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German Pages 602 [604] Year 2014
JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 185
Florian Eichel
Künftige Forderungen
Mohr Siebeck
Florian Eichel, geboren 1979; Studium der Rechtswissenschaft in Passau und Tours; 2007 Promotion; Rechtsreferendariat in Frankfurt am Main; seit 2009 Akademischer Rat an der Universität Passau; Wintersemester 2013 Lehrstuhlvertretung an der WWU Münster; 2014 Habilitation.
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. e‑ISBN PDF 978‑3‑16‑153386‑0 ISBN 978‑3‑16‑153385‑4 ISSN 0940‑9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde Laupp & Göbel in Nehren aus der Garamond gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Danksagung Die künftigen Forderungen sind mir Verpflichtung, für vergangene Leistungen zu danken. Allen voran für die meines Lehrers, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Hau, der zu meinen Gunsten verzichtet hat, dieses spannende Thema selbst zu bear‑ beiten, genauso wie für seine auch im Übrigen immer selbstlose und durchdachte Förderung meines Werdegangs sowie die schöne Zeit an seinem Lehrstuhl. Frau Prof. Dr. Nicola Preuß danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens, Frau Prof. Dr. Doerte Poelzig und Herrn Prof. Dr. Solomon für ihre Verdienste als Mitglieder des Fachmentorats. Meiner Alma Mater, der Passauer Juristenfakultät, die dieses Werk im Sommersemester 2014 als Habilitationsschrift angenommen hat, gebührt an dieser Stelle Anerkennung für das freundliche und auch im Übrigen förderliche Forschungsumfeld. Dem Verlag Mohr Siebeck danke ich für die Aufnahme in diese Schriftenreihe, der Deutschen Forschungsgemeinschaft für eine großzügige und unkomplizierte Publikationsbeihilfe. Meinen „Testlesern“ Frau Dr. Claudia Mayer, Herrn Prof. Dr. Tomas Kuhn, Herrn Prof. Dr. Fabian Klinck, Herrn Notar Ralf Rebhan und Herrn Dr. Gerrit Niehoff danke ich für ihre hilfreichen kritischen Anregungen. Hierfür danke ich auch meiner Frau Sabina, vielmehr aber noch dafür, dass sie im letzten Jahr dieser Arbeit auf manch gegenwärtige Forderung verzichtet und mir jeden Tag Freude an unserer Zukunft geschenkt hat! Gewidmet ist dieses Buch meinem Großvater Dr. Albrecht Pünder, der sich bis in die letzten Wochen seines Lebens (und dieses Werkes) nach den neuesten Erkenntnissen erkundigte und seine Fertigstellung allzu gern erlebt hätte. Literatur und Rechtsprechung sind auf dem Stand vom 31. März 2014. Im Lindental, März 2014
Florian Eichel
Inhaltsübersicht Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIX Einführung: Künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erster Teil: Über die Grundlagen des Rechts künftiger Forderungen § 1 Ziel und Anspruch einer rechtsdogmatischen Untersuchung . . . . . . . . § 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen . . . . . . . . . . . . . . .
Zweiter Teil: Über das Recht der künftigen Forderungen . . . . . . . . . . . § 3 § 4 § 5 § 6 § 7 § 8 § 9 § 10 § 11 § 12 § 13
Künftige Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufrechnung und künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vormerkung wegen künftiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypothek gemäß § 1113 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bürgschaft gemäß § 765 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arrest und einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten . . . . . . Vollstreckung in künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dritter Teil: Über eine Dogmatik künftiger Forderungen . . . . . . . . . . .
1 3 4 11 57 58 74 138 201 237 270 279 291 346 432 488
§ 14 Entwicklungsstadien und Handlungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 15 Eckpfeiler für eine Dogmatik künftiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . § 16 Schlussworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
515 516 524 540
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paragraphenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
541 563 568
Inhaltsverzeichnis Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII Einführung: Künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Erster Teil
Über die Grundlagen des Rechts künftiger Forderungen § 1 Ziel und Anspruch einer rechtsdogmatischen Untersuchung . . . .
4
I. Bedarf für eine Dogmatik künftiger Forderungen . . . . . . . . . . . II. Funktionen der Rechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Autorität dogmatischer Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Explikative Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Heuristische Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dogmatik und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 6 6 8 9 10 10
§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen . . . . . . . . . . .
11
A. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechts- und Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schuldverhältnis und Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schuldverhältnis als normativer Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Entstehung des Schuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unabhängigkeit von der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 12 12 13 14 15 15 16
B. Subjektive Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
C. Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verhältnis von Forderung und Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Forderung als Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Anspruch als Befugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 19 20 21
X
Inhaltsverzeichnis
II. Forderung als gegenwärtiger Gegenstand mit personaler Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Identität der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Selbständige Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Forderungsidentität und Gläubigerschaft . . . . . . . . . . . . . . . 3. Forderungsidentität und Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . IV. Unvollständige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22 23 23 24 25 26
D. Hoffnungen, Erwerbsaussichten, Anwartschaften und Anwartschaftsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwartschaft und Anwartschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erwerbsaussichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27 27 29
E. Künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Klassifizierung künftiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frühere Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Heute herrschende Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufschiebend bedingte Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. §§ 158 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufschiebend rechtsbedingte Forderungen . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeinsame Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Struktur rechtsgeschäftlich bedingter Forderungen (§§ 158 ff. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwartschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Struktur von als aufschiebend rechtsbedingt anerkannten Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufschiebend befristete Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31 31 31 32 33 34 34 35 37
F. Entstehungszeitpunkt der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgeschäftlich aufschiebend bedingte Forderungen (§§ 158 ff. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufschiebend befristete und betagte Forderungen . . . . . . . . . . IV. Unbestimmte Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verhaltene Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 43
G. Künftige Forderungen in der Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Künftige Forderung als Wirtschaftsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Künftige Forderung als Gegenstand im BGB . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Gegenstandsbegriff von Rudolph Sohm . . . . . . . . . . . . . 2. Der materiale Gegenstandsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51 51 53 53 54
38 38 38 39 41 42 42
45 47 49 50
Inhaltsverzeichnis
XI
Zweiter Teil
Über das Recht der künftigen Forderungen § 3 Künftige Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO . . . . . . . . . . . . .
I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vorgaben für eine „begründete“ Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. §§ 38 – 46 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 191 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 55 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. §§ 80 ff. InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beschaffenheit der künftigen Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Forderungen kraft Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Forderungen kraft Gesetzes oder Hoheitsakts . . . . . . . . . . . 3. Rechtsprechungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Forderungen kraft Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Forderungen kraft Gesetzes oder Hoheitsakts . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58 58 60 60 60 61 61 62 63 65 66 67 67 68 68 71 71 71 72 73
§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
A. Künftige Forderung in der Systematik des Aufrechnungsrechts . . . . . I. Entwicklung des Aufrechnungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktionen der Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufrechnungsbefugnis als Forderungselement? . . . . . . . . . . . . . IV. Aufrechnung als subjektives Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Aufrechnungslage als Rechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Aufrechnungslage und künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . .
74 74 75 76 77 78 80
B. Künftige Aufrechnungslagen in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 94 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. §§ 95 f. InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reichsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. BGH zur Konkursordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Insolvenzordnung 4. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81 82 82 82 84 84 84 85 86 86
XII
Inhaltsverzeichnis
5. Auffassungen über die ratio legis von § 95 InsO . . . . . . . . . . IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historisch-wörtliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Defizite der Deutung als Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . b) Der Schutz bestehender Aufrechnungslagen als Schutz einer objektiv vorhandenen Rechtsposition (§ 94 InsO) . c) Der Schutz künftiger Aufrechnungslagen als Schutz einer objektiv vorhandenen Rechtsposition (§ 95 InsO) . d) Grenzen (§ 96 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbleibender Einfluss des Insolvenzschuldners . . . . . . . Ausgangsfall: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abwandlung 1: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbleibender Einfluss des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . Abwandlung 2: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abwandlung 3: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis der Auslegung: Strukturmerkmale einer i. S. v. § 95 I 1 InsO bedingten Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsprechungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rückgriffsforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozesskostenerstattungsforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mietvertragliche Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuervergütungsforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gewährleistungsforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Forderungen des Gesellschafters auf Abfindung oder das Auseinandersetzungsguthaben (BGHZ 160, 1) . . . . . . . 7. Forderungen aus Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. § 392 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bei Beschlagnahme bestehende Aufrechnungslage . . . . . . . . 2. Künftige Aufrechnungslage mit entstandenen Forderungen 3. Anwendung von § 392 BGB auf die künftige (Gegen‑)forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzeslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teleologische Extension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88 89 89 90 90 90 92 93 94 96 96 96 96 97 97 99 99 101 101 102 102 104 105 105 106 107 108 109 110 110 110 111 112 113 114 114 114
Inhaltsverzeichnis
XIII
4. Beschaffenheit der künftigen Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsprechungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Konsistenz mit der Sonderregelung § 1125 BGB . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
115 116 118 118
D. § 406 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reichsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bundesgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zur Beschaffenheit der Gegenforderung . . . . . . . . . . bb) Zur Beschaffenheit der Hauptforderung . . . . . . . . . . 3. Divergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historischer Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematische Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Teleologische Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beschaffenheit der künftigen Haupt- oder Gegenforderung a) Gegenforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Beschränkung auf vertragliche Forderungen . bb) Beschaffenheit der Gegenforderung im Zeitpunkt der Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hauptforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit von § 406 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kenntnis der Vorausabtretung als Kenntnis der Abtretung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beschaffenheit der künftigen Hauptforderung . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119 119 120 120 121 121 122 122 123 124 124 124 125 126 127 127 127
E. Parallele Strukturen von §§ 95 InsO, 392 und 406 BGB . . . . . . . . . . .
133
F. Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlegung der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einflussabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
134 135 136
§ 5 Vormerkung wegen künftiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138
A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138
B. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139
C. Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ursprünge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
140 140 140
128 129 129 129 132 132
XIV
Inhaltsverzeichnis
2. Heutige Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vormerkungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsbodenformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnis der bedingten und künftigen Forderungen . . II. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsbodenformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis der bedingten und künftigen Forderungen . . . . . III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
141 141 143 144 145 145 147 148
D. Wortlaut von § 883 I 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Forderung und Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedingte und künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148 148 149
E. Rechtssystematische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vormerkung und Künftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand der Vormerkungssicherung in Gegenwart und Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestands- und Wirkungsvoraussetzungen der Vormerkungssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Akzessorietät und Künftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen des herrschenden Akzessorietätsverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Akzessorietät und künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen für die Beschaffenheit einer künftigen Forderung . . 4. Fazit zur Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einflüsse des Sachen‑, Schuld- und Verfahrensrechts: Bestimmtheitsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Absolutheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spezialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schuldrechtliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfahrensrechtliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fazit: Bestimmbarkeit der künftigen Forderung . . . . . . . . . . IV. Stellenwert der systematischen Vorgaben in der Vormerkungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Aufladungsrechtsprechung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Löschungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit zur Praxis des Löschungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schlussfolgerung aus den systematischen Vorgaben . . . . . . . . .
151 152
F. Teleologische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutz des Vormerkungsgläubigers vor Zwischenverfügungen des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Sicherung ohne Bestandsschutz der Vormerkung . . .
171
152 153 154 155 156 158 159 159 160 161 162 163 164 165 166 166 168 170 171
172 172
Inhaltsverzeichnis
XV
2. Voraussetzung für den Bestandsschutz der Vormerkung . . . a) Verhinderung der Forderungsentstehung ist gleichgültig b) Zerstörung der Erwerbsaussicht ist maßgeblich . . . . . . . c) Schnittmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Analyse künftiger Forderungen in der Kautelarpraxis . . . . . a) Aussichten mit Rechtsboden ohne Bestandsschutz . . . . . aa) Künftige Forderungen aus letztwilligen Verfügungen bb) Widerrufliches Grundstücksverkaufsangebot . . . . . . cc) Künftige Auflassungsforderung aus einem formunwirksamen Grundstückskaufvertrag . . . . . . . dd) Sonderfall: Abhängigkeit vom inneren Willen („Wollensbedingung“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aussichten mit Rechtsboden und Bestandsschutz . . . . . . 5. Ergebnis zu § 883 I 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schutz des Vormerkungsgläubigers in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen: Die Vormerkung in der Zwangsversteigerung a) Vormerkungen zur Sicherung der Einräumung eines beschränkten dinglichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auflassungsvormerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vormerkung zur Sicherung künftiger Forderungen in der Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutz des Vormerkungsgläubigers in der Insolvenz . . . . . . . . 1. Durchsetzung der künftig entstehenden Forderung trotz zwischenzeitlicher Insolvenz (§ 883 II 2 BGB) . . . . . . 2. Durchsetzung der entstandenen Forderung trotz ihrer Künftigkeit bei Insolvenzeröffnung (§ 106 InsO) . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit von § 38 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einschränkung des Rechtsbodenerfordernisses in Hinblick auf die Insolvenzfestigkeit? . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173 173 173 174 174 175 175 175 175 176 177 178 178 179 179 179 180 181 183 183 184 185 186 187 189
G. Stellungnahme zum Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundbuchsperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mikroanalytisches Verständnis der Grundbuchsperre . . . . . 2. Makroanalytisches Verständnis der Grundbuchsperre . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Argumentation der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189 190 190 193 194 194
H. Sonderfälle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 1179a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vormerkung aufgrund einstweiliger Verfügung (§ 885 I BGB)
195 195 197
XVI
Inhaltsverzeichnis
J. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
198
K. Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
200
§ 6 Hypothek gemäß § 1113 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
201
A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
201
B. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
202
C. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beschaffenheit der künftigen Forderung (§ 1113 II BGB) . . . . II. Künftige Forderung und Existenz der Hypothek . . . . . . . . . . .
204 204 205
D. Historischer Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
207
E. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Parallele zum Vormerkungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Scheidelinie zwischen künftiger und bestehender Hypothek nach den inhaltsbestimmenden Vorschriften des Hypothekenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 1163 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 1133 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 1134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. §§ 1120 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rangwirkung (§ 879 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
208 208 209
F. Teleologische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Befriedigungsfunktion (§§ 1113 I, 1147 BGB) . . . . . . . . . . . . . . II. Bestandskraft der Hypothek in der Einzel- und Gesamtvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen des Zwangsversteigerungsrechts . . . . . . . . . . . . 2. Die Hypothek gemäß § 1113 II BGB in der Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Materielle Deutung von § 1113 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorabexistenz einer Hypothek für künftige Forderungen . . . . V. Grundbuchrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsbodenerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundbuchsperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Benachteiligung dritter Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vergleich mit § 883 I 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Spezialitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis zum Rechtsbodenerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
214 214
210 210 211 211 212 212 213
215 215 215 217 219 220 221 221 222 224 225 226 227 228
Inhaltsverzeichnis
G. Die Hypothek nach § 1113 II BGB als Absonderungsrecht (§ 49 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendbarkeit von § 161 I 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. §§ 81, 91 InsO auf Basis der herrschenden Auffassung zur Nichtexistenz der Hypothek gemäß § 1113 II BGB . . . . . . IV. Lösungsansatz auf Grundlage der Vorabexistenz der Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVII
230 230 231 232 232
H. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
233
J. Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Künftige Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
234 234 235
§ 7 Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
237
A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
237
B. Praktische Bedeutung der Verpfändung von oder wegen künftigen Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238
C. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238
D. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
240 240 241
E. Historischer Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
243
F. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
244
G. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verwertungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwertungskonflikt mit anderen Pfand- oder Pfändungspfandrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwertungskonflikt in der Insolvenz des Schuldners . . . . . a) Rechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sicherungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorabexistenz des Pfandrechts aus § 1204 II BGB . . . . . . . . 3. Beschaffenheit der künftigen Forderung . . . . . . . . . . . . . . . .
245 246 246 246 246 247 248 249 249 250 250 251 251 252
XVIII
Inhaltsverzeichnis
a) Relevanz der Bindung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beeinträchtigung der Interessen dritter Gläubiger . . bb) Ratio legis von § 1204 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Relevanz der Bindung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . c) Teleologische Grenzen und Spezialitätsgrundsatz . . . . . . 4. Vorausverpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
252 253 254 256 256 257 258 258
H. Dualismus von Pfandrecht und Vorausverpfändung in Hinblick auf §§ 1204 II, 1209 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
259
J. Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
259
K. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
261
L. Vermieterpfandrecht wegen künftiger Forderungen (§ 562 BGB) . . . I. Künftige Mietzinsforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. „Künftige Entschädigungsforderungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .
263 263 264
M. Thesen zum Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
266
N. Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Künftige Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
267 267 268
§ 8 Bürgschaft gemäß § 765 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
270
A. Bürgschaft und künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
271
B. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
272
C. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wortlaut von § 765 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ratio legis von § 765 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Sicherungswirkung im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . 2. Keine Haftungsbegrenzungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorbereitungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sicherung im Innenverhältnis und Anknüpfungsfunktion . .
273 273 274 274 274 275 275 276
D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
278
E. Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
278
§ 9 Arrest und einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
279
A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
279
B. Sicherung künftiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
280
Inhaltsverzeichnis
XIX
C. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
281
D. Maßstäbe für die bedingte Forderung gemäß § 916 II ZPO . . . . . . . . I. Historischer Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. §§ 923, 926 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Arrestpfandrecht und künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . .
282 282 284 285
E. Vermögenswert der bedingten Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kriterien für den Vorbehalt des Vermögenswerts . . . . . . . . . . .
286 286 287
F. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
289
G. Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
289
§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO) . . . . . . . . . . . . . .
291
A. Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Historische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Interessen und Wirkungen der Frühklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klägerseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beklagtenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Interesse der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gehalt der einzelnen Frühklageregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art der Forderungen und Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . . . 2. Tatsachengrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einseitige (§ 257 und § 258 ZPO) und gegenseitige Forderungen (§ 259 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Standort im Klageaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
291 291 293 293 294 295 295 295 296
B. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Praktische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 257 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 258 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 259 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 257 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 258 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 259 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
298 298 298 299 300 300 303 303 304 306
C. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Standortbestimmung zwischen materiellem und Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedarf für eine Standortbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. §§ 257 ff. ZPO und die materielle Klagbarkeit . . . . . . . . . . . .
307
296 297
307 307 307
XX
Inhaltsverzeichnis
3. Die dem materiellen Recht dienende Funktion der §§ 257 ff. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit zur Standortbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Prozessuale Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unerheblichkeit der wirtschaftlichen Werthaltigkeit der künftigen Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unanwendbarkeit von § 916 II ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Strukturelle Grenzen des Zwangsvollstreckungs- bzw. Klauselerteilungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbar vollstreckbare Verurteilungen zu künftiger Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergänzungsbedürftige Verurteilungen zu künftiger Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wortlaut von § 726 I ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestimmtheitsanforderungen des Klauselergänzungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verteilung der Initiativ- und Risikolast . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Frühverurteilung bei Abhängigkeit der Forderung von einem Kalendertag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frühverurteilung ohne alle vom Kläger zu beweisenden rechtsbegründenden Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bedingte Verurteilung unter Vorbehalt späterer Tatsachenfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unbedingte Verurteilung unter Antizipation späteren Tatsacheneintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Frühverurteilung ohne Feststellung von seitens des Beklagten zu beweisender Tatsachen . . . . . . . . . . . . . d) Fazit zur Initiativ- und Risikolast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsschutzbedürfnis für die Verurteilung vor Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonders statuiertes Rechtsschutzbedürfnis in § 259 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausdruck generell eingeschränkter Frühklagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz des Synallagmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Synallagma und Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit zum Stellenwert des Rechtsschutzbedürfnisses . . . 6. Anerkenntniszumutbarkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zusammenfassung: Vorgaben für die Auslegung von §§ 257 – 259 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
311 312 313 313 314 314 315 315 315 316 317 317 317 318 318 320 321 324 324 325 326 327 327 327 328 329 329 330
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III. Auslegung der §§ 257 – 259 ZPO anhand der prozessualen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 257 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 258 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anforderungen an die wiederkehrenden Leistungen . . . c) Anforderungen an die Initialleistung . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit zu § 258 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 259 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorübergehend einwendungsbehaftete Forderungen . . . . . .
D. Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung anhand der ermittelten Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vollstreckungsrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schutz des Synallagmas und bedingte Verurteilung nach § 258 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verschiebung prozessualer Initiativ- und Risikolast . . . . . . . . .
XXI
331 332 332 333 333 334 335 337 337 338 338 341 342
E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
344
§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen . . . . . . . .
346
A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
346
B. Konstruktive Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Geschichte der Zession künftiger Forderungen unter dem BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorüberlegungen zur Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . a) §§ 158 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 185 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 398 BGB – direkte oder analoge Anwendung? . . . . . . . . . . a) Vorausabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenwärtige Abtretung der künftigen Forderung . . . . . 3. Das von der herrschenden Meinung zugrunde gelegte Modell der Vorausabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Kinderkrankheiten“ des Vorausabtretungsmodells . . . . . . . a) Durchgangs‑, Direkterwerb und Anwartschaftsrechte . . b) Bindung des Zedenten an seine Abtretungserklärung . . . c) Trennung in Verfügungstatbestand und Verfügungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Konzept der Abtretung der künftigen Forderung selbst
349 349 350 351 351 351 351 352 352 353 353 355 355 356 358 359 360
XXII
Inhaltsverzeichnis
6. Gegenwärtige Abtretung künftiger Forderungen und das BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die künftige Forderung als Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . b) Die künftige Forderung als Gegenstand einer Verfügung 7. Vorteile eines Perspektivenwechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Status Quo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bestimmbarkeit als Ausfluss verfügungsrechtlicher Publizität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bestimmbarkeit als Ausfluss verfügungsrechtlicher Spezialität V. Bestimmbarkeit als allgemeines Verfügungsprinzip . . . . . . . . . . 1. Verfügungswirkung als maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . 2. Abtretungsvereinbarung als Anknüpfungspunkt der Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Bestimmte“ Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Bestimmbare“ Forderungen (insb.: Teilabtretung ohne Anteilsbestimmung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmbarkeit als Auslegungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Bestimmbarkeit als Prinzip der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. BGHZ 108, 98 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Prinzipienkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Bestimmbarkeit als Eigenschaft einer künftigen Forderung . . . 1. RGZ 134, 225 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorausabtretungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Ergebnis zur Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Priorität der Vorausverfügung im Spiegel von Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Priorität gegenüber Zweitverfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Priorität im Übrigen (gegenüber Pfändungen, Verfügungsbeschränkungen oder einer Insolvenz) . . . . . . . . a) Bedeutung von Durchgangs- und Direkterwerb . . . . . . . b) Herrschende differenzierende Auffassung zur Priorität der Vorausverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
361 361 363 366 367 367 368 369 370 370 371 371 372 372 373 374 375 375 376 377 378 378 379 379 380 380 380 381 383 383 383 384 384 386
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XXIII
II. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reichsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bundesgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorrang der Vorauszession gegenüber anderweitigen Verfügungen über dieselbe Forderung . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorauszession und anderweitige Verfügung über das Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit zum Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
388 388 388
E. Priorität gegenüber gegenläufigen Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Privatautonomie als Verteilungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
391 392 393 394
F. Gegenläufige Verfügung über das Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Herrschender Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutzrichtung der herrschenden Auffassung . . . . . . . . . . . . . . IV. Widersprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gegenmodell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schuldverhältnis als identitätsstiftende Grundlage der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfügungsmacht des Erwerbers und wirtschaftliche Verfügungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsprechungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Künftige Abfindungs- bzw. Auseinandersetzungsforderungen eines Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. BGHZ 88, 205 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. BGHZ 104, 351 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vererbung der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ergebnis zur Kollision mit einer späteren Verfügung über das Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
394 394 396 397 398
G. Rechtsstellung des künftigen Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 404 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ratio legis von § 404 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herkömmlicher Ansatz: Schuldnerschutz . . . . . . . . . . . . b) § 404 BGB als Ausdruck identitätswahrender Sonderrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
411 411 412 412 413 414 414
389 390 391
401 401 403 404 405 406 407 410 410
414
XXIV
Inhaltsverzeichnis
c) Folge für die Anwendung von § 404 BGB auf die Abtretung entstandener Forderungen . . . . . . . . . d) § 404 BGB und die Abtretung künftiger Forderungen . . 4. Rechtsprechungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Argumentation des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorausabtretungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. § 407 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsprechungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgeschäft in Ansehung der Forderung (§ 407 I BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Irrelevanz des Forderungsentstehungszeitpunkts . . . . . . 4. Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorausabtretungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit zu § 407 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis zur Schuldnerstellung nach Abtretung künftiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
415 416 416 417 417 418 418 419 420 420 421 421 422 422 423 424 425 426 426 427 427 428
H. Dogmatik der Verfügung über künftige Forderungen im BGB . . . . . I. Die künftige Forderung im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Abtretung künftiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
429 430 430
§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten .
432
A. Insolvenzbeschlag (§§ 80 ff. InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzlicher Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz der Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schwächen der vorhandenen Erklärungsansätze . . . . . . . b) Einfluss des Insolvenzschuldners (= Forderungsgläubigers) auf die Entstehung der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
433 433 434 437 437 439 440
442
Inhaltsverzeichnis
3. Einfluss des Zessionars oder des Drittschuldners auf die Forderungsentstehung – kein Erwartungsschutz des Zessionars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) BGH v. 08.01.2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) BGHZ 181, 362 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Notwendigkeit einer Kurskorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausnahme in Hinblick auf §§ 103, 110 InsO, 114 InsO a. F.? 5. Gegenprobe anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verschiedenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abtretung künftiger Forderungen auf Rückgewähr einer Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis zur Auswertung der Rechtsprechung . . . . . . . . 6. Dogmatische Neubewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Anfechtungsrelevanter Zeitpunkt (§ 140 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Werthaltigkeit als separate Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Anfechtungsvoraussetzungen – Kongruenz oder Inkongruenz (§§ 130 f. InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zur Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur Ungleichbehandlung von Vorauszession und Vorausverpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmbarkeit als Prinzip der Vertragsauslegung . . . . . . . . a) Weniger bestimmt formulierte Verfügungen . . . . . . . . . . aa) Verfügung und Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bestimmbarkeit aus ex-ante-Sicht . . . . . . . . . . . . . . . b) Weniger bestimmt formulierte Ansprüche . . . . . . . . . . . . c) Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmtheit und Bestimmbarkeit nach §§ 130, 131 InsO . . a) Sinn und Zweck des Anspruchserfordernisses . . . . . . . . . b) Bestimmtheit von Art, Zeit und „Ob“ der Deckung . . . . c) Bestimmbarkeit der konkreten Deckung . . . . . . . . . . . . .
XXV
444 444 446 448 448 451 451 454 457 457 459 459 459 460 461 462 464 464 465 466 466 467 467 468 469 470 470 470 471 472 473 474 474 474 475 476
XXVI
Inhaltsverzeichnis
3. Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art der Sicherung als nicht beliebig dehnbarer Begriff . . c) Ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kongruenz und Klagbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anspruch auf die Deckung im Fall globaler Vorauszession . . . 1. Künftige Natur des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Bestimmtheit und Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Divergenz von Pfandrechts- und Globalzessionsrechtsprechung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Globalverpfändungsentscheidung (2002) . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Globalzessionsentscheidung (2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtfertigung der Rechtsprechungsdivergenz . . . . . . . . . . . VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
476 477 478 478 479 480 480 481 481
§ 13 Vollstreckung in künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
488
A. Einzelzwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zulässigkeit der Pfändung künftiger Forderung . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anforderungen an eine pfändbare künftige Forderung . . . . . . . 1. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsverhältnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Anforderungen über die Bestimmtheit hinaus? . . . . a) Notwendigkeit weiterer Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . b) Erfordernis eines gegenwärtigen Vermögenswerts . . . . . V. These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenständlichkeit der künftigen Forderung . . . . . . . . . . . . 2. Pfändungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
488 488 490 491 491 492 493 493 494 495 495 496 497 497 497 498
B. Künftige Forderung als Bestandteil der Insolvenzmasse (§ 35 InsO) . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Jüngere Gesetzesgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ratio legis der Vorschriften über die Beendigung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
500 500 500 502 502 502 504
482 483 484 485 486
504
Inhaltsverzeichnis
2. Regelungslücke in der Insolvenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Analoge Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Interessen der Neugläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXVII 507 508 509 511 512
Dritter Teil
Über eine Dogmatik künftiger Forderungen § 14 Entwicklungsstadien und Handlungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Künftige Forderungen ohne Rechtsboden . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbereitungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anknüpfungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuweisungsfunktion und Gegenständlichkeit . . . . . . . . . . . . II. Künftige Forderungen mit Rechtsboden . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entstandene Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bestimmbare und bestimmte künftige Forderungen . . . . . . . . . V. Künftige Forderungen mit und ohne Vermögenswert . . . . . . . . VI. Künftige Forderungen in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
516 516 516 517 518 519 520 521 522 523
§ 15 Eckpfeiler für eine Dogmatik künftiger Forderungen . . . . . . . . . .
524
I. „Künftige Forderungen“ (Künftige Forderungen ohne Rechtsboden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Künftige Forderungen als Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Künftige Forderungen zwischen Fiktion und Lebenswirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Künftige Forderungen und Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Künftige Forderung als Rumpf der entstandenen Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. „Bedingte Forderungen“ (Künftige Forderungen mit Rechtsboden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begründung der Forderung (Rechtsboden) . . . . . . . . . . . . . . 2. Schuldverhältnis, „Rechtsboden“, „Rechtsgrund“ . . . . . . . . 3. Begriff der „bedingten Forderungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dogmatik der Verfügung über künftige Forderungen . . . . . . . . 1. Künftige Forderungen bei der Vorbereitung von Verfügungsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Künftige Forderung als Verfügungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abtretungsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Künftige Forderungen und dingliche Sicherung . . . . . . . . . . . . 1. Akzessorisch sicherbare künftige Forderungen . . . . . . . . . .
524 525 525 526 527 528 528 530 530 531 531 532 532 533 534 534
XXVIII
Inhaltsverzeichnis
2. Von der künftigen Forderung abhängige Sicherungsrechte . a) Funktionen akzessorischer Sicherungen für künftige Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalte und Bestellung von akzessorischen dinglichen Sicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Akzessorische dingliche Sicherungsrechte in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Befriedigungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sicherungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
535
§ 16 Schlussworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
540
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paragraphenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
541 563 568
535 536 537 537 538 538
Abkürzungsverzeichnis AcP AGB-Banken
Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Geschäftsbedingungen der privaten Banken vom 1. Februar 2014 AnfG Anfechtungsgesetz ArchBürgR Archiv für Bürgerliches Recht AO Abgabenordnung BGB-E-I Erster Entwurf des BGB BWNotZ Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg DJZ Deutsche Juristenzeitung DNotV Zeitschrift des deutschen Notarvereins Deutsche Notar-Zeitschrift DNotZ Duke J. Comp. & Int’l L. Duke Journal of Comparative & International Law Ed. Edition EEG Erneuerbare-Energien Gesetz vom 25. Oktober 2008 EL Ergänzungslieferung Entw. Entwurf FGPrax Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit FS Festschrift GS Gedächtnisschrift HK Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung HkK Historisch-kritischer Kommentar zum BGB Int’l Fin. L. Rev. International Financial Law Review J.I.B.L.R. Journal of International Banking Law and Regulation JW Juristische Wochenschrift JZ Juristenzeitung Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts KGJ KTS Konkurs‑, Treuhand und Schiedsgerichtswesen KO Konkursordnung MittBayNot Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins NZI Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht NZM RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Warneyers Jahrbuch der Entscheidungen RGWarn. VermG Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 2005 (BGBl. I, S. 205) VOB/B Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B – Ausgabe 2012 ZdZP Zeitschrift für deutschen Zivilprozeß ZfIR Zeitschrift für Immobilienrecht ZInsO Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZVG Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung ZZP Zeitschrift für Zivilprozess
Künftige Forderungen Wer sich mit dem Recht der künftigen Forderungen beschäftigt, trifft auf einen großen Widerspruch. Einerseits baut unsere Privatrechtsordnung seit jeher an verschiedener Stelle auf Forderungen auf, die noch nicht entstanden sind (im Folgenden allgemein: „künftige Forderungen“); §§ 562 II, 592 S. 2, 883 I 2, 1113 II, 1179 Nr. 2, 1204 II, 1209, 1986 II 2 BGB, §§ 844 I, 916 II ZPO, §§ 95, 191 InsO sprechen von der „bedingten“ oder „künftigen“ Forderung und knüpfen Rechtsfolgen an sie. Andererseits gibt es bis heute weder einen Grundbegriff noch eine kohärente Systematik; die rechtswissenschaftlichen Grundwerke kennen keine Definition der bedingten oder künftigen Forderung. Die verschiedenen Rechtsbereiche sind von eigener Rechtsprechung und Dynamik geprägt. Man liest von „im Kern“ oder „im Schuldgrund“ vorhandenen Forderungen, von solchen mit oder ohne „Rechtsboden“, von „klagbaren“, „liquiden“ oder „gewissen“ und ein jedes Mal sollen rechtlich erhebliche von rechtlich unerheblichen künftigen Forderungen unterschieden werden. Forderungen auf Darlehensrückzahlung oder Prozesskostenerstattung werden ausdrücklich zu „künftigen“ Forderungen erklärt, während sie andernorts als „bedingte“ gelten.1 §§ 765 II, 883 I 2, 1113 II und 1204 II BGB werden wegen gleichen Wortlauts wechselbezüglich ausgelegt, ohne zu berücksichtigen, worin sich etwa eine Vormerkung von einer Bürgschaft unterscheidet.2 Das setzt der vorliegenden Arbeit ihr Ziel. Es gilt zu untersuchen, ob sich aus all den verschiedenen Rechtsbereichen ein gesetzliches Leitbild der künftigen Forderung bzw. ein Grundgerüst ergibt, das die geistige Durchdringung und praktische Handhabung dieser multipräsenten Rechtsfigur erleichtert. Die Basis der Untersuchung bilden die gesetzlichen Regelungen der künftigen Forderung im BGB. Das gibt dieser Arbeit zugleich ihren Rahmen. Im Fokus der Betrachtung liegt das Recht der Sicherheiten, dem das BGB, genauso wie die Praxis, im Hinblick auf künftige Forderungen die meiste Aufmerksamkeit widmen. Der Ertrag einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung wird aber noch erhöht, wenn sie die Ordnung, die der Gesetzgeber durch thematische Gruppierung von Regeln selbst vorgenommen hat, nicht einfach hinnimmt, sondern bewusst die Grenzen einzelner Gesetze überschreitet, um Querschnitte aufzudecken.3 Aus diesem Grunde sei das Blickfeld auf die Insolvenz- und die 1
Dazu etwa § 7 G.I.2 (S. 248) u. § 9 D.I. Vgl. auch § 6 E.I. 3 Drath, S. 36. 2
2
Künftige Forderungen
Zivilprozessordnung erweitert. Sie stehen im Zusammenhang mit den Regelungen des BGB zur künftigen Forderung: Die Insolvenzordnung, da sie die ältesten Regelungen zur künftigen Forderung enthält und sich Kreditsicherheiten in der Insolvenz bewähren müssen; die Zivilprozessordnung, da gerade §§ 257 ff. ZPO zusammen mit dem BGB konzeptioniert wurden und fortan in Anlehnung an das materielle Recht ausgelegt worden sind. Auch der Stoff, aus dem unser künftiges Privatrecht möglicherweise einmal erwachsen wird, kennt die künftige Forderung.4 Heute schon nach einem europarechtlichen Grundgerüst der künftigen Forderung zu suchen, wäre indes ein Schritt zu weit. Das würde die wertvolle Rolle verkennen, die dem Recht und der Dogmatik des autonomen nationalen Rechts bei der Rechtsvereinheitlichung zukommt.5 Wer eine Vorstellung, von dem haben will, was kommen soll, muss sich zuerst auf die Grundlage besinnen, die bereits vorhanden ist. Auf diese könnten dann – im übertragenen Sinne – künftige „Forderungen“ aufbauen, die man an ein Europäisches Privatrecht stellt.6 Die Beharrlichkeit, mit der im Recht der künftigen Forderungen dogmatische Begründungsmuster tradiert und subsumiert werden, machen im ersten Kapitel einige einleitende Worte zum Wert dogmatischer Argumentation notwendig (§ 1). Das zweite Kapitel soll dieser Arbeit eine Grundlage geben und die herrschende Auffassung zu einigen Grundbegriffen des Schuldrechts feststellen, mit denen im Recht der künftigen Forderungen diskutiert wird (§ 2).7 Der Hauptteil widmet sich der Aufarbeitung des Rechtsstoffes (§§ 3 – 13). Abschließend seien sodann die gemeinsamen Grundlagen präsentiert, welche die verschiedenen Rechtsbereiche einen (§§ 14 – 16).
4 Art. III. – 5: 106 DCFR; siehe auch Basedow/Hopt/Zimmermann/Kötz, Handwörterbuch, Bd. 1, S. 10 f. 5 Zum wertvollen Dienst der Dogmatik für die Rechtsvergleichung Kötz, in: K. Schmidt (Hrsg.), Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, S. 75, 83. 6 Vgl. schon Hadding, FS Kroeschell, 1997, S. 293: „Zudem erscheint es in einer Zeit, in der immer intensiver auf eine [sic] europäisches Zivilrecht hingearbeitet wird, durchaus geboten, sich des Stands der Entwicklung zu den schuldrechtsdogmatischen Grundlagen in der eigenen noch nationalen Rechtsordnung zu vergewissern. Nur dann können fortschrittliche Rechtsfiguren, wie etwa die in Deutschland anerkannte ‚abstrakte‘ Forderung, überzeugend in die Diskussion eingebracht werden.“ 7 Dazu Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 56: „Wenn wir aber vor Beginn unserer Erörterungen versäumt haben, unsere Begriffe festzulegen, können wir nachträglich herausholen, was immer in den sogenannten Begriffshof fällt.“
Erster Teil
Über die Grundlagen des Rechts künftiger Forderungen
§ 1 Ziel und Anspruch einer rechtsdogmatischen Untersuchung Das Recht der künftigen Forderungen ist Gegenstand einer Rechtsentwicklung von über einhundert Jahren und hat die Wortschöpfungsfantasie von Juristen aller Generationen beflügelt. Wer sich hier anschickt nach grundlegenden Strukturen zu suchen, stößt zwangsläufig auf die Frage nach dem heutigen Wert von dogmatischen Begriffen und Lehrsätzen, die das Recht der künftigen Forderungen nach wie vor prägen.
I. Bedarf für eine Dogmatik künftiger Forderungen Die Zeit der „Begriffs- und Konstruktionsjurisprudenz“1 war bereits in den Anfängen des BGB überwunden. Da das BGB in der auf Systematisierung bedachten Pandektistik wurzelt,2 kam von der Rechtswissenschaft entwickelten Lösungsvorschlägen gleichwohl eine weit höhere Autorität zu, als das in der heutigen Zeit der Fall ist, in der das Richterrecht einen viel größeren Einfluss hat.3 Manch ein künftige Forderungen betreffender Rechtssatz wurde im Lichte solcher Lehrsätze mit einer eher systembegrifflichen Argumentation etabliert. Das macht sich häufig noch heute bemerkbar. Zeugnis hierüber legt die Vorauszession ab, in der unser Verständnis von der künftigen Forderung seine Wurzeln hat. Ihre dogmatische Erklärung fußt immer noch auf der Fortschreibung der seinerzeit gewonnenen Erkenntnisse. Schon Serick forderte deshalb eine Dogmatik, die „Überlegungen aus einer Zeit, die die Problematik unserer Tage um die Vorausabtretung künftiger Forderungen im Rahmen der Kreditsicherungspraxis noch nicht einmal geahnt hat, zum Ausgangs- und Endpunkt mach[t].“4 Er selbst entzog sich dieser Aufgabe jedoch mit dem Hinweis, dass es sich bei der Abtretbarkeit künftiger Forderungen um Gewohnheitsrecht 1 Vgl. Rüthers/Fischer/Birk, 7. Aufl. 2013, Rz. 458 ff., 463; Wieacker, in: Bubner/Cramer/ Wiehl (Hrsg.), Hermeneutik und Dialektik, 1970, S. 311, 323 f. 2 Bydlinski, System und Prinzipien, S. 61 – 65. 3 Zu dieser Entwicklung Rüthers, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, S. 22 ff.; Picker, JZ 1988, 1, 3. 4 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 I 2 c. Vgl. ebenso die Kritik von Esser, AcP 172 (1972), 97, 112, an der rein begrifflichen Lösung von Fragen der Vorauszession durch das Reichsgericht.
I. Bedarf für eine Dogmatik künftiger Forderungen
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handele.5 Dadurch sorgen einige „Kinderkrankheiten“ des Zessionsrechts weiterhin für Unstimmigkeiten. Zu diesen gehört, dass maßgebende Rechtsfiguren wie die Verfügung, die Frage ihrer Bindung, das Anwartschaftsrecht, der Durchgangsoder Direkterwerb ihre wissenschaftliche und praktische Ausformung im Sachenrecht erhalten haben und aus diesem sachenrechtlichen Blickwinkel auf die Abtretung angewandt wurden.6 Das ist systematisch unglücklich, da auf diese Weise das Sachenrecht dem gemeinsamen Oberbegriff der Verfügung seine Prägung gibt, obwohl die Forderung gegenüber den Sachen wesensverschieden ist.7 Ein Hort von Missverständnissen im Recht der künftigen Forderungen ist ebenso die in der Pandektistik wurzelnde Vorstellung, dass bedingte Forderungen bei §§ 158 ff. BGB zu verorten seien. Das äußert sich in einer Überbewertung von § 161 BGB und setzt die Gleichbehandlung gesetzlich bedingter Forderungen einem Argwohn aus, der nur bei § 158 BGB berechtigt ist.8 Dabei wird übersehen, dass § 158 BGB weder die bedingte Forderung noch die „Bedingung“ überhaupt definiert. Der mit der wachsenden Rolle des Richterrechts schwindende Einfluss dogmatischer Lehrsätze trifft inzwischen auf das „Strg‑c-Zeitalter“ und das Bedürfnis, in der Flut ergehender Entscheidungen eingängige Begründungsmuster herauszufiltern. Dabei wechseln ganze Sätze als Textbausteine den Kontext, um an der Autorität ihrer höchstrichterlichen Provenienz teilzuhaben. Als ein Beispiel sei der folgende Satz des BGH angeführt, mit dem er die regelmäßige Vormerkungsfähigkeit von bedingten Forderungen nach § 883 I 2 BGB begründet hat: „Im Gegensatz zu künftigen Rechten entstehen bedingte Ansprüche nämlich bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung und nicht erst mit dem Eintritt der vorgesehenen Bedingung.“9 Da der Anspruch im nach § 158 BGB bedingten Rechtsgeschäft häufig mit dem Eintritt der Bedingung entstehen soll,10 könnte dieser Satz missverständlich sein, hat aber Eingang in die unterinstanzliche Rechtsprechung gefunden, wo er als prägnante Begründung der Rechtsbodentheorie Verwendung findet.11 Der BGH hatte ihn nicht neu erfunden, sondern aus einer früheren Entscheidung übernommen; dort ging es um die Anwendung einer Vorschrift des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes auf künftige Forderungen, die § 3 KO (heute: § 38 InsO) ähnlich ist.12 In dieser 5 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 I 5 a; darauf aufbauend: Ringstmeier, 1990, S. 26; Voß, 2010, S. 30 f. 6 Beispielhaft für eine Argumentation mit dem Sachenrecht: Sieber, Treuhandverhältnis, S. 139 – 142; Staudinger/Brändl/Coing, 11. Aufl. 1957, Einl. Rechtsgeschäfte Rz. 69; v. Tuhr, DJZ 1904, 426, 427; Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 303; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 73 f.; Hoddick, S. 13 f. 7 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 3 I 3; Ost, Zuordnung als Kriterium des subjektiven Rechts, S. 114. 8 Dazu etwa § 4 B.III.4. 9 BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2462. 10 Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 39. 11 OLG München, 10.04.2007 – 32 Wx 058/07, MittBayNot 2008, 50, 51. 12 BGH, 19.12.1962 – V ZR 190/60, BGHZ 38, 369, 371 f.
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§ 1 Ziel und Anspruch einer rechtsdogmatischen Untersuchung
Entscheidung hieß es wörtlich, dass Ansprüche nicht erst mit dem Eintritt der Bedingung „begründet“ werden, was im Kontext von § 3 KO etwas anderes ist als ihre „Entstehung“. Zudem unterscheidet sich § 3 KO – wie zu zeigen sein wird – in seinen Anforderungen an die künftige Forderung von § 883 I 2 BGB, obwohl die Praxis in beiden Fällen von einer Forderung mit „Rechtsboden“ spricht. In der Kommentarliteratur wird diese Entscheidung auch zum Beleg für die Beschaffenheit einer bedingten Forderung im Hypothekenrecht angeführt.13 All das veranschaulicht den Zuspruch, den auf Grundsätzlichkeit bedachte Sätze in der Praxis finden können, aber auch die Gefahren, wenn sie nur im Hinblick auf einen Rechtsbereich formuliert sein sollten.
II. Funktionen der Rechtsdogmatik Die Rechtsdogmatik soll das „innere System“ einer unübersichtlichen und nicht immer widerspruchsfrei geschriebenen Rechtsordnung sein.14 Sie soll Prinzipien oder Begriffe schaffen, mit der die Rechtspraxis arbeiten und auf die sie Rechtssätze zurückführen kann.15 Das Recht der künftigen Forderungen ist von einer Fülle solcher Begriffe wie dem „Rechtsboden“, „Kern“, „Keim“ einer Forderung, dem „Forderungspartikel“, der „Erwerbsaussicht“, dem „Anwartschaftsrecht“ oder der Unterscheidung zwischen „bedingten“ und „künftigen“ Forderungen durchzogen. In diesem Dickicht der Begriffe mag es unterschiedliche Begriffe für gleiche Phänomene geben, die dann ein unproduktives Eigenleben führen, oder aber gemeinsame Begriffe für Phänomene, die an sich unterschiedliche Lösungen verlangen. Kötz stellt dementsprechend fest, dass es eine gute und eine schlechte Rechtsdogmatik gebe: Eine, die die Funktionsfähigkeit des Rechts befördert, sowie eine, die intellektuelle Ressourcen fehlleitet.16
1. Autorität dogmatischer Argumentation Immer wieder wird in der Rechtsanwendung versucht, aus dogmatischen Prinzipien Autorität abzuleiten wie aus dem Wortlaut einer Norm. Ihre Autorität rührt daher, dass Dogmatik einen Fundamentalsatz repräsentiert, für den wir allein aus Tradition Respekt empfinden, weil er der Natur unseres auf abstrakt generellen Sätzen basierenden Rechtssystems entspricht.17 Zudem soll Rechtsdogmatik wegen 13
MünchKomm-BGB/Eickmann, 5. Aufl. 2009, § 1113 Rz. 47. Rüthers, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, S. 10. 15 Rüthers/Fischer/Birk, 7. Aufl. 2013, Rz. 327; Rüthers, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, S. 12; Kötz, in: K. Schmidt (Hrsg.), Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, S. 75, 78 f. 16 Kötz, in: K. Schmidt (Hrsg.), Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, S. 75, 89. 17 Freilich gibt es auch im Common Law die „legal doctrine“ im Sinne unserer Dogmatik, Kötz, in: K. Schmidt (Hrsg.), Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, S. 75, 79. 14
II. Funktionen der Rechtsdogmatik
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ihres Anspruchs, durch systematische Arbeitsweise ein in sich widerspruchsfreies System zu repräsentieren,18 Urteilen den Verdacht vertrauensunwürdiger subjektiver Wertung nehmen.19 Ein solcher Fundamentalsatz begegnet beispielsweise bei der Subsumtion von § 140 I InsO, wonach es für die Anfechtbarkeit auf den Zeitpunkt ankommt, in dem die rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung eintreten. Die Anwendung der Norm auf die mehraktige Vorausabtretung begründet der BGH wie folgt: „Bei mehraktigen Rechtshandlungen treten diese mit dem letzten zur Erfüllung ihres Tatbestands erforderlichen Teilakt ein. Bei der Vorausabtretung einer Forderung ist dies das Entstehen der Forderung.“20 Dieser Satz ist völlig unabhängig von den Wertungen der Insolvenzanfechtung, berührt Konstruktion, System und – mit dem „Entstehen der Forderung“ – die allgemeinen Grundlagen des Forderungsrechts. Seine Autorität ist daher hoch und er wird schließlich unbestreitbar, wenn er im jeweiligen Kontext von Ziel und Zweck von § 140 InsO gedeckt sein sollte.21 Das Ziel eines in sich widerspruchsfreien Systems, dem sich neue Rechtsfragen einzuordnen haben, kann jedoch auch ein Korsett schaffen und zu der kritisierten „Verstellhemmung versteinerter Dogmatik“22 oder aber zu einer Öffnung gegenüber teleologischen Ansätzen führen. Letzteres würde die Dogmatik dann den Zwängen einzelner Normen unterwerfen und ihre Autorität einer teleologischen Relativierung preisgeben;23 die Verstellhemmung führt dann zu einer „Beißhemmung“ dogmatischer Argumente. Dabei sei kurz auf die Vorausabtretung zurückgekommen. Diese soll nach herrschender Auffassung nicht scheitern, wenn der Vorauszedent vor dem Entstehen der Forderung seine Verfügungsbefugnis verliert.24 Um diesen Rechtssatz zu begründen, stellt der BGH darauf ab, dass „die Abtretung einer zukünftigen Forderung bereits selbst alle Merkmale [enthält], aus denen der Übertragungstatbestand besteht; die Entstehung der abgetretenen Forderung gehört sogar dann nicht dazu, wenn noch nicht einmal der Rechtsgrund für sie gelegt ist.“25 Während es eben, zu § 140 InsO, noch hieß, dass der letzte Teilakt des Tatbestands einer Vorausabtretung die Forderungsentstehung ist, soll hier das Gegenteil gelten. Betrachtet man beide Rechtsfragen also aus einem 18 Selb, FS Larenz, 1983, S. 605, 611; Wieacker, in: Bubner/Cramer/Wiehl (Hrsg.), Hermeneutik und Dialektik, 1970, S. 311, 320 f. 19 Esser, AcP 172 (1972), 97, 98. 20 BGH, 18.03.2010 – IX ZR 111/08, NZI 2010, 443, 444; BGH, 14.01.2010 – IX ZR 78/09, NZI 2010, 220, 223. Ebenso BGH, 19.05.2009 – IX ZR 37/06, NZI 2009, 574, 575 (zu § 8 I AnfG); OLG Karlsruhe, 08.04.2005 – 14 U 200/03, NZI 2006, 103, 104; OLG München, 08.06.2006 – 19 U 5587/05, NZI 2006, 530, 531. 21 Zu dieser Frage näher § 12 B. 22 Selb, FS Larenz, 1983, S. 605, 608. Beachte zudem Hoffmann, JZ 2013, 786. 23 Vgl. Selb, FS Larenz, 1983, S. 605, 608. 24 Dazu siehe noch § 11 D (S. 389) u. § 12 A. 25 BGH, 20.03.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140, 144. Ebenso BGH, 22.10.2009 – IX ZR 90/08, NZI 2009, 888, 889; BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 = NJW 2008, 430, 432; BGH, 09.06.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367, 369 f.; BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 206.
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übergeordneten Blickwinkel, so verliert der scheinbare Fundamentalsatz jegliche Autorität und es tut sich ein handfester Widerspruch in der Rechtsordnung auf; aus dem Lehrsatz wird gerade deshalb ein „Leersatz“, weil er seine Gesetzmäßigkeit aus seinem Anspruch auf rechtsgebietsübergreifende Richtigkeit abgeleitet hat, dem er offenbar nicht gerecht werden kann. An einem der beiden Dogmen festzuhalten, würde aber dem Gesetz widersprechen; das Dogma zu öffnen, seine Autorität relativieren; und jeden Satz als Dogma zu präsentieren, gibt das Dogma auf.
2. Explikative Funktion Vor allem Esser wollte daher die Rechtsdogmatik auf eine explikative Rolle beschränken.26 Ihr Verdienst wäre es, Gesetzmäßigkeiten in eine Sprache zu transkribieren, so dass ihr Inhalt auch aus anderem Blickwinkel einfach festgestellt und Rechtsprobleme zur Erleichterung der Rechtsanwendung besser verglichen werden können. Bereits ein solchermaßen reduziertes Verständnis von Rechtsdogmatik, wie es ihr gewissermaßen als (Mindest‑)aufgabe eine jede Auffassung angedeihen lässt,27 verleiht der Rechtsordnung Stabilität, indem sie ihr eine Handhabe gibt, Regelungseigenarten herauszulösen, verständlich zu machen und mitzuteilen.28 Für die künftigen Forderungen hätte allein dies bereits einen beträchtlichen Wert, da sie in vielerlei Rechtsgebieten eine Rolle spielen und dogmatische Begriffe eine verlässliche Orientierung für andernorts zu findende Lösungen ermöglichen. Voraussetzung dafür ist freilich, dass etwa ein Begriff wie der „Rechtsboden“, der an sich geeignet ist, rechtliche Lösungen verschiedener Herkunft einheitlich zu beschreiben, einen präzisen Inhalt hat. Andernfalls könnten wir nur aus ihm herauslesen, was immer wir im Einzelfall in ihn hineingeben.29 Der Begriff würde „porös“30 und das entkleidete ihn wiederum seiner Funktion, Objekte rechtssicher abzugrenzen.31 Für die genannten Beispiele zur Vorausabtretung würde aus einem rein explikativen Verständnis der Dogmatik freilich folgen, dass aus ihrer Funktionsweise keine Erkenntnis gezogen werden dürfte, die Zugehörigkeit der Forderung zum Übertragungstatbestand also nicht die Begründung sein, sondern lediglich das Ergebnis schildern dürfte. 26 Esser, AcP 172 (1972), 97, 102. Zur Interpretation Essers vgl. etwa Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl., S. 224 f.; K. Schmidt, in: ders. (Hrsg.), Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, S. 9, 13. Zur Standortbestimmung der Rechtsdogmatik in den 70er Jahren, Struck, JZ 1975, 84. 27 Vgl. etwa Bydlinski, AcP 188 (1988), 447, 477; Canaris, JZ 1993, 377, 379; Seiler, in: K. Schmidt (Hrsg.), Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, S. 109, 111 f. 28 Esser, AcP 172 (1972), 97, 101 ff., 113 u. 126 – 130; Krawietz, S. 204; Müller/Christensen, Methodik, Rz. 401 f. 29 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 56. 30 Vgl. Simitis, AcP 172 (1972), 131, 136 f. 31 Bydlinski, System und Prinzipien, S. 65 f.
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3. Heuristische Funktion Während nach dem Ansatz Essers die Rechtsdogmatik lediglich Sitz, nicht aber Quell von Begründungszusammenhängen ist,32 sieht man das – in gewissem Rahmen – heute aber umgekehrt und gesteht der Rechtsdogmatik eine heuristische Funktion zu: Rechtsdogmatik ist nicht nur um Beschreibung rechtlicher Lösungen, sondern ebenso um juristische Erkenntnis bemüht.33 Das koppelt die Dogmatik jedoch an das Gesetz; die Richtigkeit der gewonnen Ergebnisse muss anhand gesetzlicher Basisnormen überprüft werden können.34 Die Vorstellung über die Funktionsweise der Vorausabtretung dürfte also allenfalls in einem der eben genannten Fälle zur Begründung herangezogen werden, aber nur solange sie sich mit allgemeiner Wirkung aus dem Gesetz ergibt. Die Anbindung an das Gesetz hat zwangsläufig zur Folge, dass Rechtsdogmatik „kein Ewigkeitsprodukt“35, sondern offen ist.36 Damit soll Dogmatik zwar gewährleisten, dass die Rechtslage ohne erneute Wertung durch einfache Subsumtion festgestellt werden kann;37 damit dies zuverlässig gelingt, muss aber die aktuelle Gesetzmäßigkeit einer dogmatischen Figur für jedes neue Rechtsproblem erneut hinterfragt werden.38 Dogmatische Denkfiguren müssen daher stets durchlässig bleiben und dürfen in der Sache maßgebliche Gerechtigkeitsurteile nicht mit dem Hinweis auf eine dogmatische Widersprüchlichkeit beschädigen. Widersprüchlichkeit innerhalb eines Dogmas ist dann nicht zwangsläufig ein Missstand, sondern kann die Überwindung von Stillstand und damit Ausdruck funktionierender, weil die Rechtswirklichkeit abbildender Rechtsdogmatik sein.39 Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass alle der Dogmatik entspringenden Rechtsbegriffe als wandelbar anzusehen sind.40 Jeder dieser Begriffe – sei es der „Rechtsboden“ oder das „Anwartschaftsrecht“ – ist ständiger Reflexion und Kritik unterworfen.
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Esser, AcP 172 (1972), 97, 99. Bydlinski, AcP 188 (1988), 447, 477; Canaris, FS Kitagawa, S. 59, 64 – 66; Dölle, RabelsZ 34 (1970), 403, 404 ff.; Krawietz, S. 205, 212 f.; Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl., S. 226 – 229; Müller/ Christensen, Methodik, Rz. 400; Picker, JZ 1988, 62, 71 f.; Rüthers/Fischer/Birk, 7. Aufl. 2013, Rz. 324 ff. (die der Dogmatik hier eine sehr starke Rolle beimessen); Wagner, JuS 1963, 456, 460 f.; Wieacker, in: Bubner/Cramer/Wiehl (Hrsg.), Hermeneutik und Dialektik, 1970, S. 311 passim. 34 Canaris, JZ 1993, 377, 386 f.; Drath, S. 46; Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl., S. 229; Simitis, AcP 172 (1972), 131, 132 f. 35 Rüthers, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, S. 13. 36 Dölle, RabelsZ 34 (1970), 403, 407; Drath, S. 40, 46; Canaris, JZ 1993, 377, 390; Kötz, in: K. Schmidt (Hrsg.), Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, S. 75, 84 f.; Krawietz, S. 205; Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl., S. 234. 37 Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl., S. 226; Bydlinski, System und Prinzipien, S. 61. 38 Canaris, JZ 1993, 377, 386. 39 Im Ergebnis Esser, AcP 172 (1972), 97, 120; weniger zurückhaltend hingegen Rüthers/ Fischer/Birk, 7. Aufl. 2013, Rz. 324, die bei einem Widerspruch gegen bestehende Dogmatik eine deutliche Argumentationslast anerkennen. 40 Drath, S. 40. 33
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III. Dogmatik und Methodik Die Anerkennung einer heuristischen Funktion setzt die Rechtsdogmatik in eine Beziehung zur Methodik, da beide auf die Gewinnung rechtlicher Erkenntnisse abzielen. Rechtsdogmatik hat anders als diese jedoch nicht die Anwendung des Rechts auf einen Einzelfall zur Aufgabe, sondern reflektiert methodisch korrekt gewonnene Ergebnisse der Rechtsanwendung.41 Seinen Platz findet das „dogmatische Argument“ daher regelmäßig in der systematischen Auslegung.42 Wegen der erläuterten Offenheit der Dogmatik ist es aber geboten, dogmatische Sätze nach Art einer Gegenprobe erst einmal auszublenden, um, falls der so gewonnene Rechtssatz von der bekannten Dogmatik abweicht, das Ergebnis kritisch auf seine Gesetzmäßigkeit zu hinterfragen.43 Das führt dazu, dass dogmatische Sätze bei der Auslegung des Gesetzes – neben ihrer explikativen Funktion – nur eine mehr oder weniger besondere Begründungslast schaffen.44 Die Funktionsweise der Vorausabtretung könnte also durchaus als ein Argument, niemals aber allein deren Anfechtbarkeit oder Priorität begründen; aber auch hierfür wäre Voraussetzung, dass sich die Rechtsordnung auf eine Version eines Dogmas einigt, wenn dieses wirklich „Grundlagen“ abbilden soll.
IV. Gang der Untersuchung Nach alledem darf und sollte es das Ziel dieser Arbeit sein, eine „Dogmatik künftiger Forderungen“ zu entwickeln, zumal dieser Stoff, wie kaum ein anderer, durch über hundert Jahre Parallel- und Querentwicklungen eine Unübersichtlichkeit erlangt hat, die einer Figur, welche zu den Grundlagen unserer Rechtsordnung gehört, nicht angemessen ist. Im nächsten Kapitel soll das vorherrschende Verständnis derjenigen Rechtsinstitute und Begriffe ermittelt werden, auf denen das Recht der künftigen Forderungen aufbaut. Im Hauptteil dieser Arbeit gilt es dann, gesetzliche Regelungen, die eine Vorstellung des Gesetzgebers von der künftigen Forderung offenbaren, ohne Rücksicht auf dogmatische Lehrsätze aus sich heraus auszulegen und die jeweiligen Anforderungen an eine künftige Forderung im Lichte der gesetzlichen Ziele und praktischen Bedürfnisse zu ermitteln. Anschließend, im Schlussteil dieser Arbeit, werden die jeweils gewonnenen Ergebnisse miteinander verglichen, auf einander bezogen, systematisiert und dort, wo es angebracht ist, gemeinsamen Begriffen zugeordnet. Erst hier stellt sich heraus, inwieweit die im nächsten Kapitel ermittelten Begriffe und Rechtsinstitute geeignet sind, das Recht der künftigen Forderung abzubilden und einen Beitrag zur weiteren Rechtserkenntnis zu leisten. 41
Vgl. hierzu Bydlinski, System und Prinzipien, S. 52. Röhl/Röhl, § 78 V (S. 622 f.) mit § 54 IV (S. 442 f.). 43 Letztlich läuft es auf das hinaus, was Bydlinski, System und Prinzipien, S. 56 f., die „systematisch-teleologische Rechtsfindungsmethode durch Theorienvergleich“ nennt. 44 Rüthers, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, S. 28 f.; Röhl/Röhl, § 54 IV (S. 442 f.). 42
§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen Die künftige Forderung ist ein Produkt der „gedachten Welt“.1 Unter anderen solchen Schöpfungen, wie dem Schuldverhältnis, der Forderung oder dem Anwartschaftsrecht zeichnet sie aus, dass sie weder in einem allgemeinen Teil des BGB (Buch 1; §§ 241 ff. BGB) noch in den „Baukästen“ der Rechtswissenschaft einen eigenen Platz erhalten hat,2 obwohl die Rechtsordnung – anders als etwa im Fall des Anwartschaftsrechts – vielerorts ausdrücklich auf die künftige Forderung abstellt und einen Bedarf für eine allgemeine Begriffsbestimmung kreiert. Überdies liegt sie im nebulösen Schattenbereich des subjektiven Rechts. Dieses war schon vor der Schaffung des BGB Ausgangspunkt in der sog. „Genealogie der Rechtsbegriffe“3 und hat seither unser Rechtsdenken so dominiert, dass wir Vorstufen des Rechts mit Argwohn begegnen oder zum „Mythos“4 erklären. Dieser Fokus ließ die Gegenwart der noch nicht entstandenen Forderung in der Rechtswissenschaft zu einer Randerscheinung werden mit der Folge, dass die Kategorisierung künftiger Forderungen partiell und vor allem im Abtretungsrecht stattgefunden hat, wo die Praxis sie zuerst vermisst hatte. Als Vorstufe eines Rechts, die im Laufe der Zeit immer mehr zu einem fungiblen Wirtschaftsgut gereift ist,5 bewegen sich künftige Forderungen daher außerhalb der herkömmlichen Grundlagen des Schuldrechts. Das untermauert den Bedarf, zunächst zu bestimmen, was mit künftigen, bedingten oder befristeten Forderungen, dem Schuldverhältnis oder dem Anwartschaftsrecht herkömmlich gemeint ist, die allesamt in der Rechtsdiskussion eine große Rolle spielen.
A. Schuldverhältnis Dem Begriff des Schuldverhältnisses kommt im Recht der künftigen Forderung Bedeutung zu, da er häufig der Grenzbestimmung zwischen rechtlich erheblichen und unerheblichen künftigen Forderungen dient.6 1
RG, 01.10.1907 – VII 524/06, RGZ 67, 166, 167. Das bemerkt schon, wer in den Standardwerken des Allgemeinen Teils und des Schuldrechts den Begriff „künftige Forderung“ im Inhaltsverzeichnis nachschlägt. 3 Vgl. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 63 f.; Rüthers/Fischer/Birk, 7. Aufl. 2013, Rz. 460. 4 Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 39 3 e, zum Anwartschaftsrecht. 5 Dazu näher unten G.I. 6 Beispielsweise bei § 38 InsO, dazu § 3. 2
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§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen
I. Rechts- und Schuldverhältnis Das Rechtsverhältnis kennzeichnet eine rechtliche Beziehung zwischen Personen in Bezug auf einen bestimmten Lebenssachverhalt.7 Es beschreibt also eine bestimmte Rechtslage: Eine Person ist etwa Mitglied einer Gesellschaft oder einer Familie mit den sich daraus jeweils ergebenden rechtlichen Konsequenzen. Zudem muss sich diese Rechtslage auf einen bestimmten Ausschnitt aus der Lebenswirklichkeit beziehen.8 Das prominenteste (materiell-rechtliche) Rechtsverhältnis ist das Schuldverhältnis.9 Es ist Inbegriff für eine Gesamtheit von Berechtigungen und Verpflichtungen, die zu einem Organismus miteinander verbunden sind, der eine Vielzahl einzelner Elemente wie subjektive Rechte, Neben‑, Schutzpflichten oder Erwerbsaussichten enthält.10
II. Sonderverbindung Im Zusammenhang mit dem Schuldverhältnis fällt häufig der Begriff der Sonderverbindung (auch: Sonderbeziehung).11 Er hat sich in der wissenschaftlichen Aufarbeitung der außerdeliktischen Haftung als Rechtsverhältnis etabliert, aus dem primär keine Leistungspflichten, sondern Schutz- oder Treuepflichten entstehen.12 Auch ein Delikt kann eine Sonderverbindung schaffen, da die hieraus entstehende Leistungsbeziehung die zunächst nicht verbundenen Parteien einander näher bringt und Schutz- oder Treuepflichten entstehen lässt.13 Inzwischen gilt jedes Schuldverhältnis als Sonderverbindung, auch wenn es Leistungspflichten hervorbringt.14 Umgekehrt besteht mit der Änderung von § 241 BGB a. F. zu § 241 II BGB auch kein Anlass mehr, in Rechtsverhältnissen, in denen nur Schutz- und Treuepflichten entstehen, nur eine Sonderverbindung und kein Schuldverhältnis 7 Achterberg, Rechtsverhältnisordnung, S. 31 f.; Medicus, AT BGB, Rz. 54 – 58; Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, S. 12. Ob das Rechtsverhältnis auch Beziehungen zu Sachen erfasst, ist umstritten, für das Schuldrecht aber ohne Belang; gegen den Einschluss von Beziehungen zu Sachen: Achterberg, Rechtsverhältnisordnung, S. 20; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 19 Rz. 4 f., der in der Beziehung zu einer Sache aber ein latentes Rechtsverhältnis zu einer anderen Person sieht. Dafür: v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 5 I 1; Leipold, BGB I, § 7 Rz. 35; Brox/Walker, AT BGB, Rz. 608. 8 Medicus, AT BGB, Rz. 54, 56 f.; Achterberg, Rechtsverhältnisordnung, S. 20 – 22. Vgl. auch HkK/Dorn, § 241 Rz. 16. 9 Hattenhauer, Grundbegriffe, S. 86; Medicus, AT BGB, Rz. 54 – 58; Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, S. 12. 10 Brox/Walker, Allg. SchuldR, § 2 Rz. 1; Hattenhauer, Grundbegriffe, S. 94 ff.; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 13 Rz. 5 und 23; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 19 Rz. 18; Medicus, AT BGB, Rz. 54. 11 Larenz, Schuldrecht I, § 2 I; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 1 I; Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, S. 12. 12 Krebs, Sonderverbindung, S. 2 – 4. 13 Krebs, Sonderverbindung, S. 6 – 8, 265 – 269. 14 Larenz, Schuldrecht I, § 2 I.
A. Schuldverhältnis
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zu sehen.15 Die Sonderverbindung und das Schuldverhältnis sind daher synonym; sie fördern die Realisierung von in ihnen eingebetteten Leistungsbeziehungen und erfüllen eine Schutzfunktion durch eine regelmäßig erweiterte Haftung.16
III. Schuldverhältnis und Forderung Im Rahmen eines Schuldverhältnisses entstehen für den Einzelnen zwar subjektive Rechte; es verschafft ihm unmittelbar aber keine Befriedigung. Die Beschreibung des Schuldverhältnisses als „Organismus“17 verdeutlicht, dass es dynamisch ist, dass Forderungen mit ihm entstehen, aber auch durch Hinzutritt von Begleitereignissen aus ihm hervorgehen oder ausscheiden.18 Die Entstehung des Schuldverhältnisses ist damit nicht gleichzusetzen mit der Entstehung aller in ihm beheimateten Forderungen.19 Diese heutige Unterscheidung zwischen der einzelnen Forderung und dem sie – wie auch immer – umgebenden Rechtsverhältnis war erst in der Pandektenwissenschaft entwickelt worden, weshalb der Sprachgebrauch im aus ihr hervorgehenden BGB nicht einheitlich ist.20 Das BGB meint nicht immer, wenn es von Schuldverhältnis spricht, das ganze Rechtsverhältnis. Vielmehr wurden seine Vorschriften weitestgehend auf Grundlage der Vorstellung geschaffen, dass das Schuldverhältnis die Passivseite einer Forderung und daher mit dieser mehr oder weniger gleichzusetzen sei.21 Paradigma hierfür ist § 241 I BGB und deutlich wird dies auch in § 362 I BGB. In diesen Fällen spricht man heute vom Schuldverhältnis im engeren Sinne, um eine klare Abgrenzung zum eben beschriebenen Schuldverhältnis als Hort zahlreicher einzelner Rechte und Pflichten zu erreichen:22 Das Schuldverhältnis im engeren Sinne ist also nichts anderes als die Forderung und als Begriff an sich entbehrlich.23 Wenn im Rahmen dieser 15
HkK/Dorn, § 241 Rz. 73. So aber noch Krebs, Sonderverbindung, 2000, S. 265 f. Sei es nur die Haftung für fremdes Verhalten (§ 278 BGB) oder die für Vermögensschäden (§ 280 I BGB). 17 Die Frage, ob anstatt von „Organismus“ besser von „Ursprungsverhältnis“, „Prozess“ oder „Inbegriff“ die Rede sein sollte (vgl. E. Wolf, in: FS Herrfahrdt, 1961, S. 197, 200 ff., und ihm erwidernd Larenz, JZ 1962, 105, 108 Fn. 17; Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, S. 157 – 160; weitere Nachw. bei HkK/Dorn, § 241 Rz. 71), ist semantisch kaum überzeugend zu bewältigen und wird von Staudinger/Schmidt, BGB, Neubearb. 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rz. 201, daher zu Recht als belanglos erklärt. 18 Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 23; Larenz, JZ 1962, 105, 108. 19 Siber, Rechtszwang, S. 89 – 92. 20 Vgl. E. Wolf, in: FS Herrfahrdt, 1961, S. 197. 21 HkK/Dorn, § 241 Rz. 31 ff., 71; Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, S. 144 – 147. 22 Hadding, FS Kroeschell, 1997, S. 293, 294; Musielak/Hau, GK BGB, Rz. 203; Siber, Rechtszwang, S. 92; Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, S. 12 f. 23 Planck/Siber, BGB, Bd. II 1, Vorbem. zum Band, dort I 1 a; Brox/Walker, Allg. SchuldR, § 2 Rz. 1 – 3; Fikentscher/Heinemann, SchuldR, § 5 II 2 und § 6 1; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 I 1; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 5 II 3 mit Fn. 17. 16
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Untersuchung von einem Schuldverhältnis die Rede sein wird, ist damit – gemäß dem heute ganz herrschenden Sinn24 – das Schuldverhältnis im weiteren Sinne, also das Rechtsverhältnis gemeint. Aus dieser historischen Gegebenheit erhellt zugleich, dass das BGB das subjektive Recht – und im Schuldrecht die Forderung – in den Mittelpunkt rückt und sich dem Schuldverhältnis vergleichsweise wenig widmet.25 Da das subjektive Recht bzw. die Forderung das Instrument ist, das uns privatautonomes Handeln ermöglicht und uns konkret einen Anspruch auf das verschafft, was uns geschuldet ist, ist dies sicherlich richtig, und es ist folgerichtig, wenn wir uns vornehmlich mit dem Entstehen und der Durchsetzbarkeit des subjektiven Rechts beschäftigen. Die Konzentration auf das subjektive Recht hat in der Rechtslehre aber dazu geführt, dass wir weit weniger über das Wesen des Schuldverhältnisses, geschweige denn über seine Entstehung lesen können als über die Forderung.26
IV. Schuldverhältnis als normativer Begriff Mit der vergleichsweise geringen Präsenz des Schuldverhältnisses in der Zivilrechtsdogmatik geht einher, dass eine Auffassung den normativen Charakter des Schuldverhältnisses überhaupt in Zweifel zieht und ihm allenfalls eine beschreibende Funktion konzediert.27 Dann wäre das Schuldverhältnis bloß ein deskriptiver – der Dogmatik entspringender – Rechtsbegriff. Dessen Aufgabe ist es, die facettenreiche Wirklichkeit juristischer Phänomene begrifflich zu erfassen und zu ordnen.28 Als solcher könnte das Schuldverhältnis etwa das Rechtsinstitut der Forderung durch Beschreibung ihrer Herkunft besser verständlich zu machen. Es spricht allerdings weit mehr dafür, das Schuldverhältnis als Bestandteil auslegungsbedürftiger Normsätze zu betrachten,29 da zahlreiche Vorschriften (§§ 241 II, 273 I, 292 I, 425 I oder 280 I BGB) auf seine Existenz verweisen oder aufbauen. Es steht hier für eine haftungsrechtlich relevante Sonderverbindung zwischen 24
Hadding, FS Kroeschell, 1997, S. 293, 294. Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, S. 13, 137 ff. Dahinter steht auch die in der Pandektenwissenschaft geführte Diskussion, ob das Privatrechtssystem ein System der Rechte oder ein System der Rechtsverhältnisse zu sein hat (vgl. auch Staudinger/Schmidt, BGB, Neubearb. 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rz. 199), ob sich also der Aufbau bzw. die Gruppierung der Regeln des BGB an der Art der jeweiligen Rechte oder – wie heute das Familien- oder Erbrecht – an den von ihnen geregelten Lebensverhältnissen orientieren soll, dazu Windscheid/ Kipp, Pandektenrecht I, § 13 u. § 37a mit Anm. 1. 26 So bereits Planck/Siber, BGB, Bd. II 1, Vorbem. zum Band, dort I 1 b, und an diesem Befund hat sich heute – abgesehen von den vertraglichen Schuldverhältnissen – wenig geändert. 27 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 I 3: „Nichts fügt das Schuldverhältnis hinzu, was nicht schon in seinen einzelnen Elementen enthalten wäre.“ Ebenso im Anschluss an Gernhuber: HkK/Dorn, § 241 Rz. 72. 28 Rüthers/Fischer/Birk, 7. Aufl. 2013, Rz. 177 ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 6 V. 29 Zum „normativen Rechtsbegriff“ vgl. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 6 V; Rüthers/ Fischer/Birk, 7. Aufl. 2013, Rz. 180. 25
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den Parteien, die ihre Rechtsgüter nun erhöhten Einwirkungsmöglichkeiten des anderen preisgeben.30 Schließlich könnte dem Schuldverhältnis auch im Kontext mit der Forderung Normativität zukommen. Zwar ist die Forderung vom sie umgebenden Schuldverhältnis grundsätzlich verschieden. Aber keine Forderung kann ohne ein Schuldverhältnis existieren, und das Schuldverhältnis kann nur vor oder mit, aber nie nach der Forderung in Existenz treten, so dass es notwendigerweise eine Etappe im Forderungsentstehungsprozess sein muss. Wenn das Gesetz auf diese Etappe abstellt, erhält das Schuldverhältnis also auch hierüber normativen Charakter. Das Schuldverhältnis ist nach alledem nicht lediglich ein Erklärungsmodell der Rechtswissenschaft, sondern ein auslegungsbedürftiges gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Es ist aber Aufgabe der Rechtswissenschaft zu erkunden, ob hinter den verschiedenen gesetzlichen Bezugnahmen eine einheitliche gesetzgeberische Vorstellung des Schuldverhältnisses steht. „Zum Verzicht auf das Schuldverhältnis als zentrale Figur des 2. Buches des BGB wie auch des juristischen Denkens überhaupt besteht“ – in den Worten von Medicus – jedenfalls „kein Anlaß.“31
V. Entstehung des Schuldverhältnisses 1. Unabhängigkeit von der Forderung Seiner Struktur nach ist das Schuldverhältnis ein verschiedene Elemente beherbergender Organismus, deren die Forderung eines, aber kein konstituierendes ist. Die Forderung bedingt die Existenz eines Schuldverhältnisses, aber ein Schuldverhältnis benötigt keine Forderung.32 Das Entstehen eines Schuldverhältnisses zieht also nicht notwendigerweise sogleich das Entstehen einer Forderung nach sich – es können durchaus erst im weiteren Verlauf Forderungen entstehen – und es kann sogar von Anfang an ausgeschlossen sein, dass überhaupt eine Forderung entsteht.33 Damit hat die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Schuldverhältnis entsteht, eine eigene Bedeutung. Herkömmlich sagt man, dass ein Schuldverhältnis auf zweierlei Weise entstehen kann, nämlich durch Rechtsgeschäft, weil es gewollt ist, oder aufgrund Gesetzes.34 30 Krebs, Sonderverbindung, S. 633 f. Vgl. auch Staudinger/Schmidt, BGB, Neubearb. 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rz. 209 f. 31 Medicus, Probleme um das Schuldverhältnis, S. 25. Auch Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 13 Rz. 1 und 7, plädieren dafür, das Rechtsverhältnis mehr in den Mittelpunkt zu rücken. 32 Hadding, FS Kroeschell, 1997, S. 294 – 297, und oben A.II. 33 E. Wolf, in: FS Herrfahrdt, 1961, S. 197, 202 ff., 208, am Beispiel des eine Naturalobligation umgebenden Schuldverhältnisses. Ein weiteres Beispiel ist das nur Schutzpflichten i. S. v. § 241 II BGB beherbergende Schuldverhältnis, deren Erfüllung nicht selbständig eingefordert werden kann. 34 Fikentscher/Heinemann, SchuldR, § 9 II; HkK/Dorn, § 241 Rz. 76; Musielak/Hau, GK BGB, Rz. 207 ff.
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Die daraus hervorgegangene Klassifizierung in gesetzliche und rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse ist aber, nicht zuletzt unter Verweis auf sog. rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse, Kritik ausgesetzt.35 Zudem gibt es noch das durch staatlichen Verwaltungsakt ausnahmsweise als privatrechtliches geschaffene Schuldverhältnis.36 Die Quelle des Schuldverhältnisses muss mit der seiner einzelnen Elemente nicht notwendigerweise zusammenfallen: Beispielsweise können Schutzpflichten – auch im Rahmen eines vertraglichen Schuldverhältnisses – kraft Gesetzes entstehen.37
2. Entstehungstatbestände Die Entstehung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses setzt die herrschende Meinung mit dem Vertragsschluss nach §§ 145 ff. BGB gleich; nur ausnahmsweise soll ein einseitiges Rechtsgeschäft genügen, wie etwa im Fall der Auslobung (§§ 657 ff. BGB).38 Doch auch ein Vertragsschluss unter einer Bedingung (§ 158 BGB) soll ein Schuldverhältnis entstehen lassen wegen der bereits vorhandenen Bindung für den Fall des Bedingungseintritts.39 Die Entstehung gesetzlicher Schuldverhältnisse ist zunächst paradox: Das gesetzliche Schuldverhältnis muss kraft Gesetzes entstehen, aber sein Entstehen ist in der Regel nicht normiert (eine Ausnahme bildet etwa § 311 II, III BGB40). Entsprechend der Fokussierung des BGB auf die subjektiven Rechte sind aber die in gesetzliche Schuldverhältnisse eingebetteten Forderungen einzeln geregelt (z. B. § 823 BGB); sie entstehen kraft Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands, keineswegs kraft des Schuldverhältnisses.41 Ist eine solche Forderung zur Entstehung gelangt, so besteht ohne Zweifel – da die Forderung allein nicht denkbar ist – auch das Schuldverhältnis. Dieses geht in seiner Bedeutung über diese Forderung hinaus, da die Parteien nun besonders verbunden sind und sie folglich auch Schutzpflichten, etwa bei der Schadensabwicklung, treffen.42 Aus dem Umstand, dass ein Schuldverhältnis vorläufig bzw. ganz ohne Forderung denkbar ist, ergibt 35
Vgl. Staudinger/Olzen, BGB, Neubearb. 2009, § 241 Rz. 46 – 51. Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 19 Rz. 9. 37 Medicus, Schuldverhältnis, S. 16. 38 Staudinger/Olzen, BGB, Neubearb. 2009, § 241 Rz. 61, 70; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 19 Rz. 7. 39 Näher unten S. 38 (aa). 40 Ein gesetzliches Schuldverhältnis etabliert etwa auch § 4 EEG, ohne allerdings genau den Tatbestand zu nennen, wann es entsteht. 41 Daher ist es missverständlich, wenn Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 1 III, von dem Schuldverhältnis als „anspruchserzeugender Tatbestand“ sprechen, da dies allenfalls auf vertragliche Forderungen zutrifft. Genauer: Planck/Siber, BGB, Bd. II 1, in seinen Vorbemerkungen zum Bd. II 1, dort I 1 a, „ein zur Erzeugung von Einzelrechten geeigneter Organismus“. Das gesetzliche Schuldverhältnis selbst kann jedenfalls nur dann Rechte erzeugen, wenn das Gesetz dies vorsieht. 42 Staudinger/Olzen, BGB, Neubearb. 2009, § 241 Rz. 62, spricht hier von Reflexwirkungen. 36
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sich aber, dass das Schuldverhältnis nicht erst dann entstanden sein muss, wenn die Forderung existent geworden ist.43 Bei vertraglichen Schuldverhältnissen bildet in solchen Fällen die Willenseinigung einen verlässlichen Maßstab. Nicht so einfach ist das für die gesetzlichen Schuldverhältnisse. Die Frage ist hier, wie weit der die charakteristische Leistungsforderung regelnde Tatbestand erfüllt sein muss. Ausgangspunkt hierfür ist, dass ein Verhältnis zwischen beliebigen Personen per se keine rechtliche Bedeutung hat bzw. allenfalls von gesellschaftlichen Normen geprägt wird:44 Die Beziehung zweier untereinander kontaktloser Personen ohne familiäre Bindungen wirft keinen schuldrechtlichen Regelungsbedarf auf, was aber Voraussetzung dafür wäre, um von einem Schuldverhältnis sprechen zu können.45 Eine Sonderverbindung bedarf also eines gewissen objektiven Kontakts zwischen zwei Personen, der eine rechtlich geartete Beziehung zwischen beiden Personen bzw. ein Regelungsbedürfnis schafft.46 Da ein Schuldverhältnis per definitionem einen bestimmten Ausschnitt aus der Lebenswirklichkeit beschreibt,47 muss das Gesetz für dessen Regelung jedenfalls an einen begrenzten Kreis von rechtserheblichen Tatsachen anknüpfen.48 Häufig ist dies ein menschliches Verhalten.49 Denkbar ist aber auch ein verhaltensunabhängiger Kontakt, wenn etwa der Sturm einen Gegenstand in den Garten eines anderen weht und auf diese Weise einen Regelungsbedarf aufwirft. Im Falle der leistungslosen Schuldverhältnisse, die nur Schutz- und Treuepflichten beherbergen, liegt der Entstehungsgrund häufig auf der Inanspruchnahme von Vertrauen oder den hinter dem nach außen manifestierten Kontakt stehenden Interessen.50 Soweit gesetzliche Schuldverhältnisse die Funktion haben, eine Haftung zu begründen, mag die Unterscheidung zwischen dem „Ob“ und dem „Wie“ der Haftung Aufschluss geben.51 Danach ließe sich das Entstehen eines Schuldverhältnisses jedenfalls dann bereits annehmen, wenn die Haftung begründet ist, auch wenn ihr Inhalt noch nicht feststeht und damit die jeweilige Forderung noch nicht entstanden ist. Im Fall von § 812 BGB liegt diese Haftungsbegründung in der ungerechtfertigten Vermögensverschiebung zugunsten eines anderen bzw. im Eingriff in dessen Rechte,52 bei § 823 BGB im haftungsbegründenden Handeln, sprich der Rechtsgutsverletzung gegenüber einer anderen Person, während die Forderung erst durch den Eintritt des Schadens entsteht;53 43
E. Wolf, in: FS Herrfahrdt, 1961, S. 197, 200. Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 13 Rz. 1. 45 Vgl. Achterberg, Rechtsverhältnisordnung, S. 31, 33 f.; Medicus, AT BGB, Rz. 55. 46 Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 13 Rz. 1. 47 Oben A.I. 48 Medicus, AT BGB, Rz. 54 – 58. 49 Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 19 Rz. 8. 50 Medicus, Schuldverhältnis, S. 20 – 23, u. a. am Bsp. der Prospekthaftung. 51 Zu dieser Unterscheidung zwischen haftungsbegründenden und inhaltsgestaltenden Tatbestandsmerkmalen Würdinger, Die privatrechtliche Anwartschaft, S. 24 – 27. 52 Staudinger/Olzen, BGB, Neubearb. 2009, § 241 Rz. 62. 53 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 5 III 1; Staudinger/ Olzen, BGB, Neubearb. 2009, § 241 Rz. 62. 44
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diese Anknüpfungspunkte bilden zugleich den rechtserheblichen Sachverhalt, der die Anwendbarkeit dieser Normen auslöst. Bei der Haftung aus culpa in contrahendo ist dies der tatsächliche geschäftsähnliche Kontakt i. S. v. § 311 II BGB und bei vielen Regressverhältnissen der Umstand, dass zwei Personen einer dritten zu der gleichen Leistung verpflichtet sind.54 Die Umstände, welche ein gesetzliches Schuldverhältnis entstehen lassen könnten, sind also mannigfaltig; ein einheitliches, übergreifendes Kriterium zur Bestimmung dieser Umstände kennt die Rechtswissenschaft nicht.55
B. Subjektive Rechte Das subjektive Recht gilt als der „zentrale Begriff des Privatrechts“.56 Die subjektiven Rechte im Privatrecht schützen bestimmte durch ihren Rechtsinhalt festgelegte Interessen innerhalb eines (Privat‑)Rechtsverhältnisses.57 Die herrschende Lehre beschreibt sie im Wesentlichen als die von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsmacht des Rechtsinhabers, diese geschützten Interessen selbstbestimmt wahrzunehmen, um seine Bedürfnisse zu befriedigen.58 Die subjektiven Rechte existieren mit verschiedenen Inhalten: als Herrschaftsrechte, Gestaltungsrechte, Erwerbsrechte, Forderungs- oder Anwartschaftsrechte.59 Diese verkörpern wiederum selbst ein Bündel verschiedener Befugnisse: Das subjektive Recht „Forderung“ soll etwa unter anderen die Einforderungs‑, die Selbsthilfe‑, die Klagebefugnis sowie die Befugnis enthalten, über die Forderung zu verfügen.60 54
v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 5 I 2. Medicus, Schuldverhältnis, S. 23; Staudinger/Olzen, BGB, Neubearb. 2009, § 241 Rz. 63. Verdienste gebühren aber Krebs, Sonderverbindung, S. 634 f., der einige übergreifende Strukturen bei der Begründung von Sonderverbindungen herausgearbeitet hat. 56 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 1 I. Dagegen Raiser, JZ 1961, 465, 472 f., dessen Plädoyer für eine dogmatische Aufwertung von Ordnungsgefügen gegenüber individuellen Rechten weit über das Schuldverhältnis hinausgeht. Zur Historie der Fokussierung auf das subjektive Recht etwa Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, S. 137 – 144. 57 Brox/Walker, AT BGB, Rz. 620; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 13 Rz. 24. 58 Brox/Walker, AT BGB, Rz. 617 – 620; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 17 Rz. 5; Larenz/ Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 13 Rz. 24 und § 14 Rz. 1; Medicus, AT BGB, Rz. 70; Leipold, BGB I, § 7 Rz. 34; Schwab/Löhnig, Einführung, 19. Aufl. 2012, Rz. 183; Raiser, JZ 1961, 465 f., mit einem Überblick über die historische Entwicklung; im Ergebnis auch Lieb, Das künftige Recht, S. 13 – 24. Kritisch und für eine noch weitere Definition Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 20 Rz. 1 – 9, um noch die sozialen Rechte einbeziehen zu können. 59 Brox/Walker, AT BGB, Rz. 621 – 632; Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 1, § 72 I 2; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 3 I 2; Kleinfeller, AcP 137 (1933), 129, 133; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 17 Rz. 6 – 19; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 13 Rz. 24; Wolf/ Neuner, AT, 10. Aufl., § 19 Rz. 19. 60 Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 13 Rz. 25 f.; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 19 Rz. 22 f.; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 17 Rz. 33; Schulze, Die Naturalobligation, S. 186 mit Fn. 776 und S. 461 – 465; Staudinger/Schmidt, BGB, Neubearb. 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rz. 118 ff.; 55
C. Forderungen
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In Anbetracht dessen gilt es als rechtstechnischer61 Verdienst des Begriffs des subjektiven Rechts, all diese Befugnisse zu einem einheitlichen Zweck zu einen und seine Voraussetzungen einheitlich zu beschreiben.62
C. Forderungen Forderungen sind subjektive Rechte gegen eine bestimmte Person auf eine dem Berechtigten gegenüber zu erbringende Leistung;63 kraft ihrer ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern (§ 241 I 1 BGB). Als subjektives Recht soll die Forderung eine Reihe von Befugnissen enthalten, wie die Verfügungs‑, Einforderungs‑, Behaltens‑, Selbsthilfe‑, Klage- oder Vollstreckungsbefugnis sowie eine Reihe von weiteren Nebenbefugnissen.64
I. Verhältnis von Forderung und Anspruch Das Wort Anspruch begegnet bereits im allgemeinen Sprachgebrauch als Erwartung oder Verlangen, oder wenn jemand für sich etwas „in Anspruch“ nimmt. Dieser unjuristischen Bedeutung bedient sich bisweilen der Gesetzgeber: etwa in § 64, § 75 oder § 840 I Nr. 2 ZPO.65 Der rechtswissenschaftliche Begriff „Anspruch“ entstammt, wie die Forderung oder das subjektive Recht, der allgemeinen Rechtslehre, und ist als solcher auch ein Geschöpf des Rechts.66 Hier variiert der Anspruchsbegriff je nach Fragestellung, vor der er betrachtet wird. Man spricht von dem Unterschied zwischen dem materiellen und prozessualen Anspruch, wonach der Streitgegenstand eines Prozesses (prozessualer Anspruch) v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 15 II; Esser, SchuldR, § 22 5; Bucher, Das subjektive Recht, S. 98 f. Wieser, JR 1967, 321, 324 f. sieht entgegen der herrschenden Meinung nicht die Verfügungsbefugnis, sondern nur, was er als Anrecht und Zuständigkeit bezeichnet, als Bestandteile der Forderung. Dem liegt aber eine mit der personalen Struktur der Forderung (vgl. sogleich II.) nicht vereinbare Sichtweise zugrunde, nach der die Forderung vom Subjekt abstrahiert wird und ein eigenes, außerhalb der Forderung stehendes Recht des Gläubigers an seiner Forderung angenommen wird. 61 Zum rechtsphilosophischen Hintergrund des subjektiven Rechts etwa Raiser, JZ 1961, 465, 465 f. u. 471 ff. 62 Bucher, Das subjektive Recht, S. 21 f.; Brox/Walker, AT BGB, Rz. 633 – 639; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 17 Rz. 20 – 30; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 19 Rz. 19. Zur Entwicklung und Aufgabe der Figur des subjektiven Rechts vor dem Hintergrund des Abschieds vom Aktionendenken, Bucher, AcP 186 (1986), 1, 14 – 18. 63 Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 15 Rz. 38; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 20 Rz. 27. 64 Schulze, Die Naturalobligation, S. 461 – 465; Staudinger/Schmidt, BGB, Neubearb. 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rz. 118 ff.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rz. 18 ff.; Staudinger/Olzen, BGB, Neubearb. 2009, § 241 Rz. 114; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 15 II; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 19 Rz. 23; vgl. auch oben Fn. 60. 65 Kleinfeller, AcP 137 (1933), 129, 130. 66 Husserl, Recht und Zeit, S. 31; Kleinfeller, AcP 137 (1933), 129, 131.
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mehrere Ansprüche materiellen Rechts erfassen kann.67 Vor dem Hintergrund eines romanistischen Aktionendenkens, wonach der Anspruch mehr das Klagerecht, also das durch Verletzung eines Rechts erst erzeugte Recht auf gerichtlichen Schutz ist,68 erhält der Begriff wiederum eigene Nuancen.69 Dem BGB liegt der materiell-rechtliche Anspruchsbegriff zugrunde; er geht auf Windscheid70 zurück.71 Der Anspruch ist das (subjektive) Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 I BGB). Es gibt diesen Anspruch im Schuld‑, Sachen‑, Familien- und Erbrecht.72
1. Die Forderung als Anspruch Zum Verhältnis der Forderung zum Anspruch wird heute einhellig gesagt: Der Anspruch des Schuldrechts heißt Forderung (§ 241 I BGB).73 Nach der herrschenden Lehre ist also jede Forderung ein Anspruch, nicht jeder Anspruch aber eine Forderung. Der Anspruch gilt lediglich als der weitere Begriff, der über die Forderungen hinaus auch die nicht aus Schuldverhältnissen herrührenden Rechte erfasst, kraft derer der Eine von dem Anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen 67
Etwa Harke, Allg. SchuldR, Rz. 407. So die Vorstellung von Friedrich Carl v. Savigny, dazu Klinck, FS Krampe, 2013, S. 173, 185; Windscheid, Die Actio des römischen Zivilrechts, S. 1; ders./Kipp, Pandektenrecht I, § 40. 69 So etwa bei den Modellen von Pawlowski, AT BGB, Rz. 326 – 329; Schmidt, in: FS Jahr, 1993, S. 401, 412 – 417; Bucher, Das subjektive Recht, S. 66 ff. Vgl. ferner Okuda, AcP 164 (1964), 536, 539 f. 70 Windscheid, Die Actio des römischen Zivilrechts, S. 3 – 8, der basierend auf dem „unserer Rechtsanschauung“ zugrunde liegenden Verständnis, dass „die gerichtliche Verfolgbarkeit erst die Consequenz des Rechtes ist“, zwischen einer „prozessualischen“ und einer „materiellen Befugnis“ unterscheidet (ebd. S. 6); ders., Pandekten, 5. Aufl., Bd. 1, § 44 S. 106 f. 71 HkK/Hermann, §§ 194 – 225 Rz. 20; Klinck, FS Krampe, 2013, S. 173, 184 ff.; Schmidt, in: FS Jahr, 1993, S. 401, 403 – 407. Wobei sich das heutige Verständnis durchaus von der reinen Windscheid’schen Denkweise (Windscheid, Die Actio des römischen Zivilrechts, S. 8 – 20) entfernt hat, etwa bei den dinglichen Ansprüchen, die nach heutigem Verständnis erst eine Störung des dinglichen Rechts voraussetzen, dazu Bucher, Das subjektive Recht, S. 83 – 86. 72 Esser/Schmidt, Schuldrecht I 1, § 5 I 2. 73 Bork, AT BGB, Rz. 290; Brox/Walker, AT BGB, Rz. 628; HkK/Dorn, § 241 Rz. 110; Fikentscher/Heinemann, SchuldR, § 5 II 2; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 3 I 5; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 18 Rz. 3; Looschelders, SchuldR AT, Rz. 8; Medicus, AT BGB, Rz. 75; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rz. 6; Schwab/Löhnig, Einführung, 19. Aufl. 2012, Rz. 197; Wolf/ Neuner, AT, 10. Aufl., § 20 Rz. 27; Okuda, AcP 164 (1964), 536, 541 f.; Wieser, JR 1967, 321, und bereits Kroll, Klage und Einrede, 1884, S. 26, zum Prozessrecht. Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 2, § 222 II 2, hielten Anspruch und Forderung noch für identische Begriffe, wobei allenfalls der dingliche Anspruch nicht als Forderung bezeichnet werden müsste (ebd. § 223 I 2 c und dies., AT Bürgerliches Recht I 1, § 73 I 2). Vgl. auch Schmidt, in: FS Jahr, 1993, S. 401 f., der diese herrschende Auffassung selbst aber nicht teilt (Fn. 69). Bähr, Grundzüge des Bürgerlichen Rechts, § 4 II 3 und § 8 I 2 und Brox/Walker, Allg. SchuldR, § 1 Rz. 2 und § 2 Rz. 3 verwenden Forderung und Anspruch synonym. Staudinger/Schmidt, BGB, Neubearb. 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rz. 115, will den Ausdruck des Anspruchs wegen dessen Doppeldeutigkeit vermeiden. 68
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kann.74 Dass man den Anspruch als den grundlegenden Begriff betrachtet, liegt daran, dass man § 194 BGB als Legaldefinition des Anspruchs im Allgemeinen Teil des BGB betrachtet.75 Ein Beispiel für einen solchen Anspruch, der keine Forderung sein soll, ist der Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB), der aus dem Eigentum an einer Sache folgt.76 Für solche Ansprüche außerhalb des Schuldrechts wird vorwiegend das Recht der Forderungen entsprechend angewendet, da das BGB ein allgemeines Anspruchsrecht nicht entwickelt hat (Ausnahme: §§ 194 ff. BGB).77 Dadurch entsteht die systematisch eigenartige Situation, ein spezielles Forderungsrecht zu haben, welches die Funktion eines allgemeinen Anspruchsrechts übernimmt.78 Vom Standpunkt der herrschenden Lehre aus muss also beispielsweise auch ein vertraglicher Anspruch auf Einräumung einer Grundschuld eine Forderung sein. Man darf daher von einer „Forderung auf Bestellung einer Grundschuld“ sprechen, selbst wenn es vor dem Hintergrund der eigenen sprachprägenden juristischen Ausbildung ungewohnt erscheinen mag. Zur unterschiedlichen Sprache des Gesetzes (§ 883 I: „Anspruch“; §§ 1113 II, 1204 II BGB: „Forderung“) siehe noch § 5 D.I.
2. Der Anspruch als Befugnis Von Tuhr wollte Forderung und Anspruch noch unterscheiden. Die Forderung sah er – wie heute – als das im Schuldrecht zu verortende Recht des Gläubigers auf eine Leistung des Schuldners an, welches verschiedene Befugnisse in sich vereint.79 Den Anspruch betrachtete er nur als eine dieser in der Forderung enthaltenen Befugnisse. Zu diesen rechnete er etwa die Befugnis zum Zugriff auf das haftende Vermögen, die Aufrechnungsbefugnis80 und in erster Linie eben den Anspruch als die Befugnis, die Leistung vom Schuldner zu verlangen.81 Da diese Befugnis auch Bestandteil anderer subjektiver Rechte ist – insbesondere dinglicher Rechte, wenn sie von einer bestimmten Person gestört werden –, ist die Forderung nach seiner Auffassung also nur ein Grund eines Anspruches.82 Die Forderung wäre gewissermaßen der Träger des Anspruchs im Schuldrecht. Auch wenn die Forderung 74
Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 20 Rz. 22 ff. Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 15 Rz. 56. Treffender erscheint aber, dass § 194 BGB nicht den Anspruch für das BGB, sondern den Gegenstand der Verjährung legaldefiniert, HkK/Hermann, §§ 194 – 225 Rz. 19 f. 76 Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 15 Rz. 62 f. 77 Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 2, § 223 III; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 3 I 5; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 20 Rz. 26. 78 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 3 I 5. 79 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 15 II. 80 Dazu näher unter § 4 A.III. (S. 76). 81 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 15 II. 82 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 15 II u. VI. Vgl. hierzu auch Schulze, Die Naturalobligation, S. 187 u. 474. 75
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damit einerseits als ein gegenüber dem Anspruch weiterer Begriff erscheint, hat diese Auffassung mit der heute herrschenden Einteilung immerhin gemein, dass in anderen Rechtsgebieten als dem Schuldrecht sich aus gewissen Rechtspositionen Ansprüche wohl, aber nicht Forderungen ergeben können. Auf diese Ansprüche will v. Tuhr, wie die herrschende Meinung, das Recht der Forderungen analog anwenden.83 Beide Auffassungen liegen also gar nicht weit auseinander, zumal die herrschende Auffassung dinglichen Ansprüchen trotz ihrer Unselbständigkeit84 gegenüber dem dinglichen Recht gerade deshalb einen eigenen Namen gibt, weil das dingliche Recht noch andere Inhalte hat als bloß das Recht, etwas von einem anderen heraus zu verlangen.85 Für dingliche Rechte erkennt also letztlich auch die herrschende Meinung den Anspruch als eine Befugnis innerhalb eines subjektiven Rechts an. Der terminologische Unterschied offenbart sich also nur im Schuldrecht. Hier hat die Auffassung v. Tuhrs Anhänger gefunden, sich jedoch nicht durchgesetzt.86
II. Forderung als gegenwärtiger Gegenstand mit personaler Natur Das BGB hat die Forderung als personale Leistungsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner konzipiert (§ 241 I BGB).87 Der personale Charakter äußert sich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen ist die Gläubigerschaft – anders als das Sacheigentum – kein eigenständiges subjektives Recht an einem Gegenstand „Forderung“,88 sondern Teil der Forderung selbst.89 Gernhuber formuliert: „Die Rechtszuständigkeit, die Gläubigerschaft, ist mit der Forderung mitgedacht.“90 83
v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 15 IX. Ansprüche, die der Verwirklichung eines absoluten Rechts dienen, können – anders als die Forderung aus ihrem Schuldverhältnis – nicht von ihrem Recht getrennt werden, Brox/Walker, AT BGB, Rz. 646; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 20 Rz. 23 f. 85 Klinck, FS Krampe, 2013, S. 173, 185. 86 Esser, SchuldR, § 22 5. Auch Schulze, Die Naturalobligation, folgt diesem Verständnis, wenn dort verschiedentlich hervorgehoben wird, dass etwa die betagte Forderung eine entstandene Forderung sei, bei ihr aber der Anspruch entfalle, ebd. S. 472 – 476. Ähnlich wie v. Tuhr: Bergk, Übertragung und Pfändung künftiger Rechte, S. 29 – 35. Starke Argumente für die Auffassung v. Tuhrs bringt Hadding, FS Kroeschell, 1997, S. 293, 299 f., mit Verweis auf § 362 BGB, wonach bei Erfüllung nur der Anspruch und nicht die Forderung erlöschen könne, weil diese als Rechtsgrund fortbestehen muss. 87 Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 1, § 79 C; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 3 I 4; HkK/Michaels, vor § 241 Rz. 67. 88 So aber noch Oertmann, AcP 123 (1925), 129, 145. 89 Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, Einl zu § 398 Rz. 9. Dahinter steht die Diskussion um die „subjektlose“ Forderung, vgl. dazu Planck/Siber, BGB, Bd. II 1, Vorbem. § 398 1; Windscheid/Kipp, Pandektenrecht I, § 64 Anm. 6; dies., Pandektenrecht II, § 329 Anm. 10; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 12 I und Bd. II.1, § 47 II; Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 1, § 75 III; Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 295. 90 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 3 I 3. 84
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Zum personalen Charakter gehört es auch, dass die Forderung nur gegen den Schuldner gerichtet ist, und nicht, wie die absoluten Herrschaftsrechte, gegen jedermann; die Forderung ist somit ein relatives Recht.91 Schließlich ist die Forderung kein Herrschaftsrecht des Gläubigers über den Schuldner, über dessen Leistungshandlung oder den Leistungsgegenstand; der zu leistende Gegenstand bleibt dem Vermögen des Schuldners zugeordnet, bis dieser seine Leistungshandlung vorgenommen hat.92 Die Forderung ist aber nicht nur eine persönliche Leistungsbeziehung, sondern in gewissem Rahmen objektivierbar und sie ist selbst ein Gegenstand.93 Der Grund hierfür ist, dass allein schon die Möglichkeit, die geschuldete Leistung zu erhalten, einen gegenwärtigen Vermögenswert darstellt.94 Diese Aussicht kann man als Aktivposten in der Bilanz verbuchen,95 sofern die begehrte Leistung, wie in aller Regel, einen Vermögensvorteil verspricht.96 Dieser Gegenständlichkeit der Forderung entspricht es, dass das BGB die Abtretung als Verfügung über die Forderung zugunsten eines Dritten – gar ohne Mitwirkung des Schuldners – gestaltet hat.97
III. Identität der Forderung 1. Selbständige Identität Die Abtretung einer Forderung wirft die Frage auf, inwieweit die Forderung verändert wird, wenn sie ihren ursprünglichen Gläubiger und das Schuldverhältnis „zurücklässt“. Sie gibt damit in besonderem Maße Aufschluss über die Identität einer Forderung. Im römischen Recht gab es die Abtretung, wie wir sie heute kennen, nicht: Die Forderung war ihrem Wesen nach untrennbar mit ihren ursprünglichen Parteien verbunden, so dass der Subjektwechsel den Untergang 91 Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 15 Rz. 38. § 194 BGB spricht von „einem anderen“ und darunter versteht das BGB stets eine bestimmte einzelne Person, nicht jedermann, Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 2, § 222 II 1. 92 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 3 I 4; Fikentscher/Heinemann, SchuldR, § 6 Rz. 27; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 15 Rz. 38; Planck/Siber, BGB, Bd. II 1, Vorbem. zum Band, dort II 1 a. 93 Luig, in Coing/Wilhelm (Hrsg.), S. 112, 113; Larenz, Schuldrecht I, § 33; Esser, SchuldR, § 24 1; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, Einl zu § 398 Rz. 10; Ost, Zuordnung als Kriterium des subjektiven Rechts, S. 128; Harke, Allg. SchuldR, Rz. 14. 94 Eidenmüller, AcP 204 (2004), S. 457, 462 f.; Larenz, Schuldrecht I, § 33; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, Einl zu § 398 Rz. 10. Gegenüber dem Wert der Leistung ist jedenfalls das Risiko der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners (Delkredererisiko) in Abzug zu bringen. 95 Esser/Schmidt, Schuldrecht I 1, § 5 I 2; Esser, SchuldR, § 22 5. 96 Ein Vermögenswert der Leistung ist aber nicht Voraussetzung einer Forderung, Enneccerus/ Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 1, § 78 II. 97 Larenz, Schuldrecht I, § 33 I; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, Einl zu § 398 Rz. 13.
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der Forderung zur Folge haben musste; die „Übertragung“ der Forderung konnte nur durch ihre Neubegründung erfolgen.98 Von dieser noch in der Pandektistik des frühen 19. Jahrhunderts vorherrschenden Meinung99 hebt sich das BGB ab. Es baut auf der Annahme auf, dass Gegenstand einer Abtretung allein die einzelne Forderung und nicht das Schuldverhältnis ist,100 und hat die Forderung daher von vornherein so konzipiert, dass sie aus dem Schuldverhältnis herausgelöst werden kann. Dadurch erhält sie eine diesem gegenüber eigene juristische Identität,101 die sie trotz Abtretung behalten kann: Die Forderung geht über, behält ihre Rechtsnatur und besteht als solche in neuer Hand fort; es ändert sich lediglich die Rechtszuständigkeit für die Forderung.102 Fraglich bleibt, wie diese eigene, objekthafte Identität, die durch Abtretung nicht verloren gehen soll, mit der personalen Natur der Forderung (dazu 2.) und ihrer Prägung durch das ursprüngliche Schuldverhältnis (dazu 3.) zu vereinbaren ist.
2. Forderungsidentität und Gläubigerschaft Der jeweilige Gläubiger gehört zu einer Forderung; ohne Gläubiger ist die Forderung nicht denkbar (soeben C.II.).103 Daher ist die Abtretung keine Übertragung einer ohne ihren Gläubiger gedachten Forderung von einer in die andere Hand und ebenso wenig gibt es die Übertragung einer von der Forderung isolierten Gläubigerschaft.104 Die Forderung ist kein Gegenstand, der isoliert von ihrem Gläubiger besteht. Insofern kann die Abtretung entgegen der Formulierung in § 398 Satz 1 BGB keine Übertragung sein, sondern ist eine Sonderrechtsnachfolge in die Forderung, im Zuge derer der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers tritt (§ 398 Satz 2 BGB).105 Dieses Konzept der 98 Hattenhauer, in: HkK-BGB, 1. Aufl. 2007, §§ 398 – 413 Rz. 7 ff.; Huwyler, S. 25 – 35; Dörner, Dynamische Relativität, S. 104 f.; Maier, FS Rabel II, 1954, S. 205 ff. 99 Luig, in Coing/Wilhelm (Hrsg.), S. 112, 117 ff.; vgl. auch Bähr, JherJb 1 (1857), 351, 355. 100 Esser, SchuldR, § 24 1; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 12 II, IV 2 und Bd. II.1, § 54 I mit Fn. 35; Huwyler, S. 35. 101 Esser, SchuldR, § 24 1; Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, S. 108; Planck/ Siber, BGB, Bd. II 1, Vorbem. zum Band, dort I 2 c. 102 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 12 I; Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 4 I, II; Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, S. 108; Hattenhauer, in: HkK-BGB, 1. Aufl. 2007, §§ 398 – 413 Rz. 3. Daher ist § 399 Var. 1 BGB kein Abtretungsausschluss, sondern weist die der Sukzession inhärente Grenze auf, dass dort eine Nachfolge nicht möglich ist, wo das Recht seiner Identität nach auf einen bestimmten Gläubiger angewiesen ist, Dörner, Dynamische Relativität, S. 159 f. 103 Planck/Siber, BGB, Bd. II 1, Vorbem. zum Band, dort I 2 c. 104 Fn. 89. 105 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II 1, § 44 I; Larenz, Schuldrecht I, § 34 I; Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, S. 108; Bülow, JA 1983, 7; Müller, ZIP 1994, 342, 349; Dörner, Dynamische Relativität, S. 118 – 122, 152 f., 227. Während der Beratungen zum BGB hatte man noch Scheu von einer Sondernachfolge zu sprechen, räumte aber ein, dass die Abtretung diese Wirkung habe, vgl. Hattenhauer, in: HkK-BGB, 1. Aufl. 2007,
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Rechtsnachfolge harmoniert mit der Identitätswahrung: Die Forderung verändert sich inhaltlich nicht; von der Passivseite gedacht trifft den Schuldner weiterhin dieselbe Verpflichtung wie gegenüber dem früheren Gläubiger und das bedingt auch, dass ihm alle Einwendungen zustehen, die vor der Abtretung gegen seinen bisherigen Gläubiger begründet waren (§ 404 BGB).106
3. Forderungsidentität und Schuldverhältnis Das gibt zugleich Aufschluss über das Verhältnis von Forderung und Schuldverhältnis, das durch Abtretung gelockert, aber nie wirklich gekappt werden kann.107 Wann eine Forderung entsteht, welchen Inhalt sie hat, welchen Inhalt ihr die Parteien nachträglich geben können und wie sie sich wandeln kann, ist in diesem ursprünglichen Schuldverhältnis angelegt. Das Schuldverhältnis ist für die Forderung insoweit identitätsstiftend. Nach §§ 404, 417 BGB bleibt es das über die Abtretung oder eine Schuldübernahme hinaus, da es für die Einwendungen des Schuldners gegenüber dem neuen Gläubiger genügt, dass diese im Schuldverhältnis angelegt waren, welches zwischen den ursprünglichen Parteien bestehen bleibt.108 Gerade § 404 BGB macht also deutlich, dass das Schuldverhältnis die Forderung nie wirklich loslässt, obgleich sie eigens abgetreten und in gewisser Weise aus dem Schuldverhältnis auch herausgelöst wird. Dem Schuldner bleiben Einwendungen erhalten, „die sich aus der weiteren Entwicklung des Vertragsverhältnisses ergeben.“109 Zur Identität der Forderung gehört damit das in ihrem Schuldverhältnis angelegte Risiko, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen – beispielsweise durch Kündigung – erlöschen kann. Nur wenn die Forderung durch die Abtretung von diesem Risiko befreit würde, dürfte man nicht länger von einer Rechtsnachfolge, sondern müsste viel eher von einer Übertragung eines „fertigen Rechts“ sprechen, kraft der die Forderung aus dem Schuldverhältnis isoliert würde. Das käme in seiner Wirkung allerdings der Neubegründung nahe, da eine Forderung ohne das ihr ursprünglich anhaftende Einwendungsrisiko einen ganz anderen Charakter erhält.110 Nach dem BGB rückt der neue Gläubiger jedoch in die Stellung des Zedenten ein (§ 398 S. 2), die sich durch das Risiko und die Dynamik der im Schuldverhältnis angelegten weiteren Veränderlichkeit auszeichnet.111 §§ 398 – 413 Rz. 38 m. w. N. Vgl. auch die Überschrift des ersten Entwurfs für die heutigen §§ 398 ff. BGB (§§ 293 ff. BGB‑E‑I): „Sondernachfolge in Forderung und Schuld“, Mugdan, Bd. 2, S. XX. Anders Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, Einl zu § 398 Rz. 2, der eine Übertragung und damit notwendigerweise eine Veränderung der Identität der Forderung annimmt. 106 Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 4 I. 107 Hadding, FS Kroeschell, 1997, S. 293, 296 f. 108 Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV; Hadding, FS Kroeschell, 1997, S. 293, 296 f. 109 Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 4 I. 110 Vgl. etwa Affolter, AcP 13 (1897), 296, 297 f. 111 Bülow, JA 1983, 7.
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Dieses Risikos muss sich bewusst sein, wer eine Forderung erwirbt.112 Ob eine Einwendung im Schuldverhältnis begründet war – und damit zur Identität der Forderung gehört –, ist freilich nicht immer einfach zu beantworten. Fraglich kann etwa sein, ob das Hinausschieben der Fälligkeit durch die Vertragsparteien eine nachträgliche Stundung ist, die den Zessionar nicht mehr beeinträchtigen kann, oder nicht vielmehr die Inanspruchnahme einer vertraglichen Regelung und damit Folge der ursprünglichen Wandlungsfähigkeit der Forderung ist.113 Die „Identität“ der Forderung kann also nur im Einzelfall durch Auslegung ermittelt werden.114
IV. Unvollständige Forderungen Wie gesehen, vereint die Forderung als subjektives Recht verschiedene Befugnisse in sich.115 Es gibt aber Forderungen, bei denen dem Gläubiger nicht alle Befugnisse zustehen, die eine Forderung verkörpert. Sie werden bisweilen unvollständige Forderungen genannt:116 Beispielsweise können ihre Klagbarkeit (wie beim Verlöbnis) oder die Befugnis zur Naturalvollstreckung (wie bei § 888 III ZPO) fehlen, oder aber ihre Abtretbarkeit nach § 399 Alt. 2 BGB ausgeschlossen sein. Ein weiteres Beispiel für eine unvollständige Forderung ist die Naturalobligation (etwa Spiel und Wette), der die Befugnis fehlt, die Forderung im Wege der Leistungsklage oder unter Einsatz von materiell-rechtlichen Zwangsbefugnissen durchzusetzen.117 Trotz ihrer Unvollständigkeit sind diese Forderungen aber entstandene und (in ihrem Zustand der Unvollständigkeit) vollendete Rechte, so dass die Anzahl vorhandener Befugnisse keine abstrakte Aussage über die Existenz einer Forderung liefern kann.118 Davon zu sondern sind die bedingten, befristeten, betagten, unbestimmten oder verhaltenen Forderungen. Zwar sind sie auch in einem Sinne unvollständig, als sie viele der einer Forderung eigenen Befugnisse nicht enthalten. Jedoch sollen sie in diesem Zustand nicht ihre Vollendung finden und wären daher allenfalls „noch unvollständige“ und damit – möglicherweise – „künftige“ Forderungen (s. noch unter E.). 112
Larenz, Schuldrecht I, § 34 I S. 578. Vgl. MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 404 Rz. 12. 114 Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 4 I; Dörner, Dynamische Relativität, S. 163. 115 Oben Fn. 64. 116 Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rz. 24 – 29. Von einer unverbindlichen Forderung zu sprechen wäre nach Schulze, Die Naturalobligation, S. 247 Fn. 39, aber ein Selbstwiderspruch. 117 Schulze, Die Naturalobligation, S. 33. Gegenüber den Sonderformen der bedingten, betagten und gehemmten Forderung unterscheide sich die Naturalobligation nach Schulze darin, dass diese (die Naturalobligation) eine Einforderungsbefugnis enthalte, jene aber nicht, vgl. ebd. auch S. 187 f. und S. 247 Fn. 39. Die Rechtsbegriffe Naturalobligation und unvollkommene Verbindlichkeit sind synonym, soweit sie dieselbe Rechtsfigur bezeichnen, Schulze, Die Naturalobligation, S. 262. Nach Hadding, FS Kroeschell, 1997, S. 293, 302, fehlt der Naturalobligation schlicht der Anspruch im Sinne v. Tuhrs (dazu oben S. 21 f.). 118 Staudinger/Olzen, BGB, Neubearb. 2009, § 241 Rz. 114. 113
D. Hoffnungen, Erwerbsaussichten, Anwartschaften und Anwartschaftsrechte
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D. Hoffnungen, Erwerbsaussichten, Anwartschaften und Anwartschaftsrechte Begriffe wie das Anwartschaftsrecht,119 die Anwartschaft, Erwerbsaussicht oder die „bloße Hoffnung“ beschreiben ein Stadium eines noch nicht abgeschlossenen Rechtserwerbs.
I. Anwartschaft und Anwartschaftsrecht Als „ein von der Rechtsprechung akzeptiertes Produkt der Rechtswissenschaft“120 hat das Anwartschaftsrecht viele Schöpfer121 und Kritiker122. Es ist hier allerdings nicht der richtige Ort, das Anwartschaftsrecht auf seine Existenzberechtigung zu hinterfragen, da er als ein von Rechtsprechung und Lehre stetig geprägter und verankerter Rechtsbegriff vorhanden ist und somit wenigstens eine Aufgabe als Rechtsbegriff erfüllt.123 Ein Anwartschaftsrecht gilt als dasjenige Stadium des Erwerbs eines subjektiven Rechts, in dem der Erwerber eine rechtlich so sichere und gefestigte Position erlangt hat, dass sie ihm durch den Veräußerer normalerweise nicht mehr einseitig entzogen werden kann.124 Es soll eine verstärkte Rechtsposition des Erwerbers beschreiben, die sich in einer gewissen Erwerbssicherung, verschiedenen Vorwirkungen des Rechtserwerbs und der selbständigen Verfügbarkeit dieser Position äußert.125 Diese Wirkungen sollen es rechtfertigen, die Position des Erwerbers als ein eigenes, dem Vollrecht 119 Früher auch „Wart‑“ oder „Warterecht“ genannt, Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 11. Etwa: v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 9 I. 120 Medicus, DNotZ 1990, 275, 276. 121 Der Begriff findet sich nicht im BGB, taucht aber in den Vorarbeiten auf, HkK/Finkenauer, §§ 158 – 163 Rz. 13 – 18. 122 Marotzke, Das Anwartschaftsrecht, S. 137, spricht ihm in Bezug auf die bedingte Übereignung gar seine Daseinsberechtigung ab; ähnlich Lempenau, Direkterwerb oder Durchgangserwerb, S. 38. A. Blomeyer, AcP 153 (1954), 239, 247 – 249, schlug vor, die Stellung des Vorbehaltskäufers gar zum Eigentum aufzuwerten und dem Vorbehaltskäufer ein Verfallpfandrecht zu belassen. Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 39 3 e, spricht vom Anwartschaftsrecht als „Mythos“. 123 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 71. 124 BGH, 05.01.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 544; 04.07.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319, 321; 30.04.1982 – V ZR 104/81, BGHZ 83, 395, 399; Staudinger/Bork, BGB, Neubearb. 2010, Vorb. z. §§ 158 – 163 Rz. 53; Brox/Walker, AT BGB, Rz. 613; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 17 Rz. 17; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 13 Rz. 27 und § 15 Rz. 97; Wolf/ Neuner, AT, 10. Aufl., § 20 Rz. 46; Schreiber, Jura 2001, 623, 624; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 49 I 2 c. Kritisch Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 105 – 116. Raiser, Dingliche Anwartschaften, S. 7 macht deutlich, dass es nicht um eine „sichere Erwerbsaussicht“, sondern um eine „gesicherte Erwerbsaussicht“ geht, also keineswegs der künftige Rechtserwerb, sondern der Schutz vor dessen vorzeitigem und regelwidrigem Verlust gewährleistet ist. 125 Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 58 – 63 und passim.
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wesensgleiches subjektives Recht anzuerkennen126 oder jedenfalls wie ein solches zu behandeln.127 Folge dessen ist etwa seine Übertragbarkeit nach denselben Vorschriften, die für das Vollrecht gelten.128 Anwartschaften hingegen – so lautet die Differenzierung in der herrschenden Lehre – kennzeichnen ihrerseits eine Vorstufe zum Anwartschaftsrecht, bei der die Erwerbsposition noch keine so gesicherte ist.129 Mit dem Anwartschaftsrecht hätten sie aber gemeinsam, dass die tatbestandlichen Erwerbsvoraussetzungen des subjektiven Rechts schon teilweise verwirklicht sind.130 Die Rechtsprechung verwendet die Begriffe Anwartschaftsrecht und Anwartschaft hingegen synonym.131 Das Erwerbsziel einer Anwartschaft kann also jedes subjektive Recht sein. Die Rechtswissenschaft anerkennt dementsprechend ebenso das obligatorische Anwartschaftsrecht auf den Erwerb einer Forderung132 und setzt den Begriff, 126 RG, 16.12.1920 – IV 62/20, RGZ 101, 185, 188; BGH, 22.02.1956 – IV ZR 164/55, BGHZ 20, 88, 94; Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 85 – 101; HkK/ Finkenauer, §§ 158 – 163 Rz. 27; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 15 Rz. 97; Medicus, AT BGB, Rz. 61 – 65; Raiser, Dingliche Anwartschaften, S. 10 – 12, 56 – 68 u. 103; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 9 I. Gegen die Eigenschaft des Anwartschaftsrechts als subjektives Recht etwa Würdinger, Die privatrechtliche Anwartschaft, S. 84 – 87. 127 Brox/Walker, AT BGB, Rz. 613; Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 1, § 82 II 4. Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 99 f., hält diese „beliebten vorsichtigen Formulierungen“ (ebd. S. 85) einer bloßen Behandlung als subjektives Recht für nicht angebracht. 128 Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 172 ff.; Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 1, § 82 II 4; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 15 Rz. 97. 129 Bork, AT BGB, Rz. 1281; Brox/Walker, AT BGB, Rz. 613; Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 102 f.; Medicus, DNotZ 1990, 275, 277; Raiser, Dingliche Anwartschaften, S. 10; Schreiber, Jura 2001, 623, 624; Staudinger/Bork, BGB, Neubearb. 2010, Vorb. z. §§ 158 – 163 Rz. 53; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 15 Rz. 96 f.; Wolf/ Neuner, AT, 10. Aufl., § 20 Rz. 46; Medicus, AT BGB, Rz. 65; Musielak/Hau, GK BGB, Rz. 971; Barth, Gruchot 58 (1914), 577, 582 f. In der Sache auch v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 9 I, der hier anstatt von Anwartschaftsrecht noch von „Warterecht“ spricht. Würdinger, Die privatrechtliche Anwartschaft, kommt in seiner Untersuchung ohne den Begriff des Anwartschaftsrechts aus (vgl. insbesondere S. 82 – 84), leugnet aber eine quantitative Steigerung innerhalb der Rechtsbeziehung infolge besonderer Schutzvorschriften nicht. 130 Brox/Walker, AT BGB, Rz. 613; Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 41; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 15 Rz. 96; Raiser, Dingliche Anwartschaften, S. 3; Würdinger, Die privatrechtliche Anwartschaft, S. 43 – 49. Die denkbare Figur der Pflichtanwartschaft spielt nach wie vor keine Rolle, vgl. etwa Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 17. 131 BGH, 15.11.2000 – XII ZR 197/98, NJW 2001, 439 f.; 31.10.2001 – XII ZR 292/99, NJW 2002, 436, 437; 28.02.2007 – XII ZR 156/04, NJW 2007, 1744, 1545; OLG Düsseldorf, 09.06.2009 – 24 U 174/08, NZI 2010, 21, 23; so auch Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 1, § 82 II 4. 132 Müller, ZIP 1994, 342, 346; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 15 Rz. 96; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 9 I; Würdinger, Die privatrechtliche Anwartschaft, S. 46. A. A. etwa Hennrichs, JZ 1993, 225, 228. Der Anwärter hat aber selbstverständlich noch nicht die Befugnis, den Gegenstand zu verlangen, Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 166; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 15 Rz. 97.
D. Hoffnungen, Erwerbsaussichten, Anwartschaften und Anwartschaftsrechte
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etwa bei der Abtretung künftiger Forderungen, auch ein.133 Bei seiner wissenschaftlichen Fundierung hat sie jedoch vor allem das dingliche, insbesondere das Eigentumsanwartschaftsrecht im Blick, was für einen als grundlegend gedachten Rechtsbegriff schädlich ist.134 Da das aus einem Eigentumsvorbehalt entstehende Anwartschaftsrecht ein absolutes Recht ist, ist bei dem Umgang mit diesem Begriff im Bereich der Forderungen, in dem es nur ein relatives Recht sein kann,135 also Vorsicht geboten.136
II. Erwerbsaussichten Die Erwerbsaussicht ist ein sehr vielseitiger Begriff, mit dem die Aussicht auf den Erwerb von subjektiven Rechten, aber auch rein tatsächlichen Gütern beschrieben wird.137 Das BGB verwendet ihn nicht; in Rechtslehre und Rechtsprechung ist er jedoch etabliert. Er soll zum Ausdruck bringen, dass eine Hoffnung oder Chance auf den Rechtserwerb besteht, ohne dass für diesen bereits eine rechtliche Grundlage vorhanden sein muss.138 In Bezug auf künftige Forderungen hat der Begriff zweierlei Funktionen. Einmal beschreibt er – ohne Ansehen eines vorhandenen Rechtsgrunds – schlicht die Möglichkeit, dass eine Forderung entstehen kann.139 Es geht also um einen Sachverhalt, der das Potential hat, dass aus ihm in Zukunft eine Forderung entsteht. In diesem Sinn wird die Erwerbsaussicht als Synonym für jede künftige Forderung verwendet.140 Dann ist sie zugleich ein Oberbegriff, der die 133
Etwa Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 64, 73 f. Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 14. 135 Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 152 – 159; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 15 Rz. 97; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 14 Rz. 22; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 15 Rz. 97; Raiser, Dingliche Anwartschaften, S. 12. 136 Zum begrenzten Aussagegehalt bei den bedingten Forderungen siehe noch S. 38 ff. 137 Raiser, Dingliche Anwartschaften, S. 4 f. Weitere Beispiele für solche tatsächlichen Verhältnisse, die Gegenstand einer Erwerbsaussicht sein können, sind eine wertvolle Kundschaft, das Ansehen eines Unternehmens oder die günstige Lage eines Grundstücks, Enneccerus/ Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 1, § 131 II 3. 138 Brox/Walker, AT BGB, Rz. 612; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 19 Rz. 25 – 27; Enneccerus/ Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 1, § 131 II 3. 139 Dass es nicht um die Möglichkeit im Sinne einer Wahrscheinlichkeit geht, kommt mit dem Begriff der Möglichkeit allein nicht immer zweifelsfrei zum Ausdruck. Die Möglichkeit, dass sich etwas ereignen kann, in einem Sinne, dass es nicht die Wahrscheinlichkeit, sondern zum Ausdruck bringt, dass es sich zu ereignen vermag, ist eben schwierig auszudrücken, wenn es nicht um die Fähigkeiten einer Person, sondern quasi um die eines Umstands geht. Man könnte allenfalls von einem Potential sprechen. In der Philosophie gibt es das gleiche Problem (vgl. das Historische Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, S. 134 ff.). Hier behilft man sich mit dem Begriff der potentia passiva. Sie ist „[d]ie einem etwas zukommende Möglichkeit, daß es von einer Wirkursache her unter Verlust seiner bisherigen Form oder Bestimmtheit eine andere erhalten kann“, ebd., S. 134. 140 Schellewald, S. 7 f. RG, 17.03.1908 – VII 179/07, RGZ 67, 425, 428 f.; BGH, 11.07.1988 – II ZR 281/87, NJW 1989, 453 (Erwerbsaussicht als Synonym für die künftige Forderung, obgleich 134
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§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen
Anwartschaft einschließt, aber nicht – wie diese – darauf beschränkt ist, dass bereits eine rechtliche Erwerbsvoraussetzung erfüllt sein muss. In anderem Zusammenhang – vor allem wenn von der „bloßen“ Erwerbsaussicht141 die Rede ist – wird sie eingesetzt, um gerade die Vorstufe zur Anwartschaft im oben genannten Sinn zu beschreiben.142 Die Erwerbsaussicht ist dann eine tatsächliche Aussicht ohne rechtliche Grundlage. Dass die Erwerbsaussicht bei einem solchen Verständnis „bloß“ tatsächlich ist, bedeutet jedoch nicht, dass sie keinerlei rechtliche Relevanz hätte;143 der BGH geht sogar von der Vererblichkeit solch tatsächlicher Aussichten aus.144 Die Grenze zwischen Anwartschaft und Erwerbsaussicht ist bei diesem Verständnis mit der Grenze zwischen künftigen Forderungen mit und ohne Rechtsgrund gleichzusetzen (sog. künftige Forderungen im weiteren und engeren Sinne145); die Erwerbsaussicht würde dann mit dem Begriff der künftigen Forderung im engeren Sinne korrespondieren. Das verleiht einer frühen Untersuchung von Hans Würdinger Bedeutung, der diese Grenze auf abstrakter Ebene untersucht hat.146 Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Anwartschaft anzunehmen sei, wo ein Merkmal des besonderen, sprich des speziell für den Erwerb des konkreten Rechts aufgestellten Tatbestandes erfüllt ist und nicht nur ein Merkmal, das (wie etwa die Rechts- oder Geschäftsfähigkeit) für jeden rechtsgeschäftlichen Rechtserwerb Voraussetzung ist.147 Als ein Merkmal des besonderen Tatbestandes betrachtet er beispielsweise den Antrag auf Abschluss eines Vertrags.148 Danach wäre die Aussicht auf Forderungen aus einem bereits entstandenen Dauerschuldverhältnis eine Anwartschaft, während ein Rahmenvertrag die Aussicht auf Forderungen aus künftigen Einzelverträgen noch nicht zu einer Anwartschaft werden ließe.149
schon ein Schuldverhältnis bestand); BGH, 05.01.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 544; BGH, 09.06.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367, 369: Erwerbsaussicht des Zessionars, dem eine künftige Forderung – auch eine solche im engeren Sinne – abgetreten wurde (vgl. dazu auch Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 49 I 2 c). 141 Alternativ: „Hoffnung“, „Aussicht“, vgl. RG, 17.03.1908 – VII 179/07, RGZ 67, 425, 428. 142 BGH, 28.02.2007 – XII ZR 156/04, NJW 2007, 1744, 1545 („bloße Erwerbsaussichten sowie in der Entwicklung begriffene Rechte, die noch nicht zur Anwartschaft erstarkt sind“); BGH, 31.10.2001 – XII ZR 292/99, NJW 2002, 436, 437; BGH, 15.11.2000 – XII ZR 197/98, NJW 2001, 439 f. 143 Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 1, § 131 II 3; Raiser, Dingliche Anwartschaften, S. 4 f. Zu weitgehend daher Brox/Walker, AT BGB, Rz. 612. 144 BGH, 09.06.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367, 369; Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 V. 145 Dazu noch S. 32. 146 Die privatrechtliche Anwartschaft als Rechtsbegriff, 1928. 147 Würdinger, Die privatrechtliche Anwartschaft, S. 63 – 68. Vgl. auch Lieb, Das künftige Recht, S. 78. 148 Würdinger, Die privatrechtliche Anwartschaft, S. 46 f., 72; Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 92. 149 Würdinger, Die privatrechtliche Anwartschaft, S. 72.
E. Künftige Forderungen
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E. Künftige Forderungen I. Klassifizierung künftiger Forderungen Anders als der Anspruch, die Forderung, das Anwartschaftsrecht oder die Erwerbsaussicht hat die „künftige Forderung“ in den Standardwerken zum Allgemeinen Teil oder zum Schuldrecht keinen eigenen Platz gefunden. Vor allem im Hinblick auf ihre Rolle im Zessionsrecht gab und gibt es jedoch Ansätze, verschiedene Arten von künftigen Forderungen zu klassifizieren.
1. Frühere Ansätze Schon Windscheid gruppierte künftige Forderungen, „zu welche[n] noch nicht einmal der Grund gelegt ist“, also etwa „die Forderung aus einem bloß verabredeten Darlehn“150. Nur diese nannte Windscheid „künftige Forderungen“. Bedingte und befristete Forderungen, also solche mit Rechtsgrund, wollte er nicht als künftige Forderungen bezeichnen, wenngleich er einräumte, dass dies ohne Weiteres zulässig wäre.151 Oertmann unterschied zwischen drei Gruppen: Den künftigen Forderungen, für die bereits in bindender Weise der Grund gelegt ist, aber zu deren Entstehung noch ein weiteres Wirksamkeitsmerkmal hinzutreten muss, den künftigen Forderungen, für die gegebenenfalls überhaupt noch keine rechtsgeschäftlichen Entstehungsmerkmale vorliegen, die aber inhaltlich im Wesentlichen bestimmbar sind, und letztlich solchen, die in Entstehungsgrund, Inhalt und Umfang noch unübersehbar und damit unbestimmbar sind.152 Enneccerus und Nipperdey verbanden mit künftigen Forderungen die Ungewissheit ihres Eintritts und rechneten aufschiebend bedingte Forderungen zu den künftigen, während die befristeten Forderungen nicht hierher gehören sollten.153 Andreas v. Tuhr, ein maßgeblicher Vordenker des Rechts der künftigen Forderungen, ging von der selbstverständlichen Erkenntnis aus, dass jede Forderung künftig ist, deren Tatbestand noch nicht erfüllt ist.154 Demzufolge sollen aufschiebend bedingte und befristete Forderungen die erste Kategorie „zweifellos künftiger“ Forderungen bilden; zur zweiten Kategorie gehören künftige Forderungen, wenn das Rechtsverhältnis schon begründet ist, aus dem sie durch Hinzutritt weiterer Tatsachen erwachsen werden (Miet‑, Arbeitsverhältnisse etc.). Zur dritten 150 Windscheid/Kipp, Pandektenrecht I, § 225 Anm. 6. Zur Rückführung auf Windscheid vgl. Barth, Gruchot 58 (1914), 577, 581. 151 Windscheid/Kipp, Pandektenrecht I, § 225 Anm. 6. 152 Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 398, 399 1 g γ; ähnlich Süß, Abtretung künftiger Ansprüche, S. 44. 153 Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 2, § 199 II Fn. 4, § 243 I. 154 Auch zum Folgenden v. Tuhr, DJZ 1904, 426, 428. Zu dessen Einteilung vgl. etwa auch Kochmann, S. 7 f.
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§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen
Kategorie zählt er im Anschluss an Windscheid Forderungen, deren Grund noch nicht gelegt, so dass noch keines ihrer Tatbestandsmerkmale verwirklicht ist; es ging ihm hierbei um Forderungen aus Verträgen, die noch nicht abgeschlossen sind. Den Grad der Wahrscheinlichkeit wies v. Tuhr als Abgrenzungskriterium zurück, da ein Vertragsschluss, über den verhandelt wird, im Einzelfall viel wahrscheinlicher sein kann als der bereits vertraglich vereinbarte Eintritt einer Bedingung, für die die Parteien bewusst ein sehr ungewisses Ereignis wählen.155
2. Heute herrschende Einteilung Das heute vorherrschende Begriffsverständnis von der künftigen Forderung hat bei weitem nicht den Stellenwert einer Definition. Die künftige Forderung wird nämlich trotz ihrer durchgängigen Erwähnung im Gesetz (§§ 562 II, 592 S. 2, 1113 II, 1179 Nr. 2, 1204 II, 1209; entsprechend auch §§ 883 I 2, 765 II BGB) lediglich im jeweiligen Sachzusammenhang kategorisiert. Hier unterscheidet man in Anlehnung an die Kategorisierung v. Tuhrs einerseits sog. künftige Forderungen im engeren Sinne156 und andererseits aufschiebend bedingte bzw. befristete sowie (sonstige) künftige Forderungen, deren Rechtsgrund bereits gelegt ist (mitunter: künftige Forderungen im weiteren Sinne).157 Entstandene, aber einredebehaftete Forderungen teilen mit den künftigen Forderungen zwar den ökonomischen Befund, dass sie derzeit nicht realisiert werden können; sie gelten in Praxis und Lehre allerdings nicht als künftige Forderungen, da bereits alle rechtlichen Voraussetzungen für ihr Entstehen sicher erfüllt sind.158 Folglich grenzt der rechtliche Entstehungszeitpunkt die künftige Forderung von der gegenwärtigen Forderung ab.159 Kennzeichen künftiger Forderungen im engeren Sinne ist, dass der Rechtsgrund, in dem sie wurzeln, noch nicht gelegt ist. Ein Beispiel sind Zahlungsforderungen aus noch nicht getätigten (Weiter‑)Veräußerungsgeschäften, die im Rahmen einer Globalzession abgetreten werden.160 Ist der Rechtsgrund hingegen schon 155 v. Tuhr, DJZ 1904, 426, 428. Ebenso Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 19. Lieb, Das künftige Recht, S. 54 – 66, wollte künftige Forderungen hingegen über einen Grad der Möglichkeit ihrer Entstehung bloßen „Nichtrechten“ gegenüberstellen, was – wie er selbst einräumte (S. 61) – kaum handhabbar war, da es ihm nicht gelang, die verschiedenen Grade der Möglichkeit eindeutig zu beschreiben (ebd. S. 24 – 31). Vgl. ebd. S. 71 ff. auch die Hinweise auf weitere Versuche in der frühen Lehre zu einer Kategorisierung künftiger Rechte. 156 Früher auch „künftige Forderungen im absoluten Sinne“ bzw. „gehoffte Rechte“, vgl. Ohmeyer, Künftige Rechte, S. 164. 157 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 I 2; ferner Staudinger/ Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 64; Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 20; Larenz, Schuldrecht I, § 34 III; Hollweg-Stapenhorst, S. 64 f. Nur vereinzelt wird die Zuteilung der bedingten oder befristeten Forderungen unter den Oberbegriff der künftigen Forderungen abgelehnt, Ertl, Rpfleger 1977, 345, 349; Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 118. 158 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 I 2 c; Lwowski/Fischer/ Langenbucher/Lwowski, Kreditsicherung, 9. Aufl. 2011, § 13 Rz. 9; Hollweg-Stapenhorst, S. 64 f. 159 Vgl. schon Barth, Gruchot 58 (1914), 577, 581 f.; Lieb, Das künftige Recht, S. 32. 160 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Lwowski, Kreditsicherung, 9. Aufl. 2011, § 13 Rz. 9 u. 81 f.
E. Künftige Forderungen
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existent, der Anspruchstatbestand gewissermaßen zum Teil verwirklicht, aber steht die Entstehung der Forderung immer noch aus, so spricht man von künftigen Forderungen im weiteren Sinne. Als Beispiele für solche Forderungen werden neben den aufschiebend bedingten und befristeten Forderungen solche aufgeführt, die sich aus der Ausübung eines Gestaltungsrechts, aus einem bereits bestehenden (Dauer‑)Schuldverhältnis oder als Sekundärrecht ergeben können.161 Praktische Beispiele sind künftige Miet- oder Lohnforderungen aus einem bestehenden Mietbzw. Arbeitsverhältnis, künftige Gewinnanteile in einer bestehenden Gesellschaft, künftige Forderungen aus einem Patent etc. Von den künftigen Forderungen, die noch nicht existieren, könnte man noch solche unterscheiden, die bereits in anderer Hand entstanden sind, aber für denjenigen, der sie durch Abtretung einmal erwerben soll, noch künftig sind.162 Man könnte den originär entstehenden also die derivativ entstehenden Forderungen gegenüberstellen.163 Die herrschende Meinung hat sie bei ihrer Klassifizierung nicht im Auge, da sie keine eigenen Probleme aufwerfen.164 Wenn der Erwerber über sie verfügt, während sie für ihn noch künftig sind, ist dieser Fall von §§ 398, 185 II BGB sogar direkt geregelt.165
3. Fazit Die herrschende Kategorisierung künftiger Forderungen umfasst neben künftigen Forderungen ohne Rechtsgrund sog. aufschiebend bedingte, aufschiebend befristete und (sonstige) Forderungen, deren Rechtsgrund bereits gelegt ist. Die Grenze zur gegenwärtigen Forderung bildet der Entstehungszeitpunkt einer Forderung, ab dem ihrer Durchsetzung allenfalls noch eine Einrede entgegenstehen kann. Was die herrschende Rechtsauffassung unter einer aufschiebend bedingten oder befristeten Forderung versteht und wann diese und andere „noch unvollständige“ Forderungen (oben C.IV.) entstehen, sei im Folgenden geklärt. 161 Vgl. Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 398, 399 1 g γ; Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 296; Süß, Abtretung künftiger Ansprüche, S. 44 f.; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 64. Ein Beispiel sind auch Forderungen, die aus dem nach Ausübung eines Optionsrechts zustande kommenden Vertrag entstehen sollen, vgl. Ertl, Rpfleger 1977, 345, 349. Weitere Beispiele auch bei Ohmeyer, Künftige Rechte, S. 114 – 163 (zum österreichischen Hintergrund von dessen Einteilung vgl. Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 120 f., u. Kochmann, S. 5 f.). 162 Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 185 f.: „Wer von der Veräußerung künftiger Rechte spricht, kann darunter zweierlei verstehen: einmal die Übertragung wirklich zukünftiger Rechte, d. h. in Zukunft überhaupt erst entstehender Rechte, sodann die Veräußerung bestehender, aber vom Veräußerer noch nicht erworbener, also von dessen Person her künftiger Rechte.“; Sieber, Treuhandverhältnis, S. 140 Anm. 66. 163 Zu den Begriffen des originären und derivativen Erwerbs vgl. Bork, AT BGB, Rz. 298. 164 Eckardt, ZIP 1997, 957, 961. Zu ihrer Rolle bei §§ 257 ff. ZPO vgl. aber unten § 10 S. 299 und S. 328 f. 165 Vgl. Bergk, Übertragung und Pfändung künftiger Rechte, S. 177 ff.
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§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen
II. Aufschiebend bedingte Forderungen Das Gesetz regelt in zahlreichen Vorschriften die „bedingte Forderung“ (§§ 883 I 2, 1113 II, 1179 Nr. 2, 1204 II, 1209, 1986 II 2 BGB, §§ 844 I, 916 II ZPO, §§ 95, 191 InsO). Es stellt sie dabei regelmäßig den entstandenen Forderungen gleich und macht nur für Bedingungen eine Ausnahme, deren Eintritt so unwahrscheinlich ist, dass die Forderung gegenwärtig keinen Vermögenswert hat (s. § 1986 II BGB, § 916 II ZPO, § 191 InsO). Da wir das BGB ausgehend vom Allgemeinen Teil und dem Rechtsgeschäft systematisieren, bleibt die Suche nach einer allgemeinen Vorstellung darüber, was eine „bedingte Forderung“ ist, auch in den Lehrbüchern des Schuldrechts erfolglos, obwohl angesichts der genannten Regelungen durchaus ein Bedarf für einen grundlegenden Begriff existiert. Angesichts dessen erschließt man sich bei der Auslegung dieser Vorschriften den Begriff der bedingten Forderung zuerst aus §§ 158 ff. BGB, da diese immerhin die „Bedingung“ im Allgemeinen Teil des BGB erwähnen. Da bei §§ 158 ff. BGB die gesetzliche Bedingung richtigerweise ausgegrenzt wird,166 kommt es dazu, dass sehr häufig die im Sinne von § 158 BGB bedingte Forderung als Paradigma oder gar als Maß für eine „bedingte Forderung“ aufgefasst wird.167 Damit kontrastiert, dass die gesetzlich bedingten („rechtsbedingten“) Forderungen in der Rechtspraxis ebenso eine große Rolle spielen und trotz der gesetzlichen Herkunft ihrer Bedingung sogar häufig auf einem Rechtsgeschäft beruhen (siehe sogleich 2.). Deshalb ist es für den Fortgang dieser Arbeit von Bedeutung, ob es nicht doch grundlegende Strukturen gibt, die beide Phänomene der „bedingten Forderung“ einen.
1. §§ 158 ff. BGB Die Bedingung im Sinne der §§ 158 ff. BGB ist eine rechtsgeschäftliche Bestimmung, mit der die Wirkungen des Rechtsgeschäfts vom Eintritt oder Nichteintritt eines zukünftig ungewissen Ereignisses abhängig gemacht werden.168 Prägend für das bedingte Rechtsgeschäft ist damit ein Zustand objektiver 166 Enneccerus, Suspensivbedingung, § 17. Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 38 1 c; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 14 Rz. 16; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 52 Rz. 7 f. 167 Allen voran stellte v. Tuhr bedingte und befristete Forderungen mit §§ 158, 163 BGB gleich, v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.2, § 80; ders., DJZ 1904, 426, 428. Vgl. ferner: BGH, 15.05.1962 – V BLw 21/61, BGHZ 37, 122, 124, der das Vorliegen einer „bedingten Forderung“ verneint, weil keine Bedingung im Sinne von § 158 BGB gegeben sei, dann aber über das Anwartschaftsrecht ein sachgerechtes Ergebnis erzielt; RG, 16.05.1904 – IV 425/03, RGZ 58, 139, 141, das von bedingten Forderungen „im technischen Sinne des § 158 BGB“ spricht; BeckerEberhard, S. 269; Murach, S. 149; Ullmann, S. 21 f.; Wieczorek/Schütze/Paulus, 3. Aufl., § 726 ZPO Rz. 5; Stein/Jonas/Roth, § 257 ZPO Rz. 2; Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 95 Rz. 13 f. 168 Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 2, § 193; Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 38 1 a; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 14 Rz. 16; Petersen, Jura 2011, 275 f.; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 52 Rz. 1; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.2, § 80 I.
E. Künftige Forderungen
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Ungewissheit.169 Diese Ungewissheit muss nicht völlig dem Schicksal überantwortet sein, vielmehr kann der Eintritt der Bedingung – nicht aber die Geltung des Rechtsgeschäfts an sich – auch von dem Handeln (und damit dem Willen) einer der Parteien des Rechtsgeschäfts abhängig sein: eine solche Bedingung nennt man Potestativbedingung.170 Aber auch die sog. Wollensbedingung ist eine Bedingung im Sinne der §§ 158 ff. BGB. Sie liegt vor, wenn die Parteien die Geltung des Vertrags vom Willen einer Partei in einer Weise abhängig machen, dass die bloße Erklärung dieser Partei, ob das Rechtsgeschäft gelten soll oder nicht, über das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts entscheidet.171 Nicht hinreichend ist es zwar, wenn die Gültigkeit des Vertrags dem völlig freien, ungebundenen Willen einer Partei unterliegt, da es dann für diesen Teil an einer auch nur irgendwie bindenden Geltungserklärung fehlt.172 Sobald die eingeräumte Geltungsentscheidung jedoch an sachliche Voraussetzungen, und sei es nur an billiges Ermessen, geknüpft ist, stellt sie eine rechtlich mögliche und mit §§ 158 ff. BGB vereinbare Wollensbedingung dar.173
2. Aufschiebend rechtsbedingte Forderungen Wenn die Parteien eine gesetzliche Voraussetzung zur Bedingung ihres Rechtsgeschäfts machen bzw. der Forderung zu ihrer Entstehung noch ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal fehlt (sog. Rechtsbedingung oder condicio juris174), sind §§ 158 ff. BGB nach herrschender Auffassung unanwendbar.175 Das gilt 169
Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 50 Rz. 3. Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 2, § 194 IV 2; Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 38 2 c; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 52 Rz. 15 f. 171 Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 38 2 d; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 14 Rz. 17; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 52 Rz. 17. 172 Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 52 Rz. 18. 173 Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 52 Rz. 18. Genau zu ermitteln ist, ob dabei ein (bedingter) Vertrag zustande gekommen ist, welcher immerhin einen beiderseitigen Rechtsbindungswillen voraussetzt, Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 14 Rz. 17. Die Auslegung wird oft ergeben, dass nur ein bindendes Angebot einer Partei mit verlängerter Bindungswirkung gewollt ist (Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 14 Rz. 17) bzw. einer Partei ein Optionsrecht eingeräumt ist, kraft dessen eben nicht – wie normal – beiden Parteien, sondern einer Partei die Entscheidung über das Zustandekommen des Vertrags eingeräumt wird (Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 38 2 d; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.2, § 80 III.4 mit Fn. 49; HkK/ Finkenauer, §§ 158 – 163 Rz. 40 f.). Die Wollensbedingung macht es etwa möglich, die vorgeschriebene Form schon zu einem Zeitpunkt zu erfüllen, in dem eine der Parteien noch nicht zum Abschluss des Rechtsgeschäfts entschlossen ist, um dann, wenn die Entschließung erfolgt, das Geschäft mit einer formlosen Erklärung zustande bringen zu können, v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.2, § 80 III.4. 174 Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 52 Rz. 7. 175 Enneccerus, Suspensivbedingung, § 17. Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 38 1 c; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 14 Rz. 16; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 50 Rz. 19; Wolf/ Neuner, AT, 10. Aufl., § 52 Rz. 8. 170
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§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen
selbst dann, wenn die gesetzliche Voraussetzung in einem Vertrag wiederholt oder besonders zugesichert wird.176 Wird etwa ein Pfandrecht für eine künftige Forderung mit der Bedingung bestellt, dass die Forderung entsteht, so liegt kein im Sinne von §§ 158 ff. BGB bedingtes Rechtsgeschäft vor, da es nur unter eine Rechtsbedingung gestellt ist.177 Es gilt jedoch zu beachten, dass weder §§ 158 ff. BGB noch das BGB überhaupt die bedingte Forderung definieren.178 §§ 158 ff. BGB stehen im dritten Abschnitt des Allgemeinen Teils bei den Regeln über Rechtsgeschäfte zwischen denjenigen über die Willenserklärung, den Vertrag, die Stellvertretung und die Zustimmung. Bei §§ 158 ff. BGB geht es also nur um die Gestaltungsmöglichkeit einer privatautonomen Partei, die nicht nur eine Willenserklärung abgeben, einen Vertrag schließen, eine Vollmacht oder Zustimmung erteilen, sondern auch bestimmen kann, dass ein Rechtsgeschäft von dem Eintritt eines ungewissen Ereignisses abhängig sein soll. Nur diesem Gestaltungsmittel der Rechtsgeschäftslehre widmen sich §§ 158 ff. BGB und nur ihm widmet sich die Bedingungslehre der Pandektenwissenschaft.179 Die Auffassung, dass §§ 158 ff. BGB nur die rechtsgeschäftlich gesetzte Bedingung regeln, ist also nicht zu beanstanden, da der Abhängigkeit von einer gesetzlich erforderlichen Bedingung keine privatautonome Bestimmung zugrunde liegt. Da es sich bei §§ 158 ff. BGB aber nicht um eine Begriffsbestimmung der „bedingten Forderung“ handelt, müssen, wenn das BGB an anderer Stelle von der bedingten Forderung spricht, §§ 158 ff. BGB nicht von vornherein der Maßstab sein. Vielmehr kann dem Gesetzgeber ein allgemeiner Begriff der bedingten Forderung vorgeschwebt haben, wie das einige Jahre vor Schaffung des BGB für den Konkursgesetzgeber durchaus der Fall war. Dieser ging ohne weiteres von der Existenz bedingter Forderungen aus, deren ausstehende Bedingung sich aus dem Gesetz ergibt.180 Damit korrespondiert, dass die Rechtspraxis in zahlreichen Rechtsgebieten Forderungen als „aufschiebend bedingt“ anerkennt, obwohl sich die noch ausstehende Voraussetzung aus dem Gesetz ergibt und §§ 158 ff. BGB nicht anwendbar sind. Beispiele sind die potentielle Regressforderung des Bürgen gegen den Hauptschuldner, bevor jener seine Bürgenschuld erfüllt;181 Rückgewähransprüche 176 RG, 16.05.1904 – IV 425/03, RGZ 58, 139, 141; Leipold, BGB I, § 29 Rz. 4 f.; Martens, JuS 2010, 481, 486. 177 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.2, § 80 V. 178 Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 38 1 a. 179 Allen voran die Abhandlungen zur Bedingung in den Pandektenlehrbüchern, etwa Regelsberger, Pandekten I, § 151; Enneccerus, Suspensivbedingung, § 18; Windscheid/Kipp, Pandektenrecht I, §§ 86 ff. (vgl. aber den durch Kipp eingefügten Bezug zum BGB am Ende von § 94). 180 Die Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 282 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 262), stellen zur Regressforderung des Bürgen eine „unstreitige Eigenschaft als bedingte Forderung“ fest. 181 BGH, 14.01.1999 – IX ZR 208/97, BGHZ 140, 270, 271; BGH, 13.03.2008 – IX ZR 14/07, WM 2008, 803, 804; BeckOK-BGB/Rohe, BGB, Ed. 26, § 774 Rz. 5; ebenso spricht das RG, 20.11.1903 – VII 278/03, RGZ 58, 11, bei ihnen von „gesetzlich bedingten Ansprüchen“.
E. Künftige Forderungen
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aus § 346 BGB vor Erklärung des Rücktritts;182 die Forderung des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache ab dem Zeitpunkt des Mietvertrags;183 künftige Aufwendungsersatzansprüche eines Beauftragten auf Erstattung getätigter Zahlungen;184 die auf § 717 II ZPO gestützte Schadensersatzforderung, die erst mit der Aufhebung/Abänderung des vorläufig vollstreckbaren Urteils entsteht;185 der prozessuale Kostenerstattungsanspruch ab Beginn des Rechtsstreits bzw. Entstehung des Prozessrechtsverhältnisses.186 Potentielle Ausgleichsforderungen auf ein Auseinandersetzungsguthaben vor dem Ausscheiden aus einer Geselloder Genossenschaft werden ebenso als aufschiebend bedingte Forderung angesehen;187 eine andere Auffassung will sie indes nur als eine künftige Forderung anerkennen188 und leitet aus dieser Einordnung auch Rechtsfolgen ab.189 Damit kann konstatiert werden, dass die gesetzliche Herkunft einer noch ausstehenden Bedingung zwar die Anwendung von §§ 158 ff. BGB, nicht aber die Bezeichnung einer Forderung als aufschiebend bedingte ausschließt.190 Dennoch verstummen seit jeher191 geäußerte Zweifel an der Figur der Rechtsbedingung nicht. Kritisiert wird die Weite des Begriffs; wegen der Vielzahl verschiedener Tatbestandsmerkmale sei es unmöglich, rechtliche Lösungen aus einem Institut einer „Rechtsbedingung“ zu deduzieren; hierfür bedürfe es anderer Behelfskonstruktionen, wie etwa das Anwartschaftsrecht.192
3. Gemeinsame Strukturen Geht man von der Definition der Rechtsbedingung aus, wonach die Wirksamkeit der Forderung noch von einer Bedingung abhängt, welche sich aus dem Gesetz 182
BGH, 14.01.1955 – V ZR 109/53, BGHZ 16, 153, 157. Siber, Rechtszwang, S. 90. 184 BGH, 07.07.2003 – II ZR 271/00, NJW-RR 2003, 1690, 1691: „zumindest bedingt entstanden“. Für die potentielle Ausgleichsforderung des Miterben gegen den Hoferben aus § 13 HöfeO sieht der BGH in der gesetzlichen Voraussetzung der Veräußerung keine Bedingung i. S. v. § 158 BGB, geht dann aber nicht von einer rechtsbedingten Forderung aus, sondern von einem „schwebenden Anwartschaftsrecht“, BGH, 15.05.1962 – V BLw 21/61, BGHZ 37, 122, 124. 185 Musielak/Lackmann, ZPO, 10. Aufl. 2013, § 717 Rz. 4 m. w. N. 186 BGH, 11.12.2008 – IX ZB 232/08, ZInsO 2009, 202, 204; BGH, 21.04.1988 – IX ZR 191/87, NJW 1988, 3204, 3205; BGH, 06.12.1974 – V ZR 86/73, NJW 1975, 304; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 84 Rz. 60. 187 BGH, 27.04.1972 – II ZR 122/70, BGHZ 58, 327, 330 für die Auseinandersetzung einer Genossenschaft nach § 73 GenG; Müller, ZIP 1994, 342, 353 – 355. 188 BGH, 14.07.1997 – II ZR 122/96, NJW 1997, 3370; BGH, 13.11.2000 – II ZR 52/99, NJW-RR 2001, 463; Staudinger/Habermeier, BGB, Neubearb. 2003, § 717 Rz. 14. 189 Vgl. Marotzke, ZIP 1988, 1509, 1512, u. Müller, ZIP 1994, 342, 350 ff. Dazu noch ausführlich unter § 11 F (S. 399). 190 Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 50 Rz. 19. 191 Vgl. Oertmann, Rechtsbedingung, S. 2. 192 Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 38 1 c; Medicus, AT BGB, Rz. 832; MünchKommBGB/Westermann, 6. Aufl. 2012, § 158 Rz. 54. 183
38
§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen
ergibt,193 drängt sich die Sorge über eine Ausuferung zu Recht auf. Feinsinnige Eingrenzungsbestrebungen, wie etwa die Unterscheidung zwischen sog. Wirksamkeits- und Tatbestandsvoraussetzungen, haben sich letztlich nicht durchgesetzt;194 eine Eingrenzung auf die Anzahl noch ausstehender Voraussetzungen, wie sie bisweilen auch die Rechtsprechung praktiziert,195 scheitert daran, dass kaum verlässlich gesagt werden kann, was eine einzige gesetzliche Voraussetzung eigentlich ist.196 Ob sich aus dem Gesetz eine Eingrenzung ergibt, wird sich im Hauptteil dieser Arbeit zeigen; an dieser Stelle ist es wichtig, ob die Forderungen, die in der Rechtsprechung als aufschiebend rechtsbedingt anerkannt werden, gleiche Strukturen wie Forderungen aus gemäß §§ 158 ff. BGB bedingten Rechtsgeschäften aufweisen, die es rechtfertigen, sie unter den gemeinsamen Oberbegriff der „aufschiebend bedingten Forderung“ zu stellen. a) Struktur rechtsgeschäftlich bedingter Forderungen (§§ 158 ff. BGB) aa) Sonderverbindung Der rechtsgeschäftlichen Bedingung i. S. v. §§ 158 BGB ist allemal wesentlich, dass die Parteien bereits derart in Kontakt getreten sind, dass zwischen ihnen eine Sonderverbindung besteht, die Schutz- und Treupflichten begründen kann.197 Nötig ist zudem ein gewisser Grad bereits bestehender Bindung, um erklären zu können, warum die Parteien nur durch den Eintritt eines bislang ungewissen, tatsächlichen Ereignisses unmittelbar und endgültig rechtlich gebunden sein sollen.198 Das lässt sich auch an den Anforderungen an eine Wollensbedingung ablesen, da der völlig freie und ungebundene Wille einer Partei gerade deshalb nicht genügen soll, weil es sonst an jeglicher Bindung fehlen würde.199 bb) Anwartschaftsrecht Nach der herrschenden Rechtsauffassung zeichne gem. § 158 BGB bedingte Rechtsgeschäfte aus, dass vor dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung i. S. v. § 158 BGB ein Anwartschaftsrecht entstehe.200 Während die Wissenschaft dabei 193
Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 52 Rz. 7. Vgl. Egert, Die Rechtsbedingung, S. 7 – 31, und Oertmann, Rechtsbedingung, S. 11 – 28, jeweils m. Nachw. 195 Dazu § 4 B.IV. (S. 101). 196 Vgl. etwa Stadler, Jura 1998, 189, 193 f., zu der Frage, ob die „abredewidrige Verfügung“ bei § 883 BGB eine oder zwei Voraussetzungen zum Ausdruck bringt. 197 BGH, 14.03.1984 – VIII ZR 284/82, BGHZ 90, 302, 308; MünchKomm-BGB/Westermann, 6. Aufl. 2012, § 158 Rz. 39. 198 Egert, Die Rechtsbedingung, S. 33; Meller-Hannich, ZZP 115 (2002), 161, 174 f.; Ullmann, S. 35. 199 Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 52 Rz. 18. 200 Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 166; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.2, § 81 I, § 83 II; Köhler, 194
E. Künftige Forderungen
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vor allem den bedingten Erwerb dinglicher Rechte im Auge hat, hat sich namentlich Forkel mit den Grundlagen des obligatorischen Anwartschaftsrechts auseinandergesetzt. Er sieht die zwei großen, das Anwartschaftsrecht im Allgemeinen begründenden Vorwirkungen des Vollrechts, nämlich die Sicherung des bevorstehenden Erwerbs und die selbständige Verfügbarkeit der Warteposition, auch für den bedingten Forderungserwerb gegeben. Als Sicherung des bevorstehenden Erwerbs macht er in erster Linie das bestehende Schuldverhältnis aus, das eine gewisse Bindung gewährleiste und dadurch verhindere, dass einmal vollzogene Tatbestandsmerkmale wieder wegfallen.201 Für die Verfügbarkeit der Warteposition verweist Forkel auf die durch die Rechtsprechung, die Lehre und den historischen Gesetzgeber als selbstverständlich vorausgesetzte und gebilligte Übertragbarkeit bedingter Forderungen, ihre Pfändbarkeit und ihre Anerkennung in der Insolvenz.202 §§ 160 f. BGB misst Forkel keine, § 162 BGB allenfalls indizielle Bedeutung für die Annahme eines Anwartschaftsrechts zu.203 cc) Stellungnahme Im Grunde genommen verwundert es, bei der aufschiebend bedingten Forderung von einem Anwartschaftsrecht – dem wesensgleichen Minus zum Vollrecht – zu sprechen; das Vollrecht existiert hier nämlich überhaupt noch nicht. Dem Satz der herrschenden Meinung, dass bis zum Eintritt einer aufschiebenden Bedingung i. S. v. § 158 BGB ein Anwartschaftsrecht entstehe, unterfallen eben unterschiedliche Sachverhalte: Die aufschiebend bedingte Verfügung über ein bestehendes Recht ist etwas ganz anderes als die aufschiebend bedingte Verpflichtung, durch die das Vollrecht überhaupt erst begründet wird. Um letzteren Fall geht es hier, genauer um die Frage, ob der Gläubiger einer aufschiebend bedingten Forderung (nicht: der Zessionar einer bestehenden, aber aufschiebend bedingt abgetretenen Forderung) ein Anwartschaftsrecht hat. Bei dem Anwartschaftsrecht, das man bei § 158 BGB meist vor Augen hat, handelt es sich demgegenüber um die Position aus einer bedingten Übereignung. Bei der Argumentation für ein solches Anwartschaftsrecht nimmt üblicherweise § 161 BGB einen wichtigen Platz ein,204 da er dem Erwerber eine gesicherte Rechtsposition verschafft, die ihn vor Insolvenz oder Zwischenverfügungen des Veräußerers schützt. Diese Vorschrift gilt, wenn „jemand unter einer aufschiebenden Bedingung über einen Gegenstand BGB Allgemeiner Teil, § 14 Rz. 22; Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 301; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rz. 756; BeckOK-BGB/ Rövekamp, BGB, Ed. 26, § 158 Rz. 25. Vgl. auch HkK/Finkenauer, §§ 158 – 163 Rz. 14. 201 Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 59. 202 Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 62 f. 203 Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 86 – 94 und 105 – 116. Die Bedeutung dieser Vorschriften ganz verneinend Egert, Die Rechtsbedingung, S. 112. 204 Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 20 Rz. 47; MünchKomm-BGB/Westermann, 6. Aufl. 2012, § 161 Rz. 5; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rz. 756.
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§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen
verfügt“, und ist auf die Verpflichtung des Schuldners unter einer aufschiebenden Bedingung folglich unanwendbar.205 Es fehlt ohnehin an einer Rechtsposition, über die der aufschiebend bedingt verpflichtete Schuldner anderweitig disponieren könnte, bzw. es steht dem Schuldner sogar frei, eine bedingte Forderung gleichen Inhalts beliebig häufig zugunsten verschiedener Gläubiger neu zu begründen (vgl. auch § 311a I BGB), ohne dass die Aussicht des ersten Gläubigers auf den Erwerb der Forderung beeinträchtigt würde. Jedem dieser Gläubiger ein Anwartschaftsrecht auf die Forderung zuzusprechen, die durch den Eintritt der Bedingung entstehen soll, wäre nicht besonders verheißungsvoll. Auch § 160 BGB spielt für die Begründung des Anwartschaftsrechts keine Rolle, da § 160 BGB Schadensersatz erst dann einräumt, wenn die Bedingung eingetreten ist, also nicht gegen ihren Ausfall sichert.206 Dem lässt sich hinzufügen, dass ein Schadensersatzanspruch auch nur das Interesse und gerade nicht den Erwerb des Vollrechts sichert.207 Allenfalls § 162 BGB mag in der Tat eine gewisse Sicherung der Forderungsentstehung leisten.208 An Gemeinsamkeiten mit dem Anwartschaftsrecht aus der bedingten Verfügung verbleiben für die bedingte Forderung daher das Schuldverhältnis, die selbständige Verfügbarkeit und die Geltung von § 162 BGB. Das nötigt zu der Frage, was der Begriff des Anwartschaftsrechts dem der aufschiebend bedingten Forderung dann noch hinzufügen soll, was dieser nicht selbst bereits zum Ausdruck bringt. In der herrschenden Lehre, die den Satz des vor Bedingung bestehenden Anwartschaftsrechts eher formelhaft konstatiert, erscheint es mehr als eine Floskel, die eine bereits gesicherte Rechtsposition in Worte fassen soll. Auch Forkel sieht den Vorteil des Anwartschaftsrechts gerade darin, dass es alle Vorwirkungen zu einer in sich geschlossenen Einheit zusammenzufassen vermag.209 Ein solcher Begriff ist jedoch dort unnötig, wo die Rechtsordnung – anders als etwa im Fall der Aussicht des Vorbehaltskäufers auf das Eigentum – dem Gläubiger einer aufschiebend bedingten Forderung explizit eine gestärkte Rechtsstellung zudenkt (Abtretbarkeit; §§ 765 II, 1113 II, 1204 II BGB; §§ 77 III, 95, 191 InsO) und die bedingte Forderung im Gesetz selbst zu einem eigenen Rechtsbegriff avanciert ist. Überdies gesteht Forkel zu, dass der selbständige Rechtsschutz, der das Anwartschaftsrecht aus einer bedingten Verfügung besonders auszeichnet, gerade für das obligatorische Anwartschaftsrecht eine weit geringere Bedeutung hat und sich nicht aus der Rechtsstellung des Anwärters, sondern aus dem die bedingte Forderung umgebenden Schuldverhältnis ergibt.210 205 So ausdrücklich die Motive zum BGB, Mugdan, Bd. 1, S. 496; Ertl, Rpfleger 1977, 345, 352. Beachte auch Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 101: Die Begründung eines Rechts ist keine Verfügung. 206 Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 91. 207 Im Ergebnis gegen die Bedeutung von § 160 BGB für die Annahme eines Anwartschaftsrechts, aber mit abweichender Begründung Egert, Die Rechtsbedingung, S. 111 f. 208 Oben Fn. 203. 209 Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 85. 210 Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 166.
E. Künftige Forderungen
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Das Anwartschaftsrecht fügt der aufschiebend bedingten Forderung also offenbar nichts hinzu, was diese nicht schon allein zum Ausdruck bringen kann.211 b) Struktur von als aufschiebend rechtsbedingt anerkannten Forderungen Wie vorstehend gezeigt wurde, zeichnet es eine durch Rechtsgeschäft aufschiebend bedingte Forderung aus, dass bereits ein Schuldverhältnis existiert. Strukturprägend ist also weniger die rechtsgeschäftliche Herkunft der Bedingung, als vielmehr der Umstand, dass durch den Zutritt eines – wie auch immer – normativ beschriebenen Ereignisses unmittelbar eine Bindung eintreten kann.212 Dementsprechend sieht Egert die wesentliche Eigenschaft einer Rechtsbedingung darin, dass die Parteien bereits ein Schuldverhältnis verbindet.213 Auch den oben aufgeführten von einer gesetzlichen Voraussetzung abhängigen Forderungen, die von der Rechtsprechung ausdrücklich als aufschiebend bedingt anerkannt werden, ist gemein, dass Gläubiger und Schuldner bereits ein Schuldverhältnis verbindet (s. E.II.2.); dabei spielt es keine Rolle, ob diese Sonderverbindung in einem beiderseitigen Rechtsgeschäft oder in einem gesetzlichen Schuldverhältnis wurzelt.214 Neben dem Schuldverhältnis zeichnet eine durch Rechtsgeschäft bedingte Forderung aus, dass eine Sicherung des Rechtserwerbs und damit eine gewisse Rechtsposition des Erwerbers gewährleistet ist. Diese ergibt sich, wie gezeigt, gerade nicht aus §§ 158 – 161 BGB, die auf die Rechtsbedingung nicht anwendbar sind, sondern aus dem vorhandenen Schuldverhältnis. Dieses aber ist der rechtsbedingten Forderung ebenso zu eigen. Auch die selbständige Verfügbarkeit, die als ein weiteres Strukturmerkmal der bedingten Forderung gilt, ist für die als solche übertragbare aufschiebend rechtsbedingte Forderung gegeben (siehe noch § 11 B.). Selbst wenn man § 162 BGB zu den Merkmalen einer aufschiebend bedingten Forderung zählt, ergibt sich kein wesentlicher Unterschied. § 162 BGB wird nämlich – als Ausdruck von § 242 BGB – als einzige Regelung der §§ 158 ff. BGB auch auf Rechtsbedingungen entsprechend angewandt.215 Dass §§ 158 – 161 BGB auf die Rechtsbedingung nicht anwendbar sind, verhindert nach alledem nicht, aufschiebend rechtsbedingte und rechtsgeschäftlich bedingte Forderungen unter den gemeinsamen Oberbegriff der aufschiebend bedingten Forderung zu fassen, da beide Forderungen gleiche Strukturen aufweisen und §§ 158 – 161 BGB insoweit gerade nicht strukturprägend sind.
211 Ebenso für die rechtsbedingte Forderung Egert, Die Rechtsbedingung, S. 110 – 114, und Oertmann, Rechtsbedingung, S. 125 – 127. 212 Oertmann, Rechtsbedingung, S. 87 f. 213 Egert, Die Rechtsbedingung, S. 32 – 43. 214 So auch Oertmann, Rechtsbedingung, S. 38 – 42. 215 BGH, 25.09.1996 – VIII ZR 172/95, NJW 1996, 3338, 3340; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 50 Rz. 41; Oertmann, Rechtsbedingung, S. 156. A. A. Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 52 Rz. 8.
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§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen
c) Fazit Was die herrschende Meinung einerseits unter einer gemäß § 158 BGB und andererseits unter einer aufschiebend rechtsbedingten Forderung versteht, zeichnet sich durch gemeinsame Strukturen aus. Zu diesen gehören vor allem die Existenz eines Schuldverhältnisses und die selbständige Verfügbarkeit, während §§ 158 – 161 BGB die Struktur der bedingten Forderung gerade nicht prägen. Ob und unter welchen Voraussetzungen die als rechtsbedingt und rechtsgeschäftlich bedingt anerkannten Forderungen gesetzlich gleich behandelt oder geschützt werden, wird erst im Hauptteil dieser Arbeit herausgearbeitet. An dieser Stelle genügt die dafür grundlegende Feststellung, dass die Rechtsordnung einen gemeinsamen Oberbegriff der „aufschiebend bedingten Forderung“ kennt, der beide Phänomene ohne Rücksicht auf die Herkunft der Bedingung vereint. Die gleichfalls kursierende Bezeichnung als Anwartschaftsrecht fügt dem keinen eigenen Inhalt hinzu. Für die oben dargelegte Klassifizierung künftiger Forderungen bedeutet dies, dass die „sonstigen“ künftigen Forderungen im weiteren Sinne216 wohl nichts anderes sind als das, was man in anderem Zusammenhang als rechtsbedingte Forderungen bezeichnen würde. Insofern könnte man den künftigen Forderungen im engeren Sinne generell die aufschiebend bedingten Forderungen gegenüberstellen.
