warichez, Nominations (wie Anm. 15), 154 (zu 1437 Juli 12). 69 Paris, BN, ms. lat. 15625, fol. 101v /102r (Zitate: 102r); zu Basel verlesen am 22. Dezember 1437: ebd. und MC, II, 1081; vgl. Valois, Pape (wie Anm. 19), II, 82 Anm. 2. 70 Paris, BN, ms. lat. 15625, fol. 102r/v (Zitat: 102v); zu Basel verlesen am 22. Dezember 1437: ebd. 71 MC, II, 976, 998.

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Eugen IV. war Basel mehr denn je auf die Unterstützung eines jeden Fürsten angewiesen, mochte die Aussicht darauf noch so vage sein. Umgekehrt mußte Burgund das Konzil 1437 realistischerweise noch in sein Kalkül einbeziehen, denn für die Beteiligten und Betroffenen war damals keineswegs klar, wer aus dem Kampf um die oberste Kirchengewalt siegreich hervorgehen würde. Dann aber entschied sich das Konzil doch relativ rasch und ungeachtet schriftlicher Proteste Philipps des Guten für eine Zitation von Jean Chevrot72. Der Beschluß des Constantiense, kein Bischof dürfe gegen seinen Willen transferiert werden – darauf hatte sich ja auch Harcourt in Tournai ebenso wie Karl VII. gegenüber Basel berufen –, paßte einem Manne wie dem Erzbischof Amédée de Talaru von Lyon, erwähntem französischen Gesandtschaftsführer und zugleich exponiertem Verfechter synodaler Vorstellungen, nur zu gut in seinen diplomatischen Auftrag, wie er eigener konziliarer Überzeugung entsprach: Lugdunensis archiepiscopus allegabat dictam citacionem meram iusticiam continere, quam concilium denegare non posset, cum magna Constanciensis synodus decretum fecisset absque vocacione et causa non cognita prelatos invitos non transferendos73. Damit war die Basler Leitlinie vorgegeben, auch wenn es noch mehr als ein Jahr dauern sollte, bis der Prozeß, begleitet vom steten Supplikenfluß des vorübergehend – wohl prokuratorisch – inkorporierten Jean d’Harcourt und vom Wunsch der Kommundeputation, quod domini judices deputati audiant dominum ducem Burgundie et admittant ipsum pro eius interesse, si et prout de jure, spruchreif war74. Im Oktober 1438 konnten die Kommissare, darunter zeitweise der erfahrene Bischof Johannes Schele von Lübeck75, der Versammlung eine entsprechende Sentenz vorlegen, die weder der wenig überzeugende Einwurf von burgundischer Seite, ein Bischof Jean Chevrot in Tournai sei dem französischen König keineswegs suspekt, noch wiederholte Interventionen des Herzogs, zuletzt im Verein mit entsprechenden Aufforderungen von (ihrerseits sicher aufgeforderten) Städten wie Brüssel und Gent76, zu verhindern vermochten: deputati dederunt vota sua translacionem factam per papam Iohannis de Haricuria Tornacensis episcopi ad ecclesiam metropolitanam Narbonensem, quoniam eo inuito cassandam fore, et prefatum Iohannem Cheuroti com-

72 MC,

II, 997. II, 997; Talaru bezieht sich auf das entsprechende Dekret der 39. Sessio des Konstanzer Konzils: Conciliorum Oecumenicorum Decreta, cur. Giuseppe Alberigo, Bologna 31973, 443. 74 a) Jean d’Harcourt: CB, VI, 58, 117 f., 147. Harcourts als episcopi Tornacensis huic sacro concilio incorporati wird im Protokoll am 12. Oktober 1437 Erwähnung getan (CB, VI, 117); dieser Beleg findet sich nicht in den von Lehmann und Bilderback erstellten Listen der Mitglieder des Basiliense: Michael Lehmann, Die Mitglieder des Basler Konzils von seinem Anfang bis August 1442, Diss. (masch.) Wien 1945; Bilderback, Membership (wie Anm. 19). Nach Warichez, Nominations (wie Anm. 15), 154, hat Harcourt selbst am 23. Oktober 1437 (nochmals?) förmlich an das Basler Konzil appelliert. – b) Zitat: CB, VI, 239. 75 CB, VI, 229. 76 MC, II, 999; III, 116. 73 MC,

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petitorem incidisse penas XIIIe sessionis ‚Ut sacri‘ condempnandumque fore in expensis synodali sentencia in alia promulgata congregacione77.

IX. Nur waren die Basler auch mit diesem Urteil einmal mehr hoffnungslos ins Hintertreffen geraten und dies nicht allein in zeitlicher Hinsicht. Zwangsmaßnahmen Philipps des Guten gegen Tournai und vor allem eine neue Wendung in den französisch-burgundischen Beziehungen demonstrierten dem Konzil neuerlich und nachdrücklich, daß all sein juristischer und theologischer Aufwand wenig oder gar keinen Einfluß auf den tatsächlichen Ausgang der Dinge hatte, daß es nach Bedarf instrumentalisiert wurde – auch und gerade von einem Frankreich, in dessen Abhängigkeit es zunehmend geraten war –, daß es marginale Handlangerdienste in Gestalt von Gefälligkeitsgutachten und ‑sentenzen zu liefern hatte, die sich im Fall von Widerspenstigkeit natürlich auch bei Papst und Kurie einholen ließen78. Konziliare Gelehrsamkeit durfte machtpolitische Interessen auf Verlangen kanonistisch und theologisch drapieren; wurden diese aber neu definiert, so war sie nicht einmal das Pergament oder Papier wert, auf dem sie geschrieben stand. So verhielt es sich auch im Fall Tournai, den 1437/38 zwei Faktoren entscheidend beeinflußten: Zum ersten wirkte sich ein Wirtschaftsboykott aus, den der Burgunderherzog im Juli 1437 über die Stadt verhängte – daß diese im Gegensatz zu Karl VII., der sogleich nach Bekanntwerden der päpstlichen Verfügungen vom 5. November 1436 vorbehaltlos für Harcourt eingetreten war, mit dem förmlichen Treuebekenntnis zu ihrem Bischof bis Anfang Juni 1437 gewartet hatte, könnte damit eventuell in Zusammenhang stehen79. Man besaß vielleicht Informationen über drohende Strafaktionen; sicher wird auch das harte und entschlossene Vorgehen Philipps gegen die aufständischen Flamen seinen Eindruck nicht verfehlt haben. Und im Gegensatz zu der mit Blick auf Arras offenbar nur halbherzig durchgeführten Konfiskation der flandrischen Einkünfte des neuen Bischofs Jean d’Harcourt war es Burgund diesmal mit seinem Zwang ernst: Si fist 77 MC, III, 163; es wird hier auf das Dekret der 13. Sessio des Basler Konzils vom 11. September 1433 Ut sacri concilii (MC, II, 447 f.; Johannes Dominicus Mansi, Sacrorum conciliorum nova, et amplissima collectio …, XXIX, 70 f.) Bezug genommen. Vgl. Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 156; De Moreau, Histoire (wie Anm. 5), IV, 57. 78 Ich verzichte auf zahlreiche mögliche Einzelbelege und verweise stellvertretend nur auf den Vergleich eines anonym gebliebenen Basler Geistlichen über Karls VII. gleichzeitige und widersprüchliche Politik bei der Besetzung der Bistümer Albi und St-Malo; Beleg bei Müller, Franzosen (wie Anm. 1), II, 693. 79 a) Boykott: Registres des consaulx (wie Anm. 17), 44. Vgl. de Moreau, Histoire (wie Anm. 5), IV, 57; Fourez, Chevrot (wie Anm. 16), 77; Bartier, Légistes (wie Anm. 12), 314. – b) Erklärung der Konsuln von Tournai für Harcourt: Registres, 42.

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de rechief deffendre par tous ses pays, que nul ne portast vivres en ycelle ville de Tournay, sur confiscacion de corps et de biens, et avecques ce, que tout homme qui pourroit sçavoir les biens d’aulcuns des habitans, les nonciassent aux officiers du duc et ilz seroient prins comme confisqués80. Im Oktober 1437 zeitigte die Handelssperre offensichtlich erste Wirkung: Die Stadt, auf der obendrein Exkommunikationsdrohungen Eugens IV. und durch den Propst von Cassel in Chevrots Auftrag verhängte Zensuren und Sentenzen lasteten, begann Druck auf Harcourt auszuüben81. Ihm half wenig, daß er auf seine Appellation in Basel hinwies, wo nunmehr der Prozeß anhängig sei; eher half ihm für den Augenblick seine Bereitschaft, sich an einer Gesandtschaft von Stadt und Kathedralkapitel zu Karl VII. zu beteiligen. Doch der Monarch beharrte darauf, Tournai müsse Jean d’Harcourt weiterhin als Bischof gehorchen, und zeigte sich nur zu diplomatischen Kontakten mit Philipp dem Guten in der Sache bereit. Unterdes verstärkte der mittlerweile in Flandern siegreiche Herzog Pression wie Lockung: Falls Tournai Jean Chevrot endlich als Oberhirten anerkenne, so ließ er die Konsuln am 14. Juni 1438 wissen, würden die Sanktionen bis zum August aufgehoben. Die über den Vermittler Bourbon geäußerte Bitte der Stadt um einmonatige Verlängerung dieses Termins bedeutete bereits die verbrämte Kapitulation; am 29. August wurde denn auch der förmliche Beschluß der Aufnahme Chevrots gefaßt, wobei man die fortwährende Bindung an die französische Krone betonte. Wahrscheinlich aber war der Stadt die Unterwerfung unter burgundisches Diktat von niemand anderem als dem königlichen Hof selbst nahegelegt worden. Hier kommt nun jener zweite entscheidende Faktor ins Spiel, von dem Tournai offiziell am 21. November in Kenntnis gesetzt wurde, als Gesandte Karls VII. – übrigens gegen den Widerstand des Kathedralkapitels82 – das Einverständnis des Herrschers mit der Translation Harcourts nach Narbonne und mit der Einnahme von dessen bisherigem Sitz durch Chevrot bekanntgaben83. Ausschlaggebend hierfür waren wiederum die am 30. September 1438 zu Blois 80 Monstrelet,

Chronique (wie Anm. 16), V, 60.  Dies und das Folgende nach Registres des consaulx (wie Anm. 17), 44–57. Vgl. Devillers, Jean d’Harcourt (wie Anm. 17), 710 f.; De Moreau, Histoire (wie Anm. 5), IV, 57; Fourez, Chevrot (wie Anm. 16), 77; Bartier, Légistes (wie Anm. 12), 314; Wymans, Déclin (wie Anm. 5), 127 (ebd. auch zu den Kirchenstrafen); Blockmans, Chevrot (wie Anm. 46), 1806. 82 Registres des consaulx (wie Anm. 17), 60; vgl. Fourez, Chevrot (wie Anm. 16), 78. Das Kapitel hatte – so Warichez, Nominations (wie Anm. 15), 154 – noch am 23. Oktober 1437 zugunsten von Harcourt an das Basler Konzil appelliert. Daß die Synode am 9./10. März 1436 ein Kathedralkanonikat in Tournai an (den möglicherweise aus der Diözese Amiens stammenden) Nicolas Lamy verlieh (CB, IV, 76 ff.), dürfte nicht mit Rücksicht auf die französische oder burgundische Partei, sondern wegen der Dienste und Verdienste des engagierten Konziliaristen erfolgt sein, der zu den Prokuratoren der Universität Paris auf der Versammlung gehörte. Erste Informationen über Lamy bei Louis Binz, Le diocèse de Genève des origines à la Réforme, in: Ders./Jean Emery /Catherine Santschi, Helvetia Sacra, I / 3, Bern 1980, 158 f. Am 4. November 1435 wurde ein Kanoniker Hugues Lamy aus Tournai in das Konzil inkorporiert: CB, III, 559. 83 Registres des consaulx (wie Anm. 17), 60; vgl. Fourez, Chevrot (wie Anm. 16), 78. 81

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erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen über eine Heirat von Philipps einzigem Sohn Karl mit einer Tochter des französischen Königs gewesen. Diesen Plan hatte man erstmals bereits in Arras 1435 erörtert, dann wegen der Verschlechterung des französisch-burgundischen Verhältnisses nicht weiter ernsthaft verfolgt. Gerade um aber den Spannungen, von denen noch eine Klageschrift des Burgunders an Karl VII. vom Februar 1438 Zeugnis ablegt, die Spitze zu nehmen, wurde dieses Projekt wiederbelebt und seit Juli 1437 intensiver betrieben, was auch Tournai nicht verborgen geblieben sein dürfte84. Bemerken wir am Rande, daß der französische König im September 1438 seinen Militärs Übergriffe auf burgundische Besitzungen ausdrücklich verbot85 und Jean Chevrot zur selben Zeit als sein Ehrenrat fungieren durfte86.

X. Als im Mai 1439 eine Delegation von Tours aufbrach, um Katharina von Frankreich über Reims nach St-Omer zur Hochzeit mit dem Grafen von Charolais zu begleiten, hieß eines ihrer Mitglieder – Jean d’Harcourt87. Dieser hatte seinerseits, sicher in enger Abstimmung mit dem Königshof, sehr rasch die Wendung der Dinge mitvollzogen. Am 22. November 1438, also nur einen Tag nach dem Auftritt der französischen Gesandten in Tournai, ließ er sein Einverständnis mit der so lange verweigerten Translation bekunden, um am 25. März des folgenden Jahres in Narbonne Einzug zu halten, wo ihn obendrein fast das Doppelte an Einkünften erwartete88 – sein Scheitern in Amiens und Tournai hatte zumindest stets eine finanzielle Promotion zur Folge. Selber auch weiterhin im Königsdienst – schon 84 Registres des consaulx: wie Anm. 83; Monstrelet, Chronique (wie Anm. 16), V, 344. Im Anschluß daran bemerkt dieser Chronist: … fut accordé envers le Roy le discord des évesques de Tournay, c’estassavoir de maistre Jehan de Harcourt et maistre Jehan Chevrot. Lequel Chevrot demoura à Tournay, et ledit Harcourt demoura archevesque de Nerbonne (345). – Vgl. Du Fresne de Beaucourt, Charles VII, III (wie Anm. 12 bzw. 28), 101 f.; Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 157; Fourez, Chevrot (wie Anm. 16), 78; Bartier, Légistes (wie Anm. 12), 314; Ourliac, in: Delaruelle, L’Église (wie Anm. 5), 353 Anm. 3; Vaughan, Philip the Good (wie Anm. 11), 114; Malcolm G. A. Vale, Charles VII, London 1974, 84. 85 Du Fresne de Beaucourt, Charles VII, III (wie Anm. 12 bzw. 28), 102. 86 Vallet de Viriville, Conseillers (wie Anm. 29), 18; Gaussin, Conseillers (wie Anm. 29), 92, 113. 87 Du Fresne de Beaucourt, Charles VII, III (wie Anm. 12 bzw. 28), 105 (mit Belegen). 88 a) Tournai 1438 November 22: Registres des consaulx (wie Anm. 17), 61; vgl. aus burgundischer Sicht Enguerran de Monstrelet, Chronique (wie Anm. 16), V, 61. b) Narbonne 1439 März 25: Chronicon ecclesie S. Pauli Narbonensis, in: De Vic / Vaissète, Histoire de Languedoc (wie Anm. 52), V, 47, cf. ebd., IV (nouv. éd.), 255; Eubel, Hierarchia (wie Anm. 17), II, 199; GC, VI, Paris 1739 (ND 1970), 101; Carbonel, Narbonne (wie Anm. 52), 210; Jacques Michaud, Le diocèse français (1091–1790), in: Histoire de Narbonne, sous la dir. de J.M. / André Cabanis, Toulouse 1981, 222; Müller, Franzosen (wie Anm. 1), II, 715.

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1439/40 ist er in solcher Funktion erneut im burgundischen Norden belegt89 –, verstand er es, an seinem Sitz mit dem Kanoniker und Präkantor Louis d’Harcourt einen Verwandten als Nachfolger aufzubauen. 1451 trat dieser enge königliche Vertraute die Sukzession in Narbonne an, nachdem Jean selber noch kurz vor seinem Tod das strittige Bistum Orléans in Kommende übernommen hatte und – wie manches Mal bei der Resignation eines Erzbistums zugunsten eines Bistums – mit dem Titel eines Patriarchen, in diesem Fall des von Alexandrien, ausgezeichnet worden war90. Daß in Tournai aber Philipp der Gute selbst am 14. Mai 1439 Einzug hielt und in der bischöflichen Residenz Quartier bezog91, führte den Bürgern der Stadt und den Vätern in Basel nachdrücklich vor Augen, wie wenig ihr Wollen und Wirken gegen übergeordnete politische Interessen ausrichten konnte. Mochte der Mäzen und Bibliophile Jean Chevrot auch noch stärker als Jean d’Harcourt in den Staatsdienst eingebunden und dementsprechend selten am Ort präsent sein, so bedeutete sein Pontifikat dennoch eine unstrittige Verstärkung burgundischer Präsenz im Norden92 – die eingangs zitierte Klage, Tournai sei esseulée et eslongiée des aultres villes de France, stammt ja aus seiner Regierungszeit. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß Jean Chevrot im Gefolge des Falls von Nicolas Rolin 1457 in der Gunst des herzoglichen Hofs sank und sich trotz Alters und Krankheit wenige Wochen vor seinem Tod am 22. September 1460 sogar noch gezwungen sah, seinen Sitz mit Bischof Guillaume Fillastre dem Jüngeren

89 Du Fresne de Beaucourt, Charles VII, III (wie Anm. 12 bzw. 28), 106, 157; Thielemans, Bourgogne (wie Anm. 51), 124, 138 Anm. 157. 90 Eubel, Hierarchia (wie Anm. 17), II, 111; De Vic/Vaissète, Histoire de Languedoc (wie Anm. 52), IV (nouv. éd.), 255; GC, VI (wie Anm. 88 b), 102; Devillers, Jean d’Harcourt (wie Anm. 17), 711; Eugène Duchâteau, Histoire du diocèse d’Orléans depuis son origine jusqu’à nos jours, Orléans 1888, 210; Nortier, Jean d’Harcourt (wie Anm. 33), 629; Tribout de Morembert, Jean d’Harcourt (wie Anm. 33), 331. – Zu Louis d’Harcourt: De Vic / Vaissète und GC: wie oben; Guillaume Bessin, Concilia Rotomagensis provinciae, II, Rouen 1717, 235; Carbonel, Narbonne (wie Anm. 52), 211; vgl. auch hier Anm. 31. 91 Fourez, Chevrot (wie Anm. 16), 79. Chevrot selbst hielt erst am 12. Januar 1440 Einzug an seinem Sitz; so jedenfalls Warichez, Nominations (wie Anm. 15), 154; Tribout de Morembert, Chevrot [I / II] (wie Anm. 16), 651 bzw. 182; Blockmans, Chevrot (wie Anm. 46), 1806 (zu 1439 Januar 12); nach Bartier, Légistes (wie Anm. 12), 315 Anm. 6, bleibt dagegen das Datum unsicher. – Eine prokuratorische Inbesitznahme war zuvor durch Robert Auclou erfolgt: Monstrelet, Chronique (wie Anm. 16), V, 62; cf. De la Roque, Harcourt, III (Preuves) (wie Anm. 22), 634. Zu diesem aus der Diözese Paris stammenden, vielbepfründeten Archidiakon von Brabant in der Kirche von Cambrai, der für den Herzog an der Kurie und auf dem Konzil begegnet, siehe Dubrulle, Bénéficiers … Martin V (wie Anm. 63), 445, und Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 298 s. v. „Auclou, Robert“, sowie die biographische Notiz bei Baix, Chambre apostolique (wie Anm 39), I, 279 Anm. 1. 92 Über die Regierung des Jean Chevrot unterrichten die hier bereits oft zitierten Arbeiten von Fourez (wie Anm. 16), Bartier (wie Anm. 12) und Tribout de Morembert (wie Anm. 16). Zu Chevrot als Förderer der Künste siehe neben Tribout de Morembert, 207–220, und Fourez, 79, 82, schon Huizinga, Herbst (wie Anm. 51), 372, 384.

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von Toul zu tauschen93. Denn mit diesem künftigen Kanzler des Ordens vom Goldenen Vlies sowie dessen Nachfolger Ferry de Clugny blieb die Leitung der Kirche von Tournai fest in burgundischer Hand94. Nach seiner beispiellosen Expansion in die weltlichen Territorien des nordwestlichen Alteuropa gelang es Burgund unter Philipp dem Guten, auch die dortigen Bischofssitze unter seine Kuratel zu stellen – auf Tournai sollten bald Cambrai und in den fünfziger Jahren Lüttich und Utrecht folgen95. Ein von Philipp 1441 abgeschlossenes und im nächsten Jahr erweitertes Konkordat für die burgundischen Gebiete extra regnum Franciae schrieb den zunehmenden Einfluß des Herzogs im kirchlichen Bereich weiter fest – was hier im Zusammenwirken 93 Chastellain,

Œuvres (wie Anm. 25), III, Brüssel 1864 (ND 1971), 332 f. Vgl. Eugène Martin, Histoire des diocèses de Toul, de Nancy et de St-Dié, I, Nancy 1900, 416; Joseph du Teil, Un amateur d’art au XV e siècle: Guillaume Fillastre, évêque de Tournai …, Paris 1920, 9 f.; De Moreau, Histoire (wie Anm. 5), IV, 66; Bartier, Légistes (wie Anm. 12), 320 f.; Tribout de Morembert, Chevrot [I/II] (wie Anm. 16), 651 bzw. 193; Vaughan, Philip the Good (wie Anm. 11), 220; Dieter Brosius, Päpstlicher Einfluß auf die Besetzung von Bistümern um die Mitte des 15. Jahrhunderts, in: QFIAB 56 (1976), 223; Brandt, Kirchenpolitik (wie Anm. 51), 68; Blockmans, Chevrot (wie Anm. 46), 1806. 94 Bartier, Légistes (wie Anm. 12), 125; Richard Vaughan, Valois Burgundy, London 1975, 86. 95  a) Zu Cambrai, wo Philipps Bastardbruder Johann von Burgund 1439 das Bischofsamt übernahm, A. Lesort, Jean de Bourgogne, in: DHGE X (1938), 221 f.; Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 175; H. Lancelin, Histoire du diocèse de Cambrai, Valenciennes 1946, 154 ff.; De Moreau, Histoire (wie Anm. 5), IV, 59; Henri Tribout de Morembert, Jean de Bourgogne, in: DBF VI (1954), 1494 f.; Vaughan, Philip the Good (wie Anm. 11), 213, 230; René Faille, Iconographie des évêques et archevêques de Cambrai, Cambrai 1974, 23, 204–208; Henri Platelle, Cambrai et le Cambrésis au XV e siècle, in: Revue du Nord 58 (1976), 349, 367; Ders., Les origines. Le Moyen Âge, in: Les diocèses de Cambrai et de Lille, sous la dir. de Pierre Pierrard (Histoire des diocèses de France, n. s. 8), Paris 1978, 64, 75, 87 f. – Bei der Durchsetzung des Anwärters vor Ort wurde übrigens Jean Chevrot in herzoglichem Auftrag tätig: Honoré Fisquet, La France Pontificale (Gallia Christiana): Cambrai, Paris o. J. [1869], 219; Bartier, Légistes (wie Anm. 12), 317. b) Zu Lüttich, wo Philipps Neffe Louis de Bourbon 1455/56 dem von heftigen burgundischen Attacken zermürbten Johann von Heinsberg folgte, Joseph Daris, Histoire du diocèse et de la principauté de Liège pendant le XV e siècle, Lüttich 1887 (ND 1974), passim; Jean Bartier, in: Algemene Geschiedenis der Nederlanden, III, Utrecht u. a 1951, 305 (ebd., 411 ff. allgemein zur burgundischen Bistumspolitik des 15. Jahrhunderts in den Niederlanden); Yvon Lacaze, Philippe le Bon et les terres d’Empire. La diplomatie bourguignonne à l’œuvre en 1454–1455, in: Annales de Bourgogne 36 (1964), 99 f.; Ders., Philippe le Bon et l’Empire: Bilan d’un règne (II), in: Francia 10 (1982), 177; Vaughan (siehe oben), 223 f.; Paul Harsin, Liège entre France et Bourgogne au XV e siècle, in: Liège et Bourgogne (Actes du Colloque tenu à Liège les 28, 29, 30 oct. 1968), Lüttich 1972, 219; Jean Lejeune, in: Algemene Geschiedenis der Nederlanden (wie Anm. 6), IV, 263. c) Zu Utrecht, wo sich 1456/57 mit David ein Bastardsohn des Herzogs durchsetzte, Reinerus Regnardus Post, Geschiedenis der Utrechtsche bisschopsverkiezingen tot 1535, Utrecht 1933 (Bijdragen van het Inst. voor middeleeuwsche geschiedenis der Rijks-Universiteit te Utrecht 19), 164–171; Ders., Kerkgeschiedenis van Nederland en de middeleeuwen, II, Utrecht – Antwerpen 1957, 22–25; S. Boudewyn /J. Zilverberg, David van Bourgondie (±1427–1496), Groningen – Djakarta 1951, 10–15; Lacaze, 93–98 bzw. 177.

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mit einem für die Unterstützung im Kampf gegen Basel dankbaren Papst geregelt wurde, entsprach in gewissem Grad durchaus der vom französischen Königshof unter konziliaren Vorzeichen auf einer Klerusversammlung zu Bourges 1438 einseitig und gegen heftigste römische Opposition erlassenen Pragmatischen Sanktion96. Somit reicht der Streit um Tournai letztlich in eine über Burgund und Frankreich hinausreichende Dimension: in die der Ausbildung und ‑formung landeskirchlichen Regiments durch Fürsten, welche die innerkirchlichen Auseinandersetzungen zwischen Papst und Konzil wirkungsvoll zu eigenem Vorteil zu nutzen verstanden und hierdurch Voraussetzungen und Grundlagen für das vorreformatorische und konfessionelle Zeitalter schufen97.

96 a) Konkordat: Toussaint, Relations (wie Anm. 4), 281–285 (Text); cf. Toussaint, Philippe le Bon (wie Anm. 19), 12; Erdmann Johannes Nöldeke, Der Kampf Papst Eugens IV. gegen das Basler Konzil. Seine Bemühungen um Gewinnung Frankreichs in den Jahren 1438–1444, Diss. (masch.) Tübingen 1957, 80, und Urkundenanhang 24–31. Vgl. Vaughan, Philip the Good (wie Anm. 11), 213 f.; Brigide Schwarz, Die Abbreviatoren unter Eugen IV. …, in: QFIAB 60 (1980), 218, 247 f. b) Pragmatische Sanktion: Heribert Müller, Pragmatique Sanction, in: LexMA VII (1995), 166 f. (mit Quellen‑ und Literaturangaben); zum Geltungsbereich in Burgund die Arbeiten von Adriaan G. Jongkees: De Pragmatieke Sanctie van Bourges in de bourgondische landen …, in: Postillen over Kerk en maatschappig … aangeboden R. R. Post, Nimwegen 1964, 139–153; Philippe le Bon et la Pragmatique Sanction de Bourges, in: Annales de Bourgogne 38 (1966), 161–171. 97 Weiterführende Angaben bei Helmrath, Basler Konzil (wie Anm. 1), 315 Anm. 538; Müller, Franzosen (wie Anm. 1), II, 827 Anm. 73; bes. Erich Meuthen, Fürst und Kirche am Vorabend der Reformation, in: Thomas-Morus-Gesellschaft, Jb 1982 (1983), 33–42.

Besançon, Burgund und das Reich Der Streit um die causa Bisuntina auf dem Basler Konzil (1433–1435) Im August des Jahres 1434 war ein Brief des Kaisers Sigismund jener sprichwörtliche Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte: Als der Herrscher die in Basel versammelten Konzilsväter zum wiederholten Male wissen ließ, der Streit zwischen Jean de Rochetaillée, dem gemeinhin „Kardinal von Rouen“ genannten Erzbischof von Besançon, und den Bürgern der Stadt gehöre nicht vor das Forum der Synode, sondern vor sein Gericht, da ließ Rochetaillée seinem Zorn gegen ebenjene Bürger freien Lauf, de quibus quoque notum erat, quamuis dicerent se imperiales, in nullo imperatori effectualiter obedire nec respondere, und schritt dann, ungeachtet aller inständigen Bitten führender Mitväter um Aufschub, zur Tat: … dimissis illis in domo sua ecclesiam adiuit et in scafaldo ligneo alto, ad hoc preparato iuxta portam ecclesie ipsius maiorem, pontificalibus indutus est, simili quoque modo Lausanensis, Bellicensis et Basiliensis eius suffraganei. In habitibus vero consuetis Papiensi, Leoniensi et Pergamensi episcopis eidem assistentibus, circumstantibus autem sacerdotalibus indutis presbiteris duodecim, et manu tenentibus singulis cereos accensos, abinde in terram proicientibus, cardinalis ipse archiepiscopus Bisuntinensis, organo magistri Petri Salomonis recitato processu, sentenciam fulminauit in scriptis contra ciues Bisuntinos, excommunicans, aggrauans et reaggrauans eos cum anathemate interdicta ciuitate … Für den Kaiser war dies eine unerhörte Provokation. Da nahm sich jemand heraus, ein kleiner Gründonnerstagspapst zu sein, tat seine Untertanen in Bann und besaß obendrein noch die Dreistigkeit, hierfür ein Symbol kaiserlicher Hoheit zu okkupieren, ja zu demontieren, denn Sigismund sah in jenem Gerüst den tronum mee cathedre imperialis. Dies stellte für ihn den „krönenden“ Schlußpunkt einer langen Liste von Klagen über die Synode dar, welche er einer zu ihm geschickten Konzilsgesandtschaft Ende August 1434 in Regensburg unterbreitete und die deren Sprecher dann den Vätern am 1. Oktober zur Kenntnis brachte: … publicum est et notorium, quod maximam offensam injuriarum idem dominus cardinalis Rothomagensis michi contra deum et justiciam intulit, quia ipse tronum mee cathedre imperialis apud ecclesiam Basiliensem fabricate, in qua principes sacri imperii de eorum feudis infeudare solebam, … violari et destrui et dimembrari mandavit et de lignis cathedre mee aliam sibi cathedram fieri fecit, in qua ad instar sanctissimi domini nostri pape, qui semel in anno hereticos etc. solempniter anathemizare solet, dictos cives meos idem dominus cardinalis personaliter in presentia populorum cum solempnitate non consueta anathemizavit et maledixit et talia fecit in injuriam et scandalum et vituperium meum et imperii sacri.

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Der erste Text stammt aus der Basler Konzilschronik des Johannes von Segovia (und findet in dem von Pierre Brunet geführten Protokoll dieser Synode seine Bestätigung, wo der Akt in außergewöhnlicher Ausführlichkeit wiedergegeben wird); beim zweiten handelt es sich um den aus Basel an Kaiser Sigismund geschickten Bericht eines Anonymus mit der vor der Synode gehaltenen Rede des Lübecker Bischofs Johannes Schele, ebenjenes Sprechers der Konzilsgesandtschaft, die mit dem Herrscher in Regensburg zusammengetroffen war1. In welchem Kontext stehen diese beiden Texte? Die Sache hat natürlich ihre lange Vorgeschichte, die sich in Grundzügen jedoch recht kurz zusammenfassen läßt2, zumal sie ganz in den Rahmen der zahlreichen – und in der Forschung vielerörterten – Konflikte zwischen Kirche und Kommune im Spätmittelalter paßt, welche bekanntlich immer wieder um Fragen von Abgaben und Steuern oder Gerichtshoheiten kreisten. Daß sich die Auseinandersetzungen für die Bürgerschaft an einem Bischofssitz schwierig gestalteten3, verdient auch keine besondere Erwähnung, da hierfür eine Fülle von Parallelbeispielen vorliegt. Anders aber verhält es sich mit einem Lokalkolorit, das seine spezifische Tönung durch eine Vielzahl über den Ort hin1 a) Historia gestorum generalis synodi Basiliensis, in: Monumenta Conciliorum Generalium seculi decimi quinti [MC], ed. Caesareae Academiae Scientiarum socii delegati, II, Wien 1873, 725 f.; s. dazu auch MC, IV, 86. Cf. Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel [CB], III: Die Protokolle des Concils von 1434 und 1435, ed. Johannes Haller, Basel 1900 (ND 1976), 182 f. Vgl. auch hier Anm. 52. – Da mit Rücksicht auf den Festtag des hl. Bernhard am 20. August keine Generalkongregation stattfand, wie das Protokoll ausdrücklich vermerkt, konnte der Brief des Kaisers offiziell zwar erst am nächsten Tag verlesen werden, er muß aber schon an diesem 20. August, dem Tag des spektakulären Strafakts, zweifellos bekannt gewesen sein. b) Deutsche Reichstagsakten [RTA], XI: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigismund, 5. Abtlg.: 1433–1435, ed. Gustav Beckmann, Gotha 1898 (ND 1957), n. 249 (S. 475). Dank für zahlreiche Hilfen bei der Erstellung dieser Studie geht an Jessika Nowak und Christian Kleinert, beide Frankfurt/M. (vgl. auch Anm. 39). 2 Das Folgende nach Roland Fiétier, La cité de Besançon de la fin du XIIe au milieu du XIV e siècle. Étude d’une société urbaine [Thèse d’État, Nancy II, 1976], 3 vols., Lille – Paris 1978; Maurice Rey /R. F., Le Moyen Âge du XIIe au XV e siècle, in: Histoire de Besançon, I: Des origines à la fin du XVIe siècle (nouv. éd.), dir. Claude Fohlen, Besançon 1981, 327–572 (zu den Vorzügen und Schwächen dieser Stadtgeschichte treffend Bertram Resmini, Das Arelat im Kräftefeld der französischen, englischen und angiovinischen Politik nach 1250 und das Einwirken Rudolfs von Habsburg, Köln – Wien 1980 [KHA 25], 46 Anm. 29). Des weiteren Roland Fiétier, Besançon, cité impériale: ses relations avec la Comté et l’Empire (XIIe–XV e s.) (1), in: Provinces et États dans la France de l’Est (Colloque de Besançon, 3–4 X 1977), Besançon – Paris 1979 (Cahiers de l’Association interuniversitaire de l’Est 19), 297–313; Maurice Rey, La fin du Moyen Âge, in: Les diocèses de Besançon et de St-Claude, dir. Maurice Rey, Paris 1977 (Histoire des diocèses de France 6), 71–94; in kurzem Überblick Reinhold Kaiser, Besançon, in: LexMA I (1980), 2052–2055. 3 In seiner Rezension der in Anm. 2 zitierten Thèse von Fiétier hebt Philippe Contamine die starke (im übrigen der ökonomischen Dynamik hinderliche) Stellung von Erzbischof, Kathedralkapitel und Klerus in Besançon hervor und spricht in Anspielung auf die vom Autor im Untertitel angeführte „société urbaine“ von einer „société urbaine inachevée“: Annales. Économies, Sociétés, Civilisations 35 (1980), 1048.

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ausweisender Bezüge erhält. Die Situation des reichsfernen und zugleich reichsunmittelbaren, rings von burgundischer Macht umgebenen Besançon mit seiner komplex-komplizierten Gemengelage unterschiedlicher Rechte, Ansprüche und Traditionen ließ im Falle von Auseinandersetzungen zwischen Gemeinde und Erzbischof – und derer gab es in der spätmittelalterlichen Stadt viele – sogleich Kaiser und Herzog auf den Plan treten. Wenn nun zur Zeit des Basler Konzils dieser Konflikt obendrein vor einem internationalen Forum verhandelt wurde, wo ihn der Erzbischof anhängig gemacht hatte, der als Vizekanzler der römischen Kirche und „Kardinal von Rouen“ ebenso kurienerfahren war wie er über beste Verbindungen in die Welt des anglo-burgundischen Frankreichs verfügte, dann mag im Kleinen doch schon Größeres aufscheinen. Nicht um die einzelnen am Ort strittigen Punkte, sondern um die weit „überörtlichen“ Auswirkungen dieser Streitigkeiten geht es also im Folgenden.

I. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts hatte sich in Besançon nach mehrfachen Aufständen gegen den bischöflichen Stadtherrn (1224/25, 1258/60, 1279/81) eine Gemeinde formiert, wobei neben den adeligen Herren der Region auch der König von Frankreich, nämlich Ludwig IX. im Jahre 1259, und etwas später der um die Restitution von Reichsrechten im Arelat bemühte deutsche Herrscher Rudolf  I. auf diesen Prozeß miteinwirkten4. Der Habsburger unterstellte die Stadt 1290 dem Reich, ohne daß dabei aber alle Punkte, wie etwa derjenige der unterschiedlichen Gerichtsbarkeit (Vicomté, Mairie, Régalie, d. h. Vizegrafen-, Meier‑ und erzbischöfliches Regalgericht als Appellationsinstanz), ganz eindeutig abgeklärt worden wären5. Obendrein zeigte sich Erzbischof Eudes de Rougemont keineswegs zur Anerkennung des neuen Status bereit; schon 1291 entfachten ein Steuerstreit und der Bau einer erzbischöflichen Befestigung auf dem Mont Rognon (Rosemont) den alten Konflikt zwischen Stadt und Kirche aufs neue, der im übrigen das Kathedralkapitel meist an der Seite des Oberhirten sah6. 4 Resmini,

Das Arelat (wie Anm. 2). Const. III, ed. Jakob Schwalm, Hannover 1904/06 (ND 1980), n. 448–451; vgl. u. a. Franz Beyerle, Zur Typenfrage in der Stadtverfassung, in: Zs. für Rechtsgesch. Germ. Abt. 50 (1930), 106 ff.; Rudolf Hoke, Die Freigrafschaft Burgund, Savoyen und die Reichsstadt Besançon im Verbande des mittelalterlichen deutschen Reiches, in: Zs. für Rechtsgesch. Germ. Abt. 79 (1962), 122 (zu 1290), 163–170 (zum Gerichtswesen); Hektor Amman, Besançon im Mittelalter, in: Schweizerische Zs. für Geschichte 17 (1967), 485, 493; Werner Kundert, Besançon, in: Helvetia Sacra, I/1, hg. v. Albert Bruckner, Bern 1972, 438. 6 Mont Rognon (Rosemont): Roland Fiétier, Recherches sur la banlieue de Besançon au Moyen Âge, Besançon 1973 (Annales littéraires de l’Univ. de Besançon 153), passim, bes. 219 s. v. Zum Kathedralkapitel wie zur gesamten „société ecclésiastique“ ausführlich Fiétier, La cité de Besançon (wie Anm. 2), 887–1481; Ders., Notes sur la vie religieuse à Besançon au XV e siècle, in: Miscellanea Historiae Ecclesiasticae, II, Löwen 1967 (Bibl. de la RHE 44), 41 f. (zum 5 MGH,

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Mit unverminderter Heftigkeit sollten sich die Auseinandersetzungen bis ins 14. Jahrhundert hinein fortsetzen, wobei nunmehr auch die seit 1294 den Vizekomitat und das Schultheißenamt als erzbischöfliches Lehen innehabenden Herren von Chalon, vor allem aber nach 1384 der durch seine Heirat mit der Erbtochter des Ludwig von Maele in den Besitz der Franche-Comté gelangte Herzog Philipp der Kühne von Burgund auf den Plan traten. Erzbischof und Bürger mußten fortan mit der Potenz dieses zur europäischen Großmacht aufsteigenden Nachbarn rechnen7. Wenig nur zählten da die noch 1364 erfolgte Erneuerung der 1290 niedergelegten Rechte durch Karl IV., der obendrein schon 1365 eine Kehrtwendung zugunsten der Chalon vollziehen sollte, und erst recht nicht die bald gewährten, bald widerrufenen Privilegien von Karls Nachfolger Wenzel. Als es 1406 zu erneutem Zwist zwischen Stadt und Kirche kam – er nahm vom Gerichtsstand für zwei Laien seinen Ausgang, die sich das Siegel des Archidiakons widerrechtlich angeeignet hatten und von den Bürgern aus geistlichem Gewahrsam geholt worden waren –, da wandte sich die von dem herrschaftsbewußten Erzbischof Thiébaud de Rougemont8 alsbald interdizierte Gemeinde denn auch an Philipps Nachfolger Johann Ohnefurcht, um diesem,

Verhältnis Erzbischof – Kathedralkapitel). Siehe auch Thérèse Burel, Le chapitre métropolitain de Besançon de 1253 à 1545 [ungedruckte Thèse de l’ECh (1953)]. 7 Vgl. Hoke, Die Freigrafschaft (wie Anm. 5), 141; Pierre Gresser / Roland Fiétier / Maurice Rey, La Franche-Comté et les ducs de Bourgogne aux XIV e et XV e siècles, in: Histoire de la Franche-Comté, dir. R. F./Claude Isabelle Brelot, Toulouse 1977 (ND 1985), 163–203; Pierre Gresser, Le crépuscule du Moyen Âge en Franche-Comté, Besançon 1992, 18 f.; Rainer Babel, Freigrafschaft Burgund, in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500–1650, VI, hg. v. Anton Schindling /Walter Ziegler, Münster 1996, 202. 8 Neben den in Anm. 2 genannten Arbeiten von Fiétier und Rey schon Jean-FrançoisNicolas Richard, Histoire des diocèses de Besançon et de St-Claude, II, Besançon 1851, 88–94; Léopold Loye, Histoire de l’Église de Besançon, III, Besançon 1902, 93–99, 108 ff.; Maurice Piquard, Étude sur la situation politique des archevêques de Besançon de 1290 à 1435, in: ECh. Positions des Thèses 1929 (1929), 200 f.; Ders., Thiébaud de Rougemont, archevêque de Besançon (1405–1429), in: Mém. de la Soc. d’émulation du Doubs (1931), 86–101; Fiétier, Notes (wie Anm. 6), 39; Robert Gane, Le chapitre de Notre-Dame de Paris au XIV e siècle. Étude sociale d’un groupe canonial, dir. Claudine Billot, St-Étienne 1999 (Centre Européen de Recherches sur les Congrégations et Ordres Religieux. Travaux et recherches 11), 377 n. 566. Zu Thiébaud wie zu allen anderen hier genannten Erzbischöfen liefert Henri Hours biographische Notizen in dem von ihm besorgten Band: Diocèse de Besançon, Turnhout 1999 (Fasti Ecclesiae Gallicanae. Répertoire prosopographique des évêques, dignitaires et chanoines de France de 1200 à 1500, 4). Dieser vierte Band des von Hélène Millet verdienstvoll initiierten und organisierten Unternehmens der „Fasti Ecclesiae Gallicanae“ stellt gegenüber den vorhergehenden Bänden leider einen erheblichen Rückschritt dar: So sind u. a. jene „Notices des archevêques“ auf das Notwendigste beschränkte, teilweise sehr lückenhafte Artikel, die der auf die Mängel noch vor Drucklegung eigens aufmerksam gemachte Autor nicht zu korrigieren bzw. ergänzen für notwendig hielt. Vgl. zum Band auch die Anzeige von Rolf Grosse, in: DA 57 (2001), 622 f.

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wohlgemerkt mit Wenzels Zustimmung, das Regalgericht anzutragen9 und ihn zu ersuchen, in ihren Mauern die Kanzlei sowie Parlament und Rechenkammer der Freigrafschaft zu installieren. Acht seiner Räte brachten den Burgunder aber 1409 davon ab, auf die verlockende Offerte einzugehen; selbst die ihm auf Betreiben der Bürger von Wenzel im folgenden Jahr angebotene Herrschaft über Besançon stimmte den Herzog nicht um. Stattdessen drängte er seinerseits Erzbischof und Kommune zum Ausgleich und respektierte grundsätzlich deren Status als Reichsstadt wohl auch im Wissen darum, daß der von den Kurfürsten abgesetzte und von ihm nie unterstützte Böhme schon lange kein Anwalt und Repräsentant des Reichs mehr war10, aber auch aus der grundsätzlichen Erwägung, keine Herrschaft in Abhängigkeit vom römischen König auszuüben. So ließ er 1412/13 den Bürgern von Besançon durch seine Kommissare mitteilen, eine Einrichtung der genannten Institutionen, insbesondere des Parlaments, in ihrer Stadt käme nicht in Frage, weil led. Roi des Romains se retient le ressort et souveraineté en la cité de Besançon; et par ainsi le jugement dud. Parlement de Monsr., qu’est de present de souverain, seroit sujet11. Wenzels Nachfolger Sigismund sollte als römisch-deutscher König denn auch wieder ungleich stärker auf die Wahrung der Reichsrechte im Westen bedacht sein, zu diesem Zweck Ludwig II. von Chalon 1421 mit dem Reichsvikariat für Burgund bekleiden, Besançon im Dezember 1422 dessen Schutzherrschaft unterstellen und 1423 die Konzessionen seines Bruders zugunsten des burgundischen Herzogs widerrufen12. An Ludwigs Residenz zu Jougne (bei Pontarlier,  9 Paris, AN, LL 978 [Inventaire general et libellé des actes et titres du Thresor des Archives de l’Archevêché de Besançon. Dressé par les ordres de Monseigneur Pierre de Grandmont Archevêque dud. Besançon … 1689], 146 f. („a cause de la regalie de Besançon a luy donnée par le Roy des Romains et de Boeme“); cf. François-Félix Chevalier, Mémoires historiques sur la ville et seigneurie de Poligny, II, Lons-le-Saunier 1769, 639 f. (pièce justificative no LXXXVII). Vgl. auch Rey /Fiétier, Le Moyen Âge (wie Anm. 2), 433 f. 10 Pierre Gresser, Jean sans Peur et Besançon (1408–1419) ou l’histoire d’une réforme administrative avortée, in: Besançon 1290–1990 (Actes du colloque organisé par l’Association du Septième Centenaire des Franchises de Besançon – Besançon, sept. 1990), Besançon 1992 (Annales littéraires de l’Univ. de Besançon 470), 123–142; Ders., La Franche-Comté au temps de la guerre de Cent Ans, Besançon 1989, 195 f.; Rey/ Fiétier, Le Moyen Âge (wie Anm. 2), 435 f.; cf. Dom Urbain Plancher, Histoire générale et particulière de Bourgogne, III, Dijon 1748 (ND 1968), 278 f. Zur Haltung Burgunds gegenüber Wenzel und Ruprecht von der Pfalz s. Ezio Ornato/ Gilbert Ouy / Nicole Pons, Monsteroliana (Jean de Montreuil, Opera, IV), Paris 1986, 333–337; Heribert Müller, Köln und das Reich um 1400. Anmerkungen zu einem Brief des französischen Frühhumanisten Jean de Montreuil, in: Köln. Stadt und Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters. FS O. Engels, hg. v. Hanna Vollrath / Stefan Weinfurter, Köln u. a. 1993 (KHA 39), 598 f. (mit weiterer Literatur) [in diesem Band: 370 f.]. 11 Chevalier, Poligny (wie Anm. 9), 644 (pièce justificative no XCI). 12 Frédéric Barbey, Louis de Chalon, prince d’Orange, Seigneur d’Orbe, Echallens, Grandson 1390–1463, Lausanne u. a. 1926 (Mém. et doc. publ. par la SHSR II/13), bes. 179 f.; Regesta Imperii [RI] XI / 1: Die Urkunden Kaiser Sigmunds (1410–1437), verzeichnet v. Wilhelm Altmann, Innsbruck 1896/97 (ND 1968), n. 5631. Vgl. auch Piquard, Thiébaud de Rougemont

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südöstlich von Besançon) nahm ein Appellationsgericht seine Tätigkeit auf, das sich auch gegen Urteile des Regalgerichts anrufen ließ. Für kurze Zeit fanden sich Erzbischof und Bürger darüber zusammen13, doch schon 1425 brach der alte Gegensatz erneut auf, als Thiébaud de Rougemont die Exemtion von jeglicher Gerichtsbarkeit kaiserlicher Stellvertreter erreichte14, die Bürger dagegen wegen Widersetzlichkeit von Sigismund mit einer Geldbuße belegt wurden, welche nach ihrer Auffassung die gesamte Gemeinde unter Einschluß der Geistlichkeit zu tragen hatte. Der König war hier Partei, wenn ihm auch grundsätzlich daran lag, Erzbischof wie Bürgerschaft in gleicher Weise darauf zu verpflichten, Besançon, in finibus Imperii gelegen, als semper nobis et sacro Imperio obsequentem et obedientem anzusehen15. Herzog Philipp der Gute hielt sich angesichts eines möglicherweise in der Freigrafschaft wiedererstarkenden Hauses Chalon mit einem ihm seit langem feindselig gesonnenen Ludwig II. an der Spitze16 mißtrauisch-abwartend im Hintergrund, und schließlich wurde der Streit von beiden Parteien an die Kurie getragen, wohin der Erzbischof sich auch persönlich begab.

II. Als Thiébaud nun am 16. September 1429 in Rom starb – nicht ohne zuvor dem Burgunder, suo domino naturali, seine umfangreichen Geldforderungen an die Bürger von Besançon übertragen zu haben17 –, betraute Papst Martin V. mit der Administration einen Mann seines Vertrauens18, dessen bisheriger Lebensgang hoffen ließ, daß er die verfahrene Situation zum einen vor Ort wie zum anderen in Verhandlungen mit den Mächtigen einer befriedigenden Lösung würde zu(wie Anm. 8), 95; Gresser / Fiétier/Rey, La Franche-Comté (wie Anm. 7), 169; Martin Kintzinger, Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa. Auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigmunds, Stuttgart 2000 (Mittelalter-Forschungen 2), 330 f. Auf dem Konstanzer Konzil hatte Sigismund dem Erzbischof von Besançon kurz nach dessen Ankunft am 13. Dezember 1415 die Regalien verliehen und alle Privilegien des Erzstifts bestätigt: Paris, AN, LL 978, 111; RI XI/1, n. 1436 f. Vgl. François I. Dunod de Charnage, Histoire de l’Église, ville et diocèse de Besançon, I, Besançon 1750, 235; Piquard, Thiébaud de Rougemont (wie Anm. 8), 93; Walter Brandmüller, Das Konzil von Konstanz 1414–1418, I: Bis zur Abreise Sigismunds nach Narbonne, Paderborn u. a. 21999, 142. 13 Maurice Picard [sic], Les archevêques de Besançon et le Saint Empire Romain Germanique (1052–1674), in: Académie des sciences, belles-lettres et arts de Besançon. Procès-verbaux et Mémoires (2e trimestre 1934), 62; Rey/Fiétier, Le Moyen Âge (wie Anm. 2), 441. 14 RI XI / 2, n. 6355. Vgl. Rey/Fiétier, Le Moyen Âge (wie Anm. 2), 441. 15 Kintzinger, Westbindungen (wie Anm. 12), 329 (mit Quellenangabe). 16 Ebd., 330. 17 Gallia Christiana [GC], XV: Provincia Vesuntionensis, cond. Bartholomaeus Hauréau, Paris 1858 (ND 1970), Instr. n. CXIX (Sp. 109 f.). 18 GC, XV, n. CXX (Sp. 110 ff.). Vgl. Rey/Fiétier, Le Moyen Âge (wie Anm. 2), 442.

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führen können. (Falls die – für mich nicht belegbare – Nachricht in einer Diözesangeschichte aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zutreffen sollte, die Gouverneure der Stadt hätten sich damals für einen Sohn des burgundischen Kanzlers Nicolas Rolin als Erzbischof ausgesprochen, bei dem es sich wohl nur um den späteren Kardinal Jean handeln kann, der seit 1422 Kanoniker an der Kirche von Besançon war, so bliebe einmal mehr der Faktor Burgund zu beachten19.) Und dennoch, man vermag das Erstaunen der Autoren des vor einigen Jahren innerhalb der „Gallia Pontificia“ erschienenen Bands „Diocèse de Besançon“ schon nachzuvollziehen, wenn sie bemerken, zu den von außen auf den Metropolitansitz gekommenen Oberhirten zähle „plus curieusement, le Lyonnais Jean de Rochetaillée déjà cardinal et archevêque de Rouen …: Besançon était son cinquième évêché!“20 In der Tat, die Karriere dieses Mannes scheint selbst für die aufsteigeroffene Institution Kirche bemerkenswert: Der aus Rochetaillée, einer Besitzung der Lyoner Kirche nördlich der Stadt, stammende Johannes de Fonte alias de Rochetallia, vielleicht Sohn eines vor Ort tätigen Klerikers und Zellerars, Odet de Font, war zunächst einer der den Dignitären des Kathedralkapitels zugeordneten servitores – Kanoniker konnte er in der auf ihre adelige Exklusivität äußerst bedachten Gemeinschaft nicht werden21. Doch muß er, 1409 als mehrfach beauftragter Prokurator auf dem Konzil von Pisa tätig22, über die akademische Nobilitierung mit dem Doktorat beider Rechte Zugang zur neu eingerichteten, im Abendländischen Schisma nunmehr weitaus wichtigsten Kurie

19 Richard, Histoire (wie Anm. 8), 131; danach Loye, Histoire (wie Anm. 8), 131; Marianne Niewiesch, Beiträge zur Geschichte der Erzbischöfe von Besançon im Mittelalter, Diss. Breslau 1937, 64. – Jean Rolin als Kanoniker in Besançon: Hours, Diocèse de Besançon (wie Anm. 8), 172 n. 546. 14 „Gouverneure“ führten die Geschäfte der Stadt, damit betraut von einem 28 Mitglieder umfassenden Rat, der seinerseits durch die sieben Stadtviertel gewählt wurde: Hoke, Die Freigrafschaft (wie Anm. 5), 179 f.; Babel, Freigrafschaft Burgund (wie Anm. 7), 202. 20 Regesta Pontificum Romanorum. Gallia Pontificia: La papauté et les églises et monastères en France avant 1198, I: Le diocèse de Besançon, par Bernard de Vrégille / René Locatelli/ Gérard Moyse, Göttingen 1998, 24. 21  Jean Beyssac, Notes pour servir à l’histoire de l’Église de Lyon: Jean de Rochetaillée, Lyon 1907, 7 ff. (Beyssac fügte diese kleine Monographie auch in sein im selben Jahr erschienenes Buch ein: Rochetaillée en Franc Lyonnais. Notes et documents, ebd., 221–273). Vgl. auch Adolphe Vachet, Les anciens chanoines-comtes de Lyon, Lyon 1897, 221 f. (bezeichnet R. irrig als Kanoniker); Louis Binz, Le diocèse de Genève, in: Ders. / Jean Emery / Catherine Santschi, Helvetia Sacra, I/3, Bern 1980, 96 f.; Heribert Müller, Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449), I, Paderborn u. a. 1990, 116; Vincent Tabbagh, Diocèse de Rouen, Turnhout 1998 (Fasti Ecclesiae Gallicanae. Répertoire prosopographique des évêques, dignitaires et chanoines de France de 1200 à 1500, 2), 118 f.; A. Sadourny; Jean de La [sic] Rochetaillée, in: DHGE XXVII (1999), 513. 22 Hélène Millet, Les Pères du concile de Pise. Édition d’une nouvelle liste, in: MEFRM 93 (1981), 761 mit Anm. 415, 783 n. 530; vgl. Pierre Desportes / Hélène Millet, Diocèse d’Amiens, Turnhout 1996 (Fasti Ecclesiae Gallicanae. Répertoire prosopographique des évêques, dignitaires et chanoines de France de 1200 à 1500, 1), 161 n. 576.

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der Pisaner Obödienz unter Alexander V. gefunden haben23. Dessen Nachfolger Johannes XXIII. ernannte ihn 1412 zum (lateinischen Titular‑)Patriarchen von Konstantinopel, setzte ihn als Administrator des Bistums St-Papoul ein und nutzte seine diplomatische Begabung für eine Legation nach Spanien – schon für seine Heimatkirche war er seit 1394 als Gesandter tätig gewesen24. Auf dem Konstanzer Konzil gewann er sogleich die Gunst des neuen, von ihm als Konklaveteilnehmer miterhobenen Papstes Martin V., der ihm noch während eines sich an die Synode anschließenden Aufenthalts in Genf die Leitung der dortigen Bischofskirche anvertraute25. Als 1422 im angloburgundischen Paris die Position des lancasterfeindlichen Elekten Jean Courtecuisse immer unhaltbarer wurde, wußte Martin V. Rat: Mochte Rochetaillée auch aus der armagnakisch gesonnenen Welt Lyons kommen, so sollte er doch seinen Sitz mit Courtecuisse tauschen26 – und alsbald schon stand der neue administrator perpetuus in freundschaftlichen Beziehungen zum Herzog von Bedford, Englands Regenten auf dem Kontinent. Und dieser hatte denn auch bei seiner Berufung an die Spitze der reichsten Kirche im Königreich nur ein Jahr später seine Hand mit im Spiel: 1423 wurde Rochetaillée 23 Walter von Hofmann, Über den corrector litterarum apostolicarum, in: RQ 20 (1906), 94; Ders., Forschungen zur Geschichte der kurialen Behörden vom Schisma bis zur Reformation, II, Rom 1914 (ND 1971) (Bibl. des k.-Preuss. Histor. Instituts in Rom 12), 77; Paul Maria Baumgarten, Beiträge zur Liste der Vizekanzler, in: RQ 24 (1910), 47; François Baix, La chambre apostolique et les libri annatarum de Martin V, I, Brüssel – Rom 1955/60 (Analecta Vaticano-Belgica 14), XCI mit Anm. 2. 24 GC, XIII, 304 f.; Noël Valois, La France et le Grand Schisme d’Occident, IV, Paris 1896 (ND 1967), 157; Beyssac, Notes (wie Anm. 21), 12–15; Bruno Katterbach, Referendarii utriusque signaturae a Martino V ad Clementem IX et praelati signaturae supplicationum a Martino V ad Leonem XIII, Città del Vaticano 1931 (ND 1965) (Studi e testi 55), 6 n. 21; Binz, Le diocèse de Genève (wie Anm. 21), 96; Sadourny, Jean de La Rochetaillée (wie Anm. 21), 513 f. 25 J. Meynier, L’archevêque Jean IV de La [sic] Rochetaillée, in: Académie des sciences, belles-lettres et arts de Besançon. Procès-verbaux et Mémoires (1899), 251 ff.; Valois, La France, IV (wie Anm. 24), 404; Beyssac, Notes (wie Anm. 21), 26; Bernhard Arle, Beiträge zur Geschichte des Kardinalkollegiums in der Zeit vom Konstanzer bis zum Tridentiner Konzil, Bonn 1914, 21; Marie José, La maison de Savoie. Amédée VIII – le duc qui devint pape, I, Paris 1962 (ND 1997), 149, 152 f.; Louis Binz, Vie religieuse et réforme ecclésiastique dans le diocèse de Genève pendant le Grand Schisme et la crise conciliaire (1378–1450), I, Genf 1973 (Mém. et doc. publ. par la Soc. d’histoire et d’archéol. de Genève 46), 122 ff.; Binz, Le diocèse de Genève (wie Anm. 21), 96; Sadourny, Jean de La Rochetaillée (wie Anm. 21), 514. 26 GC, VII, 155, Instr. 130 ff.; Honoré Fisquet, La France pontificale (Gallia Christiana): Paris 1, Paris 1864, 309–312; Vicomte Georges d’Avenel, Les évêques et archevêques de Paris, I, Paris – Tournai – Leipzig 1878, 219, II, 1878, 405; G. Grasoreille, Histoire politique du chapitre de Notre-Dame de Paris pendant la domination anglaise, in: Mém. de la Soc. de l’histoire de Paris et de l’Ile-de-France 9 (1882), 147–155; Beyssac, Notes (wie Anm. 21), 26 f.; Noël Valois, Histoire de la Pragmatique Sanction de Bourges sous Charles VII, Paris 1906 (Archives de l’histoire religieuse de la France), VIII; G. Mollat, Jean Courtecuisse, in: DHGE XIII (1956), 953 f.; cf. XXVI (1997), 1444; Francis Oakley, The Tractatus de fide et ecclesia, Romano pontifice et concilio generali of Johannes Breviscoxe, in: AHC 10 (1978), 99 f. Heribert Müller, Der französische Frühhumanismus um 1400, in: Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten, hg. v. Johannes Helmrath u. a., Göttingen 2002, 347 (mit weiterer Literatur) [in diesem Band: 180].

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gegen den Willen der Mehrheit des Metropolitankapitels Erzbischof in Rouen, der damaligen Hauptstadt des lancastrischen Frankreich27. Daß er Anfang 1424 erfolgreich die Auflösung des Konzils von (Pavia–)Siena betrieb, bevor die Versammlung recht etabliert war und dem konzilsreservierten Papst Martin V. hätte gefährlich werden können28, daß er 1426 mit englischer Unterstützung29 zum Kardinalpriester von San Lorenzo in Lucina kreiert30 und von Martins Nachfolger Eugen IV. 1431 zum Vizekanzler der römischen Kirche bestellt wurde31, dies alles zeigt ebenso wie sein kontinuierlicher Aufstieg in einem von Parteiungen zerrissenen Frankreich des Hundertjährigen Kriegs, wie sehr Rochetaillée seine unzweifelhafte intellektuelle Begabung und sein diplomatisches Geschick 27 GC, XI, 87 f.; Léon Fallue, Histoire politique et religieuse de l’Église métropolitaine et du diocèse de Rouen, II, Rouen 1850, 357 f.; Honoré Fisquet, La France pontificale (Gallia Christiana): Rouen, Paris 1866, 179–182; Beyssac, Notes (wie Anm. 21), 28; Walter Brandmüller, Das Konzil von Pavia – Siena 1423–1424, Paderborn u. a. 2002, 50, 62; Tabbagh, Diocèse de Rouen (wie Anm. 21), 119; Sadourny, Jean de La Rochetaillée (wie Anm. 21), 514. 28  Arle, Beiträge (wie Anm. 25), 24; Victor Martin, Les origines du gallicanisme, II, Paris 1939, 253; Brandmüller, Pavia – Siena (wie Anm. 27), 285 ff., 294; vgl. Ders., Das Konzil von Pavia – Siena 1423–1424, II: Quellen, Münster 1974 (VRF 16/2), 316, 320, 328, 338 f., 348, 354, 383; Maureen C. Miller, Participation at the Council of Pavia – Siena 1423–1424, in: AHP 22 (1984), 405 n. 151; Sadourny, Jean de La Rochetaillée (wie Anm. 21), 514 f. 29  Rochetaillée, am 17. Juni 1426 als consiliarius noster Heinrichs VI. belegt (Valois, Pragmatique Sanction [wie Anm. 26], XXII) und tags darauf vom englischen König mit Gütern in St-Cloud und Vanves bei Paris beschenkt (Auguste Longnon, Paris pendant la domination anglaise, 1420–1436. Documents, Paris 1878, n. 106), war Mitglied des englischen Kronrats (Letters and Papers Illustrative of the Wars of the English in France During the Reign of Henry the Sixth, King of England, I, ed. Joseph Stevenson, London 1861 [Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores 22], 6–10). Vgl. auch B. J. H. Rowe, The Grand Conseil Under the Duke of Bedford, 1422–1435, in: Oxford Essays in Medieval History Presented to H. E. Salter, Oxford 1934, 211; A. N. E. D. Schofield, England and the Council of Basel, in: AHC 5 (1973), 12. 30 Konrad Eubel, Hierarchia catholica medii aevi, I, Münster 21913, 43; Beyssac, Notes (wie Anm. 21), 31; Sadourny, Jean de La Rochetaillée (wie Anm. 21), 515; Paul Ourliac, Église et États, in: L’Église au temps du Grand Schisme et de la crise conciliaire (1378–1449), I, dir. Étienne Delaruelle/ Edmond-René Labande/P. O., Paris 1962 (HE XIV / 1), 392 Anm. 11. 31 RTA XI, 71 Anm. 4; Christian Kleinert, Fasti Ecclesiae Gallicanae. Anmerkungen und Ergänzungen zum ersten Band eines neuen Forschungsunternehmens, in: AHC 29 (1997), 194 (mit Quellen). Vgl. auch Paul Lazarus, Das Basler Konzil. Seine Berufung und Leitung, seine Gliederung und seine Behördenorganisation, Berlin 1912 (ND 1965) (HS 100), 197; Joseph Dephoff, Zum Urkunden‑ und Kanzleiwesen des Konzils von Basel, Hildesheim 1930 (Geschichtl. Darstellungen und Quellen 12), 49 f.; Erich Meuthen, Das Trierer Schisma auf dem Basler Konzil. Zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues, Trier 1964 (Buchreihe der Cusanus-Gesellschaft 1), 165 Anm. 38; Ders., Rota und Rotamanuale des Basler Konzils, in: Römische Kurie. Kirchliche Finanzen. Vatikanisches Archiv. FS H. Hoberg, hg. v. Erwin Gatz, Rom 1979 (Miscellanea Historiae Pontificiae 46), 478 f.; Elisa Mongiano, La cancelleria di un antipapa, Turin 1988 (Biblioteca storica subalpina 204), 52 f. Rochetaillée legte selbst kurz nach seiner Ankunft auf dem Basler Konzil im Mai 1433 seine päpstliche Bestellung vor (Paris, BN, ms. lat. 1495, 103 f.; ms. lat. 15627, fol. 76rv), um nunmehr auch von der Synode zu deren Vizekanzler ernannt zu werden (ibid., ms. lat. 15626, fol. 167v–169v, ms. lat. 15627, fol. 76v–77r; CB, II, 393, 396, 399 f., 422; MC, II, 358; RTA XI, 71 Anm. 4). Keinesfalls wurde er also, wie verschiedentlich zu lesen, erst 1436 nach seiner Rückkehr aus Basel von Eugen IV. zum Vizekanzler der römischen Kirche bestellt.

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in den Dienst der Mächtigen zu stellen wußte. Sie aber ebneten ihm, der auf Grund seiner Herkunft nicht einmal ein Kanonikat an seiner Heimatkirche hatte erlangen können, dafür den Weg in höchste geistliche Ämter, mit denen entsprechende Reputation und Einkünfte verbunden waren. Ein Gesandter Aragóns hatte diese vorteilsbedachte Versatilität schon recht erkannt, als er sich in Siena an Rochetaillée mit den Worten wandte Vos, reverende pater, qui nunc Gallicus et propter ambitionem beneficiorum tunc Anglicus32. Ein wendiger Mann für heikle Fälle sollte mithin nach päpstlichem Willen das schwierige Amt in Besançon übernehmen, und es stand zu erwarten, daß er den Konflikt wohl kaum nur in direkten Verhandlungen mit den Bürgern, sondern einmal mehr im Benehmen eben mit den Mächtigen zu lösen suchen würde – also in Verbindung mit dem deutschen König sowie dem mit seinem englischen Freund und Förderer verbündeten wie verwandten Herzog von Burgund und natürlich auch in engem Kontakt zu Papst und Kurie, an der er damals selbst residierte. Alles nahm anfangs auch seinen erwarteten Lauf: Eugen IV. ließ Gubernatoren und Bürger von Besançon am 19. Oktober 1431 wissen, er delegiere den Archidiakon von Rouen (!), um den Sitz der Kirchenprovinz aus der unbotmäßigen Metropole an einen anderen Ort zu verlegen. Was selbstverständlich nicht geschah; allein jenem aus der Freigrafschaft stammenden Archidiakon Jean Chevrot, einem Vertrauten des Erzbischofs aus den Tagen des Pontifikats von Rouen, werden wir später als Sachwalter Burgunds in entscheidender Situation wiederbegegnen33. Daß der Papst, nachdem er Ende 1431 das Basiliense kurzerhand aufgelöst hatte, ausgerechnet Besançon zu den alternativen, d. h. ihm genehmen Städten für eine neue Versammlung zählte, wie aus einem Brief des Lyoner Erzbischofs vom 28. April 1432 an seinen Lausanner Amtsbruder hervorgeht34, scheint mit Blick auf die Auseinandersetzungen am Ort zwar sinnlos und widersprüchlich, zeigt aber eindrucksvoll, in welchem Vertrauen Rochetaillée bei Eugen IV. stand. Und dasselbe gilt in wohl noch höherem Maße für Sigismund. Gut fügte es sich für den Kardinal, daß der ihm schon aus Konstanzer Zeiten bekannte Herrscher gerade damals wegen seiner Kaiserkrönung einen Italienzug antrat. Man be32 Zit. nach Wolfgang Decker, Die Politik der Kardinäle auf dem Basler Konzil (bis zum Herbst 1434), in: AHC 9 (1977), 372 Anm. 577; vgl. Brandmüller, Pavia – Siena (wie Anm. 27), 267 Anm. 23. 33 Paris, AN, LL 978, 236 f. Vgl. Loye, Histoire (wie Anm. 8), 132; Rey /Fiétier, Le Moyen Âge (wie Anm. 2), 440. Biobibliographische Angaben zu Jean Chevrot – er wurde 1436 Bischof von Tournai – bei Heribert Müller, Cum res ageretur inter tantos principes: Der Streit um das Bistum Tournai (1433–1438). Zu einem Kapitel französisch-burgundischer Beziehungen aus der Zeit des Konzils von Basel, in: Studien zum 15. Jahrhundert. FS E. Meuthen, I, hg. v. Johannes Helmrath /H.M., München 1994, 241 ff. mit Anm. 47–51 (Anm. 50 b zu seinem Rouennaiser Archidiakonat im normannischen Teil des Vexin) [in diesem Band: 227–229]. 34 Johannes Dominicus Mansi [Mansi], Sacrorum conciliorum nova, et amplissima collectio …, XXIX, 637.

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gegnete sich in Siena, wo der Herrscher ihn schon am 17. August 1432 förmlich mit einer Vollmacht zur Einigung mit den Bürgern ausgestattet hatte35. Daß Sigismund am 9. Juli zudem einer hochkarätig besetzten Kommission mit dem Herzog von Savoyen an der Spitze den Auftrag zur Untersuchung der causa Bisuntinensis erteilte, geschah auf Rochetaillées ausdrücklichen Wunsch hin, der ihn damit begründete, seit dem Ausbruch des Großen Schismas 1378 und dem folgenden Obödienzentzug Frankreichs gegenüber Benedikt XIII. hätten sich die Bürger von Besançon und auch einige Adelige die Übergriffe auf die erzbischöflichen Temporalia herausgenommen, was bereits für seinen Vorgänger Anlaß zur Klage in Rom gewesen sei36: Der Vorsteher eines Reichsbistums machte also gegenüber dem römisch-deutschen König – dabei die Vorgeschichte zwar stark verkürzend, doch wohl nicht ganz ohne Grund – die französische Situation zumindest partiell für die Zustände in seiner Kirche verantwortlich! Oder wollte er mit solcher Begründung das Oberhaupt des Reichs zur Intervention auf Reichsterritorium, selbstverständlich zu seinen Gunsten, bewegen? Das überaus enge Einvernehmen zwischen Sigismund und Rochetaillée hatte einen konkreten Grund: Der verhandlungserfahrene und mittlerweile auch italienkundige Diplomat im Kardinalspurpur war dem deutschen Herrscher in italienischen Geschäften, vor allem mit Florenz, unentbehrlich geworden. Anfang Februar 1433 entschuldigte dieser denn auch ebendamit dessen Fernbleiben bei den Baslern und dem Konzilsprotektor Herzog Wilhelm III. von BayernMünchen, zumal der Kardinal selbst contre la volonté d’Eugène quatrième schon am 25. Juli 1432 der Synode adhäriert und am 4. Dezember des Jahres den Konzilspräsidenten Cesarini sowie den Kardinal von Piacenza zu Prokuratoren in Basel bestellt hatte, wo sich sein Sekretär Pierre Salmon im Januar 1433 inkorporieren ließ37. Ende Februar konnte der Kaiser dann aber den Vätern melden, der Kardi35 RI XI / 2, n. 9215. Vgl. Beyssac, Notes (wie Anm. 21), 39; Decker, Die Politik (wie Anm. 32), 334. 36 Paris, AN, LL 978, 237 f.; cf. RI XI/2, n. 9334. Vgl. Richard, Histoire (wie Anm. 8), 133; Rey / Fiétier, Le Moyen Âge (wie Anm. 2), 440. 37 a) Schreiben Sigismunds: RI XI/2, n. 9362 f.; Mansi, XXX, 490 f.; CB, II, 358. Zu Rochetaillées Vermittlungen zwischen dem Herrscher und Florenz: RTA X: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigismund, 4. Abtlg.: 1431–1433, hg. v. Hermann Herre, Gotha 1906 (ND 1957), 702–707, 739, 741, 744, n. 422 (S. 746 f.). Auch vom Konzil wurde er am 17. Februar 1433 zu dessen Legat ad partes Italie pro pace inter dominos et communitates tractanda bestellt: CB, II, 351; RTA X, 900 Anm. 8. b) Adhäsion und Prokuration: Paris, AN, LL 978, 4, 238 (Zitat); CB, II, 206; MC, II, 228; RTA X, 441 f. Anm. 4; GC, XV, 92. Vgl. Gabriel Pérouse, Le cardinal Louis Aleman et la fin du grand schisme, Lyon 1904, 113; Beyssac, Notes (wie Anm. 21), 38; Noël Valois, Le pape et le concile (1418–1450) (La crise religieuse du XV e siècle), I, Paris 1909, 194; Lazarus, Das Basler Konzil (wie Anm. 31), 197; Arle, Beiträge (wie Anm. 25), 22; Binz, Le diocèse de Genève (wie Anm. 21), 96; Decker, Die Politik (wie Anm. 32), 148; Sadourny, Jean de La Rochetaillée (wie Anm. 21), 515. c) Inkorporation des Pierre Salmon: CB, II, 316; MC, II, 292. Vgl. Michael Lehmann, Die Mitglieder des Basler Konzils von seinem Anfang bis August 1442, Diss. (masch.) Wien 1945,

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nal sei nun zusammen mit dem Bischof von Chur – auch als Nachrichtenübermittler in seinem Auftrag – zu ihnen aufgebrochen38. Doch reiste Rochetaillée, bevor er die zu seiner Kirchenprovinz gehörige Konzilsstätte aufsuchte, zunächst zu seinem ja nicht weit von Basel gelegenen Sitz, an dem er, que a esté sans arrest dès Rome jusques yci, am 8. April 1433 ungeachtet aller offenen Differenzen Einzug halten konnte. Als Wortführer der Bürgerschaft trat damals ein Étienne Armenier in Erscheinung; auch dieser burgundische Amtsträger wird gleich Jean Chevrot bei der Lösung der causa Bisuntinensis noch von Bedeutung sein39. Acht Tage später dann der zweite feierliche Einzug: Basel empfing seinen Metropoliten, das Konzil einen Kardinal, dessen Inkorporation am 17. April 1433 der ohnehin im Aufstieg begriffenen Versammlung weiteren Reputationsgewinn verhieß40. Innerhalb kürzester Zeit war der auch vom Konzil zum Vizekanzler Bestellte mit einer Vielzahl großer und kleiner Angelegenheiten beschäftigt; daß er Eugens IV. Auflösungsbulle mitunterzeichnet hatte, spielte da kaum noch eine Rolle41. Allerdings galt angesichts der bald einem ersten Höhepunkt zustrebenden Auseinandersetzung zwischen Konzil und Papst – Rochetaillée war dabei merklich um Mäßigung und Annäherung bemüht – dasselbe auch für seinen eigenen Streit mit der Stadt Besançon, der ebenfalls bei dem von Suspension bedrohten und Ende 1433 schließlich mehr oder minder zum Aus176; Dean Loy Bilderback, The Membership of the Council of Basle, Diss. Washington / D.C. 1966 [Microfilm: Ann Arbor 66–7868], 352. Zu Salmon jetzt grundlegend Christian Kleinert, Philibert de Montjeu (ca. 1374–1439). Ein Bischof im Zeitalter der Reformkonzilien und des Hundertjährigen Krieges, Ostfildern 2004 (Francia. Beih. 59), 133–138. 38 RTA X, n. 401/02 (S. 681 f.); RI XI/2, n. 9374 f.; Mansi, XXX, 491 f.; vgl. Decker, Die Politik (wie Anm. 32), 334. 39 A. Castan, La première entrée des archevêques de Besançon sous l’Ancien Régime, in: Mém. de la Soc. d’émulation du Doubs (1875), 220–225 (pièce justificative III), Zitat 220; cf. GC, XV, 92. Zu Étienne Armenier s. G. Blondeau, in: Mém. de la Soc. pour l’histoire du droit et des institutions des anciens pays bourguignons, comtois et romands 3 (1926), 218 f. (Die Kenntnis beider Titel geht auf meinen Mitarbeiter Christian Kleinert zurück, dem ich auch für weitere Hinweise und insbesondere für die Überlassung einer Ablichtung des Rechnungsbuchs der Stadt Besançon [Archives Municipales, CC 17] sowie von Auszügen aus dem in Anm. 9 zitierten „Inventaire general et libellé …“ zu danken habe.) 40 CB, II, 387, cf. V, 52; MC, II, 342; RTA X, 587 Anm. 6, 635, 682 Anm. 1. Vgl. Lehmann, Die Mitglieder (wie Anm. 37), 131; Bilderback, The Membership (wie Anm. 37), 325; Decker, Die Politik (wie Anm. 32), 334. Eine Woche später erfolgte die Inkorporation seines Neffen und Familiaren Étienne: CB, II, 392; vgl. Lehmann, Die Mitglieder (wie Anm. 37), 249; Bilderback, The Membership (wie Anm. 37), 366. 41 Erste Aktivitäten: CB, II, 395, 402, 406, 427, 436, 444, 450 etc. – Rochetaillée suchte in Basel seine damalige Mitunterzeichnung der Auflösungsbulle (dazu MC, II, 72, 74) mit einer Erkrankung zu rechtfertigen: An seinem Lager hätten ihn, der kaum informiert gewesen sei, sechs Kardinäle aufgesucht und so unter Druck gesetzt, daß er schließlich unterschrieben habe: CB, II, 430; MC, II, 380. Vgl. Pérouse, Le cardinal Louis Aleman (wie Anm. 37), 103; Beyssac, Notes (wie Anm. 21), 38; Decker, Die Politik (wie Anm. 32), 141; Sadourny, Jean de La Rochetaillée (wie Anm. 21), 515. Zur Verleihung des Vizekanzellariats s. oben Anm. 31.

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gleich gezwungenen, obendrein in Italien bedrängten Eugen IV. kaum mehr Aufmerksamkeit gefunden haben dürfte42.

III. Gegen Ende des Jahres 1433 aber konnte die nunmehr endgültig etablierte Synode auch in Sachen Besançon aktiv werden: Am 5. Dezember forderte sie die Stadt auf, Vertreter nach Basel zu schicken, um hier den Konflikt mit dem Erzbischof beizulegen; eine offensichtlich erfolglose Mahnung, denn zum 31. Dezember belegt das Konzilsprotokoll knapp eine supplicacio … archiepiscopi Bisuntini porrecta contra cives Bisuntinos, und im Januar 1434 war die causa an der Konzilsrota anhängig43. Der Konzilsliquidator von 1424 setzte fortan ganz auf ein in den Zenit seiner Bedeutung tretendes Konzil. Und darüber, indes nicht nur darüber, zerbrach eine Freundschaft: Der von Sigismund noch im Mai 1433 als unser gut fre󰀆nd titulierte Rochetaillée44 mußte nur ein gutes Jahr später auf kaiserlichen Befehl hin den Verlust seiner vom Reich zu Lehen gehenden Regalien hinnehmen, über die nunmehr die Bürgerschaft von Besançon verfügen sollte, deren Privilegien der Monarch nach einer ersten Bestätigung im Januar 1434 erneut am 25. Juli des Jahres ostentativ konfirmierte45. Mehrfach und nachdrücklich machte der Herrscher, und zwar sowohl gegenüber dem Konzil als auch Rochetaillée, der zuerst wahrscheinlich auf Sigismunds Weisung in einem an die kaiserliche Kanzlei gerichteten Schriftsatz den Fall aus seiner Sicht dargelegt und – erfolglos – für die eigene erzbischöfliche Gerichtsbarkeit reklamiert hatte, deutlich, daß die causa Bisuntinensis als causa mere prophana allein vor seinem Gericht und nicht auf der Synode zu verhandeln sei, was in gleicher Weise für den Bamberger Streit und 42 Der Erzbischof hatte zwar schon am 20. Juni 1433 die von Sigismund eingesetzte Kommission beauftragt, ihre Untersuchungen unter Beteiligung und mit Rat von Dekan und Kapitel seiner Kirche anzustellen. Drei Tage später war seitens der Stadt die Ernennung eines Prokurators beschlossen worden, der ihre Interessen am Basler Konzil wie in Rom und vor allen anderen kirchlichen Gerichten wahrnehmen sollte (Paris, AN, LL 978, 238 f.), doch scheint weder das eine noch das andere unmittelbare Folgen gezeitigt zu haben. 43 1433 Dezember 5: GC, XV, Instr. n. CXXII (Sp. 114). 1433 Dezember 31: CB, II, 544. 1434 Januar: Basel, Univ.bibl., C V 27, fol. 173r. Cf. Die Rotamanualien des Basler Konzils. Verzeichnis der in den Handschriften der Basler Universitätsbibliothek behandelten Rechtsfälle, bearb. v. Hans-Jörg Gilomen, Tübingen 1998, n. 93 (Sp. 213 f., 217). 44 RTA X, n. 414 (S. 700); cf. RI XI/2, n. 9425. 45 RI XI / 2, n. 10011, 10497, 10620; vgl. Richard, Histoire (wie Anm. 8), 133. Es fällt auf, daß bei jener am 14. Januar 1434 in der Basler Bleibe des Kaisers stattfindenden Zusammenkunft, die über die vom Konzil gewünschte Reise Sigismunds nach Nürnberg zu Verhandlungen mit den Hussiten beriet, Rochetaillée neben Antonio Correr als einziger der in Basel anwesenden Kardinäle fehlte (MC, II, 585; RTA X, n. 141 [S. 270]): erstes Anzeichen einsetzender Verstimmung? Allerdings muß Rochetaillée während seines Aufenthalts in Basel auch mehrfach krank gewesen sein.

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die Auseinandersetzung um die sächsische Kurwürde gelte46: drei jurisdiktionelle Kompetenzkonflikte, wobei der Fall Besançon allerdings mit besonderer Härte und Schärfe ausgetragen wurde. Im Unterschied zum sächsischen Kurstreit, bei dem die Väter in der Tat schlechte Karten hatten und schließlich nur nachgeben konnten, vermochten sie bei Bamberg und Besançon aber gute kirchenrechtliche Argumente für ihre Haltung vorzubringen; zudem war der Streit von Besançon, worauf der Erzbischof eigens hinwies, schon unter seinem Vorgänger unwidersprochen an der Kurie anhängig gewesen47. Hinzukam, daß es hier um den Sitz jener Kirchenprovinz ging, in der das Konzil stattfand, und daß man über diesen Prozeß einen Kardinal an sich binden konnte, der ein Exponent der angloburgundischen Partei war – England wie auch das an Besançon unmittelbar interessierte Burgund aber standen bislang zur Synode eher auf Distanz48, die man durch eine Rochetaillée gewogene Behandlung der causa zu verringern hoffte. Auch darum setzten die Väter allen kaiserlichen Interventionen zum Trotz das Verfahren unbeirrt fort49; der Herrscher würde es, so wohl ihr Kalkül, deswegen schon nicht auf einen Bruch mit dem in seinem Reich stattfindenden Konzil anlegen. Doch anderes und für diesen burgundischen Kontext Bezeichnendes kam hinzu: In dem 1433/34 auf der Synode ausgetragenen Sitz‑ und Rangstreit zwischen den von Sigismund entschieden unterstützten Gesandten der Kurfürsten und den Vertretern des Herzogs von Burgund50 hatte Rochetaillée – ganz An46 a)

Rochetaillées Schriftsatz: Paris, BN, ms. lat. 1517, fol. 103v–106v. b) Zum kaiserlichen Standpunkt u. a. CB, III, 162, 185, 237; V, 102, 104; MC, II, 707, 725, 767; Mansi, XXIX, 593 f.; XXX, 832–835 (832: causis mere prophanis: Besançon und Bamberg), 858 f.; RI XI / 2, n. 10344, 10520; RTA XI, n. 224 (S. 426–429), 231 (S. 439), 249 (S. 475), 251a (S. 481), 253 (S. 484). c) Zu den Streitigkeiten um Bamberg und die sächsische Kur: RTA XI, 372 ff.; Beata Losman, Norden och reformkonsilierna 1408–1449, Göteborg 1970 (Studia Historica Gothoburgensia 11), 206 f.; Johannes Helmrath, Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Köln – Wien 1987 (KHA 32), 186 f., 193 f. Anm. 48, 288; Müller, Franzosen (wie Anm. 21), I, 109 Anm. 13 a (mit Lit. zu Bamberg), 128; II, 567 Anm. 133 d (mit Lit. zu Sachsen). Man mag auch noch den Streit um die Gerichtsbarkeit im Fall der Lütticher Stadtregierung vs. Familie Athin dazu zählen: Henri Dessaert, L’attitude du diocèse de Liège pendant le concile de Bâle, in: RHE 46 (1951), 710 ff.; Helmrath, Das Basler Konzil, 181 f. Anm. 6. 47  Basler Argumentation: Paris, BN, ms. lat. 1495, 122–125. Rochetaillée: RTA XI, n. 224 (S. 427). Er votierte übrigens bei einer causa des Herzogs Heinrich des Reichen von BayernLandshut ebenfalls für deren Behandlung ad forum ecclesie (MC, II, 439). 48 Hierzu grundsätzlich Schofield, England (wie Anm. 29), 1–117; partiell immer noch relevant August Zellfelder, England und das Basler Konzil, Berlin 1913 (ND 1965) (HS 113); Joseph Toussaint, Les relations diplomatiques de Philippe le Bon avec le concile de Bâle (1431–1449), Löwen 1942 (RTHP III/9). 49 Der Prozeß ist ungewöhnlich reich dokumentiert; vgl. das Material bei Gilomen, Die Rotamanualien (wie Anm. 43), n. 91 (Sp. 204–208), n. 92 (Sp. 208–212), n. 93 (Sp. 212–242), n. 94 (Sp. 242–249). 50 Dazu Toussaint, Les relations (wie Anm. 48), 49–67; Hermann Heimpel, Eine unbekannte Schrift über die Kurfürsten auf dem Basler Konzil, in: Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter. FS J. Fleckenstein, hg. v. Lutz Fenske u. a., Sigmaringen 1984, 469–482; Ders., Sitzordnung und Rangstreit auf dem Basler Konzil. Skizze eines Themas (aus dem

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globurgunder und ohne jede Rücksicht auf seinen Status als Reichsfürst – nicht minder entschieden für die Delegierten Philipps des Guten Partei ergriffen, was den Herrscher noch kurz vor seiner Abreise aus Basel am 8. Mai 1434 ein hitziges Wortgefecht mit dem Kardinal führen ließ51. Rochetaillée, so Sigismunds zwangsläufiger Eindruck, hatte es allenthalben auf die Minderung von Rang, Recht und Ehre des Reichsoberhaupts abgesehen, und in diesem Kontext mußten ihm dann besagte Usurpation und Demontage des kaiserlichen Throns für den spektakulären Verdammungsakt vom 20. August als Höhepunkt einer ganzen Reihe systematischer und gezielter Provokationen erscheinen52. Rochetaillée verwahrte sich zwar gegen die Vorwürfe auf der Generalkongregation am 1. Oktober 1434 gleich im Anschluß an die eingangs zitierte Rede Scheles, nicht aber ohne nochmals die Reichstreue der Bürger von Besançon in Abrede zu stellen53. Diese wurden unter der Führung von Étienne Armenier noch auf derselben Generalkongregation angehört, was am Ende zu heftigem Streit über Altbekanntes mit neuen Varianten führte: Ließ Rochetaillée durch seinen Advokaten Simon de Teramo feststellen, daß für den Prozeß allein ein kirchliches Gericht zuständig sei, so beriefen sich die Bürger darauf, als Untertanen des Kaisers auf dessen Anordnung zu handeln; im übrigen gebe es kaum einen Ort, ubi clerus habeat tantam libertatem, sicuti Bisuntine, worauf Rochetaillée konterte, man könne aus Besançon nicht einmal nach Italien ohne besiegelte Erlaubnis der Stadt (bulleta) reisen54. Als er dann Ende Oktober 1434 dem Konzil zur Kenntnis brachte, drei seiner Familiaren seien in Besançon ermordet worden, und deswegen auf seinen Wunsch hin eine ausschließlich aus Bischöfen bestehende Untersuchungskommission mit Jean Nachlaß hg. v. Johannes Helmrath), in: Studien zum 15. Jahrhundert. FS E. Meuthen, I (wie Anm. 33: Müller), 1–9; Gert Melville, Vorfahren und Vorgänger. Spätmittelalterliche Genealogien als dynastische Legitimation zur Herrschaft, in: Die Familie als sozialer und historischer Verband, hg. v. Peter-Johannes Schuler, Sigmaringen 1987, 203–209; Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm. 46), 322 f.; Ders., Rangstreite auf Generalkonzilien des 15. Jahrhunderts als Verfahren, in: Vormoderne politische Verfahren, hg. v. Barbara Stollberg-Rilinger, Berlin 2001 (ZHF. Beih. 25), 160 ff. 51 Rochetaillées Parteinahme: MC, II, 540; sein Disput mit Sigismund: MC, II, 663; cf. RTA XI, n. 181 (S. 337). 52 Vgl. oben Anm. 1; nach CB, V, 100 f., begründete Rochetaillée sein Vorgehen mit den Anschlägen der Bürger von Besançon auf die kirchliche Freiheit, und zwar im einzelnen imponendo tallias et exactiones super clerum, eos spoliando, quod relegaverunt de civitate plurimos, incarceraverunt, mensuras pondera ulnas et pluria alia in prejudicium archiepiscopi mutaverunt et bona archiepiscopatus usurpaverunt. Zum Akt vom 20. August 1434 s. auch Paris, AN, LL 978, 284; Loye, Histoire (wie Anm. 8), 133; Rudolf Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel, I, Basel 1907 (ND 1968), 499, 508; Decker, Die Politik (wie Anm. 32), 400. 53 RTA XI, n. 249 (S. 478): et sua majestas citius sibi quam civitati Bisuntine, que semper sacro imperio solita fuit rebellare, faveret et clementer adhereret … 54 CB, III, 215 f. (Zitate); cf. MC, II, 769; RTA XI, n. 249 (S. 478). Zu Simon de Teramo: Walter Brandmüller, Simon de Lellis de Teramo. Ein Konsistorialadvokat auf den Konzilien von Konstanz und Basel, in: AHC 12 (1980), 229–268; ND in: Ders., Papst und Konzil im großen Schisma. Studien und Quellen, Paderborn u. a. 1990, 356–396.

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Mauroux, dem lateinischen Patriarchen von Antiochien, an der Spitze bestellt wurde, schienen weitere Eskalation und Zuspitzung unvermeidlich55.

IV. Doch ein am 9. November 1434 gefaßter Beschluß der Generalkongregation trug scheinbar unerwartet das Seine zum Gegenteil bei. Bevor diese Kommission ihre Arbeit aufnahm, so entschied man, sollte eine von Philibert de Montjeu geführte Konzilsgesandtschaft zu einem letzten Schlichtungsversuch vor Ort aufbrechen56. Die Ernennung dieses auf der Synode einflußreichen Bischofs von Coutances, der als burgundischer Prälat im lancastrischen Frankreich Rochetaillée nur genehm sein konnte – obendrein hatten beide frühe Bindungen an die Kirche von Lyon und mochten sich seit Jahrzehnten kennen – sprach ebenso wie die Nomination des Dekans Gilles Grusignot aus Poligny, einem – im Wortsinne – Bollwerk burgundischer Macht in der Freigrafschaft, eine eindeutige Sprache57: Das Konzil setzte im Konflikt zwischen einer Reichsstadt und einer Reichskirche eindeutig auf eine burgundische Lösung, und das wohl nicht nur aus realistischer Einsicht in die Machtverhältnisse vor Ort, sondern auch in besagt werbendem Bemühen um den großen Herzog – hinter dem scheinbar unerwarteten Entscheid steckte Kalkül. Der Hof Philipps des Guten, bis dahin vorsichtig abwartend im Hintergrund, ging darauf sofort ein, die Herzogin wurde ebenfalls tätig58: Es handelte sich um eine abgestimmte Aktion, als am 21. November 1434 in Besançon auch eine burgundische Gesandtschaft eintraf, die von Bischof Jean Germain von Nevers, dem Haupt der herzoglichen Vertretung auf dem Basler Konzil und Beichtvater 55 MC,

II, 770; CB, III, 237. III, 248, cf. 241, 243, 247; MC, II, 770. 57 a) Zu Coutances grundlegend Kleinert, Philibert de Montjeu (wie Anm. 37). Über die Beziehungen von Montjeu und Rochetaillée zur Kirche von Lyon Müller, Franzosen (wie Anm. 21), I, 67 f., 116. b) Neben Grusignot (zu ihm nähere Angaben bei Kleinert, Philibert de Montjeu [wie Anm. 37], 356 f. mit Anm. 169) wurde mit Guy Flamochet, Dominikanerprior von Chambéry, als weiterem Mitglied der Konzilsgesandtschaft ein Vertreter des Herzogs von Savoyen benannt (CB, III, 247 f.), mit dem Rochetaillée wiederum während seines früheren Genfer Episkopats 1420 in Konflikt geraten war. Doch ist mit Kleinert davon auszugehen, daß Savoyen als wichtiger Nachbar der Freigrafschaft nicht ganz von den Verhandlungen ausgeschlossen werden konnte und sollte; überdies hatte der Kardinal im Dezember 1433 ja auch gegen den Savoyer als Leiter der kaiserlichen Kommission für Besançon offenbar nichts (mehr) einzuwenden gehabt (vgl. Anm. 36). 58 Dijon, Archives Départementales de la Côte-d’Or, B 1655, fol. 63v–64r; nach Werner Schulz, Andreaskreuz und Christusorden. Isabella von Portugal und der burgundische Kreuzzug, Diss. Freiburg / Schw. 1976 (Histor. Schriften der Univ. Freiburg / Schw. 1), 102 Anm. 16. Vgl. Monique Sommé, Isabelle de Portugal, duchesse de Bourgogne. Une femme au pouvoir au XV e siècle,Villeneuve d’Ascq 1998, 229. 56 CB,

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Isabellas von Portugal, geführt wurde59. Begleitet wurde er von seinem Basler Mitdelegierten Jean de Fruyn, der als eben gewählter Dekan des Domkapitels von Besançon dessen Interessen mitvertreten mochte. Zur Gesandtschaft gehörten des weiteren mit Quentin Ménart, dem Propst von St-Omer, und einem im Rechnungsbuch der Stadt Besançon stets nur monseigneur le p(re)sidans Genannten zwei weitere Spitzendiplomaten. Denn bei letzterem handelt es sich sehr wahrscheinlich um niemand anderen als Jean Chevrot, den Vorsitzenden des herzoglichen Großen Rats und Vertrauten Philipps des Guten, zugleich aber Rochetaillées treuen Diener in dessen Rouennaiser Zeit. Obendrein war er Kanoniker an der Kathedralkirche von Besançon und stammte aus Poligny, wo sein Onkel, der herzogliche Generaleinnehmer Jean Chousat, jenes Kapitel an St-Hippolyte gestiftet hatte, dem Grusignot seit der Gründung 1429 vorstand60. Man kannte sich, man schätzte sich, als man Ende November in Anwesenheit des – zu Beginn seiner Karriere übrigens auch von den burgundischen Herzögen geförderten – Jean de Rochetaillée für einwöchige Gespräche in der nordwestlich von Besançon gelegenen erzbischöflichen Burg Gy, dem damaligen Sitz seiner Kurie, zusammenkam61. Naheliegend, indes nicht belegbar ist die Annahme, daß der Kardinal zusammen mit Montjeu, Germain und Fruyn aus Basel aufbrach, und bereits unterwegs Gespräche über eine Lösung unter burgundischen Auspizien geführt wurden. Und zum einander wohlbekannten Kreis gehörten eigentlich selbst die am 30. November Besançon Richtung Gy verlassenden Ver59 Zum Folgenden grundlegend Kleinert, Philibert de Montjeu (wie Anm. 37). Über Jean Germain informieren mehrere Aufsätze und Artikel von Yvon Lacaze; sie beruhen im wesentlichen auf seiner ungedruckt gebliebenen Thèse: Un représentant de la polémique anti-musulmane au XV e siècle, Jean Germain, évêque de Nevers et de Chalon-sur Saône (1400?–1461): Sa vie, son œuvre, Paris 1958; cf. ECh. Positions des Thèses 1958 (1958), 67–74. Weitere Angaben bei Heribert Müller, Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philipp des Guten von Burgund, Göttingen 1993 (SHKBAW 51), 25 mit Anm. 4. 60 Zu Jean de Fruyn und Quentin Ménart, später Elekt bzw. Erzbischof von Besançon, s. neben Léon Gauthier, Jean de Fruyn, archevêque-élu de Besançon ([1395]–1458), in: Mém. de la Soc. d’émulation du Doubs (1901), 262–272, und Georges Meugnot, Quentin Ménart, archevêque de Besançon (1390–1462), in: Société d’émulation du Jura. Tableau de l’activité de la Société de 1954 à 1958 (1958), 98 f., die Hinweise bei Müller, Franzosen (wie Anm. 21), I, 175 f. Anm. 19 c; II, 612 Anm. 66/67. Jean Chevrot (Angaben zu ihm oben Anm. 33), war ebenfalls par l’ordonnance de ma dame la duchesse aktiv geworden: Besançon, Archives Municipales, CC 17, fol. 84v. Rechnungsbuch: ibid., fol. 81v, 82r, 84v (Zitat), 85r. Zur Gründungsphase des Stiftskapitels von St-Hippolyte immer noch wichtig: Dunod de Charnage, Histoire (wie Anm. 12), II, 71–75. Zwei weitere Räte aus Dijon, Jean Pelluchot und Guy Gelinier, stießen ebenfalls zu dieser Gesandtschaft; zu ihnen neben Kleinert, Philibert de Montjeu (wie Anm. 37), 354 mit Anm. 163, auch John Bartier, Légistes et gens de finances au XV e siècle. Les conseillers des ducs de Bourgogne Philippe le Bon et Charles le Téméraire, Brüssel 1955, 96 Anm. 5, 193, bzw. 68 Anm. 3, 183 Anm. 5. 61 Ort und Zeit des Treffens: Nach Besançon, Archives Municipales, CC 17, 2. Zettel vor fol. 83v, Kleinert, Philibert de Montjeu (wie Anm. 37), 353 mit Anm. 155. Rochetaillée hatte wohl ein Pariser Kanonikat und sicher das Amt des Thesaurars an der Sainte-Chapelle in Dijon dem Burgunder zu verdanken: Niewiesch, Beiträge (wie Anm. 19), 32, 64.

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treter der gegnerischen Partei aus der Stadt mit dem Ritter Jacques Mouchet an der Spitze, dessen Familie über die Verwandtschaft mit der Familie Saulx sowohl dem Bischof von Coutances als auch dem herzoglichen Hof verbunden war. Für letzteren arbeitete Mouchets Mitgesandter Étienne Armenier in vielfältigen Funktionen und Ämtern; Mitglied des burgundischen Rats war er unter der Präsidentschaft seines Vaters Guy geworden62. Sogar zum Erzbischof stand er in Beziehungen, da er sich Marschall des Erzbistums nennen durfte: Jean de Rochetaillée war selbst an jenem im April 1434 erzielten Kompromiß beteiligt gewesen, der Étienne Armenier diesen Titel sicherte und die hälftige Aufteilung der mit dem Amt verbundenen Einkünfte zwischen ihm und einem anderen Prätendenten vorsah63. Mouchet und Armenier gehörten schließlich auch zu jener städtischen Gesandtschaft, die sich im unmittelbaren Vorfeld des Treffens von Gy Mitte November noch eilends auf den Weg nach Dijon zu Philipp dem Guten machte, denn dort war soeben niemand anders als Rochetaillée vorstellig geworden …: ly quel aloit parler a monseigneur de Bourgogne contre la cite de Besançon64 – beide Parteien wußten eben genau, auf wen es in entscheidender Stunde wirklich ankam. Besançon verwendete jetzt auch lieber sein Geld auf eine üppige Bewirtung mit Wein und Rebhühnern sowie auf Geschenke für die Teilnehmer des Treffens als auf eine Gesandtschaft zum Kaiser65. Der erklärte seinerseits genau zu jener Zeit, am 8. Dezember 1434, Philipp dem Guten den Krieg. Damit kam Sigismund einer grundsätzlichen Verpflichtung nach, die sich für ihn aus dem im Mai/Juni des Jahres mit dem französischen König gegen den Herzog geschlossenen Bündnis ergab, doch mag die damals an seinem Hof in Preßburg eintreffende Nachricht über die sich unter burgundischem Protektorat anbahnende Zusammenkunft von Gy für ihn letzter Anlaß zur überfälligen Fehdeansage gewesen sein66. Es fällt übrigens auf, daß er in Basel und alsdann nach seiner Abreise vom Konzil aus Ulm gerade in ebenjenen Wochen die offene Auseinandersetzung mit Rochetaillée zu führen begonnen hatte, als der Abschluß dieser Allianz mit Karl VII. feststand, und daß kurz zuvor, am 24. April 1434, René von Anjou, der Schwager Karls VII., und nicht Philipps des Guten Kandidat Antoine de Vaudémont von ihm mit dem Herzogtum Lothrin62 Kleinert, Philibert de Montjeu (wie Anm. 37), 353  f. Speziell zu Étienne Armenier Blondeau (wie Anm. 39); Bartier, Légistes (wie Anm. 60), 39 Anm. 5, 104 Anm. 10, 297, 393; Bertrand Schnerb, Les ambassadeurs bourguignons sous le principat de Philippe le Bon, in: Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im Mittelalter (13. bis 16. Jahrhundert), hg. v. Dieter Berg / Martin Kintzinger / Pierre Monnet, Bochum 2002 (Europa in der Geschichte 6), 228. 63 Paris, AN, LL 978, 199 f. 64 Besançon, Archives Municipales, CC 17, fol. 77v und Zettel nach fol. 77v (Zitat). 65 Besançon, Archives Municipales, CC 17, fol. 80v–85r. 66 Kriegserklärung: RTA XI, n. 286 (S. 531 f.), cf. n. 287 (S. 532 ff.). Bündnisvertrag: ebd., n. 215/215a (S. 404 ff.), cf. S. 371 und n. 216–218 (S. 406–410). S. auch RI XI / 2, n. 10512, cf. n. 10532, 10747, 10986–90.

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gen belehnt worden war67. Doch Ende Mai 1435 mußte der Herrscher kleinlaut seine undertan und getreuen, die an das land zu Burgundi, als ferre das reichet, stossen und damit greniczen, uberhalb und niderhalb der stat Basel auffordern, im Interesse eines ungestörten Konzilsverlaufs von Feindseligkeiten gegen den Burgunder Abstand zu nehmen68. In Wirklichkeit ging es weit weniger um die Synode als um kriegsunwillige Reichsstände und vor allem um einen französischen Königshof, der damals immer deutlichere Anstalten zum Ausgleich mit und nicht mehr zum Kampf gegen Burgund traf.

V. Im Vorfeld dieses dann im September 1435 zu Arras vertraglich fixierten Ausgleichs69 aber konnte der Herzog in seiner eigenen Interessensphäre nunmehr ohne Furcht vor einem von französischen Waffen unterstützten Kaiser sich an die definitive Durchsetzung der pax Burgundica in Besançon begeben. Am 10. Juni 1435 wurde in der camera der erzbischöflichen Residenz der „Tractatus dictus Rothomagensis“ zwischen dem namengebenden, da gemeinhin „Kardinal von Rouen“ genannten Rochetaillée und der Stadt Besançon beschworen, in den auch das Kathedralkapitel, der Abt von St-Paul und sogar Louis de Chalon mit einbezogen wurden70. Von den Zeugen sei nur Joh(annes) de Crebonnae archidiacon(us) in ecclesia Rothomagensi et vicari(us) Bisuntin(us) hervorgehoben, bei dem es sich um Jean de Gribo(n)val handelt, dessen Ämter und Funktionen als Erzdiakon des Grand Caux in der Kirche von Rouen, als Generalvikar von Besançon und als Gesandter Philipps des Guten auf dem Basler Konzil in diesem Kontext eine beredte Sprache sprechen71. 67 Quellen und Literatur hierzu bei Müller, Franzosen (wie Anm. 21), I, 241. Zur Behandlung der Sache in Basel instruktiv Ignaz Miller, Jakob von Sierck 1398/99–1456, Mainz 1983 (QMRhKG 45), 40 f. 68  RTA XI, n. 295 (S. 544 f.). 69 Dazu die einschlägigen Beiträge in: Arras et la diplomatie européenne, XV e – XVIe siècles, dir. Denis Clauzel u. a., Arras 1999; aus der älteren Literatur noch hervorzuheben Joycelyne Gledhill Dickinson, The Congress of Arras 1435. A Study in Medieval Diplomacy, Oxford 1955 (ND 1972). 70 Der Vertrag ist am Ort bis ins 17. Jahrhundert (vgl. dazu Anm. 77) in reicher Fülle – teilweise auch glossiert und ins Französische übersetzt – überliefert (z. B. saec. XVI/XVII: Besançon, Bibl. Municipale, mss. 107, 708, 1011, 1026, 1616, 1618, 1621, 1628; weitere handschriftliche Überlieferungen verzeichnet Joseph H. Albanés, Besançon, II / 2, Paris 1904 [Catalogue général des manuscrits des Bibliothèques Publiques de France 33/2], s. v.). Als Edition muß immer noch Dunod de Charnage, Histoire (wie Anm. 12), I, S. LXIV–LXXXIII, benutzt werden; cf. Paris, AN, LL 978, 243–246. 71 Dunod de Charnage, Histoire (wie Anm. 12), I, S. LXXXI. Zu Gribo(n)val allgemein Toussaint, Les relations (wie Anm. 48), 319 f. s. v.; Tabbagh, Diocèse de Rouen (wie Anm. 21), 250 n. 215; Hours, Diocèse de Besançon (wie Anm. 8), 158 n. 465. In jüngerer Zeit sind mehrere Spezialstudien zu ihm erschienen, die sich vor allem mit der Exekution seines Testaments be-

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Zwar wurde die causa Bisuntinensis Ende 1434 und 1435 in Basel noch weiter erörtert72, allein bei und nach den Unterredungen von Gy bestimmten nicht mehr die Väter das Gesetz des Handelns. Es ist kein Zufall, daß der Streit zwischen dem 3. Dezember 1434 und 23. März 1435 nicht mehr im Konzilsprotokoll erwähnt wird – an jenem 23. März teilte Rochetaillée die zwischen ihm und den Bürgern erzielte Einigung mit. Solche concordia hatte zur Folge, daß der Erzbischof am nächsten Tag alle über Stadt und Einwohner verhängten Kirchenstrafen aufhob73. (Wenn bis zur offiziellen Besiegelung von pax et concordia74 fast drei weitere Monate ins Land gehen sollten, dürfte dies mit der skizzierten „politischen Großwetterlage“ zusammenhängen: Man wartete, vor allem auf burgundischer Seite, bis sich die Eventualität bewaffneter Intervention eines mit Karl VII. verbündeten Kaisers mit Sicherheit ausschließen ließ.) Als der Vertrag beschworen wurde, fanden sich in Besançon und auch wenig später zu Arras zwar Vertreter der Basler Synode ein, indes setzten auf dem Weg zur Einigung ungeachtet der persönlichen Bedeutung einzelner konziliarer Vermittler – wie eben des wegen seines familiären und politischen Umfelds wichtigen Philibert de Montjeu in Besançon oder des auf Grund seiner juristischen Kompetenz dann in Arras unentbehrlichen Guillaume Hugues75 – am Ende andere die entscheidenden Marken. schäftigen, das die Lebensführung eines hochrangigen burgundischen Klerikers gut hervortreten läßt: Cécile Douxchamps-Lefèvre, L’exécution testamentaire de Jean de Gribonval, doyen du chapitre de la cathédrale de Thérouanne (13–21 avril 1474), in: Album Carlos Wyffels. Aangeboden door zijn wetenschappelijke medewerkers, Brüssel 1987, 149–159; Dies., Jean de Gribonval, doyen du chapitre de Thérouanne, ou le train de vie d’un haut dignitaire ecclésiastique à l’époque bourguignonne, in: Publ. du Centre Européen d’Études bourguignonnes 37 (1997), 231–238; Monique Mestayer, L’exécution testamentaire de Jean de Griboval, chanoine de Thérouanne et de Cambrai (1474), in: Histoire et archéologie du Pas-de-Calais 15 (1997), 143–190. 72 CB, III, 250, 254, 264; Paris, AN, LL 978, 285 f.; Gilomen, Die Rotamanualien (wie Anm. 43), n. 93 (Sp. 213–217, 239–242), n. 94 (Sp. 244 f., 250). In dieser Phase tritt mit Martial Formier ein Kommissar des Konzils hervor, dessen Curriculum vitae als lyonverbundener Burgunder und Bischof von Évreux im lancastrischen Frankreich mehrere aufschlußreiche Parallelen zu den Lebensläufen von Montjeu und Rochetaillée aufweist. Am 10. Juni 1435 weilte auch er in Besançon (Dunod de Charnage, Histoire [wie Anm. 12], I, S. LXXXI), im Juli war u. a. er mit der Konfirmation des Vertrags durch das Konzil beschäftigt (CB, III, 427 f., 434). Nähere Angaben zu ihm bei Müller, Franzosen (wie Anm. 21), I, 43 mit Anm. 21, zu ergänzen um Tabbagh, Diocèse de Rouen (wie Anm. 21), 287 n. 186. 73 CB, III, 347 (23. März 1435); GC, XV, Instr. n. CXXIII (Sp. 115 f.) (24. März 1435). 74 So die Stadt Besançon in einer auf dem Konzil am 26. März 1435 behandelten Supplik: CB, III, 350. 75 Zu Montjeu vgl. oben Anm. 57 a. Basler Gesandte in Arras/Guillaume Hugues: Heribert Müller, Konzil und Frieden. Basel und Arras, in: Träger und Instrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter, hg. v. Johannes Fried, Sigmaringen 1996 (VuF 43), 333–390; Ders., Vom Konzil zur Kurie. Eine kirchliche Karriere im 15. Jahrhundert. Guillaume Hugues d’Étain, Archidiakon von Metz und Kardinal von Santa Sabina († 1455), in: ZKG 110 (1999), 25–52. Für die bei Richard, Histoire (wie Anm. 8), 134, stehende, von Loye, Histoire (wie Anm. 8), 133, und seinerzeit auch von mir selbst (38 Anm. 49) übernommene Nachricht, Guillaume Hu-

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Der Kardinal aber hatte bis dahin das Konzil äußerst geschickt für seine Zwecke zu nutzen verstanden, wobei Kalkül und ihm günstige Faktoren einander ergänzten: Er setzte, wie erwähnt, zu einer Zeit auf die Synode, da diese in stetem Aufstieg begriffen war und zudem an einem Ort in seiner eigenen Kirchenprovinz tagte. Dies sicherte ihm jenseits des Umstands, daß die Väter sich prinzipiell zum Anwalt kirchlicher Rechte gegen weltliche Ansprüche und Übergriffe zu machen suchten, nachdrückliche und wohlwollende Behandlung seiner causa durch eine obendrein um den Purpurträger und angloburgundischen Parteigänger bemühte Versammlung, die über Besançon und Rochetaillée ihrerseits Burgund und England an sich zu ziehen hoffte. Die Hoffnung der Väter trog, der Kardinal dagegen erreichte sein Ziel. Damit aber hatte das Konzil für ihn seine Schuldigkeit getan: Zwar weilte er nach den Verhandlungen im Dezember zu Gy für kurze Zeit wieder in Basel, beteiligte sich jedoch kaum mehr an der Synodalarbeit und bat die Väter am 5. April 1435 – bezeichnenderweise bereits durch einen Prokurator – um eine licencia recedendi, da er seine Kirche aufsuchen wolle. Aus Besançon sollte er nach Abschluß des Vertrags in die angestammte Welt der Kurie zurückkehren; der Kommundeputation blieb am 5. Oktober 1433 nur übrig, eine weitere Supplik des Kardinals zum Abgang aus Basel und Übergang nach Florenz zu befürworten76. Es ist hier nicht der Ort, diesen Vertrag zu analysieren und zu würdigen77, der weit über die Gerichtsbarkeit oder die (eingeschränkte) Steuerfreiheit des Klerus hinaus bis hin zu Getreidemaßen, Weiderechten oder zur Nutzung der Inseln im Doubs, ja bis hin zum Zugriff auf Nachlässe von Bastarden und Pilgern eine Fülle detaillierter und dennoch nicht alles erfassender Regelungen traf. Mir scheint er, kurz gesagt, ein – fragiler – Kompromiß unter burgundischen Auspizien zu sein78. Bei weiterhin formaler Anerkennung der Reichsrechte vor Ort griff das burgundische Regiment bald schon immer stärker auf Besançon über: Seit dem gues habe noch 1435 die Bürger von Besançon erneut verurteilt und exkommuniziert, woraufhin diese ihren Widerstand aufgegeben hätten, vermag ich bislang keinen Beleg zu finden; vom Jahresdatum her paßt sie keinesfalls in diese Phase der Entspannung und vertraglichen Regelung. 76 Zum 5. April 1435: CB, III, 362; zum 5. Oktober 1435: ebd., 533. In Basel bereitete er übrigens eine weitere Rückkehr vor: Mit dem Kapitel seiner Heimatkirche Lyon, in das er wegen seiner familiären Herkunft keine Aufnahme hatte finden können, führte er – erfolgreich – Verhandlungen wegen seiner künftigen Grabstätte in der Kathedrale: Lyon, Archives Départementales du Rhône, 10 G 87, fol. 85v, 89v–90r, 92v, 94v. St-Jean sollte er denn auch testamentarisch reich bedenken: ibid., 10 G 88, fol. 35v–36r, cf. 41v. 77 Auf diesen Vertrag sollten sich die Erzbischöfe sogar noch im 17. Jahrhundert berufen, als einmal mehr mit der Bürgerschaft Streit über die Gerichtsbarkeit ausbrach und sie diese Auseinandersetzung vor dem Reichshofrat anhängig machten: Henri Moreau, L’archevêque de Besançon, prince du Saint-Empire, in: Provinces et États dans la France de l’Est (wie Anm. 2: Fiétier, Besançon), 90 f., unter Rekurs auf Besançon, Bibl. Municipales, ms. 373, mit dem Dossier des Prozesses am Reichshofrat. 78 Ich teile damit weitgehend die Sicht von Rey/ Fiétier, Le Moyen Âge (wie Anm. 2), 445 ff.; allerdings ließe sich eine Vielzahl anderer und recht unterschiedlicher Interpretationen anführen.

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Tod Rochetaillées im März 1437 konnte dort kein Erzbischof mehr ohne herzogliche Zustimmung amtieren79; 1442 wurde Besançon in das im Vorjahr zwischen Philipp dem Guten und Eugen IV. abgeschlossene Konkordat einbezogen, galt der Herzog doch als sein protector et defensor80. Er war es auch – und nicht der in diesem Fall durchaus engagierte römisch-deutsche König Friedrich III., erst recht nicht das agonisierende Restkonzil von Basel – Lausanne –, der jenem 1445 mit der Zerstörung des erzbischöflichen Bregille durch die Bürger von Besançon erneut aufbrechenden und über ein Jahrzehnt währenden Konflikt zwischen Stadt und Erzbischof schließlich ein Ende zu setzen vermochte81. Auch wenn der verwegene Sohn des guten Herzogs das Erbe vertat und Burgund 1477 sein Ende fand, auch wenn Habsburg dessen Nachfolge in der Freigrafschaft antrat und die Franche-Comté samt Besançon, das zur Zeit Karls V. noch eine Blüte erleben sollte, erst im späteren 17. Jahrhundert vom Reich an die französische Krone überging, besaßen die hier skizzierten, zunehmend von Philipp dem Guten und dem französisch-burgundischen Verhältnis bestimmten Ereignisse für die Ausprägung des reichsfernen Eigenprofils der Stadt durchaus ihre zukunftsträchtige Bedeutung82.

79  Wobei die – näherer Untersuchung werte – Frage offenbleiben muß, warum bzw. ob Philipp der Gute 1437 aus übergeordneten Gründen in die Nomination des Papstneffen Francesco Condulmer als Nachfolger von Rochetaillée einwilligte und sich damit gegen den eigenen verdienten Amtsträger und Elekten Jean de Fruyn stellte (vgl. oben Anm. 60) und dies 1438 erneut tat, als er nach Condulmers Transfer auf den Stuhl von Verona Eugens IV. Kandidaten Jean de Norry, bislang Erzbischof von Vienne, akzeptierte. 80 Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm. 46), 222 Anm. 153 (mit Verweis). 81 Lucien Febvre, Histoire de la Franche-Comté, Paris 81932, 126; Rey / Fiétier, Le Moyen Âge (wie Anm. 2), 508–519; Regesta Pontificum Romanorum. Gallia Pontificia, I (wie Anm. 20), 128. 82 Wie sehr das Eigenprofil im Falle des Adels in der die Stadt umgebenden Freigrafschaft auch nach 1477 weiterhin burgundisch geprägt blieb, wurde jüngst aufgezeigt von Hans Cools, Quelques considérations sur l’attitude des nobles comtois entre 1477 et 1500, in: Publ. du Centre Européen d’Études bourguignonnes 42 (2002), 167–182.

Zwischen Konzil und Papst, Fürstendienst und Ordensreform Geoffroy de Montchoisi, Abt von St-Honorat / Lérins und St-Germain-des-Prés († 1436) Zugegeben, attraktiv klingt dieser Titel nicht gerade. Allzu vieles, Diverses und Disparates scheint da hineingenommen; vor allem aber: Wer ist dieser Geoffroy de Montchoisi1 überhaupt? Selbst Kennern des spätmittelalterlichen Konziliarismus und der Basler Synode ist der Name nicht oder kaum geläufig. Werner Krämer, der 1980 eine große Arbeit zu beiden Themen vorlegte und dabei auch den Auseinandersetzungen des Konzils mit den Hussiten besondere Aufmerksamkeit schenkte, erwähnt den Abt kein einziges Mal, obgleich dieser in Basel sowohl in die Debatte über päpstliche und konziliare Befugnisse als auch in die Böhmendiskussion mit Rede und Schrift eingriff 2. Im Buch von Hermann Josef Sieben über spätmittelalterliche Traktate und Theorien zum Konzil gehört er zum Kreis der nicht identifizierten Autoren3. Johannes Helmrath führt in seiner „Summa Basiliensis“ immerhin den Namen an, bemerkt zu ihm aber lediglich, er sei „bisher als Theoretiker kaum erforscht“, um auf eine – entlegene – Edition des Hussitentraktats, eine kurze Passage in einem Buch über den benediktinischen Reformer Ludovico Barbo und auf Erwähnungen in zwei Aufsätzen des Autors dieser Studie als Belege zu verweisen4. Was letzterer kaum verdient, wird Geof-

1  Gaufridus de Monte electo begegnet in der französischen Literatur (vgl. Anm. 6) sowohl als Geoffroy de Montélu wie Geoffroy de Montchoisi, wobei letztere Namensform weitaus gebräuchlicher ist. Aus diesem Grund wird sie auch hier verwendet, obgleich erstere sich direkt aus dem Lateinischen ableitet. 2 Konsens und Rezeption. Verfassungsprinzipien der Kirche im Basler Konziliarismus, Münster 1980 (Beitr. zur Geschichte der Philos. und Theol. des Mittelalters, N. F. 19). 3 Traktate und Theorien zum Konzil. Vom Beginn des Großen Schismas bis zum Vorabend der Reformation (1378–1521), Frankfurt/M. 1983 (Frankfurter Theol. Studien 30), 226 Anm. 177. 4 Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Köln – Wien 1987 (KHA 32), 445 f. Den Böhmentraktat „Libellus contra errores seu libellum famosum Bohemorum“ edierte (sehr fehlerhaft) Augustin Neumann, Francouzská Hussitica …, Olmütz 1925 (Studie a texty k naboženskym dějinám českym IV/3–4), 61–99. – Die Studie über Barbo stammt von Luigi Pesce, Ludovico Barbo, vescovo di Treviso (1437–1443). Cura pastorale, riforma della chiesa, spiritualità, I–II, Padua 1969 (Italia sacra 9/10), zu Montchoisi: I, 245–249; II, 106 ff. – Müller: s. Anm. 5.

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froy de Montchoisi darin doch nur en passant in wenigen Zeilen abgehandelt5. Und in der französischen Literatur? Bis auf einige randhafte Annotationen in Klostermonographien6: Schweigen. Mithin drängt sich die Frage auf, ob nähere Beschäftigung mit Montchoisi überhaupt lohnt. Hätte er nur den Rang „sekundärer Größen“ wie Toke, González, Palomar oder Kalteisen eingenommen – von „primären“ wie Cusanus, Ragusa oder Segovia ganz zu schweigen –, er wäre doch von den ausgewiesenen Spezialisten der Materie kaum achtlos übergangen worden7. Nun hatten (und haben) es leise Stimmen der Mäßigung und des Ausgleichs schwer, Gehör zu finden, vor allem wenn konträre Positionen sich verhärten und radikalisieren, wenn lautes Kampfgeschrei die Szene beherrscht. Und Montchoisi trat in der Tat zu Basel als Mittler auf den Plan – falls die Historiker des Konzils von ihm überhaupt Notiz nahmen, dann wegen des dank seiner Intervention herbeigeführten Kompromisses in der strittigen Frage einer Zulassung der päpstlichen Präsidenten auf der Synode. Die Basler schätzten ihn, und es schätzte ihn Eugen IV., obwohl der Papst vor dem Franzosen ausdrücklich gewarnt wurde8. Das läßt aufmerken, und obige Frage dürfte definitiv ihre positive Antwort finden, wenn man Werk und Wirken des Abts, dessen Kloster St-Honorat auf der Insel Lérins vor Cannes und Grasse scheinbar fernab der Zentren der Zeit 5 Verfassungsprinzipien der Kirche im Basler Konziliarismus. Bemerkungen zu einer Neuerscheinung (i. e. Krämer [wie Anm. 2]), in: AHC 12 (1980), 417; Zur Prosopographie des Basler Konzils: Französische Beispiele, in: AHC 14 (1982), 166 f. 6 Edmond Martène, Histoire de l’abbaye de Marmoutier, publ. …, annotée et complétée par Casimir Chevalier, II, Paris 1885 (Mém. de la Soc. archéol. de Touraine 25), 315 f.; Charles Lelong, Étude sur l’abbaye de Marmoutier, in: Bull. de la Soc. archéol. de Touraine 39 (1980), 297 (nach Martène); L’abbé Alliez, Histoire du monastère de Lérins, II, Paris 1862, 268–281; Henri Moris, L’abbaye de Lérins. Histoire et monuments, Paris 1909, 203 f.; Jean-Jacques Antier, Lérins. L’Ile Sainte de la Côte d’Azur, Paris 1973, 245; einige Angaben auch in der Ortsgeschichte von Eugène Tisserand, Histoire d’Antibes, Antibes 1876 (ND 1973), 87 f. Dagegen wird Montchoisi in der Monographie von Joseph-Antoine Durbec, Cannes au Moyen Age, Cannes 1974 (Annales de la Soc. scientifique et littéraire de Cannes et de l’arrondissement de Grasse 26) trotz ausführlichen Eingehens auch auf Lérins im 15. Jahrhundert nicht erwähnt. 7 Das gilt durchgängig für die bekannten Werke etwa von Alberigo, Bäumer, Black oder Lecler; vgl. zuletzt Thomas Prügl, Die Ekklesiologie Heinrich Kalteisens OP in der Auseinandersetzung mit dem Basler Konziliarismus, Paderborn u. a. 1995 (Veröffentl. des GrabmannInstituts zur Erforschung der mittelalterlichen Theol. und Philos. 40); Hermann-Josef Sieben, Vom Apostelkonzil zum Ersten Vatikanum. Studien zur Geschichte der Konzilsidee, Paderborn u. a. 1996 (KonGe.U), 97–195 (zu Ragusa und Segovia). 8 Zur Präsidentschaftsfrage s. unten 281–284. – Eugen IV. war Anfang 1437 vor Montchoisi und Jean d’Etampes, Thesaurar an St-Hilaire/Poitiers, in einer Denkschrift seines Kammerklerikers Galeazzo de Capranis/Cavriani(?) gewarnt worden: Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel [CB], I–VIII, hg. v. Johannes Haller u. a., Basel 1896–1936 (ND 1976), hier: I, 436. Vgl. Heribert Müller, Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449), I–II, Paderborn u. a. 1990 (KonGe.U), hier: I, 453. Die konkreten Verdachtsmomente für den päpstlichen Vertrauten, der offensichtlich erst kurz vor oder nach dem Tode von Montchoisi schrieb und dies in recht allgemeinen Wendungen tat, werden sich aus den hier folgenden Ausführungen ergeben.

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lag (Montchoisi: in hac longinqua regione), in seinen konkreten Kontext rückt9. Denn sie sind in direktem Zusammenhang mit der französischen Kirchen‑ und Konzilspolitik, genauer: mit der Position des Hauses Anjou zu sehen, das zwischen der eher konzilsfreundlichen Tendenz des ihm eng verbundenen Königs Karl VII. und eigenen Aspirationen auf die vom Papst zu vergebende Nachfolge im Königreich Neapel eine Linie des Ausgleichs verfolgte10. Von solcher Warte aus erhält jede Stellungnahme des Abts von Lérins eine besondere, über die eigene Person hinausweisende Wertigkeit, läßt deren Beschreibung und Analyse weitere Aufschlüsse zum Thema „Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil“ erwarten, das der Autor dieser Studie – dank des Jubilars – im Rahmen der „Konziliengeschichte“ schon monographisch behandeln konnte.

I. Der Nachrichten über den Werdegang von Geoffroy de Montchoisi bis zu seiner Basler Zeit sind wenige, doch sprechen sie eine recht eindeutige Sprache. Erste Spuren lassen sich in der Touraine und im Anjou ausmachen: Mönch in Marmoutier, dem alten Kloster des heiligen Martin bei Tours11, wurde er 1420 Abt an einem Ort, der ebenfalls zu den frühen Stätten abendländischen Mönchtums zählt: St-Honorat auf Lérins, ubi ab antiquissimis temporibus polluisse legimus monachorum religionem12, gelegen in der damals angevinischen Provence. Und nur  9 Da Montchoisi nur wenige Monate nach seiner Ernennung durch Eugen IV. am 22. Juni 1436 zum Vorsteher von St-Germain-des-Prés starb, spielt dieses Abbatiat des in den Quellen stets als abbas s. Honorati, Lirinensis o. ä. begegnenden Benediktiners in unserem Zusammenhang zunächst keine Rolle, doch wird am Ende der Studie auf die Translation noch zurückzukommen sein. – Das Zitat stammt aus dem Prolog des Böhmentraktats: Neumann, Francouzská Hussitica (wie Anm. 4), 61 (Der Herausgeber liest: in hoc longinca regione; im folgenden werden evidente Lesefehler des Editors stillschweigend korrigiert). 10 Erste allgemeine Hinweise bei Müller, Prosopographie (wie Anm. 5), 166–170, bes. 169; Ders., Franzosen (wie Anm. 8), I, 355, 386 ff., 468; II, 716 u. ö. Einschlägig natürlich auch Johannes Haller, Die Belehnung Renés von Anjou mit dem Königreich Neapel, in: QFIAB 4 (1902), 184–207; ebenfalls in: Ders., Abhandlungen zur Geschichte des Mittelalters, Stuttgart 1944 (ND 1984), 369–392. Haller zog m. E. aber aus der Frage der neapolitanischen Sukzession weitreichende Fehlschlüsse für die Kirchen‑ und Konzilspolitik des französischen Hofs: Heribert Müller, Der bewunderte Erbfeind. Johannes Haller, Frankreich und das französische Mittelalter, in: HZ 252 (1991), 266–271 [in diesem Band: 32–36]; Ders., Franzosen (wie Anm. 8), II, 504–512. 11 Martène, Histoire (wie Anm. 6), II, 315; Lelong, Étude (wie Anm. 6), 297. 12 Das Zitat stammt aus einer Quelle des frühen 13. Jahrhunderts: E. Gervasii Tilleberiensis Otiis Imperialibus, ed. Reinhold Pauli, Hannover 1885 (ND 1975) (MGH SS 27), 389 (III 67). Einen guten Überblick über die – hier nicht zu behandelnde – Frühgeschichte der Abtei bietet die ausführliche Rezension des Buchs von Clemens M. Kasper, Die Spiritualität des Inselmönchtums von Lérins im 5. Jahrhundert (1991), durch Adalbert de Vogüe, Les débuts de la vie monastique à Lérins. Remarques sur un ouvrage récent, in: RHE 88 (1993), 5–53. S. auch Friedrich Prinz, Frühes Mönchtum im Frankenreich …, Darmstadt ²1988, 613 f. s. v. „Lé-

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mit Waffenhilfe der Anjou vermochte Montchoisi sich vor Ort durchzusetzen; zu Ludwig III., Herzog von Anjou, Graf der Provence und Titularkönig von Sizilien, wie zu dessen am französischen Königshof einflußreicher Mutter Yolande von Aragón – die Schwester bzw. Tochter Marie war mit Karl VII. verheiratet – stand er in besten Beziehungen. Seit 1420 lenkte Yolande die Geschicke des Anjou und der Provence, während Ludwig III. im Regno seine italienischen Ambitionen verfolgte. Noch im Böhmentraktat wird Montchoisi seinen Fürsten neben dem Kaiser und dem König von Frankreich unter den Monarchen Europas in besonderer Weise hervorheben13. Es steht anzunehmen, daß er, Doktor des Kirchenrechts und Bakkalar der Theologie14, seine akademische Ausbildung an der nahe der Touraine gelegenen Juristenhochschule von Angers erhalten hat15, und mit den Regionen Touraine rins“; Frère André, Lérins, in: LexMA V (1991), 1907; Mireille Labrousse, Saint Honorat, fondateur de Lérins et évêque d’Arles. Étude et traduction de textes d’Hilaire d’Arles, Fauste de Riez et Césaire d’Arles, Bellefontaine 1995 (Vie Monastique 31). Montchoisi selber wird sich übrigens in seinem Böhmentraktat auf Hilarius von Arles, olim monasterii Lirinensis monachum, nostrique eximii patris sancti Honorati discipulum atque genere propinquum, als vorbildlichen Prälaten berufen: Neumann, Francouzská Hussitica (wie Anm. 4), 89 f. Zum Beginn des Abbatiats von Montchoisi: Martène, Histoire (wie Anm. 6), II, 315; Alliez, Histoire (wie Anm. 6), II, 268; Tisserand, Histoire (wie Anm. 6), 87; Gallia Christiana [GC], III (Ed. altera), Paris 1886, 1205; Moris, L’abbaye de Lérins (wie Anm. 6), 203; vgl. Ders., in: Cartulaire de l’abbaye de Lérins, II, Paris 1905, 291; Antier, Lérins (wie Anm. 6), 245. Zur angevinischen Provence im Spätmittelalter zuletzt in kurzem Überblick: Maurice Agulhon / Noël Coulet, Histoire de la Provence, Paris ²1993 (Que sais-je? 149), 34–49; N. Coulet, Provence, in: LexMA VII (1995), 278 f. 13 Rex vero Sicilie, quod (ad) maiorem eius gloriam cedit, non imperatorem vel alium quemcumque recognovit superiorem in terris, nisi illum, cui Dominus celestis atque terreni imperii iura commisit, summum videlicet sancte Romane ecclesie pontificem, cuius solius, teste iuris textu, est subditus et vassalus, et qui in concilio Lugdunensi Fredericum imperatorem suis exigentibus demeritis ipso regno sentencialiter privavit, et postmodum illud magno Karolo, fratri regis Francie et comiti Andegavie contulit et hunc de ipso regno investivit, de cuius clara prosapia rex iste modernus descendisse non ambigitur; Neumann, Francouzská Hussitica (wie Anm. 4), 76 f. 14 Im Prolog des Böhmentraktats (Neumann, Francouzská Hussitica [wie Anm. 4], 61) bezeichnet Geoffroy sich als inter decretorum doctores novissimus, baccalarius in theologia, in seinen beiden Konzilsschriften nur als Doktor der Dekrete bzw. inter decretorum doctores novissimus (Paris, Bibl. Mazarine, ms. 1687, fol. 96r, 104r). Im eigenhändigen Explicit zum Präsidentschaftstraktat des Abts spricht sein Basler Mitstreiter Gilles Carlier von der Opinio … supradicti decretorum doctoris et in sacra theologia bachalarii (Paris, BN, ms. lat. 3124, fol. 79r). 15 Für die Geschichte der Juristenhochschule und Universität Angers im Mittelalter sind aus der älteren Literatur noch von Wert Louis de Lens, La faculté de théologie de l’Université d’Angers, Angers 1879; Ders., Université d’Angers, du XV e siècle à la Révolution française, I: Faculté des droits, Angers 1880; Hastings Rashdall /Frederick M. Powicke / Alfred B. Emden, The Universities of Europe in the Middle Ages, II, Oxford 1936 (ND 1964), 151–160; Alfred Coville, La vie intellectuelle dans les domaines d’Anjou-Provence de 1380 à 1435, Paris 1941 (ND 1974). Kurzer Überblick bei Jacques Verger/Charles Vulliez, in: Histoire des universités en France, Toulouse 1986, 42 f.; vgl. auch – noch kürzer – Antonio García y García, Die Rechtsfakultäten, in: Geschichte der Universität in Europa, hg. v. Walter Rüegg, I: Mittelalter, München 1993, 353. Weitere Angaben bei Simonne Guenée, Bibliographie de l’histoire des universités françaises des origines à la Révolution, II, Paris 1978, 20–39.

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und Anjou-Maine blieb er geistig-geistlich auch stets verbunden: Besagten Böhmentraktat widmete der Abt dem Scholaster des Martinsstifts zu Tours, Nicolas de La Chapelle; seine beiden Schriften zum Generalkonzil übergab er dem Theologen Mathieu Hoyau, Kanoniker in Le Mans, und dem fast zeitgleich mit ihm in Basel inkorporierten Scholaster von Angers, Jean Bouhale, zur Prüfung16, dessen Lebenslauf im übrigen auffällige Parallelen zu dem seinigen aufweist: Bouhale, Dr. utriusque juris, stammte aus Tours, war Kanzler an der dortigen Kathedralkirche, lehrte Recht in Angers (Montchoisi: domini et magistri mei … non solum eximii doctoris ymo doctoris institutoris), und er zählte zu den Vertrauten Ludwigs III. von Anjou17. Neben dieser angevinischen Prägung sollte ein zweites Moment das Auftreten des Abts auf dem Basler Forum bestimmen: die benediktinische Reform18. 16 Nicolas de la Chapelle: Neumann, Francouzská Hussitica (wie Anm. 4), 61; vgl. Müller, Prosopographie (wie Anm. 5), 167; Ders., Franzosen (wie Anm. 8), I, 339 f. – Mathieu Hoyau: Paris, Bibl. Mazarine, ms. 1687, fol. 104r; vgl. Müller, Franzosen, I, 258. – Jean Bouhale: Paris, Bibl. Mazarine, ms. 1687, fol. 96r, 104r; zur Stellung des Scholasters Rashdall / Powicke / Emden, Universities (wie Anm. 15), II, 155 f. 17 Paris, Bibl. Mazarine, ms. 1687, fol. 96r. Vgl. Leopold Delisle, Le Cabinet des manuscrits de la Bibliothèque Nationale, I, Paris 1868 (ND 1969), 83; cf. II, Paris 1874 (ND 1969), 156 f.; De Lens, Faculté de théologie (wie Anm. 15), 304; Ders., Faculté des droits (wie Anm. 15), 22 f., 71–74; Marcel Fournier, Histoire de la science du droit en France, III, Paris 1892 (ND 1970), 203 f.; Heinrich Denifle, Les délégués des universités françaises au concile de Constance. Nouvelle rectification aux ouvrages de M. Fournier, in: Rev. des bibliothèques 2 (1892), 341 Anm. 1 u. 2; Coville, La vie intellectuelle (wie Anm. 15), 424 Anm. 1 u. 2; Célestin Port, Dictionnaire historique, géographique et biographique de Maine-et-Loire, revu et mis à jour par Jacques Levron / Pierre d’Herbécourt, I, Angers 1965, 399; CB, II, 612 s. v. „Johannes Bouhale“, III, 624, u. IV, 363 s. v. „Angers – scolasticus“. 18 Die Literatur zu diesem Thema und erst recht zu den spätmittelalterlichen Ordensreformen allgemein ist kaum noch überschaubar. Neben dem Überblick von Francis Rapp, Der Kampf um die Wiederherstellung der Observanz, in: Von der Reform zur Reformation (1450–1530), hg. v. Marc Venard, dt. Ausg. bearb. u. hg. v. Heribert Smolinsky, Freiburg / Brsg. u. a. 1995 (Die Geschichte des Christentums 7), 159–176, stellen zwei Arbeiten von Johannes Helmrath den besten Führer dar, speziell auch mit Blick auf die Behandlung des Themas auf den Konzilien des 15. Jahrhunderts: Reform als Thema der Konzilien des Spätmittelalters, in: Christian Unity. The Council of Ferrara – Florence 1438/39–1989, ed. by Giuseppe Alberigo, Löwen 1991 (BEThL 97), 75–152, bes. 131–146; Theorie und Praxis der Kirchenreform im Spätmittelalter, in: Rottenburger Jb für Kirchengesch. 11 (1992), 41–70, bes. 56–68. Sein Rekurs vor allem auf die Studien von Becker, Elm, Mertens und Schreiner erfolgt zu Recht und zeigt, wie sehr die Forschung gerade im deutschen Bereich vorangeschritten ist; vgl. auch die beiden jüngsten Studien zum Thema: Johannes Helmrath, Capitula. Provinzialkapitel und Bullen des Basler Konzils für die Reform des Benediktinerordens im Reich, in: Studien zum 15. Jahrhundert. FS E. Meuthen, hg. v. J. H./Heribert Müller, I, München 1994, 87–121; Dieter Mertens, Monastische Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts: Ideen – Ziele – Resultate, in: Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449), hg. v. Ivan Hlaváček/ Alexander Patschovsky, Konstanz 1996, 157–181. Ähnliches läßt sich auch für Italien, jedoch nicht für Frankreich konstatieren. Das ergibt sich indirekt aus Franz-Joseph Felten, Die Ordensreformen Benedikts XII. unter institutionsgeschichtlichem Aspekt, in: Institutionen und Geschichte. Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde, hg. v. Gert Melville, Köln u. a. 1992 (Norm und Struktur 1), 370 Anm. 2, 412 f. Anm. 123. In Frankreich

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Die Rechte seines Klosters, das sich ihm zunächst verweigert hatte, wußte der gelernte Kirchenjurist wahrzunehmen und zu mehren, ob es um die Restitution entfremdeter Besitzungen oder die Wiederbelebung der Wallfahrt zur Insel der Heiligen ging. Von Martin V. erlangte er ein Privileg, das Lérinspilger derselben Indulgenzen teilhaftig werden ließ wie Rom‑ und Jerusalemwallfahrer, und mit den Einwohnern des nahen Grasse stritt er dann um das alleinige Recht ihrer Überfahrt und Bewirtung19. Solch tatkräftiges Regiment veranlaßte im übrigen den Vorsteher des benachbarten Festlandbistums Senez, Jean de Seillons – er entstammte angevinischem Adel und war in Angers zum Rechtslizentiaten ausgebildet worden –, Montchoisi zu seinem Generalvikar zu bestellen20. Wirtschaftliche Konsolidierung war dem Abt jedoch kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung und Bedingung für monastische Disziplin wie für die Förderung von Studium und Kunst21. Dabei sah er in der Armut an sich keinen Wert; materielles Wohlergehen und geistige Blüte bedingten seiner Meinung nach einander: in aliquibus mundi regionibus, sicut in christianissimo regno Francie, ecclesie sunt insignes et oppulente, magnifice atque eleganter edificate, numerosis dotate redditibus et amplis diviciarum habundanciis iuxta illius christianissimi populi decenciam dilatate, in quibus, salva aliorum pace, per sublimes litteratos ac magne auctoritatis viros omnipotenti Deo deservitur cum majori solempnitate, mundicia, honestate et reverencia quam in aliis ecclesiis, in quibus viget assidua egestatis et penurie miseria22.

sind reformerische Ansätze größeren Stils (z. B. Cluny, Chezal – Benoît) erst seit dem späteren 15. Jahrhundert erkennbar; vgl. etwa Philibert Schmitz, Geschichte des Benediktinerordens, III, Einsiedeln – Zürich 1955, 191–207; Étienne Delaruelle / Edmond-René Labande / Paul Ourliac, L’Église au temps du Grand Schisme et de la crise conciliaire (1378–1449), II, Paris 1964 (HE XIV / 2), 1035–1057; Roger Aubenas/ Robert Ricard, L’Église et la Renaissance (1449–1517), Paris 1951 (HE XV), 282 ff. Allerdings bleibt das Wirken des „forerunner“ Montchoisi in seinem Bereich zu beachten. 19 Alliez, Histoire (wie Anm. 6), II, 270–277; Tisserand, Histoire (wie Anm. 6), 87; GC, III, 1204 f. (Urkunde); Moris, L’abbaye de Lérins (wie Anm. 6), 204; Antier, Lérins (wie Anm. 6), 245. Zum Streit des Abts mit Grasse: Gilette Gauthier-Ziegler, Histoire de Grasse. Depuis les origines jusqu’à la réunion de la Provence à la Couronne (1155–1482), Paris 1935, 210 f. u. n. LII. 20 GC, III, 1259. – Zu Jean de Seillons: Müller, Franzosen (wie Anm. 8), II, 718 f. mit Anm. 12; Marcelle-Renée Reynaud, La deuxième maison d’Anjou-Provence et la papauté (ca. 1380 – ca. 1434), in: Papauté, monachisme et théorie politique. Études d’histoire médiévale offertes a M. Pacaut, rass. par Pierre Guichard e. a., I: Le pouvoir et l’institution ecclésiale, Lyon 1994 (Coll. d’histoire et d’archéologie médiévales 1), 170. (Die aufgrund ihres Titels für unsere gesamte Studie relevant erscheinende Arbeit wird aber den durch die Überschrift geweckten Erwartungen kaum gerecht.) 21 Wie Anm. 19, zusätzlich Pesce, Ludovico Barbo (wie Anm. 4), I, 247 mit Anm. 2 (Codex); vgl. schon Vincent Barralïs, Chronologia sanctorum et aliorum virorum illustrium ac abbatum sacrae insulae Lerinensis, Lyon 1613, 177: „Gaufredus … abbas … decretorum doctor et in sacra pagina baccalaureus, vir eloquentissimus … ordinavit divinum officium cum summa discretione secundum regulam divi Benedicti …“. 22 Hussitentraktat, ed. Neumann, Francouzská Hussitica (wie Anm. 4), 97 f.

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Entscheidend für ihn, den Ordensmann, dürfte wohl die Begegnung mit dem Reformbenediktiner Ludovico Barbo geworden sein: Als dieser Abt von Santa Giustina / Padua und Vorsteher einer Reformkongregation23 1434 in Basel Zulassung als einer der von Eugen IV. bestellten Konzilspräsidenten begehrte, warb Montchoisi, der in jener auch theologisch zentralen Debatte über die Admissio die – wie gesagt – entscheidende Kompromißformel fand24, mit flammendem Lob um die Zustimmung der Väter zu einem Mann, der sich stets um die Anerkennung der Synode durch Eugen IV. und Venedig bemüht und vor allem eines verwirklicht habe, was auch erklärtes Ziel des Konzils sei: die Reform. Für Barbo verbürge er sich persönlich, denn dieser sei unter den um Zulassung Nachsuchenden unus, cuius notitiam habeo a XV vel XVI annis et ultra non ex sola fama, sed ex magistra rerum: experientia25. Folgen wir Barbos Biographen Luigi Pesce, dann dürfte die Bekanntschaft eben aus der Zeit um 1419/20 herrühren, als beide in Padua oder aber in Florenz am Hof Martins V. zusammentrafen26 – vielleicht hatte Montchoisi seine anstehende Ernennung zum Vorsteher von Lérins oder die Designation und Investitur seines Herrn als Nachfolger der Königin Johanna II. von Neapel durch den Papst nach Italien geführt. Genau damals aber war Barbo mit seinen Aktivitäten der entscheidende Durchbruch gelungen: Die Reform strahlte zunehmend über das heimatliche Venetien hinaus, und die von Martin V. erlassene Konstitution Ineffabilis summi providentia patris bedeutete faktisch die Gründung besagter Kongregation De unitate, zu der dann auch Lérins – allerdings erst seit 1515/16 – gehören sollte27. In diesem Geist wird Montchoisi sein Kloster geleitet haben, wo monastice discipline decus ac regularis observantie norma commenda23 Neben Pesce, Ludovico Barbo (wie Anm. 4), Schmitz, Geschichte (wie Anm. 18), 151– 266, und Ildefonso Tassi, Ludovico Barbo (1381–1443), Rom 1952 (Uomini e dottrine 1), sind aus neuerer Zeit vor allem die Publikationen von G. B. F. Trolese von Bedeutung: Ludovico Barbo e S. Giustina. Contributo bibliografico. Problemi attenenti alla riforma monastica del Quattrocento, Rom 1983; Riforma della chiesa, cultura e spiritualità nel Quattrocento Veneto (Atti del Convegno per il VI centenario della nascita di Ludovico Barbo, 1382–1443), a cura di G. B. F. Trolese, Cesena 1984 (Italia Benedettina 6). Kurze Überblicke bei A. Pratesi, Ludovico Barbo, in: DBI VI (1964), 244–249; M. Romanello, Ludovico Barbo, in: LexMA I (1980), 1446; M. Puzicha, Ludovico Barbo, in: LThK I (31993), 1405 f. 24  Monumenta Conciliorum Generalium seculi decimi quinti [MC], ed. Caesareae Academiae Scientiarum socii delegati, II, Wien 1873, 646; cf. Deutsche Reichstagsakten, XI: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigmund, 5. Abtlg.: 1433–1435, hg. v. Gustav Beckmann, Gotha 1898 (ND 1956), 196, 333 f. Anm. 3; Trolese, Ludovico Barbo (wie Anm. 23), 90 (n. 157); Pascal Ladner, Johannes von Segovias Stellung zur Präsidentenfrage des Basler Konzils, in: Zs. für schweizerische Kirchengesch. 62 (1968), 18. – Zur Sache 281–284. 25 Paris, BN, ms. lat. 3124, fol. 76r–79r, Zitat fol. 77v. Bemerkung des Schreibers: Oppinio abbatis sancti Honorati Lirinensis in materia presidencie etc. et sine quotacionibus, quia domini habent omnia jura in scrinio pectorum (fol. 76r). Die Barbo betreffende Passage der Rede ist – unkorrekt, da ohne Kenntlichmachen diverser Auslassungen – ediert bei Pesce, Ludovico Barbo (wie Anm. 4), II, 106 ff., Zitat 106 f. 26 Pesce, Ludovico Barbo (wie Anm. 4), I, 245 f. 27  G. B. F. Trolese, Ricerche sui primordi della riforma di Ludovico Barbo, in: Ders., Riforma (wie Anm. 23), 109–133. – Zugehörigkeit zur Kongregation von Santa Giustina 1515/16:

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biliter viget et floret, wie Martins Nachfolger Eugen IV., venezianischer Landsmann und Vertrauter Barbos, gleich zu Beginn seines Pontifikats feststellte28. Durch die Verbindungen zu Anjou wie seine Tätigkeit für die benediktinische Reform sollte der Abt in Basel also zu einer Schlüsselfigur werden – er stand für die causa reformationis, wie er für die konzilsgeneigte französische Partei stand, indes in ihrer moderaten angevinischen Ausformung: Mit ihm und über ihn konnten päpstliche und konziliare Anhänger im Gespräch bleiben.

II. Geoffroy de Montchoisi wurde vielleicht am 10. August 1433 in die Synode inkorporiert, falls die von Haller und Ammon postulierte Identität mit einem abbas de Lerne zutrifft, den das Protokoll an jenem Tag unter den neu hinzugekommenen Mitgliedern vermerkt29. Auf jeden Fall und spätestens weilte er seit dem 4. Dezember des Jahres in Basel, da er zusammen mit den Bischöfen von Fréjus und Digne, Jean Bélard und Pierre de Versailles, als Gesandter Ludwigs III. von Anjou wie als Vertreter der Bischöfe und Prälaten der Provence in die Versammlung aufgenommen wurde30. Diesem Datum ist m. E. eindeutig der Vorzug zu geben, da der Abt zwischen dem 10. August und dem 4. Dezember 1433 kein einziges Mal im Protokoll der Synode oder in der Konzilsgeschichte des Johannes von Segovia begegnet, während danach die Belegkette bis Oktober 1434 relativ dicht ist. Doch anders als Bélard oder der im Juni 1434 als weiteres Gesandtschaftsmitglied inkorporierte Kanzler und Praekantor der Kathedrale von Tours, Jean Laurent H. Cottineau, Répertoire topo-bibliographique des abbayes et prieurés, I, Mâcon 1935/36, 1588; D. Misonne, Lérins, in: LThK VI (21961), 976. 28 Vatikanstadt, Archivio Segreto Vaticano [ASV], Reg. Lat. 305, fol. 284 (zitiert nach Pesce, Ludovico Barbo [wie Anm. 4], I, 248 Anm. 2). 29  CB, II, 422; Johannes Haller: ebd., 619 s. v. „Lerne“; Hans Ammon, Johannes Schele, Bischof von Lübeck auf dem Basler Konzil. Ein Beitrag zur Reichs‑ und Kirchengeschichte des 15. Jahrhunderts, Diss. Erlangen, Lübeck 1931 (Veröffentl. zur Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck 10), 86. Vgl. Michael Lehmann, Die Mitglieder des Basler Konzils von seinem Anfang bis August 1442, Diss. (masch.) Wien 1945, 149; Dean L. Bilderback, The Membership of the Council of Basle, Diss. Washington D.C. 1966 [Microfilm: Ann Arbor 66–7868], 326. 30 CB, II, 532; MC, II, 528; vgl. Lehmann, Die Mitglieder (wie Anm. 29), 269. Gesandter Ludwigs III.: Martène, Histoire (wie Anm. 6), II, 315 (nach Martène war er möglicherweise mit dem Camerarius des Klosters von Marmoutier schon auf dem Konstanzer Konzil gewesen); Alliez, Histoire (wie Anm. 6), 280; Tisserand, Histoire (wie Anm. 6), 87 f.; GC, III, 1205. – Zu Jean Bélard: Müller, Franzosen (wie Anm. 8), I, 176 f. Anm. 24; zu Pierre de Versailles: Alfred Coville, Pierre de Versailles (1380?–1446), in: BECh 93 (1932), 208–260; Müller, Franzosen, II, 991 s. v. „Pierre de Versailles“; Ders., Pierre de Versailles, in: LexMA VI (1993), 2140 f.; Thomas Sullivan, Benedictine Monks at the University of Paris A. D. 1229–1500, Leiden u. a. 1995 (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 4), 338.

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Blondelet, die sich offensichtlich kaum am konziliaren Alltagsgeschäft beteiligten, und erst recht im Gegensatz zu Versailles, dessen dezidiert propäpstliche Haltung ihn zur bevorzugten Zielscheibe scharfer Attacken engagierter Konziliaristen vom Schlage eines Amédée de Talaru werden ließ31, zeigte Montchoisi als Mitglied der Kommundeputation von Beginn an uneingeschränkte Bereitschaft zu aktiver Mitarbeit. So wirkte er an den Beratungen über das Simonie‑ und Konkubinarierdekret wie über Änderungen im Gerichts‑ und Appellationswesen bzw. der Clementina II tit. 7 mit32; mehrfach wurde er für das Zwölfmännerkolleg und als Präkognitor nominiert33. Des weiteren bestellte man ihn auf Ersuchen des Kardinals Louis Aleman – als Erzbischof von Arles war dieser gleich ihm Prälat in der angevinischen Provence – zum Mitglied der mit dem Prozeß zwischen den Antonitern und der provenzalischen Benediktinerabtei Montmajour befaßten Kommission, wobei Montchoisi kaum gegen die Interessen eines Klosters des eigenen Ordens auf den Plan getreten sein dürfte, dessen Administrator und Kommendatarabt überdies Aleman hieß34. Selbstverständlich rekurrierten die Väter auch auf den Reformbenediktiner, wenn es um Fragen wie die Zulassung von Cluniazensern oder die Überprüfung von Kanonikerregeln ging35. Gleichfalls mit Bedacht wird er zum Mitglied jener Konzilsgesandtschaft bestellt worden sein, die im Mai 1434 zu Vienne bei Karl VII. vorstellig wurde, um auf einen Friedensschluß im Hundertjährigen Krieg hinzuwirken – es war Zeichen von Opportunität, aber auch zunehmender Bindung des Konzils an den französischen Hof, daß die Teilnehmer der Delegation wohl entsprechend ihrer Herkunft aus valoisnahen oder verbündeten Ländern ausgewählt wurden. Den Gesandten war somit ein freundlicher Empfang gewiß, wozu auch die Rede unseres Abts (regi laudes tribuens et gracias, exhortatus ad in proposito dande pacis perseveranciam) beigetragen haben mag36. Mochte die Sache selbst erst im nächsten Jahr andernorts und fast ohne Mitwirkung des Basiliense, nämlich auf französisch-burgundischen Ver31 Blondelet: Müller, Franzosen (wie Anm. 8), I, 311 ff. Der am 17. April 1434 pro domino rege Ludovico et patria Provinciae inkorporierte Jean Gérard, Sakristan von Aix-en-Provence, wird gar nur bei diesem Anlaß im Konzilsprotokoll erwähnt: CB, III, 73. – Zu Amédée de Talaru contra Versailles: ebd., I, 97 f., 176–179. 32  CB, III, 2, 176. 33 CB, III, 15, 36, 79, 147, 216. Vgl. Paul Lazarus, Das Basler Konzil. Seine Berufung und Leitung, seine Gliederung und Behördenorganisation, Berlin 1912 (ND 1965) (HS 100), 313, 338. 34 CB, III, 197, 201; cf. 259. Vgl. Luc Maillet-Guy, Saint-Antoine et Montmajour au concile de Bâle, in: Bull. Soc. d’archéologie et de statistique de la Drôme 61 (1927/28), 166. 35 CB, III, 22, 211. 36 CB, III, 77; MC, II, 708 (Zitat). Vgl. Joseph Toussaint, Les relations diplomatiques de Philippe le Bon avec le concile de Bâle (1431–1449), Löwen 1942 (RTHP III / 9), 84; Ders., Gilles Carlier, in: DHGE II (1949), 1047; Wipertus H. Rudt de Collenberg, Les cardinaux de Chypre Hugues et Lancelot de Lusignan, in: AHP 20 (1982), 108; Müller, Franzosen (wie Anm. 8), II, 653; Ders., Konzil und Frieden. Basel und Arras (1435), in: Träger und Instrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter, hg. v. Johannes Fried, Sigmaringen 1996 (VuF 43), 358 f.

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handlungen zu Nevers und Arras, entschieden werden, den Abt behielt Karl VII. jedenfalls in wohlwollender Erinnerung, wie sich 1436 erweisen sollte37. Bei der Mission nach Vienne lag Montchoisi sicherlich ganz auf der Linie der Karl VII. seit dessen Kindheit eng verbundenen Anjou, die inzwischen nach dem Sturz des Georges de La Trémoïlle 1433 am Hof unter Graf Karl von Maine, dem Bruder Ludwigs III., eine führende Position einnahmen38; sein starkes konziliares Engagement dürfte hingegen kaum ihren Beifall gefunden haben. Denn Anjou ging es, wie erwähnt, um die Nachfolge im Königreich Neapel und bedurfte dafür der Belehnung durch Papst Eugen IV., der wiederum zu Basel in offener Gegnerschaft stand und sich bekanntlich nur unter dem Druck widriger Umstände 1433 notgedrungen zu distanzierter Tolerierung der Versammlung bereitfand39.

III. Und in diesem Konflikt zwischen Papst und Konzil bezog Lérins obendrein gleich zweimal – als Theologe wie als Kirchenrechtler – in grundsätzlicher und entscheidender Weise Stellung: Zwei Traktate, überliefert in einer Handschrift mit Texten vornehmlich aus der Zeit des Großen Schismas und der Reformkonzilien aus dem Pariser Navarrakolleg – auf die Provenienz wird noch einzugehen sein –, die bislang unediert blieben und von der Forschung nicht beachtet wurden40, erweisen Montchoisi als derart exponierten Verfechter konziliarer Superiorität, daß die 37 Vgl.

287. Heribert Müller, Être conciliateur à l’époque conciliaire: Les Anjou et la cour royale face au concile de Bâle (1431–1449), in: St-Denis et la royauté. Études offertes à B. Guenée. Travaux réunis par Françoise Autrand e. a., Paris 1999 (HAM 59), 757–770. Zur Bedeutung des Charles d’Anjou/Karl von Maine am Hof Karls VII. (Thomas Basin: Is autem Karolus inter omnes aulicos regi carior semper atque proximior habebatur; Histoire de Charles VII, éd. et trad. par Charles Samaran …, II, Paris ²1965 [CHFMA 21], 58 [= l. IV, c. 9]) siehe u. a. Guy Duboscq, Charles d’Anjou, premier comte du Maine (1414–1473), in: ECh. Positions des Thèses 1933, 21–35; Auguste Vallet de Viriville, Charles VII, roi de France, et ses conseillers, Paris 1859, 19 f., 41 u. ö.; Pierre-Roger Gaussin, Les conseillers de Charles VII (1418–1461). Essai de politologie historique, in: Francia 10 (1982), 71, 74, 105 u. ö.; P. van Kerrebrouk, Les Valois, Villeneuve d’Ascq 1990, 316–321. 39 Vgl. Anm. 10. 40 Paris, Bibl. Mazarine, ms. 1687, fol. 90r–96r (Inc.: Facta est contencio inter discipulos Domini), 97r–104r (Inc.: Quia video nonnullos). Vgl. Auguste Molinier, Catalogue des manuscrits de la Bibliothèque Mazarine, II, Paris 1886, 166; Martène, Histoire (wie Anm. 6), II, 315. Weitere Überlieferungen des zweiten Traktats (freundl. Hinweis von Johannes Helmrath / Köln): Bologna, Bibl. univ., Cod. Lat. fol. 65r–75r; Barcelona, Arch. Capitular, ms. 16, fol. 21r–27r. – Für wertvolle Hilfe bei der Transkription danke ich Gabriele Annas/Köln. Nachdrücklich sei im übrigen darauf hingewiesen, daß nur einige Grundgedanken und Leitlinien dieser hier teilweise erstmals vorgestellten Traktate und anderen Schriften von Montchoisi skizziert werden können. Denn eine erschöpfende Behandlung oder gar Edition läßt sich im Rahmen eines Aufsatzes nicht leisten, der, wie schon im Titel der Studie zum Ausdruck kommt, vorrangig andere Ziele verfolgt. 38 Hierzu

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einleitende Charakterisierung als eines um Ausgleich und Mäßigung bemühten Vertreters der Anjou recht fraglich erscheint. Es steht auch kaum anzunehmen, daß der Abt sich erst während seiner nur knapp elfmonatigen Basler Zeit – bereits am 23. Oktober 1434 sollte er die licentia recedendi erhalten41 – darangemacht hätte, neben seinen vielfältigen Aktivitäten als Konzilsvater und Gesandter unter dem Eindruck der damals auf dem Höhepunkt ihrer Bedeutung stehenden Synode noch diese beiden Abhandlungen zu schreiben. Wenn auch Anhaltspunkte für eine eindeutige Datierung fehlen, so scheint die erste Schrift doch bereits 1431, und zwar in den Monaten zwischen Zusammentreten und versuchter Auflösung des Basler Konzils durch Eugen IV., verfaßt: Item novissime … fuit convocatum, institutum et ordinatum concilium generale in civitate Basilee celebrandum, in quo iam convenerunt prelatorum, principum, doctorum et aliorum christifidelium multitudo copiosa … Item prout a nonnullis asseritur, sanctissimus dominus noster papa modernus … prefatum generale concilium nititur dissolvere, mutare et ne celebretur impedire …42. Und so stehen denn auch für Montchoisi neben dem Problem, ob ein Generalkonzil prinzipiell und selbst gegen päpstlichen Einspruch zur Ausrottung von Häresien, Korrektur der Sitten und Schutz der Kirche vor Übel und Skandalen befugt sei, bezeichnenderweise Fragen im Zentrum wie diejenigen, ob ein Papst eine allgemeine Kirchenversammlung gegen deren Willen auflösen bzw. deren Abhaltung verhindern dürfe oder das Recht zur örtlichen und zeitlichen Verlegung besitze und ob die Generalsynode ihrerseits gegen einen ihren Entscheidungen zuwiderhandelnden römischen Pontifex vorgehen könne43. Wenn Montchoisi einleitend bekennt, daß die domus Dei – von ihm auch als pax et unitas ecclesie charakterisiert – nemo melius seu congruencius repraesentat quam concilium generale44, dann ist schon die Leitlinie für die zu findenden Antworten vorgegeben. Domus Dei oder corpus mysticum aber hat als Vorsteher, als wahres und untrennbares Haupt Jesus Christus, während der Papst lediglich vicarius est illius veri capitis ecclesie scilicet Jhesu Christi. Et licet vicarius revocetur ab vicariatu per mortem naturalem seu civilem, non propter hoc remanet ecclesia acephala, nec dicitur mortua, sed adheret suo vero et immortali capiti Jhesu Christo … Ecclesia semper habebit suum verum et immortale caput, quod est Christus Jhesus qui ait: Ecce ego vobiscum sum omnibus diebus usque ad consummacionem seculi. Et propterea in casu isto maius imminet periculum pape quam ecclesie, quia illud verum et immortale caput, quod est Christus, poterit ecclesie sue providere de alio vicario per ministerium electorum et maxime, cum claves ecclesie remaneant apud universalem ecclesiam, qui, ut premittitur, non moritur nec potest non esse45. Sehr stark hebt der Abt denn auch auf die Irrtumsmöglichkeit des Papstes 41 CB,

III, 234. Bibl. Mazarine, ms. 1687, fol. 90v /91r. 43 Cf. ebd., fol. 91r/v (primum – quartum dubium). 44 Ebd., fol. 91v. 45 Ebd., fol. 95v /96r. 42 Paris,

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ab46 – im zweiten Traktat sind alle nach spätmittelalterlicher Auffassung irrenden und fehlenden Nachfolger Petri von Marcellinus über Liberius bis Anastasius II. und Christophorus namentlich aufgeführt47. Von Petrus selbst heißt es, nicht er, sondern das Kolleg der zwölf Apostel habe das erste Konzil einberufen48, wie er im übrigen diesem Kreis interfuisse (bzw. dafür legacione functum fuisse), sed non … prefuisse49. Und nicht ihm, der seinen Herrn verriet und auch nach dessen Auferstehung noch mehrfach irrte50, sondern der ecclesia universalis habe Christus über und durch ihn die Schlüsselgewalt verliehen. Mt. 16,18 ff. findet bei Lérins also eine klar prokonziliare Ausdeutung, und dies gilt auch für die zweite Abhandlung, in der er gleichfalls feststellt: constat claves ecclesie non soli Petro concessas fuisse, sed ecclesie universali51. Ebendarum kommt der allgemeinen Synode beispielsweise auch das Recht zu, Indulgenzen zu gewähren: Quod autem concilium generale possit dare indulgentias apparet ex eo, quod potestas indulgendi peccata et remissiones faciendi procedit a potestate clavium, que fuerunt date ecclesie universali per Petrum … Cum ergo concilium generale universalem ecclesiam repraesentet, nulli dubium quin possit dare indulgentias …52. Das Ablaßthema könnte im übrigen die Möglichkeit einer zumindest groben Datierung des Traktats weisen, der sich gleich dem ersten genauerer zeitlicher Festlegung entzieht. Denn in der einleitenden Aufzählung der zu erörternden Themen ist auch von decreti interposicione de indulgentiis faciendis die Rede53, und man mag dies mit jener Basler Diskussion über einen Griechenablaß in Zusammenhang bringen, die im Gefolge der Abmachungen von September 1434 mit den Byzantinern wegen eines Unionskonzils aufkam und im Februar 1435 zu einem ersten Zwischenergebnis führte (die Dekretierung sollte allerdings erst im April 1436 erfolgen, und es bleibt überdies zu beachten, daß im Traktat nicht speziell von diesem Ablaß, sondern von Indulgenzen allgemein die Rede ist, in denen das Konzil nicht zuletzt eine wichtige Finanzquelle sah)54. Wie zu diesem Thema, so bezieht Montchoisi zu einer Vielzahl weiterer konkreter Einzelpunkte nunmehr als Doktor der Dekrete Stellung, der übrigens im Verlauf der Präsidentschaftsdebatte den Doktor der Dekrete Amédée de Talaru, Erzbischof von Lyon und Mitleiter der französischen Gesandtschaft, rühmte: 46 Ebd.,

fol. 93r. fol. 102v; cf. 103r: cum aliqui Romani pontifices reperti sunt habuisse et maculam heresis et rugam scismatis. 48 Ebd., fol. 92r. 49 Ebd., fol. 92r; cf. fol. 94r. 50 Ebd., fol. 93r; cf. fol. 103r. 51 Ebd., fol. 103v. 52 Ebd., fol. 100v. 53 Ebd., fol. 97r. 54 Helmrath, Basler Konzil (wie Anm. 4), 51 f.; vgl. auch Hartmut Welck, Konrad von Weinsberg als Protektor des Basler Konzils, Schwäbisch Hall 1973 (Forsch. aus Württembergisch Franken 7), 53. 47 Ebd.,

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eius stomacus est ita suffarcinatus legibus, canonibus et dictis doctorum, quod non potest omnia et singula et semel effundere – um ihm anschließend kanonistische Belehrung zu erteilen55: Wies der Abt den strikten Gegner einer Admissio vigore bullarum auf die Existenz seiner Position entgegenstehender Rechtsquellen hin, so legte er aber in seiner eigenen Schrift das Kirchenrecht durchgängig im Sinne des Konzils aus, sei es mit Blick auf dessen Kompetenz bei causae saeculares bzw. particularium personarum wie bei causae maiores, sei es bei Dispensvollmachten oder dem Recht zur Bestrafung von den Konzilsbesuch verweigernden Bischöfen oder die Synode behindernden Fürsten, sei es hinsichtlich der Möglichkeit einer Absetzung von Kardinälen und des Papstes selbst, an den gegen eine Konzilssentenz zu appellieren nach Meinung des Abts selbstverständlich unstatthaft ist – die angeschnittenen Themen zeigen, daß dieser Traktat vornehmlich über jurisdiktionelle Rechte auch als Beitrag zu der in Basel 1433 und 1436 geführten Debatte um ein Decretum irritans aufzufassen ist56. Mit emsiger Gelehrsamkeit weiß er eine Vielzahl von Belegen aus dem offen-ambivalenten Kirchenrecht für seine Sicht der Dinge vorzubringen, indes bleibt im verwirrenden Dickicht der Bestimmungen ein Grundprinzip stets klar erkennbar: iudex competens et capax cognitionis omnium causarum ist die allgemeine Synode57. Mag diese sich auch aus fehlenden und irrenden Teilnehmern zusammensetzen, mag sie von nicht minder irrenden und fehlenden Päpsten einberufen worden sein (de iure positivo konzediert ihnen der Abt diese Konvokation im Regelfall58); einmal zusammengetreten, repräsentiert sie als Ganzes unter Inspiration des Heiligen Geistes die irrtumslose Universalkirche, welche ihre Autorität direkt von Jesus Christus bezieht59. Daraus aber ergibt sich konsequent und abschließend: Et ideo, qui non recipiunt statuta sacri concilii generalis, nec catholicam fidem utiliter tenere nec sancta quatuor euuangelia efficaciter credere comprobantur60. In manchem erinnern beide Schriften trotz ihrer etwas differenzierteren Beweisführung an jenen Traktat De superioritate inter concilium et papam, den der lateinische Patriarch von Antiochien, Jean Mauroux, zu Basel im Anschluß an die Feier der Epiphanie 1434, also kurz nach der Ankunft von Lérins, im Franziskanerkloster zum Diktat vortragen ließ61: Klare Stellungnahmen, welche aber kaum neue Horizonte eröffnen; Produkte von nunmehr in dritter Generation zum

55 Paris,

BN, ms. lat. 3124, fol. 78v; vgl. Müller, Franzosen (wie Anm. 8), I, 60, 123. Bibl. Mazarine, ms. 1687, fol. 97v (causae saeculares bzw. particularium personarum), 100v–101r (Dispense), 100r (Strafrecht), 101r/v (Depositionsrecht). 57 Ebd., fol. 99r. 58 Ebd., fol. 103v. Um wie vieles differenzierter die Ausführungen eines Ragusa oder Segovia ausfallen, ließe sich an diesem Punkt exemplarisch demonstrieren; vgl. hierzu: Sieben, Apostelkonzil (wie Anm. 7), 112–115, 185–188. 59 Paris, Bibl. Mazarine, ms. 1687, fol. 103v. 60 Ebd., fol. 104r; zur Sache letztens Sieben, Apostelkonzil (wie Anm. 7), 223–257. 61 Vgl. Müller, Franzosen (wie Anm. 8), II, 559–564. 56 Paris,

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Thema schreibenden Autoren62, die angesichts einer schon zu Konstanzer Zeiten beklagten Traktatflut Originäres und Originelles kaum noch vorzubringen vermochten. Daß dies dennoch möglich war, zeigen Spitzenleistungen besagter Cusanus, Ragusa und Segovia, doch dürfte deren Werken wohl ein geringerer Grad an Repräsentativität für den „konziliaren Alltag“ als jenen Handreichungen und Zusammenfassungen eignen.

IV. Und dazu zählt sicherlich auch der gegen die Böhmen gerichtete „Libellus“ des Abts63, allein bei diesem Thema ist die Traktatfront der Zeit ungeachtet individuell unterschiedlichen Niveaus in der Sache selbst wesentlich geschlossener als bei der Frage nach der obersten Kirchengewalt. Mochte man noch so heftig um eine stärker monarchisch-papal oder korporativ-konziliar verfaßte Kirche streiten, so stellte doch niemand deren Existenz prinzipiell in Frage, wie es die Hussiten taten. Daß die militärischen Erfolge der Häretiker die Väter diskussionsbereit machten, ist kein Beweis konziliarer Toleranz, im Gegenteil: Die böhmische Herausforderung schärfte den Sinn für die Notwendigkeit der hierarchisch gegliederten Institution Kirche, die nunmehr in Wort und Schrift gegen alle hussitischen Angriffe ekklesiologisch wohlgesichert sein wollte64. Da die Basler, zugleich in Auseinandersetzung mit Rom stehend und päpstlicherseits wegen ihrer Ge62 Ich folge der Einteilung von Giuseppe Alberigo, Chiesa conciliare. Identità e significato del conciliarismo, Brescia 1981 (Testi e ricerche di scienze religiose 19), bes. Kap. VI: La terza generazione e il conflitto ecclesiologico a Basilea. 63 Paris, BN, ms. lat. 1506, fol. 126rb–137rb; Paris, Bibl. Mazarine, ms. 1683, fol. 50r–67v; ebd., ms. 1687, fol. 277r–294v: „Libellus adversus libellum famosum”. Edition: Neumann, Francouzská Hussitica (wie Anm. 4), 61–99. Cf. BN. Catalogue général des manuscrits latins, II, ed. Philippe Lauer, Paris 1940, 46; Molinier, Catalogue (wie Anm. 40), II, 160, 167. Vgl. Augustin Neumann, Francouzská Hussitica …, Olmütz 1923 (Studie a texty k naboženskym dějinám českym III / 2–4), 39; František M. Bartoš, Husitská revoluče, II: Vláda bratrstev a její pád, Prag 1966, 104 Anm. 18; K. Krofta, La France et le mouvement religieux tchèque, in: Le Monde slave 12 (1935), 342 f. Anm. 1; Ders., Francie a česke hnutí náboženské, Prag 1936, 51 f.: Aufsatz und Buch gehen auf einen an der Sorbonne 1935 gehaltenen Vortrag von Krofta zurück (vgl. RHE 32 [1936], 1058 f.), der am Ende jenes Jahres – nach der Wahl von Beneš zum Präsidenten – als tschechoslowakischer Außenminister berufen wurde und dieses Amt bis zu den bekannten Ereignissen im Herbst 1938 innehatte; vgl. Helmut Slapnicka, Die böhmischen Länder und die Slowakei 1919–1945, in: Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, IV, hg. v. Karl Bosl, Stuttgart 1970, 82, 96; Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder, II, hg. v. Heribert Sturm, München 1984, 313; Československý Biografický Slovník, Prag 1992, 369. 64 Grundlegend hierzu Helmrath, Basler Konzil (wie Anm. 4), 353–372; Ders., Kommunikation auf den spätmittelalterlichen Konzilien, in: Die Bedeutung der Kommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft, hg. v. Hans Pohl, Wiesbaden 1989 (VSWG. Beih. 87), 132 ff.; ebd. auch mit Recht kritisch-einschränkend zur vorgeblich ersten Manifestation von Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten, wie sie etwa H. Zimmermann in Basel entdeckt haben will.

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sprächsbereitschaft heftig attackiert, nicht den geringsten Anlaß zum Vorwurf von Häresienähe oder ‑begünstigung liefern durften, bezogen sie in der Sache selbst klar und streng Position. Dies trifft auch für den Traktat des Abts voll und ganz zu, bei dem überdies gleich von Beginn an ein ebenso aggressiv-polemischer wie spöttisch-herablassender Ton auffällt: Populus ille hebes sensu, rudis ingenio, obscurus intellectu, voce bovinus, sermone barbarus, ipsa eciam corporis forma aliis dissimilis, morum qualitate deformis, merito videtur equiparandus illi stulto populo, qui habitabat in Sichimis (Eccl. 50,28) … et forte non sine rei ac nominis consonancia a „boando“, quod est proprium pecoris, dicti sunt „Boemi“. Non est ergo mirum, si plebs illa feralis ferales ac beluinas sequitur opiniones65. Höhnisch wird der wiederholt als insensatus apostrophierte Hussit aufgefordert: Sed postquam forma illa primitive ecclesie tantum tibi placet, observa illam, Boeme et tu, qui domos vel agros possides, vade et vende omnia … 66. Hier schreibt jemand, der einem ihm fernen Volk truculentam rabiem unterstellt67, der bei der theologischen Diskussion mit den Böhmen in Basel persönlich nicht zugegen war, der sich lediglich auf jenes taboritische Manifest stützte, welches ihm Nicolas de La Chapelle in sein fernab den Ereignissen gelegenes Inselkloster gebracht hatte. Der Scholaster von Tours, wahrscheinlich identisch mit jenem königlichen Rat gleichen Namens, der im Frühherbst des Jahres 1433 kurz auf der Synode geweilt hatte, um die päpstlicherseits gegen den Erzbischof Philippe de Coëtquis von Tours – gleich Talaru einer der Leiter der französischen Konzilsdelegation – erhobenen Vorwürfe aufzuklären68, dürfte auf dem Rückweg von seiner Mission den ihm von Heimat und Studium her verbundenen Abt in Lérins aufgesucht und ihm bei dieser Gelegenheit jenen „Libellum famosum Bohemorum“ überlassen haben, denn Montchoisi dankt ihm einleitend: quia non immemor antique nostre amicicie inter nos Christo medio ab ineunte etate contracta, vestra gracia me dignatus estis (sic) in hac longinqua regione proiectum personaliter visitare et adversus diras, quas pertuli, corporis et anime passiones dulcia consolacionis remedia adhibere69. Der Abt, in seiner Isolation offensichtlich geradezu begierig auf solche Herausforderung, mag sich umgehend mit der Schrift auseinandergesetzt und so vielleicht schon bei seiner Inkorporation eine weitere, vorherrschenden Basler Ansichten voll und ganz entsprechende Referenz vorgelegt haben.

Dazu wiederum Winfried Eberhard, Der Weg zur Koexistenz: Kaiser Sigmund und das Ende der hussitischen Revolution, in: Bohemia 33 (1992), 13 mit Anm. 56. 65 Neumann, Francouzská Hussitica (wie Anm. 4), 62; kurz darauf heißt es: populus ille Iudaico imbutus spiritu (63). 66 Ebd., 90. 67 Ebd., 70. 68 Zur Causa Coëtquis und zur wahrscheinlichen Identität von Scholaster und Gesandtem s. Müller, Franzosen (wie Anm. 8), I, 238, 339 f. Auszug aus der königlichen Instruktion für La Chapelle bei Noël Valois, Le pape et le concile (1418–1450) (La crise religieuse du XV e siècle), I, Paris 1909, 273 Anm. 3. 69 Neumann, Francouzská Hussitica (wie Anm. 4), 61.

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Als Theologe weist er alle bekannten hussitischen Forderungen zurück, wobei er sich speziell mit dem Postulat persönlicher Dignität und Armut geistlicher Amtsinhaber auseinandersetzt. Dabei scheinen mir drei über den – eher konventionellen – Inhalt des Traktats hinausweisende Aspekte von besonderem Interesse: Zum ersten spielt für den Abt zwar weniger der Stand des Sünders als die Schwere und Dauer der Sünde eine Rolle, doch verdächtigt er grundsätzlich den Laien, leichter und häufiger die Gebote Gottes zu übertreten und sich obendrein noch seiner Verfehlungen öffentlich zu rühmen. Mehrfach läßt er dieses Mißtrauen gegenüber dem Laien als einem potentiell verstockten Sünder durchschimmern70 – und fügt sich damit bestens in ein Konzil, das ungeachtet seines vorgeblichen Egalitarismus und fallweiser Konzession des Stimmrechts auch an Laien aus Gründen politischer Opportunität letztlich einem geistlichen Elitarismus huldigte. Natürlich ist es, so Montchoisi, zuallerletzt an diesen Laien, gegen sündige und schlechte Priester vorzugehen. Daraus resultiert seine Überzeugung, daß derjenige, der aus solchen Motiven heraus kirchlichen Autoritäten heute den Gehorsam aufkündigen zu dürfen glaubt, seiner Meinung nach dies morgen auch gegenüber den Inhabern weltlicher Gewalt tun wird: Et circa hec multum deberent advertere domini imperator, reges, duces, comites, barones, milites, iudices, rectores aliique brachii secularis potestates, quia si predicta vulgaris plebis assercio procederet, ut videlicet non sit pape vel aliis ecclesie prelatis obediencia prestanda, nisi fuerint iusti et sancti, eadem posset racione concludi, non esse parendum potestatibus secularibus, nisi inquantum forent veri et efficaces iusticie ministri71. Hier findet sich – zweiter Aspekt – genau jene Argumentation, mit der Eugen IV. 1436 etwa in seinem „Libellus apologeticus“ die Fürstenhöfe Europas zu beeinflussen suchte, nunmehr aber gegen die Basler72. Indes, keiner der Konziliaristen plante revolutionären Umsturz in Kirche und Welt; der Böhmentraktat des Abts von Lérins steht vielmehr repräsentativ für einen systemimmanenten Reformimpetus (der allerdings theoretisch und ungewollt im Falle einer erfolgreichen Durchsetzung konziliarer Ideen durchaus ähnliche Konsequenzen hätte zeitigen können). Der Reformbenediktiner maß 70 Ebd.,

68; vgl. 92.  Ebd., 72; ähnlich 74 f. Selbstverständlich ist mit Hilfe des weltlichen Arms vorzugehen gegen huiusmodi mobilis et inconstantis vulgi temerarios ausus (74 f.). Daraus ergibt sich ein Zusammenwirken der gottgewollten Autoritäten, die hier mit der klassischen Metapher der beiden Leuchten eingeführt werden: Hii igitur duo gladii, due scilicet a Deo ordinate potestates, spiritualis et temporalis, tamquam duo luminaria magna in firmamento celi et regine (id est [?]) militantis ecclesie locata se mutua subvencione ad invicem suffragentur, nec se permittant subici vulgi iudicio (77). Am Rande fällt der Blick des offensichtlichen Caesarkenners (vgl. etwa Bellum Gallicum, VI, 13,14) auf die heidnische Vergangenheit des eigenen Landes, die fast schon Vor‑ und Leitbild scheint: Nam gentilitatis tempore templis et phanis ydolorum tantus deferebatur honor, maxime apud Gallias, ut templorum pontifices qui ‚druydes‘ appellabantur in regimine populi et utriusque gladii exercicio supremam haberent potestatem, ita ut nullus esset, qui posset iudicare de persona vel statu hominis druydibus inconsultis (88). 72 Zum „Libellus apologeticus“ vgl. Helmrath, Basler Konzil (wie Anm. 4), 101  f. mit Anm. 94; Müller, Franzosen (wie Anm. 8), II, 824 mit Anm. 64 a (ebd. weitere Literaturangaben). 71

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des weiteren, wie bereits erwähnt, der Armut keinen absoluten Wert bei; in einer ausreichenden materiellen Grundlage, die sowohl naturalis ratio als auch göttliches Gebot erfordern, sah er vielmehr die unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiche geistliche Tätigkeit wie für eine Vielzahl guter Werke73. Wer generell strikte Armut für alle Träger eines geistlichen Amts predigt, läuft seiner Ansicht nach obendrein Gefahr, daß sich die besten und fähigsten Geister, derer die Kirche so dringlich bedarf, nicht mehr zur Übernahme eines solchen Amts bereitfinden74; letztlich nimmt er sogar das Risiko neuer Sünde in Kauf, weil Armut nicht selten zu Vergehen und Verbrechen führt75. Und die Urkirche? Sie bedurfte keiner materiellen Basis, da sie noch nicht ihre Gestalt als Institution gefunden hatte (quia necdum completum erat)76. Lérins erweist sich – dies gilt es zum dritten festzuhalten – als ein mit beträchtlichem Geschick historisch argumentierender Autor: Eine jede Zeit stellt die Kirche vor andere und neue Aufgaben und Probleme, die sich nicht nach generell gültigen Maximen bewältigen lassen. Der historische Kontext erfordert fallweise abgestimmtes Vorgehen, d. h., daß die sancta mater ecclesia circa possessiones et rerum temporalium usum pro temporis qualitate alium vivendi modum susceperit77. Distingue ergo tempora, Boeme, Julianista, Apostolice, Hussista, heretice78: Lebensformen der Urkirche lassen sich nach Jahrhunderten des Aufstiegs und der Ausbreitung nicht mehr aufrechterhalten; schon Hilarius, des Autors früher und großer Vorgänger im Mönchtum von Lérins, sah sich als Vorsteher des Bistums Arles von Amts wegen verpflichtet, das Gut seiner Kirche zu bewahren und zu mehren79. Und schließlich kann in Menschenhand alles zum Guten wie Bösen ausschlagen – dies gilt für den Besitz, wie es für Wissen und Wissenschaft gilt (pari modo dicere poteris de sciencia, que eciam prebet occasionem superbie80) –, es kommt stets auf den verantwortungsvollen Umgang mit den Dingen an. In seinen Grundsatzschriften zur obersten Kirchengewalt von strenger Konsequenz, in seiner Zurückweisung der böhmischen Häresie von teilweise schneidender, ja beleidigender Schärfe, gibt sich Montchoisi, wenn es um konkrete Aufgaben und Probleme der Kirche in dieser Welt geht, als von der Praxis der Klosterleitung geprägter Realist, den offensichtlich erst Eugens IV. Unerbittlichkeit gegenüber Basel selbst unerbittlich und erst böhmischer Rigorismus selbst rigoros werden ließ.

73 Neumann,

Francouzská Hussitica (wie Anm. 4), 83 f., 94. 96 f. 75 Ebd., 94 f. 76 Ebd., 87 f. 77 Ebd., 89. 78 Ebd., 88. 79 Ebd., 89 f. (vgl. Anm. 12). Nach Pesce (Ludovico Barbo [wie Anm. 4], 247 mit Anm. 2) schenkte der Abt der Synode eine vom Bibliothekar seines Klosters mit reichem Miniaturschmuck ausgestattete „Vita s. Honorati“. 80 Neumann, Francouzská Hussitica (wie Anm. 4), 96. 74 Ebd.,

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V. Konzilstraktate und Böhmenschrift erweisen mithin seine Prinzipienfestigkeit wie letztere zugleich von seiner Bereitschaft zeugt, entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen und Erfordernissen durchaus flexibel zu reagieren. Dazu sollte ihm konkret nun jene Debatte des Basiliense über die Zulassung päpstlicher Präsidenten im Frühjahr 1434 Gelegenheit bieten, von der einleitend die Rede war81. Ihm, dem erklärten Konziliaristen, gelang es damals, nach Wochen heftiger Auseinandersetzungen, einen für die päpstliche wie synodale Partei akzeptablen Kompromiß zu finden. Seit dem 10. März 1434 als Delegierter der Kommundeputation an den Beratungen über die Admissio beteiligt82, dürfte er in dem Zeitraum zwischen seiner Nominierung und seiner Präsentation der Einigungsformel am 21. April 1434 auch den Traktat in materia presidencie verfaßt haben, der noch deutlich das erregte Diskussionsklima jener Tage spüren läßt, wenn es beispielsweise von Juan González, dem Bischof von Cádiz, heißt, er habe cum ingenti spiritus fervore et valido vocis clamore gepredigt83. Überliefert ist dieser Traktat im Codex Latinus 3124 der Pariser Nationalbibliothek, gleich den anderen Handschriften mit Abhandlungen von Montchoisi aus dem Navarrakolleg stammend, wobei diese allesamt bis auf eine Ausnahme (Paris, Bibl. Mazarine, ms. 1687) mit Gilles Carlier eines der hervorragendsten theologischen Talente dieser Stätte als ersten Besitzer hatten. Der Dekan von Cambrai, wie er meist in den Basler Quellen genannt wird, war eben wegen seiner theologischen Kompetenz – möglicherweise hieß sein Lehrer Jean Gerson – wie auf Grund persönlicher Erfahrungen mit Ausläufern der hussitischen Häresie in seiner Heimat Artois-Flandern von den Basler Vätern für die Böhmendiskussion und ‑delegation ausgewählt worden84. So erstaunt nicht, daß 81 Belege s. Anm. 24. Zuletzt zur Sache, indes ohne Erwähnung des Abts, Gerald Christianson, Nicholas of Cusa and the Presidency Debate at the Council of Basel, 1434, in: Nicholas of Cusa on Christ and the Church …, ed. by G. C. /Thomas M. Izbicki, Leiden – NewYork– Köln 1996, 87–103. 82 CB, III, 43. 83  Paris, BN, ms. lat. 3124, fol. 76r–79r (vgl. Anm. 25 sowie Anm. 88: Baluze), Zitat fol. 77v = Pesce, Ludovico Barbo (wie Anm. 4), 107, der ebd. Anm. 1 Gadicensis irrigerweise mit Juan de Torquemada identifiziert. Zu González: Jürgen Miethke, Die handschriftliche Überlieferung der Schriften des Juan González, Bischof von Cádiz († 1440) …, in: QFIAB 60 (1980), 275–324; und besonders Erich Meuthen, Juan González, Bischof von Cádiz, auf dem Basler Konzil, in: FS H. Jedin zum 75. Geburtstag, II (AHC 8 [1976]), 250–293. – Im übrigen käme als Terminus post quem für die Abfassung des Traktats theoretisch auch der 5. Dezember 1433 in Frage, als Eugen IV. das Konzil definitiv anerkannte, worauf Montchoisi sich ausdrücklich bezieht (fol. 78r = Pesce, Ludovico Barbo, 108). 84 Belege bei Müller, Prosopographie (wie Anm. 5), 162 mit Anm. 118–122; vgl. Ders., Franzosen (wie Anm. 8), II, 906 s. v. „Aegidius (Gilles) Carlier“. Zum dort angegebenen Artikel von Joseph Toussaint über Gilles Carlier (vgl. auch Anm. 36) ist ergänzend der Nachtrag im DHGE XX (1984), 1361 f. zu konsultieren. Möglicherweise ist in diesem Zusammenhang auch eine (noch) ungedruckte, mir nicht zugängliche Thèse von Nathalie Gorochov von Inter-

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Carlier besonderes Interesse für den Hussitentraktat des Abts bekundete, den er eigenhändig kopierte (Paris, BN, ms. lat. 1506)85 und der zudem in einer ihm gehörenden, teilweise ebenfalls von ihm geschriebenen Handschrift (Paris, Bibl. Mazarine, ms. 1683) wie in dritter Überlieferung in einem Manuskript aus dem Pariser Kolleg (ebd., ms. 1687) zu finden ist, in dem gleichfalls die beiden Konzilstraktate aufgezeichnet sind86. Die Existenz einer weiteren, heute verschollenen Handschrift aus diesem „Navarra-Carlier-Komplex“ bezeugt ein „Indice des actes manuscrits du concile de Basle qui se trouvent dans la bibliothèque du collège de Navarre“ aus dem 18. Jahrhundert (Paris, BN, ms. lat. 1498). Danach fehlten bereits zur Zeit von dessen Anlage dreizehn Stücke in diesem Codex, wie der Schreiber der Liste durch einen Vergleich mit dem Inhaltsverzeichnis der Handschrift ermittelte87 – darunter der Präsidentschaftstraktat des Abts (Nr. 8)88, der „Tractatus de potestate et authoritate … plenariorum conciliorum ab eodem“ (Nr. 7) und ein „Scriptum de electione domini Eugenii papae, domini Gauffridi abbatis S. Honorati Lirinensis“ (Nr. 6). Inhalt und Tendenz dieses verschollenen „Scriptum“ lassen sich allenfalls vermutend erschließen: In den beiden Konzilstraktaten findet sich kein Hinweis, daß Montchoisi die Wahl dieses Papstes wegen der Capranica-Affäre in Zweifel gezogen hätte, und ihm wäre wohl in diesem Fall bei seinem späteren Wechsel in das Abbatiat von St-Germain-des-Prés auch kaum die volle Gunst Eugens IV. zuteil geworden. Zum Inhalt: Die von Gilles Carlier eigenhändig mit Randnotizen – meist haben sie den Charakter von Kapitelüberschriften – versehene Stellungnahme des Abts zur strittigen Admissio vigore bullarum der päpstlichen Konzilspräsidenten enthält zwar etliche uns wohlbekannte Positionen, so wenn davon die Rede ist, die im Regelfall vom Papst einberufene allgemeine Synode empfange nach ihrem Zusammenkommen als concilium generale tamquam universalis ecclesie representativum esse: Le collège de Navarre de sa fondation (1305) au début du XV e siècle (1418). Histoire de l’institution, de sa vie intellectuelle et de son recrutement, Paris 1994 [jetzt gedruckt: Paris 1997 (Études d’histoire médiévale 1)]. 85  Das ergibt ein Vergleich mit Autographen (Register, Randnotizen) in Paris, BN, ms. lat. 1503, 1507 und 1548; vgl. auch ebd., ms. lat. 1506, fol. 144ra: Explicit posicio catholica contra errorem circa punicionem peccatorum a me Egidio Carlerii decano ecclesie Cameracensis composita manu propria scripta, s. ebenfalls fol. 161ra. 86 Vgl. Anm. 63 und 40. Auf den Buchbesitz von Gilles Carlier sowie die von ihm der Bibliothek des Navarrakollegs vermachten Basiliensia geht im Rahmen ihrer ungedruckten Thèse (ECh) ein Isabelle Chiavassa-Gouron, Les lectures des maîtres et étudiants du collège de Navarre. Un aspect de la vie intellectuelle à l’université de Paris (1380–1520); vgl. ECh. Positions des Thèses 1985, 35 f. 87 Paris, BN, ms. lat. 1498, fol. 4r. 88 Von ihm müssen also mindestens zwei Überlieferungen existiert haben, was auch Étienne Baluze (1630–1718) belegt, der sich für seine Kopie (Paris, BN, Coll. Baluze 31, fol. 102r–103v) auf die Codices 4273 der Bibliotheca regia und 2667 der Bibliotheca Colbertina bezieht. Zur Sammlung von Basiliensia durch Baluze s. Heribert Müller, L’érudition gallicane et le concile de Bâle (Baluze, Mabillon, Daguesseau, Iselin, Bignon), in: Francia 9 (1981), 531–555 [in diesem Band: 1–30].

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immediate … potestatem a Christo89, oder daß päpstliche Präsidenten – wie einst Petrus – non president concilio, sed in concilio90. Und weil das sacrum concilium in hiis, que tangunt fidem et generalis status ecclesie reformacionem, sit supra papam, ipso tamen papa incluso in concilio, nulli dubium quin possit bullas super hoc confectas non solum limitare, sed etiam earum supplere deffectus91. Dies aber komme vor allem dem vom Papst ja selbst bestellten ersten Konzilspräsidenten Giuliano Cesarini zu, in dessen Integrität Montchoisi offensichtlich ebenso großes Vertrauen setzte92 wie in Ludovico Barbo, dessen Aufnahme als einer der weiteren päpstlichen Präsidenten anstand. Sie durchzusetzen ist das eigentliche Ziel des Traktats, der in seinen Kernpassagen zum Hymnus auf den im benediktinischen Reformgeist verbundenen Freund wird93. Geschickt hebt Lérins, wie erwähnt, auf die Verdienste des Abts von Santa Giustina um die Reform ab, derentwegen sich auch die Väter zusammengefunden hätten, um seine eigenen Leistungen in diesem Zusammenhang bewußt hintanzustellen. (Ideo loquor de reformacione sicut clericus de armis et de ea iudico ut cecus de coloribus94.) Und deshalb stehen nunmehr alle Zeichen auf Ausgleich und Versöhnung. Obscuritas seu etiam dubietas in den päpstlichen Zulassungsbullen?: Totum est reparabile95. Die Gunst dieses Papstes, dem in den Konzilsschriften noch enge Grenzen gewiesen wurden?: Keinesfalls darf sie verscherzt werden, weil Eugen IV. ja für Barbo hohe Wertschätzung hegt und er zudem erst kürzlich ein deutliches Zeichen seines guten Willens gesetzt hat: Item quia notum est pene omnibus, quod prefatus dominus abbas est gratus et acceptus domino nostro pape et de eius conscientia multum confidit, et si forte quod absit repelleretur, ipse dominus noster papa per amplius irritaretur quam forte pro repulsione cuiuscumque alterius, et ob hoc … sacrum concilium nullomodo debet querere occasiones irritandi seu exacerbandi spiritum ipsius domini nostri pape, attenta eius maxime benigna et plenissima adhesione96. Um den – von ihm übrigens nach dem Schema der vier bzw. drei Ursachen abgehandelten97 – Streit angesichts der mehrheitlich gegen eine Admissio vigore bullarum eingestellten Väter98 doch noch einem guten Ende zuzuführen, macht 89 Paris,

BN, ms. lat. 3124, fol. 76v.  Mit dieser Randglosse faßt Gilles Carlier ebd., fol. 77r treffend die Ausführungen von Lérins fol. 76v / 77r zusammen. 91  Ebd., fol. 78v. 92 Ebd., fol. 77r/v, 78v. 93 Diese Passage wurde von Pesce, Ludovico Barbo (wie Anm. 4), ediert (vgl. Anm. 25). 94 Paris, BN, ms. lat. 3124, fol. 77v = Pesce, Ludovico Barbo (wie Anm. 4), 107. 95 Ebd., fol. 78v. 96 Ebd., fol. 78r = Pesce, Ludovico Barbo (wie Anm. 4), 108. 97 Ebd., fol. 76r: Video controversias seu difficultates ingeri circa tres causas principales, que in quolibet actu perfecto solent concurrere, videlicet causam efficientem, materialem et formalem. De finali non loquor, quia estimo juris presumpcione, quod quilibet tendit ad bonum finem. – Das Fehlen der Belege begründet der Schreiber: quia domini habent omnia jura in scrinio pectorum (ebd.); vgl. Anm. 25. 98 Bekanntlich hatte sich der zur ersten Untersuchung und Überprüfung der Bullen eingesetzte „Großausschuß“ am 24. Februar 1434 mit überdeutlicher Mehrheit, sicherlich nicht zuletzt auf Grund der Erfahrungen mit päpstlichen Präsidenten ein Jahrzehnt zuvor auf dem Konzil von Pavia – Siena, gegen eine Admissio vigore bullarum ausgesprochen: MC, II, 617. Vgl. 90

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Montchoisi schließlich den wenig originellen, indes gerade für Basel typischen Vorschlag, es solle eine damit befaßte (weitere) Kommission gebildet werden: Ego sum cum deliberacione dominorum de pace, videlicet quod dentur deputati aliqui de ista sacra deputacione et de quolibet statu, qui habeant convenire, tractare cum ipsis dominis legatis super interpretatione, limitatione seu supplemento contentorum in dictis bullis et spero, quod ipsi domini erunt contenti99. Contenti – vor allem der vom Papst entsandte Freund der Konziliaristen soll und darf keinesfalls enttäuscht werden, und so kämpfte Lérins weiter, bis er schließlich nach langen, intensiven und zermürbenden Diskussionen und Verhandlungen, an denen auch die kaiserliche Seite beteiligt war, am 21. April 1434 selber die für alle akzeptable Vermittlungsformel fand100. Danach wurde, wie von Kardinal Albergati verlangt, jener Satz, daß die Synode auch ohne Einwilligung der Präsidenten gültige Beschlüsse fassen könne, zwar aus dem Text des Zulassungsdekrets gestrichen, doch ein geschickter Formulierungskunstgriff ließ die Sache selbst Bestand haben. Hören wir Segovia: Deputatis igitur, quoniam vexacio intellectum dabat, multas aperientibus vias, ut effectus clausule quouis modo in decreto exprimeretur, abbas sancti Honorati, deputatorum unus, aperuit, quod post verba illa „cum infrascriptis condicionibus et clausulis“ dici posset „plenissimum robur et effectum per omnia habituris“101.

VI. Wortkunst – daß solchem Scheineinigungswerk auf Dauer kein Erfolg beschieden sein konnte, interessiert hier aber weniger als dessen Architekt, der damit nämlich nicht nur Ludovico Barbo einen Freundschaftsdienst erwies, sondern sich auch, politisch ungleich gewichtiger, im Dienste der Anjou bewährte, deren Interessen der Ausgleich des – sit venia verbo – „conciliariste conciliateur“ voll und ganz entsprach. Abhängig von der päpstlichen Belehnung mit dem Königreich Sizilien in der Nachfolge Johannas II. von Anjou-Durazzo, hieß es für sie, in der Gunst Eugens IV. zu stehen, ohne jedoch ein Basler Konzil zu ignorieren oder gar zu verärgern, das sich grundsätzlichen Wohlwollens seitens des königlichen Verwandten Karl VII. wie dessen Berater erfreute und spätestens seit 1433 auch als festetabliertes kirchliches Leitungsorgan zu gelten hatte. Dieser Tatsache trugen u. a. Johannes Haller, in: CB, I, 22; Gerhard Kallen, in: Cusanus-Texte, II / 1, Heidelberg 1935 (Sitzungsber. der Heidelberger Akad. der Wissenschaften, philos.-histor. Kl., Jg. 1935/36, 3. Abh.), 51; Ladner, Johannes von Segovias Stellung (wie Anm. 24), 16; Christianson, Nicholas of Cusa (wie Anm. 81), 96. – Zur Rolle der päpstlichen Präsidenten in Pavia – Siena s. Walter Brandmüller, Das Konzil von Pavia – Siena 1423–1424, I, Münster 1968 (VRF XVI / 1), Kap. IV, bes. 232 ff.  99 Paris, BN, ms. lat. 3124, fol. 78v /79r. 100 Den Gang der Debatte zeichnete zuletzt Christianson, Nicholas of Cusa (wie Anm. 81), 92–97 nach. 101 MC, II, 646 (vgl. Anm. 24); s. auch Christianson, Nicholas of Cusa (wie Anm. 81), 97.

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die Anjou denn auch am Ende desselben Jahres mit der Entsendung besagter Delegation an den Rhein Rechnung, wie sie andererseits noch wenige Monate zuvor, im Juli 1433, unverzüglich und unmißverständlich reagiert hatten, als Eugen IV. von den Vätern suspendiert zu werden drohte. In Zusammenarbeit mit Bischof, Klerus und Universität von Angers ließ Yolande von Aragón damals Avisamente erarbeiten, die ihrem Schwiegersohn Karl VII. die gefährlichen Folgen von Suspension und daraus möglicherweise resultierender Absetzung des Papstes durch die Basler auch für das Königreich vor Augen führen sollten102 – es sind genau jene Konsequenzen, welche der Abt von Lérins in seinem Böhmentraktat für die weltliche Gewalt beschwor. Und in offenkundiger Abstimmung mit Yolande trat damals gleichfalls der königliche Beichtvater Gérard Machet mit einer Denkschrift auf den Plan, für deren Inhalt er wiederum die förmliche Billigung der Universität Angers einholte. Schon einleitend stellt er unmißverständlich fest: Ex jure divino, non humana institutione debet in ecclesia universali esse unus summus pontifex. Istud trahitur ex textu evangelii de Petri institutione a Christo immediate in papam. Und Petri Nachfolger hieß für ihn seit 1431 unzweifelhaft Eugen IV.: Electio valida est nec infirmari potest103. So gewinnt im übrigen auch die Vermutung an Wahrscheinlichkeit, daß der anjouverbundene Montchoisi in seinem verlorenen Traktat Wahl und damit Legitimität dieses Papstes wohl kaum in Frage gestellt haben dürfte. Dennoch neigte er innerhalb des Spektrums der angevinischen Partei vor Ort wie in Basel – neben Mathieu Ménage, dem Konzilsprokurator des Bischofs und Kathedralkapitels von Angers104 – zweifellos am stärksten den Ideen und Idealen der Synode zu. Es bleibt auch zu fragen, ob er ohne seine Verbundenheit mit Ludovico Barbo ebenso mäßigend und ausgleichend in der Präsidentschaftsdebatte gewirkt hätte. Durchaus mögliche Konflikte zwischen Überzeugung und Amtsgewissen auf der einen, Gesandtschaftsauftrag und Loyalität gegenüber den fürstlichen Protektoren seit frühen Tagen auf der anderen Seite blieben Montchoisi indes erspart – spätestens in der durch die Ortsdebatte 1436/37 zu102

 Valois, Le pape et le concile (wie Anm. 68), I, 271 f. (272 Anm. 1–3 kurze Textauszüge). Bibl. Medicea Laurenziana, Plut. 16.3, fol. 92r–93r, Zitate fol. 92r, 93r. Vgl. Valois, Le pape et le concile (wie Anm. 68), I, 275 mit Anm. 1; Müller, Franzosen (wie Anm. 8), I, 355. – Zu Gérard Machet s. ebd., 346–368; Xavier de la Selle, Le service des âmes à la cour. Confesseurs et aumôniers des rois de France du XIIIe au XV e siècle, Paris 1995 (Mém. et doc. de l’ECh 43), 278 ff., 352 s. v. „Machet (Gérard)“. 104 Er nahm ebenfalls, und zwar in einer auch für Segovia relevanten Weise, zur Frage der Konzilspräsidentschaft Stellung; cf. MC, II, 615: Erat igitur plenitudo potestatis in ecclesia velut in toto potestativo, quemadmodum in anima hominis, que potest perficere omnes operaciones hominum [homini] competentes non per unam, sed per omnes eius potencias; potestas vero ecclesie a Christo esset immediate, et quamuis papa esset ministeriale caput, dici non poterat eque dignitatis et preeminencie esse ut ecclesia, que totum erat. Vgl. Anthony Black, Council and Commune. The Conciliar Movement and the Fifteenth-Century Heritage, London – Shepherdstown 1979, 55, 138, 140, 142. Zu Person und Umkreis von Mathieu Ménage s. Müller, Prosopographie (wie Anm. 5), 166 ff. 103 Florenz,

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gespitzten Situation hätte er ihnen wohl kaum entrinnen können105 –, weil er ja bereits am 23.X.1434 vom Präsidenten der Kommundeputation Louis de Lapalud offensichtlich problemlos und ohne Auflagen die licentia recedendi erhielt106. Die Gründe seines frühen Abgangs kennen wir nicht; kein Indiz deutet auf ein Zerwürfnis mit der Synode, keinen Anlaß sahen damals die Anjou während einer Periode leidlichen Ausgleichs zwischen Konzil und Papst, ihre Gesandten zurückzubeordern – die anderen Delegierten blieben denn auch am Ort. Jene Bulle, durch die Montchoisi von Eugen IV. am 22. Juni 1436 in der Nachfolge des Jean Bourron zum Abt von St-Germain-des-Prés bestellt wurde, deutet auf gesundheitliche Probleme: apud ipsum monasterium sancti Honorati propter aeris maritimi, sub quo consistit intemperiem regionis quoque conditiones illius, commode personaliter residere non vales. Währten sie schon länger und waren sie so gravierend, daß sie den Abt auch in Basel beeinträchtigten107? Oder aber erforderten Angelegenheiten des Klosters seine Abreise? Diese päpstliche Provision, übrigens zu einem Zeitpunkt erteilt, da auch Ludovico Barbo an der Kurie weilte108, ließ Lérins nach fast zwei Jahren erstmals wieder in Basel aktenkundig werden: Das Protokoll vermerkt zum 3. August 1436, der Generalkongregation habe eine Supplik des vom Konvent gewählten Dreux (Drogo) de Montaudier vorgelegen, und zwar des Inhalts, das Konzil möge ihn gegen den widerrechtlich von Eugen IV. providierten Montchoisi bestätigen (non expectata electione, sed eam preveniendo et contra decretum de electionibus huius sacri concilii attemptando)109. Ein weiterer Eintrag vom 3. Dezember 1436 belegt, 105 Niemand anderer als René von Anjou selbst, der in Nachfolge seines älteren Bruders Ludwig III. Anspruch auf Neapel erhob, tat im Juni 1437 durch einen Beauftragten seine Zwangslage den Avignonesen kund, für deren – an die angevinische Provence angrenzende – Stadt sich die Basler Väter am 5. Dezember 1436 mit großer Mehrheit und entgegen päpstlichen Vorstellungen als Ort des künftigen Unionskonzils mit den Griechen entschieden hatten: quia a domino nostro papa tenebatur in feudum regimen suum Cecilie, ipse dominus prefato domino nostro pape obligatus erat eumque sustinere et deffendere debebat … si dictus dominus noster papa aliquid, quod forsan Avinionensibus ipsis displiceret, sibi committeret, non posset negare, licet invitus et conpulsus hoc faceret (CB, V, 301). 106 CB, III, 234 (vgl. Anm. 41). 107  Vatikanstadt, ASV, Reg. Lat. 346, fol. 164v; zit. nach Pesce, Ludovico Barbo (wie Anm. 4), 247 Anm. 1. – Andererseits bliebe zu fragen, ob die Rückkehr ausgerechnet in das dem Abt so unbekömmliche Klima von Lérins angebracht schien. 108 Pesce, ebd. – Für die in der Literatur (Martène, Histoire [wie Anm. 6], II, 318; Alliez, Histoire [wie Anm. 6], II, 281; GC, III, 1205; Tisserand, Histoire [wie Anm. 6], 88; Pesce, Ludovico Barbo [wie Anm. 4], 246 f.) wiederholt zu lesende Behauptung, Montchoisi sei Ende 1435 oder zu Beginn des Jahres 1436 von den Baslern mit einer Mission zu Eugen IV. betraut worden und habe bei dieser Gelegenheit seine Translation bewirkt, habe ich bislang keinen Beleg gefunden. 109 CB, IV, 233; vgl. GC, VII, 463 (danach soll auch Montchoisi den Streit vor das Konzil getragen haben, wofür sich in den Basler Quellen aber kein Hinweis findet). Zur Wahl von Montaudier und der endgültig erst 1439 mit dem Abbatiat von Hervé Morillon gelösten Nachfolge des Jean Bourron s. auch kurz Bernard Guenée / Françoise Lehoux, Les entrées royales françaises de 1328 à 1515, Paris 1968, 81 f. Anm. 6.

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daß zumindest die Kommundeputation dazu neigte, dem Gesuch stattzugeben110. Doch nur wenige Tage später wußten die Väter – auf Grund einer weiteren Eingabe des Elekten? –, quod bone memorie dominus Gaufridus olim abbas S. Honorati nuper vita functus (est) in ipso monasterio S. Germani111. Offensichtlich hatte er sich also vor Ort zunächst gegen den ehemaligen Abt von St-Pierre-le-Vif / Sens durchsetzen können, starb aber schon bald darauf  – an den Folgen alten Leidens oder aber vergiftet von seinen Gegnern? Anscheinend kursierten solche Gerüchte; nach L. Pesce „non è da escludersi la morte violenta nel clima di ormai netta opposizione tra i conciliari di Basilea e Eugenio IV“112. Ob sich die Auseinandersetzungen um die rechte Kirchenordnung fern von Basel zu tödlicher Feindschaft steigerten, sei doch bezweifelt. Falls das Gerücht überhaupt zutrifft, mag man eher einen Mord von Reformgegnern vor Ort annehmen, die in der Tat Furcht vor dem neuen Regiment hegen konnten. Gerade auf das Wirken des Abts in St-Honorat hob Eugen IV. in der Provisionsbulle ab, um überdies zu erwähnen, der französische König habe eigens darum gebeten, ut etiam pro salubri et necessaria dicti ordinis (OSB) in partibus illius reformatione de persona tua (Montchoisi) alicui insigni infra regnum Francie consistenti monasterio provideremus113. Am Ende treten also Eugen IV. und Karl VII. als Förderer des Geoffroy de Montchoisi auf den Plan – Ordensreform im Gefolge des päpstlichen Freundes Ludovico Barbo, Fürstendienst für die königsnahen Anjou und eigener Realismus hatten den Autor prokonziliarer Traktate doch nicht zum radikalkonziliaristischen Kämpfer werden lassen, wie er im Basel vor allem der vierziger Jahre begegnet. Und offenbar hat man sich auf der Synode schon bald seiner nicht mehr gerade genau erinnert, geschweige daß cuidam fratri Guidoni asserto abbati monasterii S. Honorati dicti ordinis Foroiuliensis vel alterius diocesis de dicta abbacia dort ein ehrendes Andenken bewahrt worden wäre. In solcher Form findet er sich im erwähnten Eintrag ins Konzilsprotokoll am 3. August 1436 aufgeführt114. Selbst wenn dem Notar Pierre Brunet eine fehlerhafte Supplik vorgelegen haben sollte, wäre es ein leichtes gewesen, den Namen des ihm durch die Konzilsereignisse von 1434 persönlich wohlbekannten Abts von St-Honorat in der Diözese Grasse entsprechend zu korrigieren. Das konziliare Engagement, die Basler Zeit – mithin nur ein Betriebsunfall auf Zeit von und für Montchoisi? Nein, es bleiben durchaus Verwerfungen und Brüche, und in der Tat Diverses und Disparates läßt sich auch am Ende nicht 110 CB,

IV, 346. VI, 5; cf. 55: ad omne jus, quod pretendebat adversarius vita functus, surroget … 112 Pesce, Ludovico Barbo (wie Anm. 4), 249 Anm. 2; vgl. Alliez, Histoire (wie Anm. 6), II, 281; Tisserand, Histoire (wie Anm. 6), 88; Antier, Lérins (wie Anm. 6), 245. 113 Wie Anm. 107; vgl. auch Pesce, Ludovico Barbo (wie Anm. 4), 249. 114 CB, IV, 233 (vgl. Anm. 109). An der zitierten Stelle (ebd. Z. 18) steht zwar nur G., doch heißt es unmittelbar im Anschluß eindeutig Guidonem (Z. 26). Zur damaligen Zugehörigkeit von Lérins zum Bistum Grasse: F. Hildesheimer, Grasse, in: DHGE XXI (1986), 1198; vgl. ebd. XVIII (1977), 1227 (Fréjus). 111 CB,

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einfach auf einen glatten Nenner bringen. Es ist vielleicht weniger das hier zum Teil erstmals vorgestellte Corpus seiner Schriften, welches – genauer untersucht als in diesem Rahmen möglich – ihm fortan einen Rang unter besagten „sekundären Größen“ des Konziliarismus in Basler Zeit sichern mag, denn seine Vita selbst, die gerade wegen ihrer Zwänge und Widersprüche in überdies nicht nur kirchenpolitisch bewegter Zeit den Historiker anzieht. Es ist eine Vita, die ihm, eben weil sie in unterschiedlichste Richtungen weist, durch deren Kombination und Zusammenschau neue Perspektiven eröffnet, zudem aber einmal mehr davor warnt, individuelle Biographien allzu rasch prosopographisch „vernetzen“ oder sonst klassifizieren zu wollen, wozu ihn der resümierend-systematische Part seines Geschäfts leicht verleitet. Natürlich spiegelt diese „kleine“ Vita „große“ Geschichte – auch und gerade deshalb resultiert ja das Interesse an ihr –, und da sei am Ende nochmals auf einen Aspekt besonders hingewiesen: Anjou. Montchoisi war sich sehr wohl bewußt, daß seine eigenen Zwänge und Widersprüche zumindest teilweise diejenigen dieses Hauses waren115. Wer von Anjou über Lothringen, Bar und die Provence bis in den Süden Italiens ebenso wie in Ungarn und Jerusalem herrschte bzw. zu herrschen Anspruch erhob, war eben zu einer Politik des Ausgleichs und der Kompromisse gezwungen116. Mit ihren weitausgreifenden europäischen Ambitionen aber bildet die Dynastie der Anjou eine Alternative zur „nationalkonzentrierten“ Politik der Valoismonarchie, konnte für diese allerdings – wie etwa im Epochenjahr 1494 – durchaus auch eine Option darstellen: ein Wider‑ wie Zusammenspiel in französischen und europäischen Dimensionen. So eröffnet eine scheinbar abseitig-spezialistische Studie über einen vergessenen Abt des 15. Jahrhunderts am Ende neue, noch auszuleuchtende Perspektiven auf die allgemeine Geschichte an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit.117

115 Vgl. das Zitat in obiger Anm. 105. – Daß allein dem Papst die Vergabe des Regno zukam, war auch für Montchoisi selbstverständliches Faktum; s. das Zitat Anm. 13. Man beachte, wie der Abt bei der dort erwähnten Absetzung Friedrichs II. 1245 in Lyon, historisch zutreffend, die Rollen von Papst und Konzil gewichtet. 116 Zu Herrschaftsrechten und ‑ansprüchen insbesondere des René von Anjou im Spiegel seiner Wappen und Siegel s. Christian de Mérindol, Le roi René et la seconde maison d’Anjou. Emblématique – art – histoire, Paris 1987, 55–79. 117 Vgl. Anm. 38.

Gesandtschaft und Gewissen Bernard de La Planche, ein Bischof aus dem englischen Aquitanien, auf dem Basler Konzil Man denke nur an Ernst von Weizsäcker im Vatikan oder Raoul Wallenberg in Budapest während des Zweiten Weltkriegs: Gesandtschaft und Gewissen, ein zweifellos interessierendes Thema, vor allem wenn Amtsauftrag und persönliche Überzeugung in Widerstreit geraten. Doch vermag solches Interesse auch ein Gesandter des 15. Jahrhunderts zu wecken, dessen Name selbst Kennern des Spätmittelalters kaum geläufig sein dürfte1? Nein, umgeschrieben zu werden braucht die Geschichte jenes Saeculums wohl nicht, wenn man Spuren und Stationen seines Lebenswegs nachzuzeichnen sucht; allein es tritt dabei jener angesprochene Antagonismus geradezu exemplarisch hervor und dies bereits in der Frühzeit europäischer Diplomatie; ein Antagonismus, der zudem auf die großen politischen Konstellationen der Epoche verweist – und auf ein individuelles Schicksal, das über die Jahrhunderte betroffen macht. Diplomatische Begabung und juristische Kompetenz führten Bernard de La Planche, den jungen Benediktiner aus Aquitanien, an die Höfe Spaniens und Englands, auf die Bühne der großen allgemeinen Konzilien in Konstanz und Pavia – Siena; er besaß das Vertrauen seines Erzbischofs in Bordeaux, und er stand in päpstlicher wie königlicher Gunst2. Martin V. ernannte ihn zu seinem Referendar und zum Bischof von Dax, Heinrich VI. von England nahm ihn als Richter, Rat und Gesandten in seine Dienste. So begab er sich in königlichem Auftrag auch nach Basel. Doch auf dem Konzil sprach er bereits im November 1434 non tanquam ambassiator, sed solum ut episcopus, und ein knappes Jahr später vermerkt das Konzilsprotokoll, de La Planche habe sich pro exoneracione consciencie sue zu 1 Quellen und – spärliche – Literatur zu Bernard de La Planche sind verzeichnet in meiner (den Bischof von Dax aber nicht behandelnden) Arbeit: Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449), I, Paderborn u. a. 1990 (KonGe.U), 137 Anm. 137. Fast alle dort aufgeführten Studien sprechen nur spezielle Aspekte an, einen kurzen Gesamtüberblick liefert allein A(ntoine) Degert, Histoire des évêques de Dax, Dax 1899 (Paris 1903), 222–228; vgl. Ders., Bernard de La Planche, in: DHGE VIII (1935), 651 f. 2 Die Belege für das in der Einleitung kurz und vorweisend Skizzierte finden sich in den folgenden Hauptteilen I und II an den entsprechenden Stellen. – Ich verwende den Begriff „Aquitanien“ in jenem weiten Sinne, wie ihn u. a. Charles Higounet in der Einleitung zu der von ihm herausgegebenen „Histoire de l’Aquitaine“ (Toulouse 1971) allgemein und auch mit Blick auf „le duché aquitain des Plantagenêts (1154–1453)“ selbstverständlich mit Einschluß des gascognischen Dax gebraucht hat; 5 f., vgl. 516 s. v. „Dax“.

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Wort gemeldet3. Dies war der Anfang vom Ende, dieses Befolgen der Stimme des Gewissens bedeutete für den bislang von Erfolg und Ansehen Verwöhnten recht bald Abseits, Isolation und Scheitern. Manche seiner konziliaristischen Mitstreiter waren da ungleich wendiger, ließen wie ein Thomas de Courcelles Überzeugung Überzeugung sein, als sich das Mißlingen Basels abzeichnete; andere wie Louis Aleman oder Johannes von Segovia kämpften zwar mit Bernard de La Planche unbeirrt weiter für die gemeinsamen Ideale, doch keinen traf es am Ende so hart wie ihn, der entgegen königlicher Ordre zum Botschafterabzug weiterhin in Basel blieb, von Eugen IV. als Bischof von Dax abgesetzt wurde und aller Einkünfte verlustig ging. Und auch keiner hatte, wie seine Einlagen bei der Basler Medici-Filiale zeigen, die eigene Existenz so eng mit der Synode verbunden wie der altgewordene Kardinal von Felix’ V. Gnaden, der gichtgeplagt auf den sich leerenden Bänken in der Konzilsaula des Münsters saß: Opfer seiner Überzeugungen, Opfer der Politik, sollte er seine Heimat nicht mehr wiedersehen.

I. Wo diese Heimat genau zu suchen ist, aus welcher Familie er stammte, wir wissen es (bislang) nicht. Fest steht nur, daß er aus Aquitanien kam; vielleicht darf man ihn mit jenem Cluniazenser Bernardus de Planea aus dem Kloster Clairac in der Diözese Agen identifizieren, der als (Kirchen‑)Recht im ersten Jahr studierend in einem am 1. Januar 1394 an Benedikt XIII. gerichteten Rotulus der Universität Toulouse begegnet4. Mit Sicherheit um „unseren“ Bernard de La Planche aber handelt es sich bei dem zwei Jahrzehnte später als Doktor der Dekrete belegten Mönch der Abtei Soulac im Bistum Bordeaux, der bald schon Sakristan des angesehenen Klosters Ste-Croix in Bordeaux selbst wurde5, dessen Erzbischof David 3 Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel [CB], III: Die Protocolle des Concils von 1434 und 1435, ed. Johannes Haller, Basel 1900, 247, 500. 4  Les statuts et privilèges des universités françaises depuis leur fondation jusqu’en 1789, III / 1, publ. par Marcel Fournier, Paris 1892, 551 n. 231. Fournier liest Bernardus de Planea; in den Quellen begegnen als Namenformen lt. Degert, Histoire (wie Anm. 1), 222 f. Anm. 4, Plancha, Planta, Planphea und Planca. Es mag eine Verlesung Planea – Planca vorliegen; die Transkriptionen Fourniers sind, wie bereits Heinrich Denifle mit harschem Verdikt vermerkte (Les universités françaises au Moyen-Age. Avis à M. Marcel Fournier, Paris 1892), durchgängig fehlerhaft. So wird hier auch Clariaci in Clanaci verlesen. Zu St-Pierre de Clairac s. R. van Doren, in: DHGE XII (1953), 1031 f.; vgl. A. Durengues, Agen, ebd. I (1912), 939. S. auch Alphonsus Ciaconius / A. Oldoinus, Vitae et res gestae Summorum Pontificum et S. R. E. Cardinalium, II, Rom ³1677, 940: „a puero Divi Benedicti institutum amplexus et professus, Iurisconsultus illius aevi clarissimus“. 5 Gallia Christiana [GC], I, ed. Paulus Piolin, Farnborough 21870, 1054; Degert, Histoire (wie Anm. 1), 223; Ders., Bernard (wie Anm. 1), 651; A. Clergeac, Chronologie des archevêques, évêques et abbés de l’ancienne province ecclésiastique d’Auch …, Paris 1912 (Archives Historiques de la Gascogne II/16), 36; Konrad Eubel, Hierarchia catholica medii aevi …, I, Münster 21913, 97; Bruno Katterbach, Referendarii utriusque signaturae a Martino V ad

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de Montferrand (1413–1430) ihn zum Vizekanzler und Generalvikar machte und überdies am 7. April 1417 zu seinem Vertreter auf dem Konstanzer Konzil bestellte6. Am Bodensee weilte er damals schon seit über zwei Jahren, er nahm Prokuraturen für mehrere Konvente seines Ordens wahr, war unter anderem mit der Verurteilung des Hieronymus von Prag oder dem Streit zwischen Polen und Deutschem Orden befaßt und wurde von den Vätern offensichtlich besonders als Gesandter geschätzt: So nominierte man ihn 1415 als einen der Vertreter der Natio Anglicana für die Verhandlungen mit dem geflohenen Johannes XXIII.7, und im selben Jahr begab er sich als Delegierter der Synode im Gefolge König Sigismunds auf jene bekannte Mission nach Narbonne und Perpignan zu Benedikt XIII.8, den er im Januar 1417 erneut im Konstanzer Auftrag aufsuchte, um ihm die Zitationsbulle der Synode zu verkünden9. Er tat dies in katalanischer Sprache, und die Kenntnis der benachbarten Regionen südlich der Pyrenäen mag dem Aquitanier sodann eine der ersten, wieder nach Aragón führenden Missionen des vom Konzil neu erwählten Papstes Martin V. eingetragen haben, der ihn auch zum Prior von Soulac und Kanoniker an St-Seurin / Bordeaux ernannte10. Bernard de La Planche erfreute sich also Clementem IX …, Vatikanstadt 1931 (Studi e testi 55), 12 f. n. 60; Elisa Mongiano, La cancelleria di un antipapa. Il bollario di Felice V (Amedeo VIII di Savoia), Turin 1988 (Biblioteca storica subalpina 204), 120 Anm. 423, 127; Walter Brandmüller, Das Konzil von Konstanz 1414–1418, I: Bis zur Abreise Sigismunds nach Narbonne, Paderborn u. a. 1991 (Konziliengesch., Reihe A: Darstellungen), 399.  6 Vatikanstadt, Archivio Segreto Vaticano, Reg. Vat. 352, fol. 119v. Vgl. Degert, Histoire (wie Anm. 1), 223; Ders., Bernard (wie Anm. 1), 651; Clergeac, Chronologie (wie Anm. 5), 36; Walter Brandmüller, Das Konzil von Konstanz 1414–1418, II: Bis zum Konzilsende, Paderborn u. a. 1998 (Konziliengesch., Reihe A: Darstellungen), 129.  7 Chronique du Religieux de Saint-Denys, contenant le règne de Charles VI, de 1380 à 1422, V, publ. par Louis-F. Bellaguet, Paris 1844 (ND [in drei Bänden mit einer Einleitung „Michel Pintoin, sa vie, son œuvre“ von Bernard Guenée] Paris 1994), 620. Vgl. Brandmüller, Konstanz, II (wie Anm. 6), 147, 268 f.; ebd., 129, 153 auch zu Hieronymus von Prag und Polen vs. Deutscher Orden.  8  Acta Concilii Constanciensis [ACC], III: Die drei Päpste und das Konzil, Schriften zur Papstwahl, hg. v. … Heinrich Finke, Münster 1926, 452, 514; Bourgeois du Chastenet, Nouvelle histoire du concile de Constance, II, Paris 1718, 402. Vgl. Degert, Histoire (wie Anm. 1), 223; Brandmüller, Konstanz, I (wie Anm. 5), 399; Ders., Konstanz, II (wie Anm. 6), 26.  9 Hermann von der Hardt, Tomus IV. rerum magni Concilii Constantiensis, Frankfurt/M. u. a. 1699, 1175; ACC, II: Konzilstagebücher, Sermones, Reform‑ und Verfassungsakten, hg. v. … Heinrich Finke, Münster 1923, 91 f., 493; vgl. III (wie Anm. 8), 400, 583. Dazu auch Degert, Histoire (wie Anm. 1), 223; Hermann Heimpel, Die Vener von Gmünd und Straßburg 1162–1447. Studien und Texte zur Geschichte einer Familie sowie des gelehrten Beamtentums in der Zeit der abendländischen Kirchenspaltung und der Konzilien von Pisa, Konstanz und Basel, I, Göttingen 1982 (VMPIG 52/I), 377 Anm. 204; Ansgar Frenken, Die Erforschung des Konstanzer Konzils (1414–1418) in den letzten 100 Jahren, in: AHC 25 (1993 [erschienen 1995]), 142; Brandmüller, Konstanz, II (wie Anm. 6), 266 f., 269. 10 Degert, Histoire (wie Anm. 1), 224; Ders., Bernard (wie Anm. 1), 651; Brandmüller, Konstanz, II (wie Anm. 6), 380.

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des Wohlwollens eines konzilsdistanzierten Konzilspapstes, und unter der Herrschaft einer nicht minder konzilsreservierten englischen Krone vollzog sich sein weiterer Aufstieg in Aquitanien. Daß er möglicherweise an einer Universität im ungleich konzilsgeneigteren Frankreich der Valois studiert hatte – allerdings stand die Benedikt XIII. zuneigende Hochschule von Toulouse im „papalistischen“ Midi nicht gerade im Ruf einer Hochburg des Konziliarismus11 –, daß er in Konstanz zeitweise der englischen Konzilsnation vorgestanden hatte12, muß dem nicht unbedingt widersprechen. Allein die Forderung der auf jener Synode anwesenden Kardinäle, Bernard de La Planche solle mitsamt zwei weiteren Vätern als notorischer Feind der römischen Kurie von den Beratungen über die Reform eben von Kardinalskolleg und Kurie ausgeschlossen werden13, läßt aufmerken, will sie doch nicht so recht in das skizzierte Bild passen. Dieses erfährt aber weitere Bestätigung, wenn er 1423 von Heinrich VI. bzw. dessen Regentschaftsrat zum Mitglied des „Court of Sovereignty“ berufen wird14 und überdies vom englischen Hof den Auftrag erhält, auf dem – entsprechend dem Konstanzer Dekret Frequens von Martin V. in jenem Jahr einzuberufenden – Generalkonzil für seinen auch die Krone Frankreichs beanspruchenden König dessen pro regna sua Franciae zustehenden Platz festzustellen und einzunehmen15. Damals, in einer Phase heftig wiederaufgeflammten Kriegs in Frankreich, wußten die Engländer, auf wen sie als Parteigänger auf dem Kontinent zählen durften: Der Londoner Bischof und Kanzler der Normandie John Kemp nannte in einem Brief vom Februar 1424 an seinen römischen Prokurator William Swan außer dem Inhaber des normannischen Erzstuhls von Rouen, Jean de Rochetaillée, eben Bernard de La Planche einen Freund und Verbündeten16 – angesichts der jahrhundertealten 11 Erinnert sei an die einschlägige „Epistola Tolosana“ von 1402: Noël Valois, La France et le Grand Schisme d’Occident, III, Paris 1901, 265 ff.; Johannes Haller, Papsttum und Kirchenreform. Vier Kapitel zur Geschichte des ausgehenden Mittelalters, I, Berlin 1903, 249 ff. S. auch Müller, Franzosen, I (wie Anm. 1), 427; ebd., Anm. 22 Lit. zum Thema Universität Toulouse – Basler Konzil, die großteils aber darüber hinaus auch das spätere 14. und frühere 15. Jahrhundert mit einschließt. S. des weiteren Jacques Verger / Charles Vulliez, Crises et mutations des Universités françaises à la fin du Moyen Age, in: Histoire des Universités en France, sous la dir. de Jacques Verger, Toulouse 1986, 114 f. (zur Tolosaner Denkschrift von 1402 zugunsten Benedikts XIII.). 12 Walter Brandmüller, Das Konzil von Pavia–Siena 1423–1424, I, Münster 1968 (VRF 16), 30 mit Anm. 38. 13 ACC, II (wie Anm. 9), 134, vgl. 118 f. Dazu Brandmüller, Konstanz, II (wie Anm. 6), 336. 14 John Ferguson, English Diplomacy 1422–1461, Oxford 1972, 52 Anm. 2 (mit Beleg). S. auch Degert, Histoire (wie Anm. 1), 224; Ders., Bernard (wie Anm. 1), 651; Margaret Wade Labarge, Gascony, England’s First Colony, London 1980, 201. 15 Ferguson, Diplomacy (wie Anm. 14), 217 (mit Beleg). S. auch Brandmüller, Pavia – Siena, I (wie Anm. 12), 30 mit Anm. 38; Maureen C. Miller, Participation at the Council of Pavia – Siena 1423–1424, in: AHP 22 (1984), 405 n. 141. 16 London, British Library, Cleopatra C IV, fol. 156r–157v. Vgl. Richard G. Davies, Martin V and the English Episcopate, in: EHR 92 (1977), 311, 320 Anm. 3 und 5, 322. (Freundlicher

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engen politischen und ökonomischen Verflechtungen Aquitaniens mit der Insel ist dieses Faktum allerdings so außergewöhnlich nicht. (Die Normandie wie die Person des obendrein aus dem Lyonnais stammenden, mithin landesfremden Rochetaillée wollen dagegen differenzierter betrachtet sein17.) Martin V. sah Bernard de La Planche ebenfalls weiterhin als seinen Parteigänger an. Offensichtlich maß der Papst dem Umstand, daß er von dem Benediktiner am 13. Juli 1423 im Auftrag des (von ihm zwar nicht öffentlich, so doch grundsätzlich abgelehnten) Konzils zu dessen Besuch am neuen Tagungsort Siena aufgefordert wurde, keine große Bedeutung bei, da er ihn – wie eingangs erwähnt – nur wenige Monate später zu seinem Referendar ernannte und im Februar 1427 zum Bischof von Dax erhob18. Der Nachrichten aus den nächsten Jahren sind zwar nur wenige, allein auch sie weisen in dieselbe Richtung: Im Februar 1432 erhielt er mitsamt zwei weiteren aquitanischen Notabeln eine Vollmacht des englischen Hofs für Allianzverhandlungen mit Aragón und Navarra19. (Bemerken wir nicht nur am Rande in einer dem Kenner der Diplomatie des Quattrocento gewidmeten Studie, daß sich in ebenjenen Jahren und in ebenjenem Raum der diplomatischen Aktivitäten des Bernard de La Planche auch der päpstliche Legat Pierre de Foix um die Beseitigung der letzten Ausläufer des Großen Schismas bemühte. Die Aktenführung im Gefolge des Kardinals oblag dabei einem Tolosaner Juristen, Bernard de Rousergue/Ro[u]sier, der seine Erfahrungen Ende 1436 im „Ambaxiator brevilogus“

Hinweis von Christian Kleinert [Frankfurt/M.], der mir auch einige weitere Angaben für die „Vorbasler“ Zeit von Bernard de La Planche zur Verfügung stellte. Für sonstige Hilfe, vor allem bei der Beschaffung von Literatur, habe ich Gabriele Annas [Köln] und Peter Herden [Frankfurt / M.] zu danken.) 17 a) Malcolm Vale, English Gascony 1399–1453. A Study of War, Government and Politics During the Later Stages of the Hundred Years’ War, London 1970; Wade Labarge, Gascony (wie Anm. 14). – b) Christopher T. Allmand, Lancastrian Normandy. The History of a Medieval Occupation, Oxford 1983. – c) Zu Jean de Rochetaillée s. Müller, Franzosen, II (wie Anm. 1), 957 s. v.; bes. ebd., I, 116 Anm. 46 (mit weiterer Lit.). 18 a) De La Planche als Konzilsgesandter bei Martin V.: Johannis de Ragusio initium et prosecutio Basiliensis concilii, in: Monumenta Conciliorum Generalium seculi decimi quinti [MC], I, ed. Caesareae Academiae Scientiarum socii delegate, Wien 1857, 11. Vgl. Degert, Histoire (wie Anm. 1), 224; Brandmüller, Pavia – Siena, I (wie Anm. 12), 104, 116; II (1974), 52 (n. 19), 210. – b) Päpstlicher Referendar: Le Liber Officialium de Martin V, publ. par François-Charles Uginet, Rom 1975 (Pubblicazioni degli Archivi di Stato. Fonti e sussidi 7), 74. Vgl. Degert, Histoire (wie Anm. 1), 224; Ders., Bernard (wie Anm. 1), 652; Clergeac, Chronologie (wie Anm. 5), 36; Katterbach, Referendarii (wie Anm. 5), 12 f. n. 60. – c) Bischof von Dax: Degert, Clergeac, Katterbach (alle wie oben). S. auch Eubel, Hierarchia, I (wie Anm. 5), 97; Charles Higounet, Dax, in: DHGE XIV (1960), 137; Brandmüller, Pavia – Siena, I, 30 (bereits 1423 als dortiger Bischof vorgesehen). Bernard leistete natürlich die entsprechenden Zahlungen an Rom: Taxae pro communibus servitiis ex libris obligationum (Camerae Apostolicae) ab anno 1295 usque ad annum 1455 confectis, exc. Hermann Hoberg, Vatikanstadt 1949 (Studi e testi 144), 11. 19 Degert, Histoire (wie Anm. 1), 224 f.; Ferguson, Diplomacy (wie Anm. 14), 52, 200.

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niederschrieb, dem ersten Handbuch europäischer Diplomatie überhaupt20.) Daß jene Verhandlungen erfolglos blieben, lastete man nicht de La Planche persönlich an, im Gegenteil: Unter ausdrücklichem Hinweis auf seine Tätigkeit in Aragón und Navarra wie zuvor in Konstanz nahm Heinrich VI. ihn im Februar 1433 in seinen gascognischen Rat auf, dessen Anliegen der Benediktiner bereits einen Monat später am Londoner Hof vorbrachte21.

II. Loyalität, Verhandlungskompetenz und Konzilserfahrung trugen ihm fast zwangsläufig ein neues Mandat ein, als die englische Regierung ein im Zenit seiner Bedeutung stehendes Basler Konzil in ihr Kalkül einbeziehen mußte, schon um dem Kriegsgegner Frankreich das synodale Feld nicht allein zu überlassen. Deshalb schickte sie eine Gesandtschaft an den Rhein22, zu der eben auch Bernard de La Planche gehörte, dem im Vorfeld für seine Person wie für seine Familiaren am 22. Februar [1434] ein königlicher Geleitbrief ausgestellt wurde und ent20  De legatis et legationibus tractatus varii, ed. Vladimir Emmanuilovich Hrabar, Tartu 1905, 3–28. Vgl. Garrett Mattingly, Renaissance Diplomacy, London 1955, 28 ff., 34–46 u. ö.; Donald E. Queller, The Office of Ambassador in the Middle Ages, Princeton 1967, passim; Laurent Chevailler, Bernard de Rousier, archevêque de Toulouse, et le droit d’ambassade au XV e siècle, in: Annales de la Fac. de droit et des sciences économiques de Toulouse 18 (1970), 328 f.; Jean-Louis Gazzaniga, Les clercs au service de l’État dans la France du XV e siècle, in: Droits savants et pratiques françaises du pouvoir (XIe–XV e siècles), sous la dir. de Jacques Krynen/Albert Rigaudière, Bordeaux 1992, 265 mit Anm. 45; Heribert Müller, Konzil und Frieden. Basel und Arras (1435), in: Träger und Instrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter, hg. v. Johannes Fried, Sigmaringen 1996 (VuF 4), 387; Riccardo Fubini, L’ambasciatore nel XV secolo: Due trattati e una biografia (Bernard de Rosier …), in: MEFRM 108 (1996), 645–653; s. allgemein zuletzt zur Thematik, jedoch mit Akzent auf der frühen Neuzeit: L’invention de la diplomatie. Moyen Age – Temps modernes, sous la dir. de Lucien Bély, s. l. 1998. 21  Foedera, conventiones, literae, et cujuscunque generis acta publica, inter reges Angliae, et alios quosvis imperatores, reges, pontifices, principes, vel communitates …, IV / 2, acc. Thoma Rymer … studio Georgii Holmes, Den Haag 31740, 141. Vgl. Degert, Histoire (wie Anm. 1), 225; Eleanor C. Lodge, Gascony Under English Rule, London 1926, 145; Ferguson, Diplomacy (wie Anm. 14), 52 Anm. 2; Wade Labarge, Gascony (wie Anm. 14), 202. 22 Eine erste, auf erfolgreiches Werben des Konzilsgesandten Gherardo Landriani hin zustandegekommene englische Delegation von Februar 1433 kann hier außer Betracht bleiben, da sie in Basel schon wegen ihrer Verweigerung des Inkorporationseids wie ihrer Opposition gegen die Deputationsgliederung der Synode kaum Wirkkraft entfaltete. Zu ihrer – eher dürftigen – personellen Zusammensetzung und zu den Gründen für die englische Haltung (Papstnähe; mögliche Beeinträchtigung der landeskirchlichen Eigenständigkeit durch vorbehaltlose Festlegung auf alle, d. h. auch zukünftige Konzilsdekrete; Verlust des für England vorteilhaften, da von der Teilnehmerzahl unabhängigen Status einer eigenen, gleichberechtigten Nation) s. August Zellfelder, England und das Basler Konzil, Berlin 1913 (HS 113), 50–88; Ernest F.  Jacob, Essays in the Conciliar Epoch, Manchester 21953, 244; A. N. E. D. Schofield, England and the Council of Basel, in: AHC 5 (1973), 17–50.

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sprechende Zahlungen geleistet wurden23. (Frühere Aufträge soll er ohne jede Entlohnung übernommen haben, wie Heinrich VI. anläßlich seiner – remunerierten – Bestallung zum gascognischen Rat eigens vermerkte24.) Daß diese im Mai instruierte und Anfang August am Konzilsort eintreffende Delegation erst am 22. Oktober 1434 zusammen mit den kastilischen Botschaftern in die Synode inkorporiert wurde25, hing mit dem Aufnahmeeid zusammen, den beide Gesandtschaften nur in eingeschränkter Form zu leisten bereit waren, sodann mit der Auseinandersetzung zwischen ebendiesen Vertretern beider Mächte um Rang und Sitz in der Konzilsaula. Der Streit, der gleich den anderen Präzedenzdisputen in Basel wegen seiner weit über zeremonielle Fragen hinausreichenden Bedeutung in der neueren Forschung viel beachtet wurde26, soll hier zunächst 23 Rymer, Foedera (wie Anm. 21), V / 2, 3, vgl. 10. Dazu Ferguson, Diplomacy (wie Anm. 14), 217. 24 Rymer, Foedera (wie Anm. 21), IV/4, 111. Vgl. Degert, Histoire (wie Anm. 1), 225. 25  a) Instruktion: Thomas Bekynton, Official Correspondence (Memorials of the Reign of King Henry VI), II, ed. by George Williams, London 1872 (Rerum Britannicarum Medii Aevi scriptores [Rolls Series] 56/2), 260–269. Ebd., 259: Ernennung u. a. des Bernard de La Planche zum Gesandten. Vgl. das Schreiben Heinrichs VI. an das Basler Konzil, in: Paris, BN, ms. lat. 6225, fol. 179r/v (mittimus de presenti … Bernardum Aquensem; s. d., s. l.). – Bisweilen wird der Bischof von Dax in der Literatur mit dem nie in Basel weilenden (Erz‑)Bischof von Aix-en-Provence verwechselt, was sich aus dem gemeinsamen lateinischen Bistumsnamen Aquensis erklärt. (Daß dann zudem von den erst seit 1443 bzw. 1447 amtierenden Robert Roger/Robert Damiani und nicht von deren Vorgänger Avignon Nicolai [1422–1443] die Rede ist, stellt einen weiteren Irrtum dar, dessen Gründe hier nicht erörtert werden sollen.) So z. B. Paul Lazarus, Das Basler Konzil. Seine Berufung und Leitung, seine Gliederung und seine Behördenorganisation, Berlin 1912 (HS 100), 337; Walter Kaemmerer, in: Deutsche Reichstagsakten [RTA], XVII: Deutsche Reichstagsakten unter Friedrich III., 3. Abtlg.: 1442–1445, hg. v. Dems., Göttingen 1963, 831 s. v. „Aix-en-Provence“. – b) Zur Ankunft in Basel (CB, III, 165; V, 99; MC, II, 726) und Inkorporation (CB, III, 232 f.; V, 165; MC, II, 765 f.; vgl. Paris, BN, ms. lat. 1495, 17–19, 29 sq.); Noël Valois, Le pape et le concile (1418–1450) (La crise religieuse du XV e siècle), II, Paris 1909, 129 f.; Zellfelder, England (wie Anm. 22), 95, 260–263; A. N. E. D. Schofield, Some Aspects of the Representation at the Council of Basle, in: Councils and Assemblies …, ed. by Geoffrey J. Cuming /Derek Baker, London u. a. 1971 (Studies in Church History 7), 219 f.; Ders., England (wie Anm. 22), 59 ff. S. auch allgemein Gabriel Pérouse, Le cardinal Louis Aleman et la fin du grand schisme, London 1904, 315; Lewis Bostock Radford, Henry Beaufort. Bishop, Chancellor, Cardinal, London 1908, 236; Joseph Toussaint, Les relations diplomatiques de Philippe le Bon avec le concile de Bâle (1431–1449), Brüssel 1942 (RTHP III / 9), 248 f. Anm. 1. 26 Zuletzt dazu generell Johannes Helmrath, Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Köln u. a. 1987 (KHA 32), 322–326; Hermann Heimpel, Sitzordnung und Rangstreit auf dem Basler Konzil (Aus dem Nachlaß hg. v. Johannes Helmrath), in: Studien zum 15. Jahrhundert. FS E. Meuthen, I, hg. v. J.H. /Heribert Müller in Zusammenarbeit mit Helmut Wolff, München 1994, 1–7 (ebd., 9 weitere Lit.). – Lit. speziell zum englisch-kastilischen Sitzstreit bei Helmrath, 247 Anm. 258. S. dazu auch Werner Sieberg, Studien zur Diplomatie des Basler Konzils (Diss. masch. 1951), 59–64, 193–198; Maria Morrás, Repertorio de obras, manuscritos y documentos de Alfonso de Cartagena, in: Boletino bibliográfico de la Asociación Hispanica de literatura medieval 5 (1991), 224 f. n. 9; Vicente Ángel Álvarez Palenzuela, La situación europea en época del concilio de Basilea. Informe de la delegación del Reino de Castilla, Léon 1992, 62–70. Von Interesse in diesem Zusammenhang mag auch der

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weniger interessieren als der Umstand, daß ein aquitanischer Bischof offensichtlich ohne Einsprüche seitens des Konzils und insbesondere der an Zahl und Gewicht dort einflußreichen Gesandten und Väter aus Valois-Frankreich als Vertreter des englischen Königs inkorporiert werden konnte27. Aquitanien galt als selbständiges Nebenland der englischen Krone, und die Regierung Heinrichs VI. hatte dementsprechend Dax also nicht jener zweiten Delegation zugeordnet, die, mit den normannischen Bischöfen Pierre Cauchon von Lisieux und Zanone da Castiglione von Bayeux an der Spitze, gegen den vehementen Widerspruch der Vertreter Karls VII. und schließlich ohne Erfolg die Ansprüche des Königs auch auf die französische Krone in Basel repräsentieren sollte28. Bernard de La Planche aus dem seit dem 12. Jahrhundert unter englischer Herrschaft stehenden Aquitanien galt mithin als „Engländer“ (derweil er und seine Mitgesandten laut königlicher Instruktion ausdrücklich dafür Sorge zu tragen hatten, daß die Synode auch der aquitanischen Geistlichkeit alle Vorrechte zuerkennen müsse, welche sie dem Klerus der gallikanischen Nation zu verleihen bereit sei29). Und er hielt die englische Position im Wortsinn bis zum 12. November 1435, als er unter Gewaltandrohung durch das Gefolge der kastilischen Gesandten von seinem Sitz im Basler Münster vertrieben wurde30. Jenes Brief eines „R“ – wohl des Basler Medicifilialisten Roberto de Martelli(s) – vom 22. September 1434 an Lorenzo de’ Medici sein, in dem er auf diesen Konflikt eingeht und treffend prognostiziert, er werde wohl seine Zeit dauern (Presto se ne dovrà vedere un fine) und am Ende zugunsten der Spanier ausgehen (Florenz, Archivio di Stato, Diplomatiche – Mediceo avanti il Principato, fol. 20, n. 50). An solchem Ausgang sollten auch die im Hundertjährigen Krieg auf Kastilien als Bündner gegen England zählenden Franzosen entscheidend beteiligt sein. 27 Vgl. Joyceline Gledhill Dickinson, The Congress of Arras 1435. A Study in Medieval Diplomacy, Oxford 1955, 26 Anm. 11; Schofield, England (wie Anm. 22), 54 Anm. 16. 28 CB, III, 272, 290; MC, II, 771; Proceedings and Ordinances of the Privy Council of England, IV, ed. Harris Nicolas, London 1835, 297 f. Vgl. H. de Formeville, Histoire de l’ancien évêché-comté de Lisieux, II, Lisieux 1873, 178; Albert Sarrazin, Jeanne d’Arc et la Normandie au XV e siècle, Rouen 1896, 181–186; Zellfelder, England (wie Anm. 22), 110; C. Laplatte, Pierre Cauchon, in: DHGE XII (1953), 5; Dickinson, Arras (wie Anm. 27), 26 Anm. 6; Tino Foffano, Umanisti Italiani in Normandia nel secolo XV, in: Rinascimento II / 4 (1964), 11; Christopher T. Allmand, Normandy and the Council of Basel, in: Speculum 40 (1965), 10 f.; Schofield, England (wie Anm. 22), 54 f., 68 f.; M. Cruciani-Troncarelli, Zanone Castiglioni, in: DBI XXII (1979), 179; Heribert Müller, Pierre Cauchon, in: LThK VIII (31999), 116. 29 Thomas Bekynton, Official Correspondence, II (wie Anm. 25), 267. Vgl. Radford, Beaufort (wie Anm. 25), 236. 30 CB, III, 565 ff.; MC, II, 833; Basler Chroniken, hg. v. der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft in Basel, V, Basel u. a. 1895, 477. Vgl. Valois, Pape, II (wie Anm. 25), 129 f.; Zellfelder, England (wie Anm. 22), 155–162; Vicente Beltrán de Heredia, La embajada de Castilla en el concilio di Basilea y su discusión con los Ingleses acerca de la precedencia, in: Hispania Sacra 10 (1957), 23; Robert B. Tate, The Anacephaleosis of Alfonso García de Santa Maria, Bishop of Burgos, 1435–1456, in: Hispanic Studies in Honour of J. González Llubera, ed. by Francis William Pierce, Oxford 1959, 392 Anm. 9; Gerald Christianson, Cesarini: The Conciliar Cardinal. The Basel Years, 1431–1438, St. Ottilien 1979 (Kirchengeschichtl. Quellen und Studien 10), 128; Schofield, England (wie Anm. 22), 87 f.; Benigno Hernández Montes, Biblioteca de Juan de Segovia …, Madrid 1984 (Bibliotheca Theologica Hispana II/3).

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denkwürdige Ereignis geschah zu einem Zeitpunkt, als das Konzil von fast allen seinen Mitgesandten bereits verlassen worden war, weil sich wiederum Vertreter Basels auf dem im Sommer desselben Jahres nach Arras zur Beendigung des Hundertjährigen Kriegs einberufenen Kongreß aus englischer Sicht in einseitigskandalöser Weise für die französische Sache und einen französisch-burgundischen Separatfrieden engagiert hatten31. De La Planche bestand auf einer Bestrafung der Täter wie er in einer kurzen Denkschrift auf dem Vorrang Englands gegenüber Kastilien bestand32. (Solche Loyalität des Bischofs von Dax auf dem Konzil mit Lancaster, das mit ebendiesem Konzil faktisch schon gebrochen hatte, läßt an das Eintreten des aus der angevinischen Provence kommenden Kardinals und Konzilspräsidenten Louis Aleman und dessen Mitstreiters Raimond Talon für ihren Landesherrn René von Anjou gegen aragonesische Prätentionen auf der Synode im Jahre 1442 denken, als dieser ebenfalls papstnahe Herrscher mit der Versammlung keinerlei Verbindung mehr pflegte33.) Unklar und unbestimmt stellt sich mithin die Position des Bernard de La Planche seit jenem Abgang der Gesandten Heinrichs VI. dar; möglicherweise aber hatten alle Beteiligten ein Interesse an der Wahrung solchen Schwebezustands: Basel konnte für sich in Anspruch nehmen, daß England weiterhin und somit alle Nationen von Belang am Konzil vertreten waren (vom Protokollanten Pierre Brunet wurde Bernard an jenem 12. November 1435 als dominus episcopus Aquensis ambassiator domini regis Anglie bezeichnet), und die Londoner Regierung mochte bei Bedarf gegebenenfalls über den Prälaten mit der Synode Kontakt aufnehmen34. Indes kann kein Zweifel daran bestehen, daß Bernard de La Planche fortan fast nurmehr als Bischof von Dax und Konzilsvater agierte. Schon seit seiner Ankunft hatte er, Mitglied der Glaubensdeputation, sich an der eigentlichen Synodalarbeit beteiligt. Diese Tätigkeit etwa als Praekognitor, stellvertretender Kanzleileiter oder Richter und Kommissar z. B. in den Causae Albi, Valence, Riga, Utrecht und Isenheim soll hier nicht im einzelnen verfolgt werden35, doch läßt sich daran Grundsätzliches festmachen: 31 Müller,

Franzosen, II (wie Anm. 1), 817; Ders., Konzil und Frieden (wie Anm. 20), 371.  London, British Library, Cotton Ms. Cleopatra F. VII, fol. 31r–32r (Inc.: Subsequuntur avisamenta ad repulsionem illorum de Hispania contra ambaxiatores serenissimi domini nostri regis Anglie et Francie [!] pro conservacione loci et preeminencie debitorum eidem domino nostro regi in Basiliensi concilio pro suo regno Anglie [!] exposita per dominum episcopum Aquensem). Vgl. Schofield, England (wie Anm. 22), 89 Anm. 19. – Die Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die konkreten Vorgänge in Basel, gehören also nicht zu den auf dem Konzil sonst so leidenschaftlich erörterten „Nationallegenden“; dazu Helmrath, Basler Konzil (wie Anm. 26), 324 f. 33 Näheres bei Müller, Franzosen, II (wie Anm. 1), 525 f. 34 a) Zitat: CB, III, 565. – b) Ein Brief Heinrichs VI. an die deutsche Nation auf dem Basiliense vom 14. Februar 1436 läßt erkennen, daß durchaus noch Verbindungen der wenigen oratorum nostrorum in sacro Basiliensi [concilio] remanencium zum Hof bestanden haben müssen (Paris, Bibl. Mazarine, ms. 1687, fol. 243r). 35 Die Belege lassen sich über die Indices von CB, III–VII (s. vv. „Bernardus episc. Aquensis“ [III, VI, VII] bzw. „Dax“ [IV, V]) und MC, IV, 199 f. [s. v. „Bernardus episc. Aquensis“] rasch 32

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1) Seine Aktivitäten nahmen kontinuierlich zu, sie spiegeln ebendiesen Wechsel vom Gesandten zum Konzilsbischof. 2) Die Versammlung versicherte sich dabei vor allem seiner juristischen Kompetenz. Von Enea Silvio wird er charakterisiert als iurisconsultus admodum oculatus subtilisque, und Piccolomini fügt im Zusammenhang mit dem Basler Konklave von November 1439 hinzu: quia tamen ob notissima corporis impedimenta infestamque podagram hinc se excusavit, Ludovicus Massyliensis in eius locum suffectus36. Diese Krankheit hat wohl den Ausschlag dafür gegeben, daß die Basler nicht auch auf seine diplomatischen Erfahrungen zurückgriffen und ihn, der obendrein schon im sechsten oder – wenn man den Beleg von 1394 auf ihn bezieht – im siebten Lebensjahrzehnt gestanden haben dürfte, mit auswärtigen Missionen betrauten37. Krankheit des Bischofs (nunc egrotantis38) mag ebenfalls der Grund für seine gut erschließen. Lit. und weitere Belege in Auswahl: a) Praekognitor: Lazarus, Basler Konzil (wie Anm. 25), 339; Schofield, England (wie Anm. 22), 63; Erich Meuthen, Das Trierer Schisma von 1430 auf dem Basler Konzil. Zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues, Münster 1964 (Buchreihe der Cusanus-Gesellschaft 1), 47, 230. – b) Stellvertreter des Vizekanzlers Louis Aleman: Lazarus, 198; Joseph Dephoff, Zum Urkunden‑ und Kanzleiwesen des Konzils von Basel, Hildesheim 1930 (Geschichtl. Darstellungen und Quellen 12), 53. – c) Richter / Kommissar: Lazarus, 337, 340; Erich Meuthen, Rota und Rotamanuale des Basler Konzils …, in: Römische Kurie. Kirchliche Finanzen. Vatikanisches Archiv. FS H. Hoberg, hg. v. Erwin Gatz, Rom 1979 (Miscellanea Historiae Pontificiae 46), 516, Tafel I; Die Rotamanualien des Basler Konzils. Verzeichnis der in den Handschriften der Basler Universitätsbibliothek behandelten Rechtsfälle, bearb. v. Hans-Jörg Gilomen, Tübingen 1998, 1049 s. v. „Bernardus ep. Aquen. iud. CB“. S. auch Basel, Univ.bibl., C V 29, fol. 106r, 457v u. ö.; im Einband von C V 28 befindet sich ein Urkundenfragment aus dem Jahre 1438 mit dem Eintrag domini Bernardi episcopi iudicis et commissarii (zu beiden Handschriften Gilomen, XX f.). – Er war auch Mitglied der mit der Kanonisation des Peter von Luxemburg befaßten Konzilskommission: Paris, BN, ms. lat. 15627, fol. 138r; MC, II, 809. – Albi: Müller, Franzosen, II (wie Anm. 1), 694; Valence (Lasten der Stadtgemeinde): Valence, Archives communales, EE 3, Liasse 1402–1513; Riga: Acta Cusana. Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues, I / 1: 1401–1437 Mai 17, hg. v. Erich Meuthen, Hamburg 1976, n. 247, 252; Utrecht: Beata Losman, Norden och Reformkonsilierna 1408–1449, Göteborg 1970 (Studia Historica Gothoburgensia 11), 205; Isenheim: Lausanne, Bibl. cantonale et universitaire, G 863, fol. 32v–33v. 36  De gestis Basiliensis commentariorium libri II, ed. and transl. by Denis Hay / Wilfrid K. Smith, Oxford 21992 (Oxford Medieval Texts 25), 212. Zur charakterisierenden Wortwahl des Enea Silvio vgl. auch Johannes von Segovia: Aquensis autem episcopus dicebat in ea materia oculate considerari oportere (MC, II, 1020 [Hervorhebung durch H. M.]). Nach Enea Silvio Ciaconius / Oldoinus, Vitae (wie Anm. 4), 940. 37 Bezeichnenderweise wies Alfons V. von Aragón seine Basler Gesandten am 24. März 1436 an, im Falle von Verhandlungen mit den (faktisch indes weitestgehend ja bereits abgezogenen) Engländern sollten sie zuerst den – durch seine Gesandtschaften in Aragón bekannten – de La Planche kontaktieren: José Amettler y Vinyas, Alfonso V de Aragón en Italia y la crisis religiosa del siglo XV, III, rev. por José M. Roca Heras, Girona 1928, 577. Man denke nur an dessen Empfang als Konstanzer Konzilsgesandter durch Alfons V. im Januar 1417 im Zuge der Zitation Benedikts XIII.: ACC, IV, hg. v. … Heinrich Finke, Münster 1928, 63. 38 CB, IV, 115. Mithin wird (noch) nicht die „Doppelrolle“ und der daraus resultierende „tragische Konflikt“ – so Zellfelder, England (wie Anm. 22), 157 – für die Abreise ausschlaggebend gewesen sein. In solchem Zwiespalt stand der Bischof, wovon noch zu handeln ist, im Frühjahr 1438, und er löste ihn gerade nicht durch Weggang, sondern Bleiben in Basel.

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einjährige Konzilsabsenz seit Mai 1436 gewesen sein. Seine Abreise erfolgte aber mit „privilegiertem“ Einverständnis der Väter, unter denen er von Juni 1437 an erneut belegt ist39: Die Rückkehr und deren Zeitpunkt erweisen Bernard de La Planche als Konziliaristen aus Überzeugung. 3) Solche Haltung, die im übrigen die Zusammenarbeit mit Konzilsvätern aus Englands gegnerischem Lager bei Synodalmaterien einschloß, mußte auf Dauer zwangsläufig mit besagter Loyalität zu den papstverbundenen Lancaster kollidieren. Zwar bewahrte ihn jener Status des faktischen Nicht-Status vorerst noch vor dem Dilemma zwischen Gesandtenauftrag und Gewissen, das der unter den (obendrein wechselnden) Direktiven seines Monarchen Alfons V. von Aragón-Neapel leidende Erzbischof Niccolò Tudeschi von Palermo (Panormitanus) einmal treffend auf den Punkt brachte: In effectu maledicti sunt prelati, qui in concilio generali acceptant ambasiatam principum, quia non sunt sui iuris40. Dennoch, auch hier war der Dissens grundsätzlich und bereits von Beginn an angelegt. Erinnern wir uns des eingangs zitierten Protokolleintrags, nach dem de La Planche wenige Tage nach Leistung lediglich des eingeschränkten Inkorporationseids41 auf entsprechende Vorhaltungen des Erzbischofs Philippe de Coëtquis von Tours, eines der Leiter der französischen Konzilsgesandtschaft, ja non tanquam ambassiator, sed solum ut episcopus geantwortet hatte. Wir kennen den Inhalt seiner – möglicherweise die Eidesform sogar rechtfertigenden – Replik nicht, allein schon solche Unterscheidung läßt ebenso aufhorchen wie die Tatsache, daß der Bischof  – auch dies wurde zu Anfang erwähnt – sich im September 1435 „zur Entlastung seines Gewissens“ zu Wort meldete, wobei sich die Frage, ob consciencia das Amtsgewissen des Bischofs oder das individuelle Gewissen meint, kaum beantworten läßt. Wir wissen mangels Quellen nichts über seine Amtsauffassung, dürfen aber auf Grund seines individuellen Lebensgangs vermuten, daß sie, was die Stellung des Bischofs in der Gesamtkirche anlangte, immer stärker konziliar geprägt, mithin das Ergebnis persönlicher Erfahrungen war, so daß ihrerseits die Alternative fraglich wird. Besagte Intervention geschah übrigens während der Debatte um die Erneuerung der chalcedonensisch-toletanischen Dekrete, die ein Verbot der Appellation gegen Konzilsentscheidungen vorsahen. Für de La Planche stand dies – im Gegensatz zu anderen Vätern – außerhalb jeder Diskussion; Zuwiderhandelnde sollte nach seiner Überzeugung strenge Strafe treffen (quod debet procedi contra 39 CB, IV, 129, 136 (quod dominus Aquensis gaudeat privilegiis incorporatorum concilii in sua absencia perinde ac si esset presens). – Erste Belege für seine Rückkehr: CB, VI, 66, 70 f. Ein erstes solches indultum domini episcopi Aquensis quod possit et sui familiares gaudere privilegiis incorporatorum wurde vom Konzil bereits am 18. Mai 1435 ausgestellt (Paris, BN, ms. lat. 15625, fol. 171r), war also von Bernard schon früh erbeten, dann aber von ihm nicht in Anspruch genommen worden. 40 MC, III, 100 f. Vgl. Müller, Franzosen, I (wie Anm. 1), 182 mit weiterer Lit.; zu ergänzen um Knut Wolfgang Nörr, Kirche und Konzil bei Nicolaus de Tudeschis (Panormitanus), Köln u. a. 1964 (Forsch. zur kirchlichen Rechtsgesch. und zum Kirchenrecht 4), 4 f. mit Anm. 7. 41 CB, III, 233: non iuraverunt de manutenendo decreta huius sacri concilii facta et fienda.

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appellantes a sacro concilio tanquam contra hereticos iam declaratos per sacram synodum Calcedonensem)42. Angesichts solch radikaler Entschiedenheit verwundert kaum mehr eine wenig schmeichelhafte Äußerung des ansonsten stets ausgleichsbedachten Konzilspräsidenten Giuliano Cesarini über den Bischof von Dax, die Ambrogio Traversari nur wenig später, am 4. Oktober 1435, dem Bischof von Cervia brieflich mitteilte: quam vellem, inquit, pontificem nostrum quosdam hinc amovendos curare! signavitque Aquensem, episcopum Angelicum ex nomine furiosum et stultum vocans et alios quosdam …43 (Allerdings ist bei solcherart Mitteilungen des Kamaldulensergenerals, eines entschiedenen Parteigängers Eugens IV., Vorsicht geboten; durchgängig sind seine Urteile über Anhänger Basels einseitig-überspitzt bzw. seine Vorwürfe nicht nachprüfbar44.) Zorn konnte den Bischof von Dax aber in der Tat packen, und ihn bekam insbesondere Pierre de Versailles im Februar 1435 zu spüren, sein Amts,bruder‘ aus dem kleinen und armen provenzalischen Bistum Digne, der als einer der wenigen Väter aus der gallikanischen Nation in Ruf und Ruch der Papstnähe stand und solche Einschätzung auch später etwa in der Debatte über die Erneuerung besagter Inappellabilitätsdekrete oder beim Streit um ein decretum irritans einmal mehr zu bestätigen schien: Contra quem surgens episcopus Aquensis de Anglia [!] inproperando sibi, videlicet quod ipse esset unus, qui appeteret commedere de predio pape, dicere intendens, quod episcopus Dignensis in finem, ut ipse cardinalaretur per papam, vellet promovere dissolucionem concilii45. Noch gut zwei Jahre später sollte einer der exponiertesten Basler Konziliaristen überhaupt, Erzbischof Amédée de Talaru von Lyon, eben diesen Vorwurf aufgreifen und zu einer erneuten Invektive gegen Digne nutzen46. Talaru aber war zugleich einer der Vorsteher der Gesandtschaft König Karls VII. von Frankreich, und so stand auch er im Widerspruch zwischen eigener Überzeugung und Vertretung eines (indes grundsätzlich konzilsgeneigteren) Hofs. Als dieser Gegensatz im Vorfeld des sich 1438/39 anbahnenden Schismas unüberbrückbar zu werden drohte, löste er den Konflikt auf seine Weise, da er, einem diskreten Wink seines königlichen Herrn gehorchend, im Mai 1439 die Synode 42  CB, III, 500; vgl. MC, III, 827; Paris, BN, ms. lat. 15627, fol. 139r (Kommissionsmitglied; ganz auf Konzilslinie lag er im übrigen auch als einer der deputati in materia indulgenciarum: ebd., fol. 191r). 43 Ambrosii Traversarii … latinae epistolae a domno Petro Caneto … in libris XXV tributae. Accedit eiusdem Ambrosii vita a L. Mehus … 1/2, Florenz 1759, 166. 44 Vgl. Müller, Franzosen, II (wie Anm. 1), 569. – Auffällig ist aber, daß Cesarini bei allem grundsätzlichen Bemühen um Ausgleich im kastilisch-englischen Rangstreit bei einem Nachspiel zur Attacke auf Dax diesen nicht unterstützte; Christianson, Cesarini (wie Anm. 30), 128 mit Belegen. Lag hier vielleicht auch persönliche Animosität vor, die man m. E. aus Traversaris Worten mit herauslesen könnte? 45 CB, V, 119; vgl. MC, II, 827, 844 (Position des Bischofs von Digne in der Diskussion um genannte Dekrete). Vgl. Alfred Coville, Pierre de Versailles (1380–1446), in: BECh 93 (1932), 231; über Versailles zuletzt kurz Heribert Müller, in: LexMA VI (1993), 2140 f. 46 MC, II, 956. Näheres hierzu bei Müller, Franzosen, I (wie Anm. 1), 176 f.

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verließ47. Auch de La Planche muß eine ähnliche Aufforderung – und zwar bereits zu früherem Zeitpunkt – erhalten haben, denn ein von Basel im Frühjahr 1438 nach England geschickter Gesandter weiß in seinem Brief vom 15. Mai an den Abt von Vézelay zu berichten, der Rat Heinrichs VI. habe beschlossen, daß den Bischöfen von Dax und Évreux ab octo diebus citra mandari debuit, ut aut yrent Ferrariam aut ad ecclesias suas reddirent48. (In diesem Brief des Nicolas Loiseleur ist wohlgemerkt von den beiden nur als Prälaten und nicht als Gesandten die Rede – der eher lancasterdistanzierte Martial Formier aus dem normannischen Évreux hatte obendrein nie das Amt eines Botschafters inne –, d. h. der englischen Regierung mißfiel offensichtlich auch die Präsenz von Bischöfen aus ihrem kontinentalen Herrschaftsbereich in Basel, nachdem Eugen IV. ein Konzil in Ferrara eröffnet hatte49.) Bernard de La Planche aber hat diese Aufforderung ignoriert, um sich fortan mit aller ihm möglichen Kraft der Konzilsarbeit zu widmen: Ob nun der eigene Jurisdiktionsstreit mit seinem Metropoliten Philippe II de Lévis von Auch, die Aufforderung an Kaiser Sigismund zu neuerlichem Erscheinen in Basel, ob die vertretungsweise Übernahme der Konzilspräsidentschaft bei Absenz des Kardinals Louis Aleman, die Förderung der Konzilsuniversität oder die Verkündung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis Mariens und die Verurteilung eines Ketzers anstanden50, immer häufiger begegnet sein Name in Konzilsprotokoll und 47 Ebd.,

193–196, 201–204. des Briefes in: Piero da Monte. Ein Gelehrter und päpstlicher Beamter des 15. Jahrhunderts. Seine Briefsammlung, hg. u. erl. v. Johannes Haller, Rom 1941 (BDHIR 19), n. 46 (S. 277); fehlerhaft und mit wahrscheinlich falscher Identifizierung des Absenders ebf. bei Zellfelder, England (wie Anm. 22), 359 [12]. Vgl. Valois, Pape, II (wie Anm. 25), 135; Schofield, England (wie Anm. 22), 100. Bereits Ende 1437 hatte Eugen IV. den Erzbischof Louis de Luxembourg von Rouen, einen unbedingten Parteigänger der Engländer, ermahnt, Dax – dessen zuständiger Metropolit Auch war! – sowie die zahlreichen noch in Basel weilenden Geistlichen aus seiner Provinz bzw. aus der Normandie zur Rückkehr anzuhalten; Valois, 113 f. Anm. 4 (mit Quelle). 49 Zu Loiseleur /Aucupis und Formier zuletzt Müller, Franzosen, II (wie Anm. 1), 983 s. v. „Nicolaus Loiseleur“, 979 s. v. „Martial Formier (1)“; Fasti Ecclesiae Gallicanae. Répertoire prosopographique des évêques, dignitaires et chanoines de France de 1200 à 1500, II: Diocèse de Rouen, par Vincent Tabbagh, Turnhout 1998, 295 n. 327, 287 n. 186. 50 a) Auch vs. Dax: CB, VI, 104, 243, 246. Er übernahm natürlich auch Causae aus seiner eigenen Diözese und brachte selbst Suppliken ein, z. B. CB, VI, 105, 310; viele der sonstigen ihm anvertrauten Materien kamen – die Schwerpunkte des Konzils in dessen späterer Phase spiegelnd – aus dem deutschen und französischen Raum. Zu letzterem auch Heribert Müller, Vom Konzil zur Kurie. Eine kirchliche Karriere im 15. Jahrhundert: Guillaume Hugues d’Étain, Archidiakon von Metz und Kardinal von Santa Sabina († 1455), in: ZKG 110 (1999), 34 f. – b) Aufforderung an Sigismund: CB, VI, 155. Vgl. Hans Ammon, Johannes Schele, Bischof von Lübeck auf dem Basler Konzil. Ein Beitrag zur Reichs‑ und Kirchengeschichte des 15. Jahrhunderts, Lübeck 1931 (Veröffentl. zur Geschichte der Freien‑ und Hansestadt Lübeck 10), 55. – c) Präsidentschaftsvertretung: CB, VI, 692 f., 695 ff., 734, 736, 738, 741; CB, VII, 2. Vgl. Mongiano, Cancelleria (wie Anm. 5), 120 Anm. 423. – d) Konzilsuniversität: Lausanne, Bibl. cantonale et universitaire, G 863, fol. 28v. – e) Immaculata Conceptio Mariae: MC, III, 364, vgl. 362; CB, VI, 589. – f) Ketzerei: Alexander Patschovsky, Nikolaus von Buldesdorf. Zu 48 Druck

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‑chronik. Mit Paul Ourliac wird man ihn zum harten Kern der Konziliaristen zählen51, für die Basler selbst war er einer ihrer prestanciores52, wobei er als Bischof ohnehin fast zwangsläufig in den Vordergrund trat, da der Kreis der verbleibenden Prälaten mit fortschreitender Radikalisierung der Synode immer kleiner wurde. Wenn Basel seine Gesandten für den Mainzer Kongreß 1439 instruierte, den dort anwesenden englischen Botschaftern die Forderung zu unterbreiten, Heinrich VI. möge de La Planche sowie Formier und Philibert de Montjeu unter königlichen Schutz stellen53, so zeigt dies die Wertschätzung für den Konzilsvater wie zugleich den schleichenden Realitätsverlust der Konzilsväter. Es lag in der Logik der Dinge, daß der Bischof von Dax zu jenem Kreis gehörte, der im November 1439 anstelle des abgesetzten Eugen IV. einen neuen Papst wählen sollte und aktiv an den Konklavevorbereitungen beteiligt war (nach Enea Silvio hinderte ihn dann aber, wie erwähnt, seine Gicht an der Teilnahme)54, und daß der aus diesem Konklave als Konzilspapst Felix V. hervorgegangene ehemalige Herzog von Savoyen ihn am 12. Oktober 1440 zum Kardinal (zuerst tit. ss. Nerei einer Ketzerverbrennung auf dem Basler Konzil im Jahre 1446, in: Studien zum 15. Jahrhundert, I (wie Anm. 26: Heimpel), 274 Anm. 21. – Auch Martial Formier blieb weiterhin in Basel und arbeitete bis an die Schwelle seines Todes (13. August 1439 in Straßburg) für das Konzil. Letzte Belege von Juni 1439 u. a. CB, IV, 467, 485 f., 489, 535. Vgl. Lazarus, Basler Konzil (wie Anm. 25), 330; Müller, Franzosen, I (wie Anm. 1), 192 Anm. 89 b, 461. Zu seinem von Enea Silvio Piccolomini vermeldeten Tod: Commentarii (wie Anm. 36), 194; s. auch A. Chassant / G.-E. Sauvage, Histoire des évêques d’Évreux, Évreux 1846, 113; Honoré Fisquet, La France pontificale (Gallia Christiana): Évreux, Paris o. J. [1865], 42; Georges Bonnenfant, Histoire générale du diocèse d’Évreux, I, Paris 1933, 92; Henri Tribout de Morembert, Martial Fournier, in: DBF XIV (1976/79), 850. 51 Paul Ourliac, Sociologie du concile de Bâle, in: RHE 56 (1961), 19; ND in: Ders., Études d’histoire du droit médiéval, I, Paris 1979, 344; Ders., in: L’Église au temps du Grand Schisme et de la crise conciliaire (1378–1449), I, Paris 1962 (HE XIV/I), 248 Anm. 10. Ähnlich schon im 18. Jahrhundert [PP. J. Longueval / P.-C. Fontenay / P. Brumoy, continuée par le] P. Guillaume-François Berthier, Histoire de l’Église gallicane 16, Paris 1747, 275. 52 RTA, XIII: Deutsche Reichstagsakten unter König Albrecht II., 1. Abtlg.: 1438, hg. v. Gustav Beckmann, Stuttgart–Gotha 1925 (ND 1957), n. 373 (S. 737). 53  Thomas Bekynton, Official Correspondence, II (wie Anm. 25), 68. Vgl. Zellfelder, England (wie Anm. 22), 215; Schofield, England (wie Anm. 22), 104; Müller, Franzosen, I (wie Anm. 1), 286 f. Anm. 29. Speziell zu Philibert de Montjeu, dem aus Burgund stammenden Bischof im normannischen Coutances und Beauftragten des Konzils in Prag, s. zuletzt Fasti Ecclesiae Gallicanae (wie Anm. 49), I: Diocèse d’Amiens, par Pierre Desportes / Hélène Millet, Turnhout 1996, 73 f. Anm. 518, sowie die Dissertation meines Schülers Christian Kleinert: Philibert de Montjeu (ca. 1374–1439). Ein Bischof im Zeitalter der Reformkonzilien und des Hundertjährigen Krieges, Ostfildern 2004 (Francia. Beih. 59); vgl. kurz Ders., Fasti Ecclesiae Gallicanae. Anmerkungen und Ergänzungen zum ersten Band eines neuen Forschungsunternehmens, in: AHC 29 (1997), 182 f. Anm. 29. 54 Wie Anm. 36; vgl. MC, III, 417, 424; CB, VI, 614, 676, 681, 689 (laut Protokoll brachte er aber mehrere Gründe für seinen Rückzug vor [allegatis per eum pluribus causis]: ebd., 682, 684). Vgl. Degert, Histoire (wie Anm. 1), 226; Ders., Bernard (wie Anm. 1), 652; Hugo Manger, Die Wahl Amadeo’s von Savoyen zum Papste durch das Basler Konzil, Marburg 1901, 39; Konrad Eubel, Die durch das Basler Konzil geschaffene Hierarchie, in: RQ 16 (1902), 271 mit Anm. 1; Pérouse, Louis Aleman (wie Anm. 25), 315.

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et Achil[l]ei, wenig später ss. Quatuor Coronatorum) erhob55 – doch lag es auch in dieser Logik, daß Eugen IV. seinerseits Bernard de La Planche absetzte: Am 23. September 1439 publizierte der Papst die zu Beginn des Monats vorgenommene Deposition56, um sogleich Garsie-Arnaud de La Sègue zum Nachfolger zu ernennen57. Das zeitigte Wirkung: Hatte Bernard sich schon im Januar 1439 bei den Vätern in einer Supplik über die geringen Einkünfte aus seinem Bistum beklagt (attenta exilitate et tenuitate fructuum sui episcopatus Aquensis58) und um Verbesserung gebeten, so war er nunmehr von jeglichem Zufluß abgeschnitten. In der weitab vom Konzil und obendrein im konzilsdistanzierten englischen Aquitanien gelegenen Diözese – Provinz wie Bistum waren in Basel kaum vertreten59 – suchte sich der neue Bischof durchzusetzen, auf Geheiß Heinrichs VI. 55 CB, VII, 262; MC, III, 513 f.; Rudolf Beer, Urkundliche Beiträge zu Johannes de Segovia’s Geschichte des Basler Concils, Wien 1896 (Sitzungsber. der k. Acad. der Wissenschaften, philos.-histor. Cl. 135, n. 13), 20 (mit weiteren Quellen). Letztmals begegnet er im Protokoll am 21. November 1440 als card. tit. ss. Nerei et Achil(l)ei; CB, VII, 286. Der in den Quellen keine Erklärung findende Wechsel zu der ebenfalls für Kardinalpresbyter vorgesehenen Kirche muß vor dem 8. Dezember 1440 (CB, VII, 292) erfolgt sein. In einer Bulle vom 4. Februar 1441 betr. die Erhebungen, Titel und Rangfolge seiner Kardinäle bemerkt Felix V. zu Bernard nur, er sei Kardinal Sanctorum Nerei et Achillei, quem eciam ad titulum Quatuor Coronatorum transtulimus: Paul Maria Baumgarten, Die beiden ersten Kardinalkonsistorien des Gegenpapstes Felix V., in: RQ 22 (1908), 155. Vgl. Dictionnaire des cardinaux, par l’abbé C. B[erton], publ. par l’abbé Migne, Paris 1857, 503; GC, I, 1054; Degert, Histoire (wie Anm. 1), 226; Ders., Bernard (wie Anm. 1), 652; Pérouse, Louis Aleman (wie Anm. 25), 345; Zellfelder, England (wie Anm. 22), 229; Eubel, Hierarchia (wie Anm. 5), II, Münster 1914, 10, 91 Anm. 1 (Aquen.); Mongiano, Cancelleria (wie Anm. 5), 120 Anm. 423. 56 Degert, Histoire (wie Anm. 1), 227 f.; Ders., Bernard (wie Anm. 1), 652; Clergeac, Chronologie (wie Anm. 5), 36; Zellfelder, England (wie Anm. 22), 229; Eubel, Hierarchia, II (wie Anm. 5 bzw. 55), 91; Katterbach, Referendarii (wie Anm. 5), 12 n. 60; Schofield, England (wie Anm. 22), 86 Anm. 7. 57 Zu ihm GC, I, 1055; Degert, Histoire (wie Anm. 1), 228 ff.; Clergeac, Chronologie (wie Anm. 5), 36, 148; Eubel, Hierarchia, II (wie Anm. 5 bzw. 55), 91; Jacques Verger, Le rôle social de l’Université d’Avignon au XV e  siècle, in: BHR 33 (1971), 493 f. Anm. 14. 58 CB, VI, 310. 59  Aus dem Umkreis von Bernard sind, wohlgemerkt nur durch Suppliken, allein dessen domesticus et continuus commensualis, der Pfarrektor Galhardus de Lanafranqua, und der Fiskalprokurator Matheus de Do(m)merico in den Jahren 1436 bis 1438 im Konzilsprotokoll belegt; CB, IV, 100, 119 (domesticus-Zitat); VI, 48, 194 bzw. CB, IV, 111, 136. Ein Abt aus der Diözese, Pierre III de Feugars (?, Fabas?) aus dem Benediktinerkloster Sorde(‑l’Abbaye) wurde im Februar 1435 in die Synode inkorporiert, trat aber nicht weiter hervor; CB, III, 303; MC, II, 805. Vgl. Ammon, Schele (wie Anm. 50), 89; Dean Loy Bilderback, The Membership of the Council of Basle, Diss. Washington / D.C. 1966 [Microfilm: Ann Arbor 66–7868], 319. Der Vorsteher des ebenfalls benediktinischen St-Sever im Dax benachbarten Bistum Aire, prokuratorisch in Basel vertreten (CB, III, 489), wurde vom Konzil mit der Verkündung der Plenarindulgenz in den aquitanischen Diözesen, so auch in Dax, beauftragt (Florenz, Archivio di Stato, Diplomatiche – Mediceo avanti il Principato, fol. 87 n. 9). – Konzilsteilnehmer und Suppliken aus Auch, der – armagnakischen – Metropole von Dax, finden sich lediglich vereinzelt. Näheres hierzu und zu dem in diesem Kontext „untypischen“ Erzbischof Philippe II de Lévis bei Müller, Franzosen, II (wie Anm. 1), 648–658, bes. 658. Dasselbe gilt auch für die Metropole Bordeaux, auf die sich Bernard de La Planche in den Jahrzehnten vor dem Basiliense ja wesentlich stärker

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vor Ort von dessen Statthalter Graf Huntingdon unterstützt60. Doch auf diesen König, dessen Parteigänger, Rat und Gesandter er einst gewesen war, setzte auch der Purpurträger von Basels Gnaden seine Hoffnung, indem er, weiterhin auf dem Konzil bleibend, zu der Versammlung auf Abstand ging: Nie habe er, der am Basler Konklave Unbeteiligte, so ließ er Heinrich VI. wissen, opem aut operam, consilium, consensum seu favorem verbo vel facto gegen den römischen Papst in Anschlag gebracht, von dem er vor dem Depositionsentscheid nicht einmal angehört worden sei, und darum stehe er jetzt in Alter und Armut vor dem Nichts61. Die Bitte um königliche Verwendung für seine Restitution verhallte nicht ganz ungehört: Heinrich VI., offensichtlich früherer Loyalität und Dienste eingedenk, schrieb im Februar 1441 unter der Einschränkung, der Abgesetzte habe sich nichts zuschulden kommen lassen, im gewünschten Sinn an Eugen IV., ne dictus pater, quod absit jam in multa aetate grandaevus, in ruborem et dedecus pontificalis dignitatis, victum suum mendicitus quaerere necessitetur 62. Die vorbehaltliche Intervention seines Königs blieb ohne Erfolg, und als der Seneschall der Guyenne, Thomas Rhampston, im August 1441 ebenfalls einen Vorstoß zugunsten von de La Planche am Hof unternahm, da er die – vor Ort offensichtlich nicht ganz unumstrittene – Legitimitätsfrage aufwarf, wurde Heinrich VI. seinerseits offensichtlich nicht mehr tätig63. Am Bettelstab mußte der Basler Kardinal in Wirklichkeit jedoch keineswegs gehen, im Gegenteil: Kein anderer Konzilsvater besaß bei der Basler Medicihin orientiert hatte. Nach Bilderback, 203, bedeuten 25 Inkorporationen aus dieser Kirchenprovinz gerade 1,4 % aller Konzilsteilnehmer zwischen 1432 und 1440. So ist es bezeichnend, daß z. B. in der Studie von Ernest Allain, L’Église de Bordeaux à la fin du Moyen Age, in: Revue des questions historiques 30 (1895), 305–366, Basel mit keinem Wort erwähnt wird. Erzbischof Pey Berland (1430–1456), in früheren Jahren gleich Bernard de La Planche Mitglied der „Cour souveraine d’Aquitaine“ (und später deren Präsident), steuerte einen ebenso england‑ wie romverbundenen Kurs und zeichnete sich zugleich durch seelsorgerisch-reformerischen Impetus aus: Raimond Corbin, Histoire de Pey Berland et du pays bordelais au XV e siècle, Bordeaux 1888 [hagiographisch]; G. Loirette, Pierre Berland, in: DHGE VIII (1935), 504–507; Henri Tribout de Morembert, Pey Berland, in: DBF VI (1954), 21 f.; Wade Labarge, Gascony (wie Anm. 14), 201, 207–210, 212 ff. u. ö.; Henriette Espagnet, Un Gascon: Pey Berland, dernier archevêque de la Guienne anglaise, Bordeaux 1972; Bernard Guillemain, L’archevêque Pey Berland et la fondation de l’Université, in: Histoire de Bordeaux, publ. sous la dir. de Charles Higounet, III: Bordeaux sous les rois d’Angleterre, sous la dir. de Yves Renouard, Bordeaux 1965, 523–540; Ders. /J.-B. Marquette, Le Moyen Age, in: Le diocèse de Bordeaux, sous la dir. de Bernard Guillemain, Paris 1974 (Histoire des diocèses de France, n. s. 2), 86 ff.; Ders., Un évêque au milieu de son peuple: Pey Berland et les Bordelais, in: Mélanges en l’honneur de E. Fournial, St. Étienne 1978 (Annales de l’U. E. R. des lettres et sciences humaines de l’Univ. de St-Étienne 1), 167–175. 60 Rymer, Foedera (wie Anm. 21), V/1, 87. Vgl. Zellfelder, England (wie Anm. 22), 229. 61 Der Brief selbst ist nicht erhalten, sein Inhalt läßt sich aber aus dem nachfolgend zitierten Schreiben Heinrichs VI. erschließen. Thomas Bekynton, Official Correspondence, I (wie Anm. 25), 32 f. (Zitat). Vgl. Zellfelder, England (wie Anm. 22), 229. 62 Thomas Bekynton, Official Correspondence, I (wie Anm. 25), 34. 63 Zellfelder, England (wie Anm. 22), 229 (mit Beleg).