III. Aufschiebend befristete Forderungen Ein Rechtsgeschäft ist aufschiebend befristet, wenn für seine Wirkungen ein Anfangstermin vorgesehen ist, so dass diese von einem zukünftigen, aber gewissen Ereignis abhängen.217 Der Unterschied zur aufschiebenden Bedingung liegt in der Gewissheit, mit der das künftige Ereignis eintritt.218 Die Ermittlung der Gewissheit erfolgt dabei abstrakt; im Einzelfall kann ein ungewisses Ereignis sehr wahrscheinlich sein, ohne dass es sich deshalb um eine Befristung handeln würde.219 Wie für § 158 BGB gilt für § 163 BGB: § 163 BGB normiert nicht die aufschiebend befristete Forderung, sondern sieht Regelungen vor, falls die Parteien für die Wirkung ihres Rechtsgeschäfts einen Anfangs- oder Endtermin bestimmen. Daher sollte mit der aufschiebend befristeten Forderung nicht allein § 163 BGB assoziiert werden;220 es spricht vielmehr nichts dagegen, dass Forderungen aufschiebend befristet genannt werden können, wenn sich ihre Befristung aus dem Gesetz ergibt. Anders als die „bedingte Forderung“ ist die aufschiebend befristete 216
Oben Fn. 157. Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 2, § 193; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 14 Rz. 23; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 50 Rz. 58. 218 Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 38 1a). 219 Vgl. Flume (Fn. 218). 220 So aber wohl v. Tuhr, DJZ 1904, 426, 428. 217
F. Entstehungszeitpunkt der Forderung
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nicht als solche im BGB erwähnt.221 Es erscheint allerdings auch als unnötig, da die Abhängigkeit von einem Termin nicht schaden kann, wo selbst ein ungewisses Ereignis hingenommen wird; das kommt auch in § 163 BGB zum Ausdruck. Die Abgrenzung von der Befristung zur Bedingung anhand der Gewissheit ist nicht unproblematisch, wenn das künftige Ereignis zwar sicher eintritt, aber nicht sicher ist, wann. In jeder Hinsicht gewiss ist nur der Eintritt eines Kalendertags. Nach der herrschenden Auffassung soll die (Un‑)Gewissheit in §§ 158 ff. BGB aber nur das „Ob“ des Ereigniseintritts betreffen. Schon die gemeinrechtliche Lehre schlug der Befristung daher sowohl den dies certus an et quando (z. B. den Kalendertag) als auch den dies certus an, incertus quando (z. B. den Zeitpunkt des Todes einer Person) zu, da hier über das „Ob“ (lat.: „an“) des Eintritts Gewissheit herrscht.222 Die Figuren des dies incertus an, incertus quando und des dies incertus an, certus quando stellen demgegenüber eine Bedingung dar, da hier das „Ob“ in jedem Fall ungewiss ist, auch wenn der Tag – falls das Ereignis dann eintritt – sicher sein kann.223
F. Entstehungszeitpunkt der Forderung I. Grundlagen Damit eine Forderung zu den künftigen zählt, darf sie noch nicht entstanden sein.224 Das BGB regelt ausdrücklich, wann ein Vertrag bzw. ein vertragliches Schuldverhältnis entsteht (§§ 145 ff. BGB). Da Forderungen in einem Schuldverhältnis jedoch nicht stets von Anfang enthalten sind, sondern durch Hinzutritt von Ereignissen daraus hervorgehen oder als Begleiterscheinung eines Vorgangs in Erscheinung treten können,225 muss ihre Entstehung eigenen Regeln folgen. Das Anspruchsrecht, soweit es im BGB überhaupt geregelt ist, ist dafür kein guter Ratgeber. §§ 194 ff., namentlich § 199 BGB, bauen nämlich auf einem eigenen Entstehungszeitpunkt auf, der die Fälligkeit mit einbezieht.226 Daran erweist sich wieder, dass das Recht der Forderungen das allgemeine Anspruchsrecht ist und nicht umgekehrt (s. C.I.1.). Das BGB geht davon aus, dass die Forderung schon entstanden sein kann, obwohl ihr Gläubiger die der Forderung wesenhafte Befugnis, die Leistung zu
221
Die Befristung als solche wird etwa in § 108 I ZPO, § 140 III InsO ausdrücklich erwähnt. Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 38 1a); HkK/Finkenauer, §§ 158 – 163 Rz. 2. 223 Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 38 1a). 224 Oben Fn. 158 f. 225 Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 23; Süß, Abtretung künftiger Ansprüche, S. 45; vgl. auch Schulze, Die Naturalobligation, S. 490 mit Fn. 283. 226 Vgl. Christiansen, ZInsO 2010, 653, 654 f.; MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl. 2012, § 199 Rz. 4; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearb. 2009, § 199 Rz. 5. 222
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§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen
fordern, nicht ausüben kann.227 Das trägt durchaus etwas Irreführendes bzw. eine gewisse Künstlichkeit in sich.228 Ursächlich hierfür ist die Unterscheidung zwischen einerseits rechtshindernden und andererseits rechtshemmenden Gegennormen.229 Während erstere dazu führen, dass etwa die Einforderungsoder Behaltensbefugnis nicht existent werden, führen letztere dazu, dass sie in ihrer Ausübung gehemmt sind, ohne sie in ihrer Existenz zu berühren.230 Das äußert sich darin, dass der Gläubiger einer entstandenen, aber einredebehafteten Forderung erst einmal solange einforderungsbefugt ist, wie sich der Schuldner seiner Leistung nicht berechtigterweise verweigert.231 Und wenn der Schuldner eine erhobene Einrede wieder fallen lässt, ist der Gläubiger ohne weiteres wieder einforderungsbefugt, ohne dass eine Neubegründung der Schuld erforderlich wäre.232 Langheineken nennt dieses Phänomen den „gegenwärtigen Anspruch auf eine künftige Leistung“.233 Nach v. Tuhr, der den Anspruch mit der Einforderungsbefugnis gleichsetzt (oben C.I.2.), wäre der Anspruch mit dem Entstehen der Forderung existent, bei fehlender Fälligkeit aber noch gehemmt.234 Allgemein entsteht die Forderung daher, wenn ihre vertraglichen oder gesetzlichen Entstehungsvoraussetzungen und keine rechtshindernden Einwendungen vorliegen.235 Das führt zwangsläufig zu Schwierigkeiten, wo das Gesetz die Frage, ob ein noch ausstehendes Ereignis eine Einwendung oder Einrede ist, nicht klar beantwortet oder dies den Parteien überlässt. Das betrifft namentlich die bedingten, befristeten, unbestimmten oder verhaltenen Forderungen, deren Entstehungszeitpunkt nicht immer klar oder unumstritten ist. Da hiervon abhängig ist, ob man sie als künftige Forderung betrachtet, sei dem im Folgenden nachgegangen.
227 Grundlegend Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 19 ff. Vgl. auch Windscheid/Kipp, Pandektenrecht I, § 47; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 17 I, II. Diese Unterscheidung des Gesetzes zwischen dem noch nicht entstandenen und dem noch nicht durchsetzbaren Anspruch übersieht Lieb, Das künftige Recht, S. 32 – 38. 228 Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 20 (vgl. aber ebd. S. 347, wonach das „nicht eine bloße luxuriöse Ausgeburt geistiger Industrie“ ist; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 17 II. Vgl. auch Siber, Rechtszwang, S. 89 f., der noch die Durchsetzbarkeit zur Forderungsentstehung rechnet. 229 Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 21 Rz. 11 ff. 230 Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 46 f. 231 Schulze, Die Naturalobligation, S. 483. 232 Schulze, Die Naturalobligation, S. 483. Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 47. 233 Fn. 227. Ebenso Bergk, Übertragung und Pfändung künftiger Rechte, S. 61. 234 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 17 II, dort auch zur Überwindung der logischen Bedenken im Schaffungsprozess zum BGB, ob ein Recht existieren kann ohne zu wirken. Das äußert sich etwa in § 216 I BGB in Bezug auf die Hypothek, die für eine verjährte, nicht aber für die erloschene Forderung bestehen bleibt (zu weiteren Bspen. Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 348 ff.). 235 Die Einteilung in Entstehungsvoraussetzungen und Einwendungen folgt der unterschiedlichen Beweislast, Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 21 Rz. 11.
F. Entstehungszeitpunkt der Forderung
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II. Rechtsgeschäftlich aufschiebend bedingte Forderungen (§§ 158 ff. BGB) Da aufschiebend rechtsbedingten Forderungen (mindestens) ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal fehlt, sind sie per se noch nicht entstanden und daher künftig (dazu oben E.II.2.). Für Forderungen, die kraft Rechtsgeschäfts von einer Bedingung abhängig sind (§ 158 BGB), trifft das in dieser Generalität nicht zu, wenngleich hierzu oftmals pauschale Lehrsätze aufgestellt werden. Einerseits wird etwa festgestellt, dass i. S. v. § 158 BGB bedingte Forderungen noch nicht entstanden und daher automatisch künftige sind.236 Dementsprechend nimmt man an, dass der Gläubiger einer gemäß § 158 BGB bedingten Forderung noch kein entstandenes Vollrecht, sondern ein Anwartschaftsrecht habe.237 Andererseits stellt der BGH etwa zu § 883 I 2 BGB generalisierend fest, dass bedingte Forderungen im Gegensatz zu künftigen Forderungen „im Zeitpunkt der Vereinbarung und nicht erst mit dem Eintritt der vorgesehenen Bedingung [entstehen].“238 Das passt zu einer Lehrmeinung, welche die noch ausstehende Bedingung als Aspekt der Durchsetzbarkeit einer entstandenen Forderung auffasst.239 Richtigerweise ist zu differenzieren. Für Primärforderungen aus Verträgen, die unter einer Bedingung eingegangen werden, ist es selbstverständlich, dass sie noch nicht entstanden ist, da der sie hervorbringende Kaufvertrag noch in der Schwebe ist.240 Aus der Vorschrift des § 158 I BGB folgt das aber nicht.241 Anders als §§ 158 II, 163 BGB koppelt § 158 I BGB an den Eintritt des Ereignisses nämlich nicht die Wirkung des Rechtsgeschäfts, sondern die Wirkung, die die Parteien von der Bedingung abhängig machen wollen. Es muss also darauf ankommen, ob die Bedingung nach der Vorstellung der Parteien die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts
236 v. Tuhr in DJZ 1904, 426, 428, und ders., Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 15 VII; Planck, BGB, 1. Aufl. Bd. II, § 392 Nr. 1; Becker-Eberhard, S. 269; Bork, AT BGB, Rz. 1269; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 53 Rz. 6; Roth, ZZP 98 (1985), 287, 289; Lieb, Das künftige Recht, S. 38 – 46. 237 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.2, § 81 I, § 83 II; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 14 Rz. 22; Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 301; Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 166; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rz. 756. 238 BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2462. Auch die Feststellung in BGH, 02.10.1957 – V ZR 212/55, DNotZ 1958, 383, 386, dass der Anspruch auf Rückübertragung der zur Sicherung einer Forderung bestellten Grundschuld durch die Tilgung der Forderung bedingt, aber bereits mit Abschluss des Sicherungsvertrags und vor Eintritt der Bedingung entstanden sei, untermauert den Klärungsbedarf. 239 Schlechtriem/Schmidt-Kessel, SchuldR AT, Rz. 775. Auch Eckardt, ZIP 1997, 957, 958, reiht die aufschiebend bedingten Forderungen in den Kreis der entstandenen Forderungen ein, da ihr Rechtsgrund bereits gelegt sei. Ebenso sehen Schlesinger, Unzulässigkeit der Beschlagnahme, S. 25, und Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 118 f., die bedingte Forderung als schon gegenwärtige Forderung an. 240 BGH, 21.04.1967 – V ZR 75/64, BGHZ 47, 387, 391. 241 So aber wohl Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 53 Rz. 6.
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§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen
oder die Durchsetzbarkeit der Forderung betreffen sollte.242 Letzteres ist in der Praxis durchaus ein häufiges Phänomen, wenn ein Bedarf besteht, die Fälligkeit einer schon entstandenen Forderung nicht an einen Kalendertag, sondern an ein ungewisses Ereignis zu knüpfen, ohne deshalb den Bestand der Forderung in Frage zu stellen;243 in der rechtswissenschaftlichen Literatur zur Fälligkeit oder in der Bedingungslehre hat diese „Fälligkeitsbedingung“ allerdings – soweit ersichtlich – keinen eigenen Platz gefunden.244 Eine automatische Gleichsetzung von § 158 BGB mit entweder der künftigen oder der einredebehafteten Forderung ist also trügerisch. Dies gilt insbesondere bei der Rezeption der Rechtsprechung, wenn diese in einem Zusammenhang von bedingten Forderungen spricht, in dem sie noch nicht entstandene Forderungen explizit ausschließen will, aber die von einem ungewissen Ereignis abhängige Durchsetzung akzeptieren würde.245 In diesem Kontext ist § 111 ZVG interessant, wonach eine Forderung als aufschiebend bedingt gilt, wenn ihr Fälligkeitszeitpunkt ungewiss ist. § 111 ZVG nimmt also ausdrücklich auf die Fälligkeitsbedingungen Rücksicht, suggeriert durch die Fiktion („gilt“) aber zugleich, dass der Gesetzgeber aufschiebend bedingte Forderungen grundsätzlich als noch nicht entstandene Forderungen betrachtet und entstandene Forderungen mit Fälligkeitsbedingung diesen gleichstellen will. Eingedenk dieser gesetzgeberischen Vorstellung und der herrschenden Klassifizierung künftiger Forderungen spricht also nichts dagegen, in der Rechtsdogmatik aufschiebend bedingte Forderungen generell den künftigen Forderungen zuzuordnen. Man sollte dann aber vermeiden, den Begriff der bedingten Forderung mit § 158 BGB gleichzusetzen, der abhängig vom Parteiwillen nämlich entweder eine Entstehensbedingung oder eine Fälligkeitsbedingung betreffen kann. Schließlich ist im Zusammenhang mit dem Entstehungszeitpunkt aufschiebend bedingter Forderungen noch der Lehrsatz missverständlich, wonach der Eintritt der Bedingung nicht zum Tatbestand des Rechtsgeschäfts gehöre.246 Eine solche 242 Vgl. schon Langheineken, Anspruch und Einrede, der in letzterem Fall irreführenderweise von „bedingt wirksamen Forderungen“ (ebd. S. 73 ff.) spricht und diese den noch nicht entstandenen „bedingten Forderungen“ (ebd. S. 83 ff.) gegenüberstellt. Diese Terminologie hat sich (schon damals) nicht durchgesetzt und führte auch zu Missverständnissen (so insbesondere in seinem späteren Beitrag in: FG v. Brünneck, S. 27 ff.). 243 Praktische Beispiele für ein Fälligkeit auslösendes ungewisses Ereignis sind etwa ein Grundbucheintrag oder die Abnahme, oder sogar eine gemäß §§ 315 ff. BGB nach billigem Ermessen auszuübende Erklärung einer der Parteien, Krafka, MittBayNot 2011, 459, 462; vgl. auch Palandt/Sprau, 73. Aufl. 2014, § 813 BGB Rz. 7 (zur an die Abnahme geknüpfte Fälligkeit des Werklohns); BGH, 05.04.2001 – IX ZR 441/99, BGHZ 147, 225, 231; Ertl, Rpfleger 1977, 345, 350. 244 Vgl. Larenz, Schuldrecht I, § 14 V; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rz. 176 – 178; Looschelders, SchuldR AT, Rz. 276 ff.; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 52; Brox/Walker, AT BGB, Rz. 479 ff. 245 Vgl. BGH, 12.07.2006 – VIII ZR 235/04, NJW-RR 2006, 1485, 1486; BGH, 13.03.2003 – IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 856. Näher dazu § 10 S. 301 f. 246 Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 50 Rz. 45; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.2, § 80 I; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 14 Rz. 22.
F. Entstehungszeitpunkt der Forderung
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Bemerkung soll in der Regeln nicht implizieren, dass die bedingte Forderung schon entstanden sei;247 sie soll lediglich bildhaft zum Ausdruck bringen, dass die rechtsgeschäftlichen Erfordernisse nicht nochmals bei Bedingungseintritt vorliegen müssen.248
III. Aufschiebend befristete und betagte Forderungen Die gleiche Unterscheidung wie die eben erörterte zwischen der aufschiebend bedingten Forderung und der Fälligkeitsbedingung begegnet – viel offensichtlicher – bei der Abhängigkeit der Forderung von einem Anfangstermin. Die ganz herrschende Auffassung versteht unter der aufschiebend befristeten Forderung nur solche terminsabhängigen Forderungen, die noch nicht entstanden sind.249 Ihr stellt man die betagte Forderung gegenüber, die zwar entstanden, deren Fälligkeit aber noch von einem Termin abhängig ist.250 Die betagte Forderung beschreibt also nichts anderes als eine anfängliche Stundung.251 Das BGB erwähnt sie in § 813 II BGB als „betagte Verbindlichkeit“; die ZPO verwendet den Begriff in §§ 844 I, 916 II ZPO und stellt ihn der bedingten Forderung gegenüber (dazu noch § 9 u. § 13 A.). 252 Die genannte Differenzierung wird in der Literatur mitunter in Frage gestellt.253 Da § 271 II BGB und § 813 II BGB jedoch zum Ausdruck bringen, dass die 247 „Ob man die Bedingung [. . .] dem Tatbestand des Rechtsgeschäfts zurechnet oder nicht, ist für die Entscheidung der Rechtsfragen des bedingten Geschäfts ohne Belang. Wichtig ist nur, daß das rechtsgeschäftliche Handeln mit der Vornahme des bedingten Geschäfts bereits abgeschlossen ist.“, Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 38 4 b. 248 Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 38 4 b; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 14 Rz. 20, 22; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 50 Rz. 33, 45; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.2, § 80 I; Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 2, § 197 I. v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.2, § 81 I, spricht hier von „Vorwirkungen“ nach Abschluss des bedingten Rechtsgeschäfts, die er von den Vollwirkungen mit Eintritt der Bedingung unterscheidet (Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 50 Rz. 45: „Sofortwirkungen“). 249 BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153, 1156; BGH, 25.03.1998 – VIII ZR 298/97, NJW 1998, 2060, 2061; Medicus, AT BGB, Rz. 845; Schulze, Die Naturalobligation, S. 491 Fn. 284 f.; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 50 Rz. 63 ff.; Lieb, Das künftige Recht, S. 38 – 40. 250 BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153, 1156; BGH, 06.04.2000 – IX ZR 2/98, NJW 2000, 2580, 2582; Bork, AT BGB, Rz. 1285; HkK/Gröschler, §§ 269 – 272 Rz. 10; Dobmeier, NZI 2006, 144, 146; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 53 Rz. 6; Medicus, AT BGB, Rz. 845; Schulze, Die Naturalobligation, S. 476; Staudinger-Eckpfeiler/Schiemann, Rz. C–109; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.2, § 83 II. Zu der Unklarheit der Gesetzesmaterialien in Hinblick auf den Begriff der „Betagung“ vgl. Lieb, Das künftige Recht, S. 38 f. 251 HkK/Gröschler, §§ 269 – 272 Rz. 10. 252 Ähnlich § 2217 II BGB für Vermächtnisse. 253 Christiansen, ZInsO 2010, 653, 657; Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 2, § 199 (die aber einräumen, dass dies mit der Ausdrucksweise des BGB nicht übereinstimmt); Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 41, hält die Unterscheidung für „sinnlos“.
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§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen
erst später fällige und die betagte Forderung bereits entstanden sind,254 besteht für das herrschende Verständnis der betagten Forderung immerhin ein gesetzlicher Anhaltspunkt. Zudem spricht § 163 BGB (anders als § 158 BGB) davon, die „Wirkung eines Rechtsgeschäfts“ und somit das Entstehen der Forderung von einem Anfangstermin abhängig zu machen, so dass das BGB an dieser Stelle die terminsabhängige, noch nicht entstandene Forderung in der Tat anerkennt.255 Praktisch bedeutsam wird der Unterschied, wenn der Schuldner zurückfordert, was er vorzeitig auf eine Forderung gezahlt hat; § 813 II BGB verhindert dies nur für die schon entstandene Forderung.256 Das BGB gibt die Differenzierung zwischen aufschiebend befristeten und betagten Forderungen also vor.257 Ob sie sinnvoll ist,258 muss der Rechtsverkehr entscheiden. Das BGB kann sich darauf beschränken, den Parteien verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten für einen in der Zukunft liegenden Leistungstermin an die Hand zu geben, damit sie ihre im jeweiligen Einzelfall verfolgten Interessen bestmöglich rechtlich umsetzen können.259 Lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen, welche Wirkung die Parteien dem Termin beigemessen haben, so liegt gemäß § 271 II BGB eine betagte, also eine bestehende Forderung vor.260 Die Grenze zwischen aufschiebend befristeter und betagter Forderung markiert also eine Scheidelinie zwischen künftigen und entstandenen Forderungen. Diese Grenze erlangt namentlich in der Rechtsprechung zu Forderungen auf Miet- oder Leasingraten erhebliche Bedeutung. Der BGH leitet hier in verschiedenem rechtlichen Kontext (s. § 7 S. 263 f.; § 11 S. 423; § 12 S. 452) aus dem Entstehungszeitpunkt solcher Forderungen Rechtsfolgen ab, wobei er Leasingforderungen grundsätzlich als betagte261 und Forderungen auf die Miete als aufschiebend befristet ansieht.262 Dementsprechend firmieren Forderungen 254
Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 53 Rz. 6. Vgl. auch BGH, 06.04.2000 – IX ZR 2/98, NJW 2000, 2580, 2582. 255 Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 53 Rz. 6, die das allerdings aus der Verweisung von § 163 auf § 158 BGB ableiten wollen. Christiansen, ZInsO 2010, 653, 657 (Fn. 253), berücksichtigt den Unterschied im Wortlaut von § 158 und § 163 BGB nicht. 256 Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 14 Rz. 23; Medicus, AT BGB, Rz. 845. 257 Zu §§ 844 I, 916 II ZPO siehe § 9 u. § 13 A. 258 Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 41, hält sie für „sinnlos“. 259 Zur Interessenlage im Erbrecht in Bezug auf diese Gestaltungsmöglichkeiten, Stadler, Jura 1998, 189, 195. 260 Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 53 Rz. 6. 261 BGH, 25.04.2013 – IX ZR 62/12, WM 2013, 1040, 1043 (dort aber in ausnahmsweiser Abweichung von dem Grundsatz); BGH, 20.10.2011 – IX ZR 10/11, NZI 2011, 936, 937; BGH, 28.03.1990 – VIII ZR 17/89, BGHZ 111, 84 = NJW 1990, 1785, 1788 im Anschluss an BGH, 14.12.1989 – IX ZR 283/88, BGHZ 109, 368, 372. 262 BGH, 17.09.2009 – IX ZR 106/08, NZI 2010, 58, 59; BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153, 1156; BGH, 14.12.2006 – IX ZR 102/03, NJW 2007, 1588, 1589; BGH, 02.06.2005 – IX ZR 263/03, NJW-RR 2005, 1641, 1642. Obiter BGH, 28.03.1990 – VIII ZR 17/89, BGHZ 111, 84 = NJW 1990, 1785, 1787. Offen gelassen von BGH, 09.02.1983 – VIII ZR 305/81, BGHZ 86, 382, 384 f. A. A. (betagte Forderungen): Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 I 2 c; Emmerich, JuS 1990, 845, 846 mit Verweis auf § 551 a. F. (heute: § 556b BGB), deren Überschrift nur von Fälligkeit redet.
F. Entstehungszeitpunkt der Forderung
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auf die künftige Miete in der Literatur als aufschiebend befristete Forderungen.263 Nach Auffassung des BGH entstehen diese abschnittsweise zu Beginn des jeweiligen Gebrauchsüberlassungszeitraums, da die Miete nach Abschnitten bemessen wird und die Gebrauchsüberlassung innerhalb dieses Abschnitts vergüten soll.264 Leasingraten sollen dagegen bereits zu Beginn des Vertragsverhältnisses entstehen, da sowohl beim Finanzierungsleasing als auch beim nicht auf Vollamortisation angelegten Operatingleasing die Finanzierungsfunktion hinzutrete, kraft der der Leasinggeber das Leasinggut für den Leasingnehmer überhaupt erst anschafft und daher bereits vor Gebrauchsüberlassung eine Leistung erbracht hat, die mit den einzelnen Leasingraten vergütet werde.265 Der BGH unterscheidet allerdings nicht schematisch nach der Art des Vertragsverhältnisses, sondern würdigt die einzelnen Vertragsbedingungen. Im Fall von Mietforderungen aus einem Mietvertrag über eine bewegliche Sache nimmt der BGH etwa betagte Forderungen an, wenn der Vermieter wegen der Abbedingung seiner Erhaltungspflicht seine Leistung schon zu Anfang des Vertrages erbracht hat.266
IV. Unbestimmte Forderungen Mit dem Begriff der unbestimmten Forderung wird der Umstand beschrieben, dass in einem Vertrag Art und Umfang der Leistung zunächst unbestimmt bleiben und anstatt dessen einer Person das Recht eingeräumt wird, den Leistungsinhalt zu bestimmen (vgl. §§ 315 – 319 BGB).267 Wenn es zu diesen Forderungen heißt, dass die Bestimmtheit ihres Inhalts spätestens dann vorliegen müsse, wenn der Gläubiger sein Recht einklagt, und zuvor lediglich die Vertragsparteien bestimmt sein müssten,268 so folgt daraus aber nicht, dass sie bereits vor der Inhaltsbestimmung entstehen würden. Die Unbestimmtheit ist nämlich nicht lediglich eine Einrede: Es ergibt keinen Sinn, dem Schuldner die Entscheidung zu überlassen, ob er leistet, wenn gar nicht feststeht, was er in welcher Weise oder wie hoch leisten muss, und der Schuldner auch bei Verzicht auf die Einrede nicht wirksam in die Leistung verurteilt werden könnte.269 Überdies ist § 315 III 1 263
Vgl. Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 566b Rz. 27; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 14 Rz. 23; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 53 Rz. 7; s. bereits v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.2, § 83 II. 264 BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153, 1156. 265 BGH, 25.04.2013 – IX ZR 62/12, WM 2013, 1040, 1043; BGH, 28.03.1990 – VIII ZR 17/89, BGHZ 111, 84 = NJW 1990, 1785, 1788; BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153, 1156 Tz. 36. 266 BGH, 04.11.2009 – XII ZR 170/07, NJW-RR 2010, 483, 484. 267 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 12 I 1; Hromadka, DB 1995, 1609. 268 Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 15 Rz. 42; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 12 I 1, spricht von der Bestimmtheit, die zur Ausübung der Forderung nötig sei; vgl. auch Kronke, AcP 183 (1983), 113, 143 (Leistungsbestimmung führe zur Fälligkeit). 269 Das trifft auch für die eher seltenen Fälle zu, in denen der Schuldner die Leistungsbestimmung trifft. Dieser müsste zunächst auf Leistungsbestimmung verklagt werden oder das Gericht
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§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen
BGB zu beachten, den Schulze für seine Feststellung zum Anlass nimmt, dass eine endgültig unverbindliche Forderung ein Selbstwiderspruch wäre.270 Daraus erhellt, dass die Forderung erst mit der Leistungsbestimmung entsteht bzw. die Bestimmtheit des Forderungsinhalts Voraussetzung für ihr Entstehen ist.271 Unbestimmte sind daher künftige Forderungen. Dabei sind sie den aufschiebend bedingten oder befristeten Forderungen vergleichbar, da der Vertrag, in den die nach §§ 315 ff. BGB noch zu bestimmende Forderung eingebettet ist, bereits bindend ist; sie könnten daher dogmatisch durchaus als bedingte Forderungen bezeichnet werden.272
V. Verhaltene Forderungen Der Begriff der verhaltenen Forderung geht auf Langheineken zurück.273 Ihr Charakteristikum ist, dass der Schuldner die Leistung nicht erbringen darf, bevor sie der Gläubiger einfordert, so dass die Forderung vor diesem Zeitpunkt nicht erfüllbar ist und der Schuldner den Gläubiger durch ein Leistungsangebot nicht in Annahmeverzug setzen kann.274 Beispiele verhaltener Forderungen sind solche aus §§ 285, 439 I, 604 III, 629, 695 S. 1 und 696 S. 1 BGB. Dass die verhaltene Forderung in den Kreis der entstandenen Forderungen einzuordnen ist,275 ist weniger daran festzumachen, dass der Gläubiger die Erfüllbarkeit jederzeit durch sein Leistungsverlangen herstellen kann276 – auch der Gläubiger, dem die Leistungsbestimmung nach § 315 BGB obliegt, kann diese nämlich jederzeit herstellen.277 Ausschlaggebend ist vielmehr, dass Grund und Umfang der Schuld bereits vorher derart feststehen, dass sich das Leistungsverlangen nur noch als bloßes Abrufen der verbindlich feststehenden Leistung darstellt; die müsste die Leistungsbestimmung vornehmen, bevor er in die Leistung verurteilt werden kann, MünchKomm-BGB/Würdinger, 6. Aufl. 2012, § 315 Rz. 41. 270 Schulze, Die Naturalobligation, S. 488. 271 Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 5; Schulze, Die Naturalobligation, S. 488; Staudinger/Rieble, BGB, Neubearb. 2009, § 315 Rz. 131, 232, 377. Vgl. auch RGWarn. 1913 Nr. 221. Dem entspricht, dass die Bestimmung ein Gestaltungsrecht (Kronke, AcP 183 (1983), 113, 142 f.; MünchKomm-BGB/Würdinger, 6. Aufl. 2012, § 315 Rz. 34; Hromadka, DB 1995, 1609, 1610) und nicht bloß feststellenden Charakter hat, so aber Kornblum, AcP 168 (1968), 450, 463 – 466, entgegen der h. M. 272 So schon Windscheid/Kipp, Pandektenrecht I, § 225 Anm. 6, die die unbestimmte Forderung als eine ihrem Wesen nach bedingte, und zwar nicht i. S. v. § 158 BGB, sondern im Sinne einer sich aus dem Wesen des Rechtsverhältnisses ergebenden Rechtsbedingung betrachten. 273 Langheineken, in: FG v. Brünneck, S. 27, 29. 274 MünchKomm-BGB/Krüger, 6. Aufl. 2012, § 271 Rz. 4; Staudinger/Bittner, BGB, Neubearb. 2009, § 271 Rz. 27. 275 So Langheineken, in: FG v. Brünneck, S. 27, 30 – 33; Schulze, Die Naturalobligation, S. 477; Ertl, Rpfleger 1977, 345, 349 f. 276 So aber Schulze, Die Naturalobligation, S. 477. 277 Zum abweichenden Entstehungszeitpunkt der unbestimmten Forderung soeben IV.
G. Künftige Forderungen in der Gegenwart
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Einforderungsbefugnis des Gläubigers (nach v. Tuhr: der Anspruch) besteht also bereits vor seinem Leistungsverlangen.278 Das Leistungsverlangen betrifft daher die Ebene der Durchsetzbarkeit der Forderung; die verhaltene Forderung ist keine künftige, sondern eine sog. gehemmte Forderung.279
G. Künftige Forderungen in der Gegenwart I. Künftige Forderung als Wirtschaftsgut Künftige Forderungen werden im Wirtschaftsverkehr als Sicherheit für eine Leistung eingesetzt, stellen selbst ein Wirtschaftsgut dar oder bedürfen ihrerseits der Sicherung. Wie §§ 1986 II BGB, 191 InsO und 916 II ZPO zum Ausdruck bringen, hat auch die noch nicht entstandene Forderung einen eigenen, gegenwärtigen Vermögenswert. Die künftige Forderung als Anlass für eine Sicherung sieht das BGB in §§ 765 II, 883 I 2, 1113 II, 1204 II BGB vor. Die künftige Forderung als Sicherheit begegnet bei der Globalzession. Die Globalzession ist die typische Sicherung des Geldkreditgebers und für den Kreditnehmer und Sicherungsgeber ein essentielles Sicherungsmittel.280 „Globalzession“ bedeutet zunächst nur, dass eine Vielzahl von Forderungen in einem Akt abgetreten wird. Wenn ausschließlich künftige Forderungen Gegenstand dieser Abtretung sein sollen, müsste man also an sich von einer globalen Vorauszession bzw. einer globalen Abtretung künftiger Forderungen sprechen. Im Kreditsicherungsrecht hat sich die Globalzession jedoch als Begriff für ein eigenes Kreditsicherungsmittel etabliert und erfasst als solches sehr häufig die Abtretung einer Vielzahl von künftigen Forderungen (auch solcher im engeren Sinne).281 Üblich ist die Abtretung eines Teils des künftigen Forderungsbestands, bestimmt nach Anfangsbuchstaben der Kunden o. ä.,282 häufig aber auch die Zession sämtlicher bestehenden und künftigen Forderungen des Sicherungsgebers gegen Dritte aus seinem Geschäftsbetrieb.283 278 Langheineken, in: FG v. Brünneck, S. 27, 32 f.; a. A., aber ohne Begründung, Schulze, Die Naturalobligation, S. 477. 279 Schulze, Die Naturalobligation, S. 478: Gehemmte Forderungen sind solche, deren Durchsetzung eine Einrede entgegensteht. Auch die fällige Forderung kann immer noch gehemmt sein, wenn ihr eine andere Einrede entgegensteht als die der fehlenden Leistungszeit, vgl. BGH, 22.09.2005 – VII ZR 117/03, BGHZ 164, 159, 164 = NJW 2005, 3574, 3575. 280 Vgl. etwa BGH, 17.03.2011 – IX ZR 63/10, NJW 2011, 1506, 1508; Zeller/Edelmann, BB 2007, 1461, 1462; H. Huber, ZInsO 2012, 1343, 1344; Graf von Bernstorff, RIW 1994, 542, 544. 281 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Lwowski, Kreditsicherung, 9. Aufl. 2011, § 13 Rz. 81; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 648 f.; Graf von Bernstorff, RIW 1994, 542, 543 f. Insoweit ist die Global- von der Mantelzession zu unterscheiden. Bei dieser findet keine Vorausabtretung statt, H. Huber, ZInsO 2012, 1343; Schneider/Güther, DB 2008, 279, 285; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 153; RGRK/Weber, § 398 Rz. 20. 282 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Lwowski, Kreditsicherung, 9. Aufl. 2011, § 13 Rz. 81. 283 Dazu und zum Folgenden Jacoby, ZIP 2008, 385, 386; Kuder, ZIP 2008, 289, 290; Jacobi, ZIP 2006, 2351, 2354; Hollweg-Stapenhorst, S. 67.
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§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen
Die Einbeziehung künftiger Forderungen in die Abtretungsklausel ist essentiell, um ein Absinken des Sicherheitenbestands zu verhindern, wenn entstandene Forderungen vom Sicherungsgeber eingezogen werden und erlöschen; insofern dient die Abtretung künftiger Forderungen der „Wiederauffüllung“ der Sicherheit.284 Da sie ständig neu vorzunehmende Einzelabtretungen erspart, senkt sie zudem Transaktionskosten und schützt den Zessionar dadurch vor opportunistischem Verhalten des Zedenten.285 Die Globalzession kann selbständig als Sicherungszession getätigt286 oder – im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts – mit einem einfachen Eigentumsvorbehalt kombiniert werden.287 Ferner ist sie etwa Bestandteil eines Factoring-Vertrags, erfolgt dort aber unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Forderung später angekauft wird.288 Im Fall der Forfaitierung künftiger Forderungen können diese selbst eine Leistung darstellen, mit der etwa ein Leasinggeber den von einem Refinanzierer zur Verfügung gestellten Leasinggegenstand bezahlt.289 Der Refinanzierer trägt dann das Risiko, dass solche Forderungen schon gar nicht entstehen; dieses Veritätsrisiko sichern die Parteien etwa dadurch ab, dass sie ihm das Leasingobjekt zur Sicherheit übereignen.290 Auch im Finanzbereich werden künftige Forderungen gegen Geld verkauft, wenngleich viele Finanzprodukte auf der Übertragung bereits bestehender Kreditforderungen beruhen.291 Die Verwertung künftiger Forderungen auf dem Kapitalmarkt kann durch ihre Verbriefung im Rahmen sog. asset-backed securities292 oder future flow securitizations293 erfolgen. Interessant hieran ist, dass sogar künftige Forderungen im engeren Sinne (etwa Forderungen aus dem künftigen Verkauf von Strom, Telekommunikationseinheiten, Flugzeugtickets usw.) verkauft werden294 284
Huber, ZInsO 2012, 1343; Kuder, ZIP 2008, 289, 290; dies., ZInsO 2006, 1065, 1067. Eidenmüller, AcP 204 (2004), S. 457, 464. 286 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Lwowski, Kreditsicherung, 9. Aufl. 2011, § 13 Rz. 1, 81. 287 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Kieninger, Kreditsicherung, 9. Aufl. 2011, § 21 Rz. 25 f. 288 MünchKomm-HGB/Brink, 2. Aufl. 2009, Art. 5 FactUe Rz. 6 – 9; Sinz, Rz. 22, 30; Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Teil „Klauselwerke-Factoring“, 32. EL 2012, Rz. 13; Stumpf, BB 2012, 1045, 1047. 289 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Peters, Kreditsicherung, 9. Aufl. 2011, § 14 Rz. 3 ff.; 104. Vgl. auch BFH, 05.05.1999 – XI R 6/98, BeckRS 1999, 24000458. 290 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Peters, Kreditsicherung, 9. Aufl. 2011, § 14 Rz. 104. 291 Vgl. Harpering, Syndicated Loans, S. 47 – 75. 292 Bär, Asset Securitisation, S. 165 f.; Beig, S. 32 f.; Bertl, Verbriefung von Forderungen, S. 5 – 8, 57, 113 – 175; Burns, 24 J.I.B.L.R. 35 – 37 (2009); Doetsch, 15 Int’l Fin. L. Rev. 16 (1996); Gehring, Asset-Backed Securities, S. 16, 144; Gögler, Asset-Backed-Securities, S. 41 f.; Raines/ Wong, Duke J. Comp. & Int’l L., 454 (2002); Schmittat, Asset Backed Securities, S. 17; Beig, S. 32 f. Zur grundsätzlichen Eignung deutschen Rechts für solche Gestaltungen Wulfken, in: Europäische Integration und globaler Wettbewerb, S. 365, 367. 293 Bär, Asset Securitisation, S. 166; Bertl, Verbriefung von Forderungen, S. 57; Raines/Wong, Duke J. Comp. & Int’l L., 453 – 463 (2002). Relevant wird dies für die kapitalmarktgestützte Finanzierung großer Infrastrukturprojekte; etwa für den Eurotunnel, Kaiser/Reiche, manager magazin v. 24.01.2008. 294 Burns, 24 J.I.B.L.R. 35 – 37 (2009); Doetsch, 15 Int’l Fin. L. Rev. 16 (1996); Raines/Wong, Duke J. Comp. & Int’l L., 454 (2002); Bertl, Verbriefung von Forderungen, S. 5 – 8; Beig, S. 32 f. 285
G. Künftige Forderungen in der Gegenwart
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und die Inhaber der Papiere auch am Geschäftsrisiko des Zedenten teilnehmen.295 Damit tragen sie die Gefahr, dass die verkauften Forderungen gar nicht erst entstehen.296 Hier wird also der Wert einer künftigen Forderung als solcher, der ihr als Erwerbschance innewohnt, bereits realisiert, bevor und unabhängig davon ob sie später entsteht. Das ist ökonomisch freilich weniger erstaunlich, wenn man bedenkt, dass auch die entstandene Forderung an sich etwas Künftiges ist, dem noch das Bonitätsrisiko innewohnt. Wer eine künftige Forderung kauft, kauft – ökonomisch betrachtet – also genauso ein (nicht aber: das) Risiko wie derjenige, der eine bestehende Forderung kauft. Bei der künftigen Forderung tritt zu dem Delkredererisiko aber noch das Veritätsrisiko bzw. das Geschäftsrisiko des ursprünglichen Zedenten hinzu.
II. Künftige Forderung als Gegenstand im BGB Der dem BGB zugrunde liegende Begriff des Gegenstands ist nicht gleichzusetzen mit dem Rechtsobjekt (oder auch: „Rechtsgegenstand“).297 Letzteres ist schlicht jeder Bezugspunkt eines Rechts und würde etwa auch Handlungen erfassen.298 Der Gegenstandsbegriff des BGB betrifft vielmehr den in § 90 BGB erwähnten, der herkömmlich in körperliche und unkörperliche Gegenstände unterteilt wird.299
1. Der Gegenstandsbegriff von Rudolph Sohm Nach Rudolph Sohm hing der bürgerlichrechtliche Begriff des Gegenstands untrennbar mit dem Begriff des Verfügungsgeschäfts zusammen: Gegenstand sei, „was Gegenstand eines Verfügungsgeschäftes sein kann.“300 Darin liegt kein Zirkelschluss,301 da Sohm nicht das als Gegenstand betrachten wollte, was das BGB ausdrücklich zum Gegenstand einer Verfügung erhebt, sondern das, was seinem Wesen nach aktiver (i. S. v. verkehrsfähiger) Bestandteil des Vermögens, mithin ein Tatbestand des Verkehrslebens ist.302 Das entscheidende Merkmal 295
Bertl, Verbriefung von Forderungen, S. 57; Burns, 24 J.I.B.L.R. 37 (2009). Bertl, Verbriefung von Forderungen, S. 118. 297 Binder, ZHR 59 (1907), 1, 13; Sohm, Der Gegenstand, S. 5. 298 Vgl. Binder, ZHR 59 (1907), 1, 10 Fn. 21; Bucher, Das subjektive Recht, S. 157; Staudinger/ Jickeli/Stieper, BGB, Neubearb. 2011, Vorb. z. §§ 90 – 103 Rz. 4. 299 Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 58. 300 Sohm, Der Gegenstand, S. 7. Zu einer Zusammenfassung der Theorie von Sohm vgl. auch W. Wilhelm, in: Coing/W. Wilhelm, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts, S. 213, 222 – 226. 301 Ihren Vorwurf des Zirkelschlusses haben die Vertreter der Gegenauffassung zurückgenommen, Hedemann, ArchBürgR 31 (1908), 287, 323; Binder, ArchBürgR 34 (1910), 209, 246. 302 Sohm, Der Gegenstand, S. 22 f., 88. 296
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§ 2 Grundlagen des Rechts der künftigen Forderungen
des Sohm’schen Gegenstandsbegriffs ist also die dem Wesen des fraglichen Gegenstands nach grundsätzlich denkbare selbständige Übertragbarkeit.303 In diesem Sinne könnte man auch die Erwerbsaussicht als Gegenstand begreifen. Die Untersuchung von Sohm drehte sich indes vornehmlich um verkehrsunfähige Rechte des Personenrechts.304
2. Der materiale Gegenstandsbegriff Der Gegenstandsbegriff von Sohm ist auf verbreitete Kritik gestoßen305 und hat sich nicht durchgesetzt.306 Aus der Kritik hat sich eine materiale Sichtweise entwickelt. Danach ist jedenfalls ein Gegenstand im Sinne des BGB, was ökonomisch nutzbar ist und damit alles, was zu den individualisierbaren Objekten der natürlichen Welt gehört,307 wobei noch nicht geklärt ist, ob es einen Geldwert aufweisen muss.308 Der Gegenstand ist danach nicht aus seiner potentiellen Verfügbarkeit abzuleiten; diese ist vielmehr ihrerseits die Konsequenz aus der Eigenschaft eines Guts als Vermögensbestandteil.309 Zu solchen individualisierbaren Objekten der natürlichen Welt zählt man auch die Erwerbsaussicht als unkörperlichen Gegenstand.310 Da es allein auf ihre Individualisierbarkeit ankommt, kann ihrer rechtlichen Struktur, etwa der Existenz eines Schuldverhältnisses, keine Bedeutung zukommen. Das verwundert nicht weiter, wenn man die Rolle einer gar im engeren Sinne künftigen Forderung als Wirtschaftsgut berücksichtigt (oben G.I.) und bedenkt, dass andere nicht greif‑, aber bestimmbare Güter wie ein Kundenstamm, Know-how oder Goodwill kraft ihrer Rolle als wichtige Wirtschaftsgüter gleichfalls (unkörperliche) Gegenstände sind.311 Auch die entstandene Forderung leitet 303 Sohm, Der Gegenstand, S. 21; ders., ArchBürgR 28 (1906), 173, 184 und 188; Hedemann, ArchBürgR 31 (1908), 287, 323; Binder, ArchBürgR 34 (1910), 209, 246. 304 Sohm, Der Gegenstand, S. 8 ff, 88. 305 Bekker, Grundbegriffe, S. 4; Hedemann, ArchBürgR 31 (1908), 287, 322 ff.; Binder, ZHR 59 (1907), 1 ff.; ders., ArchBürgR 34 (1910), 209 ff. 306 W. Wilhelm, in: Coing/W. Wilhelm, Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts, S. 213, 227 f. 307 Wieacker, AcP 148 (1943), 57, 65; Staudinger/Jickeli/Stieper, BGB, Neubearb. 2011, Vorb. z. §§ 90 – 103 Rz. 4 ff.; Soergel/Marly, BGB, 13. Aufl., Vor § 90 Rz. 2; MünchKomm-BGB/ Stresemann, 6. Aufl. 2012, § 90 Rz. 1 mit Fn. 1; offen: Rüfner, in: HkK-BGB, 1. Aufl. 2003, §§ 90 – 103 Rz. 2 ff. 308 Staudinger/Jickeli/Stieper, BGB, Neubearb. 2011, Vorb. z. §§ 90 – 103 Rz. 7. 309 Binder, ZHR 59 (1907), 1, 16. Vor dem Hintergrund von Art. 2, 14 GG wäre es kaum zu rechtfertigen, dass das, was im Wirtschaftsverkehr ein vermögenswertes, fungibles Gut geworden ist, nicht in den Grenzen von §§ 134, 138 BGB übertragbar ist. 310 Wieacker, AcP 148 (1943), 57, 59 und 65. Aus etymologischer Sicht umfasst das „Vermögen“ ebenso die Möglichkeiten bzw. Chancen, etwas zu erwerben, Köbler, Etymologisches Wörterbuch, S. 435. 311 BeckOK-BGB/Fritzsche, BGB, Ed. 26, § 90 Rz. 28. Auch in der Philosophie (oben Fn. 139) betrachtet man die Möglichkeit, dass etwas entstehen kann, als etwas Gegenständliches: Vgl. Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, S. 136, wonach „das Nichtsein des
G. Künftige Forderungen in der Gegenwart
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ihre Gegenständlichkeit immerhin von dem ihr eigenen ökonomischen Wert ab, der ihr als Aussicht gegenwärtig innewohnt.312 Damit ließe sich auf dem Boden der herrschenden Lehre sogar die künftige Forderung als Gegenstand im Sinne des § 90 BGB begreifen.
Möglichseienden durchaus von der völligen Bestimmungslosigkeit des Nichts verschieden [ist].“ Ebd., S. 136 f., heißt es sodann: „Im Werdeprozeß ist immer nur ein in sich schon bestimmtes Etwas auch ein ‚Mögliches‘ auf anderes ‚Wirkliche‘ hin.“ Das zeigt, dass es selbstverständlich genauso der Individualisierbarkeit bedarf, um etwas als gegenständlich zu betrachten. 312 Larenz, Schuldrecht I, § 33. Oben S. 23.
Zweiter Teil
Über das Recht der künftigen Forderungen Das Recht der künftigen Forderungen lässt sich aus verschiedener Perspektive denken, und zwar vornehmlich aus Sicht des künftigen Gläubigers, der sich die Forderung bereits zu einem Zeitpunkt, in der sie noch nicht entstanden ist, zunutze machen will. Er begehrt etwa Teilhabe am Vermögen des insolventen Schuldners (§ 3), stützt sich bei der Aufrechnung auf eine künftige Forderung (§ 4) oder will diese sichern, sei es durch Vormerkung (§ 5), Hypothek (§ 6), Pfandrecht (§ 7), Bürgschaft (§ 8) oder im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 9); zu alledem möchte er sie möglicherweise titulieren, ohne ihre Entstehung abzuwarten (§ 10). Wenn er sie abtritt, so rücken auch die Interessen des Schuldners in den Fokus sowie die Interessen des Zessionars, der die Forderung gegenüber konkurrierenden Gläubigern verteidigen will, wenn der Zedent über die künftige Forderung ein zweites Mal verfügt hat (§ 11). Eine ähnliche Interessenlage ergibt sich für den Zessionar, wenn über das Vermögen des Zedenten nach Abtretung der künftigen Forderung das Insolvenzverfahren eröffnet wird und der Zessionar mit dem Insolvenzverwalter konkurriert, weil die Forderung erst nach dem Insolvenzbeschlag entstanden ist (§ 12). Schließlich möchte ggf. ein Dritter zwangsweise auf künftige Forderungen zugreifen, die sein Schuldner erwerben wird, indem er sie bereits jetzt pfändet oder, in der Insolvenz des Schuldners, von ihrer Zuziehung zur Masse profitiert (§ 13).
§ 3 Künftige Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO I. Überblick § 38 InsO ist eine Grundnorm im Recht der künftigen Forderungen. Es geht um „begründete“ Vermögensansprüche, so dass die Norm häufig als Paradigma einer künftigen Forderung mit einem „Rechtsboden“ angeführt wird. Historisch findet sie ihren Vorläufer in § 3 KO und ist damit älter als das BGB.1 § 3 KO ist wort- und funktionsgleich; auf die zu ihm ergangene Literatur und Rechtsprechung darf zurückgegriffen werden.2 § 38 InsO legt fest, wer Insolvenzgläubiger ist, wer also an der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger teilhaben kann. Insolvenzgläubiger sind im Sinne der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (par condicio creditorum3) gewissen Regeln unterworfen, etwa dem Vollstreckungsverbot (§ 89 InsO) oder den Aufrechnungsregeln der §§ 94 ff. InsO. Meldet der Insolvenzgläubiger seine gemäß § 38 InsO zur Zeit der Verfahrenseröffnung bereits „begründete“ Forderung an, so sichert er sich zunächst die quotale Berücksichtigung bei der Verteilung und die Eintragung in die Tabelle, aus der er – einem rechtskräftigen Urteil gleich (§ 178 III InsO) – nach Aufhebung des Verfahrens den Restbetrag vollstrecken könnte (§ 201 II, III InsO).4 Forderungen, die als Insolvenzforderung an der Vermögensverteilung partizipieren, aber zum Verteilungstermin noch immer nicht entstanden sind, werden nach § 191 InsO mit ihrem vollem Betrag berücksichtigt:5 Der auf sie entfallende Anteil wird bei der Verteilung hinterlegt (§ 198 InsO), bis die Forderung entstanden ist, und unterliegt dann der Nachtragsverteilung (§ 203 I Nr. 1 InsO).6 Nur wenn die Möglichkeit ihrer Entstehung so fernliegt, dass sie zur Zeit der Schlussverteilung keinen Vermögenswert hat, wird die Forderung nicht mehr berücksichtigt (§ 191 II 1 InsO).7 Das Insolvenzrecht kennt neben den Insolvenzforderungen noch zwei andere Kategorien von persönlichen Forderungen, die Masse- und die Neuforderun1 § 3 KO vom 20.05.1898 (RGBl. S. 612) entspricht § 2 KO vom 10.02.1877, RGBl. 1877 Nr. 10, S. 351; abgedruckt bei Hahn, Materialien zur KO, Bd. 4, S. 772. 2 Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 1. 3 Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, InsR, 2. Aufl. 2010, Kap. 12 Rz. 10. 4 Bork, InsR-Einf., § 25; Reischl, InsR, 2. Aufl. 2011, Rz. 737 – 749 u. 779 – 783. 5 Bork, InsR-Einf., § 27 Rz. 353; Bitter, NZI 2000, 399, 400. 6 BGH, 07.04.2005 – IX ZR 138/04, NZI 2005, 384, 385; Westphal, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, § 191 Rz. 3 ff. 7 Becker, InsR, 3. Aufl. 2010, Rz. 1460.
I. Überblick
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gen.8 Der Gläubiger einer Masseforderung ist besser gestellt als der Insolvenzgläubiger. Er kann grundsätzlich auf volle Befriedigung seiner Forderung hoffen (§§ 53, 61 InsO) und darf in den Grenzen von § 90 InsO in die Masse vollstrecken. Er nimmt nicht am Anmeldeverfahren teil, sondern macht seine Forderungen direkt gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend.9 Masseforderungen entstehen typischerweise erst während des Insolvenzverfahrens, sind also zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung allemal künftig (§ 55 I InsO). Die Insolvenzordnung will den Kreis der Masseforderungen möglichst gering halten,10 da sie mit dem par-condicio-Grundsatz konfligieren.11 Die darin zum Ausdruck kommende Ausnahmestellung der Masseforderung signalisiert, dass zu Lasten der Masse entstehende Forderungen grundsätzlich Insolvenzforderungen sein müssen, wenn nicht spezifische Gründe für ihre Eigenschaft als Masseforderung sprechen.12 Schließlich gibt es den Gläubiger, dem nicht die Masse, sondern das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners haftet, und den man Neugläubiger nennt.13 Der Insolvenzschuldner verliert nach § 80 I InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse; ihn kann aber keiner hindern, Verpflichtungen zu Lasten des Vermögens einzugehen, das ihm neben der Masse bleibt oder zustehen wird. Freilich ist dieses kaum werthaltig, zumal all das, was der Schuldner während des Verfahrens neu erwirbt, nach § 35 InsO regelmäßig in die Masse fällt.14 Genauso wie ein Insolvenz- oder Massegläubiger kann auch der Neugläubiger seinen Forderungserwerb in Aussicht gehabt haben, so dass die Neuforderung zum Eröffnungszeitpunkt genauso eine künftige sein kann.
8
Dazu und zum Folgenden Bork, InsR-Einf., § 8. Reischl, InsR, 2. Aufl. 2011, Rz. 741. 10 Dazu BGH, 21.12.2006 – IX ZR 66/05, NJW 2007, 1591, 1593. 11 BGH, 06.11.1978 – VIII ZR 179/77, BGHZ 72, 263, 267. Zum § 38 InsO prägenden Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung auch BAG, 22.05.2007 – 3 AZR 334/06 (A), ZIP 2007, 1869. Zum die Insolvenz‑, nicht aber die Massegläubigerschaft prägenden Gleichbehandlungsgrundsatz Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 14.02. 12 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 2.27; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl. 2013, § 38 Rz. 4. 13 Becker, InsR, 3. Aufl. 2010, Rz. 276; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 9.02. Gelegentlich liest man auch „Nichtgläubiger“. 14 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 9.02. 9
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§ 3 Künftige Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO
II. Meinungsstand 1. Literatur Die Kommentarliteratur zu § 38 InsO behilft sich immer noch mit einer regen Kasuistik bei der Darstellung bzw. Abgrenzung von Forderungen, die noch künftig, aber bereits „begründet“ sind.15 Mit „Rechtsgrund“16, „anspruchsbegründender Tatbestand“17, „Rechtsboden“18, „Schuldrechtsorganismus“19, „Anwartschaft(srecht)“20, „Schuldverhältnis“21 oder der Verwirklichung des „typischen Tatbestandsmerkmals“22 kursieren zudem zahlreiche Begriffe, die die Abgrenzung von begründeten und nicht begründeten künftigen Forderungen bewerkstelligen sollen. An anderer Stelle, bei § 191 InsO, ist vermehrt von den rechtsgeschäftlich bedingten und den rechtsbedingten Insolvenzforderungen die Rede.23
2. Rechtsprechung In den Worten des BGH liegt eine Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO vor, „wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich eine Forderung des Gläubigers daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben. Nur die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs muss schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein. Unerheblich ist, ob die Forderung selbst schon entstanden oder fällig ist.“24 Mit der „Begründung“ einer Forderung assoziiert man also die Existenz ihrer schuldrechtlichen Grundlage bzw. des „Schuldverhältnisses“25. Seinen Ursprung 15 Diese Einschätzung teilt Schießer, S. 39 f. Vgl. die umfangreichen Kataloge bei Jaeger/ Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 84 – 172; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl. 2013, § 38 Rz. 15 – 34. 16 Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, § 38 Rz. 13. 17 Kübler/Prütting/Bork/Holzer, InsO, 26. EL, § 38 Rz. 12. 18 HK-Kreft/Eickmann, 6. Aufl. 2011, § 38 Rz. 17. 19 Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl. 2010, § 38 Rz. 26; Reischl, InsR, 2. Aufl. 2011, Rz. 375. 20 Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 87; Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 38 Rz. 30. 21 Braun/Bäuerle, InsO, 5. Aufl. 2012, § 38 Rz. 4. 22 Schießer, S. 44 f. 23 Hmbg.Ko-InsO/Herchen, 4. Aufl. 2012, § 191 Rz. 6; Westphal, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, § 191 Rz. 3. 24 BGH, 22.09.2011 – IX ZB 121/11, NZI 2011, 953 f. Vgl. auch BGH, 06.11.1978 – VIII ZR 179/77, BGHZ 72, 263, 265 f.; BFH, 14.10.1977 – III R 111/75, NJW 1978, 559; BAG, 13.12.1978 – GS 1/77, NJW 1979, 774, 777. Zur Bedeutung des Schuldverhältnisses bereits RG, 18.06.1915 – III 80/15, RGZ 87, 82, 85. 25 BGH, 07.04.2005 – IX ZB 195/03, NJW-RR 2005, 990, 991; BGH, 07.04.2005 – IX ZB 129/03, ZInsO 2005, 537, 538; OVG Weimar, 27.09.2006 – 4 EO 1283/04, ZIP 2007, 880.
III. Vorgaben für eine „begründete“ Forderung
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findet dies in einem Verweis des BGH auf den Kommentar von Jaeger,26 der dort allerdings allein auf die vor Konkurseröffnung bereits entstandene Forderung einging und den problematischen Fall ihrer späteren Entstehung noch gar nicht thematisierte.
III. Vorgaben für eine „begründete“ Forderung § 38 InsO definiert – wie schon § 3 KO – den Insolvenzgläubiger über den Tatbestand der Insolvenzforderung, die er „einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch“ nennt.27 Der Wortlaut „begründet“ deutet eine gewisse Grundlegung an und erfasst allemal Forderungen, die bereits entstanden sind (arg. e § 41 InsO). Aufschluss über ihre Beschaffenheit könnten auch §§ 38 ff., 191, 55 und 80 ff. InsO geben, die mit § 38 InsO in Zusammenhang stehen.
1. §§ 38 – 46 InsO §§ 38 – 46 InsO präzisieren die Eigenschaften einer Insolvenzforderung. Nach § 41 InsO gelten Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht fällig sind, als fällig; § 42 InsO betrifft mit den auflösend bedingten ebenfalls nur entstandene Forderungen.28 Die „künftige Forderung“ wird nur in § 44 InsO erwähnt. Dessen Formulierung im Konjunktiv („Forderung, die sie [. . .] künftig gegen den Schuldner erwerben könnten“) belegt, dass es um Forderungen geht, deren Entstehung noch ungewiss ist. § 44 InsO betrifft künftige Regressforderungen eines Bürgen. Sie sollen erst dann im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden dürfen, wenn der Hauptgläubiger seine Forderung, die ihm gegen den Insolvenzschuldner zusteht, nicht geltend macht bzw. den Bürgen in Anspruch nimmt. Der Grund dafür liegt keineswegs in der künftigen oder ungewissen Natur der Forderung, sondern in der aus ihrem Sicherungscharakter resultierenden Gefahr, dass ihr Wert und die mit ihr verknüpften Gläubigerbeteiligungsrechte im Insolvenzverfahrens ansonsten doppelt berücksichtigt werden könnten.29 Daher sollte man aus § 44 InsO keine Anforderungen an die Forderungsbegründung ableiten, wie es aber
26 Vgl. BGH, 06.11.1978 – VIII ZR 179/77, BGHZ 72, 263, 266 unter Hinweis auf Jaeger/ Henckel, KO, 9. Aufl., § 3 Anm. 31. 27 Vermögensansprüche sind Forderungen auf eine geldwerte Leistung, die mit dem Vermögen des Schuldners beigetrieben werden kann, Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 63. 28 § 42 InsO wird analog auf die auflösend befristete Forderung angewandt, Muthorst, ZIP 2009, 1794, 1795. 29 Kübler/Prütting/Bork/Holzer, InsO, 32. EL, § 44 Rz. 1 f.
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§ 3 Künftige Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO
Henckel30 entgegen der herrschenden Meinung31 macht. § 44 InsO kann im Gegenteil entnommen werden, dass es sich bei der künftigen Regressforderung um eine Forderung handeln muss, die gemäß § 38 InsO begründet ist.32 § 44 fügt § 38 InsO also nichts hinzu, sondern nimmt einige Forderungen, die gemäß § 38 InsO am Insolvenzverfahren teilhaben dürfen, aus speziellen Gründen heraus.
2. § 191 InsO § 191 InsO regelt die „aufschiebend bedingte Forderung“. Ihr subsumiert man Forderungen mit rechtsgeschäftlicher Bedingung i. S. v. § 158 BGB, mit Rechtsbedingung oder ungewissem Fälligkeitstermin.33 § 191 InsO trifft eine Regelung für den Fall, dass die Forderung zum Zeitpunkt der Verteilung der Masse immer noch nicht durchgesetzt werden kann oder noch nicht entstanden ist. Er setzt daher voraus, dass der potentielle Gläubiger am Insolvenzverfahren teilnehmen durfte, und muss deshalb gänzlich auf dem Begründungsmerkmal von § 38 InsO aufbauen.34 Aus diesem systematischen Kontext ergibt sich, dass mit der aufschiebend bedingten Forderung jede Insolvenzforderung i. S. v. § 38 InsO gemeint ist, deren Durchsetzbarkeit oder Entstehung noch von einem ungewissen Ereignis abhängig ist, während gewiss entstehende Forderungen § 41 InsO unterfallen.35 Dass die ausstehende Bedingung für § 191 InsO genauso eine Rechtsbedingung sein kann, ist also keine Besonderheit, da § 38 InsO jedwede „persönlichen“ Vermögensforderungen erfasst, einerlei ob sie ihre Grundlage in einem Vertrag oder dem Gesetz haben.36 Auch wer den Satz im Hinterkopf hat, dass die Rechtsbedingung keine i. S. v. § 158 BGB ist,37 darf darin keine Besonderheit sehen, da § 67 KO38, der § 191 InsO zugrunde liegt, älter als §§ 158 ff. 30 Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 109, der die Eigenschaft der Regressforderung als Insolvenzforderung allein aus ihrer jeweiligen Akzessorietät ableiten will, dabei aber über das Merkmal der Begründung hinweggeht und somit unnötig eine Ausnahme zum Tatbestand des § 38 InsO generiert. 31 RG, 20.11.1903 – VII 288/03, RGZ 58, 11; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl. 2010, § 38 Rz. 39; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl. 2013, § 38 Rz. 31; Westphal, in: Nerlich/ Römermann, InsO, 25. EL, § 191 Rz. 3. 32 Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, § 44 Rz. 3; Kübler/Prütting/Bork/Holzer, InsO, 26. EL, § 38 Rz. 29. 33 Hmbg.Ko-InsO/Herchen, 4. Aufl. 2012, § 191 Rz. 6; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 191 Rz. 2 f. 34 MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl/Kebekus/Schwarzer, 3. Aufl. 2013, § 191 Rz. 2 (noch deutlicher: Vorauflage Rz. 4). 35 Vgl. MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl, 2. Aufl. 2007, § 191 Rz. 4 f.; MünchKommInsO/Bitter, 3. Aufl. 2013, § 41 Rz. 8, 1. 36 Hahn, Materialien zur KO, Bd. 4, S. 53. 37 Palandt/Ellenberger, 73. Aufl. 2014, Einf v § 158 Rz. 3, 5. 38 Vom 20.05.1898 (RGBl. S. 612), entspricht § 60 KO vom 10.02.1877, RGBl. 1877 Nr. 10, dazu Hahn, Materialien zur KO, Bd. 4, S. 259 f.
III. Vorgaben für eine „begründete“ Forderung
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BGB ist und überdies § 158 BGB nicht die „aufschiebend bedingte Forderung“ definiert, sondern lediglich Regeln für den Fall aufstellt, dass die Forderung von einer rechtsgeschäftlich gesetzten Bedingung abhängig ist.39 § 191 InsO bestätigt damit, dass § 38 InsO künftige Forderungen unterfallen, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, und eine solche Forderung unabhängig von der Herkunft ihrer noch ausstehenden Voraussetzung „bedingt“ genannt werden kann. Überdies zeigt § 191 InsO, dass es für § 38 InsO unerheblich ist, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie entsteht: Auch die Forderung, die höchst unwahrscheinlich jemals werthaltig wird, nimmt nämlich zunächst und bis zum Schluss als Insolvenzforderung am Verfahren teil (arg e § 191 II, § 77 III Nr. 1 InsO). Im Übrigen fügt § 191 InsO dem Begründungsmerkmal aus § 38 InsO kein eigenes Element hinzu.
3. § 55 InsO Nach einer in der Literatur sehr verbreiteten Auffassung soll das Merkmal der Forderungsbegründung in § 38 InsO der Abgrenzung zur Masseforderung dienen.40 Bei Eröffnung begründete Forderungen wären Insolvenzforderungen, später begründete wären Masse- oder insolvenzfreie Forderungen. Diese Sichtweise hat § 55 I Nr. 1 InsO für sich. Es gibt allerdings zahlreiche Masseforderungen, die bei Verfahrenseröffnung bereits begründet waren; sie werden zu Masseforderungen „aufgewertet“, damit oder weil die Gegenleistung der Masse zu Gute kommt (§ 55 I Nr. 2 InsO).41 Man denke etwa an einen aufschiebend bedingt geschlossenen Vertrag, dessen Bedingung während des Verfahrens eintritt. Wenn der Insolvenzverwalter sich für dessen Erfüllung entscheidet (§ 103 InsO), so entsteht für den Gläubiger eine Masseforderung (§ 55 I Nr. 2 InsO), obwohl diese zum Zeitpunkt der Eröffnung als aufschiebend bedingte Forderung den Anforderungen von § 38 InsO entspräche.42 Genauso erstarkt ein bei Eröffnung bereits begründeter Räumungsanspruch von der Insolvenz- zur Masseforderung, wenn der Insolvenzverwalter die spätere Nutzung der Immobilie veranlasst.43 Auch wenn nicht jede Masseforderung den Tatbestand von § 38 InsO erfüllt, ist es daher jedenfalls für zahlreiche Masseforderungen i. S. v. § 55 I Nr. 2 InsO 39
Siehe dazu bereits oben § 2 bei Fn. 178. Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, § 38 Rz. 13; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl. 2013, § 38 Rz. 16; Hess/ders., Insolvenzrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2013, § 38 Rz. 10; Kübler/ Prütting/Bork/Holzer, InsO, 26. EL, § 38 Rz. 7; Reischl, InsR, 2. Aufl. 2011, Rz. 375; zurückhaltender Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 16.11. A. A. Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 38 Rz. 31. 41 Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 38 Rz. 31; MünchKomm-InsO/Hefermehl, 3. Aufl. 2013, § 55 Rz. 116 f. 42 Vgl. auch M. Huber, NZI 2002, 467, 469 ff. 43 Hmbg.Ko-InsO/Jarchow, 4. Aufl. 2012, § 55 Rz. 31. 40
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§ 3 Künftige Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO
angebracht, von privilegierten Insolvenzforderungen zu sprechen.44 Damit kann das Begründungsmerkmal nicht der Abgrenzung zur Masseforderung dienen.45 Wo der genannte Ansatz der Literatur hinführt, zeigen die Dauerschuldverhältnisse, deren Forderungen man je nach ihrer Beschaffenheit bei Insolvenzeröffnung als Insolvenz- oder Masseforderungen qualifizieren möchte.46 Die herrschende Literatur differenziert hier zwischen Forderungen, die aus dem einmal zu Anfang begründeten „Stammrecht“47 hervorgehen, und solchen, die zwar im situativen Rahmen dieses Schuldverhältnisses entstehen, in ihm jedoch nicht von Anfang an angelegt waren.48 Letztere würden in jedem Leistungsabschnitt „fort und fort“ neu begründet,49 so dass man ihnen die Eigenschaft als Insolvenzforderung mangels Begründung zum Eröffnungszeitpunkt abspricht, obwohl der maßgebliche Vertrag – genauso wie bei den „Stammrechten“ – vor Eröffnung bereits geschlossen war.50 Das trägt Irritationen in die herrschende Auslegung hinein, nach der ein einmal vorhandenes Schuldverhältnis für die Begründung einer Forderung doch allemal genügen soll (oben II.). Die Motive zur Konkursordnung haben eine solche Abgrenzung sicherlich befördert, da sie für die Problematik auf den Forderungsentstehungszeitpunkt des Bürgerlichen Rechts verwiesen,51 der für Forderungen aus Dauerschuldverhältnissen eine solche Abgrenzung kennt, aber hieran eben entstandene von nicht entstandenen Forderungen sondert.52 Ausschlaggebend für die Einordnung als eine „fort und fort“ begründete (Masse‑)Forderung soll dementsprechend die Abhängigkeit von einer durch den Gläubiger zu erbringenden Gegenleistung sein.53 Hinter diesem Kriterium steht der Gedanke, dass ein neuer auf Leistung und Gegenleistung beruhender 44 So BGH, 06.11.1978 – VIII ZR 179/77, BGHZ 72, 263, 266; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 14.03, nennt sie ‚unechte Masseforderungen‘. 45 Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 38 Rz. 31. 46 Vgl. Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 158 (erörtert unter „Einzelfragen zur zeitlichen Abgrenzung“). 47 Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 158; Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 38 Rz. 36; Reischl, InsR, 2. Aufl. 2011, Rz. 376. 48 Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 158; Braun/Bäuerle, InsO, 5. Aufl. 2012, § 38 Rz. 6 f.; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl. 2013, § 38 Rz. 19 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 16.16; Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 38 Rz. 35 – 37; Reischl, InsR, 2. Aufl. 2011, Rz. 376; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl. 2010, § 38 Rz. 58 ff. 49 Kübler/Prütting/Bork/Holzer, InsO, 26. EL, § 38 Rz. 26. Solche Schuldverhältnisse „Wiederkehrschuldverhältnisse“ zu nennen (Kübler/Prütting/Bork/Holzer, InsO, 26. EL, § 38 Rz. 26 – 27; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl. 2013, § 38 Rz. 23), ist ungünstig, da dies Assoziationen mit § 46 InsO weckt, der gerade Insolvenzforderungen regelt (vgl. auch Hmbg. Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 38 Rz. 37). 50 Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 158. 51 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 25 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 53). 52 Oben § 2 S. 48 f. 53 Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 158; Braun/Bäuerle, InsO, 5. Aufl. 2012, § 38 Rz. 6 f.; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl. 2013, § 38 Rz. 19 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 16.16; MünchKomm-InsO/Hefermehl, 3. Aufl. 2013, § 55 Rz. 158; Uhlenbruck/ Sinz, InsO, 13. Aufl. 2010, § 38 Rz. 58.
III. Vorgaben für eine „begründete“ Forderung
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Leistungsaustausch mit der Masse, welcher der Anreicherung der Masse dient, nur erreicht werden kann (bzw. im Fall von § 108 InsO gerechtfertigt sein soll), wenn der Gläubiger seinerseits voll befriedigt wird.54 Diese Wertung bringt gerade § 55 I Nr. 2 InsO zum Ausdruck. In Wirklichkeit handelt es sich also nur um die Art von Masseforderungen, die gemäß § 38 InsO begründet sind, aber aus besonderen insolvenzrechtlichen Wertungen privilegiert und zu Masseforderungen aufgewertet werden. Dazu passt, dass die Abhängigkeit von einer Gegenleistung ohnehin keine Eigenschaft einer einzelnen Forderung ist, sondern im Schuldverhältnis angelegt ist.55 All das zeigt, dass Kriterien, die gemäß § 55 InsO über die Eigenschaft als Masseforderung entscheiden, über die „Begründung“ einer Forderung nichts aussagen. Die Missachtung dessen führt dazu, dass die Trennlinie zwischen begründeten und erst später begründeten Forderungen oftmals künstlich und kasuistisch erfolgt. Richtigerweise sind Masseforderungen nicht am Begründungsmerkmal von § 38 InsO abzugrenzen, sondern anhand von § 55 InsO, der als lex specialis gegenüber § 38 InsO vorrangig ist.56
4. §§ 80 ff. InsO Rechtshandlungen des Schuldners nach der Verfahrenseröffnung haben gemäß §§ 80 ff. InsO keine Wirkungen gegenüber der Masse. §§ 80 ff. InsO sollen ausschließen, dass der Schuldner die Masse zulasten der Gläubiger weiter schmälert.57 Forderungen, welche der Schuldner wider §§ 80 ff. InsO zur Entstehung bringt, können nur als sog. Neuforderung58 gegen das massefreie Vermögen des Schuldners gerichtet sein.59 Dementsprechend heißt es in den Motiven zur Konkursordnung, dass Bedingungen, deren Eintritt von einer Tätigkeit des Gemeinschuldners abhängt, die Forderung von der Teilnahme am Konkursverfahren „gänzlich“ ausschließen.60 Das stellt §§ 80 ff. InsO in Zusammenhang mit dem Merkmal der Begründung der Insolvenzforderung: Der Schuldner muss eine Erklärung oder Handlung, die zur Begründung der Forderung nötig ist, bereits vor Verfahrenseröffnung erbracht haben, sonst kann daraus keine Insolvenzforderung mehr werden.
54 BGH, 06.11.1978 – VIII ZR 179/77, BGHZ 72, 263, 266; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 14.04; MünchKomm-InsO/Hefermehl, 3. Aufl. 2013, § 55 Rz. 147. 55 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 2 I 3. 56 Überzeugend und klar: Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 38 Rz. 31. 57 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 10.02. 58 Oben bei Fn. 13. 59 Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 88; Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 38 Rz. 28. 60 Motive zur KO, Hahn, Materialien zur KO, Bd. 4, S. 53 und 259.
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5. Ratio legis Insolvenzgläubiger erhalten qua ihrer Stellung zwar eine Reihe von verfahrensrechtlichen Befugnissen, wie Antrags‑, Stimm- oder Widerspruchsrechte.61 § 38 InsO ist dennoch keine verfahrensrechtliche, sondern eine materiell-rechtliche Vorschrift.62 Es geht um die Teilhabe am Massevermögen; § 38 InsO soll mit dem Insolvenzgläubiger diejenige Person beschreiben, der die Masse haftungsrechtlich zugewiesen ist.63 Das stellt § 38 InsO wiederum in unmittelbaren Zusammenhang mit § 80 InsO: Damit diese Zuweisung überhaupt funktioniert und die Masse der Gläubigerbefriedigung dienen kann, wird dem Schuldner der Einfluss auf die Masse nach § 80 InsO nämlich entzogen.64 Eine Insolvenzforderung, die noch nicht entstanden, aber bereits begründet ist, zeichnet also aus, dass der Einfluss des Schuldners auf die Grundlegung der Forderung abgeschlossen ist und gerade hierin zum Ausdruck kommt, dass die Masse auch dieser Forderung zur Befriedigung zugewiesen ist, wenn diese später zulasten der Masse entsteht. Die Masse soll nach § 38 InsO nur demjenigen zugewiesen sein, demgegenüber der Schuldner seine mögliche Haftung schon begründet hat. Der materiell-rechtliche Gehalt von § 38 InsO äußert sich auch in der Perspektive, aus der § 38 InsO auszulegen ist. Ginge es schlicht um verfahrensrechtliche Teilnahmerechte, so würde dem Gläubiger jede künftige Forderung genügen; es würde sogar nicht schaden, wenn in Wirklichkeit keine Forderung vorliegt, solange der Gläubiger die Existenz einer solchen behauptet.65 Wenn demgegenüber in Frage steht, wer an der Vermögensverteilung teilhat, muss die Forderung entstanden sein. Daraus ergibt sich eine ganz andere Sichtweise auf die Beschaffenheit der künftigen Forderung zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Das wird deutlich, wenn man den verbreiteten Satz betrachtet, dass Potestativbedingungen auf Seiten des Schuldners für eine Insolvenzforderung ausgeschlossen seien.66 Daran ist zwar richtig, dass Forderungen, die der Schuldner nach seinem Willen zur Entstehung bringt, wegen §§ 80 ff. InsO keine Insolvenzforderungen sein können.67 Soll sich dieser Satz aber auf die Zukunft beziehen, so wird er in Bezug auf Forderungen ungenau, die schon begründet sind, aber zu ihrer Entstehung noch ein weiteres Rechtsgeschäft des Schuldners erfordern. Als Beispiel sei eine vertragliche Abfindungsforderung genannt, die erst entstehen wird, wenn der 61
Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 38 Rz. 58. Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 38 Rz. 4; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl. 2013, § 38 Rz. 5; Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 8; HK-Kreft/Eickmann, 6. Aufl. 2011, § 38 Rz. 2. 63 Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 87; HK-Kreft/Eickmann, 6. Aufl. 2011, § 38 Rz. 1. 64 Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 38 Rz. 2. 65 MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl. 2013, § 38 Rz. 15. 66 Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 38 Rz. 33; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl, 2. Aufl. 2007, § 191 Rz. 4. Zum Begriff der Potestativbedingung § 2 bei Fn. 170. 67 Motive zur KO, Hahn, Materialien zur KO, Bd. 4, S. 259. 62
IV. Beschaffenheit der künftigen Forderung
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Schuldner eine Kündigung ausspricht. Weil die Verfügungsmacht gemäß § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht, könnte anstatt des Schuldners nämlich auch der Insolvenzverwalter die Forderung zur Entstehung bringen, indem er die Kündigung ausspricht und die Potestativbedingung erfüllt.68 Dann würde die Forderung – jedenfalls als Insolvenzforderung69 – zulasten der Masse entstehen und gerade nicht an §§ 80 ff. InsO scheitern, obwohl sie ursprünglich von einem Zutun des Schuldners abhängig war.
IV. Beschaffenheit der künftigen Forderung Aus den vorstehend ermittelten Anforderungen ergeben sich folgende Merkmale einer begründeten Forderung. Eine begründete Forderung liegt allemal vor, wenn sie entstanden ist, aber aus § 191 InsO folgt, dass auch künftige Forderungen bei Verfahrenseröffnung schon „begründet“ sein können. § 191 InsO belegt zudem, dass die Entstehung der Forderung bei Verfahrenseröffnung noch ungewiss sein durfte. Da nach § 38 InsO von der Forderung immerhin etwas vorhanden sein muss, was es rechtfertigt, dass ihr die Masse bereits zugewiesen ist, muss ein Tatbestand vorhanden gewesen sein, aus dem hervorgeht, wer der spätere Gläubiger ist, und aus dem die spätere Forderung immerhin entstehen konnte. Es geht also um einen Tatbestand, der die mögliche Haftung der Masse repräsentiert und ihre Zuweisung zu einem potentiellen Gläubiger im Eröffnungszeitpunkt erlaubt. Aus dem Zusammenhang mit § 80 InsO folgt, dass der Schuldner zu diesem Tatbestand, aus dem sich die Forderung bereits entwickeln konnte, im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung alles beigetragen haben muss, was seitens des Schuldners für einen solchen Tatbestand erforderlich ist. Hieraus ergibt sich, dass eine künftige Forderung im Minimum „begründet“ ist, wenn der schuldbegründende Akt des Schuldners stattgefunden hat.
1. Forderungen kraft Rechtsgeschäfts Für Forderungen, die kraft Rechtsgeschäfts entstehen, bedeutet dies, dass die Willenserklärung des Schuldners schon vor der Insolvenzeröffnung abgegeben sein muss. Die herrschende Meinung geht daher zu weit, sofern sie ein 68 Den Handlungen des Insolvenzverwalters sind solche gleichzustellen, bei denen der Schuldner als Eigenverwalter auftrat oder vom Insolvenzverwalter ermächtigt war, vgl. Becker, InsR, 3. Aufl. 2010, Rz. 276. 69 Zwar entsteht bei Handeln des Insolvenzverwalters regelmäßig eine Masseforderung, Jaeger/ Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 83. Es kann sich aber auch um eine Insolvenzforderung handeln, wenn ihre Grundlage bereits gelegt war, vgl. OLG Frankfurt, 16.09.2004 – 3 U 205/03, NZI 2004, 667: Insolvenzforderung, wo die Kündigung des Insolvenzverwalters, welche die Forderung zur Entstehung bringt, nur Vollzug der vor Verfahrenseröffnung gelegten Grundlagen ist.
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beiderseitiges Schuldverhältnis zur Voraussetzung der „Begründung“ erhebt.70 Zwar wird in der Praxis auch der Gläubiger in der Regel seine forderungsbegründende Willenserklärung abgegeben haben. Aber erforderlich ist das nicht: Nimmt er ein ihm vor Insolvenzeröffnung unterbreitetes Vertragsangebot des Schuldners an, ändert der Umstand, dass hieraus Masseforderungen entstehen (§ 55 I Nr. 2 InsO), nichts an ihrer Begründung zum Eröffnungszeitpunkt (oben III.3.).71 Darüber hinaus erfordert § 38 InsO schon seiner Zielsetzung nach keine Bindung des Gläubigers. Ist der forderungsbegründende Wille des Schuldners auf diese Weise erklärt, so ist es unschädlich, wenn zur Entstehung dieser Forderung noch ein weiteres Rechtsgeschäft des Schuldners erforderlich ist. Sie kann dann nämlich überhaupt nur als Forderung gegen die Masse entstehen, wenn der Insolvenzverwalter dieses Rechtsgeschäft bewilligt (§ 80 InsO).72
2. Forderungen kraft Gesetzes oder Hoheitsakts Für Forderungen, die aufgrund Gesetzes oder Hoheitsakts bestehen, ist der schuldbegründende Akt nicht so prägnant zu umschreiben. Für die Begründung deliktischer Schadensersatzforderungen gilt, dass die schadensstiftende unerlaubte Handlung des Schuldners bereits vor Verfahrenseröffnung vorgelegen haben muss, während die Rechtsgutsverletzung oder der Eintritt des Schadens auch nachher noch eintreten können.73 Mit dieser unerlaubten Handlung hat der Schuldner einen Tatbestand gesetzt, aufgrund dessen die Forderung später entstehen konnte, ohne dass sein weiterer Einfluss erforderlich war.
3. Rechtsprechungsanalyse Der BGH erkennt etwa eine künftige Forderung auf ein Anwaltshonorar als „begründet“ an, wenn der Anwaltsvertrag vor dem Eröffnungszeitpunkt abgeschlossen wurde, obgleich die den Gebührentatbestand auslösende Tätigkeit erst nachher erfolgte; als Argument diente ihm der „Rechtsgrund“ im Anwaltsvertrag, zu dem die Tätigkeit nicht gehöre.74 Rückgriffsforderungen von Sicherungsgebern, deren Inanspruchnahme erst nach der Insolvenzeröffnung erfolgt, sind nach dem BGH „begründete“ Forderungen, und zwar unabhängig davon, ob sich die Rückgriffsforderung aus einem Sicherungsvertrag, aus den Vorschriften über die berechtigte oder unberechtigte GoA oder aus Bereicherungsrecht ergibt; 70
So etwa Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 82. Vgl. BGH, 14.09.2001 – V ZR 231/00, DNotZ 2002, 275, 277. 72 Oben bei Fn. 68. 73 Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 38 Rz. 47, 49; Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 169; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl. 2013, § 38 Rz. 26. 74 BGH, 07.04.2005 – IX ZB 195/03, NJW-RR 2005, 990, 991. 71
IV. Beschaffenheit der künftigen Forderung
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als Argument dient der Hinweis, dass die Rückgriffsforderung die Eigenschaft der gesicherten Forderung als Insolvenzforderung teilen müsse, wohl da „der Rechtsgrund“ bei einem gesetzlichen Schuldverhältnis wie der unberechtigten GoA nicht so leicht zu definieren gewesen wäre.75 Richtigerweise müssen für beide Fälle, die Rückgriffsforderungen und den Anwaltsvertrag, aber die gleichen Erwägungen gelten; ausschlaggebend war, dass in beiden Fällen, mit dem Anwaltsvertrag und mit dem Vertrag zwischen Gläubiger und Sicherungsgeber (!) ein Tatbestand vorlag, aus dem sich eine Forderung gegen den Schuldner ergeben konnte, ohne dass noch eine Rechtshandlung des Schuldners nötig gewesen wäre. Irreführend ist die Argumentation von BGHZ 63, 74. Der BGH sprach hier einer Forderung eines Maklers, der nach Verfahrenseröffnung tätig geworden ist, die Eigenschaft als „begründete“ Forderung ab, obwohl der Maklervertrag vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurde. Als Grund führte er an, dass erst die Tätigkeit des Maklers den rechtlichen und tatsächlichen Schwerpunkt des forderungsbegründenden Tatbestands bilde.76 Dass hieran Zweifel angebracht sind, beweist schon der Vergleich mit dem eben angeführten Anwaltsvertrag: Warum soll die Tätigkeit einmal typisch sein und ein andermal nicht? Richtigerweise war die Forderung gleichwohl „begründet“, da mit dem Vertrag eine Grundlage gelegt war, aufgrund derer die Forderung entstehen konnte, ohne dass ein Zutun des Schuldners erforderlich war. Dem Ziel des BGH, die Maklerforderung als Masseforderung zu qualifizieren, steht dies nicht entgegen; Maßstab hierfür sind nämlich nicht das Begründungsmerkmal, sondern allein die speziellen Wertungen von § 55 InsO (oben III.3.). Indem der BGH dies in seiner Argumentation vermischt, leistet er einer Kasuistik sowie dem falschen Verdacht Vorschub, als komme es auf den verbleibenden Einfluss des Gläubigers an. In einer anderen Entscheidung fällt die Argumentation des BGH entsprechend vorbildlich aus, wenn er zunächst feststellt, dass es sich um eine nach § 3 KO (heute: § 38 InsO) begründete Forderung handelt und anschließend ihre Eigenschaft als Masseforderung unter der Prämisse prüft, dass sie „nur dann gegenüber anderen Forderungen als Masseschuld privilegiert ist, wenn sie unter einen der in § 59 KO [heute: § 55 InsO] aufgeführten Tatbestände fällt.“77 Wegen des verbleibenden Einflusses auf der Schuldnerseite ist die Abfindungsforderung des Geschäftsführers aus einem vor Insolvenzeröffnung abgeschlossenen Geschäftsführervertrag interessant, wenn sie durch eine Kündigung des Insolvenzverwalters entsteht. Das OLG Frankfurt sah sie richtigerweise als Insolvenzforderung an, obwohl man sie dogmatisch als Forderung unter einer 75 BGH, 06.12.2007 – IX ZR 215/06, WM 2008, 260. Die Einordnung der Rückgriffsforderung als Insolvenzforderung ist h. M.: RG, 20.11.1903 – VII 288/03, RGZ 58, 11; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl. 2010, § 38 Rz. 39; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl. 2013, § 38 Rz. 31; Westphal, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, § 191 Rz. 3. 76 BGH, 20.09.1974 – IV ZR 52/73, BGHZ 63, 74, 76, zum früheren § 25 VerglO, der § 38 InsO entspricht. Vgl. auch Bork, ZIP 1991, 988, 992. 77 BGH, 06.11.1978 – VIII ZR 179/77, BGHZ 72, 263, 266.
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Potestativbedingung auf Schuldnerseite ansehen müsste:78 Für ihre „Begründung“ gemäß § 38 InsO ist allerdings nicht maßgeblich, ob es sich bei der Kündigung um eine aufschiebende Bedingung nach Art einer Fälligkeitsregelung oder einer Vertragsbedingung handelte,79 sondern dass mit dem Geschäftsführervertrag ein vom Schuldner gesetzter Tatbestand vorlag, aus dem eine Forderung zulasten der Masse entstehen konnte.80 Abschließend sei auf die Vergütungsforderung des Vormunds nach § 1836 II BGB eingegangen. Der an sich unentgeltlich tätige Vormund kann danach von dem Mündel eine Vergütung fordern, wenn sie nach dem Ermessen des Gerichts ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Nach der herrschenden Auffassung soll diese Forderung solange nicht „begründet“ sein, wie die erforderliche Bewilligung des Gerichts aussteht.81 Dabei ist man offenbar zu sehr der Vorstellung eines „Rechtsbodens“ erlegen, der zugegebenermaßen erst plastisch wird, wenn das Gericht der Vergütungsforderung eine Grundlage gibt, indem es sie bewilligt. Geht man die Kette der stets nur durch einen Referenzverweis „belegten“ Quellen für diese Auffassung zurück, zeigt sich jedoch, dass Entscheidungen zitiert werden, die ohne insolvenzrechtlichen Kontext den Entstehungszeitpunkt solcher Forderungen thematisieren,82 und in erster Linie eine alte Gerichtsentscheidung unkritisch rezipiert worden ist.83 In dem in dieser Entscheidung seinerseits angeführten Referenzurteil heißt es dann aber, dass eine solche Forderung zwar erst mit dem Gerichtsbeschluss entsteht, aber schon vorher als rechtsbedingte Forderung begründet war.84 Das ist richtig, und zwar aus dem Grund, dass sich die Möglichkeit, dass eine solche Forderung zugunsten des Vormunds entstehen konnte, bereits aus der Tätigkeit des Vormunds für den Mündel ergibt, ohne dass hierfür jemals ein weiterer Akt des Schuldners (d. h. des Mündels) erforderlich wäre.85
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Dazu oben Fn. 66. OLG Frankfurt, 16.09.2004 – 3 U 205/03, NZI 2004, 667. 80 Die Aufwertung zu einer Masseforderung verneinte das OLG (Fn. 79). 81 Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 89; MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl. 2013, § 38 Rz. 78; Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1836 Rz. 7; auch Soergel/Zimmermann, 13. Aufl. 2000, § 1836 Rz. 45 am Ende, der auf das Ermessen („kann“) abstellt. Dagegen, allerdings ohne dogmatische Begründung, Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl. 2010, § 38 Rz. 31. 82 So BGH, 22.11.1974 – IV ZR 195/73, NJW 1975, 210, 211; RG, 17.01.1930 – III 160/29, RGZ 127, 103, 106. 83 Jaeger, KO, 5. Aufl. (1916), § 3 Anm. 18, mit Verweis auf KG, 19.09.1913 – 1a X 833/13, KGJ 45, S. 44, 47 f., das durch Verweis auf KGJ 27, A 179 urteilte, dass die Vergütungsforderung mangels erfolgter Bewilligung noch keine Konkursforderung i. S. v. § 3 KO sei. 84 KG, 29.02.1904 – 1 J 156/04, KGJ 27, A 179, 181. 85 Im Ergebnis auch Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl. 2010, § 38 Rz. 31. Zu den Voraussetzungen der Forderung nach § 1836 II BGB MünchKomm-BGB/Wagenitz, 6. Aufl. 2012, § 1836 Rz. 31 – 39. 79
VI. Dogmatik
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V. Ergebnis Die Abgrenzung zur Masseforderung vollzieht sich nicht am Tatbestandsmerkmal der Begründung in § 38 InsO. War die Forderung bei Verfahrenseröffnung gemäß § 38 InsO begründet, so ist nicht ausgeschlossen, dass sie aus Gründen, die bei § 55 InsO zu verorten sind, eine Masseforderung ist. Damit eine Forderung gemäß § 38 InsO begründet ist, müssen auf Seiten des Schuldners die Grundlagen für die Haftung der Masse bereits gelegt sein. Für Forderungen, die ihre Grundlage in einem Vertrag haben, genügt es, wenn die Willenserklärung des Schuldners bereits abgegeben ist. Für Forderungen, die kraft Gesetzes oder Hoheitsakts entstehen, kommt es darauf an, dass zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung der schuldbegründende Akt gesetzt wurde, aufgrund dessen die weitere Entstehung der Forderung zugunsten des späteren Gläubigers möglich ist, ohne dass hierfür ein Zutun des Schuldners erforderlich wäre. Die Identifizierung dieses haftungsbegründenden Akts muss die Gewähr dafür bieten, dass der Forderungstatbestand im Wesentlichen bereits soweit verwirklicht ist, dass die hieraus hervorgehende Bindung der Masse dem Schuldner immer noch zugerechnet werden kann, obwohl er bei Entstehung der Forderung nicht mehr verwaltungs- und verfügungsbefugt ist.
VI. Dogmatik Im Folgenden soll für die kraft Rechtsgeschäfts und kraft Gesetzes entstehenden Forderungen ein Begriff aus der herrschenden Rechtsdogmatik ausgewählt werden, der die Anforderungen an eine gemäß § 38 InsO begründete Forderung treffend wiedergibt. Hierbei gilt, dass beide Forderungsarten dasselbe Phänomen eint: Beide sind begründet, wenn der konkrete Akt des Schuldners (die Willenserklärung oder die jeweilige Rechtshandlung) gesetzt ist, welcher die potentielle Haftung konstituiert. Da einheitliche Phänomene durch einheitliche Begriffe zu beschreiben sind, ist ein gemeinsamer Begriff zu suchen. Dabei ist insbesondere klärungsbedürftig, ob sich die begründete Forderung mit dem Begriff des Schuldverhältnisses gleichsetzen lässt, wie es die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur praktizieren.
1. Forderungen kraft Rechtsgeschäfts Für rechtsgeschäftliche Forderungen wäre dies nur zutreffend, wenn die an einen bestimmten Gläubiger adressierte Willenserklärung des Schuldners bereits als Schuldverhältnis bezeichnet werden kann. Hat man als Leitvorstellung ein vertragliches Schuldverhältnis vor Augen, so wirkt das befremdlich. Aber schon § 311 II BGB macht die Beschreibung eines einseitigen Rechtsgeschäfts als Schuldverhältnis
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„salonfähig“, zumal ein Schuldverhältnis nicht mit der Entstehung der in ihm beheimateten Forderungen gleichzusetzen ist und Erwerbsaussichten beinhalten kann (§ 2 A.). Wichtig erscheint zudem, dass dem Schuldverhältnis die Bindung bzw. die Haftung einer Person wesensimmanent sind,86 um die es bei § 38 InsO an sich geht. Gegen die Beschreibung als Schuldverhältnis spricht allerdings, dass die problematischen Fälle bei § 38 InsO nicht eine bestehende, sondern nur eine potentielle Haftung bzw. Verpflichtung betreffen. Ob diese Nuance mit dem Begriff des Schuldverhältnisses besonders gut zum Ausdruck kommt, ist eher zweifelhaft. Mit dem Schuldverhältnis eine Willenserklärung zu bezeichnen, die noch ihrer Annahme harrt, würde wohl eher betonen, dass trotz einer fehlenden Schuld bereits eine Sonderverbindung zwischen dem Erklärenden und dem Empfänger mit Pflichten nach § 241 II BGB besteht (vgl. § 2 A.II.), während bei § 38 InsO nicht dies, sondern gerade die Erwerbsaussicht im Mittelpunkt steht. Die Weite des Schuldverhältnisbegriffs wird auch im Fall eines Rahmenvertrags deutlich. Dieser ist ein Schuldverhältnis, aber für § 38 InsO kann er nicht genügen, da es für eine Insolvenzforderung noch einer Willenserklärung des Schuldners in Bezug auf den konkreten Vertrag bedürfte, der die Forderung hervorbringen soll. Daher ist wohl der Begriff der aufschiebend bedingten Forderung geeigneter, um eine künftige Forderung, die i. S. v. § 38 InsO begründet ist, zu beschreiben. Eine solche Begriffswahl kommt nicht nur der Vorstellung des Gesetzgebers näher (§ 191 InsO), sondern grenzt den Lebenssachverhalt innerhalb einer Beziehung zweier Personen auf die maßgebliche Willenserklärung ein, aus der die Forderung entstehen wird. Der Rückgriff auf die Bedingungslehre ermöglicht zudem die Differenzierung zwischen Potestativ- und Wollensbedingungen, wobei nur letztere auf Seiten des Schuldners ausgeschlossen ist.87 Der Begriff des Anwartschaftsrechts, der gelegentlich ins Feld geführt wird, um der (Rechts‑)Bedingung mehr Kontur zu verleihen, wäre indes zu eng, da es bei § 38 InsO unerheblich ist, wenn der Schuldner die Forderungsentstehung noch verhindern kann. Allenfalls ließe sich die Aussicht des Insolvenzgläubigers auf den Erwerb einer Forderung als Anwartschaft bezeichnen, weil jedenfalls ein konkretes Tatbestandsmerkmal schon verwirklicht ist (§ 2 D.). Dagegen spricht aber die vergleichsweise geringe und missverständliche Bedeutung dieses Begriffs in der Rechtspraxis.88
2. Forderungen kraft Gesetzes oder Hoheitsakts Zu untersuchen bleibt, wie all diejenigen Forderungen terminologisch in den Griff zu bekommen sind, die kraft Gesetzes oder Hoheitsakts entstehen. Für ihre Begründung ist die Verwirklichung des schuldbegründenden Sachverhalts 86
Larenz, Schuldrecht I, § 1 S. 5 u. § 2 I; HkK/Dorn, § 241 Rz. 40 ff. Vgl. oben im Text ab Fn. 66. 88 Oben § 2 bei Fn. 131. 87
VI. Dogmatik
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notwendig, aus dem zugunsten eines bestimmten Gläubigers eine Forderung entstehen kann, ohne dass für die Schuldbegründung ein weiteres Zutun des Schuldners erforderlich wäre. Es geht also auch hier um potentielle Haftung, deren Grundlage seitens des Schuldners bereits gelegt ist. Da kraft Gesetzes entstehende Forderungen – anders als rechtsgeschäftliche Forderungen – eine Vielzahl haftungsbegründender Akte kennen, ist es Aufgabe der Rechtswissenschaft, diese Akte im Einzelnen herauszuarbeiten. In diese Richtung geht der Vorschlag aus der insolvenzrechtlichen Literatur, die Verwirklichung des „typischen Tatbestandsmerkmals“ zu verlangen,89 oder der grundlegende Ansatz von Hans Würdinger, der hierüber die Anwartschaften definieren will.90 Unter Umständen kann auch ein Vertrag ein solch haftungsbegründender Akt sein: Er fungiert hier aber nicht – wie bei rechtsgeschäftlichen Forderungen – als Quelle der Forderung, sondern als Sachverhalt, an den gesetzliche Vorschriften anknüpfen, die die Bedingungen der Forderungsentstehung festlegen. Sobald etwa zwischen einem Bürgen und einem Dritten ein Bürgschaftsvertrag geschlossen ist, steht fest, wem unter welchen Bedingungen eine Regressforderung gegen den Hauptschuldner zustehen kann, selbst wenn sich diese Regressforderung aus dem Gesetz ergibt. Die Identifizierung solcher haftungsbegründenden Akte muss bei § 38 InsO die Gewähr dafür bieten, dass der Forderungstatbestand im Wesentlichen bereits so weit verwirklicht ist, dass die hieraus hervorgehende Bindung der Masse dem Handeln des Schuldners vor Verfahrenseröffnung immer noch zugerechnet werden kann. Wegen dieser Bindung wird man an ihnen auch den Beginn des gesetzlichen Schuldverhältnisses festmachen können (siehe schon § 2 A.V.2.). Angesichts der vergleichsweise geringeren Prägnanz des Schuldverhältnisbegriffs, wird allerdings auch hier der Begriff der bedingten Forderung aufschlussreicher sein, um solche Aussichten zu beschreiben.
3. Fazit Künftige Forderungen, die gemäß § 38 InsO begründet sind, lassen sich als bedingte Forderungen im oben festgestellten Sinne (§ 2 S. 42) bezeichnen, so dass sowohl die durch Rechtsgeschäft als auch die sich aus dem Gesetz ergebende Bedingung gemeint sind. Aufschiebend befristete Forderungen sind ihnen selbstverständlich an die Seite zu stellen. Der abstrakten Unterscheidung von Henckel, wonach bedingte Forderungen Insolvenzforderungen seien, künftige dagegen nicht,91 kann – auf Grundlage des hier zugrunde gelegten Begriffsverständnisses – daher zugestimmt werden.
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Oben Fn. 22. S. § 2 S. 30. 91 So Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 38 Rz. 89. 90
§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen Künftige Forderungen begegnen bei der Anwendung von §§ 392, 406 BGB und § 95 InsO. Bevor diese Vorschriften untersucht werden (B. – E.), seien zunächst die Grundlagen des Rechts der Aufrechnung in Erinnerung gerufen und der Standort der künftigen Forderung bestimmt (A.). Da die in der Aufrechnung involvierten Forderungen nicht immer einheitlich bezeichnet werden, sei für das folgende Kapitel klargestellt: Die Forderung, mit der aufgerechnet wird, ist hier die Gegenforderung, während diejenige, gegen die aufgerechnet wird, die Hauptforderung ist.1
A. Künftige Forderung in der Systematik des Aufrechnungsrechts I. Entwicklung des Aufrechnungsrechts Die Wurzeln der Aufrechnung liegen, außer in Zweckmäßigkeitserwägungen, noch in der Dolo-facit-Einrede, da „arglistig“ handelt, wer begehrt, was er sogleich zurückgewähren müsste (Dolo malo facit qui petit quod mox redditurus est).2 Zudem würde ein Gläubiger seinem Schuldner die Mittel vorenthalten, die dieser benötigt, um seine Schuld zu begleichen, wenn er von ihm Zahlung verlangen dürfte, obwohl er selbst der ihm obliegenden Schuld nicht nachkommt.3 Anhand dieser Grundsätze entwickelte sich im Römischen Recht das Rechtsinstitut der Kompensation, über die sich noch die Pandektisten uneinig waren, ob sie zum Erlöschen der Forderung ipso iure führte, also gewissermaßen kraft Bestehens der Kompensationslage und unabhängig vom Parteiwillen, oder eben erst durch Erklärung der Aufrechnung.4 Die Auffassung, dass die Aufrechnungslage nur ein (ggf. beiderseitiges) Recht zur Aufrechnung zur Folge habe, kraft dessen die Forderungen vernichtet werden können, setzte sich schließlich durch,5 ebenso wie die dann stark diskutierte Konzeption der Rückwirkung 1
Zu dieser Terminologie etwa Serick, BB 1982, 873 Fn. 3. Bromberg, Aufrechnungslage, 1909, S. 15 f.; HkK/Zimmermann, §§ 387 – 396 Rz. 1. 3 Berger, S. 61 f. 4 Vgl. Zimmermann, Law of Obligations, S. 760 f.; Brinz, Compensation, 1849, S. 1 – 9; Bromberg, Aufrechnungslage, 1909, S. 18 – 24; Heck, Grundriß des Schuldrechts, § 60, S. 182; HkK/Zimmermann, §§ 387 – 396 Rz. 11 – 13. 5 Bromberg, Aufrechnungslage, 1909, S. 24. 2
A. Künftige Forderung in der Systematik des Aufrechnungsrechts
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der Aufrechnung.6 Entsprechend wurden die Regelungen des BGB gestaltet. Die Diskussion der BGB-Vorschriften drehte sich sodann um die rechtliche Natur des Aufrechnungsrechts.7 Das führte zur heute herrschenden Einordnung als Gestaltungsrecht, und zwar als ein materiell-rechtliches im Gegensatz zur prozessualen Natur des Instituts im Römischen Recht.8
II. Funktionen der Aufrechnung Seit jeher wird über die Funktion der Aufrechnung sinniert. Eine Extremposition in dieser Debatte bildet die Tilgungstheorie, welche die Aufrechnung nur als Erfüllungssurrogat, als Befreiung von der eigenen Schuld und damit als Leistung des Schuldners betrachtet.9 Die andere ist die Befriedigungstheorie, die vom Standpunkt der Gegenforderung denkt und die Aufrechnung als privaten Akt zu deren Vollstreckung ansieht:10 Die Gegenforderung werde gegen den Willen des Schuldners durchgesetzt, indem ihr Wert gewissermaßen durch Schuldenabbau realisiert wird; in den Motiven zum BGB ist hierzu von „Selbstexekution“ die Rede.11 Doch wie man das Blatt auch dreht und wendet, man wird den Eindruck nicht los, als könne man jedes Problem aus dem Blickwinkel beider dieser Funktionen betrachten. Genauso wie das Gesetz von Forderungen sprechen kann, kann es – wie etwa das preußische ALR – die Aufrechnung aus der Perspektive der Schulden formulieren.12 Die beiden Extrempositionen vereint zu betrachten, ist daher heute zu Recht ganz herrschende Meinung (sog. Kombinationstheorie):13 Keine Regelung kann nur den einen Aspekt umsetzen, wohl aber kann das Gesetz den einen oder anderen betonen.14 Wird dazu geschrieben, dass das Gesetz in §§ 387 ff. BGB wegen ihrer systematischen Stellung und der Wirkung aus § 389 BGB die Tilgungsfunktion in den Vordergrund rücke, während das Insolvenzrecht durch die Privilegierung der Gegenforderung (§§ 94 ff. InsO) die Befriedigungsfunktion im Blick habe,15 so darf nicht untergehen, dass § 387 BGB den Befriedigungscharakter nicht weniger zum Ausdruck bringt, wenn er voraussetzt, dass der aufrechnende 6
HkK/Zimmermann, §§ 387 – 396 Rz. 23 ff. Dazu Bromberg, Aufrechnungslage, 1909, S. 25 ff. 8 Zimmermann, FS Medicus, S. 707, 710 f.; ders., Law of Obligations, S. 761 ff. 9 Staudinger/Kaduk, BGB, 10./11. Aufl. 1978, Vorbem. zu § 387 Rz. 8 – 24; Oertmann, AcP 113 (1915), 376, 411 – 427; Bromberg, Aufrechnungslage, 1909, S. 26 ff., 31. 10 In der Tendenz Leonhard, ArchBürgR 21 (1902), 171, 206 – 211. 11 Motive, Bd. 2, S. 113. 12 Bspw. § 342 des 1. Theils, Titel 16, ALR. 13 Berger, S. 70 – 76; Burmester, S. 13 – 18; Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 I 3 a; Staudinger/ Gursky, BGB, Neubearb. 2011, Vor §§ 387 ff. Rz. 7; Windel, KTS 2000, 215, 217 f.; HkK/ Zimmermann, §§ 387 – 396 Rz. 39. 14 Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 I 3 a. 15 Staudinger-Eckpfeiler/Olzen, Rz. G‑50; Spliedt, DZWIR 2000, 418, 423; Bötticher, FS Schima, S. 95, 98. 7
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
Gläubiger „die ihm gebührende Leistung fordern [. . .] kann“.16 Die Tendenz, dass sich die Befriedigungsfunktion verstärkt im Insolvenzrecht offenbare, mag allenfalls unter der Hypothese erklärbar sein, dass die Parteien strikt in ihrem Interesse handeln: Im Allgemeinen muss man nicht auf eigene Initiative hin aufrechnen, sondern kann abwarten, bis die Hauptforderung geltend gemacht wird; Verzug muss man nicht fürchten, da er infolge der Rückwirkung der Aufrechnung (§ 389 BGB) wieder beseitigt werden kann;17 man könnte die Gegenforderung also einstweilen in der Hinterhand behalten und hoffen, dass die Geltendmachung der Hauptforderung unterbleibt. Die daraus resultierende abwartende Haltung entspricht eher der Tilgungsfunktion. Im Fall der Insolvenz des Aufrechnungsgegners verspricht dieser Weg, die Gegenforderung aufzubewahren, keinen wirtschaftlichen Erfolg, sondern nur die „Quote“, während die Aufrechnung das Mittel ist, um die Gegenforderung in ganzer Höhe zu realisieren (dazu B.). Hier liegt die Initiativlast daher wesentlich mehr auf Seiten des Gläubigers der Gegenforderung, was dem Bild der Selbstvollstreckung näher kommt.
III. Aufrechnungsbefugnis als Forderungselement? Nach herrschendem Verständnis der subjektiven Rechte existieren diese mit verschiedenen Inhalten, etwa als Herrschaftsrechte, Gestaltungsrechte oder Forderungsrechte.18 Einzelne subjektive Rechte vereinen ihrerseits wiederum verschiedene Befugnisse in sich.19 Aus rechtsdogmatischer Sicht könnte man das Aufrechnungsrecht deshalb entweder als ein eigenes subjektives Recht in Form eines Gestaltungsrechts ansehen oder aber die Aufrechnungsbefugnis als ein Element des subjektiven Rechts „Forderung“ verstehen. Letztere Auffassung hat v. Tuhr vertreten und so wird es heute bisweilen immer noch gesehen.20 Da nur mit einer fälligen und nicht einredebehafteten Gegenforderung aufgerechnet werden kann, wäre die Aufrechnungsbefugnis in Konsequenz dieser Auffassung ein Element, das einer Forderung in ihrem Werdensprozess erst ganz am Ende zuwüchse; die künftige Forderung enthielte es jedenfalls noch nicht. Berücksichtigt man jedoch, dass die Befugnis zur Aufrechnung mit einer Gegenforderung nicht ohne die Hauptforderung gedacht werden kann, ergeben 16
Vgl. Habermeier, JuS 1997, 1057, 1058 u. 1061. Dietrich, AcP 170 (1970), 534, 538. 18 Siehe auch oben § 2 B. Brox/Walker, AT BGB, Rz. 621 – 632; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 3 I 2; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 17 Rz. 6 – 19; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 13 Rz. 24. 19 Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 13 Rz. 25 f.; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 17 Rz. 33; Schulze, Die Naturalobligation, S. 186 mit Fn. 776 und S. 461 – 465; Staudinger/Schmidt, BGB, Neubearb. 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rz. 118 ff. 20 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 15 II. Ebenso Schulze, Die Naturalobligation, S. 461 – 465; Wolf/Neuner, AT, 10. Aufl., § 19 Rz. 23; Köhler, BGB Allgemeiner Teil, § 17 Rz. 33. 17
A. Künftige Forderung in der Systematik des Aufrechnungsrechts
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sich Zweifel an dieser Ansicht. Die Aufrechnungsbefugnis ist nämlich ebenso ein Aspekt der Schuld, und zwar als Ausdruck der Ermächtigung, anstatt der an sich geschuldeten Leistung seine Gegenforderung zur Erfüllung der Hauptforderung einzusetzen (Tilgungsfunktion). Nun sind Schuld und Forderung regelmäßig zwei Seiten derselben Medaille, aber nicht in diesem Kontext: Der Tilgungsaspekt wäre Teil der Haupt‑, der das Fordern berührende Aspekt Teil der Gegenforderung. Die Aufrechnungsbefugnis kann also nicht allein einer der beiden Forderungen innewohnen und tritt damit zwangsläufig aus dem Kreis der Elemente einer Forderung heraus. Eine Forderung verkörpert nicht die Befugnis, sich von einer beliebig anderen und ggf. sogar außerhalb des Schuldverhältnisses bestehenden Forderung zu befreien. Die Auffassung v. Tuhrs wäre nur konsequent im Sinne einer reinen Befriedigungstheorie, die allein auf die Durchsetzungsfunktion der Aufrechnung in Bezug auf die Gegenforderung abstellt. In das heute geltende Verständnis einer Kombination aus Tilgungs- und Durchsetzungsfunktion (oben II.) fügt sie sich allerdings nicht ein.
IV. Aufrechnung als subjektives Recht Will man die Aufrechnungsbefugnis als eigenes subjektives Recht beschreiben, so müsste sie bestimmte durch ihren Rechtsinhalt festgelegte Interessen innerhalb eines (Privat‑)Rechtsverhältnisses schützen.21 Diese sind hier keinesfalls deshalb als gering zu veranschlagen, weil sich Haupt- und Gegenforderung wirtschaftlich aufheben. Im Gegenteil stecken hinter der Aufrechnung mannigfache Interessen, die über dasjenige, Transaktionskosten für einen an sich sinnlosen Leistungsaustausch zu sparen,22 hinausgehen. Das Aufrechnungsrecht verkörpert ein Sicherungsinteresse, welches von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung ist.23 Erhebliches Gewicht erfährt es im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr, in dem die Aufrechnung den Aufwand und das Risiko erspart, die eigene Forderung (aus eigener Initiative) grenzüberschreitend geltend zu machen.24 Das Aufrechnungsrecht ist damit ein eigenes subjektives Recht, welches eine Forderung (und die durch sie verkörperten Möglichkeiten) ergänzt bzw. die Hauptforderung (aus Sicht ihres Gläubigers, der eine andere Leistung akzeptieren muss) einschränkt. Aus der Perspektive der Tilgungsfunktion gedacht, tritt es als eigenes subjektives Recht neben die vorhandenen Erfüllungssurrogate.25 21 Zum subjektiven Recht vgl. bereits oben § 2 B. Brox/Walker, AT BGB, Rz. 620; Larenz/ Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 13 Rz. 24. 22 Dazu Burmester, S. 13. 23 Vgl. Berger, S. 75; Jeremias, S. 121; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 8. Aufl. 2011, Rz. 5.356, 6.474 ff. 24 Berger, S. 5 f. 25 Vgl. Berger, S. 74, der von einem „Schuldtilgungsgeschäft sui generis“ spricht, in der Sache aber ein subjektives Recht meint.
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
Die Auffassung, wonach die Aufrechnungslage sogar ein Pfandrecht an der Hauptforderung darstelle,26 dürfte aber zu weitgehend sein. Im Insolvenzrecht hat diese Auffassung noch aktuelle Bedeutung, jedoch aus anderem Grunde, nämlich der dem Pfandrecht vergleichbaren Absonderungswirkung des Aufrechnungsprivilegs aus §§ 94 f. InsO.27 Nach dieser Auffassung sei der Aufrechnungsberechtigte als Gläubiger der Gegenforderung zugleich Inhaber eines Pfandrechts an der gegen ihn gerichteten Hauptforderung;28 zu seiner Befriedigung aus diesem Pfandrecht könne er die Aufrechnung erklären, das Pfand dadurch zum Erlöschen bringen und durch diese Befreiung von seiner Schuld Befriedigung für seine Gegenforderung erlangen.29 Eine solch weitgehende Interpretation der Aufrechnungslage als eine „Belastung“30 der Hauptforderung würde Gegen- und Hauptforderung jedoch zu fest aufeinander beziehen, wo dieser Bezug, etwa im Falle mehrerer sich gegenüber stehender Forderungen, einer entsprechenden Bestimmung des Aufrechnungsberechtigten vorbehalten bleiben müsste. Die Sichtweise als Pfandrecht ist zudem zu sehr dem Bild der Durchsetzungsfunktion verhaftet.31 Eine gewisse Nähe zum Pfandrecht ist freilich nicht zu leugnen und wird an anderer Stelle noch offenbar (unten E.). Die Aufrechnung ist damit ein eigenes, außerhalb – auch außerhalb des Schuldverhältnisses – stehendes subjektives Recht, welches auf bestehende Forderungen aufbaut.32 Unabhängig von der Anschauung über die Funktion der Aufrechnung – als Recht zu tilgen oder sich zu befriedigen –, steht es per definitionem immer dem Inhaber der Gegenforderung zu. Nur insoweit, also was seine Zuordnung angeht, ist es an die Gegenforderung gekoppelt. Stehen sich zwei durchsetzbare Forderungen gegenüber, so kann also jede der Parteien aufrechnen, aber nicht weil dieses Recht auch ein Aspekt der Schuld ist, sondern weil jeder Inhaber einer durchsetzbaren Gegenforderung ist.
V. Aufrechnungslage als Rechtsposition Wer die Bedeutung einer künftigen Aufrechnungslage untersuchen will, muss sich zunächst Klarheit über den Stellenwert der bestehenden Aufrechnungslage verschaffen. Hierüber herrschte lange Uneinigkeit.33 Fraglich war, ob sie zwei 26 Weigelin, S. 38 – 49; Bötticher, FS Schima, S. 95, 100 – 110; Larenz, Schuldrecht I, § 18 VI e); Leonhard, ArchBürgR 21 (1902), 171, 209 f.; Dieckmann, in Leipold (Hrsg.), S. 211; Bromberg, Aufrechnungslage, 1909, S. 30 f. m. Nachw. 27 Windel, KTS 2000, 215, 222. 28 Zu dem noch heute eingeräumten, eigentlichen Pfandrecht an der eigenen Schuld siehe § 7 Fn. 7. 29 Bromberg, Aufrechnungslage, 1909, S. 30 f. 30 Weigelin, S. 42. 31 v. Wilmowsky, NZG 1998, 481, 482; Oertmann, AcP 113 (1915), 376, 378 f. 32 Im Ergebnis ebenso Berger, S. 74. 33 Vgl. HkK/Zimmermann, §§ 387 – 396 Rz. 28 f.; Windel, KTS 2000, 215, 219 f.; Dietrich, AcP 170 (1970), 534.
A. Künftige Forderung in der Systematik des Aufrechnungsrechts
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rechtlich zusammenhanglose – nicht einmal zwingend wirtschaftlich konnexe – Forderungen beschreibt, die erst mit Erklärung der Aufrechnung zu einem sinnhaften Gefüge werden, oder ob sie selbst etwas darstellt. Das Reichsgericht sprach der Aufrechnungslage noch jegliche Bedeutung ab, als es attestierte, dass sich die beiden Forderungen vor Abgabe der Aufrechnungserklärung „objektiv völlig fremd, gleichgültig und wirkungslos“ gegenüberstehen, ohne dass sich objektiv eine gegenseitige Einwirkung vollziehe.34 Es ging davon aus, dass nur der Wille des Forderungsberechtigten die beiden Forderungen zueinander in Beziehung setze und dieser Wille regelmäßig erst in der Aufrechnungserklärung zum Ausdruck komme.35 Der BGH grenzte sich davon ab.36 Er hob hervor, dass man der Aufrechnungserklärung zwar nicht jegliche Bedeutung absprechen kann, aber doch erkennen muss, dass die Aufrechnungslage wirtschaftlich die eigentliche Grundlage für die Aufrechnung bilde, so dass man ihren Inhaber in bestimmten Situationen vor deren Verlust schützen müsse.37 Angesichts dieser Meinungslage muss man gar nicht annehmen, dass Reichsgericht und BGH so weit auseinanderliegen. Ersterem ist nämlich zuzugeben, dass die ‚Einwirkung‘ der einen auf die andere Forderung erst durch Inbezugsetzung beider Forderungen mittels der Aufrechnungserklärung erfolgt, während der Auffassung des BGH Anerkennung dafür zu zollen ist, dass die schlichte Existenz zweier aufrechnungsreifer Forderungen eben ein subjektives Recht und als solches einen potentiellen wirtschaftlichen Wert verkörpert (s. o. IV.); objektiv bilden Hauptund Gegenforderung damit bereits gemeinsam einen Vermögenstatbestand38 und damit den objektiven Tatbestand, den ein subjektives Recht benötigt.39 Diese ausgleichende Bewertung, welche weder der Aufrechnungserklärung noch der Aufrechnungslage jegliche materielle Bedeutung abspricht, ist heute herrschende Meinung, wenngleich sie im Einzelnen unterschiedlich ausgedrückt wird.40 Dabei mutet es als Frage semantischen Geschmacks an, diesen Vermögenstatbestand als „objektiv-vermögensrechtlichen Tatbestand“41 oder lediglich als „Kontaktverhältnis“42 zu beschreiben.43 Der Grad an rechtlicher Verfestigung, den man mit dem einen oder anderen Begriff mehr oder weniger verbinden mag, ist ohnehin von den jeweiligen Vorschriften abhängig, die diesen 34 RG, 25.01.1907 – VII 99/06, RGZ 66, 266, 273; RG, 05.03.1928 – IV 682/27, RGZ 120, 280, 283. 35 RG, 25.01.1907 – VII 99/06, RGZ 66, 266, 273. 36 BGH, 20.06.1951 – GSZ 1/51, BGHZ 2, 300, 302 – 305. 37 BGH, 20.06.1951 – GSZ 1/51, BGHZ 2, 300, 305. 38 Windel, KTS 2000, 215 passim; Höhn/Kaufmann, JuS 2003, 751, 752. 39 Ähnlich Windel, KTS 2000, 215, 226. 40 Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 I 4; Larenz, Schuldrecht I, § 18 VI d/e); Windel, KTS 2000, 215; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2011, Vor §§ 387 ff. Rz. 19 f.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rz. 304; Soergel/Schreiber, BGB, Vor § 387 Rz. 1; Dietrich, AcP 170 (1970), 534. 41 Windel, KTS 2000, 215. 42 Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 I 4 b. 43 Weitere, ältere Umschreibungen bei Windel, KTS 2000, 215, 224.
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
Tatbestand gegenüber auftretenden Hindernissen bewahren wollen (§§ 392, 406 BGB, §§ 94 f. InsO).
VI. Aufrechnungslage und künftige Forderungen Zur Aufrechnung muss die Gegenforderung fällig, die Hauptforderung erfüllbar sein (§ 387 BGB). Das Fälligkeitserfordernis für die Gegenforderung entspricht der Befriedigungsfunktion der Aufrechnung: Weil der Aufrechnende seine Forderung durchsetzt, ist Voraussetzung, dass er auch fordern darf.44 Daher folgt aus § 387 BGB (und keinesfalls aus § 388 S. 2 BGB), dass die Aufrechnung mit einer aufschiebend bedingten bzw. künftigen Gegenforderung nicht möglich ist.45 Wer dennoch die Aufrechnung mit ihr erklärt, muss sie erneut erklären und erzielt auch damit die Wirkung nur ab dem Zeitpunkt, zu dem die seinerzeit künftige Forderung ihre Durchsetzbarkeit erlangt hatte.46 Eine Ausnahme enthielt die Konkursordnung; sie ließ immerhin eine quasi vorbehaltsweise Aufrechnung mit einer aufschiebend bedingten Gegenforderung (§ 54 III KO) sowie die Aufrechnung mit einer noch nicht fälligen Gegenforderung (§§ 54 II, 65 KO; vgl. demgegenüber § 95 I 2 InsO) zu.47 Die Insolvenzordnung hat das allerdings – als „systemwidrig“48 – abgeschafft. Die Hauptforderung, die durch Aufrechnung getilgt werden soll, muss wenigstens erfüllbar sein, weil der Schuldner die Leistung in der Regel auch vor der bestimmten Leistungszeit bewirken kann (§§ 387, 271 BGB). Das Gesetz setzt daher voraus, dass die Forderung besteht. Das war bereits im Gemeinen Recht so und es war dort sogar verlangt, dass auch die Hauptforderung fällig sein müsste, sprich nicht lediglich erfüllbar sein durfte.49 In der Frühzeit des BGB wollte man das – unter dem Thema „Aufrechnung gegen eine Nichtschuld“ – in Frage stellen, da man nicht einsehen wollte, warum der künftige Schuldner nicht in Erwartung seiner künftigen Schuld seine Leistung erbringen und damit gewissermaßen in Vorleistung gegenüber seiner Schuld treten können soll.50 Dies wäre immerhin denkbar, soweit man eine künftige Forderung selbst als Gegenstand einer 44 Lind, Aufrechnungsvoraussetzungen, 1905, S. 30, 36 – 38; Zimmermann, FS Medicus, S. 707, 731. 45 BGH, 10.03.1988 – VII ZR 8/87, BGHZ 103, 362, 367; Lind, Aufrechnungsvoraussetzungen, 1905, S. 33; Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 IV 1. 46 Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 IV 1. Vgl. auch Lind, Aufrechnungsvoraussetzungen, 1905, S. 37 f., zur Diskussion zum Gemeinen Recht. 47 Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. (1958), § 54 Anm. 3, 11. 48 BT-Drucks. 12/2443, S. 140 f. 49 Lind, Aufrechnungsvoraussetzungen, 1905, S. 40 f. In anderen Rechtsordnungen ist das nach wie vor der Fall, allerdings ausgehend von einer prozessualen Konzeption der Aufrechnung, dazu Zimmermann, FS Medicus, S. 707, 731 f. 50 Leonhard, ArchBürgR 21 (1902), 171 m. w. N., der die Aufrechnung gegen eine Nichtschuld für zulässig hielt (ebd., S. 201 – 223); ebenso Heck, Grundriß des Schuldrechts, § 61, S. 183.
B. Künftige Aufrechnungslagen in der Insolvenz
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Verfügung anerkennt (dazu § 11 B.III.5.) und die Aufrechnung als Verfügung über die künftige Hauptforderung ansieht. Indes ist mit der Aufrechnung zugleich auch eine Verfügung über die Gegenforderung verbunden und diesbezüglich ist arg. e § 388 S. 2 BGB eine Schwebelage nicht hinnehmbar, die jedoch zwangsläufig aus der Unsicherheit resultieren müsste, ob die Hauptforderung überhaupt entsteht. In Anbetracht der ohnehin klaren Vorgaben von § 387 BGB hat sich diese Auffassung daher mit Recht nicht durchgesetzt; eine Aufrechnung gegen eine noch nicht entstandene Forderung lässt § 387 BGB nicht zu.51 Künftige oder aufschiebend bedingte Hauptforderungen, mögen sie auch durch ein Schuldverhältnis begründet sein, können nicht durch Aufrechnung beseitigt werden.52 Es kann damit weder mit noch gegen eine künftige Forderung aufgerechnet werden. Dennoch spielen künftige Forderungen – im Insolvenzrecht (§ 95 InsO) oder im BGB (§ 392, § 406 BGB) – als Bestandteile einer künftigen Aufrechnungslage eine Rolle. Von Interesse ist dabei, welche Funktion sie erfüllen, welche Beschaffenheit sie aufweisen müssen, und ob die künftige Aufrechnungslage gleichsam als greifbare Vorstufe zur bestehenden Aufrechnungslage eine gewisse Objektivierung aufweist.
B. Künftige Aufrechnungslagen in der Insolvenz Der Schutz der künftigen Aufrechnungslage gemäß §§ 94 – 96 InsO hat sich aus §§ 53 – 55 der Konkursordnung entwickelt und ist älter als das BGB.53 §§ 94 – 96 InsO regeln die Aufrechnung eines Insolvenzgläubigers, mit der dieser nicht bloß in Höhe der Quote, sondern in voller Höhe aufrechnen will, um damit den ganzen Wert seiner Gegenforderung zu realisieren; die Aufrechnung des Massegläubigers54 oder des Insolvenzverwalters regeln §§ 94 ff. InsO nicht (vgl. § 94 InsO).55 Daher stehen im Folgenden die Hauptforderung immer für die Forderung des Insolvenzschuldners, und die Gegenforderung für die des Insolvenzgläubigers. 51
HkK/Zimmermann, §§ 387 – 396 Rz. 45. BGH, 20.10.2011 – IX ZR 10/11, NZI 2011, 936, 937; BGH, 10.03.1988 – VII ZR 8/87, NJW 1988, 2542, 2543; MünchKomm-BGB/Schlüter, 6. Aufl. 2012, § 387 Rz. 38; SchmidtFutterer/Streyl, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 566b Rz. 27; Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 II 1, V 2; Larenz, Schuldrecht I, § 18 VI a.4; Soergel/Schreiber, BGB, § 387 Rz. 10; Staudinger/Kaduk, BGB, 10./11. Aufl. 1978, § 387 BGB Rz. 103. Begrifflichkeiten in der Literatur müssen hier mit Vorsicht aufgenommen werden: Das Erfordernis der Entstehung der Forderung mit ihrer Begründung zu umschreiben (etwa Staudinger/Kaduk, BGB, 10./11. Aufl. 1978, § 387 BGB Rz. 103), ist in diesem Kontext nämlich mindestens missverständlich: Dass die Forderung begründet ist, kann zu leicht in dem Sinne verstanden werden, dass ihr Rechtsgrund gelegt sein müsse, und dies ist eben noch nicht hinreichend. 53 §§ 53 – 55 KO vom 20.05.1898 (RGBl. S. 612) entsprechen §§ 46 – 48 KO vom 10.02.1877, RGBl. 1877 Nr. 10, S. 351; abgedruckt bei Hahn, Materialien zur KO, Bd. 4, S. 778 f. 54 Zum Begriff oben § 3 S. 58 f. 55 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 19.01a; Kayser, WM 2008, 1477, 1478 f.; Peitsch, S. 11 f.; Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 94 Rz. 56; 62. 52
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
I. Gesetzliche Rahmenbedingungen 1. § 94 InsO Nach § 94 InsO berührt ein Insolvenzverfahren ein bei seiner Eröffnung bestehendes Aufrechnungsrecht des Insolvenzgläubigers nicht; der Gläubiger braucht seine Forderung also nicht zur Tabelle anzumelden, sondern kann durch Erklärung der Aufrechnung gegen eine Forderung des Insolvenzschuldners Befriedigung erlangen, ohne auf die Quote beschränkt zu sein.56 Aus dem Blickwinkel der Befriedigungsfunktion betrachtet, verliert der Gläubiger seine Befugnis zur „Privatvollstreckung“ also durch das Insolvenzverfahren nicht, was angesichts von § 89 I InsO beachtlich ist. Im praktischen Ergebnis kommt diese Sonderstellung einem Absonderungsrecht nahe:57 Der Aufrechnungsberechtigte darf sich nämlich aus einem Gegenstand der Masse (die gegen ihn gerichtete Hauptforderung) unter Ausschluss aller anderen Gläubiger voll befriedigen.58 Er kann seine Forderung sogar in voller Höhe durchsetzen, während dem Absonderungsberechtigten noch die Kosten der Verwertung abgezogen werden (§§ 170 I, 171 I InsO).59 Das belegt die Brisanz der Aufrechnung aus dem Blickwinkel der übrigen Gläubiger: Der Aufrechnungsberechtigte verfügt über die Hauptforderung zu Lasten der übrigen Gläubiger.60
2. §§ 95 f. InsO Anders als § 94 InsO betrifft § 95 I 1 InsO eine künftige Aufrechnungslage, also eine solche, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht gegeben war, jedoch im Laufe des Insolvenzverfahrens entsteht. § 95 I 1 InsO erweitert damit § 94 InsO, indem er auch denjenigen Insolvenzgläubiger privilegiert, der sein Aufrechnungsrecht erst während des Verfahrens erwirbt. Voraussetzung hierfür ist eine künftige Aufrechnungslage, bei der sich Haupt- und Gegenforderung bei Verfahrenseröffnung bereits als „aufschiebend bedingte“ gegenüberstanden.61
56 Bork, InsR-Einf., § 23 Rz. 311 f. Eine andere Frage ist, ob der Gläubiger nicht vorsorglich die Forderung anmeldet, weil der Insolvenzverwalter das Aufrechnungsrecht bestreitet, Bork, InsR-Einf., § 23 Rz. 311 Fn. 5. 57 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 229 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 219); BGH, 24.03.1994 – IX ZR 149/93, NJW 1994, 1659, 1660 („wirkt wie ein Absonderungsrecht“); Häsemeyer, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 650 Rz. 11; Pape/Uhlenbruck, InsR, Rz. 624. Spliedt, DZWIR 2000, 418, 423, macht deutlich, dass es bei diesem Vergleich um die Wirkung der Aufrechnung, nicht um die ratio legis von §§ 94 ff. InsO geht. 58 BGH, 24.03.1994 – IX ZR 149/93, NJW 1994, 1659, 1660. 59 Häsemeyer, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 650 Rz. 11; Peitsch, S. 11. 60 v. Wilmowsky, NZG 1998, 481, 487. 61 Peitsch, Insolvenzaufrechnung, S. 8.
B. Künftige Aufrechnungslagen in der Insolvenz
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Zudem darf die Hauptforderung nicht vor der Gegenforderung fällig bzw. durchsetzbar62 geworden sein (§ 95 I 3 InsO).63 Die allgemeinen Aufrechnungsvoraussetzungen des § 387 BGB lässt die Insolvenzordnung aber unberührt:64 Gegen- und Hauptforderung müssen in jedem Falle fällig bzw. erfüllbar65 sein, und beides fehlt, wenn die Forderung noch aufschiebend bedingt ist.66 § 95 I 1 InsO verneint sogar ausdrücklich die Aufrechenbarkeit von aufschiebend bedingten oder noch nicht fälligen bzw. noch ungleichartigen Forderungen und spricht damit – aus Sicht des BGB – an sich eine Selbstverständlichkeit aus (oben A.VI.).67 Das ist vor dem Hintergrund von § 54 KO erklärbar, der noch etwas anders lautete; die Ausrichtung der Aufrechnung an § 387 BGB erfolgte erst mit der Insolvenzordnung vom 05.10.1994.68 Nach § 54 KO durfte der Gläubiger einer aufschiebend bedingten Forderung zwar ebenso wenig aufrechnen; er konnte aber nach §§ 54 III, 171 KO darauf bestehen, dass der von ihm auf die Hauptforderung an den Schuldner bezahlte Betrag sichergestellt werde, um ihn – sollte seine Gegenforderung noch entstehen – nach einer Aufrechnung in voller Höhe zurückfordern zu können.69 Dem Konkursgläubiger war also nachgelassen, den Eintritt einer Aufrechnungslage abzuwarten.70 Im Vergleich zu § 387 BGB wirklich befreit war der Aufrechnende nur von den Vorgaben der Fälligkeit und Gleichartigkeit der Gegenforderung; die noch nicht fällige oder ungleichartige Gegenforderung wurde nämlich umgerechnet und war auf diese Weise aufrechenbar (§§ 54 II, IV, 65, 69, 70 KO; im Gegensatz dazu vgl. §§ 95 I S. 1 – 3 InsO).71 Neben § 95 InsO betreffen auch die Beschränkungen aus § 96 I Nr. 1 und 4 InsO künftige Forderungen. Sie sollen sinngemäß verhindern, dass Aufrechnungslagen nach Verfahrenseröffnung wider den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung geschaffen werden.72
62 „Fälligkeit“ in § 95 I 3 InsO meint allgemein Durchsetzbarkeit, BGH, 22.09.2005 – VII ZR 117/03, BGHZ 164, 159, 164 = NJW 2005, 3574, 3575. 63 Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 95 Rz. 7. 64 Hmbg.Ko-InsO/Jacoby, 4. Aufl. 2012, § 95 Rz. 2 f.; HK-Kreft/Kayser, 6. Aufl. 2011, § 95 Rz. 12. 65 Fn. 67. 66 Statt vieler: BFH, 20.07.2004 – VII R 28/03, DStRE 2004, 1440, 1441; Kayser, WM 2008, 1525, 1527. 67 § 95 I 1 InsO wird in Bezug auf die Hauptforderung berichtigend ausgelegt: Sie muss selbstverständlich nicht – über die allgemeinen Aufrechnungsvoraussetzungen hinaus – fällig sein; ausreichend ist ihre Erfüllbarkeit, Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 95 Rz. 7; Schießer, S. 56 f. 68 BGBl. I 1994, S. 2866; BT-Drucks. 12/2443, S. 140. 69 Schießer, S. 50 u. 54. 70 Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. (1973), § 54 Anm. 6. 71 Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. (1973), § 54 Anm. 1 – 4 u. 14. 72 Häsemeyer, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 654 ff. Rz. 28 – 36; Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 94 Rz. 1.
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
II. Problemstellung § 95 I 1 InsO grenzt künftige Forderungen aus, die noch nicht zu den bedingten Forderungen gehören, und schafft für den Rechtsanwender die Aufgabe, diese Grenze zu bestimmen. Insoweit zeigt sich die Rechtspraxis kreativ, aber undurchsichtig: Damit eine Forderung als aufschiebend bedingt gilt, wird verlangt, dass sie „ihrem Kern nach vorhanden“ ist (st. Rspr.);73 auch „Anwartschaften auf eine Aufrechnung“74, die „Erwerbsaussicht“75 und die Figur des Durchgangserwerbs werden bemüht.76 Im Zentrum der Diskussion steht die Frage, ob sog. rechtsbedingte Forderungen von § 95 I 1 InsO erfasst sind und wie sie beschaffen sein müssen. Auch das Verhältnis zu § 96 I Nr. 1 InsO wirft Fragen auf: § 96 I Nr. 1 InsO schließt die Aufrechnung aus, wenn der Gläubiger erst nach der Eröffnung etwas „schuldig geworden ist“, was im Fall einer bei Verfahrenseröffnung noch bedingten Hauptforderung immer der Fall ist und § 95 I 1 InsO daher in Teilen zu konterkarieren scheint. Da in der Praxis sehr häufig die Hauptforderung die künftige ist,77 ist die Bewältigung dieses Widerspruchs für die Tragweite von § 95 InsO bedeutsam.
III. Meinungsstand 1. Reichsgericht „Als aufschiebend bedingte Forderungen im Sinne der Konkursordnung [§ 54 KO] sind nicht nur solche anzusehen, die zufolge rechtsgeschäftlicher Bestimmung von einem Ereignisse abhängen sollen.“ – Mit diesen Worten wollte das Reichsgericht das Tatbestandsmerkmal der aufschiebenden Bedingung in § 54 KO (heute: § 95 InsO) auf „die gesetzlich bedingten Ansprüche“78 beziehen. Es stützte sich auf die Motive zur Konkursordnung, die unter einer aufschiebenden Bedingung auch die gesetzliche Bedingung verstanden.79 Zum Verhältnis von § 54 und § 55 KO 73 RG, 02.07.1928 – VI 63/28, RGZ 121, 367, 371; BGH, 01.06.1978 – III ZR 44/77, BGHZ 71, 380, 385; BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 4; BFH, 17.04.2007 – VII R 27/06, BB 2007, 2611, 2612. 74 BGH, 01.06.1978 – III ZR 44/77, BGHZ 71, 380, 385; Peitsch, S. 66 – 68 („obligatorisches Anwartschaftsrecht“). 75 BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 4. 76 BGH, 07.07.2003 – II ZR 271/00, NJW-RR 2003, 1690, 1691, der alle drei Vokabeln benutzt. 77 BFH, 05.10.2004 – VII R 69/03, NZI 2005, 276; BFH, 20.07.2004 – VII R 28/03, DStRE 2004, 1440; BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1; BGH, 29.06.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388; BFH, 21.09.1993 – VII R 119/91, DStR 1994, 95; BGH, 23.02.1989 – IX ZR 143/88, BGHZ 107, 88; OLG Stuttgart, 21.09.1988 – 1 U 23/88, NJW-RR 1989, 506; BGH, 03.12.1954 – V ZR 96/53, BGHZ 15, 333. 78 RG, 27.11.1903 – VII 278/03, RGZ 58, 11. 79 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 279 u. 281 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 260 u. 261) zu § 60 des Entwurfs. Die Motive sprechen hier sowohl von Forderung als auch von Anspruch synonym.
B. Künftige Aufrechnungslagen in der Insolvenz
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(heute: § 95 I 1 und § 96 I Nr. 1 InsO) deutete das RG an, dass derjenige, der zwar noch unter einer Bedingung schuldet, gleichwohl etwas „schuldig geworden“ sei.80 Diese Sichtweise bestätigte das RG später noch ausdrücklich.81 Zugleich umschrieb es die aufschiebend bedingte Forderung als eine, die „ihrem Kern nach“ schon vor Konkurseröffnung entstanden sei,82 womit die noch heute gepflegte „Kern-Rechtsprechung“ ihren Ausgang nahm.
2. BGH zur Konkursordnung Der BGH verortete die Problematik allein im Wortlaut von § 54 KO. Die widersprüchliche Auffassung des Reichsgerichts zu § 55 KO (Wie soll derjenige, der unter einer noch ausstehenden Bedingung etwas schuldet, bereits etwas schuldig sein?) teilte der BGH nicht. Er löste den Normwiderspruch, indem er einen systematischen Vorrang von § 54 KO vor § 55 S. 1 Nr. 1 Var. 2 KO annahm.83 Den Begriff der „aufschiebend bedingten Forderung“ wollte der BGH weit und im Sinne der Kern-Rechtsprechung auslegen.84 Erfasst würden rechtsbedingte Forderungen, wenn „lediglich ein Element der rechtlichen Voraussetzungen [. . .] noch nicht erfüllt ist“85, für dessen Eintritt es keiner weiteren rechtsgeschäftlichen Handlung des Forderungsinhabers bedarf.86 Dadurch würde die „zunächst zukünftige Forderung“ einen „Rechtsgrund“ erhalten.87 Danach erfasste § 54 KO etwa potentielle Rückgriffsforderungen eines Bürgen oder Hypothekenbestellers (§§ 774, 1143 BGB), künftige Auseinandersetzungsforderungen eines Gesellschafters oder die potentielle Verpflichtung des Beauftragten, gemäß § 667 BGB das aus der Geschäftsbesorgung Erlangte herauszugeben.88
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RG, 27.11.1903 – VII 278/03, RGZ 58, 11, 12. RG, 02.07.1928 – VI 63/28, RGZ 121, 367, 370 f. 82 RG, 02.07.1928 – VI 63/28, RGZ 121, 367, 369 – 371 (der Ausdruck „ihrem Kern nach“ befindet sich auf S. 371). Hier ging es um eine rechtsgeschäftlich aufschiebend bedingte Forderung (Wiederkaufpreisforderung des Schuldners nach Ausübung des Wiederkaufrechts durch den Konkursgläubiger). 83 BGH, 03.12.1954 – V ZR 96/53, BGHZ 15, 333, 335; BGH, 01.06.1978 – III ZR 44/77, BGHZ 71, 380, 384. 84 BGH, 01.06.1978 – III ZR 44/77, BGHZ 71, 380, 385; BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 4. 85 BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 4. 86 BGH, 03.12.1954 – V ZR 96/53, BGHZ 15, 333, 335; BGH, 06.11.1989 – II ZR 62/89, NJW 1990, 1301, 1302; BGH, 24.03.1994 – IX ZR 149/93, NJW 1994, 1659 f.; BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 4. 87 BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 4. 88 Vgl. BGH, 24.03.1994 – IX ZR 149/93, NJW 1994, 1659 f. 81
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
3. Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Insolvenzordnung Trotz der mit § 95 InsO verbundenen Änderungen (s. S. 83) hat der BGH seine Rechtsprechung zur Konkursordnung beibehalten: § 95 I 1 soll § 96 I Nr. 1 InsO vorgehen und die Kern-Rechtsprechung gilt weiterhin.89 Der Grund hierfür sei, dass der Schutz des Vertrauens, eine Forderung durch künftige Aufrechnung durchsetzen zu können, durch § 95 InsO nicht angetastet werde.90 Der BGH betont, dass die rechtsbedingte Forderung nur noch von einer gesetzlichen Voraussetzung abhängen dürfe und die Forderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens „ohne weiteres Zutun der Parteien – gleichsam automatisch – entsteht.“91 Damit solle verhindert werden, dass „aus Gründen der Insolvenz ‚künstlich‘ eine Aufrechnungsmöglichkeit geschaffen wird, die § 96 I InsO verhindern will.“92 Eine Berücksichtigung der Gewissheit, mit der es zum Eintritt der Bedingung kommt, lehnt der BGH ab.93 Auch die Rechtsprechung des BFH prägt die Auslegung von § 95 InsO. Der BFH pflegt ebenso die KernRechtsprechung, grenzt sich allerdings vom BGH dadurch ab, dass er es für unschädlich erachtet, wenn die Bedingung von einer weiteren Rechtshandlung des künftigen Forderungsinhabers abhängig ist.94
4. Literatur Die Literatur folgt mehrheitlich der Rechtsprechung.95 Lediglich Windel lehnt die Anwendbarkeit auf rechtsbedingte Forderungen im Gesamten ab und ist der Auffassung, dass § 95 InsO nur Forderungen erfasse, die i. S. v. §§ 158 ff. rechtsgeschäftlich bedingt seien.96 Was die Beschaffenheit rechtsbedingter Forderungen 89 BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 3 u. 4 f.; auch BFH, 17.04.2007 – VII R 27/06, BB 2007, 2611, 2612 u. 2614; Fischer, WM 2008, 1, 2 f.; Kayser, WM 2008, 1525, 1527. Den Vorrang von § 95 vor § 96 I Nr. 1 InsO betont auch BGH, 11.11.2004 – IX ZR 237/03, NZI 2005, 164. 90 BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 5. Zum Vertrauensschutz als Anliegen des § 54 KO BGH, 24.03.1994 – IX ZR 149/93, NJW 1994, 1659, 1660. 91 BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 6 f.: Das sei nicht der Fall, wenn der Anspruch durch eine Kündigung entsteht, wohl aber, wenn er infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens automatisch entsteht. 92 BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 7. 93 BGH, 09.03.2000 – IX ZR 355/98, NJW-RR 2000, 1295, 1296 f. 94 BFH, 23.02.2011 – I R 20/10, DZWIR 2011, 407, 408; BFH, 17.04.2007 – VII R 27/06, DStRE 2007, 1057, 1058 f. 95 Zum Vorrang von § 95 gegenüber § 96 InsO: Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl. 2010, § 95 Rz. 3; Hmbg.Ko-InsO/Jacoby, 4. Aufl. 2012, § 95 Rz. 20. Zur Anwendbarkeit auf rechtsbedingte Forderungen: MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl. 2013, § 95 Rz. 10; Hmbg.KoInsO/Jacoby, 4. Aufl. 2012, § 95 Rz. 8; HK-Kreft/Kayser, 6. Aufl. 2011, § 95 Rz. 14 f.; Kübler/ Prütting/Bork/Lüke, InsO, 14. EL, § 95 Rz. 18; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl. 2010, § 95 Rz. 10. 96 Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 95 Rz. 14, der konsequent in Bezug auf die meisten Forderungen, die die Rechtsprechung als bedingt akzeptiert, eine Aufrechnungsbefugnis verneint.
B. Künftige Aufrechnungslagen in der Insolvenz
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angeht, befürwortet die herrschende Meinung die Kern-Rechtsprechung,97 aber es gibt auch andere Ansätze. Nach Schießer ist eine Forderung rechtsbedingt, wenn ihr typisches Tatbestandsmerkmal erfüllt ist.98 Nach Jacoby ist eine Forderung „aufschiebend bedingt“, wenn sie den Anforderungen entspricht, die § 38 InsO an eine „begründete“ Forderung stellt; dabei möchte er den Maßstab von § 38 InsO – unter der Hypothese verkehrter Parteirollen – entsprechend auch auf die Hauptforderung anwenden.99 So vertritt es im Übrigen auch der BFH.100 Gegen diese Gleichstellung mit § 38 InsO wendet sich Häsemeyer, der rechtsgeschäftliche Bedingungen i. S. v. §§ 158 ff. BGB oder Vorwirkungen der künftig entstehenden Forderung verlangt, die über die von § 38 InsO verlangte Schuldgrundlage hinausgingen.101 Hintergrund der restriktiven Auffassungen ist die Befürchtung, dass es durch das Institut der Rechtsbedingung schlicht genügen würde, dass einer Forderung eine gesetzliche Voraussetzung fehlt, und dadurch die Aufrechnung eine Ausweitung erfährt, die das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung aushöhlt, weil sie einzelnen Gläubigern volle Befriedigung verspricht.102 Die Sorge ist, dass die Rechtsbedingung dazu diene, ein gewünschtes aufrechnungsfreundliches Ergebnis „zurechtzuschneidern“.103 Umgekehrt sind Einschränkungen – wie der Vorbehalt der Kern-Rechtsprechung, dass nur eine einzige Forderungsvoraussetzung fehlen dürfe, oder das Verlangen nach gewissen Vorwirkungen – immer auch als Versuch zu sehen, diese befürchtete Ausuferung zu verhindern.
Einen sehr restriktiven Ansatz verfolgt auch Peitsch, S. 60 – 69. Er geht von der Aufrechenbarkeit einer bedingten Forderung im Fall eines „obligatorischen Anwartschaftsrechts“ aus, welches nur dann anzunehmen sei, wenn das Entstehen der Forderung nur noch vom Erwerber abhängt und durch den Veräußerer nicht mehr verhindert werden kann. Das sieht Peitsch praktisch ausschließlich beim bedingten, derivativen Erwerb einer Forderung als gegeben an, so dass alle anderen irgendwie originär begründeten Forderungen damit herausfielen. Schießer, S. 80 f., hält § 95 InsO insgesamt für verfassungswidrig (Art. 3 GG), ist mit dieser Ansicht aber alleine geblieben (abl. etwa Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 95 Rz. 13). 97 MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl. 2013, § 95 Rz. 10; Hmbg.Ko-InsO/ Jacoby, 4. Aufl. 2012, § 95 Rz. 8; HK-Kreft/Kayser, 6. Aufl. 2011, § 95 Rz. 15; Braun/Kroth, InsO, 5. Aufl. 2012, § 95 Rz. 2. 98 Schießer, S. 43 – 45 [in der Tendenz begrüßt von Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 95 Rz. 14, der den Ansatz jedoch im Ergebnis als „kaum operabel“ ablehnt]. 99 Hmbg.Ko-InsO/Jacoby, 4. Aufl. 2012, § 95 Rz. 8 und 22. Dazu noch unten S. 98 und 99. 100 BFH, 05.10.2004 – VII R 69/03, NZI 2005, 276; BFH, 17.12.1998 – VII R 47 – 98, DStR 1999, 670, 671 f.; BFH, 23.02.2011 – I R 20/10, DZWIR 2011, 407, 408. 101 Häsemeyer, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 652 Rz. 20; zu letzterem vgl. auch ders., Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 19.20 ff. Auf Vorwirkungen als notwendiger Anknüpfungspunkt für geschütztes Vertrauen verweist auch Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, 14. EL, § 95 Rz. 18. 102 De lege ferenda für die sämtliche Herausnahme (auch rechtsgeschäftlich) aufschiebend bedingter Forderungen aus § 95 I 1 InsO plädieren daher etwa Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 95 Rz. 13; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, 14. EL, § 95 Rz. 17. 103 Münch, EWiR 1994, 591, 592.
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
5. Auffassungen über die ratio legis von § 95 InsO Die herrschende Meinung in der Literatur nimmt im Hinblick auf den Insolvenzbeschlag eine Verwandtschaft von § 95 InsO mit § 392 BGB an,104 der die Aufrechnung unter gewissen Voraussetzungen erlaubt, obwohl die Hauptforderung vor dem Eintritt der Aufrechnungslage in Beschlag genommen wurde. Da § 392 BGB als vertrauensschützende Vorschrift interpretiert wird, geht man davon aus, dass auch § 95 InsO Vertrauensschutz gewährleisten soll; geschützt sei das gegenwärtige Vertrauen auf eine später entstehende Aufrechnungslage.105 Das liegt auf der Linie der stetigen Rechtsprechung, die § 95 InsO ebenfalls dem Vertrauensschutz verschreibt.106 Eine verbreitete Literaturansicht zieht diesen Ansatz unter Hinweis auf das Wesen einer Bedingung in Zweifel, da ein Vertrauen auf ein ungewisses Ereignis kaum schützenswert sein könne.107 Mitunter wird § 95 I 1 InsO aus diesem Grund sogar die Geltung abgesprochen.108 Anstelle des Vertrauensaspekts identifiziert man eine schützenswerte Rechtsposition des Aufrechnungsbefugten, die dann bestehen soll, wenn der Schuldner bzw. der Insolvenzverwalter das Entstehen der Aufrechnungslage nicht mehr verhindern kann.109
104 MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl. 2013, § 95 Rz. 3; Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 I 4; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 19.17; Braun/Kroth, InsO, 5. Aufl. 2012, § 95 Rz. 1; Wittkowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, § 95 Rz. 2. 105 MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl. 2013, § 95 Rz. 2; Pape/Uhlenbruck, InsR, Rz. 628; Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 I 4; Häsemeyer, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 646 Rz. 3, S. 649 Rz. 9, S. 651 Rz. 15 u. S. 652 Rz. 20; Hmbg.Ko-InsO/Jacoby, 4. Aufl. 2012, § 95 Rz. 1; HKKreft/Kayser, 6. Aufl. 2011, § 95 Rz. 2; Braun/Kroth, InsO, 5. Aufl. 2012, § 95 Rz. 1; Peitsch, S. 39; Pilgram, S. 142; Wittkowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, § 95 Rz. 2; Kayser, WM 2008, 1477 f. u. 1525; Fischer, WM 2008, 1, 3; Höhn/Kaufmann, JuS 2003, 751, 753. 106 BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 5; BGH, 24.03.1994 – IX ZR 149/93, NJW 1994, 1659, 1660; BFH, 23.02.2011 – I R 20/10, DZWIR 2011, 407, 408; BFH, 05.10.2004 – VII R 69/03, NZI 2005, 276, 277. 107 Adam, WM 1998, 801, 803; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, 14. EL, § 95 Rz. 17; Schießer, S. 80 f.; Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 95 Rz. 3 u. 13, auch § 94 Rz. 5, 7, 11; Spliedt, DZWIR 2000, 418, 422 f.; MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl. 2013, § 95 Rz. 9. Jeremias, S. 120, lehnt den Vertrauensschutz als alleinige ratio legis ab, weil es dieses Vertrauen häufig nicht gebe. 108 Adam, WM 1998, 801, 803; Schießer, S. 80 f. 109 Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 95 Rz. 3 (auch zu § 94 InsO, dort Rz. 11). Häsemeyer, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 646 Rz. 3, S. 649 Rz. 9 u. S. 651 Rz. 15, ordnet § 95 I 1 InsO dem Vertrauensschutz zu und stellt gleichwohl auf die fehlende Verhinderungsmöglichkeit ab.
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IV. Stellungnahme 1. Historisch-wörtliche Auslegung Wenn der im BGB geschulte Jurist den Begriff der „bedingten Forderung“ (§ 54 KO) bzw. der „aufschiebend bedingten Forderung“ (§ 95 InsO)110 liest, ist er geneigt, sein mit der Rechtsgeschäftslehre erlerntes Repertoire zu bemühen und zunächst an §§ 158 ff. BGB zu denken, um möglicherweise sogleich von den befristeten Forderungen abzugrenzen.111 An dieser Sichtweise liegt es, dass rechtsgeschäftlich bedingte Forderungen als die „echten“112 Bedingungen bezeichnet werden und eine Auslegung von vornherein „ausweitend“ genannt wird, wenn sie rechtsbedingte Forderungen einschließt.113 Das zeichnet ein Zerrbild, welches die Erfassung rechtsbedingter Forderungen von vornherein unter Rechtfertigungszwang setzt, aber so nicht der Rechtswirklichkeit entspricht.114 In erster Linie gilt, dass der Begriff der bedingten Forderung in § 95 InsO/§ 54 KO weit früher als das BGB gesetzlich etabliert wurde.115 Daher verbietet es sich, für die Suche nach der Bedeutung der „bedingten Forderung“ unmittelbar auf das BGB zu rekurrieren; wer nach „dem Recht im Hintergrund“ sucht, müsste vielmehr im gemeinen, römischen, französischen oder preußischen Recht gemeinsam suchen, von denen sich der Konkursgesetzgeber hat inspirieren lassen. Die Konkursordnung kannte mit § 67 KO allerdings eine zentrale Vorschrift für aufschiebend bedingte Forderungen bei den allgemeinen Regeln für Konkursgläubiger. Wie aus den Motiven hierzu deutlich wird, ging der Gesetzgeber „selbstverständlich“ davon aus, dass hiermit sog. rechtsbedingte Forderungen gemeint seien.116 Es liegt daher nicht so fern, dass eine bedingte schlicht eine Forderung ist, der noch eine „Voraussetzung“ zu ihrem Entstehen fehlt, und der Konkursgesetzgeber den Begriff nicht in den uns vertrauten Kategorien der rechtsgeschäftlichen Bedingung einerseits und der Befristung andererseits gedacht hatte. De lege lata sollte daher außer Zweifel sein, dass § 95 I 1 InsO die rechtsgeschäftlich bedingten genauso wie die rechtsbedingten Forderungen erfasst. 110
Die Ergänzung um das Wort „aufschiebend“ erfolgte nicht nur ohne Begründung, sondern auch ohne Not, da die Aufrechenbarkeit der dadurch ausgegrenzten auflösend bedingten Forderungen ohnehin nie wirklich in Frage stand, vgl. schon die Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 232 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 221). 111 Statt vieler: Becker, InsR, 3. Aufl. 2010, Rz. 262. Beispielhaft deutlich auch bei Spliedt, DZWIR 2000, 418, 422, der bei der Auslegung von § 54 KO (heute: § 95 InsO) – wie viele andere – mit §§ 158 ff. BGB operiert und wegen der dabei auftretenden Schwierigkeiten beklagt, dass sich die Tatbestandsvoraussetzungen dem Praktiker nur mühsam erschließen. 112 Häsemeyer, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 652 Rz. 20. 113 Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 95 Rz. 13. 114 Näher § 2 S. 35 ff. 115 Fn. 53. 116 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 279 u. 281 f. (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 260 u. 261 f.).
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
Nicht zu vernachlässigen ist schließlich noch, dass der Wortlaut die Gegenund die Hauptforderung zusammenfasst, so dass beide offenbar denselben Anforderungen unterworfen sind.
2. Systematik § 96 InsO zieht unter der Überschrift „Unzulässigkeit der Aufrechnung“ der Aufrechnungsbefugnis nach § 95 InsO Grenzen.117 Beide Vorschriften stehen in einer Einheit und sind wechselbezüglich auszulegen.118 § 96 I Nr. 2 InsO betrifft die Gegenforderung, § 96 I Nr. 1 InsO die Hauptforderung. Die bedingte Gegenforderung muss mindestens eine bei Verfahrenseröffnung begründete Insolvenzforderung i. S. v. § 38 InsO sein, da §§ 94 – 96 InsO nur für Insolvenzgläubiger gelten (vgl. § 94, § 96 InsO). Erfährt sie eine Aufwertung zur Masseforderung,119 gelten §§ 94 – 96 InsO nicht;120 wird sie zur Neuforderung,121 so ist die Aufrechnung nach § 96 I Nr. 4 InsO unzulässig.122 Sollte die „Bedingung“ in § 95 InsO von der „Begründung“ einer künftigen Forderung gemäß § 38 InsO verschieden sein, so müsste es Forderungen geben, die bereits i. S. v. § 38 InsO begründet sind, aber gleichwohl nicht dem Schutz von § 95 InsO unterfallen. Eben das sind Insolvenzforderungen, die zur Masseforderung aufgewertet sind,123 so dass sich eine Gleichsetzung124 der Bedingtheit i. S. v. § 95 I InsO mit dem aus § 38 InsO bekannten Merkmal der Begründung einer Forderung nicht zwingend aus der Systematik ergibt und teleologisch zu hinterfragen ist (dazu unten 4.). Was schließlich die Hauptforderung angeht, beschreibt § 95 I 1 InsO ihre Beschaffenheit mit demselben Wort wie die der Gegenforderung. Jacoby schlägt deshalb vor, beide mit demselben Maße zu messen.125
3. Telos a) Defizite der Deutung als Vertrauensschutz Die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur rechtfertigt den Schutz künftiger Aufrechnungslagen mit dem Vertrauensschutz, und zwar durch einen historisch wie inhaltlich fragwürdigen Verweis auf § 392 BGB.126 117
Peitsch, S. 72. Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 94 Rz. 1; Peitsch, S. 8 f. 119 Oben § 3 III.3 (S. 63). 120 Oben Fn. 55. 121 Dazu oben § 3 I (S. 59). 122 Hmbg.Ko-InsO/Jacoby, 4. Aufl. 2012, § 95 Rz. 5. 123 Oben Verweise in Fn. 119 f. 124 So Hmbg.Ko-InsO/Jacoby, 4. Aufl. 2012, § 95 Rz. 4 – 8; BFH, 05.10.2004 – VII R 69/03, NZI 2005, 276; BFH, 17.12.1998 – VII R 47 – 98, DStR 1999, 670, 671 f. 125 Hmbg.Ko-InsO/Jacoby, 4. Aufl. 2012, § 95 Rz. 22. 126 S. o. bei Fn. 105. 118
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Das Vertrauen, in Zukunft aufrechnen zu können, spielt im Geschäftsverkehr zwar durchaus eine Rolle, wenn die Aufrechnung als potentielle Sicherheit bei der eigenen Transaktionsplanung eingesetzt wird: Ein Kreditgeber berücksichtigt etwa seinen eigenen Schuldenstand bei der Entscheidung über die Kreditvergabe, um die Folgen eines Ausfalls der dann entstehenden Kreditforderung einzuschätzen.127 Es gibt allerdings auch zahlreiche Situationen, in denen die Parteien zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von Existenz oder Werden der Haupt- oder Gegenforderung bzw. den forderungsbegründenden Umständen unmöglich Kenntnis haben können. Nicht nur einmal musste der BFH in solchen Sachverhalten dem Einwand der Revision, dass es – wie oft im Steuerrecht – ein Vertrauen in die werdende Aufrechnungslage de facto gar nicht geben konnte, mit dem wenig befriedigenden Argument entgegentreten, dass es zwar um Vertrauensschutz ginge, eines konkreten Vertrauens aber nicht bedürfe.128 Und gänzlich schief wird es, wenn § 95 I 3 InsO in einen Zusammenhang mit dem Vertrauensschutz gestellt wird,129 da ein Vertrauen darauf, dass die eigene Forderung vor der Hauptforderung fällig werde, in vielen Fällen nicht Realität ist.130 Der Satz, dass auf den Eintritt eines Ereignisses, das per definitionem noch ungewiss ist, kaum vertraut werden könne, ist zwar ebenso wenig richtig. Viele Bedingungen sind trotz theoretischer Ungewissheit nämlich so kalkulierbar, dass sie Grundlage für ein Vertrauen bilden könnten.131 Aber derartige Einwände zeigen doch, dass die Argumentation mit dem Vertrauensschutz um eine subjektive Wahrscheinlichkeitsuntersuchung nicht herum käme, die für § 95 I 1 InsO aber kein gangbarer Weg ist.132 Dass § 95 I InsO pauschal auf die Bedingung abstellt, ist also eher ein Argument gegen eine Deutung als Vertrauensschutzvorschrift. Vor allem aber gilt schon aus historischen Gründen,133 dass § 95 InsO aus sich heraus – nicht in Anlehnung an § 392 BGB – ausgelegt werden muss. Deshalb sind bei der Bestimmung der ratio legis auch die Grundnorm des Insolvenzaufrechnungsrechts (§ 94 InsO), die Schranke (§ 96) sowie die Vorläufernormen in der Konkursordnung (§§ 53 ff. KO) zu berücksichtigen.
127 Vgl. Jeremias, S. 121; Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 8. Aufl. 2011, Rz. 5.356, 6.474 ff.; v. Wilmowsky, NZG 1998, 481, 482 u. 484. 128 BFH, 05.10.2004 – VII R 69/03, NZI 2005, 276, 277; BFH, 20.07.2004 – VII R 28/03, DStRE 2004, 1440, 1443. 129 Kayser, WM 2008, 1525, 1527. 130 Daher sieht die h. M. den Grund von § 95 I 3 InsO überzeugend darin, dass demjenigen, der seine Aufrechnungslage nur dadurch erlangt, dass er die ihm obliegende Schuld pflichtwidrig hinauszögert, nicht geholfen werden soll, Pape/Uhlenbruck, InsR, Rz. 628; Häsemeyer, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 649 Rz. 9; Schießer, S. 57; Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 95 Rz. 2; BTDrucks. 12/2443 S. 141. Vgl. auch Dieckmann, in Leipold (Hrsg.), S. 211, 225. 131 Peitsch, S. 40 f. 132 Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 95 Rz. 14; Peitsch, S. 41. S. auch oben bei Fn. 93. 133 Oben B.IV.1 (S. 89).
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
b) Der Schutz bestehender Aufrechnungslagen als Schutz einer objektiv vorhandenen Rechtsposition (§ 94 InsO) § 53 KO134 (heute: § 94 InsO) war ausdrücklich als verfahrensrechtliche Vorschrift konzipiert, welche „den materiellen Bestimmungen vorausgeschickt wird.“135 Hintergrund war die schlichte Verfahrensfrage, ob eine Aufrechnungserklärung außerhalb des Verfahrens genügen kann. Dabei war dem Konkursordnungsgesetzgeber aber bewusst, dass durch §§ 53 ff. KO auch eine gesicherte Rechtsstellung geschützt werde. Er hielt das nur für „im allgemeinen so unbestreitbar“, dass er eine besondere Anerkennung durch das Gesetz nicht für nötig erachtete.136 Man ging davon aus, dass die Aufrechnungserklärung nur die (nicht umsonst rückwirkende) Ausübung eines bereits vorhandenen Rechts in Form der Aufrechnungslage sei, die als solche als eine Rechtsposition vom Konkursbeschlag erfasst werde.137 Der Gesetzgeber von § 94 InsO knüpfte an diese Auffassung an. Er wollte mit der Neufassung des Wortlauts zum Ausdruck bringen, dass es bei dem Aufrechnungsschutz um den Schutz einer erworbenen Rechtsstellung geht.138 Weder für § 53 KO noch für § 94 InsO war also der Vertrauensschutz ausschlaggebend, sondern die Achtung einer objektiv vorhandenen Rechtsposition;139 bereits die Überschrift zu § 94 InsO („Erhaltung einer Aufrechnungslage“) macht das deutlich.140 Der Gesetzgeber erkennt daher mit § 94 InsO an, dass – wirtschaftlich gesehen – Schuld und Forderung schon als beglichen betrachtet werden dürfen und nur noch die Ausübung des Aufrechnungsrechts fehlt.141 Man hält folglich mit § 94 InsO aus der Insolvenz heraus, was man (objektiv) ohnehin als erfüllt hätte betrachten können.142 Fraglich bleibt allenfalls, warum demjenigen, der aufrechnen konnte, nachgelassen ist, dies „nachzuholen“, und der Gläubiger 134 „Soweit ein Gläubiger zu einer Aufrechnung befugt ist, braucht er seine Forderung im Konkursverfahren nicht geltend zu machen.“ 135 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 229 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 218 f.) zu § 53 KO als § 46 des Entwurfs. 136 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 230 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 219). 137 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 230 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 219). Nach Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 I 4, entsteht mit dem Eintritt von Forderungen in eine Aufrechnungslage – ohne Rücksicht auf freilich mögliche, andere Aufrechnungslagen – ein „nach Gegenstand und Entwicklung offenes ‚Kontaktverhältnis’, das die Forderungen aufeinander bezieht und den Parteien die Aufrechnungsbefugnis vermittelt.“ 138 BT-Drucks. 12/2443, S. 140, zu § 94 InsO als § 106 des Entwurfs. 139 So auch Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 94 Rz. 11, und Paulus, ZIP 1997, 569 – 571, der die Begründung mit dem Vertrauensschutz sogar einen Zirkelschluss nennt. 140 Windel, KTS 2000, 215, 223. 141 Schießer, S. 76; Spliedt, DZWIR 2000, 418, 423. Auch Dietrich, AcP 170 (1970), 534, 541 f., und Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 VII.1, die das allerdings zu sehr als subjektiven Befund (unter dem Aspekt des Vertrauens) sehen, was Jeremias, S. 120, der den ökonomischen Befund teilt, mit Recht kritisiert. 142 Häsemeyer, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 649 Rz. 8; Windel, KTS 2000, 215, 224, 226; Pawlowski, DZWir 1996, 431, 433 f.
B. Künftige Aufrechnungslagen in der Insolvenz
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einer fälligen Forderung sein Zögern mit der Beschränkung auf die Quote bezahlen soll. Man wird dies als eine rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers hinzunehmen haben.143 Ein wenig hierbei mitschwingen könnte allerdings das Empfinden, es sei gerechter, dass ein Gläubiger, der zugleich schuldet, nicht einerseits voll in Anspruch genommen werden und andererseits mit seiner eigenen Forderung ausfallen soll.144 Das ist im Insolvenzrecht zwar kein konsequent vollzogenes Axiom, da etwa § 273 BGB in der Insolvenz ohne Wirkung ist.145 Da dieser allerdings in erster Linie ungleichartige Leistungen betrifft, könnte man solche Forderungen – im Gegensatz zur Aufrechnung – wirtschaftlich auch nicht bereits als erfüllt ansehen. c) Der Schutz künftiger Aufrechnungslagen als Schutz einer objektiv vorhandenen Rechtsposition (§ 95 InsO) Geht es bei § 94 InsO nicht um Vertrauensschutz, sondern um den Schutz einer objektiven Rechtsposition, bleibt fraglich, welchem Ziel § 95 InsO dient. Für den historischen Gesetzgeber war die Vorstellung ausschlaggebend, dass eine Bedingung „ohne Zuthun des Gemeinschuldners“ eintrete und deshalb, wie im Fall der vorhandenen Aufrechnungslage, so gut wie nur noch die Ausübung der Aufrechnung ausstehe.146 Darin kommt wieder die für § 94 InsO maßgebliche Vorstellung zum Vorschein, dass das, was nur noch ausgeübt werden muss, als gegeben geschützt werden kann. Anzeichen für einen Vertrauensschutz lassen sich in den Motiven zur Konkursordnung nicht ausmachen. Der Gesetzgeber von § 95 InsO wollte an dieser Grundlage nichts ändern. Ziel der Reform von § 54 KO war es vielmehr, Vorzugstellungen zu beseitigen, welche, anders als eine § 387 BGB genügende Aufrechnungslage, vom materiellen Recht nicht vorgegeben waren, wie etwa die Aufrechnung gegen eine Geldforderung mit einer Naturalleistung (§ 54 I, IV KO).147 Dem Gesetzgeber war also nicht etwa die bisher gepflegte Anwendung auf (rechts‑)bedingte Forderungen ein Dorn im Auge, sondern der Verzicht der Konkursordnung auf die Fälligkeit oder Gleichartigkeit als Voraussetzungen der Aufrechnung.148 Dass man im Übrigen an dem bisherigen Schutz der werdenden Aufrechnungslage festhalten wolle, dokumentiert die Gesetzesbegründung jedoch ausgerechnet mit dem Satz, dass 143 Nach HkK/Zimmermann, §§ 387 – 396 Rz. 72 f., sei diese Entscheidung inspiriert durch ein Verständnis der Aufrechnung als notwendigerweise rückwirkendes Instrument, wie es heute nicht mehr zeitgemäß sei. 144 Zimmermann, FS Medicus, S. 707, 726 f., der dies als wenig überzeugungskräftig kritisiert und anstatt dessen schlicht auf die Einmütigkeit der europäischen Rechtsordnungen verweist. 145 BGH, 13.12.2012 – IX ZR 9/12, NZI 2013, 158, 159; BGH, 07.03.2002 – IX ZR 457/99, NJW 2002, 2313, 2315; MünchKomm-InsO/Ganter, 3. Aufl. 2013, § 51 Rz. 242. 146 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 232 f. (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 221 f.). 147 BT-Drucks. 12/2443, S. 140 f., zu § 107 des Entwurfs. 148 BT-Drucks. 12/2443, S. 140 f.