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Filiale, wie deren Abrechnung vom 24. März 1442 zeigt, mit über 2000 Florenen eine derart hohe Einlage wie er64; also immerhin bei der „päpstlichsten“ der Florentiner Banken, welche die Basler Geschäfte seit 1441/42 nur noch von Genf aus mitbetreute und abwickelte. Es handelte sich um eine Summe, die – so de Roover – auch bei einem monatlichen Abzug von 30 bis 40 Dukaten noch für über fünf bis sechs Jahre zur Bestreitung des Lebensunterhalts auf der Synode reichte, die aber auch – so Helmrath – darauf hindeutet, daß de La Planche seine eigene Existenz ganz von der Basels abhängig gemacht hatte65. Oder hing Basels Existenz wiederum auch von seinem Geld ab? Ein gutes Jahr später, im Juni 1443, als die Kardinäle mit zur Finanzierung einer Konzilsgesandtschaft beitrugen, leistete er ebenfalls seinen Anteil. Doch mit gerade zehn Florenen gab er, gleich dem wohl kaum reichbemittelten Segovia, nur ein Sechstel der von Louis Aleman beigesteuerten Summe, um schon einen Monat später, erneut zusammen mit dem Spanier, die Väter mit Erfolg zu bitten, pensionem quingentorum florenorum de Arragonia super fructibus prioratus ecclesie Cesaraugustane [i. e. Zaragoza] …, quatenus opus, eisdem dominis cardinalibus sub penis consuetis assignare et reservare66. Bernard hatte sich wohl, den zitierten Berechnungen zum Trotz, binnen kurzer Frist für das Konzil finanziell verausgabt – oder wußte er zwischen persönlichem Lebensunterhalt und Konzilsengagement sorgfältig zu trennen, oder sollte er gar sein Vermögen vor den Vätern verborgen haben? Verausgabt hatte er sich in jedem Fall physisch; Alter und Krankheit forderten zusehends ihren Tribut: Als etwa im September 1442 die Kardinäle dem an Basel vorbeiziehenden König Friedrich III. von St. Margareten bis St. Jakob das Geleit gaben, beteiligten sich alle Purpurträger Felix’ V. daran preter Panormitanum et Aquensem, quorum primum timor et alium retraxit podagre tumor 67, um Segovias Wortspiel vor ernstem Hintergrund zu zitieren. Der Kardinal von Dax, wie er oft in Protokoll und Chronik des Konzils bezeichnet wird, war meist in der Versammlung anwesend; kaum ein Name wird häufiger als der seine genannt, doch von kaum einem der – zumindest ranghohen – Teilnehmer gibt es weniger zu vermelden. Bernard war präsent, mehr nicht68. Zwar vertrat er vorübergehend Louis Aleman als iudex fidei, er versah das Amt eines Registrators in der Kanzlei

64 Raymond de Roover, The Rise and Decline of the Medici Bank 1397–1494, Cambridge / Mass. 1963 (Harvard Studies in Business History 21), 215. Allgemein Kurt Weissen, Die Bank von Cosimo und Lorenzo de’ Medici am Basler Konzil (1433–1444), in: VSWG 82 (1995), 350–386, 381 zum „Kardinal de la Plaigne“. – Zum Vergleich: Die Kirche von Dax war auf gerade 500 Florenen taxiert: Eubel, Hierarchia, I (wie Anm. 5), 97; II (wie Anm. 55), 91; Clergeac, Chronologie (wie Anm. 5), 33 Anm. 1. 65 De Roover, Rise (wie Anm. 64), 214; Helmrath, Basler Konzil (wie Anm. 26), 256 f. Anm. 294. 66 Zahlung: MC, III, 1365. – Supplik: CB, VII, 475. 67 MC, III, 1216. 68 Vgl. CB, VII, 511 s. v. „Bernardus episc. Aquensis“.

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Felix’ V. und feierte Gottesdienste69; wir finden ihn mit mancher der auf dem Konzil noch anhängigen Causae wie beispielsweise Salzburg, Freising und Lund oder auch mit dem (für den Widerspruch zwischen konziliaren Idealen und politischen Zwängen höchst aufschlußreichen) Streit um die Würzburger Propstei zwischen Johann Bachenstein und Philipp von Sierck befaßt, indes hat er in keinem dieser Fälle eine erkennbar führende Rolle gespielt70. In den Vordergrund trat er, allerdings unter negativ-passiven Vorzeichen, nur in der seit Frühjahr 1441 auf der Synode erneut aufflammenden Auseinandersetzung zwischen Mendikanten und Säkularklerus, die wesentlich von dem irischen Magister Philipp Norreys betrieben wurde, einem geradezu pathologischen Gegner der Bettelorden seit Oxforder Studientagen, und deren Verlauf – nicht zuletzt auch im Vergleich zu dem ersten Streit (1434/35) – einen gravierenden intellektuellen Substanzverlust der schrumpfenden Versammlung anzeigt71; doch nicht das allein: Als im April / Mai 1443 die Debatte mit großer Heftigkeit geführt wurde, ließ man de La Planche, der sich ansonsten allem Anschein nach kaum noch im Plenum zu Wort meldete, nicht einmal mehr reden: At cardinalis Aquensis quid sibi videretur dicere non fuit permissus invalescente clamore72. Nachdem er, dessen Anfänge ja im Mönchtum wurzelten, dann doch noch seinen Standpunkt hatte darlegen können, wurde er von Norreys angefahren: At ille dure replicavit negando et alia in Aquensem objurgando et despiciendo, ita ut pluries ei dixerit: ‚Ego diffido te.‘ Dann stieß der Vikar aus dem irischen Dundalk nach: dicebat in eum, equidem pre aliis videbatur eum contempnere, propterea quod vocaret se episcopum Aquensem, sub dominio 69 Glaubensrichter: CB, VII, 269 f., 330. – Registrator: Mongiano, Cancelleria (wie Anm. 5), 120, 127, 223. – Zelebrant: CB, VII, 355, 361. Als Prediger dagegen scheint er in Basel – anders als noch in Konstanz (vgl. Brandmüller, Konstanz, II [wie Anm. 6], 311 Anm. 328) – zumindest nach Ausweis der einschlägigen Handschriften Douai, Bibl. Municipale, 1983; Köln, HAStK, GB fo 123, sowie eines zu Beginn dieses Jahrhunderts in Privatbesitz befindlichen Manuskripts mit Konstanzer und Basler Konzilssermones nicht mehr aufgetreten zu sein. Vgl. J.-M. Vidal, in: RHE 10 (1909), 493–520; Joachim Vennebusch, Die homiletischen und hagiographischen Handschriften des Stadtarchivs Köln, I, Köln 1993 (Mitt. aus dem Stadtarchiv von Köln. Sonderreihe 6/I), 47–58. 70 Salzburg: MC, III, 971; Freising: ebd., 1324, 1336; Lund: MC, III, 1326 und CB, VII, 489, 491; Würzburger Propstei: CB, VII, 414 und MC, III, 1276. – Zu Salzburg zuletzt Werner Müller, Bayern und Basel. Studien zu Herzogshaus, Kirche und Konzil (1431–1449), in: AHC 29 (1997), 427 f. – Zu Freising: Ders., 396–404; Erich Meuthen, Antonio Rosellis Gutachten für Heinrich Schlick im Freisinger Bistumsstreit (1444), in: Aus Kirche und Reich. Studien zu Theologie, Politik und Recht im Mittelalter. FS F. Kempf, hg. v. Hubert Mordek, Sigmaringen 1983, 461–472. – Zu Lund: Losman, Norden (wie Anm. 35), 140 f. – Zur Würzburger Propstei: Ignaz Miller, Jakob von Sierck 1398/99–1456, Mainz 1983 (QMRhKG 45), 119 ff. u. ö.; Müller, Vom Konzil zur Kurie (wie Anm. 50), 45. 71 Helmrath, Basler Konzil (wie Anm. 26), 124 f. mit Anm. 184. S. außer der dort angegebenen Lit. insbesondere zu Norreys noch Dictionary of National Biography XIV (1894/95), 583 f.; Alfred B. Emden, A Biographical Register of the University of Oxford to A. D. 1500, II, Oxford 1958, 1365 f.; Joachim Smet / Ulrich Dobhan, Die Karmeliten. Eine Geschichte der Brüder U. L. Frau vom Berge Karmel, I, Freiburg/Brsg. 1980, 104 f. 72 MC, III, 1296.

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regis Anglie ecclesia huiusmodi consistente73. Keiner der Konzilsväter hielt es daraufhin offenbar für geboten, sich grundsätzlich vor jenen Mann zu stellen, der seine ganze Existenz mit diesem Konzil verbunden hatte – und zwar bis hin zum Bruch mit seinem Protektor, eben der englischen Krone. (Daß sein früherer Sitz im August 1442 in französische Herrschaft überging, änderte an seinem Schicksal nichts74.) Nein, in Basel war vergessen, wessen man ihn einst am 14. Mai 1435 in einer ihm erteilten Vollmacht zur Rekonziliation entweihter Kirchen und Friedhöfe seiner Diözese versichert hatte: Tue devocionis exposcunt merita, ut in hiis que a nobis honeste postulas, votis tuis favorabiliter annuamus75. Jenes häufig zitierte Wort des Basler Chronisten Christoph Offenburg und aus der Schedelschen Weltchronik Diszz concilium hett ein schoenen anfang, aber ein ublen uszgang76, hier erhält es seine ganz persönlich-bittere Note. Mit den letzten in der Konzilschronik Segovias tradierten Nachrichten77 verlieren sich die Spuren des Bernard de La Planche nach der Jahreswende 1443/44 fast ganz. Falsch sind indes vereinzelt geäußerte Vermutungen, er habe seinen Purpur 1444 zurückgegeben bzw. er sei in jenem Jahr gestorben78. Wenn dagegen im Protokoll über die 1447 einsetzenden Verhandlungen zur Liquidation von Konzil und Schisma allein sein Name nicht unter denen der Kardinäle Felix’ V. aufgeführt wird, die sich im November des Jahres zum Gegenpapst nach Genf begeben hatten, und Gabriel Pérouse, Herausgeber dieser Quelle, daraus den

73 Ebd.,

1299 f. Du Fresne de Beaucourt, Histoire de Charles VII, III: Le réveil du roi, Paris 1885, 244 f.; Henri Courteault, Gaston IV, comte de Foix … 1423–1472. Étude historique sur le Midi de la France et le nord de l’Espagne au XV e siècle, Toulouse 1895 (Bibl. Méridionale II / 3), 70 ff.; Degert, Histoire (wie Anm. 1), 229. 75 Paris, BN, ms. lat. 15625, fol. 138r. 76 Vgl. etwa Helmrath, Basler Konzil (wie Anm. 26), 1 (mit Quellenangaben). 77 MC, III, 1351 (1443 Dezember; zur anstehenden Causa Aix-en-Provence und zu Gui­ llaume de Littera vgl. Müller, Franzosen, II [wie Anm. 1], 520), 1353 (1444 März). Der letzte Beleg im Konzilsprotokoll datiert vom Juli 1443: CB, VII, 491. 78  Resignation: Ciaconius /Oldoinus, Vitae (wie Anm. 4), 940 (ohne Beleg). Doch läßt die Abdankung sich nach Degert, Histoire (wie Anm. 1), 227 Anm. 2, daraus erschließen, daß Felix V. am 6. April 1444 einen anderen Kardinal ss. Nerei et Achil(l)ei kreierte. – In seinem Artikel im DHGE (wie Anm. 1) behauptete er dagegen: „il mourut trois ou quatre ans après [i. e. 1443/44], obscurément“ (652). So auch Zellfelder, England (wie Anm. 22), 230 mit Anm. 4, unter Hinweis eben auf die Erhebung eines neuen Kardinals genannten Titels – nur hatte de La Planche ja bereits wenige Wochen nach seiner Ernennung die Titelkirche gewechselt; vgl. hier Anm. 55. Neben dem neuen Kardinal tit. ss. Nerei et Achil(l)ei, dem Savoyer Jean d’Arces (vgl. Eubel, Hierarchia, II [wie Anm. 5 bzw. 55], 10 f., 245), war und blieb Bernard Kardinal tit. ss. Quatuor Coronatorum. Verwirrend und unvollständig sind die Angaben bei Enea Silvio Piccolomini in dessen Konzilskommentar von 1450/51, da er d’Arces offensichtlich unter die von Felix V. im Oktober 1440 ernannten Kardinäle einreiht, hierbei wiederum de La Planche völlig übergeht: Der Briefwechsel des Enea Silvio Piccolomini, hg. v. Rudolf Wolkan, II: Briefe als Priester und Bischof von Triest (1447–1450), Wien 1912 (FRA II / 67), 202 f. 74 Gaston

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Schluß zieht, Dax sei damals als einziger Kardinal am Ort der Synode geblieben79, so ist dies zwar nicht belegbar, aber sehr wahrscheinlich: Denn am 28. Juni 1448 begegnet er tatsächlich nochmals in Basel mitsamt den Kardinälen Segovia und Étain an der Spitze der Konzilsväter, denen Bürgermeister und Rat der Stadt auf königliche Ordre hin ihre Ausweisung mitteilen mußten. Das Zeugnis ist eindeutig, es handelt sich um ein den Vorgang beurkundendes Notariatsinstrument, auf dem seinerseits im späten 16. Jahrhundert die Basler Chronik des Christian Wurstisen fußen dürfte, die bei der Schilderung jenes Ereignisses eigens die Cardinäl, der von Segobia, S. Calixti; Bernhart, der heiligen vier Gecrönten, sonst Aquensis genannt; Wilhelm Hugonis, S. Marcelli hervorhebt80. Zu Lausanne im Herzogtum Savoyen, der ehemaligen Herrschaft (Amadeus’ VIII.–)Felix’ V., fand der Epilog des Rumpfkonzils statt81. Bernard de La Planche ist wohl sehr bald an diesem Ort gestorben, weil er in einem der späteren Dokumente der Versammlung, das für den 19. April 1449 alle anwesenden Kardinäle namentlich aufführt, nicht mehr begegnet82. Auch Johannes von Segovia hat ihn in seiner ex eventu geschriebenen Konzilschronik nie mit dem Attribut usque ad concilii finem persistens belegt; einem „Orden“, den der Autor ansonsten den wenigen gleich ihm bis zum letzten Tag auf der Synode verbliebenen Mitstreitern zu verleihen pflegte83.

79 Procès-verbal des conférences tenues en 1447 à Lyon et à Genève pour mettre fin au schisme de Bâle, éd. par Gabriel Pérouse, in: CB, VIII, 251–428, hier 332 Anm. 1. 80 a) Urkundenbuch der Stadt Basel, VII, bearb. v. Johannes Haller, Basel 1899, n. 171 (S. 309). – b) Christian Wurstisen, Baßler Chronick, darinn alles was sich in oberen teutschen Landen … biß in das gegenwirtige M.D.LXXX Jar gedenckwirdiges zugetragen …, 3. Aufl. nach der Ausgabe des Daniel Bruckner von 1765, Basel 1883, 292. Zu Wurstisen: A. Bernouilli, in: ADB XLIV (1898), 346 f.; Historisch-Biographisches Lexikon der Schweiz VII (1934), 603. – Zum Vorgang selbst Berthe Widmer, Geleitbriefe und ihre Anwendung in Basel zur Zeit des hier tagenden Generalkonzils, in: BZGA 92 (1992), 93–97. 81 Daß die Quellen unter den am 4. August 1448 von Basel nach Lausanne aufbrechenden Konzilsvätern wiederum namentlich Segovia, Étain und Dax erwähnen, behaupten Pérouse, Louis Aleman (wie Anm. 25), 430, und, ihm folgend, Dieter Neitzert, Wilhelm Kircher aus Konstanz. Ein Jurist auf dem Basler Konzil, in: Staat und Gesellschaft in Mittelalter und früher Neuzeit. Gedenkschrift für Joachim Leuschner, hg. v. Historischen Seminar der Universität Hannover, Göttingen 1983, 119; den von Pérouse angeführten Belegen ist dies m. E. jedoch nicht eindeutig zu entnehmen. 82 Johannes Dominicus Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, XXXV, Florenz 1798, 79. Damit erübrigt sich auch die Spekulation, der im Zuge der Liquidationsverhandlungen für Felix V. u. a. vorgesehene apostolische Vikariat über Armagnac sei vielleicht im Hinblick auf Bernard de La Planche erfolgt, dessen – früherer – Sitz Dax ja Suffragan der armagnakischen Metropole Auch war; s. etwa Pérouse, in: CB, VIII, 415 Anm. 4; Mongiano, Cancelleria (wie Anm. 5), 189 Anm. 664. 83 Vgl. (am Beispiel des Guillaume Hugues d’Étain) Müller, Vom Konzil zur Kurie (wie Anm. 50), 32, 46.

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III. Aber hätte Bernard de La Planche ihn nicht ebenso, ja eigentlich mehr noch als diese verdient gehabt, die am Ende doch allesamt wieder zu Amt und Auskommen fanden, zum Teil gar erstaunliche und einträgliche römische Karrieren machen sollten? Denn er war ohne Rücksicht auf Alter und Krankheit bis zur letzten Konsequenz der Stimme seines Gewissens gefolgt, er hatte seinem weltlichen Herrn und Protektor die Stirn geboten, um sich mit seiner ganzen Existenz für eine seiner Überzeugung nach bessere Kirche einzusetzen. Was mag ihn, dessen aquitanische Laufbahn zwischen englischer Krone und Heiligem Stuhl so klar vorgezeichnet schien, zu solchem Schritt, genauer: zu solcher Grenzüberschreitung bewogen haben? Bernard de La Planche gehörte zu einer älteren Generation, die wie auch ein Amédée de Talaru und viele – vor allem französische – Exponenten des Konziliarismus in Theorie und Praxis durch die Jahrzehnte des Abendländischen Schismas und der Reformkonzilien geprägt war (allerdings ist ihr auch manch papstnaher Vertreter wie Pierre de Versailles zuzurechnen)84. Persönlich hatte er an den Versammlungen von Konstanz und Pavia – Siena teilgenommen und in deren Diensten mehrfach verantwortliche Funktionen versehen (allerdings kaum theologisch-intellektuelles Profil gewonnen). Und war er für die Basler auf Grund seiner Erfahrungen nicht noch wertvoller und wichtiger, als es die Quellen erkennen lassen? Stets hatte die Synode Mangel an Prälaten zu verzeichnen, und der geschätzte und umworbene ehemalige Gesandte mag seinerseits die internationale Zusammenkunft als ihm gemäßes Forum betrachtet haben. Da wird vielleicht mancher Rat erteilt, mancher Plan entworfen worden sein, von dem kein Protokoll und keine Chronik etwas vermelden. (Allerdings zu den führenden „Machern“ des Basiliense dürfte er dennoch nicht und am wenigsten gegen dessen Ende hin gehört haben.) In jedem Fall aber scheint er einen langen und beeindruckend konsequenten Weg im Zeichen von Konzil und Konziliarismus beschritten zu haben, der vom Verdikt der römischen Kardinäle in Konstanz 1417 gegen den Benediktiner aus Soulac bis hin zur Ausweisung des Konzilskardinals aus Basel 1448 reichte, wo ihm der Auftrag des Gewissens mehr als der seines Königs bedeutet hatte. Ein stimmiges Bild, doch Zweifel sind angebracht: Mancher, der sich in der konkreten Lage des Constantiense im Sommer 1417 König Sigismund anschloß, sah sich ähnlichen Vorwürfen und Angriffen ausgesetzt – das war situationsbedingte Polemik und Propaganda der Kardinalspartei, mehr nicht85. Ein exponierter Vorkämpfer gegen Rom ist der päpstliche Referendar Bernard de La Planche, der das stete Wohlwollen Martins V. genoß, wohl kaum je gewesen. In Basel 84 Müller, 85 Vgl.

Franzosen, I (wie Anm. 1), 64 f. Brandmüller, Konstanz, II (wie Anm. 6), 304.

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beteiligte er sich ebensowenig an der Absetzung Eugens IV. wie an der Wahl des Konzilspapstes Felix V., wobei er sein Fernbleiben vom Konklave gegenüber den Vätern nicht nur mit Krankheit, sondern noch weiteren Gründen gerechtfertigt haben muß (allegatis per eum pluribus causis86). Er dürfte in jenen Tagen von seiner eigenen Deposition als Bischof von Dax durch Eugen IV. erfahren haben, und dies ließ ihn, wie auch sein späteres Schreiben an Heinrich VI. belegt, in entscheidender Stunde auf Abstand zum Konzil gehen. Als es ernst wurde, als die Einkünfte aus der Heimat wegbrachen, brach er ein. (Und ob er nicht alsbald aus Basel aufgebrochen wäre, hätte ihn nur Eugen IV. auf englisches Drängen hin als Bischof wiedereingesetzt?) Überhaupt die finanzielle Seite: Wer das Konzil wiederholt um seine Versorgung anging, wer dem englischen König sein Alter in Armut und Elend ausmalte, um immerhin noch 1442 das – aus welchen Quellen auch immer – bestgefüllte Konto bei der Basler Medici-Niederlassung zu unterhalten, der trieb ein Doppelspiel (selbst wenn nicht ganz auszuschließen ist, daß der Konzilskardinal sein privates Vermögen in die unter immer größeren pekuniären Nöten leidende Versammlung einbrachte), wie auch die Annahme des Purpurs aus Felix’ V. Händen bei gleichzeitigem Bemühen um eine Restitution in Dax unter römisch-englischen Vorzeichen ein Doppelspiel war. Soweit erkennbar, hat Bernard de La Planche im Basel der vierziger Jahre nur noch eine randhafte Rolle gespielt. Das war durch Alter und Krankheit bedingt, deswegen konnte er auch keine der für das Konzil im damaligen Obödienzkampf besonders wichtigen Gesandtschaften übernehmen, und die theologisch-ekklesiologischen Debatten vor Ort waren des Juristen Sache nie gewesen. Falls aber die Art und Weise seines Bemühens um Wiedereinsetzung in Dax wie auch besagter Kontostand den Vätern nicht verborgen geblieben sein sollten, findet dann jene marginale Position nicht auch ihre Erklärung in einem Reputationsverlust? Könnte das Fehlen von Segovias „Verdienstorden“ nicht auch in solchem Zusammenhang stehen? Eingangs hieß es, das Schicksal des Bernard de La Planche mache noch über die Jahrhunderte betroffen, und es war die Rede von einer persönlich-bitteren Note seiner späten Jahre – möglicherweise erhalten diese Worte einen neuen, zweiten Sinn. Doch da ist und bleibt ja noch immer jener bewundernswerte Mut zum Ungehorsam aus Gewissensnot. Mochten sich selbst ein Erzbischof von Lyon und Palermo im Zwiespalt ihrer Doppelfunktion als Gesandte und Konzilsväter letztlich den Anordnungen ihrer Herren beugen, der Bischof von Dax tat dies nicht. Indes Zweifel auch hier: Als de La Planche im Frühjahr 1438 vom königlichen Rat zum Verlassen des Basler Konzils aufgefordert wurde, weilte er dort ja seit mehr als zwei Jahren ohne Bestätigung, aber offensichtlich auch ohne förmliche Aufhebung seines Mandats. Möglicherweise glaubte er, vielleicht in falscher Ein86 Wie

Anm. 54.

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schätzung der Verhältnisse am Königshof und in ebenso falscher Hoffnung auf uneingeschränktes Wohlwollen Heinrichs VI., solchen Schwebezustand perpetuieren zu können. Dann mag die ihm von Giuliano Cesarini unterstellte Dummheit tatsächlich mit im Spiel gewesen sein; andererseits war solches Kalkül ganz so unbegründet nicht, wie ja Heinrichs VI. Intervention noch im Februar 1441 zu seinen Gunsten bei Eugen IV. zeigt. Aber letztlich und prinzipiell konnte es nicht aufgehen angesichts der Papstnähe Englands und eines mit dem Papst zerfallenen radikalisierten Konzils, dessen Profil Bernard de La Planche, unbeschadet seiner Zurückhaltung bei der Deposition Eugens IV. und der Wahl Felix’ V., mit schärfte. So unverzichtbar aber war auch kein als langjähriger Parteigänger verdienter Bischof aus Aquitanien für die englische Krone, die zudem trotz zunehmender Krisenerscheinungen um 1440 in Frankreich ihre vitalen Interessen noch nicht bedroht sah, als daß sie jenes für alle Gesandten gültige Fundamentalgebot der Befolgung vorgegebener Direktiven, zumindest aber grundsätzlicher Leitlinien in seinem Fall außer Kraft gesetzt hätte. Eine Synode, die Botschafter geistlichen Stands sowohl als Fürstenvertreter als auch für ihre Person inkorporierte, um sodann mit ihren konziliaristisch-antirömischen Zielsetzungen auf Dauer den Widerspruch der Fürsten hervorzurufen, aber auch Zustimmung und Unterstützung bei einigen dieser Gesandten-Konzilsväter zu finden, scheint ein geradezu prädestiniertes Terrain für den Konflikt zwischen Auftrag und Gewissen. Doch generell leistete der kleine Kreis unmittelbar Betroffener dem Herrscherwillen Folge, wenn auch sicher nur getreu der resignierenden Einsicht eines Panormitanus. Mochten die Konzilien von Konstanz und Basel sich als oberste Repräsentanz der gesamten Christenheit deklarieren und gerieren, die Einheit dieser lateinischen Christianitas wurde länger schon von den Partikularinteressen der souveränen Einzelherrschaften überlagert und bestimmt; eine Erfahrung, die im übrigen auch Papst und Kurie machen mußten. In der Basler Konzilsaula wehte bereits der bekannt schneidende Luftzug der neueren Geschichte, und Bernard de La Planche wurde gleich zweimal sein Opfer: spektakulär und für kurze Zeit beim Rangstreit zwischen England und Kastilien; auf Dauer und existentiell bei seinem Versuch, gerade im Falle Englands Unvereinbares zu vereinen, nämlich Gesandter und Konzilsvater zugleich zu sein. Daß über den Widersprüchen und Brechungen auch menschliche Unzulänglichkeiten zutage traten, daß die zunehmenden Schatten über seinen späten Jahren sich am Ende zum Dunkel persönlicher Tragödie verdichteten, scheint für die Geschichte des 15. Jahrhunderts unerheblich, wird aber niemanden unberührt lassen, der immer wieder die Frage eines Lucien Febvre ernst nimmt: „Et l’homme dans tout cela?“

et sembloit qu’on oÿst parler un angele de Dieu Thomas de Courcelles et le concile de Bâle ou le secret d’une belle réussite Que Thomas de Courcelles sût parler comme un ange de Dieu, cette impression d’Antoine de La Taverne, prévôt de Saint-Vaast, au congrès d’Arras où il l’entendit prononcer un discours, cette impression fut partagée par beaucoup de contemporains1. La postérité, cependant, lui a attribué un caractère plutôt diabolique: n’avait-il pas pris part, en 1431, comme assesseur au procès de condamnation de Jeanne d’Arc à Rouen où il avait même voté pour le recours à la torture de la Pucelle? Trente ans plus tard, cet ancien partisan du parti anglo-bourguignon devra prononcer l’oraison funèbre à l’occasion des obsèques du roi Charles VII à Saint-Denis. Deux événements qui suffirent pour que la plupart des historiens du XIXe, et en bonne partie encore du XXe siècle, rendent leur verdict contre cet opportuniste, pire, contre ce « Saint-Just de l’Inquisition », l’un des bourreaux de la libératrice du royaume de France, pour ne citer que Joseph Fabre, auteur d’une biographie de la Pucelle parue en 19152. Impitoyable dans sa haine contre la sainte héroïne, Courcelles le fut aussi dans sa lutte contre Eugène IV menée sur le champ de bataille nommé concile de Bâle. Après Rouen et Saint-Denis, donc un troisième lieu de la honte: Bâle, où les Pères furent dès le début du synode, en 1431, en conflit quasi-permanent avec le pape romain qu’ils finirent par déposer et remplacèrent en 1439 par leur élu Félix V, l’ancien duc Amédée VIII de Savoie. Sans aucun doute, Courcelles ne fut pas étranger à ce schisme – et cette fois-ci, le jugement de condamnation fut rendu par une historiographie de tendances catholique et ultramontaine. Écoutons le jésuite Jean-Baptiste-Joseph Ayroles en 1890: Pour les vrais enfants de l’Église, Thomas de Courcelles est un des grands précurseurs de Luther et de Calvin3.

On pourrait ajouter que Matthias Flacius Illyricus, père de l’historiographie protestante au XVIe siècle, réserva, en effet, dans son catalogus testium veritatis une place d’honneur à Courcelles, selon lui l’un des premiers héros qui eurent 1 Antoine

de La Taverne, Journal de la paix d’Arras, éd. André Bossuat, Arras 1936, 68. Fabre, Les bourreaux de Jeanne d’Arc et sa fête nationale. Notes sur les personnages du procès de condamnation. Documents sur la fête du patriotisme, Paris 1915, 67. 3 Jean-Baptiste-Joseph Ayroles, La vraie Jeanne d’Arc, I, Paris 1890, 125. 2 Joseph

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l’audace d’attaquer ouvertement la tyrannie romaine4. Certes, en tant que défenseur infatigable de l’Église gallicane, il obtint également l’estime des auteurs gallicans, à commencer par Bossuet5. Mais en général, on désapprouva ce « mauvais conciliarisme » à la Courcelles qu’il propagea avec tant d’éloquence – je cite ici Paul Ourliac, l’un des meilleurs spécialistes en la matière, qui ajouta que cette « éloquence qu’on lui reconnaissait paraît aujourd’hui le produit d’une scolastique dépravée et de ce verbalisme dont se moquait déjà Villon »6. Fait assez étrange et moins connu, le même Courcelles, à partir de 1437–38 auteur de la plupart des décrets bâlois, porte-parole du concile aux assemblées du clergé à Bourges et aux diètes du Saint-Empire, contribua quelques années plus tard à liquider ce qu’il avait créé. Per Thomam omnes fere scripture synodales quamdiu in concilio permansit, fuerunt composite, témoigne le chroniqueur du concile, Jean de Ségovie, son ancien compagnon de lutte pendant de longues années, qui se vit brusquement confronté à Lyon, en 1447, à l’ambassadeur Thomas de Courcelles, membre d’une délégation du roi de France chargée de mettre fin à l’assemblée et au schisme7: Courcelles, un Talleyrand de l’époque conciliaire? En tout cas, c’est apparemment une vie pleine de contradictions, empreinte aussi de discrétion et même de timidité, à en croire Enea Silvio Piccolomini: modesta quadam uerecundia semper intuens terram et velut latenti similis8, mais toujours dans les centres de l’époque, soit à Rouen et Saint-Denis, soit à Bâle et Rome et, bien sûr, à Paris. Une vie vraiment faite pour attirer l’intérêt des biographes et, vu le réseau de ses relations, également celui des prosopographes. Mais à quoi tient le fait qu’à ma connaissance aucune étude de ce genre n’ait été réalisée jusqu’à présent, à part quelques articles parus dans les encyclopédies théologiques et historiques? Est-ce dû à un embarras de richesse, à une pléthore de documents à Paris et à Rome, mais aussi dispersés un peu dans toute l’Europe, de Bâle à Vienne, de Cologne à Tübingen et de Bonn à Erlangen (pour ne mentionner ici que quelques archives et bibliothèques du monde germanophone)? Certes, cette communication ne va pas tout changer, elle n’est qu’un premier essai éclairant surtout les années bâloises de Courcelles, années restées peut-être plus dans l’ombre que les autres périodes de sa vie, et pourtant d’une importance 4 Matthias

Flacius Illyricus, Catalogus testium veritatis …, Bâle 1556, 797. Bénigne Bossuet, Defensio declarationis celeberrimae …, II, Luxembourg 1730, 7 (L. IX, c. 5). 6 Paul Ourliac: a) Compte rendu de Giuseppe Alberigo, Chiesa conciliare, dans: RHE 78 (1983), 128. – b) Sociologie du concile de Bâle, dans: ibid. 56 (1961), 20 (nouv. impr. dans: Id., Études d’histoire du droit médiéval, I, Paris 1979, 344). 7 Monumenta conciliorum generalium seculi decimi quinti [MC], éd. Caesareae Academiae Scientiarum socii delegati, II, Vienne 1873, 1042 (Jean de Ségovie); Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel [CB], VIII, Bâle 1936 (nouv. impr. 1976), 265–428: Procès-verbal des conférences tenues en 1447 à Lyon et à Genève …, éd. Gabriel Pérouse. 8 Aeneas Sylvius Piccolominus (Pius II), De gestis concilii Basiliensis commentariorum libri II, éd. Denys Hay / Wilfrid K. Smith, Oxford 21992, 30. 5 Jacques

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considérable aussi bien sur le plan personnel que pour l’histoire du concile. Années en outre assez révélatrices de la société politique du royaume de France à la fin de la guerre de Cent Ans et enfin – fait étonnant – dans une certaine mesure même pour une histoire comparée du royaume de France et du Saint-Empire à cette époque. Une esquisse assez brève d’abord, retraçant ses origines, sa formation et les débuts de sa carrière. Issu d’une famille probablement bourgeoise de l’Amiénois, Thomas de Courcelles, né vers 1400 – c’est lui-même qui l’atteste à plusieurs occasions9 –, reçut sa formation au collège des Cholets, établissement fondé en 1295 pour seize boursiers en provenance des diocèses d’Amiens et de Beauvais étudiant la théologie10. Ce collège était dirigé par des custodes, comme par exemple au début du XV e siècle Regnault de Chartres, plus tard archevêque de Reims et chancelier de Charles VII. Grâce à d’excellentes études, l’ascension de Thomas dans le monde érudit rive gauche fut irrésistible. Recteur en 1426 et 1430, l’université le chargea après l’élection d’Eugène IV d’aller à Rome comme portator rotuli. Encore à la curie, où il se munit d’une permission qui l’autorisa à remplir toutes les fonctions magistrales, ce fut bien lui que l’on nomma le 25 janvier 1432 premier des licenciés à la faculté de théologie sous le magistère de Guillaume Érart. Peu importe que l’acte officiel ne pût avoir lieu qu’en mars 1435 puisque Courcelles participait déjà à l’époque aux travaux du concile réuni à Bâle11. Peu importe également qu’il fût donc en 1431 au tribunal de Rouen le seul universitaire parisien à ne pas avoir de doctorat. D’après sa célèbre déposition au cours du procès en nullité de la condamnation de Jeanne d’Arc en 1456, Courcelles ne se rendit à Rouen que sur insistance de Pierre Cauchon. Ce renvoi à l’évêque de Beauvais entre, bien sûr, dans sa stratégie générale de marginaliser son rôle d’assesseur – stratégie reflétant, on le sait, également la version latine des actes du procès, qu’il rédigea avec le notaire Guillaume Manchon en 1435 –, mais sa nomination est néanmoins indubitablement due à sa réputation de théologien. Bien que le procès de Jeanne d’Arc fût un tribunal politique, on ne peut pourtant que souligner la constatation de Jacques Verger selon lequel les juges se sentirent d’abord responsables d’une affaire religieuse12: d’une personne  9 Procès en nullité de la condamnation de Jeanne d’Arc, éd. Pierre Duparc, I, Paris 1977, 355; Chartularium Universitatis Parisiensis [CUP], éd. Heinrich Denifle/ Émile Châtelain, IV, Paris 1897 (nouv. impr. 1964), no 2423; cf. Antoine de La Taverne, Journal (cit. n. 1), 67. 10 Adrien Huguet, Recherches sur trois juges du procès de condamnation de Jeanne d’Arc, originaires d’Amiens, dans: Bull. de la Soc. des Antiquaires de Picardie 33 (1929/30), 331; Eliane Deronne, Les chanoines de Notre Dame de Paris aux XV e et XVIe siècles, Paris 1970 (ECh, Thèse dactylogr.), 159 sv.; Christian Kleinert, Fasti Ecclesiae Gallicanae. Anmerkungen und Ergänzungen zum ersten Band eines neuen Forschungsunternehmens, dans: AHC 29 (1997), 199; Élisabeth Rabut, Les Cholets. Étude historique et topographique d’un collège parisien, dans: Paris et Ile-de-France. Mémoires 21 (1970), 83 sv., 88, 91. 11 CUP, IV, no 2265, 2354, 2396, 2406, 2423, 2457. 12 Jacques Verger, The University of Paris at the End of the Hundred Years War, dans: Uni-

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qui prétendait être fille de Dieu, être envoyée de par Dieu et qui se vantait de communier en direct avec le monde céleste sans avoir recours à l’institution de l’Église, seule médiatrice entre Dieu et les hommes. On pouvait, certes, contester la condamnation de la Pucelle par Cauchon, Courcelles et les autres (il y avait eu, en effet, des contestations), mais en tout cas elle était justifiable et défendable. Cauchon, Courcelles et les autres, tels que Jean Beaupère, Gilles Canivet, Denis de Sabrevois, Guillaume Évrart et Nicolas Lamy, tous des délégués de l’Université de Paris à Bâle: au concile, ils furent à maintes occasions la cible d’attaques de la part des Pères fidèles à Charles VII parce qu’ils s’étaient déclarés soumis au Lancastre Henri VI, roi d’Angleterre et de France. Mais personne ne leur a jamais reproché leur attitude à l’égard de Jeanne d’Arc. En dépit des options politiques qui les séparaient, il y eut apparemment, au moins à Bâle, un consensus général comme quoi la Pucelle avait eu un beau procès, et le bûcher de Rouen entra tout à fait dans cette logique des choses. On pourrait ajouter (en dépassant un peu le sujet de la communication) que même sur le plan politique, la sentence rendue par Cauchon et les siens ne fut ni un scandale, ni un désastre, même pas pour le parti ennemi. Certes, l’apparition de Jeanne d’Arc fit de 1429 pour les Armagnacs l’année charnière dans l’histoire de la guerre de Cent Ans; mais une fois Orléans libérée et Charles VII sacré, elle avait accompli son devoir. Grâce à la Pucelle, les règles du jeu furent changées; à peine changées, au moins une partie des gens de la cour espéra l’éliminer du jeu, intruse et inquiétante qu’elle était, d’autant plus qu’elle avait risqué par son « bellicisme » de faire écrouler tous les efforts diplomatiques en vue d’un rapprochement franco-bourguignon13. Les activités du tribunal et même d’un Thomas de Courcelles se prononçant pour la torture, ne dérangeaient pas trop une cour, qui ne fit pas, on le sait bien, le moindre effort pour sauver Jeanne d’Arc14. En ce qui concerne Rouen, ni le théologien, ni l’Anglo-Bourguignon Thomas de Courcelles n’eut donc grand-chose à craindre de la part des Armagnacs, pour ne pas parler de son amnésie lors de sa déposition faite en 1456, aussi scandaleuse versities in Politics. Case Studies from the Late Middle Ages and Early Modern Period, éd. John W. Baldwin / Richard A. Goldthwaite, Baltimore – Londres 1974, 55, 68. 13 En ce qui concerne le « bellicisme » de la Pucelle voir Robert Chabanne, Régularité ou irrégularité de la mission de Jeanne d’Arc, dans: Annales de la Fac. de droit. Publ. de l’Univ. Jean Moulin – Lyon III, a. 1982, 92, 97; son affirmation reste pourtant à atténuer: Philippe Contamine, Charles VII, les Français et la paix, 1420–1445, dans: CRAI a. 1993, 13–16. Cf. Heribert Müller, Die Befreiung von Orléans (8. Mai 1429). Zur Bedeutung der Jeanne d’Arc für die Geschichte Frankreichs, dans: Große Ereignisse und Mythen der europäischen Geschichte, éd. Wolfgang Krieger, Stuttgart 2005, 114–146, 346 f. 14 a) La Minute française des interrogatoires de Jeanne la Pucelle, éd. Paul Doncœur, Melun 1952, 247. – b) D’après le chroniqueur Antonio Morosini, Charles VII s’était pourtant prononcé pour la libération de Jeanne d’Arc (Chronique. Extraits relatifs à l’histoire de France, éd. et trad. par Léon Dorez, III, Paris 1901, 336 sv.): témoignage, certes, assez célèbre, mais de qualité plutôt discutable, revalorisé toutefois récemment par Heinz Thomas, Jeanne d’Arc. Jungfrau und Tochter Gottes, Berlin 2000, 506–508.

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pour la postérité que marginale pour lui, l’un des professeurs les plus éminents de l’université de Paris proche de Charles VII15. Les débuts de Courcelles à Bâle? Peu spectaculaires. Tandis que Beaupère et ses compagnons occupaient le devant de la scène presque à l’ouverture du concile, Thomas fut retenu par sa mission romaine, et aussi auprès de Jean d’Harcourt (la carrière de cet évêque d’Amiens entre Anglais, Bourguignons et Armagnacs anticipa un peu la sienne)16, et il n’arriva qu’en avril 1433 au synode. Incorporé comme procureur de l’évêque d’Amiens (et non pas de son université déjà fortement représentée sur place), le théologien fut affecté à la deputatio fidei17. À en juger par les rares mentions de son nom dans les procès-verbaux du concile, Courcelles se borna d’abord à être plutôt fin observateur qu’acteur, soit à cause de sa prétendue timidité, soit par prudence: cette assemblée lui offrit le spectacle d’un triomphe sur les dernières résistances d’Eugène IV. En plein ascendant, elle s’apprêta à appliquer les doctrines conciliaristes si chères à son université, et cela en bonne partie grâce aux activités des Pères français, soit de la France « française » soit de la France « anglaise ». Le profil du concile réuni sur le sol du Saint-Empire fut de plus en plus marqué par les Français18. Mais en même temps, on se rencontra à Bâle sur un terrain neutre loin de la guerre de Cent Ans, ou plutôt sur un terrain d’essai et d’exercice. Au cours de l’année 1434, les signes et les indices d’un rapprochement entre les représentants de Charles VII et de Philippe le Bon se multiplièrent de façon remarquable19: au bord du Rhin, on était en train de préparer, d’une certaine manière, le congrès d’Arras. Arras, c’est finalement l’exploit de Courcelles, c’est pour lui le moment de tirer la conclusion de toutes ses observations. Orateur d’une délégation parisienne, il supplia le 5 septembre 1435 les cardinaux Albergati et Lusignan, représentants du pape et du concile et chargés de médiation sur place, de donner la paix à Paris, ville exploitée, appauvrie et humiliée20. Et il parla surtout à Albergati, légat d’Eugène IV, quand il remit en mémoire les preeminences du royalme de Franche 15  Procès en nullité (cit. n. 9), I, 355–359; cf. Georges Duby / Andrée Duby, Les procès de Jeanne d’Arc, Paris 2000 (folio histoire 69), 271–273. 16  Christian Kleinert, Philibert de Montjeu (ca. 1374–1439). Ein Bischof im Zeitalter der Reformkonzilien und des Hundertjährigen Krieges, Ostfildern 2004 (Francia. Beih. 59), 185–190, 202–204 (Jean d’Harcourt à Amiens). 17 CB, II, 392. Pour l’histoire générale du concile de Bâle cf. Johannes Helmrath, Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Cologne – Vienne 1987 (KHA 32); Paul Ourliac, Le schisme et les conciles (1378–1449), dans: Histoire du christianisme, VI: Un temps d’épreuves (1274–1449), éd. Michel Mollat Du Jourdin / André Vauchez, Paris 1990, 89–139. 18 Heribert Müller, Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil 1431–1449, I / II, Paderborn e. a. 1990. 19 Ibid., I, 126 sv. 20 Erlangen, Bibl. univ., ms. 537, fol. 156v–158v. Cf. Joyceline G. Dickinson, The Congress of Arras 1435. A Study in Medieval Diplomacy, Oxford 1955 (nouv. impr. 1972), 160 sv.; Arras et la diplomatie européenne, XV e – XVI e siècles, éd. Denis Clauzel e. a., Arras 1999, 98, 127.

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et comment, par pluseurs foiz, les roys dudit royalme avoient subvenu et baillié aydes au papes de Romme contre leurs adversairez21. Français, Bourguignons et Anglais à Arras, tous pouvaient entendre l’éloge d’une royauté française et, de plus, de ses ancêtres carolingiens, sortant de la bouche d’un partisan des Anglo-Bourguignons. Arras: le début d’une grande carrière d’orateur pour Courcelles. Ce fut à cette occasion qu’Antoine de La Taverne porta son art rhétorique dans des sphères angéliques. Pour Courcelles et de pareils talents de sa génération tels que Enea Silvio Piccolomini ou Nicolas de Cuse, l’époque des conciles et des grandes réunions qui les accompagnèrent – comme les assemblées du clergé à Bourges ou les diètes du Saint-Empire – offrit des chances inouïes de faire briller leurs dons devant un large public international. Constance et Bâle, Arras et Bourges, Mayence et Francfort furent aussi des bourses aux talents; peu importait qu’ils sortissent de l’école scolastique ou du monde de l’humanisme. C’est un chapitre de l’histoire de la communication et de la propagande qui reste encore en grande partie à écrire22. Dans ce contexte, il faut au moins effleurer une question épineuse, souvent même insoluble: tous ces discours ont-ils produit de l’effet? Courcelles par exemple en bon rhétoricien qui fit pleurer son auditoire par la force de ses paroles – toujours d’après le témoignage du prévôt de Saint-Vaast – réussit-il vraiment à influencer le cours des événements? Devant une délégation anglaise à Arras bien décidée à ne pas céder un seul pas, il resta sans succès quand il s’adressa à elle avec la même demande de venir au secours de Paris. On lui fit sèchement savoir par maître Guillaume Érart (!) melius valere vastatam terram quam perditam23. Quel commentaire Enea Silvio Piccolomini fit-il, désillusionné sur la diète de 21 Antoine de La Taverne, Journal (cit. n. 1), 67 (résumé du discours). Le témoignage du prévôt de Saint-Vaast n’implique pas forcément que Thomas avait tenu ce discours en français; le texte tel que nous le connaissons est, au contraire, rédigé en latin (cf. n. 20; Inc.: Ad vestras dominaciones). Il est pourtant possible que Courcelles eût l’habitude de s’adresser à ses auditeurs dans le monde francophone en sa propre langue (qui ne posait aucun problème aux deux cardinaux), tandis qu’il préférait le latin pour les versions écrites, de caractère définitif et prévues, en plus, pour la postérité. Car à Bourges, en 1438, maistre Thomas proposa en franchois sa matiere d’après un universitaire parisien présent sur place (Edmond Martène /Ursin Durand, Veterum scriptorum … amplissima collectio, éd. VIII, Paris 1724 [nouv. impr. 1968], 945), mais le texte du discours ne nous est transmis qu’en latin (cf. n. 42). Dans le Saint-Empire, par contre, il se servait uniquement du latin, ce qui réduisait sans doute la portée de ses paroles, étant donné que seulement des ecclésiastiques et quelques conseillers princiers maîtrisaient cette langue à tel point qu’ils arrivaient à comprendre parfaitement la présentation des problèmes théologiques et ecclésiologiques souvent assez complexes. 22 Johannes Helmrath, Kommunikation auf den spätmittelalterlichen Konzilien, dans: Die Bedeutung der Kommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft, éd. Hans Pohl, Stuttgart 1989 (VSWG. Beih. 87), 116–172; Id., Rhetorik und ‹ Akademisierung › auf den deutschen Reichstagen im 15. und 16. Jahrhundert, dans: Im Spannungsfeld von Recht und Ritual. Soziale Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, éd. Heinz Duchhardt / Gert Melville, Cologne e. a. 1997, 424–446. 23 CUP, IV, no 2463.

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Francfort tenue en 1442?: stultus qui putat libellis et codicibus moveri reges24. On est tenté d’ajouter: et orationibus. Malgré tout, ces orationes constituèrent, à l’époque, une partie intégrale, un élément essentiel – existentiel même, pour les humanistes – de la vie politique. Tous ceux qui alliaient leurs compétences académiques au don de la parole, étaient donc très recherchés et appréciés. Ainsi le Lorrain Guillaume Hugues, docteur en droit civil et membre de l’ambassade du concile de Bâle, qui se fit remarquer à Arras, en réussissant à convaincre le duc de Bourgogne de la non-validité de tous ses engagements vis-à-vis de Lancastre, ce qui rendit finalement possible l’accord bipartite entre Philippe le Bon et Charles VII (au moins un exemple de discours ayant des effets immédiats!)25. On les verra bientôt ensemble, le théologien Courcelles et le juriste Hugues, travaillant en commun pour le concile, soit sur place à Bâle soit comme envoyés en France et en Allemagne, mais honorés à la fin – Hugues même avec la pourpre – par un pape Nicolas V, encore sous le nom de Tommaso Parentucelli témoin de leurs activités à Arras et à Bâle. À un certain niveau, le respect et l’estime mutuels unirent parfois même ceux qui se combattirent en vrais duels oratoires au nom du pape et du concile, comme le firent par exemple Nicolas de Cuse et Jean de Ségovie, tous deux en bonnes relations, même au-delà de l’époque conciliaire26. Ce ne fut pourtant pas le talent rhétorique de Courcelles que l’on réclama d’abord à Bâle où il fut de retour en décembre 1435, mais avant tout son expérience de rédacteur. Le synode, à ce moment-là au sommet de son rayonnement, eut l’intention d’instituer un monument perpétuel sous forme d’une documentation officielle, des Gesta concilii. Tâche confiée à quatre Pères, parmi eux Courcelles, responsable de la première partie de l’ouvrage27. Cette charge n’est-elle pas due au fait qu’il venait de rédiger avec Guillaume Manchon la version latine des actes du procès de condamnation de Jeanne d’Arc? Dans ce cas-là, il collabora à cette version en 1435 à Paris et pas plus tard, comme on le suppose parfois28. Il y a d’autres indices qui rendent cette datation encore plus probable; au cours de l’année 1435, Courcelles vécut à Paris – la mission arrageoise fit partie de ce séjour –, mais à partir de 1436, on le retrouva en permanence à Bâle (mais jamais Guillaume Manchon) où les charges et fonctions qu’il devait accomplir ne ces-

24 Der Briefwechsel des Eneas Silvius Piccolomini, II: Briefe als Priester und Bischof von Triest (1447–1450), éd. Rudolf Wolkan, Vienne 1912 (FRA II / 67), 203 sv. 25 Heribert Müller, Vom Konzil zur Kurie. Eine kirchliche Karriere im 15. Jahrhundert: Guillaume Hugues d’Étain, Archidiakon von Metz und Kardinal von Santa Sabina († 1455), dans: ZKG 110 (1999), 25–52. 26 Rudolf Haubst, Johannes von Segovia im Gespräch mit Nikolaus von Kues und Jean Germain über die göttliche Dreieinigkeit, dans: Münchener Theol. Zs. 2 (1951), 115–129. 27 CB, IV, 149. 28 Cf. par exemple Denifle et Châtelain dans CUP, IV, no 2379.

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sèrent d’augmenter29. Impossible donc d’y rédiger les actes du procès, d’autant plus qu’il fut obligé de déléguer à des notaires même la rédaction de la première partie des Gesta concilii (documentation hélas perdue: seule la deuxième partie, confiée à Jean de Ségovie, fut découverte à Copenhague il y a une bonne vingtaine d’années)30. Quelles charges et fonctions devait-il accomplir? D’abord, la prédication. Avec la Chandeleur de l’année 1436 commença toute une série de sermons faits par Courcelles, très apprécié en tant que prédicateur par ses Compères, en particulier en tant que propagateur du culte marial (la plupart des sermons prononcés au concile de Bâle restent encore à découvrir; des manuscrits comme par exemple Douai, Bibliothèque municipale, 198/III, ou Cologne, Archives municipales, GB fo 123, sont des sources abondantes)31. Une activité enfin au-delà des combats idéologiques, loin des exigences profanes, une activité qui convenait donc parfaitement à l’érudit et l’orateur qu’il fut? Mais par le fait qu’il prêcha par exemple le 30 août 1436 à l’occasion des obsèques de l’archevêque de Rouen Hugues d’Orges, mort à Bâle, il mit, sans faire les moindres allusions politiques dans son sermon, un accent fort politique32. Cet office fut célébré par l’archevêque de Lyon Amédée de Talaru, l’un des dirigeants de la délégation du roi de France au concile, en mémoire d’un prélat d’origine bourguignonne qui, une fois transféré de Chalon sur le siège le plus noble et riche de la France lancastrienne, avait toujours refusé de faire cause commune avec les Anglais33. Cette coopération entre Talaru et Courcelles – ou plus tard entre lui et l’archevêque de Tours Philippe de Coëtquis, l’autre dirigeant de l’ambassade34 – n’est pas due au hasard. Elle reflète une volonté commune, exprimée peut-être en particulier par le Parisien Courcelles, sûrement au courant du fait que la capitale venait d’être reprise par les troupes de Charles VII. Au cours des années 1436–37 – les seules passées presque en permanence sur place –, Courcelles, membre de la deputatio fidei, se vit à maintes occasions confronté à des problèmes théologiques. Sans entrer dans les détails, je fais juste observer que lui – comme tous les « conciliaristes », vu de Rome, un « révolutionnaire » sur le plan ecclésiologique – soutint et défendit assez souvent des positions 29 CUP, IV, no 2457, 2460, 2469 (Courcelles à Paris en 1435); CB, IV, 417 s. v. « Thomas de Co(u)rcelles » (Courcelles à Bâle en 1436). 30 Erich Meuthen, Zur Protokollführung auf dem Basler Konzil (mit besonderer Berücksichtigung der Handschrift Ny kgl. s. 1842 fol. in Kopenhagen aus dem Nachlaß des Johann von Segovia, dans: AHC 16 (1984), 348–368 (349: Courcelles); Benigno Hernández Montes, Biblioteca de Juan de Segovia. Edición y comentario de su escritura de donación, Madrid 1984 (Bibl. Theologica Hispana II /3), 95 (Courcelles), 208 sv. 31 Douai, Bibl. mun., ms. 198/III, fol. 248r–253v, cf. fol. 117v–122v, 166r–170v, 254r–260v; Cologne, Arch. mun., GB fo 123, fol. 144r–148v, 356r–362v; ibid., GB 4o 34, fol. 159v–166r. 32 Douai, Bibl. mun., ms. 198/III, fol. 261r–268v; Bâle, Bibl. univ., O III 35, fol. 236r–238v; Paris, Bibliothèque Nationale [BN], ms. lat. 1500, fol. 205r–212r. 33 CB, IV, 254; cf. Müller, Franzosen (cit. n. 18), I, 130–132, 138. 34 Bâle, Bibl. univ., A III 17 a, fol. 213r–218v; cf. CB, VI, 453.

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romaines en tant que théologien. Il collabora avec le « papaliste » que fut Juan de Torquemada, lorsqu’à la fin des débats hussites, des questions gravitant autour de la transsubstantiation restèrent encore à discuter35. Et ce sera justement Pie IX qui, pour la dogmatisation de l’Immaculée Conception aura recours, en 1854, au décret bâlois Elucidantibus du 17 septembre 1439, forgé très probablement dans l’atelier de Thomas de Courcelles, défenseur inconditionnel de la position franciscaine en faveur d’une dogmatisation36. C’est d’ailleurs la raison des éloges que fit à Courcelles Martin Le Franc, poète au service de Félix V, dans son Champion des Dames en l’appelant mon maistre Thomas dans ce contexte37. Jean de Ségovie n’est pas le seul à assurer que Courcelles fut l’auteur de la plupart des décrets au concile à partir de l’automne 1437, c’est aussi – en termes plus généraux – confirmé par Enea Silvio Piccolomini: Thomas de Corsellis, inter sacrarum literarum doctores insignis quo nemo plura ex decretis sacri Concilii dictitavit38.

Avec raison, on a toujours souligné que le conciliarisme n’existe pas, qu’il y a autant de « conciliarismes » que d’auteurs. Pourtant, un seul auteur peut être identifié, au moins dans une certaine mesure, avec le conciliarisme « officiel » proclamé à Bâle pendant sa période de radicalisation. Deux petits mots seulement nous empêchent de parler d’une identification certaine et totale: nemo plura ex decretis/ omnes fere scripture synodales. Pour une attribution plus précise, il nous faudrait une analyse comparée de chaque décret et de tous les ouvrages rédigés par Courcelles pendant sa période conciliaire. Il s’agit de ses grands discours, de mémoires et de rapports: des textes de base résumant les principes de la doctrine conciliariste vers 1440, mais en même temps destinés à des fins très concrètes, c’est-à-dire à la propagande et à la défense dans la lutte contre le pape romain. Des textes plus ou moins tombés dans l’oubli, quoiqu’ils aient déjà été publiés en partie par des auteurs gallicans, ainsi que dans les collections des documents conciliaires des XVIIe–XVIIIe siècles, mais surtout dans le cadre des Deutsche Reichstagsakten39. Bien qu’il s’agisse d’une des plus prestigieuses entreprises d’édition outre-Rhin, initiée par Leopold von Ranke, on ne consulte pas forcément ces volumes pour se renseigner sur des textes conciliaires, mis à part quelques spécialistes germano35 MC,

II, 927. Das Basler Konzil (cit. n. 17), 383–394 (Mariologie: Das Dogma der Unbefleckten Empfängnis); Marielle Lamy, L’Immaculée Conception: étapes et enjeux d’une controverse au Moyen Age (XIIe–XV e siècle), Paris 2000 (Coll. des Études Augustiniennes. Sér. Moyen Âge et Temps Modernes 35), 591–692. 37 Martin Le Franc, Le Champion des Dames, éd. Robert Deschaux, V, Paris 1999 (Les classiques français du Moyen Âge 131), 124 (v. 23417–23423). 38 Aeneas Sylvius Piccolomini, De gestis concilii Basiliensis (cit. n. 8), 30. 39 Heribert Müller, Les diètes du Saint-Empire à la fin du Moyen Âge et à l’aube des temps modernes: l’édition des ‹ Reichstagsakten › et leur intérêt pour l’histoire de France, dans: Bull. de la MHFA 8 (1984), 5–25. 36 Helmrath,

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phones qui eux pourtant ne s’intéressent pas à Courcelles. « Les actes des diètes du Saint-Empire »: titre trompeur qui reste en deçà de la vérité, étant donné que les volumes contiennent beaucoup plus que ce titre ne laisse pressentir. Pour comprendre les raisons de l’édition de ces textes dans une telle collection, il faut d’abord retourner à Bâle. Le 5 décembre 1436, Courcelles se prononça, avec une large majorité des Pères, pour Avignon comme lieu d’un futur concile avec les Grecs – un défi pour Eugène IV qui transféra l’assemblée de Bâle en septembre 1437 à Ferrare, dans l’intention de réaliser sous sa présidence l’union des Églises latines et grecques. Les conséquences furent sa suspension et déposition et, en novembre 1439, l’élection d’Amédée VIII – Félix V comme pape du concile: acte préparé et exécuté avec la participation très engagée de Courcelles; quelques membres du conclave lui donnèrent même leurs voix40. À l’heure de la lutte ouverte, il fallait s’assurer du soutien des puissances séculières; c’est donc de nouveau l’heure de Courcelles parce que les délégations du pape et du concile s’apprêtaient à partir sur les champs de bataille oratoires que furent les grandes assemblées entre Bourges et Nuremberg. La première et la plus célèbre est sans doute cette assemblée du clergé, réunie à Bourges pendant l’été 1438, où l’on adopta la plupart des décrets du concile, mais tout à fait adaptés aux besoins d’un roi et d’une cour maîtres de l’Église gallicane41. Le fait que cette décision fut précédée par un discours fort impressionnant de Courcelles – très notable c[h]ose à oïr remarqua l’un de ses auditeurs – fit que lui, « le plus clair rayon du soleil de la chrétienté » (Anatole France), passa dans l’histoire du gallicanisme pour l’un des initiateurs et défenseurs des libertés de l’Église gallicane42. Mais il n’existe aucun indice que le discours de celui qui fut le mieux rémunéré parmi les envoyés du concile eût exercé une influence quelconque sur cette décision. 40 CB, VI, 626, 630 sv., 664 sv., 668, 675, 677 sv., 684, 688, 690, 717; MC, II, 406, 423, 426, 449, 451, 454; Aeneas Sylvius Piccolomini, De gestis concilii Basiliensis (cit. n. 8), 200–202, 214. Cf. Marie José, La maison de Savoie. Amédée VIII – Le duc qui devint pape, II, Paris 1962 (nouv. impr. 1997); Joachim W. Stieber, Amédée VIII – Félix V et le concile de Bâle, dans: Amédée VIII – Félix V, premier duc de Savoie et pape (1383–1451), éd. Bernard Andenmatten / Agostino Paravicini Bagliani, Lausanne 1992 (Bibl. hist. vaudoise 103), 339–362. 41  Noël Valois, Histoire de la Pragmatique Sanction de Bourges sous Charles VII, Paris 1906 (Archives de la France religieuse); Victor Martin, Les origines du gallicanisme, II, Paris 1939 (nouv. impr. 1978), 294–324; Jean-Louis Gazzaniga, Pragmatique Sanction de Bourges, dans: DEMA I (1997), 1248. 42 Martène /Durand, Veterum scriptorum … amplissima collectio (cit. n. 21), VIII, 945 (très notable c[h]ose); Anatole France, Vie de Jeanne d’Arc, II, Paris 1929 (Œuvres complètes illustrées de Anatole France 16), 228. – Le texte de son discours (Inc.: Ingentissimam consolationem) ainsi que sa réplique au discours de Pierre de Versailles se trouvent e. a. à Cologne, Arch. mun., W 218, fol. 191r–196r, 200r–205v; Bonn, Bibl. univ., S 739, fol. 127v–134r, 135r–141r; Vienne, Bibl. nat. d’Autriche, CVP 4943, fol. 110v–115r, 115v–118v, et CVP 5080, fol. 299r–302v, 303r–306r; BN, Coll. Baluze 13, fol. 331r–340r, 341r–349v. Cf. Valois, Histoire de la Pragmatique Sanction (cit. n. 41), p. LXXX sv., 90 sv. et n. 4; Gilbert Ouy, Les manuscrits de l’abbaye de Saint-Victor. Catalogue établi sur la base du Répertoire de Claude Grandrue (1514), II, Turnhout 1999, 131 sv.

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Ce fut, au contraire, une décision bien préparée d’avance et tout à fait dans le cadre d’une politique ecclésiastique conçue sous la direction de Gérard Machet, confesseur du roi, qui savait se servir de Bâle comme instrument apte à atteindre ses propres objectifs43. Il n’y a pas de raison non plus pour supposer, avec Anatole France, qu’un entretien (bien entendu, imaginaire) entre Machet et Courcelles eût tout arrangé; un entretien au cours duquel le sort de la Pucelle, se réjouissant des faveurs de Machet en 1429, ne joua plus aucun rôle44. Ce fut plutôt son propre adversaire et celui de Courcelles que le confesseur apprécia le plus: Pierre de Versailles, l’ancien moine de Saint-Denis et l’évêque de Digne; à Bâle le seul prélat français adhérant à la cause d’Eugène IV et à Bourges l’un de ses représentants. « On peut être adversaires politiques sans cesser d’être amis »: ce que Françoise Autrand constatait pour l’époque de Charles VI est aussi valable pour le règne de son fils45. Deux années plus tard, Courcelles revint à Bourges où se réunit, après l’éclatement du schisme, une nouvelle assemblée du clergé du royaume. Charles VII l’écouta attentivement mitissime absque motu, et à la fin, valde regi placuit46. Réaction peut-être avantageuse pour l’avenir de l’orateur, mais la mission fut quand même un échec: le royaume resta provisoirement dans l’obédience romaine; un royaume en relèvement où la Pragmatique – d’une certaine façon, la première des grandes ordonnances de Charles VII – marque la part ecclésiastique du renouveau français à la fin de la guerre de Cent Ans. Seuls Charles VII, « le bien conseillé », et sa cour prirent les décisions; même les meilleures preuves de l’art rhétorique « à la Courcelles » ne furent donc au fond que des accompagnements, des exercices de style. Situation tout à fait différente dans l’Empire avec son paysage politique très complexe, avec les intérêts si divergents et opposés de tous ces seigneurs petits et grands qui l’emportèrent sur un roi, même un roi des Romains, candidat à la couronne impériale, mais dans ce monde tout à fait « territorialisé » de puissance très restreinte. Les grandes questions d’intérêt général, on en délibéra, certes, en commun aux « Reichstage », aux diètes en plein développement au XV e siècle, mais dans un climat permanent d’indécisions et même de confusions47. D’autre 43 Müller,

Franzosen (cit. n. 18), I, 357 sv.; II, 823–828. Vie de Jeanne d’Arc (cit. n. 42), II, 420 sv. 45 Françoise Autrand, Charles VI. La folie du roi, Paris 1986, 563. – Pierre de Versailles: Alfred Coville, Pierre de Versailles (1380?–1446), dans: BECh 93 (1932), 208–260; Müller, Franzosen (cit. n. 18), II, 991 s. v. « Pierre de Versailles ». 46 Paris, Bibl. Mazarine, ms. 1688, fol. 134r–147r; Pierre Dupuy, Traitez des droits et libertez de l’Eglise gallicane – Preuves des libertez de l’Eglise gallicane, II, s. l. 1639, 250–273 (discours de Courcelles). – MC, III, 508. 47 Ouvrages de référence sur le Saint-Empire au bas moyen-âge: Peter Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250–1490, Berlin 21989 (Propyläen Geschichte Deutschlands 3); Francis Rapp, Les origines médiévales de l’Allemagne moderne. De Charles IV à Charles Quint (1346–1519), Paris 1989; Ernst Schubert, Einführung in die Grundprobleme der deutschen Geschichte im Spätmittelalter, Darmstadt 21998; 44 France,

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part, pour les orateurs du pape et du concile une situation assez prometteuse, étant donné qu’elle était beaucoup plus ouverte qu’en France. Ce n’est donc pas par hasard que Courcelles partit cinq fois de Bâle pour prendre la parole aux « Reichstage » – sans compter ses autres missions en Allemagne – et que la plupart des textes qu’il écrivit résulta de ces activités: soit un grand discours tenu à Nuremberg en automne 1438 dans l’attente d’une « Pragmatique à l’allemande »; soit Grande periculum, histoire apologétique des faits du concile et, en même temps, acte d’accusation d’Eugène IV s’adressant sous forme d’encyclique à toute la chrétienté, mais conçu d’abord pour une autre diète prévue à Nuremberg en automne 1440; soit son grand mémoire écrit à Mayence en avril 1441; soit ses rapports donnés aux Pères au nom de toutes ces délégations48. En somme, c’est un corpus de textes comprenant plus de 70 pages in-quarto dans les Reichstagsakten et chez Mansi qui reste encore à explorer. Dans l’impossibilité de présenter un résumé à peu près complet, je me borne à indiquer juste quelques points de repère: Thomas se réfère constamment à Haec sancta et Fréquens, décrets publiés au concile de Constance en 1415 et 141749. C’est pour lui la Magna Carta de la supériorité du concile, même une veritas fidei. Une étude comparée, par exemple, de son mémoire mayençais et de la célèbre dogmatisation de ces actes de Constance proclamée à Bâle, en mai 1439, ne laisse aucun doute sur l’attribution de la qualité d’auteur de ce décret50. Et ce fut également Courcelles que les Pères chargèrent en 1442 de la rédaction finale d’une collection des décrets de Constance qui devait faire date: imprimée à Haguenau en 1500, elle sera encore au centre des discussions à la fin du XVIIe siècle entre des auteurs gallicans tels que Bossuet et Baluze, et le préfet de la Vaticana Schelstrate affirmant que les textes avaient été corrompus à Bâle51. Selon Courcelles, fidèle à Haec sancta, un concile légitime ne pouvait être ni transféré ni dissous par le pape Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, II: Spätmittelalter 1250–1495, éd. Jean-Marie Moeglin / Rainer A. Müller, Stuttgart 2000 (Reclam Universal-Bibl. 17002); Malte Prietzel, Das Heilige Römische Reich im Spätmittelalter, Darmstadt 2004. 48  Deutsche Reichstagsakten [RTA], XIII: Deutsche Reichstagsakten unter König Albrecht II., 1. Abtlg.: 1438, éd. Gustav Beckmann, Stuttgart – Gotha 1925 (nouv. impr. 1957), no 390 (p. 785–807): Nuremberg, 1438; Giovanni Domenico Mansi [Mansi], Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio …, XXIX, Venise 1788 (nouv. impr. 1904/61), 355–368: Grande periculum; RTA, XV: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 1. Abtlg.: 1440–1441, éd. Hermann Herre, Gotha 1914 (nouv. impr. 1957), no 353 (p. 772–800): Mémoire mayençaise (ampliatus per cardinalem sancti Calixti, i. e. Jean de Ségovie: MC, III, 552); RTA, XIII, no 395 (p. 833–835); RTA, XIV: Deutsche Reichstagsakten unter König Albrecht II., 2. Abtlg.: 1439, éd. Helmut Weigel, Stuttgart 1935 (nouv. impr. 1957), no 75 (p. 147–155): Rapports. – En ce qui concerne le latin, voir n. 21. 49 Cf. par exemple RTA, XIII, no 390 (p. 786, 806); RTA, XIV, no 75 (p. 149 sv.); Dupuy, Preuves des libertez (cit. n. 46), 254 sv. 50 Pour Thomas, le décret (Mansi, XXIX, 178 sv.) est, bien sûr, une veritas fidei (RTA, XV, no 353 [p. 799]). 51 MC, III, 515 sv. (1442); François Ritter, Histoire de l’imprimerie alsacienne aux XV e et XVIe siècles, Strasbourg – Paris 1955, 369–377 (Haguenau 1500). Bossuet et Baluze vs. Schel-

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sans consentement exprès des Pères; il est donc révélateur que Jean de Ségovie parle de lui comme auteur des scripture synodales précisément dans le contexte de la genèse du décret bâlois qui devait annuler le transfert du synode à Ferrare effectué par Eugène IV52. Qu’il s’agisse de l’infaillibilité des décisions conciliaires décrétées par une majorité et non pas par la totalité des Pères, ou du problème de la repraesentatio ou de la receptio, Courcelles n’exclut aucun des grands thèmes du conciliarisme53. Évidemment, une certaine scolastique formaliste, un recours permanent aux autorités, des subtilités et des sophismes rendent la lecture de ses textes, qui traînent en longueur, assez fastidieuse pour nous aujourd’hui. Mais juste un regard sur les discours et traités de ses collègues suffit pour apprécier la clarté de ses exposés, sa sensibilité remarquable pour les traditions et spécificités de ses auditoires, si différents en France et en Allemagne54, ainsi que sa capacité de contre-attaquer aigrement ses adversaires comme Versailles ou Cuse, présentant ce dernier comme quelqu’un qui croit plus aux influences astrales qu’au SaintEsprit55. Certes, un nouveau Gerson, un nouveau d’Ailly ne sont plus à découvrir. Avant de confirmer le jugement de Georgette Epiney-Burgard « l’ère des grands ténors est révolue et ils sont remplacés par des maîtres de moindre renommée comme Thomas de Courcelles »56, il faudrait cependant d’abord examiner son œuvre de façon approfondie. À mon avis, la place de Courcelles dans l’histoire intellectuelle du XV e siècle reste encore à définir. Enfin, en avril 1444, Courcelles fut créé cardinal par Félix V: distinction peu surprenante; ce qui surprend est plutôt son refus de la pourpre. Bien qu’il fût doté de plusieurs prébendes et canonicats en Savoie par le concile et son pape, il justifia son attitude en invoquant des revenus tout à fait insuffisants pour répondre aux exigences d’une telle dignité, justification également présentée par Guillaume Hugues pour lui-même. Mais tandis que ce dernier, selon Enea Silvio Piccolostrate: Heribert Müller, L’érudition gallicane et le concile de Bâle (Baluze, Mabillon, Daguesseau, Iselin, Bignon), dans: Francia 9 (1981), 538 sv. [voir dans ce volume 10]. 52  MC, III, 1042. 53 À voir par exemple RTA, XIII, no 390 (p. 805); XV, no 344 (p. 639); Mansi, XXIX, 357. Cf. Hermann Josef Sieben, Vom Apostelkonzil zum Ersten Vatikanum. Studien zur Geschichte der Konzilsidee, Paderborn e. a. 1996, 523. 54 À Bourges, en 1440, il appelle le royaume berceau et patrie du conciliarisme, d’autant plus que la doctrine de la supériorité du concile venait d’être adoptée de façon officielle par la Pragmatique Sanction. À Nuremberg, en 1438, il fait l’éloge de la ville de Bâle et de tous les princes allemands qui y sont allés pour voir le concile tels que le margrave de Brandebourg, les ducs de Bavière ou le landgrave de Hesse. De plus, il dénonce les intrigues d’Eugène IV dans les deux pays, par exemple à Besançon, ville d’Empire, où le pape avait installé, en 1437, son neveu Francesco Condulmer au détriment de Jean de Fruyn, élu par le chapitre. 55 RTA, XIII, no 390 (p. 806 sv.); Acta Cusana. Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues, éd. Erich Meuthen, I/2, Hambourg 1983, no 375a et n. 7. 56 Georgette Epiney-Burgard, Le rôle des théologiens dans les conciles de la fin du Moyen Age (1378–1449), dans: Les quatre fleuves. Cahiers de recherche et de réflexion religieuses 12 (1980), 73.

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mini, tamen postea susceptis beneficiis, in commendam cardinalatum accepit, Thomas persévéra dans son refus57. Par modestie? Par crainte de ne plus pouvoir défendre en tant que cardinal les libertés de l’Église gallicane, comme on l’a soupçonné? Par pressentiment que la défaite du concile serait inévitable, malgré tous ses efforts? Car, entre-temps, le nombre des Pères « piliers de l’assemblée » n’avait pas cessé de régresser. Un petit cercle assuma presque toutes les responsabilités: comme Louis Aleman, Jean de Ségovie ou Guillaume Hugues, Thomas de Courcelles accomplit un travail « herculéen » (pour reprendre une épithète attribuée à l’époque à Nicolas de Cuse: « l’hercule des Eugéniens »). Et deputatus fuit venerabilis Thomas de Corcellis qui concipiat et referat58: voilà, la formule standard appliquée de plus en plus à partir de 1440. Et pourtant les bancs du Munster se vidèrent, l’arrivée de quelques curés savoyards ne pouvant remplacer ni le départ des théologiens et canonistes réputés, tels que Torquemada, Cesarini ou Tudeschi dit le Panormitain, ni celui des représentants des grandes cours. Nul doute, le concile était en train de se transformer en conciliabule. Et Courcelles était sûrement au courant des réticences et résistances vis-à-vis de Bâle même au sein de sa propre université qui éclatèrent, inspirées par Pierre de Versailles et Robert Ciboule, l’été 144459. D’après les sources peu abondantes pour cette période du concile, il resta quand même à Bâle au moins jusqu’à la fin de l’année 1445, présence pourtant interrompue par une longue absence à partir de juillet 144560. Il en profita pour être reçu à la cour de Savoie où le duc Louis le nomma membre d’une mission, chargée de pourparlers à la cour du roi de France, pourparlers amorcés en vue d’une liquidation du schisme et du concile61. Le 30 mars 1446, on parvint à un accord: pour mettre fin au synode et à son pape, une délégation de Charles VII, présidée par Jacques Juvénal des Ursins, archevêque de Reims, et accompagnée par un théologien qui restait encore à nommer, devait entamer des négociations avec les plénipotentiaires de Bâle et de Félix V, soit à Lyon soit à Genève soit ailleurs62. En août 1447, les conférences furent enfin inaugurées à Lyon, et le théologien de l’ambassade royale n’était autre que Thomas de Courcelles. À Lyon, le temps des grands discours était révolu; 57  Eneas Silvius Piccolomini, De concilio Basiliensi, dans: Der Briefwechsel des E. S. P., II (n. 24), p. 203; cf. Konrad Eubel, Die durch das Basler Konzil geschaffene Hierarchie, dans: RQ 16 (1902), 275; Gabriel Pérouse, Le cardinal Louis Aleman et la fin du grand schisme, Lyon 1904, 390, 394; Noël Valois, Le Pape et le concile (1418–1450). (La crise religieuse du XV e siècle), II, Paris 1909, 192 sv. n. 5. 58 CB, VII, 389. 59 Jean de Maupoint, prieur de Sainte-Catherine de la Couture, Journal parisien, éd. Gustave Fagniez, dans: Mém. de la Soc. de l’histoire de Paris et de l’Ile de France 4 (1877), 33 sv.; cf. Valois, Le pape (cit. n. 57), II, 302 n. 3. 60 CB, VIII, 233, 238 sv., 243–248. 61 BN, ms. fr. 18983, fol. 46r. 62 Jean Chartier, Chronique de Charles VII, roi de France, éd. Auguste Vallet de Viriville, II, Paris 1858, 52; cf. Gaston Du Fresne de Beaucourt, Histoire de Charles VII, t. IV, Paris 1888, 257 n. 2.

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Ségovie, n’ayant pas encore compris la nouvelle règle du jeu déjà mise en pratique par Courcelles, fut informé que les matières requèroient abréviacion, et on ne faisoit que perdre temps à disputer, respondre et dupliquer63. À la fin, Courcelles, cet auteur de tant de scripture synodales, cet expert indispensable – Martin Le Franc, peutêtre un de ses anciens élèves et à Lyon le délégué de Félix V, souhaita que maistre Thomas de Courcelles fust avec lui … pour mieulx ordonner en paroles aucuns des articles des advisemens64 –, ce rédacteur à la longue expérience s’occupa à Rome autour du nouvel an 1449, en collaboration avec un ambassadeur du roi d’Angleterre, du texte même d’un document qui mit un point final à toute l’époque conciliaire: la bulle de rétractation publiée par Nicolas V sous la date du 18 janvier 144965. Des activités étonnantes, des activités lucratives: nommé sous-diacre du pape en 1447, il fut en outre promu par Nicolas V à la dignité d’archidiacre de Gand en 1449. L’année suivante, Charles VII rémunéra son conseiller Courcelles pour ses services auxquels il aura recours encore à maintes reprises, e. a. pour le congrès de Mantoue convoqué en 1459 par Pie II dans l’espoir de réaliser une croisade contre les Turcs66. De plus, sa carrière au sein de l’Église de Paris et de France connut un plein essor: chanoine à Notre-Dame en 1447, il y succéda, quatre ans plus tard, à Robert Ciboule comme pénitencier et fut élu doyen du chapitre en 145967. Entre 1447 et 1452, il reçut des canonicats à Reims et à Langres, devint curé de la paroisse Saint-André à Paris et archiprêtre de Melle dans le diocèse de Poitiers, et fut custode de son ancien collège des Cholets68. Courcelles, c’est l’orator eloquentissimus qui harangue, en 1452, au nom de l’université, Guillaume d’Estouteville, légat du pape; Courcelles, c’est l’éminent professeur qui compte parmi ses élèves le poète Arnoul Gréban et Johannes de Lapide (celui-ci sera plus 63 Procès-verbal

des conférences tenues en 1447 à Lyon et à Genève (cit. n. 7), 371. VIII, 393. 65 Mansi, XXXII, 49–51. Cf. Erich Meuthen, Das Basler Konzil als Forschungsproblem der europäischen Geschichte, Opladen 1985 (Rhein.-Westfäl. Akad. der Wissenschaften. Geisteswissenschaften, Vorträge G 274), 32 n. 90; Helmrath, Das Basler Konzil (cit. n. 17), 197 (d’après le brouillon: Bâle, Bibl. univ., E I 4, fol. 121r/v). 66  CUP, IV, no 2673 n. 2; Auctarium Chartularii Universitatis Parisiensis, éd. Heinrich Denifle /Émile Châtelain, II, Paris 1897, 343 n. 1 (Nicolas V). – BN, ms. fr. 27367. – Pièces originales 883: 19900, n. 21 (Charles VII). – Pii II commentarii rerum memorabilium que temporibus suis contigerunt, éd. Adriaan van Heck, I, Cité du Vatican 1984 (Studi e testi 312), 225; Mathieu d’Escouchy, Chronique, éd. Gaston Du Fresne de Beaucourt, II, Paris 1863, 363 (1459). 67 Paris, Archives Nationales [AN], LL 86, fol. 82v; BN, ms. fr. 29760 – Dossiers bleus 215: 5542, n. 5 (1447). – CUP, IV, no 2673 (1451). – AN, LL 86, fol. 82v; Auctarium (cit. n. 66), II, 343 n. 1; Joseph Salvini, L’application de la Pragmatique Sanction sous Charles VII et Louis XI au chapitre cathédral de Paris, Paris 1912, 69 sv. no V (procès-verbal de l’élection). Cf. Deronne, Les chanoines (cit. n. 10), 160; J. E. Des Graviers, Messeigneurs du chapitre de l’Église de Paris à l’époque de la guerre de Cent Ans, dans: L’année canonique 10 (1966), 155 sv. (1459). 68 Pierre Desportes, Fasti ecclesiae gallicanae. Répertoire prosopographique des évêques, dignitaires et chanoines de France de 1200 à 1500, III: Diocèse de Reims, Turnhout 1999, 542 no 430 (Reims). – CUP, IV, no 2673 n. 2; Auctarium (cit. n. 66), II, 343 n. 1, 844 (Langres, SaintAndré / Paris, Melle). – Rabut, Les Cholets (cit. n. 10), 88 (collège des Cholets). 64 CB,

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tard en tant que prédicateur et propagateur de l’Immaculée Conception l’image de son maître dans les contrées alémaniques)69; Courcelles, c’est la célébrité comblée d’honneurs qui réalise une carrière tardive aussi brillante qu’ahurissante. Une carrière qui stupéfie, parce qu’elle succéda immédiatement à son échec subi à Bâle et à ses tergiversations opaques; une carrière qui stupéfie, car un engagement sans réserve au concile pouvait causer des effets tout à fait contraires: Bernard de la Planche par exemple fut privé aussi bien de sa fortune que de son évêché de Dax; les archevêques Amédée de Talaru de Lyon et Philippe de Coëtquis de Tours, tout de même dirigeants de la délégation du roi de France au synode, furent rappelés par la cour en mai 1439 et tenus dorénavant complètement à l’écart pour avoir manifesté le même engagement que Thomas de Courcelles à la veille de la déposition d’Eugène IV. D’autres prélats comme Jean Mauroux, le patriarche latin d’Antioche, ou Louis de Glandèves, l’ancien évêque de Vence revendiquant le siège de Marseille, évitèrent de graves inconvénients grâce à une mort survenue au bon moment – pour ne citer que quelques exemples70. Il y eut pourtant des défenseurs du concile qui surent s’en sortir en ayant recours aux réseaux solides et cohérents qu’étaient leurs familles et leurs parentés, leurs amitiés et leurs alliances forgées au cours des études et des carrières. Études et carrières qu’ils avaient effectuées ensemble au collège, à l’université et dans les grandes institutions de l’État et de l’Église. En ce cas, l’esprit de corps qui en résulta garantissait une réintégration sans problèmes à tous ceux qui étaient rentrés de Bâle tels que les délégués de l’université de Paris – réintégration facilitée, de plus, par une politique d’arrangement et de réconciliation pratiquée par la cour de Charles VII dans la capitale, dès sa reprise. Pourtant, Jean Beaupère, Gilles Canivet, Denis de Sabrevois, Guillaume Évrart et Nicolas Lamy ne parvinrent pas à réaliser une carrière tardive aussi éclatante que celle de Thomas de Courcelles. Loin de Paris, celui-ci y fut quand même quasi-présent grâce à son frère cadet Jean, professeur à la faculté de décret, membre du Parlement et archidiacre de

69 Le Mystère de la passion d’Arnoul Gréban, éd. Gaston Paris / Gaston Raynaud, Paris 1878, p. III; Pierre Champion, Histoire poétique du XV e siècle, II, Paris 1923 (Bibl. du XV e siècle 28), 136 (registre de la Fac. de théologie de Paris, ad. a. 1456 VIII). Cf. I. Böhm, Gréban, Arnoul, dans: Marienlexikon, II (1989), 703 sv.; Élisabeth Lalou, Arnoul Gréban, dans: Dictionnaire des lettres françaises. Le Moyen Âge. Édition entièrement revue et mise à jour sous la dir. de Geneviève Hasenohr/Michel Zink, Paris 1992, 93. – M. Hossfeld, Johannes Heynlin aus Stein, dans: BZGA 6 (1907), 309–376; 7 (1908), 79–219, 235–431 (347 sv.: Courcelles et Heynlin alias de Lapide); C. M.  Lohr, Johannes Heynlin, dans: LThK III (31996), 82. Tübingen, Bibl. Univ., Mc 176, fol. 191v–193r: Questiones … presentate per magistrum Johannem de Lapide … magistro Thome de Courcellis. 70 Heribert Müller, Gesandtschaft und Gewissen. Bernard de La Planche, ein Bischof aus dem englischen Aquitanien, auf dem Basler Konzil, dans: Studien zur Geschichte des Mittelalters. FS J. Petersohn, éd. Matthias Thumser e. a., Stuttgart 2000, 335–357 [voir dans ce volume 289–311]; Id., Franzosen (cit. n. 18), I, 27–219 (Talaru), 223–268 (Coëtquis), II, 543–572 (Mauroux), 716–729 (Glandèves).

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Josas dans l’Église de Paris, donc bien établi dans les centres de la vie publique71. Sous le magistère de Jean, Jacques Juvénal des Ursins fut licencié en 1440 (en raison des études de Peter Shervey Lewis, il ne reste plus rien à dire sur l’importance du clan des Juvénal des Ursins)72. Archevêque de Reims en 1444, Jacques dirigea ces ambassades, qui mirent fin au concile et au schisme, toujours assisté par le frère de son maître. Celui-ci, chanoine à Reims à partir de 1447, fut aussi en faveur auprès de Jean II Juvénal des Ursins, frère aîné et successeur de Jacques sur le siège champenois73. De plus, Thomas veilla à consolider sa position à Paris par des visites occasionnelles: il y fut en 1435, il y fut aussi en février 1442 pour prendre la parole à Saint-Magloire, à la suite d’une procession qui marqua la fin d’une grève universitaire de plusieurs mois provoquée par des interventions du conseil royal74. En faisant l’éloge de Charles VII, Courcelles n’était peut-être qu’un simple porte-parole d’une Alma mater prête à la réconciliation, mais il n’est pas exclu qu’il en fût même un de ses négociateurs, appelé à cette fin exprès de Bâle. Car à la cour, on n’avait sûrement oublié ni ses discours tenus à Arras et à Bourges, ni ses louanges du roi et de la royauté au concile – les dernières, toutes récentes, prononcées devant la nation espagnole, ne dataient que de décembre 144175. Réussit-il donc à être en même temps un conciliariste inconditionnel à Bâle et un médiateur à Paris (également vis-à-vis de Regnault de Chartres ayant attaqué violemment l’université en décembre 1440 à cause de son soutien continu du concile76? Tous deux, le chancelier et Courcelles, étaient des anciens du collège des Cholets)? En tout cas, ce séjour parisien montre Courcelles, même en 1442, réintégré sur-le-champ dans la vie universitaire. Son habileté, son savoirfaire, ses talents d’orateur d’une part, la qualité du réseau mis à sa disposition sur place d’autre part, lui permettaient de considérer tous ses engagements pris à Bâle, à l’extrême rigueur, comme une aventure sans risques, billet de retour inclus. 71 CUP, IV, no 2411, 2478, 2538, n. 1, 2542 e. a.; cf. Marcel Fournier / Léon Dorez, La faculté de décret de l’Université de Paris au XV e siècle, t. I / 2, Paris 1895, p. 258, 260, 386, 389; t. II, Paris 1902, p. 14, 26–28, 44–46, 51–53. – AN, LL 86, fol. 79r; cf. Françoise Autrand, Naissance d’un grand corps de l’État. Les gens du Parlement de Paris 1345–1454, Paris 1981 (Publ. de la Sorbonne. NS Recherche 46), 92; Jean-Marie Alliot, Les visites archidiaconales de Josas, Paris 1902, X–XII. Jean de Courcelles fit une partie de ses études à l’Université de Cologne: Die Matrikel der Universität Köln, éd. Hermann Keussen, I, Bonn 21928 (PGRhGK VIII / 1) (nouv. impr. 1979), no 146, 59 (ad 1425: Joh. de Courcellis, Ambianens. d., de regno Francie; iur.; s.). 72 CUP, IV, no 2542; Peter Shervey Lewis, Écrits politiques de Jean Juvénal des Ursins, III: La vie et les œuvres, Paris 1992. 73 Les actes de la province ecclésiastique de Reims …, éd. Thomas Gousset, II, Reims 1843, 726. En 1454, un canonicat fut aussi conféré à Jean de Courcelles: Desportes, Fasti (cit. n. 68), III, 371 no 233. 74 Jean de Maupoint, Journal parisien (cit. n. 59), 28; CUP, IV, no 2553. 75 MC, III, 977. 76 MC, III, 531; CB, VII, 309; Auctarium (cit. n. 66), II, 517 sv. Cf. Valois, Le pape (cit. n. 57), II, 239–241; Müller, Franzosen (cit. n. 18), I, 371, 390.

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Mais pourquoi fit-il, le temps venu, un détour par la Savoie? Il était bien conscient que sans consentement préalable du côté savoyard, une solution du problème n’était pas concevable. Et la seule solution, c’était la liquidation du concile de Bâle et du pontificat de Félix V, mais à des conditions aussi honorables que possible. Solution que seul Charles VII, le « roi très victorieux », pouvait imposer ensuite à tous les partis. Il semble bien que Courcelles fut le premier à reconnaître la nécessité d’aplanir la voie d’abord en Savoie, puis auprès de Charles VII, sans avoir reçu, bien entendu, un ordre soit officiel, soit secret de la part du concile, à cette époque encore fermement décidé à poursuivre son travail. La situation savoyarde lui paraissait être propice, étant donné que les charges dues à l’aventure papale de Félix V pesaient sur la cour ducale et risquaient de faire échouer les ambitions de Louis, fils de Félix, visant surtout la succession au duché de Milan. Dans l’espoir d’obtenir un soutien financier, père et fils s’adressèrent à Jacques Cœur, mais l’argentier du roi, agissant en porte-parole de Charles VII, exigea, en 1448/49, l’abdication de Félix V avant de leur accorder un emprunt. Grâce à Michel Mollat, nous sommes bien informés sur cette affaire; mais il se peut qu’elle ait commencé déjà en 1445 – toujours d’après Mollat – lorsque les deux partenaires réalisèrent une première transaction77. Situation donc assez favorable à Courcelles, qui pour sa part, avait entretenu dès 1439 d’excellentes relations avec Félix V. Chanoine à Lausanne et prébendier en plusieurs endroits du duché, il assuma, en 1444, l’oraison funèbre du feu frère de Louis, le comte Philippe de Genève78. De plus, deux confidents de Félix V lui facilitèrent peut-être l’accès à la Savoie: Martin Le Franc, bien sûr, et Jean de Grôlée. Celui-ci, issu d’une famille bien implantée dans le Lyonnais et en Savoie, se trouva à partir de 1445 toujours aux côtés de Courcelles. En 1447, Charles VII nomma Grôlée conseiller, peut-être en signe de reconnaissance pour son soutien accordé à Thomas lors de la première étape effectuée en Savoie79. Le fait que Courcelles fut chargé par le duc Louis de négocier la liquidation à des conditions honorables auprès de Charles VII, le fait qu’il fut nommé ensuite membre de la délégation du roi chargée d’obtenir un tel accord, le fait qu’il assistât à toutes les phases de ces pourparlers et que l’on eût, jusqu’à la fin, recours à ses conseils, tout cela prouve, à mon avis, que l’un des pères, peut-être même le père de l’unité de l’Église, rétablie en 1449 sous les auspices du roi de France, 77 Michel Mollat Du Jourdin, Résumé de la communication: Jacques Cœur et la Cour de Rome, dans: CRAI a. 1979, 64 sv.; Id., Jacques Cœur ou l’esprit d’entreprise au XV e siècle, Paris 1988, 311 sv., 461 sv. (n. 88: ad a. 1445). 78 Turin, Archives de l’État, Bullarium Felicis V, t. II, fol. 23r; t. III, fol. 272r / v; CB, VI, 485; CUP, IV, no 2673 n. 2 (Mont Saint-Martin); Maxime Reymond, Les dignitaires de l’Église Notre-Dame de Lausanne jusqu’en 1536, Lausanne 1912 (Mém. et doc. publ. par la SHSR II/8), 248, 481. – Bâle, Bibl. Univ., E I 4, fol. 477r–479v (l’oraison funèbre de Philippe de Genève). 79 Arthur Piaget, Martin Le Franc, prévôt de Lausanne, Lausanne 1888; Müller, Franzosen (cit. n. 18), I, 413 sv.; Id., Lyon et le concile de Bâle (1431–1449). Études prosopographiques, dans: Cahiers d’histoire 28 (1983), 38 et n. 13/14 (Jean de Grôlée).

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s’appelle Thomas de Courcelles. Nicolas V et Charles VII furent ses obligés, sa brillante carrière à la fin des années quarante et durant les années cinquante en est le meilleur indice. Même les victimes de la liquidation n’ont jamais exprimé la moindre critique. Même pour cette petite poignée de Pères rassemblés à Lausanne et fidèles à Félix V jusqu’au dernier moment, Courcelles n’était pas un traître, au contraire: ses activités à l’arrière-plan assurèrent leur survie. Il n’était pas un opportuniste non plus, même si ses activités lui rapportèrent beaucoup; il partageait profondément les convictions de ses anciens compères, mais il avait compris plus tôt qu’eux que le conciliarisme était vers 1444 au bord de l’abîme, qu’il fallait intervenir. Thomas de Courcelles, c’est le représentant, la personnification même du conciliarisme arrivé à son point extrême, c’est l’auteur conciliariste qui reste encore à découvrir. Thomas de Courcelles, c’est aussi le modèle d’une carrière d’orateur, prêt à déployer tous ses talents rhétoriques pour faire triompher le concile et ses doctrines; il compte donc parmi les responsables du schisme. Mais le même Thomas de Courcelles est également le premier architecte de la réconciliation. Le maître de la parole en public s’avéra, tout en agissant dans les coulisses, maître du conseil discret, à l’efficacité silencieuse, à chaque étape de ses activités, protégé, bien sûr, par un réseau de relations bien ancré dans la capitale. L’éclat de sa carrière autour de 1450 reflète son succès: tous les partis lui furent redevables, surtout celui de Charles VII à qui la chrétienté devait attribuer le mérite d’avoir liquidé le concile de Bâle et le schisme – le mérite d’un roi « bien conseillé », cette fois grâce à Thomas de Courcelles. La cour royale attacha une grande importance à cette prestigieuse réussite et ne tint pas compte de son rôle joué jadis à Rouen en 1431, événement plus ou moins gênant et embarrassant pour tout le monde. Thomas de Courcelles à Saint-Denis, en 1461: ce n’est pas seulement le meilleur orateur que l’on avait choisi pour prononcer l’oraison funèbre80, c’est surtout le conseiller qui contribua, dans le domaine ecclésiastique, au renouveau du royaume de France sous Charles VII.

80 Le texte de cette oraison funèbre est perdu, semble-t-il, mais il est attesté par Gilles Le Bouvier dit le Héraut Berry (Les chroniques du roi Charles VII, éd. † Henri Courteault /† Léonce Celier/Marie-Henriette Jullien de Pommerol, Paris 1979, 420) et Jean Chartier (Chronique [cit. n. 62], III, 120). Cf. Jean Favier, Louis XI, Paris 2001, 188 sv.; Philippe Contamine, Le sang, l’hôtel, le conseil, le peuple: l’entourage de Charles VII, selon les récits et les comptes de ses obsèques en 1461, dans: À l’ombre du pouvoir. Les entourages princiers au Moyen Âge, éd. Alain Marchandisse/Jean-Louis Kupper, Genève 2003, 159.

La division dans l’unité Le congrès d’Arras (1435) face à deux diplomaties ecclésiastiques I. Notes préliminaires Certes, sur la liste des dates de référence relatives au sujet de ce Colloque Arras et la diplomatie européenne. XV e – XVI siècles, l’année 1435 occupe un rang particulier. Certes, cette paix d’Arras conclue entre Charles VII et Philippe le Bon, fit – pour citer l’auteur d’un essai récemment paru sous le titre « Arras 1454 » dans les actes du Colloque sur Le Banquet du Faisan –, fit donc « de la ville une place hautement symbolique dans le jeu diplomatique de l’époque »1. Vaut-il pourtant la peine d’y revenir, étant donné que nous disposons, depuis 1955, d’un ouvrage de base, The Congress of Arras 1435 dont l’auteur, Mme Joycelyne Gledhill Dickinson, a déjà pris en considération l’aspect central de ce colloque, comme l’indique le soustitre de son livre A Study in Medieval Diplomacy? N’oublions pas une autre étude de base surtout en ce qui concerne l’édition de textes, édition hélas! criblée de fautes, mais pourtant d’une certaine valeur. Je pense à Friedrich Schneider et son livre Der europäische Friedenskongreß von Arras (1435) und die Friedenspolitik Papst Eugens IV. und des Basler Konzils2. De plus, il n’existe aucune histoire de la guerre de Cent Ans, aucune biographie de Charles VII ou de Philippe le Bon – de Jules Michelet et Gaston Du Fresne de Beaucourt à Jean Favier et Richard ­Vaughan – qui ne tienne compte du congrès d’Arras. Il en va de même des études régionales ou locales, pour ne citer celles d’Edmond Lecesne ou de l’abbé Jean Lestocquoy. Toutes ces générations d’historiens ont su exploiter les sources: les chroniques des auteurs tels Jean Lefèvre de Saint-Rémy ou Jean Chartier, Perceval de Cagny et Enguerrand de Monstrelet ou le Journal d’Antoine de La Taverne, grand prévôt de l’abbaye de Saint-Vaast qui suivit de près les événements. Ces sources, elles furent toutes lues et relues, examinées et réexaminées. Même constat pour une quantité de procurations, instructions, relations, mémoires et lettres, pas toujours imprimés, mais bien connus des spécialistes en la matière. Certes, nos connaissances ne seront jamais parfaites; le tableau ne sera jamais complet; des 1 Laurent Coulon, Arras, 1454, dans: Le banquet du faisan, textes réunis par Marie-Thérèse Caron / Denis Clauzel, Arras 1997, 53. 2 Joyceline G. Dickinson, The Congress of Arras 1435. A Study in Medieval Diplomacy, Oxford 1955 (nouv. impr. 1972); Friedrich Schneider, Der europäische Friedenskongreß von Arras (1435) und die Friedenspolitik Papst Eugens IV. und des Basler Konzils, Greiz 1919.

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détails et des nuances nous échapperont; mais dans l’ensemble, quant au congrès d’Arras, les historiens ont fait du bon travail. Resteront, bien sûr, les problèmes d’interprétation, par exemple cette question: Arras, pour citer de nouveau Laurent Coulon, fut « une place hautement symbolique »3 en 1435, mais peut-être dans un sens un peu différent de ce qu’il pensait. Arras apparaît comme le symbole spectaculaire d’une réussite, mais d’une réussite préparée par les principaux acteurs en d’autres lieux et antérieurement, c’est-àdire à Nevers en janvier 1435, où les belligérants armagnacs et bourguignons se rendirent compte qu’ils appartenaient bel et bien à la même famille, et peu de temps avant à Pont-de-Veyle, où Bourgogne régla ses différends avec Bourbon, son beau-frère4. On rencontrera celui-ci à Arras à la tête de la délégation française dont fera partie un autre beau-frère de Philippe le Bon: Arthur de Richemont. Ce connétable de France avait toujours agi à la cour royale – depuis la chute de Georges de La Trémoïlle en 1433, avec le chancelier Regnault de Chartres et le parti angevin, dirigé par la reine-mère Yolande d’Aragon – en faveur d’une paix avec Bourgogne5. Toute une « société politique » qui avait bien préparé le terrain de la réconciliation, enfin réunie après quinze ans de guerre. L’accueil réservé par Philippe le Bon et son entourage aux ambassadeurs de Charles VII, arrivant 3

 Voir n. 1. Le Févre [Lefèvre], Seigneur de St-Rémy, Chronique, éd. par François Morand, II, Paris 1881 (SHF), 303–305; Caesar Baronius / Odoricus Raynaldus / Jac. Laderchius / Augustinus Theiner, Annales ecclesiastici, XXVIII, Bar-le-Duc 21887, 178 (ad a. 1434, § 30). Cf. Edmond Lecesne, Histoire d’Arras depuis les temps les plus reculés jusqu’en 1789, I, Arras 1880, 288–289 (nouv. impr. 1976); Gaston Du Fresne de Beaucourt, Histoire de Charles VII, t. II, Paris 1882, 514–517; Joseph de la Poix de Fréminville, Les écorcheurs en Bourgogne (1435–1445) …, dans: Mém. de l’Académie des sciences, arts et belles-lettres de Dijon III / 10 (1887), 22–23; August Zellfelder, England und das Basler Konzil, Berlin 1913, 138–140 (nouv. impr. 1965); Sigismond Lasocki, Un diplomate polonais au congrès d’Arras en 1435, Paris 1928, 16–18; Herman Van der Linden, Itinéraires de Philippe le Bon …, Bruxelles 1940, 133–134; Paul Bonenfant, Philippe le Bon, Bruxelles 31955, 57 (nouv. impr.: Philippe le Bon. Sa politique, son action, Bruxelles 1996 [Bibl. du Moyen Age 9], 50); Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), passim, en particulier 161–163, 173–174; André Leguai, Les ducs de Bourbon pendant la crise monarchique du XV e siècle …, Paris 1962, 150–152; Albert Compton Reeves, The Congress of Arras, dans: History Today 22 (1972), 725–726; Jean Favier, La guerre de Cent Ans, Paris 1980, 537; Joachim Ehlers, Geschichte Frankreichs im Mittelalter, Stuttgart 1987, 325; Philippe Contamine, Les rencontres au sommet dans la France du XV e siècle, dans: Im Spannungsfeld von Recht und Ritual. Soziale Kommunikation in Mittelalter und früher Neuzeit, éd. par Heinz Duchhardt /Gert Melville, Cologne e. a. 1997, 280–281; Mark Warner, The Anglo-French Dual Monarchy and the House of Burgundy, 1420–1435: The survival of an Alliance, dans: French History 11 (1997), 114. 5 Heribert Müller, Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449), I, Paderborn 1990, 374–377; Id., Être conciliateur à l’époque conciliaire: Les Anjou et la cour royale face au concile de Bâle (1431–1449), dans: Saint-Denis et la royauté. Études offertes à B. Guenée. Travaux réunis par Françoise Autrand e. a., Paris 1999 (HAM 59), 757–770; Bonenfant, Philippe le Bon (cit. n. 4), 52; Vicente Ángel Álvarez Palenzuela, La situación europea en época del concilio di Basilea. Informe de la delegación del Reino de Castilla, Léon 1992, 101; Claude Gauvard, La France au Moyen Âge du V e au XV e siècle, Paris 1996, 475. 4 Jean

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dans la soirée du 31 juillet 1435 à Arras, à une lieue des portes de la ville, en dit beaucoup: tous ensamble alèrent moult cordialement jusques dans la ville, remarque Enguerrand de Monstrelet6. La rencontre à Arras, c’est-à-dire aux Pays-Bas bourguignons7, mais en même temps près des zones d’occupation ou d’influence anglaises sur le continent, reflète l’intention d’associer aussi le parti Lancastre, ou plutôt de ne pas l’exclure a priori. Le cardinal Niccolò Albergati, ce médiateur réputé de haute compétence, avait dès son départ pour l’Artois tout prévu pour négocier la conclusion d’une paix partielle concernant uniquement Français et Bourguignons. Ce fait, ainsi que la profonde méfiance du côté anglais, tant à la cour de Londres que sur place à Arras, prouve ce qu’on attendait du congrès dans les milieux concernés. Et l’Université de Paris anticipa déjà les temps nouveaux, semble-t-il, quand, à l’occasion de la nomination d’une ambassade pour Arras, elle donna à Henri VI pour la première fois le titre rex Anglie qui se nominabat pro rege Francie8. C’est Albergati qui dirige nos regards sur tous ces ecclésiastiques venus à Arras avec la mission officielle de mener à bien les négociations de paix. Ils devaient jouer, sur la scène artésienne, les médiateurs, rôle certes indispensable, parce qu’ils représentaient la seule autorité universelle, neutre et capable de garantir dans une certaine mesure un tel accord par des sanctions ecclésiastiques. Malgré tout ils en étaient réduits à jouer « un rôle assez vain », comme le remarqua il y a une cinquantaine d’années un chercheur français et celui-ci d’ajouter: « La cause au fond, était tranchée sans eux. Ils meublaient une scène de triomphe »9. Reprenons et élargissons la question posée au début: est-ce vraiment la peine de revenir sur un congrès d’importance plutôt symbolique, maintes fois ressassé, et de revenir en particulier sur le rôle apparemment minime de la diplomatie ecclésiastique à Arras? En réexaminant ce rôle et spécialement celui des envoyés du concile de Bâle, sous des aspects biographiques et prosopographiques, on obtiendra, à mon avis, de nouveaux éclaircissements sur leur influence au cours du congrès. Cet examen permettra, en outre, de faire quelques observations concernant le congrès lui-même.

6 Enguerran de Monstrelet, Chronique, publ. par Louis Douët-d’Arcq, V, Paris 1861 (SHF), 109 = L. II, c. 167 (nouv. impr. 1966); cf. Lecesne, Histoire d’Arras (cit. n. 4), 295. 7 D’après J. G. Russell [ex Dickinson], Peacemaking in the Renaissance, Londres 1986, 78, le choix d’Arras fut un peu à l’avantage des Bourguignons. 8 a) Procuration papale pour Albergati en vue d’une paix partielle: Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 222–224 (no 8), cf. 84–85. – b) Université de Paris: Chartularium Universitatis Parisiensis, éd. par Heinrich Denifle /Émile Châtelain, IV, Paris 1897, 566 n. 2 (nouv. impr. 1964). 9 Henri Drouot, Une question débrouillée: Philippe le Bon et le concile de Bâle, dans: Annales de Bourgogne 16 (1944), 53.

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II. Diplomates du pape, diplomates du concile: concurrence et collaboration Avant d’entrer dans les détails, il faut souligner deux faits, aussi simples que fondamentaux. Premièrement, ces pourparlers préalables entre Français et Bourguignons à Nevers, qui permirent la réunion d’Arras, eurent lieu sans aucune participation des envoyés de l’Église, ni de la part du pape, ni de celle du concile de Bâle. Deuxièmement, cette Église se trouvait à l’époque dans une crise profonde. Dès 1431 commença la confrontation d’un pape aussi intransigeant et obstiné que l’était Eugène IV, et un concile réuni à Bâle qui s’apprêtait à transformer les idées conciliaires nées au temps du Grand Schisme en une idéologie radicalement conciliariste10. Les événements qui suivirent, obligèrent Eugène IV à reconnaître ce synode en 1433; mais il s’agit d’une soumission à peine cachée qui n’eut pas d’avenir. Une compétition à tous les niveaux commença immédiatement. Pour gagner et garder des adhérents, les adversaires cherchèrent des succès de prestige à n’importe quel prix. Même la causa pacis ne fut pas exclue de ce combat; mais dans ce domaine, le parti papal eut, sans aucun doute, presque toujours le dessus grâce à sa grande expérience: depuis des siècles, on faisait appel aux spécialistes de la curie romaine pour résoudre les grands conflits11. 1. Les légats: Niccolò Albergati et Hugues de Lusignan Parmi les nombreux médiateurs – dans une certaine mesure des précurseurs de l’ONU – qui servirent d’amicabiles compositores (et plus du tout de judices!) au cours de la guerre de Cent Ans par exemple, aucun personnage n’égala Niccolò 10 Noël Valois, Le pape et le concile (1418–1450) (La crise religieuse du XV e siècle), I / II, Paris 1909; Johannes Helmrath, Das Basler Konzil. Forschungsstand und Probleme, Cologne – Vienne 1987 (KHA 32); Id., Basel (4): Konzil, dans: LThK II (31994), 53–57; Paul Ourliac, Le schisme et les conciles, dans: Histoire du christianisme des origines à nos jours, VI: Un temps d’épreuves (1274–1449), sous la responsabilité de Michel Mollat Du Jourdin / André Vauchez, Paris 1990, 89–139; Studien zum 15. Jahrhundert. Mélanges E. Meuthen, éd. par Johannes Helmrath /Heribert Müller en collaboration avec Helmut Wolff, I, Munich 1994, 13–290 (13 articles concernant les conciles de Constance et de Bâle); Jürgen Miethke, Konziliarismus – die neue Doktrin einer neuen Kirchenverfassung, dans: Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien zu Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449), éd. par Ivan Hlaváček / Alexander Patschovsky, Constance 1996, 29–59; Erich Meuthen, Das 15. Jahrhundert, Munich 31996 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte 9), 74–78, 171–172. 11 Jean Gaudemet, Le rôle de la papauté dans le règlement des conflits entre États aux XIIIe et XIV e siècles, dans: La paix, II, Bruxelles 1961 (Recueils de la Soc. Jean Bodin 15), 79–106; Philippe Contamine, Notes sur la paix en France pendant la guerre de Cent Ans (nouv. impr. 1980), dans: Id., La France au[x] XIV e et XV e siècles. Hommes, mentalités, guerre et paix, Londres 1981, no XIV, p. 178; Pierre Blet, Le rôle du Saint-Siège, dans: Les fondements de la paix. Des origines au début du XVIIIe siècle, sous la dir. de Pierre Chaunu, Paris 1993, 119–121; Heribert Müller, Konzil und Frieden. Basel und Arras, dans: Träger und lnstrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter, éd. par Johannes Fried, Sigmaringen 1996 (VuF 43), 340–344 (cet essai est la base de notre étude qui présente pourtant des interprétations en partie différentes).

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Albergati. Malgré tous les échecs, il ne cessa d’œuvrer dans le but d’une paix ou au moins de trêves entre les belligérants. Aucun ecclésiastique n’eut aussi parfaite connaissance de tous les dossiers. De plus, fidèle à l’idéal de son ancien ordre carthusien, il jouissait d’une grande renommée sur le plan personnel12: même les Pères, à Bâle, le consultèrent en matière de paix et lui accordèrent les pleins pouvoirs pour négocier en leur nom à Arras. Albergati ne se servit cependant jamais de ce pouvoir13. La délégation papale à Arras, ce fut donc d’abord lui14. Il n’était pas besoin d’une grande équipe de soutien: juste un spécialiste de droit, Ludovico de Garsiis15, un évêque en provenance d’un royaume de Portugal étroitement lié au Saint-Siège, Luís d’Amaral16, et deux secrétaires destinés encore à une brillante carrière: Tommaso Parentucelli, futur pape Nicolas V, qui devrait choisir ce nom en signe de vénération pour son maître17, et Enea Silvio Piccolomini, son successeur sur la Cathedra Petri en 1458 sous le nom de Pie II.

12 Albergati n’a pas encore trouvé le biographe qu’il mérite; plutôt de caractère hagiographique sont les études de Niccolò Marini, L’azione diplomatica della S. Sede e il B. Niccolò Albergati, Sienne 1887; Paolo de Töth, Il beato cardinale Niccolò Albergati e i suoi tempi 1375–1444, I / II, Acquapendente/Viterbo 1934. 13  Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel [CB], III, éd. par Johannes Haller, Bâle 1900, 409, 417 (nouv. impr. 1976); V, éd. par Gustav Beckmann e. a., Bâle 1904, 137, 414 (nouv. impr. 1976); Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 224 (no 9). 14 Cf. Marini, L’azione diplomatica (cit. n. 12), 86–107; de Töth, Il beato cardinale (cit. n. 12), II, 236–279; Werner Sieberg, Studien zur Diplomatie des Basler Konzils, Heidelberg 1951 (Thèse dactylogr.), 218–220; Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 97–99 (D. a choisi comme frontispice le portrait du cardinal peint par Jan van Eyck. D’après Malcolm Vale, ce tableau représente pourtant le cardinal d’Angleterre: Cardinal Henry Beaufort and the ‹ Albergati › Portrait, dans: EHR 105 [1990], 337–357). 15 Schneider, Der europäische Friedenskongreß (cit. n. 2), 14–15; Jean-Louis Gazzaniga, Charles VII et Eugène IV. Note sur le gallicanisme monarchique, dans: Papauté, monachisme et théories politiques. Mélanges M. Pacaut, I: Le pouvoir et l’institution ecclésiale, éd. par Pierre Guichard e. a., Lyon 1994, 61; Erich Meuthen, Ein ‹ deutscher › Freundeskreis an der römischen Kurie in der Mitte des 15. Jahrhunderts, dans: Synodus. Beiträge zur Konzilien‑ und allgemeinen Kirchengeschichte. Mélanges W. Brandmüller, éd. par Remigius Bäumer e. a., Paderborn 1997 (AHC 27/28), 494 et n. 36–41. 16 Antoine de La Taverne, Journal de la paix d’Arras, éd. par André Bossuat, Arras 1936, 15 (ung evesque du royalme de Portugal nommé en latin episcopus Vizantensis de Portugalia). Cf. Joseph Toussaint, Les relations diplomatiques de Philippe le Bon avec le concile de Bâle (1431–1449), Louvain 1942 (RTHP III / 9), 90; Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 85, 101; António Domingues de Sousa Costa, Bispos de Lamego e de Viseu no século XV (p. IV) …, dans: Itinerarium 27 (1981), 20–62 (Amaral prendra personnellement en 1437 parti en faveur du concile à l’encontre des instructions du roi Duarte). – Portugal et le concile de Bâle: Helmrath, Das Basler Konzil (cit. n. 10), 248–249; Müller, Franzosen (cit. n. 5), I, 177–178 et n. 28. 17 Antoine de La Taverne, Journal (cit. n. 16), 15 (ung nommé maistre Thomas, qui depuis fut pape et, en sa papalité, fut nommé le pape Nicolaz); cf. Lecesne, Histoire d’Arras (cit. n. 4), 292; Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 85–86. – Parentucelli et Albergati: Meuthen, Ein deutscher Freundeskreis (cit. n. 15), 502–503.

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Si nous croyons aux paroles de ce maître que fut Enea Silvio, il n’y eut qu’une seule personne qui dirigea toutes les négociations: Niccolò Albergati, représentant de l’autorité apostolique, recherché et approuvé par tout le monde. Au contraire, devant la demeure de son homologue Hugues de Lusignan, cardinal de Chypre et légat du concile, ce fut le grand vide. Accepté par les partis, grâce à ses origines très nobles, mais mis à l’écart de tous les secrets et sujets d’importance, Chypre essaya – toujours d’après Enea Silvio – de contrebalancer son insignifiance par une distribution généreuse de toutes les grâces dont un légat peut disposer18. Effort inutile, car à la fin, ce fut Albergati qui domina la scène – sans oublier Enea Silvio qui sut, bien sûr, s’attribuer une certaine partie des mérites: nam apud Atrebatum pax facta est per Nicolaum cardinalem s. Crucis, cum quo tunc ego fui secretarius, gerens officium19. Ici comme ailleurs, la présentation des choses par Enea Silvio n’est pas sans accents très personnels. Elle demande donc quelque prudence de la part du lecteur de ses Commentarii, qui sont aussi – on l’oublie trop facilement – des mémoires justificatifs d’un ancien partisan des idées conciliaires qui avait changé de camp. Mais le récit d’Enea Silvio n’est pas dénué de tout fondement. Bien qu’il fallût officiellement, à chacune des trois délégations, s’adresser séparément aux cardinaux, qui transmettaient ensuite les propositions ou les refus aux parties adverses (et vice versa)20, le cardinal de Sainte-Croix fut en effet appelé velud superior21, d’après un procès-verbal anglais, en comparaison avec le cardinal de Chypre, auquel le souci permanent de souligner son rang et ses origines ne fit pas que des amis. Mais Albergati ne fut pas, lui non plus, vraiment au cœur des choses. Il ne réussit pas à imposer aux Français, Bourguignons et Anglais une paix générale; et vers la fin des négociations, il n’arriva à faire signer une paix partielle qu’avec l’aide d’un membre de la délégation bâloise. Il ne fut évidemment pas en bonnes relations avec Lusignan. Il se considéra exclusivement comme légat du pape. Il fut tout à fait conscient de la situation concurrentielle entre Rome et Bâle: il préféra néanmoins la collaboration à la confrontation22, l’unité à la division, pour atteindre au moins un certain succès. 18 Papa Pio II (Enea Silvio Piccolomini), I commentarii, éd. par Luigi Totaro, I, Milan 1984 (Classici 47), 1114/16 = Pii II. commentarii rerum memorabilium que temporibus suis contigerunt, éd. par Adriaan van Heck, I, Cité du Vatican 1984 (Studi e testi 312), 389. – Pour Hugues de Lusignan cf. Wipertus H. Rudt de Collenberg, Les cardinaux de Chypre Hugues et Lancelot de Lusignan, dans: AHP 20 (1982), 83–128. 19 Enee Silvii Piccolominei … De viris illustribus, éd. par Adriaan van Heck, Cité du Vatican 1991 (Studi e testi 341), 73. 20 Antoine de La Taverne, Journal (cit. n. 16), passim, en particulier 46–47; Schneider, Der europäische Friedenskongreß (cit. n. 2), 97 (premier procès-verbal anglais). 21 Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 226 (d’après BN, ms. lat. 1448, fol. 82v). 22 Cf. Eugène IV (bulle de provision St-Firmin/Montpellier, 1434 IV 7): Cognovimus te esse procul ab iis passionibus, quibus si caeteri carerent, res ecclesiae sese melius haberent; Baronius e. a., Annales ecclesiastici (cit. n. 4), 107 (ad a. 1434, § 12).

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2. La paix d’Arras: une affaire du concile? Ceux qui furent le plus frappés par cette action commune ne tinrent pas compte, ou plutôt, ne voulurent pas tenir compte de cette unité: pour les Anglais, la seule responsabilité de cette paix, qui ne mérita pas son nom, incomba à un concile de Bâle, coupable de toutes les tensions et divisions à l’intérieur et à l’extérieur de l’Église. Peu de temps après Arras, les ambassadeurs de Henri VI quittèrent, à l’exception d’un seul, le synode23. En 1439, quand il y eut à Gravelines, sous le patronat de la duchesse Isabelle de Portugal, de nouvelles négociations entre Français et Anglais, ceux-ci refusèrent catégoriquement l’admission des envoyés d’un concile disqualifié à leurs yeux pour sa prise de position en 143524. Et le Saint-Siège, très soucieux de rester en bonnes relations avec Lancastre, l’un de ses partenaires les plus importants, fit de même. Piero da Monte, légat d’Eugène IV à Londres, sembla faire oublier les activités du légat Niccolò Albergati, quand il dénonça à la fin de l’année 1437 et en avril 1438 la paix d’Arras comme étant une machination mise en œuvre subdole ac perverse par Bâle, au préjudice de Lancastre25: Qualem vero pacem fecerint, testis est regia majestas, cujus jura per legatos concilii in Attrebato lesa ac vulnerata fuerunt26. Piero da Monte, dont la réputation n’était pas toujours au-dessus de tout soupçon, n’était-il pas maître d’une flexibilité et malléabilité remarquables, pas tout à fait étrangères à la diplomatie curiale? Mais à Bâle – fait d’abord surprenant – on réagit de la même manière: des Pères en liesse, quand ils apprirent le 9 octobre 1435 – on lit au procès-verbal du concile: in festo S. Dionisii, Francorum apostoli –, qu’on avait conclu un traité le

23 A. N. E. D. Schofield, England and the Council of Basel, dans: AHC 5 (1973), 81–82; Joachim W. Stieber, Pope Eugenius IV, the Council of Basel and the Secular and Ecclesiastical Authorities in the Empire …, Leyde 1978 (SHCT 13), 40. 24 Christopher T. Allmand, The Anglo-French Negotiations, 1439, dans: Bull. of the Institute of Historical Research 40 (1967), 12, 18–19; Id. (éd.), Documents Relating to the Anglo-French Negotiations of 1439, dans: Camden Miscellany 24 (1972) (= Camden Ser. IV / 9), no 10/11; cf. Marie-Rose Thielemans, Bourgogne et Angleterre. Relations politiques et économiques entre les Pays-Bas bourguignons et l’Angleterre (1435–1 467), Bruxelles 1966, 126; Richard Vaughan, Philip the Good. The Apogee of Burgundy, Londres 1970, 107–108; Roman Berger, Nicolas Rolin. Kanzler der Zeitenwende im burgundisch-französischen Konflikt 1422–1461, Fribourg / Suisse 1971 (Scrinium Friburgense 2), 148–149; Schofield, England (cit. n. 23), 105; Claudine Lemaire /Michèle Henry, La vie d’Isabelle de Portugal – Le rôle politique d’Isabelle, dans: Isabelle de Portugal. Duchesse de Bourgogne. 1397–1471, Catalogue par C. L. / M. H., Bruxelles 1991, 42–43, 62–63; Margaret M. Harvey, England, the Council of Florence and the End of the Council of Basel, dans: Christian Unity. The Council of Ferrara – Florence 1438/39–1989, éd. par Giuseppe Alberigo, Louvain 1991 (BEThL 97), 216; Monique Sommé, Isabelle de Portugal, duchesse de Bourgogne. Une femme au pouvoir au XV e siècle, Villeneuve d’Ascq 1998, 396–400. 25 Johannes Haller, Piero da Monte. Ein Gelehrter und päpstlicher Beamter des 15. Jahrhunderts. Seine Briefsammlung, Rome 1941 (BDHIR 19), no 44 (p. 260) (nouv. impr. 1971). 26 Zellfelder, England (cit. n. 4), no 17, § 7 (p. 327); cf. John Ferguson, English Diplomacy 1422–1461, Oxford 1972, 133.

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21 septembre à Arras27. Même le président, Giuliano Cesarini, toujours prudent pour éviter la rupture entre pape et concile, laissa éclater sa joie en réclamant la paix, uniquement pour le synode: [pacem] hujus concilii ministerio manibusque nostrorum oratorum consummatam. Le traité d’Arras fut pour lui le résultat le plus essentiel et le plus spectaculaire de tous les travaux entrepris par le synode, un succès foudroyant qui, de plus, ferait taire tous les adversaires de l’assemblée: addiciens contra detrahentes sacro concilio quod, si concilium durasset per XX ti annos et non fuisset aliud agitatum nisi de illa benedicta pace Francie, adhuc non deberent sacrum concilium diffamare ymo illud laudare et benedicere28. On ne parla guère à Bâle de l’exploit réalisé par Albergati, tandis qu’on s’apprêta à propager dans la Chrétienté la nouvelle de ses propres efforts couronnés de succès. Comment expliquer cette identification d’une paix franco-bourguignonne avec le travail d’un concile peu réputé et encore moins expérimenté dans le domaine de la materia pacis? La composition de l’ambassade envoyée par Bâle à Arras est peut-être révélatrice. Lorsque la congrégation générale fit connaître, en mai 1435, les noms de ses membres, les délégués du roi de France sur place ne furent évidemment pas trop mécontents. Pierre Brunet, le chanoine et notaire arrageois, responsable du procès-verbal de l’assemblée, nota: non contradixerunt, ymo se humiliarunt ad voluntatem sacri concilii, supplicantes ut electi velint taliter laborare quod finis optatus consequatur29. Au contraire, du côté anglais, on fut dès le début plus sceptique à l’égard de l’impartialité des envoyés: majestas regia supplicat, quod ipsum sacrum concilium tales in hac parte personas illuc mittere debeat, quae amatores pacis sint, et quae absque partialitate quacumque circa ipsius pacis bonum suas operas efficaces interponere et indifferenter partes ipsas, ea quae pacis sunt, velint effectualiter procurare30. Cet avertissement de Henri VI fut aussi clair et net que celui prononcé par Albergati, déjà consulté par les Pères l’année précédente, à la veille de la nomination d’une ambassade chargée de pourparlers en vue de négocier la paix à la cour de Charles VII31. Son avertissement à respecter l’impartialité fut bien fondé: à la tête 27 CB,

III, 538; cf. V, 421.  Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 230 (no 13); cf. Giovanni Domenico Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio …, XXX, Venise 1792, col. 968 (nouv. impr. 1961); CB, III, 562; Monumenta conciliorum generalium seculi decimi quinti [MC], éd. Caesareae Academiae Scientiarum socii delegati, II [= Jean de Ségovie, Historia gestorum generalis synodi Basiliensis, p. I], Vienne 1873, 832; Álvarez Palenzuela, La situación (cit. n. 5), 109, 111–112. – Fait remarquable qu’une ambassade du concile à la cour royale de Castille avait des instructions qui ressemblèrent plutôt à une liste de tous les succès déjà atteints par l’assemblée; comme réussite de première importance, les Pères avaient cependant placé en tête l’espoir (!) d’obtenir la conclusion d’un traité de paix à Arras: Luis Suárez-Fernández, Castilla, el cisma y la crisis conciliar (1378–1440), Madrid 1960 (Consejo superior de investigaciones cientificas. Escuela de estudios medievales – Estudios 33), no 146 (datation erronée par S.-F.). 29 CB, III, 397. 30 Edmond Martène / Ursin Durand, Veterum scriptorum et monumentorum historicorum … amplissima collectio, VIII, Paris 1724, col. 819 (nouv. impr. 1968). 31 CB, III, 74; MC, II, 652 (dicebat id fore necessarium, ut quicunque desuper iturus se redderet indifferentem, quoniam facile a partibus suspicio causabatur). 28

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des envoyés, ut legatus de latere nul autre que le même Hugues de Lusignan qu’on retrouvera en 1435 à Arras32. Membre d’une maison royale de Chypre d’origine française – Charles VII le nomma son consanguineus33 –, il n’eut pas de difficultés à entrer en bonnes relations avec le roi. Il régna à la cour royale une ambiance agréable et détendue d’après le témoignage du Héraut Berry34, séjournant en ce mois de juin 1434 à Vienne – ambiance en partie due aussi aux autres membres soigneusement choisis par les Pères. Geoffroy de Montchoisi, abbé de Lérins, représentait les intérêts des Anjou, favoris à la cour depuis 1433; Philippe de Lévis, archevêque d’Auch, eut deux parents, Antoine et Jean, qui figuraient parmi les intimes de Charles VII; John Cameron, évêque de Glasgow, venait d’un royaume d’Écosse allié de longue date aux rois valois. Enfin Gilles Carlier, le doyen de Cambrai, appartenait certes au camp bourguignon. Mais en tant qu’ancien élève du collège de Navarre à Paris, il n’avait jamais rompu ses contacts avec le parti armagnac, ni avec Gérard Machet, confesseur de Charles VII35. 3. La délégation du concile: reflet d’une assemblée orientée vers le royaume de France Sous le regard méfiant des Anglais, et parce que le duc de Bourgogne était encore lié à son partenaire d’outre-Manche, et qu’il était assez réservé à l’égard du mouvement conciliaire36, la nomination de l’ambassade arrageoise exigea plus de prudence. Le cardinal de Chypre, de nouveau à sa tête, signala néanmoins non seulement la continuité, mais aussi un certain attachement à la cour du roi de France, soutien ferme du concile dès 1432. La nomination complémentaire du cardinal de Sainte-Croix, jouissant partout de la pleine confiance, devait toutefois satisfaire Anglais et Bourguignons. Lusignan n’égala Albergati sous aucun aspect; pourtant, on pouvait compter sur son engagement personnel en faveur de la paix. Le péril mamelouk pesait de plus en plus sur sa « patrie », et la guerre 32 CB, V, 90; cf. III, 59, 74, 77, 88–89; MC, II, 405, 536, 650–656. Cf. Wolfgang Decker, Die Politik der Kardinäle auf dem Basler Konzil (bis zum Herbst 1434), dans: AHC 9 (1977), 387–391; Rudt de Collenberg, Les cardinaux (cit. n. 18), 107–108. 33 MC, II, 708. 34  Gilles Le Bouvier, dit le Héraut Berry, Les chroniques du roi Charles VII, éd. par † Henri Courteault / † Léonce Celier/Marie-Henriette Jullien de Pommerol, Paris 1979 (SHF), 160. 35 Pour toutes les références concernant Montchoisi, Lévis, Cameron et Carlier voir Müller, Franzosen (cit. n. 5), II, 653–654; Id., Konzil und Frieden (cit. n. 11), 358–359; à compléter par Id., Zwischen Konzil und Papst, Fürstendienst und Ordensreform: Geoffroy de Montchoisi, Abt von St-Honorat / Lérins und St-Germain-des-Prés, dans: Synodus (voir n. 15: Meuthen), 435–462, en particulier 444 [voir dans ce volume 264-288, en part. 272]. 36 Bourgogne et Bâle: Toussaint, Les relations (cit. n. 16); Id., Philippe le Bon et le concile de Bâle, Bruxelles 1942 (Acad. Royale de Belgique. Bull. de la Commission Royale d’Histoire 57/1) [documents]; Adriaan G. Jongkees, Philips de Goede, het Concilie van Bazel en de Heilige Stoel, dans: Tijdschrift voor Geschiedenis 58 (1943), 198–215 (nouv. impr.: Id., Burgundica et Varia, bezorgd door Egbert O. van der Werff e. a., Hilversum 1990, 9–26); Helmrath, Das Basler Konzil (cit. n. 10), 219–224.

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contre l’infidèle dépendait de la paix entre les royaumes chrétiens37. La croisade fut d’ailleurs un sujet de préoccupation de Philippe le Bon et Isabelle de Portugal, très influente sur son mari et présente à Arras38. Les ambassadeurs du concile eurent l’ordre exprès de parler de la croisade à Arras, comme le prouvent leurs instructions mentionnant explicitement le sort du royaume de Chypre39. Ce n’est donc pas par hasard si un autre membre de la délégation du concile, Nikolaj Lasocki, aborda ce sujet dans son sermon prononcé lors de l’ouverture du congrès devant Philippe le Bon et son entourage40. Ce prévôt de Cracovie, humaniste doué d’un remarquable talent de rhétoriqueur, sembla vraiment garantir la neutralité et l’impartialité si fortement réclamées par les partis. Mais le panégyriste des rois francs et français très chrétiens se trouva à Bâle sous la tutelle d’un protecteur français assez puissant: l’archevêque de Lyon, Amédée de Talaru, l’un des dirigeants de l’ambassade de Charles VII. Vieux partisan du « conciliarisme », Amédée avait déjà été témoin, à Constance, des hostilités entre PolonaisLithuaniens et l’Ordre Teutonique. Justifier le tyrannicide, comme le fit Johannes Falkenberg en faveur des chevaliers, provoqua la résistance des Armagnacs, tels Talaru, très sensibles à ce sujet à cause de l’affaire Jean Petit, et les fit se rapprocher des Polonais41. La nomination de Nikolaj Lasocki, membre de la délégation du concile pour Arras, ne fut donc pas forcément un signe de stricte neutralité. 37 George Hill, A History of Cyprus, II, Cambridge 1948, 477–496, en particulier 477– 479; Rudt de Collenberg, Les cardinaux (cit. n. 18), 94–98; Müller, Konzil und Frieden (cit. n. 11), 363–364, cf. 376–378. – La paix en vue de reprendre de la croisade: Contamine, Notes (cit. n. 11), 179–181. 38 Werner Schulz, Andreaskreuz und Christusorden. Isabella von Portugal und der burgundische Kreuzzug, Fribourg/Suisse 1976 (Histor. Schriften der Univ. Freiburg 1); Jacques Paviot, Portugal et Bourgogne au XV e siècle, dans: Arquivos do Centro Cultural Português 26 (1989), 123, 126, 135; Id., La politique navale des ducs de Bourgogne 1384–1482, Lille 1995, 105–151; Id., L’ordre de la Toison d’or et la Croisade, dans: L’ordre de la Toison d’or, de Philippe le Bon à Philippe le Beau (1430–1505): idéal ou reflet d’une société?, sous la dir. de Pierre Cockshaw / Christiane Van den Bergen-Pantens, Bruxelles 1996, 71–74 [catalogue]; Id., Le Grand Duc de Ponant et le Prêtre Jean. Les ducs de Bourgogne et les Chrétiens orientaux à la fin du moyen âge, dans: Oriente e Occidente tra Medioevo ed Età Moderna. Mélanges G. Pistarino, éd. par Laura Balletto, Gênes 1997, 949–975; Charity Cannon Willard, Isabel of Portugal and the 15th c. Burgundian Crusade, dans: Journeys Toward God. Pilgrimage and Crusade, éd. par Barbara N. Sargent-Baur, Kalamazoo 1992 (Studies in Medieval Culture 30), 205–214; Heribert Müller, Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philipp des Guten von Burgund, Göttingen 1993 (SHKBAW 51); Le banquet du faisan (cit. n. 1), Ière partie: L’État bourguignon face au défi de l’Empire ottoman. – Isabelle de Portugal à Arras: Lemaire / Henry, La vie d’Isabelle (cit. n. 24), 40–41, 60–61; Monique Sommé, Vie itinérante et résidences d’Isabelle de Portugal, duchesse de Bourgogne (1430–1471), dans: Revue du Nord 79 (1997), 37; Ead., Isabelle de Portugal (cit. n. 24), 385–387. 39 Schneider, Der europäische Friedenskongreß (cit. n. 2), 151–152. 40 Texte du sermon (en traduction française): Lasocki, Un diplomate polonais (cit. n. 4), 67–72; Antoine de La Taverne, Journal (cit. n. 16), 41–42 (résumé). 41 Müller, Franzosen (cit. n. 5), I, 27–219 (Talaru et Lasocki à Bâle: 134–136; Constance: 136); cf. Id., Zur Prosopographie des Basler Konzils. Französische Beispiele, dans: AHC 14 (1982), 150–158; Id., Lyon et le concile de Bâle (1431–1449). Études prosopographiques,

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À l’ouverture du congrès, la même tâche de prêcher au nom du concile devant les délégations française et anglaise incomba à Matteo del Caretto, évêque d’Albenga, et à Nils Ragvaldsson, évêque de Växjö. Personnalités peut-être moins marquantes que Lasocki, ces prélats italien et suédois devaient surtout assurer le cadre religieux et rituel. Reste pourtant à retenir que Caretto représenta à Bâle le duc Filippo Maria Visconti de Milan, qui, malgré toute sa souplesse et sa versatilité – qualités indispensables pour la survie politique dans l’Italie du Quattrocento – pencha plutôt pour la parenté angevine de Charles VII avec laquelle il conclut une alliance juste au moment du congrès d’Arras. Signe donc de bonne coordination: Albenga se tourna vers les Français, tandis qu’on envoya aux Anglais méfiants Växjö, prélat d’un pays lointain dont le roi Eric VII avait pourtant accordé des privilèges aux marchands anglais, au détriment de la Hanse42. Le sermon de Ragvaldsson fut d’ailleurs analysé par C. G. van Leeuwen dans le cadre d’une des très rares études sur les activités du concile de Bâle en matière de paix. En faisant la distinction entre des passages purement religieux (« van religieuze aard ») et des passages plutôt politico-religieux (« van godsdienstpolitieke aard ») – concernant par exemple ladite paix générale parmi les princes chrétiens comme nécessité absolue pour une croisade –, van Leeuwen arrive à montrer qu’avec ces derniers passages, Ragvaldsson transpose pratiquement les instructions du concile sous forme de sermon43. Il est étonnant d’en retrouver le reflet dans un sermon prononcé, le 25 juillet, par quelqu’un qui ne fit pas du tout partie de l’ambassade bâloise: Laurent Pignon, confesseur de Philippe le Bon. Pour réaliser la paix, ce directeur de conscience, dont on ne surestime pas l’influence sur le duc, fit cause commune avec les délégués synodaux, malgré toutes ses réticences à l’égard du concile. Il les connaissait déjà depuis 1433, quand il était membre de l’ambassade bourguignonne à Bâle, et ce fut ensuite à eux de lui donner l’occasion d’étudier ces instructions44. Deux autres prélats accompagnant Lusignan, Lasocki, Caretto et Ragvaldsson, furent associés par les Pères en tant que représentants des deux factions dans: Cahiers d’histoire 28 (1983), 33–57; Id., Talaru, Amédée de, dans: LexMA VIII (1997), 440–441. 42 Pour les références concernant Caretto et Ragvaldsson voir Müller, Konzil und Frieden (cit. n. 11), 367–368 n. 105–107. 43 C. G. van Leeuwen, De praktijk van het vredeswerk. Het concilie van Bazel en zijn bemoeienissen ten behoeve van de vrede (1431–1447), dans: Kerk en vrede in oudheid en middeleeuwen. Studies door historici van de Vrije Universiteit van Amsterdam, uitgeg. door Lukas de Blois / Adriaan H. Bredero, Kampen 1980, 177–179. 44 Arie J.Vanderjagt, Laurent Pignon O.P.: Confesseur of Philip the Good …, Venlo 1985; Xavier de La Selle, Le service des âmes à la cour. Confesseurs et aumôniers des rois de France du XIIIe au XV e siècle, Paris 1995 (Mém. et doc. de l’ECh 43), 106, 137. – Pignon à Bâle: Toussaint, Les relations (cit. n. 16), 337 s. v. « Pinon (Laurent) »; Vanderjagt, 16–21. – Pignon à Arras: Antoine de La Taverne, Journal (cit. n. 16), 19–20, 73, 76, 81, 95; Schneider, Der europäische Friedenskongreß (cit. n. 2), 63, 76, 125; Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), p. XIII et n. 5, 53, 63, 113, 180; Vanderjagt, 22–30.

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belligérantes. Côté français, ce fut Bertrand de Cadoène, évêque d’Uzès; côté bourguignon, l’abbé Alexandre de Vézelay. C’est un fait révélateur de plus qu’on ne nomma personne pour veiller aux intérêts anglais. Choix réfléchi, bon choix, parce que ni l’un ni l’autre ne fut partisan inconditionnel de son parti. Évêque de Paphos à Chypre et chancelier des Lusignan au début de sa carrière, Cadoène fut plus tard bon serviteur de Charles VII tout en jouissant des contacts avec « Bourgogne », cause à laquelle il avait adhéré pendant le règne de Jean sans Peur. L’abbé de Vézelay, monastère situé dans la province ecclésiastique de Lyon, entretint pour sa part, dans le cadre des travaux conciliaires, de très bonnes relations avec les Pères de la France de Charles VII, en particulier avec le représentant du roi et l’archevêque de Lyon, Amédée de Talaru. Notons que leur collaboration sur le terrain neutre de Bâle, peu singulière, contribua de manière peu spectaculaire, mais continue, au rapprochement franco-bourguignon, auquel correspondait une ségrégation anglo-bourguignonne voulue expressément par Philippe le Bon45. À Bâle, un concile œcuménique réuni sur le territoire du St-Empire, mais de plus en plus influencé, voire dominé par les Pères du royaume de France, fit tout son possible pour que ce rapprochement fût suivi d’un accord bipartite en composant de manière appropriée son ambassade pour Arras. Peut-être avait-elle un certain « accent » plutôt français que bourguignon, si nous suivons Antoine de La Taverne et Jean Lefèvre. D’après le prévôt de Saint-Vaast et le seigneur de Saint-Rémy, l’archevêque d’Auch fit aussi partie de la délégation, ce même Philippe de Lévis qu’on avait déjà rencontré en 1434 comme envoyé synodal à la cour de Charles VII, où deux de ses parents entretenaient d’excellentes relations avec le roi. Et d’après Jean Lefèvre, un certain Jean d’Amanzé, membre du concile, fut aussi présent à Arras. Ce sacristain de Saint-Nizier à Lyon, comptait parmi les meilleurs confidents de son archevêque, Amédée de Talaru, lui-même présent à Bâle – et je le répète – l’un des membres les plus importants aussi bien de l’ambassade de Charles VII que du concile. Pourtant, il faut être prudent: ces informations d’Antoine de La Taverne et de Jean Lefèvre concernant Lévis et Amanzé ne sont ni confirmées par d’autres sources, ni par des chroniques ou des actes officiels46. 45 a) Cadoène: Müller, Franzosen (cit. n. 5), II, 573–585. – b) Vézelay: ibid., 908 s. v. « Alexander (OSB) A. v. Vézelay »; à compléter par Aimé-Alexandre Chérest, Vézelay. Étude historique, II, Auxerre 1868 (Extr. du Bull. de la Soc. des sciences histor. et naturelles de l’Yonne), 304–312 (Arras: 311). – c) Philippe le Bon: Zellfelder, England (cit. n. 4), 145–146; Toussaint, Les relations (cit. n. 16), 81; Schofield, England (cit. n. 23), 84; Müller, Franzosen, II, 776–777. 46 a) Lévis: Antoine de La Taverne, Journal (cit. n. 16), 4, 53; Jean le Févre [Lefèvre], Chronique (cit. n. 4), II, 306; Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 97 n. 4; cf. Müller, Franzosen (cit. n. 5), II, 654–655; Id., Konzil und Frieden (cit. n. 11), 370. b) Amanzé: Jean le Févre [Lefèvre], Chronique (cit. n. 4), II, 306; cf. Müller, Lyon (cit. n. 41), 46, 48; Id., Franzosen (cit. n. 5), II, 958 s. v. « Johannes d’Amanzé »; Id., Konzil und Frieden (cit. n. 11), 370.

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Mais les deux notaires-secrétaires qui, enfin, complétèrent la délégation du concile à Arras pour assurer des tâches administratives et juridiques, confirment de nouveau le tableau général. Il n’y eut aucun Anglais ou Français de la France lancastrienne, mais un secrétaire du cardinal de Chypre, Thomas Gauquier47, et surtout Pierre Brunet. On avait sans doute choisi celui-ci pour ses qualités professionnelles – à Bâle, il fut le doyen du corps de notaires – et d’autre part en raison de ses racines arrageoises. Chanoine à la cathédrale, représentant de son chapitre à Bâle, homme d’expérience sur la scène synodale où il était déjà entré, à Constance, comme secrétaire de son évêque Martin Porée, ce fut à lui de proclamer solennellement le traité de paix à Saint-Vaast le 21 septembre 143548. En ce qui concerne l’église d’Arras à l’époque du congrès et Thomas Gauquier, il y eut quelques mois plus tard un épilogue, à Bâle, connu, une fois de plus, grâce à Pierre Brunet. Gauquier se crut en possession d’un canonicat et d’une prébende à la cathédrale d’Arras, accordés par le cardinal de Chypre. Cet acte fut pourtant contesté au concile par Guillaume Hugues, archidiacre de Metz, à qui le cardinal 47 Thomas Gauquier, clerc du diocèse de Cambrai, notaire apostolique et impérial, à Arras: CB, III, 574; Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 97, 183, 231; cf. François Baix, La chambre apostolique et les Libri annatarum de Martin V (1417–1431), I, Bruxelles 1942/47 (Analecta Vaticano-Belgica 14/1), no 201, 812; Joseph Dephoff, Zum Urkunden‑ und Kanzleiwesen des Konzils von Basel, Hildesheim 1930 (Geschichtl. Darstellungen und Quellen 12), 86; Thomas Frenz, Die Urkunden des Konzils von Basel, dans: Lectiones eruditorum extraneorum in Facultate Philosophica Universitatis Carolinae Pragensis factae 2 (1993), 20. 48 J’ajoute ici, sur place, que ce Petrus Bruneti vaudrait, à mon avis, une étude particulière. Johannes Haller, éditeur des procès-verbaux du concile, le qualifiait ainsi: « unstreitig eine der wichtigsten Persönlichkeiten der ganzen Versammlung » [incontestablement l’une des personnalités les plus importantes de l’assemblée (de Bâle)], et Haller avait raison, car ce fut Brunet lui-même qui en grande partie dressa ces procès-verbaux, source principale de nos connaissances. Compte tenu de l’aspect arrageois, les références suivantes sont plus détaillées: BN, ms. lat. 1495, 1502, 1512, 15623–27 (cf. CB, I, 7–11); ibid., Coll. Baluze 385, n. 241; Besançon, Bibl. mun., Coll. Chifflet, ms. 74; CB, (e. a. II, 29: admissio) et MC, passim; Deutsche Reichstagsakten [RTA], X–XII, éd. par Hermann Herre /Gustav Beckmann, Gotha 1906, 1898, 1901, passim (nouv. impr. 1956–57). Cf. Johannes Haller, Die Protokolle des Konzils von Basel, dans: HZ 74 (1895), 385–406; Id., dans: CB, I, 6 (citation); II, p. XI–XII; Ludwig Quidde, dans: RTA, X, p. LVIII–LX, LXXVI; Paul Lazarus, Das Basler Konzil. Seine Berufung und Leitung, seine Gliederung und seine Behördenorganisation, Berlin 1912 (HS 100), 142, 311, 323 (nouv. impr. 1965); Dephoff, Zum Urkunden‑ und Kanzleiwesen (cit. n. 47), 62; Joseph Toussaint, Pierre Brunet, dans: DHGE X (1938), 935–937; Id., Les relations (cit. n. 16), XIV–XVI; Benigno Hernández Montes, Biblioteca de Juan de Segovia. Edición y comentario de su escritura de donación, Madrid 1984 (Biblioteca Theologica Hispana II/3), 208, 211. – Brunet au congrès d’Arras: CB, III, 413; Antoine de La Taverne, Journal (cit. n. 16), 81–82, cf. p. 7 n. 2 (Bossuat); Schneider, Der europäische Friedenskongreß (cit. n. 2), 16, 76–77. Cf. Lasocki, Un diplomate polonais (cit. n. 4), 55; de Töth, Il beato cardinale (cit. n. 12), II, 272; Toussaint, Les relations, 91, 101; Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 97, 182; Gerald Christianson, Cesarini: The Conciliar Cardinal. The Basel Years, 1431–1438, St. Ottilien 1979 (Kirchengeschichtl. Quellen und Studien 10), 124; Elisa Mongiano, La cancellaria di un antipapa. Il bollario di Felice V (Amedeo VIII di Savoia), Turin 1988 (Deputazione subalpina di storia patria. Bibl. storica subalpina 204), 7 n. 7.

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de Sainte-Croix les avait conférés dum esset in ambassiata sacri concilii ad dietam Attrebatensem49. 4. Guillaume Hugues, ou l’heure des experts Guillaume Hugues fut un autre membre de la délégation du concile. Il était apparemment en état de grâce auprès du légat pontifical. Passé jusqu’à présent sous silence, non sans raison, il resta à Arras longtemps à l’arrière-plan pour se signaler dans la phase finale du congrès. Phase aussi précaire que décisive, car malgré toutes les tensions et hostilités au sein de l’alliance anglo-bourguignonne50, le travail préparatoire à Nevers, l’atmosphère de bonne entente entre Français et Bourguignons, enfin malgré les efforts de tous ces ecclésiastiques, le chemin vers un accord bipartite ne fut pas encore ouvert, jusqu’au jour du départ des Anglais. Le duc de Bourgogne prenant très au sérieux ses obligations à l’égard de ces Anglais, c’est-à-dire du traité de Troyes et surtout de ses serments51, craignit de perdre le salut de son âme en cas de parjure. L’heure était venue pour les experts en droit, de convaincre Philippe que ces engagements étaient tous nuls et non avenus52. On comprend ainsi mieux pourquoi Ludovico de Garsiis, juriste de Bologne, accompagna le cardinal de Sainte-Croix. On n’est pas, non plus, étonné de rencontrer dans la suite du cardinal de Chypre, justement, notre Guillaume Hugues, docteur en droit civil de haute compétence et fort occupé au concile comme expertissimus in judicando par toutes sortes de problèmes juridiques53. 49 CB,

IV, 51. étude concernant ce sujet: Jean-Philippe Genet, Le roi de France anglais et la nation française au XV e siècle, dans: Identité régionale et conscience nationale en France et en Allemagne du Moyen Âge à l’époque moderne, publ. par Rainer Babel/Jean-Marie Moeglin, Sigmaringen 1997 (Francia. Beih. 39), 39–58. 51 Sont indiqués ici seulement un « classique », deux articles récents et une excellente étude qui concerne la propagande bourguignonne à la veille du traité: Paul Bonenfant, Du meurtre de Montereau au traité de Troyes, Bruxelles 1958 (nouv. impr. dans: Id., Philippe le Bon [cit. n. 4]), 105–336; Heribert Müller, Karl VI. (1380–1422), dans: Die französischen Könige des Mittelalters von Odo bis Karl VIII. 888–1498, éd. par Joachim Ehlers e. a., Munich 1996, 318; J. Richard, Troyes, Vertrag v., dans: LexMA VIII (1997), 1067–1068; Bernard Guenée, Les campagnes de lettres qui ont suivi le meurtre de Jean sans Peur, duc de Bourgogne, dans: Annuaire-Bull. de l’histoire de France, a. 1993, 45–65. 52 Dans ce contexte, il faudrait aussi, à mon avis, prendre en considération l’influence exercée par Laurent Pignon et Isabelle de Portugal sur la conscience du duc. 53 CB, III, 485; cf. Guillaume Mollat, Guillaume-Hugues d’Estaing, dans: DHGE XV (1963), 1038–1039; R. Aubert, Guillaume Huin, ibid. XXV (1995), 490; Wolfgang Decker, Estaing, Guillaume, dans: DBI XLIII (1993), 287–290. À voir aussi Alfred Strnad, Francesco Todeschini-Piccolomini …, dans: RHM 8/9 (1964/66), 128–129; Michel Maigret, Guillaume Huin, le cardinal d’Étain, dans: Bull. des Soc. d’histoire et d’archéol. de la Meuse 9 (1972), 81–101; Erich Meuthen, Rota und Rotamanuale des Basler Konzils, dans: Römische Kurie. Kirchliche Finanzen. Vatikanisches Archiv. Mélanges H. Hoberg, éd. par Erwin Gatz, Rome 1979 (Miscellanea Historiae Pontificiae 46), 491; Ignaz Miller, Jakob von Sierck 1398–1456, Mayence 1983 (QMRhKG 45), 364 s. v. « Guillaume d’Étain »; Müller, Franzosen (cit. n. 5), II, 979 s. v. « Guillelmus Hugonis »; Repertorium concilii Basiliensis. Die Rotamanualia. Verzeichnis 50 Dernière

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Les Anglais à peine partis il s’adressa, ce même jour du 6 septembre encore à Philippe le Bon. Le texte de son discours en langue française semble perdu, mais il en existe un résumé dans le Journal du prévôt de St-Vaast et surtout, ses propres Allegationes in tractatu pacis fiendo conservées dans un manuscrit de la Vaticana54. D’après de La Taverne, Guillaume Hugues retraça d’abord le cours des négociations que les Anglais firent échouer. Il démontra ensuite la nécessité urgente d’une paix franco-bourguignonne, vu la grande désolation du royaume, en commençant par la perdition des âmes et finir par la défloration des jeunes filles. Mais, c’est surtout par les Allegationes qu’il toucha plus à fond les problèmes qui rongeaient Philippe le Bon, pour lui prouver la non-validité de tous ses engagements faiz contre carité, bonnes meurs et le bien publique. Comment juger un « traité » de Troyes avec toutes les concessions faites à Lancastre, compte tenu du fait que l’un des contractants, Charles VI, atteint d’une longue et grave maladie mentale était manipulé par son entourage? De plus, aucun roi de France ne peut disposer du royaume comme de sa propriété privée. Il doit respecter la succession de son fils aîné, sinon celle de son parent le plus proche en lignage mâle. Un gendre comme roi serait, en tout cas, inacceptable. Et Philippe le Bon, de son côté, est tenu de respecter toutes les obligations de loyauté et fidélité à l’égard de Charles VII, dues par un duc de Bourgogne et de surcroît par un membre de la même dynastie que le roi. Originaire d’Étain dans le duché du Bar, c’est-à-dire du St-Empire, mais à Bâle, membre de la nation gallicane, Guillaume Hugues connut donc parfaitement les arguments de tous ces hommes de loi près de la cour royale des Valois, s’appuyant sur la Lex Salica55. Les Allegationes sont aussi le signe d’une bonne collaboration avec son collègue, Ludovico de Garsiis, comme le prouve une comparaison avec « l’Examen » de celui-ci, à savoir: « si le duc de Bourgogne pourrait faire sa paix particulière avec le Roi de France »56. La volonté d’atteindre le même objectif von an der Basler Konzilsrota behandelten Rechtsfällen, éd. par Hans-Jörg Gilomen, Tübingen 1998, 1108 s. v. « Guillermus Hugonis ». Malgré ces travaux, une étude approfondie reste encore à écrire (cf. n. 60). 54 a) Antoine de La Taverne, Journal (cit. n. 16), 69–72 (basé sur Londres, BL, Add. 11542, fol. 86v–87r); Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 115, 229 (no 13), 231 (no 14), 236. Cf. Du Fresne de Beaucourt, Histoire de Charles VII (cit. n. 4), 543–544; Schneider, Der europäische Friedenskongreß (cit. n. 2), 62; Lasocki, Un diplomate polonais (cit. n. 4), 48; Toussaint, Les relations (cit. n. 16), 91; Thielemans, Bourgogne et Angleterre (cit. n. 24), 56 n. 18. b) Rome, Bibl. Vat., Ottob. lat. 2085, fol. 227v–230r. 55 Jacques Krynen, Idéal du prince et du pouvoir royal en France à la fin du Moyen Age (1380–1440). Étude de la littérature politique du temps, Paris 1981, 281–312; Id., L’empire du roi. Idées et croyances en France, XIIIe–XV e siècle, Paris 1993, 125–160; Colette Beaune, Naissance de la nation France, Paris 1983, 264–290; Ead., Les structures politiques comparées dans l’Occident médiéval, dans: XIV e et XV e siècles: crises et genèses, sous la dir. de Jean Favier, Paris 1996, 18. 56 Comparaison effectuée en 1976 par le collègue américain Thomas M. Izbicki, The Canonists and the Treaty of Troyes, dans: Proceedings of the 5th Internat. Congress of Medieval Ca-

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explique sans doute certains parallèles dans l’argumentation, mais ceux-ci sont pourtant tellement proches et nombreux, qu’ils témoignent selon toute vraisemblance d’une coopération et d’une coordination directe entre les deux experts. En se référant toutefois uniquement au discours de l’archidiacre de Metz, ce fut Nicolas Rolin, avocat et chancelier du duc Philippe décidé à obtenir un accord bipartite, qui donna le feu vert, le 11 septembre, pour la conclusion du traité57. Pour Guillaume Hugues, largement récompensé pour ses efforts par le légat du pape ainsi que par le duc de Bourgogne58, ces journées arrageoises eurent des répercussions à brève et à longue échéance. Ce fut à lui qu’on confia la partie essentielle du rapport donné le 5 novembre 1435 par les ambassadeurs après leur rentrée triomphale à Bâle devant la congrégation générale des Pères59. Ce fut à lui, que le concile fit appel, pour les missions les plus importantes, soit en Avignon et à la cour de Charles VII en 1437, soit en 1438 à l’assemblée du clergé à Bourges, à l’heure de la Pragmatique Sanction. En 1445, on le retrouvera comme conseiller de Charles VII, nommé ambassadeur pour la diète de Francfort. Partisan farouche du conciliarisme, fidèle au synode jusqu’à ses derniers jours, nommé cardinal par l’antipape Félix V, Guillaume Hugues fut, néanmoins, accueilli en 1449 au Sacré Collège romain où l’avait appelé le pape Nicolas V. L’« ex » Tommaso Parentucelli avait gardé le souvenir du talent dont le nouveau « cardinal d’Étain » avait fait preuve sous ses propres yeux, à Arras, et à Bâle. N’oublions pas que le « forum » des conciles et des congrès fut aussi une bourse aux talents: Enea Silvio, Nicolas de Cuse, Thomas de Courcelles et d’autres en profitèrent à Bâle, à Arras, ou à Bourges, aussi bien que Parentucelli et Hugues eux-mêmes60. Guillaume Hugues, personnage familier aux seuls spécialistes de l’histoire de l’Église au bas Moyen Âge, mériterait pourtant d’être connu par les historiens comme une personnalité non Law [Salamanque 1976], Cité du Vatican 1980 (Monumenta Iuris Canonici C/6), 432–434. 57 Antoine de La Taverne, Journal (cit. n. 16), 77. Cf. Du Fresne de Beaucourt, Histoire de Charles VII (cit. n. 4), 545; Lasocki, Un diplomate polonais (cit. n. 4), 49; Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 170. 58  Albergati: voir n. 49. – Philippe le Bon: Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 239. 59 CB, III, 561; MC, II, 832; Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 228–229 (no 13). Cf. Zellfelder, England (cit. n. 4), 146; Lasocki, Un diplomate polonais (cit. n. 4), 58; Toussaint, Les relations (cit. n. 16), 104. 60 Les références concernant les activités de Guillaume Hugues au service du concile ainsi que les deux cardinalats, mais aussi les nombreuses dignités et prébendes qu’il a tenues entre Utrecht et Fréjus à la fin de sa vie, seront présentées dans une étude que j’ai préparée pour la ZKG 110 (1999); cf. Heribert Müller, Vom Konzil zur Kurie. Eine kirchliche Karriere im 15. Jahrhundert: Guillaume Hugues d’Étain …, dans: Licet preter solitum. Mélanges L. Falkenstein, éd. par Lotte Kéry e. a., Aix-la-Chapelle 1998, 219–240. – Conseiller de Charles VII ayant la charge de représenter le roi à Francfort: RTA, XVII: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 3. Abtlg.: 1442–1445, éd. par Walter Kaemmerer, Göttingen 1963, 768. Les volumes XIII à XVII des « Reichstagsakten » contiennent de nombreuses informations sur l’archidiacre de Metz. (La plupart des ouvrages de la « Ältere Reihe » devrait intéresser non seulement les chercheurs dans le domaine de l’histoire allemande de l’époque, mais aussi les spécialistes en histoire française et bourguignonne du XV e siècle – une vraie mine encore à exploiter.)

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de marque au XV e  siècle. Il en est de même pour Pierre Brunet ou Nikolaj Lasocki, et tant d’autres Pères, qui agirent au service du concile à l’échelon européen.

III. De la division dans l’unité à l’unité dans la division, et d’un concile œcuménique à un concile maîtrisé par la France Dans le contexte arrageois, il faut souligner un seul fait: l’archidiacre de Metz, avec ses connaissances juridiques, tout autant que le cardinal de Sainte-Croix, avec son autorité morale et son expérience de médiateur, prouvent que le rôle des représentants de l’Église, à Arras, ne fut pas absolument marginal. Ce rôle, par conséquent, mérite d’être mis plus en relief 61. Les délégués du pape et du concile ne furent pas tout à fait réduits au statut de comparses pour « meubler une scène de triomphe »62. Pourtant, sans la ferme volonté d’aboutir des deux princes de la maison Valois, tous leurs efforts de négociateurs n’auraient pas eu le moindre effet: à eux d’assister et d’aider, non de diriger et de décider, même s’ils agirent, à la fin, en juges, déclarant les serments de Philippe le Bon non valables. Quand les Pères de Bâle envisagèrent, en 1433, de convoquer sous leur égide une conférence pour la paix, chez eux, leur projet ne trouva aucun écho auprès des cours63; celle de Charles VII n’autorisa jamais ses ambassadeurs au concile à déployer sur place des activités de pacificateurs. Les envoyés du pape et du concile à Arras ne pouvaient, de même, agir que sur un terrain préparé par Charles VII et Philippe le Bon, en accord avec la plupart de leurs conseillers. Étant donné que la paix générale se révéla hors de portée, et que les marges du possible furent assez restreintes, ils firent tout pour réaliser une paix partielle. Ainsi coïncidèrent les intérêts de la très grande majorité des participants au congrès. Ainsi fut désigné, à Arras, au prix de larges concessions le vainqueur de la guerre de Cent Ans par un duc de Bourgogne, dont la force et la puissance rayonnèrent plus que jamais grâce aux concessions, faites par Charles VII64. 61 Sans pourtant être de l’avis de Gazzaniga (Charles VII et Eugène IV [cit. n. 15], 61) que « l’Église devait surtout jouer un rôle déterminant au congrès d’Arras ». 62 Cf. n. 9. 63 CB, II, 529–530; Louis Stouff, Contributions à l’histoire de la Bourgogne au concile de Bâle. Textes inédits extraits des archives de la chambre des comptes 1433, dans: Publ. de l’Univ. de Dijon I (1928), no VI; cf. Dickinson, The Congress of Arras (cit. n. 2), 88. 64 Mais cette question épineuse et si souvent traitée de savoir si la paix accorda plus d’avantages au roi de France qu’au duc de Bourgogne, reste très controversée (cf. Müller, Franzosen [cit. n. 5], II, 817 n. 47/48). Récemment Gauvard (La France [cit. n. 5], 476) a souligné que la « réparation d’honneur qui lave l’offense du meurtre de Jean sans Peur » compta beaucoup plus pour Philippe le Bon que des acquisitions territoriales. N’oublions pas que le traité fut proclamé juste à l’endroit où l’on avait célébré, en 1419, la commémoration de Jean sans Peur: Bertrand Schnerb, Un service funèbre célébré pour Jean sans Peur à Saint-Vaast d’Arras le 22 oct. 1419, dans: Fêtes et cérémonies aux XIV e – XVI e siècles, éd. par Jean-Marie Cauchies, Neuchâtel 1994 (Publ. du Centre européen d’études bourguignonnes, XIV e – XVI e siècles 34), 105–122.

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Ainsi les représentants de Bâle et de Rome pouvaient repartir la conscience tranquille: l’un des premiers devoirs de l’Église, la paix, avait été au moins en partie accompli. Mais il y eut aussi une raison très concrète pour eux de préférer cette réussite incomplète, sous forme de paix séparée, à la vague éventualité d’un traité comprenant aussi l’Angleterre, à conclure lors d’un nouveau congrès: ce fut cette situation de concurrence, de division dans l’unité, qui mit chacun des deux partis sous la loi du succès; une loi qui rétablit dans une certaine mesure l’unité dans la division. Pourtant, il faut ajouter, ici, une remarque de Philippe Contamine qui donne une valeur assez relative à notre observation. Cette situation de concurrence réduisit encore l’autorité d’une Église déjà affaiblie par le grand schisme et la crise conciliaire; elle fut donc, au moins en partie, responsable de son influence restreinte à Arras65. Il semble qu’on attribua, dans ce cadre limité, la conclusion du traité plutôt à Bâle qu’à Rome, non sans raison et, à la fin même, au détriment du concile. La tâche de médiateur l’obligea, tout autant que le pape, à garder une stricte neutralité à l’égard des belligérants, neutralité pourtant respectée seulement en apparence par le synode, comme le montre la composition d’une ambassade certes internationale, mais reflétant la prépondérance des éléments français et pro-français à l’assemblée. C’est d’ailleurs une erreur maintes fois répétée de considérer les membres de cette délégation du concile comme représentants de leurs princes, du Danemark jusqu’à Milan; erreur résultant de l’intention d’attribuer au congrès un rayonnement européen. Pax Franciae signifia pour une majorité des Pères la victoire de Charles VII. Il n’est donc pas étonnant que le concile qui prétendit représenter toute la Chrétienté, fit célébrer, en avril 1436, une messe solennelle par Amédée de Talaru à l’occasion de la reconquête de Paris, c’est-à-dire de l’expulsion des Anglais de la capitale par les troupes de Charles VII: propter felicia nova de reductione civitatis Parisiensis ad obedienciam domini nostri [!] regis66. Et, il n’est pas plus étonnant de voir, deux ans plus tard, le roi de France publier une Pragmatique Sanction basée en grande partie sur les décrets du concile. Mais cette loi fondamentale de l’Église gallicane une fois assurée, la fin de la bonne entente approcha: un nouveau schisme provoqué par les Pères, en 1439, incita la cour de Charles VII à prendre ses distances à l’égard d’un concile radicalisé67. En outre, cette cour d’un roi accumulant des victoires, eut de moins en moins besoin d’un allié dont la réputation commençait à décliner. À la fin, le concile de Bâle ne fut qu’un instrument bien adapté aux exigences de Charles VII et de ses

65 Contamine,

Notes (cit. n. 11), 178. IV, 110–112; cf. Müller, Franzosen (cit. n. 5), I, 137–138. 67 Cf. les ouvrages cités dans les notes 5 (Müller, Franzosen) et 10. Quelques études concernant spécialement les événements de Bourges en 1438 sont mentionnées à la fin de l’article « Pragmatique Sanction », dans: LexMA VII (1995), 166–167, et dans le DEMA II (1997), 1248–1249. 66 CB,

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conseillers, un outil dont on se servit selon les besoins et dont on se débarrassa une fois ceux-ci assouvis. À Arras, en 1435, on en avait encore un certain besoin; le synode devait participer au relèvement du royaume. Malgré une politique semblable à celle du concile, poursuivie par son légat Albergati, la papauté, institution bien établie, réussit à garder une position moins dépendante du soutien des puissances que le concile, institution d’existence précaire, pour qui l’appui de la France fut une condition de survie. Le congrès d’Arras renforça son profil « français », mais au détriment de son caractère œcuménique. La joie de Giuliano Cesarini est compréhensible, mais elle ne fut pas justifiée.

Siège, rang et honneur La querelle de préséance entre la Bretagne et la Bourgogne au concile de Bâle (1434)1 I La chose semblait bien établie, en tout cas du point de vue des ducs de Bretagne: De tout temps […], les ambassadeurs desdits princes, en cour de Rome ou aux conciles, ont eu et tenu lieu le prochain après les rois. À cette affirmation d’un témoin de quatre-vingt sept ans, interrogé lors d’une enquête concernant, voire établissant, les droits royaux et ducaux de Bretagne en 1455, répond une représentation contemporaine dans le Missel des Carmes de Nantes. À gauche de la Vierge est représentée la hiérarchie des puissances terrestres: le duc de Bretagne y est agenouillé derrière l’empereur et le roi de France2. Cependant, en dehors de la Bretagne, la chose ne semblait absolument pas établie, surtout pas lorsque d’autres princes exprimaient les mêmes prétentions au cours d’une rencontre internationale, comme celle que constituait, par excellence, le concile de Bâle (1431–1449), qui rassembla aussi des délégations de nombreuses puissances de l’Occident chrétien. Lorsque la délégation du duc Jean V, menée par les évêques de Saint-Pol-de-Léon et de Tréguier ainsi que les abbés de Saint-Melaine de Rennes et de Buzay, se présenta au concile, le 19 mars 1434, les envoyés des princes-électeurs et du duc de Bourgogne s’y querellaient déjà depuis un an à propos de la place en question, juste derrière les délégations royales3. La perspective d’un troisième compétiteur rendit l’atmosphère, déjà 1 Cette contribution a été traduite de l’allemand par Magali Coumert, maître de conférences d’histoire médiévale à l’université de Bretagne occidentale. 2 Jean Kerhervé, Les enquêtes sur les droits ‹ royaux et ducaux › de Bretagne aux XIV e et XV e siècles, dans: Information et société en Occident à la fin du Moyen Âge, sous la dir. de Claire Boudreau, Paris 2004, 425. 3 Les sources les plus importantes pour ce qui suit sont le protocole du concile pour l’année 1434, la chronique du concile par Jean de Ségovie ainsi que tous les discours prononcés lors des querelles de préséance dont le contenu a été conservé: Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel [CB], III: Die Protokolle des Concils von 1434 und 1435, éd. Johannes Haller, Bâle 1900 (nouv. impr. 1976); Monumenta conciliorum generalium seculi decimi quinti [MC], éd. Caesareae Academiae Scientiarum socii delegati, II, Vienne 1873 (Ségovie); Giovanni Domenico Mansi [Mansi], Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio …, XXX, Venise 1767 (nouv. impr. 1903, 1961) (Discours). Pour le cours des événements, voir les présentations d’Edgard-Raphaël Vaucelle, La Bretagne et le concile de Bâle, dans: Annales de Saint-Louis-des-Français 10 (1905/06), 485–552; Barthélemy-Amédée

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tendue, quasiment explosive. Dans la cathédrale de Bâle – lieu de réunion du concile –, les Bretons avaient tout d’abord pris la place réservée à toute nouvelle ambassade se présentant au concile. Avant même que Jean Gendron, qui dirigeait le monastère cistercien de Buzay, ait pu prononcer ce qui constituait, en définitive, le discours d’introduction des Bretons, Gaspard de Pérouse, l’avocat défendant les intérêts de la Bourgogne, avait expliqué que la préséance revenait naturellement à son mandataire puisqu’il était doyen des Pairs de France, auxquels le duc de Bretagne n’avait jamais appartenu. En outre, celui-ci n’aurait été qu’un vassal du duc de Normandie4. Derechef, Philippe de Coëtquis, l’un des dirigeants de la délégation du roi de France, qui se sentait provoqué à la fois en tant que natif de Bretagne et comme archevêque de Tours – la province ecclésiastique à laquelle se rattachaient les neuf diocèses de Bretagne – répondit avec véhémence que la préséance devait aller non pas au duc de Bourgogne mais au duc d’Anjou, mais que le duc de Bretagne venait avant eux deux. En ce qui concernait le prétendu hommage au duc de Normandie, il croyait – ici, il paraît utile de citer le procès-verbal du concile mot pour mot –: […] quod omnes Britones malent mori, quam confiteri illud allegatum per dominum Gasparem, quod dux Britanie esset vassallus ducis Morannie [i.e. Normannie]. Sunt in Britania tres comites, novem barones qui equiparantur magnis ducibus, XVIII baroneti, IIII milia nobilium cum septingentis inveniuntur. In ducatu Britaniae sunt portus marini, facit monetam, habet ius regalie ut rex Francie. Legitur quod dux Burgundie est vassallus unius episcopi, et non dux Britaniae. […] Dux Britaniae precedit ducem Burgundie in dignitate5.

L’évêque de Nevers Jean Germain, qui dirigeait l’ambassade bourguignonne, répondit à ce discours enflammé par une réplique emportée, qui culminait en affirmant quod ipse archiepiscopus [c’est-à-dire Philippe de Coëtquis] est inimicus mortalis […] domini ducis Burgundie6. Ce n’est qu’après cet échange que l’abbé de Pocquet du Haut-Jussé, Les papes et les ducs de Bretagne. Essai sur les rapports du SaintSiège avec un État, Paris 1928 (nouv. impr. 2000, avec une préface instructive de J. Kerhervé à propos des apports et des limites de cet auteur); Id., Deux féodaux: Bourgogne et Bretagne (1363–1491), Paris 1935; Joseph Toussaint, Les relations diplomatiques de Philippe le Bon avec le concile de Bâle (1431–1449), Louvain 1942. À propos de la querelle entre la Bourgogne et les princes-électeurs à Bâle, voir désormais Heribert Müller, Théâtre de la préséance. Les ducs de Bourgogne face aux grandes assemblées dans le Saint-Empire, Ostfildern 2007, 23–37. En général sur le concile de Bâle, Johannes Helmrath, Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Cologne – Vienne 1987; Die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449). Institution und Personen, sous la dir. de J. H./ H. M., Ostfildern 2007. 4 MC, II, 545. 5 CB, III, 50; MC, II, 545–546. Heribert Müller, Un Breton dans l’Europe du XV e siècle: Philippe de Coëtquis, évêque de Saint-Pol-de-Léon et archevêque de Tours, dans: 1491. La Bretagne, terre d’Europe, sous la dir. de Jean Kerhervé /Tanguy Daniel, Brest – Quimper 1992, 168–171. 6 CB, III, 50; MC, II, 546; Heribert Müller, Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449), I, Paderborn 1990, 240.

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Buzay put commencer son discours d’introduction. Le contenu en était principalement théologique, tout en incitant les Pères à un travail concret de réforme et de paix, même s’il mentionnait, comme en passant, sainte Hélène, la mère de l’empereur Constantin, comme la fille d’un roi breton7. Et au cours des deux altercations suivantes, en avril 1434, Simon de Teramo, l’avocat des Bretons, n’oublia naturellement pas de souligner que des rois avaient dirigé la Bretagne, au moins au haut Moyen Âge. Il justifiait ainsi la prétention du duc de Bretagne qui, contrairement au Bourguignon, n’était pas vassal du roi de France, tout en étant d’ailleurs son proche parent8. De nouveau, Pérouse répliqua, en accord constant avec Jean Germain et Philibert de Montjeu – l’évêque de Coutances, originaire de Bourgogne, qui avait été envoyé avec lui9 – que cela était tout bonnement faux et que le Breton prêtait depuis au moins deux siècles hommage au roi de France. Du reste, le débat en lui-même l’étonnait, dès lors qu’une comparaison montrait quia dux Burgundie haberet ducatus, comitatus et marchionatus dominiaque magna, XIX civitates quoque et villas, quarum una vel plus aut tantum esset quam IX illius. Et qui était prêt à fournir un soutien aussi conséquent et efficace à la croisade contre les Hussites, à laquelle avait appelé Martin V, que Philippe le Bon, lui qui en avait été nommé commandant par le pape? À une telle démonstration de puissance militaire, enjolivée de chiffres fantaisistes (pugnatorum centum millia), Pérouse ajouta encore quelques remarques de magnitudine redituum ducis Burgundie, et specialiter de puteo quodam salis annuatim valente ad tot centena millia […]10. Cela mérite l’attention: il s’agissait de la réponse à la « liste » précédemment présentée par Philippe de Coëtquis qui voulait démontrer la potentia et la vaillance du duc de Bretagne. Mais il s’agissait aussi d’un recours au grand discours prononcé par Jean Germain le 26 mai 1433, dans lequel il avait justifié les privilèges de son maître contre les princes-électeurs, notamment par un rappel de son potentatus, démontré par son autorité sur quatre duchés, quinze comtés, ainsi que les deux Frise. De plus, suivant Jean Germain, Philippe le Bon pouvait se vanter, en raison de sa propre parenté avec la maison royale de France, de son origine troyenne et de sa parenté avec des dynasties royales, de l’Angleterre jusqu’à Chypre, ce que relevait aussi Pérouse. En outre, il se plaçait dans la tradition des anciens rois burgondes, qui avaient acquis les plus grands mérites pour la diffusion et la protection de la foi catholique, tout comme la Bourgogne, déjà convertie par Linus, l’élève et le disciple de saint Pierre, s’était toujours tenue au premier rang du christia 7 Mansi,

XXX, 1048–1053; Helenae filiae regis Britonum: 1050. II, 546; CB, III, 64.  9 À son propos, voir l’ouvrage fondamental de Christian Kleinert, Philibert de Montjeu (ca. 1374–1439). Ein Bischof im Zeitalter der Reformkonzilien und des Hundertjährigen Krieges, Ostfildern 2004. 10 MC, II, 547. À propos de la grande saline de Salins dans la Franche-Comté bourguignonne, il existe désormais une édition qui concerne avant tout l’époque de Charles le Téméraire mais qui présente brièvement son histoire en introduction: Le livre des délibérations de la Grande Saunerie de Salins (1466–1481), éd. Catherine Bébéar /Henri Dubois, Ostfildern 2004.  8 MC,

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nisme, devant l’armée des Huns comme dans les actions d’un Girart de Roussillon ou encore dans le combat de Jean sans Peur contre les Turcs à Nicopolis11. De leur côté, les partisans des princes-électeurs étaient en quête d’ancêtres illustres et remontaient, en accord avec la théorie de la succession des quatre royaumes, jusqu’à l’époque de Nabuchodonosor: le Saint-Empire romain représentait le quatrième et dernier royaume; et à eux seuls incombait l’élection du souverain germanique, donc de l’empereur romain. Cette position éminente, dépassant largement celle du Bourguignon, n’était comparable qu’avec celle du Sénat romain ou du collège des cardinaux12. Nabuchodonosor, la saline de Salins en Franche-Comté bourguignonne, sainte Hélène comme fille d’un roi breton … tout, absolument tout, semblait bon pour en tirer argument dans le débat sur l’honor, la dignitas et la praeminentia. À cela s’ajoutaient finalement les envoyés du duc de Savoie qui, nonobstant l’alliance resserrée entre leur duc Amédée VIII et Philippe le Bon, insistèrent auprès des Pères sur le fait que leur duc tenait en principe un rang plus élevé que le Bourguignon, étant donné qu’il régnait aussi sur les duchés, encore plus anciens, du Chablais et d’Aoste13. Que n’auraient pas donné les Pères pour pouvoir satisfaire toutes les prétentions! Hélas, ni la proposition d’une mixtura/alternatio – c’est-à-dire le fait d’intercaler un envoyé bourguignon, un envoyé des princes-électeurs, puis de nouveau un bourguignon, etc. – ni le placement des représentants des princes, presque tous des ecclésiastiques, en fonction de l’ancienneté de leur ordination et de leur rang au sein de l’Église, ne furent acceptés par les intéressés14. Arriver à présenter un compromis acceptable par tous, comme le réussit finalement une commission dirigée par le cardinal d’Arles Louis Aleman le 5 juillet 1434, releva quasiment de la quadrature du cercle15. L’organisation de l’espace intérieur de la cathédrale de Bâle, 11 Mansi, XXX, 205–211. Cornel Zwierlein, Normativität und Empirie. Denkrahmen der Präzedenz zwischen Königen auf dem Basler Konzil, am päpstlichen Hof (1564) und in der entstehenden Politikwissenschaft, dans: HJb 125 (2005), 120–124. 12  MC, II, 366. Hermann Heimpel, Eine unbekannte Schrift über die Kurfürsten auf dem Basler Konzil, dans: Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter. FS J. Fleckenstein, sous la dir. de Lutz Fenske e. a., Sigmaringen 1984, 481; Id., Sitzordnung und Rangstreit auf dem Basler Konzil. Skizze eines Themas, dans: Studien zum 15. Jahrhundert. FS E. Meuthen, sous la dir. de Johannes Helmrath /Heribert Müller, I, Munich 1994, 7. 13 CB, II, 458–459; MC, II, 415; Samuel Guichenon, Histoire genealogique de la Maison de Savoie, I/III (Preuves), Lyon 1660 (nouv. impr. 1976), t. I, p. 476, t. III, p. 287–288; Toussaint, Les relations diplomatiques (cit. n. 3), 55–56. 14 MC, II, 368, 537. 15 CB, III, 139–144; MC, II, 543–545, 549–550; cf. Paris, BN, Coll. Baluze 30, p. 401–403. Philippe de Coëtquis et l’évêque de Lübeck Johannes Schele assistaient le cardinal d’Arles, deux prélats qui paraissaient respectivement proches de la Bretagne et des princes-électeurs, alors qu’on ne fit appel à aucun père du concile associé à la Bourgogne. Louis Aleman lui-même disposait de relations personnelles avec Lyon et la Savoie, mais pas, semble-t-il, avec la Bourgogne. Se fiait-on, à Bâle, uniquement à ses talents diplomatiques? Ou bien commençait-on, en coulisse, de toute façon, par une solution qui devait absolument plaire à une Bourgogne courtisée, sans pour cela

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qui servait de salle de réunion au concile, apporta une aide décisive car il disposait d’un jubé devant le chœur, devant lequel prenaient place l’empereur, les représentants du pape et la direction du concile. Au pied du trône impérial devaient à présent s’asseoir les ambassadeurs des princes-électeurs. Ainsi appartenaient-ils en quelque sorte à l’ancien monde des puissances universelles médiévales, tandis que les envoyés de Bourgogne et de Bretagne prenaient place sur les bancs de la nef, respectivement à droite et à gauche, du côté des envoyés du nouvel ordre des États, immédiatement derrière les délégations royales (dans le cas des Bretons, il s’agissait de la représentation danoise). Nul ne perdit la face, même si on pouvait considérer que la solution concernant les princes-électeurs constituait aussi une intelligente relégation au niveau élevé, pouvant difficilement être remise en cause. En outre, les Bourguignons avaient tiré un léger avantage sur les Bretons, car l’un des principes directeurs du placement à Bâle était la droite avant la gauche (les deux autres indiquaient qu’il valait mieux être au-dessus qu’en dessous et devant plutôt que derrière)16. La Bourgogne, la puissance montante par excellence parmi les États européens de la fin du Moyen Âge, pouvait donc enregistrer un certain succès. Ce concile fonctionnait à la manière d’une bourse: les sièges occupés par les représentants des princes indiquèrent, avec la précision d’un sismographe, la montée ou bien le déclin des puissances, ainsi que l’atteste, a contrario, l’exemple de l’Angleterre s’opposant à la Castille. La mise en garde prononcée le 8 mai 1433 par l’empereur Sigismond, qui pour sa part avait soutenu à Bâle sans réserve la position des princes-électeurs, semblait dissipée et oubliée. Selon lui, l’orgueil du duc de Bourgogne ne pouvait que mal finir: Specialiter quod nimis alte volebat volare, dando versiculum: ‹O fili care, noli nimis alte volare! Si nimis alte volas, poteris comburere pennas›17. La fin de Charles le Téméraire en 1477 devait lui donner raison …

II Cette suite d’événements, rappelée de manière très brève et simplifiée dans le cadre de cette contribution, demande naturellement des explications si l’on ne léser les droits du Breton et des princes-électeurs, ce que devaient justement garantir Coëtquis et Schele? Il ne s’agit que de conjectures, car je n’arrive pas à trouver une explication convaincante. 16 À propos de ces principes, l’article Heimpel, Sitzordnung und Rangstreit (cit n. 12), 2–3, est fondamental. Les délégués bourguignons et bretons n’occupèrent pas en bloc leurs places car il fallait aussi considérer le rang ecclésiastique de chacun, ce qui fait qu’en réalité les délégations formaient des lignes brisées, en zigzag (MC, II, 365). Pour plus de précisions, voir Heimpel, 3, et Johannes Helmrath, Rangstreite auf Generalkonzilien des 15. Jahrhunderts als Verfahren, dans: Vormoderne politische Verfahren, sous la dir. de Barbara Stollberg-Rilinger, Berlin 2001, 150–151. 17 CB, III, 92. Il faut aussi relever sa remarque suffisante, ostensiblement en relation avec le classement évoqué par Coëtquis et Teramo qui concerna Bretagne, Anjou, Bourgogne: Certum erat Burgundie ducem in domo Francie non esse primum, sed forte in quinto vel sexto loco (MC, II, 664).

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veut pas s’en tenir, comme cela fut trop souvent le cas, à la considérer comme un simple jeu de vanités ridicules et de cérémonies vides de sens. En réalité, tous ces rites et usages, comme reflet de l’ordre politique et social, étaient révélateurs et éclairants à tous les niveaux, qu’il s’agisse d’une procession urbaine ou d’une diète; il l’est encore parfois si l’on considère les usages protocolaires de la politique et de la diplomatie actuelles. Une recherche historique allemande récente, concernant surtout le bas Moyen Âge et le début de l’époque moderne, a mis l’accent sur ce fait, tout en consacrant l’essentiel de son attention aux grandes diètes de l’Empire (où la confrontation entre la Bourgogne et les princes-électeurs se poursuivit au cours du XV e siècle)18. Mais à mon avis, on peut tout à fait transférer certains résultats de ces recherches à la querelle de préséance entre la Bretagne et la Bourgogne lors du concile, qu’il faut envisager de son côté dans le contexte de l’opposition croissante, sur le même sujet, entre les envoyés de Philippe le Bon et des princes-électeurs. Dans un tel contexte, on peut faire ressortir un certain nombre de principes: 1) La démonstration du rang reposait sur le siège occupé par le prince ou ses représentants. Il était le symbole le plus important du rang, comme le montre aussi en allemand la proximité des termes « Sitz » et « Besitz » ou en français le fait que posséder vienne du latin possidere, c’est-à-dire potis sedere. Une telle démonstration avait néanmoins besoin d’être publique et devait être confirmée lors d’une confrontation avec d’autres puissances. Les deux conditions étaient remplies au concile de Bâle. Être présent au bord du Rhin devenait de plus en plus néces18 Pour le bas Moyen Âge, voir particulièrement Karl-Heinz Spiess, Rangdenken und Rangstreit im Mittelalter, dans: Zeremoniell und Raum, sous la dir. de Werner Paravicini, Sigmaringen 1997, 39–61; voir aussi Hans-Werner Goetz, Der ‹ rechte › Sitz. Die Symbolik von Rang und Herrschaft im Hohen Mittelalter im Spiegel der Sitzordnung, dans: Symbole des Alltags, Alltag der Symbole. FS H. Kühnel, sous la dir. de Gertrud Blaschitz e. a., Graz 1992, 11–47. Récemment Gabriele Annas /Heribert Müller, Kaiser, Kurfürsten und Auswärtige Mächte. Zur Bedeutung der Goldenen Bulle im Rahmen von Rangstreitigkeiten auf Reichsversammlungen und Konzilien des 15. Jahrhunderts, dans: Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle 1356–1806. Aufsätze, sous la dir. de Evelyn Brockhoff/ Michael Matthäus, Francfort-sur-le-Main 2006, 106–128. – Pour l’époque moderne, il faut s’appuyer d’abord sur les recherches de Barbara Stollberg-Rilinger, parmi d’autres Zeremoniell als politisches Verfahren – Rangordnung und Rangstreit als Strukturmerkmale des frühneuzeitlichen Reichstags, dans: Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte, sous la dir. Johannes Kunisch, Berlin 1998, 91–132; Ead., Die Wissenschaft der feinen Unterschiede. Das Präzedenzrecht und die europäischen Monarchien vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, dans: Majestas 10 (2002), 125–150. Dans le volume qu’elle a édité (Vormoderne politische Verfahren), l’étude de Helmrath, Rangstreite auf Generalkonzilien (cit. n. 16), est dans ce contexte d’un grand intérêt. Malgré la spécificité de leurs sujets, deux autres études méritent une mention particulière car elles envisagent aussi des questions fondamentales: Thomas Willich, Der Rangstreit zwischen den Erzbischöfen von Magdeburg und Salzburg sowie den Erzherzögen von Österreich. Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (circa 1460–1535), dans: Mitt. der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 134 (1994), 7–166; Thomas Weller, Theatrum Praecedentiae. Zeremonieller Rang und gesellschaftliche Ordnung in der frühneuzeitlichen Stadt: Leipzig 1500–1800, Darmstadt 2006.

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saire pour le duc de Bretagne à mesure que la plupart des puissances s’y faisaient représenter par leurs propres délégations, surtout depuis qu’Eugène IV, après de vaines tentatives de dissolution, avait dû reconnaître le concile sans condition à la fin de l’année 1433. 2) Il n’était pas difficile de prévoir des affrontements entre les envoyés de princes qui se considéraient presque comme des égaux mais qui retenaient ce « presque » comme une différence décisive, fondant leur propre préséance. Or cette prétention devait être disputée, ainsi que le réclamait un monde aristocratique profondément imprégné d’esprit agonistique. Dans ce cas comme dans d’autres, il ne reconnaissait que la victoire ou la défaite et, dans son bellicisme, il était, en principe, totalement inaccessible au compromis avec celui qui était « presque » égal, ce que recherchait en revanche la direction du concile. De son côté, elle ne pouvait dans ce but recourir à aucune règle connue, ferme et générale, des conciles précédents. En prévision des problèmes imminents, on confirma, certes, dès la première session, le 14 décembre 1431, un décret des conciles de Pise (1409) et de Constance (1414–1418) affirmant que toutes les décisions du concile, comme l’attribution d’un siège, ne fondaient aucun préjudice ni aucun droit qui pourrait être invoqué dans des situations postérieures. Certes, on recourut souvent aux mesures concrètes prises lors d’assemblées antérieures. Ainsi, lors de la controverse entre les princes-électeurs et la Bourgogne, interrogea-t-on comme témoins tous les Pères qui avaient déjà été présents à Constance, mais ce ne fut pas un grand succès19; d’autant que la tradition et la coutume étaient, en partie au moins, contrecarrées par les évolutions récentes dans le jeu européen des grandes puissances, comme justement pour la Bourgogne et l’Angleterre. D’un autre côté, le nombre et l’étendue des participants à un concile œcuménique fournissaient aux Pères qui s’efforçaient de résoudre les querelles de préséance une certaine marge de manœuvre et d’esquive, comme dans le cas des princes-électeurs. Les règles internes à l’Empire ou au royaume de France ne s’appliquaient pas forcément à cette assemblée, même si les personnes concernées partaient constamment de ce point de vue, comme justement les princes-électeurs qui se référaient à leur propre préséance, confirmée par la Bulle d’or, aux diètes tenues à la cour royale et dans le cadre de l’Empire (« Hof‑ und Reichstage »)20. 3) Jean V avait donc bien raison de donner comme instructions à ses envoyés partant pour Bâle de se rendre tout d’abord à la cour de Philippe le Bon, avec lequel il était lié et allié de nombreuses façons, pour clarifier leurs positions anta19 Décret du 14 décembre 1431: MC, II, 57; Helmrath, Rangstreite auf Generalkonzilien (cit. n. 16), 142 n. 11–12, 145. Interrogation des Pères ayant participé au concile de Constance: Louis Stouff, Contributions à l’histoire de la Bourgogne au concile de Bâle. Textes inédits extraits des Archives de la Chambre des Comptes, 1433, dans: Publ. de l’Univ. de Dijon 1 (1933), 89 sv. Survol rapide des règlements des précédents conciles par Gabriel Le Bras, Institutions ecclésiastiques de la Chrétienté médiévale, Paris 1964, 265–267. 20 Müller, Théâtre de la préséance (cit. n. 3), 27 et n. 25.

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goniques21. Suivant les raisons déjà invoquées, cela fut évidemment sans succès. Il n’y avait cependant aucune contradiction pour un prince, alors que ses envoyés combattaient avec acharnement pour la place et pour le rang et, par conséquent, réglaient une querelle de principe, à rester dans les meilleurs termes avec son adversaire dans ses rapports politiques quotidiens. Cela est aussi valable, par exemple, pour les relations entretenues à la même époque par Philippe le Bon avec Thierry de Meurs, le prince-électeur de Cologne, et sa maison22. 4) Étant donné que la confrontation était à prévoir, aucun des participants ne se lançait sans préparation dans les débats. La cour, et en particulier sa chancellerie, avait dû fournir à l’avance aux envoyés en route pour Bâle les recommandations et les notes nécessaires. Cela est démontré par l’abondance des arguments qui furent avancés dès l’arrivée des envoyés bretons; même un Philippe de Coëtquis aurait eu de la peine à improviser son intervention fondée sur des éléments chiffrés. Le discours prononcé par Jean Germain en mai 1433 montre aussi avec quelle attention le parti bourguignon a dû auparavant étudier le texte de la Bulle d’or de 1356, qui définit précisément la position des princes-électeurs dans l’Empire. Que l’évêque de Nevers puisse l’interpréter, avec une brillante mauvaise foi, comme une position d’officiales, c’est-à-dire de subordonnés exerçant une charge (alors qu’il juge le régime de son propre seigneur ancré dans le droit naturel) prouve une étude intensive et subtile du texte même de cette Bulle23. 5) Contrairement à la controverse entre les Bourguignons et les princes-électeurs, manquait un peu à la confrontation entre Bretons et Bourguignons, malgré tout, cette rigueur inconditionnelle. Elle aurait été non tam acerrime suivant le chroniqueur du concile Jean de Ségovie24. Cela peut être lié au fait qu’à la cour de Philippe le Bon, le parti des princes-électeurs était considéré comme l’adversaire principal, tandis que les Bretons n’entrèrent en lice comme concurrents qu’à la fin de cette controverse. En dépit de leur détermination, ils s’imposèrent en outre une certaine retenue dès leur arrivée. Même une question de principe ne pouvait complètement faire oublier la bonne entente. Du côté des princes-électeurs, on organisait la résistance contre la superbia sedium bourguignonne25 car – et là se trouve encore une différence importante entre les deux confrontations – la revendication de la préséance risquait d’aboutir à une hégémonie concrète et menaçante. L’expansion et l’ambition d’un Philippe 21 Dom Hyacinthe Morice, Mémoires pour servir de preuves à l’histoire ecclésiastique et civile de Bretagne, 3 vol., Paris 1742–1746 (nouv. impr. 1968), II, 996. Voir Pocquet du HautJussé, Deux féodaux (cit. n. 3), 81. 22 Heribert Müller, Les pays rhénans, la France et la Bourgogne à l’époque du concile de Bâle …, dans: Francia 30/I (2004), 117 (avec davantage de références bibliographiques) [voir dans ce volume 403]. 23 Mansi, XXX, 211; Heimpel, Eine unbekannte Schrift (cit. n. 12), 482. 24 MC, II, 545; Werner Sieberg, Studien zur Diplomatie des Basler Konzils, Heidelberg 1951 (Thèse dactylogr.), 59. 25 CB, V, 104 (cette expression vient, elle aussi, de l’empereur Sigismond).

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le Bon, qui dominait toujours plus de territoires au nord-ouest de l’Empire sans être investi par son souverain, signifiaient un danger insupportable pour un Empire aux équilibres sensibles et précaires. Entre la Bretagne et la Bourgogne alliées ne s’exerçaient ni une telle menace ni une telle résistance, qui devaient atteindre leur apogée sous Charles le Téméraire. Au contraire, il y avait une certaine identité d’intérêts: toutes deux, sans tenir compte de leur position différente suivant le droit féodal26, se considéraient fondamentalement comme des principautés puissantes ayant un profil particulier, recherchant une indépendance aussi grande que possible envers le roi de France, pour ainsi dire comme deux exceptions situées aux flancs du royaume. Dans le cas de la Bretagne du bas Moyen Âge, la force des structures étatiques a été prouvée, de façon impressionnante, par la thèse de Jean Kerhervé surtout dans le domaine des finances du duché27. Celui-ci, bien ancré dans une histoire de longue date, formait un ensemble beaucoup plus compact que la jeune et hétérogène Bourgogne des grands ducs. À travers les erreurs et les confusions de la guerre de Cent Ans, à travers les multiples renversements d’alliances, la Bretagne s’est efforcée de maintenir son statu quo, se contentant d’un régime particulier, qui ferait d’elle un domaine à part. De son côté, la Bourgogne, par une politique expansionniste rendue possible par la richesse de ses nouvelles provinces du nord, cherchait à s’établir en tant que grande puissance européenne entre la France et l’Empire. Ainsi, sous cet aspect de la distance géographique, aucun des deux partenaires ne gênait l’autre. 6) Dans ces querelles, l’enchaînement des arguments nous paraît aujourd’hui vraiment grotesque, naïf, bizarre: comme si rien n’était trop insignifiant, dès lors que cela pouvait être invoqué pour renforcer sa propre position et affaiblir celle de l’adversaire. L’utilisation des faits historiques paraît elle aussi assez douteuse, étant donné qu’ils apparaissent de façon manipulée et instrumentalisée. (Dans ces conditions, je ne vois ni obligation ni intérêt à corriger les erreurs et les altérations, ni à distinguer le vrai du faux, comme un donneur de leçons intervenant six cents ans après28.) Il me semble plus intéressant de chercher, dans ce qui apparaît comme un amas pêle-mêle, la particularité des schémas de pensée et des modes d’argumentation utilisés: l’assemblée du concile devait être convaincue par un discours appartenant au genus demonstrativum, mélangeant le plaidoyer et le panégyrique par une multitude d’arguments différents, concernant avant tout l’origo plus ancienne, la nobilitas plus haute et la potentia plus substantielle de son propre prince, dépassant ainsi son compétiteur presque équivalent. En raison de sa virtus et de son honor plus grands devait alors lui être reconnue la préséance souhaitée. Les orateurs se servaient principalement de l’histoire comme d’une 26 Voir

déjà Pocquet du Haut-Jussé, Deux féodaux (cit. n. 3), 83. Kerhervé, L’État breton aux 14e et 15e siècles. Les ducs, l’argent et les hommes, 2 vol., Paris 1987. 28 Pocquet du Haut-Jussé avait déjà partiellement noté cela (voir Deux féodaux [cit. n. 3], 93). 27 Jean

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mine à exploiter; mais les faits historiques étaient utilisés au même titre que les mythes et les légendes, même les faux ou les catalogues de peuples et de héros (ainsi apparut à Bâle un véritable gothicisme, car les Castillans et les Suédois se glorifiaient de leurs ancêtres wisigothiques, ce qui fut adopté aussi par les Suisses); on recourait de la même façon à l’histoire et aux images historiques29. Suivant le leitmotiv, « plus, mieux, plus ancien », on additionnait et on augmentait en quantité, qu’il s’agisse du nombre de duchés, de comtés et de baronnies ou bien de familles nobles. Il est tout au plus frappant de voir la place prise par l’engagement pour l’Église et la religion depuis l’époque la plus ancienne, si possible celle de saint Pierre, jusqu’à l’époque contemporaine: avoir la préséance nécessitait aussi des mérites dans le domaine de la propagation du christianisme. Une telle laus principis et patriae impliquait naturellement de rabaisser l’adversaire, pour bien se détacher par sa propre excellence et sa propre supériorité. Il fallait ainsi introduire, à côté de la quantité, des éléments qualifiants (voire disqualifiants). Dans la plupart des cas, ces débats sans fin rappellent ceux des hérauts du bas Moyen Âge; on ne s’étonne alors guère qu’un héraut du duc de Bretagne ait paru au concile de Bâle, qui ne semble pourtant pas avoir mené à bien sa mission (et y fut envoyé un Herault nommé Montfort qui a son ritour estant chargé de n’avoir pas fait son debvoir en cette poursuitte fut en grand danger de Fortune30). Ce qui a été dit jusqu’ici est aussi presque intégralement valable pour les joutes oratoires entre les Bourguignons et les princes-électeurs, ainsi que les autres querelles de préséance qui eurent lieu à Bâle. En ce qui concerne spécifiquement la controverse entre les Bourguignons et les Bretons, le titulum regis y jouait naturellement un rôle pour ces derniers – Philippe de Coëtquis évoqua notamment le roi Salomon31 – et sainte Hélène était présentée comme la fille d’un ancien roi. Mais on se concentra encore plus intensément sur la démonstration de l’indépen29 Helmrath, Rangstreite auf Generalkonzilien (cit. n. 16), 156 sv. À propos du gothicisme, voir en dernier lieu Alan Swanson, Re-Inventing the Goths. The Trajectory of an Idea, dans: Building the Past. Konstruktion der eigenen Vergangenheit, sous la dir. de Rudolf Suntrup / Jan-R. Veenstra, Francfort-sur-le-Main 2006, 167–185. 30 BN, ms. fr. 4316, fol. 28r–28v. Dans cet exposé du XVIIe siècle, souvent incorrect, de la querelle de préséance entre la Bretagne et la Bourgogne, on rend largement hommage aux activités de Coëtquis. Il se trouve aussi au début du ms. fr. 23027. Dans les deux cas, il s’agit de présentations des questions de rang et de protocole tout à fait typiques de l’époque baroque. À propos du héraut breton, Lutz Roemheld, Die diplomatischen Funktionen der Herolde im späten Mittelalter, Heidelberg 1964 (Thèse), 44; Gert Melville, Hérauts et héros, dans: European Monarchy. Its Evolution and Practice from Roman Antiquity to Modern Times, sous la dir. de Heinz Duchhardt e. a., Stuttgart 1992, 91. Sur ce thème, voir en général Id., Geschichte im Diskurs. Zur Auseinandersetzung zwischen Herolden über die Frage Qui est le royaume chrestien qui plus est digne d’estre approuché d’Onneur?, dans: Les princes et l’histoire du XIV e au XVIIIe siècle, sous la dir. de Chantal Grell e. a., Bonn 1998, 243–262; Id., Un bel office. Zum Heroldswesen in der spätmittelalterlichen Welt des Adels, der Höfe und der Fürsten, dans: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter, sous la dir. de Peter Moraw, Stuttgart 2002, 291–311. 31 CB, III, 64: titulum regium; MC, II, 545: de rege Britonum Salomone.

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dance dans le domaine du droit féodal à l’égard de la couronne française, tout en mettant en avant une parenté plus proche au roi de France et un rang plus élevé dans la hiérarchie des princes du royaume que l’adversaire. Il est possible que les représentants de la Bourgogne considéraient qu’ils avaient déjà suffisamment souligné les arguments historiques soutenant leur préséance dans leur discussion avec les princes-électeurs et qu’ils ne voulaient pas rendre encore plus mécontents, à présent, les Pères du concile, fatigués de ces longues controverses32, par une répétition plus complète (bien qu’un certain caractère répétitif soit inhérent aux confrontations sur le siège et le rang). De leur côté, les Bretons étaient enclins à s’engager dans une telle démarche abrégée, car ils avaient vite remarqué que dans l’assemblée, lasse de toutes ces querelles, moins on se perdait en digressions, plus on recevait de sympathie. Bien au centre des duels oratoires fut l’argument de la potestas, qui peut être considéré comme décisif concernant la préséance: il fut abordé par Philippe de Coëtquis dès le début par la référence aux ports maritimes bretons comme au droit de battre monnaie et aux droits régaliens du duc. L’adversaire y avait répondu en évoquant, entre autres, les ressources militaires et les salines de Philippe le Bon. Ce mélange de l’économie et de la guerre permettait d’introduire des facteurs nouveaux présageant dynamisme et développement, et de sortir ainsi du cadre figé du passé, que pouvaient cependant « enrichir » ceux qui étaient habiles en constructions historiques fantaisistes. 7) À quoi servaient finalement une telle ingéniosité et un tel déploiement rhétorique? En réalité, les choses ne se décidèrent-elles pas en coulisse? N’étaitce pas le pouvoir réel, plutôt que tous les mots, qui faisait pencher la balance? Le discours que prononça au concile l’envoyé castillan, Alonso Garciá de Santa Maria, évêque de Burgos, le 14 septembre 1434 est toujours cité comme un modèle de l’ingénieuse rhétorique de la préséance, parce qu’il contient de façon exemplaire tous les petits et grands arguments, à partir des premiers conciles tenus à Tolède jusqu’à la cochenille espagnole, le kermès sans lequel les Anglais ne pourraient porter leurs habits d’un rouge éclatant33. Pourtant, ce discours n’empêcha pas que la querelle de préséance anglo-castillane fut ensuite continuée de façon violente, pas plus qu’il ne fut décisif pour que les Espagnols obtiennent finalement les places désirées, juste derrière la délégation française, alors que les représentants anglais quittèrent le concile. Car pour les Pères du concile compta bien davantage la volonté d’un roi de France de plus en plus triomphant des Anglais sur les champs de bataille de la guerre de Cent Ans et affirmant, lui et sa cour, un fort soutien au concile de Bâle: ils étaient intervenus en faveur de

32 MC,

II, 544: controversia hec, que velut continua febris molesta extiterat. meilleure analyse est présentée par Helmrath, Rangstreite auf Generalkonzilien (cit. n. 16), 167–171, qui prépare aussi une édition du discours. 33 La

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leurs alliés castillans dans leurs prétentions de placement34. Ainsi les querelles de préséance montrent-elles aussi à quel point le concile fut exposé aux influences et aux pressions des grandes puissances et dans quelle mesure il fut instrumentalisé par elles (ce que, dans un tout autre contexte, avait fait un Jean V en 1439–1440, lorsqu’il se brouilla avec Eugène IV à propos des nominations d’évêques pour des diocèses bretons. Le duc assura, pendant un certain temps, un afflux massif du clergé breton au concile de Bâle35). Mais d’un autre côté, la rhétorique était considérée comme une composante indispensable à la compétition pour le rang. Le pouvoir voulait être légitimé par des démonstrations oratoires. Dans le cadre des querelles de préséance, le discours était d’autant plus nécessaire qu’il s’agissait d’une affaire concernant la représentation en public. Ce n’est que par des négociations secrètes et des déclarations publiques à la fois que devenaient possibles, finalement, des solutions savamment évaluées, tenant compte par de subtiles nuances des différences réelles entre des concurrents presque équivalents. Car le public – tout d’abord le concile et les cours princières, ces dernières refusant en principe tout compromis – ne pouvait qu’accepter celles-ci lorsque les parties avaient, au moins dans une certaine mesure, rendu crédible que leurs arguments, visant à la propre préséance et au déboutement de l’autre, étaient, au fond, proches l’un de l’autre et justifiaient, à la fin, un traitement presque équivalent. Tout ce qui avait été avancé par les Bretons et les Bourguignons, et qui paraissait alors profondément ancré dans l’histoire et le mythe, était déjà révolu quelques dizaines d’années plus tard, quand le « temps des principautés »36 arriva à son terme – mais c’est une autre histoire.

34  MC, II, 883, 897 (concernant le placement définitif des Castillans le 6 mai et 28 juillet 1436); Vicente Beltrán de Heredia, La embajada de Castilla en el concilio de Basilea y su discusión con los Ingleses acerca de la precedencia, dans: Hispania Sacra 10 (1957), 1–31. 35 Vaucelle, La Bretagne et le concile de Bâle (cit. n. 3), 520–525; Pocquet du Haut-Jussé, Les papes et les ducs de Bretagne (cit. n. 3), 421–434. Les noms des participants se trouvent dans la thèse de Dean Loy Bilderback, The Membership of the Council of Basle, Washington/D.C. 1966 (Microfilm Ann Arbor 66–7868), 161–167. Le registre des suppliques du concile (Lausanne, Bibl. cant. et universitaire G 863) montre aussi à cette époque un accroissement significatif de requêtes en provenance de la Bretagne. 36 C’est le titre du deuxième tome de l’Histoire de France dirigée par Jean Favier que J. F. lui-même publia en 1984. Celui à qui est dédié ce volume [Le prince, l’argent, les hommes au Moyen Age. Mélanges offerts à J. Kerhervé, sous la dir. de Jean-Christophe Cassard e. a., Rennes 2008] se réfère à J. F. depuis les premières années où il commença sa thèse, dont témoigne aussi l’hommage qu’il édita en 1999 avec Albert Rigaudière, Finances, pouvoirs et mémoire. Mélanges offerts à J. Favier. À présent, des mélanges lui sont à son tour dédiés, qui veulent montrer combien de collègues et d’amis, même au-delà des frontières, se sentent à leur tour liés à lui.

Köln und das Reich um 1400 Anmerkungen zu einem Brief des französischen Frühhumanisten Jean de Montreuil „Es ist müßig, eine Stadt zu loben, die fast zweitausend Jahre ohne viel Geschrei ihre Anziehungskraft bewiesen hat. Köln zu loben ist müßig, und doch muß es einmal geschehen, obwohl es schwer ist, etwas zu beschreiben, was unbeschreiblich ist“. (Heinrich Böll)

Nochmals soll es geschehen, aber mit den Worten eines Gesandten des französischen Königs Karl VI., dem dabei über die Jahrhunderte mit dem Kölner Schriftsteller die Gabe distanzierter Beobachtung gemeinsam ist. Beider Lob Kölns war denn auch ein durchaus kritisches1. Doch zunächst zur Laudatio des Jean de Montreuil, von der Kritik wird noch später zu reden sein. Sie wurde zwar schon im 18. Jahrhundert gedruckt und liegt seit etlichen Jahren sogar innerhalb einer kritischen Edition des Epistolarium dieses Frühhumanisten vor2, indes nahm man sie am Ort selbst bisher m. W. noch nicht zur Kenntnis: … mox Aggripam [sic] pervenimus, que vulgo Colonia vocitatur, civitas profecto amplissima et ingentis honorificentie studiisque, quod ille ait, asperrima belli, et denique omnium que illo meis subdite sunt oculis, magnificentie representativa, tametsi Maguntiam nonnulli in opulentia, illi in nobilium enim ubertate et affabilitate morum Argentinam, si non ante­ ponunt, equiparant. Quaquidem in Colonia undecim milium virginum chorus illo tanto sub honore celebratur, ut eisdem solemnissima ecclesia, et precipue earum capitibus, cum innumeris nichilominus, ut ferunt, corporibus sacris aliis, existat dedicata, uti propemodum Sancto in Innocente Parisiensi ossamenta totidem non cerneres. 1 So legte Böll Wert auf die Feststellung, daß das hier zitierte, undatierte Wort aus der Frühzeit seines Schaffens, das einer 1969 in Köln (ohne Nennung eines Herausgebers) erschienenen Anthologie „Köln und die Dichter“ als Motto vorangestellt wurde, von ihm „in dieser Form für nicht veröffentlichungswürdig angesehen wird“; andererseits erhob er gegen dessen Verbreitung keine Einwände. Kritik an seiner Heimatstadt durchzieht bekanntlich das ganze Œuvre; hier sei nur auf „Köln III. Spaziergang des Pfingstsonntags 30. Mai 1971“ hingewiesen: Köln im Gedicht, hg. v. N. Schachtsiek-Freitag, Köln 1991, 126–137. 2 Edmond Martène/Ursin Durand, Veterum scriptorum et monumentorum historicorum … amplissima collectio, II, Paris 1724 (ND 1968), n. LIII (Sp. 1416–1419); Jean de Montreuil, Opera, I / 1: Epistolario, ed. Ezio Ornato, Turin 1963, ep. 117 (S. 174–177). Kurze, auch die zitierte Stelle einschließende Inhaltsangaben bei Rudolf A. Peltzer, Die Beziehungen Aachens zu den französischen Königen, in: ZAGV 25 (1903), 173; K. Schmid, Jean de Montreuil als Kirchenpolitiker, Staatsmann und Humanist, Freiburg/ Brsg. 1904 (Wissenschaftl. Beilage zum Jahresbericht der Oberrealschule zu Freiburg/Brsg. für das Schuljahr 1903/04), 28 f.

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Zu lesen steht dies in einem Brief, den Jean de Montreuil wohl Anfang April 1401 kurz nach der Rückkehr von einer Gesandtschaft nach Deutschland in Paris an den ihm seit Studienzeiten verbundenen und gleich ihm für die Anfänge des Humanismus in Frankreich bedeutsamen Nicolas de Clamanges richtete3. Und so vermittelt das Schreiben denn des weiteren auch nicht minder aufschlußreiche Einsichten in die Zustände des Reichs an der Wende des 14. / 15. Jahrhunderts, und zwar aus der Sicht eines Mannes, der seinerseits als einer der ersten Vertreter des Humanismus im spätmittelalterlichen Paris ein recht eigenwilliges und darum interessantes Persönlichkeitsprofil besitzt. So soll auf eine einleitende biographische Skizze, die bis zur Reise nach Deutschland reicht, die Darstellung dieser Mission folgen, um vor solchem Hintergrund die zitierte Passage über Köln zu würdigen und schließlich einiges zur Weltsicht des Jean de Montreuil auszusagen.

I. Jean de Montreuil. Vorbemerkungen Jene Gesandtschaft ins Reich war beileibe nicht die erste gewesen, die der königliche Sekretär und Notar übernommen hatte – so war er 1394 nach England und Schottland, 1395 nach Italien gereist, wo er ein gutes Jahrzehnt zuvor im Gefolge des Bischofs von Beauvais, Miles de Dormans, an der Kampagne des Enguerran de Coucy zur Unterstützung Ludwigs I. von Anjou teilgenommen hatte4. Aus dem Feldlager vor Arezzo war er damals im Herbst 1384 an Coluccio Salutati mit der Bitte um ein Studium von dessen Briefsammlung herangetreten, in die 3 Über ihn zuletzt Dario Cecchetti, Nicolas de Clamanges e Gérard Machet …, in: Atti dell’Accad. delle scienze di Torino, Reihe 2: Classe di scienze morali, storiche e filologiche 100 (1965/66), 133–191; Palémon Glorieux, Notations biographiques sur Nicolas de Clémanges, in: Mélanges offerts à M.-D. Chenu, Paris 1967 (Bibl. Thomiste 37), 291–310; Franco Simone, Umanesimo, Rinascimento, Barocco in Francia, Mailand 1968, 8 ff., 24–28, 88–91, 95–99 u. ö.; Ezio Ornato, Jean Muret et ses amis Nicolas de Clamanges et Jean de Montreuil. Contribution à l’étude des rapports entre les humanistes de Paris et ceux d’Avignon (1394–1410), Genf 1969 (Centre de recherches d’histoire et de philologie de la IV e section de l’École Pratique des Hautes Études, Reihe 5: Hautes études médiévales et modernes 6), 246–252 s. v. „Clamanges (Nicolas de)“ (grundlegend); Nicholas Mann, Humanisme et patriotisme en France au XV e siècle, in: Cahiers Assoc. internat. des études françaises 23 (1971), 51–66; L. Grillon, Nicolas de Clamanges, in: Dict. de spiritualité ascétique et mystique XI (1982), 259–262; Hermann-Josef Sieben, Traktate und Theorien zum Konzil. Vom Beginn des Großen Schismas bis zum Vorabend der Reformation (1378–1521), Frankfurt/M. 1983 (Frankfurter Theol. Studien 30), 27 f., 160–165; Pierre Santoni, Les lettres de Nicolas de Clamanges à Gérard Machet. Un humaniste devant la crise du royaume et de l’Église (1410–1417), in: MEFRM 99/II (1987), 793–823; Gilbert Ouy, Nicolas de Clamanges, in: LexMA VI (1993), 1131 f. 4 Vgl. etwa Peltzer, Beziehungen Aachens (wie Anm. 2), 173; Carla Bozzolo / Hélène Loyau, La Cour Amoureuse dite de Charles VI, t. I, Paris 1982, n. 60 (S. 73); Dario Cecchetti, Il primo umanesimo francese, Turin 1987 (Collana di critica linguistica e poetica 5), 47 Anm. 1; Gilbert Ouy, Les premiers humanistes et leurs livres, in: Histoire des bibliothèques françaises. Les bibliothèques médiévales: VIe siècle–1530, sous la dir. d’André Vernet, Paris 1989, 275; s. auch Anm. 53 (Gesandter auf Konstanzer Konzil).

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wie in andere Werke der florentinische Staatskanzler ihm denn auch Einsicht gewähren sollte5. Solches Interesse des 1353/54 in Monthureux-le-Sec bei Vittel in den Vogesen geborenen und nach der damaligen Bezeichnung des Orts „Monstereuil“ Johannes de Monsterolio genannten Lothringers6 kam nicht von ungefähr: Seine Herkunft aus einer französischen Enklave im Westen des Reichs hatte ihm den Zugang zum königsnahen Pariser Navarrakolleg eröffnet, dessen Zöglinge sich aus der – wenn nötig oder gewünscht: recht weit ausgelegten – Region Champagne rekrutierten. Der wohl 1374 erstmals als Student der Artes belegte und von Pierre d’Ailly unterrichtete Jean de Montreuil aber befand sich auf der Montagne Ste-Geneviève an einem Ort, dem er sich gleich manch anderem Sodalen fortan ein Leben lang verbunden fühlen und den er selber mit zur Wiege des französischen Humanismus machen sollte7. Über Gründe und Hintergründe, Anfänge und Entwicklung 5 Jean de Montreuil, Opera, I/1 (wie Anm. 2), ep. 93, 107; Opera, III: Textes divers, appendices et tables. Éd. critique par Nicole Grévy-Pons / Ezio Ornato / Gilbert Ouy, Paris 1981, ep. 229, S. 173 s. v. „[Salutati]“; Opera, IV: Monsteroliana, par E. O. /G. O./Nicole Pons, Paris 1986, 168 ff., 189 f., 305, 309; dazu grundlegend Giuseppe Billanovich / Gilbert Ouy, La première correspondance échangée entre Jean de Montreuil et Coluccio di Salutati, in: Italia medioevale e umanistica 7 (1964), 337–374; Nicole Pons, La présence de Coluccio di Salutati dans le recueil épistolaire de Jean de Montreuil, in: Franco-Italica 1 (1992), 9–24, bes. 10 f.; vgl. auch Franco Simone, Il Rinascimento Francese. Studi e ricerche, Turin 21965, 95; Gilbert Ouy, Paris, l’un des principaux foyers de l’humanisme en Europe au début du XV e siècle, in: Bull. Soc. de l’histoire de Paris et de l’Ile-de-France 94/95 (1967/68), 76, 83 f.; Ders., L’humanisme et les mutations politiques et sociales en France aux XIV e et XV e siècles, in: L’humanisme français au début de la Renaissance, Paris 1973 (Colloque internat. de Tours – XIV e stage / De Pétrarque à Descartes 29), 39 f.; Ders., Le collège de Navarre, berceau de l’humanisme français, in: Enseignement et vie intellectuelle (IXe–XVIe siècle) (Actes du 95e Congrès nat. des Soc. Savantes, Reims 1970 – Section de philologie et d’histoire jusqu’à 1610), I, Paris 1975, 280 f.; Ders., Jean de Montreuil et l’introduction de l’écriture humanistique en France au début du XV e siècle, in: Litterae textuales. Essays presented to G. I. Lieftinck, IV, Amsterdam 1976, 53–61 (Bedeutung des seinerseits von Salutati beeinflußten Montreuil für die Anfänge der Humanistica in Frankreich); Ders., La dialectique des rapports intellectuels franco-italiens et l’humanisme en France aux XIV e et XV e siècles, in: Rapporti culturali ed economici fra Italia e Francia nei secoli dal XIV al XVI (Atti del Colloquio Italo-Francese, Roma 18–20 II 1978), Rom 1979, 141; Ders., Jean de Montreuil, in: Dict. des littératures de langue française, éd. Jean-Pierre de Beaumarchais e. a., Paris 1987, 1684; Dario Cecchetti, Temi umanistici nell’opera di Jean de Montreuil, in: Le Moyen Français 8/9 (1983), 57; Françoise Autrand, Charles VI. La folie du roi, Paris 1986, 375. 6 Gilbert Ouy, Jean de Montreuil (alias de Monthureux-le-Sec), Pétrarque et Salutati, in: Mélanges à la mémoire de F. Simone. France et Italie dans la culture européenne, I: Moyen Age et Renaissance, Genf 1980, 47–55, 591–593; vgl. Ornato / Ouy / Pons (wie Anm. 5), 304; Bozzolo / Loyau, Cour Amoureuse (wie Anm. 4), I, n. 60 (S. 73); Bernard Guenée, Entre l’Église et l’État. Quatre vies de prélats français à la fin du Moyen Age (XIIIe–XV e siècle), Paris 1987, 178. Häufig wird Montreuil in den Quellen wegen der ihm wohl 1394 verliehenen Dignität eines Propstes von St-Pierre in Lille (vgl. Opera, IV [wie Anm. 5], 308) auch als praepositus Insulensis bezeichnet. 7 Joannis Launoii … regii Navarrae gymnasii historia …, I, Paris 1677, 96 (Joh. Clarini); vgl. Ouy, L’humanisme et les mutations (wie Anm. 5), 43 Anm. 6; Ornato / Ouy / Pons (wie Anm. 5), 304; Guenée, Entre l’Église et l’État (wie Anm. 6), 179. Zur Verbundenheit der Mit-

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dieses Phänomens haben G. Ouy und seine Forschergruppe wiederholt gehandelt, so daß es mit einem Verweis auf deren Studien hier sein Bewenden haben kann8. Neben Nicolas de Clamanges und Jean Gerson mit am Beginn dieser in Bewunderung wie Distanz vornehmlich auf Italien ausgerichteten Bewegung stehend9, sollte er sich ihr fortan so verschreiben, daß er nach einem vielzitierten glieder des Kollegs etwa Opera, I/1 (wie Anm. 2), ep. 43 (pervenerabili honestissimo illo de Navarra collegio, in quo pulcriorem etatis tue egisti); vgl. allgemein Heribert Müller, Zur Prosopographie des Basler Konzils. Französische Beispiele, in: AHC 14 (1982), 159–166; Ders., Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449), II, Paderborn u. a. 1990, 987 s. v. „Paris-Universität, Kollegien: Navarra“. 8  Grundlegend Ouy, Le collège de Navarre, berceau de l’humanisme français (wie Anm. 5). Stellvertretend für die zahlreichen Rekurse auf das Kolleg in den Arbeiten der Forschungsgruppe Cecchetti, Il primo umanesimo francese (wie Anm. 4), 45 ff.; Nicole Pons, Les chancelleries parisiennes sous les règnes de Charles VI et Charles VII, in: Cancelleria e cultura nel Medio Evo (Comunicazioni presentate nelle giornate di studio della Commissione – Stoccarda, 29–30 VIII 1985/XVI. Congresso internaz. di scienze storiche – Commission internat. de diplomatique), Vatikanstadt 1990, 157–160. Die umfassende Gesamtdarstellung der Geschichte dieses 1304 von der Königin Johanna von Navarra begründeten und nach ihr benannten, größten Kollegs der Pariser Universität bleibt allerdings noch zu schreiben, nachdem ein 1968 gefaßter Plan von Absolventen der „École Polytechnique“ – deren Gebäude stehen an der Stätte des Kollegs – nicht verwirklicht wurde. Bis zur Erfüllung dieses dringenden Forschungsdesiderats muß immer noch auf das Anm. 7 genannte Werk von Launoy aus dem Jahre 1677 zurückgegriffen werden, der sich seinerseits auf heute verlorene Quellen stützen konnte. Nochmals erschien es 1682 in unveränderter Form unter dem Titel „Academia Parisiensis illustrata“ und 1732 innerhalb der Gesammelten Werke des Autors: VII [= tomi IV. pars Ia], 289–791. An dieser Stelle sei der „Équipe de recherche sur la culture écrite du Moyen Age tardif “ mit ihrem Direktor E. Ornato und den Mitarbeiterinnen C. Bozzolo und N. Pons für freundliche Aufnahme und Hilfe bei der Arbeit im Juli 1992 in ihrem Institut zu Villejuif bei Paris herzlich gedankt. Diese Forschungsgruppe innerhalb des C.N.R.S. ist hervorgegangen aus der „Équipe de recherche sur l’humanisme français des XIV e et XV e siècles“ unter Leitung von G. Ouy, der mir bei früherer Gelegenheit Unterstützung gewährte. Über den Fortgang der Arbeiten und die Publikationen der seit ihren Anfängen eng mit Turiner Gelehrten wie F. Simone und D. Cecchetti zusammenarbeitenden Gruppe unterrichten neben regelmäßig erscheinenden „Rapports scientifiques“ Ouy, Paris (wie Anm. 5), 71–98 (Anfänge); Ders., L’humanisme français des XIV e et XV e siècles et les origines de la Renaissance en France: Bilan de vingt ans de recherche, in: Les Cahiers franco-polonais a. 1981, 19–31; Ders., Franco Simone, pionnier des recherches sur le Quattrocento francese, in: L’aube de la Renaissance. Études réunies par Dario Cecchetti / Lionello Sozzi / Louis Terreaux pour le 10e anniversaire de la disparition de F. S., Genf 1991 (Bibl. Franco Simone 18), 11–25; Cecchetti, Il primo umanesimo francese (wie Anm. 4), 13–16. Skeptisch nur K. Heitmann, Die heutige literaturhistorische Definition der französischen Renaissance, in: BHR 39 (1977), 357. 9 Zu Nicolas de Clamanges s. Anm. 3. Zu Jean Gerson als einem der ersten Repräsentanten des Humanismus in Frankreich: Gilbert Ouy, Une lettre de jeunesse de Jean Gerson, in: Romania 80 (1959), 461–472; Ders., La plus ancienne œuvre retrouvée de Jean Gerson: le brouillon inachevé d’un traité contre Juan de Monzón, in: ebd. 83 (1962), 433–492; Ders., La preuve par les textes de l’authenticité gersonienne du traité contre Juan de Monzón, in: ebd. 88 (1967), 270–273; Ders., L’humanisme du jeune Gerson, in: Genèse et débuts du Grand Schisme d’Occident, Paris 1980 (Colloques internat. du C.N.R.S. 586), 253–268. Kurz, aber instruktiv über beide zuletzt Cecchetti, Il primo umanesimo francese (wie Anm. 4), 51–58; Alain Demurger, Temps de crises, temps d’espoirs. XIV e – XV e siècle, Paris 1990 (Nouvelle histoire de la France médiévale 5), 231.

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Wort von G. Voigt als „der erste rechte Humanist in Frankreich“ zu gelten hat10. Absicht und Talent entsprachen indes einander nicht ganz, tat er sich mit der Adaptation von Klassikern und klassischen Themen, mit der Nachahmung des Stils eines Coluccio Salutati, mit passender und gekonnter Insertion von Zitaten aus den großen Autoren doch recht schwer11 – schon die obige Passage läßt dies erkennen. Wollte man ihn und seine Freunde allein nach ihrer Latinität beurteilen, so wäre es mit dem französischen Frühhumanismus nicht weit her. Doch in Paris reichten seine Fähigkeiten und Absichten aus, um alsbald einen Platz in der königlichen Kanzlei zu erlangen – der genaue Zeitpunkt seines Eintritts wie ihm dabei vielleicht förderliche personelle Konstellationen („Marmousets“?) blieben noch genauer zu untersuchen. Die Gabe des Umgangs mit dem geschriebenen Wort setzte Jean de Montreuil fortan im Dienst des Königs und des Dauphin Ludwig von Guyenne, aber auch für Berry, Burgund und Orléans ein12. Im Zeitalter des Großen Schismas und des Hundertjährigen Kriegs besorgte er indes nicht nur den laufenden Geschäftsverkehr, sondern er wirkte eben auch als Diplomat sowie als Propagator der französischen Sache; hierfür konnte er wiederum auf die in der Kanzlei gesammelten Dokumente zurückgreifen. Jean de Montreuil ist geradezu die Personifikation einer Kanzlei als „lieu d’élaboration et de transmission des idées politiques“13. Insbesondere diese propagandistische 10 Die Wiederbelebung des classischen Alterthums oder das erste Jahrhundert des Humanismus, 3. Aufl., besorgt v. M. Lehnerdt, II, Berlin 1893 (ND 1960), 344. 11 Alexander P. Saccaro, Französischer Humanismus des 14. und 15. Jahrhunderts, München 1975 (Freiburger Schriften zur roman. Philologie 27), 98 (vgl. aber zu dieser Arbeit grundsätzlich Gilbert Ouy, La recherche sur l’humanisme français des XIV e et XV e siècles. A propos d’un ouvrage récent, in: Francia 5 [1977], 693–707); A. Godin, Rez. von Jean de Montreuil, Opera, II, in: BHR 39 (1977), 189; Cecchetti, Il primo umanesimo francese (wie Anm. 4), 48; allgemein auch Ders., L’evoluzione del latino umanistico in Francia, Paris 1986; Ezio Ornato, La redécouverte des classiques, révélateur de ruptures et de continuités dans le mouvement humaniste en France au XV e siècle, in: L’aube (s. Anm. 8: Ouy, Franco Simone), 91; Ders., Les humanistes français et la redécouverte des classiques, in: Préludes à la Renaissance. Aspects de la vie intellectuelle en France au XV e siècle. Études réunies par Carla Bozzolo / E. O., Paris 1992, 43. 12 Zur königlichen Kanzlei unter Karl VI. s. allgemein den in Anm. 8 zitierten Aufsatz von Nicole Pons sowie Dies., L’activité des chancelleries parisiennes, in: Équipe de recherche sur l’humanisme français des XIV e et XV e siècles. Rapport scientifique 1981–1985, Paris 1985, 15 f. Speziell zu Jean de Montreuil: Peter Shervey Lewis, War, Propaganda and Historiography in 15th Century France and England [1965; ND] in: Ders., Essays in Later Medieval French History, London – Ronceverte 1985, 201 f.; Simone, Il Rinascimento Francese (wie Anm. 5), 87; Ouy, Dialectique (wie Anm. 5), 140 f.; Ders., Les premiers humanistes (wie Anm. 4), 275; Bozzolo / Loyau, Cour Amoureuse (wie Anm. 4), I, n. 60 (S. 73); Ornato / Ouy / Pons (wie Anm. 5), 305 f., 312; Cecchetti, Il primo umanesimo francese (wie Anm. 4), 47 Anm. 1. Noch 1410 verlieh Johannes XXIII. ihm, qui carissimi in Christo filii nostri Caroli regis Francorum illustris secretarius existis, Kanonikate in Bayeux, Cambrai und Coutances: Acta Concilii Constanciensis, I, hg. v. Heinrich Finke, Münster 1896 (ND 1976), 117 Anm. 1; Opera, IV (wie Anm. 5), 315. 13 Claude Gauvard, Le roi de France et l’opinion publique à l’époque de Charles VI, in: Culture et idéologie dans la genèse de l’État moderne (Actes de la table ronde org. par le

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Tätigkeit scheint das Mitglied der – auch die Rhetorik pflegenden – „Cour Amoureuse“ Karls VI. für den Königshof wertvoll gemacht zu haben14. Dabei dürfte der Umstand, daß Jean de Montreuil gleich Jeanne d’Arc ein Franzose aus dem Grenzland war, mit in Rechnung zu stellen sein: „c’est dans les régions frontalières que s’est affirmée le plus clairement la notion de patrie, que sont nées les premières manifestations de ce qu’on a coutume d’appeler le sentiment national“15. Möglicherweise waren es bereits der Sturz Richards II. und der Herrschaftsantritt von Lancaster, sicherlich und spätestens aber die Wiederaufnahme des Kriegs unter Heinrich V., die ihn zum antienglischen Polemiker von hohen Graden werden ließen. In seinem Hauptwerk, dem französisch wie lateinisch verfaßten Traktat gegen die Engländer16, zeigt er sich – Kehrseite der Medaille – von Frankreichs Größe und Vorrang zutiefst überzeugt, doch sollte er solches Gefühl der Überlegenheit auch gegenüber Italienern und Deutschen hervorkehren17. C.N.R.S. et l’EFR, Rome, 15–17 X 1984), Rom 1985, 354 Anm. 5; Dies., ‚De grace especial‘. Crime, État et Société en France à la fin du Moyen Age, I, Paris 1991 (HAM 24), 55. Vgl. hierzu auch Ouy, L’humanisme français et les mutations (wie Anm. 5), 40: „celui qui allait devenir l’un des plus efficaces artisans de la diplomatie française voulait profiter, et faire profiter la chancellerie royale, des redoutables secrets rhétoriques obtenus du chancelier de Florence. Sa grande ambition était sans nul doute de devenir le Coluccio français …“; Cecchetti, Il primo umanesimo francese (wie Anm. 4), 22: „La cancelleria con le sue esigenze di propaganda politica e di rapporti diplomatici richiede … l’uso di tecniche di scrittura e di linguaggio che siano efficaci, e pertanto tende ad abbandonare le formule e le strutture arcaizzanti che sopravvivono invece nelle scuole tradizionali“. Es geht um „nuovi modelli tali da permettere di aver successo nel gioco antagonistico della politica europea“. Nach Pons, Les chancelleries parisiennes (wie Anm. 8), 140, ist es kein Zufall, daß der Humanismus gerade in einer Kanzlei auf fruchtbaren Boden fiel, aus der auch die königlichen Gesandten rekrutiert wurden: „car être un bon orateur a une importance capitale dans toute négociation et dans tout échange social“. 14 Bozzolo / Loyau, Cour Amoureuse (wie Anm. 4), I, n. 60 (S. 73); Ornato / Ouy / Pons (wie Anm. 5), 311; Pons, Les chancelleries parisiennes (wie Anm. 8), 160 f. 15 Nicole Grévy-Pons, Propagande et sentiment national pendant le règne de Charles VI: L’exemple de Jean de Montreuil, in: Francia 8 (1980), 141; vgl. Colette Beaune, Naissance de la nation France, Paris 1985, 348. 16 Jean de Montreuil, Opera, II: L’œuvre historique et polémique, éd. par Nicole Grévy / Ezio Ornato / Gilbert Ouy, Turin 1975, 159–313, 323–331; cf. 19–42, 44 ff.; eine in der Kanzlei vorhandene Quelle für das Werk ist in Opera, III (wie Anm. 5), 52–110 abgedruckt. Mit Blick auf die hier nicht zur Debatte stehende philologische Leistung sei zumindest auf einen von E. O. gewährten Einblick in die Textherstellung einer Passage des Traktats (259 f.), hingewiesen: L’édition des textes médiévaux conservés dans des manuscrits autographes, in: Les manuscrits. Transcription, édition, signification, Paris 1976 (Publ. Centre d’histoire et d’analyse des manuscrits modernes), 37–62. Evencio Beltran, L’humanisme français au temps de Charles VII et Louis XI, in: Préludes (s. Anm. 11: Ornato, Les humanistes français), 161, stellt treffend fest, daß Montreuil vor allem durch diese Propagandaschrift bekannt wurde. Deren Einfluß auf andere Autoren beleuchtet Nicole Pons an den Beispielen von Guillebert de Mets sowie der „Généalogie des rois de France. Verité est“, in: Revue belge de philologie et d’histoire 58 (1980), 565–587, bzw. in: Préludes (s. oben), 243–264. 17 Grundlegend hierzu die Arbeiten von N. (Grévy‑)Pons: a) Propagande (wie Anm. 15), 127–145, bes. 132–135. – b) La propagande de guerre française avant l’apparition de Jeanne d’Arc, in: JS a. 1982, 191–214. – c) ‚L’honneur de la couronne de France‘. Quatre libelles contre

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II. Das Reich Damit rückt die eingangs erwähnte Mission des Jean de Montreuil wieder in den Blickpunkt: Am 20. Oktober 1400 hatte er Paris als Mitglied einer königlichen Gesandtschaft verlassen, die in Deutschland wegen der Kirchenfrage sowie der Absetzung Wenzels und der Thronkandidatur Ruprechts tätig werden sollte18. Dabei war die französische Seite wesentlich mehr an einem Einschwenken der Deutschen auf die von ihr selbst eingeschlagene via cessionis19 als an einer direkten Intervention im Thronstreit interessiert, wenn dieser auch – nicht zuletzt durch die mit Ruprecht verwandte Königin Elisabeth von Frankreich (Isabeau de Bavière) – mit in den großen Gegensatz zwischen Burgund und Orléans am Pariser Hof des immer mehr in geistige Umnachtung verfallenden Karl VI. geraten war. Dabei trat Herzog Ludwig in der luxemburgfreundlichen Tradition der Valois und als Gatte einer mailändischen Visconti gegen den Wittelsbacher les Anglais (vers 1418–vers 1429), éd. par N. P., Paris 1990, 10, 23, 56 f. Anm. u. ö. – d) L’historiographie chez les premiers humanistes français, in: L’aube (s. Anm. 8: Ouy, Franco Simone), 113. – e) La guerre de Cent Ans vue par quelques polémistes français du XV e siècle, in: Guerre et société en France, en Angleterre et en Bourgogne XIV e – XV e siècle, éd. Philippe Contamine / Charles Giry-Deloison/Maurice H. Keen, Lille (Villeneuve d’Ascq) 1991 (Histoire et littérature régionales 8), 143 f., 146 f., 151 f. u. ö.; vgl. auch Lewis, War, Propaganda and Historiography (wie Anm. 12), 194–198, 203 ff., 208, 212 f.; Godin, Rez. (wie Anm. 11), 188 f.; Jacques Krynen, Idéal du prince et pouvoir royal en France à la fin du Moyen Age (1380–1440). Étude de la littérature politique du temps, Paris 1981, 281–297; Gilbert Ouy, Les premiers humanistes français et l’Europe, in: La conscience européenne au XV e et au XVIe siècle (Actes du Colloque internat. org. à l’École normale supérieure de jeunes filles, 30 IX – 3 X 1980), Paris 1982, 289; Claude Gauvard, Rez. von Jean de Montreuil, Opera, I–III, in: BECh 142 (1984), 166 f.; Dies., ,De grace especial‘ (wie Anm. 13), II, 549; Beaune, Naissance (wie Anm. 15), 217, 271, 276, 278, 281, 287 f.; Cecchetti, Il primo umanesimo francese (wie Anm. 4), 50 f.; Robert-Henri Bautier, Chancellerie et culture au Moyen Age, in: Cancelleria (s. Anm. 8: Pons, Les chancelleries parisiennes), 31. 18 Opera, I / 1 (wie Anm. 2), ep. 117, Z. 6 f.; cf. Deutsche Reichstagsakten [RTA], IV: Deutsche Reichstagsakten unter König Ruprecht, 1. Abtlg.: 1400–1401, hg. v. Julius Weizsäcker, Gotha 1882 (ND 1956), n. 180/181; vgl. A. Thomas, De Joannis de Monsterolio vita et operibus …, Paris 1883, 9; Eugène Jarry, La vie politique de Louis de France, duc d’Orléans 1372–1407, Paris – Orléans 1889, 246; Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 14 Anm. 5, 28 f.; André Combes, Jean de Montreuil et le chancelier Gerson. Contribution à l’histoire des rapports de l’humanisme et de théologie en France au début du XV e siècle, Paris 1942 (Études de philosophie médiévale 32), 205. 19 Gesamtdarstellungen der französischen Kirchen‑ und Schismapolitik: Noël Valois, La France et le Grand Schisme d’Occident, I–IV, Paris 1896–1902 (ND 1967) (tendenziös, als Materialgrundlage aber unentbehrlich); Howard Kaminsky, Simon de Cramaud and the Great Schism, New Brunswick/N.J. 1983; Paul Ourliac, Le schisme et les conciles (1378–1449), in: Histoire du christianisme, VI: Un temps d’épreuves (1274–1449), sous la respons. de Michel Mollat du Jourdin / André Vauchez, Paris 1990, 89–139 (in der dt. Ausgabe, hg. v. Norbert Brox/Odilo Engels u. a., Freiburg/Brsg. – Basel – Wien 1991, 75–131); Hervorhebung verdienen auch die zahlreichen Aufsätze von Hélène Millet zum Thema; stellvertretend sei genannt: Du conseil au concile (1395–1408). Recherche sur la nature des assemblées du clergé en France pendant le Grand Schisme d’Occident, in: JS a. 1985, 137–159.

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auf den Plan (umb swecherung und minnernisse des h󰀆ses von Beyern, dem er widerwertig ist wo er mag), der folglich wiederum auf Philipps des Kühnen Wohlwollen zählen durfte20. Die auf Wenzels Absetzung drängenden Kurfürsten im Westen des Reichs warben dagegen vorrangig um Unterstützung oder zumindest wohlwollende Tolerierung ihres Vorgehens durch den Königshof; der Pfälzer selbst wird noch im Mai 1401 wissen lassen, daz wir vil und vast versucht und geworben haben an den kunig von Frankerijch und hetten mit unsern kindern gerne hirat mit im gemacht und lieber dan mit iman anders21. Die schon mehr als zwei Jahrzehnte ungelöste Kirchenfrage schien dieser Partei in der damaligen Situation, da es schlicht um die Existenz von Ruprechts Königtum ging, weniger bedeutsam. Eine Liquidation des Schismas mochte der anerkannte Herrscher zu späterem Zeitpunkt im Einvernehmen mit Karl VI. regeln. Somit redeten beide Seiten über ihre seit dem Frankfurter Fürsten‑ und Städtetag im Mai / Juni 1400 rege hin‑ und hergehenden Gesandtschaften eigentlich aneinander vorbei. Wenn Simon de Cramaud, der am Hof einflußreiche lateinische Patriarch von Alexandrien, nach seiner Rückkehr aus Frankfurt vollmundig erklärte, er wisse die Deutschen bene dispositos ad acceptandum viam regis et Ecclesiae Gallicanae, so sollte diese Äußerung das Mißverständnis nur noch vertiefen22. Allerdings nahm man am französischen Hof wohl lange auch nur das zur Kenntnis, was man hören wollte. Denn eigentlich 20 Henri Moranvillé, Relations de Charles VI avec l’Allemagne en 1400, in: BECh 47 (1886), 496, 499; Jarry, La vie politique (wie Anm. 18), 238–256, bes. 246; Theodor Lindner, Deutsche Geschichte unter den Habsburgern und Luxemburgern (1273–1437), II: Von Karl IV. bis zu Sigmund. Die allgemeinen Zustände, Stuttgart 1893, 195; Michel de Boüard, L’empereur Robert et le Grand Schisme d’Occident, in: MAH 48 (1931), 217; Francis D. S. Darwin, Louis d’Orléans (1372–1407), London 1936, 30–33; Angelo Mercati, Dall’Archivio Vaticano, II: Un’ignota missione francese nel 1401 presso Roberto del Palatinato eletto re dei Romani, in: MAH 61 (1949), 212 f.; Jean Schoos, Der Machtkampf zwischen Burgund und Orléans unter den Herzögen Philipp d. Kühnen und Johann ohne Furcht von Burgund und Ludwig von Orléans. Mit besonderer Berücksichtigung der Auseinandersetzung im deutsch-französischen Grenzraum, Luxemburg 1956 (Publ. Sect. historique de l’Institut G.-D. de Luxembourg 75), 107–126; Alois Gerlich, Habsburg – Luxemburg – Wittelsbach im Kampf um die deutsche Königskrone. Studien zur Vorgeschichte des Königtums Ruprechts von der Pfalz, Wiesbaden 1960, 329 f.; Michael Nordberg, Les ducs et la royauté. Études sur la rivalité des ducs d’Orléans et de Bourgogne 1392–1407, Uppsala 1964 (Studia Historica Upsaliensia 12), 152 f.; Kaminsky, Simon de Cramaud (wie Anm. 19), 249; Heinz Thomas, Deutsche Geschichte des Spätmittelalters 1250–1500, Stuttgart u. a. 1983, 359; Demurger, Temps de crises (wie Anm. 9), 81; Bernard Guenée, Un meurtre, une société. L’assassinat du duc d’Orléans 23 novembre 1407, Paris 1992, 154 ff.; Zitat: RTA IV, n. 296 (S. 350) (Ruprecht, 1401 Mai 6). 21 RTA IV, n. 297 (S. 354) (Ruprecht, 1401 Mai 7); zur Sache vgl. Alfred Leroux, Nouvelles recherches critiques sur les relations politiques de la France avec l’Allemagne de 1378 à 1461, Paris 1892, 31; De Boüard, L’empereur Robert (wie Anm. 20), 219 f.; Mercati, Un’ignota missione francese (wie Anm. 20), 218; Thomas, Deutsche Geschichte (wie Anm. 20), 359. 22 Chronique du Religieux de St-Denys …, publ. … par Louis-F. Bellaguet, II, Paris 1840, 766 (L. XXI, c. 3); vgl. Moranvillé, Relations (wie Anm. 20), 491 ff.; Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 28, 30; Kaminsky, Simon de Cramaud (wie Anm. 19), 250. Zur französischen Delegation in Frankfurt s. auch RTA III: Deutsche Reichstagsakten unter König

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hätte die Botschaft der aus Frankfurt angereisten kurfürstlichen Gesandten aufhorchen lassen müssen, da sie die Absicht hervorhob, das rich anders bestellen und einen andern Romischen konig kiesen zu wollen, und recht geschickt einen Fortschritt bei der Beseitigung des Schismas eben von der vorherigen Lösung des Königsproblems in ihrem Sinne abhängig machte23. Nachdem Wenzel seinerseits bei dem königlichen Verwandten in Paris über den luxemburgischen Seneschall Hubart / Huwart von Elter vorstellig geworden war (quatenus vestra caritas dictis nuntiis electorum nequaquam in hiis quae in nostri nominis et honoris possent aliquorsum vergere lesionem, aurem exauditionis adhibeat), und sich in Oberlahnstein und Rhens die krisenhafte Entwicklung weiter zugespitzt hatte24, traf der französische Hof  – glauben wir dem Religieux de St-Denys – nach gemeinsamer Beratung von Burgund, Berry und Orléans den Entschluß zur Aufstellung einer Gesandtschaft zu den Kurfürsten25. Wenn Herzog Ludwig sich indes zu einem militärischen Unternehmen zugunsten Wenzels anschickte, das er aber nicht zuletzt auf Grund der Indolenz des Böhmen bald schon abbrach26, so könnte dies darauf hindeuten, daß die diplomatische Aktion wohl doch nicht in vollem Einvernehmen der königlichen Prinzen oder gar auf Wenzel, 3. Abtlg.: 1397–1400, hg. v. Julius Weizsäcker, München 1877 (ND 1956), n. 135, 138 (S. 184), 153 (S. 201), 155. 23 RTA III, n. 152 (Zitat S. 200); cf. n. 153 (dazu auch Moranvillé, Relations [wie Anm. 20], 494); Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter [REK], X: 1391–1400 (Friedrich von Saarwerden), bearb. v. Norbert Andernach, Düsseldorf 1987 (PGRhGK XXI / 10), n. 2077; cf. ebd., Anm. 2 (zu RTA III, n. 153); ebd., n. 2054–2079 Übersicht über die (den Erzbischof von Köln betreffenden) Materialien zum Frankfurter Tag mit Angaben der einschlägigen Nummern in RTA III; vgl. Peltzer, Beziehungen Aachens (wie Anm. 2), 172; Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 28; zuletzt (unter dem Aspekt der königslosen Tage) dazu Thomas M. Martin, Auf dem Weg zum Reichstag. Studien zum Wandel der deutschen Zentralgewalt 1314–1410, Göttingen 1993 (SHKBAW 44), 232 ff. (bes. 234 Anm. 110), 247. 24 a) Wenzel: RTA III, n. 184 (Zitat S. 224); REK X, n. 2086. Am 10. Oktober 1400 schrieb Heinrich zum Jungen zu Mainz an den Ammeister der Stadt Straßburg u. a., daz mir breiffe von Parijs kommen sint, dy mir her Huwart von Eltir geschicket hat, da er mir vaste inne geschriben hat von leiffen, dy mir z󰀆 dieser zijt nit gef󰀆glich sint zu schriben, wan ich nit enweiß obe dy also sin adir nit: RTA IV, n. 165 (S. 189); REK X, n. 2171; vgl. Heinrich Schrohe, Das Mainzer Geschlecht zum Jungen in Diensten des deutschen Königtums und der Stadt Mainz (1353–1437), Mainz 1933, 87 f.; ebd., 83–97 allgemein zur Rolle Heinrichs III. zum Jungen im Jahre 1400, als er Ruprecht die Anerkennung der mittelrheinischen Städte verschaffte. b) Alle zeitgenössischen Chroniken und Aufzeichnungen vom Fürsten‑ und Städtetag in Oberlahnstein verzeichnet REK X, n. 2110 Anm. 1 (cf. RTA III, S. 227–305); ebd., n. 2128– 2137 zu Rhens; vgl. Martin, Auf dem Weg zum Reichstag (wie Anm. 23), 233–238. 25 Chronique du Religieux de Saint-Denys (wie Anm. 22), II, 764 (L. XXI, c. 3). Zur Identifizierung des Chronisten mit Michel Pintoin s. Nicole Grévy-Pons/ Ezio Ornato, Qui est l’auteur de la chronique latine de Charles VI, dite du Religieux de St-Denis?, in: BECh 13 (1976), 85–102; zum Problem seiner Glaubwürdigkeit Guillaume Mollat, La diplomatie pontificale au XIV e siècle, in: Mélanges d’histoire du Moyen Age dédiés à la mémoire de L. Halphen, Paris 1951, 510. 26 Chronique du Religieux de Saint-Denys (wie Anm. 22), II, 766 (L. XXI, c. 3); vgl. Peltzer, Beziehungen Aachens (wie Anm. 2), 172; Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 29.

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Betreiben von Orléans erfolgte, sondern hierfür, wie schon die ältere Forschung annahm, vornehmlich der Burgunder verantwortlich zeichnete27. Die Gesandten – für ihre Person zwar eher wohl dem Lager Orléans zuzurechnen28 – sollten im Verlauf ihrer Mission denn auch nie gegen Ruprecht tätig werden und sogar an seiner Krönung zu Köln am Dreikönigstag des Jahres 1401 teilnehmen29. Allein der Hauptauftrag für den Erzbischof Jean d’Armagnac von Auch, den königlichen Maître d’hôtel Taupin de Chantemerle und eben Jean de Montreuil lautete, inter cetera Ecclesiae recommendantes unionem temptarent si [sc. electores imperii] viam cessionis cum rege acceptabant30. Liest man aber das von dem Gesandtschaftsführer Armagnac unter Assistenz des Propstes von Lille am 2. Dezember 1400 auf dem Mainzer Tag Ruprecht und den Kurfürsten unterbreitete Anerbieten, so steht darin an erster Stelle das Mediationsangebot Karls VI. an die um die Krone Streitenden, und erst danach erfolgt die Aufforderung zu gemeinsamer Lösung des Schismaproblems31. Hier ist uns indes nur eine Aufzeichnung 27 Gegen Jarry, La vie politique (wie Anm. 18), 246, und Valois, France (wie Anm. 19), III, 298, jetzt Ornato / Ouy/Pons (wie Anm. 5), 333–337 (App. IV: Les relations francoallemandes en 1400). 28 Hier ist Ornato / Ouy / Pons (wie Anm. 5), 335, sicher beizupflichten; dazu ergänzend nunmehr: Le vote de la soustraction d’obédience en 1398, par Hélène Millet / Emmanuel Poulle, I, Paris 1988, 56, Abb. 10. 29 RTA IV, n. 296 § 11c (S. 352): item und als min herre der konig also z󰀆 Colne sine cron󰀇nge enphing, da hatte der konig von Franckerich sine botschaft daselbst hingeschicket. – Vgl. Leroux, Nouvelles recherches critiques (wie Anm. 21), 31, 46; Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 30; Ornato / Ouy / Pons (wie Anm. 5), 311. Seine Teilnahme an der Krönung hinderte Montreuil indes nicht daran, den weder in der Kirchenfrage noch gegenüber Mailand auf den französischorléanistischen Kurs einschwenkenden Wittelsbacher Ruprecht bald schon als Bavarum novissime ad imperium electum zu titulieren: Opera, I/1 (wie Anm. 2), ep. 28, Z. 16. Die Krönung in Kölner Quellen des 15. Jahrhunderts (ohne Erwähnung der französischen Gesandtschaft): Die Chroniken der niederrheinischen Städte. Cöln, I, Leipzig 1875 (ND 1968) (DStChr 12), 332–337; II, Leipzig 1876 (ND 1968) (DStChr 13), 49, 89, 139; III, Leipzig 1877 (ND 1968) (DStChr 14), 739 f.; vgl. Leonard Ennen, Geschichte der Stadt Köln, III, Köln – Neuß 1869, 138 f.; Hugo Stehkämper, Könige und Heilige Drei Könige, in: Die Heiligen Drei Könige. Darstellung und Verehrung [Ausstellungskatalog], Köln 1982, 40. 30 Chronique du Religieux de Saint-Denys (wie Anm. 22), II, 764 (L. XXI, c. 3); vgl. Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 28. Taupin de Chantemerle starb bereits auf der Hinreise in Brabant: Opera, I / 1 (wie Anm. 2), ep. 117, Z. 18–25; die Angabe des Chronisten (II, 766), er sei auf der Rückfahrt nach Paris verschieden, ist falsch. Vgl. auch Peltzer, Beziehungen Aachens (wie Anm. 2), 173, und Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 28. 31 Edmond Martène / Ursin Durand, Thesaurus novus anecdotorum, I, Paris 1717 (ND 1968), 1659 = RTA IV, n. 180 (S. 210); cf. REK X, n. 2206; vgl. Thomas, De Joannis de Monsterolio vita et operibus (wie Anm. 18), 9; Leroux, Nouvelles recherches critiques (wie Anm. 21), 29 Anm. 6; Valois, France (wie Anm. 19), III, 298; Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 29; Ornato, Jean Muret (wie Anm. 3), 94, erwägt die Möglichkeit, daß Montreuil Autor der vom Erzbischof vorgetragenen Rede ist; Ornato/Ouy / Pons (wie Anm. 5), 311. Unklar bleibt die Passage in der Abrechnung Nürnbergs zum Mainzer Tag: Propinavimus einem abt von Frankreich des kunigs diener 4 qr. … item einem bischof und sust zwein mit im dez kunigs von Frankreich reten 8 qr. Der Bischof allein begegnet nochmals in der Abrechnungsperiode 1401

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von pfälzischer Seite überkommen – Ruprecht wird darin als rex Romanorum und dominus noster, Wenzel dagegen als rex Bohemie bezeichnet –, die natürlich den sie vornehmlich interessierenden Punkt in gebührender Weise akzentuiert haben dürfte. Daß die zu Mainz Versammelten eine sofortige Antwort auf das französische Angebot vermieden32, spricht auch für sich: Man wünschte eben keine Vermittlung, sondern eine Anerkennung Ruprechts und solange diese ausblieb, hieß die Devise in der Kirchenfrage dilatorisches Ausweichen. Das für die Franzosen vordringliche Schismaproblem ließ sich trefflich als Faustpfand ge‑ und mißbrauchen. Allem Verschleiern und Aufschieben zum Trotz müssen die französischen Gesandten aber in der Sache selbst die Überzeugung gewonnen haben, daß die Kurfürsten nicht ernstlich zur Aufgabe der römischen Obödienz bereit waren, denn sie ließen nach ihrer Rückkehr den Pariser Hof in zwar nichtöffentlichem, dem Religieux de St-Denys indes zur Kenntnis gelangten Vortrag wissen, quod et si electores affectabant unionem ecclesiae, non tamen per viam cessionis intendebant procedere; unde prefati domini [duces Franciae] nec immerito mirati sunt, hatten sie doch bislang den gegenteiligen Bekundungen eines Simon de Cramaud vertraut33. Vom Thronstreit war, folgen wir weiterhin dem Religieux de St-Denys, bei dieser Gelegenheit wiederum überhaupt keine Rede – eigentlich ein erstaunlicher Umstand, zumal sich nach der gerade erst erfolgten Absetzung Richards II. und angesichts des weitgehenden Ausfalls des eigenen Herrschers mit dem „Scheitern von Königen“ in England, Frankreich und nunmehr auch in Deutschland doch eine gefährliche, tiefgreifende Krise der monarchischen Gewalt abzuzeichnen schien34, und weil die Kurfürsten mit dem Luxemburger einen traditionellen Bundesgenossen und Verwandten der Valois abgesetzt hatten. Fühlte man sich Wenzel angesichts dessen eigener Untätigkeit nicht mehr verpflichtet? Oder Januar 11–26: RTA IV, n. 201a (S. 233). Aus der in Anm. 18 angegebenen Quelle aber geht eindeutig hervor, daß Auch und Montreuil nach dem Tod des Taupin de Chantemerle die einzigen französischen Gesandten waren; von ihrer Anwesenheit in Nürnberg (so Leroux, 29 Anm. 6) ist auch nichts bekannt. Allgemein über den Mainzer Tag zuletzt Martin, Auf dem Weg zum Reichstag (wie Anm. 23), 248 f. 32  Martène / Durand, Thesaurus novus anecdotorum (wie Anm. 31), I, 1659 f. = RTA IV, n. 181 (S. 211); cf. REK X, n. 2207. Die Antwort wurde für den 6. Januar 1401, also Ruprechts Krönungstag in Köln, wohl auch deshalb in Aussicht gestellt, um sich der Präsenz der französischen Gesandten bei diesem Akt in Köln zu versichern. Später sollte Ruprecht den Aufschub mit der – im Vergleich zum Mainzer Tag – größeren Zahl in Köln anwesender Fürsten begründen: RTA IV, n. 296 § 11b (S. 352). Allein auch nach diesem Datum war von einer Kurskorrektur im französischen Sinne seitens der deutschen Fürsten nichts zu bemerken. 33 Chronique du Religieux de Saint-Denys (wie Anm. 22), II, 767 (L. XXI, c. 3); vgl. Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 30. 34 Giuseppe Alberigo, Chiesa conciliare. Identità e significato del conciliarismo, Brescia 1981 (Testi e ricerche di scienze religiose 19), 71–76 (mit Verweis auf Carlyle und Ullmann); František Graus, Das Scheitern von Königen: Karl VI., Richard II., Wenzel IV., in: Das spätmittelalterliche Königtum im europäischen Vergleich, hg. v. Reinhard Schneider, Sigmaringen 1987 (VuF 32), 17–40.

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wollte man sich den damals stärksten Machtfaktor im Reich, die Gruppe der rheinischen Kurfürsten, nicht durch einseitige Parteinahme zum Gegner machen? Oder aber neutralisierten sich Burgund und Orléans am französischen Hof so sehr, daß die Einigung auf eine gemeinsame Linie unmöglich war und man darum auf die Entwicklung im Reich keinen Einfluß zu nehmen vermochte? Oder ist nicht im Gegenteil eher von einer Dominanz Burgunds zu jenem Zeitpunkt auszugehen, die Ruprecht zumindest eine von Frankreich ungestörte Etablierung seiner Herrschaft erlaubte? All dies sind Möglichkeiten, die es zu bedenken gilt; für die letztere scheint dabei das im Zusammenhang mit der Gesandtschaftsaufstellung erwähnte Indiz zu sprechen. Doch anderes dürfte entscheidender ins Gewicht fallen: Aus der Sicht der regierungsführenden Prinzen am Pariser Hof stellte das Reich – unter welch „kleinem König“ auch immer35 – keine handlungsfähige Einheit mehr dar, geschweige denn daß es noch als Potenz hohen Grades angesehen worden wäre; es zeigte eine von den geistlichen Kurfürsten bestimmte oligarchische Struktur mit schwacher monarchischer Spitze. Somit galt es für sie, mit einzelnen Fürsten und Fürstengruppen zu verhandeln, vor allem im angrenzenden Westen Deutschlands, in den nicht nur der Burgunder, sondern auch der in den Ardennen und in Luxemburg herrschende Orléans seine Einflußzone vorschob36 und dessen Fürsten bei der Kür Ruprechts 1400 die entscheidende Rolle spielten. Das Reich war für die Großen Frankreichs vorrangig ein Bündnerreservoir, wobei natürlich jeder der potentiellen Alliierten seinerseits einen möglichst hohen Preis herauszuschlagen suchte und – vom Hundertjährigen Krieg profitierend – sich auch die Möglichkeit eines nicht minder lukrativen Bunds mit dem Engländer offenhielt. Schon die damaligen Wendungen und Windungen eines Herzogs Wilhelm von Geldern zwischen England und Frankreich, Burgund und Orléans liefern dafür ein schlagendes Beispiel. Möglicherweise wurde er sogar von Jean de Montreuil im Rahmen seiner Mission (auf dem Rückweg?) aufgesucht. Denn in einem weiteren Brief, auf den später noch zurückzukommen sein wird, erwähnt er einen Aufenthalt in Aachen me dudum e Guelria redeunte37. Und der Herzog – seit langen Jahren als französischer Bundesgenosse ein unsicherer Kantonist und darob sogar 1388 mitsamt seinem ebenfalls in Verdacht geratenen gleichnamigen Jülicher Vater von einem Feldzug Karls VI. bedroht – sollte just wenige Monate später in französische Dienste zurückkehren und überdies zur

35 Mit Blick auf Ruprecht s. Peter Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung 1250–1490, Berlin 1985 (ND 1989) (Propyläen Geschichte Deutschlands 3), 355. 36 Großer Historischer Weltatlas, II: Mittelalter, Redaktion: Josef Engel, München 21979, 75: a) Das ‚Reich‘ des Herzogs Ludwigs von Orléans bei seiner Ermordung 1407; vgl. Erläuterungen, hg. v. Ernst W. Zeeden, München 1983, 328 ff. (W. Mager). 37 Opera, I / 1 (wie Anm. 2), ep. 209, Z. 2. Zum Brief und seinen Adressaten s. hier S. 377 mit Anm. 48.

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Ableistung seines Vasalleneids vor dem König persönlich nach Paris reisen38. Andererseits inserierte der Propst von Lille in sein besagtes Schreiben einen 38 Niederrheinische Archivalien in der Nationalbibliothek und dem Nationalarchiv zu Paris, zusammengestellt v. Richard Knipping, Leipzig 1904 (Mitt. k. Preuss. Archivverwaltung 8), 79 ff.; cf. 45 f., 77 f.; Inventar von Quellen zur deutschen Geschichte in Pariser Archiven und Bibliotheken, bearb. v. Georg Schnath, hg. v. Wolfgang H. Stein, Koblenz 1986, 26 (n. 53); cf. Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins, hg. v. Theodor J. Lacomblet, IV, Düsseldorf 1858 (ND 1960), n. 3; cf. n. 8, 17; vgl. Lindner, Deutsche Geschichte (wie Anm. 20), II, 196; Aloys Schulte, Der Kriegszug König Karls VI. von Frankreich gegen Jülich und Geldern im Jahre 1388, in: Rhein. Heimatblätter 1926, 143–152; P. Engels, Die Franzosen vor 550 Jahren im Dürener Land. Der Kriegszug Karls VI. gegen den Herzog von Geldern, in: Heimatblätter (der Dürener Zeitung) 24 (1938), 187–191 (der Heroismus eines deutschen Fürsten gegenüber den Franzosen wird, leicht zeitgetönt, hervorgehoben); Guenée, Un meurtre, une société (wie Anm. 20), 140. Während Peltzer, Beziehungen Aachens (wie Anm. 2), 173–176, der sich mit ep. 209 (nach der Zählung von Ornato) ausführlich beschäftigte, eine Datierung des Briefs wohl bewußt vermied, gingen mehrere sich in anderem Kontext auf seine Ausführungen beziehende Forscher von einer Niederschrift im Jahre 1400 aus, da sie – ohne Kenntnis der hier angerissenen Problematik – ganz offensichtlich epp. 117 und 209 einfach zusammenrückten oder gar ineinssetzten: Eduard Teichmann, Die geschichtliche Beglaubigung der Aachener großen Heiltümer, in: ZAGV 32 (1910), 213 Anm. 3; Albert Huyskens, Der Plan des Königs Richard von Cornwallis zur Niederlegung eines deutschen Krönungsschatzes in Aachen, in: AHVN 115 (1929), 195; cf. 118 (1931), 142; Paul Kirn, Mit welcher Krone wurde König Sigmund in Aachen gekrönt?, in: ebd. 118 (1931), 132 mit Anm. 3. Lediglich Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 14, erkannte einen Zusammenhang zwischen Montreuils Aufenthalt in Geldern und des Herzogs erneuter Hinwendung zu Frankreich, doch nahm auch er eine gesonderte Gesandtschaft des Propstes an, die er allerdings unmittelbar vor der am 20. Oktober 1400 beginnenden Mission ansetzte. Wenn Jean de Montreuil in ep. 117 Geldern mit keinem Wort erwähnt, obwohl er in diesem Brief die Stationen der Hinfahrt genau aufführt (Compiègne – Mons – Brabant – Herzogtum Jülich – Aachen – Köln), so kann er den Herzog dennoch 1400 oder 1401 aufgesucht haben. Denn zum einen klammerte er in diesem Schreiben bewußt die gesamte politische Seite seiner Reise aus (Z. 1–6; cf. ep. 114 und Ornato/Ouy / Pons [wie Anm. 5], 196); so ist ja auch vom Auftritt auf dem Mainzer Tag keine Rede. Zum anderen könnte er den Herzog auf der ebenfalls nicht beschriebenen Rückfahrt oder – dem widerspräche allerdings die Formulierung e Guelria redeunte – in der Jülicher Residenz aufgesucht haben. Der Erzbischof von Köln trat in diesem Konflikt übrigens mehrfach als Mittler zwischen Krone und Herzog auf: REK IX: 1381–1390 (Friedrich von Saarwerden), bearb. v. Norbert Andernach, Düsseldorf 1985 (PGRhGK XXI/9), n. 649, 1654. Dabei hat Saarwerden selbst als weiteres Beispiel solcher Schaukelpolitik zu gelten, leistete er doch 1378 dem französischen König und Dauphin gegen Pensionszahlung einen Lehnseid, um 1397 Lehnsmann des Engländers zu werden: REK VIII: 1370–1380 (Friedrich von Saarwerden), bearb. v. Norbert Andernach, Düsseldorf 1981 (PGRhGK XXI/8), n. 1936/37; REK X, n. 1310, 1340; Rolf Grosse, Allianz‑ und Lehnsverträge Kölner Erzbischöfe und Ritter mit dem französischen König. Eine Edition von Vertragstexten aus dem Pariser Nationalarchiv (14. Jahrhundert), in: Köln. Stadt und Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters. FS O. Engels zum 65. Geburtstag, hg. v. Hanna Vollrath /Stefan Weinfurter, Köln – Weimar – Wien 1993 (KHA 39), n. 6 (S. 639 f.) (Der Autor hat mir das Manuskript seines Beitrags freundlicherweise vorab zur Verfügung gestellt). Vgl. J. Fecker, Friedrich von Saarwerden, Erzbischof von Köln und Herzog von Westfalen, I, Diss. Münster 1880, 53 f. Aus der Perspektive des Bischofs braucht das keineswegs dem Urteil zu widersprechen, er sei ein vir magnae constantiae gewesen: Wilhelm Janssen, Der Bischof, Reichsfürst und Landesherr (14. und 15. Jahrhundert), in: Der Bischof in seiner Zeit, Festgabe für J. Kard. Höffner, hg. v. Peter Berglar/Odilo Engels, Köln 1986, 229.

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kurzen Traktat „Perbrevis epilogus gestorum Karoli“, dessen Entstehung die Herausgeber E. Ornato, G. Ouy, und N. Pons mit beachtenswerten kodikologischen und paläographischen Gründen auf 1416/17 datieren, um folglich von einer eigenen und nicht vor diesem wesentlich späteren Zeitpunkt anzusetzenden Gesandtschaft auszugehen39. Es kann aber keine Frage sein, daß eine Reise des Jean de Montreuil nach Geldern ungleich besser in die politische Landschaft der Jahre 1400/01 als in eine Zeit paßt, da er hochbejahrt die Hauptstadt auch sonst offensichtlich nicht mehr verlassen hat, über die sich damals im übrigen für seine Partei der Armagnac immer bedrohlicher der Schatten Burgunds legte. Doch ungleich wichtiger als das Datierungsproblem ist die geldrische Mission als Zeugnis besagter französischer Politik, das Reich als losen Bund faktisch unabhängiger Territorien zu betrachten, mit deren Fürsten es einzeln Allianzen zu schließen galt; selbst weniger bedeutende Persönlichkeiten wie etwa die Kölner Ritter Johann Quatermart oder Konstantin vom Horn nahm man dabei in Lehnsbindung. Es ist dies eine Politik, an der sich – auch und gerade in Zeiten eigener Bedrängnis – im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts wenig ändern sollte; im Zeichen eines sich zuspitzenden Antagonismus zwischen dem Burgund Philipps des Guten und Karls des Kühnen sowie dem Frankreich Karls VII. und Ludwigs XI. wird sie von den rivalisierenden Parteien sogar noch verstärkt fortgeführt werden40. Solches, auf durchaus realistischer Einschätzung der Machtverhältnisse im Reich beruhendes Kalkül ging einher mit selbstsicherer Überzeugung zivilisatorischer Überlegenheit. Wenn F. Kern konstatiert, bereits seit dem 12. Jahrhundert habe die französische Einstellung gegenüber den gens qui sont nez hors du royaume ein „Grundgefühl feiner Überlegenheit“ durchzogen, so trifft diese – am Vorabend des ersten Weltkriegs getroffene – Feststellung in der Sache durchaus und gerade mit Blick auf die Deutschen zu41. Denn eine Vielzahl französischer Quellen stellt sie als ungeschliffene und blind drauflosschlagende Grobiane, als plumpen, rohen 39 Traktat: Opera, II (wie Anm. 16), n. 228 (S. 347–352); Insert in ep. 209 (s. Anm. 37): Z. 35. Datierung auf 1416/17 durch die Editoren in: Opera, IV (wie Anm. 5), 288. Allerdings setzen sie ebd., 318 im Rahmen der „Notes biographiques“ keine eigene Gesandtschaft Montreuils zu 1416/17 an. Vorsichtig auch Mitherausgeberin Grévy-Pons, Propagande (wie Anm. 15), 137 Anm. 55: „Mais il est possible qu’il s’agisse d’un autre voyage“ [Hervorhebung durch H. M.]. Zusätzlich spräche für eine eigene Mission nach Geldern, daß ep. 117 in den die Reise der Gesandtschaft betreffenden Partien in der Wir-Form abgefaßt ist, während in ep. 209 Montreuil allein von sich redet. Indes ist nicht auszuschließen, daß sich seine und des Johann von Armagnac Wege auf der Rückfahrt getrennt haben. 40 a) Kölner Ritter: Grosse, Allianz‑ und Lehnsverträge (wie Anm. 38), n. 3 (S. 631 f.), 5 a – c (S. 635–638); vgl. allgemein auch Schnath/Stein, Inventar (wie Anm. 38), 46 f. (n. 86). b) Zur Rivalität Frankreichs und Burgunds mit Blick auf das Reich Yvon Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire: Bilan d’un règne (II), in: Francia 10 (1982), 226: „Le vrai danger ne résidait pas [für Burgund] en effet dans les détenteurs de la dignité impériale, dont les moyens ne répondaient pas à leur volonté d’agir, … mais plutôt dans le réseau de complicités tissé en Allemagne par les Franco-Angevins“; vgl. auch Heribert Müller, Rez. von Heinz-Dieter Heimann, Zwischen Böhmen und Burgund, in: AKG 66 (1984), 482–485. 41 Der mittelalterliche Deutsche in französischer Sicht, in: HZ 108 (1912), 238.

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und bäuerischen Menschenschlag hin42. So steht etwa ein Philippe de Commynes im 15. Jahrhundert mit seiner Äußerung ilz sont ruddes et vivent ruddement, ebenso in einer schon alten Tradition wie jener burgundische Höfling, der 1473 beim Trierer Treffen Karls des Kühnen mit Friedrich III. spottete, des Kaisers Vorfahren seien noch mit Fellen bekleidet gewesen43. Und 1454 bat Herzog Ludwig von Bayern-Landshut, mit Beinamen immerhin „der Reiche“, anläßlich eines Empfangs des vom Regensburger Reichstag zurückreisenden Philipp des Guten, den Burgunder moult humblement que il lui pleust prendre en gré la povre recepcion, disant que entr’eulx d’Allemaigne estoient gens gros et de rudes manieres. Diese Äußerung – als bloße Floskel ist sie wohl kaum zu werten – deutet doch auf ein in der deutschen Führungsschicht selbst vorhandenes Gefühl der Unterlegenheit gegenüber den Lebensformen ihrer Standesgenossen in der französisch-burgundischen Welt. Urteile und Verurteilungen aus dem Westen waren, zumindest partiell, zutreffend bzw. wurden so empfunden44. Und auch Jean de Montreuil fügt sich ganz in diese Tradition, handelt er in seinem Brief an Nicolas de Clamanges das Reich als ganzes doch unter dem Leitthema barbaries ab, zieht er einschlägige Passagen aus Caesars Gallischem Krieg und Isidors Etymologien ebenso als Beleg dafür heran wie eigene Beobachtungen über das ebenso skandalöse wie theatralisch-lächerliche Bild der Geistlichkeit und über eine ungenießbare Küche: Si enim parcius vituperandum non esset quam possumus laudibus immorari, et ad alia non traherer, ex illorum barbarie ad tedium usque legeres historiam. Quis enim, ut breviter pertranseam, non indignanter referat, non dico canonicos seculares tripudiis hastiludisque, et in ecclesia vestibus dissolutissimis passim uti, sed etiam monistas coreis videre immisceri, canonistasque et moniales habitus deferre sericos, quo plurima circum purpurea meandro dupplici Melibea cucurrit, circa colla torquibus, cathenis in scapulis et monilibus variis, histrionum instar, circumdatas et onustas, ut non meminerim unquam aut usquam excessus etiam in viris insolentissimis equales perspexisse; pretendentens, quod reatum magis damnat, posteaquam cenobiorum exierint limina, ab omni prorsus fore regula absolutas. – De 42  Vgl. Heribert Müller, Der bewunderte Erbfeind. Johannes Haller, Frankreich und das französische Mittelalter, in: HZ 252 (1991), 293 ff. [in diesem Band: 52 ff.]. Zur taciteischen Tradition (am Beispiel des Enea Silvio Piccolomini): Ulrich Muhlack, Die Germania im deutschen Nationalbewußtsein vor dem 19. Jahrhundert, in: Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, I, hg. v. Herbert Jankuhn/Dieter Timpe, Göttingen 1989 (Abhandl. der Akad. der Wissenschaften zu Göttingen, philol.-histor. Kl., 3. Folge, Nr. 175), 140. 43 a) Commynes, Mémoires, publ. par Joseph Calmette / G. Dervaux, II, Paris 21965 (CHFMA 5), 256; cf. I, 140; vgl. Peter-Claus Hartmann, Die Deutschen, Deutschland und das Heilige Römische Reich im Urteil der französischen und franko-burgundischen Historiographie in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: HJb 101 (1981), 462–473, bes. 466. b) 1473: Joseph Chmel, Monumenta Habsburgica, I / 1 (Actenstücke und Briefe zur Geschichte des Hauses Habsburg im Zeitalter Maximilians I.), Wien 1854 (ND 1968), LXIII Anm. 44 RTA XIX /1: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 5. Abtlg. / 1. Hälfte: 1453–1454, hg. v. Helmut Weigel/Henny Grüneisen, Göttingen 1969, n. 19, b 7 (S. 185, Z. 39–41); vgl. Heribert Müller, Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philipp des Guten von Burgund, Göttingen 1993 (SHKBAW 51), 65.

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victu quinetiam, cum de atro iure almanico et salsis eorum insalsatis quaquaversum proverbium currat, audire non contendis45.

Schlußfolgerung des Propstes von Lille: I ergo ad Indos usque, Afros Scitasve aut ultima Tile; mea ut semper est opinio, liberalitate refertam, celive potientem temperie, aut plenam gratiarum omnimode gentem supra Francos invenies minime (dicam plane quod sentio) aut que eos etiam longissimo attingat intervallo46.

Das wiederum veranlaßte 1883 den französischen Montreuil-Biographen A. Thomas – offensichtlich unter Anspielung auf den Krieg von 1870/71 – zur Bemerkung: „Babariem Germanorum non illepide ridet, et patriae laudem toto pectore decantat … Pulcra verba quidem, et patriae caritate plena, nisi, ut experti sumus, saepius ipsi patriae periculosa fierent“. Und wohl auch nicht nur auf das Frankreich an der Wende des 14. / 15. Jahrhunderts bezog sich der Kommentar von K. Schmid aus dem Jahre 1904: „Eine solche Äusserung ist um so bezeichnender für seinen [Jean de Montreuils] Chauvinismus, als in keinem Land und bei keinem Volk so jämmerliche Zustände herrschten wie gerade beim französischen“47. Aufs Ganze gesehen zählten diese Passagen allerdings nicht zum Standardrepertoire gegenseitiger, angeblich eben historisch fundierter Vorwürfe und Herabsetzungen, deren sich manche deutschen und französischen Historiker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts unter kaum verhüllt tagespolitischen Vorzeichen immer wieder bedienten; der Brief blieb schlicht und einfach weitgehend unbekannt. Das gilt indes nicht für ein anderes Schreiben, in dem Jean de Montreuil seine besagte Mission nach Geldern erwähnt (e Guelria redeunte ac transeunte per Aquas). Er richtete es nach seiner Heimkehr an das Aachener Stiftskapitel oder – wahrscheinlicher – an den Rat der Stadt; zumindest die Anreden celebres et antique laudis viri, viri sapientes, honoratissimi viri und circumspectiones deuten daraufhin48. 45 Opera, I / 1 (wie Anm. 2), ep. 117, Z. 68–81 (qua plurima … cucurrit: Vergil, Aeneis V, 250 f.) bzw. 104–106; Caesar, De bello Gallico VI, 23, und Isidor, Etymologiae IX, 97, werden Z. 84–95 zitiert; vgl. Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 12 f. 46  Opera, I / 1 (wie Anm. 2), ep. 117, Z. 98–102 (ultima Tile: cf. Vergil, Georgica I, 30; Verifizierung hier wie Anm. 45 nach Ornato, ebd., 177); vgl. Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 13. 47 Thomas, De Joannis de Monsterolio vita et operibus (wie Anm. 18), 10; Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 13. 48 Opera, I / 1 (wie Anm. 2), ep. 209, Z. 1 f., 5, 17, 26. Während Peltzer, Beziehungen Aachens (wie Anm. 2), 173 f., das Aachener Stiftskapitel als Adressaten ansah, handelte es sich bei ihm nach Ornato / Ouy / Pons (wie Anm. 5), 287 f., um „le bourgmestre et les échevins de la ville d’Aix-la-Chapelle où se trouvait le reliquaire en question. Des appellations, en effet, conviennent à des laics plus qu’aux chanoines du chapitre cathédral [sic]“. In der Sache war zwar das Stiftskapitel zuständig, doch passen die – u. a. an Vergils „Georgica“ anklingenden – Titulaturen (cf. Opera, III [wie Anm. 5], 123) in der Tat besser zu weltlichen Empfängern. Unrichtig auf jeden Fall M.-R. Jung, Jean de Montreuil, in: LexMA VI (1993), 818, der den Brief nur an den Bürgermeister gerichtet glaubt; der gesamte Artikel ist übrigens wenig informativ.