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der Gläubiger, der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf die Durchsetzung seiner Forderung durch künftige Aufrechnung vertrauen durfte, in dieser Erwartung nicht enttäuscht werde.149 Erst diese Äußerung in den Materialien bringt den Vertrauensschutz überhaupt ins Spiel. Deshalb § 95 InsO fortan mit dem Vertrauensschutz zu erklären, ginge allerdings zu weit, da die Äußerung nicht im Sinne einer Kehrtwende, sondern – in ihrem konkreten Kontext – als Beschreibung einer Folge von § 95 I 1 InsO gedacht war. Selbstverständlich hat der Schutz objektiver Rechtspositionen immer auch einen gewissen Schutz des Vertrauens in ihren Fortbestand zur Folge;150 insoweit hat der Satz in der Gesetzesbegründung seine Berechtigung. Hätte der Gesetzgeber aber an der bisherigen Zielsetzung und Auslegung etwas ändern wollen, so hätte es einer entsprechenden Änderung des Wortlauts bedurft, da es jahrzehntelange Gerichtspraxis war, die Vorschrift auf rechtsbedingte Forderungen und frei von subjektiven Momenten anzuwenden. Eingedenk von § 54 KO spricht also mehr dafür, dass § 95 I InsO, unabhängig von der subjektiven Erwartungs- oder Vertrauenslage des Gläubigers, eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens objektiv vorhandene, künftige Aufrechnungslage schützen soll. Dass dieses Ergebnis von der herrschenden Auffassung abweicht, ist nicht sonderlich überraschend, wenn man bedenkt, dass die herrschende Meinung – und möglicherweise die Verfasser der Gesetzesbegründung? – sich gar nicht an den historischen Grundlagen von § 95 InsO orientieren, sondern vor allem an einer zu § 392 BGB tradierten ratio legis, obwohl auch diese Norm – wie noch gezeigt wird – im Gegensatz zu § 406 BGB keine Vertrauensschutzvorschrift ist.151 d) Grenzen (§ 96 InsO) § 95 InsO findet seine Grenzen in § 96 InsO. § 96 I Nr. 1 betrifft die künftige Haupt- und Nr. 4 die künftige Gegenforderung. Nr. 4 steht im Zusammenhang mit §§ 80 ff. InsO und soll verhindern, dass die Masse durch den Einsatz solcher Gegenforderungen geschmälert wird, deren Entstehung auf eine Rechtshandlung des Insolvenzschuldners zurückgeht (sog. Neuforderung152). § 96 I Nr. 1 InsO soll mit den Worten des BGH verhindern, dass die Parteien „aus Gründen der Insolvenz ‚künstlich‘ eine Aufrechnungsmöglichkeit“ schaffen, und deshalb die Hauptforderung „ohne weiteres Zutun der Parteien – gleichsam automatisch – entsteh[en muss].“153 Interessant hieran ist, dass man sich am Einfluss „der Parteien“ – also auch des Gläubigers – stört, während die Gesetzesmaterialien zu § 54 KO (§ 95 InsO) nur auf das „Zuthun des Gemeinschuldners“ ein149
BT-Drucks. 12/2443, S. 141, zu § 107 des Entwurfs. Vgl. Jeremias, S. 120. 151 Siehe dazu unten C.III. (S. 112 f.). 152 Oben § 3 (S. 59). 153 BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 6 f.; Zimmermann, FS Medicus, S. 707, 726. 150
B. Künftige Aufrechnungslagen in der Insolvenz
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gehen.154 Für eine solche Auslegung enthält die Gesetzgebungsgeschichte zur Vorgängervorschrift von § 96 InsO aber durchaus gewisse Anhaltspunkte, auf die der Insolvenzordnungsgesetzgeber verwiesen hat:155 § 55 KO sollte nicht nur die Masse vor nachteiligem Handeln des Gemeinschuldners schützen, sondern zugleich verhindern, dass der Konkursgläubiger nachträglich eine Vorzugsstellung erhält.156 Er dient damit der Gläubigergleichbehandlung und diese ist auch durch den Einfluss des Gläubigers bedroht. Damit bannen §§ 96 I Nr. 1 und Nr. 4 InsO jeweils einen Einfluss der Parteien auf die Forderungsentstehung: Während § 96 I Nr. 4 InsO im Zusammenhang mit §§ 80 ff. InsO steht und daher jeglichen rechtsgeschäftlichen Einfluss des Insolvenzschuldners ausschließt, muss § 96 I Nr. 1 InsO den Einfluss des Gläubigers unterbinden, der wider die Gläubigergleichbehandlung gerichtet ist. Letzteres sondert die Entstehung einer Forderung, die „aus Gründen der Insolvenz künstlich“ erfolgt, von derjenigen, die bereits bei Eröffnung des Verfahrens angelegt war und sich daher nicht mehr als insolvenzbedingte Bevorzugung eines Gläubigers erweist. War es, um mit dem BGH zu sprechen, „schon damals klar“157, dass eine Hauptforderung entsteht, so erweist sich die Möglichkeit der Aufrechnung für die übrigen Gläubiger als eine bereits bei Verfahrenseröffnung vorhandene Vermögensposition, um die die Masse von vornherein geschmälert war. Daher geht es – entgegen mancher Äußerungen in der Rechtsprechung158 – nicht um die Vermeidung jeglichen rechtsgeschäftlichen Einflusses des Gläubigers, sondern nur um solchen, der bei Verfahrenseröffnung noch nicht angelegt war. Der Unterschied wird deutlich bei einer Forderung, die aufgrund einer Kündigung des Insolvenzgläubigers entsteht, welche an den Eintritt eines Ereignisses geknüpft ist: War schon bei Verfahrenseröffnung klar, dass die Kündigung bei Eintritt des Ereignisses erfolgen kann, so erweist sie sich trotz ihrer rechtsgeschäftlichen Natur als unbedenklich, soweit sich die Kündigung – wie eine Aufrechnungserklärung – nur als Ausübung eines nur noch von dem Ereigniseintritt abhängigen künftigen Rechts darstellt, dessen Grundlage bei Verfahrenseröffnung bereits gelegt war. Es besteht insoweit kein Unterschied zu einer vorhandenen Aufrechnungslage, die nur noch ausgeübt werden muss und die § 94 InsO einschränkungslos hinnimmt. Weil § 96 I Nr. 1 InsO der Gläubigergleichbehandlung dient, muss er nicht schlechthin jeden rechtsgeschäftlichen Einfluss des Gläubigers unterbinden, sondern lediglich seinen Einfluss auf die Bedingungen, unter denen eine Forderung während der Insolvenz 154
Oben Fn. 146. BT-Drucks. 12/2443 S. 141. 156 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 235 (Hahn, Materialien zur KO, Bd. 4, S. 223) zu § 48 KO a. F. (Vorläufervorschrift zu § 55 KO und § 96 InsO). 157 BGH, 03.12.1954 – V ZR 96/53, BGHZ 15, 333, 336. 158 Bsp. BGH, 06.11.1989 – II ZR 62/89, NJW 1990, 1301, 1302: „Bedingt ist ein Forderungserwerb im Zeitpunkt der Konkurseröffnung allerdings nur, soweit er [. . .] nicht zusätzlich von rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Gläubigers abhängt.“ 155
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
entstehen kann. Vor diesem Hintergrund liegen dann auch der BGH und der BFH in ihrer Rechtsprechung gar nicht weit auseinander.159
4. Fallstudie Im Folgenden werden die vorstehend ermittelten Erkenntnisse in einer Fallstudie zusammengeführt und überprüft, um daraus die konkrete Beschaffenheit einer gemäß § 95 InsO bedingten Forderung zu ermitteln. Als theoretisches Grundmodell sei eine künftige Forderung gewählt, die aus einem vor der Insolvenzeröffnung abgegebenen, verbindlichen Vertragsangebot erwächst und bereits bei § 38 InsO als Paradigma eine Rolle spielt (§ 3 IV.1.). Anders als dort, soll im Ausgangsfall der verbleibende Einfluss zunächst beim Insolvenzschuldner liegen.160 a) Verbleibender Einfluss des Insolvenzschuldners Ausgangsfall: Der Gläubiger möge dem Insolvenzschuldner vor der Insolvenz verbindlich angeboten haben, ihm Ware für 1.000 € zu verkaufen; damit seine Kaufpreisforderung entsteht, bedarf es der Annahme des Insolvenzschuldners, so dass keine Insolvenzforderung nach § 38 InsO vorliegt. Der Gläubiger möge zugleich dem Insolvenzschuldner aus der Zeit vor der Insolvenz 1.000 € schulden. Es gibt also eine bestehende Hauptforderung der Masse. Erfolgt die Annahme durch den Insolvenzschuldner, so geht das wegen §§ 80 ff. InsO nur zu Lasten seines massefreien Vermögens. Dann stehen sich zwar zwei nach § 387 BGB aufrechenbare Forderungen gegenüber. § 96 I Nr. 4 unterbindet diese Aufrechnung aber ausdrücklich. Dahinter steht der Schutz der Masse. Wäre die Aufrechnung hier zulässig, so würde der Gläubiger quasi über die Hauptforderung verfügen und dadurch die Masse schmälern, obwohl er nach § 38 InsO nicht an der Masseverteilung teilhaben durfte und §§ 80 ff. InsO Rechtsgeschäfte zulasten der Masse nicht zulässt. §§ 38, 95, 96 I Nr. 4, 80 ff. InsO greifen hier also zugunsten des Masseschutzes reibungslos ineinander. Wenn die künftige Gegenforderung eine Neuforderung ist, erhält eine künftige Aufrechnungslage keinen Schutz. Abwandlung 1: Der Ausgangsfall sei nun umgedreht: Die Gegenforderung besteht, während die Hauptforderung bei Verfahrenseröffnung noch künftig ist. Der Gläubiger hat eine vor Insolvenz entstandene Forderung gegen den Insolvenzschuldner i. H. v. 1.000 €; als entstandene ist sie fraglos eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO. Der Gläubiger möge dem Insolvenzschuldner vor der Insolvenz ein bindendes Angebot zum Kauf von Ware gemacht haben, woraus dem Insolvenzschuldner eine Kaufpreisforderung von 1.000 € erwachsen 159
Vgl. oben bei Fn. 94. Es wird stets zugrunde gelegt, dass der Vorfälligkeitsvorbehalt von § 95 I 3 InsO nicht einschlägig ist. 160
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würde. Sie kommt als bedingte Hauptforderung in Betracht. Entscheidet sich der Insolvenzverwalter, das Angebot anzunehmen, weil der Insolvenzschuldner weiter produzieren kann und die Masse daraus 200 € Gewinn erzielen würde, so ist fraglich, ob der Gläubiger jetzt aufrechnen kann. Für den Gläubiger wäre das ökonomisch ein Gewinn. Anstatt bloß die Quote auf 1.000 € zu erhalten, könnte er seine Gegenforderung in voller Höhe einsetzen, um Ware in diesem Wert zu erhalten. Für die Masse wäre die Aufrechnung freilich nachteilhaft; ohne diese würde die Masse nämlich 1.000 € für die Ware erhalten, abzüglich der auf die Gegenforderung zu zahlenden Quote. § 95 I 1 InsO wäre anwendbar, da der Gläubiger Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO ist. Der Wortlaut von § 96 I Nr. 1 InsO steht einer Aufrechnung indes entgegen, da der Gläubiger erst nach Verfahrenseröffnung etwas schuldig geworden ist. Das ist auch von der Zielsetzung des § 96 I Nr. 1 InsO gedeckt, da die Aufrechnung eine Bevorzugung eines einzigen Gläubigers wider die Gläubigergleichbehandlung wäre, wenn dieser für seine entwertete Gegenforderung nach Verfahrenseröffnung eine volle Deckung erhalten würde.161 Die Möglichkeit des Insolvenzverwalters, im Sinne der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung einen der Masse günstigen Vertrag noch zustande zu bringen, würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn der Insolvenzschuldner seine Leistung aus Mitteln der Masse erbrächte, die Gegenleistung aber infolge einer Aufrechnung mit Forderungen aus dem Zeitraum vor der Insolvenz der Masse nicht zugutekommen würde.162 Mit anderen Worten darf der Insolvenzverwalter den Vertrag überhaupt nur deshalb schließen, weil die Gegenleistung der Masse voll zugutekommt. Die Aufrechnung ist in diesem Fall also unzulässig.163 In diesem Ergebnis greifen §§ 38, 95, 96 I Nr. 1 InsO reibungslos ineinander. Für die Hauptforderung bedeutet dies: Wenn ihre Grundlegung von einem Rechtsgeschäft des Insolvenzschuldners abhängig ist, ist die Aufrechnung unzulässig. b) Verbleibender Einfluss des Gläubigers Abwandlung 2: Der Gläubiger soll wieder eine vor Insolvenz entstandene Gegenforderung gegen den Insolvenzschuldner i. H. v. 1.000 € haben; das ist fraglos eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO. Nun möge aber der Insolvenzschuldner dem Gläubiger vor der Insolvenz ein bindendes Angebot zum Verkauf von Ware gemacht haben, woraus dem Insolvenzschuldner eine Kaufpreisforderung von 1.000 € erwachsen würde. Das kommt als bedingte Hauptforderung in 161
MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl. 2013, § 96 Rz. 6. BGH, 21.11.1991 – IX ZR 290/90, BGHZ 116, 156, 159; BGH, 04.05.1992 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336, 338 f. 163 BGH, 21.11.1991 – IX ZR 290/90, BGHZ 116, 156, 159; BGH, 04.05.1992 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336, 338 f.; MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl. 2013, § 96 Rz. 6, 7. Nichts anderes würde gelten, wenn der Insolvenzschuldner im Moment vor der Eröffnung den Vertrag zustande gebracht hätte und der Insolvenzverwalter nach § 103 InsO Erfüllung wählt, vgl. MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, aaO, Rz. 11. 162
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Betracht. Der Gläubiger wird das Angebot annehmen, wenn ihm das Geschäft einen Vorteil verspricht. Fraglich ist, ob er dann aufrechnen kann. Wirtschaftlich betrachtet, würde sich der Gläubiger durch die Annahme und die Aufrechnung die Ware als Ersatz für seine Insolvenzforderung besorgen, für die er ohne die Aufrechnung nur die Quote erhielte; er erhielte quasi die Möglichkeit der abgesonderten Befriedigung für seine Insolvenzforderung. § 95 I 1 InsO scheint das seinem Wortlaut nach zu erlauben. § 96 I Nr. 1 InsO steht aber entgegen, da der Gläubiger nach Verfahrenseröffnung den Kaufpreis schuldig geworden ist, und wiederum ist es von seiner ratio legis gedeckt. Der Gläubiger, der bei Eröffnung nur ein normaler Insolvenzgläubiger war, soll nicht durch ein Geschäft während des Insolvenzverfahrens ein Absonderungsrecht erhalten, ohne im „Besitz eines zur Masse gehörigen Absonderungsobjekts“ gewesen zu sein.164 Zudem erfordert § 103 InsO den Ausschluss der Aufrechnung: Der Fall ist nämlich nur denkbar, wenn sich nach der Annahme durch den Gläubiger der Insolvenzverwalter gemäß § 103 InsO für die Durchführung des Vertrags entscheidet; das darf er aber nur, wenn die Masse die Gegenleistung erhält, für die sie die Leistung erbringt.165 Die Aufrechnung scheitert also an § 96 I Nr. 1 InsO.166 Dieses Ergebnis fügt sich in die oben ermittelten Vorgaben ein. Die herrschende Meinung würde die Aufrechnung hier nicht zulassen, da die Hauptforderung noch von der Annahme des Gläubigers und damit dem Einfluss einer der Parteien abhängig war bzw. nicht gleichsam automatisch entstand.167 Das zeigt, dass § 95 InsO nicht generell von verdrängendem Vorrang ist, sondern § 96 I Nr. 1 InsO einen eigenen Sinn ergibt. Sobald die Grundlegung der Hauptforderung noch vom freien Willen des Gläubigers abhängt, ist die Aufrechnung unzulässig. Damit ist Jacoby darin Recht zu geben, dass – unter umgedrehten Parteirollen – eine Ähnlichkeit zu § 38 InsO besteht:168 Forderungen nach § 38 InsO (die als solche nur gegen den Insolvenzschuldner gerichtet sein können), dürfen nicht von dessen Einfluss abhängen; die Hauptforderung (die nur gegen den Insolvenzgläubiger gerichtet sein kann169) darf nicht von dessen Willen, also ebenso wenig vom Einfluss „ihres Schuldners“ abhängen. Im Ergebnis gilt dann Folgendes: Die Aufrechnung ist nur 164
So ausdrücklich die Motive zur Vorläufernorm von § 96 InsO, Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 235 (Hahn, Materialien zur KO, Bd. 4, S. 223). Das war im Gemeinen Recht offenbar anders, weshalb der Konkursordnungsgesetzgeber diesen Fall gerade ausschließen wollte, s. Motive, ebd. 165 BGH, 28.09.2000 – VII ZR 372/99, BGHZ 145, 245, 252; BGH, 21.11.1991 – IX ZR 290/90, BGHZ 116, 156, 159; BGH, 04.05.1992 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336, 338 f. Entsprechend nimmt man für vor Verfahrenseröffnung abgeschlossene Verträge – also sogar für bereits bestehende Aufrechnungslagen – an, dass § 96 I Nr. 1 InsO die Aufrechnung verhindert, BGH, 28.09.2000 – VII ZR 372/99, BGHZ 145, 245, 252; Hmbg.Ko-InsO/Ahrendt, 4. Aufl. 2012, § 103 Rz. 33. 166 Ausdrücklich: MünchKomm-InsO/Kreft, 3. Aufl. 2013, § 103 Rz. 41. 167 Oben Fn. 153. 168 Oben Fn. 99. 169 Oben im Text nach Fn. 55.
B. Künftige Aufrechnungslagen in der Insolvenz
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zulässig, wenn die Hauptforderung in ihrer Entstehung nicht mehr vom Willen „ihres Schuldners“ (d. h. des Insolvenzgläubigers) abhängt. Abwandlung 3: Der Insolvenzschuldner möge dem Gläubiger wieder vor seiner Insolvenz verbindlich angeboten haben, diesem Ware für 1.000 € abzukaufen; daraus resultiert eine künftige Gegenforderung, die i. S. v. § 38 InsO „begründet“ ist. Der Gläubiger möge dem Insolvenzschuldner aus der Zeit vor der Insolvenz 1.000 € schulden, so dass die Hauptforderung bei Insolvenzeröffnung bereits besteht. Nimmt der Gläubiger das Angebot an, so ist der Fall nur denkbar, wenn der Insolvenzverwalter gemäß § 103 InsO die Durchführung des Vertrags wählt. Dadurch wird die hieraus entspringende Gegenforderung aber zur Masseforderung aufgewertet170 und fällt aus dem Anwendungsbereich von §§ 94 f. InsO heraus.171 Dieses Ergebnis bringt die vermeintlich unterschiedlichen Auffassungen von einerseits Häsemeyer172 und andererseits Jacoby und dem BFH173 zusammen. Letztere sehen bei einer künftigen Gegenforderung nur dann eine Aufrechnungsmöglichkeit nach § 95 InsO, wenn eine Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO vorliegt, und behalten damit in Abwandlung 3 Recht, da hier eine Masseforderung vorliegt. Häsemeyer hat insoweit Recht, als dass eine Gegenforderung, die i. S. v. § 38 InsO begründet ist, nicht automatisch ein Aufrechnungsrecht gibt: Die Schuldgrundlage, die für § 38 InsO ausreicht, garantiert nämlich nicht, dass automatisch eine Insolvenzforderung vorliegt, weil solche Forderungen aus anderen Gründen (§§ 55, 103 InsO) immer noch eine Masseforderung sein können (s. § 3 III.3.) und dann aus dem Anwendungsbereich von § 95 InsO herausfallen.174 Hinweise für die Auffassung Häsemeyers, dass die Forderungen über diese Schuldgrundlage hinaus „Vorwirkungen“ äußern müssten,175 ergeben sich allerdings nicht. Im Ergebnis gilt: Die Gegenforderung kann nur eine bedingte Forderung i. S. v. § 95 InsO sein, wenn sie in ihrer Entstehung nicht mehr vom Willen des Gläubigers abhängt.
5. Ergebnis der Auslegung: Strukturmerkmale einer i. S. v. § 95 I 1 InsO bedingten Forderung Führt man alle bisherigen Erkenntnisse zusammen, ergibt sich das Folgende: Gemäß §§ 95 f. InsO geschützte bedingte Forderungen liegen jedenfalls immer dann vor, wenn die Forderungsentstehung von keiner der Parteien abhängig ist, unabhängig davon, ob es um die Begründung der Haupt- oder der Gegenforderung geht. Dieses Ergebnis damit zu beschreiben, dass jede Forderung 170
MünchKomm-InsO/Kreft, 3. Aufl. 2013, § 103 Rz. 39. Oben Fn. 55 und Fn. 120. 172 Fn. 101. 173 Fn. 99 f. 174 Oben Fn. 55 und Fn. 120. 175 Oben Fn. 101. 171
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bedingt ist, die den Anforderungen an die Begründung in § 38 InsO gerecht wird,176 ist missverständlich. Zum einen kann nämlich auch eine solchermaßen begründete Forderung zur Masseforderung werden und damit aus § 95 InsO herausfallen (3. Abwandlung); zum anderen – und vor allem – verschleiert es, dass die Gründe, warum der Einfluss der jeweiligen Partei nicht tolerabel ist, verschieden sind: Bei § 38 InsO liegt es an der dem Schuldner nach §§ 80 ff. InsO genommenen Verfügungsmacht (§ 3 III.4.); demgegenüber ist der Insolvenzgläubiger (als Schuldner der Hauptforderung) voll verfügungsbefugt; sein Einfluss wird nur deshalb nicht hingenommen, damit er keinen Sondervorteil erhält (oben S. 94 f.). Die Beschaffenheit einer bedingten Forderung ist eine Frage des zulässigen Einflusses der Parteien auf die Forderungsentstehung. Die künftige Aufrechnungslage wird immer dann nicht geschützt, wenn die Grundlegung der Forderung, d. h. die Setzung derjenigen Bedingungen, unter denen die jeweilige Forderung einmal entstehen soll, nach Insolvenzeröffnung seitens einer der Parteien erfolgt. Der BGH bringt dies mit dem Satz zum Ausdruck, wonach § 96 I InsO verhindern soll, dass die Parteien „aus Gründen der Insolvenz ‚künstlich‘ eine Aufrechnungsmöglichkeit“ schaffen, und deshalb die Forderung „ohne weiteres Zutun der Parteien – gleichsam automatisch – entsteh[en muss].“177 Die Worte des BGH „aus Gründen der Insolvenz künstlich“ machen aber deutlich, dass nicht jeder Einfluss schädlich ist. Nur der Einfluss, mit dem diese Bedingungen nach Insolvenzeröffnung neu gesetzt oder geändert werden, wird unterbunden. Der Einfluss, der sich innerhalb der Bedingungen bewegt, die bei Verfahrenseröffnung vorhanden sind, ist hingegen akzeptabel, soweit er sich – einer Aufrechnungserklärung gleich – nur als Ausübung einer bei Insolvenzeröffnung an sich schon objektiv vorhandenen Vermögensposition erweist (oben S. 93 f.); so auch bei § 38 InsO, oben § 3 III.5.); das Wort „automatisch“ bringt diese Unterscheidung zum Ausdruck. Daher muss es etwa unerheblich sein, wenn es zur Forderungsentstehung noch einer Gestaltungserklärung bedarf, die in einem externen Ereignis ihre Grundlage hat. Nur in diesen Fällen ist § 96 I Nr. 1 InsO zu weit geraten; im Übrigen hat er, wie in der Fallstudie ersichtlich, eine eigene Funktion. Daher sollte nicht von einem systematischen Vorrang von § 95 gegenüber § 96 I Nr. 1 InsO gesprochen,178 sondern § 96 I Nr. 1 InsO im Einzelfall teleologisch reduziert werden. All das gilt unabhängig davon, ob sich die bei Verfahrenseröffnung noch ausstehenden Bedingungen der Forderung aus einem Vertrag oder dem Gesetz ergeben, da der Gesetzgeber Rechtsbedingungen genauso im Auge hatte (oben S. 89). Da es das Ziel von § 95 I InsO ist, unabhängig von der subjektiven Erwartungsoder Vertrauenslage des Gläubigers eine vor Eröffnung objektiv angelegte, künftige Aufrechnungslage zu schützen, kommt es auch nicht darauf an, ob der 176
Oben Fn. 124. BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 6 f. 178 Oben Fn. 83. 177
B. Künftige Aufrechnungslagen in der Insolvenz
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Aufrechnende die forderungsbegründenden Umstände gekannt oder auf eine Aufrechenbarkeit vertraut hatte.179 Damit ist es insbesondere unerheblich, in welchem Maße der Eintritt der Bedingung zum Eröffnungszeitpunkt noch ungewiss war. Auf die Anzahl der noch ausstehenden Voraussetzungen, auf die der BGH abstellt („lediglich ein Element der rechtlichen Voraussetzungen“180), kommt es ebenso wenig an. Dies scheint allein der Motivation gezollt, den Kreis der (kritisierten) rechtsbedingten Forderungen möglichst eng zu ziehen und dem falsch bewerteten Vertrauensschutz gerecht zu werden; abgesehen davon ließe sich kaum bestimmen, was eine einzige gesetzliche Voraussetzung überhaupt ist.181
V. Rechtsprechungsanalyse Im Folgenden seien einige beispielhafte oder kontroverse Sachverhalte aus der Insolvenzpraxis herausgegriffen, um die gewonnenen Vorgaben auf ihre Anwendbarkeit zu untersuchen.182
1. Rückgriffsforderungen Die Rückgriffsforderung des Bürgen ist eine klassische bedingte Forderung gemäß § 95 InsO.183 Sie wurde seit jeher als „rechtsbedingte“ Forderung anerkannt, die immer noch aufgerechnet werden kann.184 Wenn der Bürge den Bürgschaftsgläubiger zu einer Zeit befriedigt, zu der der Hauptschuldner 179
Nicht überzeugend ist daher die Argumentation von Peitsch, S. 66 – 70. BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 4. 181 Jedenfalls kann es sich nicht um eine Voraussetzung im Sinne eines rechtlichen Prüfungspunkts handeln, da dieser beliebig in Unterpunkte zerlegt werden kann (man denke an die Voraussetzung der „Mangelhaftigkeit“ und die vielen Tatbestandsmerkmale von § 434 BGB); zudem treten rechtliche Voraussetzungen häufig gemeinsam ein, so dass das Fehlen zweier Voraussetzungen leicht dem Fehlen einer gleichstehen könnte. Dazu auch bereits bei § 2 Fn. 196. 182 Zu den hier nicht dargestellten Provisionsforderungen des Handelsvertreters, wenn das vermittelte Geschäft erst nach Insolvenzeröffnung zur Ausführung kommt: BGH, 29.06.2004 – IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388, 394 f.; BGH, 21.12.1989 – IX ZR 66/89, NJW 1990, 1665; Hmbg. Ko-InsO/Jacoby, 4. Aufl. 2012, § 95 Rz. 27. Zur Ausgleichsforderung des Handelsvertreters nach § 89b HGB, wenn das Handelsvertreterverhältnis ohne weiteres Zutun der Parteien endet: BGH, 18.09.1986 – I ZR 24/85, NJW-RR 1987, 157, 158. 183 BGH, 01.07.1974 – II ZR 115/72, NJW 1974, 2000, 2001; BGH, 06.11.1989 – II ZR 62/89, NJW 1990, 1301, 1302. Die Motive zur Konkursordnung widmen ihnen wegen ihrer praktischen Bedeutung ein eigenes Kapitel und führen „[i]hre unstreitige Eigenschaft als bedingte Forderung“ ins Feld, Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 282 (= Hahn/ Mugdan, Bd. 4, S. 262). 184 Schon das RG, 27.11.1903 – VII 278/03, RGZ 58, 11, nannte die „gesetzlich bedingten Ansprüche, so insbesondere die Regreßansprüche von Bürgen und Mitschuldnern des Kridars, wenn auch die Zahlung durch den Bürgen oder Mitverpflichteten erst nach der Eröffnung des Konkurses [. . .] erfolgen sollte. “. 180
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
bereits insolvent ist, so entsteht seine Regressforderung gegen den Haupt- und Insolvenzschuldner erst während der Insolvenz. Sie kann mit Recht als Paradigma gelten, da der oben erörterte Parteieinfluss hier auf keiner Seite in Rede steht; ihre Entstehung hängt von der Initiative eines Dritten (des Bürgschaftsgläubigers) ab und vollzieht sich nach den Bedingungen, die bereits bei Insolvenzeröffnung mit dem Bürgschaftsvertrag gesetzt waren. Sie ist daher eine bedingte Gegenforderung gemäß § 95 InsO.
2. Prozesskostenerstattungsforderungen Kostenerstattungsforderungen des Insolvenzschuldners aus einem bei Verfahrenseröffnung anhängigen und vom Insolvenzverwalter fortgeführten Gerichtsverfahren gelten ebenso als aufschiebend bedingte Forderungen gemäß § 95 InsO.185 Sie entstehen im Prozessrechtsverhältnis, das seit Erhebung der Klage vor der Insolvenzeröffnung vorhanden war. In ihm waren die Bedingungen festgelegt, unter denen die Forderung entstehen konnte. Dazu fehlte nur noch ein tatsächliches Ereignis (der Urteilsspruch zugunsten des Insolvenzschuldners), ohne dass hierfür ein Zutun der Parteien erforderlich wäre.
3. Mietvertragliche Forderungen Mietzinsforderungen186 des vermietenden Insolvenzschuldners aus einem vor Eröffnung geschlossenen Vertrag für nach Eröffnung liegende Zeiträume (§ 108 I InsO) sollten selbstverständlich als bedingte Hauptforderungen § 95 I 1 InsO zu subsumieren sein, soweit ihre Entstehung vom Einfluss des Insolvenzgläubigers unabhängig ist.187 Erhebliche Unklarheiten resultieren allerdings aus einer wenig einheitlichen Rechtsprechung des BGH zu § 110 III InsO samt dessen (anlässlich von § 21 III KO) als Präzisierung gedachtem Satz 2. § 110 III 1 InsO gestattet eigens die Aufrechnung gegen solche Mietzinsforderungen des Insolvenzschuldners, die 185 MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl. 2013, § 95 Rz. 15. In anderem Zusammenhang BGH, 11.12.2008 – IX ZB 232/08, ZInsO 2009, 202, 204; BGH, 06.12.1974 – V ZR 86/73, NJW 1975, 304 (Kostenerstattungsforderung entsteht mit Zustellung der Klage bereits „im Keim“). 186 Zur Verdeutlichung, dass es nicht allgemein um Forderungen aus einem Mietvertrag geht, sei hier die alte Terminologie des „Mietzinses“ zur Beschreibung der „Miete“ zurückgeholt. Zu Forderungen des Mieters auf Erstattung von Nebenkostenguthaben: BGH, 11.11.2004 – IX ZR 237/03, NZI 2005, 164; BGH, 21.12.2006 – IX ZR 7/06, NZI 2007, 164 f.; zur Fälligkeit BGH, 19.12.1990 – VIII ARZ 5/90, BGHZ 113, 188, 194 ff. 187 Dagegen Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 95 Rz. 31, der jedoch generell gegen eine Auslegung von § 95 InsO ist, die über die Erfassung rechtsgeschäftlich bedingter Forderungen hinausgeht (ebd. Rz. 14), dem aber zuzugeben ist, dass ihre Aufrechenbarkeit in der Insolvenz nicht schlicht mit dem Verweis auf § 163 BGB begründet werden kann.
B. Künftige Aufrechnungslagen in der Insolvenz
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den Mietzeitraum unmittelbar nach Verfahrenseröffnung betreffen. Angesichts von § 95 InsO, wonach der Gläubiger gegen Mietzinsforderungen der Masse aufrechnen könnte, auch wenn diese nach Eröffnung entstehen, erscheint diese Regelung unnötig. Ihre Notwendigkeit ergibt sich aber für all die Fälle, in denen § 96 I Nr. 1 InsO die Aufrechnung ausschlösse, wenn und weil dessen Regelungsziel dies gebietet. Für solche Fälle muss § 110 III InsO die Aufrechnung ausdrücklich zulassen, und das erhellt aus § 110 III 2 InsO, der nur dazu da ist, § 96 I Nr. 1 InsO für den Zeitraum des § 110 InsO auszuschließen.188 Ungereimtheiten gehen auf eine Rechtsprechung des BGH zurück, die man als „Eiertanz“ bezeichnen dürfte. Als er in BGHZ 86, 382 anfänglich unter der Konkursordnung die Aufrechnung gegen die Mietzinsforderungen des Schuldners noch nach § 55 S. 1 Nr. 1 KO (heute: § 96 I Nr. 1 InsO) ausschloss, machte er – dogmatisch richtig – deutlich, dass hierfür nicht die Struktur der Mietzinsforderung als eine bedingte oder betagte, sondern Ziel und Zweck von § 55 S. 1 Nr. 1 KO ausschlaggebend sei.189 Im Jahr 2005 setzte der BGH diese Rechtsprechung („Aufrechnungsverbot“) unter der Insolvenzordnung fort und nannte § 110 III InsO dementsprechend eine Sondervorschrift, welche die Aufrechnung ausnahmsweise erlaube.190 Ohne Bezugnahme auf diese Entscheidung argumentierte der BGH im Jahr 2006191 diametral anders.192 Dabei wandte der BGH die „Kern“-Rechtsprechung entsprechend den Vorgaben von §§ 95 f. InsO an, wonach Mietzinsforderungen vor Eröffnung in ihrem Kern vorhanden sind, so dass sie als aufschiebend befristete Forderungen § 95 InsO unterfallen; allerdings schloss er sich dann der in ihrer Generalität antiquierten Vorstellung193 an, wonach § 95 InsO dem § 96 I Nr. 1 InsO vorgehen müsse. Damit konnte der BGH aus § 110 III InsO nichts Gegenteiliges entnehmen, da dieser gemäß seinem Satz 2 den § 95 InsO unberührt lässt.194 In einer erneuten Entscheidung aus dem Jahr 2011195 distanzierte sich der BGH von seiner Entscheidung aus dem Jahr 2006 und kehrte ausdrücklich zu seiner ursprünglichen Rechtsprechung in BGHZ 86, 382 zurück:196 Danach sind Mietzinsforderungen des Insolvenzschuldners aus einem vor Eröffnung geschlossenen Vertrag grundsätzlich i. S. v. § 95 I 1 bedingte Hauptforderungen. Soweit allerdings die ratio legis von § 96 I Nr. 1 InsO einschlägig ist, etwa weil die Hauptforderung nur infolge der Ausübung des Wahlrechts nach § 103 I InsO durch den Insolvenzverwalter zur Entstehung gelangt,197 188
BT-Drucks. 12/2443, S. 147. BGH, 09.02.1983 – VIII ZR 305/81, BGHZ 86, 382, 384 ff. 190 BGH, 02.06.2005 – IX ZR 263/03, NZI 2005, 553. 191 BGH, 21.12.2006 – IX ZR 7/06, NZI 2007, 164. 192 Diesen Widerspruch haben herausgestellt: Beutler/Bierbach, EWiR 2007, 381. 193 Vgl. oben bei Fn. 178. 194 BGH, 21.12.2006 – IX ZR 7/06, NZI 2007, 164 f. 195 BGH, 20.10.2011 – IX ZR 10/11, NZI 2011, 936. 196 MünchKomm-InsO/Eckert, 3. Aufl. 2013, § 110 Rz. 24. 197 So etwa bei BGH, 20.10.2011 – IX ZR 10/11, NZI 2011, 936. 189
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unterbindet § 96 I Nr. 1 InsO die Aufrechnung gegen eine solche Hauptforderung (oben S. 96 Abw. 1).
4. Steuervergütungsforderungen Während der umsatzsteuerpflichtige Unternehmer die mit dem Kaufpreis erlangte Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen muss, kann er die seinerseits an den Vorlieferanten bezahlte Umsatzsteuer (Vorsteuer) vom Finanzamt vergütet verlangen.198 Diese Vorsteuervergütungsforderung setzt zu ihrer Entstehung etwa nach § 15 I Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer im Besitz einer Rechnung ist.199 Gleichwohl ist sie nach Ansicht des BFH bereits vor Erhalt dieser Rechnung eine „bedingte Forderung“, sobald der Vorlieferant seine Leistung an den Unternehmer erbracht hat.200 Ab diesem Zeitpunkt steht nämlich fest, dass der Unternehmer vom Vorlieferanten eine Rechnung verlangen (§ 14 II 1 UStG) und aus der erbrachten Leistung eine Vorsteuervergütungsforderung herleiten kann.201 Der BFH umschreibt dies damit, dass er sämtliche Voraussetzungen für die Vorsteuervergütungsforderung als die steuerrechtlichen Voraussetzungen bezeichnet, während er das, was für ihre Rechtsbedingtheit ausreichend ist, den „zu Grunde liegenden zivilrechtlichen Sachverhalt“ nennt.202 Diese Steuervergütungsforderungen sind aus folgendem Grund dogmatisch höchst interessant: Während in anderen Fällen rechtsbedingter Forderungen ein Vertragsschluss oder ein Kontakt zwischen den Beteiligten stattgefunden hat, die als vertragliches oder gesetzliches Schuldverhältnis zu qualifizieren wären (§ 2 S. 41), kann es hier zu dem Zeitpunkt, in dem die Forderung bereits bedingt sein soll, sogar noch an jeglichem relevanten Kontakt zwischen dem Unternehmer als Insolvenzschuldner und dem Finanzamt als Insolvenzgläubiger fehlen. Dennoch erfüllt die gegen das Finanzamt gerichtete Hauptforderung die Merkmale einer gem. § 95 I 1 InsO bedingten Forderung. Grund dafür ist der öffentlich-rechtliche Hintergrund, kraft dessen die Forderung zulasten des Finanzamts entstehen kann, ohne dass es an dem schuldbegründenden Sachverhalt beteiligt gewesen sein müsste. Das, was der BFH den „zivilrechtlichen Sachverhalt“ nennt, stellt den Auslöser dafür dar, dass die öffentlich-rechtlichen Normen einschlägig sind, 198 Zu den von diesen Vergütungsforderungen zu unterscheidenden Steuererstattungsforderungen, die in Bezug auf § 95 InsO unproblematisch sind: BFH, 22.05.1979 – VIII R 58/77, NJW 1980, 87; BFH, 07.06.2006 – VII B 329/05, DStRE 2006, 1159; BFH, 20.07.2004 – VII R 28/03, DStRE 2004, 1440, 1441 u. 1443; MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl. 2013, § 95 Rz. 25; Hmbg.Ko-InsO/Jacoby, 4. Aufl. 2012, § 95 Rz. 34. 199 BFH, 17.12.1998 – VII R 47 – 98, DStR 1999, 670, 672. 200 BFH, 05.10.2004 – VII R 69/03, NZI 2005, 276; BFH, 21.09.1993 – VII R 119/91, DStR 1994, 95, 96; BFH, 17.12.1998 – VII R 47 – 98, DStR 1999, 670, 671 f.; Bork, ZInsO 2003, 686, 690. 201 BFH, 05.10.2004 – VII R 69/03, NZI 2005, 276, 277. 202 BFH, 05.10.2004 – VII R 69/03, NZI 2005, 276; BFH, 21.09.1993 – VII R 119/91, DStR 1994, 95; BFH, 17.12.1998 – VII R 47 – 98, DStR 1999, 670, 671 f.; Bork, ZInsO 2003, 686, 690.
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die das weitere Forderungsentstehungsprogramm aufstellen. Zwischen dem Unternehmer und dem Finanzamt besteht ab diesem Zeitpunkt Klarheit, dass die weitere Frage von Forderung oder Schuld nach diesen „Bedingungen“ zu beantworten ist. Die Entstehung der Forderung erfolgt dann im weiteren Verlauf nach diesen Bedingungen, deren Geltung unabhängig vom Willen des Steuerpflichtigen oder des Finanzamts ist.203 Der Insolvenzschuldner hat ab diesem Zeitpunkt nicht einmal Einfluss auf den Bestand der Vergütungsforderung, sein Einfluss betrifft allein die Entscheidung, ob er die Forderung durchsetzt oder nicht. Die vom BFH entschiedenen Sachverhalte entsprechen daher den Vorgaben der §§ 95 f. InsO und sind keine (wie auch immer befürwortend oder ablehnend zu beurteilenden) Sonderfälle.
5. Gewährleistungsforderungen a) Problematik Was ihre Entstehung und Fälligkeit angeht, macht eine Gewährleistungsforderung mehrere Stadien durch. Erst wird über den Kaufvertrag verhandelt. Nun wird der Kaufvertrag abgeschlossen, ohne dass der Käufer von einem Mangel weiß; bereits dadurch hat sich eine künftige Gewährleistungsforderung rechtlich weiter konkretisiert: Es liegen zwei ihrer als solche anerkannten Voraussetzungen vor (Kaufvertrag; § 442 BGB) und es gibt das Schuldverhältnis, in das sie eingebettet wäre. Von nun an entsteht die Gewährleistungsforderung „unter der Bedingung“, dass die Ware bei Gefahrübergang mangelhaft ist. Interessant ist, dass der mögliche Gläubiger solcher Forderungen zu diesem Zeitpunkt angesichts von § 442 BGB nie auf ihr Entstehen vertraut haben kann. Nun erfolge der Gefahrübergang, die Ware sei tatsächlich fehlerhaft, was der Verkäufer hätte wissen und vermeiden können, und eine Nacherfüllung sei unmöglich (§ 275 BGB). Damit sind bereits bei Gefahrübergang alle Voraussetzungen für eine Schadensersatzforderung auf das Leistungsinteresse erfüllt und die Forderung ist entstanden (§§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 BGB). Anders würde es sich verhalten, wenn die Nacherfüllung möglich wäre: Die Forderung stünde noch unter der Bedingung, dass die Nacherfüllung (ggf. nach Fristsetzung) innerhalb angemessener Frist nicht erfolgreich ist bzw. ausbleibt (§ 281 I 1 BGB). Wiederum anders läge es bei einer Schadensersatzforderung über das Leistungsinteresse hinaus, da sie von vornherein nur unter der Bedingung entstehen kann, dass sich ein weiterer Schaden ereignet.204 All das veranschaulicht die Bandbreite, innerhalb 203
Vgl. Pahlke/König, AO, 2. Aufl. 2009, § 38 Rz. 3; BFH, 21.09.1993 – VII R 119/91, DStR 1994, 95, 96 „unausweichlich“. 204 Zu pauschal daher BGH, 24.03.1994 – IX ZR 149/93, NJW 1994, 1659, wenn es dort heißt, dass die Gewährleistungsrechte mit dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs entstehen, jedoch richtig, dass das Entstehen unabhängig von der Frage ist, ob die Mangelhaftigkeit ggf. erst weit später erkennbar wird (dazu sogleich).
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
derer zu beurteilen ist, wann eine Gewährleistungsforderung derart bedingt ist, dass sie den Anforderungen des § 95 InsO genügt. Von dieser Verschiedenheit der Entstehungssachverhalte ist der Fall abzugrenzen, dass der Mangel zwar vorliegt, aber noch nicht entdeckt ist. Das ist keine Frage einer womöglich durch Entdeckung des Mangels bedingten Forderung. Der Bestand der Forderung ist nämlich materiell-rechtlich sicher, ungewiss ist nur ihre Durchsetzbarkeit: Genauso wie die Fälligkeit einer Zahlungsforderung nicht eintritt, wenn ihr Betrag nicht genannt werden kann,205 ist eine Forderung nicht fällig, deren Grund noch nicht bekannt ist. Rechtlich bereits entstanden ist diese Forderung aber allemal. Da Gewährleistungssachverhalte somit sehr unterschiedlich gelagert sind, was den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung in Relation zu der Art und Anzahl der bereits verwirklichten Voraussetzungen angeht, können pauschal geäußerte Auffassungen der Literatur nicht ohne genauere Würdigung der jeweils zitierten Referenzentscheidungen bewertet werden. Ob die „herrschende Auffassung“ Gewährleistungsforderungen wirklich in den Kanon der gem. § 95 I 1 InsO rechtsbedingten Forderungen einreiht,206 lässt sich daher kaum feststellen. Sicher ist, dass sich die Gegner einer solchen Auffassung mehrheitlich auf die „entfernteren“ Entstehungsvoraussetzungen von Gewährleistungsforderungen berufen.207 b) Stellungnahme Wegen des ohnehin unübersichtlichen Meinungsbildes sollte die Streitfrage um eine Problematik abgeschichtet werden, die nur unter der Konkursordnung eine Rolle spielte, aber noch heute das Meinungsbild prägt. Es geht um eine Entscheidung des BGH v. 24.03.1994 zu § 54 III KO, in der dieser Gewährleistungsforderungen nicht als rechtsbedingt anerkannt hatte.208 Nach § 54 III KO, der nicht in die Insolvenzordnung übernommen wurde, konnte der Konkursgläubiger, der seine eigene Schuld zur Masse begleicht, Sicherstellung dieses Betrages für den Fall verlangen, dass seine bislang nur bedingt bestehende Gegenforderung entsteht, um die Zahlung zurückzuerhalten, falls er sich später durch Aufrechnung (anstatt der Zahlung) von seiner Schuld befreien kann (oben S. 83). In einer solchen Lage ist eine ganz andere Sichtweise maßgeblich als bei § 95 I 1 InsO.209 § 54 III KO ist prospektiv auszulegen: Aufgrund des (wegen der ausstehenden Bedingung) ungewissen Status quo ist die weitere Entwicklung zu prognostizieren. § 95 I 1 InsO kann – ganz im Gegenteil hierzu – nur vom Standpunkt einer bereits entstandenen und durchsetzbaren Forderung gedacht werden (nur mit 205
Staudinger/Bittner, BGB, Neubearb. 2009, § 271 Rz. 15. So die Einschätzung von Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 95 Rz. 15. 207 Häsemeyer, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 653 Rz. 24; FK-InsO/Bernsau, 7. Aufl. 2013, § 95 Rz. 5; Kayser, WM 2008, 1525, 1527; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl. 2010, § 95 Rz. 10. 208 BGH, 24.03.1994 – IX ZR 149/93, NJW 1994, 1659, 1660. 209 Abzulehnen daher Münch, EWiR 1994, 591, 592, der von der Anlegung gleicher Maßstäbe bei Aufrechnungs- und Sicherstellungsbefugnis ausgeht. 206
B. Künftige Aufrechnungslagen in der Insolvenz
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einer solchen kann aufgerechnet werden); es ist retrospektiv zu beurteilen, ob die Forderung zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung rechtlich verfestigt war. Das wird besonders deutlich, wenn man den Kontext der BGH-Entscheidung zu § 54 III KO betrachtet: Ein Werk war dort bereits vor Konkurseröffnung fertiggestellt und man wusste lediglich nicht, ob überhaupt Mängel vorliegen. Der Gläubiger begehrte auf Grundlage von § 54 III KO Sicherstellung für den Fall, dass Mängel offenbar werden sollten. Die Anwendung von § 95 I 1 InsO käme in diesem Fall dagegen nur in Betracht, wenn ein Mangel tatsächlich vorhanden und eine Gewährleistungsforderung entstanden ist. Es ist nicht auszuschließen, dass im BGH-Fall die Gewährleistungsforderung bei Konkurseröffnung schon längst entstanden und bloß wegen der seinerzeitigen Unkenntnis des Mangels noch nicht fällig gewesen war. Demgemäß konstatierte der BGH, dass es sich bei der Ungewissheit, ob eine Gewährleistungsforderung besteht oder als solche tatsächlich erkannt werden wird, nicht um eine Bedingung (im Kontext von § 54 III KO!) handelt, sondern um das Aufklärungsrisiko. Dieses aber spielt für § 95 I 1 InsO keine Rolle. Die Entscheidung des BGH v. 24.03.1994 kann daher für die Frage der Rechtsbedingtheit von Gewährleistungsforderungen nicht herangezogen werden.210 Für die Eigenschaft als bedingte Forderung sollte maßgeblich sein, ob im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung das „Programm“ für die weitere Forderungsentstehung feststand und dem Einfluss der Parteien entzogen ist. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Kaufvertrag geschlossen wurde und der Gefahrübergang erfolgt ist, so dass die Qualität der Kaufsache und mit ihr auch die Entstehung der Gewährleistungsforderung dem Einflussbereich des Schuldners entzogen sind. In der Folge würde sich alles, was sich danach ereignet, im Rahmen dessen halten, was zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung an (gesetzlichen und tatsächlichen) Rahmenbedingungen galt; Manipulationen schiebt § 162 BGB einen Riegel vor. Auf ein von der Anzahl noch ausstehender Voraussetzungen abhängiges Vertrauen, die Wahrscheinlichkeit der Forderungsentstehung oder die Anzahl noch ausstehender Voraussetzungen kann es jedenfalls nicht ankommen.
6. Forderungen des Gesellschafters auf Abfindung oder auf das Auseinandersetzungsguthaben (BGHZ 160, 1) Forderungen des Gesellschafters auf eine Abfindung oder das Auseinandersetzungsguthaben entstehen, wenn der Gesellschafter entweder aus der Gesellschaft ausscheidet oder die Gesellschaft aufgelöst wird. Die herrschende Meinung qualifiziert sie als rechtsbedingte Forderungen, und zwar ab dem Zeitpunkt der 210 BGH, 22.09.2005 – VII ZR 117/03, NJW 2005, 3574, ist ebenso wenig aufschlussreich, da eine bereits entstandene Gewährleistungsforderung betreffend, deren Fälligkeit bei Verfahrenseröffnung noch ausstand.
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
Mitgliedschaft des Gesellschafters, jedoch nur unter dem Vorbehalt, dass die Gesellschaft bzw. Gesellschafterstellung „automatisch“, d. h. ohne einen vorgeschalteten Willensentschluss der Parteien erlischt.211 Der BGH legte Wert darauf, dass dies anzunehmen sei, wenn das Erlöschen eo ipso kraft Gesetzes oder der Gesellschaftssatzung erfolgte.212 Darauf kann es indes nicht ausschließlich ankommen. Nach den obigen Erörterungen kann es keinen Unterschied machen, ob der Erlöschensgrund noch durch eine Kündigung geltend gemacht werden muss oder unmittelbar wirkt, wenn von vornherein klar war, dass das jeweilige Ereignis zum Erlöschen führen kann. Maßgeblich ist, ob das spätere Handeln des Gläubigers den Bedingungen entspricht, wie sie vor Eröffnung gesetzt waren, oder ob dem ein neuer Willensentschluss vorgeschaltet ist, der nicht lediglich die vorhandenen rechtlichen Grundlagen vollzieht. In den hier relevanten Fällen wird der Insolvenzverwalter freilich häufig eine Ermessensentscheidung aufgrund neuer Tatsachenbasis treffen und etwa entscheiden, ob er – abhängig von der im Einzelfall sehr unterschiedlichen vertraglichen Gestaltung – mit der Kündigung den bisweilen rechtlich schwierigen Weg der Abfindungsforderung geht oder ob er den Gesellschaftsanteil ungekündigt überträgt und dadurch verwertet. Soweit sich die Kündigung in diesen Fällen daher nicht lediglich als Ausübung eines an sich bereits bei Verfahrenseröffnung objektiv vorhandenen Rechts darstellt, kann der Charakter als bedingte Forderung zu verneinen sein (oben S. 100).
7. Forderungen aus Geschäftsbesorgung Eine Hauptforderung des Insolvenzschuldners gegen den beauftragten Insolvenzgläubiger auf Herausgabe gemäß §§ 675, 667 BGB entsteht, wenn der beauftragte Insolvenzgläubiger tatsächlich etwas aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Ein Beispiel ist etwa der zum Inkasso beauftragte Rechtsanwalt, der noch während der Insolvenz des Auftraggebers von den Drittschuldnern Geld auf die einzuziehenden Forderungen erhält.213 Wurde der Auftrag vor Insolvenzeröffnung erteilt, so gilt die Hauptforderung des Auftraggebers nach herrschender Auffassung gemäß der Kern-Rechtsprechung als rechtsbedingt i. S. v. § 95 I 1 InsO,214 da zum Entstehen der Forderung auf Auskehr des Erlangten lediglich noch das 211 BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 6 f.; BGH, 09.03.2000 – IX ZR 355/98, NJW-RR 2000, 1295, 1296 = WM 2000, 933; BGH, 11.07.1988 – II ZR 281/87, NJW 1989, 453; Fischer, WM 2008, 1, 3. 212 BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1, 6 f. In casu war die Genossenschaft Insolvenzgläubiger und rechnete mit unbedingter Forderung gegen die Auseinandersetzungsforderung des Schuldners auf, die mit dessen Insolvenz und Ausscheiden aus der Genossenschaft zur Entstehung gelangt ist. 213 BGH, 23.02.1989 – IX ZR 143/88, BGHZ 107, 88. 214 BGH, 23.02.1989 – IX ZR 143/88, BGHZ 107, 88; BGH, 04.05.1979 – I ZR 127/77, BGHZ 74, 253, 256.
B. Künftige Aufrechnungslagen in der Insolvenz
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tatsächliche Ereignis fehle, dass der Beauftragte etwas aus der Geschäftsbesorgung erlangt. Erst in einer neueren Entscheidung hat der BGH hieran beiläufig Zweifel geäußert,215 was in der Kommentarliteratur nur zum Teil Niederschlag gefunden hat.216 Im Ergebnis ist man sich aber einig, dass eine Aufrechnung des Rechtsanwalts mit seiner Honorarforderung gegen die Hauptforderung der Masse auf Auskehrung von nach Eröffnung erlangtem Geld wegen der in § 96 I Nr. 1 InsO verkörperten Zielsetzung unzulässig sein muss.217 Der Grund dafür ist der Folgende: Der Auftrag des Rechtsanwalts erlischt nach §§ 115, 116 InsO mit Verfahrenseröffnung; seine Schuld, das Erlangte auszukehren, ist daher nicht mehr die eines Beauftragten gemäß §§ 675, 667 BGB, sondern die eines nach Eröffnung ungerechtfertigt Bereicherten,218 dem ein Einfluss auf die Entstehung der Forderung verbleibt, welcher nicht mehr aus vor dem Eröffnungszeitpunkt verbindlich angelegten Bedingungen resultiert. Allenfalls in den Ausnahmefällen, in denen der Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 115 III InsO fortbesteht,219 müsste man prüfen, ob der Rechtsanwalt nur die Bedingungen vollzieht, die vor der Eröffnung vereinbart worden waren, bzw. nur das macht, was er nach dem Schuldverhältnis als notwendig ansehen durfte (§ 115 III InsO), und deshalb durch die Einziehung keine künstliche Aufrechnungslage aus Gründen der Insolvenz schafft.
VI. Ergebnis Die Analyse der Rechtsprechung hat die oben ermittelten Vorgaben bestätigt. §§ 95 f. InsO schützen nicht das Vertrauen auf eine werdende Aufrechnungslage, sondern eine bei Verfahrenseröffnung objektiv angelegte Rechtslage, aus der sich in Zukunft ein Aufrechnungsrecht ergeben kann. Woraus sich eine noch nicht verwirklichte Forderungsbedingung ergibt – aus Gesetz oder Vertrag – und wie viele davon noch ausstehen, ist unerheblich. Gemäß § 95 InsO bedingte Forderungen liegen immer dann vor, wenn die Forderungsentstehung von keiner der Parteien abhängig ist. Darüber hinaus genügt es aber für eine bedingte
215 BGH, 14.06.2007 – IX ZR 56/06, NJW 2007, 2640, dort insb. Tz. 16 („nicht bedingt“), Tz. 20 (Aufgabe von BGH 71, 380) und Tz. 23 (§ 95 I 1 InsO sei nicht einschlägig). 216 Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl. 2010, § 96 Rz. 31 Spiegelstr. 3 (keine bedingte Forderung). A. A.: MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl. 2013, § 95 Rz. 12 (bedingte Forderung). 217 BGH, 14.06.2007 – IX ZR 56/06, NJW 2007, 2640, 2643 Tz. 23; BGH, 23.02.1989 – IX ZR 143/88, BGHZ 107, 88, 90; MünchKomm-InsO/Brandes/Lohmann, 3. Aufl. 2013, § 95 Rz. 12; Jacobi, NZI 2007, 495; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl. 2010, § 96 Rz. 31 Spiegelstr. 3. 218 BGH, 23.02.1989 – IX ZR 143/88, BGHZ 107, 88, 90; BGH, 04.05.1979 – I ZR 127/77, BGHZ 74, 253, 256. 219 Bei der Fortgeltung nach § 115 II InsO würden §§ 94 ff. InsO nicht gelten, da dann die Gegenforderung (die Honorarforderung des Rechtsanwalts) gemäß §§ 116 S. 2, 115 II 3 InsO eine Masseforderung wäre, für die §§ 94 ff. InsO nicht anwendbar sind, vgl. oben bei Fn. 120.
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
Forderung, wenn die Bedingungen, unter denen die Haupt- oder Gegenforderung im Insolvenzverfahren entstehen, bereits bei Insolvenzeröffnung vorhanden und dem Einfluss der Parteien entzogen waren. Ein rechtsgeschäftlicher Einfluss der Parteien auf die Forderungsentstehung ist unbedenklich, soweit er sich als Ausübung dessen darstellt, was in den Bedingungen für die Forderungsentstehung bei Insolvenzeröffnung „vorprogrammiert“ und daher als eine objektiv angelegte Vermögensposition vorhanden war. Setzen oder ändern die Parteien diese Bedingungen hingegen erst nach Insolvenzeröffnung, so liegt keine i. S. v. § 95 I 1 InsO bedingte Forderung vor.
C. § 392 BGB I. Überblick Nach § 392 BGB soll die Beschlagnahme einer Forderung das Recht des Drittschuldners, gegen diese mit einer Gegenforderung aufzurechnen, nicht automatisch ausschließen. Die Regelung bewahrt damit jedenfalls den einmal zur Aufrechnung berechtigten Drittschuldner davor, dass ihm dieses Recht vor seiner Ausübung durch Beschlagnahme der Hauptforderung wieder entzogen wird. Zwar würde eine den Beschlag auslösende Pfändung der Hauptforderung die Aufrechnungslage ohnehin nicht berühren, soweit sie – wie regelmäßig (§ 835 I Var. 1 ZPO) – die Forderungsinhaberschaft und damit die Gegenseitigkeit von Haupt- und Gegenforderung unberührt lässt; § 392 BGB ist jedoch erforderlich, um das mit der Beschlagnahme einhergehende Erfüllungsverbot zu überwinden, an dem die Aufrechnung als Erfüllungssurrogat (§ 389 BGB) sonst scheitern müsste.220 Für diese Ausnahme vom Erfüllungsverbot stellt § 392 BGB (vergleichbar mit der Regelung in § 406 BGB und § 95 I 3 InsO) noch einen Vorfälligkeitsvorbehalt auf, wonach die Hauptforderung nicht vor der Gegenforderung fällig geworden sein darf.
II. Meinungsstand Die herrschende Meinung wendet § 392 BGB nicht nur auf die bei Beschlagnahme bestehende Aufrechnungslage an, sondern auch auf Situationen, in denen die Forderungen zum Zeitpunkt der Beschlagnahme noch nicht einmal entstanden waren; das ändert freilich nichts daran, dass im Zeitpunkt der Aufrechnung die Gegenforderung wieder fällig und die Hauptforderung erfüllbar sein müssen. Die Rechtsprechung wendet § 392 BGB auf eine Gegenforderung an, auf
220
Motive, Bd. 2, S. 111 (§ 286).
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deren Entstehen der künftige Gläubiger zum Zeitpunkt der Beschlagnahme eine begründete Aussicht hatte.221 Der BGH befasste sich in seiner Leitentscheidung jedoch nicht mit der Beschaffenheit dieser Aussicht, sondern stellte maßgeblich darauf ab, dass es unbillig sei, im Rahmen von § 54 KO und § 406 BGB andere Voraussetzungen zu haben als bei § 392 BGB.222 Die Literatur sieht es als genügend an, wenn die „Rechtsgrundlage“223 bzw. der „Rechtsgrund“224 der Gegenforderung vorhanden war. Die Beschaffenheit der Hauptforderung wird nicht eigens thematisiert, obwohl natürlich auch die Beschlagnahme einer noch künftigen Hauptforderung denkbar und möglich ist.225 Der in der Kommentarliteratur verbreitete Satz, dass – abgesehen von diesem Rechtsgrund der Gegenforderung – die übrigen Voraussetzungen der Aufrechnung erst im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vorliegen müssen,226 zeigt aber, dass man es hinnehmen würde, wenn die Hauptforderung zum Zeitpunkt ihrer Beschlagnahme noch eine künftige war.
III. Stellungnahme § 392 hat nur eine solche künftige Aufrechnungslage im Blick, bei der es lediglich an der Fälligkeit, nicht aber an der Entstehung der Gegenforderung fehlt. Das folgt aus der Oder-Verknüpfung sowie dem Wort „erworben“. Noch nicht entstandene Forderungen bereits als „erworben“ zu bezeichnen, steht mit dem Sprachgebrauch nicht in Einklang. Die Aufrechnung einer aufschiebend bedingten Gegenforderung, deren Entstehungsbedingung erst nach Beschlagnahme eintritt und die – in den Worten von § 392 BGB – daher noch nicht erworben wurde, erlaubt § 392 BGB seinem Wortlaut nach also nicht. Nicht umsonst wird die Ausdehnung auf künftige Forderungen als ein Produkt von Rechtsprechung und Lehre angesehen.227
221
BGH, 22.11.1979 – VII ZR 322/78, NJW 1980, 584, 585; OLG Köln, 23.08.1977 – 2 U 185/76, OLGZ 1978, 320 f.; OLG Celle, 19.11.1982 – 15 U 195/81, JZ 1984, 247; OLG Düsseldorf, 07.05.1999 – 22 U 226/98, NJW-RR 2000, 231, 232. 222 BGH, 22.11.1979 – VII ZR 322/78, NJW 1980, 584, 585. 223 MünchKomm-BGB/Schlüter, 6. Aufl. 2012, § 392 Rz. 2; Soergel/Schreiber, BGB, § 392 Rz. 1; PWW/Pfeiffer, 8. Aufl. 2013, § 392 Rz. 3. 224 Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 VII 6 b; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2011, § 392 Rz. 13 f.; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 392 Rz. 1; Erman/E. Wagner, BGB, 13. Aufl. 2011, § 392 Rz. 5; BeckOK/Dennhardt, § 392 Rz. 3; für die Aufrechnung konnexer Forderungen auch Denck, AcP 176 (1976), 518, 522 ff. 225 Zur Relevanz bei § 1125 BGB siehe noch S. 118. 226 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2011, § 392 Rz. 12; Erman/E. Wagner, BGB, 13. Aufl. 2011, § 392 Rz. 6. 227 HkK/Zimmermann, §§ 387 – 396 Rz. 37 Fn. 203.
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1. Bei Beschlagnahme bestehende Aufrechnungslage Als ratio legis von § 392 BGB führt die herrschende Meinung vor allem den Vertrauens- oder Erwartungsschutz an.228 Das wird häufig mit den Worten von Enneccerus229 belegt, wonach derjenige Drittschuldner, der weiß, dass er aufrechnen kann, sich wirtschaftlich nicht mehr als Schuldner und der andere sich nicht mehr als Gläubiger fühle.230 Wie Zimmermann treffend bemerkt, lässt sich der Vertrauensschutz allerdings nur mobilisieren, wenn ein entsprechendes Bewusstsein herrscht.231 In den Gesetzesmaterialien232 ist von Vertrauensschutz allerdings nicht die Rede. Genannt wird lediglich das „Interesse des Drittschuldners“.233 Dieses soll überwiegen, wenn ihm durch die Beschlagnahme Möglichkeiten entgehen, die über eine reale Erfüllung an den Drittschuldner selbst hinausgingen, etwa die erleichterte Durchsetzung seiner Gegenforderung bzw. seine „Deckung, welche die Aufrechnung ihm gewähre“234. Dieser Rekurs auf die Interessen bzw. die vorhandene „Deckung“ legt eine etwas objektivere Deutungsweise der ratio legis nahe als sie der Vertrauensschutz ist und rückt das Aufrechnungsrecht des Drittschuldners in den Mittelpunkt, welches eben diesen Interessen zu dienen bestimmt ist. Bei einer solchen Deutung wäre der Drittschuldner unabhängig davon, ob er sich seiner Aufrechnungsmöglichkeit bewusst war, bereits als bloßer Inhaber einer objektiv vorhandenen Vermögensposition geschützt. So scheint es auch der BGH zu sehen, wenn er neben dem Vertrauensschutz „zugleich“ auf die Bedeutung der Aufrechnungslage hinweist, die der Aufrechnungsberechtigte nicht verlieren soll.235 Auch das Reichsgericht hat § 392 BGB objektiver interpretiert, als es darauf abstellte, dass die Beschlagnahme die Hauptforderung in dem Zustand erfasse, in dem sie sich vor der Beschlagnahme befand, und eine bestehende Aufrechnungslage Teil dieses Zustands sei.236 Das Gesetz spricht ebenfalls für eine objektivere Deutung. Immerhin bezieht sich § 392 BGB seinem Wortlaut nach nur auf die Aufrechnungslage, die auf bestehenden Forderungen fußt. § 392 BGB 228 BGH, 20.06.1951 – GSZ 1/51, BGHZ 2, 300, 305; Erman/E. Wagner, BGB, 13. Aufl. 2011, § 392 Rz. 1; BeckOK/Dennhardt, § 392 Rz. 1; MünchKomm-BGB/Schlüter, 6. Aufl. 2012, § 392 Rz. 1; Soergel/Schreiber, BGB, § 392 Rz. 1; Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 VII 6. Nicht überzeugend Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 392 Rz. 1, der den Zweck von § 392 BGB mit dem der abweichenden Sondervorschrift des § 1125 BGB erklärt, was die dafür angeführte BGH-Entscheidung (BGH, 09.03.2005 – VIII ZR 330/03, NJW-RR 2005, 1029, 1031) gerade nicht belegt. 229 Enneccerus, SchuldR, 10. Aufl. 1927, § 292 II 1 (S. 210 f.). 230 Vgl. etwa BGH, 20.06.1951 – GSZ 1/51, BGHZ 2, 300, 305. 231 HkK/Zimmermann, §§ 387 – 396 Rz. 72. 232 Motive, Bd. 2, S. 111 f. (§ 286); Protokolle, Bd. 1, S. 373 f.; Jakobs/Schubert, Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 705 – 711. 233 Motive, Bd. 2, S. 111. 234 Protokolle, Bd. 1, S. 374. 235 BGH, 20.06.1951 – GSZ 1/51, BGHZ 2, 300, 305. 236 RG, 28.05.1932 – V 56/32, RGZ 136, 321, 326; darauf spielt auch MünchKomm-BGB/ Schlüter, 6. Aufl. 2012, § 392 Rz. 1, an.
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baut also auf einen vorhandenen Vermögenstatbestand auf, der allein dadurch, dass er durch die Beschlagnahme verändert wird, einen Regelungsbedarf aufwirft. Angesichts dessen bedürfte es fast einer besonderen Begründung, warum der Schutz nur gelten soll, wenn ein entsprechendes Vertrauen zugrunde liegt.237 Damit schützt § 392 BGB nicht bestehendes Vertrauen, sondern das objektiv manifestierte Aufrechnungsrecht und die in ihm gebündelten potentiellen Interessen des Gläubigers der Gegenforderung.238
2. Künftige Aufrechnungslage mit entstandenen Forderungen Aus § 392 BGB folgt, dass der Gesetzgeber auch eine künftige Aufrechnungslage schützen will, und zwar jedenfalls eine solche, zu der nur noch die Fälligkeit der bei Beschlagnahme schon erworbenen Gegenforderung fehlt. § 392 Alt. 2 BGB hat den Zweck, dass sich der Drittschuldner nicht durch pflichtwidrige Verzögerung seiner Leistung eine Aufrechnungslage verschaffen können soll.239 Das offenbart jedoch nur die Grenzen des Schutzes der künftigen Aufrechnungslage, zeigt aber nicht den eigentlichen Grund, warum der Schutz des § 392 BGB (gerade) an der „erworbenen“ und allenfalls betagten Gegenforderung ansetzt. Darüber schweigen die Materialien zum BGB allenthalben (ebenso wie Literatur und Rechtsprechung), während die Motive zur Konkursordnung aufschlussreich sind. Hier begründete man den Schutz der Aufrechnungslage bei Betagtheit der Gegenforderung damit, dass mit den entstandenen Forderungen bereits ein Wert und Gegenwert vorhanden sei. In der fehlenden Durchsetzbarkeit der Gegenforderung sah man keinen Unterschied zur noch fehlenden Ausübung der Aufrechnung.240 Überträgt man das auf § 392 BGB, so besteht kein Unterschied zwischen dem bei Beschlagnahme schon bestehenden Aufrechnungsrecht und der von § 392 BGB ebenfalls direkt erfassten künftigen Aufrechnungslage, die noch von der Fälligkeit der Gegenforderung abhängt: In beiden Fällen geht es um den Schutz eines bereits vorhandenen objektiven Vermögenstatbestands. Eine Begründung, die am Vertrauensschutz ansetzt, wäre jedenfalls starken Zweifeln ausgesetzt, da häufig nicht absehbar ist, ob die Gegenforderung gemäß § 392 Alt. 2 BGB eine gewisse Zeit vor oder nach der Hauptforderung durchsetzbar wird und ein entsprechendes Vertrauen auf die Vorfälligkeit folglich nicht immer unterstellt werden kann.241 237 Immerhin verlangt das Gesetz auch keine Vertrauensinvestition des Berechtigten, Windel, KTS 2000, 215, 225. 238 Vgl. auch Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2011, § 392 Rz. 3, der auf die Rechtsposition des Drittschuldners abstellt. 239 Protokolle, Bd. 1, S. 374; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2011, § 392 Rz. 3; MünchKomm-BGB/Schlüter, 6. Aufl. 2012, § 392 Rz. 3. Zum insoweit gleichen Vorfälligkeitsvorbehalt des § 95 I 3 InsO oben Fn. 130. 240 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 231 f. (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 220 f.). 241 Siehe schon oben bei Fn. 130.
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3. Anwendung von § 392 BGB auf die künftige (Gegen‑)forderung a) Gesetzeslücke Der Gesetzgeber hatte die Problematik der noch nicht entstandenen Forderungen offenbar nicht bedacht. In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis darauf, dass ihre Berücksichtigung wenigstens in Erwägung gezogen oder diskutiert worden wäre.242 Gottlieb Planck, der an beiden Kommissionen zur Erarbeitung des BGB beteiligt war und Einfluss in den Beratungen zum Aufrechnungsrecht hatte,243 lehnte in der von ihm selbst verfassten ersten Auflage seines Kommentars die Anwendung auf aufschiebend bedingte Forderungen sogar ohne weitere Nachweise ab; dazu diente ihm die formale Begründung, dass eine aufschiebend bedingte Forderung erst mit Eintritt der Bedingung entstehe, sie daher erst mit Bedingungseintritt i. S. v. § 392 BGB erworben werde.244 Das bekräftigt den Eindruck, dass die Thematik in den Kommissionen nicht erörtert worden war. Angesichts des damals schon existierenden § 54 KO (heute: § 95 InsO), der die bedingte Aufrechnungslage ausdrücklich gegen die „Gesamtbeschlagnahme“ der Hauptforderung durch den Konkurs schützte, hätte sich eine Erörterung jedoch aufgedrängt, zumal man an anderer Stelle die Aufrechnungsregeln im Konkursrecht durchaus im Blick hatte.245 Es kann daher von einer Lücke im Gesetz ausgegangen werden. b) Teleologische Extension Dass in dieser Lücke des Gesetzes ein Wertungswiderspruch zutage tritt, hatte man schon bald erkannt. Die Nachfolgekommentierung im Planck-Kommentar durch Siber, die noch heute als Beleg für die Berücksichtigung aufschiebend bedingter Forderungen bei § 392 BGB angeführt wird,246 widersprach der Ansicht der Erstauflage unter Hinweis auf einen Aufsatz von Weismann, welcher sich mit der Auffassung Plancks auseinandergesetzt hatte.247 Weismann gab die für das weitere Meinungsbild entscheidende Rechtfertigung für die erweiterte Auslegung
242 Gegenstand der Beratungen und Vorüberlegungen waren vor allem der Aspekt der Kenntnis des Drittschuldners von der Beschlagnahme und der Vorfälligkeitsvorbehalt, Motive, Bd. 2, S. 111 f. (§ 286); Protokolle, Bd. 1, S. 373 f.; Jakobs/Schubert, Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 705 – 711; v. Kübel, Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Recht der Schuldverhältnisse, S. 1095 f. 243 Zu letzterem Jakobs/Schubert, Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 705; HkK/ Zimmermann, §§ 387 – 396 Rz. 25. Zur Person von Planck s. Schroeder, JuS 2000, 1046 ff. und Wesel, 3. Aufl., S. 467. 244 Planck, BGB, 1. Aufl. Bd. II, § 392 Nr. 1. 245 Zu letzterem HkK/Zimmermann, §§ 387 – 396 Rz. 24. 246 Vgl. nur MünchKomm-BGB/Schlüter, 6. Aufl. 2012, § 392 Rz. 1; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2011, § 392 Rz. 13. 247 Planck/Siber, BGB, Bd. II 1, § 392 Nr. 1; Weismann, ZdZP 26 (1899), 1, 39 f.
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von § 392 BGB, indem er den „unlösbaren Widerspruch“248 der Ansicht Plancks mit § 54 KO beanstandete. Auf diesen Wertungswiderspruch hob auch der BGH ab, als er § 392 BGB für künftige Forderungen öffnete, auf die eine begründete Aussicht bestehe.249 Es ist nicht zu rechtfertigen, warum die Tatsache, dass die Forderung durch Gesamtakt in Beschlag genommen wird, einen Unterschied für die Aufrechenbarkeit künftiger Forderungen machen soll,250 zumal die Gründe für § 54 KO nicht in den Besonderheiten des Konkursrechts wurzeln, sondern – wie bei § 392 BGB – in der objektiven Vermögensposition des Aufrechnenden.251 Methodisch lässt sich dieser Wertungswiderspruch angesichts des zu engen Wortlauts durch die teleologische Extension von § 392 BGB auflösen, da es sich bei den künftigen Forderungen um einen durchaus verschiedenen Tatbestand handelt, der in die gesetzliche Regelung einbezogen werden müsste, um ihren Zweck auch in solchen Fällen zu erreichen.252 Da § 54 KO wie § 95 I 1 InsO nicht nur die Gegen‑, sondern auch die Hauptforderung einschließen, kann § 392 BGB ebenso auf die künftige Hauptforderung angewandt werden.
4. Beschaffenheit der künftigen Forderung Zu klären bleibt, wie die vom BGH genannte „begründete Aussicht“ bzw. der in der Literatur bemühte „Schuldgrund“ beschaffen sein muss. Da es um die Beseitigung eines Wertungswiderspruchs mit dem Insolvenzrecht geht, können sich die Kriterien nicht von dem unterscheiden, was man bei § 54 KO bzw. dem insoweit gleichen § 95 I 1 InsO unter einer bedingten Forderung versteht. Dementsprechend hatte schon Weismann auf die bedingten Regressforderungen des Bürgen hingewiesen,253 die seinerzeit als Paradebeispiel bedingter Forderungen i. S. v. § 54 KO galten.254 Damit gilt inhaltlich, was an sich schon die Rechtshistorie nahe legt: Nicht § 392 BGB ist Vorbild für die in §§ 94, 95 InsO verkörperte Regelung,255 sondern umgekehrt. Damit muss für § 392 BGB im Hinblick auf den verbleibenden Einfluss des Aufrechnungswilligen dasselbe gelten wie im Insolvenzrecht. Jeder rechtsgeschäftliche Einfluss auf die Forderungsentstehung ist tolerierbar, soweit er sich als Ausübung dessen darstellt, was in den Bedingungen für die Forderungsentstehung im Zeitpunkt der Beschlagnahme „vorprogrammiert“ war. Setzen oder ändern die Parteien diese Bedingungen hingegen 248
Weismann, ZdZP 26 (1899), 1, 39. BGH, 22.11.1979 – VII ZR 322/78, NJW 1980, 584, 585. 250 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2011, § 392 Rz. 14. 251 Weismann, ZdZP 26 (1899), 1, 39 f. und oben B.IV.3. (S. 90 ff.). 252 Vgl. Larenz, Methodenlehre, 2. Aufl., S. 286 u. 288; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 621. 253 Weismann, ZdZP 26 (1899), 1, 39 f. 254 S. oben B.V.1. (S. 101). 255 So aber etwa BGH, 22.09.2005 – VII ZR 117/03, NJW 2005, 3574, 3576. 249
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
erst nach der Beschlagnahme, so eignet sich die Forderung – im Interesse des die Beschlagnahme erwirkenden Drittgläubigers – nicht für eine Aufrechnung gemäß § 392 BGB. Eine völlige Identität der Problematik mit dem Insolvenzrecht besteht allerdings nicht, da sich der Insolvenzbeschlag in einem Punkt von der Einzelbeschlagnahme unterscheidet. Die Einzelbeschlagnahme der Hauptforderung bewirkt nicht, dass ihr Gläubiger seine Verfügungsbefugnis insgesamt einbüßt, wie es nach §§ 80 ff. InsO für den Insolvenzschuldner (als Gläubiger der Hauptforderung) der Fall ist. Bei § 392 BGB muss der Einfluss des Hauptforderungsgläubigers auf die Forderungsentstehung daher generell unbedenklich sein. Hier führt die oben herausgearbeitete Differenzierung der Ursachen also zu einem Unterschied zwischen § 392 BGB und § 95 InsO (siehe dazu noch am Ende dieses Kapitels unter E.).
IV. Rechtsprechungsanalyse An dieser Stelle soll die Leitentscheidung des BGH untersucht werden:256 Ein Werkbesteller rechnet gegen beschlagnahmte Werklohnforderungen des Unternehmers auf. Seine Gegenforderung geht auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung weiterer Werkleistungen, die der Unternehmer nach der Beschlagnahme wegen Zahlungsschwierigkeiten einstellen musste. Diese Schadensersatzforderung entsteht (auch nach heutiger Rechtslage) nach § 8 II Nr. 2 VOB/B, wenn der Besteller infolge einer Zahlungseinstellung des Unternehmers (etwa gegenüber dessen Zulieferern) gemäß § 8 II Nr. 1 VOB/B kündigt. Im Fall des BGH erfolgte diese Kündigung des Bestellers nach der Beschlagnahme, so dass die Gegenforderung erst nach der Beschlagnahme entstanden ist, aber auf den vor Beschlagnahme vereinbarten Bedingungen (VOB/B) beruhte. Interessant ist, dass sich der BGH gar nicht mit der Frage des „Rechtsgrundes“ der Gegenforderung im Einzelnen befasste, sondern nur Fälligkeitsfragen mit Blick auf den Vorfälligkeitsvorbehalt aus § 392 Alt. 2 BGB erörterte. Für die relevante Frage verwies er auf eine frühere Entscheidung, in der eine solche Forderung bei vergleichbarem Sachverhalt als aufschiebend bedingte gemäß § 54 KO qualifiziert wurde.257 Das ist – wie oben gesehen – methodisch und dogmatisch korrekt, da die Ergebnisse von § 54 KO in § 392 BGB integriert werden. Problematisch ist, dass sich diese Referenzentscheidung ebenso wenig mit der Struktur der Forderung auseinandersetzte. Die Leitentscheidung zu § 392 BGB betrifft Forderungen, die durch eine rechtsgeschäftliche Reaktion des Drittschuldners auf einen nach Beschlagnahme eintretenden Zahlungsausfall zur Entstehung gebracht wurden, und damit den schwierigen Bereich des verbleibenden Einflusses des Aufrechnungswilligen auf das Werden der Forderung. 256
BGH, 22.11.1979 – VII ZR 322/78, NJW 1980, 584. BGH, 05.05.1977 – VII ZR 85/76, BGHZ 68, 379, 382.
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C. § 392 BGB
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Dabei haben die obigen Untersuchungen ergeben, dass es der Qualifizierung einer Forderung als bedingte i. S. v. § 95 I 1 InsO nicht per se entgegensteht, wenn sie durch eine rechtsgeschäftliche Erklärung hervorgebracht wird (S. 100). Vielmehr ist der einzelne Sachverhalt daraufhin zu würdigen, ob dem aufrechnungswilligen Drittschuldner durch die Möglichkeit der Kündigung ein Einfluss verbleibt, kraft dessen eine Aufrechnungslage ‚künstlich‘ geschaffen würde, oder ob er mit der Kündigung nur das vollzieht, was von Anfang an vorgesehen war. Sollte es sich im Fall des nach § 8 II Nr. 1 VOB/B kündigenden Bestellers bei der Kündigung von vornherein um die einzig zu erwartende Option gehandelt haben, so mag ein „künstlicher“ Einfluss verneint werden können. Die bei dieser Prüfung zu vollziehende Gratwanderung setzt jedenfalls eine Einzelfallanalyse voraus. Das hat der BGH in seiner Leitentscheidung zu § 392 BGB unterlassen und unter diesem Blickwinkel ist die Entscheidung kritisch zu sehen. Zustimmung verdient jedenfalls die Entscheidung des OLG Düsseldorf zu einem der BGHEntscheidung entsprechenden Sachverhalt,258 in der dieses feststellte, dass es auf die Kündigung nach § 8 II Nr. 1 VOB/B nicht entscheidend ankomme, wenn die Schadensersatzforderung auch aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage entstehen würde. Nicht herangezogen werden darf BGHZ 160, 1,259 in welcher der BGH in einem obiter dictum Forderungen aus dem Reigen der aufschiebend bedingten ausgrenzt, die infolge einer Kündigung aufgrund von Zahlungsausfall entstehen. Diese Entscheidung betrifft nämlich den Einfluss des Insolvenzschuldners (entspricht hier dem Gläubiger der Hauptforderung), der bei § 392 BGB gerade anders zu beurteilen ist; zudem ist die Begründung dieser Entscheidung ohnehin nicht überzeugend gelungen (dazu oben S. 107 f.). In einem anderen Fall aus der Rechtsprechung ging es um die Aufrechnung des Drittschuldners mit einer Gegenforderung auf Zahlung einer Vertragsstrafe gegen die beschlagnahmte Hauptforderung. Das strafbewehrte Wettbewerbsverbot und der seine Bedingungen festlegende Vertrag wurden vor Beschlagnahme vereinbart; obwohl der die Vertragsstrafe auslösende Wettbewerbsverstoß des Gläubigers erst nachher stattfand, hielt das Gericht die Aufrechnung für zulässig.260 Mit dieser Entscheidung konform ist diejenige des OLG Celle, welche die sich nach Beschlagnahme ereignende Pflichtverletzung (Verzug) in Bezug auf einen vorher vereinbarten Vertrag betraf und die Gegenforderung auf Schadensersatz im Zeitpunkt der Beschlagnahme als „begründet“ ansehen durfte.261 Beide Entscheidungen betreffen den Einfluss des Gläubigers der Hauptforderung, der bei § 392 BGB unschädlich ist (oben III.4, S. 116), so dass § 392 BGB mit Recht angewandt wurde.
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OLG Düsseldorf, 07.05.1999 – 22 U 226/98, NJW-RR 2000, 231, 232. BGH, 29.06.2004 – IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1. 260 OLG Köln, 23.08.1977 – 2 U 185/76, OLGZ 1978, 320. 261 OLG Celle, 19.11.1982 – 15 U 195/81, JZ 1984, 247. 259
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
V. Konsistenz mit der Sonderregelung § 1125 BGB Bei § 1125 BGB geht es um den Mieter, dessen künftige Mietschulden von dem Hypothekengläubiger seines Vermieters beschlagnahmt werden. Nach Fälligkeit der Miete möchte der Mieter eine fällige Gegenforderung, die ihm gegen seinen Vermieter zusteht und vor der jeweiligen Miete fällig geworden ist, aufrechnen. Zum Zeitpunkt der Beschlagnahme war die Aufrechnungslage allerdings noch künftig, da eine Mietforderung erst mit Beginn des jeweiligen Mietabschnitts entsteht und die Hauptforderung damit erst nach der Beschlagnahme entstanden ist.262 Gemäß der oben nachvollzogenen herrschenden Auslegung von § 392 BGB wäre die Aufrechnung gleichwohl zulässig, weil die Hauptforderung bei Beschlagnahme i. S. v. § 95 I 1 InsO aufschiebend bedingt war. § 1125 BGB will eine solche Aufrechnungsmöglichkeit allerdings nur für den in § 1124 II BGB umschriebenen, der Beschlagnahme unmittelbar folgenden Zeitraum hinnehmen, im Übrigen § 392 BGB aber ausschließen. Damit stellt § 1125 BGB für spätere Zeiträume das Interesse des Mieters an seiner künftigen Aufrechnungslage hinter diejenigen des Grundpfandrechtsgläubigers zurück, um diesem die Haftungsmasse zu erhalten.263 § 1125 BGB erweist sich damit in der Tat als eine einschränkende Sonderregelung, welche auf die Auslegung von § 392 BGB abgestimmt ist.264
VI. Ergebnis Das, was Rechtsprechung und Lehre als begründete Aussicht auf eine Forderung, als Schuldgrund oder als Rechtsgrundlage bezeichnen, entspricht im Grundsatz der aufschiebend bedingten Forderung i. S. v. § 95 I 1 InsO, und zwar sowohl im Hinblick auf die Gegen- als auch im Hinblick auf die Hauptforderung; Unterschiede bestehen aber dort, wo die Insolvenz für eine Trennung zwischen Masse- und massefreiem Vermögen sorgt (§§ 80 ff. InsO), und damit wenn die Entstehung der Forderung noch vom Einfluss des Gläubigers der Hauptforderung abhängt. Dieser ist, anders als bei § 95 InsO, bei § 392 BGB generell hinzunehmen. Im Übrigen ist auch jeder rechtsgeschäftliche Einfluss des Drittschuldners auf die Forderungsentstehung tolerierbar, soweit er sich als Ausübung dessen darstellt, was in den Bedingungen für die Forderungsentstehung im Zeitpunkt der Beschlagnahme „vorprogrammiert“ war. Setzt oder ändert er diese Bedingungen hingegen erst nach der Beschlagnahme, so eignet sich die daraus entstehende Forderung – im Interesse des Beschlagnahmegläubigers – nicht für eine Aufrechnung gemäß § 392 BGB. 262
S. § 2 S. 48 f. BGH, 09.03.2005 – VIII ZR 330/03, NJW-RR 2005, 1029, 1031. 264 Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1125 Rz. 2; MünchKomm-BGB/ Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1125 Rz. 1. 263
D. § 406 BGB
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D. § 406 BGB I. Überblick § 406 BGB befreit von dem Erfordernis der Gegenseitigkeit, wo die Hauptforderung ohne Kenntnis ihres aufrechnungswilligen Schuldners einem neuen Gläubiger übertragen worden ist.265 Nach § 406 BGB darf der inzwischen eingeweihte Schuldner seine Gegenforderung, die gegen den bisherigen Gläubiger der Hauptforderung gerichtet ist, auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen. § 404 BGB würde hier nicht weiterhelfen: Er trägt eine gegenüber dem bisherigen Gläubiger bei Abtretung bereits erklärte Aufrechnung in das Verhältnis mit dem neuen Gläubiger;266 eine über § 404 BGB zu transportierende „Einrede der Aufrechenbarkeit“ gibt es aber nicht.267 § 407 BGB hilft dagegen dem immer noch unwissenden Schuldner, indem er ihm nachlässt, die Aufrechnung gegenüber dem bisherigen Gläubiger zu erklären.268 Da § 406 BGB die Aufrechnung gegen den neuen Gläubiger gestattet, setzt die Norm Kenntnis des Schuldners von der Abtretung voraus.269 Kommt diese Kenntnis allerdings zu früh oder erlangt die Gegenforderung – vergleichbar mit § 392 BGB, § 95 I 3 InsO – ihre Durchsetzbarkeit erst nach der Hauptforderung, so bleibt dem Schuldner die Aufrechnung versagt (§ 406 BGB). Während Hauptund Gegenforderung in dem Zeitpunkt, zu dem § 406 BGB angewandt werden soll, jedenfalls entstanden sind, erlangt die künftige Forderung Relevanz, wenn der Schuldner vor ihrer Entstehung Kenntnis von der Abtretung erlangt hat, aber immer noch am Schutz von § 406 BGB partizipieren soll. § 406 BGB ist eine „unnötig kompliziert geratene Regelung“270, weil sie mit den gleichen Worten zwei „grundverschiedene“271 Sachverhalte regelt. Zum einen wird eine bestehende Aufrechnungslage vor späterer Zerstörung geschützt, wenn nach Entstehen eines Aufrechnungsrechts die Hauptforderung abgetreten wird; auf die Kenntnis von der Abtretung kommt es hier nicht mehr an.272 Zum anderen erkennt § 406 BGB Aufrechnungslagen an, die – mangels Gegenseitigkeit – nie 265
BGH, 08.05.2013 – XII ZB 192/11, NJW 2013, 2592; BGH, 26.06.2002 – VIII ZR 327/00, NJW 2002, 2865; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 406 Rz. 13, 30; Schwarz, AcP 203 (2003), 241 u. 247. 266 BGH, 26.06.2002 – VIII ZR 327/00, NJW 2002, 2865; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 406 Rz. 14; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 406 Rz. 4; Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 243 ff. 267 Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 VII 5 b; Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 278 f. 268 Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 243 ff. 269 MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 406 Rz. 4. 270 PWW/H. F. Müller, 8. Aufl. 2013, § 406 Rz. 1; Reichold, S. 31 f.; BGH, 28.11.1955 – II ZR 153/54, BGHZ 19, 153, 157 („undeutlich“). 271 Reichold, S. 137. 272 Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 252 f. Grundlegend zum Schutz einer vorhandenen Aufrechnungsbefugnis BGH, 20.06.1951 – GSZ 1/51, BGHZ 2, 300.
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
wirklich entstanden sind. Nur diese sollen Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein, da es hierbei um künftige Aufrechnungslagen geht. Dabei kann es theoretisch darum gehen, dass das Gesetz eine in Ansätzen vorhandene künftige Aufrechnungslage wegen ihrer Beschaffenheit wie eine bestehende Aufrechnungslage behandeln möchte, oder aber darum, dass es den Schuldner in seiner Vorstellung schützen will, dass es zu einer Aufrechnungslage kommen werde. Bei der Auslegung von § 406 BGB werden beide Aspekte häufig vermischt, so dass es zu Brüchen kommt.273 Diese Brüche machen sich nicht zuletzt darin bemerkbar, dass die Auslegung von § 406 BGB durch die Literatur von der Rechtsprechung abweicht.
II. Meinungsbild 1. Literatur Die Literatur identifiziert zwei Regelungsziele von § 406 BGB. Vornehmlich soll es um den Schutz des Vertrauens gehen, nach dem Erwerb einer Gegenforderung aufrechnen zu können.274 Aber auch der Bestandsschutz wird genannt, sprich die Bewahrung des Schuldners vor einer Verschlechterung seiner Rechtsstellung.275 Der Erkenntniswert dessen ist freilich gering, weil regelmäßig unklar bleibt, welche dieser Regelungsziele den unterschiedlichen Sachverhalten zuzuordnen sind, die § 406 BGB regelt. Schon der Schutz bestehender Aufrechnungslagen kann mit beiden Zwecksetzungen gerechtfertigt werden: Zwar liegt es auf der Hand, dass es hier um die Bewahrung eines objektiv vorhandenen Aufrechnungsrechts geht; er kann jedoch ebenso als Rückkopplung eines mit der Norm verfolgten Vertrauensschutzes erklärt werden.276 Für die vorliegende Frage nach dem Schutz im Fall von künftigen Aufrechnungslagen ist daher besonders darauf zu achten, mit welcher ratio legis argumentiert wird. Die Literatur thematisiert die Beschaffenheit der Gegenforderung, und zwar unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes: Mit dem Argument, dass die Vorstellung des Schuldners maßgeblich sei, wird § 406 BGB ausdrücklich auf solche Gegenforderungen erstreckt, die im Zeitpunkt der Abtretung der Hauptforderung noch keinen „Rechtsgrund“ hatten.277 Der gutgläubige Schuldner kann also auch 273
Etwa MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 406 Rz. 3. Ausführlich Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 248 – 265; ferner Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 406 Rz. 1; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 406 Rz. 1; Soergel/ Schreiber, BGB, § 406 Rz. 1; Erman/H. P. Westermann, BGB, 13. Aufl. 2011, § 406 Rz. 1; Schomaker, BB 1969, 940, 941; Kornblum, BB 1981, 1296, 1303. 275 Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 406 Rz. 3; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 406 Rz. 1. 276 Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 253. 277 Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 406 Rz. 15, 16, 17; MünchKomm-BGB/ Roth, 6. Aufl. 2012, § 406 Rz. 7; Soergel/Schreiber, BGB, § 406 Rz. 2; Schwarz, AcP 203 (2003), 274
D. § 406 BGB
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nach der Abtretung noch neue Forderungen mit dem bisherigen Gläubiger begründen, die er gegenüber dem neuen Gläubiger aufrechnen kann. Zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung müsse die Gegenforderung immer noch nicht entstanden, aber immerhin in ihrem Rechtsgrund vorhanden sein.278 Das, was der Rechtsgrund einer Forderung ist, wird nicht behandelt.279 Weil die Gegenforderung zum Zeitpunkt der Abtretung, also zum Zeitpunkt der potentiellen Benachteiligung des Schuldners, keinen Rechtsgrund aufweisen muss, wird dem Schuldner die tatsächliche Aussicht bewahrt, eine gegen den bisherigen Gläubiger in Zukunft einmal entstehende Forderung trotz Gläubigerwechsels aufrechnen zu können. Das ist Folge einer Betrachtung, die letztlich dem Zeitpunkt der Abtretung gar keine Bedeutung beimisst, sondern dem Moment der Kenntnis verhaftet ist. Diese subjektive Sichtweise gipfelt in der Bemerkung Gernhubers, dass sich damit jede intensive Beschäftigung mit den Kriterien, die an den Rechtsgrund zu stellen sind, erübrigen, da die subjektiven Vorbehalte in § 406 BGB Grenze genug seien.280 Die Beschaffenheit der Hauptforderung findet in der Literatur wenig Beachtung; Schwarz betont, dass die Hauptforderung zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung lediglich in ihrem Rechtsgrund vorhanden sein muss.281
2. Rechtsprechung a) Reichsgericht In einer knappen und wenig beachteten Entscheidung hatte das Reichsgericht § 406 BGB auf einen Sachverhalt angewandt, in dem der Schuldner Kenntnis von einer (Voraus‑)abtretung der Hauptforderung erhielt, die zu diesem Zeitpunkt noch aufschiebend bedingt war; die Gegenforderung war bereits entstanden.282 Gegenstand einer späteren Entscheidung war eine Gegenforderung, die zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung noch immer nicht entstanden, jedoch bereits vor Abtretung rechtsgeschäftlich begründet worden war.283 Obwohl die Forderung damit in Kenntnis der Abtretung zur Entstehung gelangt ist, befand das Reichsgericht, dass der Vorbehalt in § 406 BGB – Kenntnis von der Abtretung 241, 255 f.; Erman/H. P. Westermann, BGB, 13. Aufl. 2011, § 406 Rz. 2 mit 3; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 406 Rz. 6; Planck/Siber, BGB, Bd. II 1, § 406 Nr. 1 u. 2; wohl auch PWW/H. F. Müller, 8. Aufl. 2013, § 406 Rz. 4. 278 Nachw. in Fn. 277. 279 Auch die wohl grundlegendste Untersuchung zur Thematik von Schwarz, AcP 203 (2003), 241, baut lediglich auf den Begriff des Rechtsgrunds auf, vgl. ebd. S. 257 f., 261. 280 Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 VII 5 d. 281 Schwarz, WM 2001, 2185, 2188 – 2190. 282 RG, 11.01.1910 – 139/09 III, JW 1910, 147 Nr. 8. 283 In casu eine Regressforderung aus §§ 769, 426 II BGB gegen den Mitbürgen, deren zugrunde liegender Bürgschaftsvertrag vor Abtretung geschlossen worden war, wohingegen die die Forderung zur Entstehung bringende Inanspruchnahme des Bürgen erst nach Abtretung und Kenntnis erfolgte.
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
„bei dem Erwerb der Forderung“ – nicht zum Tragen komme. Die Begründung fiel recht apodiktisch aus: Es müsse genügen, wenn dem Schuldner im Zeitpunkt der Kenntnis eine bedingte Forderung zustand.284 b) Bundesgerichtshof Nach der Rechtsprechung des BGH soll § 406 BGB erreichen, dass der Schuldner durch die Abtretung gegenüber dem neuen Gläubiger nicht schlechter gestellt werde als er gegenüber dem alten Gläubiger stand; der BGH will diese ratio legis deutlicher als noch das Reichsgericht285 in den Kontext „der §§ 404 ff. BGB“ stellen.286 Was die Beschaffenheit künftiger Forderungen für § 406 BGB angeht, lassen sich seine Entscheidungen danach unterteilen, ob sie die Gegen- oder die Hauptforderung betreffen. aa) Zur Beschaffenheit der Gegenforderung Der BGH stützt in seiner Rechtsprechung die Subsumtion von § 406 BGB auf den folgenden Satz: Durch § 406 BGB werde dem Schuldner nicht nur eine bei der Abtretung schon vorhandene Aufrechnungsbefugnis, sondern auch diejenige „Rechtsstellung“ erhalten, die ihm ohne die Abtretung später einmal die Tilgung seiner Schuld durch Aufrechnung ermöglicht hätte.287 Der BGH spricht dabei nicht durchgehend vom Erhalt einer „Rechtsstellung“, sondern auch schlicht von der Möglichkeit, sich auf „spätere Umstände“ zu berufen, die dem Schuldner ohne die Abtretung das Recht zur Aufrechnung gegeben hätten.288 Obwohl letztere Formulierung so interpretiert werden könnte, dass auch Gegenforderungen ohne Rechtsgrund für § 406 BGB genügen würden, prüft der BGH in stetiger Rechtsprechung, ob die Gegenforderung einen „Rechtsgrund“ hatte, und zwar zum Zeitpunkt der Abtretung.289 Insoweit reflektiert die Rechtsprechung die großzügigere Haltung der Literatur also nicht. Als Beleg für diese könnte einzig eine sehr frühe Entscheidung des BGH zur Beschaffenheit der Gegenforderung 284 RG, 04.03.1910 – II 350/09, RGZ 73, 138, 141. Zur Beschaffenheit der Gegenforderung äußerte es sich nicht. RG, 11.11.1913 – III 270/13, RGZ 83, 279, konnte diese Frage dahinstehen lassen, da in casu eine Anrechnung (zu diesem Institut aus heutiger Zeit MünchKomm-BGB/ Schlüter, 6. Aufl. 2012, § 387 Rz. 50) und keine Aufrechnung in Rede stand. 285 Vgl. RG, 04.03.1910 – II 350/09, RGZ 73, 138, 140. 286 BGH, 28.11.1955 – II ZR 153/54, BGHZ 19, 153, 156; BGH, 19.12.1974 – II ZR 27/73, BGHZ 63, 338, 343; BGH, 17.03.1975 – VIII ZR 245/73, BGHZ 64, 122, 126; BGH, 26.06.2002 – VIII ZR 327/00, NJW 2002, 2865; BGH, 13.02.2003 – VII ZR 267/01, NJW 2003, 1182, 1183. 287 BGH, 27.04.1972 – II ZR 122/70, BGHZ 58, 327, 329 u. 332; BGH, 28.11.1955 – II ZR 153/54, BGHZ 19, 153, 157; BGH, 09.04.1990 – II ZR 1/89, NJW 1990, 2544, 2445. 288 BGH, 26.06.2002 – VIII ZR 327/00, NJW 2002, 2865; BGH, 13.02.2003 – VII ZR 267/01, NJW 2003, 1182, 1183. 289 BGH, 12.06.1961 – VII ZR 63/60, JZ 1962, 92; BGH, 21.04.1971 – VIII ZR 190/69, BGHZ 56, 111, 114 f.; BGH, 19.12.1974 – II ZR 27/73, BGHZ 63, 338, 342; BGH, 27.04.1972 – II ZR 122/70, BGHZ 58, 327, 330; BGH, 01.07.1974 – II ZR 115/72, NJW 1974, 2000, 2001.
D. § 406 BGB
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dienen (BGHZ 19, 153). Auch hier betont der BGH zwar, dass es auf den Zeitpunkt der Abtretung ankomme,290 führt dann aber in einem obiter dictum aus, dass dem Schuldner durch § 406 BGB bis zur Kenntnis von der Abtretung die Möglichkeit erhalten bleibe, Gegenforderungen gegen den bisherigen Gläubiger durch Abtretung, Gesamtrechtsnachfolge, neues Rechtsgeschäft mit dem bisherigen Gläubiger oder eine von diesem gegen ihn begangene unerlaubte Handlung zu erwerben.291 Dies ist die einzige Äußerung des BGH, in der er andeutet, dass der Rechtsgrund für die Gegenforderung auch noch nach der Abtretung bis zur Kenntnis gelegt werden könnte. In casu handelte es sich aber um eine Gegenforderung, die in einem Schuldverhältnis angelegt war, das bei Abtretung bereits vorhanden war; überhaupt spielte die Beschaffenheit der Gegenforderung, wie der BGH selbst betonte,292 für die Entscheidung keine Rolle. bb) Zur Beschaffenheit der Hauptforderung Was die Beschaffenheit der Hauptforderung für § 406 BGB angeht, hielt es der BGH für ausreichend, dass sie bei der (Voraus‑)Abtretung aufschiebend bedingt war und erst nachher entsteht.293 Später fügte er hinzu, dass es sogar unschädlich sei, wenn die seinerzeit im Voraus abgetretene Hauptforderung auch im Zeitpunkt der Kenntniserlangung noch immer nicht entstanden war, wenn ihr Rechtsgrund schon vorher (in casu vor Abtretung) gelegt war.294 Zu dem Fall, dass die Hauptforderung nach Kenntnis des Schuldners überhaupt erst begründet wird, wollte der BGH bewusst nicht Stellung nehmen, nicht ohne aber den Hinweis, dass dieser Fall womöglich anders zu entscheiden wäre.295 Das OLG Bamberg lehnte die Anwendung von § 406 BGB auf einen solchen Fall in der Tat ab.296
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BGH, 28.11.1955 – II ZR 153/54, BGHZ 19, 153, 157. BGH, 28.11.1955 – II ZR 153/54, BGHZ 19, 153, 157 f. 292 BGH, 28.11.1955 – II ZR 153/54, BGHZ 19, 153, 159. 293 BGH, 27.04.1972 – II ZR 122/70, BGHZ 58, 327, 330 (für die Hauptforderung auf das Auseinandersetzungsguthaben gegen eine Genossenschaft, die durch Erlöschen der Mitgliedschaft aufschiebend bedingt ist; auch die Gegenforderung war bei Abtretung lediglich begründet); BGH, 21.04.1971 – VIII ZR 190/69, BGHZ 56, 111, 114 f. (für die Hauptforderung auf vor Abtretung vertraglich vereinbarten Aufwendungsersatz des Pächters bedingt durch die sich nach Kenntnis ereignende Beendigung des Pachtvertrags; auch die Gegenforderung war bei Abtretung lediglich begründet). 294 BGH, 09.04.1990 – II ZR 1/89, NJW 1990, 2544, 2545. 295 BGH, 09.04.1990 – II ZR 1/89, NJW 1990, 2544, 2545. 296 OLG Bamberg, 20.10.1999 – 3 U 20/99, NJW-RR 2000, 650 (für den Fall einer mit Wissen und Willen des Schuldners nach Kenntnis begründeten Hauptforderung); so auch MünchKommBGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 406 Rz. 20. 291
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3. Divergenzen Rechtsprechung und Literatur divergieren vor allem in der Frage, ob die Gegenforderung bereits zum Zeitpunkt der Abtretung einen Rechtsgrund aufweisen muss oder erst im Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Schuldners von der Abtretung. Das hat Konsequenzen. Für Zessionare bedeutet die Auffassung der Literatur, dass der Schuldner nach der Abtretung weiterhin mit dem bisherigen Gläubiger auf der Annahme disponieren kann, es sei noch zu keiner Abtretung gekommen. Der Zessionar erhält dann eine Forderung, deren Wert im Nachhinein durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung gemindert werden kann, für deren Absenz der Zedent bei der Abtretung aber nicht einstehen konnte. Der Zessionar muss also damit rechnen, dass die weitere Geschäftstätigkeit des Zedenten die wirtschaftlichen Früchte seines Erwerbs in Frage stellt. Das wäre nicht der Fall bei einer Beschränkung der Anwendung des § 406 BGB auf Gegenforderungen, deren Schuldverhältnis im Zeitpunkt der Abtretung bereits vorhanden war; diese könnte der Zedent dem Zessionar benennen und offenlegen, um ein hieraus erwachsendes Aufrechnungsrisiko kalkulieren zu können. In rechtlicher Hinsicht steht also die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt im Zentrum der Divergenzen: Die Literatur räumt dem Zeitpunkt der Kenntnis über die Abtretung die maßgebende Bedeutung bei (im Folgenden: subjektives Konzept), während in der Rechtsprechung – wie bei § 404 BGB – der Zeitpunkt der Abtretung im Mittelpunkt steht (im Folgenden: objektives Konzept). Ein objektives Konzept kann nur diejenige (künftige) Aufrechnungslage bewahren, die bei Zerstörung vorhanden war bzw. um die die Hauptforderung bei ihrer Abtretung bereits objektiv „belastet“ ist. Demgegenüber lässt es ein subjektives Konzept zu, auch (fiktive) Aufrechnungslagen in der Vorstellung des Schuldners zu berücksichtigen, die bei Abtretung noch nicht vorhanden waren, aber ohne die Übertragung der Hauptforderung entstanden wären. Welches Konzept § 406 BGB zugrunde liegt, wird im Folgenden anhand seines Wortlauts sowie der systematischen und teleologischen Vorgaben ermittelt.
III. Auslegung 1. Historischer Wortlaut Der Wortlaut von § 406 BGB rückt nicht den Zeitpunkt der Abtretung, sondern den Zeitpunkt der Kenntnis von der Abtretung in den Mittelpunkt.297 Damit unterscheidet er sich von § 392 BGB, der an den Zeitpunkt der Beschlagnahme und damit an die Zerstörung der Aufrechnungslage anknüpft: Zwar weiß der Schuldner wegen § 829 III ZPO im Regelfall von der Beschlagnahme, aber der 297
Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 255.
D. § 406 BGB
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Gesetzgeber verzichtete darauf, diese Kenntnis für jeden Fall zu verlangen – bei einer Ersatzzustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hat der Schuldner etwa keine Kenntnis von der Beschlagnahme.298 Seinem Wortlaut nach soll § 406 BGB also ein subjektives Konzept umsetzen, da er den Schutz noch nicht entstandener Aufrechnungslagen und – anders als §§ 392 BGB, 95 I 3 InsO – auch den Vorfälligkeitsvorbehalt unter den Vorbehalt der Kenntnis stellt. Das findet seine Bestätigung in den Gesetzesmaterialien. Vorschläge, die Vorschrift ausdrücklich auf vor der Übertragung der Hauptforderung erworbene Gegenforderungen zu beschränken,299 wurden aus Rücksicht auf den unwissenden Schuldner in den Beratungen zum BGB abgelehnt. Man entschied sich gegen die Auffassung des Redaktors v. Kübel, der § 406 BGB nicht von § 404 BGB abheben wollte, welcher an die Zeit der Abtretung anknüpft.300
2. Systematische Vorgaben Wegen des Regelungsstandorts von § 406 BGB sucht die Literatur Übereinstimmung mit § 404 BGB.301 Der BGH trug selbst dazu bei, indem er die Frage dahingestellt ließ, ob die künftigen Aufrechnungslagen auch mit § 404 BGB bewältigt werden könnten.302 Interpretationen, welche sich an die ratio von § 404 BGB anlehnen, gipfeln in der Auffassung, dass die zedierte Forderung mit der (künftigen) Gegenforderung wie mit einer Einrede „belastet“ sei.303 Das entspringt einer Sichtweise, die die Aufrechnungslage als Einrede auffasst, § 404 BGB grundsätzlich für einschlägig erachtet und § 406 BGB als eine Erweiterung ansieht, welche die Aussage von § 404 BGB allemal in sich vereint.304 Die Aufrechenbarkeit ist allerdings keine Einrede.305 Nur die erklärte Aufrechnung bewirkt eine Einwendung i. S. v. § 404 BGB, die Aufrechnungslage allein führt nicht zu § 404 BGB; solange die Aufrechnung nicht erklärt ist, greifen §§ 406, 407 BGB.306 Ganz häufig wird die Anlehnung an § 404 BGB auch damit gerechtfertigt, dass § 406 BGB ebenso die bei einer Abtretung bestehende Aufrechnungslage schütze und daher einen § 404 298 Dem Gesetzgeber war eine Abstimmung mit der ZPO wichtiger, Motive, Bd. 2, S. 112 (§ 286). 299 Jakobs/Schubert, Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, RdS I, S. 793. 300 Jakobs/Schubert, Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, RdS I, S. 795 f. mit Fn. 2. Dazu Reichold, S. 20 f. 301 U. v. a. Reichold, S. 74; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 406 Rz. 19; Kornblum, BB 1981, 1296, 1301 f. 302 BGH, 28.11.1955 – II ZR 153/54, BGHZ 19, 153, 156. 303 OLG Köln, 03.11.2000 – 19 U 89/00, NJW-RR 2001, 539, 540 (aufgehoben von BGH, 26.06.2002 – VIII ZR 327/00, NJW 2002, 2865); v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.1, § 60 V, S. 394; Serick, BB 1982, 873, 876 – 878. 304 Serick, BB 1982, 873, 876; Denck, DB 1977, 1493, 1494 f. 305 Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 VII 5 b mit Fn. 184. 306 MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 404 Rz. 6, 11; Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 244 f.
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BGB vergleichbaren objektiven Schutzgedanken enthalten müsse.307 Eine solche Folgerung berücksichtigt jedoch nicht, dass dem Schutz der tatsächlich bestehenden und der Anerkennung einer subjektiv angenommenen Aufrechnungslage zwei gänzlich verschiedene Regelungssachverhalte zugrunde liegen.308 Schließlich werden § 404 BGB und § 406 BGB unter dem Aspekt gruppiert, dass beide dem Schutz des durch Gläubigerwechsel betroffenen Schuldners dienen würden.309 Im Fall von § 404 BGB ist das jedoch schief.310 Zudem setzt § 404 BGB voraus, dass die Einwendung zum Zeitpunkt der Abtretung objektiv begründet ist, ohne dass es auf eine Kenntnis von der Einwendung ankommt.311 §§ 404, 406 BGB sind – was künftige Aufrechnungslagen angeht – daher unterschiedlich und können nicht übereinstimmend ausgelegt werden; nicht umsonst wollte der historische Gesetzgeber § 406 BGB von § 404 BGB abheben (soeben 1.). Die Besonderheit des § 406 BGB, für den Schutz künftiger Aufrechnungslagen an die Kenntnis anzuknüpfen, ist zu gewichtig, um auch diesbezüglich eine einheitliche Auslegung mit § 404 BGB anzustreben. Die Missachtung dieser Unterschiede führt zu einer Vermischung der objektiven und der subjektiven Zielrichtung, die zu Brüchen in der Auslegung führen muss, wie sie in der Literatur beklagt werden.312
3. Teleologische Vorgaben Der Schutz noch nicht entstandener Aufrechnungslagen in § 406 BGB ist aufgrund der Anknüpfung an die Kenntnis allein ein Vertrauensschutz.313 Der Schuldner wird in seinem Glauben geschützt, dass die Hauptforderung weiterhin in der Person des bisherigen Gläubigers besteht.314 Dem unwissenden Schuldner soll gerade ermöglicht werden, Dispositionen315 mit Rücksicht darauf zu treffen, dass die Hauptforderung dem bisherigen Gläubiger zusteht, auch wenn sie in Wirklichkeit einem neuen Gläubiger gehört.316 Die Vorschrift darauf zu beschränken, den Schuldner durch Abtretung nicht schlechter zu stellen, ist zu sehr an § 404 BGB orientiert. Treffender wäre es zu präzisieren, dass der Schuldner nicht vor den Folgen der Abtretung, sondern davor geschützt wird, 307 Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 406 Rz. 3; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 406 Rz. 1. 308 Oben Fn. 271. 309 Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 242. 310 Ausführlich dazu § 11 S. 414 f. 311 Vgl. Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 404 Rz. 8. 312 Etwa MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 406 Rz. 3. 313 Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 248 – 265; Soergel/Schreiber, BGB, § 406 Rz. 1; Erman/H. P. Westermann, BGB, 13. Aufl. 2011, § 406 Rz. 1; Schomaker, BB 1969, 940, 941; Dörner, Dynamische Relativität, S. 240. 314 Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 253. 315 Etwa die Gewährung eines Kredits unter Berücksichtigung des eigenen Schuldenstands. 316 Scheyhing/Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 7 III 3 b.
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dass sie sich ohne sein Wissen ereignen kann. § 406 BGB ist damit jedenfalls in der hier untersuchten Variante nicht dazu gedacht, objektiv vorhandene Ansätze einer Aufrechnungslage zu bewahren. Der Wortlaut und die subjektive Zielsetzung von § 406 BGB rechtfertigen also die Auffassung der Literatur, dass die Gegenforderung zum Zeitpunkt der Abtretung nicht einmal in ihrem Rechtsgrund vorhanden gewesen sein muss. Das entspricht dem Ziel, vom Schuldner mit Rücksicht auf die Hauptforderung getätigte Dispositionen zu erhalten, die im Vertrauen auf die fortbestehende Gläubigerstellung erfolgten. Die frühe – obiter geäußerte – Einschätzung von BGHZ 19, 153317 ist richtig. Die in stetiger Rechtsprechung gepflegte Fragestellung, ob der Rechtsgrund der Gegenforderung zur Zeit der Abtretung bereits bestanden habe, greift demgegenüber zu kurz. Es geht nicht um Bewahrung einer objektiv vorhandenen Rechtsstellung,318 sondern wirklich – wie der BGH in seiner abgewandelten Formel präziser fasst – lediglich um die Berufung auf spätere Umstände, die dem Schuldner ohne die Abtretung das Recht zur Aufrechnung gegeben hätten.319 § 406 BGB ist damit keine Vorschrift, die der künftigen Aufrechnungslage als Vermögensposition positiv Anerkennung verleiht; es kommt auf die Existenz der Gegenforderung zum Zeitpunkt der Abtretung schlicht nicht an. Für Zessionare bedeutet dies, dass die weitere Geschäftstätigkeit des Zedenten die wirtschaftlichen Früchte seines Erwerbs in Frage stellen können (oben S. 124). Das zeigt, wie sehr § 406 BGB den Schuldner zulasten des neuen Gläubigers begünstigt. Ausgleich zugunsten des neuen Gläubigers erfolgt an anderer Stelle: Er kann die Risiken dadurch vermeiden, dass er den Schuldner von der Abtretung in Kenntnis setzt.320
4. Beschaffenheit der künftigen Haupt- oder Gegenforderung Aus den vorstehenden Grundlagen ergeben sich die im Folgenden dargestellten Vorgaben für eine künftige Gegen- oder Hauptforderung. a) Gegenforderung aa) Keine Beschränkung auf vertragliche Forderungen Die subjektive Zwecksetzung führt zu der Frage, ob § 406 BGB teleologisch zu reduzieren ist, wenn eine Forderung des Schuldners ohne dessen Wissen oder 317
Oben bei Fn. 290. Oben bei Fn. 287. BGH, 27.04.1972 – II ZR 122/70, BGHZ 58, 327, 329 u. 332; BGH, 28.11.1955 – II ZR 153/54, BGHZ 19, 153, 157; BGH, 09.04.1990 – II ZR 1/89, NJW 1990, 2544, 2445. 319 BGH, 26.06.2002 – VIII ZR 327/00, NJW 2002, 2865; BGH, 13.02.2003 – VII ZR 267/01, NJW 2003, 1182, 1183. 320 Was freilich oft nicht der Fall ist; man denke an einen verlängerten Eigentumsvorbehalt, bei dem der Zweitkäufer und Schuldner von der Zession erst erfährt, wenn der Vorbehaltskäufer seiner Pflicht zur Zahlung an den Vorbehaltsverkäufer nicht mehr nachkommt. 318
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Willen entsteht. Ein Beispiel ist eine Forderung, die der Schuldner gegen den bisherigen Gläubiger erwirbt, weil dieser eine unerlaubte Handlung begangen hat. Der Begründung einer solchen Forderung liegt keine Disposition des Schuldners zugrunde; er hat sie kaum in Hinblick auf eine vermeintlich beim bisherigen Gläubiger vorhandene Hauptforderung erworben. Es bestünde daher kein Grund, ein Vertrauen des Schuldners zu schützen, und noch weniger erscheint es gerechtfertigt, den neuen Gläubiger zu belasten. Eine solche Sichtweise griffe jedoch zu kurz. Mit Recht wird in der Literatur angeführt, dass sich das schutzwürdige Vertrauen des Schuldners nicht nur in der Begründung der Gegenforderung manifestiert, sondern auch auf ihren Bestand stützen kann.321 Der Schuldner, der sich Gläubiger einer Forderung aus § 823 I BGB nennen kann, wird ggf. ihre Beitreibung unterlassen wollen, wenn er eine Aufrechnungslage erkennt, auch wenn er die Forderung nicht von vornherein erwerben wollte. Ein solches Unterlassen konventioneller Forderungsdurchsetzung ist ebenfalls eine durch § 406 BGB geschützte Disposition, da sie auf dem Vertrauen der Aufrechenbarkeit beruhen kann.322 Eine teleologische Reduktion von § 406 BGB auf rechtsgeschäftlich begründete Forderungen oder eine Beschränkung auf den Zeitpunkt der Abtretung323 ist daher mit der herrschenden Meinung324 zu Recht überall dort abzulehnen, wo dem Entstehen der Aufrechnungslage gleichwohl eine Disposition des Schuldners zugrunde liegt.325 Eine Trennung von rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Forderungen ist bei der Anwendung von § 406 BGB daher nicht angezeigt. bb) Beschaffenheit der Gegenforderung im Zeitpunkt der Kenntnis Zu klären ist, ob es nach § 406 BGB genügen kann, dass die Gegenforderung zum Zeitpunkt der Kenntnis noch nicht entstanden, sondern lediglich in ihrem Rechtsgrund vorhanden ist. Aus dem subjektiven Vertrauens- und Dispositionsschutz folgt, dass die Kenntnis des Schuldners der Hauptforderung in demjenigen Stadium nicht mehr schädlich sein kann, in dem er sein geschütztes Vertrauen bereits durch Schaffung der Grundlagen für die Gegenforderung ausgeübt und die eigentliche Disposition getroffen hat. Wenn vor Kenntniserlangung die weitere Forderungsentstehung so fixiert war, dass sich der weitere Verlauf als Vollzug dieser Disposition erweist, dann bedarf es keines weiteren Forderungselements, um den Schutz nach § 406 BGB auszulösen. Für eine solche Fixierung genügt 321
Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 252. Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 406 Rz. 2. 323 MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 406 Rz. 8. 324 Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 406 Rz. 7; Erman/H. P. Westermann, BGB, 13. Aufl. 2011, § 406 Rz. 4. 325 Am Rande sei bemerkt, dass eine teleologische Reduktion nur Forderungen aus gesetzlichen Schuldverhältnissen, nicht aber – wie oft geschrieben – gesetzlich entstehende Forderungen berühren würde, da letztere auch in willentlich eingegangenen Schuldverhältnissen entstehen können, wie etwa die Regressforderung des Bürgen. 322
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bereits eine den Schuldner der Hauptforderung bindende Willenserklärung, aus der die Gegenforderung erwachsen wird, da jeder weitere Verlauf der Forderungsentstehung Folge der Disposition ist, die der Schuldner mit diesem Rechtsgeschäft getätigt hat. Methodisch lässt sich diese Anwendung von § 406 BGB auf künftige Forderungen noch in direkter Anwendung der Norm bewerkstelligen, da nach dem Wortlaut zwar die Kenntnis „bei dem Erwerb der Forderung“ hinderlich ist, dies aber immer noch von der Kenntnis „vor dem Erwerbsvorgange“ unterschieden werden kann. Wenn die auf Schuldnerseite erforderliche Grundlage für die Gegenforderung allerdings erst nach Kenntnis geschaffen wird, so ist § 406 BGB nicht einschlägig. Zum Zeitpunkt dieser Disposition konnte der Schuldner nämlich nicht darauf vertrauen, dass die Hauptforderung noch dem Zedenten zusteht und der Befriedigung der Gegenforderung dienen kann.326 Aus dem gleichen Grund ergibt sich, dass es ebenso wenig genügt, wenn der Rechtsgrund für die Gegenforderung im Zeitpunkt der Kenntnis zwar bereits bestand, aber lediglich in der Person eines Dritten; der Schuldner kann also nicht nach Kenntnis von der Abtretung eine Gegenforderung für die Aufrechnung erwerben, nur weil sie zuvor schon in anderer Hand mit ihrem Rechtsgrund existent war.327 b) Hauptforderung aa) Anwendbarkeit von § 406 BGB Die Hauptforderung rückt in das Blickfeld, wenn sie im Voraus abgetreten wird und noch immer nicht entstanden ist, wenn der Schuldner von der Vorausabtretung Kenntnis erlangt. Auf § 406 BGB kommt es allerdings erst an, wenn die Hauptund die Gegenforderung schlussendlich entstanden sind. Daher hat man keinerlei Mühe, § 406 BGB heranzuziehen, obwohl die Hauptforderung bei Abtretung noch künftig war und es spielt keine Rolle, ob man die Abtretung der künftigen Hauptforderung als gegenwärtige Abtretung der künftigen Forderung selbst oder als im Voraus vorgenommene Abtretung deutet (s. § 11 B.). 328 bb) Kenntnis der Vorausabtretung als Kenntnis der Abtretung? Auslegungsprobleme bereitet das Tatbestandsmerkmal der Kenntnis von der Abtretung bei dem Erwerb der Gegenforderung. Eine ältere Auffassung im Anschluss an v. Tuhr wollte der Kenntnis von der Vorauszession keine Beachtung 326 BGH, 22.12.1995 – V ZR 52/95, NJW 1996, 1056, 1057; BGH, 26.06.2002 – VIII ZR 327/00, NJW 2002, 2865. 327 BGH, 22.12.1995 – V ZR 52/95, NJW 1996, 1056, 1057. 328 Einhellige Meinung; statt vieler: Reichold, S. 43 – 45 m. w. N. Entgegen Reichold a. a. O., Bülow, JA 1983, 7, 12; Gernhuber, Die Erfüllung, § 12 VII 5 e, Schwarz, WM 2001, 2185, 2187 f., und Serick, BB 1982, 873, 876, kann die Vorschrift bei jeder Deutung direkt angewandt werden; eine Analogie ist nicht notwendig.
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schenken und es dem Schuldner ermöglichen, trotz Kenntnis Gegenforderungen aufrechenbar zu erwerben, bis die Hauptforderung entsteht.329 Dem erteilte der BGH im Jahr 2002 noch einmal eine Absage.330 Das entspricht der heute ganz herrschenden Meinung, wonach die Kenntnis von der Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung gleichsteht.331 Der Weg zu dieser Auffassung war steinig, da man die Abtretung der künftigen Forderung als im Voraus erklärte Abtretung der später entstandenen Forderung ansieht. Das hatte zahlreiche dogmatische Hürden bereitet, da auf Basis dieser Sichtweise zum Zeitpunkt der Kenntnis der Übergang der Hauptforderung noch nicht erfolgt und die Gegenseitigkeit noch nicht zerstört wäre.332 Wiederum wurde mit der Spaltung von Verfügungstatbestand und Verfügungswirkung als denkbare Anknüpfungspunkte für die Kenntnis argumentiert.333 All diese Schwierigkeiten entstehen nicht, wenn man die künftige Forderung als Gegenstand betrachtet, der bereits im Zeitpunkt der Abtretung auf den neuen Gläubiger übergeht (siehe zu diesem Erklärungsmodell § 11 B.); Kenntnis von dieser Abtretung muss dann zweifellos das Wissen des Schuldners bedeuten, dass die Gegenseitigkeit verloren gegangen ist. Aber auch die Vermischung der objektiven und der subjektiven Schutzrichtung und vor allem die Anlehnung an § 404 BGB hat Probleme bereitet. Das leistete objektivierten Interpretationen Vorschub, wonach der Zessionar mit Vollendung der Vorausabtretung gewissermaßen eine um die Gegenforderung „belastete“ Hauptforderung erwerbe, so dass es auf die Kenntnis wirklich nicht mehr ankommen würde.334 Dieser Ansatz tritt jedoch, wie oben gesehen, in Widerspruch zu der vom Gesetzgeber bewusst subjektiv konzeptionierten ratio legis von § 406 BGB.335 Die Argumentation, dass § 406 BGB in den Fällen einer Vorausabtretung 329
v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.1, § 60 V, S. 394; Serick, BB 1982, 873, 874 – 877; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 3b; Denck, DB 1977, 1493, 1495; Bülow, JA 1983, 7, 12; OLG Köln, 03.11.2000 – 19 U 89/00, NJW-RR 2001, 539, 540. 330 BGH, 26.06.2002 – VIII ZR 327/00, NJW 2002, 2865, 2866 unter Aufhebung von OLG Köln (Fn. 329). 331 BGH, 02.06.1976 – VIII ZR 267/74, BGHZ 66, 384; Reichold, S. 137; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 406 Rz. 27; Brink, WM 2003, 1355; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 406 Rz. 20; Soergel/Schreiber, BGB, § 406 Rz. 2; Schomaker, BB 1969, 940, 941. Das gilt unabhängig davon, ob man für die Hauptforderung einen Durchgangs- oder einen Direkterwerb annimmt, BGH, 02.06.1976 – VIII ZR 267/74, BGHZ 66, 384, 385; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 406 Rz. 19; Erman/H. P. Westermann, BGB, 13. Aufl. 2011, § 406 Rz. 3. 332 Einen eingehenden Überblick über die verschiedenen Ansätze und Bedenken gibt Reichold, S. 45 – 73. 333 Reichold, S. 45 ff.; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV, S. 591 Fn. 51a; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 3b. 334 So v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.1, § 60 V, S. 394 Fn. 170; Serick, BB 1982, 873, 876; Denck, DB 1977, 1493, 1495; OLG Köln, 03.11.2000 – 19 U 89/00, NJW-RR 2001, 539, 540. Unklar Scheyhing/Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 7 III 3 b, die in diesem Zusammenhang von der Gegenforderung sprechen. 335 BGH, 02.06.1976 – VIII ZR 267/74, BGHZ 66, 384, 386 f.; BGH, 26.06.2002 – VIII ZR 327/00, NJW 2002, 2865, 2866; Schomaker, BB 1969, 940 f.
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im Vergleich zu § 404 BGB dem Schuldner weniger Schutz biete,336 übersieht schließlich, dass § 406 BGB diesen Schutz eben auch an weitere Voraussetzungen, nämlich die der Unkenntnis knüpft.337 All diese Hindernisse sind letztlich mit einer am Vertrauensschutz orientierten Auslegung von § 406 BGB überwunden worden.338 Hierbei mag Schwierigkeiten bereiten, dass § 406 BGB seinem Wortlaut nach suggeriert, dass der Schuldner Dispositionen im Vertrauen darauf tätigt, dass er sich als Schuldner des (bisherigen) Gläubigers wähnt. Danach erscheint die Schaffung der Gegenforderung als die Disposition, die der Schuldner im Rahmen seines schutzwürdigen Vertrauens tätigt, während die Hauptforderung der Vertrauenstatbestand ist, auf den sich die Dispositionsentscheidung des Schuldners stützt. Wenn die Hauptforderung noch nicht entstanden ist, erscheint es dann schwierig zu sagen, dass der künftige Schuldner seine Gegenforderung mit Rücksicht auf die Hauptforderung begründet habe. Allerdings kann auch eine bereits angebahnte Hauptforderung als eine wirtschaftliche Erwartung und Motivation für eine Disposition dienen. Vor allem aber lässt die geschilderte Sichtweise die Wechselseitigkeit der Aufrechnung außer Betracht: Die Aufrechnungslage besteht aus zwei Forderungen, die unabhängig voneinander und beliebig nacheinander entstehen können. Wenn die Gegenforderung im hier behandelten Fall zuerst existiert, dann muss die Hauptforderung nicht der Anlass sein; vielmehr kann man ihre Schaffung auch als die Disposition des Schuldners betrachten, die dieser in Hinblick auf die vorhandene Gegenforderung vornimmt.339 Als Beispiel möge der dem OLG Bamberg vorgelegene Fall dienen:340 Der Zedent tritt seine künftige Forderungen aus seinen Geschäften ab. Anschließend verpflichtet er sich dem späteren Schuldner gegenüber zu einer Zahlung, der damit bereits eine Forderung erwirbt, die ihm später als Gegenforderung dienen kann.341 Erst hiernach kauft dieser seinerseits vom Zedenten und wird dadurch zum gegenwärtigen Schuldner einer Kaufpreisforderung, welche von der Vorausabtretung erfasst wird. Bei diesem Kauf kann der Schuldner kalkuliert haben, dass er den Preis (die Hauptforderung) mit seiner noch ausstehenden Forderung (der Gegenforderung) verrechnen wird. Ob eine Kalkulation schutzwürdig ist, hängt nach § 406 BGB davon ab, ob er bei Begründung der Hauptforderung wusste, dass diese infolge der Vorausabtretung einem neuen Gläubiger zustehen wird. Im Fall des OLG Bamberg war dies der Fall, so dass es § 406 BGB mit Recht nicht angewandt hat.342
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Serick, BB 1982, 873. Zudem ist § 404 BGB keine originäre Schuldnerschutzvorschrift (dazu § 11 S. 414 f.). 338 Schwarz, WM 2001, 2185, 2188 – 2190; Reichold, S. 74 – 99 u. 137. 339 Schwarz, AcP 203 (2003), 241, 258 f. 340 Oben Fn. 296. 341 OLG Bamberg, 20.10.1999 – 3 U 20/99, NJW-RR 2000, 650. 342 MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 406 Rz. 20. 337
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cc) Beschaffenheit der künftigen Hauptforderung Der Fall des OLG Bamberg betrifft den Fall, dass die Hauptforderung nach Kenntniserlangung überhaupt erst begründet wird. Zu untersuchen bleibt, ob die Kenntnis auch dann schadet, wenn die Hauptforderung vorher begründet wurde, aber erst nachher entsteht, so dass der Schuldner die Hauptforderung in Kenntnis erwirbt. Der BGH verneint das, wenn der Rechtsgrund für die Hauptforderung schon gelegt ist.343 Maßgeblich für diesen Rechtsgrund muss sein, dass die Kenntnis des Schuldners keinen Einfluss mehr auf die Entstehung der Hauptforderung hat. Die Problematik ist also die Gleiche wie bei der Gegenforderung. Das ist nicht weiter verwunderlich, da nun die Hauptforderung die Disposition ist, deren Schutzwürdigkeit mit § 406 BGB zu beurteilen ist. Jede später entstehende Hauptforderung kann sich immer noch als Folge einer vor Kenntnisnahme erfolgten Disposition des Schuldners erweisen, wenn das die Hauptforderung hervorbringende Schuldverhältnis vor Kenntnis im Vertrauen darauf eingegangen war, dass die Vertragspartei auch weiterhin der Gläubiger bleibt. Auch im Fall einer künftigen Hauptforderung schadet die Kenntnis von der Vorausabtretung also nicht, wenn der Schuldner an die Grundlage, aus der die Forderung künftig entsteht, bereits gebunden war.
IV. Ergebnis Anders als § 392 BGB hat § 406 BGB nicht zum Ziel, künftige Aufrechnungslagen, die in ihrer Grundlage bereits vorhanden sind, vor ihrer Zerstörung durch eine Abtretung zu schützen. § 406 BGB dient vielmehr dem Vertrauensschutz und bewahrt damit auch (fiktive) Aufrechnungslagen, die nur auf der Grundlage der Vorstellung des Schuldners entstehen. Die Künftigkeit der Forderung erlangt erst Bedeutung, wenn der Schuldner diese Vorstellung verliert, weil er von der Abtretung erfährt. Sind zu diesem Zeitpunkt die Haupt- oder Gegenforderung noch nicht entstanden, so schadet ihm die Kenntnis dennoch nicht, wenn die weitere Forderungsentstehung auf seiner ursprünglich gefassten Vorstellung beruht und nicht mehr seinem freien Willen abhängig ist. Das ist der Fall, wenn der Schuldner der Hauptforderung an die Grundlage, aus der die Forderung künftig entsteht, bereits gebunden war. Der Obersatz, den die stetige Rechtsprechung bei der Anwendung von § 406 BGB auf künftige Gegen- oder Hauptforderungen verwendet, reflektiert dieses Ergebnis nur unzureichend.344 Um Fehlinterpretationen oder -entwicklungen auszuschließen, sollte zum einen nicht länger auf den Zeitpunkt der Abtretung,345 343
Oben Fn. 294. Lediglich das obiter dictum in BGHZ 19, 153 bringt die Rechtslage richtig zum Ausdruck (oben bei Fn. 290). 345 Oben Fn. 289. 344
E. Parallele Strukturen von §§ 95 InsO, 392 und 406 BGB
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sondern auf den der Kenntnis abgestellt werden. Zum anderen sollte nicht von der Bewahrung einer Rechtsstellung gesprochen werden,346 sondern von der Bewahrung der Möglichkeit des Schuldners, sich auf spätere Umstände zu berufen, die ihm ohne die Abtretung das Recht zur Aufrechnung gegeben hätten.347 Die vom BGH bislang offen gelassene Frage, ob die Hauptforderung auch nach Kenntniserlangung noch begründet werden kann, ist entsprechend der herrschenden Meinung zu verneinen.
E. Parallele Strukturen von §§ 95 InsO, 392 und 406 BGB Analysiert man §§ 95 InsO, 392 und 406 BGB anhand der unter B.IV.4. (S. 96) angestellten Fallstudie zum Insolvenzaufrechnungsrecht, so ergeben sich gemeinsame Strukturen. Wegen der bei allen Vorschriften verschiedenen Personenbezeichnung sei hier der aufrechnungswillige Gläubiger der Gegenforderung im Folgenden A und der Aufrechnungsgegner B genannt. B ist also Gläubiger der Hauptforderung, die durch einen Dritten „in Beschlag genommen“ wurde, sei es durch Insolvenzbeschlag (§ 95 InsO), Pfändung (§ 392 BGB) oder Abtretung (§ 406 BGB). Zunächst soll die Gegenforderung bestehen, während die Hauptforderung im Zeitpunkt ihrer Beschlagnahme (für § 406 BGB: im Zeitpunkt der Kenntnis von der Abtretung) künftig ist und sich aus einem von B unterbreiteten verbindlichen Vertragsangebot ergeben wird. § 95 InsO erlaubt die Aufrechnung wegen des verbleibenden Einflusses des Aufrechnungswilligen nicht (oben B.IV.4.b.Abw. 2), Gleiches gilt für § 392 BGB; § 406 BGB erlaubt die Aufrechnung nicht, da A als Schuldner die Hauptforderung in dem Bewusstsein zur Entstehung bringt, dass sie bereits einem anderen gehört. Nun soll bei gleichem Sachverhalt die Hauptforderung bereits bestehen, während die Gegenforderung erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt aus dem Angebot des B entsteht (oben B.IV.4.b.Abw. 3). Es ändert sich nichts, da weiterhin der Aufrechnungswillige Einfluss auf die Setzung der Bedingungen hat bzw. diese im Bewusstsein setzen würde, dass die Hauptforderung einem anderen gehört. Nun komme das Angebot von dem aufrechnungswilligen A; B muss also die künftige Forderung zustande bringen. Dabei sei zunächst die Hauptforderung die künftige: Kommt sie zustande, so verbietet § 95 InsO die Aufrechnung (oben B.IV.4.a.-Abw. 1), nicht aber § 392 BGB, und § 406 BGB erlaubt sie ebenso, da A bereits gebunden war, als die Hauptforderung entstanden ist. Gleiches gilt, wenn die Gegenforderung die künftige ist: Die Aufrechnung in der Insolvenz funktioniert wiederum nicht, da B die Forderung eigenmächtig zugunsten seines massefreien Vermögens zustande bringt (oben B.IV.4.a.-Ausgangsfall). Diese Vermögenstrennung existiert nur in 346
Oben bei Fn. 287. BGH, 26.06.2002 – VIII ZR 327/00, NJW 2002, 2865; BGH, 13.02.2003 – VII ZR 267/01, NJW 2003, 1182, 1183. 347
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
der Insolvenz: §§ 392, 406 BGB lassen daher die Aufrechnung jeweils zu. Hier offenbart sich der Unterschied zwischen § 392 BGB und § 95 InsO (oben S. 115 f.). Als gemeinsame Basis lässt sich daher feststellen, dass §§ 95 InsO, 392 und 406 BGB die künftige Aufrechnungslage grundsätzlich nur dann allesamt gegen die Beschlagnahme oder Kenntnis bewahren, wenn die zunächst künftige Hauptoder Gegenforderung ohne den Einfluss des Aufrechnungswilligen entsteht. Wie an anderer Stelle dieser Arbeit (§ 7) offenbar wird, ist ein Pfandrecht, welches für eine künftige Forderung bestellt wird, ebenso darauf angewiesen, dass die Forderung von dem Schuldner ohne weiteres Zutun des Pfandgläubigers hervorgebracht werden kann. Das ist kein Zufall. Wie eingangs erwähnt, gibt es Auffassungen, die den Aufrechnungsberechtigten als Inhaber eines Pfandrechts an der eigenen Schuld betrachten (oben S. 78). Da die Aufrechnung in der Insolvenz in ihrer Wirkung einem Absonderungsrecht gleichkommt, hatte der historische Gesetzgeber die Aufrechnungslage sogar unmittelbar im Anschluss an die Absonderungsrechte geregelt, wie auch das Pfandrecht eines ist (5./6. Titel der Konkursordnung).348 Die bedingte Aufrechnungslage wollte man im Konkurs also genauso respektieren wie das Pfandrecht, das für eine bedingte Forderung bestellt wurde.349 Beiden liegt eben das gleiche Sicherungsbedürfnis im Geschäftsverkehr zugrunde.350
F. Dogmatik Der Blick des Rechtsanwenders fällt immer dann auf Vorschriften wie §§ 95 InsO, 392 und 406 BGB, wenn die Haupt- oder Gegenforderung tatsächlich entstanden sind. Die Frage, ob sie zum jeweils relevanten Zeitpunkt rechtlich ausreichend verdichtet waren, um den Schutz der künftigen Aufrechnungslage351 zu rechtfertigen, bereitet dann in zweierlei Hinsicht Schwierigkeiten. Zum einen muss ermittelt werden, ob die Grundlegung der Forderung, d. h. die Setzung derjenigen Bedingungen, unter denen die Haupt- oder die Gegenforderung einmal entstehen soll, mindestens auf Seiten des Gläubigers der Gegenforderung abgeschlossen war oder erst später erfolgte bzw. geändert wurde (dazu I.). Zum anderen ist zu prüfen, ob die weitere Entstehung der Forderung die Entwicklung genommen hat, die in diesen Bedingungen vorgegeben war, oder auf einen neuen Einfluss bzw. eine neue Disposition zurückzuführen ist (dazu II.). 348 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 227 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 217). 349 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 232 f. (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 221). 350 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 226 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 216). 351 Bei §§ 95 InsO, 392 BGB ist diese objektiv vorhanden, bei § 406 BGB ggf. nur auf Grundlage des Vorstellungsbildes des Schuldners.
F. Dogmatik
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I. Grundlegung der Forderung Was den ersten Punkt angeht, handelt es sich um ein Problem der Bindung. Ihr komplementärer Aspekt ist der verbleibende Einfluss. Da die Bindung vor allem ein Phänomen der Rechtsgeschäfte ist, ist der Begriff des Einflusses treffender, wenn es auch um Forderungen geht, die kraft Gesetzes entstehen. Diese beschäftigen zwar vor allem die Praxis im Insolvenzrecht, aber auch § 392 BGB (oben S. 118) und § 406 BGB sind auf sie anwendbar (oben S. 127 f.), so dass – anstatt mit der Bindung – genauso mit dem abgeschlossenen Einfluss der Parteien argumentiert werden kann. Dogmatisch gesehen geht es bei dem Schutz künftiger Aufrechnungslagen um die gleichen Strukturen wie bei der Begründung einer künftigen Forderung gemäß § 38 InsO, dort hinsichtlich des dem Insolvenzschuldner verbleibenden Einflusses.352 Betroffen ist also die gleiche Frage, ob das Stadium, indem der Einfluss einer Partei auf die Grundlegung der Forderung beendet ist, als Schuldverhältnis beschrieben werden kann. Zu § 38 InsO (§ 3 VI.) wurde gezeigt, dass der Begriff der aufschiebend bedingten Forderung treffender ist, da er den maßgeblichen Lebenssachverhalt besser eingrenzt und die potentielle Haftung (bzw. hier: die potentielle Forderung) besser zum Ausdruck bringt. Im Kontext der Aufrechnung liegt er allemal näher am Gesetz (§ 95 InsO) und ist daher auch hier vorzuziehen. Wie die Aufrechnungspraxis gezeigt hat, liegt rechtsbedingten Forderungen häufig ein Vertrag zugrunde, der als Sachverhalt dient, an den gesetzliche Vorschriften anknüpfen, welche die Forderungsentstehungsbedingungen enthalten. Sobald etwa ein Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen wurde, ist klar, dass und unter welchen Bedingungen fortan eine Forderung auf Herausgabe des Erlangten nach § 667 BGB entstehen kann; sobald ein Bürgschaftsvertrag geschlossen ist, steht fest, unter welchen Bedingungen eine Regressforderung gegen den Hauptschuldner entstehen kann. Wenngleich der Vertrag die Forderungsentstehungsbedingungen also nicht aus sich heraus schafft, so fixiert er sie immerhin als verbindlich gesetzter Sachverhalt, weil er aus einer Vielzahl von Vorschriften diejenigen zur potentiellen Geltung bringt, die an diesen Sachverhalt anknüpfen. Durch diese Fixierung ist der Einfluss der jeweiligen Partei auf die Setzung der Bedingungen abgeschlossen. In anderen Fällen genügt dieser Vertrag noch nicht, um den im Einzelfall schädlichen Parteieinfluss zurückzudrängen; mit dem Abschluss eines Kaufvertrags steht zwar fest, unter welchen Bedingungen eine Gewährleistungsforderung (§ 439 BGB) entstehen kann, aber der Einfluss ihres Schuldners auf die Grundlegung der Forderung endet erst mit der Übergabe der Sache. Der maßgebliche Sachverhalt muss hier also weiter gezogen werden.
352 In der Sache können § 95 InsO und § 38 InsO jedoch nicht gleichgesetzt werden, da es auch begründete Forderungen gibt, die keine Insolvenzforderungen sind und die dahinterstehende Wertung eine andere ist, oben S. 99 f.
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§ 4 Aufrechnung und künftige Forderungen
Daraus erhellt, warum es keinen Unterschied machen kann, wenn die Forderungen zu ihrer Entstehung überhaupt gar keinen Vertrag benötigen, wie dies bei unerlaubten Handlungen oder im Steuerrecht für Forderungen des Finanzamts der Fall ist. Bei ersteren bildet die unerlaubte Handlung den einflussbegrenzenden Sachverhalt. In Bezug auf die steuerrechtlichen Forderungen sind durch die Besonderheiten des öffentlichen Rechts sogar „kontaktlose Schuldverhältnisse“ denkbar, weil ein Verhalten des Normunterworfenen gegenüber anderen Personen genügen kann, damit hieraus eine potentielle Forderung oder Haftung des Staats entsteht.353 Es muss lediglich einen Sachverhalt geben, der das Forderungsentstehungsprogramm für den weiteren Verlauf unausweichlich fixiert. Nichts anderes steckt hinter den Bestrebungen des BFH, den „zivilrechtlichen Sachverhalt“ zu ermitteln, kraft dessen unausweichlich klar ist, unter welchen Bedingungen eine Steuervergütungsforderung im Weiteren entsteht (oben B.V.4).354 Hierbei tritt wieder die auch zu § 95 I 1 InsO vertretene Auffassung zum Vorschein, die zwischen den typischen und untypischen Tatbestandsmerkmalen einer Forderung unterscheiden will, um eine „bedingte Forderung“ zu definieren.355 Dahinter steckt eben die Frage, wann eine rechtsbedingte Forderung vorliegt (bzw. ein gesetzliches Schuldverhältnis zu existieren beginnt). Ein solcher Ansatz löst freilich deshalb Bedenken aus, weil die Rechtslehre mit einer Typisierung der Tatbestandsmerkmale einer Forderung nicht vertraut ist; die praktische Bedeutung solcher künftigen Forderungen offenbart aber, dass es Zeit ist, sich der Bestimmung solcher Merkmale intensiver zu widmen.
II. Einflussabgrenzung Der zweite problematische Punkt betrifft die Frage, ob ein Willensakt einer Partei, der zur Entstehung der Forderung nötig ist, in den bereits fixierten Bedingungen angelegt ist und damit nur Ausübung des durch sie ausgedrückten „Vermögens“356 ist. Auch das begegnet bei § 38 InsO (siehe § 3 III.5.). Die Rechtsdogmatik hält hierfür Werkzeuge bereit, nämlich die Abgrenzung zwischen der Potestativund der Wollensbedingung. Potestativbedingungen ist eigen, dass der Eintritt einer Bedingung – nicht aber die Geltung des Rechtsgeschäfts an sich – vom Verhalten bzw. Willen einer Partei abhängig sind, während die Wollensbedingung gerade die Grundlegung des Rechtsgeschäfts von dem Willen einer Partei abhängig macht (dazu § 2 S. 35). Diese Abgrenzung steckt hinter der Abgrenzung des
353
Vgl. oben die Steuervergütungsforderungen, B.V.4. (S. 104). BFH, 05.10.2004 – VII R 69/03, NZI 2005, 276; BFH, 21.09.1993 – VII R 119/91, DStR 1994, 95; BFH, 17.12.1998 – VII R 47 – 98, DStR 1999, 670, 671 f. 355 Schießer, S. 43 – 45. 356 Etymologisch steckt in unserem juristisch-wirtschaftlichen Begriff des Vermögens auch die Möglichkeit, etwas zu tun, Köbler, Etymologisches Wörterbuch, S. 435. 354
F. Dogmatik
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BGH, was noch ein „Automatismus“ oder bereits die „künstliche“ Schaffung einer Aufrechnungslage ist (s. S. 94 ff., S. 99 ff., S. 115 f.). Die Wollensbedingung ist bei § 95 und § 38 InsO also nicht zulässig, obwohl § 158 BGB sie als zulässiges Gestaltungsinstrument vorsieht; auch deshalb ist eine Gleichsetzung der bedingten Forderung mit § 158 BGB zu vermeiden.
§ 5 Vormerkung wegen künftiger Forderungen A. Einführung Wenn eine Forderung darauf gerichtet sein soll, dass ein Recht an einem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Recht eingeräumt, aufgehoben, inhaltlich oder in seinem Rang geändert wird, so liegt darin allenfalls eine schuldrechtliche Verpflichtung; häufig ist diese aber nur in Aussicht genommen, weil ihr noch Hindernisse entgegenstehen oder die Parteien das Entstehen der Forderung gar nicht anstreben. Das dingliche Geschäft, welches das Grundstücksrecht gemäß dem genannten Forderungsinhalt ändern soll, liegt jedenfalls noch in der Zukunft. Gegenwärtig ist demgegenüber der Sicherungswunsch der Parteien, dass die Verwirklichung der möglicherweise angestrebten Rechtsänderung nicht beeinträchtigt werden kann. Eben dies gewährleistet die Vormerkung. Sie soll erreichen, dass die in Aussicht genommene Rechtsänderung möglich bleibt, selbst wenn der noch zuständige Rechtsinhaber über den Gegenstand der Rechtsänderung anderweitig verfügt oder andere Gläubiger auf ihn zugreifen (vgl. § 883 II BGB).1 Das Vormerkungsrecht spannt dafür einen Schutzschirm über das begehrte, aber noch nicht erreichbare Recht. Die zentrale Regelung hierfür ist § 883 II BGB. Nach § 883 II 1 BGB ist jede vormerkungswidrige Verfügung des Schuldners dem Vormerkungsgläubiger gegenüber unwirksam, so dass der Gläubiger vom Zwischenerwerber nach § 888 BGB Zustimmung zur Rechtsänderung verlangen kann. § 883 II 2 BGB bringt die sog. Elisionskraft der Vormerkung zum Ausdruck, mit der sie sich gegenüber Einzeloder Gesamtvollstreckungsmaßnahmen behauptet, die gegen das Vermögen des Schuldners und das begehrte Recht gerichtet sind.2 Nach § 106 InsO bewahrt die Vormerkung den Gläubiger vor einer Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern im Fall der Insolvenz des Schuldners: Der vormerkungsgesicherte Gläubiger kann von dem Insolvenzverwalter Naturalerfüllung aus der Masse verlangen; er muss sich nicht mit der quotalen Befriedigung seines Interesses zufrieden geben.3 Im Fall des Versterbens seines Schuldners ist der Gläubiger vor einer Beschränkung der Erbenhaftung gesichert (§ 884 BGB). Über diesen Schutz der künftigen Rechtsänderung hinaus äußert die Vormerkung Vorwirkungen: Der Schutz vor 1
Preuß, in: Schreiber (Hrsg.), Hb. Immobilienrecht, Kap. 15 Rz. 3. MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 49. 3 Kesseler, MittBayNot 2005, 108, 109. 2
B. Problemstellung
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vormerkungswidrigen Verfügungen setzt an den Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung an, selbst wenn die Forderung noch eine künftige ist (§ 883 I 2, II BGB); die begehrte Rechtsänderung erhält gemäß § 883 III BGB den Rang, der ihr gebührte, wenn sie zum Zeitpunkt der Vormerkung bewirkt worden wäre;4 im Falle des Erwerbs vom Nichtberechtigten ist der Gläubiger schließlich vor ihm nachteiliger, späterer Kenntniserlangung geschützt.5 Durch all diese Wirkungen ermöglicht es die Vormerkung, die Erreichbarkeit eines Forderungsziels schon zu gewährleisten, bevor die Forderung selbst entsteht. Da der Vormerkungsinhaber diese Sicherung auch gegenüber anderen Gläubigern seines Schuldners erhält, erlangen die in seiner Forderung verkörperten schuldrechtlichen Interessen Vorzug vor den Interessen Dritter.6 Die Forderung als relatives Recht erfährt durch diese Wirkung gegenüber Dritten also eine gewisse Verdinglichung.7
B. Problemstellung Die Vormerkung wird regelmäßig von dem Grundsatz aus gedacht, dass sie als akzessorisches Recht eine bestehende Forderung voraussetzt.8 Die Vormerkung für künftige Forderungen betrachtet man als Durchbrechung dieses Grundsatzes und verleiht ihr insofern Ausnahmecharakter.9 Die Praxis ist allerdings in erheblichem Maße auf die Vormerkung für künftige Forderungen angewiesen.10 Zum einen kann die Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrags von verschiedenen Genehmigungen abhängig sein. Zum anderen soll die Vormerkung häufig Forderungen sichern, die erst bei Eintritt eines noch ungewissen Ereignisses entstehen sollen, welches die Parteien entweder nicht unbedingt anstreben oder sogar vermeiden wollen, wie das etwa für die Löschungsvormerkung oder die Vormerkung zur Sicherung künftiger Rückauflassungsforderungen der Fall ist.11 Vor diesem Hintergrund greift es zu kurz, wenn man die Vormerkung – wie ganz verbreitet – nur mit dem deutschen Trennungsprinzip erklären möchte;12 zu berücksichtigen ist vielmehr ebenso die Transaktions- und Kautelarpraxis, in 4
Assmann, S. 144 f. BGH, 31.10.1980 – V ZR 95/79, NJW 1981, 446; MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 74. 6 BGH, 21.06.1957 – V ZB 6/57, BGHZ 25, 16, 23; Heck, Grundriß des Sachenrechts, § 47 I 2. 7 Canaris, FS Flume, Bd. I, S. 371, 372 u. 381 ff. 8 Exemplarisch ist die umfassende Untersuchung von Assmann. 9 Assmann, S. 248; Ertl, Rpfleger 1977, 345, 350, 354; Hepting, NJW 1987, 865, 867 u. 870; Schellewald, S. 69 – 72; MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 49; Alexander, JuS 2012, 481, 483. 10 Geimer, DNotZ 1977, 663, 664 (Anm.); Lichtenberger, NJW 1977, 1755, 1756; Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 82 Rz. 9. 11 Schippers, DNotZ 2001, 756, 757; Waldner, Vorweggenommene Erbfolge, 2. Aufl. 2011, Rz. 103. 12 Etwa Baur/Stürner, § 20 Rz. 1; Assmann, S. 6; Prütting, Sachenrecht, Rz. 177. 5
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§ 5 Vormerkung wegen künftiger Forderungen
der das Schweben der Vertragswirksamkeit oder der Forderungsentstehung ein Sicherungsbedürfnis kreiert. Angesichts dessen sind erste Zweifel berechtigt, ob § 883 I 2 BGB wirklich einen „Grundsatz“ durchbricht. Möglicherweise könnte die Vorschrift Ausdruck der Akzessorietät sein: Genauso wie ein akzessorisches Recht vom Bestand einer Forderung abhängig ist, könnte die Vormerkung vom Bestand einer Aussicht auf eine Forderung abhängen. Obwohl nach § 883 I 2 BGB die Eintragung einer Vormerkung – im Wortlaut unbegrenzt – „zur Sicherung eines künftigen oder eines bedingten Anspruchs“ zulässig ist, unterscheidet die herrschende Auffassung künftige Forderungen mit einem „Rechtsboden“, für die eine Vormerkung eingetragen werden kann, von solchen, die hierfür nicht hinreichend verfestigt sind. Die Rechtfertigung und die Reichweite dieser Rechtsbodentheorie wird allerdings noch heute bestritten und als ein Geschöpf der Rechtsprechung wurde sie zwar ein Jahrhundert lang von der Literatur kritisch begleitet, kaum aber umfassend in ihren Grundfesten überprüft.13 Dabei ist auch das Vormerkungsrecht anfällig für allgemein-dogmatische Begründungsformeln zum Forderungsentstehungsprozess, welche die Feststellung der Rechtslage verkomplizieren. Allerdings ist der Bedarf für ein dogmatisches Fundament nicht von der Hand zu weisen, da das Vormerkungsrecht keine Rechtsunsicherheit bei der Frage verträgt, was eine künftige Forderung eigentlich ist.14 Daher muss, wer die Vormerkung aus dem Blickwinkel der künftigen Forderungen betrachtet, die von der herrschenden Meinung seit einigen Jahrzehnten tradierten Begründungsmuster untersuchen und deren Bewährung für einen umfassenden Betrachtungsansatz überprüfen, welcher das Insolvenzund Zwangsvollstreckungsrecht einschließt.
C. Meinungsbild I. Rechtsprechung 1. Ursprünge Das Reichsgericht hatte in seiner Grundsatzentscheidung zum Fall eines formunwirksamen Grundstückskaufvertrags zu entscheiden.15 Dessen – wegen der Aussicht auf eine Heilung (§ 311b I 2 BGB; § 313 S. 2 BGB a. F.) – noch künftige Auflassungsforderung wird auch heute noch als nicht vormerkungsfähig angesehen.16 Das Reichsgericht verlangte für die Vormerkbarkeit der künftigen Auflassungsforderung, dass sie nach Gegenstand und Inhalt bestimmbar 13
Nachweise zum Streitstand sogleich unter C. Lichtenberger, NJW 1977, 1755 f. 15 RG, 01.04.1936 – V 277/35, RGZ 151, 75. 16 BGH, 15.05.1970 – V ZR 20/68, BGHZ 54, 56, 63 ff.; Stadler, Jura 1998, 189, 191 f. 14
C. Meinungsbild
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ist, und dass mehr als die bloß tatsächliche Möglichkeit ihrer Entstehung gegeben ist, nämlich ein rechtliches Verhältnis, aus dem die Forderung hervorgeht. Dafür prägte es den noch heute verwendeten Terminus des „Rechtsbodens“17 als Gegenbegriff zu einer rein tatsächlichen Aussicht, wie sie im Fall des formlosen Grundstückskaufvertrags vorliegen solle. Zugleich legte das Reichsgericht den Grundstein für einen Begründungsstrang gegen eine unbegrenzte Vormerkbarkeit künftiger Forderungen, wie er noch heute benutzt wird: Es argumentierte nämlich mit der Gefahr einer „Sperre des Grundbuchs auf unbestimmte Zeit“, die entstehe, weil die Vormerkung der Beleihung und Veräußerung des Grundstücks abträglich sei, und verwies auf die Abschreckung von Bietern in einem Zwangsversteigerungsverfahren auf unbestimmte Zeit.18
2. Heutige Rechtsprechung a) Vormerkungspraxis Das Rechtsbodenerfordernis und damit die Absage an eine unbeschränkte Vormerkbarkeit künftiger Forderungen bilden, zusammen mit der hierfür angeführten Begründung, nun seit mehr als siebzig Jahren den Pfeiler der Rechtsprechung zum Vormerkungsrecht. Die Kriterien zur Bestimmung eines solchen Rechtsbodens haben sich jedoch im Laufe der Zeit gewandelt. Insbesondere Rückauflassungsforderungen stellen die Rechtsbodentheorie vor eine Herausforderung. Sie können als eigene Fallgruppe vormerkbarer künftiger Forderungen betrachtet werden. Sie beschäftigen immer wieder die Rechtsprechung19 und sind ständiger Gegenstand der Kautelarpraxis.20 Trotz ihrer erst in den letzten Jahrzehnten zunehmenden Bedeutung in der Rechtsprechung sind sie kein Geschöpf dieser Zeit, sondern wurden bereits von dem BGB-Gesetzgeber als möglicher Anwendungsfall der Vormerkung ins Auge gefasst.21 In das Blickfeld des Bundesgerichtshofs gelangten sie aber relativ spät.22 Im Einzelnen geht es um Forderungen, die meistens in sog. 17
RG, 01.04.1936 – V 277/35, RGZ 151, 75, 76. RG, 01.04.1936 – V 277/35, RGZ 151, 75, 77. 19 Statt vieler: BGH, 06.07.2012 – V ZR 122/11, NJW 2012, 3162; BGH, 03.05.2012 – V ZB 112/11, FamRZ 2012, 1213, 1214; BGH, 03.05.2012 – V ZB 258/11, NJW 2012, 2032; OLG München, 11.06.2012 – 34 Wx 115/12, ZEV 2012, 428; OLG Düsseldorf, 08.05.2012 – I‑3 Wx 51/12, Rpfleger 2012, 520 f.; OLG München, 26.03.2012 – 34 Wx 199/11, FamRZ 2012, 1672 f.; BayObLG, 30.10.1984 – 2 Z 71/84, DNotZ 1985, 702. 20 Vgl. statt vieler Kesseler, NZI 2009, 218; Amann, DNotZ 2008, 518; Zimmer, ZfIR 2008, 91, 92; Amann, MittBayNot 2007, 12; Heggen, RNotZ 2011, 329; Kohler, DNotZ 1989, 339, 340 f.; Geimer, DNotZ 1977, 663, 664 f. (Anm.); Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 883 Rz. 6; Waldner, Vorweggenommene Erbfolge, 2. Aufl. 2011, Rz. 103. 21 Vgl. Protokolle, S. 3652 (= Mugdan, Bd. 3, S. 614), dort noch als Rück- oder Anfallrecht konzeptioniert, während heutzutage nicht mit Bedingungen, sondern mit vertraglichen Rücktrittsrechten gearbeitet wird, dazu sogleich. 22 Grundlegend BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861. 18
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§ 5 Vormerkung wegen künftiger Forderungen
„Übergabeverträgen“23 im Rahmen vorweggenommener Erbfolge vereinbart werden und mit denen der Überträger eines Grundstücks gewisse Sicherungs‑, Kontrolloder Versorgungsinteressen verfolgt oder sicherstellen will, dass ein Grundstück in der Familie bleibt.24 Der Überträger lässt sich für bestimmte Fälle ein Rücktrittsrecht einräumen und will die dadurch mögliche Rückauflassungsforderung durch Vormerkung absichern. Der BGH sieht in den aus einem Rücktritt entstehenden Rückauflassungsforderungen gemäß § 158 BGB „mehrfach bedingte“ Forderungen und nimmt insoweit regelmäßige Vormerkungsfähigkeit an.25 Üblicherweise wird ein solches Rücktrittsrecht (durchaus kumulativ) daran geknüpft, dass der Erwerber vorverstirbt, das Grundstück weiterveräußert, insolvent wird, oder dass die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betrieben wird;26 möglich ist auch die Vereinbarung zahlreicher weiterer Gründe, wie etwa ein grober Undank des Erwerbers, wobei der Einfallsreichtum bzw. die Wünsche der Parteien keine Grenzen kennen.27 Die daran geknüpften Rückforderungsrechte werden in der Praxis vergleichsweise selten ausgeübt: Zwar besteht im Fall des Vorversterbens des Erwerbers durchaus ein Interesse an der Rückübertragung; anders verhält es sich aber für die Bedingungen der Zwangsvollstreckung oder Insolvenz, die vor allem Dritte von der Verwertung des Grundstücks abhalten sollen.28 Die Bedingung der Weiterveräußerung soll schließlich – neben anderen Rückforderungsgründen – dem Erwerber, allein weil sie im Raume steht, das Gefühl vermitteln, dass ihm das Grundstück noch nicht vollends gehört.29 Daher können solche Rückauflassungsvormerkungen als eigene Fallgruppe betrachtet werden. Sie unterscheiden sich von dem, was der Literatur als Leitbild zur Erklärung des Vormerkungsrechts dient. Dieses baut nämlich auf der Vorstellung auf, dass die Parteien auf eine Rechtsänderung hinarbeiten und währenddessen einer Sicherung bedürfen, wie es auch der Interessenlage bei einem Standardgrundstückskaufvertrag entspricht.30 Dieses Paradigma soll im Folgenden „transaktionsbezogene Vormerkung“ genannt werden. Demgegenüber zeichnet die Rückauflassungsvormerkungen zweierlei aus: Zum einen ihre besondere Interessenlage, wonach das Entstehen der Forderung an sich nicht erwünscht 23 Zum Begriff MünchKomm-BGB/Musielak, 6. Aufl. 2013, Vorbem §§ 2274 Rz. 9; Mayer/ Geck, Der Übergabevertrag, § 2 Rz. 1 ff.; BGH, 06.07.2012 – V ZR 122/11, NJW 2012, 3162. 24 Schippers, DNotZ 2001, 756, 757; Waldner, Vorweggenommene Erbfolge, 2. Aufl. 2011, Rz. 103. 25 BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861. 26 Zimmer, ZfIR 2008, 91, 92. 27 Vgl. Schippers, DNotZ 2001, 756, 757 u. 766; Waldner, Vorweggenommene Erbfolge, 2. Aufl. 2011, Rz. 106 ff.; dort jeweils auch zur Klausel, die die Rückforderung von der Mitgliedschaft in einer im Sektenbericht genannten Vereinigung abhängig macht. Mayer/Geck, Der Übergabevertrag, § 13 Rz. 53 f.; Wacke, JZ 2003, 179, 180, 184. Anschaulich OLG München, 10.04.2007 – 32 Wx 058/07, MittBayNot 2008, 50. 28 Zimmer, ZfIR 2008, 91, 93. 29 Vgl. Waldner, Vorweggenommene Erbfolge, 2. Aufl. 2011, Rz. 103. 30 Vgl. Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 2252; Beck’sches Notar-Handbuch/Amann, 5. Aufl. 2009, Rz. A 155 f.
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ist und die Parteien diese nicht anstreben; der künftigen Forderung liegt also kein unbedingtes Interesse an ihrer Entstehung zugrunde. Zum anderen liegen die Herbeiführung der Bedingung und damit die Entstehung der Forderung in vielen Fällen in der Hand des potentiellen Schuldners. Aus diesen Besonderheiten wird die Schwierigkeit erkennbar, diese vergleichsweise spät in das Blickfeld der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerückten Rückauflassungsvormerkungen mit einer Dogmatik zu erklären, die zum Paradigma der transaktionsbezogenen Vormerkung entwickelt worden war. b) Rechtsbodenformel Die heutige höchstrichterliche Rechtsprechung baut auf den Sprüchen des Reichsgerichts auf. Stetig betont der BGH, dass eine Vormerkung zur Sicherung einer künftigen Forderung nur eingetragen werden kann, wenn bereits der Rechtsboden für ihre Entstehung vorbereitet ist.31 Nachdem lange umstritten war, von wessen Willen die Entstehung der Forderung noch abhängig sein darf, damit ein solcher Rechtsboden angenommen werden kann, brachte insbesondere die Entscheidung des BGH im Jahr 1996 Klarheit in dieser Frage.32 Die Vormerkbarkeit künftiger Forderungen ist danach jedenfalls zu verneinen, wenn die Entstehung der Forderung ausschließlich von dem Willen des Schuldners bzw. davon abhängt, ob dieser ein Rechtsgeschäft überhaupt erst vornimmt;33 umgekehrt genießen künftige Forderungen immer dann Vormerkungsschutz, wenn die Entstehung der Forderung nur noch vom Willen des künftig Berechtigten abhängt.34 Damit ist der Satz, wonach die Entstehung der Forderung nur noch vom Willen des künftig Berechtigten abhängen müsste,35 nicht mehr mit den Vorgaben des BGH in Einklang zu bringen und wird so – obwohl allenthalben als abweichende Auffassung hervorgehoben – heute nicht mehr vertreten.36 Das daraus abgeleitete Erfordernis der Bindung des Vormerkungsschuldners setzt der BGH nicht mit der Unabhängigkeit der Forderungsentstehung von dessen Willen gleich; es sei vielmehr hinnehmbar, dass die Herbeiführung der 31
BGH, 19.01.1954 – V ZB 28/53, BGHZ 12, 115, 118; BGH, 15.05.1970 – V ZR 20/68, BGHZ 54, 56, 64; BGH, 31.05.1974 – V ZR 190/72, LM Nr. 13 § 883 BGB, Bl. 1060, 1061; BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182, 184 = NJW 1997, 861, 862; BGH, 14.09.2001 – V ZR 231/00, BGHZ 149, 1 = DNotZ 2002, 275, 276; BGH, 09.03.2006 – IX ZR 11/05, BGHZ 166, 319, 324. 32 BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861, 862. 33 BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861, 862; BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2463. 34 BGH, 14.09.2001 – V ZR 231/00, BGHZ 149, 1 = DNotZ 2002, 275, 276; BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2463; BGH, 09.03.2006 – IX ZR 11/05, BGHZ 166, 319, 324; OLG Karlsruhe, 20.12.1993 – 11 Wx 10/93, DNotZ 1994, 252, 255. 35 So noch BGH, 19.01.1954 – V ZB 28/53, BGHZ 12, 115, 118, im Anschluss an das Reichsgericht. 36 Heute noch zitierte Fundstellen beziehen sich denn auch durchweg auf alte Rechtsprechung.
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Bedingung vom freien Willen des Verpflichteten abhängt, solange gewährleistet ist, dass die an dieses Verhalten geknüpfte Rechtsfolge unabhängig davon eintritt, ob sie zu diesem Zeitpunkt noch gewollt ist oder nicht.37 Der BGH entschied das in Bezug auf die erwähnten bedingten Rückauflassungsforderungen. Deren Entstehung ist häufig von Bedingungen abhängig, die in einem Verhalten des Schuldners oder in Umständen liegen, welche der Schuldner willentlich beeinflussen bzw. vermeiden kann. Zur Beschreibung dieser rechtlichen Lage greift der BGH auf die Figur der Potestativbedingung zurück; entscheidend sei, dass die Vertragspartei bei Abschluss des Rechtsgeschäfts ihre spätere Bindung für den Fall ihres künftigen Verhaltens gewollt habe.38 Den Grund für das Rechtsbodenerfordernis sieht der BGH in Anschluss an das Reichsgericht vor allem in der Sorge, dass eine uneingeschränkte Vormerkbarkeit künftiger Forderungen das Grundbuch mit einer unübersehbaren Zahl gesicherter Forderungen überlasten würde, die möglicherweise nie zur Entstehung gelangen.39 Dies hätte eine „faktische Sperre des Grundbuchs auf ungewisse Zeit“40 zur Folge, welche die Verkehrsfähigkeit des Grundstücks beeinträchtigt. c) Verhältnis der bedingten und künftigen Forderungen Der BGH wollte ausdrücklich nicht entscheiden, ob bedingte Forderungen, welche er mit solchen aus gemäß § 158 BGB (durchaus mehrfach) bedingten Rechtsgeschäften gleichsetzt, ein Unterfall der künftigen Forderungen sind, die in § 883 I 2 BGB ebenso genannt sind.41 Er macht zwar einerseits deutlich, dass die Eintragungsvoraussetzungen für bedingte denen künftiger Forderungen entsprechen müssen und eine Ungleichbehandlung nicht geboten sei; andererseits sieht er die bedingten Forderungen – anders als die künftigen – als „in aller Regel“ vormerkungsfähig an.42 Der BGH hebt bedingte Forderungen also gewissermaßen in den Stand eines „Regelbeispiels“. Dabei geht es dem BGH in erster Linie um das abgeschlossene Rechtsgeschäft, weil hieraus die Bindung des Vormerkungsschuldners resultiere;43 außerdem sieht er in ihm eine Gewähr für eine ausreichende Bestimmtheit des Inhalts der künftigen Forderung.44 In einer neueren 37
BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861, 862. BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861, 862; BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2462. 39 BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861, 862; BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2462; OLG München, 11.03.2010 – 34 Wx 7/10, MittBayNot 2010, 471, 472. 40 BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116, = NJW 2002, 2461, 2462; BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861, 862. 41 BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861, 862. 42 BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861, 862; bestätigt durch BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2462. 43 BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2463. 44 BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861, 862. 38
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Entscheidung führte der BGH als Grund für diese Regelvormerkungsfähigkeit bedingter Forderungen an, dass diese im Gegensatz zu künftigen Rechten bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung und nicht erst mit dem Eintritt der vorgesehenen Bedingung entstünden.45 Dieser Satz hat bereits Eingang in die unterinstanzliche Rechtsprechung gefunden.46
II. Literatur 1. Rechtsbodenformel Die in der Literatur vorherrschende Auffassung verlangt mit der Rechtsprechung einen Rechtsboden für die Vormerkungsfähigkeit einer künftigen Forderung.47 Soweit eine Begründung erfolgt, begegnet vor allem das aus der Rechtsprechung stammende Argument der Gefahr einer faktischen Grundbuchsperre, die aus der Eintragung einer Vielzahl bloßer Hoffnungsvormerkungen resultiere.48 Dem hinzugefügt wird der Satz, dass der Vormerkungsinhaber nicht vor dem Zugriff anderer Gläubiger geschützt werden dürfe, solange er seine Erwerbsaussicht noch nicht einmal gegenüber dem Schuldner durchsetzen könne.49 Wie inzwischen die Rechtsprechung verlangt man als Kriterium für einen solchen Rechtsboden, dass der Schuldner gebunden ist und sich von dieser Bindung nicht mehr einseitig lossagen kann,50 wenngleich die endgültige Entstehung der Forderung von seinem Verhalten abhängen dürfe.51 Der Satz, dass diese allein von dem Willen des künftigen Berechtigten abhängen müsse,52 wird einhellig als falsch zurückgewiesen,53 da dies das Institut der Vormerkung weitgehend bedeutungslos machen würde.54
45 BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2462. S. bereits oben S. 5 Fn. 9. 46 OLG München, 10.04.2007 – 32 Wx 058/07, MittBayNot 2008, 50, 51. 47 Statt vieler Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 183 m. w. N.; Preuß, AcP 201 (2001), 580, 587. 48 Assmann, S. 51; Lichtenberger, NJW 1977, 1755, 1758; Lieb, Das künftige Recht, S. 96 f.; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 14 Rz. 9. Kritisch Schellewald, S. 60 ff. 49 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 180; MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 28. 50 Assmann, S. 52; Preuß, AcP 201 (2001), 580, 591; Stadler, Jura 1998, 189, 191. 51 Baur/Stürner, § 20 Rz. 22; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 82 Rz. 9; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 2248, 2253; Ertl, Rpfleger 1977, 345, 354; Lichtenberger, NJW 1977, 1755, 1758 f.; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 14 Rz. 9; MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 26 ff.; Schellewald, S. 72 ff.; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 187. 52 So etwa noch BGH, 19.01.1954 – V ZB 28/53, BGHZ 12, 115, 118, was inzwischen aber überholt ist, oben bei Fn. 35. 53 Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 2248; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 14 Rz. 9; Westermann/ Gursky/Eickmann, Sachenrecht, § 82 Rz. 9 mit Fn. 14; MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 28; Geimer, DNotZ 1977, 663, 664 – 666 (Anm.); Preuß, AcP 201 (2001), 580, 590. 54 Vgl. Lichtenberger, NJW 1977, 1755, 1756.
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Wieling verfolgt demgegenüber einen liberalen, auf die Privatautonomie abstellenden Ansatz, wonach der Wortlaut von § 883 I 2 BGB nicht zu beschränken und künftige Forderungen, solange sie bestimmbar sind, auch ohne Rechtsboden vormerkbar seien.55 Dieser Ansatz wurde bereits in den Anfängen des BGB namhaft von Planck und Heck vertreten.56 Dabei geht Wieling durchaus davon aus, dass die Vormerkung einer künftigen Forderung insolvenzfest ist und in der Zwangsversteigerung Bestand hat.57 Genauso sieht er die Sorge, dass das Grundstück mit einer Auflassungsvormerkung nahezu unveräußerlich und mit einer Grundpfandrechtsvormerkung im Wert reduziert ist. Die allerorts beschworene Überlastung des Grundbuchs sieht er aber als Illusion, da ein Grundstückseigentümer schlicht kein Interesse habe, leichtfertig Vormerkungen zu bewilligen, und ein Erwerber Kosten und Umstände für eine solche Vormerkung nicht auf sich nehmen werde.58 Berger schlägt einen Mittelweg zwischen beiden Positionen ein. Er lehnt die Begründung der Rechtsbodentheorie, aber auch die unbeschränkte Vormerkbarkeit künftiger Forderungen ab; Maßstab für die Vormerkungsfähigkeit sei ein legitimes Sicherungsinteresse des Gläubigers, welches sich nicht aus dem Verhältnis zum Schuldner, sondern aus der Stellung des Gläubigers gegenüber anderen Gläubigern des Schuldners ableite.59 Dem Verhältnis zum Schuldner misst er jedoch insoweit Bedeutung bei, als sich die für das Sicherungsinteresse maßgebliche Bindung des Schuldners danach richten soll, ob dieser sich bei einer Verfügung an einen anderen Gläubiger schadensersatzpflichtig machen würde. Zu anderen Ergebnissen als die Rechtsbodenlehre gelangt diese Auffassung, wenn unwahrscheinliche Forderungsentstehungsbedingungen vereinbart werden. Das soll nach dem Gedanken von §§ 936, 916 II ZPO, § 191 II InsO einer Vormerkungsfähigkeit entgegenstehen, wenn die bedingte Forderung wegen der entfernten Möglichkeit des Bedingungseintritts einen gegenwärtigen Vermögenswert nicht hat.60 Demgegenüber betrachtet die herrschende Literatur die Unwahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts nur dann als Ausschlusskriterium, wenn die Vormerkung aufgrund einstweiliger Verfügung nach §§ 916 II, 936 ZPO eingetragen wird; für die rechtsgeschäftlich bewilligte Vormerkung misst sie ihr keine Relevanz bei.61
55 Wieling, § 22 II c; ebenso (mit Verweis auf § 765 II und § 1204 II BGB) Lüke, JuS 1971, 341, 343; E. Wolf, Lehrbuch des Sachenrechts, S. 580 f. 56 Planck, BGB, III.1, 5. Aufl., § 883 Erl. 1 e (S. 217); Heck, Grundriß des Sachenrechts, § 47 II 2. 57 Wieling, § 22 II c mit Fn. 22 u. 27. 58 Wieling, § 22 II c. 59 Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 41 ff. 60 Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 43 f. 61 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 178 m. w. N.; MünchKomm-BGB/ Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 26; Heck, Grundriß des Sachenrechts, § 47 II 2.
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2. Verhältnis der bedingten und künftigen Forderungen Was das Verhältnis der beiden Tatbestandsalternativen von § 883 I 2 BGB angeht, ergibt der Blick in die Literatur ein unterschiedliches Meinungsbild. Eine Auffassung differenziert nicht zwischen bedingten und künftigen Forderungen.62 Die wohl herrschende Auffassung teilt hingegen den Weg der Rechtsprechung, wonach im Sinne von § 158 BGB bedingte Forderungen regelmäßig vormerkungsfähig und nicht im Einzelfall auf ihren Rechtsboden zu untersuchen seien.63 Die Gefahr einer faktischen Grundbuchsperre sei bei bedingten Ansprüchen per se nicht gegeben, da sie durch ihre vereinbarungsmäßige Ausgestaltung eine Bestimmbarkeit erfahren, welche eine „Überschwemmung des Grundbuchs“ unmöglich mache.64 Zudem wird angeführt, dass bedingte Forderungen dem Schutz der §§ 160 ff. BGB unterstellt seien.65 Die Qualifizierung einer Tatbestandsalternative als Regelbeispiel mit allenfalls eingeschränkter Prüfung des Rechtsbodens provoziert freilich Abgrenzungsfragen und hier tun sich Unebenheiten innerhalb dieser Auffassung auf. Bei der Kategorisierung durch Figuren der Bedingungslehre (Wollens‑, Potestativbedingung o. ä.) und ihrer Zuschlagung zur ein oder anderen Tatbestandsalternative herrscht Uneinigkeit;66 künftigen Forderungen, heißt es, fehle das bestehende Rechtsverhältnis.67 Die Auseinandersetzung, ob die künftigen Forderungen die bedingten als Oberbegriff umfassen oder nicht,68 ist allerdings eine rein dogmatische, da auch die Auffassung, welche die bedingten Forderungen als ein Regelbeispiel ansieht, es nicht ausschließt, diese als Unterfall der künftigen Forderungen zu betrachten.69
62 Baur/Stürner, § 20 Rz. 22; Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 46; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 14 Rz. 9 mit Fn. 51; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 2248, 2253. 63 Assmann, S. 60 f.; Ertl, Rpfleger 1977, 345, 349 u. 354; Lichtenberger, NJW 1977, 1755, 1757 ff. (auch unter Hinweis auf ein durch sie verkörpertes Anwartschaftsrecht); NomosKommentarBGB/Krause, 3. Aufl. 2013, § 883 Rz. 31. 64 Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 883 Rz. 6; Lichtenberger, NJW 1977, 1755, 1758. 65 Assmann, S. 61. 66 Gegen die Subsumtion der Wollensbedingung unter die bedingten Forderungen Assmann, S. 62; gegen die Erfassung von Potestativbedingungen, BeckOK-BGB/H.‑W. Eckert, Ed. 24, § 883 Rz. 28; NomosKommentar-BGB/Krause, 3. Aufl. 2013, § 883 Rz. 30; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 2253. A. A. Ertl, Rpfleger 1977, 345, 352; richtigerweise differenzierend MünchKomm-BGB/ Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 26; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 177; Assmann, S. 62. 67 Assmann, S. 61; Ertl, Rpfleger 1977, 345, 349 u. 354. 68 Für ein Ober‑/Unterverhältnis Baur/Stürner, § 20 Rz. 22; MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 26; Stadler, Jura 1998, 189, 191; Soergel/Stürner, § 883 BGB Rz. 6; dagegen Assmann, S. 61; Ertl, Rpfleger 1977, 345, 349 u. 354; Lichtenberger, NJW 1977, 1755, 1756 f. 69 Vgl. Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 176 ff. Das übersehen etwa Assmann, S. 61, und Lichtenberger, NJW 1977, 1755, 1756 f., die der Ober‑/Untergruppierung entgegenhalten, dass es dann einer besonderen Erwähnung der bedingten Ansprüche im Wortlaut nicht bedurft hätte.
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III. Gang der Untersuchung Die Zwitterstellung der Vormerkung zwischen dem Sachen‑, Schuld- und Verfahrensrecht, ihre Akzessorietät, die Rechtsprechung zu ihrer Aufladung, die Löschungspraxis, faktische Wirkungen und über hundert Jahre rege Vormerkungspraxis beeinflussen sich wechselseitig und haben den Stoff zur Ermittlung der Anforderungen an eine künftige Forderung gemäß § 883 I 2 BGB enorm anschwellen lassen. Der Leser wird also Geduld aufbringen müssen, wenn im Folgenden ausgehend vom Wortlaut (D.) über die Funktionsweise der Vormerkung im systematischen Kontext von § 883 I 2 BGB (E.) bis hin zu den teleologischen Vorgaben (F.I.) Schritt für Schritt die Bausteine für die künftige Forderung gesammelt werden, um am Ende das Gerüst des § 883 I 2 BGB zusammensetzen zu können. Anschließend sollen der Bestand dieser Vorgaben in der Zwangsvollstreckung (F.II.) und der Insolvenz des Schuldners (F.III.) untersucht und die Argumente aus Rechtsprechung und Literatur abschließend gewürdigt werden (G.).
D. Wortlaut von § 883 I 2 BGB I. Forderung und Anspruch § 883 I 2 BGB spricht von bedingten oder künftigen „Ansprüchen“, vergleichbare Vorschriften wie §§ 1204 II, 1113 II BGB hingegen von einer „Forderung“. Wenn man bedenkt, dass die Vormerkung auf die Sicherung der Erfüllbarkeit der gesicherten Forderung zielt, könnte man mit dem „Anspruch“ die innerhalb einer Forderung liegende Befugnis assoziieren, die Leistung zu verlangen;70 es ginge als um den Anspruch im Sinne von Tuhrs, der erst mit der Forderung entsteht und vorher künftig ist.71 Den Gesetzesmaterialien kann indes nicht entnommen werden, dass mit dieser Terminologie bewusst ein bestimmter Zweck verfolgt werden sollte. Im Gegenteil kursierten im Zuge der Ausarbeitung der Vorschrift verschiedene Anträge, sowohl mit „Forderungen“ als auch mit „Ansprüchen“, und in den Materialien werden beide Begriffe synonym verwandt.72 Da auch die herrschende Dogmatik im Schuldrecht von einer synonymen Verwendung von Anspruch und Forderung ausgeht73 und die Vormerkung nur schuldrechtliche Ansprüche – einerlei ob aus vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnissen – sichert,74 wird man in die Wortwahl wohl nicht zu viel hineininterpretieren dürfen.