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Auch im Brief des Propstes von Lille an Nicolas de Clamanges wird Aachen als Etappenort erwähnt, bei dieser Gelegenheit aber nur berichtet, daß Karoli nostri illius Magni sarcofagus, et, ut aiunt, caput et ensis, pariter in tam singulari precio sunt habiti, ut non Arturum suum Britones tantifaciant, ipsum quamvis surrecturum expectent priusquam ad extremum iudicium perventum sit49.

Solche Sicht des Karolingers als Karolus noster ließ Jean de Montreuil nunmehr gegenüber den Aachenern ein ganz konkretes Anliegen vorbringen: Bei seinem Besuch habe er feststellen müssen, daß auf der Karlsbüste arma Francie in fimbriis solum et superficietenus depingantur, in reliquis autem partibus superioribus predicti sanctuarii armis per omnia depictis imperii, quasi Galliarum regnum modicum aut nichil esset, et agentibus Alemannis regnum ipsum Francie Carolus suo adiecisset imperio, ac non potius viribus Francorum atque potentia imperium acquisisset et proprium fecisset dominicalium.

Diesem Übelstand sollten die Adressaten abhelfen, indem sie Sorge trügen, daß die Büste den großen Karl künftig in gebührender Weise auch als FrankenFranzosen erscheinen lasse: In nullo quippe detrahetur imperio aut Germanis, quinpotius eorum plurimum adicietur honori, si filii, filie imperatoris imperatricisque et simul regis Francie, qui ense francigeno, ut tactum est, vobis, si observaveritis, acquisivit imperium, arma et insignia paterna promis­ cue per omnia et ubique insculpendo ac pingendo, cum armis imperialibus partiantur ex equo, admissa imperiali dignitate dextra parte50.

In unterschiedlichen Zusammenhängen bezog sich vor allem die Aachener Lokalforschung wiederholt auf diesen – wie gesagt 1401, vielleicht aber auch erst 1416/17 geschriebenen – Brief; hier soll er, der obendrein einen Beleg für die französische Karlstradition darstellt, Erwähnung finden als weiteres Zeugnis für Montreuils Bemühungen um Rang und Vorrang seines regnum Franciae, das für ihn natürlich in bruchloser Kontinuität zum Reich der Franken steht, deren Macht die Deutschen seiner Überzeugung nach eigentlich ihr Kaisertum überhaupt erst zu verdanken haben51. 49  Opera, I / 1 (wie Anm. 2), ep. 117, Z. 27–30; vgl. Theodor Lindner, Die Fabel von der Bestattung Karls des Grossen, in: ZAGV 14 (1892), 168; Peltzer, Beziehungen Aachens (wie Anm. 2), 173; Josef Buchkremer, Das Grab Karls des Grossen, in: ZAGV 29 (1907), 106; Eduard Teichmann, Die Lage und Geschichte des Grabes Karls des Großen, in: ZAGV 37 (1915), 196 (Die Autoren nahmen – im Rahmen ihres Themas – ausschließlich von dieser Aachen betreffenden Passage des Briefes Kenntnis); vgl. auch Grévy-Pons, Propagande (wie Anm. 15), 137 Anm. 55. 50 Opera, I / 1 (wie Anm. 2), ep. 209, Z. 7–13 (1. Zitat), Z. 28–34 (2. Zitat). 51 a) Aachener Forschungen: Vgl. die Anm. 2, Anm. 38 und Anm. 49 genannten Autoren (Buchkremer, Huyskens, Peltzer, Teichmann). b) Zur Karlstradition in Frankreich Robert Folz, 25 décembre 800. Le couronnement impérial de Charlemagne, Paris 1964 (ND 1989) (Trente journées qui ont fait la France 3), 243–264; Ders., Aspects du culte liturgique de saint Charlemagne en France, in: Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben, IV: Das Nachleben, hg. v. Wolfgang Braunfels / Percy Ernst

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Dem Propst von Lille bei solcher Argumentation eine antideutsche Haltung zu unterstellen, ginge indes fehl. Er, der auch die Italiener als hinterlistige Egoisten, die gegnerischen Engländer als das schlechthin verhaßteste Volk der Welt und – nach dem Bund mit Lancaster – schließlich König Sigismund als moralisch verkommenes Subjekt, als ebenso treubrüchigen wie ruhmsüchtigen Schnorrer und Hochstapler attackierte52, er war zwar durchaus in den zu seiner Zeit bereits zu Clichés erstarrten Urteilen über andere Reiche und Völker befangen, wobei ihn die persönliche Kenntnis der betreffenden Länder darin eher noch bestärkt zu haben scheint. Als Humanist obendrein einer weitgehend patriotisch getönten Bewegung verpflichtet – im französischen Falle war sie zudem auf Behauptung und Eigenprofil gegenüber den Lehrmeistern aus Italien bedacht –, steigerte sich für das Mitglied der königlichen Kanzlei, den Diplomaten und Propagandisten der französischen Sache solcher Patriotismus fast zwangsläufig zu einer die Vorzüge des eigenen Landes – im übrigen nicht grundlos – rühmenden Form von Pränationalismus. Funktionen und Traditionen mögen seinen Blick manches Mal verengt und getrübt haben, doch zum blinden Eiferer ist er darüber nicht geworden. Insbesondere Neues und Ungewohntes fand in ihm einen durchaus aufmerksam-offenen wie nachdenklich-kritischen Beobachter. So fielen ihm auf der Reise durch den Nordwesten des Reichs besonders die wirtschaftliche Prosperität und politische Unabhängigkeit der zahlreichen Städte ins Auge53, die Schramm, Düsseldorf 1965, 77–99; František Graus, Lebendige Vergangenheit. Überlieferungen im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter, Köln – Wien 1975, 182–198. Speziell zum 15. Jahrhundert: Jacques Monfrin, La figure de Charlemagne dans l’historiographie au XV e siècle, in: Annuaire-Bull. de la SHF a. 1964/65, 67–78. 52 Vgl. die Angaben in Anm. 17 sowie Opera, III (wie Anm. 5), 131 s. v. „Anglais“, 157 s. v. „Italiens“. Das Pamphlet gegen Sigismund: Opera, II (wie Anm. 16), n. 227 (S. 333–346; Z.  241 f.: Quousque, bone Deus, ascendere possunt monstri huius temeritates …? ); cf. RF III, 370. – Vgl. Ouy, Jean de Montreuil (wie Anm. 5), 1684. 53 Es ist bedauerlich, daß wir keine Äußerungen Montreuils über seinen Aufenthalt in Konstanz besitzen. Am 28. Januar 1415 war er als königlicher Gesandter für das Konzil nominiert worden, auf dem er am 5. März eintraf. Dies belegen – entgegen der Annahme von Guenée, Entre l’Église et l’État (wie Anm. 6), 291 – AAC, III, hg. in Verbindung mit Johannes Hollnsteiner / Hermann Heimpel v. Heinrich Finke, Münster 1926 (ND 1981), 217; Ulrichs von Richental Chronik des Constanzer Concils 1414–1418, hg. v. Michael R. Buck, Tübingen 1882 (Bibl. des Lit. Vereins in Stuttgart 158), 189; vgl. Valois, France (wie Anm. 19), IV, 385 Anm. 2 (mit weiteren Belegen); Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 9; Bozzolo / Loyau, Cour Amoureuse (wie Anm. 4), I, n. 60 (S. 73); Ornato/Ouy/Pons, a) in: Opera, II (wie Anm. 16), 47; b) in: Opera, IV (wie Anm. 5), 69, 316 (Konstanz auch als Treffpunkt der Humanisten und Büchermarkt für Montreuil von Interesse!); Ouy, Les premiers humanistes (wie Anm. 4), 275; Bautier, Chancellerie (wie Anm. 17), 31; Walter Brandmüller, Das Konzil von Konstanz 1414–1418, I: Bis zur Abreise Sigismunds nach Narbonne, Paderborn 1991, 218. Wiederholt als Gesandter mit der Kirchenfrage befaßt – ihr galt ja auch vornehmlich die Mission ins Reich 1400/01 –, war er ebenfalls Mitglied einer französischen Delegation zur römischen Synode Johannes’ XXIII. gewesen, auf der er im Januar 1413 eine Rede hielt: Opera, I / 1 (wie Anm. 2), ep. 196 = AAC, I, n. 34; vgl. ebd., 116 ff.; Thomas, De Joannis de Monsterolio vita et operibus (wie Anm. 18), 11; Valois, France, IV, 213 f. In Rom schloß er auch Freundschaft mit Leonardo Bruni: Voigt, Wiederbelebung (wie Anm. 10), II, 346.

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für ihn aber eine religiöse Kehrseite zu haben schienen – unter diesem Aspekt wird das Thema „Köln und Jean de Montreuil“ von Interesse sein. Schon Mons im Hennegau, das der Gesandte als erste Station im Reich aufführt, erhält das Prädikat pulcherrimum quidem opidum et amenissimum. Sodann auf der Reise durch Brabant tot loca egregia, tot opida villasque perquampulcras, incolis ac domibus structurisque insignibus fecundas vidimus, quot non reor ubilibet, in tam arcto tamen spacio, sub nostro posse emisperio reperiri54.

Nach der Weiterfahrt über das Herzogtum Jülich und Aachen, die wegen der Fruchtbarkeit der Böden bzw. – wie dargelegt – als Stätte des Karlskultes Erwähnung finden55, schließt sich, gleichsam als Höhe‑ und Schlußpunkt der Stadtbeschreibungen die eingangs zitierte Charakteristik Kölns an, wobei mit dem Montreuil ja bekannten Mainz sowie Straßburg weitere positive Vergleichsgrößen begegnen. Die allgemeine, ins Politische gewendete Schlußfolgerung des Propstes von Lille lautet: Sunt insuper egregia loca alia quammulta, quorum latinitas me auffugit, que sese cum predictis adeo in sua libertate manutenent vindicantque, et omnium, qualicumque fulgeant dominio, submitti contradicunt ditioni, quatinus, levissimis quibusdam iuribus persolutis, aut, ut pressius dicam, vix tenue recognitis, quemquam, ni eis gratissimum foret, introire quoquopacto non sinerent, imperiali esto, aut alio superemineat pallio sceptrove muniatur. Nec est quod quisquam de vectigalibus sermonem faciat, si non cum verbo pacisci protinus vitam velit; prius enim cuique, cum Comico, molendum esset in pistrino, aut eis tortor oculos erueret, quam ipsis invitis extorqueret solam pictam56.

III. Köln Gerade für einen Franzosen war dies ein erstaunliches Phänomen, definierten sich die bonnes villes seines Königreichs doch nicht gleichsam aus sich selbst als vielmehr durch ihre zwar unmittelbaren, aber auch reale Abhängigkeit einschließenden Beziehungen zu König und Fürst sowie über die Rolle als Repräsentanten und Sprecher ihrer Region auf den Ständeversammlungen, die ihrerseits auf 54 Opera, I / 1 (wie Anm. 2), ep. 117, Z. 12 f. (Mons), 15–18 (Brabant); vgl. Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 29. 55 Jülich: transactoque Juliacensi ducatu, gleba nempe frugifera maxime exuberanti: Opera, I / 1 (wie Anm. 2), ep. 117, Z. 26 f. – Aachen: wie Anm. 49. Es fällt auf, daß die Gesandtschaft zunächst durch das Herzogtum Jülich und dann erst nach Aachen gekommen sein soll. Täuschte den Propst bei der nach seiner Rückkehr erfolgten Niederschrift die Erinnerung oder aber verwechselte er Hin‑ und Rückreise? Letztere könnte nach der Teilnahme an der Krönung Ru­ prechts am 6. Januar 1401 in Köln (vgl. Anm. 29) über Geldern (vgl. hier S. 373 f. mit Anm. 38), Jülich und Aachen erfolgt sein. 56 Opera, I / 1 (wie Anm. 2), ep. 117, Z. 55–64 (Comicus: s. Ornato, ebd., 177 Anm. 4); vgl. Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 29.

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allen Ebenen immer stärker dem Willen des Monarchen und dessen Vertretern vor Ort unterworfen waren57. Auch die Reichsstädte betonen im späten Mittelalter stets ihr enges Verhältnis zu Herrscher und Reich, und sie sollten noch auf Jahrhunderte Vororte der Kaisertreue und des Reichsbewußtseins bleiben, doch um unter diesen Vorzeichen faktisch eine durch Emanzipation und selbstbestimmtes Handeln gekennzeichnete Politik zu betreiben, um sich in einem von Befreiungen und Freiheiten markierten Aktionsraum zu bewegen58, der für französische Städte unerreichbar blieb. Erst 1374 hatte Köln betont, daß es eyne vrye stat were van rechte, und am 13. Oktober 1400 betrachtete es sich in einem an Aachen gerichteten Schreiben als Reichsstadt59. Im Begriff der Köln von Jean de Montreuil zuerkannten ingens honorificentia schwingt auch etwas von seiner Bewunderung für und Verwunderung über solchen Status einer Stadt mit, der sich nach außen in Wohlstand und Überfluß spiegelt. Man zeigt durchaus, was man hat, und weiß sich zugleich durch leutselige Freundlichkeit genehm zu machen – die Aussagen des Propstes von Lille über die rheinischen Städte Köln und Straßburg scheinen zunächst einmal mit seinen eigenen Ausführungen über deutsche barbaries zu kontrastieren. (Und wenn die Stadt studiis asperrima belli sein soll, dürfte das kaum wörtlich zu nehmen sein oder sich gar konkret auf den gewaltsamen Sturz der Geschlechterherrschaft 1396 beziehen, sondern nur einen weiteren Beleg für Montreuils Bemühungen darstellen, seine Kenntnis klassischer Autoren – hier Vergils „Aeneis“ [I 14] – an allen mehr oder minder passenden Stellen nachzuweisen.) Das Lob Kölns beruht nicht auf genauer Ortskenntnis, sondern gibt lediglich einen ersten Gesamteindruck wieder, der sich im Verlauf seiner Reise durch die erwähnten Städte im Westen des Reichs allmählich herangebildet hatte, um dann am Rhein seine volle Bestätigung zu finden. Indirekt belegt Jean de Montreuil damit auch ein immer stärkeres Auseinanderfallen von ökonomisch und politisch im Reich führenden Landschaften. Und er scheint mit seinen Beobachtungen der Wirklichkeit durchaus nahegekommen zu sein, finden sich doch Parallelen in bekannten und unbekannten Zeugnissen des 14. / 15. Jahrhunderts. Die affabilitas 57  Bernard Chevalier, Les bonnes villes de France du XIV e au XVIe siècle, Paris 1982; Albert Rigaudière, Qu’est-ce qu’une bonne ville dans la France du Moyen Age?, in: La Charte de Beaumont et les franchises municipales entre Loire et Rhin (Huit-centième anniversaire de la Charte de Beaumont-en-Argonne, 1182) (Actes du Colloque org. par l’Inst. de recherche régionale de l’Univ. de Nancy II, Nancy, 22–25 IX 1982), Nancy 1988, 59–105. 58 Vgl. dazu exemplarisch Elsbet Orth, Freiheit der Stadt: Der Fall Frankfurt, in: Die abendländische Freiheit vom 10. zum 14. Jahrhundert. Der Wirkungszusammenhang von Idee und Wirklichkeit im europäischen Vergleich, hg. v. Johannes Fried, Sigmaringen 1991 (VuF 39), 435–460. 59 A.-D. van den Brincken, Die Vorgeschichte von Kölns Privilegierung als Freie Reichsstadt: Köln und das Reich bis 1474, in: Köln 1475. des Heiligen Reiches Freie Stadt [Ausstellungskatalog], Köln 1975, 28 f. (n. 23), 30 (n. 28) = RTA IV, n. 153 (S. 169); vgl. Klaus Militzer, Collen eyn kroyn boven allen steden schoyn. Zum Selbstverständnis einer Stadt, in: Colonia Romanica 1 (1986), 22.

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morum läßt an Petrarcas berühmte Schilderung seiner Ankunft in Köln am Vorabend des Johannistags 1333 denken; die magnificentia an die Beschreibung Kölns in der „Germania“ des Enea Silvio Piccolomini, die sich für den Senesen auch in den Bauten und in der Lage der Stadt dokumentierte60. Ein weiteres – hierzulande wenig bekanntes – Zeugnis dafür ist der um 1445 geschriebene „Livre de la description des pays“ des Gilles Le Bouvier, gen. Héraut Berry, wobei dem weitgereisten Wappenkönig Karls VII. von Frankreich gleich dem Propst von Lille die Sonderheit der Verfassung auffiel: Près de ce païs [Trier] est le païs de Collongne qui est le meilleur païs de la basse Alemaigne. Car Collongne est la meilleur cité, et la plus plaisante et la plus belle et honneste, et mieulx habillés et montés, et riches gens. Ces gens ont ung arcevesque qui n’est pas seigneur de la ville. Car c’est une des maistresses chambres de l’empereur. Cet arcevesque a assez chasteaulx et villes et a IIIc mille florins à despandre par an61.

Und jene wohl um 1400 verfaßten „Laudes Coloniae“ mag man als am Ort entstandenes Komplement hinzufügen62, jedoch nur mit Einschränkungen, da hier an die Stelle ruhiger Bestimmtheit bürgerlichen Selbstbewußtseins ein in Superlativen schwelgender Lokalpatriotismus tritt: Ex[tra] te enim vita non cognosco, civitas pulcherrima … Nullam enim parem te censeo63. Was Köln aber vor allem preiswürdig macht, sind nach Auffassung des anonymen Autors der „Laudes“ dessen Kirchen und Reliquien, die er denn auch gewissenhaft aufzählt64. Kommunale Identität ruht mit im Wissen um eine Sakralgemeinschaft, um den Schutz der Freiheit durch die Stadtpatrone. Überdeutlich zeigt sich dies gerade am Kölner Banner und Wappen, das entsprechend ausführ-

60 a) Petrarcas Brief an Kardinal Giovanni Colonna vom 9. August 1333: F. P., Le Familiari. Ed. critica per cura di Vittorio Rossi, I, Florenz 1933, I / 5 § 1–14 (S. 28 ff.). – b) Enea Silvio Piccolomini, Germania, hg. v. Adolf Schmidt, Köln – Graz 1962, 50 (c. 7). 61 Le livre de la description des pays de Gilles Le Bouvier, dit Berry, publ. … par Ernest-Th. Hamy, Paris 1908 (Rec. de voyages et de documents pour servir à l’histoire de la géographie depuis le XIIIe jusqu’à la fin du XVIe siècle), 111. 62 Laudes Coloniae, in: Fontes rerum Germanicarum, hg. aus dem Nachlasse J. Fr. Boehmer’s v. A. Huber, Stuttgart 1868, 463–470. – Zur Datierung (auf jeden Fall nach 1388, da von der sancta universitate pulcherrima, in qua est doctorum, magistrorum et clericorum venerabilium multitudo copiosa, die Rede ist: 468) Heinz-Dieter Heimann, Stadtideal und Stadtpatriotismus in der „Alten Stadt“ am Beispiel der „Laudationes Coloniae“ des Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: HJb 111 (1991), 17–21. – Anders und nicht ohne Widersprüchlichkeit Militzer, Collen (wie Anm. 59), 17, 28 Anm. 29. 63 Laudes Coloniae (wie Anm. 62), 463 f.; Kölner müßten demnach auch bessere Menschen (gewesen) sein: Te eciam inhabitat utriusque sexus populus devotus, benignus, pacificus, mitis, humilis, sobrius, affabilis, pius, mansuetus, prudens, castus, pulcher et pudicus (465). Sie leben in einem Gebiet, wo Milch und Honig fließen: In terra optima ex melle, frumento, vino et lacte es locata (464). Zu beachten bleibt allerdings, daß die Stadt tatsächlich – im Vergleich etwa zu Trier – über eine relativ gute Versorgung durch das Umland verfügte: Franz Irsigler, Bündelung von Energie in der mittelalterlichen Stadt. Einige Modellannahmen, in: Saeculum 42 (1991), 317. 64 Laudes Coloniae (wie Anm. 62), 465–468.

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lich beschrieben und ausgedeutet wird65 . Doch intendieren die „Laudes“ sicher nicht nur Innenwirkung, sondern wollen mit solchen Pfunden auch anderwärts wuchern, Wallfahrtswerber und ‑führer sein. Daß das spätmittelalterliche Köln Ziel zahlreicher Pilger war, belegt unter vielen Zeugnissen die Nachricht, bei der erwähnten Krönung Ruprechts am Dreikönigstag des Jahres 1401 habe sich ohnehin eine große Zahl von Wallfahrern in der Stadt aufgehalten66. Es waren denn auch in der Hauptsache die sterblichen Überreste der Heiligen Drei Könige67 sowie die Reliquien der heiligen Ursula und ihrer Gefährtinnen, die den Ruhm der Stadt als Pilgerzentrum ausmachten und von ihr bei allen denkbaren Gelegenheiten entsprechend genutzt und eingesetzt wurden – so etwa führten die Kölner im Rangstreit mit Aachen auf dem Regensburger Reichstag 1454 die corpora trium regum, quos magos dicimus, et ossa undecim milium virginum zu ihren Gunsten an68. Im Gegensatz zu einem Guillaume Apollinaire, der genau 500 Jahre nach dem Aufenthalt des Propstes von Lille ebenfalls in Köln weilte und sich – wie 1842 auch Victor Hugo – über die Kathedrale und die Heiligen Drei Könige ausließ69, wurde von Jean de Montreuil nur der undecim milium virginum chorus erwähnt. Reliquien der Jungfrauen wird er schon seit seiner Studienzeit zu Paris gesehen haben, und zwar in der am Ursulafest des Jahres 1347 geweihten Kapelle des Sorbonnekollegs, wo auch noch im 15. Jahrhundert der 21. Oktober 65 Laudes Coloniae (wie Anm. 62), 469; vgl. Hans-Jürgen Becker, Stadtpatrone und städtische Freiheit. Eine rechtsgeschichtliche Betrachtung des Kölner Dombildes, in: Beiträge zur Rechtsgeschichte. Gedächtnisschrift für H. Conrad, hg. v. Gerd Kleinheyer / Paul Mikat, Paderborn u. a. 1979 (Rechts‑ u. staatswissenschaftl. Veröffentl. der Görres-Gesellschaft, N. F. 34), 34 f. (zur Legende des 14./15. Jahrhunderts, Freiheit verdanke Köln Ursula, Gereon und den Drei Königen), 35 f. (Banner und Wappen); Heimann, Stadtideal (wie Anm. 62), 47. Für die vorangehende Zeit instruktiv Alfred Haverkamp, ,Heilige Städte‘ im hohen Mittelalter, in: Mentalitäten im Mittelalter, hg. v. František Graus, Sigmaringen 1987 (VuF 35), 119–156. 66 Koelhoffsche Chronik, in: Die Chroniken der niederrheinischen Städte, III (wie Anm. 29), 740: Item dae was grois unuissprechlich vreude ind waillust des voulks, dat zo der zit zo Coellen komen was uis vil landen umb die hilligen dri koninge zo versuchen: want dae wart gehalden ein vrihof, daemit ein iglich sich deilhaftich machen moichte der koninklicher goidicheit ind mildicheit. 67 Zu den politischen Hintergründen des Kults, die auch die Frage nach der Authentizität der Reliquien aufwerfen, Odilo Engels, Die Reliquien der Hl. Drei Könige in der Reichspolitik der Staufer, in: Die Heiligen Drei Könige (wie Anm. 29: Stehkämper), 33–36. 68 Vgl. Johannes Helmrath, Sitz und Geschichte. Köln im Rangstreit mit Aachen auf den Reichstagen des 15. Jahrhunderts, in: Köln. Stadt und Bistum (wie Anm. 38: Grosse), 719–760. Der Autor stellte mir seinen von den Auseinandersetzungen zwischen Köln und Aachen um die Rangordnung auf den Reichstagen des 15. Jahrhunderts handelnden Beitrag freundlicherweise vorab zur Verfügung. 69 a) [Guillaume] Apollinaire, Œuvres poétiques. Texte établi et annoté par M. Adéma / M. Décaudin, Paris 1956 (Bibl. de la Pleiade 21), 542 f. Mit dem Titel seines berühmtberüchtigten Romans „Les onze mille verges“ hob der Dichter übrigens auf die ihm während seines Aufenthalts im Rheinland 1901/1902 bekanntgewordene Legende von Ursula und den elftausend Jungfrauen wortspielerisch (verges – vierges) ab. b) Victor Hugo, Œuvres complètes. Éd. chronologique, publ. sous la dir. de J. Massin, VI, Paris 1968, 258.

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festlich begangen wurde70. Von deren Kölner Kultzentrum muß er tief beeindruckt gewesen sein, denn bei anderer Gelegenheit sollte er ebenfalls auf diesen Ort zurückkommen71, über den er sich hier als einzigen Kölns näher ausläßt und dessen Zahl an Reliquien ihm fast so groß wie die der sterblichen Überreste an der Kirche und dem von Beinhäusern umstandenen Friedhof der Heiligen Unschuldigen Kinder im Pariser Hallenviertel erscheint. Bevor es im 16. Jahrhundert zur Einrichtung einer „Goldenen Kammer“ kam, fiel der Blick des Besuchers von St. Ursula zuerst auf Reliquien in Sarkophagen in der Vorhalle, alsdann auf die Reliquiennischen des Hochchors, auf den Schreinsaltar und die Doppelbüsten auf der Emporenbrüstung sowie zahlreiche Behälter mit den sterblichen Überresten auf der Empore selbst72. Unser Propst betrat die Kirche überdies zu einem Zeitpunkt, da der Ursulakult nach einem ersten, durch die Reliquienfunde auf dem ager Ursulanus im 12. Jahrhundert erreichten Höhepunkt am Beginn erneuter Blüte stand. Noch 1393 hatte Papst Bonifaz IX. auf Ersuchen der Stadt Köln unter Androhung der Exkommunikation ein Verbot jeglicher Reliquienausfuhr aussprechen müssen, doch ein Jahrhundert später wird es nach wie vor Anfragen insbesondere wegen sterblicher Überreste der Jungfrauen und entsprechende Lieferungen geben73. Gerade das 15. Jahrhundert hat als ein Saeculum gesteigerter Verehrung Ursulas und ihrer Gefährtinnen in ganz Europa von Island bis Siebenbürgen und von Spanien bis Finnland zu gelten; besonders intensiv war sie natürlich an ihrem wirtschaftlich prosperierenden Zentrum Köln: Bruderschaften wurden gegründet oder wiederbelebt, Legenden, Lieder und Gebete verfaßt; neben der berühmten Darstellung der Heiligen auf einem Flügel von Stefan Lochners Bild der Kölner Stadtpatrone gibt es nicht weniger als fünf kölnische Ursulazyklen des 15. Jahrhunderts74. Ob 70 J. Ferreiro Alemparte, España y Alemania en la Edad Media, III: Propagación y culto de las reliquias de las once mil virgenes en Portugal y provincias de ultramar, in: Boletin de la Real Acad. de la Historia 171 (1974), 513 mit Anm. 25 (Belege); vgl. Hermann Crombach, Vita et martyrium SS Ursulae et sociarum undecim milium virginum (Vindiciae Ursulanae), Köln 1647, 703. Im 17. Jahrhundert von Richelieu neu erbaut und zu seiner Grabstätte bestimmt, markiert die Kuppel von Ste-Ursule-de-la-Sorbonne noch heute das alte Pariser Universitätsviertel. 71 Opera, I / 1 (wie Anm. 2), ep. 214, Z. 13 ff.: … perque undecim mille virginum perpulcrarum neces unica iussione, quarum sacra capita his oculis in Agripina vidi et pro reliquiis magnificentibus adorantur (an Nicolas de Clamanges, 1417 August/September: Opera, IV [wie Anm. 5], 290). 72 Frank G. Zehnder, St. Ursula, Legende, Verehrung, Bilderwelt, Köln 21987, 62. 73 Leonard Ennen/Gottfried Eckertz, Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, VI, Köln 1879 (ND 1970), n. 64 (S. 114 f.); vgl. Gertrud Wegener, Geschichte des Stiftes St. Ursula in Köln, Köln 1971 (Veröffentl. Köln. Geschichtsverein 31), 56; Zehnder, St. Ursula (wie Anm. 72), 90. 1407 ging an St. Ursula selbst ein jahrzehntelanger Streit zwischen Äbtissin und Konvent um die Gütertrennung zu Ende, die in den meisten anderen der kölnischen Stifte schon längst vollzogen war: Wegener, 71–75. 74 Grundlegend hierfür Zehnder, St. Ursula (wie Anm. 72), 70, 72, 75, 78, 118–200, 219 ff.; s. auch Rainer Budde, Köln und seine Maler 1300–1500, Köln 1986, 51, 55, 90 f., 128 f.; Kat. n. 40, 55, 61, 86 f.; G. Otto, Die Ursula-Legende, sowie die Entwicklung und Ausbreitung

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man 1435 in Portugal zur Wallfahrt an den Rhein aufbrach, ob Friedrich III. im Juni 1442 nach seiner Aachener Krönung zu Köln die Ursulakirche aufsuchte, ob die Offenbarungen einer Elisabeth von Schönau und sonstige Passions‑ und Revelationsliteratur wieder stärker verbreitet und somit wohl auch häufiger gelesen wurden75, das Bild ist eindeutig: Die Legende bzw. die verschiedenen Legendenversionen von der hl. Ursula und ihrer 11000 Jungfrauen76 fanden, allen Unwahrscheinlichkeiten und Widersprüchen zum Trotz, allgemein Zustimmung und Glauben, zumal gerade dieser Kult vollauf den Vorstellungen und Wünschen einer spätmittelalterlichen Volksfrömmigkeit entsprach, der an – modern gesprochen – quantifizierend-dinglicher Heilsversicherung gelegen war. Reliquien aber stellten konkrete Kultzeugnisse schlechthin dar, und in diesem Fall erhöhte die große Zahl nur noch deren Dignität, da hier das Eintreten besonders vieler Fürsprecher an Gottes Thron für das Seelenheil der Pilger zu erwarten stand77. Es ist gewiß kein Zufall, daß seit dem Ausgang des 13. Jahrhunderts das Motiv der Schutzmantelmadonna auf Ursula übertragen wurde und gerade im 15. Jahrhundert solche Darstellungen auffällig zunehmen, auf denen die Heilige einen Mantel über die bei ihr Zuflucht Suchenden breitet78. der Ursula-Verehrung, in: Ursulinen in Köln 1639–1989. FS zum 350jährigen Bestehen der Ursulinenschule Köln, Köln 1989, 24 ff.; vgl. allgemein Guy de Tervarent, La légende de SteUrsule dans la littérature et l’art du Moyen Age, 2 Bde., Paris 1931. 75 a) Portugal: Crombach, Vita (wie Anm. 70), 918; Ferreiro Alemparte, España y Alemania (wie Anm. 70), 491; vgl. auch Diario da jornada do Conde de Ourém do concilio de Basileia, in: L. Scarlatti, Os homens de Alfarrobeira, Lissabon 1980, 356. b) Friedrich III.: Stehkämper, Könige und Heilige Drei Könige (wie Anm. 29), 41. c) Literatur: Wilhelm Levison, Das Werden der Ursula-Legende, in: Bonner Jahrbücher 13 (1927) [ebenfalls sep. Köln 1928], 91–94, 102 ff.; Zehnder, St. Ursula (wie Anm. 72), 219 ff. Im späten 15. Jahrhundert wurden die Texte auch häufig gedruckt: Levison, 126; Matthias Zender, Räume und Schichten mittelalterlicher Heiligenverehrung in ihrer Bedeutung für die Volkskunde. Die Heiligen des mittleren Maaslandes und der Rheinlande in Kultgeschichte und Kultverbreitung, Düsseldorf 1959, 201; Otto, Die Ursula-Legende (wie Anm. 74), 27. 76 Grundlegend über die Legende(nversionen) Levison, Das Werden der Ursula-Legende (wie Anm. 75 c), 1–164 (vgl. dazu M. Coens, Les vierges martyrs de Cologne d’après un ouvrage récent, in: Analecta Bollandiana 47 [1929], 89–110). Zur ersten Information jetzt auch A. Schmitz, Die Ursulaverehrung, in: 450 Jahre Ursulinen [Ausstellungskatalog], Köln 1985, 17–20; Otto, Die Ursula-Legende (wie Anm. 74), 18–22. Auf die vieldiskutierte Inschrift des Clematius ist hier nicht einzugehen; ich selber halte die Ausführungen von Levison, 3–25 auch in diesem Punkt nach wie vor für am überzeugendsten. Als ein Produkt der karolingischen Renaissance sieht sie nunmehr an Nancy Gauthier, Origine et premiers développements de la légende de Ste-Ursule à Cologne, in: CRAI a. 1973, 108–119 (121); zu diesen hierzulande bislang kaum rezipierten Ausführungen jetzt zustimmend Carlrichard Brühl, Palatium und Civitas. Studien zur Profantopographie spätantiker Civitates vom 3. bis zum 13. Jahrhundert, II: Belgica I, beide Germanien und Raetia II, Köln – Wien 1990, 5 Anm. 40. 77 Am Beispiel der Ursulaverehrung zeigte dies überzeugend auf Zender, Räume (wie Anm. 75 c), 200 f.; ebd., 196, 198–200, 206 auch zur Verbreitung des Kults. 78 Otto, Die Ursula-Legende (wie Anm. 74), 28, mit Verweis auf eine ungedruckt gebliebene Arbeit von B. Schröder. Abb. etwa bei Budde, Köln und seine Maler 1300–1500 (wie Anm. 74), Kat. n. 60, 234; 450 Jahre Ursulinen (wie Anm. 76: Schmitz), n. 31, 93.

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Wenn überhaupt kritische Stimmen laut wurden, so richteten sie sich gegen Einzelpunkte der Legende79. Bedenken grundlegender Art äußerte damals um 1400 – soweit bekannt – nur der im Paderbornischen lebende und schreibende Kleriker Gobelin Person. In seinem „Cosmidromius“ bemerkte er, daß er eine Liste von vor allem auf die Seherin Elisabeth von Schönau zurückgehenden Irrtümern nach Köln geschickt habe: Et licet plures viri solempnes et magne reputacionis illa perlegerunt, tamen solucionem eorum, que contra supradictas assertas revelaciones, in quantum historiam virginum praedictarum contingunt allegari, obtinere non valebam (Ob er ernsthaft anderes erwartet hatte?)80.

Ganz so isoliert, wie es den Anschein hat, steht der Paderborner Weltchronist indes nicht. Denn Jean de Montreuil hatte die Kölner Erfahrung in der Tat beeindruckt, aber negativ: Sie bot auch ihm Anlaß zu prinzipieller Kritik, doch zielte er mit ihr auf anderes als der historische Unstimmigkeiten und Widersprüche hervorhebende Gobelin Person. Der Ursulakult ließ ihn gegen ebenjene quantifizierend-dingliche Frömmigkeit Stellung beziehen, die in seinen Augen ausgewuchert ist, sich in Äußerlichkeiten erschöpft und damit vom Gesetz Christi entfernt hat, um einem Mohammed in die Hände zu spielen: Quid vis dicam? Adeo ibidem, et alias plurimode religio nostra adaucta est et creta, ac passim effunditur minus caute, ut rescindi potius quam extendi, meo iudicio, expediret. O gloriosissime Salvator noster Jhesus, utinam secundum traditionem tuam scientificissimam, sollertissimam, iustissimam, equissimam, limatissimam et in maxima parte sui, moralissimam, lex tua asservaretur! Non equidem in plerasque incideremus anilitates, sed, que iussio tua est, cum religione rite colendo sapientiam iungeremus! Equus qui pressis retinetur habenis, non facile in precipitium ruit, sed ruit conlaxatis. Nec a credulitate remotum est illum nequam seductorem Machometum ob has tottot rerum super res inculcationes, suis sectatoribus a religione christicola secessim suasisse. Enimvero si cum Marcionita, Arriano, Von Interesse, doch hier nicht zu erörtern ist die Frage nach möglichen sozialen Konsequenzen solchen Kults: Wurden dadurch Hierarchien und Ausgrenzungen (teilweise) aufgehoben, wurde die Rolle der Frau – in der Welt der Wunder hat sie fast dieselbe Bedeutung wie der Mann – dadurch aufgewertet? S. dazu (in anderem Kontext) Rebekka Habermas, Wallfahrt und Aufruhr. Zur Geschichte des Wunderglaubens in der frühen Neuzeit, Frankfurt / M.–New York 1991 (Campus Histor. Studien 5), 54–61, 91 f. 79 Dies änderte sich natürlich grundlegend im 16. Jahrhundert; das 1647 veröffentlichte Werk des Kölner Jesuiten Crombach, Vita (wie Anm. 70) – sein Orden trug besondere Sorge um die weitere, auch weltweite Propagation der Ursulaverehrung – setzte sich im wesentlichen mit lutherischen und calvinistischen Kultgegnern auseinander. Es konnte nicht ausbleiben, daß seine Arbeit im 19. Jahrhundert von dieser Seite schärfster Verurteilung anheimfiel: „… er schrieb ein Buch … in so dumpfer, dem blödesten Aberglauben verfallener Gesinnung, ohne auch nur die leiseste Spur einer historischen Kritik, daß es für alle Zeiten ein Denkmal und Muster menschlichen Blödsinnes und geistiger Verirrung ist“: O. Schade, Die Sage von der heiligen Ursula und den elftausend Jungfrauen, London – Hannover – Oxford 21854, 10. 80 Cosmidromius Gobelini Person, hg. v. Max Jansen, Münster 1900, VI, 14 (9 f., Zitat 10); vgl. Schade, Sage (wie Anm. 79), 10; Albert G. Stein, Die heilige Ursula und ihre Gesellschaft. Ein kirchenhistorischer Versuch, Köln 1879, 3; Levison, Das Werden der Ursula-Legende (wie Anm. 75 c), 125 Anm. 2.

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Valentinianove, aut Novatiano conferremus, alius sermo foret. Sed intensius loquimur confirmato, ac plene legis, scio81.

Und so ist es ausgerechnet der Kölns Ruf und Ruhm mitfestigende Kult der Ursula und ihrer elftausend Jungfrauen, der Jean de Montreuil sein helles Bild der Stadt am Ende verdunkeln läßt. Erinnern wir uns seiner negativen Sicht der Geistlichkeit in Deutschland, dann liegt die Vermutung nahe, daß barbaries im Reich für ihn nicht zuletzt unter kirchlich-religiösen Vorzeichen stand. Doch mit einer ihn befremdenden Volksfrömmigkeit, wie sie sich in Form des Reliquienkults äußerte, hat der Gesandte auf dem Konto der barbarica Germaniae einen weiteren Negativposten verbucht, der in Wirklichkeit alles andere denn reichsspezifisch war. Dieser dürfte den Pariser Intellektuellen viel unangenehmer als den Franzosen Jean de Montreuil berührt haben, er ließ den Absolventen eines Elitekollegs und den Vorkämpfer einer sich elitär verstehenden und gebenden Bewegung wie der des Humanismus auf Abstand gehen zu einer doch allenthalben im lateinischen Europa der Zeit verbreiteten „religion populaire“, die für ihn mehr in krudem Aberglauben denn in echter Frömmigkeit wurzelte. Das Kölner Erlebnis war allerdings bestens geeignet, um unter dem genannten Leitthema barbaries subsumiert zu werden. Und wenn obendrein die deutschen Fürsten in der Frage des Schismas andere Wege als die Franzosen gingen, so hatte dieses Problem mit den Formen der Alltagsfrömmigkeit zwar überhaupt nichts zu tun, doch könnte in den Vorstellungen des damit befaßten Propstes von Lille beides im Verein mit seinem Eindruck von der deutschen Geistlichkeit zu einer rundum negativen Gesamtsicht von Kirche und religiösem Leben im Reich beigetragen haben.

IV. Jean de Montreuil. Nachbemerkungen Was aber mag er unter dem Gegenbegriff traditio scientificissima, unter dem Wunsch: cum religione rite colendo sapientiam iungeremus konkret verstanden haben? Fühlte er, der Priester, doch theologisch wohl nicht studiert, sich den Ideen und Idealen eines Jean Gerson verbunden, seines Konsodalen am Navarrakolleg, dem Seelsorge als Autor wie in der Praxis – vor allem in seinen späten Lyoner Jahren – ein wichtiges Anliegen war? Weist der Propst von Lille damit sogar auf das Ziel seines Landsmannes Lefèvre d’Etaples vor, Christentum und Humanismus harmonisch miteinander zu vereinen82, wie es auch Erasmus von Rotterdam 81 Opera, I / 1 (wie Anm. 2), ep. 117, Z. 41–53 (Equus … habenis: cf. Vergil, Aeneis XI, 600; Grévy-Pons / Ornato / Ouy [wie Anm. 5], 119). Mißverstanden hat diese Stelle offensichtlich Schmid, Jean de Montreuil (wie Anm. 2), 29: „er [Montreuil] fügt hinzu, wie sehr sein Glaube unter den frommen Menschen zugenommen habe“. 82 Anstatt eine Überfülle einschlägiger Literatur zu zitieren, sei hier nur hingewiesen auf die knappen, aber instruktiven Ausführungen von Jacques Verger, Des valeurs et des autorités

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vorschwebte? Diesen sollten übrigens ein gutes Jahrhundert später ebenfalls die Kölner Reliquien beschäftigen, doch verstand er sich im Gegensatz zu Montreuil darauf, deren Verehrung eine positive Seite abzugewinnen, da er sie mit einer an den betreffenden Heiligen als Vorbildern ausgerichteten christlichen Lebensführung verbunden wissen wollte. Er beglückwünschte die Stadt zwar wegen ihres Reliquienbesitzes, um aber daran eben die Mahnung anzuschließen: foelicior etiam futura, si quorum servat reliquias, eorum virtutes exprimat, et quorum possidet corpora, ab horum moribus non sit aliena: nimirum si Trium Regum pietatem synceritate religionis imitetur, si Undecim milium Virginum martyrio dignam puritatem vitae sobrietate aemuletur, si fortissimos adolescentes Macabaeos et invicti pectoris viraginem animi infracti constantia referat. Atque hanc sane meliorem foelicitatis suae portionem ipsa sibi vel largiri potest, vel conduplicare83.

Doch solch ein um Vereinbarkeit und Vereinigung von Gegensätzen bemühtes Denken war nicht die Stärke eines Jean de Montreuil, dessen Vorstellungen sich eher e negativo erschließen lassen: So fällt in seinem umfangreichen Œuvre die völlige Abwesenheit von Wundern und Wunderbarem auf, in seiner Welt hat das Mirakel keinen Platz. Das irdische Geschehen – insbesondere das ihm vertraute politische Geschäft – vollzieht sich für ihn nach eigenen Gesetzen, ohne daß es je zu einem unvorhergesehenen, plötzlichen Eingreifen Gottes gekommen wäre. Seine Perspektive ist die des Diesseits. Auch tradierte Mythen wie die des trojanischen Ursprungs der Franken übergeht er mit beredtem Schweigen; eine Flucht des Königs Johann des Guten 1356 bei Maupertuis hätte er – der Realist – für angebrachter als sinnlosen Heroismus gehalten. Reform und Moral interessierten ihn weniger als Schicksal und Bestimmung, der Propst von Lille hatte sich offenkundig bei der Lektüre des Traktats „De fato et fortuna“ des von ihm so verehrten Coluccio Salutati seine Gedanken gemacht84. Und wenn obendrein deutlich wird, wie sehr ihm an eigenem Ruf und Ruhm lag, daß ihn die formale Schulung an den antiken und den zeitgenössischen Vorbildern Italiens ungleich stärker interessierte als etwa die Erörterung theologischer Probleme, daß er heidnische Autoren öfter als Bibel und Kirchenväter zitierte, dann scheinen zunächst die Urteile von G. Voigt und A. Coville durchaus verständlich, Jean de Montreuil

différentes, in: Robert Fossier, Le Moyen Age, III: Le temps des crises 1250–1520, Paris 1983, 162 (Gerson); Erich Meuthen, Das 15. Jahrhundert, München 21984 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte 9), 172 (Faber Stapulensis). 83 Erasmus, Opus epistolarum, III (1517–1519), ed. Philip Sch. Allen, Oxford 1913, n. 842 (S. 312). Zum Empfänger und zum Hintergrund der Erwähnung auch der Reliquien der Makkabäischen Brüder vgl. die Vorbemerkungen des Herausgebers zum Brief ebd., S. 310 f.; A. von Euw, Die Makkabäerbrüder. Spätjüdische Märtyrer der christlichen Heiligenverehrung, in: Monumenta Judaica. 2000 Jahre Geschichte und Kultur der Juden am Rhein, I, Köln 1963, 782–786. 84 Simone, Umanesimo (wie Anm. 3), 24 f.; Cecchetti, Temi umanistici (wie Anm. 5), 39; Pons, Historiographie (wie Anm. 17), 111, 114; Dies., Présence (wie Anm. 5), 20–23 (mit Belegen).

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besitze ein heidnisches Humanismusverständnis, sein Skeptizismus lasse ihn auf der Seite des Paganismus innerhalb der Renaissance stehen85. A. Combes und F. Simone haben dieses Bild aber zu Recht korrigiert, denn zahlreiche Äußerungen des Propstes von Lille lassen sein Denken nach wie vor christlich geformt und grundiert erscheinen86 – ob dominiert wie bei seinen Konsodalen Jean Gerson und Nicolas de Clamanges, bleibe jedoch ebenso dahingestellt wie die Behauptung von A. P. Saccaro, er habe seine Kenntnisse antiker Philosophie und Literatur noch problemlos mit den Postulaten christlicher Ethik zu harmonisieren gewußt87. Jean de Montreuil war im spätmittelalterlichen Paris Mitglied einer Bewegung, der eine verschwindende Minderheit von Intellektuellen angehörte, und innerhalb dieser kleinen Gruppe fühlte er sich offenbar den neuen Idealen weitaus am stärksten verpflichtet (wenn sich das auch nicht immer in der Form und den – teilweise ja vorgegebenen – Themen seiner Werke entsprechend niederschlägt). So hatte sich im Herbst des Jahres 1400 mit dem Propst von Lille ein Mann von ungewöhnlicher Eigenständigkeit, ein unorthodoxer Einzelgänger auf die Reise ins Reich begeben. War der Mission im Auftrag Karls VI. auch kein Erfolg beschieden gewesen, weil die deutschen Fürsten in der Frankreich vornehmlich interessierenden Kirchenfrage keine Änderung ihrer Position vornahmen, so gewährt sie dem Historiker doch aufschlußreichen Einblick in die Verhältnisse des spätmittelalterlichen Reichs aus der Sicht des Pariser Hofs und noch mehr als das: Da mit Jean de Montreuil ein Humanist und Propagandist der französischen Sache dieser Gesandtschaft angehörte, erhielt jene Beurteilung durch sein Briefzeugnis zugleich ein kulturell-zivilisatorisches Komplement unter dem Leitthema der barbaries. Aus einem zweiten Grund verdient die bisher nur wenig beachtete Mission Aufmerksamkeit: Zu dem Blick auf die deutschen Zustände um 1400 aus solch doppelter Perspektive kommt der des Franzosen auf die Welt der Städte im Nordwesten des Reichs mit ihrer – dem eigenen Erfahrungshorizont so fremden – Verfassungswirklichkeit. Von der Machtlosigkeit der Reichsspitze und den fehlenden Lebensformen in Deutschland heben sich die Ausführungen des Jean de Montreuil über die unabhängigkeitsbewußten und wirtschaftlich prosperierenden Kommunen positiv ab. Der Propst von Lille öffnet sich dem Neuen und Andersartigen, weiß – bei aller kritischen Grundhaltung – die in diesen Städten

85 Voigt, Wiederbelebung (wie Anm. 10), II, 347 f.; Alfred Coville, Gontier et Pierre Col et l’humanisme en France au temps de Charles VI, Paris 1935, 78 u. ö. 86 Combes, Jean de Montreuil (wie Anm. 18), 594 u. ö. (Diese Studie des Gilson-Schülers C. ist eine in scharfer Form geführte Auseinandersetzung mit Thomas, De Joannis de Monsterolio vita et operibus [wie Anm. 18] und vor allem Coville, Gontier et Pierre Col [wie Anm. 85]); Simone, Il Rinascimento Francese (wie Anm. 5), 105 ff., 243, 249 f., 253. 87 Saccaro, Französischer Humanismus (wie Anm. 11), 95.

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konzentrierte Potenz durchaus zu würdigen: Dem bislang unbekannt gebliebenen Lob Kölns aus der Feder eines solchen Zeitgenossen eignet besondere Qualität. Und ein drittes Moment ist hervorzuheben: die durchgängig negative Einschätzung speziell der kirchlich-religiösen Zustände im Reich durch Jean de Montreuil. Seine Enttäuschung darüber, daß die Gesandtschaft in der zentralen Frage der Liquidation des Schismas kein Einvernehmen zwischen beiden Ländern hatte erzielen können, mag sich – wie erwähnt – hierauf ebenso ausgewirkt haben wie ein Hang zum Herausstellen von im fremden Land beobachteten Mißständen durch ihn als Propagandisten aus der königlichen Kanzlei, der so Ruf und Ruhm Frankreichs umso heller erstrahlen lassen konnte. Es bliebe aber noch zu überprüfen, inwieweit die Darstellung eines deutschen Klerus zwischen Skandal und Lächerlichkeit nicht doch eine gewisse Entsprechung in der damaligen Wirklichkeit hatte, denn blind oder verblendet war der Propst von Lille ja keineswegs, was die Schilderung der deutschen Städte erweist. Mit Sicherheit ist allerdings bei seinen Auslassungen über den Kölner Kult der heiligen Ursula und ihrer elftausend Jungfrauen ein stark subjektives Moment in Rechnung zu stellen. Hier befindet er sich auf jeden Fall im Widerspruch zu allgemein in seiner Zeit praktizierten Frömmigkeitsformen. Unabhängig und überlegen gibt er sich; die Religiosität eines im unsicheren Erdenleben nach konkreter Heilsversicherung suchenden Volks war nicht mehr die seine. Und so tritt am Ende nochmals das Individuum Jean de Montreuil in den Vordergrund. Umgab ihn die Einsamkeit des Intellektuellen, gefiel er sich sogar in der Rolle des elitären Humanisten? Entschädigte die Vertraulichkeit zwischen den Wissenden für den Verlust altvertrauter Glaubensformen? Der Versuch einer Antwort auf die letzte Frage führt alsbald auf die Spur langwährender und ‑wirkender Strukturen, zu Kontinuitäten in einem Frankreich des Umbruchs. Denn der Brief des Propstes von Lille war ja an Nicolas de Clamanges gerichtet, und gerade die Sodalen des Navarrakollegs maßen der Pflege gelehrter Freundschaft besondere Bedeutung bei. Da war ein starkes Netz geknüpft worden, sogar unter den Attacken der Burgunder 1418 sollte es nicht zerreißen. Am 12. Juni jenes Jahres fiel Jean de Montreuil wie so viele Anhänger der Partei Armagnac ihrem Massaker zum Opfer, doch über die Kriegsparteien hinweg werden manche der auf den Bänken des Kollegs angebahnten Verbindungen weiterhin Bestand haben und später für den Wiederaufstieg Frankreichs unter dem Zeichen der Rekonziliation von Bedeutung sein88. Es sollte sich aber auch – und dies nicht zuletzt auf Grund des Wirkens einer Persönlichkeit wie Jean de Montreuil – der am Kolleg begründete französische Frühhumanismus als so gefestigt erweisen, daß er trotz existentieller Bedrohung in den Jahren des Bürgerkriegs und der englischen Gefahr nicht ganz unterging, daß Männer wie Pierre de La Hazardière, Juan Serra und Jean Jouffroy die Ideen aufnehmen und kontinuitätssichernd weiter88 Näheres

bei Müller: a) Prosopographie; b) Franzosen: wie Anm. 7.

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tragen konnten89. Die humanistische Expansion im Frankreich des späten 15. und 16. Jahrhunderts hat auch ihre autochthonen Wurzeln.

89 Grundlegend jetzt Beltran, L’humanisme français (wie Anm. 16), 123–162 („La flamme humaniste brillait toujours, quoique faiblement, quelque part en France“: 151); vgl. Ders., Continuité de l’humanisme français au XV e siècle: L’exemple de Pierre de La Hazardière, in: L’aube (wie Anm. 8: Ouy, Franco Simone), 123–136; Ornato, Redécouverte (wie Anm. 11), 83–101. Gegen die These eines Bruchs („l’humanisme avorté“) wandte sich bereits Simone, Il Rinascimento Francese (wie Anm. 5), 253 u. ö., vgl. auch Cecchetti, Il primo umanesimo francese (wie Anm. 4), 63 ff., 69 ff. Besonderes Interesse dürfte in diesem Zusammenhang Jean Jouffroy verdienen, für den burgundischen Chronisten Georges Chastellain immerhin l’un des plus grans clercs du monde et des plus beaulx orateurs (Chronique. Les Fragments du Livre IV, publ. par Jean-Claude Delclos, Genf 1991, 214). Trotz einer Vielzahl neuerer Studien zu Einzelthemen, auch zu den humanistischen Interessen des Kardinals, steht als Gesamtdarstellung nach wie vor nur die veraltete Arbeit von Charles Fierville zur Verfügung: Le cardinal Jean Jouffroy et son temps (1412–1473). Étude historique, Coutances 1874.

Nachtrag zu S. 373: a) Über den Zug Karls VI. gegen die Herzöge Wilhelm II. und Wilhelm III. handeln ebenfalls Werner Sieper, Der französische Feldzug gegen die Herzogtümer Jülich und Geldern, in: Dürener Geschichtsblätter 30 (1962), 647–688; Wilhelm Janssen, Die Reichsstadt zwischen den Territorien. Aachens ‚Außenpolitik‘ im Spätmittelalter, in: ZAGV 98/99 (1992/1993), 168. – b) Bei Annahme einer Reise des Jean de Montreuil nach Geldern 1400/01 bliebe zu fragen, ob sie nicht den Zweck hatte, die Einstellung des Herzogs zu den Thronkonkurrenten Wenzel und Ruprecht zu erkunden. Zwar pflegte Wilhelm III. gute Beziehungen zu dem Luxemburger, doch neigte er im entscheidenden Jahr 1400 zumindest bis in den September vorübergehend zu dem Wittelsbacher – eine veränderte Haltung, über die Klarheit zu gewinnen für die Parteien Orléans wie Burgund von Interesse war (vgl. hier S. 371). S. dazu auch Thomas R. Kraus, Die Haltung der Reichsstadt Aachen und der Herzöge von Jülich-Geldern zur Wahl König Ruprechts (1400–1407), in: ZAGV 94/95 (1987/1988), 5–29, bes. 12–15.

Les pays rhénans, la France et la Bourgogne à l’époque du concile de Bâle Une leçon d’histoire politique* Il faut d’abord rappeler deux choses tout à fait évidentes et bien connues, faire deux observations assez banales: Premièrement, dans le Saint-Empire à la fin du Moyen Âge, les principautés et les seigneuries situées entre la Meuse et le Rhin furent celles qui ressentirent le plus l’influence des grands événements se déroulant dans l’Europe occidentale, tels que la guerre de Cent Ans, l’expansion bourguignonne sous les ducs Valois ou les tensions entre ce duché et le royaume de France. – Deuxièmement, dans ces contrées, ce furent les prélats, en particulier les trois princes-électeurs, c’est-à-dire les archevêques de Cologne, de Trèves et de Mayence, qui devaient prendre position à l’égard du concile de Bâle, concile qui se déclarait œcuménique, mais qui, dès le début, fut en conflit avec le pontife romain et s’acheva par un schisme. Une troisième chose pourtant est moins évidente et moins connue: deux de ces princes, Thierry de Meurs, l’archevêque de Cologne, et surtout Jacques de Sierck, l’archevêque de Trèves, prirent position à leur manière: simultanément, ils tirèrent avantage d’un soi-disant « conciliarisme rhénan » et de la persistance de l’antagonisme franco-bourguignon à l’époque du concile, tout en espérant pouvoir ainsi renforcer leur propre position souvent assez précaire ou même jouer un certain rôle sur le plan européen. Le sujet est assez complexe, mais à la fin, il s’agira d’une simple leçon d’histoire politique; on assistera à Bâle, surtout dans les milieux diplomatiques gravitant autour de ce concile, à la genèse d’une certaine « Bourse des États » indiquant aussi bien les grandes et les petites valeurs que les changements dus aux jeux subtils des participants. Avant de présenter cette leçon, il faut esquisser à grands traits le concile de Bâle, le cadre et la toile de fond du sujet, qui nous permettront de nous faire une meilleure idée de ce concile insuffisamment connu. Dans ce contexte, l’attitude de la France à l’égard du synode mérite une attention particulière, étant donné qu’elle paraissait de la plus haute importance aux yeux des princes-électeurs, ici

* Cet article constitue la version développée d’une conférence donnée à l’Institut Historique Allemand à Paris, le 21 février 2002. Je remercie Catherine Jamard-Kleinert, Christian Kleinert et Jessika Nowak (Université de Francfort-sur-le-Main) pour les conseils et les critiques qui m’ont été fort utiles. Les vues exprimées n’engagent, évidemment, que l’auteur.

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sur le devant de la scène, dès la « Mainzer Akzeptation », publiée en 1439, jusqu’au traité de Bourges, conclu en 1447.

I Au cours de ses dix-huit ans d’existence, de 1431 à 1449, ce concile1 accueillit dans la cathédrale de Bâle 3500 Pères environ; toutefois, le nombre de participants réunis en même temps n’excéda jamais 500, dont un dixième, au maximum, étaient des évêques ou des abbés portant une infule. Les Pères prétendaient néanmoins jusqu’à la fin être la seule représentation légitime de toute la chrétienté, sans avoir jamais strictement défini les critères d’incorporation. Trois grands sujets furent à l’ordre du jour: la causa pacis c’est-à-dire surtout la médiation entre les belligérants de la guerre de Cent Ans, la causa fidei c’est-à-dire la question hussite, et ce qui n’est guère étonnant, une fois de plus la causa reformationis. Trois deputationes devaient travailler sur ces sujets; une quatrième deputatio pro communibus avait la tâche de préparer, de diriger et de coordonner tout ce travail. En outre, par ce système de deputationes, on espéra briser, sans succès d’ailleurs, l’influence prépondérante des nationes, encore si forte à Constance. Le vote d’un petit chanoine comptait à Bâle tout autant que celui d’un cardinal ou d’un archevêque, et tous ceux qui exerçaient une fonction dans l’administration et la justice conciliaires n’étaient en principe nommés que pour une durée limitée: contrôle, rigidité, égalité, mais en même temps un certain esprit d’élitisme, voici quelques traits caractéristiques d’un concile qui, pourtant, arriva à peine à réaliser un seul de ses principaux objectifs: 1° Impossible d’influencer la causa pacis sur place, ni en France et en Bourgogne, ni en Angleterre. Les envoyés du concile furent plus ou moins des comparses sur une scène dominée par les princes et leurs ambassadeurs; parmi les ecclésiastiques, seul le cardinal Albergati, plénipotentiaire papal, jouit d’une certaine réputation due à sa longue expérience de médiateur entre les belligérants. Malgré tout, les efforts synodaux dans ce domaine ne sont pas sans intérêt, car l’attitude de la délégation du concile au congrès d’Arras en 1435 révèle clairement que Bâle n’était plus du tout neutre mais, au contraire, assez proche de Charles VII. On fit 1 Johannes Helmrath, Das Basler Konzil 1439–1449. Forschungsstand und Probleme, Cologne – Vienne 1987 (KHA 32); Id., Basel – Konzil, dans: LThK II (31994), 53–57; Erich Meuthen, Das Basler Konzil als Forschungsproblem der europäischen Geschichte, Opladen 1985 (Rheinisch-Westfäl. Akad. der Wiss. Geisteswissenschaften, Vorträge G 274); Studien zum 15. Jahrhundert. FS E. Meuthen, éd. Johannes Helmrath/Heribert Müller, I, Munich 1994, 13–290 (13 contributions concernant « Die Konzilien von Konstanz und Basel und ihr theologisches Umfeld »); Paul Ourliac, Le schisme et les conciles (1378–1449), dans: Histoire du christianisme des origines à nos jours, VI: Un temps d’épreuves (1274–1449), dir. Michel Mollat du Jourdin/André  Vauchez, Paris 1990, 89–139; Hélène Millet, Bâle (concile de), dans: Dict. du Moyen Âge, dir. Claude Gauvard e. a., Paris 2002, 127.

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tout pour réconcilier le roi de France et le duc de Bourgogne sans trop se soucier d’une cour d’Angleterre qui, de son côté, avait pris ses distances vis-à-vis de Bâle dès le début2. 2° Quant à la causa fidei, le résultat fut à peu près identique: certes, toutes les discussions à haut niveau entre Pères et délégués hussites, soit à Bâle soit à Prague, ne furent pas menées en vain. Mais le traité décisif d’Iglau (1436) qui autorisa finalement les laïques, non sans restrictions, à communier sous les deux espèces dans le royaume de Bohême, fut le résultat de la victoire d’une alliance entre Utraquistes modérés et Catholiques sur les Taborites, l’aile radicale de la révolution hussite, victoire remportée sur le champ de bataille de Lipany en 14343. Vus d’un angle particulier, les travaux des Pères méritent pourtant de nouveau toute notre attention: la vision d’une Église spirituelle dans la tradition de Wyclif, propagée par les hérétiques, obligea le synode à défendre l’Église comme institution hiérarchique tout en réclamant en même temps de nouvelles structures au sein de celle-ci. Le mouvement hussite voulait donc une Église tout à fait différente de celle qui existait, tandis que le concile prenait l’option pour une Église telle quelle mais autrement structurée. Des ouvrages comme le Tractatus de Ecclesia de Jean de Raguse ou la Concordantia catholica de Nicolas de Cuse ou le « manuel populaire » du conciliarisme, le De potestate pape et concilii du patriarche latin d’Antioche, Jean Mauroux, sont e. a. témoins de cette lutte ecclésiologique menée par les Bâlois sur deux fronts. Côté papal, on sentit le défi: la célèbre Summa de Ecclesia de Juan de Torquemada en fut la réponse. Sans concile, pas d’ecclésiologie romaine valable jusqu’aux temps modernes4. Certes, cette Summa 2 C.  G. van Leeuwen, De praktijk van het vredeswerk. Het concilie van Bazel en zijn bemoeienissen ten behoeve van de vrede (1431–1437), dans: Kerk en vrede in oudheid en middeleeuwen. Studies door historici van de Vrije Universiteit van Amsterdam, uitgeg. door Lukas de Blois /Adriaan H. Bredero, Kampen 1980, 162–185; Heribert Müller, Konzil und Frieden. Basel und Arras (1435), dans: Träger und Instrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter, éd. Johannes Fried, Sigmaringen 1996 (VuF 43), 333–390. 3 Helmrath, Basler Konzil (cit. n. 1), 353–372; František M. Bartoš, The Hussite Revolution 1424–1437, New York 1986 (East European Monographs 203); František Šmahel, Die Hussitische Revolution, III, Hanovre 2002 (MGH. Schriften 43/3), 1560–1690. 4  Paul de Vooght, La confrontation des thèses hussites et romaines au concile de Bâle, dans: Recherches de théol. ancienne et médiévale 36 (1969), 97–137, 254–291; Werner Krämer, Konsens und Rezeption. Verfassungsprinzipien der Kirche im Basler Konziliarismus, Münster 1980 (Beitr. zur Geschichte der Philos. und Theol. des Mittelalters, N. F. 19), 69–124 (« Systematisierung der Ekklesiologie in der Kontroverse mit dem hussitischen Kirchenbegriff »); Hermann-Josef Sieben, Vom Apostelkonzil zum Ersten Vatikanum. Studien zur Geschichte der Konzilsidee, Paderborn e. a. 1996, 97–195. – Torquemada: Karl Binder, Wesen und Eigenschaften der Kirche bei Kardinal Juan de Torquemada OP, Innsbruck 1955; Id., Konzilsgedanken bei Kardinal Juan de Torquemada, Vienne 1976 (Wiener Beitr. zur Theol. 49); Adeline Rucquoi, Démocratie ou monarchie. Le discours politique dans l’université castillane au XV e siècle, dans: El discurso político en la edad media, coord. Nilda Guglielmi / A. R., Buenos Aires 1995, 245 sv. Cf. Hermann-Josef Sieben, dans: Dict. de spiritualité 15 (1991), 1048–1054; J.-P. Dedieu, dans: DEMA II (1997), 1520 sv.; Ansgar Frenken, dans: Biograph.-bibliograph. Kirchenlexikon XII (1997), 338–342.

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fut infiniment plus répandue (entre autres par livre imprimé) que tous ces traités tombés en bonne partie dans l’oubli: reflet d’une Église romaine triomphant finalement du conciliarisme et dictant par cet ouvrage la loi du vainqueur. Côté synodal, des trésors restent donc encore à découvrir, même à Paris, soit à la BNF soit à la Mazarine (par exemple les travaux de Geoffroy de Montchoisi, abbé de Lérins et de St-Germain-des-Prés5). Déjà au temps du concile de Constance, Thierry de Niem, l’un des rares membres allemands à la curie (de plusieurs papes) croyait que même un troupeau de chameaux ne suffirait pas à transporter tous ces traités en faveur du pape ou du concile; on pourrait rajouter qu’à Bâle, ces pauvres animaux auraient risqué de s’écrouler sous un fardeau dont le contenu est resté pour nous, en bonne partie, inconnu. 3° Causa reformationis: Les efforts des Pères de Bale dans ce domaine furent considérables, au moins à l’époque de l’armistice entre le pape et le concile, c’est-à-dire de 1433 à 14356. Surtout les règlements disciplinaires concernant, par exemple, la dignité des offices ou le célibat des prêtres – mais aussi des mesures contre les Juifs, il faut le dire – ne restèrent pas sans écho dans la chrétienté occidentale. La réception de ces décrets stricto sensu ‹disciplinaires› fut assez large au niveau des synodes provinciaux et diocésains, à en juger au moins par les quelques études dont nous disposons concernant en particulier les Églises de l’Allemagne de Sud7. Mais la tentative d’une réforme générale prévue surtout par le président du concile, le cardinal Giuliano Cesarini, échoua parce que pour les Pères – en majorité des universitaires et membres du clergé moyen ou même inférieur – re5 Heribert Müller, Zwischen Konzil und Papst, Fürstendienst und Ordensreform: Geoffroy de Montchoisi, Abt von St-Honorat/Lérins und St-Germain-des-Prés († 1436), dans: AHC 27/28 (1995/96) (= Mélanges W. Brandmüller), 435–462 [voir dans ce volume 264–288]. 6 Quellen zur Kirchenreform im Zeitalter der großen Konzilien des 15. Jahrhunderts, ausgew. und übers. von Jürgen Miethke/Lorenz Weinrich, II: Die Konzilien von Pavia / Siena (1423/24), Basel (1431–1449) und Ferrara/Florenz (1438–1445), Darmstadt 2002 (Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 38b), n. 7–25 (p. 178–401). Cf. ibid., p. 32–61; Richard Zwölfer, Die Reform der Kirchenverfassung auf dem Konzil von Basel, dans: BZGA 28 (1929), 141–247/29 (1930), 1–58; Helmrath, Basler Konzil (cit. n. 1), 327–348; Id., Reform als Thema der Konzilien des Spätmittelalters, dans: Christian Unity. The Council of Ferrara – Florence 1438/39–1989, éd. Giuseppe Alberigo, Louvain 1991 (BEThL 97), 111–119; Jürgen Miethke, Kirchenreform auf den Konzilien des 15. Jahrhunderts. Motive – Methoden – Wirkungen, dans: Studien zum 15. Jahrhundert (cit. n. 1), 13–42; Alexander Patschovsky, Der Reformbegriff zur Zeit der Konzilien von Konstanz und Basel, dans: Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449), éd. Ivan Hlaváček / A.  P., Constance 1996, 7–28. 7 Helmrath, Basler Konzil (cit. n. 1), 342–348 (données bibliographiques concernant les Églises de Mayence, Eichstätt, Ratisbonne, Freising et Salzbourg); Id., Reform (cit. n. 6), 121– 131; Rottenburger Jb für Kirchengesch. 5 (1986) (Salzbourg, Constance). Voir aussi Erich Meuthen, Die deutsche Legationsreise des Nikolaus von Kues 1451/1452, dans: Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit …, éd. Hartmut Boockmann e. a., Göttingen 1989 (Abhandl. der Akad. der Wiss. in Göttingen, philol.-histor. Kl. III / 179), 458 sv., 468, 475, 478, 490; Heribert Müller, Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449), I / II, Paderborn e. a. 1990, 208 sv. n. 152, 833 sv.

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formatio ne signifiait que reformatio capitis, comme en témoigne entre autres le fameux décret de la suppression totale des Annates proclamé le 9 juin 1435. Une telle attitude provoqua inévitablement la résistance d’un pape qui avait confié au doge de sa ville natale de Venise son intention de renoncer à la tiare et de sacrifier sa propre vie plutôt que d’être responsable d’une subordination de la dignité papale à l’autorité conciliaire. L’envoi d’un Libellus apologeticus aux cours d’Europe en 1436 fut sans doute une bonne tactique de sa part, parce qu’il mit les princes en garde contre un mouvement à ses yeux contestataire et contagieux: toutes les prétentions et exigences réclamées par le concile aujourd’hui, seront celles proclamées demain par les conseils et les États. On ne connaît pas les effets de cette « injection monarchique », mais sur le plan psychologique, ce Libellus ne devrait pas être sous-estimé8. À partir de 1436 s’imposa donc une quatrième causa à l’ordre du jour, non prévue, mais de loin la plus importante néanmoins; celle-ci devait dominer sur presque toutes les activités et capacités d’un concile qui négligea, par conséquent, les autres problèmes encore irrésolus comme par exemple la reformatio: c’est le conflit entre les Pères et le pape, certes perceptible dès le début du concile, qui éclata ouvertement sur la question d’un concile d’union avec les Grecs. Ceux-ci semblaient être prêts à la réunification à condition que l’Occident apportât son aide militaire contre le péril turc. Il y eut deux options: tenir ce synode en Italie sous la présidence d’Eugène IV, solution préférée par les Byzantins eux-mêmes ainsi que par une minorité propapale au concile, ou se rassembler soit sur place à Bâle soit en Avignon, solution résolument soutenue par la plupart des Pères. Le fait qu’en décembre 1436, ils votèrent dans une large majorité pour la métropole rhodanienne fut le résultat des actions inlassables et efficaces des ambassadeurs du roi de France au concile, dirigés à partir de 1432/33 surtout par les archevêques de Lyon et de Tours, Amédée de Talaru et Philippe de Coëtquis. Tous deux furent des conciliaristes convaincus et ainsi très réputés dans une assemblée dont le profil politique fut de plus en plus marqué par des Pères français9. Ce sont d’abord, bien sûr, tous les Pères du royaume de Charles VII, mais ce sont, en bonne partie, aussi des Pères de la France lancastrienne ou de la Bourgogne. 8 Caesar Baronius/Odoricus Raynaldus/Jac. Laderchius / Augustinus Theiner, Annales ecclesiastici, XXVIII: 1424–1453, Bar-le-Duc 21887, 195–211 (ad a. 1436, § 2–15). Cf. Anthony Black, Monarchy and Community. Political Ideas in the Later Conciliar Controversy 1430–1450, Cambridge 1970 (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought III / 2), 86–90; Müller, Franzosen (cit. n. 7), II, 824; Johannes Helmrath, ‹ Geistlich und werntlich ›. Zur Beziehung von Konzilien und Reichsversammlungen im 15. Jahrhundert, dans: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späten Mittelalter, éd. Peter Moraw, Stuttgart 2002 (VuF 48), 488 sv. 9 Müller, Franzosen (cit. n. 7), I, 27–219 (Talaru), 223–268 (Coëtquis), II, 500–517 (Avignon). Cf. Id., Un Breton dans l’Europe du XV e siècle: Philippe de Coëtquis, évêque de StPol-de-Léon et archevêque de Tours, dans: 1491. La Bretagne, terre d’Europe (Coll. internat. Brest, 2–4 X 1991). Actes réunis et publ. par Jean Kerhervé / Tanguy Daniel, Brest – Quimper 1992, 166–168.

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Beaucoup de ceux qui se rencontrèrent à Bâle se connaissaient et s’appréciaient depuis longtemps. Ce concile offrit, au temps de la grande guerre, l’occasion de resserrer en terrain neutre les liens de ces connaissances et amitiés dues à des études universitaires ou à une formation professionnelle effectuées en commun. Quand p. ex. Philibert de Montjeu, évêque de Coutances en France anglaise, et Gilles Carlier, doyen de Cambrai et Bourguignon d’origine comme Philibert, et Martin Berruyer, doyen de Tours et ancien élève du Collège de Navarre comme Gilles et à maintes reprises ambassadeur de Charles VII, quand donc ces trois Pères se mirent en route ensemble pour négocier à Prague avec les Hussites au nom du concile, leurs conversations ne tournèrent sans doute pas seulement autour des problèmes théologiques10. Que ce soient Martin Berruyer, Amédée de Talaru, ou d’autres qui firent partie de ce « réseau français » à Bâle comme par exemple Jean de Rouvroy et Raoul de La Porte, eux-mêmes d’anciens « Navarristes », ou Hugues d’Orges, lui aussi évêque en France anglaise d’origine bourguignonne, beaucoup de ces Pères, même Pierre de Versailles, évêque de Digne assez proche du pape, furent en relation avec la cour de Charles VII11. À cette cour, on remarque à partir de 1436 au conseil royal – Paul Ourliac et Pierre-Roger Gaussin l’ont bien constaté – une assez forte participation continue et stable des évêques12. Surtout Gérard Machet, confesseur du roi et évêque de Castres, gallican aussi fervent que réaliste13, fut le garant d’une politique ecclésiastique qui sut se servir du concile de Bâle comme instrument apte à atteindre ses 10 Müller, Franzosen (cit. n. 7), I, 313–316. D’après un historien autrichien, ce fut presqu’un synode français qui se retrouva à Bâle sur le sol du Saint-Empire: Michael Lehmann, Die Mitglieder des Basler Konzils von seinem Anfang bis August 1442, Vienne 1945 (Thèse dactylogr.), 105. 11 Heribert Müller, Zur Prosopographie des Basler Konzils: Französische Beispiele, dans: AHC 14 (1982), 159–166; Id., Lyon et le concile de Bâle. Études prosopographiques, dans: Cahiers d’histoire 28 (1983), 42 sv.; à compléter par Vincent Tabbagh, Diocèse de Rouen, Turnhout 1998 (Fasti Ecclesiae Gallicanae 2), n. 4353 (p. 121–123), et Christian Kleinert, Philibert de Montjeu (ca. 1374–1439). Ein Bischof im Zeitalter der Reformkonzilien und des Hundertjährigen Krieges, Ostfildern 2004 (Francia. Beih. 59), 178 sv., 335–348 (Hugues d’Orges); Thomas Sullivan, Benedictine Monks at the University of Paris A. D. 1229–1500. A Biographical Register, Leyde e. a. 1995 (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 4), n. 651 (p. 336–339) (Pierre de Versailles); Thomas Prügl, Antiquis iuribus et dictis sanctorum confirmare. Zur antikonziliaristischen Interpretation von Haec sancta auf dem Basler Konzil, dans: AHC 31 (1999), 92–103, 119–143 (Pierre de Versailles). 12 Paul Ourliac, Église et États, dans: L’Église au temps du grand schisme et de la crise conciliaire (1378–1449), par Étienne Delaruelle / Edmond-René Labande / P. O., Paris 1962 (HE XIV / 1), 362; Pierre-Roger Gaussin, Les conseillers de Charles VII (1418–1461). Essai de politologie historique, dans: Francia 10 (1982), 89, 93 sv. 13 Pierre Santoni, Gérard Machet, confesseur de Charles VII, et ses lettres, dans: ECh. Positions des Thèses 1968, 175–182; Müller, Franzosen (cit. n. 7), I, 346–368; Xavier de la Selle, Le service des âmes à la cour. Confesseurs et aumôniers du roi de France du XIIIe au XV e siècle, Paris 1995 (Mém. et doc. de l’ECh 43), 278–280. Pour une connaissance encore meilleure de Gérard Machet, une édition de sa correspondance contenue dans le ms. lat. 8577 de

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propres objectifs, comme en témoigne en 1438 la célèbre « Pragmatique Sanction de Bourges », par laquelle la plupart des décrets du concile furent adoptés pour le royaume, mais tout à fait adaptés aux besoins d’un roi et d’une cour maîtres de l’Église gallicane. Dans un certain sens, cette « Pragmatique » est la première des « Grandes ordonnances » de Charles VII; elle marque la part ecclésiastique du renouveau français à la fin de la guerre de Cent Ans14. Fidèles à leurs principes, le roi et les hommes d’Église autour de lui – je ne cite que les noms du chancelier Regnault de Chartres, archevêque de Reims, du clan des Juvénal des Ursins ou de Denis du Moulin, archevêque de Toulouse, et de Robert de Rouvres, évêque de Sées et de Maguelonne, pendant des décennies présent en permanence au conseil15 – poursuivirent ce chemin, bien que le conflit entre le pape et le concile ait pris entre-temps une nouvelle dimension: Eugène IV avait convoqué son concile d’union qui commença ses activités en janvier 1438 à Ferrare et qui fut transféré plus tard à Florence. La suspension et finalement la déposition du pape en juin 1439 furent la réponse des Pères à Bâle, où, de plus, on décréta, sous la présidence du cardinal d’Arles, Louis Aleman, à la veille de cette déposition, la supériorité du concile comme veritas fidei catholicae16. Cinq mois plus tard, on se mit à élire, toujours sous l’égide de cet « Hercule des Bâlois » que fut Aleman, un nouveau pape. Il revenait aux princes d’Europe de se prononcer pour ou contre Eugène IV et Félix V, l’ancien duc de Savoie Amédée VIII17. Les deux parties tentèrent de s’assurer l’adhésion, bien sûr, de toutes les cours, du Portugal à la Suède, de la BN serait nécessaire. Autant que je sache, plusieurs essais effectués dans cette direction restèrent malheureusement sans résultat. 14 Miethke / Weinrich, Quellen (cit. n. 6), n. 26 (p. 412–441). Cf. ibid., p. 62–65; Noël Valois, Histoire de la Pragmatique Sanction de Bourges, Paris 1906 (Archives de l’histoire religieuse de la France). Cf. Johannes Haller, Die Pragmatische Sanktion von Bourges, dans: HZ 103 (1909), 1–51; Victor Martin, Les origines du gallicanisme, II, Paris 1939 (nouv. impr. 1978), 294–324; Müller, Franzosen (cit. n. 7), II, 823–825; Id., Pragmatique Sanction, dans: LexMA VII (1995), 166 sv.; Jean-Louis Gazzaniga, Pragmatique Sanction de Bourges, dans: DEMA II (1997), 1248. 15 Müller, Franzosen (cit. n. 7), I, 369–431; à compléter par: Écrits politiques de Jean Juvénal des Ursins, publ. … par Peter Shervey Lewis, III: La vie et l’œuvre, Paris 1992 (SHF); Roger Aubert, Jean Jouvenel des Ursins, dans: DHGE XXVIII (2001), 371–374; Pierre Desportes, Diocèse de Reims, Turnhout 1998 (Fasti Ecclesiae Gallicanae 3), n. 1044 (p. 200–205) (Regnault de Chartres). 16 a) Concile de Ferrare – Florence: AHC 22 (1990); Christian Unity. The Council of Ferrara – Florence (cit. n. 6: Helmrath, Reform); Johannes Helmrath, Florenz und sein Konzil. Forschungen zum Jubiläum des Konzils von Ferrara – Florenz 1438/39–1989, dans: AHC 29 (1997), 202–216. – b) Louis Aleman: Gabriel Pérouse, Le cardinal Louis Aleman et la fin du grand schisme, Lyon 1904. – c) Tres veritates fidei : Helmrath, Basler Konzil (cit. n. 1), 471–475; Prügl, Antiquis iuribus (cit. n. 11), 72–143. 17 Marie José, La Maison de Savoie. Amédée VIII – Le duc qui devint pape, II, Paris 1962, 99–303; Amédée VIII – Félix V, premier duc de Savoie et pape (1383–1451). Études publ. par Bernard Andenmatten/Agostino Paravicini Bagliani, Lausanne 1992 (Bibl. histor. Vaudoise 103), particulièrement Joachim W. Stieber, Amédée VIII et le concile de Bâle, 339–362.

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l’Écosse à Naples, mais l’attitude du royaume de France et celle du Saint-Empire furent de toute première importance. Voilà l’heure des batailles rhétoriques aux assemblées du clergé à Bourges et aux diètes du Reich; Jean de Ségovie, Louis Aleman, Thomas de Courcelles ou le « Panormitain » (Niccolò Tudeschi) se battirent en faveur de Bâle en duels oratoires contre des envoyés du pape romain tels que Juan de Carvajal ou Nicolas de Cuse. À Bourges cependant, en 1440 et en 1444, ce ne furent au fond que des exercices de style, parce qu’on prit toutes les décisions au conseil royal: le royaume devrait rester provisoirement dans l’obédience romaine, à Eugène IV incomberait la tâche de convoquer un troisième concile dans une ville française pour surmonter ainsi l’antagonisme entre Bâle et Ferrare-Florence18. Mais ce qui compta le plus pour la cour de Charles VII, c’était le maintien en vigueur de la « Pragmatique », violemment attaquée par un pape en train de perdre ainsi son influence dans l’Église gallicane19.

II En revanche, la situation était tout à fait différente dans le Reich, où tant de principautés séculières et ecclésiastiques, tant de duchés, margraviats, comtés, seigneuries et villes libres faisaient partie d’un paysage politique très complexe et compliqué. Bien sûr, les Allemands avaient leur roi et même un roi des Romains candidat à la couronne impériale, mais dans ce monde tout à fait « territorialisé », seul le territoire en sa propre possession comptait pour exercer un gouvernement royal qui mérite à peu près ce nom. Les grandes questions d’intérêt commun, furent certes débattues en commun aux « Reichstage », aux diètes en plein développement au XV e siècle, mais dès leurs débuts peu efficaces vu les nombreux intérêts différents et divergents de tous ses membres. Le Saint-Empire était un organisme étrange ressemblant à un monstre, aliquod monstro simile comme le décrit encore au XVIIe siècle le juriste Samuel von Pufendorf 20. 18 Noël Valois, Le pape et le concile (1418–1450) (La crise religieuse du XV e siècle), II, Paris 1909, 224–242; Id., Histoire de la Pragmatique Sanction (cit. n. 14), p. CXXVIII sv.; Erdmann Johannes Nöldeke, Der Kampf Papst Eugens IV. gegen das Basler Konzil. Seine Bemühungen um die Gewinnung Frankreichs in den Jahren 1438 bis 1444, Tübingen 1957 (Thèse dactylogr.); Joachim W. Stieber, Pope Eugenius IV, the Council of Basel and the Secular and Ecclesiastical Authorities in the Empire …, Leyde 1978 (SHCT 13); Vicente Ángel Álvarez Palenzuela, La situación europea en época del concilio de Basilea. Informe de la delegación del Reino de Castilla, León 1992, 97–122 (« El enfrentamiento anglo-francés »), 123–151 (« Los problemas del Imperio »). 19 Jean-Louis Gazzaniga, Charles VII et Eugène IV. Note sur le gallicanisme monarchique, dans: Papauté, monarchisme et théorie politique. Études d’histoire médiévale offertes à M. Pacaut, rass. par Pierre Guichard e. a., I: Le pouvoir et l’institution ecclésiale, Lyon 1994, 59–69 (nouv. impr. dans: J.-L. G., L’Église de France à la fin du Moyen Âge, Goldbach 1995, 3*–13*). 20 Quatre ouvrages de référence sur le Saint-Empire au bas moyen-âge: Peter Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250–1490, Berlin

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Au temps de ces « kleine Könige », petits rois assez faibles tels que Rodolphe Ier, Adolphe de Nassau ou Albert Ier vers 1300 et Venceslas ou Robert du Palatinat un siècle plus tard, un petit groupe s’assura cependant une certaine fonction pilote dans cet ordre en désordre: les princes-électeurs, collège d’origine controversée21, mais en tout cas en train de se former au XIIIe siècle, comprenant trois membres ecclésiastiques (les archevêques de Mayence, de Cologne et de Trèves) et quatre membres séculiers (le roi de Bohême, le comte Palatin, le margrave de Brandebourg et le duc de Saxe): sept princes en somme, ayant dès le XIIIe siècle entre autres la prérogative d’élire le roi des Romains. En raison de ce rang privilégié, ils se sentaient particulièrement responsables du sort du Reich, comme en témoignent les « Willebriefe », les « Kurvereine » ou leur acte spectaculaire de déposition du roi Venceslas en 1400. Au sein de ce collège, il y avait une certaine prépondérance des trois archevêques rhénans22: tous les trois titulaires de sièges de grande tradition fondés sur le sol de l’empire romain, tous les trois en général proches du roi dès l’époque carolingienne, ils gouvernaient – en particulier celui de Cologne – des principautés jouissant d’un certain essor économique. Mais leur position assez autonome au Bas Moyen-Âge s’explique aussi par le fait que les rois, surtout ceux des maisons de Luxembourg et de Habsbourg, avaient leurs résidences dans l’Est lointain, à Prague ou à Vienne et Graz. Mayence, Cologne et Trèves furent donc des piliers du Reich tout en étant « reichsfern » ou plutôt « königsfern » (Peter Moraw), circonstance qui leur permit de faire de la politique à leur propre compte soit dans le cadre régional ou celui du Reich, soit sur le plan international déterminé pour eux d’abord par les grandes puissances de l’Ouest. Mais à cet échelon, les mêmes 21989 (Propyläen Geschichte Deutschlands 3); Francis Rapp, Les origines médiévales de l’Allemagne moderne. De Charles IV à Charles Quint (1346–1519), Paris 1989; Ernst Schubert, Einführung in die Grundprobleme der deutschen Geschichte im Spätmittelalter, Darmstadt 21998; Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, II: Spätmittelalter 1250–1495, éd. Jean-Marie Moeglin/ Rainer A. Müller, Stuttgart 2000 (Reclam Universal-Bibl. 17002). Pufendorf: Ina Ebert, P., dans: Deutsche Biograph. Enzyklopädie VIII (1998), 89; Notker Hammerstein, Res publica litteraria. Ausgewählte Aufsätze zur frühneuzeitlichen Bildungs-, Wissenschafts‑ und Universitätsgeschichte, éd. Ulrich Muhlack / Gerrit Walther, Berlin 2000 (Histor. Forschungen 69), 407 s. v. – Cf. n. 77. 21 Voir récemment Franz-Reiner Erkens, Kurfürsten und Königswahl. Zu neuen Theorien über den Königswahlparagraphen im Sachsenspiegel und die Entstehung des Kurfürstenkollegiums, Hanovre 2002 (MGH. Studien und Texte 30), vs. Armin Wolf, Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198–1298. Zur 700-jährigen Wiederkehr der ersten Vereinigung der sieben Kurfürsten, Idstein 22000 (Histor. Seminar, N. F. 11). 22 Alois Gerlich, Rheinische Kurfürsten im Gefüge der Reichspolitik des 14. Jahrhunderts, dans: Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, éd. Hans Patze, II, Sigmaringen 21986 (VuF 14/2), 149–169; Thomas Michael Martin, Auf dem Weg zum Reichstag. Studien zum Wandel der deutschen Zentralgewalt 1314–1410, Göttingen 1993 (SHKBAW 44), 194 sv.; Axel Gotthardt, Als furnembsten gliedern des Heiligen Reichs. Überlegungen zur Rolle der rheinischen Kurfürstengruppe in der Reichspolitik des 16. Jahrhunderts, dans: RhVjbll 59 (1998), 31–37 (XIV e – XV e siècles).

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principautés se plaçant dans le Saint-Empire toujours au premier rang, furent plutôt de portée moyenne, sans doute objet d’un intérêt apparent, mais non fondamental de la part des acteurs principaux sur cette scène, à commencer par le roi de France qui y apparut déjà à l’époque de Philippe le Bel23. Nombreux sont les documents des Archives Nationales qui témoignent des alliances et des hommages liges, des pensions, des versements et des cadeaux, loin de concerner uniquement les princes-électeurs mais aussi beaucoup d’autres seigneurs, grands et petits24. Voilà un système d’assurance complémentaire relativement coûteux, car la rivalité entre Orléans et Bourgogne fit monter les prix. Entre la Meuse et le Rhin, le duc de Lorraine ne fut pas le seul à changer de camp parce que le parti adverse lui offrit des conditions encore meilleures25. Mais il faut souligner et répéter que, vues de l’ouest, ces contrées constituèrent avant tout pour les grandes puissances, indépendamment des conjonctures de l’époque, un réservoir d’alliés éventuels de taille sinon réduite, du moins peu importante. (Ce fait échappa, à mon avis, à pas mal d’historiens allemands fixés uniquement sur les structures du Reich.) En ce qui concerne ces « conjonctures de l’époque », il n’est pas étonnant de voir au cours des premières décennies du XV e siècle les maisons de Lancastre et de Bourgogne de plus en plus maîtres de ce réseau d’alliances et de subsides, et ceci pour plusieurs raisons: d’abord la grande crise de la royauté des Valois sous Charles VI devenu fou, et sous Charles VII, à ses débuts encore le tout petit « roi 23 Wilhelm Janssen, Kleine rheinische Geschichte, Düsseldorf 1997, 105; Françoise Autrand, Jean de Berry. L’art et le pouvoir, Paris 2000, 45. – Cf. pour l’époque précédente la Thèse de Walter Kienast, écrite après la première guerre mondiale: Die deutschen Fürsten im Dienste der Westmächte bis zum Tode Philipps des Schönen von Frankreich, I / II, Utrecht – Leipzig – Munich 1924/31 (Bijdragen van het Instituut voor middeleeuwsche geschiedenis der RijksUniversiteit te Utrecht 10/16). 24 Voir par exemple Cologne: Rolf Grosse, Allianz‑ und Lehnsverträge Kölner Erzbischöfe und Ritter mit dem französischen König. Eine Edition von Vertragstexten aus dem Pariser Nationalarchiv (14. Jahrhundert), dans: Köln. Stadt und Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters. FS O. Engels, éd. Hanna Vollrath / Stefan Weinfurter, Cologne e. a. 1993 (KHA 39), 623–640. – Guillaume I de Gueldre: Heribert Müller, Köln und das Reich um 1400 …, dans: ibid., 602 [voir dans ce volume 373]. – Frédéric de Saarwerden (le futur comte Frédéric III de Meurs): Werner Paravicini, Moers, Croy und Burgund. Eine Studie über den Niedergang des Hauses Moers in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, dans: AHVN 179 (1977), 16 sv. 25 Alfred Leroux, Nouvelles recherches critiques sur les relations politiques de la France avec l’Allemagne de 1378 à 1461, Paris 1892, chap. V (Les ducs de Bourgogne et d’Orléans, 1384– 1409), VI (La guerre de Cent Ans, 1378–1408), IX (Sur la frontière, 1408–1430); Jean Schoos, Der Machtkampf zwischen Burgund und Orléans unter den Herzögen Philipp dem Kühnen, Johann ohne Furcht von Burgund und Ludwig von Orléans. Mit besonderer Berücksichtigung der Auseinandersetzung im deutsch-französischen Grenzraum, Luxembourg 1956 (Publ. sect. histor. Inst. grand-ducal de Luxembourg 75); Michael Nordberg, Les ducs et la royauté. Études sur la rivalité des ducs d’Orléans et de Bourgogne 1392–1407, Uppsala 1964 (Studia historica Upsaliensia 12); Richard Vaughan, John the Fearless. The Growth of Burgundian Power, Londres 1966 (nouv. impr. 1979/2002), 257 sv.; Yvon Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire (II), dans: Francia 10 (1982), 199 sv.; Martin Kintzinger, Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa. Auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigmunds, Stuttgart 2000 (Mittelalter-Forschungen 2), 109 sv.

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de Bourges »; ensuite le pouvoir expansif d’un duc de Bourgogne s’emparant des Pays-Bas en plein essor économique; enfin les succès foudroyants d’Henri V d’Angleterre, allié à partir de 1420 d’un duc de Bourgogne décidé à venger le meurtre de son père commis à Montereau. Pourtant ce fut justement au concile de Bâle qu’une question de principe sembla désunir la Bourgogne et les princes-électeurs. En 1433, une querelle de préséance assez pénible et longue éclata entre les envoyés ducaux et les représentants des princes-électeurs. Au fond, ce fut beaucoup plus qu’un jeu subtil des vanités parce que la place occupée par un ambassadeur devait correspondre au rang de son prince dans le monde chrétien, et le placement de toutes les délégations devait refléter, surtout dans le cadre d’un concile œcuménique, l’ordre hiérarchique de ce monde26. Mais cet ordre risqua d’être bouleversé lorsqu’une nouvelle puissance apparut sur scène. À ce moment-là, seulles les origines, la noblesse et la puissance comptèrent. Les envoyés de Philippe le Bon firent donc l’éloge des origines troyennes de leur duc, ayant des ancêtres aussi glorieux que Charlemagne. Pour quelqu’un d’apparenté à toutes les dynasties royales d’Angleterre à Chypre, gouvernant quatre duchés et quinze comtés, disposant d’une immense richesse, il convenait grâce à ces origo, nobilitas et potentia que ses représentants occupassent la toute première place derrière les délégations des rois. Cette place fut contestée cependant par les envoyés des princes-électeurs, c’est-à-dire d’un collège qu’on ne pouvait comparer – au moins d’après ces envoyés – qu’avec le sénat romain ou, mieux encore, qu’avec le collège des cardinaux: à celui-ci d’élire le pape, aux princes-électeurs d’élire le roi et futur empereur des Romains27. Ce fut une tâche très difficile pour le concile de trouver une solution raisonnable, d’autant plus que les Bourguignons se disputèrent de la même manière avec les envoyés des ducs de Bretagne et de Savoie: voilà la « Bourse des États » ouverte. L’empereur, lui-même témoin de ces querelles de préséance, accusa le duc de Bourgogne de superbia et le compara à un oiseau s’élevant trop haut dans les airs: specialiter quod nimis alte volebat volare, dando versiculum: ‹O fili care, noli nimis alte volare! Si 26 Johannes Helmrath, Rangstreite auf den Konzilien des 15. Jahrhunderts als Verfahren, dans: Vormoderne politische Verfahren, éd. Barbara Stollberg-Rilinger, Berlin 2001 (ZHF. Beih. 25), 160–162; † Hermann Heimpel, Sitzordnung und Rangstreit auf dem Basler Konzil. Skizze eines Themas [éd. posthume par Johannes Helmrath], dans: Studien zum 15. Jahrhundert (cit. n. 1), I, 1–9; Id., Eine unbekannte Schrift über die Kurfürsten auf dem Basler Konzil, dans: Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter. FS J. Fleckenstein, éd. Lutz Fenske e. a., Sigmaringen 1984, 469–482. – Présentation générale du sujet très instructive: Karl-Heinz Spiess, Rangdenken und Rangstreit im Mittelalter, dans: Zeremoniell und Raum. 4. Symposium der Residenzen-Kommission der Akad. der Wiss. in Göttingen, éd. Werner Paravicini, Sigmaringen 1997 (Residenzenforschung 6), 39–62. 27 Giovanni Domenico Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio …, XXX, Venise 1767 (nouv. impr. 1903/1961), 205–211. Cf. Joseph Toussaint, Les relations diplomatiques de Philippe le Bon avec le concile de Bâle (1431–1449), Louvain 1942 (RTHP III / 9), 49–67 (« La querelle de préséance »); Richard Vaughan, Philip the Good. The Apogee of Burgundy, Londres 1970, 207–209.

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nimis alte volas, poteris comburere pennas›28. Finalement, on plaça les délégués des princes-électeurs au pied du trône de l’empereur devant le jubé de la cathédrale, là où siégeaient aussi le président du concile ainsi que les présidents nommés par le pape et présents pendant un certain temps au synode. Les princes-électeurs appartenaient donc au vieil ordo universalis, formé par l’empereur, le concile et le pape. Les Bourguignons pourtant, sur les bancs derrière les représentants des monarques d’Europe dans la nef, faisaient déjà partie du nouvel ordre des États. Cette question de principe, cette querelle de préséance à Bâle, n’empêcha cependant pas les princes-électeurs de bien s’entendre avec Philippe le Bon; surtout Thierry de Meurs, qui, au début du concile, était déjà archevêque de Cologne depuis presque vingt ans29. Il entretenait d’excellentes relations avec le roi d’Angleterre30, tout à fait dans la tradition d’une ville et d’une Église orientées dès le XIIe siècle surtout vers le Nord-Ouest de l’Europe pour des raisons politiques et économiques, nonobstant les quelques traités d’alliance conclus avec le roi de France. Mais le Nord-Ouest, c’étaient aussi les Pays-Bas de plus en plus dominés par le duc de Bourgogne, devenu duc de Brabant en 1430. Thierry ne tarda pas à lui rendre visite à Bruxelles; l’année suivante déjà, son frère, le comte Frédéric III de Meurs, fut parmi les premiers membres de l’ordre de la Toison d’or; en 1438, Thierry, servant à maintes reprises de médiateur à Philippe, poursuivit même la candidature du Bourguignon comme successeur de Sigismond dans l’Empire. Deux ans plus tard, le grand duc du Ponant après avoir visité Aix-la-Chapelle, haut-lieu du souvenir de son ancêtre Charlemagne, se rendit en tant que pèlerin à la cathédrale de Cologne pour rendre hommage aux trois Rois Mages31. 28 Concilium Basiliense. Studien zur Geschichte des Concils von Basel [CB], III: Protokolle des Concils von 1434 und 1435 …, éd. Johannes Haller, Bâle 1900, 92 (1434 V 8). 29 Georg Droege, Verfassung und Wirtschaft in Kurköln unter Dietrich von Moers (1414– 1463), Bonn 1957 (Rhein. Archiv 50); Id., Dietrich von Moers. Erzbischof und Kurfürst von Köln (etwa 1385–1463), dans: Rhein. Lebensbilder 1 (21971), 49–65; Clemens v. Looz-Cors­ warem, Dietrich II. v. Moers, dans: LexMA III (1986), 1027; Wilhelm Janssen, Dietrich II. v. Moers, dans: LThK III (31995), 223; Id., Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter 1191–1515, I, Cologne 1995 (Geschichte des Erzbistums Köln II/1), 258–276; Id., Die niederrheinischen Territorien im Spätmittelalter …, dans: RhVjbll 64 (2000), 102–114 (Die Regierungszeit des Kölner Erzbischofs Dietrich von Moers). 30 Droege, Dietrich (cit. n. 29), 52; Yvon Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire (I), dans: Francia 9 (1981), 141; Kintzinger, Westbindungen (cit. n. 25), 109 et n. 385/86; Arnd Reitemeier, Grundprobleme der deutsch-englischen Beziehungen im Spätmittelalter, dans: Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im Mittelalter (13. bis 16. Jahrhundert), éd. Dieter Berg e. a., Bochum 2002 (Europa in der Geschichte 6), 142 (d’après R., ni le roi d’Angleterre ni l’archevêque de Cologne ne furent toujours très disposés à remplir leurs obligations). 31 Meurs et Bourgogne dans les années trente: Max Barkhausen, Die Grafen von Moers als Typus kleiner Territorialherren des späteren Mittelalters [1951, nouv. impr.] dans: Id., Aus Territorial‑ und Wirtschaftsgeschichte. Ausgew. Aufsätze, Krefeld 1963, 80 sv.; Henny Grün­ eisen, Die westlichen Reichsstände in der Auseinandersetzung zwischen dem Reich, Burgund und Frankreich, dans: RhVjbll 26 (1961), 29; Herbert Rode, Die mittelalterlichen Glasmalereien des Kölner Domes, Berlin 1974, 212 (n. 60 h); Werner Paravicini, Zur Königswahl von 1438, dans: RhVjbll 39 (1975), 99–115 (cf. Malte Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere

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Mais 1440/41 furent les années du solstice – solstice dû au concile: tandis que Philippe le Bon, toujours partisan richement doté et privilégié d’Eugène IV, n’entretenait plus de relations avec cette assemblée, à ses yeux devenue schismatique, Thierry de Meurs s’en rapprochait de plus en plus. Ce ne fut pourtant pas ce conciliarisme tardif d’un prince-électeur qui inquiéta le duc. Ni la réunion d’un synode provincial à Cologne en octobre 1440, ni la grande expertise de l’université de Cologne en faveur de Bâle rendue publique à cette occasion, ni l’intention de l’archevêque transmise aux ambassadeurs du concile de défendre l’autorité du synode général32 ne purent empêcher Philippe le Bon de rester en bonnes relations avec Thierry de Meurs. Car le monde du concile et les réalités et besoins de la vie quotidienne étaient deux choses tout à fait différentes; la querelle de préséance entre la Bourgogne et les princes-électeurs en est la preuve. Non, ce furent les vrais motifs de ce prétendu conciliarisme, de ce conciliarisme d’inspiration purement politique qui déplurent à Philippe le Bon: originaire du petit comté de Meurs en Basse-Rhénanie, Thierry, à peine devenu archevêque, poursuivit à la fois l’ascension de sa maison et celle de sa principauté de Cologne. C’est dans ce contexte qu’il soutint la candidature de son frère Walram au siège épiscopal d’Utrecht ainsi que l’intention de son frère Henri, évêque de Münster, d’administrer l’Église d’Osnabrück, pendant que lui-même envisagea l’incorporation de l’évêché de Paderborn dans l’Église de Cologne. Alors que le concile était bien disposé envers Thierry, Eugène IV par contre refusa catégoriquement de contribuer à l’établissement d’un grand territoire dans le Nord-Ouest de l’Empire au détriment de son protégé, le duc de Bourgogne33. Mais pour la cour [1400/07–1473]. Kirchenfürst und herzoglich-burgundischer Rat, Stuttgart 2001 [Francia. Beih. 51], 50); Id., Moers (cit. n. 24), 19–21; Lacaze, Philippe le Bon (I) (cit. n. 30), 144–153; Janssen, Erzbistum (cit. n. 29), 265 sv.; Id., Territorien (cit. n. 29), 110; Alain Marchandisse, Jean de Heinsberg (1419–1455) ou le dilemme d’un prince-évêque de Liège écartelé par des options politiques antagonistes, dans: Publ. du centre européen d’études bourguignonnes (XIV e – XV e s.) 38 (1998), 84 (médiation entre Liège et Bourgogne); Les chevaliers de l’Ordre de la Toison d’Or au XV e siècle. Notices bio-bibliographiques, publ. sous la dir. de Raphaël de Smedt, Francfortsur-le-Main e. a. 22000 (Kieler Werkstücke D 3), n. 25 (p. 57–60; Paul van Peteghem); Petra Ehm, Burgund und das Reich. Spätmittelalterliche Außenpolitik am Beispiel der Regierung Karls des Kühnen (1465–1477), Munich 2002 (Pariser Histor. Studien 61), 37, 118. 32 Deutsche Reichstagsakten [RTA], XV: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 1. Abtlg.: 1440–1441, éd. Hermann Herre, Gotha 1914 (nouv. impr. 1957), n. 250– 260 (p. 452–475), p. 303–306; Hermann Keussen, Regesten und Auszüge zur Geschichte der Universität Köln, Cologne 1918 (Mitt. aus dem Stadtarchiv von Köln 36/37), n. 854, 854 a – e, 857, 858. Cf. Stieber, Pope Eugenius IV (cit. n. 18), 213–215; Erich Meuthen, Kölner Universitätsgeschichte, I: Die alte Universität, Cologne – Vienne 1988, 167 sv. 33 Joseph Hansen, Zur Vorgeschichte der Soester Fehde, dans: Westdt. Zs. für Geschichte und Kunst. Erg.-heft III, éd. Karl Lamprecht, Trèves 1886, 68–70, 78–85; Id., Westfalen und Rheinland im 15. Jahrhundert, I: Die Soester Fehde, Leipzig 1888 (PPSA 34), p. 13*–15*, 48*, 64*, 67*; Franz Stentrup, Erzbischof Dietrich II. von Köln und sein Versuch der Inkorporation Paderborns, dans: Zs. für Vaterländ. Geschichte und Altertumskunde 62 (1904), 1–97; Reinerus Regnardus Post, Geschiedenis der Utrechtsche bisschopsverkiezingen tot 1535, Utrecht 1933 (Bijdragen van het Instituut voor middeleeuwsche geschiedenis der Rijks-Universiteit te

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de Charles VII en train de réapparaître sur la scène internationale, les desseins de Meurs-Cologne s’accordaient parfaitement avec la politique de contrôle, même d’affaiblissement de la Bourgogne, toujours perpétuée en dépit du traité de réconciliation conclu à Arras en 1435. Un renversement des alliances fut donc dans la logique des choses. Sa réalisation fut cependant l’œuvre d’un autre, d’un nouveau prince-électeur, personnage de grande envergure, toujours à la hauteur de ses interlocuteurs en Allemagne comme en Italie, en France comme en Bourgogne: de Jacques de Sierck, archevêque de Trèves à partir de 1439, auparavant au service des Anjou, donc ancien élève d’une excellente école en diplomatie34. Grâce à lui, le groupe rhénan des princes-électeurs atteindra son apogée dans les années quarante, apogée marqué par le soi-disant « conciliarisme rhénan » et le rapprochement du royaume de France. Mais avant de présenter les multiples activités de Sierck dans le contexte francobâlois, on jettera un regard en arrière sur l’Église de Trèves avant son pontificat ainsi que sur celle de Mayence. Trèves qui, comme toute la région de la BasseMoselle, fait partie des pays rhénans, ne joua aucun rôle actif dans les années trente; l’Église fut au contraire l’objet d’activités de la part du concile et du pape vu le schisme déclenché en 1430 entre Rhaban de Helmstadt, ancien évêque de Spire nommé par Eugène IV, et l’élu du chapitre Ulrich de Manderscheid. Cette querelle, accompagnée de démêlés violents et d’un désastre financier sur place, devait occuper les Pères à Bâle pendant des années. Les intérêts de Manderscheid y furent défendus par un jeune docteur en décrets né au bord de la Moselle, Nicolas de Cuse, destiné encore à une grande carrière entre érudition et cardinalat35. Utrecht 19), 138–163; Id., Kerkgeschiedenis van Nederland in de middeleeuwen, II, Utrecht 1957, 1–21; Droege, Verfassung (cit. n. 29), 29, 34–36, 54 sv.; Toussaint, Les relations diplomatiques (cit. n. 27), 157 sv., 184 sv.; Vaughan, Philip the Good (cit. n. 27), 224–227; Paravicini, Moers (cit. n. 24), 14; Lacaze, Philippe le Bon (I) (cit. n. 30), 141, 151 sv., 155; Acta Cusana. Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues, I/2: 1437 V 17–1450 XII 31, éd. Erich Meuthen, Hambourg 1983, 256 n. 11; Abraham Glezerman/Michael Harsgor, Cleve – ein unerfülltes Schicksal. Aufstieg, Rückzug und Verfall eines Territorialstaates, Berlin 1985 (Histor. Forschungen 26), 164 sv.; Janssen, Erzbistum (cit. n. 29), 264 sv. 34 Ignaz Miller, Jakob von Sierck 1398/99–1456, Mayence 1983 (QMRhKG 45). 35  Erich Meuthen, Das Trierer Schisma von 1430 auf dem Basler Konzil. Zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues, Münster 1964 (Buchreihe der Cusanus-Gesellschaft 1); Id., Nikolaus von Kues 1401–1464. Skizze einer Biographie, Münster 71992, 34–36; Hermann Heimpel, Die Vener von Gmünd und Straßburg 1162–1447 …, I, Göttingen 1982 (VMPIG 52/1), 455–461 (Causa Treverensis); Miller, Jakob von Sierck (cit. n. 34), 19–21, 34–38. Lors de son séjour à Bâle, Nicolas de Cuse rédigea son traité célèbre, mentionné ci-dessus, sur la Concordance catholique, ce manifeste en faveur d’un conciliarisme modéré comportant, en outre, des propositions pour une réforme de l’Église et de l’Empire: vision d’ensemble, basée sur une érudition impressionnante tout aussi bien en théologie et en philosophie qu’en droit et en histoire, écrite par un Rhénan, mais sans la moindre spécificité rhénane. En 1437, on retrouvera d’ailleurs le même Nicolas de Cuse dans le camp adverse: partisan d’Eugène IV par conviction, soucieux de l’avenir de l’Église ou opportuniste ne recherchant que ses propres intérêts et des avantages matériels? Cf. Erich Meuthen, Nikolaus von Kues in der Entscheidung zwischen Konzil und Papst, dans: Mitt. und Forschungsbeitr. der Cusanus-Gesellschaft 9 (1971), 19–33.

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Quant au schisme de Trèves, la victoire revint à Rhaban en 1437, mais le prix à payer fut énorme; la principauté fut ruinée, et en quelques endroits la résistance armée continua. Dans de telles circonstances, il ne faut guère s’étonner que les subtilités de la doctrine conciliaire aient suscité si peu d’intérêt à Trèves. Situation un peu semblable à Mayence: une principauté menacée en permanence par ses voisins, le prince-électeur du Palatinat et le landgrave de Hesse; la ville elle-même déchirée par des combats violents entre métiers et patriciat d’une part (en 1428, un patricien nommé Johannes Gensfleisch fut obligé de quitter sa ville natale; plus tard, il sera mondialement connu sous le nom de sa demeure mayençaise: Gutenberg), entre la commune et le clergé, jaloux de ses immunités, d’autre part36. Assurément, le nouvel archevêque, Thierry d’Erbach (1434–1459) très conscient de sa haute dignité, apprécia aussi peu toutes les confoederationes vel colligationes se formant au cours de ces conflits à Mayence que le concile de Bâle, association égalitaire accordant scandaleusement à un simple chanoine le même droit de vote qu’aux envoyés d’un archevêque, comme Thierry le fit remarquer à deux reprises aux ambassadeurs du concile37. Et le fait que ce synode fût favorable à l’incorporation de Paderborn dans l’Église de Cologne, bien que cet évêché westphalien eût appartenu dès ses débuts (vers 800) à la province ecclésiastique de Mayence, renforça sans aucun doute son attitude de refus, attitude probablement confirmée par ses conseillers Helwig de Boppard et Jean de Lysura, tous deux sensibles aux instigations et promesses des représentants du parti papal que furent Nicolas de Cuse et le légat Juan de Carvajal38. Deux remarques s’imposent ici: 1° Ces conseillers, en général des spécialistes qualifiés en théologie et droit canonique, jouèrent sûrement un rôle considérable, mais l’état des sources ne permet pas de définir de manière concrète l’influence exercée sur leurs maîtres. – 2° Le 36 Michael Matheus, Vom Bistumsstreit zur Mainzer Stiftsfehde: Zur Geschichte der Stadt Mainz 1328–1459, dans: Mainz. Die Geschichte der Stadt, éd. Franz Dumont e. a., Mayence 1998, 175–181; Paul-Joachim Heinig, Die Mainzer Kirche im Spätmittelalter (1305–1484), dans: Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte, éd. Friedhelm Jürgensmeier, I / 1, Wurtzbourg 2000 (Beitr. zur Mainzer Kirchengesch. 6), 510–517. – Gutenberg: Wolfgang Dobras, Gutenberg und seine Stadt: Mainzer Geschichte im 15. Jahrhundert, dans: Gutenberg. aventur und kunst. Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution [catalogue d’exposition], Mayence 2000, 18–24, cf. 298–301. 37 Wolfgang Voss, Dietrich von Erbach, Erzbischof von Mainz (1434–1459). Studien zur Reichs-, Kirchen‑ und Landespolitik sowie zu den erzbischöflichen Räten, Mayence 2004 (QMRhKG 112). Cf. Heinig, Mainzer Kirche (cit. n. 36), 517–531 (521: confoederationes vel colligationes); Müller, Franzosen (cit. n. 7), I, 259 (se ammirari, quod cum haberet latam et amplam diocesim et provinciam, quod unus simplex in sacro concilio tantam vocem habere sicut sui ambasiatores). 38 a) Boppard et Lysura: Voss, Dietrich von Erbach (cit. n. 37), appendice A («  Die erzbischöflichen Räte »); Ingrid Heike Ringel, Studien zum Personal der Kanzlei des Mainzer Erzbischofs Dietrich von Erbach (1434–1459), Mayence 1980 (QMRhKG 34), 112–127, 237–242; Gerhard Fouquet, Das Speyerer Domkapitel im späten Mittelalter (ca. 1350–1540). Adlige Freundschaft, fürstliche Patronage und päpstliche Klientel, II, Mayence 1987 (QMRhKG 57), 646–649. – b) Cuse et Carvajal: Miller, Jakob von Sierck (cit. n. 34), 122, 139 sv.; Acta Cusana (cit. n. 33), I / 2, n. 396 (p. 259).

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fait d’appartenir au même collège n’empêcha pas les princes-électeurs de poursuivre leurs propres intérêts surtout en ce qui concerne leurs territoires, comme le prouvent les démêlés entre Mayence et le Palatinat ou entre Cologne et Mayence. La solidarité entre pairs eut ses limites, mêmes si deux décisions du collège assez spectaculaires furent prises en commun à l’ombre de l’Église de Mayence: d’abord en mars 1438 à Francfort, où les princes-électeurs se déclarèrent neutres face aux deux conciles de Bâle et de Ferrare39; ensuite en 1439, quand une assemblée de plénipotentiaires du roi des Romains, des princes-électeurs et d’autres archevêques du Saint-Empire, réunie à Mayence, accepta la plupart des décrets du concile de Bâle, mais de manière adaptée à ses propres besoins. Sans aucun doute, la « Pragmatique Sanction de Bourges » servit de modèle pour cette « Mainzer Akzeptation » qui ne devint pourtant jamais « Reichsgesetz » comme la « Pragmatique », une fois enregistrée au Parlement40. Ce fut surtout Thierry d’Erbach qui souhaita des modifications, toujours dans l’intention de contrecarrer des tendances égalitaires au détriment du pape et des prélats. Dans les années qui suivirent, cet archevêque, avec toute l’expérience des révoltes que son siège avait connues, se rapprocha de plus en plus d’Eugène IV, mais aussi du roi des Romains et des princes de l’Empire, toujours dans l’espoir de liquider ce concile grâce à leur aide41. À cause de sa situation géographique, cette région au confluent du Main et du Rhin continua sur le plan du Reich à être une « Zentrallandschaft »; pour les grandes diètes, l’on se rencontra à Francfort ou à Mayence, ville évoquée entre autres du côté allemand au début des années quarante comme lieu apte à recevoir un troisième concile42. Dans ce contexte germanique, Thierry d’Erbach ne fit pas grande attention à la France et à la Bourgogne, attitude due aussi au fait que Mayence – aux Temps Modernes et surtout 39 RTA, XIII: Deutsche Reichstagsakten unter König Albrecht II., 1. Abtlg.: 1438, éd. Gustav Beckmann, Stuttgart – Gotha 1925 (nouv. impr. 1957), n. 130 (p. 216–219), n. 131 (p. 219 sv.), n. 144 (p. 230–232). Cf. Stieber, Pope Eugenius IV (cit. n. 18), 137–140; Helmrath, Basler Konzil (cit. n. 1), 289–296. 40  Miethke / Weinrich, Quellen (cit. n. 6), n. 27 (p. 442–449) = RTA, XIV: Deutsche Reichstagsakten unter König Albrecht II., 2. Abtlg.: 1439, éd. Helmut Weigel, Stuttgart 1935 (nouv. impr. 1957), n. 56 (p. 109–114). Cf. Miethke/Weinrich, 65 sv.; Heinz Hürten, Die Mainzer Akzeptation von 1439 …, dans: AMRhKG 11 (1959), 42–75; Stieber, Pope Eugenius IV (cit. n. 18), 155–173; Helmrath, Basler Konzil (cit. n. 1), 297–306; Paul-Joachim Heinig, Zwischen Kaiser und Konzil. Die ‹ Reformdiskussion › in der Mainzer Kirche, dans: Reform von Kirche und Reich (cit. n. 6: Patschovsky), 116 sv. 41 Stieber, Pope Eugenius IV (cit. n. 18), 221; Miller, Jakob von Sierck (cit. n. 34), 122; Heinig, Zwischen Kaiser (cit. n. 40), 125; Voss, Dietrich von Erbach (cit. n. 37), chap. 3.2.2.3 (« Der erste Versuch einer Aufgabe der Neutralität, 1440–1442 »). 42 Remigius Bäumer, Eugen IV. und der Plan eines ‹ Dritten Konzils › zur Beilegung des Basler Schismas, dans: Reformata Reformanda. FS H. Jedin, éd. Erwin Iserloh / Konrad Repgen, I, Münster 1965 (Reformationsgesch. Studien und Texte I/1), 99; Stieber, Pope Eugenius IV (cit. n. 18), 152 sv., 174 sv.; Johannes Helmrath, Locus concilii. Die Ortswahl für Generalkonzilien vom IV. Lateranum bis Trient, dans: AHC 27/28 (1995/96) (= Mélanges W. Brandmüller), 245–247.

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à l’époque de la Révolution, haut-lieu de l’influence française en Allemagne – ne fut, à l’époque, en contact direct ou indirect, ni avec le royaume ni avec le duché.

III Ce ne fut donc pas sur terre mayençaise, mais à Trèves et à Cologne, dans le voisinage de la France et de la Bourgogne, qu’à partir de 1440/41 commença à fleurir ce « conciliarisme rhénan » dont parlaient Eugen Ewig et Anton J. Gail en 1956 au cours d’une rencontre d’historiens français et allemands43. Non, ce conciliarisme n’eut pas de bases théologiques ou canoniques – des expertises comme celle de l’université de Cologne ne furent qu’un accessoire scientifique bienvenu; il fut, au contraire, l’instrument politique utilisé de manière magistrale par un princeélecteur face au défi bourguignon et aux répercussions de ce défi sur un royaume de France retrouvant à la fin de la guerre de Cent Ans sa liberté d’agir et de réagir à tous les niveaux, y compris sur le sort du concile et du mouvement conciliaire. On parle, bien sûr, de nouveau de Jacques de Sierck, l’écolâtre et doyen de l’Église de Trèves, déjà en 1430 et 1434 parmi les candidats aux sièges de Trèves et de Mayence. Issu d’une famille de chevaliers, dont le siège Sierck, situé à michemin entre Trèves et Metz, fut un fief des ducs de Lorraine, le jeune Jacques, né en 1398/99, immatriculé en 1414 à l’université de Heidelberg, était destiné à une carrière ecclésiastique44. Son intelligence, son savoir-faire, son aisance le firent entrer comme diplomate aussi bien au service du concile que de la curie et du roi des Romains. Mais ce fin renard, ce caractère rusé et peu scrupuleux, sans cesse à la recherche d’avantages financiers, resta quand même toujours fidèle à son seigneur de prédilection: au duc de Lorraine René d’Anjou qui incarnait toutes les aspirations et ambitions de la dynastie angevine à l’échelon international s’étendant jusqu’à Naples et Jérusalem45. Voilà le monde où Sierck apprit l’art diplomatique. Apprenti surdoué comme dut le constater en 1437 même un duc de Bourgogne, fort impressionné par son habileté à négocier la libération de René, prisonnier de Philippe le Bon depuis six ans. En signe de reconnaissance pour ses

43 Eugen Ewig/Anton J. Gail, Das europäische Mittelalter. Material zu den deutschfranzösischen Empfehlungen, dans: Die deutsch-französischen Beziehungen im Mittelalter. Ergebnisse der deutsch-französischen Historikertagung Bamberg 1956, Brunswick 1957, 27. 44 Miller, Jakob von Sierck (cit. n. 34), 5–53; Heribert Müller, Jakob von Sierck, dans: LThK V (31996), 730. 45 Albert Lecoy de la Marche, Le roi René. Sa vie, son administration, ses travaux artistiques et littéraires …, I, Paris 1875, 487; Miller, Jakob von Sierck (cit. n. 34), 41. Cf. Heribert Müller, Être conciliateur à l’époque conciliaire. Les Anjou et la cour royale face au concile de Bâle (1431–1449), dans: Saint-Denis et la royauté. Études offertes à B. Guenée. Travaux réunis par Françoise Autrand e. a., Paris 1999 (Histoire ancienne et médiévale 59), 768 sv.

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qualités extraordinaires, il reçut une pension annuelle de 500 florins, bien entendu du parti adverse, sans doute désireux de s’assurer ses capacités46. Vains efforts; au contraire, dès le début de son pontificat à Trèves en 1439, Jacques de Sierck fut obligé d’agir contre les machinations d’un duc de Bourgogne en train de faire mainmise sur le duché du Luxembourg avoisinant sa propre principauté. À qui appartenait le Luxembourg? Question épineuse, quasi insoluble vu tous les droits, toutes les prétentions réclamés par les partis divers: Elisabeth de Goerlitz, petite-fille de l’empereur Charles IV de Luxembourg et duchesse toujours en pénurie financière, l’avait mis en gage à Philippe le Bon, mais le duc s’avisa de l’acquérir définitivement soit par la voie diplomatique soit par les armes. L’archevêque se sentit menacé par ce voisin surpuissant et joua la carte saxonne, étant donné que Guillaume III, frère du prince-électeur Frédéric II de Saxe, avait épousé Anne, une fille d’Albert II, roi des Romains, et d’Elisabeth de Luxembourg, une autre petite-fille de Charles IV. De sa mère Elisabeth, la jeune mariée Anne reçut le Luxembourg comme dot sans préjudice aux droits éventuels d’un fils posthume d’Elisabeth et d’Albert II. Sierck joua donc son jeu diplomatique pour s’assurer ses services de procureur sur place, sans oublier son propre avantage – la Saxe était en effet un client qui payait bien47. Grâce à son apprentissage angevin, Sierck, l’homme du grand monde, prévalant de loin la plupart de ses homologues au Reich, savait qu’il fallait deux choses: de l’argent, mais face à l’adversaire bourguignon beaucoup plus d’argent que les sommes mises en général à la disposition des seigneurs allemands, et l’aide du beau-frère de René d’Anjou, seul capable de faire reculer le grand duc, c’est-àdire l’aide de Charles VII, roi de France. Pour ce qui est de l’argent, Sierck, luimême responsable d’une Église et d’une principauté tombées en ruine pendant les années du schisme, découvrit ses sympathies pour Félix V, élu pape par le concile en 1439, entre autres à cause de sa fortune. Plutôt réservé à l’égard des exigences synodales, l’ancien duc de Savoie n’hésita pourtant pas à faire de grandes promesses pécuniaires aux princes dans l’espoir de renforcer son obédience menacée de graves pertes. Un traité de mariage, conclu en mars 1443, entre sa petite-fille Charlotte et Frédéric, fils du prince-électeur Frédéric II de Saxe, lui coûta cher: 100 000 florins plus 10 000 florins de commission pour Sierck48, qui tira, l’année 46 Miller,

Jakob von Sierck (cit. n. 34), 45–47 et n. 199. doit la meilleure étude du problème luxembourgeois à Miller, Jakob von Sierck (cit. n. 34), 80–113, 237–240. Cf. Yvon Lacaze, Philippe le Bon et les terres d’Empire. La diplomatie bourguignonne à l’œuvre en 1454–1455, dans: Annales de Bourgogne 36 (1964), 82–93; Id., Philippe le Bon (I) (cit. n. 30), 157–159; Vaughan, Philip the Good (cit. n. 27), 274–285; Henny Grüneisen, dans: RTA, XIX/I: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 5. Abtlg. / 1. Hälfte: 1453–1454, éd. Helmut Weigel/H. G., Göttingen 1969, 343 sv. 48 Samuel Guichenon, Histoire généalogique de la Royale Maison de Savoie, III, Lyon 1660, 368–371; RTA, XVII: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 3. Abtlg.: 1442–1445, éd. Walter Kaemmerer, Göttingen 1963, n. 50–54 (p. 127–131). Cf. Kaemmerer, ibid., 115 sv.; Alexander Eckstein, Zur Finanzlage Felix’ V. und des Basler Konzils, Berlin 47 On

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suivante, de nouveau profit d’un deuxième traité de mariage qu’il organisa, cette fois entre Louis IV, le jeune prince-électeur du Palatinat, et Marguerite de Savoie, fille d’Amédée VIII – Félix V, mariée en premières noces avec Louis III d’Anjou, frère aîné de René …49! Grâce à Sierck, le concile et son pape purent donc compter en 1444, à une époque où presque tous les princes avaient pris leurs distances, sur quatre des sept princes-électeurs: Trèves et Cologne, la Saxe et le Palatinat, prêts à oublier leur obligation de neutralité à la vue de cet argent et de ces mariages (comme Félix V et Bâle, pour leur part, furent prêts à oublier la nomination de l’un de leurs adhérents les plus fidèles à la dignité de prévôt dans l’Église de Wurtzbourg remplacé par Philippe de Sierck, frère de l’archevêque). Et ce fut exactement le même groupe des princes-électeurs qui conclut un traité d’amitié (novum fedus, ut vera conficiatur amicicia) en février 1445 à Trèves et à Nancy avec le roi de France et son dauphin, c’est-à-dire aussi bien avec l’adversaire principal de Philippe le Bon qu’avec les dirigeants d’un royaume où, nonobstant la position officielle vis-à-vis du concile définie en 1440, le conciliarisme avait des racines profondes, et où l’on essaya, fidèle à la « Pragmatique », de réaliser un « conciliarisme à la française » dans le cadre de l’Ecclesia gallicana. Faut-il s’étonner que Félix V visant à tout prix la conclusion du traité, se fit représenter à Trèves par deux de ses confidents50? 1912 (Neue Studien zur Geschichte der Theol. und Kirche 14), 93–95; Heinz Angermeier, Das Reich und der Konziliarismus, dans: HZ 192 (1961), 573 (nouv. impr. dans: Id., Das alte Reich in der deutschen Geschichte. Studien über Kontinuitäten und Zäsuren, Munich 1991, 184); Stieber, Pope Eugenius IV (cit. n. 18), 252–255; Hans Berger, Der Alte Zürichkrieg im Rahmen der europäischen Politik. Ein Beitrag zur ‹ Außenpolitik › Zürichs in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Zurich 1978, 126 sv.; Heinig, Zwischen Kaiser (cit. n. 40), 128. 49 Ernest Cornaz, Le mariage palatin de Marguerite de Savoie (1445–1449), Lausanne e. a. 1932 (Mém. et doc. publ. par la SHSR II/15) (avec des pièces justificatives). Cf. Eckstein, Finanzlage (cit. n. 48), 93–95; Kaemmerer, dans: RTA, XVII, 249 n. 1; Miller, Jakob von Sierck (cit. n. 34), 140–142; Stieber, Pope Eugenius IV (cit. n. 18), 258; Heinig, Zwischen Kaiser (cit. n. 40), 128; Meinrad Schaab, Geschichte der Kurpfalz, I, Stuttgart e. a. 21999, 172 sv. – Cf. n. 51. 50  RTA, XVII, n. 325 (p. 693–699, citation: 695). Cf. Thomas Basin, Histoire de Charles VII: Nam et federa … cum pluribus sacri imperii electoribus atque principibus iniit, tam ecclesiasticis quam secularibus, et cum eis presertim quibus invisum vel exosum fore eumdem ducem Burgundionum agno­ sceret (éd. et trad. Charles Samaran avec la coll. de Henry de Surirey de Saint Remy, II, Paris 21965 [CHFMA 21], 246). Cf. Kaemmerer, dans: RTA, XVII, 629–634 (634: « Das gesamte Vertragswerk darf nach Form und Inhalt uneingeschränkt in die Reihe der bedeutenden europäischen Staatsverträge eingeordnet werden »); Heinz Quirin, Studien zur Reichspolitik König Friedrichs III. von den Trierer Verträgen bis zum Beginn des süddeutschen Städtekrieges (1445–1448), Berlin s. d. [1963] (Thèse d’État dactylogr.), 6, cf. 103 sv.; Berger, Der Alte Zürichkrieg (cit. n. 48), 163–165 (164: « Das Vertragswerk gehört in die Reihe bedeutender europäischer Staatsverträge. Erst im 19. und 20. Jahrhundert wurde es kaum mehr erwähnt »); Heinz-Dieter Heimann, Zwischen Böhmen und Burgund. Zum Ost-Westverhältnis innerhalb des Territorialsystems des Deutschen Reiches im 15. Jahrhundert, Cologne – Vienne 1982 (Dissert. zur mittelalterlichen Geschichte 2), 129–131 (ouvrage à consulter sous réserve; cf. Heribert Müller, compte rendu dans: AKG 60 [1984], 482–485; Franz Petri, Zum Ost-West-Verhältnis in der deutschen Landesgeschichte, dans: Westfäl. Forschungen 33 [1983], 125–131); Miller,

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Ce furent pourtant le même Charles VII qui venait d’entreprendre en 1444/45 sa campagne de Lorraine, et le même Louis qui fut en 1444 à la tête de cette terrible invasion d’écorcheurs en Alsace, effrayant toutes les contrées du Sud-Ouest du Reich. Le Saint-Empire était donc menacé par les Français: 1444/45, c’est le début spectaculaire de la fameuse haine héréditaire entre des Allemands sur la défensive et des Français en pleine agression, parce qu’au fond, ces derniers espéraient étendre leur royaume jusqu’aux bords du Rhin. C’est ainsi qu’une certaine historiographie allemande, marquée par le nationalisme des XIXe et XXe siècles, expliqua les événements de 1444/45 tout en condamnant les quatre princesélecteurs traîtres à leur patrie. En réalité, ce fut Habsbourg qui avait demandé l’aide militaire contre les Suisses à la cour de Charles VII, sans prévoir que le roi profiterait de cette occasion pour se débarrasser de ses mercenaires après les trêves franco-anglaises de Tours. Et la campagne de Lorraine n’envisagea pas la conquête des contrées occidentales du Saint-Empire; elle devait, au contraire, en plein accord avec Trèves et Saxe, par le renforcement de la position du duc de Lorraine René d’Anjou, contrebalancer le poids de Philippe le Bon, pour l’instant seigneur du Luxembourg et toujours soucieux de lier ses pays bourguignons « par deçà » et « par delà » par la possession de ces duchés51. Même le fait que Charles VII et René d’Anjou se présentèrent aux joutes de Nancy comme rois de Jérusalem peut être Jakob von Sierck (cit. n. 34), 147–150; Id., Der Trierer Erzbischof Jakob von Sierck und seine Reichspolitik, dans: RhVjbll 48 (1984), 97 sv. Félix V fut représenté par son ancien confident, le kemmerling (cf. RTA, XVII, n. 321 [p. 689], n. 326 [p. 699], n. 350 [p. 723], n. 367 [p. 740]) Guillaume Bolomier, mais aussi par Jean de Grôlée, son vice-chancelier et ambassadeur à maintes occasions, qui défendit en même temps les intérêts saxons à Trèves: RTA, XVII, n. 321 (p. 689); cf. Berger, 164; Miller, Jakob von Sierck, 149 sv. Voir aussi Lucien Quaglia, La maison du Grand-Saint-Bernard des origines aux temps actuels, Aoste 1955, 189–192; Louis Binz, dans: Helvetia Sacra, I / 3 (Genève, Vienne en Dauphiné), Berne 1980, 132–135; Müller, Lyon (cit. n. 11), 38. 51 Les sources concernant l’incursion en Alsace et la campagne de Lorraine sont rassemblées dans les RTA, XVII, et dans le livre d’Alexandre Tuetey, Les écorcheurs sous Charles VII. Épisodes de l’histoire de la France au XV e siècle, I, Montbéliard 1874 (Soc. d’émulation de Montbéliard. Mém. II / 6), 121–367. Cf. Werner Maleczek, Die diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Frankreich in der Zeit von 1430 bis 1474, Innsbruck 1968 (Thèse dactylogr.), 40–97; Elsanne Gilomen-Schenkel, Henmann Offenburg (1379–1459). Ein Basler Diplomat im Dienste der Stadt, des Konzils und des Reiches, Bâle 1975 (Quellen und Forsch. zur Basler Geschichte 6), 125–139; Berger, Der Alte Zürichkrieg (cit. n. 48), 134–172; Lacaze, Philippe le Bon (I) (cit. n. 30), 160–162; Miller, Jakob von Sierck (cit. n. 34), 143–153; Heinz Thomas, Deutsche Geschichte des Spätmittelalters 1250–1500, Stuttgart e. a. 1983, 452–456; Walter Mohr, Geschichte des Herzogtums Lothringen, IV, Trèves 1986, 75–118; Wilhelm Baum, Die Habsburger in den Vorlanden 1386–1486 …, Cologne – Weimar 1993, 253–260; Alois Niederstätter, Der Alte Zürichkrieg. Studien zum österreichisch-eidgenössischen Konflikt sowie zur Politik König Friedrichs in den Jahren 1440 bis 1446, Vienne e. a. 1995 (Forsch. zur Kaiser‑ und Papstgesch. des Mittelalters. Beih. zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 14), 265–273; Francis Rapp, Guerre et liberté urbaine en Alsace à la fin du Moyen Âge. Les villes alsaciennes face aux incursions des roturiers, dans: Guerre, pouvoir et noblesse au Moyen Âge. Mélanges en l’honneur de Ph. Contamine. Textes réunis par Jacques Paviot/ Jacques Verger, Paris 2000 (Cultures et civilisations médiévales 12), 597–603. C’était surtout l’attitude de Habs-

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considéré comme un avertissement à Philippe le Bon de ne pas se mettre comme un prince souverain à la tête d’une croisade52. Déjà Jacob Burckhardt, célèbre historien bâlois, vit plus clair et juste que toutes ces cohortes d’historiens nationalistes dans sa leçon inaugurale tenue en 1844: « C’était dans la logique des choses que la France, une fois débarrassée des Anglais, se jetterait sur la Bourgogne »53. En Alsace, on trembla dans l’attente des écorcheurs, mais à Trèves et aussi à Cologne on les fit entrer dans les calculs politiques. Car dans le sillage de Sierck, Thierry de Meurs, ce vieux partenaire des Anglais et des Bourguignons, avait changé de camp. Dans la partie westphalienne de sa principauté, la ville de Soest révoltée eut l’intention de se soumettre au jeune duc Jean Ier de Clèves-Mark54. Mais tout le monde savait que la maison de Clèves représentait plus ou moins la Bourgogne en Basse-Rhénanie55. La mère de Jean était une sœur de Philippe le Bon, et ce fut à la cour bourguignonne qu’on assura l’éducation des jeunes bourg et le départ des écorcheurs qui favorisèrent le rapprochement du jeune prince-électeur palatin avec le roi de France. – Cf. n. 49. 52 Christian Kleinert, compte rendu de Christian de Mérindol, Les fêtes de chevalerie à la cour du roi René, dans: Francia 24/1 (1997), 272; cf. Heribert Müller, Fasanenfest und Orden vom Goldenen Vlies …, dans: ZHF 27 (2000), 209. 53 Jacob Burckhardt, Über die Lage Frankreichs zur Zeit des Armagnakenzuges 1444 [1844], Berlin – Leipzig 1933 (Burckhardt-Gesamtausgabe 14), 54 sv. 54  Hansen, Westfalen (cit. n. 33) (documentation détaillée sur la « Soester Fehde »). Cf. Toussaint, Les relations diplomatiques (cit. n. 27), 182 sv., 194–196; Franz Petri, Nordwestdeutschland in der Politik der Burgunderherzöge, dans: Westfäl. Forschungen 7 (1953/54), 87–89 (nouv. impr. dans: F. P., Zur Geschichte und Landeskunde der Rheinlande, Westfalens und ihrer westeuropäischen Nachbarländer, éd. Edith Ennen, Bonn 1973, 486–488); HeinzDieter Heimann, Fürstenpolitik und Fehde. Zum Ost-Westverhältnis im Territorialsystem des 15. Jahrhunderts am Beispiel der Soester Fehde, dans: Soester Zs. 92/93 (1980/81), 151–179; Id., Zwischen Böhmen und Burgund (cit. n. 50), 153–299; Id., Die Soester Fehde, dans: Soest. Geschichte der Stadt, II: Die Welt der Bürger. Politik, Gesellschaft und Kultur im spätmittelalterlichen Soest, éd. H.-D. H., Soest 1996, 173–260; Lacaze, Philippe le Bon (II) (cit. n. 25), 165 sv.; Glezerman/Harsgor, Cleve (cit. n. 33), 162–179; Wilfried Ehbrecht, Emanzipation oder Territorialisierung? Die Soester Fehde als Ausdruck des Ringens um die staatliche Ordnung des Nordwestens zwischen Reich, Burgund, Erzstift Köln und Hanse, dans: Studia Luxemburgensia. FS H. Stoob, éd. Friedrich B. Fahlbusch/Peter Johanek, Warendorf 1989 (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 3), 404–432 (nouv. impr.: W. E., Konsens und Konflikt. Skizzen und Überlegungen zur älteren Verfassungsgeschichte deutscher Städte, éd. Peter Johanek, Cologne e. a. 2001 [Städteforschung A/56], 270–291); Jürgen Karl W. Berns, Propter communem utilitatem. Studien zur Bündnispolitik der westfälischen Städte im Spätmittelalter, Düsseldorf 1991 (Studia humaniora 16), 200–205; Janssen, Erzbistum (cit. n. 29), 266–269; Paul-Joachim Heinig, Soester Fehde, dans: LexMA VII (1995), 2023; Ehm, Burgund (cit. n. 31), 37–43; Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies, I: Herzog Philipp der Gute 1430–1467 …, éd. Sonja Dünnebeil, Stuttgart 2002 (Instrumenta 9), n. 94, 94 A–D (p. 177). 55 Clèves et Bourgogne: Petri, Nordwestdeutschland (cit. n. 54), passim; Gregor Hövelmann, Die Anfänge der Beziehungen zwischen Kleve und den Herzögen von Burgund, dans: AHVN 161 (1959), 232–243; Vaughan, Philip the Good (cit. n. 27), 289–292; Werner Paravicini, Kleve, Geldern und Burgund im Sommer 1473 …, dans: Francia 23/1 (1996), 55–58. Sur l’influence bourguignonne dans le domaine artistique et littéraire voir Hans Peter Hilger, Kleve und Burgund, dans: Land im Mittelpunkt der Mächte. Die Herzogtümer JülichKleve-Berg [catalogue d’exposition], Clèves 31985, 209–233; Wiltrud Schnütgen, Literatur

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princes de cette maison, qui entretenait à Bruxelles une résidence secondaire. Thierry de Meurs, engagé en 1444 comme Sierck dans la réalisation du traité de mariage entre Palatinat et Savoie, n’hésita pas: Sur place, à Trèves en février 1445, il envoya, lors des pourparlers entre les délégations des princes-électeurs et du roi de France, une ambassade à la cour de Charles VII umbe etlicz tusend des folks ym ubir die von Soest zu lihen (afin qu’on lui prêtât quelques milliers de ce peuple [des écorcheurs] pour la campagne de Soest)56. L’espoir d’obtenir une assistance militaire lui semblait bien fondé, étant donné que l’ambassadeur de Saxe lui fit savoir qu’un conseiller de Charles VII lui avait offert cette aide pour le Luxembourg: mynen heren zu dinst solich folk in das lant luczemburg [zu] furen, und er begere keyne gelt …, sundern er wolte mynen heren helffen ire gerechtikeit bekreftigen, als ym wol, nachdem er ein groß konig sij, czemlich sij (de conduire au service de mes seigneurs [le duc de Saxe et son frère] ce peuple [les écorcheurs] au pays de Luxembourg sans demander de l’argent, mais dans l’intention de confirmer leurs droits comme il lui [Charles VII] convient, devenu un grand roi)57. Voilà le mot-clé: Charles VII, groß konig, le grand roi – on est tenté d’ajouter: et les petits princes-électeurs dans la salle d’attente à Trèves, avides de l’argent en provenance de la Savoie et désireux de conclure un traité d’amitié avec ce grand roi, dans l’espoir qu’il leur prêterait son appui au Luxembourg ainsi qu’à Soest. Peu importa qu’Eugène IV privât, sur la demande du duc de Clèves en 1445, l’archevêque de Cologne et son frère, l’évêque de Münster, de tous leurs droits juridictionnels dans le duché de Clèves58; peu importa qu’Eugène IV déposât Thierry de Meurs et Jacques de Sierck en janvier 1446 pour nommer un fils du duc de Clèves archevêque de Cologne et un frère bâtard de Philippe le Bon archevêque de Trèves – au contraire, cet acte provoqua un mouvement passager de

am klevischen Hof vom hohen Mittelalter bis zur frühen Neuzeit, Clèves 1990, 40–50; Ehm, Burgund (cit. n. 31), 28–37, 46, 74 sv. 56  Hansen, Westfalen (cit. n. 33), n. 136 (p. 131) = RTA, XVII, n. 326 (p. 702). Cf. Hansen, ibid., p. 78*, n. 148 (p. 139–141); Gaston du Fresne de Beaucourt, Histoire de Charles VII, t. IV: L’expansion de la royauté (1444–1449), Paris 1888, 342 sv.; Heimann, Zwischen Böhmen (cit. n. 50), 140; Miller, Jakob von Sierck (cit. n. 34), 150 et n. 321. – Les princes de Clèves à Bruxelles: Dieter Scheler, Köln oder Brüssel. Die heimlichen Hauptstädte von Kleve-Mark, dans: Köln und die Niederlande in ihren historischen Raumbeziehungen (15.–20. Jahrhundert), éd. Dieter Geuenich, Pulheim 2000 (Veröffentl. des Histor. Vereins für den Niederrhein 17), 191–205. 57 Hansen, Westfalen (cit. n. 33), n. 136 (p. 129); cf. RTA, XVII, n. 326 (p. 700); Ehm, Burgund (cit. n. 31), 39. 58 Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins …, éd. Theodor J. Lacomblet, IV, Düsseldorf 1858 (nouv. impr. 1960), n. 252 (p. 298 sv.). Cf. Hansen, Westfalen (cit. n. 33), p. 67*, n. 123/124 (p. 118–120), n. 143 (p. 135 sv.); Toussaint, Les relations diplomatiques (cit. n. 27), 190 sv.; Petri, Nordwestdeutschland (cit. n. 54), p. 88/487; Droege, Verfassung (cit. n. 29), 39; Id., Dietrich von Moers (cit. n. 29), 57; Kaemmerer, dans: RTA, XVII, 232; Lacaze, Philippe le Bon (I) (cit. n. 30), 165.