70
Preuß, in: Schreiber (Hrsg.), Hb. Immobilienrecht, Kap. 15 Rz. 14. Dazu oben § 2 C.I.2. (S. 21). 72 Vgl. Protokolle, Bd. 3, S. 740, 744, 746. 73 Siehe § 2 C.I.1. (S. 20 f.). 74 Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 883 Rz. 6: Dingliche Ansprüche (als solche also nicht „Forderungen“) werden durch Widerspruch gesichert. 71
D. Wortlaut von § 883 I 2 BGB
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Betrachtet man jedoch die Rechtsprechung zur „Aufladung“ einer Vormerkung mit einer neuen Forderung75 bzw. die Relevanz des Schuldgrunds für die Zuordnung einer eingetragenen Vormerkung zu einer möglicherweise gesicherten Forderung, so könnte der Begriff des Anspruchs möglicherweise treffender sein, weil er vielseitiger ist. Solange das Ziel einer Forderung, also die konkret begehrte Rechtsänderung, dasselbe bleibt, kann nämlich der Schuldgrund der Forderung (Anspruch aus Schenkung, Kaufvertrag . . .) in gewissen Grenzen rangwahrend geändert bzw. ausgewechselt werden.76 Diese gewisse Unabhängigkeit der gesicherten Forderung von ihrer ursprünglichen schuldrechtlichen Basis lässt den in § 883 I BGB erwähnten Anspruch in einem prozessualen Sinn erscheinen, der durch die Definitionselemente Antrag und Lebenssachverhalt ebenfalls eine Loslösung vom konkreten, rechtlichen Schuldgrund zulässt.77 Demgegenüber mag der Begriff der Forderung, der keine vergleichbare verfahrensrechtliche Nuance aufweist, mehr an dem konkreten Schuldgrund verhaftet sein, aus dem sie individuell entsteht. Gleichwohl sollte es, wenn es auf diesen Sinn nicht ankommt, stets zulässig sein, im Zusammenhang mit der Vormerkung von einer „Forderung“ zu sprechen.
II. Bedingte und künftige Forderungen Im wörtlichen Sinne ist jede Forderung künftig, wenn die Möglichkeit, dass sie entstehen wird, nach den Gesetzen der Logik nicht ausgeschlossen werden kann.78 Daher wird § 883 I 2 Var. 2 bisweilen als Unterfall von § 883 I 2 Var. 1 BGB betrachtet, da bedingte Forderungen genauso erst in Zukunft entstehen.79 Das entspricht einer auf Klassifizierung bedachten allgemeinen Rechtsdogmatik, ist für die Auslegung von § 883 BGB aber wertlos, zumal diese Obergruppe dann auch künftige Forderungen beinhalten müsste, die keinen Rechtsboden aufweisen.80 Eine solche Sicht eröffnet zudem reichlich Raum für Missverständnisse. Beispielsweise wird im Insolvenzrecht „künftigen Forderungen“ eine insolvenzrechtliche Vormerkungswirkung abgesprochen, ohne dass damit diejenigen i. S. v. § 883 I 2 BGB gemeint wären.81 Man sollte sich innerhalb der Auslegung von § 883 BGB auf ein solches begrifflich-dogmatisches Glatteis daher nicht begeben. 75 Vgl. etwa BGH, 10.05.2012 – V ZB 156/11, BGHZ 193, 183 = NJW 2012, 2654, 2655 m. w. N. 76 Zu Einzelheiten der Aufladungsrechtsprechung s. noch E.IV.1. Zu den Grenzen einer solchen Betrachtung unter dem Aspekt der Akzessorietät beachte Preuß, DNotZ 1998, 602, 606 f. 77 In diesem Sinne MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 14. 78 Legt man ein solches Verständnis zugrunde, so muss man die Rechtsbodentheorie als teleologische Reduktion betrachten, Stamm, Die Auflassungsvormerkung, S. 91. 79 Oben Fn. 68. 80 Vgl. etwa Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 10.27; Muthorst, ZIP 2009, 1794, 1796, die dort in diesem weiten Sinn von der künftigen Forderung schreiben. 81 Dass dies zu Missverständnissen führen kann, zeigt sich bei Preuß, DNotZ 2002, 283, 285.
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§ 5 Vormerkung wegen künftiger Forderungen
Die herrschende Gleichsetzung der „bedingten Ansprüche“ in § 883 I 2 BGB mit Forderungen, die gemäß § 158 BGB rechtsgeschäftlich aufschiebend bedingt sind, greift zu kurz. Sie würde nämlich rechtsbedingte Forderungen ausschließen und der Variante der „künftigen Ansprüche“ zuweisen.82 Daran wäre nichts auszusetzen, da rechtsbedingte Forderungen ohne Frage vormerkungsfähig sein können, wie etwa die Vormerkbarkeit von Forderungen nach §§ 528, 530 BGB oder die Regelung des § 1179a BGB nur allzu gut beweisen.83 Indes würden neue Abgrenzungsprobleme hervorgerufen, wenn es etwa um die Frage geht, inwieweit eine Rückauflassungsforderung bei Vereinbarung eines vertraglichen Rücktrittsrechts ohne eigene Rückgewährregelungen eigentlich noch eine i. S. v. § 158 BGB bedingte oder schon eine rechtsbedingte Forderung ist. Hinter der Anlehnung an § 158 BGB mag letztlich die – noch zu überprüfende – Annahme stehen, dass künftige Forderungen aus gemäß § 158 BGB bedingten Verträgen regelmäßig einen Rechtsboden aufweisen; dann ergäbe diese Gleichsetzung einen Sinn, um dem Rechtsanwender die Arbeit zu erleichtern. In Zusammenhang mit dem Wortlaut von § 883 I 2 BGB sollte sie allerdings nicht gebracht werden, da § 158 BGB nicht die „bedingte Forderung“, sondern nur das bedingte Rechtsgeschäft regelt (oben § 2 S. 36).84 Die Unterscheidung, die der Gesetzgeber im Wortlaut trifft, könnte historische Gründe haben, die allerdings nicht restlos aufzuklären sind.85 Feststeht, dass man ursprünglich an eine Regelung dachte, welche die Vormerkbarkeit der „betagten und künftigen“ Forderungen deklaratorisch verlautbaren sollte und welche man zur näheren Ausformulierung der Redaktionskommission überantwortete.86 Es spricht einiges dafür, dass man dabei die Unterscheidung von entstandenen, aber noch nicht fälligen Forderungen und noch nicht entstandenen Forderungen vor Augen hatte,87 so wie eine solche Regelung („betagte und künftige Forderungen“) auch nach heutiger Lesart zu verstehen wäre. Die 82
So denn auch Stadler, Jura 1998, 189, 194. Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 46 f.; Schippers, DNotZ 2001, 756, 766. BGH, 19.01.1954 – V ZB 28/53, BGHZ 12, 115 = NJW 1954, 633, 634; BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861 f.: „Der Schuldgrund, auf dem der zu sichernde Anspruch beruht, ist für die Frage, ob der Anspruch durch Eintragung einer Vormerkung gesichert werden kann, gleichgültig. Der Anspruch auf Einräumung eines Rechts, insbesondere des Eigentums an einem Grundstück, kann auf Gesetz, Vertrag oder einem einseitigen Rechtsgeschäft [. . .] beruhen.“ 84 Vgl. Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35,38 f.; Stadler, Jura 1998, 189, 193. 85 In den Beratungen zum BGB hat sich erst die Kommission für die zweite Lesung des BGBEntwurfs zur Aufnahme der Vormerkung entschieden, wie wir sie heute kennen, Protokolle, Bd. 3, S. 107, 110 ff.; zur anfänglich ablehnenden Haltung vgl. Motive, Bd. 3, S. 240 f. Zur Gesetzgebungsgeschichte der Vormerkung vgl. auch Reichel, JherJb 46 (1904), 59, 60 – 62; Heck, Grundriß des Sachenrechts, § 47 I 4; Preuß, AcP 201 (2001), 580, 581. 86 Protokolle, Bd. 3, S. 183 f. und S. 740 ff., 746. Deutlich auch die Denkschrift zum Sachenrecht, S. 118 (= Mugdan, Bd. 3, S. 970); weitere Hinweise lassen sich den Materialien nicht entnehmen, ebenso Assmann, S. 50; Reichel, JherJb 46 (1904), 59, 97; Schellewald, S. 43 f. 87 So etwa Reichel, JherJb 46 (1904), 59, 99. Ausdrücklich ein solches Vorstellungsbild offenbaren die Motive, Bd. 3, S. 637, zu § 1113 BGB. 83
E. Rechtssystematische Aspekte
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Annahme, dass § 883 I 2 BGB – anders als man ihn heute interpretiert – eine solche Unterscheidung von entstandenen und nicht entstandenen zum Ausdruck bringen soll, liegt also nicht so fern. § 888 BGB benötigt nämlich in jedem Falle eine fertige, also durchsetzbare Forderung88 und die Verlautbarung der Vormerkbarkeit von allem, was hinter dieser Anforderung zurückbleibt (also auch: „betagte Forderungen“), hätte daher durchaus ihre Berechtigung. Es erscheint dann nicht weiter fernliegend, dass der Redaktionskommission das „betagt“ nicht behagt hat, weil dies entstandene Forderungen ausgeschlossen hätte, deren Durchsetzbarkeit nicht von einem Kalendertag, sondern von einem ungewissen Ereignis abhängig ist, obwohl diese gerade bei Grundstückskaufverträgen üblich sind.89 Es sprechen also gewichtige Argumente dafür, dass – anders als die Vorschrift prima facie den Eindruck erweckt – mit den „bedingten Ansprüchen“ nicht die künftigen, sondern die bereits entstandenen gemeint waren, deren Fälligkeit noch aussteht und ggf. von einem künftigen Ereignis abhängt. Damit besteht guter Grund für die Annahme, dass § 883 I 2 BGB nicht nur zum Ausdruck bringen sollte, dass noch nicht entstandene Forderungen vormerkungsfähig sind, sondern die noch nicht fälligen neben den noch nicht entstandenen erwähnen wollte. Da § 883 I 2 BGB eine nur klarstellende Funktion zugedacht war,90 hat eine Abgrenzung allerdings kaum einen Wert. Jedenfalls muss man zur Kenntnis nehmen, dass das Gesetz beide Alternativen gleichwertig nennt.91 Soll die Vormerkbarkeit für noch nicht durchsetzbare Forderungen eine Grenze haben, dann muss diese zwingend für beide Alternativen gleichermaßen gelten und die Ermittlung muss darauf gerichtet sein, welche im weitesten Sinne künftige Forderung diese Schwelle noch nimmt und welche nicht.92 Dass die Praxis einige strukturell ähnliche Forderungen gruppiert (ergo die gemäß § 158 BGB bedingten), um die Prüfung dieser Grenze zu erleichtern, ist nicht zu beanstanden, sollte aber für die Bestimmung dieser Untergrenze von § 883 I 2 BGB ohne Bedeutung sein.
E. Rechtssystematische Aspekte Nach herrschender Meinung sind qualifiziertere Anforderungen an eine vormerkungsfähige künftige Forderung zu legen, als sie der weite Wortlaut vorgibt. Dadurch wird ein „Rechtsboden“ zur echten Voraussetzung einerseits für die Eintragung der Vormerkung, da diese nicht für jede künftige Forderung
88
Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 888 Rz. 6. Vgl. Krafka, MittBayNot 2011, 459, 462, und § 2 bei Fn. 243. Aufschlussreich in dieser Hinsicht ist auch § 111 ZVG. 90 Denkschrift zum Sachenrecht, S. 118 (= Mugdan, Bd. 3, S. 970). 91 Stamm, Die Auflassungsvormerkung, S. 90 f. 92 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 190. 89
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zulässig sein soll (§ 883 I 2 BGB),93 und andererseits für die Wirksamkeit, da die Vormerkung erst ab dem Zeitpunkt wirken soll, zu dem die künftige Forderung entsprechend verfestigt ist (§ 883 II, III BGB).94 Da der Wortlaut eine solche Eingrenzung nicht vornimmt,95 kann sie sich nur aus systematischen oder teleologischen Erwägungen (dazu dann F.) ergeben.
I. Vormerkung und Künftigkeit Künftigkeit hat in der Systematik der Vormerkung viele Facetten. Die Vormerkung sichert eine künftige Rechtsänderung (Einräumung, Übertragung, Aufhebung etc.) und damit ein für den Vormerkungsinhaber künftiges Recht. Auf Seiten des Vormerkungsschuldners darf dieses Recht jedoch kein künftiges sein; es muss ihm bereits zustehen: Schuldner und Rechtsinhaber müssen identisch sein (sog. Identitätsgebot).96 Die Vormerkung sichert also die künftige Änderung eines in der Person des Schuldners gegenwärtigen Rechts. Davon zu unterscheiden ist die künftige Forderung, an welche die Vormerkung anknüpft, um die künftige Rechtsänderung bereits zu einem Zeitpunkt zu sichern, in der noch nicht klar ist, ob sie einmal geschuldet wird. Und wiederum davon zu sondern ist die ihrerseits künftige Vormerkung, die unter einer Bedingung bewilligt wird und deren Schutz sich erst in Zukunft entfalten soll, wenn das Ereignis eintritt.97 Der erstere Aspekt des für den Schuldner künftigen Rechts und der letztere Aspekt der ihrerseits künftigen Vormerkung können im Folgenden ausgespart bleiben; sie betreffen ein (bzw. eine Art) künftiges dingliches Recht, während hier die Forderungen zu thematisieren sind.
1. Gegenstand der Vormerkungssicherung in Gegenwart und Zukunft Es geht also um die Vormerkung wegen einer künftigen Forderung auf die (künftige) Änderung eines Rechts. Das verdeutlicht vor allem eines: Nicht die Forderung ist das Ziel der Vormerkung, sondern die dingliche Rechtsänderung. Gesichert 93 Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen ist folglich bereits die Frage, ob die künftige Forderung so verfestigt ist, dass die Vormerkung überhaupt eingetragen werden darf, BGH, 19.01.1954 – V ZB 28/53, BGHZ 12, 115; BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182; OLG München, 10.04.2007 – 32 Wx 058/07, MittBayNot 2008, 50. 94 BGH, 15.05.1970 – V ZR 20/68, BGHZ 54, 56, 64; BGH, 31.05.1974 – V ZR 190/72, LM Nr. 13 § 883 BGB, Bl. 1060; BGH, 26.11.1999 – V ZR 432/98, BGHZ 143, 175; BGH, 14.09.2001 – V ZR 231/00, BGHZ 149, 1. 95 BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861, 862. 96 BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182, 188 = NJW 1997, 861, 863; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 2246, 2254; Stadler, Jura 1998, 189, 194; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 883 Rz. 6; MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 38. 97 Ertl, Rpfleger 1977, 345, 353; Schippers, DNotZ 2001, 756, 765.
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wird nicht die Entstehung einer Forderung; es wird vielmehr sichergestellt, dass diese erfüllt werden kann, wenn die Forderung einmal entsteht.98 Das bringen das Gesetz in § 883 II 1 BGB und die herrschende Diktion, welche beide die (trügerische) Leitvorstellung der entstandenen Forderung vor Augen haben, ungenau zum Ausdruck, wenn sie vom „gesicherten bzw. beeinträchtigten Anspruch“ sprechen. Freilich sollte es – im Sinne der Lesbarkeit – erlaubt sein, von einer gesicherten Forderung zu reden, wo der Sinn aus dem Zusammenhang erschließbar ist.99 Präzise formuliert geht es aber um die Sicherung der Erfüllbarkeit einer (ggf. künftig entstehenden) Forderung auf Vornahme einer Rechtsänderung.100 Gegenwärtig bedeutet die Vormerkung für ihren Inhaber damit die Gewähr, dass die vorgemerkte Rechtsänderung auch zu einem späteren Zeitpunkt noch vollzogen werden kann. Man könnte also sagen, dass die Vormerkung die „Möglichkeit der Durchsetzung der Forderung“ sichert. Da es allerdings sprachlich schwierig auszudrücken ist, dass es hierbei nicht um die Möglichkeit im Sinne der Wahrscheinlichkeit geht, sondern um die Möglichkeit in dem Sinne, dass die Erfüllung der Forderung auch später noch durchgeführt werden kann,101 sei im Folgenden von der „Erwerbsaussicht“ gesprochen. Sie bringt eben diese Nuance in der deutschen Zivilrechtsdogmatik zum Ausdruck (§ 2 D.II.). Die Vormerkung bewahrt dem Gläubiger also seine Aussicht darauf, dass die Forderung in Zukunft erfüllt werden kann, indem sie gewährleistet, dass die Rechtsänderung – ohne Hindernisse – weiterhin vollzogen werden kann, selbst wenn es unwahrscheinlich ist, dass die Forderung entsteht. Die Vormerkung sichert ihrem Inhaber in der Gegenwart die Aussicht auf einen Erwerb in der Zukunft.
2. Bestands- und Wirkungsvoraussetzungen der Vormerkungssicherung Die Vormerkung entfaltet rechtliche Außenwirkung erst dann, wenn die Forderung gegen den Schuldner und der Anspruch aus § 888 BGB gegen den Zwischenerwerber tatsächlich durchgesetzt werden.102 Da die Vormerkung keine absolute Verfügungssperre bewirkt, können bis dahin selbst vormerkungswidrige Verfügungen gegenüber jedermann getätigt und im Grundbuch auch vollzogen werden.103 Die Unwirksamkeit von vormerkungswidrigen Verfügungen nach § 883 II BGB kann damit nur herbeiführen, wer die Rechtsänderung verlangen kann. Die Entstehungsbedingung der künftigen Forderung muss also
98
Vgl. Ertl, Rpfleger 1977, 345, 352. Ebenso Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 29; MünchKomm-BGB/ Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 14. 100 Preuß, AcP 201 (2001), 580, 583 f.; Assmann, S. 7 ff. 101 § 2 Fn. 139. 102 Assmann, S. 137 – 142. 103 Baur/Stürner, § 20 Rz. 9; MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 49. 99
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eingetreten und die Forderung muss entstanden sein.104 Damit aber noch nicht genug, muss die Forderung auch frei von Einreden und daher durchsetzbar sein (§ 886 BGB).105 Das bedeutet, dass für die effektive, rechtliche Wirkung einer Vormerkung die gegenwärtig entstandene und durchsetzbare Forderung notwendig ist. Der künftigen Forderung verbleibt damit die Rolle, den Bestand der Vormerkung zu gewährleisten, so dass der Schutzschirm der Vormerkung bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgespannt werden und die Vormerkung einen längeren Zeitraum sichern kann. Die künftige Forderung ist damit in gewisser Weise Voraussetzung für den Bestand einer Vormerkung, während die durchsetzbare Forderung Voraussetzung für ihre effektive Wirkung ist.
II. Akzessorietät und Künftigkeit Eine strenge Akzessorietät der Vormerkung ist, auch angesichts der Rechtsprechung zur sog. „Aufladung“ einer Vormerkung, immer noch der Kernpunkt der herrschenden Vormerkungsdogmatik.106 In der Literatur heißt es dazu sinngemäß: Wenn die Forderung erlischt, ist die Vormerkung unwirksam, die Vormerkung ist damit in ihrem Bestand abhängig von einer entstandenen Forderung.107 Ein solches Akzessorietätsverständnis, wonach ein akzessorisches Recht eine entstandene Forderung verlangt, geht auf die Zeiten des Gemeinen und des römischen Rechts zurück.108 Das stellt die Dogmatik künftiger Forderungen vor die Herausforderung, den Bestand der Vormerkung zu erklären, wenn die Forderung bloß eine künftige ist. Es ist nämlich zweifellos so, dass die Vormerkung auch für den Zeitraum sichert und wirkt, während dem die Forderung noch eine künftige ist, da andernfalls § 883 I 2 BGB keinen Sinn ergäbe bzw. die ihrerseits bedingte Vormerkung ein ausreichendes Instrumentarium wäre.109 Die herrschende Lehre entzieht sich dieser Herausforderung mit dem Hinweis, dass das Akzessorietätsdogma durch § 883 I 2 BGB durchbrochen werde.110 104 BGH, 02.07.2010 – V ZR 240/09, BGHZ 186, 130 = NJW 2010, 3367; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 2244; Preuß, AcP 201 (2001), 580, 584. 105 Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 888 Rz. 6. 106 Preuß, DNotZ 2011, 696 (Anm.). Zur Akzessorietät als ein Strukturprinzip des BGB, Habersack, JZ 1997, 857, 860 u. 863 f. 107 Assmann, S. 9; MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 6. 108 Vgl. Jhering, Jb. Dogmatik 10 (1871), S. 387, 483 ff. zum Pfandrecht für künftige Forderungen; bezeichnend ebd., S. 484: „Ein Pfandrecht läßt sich ohne Forderung nicht denken. Bildet aber das Dasein einer solchen eine Existentialbedingung des Pfandes, wie kann denn schon vor Eintritt derselben ein Pfandrecht angenommen werden?“ 109 BGH, 09.03.2006 – IX ZR 11/05, BGHZ 166, 319, 323 = NJW 2006, 2408, 2409; BGH, 14.09.2001 – V ZR 231/00, BGHZ 149, 1 = DNotZ 2002, 275, 276; vgl. Ertl, Rpfleger 1977, 345, 352. 110 Assmann, S. 50 m. w. N.; Ertl, Rpfleger 1977, 345, 350 u. 354; Hepting, NJW 1987, 865, 867 u. 870; Schellewald, S. 69 – 72; MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 49; Alexander, JuS 2012, 481, 483.
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1. Grundlagen des herrschenden Akzessorietätsverständnisses Die herrschende Meinung denkt die Akzessorietät der Vormerkung von dem herkömmlichen Anspruchsschema aus: Die Vormerkung hat nach dieser Denkweise grundsätzlich eine entstandene Forderung zur Voraussetzung, die nicht notwendigerweise fällig zu sein braucht.111 Keine entstandene Forderung ist die i. S. v. § 158 BGB bedingte, da sie mangels rückwirkender Kraft nicht schon mit Abschluss des Rechtsgeschäfts, sondern erst mit Eintritt der Bedingung entsteht.112 Wegen dieses Anspruchsschemas, welches die Entstehung der Forderung in den Mittelpunkt rückt und unserem Denken innewohnt, teilen wir also zwischen der entstandenen und der künftigen Forderung. Die Grundvorstellung ist: Was noch nicht entstanden ist, existiert nicht und ist deshalb künftig.113 Auf Basis dieses Denkens bezieht man § 883 I 1 BGB auf die entstandene Forderung114 und kann § 883 I 2 BGB nur mit einer Durchbrechung des Akzessorietätsdogmas erklären, da es vor dem Entstehen der Forderung eben nichts gibt, von dem die Vormerkung zu ihrer Wirksamkeit abhängen könnte. Dieser Ansatz ist allerdings nicht frei von Widersprüchen. Er übersieht, dass die solchermaßen bloß entstandene Forderung für die Wirkung einer Vormerkung keineswegs hinreichend ist. Wie eben erläutert, tritt die Unwirksamkeit von vormerkungswidrigen Verfügungen de jure nämlich erst ein, wenn der Vormerkungsinhaber seine Forderung und den Anspruch aus § 888 BGB tatsächlich geltend macht.115 Im Fall einer entstandenen Forderung, deren Durchsetzbarkeit etwa aufgrund von Verjährung dauerhaft gehemmt ist, bleiben vormerkungswidrige Verfügungen also wirksam (§ 886 BGB).116 Diese Abhängigkeit der verfügungszerstörenden Wirkung von der Geltendmachung der Forderung offenbart, dass die Scheidelinie zwischen vormerkungseffektiven und vormerkungsineffektiven Forderungen auf der Ebene der Durchsetzbarkeit verläuft. Die entstandene Forderung hat – bei näherer Betrachtung – gar keine eigene Funktion; die Vormerkung mit entstandener, aber noch nicht durchsetzbarer Forderung wirkt genauso wie die Vormerkung für künftige, noch nicht entstandene Forderungen. Die Akzessorietät der Vormerkung mit der entstandenen Forderung zu erklären, ist also nicht plausibel, weil diese für die Vormerkungswirkung eben nicht hinreichend ist. Die Voraussetzung der „entstandenen Forderung“ als der Ausgangspunkt der herrschenden Meinung ergibt sich 111 Näher Habersack, JZ 1997, 857, 862. Exemplarisch: Baur/Stürner, § 20 Rz. 25; Palandt/ Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 883 Rz. 5; Hepting, NJW 1987, 865, 867. 112 RG, 24.01.1910 – V 324/08, RGZ 72, 385, 387; Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 39. 113 Exemplarisch etwa Schellewald, S. 66; Stahlmann, S. 22. 114 Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 883 Rz. 15 „nach I 1 ist ein schon bestehder aber noch nicht fäll Anspr vormerkb u nach I 2 ein aufschiebd befristeter“; Stamm, Die Auflassungsvormerkung, S. 89. 115 Assmann, S. 111 – 142. 116 Vgl. Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 888 Rz. 6.
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erst aus der Gegenüberstellung von § 883 I 2 BGB zu § 883 I 1 BGB, und nur dann, wenn man entgegen den Indizien in den Gesetzesmaterialien (o. S. 150 f.) § 883 I 2 BGB den noch nicht entstandenen Forderungen vorbehält. Da der Gesetzgeber § 883 I 2 BGB jedoch gar nicht für nötig erachtet und sich nur der Klarstellung willen für diese Regelung entschieden hatte,117 ist diese Gegenüberstellung von Satz 1 und Satz 2 fragwürdig. Für die Funktionsweise einer Vormerkung ist bis zu ihrer Durchsetzbarkeit also jede Forderung eine künftige, einerlei ob sie entstanden ist oder nicht. Daran hat sich das Akzessorietätsdogma zu orientieren.
2. Akzessorietät und künftige Forderungen Das führt zu der Frage, ob die Akzessorietät nur etwas ist, was die Geltendmachung der Vormerkung nach §§ 883 II, 888 BGB erklären soll (hier genannt: Wirkungsakzessorietät), oder ob sie der Vormerkung nicht vielmehr generell innewohnt und damit auch zum Zeitpunkt ihrer Eintragung gegeben sein muss, damit die Vormerkung überhaupt Bestand hat (hier genannt: Bestandsakzessorietät).118 Der hohe Stellenwert des Akzessorietätsdogmas, dem sich die herrschende Meinung verschreibt, legt an sich letzteres nahe, zumal die Vormerkung ganz ohne Forderung weder eingetragen werden darf noch wirkt.119 Daher begegnet Zweifeln, dass die Akzessorietät nicht denkbar bzw. durchbrochen sein soll, wenn die Forderung noch nicht entstanden ist. Im Gegenteil legt § 883 I 2 BGB doch nahe, dass die Vormerkung ganz im Sinne eines akzessorischen Sicherungsmittels davon abhängig ist, dass wenigstens eine „Aussicht auf die Erfüllung der Forderung“120 besteht. Diese These sei im Folgenden bewiesen; dabei wird zugrunde gelegt, dass eine Akzessorietätsbeziehung denklogisch einen existierenden Bezugspunkt bzw. einen Gegenstand voraussetzt, von dem Abhängigkeit bestehen kann. Sollte die künftige Forderung ein rechtliches Nullum sein und nach dem herrschenden Verständnis der Akzessorietätsdurchbrechung offenbar keinen Bezugspunkt darstellen können, so wäre der Vormerkungsschutz nur durch Rückwirkung der Vormerkung auf den Zeitpunkt ihrer Eintragung zu erklären: Die Vormerkung würde erst wirken, wenn die Forderung Durchsetzbarkeit erlangt, dann aber rückwirkend auf den Zeitpunkt ihrer Eintragung. Die Dogmatik der relativen Unwirksamkeit zu § 883 II BGB spielt einer solchen Sichtweise in der Tat in die Hände. Wie Assmann dargelegt hat, besteht die Wirkung von § 883 II 1 117
Denkschrift zum Sachenrecht, S. 118 (= Mugdan, Bd. 3, S. 970). Vgl. zu solch verschiedenen Momenten der Akzessorietät Becker-Eberhard, S. 262 – 268, der zwischen der „Wirksamkeits-“ und der „Entstehensakzessorietät“ von Sicherungsrechten unterscheidet, sowie Medicus, JuS 1971, 497, 498 f. („Akzessorietät in der Entstehung“ und „A. in der Durchsetzung“). 119 MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 6. 120 Dazu oben E.I.1. (S. 152 f.). 118
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BGB nämlich in einer fingierten relativen Unwirksamkeit, die erst im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs aus § 888 BGB zu einer realen absoluten Unwirksamkeit wird, infolge welcher der Vormerkungsberechtigte mit Erfüllung des gesicherten Anspruchs Rechtsnachfolger des Vormerkungsschuldners wird.121 Diese Wirkungsweise allein wäre nicht darauf angewiesen, dass die gesicherte Aussicht auf die Erfüllung bereits zuvor als gegenständlicher Bezugspunkt vorhanden ist. Gleichwohl hat der Gesetzgeber die Vormerkung nicht retrospektiv, sondern als ein in die Zukunft gerichtetes Sicherungsmittel ausgestaltet, welches einen künftigen Erwerb vorbereitet und künftige Änderungen sichert.122 Damit hängt folgendes zusammen: Schutzobjekt und Maßstab der Vormerkungswidrigkeit ist nicht die Forderung, sondern ihre Erfüllung. Daher ist nicht die Verletzung einer entstandenen Pflicht, sondern die Vereitelung des künftigen Ziels Anknüpfung für den Vormerkungsschutz. In der Folge kann dieser Schutz immer dann einsetzen, wenn das Ziel definiert ist; diese Bestimmung des Ziels kann eine in der künftigen Forderung abgebildete Aussicht bereits leisten. Aber es gibt wesentlich handfestere Gründe dafür, dass die gesicherte Erwerbsaussicht selbst ein realer Anknüpfungspunkt für eine Akzessorietät ist. Das fängt mit der Rangwirkung (§ 883 III BGB) an: Sie ist auf den Bestand einer Vormerkung ab initio angewiesen, da sie deren Rang unmittelbar ab Eintragung perpetuiert und verteidigt. Besonders deutlich wird das an sog. Vormerkungshülsen: Ihre Aufladung123 mit einer neuen oder weiteren Forderung erhält Rangwirkung erst mit der Vereinbarung der Erstreckung der Vormerkung auf eine (weitere) künftige Forderung:124 Die eingetragene Vormerkungshülse benötigt also eine Aussicht als etwas Gegenständliches, um ihre rechtlichen Wirkungen entfalten zu können.125 Das entscheidende Argument ist schließlich, dass eine Vormerkung ohne Aussicht gelöscht werden muss, während ihre Löschung solange unzulässig ist, wie die künftige Forderung denkbar noch entstehen kann.126 Genauso wie eine Vormerkung unwirksam wird, wenn die Forderung erlischt, wird sie nämlich unwirksam, wenn die Aussicht auf den Rechtserwerb erlischt, etwa weil eine Forderungsentstehungsbedingung endgültig ausfällt.127 Eine Vormerkung aber, die auf die Möglichkeit des Bedingungseintritts angewiesen ist, zeigt, dass sie in ihrem Bestand von der durch eine künftige Forderung verkörperten Aussicht abhängig ist. Dass dies nicht absonderlich ist, wird durch die herrschende Rechtsdogmatik 121
Assmann, S. 129 – 141. Bereits Heck, Grundriß des Sachenrechts, § 47 IV 3. 123 Dazu noch ausführlich E.IV.1. (S. 166 ff.). 124 BGH, 26.11.1999 – V ZR 432/98, BGHZ 143, 175 – 183. 125 Vgl. Stadler, Jura 1998, 189, 190: Die „Vormerkung als ‚leere Hülse‘ wäre sinnlos“. 126 Die Löschung nach § 22 GBO erfolgt erst, wenn der Antragsteller „in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise nachweist, dass das Bestehen oder Entstehen des zu sichernden Anspruchs ausgeschlossen ist.[Hervorhebung nicht im Original]“, OLG Schleswig, 09.07.2010 – 2 W 94/10, FGPrax 2010, 282, 283 f.; Wiggers, FGPrax 2012, 47, 48. 127 RG, 06.03.1907 – V 291/06, RGZ 65, 260, 262; Ertl, Rpfleger 1977, 345, 352; Reichel, JherJb 46 (1904), 59, 102. 122
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bestätigt, nach der die Erwerbsaussicht ohnehin als eigener Gegenstand betrachtet werden kann (§ 2 S. 54). Damit ist die Akzessorietät der Vormerkung lückenlos vom Zeitpunkt ihrer Eintragung auch eine Bestandsakzessorietät. Das passt zur Formulierung des BGH, wonach es sich bei § 883 I 2 BGB „um die gegenwärtige Sicherung eines künftigen Anspruchs“ handelt, „auch wenn dieser erst nach seiner Entstehung geltend gemacht werden könne“128 und fügt sich in das herrschende Bild der Verdinglichung der schuldrechtlichen Position durch die Vormerkung ein.129
3. Folgen für die Beschaffenheit einer künftigen Forderung Die Vormerkbarkeit künftiger Forderungen (§ 883 I 2 BGB) durchbricht das Akzessorietätsdogma nicht, sondern setzt es gerade um. Die Vormerkung ist auf eine in der künftigen Forderung ausgedrückte Erwerbsaussicht angewiesen, sonst ist sie sinnlos. Die künftige Forderung ist damit kein Platzhalter für die künftig entstehende Forderung, sondern selbst Gegenstand einer dynamischen Akzessorietätsbeziehung. Fraglich ist, was daraus für die Beschaffenheit einer künftigen Forderung folgt. Jedenfalls impliziert die Abhängigkeit des Bestands der Vormerkung von einer künftigen Forderung deren Bestimmbarkeit.130 Wenn wir uns das Wesen der Akzessorietät aber als Beziehung zweier Rechtspositionen denken,131 so erfordert das darüber hinaus eine gewisse rechtliche Struktur der künftigen Forderung. Das grenzt sie von einem lediglich tatsächlichen Sachverhalt ab, aus dem sich eine Aussicht (Hoffnung) auf eine Forderung ergibt. Akzessorietät erfordert also einen rechtlichen Bezugspunkt. Das kann dazu führen, dass schon deshalb ein gewisser „Rechtsboden“ im weiteren Sinne notwendig ist. Es wäre dann eine aus dem Wesen der Akzessorietät folgende Grundvoraussetzung für den Bestand einer Vormerkung, dass eine rechtliche Lage vorhanden ist, aus der sich ergibt, dass die Forderung, deren Erfüllbarkeit gesichert wird, einmal entstehen kann. Unter diesem Blickwinkel wären etwa der unter Vorbehalt des Widerrufs erklärte Antrag zum Verkauf eines Grundstücks oder der formunwirksame Grundstückskaufvertrag ein ausreichender Rechtsboden für eine Akzessorietätsbeziehung, da sie für den Berechtigten eine auf materiellem Recht (§ 147 BGB bzw. § 311b I 2 BGB) fußende Aussicht auf die künftige Erfüllung zum Ausdruck bringen; dass sie, aus anderen Gründen, nicht vormerkbar sind, steht auf einem anderen Blatt.
128
BGH, 09.03.2006 – IX ZR 11/05, BGHZ 166, 319, 323 = NJW 2006, 2408, 2409. Oben Fn. 7. 130 Vgl. Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 37, der von einem akzessorietätsrechtlichen Bestimmtheitsgebot spricht. 131 Becker-Eberhard, S. 48 – 60. 129
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4. Fazit zur Akzessorietät Infolge der herrschenden Orientierung am Anspruchsdenken und dem entstandenen Recht wurde das Akzessorietätsdogma und die Interpretation von § 883 I BGB auf die entstandene Forderung aufgebaut, obwohl der Forderungsentstehung weder für die Eintragung (§ 883 I 2 BGB) noch für die Wirkung der Vormerkung (§ 888 BGB) eine eigene Funktion zukommt. Deshalb deutet man § 883 I 2 BGB als Ausnahme und übersieht dabei, dass Akzessorietät schon in der Phase der Forderungsentstehung erforderlich und denkbar ist. Die Vormerkung erfordert eine bestimmte rechtliche Grundlage, aus der für ihren Inhaber eine Aussicht auf einen künftigen Vollzug der mit der Forderung begehrten Rechtsänderung erkennbar ist. Einen solchen Rechtsboden muss die künftige Forderung in jedem Fall aufweisen, damit die Vormerkung als akzessorisches Rechtsinstitut funktionieren kann.
III. Einflüsse des Sachen‑, Schuld- und Verfahrensrechts: Bestimmtheitsanforderungen Die Grundgedanken eines Rechtsgebiets sind das Gerüst des Gesetzgebers für eine Gestaltung der jeweiligen Materie, so dass, wer das Gesetz interpretiert, sich Klarheit über sie verschaffen muss.132 Für die Vormerkung ist dies umso dringender als hier unklar ist, welchem Rechtsgebiet sie überhaupt zuzuordnen ist. Bevor im Folgenden einige Grundsätze mit potentieller Auswirkung für die Verfasstheit der vormerkungsfähigen künftigen Forderung untersucht werden, sei also noch kurz der Standort der Vormerkung im Kreis der Rechtsgebiete bestimmt. Diese Verortung der Vormerkung ist geprägt von ihrer „Zwitterstellung“133. Dabei ist sie in erster Linie dinglicher Natur.134 Die Vormerkung (und genauer: der Schutz des vorgemerkten Rechts) kann nämlich gegenüber jedermann geltend gemacht werden, zu dessen Gunsten die vormerkungswidrige Verfügung erfolgt, und zwar unabhängig von einer schuldrechtlichen Verbindung zu dieser Person. Dabei setzt sie sich sogar in Insolvenz und Einzelzwangsvollstreckung durch. Insoweit wirkt die Vormerkung absolut, enthebt sich der schuldrechtlichen Relativität ihrer Forderung und hat dinglichen Charakter.135 Ein echtes Sachenrecht ist sie indes nicht. Anders als die übrigen akzessorischen Rechte kann sie nämlich nicht selbst verwirklicht werden. Der Anspruch, dessen Erfüllung gesichert wird, entspringt nicht der Vormerkung, sondern allein dem relativen Schuldgrund im 132
Baur/Stürner, § 4 Rz. 1 f. Baur/Stürner, § 20 Rz. 10. 134 Prütting, Sachenrecht, Rz. 203. 135 BGH, 21.06.1957 – V ZB 6/57, BGHZ 25, 16, 23; Preuß, in: Schreiber (Hrsg.), Hb. Immobilienrecht, Kap. 15 Rz. 4. 133
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Verhältnis zum persönlichen Schuldner, während § 888 BGB diesen Anspruch lediglich flankiert.136 Der verwirklichte Rechtsinhalt hat also seinen Ursprung in der Forderung. Das erfordert – neben sachenrechtlichen Grundsätzen – auch eine gewisse Berücksichtigung schuldrechtlicher Prinzipien bei der Anwendung des Vormerkungsrechts. Nicht immer ausreichend betont ist schließlich noch ein dritter Aspekt der Vormerkung. Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung im Grundbuch (§§ 883, 885 BGB). Damit erfordern verfahrensrechtliche Grundsätze gleichfalls Beachtung.137 All das ergibt, dass man von der Vormerkung als ein Sicherungsmittel sui generis spricht, welche, im Grundbuch verlautbart, mit gewissen dinglichen Wirkungen ausgestattet ist, um einen auf dingliche Rechtsänderung gerichteten Anspruch zu sichern.138 Die Grundgedanken des Vormerkungsrechts sind also aus dem Sachen‑, Schuld- und Verfahrensrecht zu gewinnen.
1. Absolutheit Die Absolutheit ist ein Prinzip des Sachenrechts. Sie ist ein vielschichtiger Begriff.139 Absolutheit als ein grundlegendes Prinzip des Sachenrechts steht für einen insoweit umfassenden Klageschutz. Der – wie auch immer inhaltlich beschränkte – Schutz eines Sachenrechts ist grundsätzlich gegenüber jedermann durchsetzbar, der das Recht beeinträchtigt.140 Weil die Vormerkung nicht selbst einen Anspruch enthält, ließe sich annehmen, dass sie der Forderung zu in diesem Sinne absoluter Beachtung verhilft. Ebenso sieht es der BGH, nach dessen Auffassung die gesicherte Forderung durch die Vormerkung gewisse dingliche Eigenschaften erhält.141 Indes gilt es in Erinnerung zu rufen, dass nicht die Entstehung der Forderung gesichert wird, sondern die Aussicht auf ihre Erfüllung (oben S. 152 f.). Nur das 136
Canaris, FS Flume, Bd. I, S. 371, 382. Ertl, Rpfleger 1977, 345, 346 f. 138 BGH, 21.06.1957 – V ZB 6/57, BGHZ 25, 16, 23; Baur/Stürner, § 20 Rz. 61. 139 Absolutheit kann den umfassenden Rechtsschutz eines Gegenstandes zum Ausdruck bringen. Insoweit ist die Vormerkung nicht absolut: sie schützt nicht gegen jede Beschädigung des Gegenstandes, dessen Erwerb sie sicherstellen soll (vgl. Canaris, FS Flume, Bd. I, S. 371, 383 – 387). Absolutheit kann des Weiteren dem Konzept der relativen Unwirksamkeit gegenübergestellt werden, also der personellen Teilbarkeit einer eingeräumten Rechtsstellung, welche im Sachenrecht im Grundsatz ungeteilt und insofern absolut ist (Baur/Stürner, § 4 Rz. 7; weitere Nachw. bei Assmann, S. 118 f.); trotz der Theorie von der relativen Unwirksamkeit vormerkungswidriger Verfügungen ist auch die Vormerkung in diesem Sinne absolut, da sie letztlich doch zur absoluten Unwirksamkeit führt, wenn ihre Forderung einmal erfolgreich geltend gemacht wird (vgl. Assmann, S. 111 – 142, nach deren Auffassung die relative Unwirksamkeit sogar nur Fiktion sein soll). Daran anknüpfend kann Absolutheit auch zum Ausdruck bringen, dass eine Rechtsposition unmittelbar wirkt; so gesehen wirkt die Vormerkung aber nicht absolut, da die Herstellung der Unwirksamkeit erst abhängig von der Geltendmachung des gesicherten Anspruchs ist, Assmann, S. 111 – 142. 140 Baur/Stürner, § 4 Rz. 3; Assmann, S. 285 f. 141 BGH, 21.06.1957 – V ZB 6/57, BGHZ 25, 16, 23. 137
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Potential, dass die Erfüllung weiterhin und in Zukunft möglich bleibt, darf kraft der Vormerkung nicht beeinträchtigt werden, die Entstehung der Forderung darf es hingegen schon.142 Wollte man hier allerdings halt machen, so würde man übersehen, dass diese Aussicht in der künftigen Forderung ihre Beschreibung findet bzw. sich in den Bedingungen ausdrückt, unter denen die Forderung entstehen soll. Daher kann dem BGH doch darin zugestimmt werden, dass letztlich die zu sichernde künftige Forderung absolute Wirkung erhält.143 Zu berücksichtigen gilt es dabei, dass die Erwerbsaussicht je nach Eintrittswahrscheinlichkeit des künftigen Ereignisses einen mehr oder weniger beschränkten Umfang haben kann. Es ist ein charakteristischer Unterschied, ob jemand auf alle Fälle Erfüllung verlangen kann oder nur für einen künftigen Fall, sei es die Insolvenz des Schuldners, sei es dessen Vorversterben o. ä. Zum Wesen der Vormerkung gehört es, auf den Umfang ihres Sicherungsgegenstandes Rücksicht zu nehmen. Das zeigt sich nicht nur in ihrer akzessorischen Natur, sondern vor allem am Konzept der relativen Unwirksamkeit. Danach bewirkt die Vormerkung ausdrücklich keine absolute Verfügungssperre;144 die Verfügung über das Recht soll vielmehr weiterhin unter der Risikokalkulation möglich sein, dass es zu der durch Vormerkung gesicherten Erfüllung nicht kommt.145 Die Vormerkung soll die Aussicht auf die Erfüllung also nicht absolut verteidigen, sondern nur für den Fall, dass die Forderung durchgesetzt wird.146 Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass die jeweiligen Bedingungen für die Forderungsentstehung, die der gesicherten Erwerbsaussicht Ausdruck verleihen, an der aus dem Absolutheitsprinzip folgenden Beachtlichkeit gegenüber jedermann teilhaben müssen.147
2. Spezialität Die dingliche Natur der Vormerkung führt auch zum Spezialitätsprinzip. Spezialität bedeutet, dass dingliche Rechte nur an einem einzelnen Gegenstand möglich sind, also im Sinne der Rechtsklarheit einen konkreten Bezug haben.148 Relevant wird dieses Prinzip vor allem bei dinglichen Rechtsgeschäften.149 Ein solches bereitet die Vormerkung vor und sichert es dahingehend, als wäre es zum Zeitpunkt ihrer Eintragung bereits vorgenommen worden. Daher muss die 142 Vgl. Schippers, DNotZ 2001, 756, 764, wonach die künftige Forderung eben nicht kraft der Vormerkung gewissermaßen durch redlichen Erwerb entsteht. 143 Ebenso Dulckeit, S. 25. 144 Baur/Stürner, § 20 Rz. 34; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 203. 145 Prütting, Sachenrecht, Rz. 187. 146 Nicht zu verwechseln mit der bedingten Vormerkung (oben bei Fn. 97): Bei dieser beginnt der Schutz erst mit Eintritt des Ereignisses. 147 Zu den Konsequenzen sogleich unter 3. 148 Baur/Stürner, § 4 Rz. 17. 149 Prütting, Sachenrecht, Rz. 24 ff.; Wiegand, in: Probleme der Kreditsicherung, 1982, S. 35, 40 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 20.
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Vormerkung selbst bereits in Bezug auf eine konkrete Rechtsänderung bestehen und das hat Rückwirkung auf die künftige Forderung, die, um vormerkungsfähig zu sein, hinsichtlich der Rechtsänderung, die begehrt werden soll, bestimmt sein muss.150 Die künftige Forderung muss, was ihr Ziel angeht, also inhaltlich bereits präzisiert sein und kann insoweit nicht als Platzhalter für jeden beliebigen Umfang einer Verpflichtung dienen. Das später entstehende Recht verleiht der vormerkbaren künftigen Forderung damit eine Kontur. Verlangt das Spezialitätsprinzip nach alledem die Bestimmtheit der künftigen Forderung, so ist es gleichwohl nicht mit dem Bestimmtheitsgrundsatz gleichzusetzen,151 da dieser noch zahlreiche andere Quellen hat (siehe sogleich unter 6.).
3. Publizität Das Publizitätsprinzip ist Folge der Absolutheit dinglicher Rechte. Weil diese gegenüber jedem beliebigen Dritten wirken, müssen sie für jedermann erkennbar sein. Anders als schuldrechtliche Beziehungen, die nur die Parteien berühren, müssen dingliche Rechte also nach außen in Erscheinung treten.152 Da die Vormerkung absolute Wirkung hat (oben 1.), ist sie diesem Gebot von Publizität unterworfen.153 Ihm wird bei der Vormerkung dadurch Rechnung getragen, dass sie die Eintragung im Grundbuch voraussetzt, wobei einerseits schlicht Erkennbarkeit und andererseits eine gewisse Warnfunktion erreicht werden.154 Eben wurde herausgearbeitet, dass nicht die Forderung, sondern die Erwerbsaussicht für jedermann erkennbar sein muss; da diese erst durch die Bedingungen Sichtbarkeit erlangt, unter denen die Forderung entsteht, ergreift die Publizität genau diese.155 Dass damit die künftige Forderung Publizität erhält, ist letztlich auch Ausdruck dessen, dass die Vormerkung keinen eigenen Anspruch enthält und insoweit auf die Existenz einer (künftigen) Forderung angewiesen ist, die ihr Inhalt verleiht. Die wohl herrschende Meinung spricht sich gegen die Erfassung der Forderungsentstehungsbedingungen von dem Publizitätserfordernis aus; sie bringt hierfür an, dass das Grundbuch ebenso wenig zum Ausdruck bringe, ob die Bedingung eingetreten ist bzw. die Forderung entstanden ist.156 Das übersieht, dass die Vormerkung nicht der Sicherung des Entstehens der Forderung, sondern nur 150
Vgl. etwa Stadler, Jura 1998, 189, 191. So aber Baur/Stürner, § 4 Rz. 17. 152 Prütting, Sachenrecht, Rz. 38. 153 Assmann, S. 320 ff. m. w. N. 154 Canaris, FS Flume, Bd. I, S. 371, 381 u. 384; MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 3. 155 Im Ergebnis ebenso Kesseler, EWiR 2008, 583, 584, der allerdings mit der künftigen Forderung als Bestandteil der Vormerkung argumentiert, was die Problematik nicht exakt trifft, da die Vormerkung die Entstehung der Forderung eben nicht sichert. 156 BGH, 07.12.2007 – V ZR 21/07, NJW 2008, 578, 580; Schippers, DNotZ 2001, 756, 764 f.; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 179 ff. 151
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der gegenwärtig verkörperten Erwerbsaussicht dient. Dritte müssen daher nicht das Entstehen der Forderung, sondern den Umstand berücksichtigen können, dass es unter gewissen Bedingungen zu der begehrten Rechtsänderung gemäß § 883 I 1 BGB kommen kann bzw. muss. Für die Beschaffenheit künftiger Forderungen bedeutet dies, dass nicht nur ihr Zielrecht nach außen erkennbar sein muss (s. oben 2.), sondern ebenso die Bedingungen ihrer Entstehung; in ihnen drückt sich aus, ob ein Rechtserwerb für den Gläubiger anstehen kann. Das wird zugleich der Warnfunktion der Publizität gerecht, da zur Information, welchen Inhalts ein möglicherweise entgegenstehendes Recht sein kann, auch die Kunde darüber gehört, unter welchen Bedingungen es entstehen kann und von anderen einzukalkulieren ist.157 Damit läuft der Publizitätsgrundsatz wiederum auf die Bestimmbarkeit der künftigen Forderung hinaus, kann dem aber eigene Nuancen verleihen. Zum einen, was die Quelle der Bestimmbarkeit angeht: Diese ist das Grundbuch als der maßgebliche Publizitätsträger; es muss die Erwerbsaussicht beschreiben. Zum anderen gibt die Publizität den Empfängerhorizont der Bestimmbarkeit vor: Es reicht nicht aus, dass zwischen den Parteien klar ist, welche Forderung unter welchen Bedingungen entsteht; es muss jedem anderen ersichtlich sein können, woraus sich die Erwerbsaussicht ergibt.158 Der Ansatz der herrschenden Meinung, dass das Grundbuch über den Bestand der Forderung keine Auskunft geben muss, ist also richtig; daraus zu folgern, das Grundbuch müsse über die Bedingungen der Forderungsentstehung keine Auskunft geben, aber falsch. Der Grund dafür ist, dass die durch die Vormerkung gesicherte Erwerbsaussicht Publizität erfordert und dieses gerade in den rechtlichen Voraussetzungen für die Entstehung einer Forderung zum Ausdruck kommt.
4. Schuldrechtliche Grundsätze Die schuldrechtliche Komponente der Vormerkung ist der persönliche Anspruch auf die Rechtsänderung, welche der Vormerkung Inhalt verleiht (oben vor 1.). Gegenüber dem von Typenzwang und Einschränkungen geprägten Sachenrecht fällt die Eruierung schuldrechtlicher Grundsätze knapp aus, was Ausdruck der Gestaltungsfreiheit ist, welche das Schuldrecht den Parteien ermöglicht. Sie sind grundsätzlich frei, die Voraussetzungen der Verpflichtung des Schuldners zu wählen und diese von einer oder mehreren Bedingungen, gleich welcher Art, abhängig zu machen. Nur dass der Bedingungseintritt überhaupt möglich ist, ist zwingend: Eine künftige Forderung, die von vornherein nicht zur Entstehung 157
Kesseler, EWiR 2008, 583, 584. Das räumt auch Wartenburger, MittBayNot 2008, 50, 52 (Anm.) ein. 158 Auf die Frage des Empfängerhorizonts geht BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2463, der die Bestimmbarkeit der Forderungsentstehungsbedingung des „groben Undanks“ aus dem Blickwinkel des grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes erörtert, nicht ein.
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gelangen kann, verkörpert keine Aussicht und kann eine Forderung, auf die die Vormerkung angewiesen ist, niemals liefern. Dass die Forderung denkbar entstehen kann, ist daher eine Grenze des Schuldrechts (vgl. § 275 BGB); fehlt das, so kann auch die Vormerkung nicht wirksam sein. Wenn die Aussicht darauf enttäuscht wird (etwa weil die Bedingung endgültig ausfällt), so erlischt die Vormerkung.159 Die Beurteilung, ob eine Forderung überhaupt zur Entstehung gelangen kann oder nicht, erfordert feste Maßstäbe: Wenn die Bedingungen völlig unklar sind, kann nicht festgestellt werden, dass die Entstehung einer Forderung denkbar ist. Unbestimmtheit negiert daher die Existenz einer Aussicht. Daraus folgt: Das Schuldrecht verlangt ebenso nach Bestimmbarkeit einer Forderung.160 Dieser „schuldrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz“ zieht eine strukturelle Grenze. Freilich ist diese weniger eng als die sachenrechtlichen Vorgaben und betrifft nur den internen Auslegungshorizont der beteiligten Parteien. Erforderlich ist ein gewisses Maß an Klarheit über Inhalt und Parteien der Verpflichtung, welches es erlaubt, Unklarheiten über die Bedingungen der Forderungsentstehung mit den Mitteln der erläuternden und ergänzenden Vertragsauslegung aufzulösen.161
5. Verfahrensrechtliche Grundsätze Das Grundbuchverfahrensrecht hat das vom materiellen Recht vorgegebene Ziel der Publizität umzusetzen; es hat dem materiellen Recht zu dienen.162 Damit es diesen Auftrag erfüllen kann, befreit § 885 II BGB (i. V. m. § 44 II GBO163) davon, die Entstehungsvoraussetzungen einer künftigen Forderung einzeln in das Grundbuch aufzunehmen, und erlaubt anstatt dessen die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung, welche zu den Grundakten zu nehmen ist (§ 10 GBO). Da diese Sicherung der Übersichtlichkeit des Grundbuchs aus § 885 BGB folgt, ist fraglich, ob der „grundbuchrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz“, den der BGH für die Vormerkungsfähigkeit einer künftigen Forderung bemüht,164 gegenüber den sachenrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen überhaupt eigene Grenzen aufstellt.165 Sicherlich nicht Ausfluss des grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes ist die Bestimmbarkeit der zu sichernden Forderung nach Inhalt oder Gegenstand, welche sich bereits aus dem Sachenrecht ergibt. Der BGH entnimmt dem Grundbuchrecht, dass die künftige Forderung zwar 159
Ertl, Rpfleger 1977, 345, 352. MünchKomm-BGB/Bachmann, 6. Aufl. 2012, § 241 Rz. 12 ff. 161 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 179; Schippers, DNotZ 2001, 756, 759 f. 162 BGH, 04.12.2008 – V ZB 74/08, NJW 2009, 594, 596 (Tz. 13). 163 § 44 GBO gilt für die Vormerkung, BeckOK-GBO/Kral, Ed. 16, § 44 Rz. 66. 164 BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2463. 165 Die bereits vorhandenen materiell-rechtlichen Grenzen übersieht Lichtenberger, NJW 1977, 1755, 1757, wenn er Einschränkungen nur dem Verfahrensrecht entnehmen will. 160
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von Umständen abhängig sein darf, die außerhalb des Grundbuchs liegen, allerdings nur, soweit diese Bedingungen nachprüfbar und wenigstens in der Eintragungsbewilligung angedeutet sind.166 Jedenfalls aber folgt aus dem Auftrag des Grundbuchs, die materielle Rechtslage abzubilden,167 dass bei Entstehung der Forderung kein Zweifel daran bestehen darf, ob es sich um diejenige handelt, für welche die Vormerkung eingetragen worden ist.168 Schon bei der Eintragung der Vormerkung muss eben beachtet werden, dass die Forderungsbedingungen Voraussetzung für die Wirksamkeit der Vormerkung sind. Diesen Aspekt vernachlässigt, wer gegen die grundbuchrechtliche Relevanz der Forderungsentstehungsbedingungen bloß argumentiert, dass das Grundbuch über den Bestand der künftigen Forderung keine Auskunft gibt und es nicht um den redlichen Erwerb einer nicht entstehbaren Forderung geht.169 Das Grundbuchverfahrensrecht fügt dem für die künftige Forderung geltenden Bestimmtheitsgrundsatz also durchaus eine eigene Nuance hinzu.
6. Fazit: Bestimmbarkeit der künftigen Forderung Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, ergeben sich aus den einschlägigen sachen‑, schuld- und verfahrensrechtlichen Grundsätzen Anforderungen, die allesamt in dem Verlangen nach Bestimmbarkeit der künftigen Forderung münden. Dass dieses sich auch aus dem Akzessorietätsgedanken ergibt,170 ist an dieser Stelle sekundär, da der Akzessorietätsgrundsatz kein allgemein sachenrechtliches Rechtsprinzip, sondern eine Frage der Ausgestaltung einzelner Sicherungsrechte bzw. -mittel ist.171 Die Voruntersuchungen zeigen zugleich, dass der Bestimmtheitsgrundsatz kein eigener Grundsatz ist, sondern aus verschiedenen Quellen gespeist wird, welche jeweils eigene Anforderungen enthalten. Die Vormerkung muss sich ob ihres „Mischwesens“ allen von ihnen stellen und, wenn ihre Wirksamkeit von einer Erwerbsaussicht abhängt, auch diese. Das Spezialitätsprinzip verlangt, dass die künftige Forderung von Anfang an auf die Rechtsänderung eines bestimmten Gegenstands gerichtet, sie also hinsichtlich ihres Inhalts und Ziels bestimmt ist:172 Das Grundstück bzw. Grundstücksrecht sowie Berechtigter und Inhalt müssen klar und eindeutig feststehen.173 Aus dem sachenrechtlichen Publizitätsprinzip – nicht aus dem grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz – folgt, dass die Bedingungen für die Entstehung der 166
BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2463. BeckOK-GBO/Holzer, Ed. 16, § 1 Rz. 111; ders., S. 248 f. 168 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 182. 169 So Schippers, DNotZ 2001, 756, 763 f. 170 Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 37; ebenso oben E.II.4. (S. 159). 171 Alexander, JuS 2012, 481, 483. 172 Ertl, Rpfleger 1977, 345, 350. 173 Schippers, DNotZ 2001, 756, 762. 167
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künftigen Forderungen aus dem Grundbuch bzw. der Eintragungsbewilligung für Dritte erkennbar sein müssen. Die These, wonach die Voraussetzungen der Forderung nur nach den laxeren Anforderungen des Schuldrechts bestimmbar sein müssten,174 verkürzt unzulässigerweise den Publizitätsgedanken des Sachenrechts und ist daher abzulehnen. Da der schuldrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz in seinen Anforderungen (etwa was den Empfängerhorizont angeht) hinter diesen Vorgaben zurückbleibt, vermag er all dem nichts hinzuzufügen, bis auf die Erkenntnis, dass die Entstehung der Forderung möglich sein muss. Demgegenüber folgt aus dem grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, dass die Bedingungen derart formuliert sein müssen, dass ihr Eintritt oder Ausfall – notfalls mit den Beweismitteln der ZPO (zur Durchsetzung des Anspruchs aus § 894 BGB) – festgestellt werden kann.
IV. Stellenwert der systematischen Vorgaben in der Vormerkungspraxis Die Handhabung der bisher gewonnenen Grundsätze wird in der Praxis des Vormerkungsrechts durch eine neuere, vom BGH gestaltete Entwicklung zur sog. „Aufladung“ von Vormerkungen auf die Probe gestellt. Amann spricht insoweit von „schwer erkennbare[n] Fernwirkungen“ dieser Rechtsprechung, die dazu zwinge, „die während eines Jahrhunderts entwickelte Dogmatik der Vormerkungen in verschiedenen Bereichen neu zu justieren.“175 Da diese Rechtsprechung manchen Vormerkungen eine unerwünschte Langlebigkeit verleiht, betrifft sie gerade die herrschende Rechtsbodentheorie, die maßgeblich von der Sorge vor einer Grundbuchsperre (dazu noch näher unten G.I.) getragen wird.
1. „Aufladungsrechtsprechung“ Diese Rechtsprechung baut auf dem tatsächlichen Umstand auf, dass im Grundbuch zahlreiche sog. Vormerkungshülsen vermerkt sind, denen es an einer Forderung mangelt. Das geschieht, wenn sich die Vormerkung schlichtweg erübrigt hat oder für eine zu sichernde Forderung bestellt wurde, welche unwirksam ist. Letzteres kommt vor, wenn ein Kaufvertrag wegen Scheingeschäfts zunächst unerkannt nichtig war,176 das Grundbuchamt eine nicht existente Bindung schlicht verkannt hat177 oder beispielsweise der von einem Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung der Erben vereinbarte und vormerkungsgesicherte Verkauf in Wahrheit eine gemischte 174 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 179 ff.; Schippers, DNotZ 2001, 756, 763. 175 Amann, MittBayNot 2010, 451, 456. 176 OLG Frankfurt, 28.10.1993 – 12 U 197/92, DNotZ 1995, 539. 177 Vgl. OLG München, 11.03.2010 – 34 Wx 7/10, MittBayNot 2010, 471.
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Schenkung war (§ 2205 S. 3 BGB), was das Grundbuchamt nicht hatte feststellen können.178 Ihren Ausgangspunkt nahm die Aufladungsrechtsprechung bei einer Vormerkung, deren zu sichernde Forderung durch die Parteien aufgehoben und auf neue vertragliche Grundlage gestellt werden sollte: Die Parteien eines wirksamen Grundstückskaufvertrags hatten für den Käufer eine Auflassungsvormerkung eintragen lassen, hoben vor Vollzug den Vertrag ausdrücklich auf und schlossen einen neuen Kaufvertrag mit geänderten Bedingungen und erneuter Bewilligung einer Auflassungsvormerkung. Der BGH erlaubte die Nutzung der bereits für die erloschene Forderung eingetragenen Vormerkung und entband die Parteien von der Notwendigkeit, diese löschen und eine andere neu eintragen zu lassen. Diese Entscheidung ist einsichtig, da alles andere ein wenig verständlicher und teurer Formalismus gewesen wäre.179 Ihren Fortgang nahm diese Entwicklung in der Zulassung der ergänzenden Aufladung einer Vormerkung mit weiteren Forderungen180 und der Auswechslung von Forderungen mit jeweils verschiedenem Rechtsgrund.181 Da die Aufladung der Vormerkung keine auf ihren Eintragungszeitpunkt rückbezogene Rangwirkung zeitigt, sondern die neue künftige Forderung ex nunc sichert und diese auf das gleiche Ziel wie die bisherige Forderung gerichtet sein muss, wahrt sie namentlich das Spezialitätsprinzip.182 Bezogen auf das Publizitätsprinzip hat diese Rechtsprechung jedoch bemerkenswerte Auswirkungen, soweit sie der Vormerkung ein gewisses Eigenleben außerhalb des Grundbuchs ermöglicht.183 Dazu beigetragen hat, dass der BGH es zulässt, die Vormerkung auf weitere, auf dasselbe Ziel gerichtete Forderungen durch formfreie Bewilligung nach § 885 I 1 BGB zu erstrecken, ohne dass diese Bewilligung dem Grundbuchamt zugehen muss: „Die Voraussetzungen des gesicherten Anspruchs können durch Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger beschränkt oder erweitert werden. [. . .] Eine Verlautbarung der Beschränkung im Grundbuch erfolgt nicht. Entsprechendes gilt für den Austausch des Anspruchs. [. . .] Werden weitere Entstehungsgründe für den gesicherten Anspruch geschaffen, kann nichts anderes gelten. [. . .] Die Aufgabe des Grundbuchs, eine eindeutige, klare und vollständige Aussage über vergangene und gegenwärtige Rechtsverhältnisse zu machen, steht dem nicht entgegen. Über die Wirksamkeit des vorgemerkten Anspruchs gibt das Grundbuch keine Auskunft. Schon der gesicherte Anspruch ist im Grundbuch nicht zu bezeichnen. Erst recht sind der Eintritt einer Bedingung, von der das 178
Vgl. OLG München, 06.12.2011 – 34 Wx 403/11, MittBayNot 2012, 292. So auch das Argument des BGH, 26.11.1999 – V ZR 432/98, BGHZ 143, 175, 182. 180 BGH, 07.12.2007 – V ZR 21/07, NJW 2008, 578. Konkret geht es um die Vereinbarung weiterer Gründe, aus denen eine Auflassungsforderung entsteht oder entstehen kann, vgl. etwa Amann, DNotZ 2008, 518, 523. 181 Im Grundsatz hingenommen durch BGH, 03.05.2012 – V ZB 258/11, NJW 2012, 2032, 2033. 182 Im Ergebnis ebenso Preuß, DNotZ 2011, 696 (Anm.). 183 Kesseler, NJW 2012, 2765, 2766 ff.; Amann, DNotZ 2008, 518, 524. 179
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Entstehen des Anspruchs abhängig ist, oder dessen Fälligkeit dem Grundbuch nicht zu entnehmen.“184 Auf Grundlage dieser Rechtsprechung würden die Grundbuchakten nicht mehr verbindlich Auskunft über die in der künftigen Forderung verkörperte Erwerbsaussicht geben und das Publizitätserfordernis missachten.185 Der Ansicht des BGH Vorschub leistet die Auffassung, wonach das Grundbuch zwar über das Ziel der Forderung, nicht aber zwingend über den Forderungsgrund Aufschluss zu geben habe, was namentlich an einer zu einseitigen Orientierung der Bestimmtheitsanforderungen am Spezialitätsgrundsatz liegt.186 Hinter dieser Entwicklung steht wiederum eine Vorstellung, die zu sehr die entstandene Forderung im Blick hat und daher von dem Befund aus argumentiert, dass das Grundbuch über den Bestand der Forderung keine Auskunft geben muss. Zwar mag man argumentieren, dass dem nachrangig Berechtigten die schlichte Information genügt, dass und für welches Recht eine Vormerkung besteht, so dass man Abstriche bei der Publizität hinsichtlich des Forderungsgrunds hinnehmen könnte; betrachtet man jedoch anhand der folgenden Ausführungen die Löschungspraxis etwas näher, wird offenbar, dass der eingeschlagene Weg des BGH, die genannten Bestimmtheitsanforderungen zu relativieren, das Vormerkungsrecht grundlegend berührt.
2. Löschungsrecht Die Entwicklung, den Bestimmtheitsgrundsatz zu lockern, trifft auf ein in der Praxis rigide gehandhabtes Löschungsrecht. Die Löschung einer Vormerkung kennt verschiedene Rechtsgrundlagen. Grundsätzlich erfolgt sie auf Bewilligung des Vormerkungsinhabers (§ 19 GBO). Ausnahmsweise kann sie entbehrlich sein, etwa im Fall einer Löschung von Amts wegen nach § 53 I 2 GBO. Diese kann allerdings nur selten erfolgen, da sie kaum über den Fall hinausreichen dürfte, dass das Forderungsziel nicht auf eine Rechtsänderung i. S. v. § 883 I 1 BGB gerichtet ist.187 Wichtiger ist die Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO ohne Beteiligung des Vormerkungsinhabers. Sie erfolgt auf Antrag des Grundstücksberechtigten, wenn das Grundbuch unrichtig ist und dies in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden kann. Da die Vormerkung in ihrem Bestand von dem einer gesicherten Forderung abhängt, ist das Grundbuch unrichtig, wenn die zu sichernde 184 BGH, 07.12.2007 – V ZR 21/07, NJW 2008, 578, 579 f.; vgl. auch BGH, 26.11.1999 – V ZR 432/98, BGHZ 143, 175, 180 ff. 185 Amann, DNotZ 2008, 518, 524 ff.; Zimmer, ZfIR 2008, 91, 94; Kesseler, DNotZ 2010, 404, 408, nennt das Grundbuch in der Folge dieser Rechtsprechung eine „löchrige Auskunftsquelle“; vgl. ebenso Waldner, Vorweggenommene Erbfolge, 2. Aufl. 2011, Rz. 111, der zeigt, warum die Praxis das mitunter als Einladung verstehen könnte, manche Änderung der Forderungsentstehungsbedingungen bewusst nicht im Grundbuch publik zu machen. 186 Vgl. Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 885 Rz. 71, 73 f. 187 Amann, MittBayNot 2010, 451, 453. Sonderfälle sind ebenso die Löschung von Amts wegen nach § 18 II, § 76 II, § 84 GBO oder die Löschung nach § 25 GBO.
E. Rechtssystematische Aspekte
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Forderung unwirksam ist oder – mit Blick auf eine künftige Forderung – eine Entstehungsbedingung endgültig ausfällt.188 Die Löschung einer Vormerkung erweist sich jedoch in mehrfacher Hinsicht als schwierig. Die Einholung der Löschungsbewilligung des Vormerkungsinhabers ist in der Praxis häufig nicht oder nur mit sehr großen Schwierigkeiten oder Verzögerungen möglich, wobei die Gründe vielfältig sind:189 Sein Aufenthalt kann unbekannt sein, er kann bei unklarer Erblage verstorben sein, seine Bereitschaft oder Kooperation kann fehlen und eine Klage nach § 894 BGB mag mit Blick auf eine persönliche Geschäftsbeziehung nicht opportun erscheinen bzw. selbst ein langwieriges Unterfangen sein; dazu treten noch Schwierigkeiten aus dem Umstand hinzu, dass Vormerkungen oft erst nach Jahrzehnten im Wege stehen. Neben solchen tatsächlichen Schwierigkeiten hält der Weg über § 22 GBO verfahrensrechtliche Hindernisse bereit, da der Beweis, dass die Forderung nicht besteht und nie mehr entstehen wird, nur durch bloßen Urkundsnachweis in der Form des § 29 GBO geführt werden kann. Ferner ergeben sich rechtliche Hindernisse: Grundbuchämter und Gerichte sind sehr zurückhaltend bei der Annahme, dass jede Möglichkeit des Entstehens oder Bestehens der zu sichernden Forderung wirklich ausgeschlossen ist, weil die Löschung nach § 22 GBO Personen benachteiligen kann, welche nicht am Verfahren beteiligt sind.190 Das geht sogar so weit, dass die Rechtsprechung nicht ausschließen will, dass eine Auflassungsforderung, die an die Heirat von Vormerkungsinhaber und Schuldner geknüpft ist, noch entstehen kann, obwohl der die Löschung beantragende Schuldner erklärt, dass er die potentielle Gläubigerin nicht heiraten will und nachweist, dass sie inzwischen anderweitig mit Kindern verheiratet ist.191 Diese ohnehin große Hürde wird durch die Rechtsprechung zur Aufladung der Vormerkung noch erheblich verstärkt.192 Der BGH billigte jüngst die unterinstanzliche Rechtsprechung193, wonach bei der Entscheidung über die Unrichtigkeit des Grundbuchs noch einzubeziehen ist, dass die Vormerkung ggf. durch 188 Statt vieler Wiggers, FGPrax 2012, 47; OLG Köln, 25.11.2009 – 2 Wx 98/09, MittBayNot 2010, 473, 474. 189 Zum Folgenden Wiggers, FGPrax 2012, 47. 190 Wiggers, FGPrax 2012, 47 f. 191 OLG Frankfurt, 29.07.1993 – 20 W 137/93, Rpfleger 1994, 106: „Es ist zwar denkgesetzlich nicht ausgeschlossen, dass die Bet. einmal die Ehe miteinander schließen werden. Denn obwohl eine Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird (§ 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB), entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass viele Ehen nicht lebenslang bestehen. Denkbar ist auch, dass der jetzige Ehemann der Berechtigten vor ihr verstirbt und daß alsdann die Berechtigte die Ehe mit dem Bf. schließt.“ Aus dieser bereits von der Vorinstanz vertretenen Logik wollte auch das OLG den löschungswilligen Grundstückseigentümer nicht entlassen, das zu seinen Gunsten allerdings spitzfindig aus dem Vertrag die Bedingung des Fortbestands der häuslichen Gemeinschaft herauslas, welche zwangsläufig unterbrochen war, so dass dem Löschungsbegehren abgeholfen werden konnte. 192 Kesseler, NJW 2012, 2765, 2766; BeckOK-GBO/Holzer, Ed. 15, § 22 Rz. 55. 193 Zahlreiche Nachweise bei Wiggers, FGPrax 2012, 47, 48; Preuß, DNotZ 2011, 696 ff. (Anm.); Heggen, RNotZ 2011, 329.
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andere Forderungen aufgeladen worden sein könnte, ohne dass dies zwingend aus den Grundakten ersichtlich sein müsste.194 Danach ist eine Löschung einer Auflassungsvormerkung nach § 22 GBO nur möglich, wenn der Antragsteller in der Form des § 29 GBO in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise nachweisen kann, dass jede Möglichkeit einer Ergänzung oder Auswechslung der Forderung außerhalb des Grundbuchs ausgeschlossen ist.195 War beispielsweise die Auflassungsvormerkung zunächst zur Sicherung einer durch den Tod des Berechtigten auflösend bedingten Forderung bestellt worden, so soll nicht länger der urkundliche Nachweis des Todes des Berechtigten zur Löschung genügen, weil die Möglichkeit besteht, dass die Forderung aufgrund anderer Vereinbarung zuvor vom Tod des Berechtigten unabhängig gestellt wurde; eine solche Vormerkung kann dann – mit allen damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten – nur aufgrund einer entsprechenden Bewilligung der Gesamtrechtsnachfolger des Berechtigten gelöscht werden, wobei der Nachweis ihrer Rechtsnachfolge in der Form von §§ 29, 35 GBO geführt werden muss.196
3. Fazit zur Praxis des Löschungsrechts Die Bestimmtheitsanforderungen werden in der Praxis des Vormerkungsrechts nur verkürzt umgesetzt, was namentlich in der Aufladungsrechtsprechung sichtbar wird. Diese Aufladungsrechtsprechung trifft auf ein rigides Löschungsrecht. Im Geiste der Wieder- und Weiterverwendbarkeit einer Vormerkung wurde die Löschung forderungsloser Vormerkungen schwieriger und ihr Wirksamwerden durch Vorgänge abhängig, die außerhalb des Grundbuchs erfolgen können. In einer neueren Entscheidung197 hat der BGH Tendenzen erkennen lassen, hier gegenzusteuern. Er hebt darin hervor, dass eine Aufladung nur bei Kongruenz der künftigen Forderung mit der bestehenden Eintragung samt Eintragungsbewilligung möglich ist.198 Damit verschafft er den Forderungsentstehungsbedingungen – wenn sie denn aus den Grundakten ersichtlich sind – immerhin Beachtung für die Bestimmung einer Identität der gesicherten Erwerbsaussicht.199 Ob es dadurch tatsächlich bereits gelungen ist, die „aus dem Ruder gelaufene Judikatur“200 wieder 194 BGH, 03.05.2012 – V ZB 258/11, NJW 2012, 2032; Wiggers, FGPrax 2012, 47, 48; Amann, MittBayNot 2010, 451, 454. 195 Heggen, RNotZ 2011, 329. 196 Vgl. OLG Köln, 25.11.2009 – 2 Wx 98/09, MittBayNot 2010, 473, 474 f. Die Praxis behilft sich daher mit bereits im Vorhinein eingeholten Löschungsbewilligungen (Wiggers, FGPrax 2012, 47, 49); ein anderes Mittel ist die Bedingung der Vormerkung als solcher (Wiggers, FGPrax 2012, 47, 49; Preuß, DNotZ 2011, 696, 702), was aber mit Abstrichen beim Vormerkungsschutz verbunden sein kann. 197 BGH, 10.05.2012 – V ZB 156/11, BGHZ 193, 183 = NJW 2012, 2654. 198 BGH, 10.05.2012 – V ZB 156/11, BGHZ 193, 183 = NJW 2012, 2654, 2656. 199 Preuß, MittBayNot 2013, 39 f. (Anm.). 200 Amann, DNotZ 2008, 518, 528.
F. Teleologische Aspekte
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in die richtigen Bahnen zu bewegen,201 bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist es nötig, die Erwerbsaussicht als rechtlichen Bezugspunkt der Vormerkung zu erkennen und dadurch die rechtlichen Bedingungen für die Forderungsentstehung als Gegenstand der Publizitätsanforderungen wieder in das Grundbuch zu holen.202 Zu bedenken ist, dass die Unterschätzung des Publizitätserfordernisses dazu führen kann, dass ein nachträgliches Wirksamwerden einer Vormerkung akzeptabel wird, ohne durch die Vermeidung unnötigen Formalismus veranlasst zu sein; das berührt dann die Grundfesten der Rechtsbodentheorie, die für das Postulat einer strengen Eintragungshürde steht.
V. Schlussfolgerung aus den systematischen Vorgaben Die Untersuchungen zur Akzessorietät haben gezeigt, dass die künftige Forderung eine Erwerbsaussicht zum Ausdruck bringt und als solche selbst ein gegenständlicher Bezugspunkt der Vormerkung ist. Daraus ergibt sich, dass sie bzw. die in ihre verkörperte Aussicht auf einem gewissen rechtlichen Boden beruhen muss. Die künftige Forderung steht damit für die Gesamtheit von (nach außen) bestimmten, rechtlich gesetzten Bedingungen,203 aus denen sich eine Forderung ergeben kann. Die dem Vormerkungsrecht zugrunde liegenden sachen‑, schuldund grundbuchrechtlichen Grundsätze stellen jeweils Anforderungen an ihre Bestimmbarkeit. Das gilt insbesondere für das Publizitätsprinzip, welches auch die Forderungsentstehungsbedingungen erfasst. Die Praxis des Vormerkungsrechts, welche dem Leitbild der entstandenen Forderung als Bezugspunkt der Vormerkung verhaftet ist, lässt dies aus dem Auge. Das von der herrschenden Meinung angenommene Erfordernis der Bindung des Schuldners haben die bisherigen Erkenntnisse nicht hervorgebracht. Im Folgenden soll die Untersuchung auf die teleologischen Vorgaben des Vormerkungsrechts ausgedehnt werden.
F. Teleologische Aspekte Die teleologische Analyse ist darauf gerichtet, wie eine künftige Forderung beschaffen sein muss, damit die Vormerkung ihre Wirkungen überhaupt entfalten kann. Untersucht werden die von § 883 II BGB genannten Hauptwirkungen, also der Schutz vor Zwischenverfügungen (dazu I.) sowie vor Zwangsvollstreckung (dazu II.) und Insolvenz (dazu III.). Außer Betracht bleiben können die Vorwirkungen der Vormerkung, da sie an ein von den Hauptwirkungen ggf. 201 So die Hoffnung von Kesseler, NJW 2012, 2765, 2767, und Preuß, MittBayNot 2013, 39 f. (Anm.). 202 Im Ergebnis: Heggen, RNotZ 2011, 329, 331. 203 Reichel, JherJb 46 (1904), 59, 100 spricht von einer konkreten Aussicht als das „mindestens nach einem Teile seiner Antezedentien Gesetzte“; es geht um die rechtlichen Antezedentien.
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geprägtes Rechtsbodenerfordernis anknüpfen müssten bzw., was § 883 III BGB angeht, ohnehin nur Bedeutung für die entstandene Forderung haben.204 Die Wirkung nach § 884 BGB bedarf keiner näheren Untersuchung, da diese Regelung von der ursprünglichen Künftigkeit der Forderung, für welche die Vormerkung bestellt wurde, nicht beeinflusst wird und die Zwangsvollstreckung oder Insolvenz im Erbfall, für welche die Künftigkeit eine Rolle spielen könnte, ohnehin durch das ZVG (dazu II.) bzw. § 106 InsO (dazu III.) geregelt werden.205
I. Schutz des Vormerkungsgläubigers vor Zwischenverfügungen des Schuldners 1. Keine Sicherung ohne Bestandsschutz der Vormerkung Die Vormerkung soll den potentiellen Forderungsgläubiger vor Verfügungen des Rechtsinhabers schützen, welche die Erfüllung der künftig entstehenden Forderung beeinträchtigen oder vereiteln würden (§ 883 II 1 BGB). Der Inhaber einer Auflassungsvormerkung will sich etwa dagegen absichern, dass das von ihm unbelastet begehrte Grundstück zwischenzeitlich mit einem fremden Grundpfandrecht belastet oder an einen anderen übertragen wird.206 Dieser Zweck der Vormerkung ist, so lautet die simple Erkenntnis, dann nicht erreichbar, wenn der potentielle Schuldner die Vormerkung löschen lassen kann, ohne auf die Bewilligung des Vormerkungsinhabers angewiesen zu sein. Dies ist nach § 22 GBO (oder unter zwangsweiser Beteiligung des Gläubigers nach § 894 BGB bzw. analog § 886 BGB207) möglich, wenn die materiell-rechtliche Aussicht auf das Entstehen einer Forderung, von deren Existenz die Vormerkung abhängt, nicht mehr besteht (vgl. etwa S. 163 f. u. 168 f.). 208 Dann gibt es keine Erwerbsaussicht mehr und das Grundbuch ist unrichtig, weil die eingetragene Vormerkung unwirksam ist. Daraus folgt: Wenn der Schuldner die gesicherte Aussicht ohne Mitwirkung des Gläubigers einseitig zerstören kann, kann er dafür sorgen, dass das Grundbuch unrichtig wird, und die Löschung der Vormerkung erreichen. Eine Vormerkung, die der Schuldner gegen den Willen des Gläubigers löschen kann, ist zwecklos; sie erfüllt ihre Aufgabe, abzusichern, nicht.209
204
Zu letzterem vgl. Assmann, S. 144 f. Umfassend zum geringen Anwendungsbereich der Vorschrift Assmann, S. 266 – 276, und Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 884 Rz. 1 ff. 206 Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 883 Rz. 20. 207 BGH, 06.07.2012 – V ZR 122/11, NJW 2012, 3162, 3163; Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 886 Rz. 2. 208 Fn. 188. 209 Amann, MittBayNot 2012, 267, 269. 205
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2. Voraussetzung für den Bestandsschutz der Vormerkung a) Verhinderung der Forderungsentstehung ist gleichgültig Das wirft die Frage auf, wie der Schuldner die gesicherte Aussicht einseitig zerstören kann. Hier fließen die oben zum Bezugspunkt der Vormerkung gefundenen Erkenntnisse ein (s. E.I.1.). Danach muss es grundsätzlich unschädlich sein, wenn der Schuldner die Entstehung der Forderung verhindern kann, da die Vormerkung nicht für deren Entstehen Gewähr bietet, sondern für deren Erfüllbarkeit, falls die Forderung einmal entsteht und dann nach § 888 BGB geltend gemacht werden muss. Das Grundbuch wird also nicht unrichtig, wenn der Schuldner verhindert, dass eine Bedingung für die Forderung eintritt, solange das Potential noch gegeben ist, dass die Bedingung in Zukunft noch eintreten kann. Bei den Rückauflassungsvormerkungen210 streben die Parteien sogar danach, dass der Schuldner der Entstehung der Forderung entgegenwirkt, weil allein die Aussicht auf sie dazu dient, den Schuldner von einem gewissen Verhalten abzuhalten. Daher ist jede Auffassung abzulehnen, welche im Fall der Möglichkeit des Schuldners, der Forderungsentstehung entgegenzuwirken, die Vormerkungsfähigkeit verneint.211 Aus dem gleichen Grund ist auch die Auffassung, welche die Vormerkungsfähigkeit von der Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts abhängig machen möchte,212 zurückzuweisen.213 Die Parteien wollen häufig unwahrscheinliche Fälle absichern. Das entspricht der konditionalen Struktur der Sicherung bedingter Forderungen, bei denen eine Rechtsänderung nur für den Fall eines wie auch immer wahrscheinlichen Ereignisses geschuldet wird. Ebenso wenig kann es für die Vormerkungsfähigkeit auf §§ 160 ff. BGB ankommen,214 da diese, soweit sie überhaupt Anwendung finden, nicht auf die Sicherung der gesetzten Bedingungen, sondern auf die Durchsetzbarkeit der angestrebten Position abzielen. b) Zerstörung der Erwerbsaussicht ist maßgeblich Es kommt damit schlicht darauf an, ob der Schuldner die Erwerbsaussicht einseitig in Frage stellen kann. Nur wenn er sie zerstören kann, vermag er der Vormerkung ihre Grundlage zu nehmen und die Unrichtigkeit des Grundbuchs herbeizuführen. Da sie in den Entstehungsbedingungen der künftigen Forderung ihren 210
Oben bei Fn. 19 ff. Etwa NomosKommentar-BGB/Krause, 3. Aufl. 2013, § 883 Rz. 30 f. 212 Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 43. 213 So auch die h. M., MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 26. Gegen die Ansicht, die Wahrscheinlichkeit der Forderungsentstehung zur Eintragungsvoraussetzung zu erheben, spricht ferner, dass das Eintragungsverfahren nicht mit der Klärung solchermaßen schwieriger Rechts- und Tatsachenfragen mit ungewissem Ausgang belastet werden kann, was Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 36 u. 40, an anderer Stelle ebenso betont. 214 Vgl. oben Fn. 65. 211
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Ausdruck findet, ist entscheidend, dass der Schuldner diese rechtlich formulierten Bedingungen nicht einseitig in Frage stellen kann. Für die Beschaffenheit der vormerkungsfähigen künftigen Forderung folgt daraus, dass eine „die Gestaltung des Anspruchs bestimmende Grundlage“ feststehen muss, wie der BGH sehr früh und eher beiläufig formuliert hatte.215 Kann der Schuldner sich von ihr lossagen, dann entzieht er der Aussicht den notwendigen rechtlichen Boden mit der Folge, dass er die Löschung der Vormerkung, deren rechtliches Fundament nicht mehr existiert, auf eigenes Betreiben erreichen kann. Die Vormerkung kann dann von vorne herein nicht die Sicherheit bieten, die sie verspricht. c) Schnittmenge Ausnahmsweise kann in der Möglichkeit, bloß die Entstehung der Forderung zu verhindern, zugleich die Möglichkeit des Schuldners begründet sein, die gesicherte Erwerbsaussicht zu zerstören. Das gilt für die wenigen Fälle, in denen der Schuldner die Entstehung der Forderung mit einem Mal auf Dauer verhindern kann, da hierdurch zugleich das Potential zunichte gemacht wird, dass die Forderung noch einmal entstehen wird. Der Unterschied wird an folgenden Beispielen deutlich. Wenn die künftige Forderung kraft bindender Vereinbarung davon abhängt, dass der Schuldner undankbar ist, dann kann er dies zwar jeden Tag erneut vermeiden, ohne aber jemals das Potential, dass die Forderung doch noch einmal entsteht, in Frage zu stellen; die Aussicht bleibt vorhanden. Wenn es dem Schuldner dagegen kraft bindender Vereinbarung erlaubt ist, seine Zustimmung zum forderungsbegründenden Geschäft zu verweigern, kann er – obwohl er an den Bedingungsgrundlagen nichts ändern kann – das Potential, dass eine Forderung entsteht, durch Verweigerung des Geschäfts auf immer zerstören.
3. Zwischenergebnis Eine Vormerkung kann nur halten, was sie verspricht, wenn sie nicht ohne Mitwirkung des Gläubigers aus dem Grundbuch gelöscht werden kann. Die Funktionsfähigkeit der Vormerkung ist daher nur gewährleistet, wenn der potentielle Schuldner und Rechtsinhaber nicht in der Lage ist, die rechtlichen Bedingungen für die Entstehung der Forderung einseitig in Frage zu stellen. Dem Rechtsboden muss also ein gewisser Bestandsschutz innewohnen. Anders als das Paradigma der transaktionsbezogenen Vormerkung vermuten lässt, zu der die Rechtsbodentheorie entwickelt wurde, geht es also nicht um eine Bindung des Schuldners bezüglich der Erreichung des gesicherten Anspruchsziels.
215
BGH, 19.01.1954 – V ZB 28/53, BGHZ 12, 115, 117.
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4. Analyse künftiger Forderungen in der Kautelarpraxis a) Aussichten mit Rechtsboden ohne Bestandsschutz aa) Künftige Forderungen aus letztwilligen Verfügungen Nicht vormerkungsfähig sind die künftigen Forderungen eines potentiellen Vermächtnisnehmers zu Lebzeiten des Erblassers. Soweit noch nicht einmal ein Testament existiert, fehlt es bereits an jeglichem rechtlichen Boden. Existiert hingegen ein entsprechendes Testament, so besteht eine materiellrechtlich fundierte Aussicht auf den Erwerb einer Forderung (§ 2174 BGB), also durchaus ein Rechtsboden (im eigentlichen) Sinne, der Gegenstand eines Akzessorietätsverhältnisses sein kann.216 Ihm fehlt jedoch der Bestandsschutz, da der Erblasser die Bedingungen für den Forderungserwerb infolge der freien Widerruflichkeit der letztwilligen Verfügung jederzeit wieder in Frage stellen kann.217 Die Vormerkung einer solchen künftigen Forderung kann daher schlicht nicht funktionieren.218 bb) Widerrufliches Grundstücksverkaufsangebot Das formgültige Grundstücksverkaufsangebot, welches der potentielle Käufer jederzeit annehmen kann, seitens des Verkäufers allerdings frei widerruflich ist, wird von der ganz herrschenden Meinung mangels Rechtsboden begründender Bindung des Schuldners nicht als vormerkungsfähig angesehen.219 Das ist zunächst nicht ohne weiteres einsichtig, da der potentielle Käufer dem Widerruf des Verkäufers jederzeit zuvorkommen und durch Annahme die erwünschte Forderung hervorbringen kann. Das Angebot verschafft ihm also eine Rechtsposition, einen Rechtsboden und auch ein Sicherungsbedürfnis. Jedoch kann die Vormerkung ihren Zweck nicht erfüllen, den Schutz vor Zwischenverfügungen zu leisten. Ursächlich dafür ist, dass der Grundstücksberechtigte, wenn er anderweitig verfügen möchte, das Angebot in der Form des § 29 GBO widerrufen, dadurch die Rechtsstellung des Gläubigers zerstören und nach § 22 GBO die Löschung der 216
Stadler, Jura 1998, 189, 193. Im Ergebnis BGH, 19.01.1954 – V ZB 28/53, BGHZ 12, 115 = NJW 1954, 633, 634; Preuß, DNotZ 1998, 602 f.; Stadler, Jura 1998, 189, 192. Vgl. Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 883 Rz. 17, der allerdings entgegen dem hier vertretenen Verständnis von einer „tatsächlichen Aussicht“ spricht. Die Forderung gegen den Erben aufgrund eines durch Erbfall wirksam gewordenen Vermächtnisses ist hingegen vormerkbar, Stadler, Jura 1998, 189, 191. 218 Bei der Vormerkbarkeit erbrechtlicher Forderungen ergeben sich, über den fehlenden Bestandsschutz hinaus, häufig Probleme hinsichtlich des Identitätsgebots (Fn. 96), das unabhängig von der Struktur der künftigen Forderung spezifische Probleme aufwirft, Assmann, S. 54 – 60; Baldus/Stremnitzer, DNotZ 2006, 598, 605 ff.; Preuß, DNotZ 1998, 602, 614 ff.; dies., in: Schreiber (Hrsg.), Hb. Immobilienrecht, Kap. 15 Rz. 16 ff.; vgl. auch BGH, 19.01.1954 – V ZB 28/53, BGHZ 12, 115 = NJW 1954, 633, 634. 219 Statt vieler OLG München, 11.03.2010 – 34 Wx 7/10, MittBayNot 2010, 471; Palandt/ Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 883 Rz. 15; Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 45. 217
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Vormerkung erreichen kann.220 Eine Vormerkung dieser künftigen Forderung könnte also vormerkungswidrige Verfügungen nicht verhindern. cc) Künftige Auflassungsforderung aus einem formunwirksamen Grundstückskaufvertrag Zur Kategorie der rechtlich bereits fundierten Aussichten – und nicht zu den rein tatsächlichen Aussichten – ist ebenso die künftige Auflassungsforderung aus einem noch formnichtigen Grundstückskaufvertrag zu rechnen, zu der die Rechtsbodentheorie seinerzeit entwickelt worden war. Das Reichsgericht beschrieb den hier erforderlichen Rechtsboden damit, dass die Entstehung der Forderung nur noch vom Willen des demnächst Berechtigten abhängig sein dürfe.221 Es entspricht zwar noch heute ganz herrschender Ansicht, dass die auf der Heilungsaussicht aufbauende künftige Forderung aus einem formnichtigen Kaufvertrag nicht vormerkungsfähig ist,222 aber die Begründung des Reichsgerichts wird zutreffend abgelehnt.223 Nimmt man den formnichtigen Kaufvertrag unter die Lupe, so ergibt sich, dass die Vormerkungsfähigkeit nicht mit dem Hinweis verneint werden kann, dass § 873 II BGB keine schuldrechtliche Verpflichtung schafft und der künftige Gläubiger daher nur eine rein tatsächliche Aussicht genießt.224 Wenn die Auflassung in nach § 873 II BGB bindender Form erklärt wurde, kann der Schuldner nämlich die Grundlagen für die Forderungsentstehung nicht mehr einseitig zerstören, und ob eine Bindung hinsichtlich der Forderung selbst erwachsen ist, ist unerheblich. Allerdings kann der Schuldner die notwendige Mitwirkung des künftigen Gläubigers bei der Zerstörung der Aussicht nach § 812 BGB erzwingen, indem er die Auflassung kondiziert,225 und zwar richtigerweise ohne dass § 814 BGB entgegensteht.226 Eine Vormerkung kann also keine Sicherheit schaffen, da der zwischenverfügungswillige Schuldner die Vormerkung nach Beseitigung der Auflassung löschen, die Rechtsstellung des Gläubigers dadurch zerstören und die Löschung der Vormerkung einseitig erreichen könnte. Nur an diese Kondizierbarkeit kann die herrschende Meinung in sich folgerichtig ansetzen;227 sie nimmt dem vorhandenen Rechtsboden seinen Bestandsschutz. 220
Amann, MittBayNot 2007, 13, 18. RG, 01.04.1936 – V 277/35, RGZ 151, 75, 77. 222 BGH, 15.05.1970 – V ZR 20/68, BGHZ 54, 56, 63 ff.; Stadler, Jura 1998, 189, 191 f.; a. A. Lüke, JuS 1971, 341, 342 f. 223 Oben Fn. 53. 224 RG, 01.04.1936 – V 277/35, RGZ 151, 75, 77; BGH, 15.05.1970 – V ZR 20/68, BGHZ 54, 56, 64. 225 Assmann, S. 64 f. 226 § 814 BGB ist auf die Fälle der Leistung in Erwartung der Heilung nicht anwendbar, Staudinger/Lorenz, BGB, Neubearb. 2007, § 814 Rz. 9. Das übersieht Assmann, S. 65 Fn. 400. 227 Zutreffend daher die letzte Erwägung von BGH, 15.05.1970 – V ZR 20/68, BGHZ 54, 56, 65 in Hinblick auf die §§ 812 ff. BGB. 221
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dd) Sonderfall: Abhängigkeit vom inneren Willen („Wollensbedingung“) Fraglich ist, was gilt, wenn die Geltung des Rechtsgeschäfts von dem freien, inneren Willen des Schuldners abhängig ist, also etwa die Parteien einen Vertrag aufsetzen, der durch jederzeitige Billigung des Schuldners Rechtsgültigkeit erhalten soll, oder das Gesetz dem Schuldner die Genehmigung des Rechtsgeschäfts überlässt (§ 177 BGB). Die herrschende Meinung spricht solchen künftigen Forderungen unter dem Stichwort der Nichttolerierbarkeit der reinen Wollensbedingung auf Seiten des Schuldners die Vormerkungsfähigkeit ab.228 Eine materiell-rechtlich begründete Aussicht, dass eine bestimmte Forderung entstehen kann, kann hier kaum geleugnet werden. Zwar tut man sich schwer, von einer „Rechtsstellung“ des Gläubigers zu sprechen. Da es aber nicht um die Durchsetzbarkeit einer Rechtsposition des Gläubigers, sondern lediglich um die rechtlich bestimmte und fundierte Möglichkeit geht, dass eine Forderung entsteht, liegt ein rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Vormerkung vor. Daran reiht sich die Frage, ob sich der Schuldner von den gesetzten Bedingungen, aus denen die Forderung hervorgehen kann, einseitig lossagen kann. Betrachtet man die Bedingung, dass das Rechtsgeschäft vom Willen des Schuldners abhängt, so ist diese unabänderlich, der Schuldner insoweit daran gebunden. Das spricht für eine Vergleichbarkeit mit den vormerkungsfähigen Fällen, in denen der Schuldner bei fixierter Aussicht auf eine Forderung lediglich ihre Entstehung verhindern kann. Da er jedoch durch seine Weigerung, den Vertrag zu billigen (§ 177 II BGB), nicht nur die Forderung, sondern sogar ein für alle Male die Aussicht zerstören kann, dass eine solche noch entsteht, kann die Vormerkung ihre Aufgabe, ihren Inhaber zu sichern, nicht erfüllen. Der Schuldner könnte mittels Verweigerung dafür sorgen, dass die Aussicht zerstört wird und die Löschung der Vormerkung einseitig erreichen. Die Schwierigkeit dieser Konstellation liegt daran, dass selbst dann, wenn der Schuldner das Geschäft endgültig nicht mehr wünscht, die Löschung der Vormerkung wohl häufig auch dann verweigert würde, wenn der Schuldner dies in der Form von § 29 GBO erklären würde, weil nicht auszuschließen ist, dass der Antragsteller seine Meinung noch einmal ändern könne (dazu oben S. 169 f.). Näher liegt es freilich, eine solche Abrede vernünftigerweise so auszulegen, dass das, was der Schuldner billigen kann, auch von diesem endgültig verweigert werden darf. Das gebietet der Respekt vor dem freien Willen des Schuldners, von dem die Parteien in ihrer Abrede das Geschäft abhängig machen wollten. Wer diesen Weg nicht gehen möchte, muss solchen künftigen Forderungen entweder die Vormerkungsfähigkeit attestieren oder ihre Vormerkungsfähigkeit mit dem grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz in Frage stellen, weil der Nachweis, dass die materielle Rechtslage und die Grundbuchlage dauerhaft auseinanderfallen, nicht erbracht werden und so in der Tat einmal eine Sperre des Grundbuchs eintreten könnte. 228 MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 26; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 177.
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b) Aussichten mit Rechtsboden und Bestandsschutz Vormerkungen für künftige Forderungen aus einem noch abzuschließenden Hauptvertrag, zu dessen Abschluss der Schuldner kraft gültigen Vorvertrags verpflichtet ist, sind nach der herrschenden Rechtsbodentheorie vormerkbar.229 Sie sind insofern ein Paradefall, als dass der Vorvertrag die Erwerbsaussicht der einseitigen Verfügung des Schuldners entzieht, so dass die Vormerkung ihre Aufgabe erfüllen kann. Eine weitere Fallgruppe vormerkbarer künftiger Forderungen stellen die potentiellen Rückübertragungsforderungen dar.230 Der BGH nimmt unter Hinweis auf § 158 BGB (mehrfach) bedingte Forderungen und insoweit regelmäßige Vormerkungsfähigkeit an.231 Soweit kraft der gesetzten, einseitig unabänderlichen rechtlichen Bedingungen eine Forderung entstehen kann, liegt eine sicherbare Erwerbsaussicht vor. Zwar liegt es oft völlig im Belieben des Schuldners, ob die Rückübertragungsforderung entsteht oder nicht;232 aber darauf kommt es eben nicht an (oben S. 173). Während herkömmlich versucht wird, diese beiden Fallgruppen (künftige Forderungen aus Vorvertrag einerseits und künftige Rückauflassungsforderungen andererseits) jeweils eigens dogmatisch zu erklären,233 zeigen die vorstehenden Ausführungen, dass dies nicht nötig ist, vielmehr beide mit denselben dogmatischen Maßstäben beschrieben werden können.
5. Ergebnis zu § 883 I 2 BGB Die Vormerkung ist zu ihrer Wirksamkeit auf eine rechtlich fundierte Erwerbsaussicht angewiesen. Ein solcher Rechtsboden ist jedoch nicht hinreichend, wenn die Vormerkung verlässlich gegen vormerkungswidrige Verfügungen sichern soll. Erforderlich ist daher überdies, dass der Schuldner diese Erwerbsaussicht nicht einseitig in Frage stellen kann. Im Folgenden wird gezeigt, dass die Vormerkungswirkung in der Zwangsvollstreckung oder der Insolvenz des Schuldners keine weiteren Anforderungen an die künftige Forderung gemäß § 883 I 2 BGB stellt, sondern vollumfänglich an die bisher ermittelten Vorgaben anknüpfen kann.
229 BGH, 31.05.1974 – V ZR 190/72, LM Nr. 13 § 883 BGB, Bl. 1060, 1061; Stadler, Jura 1998, 189, 191; Ertl, Rpfleger 1977, 345, 349; Preuß, AcP 201 (2001), 580, 589 f. 230 Ausführlich oben im Text bei Fn. 19. 231 BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861. Dass sie dabei möglicherweise de facto die Verfügung für jeden anderen Fall unterbindet, ist eine schuldrechtlich zu bewältigende Frage (§§ 137, 138 BGB; im Ergebnis auch Wacke, JZ 2003, 179, 183). Zur Vereinbarkeit dieser Vertragsgestaltung mit §§ 137, 138 BGB, BGH, aaO, S. 862 f.; BGH, 06.07.2012 – V ZR 122/11, NJW 2012, 3162. 232 Amann, MittBayNot 2007, 13, 16 ff. 233 Vgl. etwa Preuß, AcP 201 (2001), 580, 588 – 590; Amann, MittBayNot 2007, 13, 17; aber auch BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861.
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II. Schutz des Vormerkungsgläubigers in der Zwangsvollstreckung Das von der Vormerkung zu sichernde Potential für eine Rechtsänderung zugunsten des Gläubigers ist bedroht, wenn ein dritter Gläubiger des Grundstücksinhabers die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreibt. Die Vormerkung soll auch dagegen sichern (§ 883 II 2 BGB). Die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück erfolgt entweder durch Eintragung einer Zwangshypothek gemäß § 867 ZPO oder nach dem ZVG (§§ 866 I, 869 ZPO). Die Eintragung einer Zwangshypothek ist gemäß § 883 II 2 BGB relativ unwirksam, soweit sie die Erfüllung des vorgemerkten Anspruchs beeinträchtigen würde. Zu untersuchen ist, wie der Schutz gegen eine Zwangsvollstreckung gemäß ZVG, insbesondere im Fall einer über das Grundstück angeordneten Zwangsversteigerung, ausgestaltet ist und welche Rückschlüsse sich hieraus für die Beschaffenheit der künftigen Forderung ergeben.
1. Grundlagen: Die Vormerkung in der Zwangsversteigerung a) Vormerkungen zur Sicherung der Einräumung eines beschränkten dinglichen Rechts Im ZVG klar geregelt ist das Schicksal von Vormerkungen zur Sicherung einer bestehenden Forderung auf Einräumung eines beschränkten dinglichen Rechts an einem Grundstück.234 Als Beispiel hierfür sei eine Forderung des Gläubigers auf Bestellung einer Grundschuld genannt.235 Nach §§ 91 I, 52 ZVG bleiben seine Rechte in einer Zwangsversteigerung auf Betreiben eines dritten Gläubigers bestehen, wenn sie bei der Feststellung des geringsten Gebots berücksichtigt werden: Der Ersteher muss weniger Geld entrichten und erhält dafür ein entsprechend belastetes Grundstück (§ 49 ZVG). In das geringste Gebot fallen jedoch nur Rechte, die dem Anspruch des die Vollstreckung betreibenden Gläubigers vorgehen (§§ 44 I, 10 I Nr. 4 ZVG). Da im genannten Beispiel das Recht, also die begehrte Grundschuld zugunsten des Forderungsgläubigers, noch nicht besteht und da die Vormerkung selbst, ebenso wie die auf Bestellung der Grundschuld gerichtete Forderung, kein solches Recht i. S. v. § 10 I Nr. 4 ZVG sind, würden sie nicht berücksichtigt und müssten in der Zwangsversteigerung untergehen (§§ 52 I 2, 91 ZVG). Deshalb bestimmt § 48 ZVG, dass Rechte, die durch Eintragung einer Vormerkung gesichert sind, für die Feststellung des geringsten Gebots als eingetragene Rechte gelten.236 Wenn also die Eintragung einer Grundschuld unter einer gemäß § 883 III BGB vorrangigen Vormerkung zugesagt ist, so wird getan, 234 Zu Vormerkungen zur Sicherung von Ansprüchen auf Aufhebung eines Rechts, Änderung eines Rangs oder Übertragung eines bestehenden Rechts, Assmann, S. 186 f. 235 Auch zum Folgenden vgl. Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 293 – 308. 236 Zum für die vorliegende Untersuchung nicht relevanten beschränkten Anwendungsbereich von § 48 ZVG, Assmann, S. 185 ff.; Böttcher, ZVG, 5. Aufl. 2010, § 48 ZVG Rz. 3.
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als ob die Grundschuld bereits eingetragen sei, und in der Folge setzt sich die Vormerkung gegenüber dem Zuschlag zugunsten des Erstehers durch; dieser muss damit rechnen, dass er ggf. nach § 888 BGB eine Grundschuld zu bewilligen hat.237 b) Auflassungsvormerkung Ganz so klar ist die Rechtslage hinsichtlich einer Auflassungsvormerkung nicht. §§ 44 ff. ZVG setzen Rechte an einem Grundstück i. S. v. § 10 I Nr. 4 ZVG voraus und ein solches ist das Eigentum nicht, da es außerhalb der Rangordnung eingetragener Grundstückbelastungen steht.238 Die Auflassungsvormerkung wird vom ZVG nicht bedacht. Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, dass die Vormerkung (bzw. die Entscheidung der zweiten BGB-Kommission, diese einzuführen239) in den Materialien zu §§ 10, 28, 37, 44 – 52 ZVG nicht eigens behandelt wird240 und § 48 ZVG sogar den viel älteren Gesetzen Preußens, Bayerns und Sachsens entnommen wurde.241 Das ZVG kann, methodisch gesehen, daher nur per Analogie auf die Auflassungsvormerkung angewandt werden. Die herrschende Meinung will § 48 ZVG auf die Auflassungsvormerkung anwenden, so dass diese in das geringste Gebot aufgenommen wird und durch den Zuschlag unberührt bleibt.242 Gegen die herrschende Meinung wendet sich mit beachtlichen Argumenten Assmann, die – mangels Regelung im ZVG – der Auflassungsvormerkung Schutz aus einer direkten Anwendung von § 883 II 2 BGB gegen den Zuschlag gewährt, was insofern auf das gleiche Ergebnis hinausläuft, als dass auch nach dieser Lösung die Auflassungsvormerkung durch 237 Assmann, S. 219; Preuß, in: Schreiber (Hrsg.), Hb. Immobilienrecht, Kap. 15 Rz. 39. Vormerkungen, die nach herrschender Meinung zwar § 48 ZVG unterfallen würden, aber im Rang hinter dem Recht des die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigers stehen, erlöschen durch den Zuschlag; an ihre Stelle tritt gemäß § 92 ZVG die Beteiligung am Erlös, wobei dieser, namentlich bei der Sicherung bedingter bzw. künftiger Ansprüche, bis zum Eintritt oder Ausfall der Bedingung gemäß §§ 119, 120 ZVG zu hinterlegen ist, Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 304. 238 Assmann, S. 194; Streuer, Rpfleger 2000, 357, 361; Reinhard, GruchotsBeitr. 62 (1918), S. 319, 323 f.; Wörbelauer, DNotZ 1963, 652, 655. 239 Die Vormerkung ist ein Geschöpf der zweiten Kommission, näher etwa Reichel, JherJb 46 (1904), 59, 60 – 62. 240 Hahn/Mugdan, Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 5, Denkschrift zum Gesetzentwurf vom 12.12.1896, die nachweislich ihrer Seite 3 allerdings auf die Veränderungen des Sachenrechts durch die zweite Kommission reagieren wollte. 241 Hahn/Mugdan, Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 5, S. 45. Auch die parlamentarischen Beratungen (ebd. S. 78 – 97) widmeten sich nicht der Vormerkung, sondern dem Deckungsprinzip mit Blick auf die Hypothek, den damals praktischen sehr relevanten Gesamthypotheken und anderen Themen; ebenso wenig die 16. Kommission, ebd. S. 98 ff. 242 BGH, 10.05.2012 – V ZB 156/11, BGHZ 193, 183 = NJW 2012, 2654, 2655, unter Bestätigung von BGH, 28.10.1966 – V ZR 11/64, BGHZ 46, 124, 126 f.; Böttcher, ZVG, 5. Aufl. 2010, § 48 ZVG Rz. 3; Stöber, ZVG, § 48 Rz. 3; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Stumpe, § 48 ZVG Rz. 10; Dassler/ Schiffhauer/Hintzen, ZVG, § 48 Rz. 6; Preuß, in: Schreiber (Hrsg.), Hb. Immobilienrecht, Kap. 15 Rz. 40; Wörbelauer, DNotZ 1963, 652, 655; weitere Nachweise bei Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 297 f.; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 883 Rz. 40.
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den Zuschlag nicht berührt werden soll.243 Dieser Ansatz wird nicht nur der Systematik der §§ 44 ff. ZVG besser gerecht, sondern hat zugleich den Vorteil, den Ersteher des Grundstücks von Zuzahlungspflichten nach §§ 50 f. ZVG freizustellen, die nach der herrschenden Lösung entstehen,244 wenn es zu dem durch die Vormerkung gesicherten Eigentumserwerb endgültig nicht kommt.245 Die Schwäche dieser Auffassung liegt darin, dass sie kaum erklären kann, warum die Auflassungsvormerkung entgegen § 52 I 2 ZVG durch den Zuschlag nicht erlöschen soll.246 Zudem ist diese Auffassung von der eher realitätsfernen Hoffnung motiviert, es werde sich ein Bieter finden, der nach einer Kalkulation der Bedingungen das Risiko des mit einer Auflassungsvormerkung belasteten Erwerbs eingeht, welches man ihm durch Befreiung der Zuzahlungspflichten gewissermaßen schmackhaft machen könne.247 Eine dritte Auffassung ordnet die Auflassungsvormerkung mit guten Argumenten bei den die Versteigerung hindernden Rechten nach § 37 Nr. 5 ZVG ein.248 Im Unterschied zu der Anwendung von § 48 ZVG oder dem Ansatz Assmanns kann der Vormerkungsinhaber danach die Zwangsversteigerung unterbinden, riskiert andererseits aber den Verlust der Vormerkung durch den Zuschlag, wenn er nicht rechtzeitig per Drittwiderspruchsklage bzw. einstweiligem Rechtsschutz interveniert (§§ 771, 769 ZPO). Das bringt dieser Auffassung aus Sicht dritter Gläubiger den Vorwurf ein, das Grundstück werde jeglicher Verwertung entzogen,249 und aus Sicht des Vormerkungsinhabers den Vorwurf des möglichen Sicherungsverlusts zugunsten bloßer Erlösbeteiligung.250 Der BGH hatte diesen Ansatz zugunsten einer Anwendung von § 48 ZVG aber früh verworfen und damit aus der Diskussion genommen.251
2. Die Vormerkung zur Sicherung künftiger Forderungen in der Zwangsversteigerung Während das Gesetz die Problematik aufschiebend bedingter Forderungen bei der Verteilung des Erlöses ausdrücklich angeht (§§ 119, 120 ZVG), ist die Vormerkung zur Sicherung einer künftigen bzw. bedingten Forderung252 nicht explizit im 243
Assmann, S. 192 – 223. Vgl. nur BGH, 10.05.2012 – V ZB 156/11, BGHZ 193, 183 = NJW 2012, 2654, 2655. 245 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 303; Assmann, S. 192 – 219. 246 So die berechtigte Kritik von Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 303. 247 Assmann, S. 197, 218 f. 248 Streuer, Rpfleger 2000, 357, 361, der vor allem die Auffassung von Reinhard, GruchotsBeitr. 62 (1918), S. 319, 321, wieder aufgreift. 249 Assmann, S. 218. 250 So, aber schwach argumentierend, BGH, 28.10.1966 – V ZR 11/64, BGHZ 46, 124, 127, der lediglich einen Rechtsfolgenvergleich anstellt. 251 BGH, 28.10.1966 – V ZR 11/64, BGHZ 46, 124, 127. 252 Davon zu unterscheiden ist wiederum die ihrerseits bedingte Vormerkung, die sich gegenüber einer vor Bedingungseintritt angeordneten Zwangsversteigerung nicht durchsetzt, vgl. Assmann, S. 190. 244
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Gesetz genannt. § 48 ZVG nimmt nur auf die Vormerkung Bezug. Die von §§ 48, 50 II ZVG genannten „bedingten Rechte“ bezeichnen etwa unter einer Bedingung bewilligte Grundpfandrechte,253 die nach § 48 ZVG für die Feststellung des geringsten Gebots als bestehend zu behandeln wären, keineswegs aber die persönliche Forderung auf Einräumung des Grundpfandrechts: Diese kann nicht im Sinne von §§ 10, 44 ff. ZVG in irgendeinem Verhältnis zum Recht des die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigers stehen.254 Der Wortlaut lässt also nur die Lösung zu, das Zwangsversteigerungsrecht undifferenziert auf alle Vormerkungen anzuwenden, ungeachtet dessen, ob sie für eine künftige oder bedingte Forderung i. S. v. § 883 I 2 BGB eingetragen sind. Das gilt auch für die Auflassungsvormerkung – ob man sie unter § 48 ZVG fasst oder nicht. Die herrschende Kommentarliteratur stellt dazu unter Berufung auf eine Entscheidung des BGH255 fest, dass der Vormerkungsschutz nach § 48 ZVG gleichermaßen für „aufschiebend bedingte Ansprüche“ gilt.256 Assmann sieht für die Anwendbarkeit von § 48 ZVG auf Vormerkungen nach § 883 I 2 BGB die Möglichkeit als entscheidend und ausreichend an, dass die gesicherte künftige Forderung entstehen wird.257 Das genügt für eine Begründung jedoch noch nicht, sondern ist Mindestvoraussetzung, da eine Vormerkung für eine künftige Forderung, die nicht entstehen kann, gegenstandslos ist. Indes dürfte der undifferenzierte Wortlaut des ZVG nur widerspiegeln, dass entsprechend der hier vertretenen Interpretation auch die entstandene, aber noch nicht fällige Forderung § 883 I 2 BGB unterfällt und daher § 883 I 2 BGB ohnehin der Regelfall ist. Andere Gesetze können folglich ohne eine weitere, nach Art von § 883 I 2 BGB normierte Präzisierung auf diesen Regelfall aufbauen. Darüber hinaus ordnet § 883 II BGB ebenso im Anschluss an § 883 I 2 BGB an, dass sich eine Vormerkung gegen eine spätere Zwangsvollstreckung behaupten muss. Wollte das ZVG also eine Differenzierung nach dem Entstehungsgrad der künftigen Forderung vornehmen, müsste es dies durch ausdrückliche Regelung tun. Das Zwangsversteigerungsrecht kann daher nur so ausgelegt werden, dass es sich an § 883 I 2 BGB anlehnt und Vormerkungen für künftige oder bedingte Ansprüche vorbehaltlos erfasst.258 Der Satz in der Kommentarliteratur, dass § 48 ZVG die 253 Die Einigung nach § 873 BGB ist nicht schlechthin bedingungsfeindlich; das gilt nur für die Auflassung (§ 925 II BGB), Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 873 Rz. 9. 254 Assmann, S. 191. 255 BGH, 28.10.1966 – V ZR 11/64, BGHZ 46, 124, 127, bestätigt in BGH, 10.05.2012 – V ZB 156/11, BGHZ 193, 183 = NJW 2012, 2654, 2655. 256 Böttcher, ZVG, 5. Aufl. 2010, § 48 ZVG Rz. 3; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, ZVG, § 48 Rz. 6; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Stumpe, § 48 ZVG Rz. 10; auch Stöber, ZVG, § 48 Rz. 3.2, der mit der ausgenommenen Rückübertragungsvormerkung (ebd. Rz. 3.6) nicht die Fallgruppe der Rückauflassungsvormerkungen, sondern die Vormerkung zur Sicherung der Forderung auf Rückübertragung eines nicht mehr benötigen Grundpfandrechts meint (Stöber, aaO, § 114 Rz. 7.8). 257 Assmann, S. 191. 258 Die Anwendbarkeit von § 48 ZVG auf die Vormerkung für bedingte Forderungen lakonisch konstatierend, BGH, 28.10.1966 – V ZR 11/64, BGHZ 46, 124, 127. Vgl. auch Staudinger/
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Vormerkung für „aufschiebend bedingte Ansprüche“ erfasse,259 sollte genauer lauten, dass § 48 ZVG genauso die Vormerkung für Forderungen i. S. v. § 883 I 2 BGB erfasst. Das vermeidet Missverständnisse, die nahe liegen, weil künftigen Forderungen häufig ein geringerer Schutz als bedingten Forderungen nachgesagt wird. Jede Vormerkung, die den Anforderungen von § 883 BGB entspricht, und damit jede vormerkungsfähige künftige Forderung erhält aber den gleichen Schutz in der Zwangsversteigerung. Das zwingt im Übrigen dazu, die Künftigkeit der Forderung betreffende Lücken im ZVG durch Analogie auszufüllen. Das gilt etwa für den regelungsbedürftigen Sachverhalt, dass die Bedingung nach Erteilung des Zuschlags endgültig ausfällt und der Ersteher damit zu Unrecht die Reduzierung seiner Barzahlungspflicht erhalten hat (§§ 50 f. ZVG). Hier ist es folgerichtig, im Anwendungsbereich von § 48 ZVG260 dem Ersteher nach § 50 II Nr. 1 ZVG analog eine Zuzahlungspflicht aufzuerlegen, wenn die der unbedingten Vormerkung zugrunde liegende bedingte Forderung nicht mehr entstehen kann.261
3. Fazit Das ZVG lehnt sich – seinem Charakter als Verfahrensrecht entsprechend – an die von § 883 I 2 BGB aufgestellten Vorgaben an, stellt also keine eigenen Voraussetzungen für die Beschaffenheit der künftigen Forderung auf. Die Vormerkung, die vor nachteiligen Verfügungen des Schuldners sichert, sichert genauso vor einer Zwangsversteigerung.
III. Schutz des Vormerkungsgläubigers in der Insolvenz Die Vormerkung muss nach § 883 II 2 BGB auch in der Insolvenz des Vormerkungsschuldners Bestand haben. Insolvenzfestigkeit einer Vormerkung bedeutet dabei zweierlei. Zum einen muss sich die Vormerkung bewähren, wenn die Durchsetzung der Forderung noch weit in der Zukunft liegt und sich die Verwertung des Grundstücks durch den Insolvenzverwalter (etwa durch Versteigerung nach §§ 165 InsO, 172 ff. ZVG262) als vormerkungswidrige Verfügung Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 302, der das für die Rückauflassungsvormerkungen mit einigem Recht als unbefriedigend empfindet, da auf diese Weise das Grundstück auf Jahrzehnte dem Vollstreckungszugriff durch andere Gläubiger entzogen werden kann (dazu noch G.I.). 259 Fn. 256. 260 Das betrifft jedenfalls die Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf Einräumung eines Grundpfandrechts, nach ganz herrschender Ansicht aber auch die Auflassungsvormerkung, siehe dazu oben bei Fn. 242. 261 BGH, 10.05.2012 – V ZB 156/11, BGHZ 193, 183 = NJW 2012, 2654, 2655; BGH, 28.10.1966 – V ZR 11/64, BGHZ 46, 124, 128 f.; Assmann, S. 191; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 295. 262 Schwarz/Doms, ZInsO 2013, 1292.
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darstellt, welche die künftige Erfüllung der zu sichernden Forderung gefährdet. Das betrifft ausschließlich Forderungen, die ihre Existenz oder Durchsetzbarkeit noch nicht im Insolvenzverfahren, sondern erst in Zukunft erlangen. Diesen Sachverhalt hat § 883 II 2 BGB im Auge. Zum anderen muss die Naturalerfüllung einer zu sichernden Forderung in der Insolvenz gewährleistet sein, wenn die Forderung während des Insolvenzverfahrens durchsetzbar wird. Ihre Erfüllung ist dadurch bedroht, dass der Schuldner nicht länger verfügen kann (§ 80 InsO) und der Insolvenzverwalter bei der Erfüllung bestehender Verbindlichkeiten des Schuldners Einschränkungen unterworfen ist (etwa § 103 InsO), so dass die begehrte Rechtsänderung ggf. nicht vollzogen werden kann. § 106 InsO soll diese Hindernisse überwinden und auf diese Weise der Vormerkung in der Insolvenz zum Durchbruch verhelfen.263 Auch § 106 InsO wirft die für künftige Forderungen typische Frage auf, ob und welchen Grad an Verfestigung die künftige Forderung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung aufgewiesen haben muss, um diesen Erfüllungsschutz zu verdienen. Die Gegenüberstellung beider Sachverhalte veranschaulicht, dass den Schutzmechanismus verkürzt, wer § 106 InsO lediglich als Umsetzung des in § 883 II BGB gebotenen Vormerkungsschutzes bezeichnet.264 § 106 InsO erweitert den Schutz dort, wo der in § 883 II 2 BGB angeordnete Schutz vor Zwischenverfügungen des Insolvenzverwalters zu kurz griffe, weil weniger das Recht als vielmehr die Fähigkeit bedroht ist, das Recht zu übertragen, aufzuheben oder zu ändern.
1. Durchsetzung der künftig entstehenden Forderung trotz zwischenzeitlicher Insolvenz (§ 883 II 2 BGB) Der Vormerkungsinhaber möge eine künftige Forderung gegen den Schuldner auf eine Rechtsänderung an dessen Grundstück haben, die dessen Insolvenz überdauert und erst anschließend entstehen kann. Für sie stellt sich eine Verwertung des Grundstücks als vormerkungswidrige Verfügung des Insolvenzverwalters dar. Wenn die Durchsetzung der Forderung ansteht, also nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, wird der Schuldner seine Verfügungsbefugnis wieder erlangt haben und könnte, da das verwertete Grundstück im Verhältnis zum Vormerkungsinhaber nach § 883 II 1 BGB immer noch das seine ist, die Forderung erfüllen. Folglich ergeben sich für den Schutz der Vormerkung keine spezifisch insolvenzrechtlichen Herausforderungen außer diejenige, dass die vormerkungswidrige Verfügung wegen § 80 InsO nicht vom Schuldner selbst, sondern vom Insolvenzverwalter getätigt wird. Diesen Umstand bekommt das BGB selbst und mit § 883 II 2 BGB („durch den Insolvenzverwalter“) in den Griff.265 Aus dem 263
Vgl. Denkschrift zum Sachenrecht, S. 119 (= Mugdan, Bd. 3, S. 970). Häsemeyer, NJW 1977, 737, 738. 265 Vgl. Assmann, S. 249. 264
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Wortlaut von § 883 II 2 BGB erhellt, dass die Voraussetzungen der Wirksamkeit der Vormerkung gegenüber einer solchen Zwischenverfügung nicht andere sind als für § 883 II 1 BGB und die Vormerkung folglich all denen künftigen Forderungen einen Schutz vor einer Verwertung in der zwischenzeitlichen Insolvenz bietet, die im Zeitpunkt der Verwertung den Anforderungen von § 883 I 2 BGB entsprochen hatten.266
2. Durchsetzung der entstandenen Forderung trotz ihrer Künftigkeit bei Insolvenzeröffnung (§ 106 InsO) Erlangt die zu sichernde Forderung schon während des Insolvenzverfahrens ihre Durchsetzbarkeit, so wäre die Vormerkungssicherung wertlos, wenn dem Schuldner die Erfüllung der Forderung nicht länger möglich ist, weil die Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter übergegangen ist (§ 80 InsO) bzw. der Insolvenzverwalter die Erfüllung nach § 103 InsO verweigern darf. Wie schon der Gesetzgeber seinerzeit erkannt hatte, kann der in § 883 II 2 BGB vorgesehene Schutz vor nachteiligen Verfügungen hier keine Abhilfe verschaffen und es bedurfte einer eigenen Regelung im Insolvenzrecht (damals: § 24 KO; heute: § 106 InsO).267 § 106 InsO setzt sich über die genannten Hindernisse hinweg und gibt dem vormerkungsgesicherten Gläubiger die Möglichkeit, vom Insolvenzverwalter Erfüllung zu verlangen;268 dieser hat die Einigung zu erklären und die Eintragung zu bewilligen.269 Selbstverständlich muss die Forderung für die Anwendung von § 106 InsO bereits durchsetzbar sein.270 266 Eine andere Frage ist, wie der Schutz vor solchen Verfügungen verfahrensrechtlich umgesetzt wird, wenn die Verwertung in der Insolvenz per Zwangsversteigerung erfolgt und deren hoheitlicher Abschluss durch Zuschlag wiederum in Konflikt mit dem Fortbestand der Vormerkung gerät. Da für die Verwertung unbeweglicher Gegenstände nach § 165 InsO das ZVG gilt, ist die Frage ebenso zu entscheiden wie bei einer Einzelzwangsversteigerung, weshalb die herrschende Ansicht die Aufnahme auch der Auflassungsvormerkung in das geringste Gebot befürwortet, FKInsO/Wegener, 7. Aufl. 2013, § 106 Rz. 20; Stöber, ZVG, § 172 Rz. 1.3 d; vgl. Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 327, 298. Das Bestehenbleiben der Auflassungsvormerkung würde freilich de facto zur Folge haben, dass die Versteigerung regelmäßig ergebnislos endet, weil sich kein Bieter findet, Stöber, NJW 2000, 3600, 3601. Allerdings wird die Insolvenzfestigkeit der Vormerkung auf Basis der herrschenden Ansicht durch die Vorschrift des § 174a ZVG empfindlich geschwächt, wonach der Insolvenzverwalter eine Feststellung des geringsten Gebots ungeachtet auf dem Grundstück lastender Rechte erwirken kann, so dass bei Zuschlag alle Rechte am Grundstück i. S. v. § 48 ZVG, also nach herrschender Auffassung auch die Auflassungsvormerkung, erlöschen, Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 327; Stöber, NJW 2000, 3600, 3603 – 3605 (der die Verfassungswidrigkeit von § 174a ZVG ins Spiel bringt); Krüger, ZMR 2010, 251, 255. 267 Vgl. Denkschrift zum Sachenrecht, S. 119 (= Mugdan, Bd. 3, S. 970). 268 Preuß, in: Schreiber (Hrsg.), Hb. Immobilienrecht, Kap. 15 Rz. 47; Braun/Kroth, InsO, 5. Aufl. 2012, § 106 Rz. 6; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 3. Aufl. 2013, § 106 Rz. 16; Kesseler, MittBayNot 2005, 108. 269 Krüger, ZMR 2010, 251, 253. 270 Braun/Kroth, InsO, 5. Aufl. 2012, § 106 Rz. 3. Zum Hintergrund von § 106 I 2 InsO Häsemeyer, NJW 1977, 737 ff.; Krüger, ZMR 2010, 251, 254.
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Voraussetzung für die Anwendung von § 106 InsO ist, dass die Vormerkung bereits bei Insolvenzeröffnung271 bzw. vor dem in § 88 InsO genannten Zeitpunkt eingetragen war.272 Wenn eine Vormerkung mit einer anderen/weiteren Forderung „aufgeladen“ wurde, kommt es auf die erneute Bewilligung zu diesem Zeitpunkt an.273 Weitere Voraussetzung ist, dass die Vormerkung zu diesem Zeitpunkt bereits wirksam war, widrigenfalls der Insolvenzbeschlag als vorrangig zu betrachten wäre. Zur Wirksamkeit der Vormerkung ist nach den oben ermittelten Ergebnissen jedenfalls erforderlich, dass eine Rechtslage vorhanden ist, aus der sich eine Erwerbsaussicht ergibt. Zudem verfängt im Fall von § 106 InsO auch die teleologische Erwägung, wonach zusätzlich ein Bestandsschutz nötig ist: Könnte der Insolvenzverwalter kraft Vertragsrechts nämlich einseitig die Forderungsentstehungsbedingungen in Frage stellen und die Löschung der Vormerkung erreichen, so wäre ein Vormerkungsschutz nach § 106 InsO nicht denkbar. Daraus ergibt sich, dass die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch künftige Forderung die Anforderungen nach § 883 I 2 BGB erfüllen muss.274 Damit erhalten künftige Forderungen, welche den Anforderungen nach § 883 I 2 BGB gerecht werden, nicht nur gleichermaßen Schutz vor vormerkungswidrigen Verfügungen, sondern auch Schutz nach § 106 InsO. In der Literatur gibt es jedoch zwei Positionen, die diesen Satz möglicherweise in Zweifel ziehen (dazu a. und b.). a) Anwendbarkeit von § 38 InsO Eine Position lautet, dass für die Anwendbarkeit von § 106 InsO der Vormerkungsgläubiger auch Insolvenzgläubiger i. S. v. § 38 InsO sein müsse.275 Bei Insolvenzeröffnung noch künftige Forderungen müssten also für ihren Vormerkungsschutz zugleich den Anforderungen gerecht werden, die § 38 InsO an eine Forderung stellt (dazu § 3). Das ist freilich zwangsläufig der Fall, da es für § 38 InsO sogar unerheblich ist, wenn der Schuldner die Rechtslage, aus der sich die Erwerbsaussicht des Gläubigers ergibt, noch zerstören könnte, solange er seinerseits alles zur Schaffung dieser Rechtslage beigetragen hat; § 38 InsO verlangt insofern keinen Bestandsschutz. Zu anderen Ergebnissen führt diese Auffassung also nicht. Gleichwohl kann eine geringfügig unterschiedliche oder zusätzliche Referenz Unübersichtlichkeit und damit Rechtsunsicherheit schaffen bzw. 271 Die Vormerkung kann vor diesem Zeitpunkt freilich immer noch durch Insolvenzanfechtung bedroht sein, Krüger, ZMR 2010, 251, 254 f. 272 Braun/Kroth, InsO, 5. Aufl. 2012, § 106 Rz. 4, 15; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 3. Aufl. 2013, § 106 Rz. 14 f. Zur analogen Anwendbarkeit von § 878 BGB Krüger, ZMR 2010, 251, 255. 273 Braun/Kroth, InsO, 5. Aufl. 2012, § 106 Rz. 3. 274 BGH, 14.09.2001 – V ZR 231/00, BGHZ 149, 1 = DNotZ 2002, 275, 279 f. gegen eine überholte Auffassung in der Literatur (Nachw. ebenda); Assmann, S. 247 f. m. w. N.; MünchKommInsO/Ott/Vuia, 3. Aufl. 2013, § 106 Rz. 8 ff. 275 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 10.27; Muthorst, ZIP 2009, 1794, 1796 f.; Kesseler, MittBayNot 2005, 108, 110.
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bei neuen Problemstellungen falschen Lösungen Vorschub leisten. Gegen ein Verständnis, das § 38 InsO zur Voraussetzung erhebt, spricht bereits der Wortlaut und die systematische Stellung von § 106 InsO, der nicht von Insolvenzgläubigern spricht und eher bei §§ 41 ff. InsO aufgehoben wäre, wenn die Anlehnung an § 38 InsO gewünscht wäre (gleiches galt für die Konkursordnung). Ebenso wenig Anlass für eine Bezugnahme auf § 38 InsO gibt die Rechtsfolge von § 106 InsO, da sowohl Insolvenz- als auch Massegläubiger auszeichnet, dass ihre Ansprüche „aus der Insolvenzmasse“ befriedigt werden (vgl. §§ 38, 53 InsO). § 106 InsO kann sich über diese Einteilung der Gläubiger vielmehr hinwegsetzen, sich an die Wirksamkeitsvoraussetzungen des BGB anschließen und sich darauf beschränken, nur das zu regeln, was ihm die Gesetzesverfasser aufgegeben haben, nämlich die Ermöglichung der Naturalerfüllung trotz Änderung des Verfügungsrechts und § 103 InsO.276 Die Vormerkung wurde als ein ganzheitliches Konzept gedacht, d. h. von vornherein unter Berücksichtigung ihrer Wirkungen in Insolvenz und Zwangsvollstreckung (§ 883 II 2 BGB).277 Es ist damit richtig, wenn der BGH sich rein an § 883 I 2 BGB anlehnt, die vormerkungsgesicherte Forderung nicht zu den in § 38 InsO (§ 3 KO) angesprochenen Insolvenzforderungen zählt und nicht an den für diese geltenden Vorgaben misst.278 b) Einschränkung des Rechtsbodenerfordernisses in Hinblick auf die Insolvenzfestigkeit? Ebenso Zweifel an der Allgemeingültigkeit des Maßstabs von § 883 I 2 BGB weckt eine Kategorisierung von künftigen Forderungen nach ihrer Vormerkbarkeit einerseits und ihrer Insolvenzfestigkeit andererseits.279 Betroffen sind Vormerkungen für künftige Forderungen aus einem noch abzuschließenden Hauptvertrag, zu dessen Abschluss der Schuldner kraft gültigen Vorvertrags verpflichtet ist (s. bereits oben S. 178). Diese Forderungen sind nach der Rechtsbodentheorie
276 Ebenso Assmann, S. 254 f., ebd. S. 255: „Der vormerkungsgesicherte Anspruch wird durch das Konkursrecht in keiner Weise berührt [. . .]. Er steht sozusagen außerhalb des Konkurses.“; HK-Kreft/Marotzke, 6. Aufl. 2011, § 106 Rz. 1. 277 Fn. 267. 278 BGH, 14.09.2001 – V ZR 231/00, BGHZ 149, 1 = DNotZ 2002, 275, 280, dort auch: „Der für die Vormerkungsfähigkeit erforderliche sichere Rechtsboden für das Entstehen des künftigen Anspruchs gewährleistet überdies auch dessen für eine Insolvenzfestigkeit notwendige Seriosität“. Wenn in diesem Zusammenhang die Anwendbarkeit von § 106 InsO auf bei Verfahrenseröffnung „künftige Forderungen“ verneint wird (Muthorst, ZIP 2009, 1794, 1796; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 10.27), sind damit nicht solche künftigen Forderungen gemeint, die bereits einen Rechtsboden i. S. v. § 883 I 2 BGB aufweisen; da § 883 I 2 BGB künftige Forderungen ausdrücklich für vormerkungsfähig erklärt, ist der Terminus der künftigen Forderung zur Bezeichnung solcher Forderungen, die diese Schwelle noch nicht erreicht haben, also eher missverständlich. 279 Vgl. Preuß, AcP 201 (2001), 580, 590 – 592. Ertl, Rpfleger 1977, 345, 354, will künftigen Ansprüchen generell die Insolvenzfestigkeit absprechen.
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vormerkbar,280 ihre Vormerkung gilt jedoch nicht als insolvenzfest.281 Aus ihrer mangelnden Insolvenzfestigkeit folgert eine Ansicht gerade unter dem Postulat der Allgemeingültigkeit der Rechtsbodentheorie, dass diese künftigen Forderungen entweder überhaupt nicht vormerkungsfähig sein dürften oder ihre Insolvenzfestigkeit zu konstruieren sei, damit es nicht zu einem Bruch des Gleichlaufes von Vormerkungsfähigkeit und Insolvenzfestigkeit kommt.282 Zu präzisieren ist zunächst der Begriff der Insolvenzfestigkeit. Betrachtet man nur die sich aus § 883 I 2 BGB ergebenden Anforderungen, so ist die Vormerkung für die genannten Forderungen ohne weiteres insolvenzfest, da der Schuldner zum Abschluss des Hauptvertrags gezwungen werden und nicht mehr einseitig über die Voraussetzungen für die Entstehung der Forderung disponieren kann (s. o. S. 178). Eine Insolvenz des Schuldners würde den Vormerkungsschutz also nicht in Frage stellen, und die Vormerkung würde von Anfang gegen nachteilige Verfügungen in einer vorübergehenden Insolvenz schützen. Insoweit ist die Vormerkung für solche künftigen Forderungen durchaus insolvenzfest. Der Begriff der Insolvenzfestigkeit kann aber weitere Facetten haben. Praktisch weitaus wichtiger ist die nach § 106 InsO zu beantwortende Frage, ob in der Insolvenz die aus dem noch abzuschließenden Hauptvertrag begehrte Rechtsänderung herbeigeführt werden kann, wenn die Forderung während des Insolvenzverfahrens entsteht. Das ist wiederum zu verneinen, und zwar mit dem Wortlaut von § 106 InsO. Bis dahin entstanden ist nämlich allein die Forderung auf Abschluss des Hauptvertrags und damit keine „auf Einräumung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück etc.“ (vgl. § 106 InsO, § 883 I 1 BGB). Sie nimmt daher nicht am Schutz von § 106 InsO teil. Näher betrachtet, ist das jedoch kein „Bruch mit der Rechtsbodentheorie“,283 sondern Folge dessen, dass die Parteien die Entstehung der gesicherten Forderung von einem ungewissen, künftigen Ereignis (dem Abschluss eines Hauptvertrags) abhängig gemacht haben, das in der Insolvenz wegen § 80 InsO nicht mehr eintreten kann. Würde die Vormerkung für den Eintritt dieses Ereignisses sorgen, verließe sie ihren Auftrag, die Erfüllung einer Forderung für den Fall zu sichern, dass sie entsteht, und ginge dazu über, die Forderungsentstehung selbst zu sichern. Die Vormerkung soll aber nicht der Forderung zu ihrem Entstehen verhelfen (oben E.I.1.). Die vorliegende Problematik unterscheidet sich nicht von Forderungen, deren Bedingungen aus tatsächlichen Gründen nicht mehr eintreten könnten, weil sich die Lebensumstände mit der Insolvenz des Schuldners geändert haben; Vormerkungen für solche Forderungen sind ebenso wenig „insolvenzfest“.284 Wer bewusst die Anspruchsentstehung an 280 BGH, 31.05.1974 – V ZR 190/72, LM Nr. 13 § 883 BGB, Bl. 1060, 1061; Stadler, Jura 1998, 189, 191; Ertl, Rpfleger 1977, 345, 349. 281 Preuß, AcP 201 (2001), 580, 592 f.; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 3. Aufl. 2013, § 106 Rz. 13 u. 16a. 282 Amann, MittBayNot 2007, 12, 15. 283 In diesem Sinne Amann, MittBayNot 2007, 12, 15. 284 Balthasar, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, § 106 Rz. 8.
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ein künftiges Ereignis knüpft, geht dieses Risiko ein, dass das Ereignis aufgrund tatsächlicher Lebensumstände nicht mehr eintreten kann; und wer die Forderung unter die Bedingung der Verfügungspotenz des Schuldners stellt, der muss eben das Risiko akzeptieren, dass dieser ggf. einmal nicht mehr verfügungsbefugt ist.285 Was sich in der Nichtteilhabe solcher künftigen Forderungen am Schutz des § 106 InsO ausdrückt, ist also schlicht das künftigen Forderungen immanente Risiko, dass die Forderung nicht mehr rechtzeitig entsteht, nicht aber ein Defizit der Rechtsbodentheorie. Nach alledem ist der Auffassung Recht zu geben, dass die künftige Forderung aus einem Hauptvertrag, dessen Abschluss vorvertraglich geschuldet ist, in der Insolvenz nicht durchsetzbar ist; aber es ist unzutreffend, dies in einen Zusammenhang mit der Rechtsbodentheorie bzw. den für § 883 I 2 BGB geltenden Einschränkungen zu setzen, die in Bezug auf solche künftigen Forderungen durchaus ihren Sinn ergeben, und zwar auch in Hinblick auf ihre (übrige) Insolvenzfestigkeit nach § 883 II 2 BGB.
3. Fazit Der Satz, dass Vormerkungen, die vor Zwischenverfügungen schützen, insolvenzfest sind, kann niemals verlässlich sein, da Insolvenzschutz noch von vielen anderen Umständen, wie dem rechtzeitigen Eintragungsverfahren, der rechtzeitigen Entstehung der Forderung, der Unanfechtbarkeit der Vormerkungsbewilligung etc. abhängt.286 Vielmehr gilt, dass eine Forderung, die den zu § 883 I 2 BGB entwickelten Vorgaben entspricht, hinsichtlich ihres Entstehungsgrads alle Voraussetzungen dafür mitbringt, um im Insolvenzrecht als eine ausreichend gefestigte künftige Forderung akzeptiert zu werden. Insoweit ist das Konzept zu § 883 I 2 BGB ein tragfähiges und ganzeinheitliches, das allen Wirkungen der Vormerkung zugrunde gelegt werden kann.
G. Stellungnahme zum Meinungsbild Die historisch-grammatische, systematische und teleologische Auslegung von § 883 I 2 BGB hat ergeben, dass die Vormerkung, um den ihr zugedachten Schutz nach § 883 II BGB und § 106 InsO zu gewährleisten, eine materiell-rechtlich fundierte Erwerbsaussicht benötigt („Rechtsboden“), die so beschaffen ist, dass der Schuldner sie (nicht: die Forderung) nicht mehr einseitig zerstören kann 285 Ebenso die Vormerkung für die Auflassung nach Ausübung eines schuldrechtlichen Vorkaufsrechts (zur Vormerkungsfähigkeit vgl. Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 883 Rz. 17). Wer darauf baut, dass der Schuldner einmal verkauft, setzt darauf, dass er dazu in der Lage sein wird. 286 Vgl. nur Krüger, ZMR 2010, 251 ff.
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(„Bestandsschutz“). Sowohl das ZVG als auch das Insolvenzrecht bauen unmittelbar auf dieses Ergebnis auf, haben also keine eigene Vorstellung von dem, was eine künftige Forderung ist. Diese Ergebnisse bestätigen also weitgehend die herrschende Rechtsbodentheorie. Im Folgenden sollen vor dem Hintergrund der vorstehenden Erkenntnisse noch die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Argumente und Gegenargumente (vgl. oben C.) gewürdigt werden.
I. Grundbuchsperre Das zentrale, von der Rechtsprechung seit Jahrzehnten tradierte Argument für die Rechtsbodentheorie ist die Überwindung einer faktischen Grundbuchsperre. Sie ist zu unterschieden von der rechtlichen Grundbuchsperre, auf die im Kontext der relativen Unwirksamkeit gemäß § 883 I 2 BGB angespielt wird. Dort möchte man zum Ausdruck bringen, dass die Vormerkung keine absolute Verfügungs- respektive „Grundbuchsperre“ bewirkt, da selbst vormerkungswidrige Verfügungen zunächst gegenüber jedermann getätigt und im Grundbuch auch vollzogen werden können.287 Die herrschende Argumentation betrifft hingegen die Befürchtung vor einer faktischen Grundbuchsperre. Dabei können zwei Argumentationslinien ausgemacht werden: Eine Auffassung betrachtet den Grundbuchverkehr gewissermaßen aus „mikroanalytischer“ Sicht in Bezug auf das konkret von der Vormerkung betroffene Recht, während andere nach Art einer Makroanalyse mit der Grundbuchsperre die Bedrohung für die Funktionsfähigkeit des Grundbuchs assoziieren.
1. Mikroanalytisches Verständnis der Grundbuchsperre Mikroanalytische Argumente sehen die Grundbuchsperre gewissermaßen als Pendant einer rechtlichen Verfügungssperre. Sie stützen sich auf den praktischen Befund, dass ein Grundstück nicht verkauft und nicht beleihbar ist, sobald auf ihm eine Auflassungsvormerkung ruht; die Vormerkung schränkt die Verkehrsfähigkeit des Grundstücks faktisch ein.288 Jeder Bieter in einer Zwangsversteigerung nimmt Abstand, wenn er befürchten muss, dass ihm sein Eigentum aufgrund einer Auflassungsvormerkung wieder entzogen werden könnte.289 Dafür genügt schon die Abhängigkeit der Forderung von einem künftigen, ungewissen Ereignis, 287
Baur/Stürner, § 20 Rz. 9; MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 49. So insbesondere RG, 01.04.1936 – V 277/35, RGZ 151, 75, 77; Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 40 u. 43; Stadler, Jura 1998, 189, 192; Keuk, NJW 1968, 476, 477. Sowohl auf die Blockade des Grundbuchs an sich als auch auf die Beeinträchtigung der Verkehrsfähigkeit des Grundstücks abstellend, BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2462. 289 Stadler, Jura 1998, 189, 192; Streuer, Rpfleger 2000, 357, 362; Ertl, Rpfleger 1977, 345, 351; Baldus/Stremnitzer, DNotZ 2006, 598, 606. 288
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obwohl in der Praxis sogar meist ein Bündel verschiedener Bedingungen vereinbart wird. Wer argumentiert, dass der Ersteher die Bedingung(en) kalkulieren könnte,290 übersieht, dass er das regelmäßig nicht vollends kann. Der Grund dafür ist, dass der Ersteher nach heutiger Rechtsprechung die rechtlichen Bedingungen nicht verlässlich dem Grundbuch entnehmen kann291 und ihm darüber hinaus der erforderliche Einblick in die fremden Lebensverhältnisse und Interessen fehlt oder Bedingungen, wie das Vorversterben, per se nicht kalkulierbar sind. Außerdem kann bei dem Erwerb von Grundeigentum ein Restrisiko (nämlich Herausgabe des Grundstücks, ohne seinerseits einen Anspruch auf den bezahlten Kaufpreis entgegenhalten zu können292) schlichtweg untragbar sein.293 Oftmals ist all das gerade Zweck der Vormerkung, etwa in Übergabeverträgen, bei denen es mehr darum geht, das Grundstück in der Familie zu behalten, als um die eigentlich gesicherte Rückauflassung im Falle von Insolvenz oder Zwangsvollstreckung.294 Bei alledem ist das Grundstück aber nicht völlig dem Verkehr entzogen. Eine Bank wird sich etwa zur Beleihung des Grundstücks bereit erklären, wenn die bestehende Auflassungsvormerkung im Range zurücktritt; durch Zustimmung des Vormerkungsberechtigten oder einen Rangrücktritt lässt sich die Gefahr einer Vormerkung für den Verfügungsempfänger entkräften.295 Dann führt die Vormerkung nicht zu einer faktischen Verfügungssperre, sondern zu einem Verfügungshindernis, kraft dessen sich der Vormerkungsberechtigte faktisch ein Mitspracherecht bei künftigen Transaktionen vorbehalten kann. Diese faktischen Hindernisse sind Folge einer jeden Vormerkung.296 Wie die bisherige Untersuchung gezeigt hat, war die Argumentation mit der Sorge vor einer faktischen Grundbuchsperre zur Begründung der Einschränkung von § 883 I 2 BGB nicht notwendig. Dennoch könnte sie eine gewisse Bedeutung zur Rechtfertigung des Bindungserfordernisses erlangen, und zwar aus dem Blickwinkel des Zwangsversteigerungsrechts. Dessen Besonderheit liegt darin, dass die teleologische Argumentation, wonach die Bindung des Schuldners verhindert, dass die Vormerkung gelöscht werden kann, fehlschlägt. Anders als der zwischenverfügungswillige Schuldner und der an der Verwertung orientierte Insolvenzverwalter ist der Schuldner in einer Zwangsvollstreckung kraft seiner strukturell gegenläufigen Interessen nämlich im Regelfall daran interessiert, sein Grundstück von der Verwertung fernzuhalten. Er hat also nicht unbedingt ein Interesse daran, die Vormerkung zu löschen. In der Folge würde die Vormerkung 290
Assmann, S. 220; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 883 Rz. 302 f. Kesseler, DNotZ 2010, 404, 408. 292 Wörbelauer, DNotZ 1963, 652, 654. 293 Streuer, Rpfleger 2000, 357, 362. 294 Waldner, Vorweggenommene Erbfolge, 2. Aufl. 2011, Rz. 103. 295 BeckOK-BGB/H.‑W. Eckert, Ed. 24, § 883 Rz. 69 ff. 296 Mit diesem Argument weist Schellewald, S. 62 – 64, das Argument der Grundbuchsperre für eine unterschiedliche Behandlung von künftigen Forderungen mit und ohne Rechtsboden zurück. 291
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ihren Inhaber auch dann vor der Zwangsversteigerung auf Betreiben Dritter schützen, wenn der Schuldner die Bedingungen der Forderungsentstehung noch einseitig in Frage stellen kann. Denkt man sich die Rechtsbodentheorie einmal weg und trägt eine Vormerkung etwa für ein widerrufliches Angebot auf Kauf eines Grundstücks ein, dann könnte diese Vormerkung also Schutz dagegen bieten, dass ein Dritter die Zwangsversteigerung in das Grundstück betreibt, wenn man unterstellt, dass der Schuldner an der Beseitigung der Aussicht und der Löschung der Vormerkung regelmäßig nicht interessiert ist.297 Das Grundbuch wäre wegen der rechtlich bestehenden Aussicht des Vormerkungsinhabers richtig und die Vormerkung würde in der Tat (faktischen) Schutz vor dem dritten Gläubiger bieten, obwohl sie gegen Verfügungen des Schuldners noch nicht sichern kann. Problematisch wird dieser Fall, wenn der Schuldner das Angebot widerruft, dadurch die Aussicht für den Vormerkungsinhaber, eine Forderung zu erwerben, zerstört und die Vormerkung unwirksam macht. Unterlässt der Schuldner jetzt die Löschung der Vormerkung, würde sie ob ihrer de-facto-Wirkung potentielle Bieter abschrecken und das Grundstück zu einem vollstreckungsfreien Gegenstand machen können, ohne dass es jemanden gäbe, der ein besseres Recht als der die Zwangsversteigerung betreibende Gläubiger innehat. Dieser könnte die unwirksame Vormerkungshülse jedoch nur unter gewissen Schwierigkeiten aus dem Grundbuch entfernen: Das Versteigerungsgericht darf eine unwirksame oder unwirksam gewordene Vormerkung zwar nicht in das geringste Gebot aufnehmen, ohne dass eigens ein Antrag auf Grundbuchberichtigung gestellt werden müsste;298 außerdem wäre der dritte Gläubiger für eine Grundbuchberichtigung gemäß § 22 GBO299 ebenso wie für den Rechtsbehelf analog § 886 BGB300 nach inzwischen herrschender Meinung antragsberechtigt; hierfür müssten das Versteigerungsgericht bzw. der Gläubiger jedoch über die erforderlichen Nachweise (Widerruf des Angebots etc.) oder den erforderlichen Einblick in die Beziehung zwischen dem Vormerkungsschuldner und dem Vormerkungsgläubiger verfügen; der Gläubiger müsste also den Löschungsanspruch des Schuldners pfänden und über § 840 ZPO Auskunft erlangen. Diese faktischen Umstände und gegenläufigen Interessen könnten dazu führen, dass eine Vormerkungshülse im Grundbuch verbleibt und sich gegenüber Dritten durchsetzt, ohne mit einer besseren Rechtsposition gegenüber dritten Gläubigern unterlegt zu sein. Darin kann die von der herrschenden Meinung befürchtete faktische Grundbuchsperre in Bezug auf das konkrete Grundstück liegen. Unter diesem Blickwinkel wäre sie in der Tat ein Argument gegen die Eintragung einer Vormerkung, wenn der Schuldner die Erwerbsaussicht eigenmächtig beseitigen könnte. Wie die bisherigen Ergebnisse 297
Der Insolvenzverwalter wäre hingegen wohl verpflichtet, dies zu tun, da die unwirksame Vormerkung die Verwertung blockiert. 298 Zu letzterem BGH, 10.05.2012 – V ZB 156/11, BGHZ 193, 183 = NJW 2012, 2654, 2656; Stöber, ZVG, § 45 Rz. 6.1 – 63. 299 BeckOK-GBO/Holzer, Ed. 16, § 22 Rz. 14. 300 Kritisch Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 886 Rz. 7 m. w. N. zur h. M.
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gezeigt haben, ist diese an praktischen Gegebenheiten orientierte Argumentation aber sekundär, da sich der Schutz der Vormerkung in der Zwangsversteigerung gesetzlich ohnehin an den Schutz nach § 883 BGB anlehnt und daher keine eigene Herleitung notwendig ist.
2. Makroanalytisches Verständnis der Grundbuchsperre Der heute wohl herrschenden Argumentation liegt ein gewissermaßen makroanalytisches Verständnis der Grundbuchsperre zugrunde, wonach der Verzicht auf einen Rechtsboden zu einer abstrakten Überfrachtung des Grundbuchs mit rechtsbodenlosen Vormerkungen und, resultierend daraus, zu einer Unübersichtlichkeit und Blockade des Grundbuchs führen würde.301 Soweit dahinter die Befürchtung steht, dass die Freigabe der Vormerkung zu Freigiebigkeit führt, der Eigentümer gewissermaßen generös Vormerkungen verteilt, bevor er sich an einen der Empfänger bindet, so ist diesbezüglich den Kritikern der Rechtsbodentheorie beizutreten: Einem solchen Szenario steuern die Interessen der Beteiligten sowie Kosten und Aufwand einer Vormerkungsbestellung ausreichend entgegen.302 Die Sichtweise ändert sich, wenn nicht die Eintragung und Funktion der Vormerkung, sondern ihre Funktionslosigkeit in Blick genommen wird. Es wurde gezeigt (oben S. 168 ff.), dass eine Vormerkung nur sehr schwierig aus dem Grundbuch gelöscht werden kann und umso schwieriger, wenn ihr keine konkrete Forderung zugrunde liegt. Würde für eine Vormerkung jede theoretisch denkbare Aussicht des Berechtigten auf Eigentumserwerb genügen, so könnte sie niemals gelöscht werden, da das Grundbuch immer richtig wäre.303 Eine solche Vormerkung würde nicht nur die Verfügung über das konkret betroffene Recht beeinträchtigen, sondern sich auf den Grundbuchverkehr überhaupt auswirken, da – allgemein betrachtet – das Bestehenbleiben von Vormerkungshülsen zahlreiche Verfahren in die Länge zieht oder blockiert.304 Ob sich aus dieser Zielsetzung allerdings gerade das Erfordernis einer Bindung des Schuldners ergibt, welche den für erforderlich gehaltenen Rechtsboden konstituiert, ist zweifelhaft. Näher besehen hat eine Grundbuchblockade nämlich zwei andere Ursachen. Zum einen leistet eine Unbestimmtheit der Forderungsentstehungsvoraussetzungen einer möglichen Blockade Vorschub: Wenn nicht genau bestimmt werden kann, unter welchen Voraussetzungen eine Forderung entsteht, kann nicht darüber entschieden werden, ob die zu sichernde Forderung überhaupt noch entstehen kann und die Vormerkung funktionslos geworden ist. Zum anderen führt die 301
Etwa BGH, 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 = NJW 1997, 861, 862; BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2462; Stamm, Die Auflassungsvormerkung, S. 91 f.; Lichtenberger, NJW 1977, 1755, 1758. 302 Wieling, § 22 II c. Ebenso Wacke, JZ 2003, 179, 183. 303 Ertl, Rpfleger 1977, 345, 354; Lichtenberger, NJW 1977, 1755, 1758. 304 Lichtenberger, NJW 1977, 1755, 1758.
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Aufladungsrechtsprechung (oben S. 166 ff.) zu einem erheblichen Potential für eine faktische Grundbuchsperre, da hiernach aus dem Grundbuch nicht erkennbar sein muss, welche Forderung durch die Vormerkung gesichert ist.305 Diese Folge der Aufladungsrechtsprechung muss indes nicht sein. Verlautbart das Grundbuch (respektive die Grundakte) nämlich die einzelnen Entstehungsbedingungen einer Forderung, so ist der Weg einer Aufladung außerhalb des Grundbuchs versperrt und die Löschung nach § 22 GBO deutlich vereinfacht.306 Das beweist, dass einer Grundbuchsperre auf der Ebene der Bestimmbarkeit und der Publizität beizukommen ist. Zugleich steht fest, dass die Vermeidung einer abstrakten Grundbuchblockade nicht zwingend eine Bindung des Schuldners erforderlich macht, wie es die herrschende Meinung aber annimmt. Gebundensein ist eine materiell-rechtliche Frage, die bereits als solche nicht zur Behebung von strukturellen Schwächen eines Verfahrens berufen ist.
3. Fazit Die Gefahr einer faktischen Grundbuchsperre ist real. Sie ist allerdings grundsätzlich nicht geeignet, eine dogmatische Grundlage für die einschränkende Auslegung von § 883 I 2 BGB zu geben. Sie vermag allenfalls dort ein Argument für eine Bindung des Schuldners zu liefern, wo sich andernfalls eine Vormerkung ohne dahinter liegende Rechtsposition und nur aufgrund ihrer de-facto-Wirkung zulasten eines die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigers durchsetzen würde. Die Gefahr einer abstrakten Grundbuchsperre im Sinne einer Überlastung des Grundbuchs ist demgegenüber mit einer fehlenden Bestimmbarkeit oder einer großzügigen Handhabung der Publizitätsanforderungen verbunden. Sie offenbart Defizite, die mit der Lockerung der aus den allgemeinen sachen- und verfahrensrechtlichen Grundlagen abgeleiteten Grundsätze verbunden sind, und bietet ein Argument für das Bestimmbarkeits‑, nicht aber das Bindungserfordernis.
II. Argumentation der Literatur Neben der Argumentation mit der Grundbuchsperre begegnet in der Literatur der Satz, dass die Vormerkung ihren Gläubiger nicht vor dem Zugriff Dritter schützen dürfe, solange dieser seine Aussicht noch nicht einmal gegenüber dem eigenen Schuldner durchsetzen könne.307 Das ist zutreffend, wenn und weil sich eine bloße Vormerkungshülse wegen der faktischen Wirkungen der Vormerkung in der 305
Kesseler, NJW 2012, 2765, 2766. Heggen, RNotZ 2011, 329, 331. Das verdeutlicht BGH, 03.05.2012 – V ZB 258/11, NJW 2012, 2032. 307 Oben bei Fn. 49. 306
H. Sonderfälle?
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Einzelzwangsvollstreckung gegenüber dem besseren Recht des dritten Gläubigers durchsetzen würde. Zu kritisieren ist jedoch, dass dieses Argument an der Durchsetzbarkeit der Aussicht ansetzt. Das führt insbesondere zu Schwierigkeiten bei der dogmatischen Erklärung der künftigen Rückauflassungsforderungen. Deren Entstehung kann ebenso von der Willkür des Schuldners abhängig sein, so dass die mit der künftigen Forderung angepeilte Rechtsänderung ebenso wenig durchsetzbar ist; gleichwohl ist die Vormerkung für derartige künftige Forderungen zulässig.308 Die gleiche Schwäche hat die Auffassung, wonach die Sicherbarkeit einer Forderung ausgehend von einer Pflichtverletzung zu denken sei.309 Sie hat ebenso die entstandene Forderung im Auge hat, während die Vormerkung aber selbst dann wirken muss, wenn die Parteien gemeinsam daraufhin arbeiten, dass die Forderung respektive die zu verletzende Pflicht nicht entsteht. Eine solche an dem Bild der entstandenen Forderung orientierte Denkweise weist auch die neuere dogmatische Argumentation in der Rechtsprechung auf, wonach aufschiebend bedingte Forderungen vormerkungsfähig seien, da sie bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung entstanden wären.310 Diese Argumentation ist nicht nur formalistisch und dogmatisch unstimmig;311 sie kann zudem Forderungen, die nach dem Willen der Parteien an sich nicht entstehen sollen, wiederum nicht erklären. All diesen Auffassungen ist jedoch in ihrem Anliegen zuzustimmen, das materielle Kriterium der Bindung des Schuldners teleologisch zu erklären, weil die Argumentation mit der Grundbuchsperre nicht ausreicht.312 Es muss eben auch gefragt werden, was die Vormerkung an künftiger Forderung benötigt, um ihren Mechanismus überhaupt entfalten und ihre Sicherungsaufgabe erfüllen zu können (dazu oben F.).
H. Sonderfälle? I. § 1179a BGB Interessant ist die Analyse der Rechtsbodentheorie anhand des künftigen Löschungsanspruchs nach § 1179a I 1 BGB, der den BGH in den Jahren 2006 und 2012 grundlegend beschäftigt hat. Dieser Löschungsanspruch des nachrangigen Grundpfandrechtsgläubigers entsteht kraft Gesetzes, wenn sich das vorrangige Grundpfandrecht (Hypothek oder Grundschuld nach § 1192 I BGB) mit dem Eigentum in einer Person vereinigt, etwa nach § 1163 I 2 BGB oder durch Rückübertragung der vorrangigen Grundschuld an den Eigentümer selbst. Vor 308
Oben im Text bei Fn. 19. Oben im Text bei Fn. 59. 310 BGH, 13.06.2002 – V ZB 30/01, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461, 2462. S. oben bei Fn. 45. 311 Zum Entstehungszeitpunkt aufschiebend bedingter Forderungen siehe § 2 (S. 45 f.). 312 So Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 41; Schellewald, S. 64 f. 309
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§ 5 Vormerkung wegen künftiger Forderungen
Vereinigung von Recht und Eigentum ist dieser Anspruch aufschiebend rechtsbedingt und damit noch ein künftiger. Der Schuldner kann den Eintritt der Vereinigung und damit das Entstehen des Anspruchs beliebig verhindern. Er kann etwa die Grundschuld aufheben oder seine Forderung auf Rückgewähr der valutierten Grundschuld an einen Dritten abtreten mit dem Erfolg, dass dieser die Grundschuld erwirbt und der den Anspruch auslösende Vereinigungsfall nicht eintritt; ferner kann er die Grundschuld für weitere Kredite des bisherigen Grundschuldgläubigers nutzen.313 Der nachrangige Gläubiger kann den Schuldner nicht zwingen, den Vereinigungsfall herbeizuführen.314 Der BGH war berufen, über die Insolvenzfestigkeit der Vormerkung für einen solchen künftigen Anspruch nach § 106 InsO zu entscheiden, die er zunächst ablehnte,315 um diese Entscheidung wenige Jahre später wieder zu revidieren.316 Die Besonderheit ist, dass § 1179a I 3 BGB den Löschungsanspruch kraft Gesetzes mit einer Vormerkungswirkung ausstattet, ohne dass diese (anders als früher317) eigens bestellt werden müsste. Für § 106 InsO war zu klären, ob diese Vormerkungswirkung auch dem künftigen Löschungsanspruch gilt. Der BGH machte das in seiner ersten Entscheidung davon abhängig, ob der künftige Löschungsanspruch nach § 883 I 2 BGB bzw. nach der Rechtsbodenlehre vormerkungsfähig wäre, wenn man – hypothetisch – eigens eine gewillkürte Vormerkung eintragen müsste. In Hinblick auf die Freiheit des Schuldners, das Entstehen des Löschungsanspruchs zu verhindern, verneinte er einen Rechtsboden und die hypothetische Vormerkungsfähigkeit. Das ist nicht richtig.318 Es muss darauf ankommen, ob der Schuldner einseitig über die Entstehungsbedingungen disponieren kann, mag er auch frei darin sein, die tatsächliche Verwirklichung einer solchen Bedingung zu beeinflussen bzw. zu verhindern. Eben jene Bedingungen stehen aber nicht einseitig zur Disposition des Schuldners, sondern sind in § 1179a I 1 BGB – einsehbar für jedermann – festgeschrieben. Mit Recht wird die Situation mit den Rückauflassungsvormerkungen in Übergabeverträgen verglichen, bei denen der Schuldner häufig ebenso frei ist, das Entstehen der Forderung zu verhindern.319 Im Übrigen zeichnet auch den künftigen Löschungsanspruch aus, dass der Gläubiger nicht zwingend ein Interesse daran verfolgen muss, dass es zur Vereinigung kommt; er will sich nur absichern, falls es zu einer Vereinigung kommt. Eben diese Situation liegt auch § 1179 BGB zugrunde, der die Vormerkung für eine gewillkürte künftige Löschungsforderung unter gewissen Bedingungen zulässt, und zu dem sich der BGH in Widerspruch gesetzt hatte.320 313
BGH, 09.03.2006 – IX ZR 11/05, BGHZ 166, 319, 325; Amann, MittBayNot 2007, 13, 16. BGH, 09.03.2006 – IX ZR 11/05, BGHZ 166, 319, 325. 315 BGH, 09.03.2006 – IX ZR 11/05, BGHZ 166, 319. 316 BGH, 27.04.2012 – V ZR 270/10, BGHZ 193, 144 = NJW 2012, 2274; Schwarz/Doms, ZInsO 2013, 1292 f.; Preuß, JR 2013, 218 f. (Anm.). 317 Amann, MittBayNot 2007, 13, 16; Kesseler, NJW 2012, 2240. 318 M. Schwab, JuS 2010, 385, 388. 319 Amann, MittBayNot 2007, 13, 16 ff.; M. Schwab, JuS 2010, 385, 388. 320 M. Schwab, JuS 2010, 385, 388. 314
H. Sonderfälle?
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Diesen Widerspruch hat der BGH in seiner neueren Entscheidung eingeräumt, seine frühere Auffassung aufgegeben und die Insolvenzfestigkeit der gesetzlichen Vormerkungswirkung nach § 1179a I 3 BGB bejaht.321 Dabei hat er es jedoch versäumt klarzustellen, dass es unzutreffend war, einen Rechtsboden (im Sinne der herrschenden Meinung) zu verneinen. Es ist also denkbar, dass der BGH die grundsätzliche Vormerkungsfähigkeit dieses aufschiebend rechtsbedingten Löschungsanspruchs nur deshalb annimmt, weil es §§ 1179, 1179a I 3 BGB entspricht, nicht aber, weil es mit § 883 I 2 BGB in Einklang steht. Was § 1179a BGB allerdings gegenüber den oben untersuchten Fällen der Vormerkbarkeit künftiger Forderungen unterscheidet, ist der Umstand, dass das Recht, auf dessen Änderung sich die künftige Forderung bezieht, aus Sicht des Schuldners selbst noch ein künftiges ist.322 Der Schuldner schuldet nicht nur möglicherweise in Zukunft die Löschung seines Rechts, sondern möglicherweise in Zukunft die Löschung eines Rechts, welches er möglicherweise in Zukunft erhält. Dies ist, was nach § 883 BGB wegen des Identitätsgebots (oben S. 152) an sich niemals passieren darf.323 Es ist jedoch eine Frage der Künftigkeit des Rechts, dessen Änderung begehrt wird, und nicht der Forderung, mit der diese Rechtsänderung begehrt wird. Dies ist also der Ansatzpunkt, an der die dogmatische Sonderung von § 1179a I 3 BGB gegenüber § 883 I 2 BGB ansetzen muss. Die Rechtsbodentheorie wird von § 1179a I 3 BGB jedenfalls nicht in Frage gestellt.
II. Vormerkung aufgrund einstweiliger Verfügung (§ 885 I BGB) Die bisweilen vertretene, aber auf dem Rückzug befindliche Ansicht, Vormerkungen könnten im Wege der einstweiligen Verfügung nur für bedingte, nicht aber für künftige Forderungen im Sinne von § 883 I 2 BGB erwirkt werden,324 hat bei näherem Hinsehen nichts mit der Struktur einer künftigen Forderung zu tun. Sie wird auf eine Entscheidung des Reichsgerichts zurückgeführt, das dies jedoch so nicht entschieden hat. Das Reichsgericht hatte lediglich die auch heute noch zutreffende Erwägung angestellt, dass § 926 ZPO der Eintragung einer Vormerkung für eine künftige Forderung im Wege der einstweiligen Verfügung naturgemäß Grenzen setze, wenn die Klageerhebung in der Hauptsache im eigenen Namen derzeit nicht zulässig ist, weil die Forderung, deren Erwerb der Antragsteller sich erhofft, ihm noch nicht abgetreten ist.325 Das Arrestgericht hat 321 BGH, 27.04.2012 – V ZR 270/10, BGHZ 193, 144 = NJW 2012, 2274, 2276 (Tz. 17 zum Widerspruch mit § 1179 BGB). 322 Kesseler, NJW 2012, 2240, 2242. 323 Kesseler, NJW 2012, 2240, 2242. 324 Ausdrücklich Ertl, Rpfleger 1977, 345, 350 mit Verweis auf einen unterschiedlichen Rechtsboden, aber ohne prozessuales Verständnis; ebenso Reichel, JherJb 46 (1904), 59, 100 zu Zeiten ohne eine entwickelte Auslegung für § 883 I 2 BGB; nicht unbedingt Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 883 Rz. 6, der oft als andere Auffassung zitiert wird. 325 RG, 24.09.1910 – V 644/09, RGZ 74, 158, 160.
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§ 5 Vormerkung wegen künftiger Forderungen
für die Entscheidung nach § 926 II ZPO nämlich zu prüfen, ob die innerhalb einer gesetzten Frist erhobene Klage zulässig ist.326 Gehört die Forderung dem Kläger noch nicht, so richtet sich die Zulässigkeit der Klage, wie die inzwischen herrschende Meinung betont und das Reichsgericht hätte genauer betonen können, nach §§ 256, 257 – 259 ZPO und ist damit unabhängig davon, ob die Forderung eine künftige oder bedingte im materiell-rechtlichen Sinn von § 883 I 2 BGB ist.327 Der Maßstab für die Beschaffenheit der Forderung als sog. „Verfügungsanspruch“ ergibt sich vielmehr aus § 916 II ZPO, während § 885 I 2 BGB lediglich von der Prüfung eines Verfügungsgrunds befreit.328 Wie noch zu zeigen sein wird, erfüllen Forderungen, die § 883 I 2 BGB unterfallen, die von § 916 II ZPO verlangten Mindestvoraussetzungen allemal, so dass es im Einzelfall nur noch auf den gegenwärtigen Vermögenswert gemäß § 916 II ZPO ankommt (näher u. § 9).329 Aus § 885 I BGB ergeben sich daher weder andere Maßstäbe für die vormerkungsfähige künftige Forderung noch die Notwendigkeit, innerhalb von § 883 I 2 BGB zwischen künftigen oder bedingten Forderungen zu differenzieren.
J. Thesen Die Rechtsbodentheorie ist grundsätzlich richtig, baut jedoch auf einer Dogmatik auf, die dem Leitbild der entstandenen Forderung verhaftet und mithin nicht immer präzise ist. Das Vormerkungsrecht misst der bloß entstandenen Forderung keine eigene Rolle zu, sondern grenzt die einredefreien Forderungen von all denjenigen (künftigen oder entstandenen) Forderungen ab, die noch nicht durchsetzbar sind. Die zweite und praktisch wichtige Grenzlinie verläuft zwischen vormerkungsfähigen und nicht vormerkungsfähigen künftigen Forderungen; sie kann einheitlich bestimmt werden, ohne dass eine Differenzierung zwischen i. S. v. § 883 I 2 „bedingten“ oder „künftigen“ Forderungen nötig ist.330 Die vormerkungsfähige künftige Forderung steht für die Gesamtheit von bestimmten, rechtlich gesetzten Bedingungen, aus denen sich eine Forderung ergeben kann. Die Vormerkung sichert die Durchsetzbarkeit der Forderung für den Fall, dass die Forderung das Stadium der Durchsetzbarkeit erlangt. Die Vormerkung sichert damit gegenwärtig die Aussicht, dass diese Forderung einmal erfüllt werden kann.331 Diese Erwerbsaussicht ist selbst ein gegenständlicher Bezugspunkt der Vormerkung, so dass § 883 I 2 BGB die Akzessorietät
326
Zöller/Vollkommer, § 926 Rz. 31. Assmann, S. 343 f.; im Ergebnis auch: MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 885
327
Rz. 4.
328
Zu letzterem Zöller/Vollkommer, § 935 ZPO Rz. 12. MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 885 Rz. 3. 330 S. etwa oben D.II. (S. 149 f.). 331 Oben E.I.1. (S. 152 f.). 329
J. Thesen
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der Vormerkung nicht durchbricht, sondern umsetzt.332 Die Wirksamkeit der Vormerkung hängt von dieser Erwerbsaussicht ab; ihre Zerstörung untergräbt den Bestand der Vormerkung.333 Die vormerkungsfähige künftige Forderung zeichnet aus, dass die rechtliche Grundlage, aufgrund derer die in Aussicht genommene Rechtsänderung einmal begehrt werden könnte, bereits in Ansätzen vorhanden ist.334 Das grenzt sie von rein tatsächlichen Hoffnungen ab. Während es grundsätzlich unerheblich ist, ob dem Schuldner ein Einfluss auf die Entstehung der Forderung verbleibt, ist maßgeblich, dass die Aussicht, also die rechtlich gesetzten Bedingungen, unter denen die gesicherte Forderung einmal entstehen kann, nicht mehr einseitig vom Schuldner in Frage gestellt werden können. Wie auch immer sein Einfluss auf die Forderung ist: Die Bedingungen, unter denen sie entstehen kann, müssen seiner Disposition entzogen sein. Nur insoweit ist eine Bindung des Schuldners erforderlich.335 Die dem Vormerkungsrecht zugrunde liegenden sachen‑, schuld- und grundbuchrechtlichen Grundsätze stellen darüber hinaus jeweils Anforderungen an die Bestimmbarkeit der künftigen Forderung.336 Besondere Bedeutung erlangt das Publizitätsprinzip. Dieses gilt für die Bedingungen, unter denen die gesicherte Forderung entstehen soll.337 Die Unterschätzung dieses Zusammenhangs begründet die eigentliche Ursache für die Gefahr einer faktischen Grundbuchsperre.338 Sie wird weder durch einen Rechtsboden noch durch eine Bindung gebannt, sondern durch eine Rückbesinnung der Rechtsprechung zur „Aufladung einer Vormerkung“ auf die Grundsätze des Vormerkungsrechts. Die Rechtsprechung muss die Erwerbsaussicht als rechtlichen Bezugspunkt der Vormerkung erkennen und dadurch die rechtlichen Bedingungen der Forderungsentstehung wieder in das Grundbuch holen.339 Das Modell der künftigen Forderung im Vormerkungsrecht ist ein ganzeinheitliches. Es steht gleichermaßen für den Schutz vor Zwischenverfügungen, vor der Zwangsvollstreckung und der Insolvenz des Schuldners. Die vormerkungsbezogenen Vorschriften des ZVG und der InsO fußen unmittelbar auf den für § 883 I 2 BGB geltenden Einschränkungen künftiger Forderungen.340 Jeder im Sinne dieser Vorschrift bedingte oder künftige Anspruch genügt auch für den Schutz der Vormerkung im ZVG bzw. in der Insolvenzordnung.
332
Oben E.II. (S. 154 f.). Etwa oben S. 163 f., 168 f. 334 Oben E.II.4. (S. 159). 335 Oben F.I.1 – 3. (S. 172 ff.). 336 Oben E.III. (S. 159 ff.). 337 Oben E.III.3. (S. 162 f.). 338 Oben G.I. (S. 190 ff.). 339 Oben E.IV. (S. 166 ff.). 340 Oben F.II. u. III. (S. 179 ff. u. 183 ff.). 333
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§ 5 Vormerkung wegen künftiger Forderungen
K. Dogmatik Die künftige Forderung verkörpert bei § 883 I 2 BGB die Möglichkeit (nicht die Wahrscheinlichkeit) des Forderungserwerbs, also eine Rechtslage, die das Potential hat, dass aus ihr eine bestimmte Forderung zugunsten des Vormerkungsgläubigers entsteht. Dogmatisch geht es damit wiederum um das Phänomen einer durch einen Vertrag oder einen anderen Sachverhalt gesetzten Rechtslage bzw. um bedingte Forderungen gemäß dem hier zugrunde gelegten Verständnis. Anders als bei § 38 InsO oder im Aufrechnungsrecht soll bei § 883 I 2 BGB jedoch nicht nur der Einfluss einer Partei auf die Schaffung dieser Rechtslage ausgeschlossen sein; vielmehr ist überdies erforderlich, dass der Schuldner diese Rechtslage nicht mehr einseitig zerstören kann. Zu den in § 38 InsO und dem Aufrechnungsrecht erforderlichen Strukturen tritt also noch der Bestandsschutz hinzu. Allerdings wird man diese Lage nicht als ein Anwartschaftsrecht bezeichnen können, da dies suggerieren würde, dass der Schuldner die Entstehung der Forderung nicht mehr verhindern kann, was aber gerade unerheblich ist. Es ist lediglich erforderlich, dass der Schuldner die Aussicht, dass eine Forderung entstehen kann, nicht mehr einseitig zerstören kann. Der Gläubiger „wartet“341 eben nicht auf seine Forderung und strebt ihren Eintritt sogar in vielen Fällen gar nicht an. Wer das Schicksal der Forderung gemäß § 883 I 2 BGB in die Hände der Ungewissheit legt, verzichtet gerade auf eine Position, die ihm Macht über den Forderungsentstehungsprozess gibt. Es geht dem Vormerkungsgläubiger also nur darum, dass seine Forderung gesichert ist, falls sie entsteht. Das Konditionale an dieser Interessenlage kann der Begriff der „bedingten Forderung“ vortrefflich zum Ausdruck bringen. Aus einem dogmatischen Blickwinkel setzt § 883 I 2 BGB daher bedingte Forderungen voraus, die unter einem gewissen Bestandsschutz stehen. Wie bei § 38 InsO und im Aufrechnungsrecht tritt für künftige Forderungen, die § 883 I 2 BGB unterfallen, auch das Problem der Abgrenzung der Wollens- von der Potestativbedingung auf, hier jedoch unter dem Aspekt des Bestandsschutzes. Anders als bei § 38 InsO (oder im Aufrechnungsrecht entsprechend für den Gläubiger) wäre es für § 883 I 2 BGB nämlich als solches unerheblich, wenn der Vormerkungsschuldner seinen Beitrag zur Schaffung der Forderungsgrundlage erst nach Eintragung der Vormerkung leisten müsste. Nur wenn und weil dieser Einfluss zugleich bedeutet, dass er die Erwerbsaussicht zerstören kann, steht er der Vormerkungsfähigkeit entgegen (siehe S. 177).
341
Zur Etymologie des Anwartschaftsrechts als „Wart-“ oder „Warterecht“, oben § 2 Fn. 119.
§ 6 Hypothek gemäß § 1113 II BGB A. Einführung Die Hypothek ist eine dingliche Belastung eines Grundstücks zur Sicherung einer Geldforderung (§ 1113 BGB). Sie hat zur Folge, dass ihr Gläubiger sich wegen seiner Forderung aus dem Grundstück sowie den mithaftenden Gegenständen (§§ 1120 ff. BGB) befriedigen kann, indem er die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreibt (§ 1147 BGB). Anders als die Grundschuld ist die Hypothek ein akzessorisches Recht, also kraft Gesetzes von der gesicherten Forderung abhängig. Der Grad dieser Abhängigkeit variiert je nach Art der Hypothek. Das Grundmodell einer Hypothek, die Verkehrshypothek, kann im Zuge ihrer Übertragung zu einer „forderungsentkleideten Hypothek“ werden (§ 1138 BGB), ohne dass sie dadurch Schaden nimmt; sie verkörpert dann ohne Forderung das Recht des Gläubigers, sich gemäß § 1147 BGB zu befriedigen.1 Dies zeigt besonders gut, dass Hypothek und Forderung nicht mit einander verschmolzen sind; die Hypothek ist nicht etwa eine weitere sich aus der Forderung ergebende Befugnis, kraft derer der Gläubiger berechtigt wäre, seine Befriedigung aus dem Grundstück zu suchen; die Hypothek ist ein eigenes subjektives Recht, das in gewissem Maße von einer Forderung abhängig ist.2 Nach § 1113 II BGB kann die Hypothek auch für eine künftige oder eine bedingte Forderung bestellt werden. Das bedeutet in jedem Fall, dass sich der Rang, unter dem die Hypothek einmal geltend gemacht wird, nach dem Zeitpunkt ihrer Eintragung richtet, obwohl die Forderung zu diesem Zeitpunkt noch nicht entstanden war (§ 879 BGB).3 Die Verkehrshypothek ist vor allem zur Sicherung von künftigen Darlehensforderungen gedacht; die gesicherte Rückzahlungsforderung ist solange künftig, wie die Darlehensvalutierung noch aussteht.4 Neben der Verkehrshypothek gibt es die Sicherungshypothek, der ein striktes Akzessorietätsverständnis zugrunde liegt (vgl. § 1185 II BGB): Das Recht des Gläubigers aus der Hypothek bestimmt sich hier ausschließlich nach der Forderung (§ 1184 BGB). Auch die Sicherungshypothek darf zur Absicherung 1
Mincke, S. 17; Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, 28. Aufl. 2013, § 27 Rz. 48. Wilhelm, Rz. 1447 f. 3 Soergel/Konzen, BGB, 13. Aufl., § 1113 Rz. 15; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1113 Rz. 35. Näher unten E.III.5. (S. 212 f.). 4 Motive, Bd. 3, S. 637; Wilhelm, Rz. 1447 ff. 2
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§ 6 Hypothek gemäß § 1113 II BGB
künftiger Forderungen eingesetzt werden (arg. e § 1185 II BGB).5 Eine besondere Art Hypothek ist schließlich die Höchstbetragshypothek, die gemäß § 1190 III BGB als Sicherungshypothek gilt.6 Sie ist gerade in Hinblick auf künftige Forderungen von Bedeutung, da sie ermöglicht, das Grundstück mit einem Höchstbetrag zu belasten, wenn die einzelne Forderung, deren Befriedigung gesichert werden soll, noch nicht feststeht. Auf diese Weise können Rechtsbeziehungen mit wechselndem Forderungsbestand durch einen Rahmenvertrag hypothekarisch abgesichert werden.7 Die Höchstbetragshypothek sichert damit häufig künftige Forderungen, deren vertraglicher Rechtsgrund noch nicht gelegt ist.8 Die praktische Bedeutung der Hypothek ist, gemessen an ihrer Verbreitung, gewiss nicht überragend; auch nach Begrenzung der Verkehrsfähigkeit der Sicherungsgrundschuld durch § 1192 Ia BGB9 wird sie gegenüber der Verkehrshypothek immer noch bevorzugt empfohlen.10 In der Rechtsprechung spielt die Zwangshypothek gemäß § 867 ZPO sicherlich noch die größte Rolle, allerdings nicht in Bezug auf künftige Forderungen, da die Zwangshypothek einen durchsetzbaren Titel erfordert.11 Aktuelle Gerichtsentscheidungen beweisen freilich, dass es die Hypothek in den Grundbüchern noch gibt und die Rechtsordnung mit ihr umgehen muss.12 Für eine Untersuchung wie die vorliegende ergibt sich die große Bedeutung des Hypothekenrechts aus seiner Grundlagenfunktion. Die Hypothek ist das gesetzliche Leitmodell des Grundpfandrechts, und § 1113 II BGB ist ein Anhaltspunkt dafür, welche Vorstellung von einer künftigen Forderung dem BGB zugrunde liegt.
B. Problemstellung § 1113 II BGB zwingt zur Ermittlung der Vorgaben, die eine künftige Forderung erfüllen muss, damit sie der Hypothek eine Grundlage sein kann; hierzu besteht in der Literatur ein sehr kontroverses Meinungsbild (unten C.I.). Es gilt aber auch zu untersuchen, welcher Art diese Grundlagenbeziehung zwischen der künftigen Forderung und der Hypothek überhaupt ist und inwieweit die Wirksamkeit der Hypothek von der künftigen Forderung selbst abhängig ist. Hierzu wird 5 Vgl. OLG Hamm, I‑15 W 348/10 – 25.10.2010, BeckRS 2011, 02681; BayObLG, 02.03.2000 – 2Z BR 183/99, NZM 2000, 885. 6 Einführend: Sternberg, JherJb. 62 (1913), 377, 380 – 388. 7 Prütting, Sachenrecht, Rz. 754. 8 Baur/Stürner, § 42 Rz. 18 f. 9 Näher Preuß, FS Kanzleiter, S. 307 ff. 10 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Schoppmeyer, Kreditsicherung, 9. Aufl. 2011, § 15 Rz. 324; auch Nietsch, NJW 2009, 3606, 3609 f., der aber in Anbetracht von § 1192 Ia BGB auf die Bedeutung des Hypothekenrechts bei der Entwicklung eines europäischen Grundpfandrechts hinweist. 11 Vgl. OLG Köln, 29.11.2010 – 11 U 132/10, juris-Rz. 8. 12 Fn. 5.
B. Problemstellung
203
überwiegend vertreten, dass die Hypothek gemäß §§ 1163 I 1, 1177 I BGB zu ihrer eigenen Existenz auf eine entstandene Forderung angewiesen sei und bis dahin nur eine Grundschuld des Eigentümers bestehe (unten C.II.). § 1113 II BGB hätte dann nur einen formellen Inhalt, wonach der Eintragungsakt vorweggenommen und die Hypothek als solche eingetragen werden darf, obgleich sie noch nicht existiert. § 1113 II BGB ließe sich jedoch auch materiell-rechtlich deuten mit der Folge, dass die Anknüpfung an eine künftige Forderung die Hypothek bereits als Recht entstehen lassen würde. In der Literatur wird nicht erörtert, inwieweit zwischen beiden Themenkreisen – den Anforderungen an die künftige Forderung und der Grundlagenbeziehung – ein Zusammenhang besteht. Die Untersuchung dieses Zusammenhangs könnte jedoch Aufschluss über die Funktion und die Struktur der künftigen Forderung geben. Zudem wird zu klären sein, ob § 1113 II BGB wirklich als Durchbrechung des Akzessorietätsprinzips zu verstehen ist, wie es eine verbreitete Annahme ist.13 Unabhängig von der möglicherweise selbst künftigen Natur der für eine künftige Forderung bestellten Hypothek (§ 1113 II BGB) muss man sie von der ihrerseits künftigen, weil aufschiebend bedingt bestellten Hypothek rechtlich und dogmatisch unterscheiden.14 Zwar wird die Hypothek nach § 1113 II BGB gelegentlich als rechtsbedingte Hypothek umschrieben,15 also als eine Hypothek, die kraft Gesetzes um die Entstehung der Forderung bedingt ist; aber die Einigung über ihre Bestellung bleibt unbedingt. Darin liegt der Unterschied zur aufschiebend bedingt bestellten Hypothek; ihr ist gerade eigentümlich, dass die Einigung i. S. v. § 873 BGB unter eine Bedingung gestellt wird und daher nicht verbindlich erklärt ist. Mit dem Bestand der Forderung steht die aufschiebend bedingte Einigung nicht im Zusammenhang: Die bedingte Hypothek kann gleichermaßen für bestehende wie für künftige Forderungen bestellt werden.16 In keinem Fall entsteht aber vor dem Bedingungseintritt bereits ein dingliches Recht.17 Da die Bedingung mithin allein das künftige dingliche Recht und nicht die Forderung betrifft, ist die aufschiebend bedingt bestellte Hypothek von dieser Untersuchung auszusparen.
13
483.
So MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 49; Alexander, JuS 2012, 481,
14 MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 46; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1587. 15 Prütting, Sachenrecht, S. 313. Zur Erfassung der Akzessorietät als Rechtsbedingung Habersack, JZ 1997, 857, 862. 16 MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 53 – 61. 17 MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 53; Soergel/Konzen, BGB, 13. Aufl., § 1113 Rz. 16.
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§ 6 Hypothek gemäß § 1113 II BGB
C. Meinungsstand Die Hypothek nach § 1113 II BGB ist infolge der vergleichsweise geringen Bedeutung gegenüber der Grundschuld kaum Gegenstand der Rechtsprechung.18 Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Beschaffenheit künftiger Forderungen gibt es nicht, abgesehen von einigen wenig ergiebigen Reichsgerichtsentscheidungen;19 in der Kommentarliteratur bisweilen zitierte BGH-Entscheidungen betreffen entweder § 883 I 2 BGB oder Entscheidungen, die allgemein zu künftigen Forderungen ergangen sind. Das Meinungsbild wird maßgeblich von den unterschiedlichen und ausführlich begründeten Ansichten im Münchener und Staudinger-Kommentar sowie dem Lehrbuch von Wilhelm geprägt.20
I. Beschaffenheit der künftigen Forderung (§ 1113 II BGB) Die Ansichten scheiden sich an der Frage, ob § 1113 II BGB restriktiv auszulegen ist und künftige Forderungen einen obligatorisch verfestigten Rechtsboden aufweisen müssen. Eine Auffassung befürwortet dies, wobei man sich bisweilen für eine Anlehnung an § 883 I 2 BGB ausspricht.21 Ihre argumentative Grundlage offenbart einen in der Literatur häufig anzutreffenden Ansatz, der §§ 883 I 2 BGB, 1113 II und 1204 II BGB wegen ihres im Grunde gleichen Wortlauts als eine Gruppe von Vorschriften betrachtet, die eine inhaltlich gleiche Auslegung nahe legen soll.22 Zur Begründung für diese Beschränkung auf künftige Forderungen mit einem „Rechtsboden“ wird (wie bei der Vormerkung) auf
18 Zuletzt etwa OLG Hamm, I‑15 W 348/10 – 25.10.2010, BeckRS 2011, 02681; BayObLG, 02.03.2000 – 2Z BR 183/99, NZM 2000, 885. 19 RG, 28.02.1902 – VII 442/01, RGZ 51, 43; RG, 08.03.1905 – V 407/04, RGZ 60, 243; RG, 01.03.1911 – V 120/10, RGZ 75, 245; RG, JW 1912, 351 Nr. 16; RG, 24.06.1916 – V 137/16, RGZ 88, 335. 20 Vgl. mitunter die ausdrücklichen Verweise in BeckOK-BGB/Rohe, Ed. 24, § 1113 Rz. 16 und jurisPK-BGB/Reischl, 6. Aufl. 2012, § 1113 Rz. 101 f. sowie in den Kurzkommentaren; nur an Einzelbeispielen orientiert: Soergel/Konzen, BGB, 13. Aufl., § 1113 Rz. 15. 21 MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 49 f.; NomosKommentar-BGB/ Zimmer, 3. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 39; Jauernig/Berger, 15. Aufl. 2014, § 1113 Rz. 9; Schellewald, S. 106 – 129; Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, 28. Aufl. 2013, § 27 Rz. 3. RG, 08.03.1905 – V 407/04, RGZ 60, 243, 246: § 1113 II BGB habe „nur befristete oder bedingte Forderungen von festbestimmter Höhe im Auge“ (ohne Begründung). Nicht aufschlussreich demgegenüber RG, 24.06.1916 – V 137/16, RGZ 88, 335, 340: von einer Genehmigung abhängige Forderung aus einem bestehenden Schuldverhältnis unterfalle § 1113 II BGB (ohne Begründung); RG, 28.02.1902 – VII 442/01, RGZ 51, 43, 44 f.: Um die Auszahlung eines vereinbarten Darlehens bedingte Rückzahlungsforderung sei nach § 1113 II BGB sicherbar (ohne Begründung). 22 Vgl. Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 36 f.; Lüke, JuS 1971, 341, 343; Schellewald, S. 41 ff., 70 ff. Diese Parallelität nutzt aber auch die Gegenauffassung, die dann §§ 765 II BGB, 1113 II und 1204 II BGB gruppiert, um von § 883 I 2 BGB abzugrenzen, vgl. nur Becker-Eberhard, S. 272 – 283.
C. Meinungsstand
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die Gefahr einer Grundbuchsperre hingewiesen.23 Dahinter steht die Sorge, eine Grundstücksbelastung für alle Ewigkeit zu erhalten, wenn sich die Möglichkeit, dass eine künftige Forderung einmal entsteht, nie wirklich ausschließen lässt; das benachteilige wiederum dritte Gläubiger, die auf das Grundstück zugreifen wollen.24 Im Einzelnen versteht diese Auffassung unter der im Wortlaut von § 1113 II BGB genannten bedingten Forderung ein bestehendes Schuldverhältnis, aufgrund dessen die Leistungspflicht des Schuldners noch von dem Eintritt eines künftigen, objektiv ungewissen Ereignisses bzw. jedenfalls nicht mehr von seinem Willen abhängt.25 Einer künftigen Forderung soll es demgegenüber noch an einem solchen Schuldverhältnis fehlen,26 wenngleich bereits eine Bindung des Schuldners bestehen müsse, die es diesem unmöglich macht, „das Entstehen des Schuldverhältnisses zu verhindern“27. Die Gegenauffassung vertritt, dass § 1113 II BGB keine Einschränkungen, insbesondere keine Bindung des Schuldners erfordere und sich die Anforderungen an eine künftige Forderung demzufolge auf ihre Bestimmbarkeit reduzieren.28 Es genüge jede Aussicht, solange sie konkret genug bezeichnet sei; über den Umstand hinaus, dass die Entstehung einer Forderung möglich erscheinen muss, müsse sie keine Gewähr dafür bieten, dass aus ihr in Zukunft eine Forderung entstehen werde.29 Im Gegensatz zur Rechtslage nach § 883 I 2 BGB30 wäre nach dieser Auffassung etwa eine künftige, auf Geld gerichtete Vermächtnisforderung bereits im Zeitraum vor dem Erbfall sicherbar.31
II. Künftige Forderung und Existenz der Hypothek Nach der herrschenden Meinung soll die an sich eingetragene Fremdhypothek nach § 1113 II BGB – anders als ein Pfandrecht nach § 1204 II BGB – zugunsten des potentiellen Gläubigers erst dann existieren, wenn die Forderung
23 MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 49. Diese Sorge teilt sogar die Gegenauffassung: Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1113 Rz. 36. 24 MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 49. 25 MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 47. 26 MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 48. 27 MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 50. 28 Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1113 Rz. 36 u. 40, und Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1586 (beide entgegen früherer Auffassungen in einer Vorauflage); BeckerEberhard, S. 272 – 283; Lieb, Das künftige Recht, S. 103; RG, JW 1912, 351 Nr. 16 (laut des knapp geschilderten Sachverhalts ging es um eine Forderung, ohne dass bisher eine Bindung des Schuldners angenommen werden konnte; insgesamt ist die Entscheidung aber wenig aussagekräftig); Sternberg, JherJb. 62 (1913), 377, 379; Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1113 Rz. 18; PWW/Waldner, 8. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 8. 29 Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1113 Rz. 40. 30 Siehe dazu § 5 Fn. 217. 31 Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1113 Rz. 41.
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§ 6 Hypothek gemäß § 1113 II BGB
entsteht.32 Bis dahin betrachtet man das Grundbuch als unrichtig, wobei seiner Berichtigung der Anspruch auf die Hypothekenbewilligung entgegenstehen soll.33 Die Hypothek hat nach dieser Auffassung also eine entstandene (nicht zwingend fällige) Forderung zur Voraussetzung.34 Bis zur Entstehung der Forderung soll dem Eigentümer (und potentiellen Schuldner) ein im Grundbuch nicht ersichtliches dingliches Recht in Form einer vorläufigen Eigentümergrundschuld zustehen.35 Man folgert dies aus §§ 1163 I 1, 1177 I BGB. Hierauf baut eine gefestigte Kreditsicherungspraxis auf, welche auf die vorläufige Eigentümergrundschuld zur Zwischenfinanzierung angewiesen ist.36 Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung von § 1179a BGB gezeigt, dass er ebenfalls von dieser Auslegung des § 1163 I 1 BGB ausgeht.37 Für die Höchstbetragshypothek bedeutet diese Konstruktion, dass sie je nach Höhe der gegenwärtig entstandenen Forderung in eine Eigentümergrundschuld und eine Fremdhypothek gespalten ist, wobei der jeweilige Anteil bis zur Feststellung der Forderung schwankt.38 § 1113 II BGB deutet man in der Folge dieser Auffassung als formelle Vorschrift, welche § 1163 I 1 BGB unberührt lasse.39 Gegen die herrschende Auffassung wendet sich Wilhelm, demzufolge die Hypothek von Anfang an als Fremdhypothek für eine künftige Forderung existiert, welche sich nach Entstehung der Forderung in eine Fremdhypothek für eine gegenwärtige Forderung umwandele;40 die Annahme einer Eigentümergrundschuld im Fall der für eine künftige Forderung bestellten Hypothek lehnt Wilhelm ab.41
32
RG, 28.02.1902 – VII 442/01, RGZ 51, 43, 44 f.; RG, 01.03.1911 – V 120/10, RGZ 75, 245, 250; MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 52; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1113 Rz. 38; Baur/Stürner, § 37 Rz. 21; Becker-Eberhard, S. 308 – 312; Soergel/ Konzen, BGB, 13. Aufl., § 1113 Rz. 16; Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1113 Rz. 18. A. A. Stahlmann, S. 19 – 39, und Fn. 40. 33 Prütting, Sachenrecht, S. 313; Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1163 Rz. 6; Staudinger/ Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 894 Rz. 129 m. w. N.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rz. 470. 34 RG, 28.02.1902 – VII 442/01, RGZ 51, 43, 44 f. 35 Fn. 32. 36 Stahlmann, S. 27 f.; Baur/Stürner, § 37 Rz. 43 u. § 46 Rz. 22 ff.; Prütting, Sachenrecht, S. 313. 37 Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1457. 38 RG, 01.03.1911 – V 120/10, RGZ 75, 245, 250 f.; Baur/Stürner, § 42 Rz. 25 f.; Stahlmann, S. 29 f. 39 Baur/Stürner, § 37 Rz. 21: „Die Bestimmung des § 1113 Abs. 2 ist vielmehr in erster Linie grundbuchrechtlicher Natur; sie läßt die materiell-rechtliche Regelung des § 1163 unberührt.“; ebenso Mincke, S. 15; E. Lehmann, S. 26; Medicus, JuS 1971, 497, 498 f. 40 Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1447 – 1459, 1584 f. Wie dieser schon v. Lübtow, FS Lehmann, 1956, S. 328, 348 – 351; Sternberg, JherJb. 62 (1913), 377, 404 – 415. 41 Rz. 1454. Eher dem Bereich einer nostalgisch-pathetischen Gesetzesauslegung zuzuordnen ist freilich der Hinweis, wonach die herrschende Auffassung „unseres historischen BGB nicht würdig“ sei, Rz. 1449.
D. Historischer Wortlaut
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D. Historischer Wortlaut Nach § 1113 I BGB kann ein Grundstück „in der Weise belastet werden, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist (Hypothek).“ § 1113 I BGB stellt – am Klammerzusatz erkennbar – eine Legaldefinition der Hypothek auf und beschreibt ihren Inhalt. Die Voraussetzungen für die Bestellung der Hypothek muss § 1113 I BGB nicht regeln, da insofern § 873 BGB gilt. § 1113 II BGB ordnet anschließend an, dass eine Hypothek auch für eine künftige oder eine bedingte Forderung bestellt werden kann. Das lässt zweierlei Interpretationen zu: Betrachtet man die künftige Forderung als einen Gegenstand, dann kann für ihn eine Hypothek bestellt werden und diese hätte dann zwangsläufig den in § 1113 I BGB legaldefinierten Inhalt; § 1113 II BGB hätte also materiell-rechtliche Bedeutung. Wenn man die künftige Forderung hingegen mit der künftig entstehenden Forderung gleichsetzt, erhält die Auslegung eine andere Richtung; § 1113 II BGB wäre die Aussage zu entnehmen, dass eine Hypothek für eine bestehende Forderung (§ 1113 I BGB) bereits dann bestellt werden kann, wenn diese noch künftig ist. Nach letzterer Lesart hätte § 1113 II BGB anders als § 1113 I BGB keine inhaltliche, sondern bloß eine formelle Bedeutung und würde die Reihenfolge regeln, in der die Voraussetzungen einer Hypothek geschaffen werden können. Der Wortlaut „künftige Forderungen“ ließe es zu, jede nur künftig denkbare Forderung zu subsumieren.42 In den Motiven zum BGB43 wird die Wortwahl für § 1113 II BGB ausführlich begründet. Man hatte eine deutliche Vorstellung von dem, was man unter „künftig“ und „bedingt“ verstand. Es heißt dort: „Die Forderung, welche durch die Hypothek gesichert werden soll, kann nicht nur eine bereits bestehende, sondern auch eine künftige, eine fällige oder eine betagte, aber auch eine bedingte sein.“44 Das „nicht nur . . . sondern auch“ macht deutlich, dass man der entstandenen Forderung die künftige gegenüberstellen wollte, die künftige also die noch nicht entstandene Forderung ist.45 Die betagte verstand man dementsprechend – wie auch heutzutage – als die entstandene Forderung, deren Fälligkeit an einen in der Zukunft liegenden Termin geknüpft ist, und konnte sie daher der Fälligkeit gegenüberstellen.46 Ihre eigene Erwähnung im Wortlaut von § 1113 II BGB hielt man angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der sie erfasst werde, nicht für nötig.47 Auffällig ist die Erwähnung der bedingten Forderung außerhalb dieser Gegensatzpaare bzw. eher im Kontext mit der entstandenen, aber noch nicht fälligen Forderung. Möglicherweise hatte man vor Augen, dass 42
MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 48. In den Protokollen findet sich keine Erörterung der Vorschrift, Mugdan, Bd. 3, S. 795 f. 44 Motive, Bd. 3, S. 637. 45 In diesem Sinne später auch RG, 01.03.1911 – V 120/10, RGZ 75, 245, 250. 46 Sternberg, JherJb. 62 (1913), 377, 378. 47 Motive, Bd. 3, S. 638. 43
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sowohl die Entstehung als auch die Fälligkeit an ein ungewisses Ereignis geknüpft werden können; jedenfalls dachte man an eine Klarstellung.48 Wie dem auch sei: Ihre Aufnahme in den Gesetzeswortlaut neben den noch nicht entstandenen Forderungen ist bereits deshalb ratsam, um zum Ausdruck zu bringen, dass die Forderung (respektive der Hypothekenanspruch aus § 1147 BGB) von einem Ereignis abhängen darf, dessen Eintritt ungewiss ist. Die Motive enthalten ebenso Hinweise, ob § 1113 II BGB möglicherweise auf künftige Forderungen mit Rechtsboden zu beschränken ist: Man sah es als nicht haltbar an, dass die Hypothek zwingend ein Schuldverhältnis erfordere, aus dem sich eine Forderung entwickeln kann.49 Die Erwägung hierfür war, dass man einer Hypothek nicht nur deshalb den Rang ihrer Eintragung versagen wollte, weil die Forderung erst später entsteht. Die Praxis, der man Rechnung tragen wollte, betraf allerdings Hypotheken für noch nicht entstandene Rückzahlungsforderungen aus einem noch nicht ausgezahlten Darlehen. Das sind Forderungen, denen nach heutiger Auffassung bereits ein vertragliches Schuldverhältnis zugrunde liegt, während man im 19. Jahrhundert häufig noch der Auffassung war, dass ein Vertrag erst mit Hingabe des Geldes entstehe („Realvertragstheorie“; vgl. auch § 607 I BGB a. F.).50 Insofern lässt sich den Motiven hier nicht abschließend entnehmen, welcher Vorstellung von einer künftigen Forderung „ohne Schuldverhältnis“ ihre Verfasser verhaftet waren. Jedenfalls kann aber festgestellt werden, dass die Motive keinen Beleg dafür liefern, § 1113 II BGB einschränkend auszulegen und auf künftige Forderungen mit einem Rechtsboden zu begrenzen.
E. Systematik I. Parallele zum Vormerkungsrecht Der Standort zweier Vorschriften in demselben Gesetz kann methodisch die Vermutung einer übereinstimmenden Auslegung nahelegen, wenn sie den gleichen Wortlaut haben. Dementsprechend besteht in der Literatur das Bestreben, Vorschriften wie §§ 765 II, 883 I 2, 1113 II und 1204 II BGB zu reihen und in sich stimmig auszulegen.51 Dabei wird bei der Auslegung von § 1113 II BGB gerade auf das Rechtsbodenerfordernis des § 883 I 2 BGB verwiesen.52 Die Vermutung übereinstimmender Auslegung kann im Fall von § 883 I 2 und § 1113 II BGB indes ganz einfach widerlegt werden. § 1113 II BGB ist nämlich die ältere, da in den Beratungen zum BGB wesentlich früher vorgesehene Vorschrift, während 48
Motive, Bd. 3, S. 638. Auch zum Folgenden Motive, Bd. 3, S. 638. 50 Vgl. Zimmermann, Law of Obligations, S. 164 f.; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.2, § 72 II 2. 51 Berger, FS Kollhosser, 2004, S. 35, 36 f.; Lüke, JuS 1971, 341, 343; Schellewald, S. 41 ff., 70 ff. 52 Oben Fn. 21. 49
E. Systematik
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§ 883 I 2 BGB ein Geschöpf der zweiten Kommission ist53 und daher allenfalls § 883 I 2 eine Anlehnung an § 1113 II BGB rechtfertigt anstatt umgekehrt. Hypothek und Vormerkung weisen zudem Unterschiede auf. Die Hypothek verkörpert neben der Forderung ein eigenes Recht, kann also auch ohne die Forderung gedacht werden, während die Vormerkung ohne die Forderung sinnlos ist.54 Die Vormerkung muss ihre primäre Aufgabe erfüllen, wenn die Forderung noch künftig ist, während die Hypothek ihre primäre Funktion, Befriedigung aus dem Grundstück zu ermöglichen, entfaltet, wenn eine Verpflichtung des Schuldners entstanden ist. Daraus folgt freilich nicht mehr als die Erkenntnis, dass nicht allein der übereinstimmende Wortlaut schon zu einer übereinstimmenden Auslegung zwingen würde. Für eine übereinstimmende Auslegung von § 883 I 2 BGB und § 1113 II BGB besteht vielmehr nur dann ein Anlass, wenn das Hypothekenrecht – trotz der genannten Unterschiede – einen guten Grund für das gleiche Auslegungsergebnis gibt.
II. Akzessorietät Unter Akzessorietät versteht man jedenfalls die Abhängigkeit eines (des akzessorischen) Rechts von einem anderen Recht.55 Das Vormerkungsrecht hat gezeigt, dass nicht nur die Abhängigkeit von einem entstandenen Recht, sondern auch die Anlehnung an eine Rechtslage bzw. an eine Erwerbsaussicht Ausdruck von Akzessorietät sein kann (s. § 5 E.II.). Nach Mincke soll die Akzessorietät eines (Grund‑)Pfandrechts sogar eine bloße Wertakzessorietät sein, so dass es für das Pfandrecht nur einer Angabe des Forderungswertes bedürfte,56 was auch bei einer künftigen Forderung bereits möglich ist (vgl. § 1115 I BGB). Der abstrakte Satz von der Akzessorietät ist jedenfalls kein Dogma, sondern ein offenes Prinzip und daher Abbild bestehender Regelungen, die Maß und rechtlichen Bezugspunkt des Anlehnungsverhältnisses unterschiedlich gestalten können.57 Die Feststellung, dass die Hypothek ein akzessorisches Recht ist, sagt also noch nichts darüber aus, dass die Forderung, an welche sich die Hypothek anlehnt, entstanden sein muss. § 1113 II BGB muss daher kein Zeichen einer Durchbrechung der Akzessorietät sein, sondern könnte genauso zum Ausdruck bringen, dass die Hypothek von einer künftigen Forderung abhängig ist.
53
Siehe § 5 Fn. 239. Assmann, S. 9. 55 Habersack, JZ 1997, 857. 56 Mincke, S. 201 f. (auch zur Hypothek). 57 Habersack, JZ 1997, 857, 863 f.; E. Lehmann, S. 9; Becker-Eberhard, S. 49 – 53; 268 – 308. 54
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§ 6 Hypothek gemäß § 1113 II BGB
III. Scheidelinie zwischen künftiger und bestehender Hypothek nach den inhaltsbestimmenden Vorschriften des Hypothekenrechts Auf was für einem Akzessorietätsverständnis das Hypothekenrecht gebaut ist, hängt letztlich davon ab, wie viel Recht die (künftige) Forderung enthalten muss, damit eine Hypothek in Existenz treten kann. Das ist den Regelungen des Hypothekenrechts in ihrer systematischen Gesamtheit zu entnehmen. Aufschluss hierüber versprechen § 1163 BGB, der die Grenzen der Existenz der Fremdhypothek zum Gegenstand hat, sowie die Normen, welche das Rechtsverhältnis im Stadium vor der Fälligkeit der Forderung regeln, da sie zeigen, auf welche der durchsetzbaren Forderung vorgelagerte Stufe die Hypothek aufgebaut ist: Zu diesen Normen gehören die Vorschriften über den Schutz des Hypothekenrechts vor einer Beeinträchtigung der Pfandsicherheit (§§ 1133 – 1135 BGB), den Haftungsverband (§§ 1120 – 1130 BGB) und den Rang einer Hypothek.58
1. § 1163 BGB Die herrschende Meinung will mit §§ 1163 I 1, 1177 I BGB belegen, dass die Hypothek vor dem Entstehen der Forderung nicht existieren kann (C.II.). § 1163 I 1 BGB ist indes nicht eindeutig: Der Wortlaut („Ist die Forderung, für welche die Hypothek bestellt ist, nicht zur Entstehung gelangt, so steht die Hypothek dem Eigentümer zu.“) muss nicht zwingend den Zeitraum erfassen, in dem die Forderung noch nicht zur Entstehung gelangt ist.59 Die Formulierung im Perfekt spricht eher dafür, dass die Nichtentstehung feststehen muss, wie das etwa der Fall wäre, wenn eine Bedingung endgültig ausfällt.60 Die Formulierung im Perfekt schließt die herrschende Anwendung der Vorschrift zwar ebenso wenig eindeutig aus, da eine künftige Forderung noch nicht und damit derzeit genauso „nicht zur Entstehung gelangt ist“;61 jedoch vermittelt der Wortlaut nicht den Eindruck, als habe der Gesetzgeber hier die Scheidelinie zwischen einer existenten und einer nicht existenten Hypothek im Fall von § 1113 II BGB aufstellen wollen, zumal der Wandel der vorläufigen Eigentümergrundschuld zur Fremdhypothek dort auch keine Erwähnung findet. Es überzeugt daher nicht, das Schicksal der Hypothek nach § 1113 II BGB allein an § 1163 I 1 BGB festzumachen, zumal der Bestand der Hypothek auch bzw. doch in erster Linie eine Frage der Aufgaben sein muss, die sie als ein bestehendes Recht erfüllen soll. Über diese Aufgaben vermögen die nachfolgend untersuchten Vorschriften aus dem Umfeld von § 1113 BGB Erkenntnisse zu geben. 58
v. Lübtow, FS Lehmann, 1956, S. 328, 352. Das räumen selbst Vertreter der h. M. ein, vgl. Becker-Eberhard, S. 310. 60 Ebenso Sternberg, JherJb. 62 (1913), 377, 404. 61 A. A. Sternberg, JherJb. 62 (1913), 377, 405: Wortlaut stehe entgegen. 59
E. Systematik
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2. § 1133 BGB Nach § 1133, ggf. i. V. m. § 1135 BGB, kann der Gläubiger gemäß § 1147 BGB Befriedigung aus dem Grundstück suchen, wenn infolge einer Verschlechterung des Grundstücks oder seines Zubehörs die Sicherheit der Hypothek gefährdet ist, und zwar auch dann, wenn die persönliche Forderung noch nicht durchsetzbar ist (vgl. § 1133 S. 3 BGB). Der Anspruch aus § 1133 S. 2 BGB setzt aber voraus, dass die Verpflichtung des Schuldners bereits entstanden ist.62 Ein insoweit ähnliches Beispiel ist § 216 I BGB, wonach der Gläubiger seine Befriedigung nach Maßgabe von § 1147 BGB aus dem Grundstück suchen darf, obwohl der bereits entstandenen Forderung eine dauerhafte Einrede entgegensteht (vgl. § 1137 BGB).63 § 1133 BGB, wie auch § 216 BGB, vermögen in diesem Zusammenhang also zu belegen, dass die Hypothek einen (eigenen) Sinn ergeben kann, wenn die Forderung nicht durchsetzbar ist; sie zeigen aber auch, dass die Hypothek die ihr in diesen Vorschriften zugedachten Aufgaben nur erfüllen kann, wenn die Forderung mehr als eine künftige, nämlich bereits entstanden ist.
3. § 1134 BGB Nach § 1134 BGB kann der Gläubiger auf Unterlassung klagen, wenn auf das Grundstück so eingewirkt wird, dass eine die Sicherheit der Hypothek gefährdende Verschlechterung des Grundstücks zu besorgen ist. Da ein künftiger Gläubiger bereits in dem Zeitraum, in welchem die Forderung noch künftig ist, daran interessiert ist, dass das Grundstück die Werthaltigkeit behält, mit der er ab Entstehen der Schuld kalkuliert, würde die Existenz der Hypothek schon in diesem Zeitraum durchaus sinnvoll sein.64 § 1134 BGB könnte der Hypothek also einen Inhalt verleihen, wenn sie vor Entstehen der Forderung existieren würde.65 § 1134 BGB kann allerdings weder seinem Wortlaut noch seinem Zweck nach entnommen werden, dass die Hypothek zwingend bereits vor der Forderung existieren müsste. Der Schutz nach § 1134 BGB wäre lediglich umfassender, wenn es die Hypothek bereits vorher gäbe. Ein solch umfassenderer Schutz wäre indes nicht vorstellbar, wenn der Gläubiger noch keinerlei materielle Rechtsposition innehätte. Für den künftigen Gläubiger, der lediglich eine tatsächliche Aussicht auf Erwerb der Forderung hätte, wäre die Zuerkennung eines Abwehrrechtes nach § 1134 BGB ein Geschenk, das nicht durch eine entsprechende Berechtigung gedeckt wäre; die Hypothek kann diese Berechtigung allein nicht geben, da sie grundsätzlich eine Forderung benötigt. Für den potentiellen Gläubiger, dessen Forderungserwerb nur 62
Vgl. MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1133 Rz. 14. Die Vormerkung erfasst § 216 I BGB ausdrücklich nicht, MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl. 2012, § 216 Rz. 3. 64 Laufke, S. 86 f. 65 Ebenso Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1459. 63
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noch von einem ungewissen, zukünftigen Ereignis, etwa einer Genehmigung durch einen Dritten, abhängt, ließe sich ein präventives Abwehrrecht hingegen rechtfertigen. Diese notwendige Differenzierung übersieht Wilhelm, wenn er einerseits von der Anwendbarkeit von § 1134 BGB auf eine Fremdhypothek für künftige Forderungen ausgeht, andererseits von dem Erfordernis eines Rechtsbodens Abstand genommen hat.66 Für § 1134 BGB ergäbe eine existierende Hypothek für eine künftige Forderung also einen Sinn, aber nur wenn sie von einer gewissen schuldrechtlichen Rechtsstellung des künftigen Gläubigers getragen ist.
4. §§ 1120 ff. BGB §§ 1120 ff. BGB sind wiederum auf eine entstandene Forderung zugeschnitten, da der maßgebliche Zeitpunkt für die Zugehörigkeit zum Haftungsverband durchweg die Beschlagnahme ist (vgl. §§ 1121, 1122 – 1124, 1126, 1129), was die Haftung des Schuldners voraussetzt. Soweit der Haftungsverband durch das Zwangsvollstreckungsrecht bereits vor diesem Zeitpunkt einen Schutz erfährt (§ 865 II 1 ZPO), ergeben sich daraus keine Anforderungen an die Verfasstheit der künftigen Forderung, weil dieser Schutz abstrakt ist und nicht einmal die Eintragung einer Hypothek voraussetzt, vielmehr den „hypothetischen“ Haftungsverband betrifft.67 Einer Hypothek für eine künftige Forderung käme nach §§ 1120 ff. BGB also keine Funktion zu.
5. Rangwirkung (§ 879 BGB) Anders als § 1209 BGB für das Fahrnispfandrecht regelt das Hypothekenrecht den Rang einer Hypothek, die für eine künftige Forderung bestellt worden ist, nicht. Eine solche Regelung ist nicht erforderlich, da sie von § 879 BGB allgemein für Rechte an Grundstücken getroffen wird.68 Danach bestimmt sich das Rangverhältnis unter mehreren Rechten in derselben Abteilung des Grundbuchs schlicht nach der Reihenfolge der Eintragungen. Es bedarf also nur einer Regelung, dass die Hypothek bereits in das Grundbuch eingetragen werden darf, obwohl die Forderung, an die sie sich anlehnt, noch künftig ist. Das übernimmt § 1113 II BGB.69 Damit ist der Satz, dass sich der Rang einer Hypothek für eine künftige Forderung nach der Zeit ihrer Eintragung richtet,70 vom Gesetz gedeckt. 66
Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1459 u. Rz. 1586. Wieczorek/Schütze/Storz, 3. Aufl., § 865 Rz. 2; Zöller/Stöber, § 865 ZPO Rz. 9. 68 Sternberg, JherJb. 62 (1913), 377, 418; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1113 Rz. 35; MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 52. 69 § 879 II BGB betrifft einen anderen Fall, nämlich die nachträgliche Einigung über die Bestellung der Hypothek. 70 Motive, Bd. 3, S. 638; Soergel/Konzen, BGB, 13. Aufl., § 1113 Rz. 15. 67
E. Systematik
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Daraus kann jedoch nicht zwingend gefolgert werden, dass das Gesetz bereits von der Existenz einer solchen Hypothek ausgeht. § 1113 II BGB könnte schlicht formellen Gehalt haben.71 Bei einer solchen Interpretation würde der Rang also ohne ein dahinter stehendes Recht zugeteilt und reserviert. Dies erscheint unbedenklich, da der Rang nicht mit dem Zugriff auf das Vermögen gleichzusetzen ist. Der Rang wird ohnehin nicht nach dem Prinzip des besseren Rechts zugeteilt. Das zeigt § 1179a II 1 BGB, wonach der bessere Rang erst dann einem anderen Rechtsinhaber zur Verfügung zu stellen ist, wenn die Entstehung der in Aussicht genommenen Forderung nicht mehr denkbar ist, ohne dass ausschlaggebend wäre, ob der Schuldner bis dahin bereits gebunden war.72 Das ist nicht etwa eine Zurücksetzung von Gläubigern, die eine bessere Rechtsposition begehren, aber an den ersten Rang nicht mehr gelangen können, sondern Ausdruck des Rangreservierungssystems des BGB.73 Dieses überlässt die Steuerung dem Eigentümer, der ein Interesse daran hat, den ersten Rang nicht einem jeden künftigen Gläubiger zu überlassen, da vielfach Kreditgeber kraft Gesetzes oder Satzung nur Sicherheit ersten Ranges akzeptieren dürfen, für den zweiten also gar nicht zu gewinnen sind.74 Gläubiger mit schlechterem Rang lassen sich diesen Nachteil über einen höheren Zinsfuß nach Art einer Risikoprämie vergüten.75 Das zeigt, dass ein Rang ohne Rechtsposition nicht von vorneherein unverdient ist, sondern der wirtschaftlichen Kalkulation ganz im Sinne der Rechtssicherheit dienlich ist.76 Auch § 879 II BGB bestätigt, dass das BGB die Rangreservierung vor Entstehen des Rechts hinnimmt. Schließlich besteht auch kein konstruktiver Zwang, aus einem zugeteilten Rang auf die Existenz eines Rechts zu schließen: Der Rang muss nämlich nicht zwingend als Inhalt eines Rechts gedacht werden, sondern kann ebenso als Ausdruck der äußeren Lage eines Rechts gegenüber einem konkurrierenden zu begreifen sein.77 Aus alledem folgt, dass die Zuteilung des Rangs über §§ 1113 II, 879 BGB keinesfalls zwingend bedeutet, dass bereits eine Hypothek bestehen müsste.
IV. Zwischenergebnis Vorwiegend weist das Gesetz der Hypothek erst eine Aufgabe zu, wenn die gesicherte Forderung entstanden ist (§§ 1163, 1133, 1120 ff., 216 BGB); die Hypothek ohne entstandene Forderung wird hier nicht gebraucht. Aus der Rangwirkung der für künftige Forderungen bestellten Hypothek (§§ 879 I, 1113 II BGB) kann 71
Baur/Stürner, § 37 Rz. 21; E. Lehmann, S. 26. Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1179a Rz. 42. 73 Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1163 Rz. 6. 74 Prütting, Sachenrecht, S. 283 f. 75 Baur/Stürner, § 17 Rz. 4 f. u. § 36 Rz. 9. 76 Baur/Stürner, § 17 Rz. 2. 77 Baur/Stürner, § 17 Rz. 6; E. Wolf, Lehrbuch des Sachenrechts, S. 416. 72
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§ 6 Hypothek gemäß § 1113 II BGB
ebenso wenig die Vorabexistenz der Hypothek gefolgert werden. Eine Ausnahme ist § 1134 BGB; hier würde der Hypothek nach § 1113 II BGB als existentes Recht eine Funktion zukommen, wenn die künftige Forderung bereits eine Art Rechtsboden aufweist.
F. Teleologische Analyse I. Befriedigungsfunktion (§§ 1113 I, 1147 BGB) Im Folgenden sei untersucht, inwieweit der Zweck der Hypothek als Befriedigungsrecht es gebietet, dass die für eine künftige Forderung bestellte Hypothek selbst bereits existiert oder nicht. Die Hypothek soll ihrem Gläubiger das Recht geben, sich aus dem belasteten Grundstück zu befriedigen (§§ 1113 I, 1147 BGB). Wollte man der Hypothek bereits vorher, als „Fremdhypothek für eine künftige Forderung“, Existenz verleihen, so müsste man ihr, weil § 1113 II BGB auf die Legaldefinition in § 1113 I BGB Bezug nimmt, diesen Inhalt schon vor dem Entstehen der Forderung zusprechen. Um die vom Gesetzgeber ohne Zweifel gewollte Abhängigkeit eines solchen Befriedigungsrechts von der persönlichen Schuld zu achten, wäre dann aber entweder eine Einrede gegen den solchermaßen frühzeitig vorhandenen Hypothekenanspruch erforderlich, mittels der der potentielle Schuldner die Inanspruchnahme seines Grundstücks vor Entstehung der Forderung verhindern könnte. Oder aber man müsste annehmen, dass der Anspruch aus § 1147 BGB innerhalb des subjektiven Rechts „Hypothek“ erst später entsteht. § 1137 BGB, welcher die Einreden gegen die bestehende Hypothek regelt, zeigt jedoch, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass der Hypothekenanspruch erst mit der Forderung entsteht, da er offenbar keinen Bedarf sah, auch der Forderung entgegenstehende Einwendungen dem Anspruch aus § 1147 BGB einredeweise entgegen stellen zu lassen.78 Wenn die Hypothek für eine künftige Forderung also bereits existieren würde, müsste man jedenfalls von einem separaten Entstehungszeitpunkt des in ihr enthaltenen Anspruchs aus § 1147 BGB ausgehen. Zwingende Gründe für die Annahme, dass die Hypothek bereits vorher existiert, lassen sich aus ihrer Befriedigungsfunktion aber nicht ableiten.79
78 Sternberg, JherJb. 62 (1913), 377, 411 u. 413 f., überwindet das unter Hinweis auf die Akzessorietät. § 1169 BGB erfasst diesen Fall nicht, MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1169 Rz. 3. 79 Zur Befugnis, sich in der Insolvenz des Eigentümers aus dem Grundstück zu befriedigen (§§ 49 InsO, 1147 BGB), siehe unten G. (S. 230 ff.).
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II. Bestandskraft der Hypothek in der Einzel- und Gesamtvollstreckung Ein anderes Bild könnte sich ergeben, wenn man die Hypothek nicht nur mit ihrem Befriedigungsrecht gleichsetzt, sondern auch ihre anderweitigen Funktionen in den Blick nimmt. Zwar stellt das Befriedigungsrecht nach § 1147 BGB die primäre Funktion der Hypothek dar, jedoch erschöpft sich ihr Zweck nicht darin. In ihrer Funktion als dingliche Belastung entfaltet sie auch dadurch eine wichtige Wirkung, dass sie fortbesteht, wenn das Grundstück verwertet wird. Eine solche Verwertung kann auf Betreiben eines nachrangigen Zwangsvollstreckungsgläubigers oder aber eines Insolvenzverwalters erfolgen. Beide Fälle werden durch die Vorschriften des ersten Abschnitts des ZVG geregelt.80
1. Grundlagen des Zwangsversteigerungsrechts Eine Hypothek mit entstandener Forderung fällt nach § 44 ZVG in das geringste Gebot, wenn sie einen besseren Rang genießt. Sie muss vom Ersteher zwar samt der persönlichen Schuld (§ 53 ZVG) übernommen werden; er erhält jedoch Ausgleich, da der von ihm für das ersteigerte Grundstück zu entrichtende Betrag in Höhe dieser Haftung reduziert wird (§ 49 I ZVG). Aus Sicht des Erstehers bringt die Hypothek also keinen Nachteil: Sein „Kaufpreis“ mindert sich um den Betrag, mit dem er für die Hypothek haftet. Aus Sicht des vorrangigen Grundpfandrechtsgläubigers, dessen Hypothek weiterbesteht, bleibt der Wert der gesicherten Forderung also in der Person des Erstehers bzw. im Grundstück erhalten. Aus Sicht der nachrangigen Gläubiger mindert sich freilich der Versteigerungserlös um diesen Wert; sie erzielen weniger Erlös als das Grundstück objektiv – d. h. ohne Belastung – wert ist.
2. Die Hypothek gemäß § 1113 II BGB in der Zwangsversteigerung Zum Schicksal der für eine künftige Forderung bestellten, vorrangigen Hypothek hält sich die Literatur sehr bedeckt.81 Aufschluss geben zumeist die Erörterungen zur Höchstbetragshypothek. Ausgangspunkt ist die herrschende Auffassung, nach der der Eigentümer und künftige Schuldner während der Künftigkeit der Forderung gemäß §§ 1163 I 1, 1177 I BGB eine Eigentümergrundschuld habe.82 80 Für die Verwertung auf Betreiben des Insolvenzverwalters folgt das aus §§ 165 InsO, 172 ZVG, HK-Kreft/Kayser, 6. Aufl. 2011, § 165 Rz. 1 ff. 81 Ausnahme die grundlegende Abhandlung von Sternberg, JherJb. 62 (1913), 377, 458 – 482, der allerdings nicht von der heute herrschenden Auffassung ausgeht und sich vor allem der nachrangigen Hypothek zuwendet; insoweit vertritt er folgerichtig, dass die analoge Anwendung von § 119 ZVG zwar denkbar, aber zugunsten der unmittelbaren Anwendung von § 126 ZVG weichen muss. 82 Oben bei Fn. 35.
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Die mit dieser verbundene Belastung soll der Ersteher in einer Zwangsversteigerung übernehmen müssen; die vorläufige Eigentümergrundschuld wird dann im Zuge des Eigentumsübergangs auf den Ersteher zur vorläufigen Fremdgrundschuld des ehemaligen Eigentümers (die sich, wenn die gesicherte Forderung entsteht, in die eingetragene Hypothek zugunsten des künftigen Gläubigers umwandeln würde).83 Durch diese Übernahme entzieht die eingetragene Hypothek also allen übrigen nachrangigen Gläubigern des künftigen Schuldners den Wert des gesicherten Kapitals, weil sich der vom Ersteher zu entrichtende Betrag, wie oben beschrieben, mindert. Dieser Wert ist in der vorläufigen Fremdgrundschuld des künftigen Schuldners verkörpert. Den nachrangigen Gläubigern hingegen bleibt der Zugriff verwehrt. Die vorläufige Fremdgrundschuld des künftigen Schuldners ist für sie als Vollstreckungsgegenstand nämlich so lange uninteressant, wie sie befürchten müssten, dass hieraus noch eine Fremdhypothek des künftigen Gläubigers entstehen kann.84 Solange die Aussicht auf den Erwerb der Hypothek besteht, ist der Wert den nachrangigen Gläubigern also entzogen. Damit entfaltet die nach § 1113 II BGB bestellte Hypothek bereits vor dem Entstehen der Forderung eine Wirkung und daraus folgt zwingend, dass diese Hypothek für den eingetragenen Inhaber bereits existent ist. Dies ergibt sich aus dem Vergleich mit einer im Grundbuch vorrangig eingetragenen Hypothek, deren Bestellung unwirksam ist, weil die Einigung einen Mangel aufweist. Wurde solch eine Hypothek im geringsten Gebot berücksichtigt, so hat der Ersteher nach § 50 I 1 ZVG auch den Betrag des berücksichtigten Kapitals und damit den ungeminderten Preis für das Grundstück zu zahlen; die Hypothek würde erlöschen (§ 52 I ZVG). Überträgt man dies auf die Fremdhypothek nach § 1113 II BGB, so müsste sie bei einer Zwangsversteigerung durch einen nachrangigen Gläubiger eigentlich entfallen, wenn sie wirklich inexistent wäre. Die nach der herrschenden Meinung dem ehemaligen Eigentümer und künftigen Schuldner verbleibende Fremdgrundschuld stünde dann den nachrangigen Gläubigern als Vollstreckungsgegenstand wieder zur Verfügung, da sie ihre Vorläufigkeit verloren hätte. Gerade so will man die nach § 1113 II BGB bestellte Hypothek in der Zwangsversteigerung aber offenbar nicht behandeln; man behandelt sie vielmehr wie eine wirksame Hypothek. Damit kann man der Hypothek nach § 1113 II BGB im Verhältnis zu ihrem eingetragenen Inhaber aber nicht jeglichen Bestand absprechen: Etwas, das sich in der Zwangsversteigerung zugunsten des eingetragenen Inhabers behauptet, kann für ihn nicht inexistent und muss mehr als eine Buchposition sein.85 83 Stöber, ZVG, § 114 Rz. 5.13 (wohl auch § 44 Rz. 5.4); Böttcher, ZVG, 5. Aufl. 2010, § 117 Rz. 12 (wohl auch § 44, 45 ZVG Rz. 62); wohl auch Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Stumpe, § 48 ZVG Rz. 6. Zur Höchstbetragshypothek auch Fischer, NJW 1955, 573, 574; Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1190 Rz. 10. 84 Vgl. Stahlmann, S. 70 – 76. 85 Andere Vertreter der Ansicht, dass die Hypothek für eine künftige Forderung bereits besteht, gelangen auf anderem Wege zu diesem Ergebnis: Sternberg, JherJb. 62 (1913), 377, 404 – 415, begründet die Existenz der Hypothek für eine künftige Forderung mit der Unanwendbarkeit von § 1163 I 1 BGB. Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1447 – 1459, stützt sich vor allem auf grundbuchrechtliche Erwägungen.
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III. Materielle Deutung von § 1113 II BGB Zu klären ist, ob diese Behandlung der für eine künftige Forderung bestellten Hypothek in der Zwangsversteigerung überhaupt in Einklang mit § 1113 II BGB zu bringen ist. Wie bereits eingangs erwähnt, sind zwei grundlegende Interpretationen der Vorschrift möglich, eine grundbuchrechtliche und eine materielle. Dahinter steht der Widerstreit, ob § 1113 II BGB lediglich besagt, dass die Hypothek bereits dann eingetragen werden kann, wenn die Forderung noch künftig ist, oder ob § 1113 II BGB zu entnehmen ist, dass die Hypothek für eine künftige Forderung als Fremdhypothek mit einem materiellen Gehalt existiert. Dahinter verbirgt sich letztlich die rechtspolitische Frage, ob mit einer Hypothek nach § 1113 II BGB dem Gläubiger Vermögen für den Eventualfall der Forderungsentstehung reserviert werden kann, welches dann zwangsläufig dem Zugriff anderer Gläubiger entzogen ist. Dass für eine solche „Reservierung“ ein praktischer Bedarf besteht, zeigen Gerichtsentscheidungen aus neuerer Zeit: In einem Fall verpflichtete sich der Schuldner, Kanalzuleitungen in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten und räumte dem Gläubiger das Recht zur Ersatzvornahme für den Fall der Nichterfüllung ein; dieser ließ sich für seinen potentiellen Kostenerstattungsanspruch aus einer ggf. in Zukunft vorzunehmenden Ersatzvornahme eine Sicherungshypothek am Grundstück des Schuldners eintragen.86 In einem anderen Fall ließ sich der Gläubiger einer potentiellen Vertragsstrafeforderung eine Sicherungshypothek am Grundstück des Schuldners bestellen.87 In beiden Sachverhalten wird die mit der Hypothekenbestellung verknüpfte Erwartung der Parteien sichtbar, dass sie dieser besonderen Sicherung nicht dadurch verlustig gehen, dass andere Gläubiger die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreiben, auch wenn zu dieser Zeit nicht feststeht oder gar unwahrscheinlich ist, dass die gesicherte Forderung überhaupt entstehen wird. Wer in § 1113 II BGB lediglich eine grundbuchrechtliche Bestimmung sehen will,88 müsste in der Hypothek für eine künftige Forderung bloß eine formelle Reservierung des Rangs sehen, die den eingetragenen Inhaber gegen eine anderweitige Vergabe der Rangstelle durch den Eigentümer bzw. das Aufrücken später hinzutretender Gläubiger schützt. Ein solches Verständnis von § 1113 II BGB als eine bloße Rangerhaltungsvorschrift entspricht der herrschenden Auffassung über die Nichtexistenz der für eine künftige Forderung bestellten Hypothek. Danach soll die Hypothek für eine künftige Forderung lediglich eine Buchposition sein, die so lange nicht entfernt werden darf, wie der Eigentümer zu ihrer Bewilligung verpflichtet ist.89 Da bei einem solchen Verständnis mit der nach § 1113 II BGB 86
OLG Hamm, I‑15 W 348/10 – 25.10.2010, BeckRS 2011, 02681. BayObLG, 02.03.2000 – 2Z BR 183/99, NZM 2000, 885. 88 Nachw. oben Fn. 39. 89 Prütting, Sachenrecht, S. 313: „Das Grundbuch ist zwar unrichtig, solange die Forderung nicht entstanden ist, doch kann der Eigentümer nicht die Berichtigung in Form der Eintragung 87
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bestellten Hypothek keinerlei materielle Berechtigung verbunden wäre, müsste man dann konsequenterweise jede tatsächliche Aussicht für die Hypothek genügen lassen, zumal die Rangsicherung auf ein zugrundeliegendes Recht nicht angewiesen ist (oben S. 212 f.). Der Gesetzeswortlaut und die Systematik lassen indes auch eine materielle Deutung von § 1113 II BGB zu. Nach § 1113 II BGB kann „[d]ie Hypothek“ auch für eine künftige oder eine bedingte Forderung bestellt werden. Was eine solche Hypothek ist, definiert Absatz 1. Das spricht dafür, dass die Hypothek nach Absatz 2 bereits die Funktionen einer Hypothek in sich tragen kann. Darüber hinaus regelt § 1113 I BGB nicht die Bestellung der Hypothek (das übernimmt § 873 BGB), sondern allein ihren materiellen Inhalt, weshalb ein formell verstandener § 1113 II BGB an sich ein Fremdkörper innerhalb der Vorschrift wäre. Einen formellen Gehalt hätte der Gesetzgeber viel besser zum Ausdruck bringen können, indem er die Regelung des § 1113 II als dritten Absatz in § 1115 BGB eingefügt hätte. Darüber hinaus liefern die gemeinsam mit dem BGB in Kraft getretenen §§ 48, 50 ZVG einen deutlichen Beweis dafür, dass der Gesetzgeber die Reservierung von Vermögen für den Eventualfall ausdrücklich hinnehmen wollte. Nach § 48 ZVG ist eine unter einer Bedingung bewilligte Hypothek als für die Zwangsversteigerung bestehendes Recht zu behandeln mit der Folge, dass die Barzahlung des Erstehers um das gesicherte Kapital so lange reduziert wird, bis der Ausfall der Bedingung feststeht (§ 50 II Nr. 1 ZVG); das Kapital wird dem bedingten Hypothekengläubiger also so lange reserviert, wie der Eventualfall eintreten kann, und sogar ohne dass es – wie bei § 191 II InsO – auf die Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts ankommen soll. Das spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Reservierung von Vermögen für einen Eventualfall zulasten anderer Gläubiger hinnimmt.90 Zudem kann ein Hypothekengläubiger, dessen persönliche Forderung noch nicht entstanden ist, den gleichen Schutz in der Zwangsversteigerung erreichen, wenn er sich für einen bestehenden Anspruch auf Bewilligung einer Hypothek eine Vormerkung eintragen lässt;91 dann wird er nach § 48 ZVG so gestellt, als habe er die Hypothek bereits, und kann das Entstehen der Forderung abwarten.92 Bei der auf § 1113 II BGB angewiesenen Höchstbetragshypothek erwiese sich der Weg über § 883 BGB wegen ihrer dynamischen Abhängigkeit vom jeweiligen seiner bedingten Grundschuld verlangen. Ihm steht die Einwendung des Gläubigers gegenüber, daß er zur Bestellung der Hypothek verpflichtet ist.“; Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1163 Rz. 6. 90 Eine analoge Anwendung von § 48 ZVG auf für bedingte Forderungen bestellte und damit rechtsbedingte Hypotheken ist damit freilich nicht verbunden, weil der Ausfall der Bedingung bei diesen Hypotheken nicht den Wegfall der Hypothek, sondern die Umwandlung in eine Eigentümergrundschuld zur Folge haben muss (§ 1163 I 1 BGB in direkter Anwendung), Dassler/ Schiffhauer/Hintzen, ZVG, § 50 Rz. 21; Stöber, ZVG, § 48 Rz. 2.2; im Ergebnis auch Sternberg, JherJb. 62 (1913), 377, 458 (Unanwendbarkeit von § 50 ZVG). 91 Dazu MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 883 Rz. 45. 92 Stöber, ZVG, § 48 Rz. 3.1.
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Forderungsbestand allerdings als nicht praktikabel, so dass gerade hier § 1113 II BGB in materieller Deutung einen Mehrwert bringt. All das spricht dafür, dass der Gesetzgeber der für einen Eventualfall gedachten Vermögensreservierung bei noch nicht entstandener Schuld Anerkennung zollt.93 Der Wortlaut von § 1113 II BGB steht dem jedenfalls nicht entgegen und seine systematische Stellung spricht sogar für einen solchen materiellen Gehalt von § 1113 II BGB.
IV. Vorabexistenz einer Hypothek für künftige Forderungen Das herrschende Postulat von der Nichtexistenz der Hypothek vor dem Entstehen der Forderung weist Brüche auf. Während man aus der hypothekarischen Befriedigungsfunktion nicht zwingend auf den Bestand der Hypothek nach § 1113 II BGB rückschließen kann, weil jedenfalls die Forderung entstehen muss (oben F.I.), zeichnet namentlich das Recht der Zwangsversteigerung ein ganz anderes Bild. Angesichts des der Hypothek zukommenden Bestands in der Zwangsversteigerung lässt sich nicht leugnen, dass mit ihrer Eintragung auch eine materiell-rechtliche Position ihres Inhabers einhergeht, zumal der Bestand in einer Zwangsversteigerung keinesfalls Nebensache, sondern für ein Sicherungsmittel wesentlich ist. Das Problem ist, dass man die Debatte über die Vorabexistenz der Hypothek immer unter dem Gesichtspunkt führt, dass diese Existenz die Anerkennung einer vorläufigen Eigentümergrundschuld ausschließen würde, welche aus der Kreditsicherungspraxis nicht mehr wegzudenken ist; man bekämpft entweder die Eigentümergrundschuld mit dem Argument, dass die Hypothek bereits vorher besteht, oder leugnet die Existenz der Hypothek mit Verweis auf die (Notwendigkeit einer) Eigentümergrundschuld.94 Warum man beides nicht für vereinbar ansieht, liegt an dem Wortlaut von § 1163 I BGB, wonach die Hypothek „dem Eigentümer zusteht“ – und damit eben nicht jemand anderem. Dabei übersieht man, dass der Wortlaut auf die Fälle zugeschnitten ist, in denen die Forderung endgültig nicht mehr zur Entstehung gelangt oder erloschen ist; der Gesetzgeber steht in solchen Fällen vor der Situation, dass das Hypothekenrecht ohne Forderung funktionslos ist und daher untergehen müsste, wenn er es nicht ausdrücklich dem Eigentümer zuweisen würde. Bei § 1113 II BGB verhält es sich hingegen anders. Die Hypothek hat hier auch ohne entstandene Forderung bereits einen materiellen Inhalt, der sich in § 1134 BGB und einer Zwangsversteigerung äußert. Ihre ausschließliche Zuweisung an den Eigentümer ist nicht erforderlich, um sie überhaupt zu erhalten, sondern tritt sogar in Konflikt mit einer materiellen Deutung von § 1113 II BGB, die sie jedenfalls auch dem eingetragenen künftigen Gläubiger zuweist. Die herrschende Meinung löst diesen Konflikt, indem sie – im 93
Im Ergebnis auch Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1113 Rz. 36. Vgl. Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1447 – 1459; Becker-Eberhard, S. 308 – 312 m. w. N.
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Interesse der Zwischenfinanzierungspraxis – die Vorschrift des § 1113 II BGB dem § 1163 BGB unterordnet und auf eine grundbuchrechtliche Vorschrift reduziert, die an dieser Stelle im Gesetz an sich fehl am Platze ist. Dabei gerät aus dem Blick, dass – anders als bei § 1163 I BGB – der Verbleib der Hypothek bei ihrem eingetragenen Inhaber nicht zwangsläufig das Ende der dinglichen Belastung (und seiner Nutzung für andere Zwecke) bedeutet, sondern eine – von § 1113 II BGB – gestützte Funktion hat. Die Lösung läge darin anzuerkennen, dass die Hypothek nach § 1113 II BGB bereits als Fremdhypothek mit einem Inhalt existiert und bis zu einem Entstehen der Forderung auch dem Schuldner als vorläufige Eigentümergrundschuld zusteht. Letztere ließe sich mit einer Analogie zu § 1177 I BGB begründen. Wer in dieser Existenz der Hypothek nach § 1113 II BGB einen Widerspruch zur Existenz einer Eigentümergrundschuld erblickt, weil ein Recht nur entweder dem Einen oder dem Anderen zustehen könne,95 der übersieht, dass die herrschende Meinung eine solche Zweiteilung der Rechtsposition schon längst pflegt, wenn sie dem potentiellen Gläubiger – bei der Frage der Übertragbarkeit seiner Position96 – unter dem Deckmantel der Eigentümergrundschuld ein dingliches Anwartschaftsrecht zugesteht.97 Weit weniger Widerspruch entsteht, wenn man sich dazu bekennt, dass § 1113 II BGB ein dingliches Hypothekenrecht zugunsten des potentiellen Gläubigers anerkennen will und die Frage nach seinem Inhalt weit besser beantworten kann als die Hilfsnorm des § 1163 BGB. Das wird dem Charakter der für eine künftige Forderung bestellten Hypothek weit besser gerecht.
V. Grundbuchrecht Nach der herrschenden, an § 1163 I 1 BGB ausgerichteten Sichtweise existiert die Hypothek vor Entstehung der Forderung noch nicht. Daher geht man davon aus, dass das Grundbuch ab Eintragung der Hypothek nach § 1113 II BGB von Anfang an unrichtig ist; denn Eintragung und materielle Rechtslage fallen (noch) auseinander.98 Ein Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894 BGB) soll daran scheitern, dass der Buchgläubiger diesem die Verpflichtung des Eigentümers entgegenhalten darf, die Hypothek im Hinblick auf eine künftige Forderung zu 95 Bezeichnend BGH, 12.04.1961 – V ZR 91/59, NJW 1961, 1352: „Hypothek und Eigentümergrundschuld sind für die Anwendung von § 91 Abs. 1 in Verb. m. § 52 Abs. 1 ZVG keine verschiedenen Rechte, sondern es handelt sich um dasselbe Recht, das lediglich einen anderen Inhaber bekommt und inhaltlich ohne entscheidende Änderung der Belastung gewandelt ist.“ 96 Dazu noch unten J.II. 97 MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1163 Rz. 17; Soergel/Konzen, BGB, 13. Aufl., § 1163 Rz. 11; Baur/Stürner, § 46 Rz. 20; Laufke, S. 37 – 57. Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1163 Rz. 33 spricht bloß von einer „Anwartschaft“, was in sich stimmig wäre, da er keinen Rechtsboden voraussetzt. A. A. Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1593 – 1604. 98 Prütting, Sachenrecht, S. 313; Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1163 Rz. 6.
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bewilligen, solange deren Entstehung noch möglich ist.99 Im Ergebnis wird damit die „Richtigkeit“ des Grundbuchs von dem obligatorischen Rechtsgrund für die Bestellung, nicht aber von einem dinglichen Recht abhängig gemacht. Anderes muss gelten, wenn man die Vorabexistenz einer Hypothek nach § 1113 II BGB bejaht. Das Grundbuch ist dann richtig, da die Eintragung mit der Rechtslage übereinstimmt.100 Da diese Hypothek infolge ihrer Akzessorietät von der Möglichkeit abhängig ist, dass eine künftige Forderung einmal entsteht, wird das Grundbuch erst falsch, wenn die Forderung nicht mehr entstehen kann.101 Entsprechend ist doch auch ein Löschungsanspruch nachrangiger Grundpfandrechtsgläubiger gemäß § 1179a II 1 BGB davon abhängig, dass die Forderung, an die die Parteien gedacht haben, nicht mehr entstehen kann.102 Dem Anspruch auf die Bewilligung der Hypothek kommt damit keine Rolle zu; die systemwidrige Abhängigkeit des Grundbuchs vom obligatorischen Rechtsgrund ist ohnehin nur aus der falschen Not heraus geboren, dass man die Hypothek für eine künftige Forderung als nicht existent betrachtet.
VI. Rechtsbodenerfordernis Während eine Deutung von § 1113 II BGB als bloße Rangerhaltungsvorschrift von einem Rechtsbodenerfordernis befreien müsste,103 wirft die vorstehend ermittelte materielle Bedeutung von § 1113 II BGB wegen ihrer damit verbundenen Vermögensteilhabe des Hypothekeninhabers in einer Zwangsversteigerung die Frage nach einem Rechtsboden auf. Soweit die Literatur ein Rechtsbodenerfordernis befürwortet, werden die Sorge vor einer Grundbuchsperre (dazu 1.), die Benachteiligung anderer Gläubiger (dazu 2.) sowie der Vergleich mit § 883 I 2 BGB (dazu 3.) zur Rechtfertigung angeführt. Diese Argumente seien im Folgenden gewürdigt und noch um Erwägungen zur Spezialität (dazu 4.) ergänzt.
1. Grundbuchsperre Dort, wo die Beschreibung der künftigen Forderung mangels eines Rechtsbodenerfordernisses auf ein abstraktes Minimum von Merkmalen reduziert ist, besteht in der Tat die Gefahr, dass die Hypothek kaum gelöscht werden könnte, da die Wahrscheinlichkeit immer größer wird, dass eine später entstehende Forderung 99 Im Ergebnis ganz h. M., vgl. Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2013, § 894 Rz. 129 m. w. N.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rz. 470; Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1163 Rz. 6. 100 Ebenso: Sternberg, JherJb. 62 (1913), 377, 422 – 424. 101 Sternberg, JherJb. 62 (1913), 377, 439 – 448. 102 MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1163 Rz. 16. 103 Oben F.III. (S. 217 ff.).
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der Beschreibung entspricht.104 Die Befürchtung in der Literatur, dass hieraus eine Grundbuchsperre wie bei der Vormerkung resultiere,105 trifft indes nicht zu. Die Verkehrsfähigkeit des Grundstücks ist nicht eingeschränkt, weil im Fall der Zwangsversteigerung des Grundstücks die Hypothek zwar übernommen werden muss, der Ersteher aber Ausgleich durch Minderung des zu entrichtenden Barbetrags erhält (§ 49 ZVG). Der Ersteher muss nicht – wie bei der Auflassungsvormerkung – befürchten, dass ihm jemand sein Eigentum streitig macht und die Sorge, dass sich potentielle Bieter von der Zwangsversteigerung abschrecken lassen, ist daher nicht berechtigt. Auch der Eigentümer muss nicht davor geschützt werden, dass sich die Löschung der Hypothek gegebenenfalls als schwierig erweist. Zwar kann er die Rangstelle nicht ohne Mitwirkung des derzeitigen Ranginhabers zurückerhalten; er wird jedoch schon im eigenen Interesse nicht leichtfertig Hypotheken für künftige Forderungen vergeben, ohne vorab dafür Sorge zu tragen, dass er diese unter gewissen Umständen wieder löschen kann.106 Der Krisenfall, in dem die Rangstelle zur Refinanzierung dringend nötig ist, während der künftige Gläubiger sie nicht durch Begründung der Forderung nutzen will, kann mit Instrumenten des Schuldrechts gelöst werden (etwa §§ 313, 307, 138 BGB), indem der Schuldner sich von seiner Erklärung löst, dadurch die Aussicht des Gläubigers auf eine Forderung zerstört und das Grundbuch unrichtig wird. Auch die Sorge vor funktionslosen Hypotheken im Grundbuch ist unbegründet. Wenn die Aussicht, dass eine Forderung entsteht, zerstört ist, dann wandelt sich die Hypothek in eine Grundschuld zugunsten des gegenwärtigen Eigentümers um (§§ 1163 I 1, 1177 I BGB).107 Damit kann der Schuldner oder jeder, der das Grundstück mit einer solchen Hypothek erworben hat, ohne weiteres über die Rangstelle verfügen bzw. nach § 894 BGB Umschreibung in eine Eigentümergrundschuld oder Löschung des Eintrags verlangen.108 Hypotheken für künftige Forderungen ohne Rechtsboden würden nach alledem keine grundbuchrechtlichen Bedenken auslösen.
2. Benachteiligung dritter Gläubiger Die Hypothek für eine künftige Forderung bleibt in der Zwangsversteigerung bestehen, während die Frage, wem das in ihr verkörperte Kapital zusteht (dem Schuldner oder dem Hypothekengläubiger) in der Schwebe ist. Das geht zum 104
Dazu, dass diese Gefahr ohnehin sehr reduziert ist, siehe noch unter 4. (S. 225). MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 49. Auch Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1113 Rz. 36, der daraus aber keine einschränkende Auslegung fordert. 106 Bspw. durch antezipierte Löschungsbewilligungen. 107 Vgl. BGH, 12.12.2008 – V ZR 49/08, BGHZ 179, 146 = NJW 2009, 847, 848; Palandt/ Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1163 Rz. 3. 108 Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 894 Rz. 8. 105
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Nachteil nachrangiger Gläubiger: Der ihnen zustehende Erlös aus der Versteigerung des Grundstücks ist um den Wert des Kapitals gemindert und die vorläufige Fremdgrundschuld des Schuldners ist für sie als Vollstreckungsgegenstand uninteressant, da sie befürchten müssten, dass hieraus noch eine Fremdhypothek des künftigen Gläubigers wird.109 Wenn der potentielle Schuldner selbst darüber entscheiden kann, ob die hypothekarisch gesicherte Forderung zur Entstehung gelangt oder nicht, so stünde es sogar in seinem Ermessen, ob der entsprechende Wert im Grundstück dem künftigen Gläubiger zukommt oder einstweilen bei ihm verbleibt. Solange der Schuldner dann keine Entscheidung zugunsten der Forderung trifft und die Aussicht auf den Erwerb der Hypothek besteht, wäre der Wert den nachrangigen Gläubigern auf Dauer entzogen. Gleiches gilt, wenn Schuldner und Gläubiger die Forderungsentstehung vertraglich an ein Ereignis knüpfen, dessen Eintritt möglich, aber unwahrscheinlich ist. Es ist umstritten, ob sich daraus die Notwendigkeit eines Rechtsbodens i. S. v. § 883 I 2 BGB ergibt.110 Im Ergebnis ist dies zu verneinen. Ein Rechtsboden würde solche Schwebelagen zulasten anderer Gläubiger nicht verhindern: Wenn etwa der potentielle Schuldner einer künftigen Vermächtnisforderung für die Zeit nach seinem Tod dem künftigen Gläubiger eine Hypothek bestellt,111 so steht es zwar in seinem Belieben, die Entstehung der Forderung durch Widerruf des Testaments zu verhindern; das ändert sich allerdings nicht, wenn die Hypothek für eine vertraglich bedingte Vertragsstrafenforderung bestellt worden ist, deren Entstehung der potentielle Schuldner durch Vermeidung eines bestimmten Verhaltens verhindern kann, obwohl man in diesem Fall von einem Rechtsboden i. S. v. § 883 I 2 BGB sprechen würde. Wer die Benachteiligung nachrangiger Gläubiger durch Hypotheken nach § 1113 II BGB vermeiden will, müsste schon mehr als einen Rechtsboden nach Art von § 883 I 2 BGB verlangen und wohl fordern, dass die Forderungsentstehung nur noch vom Willen des Gläubigers abhängig sein darf.112 Darüber hinaus müsste man die Eignung einer künftigen Forderung für die Hypothekensicherung von der Wahrscheinlichkeit ihrer Entstehung abhängig machen. Das würde jedoch § 1113 II BGB zuwiderlaufen, der anhand der obigen Untersuchungen gerade zum Ausdruck bringen will, dass der Gesetzgeber solche für andere Gläubiger nachteilhafte Schwebelagen und insbesondere deren Abhängigkeit von einem ungewissen Ereignis akzeptiert.113 Die Benachteiligung nachrangiger Gläubiger ist damit die zwangsläufige Kehrseite der Entscheidung des Gesetzgebers, dem Gläubiger mit § 1113 II BGB ein Instrument an die Hand 109
S. oben F.II.2. (S. 215 f.). Dafür: MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl. 2013, § 1113 Rz. 49. Dagegen: Staudinger/ Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1113 Rz. 36. 111 Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1113 Rz. 41, hält das in sich folgerichtig für zulässig. 112 Das ist für einen Rechtsboden nach § 883 I 2 BGB nicht erforderlich (wenngleich hinreichend), dazu § 5 F.I.2. (S. 173 ff.). 113 Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1113 Rz. 36. 110
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zu geben, um sich den Zugriff auf das Grundstück für einen Eventualfall zu sichern (dazu oben F.III.). Was schließlich die formelle Benachteiligung anderer dinglicher Gläubiger angeht, die den ersten Rang nicht nutzen können, macht § 1179a II 1 BGB deutlich, dass sie grundsätzlich ohnehin keinen Anspruch auf Nutzung der ersten Rangposition haben.114 Das ist hinnehmbar, da sich nachrangige Gläubiger ihren zweiten Rang durch einen erhöhten Zinsfuß nach Art einer Risikoprämie bezahlen lassen.115 Mit dem Argument der Benachteiligung anderer Gläubiger lässt sich ein Rechtsbodenerfordernis daher nicht rechtfertigen.
3. Vergleich mit § 883 I 2 BGB Es ist überhaupt fraglich, ob der Vergleich mit dem für § 883 I 2 BGB aufgestellten Rechtsbodenerfordernis angestellt werden darf. In beiden Fällen, bei der Hypothek nach § 1113 II BGB und der Vormerkung nach § 883 I 2 BGB, geht es darum, dem Gläubiger den Zugriff auf das Grundstück auch dann noch zu sichern, wenn der künftige Schuldner darüber anderweitig verfügt. Weil die Vormerkung von vornherein dazu berufen ist, solche Verfügungen zu verhindern, ist eine den Gläubiger wirklich beeinträchtigende Verfügung – rechtlich und faktisch – aber überhaupt nur denkbar, wenn der Schuldner die eingetragene Vormerkung einseitig löschen lässt; daher soll das Rechtsbodenerfordernis aus § 883 I 2 BGB durch die Bindung des Schuldners ausschließen, dass dieser die Vormerkung einseitig löschen kann (s. § 5 F.I.). Bei einer eingetragenen Hypothek ist es demgegenüber immerhin logisch denkbar, dass der künftige Schuldner über das Grundstück verfügt und die Hypothek weiterhin als Belastung bestehen bleibt; anders als die Vormerkung bildet die Hypothek auch kein faktisches Hindernis für solche Verfügungen (oben S. 221 f.).116 Für die Hypothek muss also nicht ausgeschlossen werden, dass der Schuldner die gesicherte Aussicht zerstören kann, damit die Hypothek überhaupt funktioniert. Der Grund für das Rechtsbodenerfordernis bei der Vormerkung – dass sie anders nicht funktionieren kann (s. oben § 5 F.I.1.) – trifft auf die Hypothek also nicht zu. Da auch das andere Argument für das Rechtsbodenerfordernis nach § 883 I 2 BGB, nämlich die Sorge vor einer Grundbuchsperre (s. oben § 5 G.I.), für die Hypothek nicht einschlägig ist, kann für sie ein Rechtsbodenerfordernis nicht mit Verweis auf § 883 I 2 BGB hergeleitet werden. Das Gleiche wird unter einem abstrakteren Blickwinkel ersichtlich, wenn man davon ausgeht, dass die Vormerkung und die Hypothek mit der künftigen Forderung an eine Rechtslage anknüpfen, kraft der die Entstehung der gesicherten Forderung möglich ist. Die Vormerkung knüpft hieran aber nicht nur an, sondern 114
Baur/Stürner, § 17 Rz. 10 f. Baur/Stürner, § 17 Rz. 4 f. u. § 36 Rz. 9. 116 Zur De-facto-Wirkung der Vormerkung siehe oben § 5 S. 190 ff. 115
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sichert diese Rechtslage zudem vor Zerstörung: Würde der Schuldner über das künftig geschuldete Grundstück nämlich in jeder Hinsicht wirksam verfügen dürfen, so könnte die durch § 883 I 2 BGB gesicherte Forderung auf Übereignung des Grundstücks von vornherein nicht entstehen, weil ihre Erfüllung unmöglich wäre (§ 275 I BGB); die Vormerkung soll gewährleisten, dass die Erfüllung der Forderung, falls sie entsteht, weiterhin möglich bleibt. Daraus erhellt, warum Voraussetzung für § 883 I 2 BGB die Unzerstörbarkeit dieser Rechtslage ist: Man kann sie gegen die Zerstörung durch Verfügungen des Schuldners nur dann sichern, wenn der Schuldner sie nicht ohnehin anderweitig zerstören kann. Die Hypothek will diese Rechtslage dagegen nicht vor Zerstörung bewahren: Wenn die Forderung nicht mehr entstehen kann, dann sichert die Hypothek zwar nicht mehr, muss es aber auch nicht, da kein Bedürfnis mehr dafür besteht. Die Hypothek beschränkt sich also darauf, an diese Rechtslage anzuknüpfen und den Zugriff auf das Grundstück solange zu sichern, wie die Forderung entstehen kann. Ein Rechtsboden nach § 883 I 2 BGB ist damit nicht erforderlich. Im Gegensatz zu § 883 I 2 BGB ist daher nichts gegen die Auffassung einzuwenden, dass auch eine künftige, auf Geld gerichtete Vermächtnisforderung bereits im Zeitraum vor dem Erbfall hypothekarisch sicherbar ist.117
4. Spezialitätsprinzip Nach dem bisherigen Stand der Untersuchung müsste die künftige Forderung keinen Rechtsboden aufweisen und es würde genügen, dass sie bestimmbar ist; es würde ausreichen, dass im weiteren Verlauf eine Forderung, auf welche die abstrakte Beschreibung in der Eintragungsbewilligung zutrifft, entsteht. Wie bereits bei den Grundlagen des Vormerkungsrechts festgestellt (oben § 5 S. 161 f.), verlangt jedoch das sachenrechtliche Spezialitätsprinzip, dass die künftige Forderung inhaltlich so präzisiert ist, dass sie gerade kein Platzhalter für jede beliebige Forderung sein darf. Mit anderen Worten muss klar sein, für welche und für wie viele Forderungen das Grundstück belastet ist. Es kann nicht sein, dass die künftige Forderung so allgemein beschrieben ist, dass in Zukunft verschiedene Forderungen auf die Beschreibung zutreffen würden, da der Umfang der Belastung ansonsten unbestimmt wäre. § 1180 BGB bestätigt dieses Ergebnis. Nach § 1180 BGB kann die hypothekarisch gesicherte Forderung nicht ohne weiteres, sondern nur unter gewissen Voraussetzungen ausgewechselt werden.118 Von einer Auswechslung kann aber nur die Rede sein, wo der ursprüngliche Bezugspunkt klar bestimmt ist. Die künftige entstehende Forderung, für die das Grundstück belastet sein soll, muss also bestimmt sein. Man wird daher als „Rechtsboden“119 117
Vgl. oben Fn. 31. Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, Einl. § 1113 Rz. 154. 119 Dazu, dass dieser Begriff auch bei der Vormerkung nicht mit dem ihr wesentlichen Bestandsschutz, sondern allgemein mit einem rechtlichen Fundament gleichzusetzen ist, § 5 S. 175 f. 118
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verlangen müssen, dass sich die später entstehende Forderung bereits derart rechtlich nach außen manifestiert hat, dass sie in ihrer Art, ihrem Umfang und durch Bezug auf einen tatsächlich verwirklichten Lebenssachverhalt unverwechselbar bestimmt ist. Das ist gewährleistet, wenn bereits eine Willenserklärung des Schuldners oder Gläubigers vorliegt, aus der die zu sichernde Forderung hervorgeht. Beispiele hierfür sind etwa ein Angebot des potentiellen Gläubigers auf Abschluss eines Vertrags, aus dem sich die zu sichernde Geldforderung ergeben wird, oder im Fall der oben genannten120 Vermächtnisforderung das noch frei widerrufliche Testament. Die Gegenüberstellung mit der Höchstbetragshypothek (§ 1190 BGB) bestätigt dieses Ergebnis: Für sie hat der Gesetzgeber zugunsten der Eintragung eines Haftungshöchstumfangs ausnahmsweise auf den Bezug zu einer konkreten Forderung verzichtet.121 Der jeweilige Schuldgrund muss nicht in das Grundbuch eingetragen werden, da die Hypothek für einen schuldgrundunabhängigen Höchstbetrag bestellt wird.122 In der Folge erlaubt sie die Beschreibung einer künftigen Forderung als Platzhalter für künftig entstehende Forderungen, die noch keine rechtliche Verfestigung aufweisen. Dementsprechend werden mit einer solchen Höchstbetragshypothek vor allem künftige Forderungen gesichert, die aus Verträgen erwachsen, die regelmäßig noch nicht geschlossen oder angebahnt sind.123 Aus dem Spezialitätsprinzip ergibt sich aber, dass für die Hypothek im Grundsatz (also nicht für die Höchstbetragshypothek) ein gewisser Rechtsboden in Form einer Willenserklärung erforderlich ist, welche die künftig entstehende Forderung bestimmt.
5. Ergebnis zum Rechtsbodenerfordernis Die Sorge vor einer Grundbuchsperre, die potentielle Benachteiligung dritter Gläubiger oder der Vergleich mit § 883 I 2 BGB können ein Rechtsbodenerfordernis nicht rechtfertigen. Aus dem Spezialitätsprinzip ergibt sich jedoch, dass ein gewisser rechtlicher Boden in Form einer Willenserklärung erforderlich ist, welche die künftig entstehende Forderung bestimmt. Im Gegensatz zu § 883 I 2 BGB ist jedoch unerheblich, ob eine Bindung des Schuldners vorliegt bzw. die hypothekarisch gesicherte Erwerbsaussicht einen Bestandsschutz aufweist.
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Bei Fn. 117. Baur/Stürner, § 42 Rz. 18 f.; Prütting, Sachenrecht, Rz. 754 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1448, 1709 ff. 122 Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1190 Rz. 1, 8. 123 Siehe oben Fn. 8. 121
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VII. Bestimmbarkeit Man geht verbreitet davon aus, dass die künftige Forderung hinsichtlich der Person des Gläubigers und des Schuldners sowie des Schuldgrunds unverwechselbar bezeichnet sein muss, wobei infolge der Akzessorietät der Hypothek die Person des künftigen persönlichen Gläubigers mit der des Hypothekengläubigers übereinzustimmen hat.124 Nach § 1115 BGB ist die Angabe des Geldbetrags (ggf. zzgl. Zinssatz) im Grundbuch erforderlich, wobei auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden darf.125 Soweit man sich über die Herleitung dieser Bestimmtheitsanforderungen Gedanken macht, wird auf den grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz verwiesen.126 In erster Linie sollten aber die Vorgaben des materiellen Sachenrechts maßgeblich sein, dem das Grundbuchverfahrensrecht zu dienen hat.127 Dabei hat die Untersuchung zum Rechtsboden ergeben, dass bereits das sachenrechtliche Spezialitätsprinzip die Bestimmtheit der künftigen Forderung verlangt. Fraglich ist, ob darüber hinaus der sachenrechtliche Publizitätsgrundsatz ein Maßstab ist. Danach müssen dingliche Rechte, weil jedermann sie respektieren muss, dritten Personen erkennbar sein.128 Die Forderung ist kein dingliches Recht und sie erhält durch die Hypothek, anders als durch eine Vormerkung,129 keine dingliche Dimension, da die Hypothek ein eigenes Recht ist und den Inhalt der Forderung unberührt lässt. Zu beachten ist jedoch, dass die Hypothek unmittelbar davon abhängig ist, dass eine künftige Forderung einen Rechtsboden aufweist. Der Rechtsverkehr kann damit nicht bereits von der Grundbucheintragung auf die Existenz der Hypothek schließen, sondern erst, wenn auch der Rechtsboden ersichtlich ist. Damit der Rechtsverkehr erkennen kann, ob eine Hypothek existiert, ist daher die Verlautbarung der Forderungsentstehungsbedingungen nötig; erst dann kann jedermann prüfen, ob ein dingliches Recht in Form einer Hypothek besteht oder nicht. Dass es dabei zwingend auch auf Ereignisse außerhalb des Grundbuchs ankommt, ist nach allgemeinen Grundsätzen unschädlich,130 jedenfalls aber aufgrund von § 1113 II BGB hinzunehmen (die 124 Baur/Stürner, § 37 Rz. 11; BeckOK-BGB/Rohe, Ed. 24, § 1115 Rz. 9; Erman/Wenzel, BGB, 13. Aufl. 2011, § 1113 Rz. 5; OLG Hamm, I‑15 W 348/10 – 25.10.2010, BeckRS 2011, 02681. Die Problematik, ob die Person des Gläubigers bereits existieren muss, ist keine Frage der Künftigkeit der Forderung, da die für sie bestellte Hypothek jedenfalls noch nicht existiert und daher aus § 1113 II BGB nicht die Notwendigkeit erwächst, dass es einen Gläubiger geben muss, sondern ausreicht, dass ein künftiger Gläubiger bestimmt ist. Daher ist die Problematik richtigerweise bei den Anforderungen an eine dingliche Einigung zu verorten, Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, Einl. § 1113 Rz. 84; Erman/Wenzel, BGB, 13. Aufl. 2011, § 1113 Rz. 9. 125 OLG Hamm, I‑15 W 348/10 – 25.10.2010, BeckRS 2011, 02681. 126 BGH, 07.04.1961 – V ZB 2/61, BGHZ 35, 22, 24 – 26; BayObLG, 02.03.2000 – 2Z BR 183/99, NZM 2000, 885, 886; BeckOK-BGB/Rohe, Ed. 24, § 1115 Rz. 1. 127 Dazu bereits oben § 5 im Text bei Fn. 162. 128 Prütting, Sachenrecht, Rz. 38. 129 S. o. § 5 S. 160 f. 130 BayObLG, 08.03.2001 – 2Z BR 29/01, DNotZ 2001, 702, 703 m. w. N.
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Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung genügt gemäß §§ 1115 I a. E., 874 BGB). Aus diesen Erwägungen erhellt, dass es ebenso auf das sachenrechtliche Offenkundigkeitsprinzip und nicht lediglich auf den grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zurückzuführen ist, dass der Umfang der Belastung, also ihr Höchstbetrag, aus dem Grundbuch bzw. der Eintragungsbewilligung hervorgehen muss, wie es die herrschende Meinung annimmt.131 Im Zusammenhang mit dem Rechtsbodenerfordernis folgt aus alledem, dass die künftige Forderung als solche bereits bestimmt sein muss; die Hypothek muss sich also auf ein bestimmtes Vertragsangebot bzw. einen bestimmten Vertrag beziehen, aus dem die künftige Forderung erwachsen wird. Anderes gilt wiederum für die Höchstbetragshypothek (§ 1190 BGB), bei der eine bestimmte Vielzahl von Forderungen auswechselbar gesichert werden kann. Hier muss zwar für jede in Zukunft entstehende Forderung klar sein, ob sie dazugehört;132 insoweit genügt aber eine Bestimmbarkeit des Schuldgrunds.133
VIII. Zusammenfassung Die Hypothek für eine künftige Forderung wurde bisher zu wenig unter Berücksichtigung ihrer Funktion und Wirkung in der insolvenz- oder zwangsvollstreckungsrechtlichen Zwangsversteigerung betrachtet, obwohl sie sich gerade hier als Sicherungsmittel bewähren muss. Die Diskussion über ihre Vorabexistenz kaprizierte sich auf § 1163 I 1 BGB, um die für die Kreditpraxis notwendige Eigentümergrundschuld zu begründen. Da § 1163 I 1 BGB auf der Annahme aufbaut, dass eine Hypothek ohne Forderung keinen Sinn ergibt, folgerte man selbiges für die Hypothek, deren künftige Forderung noch nicht entstanden ist. Das ließ die Stellung des künftigen Gläubigers aus dem Blickfeld geraten und führte zu der irrtümlichen Annahme der herrschenden Ansicht, dass die Hypothek für eine künftige Forderung für den eingetragenen Inhaber nicht existiere. Daraus resultieren Unklarheiten über das Erfordernis eines Rechtsbodens oder gar widersprüchliche Auffassungen, die § 1113 II BGB einerseits eine rein grundbuchrechtliche Rangerhaltungsfunktion beimessen wollen, andererseits aber einen Rechtsboden verlangen. Zudem gerät das Grundbuchverfahrensrecht durcheinander, da die Eintragung im Grundbuch nicht der dinglichen Rechtswirklichkeit entspricht und nur obligatorisch abgesichert wird. Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass nicht § 1163 I 1 BGB, sondern die der Hypothek Inhalt verleihenden Vorschriften beantworten, ob die für eine künftige Forderung bestellte Hypothek einen Rechtsinhalt hat. Das hat ergeben, 131 Baur/Stürner, § 37 Rz. 1; BGH, 07.04.1961 – V ZB 2/61, BGHZ 35, 22, 24 – 26; BayObLG, 02.03.2000 – 2Z BR 183/99, NZM 2000, 885, 886; OLG Hamm, I‑15 W 348/10 – 25.10.2010, BeckRS 2011, 02681. 132 Westermann, JZ 1962, 302, 303; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1190 Rz. 70. 133 Baur/Stürner, § 42 Rz. 19; Sternberg, JherJb. 62 (1913), 377, 381.
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dass die Hypothek für eine künftige Forderung als solche bereits existiert und gewisse Wirkungen hat, bevor die Forderung zur Entstehung gelangt ist. Der Gesetzgeber wollte mit § 1113 II BGB eine Rechtsstellung für den eingetragenen Inhaber schaffen, die insbesondere bewirkt, dass er Beeinträchtigungen des Grundstücks nach § 1134 BGB abwehren kann und seine Hypothek in einer Zwangsversteigerung bereits verteidigen kann, obwohl die in Aussicht genommene Forderung noch nicht zur Entstehung gelangt ist. Eine solche „Hypothek für künftige Forderungen“ existiert daher als dingliches Recht des potentiellen Gläubigers mit einigen, aber nicht allen Wirkungen bereits vor Entstehen der Forderung; ein Anspruch aus § 1147 BGB erwächst ihr erst, wenn die Forderung entstanden ist. Die Existenz einer solchen Hypothek ist auch auf grundbuchrechtlicher Ebene anzuerkennen. Solange die Entstehung der gesicherten künftigen Forderung möglich ist und die Hypothek existiert, ist das Grundbuch also richtig. Die herrschende Lösung, die Richtigkeit des Grundbuchs von dem schuldrechtlichen Rechtsgrund der Hypothekenbestellung abhängig zu machen, ist zu verwerfen, da sie systemwidrig ist und auf der falschen Annahme fußt, dass die Hypothek für eine künftige Forderung nicht existiere. Aus dem sachenrechtlichen Spezialitätsprinzip folgt, dass die gesicherte künftige Forderung einen gewissen Rechtsboden aufweisen muss. Ausreichend hierfür ist eine Willenserklärung einer der Parteien, aus der sich der Inhalt der künftigen Forderung bestimmt. Anders als für § 883 I 2 BGB bleibt es ohne Bedeutung, wenn der Schuldner die Aussicht auf die Forderung einseitig zerstören kann, so dass es auf die Frage der Bindung oder die Möglichkeit, ein Angebot des Gläubigers auszuschlagen, nicht ankommt. Die Hypothek hängt von der so beschaffenen künftigen Forderung ab, so dass § 1113 II BGB nicht als Durchbrechung des Akzessorietätsgrundsatzes anzusehen ist. Auf dieser Basis ist nicht zwischen künftigen und bedingten Forderungen zu unterscheiden. Die Erwähnung der bedingten Forderungen in § 1113 II BGB verdeutlicht, dass der Eigentümer und der potentielle Gläubiger die Hypothek durchaus zur Sicherung einer Forderung einsetzen dürfen, deren Entstehung unwahrscheinlich ist, und auf diese Weise nachrangigen Gläubigern den entsprechenden Wert entziehen können, ohne dass klar ist, ob er dem Hypothekengläubiger wirklich einmal gebühren soll. Die damit einhergehende Benachteiligung nachrangiger Gläubiger ist die Kehrseite der Entscheidung des Gesetzgebers, dem Gläubiger mit § 1113 II BGB ein Instrument an die Hand zu geben, um sich den Zugriff auf das Grundstück für einen Eventualfall zu sichern. Die Annahme einer Rechtsstellung des potentiellen Gläubigers aus § 1113 II BGB schließt es nicht aus, dem Schuldner bis zum Entstehen der Forderung eine vorläufige Eigentümergrundschuld nach § 1177 I BGB analog zuzugestehen. Eine Überschneidung der Befugnisse findet nicht statt, da der für den Schuldner (zur Zwischenfinanzierung) wichtige Anspruch aus § 1147 BGB dem Hypothekengläubiger erst im Zeitpunkt der Forderungsentstehung erwächst, zu dem die vorläufige Eigentümergrundschuld erlischt. Überhaupt ändert die hier
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vertretene Lösung diesbezüglich in der Sache nichts. Sie gibt dem Inhaber der Hypothek nach § 1113 II BGB nicht mehr Befugnisse, als er schon nach der heute herrschenden Meinung hat. Sie stellt die – im gesetzlichen Rahmen ohnehin nicht reibungsfrei funktionierende134 – Eigentümergrundschuld lediglich auf eine neue Grundlage (§ 1177 I BGB analog) und holt dadurch die Hypothek nach § 1113 II BGB unter der Decke der Eigentümergrundschuld hervor.
G. Die Hypothek nach § 1113 II BGB als Absonderungsrecht (§ 49 InsO) Eine Hypothek für eine künftige Forderung bewährt sich in der Insolvenz, wenn sie die Verwertung des Grundstücks überdauert; das wurde oben (F.II.) erörtert. Der Wert einer Hypothek in der Insolvenz des Eigentümers zeigt sich darüber hinaus, wenn sie als Absonderungsrecht gemäß § 49 InsO den privilegierten Zugriff auf den Erlös aus dem Massegrundstück ermöglicht. Eine Hypothek nach § 1113 II BGB ist diesbezüglich problematisch, wenn sie zwar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestellt und eingetragen wurde, die hypothekarisch gesicherte Forderung aber erst danach, also im laufenden Insolvenzverfahren entstehen soll. Das Paradigma hierfür ist die Hypothek für eine künftige Darlehensforderung, wenn die Valutierung während des Insolvenzverfahrens erfolgt. Sie gibt dem Gläubiger nach ganz herrschender Auffassung kein Absonderungsrecht.135
I. Meinungsstand Unter welchen Voraussetzungen die Hypothek in solchen Fällen ein Absonderungsrecht gewährt, wird unterschiedlich beurteilt. Eine Auffassung nimmt ein unterschiedliches Schicksal von einerseits Hypotheken für künftige und andererseits solchen für aufschiebend bedingte Forderungen an. Mit Bedingungseintritt soll der Gläubiger ungehindert von § 91 InsO die Forderung und damit auch die Hypothek erwerben; Hypotheken für Forderungen, die bei Eröffnung nur künftig waren, sollen hingegen an § 91 InsO scheitern.136 Die Besserstellung von Hypotheken für bedingte Forderungen begründet man mit § 161 I 2 BGB.137 134 Zu den notwendigen Anpassungen, um den Übergang der Eigentümergrundschuld zur Fremdhypothek zu erklären, vgl. etwa Becker-Eberhard, S. 310 f. 135 MünchKomm-InsO/Breuer, 3. Aufl. 2013, § 91 Rz. 27; HK-Kreft/Kayser, 6. Aufl. 2011, § 91 Rz. 25; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 91 Rz. 13; Muthorst, ZIP 2009, 1794, 1797; Wittkowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, § 91 Rz. 27. 136 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 10.28; Bork, InsR-Einf., § 15 Rz. 181; Muthorst, ZIP 2009, 1794, 1797; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, 45. EL, § 91 Rz. 39 f.; Wittkowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, § 91 Rz. 27 (mit Verweis auf Entscheidungen zur Bürgschaft und zum Fahrnispfandrecht). 137 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 10.28; Bork, InsR-Einf., § 15 Rz. 181.
G. Die Hypothek nach § 1113 II BGB als Absonderungsrecht (§ 49 InsO)
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Eine andere Auffassung versagt der Hypothek nach § 1113 II BGB generell die Insolvenzfestigkeit, und zwar nach § 81 InsO, wenn der Forderungsentstehung eine Verfügung des Schuldners zugrunde liegt, oder nach § 91 InsO in anderen Fällen, etwa bei Valutierung an einen von dem insolventen Eigentümer verschiedenen Darlehensschuldner.138 In der Entgegennahme der Valuta durch den Schuldner erblickt man stets eine an § 81 InsO scheiternde Verfügung, weil durch sie die – auf Grundlage der herrschenden Hypothekendogmatik – bis dahin bestehende Eigentümergrundschuld (§§ 1163, 1177 BGB) unter Wandlung in eine Fremdhypothek auf den Gläubiger übergehe.139 Einen dritten Weg geht Becker-Eberhard, der die insolvenzrechtliche Lösung nicht auf die Konstruktion der Eigentümergrundschuld aufbauen will, da diese sich nicht unmittelbar aus dem BGB ergebe und andere Zwecke verfolge; er tritt, ausgehend von einem Anwartschaftsrecht des Hypothekengläubigers, für die Insolvenzfestigkeit der Hypothek ein, freilich unter dem Vorbehalt, dass die Forderung wirksam entsteht.140
II. Anwendbarkeit von § 161 I 2 BGB Die Anwendung von § 161 I 2 BGB überzeugt nicht. Nach § 161 I 1 BGB gilt die Vorschrift, wenn jemand unter einer aufschiebenden Bedingung über einen Gegenstand verfügt. An einer solchen Verfügung fehlt es hier; bei der bedingten Forderung geht es um die Verpflichtung des Schuldners unter einer aufschiebenden Bedingung. Die Mehraktigkeit der Forderungsentstehung kann also nicht Anknüpfung von § 161 BGB sein (s. bereits § 2 S. 39 f.). Allenfalls könnte man § 161 BGB (analog) mit dem Argument anwenden, dass die Hypothek vom Entstehen der Forderung abhängig gemacht werde und quasi unter der Rechtsbedingung der Forderungsentstehung steht.141 Dann könnte man allerdings nicht plausibel zwischen künftigen und bedingten Forderungen unterscheiden; vielmehr wäre jede Hypothek vom Entstehen der Forderung abhängig, einerlei, ob die Forderung ihrerseits aufschiebend bedingt ist (§§ 158 I, 161 I BGB) oder nicht. Jeder, der an seinem Grundstück eine Hypothek für eine künftige Forderung bestellt, würde unter der aufschiebenden Rechtsbedingung verfügen, dass die Forderung entsteht.142 § 161 BGB würde also eine Differenzierung 138 Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 91 Rz. 41; HK-Kreft/Kayser, 6. Aufl. 2011, § 91 Rz. 25; Hmbg.Ko-InsO/Kuleisa, 4. Aufl. 2012, § 91 Rz. 17; MünchKomm-InsO/Breuer, 3. Aufl. 2013, § 91 Rz. 27; Jaeger, KO, 5. Aufl. 1916, § 15 Anm. 16 u. 23. 139 So bereits Jaeger, KO, 5. Aufl. 1916, § 15 Anm. 23. Heute: HK-Kreft/Kayser, 6. Aufl. 2011, § 91 Rz. 25; Hmbg.Ko-InsO/Kuleisa, 4. Aufl. 2012, § 91 Rz. 17; MünchKomm-InsO/Breuer, 3. Aufl. 2013, § 91 Rz. 27. 140 Becker-Eberhard, S. 313 – 315. 141 Becker-Eberhard, S. 314. 142 In diesem Sinne vgl. Rüll, S. 67 – 72.
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zwischen künftigen oder bedingten Hypothekenforderungen gar nicht zulassen. Auch § 161 I 2 BGB ist seinem Wortlaut nach nicht einschlägig, da der Gläubiger in den hier interessierenden Sachverhalten Befriedigung aus der Hypothek sucht und nicht eine Verwertung des Insolvenzverwalters abwehren will. § 161 BGB ist daher nicht anwendbar.143
III. §§ 81, 91 InsO auf Basis der herrschenden Auffassung zur Nichtexistenz der Hypothek gemäß § 1113 II BGB Die Auffassung, die eine abgesonderte Befriedigung aus der Hypothek gänzlich ablehnt, wenn die Forderung bei Eröffnung noch nicht entstanden war, ist zunächst in sich plausibel. Nach § 91 I InsO können Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners zugrunde liegt. Bei dem Erwerb einer Hypothek an einem Massegrundstück geht es um ein Recht an einem Gegenstand der Insolvenzmasse. Den Erwerb von solchen Rechten will das Gesetz in §§ 81, 91 InsO nach Verfahrenseröffnung also offenbar in jedem Fall verhindern, selbst wenn er nicht auf einer Verfügung, sondern etwa auf einem tatsächlichen Ereignis beruht (Ausnahme: redlicher Erwerb nach §§ 81 I 2, 91 II InsO). Als Dreh- und Angelpunkt dieser Auffassung erweist sich damit die Existenz der Hypothek. Nur wenn diese noch nicht besteht, findet ein Erwerb, den §§ 81, 91 InsO verhindern wollen, überhaupt statt. Geht man hingegen – mit den bisherigen Erkenntnissen – davon aus, dass die Hypothek nach § 1113 II BGB bereits besteht, so ist ihr Erwerb bei Verfahrenseröffnung abgeschlossen. Daher ergeben sich Zweifel an der Anwendung von §§ 81, 91 InsO auf den Hypothekenerwerb. Diese Zweifel werden verstärkt, wenn man auf das für eine künftige Forderung nach § 1204 II BGB bestellte Pfandrecht schielt, welches die herrschende Meinung – im Gegensatz zur Hypothek – als bestehend betrachtet.144 Um sich daraus ergebende Widersprüche zu vermeiden, wird vertreten, dass der materiell-rechtliche Entstehungszeitpunkt für §§ 81, 91 InsO keine Rolle spielen soll und eine an den Wertungen von §§ 81, 91 InsO orientierte Lösung geboten sei.145
IV. Lösungsansatz auf Grundlage der Vorabexistenz der Hypothek Ganz ohne das materielle Recht kommt man indes nicht aus, da §§ 81, 91 InsO erkennbar einen materiell-rechtlich geregelten Rechtserwerb verhindern wollen, der bei Insolvenzeröffnung noch nicht abgeschlossen ist. Da die Hypothek 143
Im Ergebnis schon Jaeger, KO, 5. Aufl. 1916, § 15 Anm. 16. Dazu § 7 D (S. 240 ff.). 145 Bork, InsR-Einf., § 15 Rz. 181. 144
H. Thesen
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nach § 1113 II BGB bereits ein existentes Recht ist (o. S. 228 f.), steht ihr Erwerb nicht mehr in Frage. Befriedigung aus dem Grundstück vermag sie freilich erst zu geben, wenn die Forderung entsteht (o. S. 214). Daher muss ausschlaggebend sein, ob §§ 80 ff. InsO dem Erwerb der Forderung entgegenstehen. Das ist der Fall, wenn es für die Entstehung der Forderung etwa einer Verfügung des Schuldners bedarf (§ 81 InsO).146 Auch bei diesem Lösungsweg bleibt – entsprechend der herrschenden Meinung147 – die während des Insolvenzverfahrens an den Schuldner erfolgende Valutierung für die Hypothek aus § 1113 II BGB ohne Wirkung. Der Grund dafür ist jedoch nicht, dass es sich bei der künftigen Rückzahlungsforderung um eine lediglich „künftige“ anstatt einer „bedingten“ Forderung handelt (das wäre ohnehin kaum richtig, vgl. § 2 E.II.) oder dass sich die Eigentümergrundschuld in eine Fremdhypothek verwandelt. Der Grund dafür ist vielmehr, dass die Darlehensrückzahlungsforderung nicht entstehen kann, weil an den Schuldner nach § 82 InsO nicht mehr wirksam geleistet bzw. valutiert werden kann.148 Abstrakt gesehen folgt daraus: Wenn die Parteien die Forderungsentstehung von der Fortdauer der Verfügungsbefugnis des Schuldners abhängig machen, so kann die Hypothek keine Sicherheit geben, wenn der Schuldner durch die Insolvenz seine Verfügungsbefugnis verliert und die Forderung daher nicht entstehen kann. Die Existenz der Hypothek ficht das als solches aber noch nicht an; würde der Insolvenzverwalter das Grundstück nämlich in der Verwertung veräußern, so bliebe sie erhalten, um dem Gläubiger Sicherheit zu geben, falls die Forderung zu einem Zeitpunkt entsteht, zu dem der Schuldner seine Verfügungsbefugnis wieder erlangt hat (o. S. 215 ff.).149 Die richtige Lösung ist daher, von der Existenz der Hypothek nach § 1113 II BGB auszugehen und die Entstehung eines Absonderungsrechts davon abhängig zu machen, ob die Forderung während der Insolvenz noch wirksam entsteht.150 Die Unterscheidung von künftigen oder bedingten Forderungen spielt keine Rolle.
H. Thesen Eine Hypothek kann für eine künftige oder bedingte Forderung bestellt werden, wenn die Forderung einen Rechtsboden aufweist. Dieser muss nicht den Anforderungen von § 883 I 2 BGB entsprechen; es genügt, dass bereits eine Willenserklärung vorliegt, aus der die künftige Forderung einmal hervorgehen
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Näher § 12 A. Oben Fn. 135. 148 Vgl. Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 81 Rz. 6 u. § 82 Rz. 6 ff. 149 Das setzt freilich voraus, dass die Aussicht auf den Erwerb der Forderung bis dahin erhalten bleibt und nicht etwa durch insolvenzbedingte Kündigung des ihr zugrunde liegenden Vertrags zerstört wird. 150 Im Ergebnis ebenso: Becker-Eberhard, S. 313 – 315. 147
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§ 6 Hypothek gemäß § 1113 II BGB
wird. Eine Ausnahme gilt für die Höchstbetragshypothek (§ 1190 BGB); für sie ist kein Rechtsboden erforderlich. Eine Hypothek nach § 1113 II BGB besteht bereits als Fremdhypothek, jedoch ohne den Anspruch aus § 1147 BGB, der an das Entstehen der gesicherten Forderung gekoppelt ist. Der potentielle Schuldner hat in der Zwischenzeit eine vorläufige Eigentümergrundschuld aus § 1177 I BGB analog. § 1113 II BGB hat einen materiell-rechtlichen Gehalt und bezweckt die Reservierung des in der Hypothek verkörperten Grundstückswerts für den Eventualfall, dass die gesicherte Forderung in Zukunft einmal entsteht. Während die Forderung künftig ist und einen entsprechenden Rechtsboden aufweist, ist das Grundbuch richtig. Es wird erst unrichtig, wenn die Aussicht, dass die Forderung entstehen kann, zerstört ist. Die Hypothek nach § 1113 II BGB besteht auch in der Insolvenz. Entsteht die gesicherte Forderung erst während der Insolvenz, so steht § 91 InsO der Existenz der Hypothek nicht entgegen. Ob sie ihrem Inhaber eine Absonderungsbefugnis gemäß § 49 InsO gibt, hängt allein davon ab, inwieweit das Insolvenzverfahren die Forderungsentstehung zulässt oder nicht.
J. Dogmatik Die obigen Erkenntnisse haben folgende abstrakte Strukturen einerseits der künftigen Forderung und andererseits der Hypothek sichtbar gemacht.
I. Künftige Forderung Wie bei § 38 InsO und im Aufrechnungsrecht handelt es sich bei der hypothekarisch sicherbaren künftigen Forderung um eine Erwerbsaussicht bzw. eine Rechtslage, kraft der eine Forderung entstehen kann, die nach Gläubiger und Inhalt bestimmbar ist. Für § 1113 II BGB genügt, dass zu dieser Erwerbsaussicht bereits eine Willenserklärung vorliegt, mithilfe derer die Personen und der Inhalt der künftig entstehenden Forderung bestimmt werden können. Anders als bei der Vormerkung benötigt diese Erwerbsaussicht keinen Bestandsschutz; es ist also irrelevant, wenn der Schuldner diese Aussicht wieder zerstören könnte. In Bezug auf die Beschaffenheit der künftigen Forderung ist nicht zwischen „bedingten“ oder „künftigen“ Forderungen zu unterscheiden, auch nicht im Hinblick auf ihre Behandlung in der Insolvenz. § 1113 II BGB bringt durch die Nennung der bedingten Forderungen vielmehr zum Ausdruck, dass der Eigentümer und der potentielle Gläubiger die Hypothek durchaus zur Sicherung einer Forderung einsetzen dürfen, deren Entstehung unwahrscheinlich ist. Wie bei der Vormerkung entscheidet der Fortbestand der Möglichkeit, dass die Forderung entsteht, über die Existenz der Erwerbsaussicht und damit über die Existenz des von ihr abhängigen
J. Dogmatik
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Rechts (vgl. § 1179a II 1 und § 1161 I 1 BGB in direkter Anwendung). Dass die Hypothek damit in ihrem Bestand von der künftigen Forderung abhängig ist, zeigt, dass die so beschaffene Erwerbsaussicht der Hypothek eine Stütze und damit in gewisser Weise selbst ein Gegenstand ist.
II. Hypothek Das Hypothekenrecht liefert die Erkenntnis, dass die der Hypothek eigenen Befugnisse nach und nach in Existenz treten können: erst die Sicherungsbefugnis und der Anspruch aus § 1134 BGB, dann der Anspruch aus § 1147 BGB. Das bedeutet: Das Recht reift mit der Forderung. Sein Werden ist ein Prozess, innerhalb dessen stets akzessorische Abhängigkeit gegeben ist. Dieses Bild der entstandenen Hypothek nach § 1113 II BGB, die noch nicht alle einer Hypothek eigenen Befugnisse und Inhalte vermittelt, würde mit der herrschenden Dogmatik in Einklang stehen, wonach ein subjektives Recht ein Bündel von Befugnissen ist (§ 2 B.). Fraglich ist, wie der Zustand dieser Hypothek rechtsdogmatisch zu beschreiben ist, wenn sie noch nicht alle Befugnisse, insbesondere noch keinen Hypothekenanspruch aus § 1147 BGB verkörpert. Obwohl die herrschende Meinung bei § 1113 II BGB der Hypothek vor dem Entstehen der Forderung ihre Existenz abspricht, ist an anderer Stelle, nämlich wenn es um die Übertragung der Position des potentiellen Gläubigers geht, von einer „Anwartschaft“ bzw. einem „Anwartschaftsrecht“ die Rede.151 Die Anwartschaft kennzeichnet die Aussicht des Gläubigers, das dingliche Recht „Hypothek“ mit der künftigen Forderungsentstehung zu erwerben. Nicht gemeint ist die Aussicht auf den Erwerb der künftigen Forderung; es geht also nicht um ein obligatorisches, sondern um die herkömmliche sachenrechtliche Anwartschaft.152 Dass sogar ein Anwartschaftsrecht vorliege, folgert man allein aus der grundbuchverfahrensrechtlichen Situation, dass die Hypothek nicht ohne Mitwirkung des Gläubigers gelöscht werden kann (dazu noch § 7 N.II.).153 Mit diesem Anwartschaftsrecht verbindet man vor allem die Übertragbarkeit der Position des Gläubigers durch Abtretung der künftigen Forderung in der Form des § 1154 BGB.154 Hierfür wäre der Begriff aber nicht nötig, da die Abtretung der künftigen Forderung auch ohne 151 MünchKomm-BGB/Eickmann, 5. Aufl. 2009, § 1163 Rz. 17 („Anwartschaftsrecht“); Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1163 Rz. 33 („Anwartschaft“); Soergel/Konzen, BGB, 13. Aufl., § 1163 Rz. 11 („Anwartschaft“ und „Anwartschaftsrecht“ synonym); Baur/ Stürner, § 46 Rz. 20 („Anwartschaftsrecht“); Prütting, Sachenrecht, S. 313 („Anwartschaft“); Laufke, S. 37 – 57. A. A. Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1593 – 1604. 152 Vgl. dazu allgemein § 2 D.I. (S. 27 f.). 153 Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rz. 470 f. Unterstützung bei § 161 BGB sucht Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1163 Rz. 38, der § 161 BGB aber analog anwenden müsste wegen der gesetzlichen Herkunft der Bedingung der Forderungsentstehung. 154 MünchKomm-BGB/Eickmann, 5. Aufl. 2009, § 1163 Rz. 17, 41 f.; Soergel/Konzen, BGB, 13. Aufl., § 1163 Rz. 11; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1163 Rz. 34.
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§ 6 Hypothek gemäß § 1113 II BGB
den Begriff der Anwartschaft beschreibbar ist;155 außerdem ist Gegenstand der Übertragung „der Hypothek“ eben die Forderung (§ 1153 BGB), während hier ein Begriff für die werdende Hypothek gesucht wird. Des Weiteren möchte die herrschende Auffassung mit dem Begriff des Anwartschaftsrechts zum Ausdruck bringen, dass nach Abtretung der künftigen Forderung die Hypothek direkt beim Erwerber entsteht.156 Freilich ist auch das unnötig, da die Hypothek ihrem akzessorischen Wesen nach im Grundsatz ohnehin nur bei dem Gläubiger entstehen kann, in dessen Person die Forderung entsteht, und ihr Direkterwerb daher eine Frage der Abtretung der Forderung ist. Die Rechtsfolgen, die ein Anwartschaftsrecht eigens beschreiben könnte, etwa der Bestand der Hypothek für eine künftige Forderung in Insolvenz und Zwangsvollstreckung oder die Anwendbarkeit von § 1134 BGB vor Entstehung der Forderung, berücksichtigt die herrschende Meinung bei ihrer Begriffswahl nicht. Gerade hierfür würde sich der Begriff des Anwartschaftsrechts allerdings eignen, um die dogmatischen Besonderheiten des Hypothekenrechts nach § 1113 II BGB in der Rechtsdogmatik beschreibbar zu machen. Der Begriff des Anwartschaftsrechts könnte veranschaulichen, dass eine Hypothek für eine künftige Forderung noch keinen Anspruch aus § 1147 BGB vermittelt, wohl aber Rechte aus § 1134 BGB und eine Wirkung in der Zwangsversteigerung des Grundstücks, und dass all dies ipso iure mit den weiteren Wirkungen und Befugnissen aus einer Hypothek (§ 1133, § 1147, § 216 BGB etc.) gekrönt wird, sobald die bis dato künftige Forderung entsteht. Dass mit der Hypothek nach § 1113 II BGB eine dingliche Berechtigung, eine Teilhabe am Wert des Grundstücks und materielle Funktionen wie § 1134 BGB verbunden sind, kann gerade damit zum Ausdruck gebracht werden, dass man von einem Anwartschaftsrecht, anstatt bloß von einer Anwartschaft spricht. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erkenntnisse wäre es also immerhin in sich stimmig, die Hypothek für eine künftige Forderung gemäß § 1113 II BGB als Anwartschaftsrecht zu bezeichnen, freilich ohne dass hiermit Änderungen in der Sache verbunden wären. Die Erkenntnisse zum Pfandrecht nach § 1204 II BGB werden indes dazu drängen, diese Begriffswahl – aus übergeordnetem Blickwinkel – noch einmal zu überdenken (dazu § 7 N.II.).
155 Siehe nur BGH, 25.10.1961 – V ZR 103/60, BGHZ 36, 84, 89 f. Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1593. 156 Westermann, JZ 1962, 302. Für einen Direkterwerb: MünchKomm-BGB/Eickmann, 5. Aufl. 2009, § 1163 Rz. 42; Soergel/Konzen, BGB, 13. Aufl., § 1163 Rz. 11; Staudinger/ Wolfsteiner, BGB, Neubearb. 2009, § 1163 Rz. 34.
§ 7 Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB A. Einführung §§ 1204 ff. BGB regeln das rechtsgeschäftlich bestellte Pfandrecht am beweglichen Vermögen.1 Das Pfandrecht ist die dingliche Berechtigung des Gläubigers der gesicherten Forderung, wegen dieser Befriedigung aus dem verpfändeten Gegenstand zu suchen. Während die Verwertung des Pfandes nur erfolgen darf, wenn die gesicherte Forderung entstanden und fällig ist (§ 1228 II 1 BGB), kann diese im Zeitpunkt der Verpfändung auch eine bedingte oder künftige sein (§ 1204 II BGB). Das gilt sowohl für das Fahrnispfandrecht, also die Verpfändung beweglicher Sachen (§ 1204 II BGB), als auch für die Verpfändung von Rechten, einschließlich des Forderungspfandrechts (§§ 1273 II, 1204 II BGB). Nach § 1209 BGB ist für den Rang des für eine künftige oder eine bedingte Forderung bestellten Pfandrechts nicht der Zeitpunkt der Entstehung der Forderung, sondern die Bestellung des Pfandrechts maßgebend. Dieses Kapitel betrifft die Verpfändung wegen einer künftigen Forderung gemäß § 1204 II BGB, also deren Sicherung durch Hingabe eines Gegenstands als Pfand. Davon zu sondern ist die hier nicht thematisierte Verpfändung einer künftigen Forderung: Hier wird die künftige Forderung nicht gesichert, sondern sichert ihrerseits als Pfand eine andere Forderung; sie ist – wie die Abtretung – eine Verfügung über die künftige Forderung (s. dazu § 11). Von der Verpfändung wegen einer künftigen Forderung ist schließlich die bedingte Verpfändung zu unterscheiden.2 Sie schafft ein künftiges Pfandrecht, betrifft also das Recht und nicht die Forderung, und bleibt daher von dieser Untersuchung ausgespart. Die bedingte Verpfändung kann freilich nahe an die Verpfändung wegen einer künftigen Forderung heranreichen, wenn die Verpfändung ausdrücklich von dem Entstehen einer Forderung abhängig gemacht wird: Hier ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Parteien bereits die künftige Forderung sichern möchten oder die Bestellung eines Pfandrechts erst von deren Entstehen abhängig machen wollen.3 1
Zum gesetzlichen Vermieterpfandrecht vgl. unten L. MünchKomm-BGB/Damrau, 6. Aufl. 2013, § 1204 Rz. 25. 3 BGH, 24.01.1983 – VIII ZR 353/81, BGHZ 86, 300, 310. Bsp. für eine solchermaßen bedingte Verpfändung ist Nr. 21 Abs. 3 S. 2 AGB-Sparkassen-2012, BGH, 05.11.1998 – IX ZR 246/97, NZI 1999, 116, 117 (zur entsprechenden Vorgängerklausel). Die Verpfändung zugunsten eines künftigen, noch zu bestimmenden Gläubigers mittels Vertretung ohne Vertretungsmacht betrifft ebenso nur das künftig entstehende dingliche (Pfand‑)Recht, während die Forderung selbst bereits gegenwärtig in der Person eines Gläubigers bestehen kann; zu dieser in Konsortialverträgen gewählten Konstruktion vgl. Danielewsky/Dettmar, WM 2008, 713, 715. 2
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§ 7 Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB
B. Praktische Bedeutung der Verpfändung von oder wegen künftigen Forderungen Nr. 14 AGB-Banken-2014 verschafft dem Pfandrecht in der Praxis seine größte Bedeutung, und zwar sowohl als Forderungs- als auch als Fahrnispfandrecht.4 Das infolge des Traditionsprinzips an sich unattraktive Fahrnispfandrecht spielt hier vor allem in Bezug auf Wertsachen oder Wertpapiere (§ 1293 BGB) eine Rolle, da der Schuldner sie für die tägliche Verfügung nicht benötigt bzw. sogar ein Interesse an ihrer Verwahrung hat.5 Das Forderungspfandrecht ist zwar ebenso im Grundsatz unbeliebt, da die Anzeigepflicht gegenüber den Drittschuldnern (§ 1280 BGB) Einblick in die Geschäftsbeziehungen des Schuldners ermöglicht und gerade bei künftigen, revolvierenden Forderungsmehrheiten einen erheblichen Aufwand generiert.6 Jedoch erhält es wiederum durch das AGB-Banken-Pfandrecht beträchtliche Bedeutung, soweit die Forderungen des Schuldners gegen den Pfandgläubiger selbst (die Bank) verpfändet werden und folglich die Anzeigepflicht entfällt.7 Im Bankenpfandrecht können sogar beide Aspekte der künftigen Forderung in einer „Verpfändung künftiger Forderungen wegen künftiger Forderungen“ kulminieren. So statuiert Nr. 14 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 AGB-Banken-2014, dass sich der Kunde und die Bank darüber einig sind, dass die Bank ein Pfandrecht auch an den Forderungen erwirbt, die dem Kunden gegen die Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung künftig zustehen werden (Verpfändung künftiger Forderungen), und dieses Pfandrecht der Sicherung aller künftigen und bedingten Forderungen dient, die der Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen den Kunden zustehen (Pfandrecht wegen einer künftigen Forderung, § 1204 II BGB). Das Bankenpfandrecht verdeutlicht schließlich den praktischen Nutzen einer globalen Vorausverpfändung zu Beginn einer dauernden Geschäftsbeziehung.
C. Problemstellung Das gemeine Recht bot dem BGB-Gesetzgeber keine dogmatische Grundlage für die Regelung des für eine künftige Forderung bestellten Pfandrechts.8 Dieser machte es sich jedoch leicht und überließ die Aufgabe, das dogmatische und 4 Lwowski/Fischer/Langenbucher/Brünink, Kreditsicherung, 9. Aufl. 2011, § 10 Rz. 4. Zur zunehmenden Bedeutung des Pfandrechts im Versicherungsrecht Seppelt, VersR 2003, 292 (unzutreffend allerdings die Prämisse, dass es im Übrigen fast bedeutungslos sei). 5 BGH, 10.01.2006 – XI ZR 169/05, NJW 2006, 845; OLG Saarbrücken, 24.11.2005 – 8 U 80/05, OLGR 2006, 167; LG Krefeld, 02.10.2012 – 12 O 36/11-juris (jeweils Verpfändung von Wertpapieren); BGH, 07.10.2002 – II ZR 74/00, NJW 2003, 61 (Verpfändung von Goldmünzen); BPatG München, 07.02.2000 – 10 W (pat) 113/99, juris (Verpfändung eines Patents). 6 jurisPK-BGB/Protz, 6. Aufl. 2012, § 1204 BGB Rz. 23. 7 Sog. „Pfandrecht an der eigenen Schuld“: BGH, 29.11.1984 – IX ZR 44/84, BGHZ 93, 71, 76; BGH, 19.03.1998 – IX ZR 22 – 97, NJW 1998, 2592, 2596. 8 Dazu Jhering, Jb. Dogmatik 10 (1871), S. 387, 482 – 488.
C. Problemstellung
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rechtliche Fundament der künftigen Forderung in § 1204 II BGB zu ergründen, ausdrücklich der Wissenschaft und der Praxis.9 Ausgangspunkt für die Betrachtung des Pfandrechts für eine künftige Forderung sind §§ 1204 II, 1209 BGB als einzige gesetzliche Grundlagen, die künftige Forderungen in das Recht der Verpfändung ausdrücklich einbeziehen. Hier fällt auf, dass sich Literatur und Rechtsprechung vor allem mit dem Entstehungszeitpunkt des Pfandrechts beschäftigen.10 Dort, wo es auf den Entstehungszeitpunkt des Pfandrechts ankommt, namentlich in der konkurrierenden Insolvenz, besteht indes die Tendenz, diesen gesondert zu definieren.11 Eine prominente Auffassung nimmt dies zum Anlass, um die Insolvenzsicherheit von Pfandrechten davon abhängig zu machen, ob sie für aufschiebend bedingte Forderungen oder für künftige Forderungen bestellt sind.12 Das treibt einen Keil zwischen die von § 1204 II BGB gleich behandelten Alternativen, denen dadurch eine ganz unterschiedliche Sicherungswirkung zuteilwürde. Zudem ergeben sich Ungereimtheiten, da beispielsweise die mit der künftigen Valutierung entstehende Darlehensrückzahlungsforderung nach der zu § 1204 II BGB vertretenen Auffassung als bedingte Forderung gilt,13 während sie nach der differenzierenden Auffassung mit Blick auf die mangelnde Insolvenzsicherheit eine künftige sein müsste.14 Ursächlich für Unklarheiten ist auch, dass man die Hypothek nach § 1113 II BGB und das Pfandrecht nach § 1204 II BGB dogmatisch gegensätzlich erklärt.15 Auffallend ist ferner, dass sich die dogmatische Aufarbeitung des Pfandrechts aus § 1204 II BGB häufig auf dessen Kern, die Verwertungsfunktion, kapriziert.16 Entsprechend wird häufig der Eindruck erweckt, dass die Forderung entstehen müsse, damit das Pfandrecht eine Bedeutung erhält.17 Außer Betracht gerät dabei die Sicherungsfunktion des Pfandrechts, welche das Interesse des potentiellen Gläubigers befriedigt, das Pfand unbedingt gegen jeden fremden Zugriff zu verteidigen, damit es im Eventualfall der Forderungsentstehung zur Verfügung steht.18 Sie hängt allerdings eng mit der Frage zusammen, wie weit die gesicherte Forderung bereits gediehen sein muss, damit ihr potentieller Gläubiger das Pfand anderen als Befriedigungsgegenstand entziehen kann, um für die mehr oder weniger wahrscheinliche Entstehung der eigenen Forderung gesichert zu sein. Mit 9
Vgl. explizit Mugdan, Bd. 3, S. 445. Nachweise sogleich unter D. 11 Bork, InsR-Einf., § 15 Rz. 181; Berger, NZI 2007, 566, 568. 12 Bork, InsR-Einf., § 15 Rz. 181; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 10.28; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, 45. EL, § 91 Rz. 42; Muthorst, ZIP 2009, 1794, 1797 f. Vgl. auch Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 91 Rz. 11 m. w. N. 13 Vgl. Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 23. 14 Nachw. oben Fn. 12. 15 Das beklagt Bork, InsR-Einf., § 15 Rz. 181. 16 Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 23. Ganz deutlich Neußner, S. 19, die deshalb § 1204 II BGB nur als rangsichernde Vorschrift ansieht. 17 Vgl. Becker-Eberhard, S. 305 f.; Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. (2007), § 91 Rz. 31. 18 Vgl. aber MünchKomm-BGB/Damrau, 6. Aufl. 2013, § 1204 Rz. 22. 10
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§ 7 Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB
dieser Vernachlässigung der Sicherungs- zugunsten der Verwertungsfunktion geht einher, dass man im Insolvenzrecht vor allem im Auge hat, ob das Pfandrecht nach § 1204 II BGB zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, wenn die gesicherte Forderung erst während der Insolvenz des Schuldners entsteht. Gleichwohl gilt diese Frage immer noch mit Recht als weitgehend ungeklärt.19 Die folgende Untersuchung soll klären, inwieweit § 1204 II BGB lediglich eine Bestellung im Vorhinein ermöglicht oder dem für eine künftige Forderung bestellten Pfandrecht bereits eine Sicherungswirkung angedeihen lässt. Es gilt zu erkunden, ob § 1204 II BGB eine Grenze zwischen sicherbaren und nicht sicherbaren künftigen Forderungen zieht, an welchem Grad rechtlicher Verfestigung diese Grenze ggf. verläuft und ob es geboten ist, den Begriff einer bedingten oder künftigen Forderung im Insolvenzrecht anders zu fassen als bei § 1204 II BGB. Das wird zugleich Aufschluss über die dogmatische Frage geben, inwieweit § 1204 II BGB wirklich als Durchbrechung des Akzessorietätsgrundsatzes anzusehen ist.20
D. Meinungsstand Über den folgenden dogmatischen Mechanismus ist man sich seit jeher einig: Das Pfandrecht nach § 1204 II BGB besteht für eine Aussicht, beispielsweise auf den Erwerb einer Darlehensrückzahlungsforderung. Wenn der Schuldner erklärt, er werde das Darlehen nicht in Anspruch nehmen und diese Aussicht damit zerstört, dann erlischt das Pfandrecht.21 Kommt es dann gleichwohl zur Inanspruchnahme des Darlehens, so erlebt das erloschene Pfandrecht nicht wieder auf.22 Im Übrigen gehen die Meinungen auseinander.
I. Rechtsprechung Zu § 1204 II BGB gibt es einige mehr oder weniger bedeutende höchstrichterliche Entscheidungen.23 Zentral ist die Entscheidung, dass das Pfandrecht bereits 19
Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 91 Rz. 13. So die Deutung von u. a. Alexander, JuS 2012, 481, 483; BeckOK-BGB/Sosnitza, Ed. 25, § 1204 Rz. 18; v. Lübtow, FS Lehmann, 1956, S. 328, 349. Wie man das Pfandrecht für eine künftige Forderung im Hinblick auf die Akzessorietät des Pfandrechts dogmatisch erklären solle, war schon im gemeinen Recht unklar, Jhering, Jb. Dogmatik 10 (1871), S. 387, 483 ff. 21 RG, 09.11.1934 – VII 185/34, RGZ 145, 328, 336; MünchKomm-BGB/Damrau, 6. Aufl. 2013, § 1204 Rz. 22 a. E.; Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 27; Soergel/ Habersack, BGB, 13. Aufl., § 1204 Rz. 26; Alexander, JuS 2012, 481, 483; PWW/Nobbe, 8. Aufl. 2013, § 1204 Rz. 7; Rüll, S. 85; Lwowski/Fischer/Langenbucher/Brünink, Kreditsicherung, 9. Aufl. 2011, § 10 Rz. 60; Lieb, Das künftige Recht, S. 111. 22 Soergel/Habersack, BGB, 13. Aufl., § 1204 Rz. 26; Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 27. 23 Etwa BGH, 29.11.1984 – IX ZR 44/84, BGHZ 93, 71, 7; BGH, 19.03.1998 – IX ZR 22 – 97, NJW 1998, 2592, 2596; BGH, 07.10.2002 – II ZR 74/00, NJW 2003, 61. 20
D. Meinungsstand
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vor Entstehung der gesicherten Forderung entsteht.24 Obwohl die Entscheidung im Kontext der Konkursanfechtung erging, hat der BGH hier unabhängig von konkursrechtlichen Erwägungen grundlegend aus § 1204 II BGB heraus argumentiert und klargestellt, dass „[e]in Mobiliarpfandrecht für eine künftige Forderung [. . .] bereits mit Einigung und Übergabe der Pfandsache und nicht erst mit dem Entstehen der gesicherten Forderung [entsteht].“ Auch wenn der BGH nicht ausdrücklich zur Frage des Rechtsbodens Stellung genommen hat, hat er diese Entscheidung später so interpretiert, dass ein solcher nicht zu verlangen und lediglich die Bestimmbarkeit der künftigen Forderung erforderlich sei.25
II. Literatur Die herrschende Auffassung in der Literatur nimmt mit dem BGH an, dass das Pfandrecht bereits mit dem Bestellungsakt, also mit Einigung und Übergabe, ohne Rücksicht auf den Bestand der Forderung entsteht.26 Die Gegenauffassung geht davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt für den künftigen Pfandrechtsgläubiger allenfalls ein Anwartschaftsrecht bestehe, das erst mit Existenz der Forderung zum vollwertigen Pfandrecht erstarke.27 Trotz ihrer Prominenz ist die Diskussion eine eher dogmatische, da in der Sache – schon wegen § 1228 II BGB – Einigkeit herrscht, dass dieses Pfandrecht vor Entstehen der Forderung jedenfalls kein Verwertungsrecht beinhaltet und seine wie auch immer zu beschreibende Vorstufe bereits die ein oder andere Wirkung zeitigt.28 Ursächlich für die Dominanz der Diskussion ist nicht nur die genannte BGH-Entscheidung,29 sondern gleichermaßen das Bestreben, das Pfandrecht damit von der Hypothek abzuheben.30 Ausführungen zur Beschaffenheit der künftigen oder bedingten Forderung geraten etwas in den Hintergrund. Ganz herrschend ist man der Auffassung, dass § 1204 II BGB denkbar weit zu interpretieren sei und jede künftige
24 BGH, 26.01.1983 – VIII ZR 254/81 u. VIII ZR 275/81, BGHZ 86, 340, 346 f. u. NJW 1983, 1619, 1620; zuvor schon: BGH, 24.01.1983 – VIII ZR 353/81, BGHZ 86, 300, 310. 25 BGH, 29.11.1984 – IX ZR 44/84, BGHZ 93, 71, 75; BGH, 13.03.2007 – XI ZR 383/06, NJW-RR 2007, 982, 983. 26 Becker-Eberhard, S. 286 – 308; Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1204 Rz. 11; Soergel/ Habersack, BGB, 13. Aufl., § 1204 Rz. 23; PWW/Nobbe, 8. Aufl. 2013, § 1204 Rz. 7; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1855; Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 23; v. Lübtow, FS Lehmann, 1956, S. 328, 348 m. Nachw. zum älteren Schrifttum. 27 MünchKomm-BGB/Damrau, 6. Aufl. 2013, § 1204 Rz. 22; Rüll, S. 54 – 58 u. 151. Ähnlich Schellewald, S. 130 – 144. 28 Becker-Eberhard, S. 288, 299 f.; MünchKomm-BGB/Damrau, 6. Aufl. 2013, § 1204 Rz. 22. 29 Oben Fn. 24. 30 Soergel/Habersack, BGB, 13. Aufl., § 1204 Rz. 23; Mincke, S. 15; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rz. 461; Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 26. Die Hypothek soll – entgegen der hier vertretenen Auffassung – nach herrschender Meinung noch nicht bestehen, oben § 6 C.II. (S. 205 f.).
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§ 7 Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB
Forderung erfasse, solange sie bestimmbar und ihre Entstehung möglich ist.31 Ein Rechtsboden wird allenthalben nicht vorausgesetzt. Soweit auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale von § 1204 II BGB eingegangen wird, heißt es: Die bedingten Forderungen seien solche innerhalb eines Schuldverhältnisses, welches den Bedingungseintritt der weiteren rechtsgeschäftlichen Mitwirkung der Parteien entzieht;32 unerheblich sei, ob es sich um rechtsgeschäftlich oder rechtsbedingte Forderungen handelt.33 Mit künftigen Forderungen seien demgegenüber solche ohne Bindung gemeint, deren Begründung noch aussteht und im freien Belieben des (künftigen) Schuldners oder Gläubigers steht.34 Dieses sehr weite Verständnis der künftigen Forderung überträgt man auf § 1209 BGB (ggf. i. V. m. § 1273 II BGB35). Das Rangverhältnis richte sich gemäß § 1209 BGB allein nach dem Zeitpunkt der Bestellung des Pfandrechts, selbst wenn die für das erste Pfandrecht maßgebende Forderung erst später als die Forderung für das zweite Pfandrecht begründet wird; gleiches gelte im Verhältnis zu einem durch Pfändung oder kraft Gesetzes erzeugten Pfandrecht.36 Lediglich früher gab es vereinzelt Auffassungen, die das in Abrede gestellt und für die Rangzuweisung nach § 1209 BGB eine Bindung des Schuldners verlangt haben.37 Insgesamt ergibt sich daraus das feste Bild, dass das Pfandrecht für eine nicht weiter rechtlich fundierte Aussicht auf den Erwerb einer Forderung bestellt werden kann, von Anfang an besteht und sogar Vorrang vor späteren Pfandrechten reklamiert, mögen diese auch zugunsten bereits bestehender Forderungen bestellt worden sein. Was die Folgen dieser Rechtslage angeht, verliert man die zu § 1204 II BGB aufgestellten Vorgaben allerdings aus dem Auge. Betreffend den Schutz des an sich nach § 1209 BGB vorrangigen Pfandrechtsgläubigers vor dem Zugriff dritter Vollstreckungsgläubiger ist nicht mehr von § 1204 II BGB, sondern nur noch abstrakt von der aufschiebend bedingten Forderung die Rede.38 Sieht man 31 Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 24; Soergel/Habersack, BGB, 13. Aufl., § 1204 Rz. 26; Becker-Eberhard, S. 272 – 283; Lwowski/Fischer/Langenbucher/Brünink, Kreditsicherung, 9. Aufl. 2011, § 10 Rz. 57; Lieb, Das künftige Recht, S. 108 f. 32 Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 23; Rüll, S. 62 – 64. 33 Rüll, S. 62 – 64. 34 Rüll, S. 64; Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 24; Soergel/Habersack, BGB, 13. Aufl., § 1204 Rz. 26; Eccius, Gruchot 50 (1906), 481, 500. A. A. Schellewald, S. 130 – 144, der wenigstens eine bindende Erklärung seitens des Schuldners oder Gläubigers fordert. 35 § 1209 BGB ist auf das Forderungspfandrecht anwendbar, BGH, 13.05.1997 – IX ZR 129/96, NJW 1997, 2322, 2323. 36 RG, 22.05.1912 – V 294/11, RGWarn. 5 (1912) Nr. 345; BGH, 29.11.1984 – IX ZR 44/84, BGHZ 93, 71, 76 f.; BGH, 13.05.1997 – IX ZR 129/96, NJW 1997, 2322, 2323; Becker-Eberhard, S. 287 f.; Rüll, S. 95 – 98; MünchKomm-BGB/Damrau, 6. Aufl. 2013, § 1209 Rz. 4; Staudinger/ Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1209 Rz. 3 f.; Soergel/Habersack, BGB, 13. Aufl., § 1209 Rz. 4; PWW/Nobbe, 8. Aufl. 2013, § 1209 Rz. 1; Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1209 Rz. 2; jurisPKBGB/Protz, 6. Aufl. 2012, § 1204 Rz. 38; Oertmann, Rechtsbedingung, S. 147 f. 37 Eccius, Gruchot 50 (1906), 481, 502 f. 38 Musielak/Becker, § 805 ZPO Rz. 3; MünchKomm-ZPO/Gruber, 4. Aufl. 2012, § 805 Rz. 23; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Kindl, § 805 ZPO Rz. 11.
E. Historischer Wortlaut
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schließlich in die insolvenzrechtliche Literatur, so geht das Meinungsbild auseinander. Zu § 50 InsO liest man, dass das für eine künftige Forderung bestellte Pfandrecht nicht besteht.39 Bei § 91 InsO wird ihm bisweilen – unter Leugnung seiner forderungsunabhängigen Existenz – die Insolvenzfestigkeit abgesprochen40 oder je nachdem differenziert, ob das Pfandrecht für eine aufschiebend bedingte oder für eine künftige Forderung bestellt wurde.41 Dieses Gesamtbild weckt Zweifel am Aussagegehalt und der Allgemeingültigkeit der zu §§ 1204 II, 1209 BGB geschilderten Rechtsauffassung.
E. Historischer Wortlaut Der Wortlaut von § 1204 II BGB lässt die Deutung zu, dass jegliche von den Parteien in Aussicht genommene künftige Forderung erfasst ist, ohne dass eine Eingrenzung erforderlich ist. Aufschluss über den Willen des historischen Gesetzgebers geben nur die Motive. Da mit dem zweiten BGB-Entwurf keine Änderung der Konstruktion des Pfandrechts verbunden war,42 liegt es jedoch nahe, dass die zweite Kommission sich die in den Motiven ausgedrückten Vorstellungen zu eigen gemacht hat, zumal sie ihre Anmerkungen zu den künftigen Forderungen auf terminologische Anregungen beschränkte.43 Die Motive äußern immerhin das Ziel einer umfassenden Sicherung künftiger Forderungen. Zweifel über die Erforderlichkeit eines Rechtsbodens wurden ausdrücklich für die Klärung durch Wissenschaft und Praxis offen gelassen; interessant ist, dass man sie gerade im Hinblick auf die Akzessorietät des Pfandrechts hegte: „Bei den auch nicht in Gestalt eines bedingten Rechtes schon existirenden Forderungen können aus der accessorischen Natur des Pfandrechtes Zweifel entnommen werden, inwieweit für die künftige Forderung eine gewisse Grundlage, sei es in der Gebundenheit beider Kontrahenten oder in der Gebundenheit des einen oder des anderen Kontrahenten, gegeben sein muß.“44 Den Materialien lässt sich also nicht entnehmen, ob dem Begriff der künftigen Forderung eine Grenze immanent ist. In dogmatischer Hinsicht interessant ist, dass man die bedingte Forderung („in Gestalt eines bedingten Rechtes“) zu den „schon existirenden Forderungen“ rechnete. Man betrachtete sie also als etwas Gegenständliches, was § 1204 II BGB nicht als Durchbrechung, sondern 39
Kübler/Prütting/Bork/Prütting, InsO, 12. EL, § 50 Rz. 8. Mitlehner, Mobiliarsicherheiten im Insolvenzverfahren, 3. Aufl. 2012, Rz. 750. Wohl auch FK-InsO/App, 7. Aufl. 2013, § 91 Rz. 10, wonach der Erwerb eines Pfandrechts für § 91 InsO generell von dem Entstehen der gesicherten Forderung abhängig sein soll. 41 Nachweise und detaillierteres Meinungsbild unten G.I.2.b. 42 Mincke, S. 183. 43 S. Mugdan, Bd. 3, S. 911 „B“ dazu, dass man die unbestimmte Forderung neben der künftigen und bedingten nicht eigens erwähnen wollte. 44 Mugdan, Bd. 3, S. 445. 40
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als Ausdruck eines weiten Akzessorietätsverständnisses erscheinen lässt, das noch unterhalb der entstandenen Forderung Raum für ein Abhängigkeitsverhältnis lässt.45
F. Systematik Es liegt an sich äußerst nahe, § 1204 II BGB und § 1113 II BGB im Zusammenhang auszulegen. Hier wie dort geht es um Pfandrechte, die Dinglichkeit und Akzessorietät eint. Beide verbindet die Anwendung bei der Sicherung von Geldkredit und vor allem das gleiche wirtschaftliche Interesse des Gläubigers, den ihm als Pfand zugestandenen (beweglichen oder unbeweglichen) Gegenstand bereits dann gegenüber dem Zugriff durch andere Gläubiger zu verteidigen, wenn die Forderung noch künftig ist. Parallelen bei der Regelung des Stadiums vor Fälligkeit der Forderung wie etwa § 1133/§ 1219, § 1137/§ 1211, § 879 I 1/§ 1209 oder die Gleichbehandlung in § 216 BGB legen gleiche Strukturen nahe, während Unterschiede aus der Rolle des Grundbuchs resultieren könnten. Wegen der fehlgeleiteten Ausrichtung der Hypothekendogmatik an dem Fremdkörper „Eigentümergrundschuld“ haben sich beide Institute jedoch auseinander entwickelt mit der Folge, dass das jeweils andere Institut nicht als Vorbild, sondern zur Abgrenzung dienen muss,46 zumal die Pfandrechtsvorschriften mit § 1256 I 1 BGB im Grundsatz kein Eigentümerpfandrecht vorsehen.47 Das hat handfeste Folgen, wenn man der Hypothek aus § 1113 II BGB wegen ihrer Nichtexistenz die Insolvenzfestigkeit abspricht, sie dem Pfandrecht aus § 1204 II BGB – aus jenem Unterschied heraus – aber zugesteht.48 Die all dem zugrunde liegende, verbreitete systematische Argumentation, dass das Pfandrecht nach § 1204 II BGB deshalb bestehe, weil eine Vorschrift wie § 1163 BGB fehlt,49 geht jedoch fehl. § 1163 I 1 BGB ordnet nicht an, sondern setzt schon voraus, dass die Hypothek nicht besteht.50 Darüber hinaus suggeriert diese Argumentation, dass es diese Vorschrift in §§ 1204 ff. BGB nur deshalb nicht gebe, weil das für eine künftige Forderung bestellte Pfandrecht bereits existiert: Ein Eigentümerpfandrecht hat aber schlicht schon keinen Nutzen, da es für mehrfache Belastungen einer beweglichen Sache und die Freihaltung eines Ranges in der Regel keinen wirtschaftlichen Bedarf gibt (arg. e § 1256 II BGB).51 Über derlei Diskussion gerät dann 45
Mincke, S. 178 f. Oben Fn. 30. 47 Vgl. Prütting, Sachenrecht, Rz. 820; Soergel/Habersack, BGB, 13. Aufl., § 1204 Rz. 23. 48 So Jauernig/Berger, ZVR/InsR, § 40 Rz. 35 u. 38. 49 Statt vieler: Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rz. 461. 50 Nach hier vertretener Auffassung ist diese Voraussetzung bei der Hypothek für eine künftige Forderung allerdings nicht erfüllt; die Hypothek besteht und § 1177 I BGB gilt nur analog, s. § 6. 51 Rüll, S. 14 f.; Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1209 Rz. 4. 46
G. Teleologische Auslegung
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in den Hintergrund, dass – abseits der Frage der dogmatischen Bezeichnung – der Gläubiger bei § 1204 II BGB eine Position innehat, die zwar nicht das wesentliche Verwertungsrecht, aber einige andere Befugnisse beinhaltet.52 Eben dies entspricht der Lage bei der Hypothek, welche in Abhängigkeit von der Entwicklung der Forderung neue Befugnisse hinzugewinnt. Gerade das schafft gleiche Strukturen für §§ 1204 II, 1113 II BGB unabhängig von dem Gegenstand, an dem die Pfandrechte bestehen.53 Eine gewisse Anlehnung an § 1113 II BGB ist also durchaus geboten.
G. Teleologische Auslegung Das Pfandrecht beinhaltet die Befugnis des Gläubigers, das Pfand zu verwerten; es ist ein Verwertungsrecht. Nicht zu vernachlässigen ist die Funktion des Pfandrechts als Sicherung an sich. Das Pfandrecht muss genauso das Interesse des Gläubigers befriedigen, sich den Wert des Pfandes als Sicherheit zu erhalten („Sicherungsinteresse“), und zwar besonders in der Zeit vor Fälligkeit der Forderung, in der der Gläubiger in dem Vertrauen disponieren möchte, dass der ihm verpfändete Gegenstand als Sicherheit zur Verfügung stehen wird.54 Selbst wenn die Forderung nur sehr unwahrscheinlich zur Entstehung kommen wird, soll das Pfandrecht ohne Einschränkung Sicherung bieten, falls sie entsteht.55 Dieses Bestreben gipfelt im Fall des sog. Faustpfandrechts in der Übergabe der Sache, welche dem Gläubiger mit dem Pfand in seiner „Faust“ Gewähr dafür bieten soll, dass ihm das Pfand erhalten bleibt.56 Die teleologische Auslegung von § 1204 II BGB hat also neben dem Zweck, dem Gläubiger die Verwertungsbefugnis einzuräumen (dazu G.I.), auch zu berücksichtigen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Verpfändung dem Gläubiger das Recht gibt, sein Pfand in der Zeit zu verteidigen, in der seine Forderung noch nicht entstanden ist (dazu G.II.).
52 Vgl. MünchKomm-BGB/Damrau, 6. Aufl. 2013, § 1204 Rz. 22; Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 23. 53 Ebenso Rüll, S. 151. 54 Rüll, S. 23 – 25. Rüll stellt neben das Sicherungsinteresse das durch die Verwertungsbefugnis gestillte Befriedigungsinteresse sowie das Interesse des Gläubigers, sich die Sachsubstanz zu erhalten, was letztlich aber ein Aspekt des Sicherungsinteresses ist. In bestimmten Konstellationen werden Mobiliarsicherheiten sogar nur zu diesem Zweck bestellt, während der Verwertungszweck ganz im Hintergrund steht, vgl. Brinkmann, S. 59 f. 55 Vgl. MünchKomm-BGB/Damrau, 6. Aufl. 2013, § 1204 Rz. 22. 56 Vgl. Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1855; Rüll, S. 23 f.
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§ 7 Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB
I. Verwertungsfunktion 1. Verwertungskonflikt mit anderen Pfand- oder Pfändungspfandrechten Damit der Gläubiger sein Pfand verwerten darf, muss die gesicherte Forderung grundsätzlich (entstanden und) fällig sein (§ 1228 II 1 BGB). Die Künftigkeit der Forderung ist hier nur dann von Bedeutung, wenn ein zweiter Gläubiger dem Pfandgläubiger die Verwertungsbefugnis streitig macht und es zur Lösung dieses Konflikts auf den Rang des Pfandrechts ankommt. Der Rang des Pfandrechts richtet sich gemäß § 1209 BGB (ggf. i. V. m. § 804 III ZPO57) nach dem Zeitpunkt der Bestellung, selbst wenn es für eine künftige oder bedingte Forderung bestellt wurde.58 Der Wortlaut von § 1209 BGB inkorporiert die Formulierung von § 1204 II BGB, verweist also auf das dort geltende Verständnis der künftigen Forderung. Das führt allemal zu einer Ranganknüpfung ohne Rücksicht darauf, ob die gesicherte Forderung entstanden ist.59
2. Verwertungskonflikt in der Insolvenz des Schuldners Konkurriert die Verwertung durch den Gläubiger mit dem Verwertungsanspruch aller anderen Gläubiger im Fall der Insolvenz des Schuldners, so kann diese Konkurrenz nicht allein mit dem Rang des Pfandrechts gelöst werden, wenn der Verpfändungsakt im Hinblick auf § 1204 II BGB zwar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist, aber die Forderungsentstehung erst in den Zeitraum des Insolvenzverfahrens fällt. In diesem Fall beanspruchen nämlich §§ 80 ff. InsO Geltung, welche eine nachträgliche Belastung der Masse verhindern sollen. Wie dieser Konflikt rechtlich zu bewältigen und dogmatisch zu erklären ist, ist noch heute umstritten. a) Rechtliche Rahmenbedingungen Die Verwertungsbefugnis des Pfandgläubigers verschafft ihm in der Insolvenz ein Recht auf abgesonderte Befriedigung nach § 50 I InsO. Es steht dem Gläubiger nur dann zu, wenn die Forderung entstanden und fällig ist.60 Das Pfandrecht kann folglich keine Befriedigung bieten, wenn die Forderung, etwa wegen des Wegfalls der Verfügungsbefugnis des Schuldners (§ 81 InsO), nicht entstehen kann. Dass die insolvenzrechtliche Diskussion des Pfandrechts nach 57
BGH, 29.11.1984 – IX ZR 44/84, BGHZ 93, 71, 76. § 1209 gilt nach § 1273 BGB auch für die Verpfändung einer Forderung, MünchKommBGB/Damrau, 6. Aufl. 2013, § 1290 Rz. 1. 59 Zur Frage, ob darüber hinaus ein gewisser Rechtsboden notwendig ist, siehe noch unter H. 60 Sie wird nicht einmal dann nach § 41 InsO fällig gestellt, wenn sie bei Verfahrenseröffnung bereits entstanden war, BGH, 11.12.2008 – IX ZR 194/07, NZI 2009, 165, 166 f. 58
G. Teleologische Auslegung
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§ 1204 II BGB fast ausschließlich bei § 91 InsO (früher: § 15 KO) erfolgt, hat folgende Bewandtnis: Nach § 91 InsO kann ein Recht an einem Gegenstand der Insolvenzmasse selbst dann nicht mehr wirksam erworben werden, wenn sich der Erwerb ohne Verfügung des Schuldners vollziehen würde. Wenn man für den Erwerb des Pfandrechts die Entstehung der Forderung verlangt, dann würde der Pfandrechtserwerb also an § 91 InsO scheitern, selbst wenn die Entstehung der Forderung auf die Verfügungsgewalt des Schuldners nicht angewiesen und an ein tatsächliches Ereignis geknüpft ist. Wenn man sich hingegen auf den Standpunkt stellt, dass das Pfandrecht materiell-rechtlich bereits durch Einigung und Übergabe entstanden ist, dann steht § 91 InsO nicht entgegen, da das Pfandrecht nach dieser Sichtweise bereits bei Verfahrenseröffnung erworben ist. b) Meinungsstand Eine Ansicht will dem Pfandrecht aus § 1204 II BGB generell Insolvenzfestigkeit absprechen.61 Das ist schon deshalb überzogen, da §§ 81 ff. InsO einen mehraktigen Erwerb jedenfalls dann nicht unterbinden sollen, wenn ein Vermögensgegenstand im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits ganz oder teilweise aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden ist, ohne dass für ihn die Möglichkeit besteht, diesen auf Grund alleiniger Entscheidung wieder zurückzuerlangen.62 Im Zentrum der Diskussion stehen daher zwei konkurrierende Auffassungen: Eine Auffassung attestiert diesem Pfandrecht im Hinblick darauf, dass man es ohne die Forderung materiell-rechtlich bereits als entstanden ansieht, generell Insolvenzfestigkeit.63 Nach anderer Auffassung soll das Pfandrecht, welches für eine aufschiebend bedingte Forderung bestellt ist, wegen § 161 I 2 BGB insolvenzsicher sein, während sich dem für eine künftige Forderung bestellten Pfandrecht § 91 InsO entgegenstelle; dem materiell-rechtlichen Entstehungszeitpunkt des Pfandrechts misst diese Auffassung für § 91 InsO keine Bedeutung bei.64 Mit dieser Differenzierung möchte man insbesondere den Fall erklären, dass ein Pfandrecht, welches eine Darlehensrückzahlungsforderung sichert, kein Absonderungsrecht gibt, wenn die Valutierung erst während der Insolvenz des Schuldners erfolgt. Da die Gegenauffassung hier zum gleichen Ergebnis gelangt,65 geht es vornehmlich um die richtige Begründung. 61
Oben Fn. 40. BGH, 27.05.2003 – IX ZR 51/02, NJW 2003, 2744, 2746; BGH, 08.01.2009 – IX ZR 217/07, WM 2009, 416, 417 und – am Rande – BGH, 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 = NJW 2007, 1588, 1590; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 91 Rz. 11. 63 MünchKomm-InsO/Ganter, 3. Aufl. 2013, Vor §§ 49 – 52 Rz. 35; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 91 Rz. 11; Becker-Eberhard, S. 292 – 305. 64 Bork, InsR-Einf., § 15 Rz. 181; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 10.28; Kübler/ Prütting/Bork/Lüke, InsO, 45. EL, § 91 Rz. 42; Muthorst, ZIP 2009, 1794, 1797 f. 65 MünchKomm-InsO/Ganter, 3. Aufl. 2013, Vor §§ 49 – 52 Rz. 35; Becker-Eberhard, S. 305 f.; Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. (2007), § 91 Rz. 31. 62
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c) Kritik Die Begründung der differenzierenden Ansicht ist in mehrfacher Hinsicht kritikwürdig. Das beginnt damit, dass § 161 BGB nicht anwendbar ist.66 Auch die Einteilung in künftige und aufschiebend bedingte Forderungen gelingt nicht überzeugend. Die Darlehensrückzahlungsforderung aus bereits abgeschlossenem Darlehensvertrag ist vor Valutierung an sich eine klassische rechtsbedingte Forderung, die man bei § 1204 II BGB ohne Weiteres den aufschiebend bedingten Forderungen zurechnet. Die Schwäche dieser Kategorisierung wird deutlich, wenn die Parteien ausdrücklich die Valutierung zur Bedingung für eine vertraglich vereinbarte Darlehensrückzahlungsforderung erheben würden: Soll dann der Schutz aus § 161 BGB wirklich verdient sein? Die Nachteile einer begrifflichen Differenzierung zeigen sich darin, dass diese Auffassung sich von der Entscheidung BGHZ 170, 196 distanziert,67 weil dort einem Pfandrecht für „künftig entstehende Forderungen“68 Insolvenzfestigkeit attestiert wird, obwohl es dort erkennbar um aufschiebend befristete Forderungen ging, auf die § 161 BGB ohne weiteres anzuwenden wäre. Da diese Auffassung anerkennt, dass das Pfandrecht nach § 1204 II BGB materiell-rechtlich bereits entstanden ist,69 müsste zudem § 161 BGB an sich von vornherein der Boden entzogen sein. Letztlich lenkt diese Auffassung von den Ursachen ab, warum ein Pfandrecht nach § 1204 II BGB in der Insolvenz nicht wirkt. Es ist selbstverständlich, dass ein Absonderungsrecht nicht mehr entstehen kann, wenn zur Forderungserzeugung noch ein Rechtsgeschäft des Schuldners erforderlich ist, welches er nach §§ 80 ff. InsO nicht vornehmen kann; genauso können aber auch aufschiebend bedingte Forderungen nicht wirksam entstehen, wenn ihre Bedingung in einer Verfügungshandlung des Schuldners besteht. Solche Forderungen müssten deshalb den künftigen Forderungen zugeschlagen werden und dies führt zu dogmatischen Unstimmigkeiten. Die differenzierende Auffassung verdeckt daher, dass die Ursache der Problematik nicht in der Bedingungslehre, sondern in der ratio legis von §§ 80 ff. InsO zu suchen ist. Wesentlich stimmiger ist es, wenn man mit der Gegenauffassung70 den materiell-rechtlichen Befund, wonach das Pfandrecht vor Valutierung entsteht, auch für das Insolvenzrecht anerkennt.71 Ein materiellrechtlich entstandenes Pfandrecht ist immerhin eine dingliche Belastung, die bereits als solche in einem Verhältnis zum Insolvenzbeschlag stehen kann, ohne dass eine insolvenzrechtliche Anerkennung vonnöten wäre. Das verortet die Problematik bei ihrer Ursache, nämlich bei der Abhängigkeit der Forderung 66
Zur Begründung sei auf die Ausführungen bei der Hypothek (o. § 6 S. 231 f.) verwiesen. Bork, InsR-Einf., § 15 Rz. 181 Fn. 49; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, 45. EL, § 91 Rz. 42 Fn. 103. 68 BGH, 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 = NJW 2007, 1588, 1589 Tz. 11. 69 Bork, InsR-Einf., § 15 Rz. 181. 70 Oben Fn. 63. MünchKomm-InsO/Ganter, 3. Aufl. 2013, Vor §§ 49 – 52 Rz. 35. 71 So bereits zur Hypothek oben § 6 G. 67
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von der Verfügungsbefugnis des Schuldners.72 Wer den Erwerb der Forderung von der Fortdauer der Verfügungsbefugnis des Schuldners abhängig macht, geht eben das Risiko ein, dass der Schuldner sie verliert. Dass das Pfandrecht in der Insolvenz hierüber nicht hinweghilft, ist selbstverständlich: Andernfalls wäre es nicht länger eine akzessorische Sicherung, sondern ein Recht, das zum Erwerb einer Forderung verhilft. d) Zwischenergebnis Dass ein vor der Insolvenzeröffnung nach § 1204 II BGB bestelltes Pfandrecht nicht in jedem Fall ein Recht auf abgesonderte Befriedigung gibt, wenn die Forderung während der Insolvenz entsteht, liegt nicht an dem Grad der rechtlichen Verfestigung einer Forderung. Es ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass Forderungen, die zu ihrer Entstehung eine Verfügungshandlung des Schuldners voraussetzen, wegen §§ 80 ff. InsO schlicht nicht mehr zur Entstehung gelangen können.73 Die Differenzierung zwischen Pfandrechten für aufschiebend bedingte und solchen für künftige Forderungen ist daher irreführend und hilft nicht weiter.
II. Sicherungsfunktion Das Pfandrecht soll nicht nur das Verwertungsinteresse des Gläubigers befriedigen, sondern ebenso sein Interesse an der Erhaltung des Pfands als Sicherheit („Sicherungsinteresse“, o. S. 245). Das Interesse des Gläubigers an der Erhaltung des Pfands besteht naturgemäß schon vor Fälligkeit der gesicherten Forderung. Das Pfandrecht gibt seinem Inhaber daher bereits vor diesem Zeitpunkt entsprechende Befugnisse, die diesem Interesse dienen. Das ergibt sich aus § 1219 BGB inzident,74 und § 1281 BGB regelt das ausdrücklich.75 § 1281 BGB gibt dem Gläubiger einen Ersatz für die verpfändete Forderung, die durch Leistung des Drittschuldners erlischt, indem er ihm am Leistungsgegenstand ein Recht einräumt. Der Erhalt des Sicherungsgegenstandes ist jedoch nicht nur durch eine solche Zahlung des Drittschuldners (§ 1281 BGB) oder durch äußere Umstände (§ 1219 BGB) bedroht, 72 Richtigerweise auf § 81 InsO verweisen daher Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 91 Rz. 31 und Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 91 Rz. 12 f., die allerdings entgegen der hier vertretenen Auffassung einen Restanwendungsbereich von § 91 InsO sehen, dann allerdings in Konflikt mit der herrschenden Auffassung geraten, wonach von einer Bedingung abhängige Forderungen in der Insolvenz entstehen können. 73 Siehe auch noch § 12 A. 74 Becker-Eberhard, S. 302: Die Befugnisse aus §§ 1219 f. BGB seien zwingend vor der Entstehung der Forderung zu gewähren (jedoch ohne Stellungnahme zur daraus folgenden Beschaffenheit der Forderung). 75 § 1281 BGB meint nicht die Fälligkeit der verpfändeten Forderung (arg. e § 1282 BGB); im Gegenteil geht § 1281 BGB von deren Fälligkeit aus; MünchKomm-BGB/Damrau, 6. Aufl. 2013, § 1281 Rz. 1.
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sondern ebenso durch den Zugriff anderer Gläubiger auf das Pfand, welche ein besseres Recht reklamieren. Das Sicherungsinteresse des Gläubigers wird also besonders dann virulent, wenn gegen den Schuldner vollstreckt oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Liest man, dass das Pfandrecht seine Sicherungswirkung erst mit dem Entstehen der Forderung entfalte,76 so gilt es im Folgenden zu klären, inwieweit das Gesetz dieses Sicherungsinteresse nicht doch sogar vor dem Entstehen der Forderung schützt.
1. Rechtliche Rahmenbedingungen a) Zwangsvollstreckung Fraglich ist, welchen Schutz das Pfandrecht erfährt, wenn andere Gläubiger in das Vermögen des Schuldners vollstrecken wollen, aber die gesicherte Forderung noch künftig ist. Da sich beim Fahrnispfandrecht das Pfand beim Pfandgläubiger befindet, schützt bereits § 809 ZPO das Pfand vor ihrem Zugriff. Der Schutz knüpft an den Gewahrsam des künftigen Gläubigers an. Dieser faktische Schutz besteht unabhängig von dem Bestand der Forderung und – entsprechend der Formalisierung der Zwangsvollstreckung – überhaupt ohne Rücksicht auf ein entsprechendes Besitzrecht.77 Ob die Verpfändung als solche Schutzwirkungen äußert, erweist sich erst, wenn die Sache trotz § 809 ZPO in die Macht vollstreckender Gläubiger gelangt bzw. eine verpfändete Forderung durch andere eingezogen wird und der mögliche Pfandrechtsgläubiger nach § 77178 oder § 805 ZPO79 sein Recht geltend machen möchte. Ausweislich des Wortlauts von § 805 I ZPO soll er dazu ohne Rücksicht darauf berechtigt sein, ob seine gesicherte Forderung gegen den Schuldner bereits fällig ist oder nicht. Das Gesetz befreit also ausdrücklich von dem Fälligkeitserfordernis, während unklar bleibt, ob die Forderung auch lediglich künftig sein darf. In der Literatur stellt man den nicht fälligen Forderungen i. S. d. § 805 I ZPO nur die aufschiebend bedingten gleich, hat dabei § 1204 II BGB allerdings erkennbar nicht im Auge.80 Da §§ 771, 805 ZPO aber schlicht darauf verweisen, ob der Kläger Inhaber eines Pfandrechts ist, obliegt dem materiellen Recht die Entscheidung, wann diesem ein Pfandrecht zustehen soll, so dass §§ 771, 805 ZPO ganz auf § 1204 II BGB aufbauen und bedingte und künftige Forderungen gleichbehandeln müssen.81 76
Alexander, JuS 2012, 481, 483. Ähnlich Bülow, Kreditsicherheiten, 8. Aufl. 2012, Rz. 28. Vgl. MünchKomm-ZPO/Gruber, 4. Aufl. 2012, § 809 Rz. 7. 78 Ob der Pfandrechtsgläubiger nach § 771 ZPO widersprechen oder nur seine Rechte am Erlös geltend machen kann, hängt davon ab, ob man an § 1232 S. 1 oder 2 BGB anknüpft; in ersterem Sinne Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Kindl, § 805 ZPO Rz. 5. 79 Dem Inhaber eines Forderungspfandrechts steht – a maiore ad minus – § 805 ZPO jedenfalls auch zur Verfügung, MünchKomm-ZPO/Gruber, 4. Aufl. 2012, § 805 Rz. 7. 80 Oben Fn. 38. 81 Zur Frage, ob daraus ein Rechtsbodenerfordernis resultiert, s. unten S. 252 ff. 77
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b) Insolvenz Nun sei beleuchtet, inwieweit das Sicherungsinteresse des Gläubigers in der Insolvenz des Schuldners befriedigt wird. Die Ausgangssituation ist, dass dem Gläubiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Sache als Pfand überlassen worden war, und zwar zur Sicherung einer immer noch erst künftig entstehenden Forderung. Das Sicherungsinteresse des Gläubigers äußert sich wie folgt. Besitzt der Gläubiger das Pfand, so möchte er es gegen den Zugriff des Insolvenzverwalters (§ 985 BGB) verteidigen und der Masse vorenthalten, damit es ihm als Pfand dienen kann, falls die Forderung entsteht. Der Erfolg dieses Anliegens hängt davon ab, ob das Pfandrecht bereits existiert, so dass es dem Gläubiger ein Besitzrecht vermitteln kann (§ 986 BGB). Für die Verpfändung von Forderungen läuft es entsprechend: Der Insolvenzverwalter ist an deren Verwertung gehindert, da ein Pfandrecht dem Gläubiger die Einziehungsbefugnis gibt.82 Mangels besonderer Vorschriften in der Insolvenzordnung hängt es also wiederum allein vom materiellen Recht ab, ob jemand trotz Künftigkeit der gesicherten Forderung als Pfandgläubiger anzusehen ist und daher sein Pfand gegen den Verwertungswunsch des Insolvenzverwalters verteidigen kann.83
2. Vorabexistenz des Pfandrechts aus § 1204 II BGB Die Sicherungsbefugnis des Gläubigers hängt also durchgehend von der Frage ab, ob das materielle Recht, und damit § 1204 II BGB, den potentiellen Gläubiger schon als Inhaber eines Pfandrechts sehen will. Das nimmt der BGH mit Recht an: Das Pfandrecht besteht bereits, selbst wenn die Forderung noch nicht entstanden ist.84 Wenn § 1204 II BGB das nicht zum Ausdruck bringen wollte, enthielte er bloß eine Regelung, welche den Parteien nachlässt, Übergabe und Einigung vorzuziehen, um – etwa für eine revolvierende Vorausverpfändung – den Bestellungsakt 82 Man folgert dies e contrario aus § 166 II InsO, der dem Insolvenzverwalter die Einziehungsbefugnis nur im Fall der Sicherungsabtretung zugesteht, BGH, 11.07.2002 – IX ZR 262/01, NZI 2002, 599, 600; BGH, 15.05.2003 – IX ZR 218/02, NZI 2003, 496; Bork, InsR-Einf., § 22 Rz. 305; Seppelt, VersR 2003, 292, 299. 83 In dem seltenen Fall, dass der Insolvenzverwalter in den Besitz des Pfandes gelangt und es gemäß §§ 166 I, 50 I InsO verwertet (dazu allgemein Bork, InsR-Einf., § 22 Rz. 298 – 304), muss der Gläubiger (vergleichbar § 1281 BGB) am Erlös als Surrogat für das Pfand berechtigt bleiben, solange die gesicherte Forderung noch entstehen kann. § 170 I 2 InsO geht dabei auf den Absonderungsgläubiger, dessen gesicherte Forderung künftig ist, allerdings nicht ausdrücklich ein. Für den vergleichbaren Fall einer Einziehung von zur Sicherheit abgetretenen Forderungen durch den Insolvenzverwalter wendet der BGH immerhin § 191 I InsO analog an (so zu § 166 II InsO BGH, 11.12.2008 – IX ZR 194/07, NZI 2009, 165, 166 f.; Hmbg.Ko-InsO/Büchler, 4. Aufl. 2012, § 170 Rz. 6). Überträgt man das auf das Pfandrecht, so hieße das für den Gläubiger einer aufschiebend bedingten Forderung (i. S. v. § 191 InsO, dazu § 3 S. 62 f.), dass der Betrag einstweilen für ihn reserviert wird. 84 BGH, 26.01.1983 – VIII ZR 275/81, BGHZ 86, 340, 346 f. = NJW 1983, 1619, 1620.
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§ 7 Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB
zu rationalisieren. Dann wäre die Vorschrift jedoch besser bei § 1205 BGB aufgehoben. Außerdem wollte der historische Gesetzgeber mit § 1204 II BGB gerade deutlich machen, dass er die bedingten Forderungen zu den „schon existirenden Forderungen“ rechnet und den diesen dadurch zuteilwerdenden Schutz ausdrücklich auf die künftigen Forderungen übertragen: „[. . .]; indessen wird eine Sicherung des bedingten Rechtes durch Pfand nicht versagt werden dürfen, da das praktische Bedürfnis hierzu nöthigt. Man wird aber noch weiter zu gehen haben und eine Verpfändung auch in den Fällen zulassen müssen, in denen ein bedingtes Recht noch nicht vorliegt.“85 Diese materielle Funktion von § 1204 II BGB ist auch im Wortlaut von § 1209 BGB angedeutet, der eben nicht nur dem Pfandrecht für die entstandene Forderung einen Rang zuweist, wenn es für eine seinerzeit künftige bestellt wurde, sondern dem Pfandrecht nach § 1204 II BGB, wenn es für eine künftige oder eine bedingte Forderung bestellt ist.