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solidarité même dans le Saint-Empire contre le pape romain, et ni la Bourgogne ni son satellite en Basse-Rhénanie ne le prirent au sérieux59. Mais en 1446, il fut quand même grand temps de trouver un accord de principe. Le concile de Bâle avait tourné en conciliabule, et son pape Félix V était un berger presque sans troupeau – vu cette situation, il fallut vite se mettre à l’abri dans l’attente de l’argent savoyard et du soutien français contre Bourgogne et Clèves. En juin 1447, nos quatre princes-électeurs Trèves, Cologne, Saxe et Palatinat – dont estoit le chief l’arcevesque de Treves, comme le fit remarquer le Héraut Berry60 – signèrent à Bourges un traité préparé au conseil royal qui devait mettre fin au schisme et au concile tout en assurant à Félix V et à la petite poignée des Pères, encore réunis à Bâle et plus tard à Lausanne, un départ assez honorable61. Bourges, en 1447, ne fut plus une assemblée du clergé du royaume de France, mais seulement un congrès à échelon européen, où le rex christanissimus Charles « le Victorieux » et ses conseillers imposèrent leurs conditions pour une paix au sein de l’Église. Bourges, en 1447, confirme une nouvelle fois la conclusion de Philippe Contamine: « Charles, le roi très victorieux, fut aussi le roi de la paix – parce qu’il était le plus fort, le plus craint »62. Quelle sagesse donc de la part du chanoine Henri Engelhard, plénipotentiaire saxon à Bourges, de recommander l’adhésion à ce traité, als das doch nit anders sin mag (parce qu’il ne peut en être autrement)63. En effet, la répartition des forces en général et spécialement la question luxembourgeoise ne permirent pas d’alternative. Vue de la cour de Charles VII, cette adhésion des princes-électeurs fut sans doute importante, pourtant pas absolument nécessaire; elle donna aux articles rédigés à Bourges une autorité supplémentaire. Mais ce fut justement cette 59 Hansen, Westfalen (cit. n. 33), n. 189 (p. 176–179). Cf. Id., ibid., p. 71*–73*; Valois, Le pape et le concile (cit. n. 18), II, 306 sv.; Toussaint, Les relations diplomatiques (cit. n. 27), 191 sv.; Petri, Nordwestdeutschland (cit. n. 54), p. 89/p. 488; Droege, Verfassung (cit. n. 29), 39 sv.; Id., Dietrich von Moers (cit. n. 29), 57; John B. Toews, Emperor Frederick III and His Relations With the Papacy From 1440 to 1493, PhD Univ. of Colorado 1962 (Univ. Microfilms, Ann Arbor 62–6294), 191–193; Quirin, Studien (cit. n. 50), 6 sv.; Stieber, Pope Eugenius IV (cit. n. 18), 276–304; Berger, Der Alte Zürichkrieg (cit. n. 48), 176; Lacaze, Philippe le Bon (I) (cit. n. 30), 165; Heimann, Zwischen Böhmen (cit. n. 50), 143, 265 et n. 740; Miller, Jakob von Sierck (cit. n. 34), 163–165. 60 Gilles Le Bouvier dit Le Héraut Berry, Les chroniques du roi Charles VII, éd. † Henri Courteault / † Léonce Celier/Marie Henriette Jullien de Pommerol, Paris 1979 (SHF), 280. 61 Luc d’Achery, Spicilegium sive collectio … (nouv. éd. L.-F. Joseph de la Barre), III, Paris 1723, 770 sv. Cf. Hansen, Westfalen (cit. n. 33), 111*–119*; Valois, Le pape et le concile (cit. n. 18), II, 328 sv.; Toussaint, Les relations diplomatiques (cit. n. 27), 200 sv.; Quirin, Studien (cit. n. 50), 42–45; Stieber, Pope Eugenius IV (cit. n. 18), 305–308; Miller, Jakob von Sierck (cit. n. 34), 168 sv. 62 Philippe Contamine, Notes sur la paix en France pendant la guerre de Cent Ans [1980, nouv. impr.] dans: Id., La France aux XIV e et XV e siècles. Hommes, mentalités, guerre et paix, Londres 1981, n. XIV, p. 186; cf. Id., Charles VII, les Français et la paix, 1420–1445, dans: CRAI a. 1993/I, Paris 1993, 21. 63 Hansen, Westfalen (cit. n. 33), n. 279 (p. 278).

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autorité qui manqua de manière substantielle aux efforts de Frédéric III, roi des Romains, et des princes allemands essayant de liquider de leur côté le schisme à Mergentheim et Aschaffenbourg sous les auspices du Saint-Empire64. Sierck ne fut certainement pas trop mécontent de leur échec, étant donné qu’il reprocha à Frédéric trop de réserve à l’égard du concile et une attitude trop bienveillante vis-à-vis du duc de Bourgogne. Ce même Henri Engelhard fit aussi savoir à son duc que l’archevêque de Cologne ne viendrait pas en personne à Bourges parce qu’il était mit sweren krigen umbgeben (il y avait autour de lui de grandes guerres)65. À cette époque, le siège de Soest, entrepris par les forces de Cologne, appuyées par des mercenaires de Saxe et de Bohême, atteignit en effet son point culminant. Y a-t-il vraiment lieu de supposer que ce fut à cause des échelles d’assaut un peu trop courtes que l’entreprise finit par échouer et que la dernière tentative de Cologne d’établir une suprématie dans le Nord-Ouest de l’Empire fut ainsi vouée à l’échec, comme le font penser quelques chroniques de l’époque et, dans leur sillage, quelques historiens allemands66? Ne fut-ce pas au fond le résultat d’une aide très restreinte d’un roi de France peu enclin à mettre en marche ces milliers d’écorcheurs réclamés par Thierry de Meurs vers la Westphalie? Non, Charles VII fut juste disposé à soutenir un conflit limité toujours sous son contrôle, disposition partagée ­d’ailleurs par Philippe le Bon qui ne permit pas n’importe quel excès dangereux à son protégé Clèves. La Basse-Rhénanie comme la Westphalie (où la guerre de Münster suivra dans les années cinquante la guerre de Soest sous les mêmes auspices) furent des terrains propices à une politique réciproque ‹à fleuret moucheté› sans trop de risques67. Même Jacques de Sierck, seul à la hauteur de ses voisins à l’Ouest, dût s’avouer à la fin qu’il avait été, au moins en sa qualité de prince-électeur de Trèves, un objet d’importance secondaire dans le grand jeu franco-bourguignon68. Certes, le Luxembourg était plus cher aux Français que les lointains Soest et Münster, et la 64 RTA, XVII, n. 316–320 (p. 683–689). Cf. Quirin, Studien (cit. n. 50), 56 sv.; Stieber, Pope Eugenius IV (cit. n. 18), 304 sv., 312–315. 65 Hansen, Westfalen (cit. n. 33), n. 279 (p. 279). 66  Voir par exemple Droege, Dietrich von Moers (cit. n. 29), 58; Heimann, Zwischen Böhmen (cit. n. 50), 246 et n. 683 (sources). 67 Hansen, Westfalen (cit. n. 33), 53* sv., 94* sv. (Philippe le Bon), 113* (Charles VII). Cf. Leroux, Nouvelles recherches (cit. n. 25), 268 sv.; Quirin, Studien (cit. n. 50), 43 sv.; Lacaze, Philippe le Bon (I) (cit. n. 30), 165; Glezerman/Harsgor, Cleve (cit. n. 33), 172; Ehm, Burgund (cit. n. 31), 38 sv., 41 sv. 68 Miller, Jakob von Sierck (cit. n. 34), 169 sv. – On pourrait ajouter qu’Enea Silvio Piccolomini / Pie II considéra Thierry de Meurs comme le plus important des princes du Saint-Empire … sur le plan physique: vir sui temporis omnium Germanorum facile princeps. Fuit enim statura eminenti et corpore pulchro atque agili adeo, ut septuagesimum agens annum nullo adiuvante conscenderit equum et arma non magis gravate quam iuvenis gestaverit: Papa Pio II (Enea Silvio Piccolomini), I commentarii [1458 sqq.], éd. Luigi Totaro, Milan 1984 (Classici 47), 2190 (L. XI, c. 17) = Pii II commentarii rerum memorabilium que temporibus suis contigerunt [1458 sqq.], éd. Adriaan van Heck, II, Cité du Vatican 1984, 691.

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question luxembourgeoise continua à figurer à l’ordre du jour sans que Trèves ait pu pourtant influencer sérieusement cet ordre du jour. C’était à titre personnel que Sierck continua d’être apprécié par un roi de France qui l’assura à maintes reprises de sa singuliere et parfaicte confidence, comme en témoigne une lettre de créance pour l’archevêque envoyée par Charles VII en 1447 à une diète prévue à Nuremberg69. (Qu’on me permette ici enfin de signaler un sujet, à ma connaissance jamais traité et qui vaudrait pourtant la peine que l’on s’en occupe vu la richesse des sources. Je pense à tous ces « travailleurs frontaliers » actifs en général à l’arrièreplan, qui grâce à leurs origines régionales, leur maîtrise des langues et leur bonne connaissance des problèmes dans le triangle franco-burgundo-germanique furent très estimés par toutes les cours concernées. On peut citer par exemple le comte Gérard de Looz-Heinsberg-Blankenheim70, lui aussi membre de cette ambassade française à la diète prévue à Nuremberg, dont fit partie, en plus, Jean de Grôlée, prévôt commendataire du Grand St-Bernard. Grôlée assura aussi les contacts entre les cours de Savoie et de France tout en étant conseiller du duc de Saxe71 qui mit, 69 Tuetey,

Les écorcheurs (cit. n. 51), II, n. 29 (p. 165). comte, marié avec une nièce de l’archevêque de Cologne et neveu de l’évêque de Liège, Jean de Heinsberg, joua un rôle considérable au cours des négociations à Trèves et à Nancy (cf. Hansen, Westfalen [cit. n. 33], n. 136 [p. 129]). Il assura surtout les relations entre Thierry de Meurs et une cour de France où tout l’honoroient et aimoient, comme en témoigne Jean de Stavelot, car lydit conte estoit moult saige, et savoit mult bien parleir en beau roman franchois, en tixhe, et entendoit gracieusement son latin … et ly roy de Franche le fist secretaire chamberlain de sa court, et ly donnat une pension pris en son tresoir toute sa vie de chinq milh frans d’oir. Ce fut Gérard, toujours d’après ce chroniqueur, qui fist, ordinat et porachat paix et allianches entre VIII princes, étant donné que le traité de Trèves-Nancy, conclu par Charles VII et le dauphin Louis avec les quatre princes-électeurs, fut aussi signé en avril 1445 par lui-même et son parent, le duc Gérard Ier de Juliers-Berg: Chronique de Jean de Stavelot, publ. par Adolphe Borgnet, Bruxelles 1861 (Coll. des chroniques belges inédites 10/1), 547 sv.; RTA, XVII, n. 332 (p. 705–707); BN, ms. fr. n. acq. 7629, fol. 227r (traité d’alliance). Cf. Johannes Mötsch, dans: Die Manderscheider. Eine Eifeler Adelsfamilie. Herrschaft – Wirtschaft – Kultur [catalogue d’exposition], Brauweiler 1990, 118 n. 25; Karl Otermann, Archiv von Manderscheid-Blankenheim in Prag bewahrt, dans: Jb des Kreises Euskirchen a. 1978, 111 (acte de nomination par le roi de France). Voir aussi Hansen, 76* n. 6; du Fresne de Beaucourt, Histoire de Charles VII (cit. n. 56), IV, 67, 69, 127 sv., 343. – En 1447, Charles VII envoya Blankenheim, carum consanguineum nostrum (RTA, XVII, n. 339 d [p. 767]) comme ambassadeur à Nuremberg: Tuetey, Les écorcheurs (cit. n. 51), II, n. 28 (p. 150), 32 (p. 175 sv.); cf. BN, ms. fr. 6966, fol. 9r / v, ms. fr. n. acq. 7629, fol. 465r. Voir aussi du Fresne de Beaucourt, 260, 360; Quirin, Studien (cit. n. 50), 35 (« Gérard de Loss »). – Il figura probablement même parmi les correspondants du confesseur de Charles VII, Gérard Machet: BN, ms. lat. 8577, n. 292 (Gerardum de Loen, comitem Blanchrenchensem); cf. Joannis Launoii … regii Navarrae gymnasii historia …, I / II, Paris 1677, 140, 554 sv. – Notes biographiques (une étude approfondie de sa vie s’impose): Johann Friedrich Schannat / Georg Bärsch, Eiflia illustrata …, I/1, Cologne 1824, 288–290; Kaemmerer, dans: RTA, XVII, 705 n. 1; Peter Neu, Geschichte und Struktur der Eifelterritorien des Hauses Manderscheid vornehmlich im 15. und 16. Jahrhundert, Bonn 1972 (Rhein. Archiv 80), 54 sv., 63. 71 Voir n. 50. – Nuremberg: Tuetey, Les écorcheurs (cit. n. 51), II, n. 28 (p. 150). Cf. du Fresne de Beaucourt, Histoire de Charles VII (cit. n. 56), IV, 260 et n. 6; Quirin, Studien (cit. n. 50), 35 n. 58. 70 Ce

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en outre, à son service le Lorrain Guillaume Hugues, l’un des meilleurs juristes au concile de Bâle créé cardinal aussi bien par Félix V que plus tard par Nicolas V72. Voilà un tout premier regard sur un monde qui reste encore à découvrir.) En terminant ce chapitre d’histoire rhénane au crépuscule du conciliarisme, six conclusions semblent s’imposer: 1° Le soi-disant « conciliarisme rhénan » est un modèle d’instrumentalisation d’une idée ecclésiologique à des fins politiques ou, autrement dit, une leçon montrant comment le monde de la politique sait s’emparer du monde des idées susceptibles de lui rendre service. Partout en Europe, les princes et leurs cours se rendirent compte des avantages du bicéphalisme au sein de l’Église: un pape peu enclin à accorder tel ou tel privilège? Aucun problème, on s’adressa donc au concile, en général plus bienveillant étant donné qu’il dépendait, pour sa part, de la bienveillance des puissances séculières. Contre les prétentions de la plenitudo potestatis romaine, le conciliarisme contribua ainsi, de manière involontaire bien sûr, à établir des régiments princiers dans l’Église. La « Pragmatique Sanction » en est la meilleure preuve; même un archevêque de Mayence, peu disposé à faire cause commune avec ses homologues de Cologne et de Trèves, fut un partisan du « Landeskirchenregiment »73. 2° Le « conciliarisme rhénan », représenté justement par Thierry de Meurs et Jacques de Sierck, eut, en plus, un profil politique tout à fait particulier. À la recherche d’alliances matrimoniales avec Félix V, pape du concile et ancien duc de Savoie, on gagna de nouveaux partenaires – la Saxe et le Palatinat – tout en cherchant à exploiter ainsi de nouvelles ressources financières. En même temps s’accomplit le rapprochement avec la cour de Charles VII où, grâce au gallicanisme, le conciliarisme trouva refuge; rapprochement surtout effectué dans l’attente d’assistance militaire contre un adversaire commun: la Bourgogne de Philippe le Bon menaçant directement la principauté de Trèves par sa mainmise 72 Michel Maigret, Guillaume Huin, le cardinal d’Étain, dans: Bull. des Soc. d’histoire et d’archéol. de la Meuse 9 (1972), 81–101; Wolfgang Decker, Estaing, Guillaume, dans: DBI XXXXIII (1993), 287–290; Heribert Müller, Vom Konzil zur Kurie. Eine kirchliche Karriere im 15. Jahrhundert: Guillaume Hugues d’Étain, Archidiakon von Metz und Kardinal von Santa Sabina († 1455) dans: ZKG 110 (1999), 25–52. – Conseiller du duc de Saxe super causis et negociis tam ecclesiasticis quam secularibus à partir d’avril 1443: RTA, XVII, 129 sv. n. 1; Müller, 35. 73 Voss, Dietrich von Erbach (cit. n. 37), chap. 3.6.2.2 («  Der Mainzer Erzbischof als Wortführer der Kurienkritik, 1455–1459 »): Sous la présidence d’Erbach, le synode provincial de l’Église de Mayence, tenu à Aschaffenbourg en juin 1455, exigea une convocacio nationis seu archiepiscoporum et episcoporum et principalium principum nacionis Germanice; cf. Anton Joseph Binterim, Pragmatische Geschichte der deutschen National-, Provinzial‑ und vorzüglichen Diözesanconcilien …, VII, Mayence 1848, 491–500; Wilhelm Michel, Das Wiener Konkordat vom Jahre 1448 und die nachfolgenden Gravamina des Primarklerus der Mainzer Kirchenprovinz (Thèse Heidelberg), Bensheim 1929, 43–50; Martin Hannapel, Die in Aschaffenburg tagenden Mainzer Provinzialsynoden, dans: Aschaffenburger Jb 4 (1957), 451–461; Heinig, Zwischen Kaiser (cit. n. 40), 132 sv.; Id., Mainzer Kirche (cit. n. 36), 529; Francis Rapp, Le Saint Empire romain germanique d’Otton le Grand à Charles Quint, Paris 2000, 301.

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sur le Luxembourg, et la principauté de Cologne de manière indirecte à Soest par son allié de Clèves. 3° Cette politique menée tout à fait indépendamment de l’Empire fut conçue par Jacques de Sierck, l’archevêque de Trèves et le seul prince-électeur à la hauteur de ses grands partenaires à l’Ouest, étant donné qu’il avait passé des années d’apprentissage au service angevin, dans une des meilleures écoles à l’échelon européen. 4° Même un personnage d’une telle envergure que Sierck ne fut pourtant pas capable de faire oublier à long terme les faits de base, la différence structurelle, c’est-à-dire les relations entre la France et la Bourgogne d’une part, et les principautés des électeurs d’autre part. Les traités conclus avec eux par Charles VII en 1445 à Trèves et à Nancy et en 1447 à Bourges rendirent sans doute grand service au roi de France, ils donnèrent à ses actions une autorité supplémentaire, sans être cependant absolument indispensables pour la réalisation de ses objectifs. D’autre part, le rapprochement avec la France de ces quatre princes-électeurs suffit pour faire échouer tous les efforts du roi des Romains et des princes allemands en vue d’une liquidation du schisme – le mérite de l’avoir surmonté fut attribué à Charles VII et non à Frédéric III. 5° Les pays rhénans restèrent donc finalement ce qu’ils furent dès la fin du XIIIe siècle: un réservoir d’alliés de moyenne et petite portée, souvent d’ailleurs en désaccord entre eux. (La Rhénanie n’a jamais existé, c’est la raison pour laquelle des historiens allemands parlent plutôt des « Rheinlande » que d’un « Rheinland »74.) Ils furent une assurance complémentaire, mais en aucune façon essentielle ni pour le roi de France ni pour le duc de Bourgogne. Bien sûr, s’il le fallait, on prêtait secours à ses partenaires sans pourtant s’engager jusqu’à la dernière extrémité. C’était un accord tacite pour éviter toute confrontation directe provoquée par des alliés du Saint-Empire. Les choses changeront sous le duc Charles le Téméraire s’apprêtant à soumettre toute la rive gauche du Rhin de Gueldre jusqu’en Alsace; mais Louis XI préféra d’autres moyens que la guerre ouverte pour mettre fin aux ambitions rhénanes de son adversaire. 6° Le « conciliarisme rhénan » est-il un épisode marginal sans lendemain, un épilogue sans suite, un échec, au fond non digne d’être mentionné? C’est juste l’échec qui rend des structures historiques transparentes: tandis qu’en France « Le temps des principautés » (Jean Favier) venait de s’achever – à l’exception du cas particulier de la Bourgogne –, et que la « Naissance de la nation France » (Colette Beaune) avait lieu, c’est au Saint-Empire qu’en dépit du terme duytsche nation / 74 ‹ Rheinisch  ›. Zum Selbstverständnis einer Region, éd. Bernd Kortländer / Gunter E. Grimm, Stuttgart – Weimar 2001 (Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf. Archiv – Bibliothek – Museum 9). Cf. Franz Petri/Georg Droege, Einführung in das Gesamtwerk, dans: Rheinische Geschichte, I/1, par Harald von Petrikovits, Düsseldorf 21980, p. XVI–XXX; Janssen, Kleine rheinische Geschichte (cit. n. 23), 11.

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teutsche nation de plus en plus en usage75, l’autonomie de ses nombreux membres était en plein essor. Mais le fait qu’on n’était pas, comme en France, surveillé et limité à tous les niveaux par l’administration et la justice du roi, qu’il n’y avait pas cette centralisation sur le plan financier et militaire, impliquait aussi que tous ces seigneurs et princes étaient obligés de développer leurs propres stratégies de survie – le « conciliarisme rhénan » en fut une, aussi ambitieux que son auteur le fut, situé à un échelon très élevé, même trop élevé car à ce niveau il n’y avait que le groß konig, le grand roi, qui imposait sa loi, als das doch nit anders sin mag. Cependant, il y eut des lendemains, il y eut une suite. Ce ne fut pas seulement sur le plan culturel, au siècle des Lumières, que les princes aux bords du Rhin se sentirent parfois plus proches de Versailles que de Vienne. D’une part, à la veille de l’élection d’un nouveau roi des Romains, la cour royale de France sollicita les faveurs des princes-électeurs, de préférence lorsqu’il s’agissait de soutenir une candidature française, mais aussi lorsqu’une intervention directe dans le SaintEmpire s’imposa comme par exemple au cours de la guerre de Trente Ans. D’autre part, la nouvelle alliance franco-autrichienne, ce fameux « renversement des alliances » réalisé par le chancelier Kaunitz en 1756, accorda aux maisons princières comme Wittelsbach, détenteur du siège de Cologne dès 1583, une certaine liberté d’action76, liberté d’action particulièrement avantageuse pour les princes rhénans. Traîtres à leur patrie? Avant de les mesurer à l’aune nationale et nationaliste des XIXe et XXe siècles, n’oublions pas l’état des structures dans le Saint-Empire, dans cet ordre désordonné77. Mais n’oublions pas non plus que ce sont les seules contrées du Reich imprégnées de la tradition romaine. Les pays rhénans faisant partie de l’Allemagne comme ils firent partie du Saint-Empire, ont 75 Alfred Schröcker, Die Deutsche Nation. Beobachtungen zur politischen Propaganda des ausgehenden 15. Jahrhunderts, Lubeck 1974 (HS 426); Götz Landwehr, ‹ Deutsche Nation › …, dans: Aus dem Hamburger Rechtsleben. FS W. Reimers, éd. Heinrich Ackermann e. a., Berlin 1979, 1–35; Ulrich Nonn, Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Zum NationenBegriff im 15. Jahrhundert, dans: ZHF 9 (1982), 129–142; Thomas, Deutsche Geschichte (cit. n. 51), 484 sv.; Claudius Sieber-Lehmann, ‹ Teutsche Nation › und Eidgenossenschaft. Der Zusammenhang zwischen Türken‑ und Burgunderkriegen, dans: HZ 253 (1991), 561–602; Id., Spätmittelalterlicher Nationalismus. Die Burgunderkriege am Oberrhein und in der Eidgenossenschaft, Göttingen 1995 (VMPIG 116), 163–250; Rapp, Le Saint Empire (cit. n. 73), 299–30l. 76 Max Braubach, Vom Westfälischen Frieden bis zum Wiener Kongreß, dans: Rheinische Geschichte, II, Düsseldorf 1976, 277, 280 sv.; Anton Schindling, Rheinisches Reich und Frankreich im 18. Jahrhundert, dans: Formen internationaler Beziehungen in der Frühen Neuzeit. Frankreich und das Alte Reich im europäischen Staatensystem. FS K. Malettke, éd. Sven Externbrink / Jörg Ulbert, Berlin 2001 (Histor. Forschungen 71), 388. 77 Point de vue récemment critiqué par Wolfgang Schmale qui souligne, en partant des représentations iconographiques, que le Saint-Empire, loin de ressembler à un « monstre » (cf. n. 20: Pufendorf) était constitué de corps en bonne et due forme: Id., Un paradis nommé Allemagne: Sébastian Münser ou la visualisation géographique et idéalisée du Saint-Empire au XVIe siècle, dans: L’espace du Saint-Empire, du moyen âge à l’epoque moderne (Actes du colloque de Strasbourg 30–31 III 2001), éd. Christine Lebeau, Strasbourg 2004, 19–31; cf. C.L., dans: Bull. d’information de la MHFA 37 (2001), 104 sv.

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Les pays rhénans, la France et la Bourgogne à l’époque du concile de Bâle

toujours gardé une physionomie particulière qui les rapproche de leurs voisins à l’Ouest. Ils furent, grâce à leur fleuve, toujours des pays de passage, des lieux de rencontre. Le Rhin n’est ni un fleuve allemand ni un fleuve français comme le firent croire à haute voix les nationalistes des deux côtés78. Non, c’est un fleuve européen: l’un des rares historiens qui eut le courage de le dire dans les années trente du XXe siècle, à une époque de nationalismes outranciers, fut l’auteur d’un beau livre tombé à tort un peu dans l’oubli. Le livre s’intitule: Le Rhin. Problèmes d’histoire et d’économie, son auteur: Lucien Febvre79.

78 Cf. Heribert Müller, ‹ Von welschem Zwang und welschen Ketten des Reiches Westmark zu erretten ›. Burgund und der Neusser Krieg 1474/75 im Spiegel der deutschen Geschichtsschreibung von der Weimarer Republik bis in die der frühen Bundesrepublik, dans: Griff nach dem Westen. Die ‹ Westforschung › der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum (1919–1960), éd. Burkhard Dietz e. a., I, Münster 2003 (Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas 6), 137–184 [voir dans ce volume 72–125]. 79 Une édition en langue allemande fut réalisée par Peter Schöttler: Lucien Febvre, Der Rhein und seine Geschichte, Francfort-sur-le-Main e. a. 1994. La traduction annotée est aussi remarquable que la postface: Lucien Febvres Beitrag zur Entmythologisierung der rheinischen Geschichte (p. 217–263).

Warum nicht einmal die Herzöge von Burgund das Königtum erlangen konnten* Als Kaiser Friedrich III. auf der Zusammenkunft in Trier 1473 Karl den Kühnen von Burgund feierlich mit Geldern belehnt hatte, war ebendieser neue Herzog von Geldern damit nicht zufrieden, sondern bestand bei dem vorgenannten Kaiser und in dessen Umgebung mit großer Hartnäckigkeit darauf, daß er auch zum König der Burgunder erhoben werde, und daß jenes alte Königreich Burgund, das über viele Fürstengenerationen hin unterdrückt und beinahe ausgelöscht und vergessen worden sei, wiedererrichtet und er nicht mehr nur Herzog, sondern König von Burgund genannt werde. Mit seinen inständigen Bitten und seiner Freigiebigkeit, womit er fast ohne Unterlaß dem Kaiser die Ehre erwies, bewirkte und erreichte er bei ihm soviel, daß allgemein und öffentlich verbreitet wurde, der Kaiser stimme seinen Wünschen zu, und daß man ohne jedes Zögern davon ausging, er werde ihn zum König erheben und mit den königlichen Insignien auszeichnen. Denn der Kaiser selbst hatte ja versprochen, er werde dies vornehmen, und die Sache war so weit fortgeschritten, daß man sich bereits auf den Termin für die Durchführung solch großer Feierlichkeit verständigt und ihn festgelegt hatte … In der Trierer Kathedrale, wo der Festakt angesetzt war, hatte der Kaiser selbst Throne und Tribünen anfertigen und errichten lassen; persönlich war er zugegen, um Vorsorge und Anordnung zu treffen, wo und wie die Throne und Sitze der kaiserlichen und königlichen Majestät aufgestellt werden sollten. Auch war der Bischof von Metz gebeten worden – und dieser hatte sich auch ganz und gar darauf vorbereitet –, die Messe und den Akt der heiligen Salbung zu feiern und durchzuführen. Doch, o weh, wie leicht und von einem Augenblick zum anderen wankelmütig und wandelbar sind die Absichten der Menschen, wie zerbrechlich sind Bündnisse und Freundschaften unter Menschen und vor allem unter Fürsten, die nicht durch Christi Bindekraft verknüpft und bestärkt sind; fürwahr häufig und im besonderen damals hat sich als wahr offenbart, was der heilige Psalm sang: ‚Vertraut weder auf Fürsten noch auf Menschensöhne, in ihnen liegt kein Heil‘. Unvermutet jedenfalls, als man doch annahm, sie seien einander durch soviel gegenseitige Liebe, Zuneigung und Freundschaft verbunden, als sie sooft auf glänzendsten, mit größter Sorgfalt und königlichem Aufwand zubereiteten Gastmählern freundschaftlich zusammen gespeist hatten, als man alles, wie gesagt, was für den feierlichen Rahmen einer so bedeutenden Ehrung erforderlich war, zusammengebracht und fertiggestellt hatte, so daß man allgemein unter großer Aufmerksamkeit erwartete, in drei Tagen werde die Feier jenes königlichen Gipfels, die Erhebung des neuen Königs und die Einrichtung des neuen Königreichs oder die Erneuerung des alten, auf Grund * Ursprüngliche, bislang ungedruckte Fassung eines Aufsatzes, der in gekürzter Form unter dem Titel „Um 1473 – Warum nicht einmal die Herzöge von Burgund das Königtum erlangen wollten und konnten“ in dem v. Bernhard Jussen hg. Sammelband „Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit“ (München 2005, 255–274, 395–397 [Anm.]) erschienen ist.

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ebendieses Alters dahingegangenen, stattfinden, da – ich weiß nicht wegen welch aufgekommenen Grolls oder, wie ich eher annehme, wegen welch aufkeimenden Mißtrauens oder unheilvollen Verdachts – bestieg der Kaiser unverhofft und ohne das geringste Wissen des Burgunderherzogs am frühen Morgen sein Schiff und fuhr eilends die Mosel hinab zum Rhein. Und so wurde die Hoffnung des Burgunderherzogs selbst wie aller, die geglaubt hatten, er müsse zum König erhoben werden, enttäuscht, sie ging ins Leere und wurde von einem zum anderen Augenblick zunichte gemacht. Wir hielten uns damals in Trier auf, ohne daß wir im Gefolge irgendeines Großen gewesen wären und irgendjemandem gedient hätten oder hätten dienen wollen. Auch wenn wir uns noch so sehr darum bemühten, den Grund jenes plötzlichen Auseinandergehens in Erfahrung zu bringen, vermochten wir doch weder damals noch später zu einer den Tatsachen entsprechenden, gesicherten Kenntnis zu gelangen1.

Verbittert hatten den normannischen Bischof Thomas Basin die Jahre des Trierer Exils werden lassen, in das ihn 1471 seine Feindschaft zu König Ludwig XI. von Frankreich getrieben hatte2, allein seinen Scharfsinn und Scharfblick hatte er sich bewahrt. Doch hier stand der Geschichtsschreiber vor einem unlösbaren Rätsel, obwohl er, anders als viele nicht minder Ratlose, selbst Zeuge der Geschehnisse vor Ort war, dabei aber, wie er eigens betonte, Distanz zu den Akteuren hielt, sich mithin nicht zum Freund Karls des Kühnen, des ärgsten Feindes seines eigenen Feindes, machte. Da war der Burgunder gerade erst am 6. November 1473 auf dem Trierer Marktplatz in aller Form von Friedrich III. mit dem Herzogtum Geldern belehnt worden – auch davon verdanken wir Basin eine ausführliche Schilderung –, um sogleich Anspruch auf ein Königtum zu erheben, das ihm der Kaiser ganz offensichtlich auch zu geben bereit war, überwachte Friedrich doch persönlich die Vorbereitungen für die Feierlichkeit in der Kathedrale. Beschlossen also war die Krönung, allenfalls deren genauer Termin schien noch offen. Der im Kontakt mit seinen Gesandten vor Ort stehende Kurfürst und Brandenburger Markgraf Albrecht Achilles vermeldete sie in seiner Korrespondenz gar schon als vollzogen, wie es auch Jacopo Galeoto, ein italienischer Söldnerführer in Karls Diensten, tat, und gleiches vermerkte der Basler Münsterkaplan Hans Knebel in seinem Tagebuch3. In der Tat waren die Beteiligten in Geheimverhandlungen am 1  Thomas Basin, Histoire de Louis XI, éd. et trad. par Charles Samaran / MoniqueCécile Garand, II (1470–1477), Paris 1966 (CHFMA 29), c. IX (S. 178–182) (dt. Übers. vom Verf.). – Psalm: CXLVI, 3. 2 Zu Basin in Trier Marc Spencer, Thomas Basin (1412–1490). The History of Charles VII and Louis XI, Nieuwkoop 1997 (Bibliotheca Humanistica & Reformatorica 57), 325 s. v. „Trier“; über mögliche Hintergründe für den Aufenthalt in dieser Stadt vgl. HZ 269 (1999), 185. 3 Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles, hg. u. erl. v. Felix Priebatsch, I, Leipzig 1894 (PPSA 59), n. 729 (S. 594); Fabio Cusin, Impero, Borgogna e politica italiana (L’incontro di Treviri del 1473) – Appendice: Documenti, in: Nuova Rivista Storica 20 (1936), n. II (S. 39); vgl. Ders., in: Nuova Rivista Storica 19 (1935), 160; Basler Chroniken, II, hg. v. Wilhelm Vischer/Heinrich Boos, Leipzig 1880, 22 mit Anm. 2. Vgl. Marianne Awerbuch, Über die Motivation der burgundischen Politik im 14. und 15. Jahrhundert, Diss. Berlin 1970, 404 Anm. 1; Richard Vaughan, Charles the Bold. The Last Duke of Burgundy, London 1973 (ND 2002), 150; Paul-Joachim Heinig, Kaiser Friedrich III. (1440–1493). Hof, Regierung

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4. November zu einer Übereinkunft gelangt4, die mit besagtem Belehnungsakt zum ersten, kleineren Teil öffentlich kundwurde. Alles schien klar, da bereitete der Kaiser allem mit seiner plötzlichen Abreise am frühen Morgen des 25. ein unerwartet-abruptes Ende. Und über die Gründe des Scheiterns darf mit und mehr als 500 Jahre nach Basin weiterhin gerätselt werden. Was die Geschichtswissenschaft denn auch mit Eifer tat: War der mailändische Gesandte Carlo Visconti vielleicht mehr als nur ein wichtigtuerischer Intrigant, trug er vor Ort das Seine zu diesem Scheitern bei? Oder spann Ludwig XI. einmal mehr aus der Ferne an jenem angeblichen Netz, darin der Burgunder sich verfangen sollte? War Friedrich III. sich etwa innegeworden, daß jene Vereinbarung aus den ersten Novembertagen ihm keinerlei Vorteil einbrachte, fürchtete er einen Burgunder, der schon 1468 in Péronne den französischen König in seine Gewalt gebracht hatte? Stellte er gar das Recht des Reichs über die Interessen seines Hauses? Oder konnte Karl der Kühne, als Vater einer – wahrscheinlichen – Erbtochter im Besitz des denkbar wertvollsten Faustpfandes, seinerseits zuwarten, bis er eine andere, „bessere“ Krone erlangte? Oder aber waren es die Kurfürsten, die seinen Königs-, ja Kaiserplänen ein Ende setzten? Hatte der bis dahin erfolgsverwöhnte Autokrat schlicht die auf konsensualem Arrangement vor allem eben der Kurfürsten beruhende Wirklichkeit im Reich verkannt, oder scheiterte er im Gegenteil daran, daß er gerade im Wissen und Politik, II, Köln u. a. 1997 (Forsch. zur Kaiser‑ und Papstgesch. des Mittelalters. Beih. zu J. F.  Böhmer, Regesta Imperii 17/II), 1120. 4 Edition dieser Übereinkunft bei Henri Stein, Un diplomate bourguignon du XV e siècle: Antoine Haneron, in: BECh 98 (1937), n. X (S. 339 ff.); cf. Urkundliche Nachträge zur österreichisch-deutschen Geschichte im Zeitalter Kaiser Friedrichs III., ges. u. hg. v. Adolf Bachmann, Wien 1892 (FRA II/46), n. 210 (S. 221–226): Bericht der brandenburgischen Räte aus Trier – Regest in: a) Politische Correspondenz (wie Anm. 3), n. 724 (S. 590 ff.). – b) Matthias Thumser, Hertnidt vom Stein (ca. 1427–1491). Bamberger Domdekan und markgräflichbrandenburgischer Rat. Karriere zwischen Kirche und Fürstendienst, Neustadt a. d. Aisch 1989 (Veröffentl. der Ges. für Fränk. Geschichte IX/38), n. 46 (S. 209). Vgl. Hermann Heimpel, Karl der Kühne und Deutschland (mit besonderer Rücksicht auf die Trierer Verhandlungen im Herbst des Jahres 1473), in: Elsaß-Lothring. Jb 21 (1943), 21; ­Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 149 f.; Werner Paravicini, Karl der Kühne. Das Ende des Hauses Burgund, Göttingen u. a. 1976 (Persönlichkeit und Geschichte 94/95), 87; Petra Ehm, Burgund und das Reich. Spätmittelalterliche Außenpolitik am Beispiel der Regierung Karls des Kühnen (1465–1477), München 2002 (Pariser Histor. Studien 61), 135, 171 f. Frau Ehm behandelt in dieser auf einer Bonner Dissertation des Jahres 2000 beruhenden Arbeit ausführlich den Trierer Tag (132–197), wobei sie sich wesentlich auf das vor allem von Henny Grüneisen gesammelte Material stützen konnte, das ihr von der damals in Köln befindlichen Älteren Abteilung der Deutschen Reichstagsakten (vgl. Anm. 7) zur Verfügung gestellt wurde. In kürzerer, teilweise aber auch wörtlich identischer Form finden sich ihre Darlegungen insbesondere zum Zeremoniell ebenfalls in der Studie … und begeret ein kunig zu werden. Beobachtungen zu einem Herrschertreffen: Friedrich III. und Karl der Kühne in Trier 1473, in: Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im Mittelalter (13.–16. Jahrhundert), hg. v. Dieter Berg /Martin Kintzinger / Pierre Monnet, Bochum 2002 (Europa in der Geschichte 6), 233–257, hier: 235 f. Freundlicherweise stellten mir Verfasserin und Herausgeber noch vor Erscheinen einen Ausdruck dieses Aufsatzes zur Verfügung.

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um die zentrale Bedeutung der Königswähler – columpnae imperii nannte sie die Goldene Bulle – auf deren Zustimmung bestand, weil sie ihm für ein Gelingen dieser Pläne unverzichtbar schien? Zeigte der Kühne, wie Hermann Heimpel meinte, sich hier also wenig kühn auf Absicherung bedacht, derweil sein Gegenpart, nur zu oft als entscheidungsscheuer Vertager und Aussitzer gescholten, hohen Muts den Coup „Krone für Heirat“ im Alleingang zwischen den Häusern Habsburg und Burgund zu landen hoffte5? Rätsel und Fragen. Kann erneutes Studium der zum Trierer Treffen in durchaus reicher Anzahl vorliegenden Quellen auch neuen Aufschluß geben? Neben der Schilderung des parteienfernen Augenzeugen Basin sind da die bereits erwähnten Meldungen der Gesandten Hertnidt vom Stein und Ludwig von Eyb an Brandenburg und die des Carlo Visconti an Mailand (Heimpel: „schreibt freilich mit viel Tinte geschickt um den Mangel herum, daß er das Rechte auch nicht weiß“), des weiteren die Berichte des mit dem Hof Karls des Kühnen vertrauten päpstlichen nuncius Lucas de Tolentis, der Räte des Herzogs Sigismund von Österreich und des Ritters Arnoul de Lalaing, überkommen in einer lateinischen Übersetzung und Bearbeitung Rudolf Agricolas. Auch die Zeugnisse eines Straßburger laufenden Boten, eines kaiserlichen Rats und eines Anonymus aus dem Gefolge des Mainzer Erzbischofs gewähren ebenso wie der gleichfalls von einem Ungenannten stammende Bericht über Friedrichs III. Reisen im Reich 1473 gewisse Einsichten, was auch für schweizerische „Gedächtnisse“, für Nachrichten in der trierischen Ortsüberlieferung oder Darstellungen noch des 16. Jahrhunderts gilt6. Das bereits angeführte Knebelsche Diarium ergeht sich vor allem in ausladenden Beschreibungen von Pracht, Prunk und Zeremoniell. Daß jene „Schauseite“, 5 Die möglichen Gründe werden, bei teilweise eigener Präferenz der Autoren für die „Kurfürstenthese“ in der Heimpelschen Auslegung, diskutiert u. a. bei Awerbuch, Motivation (wie Anm.  3), 400 ff.; Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 152; Paravicini, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 88; Philippe Contamine, Charles le Téméraire fossoyeur et / ou fondateur de l’État bourguignon? [1977; ND] in: Ders., Des pouvoirs en France 1300–1500, Paris 1992, 95. Die Kurfürstenthese vertraten bereits Karl Rausch, Die burgundische Heirat Maximilians I. quellenmäßig dargestellt, Wien 1880, 93 f.; Johann Loserth, Geschichte des späteren Mittelalters von 1197 bis 1492, München – Berlin 1905, 661; Paul Bonenfant, Les projets d’érection des Pays-Bas en royaume du XV e au XVIIIe siècle …, in: Rev. de l’Univ. de Bruxelles 41 (1935/36), 157; am überzeugendsten dargelegt wurde sie eben von Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4). In jüngerer Zeit griffen sie befürwortend auf u. a. Yvon Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire: bilan d’un règne (II), in: Francia 10 (1982), 216; Jean Richard, La constitution de l’État bourguignon: Un projet bourguignon à l’échelle européenne, in: La France de l’Est et l’Europe. Du Moyen Âge à nos jours, Nancy 1995, 37; Jean-Marie Cauchies, Louis XI et Charles Le Hardi. De Péronne à Nancy (1468–1477): le conflit, Brüssel 1996 (Bibl. du Moyen Age 8), 80 f. Trotz aller Komplexität und Undurchsichtigkeit der Trierer Verhandlungen neigt letztlich auch Ehm dieser These zu: Burgund (wie Anm. 4), 195, 294. 6 Eine – teilweise mit Literaturhinweisen verbundene – Quellenübersicht bei Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 14–17 (Zitat 16 f.); Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 126 Anm. 2, 138 Anm. 1; Nachträge neueren Datums liefert Werner Paravicini, Die zwölf Magnificences Karls des Kühnen, in: Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter, hg. v. Gerd Althoff, Stuttgart 2001 (VuF 51), 348 Anm. 176.

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gleichfalls vorrangiges Thema des – auch in mehreren volkssprachlichen Fassungen vorliegenden – „Libellus de magnificientia ducis Burgundiae in Treveris visa conscriptus“ und der noch unedierten „La maniere de l’assamblee de l’empereur Frederic et Charles duc de Bourgogne en la cite de Trevez“ dem aufmerksamen Beobachter bzw. Leser durchaus in der Sache relevante Hinweise zu liefern vermag, hat unlängst Petra Ehm demonstriert7. Allein am Ende scheinen doch die resignativen Urteile von Kennern der Materie wie Paul Bonenfant und Hermann Heimpel Gültigkeit zu behalten: „Le secret dont furent entourées les conversations entre le duc et l’empereur ne permettra sans doute jamais d’en percer entièrement le mystère“, schreibt jener (und man erinnert sich des Vergleichs der Geheimgespräche mit einem päpstlichen Konklave bei Lalaing – Agricola). Knapp und treffend dieser: „es ist vieles, doch nicht viel überliefert“8. Die Bemerkung findet sich in der auf die Trierer Verhandlungen von 1473 zentrierten Studie „Karl der Kühne und Deutschland“, die der damals an der Reichsuniversität Straßburg tätige Heimpel 1943 veröffentlichte und deren Schluß einmal mehr seine antifranzösisch inspirierten und reichsmystisch fundierten Affinitäten zum Nationalsozialismus belegt: Ob Kaiser oder Führer, ob erstes oder drittes Reich, Deutschland war und ist zum Lenker und Ordner Europas berufen9. Indes stellen Heimpels Ausführungen zum Trierer Treffen selbst m. E. die bislang tiefstdringende und mit ihrer „Kurfür­stenthese“ auch plausibelste Analyse des Ereignisses dar. Läßt sich also, unter Rekurs auf 7 Knebel: Basler Chroniken, II (wie Anm. 3), 26–36; „Libellus de magnificentia“: Basler Chroniken, III, hg. durch Wilhelm Vischer, Leipzig 1887, 332–364; „La maniere“: Paris, BN, ms. fr. 11590, fol. 117r–128v; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 155–167; Dies., … und begeret (wie Anm. 4). Eine Fotokopie samt Transkription von „La maniere“ befindet sich unter dem Material, das Henny Grüneisen für einen künftigen Bd. XXIII der Deutschen Reichstagsakten / Ältere Reihe („Reichspolitik zur Zeit Karls des Kühnen von Burgund“) sammelte. Diese – auf Anfrage konsultierbare – Sammlung ist Eigentum der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften/Deutsche Reichstagsakten – Ältere Abteilung. Die bis September 2002 von Erich Meuthen / Köln geleitete Abteilung befindet sich seit Juli 2003 im Historischen Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität (Frankfurt/M.); der Mitarbeiterin Gabriele Annas bin ich für manche Hilfen und Hinweise verbunden. 8 Bonenfant, Les projets (wie Anm. 5), 156; Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 14. Vgl. auch John Bartier, Charles le Téméraire, Brüssel 1944, 173: „… au bout de cinq siècles, malgré des montagnes de commentaires bâtis par des érudits consciencieux, l’entrevue de Trèves reste tout comme Gaspard Hauser ou le Masque de fer une énigme historique“. 9 Zu Heimpels Position in nationalsozialistischer Zeit – unter Rekurs auf die in den letzten Jahren, trotz bis 2018 bestehender Nachlaßsperre, zunehmende Literatur zum Thema – Heribert Müller, „Von welschem Zwang und welschen Ketten des Reiches Westmark zu erretten“. Burgund und der Neusser Krieg 1474/75 im Spiegel der deutschen Geschichtsschreibung von der Weimarer Zeit bis in die der frühen Bundesrepublik, Düsseldorf 2003 (PGRhGK – Vorträge 33), 39–48, ebf. in: Griff nach dem Westen. Die „Westforschung“ der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum (1919–1960), hg. v. Burkhard Dietz / Helmut Gabel /Ulrich Tiedau, Münster 2003 (Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas 6), 171–180 [in diesem Band 110–120].

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eine mit ihrer Verbindung von nationalsozialismusnaher Reichsmystik und wissenschaftlichem Niveau für die damalige deutsche Mediävistik durchaus nicht untypische Arbeit, die Titelfrage schlicht beantworten: „wohl weil es die Kurfürsten nicht wollten“? Man mag die Quellen zu Trier 1473 zum wiederholten Male drehen und wenden, mehr scheinen sie in der Tat einfach nicht herzugeben. Indes beriet man 1473 an der Mosel ja keineswegs zum ersten Male über die Königserhebung des Herzogs von Burgund, dort wurde vielmehr ein Schluß‑ und Endpunkt für bereits seit längerem und schon in den beiden letzten Jahrzehnten der Herrschaft von Karls Vater Philipp dem Guten mit zunehmender Intensität betriebene Verhandlungen gesetzt. In der Zusammenschau liefern die einzelnen Stationen und Etappen dieses schließlich ins Leere laufenden „Königswegs“ doch recht eindeutige Aufschlüsse über Positionen und Möglichkeiten der Beteiligten, zeichnen sich Entwicklungen und Strukturen ab, die besagte „Kurfürstenthese“ in einem größeren Gesamt sehen lassen und ihr vertiefende Bestätigung verleihen.

I. Keine Frage, die großen Herzöge von Burgund waren von Beginn an „königsfähig“: Philipp der Kühne, Sproß des königlichen Hauses Valois, legte durch seine 1369 geschlossene Ehe mit der flandrischen Erbtochter Margarete von Maele wie die Heiraten seiner Kinder Johann und Margarete das Fundament für ein großfürstliches Machtgebilde von imponierenden Ausmaßen. Dieser Ausgriff in die Niederen Lande mit ihrem für die Zeit riesigen Wirtschaftspotential, dieser staunenswerte Umstand erfolgreicher Expansion in einen zentralen, seit langem schon territorial festgefügten Teil Alteuropas ließen den Burgunder mächtiger, seine Hofhaltung aufwendiger, seine Selbstdarstellung und Repräsentation eindrucksvoller als die manches Monarchen sein; es stand außer Frage, daß er über die für ein Königtum erforderlichen materiellen Grundlagen im Überfluß verfügte. Gleichzeitig war er nicht mehr nur französischer Prinz, sondern wuchs aus Frankreich heraus und in das Reich hinein10. Vielleicht galt bereits Johann Ohnefurcht 1410 als Kandidat für das römische Königtum, sicher wurde der 10 Beste Überblicke bieten die Biographien der vier großen Herzöge von Richard Vaughan: Philip the Bold. The Formation of the Burgundian State, London 1962 (NDD 1979/2002); John the Fearless. The Growth of Burgundian Power, London 1966 (NDD 1979/2002); Philip the Good. The Apogee of Burgundy, London 1970 (ND 2002); Charles the Bold (wie Anm. 3). Vgl. auch Ders., Valois Burgundy, London 1975; Bertrand Schnerb, Burgundy, in: The New Cambridge Medieval History, VII: c. 1415–c. 1500, ed. by Christopher Allmand, Cambridge 1998, 431–456; Ders., L’État bourguignon (1363–1477), Paris 1999. Zu den burgundischen Niederlanden: Wim Blockmans / Walter Prevenier, Die burgundischen Niederlande, Weinheim 1986 (frz. u. niederländ. Ausgaben: 1983, engl. Ausgabe: 1986); Diess., De Bourgondiërs. De Nederlanden op weg naar eenheid (1384–1530), Amsterdam – Lö-

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Name seines Sohnes Philipp des Guten bei den Thronvakanzen 1437/38 und 1439/40 ins Spiel gebracht11. Mit diesem Herzog erreichte die burgundische Expansion in die zum Reich gehörenden Niederen Lande ihren Höhepunkt: Nunmehr Herr auch über Holland, Seeland und Hennegau, über Brabant, Limburg und Namur, später noch über Luxemburg und die Reichsbistümer Cambrai, Lüttich und Utrecht, stand er in einer Reihe mit, ja über den mächtigsten Fürsten des Reichs, war aber als solcher nicht anerkannt. Für den westerfahrenen, burgunddistanzierten Sigismund aus dem Hause der Luxemburger legitimierte allein die Belehnung durch den römischen König mit diesen Herrschaften, ohne sie blieb der Emporkömmling aus altem Haus ein Usurpator12. Der Konflikt Burgunds mit dem Kaiser, aber auch und vor allem mit den Kurfürsten sollte in aller Form auf dem Basler Konzil aufbrechen, wo es 1433/34 um Sitz und damit Rang der Gesandten Philipps in der Konzilsaula ging. Sicher, solcherart Auseinandersetzungen gab es viele – auf „herzoglicher Ebene“ kreuzten sich in Basel burgundische Ansprüche auch mit denen der Bretagne und Savoyens –, doch kaum ein Streit wurde so heftig und unter Sigismunds Engagement für seine kurfürstlichen Wähler geführt13. Diese internationale Versammlung schlechthin war auch eine Mächtebörse par excellence, und weil die Mächtekonstellationen sich verändert hatten, meldete der Aufsteiger Anspruch auf eine entsprechend höhere Position an14. Interesse verdient die auf origo, nobilitas und wen 1997 (Monografieën over Europese cultuur 2); Robert Stein, Powerbrokers in the Late Middle Ages. The Burgundian Low Countries in an European Context, Turnhout 2001. 11 Werner Paravicini, Zur Königswahl von 1438, in: RhVjbll 39 (1975), 99–115; ND in: Ders., Menschen am Hof der Herzöge von Burgund. Gesammelte Aufsätze, hg. v. Klaus Krüger/Holger Kruse /Andreas Ranft, Stuttgart 2002, 219–235; Yvon Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire: bilan d’un règne (I), in: Francia 9 (1981), 167 f.; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 37, 118. – Philipps Hofhistoriograph Georges Chastellain machte wohl daraus und aus dem – noch zu erörternden – Angebot der Jahre 1447/48 gleich einen dreimaligen Antrag des Kaisertums an den Herzog: Johan Huizinga, Burgund. Eine Krise des germanisch-romanischen Verhältnisses, Darmstadt 21967 (zuerst in: HZ 148 [1933], 1–28), 21 Anm. 14; vgl. Paravicini, 99 Anm. 2 a. 12 Hierüber zuletzt Martin Kintzinger, Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa. Auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigismunds, Stuttgart 2000 (Mittelalter-Forschungen 2), 332–339. 13 Johannes Helmrath, Rangstreite auf Generalkonzilien des 15. Jahrhunderts als Verfahren, in: Vormoderne politische Verfahren, hg. v. Barbara Stollberg-Rilinger, Berlin 2001 (ZHF. Beih. 25), 160 ff. (unter Rekurs auf die Beiträge Heimpels zum Thema); vgl. Ders., Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Köln – Wien 1987 (KHA 32), 322–326; Heribert Müller, Frankreich, Burgund, Köln und die Rheinlande am Ausgang des Mittelalters. Kirche – Kreuzzug – Neusser Krieg, Köln [Privatdruck] 1998, 10 ff. – Älter, indes ausführlich Joseph Toussaint, Les relations diplomatiques de Philippe le Bon avec le concile de Bâle (1431–1449), Löwen 1942 (RTHP III/9), 49–67 („La querelle de préséance“). 14 Vgl. Karl-Heinz Spiess, Rangdenken und Rangstreit im Mittelalter, in: Zeremoniell und Raum. 4. Symposium der Residenzen-Kommission der Akad. der Wissenschaften in Göttingen, hg. v. Werner Paravicini, Sigmaringen 1997 (Residenzenforschung 6), 52; danach Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 166 f.

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potentia ausgerichtete Argumentation des burgundischen Gesandtschaftsführers Jean Germain: Ob er auf des Herzogs trojanische Herkunft, seine Vorfahren vom Rang Karls des Großen und seine Verwandtschaft mit Königshäusern von England bis Zypern oder auf dessen sich in der Herrschaft u. a. über vier Herzogtümer und fünfzehn Grafschaften wie über reiche Salzvorkommen manifestierende Macht hinwies, den Konzilsvätern sollte so nachdrücklich demonstriert werden, daß sich mit Philipp dem Guten eigentlich ein königsgleicher Fürst in Basel vertreten ließ, dessen Prokuratoren der – von den kurfürstlichen Gesandten beanspruchte – erste Platz hinter den Delegierten der Könige zukomme15. Der kunstvolle Kompromiß der Konzilsleitung, den Kurfürstlichen, die ihre Herren als Nachfolger des römischen Senats ihrerseits in einer einzigartigen, nur noch mit den Kardinälen vergleichbaren Position als Wähler des römischen Königs und damit des Kaisers sahen, einen Platz zu Füßen des kaiserlichen Throns vor dem Lettner anzuweisen, während die Burgunder im Langschiff der als Versammlungsstätte dienenden Basler Bischofskirche die ersten Sitze hinter den königlichen Botschaftern einnahmen, mochte am Ort den Streitigkeiten ein Ende bereiten; zudem zog der papstverbundene Herzog seine Beauftragten schon recht früh von der Synode ab. Doch das Problem der Plazierung von Vertretern dieses königsgleichen Nichtkönigs sollte von nun an noch manch andere Zusammenkunft wie etwa die Reichsversammlungen zu Regensburg 1454 und 1471 oder den Fürstenkongreß von Mantua 1459 beschäftigen16. Der „Großherzog des Abendlands“ selbst, von einem hofnahen Chronisten im verbündeten Portugal als mayor Principe sem Coroa, que naquelle tempo avia na Christandade bezeichnet17, verstand es meisterhaft, 15 Edmond Martène / Ursin Durand, Veterum scriptorum et monumentorum historicorum … amplissima collectio, VIII, Paris 1724 (ND 1968), 212–218; Johannes Dominicus Mansi [Mansi], Sacrorum conciliorum nova, et amplissima collectio …, XXX, Venedig 1767 (NDD 1903/61), 205–211; cf. Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel [CB], II: Protokolle des Concils 1431–1433, hg. v. Johannes Haller, Basel 1897 (ND 1976), 414 f. Vgl. Toussaint, Les relations (wie Anm. 13), 52; Vaughan, Philip the Good (wie Anm. 10), 208; Müller, Frankreich (wie Anm. 13), 12. 16  Zu Regensburg 1454 Deutsche Reichstagsakten [RTA], XIX / 1: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 5. Abtlg./1. Hälfte: 1453–1454, hg. v. Helmut Weigel / Henny Grüneisen, Göttingen 1969, n. 36, 1 i (S. 282). – Zu Regensburg 1471 RTA XXII / 2: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 8. Abtlg. / 2. Hälfte: 1471, hg. v. Helmut Wolff, Göttingen 1999, n. 111 (S. 595 f., 601), n. 112 (S. 651), n. 113 a (S. 693), n. 114 h (S. 738 f.). – Zu Mantua 1459 Mathieu d’Escouchy, Chronique, publ. par G(aston) du Fresne de Beaucourt, II, Paris 1863 (SHF), 387 (ce que onques n’avoit esté veu, pour nul prince, s’il n’estoit Roy); cf. 389, 392. Dazu Heribert Müller, Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philipp des Guten von Burgund, Göttingen 1993 (SHKBAW 51), 107 mit Anm. 8; Claudia Märtl, Kardinal Jean Jouffroy († 1473). Leben und Werk, Sigmaringen 1997 (Beitr. zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 18), 108 f. mit Anm. 347 (mit weiteren Belegen). Vgl. auch Georg Voigt, Enea Silvio de’ Piccolomini als Papst Pius II. und sein Zeitalter, III, Berlin 1863, 59; Huizinga, Burgund (wie Anm. 11), 21 Anm. 16; Paravicini, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 12. 17 Gomes Eannes de Azurara, Chronica do Conde Dom Pedro de Menezes, in: Collecção de livros ineditos de historia portugueza dos reinados de D. João, D. Duarte, D. Affonso V, e

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sich mit einer königlichen Aura zu umgeben, um doch alles zwischen einem „nicht mehr“ und „noch nicht“ in unbestimmter Schwebe zu lassen. Auf diesen vorsichtig-instinktsicheren Fürsten, der „die Möglichkeiten solcher gewünschten Rangerhöhung nicht aussprach, sondern an sich herankommen ließ“, traf Sigismunds in Basel ausgesprochene Warnung nicht zu, mit des Burgunders Stolz werde es kein gutes Ende nehmen specialiter quod nimis alte volebat volare, dando versiculum: ‚O fili care, noli nimis alte volare! Si nimis alte volas, poteris comburere pennas‘ (Als treffende Prophezeiung von Karls des Kühnen Schicksal mag man diese Worte hingegen im nachhinein werten)18. So etwa machte Philipp sich 1440, von der alten Krönungsstadt Aachen kommend, als Pilger nach Köln auf – dessen Erzbischof Dietrich von Moers war 1437, Dietrichs Bruder Graf Friedrich erst kurz zuvor für seine Wahl zum römischen König eingetreten –, um den Heiligen Drei Königen seine Aufwartung zu machen. Diese hatten ihrerseits jenen Priesterkönig Johannes zu ihrem weltlichen Nachfolger bestimmt, auf dessen Suche sich die Portugiesen mit finanzieller Unterstützung des Herzogs begaben, hoffte Philipp doch, unter Mithilfe dieses Herrschers über Äthiopien – Indien, sein höchstes Ziel, den saint voyage de Turquie, verwirklichen zu können19. Sollte aber an dessen siegreichem Ende vielleicht seine eigene, wie auch immer geartete Königserhebung stehen? Einen konkreten Anhalt gibt es hierfür in den Quellen nicht, kann es auch nicht geben, da vorzeitiges Kundtun solcher Absicht Burgunds Gegner, allen voran den französischen König, auf den Plan gerufen hätte. Die croisade bourguignonne, der Ritterkampf gegen den Ungläubigen unter päpstlichen Auspizien, wie ihn einst der von Philipp bewunderte Gottfried von Bouillon geführt hatte, dessen Bruder Balduin am Weihnachtsfest des Jahres 1100 in der Geburtskirche von Bethlehem

D. João II, publ. … por José Corrêa da Serra, II, Lissabon 1792 (ND 1988), L. II, c. 26 (S. 576). 18  a) Zitat: Grüneisen, in: RTA XIX/1, 343. – b) Sigismund: CB, III: Die Protokolle des Concils von 1434 und 1435 …, hg. v. Johannes Haller, Basel 1900 (ND 1976), 92; cf. RTA XI: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigmund, 5. Abtlg.: 1433–1435, hg. v. Gustav Beckmann, Gotha 1898 (ND 1957), 337. Vgl. Toussaint, Les relations (wie Anm. 13), 65; Müller, Frankreich (wie Anm. 13), 11. 19 Müller, Kreuzzugspläne (wie Anm. 16), 47 (mit Belegen); Ders., Frankreich (wie Anm. 13), 32 f. – Über den Priesterkönig Johannes zuletzt in zwar rascher Folge, jedoch recht fragwürdig Wilhelm Baum: a) Die Verwandlungen vom Reich des Priesterkönigs Johannes. Rom, Byzanz und die Christen des Orients im Mittelalter, Klagenfurt 1999. – b) [mit Raimund Senoner] Indien und Europa im Mittelalter. Die Eingliederung des Kontinents in das europäische Bewußtsein bis ins 15. Jahrhundert, Klagenfurt 2000. – c) Äthiopien und der Westen im Mittelalter …, Klagenfurt 2001 (Einführungen in das orientalische Christentum 2). Kürzer, doch fundierter und auch mit Blick auf Philipp den Guten: Jacques Paviot, Le grand duc du Ponant et le prêtre Jean. Les ducs de Bourgogne et les chrétiens orientaux à la fin du Moyen Age, in: Oriente e Occidente tra Medioevo ed Età moderna. Studi in onore di Geo Pistarino, a cura di Laura Balletto, Genua 1997, 949–975.

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zum ersten König von Jerusalem gekrönt worden war – dies waren Wunsch und Welt des stets nach haultes choses trachtenden Herzogs20. Doch eine Königskrone mochte er ungleich leichter und gefahrloser erlangen: Erstmals wurde sie ihm 1444 in aller Form von dem Reichserbkämmerer Konrad von Weinsberg angetragen, der als noch von Sigismund ernannter Protektor des Basler Konzils große Summen ausgelegt hatte und mit seinem Verlangen nach Erstattung bei Friedrich III., aber auch anderen Betroffenen wie etwa dem Hochmeister des Deutschen Ordens auf taube Ohren gestoßen war. In diesem Zusammenhang versuchte er nun, auf dem Umweg über Burgund seine Forderungen einzutreiben, und schlug dem Herzog dabei kurzerhand vor, er solle ins Reich kommen, denn dann weren wege zu finden, daz min herre der Romisch konig zu keiser gemacht und er Romischer konig w󰀆rde, … was ich dann darzu gedienen mohte, daz wolt ich mit ganzen truwen und gutem willen gerne t󰀆n, wann ich sin gnade halte als einen Tutschen fursten von siner lande wegen, die er hat als Brabandt Hollannde Seelanndt und Hennegauw, und geborne ist von siner mutter ein herzog zu Beyrn etc., das es aber dester baz und dester eher zugienge, wann grosse gebrechen in disen landen sien von unfrieds wegen, das sin gnade gar lichtlichen und wol unterst󰀆nde und es zu frieden brechte, darzu ich wol weste ze ratten und ze dienen21. Philipp, der immerhin in den zwanziger Jahren von Weinsberg im Auftrag Sigismunds ausgerechnet wegen der Inbesitznahme genannter Fürstentümer mehrfach vor das Hofgericht geladen worden war, hielt zwar zu Konrad losen Kontakt, wurde auch in einer Streitsache um dessen Tochter tätig, aber das Angebot eines Außenseiters, der sich ihm wenig später sogar als Lehnsmann anzudienen suchte, war ihm ebensowenig wie bald darauf die entsprechende Anfrage einer gegen Friedrich III. opponierenden Fürstengruppe mit dem Trierer Erzbischof Jakob von Sierck an der Spitze näheres Eingehen wert22. Eine Rangerhöhung kam für ihn stets nur im Verein mit dem rechtmäßigen Herrscher, nicht gegen ihn in Frage. Allein die Idee des römischen Königtums für den Burgunder, 1437/38 und 1439/40 doch eher nur eine vage Eventualität, zeichnete sich schon deutlicher als Möglichkeit ab. 20 Hierzu neben der in Anm. 16 zitierten Monographie „Kreuzzugspläne“ jetzt grundlegend Jacques Paviot, Les ducs de Bourgogne, la croisade et l’Orient (fin XIV e s.– XV e s.), Paris 2003, der aber geradezu auffällig bemüht ist, das Thema „burgundisches Königtum“ nicht im Zusammenhang mit dem des Kreuzzugs zu erwähnen. 21 RTA XVII: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 3. Abtlg.: 1442–1445, hg. v. Walter Kaemmerer, Göttingen 1963, n. 158 [6] (S. 313). Zur Sache Hartmut Welck, Konrad von Weinsberg als Protektor des Basler Konzils, o. O. 1973 (Forsch. aus Württembergisch Franken 7), bes. 121 mit Anm. 35; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 118. 22 a) Ladungen Philipps: Regesta Imperii [RI] XI: Die Urkunden Kaiser Sigmunds, verz. v. Wilhelm Altmann, I/II, Innsbruck 1896–1900 (ND 1967), n. 5952, 6199, 6363. – Weinsbergs Lehnsangebot: Welck, Konrad von Weinsberg (wie Anm. 21), 115 mit Anm. 34. – b) Näheres zur Offerte der Fürstengruppe um Jakob von Sierck: Grüneisen, in: RTA XIX / 1, 342 mit Anm. 4.

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Weitaus gewichtiger aber schien zunächst ein Angebot, das ihm 1447/48 über Friedrichs III. Kanzler Kaspar Schlick, möglicherweise unter Mitbeteiligung des burgundischen Gesandten Heinrich von Heessel, angetragen wurde, nachdem es schon 1446 zu erstem Kontakt wegen der Lösung des leidigen Belehnungsproblems gekommen war23. Seitdem traf in der Tat zu, was der Herzog nach Ausweis des Chronisten Jacques Du Clercq noch im November 1464 Gesandte des französischen Königs wissen ließ: Je veux bien que chacun sçache que sy j’eusse voullu, je feusse roy24. Allein er wollte dann 1447/48 doch nicht, obwohl es sich diesmal um eine Offerte Habsburgs handelte. Sie schien ihm inakzeptabel, und so blieb die Sache erfolg-, indes nicht folgenlos. Das Scheitern trug ihm keinen Prestigeverlust ein, denn klug hatte er sich stets im Hintergrund gehalten und eigene Initiative vermieden: ceste chose ne procede point du mouuement de mondit seigneur steht in einer Instruktion für Heessels Mitgesandten Adriaan van der Ee25. Ähnlich vorsichtig-abwartend aber war auch der den Grafen Ulrich von Cilli sowie vor allem seinen Kanzler vorschickende Friedrich III. Mochte Schlick, stets auf seinen Vorteil bedacht, sich manche Eigenmächtigkeit herausnehmen, eine derart bedeutsame Aktion hätte er kaum ohne Wissen und Willen seines ebenfalls im 23 Grundlegend hierfür immer noch die Edition von Ernst Birk, Actenstücke, Herzog Philipp’s von Burgund Gesandtschaft an den Hof des römischen Königs Friedrich IV. in den Jahren 1447 und 1448 betreffend, in: Der österreichische Geschichtsforscher, hg. v. Joseph Chmel, I, Wien 1838, 231–273. Grundlegende Interpretation (unter Einschluß neuen Urkundenmaterials) jüngst durch Paul Herold, Das Ringen um den Text. Die Lehensurkunden von 1446/47 für Herzog Philipp von Burgund als Beispiel für Genese, Wirkungsweise und Scheitern von Urkundentexten, in: Vom Nutzen des Schreibens. Soziales Gedächtnis, Herrschaft und Besitz im Mittelalter, hg. v. Walther Pohl /P. H., Wien 2002 (Österr. Akad. der Wissenschaften, philos.-histor. Kl. – Denkschriften 306/Forsch. zur Geschichte des Mittelalters 5), 321–354. Vgl. auch Joseph Chmel, Geschichte Kaiser Friedrichs IV. und seines Sohnes Maximilian I., II, Hamburg 1843, 480–487; A(nne)-M(arie) et P(aul) Bonenfant, Le projet d’érection des États bourguignons en royaume en 1447, in: MA 45 (1935), 10–23; Bartier, Charles le Téméraire (wie Anm. 8), 168; Franz Petri, Nordwestdeutschland in der Politik der Burgunderherzöge, in: Westfäl. Forschungen 7 (1953/54), 89 f.; Henny Grüneisen, Die westlichen Reichsstände in der Auseinandersetzung zwischen dem Reich, Burgund und Frankreich bis 1473, in: RhVjbll 26 (1961), 26 f.; Dies., in: RTA XIX/1, 340 f. mit Anm. 6; Vaughan, Philip the Good (wie Anm. 10), 288 f.; Adriaan G. Jongkees, Trier 1473, in: Spiegel historiale 8 (1973), 553; Heinz Thomas, Deutsche Geschichte des Spätmittelalters 1250–1500, Stuttgart u. a. 1983, 475 f.; Schnerb, L’État (wie Anm. 10), 413 (knapp, aber prägnant); Francis Rapp, Le Saint Empire romain germanique d’Otton le Grand à Charles Quint, Paris 2000, 276; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 119. Weitere Literaturangaben bei Müller, Kreuzzugspläne (wie Anm. 16), 53 f. Anm. 13. Hinweise für das Folgende verdanke ich meiner Schülerin Jessika Nowak, der ich auch für etliche Literaturrecherchen verbunden bin. 24 Jacques Du Clercq, Mémoires, éd. par Frédéric Baron de Reiffenberg, IV, Brüssel 1823, 80. 25 Birk, Actenstücke (wie Anm. 23), 253; vgl. Bonenfant, Le projet (wie Anm. 23), 13. Der Wert der insbesondere wegen der Fülle des dargebotenen Materials durchaus verdienstlichen Studie von Yvon Lacaze, Le rôle des traditions dans la genèse d’un sentiment national au XV e siècle. La Bourgogne de Philippe le Bon, in: BECh 129 (1971), 303–385, wird dadurch eingeschränkt, daß sie dies nicht beachtet, sondern deren Verfasser vielmehr annimmt, Philipp habe ein Königtum grundsätzlich und unbedingt erstrebt.

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Hintergrund bleibenden Herrn in Gang setzen und keinesfalls über längere Zeit durchführen können26. In der Sache hatte Habsburg dem Burgunder ein vom Reich zu Lehen gehendes Königtum angeboten und dafür eine friesische oder brabantische Krone mit der Begründung vorgeschlagen, Friesland sei einstens Königreich gewesen, Brabant ältestes und vornehmstes Herzogtum der gesamten Christenheit und Wiege edelster Fürsten27. Im Falle Brabants mochte man in der Tat auf karolingische Traditionen rekurrieren, was – wie Robert Stein im Anschluß an Paul Bonenfants Forschungen unlängst aufzeigte – auf burgundischer Seite just in jenen Jahren unter Förderung des Hofs durch brabantische Räte und Geschichtsschreiber geschah28. Dabei wurde ein fiktives, Philipp als Herzog von Brabant angeblich legitimierendes Erbrecht einfach auf das regnum … tempore quondam Lotharii übertragen, auf das sich wiederum ein Memoriale des Adriaan van der Ee über die damaligen Verhandlungen expressis verbis bezieht29. Die Vorstellungen von (West‑)Friesland, auf das der Burgunder als Graf von Holland Anspruch erheben konnte, als einem früheren und nunmehr wiederzubelebenden Königreich nahmen dagegen ihren Ausgang wohl von den letzten, in angelsächsischen Quellen reges genannten Friesenfürsten in vorkarolingischer Zeit wie Adalgils und Radbod; auch Historien über die Könige Ramboux (Radbod) und Gondebaud, der sich trefflich mit dem Burgundionenherrscher Gundobad gleichsetzen ließ, mögen eine Rolle gespielt haben. Es gab im 14. / 15. Jahrhundert von Froissart bis Olivier de La Marche durchaus die Erinnerung an ein fernes regnum Frisiae, „imprécis“ (Lacaze) in seinem Profil30; gerade darum aber schien Friesland auch in der Gegenwart relativ „offen“, bot Aussicht auf weitere Expansion. Philipps beharrliches Interesse richtete sich nicht nur auf das Stift Utrecht, sondern ging 26 So u. a. auch Cauchies, Louis XI (wie Anm. 5), 61; Herold, Das Ringen um den Text (wie Anm. 23), 337; entsprechend ist Awerbuch, Motivation (wie Anm. 3), 116 f., zu korrigieren. – Zu Schlick Heinig, Kaiser Friedrich III. (wie Anm. 3), I, 638–646. 27 Instruktion für von Heessel: Birk, Actenstücke (wie Anm. 23), 235. Vgl. Bonenfant, Le projet (wie Anm. 23), 12. 28 Robert Stein, Recht und Territorium. Die lotharingischen Ambitionen Philipps des Guten, in: ZHF 24 (1997), 501 ff., 507; Paul Bonenfant, État bourguignon et Lotharingie, in: Acad. royale de Belgique. Bull. de la Classe des lettres et des sciences morales et politiques V / 41 (1955), 266–282. 29 Memoriale des Adriaan van der Ee (X): Birk, Actenstücke (wie Anm. 23), 260. Vgl. Bonenfant, Le projet (wie Anm. 23), 19 Anm. 4. 30 Adriaan G. Jongkees, Het koninkrijk Friesland in de vijftiende eeuw [1946; ND] in: Ders., Burgundica et Varia, bezoorgd door Egbert O. van der Werff / Conrad A. A. Linssen / Bunna Ebels-Hoving, Hilversum 1990, 24–47. In einer wesentlich späteren Studie betonte Jongkees allerdings, daß alle von ihm vorgebrachten Herleitungen auf Vermutungen beruhten, die er auch nach Jahrzehnten nicht zum letztlichen Beweis bringen könne: Charles le Téméraire et la souveraineté: quelques considérations [1980; ND] in: ebd., 191–211, bes. 206. Vgl. auch Lacaze, Le rôle (wie Anm. 25), 353–356 (Zitat 353); Dick A. Berents, Het sticht Utrecht, Gelre en Friesland 1433–1482, in: Algemene Geschiedenis der Nederlanden, IV, Haarlem 1980, 298.

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weit darüber hinaus: Schon 1433 hatte Jean Germain auf dem Basler Konzil verlauten lassen, der Burgunder sei Majoris atque Minoris Frisiae dominus; drei Jahre später, als auf der Synode nochmals die materia sedium anstand, ergriff Germain laut Protokoll das Wort pro domino duce Burgundiae racione regni Frisie, und just 1447 gab der Herzog zu verstehen, im Zuge einer Königserhebung habe Friedrich III. ihm alle Rechte über Ostfriesland abzutreten31. Brabant, Friesland: So aufschlußreich die von burgundischen Gesandten wohl selbst an Konzil und Kaiserhof eingebrachten historischen Legitimationsversuche auch sein mögen, so sehr sie auch ein – nach Ansicht von Huizinga angeblich kaum vorhandenes – lothar(ing)isches Traditionsbewußtsein belegen32, zum Tragen kamen sie nicht, da Philipp zum einen seine gesamten Besitzungen innerhalb der Reichsgrenzen, d. h. neben Brabant und Friesland auch Holland, Seeland, Hennegau und Namur in einem regnum einbeschlossen wissen wollte (das besonders umstrittene Luxemburg blieb ausgeklammert), zum anderen und vor allem für dieses Königreich volle Souveränität verlangte. Nur als eigenständiges und gleichberechtigtes Mitglied war er bereit, in die Familie der Könige einzutreten, mehr noch: Seinerseits forderte er für sich als König die Lehnshoheit über Geldern, Kleve–Mark, Jülich–Berg, Moers sowie Lothringen, Bar, Vaudémont und alle anderen Herrschaften im niederdeutschen Raum ein33. Vielleicht war dieses Maximalpostulat als eine Art Test gedacht, vielleicht sollte es sogar das Scheitern der den Herzog wenig befriedigenden Gespräche bewirken, vielleicht hoffte Philipp im Geheimen auch auf Friedrichs Ablösung durch dessen seinen Forderungen möglicherweise geneigteren Bruder Albrecht VI. von Österreich; es zeigt sich jedenfalls eindrücklich, worauf burgundisches Interesse, nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines im Hundertjährigen Krieg siegreichen und wiedererstarkten Frankreich, ausweichend wie zunehmend gerichtet war: Philipp zeichnete den Weg Karls des Kühnen vor; weniger in ihren Zielen, als in der charakterbedingten Art und Weise ihres Vorgehens unterschieden sich Vater und Sohn.

31 a) 1433: Martène / Durand, Amplissima Collectio (wie Anm. 15), 212, 215; Mansi, XXX, 206, 208. Vgl. Jongkees, Het koninkrijk (wie Anm. 30), 28. – b) 1436: CB, IV: Protokolle des Concils von 1436, hg. v. Johannes Haller, Basel 1903 (ND 1976), 226 [Hervorhebung durch H. M.]. Vgl. Adriaan G. Jongkees, Philips de Goede, het concilie van Bazel en de heilige stoel, in: Tijdschrift voor Geschiedenis 58 (1943), 204. – c) 1447: Memoriale des Adriaan van der Ee (X): Birk, Actenstücke (wie Anm. 23), 260. 32 Johan Huizinga, Namen und Zeichen für die burgundische Staatseinheit, in: Ders., Im Banne der Geschichte. Betrachtungen und Gestalten, Basel 1943, 251–277, bes. 258. Anders dagegen und schon auf Stein vorweisend Bonenfant, État bourguignon (wie Anm. 28), der auch ältere, Huizinga widersprechende Forschermeinungen u. a. von Pirenne und Hommel referiert; ähnlich Lacaze, Le rôle (wie Anm. 25), 378 u. ö.; Herold, Das Ringen um den Text (wie Anm. 23), 347. 33 Memoriale des Adriaan van der Ee (X): Birk, Actenstücke (wie Anm. 23), 260. Vgl. Bonenfant, Le projet (wie Anm. 23), 19; Grüneisen, Reichsstände (wie Anm. 23), 26 f.; Awerbuch, Motivation (wie Anm. 3), 117.

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Mochte Friedrich III. an einem obendrein durch einträgliche Heiraten zu befestigenden Bund mit Philipp dem Guten nicht zuletzt wegen der Aussicht auf militärische Hilfe gegen die Eidgenossen sehr gelegen sein und darum wohl auch die Initiative ergriffen haben, so war für ihn nicht verhandelbare Grundlage eines solchen Bundes seine Anerkennung als Lehnsherr für die niederländischen Besitzungen durch einen Burgunder, dem solcher Akt durch die Verleihung eines Königtums zweiter Klasse schmackhaft gemacht werden sollte. Der dominus Friedrich duldete nur einen sich König von Brabant titulierenden vassallum Philipp; schon im Falle Frieslands erhob er wegen der den status quo im Norden gefährdenden Ambitionen des Herzogs und auch mit Blick auf holländische Anrechte seines Mündels Ladislaus von Böhmen und dessen Schwestern Einspruch; ein Burgunder gar als Lotharius redivivus fand seine entschiedene Ablehnung. Er, der sich als Mehrer, nicht als Minderer, zumindest aber als Wahrer des Reichs begriff, sah zwischen dem 843 in Verdun geschlossenen Teilungsvertrag der karolingischen Brüder und Philipps „Separatismus“ einen fundamentalen Unterschied: De diuisione facta tempore regis Lotharij etc. illa facta fuit inter fratres vbi fuit equalis [par] successio, sed hic fieret diuisio inter dominum et vassallum et dimembracio imperij, quam rex nequaquam faciet34. Auch für Philipp waren daraufhin die Verhandlungen beendet; König wollte er, der königsgleiche, der gerade erst mit Alfons V. von Aragón einen Monarchen in seinen Vliesorden aufgenommen hatte, der 1448/49 von Karl VII. von Frankreich das Privileg erhielt, einen mit Edelsteinen geschmückten Goldreif zu tragen und seinem Titel unter gewissen Bedingungen par la grace de Dieu hinzuzufügen35, nur zu seinen Bedingungen werden, während sein Sohn hingegen vermeinte, die Rangerhöhung um jeden Preis durchsetzen zu müssen, und deshalb 1473 auch bereit war, ebenjene vom Vater noch abgelehnten Konditionen Friedrichs III. zu akzeptieren. Und weiteres zeichnete sich bereits 1447/48 am Rande ab, was zu Trier 1473 in den Mittelpunkt rücken sollte: Auf burgundischer Seite war man sich sehr wohl 34  Memoriale des Adriaan van der Ee (XII): Birk, Actenstücke (wie Anm. 23), 266. Ähnlich auch die Antwort des Grafen Ulrich von Cilli und Kaspar Schlicks an Adriaan van der Ee: sed dare terras principes, et immediate subditos imperij ad aliam obedienciam, et per illum modum ab imperio alienare maiestas regia neque vult neque potest, nec eciam qui nomen Augusti tenet expediret minorare vel dimembare imperium, sed illud, si augere non potest, saltem in statu, quo hoc suscepit, deo adiuuante manu tenere intendit (ebd., 263). Vgl. Bonenfant, Le projet (wie Anm. 23), 20 f.; Grüneisen, Reichsstände (wie Anm. 23), 27; Awerbuch, Motivation (wie Anm. 3), 118; Francis Rapp, Les origines médiévales de l’Allemagne moderne. De Charles IV à Charles Quint, Paris 1989, 118. 35 a) Alfons V.: Die Protokollbücher des Ordens vom Goldenen Vlies, I: Herzog Philipp der Gute 1430–1467 …, hg. v. Sonja Dünnebeil, Stuttgart 2002 (Instrumenta 9), 98–102, 178–181 (n. 97–109); vgl. Les chevaliers de l’ordre de la Toison d’Or au XV e siècle. Notices bio-bibliographiques, publ. sous la dir. de Raphaël de Smedt, Frankfurt / M. u. a. 22000 (Kieler Werkstücke D 3), n. 41 (S. 95–99; Paul van Peteghem); Müller, Kreuzzugspläne (wie Anm. 16), 39. b) Privilegien Karls VII.: Gaston du Fresne de Beaucourt, Histoire de Charles VII, t. IV, Paris 1888, 381, 384; Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire (I) (wie Anm. 11), 175; Bernard Guenée, L’Occident aux XIV e et XV e siècles. Les États, Paris 61998 (Nouvelle Clio), 146.

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bewußt, daß im Reich für einen solchen Akt die Zustimmung der Fürsten, allen voran der Kurfürsten, eingeholt werden sollte. Der Habsburger, die Sache offensichtlich damals schon als eine allein zwischen beiden Häusern auszuhandelnde Angelegenheit betrachtend, lehnte es ab, hier für seine Person tätig zu werden, stellte jedoch dem Burgunder anheim, sich darum zu bemühen, wenn es nur die Übereinkunft befestigen mochte: … si dominus dux velit practicare apud electores sacri imperij et dictos principes, et posset ab eis obtinere consensum, prefatus rex isto casu posset tam libencius intelligere ad istam materiam, et hoc tucius esset36. Die Verhandlungen 1447/48 waren mithin erfolglos, allein für das Folgende wurde damals in manchem bereits der Rahmen abgesteckt. Hätte man in jenen Jahren den Königsplan weiter verfolgt, wäre schon damals eine Zustimmung der Kurfürsten überaus fraglich gewesen: Trier, Köln, Sachsen und Pfalz standen mit Frankreich im Bund, insbesondere der Trierer fühlte sich durch Burgunds Zugriff auf Luxemburg unmittelbar bedroht37, und ein Bekanntwerden von Philipps Maximalforderungen hätte nur Ängste und Abwehr bewirkt. Aus diesem Grund bestand auch wenig Aussicht auf Verwirklichung für jene 1460 im Verlauf kaiserlich-päpstlich-burgundischer Verhandlungen u. a. über das Zustandekommen eines Türkenkreuzzugs für kurze Zeit erwogene Verleihung eines Reichsvikariats an Philipp – in einer Instruktion für dessen Gesandten Antoine de Haneron ist von povoir ou commission sur les marches de deça le Rin pour garder ou soustenir les droits imperiaulx die Rede38. Selbst wenn ein solches Vikariat 36 Memoriale

des Adriaan van der Ee (XII), in: Birk, Actenstücke (wie Anm. 23), 265. Heribert Müller, Les pays rhénans, la France et la Bourgogne à l’époque du concile de Bâle. Une leçon d’histoire politique, in: Francia 30/I (2003), 107–133 [in diesem Band 392–420]. 38 Stein, Un diplomate bourguignon (wie Anm. 4), 316 (Zitat). Über das Reichsvikariat – allerdings nur bis an die Schwelle des 15. Jahrhunderts – zuletzt Marie-Luise Heckmann, Stellvertreter, Mit‑ und Ersatzherrscher. Regenten, Generalstatthalter, Kurfürsten und Reichsvikare in Regnum und Imperium vom 13. bis zum frühen 15. Jahrhundert, 2 Teile, Warendorf 2002 (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 9). Von Bedeutung sind auch zwei nur maschinenschriftlich vorliegende Göttinger Dissertationen der Jahre 1949 und 1951: Hans Fricke, Reichsvikare, Reichsregenten, Reichsstatthalter des deutschen Mittelalters; Wiltrud Wendehorst, Das Reichsvikariat nach der Goldenen Bulle; ausführliche Auszüge daraus im Reichstagsaktenmaterial/Grüneisen (wie Anm. 7). – Die Literaturangaben zu den Verhandlungen von 1460 bei Müller, Kreuzzugspläne (wie Anm. 16), 111 Anm. 22, sind zu ergänzen um Bonenfant, Le projet (wie Anm. 23), 22 f. Anm. 3; Grüneisen, Reichsstände (wie Anm. 23), 32 f.; Jongkees, Trier (wie Anm. 23), 553 f.; Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire (II) (wie Anm. 5), 182; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 119 f. Auf angebliche, mit Philipps Reise zur Regensburger Reichsversammlung 1454 im Zusammenhang stehende Königspläne gehe ich nicht ein. Wer bei den deutschen Fürsten für einen Türkenkreuzzug warb, konnte sie nicht unerwartet mit solchen Ambitionen düpieren. Ob Martin Mair den Herzog deswegen anging und ihn „mit dem begierig aufgegriffenen Gedanken an die Erlangung der Krone erfüllte“, wie Viktor von Kraus glaubte (Deutsche Geschichte am Ausgang des Mittelalters [1438–1519], I, Stuttgart – Berlin 1905, 314), ist mehr als zweifelhaft; Philipp pflegte sich zudem selbst bei Offerten von kaiserlicher und päpstlicher Seite sehr reserviert zu verhalten. Am überzeugendsten hierzu Grüneisen, in: RTA XIX / 1, 37 Hierzu

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weitgehend nur Symbolcharakter besessen hätte, für die aus Eigeninteressen zwischen Burgund und Frankreich lavierenden und finessierenden Fürsten an Rhein und Mosel wäre der sich aus dem Westen bedrohlich über ihre Regionen legende Schatten noch länger und dunkler geworden. Philipp für seine Person zeigte sich zwar wegen des nach wie vor ungeklärten Status von Luxemburg verhandlungsinteressiert, dürfte aber wenig geneigt gewesen sein, für kaiserliche Interessen bis zum Rhein hin einzutreten – er selbst wollte dort herrschen. Bezeichnenderweise zielt die genannte Instruktion einmal mehr und in aller Ausführlichkeit auf den entre le Rin et le royaume de France gelegenen royaume de Lothier39. Wiederum gilt, daß bereits lange vor dem Trierer Treffen Intentionen und Positionen der Beteiligten deutlich zu erkennen sind. Sie zeigen sich auch in den 1463 wiederum zwischen Pius II., Friedrich III. und Philipp aufgenommenen Gesprächen, in die der nach wie vor von Sorge um das Zustandekommen eines Kreuzzugs getriebene Papst nunmehr aber mit dem Vorschlag einer Verbindung des Kaisersohns Maximilian (*1459) mit Karls des Kühnen Tochter Maria (*1457) ein neues zukunftsweisendes Element einbrachte. Diesmal gab vor allem der Kaiser, beunruhigt wegen des Aufstiegs seines Hauptgegners in der Mainzer Stiftsfehde und Siegers von Seckenheim, Friedrichs „des Siegreichen“ von der Pfalz, sein Interesse zu erkennen; wohlbekannte Elemente, das linksrheinische Reichsvikariat und eine regalis investitura, wurden verknüpft,

339–343. Ebd., 341 f. Anm. 9 kurz zu einem in diesem Zusammenhang bisweilen angeführten Brief Wolfgangs von Bayern an Friedrich III. vom 10. Juni 1471, in dem der Herzog Martin Mair u. a. vorwirft, er habe in seiner Zeit als Kanzler des Mainzer Erzbischofs Dietrich von Erbach dem burgundischen Herzog die Wahl zum römischen König in Aussicht gestellt (Druck: August Kluckhohn, Ludwig der Reiche, Herzog von Bayern. Zur Geschichte Deutschlands im 15. Jahrhundert, Nördlingen 1865, 370). Doch stand Mair 1454 noch nicht in mainzischem Dienst, überdies ist der Wahrheitsgehalt des Schreibens umstritten. Allenfalls könnte der Vorwurf auf einen 1457 von einigen Kurfürsten erwogenen Plan deuten; vgl. dazu Wolfgang Voss, Dietrich von Erbach, Erzbischof von Mainz (1434–1459). Studien zur Reichs-, Kirchen‑ und Landespolitik sowie zu den erzbischöflichen Räten, Mainz 2004 (QMRhKG 112), 185–189. 39  … l’on treuve par anciennes croniques que l’Empire ne souloit s’extendre que jusques à Rin, et entre le Rin et le royaume de France estoit un royaume bel et grant, contenant plusieurs belles et grandes villes et citez que l’on nommoit le royaume de Lothier, et trouve l’on que le royaulme de Lothier estoit ung royaume scitué entre l’Escault et le Rin et entre Bourgoigne et la mer de Frize, ouquel royaume sont trois eglises metropolitaines, assavoir Maiance, Treves et Coulongne, et les cathedrales qui s’ensuyvent, Mex, Toul, Verdun, Cambray, Liege et Utrecht; et à cause de Lothaire premier roy fut ledit royaume appelé Lothier, mais icelluy royaume n’eust pas grand duree, car les roys de France commencerent de leur cousté enprandre et atribuer certaine porcion à leur royaume, et les empereurs d’Alemaigne tirerent d’austre cousté, tant que ledit royaume fut tout desseuré, et en vint la plus part à l’Empire où elle est encores de present (H. Stein, Un diplomate bourguignon [wie Anm. 4], 318). Vgl. R. Stein, Recht (wie Anm. 28), 483. – Das Ganze bezog sich natürlich auf das Reich Lothars II.; offensichtlich aber wurde nicht unterschieden zwischen diesem König und seinem Vater Lothar I., der sich selbst nach 843 vornehmlich in jenen nördlichen Gebieten seines ihm in Verdun zugefallenen Teilreichs aufgehalten hatte, über die dann seit 855 sein gleichnamiger Sohn herrschte.

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an der Lehnsabhängigkeit bedeutenden Investitur dürften indes auch diese Verhandlungen gescheitert sein40. Kurz zuvor, 1462, war nun am burgundischen Hof mit Antonio Marini ein Gesandter des böhmischen Königs Georg Podiebrad vorstellig geworden, um auch hier für dessen von ihm mitverfaßtes und europaweit verbreitetes Manifest zu werben, welches zur Gründung eines christlichen Fürstenbunds aufrief, der nach Sicherung des inneren Friedens eine gemeinsame Türkenabwehr ermöglichen sollte. Daß der häresieverdächtige Böhme damit zuvörderst seine eigene gefährdete Position befestigen wollte, war offensichtlich, allein als Instrument zur Beförderung burgundischer Königspläne mochte Podiebrad durchaus und gleich doppelt von Nutzen sein: sei es, daß Papst und Kaiser für eine Allianz gegen den seit 1464 als Ketzer im Kirchenbann Stehenden 1467 Philipp einmal mehr eine Krone in Aussicht stellten und dabei ihrerseits auch an die böhmische dachten; sei es, daß der Bedrängte selbst, nachdem er 1467 die Möglichkeit einer Allianz mit Ludwig XI. ausgelotet hatte, 1469 Philipps Nachfolger Karl die Wahl zum römischen König versprach – Geld sowie das angesichts zunehmender Türkengefahr angebliche Verlangen im Reich nach einem starken Herrscher würden dies schon ermöglichen – und dafür neben 200.000 rheinischen Gulden u. a. erfolgreiche Mittlerdienste des Herzogs bei Papst Paul II. erwartete41. Karl nahm von nun an die böhmische Karte nie ganz aus dem Königsspiel; 1473 in Trier erwog er offenbar für kurze Zeit sogar, über die böhmische Kur und Krone ins römische Königtum zu gelangen, und vor allem zur Zeit des Neusser Kriegs verhandelte er mit Matthias Corvinus, dem gefährlichsten Gegner Friedrichs III. im Osten, über ein das gesamte linksrheinische Gebiet mitumfassendes burgundisches Königtum

40 Literatur bei Müller, Kreuzzugspläne (wie Anm. 16), 116 Anm. 38; zu ergänzen um Bonenfant, Le projet (wie Anm. 23), 22 f. Anm. 3; Jongkees, Trier (wie Anm. 23), 554; Paul-Joachim Heinig, Die Mainzer Kirche im Spätmittelalter (1305–1484), in: Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte, hg. v. Friedhelm Jürgensmeier, I, Würzburg 2000, 536–540; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 120. Einem mailändischen Gesandten zufolge soll der Pfälzer selbst 1467 für Karl den Kühnen kurzfristig mit dem Heirat und Reichsvikariat verknüpfenden Vorschlag auf den Plan getreten sein; s. dazu u. a. Contamine, Charles le Téméraire (wie Anm. 5), 91; Richard, La constitution (wie Anm. 5), 36. 41 Johann Gustav Droysen, Geschichte der preußischen Politik, II / 1, Leipzig 21868, 254 f.; H(enri) Pirenne, Geschiedenis van België, II, Gent 1904, 300; Bonenfant, Le projet (wie Anm. 23), 22 Anm. 2; Bartier, Charles le Téméraire (wie Anm. 8), 169 f.; Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 129; Jongkees, Trier (wie Anm. 23), 554; Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire (II) (wie Anm. 5), 188; Müller, Kreuzzugspläne (wie Anm. 16), 111 Anm. 21 (Belege zu Podiebrads Plan eines Fürstenbunds); Jörg K. Hoensch, Matthias Corvinus. Diplomat, Feldherr und Mäzen, Graz u. a. 1998, 99, 106, 111, 114; Schnerb, L’État (wie Anm. 10), 417; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 122 f. – Podiebrads Bündnisangebot an Ludwig XI.: Paris, BN, ms. fr. 6964, fol. 108r/v. 1468 wurde auch dem Brandenburger päpstlicherseits die böhmische Krone angetragen: Riedel’s Codex diplomaticus Brandenburgensis …, III/1, Berlin 1859, n. 327 (S. 455–458).

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und eine um Böhmen und Schlesien erweiterte und anerkannte Herrschaft des Ungarnkönigs42. Doch Karl wird, seinem Vater gleich, nur zu gut gewußt haben, daß ein Königtum wenig Bestand versprach, welches auf einem Bund mit kaiserlichen Gegnern gründete und das Reich von West und Ost in Zangengriff nahm. Wie Philipp setzte darum auch er vornehmlich auf Verhandlungen mit Habsburg und den im Reich führenden Kräften, wobei er verstärkt den Plan einer Heirat Marias mit Maximilian aufgriff und dafür, im Unterschied zu Philipp, von vornherein das römische Königtum für seine Person erstrebte. Hier mochten die Avancen eines Podiebrad ihre Wirkung nicht ganz verfehlt, ja ihm überhaupt erst die Idee und Möglichkeit an die Hand gegeben haben, dieses zu fordern – ob besagte Nachfolgediskussion im Reich gegen Ende der dreißiger Jahre oder die Angebote Weinsbergs und Siercks an seinen Vater nachwirkten, muß offenbleiben. Jetzt schien vor allem ein 1469 zu St-Omer mit Herzog Sigismund von Österreich geschlossener Bund, der Karl dem Kühnen nicht nur Pfandschaften am Oberrhein, sondern auch die Fürsprache dieses auf Hilfe gegen die Eidgenossen angewiesenen kaiserlichen Vetters bei Friedrich III. eintragen sollte, neue Aussichten zu eröffnen. Sie konnte der im selben Jahr um ein Bündnis mit Burgund nachsuchende Mainzer Erzbischof Adolf  II. aus dem Hause Nassau noch verstärken, dessen Linie Dillenburg-Breda / Vianden zu den tragenden Stützen der burgundischen Administration gehörte. In beiden Fällen spielte für Karl den Kühnen, wie die Überlieferung eindeutig erweist, das römische Königtum eine zentrale Rolle; mehr noch, er avisierte bereits damals seine Anwartschaft auf das Kaisertum, sei es nach Friedrichs III. Abdankung, sei es nach dessen Tod; eine Vorstellung, die zwar schon vage im Abschlußbericht Heinrich von Heessels 1447 begegnet, aber für Philipp und dessen Umgebung allenfalls ein dynastisches „Langzeitprojekt“ gewesen sein dürfte. Anders bei Karl dem Kühnen; zudem war die Anwartschaft ja grundsätzlich keineswegs ausgeschlossen, weil das Reich ja keine Erb-, sondern eine prinzipiell auch außerdeutschen Kandidaten offenstehende Wahlmonarchie darstellte. Zudem gab es damals – die römische Königswahl vivente imperatore war noch lange nicht die Regel – keinen designierten Nachfolger für Friedrich III. im römischen Königtum, welches wiederum die Voraussetzung für die Kaiserkrone bildete. In diesem Sinne instruierte Karl denn auch eine Gesandtschaft, die Ende April 1470 auf erste positive Signale Sigismunds hin an den österreichischen Hof

42 a) Böhmen: Joseph Chmel, Monumenta Habsburgica, I / 1 (Actenstücke und Briefe zur Geschichte des Hauses Habsburg im Zeitalter Maximilians I.), Wien 1854 (ND 1968), 51: das der von Burgundi zusambt dem kunigreich die cur der cron zu Behem auch haben wöllen. Vgl. Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 17; Awerbuch, Motivation (wie Anm. 3), 391; Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, I, München 1971, 101; Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 153. – b) Corvinus: Hoensch, Matthias Corvinus (wie Anm. 41), 135.

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nach Innsbruck abging43. Im selben Jahr überreichte ein Rat und Botschafter des Herzogs, der Heinsberger Dekan Simon Mulart / Muyla(e)rt, dem Rat der Stadt Köln seine Preisschrift auf Karl den Kühnen, jenen neuen Alexander, der das Kaisertum, zumindest aber die Wahl zum römischen König durch die Kurfürsten verdiene. Hier fand des Burgunders Programm in Form einer panegyrischen Laudatio Verbreitung44 – doch es blieb beim Programm: Hatte Friedrich III. bereits Philipp ein souveränes Königreich Burgund verweigert, so verschloß er sich nunmehr Karls Wunsch nach der römischen Krone – u. a. übrigens mit der Begründung seiner Abhängigkeit von Kurfürsten und Fürsten –, um seinerseits mit dem alten Vorschlag eines lehnsabhängigen territorialen Königtums aufzuwarten. Der Burgunder mochte kontern, die gewünschte Hochzeit sei sogar nur um den Preis seiner Nachfolge im Kaisertum zu haben, indes hielt sich der nach der Krone Strebende eine Hintertür offen: Ein territoriales Königtum werde er allenfalls akzeptieren, si id in rem publicam et communem salutem fiat. Was aber mochte man nicht alles mit der Formel zw gemeinem nutz und hail begründen45 – im Notfall schien der Sohn in seinem Ehrgeiz also offensichtlich bereit, den vom Vater vorgezeichneten Weg zu verlassen, um auf den so beharrlich von Habsburg gewiesenen einzuschwenken. Doch zunächst einmal folgte auf das gewohnte Scheitern der Gespräche eine nicht minder gewohnte Phase des Schweigens. Diese allerdings, bereits in der Spätzeit Philipps des Guten merklich kürzer geworden, verkürzte sich weiter. Denn die Divergenz von potestas und nomen wurde unter dem bislang von Erfolg zu Erfolg eilenden Karl derart groß, daß sie sich einfach nicht länger ignorieren ließ. Dafür sorgten auch Berufene und Unberufene wie etwa jener Westerwälder 43 Grundlegend Karl Bittmann, Ludwig XI. und Karl der Kühne. Die Memoiren des Philippe de Commynes als historische Quelle, II/1, Göttingen 1970 (VMPIG 9/II / 1), 315 ff., 350–353 (mit Belegen). S. auch Bartier, Charles le Téméraire (wie Anm. 8), 170 f.; Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 131; Paravicini, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 36; Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire (II) (wie Anm. 5), 214; Thomas, Geschichte (wie Anm. 23), 475 f.; Cauchies, Louis XI (wie Anm. 5), 66; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 123 ff. – Speziell zur vor allem im 16. und 17. Jahrhundert belegten Königswahl zu Lebzeiten des Kaisers: Helmut Neuhaus, Die römische Königswahl vivente imperatore in der Neuzeit, in: Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte, hg. v. Johannes Kunisch, Berlin 1997 (ZHF. Beih. 19), 1–53. „Langzeitprojekt“ Philipps des Guten: Herold, Das Ringen um den Text (wie Anm. 23), 341, unter Verweis auf Birk, Actenstücke (wie Anm. 23), 244: die kaiserlich kron bringt in ewern nachkamen zu ewigen tagen in das hawss van ewrm geslecht. 44 Die Beschlüsse des Rates der Stadt Köln 1320–1550, I, bearb. v. Manfred Huiskes, Düsseldorf 1990 (PGRhGK LXV/1), 1470/106; Der Briefwechsel Karls des Kühnen (1433– 1477). Inventar, hg. v. Werner Paravicini, red. v. Sonja Dünnebeil / Holger Kruse, bearb. v. Susanne Baus u. a., I, Frankfurt/M. u. a. 1995 (Kieler Werkstücke D 4), n. 1939. Vgl. P. C. Boeren, Twe Maaslandse dichters in dienst van Karel de Stoute, Den Haag 1968, passim; Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 131; Cauchies, Louis XI (wie Anm. 5), 67; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 157. 45 Chmel, Monumenta Habsburgica, I/1 (wie Anm. 42 a), 11, 13 f. Vgl. Grüneisen, Reichsstände (wie Anm. 23), 56 mit Anm. 160; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 125.

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Graf Gerhard von Sayn, der zwar ohne Auftrag, doch sicher nicht selbstlos 1471 am Rande jenes Regensburger Christentags, auf dem sich des Herzogs Gesandte – wie erwähnt – einmal mehr um Sitz und Rang stritten, mit dem Kaiser sprach, und zwar, wie er selbst Karl sogleich mitteilte, antreffende uwer gnaden doichter, cronen, konigkrych und anders leuffte in der cristenheit sich ytzont begeben etc.46. Beschleunigend aber wirkte vor allem des Burgunders unbedingte Entschlossenheit zur Rangerhöhung, zugleich galt die Aufmerksamkeit des Kaisers weit mehr als nur der Lösung der nach wie vor ungeklärten Lehnsfrage. Denn Friedrich III. wußte sehr wohl, daß der Herzog mit seinen Gegnern Friedrich „dem Siegreichen“ und Matthias Corvinus in stetem Kontakt stand und wegen seiner bald schon fünfzehnjährigen Tochter Maria ebenfalls mit anderen Höfen verhandelte. Das ihr am 13. Juni 1472 in die Feder diktierte Eheversprechen zugunsten des Herzogs Nikolaus von Kalabrien und Lothringen zeitigte denn auch Wirkung47: Seit Spätsommer 1472 herrschte zwischen Burgund und Habsburg wieder reger Gesandtschaftsverkehr; insbesondere der Anfang 1473 nach Graz reisende Peter von Hagenbach, weniger Berufsdiplomat denn Karls harter Landvogt, wird, entsprechend instruiert, mit deutlichem Nachdruck des Herzogs Wunsch nach römischem Königtum und Kaisertum erneut vorgetragen, diesen Wunsch aber mit dem Ausblick auf Österreichs glänzendste Zukunft verbunden haben, das mit Maximilian als Schwiegersohn, Sohn wie Nachfolger Karls im König‑ und Kaisertum dank des burgundischen Erbes zur mächtigsten Herrschaft auf Erden aufsteigen werde. Darüber könne man in Aachen verhandeln; lasse der Kaiser sich aber darauf nicht ein, solle der Herzog, so die alternative, Altbekanntes mit Neuem verbindende Instruktion für Hagenbach, auf Friedrichs Lebzeiten zum Generalvikar für das gesamte Reich bestellt und nach dessen Tod durch die seitens der Kurfürsten vorher fest zuzusichernde Wahl (avec sceurté des esliseurs, se l’empereur trespassoit deuant mondit seigneur, il seroit esleu en empereur) in das vom Papst zu bestätigende Kaisertum befördert werden. Auch in solchem Fall könne die Heirat stattfinden, auch darüber könne man in Aachen sprechen48. Es war ein 46 Hellmuth Gensicke, Graf Gerhard von Sayn und die Heirat der Maria von Burgund, in: Nassauische Annalen 84 (1972), 211–214 (Zitat 213) (nach G. suchte der Graf wegen seiner damaligen Streitigkeiten mit dem Kölner Erzbischof Hilfe u. a. bei Karl dem Kühnen); vgl. Werner Paravicini, Bemerkungen zu Richard Vaughan: Charles the Bold, in: Francia 4 (1976), 782. – Zum Regensburger Christentag 1471 s. oben Anm. 16. 47 Philippe de Commynes, Mémoires. Introduction, édition, notes et index de Joël Blanchard, Paris 2001 (Le livre de poche – Lettres gothiques 4564), 253; Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 128 (mit engl. Übersetzung des Briefs). Vgl. Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 12; Walter Mohr, Geschichte des Herzogtums Lothringen, IV, Trier 1986, 95. 48 Chmel, Monumenta Habsburgica, I/1 (wie Anm. 42 a), 32 ff.; ebf. im Dokumentenanhang der von Jules Quicherat besorgten Ausgabe von Thomas Basin, Histoire des règnes de Charles VII et de Louis XI, t. IV, Paris 1859 (SHF), 364–367 (Zitat 34 bzw. 367); engl. Übersetzung bei Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 136 f. Vgl. Wilhelm Brüning, Herzog Karl der Kühne von Burgund und die Reichsstadt Aachen, in: Aus Aachens Vorzeit 13 (1900), 46; Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 13; Bartier, Charles le Téméraire (wie Anm. 8), 171 f.;

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Vorschlag, der Kenntnis und Unkenntnis der kurfürstlichen Position im Reich zugleich verrät: Ließ sich keine direkte Vereinbarung zwischen beiden Häusern erreichen, wollte Karl also die Wähler auf den Plan treten lassen, ihnen indes ihr vornehmstes Recht, das der freien Wahl, schon im Vorfeld verwehren. Ohne daß Friedrich III. sich in der Sache selbst erkennbar festgelegt hätte, kam es, sicherlich auf Grund des stetig zunehmenden Drucks genannter Faktoren, tatsächlich noch im selben Jahr zu einem Treffen zwischen Kaiser und Herzog, zwar nicht in Aachen, auch nicht – wie alsdann vorgesehen – in Metz, sondern schließlich eben zu Trier, das gleich den anderen Orten auf dem Boden jenes lotharingischen Mittelreichs lag, dessen Renovatio unter den Auspizien souveränen burgundischen Königtums Philipp vorgeschwebt hatte49. Demonstrativ aber suchte Karl nur wenige Wochen vor der Zusammenkunft Aachen als symbolträchtige Krönungsstätte der römischen Könige und Grabesort seines großen Namensvetters auf, als dessen Erbe er sich feiern ließ und den er noch 1476 in einem Privileg für das dortige – von ihm als Hochzeitsort Marias und Maximilians vorgesehene – Marienstift als seinen Vorfahr bezeichnen sollte50. Hildburg Brauer-Gramm, Der Landvogt Peter von Hagenbach. Die burgundische Herrschaft am Oberrhein 1469–1474, Göttingen 1957 (Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft 27), 196 f.; Contamine, Charles le Téméraire (wie Anm. 5), 92 f.; Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire (II) (wie Anm. 5), 215 Anm. 530; Richard, La constitution (wie Anm. 5), 36; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 127 f. 49 Zu den Orten kurz Cauchies, Louis XI (wie Anm. 5), 79. 50 Zum Aufenthalt Karls des Kühnen vom 22. bis 26. August 1473 in Aachen: Brüning, Herzog (wie Anm. 48), 40 f.; André Leguai, Charles le Téméraire face au Roi de France et au royaume de France, in: Cinq-centième anniversaire de la bataille de Nancy (1477) (Actes du colloque …, Nancy, 22–24 IX 1977), Nancy 1979, 286 („un séjour, qui ne s’imposait pas absolument, mais qui atteste cette obsession du retour aux sources carolingiennes“); Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 38, 140, 162 (dort auch zu der von Karl mit außerordentlichem Aufwand besorgten musikalischen Gestaltung der Gottesdienste vor der Marienstatue, für die übrigens seine Gattin Margarete von York 1474 die von ihr anläßlich der Hochzeit zu Brügge 1468 getragene Krone stiftete); Wilhelm Janssen, Die Reichsstadt zwischen den Territorien. Aachens „Außenpolitik“ im Spätmittelalter, in: ZAGV 98/99 (1992/93), 175 f.; Werner Paravicini, Kleve, Geldern und Burgund im Sommer 1473. Briefe aus einer verlorenen Korrespondenz, in: Francia 23/I (1996), 63; ND in: Ders., Menschen (wie Anm. 11), 637; Ders., Deutsche Adelskultur und der Westen im späten Mittelalter …, in: Deutschland und der Westen Europas im Mittelalter, hg. v. Joachim Ehlers, Stuttgart 2002 (VuF 56), 458; Marc Boone, Destroying and Reconstructing the City. The Inculcation and Arrogation of Princely Power in the Burgundian-Habsburg Netherlands (14th–16th Centuries), in: The Propagation of Power in the Medieval West, ed. by Martin Gosman a. o., Groningen 1998 (Mediaevalia Groningiana 23), 25; Müller, Frankreich (wie Anm. 13), 37; G(eorg) M(inkenberg), Krone der Margareta von York samt zugehörigem Futteral, in: Krönungen. Könige in Aachen – Geschichte und Mythos [Ausstellungskatalog], hg. v. Mario Kramp, II, Mainz 2000, 595 ff.; Ehm, Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4), 164 bzw. 255. Nicht erst die erwähnte Lobschrift des Simon Mulart/Muylaert verglich Karolinger und Herzog, sondern bereits ein zu Beginn der sechziger Jahre in Brabant verfaßtes allegorisches Schauspiel „Menych Sympel ende Out Gedachte“ handelte von den karolingischen Vorfahren des (damaligen) Grafen von Charolais. Am Ende verkündete ein Engel, Karl der Große sei im Paradies und Chaerloos onsen yongen prience machtich solle ihm als Erbe nacheifern: Marjoke de

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II. Daß in ihm das Blut des großen Karolingers fließe, ließ Karl im übrigen auch gleich beim ersten offiziellen Zusammentreffen mit Friedrich III. am 2. Oktober 1473 zu Trier durch die – von seinem Kanzler Guillaume Hugonet vorgetragene – Begrüßungsansprache alle dort Zusammengekommenen wissen. Zusammengekommen an der Mosel aber waren in erster Linie, darin dürften Friedrich wie zunächst auch Karl übereingestimmt haben, nur die Vorsteher der Häuser Habsburg und Burgund, um in persönlicher Begegnung endlich ein Einverständnis über die bislang erfolglos verhandelten Fragen einer Heirat Marias mit dem in Trier anwesenden Maximilian sowie eines Königtums für Burgund zu erzielen51. Die Präsenz der dem Kaiser genehmen Kurfürsten von Trier, Mainz und des durch zwei Räte vertretenen Brandenburgers sowie einer beachtlichen Zahl von Fürsten – darunter drei bayerische Herzöge (einer von ihnen war Kölner Dompropst), der Markgraf von Baden, der Graf von Württemberg und die Bischöfe von Metz und Eichstätt52 – verliehen diesem Treffen in den Augen Roos, Les ambitions royales de Philippe le Bon et Charles le Téméraire: une approche anthropologique, in: Publ. du Centre Européen d’Études Bourguignonnes (XIV e – XVI e s.) 36 (1996), 82; Müller, Frankreich (wie Anm. 13), 37. Das Aachener Privileg Karls des Kühnen vom 10. August 1476 bei Christian Quix, Historische Beschreibung der Münsterkirche und Heiligthums-Fahrt in Aachen …, Aachen 1825, n. 30 (S. 178–183). 51 a) Hugonets Ansprache: Ludwig Bertalot, Ein neuer Bericht über die Zusammenkunft Friedrichs III. und Karls des Kühnen in Trier 1473, in: Westdt. Zs. für Geschichte und Kunst 30 (1911), 425; ND in: Ders., Studien zum italienischen und deutschen Humanismus, hg. v. Paul Oskar Kristeller, I, Rom 1975 (Storia e letteratura 129), 199 (Quando itaque et ipse ex sanguine Caroli natus esset et ob id Alemanos precipue coleret …) [Dieser Bericht stammt von einem Anonymus aus dem Gefolge des Mainzer Erzbischofs]. b) Friedrichs III. Auffassung belegt eindeutig seine entschiedene Absicht, die am 4. November 1473 erreichte – und hier noch zu erörternde – Übereinkunft mit Karl dem Kühnen auch ohne Zustimmung der Kurfürsten durchzusetzen; bis zu diesem Zeitpunkt ging auch der Herzog von einer zweiseitigen Abmachung zwischen Burgund und Habsburg aus. Vgl. Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 25 ff.; Ehm, Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4), 144 f. bzw. 238 ff. (mit Belegen). S. auch das Zitat in Anm. 59. 52  Mehrere Quellen erwähnen die anwesenden deutschen Fürsten vor allem anläßlich jenes Empfangs, den Karl der Kühne in der Abtei St. Maximin, seiner Trierer Residenz, am 7. Oktober 1473 gab. Am ausführlichsten der „Libellus de magnificentia“ (wie Anm. 7), 354–359, 363; s. auch den brandenburgischen Gesandtschaftsbericht vom 8. Oktober 1473: Politische Correspondenz (wie Anm. 3), n. 705 (S. 579 f.). – Volltext (in modernisierter Schreibweise) bei Jos. Baader, Die Zusammenkunft Kaiser Friedrich’s III. mit Herzog Karl dem Kühnen von Burgund zu Trier im J. 1473, in: Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1864, 239 f.; Schreiben des Lucas de Tolentis an Papst Sixtus IV. vom 13. Oktober 1473 aus Trier: Jacques Paquet, Une ébauche de nonciature de Flandre au XV e siècle. Les missions dans les Pays-Bas de Luc de Tolentis, évêque de Sebenico (1462–1484), in: Bull. de l’Institut historique belge 25 (1949), 119, 123; Aufzeichnungen des Hans Knebel, in: Basler Chroniken, II (wie Anm. 3), 31 ff.; Eine Kaiserreise im Jahre 1473, hg. v. Karl Schellhass, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 4 (1893), 194 (von einem Anonymus aus der weiteren Umgebung Friedrichs III. aufgezeichnetes kaiserliches Itinerar des Jahres 1473; dazu anschaulich Hartmut Boockmann,

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Friedrichs III. den festlichen Rahmen eines Hoftags traditioneller Art, auf dem die Großen Rat und Hilfe leisten, keinesfalls aber direkten Einfluß auf die Entscheidungen nehmen sollten. Als die Verhandlungen bald schon den Charakter von Geheimgesprächen annahmen, fühlten sie sich denn auch ausgegrenzt: wir haben gemerckt, das solch handlung den fursten ganz nit gefallen hat, schrieben die Brandenburger an Albrecht Achilles, das sie in solchen hendelen außgeslossen worden sein, was etwa Herzog Albrecht IV. von Bayern-München abreisen ließ53. Hintangesetzt aber mußten sich insbesondere die Kurfürsten, und zwar schon seit dem Einzug Karls des Kühnen am 30. September in Trier, fühlen. Wenn die zeitgenössischen Quellen in hohem Maß auf Burgunds Entfaltung von Pracht und Prunk rekurrieren, mag das schlicht in besagtem Umstand gründen, daß sie über die Gespräche hinter verschlossenen Türen kaum etwas vermelden konnten. Allein mit Heimpel „verzichten auf die überreichen und immer wieder nacherzählten Nachrichten über den zeremoniösen Verlauf der Begegnung“54 sollte man keinesfalls, denn auch in der Außendarstellung, in der sinnenfälligen Propaganda manifestieren sich versteckt wie offen politische Vorstellungen und Ziele. Dafür hat die jüngere Mediävistik Interesse wie Sensibilität entwickelt, dafür liefern die Studien von Petra Ehm im konkreten Fall des Trierer Herrschertreffens eine Fülle aufschlußreicher Beobachtungen, an die hier vor allem mit Blick auf die Kurfürsten und die Intentionen des Temerarius angeknüpft sei55. Kaiser Friedrich III. unterwegs, in: DA 54 [1998], 567–582); Chmel, Monumenta Habsburgica, I / 1 (wie Anm. 42 a), 57, 61. Detaillierte Darstellung auf Grund dieser Quellen bei Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 136–140. Unmittelbar vor seiner Ankunft in Trier traf Karl in Luxemburg noch eine Reihe von Abmachungen mit dem Metzer Bischof Georg von Baden, der dann vor Ort ja als sein Coronator vorgesehen war: Henri Stein, Catalogue des actes de Charles le Téméraire (1467–1477) …, bearb. v. Sonja Dünnebeil, Sigmaringen 1999 (Instrumenta 3), n. 1699–1705; zur Sache Jean Schneider, Un conseiller des ducs de Bourgogne: Georges de Bade, évêque de Metz (1459– 1484), in: Cinq-centième anniversaire (wie Anm. 50: Leguai), 316 f.; Ehm, Burgund, 137. 53 Politische Correspondenz (wie Anm. 3), n. 721 (S. 588). Der Bericht eines (wahrscheinlich sächsischen) Rats aus Trier endet mit den Worten Also haben dy andern herren ein verdries dorinnen gehabt, das sie allein bei einander gewesen sein: Chmel, Monumenta Habsburgica, I / 1 (wie Anm. 42 a), 59; vgl. Rausch, Heirat (wie Anm. 5), 87. – Cf. Blauensteins „Flores“, in: Basler Chroniken, VII, hg. durch August Bernoulli, Leipzig 1915, 69: invicem colloquia secrete plura habentes; Carlo Visconti: Poi disse lo Imperatore ha facto tutte queste cose senza participazione ne consiglio nè de li electori nè de l’altri Signori donde che tutti ne sonno stomachati. Dopo che l’ha facto, ello gli ha dicto: io ho facto, et promisso cossi al Duca (Cusin, Impero – Appendice [wie Anm. 3], n. IV [S. 46]). – Zu Albrechts Abreise: Die Eidgenössischen Abschiede aus dem Zeitraume von 1421 bis 1477, bearb. v. Anton Philipp Segesser …, II, Luzern 1863, 461; Cusin, n. I (S. 34). Vgl. Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 17; Thumser, Hertnidt vom Stein (wie Anm. 4), 122; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 175, 180. 54 Karl der Kühne (wie Anm. 4), 14 Anm. 21. 55 Ehm, Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4); Harm von Seggern, Herrschermedien im Spätmittelalter. Studien zur Informationsübermittlung im burgundischen Staat unter Karl dem Kühnen, Ostfildern 2003 (Kieler Histor. Studien 41), 311. Ähnlich auch Claudius Sieber-Lehmann, der dies vor allem mit dem Zwang des Aufsteigers zusammenbringt, sich unablässig selbst in Szene setzen zu müssen: Burgund und die Eidgenossenschaft – zwei politische

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Was in der „Maniere de l’assamblee“ speziell unter dem Aspekt der eigens für das Treffen angefertigten Kleidung und ganz besonders des berühmten golddurchwirkten, perlen‑ und edelsteinübersäten Prunkmantels des Burgunders zu lesen steht: Et en verite il estoit habillie en Roy, il ne luy failloit que couronne en teste56, findet generell mannigfache Bestätigung. So trug der Herzog bei jenen ersten Zusammenkünften am 2. und 3. Oktober an seinem hermelingefütterten Mantel eine Kapuze bzw. einen umgeschlagenen Kragen aus Hermelin, der tiefer als der Kragen der Kurfürstentracht auf den Rücken herabreichte57: Ob in Basel 1433/34 oder 1473 in Trier, den Kurfürsten wurde burgundischer Anspruch auf Vorrang in je eigener Weise demonstriert, und die Ausstattung des Gefolges – 38.819 Pfund betrugen allein die Kosten für Kleiderstoffe – mochte den „koninglijk praalvertoon“ (Henri Pirenne) noch unterstreichen58. Auch bei Einzug, Geleit und öffentlichen Treffen wurde der von Friedrich III. wegen seiner Tochter umworbene Herzog mit ausdrücklicher Zustimmung des Herrschers, für den dies ja keine res imperii darstellte, „kaisernäher“ als die Kurfürsten plaziert59 – so auch bei jener Messe, die am 7. Oktober 1473 vor dem großen Festmahl in der von Wandteppichen bis zu Tafelgeschirr und Meßgeräten geradezu königlich ausgestatteten Trierer Residenz Karls, dem Kloster St. Maximin, zelebriert wurde. Es war eine Heiliggeistmesse: „Kaiser und Kurfürsten wird die Parallele zu dem in der Frankfurter Bartholomäuskirche gefeierten Amt nicht entgangen sein, in dem gemäß der Bestimmung von Kapitel II, 1 der Goldenen Bulle vor der Wahl eines neuen römischen Königs der Heilige Geist um Beistand für eine gute und einmütige Wahl angefleht wurde“60. Ja, im Vorgriff auf die Aufsteiger, in: Zwischen Habsburg und Burgund. Der Oberrhein als europäische Landschaft im 15. Jahrhundert, hg. v. Konrad Krimm /Rainer Brüning, Ostfildern 2003 (Oberrhein. Studien 21), 97 f. Doch war der in Trier zwar um Rangerhöhung nachsuchende Burgunder wirklich ein Aufsteiger, entstammte er doch einem Zweig der Valois, der seit immerhin über einem Jahrhundert Herrschaft in großfürstlichen Dimensionen ausübte? 56 Paris, BN, ms. fr. 11590 (wie Anm. 7), fol. 121r; vgl. Ehm, Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4), 153 bzw. 248. 57  Ehm, Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4), 154 bzw. 248 f. mit Anm. 79/80 (Belege); Vaughan, Valois Burgundy (wie Anm. 10), 175; Paravicini, Magnificences (wie Anm. 6), 354. Bertalot, Ein neuer Bericht (wie Anm. 51 a), 426 bzw. 200: ut electores imperii deferre soliti sunt. 58 Ehm, Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4), 150 bzw. 246, in leichter Korrektur von Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 140, der die Aufstellung des herzoglichen argentier Nicolas de Gondeval auszugsweise in englischer Übersetzung wiedergibt (141–144); Vaughan, Valois Burgundy (wie Anm. 10), 175; Zitat: Pirenne, Geschiedenis (wie Anm. 41), 303. 59 Dem darob verwunderten Mainzer Anonymus wurde bedeutet hunc non fuisse actum imperii sed quem cesar pro honore ducis instituerit fierique voluerit. Que racio si vera est, concluserit mihi id quod antehac erat in presagio, ut nil hic agatur de rebus imperii, quando dux ipse ubique hunc locum tenet : Bertalot, Ein neuer Bericht (wie Anm. 51 a), 424 bzw. 197. Vgl. Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 177. 60 Ehm, Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4), 155–158 bzw. 249 ff. (zur Ausstattung der Räumlichkeiten), 162 f. bzw. 254 f. (Zitat; zur Heiliggeistmesse nach Paris, BN,

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vermeintlich gesicherte Krönung erlaubte Karl offensichtlich bereits bei und nach seiner Belehnung mit Geldern am 6. November 1473, daß man an ihm das Recht der Plünderung am Herrscher ausübte61. Allenthalben nahm der Herzog seine Rangerhöhung vorweg, demonstrierte öffentlich seinen königlichen Anspruch. Schon im Juli hatte er bei seinem in Trier mitanwesenden Goldschmied Gérard Loyet ein sceptre du roy in Auftrag gegeben, und selbst die fehlende Krone wußte er wohl durch eine entsprechende Kopfbedeckung zu ersetzen, die man kaum mehr als Herzogshut bezeichnen konnte – ein Anonymus, der über Friedrichs III. Reisen im Jahr 1473 berichtet, bemerkte ein krenzel umb am hud, das schetzt [man] uber hundert dusent guld[en]; der Kaiser selbst taxierte den Wert der edelsteinbesetzten Kostbarkeit mitsamt dem von Karl getragenen Hosenbandorden auf immerhin 60.000 Gulden (auf 100.000, ja 200.000 Gulden wurde übrigens die herzogliche Kleidung veranschlagt)62. Ob diesem mit offensichtlich wechselndem Schmuckbesatz und einer Straußenfeder verzierten Hut die Darstellung der – eher bescheiden wirkenden – Kopfbedeckung entspricht, wie sie auf einer Zeichnung jenes am 7. Oktober abgehaltenen Festmahls in der Zürcher Chronik

ms. fr. 11590 [wie Anm. 7], fol. 125v). Zur Abfolge der Ereignisse am 7. Oktober 1473, die zweifellos den äußeren Höhepunkt des gesamten Treffens darstellten, zuletzt Paravicini, Magnificences (wie Anm. 6), 351 ff., unter Rekurs vornehmlich auf den „Libellus de magnificentia“ (wie Anm. 7); die entsprechende Passage des „Libellus“ in englischer Übersetzung bei Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 145 ff. S. auch Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. (wie Anm. 42 a), 99 f. 61 Ehm, Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4), 163 f. bzw. 254 f. 62 a) Szepter: Hugo van der Velden, The Donor’s Image. Gérard Loyet and the Votive Portraits of Charles the Bold, Turnhout 2000 (Burgundica 2), 16, 60, 317; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 170. Loyet zeichnete ebenfalls für die Herstellung des Schmucks auf Karls Bekleidung und damit auch auf dem Prunkmantel verantwortlich: Van der Velden, 59 f., 315 f.; Ehm, 150 f. Jüngst publizierte Belege seiner (schon früheren) Tätigkeit für den Herzog in den Comptes de l’argentier de Charles le Téméraire, duc de Bourgogne, I/II (1468/69), publ. par Anke Greve/ Émilie Lebailly sous la dir. de Werner Paravicini, Paris 2001/02 (Recueil des historiens de la France. Documents financiers et administratifs 10/I–II), 573 bzw. 513 s. v. „Loyet, Gérard“. b) Krenzel umb am hud: Schellhass, Eine Kaiserreise (wie Anm. 52), 198 (Zitat). Vgl. auch Werner Bergengruen im Rahmen seines das Trierer Ereignis (vor allem mit der Zeichnung Friedrichs III.) anschaulich ausgestaltenden Romans „Herzog Karl der Kühne oder Gemüt und Schicksal“: „Friedrich betrachtete den Diamantenschmuck an Karls Hut, die Perlen am Mantel und Zaumzeug. Sie mochten den zehnfachen Wert der Jahreseinkünfte haben, die der Kaiser aus seinen sperrigen Erblanden bezog“ (Hamburg 1943 [zuerst 1930], 82). Beschreibungen des in Trier getragenen Huts finden sich in den brandenburgischen Gesandtschaftsberichten (Baader, Zusammenkunft [wie Anm. 52], 236, 239) und im „Libellus de magnificentia“ (wie Anm. 7), in dem der Wert übrigens realistischer auf 1.000 Gulden geschätzt wird (342 f.). Sicher wird Karl im Reich nicht jenen ihn als französischen Fürsten ausweisenden Reif getragen haben, der ihm von Karl VII. zuerkannt worden war (vgl. Anm. 35 b), ließ er doch Hugonet in der Eröffnungsrede betonen, daß er als Sproß Karls des Großen Alemanos precipue coleret, offeret se nacioni germanice et cesarie maiestati cum rebus et fortunis omnibus: Bertalot, Ein neuer Bericht (wie Anm. 51 a), 425 bzw. 199. – Belege für die angeblichen Kleiderkosten bei Paravicini, Magnificences (wie Anm. 6), 351 Anm. 206.

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der Burgunderkriege des Diebold Schilling zu sehen ist, scheint fraglich63. Noch fraglicher ist deren von einer niederländischen Archivarin vor einigen Jahren „vage“ erwogene Gleichsetzung wiederum mit dem Hut, den der jüngste der das neugeborene Christuskind anbetenden Heiligen Drei Könige auf der mittleren Tafel des von Rogier van der Weyden zwischen 1450 und 1464 für die Kölner Pfarrkirche St. Kolumba geschaffenen Triptychons in seiner Rechten hält – seit Sulpiz Boisserée ist er immer wieder aus guten Gründen mit Karl dem Kühnen identifiziert worden64. Diese Darstellung aber dürfte schon eher einen Eindruck von der Pracht jenes Huts vermitteln, der später zur Burgunderbeute gehörte und nach Jacob Fuggers Beschreibung aus dem Jahre 1555 ainer Königelichen Cronen wol zu vergleijchen wer65. Offensichtlich einen anderen „erzherzoglichen“, über einer Kappe mit einem Bügel versehenen Kronreif trug Karl im Juli 1474 bei seinem Einzug in Mecheln; nach Chastellain handelte es sich um einen chappel en chief que multitude de gens jugèrent estre coronné66. Vier solcher Kopfbedeckungen sind im herzoglichen Inventar aufgeführt, in jedem Fall aber war die Botschaft klar und eindeutig und wurde so auch schon in Trier verstanden, selbst wenn der Herzog dem Kaiser immer wieder unprotokollarische Gesten der Ehrerbietung und Unterordnung erwies: Das Alles der Kaiser und die Fürsten besahen und ein Befremden darob empfingen67. Imponierend und einschüchternd wirkten Karls 63 Abb. bei Florens Deuchler, Die Burgunderbeute. Inventar der Beutestücke aus den Schlachten von Grandson, Murten und Nancy 1476/77, Bern 1963, 9. 64 De Roos, Les ambitions royales (wie Anm. 50), 79; vgl. Müller, Frankreich (wie Anm. 13), 33 ff. – Zu van der Weydens Dreikönigentriptychon (München, Alte Pinakothek): Hans Belting/Christiane Kruse, Die Erfindung des Gemäldes. Das erste Jahrhundert der niederländischen Malerei, München 1994, 190 ff., T. 116 f. (mit Datierung auf 1450–55); Eduard Hegel, St. Kolumba in Köln. Eine mittelalterliche Großstadtpfarrei in ihrem Werden und Vergehen, Siegburg 1996 (Studien zur Kölner Kirchengesch. 30), 125–130, Abb. 31 a / b; Dirk de Vos, Flämische Meister. Jan van Eyck – Rogier van der Weyden – Hans Memling, Köln 2002, 83–90. Hochspekulativ zur – von De Vos, 87, übrigens wegen fehlenden Belegs abgelehnten – Identifizierung der Könige Laurinda S. Dixon, Portraits and Politics in two Triptychs by Rogier van der Weyden, in: Gazette des Beaux-Arts 109 (1987), 181–190. – Sulpiz Boisserée an Goethe: „… fanden wir eine noch viel auffallendere Aehnlichkeit des stolzen, schwarzen Königs mit Karl dem Kühnen. Lassen sie sich nur das Bild dieses Helden … bringen, so werden sie sich selbst überzeugen“: S. B., Briefwechsel/Tagebücher, II (1862), mit einem Nachwort von Heinrich Klotz, Göttingen 1970, 55. 65 Deuchler, Die Burgunderbeute (wie Anm. 63), 118 f.; Abb. auch im Sammelband Cinqcentième anniversaire (wie Anm. 50: Leguai), zw. 320 und 321; Van der Velden, The Donor’s Image (wie Anm. 62 a), 56; vgl. Vaughan, Valois Burgundy (wie Anm. 10), 175. 66 Dazu mit zahlreichen Belegen und Verweisen Paravicini, Magnificences (wie Anm. 6), 367 ff. [anstatt coronné ist mit P. coronne zu lesen]; vgl. Contamine, Charles le Téméraire (wie Anm. 5), 95; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 199. 67 Baader, Die Zusammenkunft (wie Anm. 52), 236; cf. Philippe de Commynes zu Trier: Les Allemans mesprisoient la pompe et la parolle dudict duc, l’attribuant a l’orgueil. Les Bourguignons mesprisoient la petite compaignee de l’Empereur et les pouvres habillements (Mémoires [wie Anm. 47], 193); s. dazu auch Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 304 f. Allerdings ist diese Aussage – ihr entspricht übrigens eine ähnliche des Memorialisten zur Reaktion der Umgebung des pfälzischen Kurfürsten bei dessen Besuch Karls des Kühnen 1467 in Brüssel – angesichts des bekannten

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öffentliche Auftritte in Trier; ex eventu bringt es eine Burgundesch legende treffend auf den Begriff: Darnoch hat er durch sin hochfart fur wore / Gedacht ein kunig z󰀇 werden68. Doch der sich da so großartig und großspurig zugleich in Szene zu setzen verstand, der nach der monarchia orbis trachtete und den Kreuzzug gegen den Türken zu seinem Anliegen zu machen versprach, sofern der französische König ihm nur Frieden gewähre69, erwies sich als nachgiebig und schwach, als es hinter verschlossenen Türen um die Realisierung seiner Ansprüche ging. Es waren die alten, seit 1469 immer wieder vorgebrachten Forderungen nach römischem Königtum und Nachfolge im Kaisertum, denen Friedrich III. zunächst das ebenso alte Minimalangebot eines Reichsvikariats entgegensetzte70. Mochte der Herzog auch mit Abbruch und Abreise drohen, mochte er auch mit zusätzlichen vier Forderungen an die Öffentlichkeit treten71, nach dramatischen Geheimverhandlungen gab er sich schließlich mit jener Königsherrschaft zufrieden, die sein Vater stets kategorisch abgelehnt hatte: Pro quo regno prefatus dominus dux et sui successores in ipso regno facitur homagium et fidelitatem Serenissimo domino Imperatori et suis successoribus, et ab eis recipient investituram regni72. Diese Passage aus dem am Verhältnisses von Commynes zu Karl dem Kühnen mit Vorsicht zur Kenntnis zu nehmen. Zur Sache vgl. auch Paravicini, Magnificences (wie Anm. 6), 354; Jean Favier, Louis XI, Paris 2001, 653 („Le faste déployé par le duc de Bourgogne était fait pour les éblouir. Il les humiliait“); Ehm, Burgund, 153 („das Ungehörige der burgundischen Zur-Schau-Stellung bestärkte die Reichsfürsten … in der Ansicht, daß in ungebührlicher Überheblichkeit der eigentliche Charakterzug des Herzogs liege“). Anders Awerbuch, Motivation (wie Anm. 3), 380 ff., die in Trier nur Staunen, Bewunderung und Naivität, nicht aber Neid auf deutscher Seite zu erkennen glaubt, welcher zudem selber Prunk nicht fremd gewesen sei. 68 Recueil de pièces historiques, imprimées sous le règne de Louis XI, éd. par Émile Picot/ Henri Stein, Paris 1923, 32; vgl. Claudius Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus. Die Burgunderkriege am Oberrhein und in der Eidgenossenschaft, Göttingen 1995 (VMPIG 116), 265 Anm. 77. 69 a) anhelat ad monarchiam orbis: Basler Chroniken, II (wie Anm. 3), 14  f. (Knebel). – b) Des – hier nicht näher zu erörternden – Themas Türkenkreuzzug und Befreiung von Jerusalem bediente sich Karl keineswegs, wie oft zu lesen steht, nur zu Propagandazwecken, um sich dann jeglicher konkreten Verpflichtung unter Hinweis auf die ihm von Frankreich angeblich drohende Gefahr zu entziehen. Es hatte für ihn als Fern‑ und Endziel seiner Herrschaft nur einen anderen Stellenwert als für Philipp den Guten: Richard J. Walsh, Charles the Bold and the Crusade. Politics and Propaganda, in: JMH 3 (1977), 53–86; Müller, Kreuzzugspläne (wie Anm. 16), 127–133, mit wiederholtem Bezug auf die Trierer Verhandlungen. 70 S. etwa Lucas de Tolentis: … inter eos duri tractatus sunt. Dux non consentit in matrimonium nisi mediante corona regni Romanorum. Maiestas imperialis condescenderet ad dandum vicariatum et alia que scripto comendari non possunt ; Paquet, Une ébauche (wie Anm. 52), 124. 71 Zum trotz der erwähnten Schwierigkeiten oft rekonstruierten Gang der Verhandlungen und zu einzelnen, hier nicht berücksichtigten Punkten am besten die in Anm. 3/4 zitierten Arbeiten von Heimpel, Vaughan und Ehm. 72 Stein, Un diplomate bourguignon (wie Anm. 4), 339 ff. (n. X), Zitat 340. Mit Ehm, Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4), 171 bzw. 236 mit Anm. 15, und gegen Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 149 f., halte ich das – im Brief der brandenburgischen Gesandten vom 7. November 1473 zettel genannte – Dokument „für einen Unterhändlervertrag

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4. November 1473 geschlossenen Abkommen erweist, daß sich der Schwächere und Ärmere mit seiner Beharrlichkeit durchsetzte. Er konnte es, weil der Stärkere und Reichere seine Freiheit verloren hatte, weil das „Kann“ des Vaters für den Sohn, wie dieser schon 1470 zu erkennen gegeben hatte, ein „Muß“ geworden war, weil der Zwang, Philipp den Guten zu übertreffen, Karl auch zu Trier leitete. Das Faustpfand Maria hieß ihn imperiale Ambitionen hegen, doch mit einem König von Böhmen würde man ihn nun allenfalls vergleichen können. Entscheidend war diese Lehnsabhängigkeit und nicht die dem Kaiser dafür zugesagte Gestellung von bis zu 10.000 Bewaffneten im Fall des Friedens zwischen Burgund und Frankreich; ja nicht einmal der Umstand, daß Friedrich III. dem neuen regnum Burgundiae, wie es in der Übereinkunft bezeichnet wird, über die von Karl bereits beherrschten Gebiete auf Reichsboden und diejenigen, auf die er dort Anrechte besaß, hinaus noch die Lehnsoberhoheit über die Lehen der Herzöge von Kleve, Lothringen und Savoyen – bei letzterem sowohl die diesseits als auch jenseits der Alpen gelegenen – sowie über die Bistümer Utrecht, Lüttich, Cambrai, Toul und Verdun zuerkennen mußte73. Nicht umsonst hatten etliche der Genannten in unguter Vorahnung, sie könnten bei einer wie auch immer gearteten Einigung zwischen Friedrich und Karl nachteilig betroffen sein, im Vorfeld des Trierer Treffens und noch am Ort selbst beim Kaiser um (erneute) Belehnung und Privilegierung nachgesucht, um so ihre reichsfürstliche Stellung abzusichern, und auffälligerweise wurde solches Ersuchen bei Lothringen und Savoyen dilatorisch behandelt74. Auch der scheinbare Sonderfall Geldern fügt sich, selbst wenn der Name des von Karl erst kurz zuvor annektierten Herzogtums in besagter Regelung nicht begegnet, ganz und gar in den skizzierten Rahmen: Dem Burgunder lag an der förmlichen Legitimierung dieser Eroberung, und durch die am 6. November 1473 auf dem Trierer Marktplatz vollzogene Belehnung Karls (in seiner Eigen…, dem allerdings die Ratifikation durch die Herrscher fehlte“. Brief: Bachmann, Urkundliche Nachträge (wie Anm. 4), 224. 73  Stein, Un diplomate bourguignon (wie Anm. 4), 340 (n. X). Diese Übereinkunft findet ihre Bestätigung in dem in Anm. 72 erwähnten Schreiben der Brandenburger an Albrecht Achilles (Bachmann, 222), denn sie wurde wegen der alsbald darüber aufkommenden Diskussion zwischen Kaiser, Kurfürsten und einem mißtrauisch werdenden Burgunder bekanntgemacht (Yedoch warde die sachen verfuget, das die zettel, so vormals jn haymlichem rate der uffrichtigung des konigreichs begriffen was, gelesen warde; 224); cf. Cusin, Impero – Appendice (wie Anm. 3), n. IV (S. 46). – Weitere Angaben zum Vertrag bei Ehm, Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4), 135, 171 f. bzw. 235 f. mit Anm. 13; englische und französische Übersetzungen im Auszug bei Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 149, bzw. Contamine, Charles le Téméraire (wie Anm. 5), 94. S. auch Rausch, Heirat (wie Anm. 5), 92; Bonenfant, État bourguignon (wie Anm. 28), 278 f.; Paravicini, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 87; Jongkees, Trier (wie Anm. 23), 556; Ders., Charles le Téméraire (wie Anm. 30), 203 ff.; Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire (II) (wie Anm. 5), 215 mit Anm. 531; Thomas, Geschichte (wie Anm. 23), 482; Thumser, Hertnidt vom Stein (wie Anm. 4), 122 f.; Rapp, Le Saint Empire (wie Anm. 23), 276. 74 Grüneisen, Reichsstände (wie Anm. 23), 74 ff.; Thomas, Geschichte (wie Anm. 23), 481; Rapp, Les origines (wie Anm. 34), 119.

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schaft als Herzog von Brabant) mit Geldern erkannte Friedrich III. stillschweigend nachträglich die Macht des Faktischen an, denn dieser neue Titel stand stellvertretend für alle seit den Tagen von Sigismund und Johann Ohnefurcht umstrittenen Reichslehen in den Niederen Landen75. Doch der Kaiser wußte sehr wohl, was er tat, wenn er sich selbst fördernd in die Vorbereitungen der Zeremonie einschaltete. Ihm kam dieser Akt nämlich überaus zustatten – ea ducis obediencia gracior existebat bemerkt Thomas Basin, der als Augen‑ und Ohrenzeuge des weiteren berichtet, der knieende Herzog habe den Lehns‑ und Treueid kaum hörbar geflüstert76. Und auch Karl wußte sehr wohl, warum er dies so kleinlaut tat, mußte er doch damit seine grundsätzliche Bereitschaft zur Einordnung in den Reichslehnsverband bekunden. Was die brandenburgischen Räte ihrem Kurfürsten mit den Worten zur Kenntnis brachten wöll er [Karl] itzo … das herzogtum zu Gellern entpfahen und dem reich dadurch verwant werden, brachte Hermann Heimpel auf die Begrifflichkeit des Historikers: „Mit dem gelderschen Zugeständnis leistete Karl gewissermaßen eine Vorauszahlung auf die Lehensabhängigkeit seines Staates vom Reich“77. Friedrich aber wollte verständlicherweise das ganze Geschäft möglichst noch zu den Konditionen zum Abschluß bringen, die ihm ein Philipp der Gute über Jahrzehnte hin nie eingeräumt hatte. Deshalb saget der k(eiser) dem hertzogen zu, jm nach jnnhalt der zettel zu crönen und zu leyhen und brieff nach gewonheit des reichs darüber zu geben, deshalb kümmerte sich der Kaiser ganz unkaiserlich selbst um die Vorbereitungen für den anstehenden Akt78. Karl sollte erst gar keine Gelegenheit zum Bedenken, Überdenken oder gar Rückzug geboten werden; einmal zum König erhoben, würde er seine Zustimmung zur – in der Vereinbarung wohlgemerkt nicht eingeschlossenen – Heirat kaum mehr versagen können. Wenn Friedrich III. am 5. November den Rat der anwesenden Kurfürsten einholte, dann nur, weil er von ihnen eine seiner Ansicht nach für die Sache keineswegs notwendige Zustimmung erwartete, die indes der Übereinkunft zusätzliches 75  Ich folge hier den Darstellungen von Heimpel und Ehm (wie Anm. 4); s. auch (offensichtlich nach Heimpel) Awerbuch, Motivation (wie Anm. 3), 393, 402 f. – Über die unmittelbare Vorgeschichte zuletzt Petra Ehm, Der übermächtige Nachbar. Geldern und Burgund unter Philipp dem Guten und Karl dem Kühnen, in: Gelre – Geldern – Gelderland. Geschichte und Kultur des Herzogtums Geldern, hg. v. … Johannes Stinner /Karl-Heinz Tekath, Geldern 2001, 135–138. 76 Histoire de Louis XI (wie Anm. 1), 176 (Zitat), 178. 77 Bachmann, Urkundliche Nachträge (wie Anm. 4), 222. – Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 23. 78 a) Zitat: Bachmann, Urkundliche Nachträge (wie Anm. 4), 224. – Mithin dürfte sich die Überlegung von Contamine erübrigen, auch der Kaiser habe die Verhandlungen scheitern lassen, weil er selbst aus den Abmachungen vom 4. November 1473 keinen nennenswerten Vorteil zog (Charles le Téméraire [wie Anm. 5], 94). b) „unkaiserlich“: Ein Trierer Domkanoniker soll gegenüber Carlo Visconti bemerkt haben: Videtis quanta gravitas et qui mores sunt in Imperatore nostro, ex Cesare faber et architectus fieri cupit, non ita se gerunt principes vestri in publico (Cusin, Impero – Apendice [wie Anm. 3], n. IV [S. 46]).

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Gewicht verleihen sollte – es stand ja nicht das kurfürstliche Wahl erfordernde römische, sondern „nur“ ein zu Lehen gehendes Königtum an. Doch statt Einwilligung war die Reaktion ein auf Aufschub bedachtes Zögern: die sach sej groß bekam er zu hören, darum solle man sie auf der kommenden Reichsversammlung zu Augsburg beraten, und der trierische Kurfürst Johann II. von Baden, der eigentlich als kaiserlicher Parteigänger galt, verwies wenig später sogar auf den Binger Kurverein von 1424, welcher ein abgestimmtes gemeinsames Vorgehen des gesamten Kurkollegs bei wichtigen Reichsmaterien vorsah (und mithin einer vorschnellen Entscheidung durch einzelne Mitglieder entgegenstand)79. Just an dem Tag, da sich der Burgunder durch seine Belehnung mit Geldern anschickte, dem Reich verwant zu werden, zeigten sich also führende Vertreter dieses Reichs wenig geneigt, ihn als neues Familienmitglied willkommen zu heißen. „In der Nacht vom 6. auf den 7. November dürfte Karl der Kühne schlecht geschlafen oder von Deutschland geträumt haben“80. Mochte Friedrich III. die anwesenden Fürsten auch mit dem Hinweis auf die nach einem Scheitern der Verhandlungen dem Reich drohenden Nachteile und Gefahren schließlich zur Duldung des Krönungsakts bewegen, so wollte sich der inzwischen aufmerksam-mißtrauisch gewordene Herzog keineswegs nur mit passiver Kenntnisnahme oder unterbleibendem Widerspruch begnügen, sondern verlangte, daß die Kurfürsten mit vernemlichen worten verwilligen sollten in die aufrichtigung des konigreichs zu Burgundien81. Wiederholt wurde geäußert, dem autokratischen Herzog und dessen Umgebung sei die Reichswirklichkeit unverständlich oder gar unbekannt gewesen bzw. habe er sich mit ihr allenfalls erst im Lauf der Trierer Verhandlungen näher befaßt82. Dem widerspricht schon Karls frühes Insistieren auf ausdrücklicher Zustimmung der Kurfürsten, die Friedrich III. vielleicht überhaupt erst auf Drängen des Burgunders hin konsultiert hat83. Überdies wird der ohnehin stärker als sein Vorgänger den deutschen Verhältnissen zugewandte Herzog schon durch im Reich erfahrene Gesandte wie 79 Zum Kurverein von Bingen Christiane Mathies, Kurfürstentum und Königtum in der Zeit der Hussitenkriege. Die kurfürstliche Reichspolitik gegen Sigmund im Kraftzentrum Mittelrhein, Mainz 1978 (QMRhKG 32), 137–142; Hans Patze, Binger Kurverein, in: LexMA II (1983), 196 f.; Heinig, Mainzer Kirche (wie Anm. 40), 514 f.; Ehm, Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4), 180 f. bzw. 241 („Mit dem Hinweis auf Reichstag und Kurverein verschanzten sie sich hinter gewohnheitsrechtlich etablierten und sich gerade institutionalisierenden Verfahrensweisen …“). 80 Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 27. 81 Bachmann, Urkundliche Nachträge (wie Anm. 4), 225; vgl. Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 26 f.; Thumser, Hertnidt vom Stein (wie Anm. 4), 125. 82 So etwa Jean Schneider, u. a. in: Georges de Bade (wie Anm. 52), 318; Awerbuch, Motivation (wie Anm. 3), 396; Favier, Louis XI (wie Anm. 67), 654; und schon Chmel, Monumenta Habsburgica, I/1 (wie Anm. 42 a), LXXIII. 83 So die – affirmativ formulierte – ansprechende Vermutung von Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 26; vgl. auch Ehm, Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4), 183 bzw. 242 (Karl, „der wenigstens über Teile der Reichsverfassung informiert gewesen sein muß“; doch s. Anm. 82).

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Guillaume Fillastre oder Antoine Haneron, durch in seinem Vertrauen stehende Amtsträger wie Peter von Hagenbach, Guillaume Hugonet und Rudolf von Hochberg und schließlich durch Bundesgenossen wie Herzog Sigismund von Österreich oder den pfälzischen Kurfürsten wohlunterrichtet gewesen sein. Auch ist nicht auszuschließen, daß der zum engsten Kreis um den Kaiser gehörende und zumindest zeitweise an den Geheimverhandlungen teilnehmende Mainzer Erzbischof Adolf II. von Nassau bereits während der Unterredungen als Kurfürst erste Bedenken geäußert hat. Vor allem aber war die Situation für Burgund ja keineswegs neu; 1447/48 hatte sie Karls Vater sogar selbst herbeizuführen gesucht, als er Friedrich III. aufforderte, die Einwilligung der Fürsten und insbesondere der Kurfürsten zu seiner Krönung einzuholen, was der Habsburger – wie erinnerlich – zwar für seine Person ablehnte, um dem Herzog aber anheimzustellen, solches zu tun. Und ebendies ereignete sich jetzt am 7. November 1473 in Trier: Hat die k(eiserlich) m(ajestat) solch ansuchung an die kurfursten und uns [die beiden Räte des Brandenburgers] zuthun abgeslagen, ursachen halb, es sej nit not und wöll von seinem gewalt nit disputiren lassen. Hat doch der hertzog ye versteen wöllen der kurfursten und fursten maynung dorjnn. Und als jene der K(eiser) dovon nicht weysen mocht, hat er dobej nit sein wollen und dennoch dem hertzogen vergonnet, in seiner abwesen sein maynung mit den kurfursten und botschafften zu reden84. Das Ergebnis war eine kurfürstliche Lektion in Sachen faktischer Reichsverfassung: Kein offener Widerspruch, stattdessen Vorsicht, Zögern, Ausweichen, daraus resultierend Vorschläge des Aufschubs und Vertagens, dahinterstehend ein sich von Tag zu Tag mehr zur Opposition formierender und verfestigender skeptisch-passiver Widerstand. So aber erklären sich auch Verwirrung und Unverständnis der am Ort den Ereignissen Nahen und doch Außenstehenden wie eines Thomas Basin: Da war ein an der Übereinkunft vom 4. November festhaltender Kaiser, der mehrfach Krönungstermine ansetzte, Vorbereitungen hierfür anordnete und überwachte, mithin ein Außenbild prinzipiell erfolgreich verlaufener und jetzt nur noch in Einzelpunkten abzuschließender Verhandlungen vermittelte und dann am 25. November Trier einfach verließ. Und da war ein Herzog, der zwar weiter verhandelte, die Sache also nach wie vor verfolgte, dabei aber immer neue Forderungen stellte, so daß die Gespräche eine diffus-sprunghafte Wendung nahmen85. Vielleicht wußten selbst die beiden Protagonisten damals noch nicht oder begannen allenfalls vage zu ahnen, daß die Verhandlungen schon zwischen 84 Bachmann, Urkundliche Nachträge (wie Anm. 4), 225; vgl. Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 27; Thumser, Hertnidt vom Stein (wie Anm. 4), 126; Karl-Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter …, Stuttgart u. a. 1994 (Urban Tb. 452), 215. 85 Über den Gang der Dinge zwischen 8. und 25. November am instruktivsten Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 28–32; Ehm, Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4), 185–188 bzw. 243 ff. Allerdings würde ich nicht mit Ehm, Burgund, 135, die Position des Kaisers als zäh-hinhaltend und die des Herzogs als drängend bezeichnen.

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dem 5. und 7. November gescheitert sein könnten. Friedrich jedenfalls wollte die Krönung, denn er wollte die Ehe, und auch Karl hat nach diesen Tagen keineswegs bewußt einen auf Abbruch zielenden Kurs gesteuert. So schickte er noch eilends wegen einer Heiratsdispens nach Rom und verhandelte über eine Vielzahl von Einzelfragen. Ja er, der unbedingt König werden wollte, aber dann doch wohl unzufrieden über die Minimallösung eines zweitklassigen Lehnskönigtums war86, das zudem kaum die innerliche Festigung seiner so heterogenen Herrschaft befördert hätte, er hat in dieser Phase vielleicht sogar die völlige Revision der bislang ausgehandelten Ergebnisse angestrebt. Obwohl er grundsätzlich neben dem römischen Königtum eine regnum Burgundiae genannte Königsherrschaft präferierte87, ließ er gegen Ende der Gespräche offensichtlich nochmals die alte Idee eines regnum Frisiae aufleben88. Folgen wir der Ratschronik von Lübeck (und deren Einschätzung durch A. G. Jongkees), dann stand dies aber für ein souveränes Königreich, denn allein das friesische Bauern‑ und Häuptlingsland schien, auf welche Weise auch immer, in einem durch Besitz, Privilegien und Rechte weitestgehend fixierten und geschlossenen Mittel‑ und Westeuropa noch offen: „S’il en a été ainsi, il faut croire que ce nom-là a été jugé plus convenable à la souveraineté, pour quelque raison que ce fût“89. Doch Friedrich III. konnte sich nun unmöglich mit 86 Dies

hebt Lacaze, Philippe le Bon et l’Empire (II) (wie Anm. 5), 215, hervor. belegen sowohl der Vertrag vom 4. November 1473 als auch Thomas Basin. Während sich dieser Name des avisierten Lehnskönigtums von der zum Reich gehörigen Freigrafschaft Burgund hergeleitet hätte (so auch der geldrische Chronist Willem van Berchen), intendierte die – noch zu erwähnende – Dijoner Rede des Herzogs von Januar 1474, in der er an das alte burgundische Königreich erinnerte (royaume de Bourguinge que ceulx de France ont longtemps ansurpé et d’icellui fait duchié, que tous les subjetz doivent bien avoir a regret), mit ihrem unverkennbar antifranzösischen Akzent wohl die Verselbständigung des französischen Herzogtums Burgund. Vgl. (mit Quellenangabe) Bonenfant, État bourguignon (wie Anm. 28), 278 ff. S. auch Bartier, Charles le Téméraire (wie Anm. 8), 175; Lacaze, Le rôle (wie Anm. 25), 383 Anm. 2; Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 151 f.; Cauchies, Louis XI (wie Anm. 5), 67. Es bleibt im übrigen zu beachten, daß Ludwig XI. von Frankreich bereits am 4. Oktober 1473, also zur Zeit der Trierer Verhandlungen, an Antoine de Chabannes, den Grafen von Dammartin, schrieb, er entnehme einem Mandat Karls des Kühnen, dieser wolle tenir termes de roy au royaume de France comme moy (Paris, BN, ms. n. acq. fr. 7636, fol. 209 – nach Reichstagsaktenmaterial /Grüneisen [wie Anm. 7]). 88 Das geht aus einem Schreiben des Beisitzers am kaiserlichen Kammergericht Anselm von Eyb vom 10. November 1473 an Bürgermeister und Rat von Nördlingen hervor: … es ist ier die gemain red, unser herr der keiser wol den herzog von Burgundi kunig zu Friesland und annder lant machen. In einem weiteren Brief vom 13. November bezieht er sich dann aber wieder auf die am 4. November getroffenen Abmachungen (Nördlingen, Stadtarchiv, Missiven 1473, fol. 95 or., fol. 96 or. Einlage zum 10. November; nach Reichstagsaktenmaterial / Grüneisen [wie Anm. 7]). Vgl. auch Jongkees, Charles le Téméraire (wie Anm. 30), 205 Anm. 44. – Zu Anselm von Eyb: Albert Werminghoff, Ludwig von Eyb (1417–1502). Ein Beitrag zur fränkischen und deutschen Geschichte im 15. Jahrhundert, Halle 1919, 43 ff. 89 he begerde von deme keyser, dat he eme maken wolde enen konynk over Vresland myt alle den landen, de under em weren … Do gaf he deme keyser noch en ander vor, alsdat he wolde en vrig konynk wesen, scheden von deme horsamme des Romesschen rikes: Die Ratschronik von 1438–1482, II: 87 Das

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etwas einverstanden erklären, das er zuvor stets und strikt abgelehnt hatte: „Ob deze klip zouden de onderhandelingen schipbreuk hebben geleden“90. Wenn es Karl am Ende aber doch gleich dem Vater mehr um königliche Souveränität als um einen bloßen Titel und territorialen Machtzuwachs ging91, dann schloß sich der Kreis, dann hätte weiteres Verhandeln nur sinnloses Wiederholen erfolglos über Jahrzehnte hin erörterter Möglichkeiten und Positionen bedeutet. Zwar nicht heimlich, so doch unter Verletzung des Zeremoniells verließ der Kaiser am 25. November 1473 Trier92. Der Herzog aber sollte bald schon als „très redoubté et souverain seigneur“ gegenüber Frankreich wie dem Reich auftreten93. Das erweist seine Einrichtung einer cour souveraine in Mecheln, das erweist seine auf das Königreich der Burgundionen rekurrierende Rede, die er am 25. Januar 1474 vor Adel und Ständen in Dijon mit deutlicher Spitze gegen das französische Königtum hielt, das erweisen seine kriegerischen Interventionen im Westen des Reichs: Erfolglos hatte er sich auf dem Trierer Marktplatz der kaiserlichen Autorität unterworfen, sein Stolz war verletzt; wenn er auch mit Friedrich III. wegen einer Heirat Marias mit Maximilian weiter im Gespräch blieb, wollte er sich von nun als „Charles le guerrier“ das ihm Versagte holen94. 1466–1482, in: Die Chroniken der niedersächsischen Städte. Lübeck V / 1, bearb. v. Friedrich Bruns, Leipzig 1914 (ND 1968) (DStChr 31), 123; dazu Jongkees, Charles le Téméraire (wie Anm. 30), 207 (Zitat). Zu weiteren Quellen über das Trierer Treffen, in denen der Name Friesland begegnet, ebd., 205 Anm. 44; vgl. auch Vaughan, Charles the Bold (wie Anm. 3), 152 (Jakob Unrest, Wilwold von Schaumburg; Paris, BN, ms. fr. 1278, fol. 276–277: „of doubtful significance“ – doch dazu wieder Jongkees, 208 f.). Heimpels Vermutungen über „zwei Königreiche, oder doch ein Reich mit einem doppelten Namen“ (Karl der Kühne [wie Anm. 4], 21) dürften sich damit erledigt haben. 90 a) Zitat: Jongkees, Trier (wie Anm. 23), 557. – b) Insofern war der mailändische Gesandte Carlo Visconti einmal mehr schlecht informiert, wenn er am 19. November 1473 an seinen Herrn schrieb, daß der Kaiser dem Burgunder daghi la corona et titolo del reame de Phrixia, io sono certo non faci questo per amore che resti fra loro, ma piu presto partim metu per non lassarlo partire in tutto mal contento et che habij ad essere apertamente suo inimico (Cusin, Impero – Appendice [wie Anm. 3], n. IV [S. 46]). 91 Territorialer Machtzuwachs als Ziel wird von Ehm m. E. teilweise etwas überbetont, aufs Ganze aber schätzt sie die zentrale Bedeutung des Faktors Souveränität durchaus treffend ein: Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4), 118, 125 bzw. 295 ff. 92  Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 32; Awerbuch, Motivation (wie Anm. 3), 405 f. – Aus solch grundsätzlichen Erwägungen, u. U. auch wegen der ihm von Karl drohenden Gewalt dürfte Friedrich III. abgereist sein und nicht eine Einzelfrage wie die des Status der vom künftigen Königreich abhängigen Herzogtümer zum Vorwand genommen haben, um selbst von den Abmachungen des 4. November wieder loszukommen; vgl. Ehm, Burgund, sowie … und begeret (beide wie Anm. 4), 193–197 bzw. 256. Die kürzlich erschienene Monographie von Seggerns über „Herrschermedien im Spätmittelalter“ (wie Anm. 55) untersucht minutiös, wie sich damals die Nachricht von Friedrichs Abfahrt verbreitete. 93 Cf. Paris, BN, Coll. de Bourgogne 65, fol. 173r: Il est a remarquer que toutes les articles rapportees dans les comptes a commencer en 1473, lorsque l’on parle du duc, il est qualifie mon tres redoute et souverain seigneur … (Reichstagsaktenmaterial/ Grüneisen [wie Anm. 7]). 94 Dies nach Contamine, Charles le Téméraire (wie Anm. 5), 95 f.; Richard, La constitution (wie Anm. 5), 37; Schnerb, L’État (wie Anm. 10), 418; Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 197 ff.

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III. Trier 1473: ein spektakulärer Höhe‑ und Schlußpunkt jahrzehntelanger Bemühungen um ein burgundisches Königtum. An der Mosel kamen – wohl mit Ausnahme einer Restauration des regnum Lotharii95 – nochmals alle Möglichkeiten und Modelle zur Sprache. Mit allen aber war man in der Vergangenheit gescheitert, doch damit mußte das Treffen nicht von vornherein auch zum Scheitern verurteilt sein: Die Lösung der Rangfrage ließ sich angesichts der Erfolge und des Ehrgeizes Karls des Kühnen einfach nicht mehr aufschieben, auch der Kaiser wollte darauf mit Blick auf Heirat und Erbschaft eine Antwort. Mit dem Lehnskönigtum schien sie endlich gefunden, ermöglicht durch einen Herzog, dessen bis zur Selbstverleugnung reichende Kompromißbereitschaft sich aus der Unbedingtheit seines Strebens nach der Krone erklärt. Wenn er dennoch sein Ziel nicht erreichte, mag dazu eine Reihe „sekundärer“ Gründe beigetragen haben, von denen einleitend kurz die Rede war. Entscheidend aber dürfte die sich hinter Aufschub‑ und Vertagungswunsch verbergende Ablehnung der Kurfürsten gewesen sein. Zwar war nur eine Minderheit ihres Kollegs in Trier selbst zugegen, doch sie reichte schon aus, um den Herzog auf‑ und ins Leere laufen zu lassen. Karl der Kühne besaß damals nicht – und hier ist Heimpel in der Tat beizupflichten – jene Kühnheit Friedrichs III., der fest entschlossen war, die erzielte Übereinkunft als allein Habsburg und Burgund betreffend unter weitgehender Ausschaltung der Kurfürsten schnellstens in die Tat umzusetzen. Sein Verhalten zeigt aber eine Einsicht in die Reichswirklichkeit, die er – wie dargelegt – wohl kaum erst in Trier gewonnen haben dürfte. Doch mag er irrigerweise bei seiner Reise an die Mosel bereits von einer Zustimmung vor allem der wichtigen Kurfürsten des Westens ausgegangen sein: Den Pfälzer und dessen Bruder in Köln glaubte er ohnehin auf seiner Seite, und die am Ort anwesenden Mainz und Trier galten gleich dem dort vertretenen Brandenburg als kaisernah, würden mithin – so vielleicht das Kalkül – auf Friedrichs III. Linie liegen. Böhmen fiel in den Wirren nach Podiebrads Tod ohnehin aus – Burgund bezog diese Kur ja zeitweise in seine Überlegungen mit ein –, und die wegen Luxemburg lange mit Philipp zerstrittenen sächsischen Wettiner schienen von der Königsfrage offensichtlich wenig 95 Man kann wohl kaum mit Bartier in der etwa auch Savoyen einschließenden Umschreibung von Karls künftigem Lehnskönigreich „la résurrection de la Lotharingie“ erblicken (Charles le Téméraire [wie Anm. 8], 174 [Zitat], 278 f.). Ähnlich auch Joseph Calmette, Les grands ducs de Bourgogne, Paris 1997 [zuerst 1949], 255 f. (dessen Ausführungen zu Trier generell unzureichend sind); Lacaze, Le rôle (wie Anm. 25), 383 Anm. 2 (das Protokoll vom 4. November 1473 „évoqua[ ] plus les revendications de 1447 que l’entité politique jadis gouvernée par Boson“ – mit letzterem wäre übrigens ein neues „Modell“ ins Spiel gebracht). Richtig dagegen Stein, Recht (wie Anm. 28), 505 f. (das wesentlich spätere Zeugnis des Philipp Wielant kann außer Betracht bleiben). S. auch Paravicini, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 30 f., mit sichtlichem Unbehagen gegenüber dem jungen Dynastien unterstellten Rekurs auf alte territoriale Traditionen.

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berührt, obendrein pflegten sie in Reichsfragen Brandenburg zu folgen. Karl rechnete also durchaus mit den Kurfürsten, doch er verrechnete sich, denn stärker als Verbundenheiten mit Herzog oder Kaiser wogen für sie die – in diesem Falle elementaren – Eigeninteressen. Mit seiner werbenden Demonstration in Trier unterlief Karl dem Kühnen eine weitere Fehleinschätzung, denn er rief damit bei ihnen keineswegs Staunen und Bewunderung, sondern Befremden und Neid, mehr noch: Ablehnung und Abwehr hervor. Pracht und Prunk ließen auch ungewollt eine Geringschätzung des Reichs deutlich werden, die Karl der Kühne bis in seine Gesandtschafts‑ und Geschenkpolitik generell immer wieder erkennen ließ96. Für ein legitimes Königtum waren ihm dieses Reich und dessen Oberhaupt zwar vonnöten, aber er begegnete ihnen herablassend; Maß nahm er an den großen Höfen West‑ und Südeuropas, allen voran dem französischen. Es ist schon eine merkwürdige Mischung von Kenntnis und Verkennung: Viel wußten er und seine Räte über das Reich, doch aus Überheblichkeit und – nicht zu vergessen – wegen fehlenden Verständnisses für ein konsensuales Regiment zog der Burgunder daraus nur wenige richtige Konsequenzen und diese in Trier obendrein zu spät, als die Betroffenen bereits düpiert waren. Pracht und Prunk ließen des weiteren gerade jene sämtliche reichsfürstlichen Dimensionen sprengende Potenz erkennen, die im Zusammenschluß mit Habsburg die Gewichtungen im Reich zwangsläufig grundlegend verändern würde, und zwar eindeutig zu Lasten von Kurfürsten und Fürsten. Daß diese selbst durchaus mit Königsprojekten befaßt waren, zeigen etwa – auch Philipp dem Guten bekannte – Pläne des Jahres 1447 oder ihre Kontakte im Herbst 1454 zu Herzog Albrecht VI. von Österreich97, aber es waren gleichsam Planspiele innerhalb herkömmlich-vertrauter Größen, und obendrein blieb man im innerhabsburgischen Rahmen. Schließlich führte ihnen ihr weitgehender Ausschluß von den Trierer Verhandlungen – ungeachtet der Begründung Friedrichs III., dies sei eine Haus‑ und keine Reichsangelegenheit – nachdrücklich vor Augen, wie es um ihre Position im Reichsgefüge für den Fall eines burgundisch-habsburgischen Kondominiums bestellt sein würde; selbst das vornehmste kurfürstliche Recht der freien Königswahl drohte unter Karl dem Kühnen, wie dessen Instruktion für Hagenbach belegt, verlorenzugehen. Daß dieses Kondominium, als es nur wenige Jahre später nach dem frühen Tod des Burgunders unter den veränderten Vorzeichen 96 Hierzu grundlegend Ehm, Burgund (wie Anm. 4), 215–289; wichtig auch 302–308 für das Folgende. Speziell zum Verhältnis des Burgunders zu Friedrich dem Siegreichen von der Pfalz zuletzt Paravicini, Deutsche Adelskultur (wie Anm. 50), 461–464. 97 a) 1447: Herold, Das Ringen um den Text (wie Anm. 23), 333 (mit Quelle). – b) 1454: Die einschlägigen Quellen hierzu wird Johannes Helmrath in RTA XIX/2 (Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 5. Abtlg./2. Teil) vorlegen; ein auf 1454 kurz eingehender Überblick bei Wilhelm Baum, Albrecht VI. († 1463), Erzherzog von Österreich, in: Sülchgau 31/32 (1987/88), 13–45, 25–60.

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eines habsburgischen Dominats Wirklichkeit wurde, Ständen wie Städten doch weiterhin ihre Bedeutung beließ, konnten die Betroffenen damals nicht absehen. Somit scheiterte der starke Burgunder zu Trier an dem, was scheinbar die Schwäche des Reichs ausmachte, und ähnliche Erfahrungen mußte er alsbald vor Neuß, am Oberrhein und bei den Eidgenossen sammeln. Daraus aber einen Triumph der stillen Beharrlichkeit des komplex-komplizierten Gebildes Reich mit der Vielzahl seiner Herrschaftsträger, mit seiner unfertigen Verfassung und seiner Gemengelage vor‑ und überstaatlicher Elemente, aber auch mit seiner Vielfalt an Rechten, Privilegien und Freiheiten über den am französischen Vorbild ausgerichteten zentralistischen Machtstaat Burgund ableiten zu wollen, darin den Sieg des genossenschaftlichen über das herrschaftliche Prinzip zu erblicken, wäre ebenso verfehlt wie gar eine Wertung als siegreiche Abwehr des welschen Reichsfeindes durch eine sich schon zu Trier auf Fürstenebene formierende deutsche Nation, wenn auch die 1469 von Markgraf Albrecht Achilles geäußerte Ansicht über die burgundischen und ungarischen Ambitionen auf die römische Königskrone beachtet sein will: … wir glauben nicht, das der kaiser das Reich auffgebe, auch das die kurfursten keinen vndeutschen gern zu Romischem konig oder kaiser haben98. Doch vor allem ließ sich schlicht und einfach die Verfassungswirklichkeit im Reich, mochte sie noch so schwerfällig und unzulänglich sein, weder durch Verhandlungen noch durch Waffengewalt mehr grundlegend umgestalten, ein nach zwei Jahrhunderten sich als „gestaltete Verdichtung“ darbietendes Netzwerk nicht mehr zerreißen99. Das mußte auf seine Weise auch Friedrich III. zur Kenntnis nehmen, dem mit Blick auf die an der Mosel sich versammelnden Fürsten die Abhaltung eines Hoftags traditionellen Stils vorgeschwebt hatte – doch nur gut zwei Jahrzehnte sollten Trier noch von Worms trennen, wo 1495 Kaiser bzw. König und Reich in institutionalisierter Form einander gegenübertreten werden. Allenthalben hatte die politische Physiognomie im Alteuropa des Spätmittelalters ihr zusehends gefestigtes, unverwechselbares Profil gewonnen; dies gilt auf seine Weise ebenfalls für das territorialisierte Reich, „so daß auch im 98 Heimpel, Karl der Kühne (wie Anm. 4), 45 f.; Gerhard Kallen, Die Verteidigung von Recht und Freiheit in den Burgunderkriegen (1467–1477) [1950; ND] in: Ders., Probleme der Rechtsordnung in Geschichte und Theorie. Zehn ausgewählte Aufsätze, Köln – Graz 1965 (KHA 11), 200–222; vgl. Müller, „Von welschem Zwang“ (wie Anm. 9), 41 bzw. 173 [in diesem Band: 112 f.]. – Das Zitat in: Urkundliche Beiträge zur Geschichte Böhmens und seiner Nachbarländer im Zeitalter Georg’s von Podiebrad (1450–1471), ges. u. hg. v. Franz Palacky, Wien 1860 (FRA II/20), n. 478 (S. 569); ebenfalls in Riedel’s Codex diplomaticus, III / 1 (wie Anm. 41), n. 354 (S. 501). 99 Ich greife hier die bekannte Formulierung von Peter Moraw auf, die er in den Titel seiner großen Darstellung des deutschen Spätmittelalters einfließen ließ: Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490, Berlin 21989 (Propyläen Geschichte Deutschlands 3) (auch als Studienausgabe in Taschenbuchform erschienen); vgl. Ders., Über König und Reich. Aufsätze zur deutschen Verfassungsgeschichte des späten Mittelalters, hg. v. Rainer Christoph Schwinges, Sigmaringen 1995; Das Reich und die Territorien, der König und die Fürsten im späten Mittelalter, in: RhVjbll 63 (1999), 187–203.

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Westen Mitteleuropas die Zeit vorbei war, in der sich Reiche und große Staaten ganz neu zuschneiden ließen“100. Dem widerspricht keineswegs der Aufstieg Burgunds im 14. / 15. Jahrhundert. Aller wirtschaftlichen Kraft, aller Regierungskunst der Herzöge und deren Räte zum Trotz, möglich wurde er nur wegen einer Schwächeperiode Frankreichs im Zeitalter des Hundertjährigen Krieges und innerer Zwistigkeiten sowie auf Grund eines schwach gewordenen Reichs. Ex eventu mutet es geradezu zwangsläufig an, daß Burgund seit der Wiedererstarkung der Valoismonarchie seine vorwaltenden Interessen auf das Reich konzentrierte, indes waren selbst hier die Strukturen scheinbarer Schwäche zu stark geworden, als daß sie sich hätten überwinden oder zerschlagen lassen. Anderes aber kommt hinzu101: Immer wieder und zu Recht wurde darauf hingewiesen, es habe Burgund, diesem sich aus heterogenen Elementen zusammensetzenden „pays de l’Entre-Deux“, ungeachtet zentraler Administration und ökonomischer Prosperität, ungeachtet des Ordens vom Goldenen Vlies und großer Herzöge an innerer Kohärenz gemangelt (und auch ein König, ja ein Kaiser Karl der Kühne hätte daran nichts geändert, denn ihm ging es um Titel allein für seine Person auf Lebenszeit). Burgund existierte als Vielfalt von Territorien und Städten unterschiedlicher Tradition; konnte aber auf solch altem geschichtlichen Grund überhaupt noch zusammenwachsen, was nicht oder nicht mehr zusammengehörte? Burgund existierte am Hof der Herzöge, für die hohen Amtsträger und in den Werken der Geschichtsschreiber102, doch existierte es in den Köpfen flandrischer Weber, seeländischer Fischer, limburgischer Bauern? Klug und scharf ist die Beobachtung von Bernard Guenée: „Et le fait que ni les États ni les sujets du duc de Bourgogne n’avaient en commun un nom était plus menaçant pour Charles le Téméraire que la politique de Louis XI“103. Burgund, das war Dijon, Beaune, Autun; was aber konnte man mit diesem Namen in Ypern oder Delft anfangen, welche Gefühle weckte er gar in Gent oder Lüttich? Ruhte es nicht auf schwächeren Fundamenten als es angesichts der glanzvollen Außendarstellung den Anschein hatte? Und wie hätte ein solches Kunstgebilde ohne einen allen und alles umfassenden gemeinsamen Namen erst in Wesel oder Turin anziehende Kraft entfalten sollen, was der Königsplan vom 4. November 1473 ja vorsah? Selbst hinter Philipps des Guten vorsichtig verfolgtes Projekt 100 Heinz Schilling, Die neue Zeit. Vom Christenheitseuropa zum Europa der Staaten. 1250 bis 1750, Berlin o. J. [1999] (Siedler Geschichte Europas 3), 147. 101 Im folgenden beziehe ich mich auch auf eigene Ausführungen: Frankreich (wie Anm. 13), 56 f. 102 Interessanterweise spielten übrigens römisches Königtum und Kaisertum in der burgundischen Geschichtsschreibung nur bei Jean Molinet eine gewisse Rolle: Michael Zingel, Frankreich, das Reich und Burgund im Urteil der burgundischen Historiographie des 15. Jahrhunderts, Sigmaringen 1995 (VuF. Sonderbd. 40), passim. 103 Guenée, L’Occident (wie Anm. 35 b), 115; vgl. Schnerb, Burgundy (wie Anm. 10), 456.

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eines unabhängigen „lotharingischen“ Königreichs mag man angesichts dieser Gegebenheiten ein Fragezeichen setzen104. Die königsgleiche Bedeutung Burgunds verdankt sich mithin einer Ausnahmesituation; Burgund ist ein exzeptioneller Einzelfall, und den burgundischen Königsplänen läßt sich im Europa der Zeit nichts Vergleichbares an die Seite stellen105. Hinweise auf Georg Podiebrad in Böhmen oder Matthias Corvinus in Ungarn träfen kaum zu: Auch sie waren zwar kühne Aufsteiger – insbesondere Corvinus ließ durch gesteigerte Repräsentation sein Legitimationsbedürfnis erkennen –, doch sie trugen die Kronen bereits seit Jahrhunderten bestehender Königreiche; Podiebrad unternahm seine zeitweiligen Bemühungen um eine Wahl zum römischen König bei Kaiser und Fürsten mithin als zwar argwöhnisch betrachteter, so doch bereits in die Familie der Könige aufgenommener Bewerber. Den litauischen Großfürsten Witold darin aufzunehmen, war zwar 1429/30 erklärtes Ziel des römischen Königs Sigismund; allein es stellte kaum mehr als den ebenso kurzfristigen wie durchsichtigen Versuch dar, damit die polnisch-litauische Union zu sprengen und Druck von dem bedrängten Ordensstaat zu nehmen, was die polnische Seite schon mit einem Überfall auf eine Gesandt-

104 Wobei es – entgegen Huizingas treffendem Dictum, die nutzloseste Betätigung in der Geschichtswissenschaft bestehe darin, unverwirklichten historischen Möglichkeiten nachzuhängen – zugegeben seinen Reiz hat, einmal von der Realisierung dieses erneuten lotharingischen Mittelreichs auszugehen, das ja zumindest wirtschaftlich durchaus lebensfähig gewesen wäre: Hätte Philipp der Gute einen Nachfolger seines Zuschnitts gehabt und hätte diese Herrschaft, im Zeichen von Dauer und Konstanz stehend, unter spannungsvollem Widerspiel wie Ausgleich allmählich zu Kohärenz und Identifikation gefunden, d. h. sich als Staat konsolidiert und damit wiederum die Voraussetzung für eine Nation in Vielfalt, eine europäische Gemeinschaft avant la lettre entwickelt, die Geschichte der Neuzeit hätte wohl einen europäischeren Verlauf genommen – eine Vorstellung, der etwa Lucien Febvre mit unverhohlener Sympathie, doch denkbar unzeitgemäß in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, anhing: Der Rhein und seine Geschichte [zuerst frz. 1935], Frankfurt/M.–New York 1994, 139. 105  Bei einem allerdings um die Mitte des 13. Jahrhunderts verfolgten Plan mag man gewisse, jedoch eher schwache Parallelen entdecken: Kaiser Friedrich II. wollte 1245 Herzog Friedrich II. von Österreich und Steiermark zum König erheben, um durch diesen Akt die Einwilligung des Babenbergers in die kaiserliche Eheschließung mit dessen Nichte Gertrude zu erreichen, die im Fall eines kinderlosen Tods des Herzogs Erbschaft antreten sollte, was das Königreich ÖsterreichSteiermark mithin in staufischen Besitz hätte übergehen lassen. Hierüber erreichte man – im Gegensatz zu Trier – auf einer Versammlung in Verona, nicht zuletzt unter Zustimmung der dort anwesenden Reichsfürsten, tatsächlich Einigkeit. Eine entsprechende, Primogenitur und Unteilbarkeit verfügende Urkunde wurde bereits erstellt, doch nie ausgefertigt, da Gertrude sich der Heirat – möglicherweise unter kurialem Einfluß – widersetzte: Hans Hirsch, Das Recht der Königserhebung durch Kaiser und Papst im hohen Mittelalter, in: FS E. Heymann, I, Weimar 1940, 230–234; ND in: Ders., Aufsätze zur mittelalterlichen Urkundenforschung, … hg. v. Theodor Mayer, Köln – Graz 1965, 42–46; Friedrich Hausmann, Kaiser Friedrich II. und Österreich, in: Probleme um Friedrich II., hg. v. Josef Fleckenstein, Sigmaringen 1974 (VuF 16), 275–285; Wolfgang Stürner, Friedrich II., II: Der Kaiser 1220–1250, Darmstadt 2000, 529 (beide mit Quellen und Literatur).

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schaft Sigismunds mehr oder minder zu verhindern wußte106. Und die Zahl der Königreiche verfestigte sich im lateinischen Europa des ausgehenden Mittelalters von Skandinavien bis zur iberischen Halbinsel – bei gleichzeitig abnehmender Tendenz. Reminiszenzen an vergangene Königsherrschaften, wie sie Philipp dem Guten mit Blick auf Lotharingien und Karl dem Kühnen auf das Reich der Burgundionen nicht fremd waren, bedeuteten nicht zugleich deren Renaissance, im Gegenteil. So wurde etwa auch in der Bretagne dem Herzog, der noch eine Krone trug und Schreiben de nos puissance et auctorité royaulx et duchaulx herausgehen ließ, durch Ludwig XI. von Frankreich bedeutet, daß das königliche 9. Jahrhundert nurmehr Erinnerung und das Ende der Zeit als souverain seigneur gekommen sei107. Und ebenso verhielt es sich auch im Reich des Spätmittelalters, dessen Oberhaupt in diesem Rahmen das Recht der Verleihung königlichen Ranges zustand108, wobei deren Durchsetzung, wie das Trierer Ereignis lehrt, eine andere Sache war. Jede Erhebung barg zudem das Risiko der Einschränkung des Status des Reichs wie der eigenen Würde und Macht, und so zeigte sich Friedrich selbst im andrängenden Fall des Burgunders, an dem er obendrein als Haupt des Hauses Habsburg größtes Interesse hatte, lediglich zur Errichtung eines Lehnskönigtums bereit. Mehrer, nicht Minderer, allenfalls Wahrer des Reichs wollte er – wie gesagt – sein: Dies hatte er bereits Philipp dem Guten zu verstehen gegeben, dies ließ er im August 1471 auch Kardinal Francesco Todeschini-Piccolomini wissen, als dieser ihn wegen der Investitur des Galeazzo Maria Sforza mit Mailand anging und dabei im Falle gar eines titolo et dignità regale zusichernden Privilegs eine Verdoppelung der von Sforza zu zahlenden Summe von 50.000 Dukaten in Aussicht stellte109. Vielleicht folgte der Mailänder mit seinen 1470

106 Vgl. Loserth, Geschichte (wie Anm. 5), 653 f.; Frederick G. Heymann, George of Bohemia King of Heretics, Princeton/NJ 1965, 195–229 („Wider Horizons?“); Ferdinand Seibt, Das Zeitalter Georgs von Podiebrad 1437–1471, in: Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Karl Bosl, I, Stuttgart 1967, 546. Zu Sigismund und Witold s. Wilhelm Baum, Kaiser Sigismund. Konstanz, Hus und Türkenkriege, Graz u. a. 1993, 214 ff., 221 f.; Jörg K. Hoensch, Kaiser Sigismund. Herrscher an der Schwelle zur Neuzeit, München 1996, 357–350. 107 Vgl. Ludwig Buisson, Potestas und Caritas. Die päpstliche Gewalt im Spätmittelalter, Köln – Graz 1958 (Forsch. zur kirchl. Rechtsgesch. und zum Kirchenrecht 2), 355–363 (mit Belegen); Jean Kerhervé, L’État breton, in: L’État breton (1341–1532), Morlaix 1987 (Histoire de la Bretagne et des pays celtiques 2), 22 f., 28–32. 108 Für das Hochmittelalter – im besonderen mit Blick auf Polen, Böhmen und Ungarn – vgl. Hirsch, Recht (wie Anm. 105), 209–249 bzw. 21–61. 109 RTA XXII / 2, n. 103 a (Zitat S. 374); cf. 358, n. 116 a (S. 752). Ebd., n. 116 c 3 (S. 758) zur Reaktion des Kaisers. Vgl. Fabio Cusin, I rapporti tra la Lombardia e l’impero della morte di Francesco Sforza all’avvento di Lodovico il Moro (1466–1480), in: Annali della R. Università degli studi economici e commerciali di Trieste 6 (1934), 249; Carlo Antonio Vianello, Gli Sforza e l’impero, in: Atti e Memorie del I° Congresso storico lombardo (Como, 21–22 V 1936/ Varese, 23 V 1936), Mailand 1937, 246.

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einsetzenden und nochmals Ende 1473/74 unternommenen Bemühungen110 sogar den zeitlich unmittelbar vorangehenden Aktivitäten Burgunds, allein Sforza mußte im Gegensatz zu Karl ja zunächst einmal überhaupt die Anerkennung als Herzog erreichen. Mailands Erhebung in ein lombardisches Königtum scheint der für seine Person ungleich stärker an Burgund interessierte Kaiser jedenfalls nie ernsthaft in Erwägung gezogen zu haben, zumal sich dies gravierend auf seine Beziehungen zu Venedig ausgewirkt hätte111. Eine generell bezeichnende Äußerung Friedrichs III. trug Carlo Visconti am 15. Mai 1474 seinem Herrn zu: Selbst wenn er wolle, so ließ der Kaiser den Botschafter wissen, könne er Mailand nicht zum Königtum werden lassen, perchè Milano è camera d’Imperio ed uno di quatro lochi dove l’imperatore deve prendere la corona, poi disse che se l’imperatore comptasse o volesse alienare el ducato de Milano titulo regio, gli ellectori li toriano la corona112. Der Verweis auf die Kurfürsten mochte nach den Trierer Erfahrungen mehr als bloße Schutzbehauptung sein, zumal obendrein für diese schon die Erhebung des Gian Galeazzo Visconti zum Herzog von Mailand 1395 mit ein Grund für die Absetzung König Wenzels gewesen war113. Doch wichtiger und für das kaiserliche Selbstverständnis nicht nur Friedrichs III. grundlegend scheint die Überzeugung, ungeachtet aller Vorteile für das eigene Haus als Reichsoberhaupt die höchste und letzte Verantwortung für den ungeschmälerten Fortbestand dieses Reichs zu tragen. Mit dem Angebot eines Lehnskönigtums an Karl den Kühnen war für ihn bei der Gratwanderung zwischen Eigen‑ und Reichsinteresse die Grenze des Zumutbaren erreicht; besser schien ihm, als Wahrer der Einheit in Vielfalt gleich selbst alle Kronen zwischen Aachen, Arelat, Mailand – Pavia und Rom zu sammeln und zu hüten. Am Ende obsiegte mit dem angeblich stets zögerlichen 110 Dabei erhöhten mailändische Gesandte das Angebot auf 200.000 Dukaten: Vianello, Gli Sforza (wie Anm. 109), 250 ff. Ein eigenes Thema wäre im übrigen die Reaktion in Nord‑ und Mittelitalien auf die Möglichkeit des Eintritts des ja auch südlich der Alpen ambitionierten Burgunders in das römische Königtum und Kaisertum. – Allgemein, mit Blick auf Mailand: Milano e Borgogna – Due stati principeschi tra Medioevo e Rinascimento, a cura di Jean-Marie Cauchies/ Giorgio Chittolini, Rom 1990 (Bibl. del Cinquecento 47); sehr kurz, aber meisterhaft dazu Hermann Heimpel in seiner Skizze: Burgund – Macht und Kultur, in: GWU 4 (1953), 268. 111 Wenn Carlo Visconti im August 1473 aus Straßburg an Sforza berichtet, zwei venezianische Gesandte hätten sich ihrerseits angeblich seit zwei Jahren um ein Königtum für ihren Herrn bemüht, sie bzw. ihre Nachfolger seien allerdings jetzt nicht mehr am Kaiserhof (Antonio Cavagna Sangiuliani, Studi storici, Mailand 1870, 76), dann dürfte zum einen schon wegen des kunstvoll institutionalisierten Mißtrauens der Adelsrepublik gegen jedwede monarchische Tendenz, zum anderen wegen der Türkenbedrängnis und des schnellen Wechsels der Dogen in ebenjenen Jahren dieser Nachricht kaum Glauben zu schenken sein, die wohl eher etwas über den Informanten und den mailändisch-venezianischen Antagonismus aussagt. 112 Vianello, Gli Sforza (wie Anm. 109), 251. Deshalb war auch einer letztlichen Erhöhung der mailändischen Offerte auf 300.000 Dukaten kein Erfolg beschieden (ebd., 252). 113 Die Mailand betreffende Argumentation der Kurfürsten für die Absetzung Wenzels: RTA III: Deutsche Reichstagsakten unter König Wenzel, 3. Abtlg.: 1397–1400, hg. v. Julius Weizsäcker, München 1877 (ND 1956), n. 204 [2] (S. 255), n. 205 [2] (S. 261).

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Friedrich III. und seinem Haus Habsburg die unerschütterliche Wahrung althergebrachter Rechtspositionen. Weder Geld noch Macht verschafften fortan einem der Großen den Zugang zu einem Königtum; erst Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg stand er offen, als er mit Einwilligung des Kaisers sich selbst am 18. Januar 1701 in Königsberg zum König in Preußen krönte114. Warum nicht einmal die Herzöge von Burgund das Königtum erlangen konnten? Weil Philipp der Gute zum einen Friedrich III. unannehmbare Forderungen stellte und zum anderen keine Krone um jeden Preis erstrebte; weil sein Sohn, der ebendies tat, im entscheidenden Moment angesichts des kurfürstlichen Widerstandes zögerte – eine durchaus richtige, indes zu späte Reaktion, nachdem seine herablassende Haltung gegenüber Kaiser und Reich den Herzog zu irrigen Einschätzungen und falschem Verhalten verleitet hatte –, und weil er am Ende wohl doch wie sein Vater eine Krone nur als Souverän tragen wollte. Jenseits solch individueller Momente aber verweist dieser Widerstand auf strukturelle Verfestigungen auch im deutschen Reich des Spätmittelalters, dessen Status zu wahren obendrein dem Kaiser oberste Maxime war – in Trier trennten ihn und die auf ihre Weise ebenfalls um Reich und Reichsreform besorgten Kurfürsten, bei durchaus gegenläufigen Interessen, letztlich nicht unüberbrückbare Gegensätze115. Erst in der Rückschau und Distanz zeichnen sich erkennbar Entwicklungen und Strukturen ab, die jenes Ereignis in größeren Zusammenhängen verständlich erscheinen lassen. Nur deshalb kennt und weiß der Historiker unserer Zeit mehr darüber als sein Kollege Thomas Basin, der dem Geschehen so nahe war und es (sich) doch nicht erklären konnte – klüger als dieser kluge Geschichtsschreiber des 15. Jahrhunderts ist er darum keineswegs.

114 Dreihundert Jahre Preußische Königskrönung. Eine Tagungsdokumentation, hg. v. Johannes Kunisch, Berlin 2002 (Forsch. zur Brandenburg. und Preuß. Geschichte N. F. Beih. 6); vgl. auch Hirsch, Recht (wie Anm. 105), 247 bzw. 59; Heinz Duchhardt, Das preußische Königtum von 1701 und der Kaiser, in: FS E. Kessel, hg. v. Dems./ Manfred Schlenke, München 1982, 89–101; Ders., Die preußische Königskrönung von 1701. Ein europäisches Modell?, in: Herrscherweihe und Königskrönung im frühneuzeitlichen Europa, hg. v. Dems., Wiesbaden 1983, 82–95; Karl Otmar v. Aretin, Das Alte Reich 1648–1806, II, Stuttgart 1997, 67–72; Georg Schmidt, Geschichte des Alten Reiches. Staat und Nation in der frühen Neuzeit 1495–1806, München 1999, 208 f. 115 Zu ihrer Position im ausgehenden Mittelalter grundsätzlich Ernst Schubert, Die Stellung der Kurfürsten in der spätmittelalterlichen Reichsverfassung, in: JbWLG 1 (1975), 97–128.

Bibliographische Nachweise L’érudition gallicane et le concile de Bâle (Baluze, Mabillon, Daguesseau, Iselin, Bignon), in: Francia 9 (1981), S. 531–555. Der bewunderte Erbfeind. Johannes Haller, Frankreich und das französische Mittelalter, in: Historische Zeitschrift 252 (1991), S. 265–317. „Von welschem Zwang und welschen Ketten des Reiches Westmark zu erretten“. Burgund und der Neusser Krieg 1474/75 im Spiegel der deutschen Geschichtsschreibung von der Weimarer Zeit bis in die der frühen Bundesrepublik (Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde – Vorträge 33), Düsseldorf (Droste) 2003; ebenfalls in: Griff nach dem Westen. Die „Westforschung“ der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum (1919–1960), hg. v. Burkhard Dietz/Helmut Gabel/ Ulrich Tiedau (Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas 6), Bd. I, Münster u. a. (Waxmann) 2003, S. 137–184. Die Reichstagsakten (Ältere Reihe) und ihre Bedeutung für die europäische Geschichte, in: Fortschritte in der Geschichtswissenschaft durch Reichstagsaktenforschung. Vier Beiträge aus der Arbeit an den Reichstagsakten des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. Heinz Angermeier/Erich Meuthen (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 35), Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1988, S. 17–46. Der französische Frühhumanismus um 1400. Patriotismus, Propaganda und Historiographie, in: Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten, hg. v. Johannes Helmrath / Ulrich Muhlack/Gerrit Walther, Göttingen (Wallstein) 2002, S. 319–376. „Die Geschichte des Christentums“. Deutsch-französische Anmerkungen anläßlich des Bandes VII: „Von der Reform zur Reformation“, in: Annuarium Historiae Conciliorum 29 (1997), S. 217–228. Cum res ageretur inter tantos principes: Der Streit um das Bistum Tournai (1433–1438). Zu einem Kapitel französisch-burgundischer Beziehungen aus der Zeit des Konzils von Basel, in: Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen, hg. v. Johannes Helmrath /Heribert Müller in Zusammenarbeit mit Helmut Wolff, Bd. I, München (Oldenbourg) 1994, S. 231–253. Besançon, Burgund und das Reich: der Streit um die causa Bisuntina auf dem Basler Konzil (1433–1435), in: Retour aux sources. Textes, études et documents d’histoire médiévale offerts à Michel Parisse, hg. v. Sylvain Gouguenheim u. a., Paris (Picard) 2004, S. 303–322. Zwischen Konzil und Papst, Fürstendienst und Ordensreform: Geoffroy de Montchoisi, Abt von St-Honorat/Lérins und St-Germain-des-Prés († 1436), in: Synodus. Beiträge zur Konzilien‑ und allgemeinen Kirchengeschichte. Festschrift für Walter Brandmüller, hg. v. Remigius Bäumer u. a., Paderborn u. a. (Schöningh) 1997 (= Annuarium Historiae Conciliorum 27/28 [1995/96]), S. 435–462.

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Schriftenverzeichnis von Heribert Müller A) Monographien   1) Heribert, Kanzler Ottos III. und Erzbischof von Köln, Köln 1977 (Veröffentlichungen des Kölnischen Geschichtsvereins 33).  2) Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449), 2 Bde., Paderborn u. a. 1990 (Konziliengeschichte – Reihe B: Untersuchungen). (Die Arbeit wurde 1991 von der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres/Paris ausgezeichnet; die zur Habilitation eingereichte Fassung erhielt 1987 den Giovanni Domenico Mansi-Preis der Gesellschaft für Konziliengeschichtsforschung.)   3) Kreuzzugspläne und Kreuzzugspolitik des Herzogs Philipp des Guten von Burgund, Göttingen 1993 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 51). (Ausgezeichnet mit dem Preis „Duc d’Arenberg – His­ toire et culture générales“.)   4) (Mitherausgeber und Mitautor von) Studien zum 15. Jahrhundert. FS für Erich Meuthen, hg. v. Johannes Helmrath / H. M. in Zusammenarbeit mit Helmut Wolff, 2 Bde., München 1994 (vgl. Aufsätze und Miszellen Nr. 33).   5) (Mitautor von) Kleine Geschichte Frankreichs, hg. v. Ernst Hinrichs, Stuttgart 1994 (Reclam Universal-Bibliothek 9333) (Frankreich im Spätmittelalter, 63–123) – durchgesehene u. aktualisierte Auflagen 1997/2003 (2005 als Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung erschienen)/2006/2008 (als Band 17057). – Erweiterte Auflage unter dem Titel: Geschichte Frankreichs, Stuttgart 2002, 55–101.  6) (Mitherausgeber – in Zusammenarbeit mit Joachim Ehlers / Bernd Schneidmüller – und Mitautor von) Die Könige Frankreichs im Mittelalter. Von Odo bis Karl VIII., 888–1498, München 1996; Neuauflage als Bd. 1723 der Beck’schen Reihe, München 2006. – Autor der Beiträge: Karl VI., König von Frankreich (1380–1422), 303–320, 404 ff. (2006: 276–292, 375 ff.); Karl VII., König von Frankreich (1422– 1461), 321–336, 406 f. (2006: 293–307, 377 f.). – Tschech. Übersetzung: Francouzští králové v období středověku. Od Oda ke Karlu VIII. (888–1498), Prag 2003 (Karel VI., 285–301, 380 f.; Karel VII., 303–317, 381 f.)   7) (Mitarbeiter – u. a. mit Christian Kleinert – an) Fasti Ecclesiae Gallicanae. Répertoire prosopographique des évêques, dignitaires et chanoines des diocèses de France de 1200 à 1500, t. II: Diocèse de Rouen, Turnhout 1998; t. III: Diocèse de Reims, Turnhout 1998; t. IX: Diocèse de Sées, Turnhout 2005.  8) Frankreich, Burgund, Köln und die Rheinlande am Ausgang des Mittelalters. Kirche – Kreuzzug – Neusser Krieg, Köln 1998 (Privatdruck).  9) „Von welschem Zwang und welschen Ketten des Reiches Westmark zu erretten“. Burgund und der Neusser Krieg 1474/75 im Spiegel der deutschen Geschichtsschreibung von der Weimarer Zeit bis in die der frühen Bundesrepublik, Düsseldorf 2003 (Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde – Vorträge 33). 10) (Herausgeber von) … Ihrer Bürger Freiheit. Frankfurt am Main im Mittelalter. Beiträge zur Erinnerung an die Frankfurter Mediävistin Elsbet Orth, Frankfurt/M. 2004.

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Schriftenverzeichnis von Heribert Müller

11) Théâtre de la préséance. Les ducs de Bourgogne face aux grandes assemblées dans le Saint-Empire, Ostfildern 2007 (Conférences annuelles de l’Institut historique allemand 13). 12) (Mitherausgeber und Mitautor von) Die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414– 1418) und Basel (1431–1449). Institution und Personen, hg. v. Johannes Helmrath/H. M., Ostfildern 2007 (Vorträge und Forschungen 67). Im Druck 13) Die kirchliche Krise des Spätmittelalters. Großes Schisma, Konziliarismus und Reformkonzilien (Enzyklopädie deutscher Geschichte) /Kirche und europäische Mächte im konziliaren Zeitalter (2011).

In Vorbereitung 14) (Herausgeber und Mitautor von) Das Ende des konziliaren Zeitalters (1440–1450): Versuch einer Bilanz (Schriften des Historischen Kollegs – Kolloquien) (2011). 15) Geschichte der Stadt Köln II/1: Frühmittelalter (5. Jh.–1075) (2014).

B) Aufsätze und Miszellen  1) Zur Kanonisationsbulle für Erzbischof Heribert von Köln, in: RhVjbll 40 (1976), 46–71.   2) Studien zu Erzbischof Everger von Köln (985–999), in: JbKGV 49 (1978), 1–18.   3) Zur Familie des Erzbischofs Heribert von Köln, in: JbKGV 50 (1979), 1–10.   4) Heribert von Köln (um 970–1021), in: Rhein. Lebensbilder 8 (1980), 7–20.  5) Verfassungsprinzipien der Kirche im Basler Konziliarismus. Bemerkungen zu einer Neuerscheinung, in: AHC 12 (1980), 412–426.  6) L’érudition gallicane et le concile de Bâle (Baluze, Mabillon, Daguesseau, Iselin, Bignon), in: Francia 9 (1981), 531–555.   7) Zur Prosopographie des Basler Konzils. Französische Beispiele, in: AHC 14 (1982), 140–170.  8) Die Kirche des Spätmittelalters in der Krise: Konziliarismus, Großes Schisma und Basler Konzil, in: Geschichte in Köln 11 (1982), 20–57.  9) Zur gegenwärtigen Situation der Kölner Stadtgeschichtsschreibung. Bemerkungen anläßlich einiger Neuerscheinungen, in: Geschichte in Köln 11 (1982), 161–168. 10) Zur Einführung in das Studium der Kirchengeschichte. Anmerkungen zu zwei Neuerscheinungen, in: Geschichte in Köln 12 (1982), 123–140. 11) Königtum und Nationalgefühl in Frankreich um 1400, in: HJb 103 (1983), 131–145. 12) Lyon et le concile de Bâle. Études prosopographiques, in: Cahiers d’histoire 28 (1983), 33–57. 13) Les diètes du Saint-Empire à la fin du Moyen Age et à l’aube des temps modernes. L’édition des ‹ Reichstagsakten › et leur intérêt pour l’histoire de France, in: Bulletin d’information de la Mission historique française en Allemagne 8 (1984), 5–25. 14) Die Kölner Kartause im Zeitalter der Gegenreformation. Bemerkungen zu einer Neuerscheinung, in: JbKGV 55 (1984), 210–221.

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15) „Das andere Köln“. Marginalität und Kriminalität im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Geschichte in Köln 18 (1985), 77–90. 16) Kunibert von Köln. Staatsmann im Übergang von der Merowinger‑ zur Karolingerzeit, in: ZKG 98 (1987), 167–205. 17) Neuere Arbeiten zur Geschichte der Stadt im Spätmittelalter (I), in: Geschichte in Köln 22 (1987), 165–179. 18) Die Kirche von Lyon im Karolingerreich. Studien zur Bischofsliste des 8. und 9. Jahrhunderts, in: HJb 107 (1987), 225–253. 19) Die Reichstagsakten (Ältere Reihe) und ihre Bedeutung für die europäische Geschichte, in: Fortschritte in der Geschichtswissenschaft durch Reichstagsaktenforschung. Vier Beiträge aus der Arbeit an den Reichstagsakten des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. Heinz Angermeier/Erich Meuthen, Göttingen 1988 (SHKBAW 35), 17–46. 20) Mediävistik und Mentalität. Beiträge deutscher Forschung, in: Ius Commune 16 (1989), 250–263. 21) Person und Gemeinschaft im Mittelalter. Anmerkungen zu einer Festschrift, in: ZGO 138 (1990), 470–478. 22) Neuere Arbeiten zur Geschichte der Stadt im Spätmittelalter (II), in: Geschichte in Köln 28 (1990), 157–170. 23) Der bewunderte Erbfeind. Johannes Haller, Frankreich und das französische Mittelalter, in: HZ 252 (1991), 265–317. 24) Christentum und Sexualität. Anmerkungen zu drei Neuerscheinungen, in: HJb 111 (1991), 178–186. 25) Die Bildungsreform Karls des Großen, in: Mitt. des Vereins für Geschichte und Heimatkunde Oberursel 33 (1991), 43–55. 26) Kunibert von Köln (um 590–663?), in: Rhein. Lebensbilder 12 (1991), 7–23. 27) a) Die Kölner Erzbischöfe von Bruno I. bis Hermann II. (953–1056); b) Die Vita Sancti Heriberti des Lantbert von Lüttich, in: Kaiserin Theophanu. Begegnung des Ostens und des Westens um die Wende des ersten Jahrtausends …, hg. v. Anton Euw / Peter Schreiner, Köln 1991, 15–32, 47–58. 28) (Nachrufe auf) Theodor Schieffer, 11.VII.1910–9.IV.1992, a) in: Geschichte in Köln 31 (1992), 117–127; b) in: AMRhKG 44 (1992), 487–492; c) in: Gedenkschrift Theodor Schieffer, hg. v. den MGH, München 1993, 3–20. 29) Un Breton dans l’Europe du XV e siècle: Philippe de Coëtquis, évêque de Saint-Polde-Léon et archevêque de Tours, in: 1491. La Bretagne, terre d’Europe (Colloque internat., Brest 2–4 X 1991). Actes réunis et publiés par Jean Kerhervé/Tanguy Daniel, Brest – Quimper 1992, 161–173. 30) Bischof Kunibert von Köln (um 590–663?). Leben und Werk, in: Colonia Romanica 7 (1992), 8–14. 31) (Nachruf auf) Elsbet Orth, 1937–1991, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 62 (1993), 449–458; veränd. ND in: … Ihrer Bürger Freiheit (vgl. Monographien Nr. 10), 9–18. 32) Köln und das Reich um 1400. Anmerkungen zu einem Brief des französischen Frühhumanisten Jean de Montreuil, in: Köln. Stadt und Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters. FS Odilo Engels, hg. v. Hanna Vollrath / Stefan Weinfurter, Köln – Weimar – Wien 1993 (KHA  39), 589–621.

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33) Cum res ageretur inter tantos principes: Der Streit um das Bistum Tournai (1433–1438). Zu einem Kapitel französisch-burgundischer Beziehungen aus der Zeit des Konzils von Basel, in: Studien zum 15. Jahrhundert. FS Erich Meuthen, hg. v. Johannes Helmrath/ H. M., Bd. I, München 1994, 231–253. 34) Allocution à l’occasion de la remise des Prix ‹ Duc d’Arenberg › (10 IX 1994), in: Bulletin du Cercle Archéol. d’Enghien a. 1995, 281 ff. 35) Rheinisches und kölnisches Frühmittelalter. Anmerkungen zu einer neuen Edition, in: Geschichte in Köln 38 (1995), 140–152. 36) Heribert, Kanzler Ottos III. und Erzbischof von Köln, in: RhVjbll 60 (1996), 16–64. 37) Konzil und Frieden. Basel und Arras (1435), in: Träger und Instrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter, hg. v. Johannes Fried, Sigmaringen 1996 (VuF 43), 333–390. 38) Zwischen Konzil und Papst, Fürstendienst und Ordensreform: Geoffroy de Montchoisi, Abt von St-Honorat/Lérins und St-Germain-des-Prés († 1436), in: Synodus. Beiträge zur Konzilien‑ und allgemeinen Kirchengeschichte. FS Walter Brandmüller, hg. v. Remigius Bäumer u. a., Paderborn u. a. 1997 (= AHC 27/28 [1995/96]), 435–462. 39) „Die Geschichte des Christentums“. Deutsch-französische Anmerkungen anläßlich des Bandes VII: „Von der Reform zur Reformation“, in: AHC 29 (1997), 217–228. 40) Vom Konzil zur Kurie. Eine kirchliche Karriere im 15. Jahrhundert: Guillaume H ­ ugues d’Étain, Archidiakon von Metz und Kardinal von Santa Sabina (†1455), in: Licet preter solitum. Ludwig Falkenstein zum 65. Geburtstag, hg. v. Lotte Kéry/Dietrich Lohrmann/Harald Müller, Aachen 1998, 219–240; 41) veränderte und erweiterte Fassung in: ZKG 110 (1999), 25–52. 42) Johannes Haller und der Nationalsozialismus, in: Gestaltungskraft des Politischen. FS Eberhard Kolb, hg. v. Wolfram Pyta / Ludwig Richter, Berlin 1998 (Histor. Forschungen 63), 443–482. 43) Heribert, Kanzler Ottos III., Erzbischof von Köln (999–1021) und Gründer der Abtei Deutz, in: Colonia Romanica 13 (1998), 22–37. 44) Zwischen Stolz und Größe – Burgund. Die Zeit der großen Herzöge, in: DAMALS 10/1999, 13–21. 45) Eine neue Kölner Stadtgeschichte, in: Geschichte in Köln 45 (1999), 97–106. 46) Être conciliateur à l’époque conciliaire. Les Anjou et la cour royale face au concile de Bâle (1431–1449), in: St-Denis et la royauté. Études offertes à Bernard Guenée. Travaux réunis par Françoise Autrand e. a., Paris 1999 (HAM 59), 757–770. 47) La division dans l’unité: Le congrès d’Arras (1435) face à deux diplomaties ecclésias­ tiques, in: Arras et la diplomatie européenne, XV e – XVI e siècles. Colloque universitaire internation. d’Arras, 18–20 IX 1997, éd. par Denis Clauzel e. a., Arras 1999, 109–130. 48) Gesandtschaft und Gewissen. Bernard de La Planche, ein Bischof aus dem englischen Aquitanien, auf dem Basler Konzil, in: Studien zur Geschichte des Mittelalters. FS Jürgen Petersohn, hg. v. Matthias Thumser u. a., Stuttgart 2000, 335–357. 49) Fasanenfest und Orden vom Goldenen Vlies. Neuerscheinungen zur burgundischen Geschichte und Geschichtsschreibung, in: ZHF 27 (2000), 203–227. 50) Heribert von Köln und der „Osten“, in: Europas Mitte um 1000. Beiträge zur Geschichte, Kunst und Archäologie. Handbuch zur Ausstellung, hg. v. Alfried Wieczorek/Hans-Martin Hintz, Bd. II, Stuttgart 2000, 774–781 (im englischen Katalog: 508–511, im ungarischen 484–486).

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51) Jeanne d’Arc (I/II), in: DAMALS 12/2000, 28–34; 1/2001, 36–42. 52) Europa im Mittelalter – Hinweise aus der Vergangenheit, in: Bank Julius Bär. Wochenbericht Nr. 41 (18.X.2001), 2–8. 53) „Aber das menschliche Herz bleibt, und darum können wir historisch kongenial verstehen“. Anmerkungen zu einer Biographie des Jenaer Historikers Alexander Cartellieri, in: Zs. des Vereins für Thüring. Geschichte 55 (2001), 337–352. 54) Der französische Frühhumanismus um 1400. Patriotismus, Propaganda und Historiographie, in: Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten, hg. v. Johannes Helmrath u. a., Göttingen 2002, 319–376. 55) „Von welschem Zwang und welschen Ketten“ (vgl. Monographien Nr. 9); ebenfalls in: Griff nach dem Westen. Die „Westforschung“ der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum (1919–1960), hg. v. Burkhard Dietz u. a., Bd. I, Münster u. a. 2003 (Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas 6), 137–184. 56) (mit Jessika Nowak) Burgundische Tafelfreuden. Das Fasanenfest von Lille (1454): Ein Augenschmaus, in: Cotta’s kulinarischer Almanach XI, hg. v. Erwin Seitz, Stuttgart 2003, 172–186. 57) Les pays rhénans, la France et la Bourgogne à l’époque du concile de Bâle. Une leçon d’histoire politique, in: Francia 30/I (2003), 107–133. 58) Thomas von Courcelles. Zum Lebensweg eines Pariser Universitätslehrers und Basler Konzilsvaters am Ausgang des Hundertjährigen Krieges, in: Väter der Kirche. Ekklesiales Denken von den Anfängen bis in die Neuzeit. FS Hermann Josef Sieben SJ, hg. v. Johannes Arnold u. a., Paderborn u. a. 2004, 861–915. 59) Besançon, Burgund und das Reich: der Streit um die causa Bisuntina auf dem Basler Konzil (1433–1435), in: Retour aux sources. Textes, études et documents d’histoire médiévale offerts à Michel Parisse, éd. par Sylvain Gouguenheim e. a., Paris 2004, 303–322. 60) Aktuelle Tendenzen historischer Mittelalterforschung in Frankreich und Deutschland. Anmerkungen zu Repräsentativität, Orientierung und Auswahl einer Neuerscheinung, in: Francia 31/I (2004), 181–197. 61) et sembloit qu’on oÿst parler un angele de Dieu. Thomas de Courcelles et le concile de Bâle ou le secret d’une belle réussite, in: CRAI, année 2003/fasc. I, Paris 2005, 461–484. 62) Die Befreiung von Orléans (8. Mai 1429). Zur Bedeutung der Jeanne d’Arc für die Geschichte Frankreichs, in: Große Ereignisse und Mythen der europäischen Geschichte, hg. v. Wolfgang Krieger, Stuttgart 2005, 114–146, 346 f. 63) Um 1473. Warum nicht einmal die Herzöge von Burgund das Königtum erlangen wollten und konnten, in: Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, hg. v. Bernhard Jussen, München 2005, 255–274, 395 ff. 64) Zusammenfassung (II: Hoch‑ und Spätmittelalter), in: Fragen der politischen Integration im mittelalterlichen Europa, hg. v. Werner Maleczek, Stuttgart 2005 (VuF 63), 555–581. 65) (mit Gabriele Annas) Kaiser, Kurfürsten und Auswärtige Mächte. Zur Bedeutung der Goldenen Bulle im Rahmen von Reichsversammlungen und Konzilien des 15. Jahrhunderts, in: Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle, 1356– 1806, Aufsätze, hg. v. Evelyn Brockhoff/Michael Matthäus, Frankfurt/M. 2006, 106–128. 66) Konzilien des 15. Jahrhunderts und Zweites Vatikanisches Konzil. Historiker und Theologen als Wissenschaftler und Zeitgenossen, in: Historie und Leben. Der Histo-

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riker als Wissenschaftler und Zeitgenosse. FS Lothar Gall, hg. v. Dieter Hein u. a., München 2006, 115–135; leicht veränderte Fassung in: Theol. Revue 103 (2007), 1–18. 67) (mit Johannes Helmrath) Einführung, in: Die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449), 9–29 (vgl. Monographien Nr. 12). 68) Siège, rang et honneur: la querelle de préséance entre la Bretagne et la Bourgogne au concile de Bâle (1434), in: Le prince, l’argent, les hommes au Moyen Age. Mélanges offerts à Jean Kerhervé, sous la dir. de Jean-Christophe Cassard e. a., Rennes 2008, 195–205. 69) (mit Gabriele Annas), Reichsgeschichte oder Reichstagsgeschichte? Die Edition der ‚Deutschen Reichstagsakten (Ältere Reihe)‘ im Wandel der Zeiten. Geschichte und Konzeptionen, in: Akademie aktuell. Zs. der Bayer. Akad. der Wissenschaften 02/2008 [Sonderheft zum 150jährigen Bestehen der Historischen Kommission bei der BAW], 26–29. 70) Allocution en l’honneur de M. Werner Paravicini, directeur sortant de l’Institut his­ torique allemand (prononcée au Centre historique des Archives Nationales à Paris le 12 octobre 2007), in: Werner Paravicini, Gaston Phébus en Prusse. Une aventure chevaleresque au XIV e siècle, Ostfildern 2008 (Conférences annuelles de l’Institut historique allemand 14), 20–25. 71) „Gebe uns denn der gütige Gott noch manches frohe und arbeitsame Wiedersehen“. Geschichten aus der Geschichte der Historischen Kommission, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Jahresbericht 2008 (2009), 37–44. 72) Rosbach im Jahr 884 und das Rhein-Main-Gebiet im Karolingerreich zur Zeit Kaiser Karls III., in: Rosbacher Geschichtsblätter 25 (2009), 2–9. 73) Erich Meuthen, in: Erich Meuthen. Bibliographie seiner Schriften 1954–2003, Köln 2009 (Kleine Schriften der Universitäts‑ und Stadtbibliothek Köln 28), 5–12. 74) Der Griff nach der Krone – Karl der Kühne zwischen Frankreich und dem Reich, in: Karl der Kühne von Burgund. Fürst zwischen europäischem Adel und der Eidgenossenschaft, hg. v. Rainer C. Schwinges/ Klaus Oschema, Zürich 2010, 153–169. 75) Köln, in: Erinnerungsorte des Christentums, hg. v. Christoph Markschies/Hubert Wolf, München 2010, 280–300, 737–740. 76) Une carrière ecclésiastique dans l’Europe du XV e siècle: le cardinal Jean de Rochetaillée († 1437), in: Relations, échanges et transferts en Europe au cours des derniers siècles du Moyen Age, sous la dir. de † Bernard Guenée/Jean-Marie Moeglin (2011). Im Druck 77) Universitäten und Gelehrte auf den Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449), in: Universität, Religion und Kirchen, hg. v. Rainer C. Schwinges (Veröffentl. der Gesellschaft für Universitäts‑ und Wissenschaftsgeschichte) (2011). 78) Les cas de l’Empire, de l’Espagne habsbourgeoise et de la Pologne: imitation, invention d’une tradition, refus?, in: La cour de Bourgogne et l’Europe. Le rayonnement et les limites d’un modèle culturel. Mélanges offerts à Werner Paravicini, sous la dir. de Thorsten Hiltmann e. a. (2011). 79) Köln – ein Erinnerungsort des Christentums in Mittelalter und früher Neuzeit, in: ZKG 122 (2011).

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80) Everger, Erzbischof von Köln (985–999), in: Rhein. Lebensbilder 19 (2011). 81) Das Basler Konzil (1431–1449) und die europäischen Mächte: Universaler Anspruch und nationale Wirklichkeiten, in: HZ (2012). In Vorbereitung 82) Jeanne d’Arc, in: Erinnerungsorte des Mittelalters, hg. v. Johannes Fried/Olaf B. Rader (2011). 83) Das Ende des konziliaren Zeitalters (1440–1450). Forschungsstand, Tagungsthema und Perspektiven, in: H. M. (Hg.), Das Ende des konziliaren Zeitalters (1440–1450): Versuch einer Bilanz (vgl. Monographien Nr. 14) (2011).

C) Lexikonartikel I) Lexikon des Mittelalters   1) Brézé, Pierre II de, in: II (1983), 645 f.   2) Bureau, Jean, in: II (1983), 956.   3) Bureau, Pierre, in: II (1983), 956 f.   4) Coëtquis, Philippe de, in: III (1986), 15 f.   5) Coictier, Jacques de, in: III (1986), 22 f.   6) Crèvecœur, Philippe de, in: III (1986), 347.   7) Deutz (Mittelalter), in: III (1986), 919 f.   8) Estouteville, Guillaume d’ (Bf. v. Lisieux), in: IV (1989), 39 f.   9) Estouteville, Guillaume d’ (Kardinal), in: IV (1989), 40 f. 10) Étampes, Jean d’, in: IV (1989), 48 f. 11) Everger v. Köln, in: IV (1989), 141 f. 12) Gallikanismus, in: IV (1989), 1094 ff. 13) Gladbach, in: IV (1989), 1474. 14) Heribert v. Köln, in: IV (1989), 2155 f. 15–17)  Hermann I.–III. v. Köln, in: IV (1989), 2163 f. 18) Isabella v. Portugal, in: V (1991), 672. 19) Kirche, in: V (1991), 1161–1166. 20) Kunibert v. Köln, in: V (1991), 1570. 21) Pierre de Versailles, in: VI (1993), 2140 f. 22) Pragmatische Sanktion v. Bourges, in: VII (1995), 166 f. 23) Severin v. Köln, in: VII (1995), 1805. 24) Talaru: a) Amédée – b) Hugues – c) Jean II de, in: VIII/2 (1996), 440 ff. 25) Thomas v. Courcelles, in: VIII/4 (1996), 716 f. II) Lexikon für Theologie und Kirche   1) Abendländisches Schisma, in: I (1993), 24–30.   2) Aleman, Louis, in: I (1993), 356 f.   3) Amadeus IX. v. Savoyen, in: I (1993), 482 f.   4) Balue, Jean, in: I (1993), 1380.   5) Bourdeille, Elie de, in: II (1994), 617.

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  6) Bouvet, Honoré, in: II (1994), 619.   7) Capranica, Domenico, in: II (1994), 935 f.   8) Chartier, Jean, in: II (1994), 1025.   9) David v. Utrecht, in: III (1995), 40. 10) Dietrich v. Niem, in: III (1995), 225. 11) Felix V., in: III (1995), 1219 f. 12) Guillaume d’Estouteville, in: III (1995), 897 f. 13) Guillaume Fillastre d. Ä., in: III (1995), 1281 f. 14) Guillaume Fillastre d. J., in: III (1995), 1282. 15) Heinrich Kalteisen, in: IV (1995), 1389. 16) Heribert v. Köln, in: IV (1995), 1438 f. 17) Innozenz VIII., in: V (1996), 521 f. 18) Jakob v. Sierck, in: V (1996), 730 f. 19) Johannes XXIII., in: V (1996), 951 f. 20) Karl IV. ⎫ , in: V (1996), 1236 f. 21) Karl V. , in: V (1996), 1237. ⎪ 22) Karl VI. ⎬ Könige v. Frankreich , in: V (1996), 1237 f. 23) Karl VII. , in: V (1996), 1238 f. ⎪ 24) Karl VIII. ⎭ , in: V (1996), 1239. 25) Kunibert v. Köln, in: VI (1997), 526 f. 26) Leidrad v. Lyon, in: VI (1997), 792 f. 27) Ludwig XI., Kg. v. Frankreich, in: VI (1997), 1099 f. 28) Nikolaus V., in: VII (1998), 865 f. 29) Paul II., in: VII (1998), 1519 f. 30) Pierre Cauchon, in: VIII (1999), 116. 31) Philipp II. ⎫ , in: VIII (1999), 229. 32) Philipp III. ⎪ , in: VIII (1999), 229 f. 33) Philipp IV. ⎬ Könige v. Frankreich , in: VIII (1999), 230 f. 34) Philipp V. ⎪ , in: VIII (1999), 232. 35) Philipp VI. ⎭ , in: VIII (1999), 232 f. 36) Pragmatische Sanktion, in: VIII (1999), 498 f. 37) Schlick, Caspar, in: IX (2000), 163 f. 38) Sigmund, dt. Kaiser, in: IX (2000), 578 ff. 39) Sixtus IV., in: IX (2000), 644 ff. 40) Urban VI., in: X (2001), 458 f. 41) Vienne (Stadt – Erzbistum – Konzil), in: X (2001), 777–780. Die Artikel: Felix V., Innozenz VIII., Johannes XXIII., Nikolaus V., Paul II., Sixtus IV. und Urban VI. erschienen ebenfalls in: Lexikon der Päpste und des Papsttums (LThK Kompakt), Red. B. Steiner, Freiburg/Brsg. u. a. 2001. III) Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Köln, fränk.-karolingische Zeit, in: XVII (2000), 92–95. IV) Neue Deutsche Biographie Theodor Schieffer, in: XXII (2005), 735 f.

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V) Handbuch der historischen Stätten Deutschlands: Nordrhein-Westfalen, hg. durch Manfred Groten u. a., Stuttgart 32006 (Kröners Taschenausgabe 273) Köln – Deutz, 595 ff. VI) Historisches Lexikon der Schweiz 1) Kalteisen, Heinrich: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d [auch: f, i]/D21564.php; erscheint ebf. in Bd. 6 des HLS. 2) Sage, Raoul: d/D18672.php; f/F18672 VII) Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte (2. Aufl.) 1) Goldenes Vlies, in: Bd. I/10. Lieferung (2009), 457 f.

In Vorbereitung 2) Konrad von Gelnhausen 3) Konziliarismus VIII) The Oxford Dictionary of the Middle Ages 1) 2) 3) 4) 5) 6)

Adela of Elten, in: I, 9. Adolf I of Altena, in: I, 11. Conrad of Hochstaden, in: II, 431. Engelbert II of Berg, in: II, 563. Philip of Heinsberg, in: III, 1292. Rainald of Dassel, in: IV, 1383.

IX) Historisches Lexikon Bayerns (Online-Publikation) Konzil von Basel, 1431–1449: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45761 X) Internetportal ‚Rheinische Geschichte‘ Heribert, Erzbischof von Köln (999–1021): http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/persoenlichkeiten/H/Seiten/Heribert.aspx

D) Rezensionen 1976 1) A. Franzen/ R. Bäumer, Papstgeschichte, in: HZ 222 (1976), 409 f. 1977 2) D. Le Blevec, L’an mil, in: AKG 59 (1977), 499 ff. 3) Die Hl. Drei Könige. Heilsgeschichtlich. Kunsthistorisch. Das religiöse Brauchtum, in: JbKGV 48 (1977), 296 f.

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1978 4) Festgabe H. Jedin I, in: HZ 226 (1978), 132–138. 5) Festgabe H. Jedin II, in: HZ 227 (1978), 655–661. 6) P. Dinter (ed.), Ruperti vita s. Heriberti, in: HZ 226 (1978), 688 f. 7) U. Seng, Heinrich II. v. Virneburg, in: JbKGV 49 (1978), 327 f. 1979   8) Index scriptorum operumque Latino-Belgicorum medii aevi II, in: HZ 228 (1979), 411 f.  9) J. W.  Stieber, Pope Eugenius IV, the Council of Basel, in: DA 35 (1979), 650. 10) O. G. Oexle, Forschungen zu monastischen und geistlichen Gemeinschaften im westfränkischen Bereich, in: AKG 61 (1979), 466 ff. 11) J. Beck (éd.), Le concile de Basle, in: AHC 11 (1979), 449–453. 12) H. Kruppa, Deutz, in: JbKGV 50 (1979), 223 ff. 1980 13) F. Heer, Karl der Große, in: HZ 230 (1980), 14 ff. 14) L. Smith, Johanna von Orléans – F. Graeyeff, Joan of Arc, in: HZ 230 (1980), 423 ff. 1981 15) Index scriptorum (wie Nr. 8) III/l, in: HZ 232 (1981), 416 f. 1982 16) J. Chiffoleau, La comptabilité de l’au-delà, in: HZ 235 (1982), 403 ff. 17) G. Alberigo, Chiesa conciliare, in: AKG 64 (1982), 490 ff. 18) Jean de Montreuil, Opera, ed. E. Ornato e. a., t. I–III, in: Francia 10 (1982), 789–792. 19) W. Paravicini, Die Nationalbibliothek in Paris, in: Verband der Bibliotheken NW. Mitt.blatt 32 (1982), 209 ff. 20) Series episcoporum ecclesiae catholicae occidentalis V/1, in: AHVN 185 (1982), 144 ff. 1983 21) S. H.  Cuttler, The Law of Treason and Treason Trials in Later Medieval France, in: HZ 236 (1983), 665 f. 22) P. Cockshaw, Le personnel de la chancellerie de Bourgogne-Flandre, in: HZ 237 (1983), 699 f. 23) F. Autrand, Naissance d’un grand corps de l’État. Les gens du Parlement de Paris 1345–1454, in: HJb 103 (1983), 223 f. 24) W. Herborn / Kl. Militzer, Der Kölner Weinhandel, in: HJb 103 (1983), 449. 25) G. Christianson, Cesarini: The Conciliar Cardinal, in: DA 39 (1983), 672 f. 26) Theol. Zeitschrift 38/5, T. II: Überlegungen zur Interpretation des Basler Konzils, in: AHC 15 (1983), 476 ff. 27) M. Bloch, Die Feudalgesellschaft (dt. Übersetzung), in: Geschichte in Köln 13 (1983), 132–135.

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28) W. Schmidt-Bleibtreu, Das Stift St. Severin in Köln, in: Geschichte in Köln 13 (1983), 125–131. 29) J. Prieur, Das Kölner Dominikanerinnenkloster St. Gertrud, in: AHVN 186 (1983), 183–186. 1984 30) M. G. A. Vale, War and Chivalry, in: HJb 104 (1984), 206 ff. 31) F.-R. Erkens, Siegfried von Westerburg, in: HJb 104 (1984), 460 f. 32) S. Guenée, Bibliographie des universités françaises, in: AKG 66 (1984), 244 ff. 33) H.-D. Heimann, Zwischen Böhmen und Burgund, in: AKG 66 (1984), 482–485. 34) Le diocèse de Lyon, sous la dir. de J. Gadille, in: Francia 12 (1984), 922–926. 1985 35) J. Chiffoleau, Les justices du pape, in: HZ 241 (1985), 416 ff. 36) H. Kaminsky, Simon de Cramaud, in: HJb 105 (1985), 479 ff. 37) H. A.  Miskimin, Money and Power in Fifteenth-Century in France, in: VSWG 72 (1985), 432 f. 38) Ph.T. Hoffman, Church and Community in the Diocese of Lyon, 1500–1789, in: Francia 13 (1985), 805–809. 39) W. Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol, in: AHVN 188 (1985), 249 f. 1986 40) H. Heimpel, Die Vener von Gmünd und Straßburg, in: AKG 68 (1986), 504–508. 41) H. Kaminsky (éd.), Simon de Cramaud: De substraccione obediencie, in: ZKG 97 (1986), 110 f. 42) Les Lyonnais dans l’histoire, in: Francia 14 (1986), 867–869. 1987 43) La France de la fin du XV e siècle, éd. par B. Chevalier/ Ph. Contamine, in: HZ 244 (1987), 690 ff. 44) M. Vasold, Frühling im Mittelalter. John Wyclif und sein Jahrhundert, in: HJb 107 (1987), 168 f. 45) Prosopographie et genèse de l’État moderne, éd. par F. Autrand, in: Francia 15 (1987), 891–897. 46) P. Kürten, Das Stift St. Kunibert in Köln I, in: AHVN 190 (1987), 265 ff. (vgl. Rezensionen Nr. 76). 1988 47) L. Stouff, Arles à la fin du Moyen Age, in: HZ 246 (1988), 150 ff. 48) L. M.  Bryant, The King and the City in Parisian Royal Entry Ceremony, in: HZ 246 (1988), 159 ff. 49) W. Prevenier/W. Blockmans, Die burgundischen Niederlande, in: HZ 247 (1988), 167–170. 50) H. Angermeier, Die Reichsreform 1410–1555, in: AKG 70 (1988), 257 ff.

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51) Medieval Lives and the Historian. Studies in Medieval Prosopography, ed. by N. Bulst/ J.-Ph. Genet, in: HJb 108 (1988), 257–263. 52) G. Kreuzer, Heinrich von Langenstein, in: DA 44 (1988), 251 f. 53) L. Tewes, Die Amts‑ und Pfandpolitik der Erzbischöfe von Köln im Spätmittelalter, in: DA 44 (1988), 314 f. 54) A. J. Vanderjagt, Laurens Pignon OP: Confessor of Philip the Good, in: ZKG 99 (1988), 129 ff. 55) Der Bischof in seiner Zeit. FS J. Kard. Höffner, hg. v. P. Berglar/O. Engels, in: ZKG 99 (1988), 394–398. 1989 56) B. Geremek, The Margins of Society in Late Medieval Paris, in: HZ 248 (1989), 166 ff. 57) N. Coulet, Aix-en-Provence … (milieu XIV e – milieu XV e siècle), in: HZ 248 (1989), 691–694. 58) J. Ehlers, Geschichte Frankreichs im Mittelalter, in: HZ 249 (1989), 151–155. 59) R. G.  Little, The Parlement of Poitiers … 1418–1436, in: ZHF 16 (1989), 73 ff. 60) G. Hövelmann, Moritz Graf von Spiegelberg, in: DA 45 (1989), 306 f. 61) Les conciles de la province de Tours, éd. par J. Avril, in: Francia 16 (1989), 295–298. 62) Jean de Montreuil, Opera (wie Nr. 18) IV, in: Francia 16 (1989), 301 ff. 1990 63) C. Allmand (ed.), Power, Culture and Religion in France c. 1350–c. 1550, in: HZ 251 (1990), 419–422. 64) D. Lalande, Jean II Le Meingre, dit Boucicaut, in: HZ 251 (1990), 422 ff. 65) P. Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, in: AKG 72 (1990), 460–463. 66) R. C.  Famiglietti, Royal Intrigue. Crisis at the Court of Charles VI – F. Autrand, Charles VI, in: HJb 110 (1990), 182 ff. 67) N. Lemaître, Le Rouergue flamboyant … 1417–1563, in: Francia 17/I (1990), 306– 311. 1991 68) J. Kerhervé, L’État breton aux 14e et 15e siècles, in: HZ 252 (1991), 156–159. 69) J. Miethke / A. Bühler, Kaiser und Papst im Konflikt, in: HZ 252 (1991), 690–693. 70) Fälschungen im Mittelalter, 5 Bde., in: HZ 253 (1991), 422–428. 71) G. Krumeich, Jeanne d’Arc, in: ZHF 18 (1991), 227–230. 72) H. Millet/E. Poulle (éd.), Le vote de soustraction d’obédience en 1398, in: ZKG 102 (1991), 136–139. 73) La charte de Beaumont, in: Ius Commune 18 (1991), 382–388. 74) U. Horst, Autorität und Immunität des Papstes, in: AHC 23 (1991), 401–404. 75) C. Brühl, Deutschland – Frankreich, Die Geburt zweier Völker, in: Neues Rheinland 3/91, 18 f. 76) P. Kürten, Das Stift St. Kunibert in Köln II, in: AHVN 194 (1991), 227–230 (vgl. Rezensionen Nr. 46). 77) P. Fuchs, Chronik zur Geschichte der Stadt Köln I, in: Geschichte in Köln 29 (1991), 157–164.

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1992  78) M. G. A. Vale, The Angevin Legacy and the Hundred Years War, in: HZ 255 (1992), 456 ff.  79) A. Angenendt, Frühmittelalter, in: HZ 255 (1992), 736–739.  80) H.-J. Diesner, Krieg und Frieden im Renaissance-Humanismus, in: HZ 255 (1992), 754 ff.  81) Histoire du christianisme VI, éd. par M.  Mollat/ A. Vauchez, in: Francia 19/I (1992), 317–322. 1993   82) Fälschungen im Mittelalter, Bd. 6: Register, in: HZ 256 (1993), 162 f.  83) W. Brandmüller, Papst und Konzil im Großen Schisma, in: HZ 256 (1993), 177 ff.  84) G. Sivéry, Blanche de Castille, in: HZ 256 (1993), 750 f.  85) M.-D. Glessgen, ‹ Lo thesaur del hospital de Sant Sperit ›. Edition eines Marseiller Urkundeninventars, in: HZ 257 (1993), 180–183.  86) B. Guenée, Un meurtre, une société: L’assassinat du duc d’Orléans, in: Francia 20/I (1993), 311–314. 1994  87) D. Nicholson, Medieval Flanders, in: HZ 259 (1994), 786 ff.   88) Amédée VIII – Félix V, premier duc de Savoie et pape (1383–1451), éd. par B. Ander­ matten/A. Paravicini Bagliani, in: HZ 259 (1994), 796–799.  89) S. Tanz, Jeanne d’Arc, in: ZHF 21 (1994), 238–241.  90) M. Thumser, Hertnidt vom Stein (ca. 1427–1491), a) in: RQ 89 (1994), 140–143; b) in: HJb 117 (1997), 486 ff.   91) La royauté sacrée dans le monde chrétien, éd. par A. Boureau/C.-S. Ingerflom, in: Ius Commune 21 (1994), 373–376.  92) L. Febvre, Der Rhein und seine Geschichte, in: Neues Rheinland XXXVII/12 (1994), 39.  93) I. Gückel, Kloster Maria zum Weiher vor Köln, in: AHVN 79 (1994), 174 ff. 1995  94) J. G.  Russell, Diplomats at Work. Three Renaissance Studies, in: HZ 260 (1995), 211 ff.   95) Germania Sacra N. F. 29: Benediktinerabtei Brauweiler, bearb. v. E. Wisplinghoff, in: HZ 260 (1995), 500 ff.  96) N. Bulst, Die französischen Generalstände von 1468 und 1484, in: HZ 261 (1995), 207 ff.  97) W. Janssen, Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter (I), in: HZ 261 (1995), 902–906 (vgl. Rezensionen Nr. 164).  98) J. Dufournet, Philippe de Commynes, in: HZ 261 (1995), 909 ff.  99) J. Miethke, Das Publikum politischer Theorie im 14. Jh., in: HJb 115 (1995), 269 f. 100) H. Kamp, Memoria und Selbstdarstellung. Die Stiftungen des burgundischen Kanzlers Rolin, in: HJb 115 (1995), 492 ff. 101) H.-F. Pridat, Nicolas Rolin, in: ZHF 22 (1995), 403 ff. 102) Portugal et Bourgogne au XV e siècle, éd. par J. Paviot, in: ZHF 22 (1995), 544 ff.

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103) Der Briefwechsel Karls des Kühnen, hg. v. W. Paravicini, in: ZHF 22 (1995), 549–552. 104) Jean Juvénal des Ursins, Écrits politiques, t. III (La vie et l’œuvre), par P. S.  Lewis, in: Francia 22/I (1995), 335–338. 105) Droits savants et pratiques françaises du pouvoir, éd. par J. Krynen/A. Rigaudière, in: Ius Commune 22 (1995), 363–370. 106) E. A. R. Brown /R. C.  Famiglietti, The ‹ Lit de justice ›, in: Ius Commune 22 (1995), 373–378. 107) M. Matscha, Heinrich I. von Müllenark, Erzbischof von Köln, in: RhVjbll 59 (1995), 370 ff. 108) H. Giersiepen, Kanonissenstift Vilich, in: AHVN 198 (1995), 221 ff. 109) B. Klosterberg, Zur Ehre Gottes und zum Wohl der Familie. Kölner Testamente von Laien und Klerikern im Spätmittelalter, in: AHVN 198 (1995), 228–232. 1996 110) Th. Maissen, Von der Legende zum Modell. Das Interesse an Frankreichs Vergangenheit während der italienischen Renaissance, in: HZ 262 (1996), 233–236. 111) O. Guillot / A. Rigaudière / Y. Sassier, Pouvoirs et institutions dans la France médiévale, in: HZ 262 (1996), 545 ff. 112) C. Brühl, Palatium und Civitas II, in: HJb 116 (1996), 181–184. 113) C. Brühl, Deutschland – Frankreich (wie Nr. 75), in: HJb 116 (1996), 184–188. 114) E. Máluysz, Kaiser Sigismund in Ungarn, in: HJb 116 (1996), 213 ff. 115) F. Badel, Un évêque à la diète: Le voyage de Guillaume de Challant auprès de l’empereur Sigismond (1422), in: HJb 116 (1996), 215 f. 116) J. Avril (éd.), Les statuts synodaux français du XIIIe siècle, IV: Reims (I), in: Francia 23/I (1996), 304–307. 117) J. Paviot, La politique navale des ducs de Bourgogne, in: Francia 23/I (1996), 335 ff. 118) M. Zingel, Frankreich, das Reich und Burgund, in: Francia 23/I (1996), 337–342. 119) A. Verhulst (Hg.), Anfänge des Städtewesens an Schelde, Maas und Rhein bis zum Jahre 1000, in: Neues Rheinland XXXIX/9 (1996), 43. 1997 120) C. Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus. Die Burgunderkriege am Oberrhein und in der Eidgenossenschaft, in: HZ 264 (1997), 469 ff. 121) J.  Miethke/L. Weinrich (Hgg.), Quellen zur Kirchenreform im Zeitalter der großen Konzilien des 15. Jhs. [I], in: HZ 265 (1997), 770 ff. 122) I. Hlaváček / A. Patschovsky (Hgg.), Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz und Basel, in: HZ 265 (1997), 772 ff. 123) J. B.  Henneman, Olivier de Clisson, in: HZ 265 (1997), 764 ff. 124) U. Tamussino, Margarete von Österreich. Diplomatin der Renaissance, in: ZHF 24 (1997), 435 ff. 125) P. Desportes/ H. Millet, Fasti Ecclesiae Gallicanae, I: Amiens, in: Francia 24/I (1997), 234–238. 126) X. de La Selle, Le service des âmes à la cour. Confesseurs et aumôniers des rois de France du XIII e au XV e siècle, in: Francia 24/I (1997), 245–248. 127) C. Dietmar/W. Jung, Kleine illustrierte Geschichte der Stadt Köln, in: RhVjbll 61 (1997), 446 ff.

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128) E. Hegel, St. Kolumba in Köln. Eine mittelalterliche Großstadtpfarrei, in: AHVN 200 (1997), 212–215. 1998 129) N. Gorochov, Le collège de Navarre de sa fondation (1305) au début du XV e siècle (1418), in: HZ 266 (1998), 186–189. 130) R. C. van Caenegem / F. L. Ganshof/ L. Jocqué, Introduction aux sources de l’his­ toire médiévale, in: HZ 267 (1998), 741–744. 131) F. Collard, Un historien au travail à la fin du XV e s.: Robert Gaguin, in: HJb 118 (1998), 419 f. 132) H. Röckelein u. a. (Hgg.), Jeanne d’Arc oder Wie die Geschichte eine Figur konstruiert, in: ZHF 25 (1998), 296 f. 133) C. Märtl, Kardinal Jean Jouffroy, in: ZHF 25 (1998), 297–300. 134) H. Kruse, Hof, Amt und Gagen. Die täglichen Gagenlisten des burgundischen Hofes …, in: ZHF 25 (1998), 443 ff. 135) J. Paviot, Philippe de Clèves seigneur de Ravestein: L’instruction de toutes manières de guerroyer … sur mer [Edition], in: Francia 25/I (1998), 393 ff. 1999 136) M. Sommé, Isabelle de Portugal, in: HZ 268 (1999), 186–189. 137) M. Spencer, Thomas Basin (1412–1490). The History of Charles VII and Louis XI, in: HZ 269 (1999), 183 ff. 138) F. G.  Hirschmann, Stadtplanung, Bauprojekte und Großbaustellen im 10. und 11. Jahrhundert, in: ZfG 47 (1999), 267 f. 2000 139) J. Oepen, Die Totenbücher von St. Maria im Kapitol zu Köln, in: HZ 271 (2000), 734 ff. 140) Ph. Godding, Le Conseil de Brabant sous le règne de Philippe le Bon (1430–1467), in: HZ 271 (2000), 737 ff. 141) O. Mattéoni, Servir le prince. Les officiers des ducs de Bourbon à la fin du Moyen Age, in: Francia 27/I (2000), 374–379. 2001 142) J. Le Goff / J.-Cl. Schmitt, Dictionnaire raisonné de l’Occident médiéval, in: HZ 272 (2001), 440 ff. 143) W. Rosen/L. Wirtler (Hgg.), Quellen zur Geschichte der Stadt Köln I, in: HZ 272 (2001), 688 ff. 144) M. Jones (ed.), The Cambridge Medieval History, VI: c. 1300–c. 1415, in: HZ 272 (2001), 735–739. 145) D.  Boutet/J. Verger (éd.), Penser le pouvoir au moyen âge, VIIIe–XV e siècle. Études offertes à Françoise Autrand, in: Francia 28/I (2001), 238–245. 146) B. Guenée, Un roi et son historien. Vingt études sur le règne de Charles VI et la Chronique du Religieux de Saint-Denis, in: Francia 28/I (2001), 388–391. 147) H. Thomas, Jeanne d’Arc, in: FAZ. Ein Büchertagebuch 2001, 405 ff.

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2002 148) Philippe de Commynes, Lettres, éd. par J. Blanchard, in: HZ 274 (2002), 191 f. 149) MGH DD regum Francorum e stirpe Merovingica – Die Urkunden der Merowinger, hg. v. Th. Kölzer, in: HZ 275 (2002), 165–168. 150) A. Angenendt, Liturgik und Historik, in: HZ 275 (2002), 686 ff. 151) J. Paviot/J. Verger (éd.), Guerre, pouvoir et noblesse au Moyen Âge. Mélanges en l’honneur de Philippe Contamine, in: Francia 29/I (2002), 279–286. 2003 152) W. Brandmüller, Das Konzil von Pavia-Siena 1423–1424, in: HZ 276 (2003), 445–448. 153) Philippe de Commynes, Mémoires, éd. par J. Blanchard, in: HZ 276 (2003), 746. 154) P. Ehm, Burgund und das Reich, in: HZ 277 (2003), 725 ff. 155) St. Kaudelka, Rezeption im Zeitalter der Konfrontation. Französische Geschichtswissenschaft und Geschichte in Deutschland 1920–1940, in: HZ 277 (2003), 786– 789. 156) W. Paravicini (éd.), Invitations au mariage. Pratique sociale, abus de pouvoir, intérêt de l’État à la cour des ducs de Bourgogne, in: ZHF 30 (2003), 465 ff. 157) M. Prietzel, Guillaume Fillastre d. Jüngere (1400/07–1473), in: ZHF 30 (2003), 470–473. 158) B. Guenée, L’opinion publique à la fin du Moyen Age, in: Francia 30/I (2003), 374 ff. 159) B. Vogel (Hg.), Lantbert von Deutz: Vita Heriberti, in: RhVjbll 67 (2003), 360–363. 2004 160) S. Dessy, La mairie de Genappe et la justice ducale de 1404 à 1552, in: HZ 278 (2004), 749 f. 161) M.-Th. Caron, Les voeux du faisan, in: HZ 278 (2004), 751 ff. 162) H.-J.  Kracht/ J. Torsy, Reliquiarium Coloniense, in: HZ 279 (2004), 421 f. 163) H. Zimmermann (Hg.), Thomas Ebendorfer: Chronica regum Romanorum, in: HZ 279 (2004), 461 f. 164) W. Janssen, Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter (II), in: HZ 279 (2004), 728–731 (vgl. Rezensionen Nr. 97). 165) Ph. Contamine (dir. par), Le Moyen Âge. Le roi, l’Église, les grands, le peuple 481–1514, in: Francia 31/I (2004), 269–275. 166) D. Marcotte (éd.), Humanisme et culture géographique à l’époque du concile de Constance autour de Guillaume Fillastre, in: Francia 31/I (2004), 355–359. 167) C. Dietmar, Das mittelalterliche Köln, in: JbKGV 75 (2004), 264–267. 2005 168) G. Nijsten, In the Shadow of Burgundy. The Court of Guelders in the Late Middle Ages, in: HZ 280 (2005), 166 ff. 169) H. Dubois, Charles le Téméraire, in: HZ 280 (2005), 168 ff. 170) H. v.  Seggern, Herrschermedien im Spätmittelalter, in: ZHF 32 (2005), 121–124. 171) B. Guenée, La folie de Charles VI. Roi bien-aimé, in: Francia 32/I (2005), 283–287. 172) J. Paviot, Les ducs de Bourgogne, la croisade et l’Orient, in: Francia 32/I (2005), 287–292.

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2006 173) Th. Kouamé, Le collège de Dormans-Beauvais à la fin du Moyen Age, in: HZ 282 (2006), 473 ff. 174) W. Müller, Der Prozeß Jeanne d’Arc, in: HZ 282 (2006), 476 ff. 175) Ph. Contamine, Pages d’histoire militaire médiévale (XIV e – XV e s.), in: Francia 33/I (2006), 285 ff. 176) C. Beaune, Jeanne d’Arc, in: Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 11 (2006), 179. 2007 177) Die Reichschronik des Annalista Saxo, hg. v. K. Nass (MGH SS 37), in: HZ 284 (2007), 448 f. 178) C. Fabris, Étudier et vivre à Paris au Moyen Age. Le collège de Laon (XIV e – XV e s.), in: HZ 284 (2007), 451 ff. 179) Y. Leiverkus, Köln. Bilder einer spätmittelalterlichen Stadt, in: HZ 284 (2007), 458 ff. 180) Ordonnances de Philippe le Bon pour les duchés de Brabant et de Limbourg et les pays d’Outre-Meuse (1430–1467), éd. par Ph. Godding, in: HZ 284 (2007), 460 ff. 181) Ph. Godding, La législation ducale en Brabant sous le règne de Philippe le Bon (1430–1467), in: HZ 285 (2007), 188 f. 182) B. Studt, Papst Martin V. (1417–1431) und die Kirchenreform in Deutschland, in: ZHF 34 (2007), 532–535. 2008 183) Noël de Fribois, Abregé des croniques de France, éd. par K. Daly, in: HZ 286 (2008), 468 ff. 184) Philippe de Commynes, Mémoires, t. I/II, éd. par J. Blanchard, in: HZ 286 (2008), 470 ff. 185) K. Oschema, Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund, in: ZHF 35 (2008), 98 f. 2009 186) B. Guenée, Du Guesclin et Froissart. La fabrication de la renommée, in: HZ 288 (2009), 436–440. 187) St. Weiss (Hg.), Regnum et Imperium. Die französisch-deutschen Beziehungen im 14. und 15. Jahrhundert, in: HZ 288 (2009), 440–443. 188) M. Hensel-Grobe, Das St.-Nikolaus-Hospital zu Kues. Studien zur Stiftung des Cusanus und seiner Familie, in: HZ 289 (2009), 394 ff. 189) G. Melville /M. Staub (Hgg.), Enzyklopädie des Mittelalters, in: HZ 289 (2009), 735–739. 190) J. Dendorfer /C. Märtl (Hgg.), Nach dem Basler Konzil, in: HZ 289 (2009), 753–756. 191) J. Blanchard, Commynes et les procès politiques de Louis XI, in: ZHF 36 (2009), 675 ff.

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2010 192) M. Basse, Von den Reformkonzilien bis zum Vorabend der Reformation, in: HZ 290 (2010), 187 f. 193) M. Sommé (éd.), La correspondance d’Isabelle de Portugal, in: HZ 291 (2010), 179–182. 194) J. Paviot (prés. et publ.), Projets de coisade (v. 1290–v. 1330, in: Francia-Recensio 2010/3 Mittelalter (http://www.perspectivia.net/content/publikationen/francia/fran​ cia-​recensio/2010-3/MA/paviot_mueller). 195) P. Toubert / M.  Zink (dir.), Moyen Age et Renaissance au Collège de France, in: Francia-Recensio 2010/4 Mittelalter (http://www.perspectivia.net/content/publi​ kationen/francia/francia-recensio/2010-4/MA/toubert-zink_mueller). 196) H. Millet (sous la dir. de), Le concile de Perpignan (15 XI 1408–26 III 1409), in: BECh 168 (2010). 197) G. Jostkleigrewe, Das Bild des Anderen. Entstehung und Wirkung deutsch-französischer Fremdbilder, in: DA 66 (2010), 220 f. Im Druck 198) R. Lützelschwab, Flectat cardinales ad velle suum? Clemens VI. und sein Kardinalskolleg, in: Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung. 199) Th. M. Izbicki / J. Rollo-Koster, A Companion to the Great Western Schism, in: Francia-Recensio (online). 200) J. Haemers, For the Common Good. State Power and Urban Revolts in the Reign of Mary of Burgundy (1477–1482), in: DA. 201) J.-M. Moeglin, Kaisertum und allerchristlichster König 1214–1500 (Deutsch-Französische Geschichte 2), in: HZ.

Register der Personen- und Ortsnamen Da der vorliegende Sammelband mit Ausgewählten Aufsätzen Heribert Müllers den Themenkomplex „Frankreich, Burgund und das Reich im späten Mittelalter“ zugleich über die historiographische Dimension zu erschließen sucht, wurden im Rahmen des Registers neben Orten sowie historischen Persönlichkeiten des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit auch neuzeitliche Gelehrte insbesondere des 19. und 20. Jahrhunderts berücksichtigt, die jeweils durch eine Setzung in Kapitälchen gesondert ausgewiesen sind. Vor allem größere Lemmata wurden zusätzlich – entsprechend den hier dokumentierten Forschungsschwerpunkten des Autors – durch spezifische Sachbetreffe wie beispielsweise „Bistum“, „Konzil“ und „Reichsversammlung“ aufgefächert. Mit Blick auf die personengeschichtlichen Forschungen Heribert Müllers erfolgte zudem die Einordnung der Herrschafts‑ und Amtsträger jeweils unter den Namen ihrer Familien: Geistliche Fürsten und Prälaten wurden demnach – soweit möglich – nicht unter ihrem Bischofsamt oder ihrer Abtwürde aufgenommen, sondern in den jeweiligen familiären Kontext eingebunden (und zusätzlich durch Querverweise mit ihren Dignitäten verknüpft). Gleiches gilt auch für die weltlichen Herrschaftsträger im Reich sowie in den angrenzenden mittel-, ost‑ und südeuropäischen Königreichen und Fürstentümern, die ebenfalls unter ihrem Familiennamen bzw. dem Namen ihres Stammsitzes zusammengefaßt wurden. Entsprechend den im betreffenden Zeitraum für Frankreich, England und Burgund zu beobachtenden dynastischen Kontinuitäten wurden demgegenüber die einzelnen Herrscher und Fürsten hier dem Namen ihres jeweiligen Herrschaftsbereichs zugeordnet. Grundsätzlich orientieren sich die in den einzelnen Lemmata gewählten Namensformen an der jeweiligen Landessprache; deutsche Versionen finden jedoch auch dann Berücksichtigung, wenn sie – wie beispielsweise bei Königen und Fürsten – im allgemeinen Sprachgebrauch stehen. Folgende Abkürzungen werden verwendet: Bf. = Bischof, Bfe. = Bischöfe, Bm. = Bistum, Ebf. = Erzbischof, Ebfe. = Erzbischöfe, Ebm. = Erzbistum, Gf. = Graf, Gfin. = Gräfin, Gfn. = Grafen, Gft. = Grafschaft, Hzg. = Herzog, Hzge. = Herzöge, Hzgin. = Herzogin, Hzgt. = Herzogtum, Kand. = Kandidat, Kard. = Kardinal, Kf. = Kurfürst, Kft. = Kurfürstentum, Kg. = König, Kge. = Könige, Kgin. = Königin, Kgr. = Königreich, Kgt. = Königtum, Ks. = Kaiser, Lgf. = Landgraf, Lgfn. = Landgrafen, Mgf. = Markgraf, Mgfn. = Markgrafen, Mgft. = Markgrafschaft, OA = Ortsangabe, OCist = Ordo Cisterciensis, OFM = Ordo Fratrum Minorum, OP = Ordo (Fratrum) Praedicatorum, OSA = Ordo Sancti Augustini, OSB = Ordo Sancti Benedicti, OSBCam = Congregatio Monachorum Eremitarum Camaldulensium, Pfgf. = Pfalzgraf, SJ = Societas Jesu, u. = und, v. = von. Aachen OA ​114, 175, 199, 373 f., 377 f., 380, 385, 403, 429, 440 f., 460 –– Marienstift ​441  f. –– Stiftskapitel ​377 –– Kanoniker ​377 –– Stadt ​199, 381, 383 –– Bürgermeister ​377 –– Einwohner ​175

–– Rat ​377  f. –– Schöffen ​377 D’Achéry, Dom Luc ​127 Adalgils (Aldgisl), Friesenfürst ​432 Äthiopien ​206 –– Herrscher ​ → Zar’a Yā’qōb Äthiopien-Indien ​429 Afrikaner ​176, 377

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Register der Personen- und Ortsnamen

Agricola, Rudolf ​424  f. Ailly, Pierre d’ ​68, 163, 166, 173, 324, 364 Aix-en-Provence, (Erz‑)Bfe. ​→ Damiani, Robert; → Nicolai, Avignon; → Roger, Robert –– Sakristan ​ → Gérard, Jean –– causa ​307 Albenga, Bfe. ​→ Caretto, Matteo del Albergati, Niccolò, Kard. ​284, 316 f., 333–339, 344, 346 f., 349, 393 –– Sekretär ​ → Piccolomini, Enea Silvio Albi OA ​194 –– Bm. ​236 –– Bfe. ​→ Jouffroy, Jean –– causa ​297  f. Aleman, Louis, Kard. (v. Arles), Ebf. v. Arles, Präsident des Basler Konzils ​10, 18, 30, 272, 290, 297 f., 301, 305, 325, 353, 398 f. Alexander V. (Pietro Philargi [Peter v. Candia]), (Gegen‑)Papst ​249 Alexander (III.) der Große, Kg. v. Makedonien ​73, 77, 113 Alexander, Abt des Klosters Vézelay (OSB) ​ 342 Alexander-Stoff ​197 Alexandrien, (lateinische) Patriarchen ​ → Cramaud, Simon de; → Harcourt, Jean d’ Alteuropa ​62, 131, 426, 456 Althoff, Gerd ​111 Alvares, Francisco ​213 Amanzé, Jean d’, Sakristan v. Saint-Nizier/ Lyon ​342 Amaral, Luís d’, Bf. v. Viseu ​335 Amette, Léon-Adolphe, Kard. (v. Paris), Ebf. v.  Paris ​44 Amiens OA ​137 –– Bm. ​220, 224–226, 237 f., 314, 328 –– Bistumsstreit ​224 –– Bfe. ​ → Harcourt, Jean d’; → Le Jeune, Jean –– Bailli ​ → Le Jeune, Robert Ammanati-Piccolomini, Jacopo, Kard. ​194 Ammann, Hektor ​97  f. Ammon, Hans ​271 Anastasius II., Papst ​275 Andernach OA ​80 Andreas, Willy ​211 Angermeier, Heinz ​126  f. Angers, Bm. –– Domkapitel: Prokurator am Basler Konzil ​ → Ménage, Mathieu –– Geistlichkeit (Klerus) ​285 –– Scholaster ​ → Bouhale, Jean

–– Bfe. ​ → Bueil, Hardouin de –– Universität (Juristenhochschule) ​267–269, 285 Anisson, Jean ​21 –– Neffe ​ → Rigaud, Claude Anjou ​266–268, 288 –– Haus (Familie) ​34 f., 55, 143, 181, 220, 231, 266 f., 271, 273 f., 284–288, 332, 339, 341, 375, 405, 408 –– Gfn. (später: Hzge.) ​169, 351, 354 –– Karl (Charles) I. v., Kg. v. Sizilien (u.  Jerusalem) ​267 –– Karl (Charles) v., Gf. (später: Hzg.) v.  Maine ​273 –– Ludwig (Louis) I. v., Gf. v. Maine, (Titular‑)Kg. v. Sizilien ​163, 363 –– Ludwig (Louis) III. v., Gf. der Provence, Titularkg. v. (Neapel‑)Sizilien ​267 f., 270–273, 286, 410 –– Gemahlin ​→ Savoyen, Margarete v. –– Gesandte ​ → Blondelet, Jean; → Gérard, Jean; → Montchoisi, Geoffroy de –– Maria (Marie) v., Gemahlin Kg. Karls VII. v.  Frankreich ​267 –– René v., Hzg. v. Lothringen, Titularkg. v. Neapel ​34–36, 50, 196, 230 f., 259, 286, 288, 297, 408, 411 Anjou-Sizilien, Haus –– Elisabeth v. Slawonien, Nichte Kg. Ludwigs I. v. Ungarn u. Polen ​132 –– Johanna II. v. Anjou-Durazzo, Kgin. v. Neapel(‑Sizilien) u. Jerusalem ​270, 284 –– Ludwig (Louis) I. v., Kg. v. Ungarn u.  Polen ​151 Anrich, Ernst ​105–107 Antiochien, (lateinische) Patriarchen ​ → Mauroux, Jean Antoniter ​272 Aosta, Hzgt. ​353 Apollinaire, Guillaume ​383 Apostel, Zwölf ​275 Aquin, Thomas v. ​189 Aquitanien ​289 f., 292 f., 296, 303, 311 –– cour souveraine ​304; → Berland, Pey; → La Planche, Bernard de Aragón, Haus ​35, 48, 293, 297 –– Kgr. ​142, 147, 291, 294, 298, 305 –– Kge. –– Gesandte, Gesandtschaften ​251 –– Hof  ​35 –– Alfons V., Kg. v. Aragón u. Neapel-Sizilien ​ 34, 143–145, 298 f., 434

Register der Personen- und Ortsnamen –– Gesandte, Gesandtschaften ​144, 298 –– Sekretär ​ → Valla, Lorenzo –– Yolande (Violante) v. ​267, 285, 332 Arc, Jeanne d’ (Johanna v. Orléans) ​45, 49, 69, 138, 202 f., 218, 221, 312, 314 f., 318, 322, 367 Arces, Jean d’, Kard. (Papst Felix’ V.) ​307 Ardennen ​373 Arelat ​103, 244, 460 Arese, Andrea/Andreolo ​169 Aretino, Francesco ​192 Arezzo OA ​163, 363 Argonauten ​72, 142 Arianer ​386 Arles, (Erz‑)Bm. ​280 –– (Erz‑)Bfe. ​ → Aleman, Louis; → Hilarius; → Honoratus –– Kard. v. ​→ Aleman, Louis Armagnac ​308 –– Haus (Partei) ​201, 215, 217, 315 f., 332, 339 f., 375, 390 –– Jean d’, Ebf. v. Auch ​371 f., 375 Armagnaken ​67, 88, 130, 132 Armenier, Étienne, Marschall des Ebm.s Besançon ​253, 256, 259 –– Guy, Präsident des burgundischen Rates ​ 259 Arndt, Ernst Moritz ​48, 93 Arras OA ​11, 130 f., 222 f., 238, 261, 333 f., 336, 340 –– Bm. (Kirche) ​343 –– Kathedralkirche ​343 –– Kathedralkapitel ​343 –– Bfe. ​ → Porée, Martin –– Kanoniker ​ → Brunet, Pierre –– Stadt ​331 –– Saint-Vaast, Kloster (OSB) ​343 –– Propst ​ → La Taverne, Antoine de –– Kongreß (1435) ​11, 221, 227, 261, 273, 297, 312, 316–318, 328, 331–333, 335, 337–344, 346–349, 393 –– Frieden(svertrag) (1435 September 21) ​ 213, 215 f., 220, 228, 230 f., 236, 260, 331, 337 f., 343, 346–348, 405 Arthur/Artus, Kg. der keltischen Briten ​378 Artois ​217, 333 Artois-Flandern ​281 Aschaffenburg, Fürstentag (Juli 1447) ​135, 415 –– Mainzer Provinzialsynode (Juni 1455) ​417 Athener ​156 Athin, Familie ​255 Aubin, Hermann ​121

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Auch, Ebm. ​303, 308 –– Ebfe. ​→ Armagnac, Jean d’; → Lévis, Philippe II de Auclou, Robert, Archidiakon v. Brabant ​239 Augsburg, Bfe. ​→ Schaumberg, Peter v. –– St. Ulrich (u. Afra), Kloster (OSB) ​9 –– Reichsversammlung (April/Juni 1473) ​ 151 –– Reichsversammlung (April/Juni 1474) ​ 151, 450 Aura, Ekkehard v. ​54 Aurispa, Giovanni ​191, 194 Autrand, Françoise ​127, 137, 167 f., 322 Autun, Stadt ​457 Auxerre, Bm. ​3, 225 –– Bfe. ​→ Thoisy, Jean de Avaray, Claude-Théophile de Bésiade, Marquis d’, Gesandter Frankreichs (in der Schweiz) ​23–25 Avignon OA ​32–35, 50, 67, 69 f., 134, 157, 159, 175, 180–184, 191, 196, 231, 234, 286, 321, 346, 396, –– päpstl. Bibliothek ​182 –– Generalvikar ​→ Foix, Pierre de –– Kurie ​177 –– Kanzlei ​183 –– Stadt ​32 f., 35, 286 –– Einwohner ​286 –– Universität ​182 –– Kollegien: St-Marcel u. St-Michel ​182 Avis, Haus (Familie) ​143; → Portugal – Duarte, Kg. v. Ayroles, Jean-Baptiste-Joseph (SJ) ​312 Azurara, Gomes Eannes de, portugiesischer Chronist ​142, 428 Babenberger –– Friedrich II., Hzg. v. Österreich u.  Steiermark ​458 –– Gertrude, (Titular‑)Hzgin. v. Österreich u.  Steiermark ​458 Bachenstein, Johann ​306 Bachmann, H. ​47 Baden, Mgfn. ​442 –– Georg v., Bf. v. Metz ​421, 442 f. –– Johann II. v., Ebf. v. Trier, Kf. ​76, 81, 149, 442, 450, 454 Baden-Baden OA ​63 Badenweiler OA ​145 Baethgen, Friedrich ​122 Bainville, Jacques ​49 Baluze, Étienne, Bibliothekar des JeanBaptiste Colbert, Sekretär des Pierre de

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Register der Personen- und Ortsnamen

Marca ​1–6, 8–15, 19–22, 28–30, 127, 281 f., 323 Bamberg, Bfe. ​→ Schaumberg, Georg v. Bamberger Streit ​254  f. Bar, Hzgt. ​288, 345, 433 Barbaro, Francesco ​190 Barbo, Ludovico (OSB), Bf. v. Treviso, Abt des Klosters Santa Giustina (OSB)/Padua ​ 264, 270 f., 283–287 Bardi, Roberto de’, Kanzler der Universität Paris ​166 Bartier, John ​80, 218 Barzizza, Gasparino ​185–187 Basel OA ​1 f., 6, 9, 12 f., 15 f., 18–26, 30, 32 f., 38, 56, 67, 71, 138, 172, 186, 234, 243, 250, 253 f., 256, 258–260, 262, 271, 278, 286 f., 289 f., 295, 298, 301 f., 305 f., 308–310, 312 f., 316, 318 f., 321, 323, 325, 327 f., 342, 346, 392, 394, 396 f., 405, 414, 429 –– Bm.: Münster ​32, 242, 296, 325, 351, 353 f., 393, 403, 428 –– Kaplan ​ → Knebel, Hans (Johann) –– Konzilsaula ​69, 290, 295, 311, 427 –– Bfe. ​→ Fleckenstein, Johannes v. –– Republik ​26 –– Archive ​26 –– Öffentliche Bibliothek ​→ Basel, Universität –– Bibliothekare ​→ Buxtorf, Johann Jakob; → Iselin, Jakob Christoph; → Werenfels, Samuel –– Bürgermeister ​26 –– Einwohner (Basler) ​7, 12 –– greffier ​ → Christ, Franz –– Magistrat ​2, 17 f., 20, 22, 24–26, 30 –– Mitglieder ​→ Faesch, Christoph –– Museum (Cabinet) Faesch ​7–9 –– Postmeister ​→ Schaub, Jacques –– Rat ​26, 308 –– Sekretär ​27 –– Senat ​26 –– Stadt ​7, 13, 18, 26, 32, 253, 324 –– Archivar ​→ Wackernagel, Rudolf –– Bürgermeister ​308 –– Medici-Filiale ​290, 304 f., 310; → Martelli(s), Roberto –– Franziskanerkloster ​276 –– St. Jakob, Kirche ​305 –– St. Margarethen, Kirche ​305 –– Universität ​12 f., 25, 37, 46 –– Öffentliche Bibliothek der Universität ​ 5, 8, 15, 19 f., 26 f.

–– Bibliothekar ​ → Zwinger, Johannes –– Professoren ​ → Battier, Samuel; → Zwinger, Johannes –– Rektoren ​ → Iselin, Jakob Christoph –– Konzil (1431–1449) ​1, 4 f., 8–15, 17, 22, 26–30, 32–35, 37, 39, 50, 56, 66–71, 120, 128, 130 f., 133 f., 137, 149, 179, 186 f., 209, 215, 217, 219 f., 224, 226 f., 230–237, 239, 241–244, 250–257, 259–262, 264–266, 268, 270–281, 283–290, 292, 294–325, 327–330, 334–344, 346–351, 353–361, 392–399, 402–410, 414 f., 417, 427 f., 433, 444; (Basel‑)→ Lausanne, Konzil –– Akten (Basiliensia) ​1, 4, 6, 9, 11 f., 14–16, 18–23, 26, 28 f., 31, 282 –– Dekrete ​20, 28, 30, 32, 138, 286, 294, 299 f., 313, 320 f., 323 f., 348, 395 f., 398, 407 –– Deputationen: Glaubensdeputation (pro fidei) ​297 –– Kommundeputation (pro communibus): Präsident ​ → Lapalud, Louis de –– Gesandte, Gesandtschaften ​35, 231, 242 f., 257, 261, 272, 281, 297, 302, 305, 310, 318, 321, 323, 333, 336–344, 346–348, 393, 404, 406; → Alexander, Abt des Klosters Vézelay (OSB); → Cadoène, Bertrand de; → Cameron, John; → Carlier, Gilles; → Flamochet, Guy; → Hugues d’Étain, Guillaume; → Landriani, Gherardo; → Lasocki, Nikolaj; → Lévis, Philippe II de; → Loiseleur, Nicolas; → Lusignan, Hugues de; → Montchoisi, Geoffroy de; → Montjeu, Philibert de; → Talaru, Amédée de –– Konzilsaula ​ → Basel, Bm.: Münster –– Konzilsväter ​10, 14, 18, 30, 32, 69, 158, 215, 227, 234, 236, 239, 242, 252 f., 255, 261 f., 265, 270, 272, 277, 279, 281, 283, 285–287, 296, 298–300, 302 f., 305, 307–312, 315 f., 318 f., 321, 323–325, 329, 335, 337–339, 341 f., 346–348, 352 f., 356, 360, 393–398, 405, 414, 428 –– Nationen ​68, 294, 393 –– deutsche Nation ​134, 297 –– französische Nation ​69 f., 296, 300, 345 –– spanische Nation ​328 –– Notare ​343; → Brunet, Pierre –– Praekognitor ​272

Register der Personen- und Ortsnamen –– Präsident ​403; → Aleman, Louis; → Cesarini, Giuliano; → La Planche, Bernard de –– Protektoren ​ → Bayern-München – Wilhelm III., Hzg. v.; → Weinsberg, Konrad v. –– Protokolle ​1, 34, 36, 137, 243, 254, 261, 271 f., 286 f., 316, 337 f., 343, 350 f. –– Rota ​9, 254 –– Sermones ​306 –– Universität ​301 –– Vizekanzler ​ → Aleman, Louis; → Rochetaillée, Jean de –– Zwölfmännerkolleg ​272 –– gescheitertes Konzil (1482) ​205, 209 Basin, Thomas, Bf. v. Lisieux ​52, 146, 187, 189, 273, 422–424, 449, 451 f., 461 Battier, Samuel ​12  f. Baudrillart, Alfred-Henri-Marie, Kard. ​44 f. Bayern, Hzge. ​324, 442 Bayern-Ingolstadt, Hzge. –– Elisabeth v. (Isabeau de Bavière), Gemahlin Kg. Karls VI. v. Frankreich ​368 –– Ludwig VII. (der Bärtige), Hzg. v. ​131 Bayern-Landshut, Hzge. ​151 –– Heinrich IV. (der Reiche), Hzg. v. ​255 –– Ludwig IX. (der Reiche), Hzg. v. ​149, 376 Bayern-München, Hzge. –– Albrecht IV., Hzg. v. ​443 –– Wilhelm III., Hzg. v., Protektor des Basler Konzils ​252 –– Wolfgang, Hzg. v. ​436 Bayern-Straubing, Hzge. –– Margareta v., Tochter Hzg. Albrechts I. v.  Bayern-Straubing ​430 Bayeux, Bm. (Kirche) ​184, 190, 366 –– Archidiakon ​ → Clamanges, Nicolas de –– Domkapitel: Bibliothek ​188 –– Kanoniker ​ → Plumetot, Simon de –– Kantor ​ → Clamanges, Nicolas de –– Kanzler ​ → Plumetot, Simon de –– Scholaster ​ → Castiglione, Giovanni da –– Bfe. ​ → Castiglione, Zanone da; → Harcourt, Louis (II) d’ Beauce ​29 Beaucourt, Gaston Du Fresne, Marquis de ​ 331 Beaufort, Henry, Kard. (v. England), Bf. v. Winchester ​184, 335 –– Hof ​190 Beaumont ​ → Harcourt, Christophe d’

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Beaune OA ​228 –– Stadt ​457 Beaune, Colette ​70, 418 Beaupère, Jean ​30, 315 f., 327 Beauvais, Bm. ​314 –– Bfe. ​→ Cauchon, Pierre; → Dormans, Miles de Beccaria, Antonio, Sekretär des Hzg.s Humphrey v. Gloucester ​186, 190 Bedford, Hzge. ​→ Lancaster, John of Bélard, Jean, Bf. v. Fréjus ​271 Belgien ​100, 102, 121 Belgier ​44 Belley, Bfe. ​→ Didier, Guillaume Bellitto, Christopher M. ​179 Below, Georg v. ​42, 46, 65, 114 Beltran, Evencio ​162, 183 f., 189, 194 f. Benedikt (v. Nursia), Heiliger ​269, 290 Benedikt XIII. (Pedro de Luna), (Gegen‑) Papst ​177, 181 f., 252, 290–292, 298 –– Kanzlei ​117 Benediktinerorden, Konvente ​291 Beneš, Edvard, Staatspräsident der Tschechoslowakei ​277 Berchen, Willem van, geldrischer Chronist ​ 452 Bergamo, Bfe. ​→ Regatiis, Franciscus de Bergengruen, Werner ​89 Bergisches Land ​99 Berillon, Dr. ​52 Berland, Pey, Ebf. v. Bordeaux ​304 Berlin OA ​15, 20, 28 f., 38, 46, 93 Berney, Arnold ​110 Berruyer, Martin, Dekan v. Tours ​397 Berry, Hzge. ​169, 366 –– Johann (Jean) I., Hzg. v. ​197, 370, 373 Bersuire, Pierre, Prior v. St-Éloi/Paris ​157 f., 197 Bertrand, P. ​62 Besançon OA ​5, 103, 228, 253, 256–258, 260–262 –– Ebm. ​243–245, 248, 251–253, 255 f., 262 –– Archidiakon ​245 –– Dekan ​254 –– Generalvikar ​→ Gribo(n)val, Jean de –– Kathedralkapitel ​243–245, 254, 258, 260, 324 –– Kanoniker ​→ Chevrot, Jean –– Marschall ​→ Armenier, Étienne –– Erzstift: Privilegien ​247 –– Ebfe. ​243–245, 247 f., 262 f.; → Condulmer, Francesco (Kand.); → Fruyn, Jean de (Elekt); → Ménart,

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Register der Personen- und Ortsnamen

Quentin; → Neufchâtel, Charles de; → Norry, Jean de; → Rochetaillée, Jean de; → Rougemont, Eudes de; → Rougemont, Thiébaud de –– Stadt ​243–248, 251, 253–256, 258–263, 324 –– Bürger(schaft) ​242, 245–247, 251–254, 256, 261–263 –– Einwohner ​261 –– Geistlichkeit (Klerus) ​247, 256 –– Gemeinde ​244  f., 247 –– Gesandte, Gesandtschaften ​259; → Armenier, Étienne; → Mouchet, Jacques –– Gouverneure (Gubernatoren) ​248, 251 –– Mont Rognon (Rosemont) ​244 –– Rat ​248 –– St-Paul, Kloster (OSA): Abt ​260 –– St-Vincent, Kloster: Prior ​5 –– Stadtviertel ​248 –– causa ​252–255, 257, 261 f. Bessarion, Kard. ​147 Bethlehem, Geburtskirche ​429 Beumelburg, Werner ​89–91 Beuzart, Paul ​131 Bezold, Friedrich v. ​109 Bignon, Jean-Paul (abbé Bignon) ​1 f., 16, 22–30 Bingen, Kurverein (1424) ​450 Birr, Johann Jakob, Onkel des Jakob Christoph Iselin ​28 Bismarck – Otto, Fürst v. ​40–43 Bisticci, Vespasiano da ​194 Blankenheim – Gerhard, Gf. v. Looz-Heinsberg-B. ​138, 416 –– Gemahlin ​ → Moers, Margareta v. Blauenstein, Niklaus Gerung gen. ​443 Bleuel, Hans-Peter ​64 Bloch, Marc ​42, 62, 65, 123 Blois OA ​237 Blondelet, Jean, Kanzler u. Praekantor an der Kathedralkirche v. Tours ​272 Boccaccio, Giovanni ​169, 172, 175, 181, 191, 196 f. Böhm, Helmut ​161 Boehm, Max Hildebert ​104  f., 115 Böhmen, Kgr. ​145, 147, 150 f., 193, 394, 437 f., 458 –– Kurwürde ​150, 437 f., 454 –– Gubernator ​ → Podiebrad, Georg v. –– Katholiken ​394 –– Söldner ​415 –– Taboriten ​394

–– Utraquisten ​394 –– Kge. ​400, 448, 459; → Habsburg – Ladislaus Postumus; → Jagiellonen – Ladislaus II.; → Luxemburg – Karl IV.; → Luxemburg – Sigismund; → Luxemburg – Wenzel (IV.); → Podiebrad, Georg v. Böll, Heinrich ​362 Bohatec, Josef ​161 Boisserée, Sulpiz ​446 Boivin, Jean ​23, 29 Bologna OA ​163, 187, 210 –– Universität ​192 –– Konkordat (1516) ​213 Bolomier, Guillaume, kemmerling Papst Felix’  V. ​411 Bonenfant, Paul ​425, 432 Bonifaz VIII. (Benedetto Gaetani), Papst ​56 Bonifaz IX. (Pietro Tomacelli), Papst ​384 Bonn OA ​77, 93, 107, 313 –– Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande ​91 f., 100, 106, 121 –– Universität ​87, 98, 106 f. –– Professoren ​ → Platz, Hermann; → Platzhoff, Walter; → Steinbach, Franz Bonomelli, Geremià, Bf. v. Cremona ​36 f. Boockmann, Hartmut ​139 Boppard, Helwig v., Dr. decr. ​406 Bordeaux, Ebm. ​303  f. –– Ebfe. ​ → Berland, Pey; → Montferrand, David de –– St-Seurin, Stift: Kanoniker ​→ La Planche, Bernard de –– Ste-Croix, Kloster (OSB) ​290 –– Sakristan ​ → La Planche, Bernard de Bosch, Robert ​65 Boso, Gf. v. Vienne, Kg. v. Niederburgund ​ 454 Bossuet, Jacques-Bénigne ​10, 313, 323 Bouhale, Jean, Dr. iur.utr., Scholaster v. Angers, Kanzler an der Kathedralkirche v.  Tours ​268 Bouillon, Gottfried v., Hzg. v. Niederlothringen ​429 –– Bruder ​ → Jerusalem – Balduin I., Kg. v. Bourbon, Haus (Bourbonen) ​95 –– Agnes v., Schwester Hzg. Philipps des Guten v. Burgund ​74 –– Karl (Charles) v., Ebf. v. Lyon ​74 –– Karl (Charles) I., Hzg. v., Schwager Hzg. Philipps des Guten v. Burgund ​237, 332 –– Ludwig (Louis) v., Bf. v. Lüttich ​74, 240 Bourges OA ​234, 348, 402, 415

Register der Personen- und Ortsnamen –– Klerusversammlungen ​313, 317, 321, 328, 346, 399 –– (1432) ​219  f. –– (1438) ​241, 317, 321 f., 346 –– (1440) ​322, 324, 399 –– (1444) ​399 –– Kongreß (Juni 1447) ​414 –– Vertrag (Juni 1447) ​135, 393, 414, 418 –– Pragmatische Sanktion (1438) ​20, 50, 241, 322, 324, 346, 348, 398 f., 407, 410, 417 Bourron, Jean, Abt des Klosters St-Germaindes-Prés (OSB)/Paris ​286 Bouvier, Gilles Le, dit Héraut Berry ​339, 414 Bouvines, Schlacht (1214) ​55 Boze, Claude Gros de 15 Bozen OA ​103 Bozzolo, Carla ​162 Brabant ​371, 374, 380, 441 –– Kg.(reich) ​432, 434 –– Hzgt. ​217, 427, 430, 432 f. –– Hzge. ​ → Burgund – Karl der Kühne, Hzg. v.; → Burgund – Philipp III. der Gute, Hzg. v. –– Philipp I., Hzg. v. ​225 –– Archidiakon ​ → Auclou, Robert Bracciolini, Poggio ​171, 178 Brandenburg, Mgfn. ​324, 400, 455 –– Albrecht v., Kard., Ebf. v. Magdeburg u. Mainz, Kf. ​206 –– Albrecht (Achilles), Mgf. v., Kf. ​150 f., 422, 424, 443, 448 f., 454, 456 –– Gesandte, Gesandtschaften ​442 f., 445, 447 f., 451; → Eyb, Ludwig v.; → Stein, Hertnidt vom –– Räte ​449 –– Schwiegersohn ​ → Podiebrad – Heinrich I. (der Ältere) v. –– Friedrich II., Mgf. v., Kf. ​437 –– Friedrich III. (I.), Mgf. v., Kf., Kg. in Preußen ​461 Brandi, Karl ​42, 85 Brasilien ​206 Braubach, Max ​93 Braunschweig-Lüneburg – Friedrich II., Hzg. v. ​146 Brecht, Bertold ​89 Bregille (bei Besançon) OA ​263 Breslau, Stadt ​150 Bretagne ​351, 361 –– Diözesen ​351, 361 –– Kge. ​352, 359 –– Hzgt. ​351, 353, 358, 360, 427

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–– Hzge. ​350–352, 354 f., 358–360 –– Gesandte, Gesandtschaften ​350 –– François II, Hzg. der ​459 –– Jean (Johann) V, Hzg. der ​352, 354, 356, 361 –– Gesandte, Gesandtschaften ​350–352, 354, 356 f., 359–361, 402; → Gendron, Jean; → Rennes, St-Melaine, Kloster (OSB) – Abt; → St-Pol-de-Léon, Bf. v.; → Tréguier, Bf. v. –– Herold ​→ Montfort Bretonen ​351, 378 Brixen OA ​103 Brügge OA ​72 –– Stadt ​217 –– Hochzeit (Juli 1468) ​441 Brühl OA ​75 Brühl, Carlrichard ​58 Brüssel OA ​102, 403, 413, 446 –– Stadt ​235 –– Palais du Cinquentaire ​102 Brulart de Sillery, Roger, Marquis de Puysieulx, Kommandant der Festung Huningue-St-Louis, Gesandter Frankreichs (in der Schweiz) ​6–9 –– Kinder ​7 Bruneck OA ​103 Brunet, Pierre, Kanoniker in Arras, Notar des Basler Konzils, Sekretär des Bf.s Martin Porée v. Arras ​1, 4, 11, 30, 243, 287, 297, 338, 343, 347 Bruni, Leonardo ​170, 174, 179, 186, 190, 192, 197, 379 Buda (Ofen) OA ​152 –– ungarischer Reichstag (Februar 1455) ​152 Budapest OA ​289; → Pest Budé (Budaeus), Guillaume ​161 Bueil, Hardouin de, Bf. v. Angers ​285 –– Prokurator am Basler Konzil ​→ Ménage, Mathieu Bülow – Bernhard, (Gf.) Fürst v. ​51 Büttner, Heinrich ​104 Bugey ​138 Bundesrepublik Deutschland ​→ Deutschland Burckhardt, Jacob ​80, 191, 412 Burgos, Bfe. ​→ Garciá de Santa Maria, Alonso Burgund ​33, 101–105, 159, 191, 228, 240, 352 –– Haus (Partei) ​168, 201, 217, 222, 224, 316 f., 332–334, 336, 339, 344, 368, 375, 390 f., 401, 412, 424, 435, 439, 441 f., 454 –– Kgr. ​421, 448, 450, 452

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Register der Personen- und Ortsnamen

–– Kgt. ​437 f., 441 f., 454 –– Hzgt. ​72–74, 76 f., 80, 83, 85, 88, 92 f., 96–98, 106, 110–113, 115, 119 f., 127, 130–133, 141–143, 146, 153, 178 f., 213, 215, 217–219, 221, 228, 238 f., 241, 248, 251, 255, 262 f., 342, 353 f., 356, 358, 375, 392 f., 396, 402–405, 407 f., 411 f., 414, 416–418, 427, 436, 438, 440, 443, 448, 452, 456–458, 460 –– Adel ​194, 221 –– Einwohner (Burgunder) ​52, 102–104, 421 –– Rat: Präsident ​→ Armenier, Guy –– Hzge. ​77, 97, 131, 151, 169, 191, 216, 218, 244, 246, 258, 351, 353–356, 358 f., 366, 392, 401 f., 418, 426, 457, 461 –– Gesandte, Gesandtschaften ​433; → Thoisy, Jean de (II); → Vivien, Jean –– Hof  ​72, 81, 198, 228, 239, 412, 424, 432, 437, 457 –– Räte ​457 –– Agnes v. ​→ Bourbon, Agnes v. –– David v., Bf. v. Utrecht ​240 –– Johann v., Ebf. v. Trier, Bf. v. Cambrai ​ 240, 413 –– Johann Ohnefurcht (Jean sans Peur), Hzg. v. ​74, 182, 215, 222, 245 f., 342, 347, 353, 402, 426, 449 –– Kommissare ​246 –– Milchbruder ​→ Harcourt, Jacques d’ –– Räte ​246 –– Karl der Kühne (Charles le Téméraire), Gf. v. Charolais, Hzg. v. Burgund u. Brabant ​52, 67, 73–84, 88–90, 93, 95–98, 102 f., 105 f., 111–113, 115, 119–121, 123, 148 f., 153 f., 211, 238, 263, 352, 354, 358, 375 f., 418, 421–425, 429, 433 f., 437–457, 459–461 –– argentier ​ → Gondeval, Nicolas de –– Gefolge ​444, 446 –– Gemahlinnen ​→ Frankreich, Katharina v.; → York, Margarete v. –– Gesandte, Gesandtschaften ​149  f., 438, 440, 450; → Fillastre, Guillaume, der Jüngere; → Haneron, Antoine; → Mulart/Muyla(e)rt, Simon –– Goldschmied ​→ Loyet, Gérard –– Herold ​75; → Carin, Stefan v. –– Hof ​140, 191 –– Kanzler ​ → Hugonet, Guillaume –– Räte ​455; → Mulart/Muyla(e)rt, Simon –– Truppen (Burgunder) ​78, 91

–– Margarete (I) v., Tochter Hzg. Philipps des Kühnen v. Burgund ​426 –– Margarete (II) v., Schwester Hzg. Philipps des Guten v. Burgund, Gemahlin des Arthur de Richemont ​221 –– Maria (I) v., Schwester Hzg. Philipps des Guten v. Burgund, Mutter Hzg. Johanns I. v.  Kleve ​412 –– Maria (II) v., Tochter Hzg. Karls des Kühnen v. Burgund, Gemahlin Kg. Maximilians I. ​62, 83, 423, 436, 438, 440–442, 444, 448, 453 –– Philipp II. der Kühne (Philippe II le Hardi), Hzg. v. ​74, 216, 245, 369–371, 373, 426 –– Gemahlin ​ → Flandern – Margarete v. Maele, Gfin. v. –– Philipp III. der Gute (Philippe III le Bon), Hzg. v. Burgund u. Brabant ​72, 74, 76, 79, 120, 123, 126, 128, 141–149, 152, 192, 194 f., 213, 217, 219–222, 225–232, 234–240, 247, 251, 257–260, 263, 316, 318, 331 f., 339–342, 344–347, 351–354, 357, 360, 375 f., 394, 402–404, 408–412, 415, 417, 426–439, 441, 447–451, 453–455, 457–459, 461 –– Bastardbruder ​ → Burgund, Johann v. –– Bastardsohn ​ → Burgund, David v. –– Beichtvater ​ → Pignon, Laurent –– Gemahlin ​→ Portugal, Isabella v. –– Generaleinnehmer ​→ Chousat, Jean –– Gesandte, Gesandtschaften ​17, 143, 219, 230, 255–258, 341, 350 f., 353–355, 357, 359–361, 402 f., 427 f.; → Chevrot, Jean; → Ee, Adriaan van der; → Fillastre, Guillaume, der Jüngere; → Fruyn, Jean de; → Gelinier, Guy; → Germain, Jean; → Gribo(n)val, Jean de; → Haneron, Antoine; → Heessel, Heinrich v.; → Jacquier, Nicolas; → Jouffroy, Jean; → Lalaing, Simon de; → Le Jeune, Jean; → Ménart, Quentin; → Montjeu, Philibert de; → Pelluchot, Jean; → Pignon, Laurent; → Vásquez de Saavedra, Pedro –– Herold ​233 –– Hof  ​74, 257, 259, 356 f., –– Kammerherr ​ → Harcourt, Jacques d’ –– Kanzler ​ → Rolin, Nicolas –– Kommissar ​ → Chevrot, Jean –– Konkordat (1441/42) ​240  f. –– Mutter ​ → Bayern-Straubing, Margarete v.