3. Beschaffenheit der künftigen Forderung Gegenstand der folgenden Ausführungen ist, wie die bedingte oder künftige Forderung beschaffen sein muss, damit § 1204 II BGB dieser Funktion gerecht werden kann, das Sicherungsinteresse des künftigen Gläubigers zu befriedigen. Aufzugreifen ist ein Ansatzpunkt in der Literatur, der diese Frage ausgehend vom Gläubigerinteresse angeht.86 Er beruht auf der folgenden Überlegung: Das Pfandrecht dient der Sicherung des Gläubigers. Ein Bedürfnis des Gläubigers nach Sicherung besteht schon dann, wenn der Schuldner ohne Zutun des Gläubigers die Forderungsentstehung auslösen kann. Hätte der Gläubiger in dieser Phase nämlich kein Pfandrecht, so könnten ihm andere Gläubiger den Pfandgegenstand streitig machen und er liefe Gefahr, dass der Schuldner die Forderung hervorbringt, ohne dass die Sicherheit noch zur Verfügung steht. Da sich die Auffassungen über die Beschaffenheit der künftigen Forderung gerade um die Frage drehen, ob die ein oder andere Partei gebunden sein muss,87 soll – anhand dieses Sicherungsbedürfnisses – jeweils für den Gläubiger (a) und den Schuldner (b) die Relevanz einer solchen Bindung für die vorliegende Frage untersucht werden, um dann die sich aus der ratio legis und dem Spezialitätsprinzip ergebenden Grenzen zu beleuchten. a) Relevanz der Bindung des Gläubigers Der (potentielle) Gläubiger möge dem (potentiellen) Schuldner ein unwiderrufliches Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages machen und sich zur Sicherung 85
Mugdan, Bd. 3, S. 445. Rüll, S. 26 – 30; Schellewald, S. 136 f. 87 Vgl. oben D.II. und E. 86
G. Teleologische Auslegung
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des (im Fall der Annahme geschuldeten) Kaufpreises Wertpapiere verpfänden lassen.88 Der Gläubiger, der sein Angebot nur im Wissen um seine Pfandsicherheit unterbreitet hat, muss davor geschützt werden, dass die Forderung zustande kommt, ohne dass seine Sicherheit noch zur Verfügung steht. Diese Gefahr droht auch in einer Insolvenz des Schuldners, wenn der Insolvenzverwalter das Pfand für die Masse nach § 985 BGB herausverlangen und verwerten könnte und in einem späteren Stadium die Forderung durch Annahme des Angebots zur Entstehung bringt, weil der Vertrag für die Masse günstig ist. Damit das Pfandrecht hier seinen Sicherungszweck erfüllen kann, muss es also so lange Bestand haben (§ 986 BGB), wie es möglich ist, dass die Forderung entsteht. Das Pfandrecht nach § 1204 II BGB muss also bereits dann bestehen, wenn nur der Gläubiger gebunden ist. Das soeben genannte Beispiel möge dahingehend abgewandelt werden, dass der Gläubiger ein Angebot unterbreitet hat, jedoch unter Vorbehalt des Widerrufs bis zur Annahme durch den Schuldner (§ 145 BGB a. E.); der Gläubiger ist an sein Angebot also nur bedingt gebunden. Während eine Auffassung dem Gläubiger hier ein Sicherungsbedürfnis zugesteht,89 wird es ihm durch eine andere in der Literatur vertretene Auffassung mit dem Argument abgesprochen, dass der Gläubiger die Entstehung der Forderung immerhin verhindern könne.90 Nach letzterer Auffassung wäre damit eine unbedingte Bindung des Gläubigers nicht nur ausreichend, sondern erforderlich, damit das Pfandrecht den Gläubiger sichert und als Recht existiert. Damit erweist sich als (bislang ungelöste) Kardinalfrage, ob das Pfandrecht für eine künftige Forderung nur dann Bestand haben soll, wenn der Gläubiger das Entstehen der Forderung nicht mehr verhindern kann, oder auch dann, wenn der Schuldner die Forderung zwar ohne weiteren Willensakt des Gläubigers zur Entstehung bringen, der Gläubiger diese Aussicht aber noch einseitig zerstören könnte. Da man in beiden Situationen ein tatsächliches Sicherungsbedürfnis des Gläubigers kaum leugnen kann, geht es letztlich darum, ob in letzterem Fall dieses Bedürfnis zurückzutreten hat, weil ansonsten andere Gläubiger beeinträchtigt würden (dazu aa), bzw. ob § 1204 II BGB überhaupt bezweckt, ein solch schwächeres Sicherungsbedürfnis zu befriedigen (dazu bb). aa) Beeinträchtigung der Interessen dritter Gläubiger Gesteht man dem Gläubiger ein Pfandrecht zu, obwohl er sein Vertragsangebot noch widerrufen kann, dann müsste ein Insolvenzverwalter, um das Pfand nach § 985 BGB zur Masse ziehen zu können, das Angebot ablehnen. Denn dadurch würde das Pfandrecht erlöschen, da die gesicherte Aussicht auf Entstehung der Forderung zerstört wäre.91 Auf diese Weise wird der Insolvenzverwalter 88 §§ 320 ff. BGB genügen hier nicht als Sicherung, wenn der Verkäufer vorleisten muss oder aber sichergehen will, dass der Vertrag durchgeführt wird und die Leistung erfolgt. 89 Richtig: Becker-Eberhard, S. 290 f. 90 So Rüll, S. 131 – 135; Schellewald, S. 136 – 144. 91 Nachw. oben Fn. 21.
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§ 7 Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB
zu einer Entscheidung gedrängt: Entweder nimmt er das Angebot an, weil der Vertrag der Masse (und damit den Gläubigern) günstig ist; dann soll er das um den Preis tun, dass der verpfändete Gegenstand der Masse in Höhe der geschuldeten Gegenleistung entzogen ist. Oder er lehnt das Angebot ab und zerstört auf diese Weise das Pfandrecht, damit er das Pfand für die Masse verwerten kann. Durch diesen Mechanismus ist sichergestellt, dass der potentielle Gläubiger das Pfand der Masse (respektive dritten Gläubigern) nicht aufgrund einer unsicheren Erwerbsaussicht vorenthalten kann, da sein Wert entweder als Einsatz für eine günstige Gegenleistung oder als Verwertungsobjekt der Masse zur Verfügung steht. In der Insolvenz bleiben die Interessen dritter Gläubiger also gewahrt, wenn man ein Pfandrecht schon zu einem Zeitpunkt anerkennt, zu dem es an einer unbedingten Bindung des Gläubigers fehlt. In der Zwangsvollstreckung kommt es demgegenüber zum Konflikt. Unterstellt man, dass ein solches Pfandrecht Bestand hat, so können nachrangige Pfändungsgläubiger92 nicht auf das Pfand zugreifen, obwohl der Gläubiger der Gefahr, eine ungesicherte Forderung zu erwerben, beikommen könnte, indem er sein Angebot widerruft. Da – im Gegensatz zur Insolvenz – der Schuldner und seine übrigen Gläubiger jeweils eigene Interessen verfolgen, kann es sein, dass der Schuldner die Forderung weder zustande bringt noch die Aussicht zerstört, sie noch einmal zu erwerben.93 Dann bleibt das Pfand den dritten Gläubigern vorenthalten, selbst wenn sich weder der potentielle Schuldner noch der potentielle Gläubiger um die Entstehung der Forderung bemühen. Allerdings sind die dritten Gläubiger nicht schutzlos gestellt. Sie können nämlich den potentiellen Herausgabeanspruch des Eigentümers pfänden, um sich den Zugriff auf das Pfand für den Fall zu sichern, dass das Pfandrecht erlischt, weil der Schuldner das Angebot später ablehnt (§ 146 BGB) oder es ausläuft (§§ 147, 148 BGB). Auf Seiten der Drittgläubiger ist zudem in Rechnung zu stellen, dass im Regelfall gewährleistet ist, dass das Pfandrecht des potentiellen Gläubigers den dritten Gläubigern erkennbar ist, nämlich bei einem Fahrnispfandrecht durch seinen Besitz und bei einem Forderungspfandrecht über die Drittschuldnererklärung nach § 840 I Nr. 2 ZPO. Im Ergebnis erfahren dritte Gläubiger bei Anerkennung eines solchen Pfandrechts daher keine unangemessene Beeinträchtigung. bb) Ratio legis von § 1204 II BGB Ob ein Pfandrecht für die hier fraglichen künftigen Forderungen anzuerkennen ist, hängt aber letztlich davon ab, ob der Gesetzgeber mit § 1204 II BGB schon dieses etwas schwächere Sicherungsbedürfnis des Gläubigers schützen will. Aus den Motiven zur Regelung geht hervor, dass man künftig entstehende Forderungen umfassend schützen wollte; dort heißt es: 92
§ 804 III ZPO i. V. m. § 1209 BGB. In der Insolvenz handelt dagegen der Insolvenzverwalter an der Stelle des Schuldners auch im Interesse der dritten Gläubiger. 93
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„Bei der bedingten Forderung könnten schon eher Zweifel bestehen, da nach dem Entw. im Falle der Suspensivbedingung die Forderung vorläufig nur in Gestalt des bedingten Rechtes besteht; indessen wird eine Sicherung des bedingten Rechtes durch Pfand nicht versagt werden dürfen, da das praktische Bedürfnis hierzu nöthigt. Man wird aber noch weiter zu gehen haben und eine Verpfändung auch in den Fällen zulassen müssen, in denen ein bedingtes Recht noch nicht vorliegt.“94 Zwar hatte man Zweifel, ob für diese künftigen Forderungen eine gewisse Gebundenheit der einen oder anderen Seite erforderlich sei; man verortete diese Zweifel jedoch bei der Akzessorietät.95 Damit stand nicht in Frage, ob man dieses Sicherungsbedürfnis sichern will, sondern ob man ein solches Pfandrecht konstruieren kann, was nicht weiter verwunderlich ist, da im römischen Recht ein Pfandrecht ohne entstandene Forderung undenkbar war.96 Aufschluss über den Willen des Gesetzgebers, künftige Forderungen umfassend zu sichern, gibt schließlich noch eine Entscheidung des Reichsgerichts zum Pfandrecht nach gemeinem Recht, auf die die Motive verweisen. Das Reichsgericht entschied zum Pfandrecht wegen künftiger Darlehensrückzahlungsforderungen aus einer Valutierung, deren Abruf im Belieben des Schuldners stand.97 Das Reichsgericht sah es für die Existenz eines solchen Pfandrechts als wesentlich an, dass „der Verpfänder den Gläubiger zwingen könne, Gläubiger der Obligation zu werden, zu deren Sicherung das Pfandrecht bestellt war.“98 Es kam ihm also nicht auf die unbedingte Bindung des potentiellen Gläubigers, sondern darauf an, ob der potentielle Schuldner ohne Mitwirkung des Gläubigers die Entstehung der Forderung erzwingen kann. Der Verweis auf diese Entscheidung bestätigt daher den Willen des Gesetzgebers, künftige Forderungen bereits allein deshalb zu schützen, weil der Schuldner sie einseitig hervorbringen kann. Dass das Reichsgericht aus dieser ratio legis dennoch den Schluss gezogen hatte, dass es einer Bindung einer der Parteien bedürfe,99 erklärt sich damit, dass man zu dieser Zeit an den Fall der einseitigen Willenserklärung, die bis zu ihrer Annahme frei widerruflich ist, noch nicht gedacht hatte. Laut Flume kannte man seinerzeit noch nicht einmal die Bindung durch einseitige Willenserklärung, geschweige denn die bedingte Bindung des Gläubigers.100 Selbst unter Geltung von § 145 BGB interpretierte man das frei beseitigbare Angebot lange Zeit nur als invitatio ad offerendum, welches dem Gläubiger das letzte Wort über die Forderungsentstehung belässt.101 94
Mugdan, Bd. 3, S. 445. Mugdan, Bd. 3, S. 445 (s. bereits die Wiedergabe im Wortlaut oben im Text bei Fn. 44). 96 Jhering, Jb. Dogmatik 10 (1871), S. 387, 483 f., unter Ablehnung einer damals wohl vereinzelten Auffassung Dernburgs. 97 RG, 15.12.1885 – III 215/85, RGZ 14, 249, 250. 98 RG, 15.12.1885 – III 215/85, RGZ 14, 249, 251. 99 RG, 15.12.1885 – III 215/85, RGZ 14, 249, 251. 100 Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 35 I 3 a. Vgl. nur Strucksberg, DNotV 1911, 745. 101 Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 35 I 3 c. Vgl. zum „freibleibenden“ Angebot BGH, 08.03.1984 – VII ZR 177/82, NJW 1984, 1885 m. w. N. 95
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Dass „der Verpfänder den Gläubiger zwingen könne, Gläubiger der Obligation zu werden“102, musste man daher zwangsläufig mit der unbedingten Bindung des Gläubigers gleichsetzen. cc) Zwischenergebnis Das nach § 1204 II BGB bestellte Pfandrecht besteht auch ohne eine unbedingte Bindung des Gläubigers, um ihn in Insolvenz und Zwangsvollstreckung umfassend davor zu bewahren, dass seine Forderung ohne Sicherung entsteht. b) Relevanz der Bindung des Schuldners Zu untersuchen ist, ob – wie bei der Vormerkung103 – die Bindung des potentiellen Schuldners eine Bedeutung hat.104 Dafür soll die obige Ausgangssituation nun aus seiner Perspektive gedacht werden. Der (potentielle) Gläubiger möge dem (potentiellen) Schuldner ein Darlehen auf beliebigen Abruf anbieten und sich für die mögliche Rückzahlung ein Pfandrecht bestellen lassen; die Forderungsentstehung soll also vom freien Willen des Schuldners abhängig sein. Dass er – bzw. an seiner Stelle der Insolvenzverwalter – das Pfandrecht durch Ablehnung des Angebots jederzeit beseitigen kann,105 berechtigt nicht zu dem Schluss, dass es nicht „insolvenzfest“ und deshalb inexistent sei. Würde man hier von fehlender Insolvenzfestigkeit sprechen, so würde man von dem Pfandrecht nämlich mehr verlangen, als es leisten kann. Die Möglichkeit der Schuldnerseite, das Pfandrecht zu Fall zu bringen, ist nur Ausdruck der Möglichkeit des Schuldners, die Forderungsentstehung zu verhindern, und damit Ausdruck des der künftigen Forderung inhärenten Risikos, ob sie einmal entstehen wird. Das Pfandrecht muss die künftig entstehende Forderung von vornherein nur so lange sichern, wie die Forderung entstehen kann; es kann daher aufhören zu existieren, wenn diese Möglichkeit beseitigt ist (dazu bereits S. 248 f.). Vor diesem Zeitpunkt muss die einseitige Zerstörbarkeit der Aussicht durch den Schuldner aber ohne Einfluss auf den Bestand des Pfandrechts bleiben, weil sie nichts daran ändert, dass der Schuldner bis dahin die Forderung genauso gut zum Entstehen bringen und dem Gläubiger die Forderung aufzwingen kann, auf deren Sicherung dieser dann angewiesen ist. Das wird evident, wenn man die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Schuldners nicht zwingend als das Ende aller vermögensmäßigen Umsetzungen betrachtet. Wenn nämlich das Angebot des Gläubigers bzw. die Kreditlinie während des Insolvenzverfahrens oder darüber hinaus fortdauern würde, so bliebe auch die Aussicht des Gläubigers
102
Oben Fn. 98. Oben § 5 F.I.1. (S. 172). 104 So etwa Rüll, S. 72 – 74; Eccius, Gruchot 50 (1906), 481, 502 f. 105 Oben Fn. 91. 103
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auf Erwerb der Darlehensforderung noch bestehen.106 Während dieser Phase würde das Pfandrecht den Eventualfall der Forderungsentstehung sichern und damit die ihm angetragene Erwartung erfüllen, eine Forderung für den Fall ihrer Entstehung unbedingt zu sichern.107 Auf einer höheren Abstraktionsebene folgt daraus, dass die einseitige Zerstörbarkeit der Aussicht durch den Schuldner dem Pfandrecht nicht seine Sicherungswirkung entzieht. c) Teleologische Grenzen und Spezialitätsgrundsatz Die bisher analysierten Sachverhalte zeichnen sich dadurch aus, dass mit einer Willenserklärung des Gläubigers bereits ein Rechtstatbestand gesetzt ist, auf den die künftig entstehende Forderung einmal aufbaut. Diesen Sachverhalten sei nun der Fall gegenübergestellt, in dem es an einem solchen Rechtsboden fehlt: Der (potentielle) Schuldner möge in einer Rahmenvereinbarung dem (potentiellen) Gläubiger nach § 1204 II BGB Goldmünzen für den Fall verpfänden, dass es einmal zu einem Vertragsschluss kommt, aus dem eine Zahlungsforderung zugunsten des Gläubigers hervorgeht, ohne dass ein solcher Vertragsschluss aber bereits im Raume steht.108 Anders als in den bisher analysierten Sachverhalten ist hier kein Sicherungsbedürfnis des Gläubigers erkennbar; der Gläubiger muss nicht befürchten, dass eine ungesicherte Forderung entsteht, da es ohne seinen Willen nicht zur Entstehung der Forderung kommen kann. Der Verpfänder kann – um bei den Worten des Reichsgerichts zu bleiben – „[den Gläubiger nicht zwingen], Gläubiger der Obligation zu werden, zu deren Sicherung das Pfandrecht bestellt war.“109 Die ratio legis von § 1204 II BGB (oben S. 254) ist nicht einschlägig. Wenn dritte Gläubiger bzw. ein Insolvenzverwalter dem potentiellen Gläubiger das Pfand streitig machen, so kann ihm § 1204 II BGB daher kein Pfandrecht geben und in der Folge hat er das Pfand herauszugeben. Würde man anders entscheiden und könnte der solchermaßen potentielle Gläubiger wirklich den Zugriff anderer Gläubiger auf den Gegenstand ausschließen, so würde nichts mehr als sein wirtschaftliches Interesse gesichert, Sicherungsgegenstände zu besitzen, um auf deren Grundlage Geschäfte mit dem Schuldner zu tätigen. § 1204 II BGB würde quasi ein Recht auf Reservierung von Sicherungsgegenständen schaffen, auf das weder §§ 1204 ff. BGB noch die Gesetzesmaterialien hindeuten. Damit schließt sich auch der Kreis zu den bei der Vormerkung (§ 5 S. 161 f.) und der Hypothek (§ 6 S. 225 f.) gewonnenen Erkenntnissen, dass ein Sachenrecht kraft des Spezialitätsgrundsatzes auf eine bestimmte künftige Forderung angewiesen ist und daher ein gewisser 106 Freilich ist das in der Praxis dann eine Hypothese, wenn der Gläubiger keine längerfristigen Interessen verfolgt, im eigenen Interesse nach § 490 I BGB kündigt und dadurch das Pfandrecht selbst zerstört, dazu MünchKomm-InsO/Huber, 3. Aufl. 2013, § 103 Rz. 69. 107 Vgl. MünchKomm-BGB/Damrau, 6. Aufl. 2013, § 1204 Rz. 22; MünchKomm-InsO/ Ganter, 3. Aufl. 2013, Vor §§ 49 – 52 Rz. 35. 108 Sachverhalt nach BGH, 07.10.2002 – II ZR 74/00, NJW 2003, 61. 109 Oben Fn. 98.
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§ 7 Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB
Rechtstatbestand bereits vorhanden sein muss, aus dem die gesicherte künftige Forderung hervorgehen kann.
4. Vorausverpfändung Fälle wie der eben genannte sind in der Praxis häufig, wenn der Kunde zu Beginn einer Geschäftsbeziehung seiner Bank für alle künftigen Forderungen aus später abgeschlossenen Darlehensverträgen einen Gegenstand verpfändet.110 Zwar kommt einer solchen Verpfändung, wie eben festgestellt, keine Sicherungswirkung nach § 1204 II BGB zu. Allerdings sollte man ihr immerhin den rechtlichen Charakter einer Vorausverpfändung zugestehen. Mit ihr können die Parteien nämlich vermeiden, dass die Einigung über die Verpfändung und die Übergabe des Pfandgegenstands (bzw. die Anzeige an den Drittschuldner nach § 1280 BGB) für jeden Darlehensvertrag von Neuem erfolgen müsste, da nun für die Zukunft klar ist, dass jede entsprechende Darlehensforderung durch das Pfand gesichert ist. Der Akt der Bestellung des Pfandrechts wird also rationalisiert und die Nennung der künftigen Forderung fungiert als Platzhalter für eine spätere Darlehensforderung. Da die Verpfändung noch keine Wirkung gegenüber Dritten äußert, hat sie lediglich den relativen Charakter eines Verwahrungsschuldverhältnisses (vgl. §§ 1215 ff. BGB). Ihr Ende lässt sich nicht dadurch beschreiben, dass eine rechtlich fundierte Aussicht wegfällt; sie endet vielmehr, wenn die Vereinbarung gekündigt wird.111 Terminologisch kann man den Unterschied zum oben erörterten Pfandrecht nach § 1204 II BGB dadurch zum Ausdruck bringen, dass aus der Vorausverpfändung ein Pfandrecht erst dann hervorgeht, wenn diese durch eine entsprechende Willenserklärung des Gläubigers einen Rechtsboden erhält.
5. Zwischenergebnis Die Auslegung von § 1204 II BGB hat ergeben, dass ein Pfandrecht nach § 1204 II BGB nur dann entsteht, wenn die gesicherte künftige Forderung einen bestimmten Rechtsboden aufweist. Für diesen ist lediglich erforderlich, dass in Form einer Willenserklärung des Gläubigers ein Rechtstatbestand gesetzt wird, kraft dessen die Forderung ohne weitere Mitwirkung des Gläubigers zustande kommen kann. Unterhalb dieser Grenze kann eine Verpfändung für eine künftige Forderung zwar im Voraus vereinbart werden; ihr kommt jedoch gegenwärtig kein dinglicher, sondern lediglich ein vorbereitender und ggf. schuldrechtlicher (§§ 1215 ff. BGB) Charakter zu. 110
Vgl. etwa BGH, 07.10.2002 – II ZR 74/00, NJW 2003, 61. Vgl. nur die außerordentliche Kündigung der unbefristeten Pfandrechtsbestellung für gegenwärtige und zukünftige Bankenverbindlichkeiten in BGH, 07.10.2002 – II ZR 74/00, NJW 2003, 61. 111
J. Bestimmbarkeit
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H. Dualismus von Pfandrecht und Vorausverpfändung in Hinblick auf §§ 1204 II, 1209 BGB Klärungsbedürftig bleibt, ob § 1204 II BGB ausschließlich das Pfandrecht für eine künftige Forderung regelt oder auch die Vorausverpfändung. Bis auf den Wortlaut von § 1204 II BGB spricht alles dafür, dass die Vorausverpfändung gerade nicht geregelt ist. Es findet sich kein Hinweis in den Gesetzesmaterialien. Zudem hätte eine solche Regelung bei § 1205 BGB erfolgen müssen, da hier der Bestellungsvorgang normiert wird, während § 1204 BGB den Inhalt des Pfandrechts festlegt. Die Vorausverpfändung muss zwar schon wegen des dringenden Verkehrsbedürfnisses nach Automatisierung von Bestellungsvorgängen für zulässig erachtet werden. § 1204 II BGB bringt sie aber jedenfalls nicht zum Ausdruck. Ihre Rechtsgrundlage im Gesetz kann sie als Bestellungsakt im Voraus allenfalls in § 1205 I 1 BGB finden. Das hat Konsequenzen für § 1209 BGB. § 1209 BGB verweist für die Rangbestimmung auf das Verständnis der bedingten oder künftigen Forderung i. S. v. § 1204 II BGB. Da nach § 1204 II BGB die künftige Forderung einen Rechtsboden aufweisen muss, erfordert die Rangzuweisung also ebenso einen gewissen Rechtsboden (s. bereits G.I.1.).112 Entgegen der herrschenden Auffassung erhält die Verpfändung also erst dann ihren Rang, wenn das die konkrete Forderung begründende Geschäft rechtlich in der Weise begonnen wurde, dass die Forderung ohne weitere Mitwirkung des Gläubigers zustande kommen kann. Das deckt sich mit den Absichten des historischen Gesetzgebers: Er wollte mit § 1209 BGB klarstellen, dass sich der Rang eines Pfandrechts für eine künftige Forderung „nach dem Zeitpunkte der Begründung des dinglichen Rechtes“113 richtet. Dingliche Wirkung erlangt die Vorausverpfändung – wie oben festgestellt – jedoch erst, wenn zu ihr ein Rechtsboden hinzutritt, aus dem die konkrete künftige Forderung erwächst.114
J. Bestimmbarkeit Die graduellen Wirkungen der Verpfändung wegen einer künftigen oder bedingten Forderung machen sich bei den Anforderungen an die Bestimmbarkeit bemerkbar. In Literatur und Rechtsprechung werden diese ganz lax gehandhabt. Danach muss die bedingte oder künftige Forderung für § 1204 II BGB derart bestimmbar sein, dass im Zeitpunkt ihrer Entstehung zweifelsfrei ermittelt werden 112 Abzulehnen aber Eccius, Gruchot 50 (1906), 481, 502 f., der eine Bindung des Schuldners verlangt. 113 Mugdan, Bd. 3, S. 449 [Hervorhebung nicht im Original]. 114 Darüber hinaus gibt es ohnehin keine Auffassung, die der bloßen Vereinbarung über die Vorausverpfändung dingliche Wirkung beimisst.
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§ 7 Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB
kann, dass die Verpfändung gerade ihrer Sicherung dient.115 Das läuft darauf hinaus, dass im Zeitpunkt der Verpfändung lediglich Gläubiger und Schuldner der künftigen Forderung bestimmt sein müssen.116 Es geht also um nichts weiter als die Zuordenbarkeit einer später entstehenden Forderung zu einer früher vorgenommenen Verfügung. Dieses Minimum, auf das man die Eigenschaften einer künftigen Forderung reduzieren möchte, steht im augenfälligen Gegensatz zu den erhöhten Anforderungen, welchen die künftige Forderung in Wirklichkeit gerecht werden muss, damit das Pfandrecht als dingliche Belastung wirklich Bestand haben kann. Dass dies in der Literatur zu § 1204 II BGB nicht erkannt wird, vielmehr an gleicher Stelle einerseits von jedem Rechtsboden befreit und andererseits dem Pfandrecht ohne Forderung Existenz beigemessen wird, liegt daran, dass man das Ziel, dem § 1204 II BGB dient, nicht klar vor Augen hat. Wenn man in § 1204 II BGB lediglich eine Vorschrift sehen möchte, die die Bestellung des Pfandrechts vor dem Entstehen der gesicherten Forderung erlaubt, dann kann man die Anforderungen an die Bestimmbarkeit auf das geschilderte Maß reduzieren. Dass man diese Funktion bei der Beschreibung der Bestimmbarkeitsanforderungen in der Tat vor Augen hat, beweist der in der Literatur an dieser Stelle anzutreffende Verweis auf die Bestimmbarkeitsvoraussetzungen der Vorausabtretung,117 bei der es ebenfalls um Zuordenbarkeit der Forderung zu einer Verfügung geht.118 Wenn aber die Vorabexistenz des Pfandrechts nach § 1204 II BGB in das Blickfeld rückt, muss sich die Betrachtungsweise ändern. Das solchermaßen vorhandene dingliche akzessorische Recht erfordert zu seiner Existenz einen nach außen manifestierten rechtlichen Bezugspunkt in Form einer werdenden Forderung, die einen konkreten Rechtsboden schafft (oben S. 257 f.). Hier geht es nicht mehr nur darum, dass eine in Zukunft entstehende Forderung dem Pfandrecht einmal zugeordnet werden kann; sie muss das Pfandrecht vielmehr bereits jetzt stützen, damit es dingliche Wirkung gegenüber Dritten entfalten kann. Insofern ist das Pfandrecht nicht auf eine bestimmbare, sondern auf eine bestimmte künftige Forderung angewiesen, die aus einer konkret vorhandenen Willenserklärung hervorgeht. Unter diesem Blickwinkel ergibt dann auch die Aussage Sinn, wonach sich das Bestimmtheitserfordernis aus der Akzessorietät des Pfandrechts ergibt.119
115
Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 24. MünchKomm-BGB/Damrau, 6. Aufl. 2013, § 1204 Rz. 23; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1846; Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 24; PWW/Nobbe, 8. Aufl. 2013, § 1204 Rz. 6. Dass die Forderung nicht wie bei der Hypothek in ihrer Höhe bestimmbar sein muss, hat seinen Grund zusätzlich darin, dass der Gesetzgeber infolge des Faustpfandprinzips mit einer mehrfachen Belastung der Pfandsache nicht rechnen musste und deshalb auf eine Information über den derzeitig bestehenden Belastungsumfang verzichten konnte, Staudinger/ Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 24. 117 Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 24. 118 Näher § 11 C. 119 So Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 11, 20. 116
K. Zusammenfassung
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Im Ergebnis erweist sich das vertretene Maß an Bestimmbarkeit nur dann als richtig, wenn es lediglich das beschreibt, was erforderlich ist, um eine Vorausverpfändung erfolgreich vornehmen zu können, bevor die Forderung besteht. Klar hiervon zu trennen ist jedoch die andere Frage, welche Anforderungen die künftige Forderung erfüllen muss, damit aus dieser Vorausverpfändung ein Pfandrecht wird. Dafür ist mehr als Bestimmbarkeit, nämlich die Setzung eines Rechtsbodens erforderlich.120
K. Zusammenfassung Wie die Forderung ist das Pfandrecht ein Bündel an Befugnissen, das unterschiedliche Interessen verkörpert. Diese Befugnisse sind jeweils an ein eigenes Stadium der Forderung geknüpft. Die Verwertungsbefugnis, welche dem Befriedigungsinteresse des Gläubigers dient, setzt die Fälligkeit der Forderung voraus. Ihnen zeitlich vorgelagert ist das Sicherungsinteresse des Gläubigers und die damit verbundene Befugnis, den Sicherungsgegenstand gegenüber dem Zugriff anderer Gläubiger für sich zu reklamieren, um seinen Wert als Sicherungsgut unbedingt zu erhalten, solange die gesicherte Forderung noch entstehen kann. § 1204 II BGB soll dieses Sicherungsinteresse des potentiellen Gläubigers befriedigen. Die Sicherungsbefugnis ist wegen § 1204 II BGB genauso Inhalt des Pfandrechts wie die Verwertungsbefugnis, wird aber bereits vor der Existenz der Forderung gewährt. Deshalb ist es richtig, bereits in diesem Zeitraum von einem bestehenden Pfandrecht zu sprechen. Literatur und Rechtsprechung zeichnen ein konträres Bild von § 1204 II BGB. Danach sollen sich die Anforderungen an die künftige Forderung auf ihre Bestimmbarkeit reduzieren, während in der Insolvenz, in der sich das Pfandrecht vor allem bewähren muss, erkannt wird, dass dies nicht hinreichend sein kann. Daraus entstehen dogmatische Friktionen, die zu einer uneinheitlichen Vorstellung der bedingten oder künftigen Forderung führen, ja sogar zu einer Differenzierung, wo § 1204 II BGB an sich Gleichbehandlung nahelegt. Dieser Befund hat viel damit zu tun, dass man die vornehmliche Funktion von § 1204 II BGB, nämlich die Befriedigung des Sicherungsinteresses, kaum berücksichtigt und sich auf die Verwertungsfunktion des Pfandrechts kapriziert. Hier erweist sich, dass sich die – in den Motiven durchaus angedeutete – Erkenntnis noch nicht durchgesetzt hat, wonach ein solches Pfandrecht als akzessorisches Recht eine künftige Forderung voraussetzt, die sich bereits in einem gesetzten Rechtsboden äußerlich manifestiert 120 Da § 1204 II BGB nicht die Bestellung im Voraus, sondern das vor der Existenz der Forderung bereits bestehende Pfandrecht regeln soll, haben die Erörterungen über die Bestimmbarkeit der künftigen Forderung also an sich nur bei der Kommentierung von § 1205 BGB ihren Platz und sollten jedenfalls klar von den Erörterungen zur Existenz des Pfandrechts abgesetzt werden.
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§ 7 Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB
hat. Erst dann besteht das Pfandrecht nach § 1204 II BGB, welche die genannte Sicherungsbefugnis gewährt. Zur Annahme eines solchen Rechtsbodens ist erforderlich, dass die Forderung vom Schuldner ohne weiteres Zutun des Gläubigers hervorgebracht werden kann, der (potentielle) Gläubiger dem (potentiellen) Schuldner also etwa ein Angebot gemacht hat, das dieser nur noch annehmen muss, um die gesicherte Forderung zur Entstehung zu bringen. Eine unbedingte Bindung des Gläubigers oder des Schuldners ist dafür nicht notwendig. Erst wenn ein solcher Rechtsboden vorhanden ist, führt die Verpfändung zur Existenz eines Pfandrechts, welches in Zwangsvollstreckung und Insolvenz Bestand hat. Damit erweist sich, dass der Rechtsboden für das Pfandrecht nach § 1204 II BGB die gleiche Funktion aufweist wie bei der Hypothek nach § 1113 II BGB. Von diesem Pfandrecht nach § 1204 II BGB ist die Bestellung des Pfandrechts zu unterscheiden. Die Parteien können zur Rationalisierung sich wiederholender Vorgänge die Verpfändung bereits tätigen, wenn der geschilderte Rechtsboden noch nicht gesetzt ist. In jeder Hinsicht nach außen wirken wird diese Verpfändung jedoch erst, wenn ein Rechtsboden gesetzt ist. Bis dahin äußert sie nur Wirkung inter partes. Als solche gibt sie den Rechtsgrund dafür, dass der potentielle Gläubiger die Sache gegenüber dem Verpfänder behalten darf, und erzeugt ein Verwahrungsrechtsverhältnis gemäß §§ 1215 ff. BGB. Von einem Pfandrecht kann noch nicht die Rede sein. Demzufolge ist diese Art einer Vorausverpfändung auch nicht bei § 1204 II BGB, sondern im Kontext von § 1205 BGB zu verorten. Allein in diesen Zusammenhang sind die Bestimmbarkeitsanforderungen der herrschenden Meinung zu setzen. Hier geht es lediglich darum, die künftige Forderung nach Art eines „Platzhalters“ zu beschreiben, damit klar ist, welcher Forderung das Pfandrecht dient, wenn deren Entstehen konkret in die Wege geleitet wird. Daher müssen – im weitesten Fall – lediglich Schuldner und Gläubiger bestimmbar sein. All das zwingt zu einer Überdenkung der herrschenden Auslegung von § 1209 BGB. Anknüpfungspunkt für den Rang ist weder die Vorausbestellung noch die Entstehung der Forderung,121 sondern die Entstehung des dinglichen Pfandrechts i. S. v. § 1204 II BGB, also die Setzung eines Rechtsbodens für eine konkrete künftige Forderung. Für das Insolvenzrecht ergibt sich, dass es durchaus eine Grenzlinie zwischen der insolvenzfesten und nicht-insolvenzfesten Verpfändung gibt. Diese Grenze verläuft jedoch nicht zwischen künftigen und bedingten Forderungen, sondern zwischen der gesetzlich nicht geregelten (wenngleich zulässigen) Vorausverpfändung, welche lediglich schuldrechtliche Wirkungen zeitigt, und der Verpfändung gemäß § 1204 II BGB. Für das praktisch wichtigste Beispiel, das Pfandrecht vor Valutierung, bedeutet dies: Es existiert auch noch während der Insolvenz, solange
121 Auf diese Gegenpole reduziert man § 1209 BGB, da man der Zwischenstufe, dem Rechtsboden, keine Aufmerksamkeit geschenkt hat, vgl. RG, 22.05.1912 – V 294/11, RGWarn. 5 (1912) Nr. 345; BGH, 29.11.1984 – IX ZR 44/84, BGHZ 93, 71, 76.
L. Vermieterpfandrecht wegen künftiger Forderungen (§ 562 BGB)
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die Forderung in der Zukunft noch hervorgebracht werden könnte; als solches könnte es eine noch nicht entstandene Darlehensrückzahlungsforderung auch über die Insolvenz hinaus sichern. Geht die Möglichkeit der Forderungsentstehung im Zuge der Insolvenz allerdings – wie regelmäßig – verloren, so resultiert der Verlust des Pfandrechts aus dem Verlust der Erwerbsaussicht und liegt damit an dem Umstand, dass die Parteien die Entstehung der Forderung von dem Risiko des Fortbestands der Verfügungsbefugnis des Schuldners abhängig gemacht haben.
L. Vermieterpfandrecht wegen künftiger Forderungen (§ 562 BGB) Nach § 562 I 1 hat ein Vermieter für seine Forderungen aus dem Mietverhältnis ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Mieters. Für „künftige Entschädigungsforderungen“122 sowie für die Miete für eine spätere Zeit als das folgende Mietjahr darf er es gemäß § 562 II BGB jedoch nicht „geltend machen“. Das Vermieterpfandrecht ist ein kraft Gesetzes und damit auch gegen den Willen des Mieters entstehendes Pfandrecht, mittels dessen der Vermieter werthaltige Sachen des Mieters gegen Fortschaffung (§ 562b BGB) oder den Zugriff anderer Gläubiger (§§ 1257, 1209 BGB) verteidigen kann.123 Da der Begriff der „Entschädigungsforderungen“ – getragen von der Gesetzesgeschichte124 – alle Forderungen meint, die nicht auf die Erfüllung des Mietvertrags gerichtet sind,125 geht es bei der Sicherung künftiger Forderungen im Wesentlichen um Forderungen auf die künftige Miete (im Folgenden: künftige Mietzinsforderungen126).
I. Künftige Mietzinsforderungen Das Gesetz grenzt die gesicherten Mietzinsforderungen danach ab, ob die Miete in den in § 562 BGB genannten Zeitraum fällt.127 Deshalb kommt es an sich nicht darauf an, ob die Forderungen auf die künftig zu entrichtende Miete schon zu Beginn des Vertrags oder erst mit dem jeweiligen Leistungsabschnitt entstehen. Der BGH geht bei § 562 BGB aber davon aus, dass Mietzinsforderungen – wie er es auch allgemein in stetiger Rechtsprechung annimmt128 – regelmäßig 122
Ebenso § 592 S. 2 BGB für das Pfandrecht des Landverpächters. MünchKomm-BGB/Artz, 6. Aufl. 2012, § 562 Rz. 5. 124 Mugdan, Bd. 2, S. 854 f. 125 Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl. 2007, § 562 Rz. 8. 126 Zur Verdeutlichung, dass es nicht allgemein um Forderungen aus einem Mietvertrag geht, sei hier die alte Terminologie des „Mietzinses“ zur Beschreibung der „Miete“ zurückgeholt. 127 Gesichert sind alle Forderungen auf die Miete des laufenden und des folgenden Mietjahrs, wobei der Referenzzeitpunkt die (auch außergerichtliche) Geltendmachung des Vermieterpfandrechts ist, vgl. MünchKomm-BGB/Artz, 6. Aufl. 2012, § 562 Rz. 8. 128 § 2 Fn. 262. 123
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aufschiebend befristet sind und erst mit dem Beginn des jeweiligen Zeitraums der Nutzungsüberlassung entstehen;129 § 562 II BGB gibt keinen Grund, hiervon abzuweichen. Anlass für Missverständnisse geben allerdings pauschale Äußerungen zum Entstehungszeitpunkt des Pfandrechts, die den Fall künftiger Entschädigungsforderungen mit einschließen und deshalb die Existenz des Pfandrechts vor dem Entstehen der Forderung in Abrede stellen.130 In Bezug auf die Mietzinsforderungen kann die Existenz des Pfandrechts allerdings nicht an das Entstehen der Forderung gekoppelt sein, da es eben auch Forderungen für das folgende Kalenderjahr sichern soll, selbst wenn diese erst dann entstehen und bei Geltendmachung des Pfandrechts (etwa nach § 562b BGB131) noch künftig waren. Der BGH geht daher mit Recht davon aus, dass das Vermieterpfandrecht bereits mit Einbringung der Sachen entsteht.132 Das fügt sich in die Strukturen des Pfandrechts nach § 1204 II BGB ein, das ebenfalls vor Entstehung der gesicherten Forderung existiert, weil es bereits in diesem Zeitraum gewisse Inhalte hat. Die dort geltenden Mindestanforderungen an eine sicherbare künftige Forderung sind bei § 562 BGB allemal erreicht, da der Mietvertrag, dem sie entspringen, bereits abgeschlossen ist. Dann aber muss man ebenso von der Existenz des Pfandrechts für alle weiteren Mietzinsforderungen für die kommenden Jahre ausgehen und deshalb ist der Wortlaut des Gesetzgebers, der insoweit die „Geltendmachung“ eines solchen Pfandrechts untersagt, durchaus angebracht.
II. „Künftige Entschädigungsforderungen“ Separat betrachtet werden sollten alle anderen künftigen Forderungen des Vermieters aus dem Mietvertrag, die das Gesetz unter dem Begriff der Entschädigungsforderungen aus der Pfandsicherung herausnimmt.133 Anders als § 1204 II BGB schränkt § 562 II BGB mit dem Begriff der künftigen Forderung den Kreis sicherbarer Forderungen also ein. Betreffend die Frage, welche Forderung nicht mehr künftig, also sicherbar ist, herrscht Rechtsunsicherheit, weil verschiedene Erklärungsmuster kursieren. Eine Auffassung bestimmt gegenwärtige Forderungen danach, ob sie wenigstens Gegenstand einer Feststellungsklage sein könnten
129
BGH, 14.12.2006 – IX ZR 102/03, NJW 2007, 1588, 1589. Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2011, § 562 Rz. 29; PWW/Riecke, 8. Aufl. 2013, § 562 Rz. 31. 131 Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl. 2007, § 562 Rz. 11. 132 BGH, 20.03.1986 – IX ZR 42/85, NJW 1986, 2426, 2427; bestätigt durch BGH, 14.12.2006 – IX ZR 102/03, NJW 2007, 1588, 1590 (dort allerdings zum Entstehungszeitpunkt nach § 140 InsO, der eigenen Regeln folgen kann, vgl. noch § 12 B.); zu den weiteren Entstehungsvoraussetzungen Fehrenbach, NZM 2012, 1, 4. 133 Praktisch geht es etwa um Forderungen aus § 546a BGB oder um Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung der Mietsache, BeckOK-BGB/Ehlert, Ed. 26, § 562 Rz. 20; Staudinger/ Emmerich, BGB, Neubearb. 2011, § 562 Rz. 32. 130
L. Vermieterpfandrecht wegen künftiger Forderungen (§ 562 BGB)
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und in diesem Sinne „liquide“ sind.134 Während das (nicht nur angesichts von § 257 ZPO) eigentlich betagte Forderungen mit einschließen müsste,135 sollen aber auch diese nicht sicherbar sein.136 Eine andere Auffassung zählt zu den künftigen Forderungen nur solche, die im Zeitpunkt der Geltendmachung des Pfandrechts materiell-rechtlich entstanden sind, verlangt aber nicht ihre Fälligkeit.137 Unbestritten ist jedenfalls, dass Forderungen, die lediglich ihrem Rechtsgrund nach vorhanden sind, nicht genügen;138 zudem sind allemal Forderungen ausgeschlossen, die von einem ungewissen Ereignis abhängig sind, da – anders als bei § 1204 II BGB – eine Schwebelage zulasten des Mieters nicht ausreichend sein soll, um den Zugriff auf dessen Sachen zu ermöglichen.139 Mit dem Ausschluss der „künftigen“ ist hier also auch der Ausschluss der „bedingten“ Forderungen gemeint. Die erste Auffassung ist insoweit nicht überzeugend, als sie den Maßstab § 256 ZPO entnimmt; das entstammt wohl Argumentationen in der Rechtsprechung, mit denen Schadensersatzforderungen, die im Grund entstanden, aber in der Höhe nicht bezifferbar sind, den künftigen Forderungen subsumiert werden sollen.140 Für die andere Auffassung lässt sich anführen, dass man heute allgemein unter der künftigen Forderung nur eine solche versteht, die noch nicht entstanden ist.141 Zwingend ist aber auch das nicht, wenn man berücksichtigt, dass etwa § 883 I 2 BGB mit der künftigen auch die entstandene Forderung meint, der noch eine Einrede entgegensteht (§ 5 S. 150 f.). Berücksichtigt man die Gesetzesgeschichte, ergibt sich, dass sicherbare Entschädigungsforderungen zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Pfandrechts in der Tat fällig sein müssen. Der historische Gesetzgeber wollte die Erweiterung auf andere Forderungen möglichst einschränken, und noch heute wird die Vorschrift zum Schutz der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Mieters restriktiv ausgelegt.142 Die Einschränkung des Forderungskreises geht auf die zweite BGB-Kommission zurück. Alle maßgeblichen Anträge zur Änderung des Entwurfs der ersten Kommission zielten darauf ab, das Pfandrecht insoweit auf die „fälligen Forderungen“ zu beschränken (Bsp. Antrag 1: „Der Vermiether eines Grundstückes hat wegen seiner fälligen Forderungen aus dem Miethvertrage und wegen des Miethzinses für . . .“; Antrag 5: „Der Vermiether eines Grundstückes hat wegen seiner fälligen Entschädigungsforderungen aus dem Miethvertrage, sowie wegen des 134 OLG Düsseldorf, 04.06.1998 – 24 U 91/97, BeckRS 2000, 04366 Rz. 70; OLG Hamm, 10.12.1993 – 7 U 63/93, NJW-RR 1994, 655, 656; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2011, § 562 Rz. 30 f.; BeckOK-BGB/Ehlert, Ed. 26, § 562 Rz. 20. 135 MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 256 Rz. 29. 136 Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2011, § 562 Rz. 32 a. E. 137 MünchKomm-BGB/Artz, 6. Aufl. 2012, § 562 Rz. 8; PWW/Riecke, 8. Aufl. 2013, § 562 Rz. 31. 138 MünchKomm-BGB/Artz, 6. Aufl. 2012, § 562 Rz. 8; Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl. 2007, § 562 Rz. 9. 139 Vgl. Mugdan, Bd. 2, S. 854 f.; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2011, § 562 Rz. 30 f. 140 Vgl. Fn. 134. 141 § 2 Fn. 158 f. 142 Zu letzterem Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2011, § 562 Rz. 26.
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Miethzinses für . . .“).143 Die „noch nicht fälligen Forderungen“ nannte man in den Protokollen der Beratungen „künftige Forderungen“144 und so ist erklärlich, warum die Vorschrift, als sie entgegen der Änderungsanträge negativ formuliert wurde, plötzlich auf die „künftige Forderung“ lautete, ohne dass man – wie die Denkschrift beweist – von dem Erfordernis der Fälligkeit absehen wollte;145 ohnehin hatte man sich redaktionellen Fragen offenbar nicht gewidmet, da die Diskussion über die Einführung des Vermieterpfandrechts bis zuletzt stark sozialpolitisch aufgeladen war.146 Daher ist – im Ergebnis, aber nicht in der Herleitung – der ersten Auffassung der Vorzug zu geben, wonach die Entschädigungsforderung fällig sein muss. Für den Vermieter ist das nicht unbillig: Für Mietzinsforderungen mag er – auch zum Schutz des Mieters – das Pfandrecht im Vorhinein benötigen, um nicht zur Kündigung gedrängt zu sein;147 im Übrigen kann er die Fälligkeit abwarten, und der Mieter erhält Gelegenheit, den Widerspruch des Vermieters gegen die Entfernung seiner Sachen durch Zahlung abzuwenden.148 Schadensersatzforderungen, die bereits im Grunde entstanden sind, aber noch nicht bezifferbar sind, bereiten nach dieser Lösung keine Schwierigkeiten, da Forderungen, die nicht bezifferbar sind, noch gar nicht entstanden und daher allemal nicht fällig sind.149 Was die Frage der Existenz eines Pfandrechts für solchermaßen künftige Entschädigungsforderungen angeht, so ist sie zu verneinen: Das Pfandrecht besteht nicht, da ein Pfandrecht ohne Wirkungen als existent zu betrachten sinnlos ist;150 der Wortlaut „geltend machen“ steht dem nicht entgegen,151 da er für die Mietzinsforderungen geboten ist und im Übrigen nicht falsch wird, weil ein nicht existentes Pfandrecht erst recht nicht geltend gemacht werden kann.
M. Thesen zum Pfandrecht Verpfänden die Parteien für künftige Forderungen ohne jeglichen Rechtsboden einen Gegenstand, so liegt darin eine „Vorausverpfändung“. Diese ist aufgrund eines entsprechenden Verkehrsbedürfnisses zulässig, wird von § 1205 I 1 BGB, nicht aber von § 1204 II BGB geregelt. Sie hat keine Rangwirkung nach § 1209
143
Mugdan, Bd. 2, S. 853 f., vgl. ebenso Antrag 3. Mugdan, Bd. 2, S. 854 f. 145 Mugdan, Bd. 2, S. 1251 f. 146 Vgl. Mugdan, Bd. 2, S. LXXIV, 226 f., 854 f., 1251 f.; 1280 f.; MünchKomm-BGB/Artz, 6. Aufl. 2012, § 562 Rz. 1. 147 Mugdan, Bd. 2, S. 1251 f. Das Sicherungsinteresse hinsichtlich gegenwärtiger Mietzinsforderungen ist mit der Einführung der Vorleisungspflicht des Mieters (§ 556b I BGB gegenüber § 551 I 1 BGB a. F.) geringer geworden, MünchKomm-BGB/Artz, 6. Aufl. 2012, § 562 Rz. 3. 148 Vgl. Mugdan, Bd. 2, S. 855. 149 Siehe § 2 F.IV. 150 Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2011, § 562 Rz. 29. 151 So aber offenbar Blank/Börstinghaus, 3. Aufl. 2008, § 562 BGB Rz. 29. 144
N. Dogmatik
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BGB, entfaltet keine dingliche Wirkung gegenüber dritten Gläubigern und verkörpert kein (existierendes) Pfandrecht. Gegenwärtig hat sie die Wirkungen eines Verwahrungsschuldverhältnisses und gibt – bei einem Sachpfand – dem Gläubiger ein Recht zum Besitz des Pfands. Damit aus ihr ein Pfandrecht hervorgehen kann, muss die gesicherte künftige Forderung in der Vorausverpfändungsvereinbarung so genau bezeichnet werden, dass sie ihr zugeordnet werden kann, sobald ein Rechtsboden gesetzt wird; insoweit muss die künftige Forderung lediglich bestimmbar sein. Das Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB entsteht erst, wenn die Parteien einen bestimmten Rechtstatbestand setzen, kraft dessen der Schuldner ohne Zutun des Gläubigers die Forderung zur Entstehung bringen kann, ohne dass es darauf ankommt, ob Schuldner oder Gläubiger bereits unbedingt gebunden sind. Ein Beispiel für einen solchen Rechtsboden ist der Antrag des künftigen Gläubigers auf Abschluss eines Darlehensvertrags, selbst wenn er bis zur Annahme jederzeit widerruflich wäre. Dem Pfandrecht kommt mit Setzung dieses Rechtsbodens der Rang nach § 1209 BGB zu und es setzt sich in Insolvenz und Zwangsvollstreckung durch. Erst wenn die Forderung entsteht und durchsetzbar ist, tritt zu diesen Sicherungsbefugnissen die Verwertungs- bzw. Absonderungsbefugnis (§ 50 InsO) hinzu. Das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters (§ 562 BGB) für Forderungen auf die künftige Miete entsteht, bevor diese ihrerseits zur Entstehung gelangen; für die spätere Miete als das Folgejahr kann es jedoch nicht „geltend gemacht“ werden. Künftige Entschädigungsforderungen sichert es nicht und insoweit existiert es auch nicht; gegenwärtig ist eine Entschädigungsforderung im Sinne von § 562 BGB erst, wenn sie fällig ist.
N. Dogmatik Die für eine künftige Forderung erfolgte Verpfändung ist – entsprechend ihrer akzessorischen Natur – „von der Wiege bis zur Bahre“ an die Entwicklung der gesicherten künftigen Forderung gekoppelt. Wenn von dieser nicht mehr existiert als ihre Umschreibung in der Verpfändungsvereinbarung, dann fehlt einem Pfandrecht der Rechtsboden, auf den es sich stützen kann. Die Verpfändung stellt noch kein dingliches Pfandrecht dar, hat nach hier vertretener Auffassung keine Rangwirkung und wirkt – im Fall eines Sachpfands – gegenwärtig nur als ein Verwahrungsschuldverhältnis. Die künftige Forderung dient nur als Platzhalter, der es ermöglicht, dass in Zukunft ohne weitere Akte ein Pfandrecht entsteht, sobald ein ausreichender Rechtsboden gesetzt wird, auf den die Beschreibung in der Verpfändungsvereinbarung zutrifft. Diese Art der Verpfändung verdient daher wirklich die Bezeichnung als Vorausverpfändung.152 Erst wenn die künftige 152 Davon zu unterscheiden ist die Verpfändung künftiger Forderungen als Pfand, welche die h. M. ebenfalls als Vorausverpfändung bezeichnet, die man dogmatisch aber auch als gegenwärtige Verfügung über die künftige Forderung selbst beschreiben könnte (s. noch § 11 B.).
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§ 7 Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB
Forderung rechtlich so unterlegt ist, dass eine Sicherung nach § 1204 II BGB eintreten kann, entsteht daraus ein Pfandrecht.
I. Künftige Forderung Die künftige Forderung, die einem Pfandrecht zur Existenz verhelfen kann, verkörpert die Aussicht auf den Erwerb einer Forderung, für die ein bestimmter Rechtstatbestand gesetzt ist, aus dem der Schuldner ohne Mitwirkung des Gläubigers eine Forderung hervorbringen kann. Hier treten Ähnlichkeiten und Unterschiede zu anderen Rechtsinstituten zu Tage. Anders als bei der Vormerkung zeichnet sich diese Erwerbsaussicht nicht durch einen Bestandsschutz aus; auch daraus ergibt sich die Ähnlichkeit mit der Hypothek, die ebenfalls nicht auf einen Bestandsschutz der Erwerbsaussicht angewiesen ist (§ 6 S. 224 f.). Die Gesetzesmaterialien zum Pfandrecht konnten der Erwerbsaussicht, die auch für das Grundpfandrecht „Hypothek“ ausreichend ist, ein noch präziseres Gesicht geben: Hier wie dort ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Schuldner ohne Mitwirkung des Gläubigers eine Forderung hervorbringen kann. Das offenbart eine Parallele zum Schutz des künftigen Aufrechnungsrechts, für das der gleiche Rechtsboden erforderlich ist, was angesichts der funktionellen Vergleichbarkeit zwischen Aufrechnungs- und Pfandrecht (§ 4 E., S. 134) nur folgerichtig ist.
II. Pfandrecht Die künftige Forderung in Form der eben beschriebenen Erwerbsaussicht verhilft dem Pfandrecht zur Existenz. Genauso erlischt es, wenn die Erwerbsaussicht zerstört wird. Insoweit weist das Pfandrecht nach § 1204 II BGB die gleichen Strukturen auf, wie schon die Vormerkung, die Hypothek oder das Aufrechnungsrecht, und wieder erscheint die das dingliche Recht stützende künftige Forderung selbst als ein Gegenstand. Da das Pfandrecht nach § 1204 II BGB bereits eine eigene Funktion erfüllt, gewisse Befugnisse verkörpert und in der Insolvenz und der Zwangsvollstreckung eine dingliche Wirkung gegenüber Dritten entfalten kann, kann es als ein dingliches Recht bezeichnet werden; wie die Hypothek ist es allerdings noch nicht vollständig, da ihm die Verwertungsbefugnis noch fehlt. Aufgrund der parallelen Strukturen würde es nahe liegen, dieses unvollständige, aber bereits existierende Pfandrecht ebenso wie die Hypothek nach § 1113 II BGB als Anwartschaftsrecht zu bezeichnen. Problematisch ist, dass die herrschende Auffassung mit einem Anwartschaftsrecht eine Stellung des Erwerbers verbindet, die rechtlich so sicher und gefestigt ist, dass sie durch den Veräußerer normalerweise nicht mehr einseitig zerstört werden kann.153 Bei 153
Oben § 2 Fn. 124.
N. Dogmatik
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der Hypothek macht man dies an den Besonderheiten des Grundbuchverfahrens fest,154 was für das Pfandrecht jedoch nicht in Betracht kommt. Mit der materiellen Rechtslage hat die Bezeichnung als Anwartschaftsrecht freilich auch bei der Hypothek nichts zu tun, da nur die Vormerkung eine Unzerstörbarkeit der Erwerbsaussicht voraussetzt. Materiell-rechtlich gesehen ist weder bei der Hypothek nach § 1113 II BGB noch beim Pfandrecht nach § 1204 II BGB gewährleistet, dass der Schuldner dem Gläubiger seine Erwerbsposition nicht mehr zerstören kann. Daraus kann man nun folgern, dass das Pfandrecht nach § 1204 II BGB eben kein Anwartschaftsrecht ist. Es als bloße Anwartschaft zu bezeichnen, wäre zu schwach, da hierbei untergehen würde, dass es bereits ein dingliches Recht ist, das lediglich noch nicht alle Befugnisse enthält. In jedem Fall aber sollte man Hypothek und Pfandrecht einheitlich bezeichnen, da es ungünstig wäre, wenn lediglich das Grundbuchverfahrensrecht, welches dem materiellen Recht zu dienen hat, die Hypothek zu einer anerkanntermaßen „besseren“ Rechtsposition macht. In der Konsequenz wird man entweder von dem „Pfandrecht nach § 1204 II BGB“ und der „Hypothek nach § 1113 II BGB“ sprechen oder den Begriff des Anwartschaftsrechts adaptieren und schon dann von einem Anwartschaftsrecht sprechen müssen, wenn die Erwerbsposition ein dingliches Recht konstituiert, das lediglich unvollständig ist, wenngleich sein Erwerb materiell-rechtlich noch nicht gesichert ist. Man müsste dann nicht die Erwerbssicherung, sondern die Vorwirkungen des Rechtserwerbs155 als Kern des Anwartschaftsrechts betrachten und entgegen Raiser156 nicht die „gesicherte Erwerbsaussicht“, sondern die „sichere Erwerbsaussicht“ in den Mittelpunkt rücken; den Schutz vor deren vorzeitigem und regelwidrigem Verlust müsste man gesondert zum Ausdruck bringen. Jedenfalls ist der Streit, ob das Pfandrecht entstanden157 oder ein Anwartschaftsrecht158 ist, ein rein dogmatischer, der ohne Einfluss auf die oben festgestellten Wirkungen des Pfandrechts nach § 1204 II BGB bleiben muss. Wer dessen Unvollständigkeit zweifelsfrei zum Ausdruck bringen möchte, muss also von einem „Pfandrecht nach § 1204 II BGB“ sprechen. Wer es ein Anwartschaftsrecht nennt, muss klarstellen, dass eine Erwerbssicherung gerade nicht prägend ist. In jedem Fall ist terminologische Übereinstimmung mit dem Hypothekenrecht geboten, um der Aufgabe der Rechtsdogmatik, gleiche Strukturen gleich zu beschreiben, gerecht zu werden.
154
Oben § 6 Fn. 153. S. § 2 Fn. 125. 156 Oben § 2 Fn. 124. 157 Becker-Eberhard, S. 286 – 308; Palandt/Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1204 Rz. 11; Soergel/ Habersack, BGB, 13. Aufl., § 1204 Rz. 23; PWW/Nobbe, 8. Aufl. 2013, § 1204 Rz. 7; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1855; Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 23; v. Lübtow, FS Lehmann, 1956, S. 328, 348 m. Nachw. zum älteren Schrifttum. 158 MünchKomm-BGB/Damrau, 5. Aufl. 2009, § 1204 Rz. 22; Rüll, S. 54 – 58 u. 151. Ähnlich Schellewald, S. 130 – 144. 155
§ 8 Bürgschaft gemäß § 765 II BGB Der Bürgschaftsvertrag verpflichtet den Bürgen, gegenüber dem Gläubiger für die Erfüllung der Verbindlichkeit eines Dritten einzustehen (§ 765 I BGB). Der Bürge verspricht dabei nicht die Erfüllung durch den Hauptschuldner, sondern die Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit.1 Als Sicherheit für die unerfüllt gebliebene Hauptforderung dient bei der Bürgschaft damit keine Sache, sondern eine weitere Forderung (die sog. Bürgschaftsforderung).2 Diese ist von dem Bürgschaftsvertrag zu unterscheiden, aus dem sie hervorgeht und der noch andere Inhalte haben kann. Die Bürgschaft ist dem Gläubiger damit eine Personalsicherheit; sachenrechtliche Aspekte, wie etwa die Publizität, die Priorität oder die Spezialität, sind ihr fremd.3 Was die Bürgschaft mit dem Mobiliarpfandrecht oder der Hypothek allerdings eint, ist ihre Akzessorietät, also die Abhängigkeit der Bürgschaftsforderung von der gesicherten Hauptforderung. Die Akzessorietät ist zwingendes Recht, weshalb der Gläubiger der Haupt- immer zugleich Gläubiger der Bürgschaftsforderung ist (vgl. § 401 I BGB).4 Da das gesicherte Recht und das sichernde Recht beides Forderungen sind, ist es möglich, diese Abhängigkeit durchgängig für deren gesamten Werdegang zu gestalten:5 § 767 I 1 BGB bestimmt demgemäß, dass für die Verpflichtung des Bürgen der jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßgebend ist. Gemäß § 765 II BGB kann die Bürgschaft auch für eine künftige oder eine bedingte Verbindlichkeit übernommen werden. Ein Bürge kann sich also schon dann verpflichten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit eines Dritten einzustehen, wenn die Hauptforderung erst in Zukunft entsteht. § 765 II BGB regelt damit die künftige Hauptforderung. Da Bürgschaften häufig bereits vor der Kreditzusage feststehen sollen, bedient § 765 II BGB ein starkes wirtschaftliches Interesse.6 § 765 II BGB ist aber nicht gleichzusetzen mit der Globalbürgschaft. Dieser ist eigen, dass sie zur Sicherung einer Vielzahl von Forderungen vereinbart wird, 1
Bülow, Kreditsicherheiten, 8. Aufl. 2012, Rz. 832. Bülow, Kreditsicherheiten, 8. Aufl. 2012, Rz. 828; Becker-Eberhard, S. 298. 3 BGH, 10.10.1957 – VII ZR 419/56, BGHZ 25, 318, 320; Bülow, Kreditsicherheiten, 8. Aufl. 2012, Rz. 849 f. 4 BGH, 20.06.1985 – IX ZR 173/84, BGHZ 95, 88, 93; BGH, 15.08.2002– IX ZR 217/99, NJW 2002, 3461, 3462; Staudinger/Horn, BGB, Neubearb. 2013, Vor §§ 765 – 778 Rz. 18, 20. 5 Becker-Eberhard, S. 298. 6 Staudinger/Horn, BGB, Neubearb. 2013, § 765 Rz. 42. 2
A. Bürgschaft und künftige Forderungen
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einerlei ob sie allesamt entstanden oder noch künftig sind.7 Gleichwohl umfassen Globalbürgschaften in der Praxis regelmäßig künftige Forderungen.8
A. Bürgschaft und künftige Forderungen Die künftige Forderung tritt im Bürgschaftsrecht in mehrfacher Hinsicht in Erscheinung. Künftig kann nicht nur die von § 765 II BGB angesprochene Haupt‑, sondern auch die Bürgschaftsforderung sein. Die eingangs erwähnte durchgängige Abhängigkeit beider Forderungen (§ 767 I 1 BGB) bringt es mit sich, dass die Bürgschaftsforderung so lange nicht entsteht, wie die Hauptforderung noch nicht entstanden ist. Ob sie bis zu diesem Zeitpunkt allerdings einen identischen Entstehungsgrad aufweisen,9 bleibt zu untersuchen. Von der Bürgschaft für eine künftige oder bedingte Forderung ist der Fall zu unterscheiden, dass der Bürgschaftsvertrag seinerseits unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen wird:10 Hier wäre es gewissermaßen denkbar, dass die Hauptforderung schon entstanden, während die Bürgschaftsforderung noch aufschiebend bedingt ist. Darin liegt jedoch kein Bruch mit dem Akzessorietätsgedanken des Bürgschaftsrechts oder sonst ein Sonderfall, da der Bürgschaftsvertrag kraft seiner Bedingtheit noch nicht wirksam und das Bürgschaftsrecht daher noch nicht anwendbar ist. Die Bedingtheit einer solchen Bürgschaftsforderung unterscheidet sich daher nicht von jeder anderen Forderung aus einem aufschiebend bedingt abgeschlossenen Vertrag und ist kein Spezifikum des Bürgschaftsrechts. Schließlich ist auch die potentielle Regressforderung des Bürgen gegen den Hauptschuldner (§ 774 BGB) eine künftige Forderung; sie steht jedoch ebenso wenig in Zusammenhang mit § 765 II BGB, da sie nicht an das Schicksal der Hauptforderung, sondern an die erfolgreiche Inanspruchnahme des Bürgen gekoppelt ist. Die nachfolgende Untersuchung gilt § 765 II BGB und der darin ausgedrückten gesetzgeberischen Vorstellung von einer künftigen Forderung. Von Interesse ist, ob § 765 II BGB – wie schon §§ 883 I 2, 1113 II und 1204 II BGB – verlangt, dass die künftige Forderung zu einem gewissen Grad rechtlich verfestigt ist. Die großen Unterschiede der schuldrechtlichen Bürgschaft gegenüber den in diesen Vorschriften geregelten Instituten des Sachenrechts stimmen diesbezüglich skeptisch, wenngleich ihr Wortlaut und die allen eigene Akzessorietät auch Anhaltspunkte für eine gleichartige Auslegung bieten. In der Tat werden §§ 765 II,
7 Bülow, Kreditsicherheiten, 8. Aufl. 2012, Rz. 843; Staudinger/Horn, BGB, Neubearb. 2013, Vor §§ 765 – 778 Rz. 46. 8 Vgl. statt vieler: BGH, 29.03.2001 – IX ZR 20/00, NJW-RR 2002, 343; Horn, FS Merz, 1992, S. 217. 9 So wohl Becker-Eberhard, S. 298. 10 MünchKomm-BGB/Habersack, 5. Aufl. 2009, § 765 Rz. 46; Staudinger/Horn, BGB, Neubearb. 2013, § 765 Rz. 128.
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§ 8 Bürgschaft gemäß § 765 II BGB
1113 II, 1204 II BGB in der Literatur unter diesen Gesichtspunkten häufig gleichartig ausgelegt.11
B. Meinungsstand Rechtsprechung und Literatur sehen einhellig von einem Rechtsbodenerfordernis ab. Eine Entscheidung des Reichsgerichts, in der dieses für die Wirksamkeit der Bürgschaft einen an §§ 160 – 162 BGB orientierten Rechtsboden und die zeitliche Nähe der Forderungsentstehung prüfte,12 wurde nicht wieder aufgegriffen. Vielmehr geht man davon aus, dass die künftig entstehende Forderung im Zeitpunkt des Bürgschaftsvertrags lediglich bestimmbar sein muss.13 Es genügt damit die tatsächliche Aussicht, dass die künftig gesicherte Forderung einmal entsteht, ohne dass es auf eine Bindung oder eine Entstehungsgewissheit ankommt.14 Nichts anderes vertritt die Auffassung, wonach die mit der Bürgschaft sicherbaren künftigen Forderungen einer bestimmten Geschäftsverbindung entspringen müssten.15 Ihr geht es zur Vermeidung einer uferlosen Bürgenhaftung um die äußere Eingrenzung des möglichen Forderungskreises auf eine nach tatsächlichen Kriterien zu bestimmende Geschäftsverbindung, ohne dass es auf einen Rechtsboden oder den Charakter der Geschäftsverbindung als Schuldverhältnis ankäme. Sie berührt allerdings die Auslegung von § 765 II BGB, da sie diese Beschränkung auf eine Geschäftsverbindung dem dort verankerten Bestimmtheitsgebot entnehmen möchte.16 Ein solcher Ansatz geht auf eine frühe Entscheidung des BGH zurück.17 Dieser hat sich inzwischen jedoch korrigiert und will mit der herrschenden Auffassung die Problematik der unüberschaubaren und uferlosen Bürgenhaftung nicht mehr bei § 765 II BGB verorten, sondern mit den Instrumenten der Vertragskontrolle (§§ 138, 307, 305c BGB) unter dem Aspekt von § 767 I 3 BGB bewältigen.18 Dem liegt zugrunde, dass bei einer denkbar weit 11 Vgl. etwa Becker-Eberhard, S. 272 – 283; Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1204 Rz. 22; beide allerdings in dem Sinne, dass durchgängig kein Rechtsboden erforderlich sei. 12 RG, 23.11.1931 – VIII 252/31, RGZ 134, 243, 246. 13 BGH, 10.10.1957 – VII ZR 419/56, BGHZ 25, 318, 319 f.; BGH, 24.02.1994 – IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341, 1342; Staudinger/Horn, BGB, Neubearb. 2013, § 765 Rz. 42; Erman/ Herrmann, BGB, 13. Aufl. 2011, § 765 Rz. 3; Soergel/Häuser, § 765 BGB Rz. 15; Palandt/Sprau, 73. Aufl. 2014, § 765 Rz. 18; MünchKomm-BGB/Habersack, 5. Aufl. 2009, § 765 Rz. 68; Reinicke/ Tiedtke, JZ 1986, 426, 427. 14 Becker-Eberhard, S. 272 – 283; NomosKommentar-BGB/Beckmann, § 765 Rz. 36; Lieb, Das künftige Recht, S. 89 f. 15 Soergel/Häuser, § 765 BGB Rz. 15 f. 16 Soergel/Häuser, § 765 BGB Rz. 16; Sonnenhol, WuB 1996 – I F 1a – 18.96 a. E. 17 BGH, 10.10.1957 – VII ZR 419/56, BGHZ 25, 318 ff. 18 BGH, 18.05.1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19, 22: „Die Begrenzung der Höhe nach hat indessen mit der Bestimmtheit (oder Bestimmbarkeit) der Hauptschuld nichts zu tun. Wird zum Beispiel die Bürgschaft ‚für alle nur irgendwie denkbaren Verbindlichkeiten des Hauptschuldners ohne sachliche Begrenzung‘ übernommen, so ist klar, welche Hauptschulden darunterfallen – näm-
C. Stellungnahme
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gefassten Bürgschaft „für sämtliche Forderungen gegen den Hauptschuldner“ die gesicherte Forderung immer noch – oder sogar umso leichter – bestimmbar ist und daher den Anforderungen von § 765 II BGB gerecht werde. Angesichts des weiten Maßstabs, der für die Subsumtion von § 765 II BGB angelegt wird, verwundert es nicht, dass man der Unterscheidung der künftigen und der bedingten Forderung kaum Aufmerksamkeit schenkt. Allenfalls verweist man für die bedingte Forderung auf §§ 158 ff. BGB und sieht in ihr eine Forderung, zu deren Entstehung noch der Eintritt eines ungewissen Ereignisses nötig sei.19 Noch nicht geklärt ist in der Literatur, wie sich die Künftigkeit der Hauptforderung auf die Bürgschaft auswirkt. Während die Bürgschaftsforderung bis zum Entstehen der Hauptforderung angesichts von § 767 I 1 BGB fraglos künftig oder bedingt ist, ist klärungsbedürftig, ob der Bürgschaftsvertrag bereits Bestand hat oder schwebend unwirksam ist. Da häufig nicht zwischen dem Vertrag und der daraus resultierenden Bürgschaftsforderung unterschieden wird, ist das Meinungsbild schwer zu ermitteln.20
C. Stellungnahme I. Wortlaut von § 765 II BGB Gemäß § 765 II BGB kann die Bürgschaft auch für eine künftige oder eine bedingte Verbindlichkeit übernommen werden. Der Wortlaut „bedingt“ muss nicht zwingend bedeuten, dass es um eine Forderung gehen soll, deren rechtsgeschäftliche Begründung schon abgeschlossen ist,21 sondern kann allgemein zum Ausdruck bringen wollen, dass die Forderung von einem ungewissen Ereignis abhängig sein darf, und zwar ungeachtet dessen, ob ihr ein aufschiebend bedingter Vertrag, eine aufschiebend bedingte Willenserklärung oder ein wirksamer Vertrag mit Fälligkeitsbedingung zugrunde liegt. „Künftig“ ist, wörtlich genommen, jede Forderung, die noch nicht besteht, aber noch entstehen kann.22 lich alle. Den Gefahren einer derartigen ‚Globalbürgschaft‘ muß in anderer Weise als über das Bestimmtheitserfordernis Rechnung getragen werden.“ Staudinger/Horn, BGB, Neubearb. 2013, § 765 Rz. 44 – 56; NomosKommentar-BGB/Beckmann, § 765 Rz. 36 Fn. 117; SchmitzHerscheidt, ZIP 1997, 1140 ff.; Reinicke/Tiedtke, WiB 1996, 505, 506 f. Ebenso MünchKommBGB/Habersack, 5. Aufl. 2009, § 765 Rz. 69; Erman/Herrmann, BGB, 13. Aufl. 2011, § 765 Rz. 3. 19 Becker-Eberhard, S. 269. 20 Für schwebende Unwirksamkeit des Vertrags BeckOK-BGB/Rohe, Ed. 27, § 765 Rz. 18. Nach Erman/Herrmann, BGB, 13. Aufl. 2011, § 765 Rz. 3, ist „die Bürgschaft“ für eine aufschiebend bedingte Forderung bis zum Eintritt der Bedingung zwar schwebend unwirksam, der Bürgschaftsvertrag bei hinreichender Bestimmbarkeit der künftigen Forderung aber wirksam. Unklar MünchKomm-BGB/Habersack, 5. Aufl. 2009, § 765 Rz. 67 (Bürgschaft für eine künftige Forderung sei gegenstandslos). Für die Wirksamkeit: RG, 23.11.1931 – VIII 252/31, RGZ 134, 243, 246 f.; Soergel/Häuser, § 765 BGB Rz. 15. 21 So aber Becker-Eberhard, S. 269. 22 Becker-Eberhard, S. 272.
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§ 8 Bürgschaft gemäß § 765 II BGB
Der historische Gesetzgeber wollte mit § 765 II BGB (§ 669 des ersten Entwurfs) klarstellen, dass eine noch nicht entstandene Verbindlichkeit Gegenstand der Verbürgung sein kann. Antrieb hierfür war die Sorge, dass der Begriff der „Verbindlichkeit“ in § 765 I BGB (§ 668 des ersten Entwurfs) als „bereits bestehende, bestimmte Verbindlichkeit“ gelesen werden könnte,23 was angesichts des seinerzeit engen Akzessorietätsverständnisses und der begriffsorientierten Methodik nahe gelegen haben mag. Schon die zweite Kommission erachtete diese Klarstellung nicht mehr als notwendig, behielt die Regelung aber „zur Veranschaulichung des Rechtsverhältnisses“ bei.24 Die Gesetzesmaterialien äußern sich nicht dazu, wie eine bedingte oder künftige Forderung im Einzelnen beschaffen sein muss.25
II. Systematik Fraglich ist, ob der ähnliche Wortlaut von §§ 883 I 2, 1113 II, 1204 II BGB diese Regelungen wirklich in einen systematischen Bezug zu § 765 II BGB setzt. Zu groß sind an sich die Unterschiede zwischen der Bürgschaft und den Sachenrechten bzw. der Vormerkung. Dort geltende Grundsätze des Sachenrechts, welche auch das Verständnis der künftigen Forderung prägen,26 gelten hier nicht.27 Aus der alle Institute einenden Akzessorietät kann man folgern, dass bei der Entstehung einer Forderung nicht unklar sein darf, ob die Bürgschaft sich auf sie bezieht oder nicht:28 Daraus ergibt sich das Bestimmbarkeitserfordernis. Inwieweit die Akzessorietät durch Vorschriften wie §§ 765 II, 883 I 2, 1113 II, 1204 II BGB aber gerade verwirklicht oder durchbrochen ist, hängt von dem thema probandum ab, wie die künftige Forderung beschaffen ist. Das erfordert, wie bei §§ 883 I 2, 1113 II, 1204 II BGB, aber eine teleologische Betrachtung. Dem Verweis auf den gleichen Wortlaut von §§ 883 I 2, 1113 II, 1204 II BGB kommt daher nur geringe Aussagekraft zu.
III. Ratio legis von § 765 II BGB 1. Keine Sicherungswirkung im Außenverhältnis Die für §§ 1204 II, 1113 II BGB typische Funktion, die Sicherheit trotz Unvollständigkeit der gesicherten Forderung bereits gegenüber anderen für sich zu reklamieren, hat § 765 II BGB nicht. Das entspricht der Konzeption des Bürgschaftsrechts, da der Bürgschaftsvertrag – anders als Pfandrecht oder Hypothek – keine 23
Motive (Mugdan, Bd. 2, S. 368). Protokolle (Mugdan, Bd. 2, S. 1020). 25 Motive (Mugdan, Bd. 2, S. 368) und Protokolle (Mugdan, Bd. 2, S. 1020). 26 Vgl. oben § 5 S. 159 ff.; § 6 S. 225 f.; § 7 S. 257 f. 27 Oben Fn. 3. 28 Horn, FS Merz, S. 217, 221. 24
C. Stellungnahme
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wesentliche Befugnis enthält, welche bereits an die im Werden begriffene Hauptforderung anknüpfen könnte: Der Gläubiger erhält erst dann ein Recht, wenn er aus der Hauptforderung berechtigt ist (§ 767 I 1 BGB). Die Bürgschaftsforderung vermittelt auch kein spezielles Sonderrecht in der Insolvenz, welches den Gläubiger bereits vor dem Entstehen der Hauptforderung dagegen absichern könnte, dass seine Sicherheit durch die Insolvenz des Bürgen wertlos wird.29 Der Gläubiger erlangt zudem keinen Rangvorteil, wenn er den Vertrag mit dem Bürgen zwar zeitlich vor allen anderen persönlichen Gläubigern geschlossen hat, aber deren Forderungen gegen den Bürgen zuerst fällig werden.30 All das ist nicht zuletzt der Eigenschaft der Bürgschaft als Personalsicherheit geschuldet. In der Konsequenz ist § 765 II BGB auch nicht auf einen nach außen manifestierten Rechtsboden angewiesen, der einer entsprechenden Befugnis des Gläubigers eine Grundlage geben könnte.
2. Keine Haftungsbegrenzungsfunktion § 765 II BGB soll auch nicht dazu dienen, die Problematik uferloser Haftung zu bewältigen.31 Das Gebot der Überschaubarkeit des Haftungsrisikos ist von § 765 II BGB zu unterscheiden.32 Bei der Bestimmbarkeit aus § 765 II BGB geht es nicht darum, den Kreis der künftigen Forderungen einzuschränken, sondern um das Gebot, dass aus der Vereinbarung klar hervorgeht, welche Forderungen erfasst sind, wenn sie später zur Entstehung gelangen. Die Kalkulierbarkeit des Haftungsrisikos wird mit den Instrumenten der Vertragskontrolle (§§ 138, 305 ff. BGB, aber auch §§ 767 I 3, 768 II BGB) bewerkstelligt.33
3. Vorbereitungsfunktion Nach § 765 II BGB übernimmt der Bürge die Bürgschaft „für eine“ künftige oder eine bedingte Verbindlichkeit. Die Vereinbarung muss also einen Bezug zu der künftig entstehenden Forderung aufweisen, zumal sie eine abhängige 29 Der Bürgschaftsgläubiger ist wie jeder andere persönliche Gläubiger Insolvenzgläubiger i. S. v. § 38 InsO (Bülow, Kreditsicherheiten, 8. Aufl. 2012, Rz. 1069); die Vorhaltung des auf eine künftige Bürgschaftsforderung entfallenden Anteils ist von § 191 InsO abhängig, Staudinger/ Horn, BGB, Neubearb. 2013, Vor §§ 765 – 778 Rz. 193. Die Insolvenz des Hauptschuldners berührt die Forderung gegen den Bürgen grundsätzlich nicht; zur Problematik von § 44 InsO in Hinblick auf die Regressforderung des Bürgen, wenn dieser den Gläubiger erst während der Insolvenz des Schuldners befriedigt, siehe oben § 3 S. 61 f., und Staudinger/Horn, BGB, Neubearb. 2013, Vor §§ 765 – 778 Rz. 181 u. 185. 30 Bülow, Kreditsicherheiten, 8. Aufl. 2012, Rz. 850. 31 Oben Fn. 18. 32 Bülow, Kreditsicherheiten, 8. Aufl. 2012, Rz. 846 f. 33 Vgl. dazu etwa Bydlinski, WuB 2001 – I F 1a – 13.01, Otto, EWiR 2000, 855.
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§ 8 Bürgschaft gemäß § 765 II BGB
Sicherheit ist.34 Die Bezeichnung der künftigen Forderung im Bürgschaftsvertrag stellt diesen Bezug her und bildet damit einen „Platzhalter“ für später entstehende Forderungen, die dieser Bezeichnung entsprechen. § 765 II BGB ermöglicht damit, Transaktionskosten zu sparen, weil die spätere Bürgschaft für verschiedene Forderungen zu einem früheren Zeitpunkt vorbereitet werden kann. Für die künftige Forderung folgt aus dieser Funktion, dass sie ein Phänomen der Bestimmbarkeit ist, da die später entstehende Forderung nur dann für den Bürgschaftsvertrag maßgebend ist, wenn sich dieser auf sie bezieht. Die Bezeichnung der künftigen Forderung muss die Feststellung ermöglichen, ob eine im weiteren Verlauf entstehende Forderung erfasst ist oder nicht.35 Anders als gelegentlich angenommen wird,36 resultiert die Vorgabe der Bestimmbarkeit hingegen nicht aus dem schuldrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Diesem liegt zugrunde, dass der Inhalt einer Forderung bestimmbar sein muss, da sie ansonsten ihrer Durchsetzbarkeit beraubt wäre.37 § 765 II BGB erfordert jedoch noch keine Klarheit über den Inhalt der Hauptforderung, da häufig noch offen ist, um welche konkrete Hauptforderung es überhaupt geht. § 765 II BGB befreit sogar ausdrücklich davon, dass der Inhalt der Forderung bereits feststehen muss.38 Der schuldrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz kommt also erst bei der Durchsetzung der Bürgschaftsforderung ins Spiel, während die Bestimmbarkeit der Hauptforderung eine Folge der Abhängigkeit der Bürgschaft von der Hauptforderung ist.39
4. Sicherung im Innenverhältnis und Anknüpfungsfunktion § 765 II BGB soll veranschaulichen, dass der Bürgschaftsvertrag schon abgeschlossen werden darf, wenn die Hauptforderung noch gar nicht besteht.40 Das ermöglicht dem Gläubiger, sich gegen opportunistisches Verhalten des Bürgen (im „Innenverhältnis“) abzusichern und schon jetzt darüber Gewissheit zu erhalten, dass der Bürge für die Erfüllung der Forderung einstehen wird, wenn diese einmal entsteht.41 Diese Sicherheit erhält der Gläubiger aus der rechtsgeschäftlichen Bindung der Bürgschaftserklärung. Interessant ist die Rolle, welche die 34
Horn, FS Merz, S. 217, 221. MünchKomm-BGB/Habersack, 5. Aufl. 2009, § 765 Rz. 70. Vgl. Reinicke/Tiedtke, WiB 1996, 505, 506; NomosKommentar-BGB/Beckmann, § 765 Rz. 36. 36 NomosKommentar-BGB/Beckmann, § 765 Rz. 36; MünchKomm-BGB/Habersack, 5. Aufl. 2009, § 765 Rz. 68. Dagegen überzeugend Horn, FS Merz, S. 217, 221. 37 MünchKomm-BGB/Bachmann, 6. Aufl. 2012, § 241 Rz. 12 ff. 38 Protokolle (Mugdan, Bd. 2, S. 1020). 39 Richtig: Horn, FS Merz, S. 217, 221 (allerdings mit der nicht überzeugenden Folgerung, der solchermaßen aus § 765 II BGB abgeleitete Bestimmtheitsgrundsatz diene auch dem Schutz vor unabsehbarer Belastung, dazu oben 2. 40 Oben Fn. 24. 41 Dazu bereits oben bei § 2 Fn. 285; zum Begriff des Opportunismus Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 549 – 552. 35
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künftige Forderung dabei spielt. Wie die bisherige Untersuchung gezeigt hat, muss die künftige Hauptforderung keinen Rechtsboden aufweisen, sondern lediglich bestimmbar sein. Fraglich ist, ob sie damit wirklich nur eine Beschreibung im Sinne eines „Platzhalters“ oder nicht zugleich etwas Gegenständliches ist, das dem Bürgschaftsvertrag eine Grundlage gibt. Das hängt wiederum davon ab, ob der Bürgschaftsvertrag als abhängiger Vertrag ohne einen solchen nach außen manifestierten Tatbestand (schwebend) unwirksam ist oder nicht. Das Reichsgericht hatte über diese Frage einmal entschieden: Eine Bürgschaft für eine (gegenwärtige) Forderung sei danach unwirksam, wenn die Forderung nach § 125 BGB nichtig ist, jedoch wirksam, soweit sich ergibt, dass die Parteien auch die künftige Forderung sichern wollten, die sich aus einer Heilung der Formnichtigkeit (heute etwa § 311b I 2 BGB) ergibt.42 Das ist überzeugend. Ein Bürgschaftsvertrag ist gegenstandslos, wenn sein Zweck nicht erreicht werden kann, weil die gesicherte Hauptforderung nicht mehr entstehen kann; er ist dann unwirksam.43 Im Übrigen spricht aber nichts dagegen, dass der Bürgschaftsvertrag wirksam ist, solange die Hauptforderung noch nicht entstanden ist, aber entstehen kann.44 Zwar ist die in ihm eingebettete Bürgschaftsforderung wegen § 767 I 1 BGB noch schwebend unwirksam;45 der Vertrag sollte aber bereits als wirksam betrachtet werden.46 Auf diese Weise ergibt sich der allenthalben hervorgehobene Unterschied zu dem seinerseits aufschiebend bedingt abgeschlossenen Bürgschaftsvertrag, der nicht mit der Vereinbarung, sondern erst mit Bedingungseintritt Wirksamkeit erlangt,47 und es ist sichergestellt, dass der Bürge schon jetzt gebunden ist. Darüber hinaus muss sich ein Bürgschaftsvertrag nicht in der Bürgschaftsforderung erschöpfen, sondern kann andere auf den Vertragszweck gerichtete Nebeninhalte haben, die über bloße, an die Willenserklärung anknüpfende Schutzpflichten hinausgehen und folglich für ihre Geltung auf einen wirksamen Vertrag als Rechtsgrund angewiesen wären.48 Gerade die Entscheidung des Reichsgerichts zeigt damit den Unterschied zwischen einer unwirksamen bzw. nicht entstehbaren Forderung und einer künftigen Forderung. Allein der Umstand, dass die Entstehung der beschriebenen Forderung möglich ist, gibt dem Vertrag eine Grundlage, die ihm zur Wirksamkeit verhilft; auf die Gewissheit ihrer Entstehung kommt es nicht an, wie sich aus der Nennung der bedingten Forderungen in § 765 II BGB ergibt.49 Wenn die im Bürgschaftsvertrag beschriebene Forderung niemals entstehen kann, fehlt es an einer künftigen Forderung.50 Der Vertrag ist folglich unwirksam. Für die hier 42
RGZ 134, 243, 246 f.; Becker-Eberhard, S. 265. Musielak/Hau, GK BGB, Rz. 1426. 44 Nachweise zum Meinungsbild oben Fn. 20. 45 Soergel/Häuser, § 765 BGB Rz. 15. 46 Lieb, Das künftige Recht, S. 89. 47 Vgl. oben Fn. 10. 48 Lwowski/Fischer/Langenbucher, Kreditsicherung, 9. Aufl. 2011, § 9 Rz. 68 – 72. 49 Becker-Eberhard, S. 280. 50 Becker-Eberhard, S. 272. 43
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aufgeworfene Frage nach der Rolle der künftigen Forderung bedeutet dies: Die in ihr zum Ausdruck kommende Erwerbsaussicht ist – neben der Bestimmbarkeit – Wirksamkeitsvoraussetzung für den Bürgschaftsvertrag. Während die eigentliche Bindung aus dem Bürgschaftsvertrag resultiert, gibt die Erwerbsaussicht dem Vertrag einen rechtlichen Bezugspunkt, an den er anknüpfen kann. Insoweit lässt sich von einer „Anknüpfungsfunktion“ der künftigen Forderung sprechen. Von dem Bürgschaftsvertrag ist wiederum die Bürgschaftsforderung zu unterscheiden. Da diese in ihrem Bestand von dem der Hauptforderung abhängig ist (§ 767 I 1 BGB), ist sie selbst noch nicht entstanden. Da sie in einen bereits wirksamen Bürgschaftsvertrag eingebettet ist und kraft § 767 I 1 BGB entsteht, wenn die Hauptforderung zur Entstehung gelangt, kann sie jedoch als aufschiebend rechtsbedingte Forderung beschrieben werden; das gilt auch dann, wenn für die Hauptforderung noch nicht einmal ein Rechtsgrund gelegt ist.
D. Ergebnis In Einklang mit der ganz herrschenden Auffassung erfordert § 765 II BGB für die künftige Forderung keinen Rechtsboden. § 765 II BGB verlangt, dass die künftige Forderung bestimmbar ist, damit eine später entstehende Hauptforderung dem Bürgschaftsvertrag zweifelsfrei zugeordnet werden kann; zudem muss ihre Entstehung möglich sein; auf die Wahrscheinlichkeit, mit der die Forderung entstehen wird, kommt es nicht an. Solange die Entstehung einer gesicherten Forderung möglich ist, ist der Bürgschaftsvertrag wirksam; lediglich die Bürgschaftsforderung ist bis dahin aufschiebend bedingt.
E. Dogmatik Die künftige Hauptforderung gemäß § 765 II BGB ist kein rechtliches Nullum, sondern gibt als gegenwärtige Erwerbsaussicht dem Bürgschaftsvertrag einen Bezugspunkt. Der Vertrag ist wirksam, obwohl die Hauptforderung noch nicht besteht, und nur dann unwirksam, wenn die Aussicht, dass die gesicherte Forderung entstehen wird, fehlt. Das bestätigt die am Anfang dieser Arbeit und die zu Vormerkung, Hypothek und Pfandrecht gewonnene Erkenntnis, dass die Erwerbsaussicht als solche bereits etwas Gegenständliches sein kann. Da der Bürgschaftsvertrag in dieser Erwerbsaussicht einen Anknüpfungspunkt hat, von dessen weiterer Entwicklung die akzessorische Bürgschaftsforderung gegenwärtig und in Zukunft abhängig ist, durchbricht auch § 765 II BGB die Akzessorietät nicht, sondern setzt sie gerade um. Daneben hat § 765 II BGB eine Vorbereitungsfunktion, kraft der es möglich ist, die Beschreibung der gesicherten Forderungen auf abstrakte Merkmale zu reduzieren, um verschiedene, später entstehende Forderungen in den Vertrag einzubeziehen.
§ 9 Arrest und einstweilige Verfügung A. Grundlagen Die Regeln des einstweiligen Rechtsschutzes müssen das Interesse des Antragstellers, seine Forderung zu verwirklichen, mit dem Interesse des gerichtlich noch nicht als Schuldner festgestellten Antragsgegners in Ausgleich bringen, in seiner persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit nicht vorschnell eingeschränkt zu werden.1 Sie ermöglichen dem Antragsteller, die Vollstreckbarkeit eines künftigen Titels schon zu sichern, während das Erkenntnisverfahren noch durchlaufen werden muss. Dazu kann er per Arrest Vermögensgegenstände des Antragsgegners pfänden lassen (§§ 930, 9322 ZPO) oder per einstweiliger Verfügung vorläufige Anordnungen erwirken (§§ 935, 940 ZPO). Ein durch Arrest erwirktes Pfandrecht konkurriert mit anderen Pfandrechten (§§ 930 I 2, 804 III ZPO) und behält im Fall erfolgreicher Titulierung der Forderung als Pfändungspfandrecht seinen Rang,3 so dass der Antragsteller auch Vorteile gegenüber anderen Gläubigern erlangt. Es geht dabei aber nur um seine Sicherung, nicht um seine vorläufige Befriedigung. Die durch einen Arrest beschlagnahmten Gegenstände dürfen also grundsätzlich nicht verwertet (Ausnahme bei Gefahr einer beträchtlichen Wertverringerung, § 930 III ZPO), die nach §§ 935, 940 ZPO gesicherte Forderung darf nicht erfüllt werden.4 Gleichwohl sind die Maßnahmen für den Antragsgegner spürbar. Sie engen ihn in seiner persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit ein, da er über gepfändete Gegenstände nicht mehr verfügen kann (vgl. auch § 930 II ZPO) oder einstweilige Anordnungen befolgen muss. Er muss dies hinnehmen, ohne dass er eine Pflicht verletzt oder schuldhaft gehandelt haben müsste; es genügt, dass sich seine Vermögenslage verschlechtert (§ 917 I ZPO) bzw. der bestehende Zustand sich geändert hat (§ 935 ZPO).5 Betrachtet man § 720a ZPO, der die Sicherungsmaßnahmen des § 930 ZPO an höhere Voraussetzungen knüpft (Sicherheitsleistung des Gläubigers und Titulierung in erster Instanz), so wird der einschneidende Charakter von § 916 ZPO noch deutlicher. Der Antragsgegner ist den Anstrengungen des 1
Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 74 Rz. 2. Im Fall eines Grundstücks geht es um die „Pfändung“ im weiteren Sinne, genauer um dessen Belastung mit einer Sicherungshypothek. 3 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 78 Rz. 16. 4 Vgl. Schuschke/Walker/Walker, ZPO, Vor §§ 916 – 945 Rz. 4. 5 Schuschke/Walker/Walker, ZPO, § 917 Rz. 4. 2
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§ 9 Arrest und einstweilige Verfügung
vermeintlichen Gläubigers aber nicht schutzlos ausgesetzt. Er kann ihn nach § 926 ZPO immerhin zur Klageerhebung drängen, um eine endgültige Entscheidung über die Hauptsache zu erreichen,6 und der Antragsteller muss den Vorteil der frühen Sicherheit mit dem Risiko abwägen, verschuldensunabhängig schadensersatzpflichtig zu sein, falls er seine Forderung in der Hauptsache nicht beweisen kann (§ 945 ZPO).
B. Sicherung künftiger Forderungen § 916 II ZPO, der gemäß § 936 ZPO genauso für die einstweilige Verfügung gilt,7 ermöglicht die Sicherung bedingter Forderungen. Vergleicht man das Arrestpfandrecht mit dem gleichfalls gegen den Willen des Schuldners begründeten Vermieterpfandrecht aus § 562 BGB,8 so ist § 916 II ZPO durchaus bemerkenswert, da § 562 BGB die Sicherung bedingter Forderungen nicht zulässt und selbst aufschiebend befristete Forderungen nur in beschränktem Umfang akzeptiert.9 Im Folgenden wird deshalb genau zu untersuchen sein, ob § 916 II ZPO gemäß der herrschenden Meinung10 erweitert auszulegen ist (D.) und was der Vorbehalt des Vermögenswerts einer bedingten Forderung abverlangt (E.). Immerhin schließt § 916 II ZPO einstweiligen Rechtsschutz nämlich aus, wenn der Eintritt der Bedingung so entfernt ist, dass die bedingte Forderung keinen gegenwärtigen Vermögenswert hat. Die Besonderheit von § 916 II ZPO erblickt man darin, dass bedingte Forderungen bei Anordnung des Arrests wegen §§ 751 I, 726 ZPO selbst dann nicht vollstreckt werden könnten, wenn sie bereits tituliert worden wären.11 § 916 II ZPO wird deshalb eine eigene Zielrichtung zugeschrieben: Er soll die Vollstreckung sichern, obwohl die Forderung erst in Zukunft Vollstreckbarkeit erlangt und ggf. ungewiss ist, ob sie überhaupt entsteht.12 Die Besonderheit der Sicherung bedingter Forderungen relativiert sich aber, wenn man die Sicht des Arrestgerichts einnimmt. Aus seinem Blickwinkel können mit einer Forderung, die bereits entstanden ist, nämlich die gleichen Unsicherheiten verbunden sein, da der Antragsteller für die künftige Vollstreckung seine Forderung erst noch im Hauptverfahren beweisen müsste. Eine bedingte Forderung, deren Voraussetzung 6
Stein/Jonas/Grunsky, § 916 ZPO Rz. 10. Schuschke/Walker/Walker, ZPO, § 916 Rz. 9; Christiansen, S. 114. 8 Zur Anwendbarkeit von § 916 ff. ZPO neben § 562 BGB vgl. MünchKomm-ZPO/Drescher, 4. Aufl. 2012, § 917 Rz. 16 m. w. N. 9 § 7 L. 10 Nachweise sogleich unter C. 11 Meller-Hannich, ZZP 115 (2002), 161, 168. Deshalb kann der Arrest hier auch dann noch verhängt werden, wenn der Gläubiger schon einen Titel hat, Stein/Jonas/Grunsky, § 916 ZPO Rz. 7. 12 Schuschke/Walker/Walker, ZPO, § 916 Rz. 5; Stein/Jonas/Grunsky, § 916 ZPO Rz. 10. 7
C. Meinungsstand
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nicht später eintreten wird als ein solches Erkenntnisverfahren frühestens seinen Abschluss finden könnte, erweist sich für das Arrestgericht also gar nicht als ein größerer Problemfall als eine entstandene Forderung bei unsicherer Tatsachengrundlage: In beiden Fällen ist ungewiss, ob eine Vollstreckung in Zukunft überhaupt stattfinden darf. Nicht ohne Grund meinte man also in den Beratungen zu § 916 II ZPO, dass auch diejenige Forderung eine bedingte sei, deren Ereignis – unbekannterweise – bereits eingetreten ist.13
C. Meinungsstand Die Praxis zu § 916 II ZPO dreht sich um den Arrest, und dabei vor allem um künftige Forderungen auf Scheidungsunterhalt oder den Zugewinnausgleich (vgl. § 119 FamFG). Die heute herrschende Ansicht lässt den Arrest zu, wenn das Scheidungsverfahren bereits rechtshängig ist.14 Ein weiteres Beispiel arrestfähiger künftiger Forderungen sind solche auf Prozesskostenerstattung während der Prozess noch am Laufen ist, aber die Befürchtung besteht, dass die andere Partei im Falle ihres Unterliegens die Prozesskosten nicht werde aufbringen können.15 Als Beispiel arrestunfähiger künftiger Forderungen werden erbrechtliche Forderungen in der Zeit vor Eintritt des Erbfalls genannt.16 Das Meinungsbild zur rechtlichen Beschaffenheit der bedingten Forderungen ist relativ homogen. Man unterscheidet nicht nur betagte und bedingte, sondern auch künftige Forderungen, die man unter gewissen Umständen „über den Wortlaut von § 916 II ZPO hinaus“ für arrestfähig hält.17 Unter betagten Forderungen versteht man – wie herkömmlich und in Einklang mit den Verfassern der Vorschrift18 – Forderungen, die entstanden, aber noch nicht fällig sind.19 Unter die bedingten Forderungen will man nur solche aus gemäß §§ 158 ff. BGB bedingten 13
Hahn/Mugdan, Bd. 8, S. 171. OLG Brandenburg, 29.09.2008 – 13 UF 68/08, NJW-RR 2009, 801 m. w. N.; OLG Naumburg, 30.01.2008 – 8 WF 4/08, OLGR 2008, 612; Meller-Hannich, ZZP 115 (2002), 161, 177; Stein/Jonas/Grunsky, § 916 ZPO Rz. 11; Schuschke/Walker/Walker, ZPO, § 916 Rz. 7; Thomas/Putzo/Seiler, § 916 ZPO Rz. 5; Zöller/Vollkommer, § 916 ZPO Rz. 8; Kleinle, FamRZ 2007, 1259, 1260 (Anm. m. w. N. zum früheren Streitstand); Ditzen, NJW 1987, 1806 f. Zu Unterhaltsansprüchen Menne, FamRZ 2004, 6. 15 Stein/Jonas/Grunsky, § 916 ZPO Rz. 11; Schuschke/Walker/Walker, ZPO, § 916 Rz. 7; Zöller/Vollkommer, § 916 ZPO Rz. 8; Meller-Hannich, ZZP 115 (2002), 161, 177, 181. Gegen Arrestfähigkeit noch Wieczorek/Schütze, 2. Aufl. 1981, § 916 ZPO Rz. A III a 5; Stein/Jonas, 14. Aufl. 1929, § 916 ZPO‑II. 16 Stein/Jonas/Grunsky, § 916 ZPO Rz. 11; MünchKomm-ZPO/Drescher, 4. Aufl. 2012, § 916 Rz. 10; Hk-ZPO/Kemper, § 916 Rz. 3; Thomas/Putzo/Seiler, § 916 ZPO Rz. 6; Kuchinke, FS Henckel, 1995, S. 475, 484 f., 492 f. 17 Statt vieler: Meller-Hannich, ZZP 115 (2002), 161, 162 f.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 75 Rz. 4; Prütting/Gehrlein/Fischer, § 916 ZPO Rz. 15. 18 Vgl. Hahn/Stegemann, Bd. 2, S. 868. 19 Prütting/Gehrlein/Fischer, § 916 ZPO Rz. 14; Schuschke/Walker/Walker, ZPO, § 916 Rz. 4. 14
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§ 9 Arrest und einstweilige Verfügung
Rechtsgeschäften subsumieren.20 Eine arrestfähige „künftige Forderung“ soll demgegenüber vorliegen, wenn sie in dem Sinne „klagbar“ ist, dass sie mindestens Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO sein kann.21 Man folgert dies daraus, dass jede Forderung, die gerichtlich nicht festgestellt werden kann, von vornherein zum Misserfolg des Arrests führen muss, weil der Arrest gemäß § 926 II ZPO aufgehoben würde, wenn der Antragsteller nicht mindestens eine zulässige Feststellungsklage erhebt.22 Eine andere Auffassung bezweifelt die dogmatische Eingrenzbarkeit arrestfähiger Forderungen und plädiert für eine Bestimmung ihrer Arrestfähigkeit durch eine Abwägung im Einzelfall.23
D. Maßstäbe für die bedingte Forderung gemäß § 916 II ZPO I. Historischer Wortlaut Die Vorläufervorschrift von § 916 II ZPO – § 796 CPO – erklärte ursprünglich nur betagte Forderungen für arrestfähig. Man wollte der uneinheitlichen Rechtslage in den Partikularrechten über die Wirkungen bedingter Rechtsgeschäfte nicht vorgreifen.24 Die Erstreckung von § 916 II ZPO auf bedingte Forderungen entwickelte sich aus dem Gesetzgebungsverfahren für das BGB. Mit §§ 132 ff. des ersten Entwurfs für das BGB (BGB‑E‑I; heute: §§ 160 ff. BGB) hatte man nun einheitliche Wirkungen bedingter Rechtsgeschäfte, an die man anknüpfen konnte.25 Daher entwarf man § 133 I BGB‑E‑I, nach dem der bedingt Berechtigte Sicherheitsleistung fordern konnte, wenn die Voraussetzungen vorhanden sind, unter welchen nach §§ 796, 797 CPO der Arrest angeordnet werden kann. Obwohl man ursprünglich vor allem an den im engen Sinne „bedingt Berechtigten“, also den Empfänger einer 20 Ausdrücklich Ullmann, S. 21 f.; Meller-Hannich, ZZP 115 (2002), 161, 162 – 164; Musielak/ Huber, § 916 ZPO Rz. 15. 21 OLG Brandenburg, 29.09.2008 – 13 UF 68/08, NJW-RR 2009, 801; OLG Düsseldorf, 18.06.1993 – 3 UF 189/92, NJW-RR 1994, 450, 452; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 75 Rz. 4; Prütting/Gehrlein/Fischer, § 916 ZPO Rz. 15; MünchKommZPO/Drescher, 4. Aufl. 2012, § 916 Rz. 10; Schuschke/Walker/Walker, ZPO, § 916 Rz. 7; Zöller/ Vollkommer, § 916 ZPO Rz. 8; Musielak/Huber, § 916 ZPO Rz. 16; Hk-ZPO/Kemper, § 916 Rz. 3; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Haertlein, § 916 ZPO Rz. 12; Thomas/Putzo/Seiler, § 916 ZPO Rz. 5 f.; Hk-ZPO/Kemper, § 916 Rz. 3; Meller-Hannich, ZZP 115 (2002), 161, 173; Menne, FamRZ 2004, 6, 7; vgl. auch Furtner, NJW 1964, 745, 746. A. A. (Klagbarkeit im Sinne der Leistungsklage nach §§ 257 ff. ZPO) noch Stein/Jonas, 14. Aufl. 1929, § 916 ZPO‑II (künftige Forderungen als noch nicht entstandene Forderungen) und Wieczorek/Schütze, 2. Aufl. 1981, § 916 ZPO Rz. A III a 4. Dagegen Stein/Jonas/Grunsky, § 916 ZPO Rz. 9 f. 22 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 75 Rz. 4; Prütting/ Gehrlein/Fischer, § 916 ZPO Rz. 15; MünchKomm-ZPO/Drescher, 4. Aufl. 2012, § 916 Rz. 10; Schuschke/Walker/Walker, ZPO, § 916 Rz. 7; Zöller/Vollkommer, § 916 ZPO Rz. 8; Musielak/ Huber, § 916 ZPO Rz. 16. 23 Stein/Jonas/Grunsky, § 916 ZPO Rz. 6, 10 f. 24 Hahn/Stegemann, Bd. 2, S. 471. 25 Hahn/Mugdan, Bd. 8, S. 171.
D. Maßstäbe für die bedingte Forderung gemäß § 916 II ZPO
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bedingten Verfügung gedacht hatte,26 hatte man bei der Formulierung von § 133 I BGB‑E‑I auch den Gläubiger einer bedingten Forderung im Auge.27 Anstatt § 133 I BGB‑E‑I in das BGB zu übernehmen, entschied man sich aber, ihn im Rahmen der zeitgleichen BGB-Novelle der ZPO in § 916 II ZPO zu integrieren, und verlieh § 916 II ZPO damit auch materiellen Gehalt. Der Vorbehalt des gegenwärtigen Vermögenswerts war schon in § 133 III BGB‑E‑I28 enthalten und sollte Härten für den Arrestschuldner vorbeugen;29 des hiermit verbundenen weiten richterlichen Ermessenspielraums war man sich bewusst.30 Angesichts dieser Wurzeln von § 916 ZPO im Entwurf für die heutigen §§ 158 ff. BGB ist es selbstverständlich, dass die Gesetzesmaterialien vor allem auf die rechtsgeschäftlich bedingten Forderungen eingehen. Für den Schluss der herrschenden Auffassung, dass deshalb ausschließlich die rechtsgeschäftlich bedingten Forderungen geregelt seien,31 enthalten die Gesetzesmaterialien aber keine Anhaltspunkte. Auch der Wortlaut gibt ein solches Verständnis nicht vor, da der Gesetzgeber mit dem Begriff der bedingten Forderungen an anderer Stelle ausdrücklich auch die von §§ 158 ff. BGB nicht erfassten rechtsbedingten Forderungen regelt, wie etwa § 95 InsO oder § 191 InsO belegen.32 Gerade für § 916 II ZPO liegt ein solches Verständnis nicht fern, da man sich in § 133 II, III BGB‑E‑I an die Konkursordnung anlehnte, die rechtsbedingte Forderungen schon immer kannte;33 darüber hinaus bezieht sich schon § 916 I ZPO mit den Ansprüchen, die in eine Geldforderung übergehen können, auf rechtsbedingte Forderungen.34 Mit den „künftigen Forderungen“ eine dritte Kategorie von Forderungen zu entwickeln, um den vermeintlich zu engen Wortlaut zu überwinden, ist daher nicht veranlasst, zumal hinter ihnen ohnehin solche Forderungen stecken, die man andernorts als rechtsbedingt anerkennt.35 Das provoziert nur missverständliche 26 Vgl. den Verweis auf ALR I‑14-§ 5 in Mugdan, Bd. 1, S. 494, u. Hahn/Stegemann, Bd. 2, S. 471; ALR I‑14-§ 5 lautet: „Derjenige, welchem der künftige Anfall einer Sache oder eines Rechts durch Gesetze oder Willenserklärungen versichert ist, hat zur Erhaltung dieses seines Anfallsrechtes eben die Mittel, welche die Gesetze einem jeden Eigenthümer an die Hand geben.“ Diesbezüglich mag ein Arrest noch vertretbarer erscheinen, da genau die Sache berührt ist, die versprochen wurde. 27 Ausdrücklich thematisiert bei Mugdan, Bd. 1, S. 494 f. 28 „Die Vorschriften des 1. und 2. Abs. finden keine Anwendung, wenn das bedingte Recht wegen der entfernten Möglichkeit der Erfüllung der Bedingung als ein gegenwärtiger Vermögensbestandtheil sich nicht betrachten lässt.“ 29 Mugdan, Bd. 1, S. 495; Hahn/Mugdan, Bd. 8, S. 171; Christiansen, S. 115. 30 Mugdan, Bd. 1, S. 495. 31 Ullmann, S. 21; Meller-Hannich, ZZP 115 (2002), 161, 162 f. 32 § 3 S. 62 u. § 4 S. 89. 33 § 4 Fn. 79. 34 A. A. Meller-Hannich, ZZP 115 (2002), 161, 164, die hier von entstandenen Ansprüchen spricht, was jedoch abzulehnen ist, da Sekundäransprüche, wie etwa Schadensersatzforderungen, gegenüber der auf Naturalerfüllung gerichteten Primärforderung einen eigenen Entstehungszeitpunkt aufweisen. 35 Vgl. Meller-Hannich, ZZP 115 (2002), 161, 164, wonach die „künftigen Forderungen“ für § 916 II ZPO auch solche sind, bei denen ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal nicht vorliegt.
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§ 9 Arrest und einstweilige Verfügung
Abgrenzungen wie diejenige, dass künftige Prozesskostenerstattungsforderungen, die in anderem Kontext als aufschiebend bedingte Forderungen gelten,36 bei § 916 II ZPO aus dem Reigen der bedingten Forderungen ausdrücklich ausgegrenzt und der Fallgruppe der künftigen zugeschlagen werden.37 Dabei geht es keinesfalls um Wortspielereien, da immerhin vertreten wird, dass sich der Vorbehalt des fehlenden Vermögenswerts nur auf die bedingten, nicht aber auf die künftigen Forderungen beziehen solle.38
II. §§ 923, 926 ZPO Aus dem normativen Umfeld von § 916 ZPO verdient zunächst § 923 ZPO Aufmerksamkeit. Aus dieser Vorschrift folgt, dass in der Höhe unbestimmbare Forderungen nicht arrestfähig sind,39 da ansonsten der Betrag nicht bestimmt werden könnte, mit dem der Schuldner den Arrest abwenden kann. In direktem Zusammenhang mit § 916 II steht § 926 ZPO. Danach ist ein Arrest sinnlos, wenn die künftige Forderung aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht Gegenstand einer Klage sein kann.40 Gleichwohl ergeben sich Zweifel, § 926 ZPO deshalb zum Maßstab für eine bedingte Forderung zu erklären. Mit § 926 ZPO soll kontrolliert werden, ob die Vollstreckung wirklich drohen kann. Im Fall betagter Forderungen mag sich das mittels einer Feststellungsklage bewerkstelligen lassen, da ihnen der Leistungsbefehl innewohnt; aber für künftige Forderungen wären §§ 257 ff. ZPO insoweit ein zuverlässigerer Maßstab, da nur sie, nicht aber § 256 ZPO, die Klagbarkeit der künftigen Forderung an ihrer späteren Vollstreckbarkeit messen (vgl. noch § 10 C.).41 Vor allem aber bestimmt sich die Frage, ob eine rechtliche Beziehung Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann, häufig nach prozessualen Erwägungen,42 während die bedingte Forderung nach § 916 II ZPO ein materiell-rechtliches Gebilde sein muss, weil die Vorschrift regeln soll, welcher bedingt berechtigte Gläubiger von seinem Schuldner Sicherstellung verlangen kann (s. o. I.), und mit dem Arrestpfandrecht unmittelbar materiell-rechtliche Wirkungen hat (§§ 930 I 2, 804 II ZPO). Mit anderen Worten kann eine Forderung nicht bedingt sein, weil sie feststellbar ist, sondern sie muss feststellbar sein, weil 36 Oben § 2 S. 37 u. § 4 S. 102; BGH, 11.12.2008 – IX ZB 232/08, ZInsO 2009, 202, 204; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 84 Rz. 60. 37 Meller-Hannich, ZZP 115 (2002), 161, 177, 181 mit Fn. 100. 38 MünchKomm-ZPO/Drescher, 4. Aufl. 2012, § 916 Rz. 10. 39 Im Ergebnis ebenso Ullmann, S. 78. 40 Stein/Jonas/Grunsky, § 916 ZPO Rz. 6. 41 Ullmann, NJW 1971, 1294, 1296; ders., S. 11 – 13. Vgl. auch BGH, 04.07.1962 – V ZR 206/60, BGHZ 37, 331, 333 f.: Für ein Rechtsverhältnis i. S. v. § 256 ZPO ist „nicht das Vorhandensein eines klagbaren Leistungsanspruchs Voraussetzung; es genügt, wenn sich aus einem bestimmten konkreten Sachverhalt [. . .] vermöge der ihn beherrschenden Norm rechtlich geregelte Beziehungen zwischen Personen ergeben.“ 42 BGH, 20.11.1992 – V ZR 82/91, BGHZ 120, 239, 253.
D. Maßstäbe für die bedingte Forderung gemäß § 916 II ZPO
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sie bedingt ist. Angesichts dessen verwundert es nicht weiter, dass der BGH die tatsächliche Aussicht auf ein Vermächtnis aus einem gemeinschaftlichen Testament als ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis gemäß § 256 ZPO anerkennt,43 obwohl solche künftigen Forderungen für § 916 II ZPO gerade nicht ausreichen sollen.44 Die Klagbarkeit nach § 256 ZPO ist eben kein verlässlicher Maßstab. Sie wegen § 926 ZPO quasi als Mindestanforderung zu erwähnen, ist wenig ertragreich, da das, was dem Gläubiger das Recht gibt, von dem bedingten Schuldner Sicherstellung zu fordern, in jedem Fall Gegenstand einer Feststellungsklage sein muss.
III. Arrestpfandrecht und künftige Forderungen Maßgebend für die teleologische Auslegung von § 916 II ZPO ist in erster Linie das Ziel des Arrests, ein Pfandrecht zu schaffen, da für die anderen Folgen (§§ 935, 940 ZPO) § 916 II ZPO entsprechend angewandt wird (§ 936 ZPO). Das rückt materiell-rechtliche Erwägungen in den Mittelpunkt (§§ 804 II, 930 I 2 ZPO) und macht es notwendig, die allgemeinen Anforderungen an eine durch Pfandrecht sicherbare künftige Forderung zu berücksichtigen. Damit ein Pfandrecht eine dingliche Wirkung haben kann, muss von der künftigen Forderung bereits ein Rechtsboden in Form eines nach außen manifestierten Rechtstatbestands, wie etwa eine Willenserklärung, vorhanden sein.45 Das schon für § 1204 II BGB prägende Sicherungsbedürfnis des Gläubigers muss für das Arrestpfandrecht erst recht maßgeblich sein, so dass wenigstens erforderlich ist, dass der Schuldner die Forderung ohne Mitwirkung des Gläubigers zustande bringen kann.46 Im Gegensatz zu § 1204 II BGB muss aber auch auf Seiten des Schuldners eine Bindung vorhanden sein. Anders als bei § 1204 II BGB entsteht das Arrestpfandrecht nämlich gegen dessen Willen; das ist nur legitimierbar, wenn der Schuldner dem Grunde nach in der Pflicht ist. Da somit auf beiden Seiten der Einfluss auf die Bedingungen der Forderungsentstehung abgeschlossen sein muss, handelt es sich bei § 916 II ZPO um die gleichen (rechtsgeschäftlich wie gesetzlich) „bedingten Forderungen“ wie etwa bei § 95 InsO, was schon die historische Interpretation des Wortlauts nahe gelegt hat. Zugleich steht fest, dass aufschiebend befristete Forderungen erfasst sind, die auch an anderer Stelle aus einem Erst-Recht-Schluss heraus am Schutz bedingter Forderungen teilhaben (vgl. nur § 163 BGB).47
43
BGH, 04.07.1962 – V ZR 206/60, BGHZ 37, 331, 333. Diesen Widerspruch stellt schon Meller-Hannich, ZZP 115 (2002), 161, 182, fest. 45 § 7 S. 257. 46 Vgl. § 7 K. 47 Für die Erfassung der aufschiebend befristeten mit dem Begriff der bedingten Forderung in § 916 II ZPO auch Christiansen, S. 115 mit Fn. 14; zum Erst-Recht-Schluss aus § 163 BGB auch Barth, Gruchot 58 (1914), 577, 584. 44
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§ 9 Arrest und einstweilige Verfügung
E. Vermögenswert der bedingten Forderung Ähnlich dem Vorbehalt in § 191 InsO oder § 1986 II 2 BGB schließt § 916 II ZPO den Arrest wegen einer bedingten Forderung aus, wenn diese wegen der entfernten Möglichkeit des Eintritts der Bedingung keinen gegenwärtigen Vermögenswert hat. Welche Anforderungen sich daraus ergeben, sei im Folgenden erläutert. Die Literatur thematisiert diese Einschränkung inhaltlich kaum und nur hinsichtlich der Frage der Beweislast.48
I. Grundlagen Der Vorbehalt des Vermögenswerts wurde in § 916 II ZPO aufgenommen, um Härten für den Arrestschuldner zu vermeiden.49 Warum dies erforderlich ist, zeigt ein Vergleich mit § 95 InsO. Wenn dort über den Schutz der bedingten Forderung zu urteilen ist, geschieht das retrospektiv in der Erkenntnis, dass die Forderung im Zeitpunkt der Beurteilung jedenfalls entstanden ist.50 Zweifel, die den Schutz der bedingten Forderung in Frage stellen würden, weil ungewiss ist, ob aus ihr überhaupt etwas wird, erübrigen sich hier also. Dieser Unterschied wird anhand der Prozesskostenerstattungsforderung besonders deutlich. Sie wird bei § 95 InsO ohne weiteres den aufschiebend bedingten Forderungen subsumiert. Allerdings steht im Zeitpunkt ihrer Aufrechnung fest, dass sie zugunsten des Gläubigers entstanden ist, er im Prozess also obsiegt hat. Im Zeitpunkt der Anwendung von § 916 II ZPO kann das Arrestgericht von diesem Befund noch nicht ausgehen; es ist noch unklar, ob und zu wessen Gunsten sie entstehen wird. Wenn man – wie bei § 95 InsO – allein auf den Befund abstellen würde, dass es sich um eine rechtsbedingte Forderung handelt, weil beide Parteien durch das Prozessrechtsverhältnis gebunden und auf die Erwerbsaussicht keinen Einfluss mehr haben, so könnte die Sicherung einer Prozesskostenerstattungsforderung auch dann erreicht werden, wenn nur wenig wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller im Prozess überhaupt obsiegen werde. Ohne den Vorbehalt des Vermögenswerts müsste der Antragsteller nur glaubhaft machen, dass die Möglichkeit besteht, dass die Forderung entstehen kann; schon das würde ihm sein Schadensersatzrisiko nach § 945 ZPO nehmen; der Schuldner wäre vor zu früher Inanspruchnahme seines Vermögens kaum geschützt. Daher liegt die Auffassung richtig, die für die Arrestfähigkeit künftiger Prozesskostenerstattungsforderungen verlangt, dass die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu würdigen sind.51 Die gesetzliche Verankerung dieser Erwägung ist der Vorbehalt des Vermögenswerts. Der 48 Stein/Jonas/Grunsky, § 916 ZPO Rz. 8; Prütting/Gehrlein/Fischer, § 916 ZPO Rz. 14; Schuschke/Walker/Walker, ZPO, § 916 Rz. 6. 49 Christiansen, S. 115. 50 Siehe S. 82 f. 51 Stein/Jonas/Grunsky, § 916 ZPO Rz. 11; Schuschke/Walker/Walker, ZPO, § 916 Rz. 7.
E. Vermögenswert der bedingten Forderung
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Vorbehalt des Vermögenswerts ist also wegen der prognostischen Dimension der Anwendung von § 916 ZPO erforderlich. Im Fall eines Arrests für eine entstandene Forderung, bei der diese prognostische Dimension nicht minder gegeben ist (s. o. B.), wird diese Aufgabe von der Glaubhaftmachung des Arrestanspruchs übernommen, aus der sich die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Vollstreckung ergibt. Dass schließlich bei §§ 883 I 2, 1113 II, 1204 II BGB der Vorbehalt des Vermögenswerts keine Rolle spielt, obwohl diese Normen genauso wie § 916 II ZPO zu einem Zeitpunkt geprüft werden, zu dem die Forderung noch nicht entstanden ist, ist gleichfalls erklärbar. Dort kann sich der Schuldner – anders als bei § 916 II ZPO – nämlich dazu bereit erklären, eine Sache für jeden Zufall als Sicherheit zu reservieren, bzw. abwägen, welches Risiko einer längerfristigen Bindung der Sache er eingehen will. § 916 II ZPO missachtet demgegenüber den Willen des Arrestschuldners und muss deshalb vermeiden, dass sich der Gläubiger Vermögensgegenstände des Arrestschuldners für jeden Zufall reserviert, obwohl die zu sichernde künftige Vollstreckung nur wenig wahrscheinlich ist. Wenn der Eintritt der Bedingung unwahrscheinlich ist, so geht das Interesse des Schuldners an wirtschaftlicher Bewegungsfreiheit dem Interesse des Gläubigers an einer effektiven Zwangsvollstreckung eben vor.52
II. Kriterien für den Vorbehalt des Vermögenswerts Den „Vermögenswert“ rein wirtschaftlich im Sinne eines „Marktwerts“ zu bestimmen, wäre keine Lösung. Das wäre aufwändig ermittelbar und auch davon abhängig, ob es überhaupt einen Markt für die jeweiligen Forderungen gibt. Der Entwurf der Vorschrift (§ 133 III BGB‑E‑I) legt eine eher juristische Betrachtungsweise nahe. Dort war vorgesehen, dass sich die bedingte Forderung als gegenwärtiger „Vermögensbestandtheil“ des Arrestgläubigers betrachten lässt; zusammen mit der Vorschrift aus dem preußischen ALR I‑14-§ 5, die der Gesetzgeber vor Augen hatte,53 gewinnt man den Eindruck, als ginge es um eine Stellung, kraft der sich der potentielle Gläubiger quasi schon als Gläubiger der Forderung fühlen könne. Das wäre anzunehmen, wenn der Schuldner das Entstehen der Forderung nicht mehr verhindern, weil er den Eintritt der Bedingung nicht beeinflussen kann. Anders sieht es aber bereits bei der vormerkungsfähigen Forderung gemäß § 883 I 2 BGB aus, bei der der Schuldner zwar nicht die Aussicht auf den Forderungserwerb, aber unter Umständen doch die Entstehung der Forderung verhindern kann (§ 5 S. 173). Da § 885 I BGB zeigt, dass vormerkungsfähige Forderungen grundsätzlich einen gegenwärtigen Vermögenswert haben können,54 kann also nicht 52
Schuschke/Walker/Walker, ZPO, § 916 Rz. 6. Mugdan, Bd. 1, S. 494, u. Hahn/Stegemann, Bd. 2, S. 471. Wortlaut von ALR I‑14-§ 5 oben Fn. 26. 54 MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl. 2013, § 885 Rz. 3. § 885 BGB schließt den Vorbehalt des Vermögenswerts in § 916 II ZPO nicht etwa aus, Kohler, ebd. 53
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§ 9 Arrest und einstweilige Verfügung
ausschließlich auf die rechtliche Quasi-Gläubigerstellung abgestellt werden. Daher ist eine gemischt juristisch-wirtschaftliche Betrachtungsweise anzulegen, welche die Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts berücksichtigt und stets das Ziel im Auge behält, dass es um die Sicherung künftiger Vollstreckung geht. Aus dem Vollstreckungsbezug ergibt sich, dass für die Entferntheit des Bedingungseintritts die voraussichtlich zu erwartende Länge eines Erkenntnisverfahrens eine wichtige Rolle spielen muss. Wenn die Bedingung nicht später eintreten soll, als ein Erkenntnisverfahren bei normalem Verlauf abgeschlossen werden könnte, unterscheidet sich die künftige Forderung nicht von der entstandenen Forderung, die erst noch tituliert werden muss (oben B.); zu der Wahrscheinlichkeit, ob die Forderung bewiesen werden kann, tritt also nur noch eine Wahrscheinlichkeitsprognose hinzu, ob das Ereignis innerhalb dieser Zeit eintreten wird. Ein Indiz für eine tolerierbare, zeitliche Entferntheit kann auch § 562 BGB geben; Forderungen, die innerhalb des auf die Beantragung des Arrests folgenden Kalenderjahres mit einiger Wahrscheinlichkeit entstehen, betrachtet der Gesetzgeber als ausreichend zeitnah, um ein Pfandrecht gegen den Willen des Schuldners zu gewähren (vgl. § 562 II BGB). Für einstweilige Verfügungen zur Eintragung einer Vormerkung gemäß § 885 I BGB wird man berücksichtigen müssen, inwieweit die Forderungsentstehung vom Belieben des Schuldners abhängig ist, da eine Forderung, deren Entstehung ausschließlich in der Macht des Schuldners liegt, nur in sehr geringem Maße im „Vermögen“ des Gläubigers steht.55 Dass der Bedingungseintritt erst zu einer Zeit eintreten wird, in der mit einer Besserung der Vermögenslage des Schuldners zu rechnen ist, kann ebenso ein Kriterium sein. Wie bei den Prozesskostenerstattungsforderungen kann auch eine summarische Rechtsprüfung erforderlich sein, um die „Erfolgsaussichten“ und damit die Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts zu beurteilen;56 das gilt namentlich für künftige Forderungen auf Ausgleich des Zugewinns, für die das Scheidungsurteil Bedingung (§§ 1378 III 1, 1564 S. 2 BGB) und daher die Erfolgsaussichten des Scheidungsverfahrens sowie die Wahrscheinlichkeit eines geringeren Zugewinns maßgeblich sind.57 Der Vermögenswert rechtsbedingter Forderungen aus § 916 I ZPO (Ansprüche, die in eine Geldforderung übergehen können) ergibt sich aus der gegenwärtigen Forderung auf Naturalerfüllung.58 Die Interessen dritter Gläubiger sollten bei der Wertung keine Rolle spielen, wenn sich nach diesen Maßstäben keine unangemessene Härte für den Arrestschuldner ergibt,59 zumal § 930 I 2 ZPO durch den Verweis auf § 804 III ZPO auf das Prioritätsprinzip verweist und das Interesse anderer an der wirtschaftlichen Verfügungsfreiheit 55
Vgl. OLG Frankfurt, 30.10.2003 – 1 UF 124/03, FuR 2004, 263, 264. Vgl. auch Ullmann, S. 59 f., für den künftigen Erstattungsanspruch aus § 717 II ZPO. 57 Vgl. etwa OLG Brandenburg, 29.09.2008 – 13 UF 68/08, NJW-RR 2009, 801. 58 Ullmann, S. 16. 59 In den Motiven zu § 133 BGB‑E‑I erwähnte man neben dem Arrestschuldner noch seine Gläubiger (Mugdan, Bd. 1, S. 495), in der Begründung zur ZPO-Novelle sprach man nur noch von der Rücksicht auf die Belange des Arrestschuldners (Hahn/Mugdan, Bd. 8, S. 171). 56
G. Dogmatik
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des Schuldners etwa auch durch den Pfändungsschutz nach §§ 811 I Nr. 5, 930 I 1 ZPO berücksichtigt wird.60 Nach alledem kann die Arrestfähigkeit einer bedingten Forderung nicht ohne Einzelfallabwägung erfolgen, was dem Gesetzgeber aber durchaus bewusst war.61
F. Thesen § 916 II ZPO muss nicht erweitert ausgelegt werden. Was die herrschende Meinung als „künftige Forderungen“ betrachtet, sind nichts weiter als die rechtsbedingten Forderungen, die etwa in der Insolvenzordnung (§ 95 InsO) mit dem Begriff der „bedingten Forderungen“ geregelt werden und ohne weiteres § 916 II ZPO unterfallen. Diese bedingten Forderungen zeichnen sich dadurch aus, dass die Grundlegung der Forderung, d. h. die Setzung derjenigen Bedingungen, unter denen sie einmal entstehen soll, seitens beider Parteien abgeschlossen ist (näher § 4 B.). Auch gemäß § 163 BGB aufschiebend befristete Forderungen fallen hierunter. Die Klagbarkeit nach § 256 ZPO eignet sich nicht als Maßstab; die Feststellungsfähigkeit ist vielmehr eine Folge davon, dass eine Forderung als bedingte Forderung gemäß § 916 II ZPO anzusehen ist. Bei dem genannten Rechtsboden der bedingten Forderung handelt es sich allerdings nur um eine Mindestbeschaffenheit. Entscheidend für die Arrestfähigkeit der bedingten Forderung ist darüber hinaus ihr gegenwärtiger Vermögenswert, der nur aufgrund einer Einzelfallwürdigung festgestellt werden kann, die sich am Ziel der Sicherung künftiger Vollstreckung und dem durch §§ 916 ff. ZPO vorgenommenen Interessenausgleich orientiert.
G. Dogmatik Die aufschiebend bedingten Forderungen i. S. v. § 916 II ZPO weisen die gleiche Struktur wie die aus § 95 InsO bekannten bedingten Forderungen auf; erfasst sind damit genauso rechtsgeschäftlich bedingte wie rechtsbedingte sowie aufschiebend befristete Forderungen. Rechtsdogmatisch geht es um Erwerbsaussichten mit einem gewissen, materiell-rechtlich zu bestimmenden Rechtsboden. Anders als die bisher erörterten Erwerbsaussichten – auch anders als diejenigen aus § 95 InsO – geht es jedoch nicht nur um die Möglichkeit, dass eine Forderung entstehen kann, sondern auch um die Möglichkeit, ob eine Forderung entstehen 60 Zur Anwendbarkeit von § 811 ZPO MünchKomm-ZPO/Drescher, 4. Aufl. 2012, § 930 Rz. 2. 61 Mugdan, Bd. 1, S. 495: „Die Vorschrift mag nicht unbedenklich erscheinen. Insofern sie dem richterlichen Ermessen einen weiten Spielraum läßt und zu Mißgriffen Raum bietet; sie ist aber nothwendig [. . .]“.
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§ 9 Arrest und einstweilige Verfügung
wird. Prägend für den Schutz dieser Erwerbsaussichten ist also zusätzlich eine gewisse Entstehungswahrscheinlichkeit, deren Schutzwürdigkeit sich anhand von Kriterien bemisst, die sich an dem Vollstreckungsbezug und dem Ausgleich des Rechtsverwirklichungsinteresses des Antragstellers mit der persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Antragsgegners orientieren. Die rechtsdogmatisch einigermaßen fassbare „bedingte Forderung“ bildet hier also nur einen Rahmen, während sich die Arrestfähigkeit der Erwerbsaussicht lediglich im Einzelfall bestimmen lässt. Von einer neuen Kategorie „künftiger Forderungen“ zu sprechen, ist indes nicht veranlasst. Daraus würden nur Zweifel über die Anwendbarkeit des Vorbehalts des Vermögenswerts sowie Widersprüche und sinnlose Abgrenzungen resultieren. Die Grenze zwischen arrestfähigen künftigen Forderungen und solchen, die es nicht sind, verläuft also – vorbehaltlich der Einzelfallprüfung des Vermögenswerts – an dem Begriff der „bedingten Forderung“.
§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO) §§ 257 – 259 ZPO sorgen dafür, dass eine künftige Forderung einklagbar ist. Diese Klage auf künftige Leistung sei im Folgenden „Frühklage“ genannt. Die Vorschriften sind in mehrfacher Hinsicht interessant. Ihr Schnittstellencharakter, der sich aus ihrer Anknüpfung an Rechtsbegriffe des BGB einerseits und ihrer Ansiedelung in der ZPO andererseits ergibt, verlangt eine nähere Untersuchung. Er wirft die Frage auf, ob §§ 257 – 259 ZPO mit der herrschenden Meinung in Abhängigkeit vom materiellen Recht auszulegen sind oder auf einen eigenständigen (verfahrens‑)rechtlichen Begriff der künftigen Forderung angewiesen sind. Das steht in Zusammenhang mit der übergreifenden Überlegung, inwieweit die Struktur einer (künftigen) Forderung durch prozessuale Vorgaben determiniert ist – ein Gedanke, der sich angesichts der verbreiteten Annahme aufdrängt, dass die Forderung als ein „Bündel von Befugnissen“ auch eine Klagebefugnis enthalte.1 Eng mit diesen Fragen verknüpft sind Meinungsverschiedenheiten darüber, ob §§ 257 ff. ZPO die Zulässigkeit oder, wegen ihrer Berührung des materiellen Rechts, die Begründetheit einer Klage betreffen. Zudem gilt es, wie in anderen Rechtsbereichen, wiederum eine Grenzlinie zu ermitteln zwischen künftigen Forderungen, die einklagbar sind, und solchen, die es nicht sind. Das berührt das Spannungsfeld zwischen dem individuellen Rechtsschutzanspruch des Klägers und dem Schutz des Beklagten. Dieser könnte durch eine Frühklage benachteiligt sein, wenn er später auftretende Einwände, die er ohne §§ 257 ff. ZPO noch im ordentlichen Klageverfahren verteidigungsweise hätte geltend machen können, nun auf eigene Initiative und Risiko im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) klären müsste.
A. Gesetzliche Vorgaben I. Historische Grundlagen Die ZPO in ihrer ursprünglichen Fassung hatte mit der Feststellungsklage zwar eine Klage vor Fälligkeit ermöglicht, sich einer Regelung der Leistungsklage vor Fälligkeit jedoch noch enthalten. Sie beschränkte sich in §§ 664, 672 ZPO 1 Vgl. nur Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 13 Rz. 25 (nicht übernommen von Wolf/ Neuner, AT, 10. Aufl., § 19 Rz. 22); Schulze, Die Naturalobligation, S. 186 mit Fn. 776, S. 461 – 465 u. 632 f.; Staudinger/Schmidt, BGB, Neubearb. 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rz. 142.
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
a. F.2 (heute: §§ 726, 751 ZPO) darauf, die Zwangsvollstreckung aus einem über eine künftige Forderung ergangenen Leistungstitel zu regeln. Damit berücksichtigte man, dass die Verurteilung in die künftige Leistung im seinerzeit geltenden bürgerlichen Partikularrecht bisweilen erlaubt war, was dann im Laufe der Zeit immer häufiger wurde.3 §§ 751, 726 ZPO sollten, damals wie heute, für diesen Fall gewährleisten, dass die Leistung erst vollstreckt werden kann, wenn der Gläubiger sie auch wirklich einfordern darf. § 257 und § 258 ZPO finden ihren Ursprung in § 190 des ersten Entwurfs zum BGB, welcher in §§ 190 ff. BGB‑E‑I zudem Vorschriften über das Urteil und den Beweis enthielt.4 Sie sollten das inzwischen drängende praktische Bedürfnis für Regelungen über die Verurteilung in künftig zu erbringende Leistungen befriedigen.5 Beispielsweise wollte man der ansteigenden Zahl von Fällen Herr werden, in denen Mieter die ihnen zugegangene Kündigung ignorierten oder bestritten, um mit der an den Räumungstermin geknüpften Titulierung Zeit zu gewinnen und eine faktische Verlängerung der Kündigungsfrist zu erreichen; die Erlangung von Rechtsschutz hing für den Kläger von dem Zufall ab, ob die Rechtssache vor oder nach Ablauf der Kündigungsfrist Entscheidungsreife erlangte.6 Zudem wollten die Verfasser des BGB-Entwurfs die Entwicklung in einigen Partikularrechten aufgreifen, die aus solch praktischen Bedürfnissen heraus bereits verschiedene Regelungen der Frühklage aufgestellt hatten.7 Parallel zum Entwurf des BGB überarbeitete man diejenigen ZPO-Vorschriften, die einen Bezug zum materiellen Privatrecht aufwiesen, um sie mit dem neuen BGB abzustimmen. Im Zuge der BGB-Novelle der ZPO wurden die geplanten Vorschriften zur Verurteilung in die künftige Leistung aus dem BGB-Entwurf herausgenommen, in die ZPO gesetzt und um die Regelung des § 259 ZPO ergänzt.8 Grund für ihren Transfer in die ZPO war, dass man ihre Stellung, aber auch die der weiteren im BGB-Entwurf platzierten Vorschriften zu Rechtskraft und Beweis, im BGB als zu fragmentarisch ansah, zumal die ZPO ohnehin bereits andere Vorschriften mit Berührung zum materiellen Recht enthielt.9 2
G. v. 30.01.1877, RGBl. 1877 Nr. 6, S. 83. Vgl. Tuteur, Klage auf künftige Leistung, 1907, S. 5 f. 4 Mugdan, Materialien zum BGB, Bd. 1, S. CVIII u. 808 f. 5 Materialien zum Gesetz betr. Aenderungen der Civilprozeßordnung, 1898, S. 103 (= Hahn/ Mugdan, Bd. 8, S. 99). 6 Motive, S. 367; Moos, Klage auf künftige Leistung, 1902, S. 24; Tuteur, Klage auf künftige Leistung, 1907, S. 10 – 13. 7 Vgl. Motive, S. 365 f. Zur Rechtslage im römischen, gemeinen und preußischen Recht s. auch Moos, Klage auf künftige Leistung, 1902, S. 10 – 21; Tuteur, Klage auf künftige Leistung, 1907, S. 3 – 5. 8 Zu § 259 ZPO Stein, Voraussetzungen des Rechtsschutzes, 1903, S. 72. 9 Reichsjustizamt, Gutachterliche Äußerungen zum ersten BGB-Entwurf, Bd. I, S. 246. Nach Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 121 ff., gehörten diese Vorschriften selbstverständlich in die ZPO und fanden sich nur im materiellen Recht, da sie sich – wegen der bisherigen Enthaltung der ZPO – eben dort entwickeln mussten; zur Diskussion um die Verortung des Klagerechts im materiellen oder prozessualen Recht siehe noch C.I.2. (S. 307 ff.). 3
A. Gesetzliche Vorgaben
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II. Interessen und Wirkungen der Frühklage §§ 257 – 259 ZPO betreffen Leistungs‑, nicht Feststellungsklagen, da sie auf Erlangung eines vollstreckbaren Titels gerichtet sind.10 Der Wortlaut aller drei Vorschriften rückt die Klageerhebung in den Vordergrund. Dennoch regeln §§ 257 – 259 ZPO nicht diese, sondern die Zulässigkeit einer Verurteilung. Dass die Forderung bei Klageerhebung noch eine künftige ist, wirft allenfalls Probleme bei der notwendigen Substantiierung des Antrags auf; besonderen Regelungsbedarf schafft erst die Frage, ob ein Leistungsurteil gesprochen werden kann, obwohl die zu titulierende Forderung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung immer noch eine künftige ist.11 Der ursprüngliche, für das BGB gedachte Wortlaut hatte das noch deutlicher zum Ausdruck gebracht: „Die Verurtheilung zu einer Leistung ist nur zulässig, wenn die Fälligkeit bereits eingetreten ist. Bei wiederkehrenden Leistungen, welche nicht auf Rechtsgeschäft beruhen, kann die Verurtheilung auch für die erst später fällig werdenden Leistungen erfolgen. [. . .]“12 Da man im Begriff der Verurteilung allerdings ein Potential für Missverständnisse in Bezug auf seinerzeit in der Literatur geführte Diskussionen zur Vollstreckungsfähigkeit eines Feststellungsurteils sah, nahm man von dieser Formulierung Abstand.13
1. Klägerseite §§ 257 ff. ZPO ermöglichen damit einem Gläubiger, einen Titel in den Händen zu halten, bevor seine Forderung materiell-rechtlich durchsetzbar ist. Eine vorzeitige Vollstreckungsmöglichkeit ist hiermit freilich nicht verbunden: Vor Bedingungseintritt gibt es keine vollstreckbare Ausfertigung (§ 726 I ZPO) und vor Fälligkeit darf die Vollstreckung nicht begonnen werden (§ 751 I ZPO).14 Allerdings erhält der Gläubiger den Vorteil, sogleich mit Eintritt der materiell-rechtlichen Durchsetzbarkeit seiner Forderung die Vollstreckung anzugehen, um nicht erst die Zeit eines Erkenntnisverfahrens abwarten zu müssen; die Frühklage ist damit gewissermaßen „vorsorgender Rechtsschutz“15. Auf diese Weise tragen §§ 257 ff. ZPO dazu bei, die Forderungsdurchsetzung wesentlich
10
Tuteur, Klage auf künftige Leistung, 1907, S. 55 f. Stein/Jonas/Roth, § 257 ZPO Rz. 1. 12 § 190 I BGB-Entwurf, Mugdan, Materialien zum BGB, Bd. 1, S. CVIII. 13 Vgl. Stein/Jonas, 12. Aufl. 1925, § 257 ZPO‑I. 14 Frühere Vollstreckungsmaßnahmen wären titelunabhängig im Wege des Arrests oder der einstweiligen Verfügung und nur sicherungshalber erreichbar, Wieczorek/Schütze/Assmann, Vor §§ 257 – 259 ZPO Rz. 3. 15 Henckel, AcP 174 (1974), 97, 105. 11
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
zu beschleunigen, und stärken die Effektivität des individuellen Rechtsschutzes.16 Der Gläubiger erhält zugleich eine Besserstellung gegenüber anderen Gläubigern, da er das in der Zwangsvollstreckung geltende Prioritätsprinzip für sich besser nutzen kann.17
2. Beklagtenseite Im Fokus sowohl der Gesetzesverfasser als auch der heutigen Betrachtung stand und steht die Auswirkung von §§ 257 – 259 ZPO auf die Position des Beklagten: Materielle Einwendungen, die noch vor Fälligkeit der eingeklagten künftigen Forderung entstehen, muss dieser – so lautete die Sorge der Gesetzesverfasser – nun auf eigene Initiative und Risiko geltend machen, ohne dass die Zwangsvollstreckung dadurch unterbrochen würde (§ 775 ZPO).18 Aufschub der Zwangsvollstreckung erreicht der Beklagte nur durch Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 769 ZPO und auch dies nur unter besonderen Voraussetzungen.19 Dieser Umstand wird auch heute noch als das maßgebliche Korrektiv angesehen, das zur Zurückhaltung gegenüber einer erweiternden Auslegung drängen soll.20 Dass auf die Interessen der nach §§ 257 – 259 ZPO verklagten Partei Rücksicht zu nehmen ist, äußert sich auch an anderer Stelle, nämlich in einer veränderten Beweislast im Falle sofortigen Anerkenntnisses nach § 93 ZPO. Nach § 93 ZPO kann der Beklagte, welcher seine künftige Verpflichtung gar nicht in Abrede stellt, die Kostennachteile einer Verurteilung abwehren, indem er die künftige Verpflichtung sofort anerkennt. Schon für die normale Klage kommt § 93 ZPO eine wichtige Funktion zu, da eine Rechtsverletzung nicht Voraussetzung für eine Klage ist und Rechtstreue die Klage daher nicht verhindert.21 Was die vorzeitige Klage angeht, so ist das umso drängender, da der Schuldner vor Fälligkeit häufig keinen Anlass hat, seine Leistungsbereitschaft zu signalisieren. § 93 ZPO verhindert also, dass die verfrühte Klage zulasten des rechtstreuen Schuldners geht, der seine Schuld bei Fälligkeit erfüllen möchte. Für die Voraussetzungen von § 93 ZPO soll bei Vorzeitigkeit der Klage eine veränderte Beweislast zugunsten des Beklagten gelten: Während normalerweise den Beklagten die Beweislast dafür trifft, dass er keinen Anlass zur Klage gegeben hat,22 soll nun der Kläger bezüglich der 16 MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 2; Musielak/Foerste, § 257, § 258, § 259 ZPO je Rz. 1. 17 Wieczorek/Schütze/Assmann, Vor §§ 257 – 259 ZPO Rz. 4. 18 Motive, Bd. I, S. 366. 19 Tuteur, Klage auf künftige Leistung, 1907, S. 10; Roth, ZZP 98 (1985), 287, 290. 20 Roth, ZZP 98 (1985), 287, 290; Musielak/Foerste, § 257 ZPO Rz. 1; Hk-ZPO/Saenger, § 257 Rz. 1; Gsell, FS Buchner, 2009, S. 267, 276 f. 21 Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 39 I 2. 22 Zöller/Herget, § 93 ZPO Rz. 6 „Beweislast“.
A. Gesetzliche Vorgaben
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Klageveranlassung beweispflichtig sein, da vom künftigen Schuldner nicht erwartet werden kann, bereits vor Fälligkeit seine Erfüllungsbereitschaft spontan zu bekunden.23 Hier holt das Gericht die Prüfung der Klageveranlassung nach, welche es – jedenfalls für Klagen aufgrund von §§ 257, 258 ZPO – nicht eigens zu prüfen hat.24
3. Interesse der Allgemeinheit Dass man im 19. Jahrhundert die Klage auf künftige Leistung noch nicht regeln wollte, gründete nicht nur auf der Rücksicht gegenüber den geschilderten Belangen des Beklagten, sondern auch auf dem – ebenso bei der Feststellungsklage verfolgten – Interesse, das Gericht nicht unnötig zu belasten, die Zahl der Prozesse im Rahmen zu halten und Scheinprozesse zu vermeiden.25 Darin kommt eine weitere Wirkung der Frühklage zum Ausdruck: Sie beschäftigt gegebenenfalls das Gericht, bevor ersichtlich ist, ob Zwang gegen den Schuldner überhaupt notwendig ist. Das verschafft der Frage nach dem Rechtsschutzbedürfnis eine bedeutende Rolle bei der Auslegung von §§ 257 – 259 ZPO (s. S. 324 ff.). Daraus ergibt sich auch eine weitere Schutzrichtung von §§ 257 – 259 ZPO: Sie dienen sogleich dem öffentlichen Interesse an einer wirtschaftlichen Prozessführung, zumal wenn, wie im Falle wiederkehrender Leistungen, durch eine in die Zukunft reichende Klärung etwaige Folgeprozesse vermieden werden können (§§ 258, 259 ZPO).26
III. Gehalt der einzelnen Frühklageregelungen 1. Art der Forderungen und Rechtsschutzbedürfnis § 257 und § 258 ZPO regeln bestimmte, sachlich näher eingegrenzte künftige Forderungen: § 257 ZPO gewisse Räumungsforderungen sowie Geldforderungen, die nicht von einer Gegenleistung abhängig sind, und § 258 ZPO ebenso einseitige Forderungen auf wiederkehrende Leistungen.27 Nach beiden Vorschriften ist ein besonderes Rechtsschutzinteresse für die Frühklage, wie etwa ein besonderer Anlass auf Seiten des Beklagten, nicht erforderlich.28 Demgegenüber konstituiert § 259 ZPO eine Generalklausel für alle Arten von Klageforderungen,29 erlaubt die 23 Wieczorek/Schütze/Assmann, § 257 ZPO Rz. 30; Zöller/Greger, § 257 ZPO Rz. 7; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 19; Hk-ZPO/Saenger, § 257 Rz. 7. 24 MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 19. 25 Moos, Klage auf künftige Leistung, 1902, S. 9 f. 26 BGH, 20.11.2002 – VIII ZB 66/02, NJW 2003, 1395 f. 27 MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 3. 28 Für § 257 ZPO: Thomas/Putzo/Reichold, § 257 ZPO Rz. 5; Zöller/Greger, § 257 ZPO Rz. 6. Für § 258 ZPO: MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 258 Rz. 15. 29 MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 259 Rz. 1.
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
Verurteilung in die künftige Leistung allerdings nur bei Vorliegen eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses.30 Dieses liegt vor, wenn zu besorgen ist, dass der Schuldner nicht rechtzeitig leisten werde.
2. Tatsachengrundlage § 257 und § 259 ZPO verbindet, dass das Gericht allein auf Grund gegenwärtig vorliegender Tatsachen entscheidet, während es bei § 258 ZPO seine Entscheidung auf prognoseweise angenommene, künftig eintretende Tatsachen stützt.31 Der Richter muss bei § 258 ZPO prognostizieren, inwieweit gegenwärtig gegebene Tatsachen in Zukunft noch vorliegen werden und für welchen Zeitraum dies angenommen werden kann.32 In der Folge erstreckt sich die Rechtskraft einer auf § 258 ZPO gestützten Entscheidung in die Zukunft und erfasst die künftig entstehende Forderung;33 ihre Durchbrechung ist nur nach Maßgabe von § 323 ZPO, § 238 FamFG zulässig.34
3. Einseitige (§ 257 und § 258 ZPO) und gegenseitige Forderungen (§ 259 ZPO) § 257 ZPO verlangt ausdrücklich, dass die Frühklageforderung nicht von einer Gegenleistung abhängen darf; § 259 ZPO enthält diese Einschränkung nicht und wird folglich auch auf im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Forderungen angewandt.35 § 258 ZPO wird diese Auslegung von der herrschenden Meinung verwehrt,36 obwohl sein Wortlaut genau wie § 259 ZPO schweigt. Angesichts des Umstands, dass § 259 ZPO auch auf wiederkehrende Leistungen anwendbar ist,37 geht es nicht minder als um die Frage, warum ein Gläubiger die von ihm schrittweise zu fordernden Leistungen aus einem gegenseitigen Dauerschuldvertrag nicht ohne weiteres im Voraus titulieren kann, sondern hierfür nach § 259 ZPO erst die Besorgnis beweisen muss, dass sich der Schuldner der künftigen 30
Zöller/Greger, § 259 ZPO Rz. 1; Thomas/Putzo/Reichold, § 259 ZPO Rz. 2. MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 3. 32 Braun, Abänderungsklage, S. 8 f.; Wieczorek/Schütze/Assmann, § 258 ZPO Rz. 14; Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 137. 33 Stein/Jonas/Roth, § 258 ZPO Rz. 1. In Begründung und Umfang str., dazu Braun, Abänderungsklage, S. 202 ff. 34 MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 258 Rz. 2. 35 MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 3. 36 BGH, 17.04.1952 – III ZR 109/50, BGHZ 5, 342, 343 f.; RG, 10.10.1905 – III 245/05, RGZ 61, 333, 335; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 258 Rz. 9; Wieczorek/ Schütze/Assmann, § 258 ZPO Rz. 6; Henssler, NJW 1989, 138, 140. A. A. Christiansen, S. 97 f.; Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 371 f. 37 Stein/Jonas/Roth, § 259 ZPO Rz. 1. 31
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Leistungserbringung entziehen wird. Das Reichsgericht argumentierte für die Einschränkung von § 258 ZPO etwas zu spitzfindig, dass die Anknüpfung von § 258 ZPO an die „fällig werdenden Leistungen“ eine wesentliche Abhängigkeit der ausstehenden Leistungen vom Zeitablauf impliziere, was die Abhängigkeit von einer Vor- oder Zug-um-Zug-Leistung des Gläubigers ausschlösse.38 Neben der Gesetzesgeschichte, die nahelegt, dass die Verfasser von § 258 ZPO nur an „einseitige“ Forderungen gedacht hatten,39 drängt aber der Zweck der Vorschrift zu einer einschränkenden Auslegung. Über die Effektivierung des individuellen Rechtsschutzes hinaus verfolgt § 258 ZPO das Ziel, mehrere über den gleichen Gegenstand zu führende Rechtsstreitigkeiten zugunsten von einem einzigen zu vermeiden.40 Diese Zusammenfassung von Streitigkeiten gleichen Gegenstands rechtfertigt sich in der Prognose, dass die Tatsachenbasis unverändert bleibt. Eine solche Prognose lässt sich in der Tat am ehesten annehmen, wenn die jeweilige Forderung nicht von einer Gegenleistung abhängt. Bei einer Forderung aber, welche in einem Synallagma steht, müsste quasi prognostiziert werden, dass auch das Leistungsverhalten des Klägers fortdauert. Zwar ließe sich das theoretisch machen. Die Anstellung einer solchen Prognose allerdings sieht das Gesetz nicht vor, und generell zu vermuten, dass der Kläger seine Leistung wie gewohnt erbringen werde, während § 258 ZPO doch auf der Annahme beruht, dass der Beklagte dies eben nicht immer tue, geht nicht an. Daher ist mit der herrschenden Meinung § 258 ZPO, wie § 257 ZPO, auf nicht-synallagmatische Forderungen reduziert.
IV. Standort im Klageaufbau Was den Prüfungsstandort aller Frühklageregelungen angeht, verortet die Rechtsprechung §§ 257 – 259 ZPO bei den Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klage.41 In der Literatur ist die Verortung von §§ 257 – 259 ZPO im Klageaufbau umstritten. Es ist nicht per se ungewöhnlich, dass Vorschriften in der ZPO die Begründetheit einer Klage betreffen können, wie das Beispiel von § 265 ZPO zeigt. Das Meinungsbild ist wie folgt gespalten: Nach einer noch heute vertretenen Auffassung formulieren §§ 257 ff. ZPO die Klagbarkeit eines Anspruchs auf der Ebene der Begründetheit der Klage, da es allein Sache des materiellen Rechts sei, die Voraussetzungen aufzustellen, unter denen Forderungen materieller Rechtsschutz verliehen wird.42 Die herrschende Auffassung versteht 38
RG, 10.10.1905 – III 245/05, RGZ 61, 333, 335. Eingehend RG, 10.10.1905 – III 245/05, RGZ 61, 333, 335 f., mit Verweis auf die Materialien sowie das gemeine und das preußische Recht. 40 Materialien zum Gesetz betr. Aenderungen der Civilprozeßordnung, 1898, S. 104 (= Hahn/ Mugdan, Bd. 8, S. 100); Musielak/Foerste, § 258 ZPO Rz. 1; Wieczorek/Schütze/Assmann, § 258 ZPO Rz. 2. 41 BGH, 20.06.2005 – II ZR 366/03, NJW-RR 2005, 1518. 42 Stein/Jonas/Roth, § 257 ZPO Rz. 3; zustimmend Schilken, Zivilprozessrecht, Rz. 180. 39
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
§§ 257 ff. ZPO als „besondere Prozessvoraussetzungen“ und prüft sie auf der Ebene der Zulässigkeit;43 liegen die Voraussetzungen von §§ 257 ff. ZPO in der letzten Tatsachenverhandlung noch nicht vor, so ist die Klage ohne weitere Sachverhandlung und -entscheidung durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen.44 Nur wenn der Kläger seine Behauptungen zur an sich frühklagefähigen künftigen Forderung nicht beweisen kann, ist die Klage – auch nach der herrschenden Auffassung – als unbegründet abzuweisen.45
B. Meinungsstand Die nachstehenden Ausführungen geben die Auffassungen von Rechtsprechung und Literatur über die nach §§ 257 – 259 ZPO jeweils erforderliche Beschaffenheit einer künftigen Forderung wieder. Dabei gilt die Feststellung von Roth46 auch heute noch: Die ganz herrschende Meinung bestimmt die Frühklagefähigkeit von künftigen Forderungen in den Kategorien des materiellen Rechts. Namentlich die Frühklagefähigkeit von Forderungen, denen ein oder mehrere tatsächliche Bedingungen zu ihrer Entstehung fehlen, steht im Mittelpunkt der Diskussion.
I. Rechtsprechung 1. Praktische Relevanz Die erfolgreiche Einklagung einer Forderung, die noch von einer Bedingung abhängig ist, zwingt zu einer bedingten Verurteilung. § 726 I ZPO setzt die Zulässigkeit von solchen Urteilen, die von einer ausstehenden Tatsache abhängen, voraus.47 Diese Verurteilungen „unter Vorbehalt“ sind in der Praxis durchaus 43 BGH, 20.06.2005 – II ZR 366/03, NJW-RR 2005, 1518; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 89 Rz. 15; Wieczorek/Schütze/Assmann, § 257 ZPO Rz. 25; Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 24 – 28; Thomas/Putzo/Reichold, § 257 ZPO Rz. 1; Hk-ZPO/Saenger, § 257 Rz. 1; Köhler, JZ 2005, 489. Im Fall des von vornherein als fällig eingeklagten Anspruchs wird die Klage als unbegründet abgewiesen, wenn es noch an der Fälligkeit fehlt und die Voraussetzungen der §§ 257 ff. ZPO nicht vorliegen; eines eigenen Antrags auf Verurteilung zur künftigen Leistung bräuchte es hier nicht, da er in dem unbeschränkten Antrag mit enthalten ist, Stein/Jonas/Roth, § 257 ZPO Rz. 3, 12; Zöller/Greger, § 257 ZPO Rz. 7. 44 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 89 Rz. 15; Thomas/ Putzo/Reichold, § 257 ZPO Rz. 1; Musielak/Foerste, § 257 ZPO Rz. 6; MünchKomm-ZPO/ Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 1. 45 Thomas/Putzo/Reichold, § 257 ZPO Rz. 1. 46 Roth, ZZP 98 (1985), 287, 288, der selbst ein großer und prägender Verfechter dieses Ansatzes ist; bezeichnend auch Henke, JA 1987, 397, 398 f. Skeptisch, aber nicht konsequent: Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 30, 47 und passim. 47 Zum Wortlaut von § 726 I ZPO („Urteile[n], deren Vollstreckung“ von einer Tatsache abhängt) siehe noch S. 315 f.
B. Meinungsstand
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zu beobachten und gar nicht selten. Anzutreffen sind nicht nur Verurteilungen, deren Höhe von später eintretenden Tatsachen abhängt, sondern auch solche, deren Bestand von einem späteren ungewissen Ereignis abhängt. Sehr häufig sind Leistungsurteile unter dem Vorbehalt einer oder mehrerer behördlichen Genehmigungen.48 Besonders anschaulich ist die auf § 259 ZPO gestützte Entscheidung des Reichsgerichts, den Vater zur Zahlung von Aussteuer unter der Bedingung zu verurteilen, dass die klagende Tochter später heiratet.49
2. § 257 ZPO Der BGH misst bei § 257 ZPO der kalendermäßigen Abhängigkeit der Forderung zentrale Bedeutung bei, so dass die von einem ungewissen Ereignis abhängige Forderung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung insoweit keine Rolle spielt.50 „Bedingte Forderungen“ thematisiert der BGH allerdings unter dem Aspekt der Abhängigkeit von einer Gegenleistung, die § 257 ZPO nicht hinnimmt. Hier geht es um Sachverhalte, in denen der Kläger eine Forderung einklagt, die er unter einer aufschiebenden Bedingung erwerben soll. Die Forderung existiert zwar in der Hand eines Dritten, ist für den Kläger aber noch eine künftige, und auch für den Beklagten ist die Schuld gegenüber dem Kläger noch künftig, wenn zum Zeitpunkt der Verurteilung die Erwerbsbedingung für den Kläger noch immer nicht eingetreten ist. Die Bedingung kann sich in solchen Fällen aus einem Rechtsgeschäft ergeben, wenn etwa vereinbart ist, dass der Kläger die Forderung erst erwirbt, wenn er eine Leistung an einen Dritten erbringt (Bedingung i. S. v. § 158 BGB); sie kann aber auch auf dem fehlenden Eintritt einer gesetzlichen Voraussetzung beruhen, wenn etwa eine eingeklagte künftige Regressforderung erst noch durch regressauslösende Leistung an den Dritten aufgefüllt werden muss (Rechtsbedingung). Der BGH will die Frühklage nach § 257 ZPO hier nicht zulassen, weil die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nicht auf eine „von einer Gegenleistung abhängigen Geldforderung“ anwendbar ist. Er subsumiert also die Leistung, die der klagende Gläubiger an einen Dritten erbringen muss, um die abgetretene Klage- oder Regressforderung zu erwerben, 48 BGH, 07.10.1977 – V ZR 131/75, NJW 1978, 1262 (die unter § 275 I BGB [a. F. wie n. F.] geprüfte Möglichkeit der Leistung, in die unter Vorbehalt verurteilt wurde, hängt von mehreren noch ausstehenden behördlichen Genehmigungen ab); LG Landshut, NJW-RR 1989, 1420 (Verurteilung zur Beseitigung eines den Nachbarn störenden Baumes unter der Bedingung der späteren Genehmigung nach der Baumschutzverordnung); BGH, 20.11.1981 – V ZR 155/80, BGHZ 82, 292. Weitere Beispiele für bedingte Leistungsurteile bei Gaul/Schilken/BeckerEberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 10 Rz. 46 f. Vgl. auch BAG, 16.03.2010 – 3 AZR 31/09, NJW 2010, 3259, 3261: Klage nach § 259 ZPO über Beschäftigungsanspruch unter mehrfacher Bedingung (Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens, Feststellung der medizinischen Eignung und Abschluss erfolgreicher Ausbildung). 49 RG, 16.05.1904 – IV 425/03, RGZ 58, 139. 50 Vgl. BGH, 20.06.1996 – III ZR 116/94, NVwZ 1997, 99.
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
unter die „Gegenleistung“ in § 257 ZPO51 und verneint in diesem Kontext die Anwendbarkeit von § 257 ZPO auf „bedingte Forderungen“.
3. § 258 ZPO Die Auslegung von § 258 ZPO ist durch eine tradierte, formelorientierte Auslegung des Begriffs der wiederkehrenden Leistungen geprägt. Wiederkehrende Leistungen i. S. v. § 258 ZPO beruhen nach der Rechtsprechung auf „einseitigen Verpflichtungen, die sich in ihrer Gesamtheit als Folge ein- und desselben Rechtsverhältnisses ergeben, so dass die einzelne Leistung nur noch vom Zeitablauf abhängt“.52 Voraussetzung sei, dass die Forderung gegenwärtig besteht.53 Die für erforderlich erachtete Monodependenz vom Zeitablauf soll – wie bei § 257 ZPO – Forderungen ausschließen, für die der Gläubiger eine Vor- oder Gegenleistung bzw. eine Leistung an Dritte zu erbringen hat.54 Diese Einschränkung handhabt der BGH wie bei § 257 ZPO und sieht auch Leistungen an Dritte zur Herbeiführung des Erwerbs der Forderung als Gegenleistung an.55 Nach der Rechtsprechung zeichnet sich eine nach § 258 ZPO frühklagefähige Forderung also durch ihre Verortung in einem einzigen bestehenden Rechtsverhältnis sowie ihre Abhängigkeit allein von der Zeit aus.
4. § 259 ZPO § 259 ZPO hat für die Rechtsprechung den Charakter eines Auffangtatbestandes. Die Vorschrift wird etwa auch auf Forderungen angewandt, die im Synallagma stehen und daher §§ 257, 258 ZPO nicht subsumiert werden können.56 Eine große Rolle in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 259 ZPO spielt die von einer Bedingung abhängige Forderung, wobei die Erklärungsmuster äußerst unübersichtlich sind. Die stetige Auslegung, wonach § 259 ZPO auch bedingte Forderungen erfasse, geht auf eine, in ihrer Zeit typische, reine Wortlautdiskussion zurück. Man fragte 51 BGH, 17.04.1952 – III ZR 109/50, BGHZ 5, 342, 343 f.; BGH, 13.03.2003 – IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 856. 52 BGH, 10.07.1986 – IX ZR 138/85, NJW 1986, 3142; BGH, 20.06.1996 – III ZR 116/94, NVwZ 1997, 99; BGH, 13.03.2003 – IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 856; BGH, 17.11.2006 – V ZR 71/06, NJW 2007, 294. 53 BGH, 02.12.1981 – IVb ZR 638/80, BGHZ 82, 246, 251. 54 RG, 10.10.1905 – III 245/05, RGZ 61, 333 ff.; BGH, 17.04.1952 – III ZR 109/50, BGHZ 5, 342, 343 f.; BGH, 13.03.2003 – IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 856. 55 BGH, 17.04.1952 – III ZR 109/50, BGHZ 5, 342, 343 f. 56 RG, 10.10.1905 – III 245/05, RGZ 61, 333, 337; BGH, 20.06.2005 – II ZR 366/03, NJW-RR 2005, 1518; BGH, 05.04.2001 – IX ZR 441/99, BGHZ 147, 225, 231; BGH, 20.06.2005 – II ZR 366/03, NJW-RR 2005, 1518; Peter, JuS 2011, 322, 323.
B. Meinungsstand
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sich, ob es die zeitliche Nuance im Wortlaut („künftige“) zulasse, darunter auch die Abhängigkeit von tatsächlichen Umständen zu lesen.57 Das Reichsgericht erledigte dies mit der apodiktischen Argumentation, dass in jeder Bedingung eine Befristung liege, womit es allerdings erkennbar nicht zu den dogmatisch anerkannten Instituten der befristeten und bedingten Forderung Stellung nehmen, sondern den Bogen zum Wortlaut „künftig“ schlagen wollte.58 Seither wendet die Rechtsprechung § 259 ZPO erklärtermaßen auf aufschiebend bedingte Forderungen an, „selbst wenn diese erst in der Zukunft zur Entstehung gelangen sollten“.59 Das soll ausdrücklich nicht nur rechtsgeschäftlich i. S. v. § 158 BGB, sondern auch gesetzlich bedingte Forderungen einschließen.60 Gleichwohl ist diese anfänglich präzise tradierte und dadurch vermeintlich klare Linie alles andere als klar geblieben. In der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird – oft in demselben „Atemzug“ – zugleich als weitere Voraussetzung genannt, dass die Forderung entstanden sein müsse61 bzw. die erst künftig entstehende Forderung nicht genüge.62 Das tritt in Gegensatz zu der herrschenden Dogmatik, wonach es aufschiebend bedingte Forderungen gerade auszeichnen soll, dass sie noch nicht entstanden sind.63 Der BGH nahm diese Rechtsprechung zum Anlass, um eine „im Rahmen des § 259 ZPO unschädliche Bedingung“ von „Entstehungsvoraussetzungen“ der Forderung abzugrenzen, welche für § 259 ZPO nicht genügen sollen.64 Das liefe darauf hinaus, dass der BGH nur noch solche tatsächlichen Ereignisse akzeptiert, von denen der Eintritt der Fälligkeit abhängt und die man als 57 Deutlich am Einwand der Revision in einer späteren Entscheidung RG, 26.04.1917 – VI 37/17, RGZ 90, 177, 180. 58 RG, 29.04.1902 – VII 66/02, RGZ 51, 243, 244: „da auch bei ihnen [gemeint sind die bedingten Forderungen] eine in der Bedingung enthaltene Befristung besteht“. 59 RG, 26.04.1917 – VI 37/17, RGZ 90, 177; RG, 16.05.1904 – IV 425/03, RGZ 58, 139, 140 f.; obiter bei RG, 02.12.1918 – V 282/18, RGZ 94, 227, 228; RG, 14.08.1941 – II 49/41, RGZ 168, 321, 325; BGH, 17.04.1952 – III ZR 109/50, BGHZ 5, 342, 344; BGH, 16.12.1964 – VIII ZR 47/63, BGHZ 43, 28, 31; BGH, 07.10.1977 – V ZR 131/75, NJW 1978, 1262; BGH, 05.04.2001 – IX ZR 441/99, BGHZ 147, 225, 231. Das alles nicht zu verwechseln mit der ihrerseits bedingten Klage, etwa Klage auf Schadensersatz für den Fall, dass die in der Hauptsache beantragte Herausgabe innerhalb einer im Urteil gesetzten Frist nicht bewirkt wird; hier wird also mit bedingtem Klageantrag eine bedingte Verurteilung angestrebt, dazu BGH, 14.12.1998 – II ZR 330 – 97, NJW 1999, 954; Gsell, JZ 2004, 110, 115 ff. 60 RG, 16.05.1904 – IV 425/03, RGZ 58, 139, 140 f.; BGH, 16.12.1964 – VIII ZR 47/63, BGHZ 43, 28, 31. 61 BGH, 05.04.2001 – IX ZR 441/99, BGHZ 147, 225, 231; BGH, 13.03.2003 – IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 856; BGH, 18.07.2007 – VIII ZR 288/05, NJW-RR 2007, 1645, 1646 und 1648 f. 62 BGH, 13.03.2003 – IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 856; BGH, 18.07.2007 – VIII ZR 288/05, NJW-RR 2007, 1645, 1646 und 1648 f. 63 Vgl. § 2 S. 45; MünchKomm-BGB/H. P. Westermann, 6. Aufl. 2012, § 158 Rz. 38; Staudinger/Bork, BGB Neubearb. 2010, § 158 Rz. 19; Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 39 m. w. Nachw. 64 BGH, 12.07.2006 – VIII ZR 235/04, NJW-RR 2006, 1485, 1486.
302
§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
„Fälligkeitsbedingung“ bezeichnen kann.65 In einer prominenten Entscheidung66 argumentierte der BGH gegen die Klagbarkeit einer (von ihm auch als solche identifizierten) aufschiebend bedingten Forderung mit der von § 258 ZPO bekannten Formel der alleinigen Abhängigkeit vom Zeitablauf, obwohl es sich nicht um eine wiederkehrende Leistung handelte; dabei rekurrierte er auf die fehlende Gewissheit des Bedingungseintritts, wie es aus der Literatur zu § 257 ZPO bekannt ist, sowie auf die Bestimmbarkeit der Forderung. In einer anderen Entscheidung prüft der BGH in Anlehnung an eine frühere, zu § 256 ZPO ergangene Entscheidung, ob die künftige Forderung in vollem Umfang ihre Grundlage in einem Rechtsverhältnis findet, dessen „rechtserzeugende Tatsachen“ schon eingetreten sind, wobei die Möglichkeit, dass ein solches Rechtsverhältnis künftig entsteht, grundsätzlich nicht ausreichen solle.67 Es soll aber genügen, wenn sich die eingeklagte Forderung aus diesem schon bestehenden Rechtsverhältnis allein auf Grund des eigenen Verhaltens des Beklagten entwickelt.68 In dieser viel beachteten Entscheidung räumt der BGH also dem Schuldverhältnis eine bestimmende Stellung ein. Der BGH hat diese Argumentation inzwischen zwar nicht wieder aufgegriffen, sie wurde aber durch einige Oberlandesgerichte aufgenommen69 und hat Eingang in die Literatur gefunden.70 Hinter dem auch von der Kommentarliteratur71 rezipierten Satz, dass § 259 ZPO aufschiebend bedingte Forderungen erfasst, verbirgt sich also eine sehr unklare Linie. Er entpuppt sich als missverständlich, da sich die Zulassung der „aufschiebend bedingten“ Forderung einerseits und die Ablehnung der „nicht entstandenen“ Forderung andererseits nach dem herrschenden Vorstellungsbild von der materiell-rechtlichen aufschiebend bedingten Forderung gegenseitig ausschließen. Aus einigen Entscheidungen zu § 259 ZPO wird deutlich, dass der BGH jedoch eben diese aufschiebend bedingte Forderung im materiell-rechtlichen Sinne meint und das Bestehen eines Schuldverhältnisses für entscheidend hält,72 während er in anderen Entscheidungen die Bedingung auf der Ebene der Durchsetzbarkeit verortet.73 Klare Leitlinien zur Beschaffenheit der künftigen Forderung bestehen bei § 259 ZPO also nicht, und vor diesem Hintergrund ist die Rezeption der Rechtsprechung mit dem Stichwort der „aufschiebend bedingten Forderung“ sehr problematisch. 65
§ 2 S. 46. BGH, 24.03.1999 – XII ZR 124/97, BGHZ 141, 160, 162. 67 BGH, 13.03.2003 – IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 856. 68 BGH, 13.03.2003 – IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 856. 69 OLG Brandenburg, 10.12.2001 – 3 U 24/00, juris-Rz. 33; OLG Dresden, 24.09.1998 – 21 U 1565 – 98, NZM 1999, 173. 70 Thomas/Putzo/Reichold, § 259 ZPO Rz. 3; Stein/Jonas/Roth, § 259 ZPO Rz. 4. 71 Nachweise unten S. 306. 72 Etwa BGH, 13.03.2003 – IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 856. 73 BGH, 12.07.2006 – VIII ZR 235/04, NJW-RR 2006, 1485, 1486: „[Wenn die Forderung] – etwa mangels Ablaufs einer Frist oder mangels Eintritts einer Bedingung – noch nicht fällig ist.“; BGH, 05.04.2001 – IX ZR 441/99, BGHZ 147, 225, 231. 66
B. Meinungsstand
303
II. Literatur Die Literatur greift zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der §§ 257 – 259 ZPO auf die bekannten materiell-rechtlichen Figuren der aufschiebend bedingten, befristeten, der betagten bzw. noch nicht fälligen Forderungen in Abgrenzung zu bloß künftigen Forderungen, Hoffnungen oder Erwerbsaussichten sowie auf die Auslegungsformeln des BGH zurück.74 Insbesondere die Rezeption der Rechtsprechung zu den bedingten Forderungen zeichnet sich durch einen sehr begrifflichen Ansatz aus.
1. § 257 ZPO § 257 ZPO wird unter Hinweis auf den Schutz des Beklagten allgemein restriktiv ausgelegt.75 Verbreitet ist die Formulierung, dass § 257 ZPO neben den allemal zulässigen „betagten“ (im Sinne von noch nicht fälligen) Forderungen aufschiebend befristete, nicht aber aufschiebend bedingte Forderungen erlaube.76 Nuancenreich wird mitunter betont, dass nur die „gewiss“ aufschiebend befristete Forderung gemeint sei.77 Durch die Formulierung, dass die Berechenbarkeit des Fälligkeitstermins, nicht aber die Forderung selbst von einem ungewissen Ereignis abhängen dürfe,78 soll offenbar gegenüber dem herrschend verwandten Begriff der „Betagtheit“ präzisiert werden, dass die Bedingung nicht schlechthin verbannt, sondern als Bedingung für die Fälligkeit hinzunehmen sei. Negativ bestimmt wird die nach § 257 ZPO frühklagefähige künftige Forderung durch Ausgrenzung all solcher künftigen Forderungen, die noch nicht durch ein „gültiges Rechtsgeschäft“ ausgewiesen und daher bloße Aussichten oder Hoffnungen seien.79 Murach lehnt die Kategorisierung nach materiell-rechtlichen Figuren der Bedingung, Befristung oder Betagung ab und legt § 257 ZPO eigenständig aus: Die Forderung müsse zu einem objektiv gewiss eintretenden Termin fällig werden, dürfe also nur noch vom Zeitablauf und nicht von (Partei- oder Dritt‑)willensbeeinflussbaren Umständen abhängen.80 Das deckt sich mit dem Einschluss der aufschiebend befristeten Forderungen, steht aber im Widerspruch zur herrschenden Ansicht, die eine „Fälligkeitsbedingung“ und damit eine Ungewissheit auf Ebene der Durchsetzbarkeit der Forderung hinnimmt. Das von Murach angelegte 74 Vgl. schon v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.2, § 81 I 1, S. 293, der §§ 257 ff. ZPO an das materielle Recht anlehnt. 75 Zöller/Greger, § 257 ZPO Rz. 7. 76 Zöller/Greger, § 257 ZPO Rz. 1; Stein/Jonas/Roth, § 257 ZPO Rz. 2; Musielak/Foerste, § 257 ZPO Rz. 2; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 6.; Hk-ZPO/ Saenger, § 257 Rz. 6; Roth, ZZP 98 (1985), 287, 295 ff. 77 Stein/Jonas/Roth, § 257 ZPO Rz. 2. 78 Wieczorek/Schütze/Assmann, § 257 ZPO Rz. 21 f. 79 Stein/Jonas/Roth, § 257 ZPO Rz. 2. 80 Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 111.
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
Kriterium der Gewissheit sickert allerdings in Einzelfragen auch bei der herrschenden Lehre durch. Ein Beispiel hierfür ist die Klage des Gläubigers gegen den Bürgen auf künftige Zahlung zu einem Zeitpunkt, da dieser die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 770 I BGB erhoben, der Hauptschuldner jedoch nicht angefochten hat. Hier diskutiert man, ob die ausschlaggebende Fristgebundenheit nach § 124 BGB den geforderten Grad an Gewissheit mit sich bringt oder nicht, was wiederum uneinheitlich beurteilt wird (näher dazu S. 342 f.).81 Einigkeit besteht damit nur darin, dass § 257 ZPO die herkömmliche aufschiebend bedingte Forderung, deren Entstehung von einem ungewissen Ereignis abhängt, nicht erfasse. In der Konsequenz nimmt man an, dass nach § 257 ZPO ergehende Urteile allein nach § 751 I ZPO und nicht nach § 726 I ZPO vollstreckt werden.82 Den Grund für die Ausklammerung der bedingten Forderung, genauso wie für das Kriterium der Gewissheit, sieht man (neben dem Wortlaut „Kalendertag“)83 darin, dass sich der wirtschaftliche Wert einer befristeten Forderung leichter und zuverlässiger bestimmen ließe als der Wert einer aufschiebend bedingten, welche – und das wird aus § 916 II ZPO gefolgert – noch nicht einmal einen gegenwärtigen Vermögenswert aufweisen müsse.84
2. § 258 ZPO Weil § 258 ZPO ebenso wenig wie § 257 ZPO ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt,85 wird die Vorschrift genauso restriktiv und am Beklagtenschutz orientiert ausgelegt.86 Mit Blick darauf, dass § 258 ZPO vom Richter eine Prognose über das Fortbestehen der Tatsachengrundlage verlangt, ist für seine Auslegung fraglich, wie weit die eingeklagte Forderung zum Zeitpunkt der Verurteilung gediehen sein muss.87 Dazu herrscht in der Literatur ein nicht immer einheitliches Bild. Gestützt auf eine Äußerung in den Motiven88 wird zwar einhellig hervorgehoben, 81 Für § 257 ZPO mit dem Argument der durch Frist vermittelten Gewissheit Wieczorek/ Schütze/Assmann, § 257 ZPO Rz. 11; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 7. Dagegen aus Mangel an Gewissheit Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 91 – 94. 82 Thomas/Putzo/Reichold, § 257 ZPO Rz. 6; Zöller/Greger, § 257 ZPO Rz. 1; Prütting/ Gehrlein/Geisler, § 257 ZPO Rz. 6; Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 84. Die Vollstreckungsklausel kann dann vor Fälligkeit erteilt werden, Hk-ZPO/Saenger, § 257 Rz. 6. 83 Stein/Jonas/Roth, § 257 ZPO Rz. 10. 84 Stein/Jonas/Roth, § 257 ZPO Rz. 2; Zöller/Greger, § 257 ZPO Rz. 1; Hk-ZPO/ Saenger, § 257 Rz. 6. A. A. MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 6: Ausschlaggebend sei, dass wegen der Unsicherheit des Bedingungseintritts eine Verurteilung materiell nicht gerechtfertigt sei und solche Forderungen prozessual keine Vollstreckung nach § 751 ZPO zulassen. 85 Ganz h. M.: Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 118 m. w. N. A. A. Bittmann, FamRZ 1986, 420, 423. 86 Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 112. 87 Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 120. 88 Motive, Bd. I, S. 366.
B. Meinungsstand
305
dass es für die Auslegung von § 258 ZPO unerheblich ist, ob die Forderung im Gesamten einheitlich oder jedes Mal neu entsteht.89 Übereinstimmend wird zudem betont, dass die Forderungen nur noch vom Zeitablauf abhängig sein dürfen90 sowie in Grund und Höhe mit in ihrem Grad umstrittener Wahrscheinlichoder Möglichkeit feststehen bzw. bestimmbar sein müssen.91 Man übernimmt hier die Formel der Rechtsprechung, wonach die Forderungen sich in ihrer Gesamtheit als Folge ein und desselben Rechtsverhältnisses ergeben müssen, so dass die einzelne Forderung in ihrer Entstehung nur noch vom Zeitablauf abhängig ist.92 Im Einzelnen unterscheiden sich die Ansichten aber, ob die Forderung gegenwärtig entstanden sein muss und lediglich noch nicht fällig sein darf,93 oder ob nicht nur betagte, sondern auch aufschiebend befristete und – im Gegensatz zu § 257 ZPO – sogar aufschiebend bedingte Forderungen erfasst werden.94 In negativer Bestimmung der künftigen Forderungen sollen bloße „Aussichten“ auf Forderungen nicht für § 258 ZPO genügen.95 Für Unterhaltsforderungen bedeutet das etwa: Es werden alle tatbestandlichen Voraussetzungen für erforderlich gehalten; das bloße Bestehen einer familienrechtlichen Beziehung oder das Fehlen von aktueller Bedürftigkeit sollen für eine Frühklage nicht genügen.96 Nach Murach soll es nicht auf den Entstehungszeitpunkt, sondern rein auf den Zeitpunkt der Fälligkeit ankommen und sich eine Einteilung in befristete, bedingte oder betagte Forderungen erübrigen.97 Mit Blick auf eine notwendige „Untergrenze“ rekurriert er allerdings doch auf eine materiell-rechtliche Entstehungsetappe und verlangt ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien. Wiederum schließt er aus, dass die Durchsetzbarkeit von ungewissen künftigen Ereignissen abhängen dürfe; der Fälligkeitstermin müsse wie für § 257 ZPO objektiv gewiss sein. Insgesamt ist sich die Literatur also darin einig, dass bereits ein Rechtsverhältnis bestehen müsse und die Forderungsentstehung nur noch vom Zeitablauf abhängen dürfe. Ob damit eine Abhängigkeit von einem gewissen Ereignis erforderlich ist oder auch eine Ungewissheit genügt, wird unterschiedlich beurteilt. 89
Stein/Jonas/Roth, § 258 ZPO Rz. 2; Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 121. Zöller/Greger, § 258 ZPO Rz. 1; Hk-ZPO/Saenger, § 258 Rz. 2; Thomas/Putzo/Reichold, § 258 ZPO Rz. 2; Prütting/Gehrlein/Geisler, § 258 ZPO Rz. 2; MünchKomm-ZPO/BeckerEberhard, 4. Aufl. 2013, § 258 Rz. 5. 91 Thomas/Putzo/Reichold, § 258 ZPO Rz. 2; Hk-ZPO/Saenger, § 258 Rz. 3; Prütting/ Gehrlein/Geisler, § 258 ZPO Rz. 4; Zöller/Greger, § 258 ZPO Rz. 1b; MünchKomm-ZPO/ Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 258 Rz. 10. 92 Thomas/Putzo/Reichold, § 258 ZPO Rz. 2; Prütting/Gehrlein/Geisler, § 258 ZPO Rz. 2; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 258 Rz. 5; Wieczorek/Schütze/Assmann, § 258 ZPO Rz. 6. 93 Wieczorek/Schütze/Assmann, § 258 ZPO Rz. 5, 11; wohl auch Zöller/Greger, § 258 ZPO Rz. 1; Hofmann, MDR 2004, 1391, 1392. 94 Stein/Jonas/Roth, § 258 ZPO Rz. 2 (der in Rz. 5 allerdings wiederum „Gewissheit“ verlangt); Musielak/Foerste, § 258 ZPO Rz. 2. 95 Stein/Jonas/Roth, § 258 ZPO Rz. 2. 96 Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 122 f. 97 Dazu und zum Folgenden Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 121 f. 90
306
§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
3. § 259 ZPO Unter Verweis auf das in § 259 ZPO vorausgesetzte besondere Rechtsschutzbedürfnis wird einhellig eine gegenüber §§ 257 f. ZPO großzügigere Auslegung von § 259 ZPO befürwortet. Ganz herrschend lehnt man sich ans materielle Recht an. § 259 ZPO soll nicht nur befristete, sondern sogar aufschiebend bedingte Forderungen zulassen.98 Da gleichzeitig eine bereits entstandene Forderung verlangt wird,99 tut sich hier der aus der Rechtsprechung bekannte Widerspruch auf.100 Die „bedingte Forderung“ wird gelegentlich mit § 158 BGB gleichgesetzt,101 aber auch die aufschiebend rechtsbedingte Forderung wird genannt.102 Vereinzelt ist von einer „rechtlich gesicherten Anwartschaft“ auf die Forderung als Voraussetzung für die Frühklage zu lesen.103 Zur negativen Abgrenzung wird ein bestehendes Schuldverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem bzw. ein existenter „Schuldgrund“ verlangt.104 Mit der Einschränkung auf das Schuldverhältnis assoziiert man ein bestimmtes Maß an Gewissheit des Bedingungseintritts:105 Überhaupt wird, wie bei §§ 257, 258 ZPO, ergänzend ein ungeschriebenes Kriterium der Gewissheit des Bedingungseintritts befürwortet oder aber eine entsprechende Anwendung von § 916 II ZPO.106 Die Bestimmtheit der künftigen Forderung wird nur am Rande, im Zusammenhang mit der Vollstreckung, erwähnt, für die man auf § 726 I ZPO verweist;107 die Bedingung müsste im Urteilstenor benannt werden und Grund und Höhe der Forderung müssten wenigstens bestimmbar sein.108 98 Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 144; Gsell, JZ 2004, 110, 116; Stein/Jonas/ Roth, § 259 ZPO Rz. 4; Zöller/Greger, § 259 ZPO Rz. 1; Musielak/Foerste, § 259 ZPO Rz. 2; Prütting/Gehrlein/Geisler, § 259 ZPO Rz. 2; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 259 Rz. 4. 99 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 89 Rz. 18; Wieczorek/ Schütze/Assmann, § 259 ZPO Rz. 5. Richtig Thomas/Putzo/Reichold, § 259 ZPO Rz. 3: Der Anspruch „braucht aber noch nicht wirksam, d. h. er kann bedingt sein“. 100 S. o. Fn. 63. 101 Etwa Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 144, 149; Ullmann, S. 20 – 22. 102 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 89 Rz. 18; Wieczorek/ Schütze/Assmann, § 259 ZPO Rz. 13; Musielak/Foerste, § 259 ZPO Rz. 2; Moos, Klage auf künftige Leistung, 1902, S. 37. 103 Moos, Klage auf künftige Leistung, 1902, S. 31; vgl. auch Henke, JA 1987, 397, 398. 104 Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 145 – 147, 157; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 89 Rz. 18; Wieczorek/Schütze/Assmann, § 259 ZPO Rz. 6, 10; Hk-ZPO/Saenger, § 259 Rz. 1 f.; Stein/Jonas/Roth, § 259 ZPO Rz. 1; Thomas/ Putzo/Reichold, § 259 ZPO Rz. 3; Zöller/Greger, § 259 ZPO Rz. 1; Ullmann, S. 79. 105 MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 259 Rz. 4. 106 Wieczorek/Schütze/Assmann, § 259 ZPO Rz. 16; Stein/Jonas/Roth, § 259 ZPO Rz. 4 bzw. ders., ZZP 98 (1985), 287, 304 f. (§ 916 II ZPO analog). 107 Zöller/Greger, § 259 ZPO Rz. 1; Prütting/Gehrlein/Geisler, § 259 ZPO Rz. 5; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 259 Rz. 18. 108 Musielak/Foerste, § 259 ZPO Rz. 2; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 259 Rz. 4, 17.
C. Auslegung
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C. Auslegung I. Standortbestimmung zwischen materiellem und Verfahrensrecht 1. Bedarf für eine Standortbestimmung Obwohl der Wortlaut von §§ 257 ff. ZPO bei genauer Lektüre nur wenig materiell-rechtlich definierte Begriffe enthält („Forderung“; „Anspruch“; „fällig“) und zumeist Ausflucht in eigene Begriffe wie die „künftige Zahlung/ Errichtung/Leistung“ oder die „Wiederkehr“ einer Leistung nimmt, überwiegt in Rechtsprechung und Literatur die Deutung der Vorschriften anhand materiell-rechtlicher Begrifflichkeiten: Entstandene und noch nicht entstandene Forderungen, Forderungen mit und ohne Schuldverhältnis werden sich genauso gegenübergestellt wie bedingte, rechtsbedingte oder befristete Forderungen und das Anwartschaftsrecht den bloßen Hoffnungen. Prozessuale Anforderungen wie die Bestimmtheit von Grund und Höhe der Forderungen nehmen den Umfang einer Randnotiz an. Bevor die Auslegung der §§ 257 – 259 ZPO im Einzelnen angegangen werden kann, ist grundsätzlich zu hinterfragen, ob ein solch „materiell-rechtlicher Ansatz“ richtig ist oder ob die Vorschriften wegen ihres Standorts im Verfahrensrecht von vornherein eigenständig ausgelegt werden müssen. Die Genese der §§ 257 ff. ZPO, die vom ersten Entwurf des BGB in die ZPO gesetzt wurden, untermauert den Bedarf für diese Untersuchung.109 Zudem entspringt der materielle Anspruch, auf den man bei der Auslegung letztlich vertraut, selbst dem Schnittstellenbereich von materiellem und Verfahrensrecht. In der Zeit der Ausarbeitung von ZPO und BGB hat er sich aus seiner verfahrensrechtlichen Einkleidung gemausert, ist zum zentralen Begriff des materiellen Rechts avanciert und hat dennoch – als der prozessuale Anspruch – im Verfahrensrecht eine eigene Bedeutung behalten.110 Dass seinerzeit das römische prozessuale Denken des Anspruchs noch nicht völlig überwunden war, äußert sich gerade im Wortlaut von §§ 257 ff. ZPO, der die Erhebung der Klage zulässt, obwohl es um die Voraussetzungen für den Erlass des Sachurteils geht.111
2. §§ 257 ff. ZPO und die materielle Klagbarkeit Trotz dieser Spur romanistischen Denkens wurden §§ 257 ff. ZPO auf der Grundlage geschaffen, dass das Aktionendenken überwunden und der Anspruch im Anschluss an die Lehren Windscheids ein materiell-rechtliches Institut ist.112 109
Oben S. 291 f. Vgl. Mugdan, Materialien zum BGB, Bd. 1, S. CVIII u. 808 f. Zu Letzterem Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 92. 111 Stein/Jonas, ZPO, 12. Aufl. 1925, § 257 I; Tuteur, Klage auf künftige Leistung, 1907, S. 8. 112 Motive, Bd. I, S. 357; Schubert/Gebhard, Redaktorenvorlagen, S. 437 f. 110
308
§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
Im römischen Recht verkörperte der Anspruch die Möglichkeit des Gläubigers, sein Begehren gerichtlich zu verfolgen (actio).113 Ohne diese Möglichkeit sprach man nicht von einem Anspruch des Gläubigers, zumal die actio ihm auch gewährt werden konnte, wo das ius civile kein Recht für den Kläger vorsah.114 Während man nach römisch-rechtlicher Konzeption also einen Anspruch annehmen konnte, weil der Gläubiger eine actio hatte, hat der Gläubiger heute das Recht zur Klage, weil ihm das materielle Recht einen Anspruch gewährt.115 Nach heutigem Rechtsverständnis ist es also möglich zu beurteilen, ob der Gläubiger vom Schuldner etwas verlangen darf, ohne die prozessuale Dimension des Ganzen zu berücksichtigen.116 Der Anspruch ist ein materiell-rechtliches Gebilde. Da das deutsche Zivilrecht auf dem Denken Windscheids aufbaut, wird in der heutigen Doktrin die Auffassung vertreten, dass die Forderung, als ein mehrere Befugnisse verkörperndes subjektives Recht, zugleich die prozessuale Befugnis enthalte, sie einzuklagen.117 Man geht sogar so weit zu sagen, dass die Figur einer gegenüber dem materiellen Recht selbständigen Klagebefugnis durch die materiellrechtlich orientierte Windscheid’sche Lehre „aus dem Rechtsleben getilgt“ worden ist.118 Man könnte freilich ebenso sagen, dass gerade diese Lehre das Verständnis von Anspruch und Forderung als rein materiell-rechtliche Gebilde gewissermaßen in Frage stellt und suggeriert, dass man im Entstehungsprozess einer Forderung auch die Entstehung dieses Klagerechts im Auge zu behalten habe, um von einer vollends entstandenen Forderung sprechen zu können. §§ 257 ff. ZPO würden in der Folge Aufschluss über den Entstehungsprozess einer Forderung geben können, soweit sie künftige Forderungen als prozessual durchsetzbar anerkennen. Damit rückt bei der Auslegung von §§ 257 ff. ZPO die Diskussion um das „Klagerecht“ (auch „Klagbarkeit“ oder „Klagebefugnis“) in den Fokus. Sie wurde bereits im 19. Jahrhundert intensiv geführt119 und spielt heutzutage etwa bei der dogmatischen Erfassung der Naturalobligation eine Rolle.120 Diese Diskussion zu beeinflussen, wollte der Gesetzgeber bei der Formulierung der §§ 257 ff. ZPO allerdings tunlichst vermeiden.121 Der Formulierung oder systematischen Stellung 113
Vgl. Röhl/Röhl, S. 386 f.; Schubert/Gebhard, Redaktorenvorlagen, S. 437 f. Anschaulich Klinck, FS Krampe, 2013, S. 173, 176 ff. 115 Windscheid, Pandekten, 5. Aufl., Bd. 1, § 44 S. 106 f. 116 Windscheid, Pandekten, 5. Aufl., Bd. 1, § 44 S. 106 f. 117 Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 13 Rz. 25; Schulze, Die Naturalobligation, S. 186 mit Fn. 776, S. 461 – 465 u. 632 f.; Staudinger/Schmidt, BGB, Neubearb. 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rz. 142. A. A. E. Wolf, in: FS Herrfahrdt, 1961, S. 197, 205 f. 118 Klinck, FS Krampe, 2013, S. 173, 186, aus rechtshistorischer Perspektive. 119 Positionen und Nachweise bei Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 121 ff.; Hölder, ZZP 29 (1901), 50, 58 ff.; Langheineken, Urteilsanspruch, S. 1 – 11; ferner Kroll, Klage und Einrede, 1884, S. 25 f.; Moos, Klage auf künftige Leistung, 1902, S. 17 – 21. Zur Diskussion anfangs des 20. Jahrhunderts Roth, ZZP 98 (1985), 287, 30 ff. Zur heutigen Diskussion umfassend Staudinger/ Schmidt, BGB, Neubearb. 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rz. 141 – 174. 120 Schulze, Die Naturalobligation, S. 632 f. 121 Motive, Bd. I, S. 357: „In den namentlich neuerdings lebhaft gewordenen Meinungsstreit einzugreifen, fehlt jede Veranlassung.“ 114
C. Auslegung
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der §§ 257 ff. ZPO kann daher kein Argument entlockt werden, das für oder gegen das Klagerecht als Bestandteil einer Forderung streiten würde. Das Klagerecht als Bestandteil einer Forderung wird vor allem aus der Formulierung von § 194 BGB (und der in ihr verkörperten Windscheid’schen Lehre) gefolgert: Weil der Gläubiger – wie es dort zum Ausdruck kommt – vom Schuldner etwas verlangen darf, besäße er die Befugnis, den Anspruch klageweise geltend zu machen.122 Deshalb kann es aber noch lange nicht rein materiell-rechtlich gedacht werden, da sonst die heute immer augenscheinlichere öffentlichrechtliche Dimension des Rechtsschutzes außer Acht bliebe.123 Rechtsschutz und seine Zulassung gegenüber einer anderen Person finden danach ihre Grundlage nicht allein in den materiell-rechtlichen Beziehungen zwischen zwei Personen. Der Kläger leitet sein Recht, Klage zu erheben, jedenfalls auch aus dem Justizgewährungsanspruch gegenüber dem Staat ab, und zwar über Art. 19 IV 1 GG hinaus ebenso dann, wenn er Rechtsschutz gegen eine andere Privatperson begehrt.124 Grundlage dessen ist das verfassungsimmanente Rechtsstaatsprinzip.125 Das Recht des Klägers, den Beklagten in Anspruch zu nehmen, ist also mindestens ebenso eine öffentlich-rechtlich begründete Befugnis. Dass diese zu einem gewissen Grad sogar vom materiellen Recht entkoppelt ist, beweist das Folgende: In manchen Situationen kann der Kläger aus fremdem Recht klagen und es kann sogar ein (Fehl‑)Urteil bestandskräftig ergehen, dem gar kein materielles Recht zugrunde liegt. Auch die Last des Beklagten, sich einzulassen, kann nicht als Gegenstück einer materiell-rechtlichen Befugnis des Klägers gesehen werden, den Anspruch klageweise geltend zu machen,126 sondern folgt aus öffentlichrechtlichen Vorgaben (Art. 101 I 2, 103 I GG). Schließlich ist die Grundlage dafür, dass der Staat die Prüfung des materiellen Rechts des Klägers vornimmt und ihm dadurch Rechtsschutz gewährt, zunächst nicht ein materielles Recht des Klägers gegen den Beklagten, sondern die Behauptung eines solchen in einer gewissen Form. Nach alledem ist die vom materiellen Recht separat gedachte Klagebefugnis weit mehr als das Recht des Klägers gegen den Staat, Rechtsschutzmöglichkeiten bereit zu stellen, auf das sich die Diskussion um das Klagerecht einmal reduziert hat;127 sie hat vielmehr auch eine gegen den Beklagten gerichtete Dimension. Was für die Befugnis zur Klage gilt, gilt gleichermaßen für die Befugnis, den errungenen Titel gegenüber dem (Titel‑)Schuldner durchzusetzen. Alle Macht zum Zwang ist beim Staat vereint; die private Person als Gläubiger hat nur ein 122
Hölder, ZZP 29 (1901), 50, 51; Klinck, FS Krampe, 2013, S. 173, 189 und passim. Dazu pointiert Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 1 Rz. 25: „Das Zivilprozessrecht ist öffentliches Recht. [. . .] Bei der Auslegung des Zivilprozessrechts ist aber zu beachten, dass es dazu dienen soll, das materielle Zivilrecht durchzusetzen.“ Vgl. auch Moos, Klage auf künftige Leistung, 1902, S. 21 f. 124 Auch dieser Justizgewährungsanspruch ist Folge des materiell-rechtlichen Denkens des Anspruchs nach Windscheid, Röhl/Röhl, § 47 I. 125 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 3 Rz. 4. 126 So noch Moos, Klage auf künftige Leistung, 1902, S. 26. 127 Dazu Klinck, FS Krampe, 2013, S. 173, 186 f. m. w. N. 123
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
Recht an den Staat, dass dieser den Zwang ausübt.128 Die Befugnis, zu vollstrecken, ist abstrakt vom materiellen Recht, da sie nicht aus diesem, sondern aus dem formalisierten (und dadurch gerade von der materiellen Rechtslage entkoppelten) Titel selbst folgt.129 Keine anderen Erkenntnisse lassen sich aus dem Institut der Selbsthilfe nach §§ 229 ff. BGB ableiten. Diese gründet auf dem Vorrang des (an den Staat gerichteten!) Vollstreckungsanspruchs – nicht: der materiellen Forderung – gegenüber dem Gewaltmonopol130 und dient zudem nur der vorläufigen Anspruchssicherung (§ 230 II BGB),131 so dass auch die Existenz dieses Rechtsinstituts keine Rückschlüsse auf eine in der Forderung enthaltene materiellrechtliche Befugnis zu ihrer Durchsetzung zulässt. Zieht man all dies in Betracht, verblasst die Folgerung, dass derjenige, der von Rechts wegen etwas von einem anderen verlangen kann (§ 194 BGB), dies auch durchsetzen darf, zu einer Selbstverständlichkeit, die mit der Erklärung des Klagerechts als Inhalt einer Forderung seine Dimensionen nur sehr verkürzt wiedergäbe. Auf der anderen Seite lässt sich nicht leugnen, dass etwa Phänomene wie die Naturalobligation oder das pactum de non petendo zu ihrer dogmatischen Erfassung die Klagbarkeit als grundsätzliches, materiell-rechtliches Element einer Forderung benötigen, um ihr Fehlen im Einzelfall erklären zu können.132 Beide Phänomene zeigen, dass das materielle Recht sich gewissermaßen die Vorentscheidung vorbehält, ob eine Rechtsposition überhaupt klagbar sein soll oder nicht.133 Genauso gibt es spezielle materiell-rechtliche Vorschriften, wie § 1600d IV BGB, welche die Klagbarkeit einzuschränken beabsichtigen.134 Die Auffassung, welche die materiell-rechtliche Bedeutung der Klagbarkeit ganz zurückweist,135 ist daher ebenso abzulehnen. Aus dem Vorstehenden erhellt, dass das in der Forderung verkörperte Element des Klagerechts ein schwaches ist und lediglich Ausdruck der vom materiellen Recht grundsätzlich getroffenen Entscheidung ist, ob das Recht überhaupt klagbar sein soll oder nicht. Treffender wäre es also allemal, nicht von einem Klagerecht oder einer Klagebefugnis als Element der Forderung zu sprechen, sondern von der Klagbarkeit als einer vom materiellen Recht vorgegebenen Eigenschaft einer Forderung, während die eigentliche „Befugnis“ bzw. das „Recht“, also die Umsetzung dieser Klagbarkeit, dem Verfahrensrecht zuzuordnen ist. Für die 128 Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 20. EL 2010, § 167 Rz. 1, zur zivilprozessualen Zwangsvollstreckung (unter Berufung auf Karl Binding, Die Normen und ihre Übertretung); vgl. auch Stein, Grundfragen der Zwangsvollstreckung, 1913, S. 5. 129 Stamm, S. 42 f., 45 ff., 150 – 153; Eichel, JbjZ 2010, S. 149, 157 f. 130 Stamm, S. 11 f., 44. 131 MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl. 2012, § 230 Rz. 2. 132 Schulze, Die Naturalobligation, S. 632 f. 133 Staudinger/Schmidt, BGB, Neubearb. 1995, Einl. zu §§ 241 ff. Rz. 141 – 174. Vgl. auch Röhl/Röhl, § 47 I. 134 Beachte auch Gsell, JZ 2004, 110, 116 zum Einfluss materiell-rechtlicher Wertungen auf die hilfsweise Verurteilung zum Schadensersatz nach §§ 255, 259 ZPO. 135 Wagner, Prozeßverträge, S. 397 – 413.
C. Auslegung
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vorliegende Untersuchung bedeutet dies: Die Auffassung, welche das Klagerecht als Forderungsbestandteil begreift, zwingt nicht dazu, §§ 257 ff. ZPO in Abhängigkeit vom materiellen Recht auszulegen, da die in der Forderung enthaltene, materiell-rechtlich determinierte Komponente der Klagbarkeit mehr eine grundlegende Eigenschaft denn eine wirkliche Befugnis zur Klage (bzw. Frühklage) ist. Die Befugnis zur Frühklage resultiert weder aus der materiellrechtlichen Forderung, noch möchten §§ 257 ff. ZPO die dieser innewohnende Klagbarkeit antasten, da sie allesamt auf der grundsätzlichen Klagbarkeit einer Forderung aufbauen. Während sich das materielle Recht in der grundlegenden Weichenstellung der Klagbarkeit erschöpft, regeln §§ 257 ff. ZPO nur die Frage, ob die grundsätzlich klagbare Forderung bereits vor ihrer materiell-rechtlichen Durchsetzbarkeit Grundlage eines Titulierungsverfahrens sein darf.
3. Die dem materiellen Recht dienende Funktion der §§ 257 ff. ZPO Im Zusammenhang mit dem Verhältnis der §§ 257 ff. ZPO zum materiellen Recht steht die Frage, ob diese Normen Voraussetzungen für die Zulässigkeit oder Begründetheit formulieren. Nach einer Auffassung betreffen §§ 257 ff. ZPO die Begründetheit der Klage, da es allein Sache des materiellen Rechts sei, die Voraussetzungen aufzustellen, unter denen Ansprüchen materieller Rechtsschutz verliehen wird.136 Diese Argumentation ist jedoch einer dogmatischen Vorstellung verhaftet, wonach die Klagbarkeit eine weitreichendere Dimension hat, als eben erörtert; sie ist daher abzulehnen. Zuzustimmen ist der herrschenden Meinung, die §§ 257 ff. ZPO als besondere Prozessvoraussetzung prüft.137 Für ein solches verfahrensrechtliches Verständnis spricht zudem, dass §§ 257 ff. ZPO dem materiellen Recht dienen und keinesfalls über dieses – wie zu lesen ist138 – hinausgehen. In der Literatur wird – durch die Gesetzesgeschichte befördert – zwar häufig der Eindruck erweckt, wonach §§ 257 – 259 ZPO eine Ausnahme von dem zweifellos materiell-rechtlichen Grundsatz seien, dass die Durchsetzbarkeit der Forderung von dem Zeitpunkt ihrer Fälligkeit abhängt. Das aber ist mitnichten der Fall: Der Kläger erhält nach §§ 257 ff. ZPO lediglich einen Titel und keineswegs etwas, was ihm nach materiellem Recht erst mit Fälligkeit gebühren soll. Die Rechtsordnung setzt die Forderung des Klägers nur durch, wenn die Fälligkeit eingetreten ist, selbst wenn sie vor diesem Zeitpunkt tituliert ist und alles danach aussähe, dass der Schuldner sich der Leistung entziehen werde (§§ 726, 751 ZPO). Bis zur Fälligkeit erhält der Gläubiger lediglich eine Sicherung (§ 916 II ZPO). Zahlt der Schuldner in Anbetracht des Urteils, so leistet er freiwillig vorzeitig, gezwungen 136 Stein/Jonas/Roth, § 257 ZPO Rz. 3; ders., ZZP 98 (1985), 287, 308 – 312; zustimmend Schilken, Zivilprozessrecht, Rz. 180. 137 Oben Fn. 43. 138 MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 1.
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
werden kann er vor Fälligkeit dazu nicht. §§ 257 ff. ZPO gewähren dem Gläubiger die Durchsetzung seiner Forderung also nicht früher als nach materiellem Recht, nur die Feststellung des Rechts erfolgt früher. §§ 257 ff. ZPO verlassen also den Grundsatz der ZPO, dass die Verurteilung zu einer Leistung nur nach Eintritt der Fälligkeit erfolgen kann,139 nicht aber das materielle Recht. §§ 257 – 259 ZPO sollen den Gläubiger lediglich in die Lage versetzen, seine Zwangsvollstreckung bereits dann zu beginnen, wenn er nach materiellem Rechte die Leistung verlangen darf.140 Dienen §§ 257 – 259 ZPO damit auf ganzer Linie dem materiellen Recht, so sind sie originär Verfahrensrecht.141 Frühzeitige Titelschaffung ist kein Aspekt der werdenden Forderung, sondern Aufgabe des Verfahrensrechts. Das enthebt §§ 257 – 259 ZPO dem materiellen Recht und verlangt eine verfahrensrechtliche Interpretation dieser Vorschriften. Ausschließlich dort, wo §§ 257 ff. ZPO aus dem BGB bekannte Begriffe wie „Gegenleistung“, „Forderung“, „Anspruch“ und „fällig“ verwenden, sind diese in ihrem materiell-rechtlichen Sinne zu deuten, da es Ziel der §§ 257 ff. ZPO ins Leben rufenden BGB-Novelle war, eine terminologische Angleichung beider Gesetzbücher zu erreichen.142
4. Fazit zur Standortbestimmung Die herrschende Auslegung der Vorschriften ist bei der verfahrensrechtlichen Deutung der Vorschriften gewissermaßen im Klageaufbau stecken geblieben: Während man der verfahrensrechtlichen Deutung durch Verortung der Vorschriften auf der Ebene der Zulässigkeit Rechnung trägt, ist man diesen Schritt bei der Auslegung der Vorschriften noch nicht gegangen. Genauso wie eine materielle-rechtliche Deutung der §§ 257 – 259 ZPO deren Betrachtung als Regeln der Begründetheit nahelegen würde,143 erzwingt die Einordnung als Prozessvoraussetzung ihre verfahrensrechtliche Auslegung. Wenn Regelungen mit ausschließlich verfahrensrechtlichen Wirkungen und Zwecksetzungen nun aber in Anlehnung an Figuren des materiellen Rechts ausgelegt werden, führt dies ganz automatisch zu einer Schieflage im Recht, da das materielle Recht 139 Materialien zum Gesetz betr. Aenderungen der Civilprozeßordnung, 1898, S. 103 (= Hahn/ Mugdan, Bd. 8, S. 99); Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 126; Roth, ZZP 98 (1985), 287. Von einer (im Zuge der BGB-Novelle angedachten) Normierung dieses Grundsatzes wurde angesichts der dies verdeutlichenden Ausnahmen der §§ 257 – 259 ZPO abgesehen, Stein, Voraussetzungen des Rechtsschutzes, 1903, S. 16, 47. 140 Materialien zum Gesetz betr. Aenderungen der Civilprozeßordnung, 1898, S. 104 (= Hahn/Mugdan, Bd. 8, S. 100). 141 Zur dienenden Funktion des Zivilverfahrensrechts etwa Rösler, S. 64 f. 142 Stein/Jonas/Brehm, vor § 1 ZPO Rz. 146. 143 So die Argumentation von Roth, ZZP 98 (1985), 287, 309, der die Diskussion um die Beschaffenheit der künftigen Forderung maßgeblich beeinflusst, obgleich die ganz herrschende Meinung in der grundlegenden Funktionsbestimmung der §§ 257 ff. ZPO zu Recht anderer Auffassung ist.
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Antworten für Fragen bereithalten muss, die es nicht aufwirft. §§ 257 – 259 ZPO sind daher im Ansatz verfahrensrechtlich auszulegen und daraus ergeben sich ganz eigene Rahmenbedingungen und Herausforderungen, die nachfolgend untersucht werden (II.). Dabei sollen die Grundlagen zu Tage gefördert werden, auf denen Frühklageregeln aufbauen müssen. Die Umsetzung dieser Grundlagen bei der Auslegung der einzelnen Tatbestände der §§ 257 – 259 ZPO erfolgt sodann in einem weiteren Schritt (unten III.).
II. Prozessuale Rahmenbedingungen Zunächst sei zu den Hinweisen in der Literatur auf die wirtschaftliche Werthaltigkeit einer künftigen Forderung bzw. § 916 II ZPO Stellung genommen (1., 2.), um dann auf das Vollstreckungsverfahrensrecht einzugehen, das eigene Anforderungen an eine Titulierung stellen kann (3.). Zum rechtlichen Umfeld der §§ 257 ff. ZPO gehört aber selbstverständlich genauso das Erkenntnisverfahrensrecht: Hier ist insbesondere dem Einwand der herrschenden Auffassung nachzugehen, wonach sich die Frühklage nachteilig zulasten des Beklagten auswirken könne, der für spätere Einwendungen möglicherweise gehalten ist, nun selbst die Initiative zu ergreifen (4.). Die Frühklage wirft zudem die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses auf (5.) und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Korrektiv des § 93 ZPO (6.).
1. Unerheblichkeit der wirtschaftlichen Werthaltigkeit der künftigen Forderung Die Ausklammerung aufschiebend bedingter Forderungen aus dem Anwendungsbereich von § 257 ZPO wird verbreitet damit begründet, dass sich der wirtschaftliche Wert einer befristeten Forderung leichter und zuverlässiger bestimmen ließe als der Wert einer aufschiebend bedingten, da diese – wie § 916 II ZPO belege – noch nicht einmal einen gegenwärtigen Vermögenswert aufweisen müsse.144 Es soll nicht in Abrede gestellt werden, dass sich das Faktum, eine aufschiebend bedingte Forderung könne mitunter wirtschaftlich wertlos sein, mit § 916 II ZPO belegen lässt. Den Hinweis auf eine gesetzliche Vorschrift benötigt man dafür indes nicht; es ist schlicht ein Phänomen tatsächlicher Art, dass eine Forderung, wenn ihr Entstehen ungewiss ist, wirtschaftlich weniger wert ist, als eine Forderung, deren Entstehungsbedingung unmittelbar bevorsteht. Ebenso wenig wie es Erfahrungssätze gibt, ob aufschiebend bedingte Forderungen im Allgemeinen 144 Stein/Jonas/Roth, § 257 ZPO Rz. 2; Zöller/Greger, § 257 ZPO Rz. 1; Hk-ZPO/Saenger, § 257 Rz. 6. A. A. MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 6, der auf die Unsicherheit abstellt.
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eine hohe Realisierungswahrscheinlichkeit aufweisen oder nicht, folgt dieser aus § 916 II ZPO. Im Gegenteil formuliert § 916 II ZPO (ebenso wie die vergleichbaren Vorschriften § 191 InsO oder § 1986 BGB) nur eine Ausnahme für bedingte Forderungen geringeren Werts zu dem jeweils in diesen Vorschriften aufgestellten Grundsatz der Gleichbehandlung von bedingten und entstandenen Forderungen. Dieser Grundsatz spricht gerade dafür, dass der Gesetzgeber von dem Befund ausgeht, dass aufschiebend bedingte Forderungen im Regelfall in ihrer Werthaltigkeit einer entstandenen Forderung nicht viel nachstehen. Nicht zuletzt gilt aber, dass die prozessuale Feststellung des Rechts in unserer Rechtsordnung unabhängig von seinem wirtschaftlichen Wert ist.145 Die wirtschaftliche Werthaltigkeit ist damit keine aus dem Verfahrensrecht folgende Anforderung für die Klagbarkeit einer Forderung.
2. Unanwendbarkeit von § 916 II ZPO Auch eine analoge Anwendung von § 916 II ZPO bzw. die Prüfung der Gewissheit des Bedingungseintritts, wie sie bisweilen vertreten werden, sind abzulehnen. § 916 II ZPO dient ganz anderen Interessen, nämlich dem Schutz des Antragsgegners vor einer zu frühzeitigen Inanspruchnahme seines Vermögens, und ist aufgrund seiner Wirkungen auf dem Gebiet des materiellen Rechts in Anlehnung an dieses auszulegen.146 Der Schutz des Beklagten vor einem Vermögensverlust steht bei der Frühklage nicht in Rede, da §§ 257 ff. ZPO eine vorzeitige Vollstreckung gerade nicht ermöglichen und ein ergänzungsbedürftiger Titel den Beklagten materiell nicht einschränkt. Die frühzeitige Inanspruchnahme des Beklagtenvermögens ist bei der Frühklage daher ausgeschlossen.
3. Strukturelle Grenzen des Zwangsvollstreckungs- bzw. Klauselerteilungsverfahrens Im Folgenden interessieren die Grenzen, die das Zwangsvollstreckungs- bzw. Klauselerteilungsverfahren147 der Frühklagefähigkeit künftiger Forderungen setzt. Das Leistungsurteil nach §§ 257 ff. ZPO ist immerhin auf die Erlangung eines Titels gerichtet, um das titulierte Recht zwangsweise durchsetzen zu können, wenn der materiell-rechtliche Leistungsbefehl einmal eintritt; insoweit bereiten §§ 257 ff. ZPO die Vollstreckung vor. Das wird bei ihrer Auslegung mit zu wenig Aufmerksamkeit bedacht. Damit das gewonnene Leistungsurteil diese Aufgabe 145
Moos, Klage auf künftige Leistung, 1902, S. 35 f. Siehe § 9. 147 Zur Frage, ob das Klauselerteilungsverfahren noch zum Erkenntnis- oder bereits zum Vollstreckungsverfahren zu rechnen ist, etwa Mankowski, ZIP 1994, 1577, 1578. 146
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erfüllen kann, muss es den vollstreckungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden. Da §§ 257 ff. ZPO das Erkenntnisverfahren vorzeitig abschließen soll, aber die Durchsetzbarkeit der künftigen Forderung noch nicht konstatiert werden kann, erweist sich die künftige Forderung als eigene Herausforderung für die Titulierung. a) Unmittelbar vollstreckbare Verurteilungen zu künftiger Leistung Dort, wo ein Urteil über eine künftige Forderung unmittelbar Vollstreckungsreife erlangen soll, muss die Forderung von einer Beschaffenheit sein, welche die Beschreibung der Leistung im Tenor derart erlaubt, dass sie unmittelbar vollstreckbar ist. Titel über künftige Forderungen, die ohne ein weiteres Tatsachenfeststellungsverfahren vollstreckbar sein sollen, wenn die Forderung ihre materiellrechtliche Durchsetzbarkeit erlangt, sind also auf eine künftige Forderung angewiesen, die in Grund und Höhe genauso bestimmbar ist, wie das für jede schon fällige Forderung gilt, über die ein Leistungsurteil ergehen soll. Das betrifft namentlich die Forderungen, deren Vollendung nur noch von dem Eintritt eines Kalendertags abhängt, weil das weitere Klauselerteilungs- (§ 724 ZPO) und Vollstreckungsverfahren (§ 751 ZPO) unmittelbar auf der Anordnung im Tenor beruht. Urteile über künftige Forderungen, die allein nach § 751 I ZPO vollstreckt werden sollen, setzen daher voraus, dass die Beschaffenheit der künftigen Forderung nicht mehr Fragen offen lässt, als nach dieser Vorschrift geklärt werden können. Mit anderen Worten darf hier nur noch der Eintritt eines Kalendertags ausstehen. b) Ergänzungsbedürftige Verurteilungen zu künftiger Leistung Anders verhält es sich für künftige Forderungen jeder Art, denen ein oder mehrere tatsächliche Ereignisse oder Rechtshandlungen zu ihrer Entstehung fehlen. Gerade weil es noch einer Erkenntnis über ihr tatsächliches Fundament bedarf, ist ihre Ausurteilung nicht unmittelbar zu ihrer Vollstreckung bestimmt, sondern bedarf der Titelergänzung (§ 726 ZPO).148 Folglich muss die frühklagefähige Forderung in dem Maße bestimmt sein, wie ihre Bestimmung im Titelergänzungsverfahren nicht mehr nachgeholt werden könnte. Dieses zieht der Beschaffenheit einer frühklagefähigen Forderung daher Grenzen. aa) Wortlaut von § 726 I ZPO Nach § 726 I ZPO muss die „Vollstreckung“ des Urteils von einer Tatsache abhängig sein. Auch wenn es eine Forderung geben kann, die zwar materiellrechtlich durchsetzbar und lediglich (etwa aufgrund Vereinbarung) in ihrer Vollstreckung gehemmt ist, ist ein enges Verständnis, wonach § 726 I ZPO nur 148
Beispiele aus der Rechtsprechungspraxis oben B.I.1. (S. 298 f.).
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auf solche Forderungen anwendbar wäre, nicht vorgegeben: Das Leistungsurteil über eine Forderung, welche noch einer materiell-rechtlich erforderlichen Entstehungstatsache entbehrt, ist nämlich ebenso „in seiner Vollstreckung“ noch von einer Tatsache abhängig.149 Genauso wenig ist es eine Lösung, aus dem Wortlaut von § 726 I ZPO zu folgern, es dürfe – zahlenmäßig – nur noch „eine“ (einzige) Bedingung zu ihrer Entstehung fehlen. Denn dem Juristen ist es müßig zu definieren, was „eine“ Bedingung ist, da sich jede rechtliche und tatsächliche Voraussetzung in fast beliebig viele Einzelaspekte zersetzen lässt. Im Kern handelt es sich also um eine Verfahrensfrage: Der Forderung dürfen nur solche Tatsachen fehlen, die durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden können. Darüber hinausgehende besondere Einschränkungen für die Beschaffenheit einer frühklagefähigen Forderung können dem Wortlaut von § 726 I ZPO nicht entnommen werden. bb) Bestimmtheitsanforderungen des Klauselergänzungsverfahrens §§ 257 – 259 ZPO dienen dem Grundsatz der Verfahrenswirtschaftlichkeit und dem Gebot effizienten Rechtsschutzes.150 Diese Grundsätze verpflichten den Richter, bei einem unter einer Bedingung ausgesprochenen Urteil zu beachten, dass bereits mit Erlass dieses Urteils der Rechtsstreit beigelegt und nicht unnötig Fragen in das erneut vor dem Prozessgericht durchzuführende Verfahren nach § 731 ZPO verlagert werden.151 Ein Richter wird daher, unabhängig von der Anzahl irgendwelcher Bedingungen, kein Urteil über eine bloße Aussicht auf eine Forderung fällen, wenn deren Realisierung von Tatsachen abhängt, deren Eintritt schwierige Begutachtungen erfordert. Er wird vielmehr die Klage als derzeit unzulässig abweisen, was den Kläger an erneuter Leistungsklage bei Veränderung der Tatsachenbasis nicht hindert oder ihn zur Umstellung auf die Feststellungsklage (§ 256 ZPO) zwingt.152 Daraus ergibt sich das Erfordernis einer ex ante zu beurteilenden Nachweisbarkeit der noch ausstehenden Tatsache(n) mittels öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden i. S. d. § 726 ZPO. Die Erwägung, im Sinne der Verfahrenskonzentration ein weiteres Erkenntnisverfahren nach § 731 ZPO tunlichst zu vermeiden, zwingt ferner dazu, solche Bedingungen nicht zuzulassen, deren Eintrittsbeurteilung aus ex-ante-Sicht Streit zwischen den Parteien hervorrufen wird. 149 Ebenso Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 10 Rz. 46, mit Verweis auf die Gesetzesgeschichte; Wieczorek/Schütze/Paulus, 3. Aufl., § 726 ZPO Rz. 5. 150 MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 2; Wieczorek/Schütze/ Assmann, Vor §§ 257 – 259 ZPO Rz. 2. 151 Vgl. zu ähnlichen Anforderungen im Vollstreckbarerklärungsverfahren ausländischer Urteile, Eichel, in: Geimer/Schütze, IntRV, 47. EL, § 7 AVAG Rz. 9. 152 Zu der Möglichkeit einen solchen Antrag umzudeuten, BGH, 12.07.2006 – VIII ZR 235/04, NJW-RR 2006, 1485, 1486, bzw. zu der richterlichen Pflicht, auf die Möglichkeit der Klageänderung hinzuweisen, BGH, 13.03.2003 – IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 857; BGH, 20.06.2005 – II ZR 366/03, NJW-RR 2005, 1518.
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c) Zwischenergebnis Die Zulässigkeit der Verurteilung zu künftiger Leistung hängt ganz entscheidend davon ab, ob die Beschaffenheit der künftigen Forderung einen vollstreckbaren Leistungstitel zulässt. Der Forderung dürfen nur solche Tatsachen fehlen, die aus ex-ante-Sicht mit den Mitteln des § 726 I ZPO nachweisbar sind und deren Eintrittsbeurteilung voraussichtlich keinen Streit erwarten lässt.
4. Verteilung der Initiativ- und Risikolast Ein schon in den Motiven zum BGB-Entwurf geäußertes und bis heute von Rechtsprechung und Literatur angeführtes Korrektiv gegen eine Absenkung der Anforderungen an die Beschaffenheit einer frühklagefähigen Forderung ist der Schutz des Beklagten vor einer Veränderung der prozessualen Initiativlast und Risikoverteilung.153 Je früher man die Klage zulasse, desto mehr, so lauten die Bedenken, zwänge man den Beklagten von der initiativ- und risikoärmeren Verteidigungsstellung in die Position des Angreifers. In dieser habe er – bei unverändert laufender Zwangsvollstreckung – nun Einwände eigens mit einer Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) geltend zu machen, welche er im Normalfall im klägerseits betriebenen Verfahren vorbringen hätte können. Zwischen dem Verteidigungsvorbringen im Prozess und der selbst gewagten und vorfinanzierten Klage nach § 767 ZPO besteht ein großer Unterschied. Eine solche Einschränkung der Beklagtenposition bedarf daher guter Rechtfertigung. Indes ist die Grundannahme dieser Begründung, dass der Beklagte durch die Ausdehnung der Frühklagemöglichkeit stärker beeinträchtigt werde, näher zu hinterfragen. Dabei ist als gesichert zugrunde zu legen, dass das Risiko typischerweise nachträglich entstehender Einwendungen mit jeder Verurteilung verbunden ist, da jedes Urteil nur eine (freilich fundierte, aber zeitlich limitierte) Momentaufnahme der Tatsachenlage sein kann. Der Beklagte ist beim Urteil nach Fälligkeit also ebenso auf eigenes Risiko und Initiative auf den Weg der Vollstreckungsabwehrklage angewiesen. Fraglich ist allein, ob sich dieses Risiko erheblich steigert, wenn das Urteil vor Fälligkeit ergeht. a) Frühverurteilung bei Abhängigkeit der Forderung von einem Kalendertag Befindet das vor Fälligkeit entscheidende Gericht über alle rechtsbegründenden Tatsachen, über die es auch nach Fälligkeit entscheiden müsste, so wird das gegebene Einwendungsrisiko des Beklagten nicht merklich erhöht. Eine solche Situation tritt ein, wenn die Leistungsverpflichtung des Beklagten nur noch von einem Kalendertag abhängt, weil dann das Gericht keine Tatsache und kein 153
Nachw. oben S. 294 f.
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Ereignis ungeprüft lassen muss, um den Beklagten im Voraus zu verurteilen; dass der Kalendertag eintritt, bedarf keiner prozessualen Tatsachenerforschung. Da in solch einem Fall bereits all das eingehender Prüfung und Verteidigung unterliegt, was auch später zur Verteidigung gestanden hätte, erhöht sich das Einwendungsrisiko also nicht gerade durch die Zulassung der Frühklage. Dass bei früherer Klage die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass der Beklagte typischerweise nachträglich eintretende Einwendungen wie etwaige Zahlungen noch nicht vortragen kann, ist selbstverständlich; dieses Risiko gehört aber zum normalen, in § 767 ZPO ausgedrückten Risiko eines jeden Beklagten. Auch die Gefahr des Verbrauchs noch nicht ausgereifter Beweismittel mag für den Beklagten real sein; jedoch ist die Verfügbarkeit von Beweismitteln noch von zahlreichen anderen Umständen abhängig und wird vom Zeitpunkt der Klageerhebung nicht abstraktgenerell erhöht oder gesenkt. Wenn man von dem Erfahrungssatz ausgeht, dass die Zeit häufig gegen die Qualität des Beweises arbeitet, wirkt sich eine frühere Klage sogar günstig aus. Bei einem Urteil, das auf Basis aller gerichtlich festzustellenden rechtsbegründenden Tatsachen, aber vor Eintritt eines maßgeblichen Kalendertags ergeht, findet eine wesentliche Risikoverlagerung also nicht statt. b) Frühverurteilung ohne alle vom Kläger zu beweisenden rechtsbegründenden Tatsachen aa) Bedingte Verurteilung unter Vorbehalt späterer Tatsachenfeststellung Zu untersuchen ist, wie es sich verhält, wenn das Gericht vom Kläger zu beweisende Tatsachen, die es zu einer Verurteilung nach Fälligkeit bedürfte, ausspart. Das betrifft die Verurteilung wegen einer aufschiebend bedingten Forderung. Das Gericht trifft hier keine Prognose, sondern lässt die Tatsache bewusst im Unklaren und macht seine Verurteilung davon abhängig, ob die Tatsache eintritt.154 Die Rechtslage prüft das Gericht hingegen vollständig auf Basis der hypothetischen Annahme, dass die Tatsache eintritt. Einwände in rechtlicher Hinsicht kann der Beklagte also allesamt vortragen. Die Klärung, ob die offen gelassene Tatsache eingetreten ist, wird aus dem titelschaffenden Verfahren jedoch herausgenommen. Wenn die Verurteilung etwa unter die Bedingung der Erteilung einer Genehmigung gestellt wird und der Kläger deren Erteilung später behauptet, während sie der Beklagte bestreitet, dann würde die Zulassung der bedingten Verurteilung zulasten des Beklagten gehen, wenn er für seinen Bestreitensvortrag die Initiative auf eigenes Risiko ergreifen müsste. Die Initiativ- und Risikolast wäre verschoben. Dass dies allerdings nicht der Fall ist, zeigt eine Analyse der weiteren Verfahrensschritte, die die ZPO in einem solchen Fall vorsieht. Will der Kläger aus seinem bedingten Urteil nämlich vollstrecken, so muss er den Eintritt der offen gelassenen Tatsache durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte 154
Beispiele aus der Rechtsprechungspraxis oben B.I.1. (S. 298 f.).
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Urkunden beweisen, um eine vollstreckbare Ausfertigung zu erhalten (§ 726 I ZPO). Gelingt ihm das nicht, muss er (der Kläger!) Klauselerteilungsklage erheben (§ 731 ZPO), in der dann vor dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges die Tatsachenfeststellung nachgeholt wird, die man ursprünglich offen gelassen hatte. Gegen die Gefahr, dass der urkundliche Nachweis nach § 726 I ZPO zu lax genommen wird und der Beklagte dadurch letztendlich doch in die Angriffsposition (§§ 768, 767 ZPO) gedrängt würde, enthält das Verfahren Sicherungen: Zunächst verbürgt die Einschränkung des Beweismittels auf öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden per se eine gewisse Wahrung des Beklagten- und Allgemeininteresses an einer Unabhängigkeit und inhaltlichen Genauigkeit der Tatsachenfeststellung155 und sorgt zudem dafür, dass nur solche Tatsachen von einer richterlichen Feststellung ausgespart werden können, welche dem Beweis durch öffentliche Urkunde überhaupt zugänglich sind (etwa §§ 415, 417, 418 ZPO; für alle anderen bleibt es beim normalen Erkenntnisverfahren nach § 731 ZPO). Auch die Verortung der Prüfung beim Rechtspfleger verbürgt eine höhere Sicherung. Wichtiger aber ist, dass § 730 ZPO die Anhörung des Beklagten vor Erteilung der Klausel vorsieht und ihm Gelegenheit gibt, die Beweiskraft der Urkunden zu erschüttern und den Kläger dadurch wieder in das Klage- bzw. Erkenntnisverfahren (§ 731 ZPO) zu drängen. Die Anhörung steht zwar im Ermessen des Rechtspflegers („kann“), sollte aber – außer in ganz klaren Fällen – bei der Klage auf künftige Leistung der Regelfall sein.156 Dabei schafft die Anhörung keinerlei Last oder Pflicht für den Beklagten,157 an dem Verfahren mitzuwirken, so dass er insbesondere vor der Gefahr einer Präklusion gefeit ist.158 Sollte die Anhörung des Beklagten unterbleiben, so gewährleistet § 750 II ZPO, dass die Vollstreckungsklausel und, sofern die Vollstreckungsklausel auf Grund öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden erteilt ist, auch eine Abschrift dieser Urkunden dem Beklagten vor Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt werden, so dass der Beklagte Rechtsschutz prüfen kann. Nur in diesem Fall muss er Initiative ergreifen, wobei mit der Klauselerinnerung nach § 732 ZPO ein gerichtskostenfreies,159 einfaches und mit einstweiligem Rechtsschutz ausgestattetes Verfahren zur Verfügung steht, um den Beweis durch öffentliche Urkunden zu erschüttern und den Kläger wiederum in Aktion nach § 731 ZPO zu drängen. Nach alledem ist gewährleistet, dass die Initiativ- und Risikolast für alle forderungsbegründenden Tatsachen,160 welche im normalen Klageverfahren den Kläger 155
Vgl. MünchKomm-ZPO/Wolfsteiner, 4. Aufl. 2012, § 726 Rz. 37 – 53. § 726 I ZPO setzt nicht nur die Klage auf künftige Leistung um, Stein/Jonas/Münzberg, § 726 ZPO Rz. 3 ff. 157 MünchKomm-ZPO/Wolfsteiner, 4. Aufl. 2012, § 730 Rz. 9. 158 Stein/Jonas/Münzberg, § 730 ZPO Rz. 6. 159 Stein/Jonas/Münzberg, § 732 ZPO Rz. 16. 160 Die von § 726 I ZPO vorausgesetzte Beweislast des Vollstreckungsgläubigers entspricht der Beweislast nach allgemeinen Grundsätzen, Stein/Jonas/Münzberg, § 726 ZPO Rz. 3; MünchKomm-ZPO/Wolfsteiner, 4. Aufl. 2012, § 726 Rz. 14. 156
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
trifft, auch beim Kläger verbleibt; vor ihrer Feststellung kann nicht vollstreckt werden. Das Risiko bei der Geltendmachung von typischerweise nachträglichen materiell-rechtlichen Einwendungen (wie Erfüllung, Aufrechnung etc.), welches ohnehin der Beklagte trägt, wird durch die Frühklage nicht vergrößert, da es nicht in direkter Abhängigkeit von den forderungsbegründenden Tatsachen steht. Aus der vorstehenden Verfahrensanalyse folgt daher: Die Einklagung aufschiebend bedingter Forderungen führt nicht zu einer wesentlichen Einschränkung des Rechtsschutzes des Beklagten, da das Zwangsvollstreckungsrecht die Initiativund Risikolast beim Kläger belässt und die Rechte des Beklagten wahrt. Die gewissermaßen „natürlichen“ Grenzen der Vorverlegung der Einklagbarkeit solcher künftigen Forderungen, also die verfahrenstechnische Bewältigung des Vorbehalts späterer Tatsachenfeststellung, ergeben sich vielmehr bereits aus den strukturellen Grenzen des Zwangsvollstreckungsverfahrens (oben 3.c). bb) Unbedingte Verurteilung unter Antizipation späteren Tatsacheneintritts Zu einer Verschiebung der prozessualen Initiativ- und Risikolast könnte es im Rahmen der Verurteilung zu künftig wiederkehrenden Leistungen kommen. Diese findet auch in Bezug auf solche wiederkehrenden Leistungen statt, deren rechtliche Begründung nicht von einem einmal zu beurteilenden Lebenssachverhalt abhängen, sondern von der im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit jeweils gegebenen Tatsachengrundlage, die nicht jedes Mal durch öffentliche Urkunde (§ 726 ZPO) bewiesen werden soll oder schlicht so nicht beweisbar wäre. Illustriert wird dieser Unterschied durch die Gegenüberstellung eines Auftrags (§ 662 BGB), aus dem etwa monatliche Lieferverpflichtungen für drei Jahre resultieren, und einer Unterhaltsverpflichtung für denselben Zeitraum. In ersterem Fall lassen sich mit der Feststellung des entsprechenden Vertragsschlusses sämtliche forderungsbegründende Umstände (mit Ausnahme des Eintritts der Leistungszeit) für sämtliche künftigen Leistungen feststellen. Die Unterhaltsverpflichtung ist hingegen abhängig von der jeweils aktuellen Bedürftigkeit des Gläubigers und der jeweils aktuellen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten (etwa §§ 1602, 1603 BGB), die deshalb nicht „ein für allemal“ für jeden Leistungszeitraum feststellbar sind.161 Um dennoch immer neue Prozesse zu vermeiden, ist eine Prognose zum Vorliegen dieser Voraussetzungen im jeweiligen Leistungszeitraum erforderlich.162 Es erfolgt also keine „defizitäre Tatsachenfeststellung unter Vorbehalt weiterer Sachverhaltsaufklärung“ wie bei § 726 I ZPO, sondern ein Absehen von weiterer Tatsachenfeststellung und deren Ersetzung durch eine Prognose. Der Ausdruck
161
Braun, Abänderungsklage, S. 9 m. w. Bspen. Braun, Abänderungsklage, S. 8 f.; Grunsky, GS Michelakis, S. 377, 378. Durch eine zu laxe Handhabung der Prognoseanforderungen würde man die prozessuale Initiativlast zulasten des Beklagten ändern, der gehalten ist, eine Veränderung der Umstände per Klage nach § 323 ZPO geltend zu machen, Stein/Jonas/Roth, § 258 ZPO Rz. 6. 162
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„Vorausentscheidung“163 gibt dies treffend wieder. Durch diese Prognose verschieben sich bei § 258 ZPO in der Tat die prozessuale Initiativ- und Risikolast zulasten des Beklagten. Denn die im Zeitpunkt der Verurteilung noch ungewisse Tatsache der Fortdauer der forderungsbegründenden Umstände soll im Sinne der Prozessökonomie im Zeitpunkt der Vollstreckung nicht mehr eigens festgestellt werden. Damit liegt – anders als bei einer bedingten Verurteilung – die Initiativlast hinsichtlich der künftigen Feststellung der noch ausstehenden Tatsachen beim Beklagten, auch wenn es sich um die die künftige Leistung begründende Umstände handelt,164 welche bei Klage nach Fälligkeit zwangsläufig auf Initiative und Risiko des Klägers geklärt worden wären. Deutlich wird diese Verschiebung auch daran, dass der Beklagte in Form des Abänderungsantrags (§ 323 ZPO, § 238 FamFG) einen eigenen Rechtsbehelf erhält.165 Der prozessuale Umstand der Prognose sorgt also dafür, dass gerade durch die Frühklage die mehrheitlich befürchtete Verschiebung der Initiativ- und Risikolast zulasten des Beklagten real wird. c) Frühverurteilung ohne Feststellung von seitens des Beklagten zu beweisender Tatsachen Von den Frühverurteilungen ohne alle erforderlichen rechtsbegründenden Tatsachen sind Frühverurteilungen zu unterscheiden, denen zu ihrer materiellrechtlichen Rechtfertigung – vorübergehend – eine Tatsache fehlt, die eine Einwendung begründet und in die Beweislast des Beklagten fällt. Es handelt sich dabei um Fälle, bei denen eine Leistungsverpflichtung an sich angenommen werden könnte, deren Titulierung aber noch ein vom Beklagten zu beweisender rechtshindernder, rechtsvernichtender oder rechtshemmender Umstand entgegensteht, welcher die Leistungspflicht vorübergehend ausschließt.166 Beispiele wären die vorübergehende Unmöglichkeit167 oder aber vom Beklagten erhobene dilatorische Einreden.168 Soweit die Rechtsprechung169 hier vereinzelt von einer „bedingten“ (weil in ihrer Durchsetzung von einem tatsächlichen Ereignis abhängigen) Forderung spricht, kann dies nicht mit einer im herkömmlichen Sinne „aufschiebend bedingten“ Forderung gleichgesetzt werden. Denn diese würde voraussetzen, dass eine rechtsbegründende Voraussetzung aussteht, deren Eintritt vom Frühkläger zu beweisen ist.170 163
Braun, Abänderungsklage, Vorwort. Vgl. MünchKomm-ZPO/Gottwald, 4. Aufl. 2013, § 323 Rz. 71 f. 165 Grunsky, GS Michelakis, S. 377, 381 ff. Zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Beklagten bei den Anforderungen an die Prognose selbst vgl. BGH, 17.11.2006 – V ZR 71/06, NJW 2007, 294 f. 166 Diese Fallgruppe hat Gsell, FS Buchner, 2009, S. 267, 273, für die von ihr untersuchten Fälle der vorübergehend unmöglichen Leistungsverpflichtungen entwickelt. 167 Dazu Gsell, FS Buchner, 2009, S. 267 ff. 168 Wieczorek/Schütze/Assmann, § 257 ZPO Rz. 11. 169 Etwa RG, 14.08.1941 – II 49/41, RGZ 168, 321, 325. 170 Palandt/Ellenberger, 73. Aufl. 2014, Einf v § 158 Rz. 14. 164
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
Diese Fälle sind unter dem Blickwinkel des Beklagtenschutzes in der Tat problematisch. Da zur Frage der endgültigen Verurteilung nur noch festzustellen ist, dass und wann das Leistungshindernis wegfällt und für diesen Umstand dem Beklagten die Beweislast obliegt, enthält das Vollstreckungsrecht, welches mit § 726 I ZPO nur vom Frühkläger zu beweisende Tatsachen betrifft,171 im Übrigen keine Sicherungen. Der erfolgreiche Frühkläger könnte ohne weiteren Nachweis eine einfache Vollstreckungsklausel nach § 724 ZPO erlangen.172 Der Beklagte hingegen wäre als Vollstreckungsschuldner gehalten, die fortdauernde Aussetzung der Leistungspflicht über § 767 ZPO auf eigene Initiative und Risiko geltend zu machen. Hier bedeutet die Frühklage in der Tat eine Benachteiligung der Beklagtenstellung, da er diese Einwendungen bei einer Klage nach behaupteter Fälligkeit im Klageverfahren hätte vorbringen können. Da es sich somit nicht um typischerweise nachträgliche, sondern um solche Einwendungen handelt, die in direkter Abhängigkeit von der Feststellung der forderungsbegründenden Tatsachen stehen, würde die Frühklage hier zu einer Verschiebung der prozessualen Initiativ- und Risikolast führen. Indes ist dieser Umstand von der Beweislastverteilung und damit in den hier behandelten Fällen vom materiellen Recht173 vorprogrammiert. Daher könnte man diesen Schiefstand als vom materiellen Recht gewollt hinnehmen. Das setzt allerdings voraus, dass Grundlage der Beweislastverteilung auch Erwägungen wie die prozessuale Risiko- und Initiativlast sind. Für die prozessuale Risikoverteilung trifft das zu; Beweislastregeln verkörpern geradezu die prozessuale Risikoverteilung, da sie für non-liquet-Situationen gedacht sind.174 Insoweit ist die Beweislast das „Rückgrat des Zivilprozesses“ und als solcher „der ruhende Pol, nach dem sich alles prozessuale Geschehen ausrichten muss“.175 Dass bei der Anordnung der Beweislast auch berücksichtigt würde, wer die prozessuale Initiative zu ergreifen habe, lässt sich hingegen nicht bestätigen, zumal etwa dem Beklagten offensteht, negative Feststellungsklage zu erheben, ohne dass die Beweislastverteilung darunter leidet.176 Aus diesem Grunde kann die 171 MünchKomm-ZPO/Wolfsteiner, 4. Aufl. 2012, § 726 Rz. 14. § 726 ZPO spricht vom (Vollstreckungs‑)„Gläubiger“. Dieser kann aus Sicht von §§ 257 – 259 ZPO mit dem Kläger gleichgesetzt werden, da – anders als bei § 256 ZPO – der Kläger der §§ 257 – 259 ZPO immer der (potentielle) Gläubiger ist. 172 Gsell, FS Buchner, 2009, S. 267, 274. 173 Nach heutigem Verständnis gehört die Beweislastnorm „zu demselben Rechtsgebiet wie der Rechtssatz, dessen Voraussetzungen die streitigen Tatsachen begründen sollen“, Prütting, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting (Hrsg.), Hb. Beweislast, Grundlagen, § 5 Rz. 16 m. Nachw. 174 Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting (Hrsg.), Hb. Beweislast, Grundlagen, § 3 Rz. 20, sowie Prütting, ebd., § 5. 175 Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting (Hrsg.), Hb. Beweislast, Grundlagen, § 3 Rz. 4 m. Nachw. 176 Vgl. auch Prütting, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting (Hrsg.), Hb. Beweislast, Grundlagen, § 5 Rz. 38, wonach auch der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit nicht ausschlaggebend ist. Siehe aber BGH, 24.03.1999 – XII ZR 124/97, BGHZ 141, 160, 162, der die Problematik der Verlagerung in die Vollstreckungsgegenklage immerhin im Auge hat.
C. Auslegung
323
Schlechterstellung des Beklagten nicht als vom materiellen Recht vorgegeben hingenommen werden. Folglich ist sie mit dem Verfahrensrecht zu bewältigen. Eine bedingte Verurteilung ist jedoch nicht möglich. Selbst wenn es sich in diesen Fällen nämlich um bestimmt formulierbare Bedingungen handelte (Bsp.: „Der Beklagte wird zur Leistung verurteilt, wenn das seiner Leistungsfähigkeit entgegenstehende Hindernis X weggefallen ist.“), würde der Kläger dann keine vollstreckbare Ausfertigung erhalten. Der Grund dafür liegt darin, dass das Vollstreckungsrecht den bedingten Titel nur zulässt, wenn der Eintritt der Bedingung vom Vollstreckungsgläubiger zu beweisen ist (§ 726 I ZPO), während in den übrigen Fällen die Ausfertigung nach § 724 ZPO vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erteilen ist, der einen bedingten Titel nicht für vollstreckbar erklären kann.177 Unbedingt kann das Gericht allerdings ebenso wenig verurteilen, da die materielle Rechtlage eben noch keine Verpflichtung des Beklagten vorsieht. Gsell schlägt zur Lösung insoweit eine aufschiebend befristete Verurteilung zum Zeitpunkt des prognostizierten Wegfalls der Einwendung vor.178 Das verhindert eine vorherige Vollstreckung und zwingt den Beklagten erst nach Ablauf der Frist zur Vollstreckungsklage. Der Beklagte hätte jedoch – unter dem Blickwinkel der vorliegenden Untersuchung – nicht viel gewonnen, da ihm die Möglichkeit zur Geltendmachung der Einwendung auf Risiko und Initiative des Klägers weiterhin genommen ist; auch bleibt bei dieser Lösung unklar, was geschehen soll, wenn die Einwendung vor Ablauf der Frist wegfällt und der Frühkläger dann wider der materiellen Rechtslage gezwungen wäre abzuwarten.179 Vor allem aber würde diese Lösung bedeuten, dass das Gericht den Wegfall des Leistungshindernisses zum Ablauf der Frist prognostiziert. Das aber, insoweit sei ein Ausblick auf die Auslegung von §§ 257 – 259 ZPO gegeben, sieht das Gesetz für die hier thematisierte Fallgruppe nicht vor.180 In den Fällen der vom Beklagten zu beweisenden vorübergehenden Einwendung ist die Frühklage also schlechthin nicht vorgesehen, so dass insoweit eine nachteilige Verschiebung der prozessualen Initiativ- und Risikolast zulasten des Beklagten kein Thema ist. Ob ein solcher Fall oder aber ein Fall einer bedingten Verurteilung gemäß § 726 ZPO vorliegt, hängt also von der materiell-rechtlichen und genau zu ermittelnden Frage ab, wer die noch ausstehende Tatsache zu beweisen hat. Grenzfälle können hier insbesondere die negativen Tatsachen bilden,181 bei denen genau zu eruieren ist, ob sie im Einzelfall wirklich eine (negative und vom Frühkläger zu beweisende) Bedingung
177
Musielak/Lackmann, § 724 Rz. 4 u. 7. Gsell, FS Buchner, 2009, S. 267, 276 ff. 179 Freilich würde eine entsprechende Befristung nur auf seinen Antrag hin geschehen, aber das löst die Problematik nicht vollends. 180 Dazu unten III.4. 181 Zum Begriff der negativen Tatsache Prütting, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting (Hrsg.), Hb. Beweislast, Grundlagen, § 5 Rz. 45 und Laumen, ebd. § 15. 178
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
darstellen. Die Entscheidung BGHZ 141, 160182 illustriert das besonders gut: Der BGH qualifizierte hier die Forderung auf Rückzahlung einer Mietkaution als bedingte Forderung; Bedingung für ihre Entstehung sei die erst künftig festzustellende Abwesenheit von Gegenforderungen des Vermieters. Die Eigenschaft als eine vom Frühkläger zu beweisende Bedingung folgerte der BGH aus dem Sicherungszweck der Kaution. Damit liegt ein Fall von § 726 ZPO vor und es droht keine Inititiativ- oder Risikoverschiebung; nur im Falle einer gegenteiligen Qualifizierung wäre, wie der BGH richtig erkannte, der beklagte Vermieter in eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gedrängt worden.183 d) Fazit zur Initiativ- und Risikolast Die von der herrschenden Meinung und in den Materialien am nachhaltigsten betonte Prämisse für die Auslegung der Frühklagevorschriften, nämlich die Gefahr der Verlagerung von Beklagteneinwänden in die Vollstreckungsabwehrklage, ist bereits für die meisten von der Literatur diskutierten Fälle, nämlich den aufschiebend bedingten Forderungen im herkömmlichen Sinne, nicht real. Die Verurteilung unter Vorbehalt einer vom Kläger zu beweisenden Tatsache wird durch diesen Aspekt nicht eingeschränkt. Er taugt daher nicht als pauschales Korrektiv gegen eine ausdehnende Auslegung der Frühklagevorschriften. Wirklichkeit wird die Verschiebung der prozessualen Initiativ- und Risikolast zulasten des Beklagten nur dann, wenn es um die Verurteilung zu wiederkehrenden Leistungen geht, welche auf einer Prognose künftiger Tatsachen beruht. Dieser Befund ist bei der Auslegung von § 258 ZPO zu berücksichtigen. Darüber hinaus würde der Beklagte zwar benachteiligt, wenn man die Frühklage in Situationen zuließe, in denen seine Leistungsverpflichtung noch vorübergehend durch einen durch ihn zu beweisenden Umstand ausgeschlossen ist; hier wahrt jedoch bereits das Vollstreckungsrecht seine Interessen, das eine Klauselerteilung für eine solche bedingte Verurteilung nicht vorsieht.
5. Rechtsschutzbedürfnis § 259 ZPO verlangt für die Zulässigkeit der Frühklage ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis in Form der zu besorgenden Leistungsentziehung des Schuldners. Dies wird – in Bezug auf die Beschaffenheit der künftigen Forderung – einerseits als notwendiges Korrektiv gegenüber einer Ausdehnung der Frühklagemöglichkeit durch § 259 ZPO gehandhabt, andererseits aber auch als Rechtfertigung für eine gegenüber §§ 257, 258 ZPO weite Auslegung von § 259 ZPO gesehen.184 182
BGH, 24.03.1999 – XII ZR 124/97, BGHZ 141, 160. Zur Analyse dieser Entscheidung siehe noch D.I. (S. 339). 184 Stein/Jonas/Roth, § 259 ZPO Rz. 3; Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 30, 47 und passim. 183
C. Auslegung
325
Umgekehrt wird die bei §§ 257, 258 ZPO fehlende Voraussetzung eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses für die restriktive Auslegung dieser Vorschriften ins Feld geführt.185 Das wirft die Frage auf, was das Rechtsschutzbedürfnis nun eigentlich ist: ein Vorbehalt oder ein Freibrief? Ihr soll zunächst aus dem Blickwinkel des allgemeinen prozessualen Rechtsschutzbedürfnisses nachgegangen werden (a.); anschließend ist zu untersuchen, ob die Verurteilung vor Fälligkeit ein eigengeartetes Rechtsschutzbedürfnis erfordert (b.), um dann die Funktion des in § 259 ZPO eigens formulierten Rechtsschutzbedürfnisses zu ergründen (c.). a) Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis Der Kläger hat für die Leistungsklage regelmäßig ein Rechtsschutzbedürfnis und muss dieses nicht eigens nachweisen; es fehlt ausnahmsweise, wenn Rechtsschutz auch ohne gerichtliche Hilfe erreichbar oder durch andere Rechtschutzmittel wirkungsvoller erreicht werden kann oder wenn der Kläger Klage nur deshalb erhebt, um rechtlich missbilligte Zwecke zu erreichen.186 Abgesehen von letzterem, und damit im Regelfall, dient das Rechtsschutzbedürfnis dem Schutz des Gerichts vor ineffizienter Inanspruchnahme seiner Ressourcen.187 Dieses allgemeine, an der Prozessökonomie orientierte Rechtsschutzbedürfnis gilt genauso für die Klage auf künftige Leistung.188 Es darf in den von §§ 257 – 259 ZPO geregelten Fällen nur nicht mit dem Hinweis abgetan werden, der Kläger solle noch abwarten, und in den Fällen des §§ 257, 258 ZPO nicht mit dem Hinweis, der Beklagte habe sich noch gar nicht geäußert, da der Gesetzgeber hier das bloße „Titulierungsinteresse“ vor Fälligkeit explizit anerkennt.189 Lediglich in den Fällen, in denen die Forderung derart künftig und die Tatsachengrundlage so defizitär ist, dass nicht mehr als eine summarische Prüfung möglich wäre, wird das Gericht die Frühklage mangels allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses abweisen dürfen. Die Grenzen, welche das Vollstreckungsrecht der bedingten Verurteilung bereits setzt (s. o. S. 314 ff.), sind jedoch viel enger, so dass das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis als Grenze gegen zu wenig bestimmte Forderungen de facto keine Rolle spielt.
185
Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 78. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 89 Rz. 30 f. 187 Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 39 I 2. 188 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 89 Rz. 30 f. 189 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 89 Rz. 31. Der Frühkläger kann im Allgemeinen auch nicht auf das andere Rechtsschutzmittel der vorläufigen Vollstreckungssicherung verwiesen werden, wenn es gerade sein Ziel ist, unmittelbar mit Fälligkeit sein Recht durchsetzen, die geschuldete Leistung tatsächlich zu erlangen und darüber verfügen zu können. 186
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
b) Rechtsschutzbedürfnis für die Verurteilung vor Fälligkeit Das Rechtsschutzbedürfnis schützt also knappe gerichtliche Ressourcen. Es dient nicht dem Schutz des Beklagten vor grundlosen – im Sinne von „nicht von ihm veranlassten“190 – Prozessen.191 Denn Rechtsschutz für den Gläubiger ist nicht an eine Rechtsverletzung seitens des Schuldners gekoppelt. Darüber legt § 93 ZPO Zeugnis ab,192 der eng mit dem Verzicht auf ein „Rechtsschutzbedürfnis kraft Rechtsverletzung“ verbunden ist:193 Kann der Kläger nämlich den Beklagten mit einer Klage überziehen, obwohl dieser an sich leistungsbereit und -willig ist, so muss es dem Beklagten möglich sein, den mit dem Klageverfahren verbundenen Kosten zu entkommen. § 93 ZPO ermöglicht dies bei sofortigem Anerkenntnis der Klageforderung. Im Zusammenspiel mit dem Verzicht auf eine Rechtsverletzung bedeutet das: Die Rechtsordnung erkennt das bloße Interesse des Klägers an, sich einen Titel zu verschaffen („Titulierungsinteresse“194), der Kläger muss dafür aber bezahlen, wenn von Seiten des Beklagten ein Prozess nicht nötig gewesen wäre.195 Fraglich ist, ob sich diese Grundlagen auf die Frühverurteilung übertragen lassen. Dafür spricht, dass auch hier § 93 ZPO bereit steht. Dennoch würde es verwundern. Die normale Verurteilung beruht nämlich auf dem materiell-rechtlichen Befehl, zu leisten; der Beklagte steht immerhin in der Pflicht und befindet sich – wenigstens objektiv – im Widerspruch zur Rechtslage, sonst würde sich das Urteil erledigen. Bei der Verurteilung vor Fälligkeit verhält es sich anders: Für den Beklagten besteht nicht der geringste Anlass, seine Leistungsbereitschaft zu demonstrieren, und er steht gegenwärtig nicht in der Pflicht. Daher kann trotz Anwendbarkeit der Schutzvorschrift des § 93 ZPO nicht gelten, dass für jede Verurteilung vor Fälligkeit kraft Behauptung einer künftigen Forderung genauso ein Rechtsschutzbedürfnis besteht wie dies für die Verurteilung nach Fälligkeit der Fall ist.196 Daraus ergibt sich, dass es sich bei §§ 257 – 259 ZPO um Ausnahmebestimmungen handelt und bei §§ 257, 258 ZPO um eine schablonenhafte Abbildung eines ausnahmsweise durch die Rechtsordnung zugestandenen Rechtsschutzbedürfnisses für die Frühklage.197 Während § 259 ZPO ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis im Wortlaut formuliert, sind die in §§ 257, 190
Rechtlich „grundlose“ Prozesse lässt das Recht nicht zu; die Klage wird zulasten des Klägers abgewiesen mit der Folge der Kostentragung (§ 91 ZPO); zum Schutz des Beklagten bei insolventem Kläger, Hau, FS Rüßmann, S. 555. 191 Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 39 I 2. 192 Moos, Klage auf künftige Leistung, 1902, S. 6 – 8; Stein, Voraussetzungen des Rechtsschutzes, 1903, S. 67 – 69; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 89 Rz. 14. 193 Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 39 I 2. 194 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 89 Rz. 30. 195 Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 83. 196 So Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, § 39 II a. E.; Henckel, AcP 174 (1974), 97, 104; im Ergebnis ebenso Bittmann, FamRZ 1986, 420, 421, der allerdings § 93 ZPO nicht berücksichtigt. 197 Formulierung nach Stein, Voraussetzungen des Rechtsschutzes, 1903, S. 68 („schablonenmäßige Verallgemeinerung“).
C. Auslegung
327
258 ZPO sachlich eingegrenzten Tatbestände also Ausdruck eines für diese Fälle pauschal eingeräumten Rechtsschutzbedürfnisses für eine frühe Titulierung. Eine im Einzelfall fehlende Veranlassung des Prozesses seitens des Beklagten findet bei §§ 257, 258 ZPO über § 93 ZPO Berücksichtigung.198 c) Besonders statuiertes Rechtsschutzbedürfnis in § 259 ZPO § 259 ZPO verlangt ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis in Form der zu besorgenden Leistungsentziehung des Schuldners. Die Klage, welche der Beklagte nicht veranlasst hat, soll im Fall des § 259 ZPO bereits nicht zulässig sein. In der Folge spielt § 93 ZPO hier keine Rolle.199 aa) Ausdruck generell eingeschränkter Frühklagebefugnis Ein Grund für das in § 259 ZPO tatbestandsmäßig angeordnete Rechtsschutzbedürfnis liegt in dem eben erörterten Grundsatz-Ausnahmeverhältnis. Weil § 259 ZPO – anders als §§ 257, 258 ZPO – thematisch nicht eingeschränkt ist und eine allgemeine Klage auf „künftige Leistung“ ermöglichen würde, muss der Tatbestand auf diese Weise beschränkt werden. Zwar würde der Beklagte ohnedies über § 93 ZPO vor der nicht veranlassten Klage geschützt. Das aber hätte den Anschein erzeugt, dass für die Frühklage wie für jede andere Klage ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis anerkannt wird, und dies ist eben nicht zutreffend (s. soeben b). bb) Schutz des Synallagmas Der Grund, warum § 259 ZPO die Besorgnis der Leistungsentziehung nicht über § 93 ZPO berücksichtigt, sondern zu einer Voraussetzung für eine Sachentscheidung erhebt, könnte allerdings noch ein weiterer, nämlich der Schutz des Synallagmas sein. Wie oben erläutert, gelten §§ 257, 258 ZPO nur für „einseitige“ Forderungen, während § 259 ZPO auch auf synallagmatische Forderungen anwendbar ist.200 Bereits das Reichsgericht hatte die Beschränkung von §§ 257, 258 ZPO auf einseitige Forderungen mit dem materiell-rechtlichen Synallagma begründet:201 Ein Synallagma nach §§ 320, 322 BGB ist einerseits Ausdruck eines Austauschvertrages, andererseits aber eine beiderseits wirkende Sicherung, die ein gewisses Vertragsgleichgewicht herstellt. Dieses würde empfindlich gestört, wenn man ohne weiteren Grund dem Gläubiger erlauben würde, einen Titel über sämtliche künftig zu erbringende Leistungen zu erlangen, mit dem er diese gegen den Willen des Schuldners erzwingen kann. Des Schuldners Recht aus § 320 BGB, 198
Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 134, 138. Wieczorek/Schütze/Assmann, § 259 ZPO Rz. 42; Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 138. 200 Oben S. 296 f. 201 RG, 10.10.1905 – III 245/05, RGZ 61, 333, 336. 199
328
§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
seine Leistung zurückzuhalten, wenn der Gläubiger seinerseits nicht leistet, wäre dann obsolet bzw. an ein Klageverfahren nach § 767 ZPO gebunden, während dessen der Gläubiger die Erzwingung der an sich synallagmatischen Leistung weiterbetreiben könnte (§ 775 ZPO). Ein vorzeitiger Titel für den Gläubiger würde also dem Schuldner die mit dem Synallagma verbundene Sicherheit nehmen, auf eine nicht oder schlecht erbrachte Gegenleistung durch Zurückhaltung der eigenen zu reagieren. Indem sie sich auf „einseitige“ Forderungen beschränken, schützen §§ 257 und 258 ZPO also das Synallagma.202 Ein Blick in die Vorschriften der §§ 320 ff. BGB zeigt, dass dies auch für § 259 ZPO gilt, und zwar gerade wegen des dort verlangten besonderen Rechtsschutzbedürfnisses. Zu den Vorschriften, die ein Synallagma regeln, gehört § 321 BGB und dieser bringt zum Ausdruck, dass die Besorgnis künftiger Leistungsentziehung einen Eingriff in das Gegenseitigkeitsverhältnis rechtfertigen kann:203 In den Fällen des § 321 BGB rechtfertigt die Gefährdung des Vertragszwecks also eine Änderung des Vereinbarten.204 Dementsprechend rechtfertigt eine Rechtsgefährdung den Eingriff in das Synallagma durch Klage auf künftige Leistung nach § 259 ZPO. Dieser Zusammenhang zwischen dem in § 259 ZPO geforderten Rechtsschutzbedürfnis und der Erfassung gegenseitiger Forderungen zeigt sich gerade auch darin, dass § 259 ZPO die Klageveranlassung zu einer Prozessvoraussetzung erhebt. Anders als bei §§ 257, 258 ZPO, wo sie bei der Kostenverteilung berücksichtigt wird, wirkt die fehlende Klageveranlassung bei § 259 ZPO also als Titelsperre: In einem ungefährdeten Synallagma darf es eben keinen Titel für die künftige Leistung geben, selbst wenn der Kläger hierfür nach § 93 ZPO „bezahlen“ würde. cc) Synallagma und Bedingung Angesichts dessen, dass die Rechtsprechung zu §§ 257 ff. ZPO unter den von einer Gegenleistung abhängigen Forderungen auch solche versteht, deren Erwerb eine Leistung an einen Dritten voraussetzt,205 seien die Grundlagen der §§ 320 ff. BGB an dieser Stelle in Erinnerung gerufen. Kennzeichen eines durch diese Vorschriften beschriebenen Synallagmas ist nicht das bloße Faktum, dass der Gläubiger ebenso eine Leistung erbringt (ob als Vor‑, Zug-um-Zug-Leistung oder als Leistung an einen Dritten), sondern dass dies gerade aus der Motivation heraus geschieht, um seinerseits eine Leistung vom Schuldner zu erhalten (und umgekehrt).206 Das ist bei der Leistung an einen Dritten, welche Voraussetzung für den Erwerb der gegen den Schuldner gerichteten Forderung ist,207 besonders gut zu prüfen. 202 Daher findet auch keine entsprechende Verschiebung der prozessualen Initiativ- und Risikolast statt; näher dazu, unter anderem Blickwinkel, bereits oben C.II.4. (S. 317 ff.). 203 Wie für § 259 ZPO genügt seit der Schuldrechtsreform auch für § 321 BGB die bloße Leistungsunfähigkeit, Kaiser, NJW 2010, 1254. 204 Staudinger/Otto, Neubarb. 2009, § 321 R. 4. 205 Oben bei B.I.2/3. (S. 299 f.). 206 Larenz, Schuldrecht I, § 15 I; Staudinger-Eckpfeiler/Huber, Rz. D – 16 ff. 207 Bspe. oben im Text nach Fn. 50.
C. Auslegung
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Die von einem Dritten unter der Bedingung der Bezahlung abgetretene einseitige Forderung wird jedenfalls nicht zu einer i. S. v. §§ 320 ff. BGB gegenseitigen Forderung, weil der neue Gläubiger für ihren Erhalt an den Dritten (den Zedenten) eine Leistung erbringen muss.208 Es handelt sich vielmehr schlicht um eine Bedingung für die Entstehung der Forderung und ihre Gruppierung mit anderen Gegenleistungen im eigentlichen Sinne ist nur dort zufällig richtig, wo eine Vorschrift weder auf synallagmatische noch auf bedingte Forderungen anwendbar ist, führt aber dort zu Fehlern, wo eine Vorschrift nur das eine oder das andere zulässt.209 d) Fazit zum Stellenwert des Rechtsschutzbedürfnisses §§ 257, 258 ZPO sind ihrerseits Ausdruck eines von der Rechtsordnung ausnahmsweise und für bestimmte Forderungen pauschal konzedierten Rechtsschutzbedürfnisses für eine Frühklage und unter diesem Gesichtspunkt ist eine restriktive Auslegung ihres sachlichen Anwendungsbereichs zu rechtfertigen; der Schutz des Beklagten vor nicht veranlassten Klagen erfolgt bei §§ 257, 258 ZPO aber durch § 93 ZPO. Das in § 259 ZPO ausdrücklich verlangte besondere Rechtsschutzbedürfnis verdeutlicht den Ausnahmecharakter der Frühklage. In erster Linie rechtfertigt es aber, die auf § 259 ZPO gestützte Klage auch für gegenseitige Forderungen zuzulassen, weil das vereinbarte Synallagma im Fall zu besorgender Leistungsentziehung weniger Schutz verdient.
6. Anerkenntniszumutbarkeit? Der Verzicht auf die Klageveranlassung als Prozessvoraussetzung und § 93 ZPO hängen, wie gesehen, so eng zusammen, dass das eine nicht ohne das andere möglich ist, da sonst der Beklagte Kosten aufwenden müsste, die er nicht veranlasst hat. Um diese Kostenlast zu meiden, muss er allerdings sofort anerkennen. Nun wäre es denkbar, dass ein Anerkenntnis voraussetzt, dass der Beklagte die Rechts- und Tatsachenlage einschätzen kann. Bei einer fälligen Verpflichtung wäre dies immer gegeben, da sich sämtliche forderungsbegründende Tatsachen zugetragen haben. Anders ist es bei der Frühklage, die ein Endurteil auf defizitärer Tatsachenlage anstrebt. Zum Zeitpunkt der Verurteilung sind nicht alle Tatsachen feststellbar, aufgrund derer der Beklagte das Anerkenntnis erwägen könnte. Aus diesem Umstand wird in der Literatur eine Art Anerkenntniszumutbarkeit als Grenze für die Frühklagezulassung erwogen.210 Spinnt man den Gedanken fort,
208
Das übersieht BGH, 17.04.1952 – III ZR 109/50, BGHZ 5, 342, 343 f. Dazu noch unten D.II. 210 Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 83. 209
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
müsste man verlangen, dass sich alle forderungsbegründenden Tatsachen ereignet haben und die Verpflichtung lediglich von einem Kalendertag abhängt, damit eine sichere Grundlage für das Anerkenntnis gegeben wäre. Sobald es hieran, etwa bei Einklagung einer bedingten Forderung, fehlen würde, wäre ein Anerkenntnis unzumutbar und dann müsste zweifellos die Frühklage unzulässig sein, da der Beklagte ansonsten die Kostenlast nicht nach § 93 ZPO abwehren könnte. Konsequenterweise müsste man diesen Ansatz sogar auf § 259 ZPO übertragen. Hier steht zwar § 93 ZPO nicht in Rede, aber der Beklagte würde der ihm seit dem Jahr 2002 zustehenden Möglichkeit beraubt, ohne Mitwirkung des Klägers nach § 307 ZPO durch Anerkenntnis seine Kostenlast zu reduzieren. Der Gedanke der Anerkenntniszumutbarkeit ist im Ansatz richtig. Jedenfalls dort, wo eine Klageveranlassung nicht Prozessvoraussetzung ist, darf die Klageforderung nicht derart vage sein, dass ein Anerkenntnis nicht möglich wäre, da § 93 ZPO für den Schutz des Beklagten unerlässlich ist (s. o. S. 326). Dennoch ist zu bezweifeln, dass es innerhalb der oben ermittelten verfahrensstrukturellen Grenzen zu einem Fall kommen kann, in dem ein Anerkenntnis nicht zumutbar ist. Das Anerkenntnis führt schließlich zu einem Endurteil und, wenn dieses nach streitigem Verfahren möglich ist, muss auch das Anerkenntnis möglich sein. Ein Anerkenntnis unter Vorbehalt wird auch gemeinhin als zulässig erachtet.211 Denn die hieraus resultierende Kostenentscheidung zulasten des Klägers bleibt endgültig, während ungewiss nur ist, ob der Kläger den Titel nutzen können wird. Wenn das Gericht unter Vorbehalt künftig eintretender Ereignisse urteilen kann, so kann dies eben auch der Beklagte. Vor einer Anfangs unpräzisen Klage ist er durch eine teleologische Auslegung des § 93 ZPO ausreichend geschützt, wonach ihm die Last zur sofortigen Anerkennung erst zu dem Zeitpunkt erwachsen darf, zu dem der Klageantrag klarstellt, unter welche(n) tatsächlichen Vorbehalt(e) das Urteil gestellt werden soll.212 Bei der Bestimmung des Zeitpunkts, wann ein Anerkenntnis noch sofort erfolgt und kostenbefreiend ist, spielt die Zumutbarkeit also in der Tat eine Rolle; Auswirkungen auf die Beschaffenheit einer zur Frühklage berechtigenden künftigen Forderung aber hat sie nicht. Wenn die Forderung vollstreckbar tituliert werden kann, ist eben auch ihre Anerkennung möglich.
7. Zusammenfassung: Vorgaben für die Auslegung von §§ 257 – 259 ZPO Die vorstehenden Untersuchungen haben ergeben, dass §§ 257 – 259 ZPO – soweit es nicht um dem materiellen Recht klar entlehnte Begriffe (wie „Gegenleistung“, „Forderung“ und „Fälligkeit“) geht – nicht am Maßstab des materiellen Rechts
211
Stein/Jonas/Bork, § 93 Rz. 5. Vgl. Stein/Jonas/Bork, § 93 Rz. 10 ff.
212
C. Auslegung
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auszulegen sind (oben C.I.). Die allgemeinen Anforderungen an die Beschaffenheit einer künftigen Forderung ergeben sich aus den prozessualen Rahmenbedingungen für eine Frühklage. Hierbei gilt: Die Auslegung der §§ 257 – 259 ZPO ist daran auszurichten, ob ein vollstreckbarer Titel geschaffen werden kann; den Rahmen für die Frühklagefähigkeit einer künftigen Forderung setzt damit in erster Linie das Vollstreckungsrecht. Der Forderung dürfen nur solche Tatsachen fehlen, die vom Kläger zu beweisen sind (oben S. 321 ff.). Dabei darf es sich nur um solche Tatsachen handeln, die aus ex-ante-Sicht mit den Mitteln des § 726 I ZPO nachweisbar sind und deren Eintrittsbeurteilung voraussichtlich keinen Streit erwarten lässt (oben S. 314 ff.). Des Weiteren zwingt die Tatsache, dass für eine Frühklage nicht selbstverständlich ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, zu einer generell restriktiven Auslegung des sachlichen Anwendungsbereichs von §§ 257, 258 ZPO, dessen Eingrenzung Ausdruck eines pauschaliert, aber eben sachlich beschränkt konzedierten Rechtsschutzbedürfnisses ist (oben S. 326). Eine defizitäre Tatsachengrundlage, auf der ein Titel über eine weniger als nur betagte, künftige Forderung ergehen müsste, wirkt sich im Regelfall nicht zulasten des Beklagten aus, und zwar weder hinsichtlich der Möglichkeit, nach § 93 ZPO anzuerkennen, noch hinsichtlich prozessualer Initiativ- und Risikolasten. Die prozessuale Schlechterstellung des Beklagten ist nur dann zu berücksichtigen, wenn es um die Verurteilung zu wiederkehrenden Leistungen aufgrund prognoseweise angenommener Tatsachengrundlage geht: Hier ist eine Verschiebung der Initiativund Risikolast zulasten des Beklagten Realität und dem muss die Auslegung von § 258 ZPO Rechnung tragen (oben S. 320 f.). Im Übrigen wird der Beklagte durch die Sicherungen im Klauselerteilungsverfahren, das Kostenrecht (§§ 93, 307 ZPO) und die sachliche Einschränkung der §§ 257, 258 ZPO auf einseitige Forderungen ausreichend geschützt. Das in § 259 ZPO geregelte Rechtsschutzbedürfnis dient weniger dem – an sich ohnehin durch § 93 ZPO gewährleisteten – Beklagtenschutz, sondern bringt die Ausnahmestellung der Frühklage zum Ausdruck und sorgt für einen Schutz künftiger, im Synallagma stehender Forderungen (oben S. 327 ff.). Nach alledem erweist sich die Frühklagefähigkeit einer künftigen Forderung als ein Problem der Bestimmbarkeit und der Grenzen des Vollstreckungsrechts und nicht als eine Frage materieller Kriterien wie der Bindung durch ein Schuldverhältnis, des wirtschaftlichen Werts einer Forderung oder der Gewissheit des Bedingungseintritts.
III. Auslegung der §§ 257 – 259 ZPO anhand der prozessualen Vorgaben Im Folgenden wird untersucht, welche Anforderungen §§ 257 ff. ZPO vor dem Hintergrund der genannten verfahrensrechtlichen Weichenstellungen an die Beschaffenheit einer frühklagefähigen Forderung stellen. Im Anschluss hieran werden einige von der Rechtsprechung gefällte Entscheidungen anhand dieser Maßstäbe überprüft (D).
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
1. § 257 ZPO § 257 ZPO ist – weniger wegen des Beklagtenschutzes als vielmehr wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift – restriktiv auszulegen, so dass die sachliche Beschränkung auf nicht im Synallagma stehende Forderungen und die Abhängigkeit vom Kalendertag beim Wort zu nehmen ist. Die Abhängigkeit von einem Kalendertag schließt sowohl die betagte als auch die entsprechend aufschiebend befristete Forderung ein, ohne dass es darauf ankommt, dass die eine schon, die andere aber noch nicht materiell-rechtlich entstanden ist. Die Anwendbarkeit von § 257 ZPO auf Forderungen, denen zu ihrer Entstehung eine Tatsache (respektive „Bedingung“) fehlt, deren Eintritt wenigstens theoretisch ungewiss ist, wird von der herrschenden Meinung mit Recht abgelehnt. Dafür streiten aber weder eine zulasten des Beklagten drohende Verschiebung von prozessualen Initiativ- und Risikolasten, noch eine Anerkenntnisunzumutbarkeit und erst recht nicht materiell-rechtliche Zwänge. Für die herrschende Meinung spricht allein der Wortlaut von § 257 ZPO. Eine analoge Anwendung auf aufschiebend bedingte Forderungen würde den Ausnahmecharakter der Frühklage missachten, nach dem §§ 257 ff. ZPO in ihrem sachlichen Anwendungsbereich eng auszulegen sind (s. oben S. 326 f.). § 257 ZPO zielt überdies seinem Zweck nach auf den Fristenschutz ab und beschränkt sich bewusst auf die Abhängigkeit einer Forderung von einem kalendermäßig bestimmten (bzw. bestimmbaren) Zeitpunkt.213 Gleiches ist gegen eine Analogie auf solche Forderungen einzuwenden, die von einem anderen gewiss eintretenden Ereignis als einem Kalendertag abhängig sind (dies certus an, incertus quando214; Bsp. Tod einer Person).215
2. § 258 ZPO § 258 ZPO geht es ebenso wie § 257 ZPO um die Verbesserung des Rechtsschutzes des Gläubigers durch raschere Ermöglichung der Zwangsvollstreckung.216 Das die Auslegung regierende Ziel von § 258 ZPO ist es aber, eine fortdauernde Wiederholung von Rechtsstreitigkeiten über den gleichen Gegenstand zu vermeiden.217 Dafür wurde die Vorschrift geschaffen.218 Die im vorliegenden Zusammenhang relevante Frage ist, wie die zu titulierende Forderung beschaffen sein muss, damit eine Frühklage gemäß § 258 ZPO statthaft und das bloße Titulierungsinteresse für eine Frühverurteilung ausreichend ist. 213
Roth, ZZP 98 (1985), 287, 297; Moos, Klage auf künftige Leistung, 1902, S. 59 – 63. Siehe dazu § 2 S. 43. 215 Für eine analoge Anwendung jedoch: Roth, ZZP 98 (1985), 287, 296 f. 216 Musielak/Foerste, § 258 ZPO Rz. 1. 217 Moos, Klage auf künftige Leistung, 1902, S. 24; Musielak/Foerste, § 258 ZPO Rz. 1; Wieczorek/Schütze/Assmann, § 258 ZPO Rz. 2. 218 Materialien zum Gesetz betr. Aenderungen der Civilprozeßordnung, 1898, S. 104 (= Hahn/Mugdan, Bd. 8, S. 100). 214
C. Auslegung
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a) Wortlaut § 258 ZPO setzt voraus, dass eine Leistung „wiederkehrt“. Es muss also zum einen die erste Leistung geben (hier genannt: „Initialleistung“) und zum anderen diejenigen Leistungen, welche ihr immer wieder nachfolgen, mit deren Inhalt die Initialleistung also wiederkehrt. Dass § 258 ZPO seinem Wortlaut nach „auch“ die Verurteilung wegen der wiederkehrenden Leistungen zulässt, unterstützt diese Unterscheidung zwischen der Initialleistung und der sie in der Zukunft fortsetzenden Leistungen. Sie sei der folgenden Untersuchung zugrunde gelegt und anhand des Beispielfalls verdeutlicht, dass einer Person eine semesterweise Zahlung von 2.000 € unter der Bedingung versprochen wird, dass sie ein Studium aufnimmt; die jeweilige Zahlungsverpflichtung soll nach dem Vertrag an die Vorlage einer gültigen Immatrikulationsbescheinigung geknüpft sein. Die „Initialleistung“ ist hier also die das erste Semester betreffende Zahlung, während die folgenden die wiederkehrenden Leistungen sind. b) Anforderungen an die wiederkehrenden Leistungen Anders als bisweilen behauptet wird,219 gibt der Wortlaut von § 258 ZPO („nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen“) keineswegs vor, dass die Forderung entstanden sein müsse und einzig ihre Fälligkeit noch ausstehen dürfe, da eine Forderung genauso „nach Erlass des Urteils fällig“ wird, wenn sie zum Zeitpunkt der Verurteilung noch nicht entstanden bzw. von dem Eintritt (mindestens) eines künftigen Ereignisses abhängig war. Anders als § 257 ZPO gibt § 258 ZPO auch nicht vor, dass eine Abhängigkeit von einem Kalendertag gegeben sein müsste. Für die wiederkehrende Leistung ist vielmehr entscheidend, dass sie eine Initialleistung fortsetzt und nicht von einer (synallagmatischen) Gegenleistung abhängig ist.220 Damit lässt es der Wortlaut von § 258 ZPO durchaus zu, die Vorschrift auf wiederkehrende Leistungen anzuwenden, deren Durchsetzung jeweils von dem Nachweis eines tatsächlichen Ereignisses abhängig ist, einerlei ob daran das Entstehen oder die Fälligkeit der Forderung geknüpft ist. Nach den oben entwickelten Vorgaben ist dafür lediglich die ex ante zu beurteilende Nachweisbarkeit der noch ausstehenden Tatsache mittels öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden i. S. d. § 726 ZPO erforderlich.221 Diese Einschränkung gilt für § 258 ZPO in besonderem Maße, da für diese Vorschrift das Ziel der Vermeidung weiterer Erkenntnisverfahren (etwa in Gestalt von § 731 ZPO) gewissermaßen „identitätsstiftend“ ist. Hinter der einzelnen wiederkehrenden Leistung, in die verurteilt wird, kann sich zum Zeitpunkt der Verurteilung nach § 258 ZPO also eine entstandene, aber noch nicht fällige, eine aufschiebend befristete, bedingte oder sonst künftige Forderung verbergen, solange der 219
Roth, ZZP 98 (1985), 287, 303. Zu letzterem Erfordernis oben A.III.3. (S. 296 f.). 221 Oben C.II.3. (S. 314 ff.). 220
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
Titel ohne weiteres Erkenntnisverfahren, ggf. nach § 726 I ZPO, vollstreckbar ist. Abgrenzungen, ob die wiederkehrende Forderung in jedem Zeitabschnitt jeweils neu entsteht oder in Raten fällig wird, ob sie eine gesamte Forderung ist oder aus lauter einzelnen besteht, sind entbehrlich.222 Möglicherweise hat der Gesetzgeber deshalb den Begriff der Leistung und nicht den der Forderung gewählt. Für den eben geschilderten Beispielsfall folgt daraus, dass der Gläubiger nach Aufnahme des Studiums gemäß § 258 ZPO auf die weiteren Zahlungen klagen kann, obwohl die jeweilige Zahlungsverpflichtung an die Bedingung geknüpft ist, dass die Vorlage einer gültigen Immatrikulationsbescheinigung erfolgt; für die Vollstreckung wäre dies nach § 726 I ZPO nachzuweisen. Keine Rolle spielt, ob die Dokumentenvorlage als Entstehungs- oder Fälligkeitsbedingung vereinbart war.223 Eine Verschiebung von prozessualen Initiativ- und Risikolasten zulasten des Beklagten findet hier nicht statt: Diese wäre nur dann zu befürchten, wenn die Fortdauer von Tatsachen prognostiziert würde (oben S. 320 f.). Eine solche Prognose wird durch die im Urteil ausgesprochene Bedingung jedoch gerade entbehrlich, da hierdurch die Vollstreckung der jeweiligen künftigen Leistung von der vorherigen Feststellung der Tatsache abhängig gemacht wird. c) Anforderungen an die Initialleistung Klärungsbedürftig ist, ob sich die Beschaffenheit der Initialleistung von den Anforderungen an die künftig jeweils wiederkehrende Leistung unterscheidet. Dabei gilt es insbesondere zu erkunden, ob die Initialleistung selbst in der Zukunft liegen darf oder auf einer gegenwärtigen Forderung beruhen muss, an welche die künftigen Leistungen anknüpfen. Davon hängt ab, ob ein Titel über sämtliche Leistungen bereits geschaffen werden kann, bevor die Verpflichtung zur ersten Leistung besteht. Der Wortlaut von § 258 ZPO („auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen“) bringt zum Ausdruck, dass mindestens eine der Leistungen, die künftig wiederkehren sollen, zum Zeitpunkt der Verurteilung bereits gegenwärtig fällig sein muss. Für eine solche Auslegung spricht die prozessuale Besonderheit bei der Verurteilung in wiederkehrende Leistungen: Anders als bei § 257 ZPO darf eine Verurteilung nach § 258 ZPO sogar auch auf einer Prognose beruhen (oben S. 296). Durch die Verurteilung aufgrund prognoseweise angenommener Tatsachengrundlage findet eine Verschiebung der prozessualen Initiativ- und Risikolast zulasten des Beklagten statt (S. 320 f.). Diese Beeinträchtigung kann – neben gewissen Anforderungen an die Prognose – dadurch abgemildert werden, dass nach § 258 ZPO eine Feststellung aller die Initialleistung begründenden Tatsachen erfolgt, so dass sichergestellt ist, dass der Beklagte seine Einwendungen wenigstens hiergegen geltend machen konnte. 222
So wollten es auch die Verfasser von § 258 ZPO, Motive, Bd. 1, S. 366. Zu diesen Begriffen § 2 S. 46.
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C. Auslegung
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Das ist ein nicht zu unterschätzender Schutz für den Beklagten, da jede Leistung, die wirklich „wiederkehrt“, bei unveränderter Tatsachengrundlage auf eben diesen Tatsachen beruht. Dahinter verbirgt sich das Anliegen, welches man in den ersten Jahren der Vorschrift mit der Diskussion verfolgte, ob die Titulierung von künftig wiederkehrenden Leistungen nur zulässig ist, wenn die gegenwärtig geschuldete Leistung zugleich eingeklagt wird.224 Das wurde mit Recht abgelehnt, da § 258 ZPO andernfalls funktionslos wäre.225 Der zutreffende Kern an dieser Diskussion ist allerdings – und das erhellt aus den vorstehenden Ausführungen – der Folgende: Die Titulierung künftiger Leistungen ist nur zulässig, wenn über die aktuell geschuldete Leistung – würde sie gegenwärtig eingeklagt – vollständig entschieden werden könnte. Wenn und weil der Beklagte also bereits einmal in die Leistung verurteilt werden kann, darf er bei prognostizierter Fortdauer der Tatsachengrundlage auch in die wiederkehrenden Leistungen verurteilt werden. Nur diese Auslegung entspricht dem Wortlaut und der allenthalben betonten Intention, den Beklagten vor einer Verschiebung der prozessualen Initiativ- und Risikolast zu schützen. Danach ist für eine Frühverurteilung nach § 258 ZPO die Feststellung aller rechtsbegründenden Tatsachen der Initialleistung erforderlich.226 Eine Entscheidung auf defizitärer Tatsachenbasis ist, anders als für die wiederkehrenden Leistungen, für die Initialleistung also nicht erlaubt. Ein potentieller Unterhaltsempfänger könnte beispielsweise nicht nach § 258 ZPO künftige Leistungen für den Fall einklagen, dass er verarmt.227 Im oben genannten Beispielsfall kann eine Verurteilung vor Aufnahme des Studiums also nicht auf § 258 ZPO gestützt werden; zulässig wäre sie nur nach §§ 259, 258 ZPO, wenn der Kläger ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis nachweist. Dieser Nachweis ist nach § 258 ZPO nur dann entbehrlich, wenn das Studium begonnen wurde und damit der Schuldner im Zeitpunkt der Verurteilung bereits zur gegenwärtigen Leistung aus demselben Lebenssachverhalt verurteilt werden könnte. d) Fazit zu § 258 ZPO Für die wiederkehrenden Leistungen ist die Frage unerheblich, ob die ihr zugrunde liegende Forderung stets neu entsteht oder – einmal vorhanden – für jeden Zeitabschnitt fällig wird. Es muss gewährleistet sein, dass sie nicht von einer Gegenleistung i. S. d. §§ 320 ff. BGB abhängen (dazu bereits S. 296 f.). Unerheblich ist, ob sie von einem Kalendertag oder von einer Bedingung 224 So Moos, Klage auf künftige Leistung, 1902, S. 63; auch die Gesetzesgeschichte ließ sich so deuten, vgl. Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 113. A. A. Stein, Voraussetzungen des Rechtsschutzes, 1903, S. 50 – 53. 225 Grundlegend RG, 18.06.1906 – VI 581/05, RGZ 63, 406. Ferner BGH, 02.12.1981 – IVb ZR 638/80, BGHZ 82, 246, 251; Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 113 – 115; HkZPO/Saenger, § 258 Rz. 2. 226 Vgl. Stein, Voraussetzungen des Rechtsschutzes, 1903, S. 52. 227 Bsp. nach Stein, Voraussetzungen des Rechtsschutzes, 1903, S. 52.
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
abhängen. Damit ist, was die wiederkehrenden Leistungen angeht, auch eine bedingte Verurteilung möglich, natürlich nur in den für sie geltenden Grenzen: Die spätere Tatsachenfeststellung nach § 726 I ZPO muss mittels öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden erfolgen können und es darf kein Streit hierüber zu erwarten sein, welcher ein weiteres Erkenntnisverfahren wahrscheinlich werden lässt. Über diese Beschaffenheit der jeweils wiederkehrenden Leistung hinaus setzt eine Frühverurteilung nach § 258 ZPO voraus, dass zum Zeitpunkt der Verurteilung mindestens über die Initialleistung gegenwärtig vollständig entschieden werden könnte. Das erfordert die Feststellung sämtlicher forderungsbegründenden Umstände für den gegenwärtigen Zeitpunkt. Für eine solchermaßen fundierte Verurteilung bleibt es dem Kläger erspart, ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis nachzuweisen, und dies gilt selbst dann, wenn der Schuldner in der Vergangenheit regelmäßig freiwillig bezahlt hat.228 Wer hingegen die Vorausverurteilung nicht nur zu weiteren wiederkehrenden Leistungen anstrebt, sondern bereits jetzt tenoriert haben möchte, dass ihm ab einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt wiederkehrende Leistungen erbracht werden, muss für die Initialleistung den Maßstab der § 257 oder § 259 ZPO erfüllen.229 Aufgrund dieser Ergebnisse ergeben sich Kritikpunkte an der herrschenden Auslegung von § 258 ZPO, wonach wiederkehrende Leistungen „auf einseitigen Verpflichtungen“ beruhen müssten, „die sich in ihrer Gesamtheit als Folge einund desselben Rechtsverhältnisses ergeben, so dass die einzelne Leistung nur noch vom Zeitablauf abhängt.“230 Zwar ist das Abstellen auf die „Einseitigkeit“ der Verpflichtung richtig, sofern damit gemeint ist, dass die Forderung nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis i. S. v. §§ 320 ff. BGB stehen darf.231 Im Übrigen treffen die in dieser Formel aufgestellten Voraussetzungen aber nicht zu. Der Hinweis auf ein und dasselbe Rechtsverhältnis räumt dem materiell-rechtlichen Schuldverhältnis eine zu große Rolle ein. Vorzugswürdig ist die prozessuale Sichtweise, wonach wiederkehrende Leistungen i. S. v. § 258 ZPO allesamt auf denselben forderungsbegründenden Umständen beruhen müssen wie die Initialleistung, deren Titulierung gegenwärtig vollständig möglich sein muss. Das kommt der vom BGH geforderten232 Entstehung der Forderung zwar in vielen Fällen nahe, begibt sich aber nicht in die Abhängigkeit des materiellen Rechts, welches, wie es der diffuse Meinungsstand zeigt, nicht die Mittel hat, die prozessualen Gegebenheiten treffend zu erklären. Schließlich steht das Erfordernis, wonach die wiederkehrenden Leistungen nur noch vom Zeitablauf abhängen dürften, nicht im Einklang mit § 258 ZPO, der insoweit eine bedingte Verurteilung nicht ausschließt. 228
Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 89 Rz. 30. Das lässt Roth, ZZP 98 (1985), 287, 300, unberücksichtigt. 230 BGH, 13.03.2003 – IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 856. Weitere Nachweise oben B. 231 Siehe dazu oben A.III.3. (S. 296 f.). 232 Etwa BGH, 02.12.1981 – IVb ZR 638/80, BGHZ 82, 246, 251. 229
C. Auslegung
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3. § 259 ZPO Der Wortlaut von § 259 ZPO verlangt die Darlegung eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses und erlaubt in diesem Rahmen – ohne weitere sachliche Einschränkung – die „Klage auf künftige Leistung“. Dies und die Formulierung „außer den Fällen der §§ 257, 258“ machen deutlich, dass es sich um eine Generalklausel handelt. Weil weder eine zulasten des Beklagten drohende Verschiebung von prozessualen Initiativ- und Risikolasten, noch eine Anerkenntnisunzumutbarkeit oder materiell-rechtliche Zwänge es gebieten, ist jede unter ein oder mehreren Bedingungen entstehende künftige Forderung nach § 259 ZPO frühklagefähig, solange die Anforderungen an die Vollstreckbarkeit und Verfahrenskonzentration gewahrt sind: Mit anderen Worten erlaubt § 259 ZPO die bedingte Verurteilung, soweit die noch ausstehenden Tatsachen vom Kläger zu beweisen, aus ex-ante-Sicht mit den Mitteln des § 726 I ZPO nachweisbar sind und ihre Eintrittsbeurteilung voraussichtlich keinen Streit erwarten lässt. Wegen des erforderlichen besonderen Rechtsschutzbedürfnisses, welches den Schutz eines vertraglich vereinbarten Synallagmas aufhebt (oben S. 327 ff.), unterfallen § 259 ZPO auch Forderungen, die in ihrer Durchsetzung von einer solchen Gegenleistung i. S. v. §§ 320 ff. BGB abhängig sind. Da es auf das materielle Recht nicht ankommt, ist es unerheblich, ob die Klageparteien ein Schuldverhältnis verbindet oder nicht, oder ob es sich um eine im herkömmlichen Sinne „aufschiebend bedingte Forderung“ handelt oder nicht.
4. Vorübergehend einwendungsbehaftete Forderungen An dieser Stelle sei auf die Fallgruppe derjenigen künftigen Forderungen zurückgekommen, gegen die – vorübergehend – eine einwendungsbegründende Tatsache vorliegt, für die der Beklagte die Beweislast trägt (oben S. 321 ff.). Eine Frühverurteilung im Zeitraum vor Wegfall der Einwendung steht – wie oben unterstellt wurde – nicht in Einklang mit §§ 257 ff. ZPO. Der Grund dafür ist, dass das Gericht den Wegfall des Leistungshindernisses quasi prognostizieren müsste. Dies wäre allerdings nur nach Maßgabe von § 258 ZPO zulässig, der eine solche Prognose an die Ausurteilbarkeit einer gegenwärtigen Initialleistung knüpft, also keinesfalls ohne weiteres erlaubt. Dieser Befund kann nicht unter Rückgriff auf § 259 ZPO ausgehebelt werden, da dem Beklagten bei Zulassung der Klage eine nachteilige Verschiebung der prozessualen Initiativ- und Risikolast drohen würde (oben S. 321 ff.). Dem kann nicht mit dem Hinweis entgegengetreten werden, dass insoweit das in § 259 ZPO vorausgesetzte besondere Rechtsschutzinteresse einen Interessenausgleich herbeiführe.233 Dieses dient nämlich nicht dem Schutz des Beklagten (hierfür würde § 93 ZPO genügen), sondern dem Schutz eines 233
So aber im Ansatz Stein/Jonas/Roth, § 259 ZPO Rz. 3.
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
Synallagmas und macht nebenbei deutlich, dass die Zulassung der Frühklage Ausnahmecharakter hat (oben S. 326 ff.). Ohnehin wäre eine Frühverurteilung schon deshalb keine Lösung, da das Vollstreckungsrecht schlicht keinen Mechanismus vorsieht, um solche Titel zu vollstrecken (oben S. 321 ff.). Das in der Literatur vornehmlich bemühte Kriterium der Gewissheit des Wegfalls des Leistungshindernisses234 ist zur Bewältigung dieser Fallgruppe jedenfalls ungeeignet, da seine gesetzliche Herkunft unklar ist und es die vollstreckungsrechtlichen Realitäten verschleiert. In den Fällen der vom Beklagten zu beweisenden vorübergehenden Einwendungen ist die Frühklage also schlechthin unzulässig. Der Kläger muss abwarten und seine Klage für den Zeitpunkt vorbereiten, zu dem das Leistungshindernis weggefallen ist. Ganz hilflos ist er dennoch nicht: Er kann durch vertragliche Gestaltung vorsorgen, indem er durch Vereinbarung die Beweislast für den Wegfall des Leistungshindernisses übernimmt und somit die Möglichkeit zur bedingten Verurteilung i. S. v. § 726 ZPO schafft; oder er muss eine Vollstreckungsunterwerfung des Beklagten erreichen.235 Nicht aus dem Blick zu verlieren ist schließlich die (positive) Feststellungsklage nach § 256 ZPO, die dem Kläger ohne Risiko einer Erledigung vor Fälligkeit offen steht, wenn der Beklagte im Voraus seine Leistungspflicht bestreitet.236
D. Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung anhand der ermittelten Vorgaben I. Vollstreckungsrechtliche Grenzen Die Entscheidung des Reichsgerichts RGZ 168, 321 thematisiert die Grenzen der Einklagbarkeit einer künftigen Forderung: Die Parteien verband ein wirksam geschlossener Werklieferungsvertrag. Die Primärleistungsforderung auf die Lieferung war in mehrfacher Hinsicht von noch nicht vorliegenden, tatsächlichen Umständen abhängig, darunter eine vom Kläger zu beantragende Ausfuhrgenehmigung, welche den Beklagten erst in die Lage versetzen würde, Material zu erlangen. Wegen der herrschenden Kriegswirren war es dem Beklagten 234 Vgl. Wieczorek/Schütze/Assmann, § 257 ZPO Rz. 11; MünchKomm-ZPO/BeckerEberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 7. 235 Die Vollstreckungsunterwerfung des Beklagten würde dann unbedingt lauten, wie das etwa für Verfallklauseln üblich ist, bei denen der Beklagte die Beweislast dafür trägt, dass er die den Verfall hindernde Leistung erbracht hat. Der Gläubiger könnte hier jederzeit nach § 724 ZPO vollstrecken und der Beklagte müsste die Zahlung im Wege der Vollstreckungsabwehr nach § 767 ZPO geltend machen (dazu MünchKomm-ZPO/Wolfsteiner, 4. Aufl. 2012, § 794 Rz. 172; Kaiser, NJW 2010, 39 f.). Der Beklagte kann dem zustimmen, da das vertragliche Interessengleichgewicht sowie die einfache und sicherzustellende Beweisbarkeit der Leistung das Risiko einer voreiligen Vollstreckung bzw. einer Vollstreckungsabwehrklage erheblich senken. 236 Zum Feststellungsinteresse MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 256 Rz. 37 ff.
D. Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung anhand der ermittelten Vorgaben 339
faktisch jedenfalls vorübergehend unmöglich, das Material zu erhalten, und nicht absehbar, wann er zur Herstellung in der Lage sein würde. Das Reichsgericht argumentierte mit der Gewissheit über den Bestand der Leistungspflicht, dem Begriff der „bloßen Hoffnung“, dem in § 259 ZPO geregelten Rechtsschutzbedürfnis und mit der Bestimmbarkeit des Tenors.237 Wegen der Ungewissheit über die Frage, wann der Beklagte wieder faktisch in der Lage sein werde zu leisten, wies das Reichsgericht die Klage mangels Frühklagetatbestands ab. Dogmatisch handelt es sich hier um ein Problem der vorübergehenden, vom Beklagten zu beweisenden Einwendung (S. 321 ff. u. S. 337 f.). Damit ist entscheidend, dass eine Verurteilung schlicht nicht vollstreckt werden könnte, da es nicht um eine vom Kläger zu beweisende Bedingung ging. Der Gesichtspunkt, ob eine bedingte Verurteilung an der Bestimmbarkeit gescheitert wäre, weil unklar war, wann und unter welchen Bedingungen dem Schuldner die Produktion wieder möglich gewesen wäre, rückt demgegenüber in den Hintergrund. Die Grenzen, die das Vollstreckungsrecht einer Frühverurteilung setzt, spielten auch in der Entscheidung über eine Klage auf künftige Rückzahlung einer Mietkaution eine Rolle (dazu schon S. 324). Der BGH hat die Klage richtigerweise wegen fehlender Bestimmbarkeit der bedingten Klageforderung als unzulässig zurückgewiesen.238 Die Höhe der Forderung hing von der Schlussabrechnung sowie weiteren, in ihrem Grund und ihrer Höhe zum Verurteilungszeitpunkt nicht absehbaren Gegenforderungen des Vermieters ab, für welche die Kaution haftete. Auch wenn die Ungewissheit, ob und in welcher Höhe die Forderung entstehen würde, ein Teil der Problematik war, war für die Unzulässigkeit der Frühklage die Bestimmbarkeit der ausschlaggebende Punkt: Die Verurteilung hätte nicht so bedingt werden können, dass eine Vollstreckung nach § 726 I ZPO möglich gewesen wäre. Trefflich erkannt hat der BGH, dass eine Verschiebung der prozessualen Initiativ- und Risikolast zulasten des Beklagten nicht in Rede stand, da es um eine aufschiebende Bedingung ging, für deren Eintritt den Kläger die Beweislast trifft.239 Zu handfesten Widersprüchen hat die herrschende materiell-rechtliche Auslegung von §§ 257 – 259 ZPO in der aktuellen Rechtsprechung zu Klagen auf künftigen Anschluss von Windkraftanlagen an das Stromnetz geführt. Mit solchen Klagen verlangen die Kläger von regionalen Elektrizitätsversorgungsunternehmen, eine Windkraftanlage an deren Versorgungsnetz anzuschließen, den in der Anlage erzeugten Strom abzunehmen und nach dem EEG zu vergüten. Dabei handelt es sich um künftige Forderungen, wenn, wie regelmäßig, die Windanlage zwar öffentlich-rechtlich genehmigt, aber noch nicht errichtet ist. Die Kläger wollen durch Klage nach § 259 ZPO erreichen, schon vor Entscheidung über die Errichtung Rechts- und Planungssicherheit zu erhalten, während die Netzbetreiber einen 237
RG, 14.08.1941 – II 49/41, RGZ 168, 321, 325 ff. BGH, 24.03.1999 – XII ZR 124/97, BGHZ 141, 160, 162. 239 BGH, 24.03.1999 – XII ZR 124/97, BGHZ 141, 160, 162. Siehe bereits S. 324. 238
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§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
Anschlusszwang etwa wegen vermeintlich fehlender Kapazitäten oder wegen eines besonderen Aufwands bestreiten. Letzteres begründet die Besorgnis der Leistungsentziehung, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für § 259 ZPO gegeben ist. Bei der Beurteilung, ob die künftige Forderung den Anforderungen von § 259 ZPO genügt, lässt der 8. Senat des BGH, der diesbezüglich mehrmals entschieden hatte, eine klare Linie vermissen. Im Ergebnis lehnt er die Zulassung der Klage auf künftigen Anschluss der Windanlage nach § 259 ZPO ab.240 Als Argument trägt er vor, dass die Forderung erst mit der Errichtung der Anlage und der Netzanbindung entstehe, wohingegen § 259 ZPO voraussetze, dass die geltend gemachte Forderung bereits entstanden sei; dabei macht er deutlich, dass er eine Bedingung, von der die Fälligkeit der Forderung abhängt, akzeptieren würde, nicht aber eine Bedingung, von der die Entstehung der Forderung abhängt.241 Der BGH will erkennbar in solchen Fällen einen vollstreckbaren Titel verweigern und den Kläger auf die Feststellungsklage verweisen, welche wegen des nach dem EEG bereits vor Errichtung bestehenden Rechtsverhältnisses (heute: § 4 EEG-2008) zulässig sein kann. Indem der BGH zwischen Entstehungsvoraussetzungen und Fälligkeitsbedingungen unterscheidet, setzt er sich zu seinem vormals eingeschlagenen Weg in argumentativen Widerspruch, wonach er im herkömmlichen dogmatischen Sinne „aufschiebend bedingte Forderungen“ für § 259 ZPO akzeptieren wollte. Letztlich aber überantwortet er die Frühklagefähigkeit einer Forderung ihrer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage und weist dem materiellen Recht damit eine Funktion zu, die es nicht erfüllen soll und kann (oben C.I.). Nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung hätte der BGH die vollstreckungsrechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen müssen (s. S. 314 ff.). Vieles spricht dafür, dass solche Forderungen schlicht deshalb nicht frühklagefähig sind, weil die Bedingungen, unter welche die Verurteilung gestellt werden müsste, entweder nicht klar und bestimmt formuliert werden können oder zu Streit bei ihrem Nachweis nach § 726 I ZPO führen würden. Denn für das Entstehen einer solchen Forderung nach dem EEG spielen komplizierte Fragen eine Rolle, wie die kürzeste Entfernung der Anlage zum Umspannwerk (welche sich nach der Wirtschaftlichkeit, nicht nach Luftlinie bemisst) oder die Kapazitäten der Anlage und des Umspannwerks, welche aufwändige Begutachtungen erfordern, einem ständigen Wechsel unterliegen und unterschiedliche Auffassungen begründen können.242 Dies allein sollte Maßstab für die Frühklagefähigkeit solcher künftigen Forderungen sein.
240 BGH, 12.07.2006 – VIII ZR 235/04, NJW-RR 2006, 1485, 1486; BGH, 18.07.2007 – VIII ZR 288/05, NJW-RR 2007, 1645, 1646 und 1648 f. 241 BGH, 12.07.2006 – VIII ZR 235/04, NJW-RR 2006, 1485, 1486. Vgl. auch BGH, 11.06.2003 – VIII ZR 161/02, BeckRS 2003, 05485, B.I.2. 242 Anschaulich BGH, 18.07.2007 – VIII ZR 288/05, NJW-RR 2007, 1645, 1647 ff.
D. Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung anhand der ermittelten Vorgaben 341
II. Schutz des Synallagmas und bedingte Verurteilung nach § 258 ZPO In der Entscheidung BGHZ 5, 342 macht der Kläger Unfallrentenforderungen nach § 844 II BGB geltend, die ihm vom Berechtigten unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Gegenwerts abgetreten sind. Da es zu dieser Zahlung noch nicht gekommen ist, sind die Forderungen für den Kläger noch künftig. Der BGH verneinte §§ 257, 258 ZPO, da diese Vorschriften „nur einseitige, nicht von einer Gegenleistung abhängige Leistungen betreffen“243 und wandte § 259 ZPO an, da dieser auch für bedingte Forderungen gelte. Entscheidend war damit, ob der Kläger die Besorgnis dartun kann, dass sich der Beklagte der Leistung entziehen werde. Wie bereits herausgearbeitet wurde (S. 296 f.), darf die Forderung für § 257 und § 258 ZPO in der Tat nicht von einer Gegenleistung abhängen. Allerdings gilt dies nur insoweit als es wirklich um ein Synallagma im Sinne der §§ 320 ff. BGB geht (oben S. 328 f.). Um ein solches ging es hier gerade nicht; die Zahlungen an den Dritten wurden nicht vom Schuldner der Unfallrentenforderungen zum Erwerb einer Leistung bewirkt, sondern vom Zedenten zum Erwerb der Forderungen und sind solchermaßen Gegenleistung für die Zession, nicht aber für die Unfallrentenforderungen. Der BGH hätte also den hier sachlich einschlägigen § 258 ZPO anwenden dürfen. Die Tatsache, dass die künftigen Rentenzahlungen jeweils um die vorherige Zahlung an den Zedenten bedingt waren, hindert die auf § 258 ZPO gestützte Frühklage nicht (oben S. 333 f.), da die Leistung der Zahlung an den Zedenten für den Vollstreckungsfall unschwer nach § 726 I ZPO nachgewiesen werden kann, wie es der BGH (für § 259 ZPO) auch angenommen hat. Daher war die Darlegung eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses nicht erforderlich und das bloße Titulierungsinteresse des Klägers hätte genügt; vor grundlosen Klagen wäre der Beklagte ausreichend über § 93 ZPO geschützt. An diesem Fall wird zugleich deutlich, dass es auf ein materiell-rechtliches Schuldverhältnis zwischen Kläger und Beklagten nicht ankommt: Ein solches war zum Zeitpunkt der Verurteilung nämlich noch nicht vorhanden, da der Beklagte dem Kläger in casu nur kraft der erst künftig wirkenden Abtretung verpflichtet und verbunden war.244 Mit diesem Fall in Zusammenhang steht der folgende Fall des BGH:245 Der Kläger war aufgrund fehlerhafter Beratung seines Rechtsanwalts rechtskräftig, aber materiellrechtswidrig zur Zahlung von Unterhalt an einen Dritten verurteilt worden und verlangt nun für jede auf das Urteil künftig zu erbringende Unterhaltszahlung Ersatz von seinem früheren Rechtsanwalt. Der BGH 243
BGH, 17.04.1952 – III ZR 109/50, BGHZ 5, 342, 343 f. Ebenso Ullmann, S. 27 – 29, der daraus allerdings schließt, dass die Klage in diesem Fall unzulässig sei, da er §§ 257 – 259 ZPO in Anlehnung an das materielle Recht auslegt und ein Schuldverhältnis verlangt. 245 BGH, 13.03.2003 – IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850. 244
342
§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
lehnte § 257 ZPO unter Hinweis auf die durch Zahlung an den Dritten bedingte Regressforderung ab, weil § 257 ZPO keine Forderungen erfasse, die von einer Gegenleistung abhängen. Im Ergebnis ist das richtig; der Grund liegt allerdings nicht in einer Gegenseitigkeit der Forderung, da es an einem Synallagma fehlt. Der Grund ist vielmehr, dass § 257 ZPO nur solche Forderungen erfasst, deren Durchsetzbarkeit nur noch von einem Kalendertag abhängt, und wegen der gebotenen restriktiven Auslegung auf Forderungen nicht anwendbar ist, die wie hier von einem Ereignis, nämlich der Zahlung an den Dritten, abhängen. Im Anschluss prüfte der BGH § 258 ZPO unter der Formel, dass wiederkehrende Leistungen i. S. v. § 258 ZPO „auf einseitigen Verpflichtungen“ beruhen müssen, „die sich in ihrer Gesamtheit als Folge ein- und desselben Rechtsverhältnisses ergeben, so dass die einzelne Leistung nur noch vom Zeitablauf abhängt.“246 Mit dem Hinweis auf diese monokausale Abhängigkeit vom Zeitablauf lehnte er § 258 ZPO ab, da die Forderung von der vorherigen Zahlung an einen Dritten abhängig war. Das ist nicht zutreffend; § 258 ZPO steht es nicht entgegen, wenn die jeweils künftig fällig werdende Rate noch nach § 726 I ZPO vollstreckt werden müsste (oben S. 333 f.). Die abschließenden Ausführungen des BGH, der den Fall an das Berufungsgericht zurückverweisen konnte, endeten nicht umsonst widersprüchlich: Einerseits lehnte er § 259 ZPO unter Hinweis darauf ab, dass die künftige Regressforderung gegen den Beklagten noch nicht entstanden sei; dabei stellte er sogar die Existenz eines Rechtsverhältnisses in Abrede, welches in casu allerdings allemal in dem die Parteien verbindenden Anwaltsvertrag und der begründeten Haftung des Rechtsanwalts bestand. Andererseits gab er dem Berufungsgericht richtig zu bedenken, dass § 259 ZPO eine bedingte Forderung erfasse, dafür der Antrag des Klägers aber auf bedingte Verurteilung lauten müsse. Dem ist wiederum zuzustimmen, da die von den regressbegründenden Zahlungen abhängige Klageforderung um ein Ereignis bedingt ist, das entsprechend § 726 I ZPO nachweisbar wäre. Nach hier vertretener Auffassung hätte die Verurteilung aber bereits auf § 258 ZPO gestützt werden dürfen.
III. Verschiebung prozessualer Initiativ- und Risikolast Rege diskutiert wird die Frage, ob der Bürge, welcher seiner Inanspruchnahme eine Einrede entgegenhält, nach §§ 257 – 259 ZPO im Voraus für die Zeit nach Wegfall der Einrede verurteilt werden kann. Die herrschende Literaturmeinung befürwortet dies nach § 257 ZPO, solange es sich um eine dilatorische Einrede handelt, welche nur für eine bestimmte Frist wirkt (Bsp. § 770 I BGB),247 verneint dies aber 246
BGH, 13.03.2003 – IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 856. Wieczorek/Schütze/Assmann, § 257 ZPO Rz. 11; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 7; Roth, ZZP 98 (1985), 287, 297. Dagegen aus Mangel an Gewissheit Murach, Klage auf künftige Leistung, 2007, S. 91 – 94. 247
D. Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung anhand der ermittelten Vorgaben 343
etwa für die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB), deren Wirkungsdauer ungewiss ist.248 Die Argumentation wird vom materiell-rechtlichen Einredebegriff und dem Kriterium der Gewissheit beherrscht. Nach hier vertretener Auslegung ist § 257 ZPO zunächst wörtlich zu nehmen. Die Geltendmachung der Bürgschaftsforderung muss an den Eintritt eines Kalendertages geknüpft sein. Dies ist hier zweifelhaft. Einerseits hängt die Verpflichtung des Bürgen in den diskutierten Fällen vom Ablauf der Anfechtungsfrist in § 124 BGB ab; insofern ist die Verpflichtung an den Eintritt eines Kalendertags geknüpft. Andererseits gilt dies nur dann, wenn der Hauptschuldner innerhalb dieser Frist die Anfechtung nicht erklärt hat; dabei steht nur noch die Frage der Erklärung aus, da der Anfechtungsgrund für die Einredeerhebung nach § 770 I BGB bereits im Frühklageprozess geklärt wird. In der Tat ist das Ergebnis nach dem Wortlaut also nicht eindeutig, da jede befristete Verurteilung unter dem Vorbehalt des Nichteintritts einer Einwendung steht und insofern eine jede Kalendertagabhängigkeit zugleich ereignisbedingt ist. Sieht man näher hin, geht es jedoch um die Fallgruppe der Forderungen, welche von einem rechtshindernden, rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Umstand abhängig sind, der die Leistungspflicht vorübergehend ausschließt und den der Beklagte zu beweisen hat (dazu S. 321 ff. u. S. 337 ff.). Daher ist § 257 ZPO entgegen der herrschenden Meinung abzulehnen, da hier ein Fall vorliegt, der augenscheinlich eine Verschiebung der prozessualen Initiativ- und Risikolast zulasten des Beklagten nach sich ziehen würde. Die Klage nach Fälligkeit, also nach Ablauf der Anfechtungsfrist und dem mit ihr verbundenen Wegfall der Einrede aus § 770 I BGB, würde dem Beklagten erlauben, die Frage der Anfechtungserklärung durch den Hauptschuldner auf Kosten und Risiko des Klägers in dem Klageverfahren festzustellen. Lässt man hingegen die Frühklage zu, so könnte diese Problematik nur in einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO festgestellt werden, da die Anfechtungserklärung des Hauptschuldners keine vom Kläger negativ zu beweisende Tatsache und daher nicht der Titelergänzung nach § 726 I ZPO zugänglich ist.249 Ist nun aber einmal sicher, dass sich die Frühklage ausnahmsweise in dieser Hinsicht zulasten des Beklagten auswirken würde, so muss § 257 ZPO restriktiv ausgelegt werden, wenn das – in vielen Fällen unnötig ausgesprochene – Bekenntnis zum Beklagtenschutz nicht zu einem Lippenbekenntnis werden soll. Die Verschiebung der prozessualen Initiativ- und Risikolast zulasten des Beklagten zieht dem Rekurs auf § 257 ZPO hier also eine klare Grenze. Ebenso verhält es sich mit § 259 ZPO, da die Verurteilung unter den Vorbehalt gesetzt werden müsste, dass der Hauptschuldner nicht die Anfechtung erklärt und damit unter eine Bedingung, für die der Beklagte beweispflichtig ist. Für solchermaßen bedingte Verurteilungen sieht das Vollstreckungsrecht keine Klauselerteilung 248
MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 257 Rz. 7. Die Anfechtungserklärung muss der verklagte Bürge als Einwendung nach § 768 BGB beweisen, Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting (Hrsg.), Hb. Beweislast, Schuldrecht BT, § 768 Rz. 1. 249
344
§ 10 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 – 259 ZPO)
vor (oben S. 321 ff.). Der Gläubiger ist folglich gehalten, die Fälligkeit für seine Klage abzuwarten oder dem Bürgen eine sofortige Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung „abzukaufen“. Einen Ausweg für den Gläubiger brächte auch eine Beweislastvereinbarung zu seinen Lasten. Dann könnte eine Verurteilung unter der Bedingung ergehen, dass der Kläger die öffentlich beglaubigte Erklärung des Hauptschuldners beibringt, dass dieser von einer Anfechtung absieht; aber auch diese Verurteilung könnte wegen der Bedingung nicht auf § 257 ZPO, sondern müsste auf § 259 ZPO gestützt werden. Sie wäre daher nur zulässig, wenn die Besorgnis der Leistungsentziehung besteht. Was schließlich eine Frühklage bei erhobener Einrede der Vorausklage angeht, so ist § 257 ZPO mit der herrschenden Meinung abzulehnen, da es an der Monodependenz vom Eintritt eines Kalendertages fehlt. Wiederum kann auf § 259 ZPO zurückgegriffen werden, soweit eine bedingte Verurteilung den strukturellen Anforderungen genügen würde, die das Klauselerteilungs- und Vollstreckungsverfahren, insbesondere an den Nachweis des Wegfalls der Einrede nach §§ 771, 773 BGB durch den Kläger aufstellt.250
E. Fazit Bei der Frühklagefähigkeit einer künftigen Forderung geht es nicht um ihre materiell-rechtliche Beschaffenheit, sondern im Wesentlichen um ihre Eignung für eine bedingte Verurteilung. Ob die Parteien im Einzelfall ein materiell-rechtliches Schuldverhältnis verbindet, ist für §§ 257 – 259 ZPO daher genauso unerheblich wie die Frage, ob die Forderung im materiell-rechtlichen Sinne künftig, aufschiebend bedingt, (schon) entstanden oder fällig ist. Die Anforderungen an eine künftige Forderung sind vielmehr verfahrensrechtlicher Natur und machen die Frühklagefähigkeit vor allem zu einem Bestimmtheitsproblem. Damit eine bedingte Verurteilung möglich ist, dürfen der künftigen Forderung zu ihrer Durchsetzbarkeit nur solche Tatsachen fehlen, die vom Kläger zu beweisen, aus ex-ante-Sicht mit den Mitteln des § 726 I ZPO nachweisbar sind und deren Eintrittsbeurteilung voraussichtlich keinen Streit erwarten lässt (S. 314 ff.). Wenn der Forderung vorübergehend einwendungsbegründende Tatsachen entgegenstehen, für die der Beklagte beweispflichtig ist, ist die bedingte Verurteilung schlechthin unzulässig (oben S. 321 ff. u. S. 337 ff.). In erster Linie lässt § 259 ZPO die bedingte Verurteilung zu. Aber auch § 258 ZPO erlaubt sie für die wiederkehrenden Leistungen, solange die Titulierung der Initialleistung251 gegenwärtig vollständig möglich wäre (oben S. 332 ff.); die von der herrschenden Meinung verlangte Monodependenz der wiederkehrenden 250 Insoweit geht es um vom Gläubiger zu beweisende Tatsachen, Laumen, in: Baumgärtel/ Laumen/Prütting (Hrsg.), Hb. Beweislast, Schuldrecht BT, § 771 Rz. 1. 251 Zum Begriff oben S. 333.
E. Fazit
345
Leistung vom Zeitablauf ist also unzutreffend. Einzig auf § 257 ZPO kann die bedingte Verurteilung nicht gestützt werden; im Anwendungsbereich von § 257 ZPO darf die Forderung nur noch von einem Kalendertag abhängen, und zwar unabhängig davon, ob sie materiell-rechtlich bereits entstanden ist oder nicht (oben S. 332). Der Beklagtenschutz stellt die Frühklage in den meisten Fällen vor keine Probleme, da § 93 ZPO den Beklagten ausreichend schützt bzw. das Vollstreckungsrecht gewährleistet, dass es zu einer Verschiebung der prozessualen Initiativ- und Risikolast nicht kommen kann (C.II.4. – 6. S. 317 ff.). Das in § 259 ZPO normierte Rechtsschutzbedürfnis dient vor allem dem Schutz eines vorhandenen Synallagmas: Insoweit ist es zutreffend, wenn § 259 ZPO, nicht aber §§ 257, 258 ZPO, auf gegenseitige Forderungen angewandt wird. Umgekehrt schließt dieses Einseitigkeitserfordernis namentlich für § 258 ZPO nicht aus, dass der Forderungserwerb des Klägers von einer durch ihn zu erbringenden Leistung abhängig ist, die keine Gegenleistung i. S. v. §§ 320 ff. BGB ist (oben S. 327 ff.).252
252 Für § 257 ZPO gilt das zwar auch; es dürfte in solch einem Fall aber regelmäßig an der Abhängigkeit der Forderung vom Eintritt eines Kalendertags fehlen.
§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen Noch heute herrscht kein Konsens darüber, wie die Abtretung künftiger Forderungen methodisch aus dem BGB abzuleiten ist und wie ihre Wirkungen dogmatisch zu bewältigen sind. Das ist ein Defizit, welches gewichtig ist, da die Zession zum Kern der Dogmatik künftiger Forderungen gehört. Sie ist das Grundmodell für eine Verfügung über künftige Forderungen. Dass diese überhaupt abgetreten werden können, war aber bei Inkrafttreten des BGB schon so selbstverständlich, dass spätere Einwände aus der Literatur diesen Befund nie ernsthaft gefährden konnten. Die Selbstverständlichkeit des Ergebnisses hat allerdings dazu geführt, dass Untersuchungen über künftige Forderungen häufig auf die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung oder sogar auf die Feststellung aufbauen, es handele sich um Gewohnheitsrecht.1 Auf diese Weise werden noch immer alte Erklärungsmuster aus den Anfängen des BGB perpetuiert, die das Recht künftiger Forderungen seit über 100 Jahren prägen. Ihre Starrheit, die aus ihrem für die frühere Zeit typischen begriffsorientierten Ansatz resultiert, hat zu einem Strauß an „dogmatischen“ Widersprüchlichkeiten geführt. Sie untermauern die Notwendigkeit, die Verfügung über künftige Forderungen von Grund auf zu überdenken. Einen weiteren Anlass, noch einmal grundlegend nachzudenken, liefert das Insolvenzrecht. Die Dogmatik der Verfügung über künftige Forderungen war seit jeher stark vom Konkursrecht beeinflusst; gerade zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat das Recht künftiger Forderungen durch die Rechtsprechung zum Insolvenzrecht aber eine intensive Fortentwicklung erfahren und eine eigene Dynamik entwickelt (dazu § 12).
A. Problemstellung Die folgende Untersuchung widmet sich vor allem der Abtretung als Grundmodell einer Verfügung über künftige Forderungen. Die ebenfalls zulässige Verpfändung künftiger Forderungen wird zwar mitbedacht, soll indes nur dort erwähnt werden, wo es notwendig ist.2 Die Abtretung kann im Zusammenhang mit künftigen Forderungen in mehreren Facetten in Erscheinung treten. Zum einen gibt es 1
Etwa Voß, S. 30 f.; Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 2; Ringstmeier, S. 26. Zu der von der Verpfändung einer künftigen Forderung unterschiedlichen „Vorausverpfändung“ wegen einer künftigen Forderung siehe bereits § 7 S. 258. 2
A. Problemstellung
347
die Abtretung einer bereits existierenden, aber „in anderer Hand“ bestehenden Forderung, die der Zedent bereits in dem Glauben abtritt, dass er sie in Zukunft erwerben werde. Aus Sicht der Parteien der Abtretung mag die Forderung noch künftig sein; sie selbst ist es jedoch nicht. Ihre Abtretung ist im Gesetz unmittelbar in §§ 398, 185 II BGB geregelt, da es dem Zedenten noch an der Berechtigung fehlt, über die existierende Forderung zu verfügen.3 Davon zu unterscheiden ist die ihrerseits bedingte Verfügung, deren Wirksamkeit noch von dem Eintritt eines tatsächlichen Ereignisses abhängt. Sie begegnet regelmäßig im Factoring, da hier der Übergang der jeweiligen Forderung auf den Zedenten unter die aufschiebende Bedingung gesetzt wird, dass der Zedent diese auch ankauft, wenn sie entstanden ist.4 In einem solchen Fall ist die Forderung vor Bedingungseintritt aus Sicht des Zessionars ebenso noch eine künftige, da sie erst mit Bedingungseintritt auf ihn übergehen soll. Dennoch geht es hier im Wesentlichen um die Künftigkeit des Verfügungsgeschäfts, das zu seiner späteren Wirkung noch auf den Eintritt der Bedingung angewiesen ist, ohne dass insoweit von Bedeutung wäre, ob die abzutretende Forderung selbst gegenwärtig oder künftig ist.5 (Nur) die solchermaßen bedingte Verfügung erfährt in § 161 BGB eine eigene Regelung.6 Rechtlich problematisch und im vorliegenden Kontext von Interesse ist demgegenüber die gesetzlich nicht geregelte unbedingte Abtretung einer künftigen Forderung, die noch für keinen Gläubiger entstanden ist; nur von ihr soll die folgende Untersuchung handeln. Gemäß § 398 S. 1 BGB kann eine Forderung von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden. Mit dem Abschluss des Vertrags tritt nach Satz 2 der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers. § 398 BGB setzt also mitunter eine (entstandene) Forderung und einen Gläubiger voraus. Die Abtretung künftiger Forderungen regelt das BGB nicht; ebenso wenig erwähnen §§ 1273 ff. BGB die Verpfändung künftiger Forderungen. Das wirft an erster Stelle die Frage auf, wo die Abtretung künftiger Forderungen im Gesetz methodisch zu verankern ist (dazu B.). Sodann tun sich weitere Problemfelder auf. Zum einen ist die Abtretbarkeit künftiger Forderungen eine Frage der Bestimmbarkeit, was nicht zuletzt aus ihrem Charakter als Verfügungsgeschäft resultiert:7 Damit die Abtretung wirksam ist, muss die künftig entstehende Forderung, auf die sie sich beziehen soll, hinreichend bestimmbar sein (dazu C.).8 Zum anderen, und 3
Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2009, § 185 Rz. 71. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 1389 f.; MünchKomm-HGB/Brink, 2. Aufl. 2009, Art. 5 FactUe Rz. 7 ff.; Gehring, Asset-Backed Securities, S. 37, 146. Dazu noch unten § 14 I.1. (S. 517). 5 Vgl. etwa BGH, 07.12.2011 – IV ZR 16/11, NJW-RR 2012, 332. Im Ergebnis ebenso: Brinkmann, S. 156. 6 BGH, 29.02.1956 – 202/55, BGHZ 20, 127, 131 ff.; MünchKomm-BGB/Westermann, 6. Aufl. 2012, § 158 Rz. 54. In Bezug auf das Factoring: MünchKomm-HGB/Brink, 2. Aufl. 2009, Art. 5 FactUe Rz. 8. 7 BGH, 27.04.1995 – IX ZR 123/94, NJW 1995, 2289; Baur/Stürner, § 58 Rz. 19. 8 Etwa: BGH, 25.10.1952 – ZR 48/52, BGHZ 7, 365, 367 f.; BGH, 22.09.1965 – VIII ZR 265/63, NJW 1965, 2197, 2198; BGH, 07.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86, 89; 4
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
das ist die zentrale Problematik der Abtretung künftiger Forderungen, geht es um ihren Rang in der Hierarchie konkurrierender Verfügungen über dieselbe künftige Forderung,9 um inzwischen eintretende Verfügungsbeschränkungen zulasten des Zedenten10 oder um die Insolvenzeröffnung über sein Vermögen,11 die allesamt den Rechtserwerb des (ersten) Zessionars und damit den Erfolg der Übertragung in Frage stellen, wenn die Forderung schlussendlich entsteht. Erst daran erweist sich, was die Zession bewirkt, solange die Forderung noch künftig ist. Die rechtliche Aufarbeitung dieser Sachverhalte ist geprägt von einem Überangebot dogmatischer Erklärungsmodelle (dazu D.). Neben der herkömmlichen Differenzierung zwischen Forderungen mit und ohne Rechtsgrund wird versucht, die Konkurrenzproblematik mit der Dogmatik des Sachenrechts zu bewältigen, in der Figuren wie der Durchgangs- oder Direkterwerb, die Bindung an eine Verfügungserklärung oder das Anwartschaftsrecht ihre Heimat haben.12 Erschwerend tritt hinzu, dass die Literatur zu § 398 BGB ihre allgemeinen Sätze zur Zession künftiger Forderungen stark am Insolvenzrecht ausrichtet, obwohl sich die Zulässigkeit und Funktionsweise der Zession künftiger Forderungen aus der Rechtsprechung und Literatur zum BGB entwickelt hat. Um zu erfahren, wie man sich die Verfügung über künftige Forderungen nach dem BGB vorzustellen hat, bietet es sich daher an, das Insolvenzrecht zunächst einmal außen vor zu lassen und nur die dem BGB wesentlichen Problemstellungen in den Blick zu nehmen. Zu diesen gehört die Konkurrenz der Vorausverfügung mit späteren Verfügungen über dieselbe Forderung (dazu E.) oder über das Schuldverhältnis (dazu F.) sowie die Stellung des künftigen Schuldners gemäß §§ 404 ff. BGB (dazu G.). Daran anknüpfend kann beurteilt werden, wie sich die Verfügung über künftige Forderungen in die Dogmatik zum BGB einfügt (dazu H.). Erst im Anschluss hieran (§ 12) soll untersucht werden, wie sich die Zession künftiger Forderungen nach dem BGB in der Insolvenz bewährt.
BGH,15.03.1978 – VIII ZR 180/76, BGHZ 71, 75, 78; BGH, 21.04.1988 – IX ZR 191/87, NJW 1988, 3204, 3205; BGH, 22.06.1989 – III ZR 72/88, BGHZ 108, 98, 105; BGH, 16.03.1995 – IX ZR 72/94, NJW 1995, 1668, 1669; BGH, 27.04.1995 – IX ZR 123/94, NJW 1995, 2289; BGH, 19.03.2009 – IX ZR 39/08, NJW-RR 2009, 924, 925; BGH, 20.09.2012 – IX ZR 208/11, WM 201, 2292. 9 BGH, 26.04.2005 – XI ZR 289/04, NJW-RR 2005, 1408; BGH, 27.04.1995 – IX ZR 123/94, NJW 1995, 2289; BGH, 21.04.1988 – IX ZR 191/87, NJW 1988, 3204. 10 BGH, 22.10.2009 – IX ZR 90/08, NJW-RR 2010, 192 = NZI 2009, 888, 889; BGH, 20.03.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140, 144. 11 BGH, 22.10.2009 – IX ZR 90/08, NZI 2009, 888; BGH, 07.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86; RG, 01.10.1907 – VII 524/06, RGZ 67, 166. 12 Vgl. Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 I 3; Kupisch, JZ 1976, 417 passim.
B. Konstruktive Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
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B. Konstruktive Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen I. Die Geschichte der Zession künftiger Forderungen unter dem BGB Das BGB hat von Anfang an in besonderen Bereichen – in § 573 BGB a. F. (heute: § 566b BGB) und § 717 S. 2 BGB – vorausgesetzt, das die Zession künftiger Forderungen möglich ist.13 Seitdem die Überschrift von § 566b BGB amtlich geworden ist, enthält sie das heute ausdrücklichste Bekenntnis des BGBGesetzgebers zur Abtretbarkeit künftiger Forderungen. Soweit ersichtlich war sie nicht einmal Gegenstand der Beratungen zu § 398 BGB gewesen.14 Gleichwohl kann festgestellt werden, dass sie den am Schaffungsprozess des BGB beteiligten Persönlichkeiten eine Selbstverständlichkeit war.15 Das ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die Abtretbarkeit künftiger Forderungen schon im gemeinen Recht als allgemeines Prinzip anerkannt war.16 Nichts deutete darauf hin, dass das BGB hieran etwas ändern sollte.17 Dennoch hatte das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung ganz zu Anfang des 20. Jahrhunderts eine rege Debatte in der Literatur über ihre Zulässigkeit ausgelöst.18 Das Reichsgericht hatte aber keine Mühen, sich 13 Grünebaum, DJZ 1905, 801; Abrahamsohn, DJZ 1903, 343; Kochmann, S. 27 f. (zu § 717 BGB). 14 Mugdan, Bd. 2, S. 65 – 78 und 569 – 587; Jakobs/Schubert, Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Vor §§ 398 – 413 bis § 398, S. 740 – 769: Dass hier auf S. 745 deutlich werde, der Gesetzgeber habe die Thematik ausdrücklich ausgeklammert – so Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289 (297) –, überzeugt nicht, da die dort erwähnten „vorgedachte[n] Ansprüche“ nicht künftige bezeichnen sollen, sondern die im Absatz zuvor erläuterten bestehenden Ansprüche, und damit „vorgedacht“ als Synonym für „eben angesprochen“ verwendet wurde. 15 Dazu bedarf es nicht der Erforschung der Frage, was der Gesetzgeber in den Protokollen (Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle, Bd. I, 54-III, S. 381) mit „erwachsenden Ansprüche[n]“ gemeint haben könnte, über die sich Heuer, DJZ 1903, 28 f. und Straus, DJZ 1903, 342 auseinandersetzten. An ganz anderer Stelle in den Protokollen (in Bezug auf § 717 S. 2 BGB) wurde nämlich erörtert, dass § 717 S. 2 BGB auch die Übertragung künftiger Forderungen ganz explizit erfassen sollte, Achilles/Gebhard/Spahn, Protokolle, Bd. 2, 137-V (S. 425). Ferner schrieb der Redaktor v. Kübel in seiner Begründung für den Vorentwurf zum Schuldrecht: „Der Regel nach kann jede aus einem Schuldverhältniß entspringende Forderung veräußert und übertragen werden, welcher Art und welchen Ursprungs sie sein möge; im Besonderen sind auch übertragbar die bedingten, die betagten, die zukünftigen und die ungewissen Forderungen.“, v. Kübel, Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Recht der Schuldverhältnisse, S. 949. Dazu auch Nordhues, S. 68 – 70. 16 RG, 29.09.1903 – VII 198/03, RGZ 55, 334; v. Kübel, Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Recht der Schuldverhältnisse, S. 949; Heuer, DJZ 1903, 28; Windscheid/Kipp, Pandektenrecht II, § 335 1 e; Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289 (296); Hattenhauer, in: HkK-BGB, 1. Aufl. 2007, §§ 398 – 413 Rz. 41. 17 Heuer, DJZ 1903, 28. 18 Die Möglichkeit der Abtretung befürwortend: v. Tuhr, DJZ 1904, 426; Heuer, DJZ 1903, 28; Abrahamsohn, DJZ 1903, 343; Lippmann, DJZ 1904, 255; Grünebaum, DJZ 1905, 801; Süß, Abtretung künftiger Ansprüche, S. 39; Ohmeyer, Künftige Rechte, S. 114 – 173 (auch für das österreichische Recht). Ablehnend: Straus, DJZ 1903, 342; Eccius, DJZ 1904, 53; ders., in: Gruchot
350
§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
auch unter Geltung des BGB für sie zu entscheiden, und zwar sogar bezüglich Forderungen aus Verträgen, die noch nicht einmal geschlossen waren,19 also sog. „künftigen Forderungen im engeren Sinne“.20 Damit billigte das Reichsgericht die Abtretbarkeit künftiger Forderungen in vollem Umfang. Es verwies auf schon damals unverkennbar dringende Verkehrsbedürfnisse,21 angesichts derer die eher begrifflichen Einwände22 aus der Literatur nicht überzeugen konnten und ein anderer Wille des Gesetzgebers begründungsbedürftig gewesen wäre.23
II. Meinungsbild Wie die Abtretbarkeit künftiger Forderungen methodisch auf das Gesetz zurückzuführen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Eine verbreitete Auffassung stützt die Abtretbarkeit künftiger Forderungen auf eine Analogie zu § 185 II BGB, und zwar auch dann, wenn die Forderung noch gar nicht, also auch nicht in anderer Hand existiert.24 Von Tuhr, der sich als einer der ersten mit den künftigen Forderungen im BGB eingehend auseinandergesetzt hat, rechtfertigt ihre Abtretbarkeit mit einer analogen Anwendung von § 398 BGB.25 Mitunter wird vertreten, dass die Abtretung künftiger Forderungen nichts anderes sei als eine Abtretung, welche gemäß § 158 BGB unter der Bedingung erklärt werde, dass die Forderung entsteht.26 Sehr häufig wird in der Literatur im Zusammenhang mit 48 (1904), 465; Barth, Gruchot 58 (1914), 577, 612; Bergk, Übertragung und Pfändung künftiger Rechte, S. 17; Kochmann, S. 12 ff.; Langheineken, Anspruch und Einrede, S. 56 (mit den bedingt wirksamen Forderungen meint Langheineken nicht solche aus Rechtsgeschäften gemäß § 158 BGB, deren Abtretbarkeit er also auch ausschließt, dazu bereits § 2 Fn. 242). Ausführlich zur Debatte etwa Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 122 – 127. 19 Forderungen, „zu denen noch nicht einmal ein Grund vorhanden, deren Entstehung vielmehr nur als möglich vorausgesetzt wird.“, RG, 29.09.1903 – VII 198/03, RGZ 55, 334. 20 Zu diesem Begriff oben § 2 S. 32 f. 21 RG, 29.09.1903 – VII 198/03, RGZ 55, 334, 335. 22 Das Wort Gläubiger in § 398 BGB erhebe die Existenz der Forderung zum Zeitpunkt der Abtretung explizit zur Voraussetzung, Eccius, DJZ 1904, 53, 55. Die Abtretung künftiger Forderungen sei ferner logisch unmöglich, da das Wesen der Verfügung einen (nicht notwendigerweise beim Zedenten, aber) existierenden Gegenstand verlange, auf den die Verfügung einwirken könne, Eccius, in: Gruchot 48 (1904), 465, 466 f.; Bergk, Übertragung und Pfändung künftiger Rechte, S. 17. 23 Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 128; Süß, Abtretung künftiger Ansprüche, S. 26 f. 24 Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2009, § 185 Rz. 71 (der sogar für eine direkte Anwendung der Norm plädiert); Eidenmüller, AcP 204 (2004), S. 457, 463; Egert, Die Rechtsbedingung, S. 60, und Lieb, Das künftige Recht, S. 120 – 122; Nordhues, S. 71; Süß, Abtretung künftiger Ansprüche, S. 29. 25 v. Tuhr, DJZ 1904, 426, 430. v. Tuhr wird gelegentlich als Vertreter einer analogen Anwendung von § 185 BGB genannt. Das ist mitnichten so. Diese Vorschrift zieht er nur für die Begründung des Prioritätsgrundsatzes bei künftigen Forderungen heran (unten Fn. 192); für deren Abtretbarkeit bedient er sich § 185 BGB nur als systematisches Argument a fortiori. 26 Schlesinger, Unzulässigkeit der Beschlagnahme, S. 20.
B. Konstruktive Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
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§ 398 BGB schlicht auf die allgemeine Zulässigkeit der Abtretung und ggf. auf § 185 BGB als argumentum a fortiori verwiesen.27 Schließlich wird gelegentlich auf das „Gewohnheitsrecht“ rekurriert.28
III. Stellungnahme 1. Vorüberlegungen zur Rechtsgrundlage a) §§ 158 ff. BGB Die Zession künftiger Forderungen auf §§ 158 ff. BGB zurückzuführen und als eine um die Forderungsentstehung bedingte Abtretung zu begreifen,29 vermag nicht zu überzeugen. Auch wenn die Abtretung nur Wirkungen zeitigt, wenn die Forderung entsteht, erheben die Parteien die Entstehung der Forderung nicht eigens zu einer Bedingung für ihre Verfügung. Allenfalls handelt es sich um eine Rechtsbedingung, die § 398 BGB als Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Abtretung aufstellt.30 Das äußert sich vor allem daran, dass die Parteien – anders als bei §§ 158 ff. BGB – diese Bedingung nicht durch Abänderung des Geschäftsinhalts als eingetreten betrachten oder für entbehrlich erklären können.31 Für Rechtsbedingungen gelten §§ 158 ff. BGB jedoch nicht; vielmehr sieht das Gesetz für sie spezielle Regelungen vor: Zu diesen gehört etwa § 185 II BGB; für §§ 158 ff. BGB bleibt kein Raum.32 Das Verständnis als rechtsbedingte Abtretung wirft also genauso die Frage auf, welche gesetzliche Vorschrift denn einschlägig ist. b) § 185 BGB Die vorstehende Überlegung führt weiter zu § 185 II BGB, der von einer Auffassung als Rechtsgrundlage für die Abtretung noch nicht existierender Forderungen herangezogen wird.33 Hiergegen spricht jedoch, dass § 185 BGB 27
BGH, 25.10.1952 – ZR 48/52, BGHZ 7, 365, 367 f.; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 63; BeckOK-BGB/Rohe, Ed. 25, § 398 Rz. 32; Kötter, S. 9 – 11; Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 129 f. 28 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 I 5 a; Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 I; Ringstmeier, S. 26; Voß, S. 30 f. 29 Oben Fn. 26. 30 Etwa Arndt, DRiZ 1954, 233; Hoddick, S. 30 f.; Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 398, 399 1 g γ. 31 Vgl. MünchKomm-BGB/Westermann, 6. Aufl. 2012, § 158 Rz. 54. 32 BGH, 29.03.2000 – VIII ZR 81/99, NJW 2000, 2272, 2273; Egert, Die Rechtsbedingung, S. 22, 49 ff.; Staudinger/Bork, BGB, Neubearb. 2010, Vorb. z. §§ 158 – 163 Rz. 24; vgl. auch schon § 2 S. 35 f. 33 Fn. 24. Vornehmlich beschränkt man sich allerdings, § 185 BGB als argumentum a fortiori für die Zulässigkeit der Vorausabtretung überhaupt anzuführen, s. etwa Palandt/Grüneberg,
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
seiner Rechtsfolge nach keine selbständige Übertragungsregelung ist:34 Auch die Übereignung einer beweglichen Sache durch einen Nichtberechtigten mit Genehmigung des Berechtigten wird nicht auf § 185 II BGB gestützt, weil § 185 II BGB lediglich eine Hilfsnorm für die Übertragungsregelung in § 929 S. 1 BGB ist, um dort das Merkmal der Berechtigung auszufüllen (andernfalls wäre jegliche Übergabe entbehrlich). Da es bei einer Analogie nicht um die Anpassung der Rechtsfolge, sondern um deren Anwendung auf einen im Gesetz nicht berücksichtigten Tatbestand geht,35 kann § 185 II BGB auch nicht durch Analogie zu einer solchen Übertragungsregelung werden. Das schließt es zwar nicht aus, § 185 BGB als argumentum a fortiori für die Zulässigkeit der Abtretung künftiger Forderungen anzuführen. Als Rechtsgrundlage kommt aber nur § 398 BGB in Betracht, da einzig diese Vorschrift ihrer Rechtsfolge nach die Übertragung einer Forderung regelt.
2. § 398 BGB – direkte oder analoge Anwendung? a) Vorausabtretung § 398 S. 1 BGB setzt eine Forderung voraus. „Forderung“ ist nur ein entstandenes Recht. Wer unter der Vorausabtretung nichts anderes als die Abtretung einer bestehenden Forderung „im Voraus“ versteht, muss § 398 S. 1 BGB also gar nicht analog anwenden. Er muss sich nur fragen, ob der in § 398 S. 2 BGB als einheitlich vorgesehene Abtretungsvorgang auch als mehraktiger vollzogen werden darf, indem die Einigung vorgezogen wird und der erwünschte Übergang der Forderung erst später eintritt. Die Abtretung einer bestehenden Forderung wird also zeitlich gestreckt und könnte dann unmittelbar unter § 398 S. 1 BGB subsumiert werden. Unter diesem Blickwinkel erweist sich der zunächst apodiktisch anmutende Hinweis auf die „Zulässigkeit“ der Vorausabtretung36 nicht unbedingt als methodische Trägheit, sondern als Ausdruck der Vorstellung, dass die Übertragung einer Forderung mit dem Vertrag nach § 398 S. 1 BGB beginnt und dem späteren Entstehen der Forderung ihren Abschluss findet.37 Interessant ist die Perspektive dieser Auffassung. Sie blickt ausgehend von der entstandenen Forderung zurück und fragt, welcher Teil des Abtretungsvorgangs bereits im Voraus verwirklicht werden kann. Methodische Bedenken ruft bei einer BGB, 73. Aufl. 2014, § 398 Rz. 11; Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 129 f. Ähnlich der a‑fortiori-Argumentation Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 304, der für eine Analogie zu § 185 BGB, jedoch im Rahmen von § 398 BGB plädiert. 34 Kritisch auch Häsemeyer, ZZP 111 (1998), 83. 35 Larenz, Methodenlehre, 2. Aufl., S. 269 ff. 36 Oben Fn. 27. 37 So etwa deutlich das RG, 01.10.1907 – VII 524/06, RGZ 67, 166, 167; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 63.
B. Konstruktive Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
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solchen Betrachtung allerdings § 398 S. 2 BGB hervor, da der Zessionar eben noch nicht „mit dem Abschluss des Vertrags“ der neue Gläubiger der (entstandenen) Forderung ist. b) Gegenwärtige Abtretung der künftigen Forderung Diese Perspektive soll nun einmal gewechselt werden. Dabei soll versuchsweise mit der von der herrschenden Meinung angelegten Prämisse38 gebrochen werden, dass eine künftige Forderung ohne Rechtsgrund nicht existiert. Dem eben geschilderten Konzept der Abtretung im Voraus soll das Konzept einer Abtretung der künftigen Forderung selbst gegenüber gestellt werden. Dieses Konzept basiert auf der Annahme, dass eine künftige Forderung bereits gegenwärtig abgetreten werden kann. Gegenstand der Abtretung soll also nicht die Forderung, sondern eben die „künftige Forderung“ als solche sein. Da eine solche Sichtweise die künftige Forderung zum Gegenstand des Rechtsgeschäfts erhebt, wäre sie auf eine analoge Anwendung von § 398 S. 1 BGB angewiesen, weil es an der dort vorausgesetzten entstandenen Forderung fehlt. Es hängt also von der gewählten Perspektive ab, ob § 398 S. 1 BGB direkt oder analog anzuwenden ist.
3. Das von der herrschenden Meinung zugrunde gelegte Modell der Vorausabtretung Zu untersuchen ist, welche Perspektive die herrschende Meinung zugrunde legt. Die im Einzelnen verwendete Fachsprache gibt hierüber keinen Aufschluss. Rechtsprechung und Schrifttum sprechen nämlich durchweg synonym von der „Abtretung künftiger Forderungen“ und der „Vorausabtretung“.39 Dazu drängen häufig bereits sprachstilistische Bedürfnisse, so dass hieraus keine Schlüsse gezogen werden können. Eine Ursache für Unklarheiten in dieser Hinsicht findet sich gerade bei von Tuhr, einem der Vordenker der künftigen Forderungen. Er betrachtete zwar die Abtretung für alle Arten künftiger Forderungen als eine
38 Statt vieler: v. Tuhr, DJZ 1904, 426, 427; Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 301 – 304; Brinkmann, S. 18 („rechtliches nullum“); Eckardt, ZIP 1997, 957, 961; Flume, NJW 1950, 841, 845; Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 51, 92; Häsemeyer, ZZP 111 (1998), 83, 85; Hennrichs, JZ 1993, 225, 227; Hoddick, S. 17; Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 123; Müller, ZIP 1994, 342, 347; Pöggeler, JA 1996, 551, 553; Schwarz, WM 2001, 2185, 2188; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47; Schwerdtner, NJW 1974, 1785, 1788; Voß, S. 30; Westermann, Interessenkollisionen und ihre richterliche Wertung, S. 18. 39 Statt vieler: BGH, 20.03.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140, 144; Larenz, Schuldrecht I, § 34 III; PWW/Müller, 8. Aufl. 2013, § 398 Rz. 13. Ausdrücklich zum Synonym erklärt bei Pagenkopf, S. 7; Sieber, Treuhandverhältnis, S. 125. Allemal eine unnötige Dopplung enthält die „Vorausverfügung über künftige Forderungen“ bei Simokat, NZI 2012, 57, oder Voß, S. 29.
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
Abtretung im Voraus,40 hat aber dennoch Merkmale beider Konzepte vereint.41 Einerseits wollte er § 398 BGB nur analog anwenden und argumentierte für einen Direkterwerb, was dem Konzept der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung besser entspricht (s. soeben 2.b). Andererseits waren es gerade seine Erkenntnisse, die der Argumentation mit § 185 BGB Vorschub leisteten, was wiederum ein Verständnis als Vorausabtretung befördert, da § 185 BGB der gesetzliche Paradefall für einen gestreckten Erwerbsvorgang ist.42 Gleichwohl lässt sich feststellen, dass das Konzept der Vorausabtretung das ganz herrschende ist.43 Dafür spricht, dass die herrschende Meinung – jedenfalls die künftige Forderung ohne Rechtsgrund – nicht als eigenen Gegenstand ansieht und folglich auf die entstandene Forderung als Anknüpfungspunkt angewiesen ist.44 In die gleiche Richtung weist, dass die herrschende Meinung die Verfügung über künftige Forderungen mit einem Konvaleszenzmodell erklärt, weil sie die Vorauszession vor dem Hintergrund von § 185 II BGB denkt.45 Das wird an dem folgenden Argumentationsmuster deutlich, mit dem die Zulässigkeit der 40
v. Tuhr, DJZ 1904, 426, 428. v. Tuhr, DJZ 1904, 426 ff. 42 Umgekehrt sprach Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 398, 399 1 g γ, weniger von der Vorauszession als von der künftigen Forderung als Übertragungsgegenstand, vertrat hierzu an sich widersprüchlich aber einen reinen Durchgangserwerb. Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 147, nimmt einerseits Direkterwerb an, will andererseits die Vorauszession direkt auf § 398 BGB stützen. 43 Explizit Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rz. 756: „die sofort wirkende Übertragung bloßer Aussichten ist im BGB nicht vorgesehen.“ Deutlich auch bei BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 206; BGH, 16.05.1988 – II ZR 375/87, BGHZ 104, 351, 354 f.; BGH, 09.06.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367, 369 f.; BGH, 14.07.2004 – XII ZR 257/01, NJW 2005, 1192, 1194. Ein Wegbereiter für diese Sichtweise, gerade in der Rechtsprechung, war Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 I 1 u. IV 2a. Siehe des Weiteren: Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 301 – 305; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 63; Brinkmann, S. 158 f.; MünchKommBGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 79; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rz. 32; Armbrüster, NJW 1991, 606, 607 f.; Beig, S. 11 f.; Bülow, JA 1983, 7, 12; Eckardt, ZIP 1997, 957, 959 f.; Hollweg-Stapenhorst, S. 65 f.; Kaduk, FS Larenz, S. 683, 693; Kochmann, S. 14; Kötter, S. 9 – 11; Basedow/Hopt/Zimmermann/Kötz, Handwörterbuch, Bd. 1, S. 10 f.; Pagenkopf, S. 7 ff. und passim; Pöggeler, JA 1996, 551, 553; Reichold, S. 41 f.; Ringstmeier, S. 25; Schwarz, WM 2001, 2185, 2188; Süß, Abtretung künftiger Ansprüche, S. 28; Lieb, Das künftige Recht, S. 129 – 131; Westermann, Interessenkollisionen und ihre richterliche Wertung, S. 18; ebenso deutlich (obwohl bisweilen fehlverstanden): Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 123 („Verfügt wird bereits jetzt, wirksam soll die Verfügung aber erst im Moment der Entstehung der Forderung werden. Sie bezieht sich somit nicht auf die nichtexistierende Forderung, sondern auf die existente Forderung, wenn sie zur Entstehung gelangt ist.“). Ebenso für die Verpfändung künftiger Forderungen, die man als im Voraus erklärte Verpfändung betrachtet, welche mit dem Entstehen der Forderung wirksam werde: BGH, 19.03.1998 – IX ZR 22/97, NJW 1998, 2592, 2597; Soergel/ Habersack, BGB, 13. Aufl., § 1204 Rz. 24; Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1273 Rz. 16; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1892; Mitlehner, Mobiliarsicherheiten im Insolvenzverfahren, 3. Aufl. 2012, Rz. 731. 44 Oben Fn. 38. 45 Oben Fn. 24. Das beobachtet auch Häsemeyer, ZZP 111 (1998), 83, der diesem Ausgangspunkt allerdings kritisch gegenübersteht. 41
B. Konstruktive Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
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Vorausabtretung von früh an begründet wurde: Wenn nach § 185 II BGB die Verfügung eines Nichtberechtigten über eine bestehende Forderung möglich ist, falls er diese später erwirbt, so müsse das Geschäft auch von vorneherein für diesen Fall abgeschlossen werden können (argumentum a fortiori).46 Namentlich von Tuhr hatte sich dieser Argumentation bedient,47 obwohl er nicht dieselben Probleme hat, die sich im Laufe der Rechtsentwicklung aus dieser Sichtweise ergeben haben. Dadurch – und sicher nicht im Sinne seiner Argumentation – hat sich die wissenschaftliche Diskussion zu § 185 BGB verlagert, bis hin zur Befürwortung einer Analogie zu § 185 II BGB.48 So überzeugend dieser argumentative Ausgangspunkt im Einzelnen ist, hat er den Blick auf ein Modell verengt, wonach nach Art von § 185 II BGB eine zunächst ins Leere greifende Abtretung konvalesziert.49 Begreift man die Abtretung einer künftigen Forderung aber als etwas, das konvalesziert, suggeriert dies das Bild einer unvollständigen Abtretung, die zu einer vollständigen wird; denn geheilt werden kann nur, was gegenüber dem Zielzustand (hier der Abtretung einer Forderung) ein Defizit aufweist. Die Konvaleszenz streckt also den Abtretungsvorgang über einen längeren Zeitraum und lässt die Abtretung einer künftigen Forderung als zunächst defizitäre, dann aber geheilte Abtretung einer entstandenen Forderung erscheinen. Dadurch rückt die Abtretung der bestehenden Forderung, die bereits im Voraus vorgenommen wird (Vorausabtretung), zwangsläufig in den Vordergrund.