Register der Personen- und Ortsnamen –– Großer Rat: Vorsitzender ​→ Chevrot, Jean –– Räte ​347; → Chevrot, Jean; → Gelinier, Guy; → Harcourt, Jacques d’; → Harcourt, Jean d’; → Pelluchot, Jean –– Freigft. (Franche-Comté) ​73, 103–105, 123, 227 f., 245–247, 251, 257, 260, 263, 452 –– burgundischer Kreis ​104 –– Reichsvikariat ​246 Burgund(ionen), Kgr. (altes) ​103, 421, 452 f., 459 –– Kge. ​352; → Gundobad Burgunderbeute ​446 Burgunder-Briefbuch ​78 Burgunderkriege ​83, 97 Burgundisches Erbe ​83, 147 Buxtorf, Familie ​7 –– Johann Jakob, Bibliothekar der Stadt Basel ​7–9 Buzay, Kloster (OCist) – Äbte ​→ Gendron, Jean Byzantiner ​→ Griechen Byzanz OA ​54; → Konstantinopel Byzanz, Byzantinisches Reich ​32 –– Johannes VIII. Palaiologos, byzantinischer Ks. ​35 Cádiz, Bfe. ​→ González, Juan Cadoène, Bertrand de, Bf. v. Paphos u. Uzès ​ 342 Caen, Universität ​188  f. –– Kanzler ​ → Castiglione, Zanone da –– Rektoren ​ → Castiglione, Pietro da Caesar, Gaius Julius ​113, 279, 376 f. Cagny, Perceval de ​331 Calixt III. (Alonso de Borja [Borgia]), Papst ​ 153, 185 Calvin (Cauvin), Johannes (Jean) ​161, 312 Cambrai OA ​218, 228, 232 –– Bm. ​239 f., 343, 366, 427, 436, 448 –– Bfe. ​ → Burgund, Johann v. –– Dekan ​ → Carlier, Gilles Cameron, John, Bf. v. Glasgow ​339 Campin, Robert (Meister v. Flémalle) ​217 Camps, François de, Kommendatarabt des Klosters Signy (OCist) ​17 f., 22, 26 Canivet, Gilles ​315, 327 Canterbury, Vertrag (1416) ​128, 130 Capistran, Johannes (OFM) ​143 f. Capranica, Domenico, Kard. ​282 Capranis/Cavriani(?), Galeazzo de, Kammerkleriker Papst Eugens IV. ​265

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Caretto, Matteo del, Bf. v. Albenga ​341 Carin, Stefan v., wapen regent v. Royer ​76 Carlier, Gilles, Dekan v. Cambrai ​12, 30, 130, 267, 281–283, 339, 397 Cartier, J.-F. ​62 Carvajal, Juan de, Kard. ​134, 145, 399, 406 Casanate, Girolamo, Kard. ​4, 9 Cassel, Propst v. ​237 Castiglionchio, Lapo di, der Jüngere ​187 Castiglione, Familie ​184, 190 f. –– Branda da, Kard. (v. Piacenza), Admi­ni­ strator des Bm.s Lisieux ​184, 187, 252 –– Branda jr. da ​189 –– Francesco da ​189 –– Giovanni da, Kard., Bf. v. Coutances ​185, 189 f. –– Pietro da, Rektor der Universität Caen ​ 188 f. –– Zanone da, Bf. v. Lisieux u. Bayeux, Kanzler der Universität Caen ​184–190, 296 –– Sekretär ​→ Talenti, Rolando Castres, Bfe. ​→ Machet, Gérard Cauchies, Jean-Marie ​79 Cauchon, Pierre, Bf. v. Beauvais u. Lisieux ​ 296, 314 f. Cecchetti, Dario ​162, 176 f., 184 Ceffons, Pierre de (OCist) ​166 Celtis, Konrad ​198 Cervia, Bfe. ​→ S. Marcello, Christoforo di Cesarini, Giuliano, Kard., Präsident des Basler Konzils ​252, 283, 300, 311, 325, 338, 349, 395 Chabannes, Antoine de, Gf. v. Dammartin ​ 452 Chablais, Hzgt. ​353 Chablis (bei Auxerre), Ort ​230 Chalcedon, Konzil (451) ​300 Chalon, Haus ​247 –– Herren ​245 –– Ludwig (Louis) II., Herr v. ​246 f., 260 Chalon s/Saône OA ​73, 103 –– Bm. ​319 –– Bfe. ​→ Orges, Hugues d’ Chambéry, Dominikanerkloster – Prior ​ → Flamochet, Guy Champagne ​180, 364 Champier, Symphorien ​156, 158 Chantemerle, Taupin de ​371 f. Charles, Simon, Ritter ​33  f., 218 Charlieu (bei Mâcon), Ort ​230 Charolais, Gf. v. ​→ Burgund – Karl der Kühne, Hzg. v.

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Register der Personen- und Ortsnamen

Chartier, Alain, Sekretär Kg. Karls VII. v. Frankreich ​196, 201 –– Jean ​136, 330  f. Chartres, Dominikanerkloster – Prior ​ → Monginot –– Kanoniker ​28 Chartres, Regnault de, Ebf. v. Reims, französischer Kanzler ​30, 221, 226, 314, 328, 332, 398 Chastellain, Georges, burgundischer Chronist ​ 80, 222, 391, 427, 446 Châtelain, Émile ​318 Chevrot, Jean, Bf. v. Tournai, Offizial u. Archidiakon v. Rouen ​219  f., 225–229, 231–235, 237–240, 251, 253, 258 Chezal-Benoît, Kloster (OSB) ​269 Chilly (Bm. Besançon) OA ​228 Chiniac, Pierre de ​3 Choquart, Anseau ​157 Chousat, Jean, herzoglicher Generaleinnehmer ​228, 258 Christ, Franz, greffier der Republik Basel ​ 26 f. Christen, ‑heit ​32, 82, 153, 207, 321, 323, 330, 338, 348, 393, 428, 432, 440 –– äthiopische ​206, 213 –– griechische (Griechen) ​32 –– lateinische (Lateiner) ​32, 207, 213, 311, 395 –– im Osten ​206 Christophorus, (Gegen‑)Papst ​275 Chur, Bfe. ​→ Naso, Johann IV. Ciboule, Robert ​325  f. Cicero, Marcus Tullius ​165 f., 168 f., 173 f., 177 f., 181, 187, 189, 191, 193, 195, 200 f. Cilli – Ulrich II., Gf. v. ​431, 434 Clairac, St-Pierre, Kloster (OSB; Clunia­ zenser) ​290 Clamanges, Nicolas de, Kantor u. Archidiakon v. Bayeux ​159, 162 f., 167 f., 176–184, 190 f., 363, 365, 376, 378, 384, 389 f. Claudel, Paul ​45 Clematius (Inschrift) ​385 Clemenceau, Georges ​39, 61 Clemens VII. (Robert v. Genf), (Gegen‑) Papst (Avignon) ​159, 218 –– Sekretär ​ → Muret, Jean Clemens XI. (Giovanni Francesco Albani), Papst ​14 Clercq, Jacques Du, Chronist ​225, 431 Clugny, Ferry de, Bf. v. Tournai ​240 Cluniazenser ​272

Cluny, Kloster (OSB) ​269 Cochin, Henri ​52 Coëtquis, Philippe de, Ebf. v. Tours ​30, 35, 134, 219 f., 278, 299, 319, 327, 351–354, 357, 359 f., 396 Cœur, Jacques, argentier Kg. Karls VII. v. Frankreich ​135, 138, 329 Coimbra, João ​142 Col, Gontier, königlicher Sekretär u. Notar, Mitarbeiter der Kanzlei Hzg. Ludwigs v. Orléans ​168, 170, 174, 181 –– Pierre ​167, 174 Colbert, Jean-Baptiste, Marquis de Seignelay ​ 2 f., 6 f., 9, 20 –– Bibliotheca Colbertina (Colbertiana) ​3, 282 –– Bibliothekar ​ → Baluze, Étienne Collard, Franck ​198 Colonna, Giovanni, Kard. ​382 Combes, André ​389 Comicus (Marcus Aurelius) ​380 Commynes, Philippe de ​54, 191 f., 203, 376, 446 f. Compiègne ​374 Condulmer, Francesco, Ebf. (Kand.) v. Besançon, Bf. v. Verona ​229, 263, 324 Conring, Hermann ​3  f. Contamine, Philippe ​168, 348, 414 Conze, Werner ​101 Corbeil, Aegidius v. (Gilles de Corbeil) ​53 Corio, Bernardino ​156, 188 –– Marco, Neffe des Rolando Talenti ​188 Corone OA ​190 Correr, Antonio, Kard. ​254 Corvinus, Matthias, Kg. v. Ungarn ​83, 147 f., 150–152, 437 f., 440, 456, 458 –– Gesandte, Gesandtschaften ​149  f. Cosenza, Telesphorus v. (OFM) ​67 Cossart, Gabriel (SJ) ​3 Cotentin ​166 Coucy, Enguerran de ​163, 363 Coulon, Laurent ​332 Courcelles, Familie ​137 –– Jean de, Archidiakon v. Josas (Kirche v.  Paris) ​327  f. –– Thomas de, Archidiakon v. Gent ​8, 30, 137 f., 290, 312–330, 346, 399 Courcy, Jean de, Ritter ​197 Courtecuisse, Jean, Bf. (Elekt) v. Paris ​180, 249 Coutances OA ​184 –– Bm. (Kirche) ​189, 366 –– Bfe. ​ → Castiglione, Giovanni da; → Montjeu, Philibert de

Register der Personen- und Ortsnamen Coville, Alfred ​163, 388 Cramaud, Simon de, Patriarch v. Alexandrien ​ 369, 372 Creil, Eudes de ​187 Cremona, Bfe. ​→ Bonomelli, Geremià Crispi, Francesco ​37 Crombach, Hermann (SJ) ​386 Cyprianus, Thascius Caecilius, Heiliger, Kirchenvater ​19, 21, 29 Dänemark, Kge. –– Erik VII. (Erich v. Pommern), Kg. v. Däne­ mark, Norwegen u. Schweden ​341, 348 –– Gesandte, Gesandtschaften ​354 Dänen ​122 Dagö, Insel ​40 Daguesseau, Henri-François, französischer Kanzler ​1, 14–23, 25, 30 Damiani, Robert, (Erz‑)Bf. v. Aix-en-Provence ​295 Dammartin, Gfn. ​→ Chabannes, Antoine de Dannenbauer, Heinrich ​31, 43, 56, 64, 66 Dante Alighieri ​39, 52 Danzig OA ​93 Daret, Jacques ​217 Darquet (d’Arquet), Jean ​196 Daudin, Jean, Kanoniker an der Ste-Chapelle/ Paris ​159 Dauphiné ​131 David II. (Lébna Dengel), Negus ​213 Dax, Bm. ​289, 296, 301, 303, 305, 307 f., 310, 327 –– Bfe. ​→ La Planche, Bernard de; → La Sègue, Garsie-Arnaud de –– Kard. v. ​→ La Planche, Bernard de Decembrio, Pier Candido ​187 f. Degrelle, Léon ​102  f. Deisenroth, Alexander ​64 Delbrück, Hans ​42 Delft OA ​457 Denifle, Henri-Suso (OP) ​318 Deuil, Odo v., königlicher Sekretär ​54 Deutschbalten ​45, 50, 71, 122 Deutsche (Alemanni, Germani), Deutsches Volk ​36, 39–41, 43–45, 48, 52, 54 f., 60, 62, 64 f., 69, 88–90, 93, 95, 105 f., 108, 111, 113, 115 f., 118, 133, 147, 175, 198, 367–369, 375–378, 399, 411, 442, 445 Deutsche Demokratische Republik ​ → Deutschland Deutsche Nation ​47, 82–84, 417–419, 445, 456 –– Stämme ​88

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Deutscher Orden ​131 f., 152, 291, 340, 458 –– Hochmeister ​430 –– Ordensritter ​340 Deutschland, Deutsches Reich ​6, 15, 28, 31, 37 f., 40–42, 44–47, 49 f., 52, 55–65, 67, 73 f., 84–88, 90–95, 98, 102–105, 109, 113 f., 117 f., 123, 127, 198, 201, 206, 211 f., 323 f., 382, 408, 419; → Reich, Heiliges Römisches –– Weimarer Republik ​61, 64, 84, 96 f., 117 –– Drittes Reich ​99, 107, 113, 115–117, 425 –– Bundesrepublik (Bonner Republik) ​51, 74, 84, 101, 106 –– Deutsche Demokratische Republik ​51 Deutschlothringer ​99 Dickinson, Joycelyne Gledhill ​331 Didier, Guillaume, Bf. v. Belley ​242 Diemar, Hermann ​85 Diesbach, Nikolaus v. ​98 Dietz, Burkhard ​101 Digne, Bfe. ​→ Versailles, Pierre de Dijon OA ​21, 72 f., 103, 143, 258 f., 452 f. –– Archives du Parlement ​21 –– Stadt ​457 –– Ste-Chapelle: Thesaurar ​→ Rochetaillée, Jean de Ditt, Karl ​101 Dôle OA ​103 Do(m)merico, Matheus de, Fiskalprokurator des Bernard de La Planche ​303 Donatus, Tiberius Claudius ​194 Donauraum ​127, 133, 148, 151 Dormans, Miles de, Bf. v. Beauvais, französischer Kanzler ​168, 363 –– Sekretär ​→ Montreuil, Jean de Dorpat OA ​51 –– Universität ​46 Douai OA ​130 f., 232 Doubs, Inseln im ​262 Drittes Reich ​ → Deutschland Drontheim, Ebfe. ​→ Kalteisen, Heinrich Druiden ​279 Du Cange, Charles du Fresne, Sieur ​17 Düsseldorf, Stadt – Stadtarchivar ​ → Wentzcke, Paul Dupuy, Pierre ​138 Durand de Maillane, Pierre-Toussaint ​ 138 Duverger, Arthur ​131 Dynter, Edmond de, brabantischer Chronist ​ 225 Dyroff, Adolf ​95

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Register der Personen- und Ortsnamen

Ee, Adriaan van der ​431 f., 435 Ehlers, Joachim ​51, 58  f. Ehm, Petra ​423–425, 427, 443, 447, 449, 451, 453 Eichstätt, Bm. (Kirche) ​395 –– Bfe. ​→ Reichenau, Wilhelm v. Eidgenossen ​37, 83, 97 f., 434, 438, 456; → Schweizer Eidgenossenschaft ​7, 98, 112, 145; → Schweiz Elsaß ​6, 67, 95, 112, 115, 411 f., 418 –– burgundischer Landvogt ​→ Hagenbach, Peter v. Elter, Hubart/Huwart v., luxemburgischer Seneschall ​370 Embrun, Bm. ​226 Emilio, Paolo ​156  f. Engelhard, Henri ​414  f. England ​11, 15, 46, 51, 293, 301, 363 –– Krone ​292, 296, 307, 309, 311 –– Kgr. ​56, 128, 132, 143, 178 f., 184, 186, 188, 215, 249, 255, 262, 294, 296 f., 299 f., 304, 311, 348, 352, 354, 356, 372, 393, 402, 428 –– Court of Sovereignty ​292 –– Einwohner ​175, 360, 367, 379 –– Kaufleute ​341 –– „Partei“ (Engländer) ​184, 222 f., 292, 301, 316 f., 319, 336 f., 339, 341, 344 f., 348, 412 –– Kge. ​48, 199, 307, 373 –– Hof ​289, 292 f., 394 –– Heinrich (Henry) V., Kg. v. ​217, 222, 367, 402 –– Heinrich (Henry) VI., Kg. v. ​186, 221, 250, 289, 292, 294–297, 302–304, 309–311, 315, 333, 337–339, 403 –– Gesandte, Gesandtschaften ​186, 294–298, 302, 317, 326, 337, 341, 360; → Castiglione, Zanone da; → La Planche, Bernard de –– Hof ​294, 297, 311 –– Kronrat ​250, 301, 310 –– Mitglieder ​→ Rochetaillée, Jean de –– gascognischer Rat ​294 –– Mitglieder ​→ La Planche, Bernard de –– Regentschaftsrat ​185, 292 –– Protektor ​→ Gloucester – Humphrey, Hzg. v. –– Richter ​ → La Planche, Bernard de –– Statthalter in Aquitanien ​→ Hunting­ don – John of Holland, Earl of –– Heinrich (Henry) VIII., Kg. v. ​213

–– Richard II., Kg. v. ​367, 372, 374 –– Kard. v. ​→ Beaufort, Henry Ephesos, Konzil (431), Akten ​3 Epinay-Burgard, Georgette ​324 Érart, Guillaume ​314, 317 Erbach, Dietrich v., Ebf. v. Mainz, Kf. ​ 406 f., 417 –– Kanzler ​ → Mair, Martin –– Räte ​ → Boppard, Helwig v.; → Lieser, Johann v. Erdmannsdörffer, Bernhard ​46  f. Erfurt, Universität ​12  f. –– Vikar ​ → Stolle, Konrad Erlangen OA ​313 –– Universität ​122 Ernst, Fritz ​31, 38, 51, 59 Erpel, Stadt ​75 Esch, Arnold ​110, 117 Eschenburg, Theodor ​31 Escouchy, Mathieu d’ ​144 Estland ​40 Estouteville, Guillaume d’, Kard., Ebf. v. Rouen ​172 f., 185, 326 Étain OA ​345; → Hugues d’Étain, Guillaume Étampes – Jean, Gf. v. ​232 Étampes, Jean d’, Thesaurar des Klosters St-Hilaire (OSB)/Poitiers ​265 Eugen IV. (Gabriele Condulmer), Papst ​ 13, 32–35, 133, 135, 195, 215, 219 f., 225–227, 229–237, 241, 250–254, 263, 265 f., 270 f., 273 f., 278–287, 290, 300–304, 310–312, 314, 316, 321–324, 327, 334, 336, 338, 356, 361, 395–399, 403–405, 407, 413 f. –– Gesandte, Gesandtschaften ​321, 335, 347, 354, 399; → Albergati, Niccolò; → Amaral, Luís de; → Carvajal, Juan de; → Garsiis, Ludovico de; → Kues, Nikolaus v.; → Parentucelli, Tommaso; → Piccolomini, Enea Silvio –– Kammerkleriker ​ → Capranis/Cavriani(?), Galeazzo de –– Kanzlei ​35 –– Legaten ​18; → Albergati, Niccolò; → Lusignan, Hugues de; → Monte, Piero da Eulenburg-Hertefeld – Augusta, Fürstin zu, Ehefrau des Philipp zu E.-H. ​38 –– Philipp, Fürst zu ​38 Europa ​16, 65, 69, 72, 84, 102, 105 f., 112, 115 f., 118 f., 121, 126 f., 130, 132, 141, 149, 197, 279, 387, 396, 417, 425, 452, 457–459 Europäische Gemeinschaft ​458

Register der Personen- und Ortsnamen Euvrie, Guillaume ​165  f. Évrart, Guillaume ​315, 327 Évreux, Bfe. ​→ Formier, Martial Ewig, Eugen ​408 Eyb, Anselm v., Dr. leg. ​452 –– Ludwig v. ​424 Eyck, Jan van ​335 Fabre, Joseph ​312 Faesch, Christoph ​6–8 –– Neffe ​6, 8 –– Rémi ​7  f. Falkenberg, Johannes ​340 Faulhaber, Michael, Bf. v. Speyer ​44 Favier, Jean ​331, 361, 418 Febvre, Lucien ​123, 125, 311, 420 Feine, Hans Erich ​117 Felix V. (Amadeus VIII. v. → Savoyen), (Gegen‑)Papst ​135 f., 138, 290, 302 f., 307 f., 310–312, 320 f., 324–326, 329 f., 346, 398, 409–411, 414, 417 –– Generalvikar ​ → Grôlée, Jean de –– Gesandte ​ → Grôlée, Jean de; → Le Franc, Martin –– Kanzlei ​306 –– Protonotar ​ → Grôlée, Jean de –– Registrator ​ → La Planche, Bernard de –– Kardinäle ​303, 305, 307; → Arces, Jean d’; → Courcelles, Thomas de (verweigert); → Hugues d’Étain, Guillaume; → La Planche, Bernard de; → Segovia, Johannes v.; → Tudeschi, Niccolò –– kemmerling ​ → Bolomier, Guillaume –– Vizekämmerer ​ → Grôlée, Jean de –– Vizekanzler ​ → Grôlée, Jean de Fénelon (François de Salignac de la Mothe-F.) ​15 Ferrara OA ​301, 321, 324 –– Unionssynode ​ → Ferrara(‑Florenz), Konzil Ferrara(‑Florenz), Konzil (1437–1439) ​187, 194, 231–233, 301, 398 f., 407 Feugars(?; Fabas?), Pierre III de, Abt des Klosters Sorde(‑l’Abbaye) (OSB) ​303 Fiano, Francesco da ​170 Fichet, Guillaume ​173, 182–184, 187, 191 Fieschi da Soncino, Stefano ​188 Fillastre, Guillaume, der Ältere, Kard. ​170, 192 f. –– Guillaume, der Jüngere, Bf. v. Toul u. Tournai, Kanzler des Ordens vom Goldenen Vlies ​142–144, 152, 170, 192–195, 239 f., 451 –– Sekretär ​→ T(h)ani(s), Angelo

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Finke, Heinrich ​44, 52, 68, 114 Finnland ​384 Flacius Illyricus, Matthias ​312 Flamochet, Guy, Dominikanerprior v.  Chambéry ​257 Flandern ​56, 227, 230, 237 –– Gft. ​217 –– Einwohner (Flandrer, Flamen) ​115, 236, 457 –– Margarete v. Maele, Gfin. v., Erbtochter des Ludwig v. Maele, Gemahlin Hzg. Philipps des Kühnen v. Burgund ​216, 245, 426 Fleckenstein, Johannes v., Bf. v. Basel ​242 Fleckenstein, Josef ​58 Florenz OA ​33, 35, 171, 262, 270, 398 –– Republik ​252 –– Kanzler ​→ Salutati, Coluccio –– Konzil (1439) → Ferrara(‑Florenz), Konzil Foffano, Tino ​184, 188 Foix, Pierre de, Kard., Generalvikar v. Avignon ​35, 293 Font, Odet de, Kleriker u. Zellerar zu Rochetaillée ​248 Fontaine-au-Bois, Priorat ​177 Fontaine-de-Vaucluse OA ​177 Forez ​131 Forlí, Bfe. ​→ Numai, Alessandro Formier, Martial, Bf. v. Évreux ​228, 261, 301 f. Foscari, Francesco, Doge v. Venedig ​396 Fossombrone, Bfe. ​→ Santucci, Gerolamo France, Anatole ​321  f. Franco, Tommaso ​→ Le Franc, Thomas Franken ​176, 198, 203, 378, 388 –– Kge. ​340 Frankenreich (Reich Karls des Großen) ​114, 199, 378; → Reich, Heiliges Römisches –– ostfränkisch-deutsches: Kge. ​57 –– westfränkisch-französisches: Kge. ​57 Frankfurt/Main OA ​57, 93 f., 144, 370 –– Stadt ​80–82 –– Einwohner ​81 –– Gesandte ​→ Schwarzenberg, Walter v., der Jüngere –– Hauptmann ​81 –– St. Bartholomäus, Stiftskirche ​444 –– Universität ​93 –– Professoren ​→ Frobenius, Leo; → Gelzer, Matthias; → Platzhoff, Walter; → Troje, Hans Erich; → Wentzcke, Paul –– Rektoren ​→ Platzhoff, Walter –– Versammlungen ​317, 407

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Register der Personen- und Ortsnamen

–– Fürsten‑ u. Städtetag (Mai/Juni 1400) ​ 369 f. –– Kurfürstentag (März 1438) ​407 –– Reichsversammlung (Mai/August 1442) ​ 318 –– Reichsversammlung (Juni/Juli 1445) ​ 346 –– Reichsversammlung (September/ Oktober 1446) ​131, 134 f. –– Reichsversammlung (September/ Oktober 1454) ​82, 141, 143–146, 148 –– Reichsversammlung (Februar 1485) ​ 151 –– Historikertag (1998) ​111 Frankreich ​2, 13, 15, 17, 19 f., 23, 30 f., 33, 37–41, 43–46, 48–55, 58–62, 64–67, 70 f., 73, 84 f., 88, 94–96, 98–100, 103, 109, 111, 113 f., 117 f., 124, 127, 140, 162, 164 f., 185, 199, 205 f., 212, 226, 228, 292, 311, 318, 323 f., 377, 397 –– Nation ​61, 70 –– Königsnation ​58, 60, 71, 121, 198, 201 –– Königskirche ​137 –– Krone ​56, 97, 166, 168, 213, 217 f., 230, 237, 263, 296 –– Kgr. ​3, 6, 9, 30, 33, 39, 47, 50, 53–55, 69 f., 74, 85, 94, 113, 115, 128, 130–138, 142, 145 f., 156–159, 166 f., 169, 172 f., 175 f., 178–180, 182, 184, 186 f., 194–199, 201–203, 212, 215, 217–220, 222, 224, 227, 230, 232–234, 236, 240 f., 244, 249 f., 252, 257, 261, 266, 268 f., 279, 285, 287, 292, 294, 312, 314, 316, 319, 322, 324, 328, 330, 338 f., 342 f., 345, 348 f., 354, 356, 358, 360, 363–367, 372–375, 377 f., 389–393, 396, 398 f., 405, 407 f., 410–412, 416, 418 f., 426, 433, 435 f., 447 f., 452 f., 457 –– Adel ​221 –– bonnes villes ​380 –– Geistlichkeit (Klerus) ​14, 33, 131, 219, 414; → Bourges, Klerusversammlungen; → Poitiers, Klerusversammlung –– Herzöge ​372 –– Kanzler ​ → Chartres, Regnault de; → Daguesseau, Henri-François; → Dormans, Miles de –– Pairs ​351 –– „Partei“ (Franzosen) ​36, 317, 333 f., 336 f., 341, 344 –– Städte ​217, 239, 381; → Frankreich, Kgr. – bonnes villes

–– Kge., Kgt. ​56 f., 59, 61, 66 f., 70, 98, 165, 196, 198, 200, 211, 216, 218, 267, 317, 328, 340, 345, 350–352, 358, 360, 380 f., 401, 403, 418, 436 –– Gesandte, Gesandtschaften ​20, 367; → Avaray, Claude-Théophile de Bésiade, Marquis d’; → Brulart de Sillery, Roger –– Hof  ​2, 14, 267, 416, 419, 455 –– Kanzlei ​160, 167, 175, 200, 202 –– Kanzleiarchiv ​200 –– Sekretär ​ → Lebègue, Jean –– Rat ​140 –– Räte ​139  f.; → Harcourt, Jean (Johann) VII d’ –– Franz (François) I., Kg. v. ​3 –– Heinrich (Henri) II., Kg. v. ​3 –– Johann (Jean) II., Kg. v. ​388 –– Karl (Charles) V., Kg. v. ​159, 165, 167 f., 374 –– Gesandte ​ → Choquart, Anseau –– Räte ​ → Oresme, Nicole –– Karl (Charles) VI., Kg. v. ​70, 127, 167 f., 177, 201, 224, 322, 345, 366, 369–374, 391, 401 –– „Cour Amoureuse“ ​174, 367 –– Gemahlin ​→ Bayern-Ingolstadt, Elisabeth v. –– Gesandte, Gesandtschaften ​128, 131, 368–372, 375, 379, 389 f.; → Armagnac, Jean d’; → Bayern-Ingolstadt – Lud­ wig VII., Hzg. v.; → Chantemerle, Taupin de; → Montreuil, Jean de –– (Pariser) Hof  ​128, 131, 367–370, 372 f., 389 –– Kanzlei ​366  f. –– Notare u. Sekretäre ​→ Col, Gontier; → Montreuil, Jean de –– Maître d’hôtel ​→ Chantemerle, Taupin de –– Tochter ​128 –– Karl (Charles) VII., Kg. v. ​20, 30, 33, 35, 67, 88, 129, 134 f., 136 f., 146, 172, 178, 190, 197, 217, 219–223, 226, 230–238, 259, 261, 266 f., 272 f., 284 f., 287, 300, 312, 315 f., 318, 321 f., 326, 328–331, 339, 341 f., 345–348, 360, 375, 393 f., 398, 401, 409–416, 418 f., 429, 434, 445 –– argentier ​→ Cœur, Jacques –– Beichtvater ​ → Machet, Gérard –– geistliche Berater ​35 –– connétable ​ → Richemont, Arthur de –– Ehrenrat ​ → Chevrot, Jean –– Gemahlin ​→ Anjou, Maria v.

Register der Personen- und Ortsnamen –– Gesandte, Gesandtschaften ​33–35, 133, 135, 137, 230, 237 f., 296, 299 f., 313, 319, 325, 327, 329, 332, 338, 340–342, 347, 360, 396, 413, 416; → Berruyer, Martin; → Blankenheim – Gerhard, Gf. v. Looz-Heinsberg-B.; → Charles, Simon; → Coëtquis, Philippe de; → Courcelles, Thomas de; → Grôlée, Jean de; → Harcourt, Christophe d’; → Hugues d’Étain, Guillaume; → Juvénal des Ursins, Jacques; → La Chapelle, Nicolas de (II); → Talaru, Amédée de –– (Pariser) Hof ​34 f., 134, 136, 139, 184, 190, 219 f., 226 f., 231, 234, 237 f., 241, 260, 266, 272 f., 300, 315, 321 f., 325, 327 f., 330, 332, 338 f., 342, 346–348, 360, 397–399, 405, 411, 413 f., 417 –– Kammerherr ​ → Harcourt, Christophe d’ –– Kanzlei ​196 –– Kammersekretär ​→ Blankenheim – Gerhard, Gf. v. Looz-Heinsberg-B. –– Sekretär ​ → Chartier, Alain –– protophisicus ​ → Le Franc, Thomas –– Rat ​328, 397, 399, 414 –– Räte ​140, 347, 349, 413 f.; → Blankenheim – Gerhard, Gf. v. LoozHeinsberg-B.; → Charles, Simon; → Courcelles, Thomas de; → Grolée, Jean de; → Harcourt, Christophe d’; → Harcourt, Guillaume d’; → Hugues d’Étain, Guillaume; → La Chapelle, Nicolas de (II); → Moulin, Denis du; → Rouvres, Robert de –– Schwiegermutter ​ → Aragón, Yolande v. –– Truppen ​319, 348 –– Wappenkönig → Le Bouvier, Gilles –– Katharina v., Gemahlin Hzg. Karls des Kühnen v. Burgund ​238 –– Ludwig (Louis) IX., Kg. v. ​61, 244 –– Ludwig (Louis) XI., Kg. v. ​61, 76, 79–81, 83, 106, 121, 137, 146, 148 f., 194 f., 212 f., 223, 375, 410 f., 416, 418, 422 f., 437, 447, 452, 457, 459 –– Gemahlin ​ → Savoyen, Charlotte v. –– Gesandte, Gesandtschaften ​431; → Jouffroy, Jean –– Ludwig (Louis) XII.¸ Kg. v. ​210 –– Ludwig (Louis) XIV., Kg. v. ​3, 6, 46, 62 –– Ludwig (Louis) XV., Kg. v. ​22–24, 26, 29 –– Ludwig (Louis), Hzg. v. Guyenne, Dauphin ​366 –– Philipp(e) II. Augustus, Kg. v. ​53, 216

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–– Philipp(e) IV., Kg. v. ​55 f., 85, 216, 401 –– Gemahlin ​→ Navarra – Johanna, Kgin. v. –– Philipp(e), Sohn Kg. Karls VII. v. Frankreich ​230 –– Republik –– Außenminister ​ → Hanotaux, Gabriel –– Gesandter beim Heiligen Stuhl ​36 Franz, Günther ​111  f. Franzosen, französisches Volk ​33 f., 37, 40, 44, 47–49, 52–56, 60, 62, 64, 67, 70, 80, 88, 90, 93 f., 103, 113, 122, 133, 156, 164, 176, 179, 196, 198, 200, 266, 296, 316, 372, 374, 377 f., 387, 411, 415 Freiburg/Brsg., Stadt ​113 –– Oberbürgermeister ​ → Kerber, Franz –– Universität: Rektoren ​ → Heidegger, Martin Freiburger Krieg ​136 Freising, Bm. (Kirche) ​395 –– Bfe. ​→ Otto v. Freising –– causa ​306 Fréjus OA ​346 –– Bm. ​287 –– Bfe. ​→ Bélard, Jean Fresnes OA ​22 Fried, Johannes ​111, 209 Friesland ​77, 352, 433 f., 452 f.; → Ostfriesland –– Kgr. (regnum Frisiae) ​432 f., 452 f. –– Fürsten (reges) ​432; → Adalgils; → Radbod Fritzsche, Hans, Historiker ​112 Fritzsche, Hans, Leiter der Abt. Deutsche Presse im Reichspropagandaministerium ​ 112 Frobenius, Leo ​62 Frohn, Robert ​106 Froissart, Jean ​432 Fruyn, Jean de, Ebf. (Elekt) v. Besançon, Dekan des Domkapitels v. Besançon ​258, 263, 324 Fueter, Eduard, Schwager Johannes Hallers ​ 37 f., 66 –– Elisabeth, Ehefrau Johannes Hallers ​37 Fueter-Gelzer, Adele, Schwiegermutter Johannes Hallers ​38 Fugger, Jacob ​446 Fulda, Kloster (OSB) – Äbte → Sturmi Gaguin, Jean ​213 –– Robert ​183, 191, 198, 201, 213 Gail, Anton J. ​408 Galeoto, Jacopo ​422

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Register der Personen- und Ortsnamen

Gallien ​279; → Frankreich Gallier ​49, 378; → Franzosen „Gamaleon“ ​67 Ganzer, Karl Richard ​116 Garciá de Santa Maria, Alonso, Bf. v. Burgos ​ 360 Garcin, Jean ​196 Garsiis, Ludovico de ​335, 344–346 Gascogne ​56 Gaulle, Charles de ​61 Gauquier, Thomas, Sekretär des Kard.s Hugues de Lusignan ​343 Gaussin, Pierre-Roger ​79, 397 Gauvard, Claude ​347 Gazzaniga, Jean-Louis ​347 Geiger, Wolfgang ​106 Geisbüsch, Heinrich vom, Kölner Bürger ​ 106 Geldern, Hzgt. ​76 f., 79, 373–375, 377, 380, 391, 418, 421 f., 433, 445, 448–450 –– Hzge. ​ → Jülich – Wilhelm III. (I.), Hzg. v. Gelin, Oberst, französischer Delegierter in der Interalliierten Rheinlandkommission ​ 93 Gelinier, Guy ​258 Gelzer, Matthias ​38 Gendron, Jean, Abt des Klosters Buzay (OCist) ​350–352 Genf OA ​27, 249, 305, 307, 325 –– Bm. ​249 –– Bfe. ​ → Rochetaillée, Jean de –– Philipp, Gf. v., Sohn Hzg. Amadeus’ VIII. v.  Savoyen ​329 Gensfleisch ​ → Gutenberg Gent OA ​72, 101, 457 –– Archidiakon ​ → Courcelles, Thomas de; → Vivien, Étienne –– Stadt ​143, 217, 235 –– Universität ​102 Gérard, Jean, Sakristan v. Aix-en-Provence ​ 272 Gerbais, Jean ​12 Gereon, Heiliger ​383 Germain, Jean, Bf. v. Nevers, Beichtvater der Isabella v. Portugal ​142, 257 f., 351 f., 357, 428, 433 Germain, Michel (OSB; Mauriner) ​5–9 Germanen, germanische Völker ​40, 49, 51, 56, 102 f. Gerson, Jean, Kanzler der Universität Paris ​156 f., 159, 163–167, 171, 173 f., 179 f., 183, 190, 198, 281, 324, 365, 387–389

Gerung, Niklaus ​→ Blauenstein Gießen OA ​41 –– Universität ​55 –– Professoren ​ → Roloff, Gustav –– Studentenschaft ​42 Giustiniani, Vincenzo (OSBCam) ​210 Glandèves, Louis de, Bf. v. Vence u. Marseille (Elekt, Kand.) ​327 Glasgow, Bfe. ​→ Cameron, John Gloucester – Humphrey¸ Hzg. v. ​185–188, 190 f., 221 –– Hof  ​187 –– Sekretär ​ → Beccaria, Antonio Gneisenau – August Wilhelm Anton, Gf. Neidhardt v. ​108 Goebbels, Joseph ​103 Göring, Hermann ​90 Görlitz ​ → Luxemburg Görres, Johann Joseph (v.) ​108 Goethe, Johann Wolfgang (v.) ​446 Golczewski, Frank ​107 Gomez de Arteche y Catalina, Salvador ​ 68 Gondebaud, Kg. ​432 Gondeval, Nicolas de, argentier Hzg. Karls des Kühnen v. Burgund ​444 Gonesse, Nicolas de ​169–172, 197 González, Juan, Bf. v. Cádiz ​265, 281 Gorochov, Nathalie ​166 Goyau, Georges ​45 Grasse OA ​196 –– Bm. ​287 –– Stadt: Einwohner ​269 Graudenz OA ​112 Graus, František ​59 Gravelines OA ​337 Graz OA ​93, 400, 440 Gréban, Arnoul ​326 Gregor VII. (Hildebrand), Papst ​56 Gregor XI. (Pierre Roger de Beaufort), Papst ​ 132 Greifswald OA ​44 Gribo(n)val, Jean de, Erzdiakon des Grand Caux/Rouen, Generalvikar v. Besançon ​ 260 f. Griechen ​164, 188, 275; → Christen, ‑heit, griechische –– Griechenablaß ​275 –– Union mit ​231 –– Unionskonzil (Griechensynode) ​32, 34 f., 50, 67, 69 f., 134, 230, 275, 286, 321, 396; → Ferrara(‑Florenz), Konzil Griechenland ​193

Register der Personen- und Ortsnamen Grôlée, Jean de, Kommendatarprior des Großen St. Bernhard (Montjoux) ​138, 329, 411, 416 Gros, Pierre des (OFM) ​216 Großwardein ​→ Nagy-Varàd Grüneisen, Henny ​76, 126, 128 f., 141, 147, 153 f., 423, 425 Grundmann, Herbert ​211 Grusignot, Gilles, Dekan der Stiftskirche St-Hippolyte/Poligny ​257  f. Guenée, Bernard ​58, 166, 168, 176, 178, 202, 457 Günter, Heinrich ​56 Gundobad, Herrscher der Burgundionen ​432 Gutenberg (Gensfleisch), Johannes, Mainzer Patrizier, Buchdrucker ​406 Guyenne ​56 –– Hzge. ​ → Frankreich – Ludwig, Hzg. v. Guyenne –– Seneschall ​→ Rhampston, Thomas Gy (nordwestl. v. Besançon) OA ​259, 261 f. –– Burg (Residenz der Ebfe. v. Besançon) ​ 258, 260 Haarlem OA ​72 Habsburg, Haus (Familie) ​47 f., 62, 96 f., 115, 135, 140, 143, 147, 152, 263, 400, 411, 423 f., 435, 440–442, 454–456, 459–461 –– Albrecht I., Hzg. v. Österreich, römischdeutscher Kg. ​400 –– Albrecht II. (V.), Hzg. v. Österreich, römisch-deutscher Kg. ​194, 409 –– Gesandte, Gesandtschaften ​407 –– Albrecht VI., Hzg. v. Österreich ​433, 455 –– Anna v. Österreich, Gemahlin Hzg. Wilhelms III. v. Sachsen ​409, 434 –– Elisabeth v. Habsburg, Schwester des Ladislaus Postumus ​434 –– Friedrich III. (V.), Hzg. v. Österreich, römisch-deutscher Kg., Ks. ​52, 78–84, 111, 115, 133–136, 143, 145, 147, 149–151, 153 f., 263, 305, 376, 385, 407, 415, 418, 421–425, 430–456, 458–461 –– Gefolge ​446 –– Gemahlin ​ → Portugal, Eleonore v. –– Hof  ​433, 460 –– Kanzler ​ → Schlick, Kaspar –– Räte ​424 –– Karl V., Ks. ​120, 263 –– Ladislaus Postumus, Kg. v. Böhmen u. Ungarn ​145, 152, 193, 434 –– ungarischer Kanzler ​→ Vitéz, Johannes

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–– Leopold I., Ks. ​461 –– Maximilian I., römisch-deutscher Kg., Ks. ​47, 83, 115, 198, 436, 438, 440–442, 453, 456 –– Gemahlin ​→ Burgund, Maria v. –– Philipp II., Kg. v. Spanien ​123 –– Rudolf  I., Hzg. v. Österreich, römischdeutscher Kg. ​244, 400 –– Sigismund, Hzg. v. Österreich ​438, 451 –– Hof in Innsbruck ​438 –– Räte ​424 Habsburgische Erblande ​445 Hachberg ​→ Hochberg Hacks, Peter ​89 Häretiker ​300 Hagenau OA ​10, 323 Hagenbach, Peter v., burgundischer Landvogt im Elsaß ​113, 440, 451, 455 Hahn, Peter Michael ​51 Halle-Wittenberg, Universität ​93  f. –– Professoren ​→ Holtzmann, Robert Haller, Adelheid, Tochter des Johannes H. ​ 64 –– Amalie, Mutter des Johannes H. ​36 f. –– Elisabeth, Tochter des Johannes H. ​31, 38, 43, 64 –– Hans-Jakob, Sohn des Johannes H. ​43 –– Helene, Schwester des Johannes H. ​36, 39 –– Hermann Anton, Vater des Johannes H. ​ 36, 38 f. –– Johannes ​30 f., 34, 36–43, 45–48, 50–52, 55–68, 70 f., 115, 132, 266, 271, 343 –– Ehefrau ​→ Fueter, Elisabeth –– Schüler ​→ Dannenbauer, Heinrich; → Ernst, Fritz; → Wittram, Reinhard –– Schwager ​→ Fueter, Eduard –– Schwiegermutter ​ → Fueter-Gelzer, Adele Hamm, Berndt ​211 Haneron, Antoine ​191 f., 435, 451 Hanotaux, Gabriel ​45 Hanse ​77, 122, 341 Hansen, Joseph, Kölner Stadtarchivar ​86–88 Harcourt, Familie ​221–225, 234; → Paris, Universität – Kolleg: d’Harcourt –– Christophe d’, Gouverneur bzw. Kapitän v. Beaumont u. Mouzon ​223, 234 –– Guillaume d’  ​223 –– Jacques d’, Kapitän v. Burg u. Stadt Le Crotoy ​222  f., 225 –– Jean d’, Patriarch v. Alexandrien, Ebf. v. Narbonne, Bf. v. Amiens, Tournai

500

Register der Personen- und Ortsnamen

(Kand.) u. Orléans (Kommende), Archidiakon des Vexin ​219–229, 231–239, 316 –– Prokurator ​ → Courcelles, Thomas de –– Jean (Johann) VII d’ ​223 f. –– Jean (Johann) VIII d’ ​223 f. –– Louis (I) d’, Ebf. v. Rouen ​222 –– Louis (II) d’, Ebf. v. Narbonne, Bf. v. Bayeux ​188, 223, 239 –– Mathieu d’, Kapitän v. Loches ​223 Harlebeke OA ​228 Hartmann, Felix v., Kard., Ebf. v. Köln ​44 Hashagen, Justus ​87 f., 95, 121 f. Hausmann, Frank-Rutger ​162 Hausmann, Richard ​46 Heer, Friedrich ​116 Heessel, Heinrich v. ​431 f., 438, Heidegger, Martin ​117 Heidelberg OA ​46 –– Universität ​93, 408 Heilige Drei Könige ​383, 388, 403, 429, 446 Heimburg, Gregor, Dr. iur.utr. ​140 Heimpel, Hermann ​34, 69 f., 73, 101, 110–120, 130, 132, 139, 211, 424 f., 443, 449, 454 –– Schwiegersohn ​→ Troje, Hans Erich Heinrich der Seefahrer ​142, 213 f. Heinsberg OA –– Dekan ​ → Mulart/Muyla(e)rt, Simon Heinsberg, Herren –– Johann v., Bf. v. Lüttich ​240, 404 Heiss, Friedrich ​104 Heitmann, Klaus ​161 Helene, Heilige, Mutter Kaiser Constantins I. ​ 352 f., 359 Helmrath, Johannes ​264 Helmstadt, Raban v., Bf. v. Speyer, Ebf. (Elekt) v. Trier ​405 f. Hennegau, Gft. ​217, 427, 430, 433 Hesdin, Jean de ​158, 196 –– Simon de ​197 Hessen, Lgfn. ​406 –– Hermann v., Dekan, Hauptmann, Beschirmer u. Verweser v. Kurköln, später Ebf. v. Köln, Kf. ​75, 77, 79, 112 –– Ludwig III., Lgf. v. ​324 Heynlin (aus Stein), Johannes ​→ Lapide, Johannes de Hilarius, Bf. v. Arles, Mönch des Klosters St-Honorat (OSB)/Lérins ​267, 280 Himmler, Heinrich ​103  f. Hintzen, Johanna Dorina ​141 Hitler, Adolf ​43, 61, 90, 95, 99 f., 102 f., 107 f., 115–118, 425

Hochberg (Hachberg) – Rudolf IV., Mgf. v. ​451 Hochburgund, Kgt. ​103 Hoetzsch, Otto ​41, 46 Hohenzollern, Haus (Familie) → Brandenburg; → Preußen Holland ​15 –– Gft. ​427, 430, 433 Holtzmann, Robert ​94  f. Hommel, Luc ​433 Honoratus, Heiliger, Bf. v. Arles ​267 Horaz (Quintus Horatius Flaccus) ​165, 174 Horn, Konstantin vom, Kölner Ritter ​375 Hoyau, Mathieu, Kanoniker in Le Mans ​268 Hübinger, Paul E. ​107 Hüningen ​ → Huningue-St-Louis Hugo, Victor ​383 Hugonet, Guillaume, Kanzler Hzg. Karls des Kühnen v. Burgund ​442, 445, 451 Hugues d’Étain, Guillaume, Dr. leg., Kard. (Papst Felix’ V.), Archidiakon v. Metz ​261, 308, 318, 324 f., 343–347, 417 Huillard-Bréholles, Jean Louis Alphonse ​ 127 Huizinga, Johan ​43, 54, 63, 66, 72 f., 98, 191, 433, 458 Huningue-St-Louis, Festung ​5–7 –– Kommandant ​ → Brulart de Sillery, Roger Hunnen ​353 Huntingdon – John of Holland, Earl of, Statthalter Kg. Heinrichs VI. v. England in Aquitanien ​304 Hunyadi, Johannes, Gubernator v. Ungarn ​ 152 f. Hussiten, Hussitismus ​12, 130–132, 150, 254, 264, 277–281, 394, 397; → Böhmen –– Kreuzzug gegen ​352 Iggers, Georg G. ​64 Iglau, Vertrag (1436) ​394 Inder ​176, 377 Indien ​206; → Äthiopien-Indien Innozenz III. (Lothar v. Segni), Papst ​182 Innsbruck OA ​439 Irmineiche ​48 Isaac, Jules ​57 Iselin, Jakob Christoph ​8, 12, 14–20, 24–27, 29 f. –– Onkel ​→ Birr, Johann Jakob –– Johann Jakob ​28 –– Johann Rudolf ​27 Isenheim, causa ​297  f.

Register der Personen- und Ortsnamen Isidor v. Sevilla ​376 f. Island ​384 Italien ​10, 32–34, 37, 39, 52, 56, 66, 126, 132, 156, 158, 163, 167, 171, 173, 178, 182 f., 185, 188, 191 f., 194, 196, 198, 251 f., 254, 256, 268, 270, 341, 363, 365, 379, 388, 396, 405, 460 –– Fürsten ​449 Italiener ​156, 164, 175, 211, 367, 379 Jacquier, Nicolas (OP) ​152 Jagiellonen ​152 –– Johann Albrecht (Jan Olbracht), Kg. v.  Polen ​152 –– Kasimir Andreas IV. (Kazimierz Jagiellończyk), Kg. v. Polen ​151 –– Gesandte, Gesandtschaften ​149 –– Ladislaus (Vladislav) II., Kg. v. Böhmen (u.  Ungarn) ​151 –– Witold, Großfürst v. Litauen ​458 f. –– Władisław III. Warneńczyk, Kg. v. Polen ​ 152 Jahn, Friedrich Ludwig ​48 Jamometić, Andreas ​205, 209 Janssen, Johannes ​49 Janssen, Wilhelm ​83, 105 Jason, myth. Anführer der Argonauten ​72, 142 Jedin, Hubert ​208 Jena, Universität – Professoren ​→ Boehm, Max Hildebert; → Schneider, Friedrich Jerusalem, Kgr. ​54, 288, 408 –– Kge. ​411; → Anjou, Karl I. v.; → AnjouSizilien – Johanna II. v. Anjou-Durazzo –– Balduin I., Bruder des Gottfried v. Bouillon, Gf. v. Edessa, Kg. v. Jerusalem ​ 429 –– Stadt (Befreiung) ​447 –– Wallfahrer ​269 Jesuiten, ‑orden (Societas Jesu) ​20, 29, 386 Jesus Christus ​274–276, 278, 283, 285, 386 Johannes XXIII. (Baldassare Cossa), (Gegen‑) Papst ​249, 291, 366, 379 Johannes, Priesterkönig ​142, 429 Jongkees, Adriaan Gerard ​452 Josas, Archidiakon ​→ Courcelles, Jean de Jouffroy, Henri ​193 –– Jean, Kard., Bf. v. Albi ​192–196, 390 f. Jougne (bei Pontarlier, südöstl. v. Besançon) OA ​246 Jourdain, Jacques-Nicolas, abbé ​2, 16–18, 22–27 Juden ​395

501

Jülich OA ​374 –– Hzgt. ​210, 374, 380, 433 –– Gerhard I., Hzg. v., Gf. v. Berg ​416 –– Wilhelm II., Hzg. v. ​373, 391 –– Wilhelm III. (I.), Hzg. v. Geldern u. Jülich ​ 373 f., 391, 401 Jünger, Ernst ​90 Jungen, Heinrich III. zum ​370 Just, Leo ​102 Juvénal des Ursins, Familie ​137, 328, 398 –– Jacques, Ebf. v. Reims ​137, 325, 328 –– Jean (Johannes) II, Ebf. v. Reims ​137, 201, 328 Kaemmerer, Walter ​130 Kaiser, Kaisertum ​44, 56, 67, 79, 114–116, 131, 168, 198, 244, 267, 279, 322, 350, 353, 375, 378, 381 f., 399, 402, 427 f., 430, 436, 438–440, 447, 456 f., 460 Kallen, Gerhard ​95 f., 101, 105, 107–110, 112, 114, 119 Kalteisen, Heinrich, Ebf. v. Drontheim ​265 Kamele ​395 Kant, Immanuel ​45 Karolinger ​441 –– Karl I. der Große, fränk. Kg., Ks. ​64, 114, 157, 175, 199, 378, 402 f., 428, 441 f., 445 –– Karlsbüste u. Karlsschrein/Aachen ​378 –– Lothar I., fränk. Kg. ​434, 436 –– Lothar II., fränk. Kg. ​436 Kartäuserorden ​335 Kastilien, Kgr. ​147, 296 f., 300, 311, 354 –– Einwohner (Kastilier) ​359 –– Kge. –– Gesandte, Gesandtschaften ​295 f., 360 f.; → Garciá de Santa Maria, Alonso –– Hof ​338 Kaunitz – Wenzel Anton, Gf. v. ​419 Kehr, Paul Fridolin ​39 Kemp, John, Bf. v. London, Kanzler der Normandie ​292 –– Prokurator an der römischen Kurie ​ → Swan, William Kerber, Franz, Oberbürgermeister v.  Freiburg/Brsg. ​113 Kerhervé, Jean ​358, 361 Kerler, Dietrich ​131 Kern, Fritz ​53, 56 f., 375 Kettenacker, Lothar ​104 Kienast, Walter ​59  f. Kiesinger, Kurt Georg ​31 Kinnamos, Johannes ​54 Kirchenstaat ​36, 51

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Register der Personen- und Ortsnamen

Kirchenväter ​171, 388; → Cyprianus, Thascius Caecilius Kirn, Paul ​60 Kleist, Heinrich v. ​48 Kleve OA ​100 Kleve, Haus ​412  f. –– Hzgt. ​210, 413 f., 433 –– Hzge. v., Gfn. v. der Mark ​145, 210 f., 415, 418, 448 –– Adolf v., Ebf. v. Köln ​413 –– Adolf I., Hzg. v., Gf. v. der Mark ​413 –– Johann I., Hzg. v., Gf. v. der Mark ​412 Klopp, Onno ​47 Knebel, Hans (Johann), Basler Münsterkaplan ​ 78, 422, 424, 442, 447 Koblenz OA ​97 Köln OA ​57, 75, 77 f., 80 f., 89, 105, 203, 313, 371 f., 374, 380, 382–387, 412, 415, 429 –– Ebm. (Kirche) ​74–77, 79, 403 f., 406–408, 415, 419, 436 –– Dom ​383, 403 –– Domkapitel ​75, 78 –– Dompropst ​→ Pfalzgrafen bei Rhein – Stephan zu Simmern –– Geistlichkeit (Klerus) ​79 –– Erzstift (terra) ​67, 75, 79, 88, 92, 382 –– Hauptmann, Beschirmer u. Verweser ​ → Hessen, Hermann v. –– Kft. ​74 f., 93, 404, 412, 418 –– Ebfe. ​382, 392, 400 f.; → Hartmann, Felix v.; → Hessen, Hermann v.; → Kleve, Adolf v.; → Moers, Dietrich II. v.; → ­Pfalzgrafen bei Rhein – Ruprecht v. der Pfalz; → Saarwerden, Friedrich v. –– Stadt ​75–78, 81–83, 85, 111, 119, 203, 362 f., 380–384, 387 f., 390, 403 –– ager Ursulanus ​384 –– Banner ​382  f. –– Bürger ​ → Geisbüsch, Heinrich vom –– Einwohner ​76, 81, 203, 382 –– Gesandte, Gesandtschaften ​383 –– Gürzenich ​57 –– Messehallen ​91 –– Rat ​77, 439 –– Stadtarchiv: Archivar ​→ Hansen, Joseph –– Stadtpatrone ​384; → Gereon, Heiliger; → Heilige Drei Könige; → Ursula, Heilige –– Wappen ​382  f. –– Kirchen, Kirchliche Gemeinschaften ​384 –– St. Andreas, Stift: Propst ​77 –– St. Kolumba, Pfarrkirche ​446

–– St. Maria zum Weiher, Kloster (OSA) ​ 77 –– St. Mechtern, Kloster (OCist) ​77 –– St. Ursula, Kanonissenstift ​384 f. –– Äbtissin ​384 –– Goldene Kammer ​384 –– Konvent ​384 –– Universität ​95 f., 107 f., 117, 193, 328, 382, 404, 408 –– Professoren ​ → Hashagen, Justus; → Kallen, Gerhard; → Kuske, Bruno; → Petri, Franz; → Schmittmann, Benedikt; → Spahn, Martin; → Tinctoris, Johannes –– Rektoren ​ → Tinctoris, Johannes –– Historisches Seminar ​109 –– Provinzialsynode (1440) ​404 –– Provinzialsynode (1536) ​207 Kölsch, Kurt ​100 Königsberg OA ​461 –– Universität ​93 Kongo, Herrscher ​→ Nzinga a Nkuwa Konstantinopel, lateinischer (Titular‑) Patriarch ​ → Rochetaillée, Jean de –– Fall (1453) ​82, 129, 143; → Byzanz Konstanz OA ​306, 379 –– Bm. (Kirche) ​395 –– Konzil (1414–1418) ​5, 10 f., 15 f., 28, 56, 68, 131, 166, 170, 172, 181, 184, 186, 192, 235, 247, 249, 251, 271, 277, 289, 291 f., 294, 309, 311, 317, 334, 340, 343, 356, 363, 379, 393, 395 –– Akten ​10, 56 –– Dekrete ​210, 212, 292, 323 –– Gesandte ​ → La Planche, Bernard de –– Kardinäle ​292 –– Konzilsväter ​291 –– Nationen ​68 –– englische Nation (Natio Anglicana) ​ 291 f. –– Sermones ​306 –– Reichstag (April/Juli 1507) ​47 Kopenhagen OA ​319 Krämer, Werner ​264 Krajna (nordalbanisch-montenegrinische Region), Ebm. ​209 Krakau, Propst ​→ Lasocki, Nikolaj –– Universität ​25 Krantz, Albert ​176, 201 Krofta, Kamil ​131, 277 Kues, Nikolaus v., Dr. decr. ​68, 108, 119, 152, 194, 212, 265, 277, 317 f., 324 f., 346, 394, 399, 405 f.

Register der Personen- und Ortsnamen Kurfürsten ​135, 146, 149, 246, 351–357, 359 f., 370–372, 392, 400–404, 407, 410 f., 413 f., 416, 418 f., 423 f., 426 f., 435 f., 439–444, 448–451, 454–456, 460 f. –– geistliche ​373 –– rheinische ​369, 373, 405 –– Gesandte, Gesandtschaften ​17, 255, 350, 353–355, 369 f., 402 f., 413, 428 –– Willebriefe ​400 Kur(fürsten)kolleg ​400, 402, 407, 450 Kurfürstentümer ​418 Kurvereine ​400 Kuske, Bruno ​105, 122 La Broquière, Bertrandon de ​142 La Chapelle, Nicolas de (I), Scholaster des Stifts St. Martin/Tours ​268, 278 –– Nicolas de (II), Rat u. Gesandter Kg. Karls VII. v. Frankreich ​278 La Hazardière, Pierre de ​189, 390 La Marche, Olivier de, burgundischer Diplomat, Dichter u. Memorialist ​140, 149, 432 La Planche, Bernard de (OSB), Dr. decr., Kard. (Papst Felix’ V.), Bf. v. Dax ​ 289–311, 327 –– domesticus et continuus commensualis ​ → Lanafranqua, Galhardus de –– Familiare ​294, 299 –– Fiskalprokurator ​ → Do(m)merico, Matheus de La Porte, Raoul de ​397 La Sègue, Garsie-Arnaud de, Bf. v. Dax ​303 La Taverne, Antoine de, Propst des Klosters Saint-Vaast (OSB)/Arras ​312, 317, 331, 342, 345 La Trémoïlle, Georges de ​273, 332 –– Louis de, Bf. v. Tournai ​217 Labbe, Philippe (SJ) ​3 Lacaze, Yvon ​131 Lafortune-Martel, Agathe ​128 Lalaing, Arnoul de, Ritter ​424  f. –– Simon de, Ritter ​142, 152 Lamy, Étienne  ​45 Lamy, Hugues ​237 –– Nicolas ​237, 315, 327 Lanafranqua, Galhardus de, Pfarrektor ​303 Lancaster, Haus (Partei) ​33, 222, 297, 299, 318, 333, 337, 345, 367, 379, 401 –– John of, Hzg. v. Bedford ​249 Landriani, Gherardo, Bf. v. Lodi ​158, 294 Lange, Joseph, Neusser Stadtarchivar ​83 Langenstein, Heinrich v. ​67

503

Langres OA ​326 Lannoy, Ghillebert de ​142 Laon OA ​228 Lapalud, Louis de, Bf. v. Lausanne, Präsident der Basler Kommundeputation ​286 Lapide, Johannes de (Johannes Heynlin [aus Stein]) ​326 Lasocki, Nikolaj, Propst v. Krakau ​340, 347 Lateiner ​→ Christen, ‑heit, lateinische Laurière, Eusèbe de ​20–23 Lausanne OA ​308, 414 –– Bm.: Kathedralkirche (Notre-Dame) – Kanoniker ​→ Courcelles, Thomas de –– Bfe. ​242, 251; → Lapalud, Louis de (Basel‑)Lausanne, Konzil (1448–1449) ​263, 308 –– Akten ​18 –– Konzilsväter ​330 Lauterberg (bei Halle), Chorherrenstift ​54 Lavisse, Ernest ​64 Law, John, schottischer Finanzmann ​17, 25 Le Bouvier, Gilles, dit le Héraut Berry ​330, 382 Le Crotoy, Burg u. Stadt ​222 f., 225 –– Kapitän ​→ Harcourt, Jacques d’ Le Franc, Martin ​196, 320, 326, 329 Le Franc, Thomas (Tommaso Franco), protophisicus Kg. Karls VII. v. Frankreich ​190 Le Jeune, Jean, Kard., Bf. v. Mâcon u. Amiens ​195, 225 f. –– Robert, Bailli v. Amiens ​224 f. Le Mans OA ​181 –– Kanoniker ​→ Hoyau, Mathieu Le Moyne, M. ​11 Le Tourneur, Jean ​142 Lebègue, Jean, königlicher Sekretär ​ 170–172, 180 f., 183, 197 Lébna Dengel ​→ David II., Negus Lecesne, Edmond ​331 Leeuwen, C.G. van ​341 Lefèvre d’Etaples (Faber Stapulensis), Jacques (Jacob) ​387  f. Lefèvre de Saint-Rémy, Jean ​331, 342 Legrand, Jacques (OSA) ​180 Lehmann, Michael ​397 Lehmann, Paul ​186 Lemaître, Nicole ​205, 207 f., 212 Lenfant, Jacques, Prediger am Berliner Hof Kg. Friedrich Wilhelms I. v. Preußen ​15, 20, 26, 28 f. Leo X. (Giovanni de’ Medici), Papst ​210 Leo XIII. (Gioacchino Vincenzo Pecci), Papst ​36  f.

504

Register der Personen- und Ortsnamen

Léonard de Sainte-Catherine, Père ​14 Lérins, Inseln (der Heiligen) ​269 –– Pilger ​269 –– St-Honorat, Kloster (OSB) ​265 f., 269 f., 278, 280, 286 f. –– Äbte ​ → Montchoisi, Geoffroy de –– Bibliothekar ​280 –– Mönche ​ → Hilarius Leroux, Alfred ​126  f. Lestocquoy, Jean, abbé ​331 Lévis, Antoine de ​339 –– Jean de ​339 –– Philippe II de, Ebf. v. Auch ​301, 303, 339, 342 Levison, Wilhelm ​57, 91  f. Lewis, Peter Shervey ​202, 328 Liberius, Papst ​275 Lienhard, Marc ​208 Lieser (Lysura), Johann (Johannes) v., Dr. decr. ​140, 406 Lille OA ​146, 218 –– St-Pierre, Stift: Propst ​364; → Montreuil, Jean de –– Fasaneneid (1454) ​143 Limburg, Hzgt. ​427 –– Einwohner (Bauern) ​457 Lintzel, Martin ​122 Linus, Schüler des Apostels Petrus ​352 Linz, Stadt ​75 Linz, Jakob (Joel) v. ​140 –– Tilmann (Joel) v. ​140 Lipany, Schlacht (1434) ​394 Lisieux, Bm. ​184 –– Administrator ​→ Castiglione, Branda da –– Bfe. ​ → Basin, Thomas; → Castiglione, Zanone da; → Cauchon, Pierre Litauen, Fürstentum ​458 –– Einwohner (Litauen) ​340 –– Großfürsten ​ → Jagiellonen – Witold Littera, Guillaume de ​307 Livius (Titus L.) ​157, 181, 197 Locarno, Vertrag (1925) ​63 Loches, Kapitän ​→ Harcourt, Mathieu d’ Lochner, Stefan ​217, 384 Lodi, Bfe. ​→ Landriani, Gherardo Löwen, Universität ​191  f. Loiseleur/Aucupis, Nicolas ​301 Lombardei ​56 London OA ​337 –– Bfe. ​→ Kemp, John –– englischer Königshof (Regierung) ​297, 333 L’Orfèvre (Lorfèvre), Pierre, Kanzler Hzg. Ludwigs v. Orléans ​170 f.

–– Tochter ​170 Lorris, Guillaume de ​174 Loschi, Antonio, mailändischer Sekretär ​172, 180 Lotharingien (regnum Lotharii; royaume de Lothier) ​93, 106, 123, 432, 436, 441, 454, 458 f. Lothringen ​57 f., 91, 99, 104, 123 –– Hzgt. ​67, 259, 288, 411, 433 –– Hzge. ​401, 408, 448; → Anjou, René v. –– Nikolaus I., Hzg. v. Lothringen u. Kalabrien ​440 Louvois, François Michel Le Tellier, Marquis de ​7 Loyet, Gérard ​445 Lucena, Vasco da ​191 f. Lübeck OA ​77 –– Bfe. ​ → Schele, Johannes –– Ratschronik ​452 Lüttich OA ​145, 457 –– Bm. ​217, 240, 427, 436, 448 –– Bfe. ​ → Bourbon, Louis de; → Heinsberg, Johann v. –– Stadt ​76 –– Stadtregierung ​255 Lützkendorf, Felix ​117 Lund, causa ​306 Lusignan, Haus (Zypern) ​339 –– Kanzler ​ → Cadoène, Bertrand de –– Hugues de, Kard. (v. Zypern) ​316 f., 334, 336, 339, 341, 343 f. –– Sekretär ​ → Gauquier, Thomas Luther, Hans ​42 Luther, Martin ​45, 110, 123, 198, 206–208, 211, 312 Lutz, Markus ​16 Luxembourg-St-Pol, Louis de, Kard., Ebf. v. Rouen ​301 –– Pierre (Peter) de, Kard., Bf. v. Metz ​298 Luxemburg, Haus ​368, 400 –– Hzgt. ​145, 373, 409, 411, 413–416, 418, 427, 433, 435 f., 443, 454 –– Seneschall ​ → Elter, Hubart/Huwart v. –– Baldewin/Balduin v., Ebf. v. Trier, Kf. ​ 108 –– Elisabeth (I) v., Gemahlin Kg. Albrechts II. ​ 409 –– Elisabeth (II) v., Hzgin. v. Görlitz ​409 –– Karl IV., Kg. v. Böhmen, römischdeutscher Kg., Ks. ​132, 167, 245 –– Sigismund, Kg. v. Ungarn u. Böhmen, römisch-deutscher Kg., Ks. ​30, 131, 242 f., 246 f., 251 f., 254–256, 259–261,

Register der Personen- und Ortsnamen 291, 301, 309, 354, 357, 379, 402 f., 427, 429 f., 449, 458 f. –– Gesandte, Gesandtschaften ​459 –– Hof ​433 –– Kanzlei ​254 –– Räte ​130 –– Wenzel (IV.), Kg. v. Böhmen, römischdeutscher Kg. ​132, 245 f., 368–370, 372, 391, 400, 460 Lydgate, John ​181 Lyon OA ​138, 174, 179, 325 f., 387 –– Ebm. (Kirche) ​74, 248, 251, 257, 342, 353 –– Kathedralkirche (St-Jean) ​262 –– Kathedralkapitel ​248, 262 –– Ebfe. ​ → Bourbon, Charles de; → Talaru, Amédée de –– Stadt ​33, 249 –– St-Nizier: Sakristan ​→ Amanzé, Jean d’ –– Konzil (1245) ​267, 288 –– Versammlung (August 1447) ​313 Lyonnais ​293, 329 Lysura ​ → Lieser Mabillon, Jean (OSB; Mauriner) ​5–10, 17, 30 Machet, Gérard, Bf. v. Castres, Beichtvater Kg. Karls VII. v. Frankreich ​30, 139, 179, 184, 285, 322, 339, 397, 416 Mâcon OA ​72 –– Bm. ​226 –– Bfe. ​ → Le Jeune, Jean Märtl, Claudia ​192, 194  f. Magdeburg, Ebfe. ​→ Brandenburg, Albrecht v. Maguelonne, Bfe. ​→ Rouvres, Robert de Mailand OA ​169, 460 –– Ebfe. ​ → Pizzolpasso, Francesco –– Hzgt. ​128, 132, 135 f., 169, 183, 329, 371, 459 f. –– Hzge. ​348; → Sforza, Galeazzo Maria; → Visconti, Filippo Maria; → Visconti, Gian Galeazzo –– Gesandte, Gesandtschaften ​143 f., 437 –– Kanzlei ​35 –– Sekretär ​ → Loschi, Antonio Mailly, Jean de ​224 Maine ​268 –– Gfn. (später: Hzge.) → Anjou, Karl v.; → Anjou, Ludwig I. v. Mainz OA ​370 –– Ebm. (Kirche) ​395, 405–408, 436 –– Kft. ​406

505

–– Ebfe. ​392, 400; → Brandenburg, Albrecht v.; → Erbach, Dietrich v.; → Nassau, Adolf  II. v. –– Stadt ​362, 380, 406 f. –– Patrizier ​→ Gutenberg (Gensfleisch), Johannes –– Reichsversammlungen ​317, 407 –– Tag (Dezember 1400) ​371 f., 374 –– Reichsversammlung (Kongreß) (März/ April 1439) ​133, 302, 407 –– Reichsversammlung (Februar/April 1441) ​133, 323 Mainzer Akzeptation ​393, 407 Mainzer Stiftsfehde ​436 Mair, Martin, Dr. decr., Kanzler des Mainzer Ebf.s Dietrich v. Erbach ​140, 435 f. Maissen, Thomas ​173 Makkabäer(brüder), Heilige ​388 Mameluken ​339 Manchon, Guillaume ​314, 318 Manderscheid, Ulrich v., Ebf. (Elekt) v. Trier ​ 405 Mannheim, Handelshochschule ​93 Mansel, Jean ​197 Mantua, Kongreß (1459/60) ​326, 428 Marais, Mathieu ​20 Marburg, Universität – Professoren ​→ Rade, Martin Marca, Pierre de, Ebf. v. Toulouse u. Paris ​ 2, 4, 10 –– Sekretär ​→ Baluze, Étienne Marcellinus, Papst ​275 Marcioniten ​386 Marcks, Erich ​93 Mariastein (Notre Dame de la Pierre), Kloster (OSB) ​5–8 –– Äbte ​→ Reutty, Augustin –– Bibliothek ​8 Marini, Antonio ​437 Marmion, Simon ​217 „Marmousets“ ​167 f., 183, 366 Marmoutier (bei Tours), Kloster (OSB) ​266 –– Camerarius ​271 Marseille, Bm. ​327 –– Bf. (Elekt u. Kand.) → Glandèves, Louis de Martelli(s), Roberto, Leiter der Basler Medici-Filiale ​296 Martène, Dom Edmond (OSB) ​127 Martin v. Tours, Heiliger, Bf. ​266 Martin V. (Oddo Colonna), Papst ​224, 247, 249 f., 269 f., 289, 291–293, 309, 352 –– Hof  ​270 Martinière, Laurent Corentin de la ​25

506

Register der Personen- und Ortsnamen

Massyliensis, Ludovicus ​298 Mathar, Ludwig ​97 Maupertuis, Schlacht (1356) ​388 Maurepas, Jean Frédéric Phélypeaux, Comte de ​24 Mauroux, Jean, Patriarch v. Antiochien ​30, 257, 276, 327, 394 Mayer, Theodor ​104, 119 Mazarin, Jules (Giulio Mazarini), Kard. ​62 Meaux, Bm. (Kirche) ​228 Mecheln OA ​446 –– cour souveraine ​453 Medici, Lorenzo de’ ​296 –– Filiale in Basel ​→ Basel Mehmed II., osmanischer Sultan ​150 Mehrmann, K. ​104 Meinecke, Friedrich ​42 Mela, Pomponius ​193 Melle (Bm. Poitiers), Erzpriester ​ → Courcelles, Thomas de Ménage, Mathieu ​285 Ménart, Quentin, Ebf. v. Besançon, Propst v. St-Omer ​258, 263 Mendikanten/Bettelorden ​306 Mergentheim, Fürsten‑ u. Städtetag (Dezember 1444/Januar 1445) ​415 Mets, Guillebert de ​367 Metz OA ​99, 441 –– Bm. ​436 –– Bfe. ​→ Baden, Georg v.; → LuxembourgSt-Pol, Pierre (Peter) de –– Stadt ​128 Meulan(‑en-Yvelines) OA (Château L’IsleBelle) ​27 Meung, Jean de ​174 Meuthen, Erich ​84, 110, 119, 137, 209, 212, 425 Meyer, Andreas ​211 Mézières, Philippe de ​201 Michelet, Jules ​162, 331 Midi ​19, 292 Miélot, Jean ​142, 191 f. Migli, Ambrogio (dei), Mitarbeiter der Kanzlei Hzg. Ludwigs v. Orléans ​168–170 Milhou, Alain ​208, 213 Miller, Ignaz ​139, 211 Moccia, Giovanni ​181  f. Moers, Haus (Familie) ​357, 404 –– Gft. ​403  f., 433 –– Gfn. ​145 –– Dietrich II. v., Ebf. v. Köln, Kf. ​74 f., 135, 145, 357, 392, 403–405, 410, 412–417, 429, 435

–– Gesandte, Gesandtschaften ​413 –– Friedrich III., Gf. v. Moers u. Saarwerden ​ 401, 403, 429 –– Heinrich v., Bf. v. Münster, Administrator des Bm.s Osnabrück ​404, 413 –– Margareta v., Gemahlin Gf. Gerhards v.  Looz-Heinsberg-Blankenheim ​416 –– Walram v., Bf. v. Münster, Bf. (Elekt) v. Utrecht ​146, 404 Mohammed, Prophet ​386 Molinet, Jean, burgundischer Chronist ​80, 457 Mollat, Michel ​329 Monginot, Prior des Dominikanerklosters v.  Chartres ​28 Mons (Hennegau) OA ​374, 380 Monstrelet, Enguerran de, burgundischer Chronist ​225, 238, 331, 333 Mont St-Martin ​329 Montaudier, Dreux (Drogo) de, Abt des Klosters St-Pierre-le-Vif (OSB)/Sens, Abt (Elekt) des Klosters St-Germain-des-Prés (OSB)/Paris ​286  f. Montchoisi (Montélu), Geoffroy de, Dr. decr., (bacc. theol.), Abt der Klöster St-Honorat (OSB)/Lérins u. St-Germaindes-Prés (OSB)/Paris, Generalvikar v. Senez ​264–267, 269–288, 339, 395 Monte, Piero da ​337 Montecatini OA ​36 Montereau OA ​402 Montfaucon, Bernard de ​15 Montferrand, David de, Ebf. v. Bordeaux ​ 289–291 –– Generalvikar ​ → La Planche, Bernard de –– Vertreter auf dem Konstanzer Konzil ​ → La Planche, Bernard de –– Vizekanzler ​ → La Planche, Bernard de Montfort, Herold des Hzg.s Jean V der Bretagne ​359 Montgelas – Pauline, Gfin. v. ​93 Monthureux-le-Sec (bei Vittel; Vogesen) OA ​364 Montjeu, Philibert de, Bf. v. Coutances ​30, 224, 228, 257–259, 261, 302, 352, 397 Montmajour (bei Arles), Kloster (OSB) ​ 272 –– Administrator ​ → Aleman, Louis –– Kommendatarabt ​ → Aleman, Louis Montpellier, St-Firmin, Pfarrei ​336 –– Universität ​195 Montreuil (de Monsterolio), Jean de, Propst v. St-Pierre/Lille, Mitarbeiter

Register der Personen- und Ortsnamen (Notar u. Sekretär) in den Kanzleien Kg. Karls VI. v. Frankreich u. Hzg. Ludwigs v. Orléans ​128, 157, 159 f., 162 f., 166–170, 174–176, 180–183, 199–203, 362–368, 371–384, 386–391 Monzon, Juan de (OP) ​164 Moraw, Peter ​84, 127, 139 Morelet, Jean ​187 Morillon, Hervé, Abt des Klosters StGermain-des-Prés (OSB)/Paris ​286 Morosini, Antonio, Chronist ​315 Most-Kolbe, Ingeborg ​147 Mouchet, Familie ​259 –– Jacques, Ritter ​259 Moulin, Denis du, Ebf. v. Toulouse ​398 Mouzon ​ → Harcourt, Christophe d’ Müller, Karl Alexander v. ​66 München OA ​62, 93 Münster OA ​93 –– Bfe. ​ → Moers, Heinrich v.; → Moers, Walram v. –– Stadt ​146, 415 –– Universität ​95 –– Professoren ​ → Kallen, Gerhard Münster, Sebastian ​198 Münsterberg ​ → Podiebrad Münstersche Stiftsfehde ​145, 415 Muguet, François ​21 –– Tochter ​22 Muhlack, Ulrich ​40 Mulart/Muyla(e)rt, Simon, Dekan v. Heinsberg ​77, 439, 441 Murad II, osmanischer Sultan ​32 Muret, Jean, Sekretär Papst Clemens’ VII. ​ 181–183 Nagy-Varàd (Großwardein), Bfe. ​→ Vitèz, Johannes Namur, Gft. ​217, 427, 433 Nancy OA ​97, 99, 411, 416 –– Verträge (Februar 1445) ​410, 416, 418 Nangis, Guillaume de ​53 Nantes OA ​350 Napoleon I. Buonaparte, Ks. der Franzosen ​ 47 f., 66, 70, 115 Narbonne OA ​238, 291 –– Ebm. ​229, 232, 235, 237, 239 –– Ebfe. ​ → Harcourt, Jean d’; → Harcourt, Louis (II) d’ Naso, Johann IV., Bf. v. Chur ​253 Nassau, Haus – Linie Dillenburg-Breda/ Vianden ​76, 438

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–– Adolf v., römisch-deutscher Kg. ​400 –– Adolf  II. v., Ebf. v. Mainz, Kf. ​76, 438, 442, 451, 454 –– Gefolge ​424, 442, 444 Nauclerus (eigentlich: Vergenhans), Johannes ​ 198 Navarra, Haus ​293 –– Kgr. ​294 –– Johanna, Kgin. v., Gemahlin Kg. Philipps IV. des Schönen v. Frankreich ​159, 365 Neapel(‑Sizilien), Kgr. ​34–36, 50, 143, 153, 220, 266, 270, 286, 288, 408; → Sizilien –– Hof ​399 –– Kge. ​→ Anjou, Ludwig III. v.; → Anjou, René v.; → Aragón – Alfons V., Kg. v.; → Staufer – Friedrich II. –– Kgin. ​→ Anjou-Sizilien – Johanna II. v. Anjou-Durazzo Nebukadnezar, Kg. des neubabylonischen (chaldäischen) Reichs ​353 Negroponte, Fall (1470) ​150 Neufchâtel, Charles de, Ebf. v. Besançon ​5 Neuss OA ​80–84, 91, 95–98, 112, 115, 122, 456 –– Stadt ​74, 76–79, 85, 90, 92, 95 f., 110 f. –– Belagerung (1474/75) ​80, 89, 95, 105, 121 f.; → Neusser Krieg –– Bürgerschaft ​98 –– Einwohner ​81, 95, 112 –– Marktplatz ​112 Neusser Krieg (1474/75) ​68, 73 f., 78–80, 82 f., 85–88, 94, 97, 99, 101, 106 f., 109–112, 119, 121–123, 437; → Neuss, Stadt – Belagerung Neustrier ​90 Nevers, Bfe. ​→ Germain, Jean –– Konferenz (Januar/Februar 1435) ​220 f., 227, 230, 273, 332, 334, 344 Nibelungen ​103 Nicolai, Avignon, (Erz‑)Bf. v. Aix-en-Provence ​295 Niederburgund, Kgt. ​103 –– Kge. ​→ Boso Niederländer ​122 Niederlande (Niedere Lande) ​96, 98, 102, 109, 115, 191, 216 f., 221, 240, 333, 402 f., 426 f., 434, 449 Niederlothringen, Hzge. ​→ Bouillon, Gottfried v. Niem, Dietrich v. ​395 Niessen, Josef ​121 Niklashausen, Pfeifer v. ​210

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Register der Personen- und Ortsnamen

Nikolaus V. (Tommaso → Parentucelli), Papst ​ 66, 128, 192, 318, 326, 330, 346, 417 –– Kardinäle ​ → Hugues d’Étain, Guillaume –– Legaten ​ → Estouteville, Guillaume d’ Nikopolis, Schlacht (1396) ​353 Nördlingen, Stadt –– Bürgermeister ​452 –– Rat ​452 Nonn, Ulrich ​68  f. Normandie ​159, 169, 184 f., 187–191, 196, 222, 293, 301 –– Hzge. ​351 –– Kanzler ​ → Kemp, John Normannen ​90, 222 Norreys, Philipp, Vikar aus dem irischen Dundalk ​306 Norry, Jean de, Ebf. v. Vienne u. Besançon ​ 263 Notre Dame de la Pierre ​→ Mariastein Nouvion, Jacques de, Mitarbeiter der Kanzlei Hzg. Ludwigs v. Orléans ​168, 170, 182 Novatianer ​387 Nürnberg OA ​119, 254, 372 –– Stadt ​151, 211, 371 –– Reichsversammlungen ​321 –– (Oktober/November 1438) ​323  f. –– (November 1440/Januar 1441) ​323 –– (Februar 1443) ​138 –– (August/Oktober 1444) ​145, 193 –– (März 1447) ​135, 416 –– (November 1466) ​147  f. –– (Juli/August 1467) ​147  f. –– (Oktober bzw. Dezember 1479) ​151 –– (Oktober/November 1480) ​151 Numai, Alessandro, Bf. v. Forlì ​78 Nzinga a Nkuwa, kongolesischer Herrscher ​ 213 Oberkrome, Willi ​101 Oberlahnstein OA ​370 –– Fürsten‑ u. Städtetag (August 1400) ​370 Oedipus, myth. Kg. v. Theben ​12 Öhringen, Fürstentag (Juli 1448) ​136 Österreich ​6, 144, 151, 440 –– Hzge. ​ → Babenberger; → Habsburg –– Republik ​117 Österreich-Steiermark, Kgr. ​458 Oexle, Otto Gerhard ​111 Ofen ​ → Buda Offenburg, Christoph, Basler Chronist ​307 Oliveira, Martin Afonso de ​142 Oncken, Hermann ​93

Orden vom Goldenen Vlies (ordre de la Toison d’or) ​72, 142, 144, 193 f., 403, 434, 457 –– Kanzler ​ → Fillastre, Guillaume, der Jüngere Oresme, Nicole, grand maître des Pariser Navarrakollegs ​165 Orges, Hugues d’, Ebf. v. Rouen, Bf. v. Chalon s/Saône ​8 f., 228, 319, 397 Orient ​51  f. Orléans, Bm. ​239 –– Bfe. ​ → Harcourt, Jean d’ (Kommende) –– Stadt ​315 –– Belagerung (1429) ​221 –– Johanna v. ​→ Arc, Jeanne d’ Orléans, Haus (Partei) ​135, 169, 183, 368, 391 –– Hzge. ​169, 366, 401 –– Johann (Jean), Gf. v. Dunois u. Longueville, Bastard v. Orléans ​135 –– Karl v. (Charles d’Orléans), Hzg. v., Dichter ​169, 186 –– Ludwig (Louis), Hzg. v. ​128, 168–170, 182 f., 192, 215, 368–371, 373 –– Gemahlin ​→ Visconti, Valentina –– Hof  ​170 –– Kanzlei ​168, 170, 200 –– Mitarbeiter ​ → Col, Gontier; → Migli, Ambrogio (dei); → Montreuil, Jean de; → Nouvion, Jacques de –– Kanzler ​ → L’Orfèvre, Pierre –– Philipp(e) II., Hzg. v., französischer Regent ​20, 25 –– Hof  ​16 Ormesson, Wladimir d’ ​57 Ornato, Ezio ​128, 159, 161 f., 172 f., 181, 183, 199, 375 Osmanen ​32, 142; → Türken Osnabrück, Bm. (Kirche) ​404 –– Administrator ​ → Moers, Heinrich v. Ostermann, Willi ​89 Ostfriesland ​433; → Friesland Otto v. Freising, Bf., Geschichtsschreiber ​53 Ottonen ​88 –– Heinrich I., fränkisch-deutscher Kg. ​115 Ourliac, Paul ​313, 397 Ouy, Gilbert ​156, 159, 161 f., 165 f., 168, 171 f., 181, 183, 191, 199, 365, 375 Overbeck, Franz ​56 Ovid (Publius Ovidius Naso) ​169, 174 Pabst, Klaus ​109 Pacino, Antonio ​187

Register der Personen- und Ortsnamen Paderborn, Bm. ​404, 406 Padua OA ​163, 190, 270 –– Santa Giustina, Kongregation (OSB) ​270 –– Äbte ​ → Barbo, Ludovico –– Universität ​210 Palacký, František ​1, 29 Palermo, Ebfe. ​→ Tudeschi, Niccolò Palomar, Juan de ​265 Paphos, Bfe. ​→ Cadoène, Bertrand de Papst, Papsttum ​14, 20, 32 f., 44 f., 50, 55 f., 60, 68, 131–133, 149, 153, 231, 236, 242, 267, 274–276, 279, 282 f., 285, 288, 294, 317 f., 320, 323, 348 f., 392, 394–396, 402, 407, 417, 440 –– Gesandte, Gesandtschaften ​323 –– Hof  ​193 –– Legaten ​147 Paravicini, Werner ​78, 84, 154 Parentucelli, Tommaso ​335, 346; → Nikolaus V., Papst Paris OA ​8, 11–17, 20–30, 39, 50, 140, 156–159, 161–167, 169, 171, 173, 178–184, 190 f., 203, 234, 249, 258, 313, 318 f., 327 f., 363, 366, 368, 370 f., 374 f., 383, 389, 395 –– Bm. (Kirche) ​212, 239, 326 –– Kathedralkirche (Notre-Dame) ​326 –– Kathedralkapitel ​326 –– Dekan ​ → Courcelles, Thomas de –– Poenitentiar ​ → Ciboule, Robert; → Courcelles, Thomas de –– Bfe. ​ → Courtecuisse, Jean; → Rochetaillée, Jean de –– Ebfe. ​ → Amette, Léon-Adolphe; → Marca, Pierre de –– Académie Royale des Inscriptions et Belles Lettres ​18  f., 29 –– Bibliothèque Royale/Bibliothèque du roi ​ 2, 8, 15 f., 21–23, 25–29, 282; → Paris, Stadt – Hôtel de Nevers (rue Vivienne) –– Bibliothekare ​16 –– Hof, Regierungssitz ​4, 6 –– Parlament ​70, 127, 137, 224, 234, 327, 407 –– Avocats ​ → Daguesseau, Henri-François; → Laurière, Eusèbe de; → Marais, Mathieu –– „Société de medicine“ ​52 –– Stadt ​39, 174, 178, 190, 316 f., 319, 330, 348 –– Hallenviertel: Kirche u. Friedhof der Heiligen Unschuldigen Kinder ​362, 384 –– Hôtel de Nevers (rue Vivienne: Standort der Bibliothèque Royale) ​27

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–– Montagne Ste-Geneviève ​364 –– St-André, Pfarrei ​326 –– St-Denis, Kloster (OSB) ​198–200, 312 f., 330 –– Äbte ​→ Suger –– Mönche ​ → Versailles, Pierre de –– St-Éloi, Priorat: Prior ​→ Bersuire, Pierre –– St-Germain-des-Prés, Kloster (OSB) ​ 266, 282, 287 –– Äbte ​→ Bourron, Jean; → Montaudier, Dreux (Drogo) de; → Montchoisi, Geoffroy de; → Morillon, Hervé –– Konvent ​286 –– St-Magloire, Kloster (OSB) ​328 –– St-Victor, Stift ​190 –– Ste-Chapelle: Kanoniker ​→ Daudin, Jean –– Universität ​138, 157, 159, 164, 172–174, 176 f., 189, 228, 314–316, 325 f., 328, 333 –– Theologische Fakultät ​138, 314, 327 –– Gesandte, Gesandtschaften ​327, 333 –– Kanzler ​→ Bardi, Roberto de’; → Gerson, Jean –– Kolleg: Cholets (collège des Cholets) ​ 314, 326, 328 –– Custode ​→ Chartres, Regnault de –– Kolleg: d’Harcourt ​222 –– Kolleg: Navarra (Navarrakolleg) ​12, 159 f., 165–168, 173, 178–181, 184, 196, 273, 281 f., 339, 364 f., 387, 390, 397 –– Bibliothek ​167, 282 –– grand maître ​→ Oresme, Nicole –– Kolleg: Sorbonne ​11, 20, 45, 189, 277 –– Bibliothek ​12, 182 –– Bibliothekar ​ → Castiglione, Giovanni da –– Kapelle: Ste-Ursule-de-la-Sorbonne ​ 383 f. –– Professoren (Universitätslehrer) ​130; → Courcelles, Jean de; → Courcelles, Thomas de –– Prokuratoren am Basler Konzil ​237; → Lamy, Nicolas –– Rektoren ​→ Chevrot, Jean; → Courcelles, Thomas de –– Synode (1398) ​50 Parisse, Michel ​209 Parma, Salimbene v. (OFM) ​53 Patrizi, Agostino ​149 f., 152 Paul II. (Pietro Barbo), Papst ​148, 192 f., 437

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Register der Personen- und Ortsnamen

–– Gesandte, Gesandtschaften ​150 Pavia OA ​193, 460 –– Bfe. ​→ Pizzolpasso, Francesco –– Universität: Collegio Castiglione ​187 Pavia-Siena, Konzil (1423/24) ​250, 283 f., 289, 293, 309 –– Gesandte ​ → La Planche, Bernard de Pelluchot, Jean ​258 Péronne OA ​423 Pérouse, Gaspard de ​351 f. Perpignan OA ​291 Person, Gobelin, Weltchronist ​386 Pertusi, Agostino ​129 Pesce, Luigi ​270 Pest OA ​152; → Budapest Petit, Jean ​340 Petrarca, Francesco ​156–159, 163, 165 f., 171, 175, 177–179, 181 f., 196, 198–200, 382 Petri, Franz ​100–102, 105, 107 f. Petrus, Apostel ​21, 275, 283, 285, 359 Pfalzgrafen bei Rhein ​151, 400, 406 –– Friedrich I. (der Siegreiche), Pfgf. bei Rhein, Kf. ​75 f., 436 f., 440, 446, 451, 454 f. –– Johann I., Pfgf. bei Rhein zu Neumarkt ​ 128 –– Ludwig IV., Pfgf. bei Rhein, Kf. ​410, 412, 414, 435 –– Gemahlin ​ → Savoyen, Margarete v. –– Ruprecht III. (I.), Pfgf. bei Rhein, Kf., römisch-deutscher Kg. ​139, 246, 368–373, 380, 383, 391, 400 –– Kinder ​369 –– Ruprecht v. der Pfalz, Ebf. v. Köln, Kf. ​ 75–79, 440, 454 –– Stephan zu Simmern, Dompropst zu Köln ​ 442 Pfalzgrafschaft bei Rhein ​407, 413, 417 Pfirt OA ​145 Photios, Patriarch v. Konstantinopel ​6, 8 Piacenza, Kard. v. ​→ Castiglione, Branda da Picardie ​137 Piccolomini, Enea Silvio (Papst → Pius II.), Kard., Bf. v. Siena, Sekretär des Niccolò Albergati ​40, 82, 129, 132, 136 f., 144 f., 152, 158, 168, 185, 225, 298, 302, 307, 313, 317, 320, 324, 335 f., 346, 376, 382, 415 Pignon, Laurent (OP), Beichtvater Hzg. Philipps des Guten v. Burgund ​341, 344 Pintoin, Michel ​165, 370; → Religieux de St-Denys

Pirckheimer, Willibald ​198 Pirenne, Henri ​433, 444 Pisa, Papsttum –– Kurie ​249 –– Konzil (1409) ​10, 248, 356 –– Konzil (1511/12) ​210 Pisan, Christine de ​174, 201 Pistoia, Buonaccorso da ​191 Pius II. (Enea Silvio → Piccolomini), Papst ​ 146–148, 193 f., 326, 415, 436 Pius IX. (Giovanni Maria Mastai-Ferretti), Papst ​320 Pizzolpasso, Francesco, Ebf. v. Mailand, Bf. v. Pavia ​158, 186, 242 Planea, Bernardus de (OSB; Cluniazenser) ​ 290; → La Planche, Bernard de Plantagenêt, Haus ​289 Platon ​168, 187 f., 194 Platz, Hermann ​124 Platzhoff, Walter ​57, 86 f., 93 f., 114, 119 Pleyer, Kleophas ​66 Plumetot, Simon de, Kanoniker u. Kanzler an der Kirche v. Bayeux ​190 f. Plutarch (Plutarchos v. Charoneia) ​169, 197 Pluto, Reich des ​163 Podiebrad, Georg v., böhmischer Gubernator, Kg. v. Böhmen ​14 f., 150 f., 437 f., 454, 458 –– Gesandte → Marini, Antonio –– Heinrich I. (der Ältere) v., Hzg. v. Schlesien in Münsterberg ​150 Poincaré, Raymond ​39 Poitiers OA ​140 –– St-Hilaire, Kloster (OSB): Thesaurar ​ → Étampes, Jean d’ –– Klerusversammlung (März 1436) ​33 –– (Exil‑)Parlament ​137 Poitou ​53 Polen, Kgr. ​131 f., 150–152, 291, 340, 458 –– Kge. ​459; → Anjou-Sizilien, Ludwig I. v.; → Jagiellonen – Johann Albrecht; → Jagiellonen – Kasimir Andreas IV.; → Jagiellonen – Władisław III. Warneńczyk Poligny OA ​257  f. –– St-Hippolyte, Stiftskapitel ​258 –– Dekan ​ → Grusignot, Gilles (Grévy‑)Pons, Nicole ​162, 199 f., 202 f., 375 Pont-de-Veyle (bei Bourg-en-Bresse) OA ​ 332 Pontarlier (südöstl. v. Besançon) OA ​103 Porée, Martin, Bf. v. Arras ​343 –– Sekretär ​ → Brunet, Pierre

Register der Personen- und Ortsnamen Portugal ​191, 213, 385 –– Kgr. ​142, 147, 335 –– Kge. –– Hof ​398 –– Duarte (Eduard), Kg. v. (aus dem Hause Avis) ​335 –– Eleonore v., Gemahlin Ks. Friedrichs III. ​ 143 –– Isabella v., Gemahlin Hzg. Philipps des Guten v. Burgund ​142, 144, 191 f., 227, 257 f., 337, 340, 344 –– Beichtvater ​→ Germain, Jean Portugiesen (Entdecker) ​206, 429 Posen OA ​41 Posthumus Meyjes, Guillaume Henri Marie ​173 Prag OA ​167, 193, 302, 394, 397, 400 Prag, Hieronymus v. ​291 Premierfait (bei Troyes) OA ​180 Premierfait, Laurent de (Laurent Guillot), Sekretär des Kard.s Amédée de Saluces ​ 172, 180 f., 198 Preßburg (Bratislava) OA ​152, 259 –– Reichsversammlung (Dezember 1429) ​ 130 Pretzsch (bei Wittenberg) OA ​119 Preußen ​42, 44, 62, 86, 107 –– Kge. ​88, 114; → Brandenburg – Friedrich III. (I.), Mgf. v. –– Friedrich II. der Große, Kg. v. Preußen ​ 43 –– Friedrich Wilhelm I., Kg. v. Preußen ​15 –– Berliner Hofprediger ​→ Lenfant, Jacques Prietzel, Malte ​183  f., 192–194 Primat v. St-Denis ​53 Prinetti, Giulio ​37 Proksch, Otto ​44 Provence ​266 f., 271 f., 286, 288 –– Gfn. ​ → Anjou, Ludwig III. v. –– Geistlichkeit (Klerus) ​271 Ptolemaios, Klaudios ​193 Publicius, Jacobus/Santiago ​195  f. Pufendorf, Samuel v. ​399, 419 Puysieulx, Marquis de ​→ Brulart de Sillery, Roger Quatermart, Johann, Kölner Ritter ​375 Quentin, Henri ​4, 11, 21 Quidde, Ludwig ​134, 154 Quinet, Edgar ​65 Quirin, Heinz ​133 Quirini, Tommaso (OSBCam) ​210

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Raab OA ​152 –– ungarischer Tag (Juni 1455) ​144 Rabelais, François ​171 Rabil jr., Albert ​162 Racine, Pierre ​111 Radbod, Friesenfürst ​432 Rade, Martin ​42 Radulphus Ardens ​53 Ragusa, Johannes v. ​265, 276 f., 394 Ragvaldsson, Nils, Bf. v. Växjö ​341 Raimondi, Cosma ​182 Ramboux (Radbod), Kg. ​432 Rampolla, Mariano, Marchese del Tindaro, Kardinalstaatssekretär ​36 Ranke, Leopold v. ​56, 101, 154, 320 Rapp, Francis ​205, 209 f., 212 Raynaldus (Raynaldi), Odericus (Odorico) ​129 Regatiis, Franciscus de, Bf. v. Bergamo ​242 Regensburg OA ​143, 145, 242 f. –– Bm. (Kirche) ​395 –– Reichsversammlung (April/Mai 1454) ​ 126, 129, 131, 141, 143, 376, 383, 428, 435 –– Reichsversammlung (Februar/März 1469) ​ 147 –– Reichsversammlung (Juni/August 1471) ​ 148–152, 428, 440 Reich, Heiliges Römisches –– geographisch ​33, 55, 67, 74, 76–79, 84, 88, 93, 96, 98, 115, 128, 134, 137 f., 140, 142 f., 145, 175, 247, 317 f., 322–324, 342, 358, 363 f., 368, 373, 375 f., 379–381, 387, 389 f., 392, 397, 399 f., 404 f., 407, 409, 411, 415, 418 f., 424, 430, 433, 438, 445, 448, 450, 453, 456 –– Küche ​376  f. –– Westmark ​86 f., 95, 100 –– politisch (institutionell) ​30, 47, 56–58, 73, 81–85, 88, 91–93, 96 f., 106, 109–112, 115–119, 126–128, 130, 132, 134, 140, 153 f., 193, 210, 242, 244, 246 f., 254, 256, 263, 314, 316, 322, 353, 356–358, 363, 370–373, 375 f., 378, 381, 390, 399–401, 403, 405, 411, 414–416, 418 f., 423, 425 f., 432, 434–438, 441, 444, 449 f., 452–457, 459–461 –– Kg(e)., römische(r) ​55, 88, 246, 322, 353, 370, 399 f., 402, 408, 419, 427–430, 437, 439, 441, 444 –– Kgt., römisch(es), ‑deutsches ​56, 79, 147, 426, 430, 437–440, 447, 450, 452, 456–458, 460

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Register der Personen- und Ortsnamen

–– Geistlichkeit (Klerus) ​376, 387, 390, 407 –– Kammer ​460 –– Räte ​139 –– Städte ​56, 82, 153, 389 f.; → Reichsstädte Reichenau, Wilhelm v., Bf. v. Eichstätt ​442 Reichserbkämmerer ​→ Weinsberg, Konrad v. Reichsfürsten ​56, 131, 133, 140, 145 f., 149, 151, 242, 324, 372 f., 375, 387, 389, 407, 410, 415, 418, 427, 435 f., 439, 442 f., 446 f., 450 f., 455 f., 458 Reichsheer ​81  f. Reichshofrat ​262 Reichsmaterien (res imperii) ​444, 450 Reichsreform ​67, 461 Reichsstädte ​381 Reichsstände ​134, 136, 141, 145 f., 260 Reichsversammlungen (Reichstage) ​ 126–128, 132–134, 137, 141, 145, 147 f., 150–152, 154, 313, 317, 322 f., 399; → Augsburg; → Frankfurt/Main; → Mainz; → Nürnberg; → Preßburg; → Regensburg; → Ulm; → Wien; → Wiener Neustadt; → Worms Reichsvikariat ​76, 435–437, 440, 447 Reims OA ​180, 196, 238, 326, 328 –– Ebm. (Kirche) ​170, 226, 328 –– Domkapitel –– Bibliothek ​170, 192 –– Dekan ​ → Fillastre, Guillaume, der Ältere –– Ebfe. ​ → Chartres, Regnault de; → Juvénal des Ursins, Jacques; → Juvénal des Ursins, Jean II Reinhardt, Rudolf ​205, 209, 213 Religieux de St-Denys ​370–372; → Pintoin, Michel Remagen, Stadt ​75 Renaudet, Augustin ​176, 183 Rennes, St-Melaine, Kloster (OSB) – Abt ​ 350 Reutty, Augustin, Abt des Klosters Mariastein (OSB) ​7  f. Reval OA ​41 Rhampston, Thomas, Seneschall der Guyenne ​304 Rheinländer, rheinisches Volk ​85, 95, 99, 122 f. Rheinlande ​39, 61, 73, 80, 84–88, 90–93, 95–98, 101, 105 f., 121, 123 f., 383, 392, 405, 418 f. –– Besetzung ​57, 66, 117 –– Universitäten ​106

Rhens OA ​370 Rice jr., Eugene F. ​162 Richelieu, Armand-Jean du Plessis, Duc de, Kard. ​11, 62, 70, 384 Richemont, Arthur de, connétable de France, Gemahl der Margarete v. Burgund ​221, 332 Riga, causa ​297  f. Rigaud, Claude, Neffe des Jean Anisson ​21 Ringer, Fritz K. ​64 Ritterbusch, Paul ​118 Robbia, Andrea della ​193 Roccati, Giovanni Matteo ​162, 166 Rochetaillée OA ​248 Rochetaillée (de Fonte), Jean de, Dr. iur. utr., Kard., (Titular‑)Patriarch v. Konstantinopel, Ebf. v. Rouen u. Besançon, Bf. v. Genf u. Paris, Administrator des Bm.s St-Papoul ​228, 242, 244, 248–263, 292 f. –– Familiare ​256; → Rochetaillée, Étienne de –– Kurie ​258; → Gy –– Neffe ​ → Rochetaillée, Étienne de –– Prokurator ​ → Chevrot, Jean –– Sekretär ​ → Salmon, Pierre –– Étienne de, Neffe u. Familiar des Jean de Rochetaillée ​253 Rodez, Bm. ​212 Roes, Alexander v. ​53 Roger, Robert, (Erz‑)Bf. v. Aix-en-Provence ​ 295 Rolin, Jean, Kard. ​248 –– Nicolas, Kanzler Hzg. Philipps des Guten v. Burgund ​221, 228 f., 239, 346 Roloff, Gustav ​41 Rom OA ​3, 10, 36–38, 56, 67, 71, 157, 194, 247, 253, 313 f., 326, 379, 460 –– Römisches Imperium ​196  f. –– Römer ​90, 156, 198 –– Senat ​353, 402, 428 –– Heiliger Stuhl ​20, 36, 142, 309, 335, 337 –– Kardinalskolleg(ium) ​292, 346, 353, 402 –– Kardinäle ​253 f., 276, 308 f., 428; → Albergati, Niccolò; → Aleman, Louis; → Amette, Léon-Adolphe; → AmmanatiPiccolomini, Jacopo; → Baudrillart, Al­ fred-Henri-Marie; → Beaufort, Henry; → Bessarion; → Capranica, Domenico; → Casanate, Girolamo; → Castiglione, Branda da; → Castiglione, Giovanni da; → Cesarini, Giuliano; → Colonna, Giovanni; → Correr, Antonio;

Register der Personen- und Ortsnamen → Fillastre, Guillaume, der Ältere; → Foix, Pierre de; → Hartmann, Felix v.; → Hugues d’Étain, Guillaume; → Jouffroy, Jean; → Le Jeune, Jean; → Lusignan, Hugues de; → Luxembourg-St-Pol, Louis de; → Luxembourg-St-Pol, Pierre de; → Mazarin, Jules; → Richelieu, Armand-Jean du Plessis; → Saluces, Amédée de; → Schaumberg, Peter v.; → Tarlati da Pietramala, Galeotto; → Todeschini-Piccolomini, Francesco; → Torquemada, Juan de –– Kardinalpresbyter ​303 –– Kurie ​2–4, 11, 14, 20, 36, 44, 56, 78, 131 f., 147, 210, 212 f., 215, 219 f., 231, 236, 239, 247, 251 f., 254 f., 262, 277, 286, 292 f., 304, 309, 311, 314, 319, 334, 336, 348, 350, 395, 408, 452 –– Behörden ​210 –– Biblioteca Vaticana: Präfekt ​→ Schelstrate, Emmanuel –– Kardinalstaatssekretär ​ → Rampolla, Mariano –– Referendar ​ → La Planche, Bernard de –– Vizekanzler ​ → Rochetaillée, Jean de –– Stadt ​39, 56, 181 –– Königlich Preußisches Historisches Institut ​36 –– Wallfahrer ​269 –– Synode Papst Johannes’ XXIII. (1412/13) ​ 379 –– V. Laterankonzil (1512–1517) ​210 Romain, Henri, Kanoniker in Tournai ​197 Roquetaillade, Jean de ​→ Rupescissa, Johannes de Rosenberg, Alfred ​43 Rotenhan – Wolfram, Freiherr v., preußischer Gesandter beim Heiligen Stuhl ​36  f. Rotteck, Karl Wenzeslaus Rodecker v. ​48 Rotterdam, Erasmus v. ​387 f. Rouen OA ​312–315 –– Ebm. (Kirche) ​224, 228, 249, 301, 319 –– Archidiakon ​ → Chevrot, Jean –– Erzdiakon des Grand Caux ​→ Gri­bo(n)­ val, Jean de –– Kathedralkapitel ​224, 250 –– Kanoniker u. Pfründner ​→ Harcourt, Jean d’ –– Offizial ​ → Chevrot, Jean –– Ebfe. ​ → Estouteville, Guillaume d’; → Harcourt, Louis (I) d’; → Luxembourg-

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St-Pol, Louis de; → Orges, Hugues d’; → Rochetaillée, Jean de –– Kard. v. ​→ Rochetaillée, Jean de –– Stadt ​250 –– Tribunal (1431; Jeanne d’Arc) ​138, 314 f., 330 Rouergue ​212 Rougemont, Eudes de, Ebf. v. Besançon ​ 244 –– Thiébaud de, Ebf. v. Besançon ​245–247, 255 Rousergue/Ro(u)sier, Bernard de, Ebf. v. Toulouse ​195, 293 Roussillon, Girart de ​353 Rouvres, Robert de, Bf. v. Sées u. Maguelonne ​398 Rouvroy, Jean de ​397 Rühs, Christian Friedrich ​48 Ruhrgebiet ​97 Ruinart, Thierry (OSB; Mauriner) ​7 Rupescissa, Johannes de (Jean de Roquetaillade) (OFM) ​67 Russen ​41 Rußland ​41, 43, 64, 206 –– Katharina I., Zarin ​51 Rustici Romani, Cencio ​189 Rutebœuf, französischer Dichter ​53 Saarbrücken, Universität ​98 –– Professoren ​ → Ammann, Hektor Saarland ​99 Saarwerden, Gfn. ​→ Moers – Friedrich III., Gf. v. –– Friedrich v., Ebf. v. Köln, Kf. ​370, 374 Sabrevois, Denis de ​30, 315, 327 Saccaro, Alexander Peter ​157, 161, 389 Sachsen, Hzgt. ​77, 138, 150, 417 –– Kurwürde ​255 –– Hzge. ​400, 454  f. –– Gesandte ​→ Engelhard, Henri –– Räte ​443 –– Ernst, Hzg. v., Kf. ​150 –– Friedrich II., Hzg. v., Kf. ​410 f., 413–416, 435 –– Gesandte, Gesandtschaften ​413 –– Friedrich v., Sohn Hzg. Friedrichs II. v.  Sachsen ​409 –– Wilhelm III., Hzg. v. ​409, 413 –– Gemahlin ​→ Habsburg – Anna v. Österreich –– Gesandte, Gesandtschaften ​413 –– Söldner ​415 Sachsenhausen, Konzentrationslager ​125

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Register der Personen- und Ortsnamen

Sagan (Niederschlesien) ​150 St-Cloud (bei Paris) OA ​250 St-Jean-de-Salins, Kirche ​228 –– Kaplan ​ → Chevrot, Jean St-Malo OA ​196 –– Bm. ​236 St-Marcel (bei Paris) OA ​228 St-Omer OA ​238, 438 –– Propst ​ → Ménart, Quentin –– St-Bertin, Kloster (OSB) ​193 St-Papoul, Bm. ​249 –– Administrator ​→ Rochetaillée, Jean de St-Pol-de-Léon, Bf. v. ​242, 350 St-Sever (Bm. Aire), Kloster (OSB) – Abt ​ 303 Saint-Loup ​103 Salins(‑les-Bains), Saline ​352  f. Salisbury, Johannes v. ​54 Sallust(ius) Crispus ​200 Salmon, Pierre (Petrus Salominis), Sekretär des Jean de Rochetaillée ​242, 252  f. Salomon, biblischer Kg. ​359 Saluces, Amédée de, Kard. ​180 –– Sekretär ​ → Premierfait, Laurent de Salutati, Coluccio, florentinischer Staatskanzler ​163, 165, 167 f., 174, 176, 203, 363 f., 366 f., 388 Salzburg, Ebm. (Kirche) ​395 –– causa ​306 S. Marcello, Christoforo di, Bf. v. Cervia ​ 300 St. Bernhard, Großer (Montjoux), Stift (OSA) – Kommendatarprior ​→ Grôlée, Jean de St. Gallen OA ​5 –– Kloster (OSB) ​20 Santoni, Pierre ​177 Santucci, Gerolamo, Bf. v. Fossombrone ​78 Saragoz, M. ​5 Saulx, Familie ​259 Savoyen ​128, 138 –– Hzgt. ​135 f., 138, 257, 308, 324, 329, 353, 413, 427, 454 –– Hzge. ​448 –– Hof ​329, 416 –– Amadeus VIII. (Papst → Felix V.), Hzg. v. ​ 128, 252, 257, 321, 353 –– Gesandte, Gesandtschaften ​353, 402; → Flamochet, Guy –– Charlotte v., Gemahlin Kg. Ludwigs XI. v.  Frankreich ​409 –– Ludwig (Louis) I., Hzg. v. ​135, 325, 329 –– Hof  ​325

–– Margarete (Marguerite) v., Gemahlin Hzg. Ludwigs III. v. Anjou u. später Pfgf. Ludwigs  IV. ​410 –– Pfarrer ​325 Sayn – Gerhard II., der Jüngere, Gf. v. ​440 Schäfer, Dietrich ​42, 46 Schaub, Jacques, Postmeister in Basel ​17 Schaumberg (Schaumburg bei Schalkau) –– Georg v., Bf. v. Bamberg –– Gesandte, Gesandtschaften ​149 –– Peter v., Kard., Bf. v. Augsburg ​134 Schaumburg, Wilwold v. ​453 Schedel, Hartmann ​198, 307 Schele, Johannes, Bf. v. Lübeck ​134, 235, 243, 256, 353 f. Schelstrate, Emmanuel, Präfekt der Biblioteca Vaticana ​10, 323 Schieder, Theodor ​101 Schiller, Friedrich ​117 Schilling, Diebold, Chronist ​446 Schilling, Heinz ​84 Schlesien ​150, 438 –– Hzge. in Münsterberg ​→ Podiebrad Schlesinger, Walter ​51 Schleswig OA ​93 Schlick, Kaspar, Kanzler Kg. Friedrichs III. ​ 431 f., 434 Schlözer, Kurd v. ​37 Schmale, Wolfgang ​419 Schmeidler, Bernhard ​122 Schmid, Karl ​377 Schmidt, Karl, Rektor der Reichsuniversität Straßburg ​114 Schmitt, Carl ​117  f. Schmittmann, Benedikt ​124  f. Schmitz, Ferdinand ​85 Schmugge, Ludwig ​54 Schneider, Friedrich ​118, 331 Schneider, Reinhold ​89 Schönau, Elisabeth v., Seherin ​385 f. Schöttler, Peter ​101 Schongauer, Martin ​206 Schottland ​363 –– Kgr. ​339 –– Kge. –– Hof  ​399 Schramm, Percy Ernst ​61 Schreiner, Klaus ​111, 116 Schrörs, Heinrich ​45 Schütz, Karl ​88 Schulin, Ernst ​113  f., 116 Schulte, Aloys ​83, 92 f., 109 Schwarzenberg, Walter v., der Jüngere ​80

Register der Personen- und Ortsnamen Schweden, Kge. ​→ Dänemark –– Hof ​398 –– Einwohner (Schweden) ​359 Schweiz ​6, 37, 39, 50, 66, 97 f.; → Eidgenossenschaft Schweizer, ‑innen ​38, 111, 359, 411; → Eidgenossen Scythen ​176, 377 Sebenico, Bfe. ​→ Tolentis, Lucas de Seckenheim, Schlacht (1462) ​436 Seclin (bei Lille) OA ​218 Seeland, Gft. ​427, 430, 433 –– Einwohner (Fischer) ​457 Sées, Bfe. ​→ Rouvres, Robert de Segovia, Johannes v., Kard. (Papst Felix’ V.) ​ 13, 22 f., 30, 134, 137, 227, 243, 265, 271, 276 f., 284 f., 290, 298, 305, 307 f., 310, 313, 318–320, 323–326, 350, 357, 399 Seillons, Jean de, Bf. v. Senez ​269 Seneca, Lucius Annaeus, der Ältere ​189 Senez, Bm. ​269 –– Generalvikar ​→ Montchoisi, Geoffroy de –– Bfe. ​ → Seillons, Jean de Senftleben, Heinrich ​152 Sens, St-Pierre-le-Vif, Kloster (OSB) – Äbte ​ → Montaudier, Dreux (Drogo) de –– Provinzialsynode (1522) ​207 Serra, Juan ​195, 390 Setton, Kenneth M. ​129 Sforza, Familie ​132 –– Galeazzo Maria, Hzg. v. Mailand ​424, 453, 459 f. –– Gesandte, Gesandtschaften ​460; → Visconti, Carlo Sichem, Stadt (in Manasse) ​278 Sieben, Hermann Josef ​264 Siebenbürgen ​384 Sieber-Lehmann, Claudius ​83, 211 Sieburg, Heinz-Otto ​47, 63 Siena OA ​251 f., 293 Sierck, Lehen (der Hzge. v. Lothringen) ​408 –– Familie ​408 –– Jakob v., Ebf. v. Trier, Kf. ​135, 139, 211, 392, 405, 408–418, 430, 435, 438 –– Philipp v., Propst v. Würzburg ​306, 410 Signy (Bm. Reims), Kloster (OCist) – Kommendatarabt ​ → Camps, François de Simone, Franco ​156, 161, 183 f., 389 Sinzig, Stadt ​75 Sixtus IV. (Francesco della Rovere), Papst ​ 78 f., 210, 442 –– Legaten ​→ Numai, Alessandro; → Santucci, Gerolamo

515

Sizilien, Kgr. ​267, 284; → Neapel(‑Sizilien) –– Kge. ​267; → Anjou, Karl I. v.; → Anjou, Ludwig I. v.; → Anjou, Ludwig III. v. Skandinavier ​122 Slawen ​52, 122 Slawentum, orthodoxes ​209 Sluis, Werften ​142 Smolinsky, Heribert ​208 Soest OA ​418 –– Stadt ​412  f., 415 –– Belagerung (1447) ​415 Soester Fehde ​145, 412, 415 Solothurn (Soleure) OA ​24 f. Sorde(‑l’Abbaye), Kloster (OSB) – Äbte ​ → Feugars(?; Fabas?), Pierre III de Soulac (Bm. Bordeaux), Kloster (OSB) ​290, 309 –– Mönche ​→ La Planche, Bernard de –– Prior ​→ La Planche, Bernard de Spahn, Martin ​57 Spanien ​249, 289, 384; → Aragón; → Kastilien Speyer, Bfe. ​→ Faulhaber, Michael; → Helmstadt, Raban v. Sprever, William ​11 Stablo, Johann v. (Jean de Stavelot), Mönch des Klosters St. Lorenz (OSB) bei Lüttich ​ 138, 416 Staël, Madame de (Anne Louise Germaine, Baronin v. S.-Holstein) ​49 Staffelstein OA ​80 Stapel, Wilhelm ​117 Statius, Publius Papinius ​181 Staufer(herrschaft) ​55 –– Friedrich II., Ks. ​267, 288, 458 Stegemann, Hermann ​59, 88, 91 Stein, Hertnidt vom, Dr. leg. ​424 Stein, Robert ​432  f. Steinbach, Franz ​98–102, 105–107, 123 Stelzmann, Arnold ​106 Stolle, Konrad, Erfurter Vikar, Chronist ​80, 211 Straßburg OA ​9, 77, 94, 302, 460 –– Stadt ​82, 115, 362, 380 f. –– Ammeister ​370 –– laufender Bote ​424 –– Kaiser-Wilhelm-Universität ​94 –– Reichsuniversität ​107, 114 f., 425 –– Gründungsdekan ​ → Anrich, Ernst –– Professoren ​→ Franz, Günther; → Heimpel, Hermann –– Rektoren ​→ Schmidt, Karl –– Universität ​123

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Register der Personen- und Ortsnamen

Straube, Karl, Thomaskantor ​43 Stuckart, Wilhelm, Staatssekretär ​102 Sturmi, Abt des Klosters Fulda (OSB) ​52 Stuttgart OA ​42 Stutz, Ulrich ​109 Südtiroler ​100, 103 Suger, Abt des Klosters St-Denis (OSB)/ Paris ​53  f. Swan, William ​292 Szegedin OA ​152 Tacitus, Publius(?) Cornelius ​40, 376 Talaru, Amédée de, Dr. decr., Ebf. v. Lyon ​ 30, 33, 35, 134, 220, 235, 251, 272, 275 f., 278, 300, 309 f., 319, 327, 340, 342, 348, 396 f. Talenti, Antonio ​188  f. –– Rolando, Sekretär des Zanone da Castiglione ​187  f. –– Neffe ​→ Corio, Marco –– Vater ​188; → Tallentis, Gabriele de Tallentis, Gabriele de ​188 Talon, Raimond ​297 T(h)ani(s), Angelo, Sekretär des Guillaume Fillastre (des Jüngeren) ​193 Targny, Louis de, abbé ​1, 4 f., 11, 21, 29 Tarlati da Pietramala, Galeotto, Kard. ​177 Teramo, Simon de Lellis de ​256, 352, 354 Terenz (Publius Terentius Afer) ​181 Terrevermeille, Jean de ​201 Tetzel, Johannes ​206 Thoisy, Geoffroy de ​142 –– Jean (I) de, Bf. v. Auxerre u. Tournai ​ 217–220, 225 f. –– Jean (II) de, Archidiakon v. Tournai ​218 Thomas, Antoine ​163, 377 Thomas, Heinz ​59, 69, 83 Thorn, Zweiter Frieden (1466) ​152 Thule ​176, 377 Tinctoris, Johannes ​233 Tocqueville, Charles Alexis Henri Clérel de ​64 Todeschini-Piccolomini, Francesco, Kard. ​ 459 Töpfer, Bernhard ​59 Toke, Heinrich ​265 Toledo, Konzilien ​360 Tolentis, Lucas de, Bf. v. Sebenico ​424, 442, 447 Torquemada, Juan de (OP), Kard. ​134, 281, 320, 325, 394 Toul, Bm. ​436, 448 –– Bfe. ​→ Fillastre, Guillaume, der Jüngere

Toulouse, Ebfe. ​→ Marca, Pierre de; → Moulin, Denis du; → Rousergue/ Ro(u)­sier, Bernard de –– Universität ​195, 290, 292 Touraine ​266  f. Tournai OA ​131, 221, 227, 232 f., 237–239 –– Bm. ​215–217, 220, 225 f., 228 f., 231–235, 237–241 –– Archidiakon ​ → Thoisy, Jean de (II) –– Domkapitel ​218, 226 f., 233, 237 –– Kanonikat ​237 –– Kanoniker ​218; → Coëtquis, Philippe de; → Lamy, Nicolas de; → Romain, Henri –– Geistlichkeit (Klerus) ​219 –– Generalvikar ​ → Vivien, Étienne –– Bfe. ​ → Chevrot, Jean; → Clugny, Ferry de; → Fillastre, Guillaume, der Jüngere; → Harcourt, Jean d’; → La Trémoïlle, Louis de; → Thoisy, Jean de –– bischöfliche Residenz ​239 –– Stadt ​216–219, 226, 230, 232, 236–239 –– Bürger(schaft) ​218, 232, 239 –– Einwohner ​237 –– Konsuln ​232, 236  f. –– Patriziat ​218 –– Stadtregiment ​218, 232  f. –– causa ​234, 236 Tournaisis ​216 Tours OA ​238, 268, 411 –– Ebm. ​351 –– Kathedralkirche –– Kanzler  → Blondelet, Jean; → Bouhale, Jean –– Praekantor ​ → Blondelet, Jean –– Bfe. ​ → Martin v. Tours –– Ebfe. ​→ Coëtquis, Philippe de –– Dekan ​ → Berruyer, Martin –– St. Martin, Stift: Scholaster ​→ La Chapelle, Nicolas de Transsylvanien ​144 Traut(t)mannsdorf  – Franz Ehrenreich, Gf. v. ​15 Traversari, Ambrogio, OSBCam-General ​ 300 Tréguier, Bf. v. ​350 Treitschke, Heinrich v. ​47 Treviso, Bfe. ​→ Barbo, Ludovico Trier OA ​406, 411–413, 416, 422, 442 f., 451, 453 –– Ebm. (Kirche) ​76, 405, 408 f., 436 –– Dekan ​ → Sierck, Jakob v.

Register der Personen- und Ortsnamen –– Dom ​421  f. –– Domkapitel ​405 –– Kanoniker ​449 –– Scholaster ​→ Sierck, Jakob v. –– Erzstift (terra) ​382 –– Kft. ​406, 409, 417 –– Ebfe. ​392, 400, 416; → Baden, Johann II. v.; → Burgund, Johann v.; → Helmstadt, Raban v. (Elekt); → Luxemburg, Baldewin/Balduin v.; → Manderscheid, Ulrich v. (Elekt); → Sierck, Jakob v. –– Stadt ​382 –– Marktplatz ​422, 448, 453 –– St. Maximin, Kloster (OSB) ​442, 444 –– causa ​405  f. –– Kurfürstentag (Februar 1445) ​135, 413 –– Verträge (Februar 1445) ​410, 416, 418 –– Tag (September/November 1473) ​79, 111, 376, 421, 423–426, 434, 436 f., 441–448, 450–456, 458–461 Trithemius, Johannes (OSB) ​176, 201 Troeltsch, Ernst ​42 Troja ​203, 352, 388, 402 Troja-Stoff ​197 Trojaner ​196 Troje, Hans Erich, Schwiegersohn des Hermann Heimpel ​117 Troyes, Vertrag (1420) ​222, 225, 344 f. Tschechien (Rest-Tschechei) ​117 Tuckermann, Walther ​93 Tudeschi, Niccolò, Ebf. v. Palermo (Panormitanus), Kard. (Papst Felix’ V.) ​134, 187, 299, 305, 310 f., 325, 399 Tübingen OA ​62, 66, 313 –– Universität –– Medizinische Fakultät ​90 –– Professoren ​ → Dannenbauer, Heinrich; → Haller, Johannes Türken ​47, 82, 126 f., 133, 141, 149 f., 353 –– Kreuzzug gegen (saint voyage de Turquie) ​ 113, 126, 142–150, 152, 190, 231, 326, 341, 412, 429 f., 435–437, 447 Türkengefahr, ‑einfälle ​82 f., 148, 150, 152, 396, 437, 460 Türkenhilfe ​147, 149 Tuetey, Alexandre ​130 Turin OA ​457 Tyrus, Wilhelm v. ​54 Uexküll – Jakob Johann, Baron v., Freund des Johannes Haller ​43 Ugoni, Mattia ​210

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Ulm OA ​259 –– Reichsversammlung (Mai/August 1434) ​ 130 Ungarn, Kgr. ​150 f., 288, 458 –– Einwohner ​152  f. –– Gesandte, Gesandtschaften ​152  f. –– Gubernator ​→ Hunyadi, Johannes –– Kge. ​459; → Anjou-Sizilien, Ludwig I. v.; → Corvinus, Matthias; → Jagiellonen – Ladislaus II.; → Luxemburg – Ladislaus Postumus; → Luxemburg – Sigismund –– Reichstage ​152; → Buda; → Raab Ungläubige ​143; → Türken –– Kreuzzug (Kampf) gegen ​142, 340, 429 Unkel, Stadt ​75 Unrest, Jakob ​453 Urban V. (Guillaume de Grimoard), Papst (Avignon) ​157 Urban VI. (Bartolomeo Prignano), Papst ​159 Ursula, Heilige (u. ihre Gefährtinnen/Elftausend Jungfrauen) ​203, 362, 383–388, 390 Utrecht OA ​145, 346 –– Bm. ​240, 404, 427, 436, 448 –– Stift ​432 –– Bfe. ​→ Burgund, David v.; → Moers, Heinrich v. (Elekt) –– Universität ​109 –– Gastprofessor ​ → Kallen, Gerhard –– causa ​297  f. Uzès, Bfe. ​→ Cadoène, Bertrand de Växjö, Bfe. ​→ Ragvaldsson, Nils Vale, Malcolm Graham ​129 Valence, causa ​297  f. Valenciennes OA ​131, 232 Valentinianer ​387 Valerius Maximus ​169, 186, 197 Valla, Lorenzo, Sekretär Kg. Alfons’ V. v. Aragón ​187, 193, 200 f. Valois, Haus (Familie) ​147, 159, 175, 203, 216, 288, 339, 345, 352, 368, 372, 401, 426, 444, 457; → Anjou; → Berry; → Burgund; → Frankreich; → Orléans Valois, Noël ​50 Valprofonde, Kartause ​177 Vanves (bei Paris) OA ​250 Vásquez (Vasque) de Saavedra, Pedro (Pierre) ​ 142, 152 Vatikan ​36, 56, 289; → Rom Vauban, Sébastien le Prestre de ​7 Vaudémont, Gft. ​433 –– Antoine, Gf. v. ​259

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Register der Personen- und Ortsnamen

Vaughan, Richard ​112, 331 Venard, Marc ​207 Vence, Bfe. ​→ Glandèves, Louis de Venedig, Dogen ​460; → Foscari, Francesco –– Republik ​132, 150, 270, 460 –– Gesandte, Gesandtschaften ​149 f., 460 Vener, Familie ​120 Venetien ​270 Verdun, Bm. ​436, 448 –– Vertrag (843) ​434, 436 Vereinigte Staaten v. Amerika (USA) ​46 Verger, Jacques ​172, 314 Vergerio, Pier Paolo ​190 Vergil (Publius Vergilius Maro) ​165, 169, 377, 381, 387 Verneuil, Schlacht (1424) ​223 Verona OA ​163 –– Bfe. ​→ Condulmer, Francesco –– Hoftag (Juni 1245) ​458 Verona, Guarino da ​186 f., 190, 193 Versailles OA ​44 –– französischer Königshof ​23, 419 –– (Friedens‑)Vertrag (1919) ​66, 73 f., 86, 94 Versailles, Pierre de, Bf. v. Digne ​30, 271 f., 300, 309, 321 f., 324 f., 397 Vexin ​224, 228, 251 –– Archidiakon → Chevrot, Jean; → Harcourt, Jean d’ –– Kanzler → Harcourt, Jean d’ Vézelay, Kloster (OSB) ​342 –– Abt ​301; → Alexander, Abt Vienne OA ​272  f. –– Ebfe. ​→ Norry, Jean de –– Gfn. ​ → Boso –– Stadt ​33 Villanova, Arnald v. ​52 Villefranche-en-Provence, Werften ​142 Villon, François ​313 Visconti, Familie ​132 –– Filippo Maria, Hzg. v. Mailand ​341 –– Vertreter beim Basler Konzil ​→ Caretto, Matteo del –– Gian Galeazzo, Hzg. v. Mailand ​168, 460 –– Valentina, Gemahlin Hzg. Ludwigs v. Orléans ​169, 183, 368 Visconti, Carlo ​423 f., 443, 449, 453, 460 Viseu, Bfe. ​→ Amaral, Luís d’ Vitéz, Johannes, Bf. v. Nagy-Varàd (Großwardein), (ungarischer) Kanzler Kg. Ladislaus’ v. Böhmen-Ungarn ​150, 153

Vivien, Étienne, Archidiakon v. Gent, Generalvikar v. Tournai ​232 f. –– Jean ​219, 232  f. Voigt, Georg ​160, 176, 366, 388 Wackernagel, Rudolf, Basler Archivar ​39 Wadle, Elmar ​116 Wagner, Ferdinand, Freund des Johannes Haller ​36, 39, 43 Waldeyer-Hartz, Hugo v. ​88 Wallenberg, Raoul ​289 Wallonien ​102 Wehler, Hans-Ulrich ​101 Weigel, Helmut ​132, 140 Weimarer Republik ​ → Deutschland Weinsberg, Konrad v., Reichserbkämmerer, Protektor des Basler Konzils ​430, 438 –– Tochter ​430 Weizsäcker, Ernst v. ​289 –– Julius (v.) ​132 „Welsche“, Romanen ​85, 88, 94 f., 99, 113 Wentzcke, Paul, Düsseldorfer Stadtarchivar ​ 57, 86, 92, 94 Werenfels, Samuel ​12  f. Werner, Karl Ferdinand ​31, 59, 65 Werth, Jan van/Johann v. ​108 Wesel OA ​457 Westfalen ​7, 415 Westgoten ​359 Weyden, Rogier van der ​73, 217, 446 Wielant, Philipp ​454 Wien OA ​62, 151, 313, 339, 400 –– kaiserliche (Österreichische) Akademie der Wissenschaften ​1, 30 –– kaiserlicher Hof  ​15, 419 –– Reichsarchiv ​104 –– Universität ​12  f. –– Konkordat (1448) ​133, 211 –– Reichsversammlung (September/Oktober 1460) ​147 Wiener Neustadt OA ​145, 152 f. –– Reichsversammlung (Februar/April 1455) ​ 82, 141, 143 f., 148, 152 f. Wiesflecker, Hermann ​79 Wilckens, Nikolaus ​13 Wimpfeling, Jakob ​180 Winchester, Bfe. ​→ Beaufort, Henry Winkler, Heinrich August ​58, 118 Wisplinghoff, Erich ​84 Wittelsbach, Haus ​369, 419; → Bayern; → Pfalzgrafschaft Wittenberg, (angebl.) Thesenanschlag ​208 Wittram, Reinhard ​31, 38 f., 41, 43

Register der Personen- und Ortsnamen Wolf, Ursula ​108 Wolfram, Herwig ​53 Worms, Konkordat (1122) ​51 –– Reichsversammlung (März/August 1495) ​ 126, 456 Wübbeke, Brigitte Maria ​83 Wünschelburg, Johannes v. ​67 Württemberg, Gfn. ​442 Würzburg, Propstei ​306, 410 –– Propst ​ → Sierck, Philipp v. Wurstisen, Christian, (Basler) Chronist ​308 Wyclif, John ​394 Wyclifiten ​131

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York, Margarete v., Gemahlin Hzg. Karls des Kühnen v. Burgund ​441 Ypern OA ​72, 457 Zar’a Yā’qōb, äthiopischer Herrscher ​142 Zaragoza, Bm. (Kirche) – Priorat ​305 Zeller, Gaston ​63–65 Zimmermann, Harald ​277 Zwinger, Johannes ​8 Zypern, Kgr. ​339 f., 352, 402, 428 –– Kard. v. ​→ Lusignan, Hugues de