4. „Kinderkrankheiten“ des Vorausabtretungsmodells a) Durchgangs‑, Direkterwerb und Anwartschaftsrechte Wenn man die Abtretung einer künftigen Forderung als gestreckten Erwerb einer entstandenen Forderung begreift, so verwundert es nicht weiter, dass die Vorstellung Pate steht, wonach ein Zedent – wie in jedem Fall einer normalen Abtretung – zu dem Zeitpunkt Inhaber der Forderung sein muss, zu dem sie übergeht.50 Das Bild der Konvaleszenz nach dem Vorbild von § 185 II BGB führt also zwangsläufig zu dem Bild eines Durchgangserwerbs. Ohne den Erwerb „durch den Zedenten hindurch“ wäre es nämlich nicht denkbar, dass die Entstehung der Forderung zur Konvaleszenz der Vorausabtretung führt. Das führt bis heute zur 46 Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 78 III 3. Vgl. auch u. v. a. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 398 Rz. 11; Eckardt, ZIP 1997, 957, 960 f.; Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 186; Nordhues, S. 71; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 I 5 a; Süß, Abtretung künftiger Ansprüche, S. 28. 47 v. Tuhr, DJZ 1904, 426, 427 f. 48 Oben Fn. 24. 49 Exemplarisch Egert, Die Rechtsbedingung, S. 60. 50 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 2b; Egert, Die Rechtsbedingung, S. 60 ff.
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
Unübersichtlichkeit der dogmatischen Diskussion, da man in den meisten Fällen einen Direkterwerb benötigt, um sachgerechte Ergebnisse zu erzielen.51 Würde man annehmen, dass die Forderung direkt beim Zessionar entsteht, so hieße das aber, dass der Rechtserwerb quasi durch sich selbst konvaleszieren müsste. Man müsste schon wie von Tuhr in die Trickkiste greifen und mit der Entstehung der im Voraus abgetretenen Forderung eine Art „An-sich-Rechtserwerb“ bzw. „An-sich-Gläubigerschaft“ des Zedenten kreieren,52 welcher der Vorausabtretung derart Wirkung verleiht, dass die Forderung direkt beim Zessionar entsteht. Eine solche Begründung ist aber Fiktion. Ein Direkterwerb ist nur dann logisch denkbar, wenn der Zessionar schon durch die Verfügung über die künftige Forderung gegenwärtig etwas erwirbt, das ihm den Grund gibt zu reklamieren, dass die Forderung direkt bei ihm entstehen wird. Eine solche Funktion kommt in der Dogmatik dem Anwartschaftsrecht zu, das ein solches Erwerbsrecht ist. Die h. M., die das Konzept der Vorausabtretung verfolgt, bemüht daher dieses Anwartschaftsrecht, um den häufig nicht sachgerechten Durchgangserwerb zu durchbrechen.53 Dadurch erlangt das Anwartschaftsrecht einen besonders zu rechtfertigenden Ausnahmestatus. Zu diesem Ausnahmecharakter tritt in Widerspruch, dass der Zession künftiger Forderungen auch dann Vorrang vor anderweitigen Verfügungen über dieselben künftigen Forderungen zukommen soll, wenn diese noch keinen Rechtsboden haben,54 also keine mit einem Anwartschaftsrecht assoziierten Eigenschaften aufweisen. Um den Grundsatz der Priorität auch solcher Abtretungen zu erklären, sucht man daher nach weiteren Erklärungsmustern. Dabei gelangt man – wiederum mit dem gestreckten Erwerb vor Augen – zur Bindung des Zedenten an seine Abtretungserklärung.55 b) Bindung des Zedenten an seine Abtretungserklärung Der BGH56 und ein Teil der Lehre57 begründen die Priorität einer Vorausverfügung gegenüber einer Zweitverfügung über dieselbe künftige Forderung mit der Bindung des Vorauszedenten an seine Abtretungserklärung. Eine Rolle spielt dabei die Norm des § 873 II BGB. Danach sind die Beteiligten an ihre vor Wirksamwerden des Verfügungsgeschäfts abgegebenen Einigungserklärungen nur gebunden, wenn die Erklärungen in einem bestimmten formellen Rahmen 51
Näher unter D.I.2.b (S. 386 f.). DJZ 1904, 426, 429 f. 53 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 I 3. 54 H. M.: Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 398 Rz. 12 f.; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 79 u. 86; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 2463; BeckOK-BGB/Rohe, Ed. 25, § 398 Rz. 71; Erman/Westermann, BGB, 13. Aufl. 2011, § 398 Rz. 11; NomosKommentar-BGB/ Kreße/Eckardt, 2012, § 398 Rz. 15; weitere Nachweise unten D. 55 Deutlich bei Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 49 I 2 b, an dessen Dogmatik sich der BGH anlehnt, dazu sogleich. 56 Nachweise unten Fn. 239. 57 Nachweise unten Fn. 193. 52
B. Konstruktive Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
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abgegeben wurden. Die Argumentation mit § 873 II BGB ist allerdings schwach, da die Norm Rückschlüsse sowohl in die eine als auch in die andere Richtung erlaubt.58 Bei näherem Hinsehen sollte der Vergleich mit der im Sachenrecht problematisierten Bindung an die Einigungserklärung gar nicht erst versucht werden. Die Bindung bei § 873 II BGB soll nämlich keineswegs die Priorität der Verfügung sichern, sondern Aufschluss darüber geben, ob die antezipierte Einigungserklärung des Veräußerers ohne weiteres noch widerrufen werden kann. Demgegenüber ist es unstreitig, dass der Veräußerer die Sache – selbst wenn er gebunden ist – weiterveräußern kann, ohne dass es für die Zweitverfügung eines Erwerbs vom Nichtberechtigten bedarf: Die Bindung an die Einigung ist eben nicht mit der Beschränkung der Verfügungsbefugnis gleichzusetzen.59 Und das gilt nicht nur für das Sachenrecht, sondern ergibt sich aus dem Charakter eines Verfügungsgeschäfts, wie auch die Abtretung eines ist. Es ist gerade das Merkmal einer Verfügung, dass sie – im Gegensatz zu einer Verpflichtung – nicht bindet, sondern unmittelbar wirkt.60 Die Bindung an eine Einigungserklärung ist daher von vornherein kein Konzept, um der Problematik der zwischenzeitlichen Verfügungen oder Verfügungsbeschränkungen Herr zu werden. Überhaupt ist zu beobachten, dass sehr häufig mit Normen des Sachenrechts argumentiert wird; schon die Konstruktion der Abtretung im Voraus rechtfertigt man mit dem sachenrechtlichen Vorbild der Übereignung noch nicht existenter Sachen durch antezipierte Einigung.61 Dieser Anlehnung an das Sachenrecht ist jedoch generell mit Vorsicht zu begegnen, da der Schluss von sachenrechtlichen Übereignungsgrundsätzen auf die Abtretung zwar wegen des abstrakten, beide Geschäfte erfassenden Verfügungsbegriffs bestechend ist, aber in umgekehrter Reihenfolge zu erfolgen hat:62 Gemeinsame Erkenntnisse sind aus dem Verfügungsbegriff zu gewinnen, der als Oberbegriff sowohl die dingliche Übertragung als auch die Abtretung erfasst; der Schluss vom dinglichen Geschäft auf den Verfügungsbegriff (und dann auf das Abtretungsrecht) ist hingegen systematisch unglücklich, da auf diese Weise der untergeordnete Begriff dem Oberbegriff seine Prägung geben würde. 58
Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 28. Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 38 IV; Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl. 2009, § 19 Rz. 13 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 874; Brinkmann, S. 164; MünchKomm-BGB/Oechsler, 6. Aufl. 2013, § 929 Rz. 41; Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 29; Pagenkopf, S. 108 – 110. 60 W. Wilhelm, in: Coing/W. Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts, S. 213, 221; Sohm, ArchBürgR 28 (1906), 173, 192 u. 202; Binder, ZHR 59 (1907), 1, 26; Enneccerus/ Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 2, § 143 II; Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 11 5 a; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.1, § 54 I. 61 Vgl. Brinkmann, S. 159 f.; Hoddick, S. 13 f.; Lieb, Das künftige Recht, S. 130 f. Mit § 878 BGB oder § 956 BGB argumentieren etwa Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 303, und v. Tuhr, DJZ 1904, 426, 427. Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 73 f., lehnt sich für die Frage des Durchgangs- oder Direkterwerbs an die Rechtsprechung zum Anwartschaftsrecht aus bedingter Übereignung an. 62 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 3 I 3. 59
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c) Trennung in Verfügungstatbestand und Verfügungserfolg Betrachtet man die Verfügung über künftige Forderungen als im Voraus vereinbarte Abtretung der entstandenen Forderung, so kann deren Rechtsfolge erst eintreten, wenn die Forderung entsteht. Daher zwingt das Modell der Vorausabtretung dazu, dass zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Abtretung vorliegen müssen, namentlich die Verfügungsbefugnis des Zedenten.63 Weil diese Sichtweise jedoch nachträglichen Verfügungsbeschränkungen Einfluss verleiht, der nicht als sachgerecht empfunden wird, sondert besonders die Rechtsprechung die Forderungsentstehung aus dem Verfügungstatbestand künstlich aus und erklärt diesen mit Abschluss des Abtretungsvertrags als beendet, so dass die Verfügungsbefugnis im weiteren Verlauf nicht mehr notwendig wäre.64 Diese Argumentation des BGH führt zu handfesten Widersprüchen in der Rechtsordnung. Zum Beleg sei ein Zitat aus der stetigen Rechtsprechung zum Anfechtungsrecht zitiert, welche die Forderungsentstehung als Teil des Verfügungstatbestands betrachtet: „Für die Anfechtbarkeit kommt es nach § 140 Absatz 1 InsO auf den Zeitpunkt an, in dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eintreten. Bei mehraktigen Rechtshandlungen treten diese mit dem letzten zur Erfüllung ihres Tatbestands erforderlichen Teilakt ein. Bei der Vorausabtretung einer Forderung ist dies das Entstehen der Forderung.“65 In nicht unverminderter Aktualität heißt es hingegen zur Priorität der Vorausverfügung: „Bei der Übereignung einer beweglichen Sache muß der Übereignende noch bei Übergabe verfügungsbefugt sein, weil diese neben der Einigung über den Eigentumsübergang zum Verfügungstatbestand gehört. Dagegen enthält die Abtretung einer zukünftigen Forderung bereits selbst alle Merkmale, aus denen der Übertragungstatbestand besteht; die Entstehung der abgetretenen Forderung gehört sogar dann nicht dazu, wenn noch nicht einmal der Rechtsgrund für sie gelegt ist. Deshalb wird die Rechtsstellung des Zessionars dadurch, daß der Zedent nach Abtretung, aber vor Entstehung der abgetretenen Forderung die Verfügungsmacht verliert, nicht berührt.“66 63
Eckardt, ZIP 1997, 957, 961; Lempenau, Direkterwerb oder Durchgangserwerb, S. 65. Bezeichnend auch BGH, 22.10.2009 – IX ZR 90/08, NZI 2009, 888, 889, der, weil er dieses Ergebnis nicht wünscht, sogar die Anwendung von § 185 II BGB ausdrücklich verweigert, in seiner übrigen Argumentation zum gestreckten Erwerb aber das Vorausabtretungsmodell zugrunde legt, das sich dogmatisch aus eben dieser Vorschrift entwickelt hat. 64 Unten Fn. 237. 65 BGH, 18.03.2010 – IX ZR 111/08, NZI 2010, 443, 444; BGH, 14.01.2010 – IX ZR 78/09, NZI 2010, 220, 223. Ebenso BGH, 19.05.2009 – IX ZR 37/06, NZI 2009, 574, 575 (zu § 8 I AnfG); OLG Karlsruhe, 08.04.2005 – 14 U 200/03, NZI 2006, 103, 104; OLG München, 08.06.2006 – 19 U 5587/05, NZI 2006, 530, 531. 66 BGH, 20.03.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140, 144. Ebenso: BGH, 22.10.2009 – IX ZR 90/08, NZI 2009, 888, 889; BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 432; BGH, 09.06.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367, 369 f.; BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 206.
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Einmal, und keineswegs in vereinzelten oder veralteten Entscheidungen, gehört das Entstehen der als künftige zedierten Forderung also zum Übertragungstatbestand und ein andermal nicht und in beiden Fällen dient diese Vorstellung als Hauptargument für bestimmte Rechtsfolgen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein rechtlicher Vorgang in verschiedenem Kontext anders beurteilt wird. Wer aber bewusst auf die allgemeinen Grundlagen des Rechts, hier die Entstehung einer Forderung, rekurriert, muss ihre einheitliche Beurteilung gewährleisten, da er andernfalls den Grundlagencharakter und damit die Glaubwürdigkeit dieser Argumentation untergräbt.67 Was die Priorität der Vorausverfügung gegenüber einer Zweitverfügung angeht, ist diese Argumentation zudem nicht plausibel:68 Den Tatbestand einer (vorweggenommenen) Abtretung einer entstandenen Forderung ohne die Voraussetzung der Forderungsentstehung zu denken, ist widersinnig. Die vom BGH angestellte Trennung von Übertragungstatbestand und Wirksamkeit69 entspricht nicht der Rechtswirklichkeit. Wer einem solchen Übertragungstatbestand nämlich eine Sperrwirkung gegenüber weiteren Verfügungen oder Verfügungsbeschränkungen beimessen will, kommt nicht umhin, ihm bereits jetzt Wirksamkeit zu attestieren. Zu guter Letzt vermag das Ergebnis dieser Fiktion zwar im logischen Sinn zu erklären, warum der spätere Verlust der Verfügungsmacht eine Vorausabtretung nicht angreift; es kann aber keine Erklärung dafür geben, warum eine zweite Verfügung unwirksam sein soll, obwohl die erste noch nicht wirkt. Das offenbart, dass derlei Begründungen Stückwerk sind. d) Zwischenergebnis Das Modell einer im Voraus erklärten Abtretung, welche mit Entstehen der Forderung konvalesziert, schafft eine Reihe von Prämissen, die im Sinne sachgerechter Lösungen überwunden werden müssen, was nicht ohne dogmatische Friktionen möglich ist und zu allerhand Kompromissen nötigt. Daraus ergibt sich eine Dogmatik, welche die Rechtslage in vielen Fällen nicht abbilden kann, in Widerspruch zu anderen Rechtsbereichen tritt sowie zur Fragmentierung der Begründungsmuster und zur Unübersichtlichkeit der Rechtslage führt. Das läuft dem Anspruch von Dogmatik zuwider und dies in einem Bereich, der, wie die Verfügung über künftige Forderungen, zu den Grundlagen der Privatrechtsordnung gehört.
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Zur Autorität des Grundlegenden im Recht siehe § 1 S. 6 ff. Häsemeyer, ZZP 111 (1998), 83, 84 bezeichnet sie zu Recht als „absurd“ (und beklagt an dieser Stelle, dass man die Vorausverfügung über künftige Forderungen ohne Rechtsgrund überhaupt zugelassen hat); ebenso Eckardt, ZIP 1997, 957, 960. 69 BGH, 22.10.2009 – IX ZR 90/08, NZI 2009, 888, 889. 68
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
5. Das Konzept der Abtretung der künftigen Forderung selbst Gegenüber dem Konzept der herrschenden Meinung sei im Folgenden das Konzept der gegenwärtigen Abtretung künftiger Forderungen näher untersucht. Die künftige Forderung selbst als Übertragungsgegenstand zu betrachten, hat durchaus schon in früherer Zeit Anhänger gehabt.70 Etwas kryptisch äußerte sich das Reichsgericht in einer Entscheidung, die lediglich in einer Rechtsprechungsübersicht abgedruckt war und wenig Beachtung erfahren hat. Das Reichsgericht befand, dass der Zessionar vor Entstehung einer Forderung zwar nicht ihr Gläubiger werden könne, ergänzte aber, dass dies keineswegs bedeute, „[. . .] daß bis zu diesem Zeitpunkte die Abtretung nur eine schuldrechtliche Wirkung zwischen den Vertragschließenden habe. Wäre das richtig, so würde die eigentliche Übertragung der Forderung noch ausstehen, und der Vertrag wäre inhaltlich nichts anderes als die Vereinbarung späterer Übertragung (pactum de non cedendo). Solches hat das RG. natürlich nicht im Sinne gehabt, als es die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Abtretung zukünftiger Forderungen aussprach; denn daß ein Vorvertrag gedachter Art über eine noch nicht bestehende Forderung zulässig und schuldenrechtlich wirksam ist, versteht sich von selbst und ist nie bezweifelt worden. Wer aber seine zukünftige Forderung nicht abzutreten verspricht, sondern abtritt, verfügt damit schon jetzt über sie.“71 Vor allem im letzten Satz offenbart das Reichsgericht, dass man die Abtretung nicht als im Voraus erklärte Abtretung der entstandenen, sondern als „Schonjetzt-Verfügung“ über die künftige Forderung begreifen könne; damit tritt jedoch in Widerspruch, dass es an anderer Stelle zu erkennen gab, dass die Forderung zunächst beim Zedenten entstehen würde.72 Der BGH hat sich zum Konzept einer gegenwärtigen Abtretung noch nicht geäußert.73 Ein Vertreter einer solchen Sichtweise aus neuerer Zeit ist Mülbert. Er sieht in der Verfügung über eine künftige Forderung eine Verfügung über ein „zeitlich segmentierte[s] Forderungspartikel“, das „schon in der Gegenwart u. a. mit der Folge übertragen“ werde, „dass das Recht [. . .] in der Person des Zessionars und nicht mehr in derjenigen des Zedenten besteht“.74 Weil Mülbert dabei von einem Durchgangserwerb des Forderungspartikels spricht, wird er fälschlicherweise als Vertreter des Durchgangserwerbs, also des Erwerbs der entstandenen Forderung in Rechtsnachfolge zum Zedenten zitiert.75 Mülbert ist jedoch 70
Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 398, 399 1 g γ; Lippmann, DJZ 1904, 255, 256 f. RG, 08.11.1912 – 218/12 VII, JW 1913, 132 Nr. 8. 72 RG, 08.11.1912 – 218/12 VII, JW 1913, 132 Nr. 8: „Kommt sie [die Forderung] später zur Entstehung, so geschieht dies allerdings noch in seiner Person [. . .]. Die Forderung geht aber in demselben Zeitpunkte kraft jener fortwirkenden Verfügung [. . .] ohne weiteres Zutun des Gläubigers sofort auf den neuen Gläubiger über.“ 73 BGH, 09.06.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367, 370, erwähnt aber immerhin, dass die Vorausabtretung bewirke, dass nun der Zessionar die Erwerbsaussicht innehat. 74 Mülbert, AcP 202 (2002), 912, 946. 75 Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 73. 71
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ein konsequenter Anhänger des Direkterwerbs, eben weil er in der Abtretung der künftigen Forderung bereits die Verfügung über etwas Gegenständliches annimmt, das später direkt beim Zessionar zum Vollrecht erwächst. Mülbert spricht nur deshalb von Durchgangserwerb (wohlgemerkt: in der Gegenwart der Abtretung), weil dieses „Rechtepartikel“ im Zeitpunkt der Abtretung vom Vermögen des Zedenten in dasjenige des Zessionars wandert. Für den Zeitpunkt des Entstehens der abgetretenen Forderung nimmt er allerdings einen Direkterwerb an.76 Dahinter steht eine auf den Zeitpunkt der Abtretung gerichtete Sichtweise, die bereits eine Verfügung in der Gegenwart annimmt und damit dem Konzept der Vorausabtretung ein anderes Modell entgegensetzt.77 Der Unterschied beider Konzepte liegt also im Gegenstand der Verfügung. Nach der herrschenden Auffassung ist Gegenstand der Zession die entstandene Forderung, deren Abtretung im Voraus vorgenommen wird. Nach dem u. a. von Mülbert vertretenen Konzept ist Gegenstand die künftige Forderung selbst, also die Aussicht eine Forderung zu erwerben. Wer diese Erwerbsaussicht überträgt, muss von vorneherein nicht mehr haben als eben diese Erwerbsaussicht. Durch ihn muss nicht mehr „hindurchgehen“ als diese. Im Falle der Realisierung der Erwerbsaussicht kann die Forderung dann bei demjenigen entstehen, der die Aussicht hat, sie zu erwerben.
6. Gegenwärtige Abtretung künftiger Forderungen und das BGB Das eben geschilderte Konzept setzt sich dem Einwand der Logik aus, dass etwas, was nicht ist, schwerlich abgetreten werden kann, und damit den zentralen Bedenken der herrschenden Meinung, dass es keinen Gegenstand gebe, auf den sich die Verfügung(-sbefugnis) beziehen könnte.78 Das Modell der Abtretung künftiger Forderungen kann sich also nur dann als – immerhin – plausibel erweisen, wenn das BGB die Existenz der künftigen Forderung (in den Worten Mülberts: des „Forderungspartikels“) anerkennt (a) und eine „Verfügung“ über sie mit den Vorgaben des BGB in Einklang steht (b). a) Die künftige Forderung als Gegenstand Die an Tabuisierung reichende Gewohnheit, mit der die Existenz einer künftigen Forderung im engeren Sinne abgestritten wird,79 steht in starkem Kontrast zu 76
Mülbert, AcP 202 (2002), 912, 945 – 947 und passim. Das macht Mülbert gewissermaßen konkludent, da er vor allem aus der Opposition gegen das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers heraus argumentiert, wohl aber die Abtretung künftiger Forderungen explizit behandelt. 78 Oben Fn. 38. 79 Bezeichnend Ohmeyer, Künftige Rechte, S. 23 ff., der das auf Konvaleszenz beruhende Vorauszessionsmodell kritisiert und für die Perspektive einer Abtretung künftiger Forderungen plädiert, aber wegen der Eigenschaft des künftigen Rechts als ein Nichtrecht von einer fehlenden 77
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
der Häufigkeit, mit der man andernorts von einer gewissen Gegenständlichkeit der künftigen Forderung, auch unterhalb der Schwelle sog. Anwartschaftsrechte, ausgeht. Allenthalben wird etwa betont, dass die Stellung, die der Vorauszessionar einer nicht weiter rechtlich fundierten künftigen Forderung erhält, vererblich ist und weiter übertragen werden kann.80 Der BGH spricht wegen der Priorität der ersten Vorausverfügung sogar von einer gesicherten Rechtsposition des Zessionars81 und davon, dass diese Stellung nicht beeinträchtigt werden dürfe.82 Zudem ist eine künftige Forderung ohne Rechtsboden eine Stütze für einen wirksamen Bürgschaftsvertrag.83 Der genannte Kontrast ist womöglich Ausdruck des geringen Interesses an einer theoretischen Durchdringung des Sach- und Gegenstandsbegriffs.84 Wie im Rahmen dieser Arbeit bereits gezeigt wurde,85 beschränkt sich der Gegenstandsbegriff des BGB nicht nur auf verdichtete Rechtspositionen oder den Besitz, sondern erfasst gleichermaßen eher diffuse Phänomene wie einen Kundenstamm, Know-how oder Goodwill kraft deren Rolle als wichtige Wirtschaftsgüter. Zu solchen unkörperlichen Gegenständen rechnet man auch die bloße Erwerbsaussicht,86 was angesichts des ökonomischen Wertes und Nutzens, den die künftige Forderung auch ohne Rechtsgrund genießt,87 nicht weiter verwunderlich ist. In ihrer Eigenschaft als Gegenstand offenbart sich letztlich die gleiche Selbstverständlichkeit, mit der das Reichsgericht zugunsten ihrer Abtretbarkeit entschieden hatte: Die künftige Forderung ist längst ein fungibles Wirtschaftsgut, das gegen Geld „getauscht“ und aufgegeben bzw. als Sicherung für einen Kredit verlangt wird. Sie ausschließlich der Vorbereitung eines künftigen Rechtsgeschäfts zuzuordnen, würde übersehen, dass sie sich durch ihre Fungibilität materialisiert hat. Die Betrachtung der künftigen Forderung als Gegenstand steht folglich im Einklang mit dem BGB.88 Zu erkunden ist, wie dieser Gegenstand beschaffen ist. Nach der heute ganz herrschenden Auffassung ist die entstandene Forderung als ein subjektives Recht ein Bündel aus Befugnissen, die zu unterschiedlicher Zeit entstehen und erlöschen können; zu diesen Befugnissen gehört namentlich die Verfügungsbefugnis.89 Die herrschende Meinung geht davon aus, dass die Verfügungsbefugnis über Gegenständlichkeit ausgeht und sich in ein Bindungsmodell flüchtet, welches sich letztlich nicht viel von dem von ihm kritisierten Vorauszessionsmodell unterscheidet. 80 Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 398 Rz. 11; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 79. 81 BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 206; BGH, 09.06.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367, 370. 82 BGH, 05.01.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 544. 83 S. § 8 E. (S. 278). 84 Dieses beklagt Rüfner, in: HkK-BGB, 1. Aufl. 2003, §§ 90 – 103 Rz. 11. 85 § 2 S. 54 f. 86 § 2 Fn. 310. 87 Oben § 2 G.I. (S. 51 ff.). 88 Im Ergebnis ebenso Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 I. 89 § 2 S. 19.
B. Konstruktive Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
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die Forderung schon entsteht (und sogar maßgeblich ist), bevor die künftige Forderung einen Rechtsgrund erhält: Davon gehen jedenfalls diejenigen aus, die den Vorrang einer Vorausverfügung gegenüber einer Zweitverfügung über dieselbe künftige Forderung damit erklären, dass der Zedent mit der früheren Vorausabtretung seine Verfügungsmacht verloren habe.90 Davon geht aber auch der BGH in stetiger Rechtsprechung aus, wenn er verlangt, dass die Verfügungsmacht bereits zum Zeitpunkt der Erklärung der Abtretung vorliegen müsse.91 Darüber hinaus erkennt jeder, der eine Vorausabtretung zulässt, die Vorabexistenz der Verfügungsbefugnis an, weil er demjenigen, der den Forderungserwerb lediglich in Aussicht hat, bereits jetzt erlaubt, über das spätere Vollrecht zu verfügen. Die Verfügungsbefugnis existiert also nach der ganz herrschenden Rechtsauffassung vor dem Entstehen der Forderung.92 Damit ist anerkannt, dass die künftige Forderung bereits eine rechtliche Struktur aufweist, und zwar in Gestalt einer Befugnis, die zu den Elementen einer entstandenen Forderung rechnet. Mit der Aussicht, eine Forderung zu erwerben, ist also bereits die rechtliche Befugnis verbunden, über die in Zukunft entstehende Forderung zu verfügen. Das zeigt, dass sich Mülbert, wenn er von einem „Forderungspartikel“ spricht,93 zwar nicht terminologisch, aber doch in der Sache auf dem Boden der herrschenden Rechtsauffassung bewegt. Ebenso zutreffend ist die abstrakte Umschreibung der künftigen Forderung durch Forkel, wonach diese ein obligatorisches Erwerbsrecht sei, welches zwar nicht die Befugnis in sich trägt, etwas zu verlangen, aber bereits die Befugnis, über das Erwerbsrecht zu verfügen.94 Da somit wenigstens ein Element einer Forderung bereits vor ihrer Existenz besteht, hat das wirtschaftliche Gut bzw. die Erwerbsaussicht „künftige Forderung“ sogar einen rechtlichen Gehalt und kann mit Recht als ein Gegenstand im Sinne des BGB betrachtet werden.95 b) Die künftige Forderung als Gegenstand einer Verfügung Nach einhelliger Definition ist eine Verfügung ein Rechtsgeschäft, das darauf gerichtet ist, unmittelbar auf ein bestehendes Recht einzuwirken, namentlich es 90 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 49 I 2 b; Larenz, Schuldrecht I, § 34 III; Lieb, Das künftige Recht, S. 132 f.; Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 II; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 79; Lempenau, Direkterwerb oder Durchgangserwerb, S. 70; Hoche, DNotZ 1958, 386, 388. 91 BGH, 20.03.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140, 144; BGH, 22.10.2009 – IX ZR 90/08, NZI 2009, 888, 889; BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 = NJW 2008, 430, 432; BGH, 09.06.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367, 369 f.; BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 206; BGH, 08.01.2009 – IX ZR 217/07, WM 2009, 416, 417. Vgl. auch Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 49 I 2 b. 92 Vgl. auch Lempenau, Direkterwerb oder Durchgangserwerb, S. 42 f. 93 Oben Fn. 74. 94 Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 166. 95 Zur Bestimmbarkeit der künftigen Forderung siehe unten C.
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
zu verändern, zu übertragen, zu belasten oder aufzuheben.96 Die Abtretung einer entstandenen Forderung ist demnach eine Verfügung.97 Für die Abtretung einer künftigen Forderung (ohne Rechtsgrund) ergeben sich Zweifel, da es an einem entstandenen subjektiven Recht, auf das eingewirkt werden könnte, fehlt. Hau hat jedoch bewiesen, dass sich die Verfügung im BGB nicht über das subjektive Recht als ihr Objekt definiert, sondern auch an einen anderen Gegenstand im Sinne des BGB anknüpfen kann.98 Insofern gibt die genannte Definition der herrschenden Meinung also nur den Regelfall der Verfügung über ein Recht wieder, schließt aber Verfügungen über andere Gegenstände nicht aus. Damit ist es unschädlich, dass die künftige Forderung noch kein subjektives Recht ist; die künftige Forderung könnte als Gegenstand im Sinne des BGB Objekt einer Verfügung sein. Nur wenn es an einem Gegenstand fehlt, auf den die Verfügung einwirken kann, so geht sie ins Leere.99 Das Wesensmerkmal einer Verfügung ist also ihre Rechtsfolge, nämlich die Einwirkung auf einen Gegenstand in Form einer unmittelbar eintretenden Änderung.100 In diesem Punkt unterscheidet sich die Verfügung von der schuldrechtlichen Verpflichtung. Anders als diese bindet sie nicht für die Zukunft, sondern wirkt unmittelbar.101 Zu solchen durch eine Verfügung bewirkten Veränderungen gehört die Änderung der Zuständigkeit für einen bestimmten Gegenstand und/oder seines Inhalts.102 Zu den typischen Wirkungen einer Verfügung zählt insbesondere die Übertragung der Zuständigkeit über einen Gegenstand auf eine andere Person.103 Nach der herrschenden Rechtsauffassung 96 BGH, 04.11.2009 – XII ZR 170/07, NJW-RR 2010, 483, 484; Larenz/Wolf, AT Bürgerliches Recht, § 23 Rz. 35; Hau, Vertragsanpassung und Anpassungsvertrag, S. 35 m. w. N. Der Ausdruck „Verfügung“ ist von dem „dinglichen Vertrag“ zu unterscheiden: Die Zession ist eine Verfügung, aber kein dinglicher Vertrag, weil sie kein dingliches Recht betrifft, v. Tuhr, DJZ 1904, 426. 97 Dazu Luig, in Coing/Wilhelm (Hrsg.), S. 112; Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 116 f. 98 Hau, Vertragsanpassung und Anpassungsvertrag, S. 37 f. Dass über eine Vorstufe eines Vollrechts verfügt werden kann, ist deshalb auch kein Privileg eines Anwartschaftsrechts; dementsprechend ist dessen selbständige Verfügbarkeit nicht Ausfluss seiner rechtlichen Verfestigung, sondern umgekehrt neben dieser ein Grund dafür, dass man das Anwartschaftsrecht als eigenen Gegenstand anerkannt hat, Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 58 – 63 und 172 ff. 99 Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 11 5 b; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 101. 100 Hau, Vertragsanpassung und Anpassungsvertrag, S. 37; W. Wilhelm, in: Coing/W. Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts, S. 213, 221; Sohm, ArchBürgR 28 (1906), 173, 192 u. 202; Binder, ZHR 59 (1907), 1, 26; Enneccerus/Nipperdey, AT Bürgerliches Recht I 2, § 143 II; Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 11 5 a; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.1, § 54 I; Ohmeyer, Künftige Rechte, S. 7 f. 101 Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rz. 32; Barth, Gruchot 58 (1914), 577, 581. 102 Larenz, Schuldrecht I, § 33 I; Sohm, Der Gegenstand, S. 7; Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl. 2009, § 5 Rz. 1. 103 Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 II; Marotzke, Das Anwartschaftsrecht – ein Beispiel sinnvoller Rechtsfortbildung, S. 46; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 99; Bork, AT BGB, Rz. 452. Vgl. auch Flume, AT Bürgerliches Recht II, § 11 5 c, der feststellt, dass eine Verfügung hinsichtlich der Verfügungsmacht im Grundsatz bewirkt, dass sie auf den neuen Inhaber übergeht, während eine Sperrwirkung für weitere Verfügungen aus der beim Verfügenden verbleibenden
B. Konstruktive Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
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hat eine Verfügung über eine künftige Forderung derartige Wirkungen. Selbst die Vertreter des Vorausabtretungsmodells erkennen ohne weiteres an, dass die Vorausverfügung nicht aktuell ins Leere greift, sondern bereits gegenwärtig etwas bewirkt, nämlich den Verlust der Verfügungsmacht des Zedenten.104 Von dort ist es nur noch ein kleiner Schritt, ihren Übergang anzunehmen, zumal der Zedent „bei der Vorauszession bereits alles von seiner Seite Erforderliche für den Rechtsübergang getan“ hat, wie der BGH selbst trefflich feststellt.105 Darüber hinaus ist anerkannt, dass der Zessionar einer Vorausabtretung seinerseits befugt ist, die künftige Forderung weiter zu übertragen,106 was beweist, dass sie auf ihn bereits übergegangen ist. Damit geht nach geltender Rechtslage die Befugnis zur Verfügung über die künftige Forderung von dem Zedenten auf den Zessionar über.107 Die Verfügung über einzelne Befugnisse eines Rechts ist dem BGB nicht fremd. Man kennt sie etwa von der Verpfändung einer Forderung.108 Gerade im Hinblick auf den Verlust der Verfügungsbefugnis wird allerdings eingewandt, dass sich Verfügungsmacht die Ausnahme darstellt. Ähnlich v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.1, § 54 II. 104 Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 105; Larenz, Schuldrecht I, § 34 III (der Verfügende hat sich seiner Verfügungsbefugnis für den Fall der Entstehung der Forderung begeben); so auch Staudinger/Kaduk, BGB, 10./11. Aufl. 1978, § 398 Rz. 57; Nordhues, S. 51. Vgl. auch MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 79: „zwischenzeitliche anderweitige Verfügungen des Zedenten über die Forderung sind mangels Verfügungsmacht unwirksam“. Vgl. ferner Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. V, § 65 I 2: „Nach Abschluß des Verfügungstatbestandes [den Serick mit der Einigung als vollendet ansieht, ohne dass die Existenz der Forderung nötig sei] hat der Vorauszedent die Verfügungsmacht über die künftige Forderung verloren, ungeachtet dessen, daß die Forderung in diesem Zeitpunkt noch gar nicht existiert.“ Zur Existenz der Verfügungsmacht vor Existenz des Rechts: Lempenau, Direkterwerb oder Durchgangserwerb, S. 42 f. A. A. Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 302 f., der aus den Materialien zu § 573 BGB a. F. (§ 566 b BGB) schließen will, dass die Verfügungsbefugnis noch zum Zeitpunkt der Entstehung der Forderung vorliegen muss (und daher dem Vorauszedenten wohl erhalten bleiben soll). Es ist indes fraglich, ob sich aus der Genese einer Norm im Mietrecht zwingende Folgerungen für eine allgemeine Systematik der künftigen Forderungen ableiten lassen. Zugleich ist der Rückschluss auf eine allgemeine Vorstellung des Gesetzgebers fraglich, da dieser offenbar keine kohärente Vorstellung von der Abtretung künftiger Forderungen hatte, geschweige denn auf eine zurückgreifen konnte. 105 BGH, 22.10.2009 – IX ZR 90/08, NZI 2009, 888, 889. Für eine verfügungsweise Übertragung der Verfügungsbefugnis explizit RG, 08.11.1912 – 218/12 VII, JW 1913, 132 Nr. 8 (oben Fn. 71); Beig, S. 35. 106 MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 79; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 398 Rz. 11. 107 Da der Zedent der künftigen Forderung einen Vermögensverlust in Form der Verfügungsbefugnis über ihm künftig entstehende Forderungen erleidet, kann die Frage dahinstehen, ob der Verfügungsbegriff einen unmittelbaren Nachteil des Zedenten voraussetzt: Dies ohnehin verneinend Hau, Vertragsanpassung und Anpassungsvertrag, S. 39 ff. m. w. N., der belegt, dass auch die Möglichkeit vermögensneutraler Verfügungen „ohne verlierenden Teil“ (ebd. S. 41) anzuerkennen sind und damit ein Verfügender bereits ein solcher ist, der rechtlich notwendig an dem Verfügungsgeschäft beteiligt ist, und nicht erst der Handelnde, welcher durch eine Verfügung eine unmittelbare Änderung seiner Aktiva erleidet. 108 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.1, § 45 II 1.
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
niemand isoliert seiner Verfügungsbefugnis begeben könne, da man diese wegen § 137 BGB immer nur mit der Verfügung über den entsprechenden Gegenstand verlieren könne.109 Das ist an sich richtig, trifft hier aber nicht auf den Punkt, da ein solcher Gegenstand in Form der künftigen Forderung gerade vorhanden ist. Nur wenn man die entstandene Forderung im Blick hat, gerät man in argumentative Not. Dann würde die Vorausverfügung in der Tat nur als Bindung in Erscheinung treten und erwiese sich eher als ein Verpflichtungsgeschäft,110 dessen verfügungsbeschränkende Wirkung mit Blick auf § 137 BGB bedenklich wäre. Nimmt man hingegen die künftige Forderung als Gegenstand ins Visier und bezieht die Verfügungsbefugnis deshalb auf sie, so geht diese keineswegs ohne ihren Gegenstand über. Diesen können die Vertreter des Vorausabtretungsmodells aus ihrer Warte allerdings nicht sehen. Sie erkennen zwar die Wirkung an, welche die Abtretung einer künftigen Forderung zu einer gegenwärtigen Verfügung macht; allein den Schritt, das Objekt dieser Wirkung zu identifizieren, ist die herrschende Auffassung aber bisher nicht gegangen. Identifiziert man aber dieses Objekt, so kann die Vorausabtretung auch als Abtretung einer künftigen Forderung analog § 398 BGB als eigene Verfügung gedacht werden, ohne in Widerspruch zum BGB zu treten.
7. Vorteile eines Perspektivenwechsels Das Konzept einer Abtretung der künftigen Forderung provoziert weit weniger Widersprüche als das Modell einer Vorausabtretung. Die künftige Forderung des Zedenten würde kraft der Verfügung unmittelbar auf den Zessionar übergehen. Da hierdurch der Zedent die künftige Forderung verliert, während der Zessionar sie erwirbt, lässt sich der Vorrang einer zeitlich früheren Abtretung111 ebenso plausibel erklären wie der Umstand, dass der Zessionar einer künftigen Forderung diese noch vor ihrem Entstehen weiter übertragen kann.112 Da bereits im Grundsatz ein Direkterwerb besteht, entfällt die Konstruktion von Ausnahmen. Der Drang zur Annahme einer – systemfremden – Bindung zur Rechtfertigung der Priorität entfällt. Die künstliche Aufspaltung der Vorausabtretung in Verfügungstatbestand und Verfügungserfolg unter Herauslösung der Forderungsentstehung aus dem Tatbestand ist ebenso entbehrlich, da die Rechtsfolge bereits mit der Übertragung der künftigen Forderung verwirklicht ist und die Verfügungsbefugnis des Zedenten selbstverständlich nur zu diesem Zeitpunkt vorliegen muss. Außerdem
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Namentlich Brinkmann, S. 164 f. im Anschluss an Häsemeyer, ZZP 111 (1998), 83, 85. Vgl. auch Eckardt, ZIP 1997, 957, 960. 110 RG, 08.11.1912 – 218/12 VII, JW 1913, 132 Nr. 8; im Wortlaut oben bei Fn. 71. 111 Oben Fn. 54. 112 Oben Fn. 106. Zu den Vorteilen dieses Modells bei § 406 BGB siehe bereits oben § 4 S. 130.
C. Bestimmbarkeit
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entfällt der terminologische Widerspruch, dass die Verfügung nach dem BGH mit dem Abtretungsvertrag zwar beendet sein, es sich aber dennoch um eine im Voraus vorgenommene Abtretung der entstandenen Forderung handeln soll.113 Erklärungsschwierigkeiten, warum die Verfügung über künftige Forderungen keine um das Entstehen der Forderung bedingte Verfügung ist, ergeben sich nicht; im Gegenteil wird der wirtschaftliche Hintergrund des Vorgangs besser erfasst, nämlich als unbedingte Verfügung über eine Position, deren Verwirklichung noch im Unklaren liegt. Diese Erwerbsaussicht erwirbt ganz und endgültig der Zessionar.
8. Ergebnis Die Untersuchung hat ergeben, dass die herrschende Konzeption der Übertragung künftiger Forderungen als „Vorausverfügung“ nicht das einzig denkbare Modell ist, das mit dem BGB in Einklang gebracht werden kann. Vielmehr kann man sie auch als Verfügung über die künftige Forderung selbst begreifen. Diese Lösung fügt sich sogar besser in das Recht ein als das Konzept der Vorausabtretung, welches zu zahlreichen dogmatischen Friktionen nötigt. Gleichwohl ist dieser Vorteil nach dem Stand der bisherigen Untersuchungen vornehmlich dogmatischer Natur. Welches Modell die Rechtslage besser abbildet, lässt sich erst nach einer Untersuchung der rechtlichen Bewährungsproben sagen, denen die Übertragung künftiger Forderungen in der Sache standhalten muss (unten E. und F.). Zunächst sei allerdings noch auf die Bestimmbarkeit als weitere Grundlage der Verfügung über künftige Forderungen eingegangen.
C. Bestimmbarkeit Die Bestimmbarkeit einer Forderung gilt als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Zession, und zwar für die Abtretung entstandener wie künftiger Forderungen gleichermaßen.114 Sie ist besonders interessant, da sie im Laufe ihrer Entwicklung als ein vermeintlich „weiches“ Kriterium benutzt wurde, um Verfügungen über künftige Forderungen dort zurückzudrängen, wo sie als nicht mehr interessengerecht empfunden wurde.115 Im Kern geht es darum, bestimmen zu können, was Gegenstand der Abtretung ist. Dabei kann bereits im Ausgangspunkt fraglich sein, ob sich eine Abtretungsvereinbarung überhaupt auf künftige Forderungen beziehen soll. Da man mit der „Forderung“ üblicherweise die entstandene assoziiert, geht der BGH davon aus, dass ohne den Zusatz „künftig“ im Zweifel nur 113
Statt vieler: BGH, 08.01.2009 – IX ZR 217/07, WM 2009, 416, 417. Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 VIII. 115 Dazu C.VI. (S. 375 ff.). 114
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
bestehende Forderungen gemeint sind,116 wobei solche Zweifel jedoch mit den üblichen Mitteln der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) ausgeräumt werden können.117 Erst wenn diese Frage geklärt ist, geht es um die „Bestimmbarkeit“, die die Rechtsprechung unter dem Obersatz prüft, dass die künftige Forderung zum Zeitpunkt ihres Entstehens bestimmbar sein müsse.118
I. Status Quo Nach der heute herrschenden Auffassung müssen die als künftige abgetretenen Forderungen nicht schon zum Zeitpunkt der Abtretungsvereinbarung bestimmt sein; es soll vielmehr ihre Bestimmbarkeit im Zeitpunkt ihrer Entstehung genügen.119 Deshalb können zur Zeit der Abtretungsvereinbarung sowohl die Person des potentiellen Schuldners120 als auch der Rechtsgrund noch unbekannt sein, solange die Forderung bei ihrem Entstehen anhand anderer Individualisierungsmerkmale zweifelsfrei bestimmt werden kann.121 Dabei ist es unschädlich, wenn dieser Bestimmungsvorgang einen gewissen Arbeits- bzw. Erkenntnisaufwand erfordert122 oder auf außerhalb der Abtretungsvereinbarung liegende Umstände angewiesen ist, falls die Vereinbarung selbst auslegungsbedürftig ist.123 Probleme tauchen in der Praxis auf, wenn von einer Gesamtheit an Forderungen, etwa aus einer konkreten Geschäftsverbindung, nur ein Teil abgetreten wird.124 Das erhöht die Anforderungen an ihre Bestimmbarkeit, da die Eingrenzung des wirtschaftlichen Sachverhalts nicht mehr genügt, um die Forderung genau zu individualisieren, und zusätzliche Kriterien – wie etwa die Anfangsbuchstaben der Schuldner oder ein gewisser Zeitraum – zur Individualisierung nötig sind. Daher rührt der Satz, dass gerade sehr weitgehende Zessionsvereinbarungen die Bestimmbarkeit erleichtern.125 Wer alle seine Forderungen abtritt, entkräftet 116 BGH, 16.03.1995 – IX ZR 72/94, NJW 1995, 1668, 1669; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 398 Rz. 14. 117 BGH, 07.07.2003 – II ZR 271/00, NJW-RR 2003, 1690, 1691. 118 Vgl. statt vieler: BGH, 07.07.2003 – II ZR 271/00, NJW-RR 2003, 1690, 1691; BGH, 22.06.1989 – III ZR 72/88, BGHZ 108, 98, 105; BGH, 25.10.1952 – I ZR 48/52, BGHZ 7, 365, 367 f. 119 BGH, 20.09.2012 – IX ZR 208/11, NJW-RR 2013, 248; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 398 Rz. 14; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 81. S. bereits grundlegend Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 II 2a. 120 Bei der Verpfändung künftiger Forderungen muss der Schuldner wegen § 1280 BGB allerdings bestimmt sein, Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1280 Rz. 3; Gaul/Schilken/ Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 54 Rz. 9. 121 BGH, 20.09.2012 – IX ZR 208/11, NJW-RR 2013, 248; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 81. 122 BGH, 07.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86, 89 f.; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 398 Rz. 14. 123 BGH, 20.09.2012 – IX ZR 208/11, NJW-RR 2013, 248. 124 MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 71, 81; Hollweg-Stapenhorst, S. 67 f. 125 MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 145.
C. Bestimmbarkeit
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theoretisch eben jeden Zweifel, welche seiner Forderungen von dieser Abtretung erfasst sind.
II. Historische Entwicklung Das Reichsgericht ließ keinen Zweifel daran, dass zum Zeitpunkt der Forderungsentstehung klar sein müsse, ob die Forderung der Abtretungsvereinbarung unterfällt.126 Namentlich für Globalzessionen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen127 erachtete das Reichsgericht dies jedoch nicht als ausreichend. Es nahm Bestimmbarkeit vielmehr nur dann an, „wenn kein Fall denkbar ist, in dem [die] nur gattungsmäßige Bezeichnung [der künftigen Forderungen] zu Zweifeln Anlaß gibt.“128 Damit sollte gewährleistet sein, dass im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Abtretung kein Zweifel über ihren Gesamtumfang besteht.129 Das führte dazu, dass der Kreis der erfassten Forderungen von Anfang an feststehen musste und war daher konträr zur heutigen Rechtslage. Da – noch heute130 – leicht ein Fall denkbar ist, in dem eine für eine Vielzahl von Fällen formulierte Klausel nicht alle Forderungen zweifellos benennt, deren Entstehung möglich ist, wäre diese Rechtsprechung das Ende für die Globalzession künftiger Forderungen.131 Der BGH setzte sich schon früh von dieser Rechtsprechung ab und ebnete dabei den Weg für die heutige Rechtsauffassung. Er betonte, dass auch eine globale Abtretungsklausel nur die im Einzelfall in Rede stehende Forderung erfassen müsse und nur zu prüfen sei, ob diese bestimmbar ist.132 Ob man diese Rechtsprechung als Liberalisierung133 und die reichsgerichtliche Rechtsprechung als Entwertung134 der Globalzession betrachten darf, hängt jedoch davon ab, inwieweit das Bestimmbarkeitskriterium überhaupt Raum für eine solche Wertung lässt und die interessengerechten Grenzen einer Vorausabtretung festlegen kann. Im Folgenden seien daher die Grundlagen des Bestimmbarkeitskriteriums untersucht, das seine Wurzeln im Recht der Verfügungen (dazu III. – V.), im Schuldrecht (dazu VI.) oder in der Struktur der künftigen Forderung (dazu VII.) haben kann.
126
RG, 30.10.1931 – VII 116/31, RGZ 134, 225, 227. In der Sprache des Reichsgerichts sog. „typische Urkunden“. 128 RG, 06.04.1937 – II 238/36, RGZ 155, 26, 29. 129 Flume, NJW 1950, 841, 845. 130 OLG Bremen, 13.03.2012 – 2 U 14/12, MDR 2012, 613; BGH, 18.11.2008 – XI ZR 590/07, NJW-RR 2009, 630; BGH, 24.09.2007 – II ZR 237/05, WM 2008, 65. 131 Flume, NJW 1950, 841, 846; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 II 5a. 132 BGH, 25.10.1952 – I ZR 48/52, BGHZ 7, 365, 369; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 II 5b, c; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 81. 133 Westermann, Interessenkollisionen und ihre richterliche Wertung, S. 20. 134 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 II 5a. 127
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III. Bestimmbarkeit als Ausfluss verfügungsrechtlicher Publizität? An anderer Stelle dieser Arbeit wurde deutlich, dass eine Quelle der Bestimmbarkeit künftiger Forderungen das Publizitätsprinzip ist.135 Die Publizität ist ein Merkmal absoluter Rechte. Eine Forderung ist zwar einer Person ausschließlich zugewiesen, jedoch nicht als ein Recht mit absolutem Schutz konzeptioniert.136 Das BGB hat dementsprechend darauf verzichtet, ihr einen Publizitätsträger zur Seite zu stellen, so dass sie nicht jedermann erkennbar ist.137 Für die Abtretung künftiger Forderungen bedeutet dies, dass ein Dritter nicht in der Lage sein muss festzustellen, welche künftige Forderung von einer Abtretungsvereinbarung erfasst ist und welche nicht. Daraus ergibt sich, dass – entsprechend der herrschenden Meinung138 – grundsätzlich auch Umstände außerhalb einer schriftlichen Abtretungsvereinbarung maßgeblich sein dürfen, um deren Reichweite zu bestimmen. Für die Auslegung der Abtretungsvereinbarung genügt daher der objektive Empfängerhorizont einer Person, die in die Umstände der Vereinbarung eingeweiht ist. Publizität ist daher kein Gedanke, der die Bestimmbarkeit im Kontext der Abtretung regiert.
IV. Bestimmbarkeit als Ausfluss verfügungsrechtlicher Spezialität Demgegenüber ist das Spezialitätsprinzip durchaus ein Quell für die Bestimmtheit künftiger Forderungen.139 Es begegnet zumeist im Sachenrecht, das häufig – aber nicht immer treffend140 – als Leitbild für das Recht der Verfügungen bemüht wird. Allerdings ist die Spezialität ohnehin ein allgemeines Prinzip im Recht der Verfügungsgeschäfte und gilt daher auch für Verfügungen über andere Gegenstände als Sachen.141 Spezialität bedeutet, dass sich die Verfügung im Sinne der Rechtsklarheit nur auf einen einzelnen Gegenstand beziehen kann. Dementsprechend ermöglichen §§ 398 ff. BGB keine Gesamtabtretung einer Forderungsmehrheit. Das verhindert freilich nicht, die Verfügungen über einzelne Gegenstände in einer Gesamterklärung zusammen zu fassen („Globalabtretung“), solange die Voraussetzungen einer Verfügung für jeden einzelnen Gegenstand feststellbar sind. Unter diesem Gesichtspunkt war der Ansatz des Reichsgerichts verfehlt, die globale Abtretungsvereinbarung auf die Bestimmtheit „ihres“ Inhalts zu untersuchen. Wie der BGH denn auch richtig betont hat, muss die einzelne in 135
§ 5 E.III.3. Zur Frage, inwieweit die Forderung ein sonstiges Recht i. S. v. § 823 I BGB ist, BeckOKBGB/Spindler, BGB, Ed. 29, § 823 Rz. 96 – 98. 137 Vgl. auch Baur/Stürner, § 58 Rz. 19. 138 Oben Fn. 123. 139 Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 VIII; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 II 1; Beig, S. 13 f. 140 S. o. S. 356 f. 141 Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 20. 136
C. Bestimmbarkeit
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Rede stehende Forderung und damit die Frage Ausgangspunkt der Prüfung sein, ob über diese Forderung – unabhängig von anderen denkbaren oder existierenden Forderungen – verfügt worden ist.142
V. Bestimmbarkeit als allgemeines Verfügungsprinzip Während das Spezialitätsprinzip beantwortet, warum eine Abtretungsvereinbarung nicht eine Gesamtheit von Forderungen übergehen lassen kann, sondern auf die jeweilige einzelne Forderung beziehbar sein muss, ergibt sich die Vorgabe der Bestimmbarkeit auch aus der Natur eines „Verfügungsgeschäfts“. Dieses steht für eine unmittelbare Einwirkung auf einen Gegenstand.143 Daher ist der Verfügung immanent, dass sie nur wirken kann, wenn der Gegenstand, auf den sie einwirken soll, eindeutig bestimmt werden kann.144 Das mag bereits ein rechtskonstruktiver Befund sein, da eine unmittelbare Einwirkung logisch voraussetzt, dass ihr Gegenstand feststeht.145 Dahinter steht aber auch, dass das Privatrecht Unsicherheit in dieser Frage nicht verträgt, da es sonst seiner Ordnungsfunktion nicht gerecht werden könnte.146 Zu ihr gehört, dass Gegenstände zweifelsfrei einer Person zugeordnet werden müssen.147 Erst dann können Zuständigkeiten für diesen Gegenstand verteilt werden und erst dann besteht eine Basis für die Prüfung, ob es einen Rechtsgrund für diese Zuordnung gibt (§ 812 BGB). Die Bestimmbarkeit des Verfügungsgegenstands ist also eine der Verfügung innewohnende Bedingung für ihre Wirksamkeit.
1. Verfügungswirkung als maßgeblicher Zeitpunkt Vor dem Hintergrund der geschilderten Reichsgerichtsrechtsprechung diskutierte man, zu welchem Zeitpunkt diese Zuordenbarkeit des Gegenstands gegeben sein müsse, bei der Abtretungsvereinbarung oder bei Forderungsentstehung? Heute sagt man, dass im Zeitpunkt der Forderungsentstehung feststehen muss, wem die Forderung zu welchem Teil gebührt.148 Serick begründete das relativ aufwändig mit der Dogmatik der Vorausabtretung und ihrer Einteilung in einen abgeschlossenen Verfügungs- und den separierten Wirkungstatbestand.149 Es 142
Oben Fn. 132. Oben S. 363 ff. 144 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 II 2a; Westermann, Interessenkollisionen und ihre richterliche Wertung, S. 18. 145 Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 131. 146 Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 VIII. 147 Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 VIII. 148 Oben Fn. 119. 149 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 II 2b. 143
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ergibt sich allerdings schon aus dem schlichten Befund, dass sich die Frage der Zuordenbarkeit erst stellt, wenn die Wirkung der Abtretung in Rede steht. Da nach dem herrschenden Modell der Vorausabtretung die Abtretung erst wirkt, wenn die Forderung entsteht, ist eben dieser Zeitpunkt maßgeblich. Auf eine Wirkung vor diesem Zeitpunkt kommt es regelmäßig nicht an. Die von der Rechtsprechung entschiedenen Fälle betreffen etwa meist eine entstandene Forderung, deren im Voraus erklärte Abtretung streitig ist. Da hier die Zuordenbarkeit des entstandenen Rechts im Streit steht, muss folglich erst für diesen Zeitpunkt klar sein, ob sich die Verfügung auf sie bezieht oder nicht. Wenn wir demgegenüber die Existenz einer künftigen Forderung anerkennen und fragen, ob ihre Abtretung gegenwärtig auf sie einwirkt, müsste bereits zu diesem Zeitpunkt klar sein, von welcher künftigen Forderung wir sprechen. Verfügt ein Zedent beispielsweise zweimal über eine künftige Kundenforderung, so kann zu diesem Zeitpunkt nicht unklar gewesen sein, ob die künftige Forderung von der ersten Verfügung erfasst war oder nicht, auch wenn wir diese Frage erst aus heutiger Sicht überprüfen. Da diese Frage in der Praxis jedoch regelmäßig erst dann aufgeworfen wird, wenn die Forderung tatsächlich entstanden ist, könnten wir die Identität der künftigen Forderung von der entstandenen Forderung ableiten und die seinerzeit künftige Forderung gewissermaßen über die entstandene individualisieren. Der Gegenstand der Bestimmbarkeit bleibt aber die künftige Forderung und der Referenzzeitpunkt bleibt der Zeitpunkt der Verfügungswirkung, da nicht unklar sein durfte, über „welche“ künftige Forderung seinerzeit verfügt wurde. Die Retrospektive der Prüfung erleichtert lediglich die Individualisierung der künftigen Forderung.
2. Abtretungsvereinbarung als Anknüpfungspunkt der Bestimmbarkeit a) „Bestimmte“ Forderungen In dieser Perspektive liegt der Unterschied zur restriktiven Rechtsprechung des Reichsgerichts: Das Reichsgericht verlangte von den Parteien, wie ein Kautelarjurist in die Zukunft zu blicken und die Abtretungsvereinbarung so zu formulieren, dass ihr Inhalt klar abgesteckt ist. Demgegenüber denkt die rechtsprechungsgeprägte herrschende Auffassung in der richterlichen Perspektive. Sie knüpft an eine entstandene Forderung an, um welche die Parteien streiten, und prüft, ob diese einer vorhandenen Vorausabtretungsvereinbarung zugeordnet werden kann.150 Genau genommen ist es daher ein Relikt der reichsgerichtlichen Denkweise, wenn man heute generell verlangt, dass die künftige Forderung zum Zeitpunkt ihres Entstehens bestimmbar sein müsse.151 Die Forderung ist in vielen 150
Ähnlich Flume, NJW 1950, 841, 846. Statt vieler: BGH, 07.07.2003 – II ZR 271/00, NJW-RR 2003, 1690, 1691; BGH, 22.06.1989 – III ZR 72/88, BGHZ 108, 98, 105; BGH, 25.10.1952 – I ZR 48/52, BGHZ 7, 365, 151
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Fällen nämlich bereits bestimmt, und zwar immer dann, wenn die Parteien um eine konkrete Forderung streiten. Die Frage ist dann lediglich, ob die Parteien diese bestimmte Forderung abtreten wollten. Das kann nur angenommen werden, wenn sie zu denjenigen gehört, die in der Abtretungsvereinbarung gattungsmäßig beschrieben wurden oder ggf. weitere Umstände darauf hindeuten, dass sie von dieser erfasst sein sollte. Wenn dies dagegen nicht eindeutig festgestellt werden kann, dann gehört die Forderung eben weiterhin dem Zedenten. Hier geht es also in Wirklichkeit um die Ermittlung der Zugehörigkeit einer bestimmten Forderung zu einer bestimmten Abtretungsvereinbarung. Insoweit ist die Bestimmbarkeit kein Problem der Forderung, sondern des Umfangs der Abtretungsvereinbarung. b) „Bestimmbare“ Forderungen (insb.: Teilabtretung ohne Anteilsbestimmung) Die Bestimmbarkeit wird relevant, wenn mehrere Forderungen in einer bestimmten Betragshöhe abgetreten werden, ohne dass klar ist, welche Forderung zu welchem Teil diese Summe decken soll („Der Lieferant erhält künftige Kundenforderungen des Käufers in Höhe seiner eigenen Kaufpreisforderung.“). Vor allem das Reichsgericht hatte sich mit entsprechenden Klauseln zu befassen.152 Mit diesen Klauseln wurden einem Warenlieferanten künftige Forderungen abgetreten, die dem Käufer aus der Weiterveräußerung der Waren erwachsen. Da die Forderungen dem Warenlieferanten nur eine Sicherheit sein sollen, wollte man die Abtretung auf die Höhe der Kaufpreisforderung beschränken. Unterstellt man den Parteien, dass sie hier ein Gesamtpaket an Forderungen in einer gewissen Höhe abtreten wollen, so verletzt dies in der Tat das Spezialitätsprinzip.153 Jedenfalls gilt aber Folgendes: Es darf nicht unklar sein, welche Forderung zu welchem Teil abgetreten ist, wenn die Forderung(en) erkennbar nicht in vollem Umfang abgetreten sein sollen.154 Eine Verfügung wirkt nicht, wenn ihr Gegenstand nicht bestimmbar ist. Da hier – anders als in den vorangehend erläuterten Fällen – nicht eine bestimmte Forderung in Streit steht, sondern alternativ mehrere Forderungen als Abtretungsgegenstand in Betracht kommen, geht es hier in der Tat um die Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderung. Nur wenn die Forderung bestimmt werden kann, ist die Abtretung wirksam. Die Quelle der Bestimmbarkeit ist allerdings auch hier die Abtretungsvereinbarung. Sie muss 367 f. Deutlich inspiriert durch das Vorausabtretungsmodell ist der ebenfalls häufig anzutreffende Satz, wonach die einzelne Forderung so genügend bestimmt sein muss, dass „es nur noch ihrer Entstehung bedarf, um die Übertragung mit der Entstehung der Forderung ohne weiteres und zweifelsfrei wirksam werden zu lassen.“, BGH,15.03.1978 –VIII ZR 180/76, BGHZ 71, 75, 78; BGH, 07.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86, 89. 152 RG, 06.04.1937 – II 238/36, RGZ 155, 26; RG, 18.10.1935 – II 55/35, RGZ 149, 96; RG, 19.09.1933 – II 70/33, RGZ 142, 139, 142 f. Brockhoff, DJZ 1928, 445 f. 153 So Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 II 1. 154 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 II 1. BGH, 16.12.1957 – VII ZR 402/56, BGHZ 26, 178, 182 f.; RG, 06.04.1937 – II 238/36, RGZ 155, 26; RG, 18.10.1935 – II 55/35, RGZ 149, 96; RG, 19.09.1933 – II 70/33, RGZ 142, 139, 142 f.
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ausgelegt werden, um die von der Abtretung betroffene Forderung zu ermitteln; gelingt das nicht eindeutig, so geht die Abtretung ins Leere.155
3. Bestimmbarkeit als Auslegungsproblem Bei dem, was die Rechtspraxis als „Bestimmbarkeit der Forderung als Wirksamkeitsvoraussetzung der Abtretung“ bezeichnet, geht es also nicht um Eigenschaften einer Forderung, sondern um die Ermittlung des Inhalts der Abtretungsvereinbarung. Die Bestimmbarkeit ist in der Tat kein Forderungs‑, sondern ein Auslegungsproblem.156 Das führt zum Anfang dieser Überlegungen zurück. Dort wurde gezeigt, dass der Grund für die Bestimmbarkeit des Verfügungsgegenstands das Verlangen nach Zuordenbarkeit der Forderung ist. Die Zuordnung eines Gegenstands erfolgt in unserer Rechtsordnung in erster Linie anhand des erklärten Parteiwillens. Dieser manifestiert sich eben in der Abtretungsvereinbarung, deren Inhalt es zu ermitteln gilt. Maßgeblich für die Auslegung ist – nach allgemeinen Regeln (§§ 133, 157 BGB) – die Vorstellung der Parteien bzw. das Erklärungsumfeld zum Zeitpunkt der Vereinbarung.157 Das relativiert erneut die herrschende Festlegung auf die Bestimmbarkeit zum Forderungsentstehungszeitpunkt. Da ohnehin die Abtretungsvereinbarung die Maßstäbe setzt, muss die Bestimmung der (künftigen) Forderung zu jedem Zeitpunkt erfolgen können, zu dem diese Vereinbarung wirkt – einerlei ob man eine im Voraus erklärte oder eine gegenwärtige Abtretung der künftigen Forderung zugrunde legt (oben B.III.). Die verfügungsrechtliche Bestimmbarkeit ist daher stets eine Frage der Perspektive: Der Kautelarjurist wird danach trachten, die künftigen Forderungen bereits jetzt präzise zu bestimmen, während der Richter die Bestimmung erst vornehmen muss, wenn die Forderung entstanden ist.158 Da die Bestimmbarkeit somit ein Problem der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB und keine Frage der Beschaffenheit der Forderung ist, ist es gleichgültig, mit welchen Merkmalen die Parteien die spätere Forderung beschreiben, solange eine eindeutige Individualisierung möglich ist. Schematische Vorgaben wie die Bestimmtheit des Schuldgrunds oder der Person des Schuldners, mit denen man
155 Werden damit Erwartungen des Zessionars enttäuscht, der die jeweilige Forderung gerne erworben hätte, dann muss er gegebenenfalls schuldrechtlichen Ausgleich beim Zedenten suchen, Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 398 Rz. 14. Vgl. BGH, 17.05.1978 – VIII ZR 11/77, NJW 1978, 1632 zum Schadensersatzanspruch des Zessionars, wenn es der Zedent unterlässt, ein Verzeichnis der Schuldner anzulegen, was ihre Ermittlung für den Zessionar unmöglich macht. 156 Brinkmann, S. 160 bei Fn. 366. 157 Staudinger/Singer, BGB, Neubearb. 2011, § 133 Rz. 50: Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen, wie der Abtretungserklärung, kommt es auf den Zeitpunkt des Zugangs bei dem Erklärungsempfänger an. Mit dem Abschluss der Vereinbarung steht ihr Inhalt fest, der durch spätere Ereignisse grundsätzlich nicht mehr verändert werden kann. 158 Flume, NJW 1950, 841, 846.
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früher die „Bestimmbarkeit der Forderung“ gewährleisten wollte,159 lassen sich nicht rechtfertigen; sie sind erkennbar darauf ausgerichtet, die Abtretbarkeit künftiger Forderungen gewissermaßen durch die Hintertür wieder einzuschränken. Sie können zwar selbstverständlich eine Forderung treffend beschreiben, sind aber anderen Kriterien bei der Auslegung der Abtretungsvereinbarung gleichwertig. Solche Vorschläge haben sich daher mit Recht nicht durchgesetzt.160
VI. Bestimmbarkeit als Prinzip der Inhaltskontrolle 1. Grundlagen Die Bestimmbarkeit begegnet im Rahmen der Abtretung künftiger Forderungen auch bei der Inhaltskontrolle von Zessionsklauseln.161 Beispielsweise kann für die Prüfung von einer AGB-Abtretungsklausel am Maßstab des § 307 BGB von Bedeutung sein, ob der Zweck oder der Umfang einer Zession hinreichend genau bestimmt sind.162 Für die vorliegende Untersuchung gilt es zu betonen, dass es sich hierbei nur um Konstellationen handeln kann, in denen grundsätzlich wirksame Verfügungen ausnahmsweise kassiert werden, weil die Rechtsordnung sie im Einzelfall nicht hinnehmen will. Vorschriften wie §§ 138, 305c I, 307 BGB setzen voraus, dass die Abtretung grundsätzlich funktionieren kann und – gerade deshalb – mit der Rechtsordnung in Konflikt gerät; andernfalls müsste die Zessionsvereinbarung inhaltlich nicht überprüft werden. Eine Abtretung künftiger Forderungen kann wegen unbestimmten Umfangs daher nur dann an §§ 138, 305c I, 307 BGB scheitern, wenn die Zuordnung einer Forderung zur Abtretungsvereinbarung jeweils klar ist, aber die Gesamtzahl der jeweils zuordenbaren Forderungen für den Zedenten nicht bestimmbar ist, so dass ihre Abtretung das Vertragsgleichgewicht bzw. die schutzwürdigen Belange des Zedenten stören würde. Hier geht es um nichts weniger als das Abstraktionsprinzip: Die Verfügung ist an sich wirksam, es sei denn dass der Fehler im Schuldgrund ausnahmsweise „durchschlägt“, weil gerade die Vermögensübertragung der Rechtsordnung zuwiderläuft. Daraus wird deutlich, dass die solchermaßen abgeleitete Bestimmbarkeit kein Merkmal des Verfügungsgeschäfts oder der künftigen Forderung, sondern eine Frage der causa der Abtretung sowie des geschäftlichen Rahmens ist, in dem sie erfolgt. Die Unbestimmtheit wurzelt folglich in ganz anderen Umständen 159 Westermann, Interessenkollisionen und ihre richterliche Wertung, S. 18 – 24; Schwerdtner, NJW 1974, 1785, 1788. 160 Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 VIII. 161 Zum hier zugrunde gelegten Begriff der Inhaltskontrolle im weiteren Sinne Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 5 f. 162 BGH, 22.06.1989 – III ZR 72/88, BGHZ 108, 98, 104 f.; MünchKomm-BGB/Wurmnest, 6. Aufl. 2012, § 307 Rz. 217.
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wie etwa in der Kalkulierbarkeit der Haftung oder des Vermögenstransfers (§§ 307, 138 BGB) oder aber in dem Erwartungshorizont des Zedenten (§ 305c I BGB). Damit berührt diese Bestimmbarkeit abstrakte Gesichtspunkte, die für die Frage der Abtretbarkeit künftiger Forderungen völlig unwesentlich sind, nämlich die Unberechenbarkeit der Zukunft, die Unüberschaubarkeit des Übertragungsumfangs und damit die Ungewissheit, ob und wie viele Forderungen künftig entstehen. Der Unterschied zwischen dieser schuldrechtlich determinierten und der verfügungsrechtlichen Bestimmbarkeit zeigt sich auch darin, dass für die Inhaltskontrolle einer Bürgschaft für künftige Forderungen vergleichbare Erwägungen gelten,163 obwohl bei der Bürgschaft eine Verfügung nicht stattfindet.164
2. BGHZ 108, 98 Wegen dieser unterschiedlichen Ursachen und Ausgangspunkte ist es äußerst bedenklich, wenn der BGH durch die nachfolgend wiedergegebene Feststellung den Leitsatz zur verfügungsrechtlichen Bestimmbarkeit auf die Inhaltskontrolle überträgt:165 „Eine Vorausabtretung ist nur zulässig, wenn die abgetretene Forderung genügend bestimmt oder bestimmbar ist (BGHZ 7, 365, st. Rspr.). Dieser Rechtsgrundsatz findet auch in die Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBGB Eingang.“ Der BGH beanstandete hier im Rahmen der Inhaltskontrolle einer Abtretungsklausel gemäß § 9 AGBG (heute: § 307 BGB), dass diese nicht erkennen ließ, ob sie sich auf die streitgegenständlichen Forderungen bezieht oder nicht.166 Das ist nur dann zulässig, wenn man beide Prinzipien wie folgt sorgsam auseinanderhält: Eine Vereinbarung, die den Gegenstand im Unklaren lässt, wirkt bereits nicht, so dass es für eine Inhaltskontrolle in Bezug auf Forderungen, deren Abtretung in Streit steht, keinen Raum gibt. Geht es hingegen um Forderungen, die von der Abtretung eindeutig erfasst sind, dann kann die Unbestimmtheit im 163 Vgl. MünchKomm-BGB/Wurmnest, 6. Aufl. 2012, § 307 Rz. 217 u. 220, zur Inhaltskontrolle von Zessionsklauseln einerseits und Bürgschaftsverträgen andererseits. Zu strukturell ähnlichen Erwägungen bei der Erstreckung einer Grundschuld auf künftige Forderungen unter dem Blickwinkel von § 305c BGB, vgl. Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher/Hau, AGB, § 305c Rz. 23; MünchKomm-BGB/Basedow, 6. Aufl. 2012, § 305c Rz. 14. Zum Verhältnis dieses Bestimmbarkeitsaspekts zu § 765 II BGB siehe § 8 C.III.2. (S. 275). 164 Bei der klassischen Problematik der Kollision von Globalzessionen des Waren- und des Geldkreditgebers geht es hingegen nicht um die Bestimmbarkeit, sondern um die bekannten Vertragsbrucherwägungen im Rahmen von § 138 BGB, welche voraussetzen, dass die Zessionsklauseln unter dem Aspekt der (verfügungsrechtlichen) Bestimmbarkeit nicht zu beanstanden sind, siehe dazu E.; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 147 – 152. 165 BGH, 22.06.1989 – III ZR 72/88, BGHZ 108, 98, 105. 166 BGH, 22.06.1989 – III ZR 72/88, BGHZ 108, 98, 105 f.
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Übrigen auf deren Abtretung „durchschlagen“, wenn dadurch der Umfang der Übertragung so unbestimmt oder intransparent wird, dass die Übertragung der an sich erfassten Forderungen von § 307 BGB nicht mehr hingenommen werden kann. Die Prüfung dieser Frage hat mit der verfügungsrechtlichen Bestimmbarkeit nichts zu tun, sondern gehorcht anderen, vom jeweiligen vertraglichen und wirtschaftlichen Hintergrund abhängigen Wertungen. Wohin eine Dogmatik führen kann, welche die verfügungsrechtliche und die schuldrechtlich determinierte Bestimmbarkeit nicht auseinanderhält, zeigen die früheren Ansätze, die wegen der Verschiebung des Vertragsgleichgewichts forderten, dass die Abtretbarkeit von künftigen Forderungen im engeren Sinne generell unzulässig sein müsse.167 Bei der anfänglich erwähnten, zu restriktiven Reichsgerichtsrechtsprechung168 schließt sich daher der Kreis. Dem Reichsgericht ging es im Grunde um eine AGB-Kontrolle, da es nicht hinnehmen wollte, „daß bei einem Bau, der vielleicht viele 100 000 RM. kostet, diese gesamte Bauforderung auf einen Lieferanten übergeht, der für einige hundert oder tausend Reichsmark Fliesen geliefert hat.“169 Da man zu dieser Zeit noch keine Instrumentarien für eine spezifische AGBKontrolle kannte,170 operierte das Reichsgericht mit dem verfügungsrechtlichen Bestimmbarkeitsbegriff. Das aber konnte sich – wie auch die genannten früheren Ansätze in der Literatur – nicht durchsetzen, da die Bewältigung von Problemen der causa auf der Ebene des Verfügungsrechts zwangsläufig zu Ungereimtheiten führen musste.
3. Prinzipienkonflikte Für Parteien, die eine Vielzahl von künftigen Forderungen zur Sicherung eines Zahlungsanspruchs abtreten wollen, ergibt sich ein Dilemma. Vereinbaren sie die Abtretung mehrerer künftiger Forderungen in Höhe des gesicherten Zahlungsanspruchs, so gelangen sie schnell an die Grenzen der verfügungsrechtlichen Bestimmbarkeit oder in Konflikt mit dem Spezialitätsgrundsatz.171 Die Konkretisierung der Abtretung auf eine bestimmte Forderung würde hier zwar abhelfen. Das aber fällt nicht leicht, wenn die Umstände ihrer Entstehung noch nicht im Einzelnen absehbar sind und sie aus vielen gleichartigen künftigen Forderungen individualisiert werden müsste.172 Zudem würde dadurch die 167 Westermann, Interessenkollisionen und ihre richterliche Wertung, S. 18 – 24; Schwerdtner, NJW 1974, 1785, 1788. 168 Oben Fn. 128. 169 RG, 06.04.1937 – II 238/36, RGZ 155, 26, 32. 170 Stoffels, AGB-Recht, 2. Aufl., Rz. 20 ff. 171 Oben S. 373. 172 Vgl. Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 III 1 u. 2; Flume, NJW 1950, 841, 846 f.
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Möglichkeit verloren gehen, die Sicherung für weitere Zahlungsansprüche in der Zukunft zu „automatisieren“, weil die Festlegung auf die Abtretung einer bestimmten künftigen Forderung es ausschließt, die Klausel als Rahmen für andere Geschäfte zu nutzen, aus denen weitere Forderungen hervorgehen. Klarheit kann daher nur mit einer denkbar weiten Globalabtretung erreicht werden, die möglichst alle Forderungen erfasst, so dass keine Abgrenzungsprobleme entstehen. Damit riskieren die Parteien allerdings die Übersicherung und damit wiederum den Erfolg ihrer Abtretung unter dem Aspekt der schuldrechtlich determinierten Bestimmbarkeit.173 Den Ausweg aus diesem Dilemma haben erst die im Laufe der Zeit anerkannten weiten Globalzessionsvereinbarungen mit (vertragsimmanenten) Freigabeklauseln geebnet.174
VII. Bestimmbarkeit als Eigenschaft einer künftigen Forderung 1. RGZ 134, 225 Neben der „Bestimmbarkeit“ findet sich in der Literatur noch der Hinweis auf die „Möglichkeit der Forderungsentstehung“: Die Entstehung der Forderung müsse zum Zeitpunkt der Abtretung möglich erscheinen, damit ihre Abtretung wirksam ist.175 Das geht zurück auf die Entscheidung RGZ 134, 225. Darin ging es um die Abtretung einer künftigen Entschädigungsforderung für einen Eigentumsverlust infolge Vertreibung im ersten Weltkrieg. Die Besonderheit war, dass die zum Abtretungszeitpunkt bestehenden Entschädigungsgesetze nach Auffassung des Reichsgerichts dem Zedenten keine Forderung gaben; die zu seinen Gunsten schließlich doch entstandene Entschädigungsforderung ergab sich erst aus einem später neu erlassenen Gesetz. Angesichts dessen hielt das Reichsgericht die Abtretung für unwirksam, da ihre Entstehung zum Zeitpunkt der Abtretung nicht möglich war. Ein ähnliches, aber jüngeres Beispiel sind Entschädigungsforderungen von enteigneten Eigentümern von Ostvermögen aus Art. 41 I des Einigungsvertrags i. V. m. §§ 3 ff. VermG, über die im Voraus, d. h. vor Inkrafttreten des Einigungsvertrages, verfügt wurde.176
173 So schon RG, 01.10.1907 – VII 524/06, RGZ 67, 166, 168; RG, 06.04.1937 – II 238/36, RGZ 155, 26, 33. 174 BGH, 27.11.1997 – GSZ 1/97, BGHZ 137, 212; BGH, 16.12.1957 – VII ZR 49/57, BGHZ 26, 185; BGH, 25.10.1952 – I ZR 48/52, BGHZ 7, 365, 370 f.; BGH, 13.06.1990 – VIII ZR 130/89, NJW-RR 1990, 1525, 1527; MünchKomm-BGB/Wurmnest, 6. Aufl. 2012, § 307 Rz. 225 – 228. 175 Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 398 Rz. 11; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 64; Reichold, S. 41. 176 Bork, ZIP 1991, 988.
C. Bestimmbarkeit
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2. Fragestellung Hier soll die Frage aufgeworfen werden, ob man die Problematik nicht wie jeden anderen Sachverhalt angehen müsste, bei dem zweifelhaft ist, ob eine thematisch einschlägige Abtretungsvereinbarung eine nicht ausdrücklich bestimmte Forderung erfasst. Die Möglichkeit der Forderungsentstehung wäre dann nicht eine eigene Wirksamkeitsvoraussetzung und die Wirksamkeit der Abtretung wäre in Fällen wie dem des Reichsgerichts nicht kategorisch zu verneinen, sondern abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Erheblich wäre dann, ob die Parteien – zum Zeitpunkt der Abtretungsvereinbarung177 – mit dem späteren Erlass des Gesetzes gerechnet hatten oder nicht. Hatten sie es nicht, so konnten sie in ihrer Abtretungsvereinbarung nur Forderungen aus bestehenden Gesetzen gemeint haben; Forderungen aufgrund künftiger Gesetze wären schlicht nicht Gegenstand der Abtretung. Hatten die Parteien im Zeitpunkt der Vereinbarung ein neues Gesetz hingegen für möglich gehalten, so liegt es nahe, dass sie auch diese künftigen Forderungen abtreten wollten. Das Reichsgericht ging diesen Weg indessen nicht. Es legte die Vereinbarung nicht aus, sondern rekurrierte auf den „Boden des Rechts“, auf dem die Entstehung der Forderung wenigstens möglich sein müsse; weil in casu „jede Rechtsgrundlage“ gefehlt habe, hätte nicht einmal eine „Anwartschaft“ vorgelegen, die nach Auffassung des Reichsgerichts Gegenstand der Abtretung hätte sein können.178
3. Lösungsansatz Welcher Weg richtig ist, hängt davon ab, welche Eigenschaften man einer künftigen Forderung beimessen möchte. Dazu soll ein Vergleich mit der Zession künftiger Forderungen gezogen werden, deren Rechtsgrundlage nicht auf das Gesetz, sondern auf einen Vertrag zurückgeht. Als Beispiel hierfür sollen Forderungen dienen, die aus künftigen Leasing- oder aus sog. Poolverträgen179 erwachsen. Das Gesetz regelt die Voraussetzungen dieser Forderungen nicht; sie ergeben sich aus dem Vertrag. Dennoch ist die Abtretung solcher Forderungen selbst dann möglich, wenn der Vertrag, also die Rechtsgrundlage, noch nicht existiert. In einem Punkt unterscheiden sich diese Fälle allerdings von dem des Reichsgerichts. Dort war die Rechtsgrundlage, aus denen sich eine Entschädigungsforderung künftig ergeben konnte, bei Abtretung noch völlig unklar. Im genannten Beispiel der Forderungen aus künftigen Leasing- oder Poolverträgen werden die Parteien diese in ihrer Abtretungsvereinbarung hingegen so bezeichnen, dass man später entstehende Forderungen als solche zuordnen kann; dies wird ihnen durch den 177
Zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts oben bei Fn. 157. RG, 30.10.1931 – VII 116/31, RGZ 134, 225, 227 u. 231. 179 MünchKomm-VVG/Schwepcke, 1. Aufl. 2010, Bd. 1 Rückversicherungsrecht Rz. 344. 178
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Umstand erleichtert, dass man aufgrund des geschäftlichen Umfelds und der Bekanntheit solcher Verträge wissen kann, auf welche Art von Forderungen die Parteien Bezug nehmen. Wenn all das unklar bleibt, dann lässt sich die Forderung einer Abtretungsvereinbarung nicht eindeutig zuordnen und wird schon deshalb von der Abtretung nicht erfasst – unabhängig davon, ob ihre Entstehung zur Zeit der Vereinbarung möglich erschien oder nicht. Es zeigt sich also, dass der Fall des Reichsgerichts kein Sonderfall der Abtretung rechtlich noch nicht möglicher künftiger Forderungen ist, sondern in der Tat einer ist, in dem der Abtretungsgegenstand nicht bestimmt werden konnte, weil die Beschreibung der Forderungen mangels bekannter Rechtsgrundlage unmöglich war; daher konnte ein Wille zur Abtretung dieser Forderungen in der Abtretungsvereinbarung nicht erkennbar sein.
4. Dogmatik a) Vorausabtretungsmodell Interessant ist der Fall des Reichsgerichts aus dogmatischer Perspektive. Legt man ein Vorausabtretungsmodell180 zugrunde, so hätte das Reichsgericht unter dem von ihm und der Literatur vorgebrachten Gesichtspunkt der „Möglichkeit“ an sich keine grundsätzlichen Zweifel an der Abtretbarkeit solcher Forderungen hegen dürfen. Wenn die Parteien nämlich lediglich eine Abtretung im Voraus erklären, dann macht es keinen Unterschied, ob die Forderung noch nicht entstanden ist, weil es den Vertrag oder weil es das Gesetz noch nicht gibt. Das Vorausabtretungsmodell interessiert sich nicht für die Beschaffenheit der künftigen Forderung, sondern nimmt die entstandene Forderung in den Blick, deren Abtretung im Voraus vereinbart wird. Das Vorausabtretungsmodell geht ohnehin davon aus, dass vor der Forderungsentstehung nichts existiert,181 so dass es dem Umstand, woraus dieses Nullum resultiert, keine Beachtung schenkt. Entscheidend ist nur, ob die Parteien die später entstandene Forderung seinerzeit im Blick hatten. b) Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung Das Reichsgericht hatte allerdings geprüft, ob in casu eine Anwartschaft auf Basis des objektiven Rechts vorlag, die Gegenstand der Übertragung hätte sein können.182 Das offenbart eine Denkweise, die dem Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung entspricht und dem Reichsgericht nicht völlig fremd war.183 180
Oben S. 352. Oben Fn. 38. 182 RG, 30.10.1931 – VII 116/31, RGZ 134, 225, 231. 183 Oben Fn. 71. 181
C. Bestimmbarkeit
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Das Reichsgericht bemerkte, dass eine übertragbare künftige Forderung eine Forderung sei, der „ein Teil eines Tatbestands [fehlt], an dessen Vorhandensein die Rechtsordnung eine in der Zukunft mögliche Forderung knüpft“.184 Nur eine solche künftige Forderung hielt es für übertragbar,185 und betrachtete den von ihm herausgearbeiteten Aspekt daher als Eigenschaft einer künftigen Forderung. Stellt man diesen dogmatischen Ansatz mit dem hier vertretenen Lösungsweg in Zusammenhang, wonach die Möglichkeit der Forderungsentstehung eine Frage der Bestimmbarkeit der Forderung ist, so ergibt sich das Folgende: Es gehört zur Eigenschaft einer künftigen Forderung, dass bestimmt werden kann, aus welchen Umständen einmal eine Forderung erwachsen wird. Ist ihre Rechtsgrundlage im Zeitpunkt der Abtretung nicht bekannt, so ist ihre Identität unklar und es fehlt einer gegenwärtigen Verfügung an einem eindeutigen Gegenstand. In der Phase, in der eine Bestimmbarkeit mangels Bekanntheit der die Forderung hervorbringenden Umstände noch unmöglich ist, liegt daher – in den Worten des Reichsgerichts – „höchstens eine Hoffnung“186 vor. Sie kann nicht Gegenstand der Abtretung sein, weil sie etwas rein Tatsächliches, rechtlich nicht Greifbares ist. Daraus ergeben sich wertvolle Erkenntnisse darüber, wie der Gegenstand „künftige Forderung“ beschaffen ist. Es gehört zu seinen Eigenschaften, dass die rechtlichen Tatbestandsmerkmale, aufgrund derer die Forderung einmal entsteht, benannt werden können; dass die Forderung gegenwärtig rechtlich entstehen könnte, wenn der sie hervorbringende Sachverhalt bereits verwirklicht wäre, zeichnet die künftige Forderung hingegen nicht aus.187 Ohne dies liegt keine „Erwerbsaussicht“, sondern eine bloße Hoffnung vor, die sich wegen ihrer Vagheit nicht zuordnen lässt und über die daher keine Verfügung möglich ist.
VIII. Ergebnis zur Bestimmbarkeit Was unter der „Bestimmbarkeit der künftigen Forderung“ als Wirkungsvoraussetzung ihrer Abtretung firmiert, ist ein Konglomerat zweier Prinzipien, die auseinander zu halten sind. Die Bestimmbarkeit erweist sich zuvörderst als ein verfügungsrechtliches Prinzip und Zuordnungsproblem, das durch Auslegung der Abtretungsvereinbarung zu bewältigen ist. Ziel der Auslegung ist die Klärung, ob bzw. welche künftigen Forderungen die Parteien erkennbar abtreten wollen. Der Satz, dass die Forderung für die Wirksamkeit der Abtretung bestimmbar sein müsse, beschreibt also nicht mehr als die Selbstverständlichkeit, dass die Abtretung 184 RG, 30.10.1931 – VII 116/31, RGZ 134, 225, 227 [im Original heißt es im Kontext – aber ohne Relevanz – „knüpfte“]. 185 RG, 30.10.1931 – VII 116/31, RGZ 134, 225, 227. 186 RG, 30.10.1931 – VII 116/31, RGZ 134, 225, 231. 187 Im Ergebnis auch Bork, ZIP 1991, 988, 993, der die Pfändung der vergleichbaren Entschädigungsforderungen aus § 3 VermG bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes für wirksam hält, obgleich diese zum Zeitpunkt der Pfändung ebenso wenig entstehen konnten.
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einen Gegenstand benötigt, auf den sie sich bezieht. Eine Bestimmbarkeit in diesem Zusammenhang ergibt sich daher aus einer Vielzahl gleichwertiger tatsächlicher oder rechtlicher Kriterien, mit denen eine Forderung so umschrieben werden kann, dass sie nach dem objektiven Empfängerhorizont jederzeit einer Abtretungsvereinbarung zugeordnet werden kann. Als Auslegungsproblem ist die verfügungsrechtliche Bestimmbarkeit zugleich eine Frage der Perspektive. Wirkliche Bestimmbarkeit ist ein Gebot für die Kautelarpraxis, die darauf achten muss, dass die Rückbeziehung von in Zukunft entstehenden Forderungen auf den in der Abtretungsvereinbarung verbindlich geäußerten Parteiwillen jederzeit möglich ist. Sie haben nur die künftige Forderung vor sich und müssen diese beschreiben, um sicher zu stellen, dass im Streitfalle eindeutig sein wird, ob eine sachlich einschlägige Forderung wirklich als diejenige gilt, an die die Parteien erkennbar gedacht hatten. Es geht also um „antezipierte Auslegung“. Der richterlichen Perspektive liegen demgegenüber meist bestimmte künftige Forderungen zugrunde, für die ermittelt werden muss, ob die Parteien diese mit ihrer Abtretungsvereinbarung erfasst haben. Bei dieser retrospektiven Auslegung hat man sich – entsprechend den allgemeinen Regeln – am Willen und den Umständen zur Zeit der Abtretungsvereinbarung zu orientieren. Die Frage nach dem Zeitpunkt der Bestimmbarkeit ist damit im Grunde genommen müßig: Bestimmbarkeit muss schlicht immer dann gewährleistet sein, wenn es auf die Frage ankommt, wem die (künftige) Forderung gehört. Von der verfügungsrechtlichen Bestimmbarkeit zu sondern ist die schuldrechtlich determinierte Bestimmbarkeit. Sie ist bei der Inhaltskontrolle zu verorten. Diese setzt voraus, dass die Verfügung als solche wirksam, sprich die verfügungsrechtliche Bestimmbarkeit gegeben ist, und fragt danach, ob das Ergebnis dieser Verfügung mit den für die Inhaltskontrolle geltenden Maßstäben vereinbar ist. Dafür spielen Eigenschaften – wie die Ungewissheit der Forderungsentstehung oder die Unabsehbarkeit des Zessionsumfangs – eine Rolle, welche für die Funktion der Verfügung ohne Bedeutung sind. In dogmatischer Hinsicht ist es grundsätzlich ohne Belang, ob man die Abtretung künftiger Forderungen als gegenwärtige oder als Vorausabtretung denkt. Wer aber die künftige Forderung als Gegenstand und ihre Abtretung als gegenwärtige Verfügung ansieht, für den ergeben sich aus der vorstehenden Untersuchung Mindestanforderungen für die Beschaffenheit einer solchen künftigen Forderung. Sie ist als Gegenstand nur dann denkbar, wenn die Tatbestandsmerkmale, aus denen die Forderung einmal entstehen wird, wenigstens abstrakt benannt werden können. Ist das noch nicht möglich, so liegt keine konkrete Erwerbsaussicht mit rechtlicher Relevanz, sondern eine vage Hoffnung rein tatsächlicher Natur vor, über die keine Verfügung getroffen werden kann. Nur insoweit erweist sich Bestimmbarkeit als ein Merkmal der künftigen Forderung selbst.
D. Priorität der Vorausverfügung im Spiegel von Literatur und Rechtsprechung
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D. Priorität der Vorausverfügung im Spiegel von Literatur und Rechtsprechung Priorität bedeutet nach herkömmlichem Rechtsverständnis die rechtliche Besserstellung des zeitlich Früheren.188 Ob einer Verfügung über künftige Forderungen Priorität gegenüber einer gegenläufigen Verfügung, einer Pfändung oder einer (sonstigen) Verfügungsbeschränkung zukommt, wenn diese nach der Abtretungsvereinbarung, aber vor dem Entstehen der Forderung erfolgen, hat das Recht der künftigen Forderungen seit jeher vor eine Herausforderung gestellt. Das Meinungsbild in Literatur und Rechtsprechung ist dementsprechend facettenreich und bisweilen von einem unterschiedlichen Verständnis gleicher Begriffe geprägt.
I. Literatur 1. Priorität gegenüber Zweitverfügungen Die Literatur befürwortet fast einhellig – in Bezug auf jedwede künftige Forderungen – die Geltung des Prioritätsgrundsatzes gegenüber späteren Verfügungen über dieselben künftigen Forderungen. Tritt der Zedent künftige Forderungen ein zweites Mal ab, so hat dies grundsätzlich keine Wirkung, und zwar selbst dann, wenn den Forderungen bei der ersten Verfügung noch jeglicher Rechtsgrund gefehlt hat.189 Zur Begründung existiert ein bunter Strauß an Lösungsansätzen. Eine verbreitete Auffassung verweist etwa auf den Verlust der Verfügungsmacht des Zedenten: Dieser habe sich mit der ersten Abtretung der künftigen Forderung seiner Verfügungsmacht endgültig zugunsten des Zessionars begeben und könne deshalb nicht erneut verfügen.190 Dagegen wird vorgebracht, dass es keinen 188
Neuner, AcP 203 (2003), 46, 48. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 398 Rz. 12 f.; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 79 u. 86; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 2463; BeckOK-BGB/Rohe, Ed. 25, § 398 Rz. 71; Erman/Westermann, BGB, 13. Aufl. 2011, § 398 Rz. 11; NomosKommentar-BGB/ Kreße/Eckardt, 2012, § 398 Rz. 15; Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 25 – 34; Larenz, Schuldrecht I, § 34 III; Lieb, Das künftige Recht, S. 132 f.; Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 II; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 49 I 2 b; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.1, § 60 V. Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 74 f. geht von Priorität nur bei Übertragung eines Anwartschaftsrechts aus und gelangt daher für künftige Forderungen ohne Rechtsgrund zu einem anderen Ergebnis; ebenso Pagenkopf, S. 191 ff. Gegen das Prioritätsprinzip, allerdings nur unter dem Aspekt der in der Tat zweifelhaften Bindung: Brinkmann, S. 162 – 165. 190 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 49 I 2 b; Larenz, Schuldrecht I, § 34 III; Lieb, Das künftige Recht, S. 132 f.; Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 II; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 79; Lempenau, Direkterwerb oder Durchgangserwerb, S. 70; Hoche, DNotZ 1958, 386, 388. Zu beachten ist, dass neben dem Argument des Wegfalls der Verfügungsbefugnis gelegentlich zusätzlich mit einer Bindung argumentiert wird, welche aus dem Wegfall der Verfügungsmacht folge, vgl. etwa Sieber, 189
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
Gegenstand gebe, auf den sich eine solche Verfügungsbefugnis beziehen könnte.191 Aus diesem Gedanken heraus leiten viele die Priorität aus einer (analogen) Anwendung von § 185 II 2 BGB ab.192 Prominente Anhänger findet auch die Theorie einer Bindung des Zedenten an seine Abtretungserklärung, welche ihn an erneuter Verfügung hindere.193 Wiederum andere erklären den Vorrang mit dem Rechtsgedanken von § 161 I BGB.194
2. Priorität im Übrigen (gegenüber Pfändungen, Verfügungsbeschränkungen oder einer Insolvenz) a) Bedeutung von Durchgangs- und Direkterwerb Was die Feststellung der Rechtslage im Übrigen unübersichtlich macht, ist ihre Darstellung mittels der gegensätzlichen Begriffe des „Durchgangs- oder Direkterwerbs“, mit der die Kommentarliteratur195 und die unterinstanzliche Rechtsprechung196 bis heute arbeiten, während sie der BGH grundsätzlich meidet.197 Zur Unübersichtlichkeit trägt bei, dass diese Begriffe in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet werden, was nicht immer beachtet wird, aber wichtig ist, weil etwa der Einfluss einer Insolvenz auf eine vorher erklärte Vorausabtretung ganz anderen Regeln folgt als der einer Zweitverfügung. Einige Autoren wollen mit ihnen den Grundsatz und die Ausnahmen der Priorität einer früheren Vorauszession vor jeder Art von späteren Beeinträchtigungen beschreiben: Der Begriff des „Direkterwerbs“ soll dann künftige Forderungen kategorisieren, deren Abtretung sich gegenüber späteren Vorausverfügungen, Pfändungen, Treuhandverhältnis, S. 141; Lempenau, Direkterwerb oder Durchgangserwerb, S. 70; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 49 I 2 b. 191 Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 301 – 304; Eckardt, ZIP 1997, 957, 961; Häsemeyer, ZZP 111 (1998), 83, 85; Hennrichs, JZ 1993, 225, 227. Ebenso gegen den Verlust der Verfügungsbefugnis: Brinkmann, S. 164. 192 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 12 II und Bd. II.1, § 60 V; Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 305; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2009, § 185 Rz. 71; Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 33; Hattenhauer, in: HkK-BGB, 1. Aufl. 2007, §§ 398 – 413 Rz. 44; Medicus, NJW 2000, 2921, 2925; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 2466. 193 Baur/Stürner, § 58 Rz. 21; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rz. 32; Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 25 – 34; RGRK/Weber, § 398 Rz. 71; Lieb, Das künftige Recht, S. 130 f.; Kaduk, FS Larenz, S. 683, 693; Vgl. ferner eben Fn. 190 a. E. 194 Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 74; Hennrichs, JZ 1993, 225, 228 f.; Erman/Westermann, BGB, 13. Aufl. 2011, § 398 Rz. 13 a. E. 195 Statt vieler: Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 72 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 398 Rz. 11 f. 196 Vgl. etwa BGH, 11.10.2012 – IX ZR 30/10, NJW-RR 2013, 51, und BGH, 20.03.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140, 142, jeweils zu den Ausführungen des Berufungsgerichts. 197 BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 207. Ergänzend herangezogen aber in BGH, 07.07.2003 – II ZR 271/00, NJW-RR 2003, 1690, 1691.
D. Priorität der Vorausverfügung im Spiegel von Literatur und Rechtsprechung
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Verfügungsbeschränkungen oder einer Insolvenzeröffnung durchsetzt.198 Andere wollen mit den gegensätzlichen Begriffen lediglich das Verhältnis einer Vorausverfügung zu einer späteren Insolvenzeröffnung beschreiben und sprechen im Verhältnis zu Zweitverfügungen, Pfändungen etc. vom „Prioritätsgrundsatz“.199 Wiederum andere wollen mit der Unterscheidung von Durchgangs- und Direkterwerb die Insolvenzeröffnung gerade ausklammern und nur zum Ausdruck bringen, dass sich die Vorauszession gegenüber späteren Verfügungen oder Pfändungen durchsetzt: Sie vertreten in der Folge einen konsequenten Direkterwerb und stützen ihr Ergebnis sogar auf diese Konstruktion.200 Ein ausnahmsloser Durchgangserwerb,201 also die Entstehung der im Voraus abgetretenen Forderung beim Zedenten, wird indes nicht mehr vertreten, da Übereinstimmung herrscht, dass die Vorauszession auch einem späteren Verlust der Verfügungsmacht standhalten kann.202 Den heutzutage vertretenen Auffassungen ist gemein, dass der Durchgangs- und der Direkterwerb nur als Fachbegriffe dienen sollen, um Verfügungen über künftige Forderungen nach verschiedenen Wirkungen zu gruppieren.203 Für den Rechtsanwender bedeutsam sind deshalb allein die Voraussetzungen, unter denen es zu einem solchen Durchgangsoder Direkterwerb im jeweiligen Sinne kommen soll (dazu sogleich b.). Des Weiteren gibt es eine Gruppe von Autoren, die jeglichen sachlichen Hintergrund des „Durchgangs- oder Direkterwerbs“ verneinen und damit lediglich den Übertragungsmechanismus der Verfügung über künftige Forderungen (vgl. oben B.) bildhaft machen wollen.204 Marotzke nimmt etwa aus logischen Gründen einen Durchgangserwerb an und lehnt den von der h. M. über das Anwartschaftsrecht konstruierten Direkterwerb als „Manipulation“205 ab; er knüpft jedoch nicht die Rechtsfolgen an den Durchgangserwerb, welche die h. M. 198
Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 72 – 75; Baur/Stürner, § 58 Rz. 21; Hoche, DNotZ 1958, 386, 387 f.; Müller, ZIP 1994, 342, 346 f. Harke, Allg. SchuldR, Rz. 408, attestiert für sämtliche künftige Forderungen ausnahmslos einen Direkterwerb und will damit sogar generell Vorrang vor späterer Insolvenz annehmen, was angesichts von § 81 InsO nicht haltbar ist (dazu noch § 12 A.). 199 BeckOK-BGB/Rohe, Ed. 25, § 398 Rz. 70 f.; NomosKommentar-BGB/Kreße/Eckardt, 2012, § 398 Rz. 16; Erman/Westermann, BGB, 13. Aufl. 2011, § 398 Rz. 13; Larenz, Schuldrecht I, § 34 III; Medicus, JuS 1967, 385. 200 So insb. das frühere Schrifttum: Planck/Siber, BGB, Bd. II 1, § 398 4 b β; Staudinger/ Werner, BGB, 9. Aufl. 1930, § 398 I 2. Für durchgängigen Direkterwerb, auch gegen späteren Konkurs, noch Arndt, DRiZ 1954, 233, 234, und heute Harke, oben Fn. 198. 201 Zuletzt: Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, 1963, S. 162 f. Aus der älteren Literatur: Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse I, §§ 398, 399 1 g γ; Ohmeyer, Künftige Rechte, S. 217 – 221; Süß, Abtretung künftiger Ansprüche, S. 66 – 70. 202 Zu den Auffassungen von Marotzke und Egert sogleich. 203 Zu dieser Bedeutung der Rechtsdogmatik oben § 1. 204 Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 II; Marotzke, AcP 191 (1991), 177, 181 ff.; Egert, Die Rechtsbedingung, S. 61 f.; v. Tuhr, DJZ 1904, 426, 429 f.; ders., Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.1, § 60 V; Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 146 ff.; Lieb, Das künftige Recht, S. 131; wohl auch Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 398 Rz. 11 f.; Soergel/Schreiber, 13. Aufl. 2009, § 398 Rz. 11. 205 Marotzke, AcP 191 (1991), 177, 193.
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mit diesem verbindet und derenthalben sie ihn vermeiden will. Er gesteht also nur zu, dass – wer die Abtretung künftiger Forderungen als „Vorausabtretung“ denkt – aus logischen Gründen eine Entstehung des Rechts zunächst beim Zedenten annehmen und deshalb andere Lösungen suchen muss, um häufig nicht sachgerechte Ergebnisse zu vermeiden.206 Auf ein solches Verständnis des Durchgangs- und Direkterwerbs bezieht sich die Kritik, welche diese Begriffe als gänzlich ungeeignet ablehnt.207 Wer den Durchgangserwerb als „juristisches Zauberkunststück“208 kritisiert, muss deshalb beispielsweise noch lange nicht für einen konsequenten Vorrang der Vorauszession in der Insolvenz eintreten.209 Vertreter der rein konstruktiven Sichtweise räumen aber ohnehin ein, dass diese Einteilung die Rechtslage nicht beschreiben soll und für die Herleitung rechtlicher Ergebnisse daher unbedeutend ist.210 Berücksichtigt man den unterschiedlichen Inhalt und Anspruch, der mit diesen Begriffen verbunden wird, so erweist sich, dass die Rechtslage kaum anhand einer Einteilung in Anhänger des Durchgangs- oder des Direkterwerbs ermittelt werden kann, obwohl dies häufig geschieht.211 Allgemein gilt, dass die Figuren des Durchgangs- und Direkterwerbs Sachverhalte im Sachenrecht wesentlich besser veranschaulichen können und sich wohl erst wegen der argumentativen Anlehnung der Vorauszession an § 185 II BGB im Recht der künftigen Forderungen etabliert haben. b) Herrschende differenzierende Auffassung zur Priorität der Vorausverfügung All dies vorausgeschickt kann die herrschende Rechtsauffassung in der Literatur wie folgt zusammengefasst werden. Während man fast einhellig der Meinung ist, dass sich im Fall von zwei gegenläufigen Vorauszessionen die frühere durchsetzt (oben 1.), differenziert man für ihre Priorität gegenüber späteren Verfügungsbeschränkungen und in der Insolvenz des Zedenten nach dem Entstehungsstadium der künftigen Forderung im Zeitpunkt ihrer Abtretung.212 206 Marotzke, AcP 191 (1991), 177, 181 ff., der die Problematik dadurch löst, dass ein lediglich logisch notwendiger Durchgangserwerb wegen seiner kurzen Dauer es nicht rechtfertigt, die Forderung als Teil des Aktivvermögens des Vorauszedenten anzusehen. Egert, Die Rechtsbedingung, S. 61 f., nimmt ebenso aus logischen Gründen einen Durchgangserwerb an, betrachtet dies aber als rein konstruktive Frage und lehnt es ab, hieraus Rechtsfolgen abzuleiten. 207 MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 84; Brinkmann, S. 165 f.; Lempenau, Direkterwerb oder Durchgangserwerb, passim; Kupisch, JZ 1976, 417, 422. 208 Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 II. Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 148, spricht von einer Fiktion. 209 Etwa Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 IV. 210 Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), § 9 II; Egert, Die Rechtsbedingung, S. 61 f. 211 Hattenhauer, in: HkK-BGB, 1. Aufl. 2007, §§ 398 – 413 Rz. 44 mahnt denn auch zu „größter Vorsicht“ im Umgang mit diesen Begriffen. 212 Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 62 f., 92, 111; Larenz, Schuldrecht I, § 34 III; Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 301 – 305; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 72 ff.; Armbrüster, NJW 1991,
D. Priorität der Vorausverfügung im Spiegel von Literatur und Rechtsprechung
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Diese Ansicht geht auf die Dissertation Hahnzogs zurück, die Einzug in die siebte Auflage des Lehrbuchs von Larenz erhalten und von hieraus dazu geführt hatte,213 dass die bisher im Staudinger-Kommentar vertretene Auffassung des Direkterwerbs214 fortan aufgegeben wurde.215 Als Differenzierungskriterium gilt der Rechtsgrund der Forderung. Nur wenn dieser im Zeitpunkt der Vorausabtretung schon gelegt ist – und bei Entstehung der Forderung noch fortbesteht216 – soll die Vorauszession von Bestand sein. Zur Begründung führt man an, dass der Zessionar hier eine bestehende – und selbständig übertragbare – „Rechtsposition“, „Erwerbsaussicht“, „Anwartschaft“ bzw. ein „Anwartschaftsrecht“ des Zedenten erwerbe, mit der eine rechtlich begründete Aussicht verbunden ist, kraft derer ihr Inhaber die Forderung unmittelbar erwirbt.217 Obwohl man gedanklich weiterhin vom Grundmodell der Vorausabtretung ausgeht,218 befürwortet man für solchermaßen rechtlich verfestigte Forderungen also eine gegenwärtige Abtretbarkeit und eine eigene Gegenständlichkeit. Wenn der Rechtsgrund hingegen noch nicht vorliegt, so setze sich die Vorauszession gegenüber den genannten späteren Ereignissen nicht durch, da es der Vorausabtretung hier noch am Rechtsobjekt, insbesondere an einer Anwartschaft fehle, die übertragen werden könnte.219 Wie diese Begriffe „Anwartschaft“, „Erwerbsaussicht“ wiederum konkret auszufüllen sind, wird allerdings nicht immer und uneinheitlich wiedergegeben: Demnach wird die Existenz eines Rechtsgrunds etwa an den Vertragsschluss,220 der Unabhängigkeit der Forderungsentstehung vom Verhalten des Zedenten221 bzw. von der einseitigen Willkür des Drittschuldners222 oder sogar daran geknüpft, dass die Entstehung der Forderung nicht mehr „vollkommen ungewiss“ ist.223 606, 607 f.; Brinkmann, S. 155 – 167; Müller, ZIP 1994, 342, 346 f.; Medicus, Schuldrecht I, 1. Aufl., § 62 I 2 c; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rz. 756; Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 189 f.; Pöggeler, JA 1996, 551, 554; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 2 – 4; Soergel/Zeiss, 12. Aufl. 1990, § 398 Rz. 11. Zum insolvenzrechtlichen Schrifttum siehe noch § 12 A.II. (S. 434 f.). 213 Larenz, Schuldrecht I, 7. Aufl. 1964, § 30 III, der hier ausdrücklich von seiner Vorauflage abweicht. 214 Staudinger/Werner, BGB, 9. Aufl. 1930, § 398 I 2. 215 Staudinger/Kaduk, BGB, 10./11. Aufl. 1978, § 398 Rz. 50 ff. mit Verweis auf die Werke von Hahnzog und Larenz. 216 Armbrüster, NJW 1991, 606, 607 f.; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 73; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 398 Rz. 12. Ausführlich zu diesem Vorbehalt unten F. 217 Statt vieler: Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 73; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 4; Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 62 f., 92, 111; Larenz, Schuldrecht I, § 34 III; RGRK/Weber, § 398 Rz. 72; Soergel/ Zeiss, 12. Aufl. 1990, § 398 Rz. 11; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rz. 756. 218 Zu den daraus resultierenden Problemen vgl. insb. unten F. 219 Larenz, Schuldrecht I, § 34 III; Müller, ZIP 1994, 342, 347; Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 301 – 305. 220 Etwa NomosKommentar-BGB/Kreße/Eckardt, 2012, § 398 Rz. 16. 221 Soergel/Schreiber, 13. Aufl. 2009, § 398 Rz. 11. 222 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 4. 223 Brinkmann, S. 155, 158.
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II. Rechtsprechung 1. Reichsgericht Das Reichsgericht verfolgte zum Prioritätsprinzip noch keine ausgeprägte Linie. Mitunter wird das Reichsgericht dafür zitiert, dass es einen prioritätsbegründenden Direkterwerb vertreten habe.224 In der Entscheidung heißt es: [Unbestritten ist] „ebenso der mit der Entstehung der Forderung sich unmittelbar vollziehende Übergang derselben auf den Zessionar.“225 „Unmittelbar“ ist jedoch ein relatives Wort, dessen Bezugspunkt das Reichsgericht nicht nennt. „Unmittelbar“ kann den Weg beschreiben, den die Forderung gehen muss; das spricht in der Tat für einen Direkterwerb. Das Wort kann aber auch eine zeitliche Dimension aufweisen und ferner, was gerade bei einem mehraktigen Tatbestand naheliegt, einen Automatismus beschreiben, wonach weitere Akte der Verfügungsparteien entbehrlich sind.226 Für letztere Deutung spricht, dass das Reichsgericht andernfalls nicht von einem „Übergang“, sondern von einem „Erwerb“ hätte sprechen müssen.227 In einer späteren Entscheidung äußerte es sich widersprüchlich, indem es einerseits von einer gegenwärtigen Verfügung, andererseits davon sprach, dass die Forderung zunächst in der Person des Zedenten entstehe.228 Mit Belang für inzwischen eintretende Verfügungsbeschränkungen führte es darin immerhin an, dass der Zedent mit der Abtretungsvereinbarung seine Verfügungsmacht endgültig an den Zessionar verloren habe.229 Diese Entscheidung hat die spätere Rechtsentwicklung, soweit ersichtlich, zwar kaum beeinflusst; sie ist jedoch deshalb interessant, da sie auf den Verlust der Verfügungsmacht abstellt, wie es ein großer Teil der Lehre heute vertritt.
2. Bundesgerichtshof Der BGH bekannte sich zwar einmal pauschal zur herrschenden Auffassung, indem er sich ohne nähere Begründung auf die differenzierende Ansicht im Staudinger-Kommentar berief;230 die Äußerung erfolgte jedoch nur als Obiter Dictum im Kontext der Konkursaufrechnung und hat daher wenig Aussagekraft. 224
Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 II. RG, 29.09.1903 – VII 198/03, RGZ 55, 334. 226 So auch die Deutung von Lempenau, Direkterwerb oder Durchgangserwerb, S. 64 Fn. 8; Hofmann, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, S. 129. 227 Das sieht auch Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 II, der mit einem Verweis auf nicht näher belegte Reaktionen der Zeitgenossen von einem lapsus linguae spricht. Müller, ZIP 1994, 342 (346) sieht in dieser Entscheidung denn auch ein Bekenntnis des Reichsgerichts zum Durchgangserwerb. 228 RG, 08.11.1912 – 218/12 VII, JW 1913, 132; dazu bereits oben Fn. 72. 229 RG, 08.11.1912 – 218/12 VII, JW 1913, 132 Nr. 8. 230 BGH, 07.07.2003 – II ZR 271/00, NJW-RR 2003, 1690, 1691. 225
D. Priorität der Vorausverfügung im Spiegel von Literatur und Rechtsprechung
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a) Vorrang der Vorauszession gegenüber anderweitigen Verfügungen über dieselbe Forderung Nach der stetigen Rechtsprechung sperrt die Verfügung über künftige Forderungen im Grundsatz jede weitere (Voraus‑)verfügung oder Pfändung derselben künftigen Forderungen, selbst wenn diese im Zeitpunkt der ersten Vorausabtretung noch ohne Rechtsgrund waren.231 Diesen Grundsatz überträgt der BGH in BGHZ 135, 140 auf das Verhältnis der zeitlich früheren Pfändung gegenüber einem späteren Verfügungsverbot, das vor Entstehung der Forderung gegen den Zedenten angeordnet wurde.232 Diese Entscheidung ist zentral, da der BGH nach ausführlicher Erwägung allgemeine Grundsätze für die Vorauszession – und zwar auch in Hinblick auf künftige Forderungen ohne Rechtsgrund – aufgestellt hat, um diese dann auf die Pfändung zu übertragen. Diese Grundsätze hat der BGH im Jahr 2009 bestätigt.233 Nach ihnen habe eine Vorausverfügung allgemein Vorrang vor späteren Verfügungen, Pfändungen und Verfügungsbeschränkungen; der Zessionar erhalte insoweit, unabhängig von einem gelegten Rechtsgrund, eine gesicherte Rechtsposition.234 Das weicht von der in der Literatur vertretenen Unterscheidung nach dem Rechtsgrund der Forderung ab (oben S. 386 f). Der BGH begründet den Vorrang der Vorausverfügung in den meisten Fällen mit Argumenten aus dem Bereich der Rechtsdogmatik. Der entgegenstehenden Auffassung, wonach für das Vorliegen der Verfügungsmacht nicht der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, sondern der Zeitpunkt seines Wirksamwerdens maßgeblich sein müsse,235 begegnet er mit dem Argument, dass die Verfügungsmacht nur beim letzten Teilstück einer Verfügung vorliegen müsse und die Forderungsentstehung nicht zum Verfügungstatbestand gehöre.236 231 Bzgl. einer späteren Vorausverfügung: BGH, 30.04.1959 – VII ZR 19/58, BGHZ 30, 149, 151; BGH, 09.06.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367 – 370; BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 206; BGH, 16.05.1988 – II ZR 375/87, BGHZ 104, 351, 353; BGH, 20.03.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140, 144; BGH, 14.07.2004 – XII ZR 257/01, NJW 2005, 1192, 1193. Zur Priorität gegenüber der späteren Pfändung: BGH, 27.04.1995 – IX ZR 123/94, NJW 1995, 2289; BGH, 21.04.1988 – IX ZR 191/87, NJW 1988, 3204, 3205; vgl. auch BGH, 26.04.2005 – XI ZR 289/04, NJW-RR 2005, 1408. Obwohl häufig als Ausnahme zum Prioritätsgrundsatz zitiert, ist BGH, 20.12.1988 – IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236 = NJW 1989, 1282, kein Sonderfall. Bei näherem Hinsehen geht es nämlich um eine bereits entstandene Forderung. 232 BGH, 20.03.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140, 144; BGH, 22.10.2009 – IX ZR 90/08, NZI 2009, 888 = NJW-RR 2010, 192, 193; ebenso: OLG Köln, 30.04.2008 – 2 U 19/07, NZI 2008, 373, 375. Bspe. für solche Verfügungsverbote sind § 21 II Nr. 2 Var. 1 InsO/§ 106 KO (nicht zu verwechseln mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, dazu § 12). 233 BGH, 22.10.2009 – IX ZR 90/08, NZI 2009, 888 = NJW-RR 2010, 192, 193. 234 BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 206; BGH, 09.06.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367, 370. 235 Larenz, AT, 7. Aufl., § 18 II 3 c, S. 323; Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 304. 236 BGH, 20.03.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140, 144, ausdrücklich im Anschluss an Medicus, JuS 1967, 385, 390 f., dort zur bedingten Übereignung von Sachen, und Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 49 I 2 b.
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Die Erklärung der Abtretung enthalte – unabhängig davon, ob die künftige Forderung bereits einen Rechtsgrund aufweist oder nicht – bereits alle Merkmale, aus denen der Übertragungstatbestand bestehe, so dass die Verfügungsbefugnis des Zedenten nur zu diesem Zeitpunkt bestanden haben müsse.237 Daraus ergibt sich das häufig konstatierte Auseinanderfallen von „Verfügungstatbestand“ und „Verfügungserfolg“.238 Gelegentlich erwähnt der BGH auch die Bindung des Zedenten als Grund für die Priorität der früheren Vorauszession und spricht insoweit von der Verbindlichkeit der Verfügung.239 In einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung hielt der BGH sogar fest, dass der Vorauszedent im Fall einer erneuten Vorausverfügung als Nichtberechtigter verfügt,240 ging also davon aus, dass der Vorauszedent seine Verfügungsbefugnis verliert. Der Frage, ob ein Durchgangsoder Direkterwerb anzunehmen sei, misst der BGH keine Bedeutung bei.241 b) Vorauszession und anderweitige Verfügung über das Rechtsverhältnis Die Entscheidung BGHZ 88, 205 stellt ausdrücklich eine Ausnahme zu dem grundsätzlichen Vorrang der Vorauszession auf, und zwar für den Fall, dass das Rechtsverhältnis, aus dem die künftige Forderung hervorgehen soll, vor ihrer Entstehung beendet wird.242 Hieraus hat sich eine ganze Rechtsprechung entwickelt, und zwar vornehmlich zur Vorausabtretung künftiger Auseinandersetzungsforderungen, deren Priorität durch die zwischenzeitliche Verfügung über den sie beherbergenden Gesellschaftsanteil in Frage gestellt wird.243 In BGHZ 104, 351 muss eine Vorauszession sogar einer späteren Pfändung des Rechtsverhältnisses weichen, aus der die künftige Forderung entsteht. Dabei handelt es sich – anders als gelegentlich angenommen – um die Vorauszession einer künftigen 237 BGH, 20.03.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140, 144; BGH, 22.10.2009 – IX ZR 90/08, NZI 2009, 888, 889; BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 432; BGH, 09.06.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367, 369 f.; BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 206; BGH, 08.01.2009 – IX ZR 217/07, WM 2009, 416, 417; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 49 I 2 b. 238 BGH, 22.10.2009 – IX ZR 90/08, NZI 2009, 888, 889. 239 BGH, 09.06.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367, 370; BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 206; BGH, 15.01.1990 – II ZR 311/88, NJW 1990, 2678, 2680; BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153, 1156. 240 BGH, 15.01.1990 – II ZR 311/88, NJW 1990, 2678, 2680. BGH, 11.10.2012 – IX ZR 30/10, NJW-RR 2013, 51, kann (trotz entsprechenden Verweises) nicht als Fortsetzung dieser Rechtsprechung verstanden werden, da es in dieser Entscheidung um die zweimalige Abtretung einer schon entstandenen Forderung geht. 241 BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 207. 242 BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 206 f. Näher zur Entscheidung unten S. 406. 243 BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205; BGH, 16.05.1988 – II ZR 375/87, BGHZ 104, 351; BGH, 14.07.1997 – II ZR 122/96, NJW 1997, 3370; BGH, 13.11.2000 – II ZR 52/99, NJW-RR 2001, 463; BGH, 25.05.1987 – II ZR 195/86, NJW-RR 1987, 989. Vgl. auch schon RG, 09.02.1905 – IV 423/04, RGZ 60, 126. Vgl. dazu Armbrüster, NJW 1991, 606; Marotzke, ZIP 1988, 1509; Müller, ZIP 1994, 342.
E. Priorität gegenüber gegenläufigen Verfügungen
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Forderung, für die bereits ein Rechtsgrund gelegt war: Es ging um eine potentielle Abfindungsforderung aus einem bereits geschlossenen Gesellschaftsvertrag, die der BGH zwar eine „künftige Forderung“ nannte, aber betonte, dass sie in „ihrem Kern“ bereits vorhanden sei.244 Diese Rechtsprechung verbirgt sich hinter dem in der Literatur formulierten Vorbehalt, dass der Rechtsgrund bei der Entstehung der Forderung noch fortbestehen müsse, damit die Vorausverfügung Priorität haben kann.245 Flume formuliert in der Sprache des Schachspiels: Die Übertragung des Rechtsverhältnisses „schlägt“ eine frühere Vorausabtretung.246
III. Fazit zum Meinungsstand Nach der Rechtsprechung hat die Vorauszession grundsätzlich unabhängig von ihrem Rechtsgrund Vorrang vor weiteren Verfügungen, Pfändungen oder Verfügungsbeschränkungen. Mit diesem Grundsatz kontrastiert der durch die herrschende Literatur vermittelte Eindruck, dass zwischen Forderungen mit und ohne Rechtsgrund zu differenzieren sei. Der Grund für diese Abweichung liegt aber vor allem darin, dass die Literatur mit ihren abstrakten Darstellungen zur Priorität ganz häufig auch die Insolvenz des Zedenten einbeziehen will und damit ganz eigene Herausforderungen meistern muss, die mit der Auflösung der Konkurrenz zweier gegenläufiger Verfügungen nicht vergleichbar sind. Wenn über das Vermögen des Zedenten ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, so kann sich eine vorher vereinbarte Verfügung über künftige Forderungen auch nach der Rechtsprechung nicht immer behaupten (Einzelheiten dazu in § 12). Darüber hinaus wird die Autorität der herrschenden Position in der Literatur durch die Vielfalt der Erklärungsmuster und Begriffsverständnisse geschwächt. An dieser Stelle bleibt daher zunächst kein anderer Weg, als die Rechtsprechung zur Konkurrenz einer Vorausverfügung mit einer anderweitigen Verfügung entweder über dieselbe künftige Forderung (E.) oder über das Rechtsverhältnis (F.) einzeln zu untersuchen. Angesichts der sehr formal-dogmatischen Begründungsmuster der Rechtsprechung ist dabei vor allem eine teleologische Betrachtung geboten.
E. Priorität gegenüber gegenläufigen Verfügungen Bevor sich der BGH in das Dickicht der Verfügungsdogmatik begeben hat, hat er richtig erkannt, dass die Priorität der Vorausverfügung eng mit der Wertentscheidung zusammenhängt, die Verfügung über künftige Forderungen überhaupt zuzulassen:247 244 BGH, 16.05.1988 – II ZR 375/87, BGHZ 104, 351, 353. Näher zur Entscheidung unten S. 407 ff. 245 Oben Fn. 216. 246 Flume, AT Bürgerliches Recht I 1, § 17 III S. 354. 247 BGH, 30.04.1959 – VII ZR 19/58, BGHZ 30, 149, 151 f.
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
Wenn man zulässt, das künftige Vermögen als gegenwärtigen Wert zu mobilisieren, ist es im Rahmen der übrigen Rechtsordnung folgerichtig, dass dieser dem gebührt, dem er zuerst zugestanden wurde. Ohne Priorität ergäbe die Verfügbarkeit künftiger Forderung also keinen Sinn. Dass der Gesetzgeber die Konkurrenz an sich zulässiger Abtretungen nach ihrer zeitlichen Reihenfolge auflösen will, ergibt sich etwa aus § 408 BGB.248 Wenn aber einer Verfügung einmal Priorität gewährt wird, muss das auch gegenüber jeder Art anderweitiger Verfügungen gelten und schließlich auch gegenüber späterer Pfändung, die ihrerseits vom Prioritätsprinzip regiert wird (§ 804 III ZPO). Für den Vorrang der früheren Vorausverfügung lohnt noch ein Blick auf die Grundlagen des Prioritätsprinzips, das auf zwei Säulen fußt: der Privatautonomie und dem nemo plus iuris-Grundsatz.249
I. Privatautonomie als Verteilungsprinzip Die erste und wichtigste250 Säule ist der Primat der Privatautonomie: Bei der Priorität geht es um Verteilung von Vermögen und diese überlässt unsere Rechtsordnung dem Willen der Parteien. Deshalb muss die erste Verfügung gelten, weil es schlicht diejenige ist, die von den beteiligten Personen zuerst als solche gewollt wurde. Nur wenn sie im Einzelfall gegen übergeordnete Interessen verstößt, muss der Staat eingreifen und die Verteilung mittels einer Inhaltskontrolle korrigieren.251 Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis hat der BGH vortrefflich zum Ausdruck gebracht, als er in ein und derselben Entscheidung erstmals über das Prioritätsprinzip zwischen konkurrierenden Vorausverfügungen und zugleich zur Kollision einer kreditsichernden Globalzession mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt zu entscheiden hatte. Der BGH erkannte den Grundsatz an, dass der zeitlich früher vereinbarten Globalzession Vorrang einzuräumen ist, da es kein rechtssichereres Verteilungsprinzip als die zeitliche Reihenfolge gebe und die Zulässigkeit der Vorausverfügungen andernfalls sinnlos wäre; diesen Vorrang brach er aber, weil das „lebenswichtige Interesse“252 des auf einen Warenkredit angewiesenen Kreditnehmers dem Sicherungsinteresse der Bank überzuordnen war (§ 138 BGB).253 Zwar hat der BGH nicht gerade betont, dass es bei dem 248 Auch für künftige Forderungen: Neuner, AcP 203 (2003), 46, 55. Vgl. auch Hattenhauer, in: HkK-BGB, 1. Aufl. 2007, §§ 398 – 413 Rz. 76, dort auch zu Modellen in anderen Rechtsordnungen. 249 Grundlegend Neuner, AcP 203 (2003), S. 46. 250 Gleichwohl wird sie in der Literatur nicht genügend beachtet; meist ist man zu sehr auf den Nemo-plus-iuris-Satz fixiert, dazu sogleich. 251 Neuner, AcP 203 (2003), S. 46, 48 ff., 55 ff., 61, 70. 252 BGH, 12.11.1970 – VII ZR 34/69, BGHZ 55, 34, 36. 253 BGH, 30.04.1959 – VII ZR 19/58, BGHZ 30, 149; BGH, 12.11.1970 – VII ZR 34/69, BGHZ 55, 34, 36; BGH, 21.04.1999 – VIII ZR 128 – 98, NJW 1999, 2588. So auch die Rechtslage im Bereich des Factoring: Looschelders, SchuldR BT, Rz. 232 – 234; Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Teil „Vertragsrecht-Globalzession und Kollisionsfälle“, 32. EL 2012, Rz. 29 – 31. Gegen andere Vorrangmodelle als das Prioritätsprinzip in dieser Kollisionsfrage auch Nordhues, S. 48 – 64.
E. Priorität gegenüber gegenläufigen Verfügungen
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Prioritätsprinzip um mehr als bloß um Rechtssicherheit geht; aber durch den Rekurs auf § 138 BGB hat er die Stellung der Privatautonomie und das RegelAusnahme-Verhältnis immerhin angemessen bewertet.
II. Nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet Die zweite – und am häufigsten erwähnte254 – Säule der Priorität einer Verfügung ist eine logische, nämlich der Satz, dass niemand mehr übertragen kann, als er selbst hat (nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet).255 Da eine Person einen Gegenstand nur einmal übertragen kann, geht er an den ersten Erwerber. Will der Gesetzgeber hiervon abweichen, so muss er Regeln zum gutgläubigen Erwerb oder spezielle Vorrangregeln schaffen.256 Für die Verfügung über künftige Forderungen kann jener Satz nicht ohne Schwierigkeiten geltend gemacht werden, wenn es noch keinen Gegenstand gäbe, der mit der Abtretung übergehen würde. Wenn es sich bei der Verfügung über künftige Forderungen lediglich um eine vorweg genommene Einigung über den Übergang der späteren Forderung handelt, dann ist ihr Vorrang gegenüber einer gegenläufigen Vorausabtretung in der Tat kein logisch gebotener, sondern ein von vornherein sachlich zu begründender.257 Beide Vereinbarungen werden nämlich – logisch gesehen – mit Entstehen der Forderung, auf die sie sich beziehen, zur gleichen Zeit wirksam, so dass sich der Vorrang nicht formal nach der Zeit auflösen lässt.258 Das Vorausabtretungsmodell stößt hier also an seine Grenzen. Deshalb nimmt eine verbreitete Auffassung Rekurs auf die Bindung an die Abtretungserklärung, welche den Zessionar an weiteren Verfügungen hindere.259 Das bringt eine gewisse Rechtssicherheit mit sich, ist aber dogmatisch fragwürdig und in der Überzeugungskraft schwach.260 Wer deshalb diesen Weg mit Fug und Recht bestreitet, muss Rekurs auf etwas unbestimmtere haftungsrechtliche Kriterien nehmen,261 um den Vorrang einer der beiden Erklärungen zu begründen. Lenkt man indes den Blick von der entstandenen Forderung auf andere Übertragungsobjekte und erkennt an, dass 254 Der Blick der Literatur verengt sich all zu häufig auf den nemo plus iuris-Grundsatz als Quelle der Priorität, was zu einer mangelnden Akzeptanz von Ergebnissen führt, die auf dieses – von dieser Warte aus – „formale“ Prinzip gestützt werden, vgl. etwa Scherner, BB 1968, 1267. 255 Neuner, AcP 203 (2003), S. 46, 54; Hattenhauer, in: HkK-BGB, 1. Aufl. 2007, §§ 398 – 413 Rz. 76; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 2460; Lempenau, Direkterwerb oder Durchgangserwerb, S. 69; Nordhues, S. 1. 256 Neuner, AcP 203 (2003), S. 46, 70. 257 Esser, ZHR 134 (1970), 320, 325 f. 258 Brinkmann, S. 163. 259 Oben Fn. 193 und Fn. 239. 260 Oben S. 356. 261 Brinkmann, S. 165; Eidenmüller, AcP 204 (2004), S. 457, 480 – 483; vgl. auch Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 650 f. Überblick über verschiedene wertende Ansätze auch bei Kaduk, FS Larenz, S. 683, 694 – 702; Esser, ZHR 134 (1970), 320, 326, folgert aus dem Zusammentreffen beider Vorauszessionen sogar deren Nichtigkeit.
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
an sich jede bestimmbare künftige Forderung auf der Grundlage etablierter Rechtsauffassungen bereits als Gegenstand betrachtet werden kann, so kann die Priorität im Einklang mit der Systematik des BGB erklärt werden: Der Zedent kann die künftige Forderung schlicht deshalb nicht ein zweites Mal übertragen, weil sie ihm nicht mehr gehört; nachträgliche Verfügungsbeschränkungen fechten den Erwerb der künftigen Forderung deshalb nicht mehr an, weil er bereits abgeschlossen ist. Das Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung selbst siedelt den Vorrang der früheren Verfügung also dort an, wo er herkommt, bei der Privatautonomie und dem Nemo plus iuris-Grundsatz.
III. Ergebnis Nach stetiger Rechtsprechung sperrt die zeitlich frühere Verfügung über künftige Forderungen im Grundsatz jede weitere (Voraus‑)verfügung oder Pfändung derselben künftigen Forderungen und bleibt auch von späteren Verfügungsbeschränkungen unberührt, selbst wenn die Abtretung Forderungen betraf, die im Zeitpunkt der ersten Verfügung noch ohne Rechtsgrund waren. Das steht in Einklang mit den Grundlagen des Prioritätsprinzips, d. h. der grundsätzlichen Achtung der Privatautonomie und dem Nemo plus iuris-Grundsatz. In dogmatischer Hinsicht weist das Vorausabtretungsmodell, gerade in Bezug auf letzteren Grundsatz, jedoch konstruktive Schwierigkeiten auf. Diese stellen sich nicht, wenn man die Abtretung durchgehend als gegenwärtige Verfügung über die künftige Forderung selbst begreift.
F. Gegenläufige Verfügung über das Rechtsverhältnis Fraglich ist, ob der Vorausverfügung auch dann Priorität zukommen kann, wenn der Zedent vor der Entstehung der Forderung anderweitig über das Rechtsverhältnis verfügt, aus dem die Forderung einmal erwachsen soll.
I. Problemstellung Das Verhältnis von Schuldverhältnis262 und Forderung ist ein dynamisches.263 Einerseits wird die Forderung durch ihre Abtretung aus dem Schuldverhältnis herausgelöst, soll einem anderen gehören und verselbständigt sich dadurch. 262 Die Begriffe des Rechts- und des Schuldverhältnisses können meist synonym verwendet werden; im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft in einer Gesellschaft ist allerdings regelmäßig von einem Rechtsverhältnis die Rede, vgl. § 2 A.I. 263 Dazu bereits § 2 C.III.
F. Gegenläufige Verfügung über das Rechtsverhältnis
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Andererseits ist sie nicht ohne ihr Schuldverhältnis denkbar, da dieses weiterhin Einfluss auf den Bestand der Forderung haben kann. Wenn ein Verkäufer seine Kaufpreisforderung abgetreten hat und nun den Vertrag anficht oder der Käufer zurücktritt, so erlischt die Forderung, obwohl sie bereits entstanden, an den Zessionar abgetreten und damit scheinbar verselbständigt worden ist.264 Was dem Zessionar verbleibt ist die Einsicht, dass ihm trotz Vollendung des Rechtserwerbs seine Forderung wieder genommen werden kann, soweit die Parteien des Schuldverhältnisses die Grundlagen der Forderungsentstehung noch beeinflussen können; er kann dann allenfalls schuldrechtlichen Ausgleich bei dem Zedenten suchen. Gewisse Einschränkungen in der Nachhaltigkeit eines Abtretungsergebnisses sind damit mit jeder Forderungsabtretung verbunden; sie müssen daher kein originäres Problem künftiger Forderungen sein. Umgekehrt kann nicht nur die Forderung aus ihrem Schuldverhältnis gelöst, sondern auch das Schuldverhältnis von der Forderung getrennt werden. Wird ein Gesellschaftsanteil oder ein Mietverhältnis übertragen, verbleiben Forderungen, die in diesem Rechtsverhältnis zuvor entstanden sind, beim Veräußerer.265 Die künftigen Forderungen, die nach der Übertragung aus dem Rechtsverhältnis entstehen werden, entstehen fortan beim Erwerber, ohne dass sie einzeln übertragen werden müssten; in einem Rechtsverhältnis angelegte Forderungen erwachsen somit als „integrierender Bestandteil“266 des Rechtsverhältnisses zugunsten seines jeweiligen Subjekts.267 Die im Folgenden zu untersuchende Fragestellung betrifft die Vereinigung beider Phänomene, also die Vorausabtretung künftiger Forderungen aus einem Rechtsverhältnis, das anschließend selbst auf eine andere Person übergeht. Problematisch ist dann, ob die künftigen Forderungen immer noch als Bestandteil des Rechtsverhältnisses zugunsten seines jeweiligen Subjekts entstehen können, obwohl sie vor dem Übergang des Rechtsverhältnisses ihrerseits abgetreten worden sind. Der Erwerber des Rechtsverhältnisses wird darauf pochen, dass er die Grundlage erworben habe, aus dem die Forderung bei ihm entstehe, während der Zessionar einwenden wird, dass die Forderung bereits vorher aus dem Rechtsverhältnis herausgelöst worden und daher kein Bestandteil mehr gewesen sei. Die Thematik findet ausnahmsweise und immerhin in einem besonderen Rechtsbereich, nämlich im Mietrecht, eine eigene gesetzliche Regelung. § 566b BGB268 (wortgleich: § 573 BGB a. F.) löst den Konflikt, wenn der Vermieter 264 Zu dieser Abhängigkeit der zedierten Forderung vom Schuldverhältnis im Einzelnen etwa Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 79 f.; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 99 f.; Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 4 IV; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 12 II. 265 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 12 II. 266 Flume, AT Bürgerliches Recht I 1, § 11 IV, in Bezug auf die Zugehörigkeit der künftigen Auseinandersetzungsforderung zur Mitgliedschaft in einer Gesellschaft. 267 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 12 II. 268 Gilt nach §§ 593b, 578 BGB auch für die Vermietung anderer unbeweglicher Sachen bzw. ihre Verpachtung. Für Schiffe vgl. § 578a II 1 BGB.
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
künftige Mietforderungen an den Zessionar abgetreten hat, aber das Mietobjekt anderweitig an einen Erwerber veräußert, auf den der Mietvertrag, welcher die abgetretenen Forderungen hervorbringen soll, nach § 566 BGB übergeht. Gemäß § 566b BGB soll die Vorausverfügung für den ersten Kalendermonat nach Übergang wirksam sein und für spätere Zeiträume nur, wenn der Erwerber von der Vorausverfügung gewusst hat.
II. Herrschender Lösungsansatz Nach herrschender Meinung soll sich allgemein eine Übertragung des Rechtsverhältnisses gegenüber einer früheren Vorausabtretung durchsetzen (oben S. 390 f.); Marotzke spricht in seiner Abhandlung zum Thema vom Dogma des Vorrangs der Stammrechtsverfügung.269 Der Erwerber des Rechtsverhältnisses kann die zuvor als künftig zedierten Forderungen also für sich reklamieren. § 566b BGB/§ 573 BGB a. F. betrachtet man als eine diese Regel bestätigende Ausnahmevorschrift, welche der Vorausabtretung trotz Übergang des Rechtsverhältnisses positiv zur Wirksamkeit verhelfe.270 Zur Begründung des Grundsatzes setzt man an das Verhältnis von künftiger Forderung und Rechtsverhältnis an. Weil diese Bestandteil des Rechtsverhältnisses sei, könne die Forderung nach dessen Übergang nicht mehr beim Zedenten entstehen, und deshalb sei die Vorausverfügung unwirksam.271 Der BGH prüft deshalb für die Frage des Vorrangs, ob – bei Hinwegdenken der Abtretung – die Forderung in der Hand des Zedenten entstanden wäre und verneint das, „wenn das Rechtsverhältnis, das die künftige Forderung begründen soll, vor ihrer Entstehung beendet wird oder (z. B. durch Vertragsübernahme) auf einen anderen übergeht.“272 Die Begründung erscheint auf den ersten Blick zirkulär, da der Misserfolg der Abtretung der künftigen Forderung die Prämisse und zugleich das Ergebnis ist. Sieht man näher hin, erweist sie sich jedoch als Konsequenz des herrschenden „Vorausabtretungsmodells“, welches man hier ausdrücklich zugrunde legt.273 Da die Abtretung nach diesem Modell ohnehin erst Wirkung entfalten kann, wenn die Forderung entsteht, kommt ihr jeder andere Akt zuvor, der die Grundlage ihrer Entstehung erfasst und auf eine andere Person transferiert. Die Übertragung des 269
Marotzke, ZIP 1988, 1509. Vom „Stammrecht“ spricht auch Müller, ZIP 1994, 342, 348. v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II 1, § 60 V S. 393. Ebenso: Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 302, und jurisPK-BGB/Tonner, 6. Aufl. 2012, § 566b BGB Rz. 1 f. A. A. Müller, ZIP 1994, 342, 349 f. 271 BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 206; Flume, AT Bürgerliches Recht I 1, § 17 III S. 354; Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 22 III. 272 BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 207; BGH, 14.07.1997 – II ZR 122/96, NJW 1997, 3370, 3371. 273 BGH, 16.05.1988 – II ZR 375/87, BGHZ 104, 351, 354; BGH, 14.07.1997 – II ZR 122/96, NJW 1997, 3370, 3371; Flume, AT Bürgerliches Recht I 1, § 17 III S. 354; Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 22 III; Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 VI. 270
F. Gegenläufige Verfügung über das Rechtsverhältnis
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Rechtsverhältnisses beraubt die Vorausabtretung quasi ihres Gegenstands, bevor diese selbst wirken kann. Konsequenterweise müsste man hier von dem Bild eines Durchgangserwerbs ausgehen, da sonst kaum verständlich wäre, warum es Voraussetzung sein soll, dass die Forderung überhaupt noch beim Zedenten entstehen können muss.274 Der BGH scheut allerdings diese Festlegung275 und liegt damit auf der Linie v. Tuhrs, der – um den sonst unbequemen Durchgangserwerb zu vermeiden – hier lediglich verlangt, dass die Forderung „an sich“ beim Zedenten entstehen könnte.276 Diese mit dem „An-sich-Erwerb“ verbundene Fiktion belegt, dass der Vorrang des Rechtsverhältnisses „an sich“ nicht auf die Vorausabtretungskonstruktion zurückgeführt werden darf, sondern ihr eine Wertung zugrunde liegt; gleichwohl argumentieren von Tuhr und der BGH mit den logischen Zwängen einer im Voraus vorgenommenen Verfügung, die unwirksam sein müsse, wenn mit dem Übergang des Rechtsverhältnisses die Möglichkeit verloren ginge, dass die Forderung beim Zedenten entsteht.277
III. Schutzrichtung der herrschenden Auffassung Von Interesse sind die Wertentscheidungen, die hinter der herrschenden Meinung stehen. Anders als gelegentlich angenommen, geht es der herrschenden Meinung nicht prinzipiell um den Schutz der sachlichen Einheit von Rechtsverhältnis und Forderung. Es wird zwar gelegentlich argumentiert, dass eine Vorausabtretung künftiger Auseinandersetzungsansprüche eines Gesellschafters gegenüber einer späteren Verfügung über die Mitgliedschaft weichen müsse, weil die Mitgliedschaft andernfalls ausgehöhlt werde und dem Erwerber weniger Rechte verschaffen würde.278 Das lässt sich jedoch vor dem Hintergrund von Vorschriften wie § 717 BGB nicht aufrechterhalten, die diese sachliche Einheit ausdrücklich regeln. Nach § 717 S. 1 BGB dürfen einige Ansprüche, die das Innenverhältnis der Gesellschafter besonders betreffen, nicht von der Mitgliedschaft getrennt werden. § 717 S. 2
274 Entsprechend: Armbrüster, NJW 1991, 606, 607 f. Trotz Befürwortung eines Durchgangserwerbs gelangt Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, S. 170 – 172, allerdings zur grundsätzlichen Wirksamkeit der Vorausverfügung mit dem Argument, dass der Übergang des Rechtsverhältnisses durch die Vorausverfügung „belastet“ sei. 275 BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 206 f. 276 Zu dieser Konstruktion des „An-sich-Rechtserwerbs“, um den an sich logisch nahe liegenden Durchgangserwerb auszuschalten, oben Fn. 52. 277 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. II 1, § 60 V S. 392, und Bd. I, § 12 II. Zustimmend Flume, AT Bürgerliches Recht I 1, § 17 III S. 354; Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 22 III. Im Ergebnis genauso, aber unter Rückgriff auf die Dogmatik des Anwartschaftsrechts und des Durchgangs- und Direkterwerbs Müller, ZIP 1994, 342, 353 – 355. 278 Armbrüster, NJW 1991, 606, 607, spricht von „klimatischen und motivatorischen Nachteilen“, die in der Gesellschaft entstehen würden; MünchKomm-BGB/Schäfer, 6. Aufl. 2013, § 717 Rz. 32.
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
BGB erlaubt aber gerade die Trennung der Auseinandersetzungsforderung von der Mitgliedschaft,279 um die es bei der Rechtsprechung zum Vorrang des Rechtsverhältnisses hauptsächlich geht.280 Unter dem Aspekt der sachlichen Einheit muss dies dann genauso für die künftige Auseinandersetzungsforderung gelten.281 Wenn entstandene Forderungen aus einem Schuldverhältnis gelöst werden dürfen, kann gegen die Abtretung künftiger Forderungen nicht eingewandt werden, dass das Rechtsverhältnis vor Aushöhlung zu schützen ist. Die herrschende Position kann ihre Beweggründe daher nur in der Person des Erwerbers des Rechtsverhältnisses haben. Da sie die im Voraus unternommene Herauslösung einer Forderung immer dann unterbindet, wenn über das Rechtsverhältnis im Nachhinein verfügt wird, bewahrt sie die Rechtsstellung des Erwerbers vor einer Aushöhlung durch den Vorgänger. Da nach herrschender Meinung der Gegenstand der Vorausabtretung die entstandene Forderung ist, geht es letztlich um den Schutz der Befugnis des Erwerbers, über die ihm aus dem Rechtsverhältnis erwachsenden Forderungen selbst zu verfügen. Könnte der Zedent im Vorhinein über diese Forderungen disponieren, so ginge dies zulasten des späteren Erwerbers des Rechtsverhältnisses; der Zedent würde – aus Sicht der herrschenden Meinung – über Forderungen verfügen, die ihm nicht gehören. Dem herrschenden Lösungsansatz geht es folglich um den Schutz der Verfügungsbefugnis:282 Nur das jeweilige Subjekt des Rechtsverhältnisses soll die Entscheidung treffen dürfen, die in ihm hervorgebrachten Forderungen wegzugeben; die Freiheit des Zedenten, über die Verteilung der künftigen Forderungen zu bestimmen, soll dort enden, wo sie ihm nicht mehr gehören, weil sie jetzt in anderer Hand entstehen.
IV. Widersprüche Die herrschende Auffassung provoziert einige Widersprüche innerhalb der Rechtsordnung, wenn man die Literatur zu den Wirkungen der Vorausabtretung in den Blick nimmt. Dort möchte man mit der generellen Unterscheidung von Vorausabtretungen mit einem Durchgangs- und solchen mit einem Direkterwerb zum Ausdruck bringen, dass Forderungen mit einem „Rechtsgrund“ selbständig beweglich sind und unmittelbar auf den Zessionar übergehen (oben S. 386 f.). Bei der zwischenzeitlichen Übertragung des Rechtsverhältnisses geht es gerade 279 H. M.; Flume, AT Bürgerliches Recht I 1, § 11 IV u. § 17 III; Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl. 2014, § 717 Rz. 5 – 9; Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, 8. Aufl. 2011, § 8 Rz. 35 ff. 280 Näher F.VI. 281 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 12 IV mit Verweis auf die schon damals herrschende Meinung. 282 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. II 1, § 60 V. Auf dieser Basis, dass der Vorauszedent als Nichtberechtigter verfügt, wenn Forderungen betroffen sind, die erst nach Übergang das Rechtsverhältnisses entstehen, legt man daher § 566b BGB oder § 717 S. 2 BGB aus: jurisPK-BGB/Tonner, 6. Aufl. 2012, § 566b BGB Rz. 1; Staudinger/Habermeier, BGB, Neubearb. 2003, § 717 Rz. 14.
F. Gegenläufige Verfügung über das Rechtsverhältnis
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um diese Forderungen mit Rechtsgrund. Wenn man hier nun strikt mit der Konstruktion des Vorausabtretungsmodells argumentiert, wonach die Abtretung erst mit dem Entstehen der Forderung wirke, so setzt man sich in Widerspruch zu der – häufig mit Hilfe des Anwartschaftsrechts283 – begründeten Position, dass solche Forderungen bereits vor ihrem Entstehen aus dem Rechtsverhältnis herausgelöst werden können.284 Die daraus erwachsende Begründungsnot wird offenbar, wenn gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzungsforderungen, die an anderer Stelle als aufschiebend rechtsbedingte Forderungen gelten,285 im vorliegenden Zusammenhang zu künftigen Forderungen „umetikettiert“ werden, nur um die gegenwärtige Wirkungslosigkeit der Vorausabtretung glaubwürdiger zu machen.286 In dieser Hinsicht widerspruchsfrei wäre die herrschende Meinung nur unter konsequenter Zugrundelegung eines Vorausabtretungsmodells, bei der man der künftigen Forderung jede eigene Existenz und Schon-jetzt-Übertragbarkeit auch dann abspricht, wenn sie rechtlich begründet ist, und als Gegenstand der Abtretung allein die entstandene Forderung sieht, die es wegen des Übergangs des Rechtsverhältnisses nicht mehr geben kann. Dieser Auffassung war v. Tuhr,287 der die herrschende Position zur Priorität des Rechtsverhältnisses stark beeinflusst hat; sie entspricht aber nicht mehr der Auffassung, die man heutzutage zu den Wirkungen einer Vorausabtretung im Allgemeinen im Anschluss an Hahnzog vertritt.288 Das Vorausabtretungsmodell führt aber auch in anderer Hinsicht zu Widersprüchen. Einerseits führt man nämlich im Kontext der Priorität der Vorausabtretung gegenüber späteren Vorausabtretungen die bereits vorhandene Verfügungsbefugnis des Zedenten an;289 andererseits betont man bei der vorliegenden Problematik, dass der Zedent zur Verfügung über die später zugunsten des Erwerbers entstehenden Forderungen als Nichtberechtigter verfügt habe.290 Zweifel an der herrschenden Position nährt zudem ausgerechnet § 566b BGB, den die herrschende Auffassung291 – nicht umsonst – als Ausnahmevorschrift begreifen muss: Nach Absatz 1 ist die Vorausverfügung wirksam, soweit sie sich auf die Miete für den zur Zeit des Eigentumsübergangs laufenden Kalendermonat bezieht. Weil nach herrschender Meinung der Vorvermieter für die Abtretung der Mietforderungen, die auf die Zeit seines Nachfolgers entfallen, aber nicht 283 Vgl. etwa Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 I 3; zur selbständigen Gegenständlichkeit aufschiebend bedingter Forderungen auch Brinkmann, S. 156; ferner oben bei Fn. 212. 284 Wie hier Marotzke, ZIP 1988, 1509, 1512; MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl. 2012, § 566b Rz. 3. 285 § 2 S. 37. 286 Ebenso die Einschätzung von Marotzke, ZIP 1988, 1509, 1512, u. Müller, ZIP 1994, 342, 350 ff. 287 v. Tuhr, DJZ 1904, 426, 428 – 430. 288 Oben Fn. 212. 289 Oben Fn. 190. 290 Soeben unter III. 291 Oben Fn. 270.
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
verfügungsbefugt sei,292 müsste man § 566b I (und auch § 578a II 1 BGB) so auslegen, dass er nachträglich dem Vorauszedenten Verfügungsmacht verleiht bzw. die Vorausverfügung validiert. Dies würde sich aber an § 566b II BGB stoßen. Nach § 566b II BGB muss der in einen Mietvertrag einrückende Erwerber die Vorausverfügung über die Miete für eine spätere Zeit „gegen sich gelten lassen, wenn er sie zur Zeit des Übergangs des Eigentums kennt“. § 566b II BGB ist damit eher so formuliert, als regele er den redlichen Forderungserwerb des Erwerbers des Rechtsverhältnisses, der hierüber Forderungen erhält, die an sich bereits einem anderen als dem Veräußerer, nämlich dem Zessionar zugestanden haben.293 Immerhin muss man nur dann etwas „gegen sich gelten lassen“, wenn es überhaupt einmal gültig war. Wenn der Gesetzgeber wirklich davon ausgegangen wäre, dass die Vorausabtretung von Mietforderungen entsprechend der herrschenden Position294 wirkungslos ist, hätte er die Vorschrift also anders formulieren müssen. Auch die Rechtsfolge von § 566b II BGB wäre sonderbar: Da nach der herrschenden Auffassung ab dem Übergang des Rechtsverhältnisses beim Zedenten keine Forderung mehr entstehen kann,295 müsste § 566b II BGB die Forderungen, die gleichwohl beim Zessionar entstehen sollen, also fingieren, weil diesem plötzlich Forderungen zustehen sollen, die ohne die Vorschrift niemals entstehen und übergehen könnten. Dann aber erwiese sich § 566b II BGB nicht als Vorschrift zum Schutz des gutgläubigen Erwerbers, sondern als eine zum Schutz des Zessionars für den Fall, dass der Erwerber bösgläubig ist. Das ist in sich unstimmig.296 Die Gesetzgebungsgeschichte der durch die zweite Kommission eingeführten Vorschrift veranlasst die herrschende Deutung nicht.297 § 566b II BGB spricht 292
jurisPK-BGB/Tonner, 6. Aufl. 2012, § 566b BGB Rz. 1; ferner oben III. (S. 398). Demelius, JherJb Bd. 36 (2. Folge), S. 241, 263; Müller, ZIP 1994, 342, 349 f. 294 Ausdrücklich: v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. II 1, § 60 V S. 392, und Bd. I, § 12 II. 295 Oben Fn. 277. 296 Im Ergebnis ebenso MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl. 2012, § 566b Rz. 3; Müller, ZIP 1994, 342, 349 f. 297 A. A. Bork, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 289, 302, der sich auf einen Satz in den Protokollen zur Vorgängervorschrift von § 566b BGB stützt (Mugdan, Bd. 2, S. 822), welcher zur in den Protokollen an anderer Stelle erörterten Frage Stellung nimmt, warum man die Rechte des Vermieters nicht nach Art einer Abtretung auf den Erwerber übergehen lassen wollte: Weil man „den Erwerber nicht an die Vorausverfügungen des Vermiethers habe binden wollen (Prot. S. 1876).“ Geht man diesem Verweis nach, so ist auf S. 1876 der Protokolle (Mugdan, Bd. 2, S. 816 f.) nicht mehr von Vorausverfügungen die Rede, sondern davon, dass man den Erwerber davor schützen wolle, dass „der Vermiether vor der Eigentumsübertragung den Mietzins schon für einen längeren Zeitraum im Voraus erhoben habe“. Man hatte also auf die Einziehung des Mietzinses für eine spätere Zeit reagieren wollen, die zum Erlöschen der Forderungen im Voraus geführt hätte, so dass diese bei einer Abtretungslösung nicht übergegangen wären (so auch die Motive, S. 390, „die auf die Zeit nach dem Erwerbe entfallenden, von ihm erhobenen Miethzinsen“ = Mugdan, Bd. 2, S. 217). Im Gegenteil sind die Protokolle widersprüchlich: Einmal heißt es dort, dass die Vorschrift das Prinzip ausspreche, dass das Recht des Erwerbers auf die Miete für die Zukunft nicht durch Vorausverfügungen des Vermieters berührt wird. Das kann man auch so deuten, dass man dieses Prinzip für das Mietrecht aufstellen will, weil im Übrigen Vorausverfügungen Wirkungen haben. 293
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eher dafür, dass der Gesetzgeber der Verfügung über das Rechtsverhältnis keine die Vorausverfügung kassierende Wirkung beigemessen hat; gerade im Hinblick auf § 566b II BGB nehmen sich Absatz 1 der Vorschrift und ebenso § 578a II 1 (früher § 580 II 1 BGB) vielmehr als eine notwendige Klarstellung aus, dass die Vorausverfügung auch nach dem Übergang des Rechtsverhältnisses Wirkungen haben kann.298
V. Gegenmodell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung Die Begründung mit dem Vorausabtretungsmodell wirft also wieder zahlreiche Ungereimtheiten auf. Zum einen vermag sie die Vorschrift des § 566b BGB nicht zu erklären. Zum anderen gerät sie in Konflikt mit der herrschenden Auffassung, dass über aufschiebend bedingte Forderungen an sich selbständig verfügt werden können soll, während ihr im Fall eines nachträglichen Übergangs des Rechtsverhältnisses jegliche selbständige Beweglichkeit abgesprochen wird. Im Folgenden soll daher die Rechtslage auf Basis des Modells der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung untersucht werden.
1. Schuldverhältnis als identitätsstiftende Grundlage der Forderung Nach dem Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung ist die werdende Forderung bereits selbst ein Gegenstand und kann als ein solcher gemäß § 398 BGB analog mit unmittelbarer Wirkung auf den Zessionar übertragen werden. Dadurch wird der Zessionar Inhaber der Aussicht, eine entsprechende Forderung zu erwerben. Da man sich die Abtretung dieser künftigen Forderung nicht anders als eine Abtretung der bestehenden Forderung zu denken hätte, hätte eine zwischenzeitliche Verfügung über das Rechtsverhältnis zunächst einmal zur Folge, dass der Erwerber das Rechtsverhältnis ohne die künftige Forderung erwirbt, soweit man den Nemo plus juris-Grundsatz zugrunde legt.299 Das Modell der gegenwärtigen Abtretung scheint damit auf den ersten Blick ein anderes Ergebnis hervorzubringen. Allerdings kann die künftige Forderung nicht völlig losgelöst von ihrem Schuldverhältnis betrachtet werden: Wenn beispielsweise das Schuldverhältnis nicht übergehen, sondern beendet würde, bevor die Forderung entsteht, dann würde die Erwerbsaussicht des Zessionars hinfällig, weil die Forderung in keiner Hand mehr entstehen kann. Entsprechendes gilt, soweit sich innerhalb des Schuldverhältnisses inhaltliche Änderungen ereignen, 298 Zur fehlenden Aussagekraft des Wortes „Vorausverfügung“ in der Überschrift von § 566b BGB vgl. oben S. 353 bei Fn. 39. 299 So im Ergebnis die sehr weit gehende Lösung von Marotzke, ZIP 1988, 1509, 1516 f. u. 1524, der dann durch die analoge Anwendung von § 566b II BGB gegensteuert.
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etwa die im Voraus zedierte Miete wegen eines dauerhaften Mangels sinkt (§ 536 I BGB). Auch wenn man sich die Abtretung künftiger Forderungen so vorstellt, dass diese bereits gegenwärtig aus dem Rechtsverhältnis heraustreten, ist es also Voraussetzung, dass die Forderung nach dem Rechtsverhältnis überhaupt noch entstehen kann. Wenn das nicht mehr möglich ist, erlischt die Aussicht auf ihren Erwerb und es realisiert sich das Risiko, welches eine Erwerbsaussicht von Anfang an in sich trägt. Genauso muss es sich verhalten, wenn das Rechtsverhältnis nicht beendet wird, sondern auf einen Erwerber übergeht und dadurch die Identität der künftigen Forderungen geändert wird. Wenn nach Übergang des Rechtsverhältnisses die Forderung nicht mehr diejenige ist, über die einmal verfügt worden ist, dann erlischt die Erwerbsaussicht des Zessionars, weil die künftige Forderung, über die verfügt worden ist, genauso wenig entstehen kann wie eine, deren Schuldverhältnis beendet worden ist. Wenn es zum Inhalt der Forderung gehört, dass sie aus einem Rechtsverhältnis hervorgehen soll, das zwischen bestimmten Personen besteht, führt der Übergang des Rechtsverhältnisses unweigerlich zum Erlöschen der Erwerbsaussicht. Zur Veranschaulichung soll auf das Beispiel zurückgegriffen werden, das v. Tuhr zum Beleg seiner These über den Vorrang der Verfügung über das Rechtsverhältnis gegeben hatte: Der Zedent möge Schadensersatzforderungen aus der künftigen Beschädigung seiner Sache an den Zessionar zedieren und anschließend seine Sache an den Erwerber veräußern. Nach v. Tuhr soll die Abtretung ins Leere gehen, da das Rechtsverhältnis, aus dem die Forderung hervorgeht, übergegangen ist:300 Da der Zedent nicht mehr Eigentümer ist, könnte die Schadensersatzforderung nicht mehr bei ihm entstehen, und folglich muss die Abtretung gegenstandslos sein.301 Nichts anderes ergibt sich, wenn man eine gegenwärtige Abtretung der künftigen Forderung annehmen würde: Zediert waren die künftigen Schadensersatzforderungen des Zedenten aus Beschädigung seiner Sache. Diese Forderungen kann es nur so lange geben, wie der Zedent Eigentümer der Sache ist. Ändert sich dies, so wird die Erwerbsaussicht des Zessionars wertlos; aber eben dieses Risiko ist er eingegangen, wenn er sich mit „künftigen“ Forderungen zufrieden gibt. Das Beispiel lässt sich beliebig abwandeln. Wenn der Zedent seine künftigen Schadensersatzforderungen gegen seinen Nachbarn N abgetreten hat, weil von diesem die Gefahr der Zerstörung seiner Sachen ausging, dann erlischt die Erwerbsaussicht, wenn N stirbt. All dies ist Ausdruck des gleichen Verlustrisikos, das eine Erwerbsaussicht in sich trägt, einerlei, ob es sich durch einen Übergang des Rechtsverhältnisses oder seine Beendigung realisiert. Wäre im letztgenannten Beispiel nicht die Schuldnerschaft des N das für die Forderung identitätsstiftende Element gewesen, sondern das Schadensobjekt (die Sachen des Zedenten), so wäre die Aussicht auf den Erwerb der Forderung 300 Zur Frage, ob die Berechtigung an einer Sache als Rechtsverhältnis aufgefasst wird, § 2 in Fn. 7. 301 v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II 1, § 60 V S. 392.
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durch den Tod des N unberührt geblieben, solange ein neuer Nachbar nachfolgen kann. Daraus erhellt: Weit mehr als der Übergang des Rechtsverhältnisses wiegt die Identität der Forderung und die Frage, inwieweit sie durch den Fortbestand des ursprünglichen Rechtsverhältnisses in einer Person geprägt ist. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln. Beispielsweise können Forderungen, deren Entstehung ein Verhalten bzw. einen Umstand in der Person des Zedenten voraussetzen, nicht mehr entstehen, wenn der Zedent diese nur als Partei des Schuldverhältnisses durchführen bzw. verwirklichen kann.302 Durch Auslegung zu lösen ist auch die Frage, wie es sich verhält, wenn der Vermieter künftige Mietforderungen abtritt. Wenn der Person des Vermieters nach der Abtretungsvereinbarung kein identitätsprägender Gehalt zukommt, so spricht dies dafür, dass – ohne § 566b BGB – Mietforderungen auch nach Übergang des Mietvertrags beim Zessionar entstehen würden und der Vermieter das Mietverhältnis ohne die Forderungen erwerben würde (wie § 578a II BGB). Der Übergang des Rechtsverhältnisses als solches aber schließt das Entstehen der Forderung nicht aus. Nur wenn er zur mittelbaren Folge hat, dass die Forderung nicht mehr entstehen kann, bzw. wenn eine aus dem übergegangenen Rechtsverhältnis erwachsende Forderung nicht mehr diejenige wäre, als die sie abgetreten wurde, bleibt die Abtretung künftiger Forderungen erfolglos. Insofern erweist sich der Bestand einer Verfügung über künftige Forderungen gegenüber einer späteren Verfügung über das Schuldverhältnis als Frage, inwieweit der Fortbestand des Schuldverhältnisses in der Person des Zedenten für die Forderung identitätsstiftend ist. Dass mit diesem Satz nicht logische Formeln, sondern eine wertende Auslegung entscheidend ist, ist kein Defizit künftiger Forderungen, sondern Ausdruck unseres Zessionsrechts, das seine Grenzen (§ 399 BGB) ebenfalls danach bestimmt, ob die Identität einer Forderung trotz Gläubigerwechsels gewahrt bleiben kann.303
2. Verfügungsmacht des Erwerbers und wirtschaftliche Verfügungsfreiheit Nach dem Vorausabtretungsmodell ist eine entstandene Forderung Gegenstand der Abtretung; daher tritt eine im Voraus erklärte Zession notwendigerweise in Konflikt mit der Verfügungsmacht dessen, der das Schuldverhältnis zu dem Zeitpunkt innehat, zu dem die Forderungen entstehen (s. o.). Anders verhält es sich, wenn man von einer gegenwärtigen Verfügung über die künftige Forderung ausgeht. Der Zedent ist zur Verfügung über die künftigen Forderungen befugt, so dass diese von vornherein aus dem Rechtsverhältnis ausscheiden und die Verfügungsbefugnis des Erwerbers gar nicht erst in Rede steht; er erwirbt das 302 Den Extremfall skizziert § 399 Var. 1 BGB, der keinen Ausschluss der Abtretung regelt, sondern zum Ausdruck bringt, dass eine Rechtsnachfolge strukturell ausgeschlossen ist, wo die Identität einer Forderung einen anderen Gläubiger nicht verträgt, Dörner, Dynamische Relativität, S. 159 f. 303 Dörner, Dynamische Relativität, S. 163.
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Rechtsverhältnis ohne die künftigen Forderungen. Wenn, wie bei § 566b BGB oder wie in jedem anderen Fall, in dem der Übergang des Rechtsverhältnisses die Identität der künftigen Forderung unberührt lässt, die abgetretenen Forderungen beim Zessionar entstehen, liegt darin also keine Verletzung der Verfügungsmacht des Erwerbers des Rechtsverhältnisses. Allenfalls beeinträchtigt ihn die Verfügung seines Vorgängers in seiner wirtschaftlichen Verfügungsfreiheit oder in seiner redlichen Erwartung, da er mit seinem Rechtsverhältnis weniger erhält als er ohne die frühere Zession erhalten hätte. Der Schutz vor einer solchen Benachteiligung kann dann entweder an der Zession und an Vorschriften ansetzen, die ein Schuldverhältnis generell vor Aushöhlung schützen (§ 566b; § 717 S. 1; § 2033; § 138 BGB) oder an dem Rechtsgeschäft, mit dem der Erwerber das Rechtsverhältnis erstanden hat (§§ 305c, 307, 138, 123 BGB). Der Schutz vor Aushöhlung des Schuldverhältnisses erfolgt – anders als nach dem Vorausabtretungsmodell – also nicht über die dingliche Zuordnung der entstandenen Forderungen, sondern über die inhaltlichen Schranken der Privatautonomie.304 Dort ist er viel besser aufgehoben, da nach dem Abstraktionsprinzip Verfügungsgeschäfte grundsätzlich abstrakt und daher wertfrei zuordnen sollen, während Vorschriften wie §§ 138, 566b, 717 S. 1, 2033 BGB gerade voraussetzen, dass diese Zuordnung an sich wirksam erfolgt ist und gerade deshalb unterbunden werden soll. Der Schutz vor Aushöhlung eines Schuldverhältnisses wird also nicht über das Rangverhältnis zweier wirksamer Verfügungen, sondern über die Inhaltskontrolle gelöst.
VI. Rechtsprechungsanalyse Es ist nicht auszuschließen, dass die Unterscheidung zwischen beiden Modellen einer Verfügung über künftige Forderungen sachliche Bedeutung erlangen kann, da die Maßstäbe zur Überprüfung der Abtretung künftiger Forderungen verschieden sind. Der Unterschied ist allerdings nicht besonders groß, da beide Modelle erfordern, dass die Forderung beim Zedenten entstehen könnte.305 Während dies bei einem späteren Übergang des Rechtsverhältnisses nach dem Vorausabtretungsmodell allerdings schematisch zu verneinen ist, lässt das Modell der Abtretung der künftigen Forderung einen gewissen Spielraum für eine Auslegung, der der dynamischen Beziehung zwischen Schuldverhältnis und 304 Beispielhaft etwa RG, 09.02.1905 – IV 423/04, RGZ 60, 126, das die Vorauszession künftiger Auseinandersetzungsforderungen an § 2033 BGB scheitern ließ, weil der Käufer eines Miterbenanteils andernfalls nichts erhielte, aber für Nachlassschulden mit seinem Vermögen aufzukommen hätte; diese Erwägungen gelten auch heute noch MünchKomm-BGB/Gergen, 6. Aufl. 2013, § 2033 Rz. 10. v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I, § 20 VIII S. 365, betrachtete die Auseinandersetzungsforderung hingegen als isoliert abtretbar und wollte diesen Fall daher über die Priorität und die Vorausabtretungslösung lösen, wie es die heute herrschende Meinung machen würde. 305 Das übersieht die Kritik von Hennrichs, JZ 1993, 225, 228.
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Forderung besser gerecht wird. Inwieweit die herrschende Position, dass die Priorität der Vorausverfügung den Fortbestand des Rechtsverhältnisses beim Zedenten erfordere,306 wirklich allgemeingültig ist, hängt also davon ab, wie man die Verfügung über eine künftige Forderung betrachtet. Das rückt die wenigen höchstrichterlichen Entscheidungen in den Mittelpunkt der Betrachtung, die zur Thematik des Rechtsverhältnistransfers ergangen sind und Aufschluss darüber geben können, welches Begründungsmodell den sachlichen Zwängen besser Rechnung trägt.
1. Künftige Abfindungs- bzw. Auseinandersetzungsforderungen eines Gesellschafters Den maßgeblichen BGH-Entscheidungen ist gemein, dass sie künftige Abfindungs- bzw. Auseinandersetzungsforderungen eines Gesellschafters betreffen. Eine Auseinandersetzungsforderung ist das Recht eines Gesellschafters, aus dem übrig bleibenden Gesellschaftsvermögen die auf seinen Anteil entfallenden Einlagen und Gewinne zu verlangen (vgl. etwa §§ 732 – 734 BGB), wenn die Gesellschaft aufgelöst wird.307 Mit einer Abfindungsforderung wird ein Gesellschafter demgegenüber für den Verlust seiner Mitgliedschaft entschädigt, wenn dieser anders als durch Auflösung der Gesellschaft erfolgt; Voraussetzung für eine solche Abfindungsforderung ist allerdings, dass der Gesellschafter ersatzlos aus der Gesellschaft ausscheidet; seine Mitgliedschaft darf also nicht auf einen anderen übergehen, sondern muss der Gesellschaft zuwachsen, so dass für diese die Pflicht entsteht, diesen Zuwachs durch eine Abfindung zu kompensieren.308 Ein Beispiel hierfür ist die Einziehung des Geschäftsanteils auf Beschluss der übrigen Gesellschafter gemäß § 34 GmbHG. Sie führt zum Erlöschen des Geschäftsanteils samt der entsprechenden Mitgliedschaftsrechte.309 Der Gesellschafter erwirbt eine Abfindungsforderung, die jedoch regelmäßig unter dem Verkehrswert des Anteils bleibt.310 Eine solche Einziehung sehen Gesellschaftssatzungen häufig für den Fall vor, dass ein Geschäftsanteil gepfändet wird, um dadurch zu vermeiden, dass durch dessen Verwertung (Verkauf oder Versteigerung) ein unbekannter Dritter in die Gesellschaft eindringt.311 Die künftige Auseinandersetzungs- oder Abfindungsforderungen sind jeweils „integrierender Bestandteil der Mitgliedschaft“312. Wird die Mitgliedschaft 306
S. 390 f. Vgl. Marotzke, ZIP 1988, 1509, 1511. 308 Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, 8. Aufl. 2011, § 10 Rz. 21. 309 Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 34 Rz. 2; BGH, 16.05.1988 – II ZR 375/87, BGHZ 104, 351, 354. 310 Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 34 Rz. 22 ff. 311 Clevinghaus, RNotZ 2011, 449. 312 Flume, AT Bürgerliches Recht I 1, § 11 IV. 307
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auf einen Dritten übertragen, so tritt er in die Gesellschafterstellung ein und erwirbt folglich – neben den mit ihr verbundenen Mitgliedschaftsrechten – auch die künftige Auseinandersetzungs- bzw. Abfindungsforderung. Während der Gesellschaftsvertrag diesen Forderungen also bereits eine rechtliche Grundlage gibt, gelangen sie erst mit der Auflösung der Gesellschaft bzw. dem entsprechenden Verlust der Mitgliedschaft zur Entstehung.313 Bis dahin spricht der BGH von einer künftigen Forderung,314 gesteht jedoch zu, dass sie in „ihrem Kern“ vorhanden ist.315 In der Praxis erfolgt die Abtretung solcher künftigen Forderungen vor allem zur Kreditsicherung oder im Rahmen erbrechtlicher Versorgungsregelungen.316 Sowohl die Auseinandersetzungs- als auch die Abfindungsforderung kann nach § 717 S. 2 BGB ausnahmsweise ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter isoliert abgetreten oder verpfändet werden, da ihre Herauslösung aus der Verbundenheit zur Mitgliedschaft dem Zweck einer Gesellschaft nicht zuwiderläuft.317 Ihre Abtretung wirft allerdings im Hinblick auf das Prioritätsprinzip Probleme auf, wenn der Zedent nach der Abtretung der noch künftigen Forderungen seine Mitgliedschaft überträgt und der Erwerber gegenüber dem Zessionar ein besseres Recht geltend macht, sobald die Forderung entstanden ist.
2. BGHZ 88, 205 Der Entscheidung BGHZ 88, 205 liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Dem Gesellschafter einer GmbH (Zedent) soll nach der Gesellschaftssatzung eine Abfindungsforderung zustehen, wenn über sein Vermögen der Konkurs eröffnet, sein Geschäftsanteil gepfändet oder durch die Gesellschaft eingezogen wird und er deshalb aus der Gesellschaft ausscheiden muss.318 Diese künftige Forderung tritt er an den Zessionar ab. Anschließend überträgt er seinen Geschäftsanteil auf eine andere Person, den Erwerber, der um die Abtretung weiß. Der Erwerber fällt nun in Konkurs und scheidet satzungsgemäß aus der Gesellschaft aus. Seine ihm aufgrund der Satzungsregelung zustehende Abfindungsforderung begehrt jedoch der Zessionar. Der BGH war der Auffassung, dass die Abtretung ins Leere 313
BGH, 14.07.1997 – II ZR 122/96, NJW 1997, 3370; BGH, 13.11.2000 – II ZR 52/99, NJW-RR 2001, 463; Flume, AT Bürgerliches Recht I 1, § 11 IV. 314 BGH, 14.07.1997 – II ZR 122/96, NJW 1997, 3370; BGH, 13.11.2000 – II ZR 52/99, NJW-RR 2001, 463. 315 BGH, 16.05.1988 – II ZR 375/87, BGHZ 104, 351, 353. Der Verdacht von Marotzke, ZIP 1988, 1509, 1512, u. Müller, ZIP 1994, 342, 350 ff., dass der BGH hier dem Begriff der Künftigkeit eine Funktion zuweist, obwohl er in anderem Zusammenhang die Auseinandersetzungsforderungen als aufschiebend bedingte Forderungen mit Rechtsgrund bezeichnet (BGH, 27.04.1972 – II ZR 122/70, BGHZ 58, 327, 330), ist nicht ganz von der Hand zu weisen. 316 Marotzke, ZIP 1988, 1509, 1510. 317 Flume, AT Bürgerliches Recht I 1, § 11 IV u. § 17 III; Marotzke, ZIP 1988, 1509; Palandt/ Sprau, BGB, 73. Aufl. 2014, § 717 Rz. 5 – 9; s. bereits RG, 09.02.1905 – IV 423/04, RGZ 60, 126, 129 f. 318 BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 207.
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ging, da das Rechtsverhältnis, aus dem die künftige Forderung erwachsen sollte, auf einen anderen übergegangen sei, und die Forderung folglich nicht mehr in der Person des Zedenten entstehen könne.319 Während der BGH sein Ergebnis in der bereits erläuterten Art und Weise aus der Konstruktion der Abtretung als Vorausabtretung herleitete (oben S. 396 f.), sicherte er dieses Ergebnis mit Erwägungen zum konkreten Einzelfall ab, die aufhorchen lassen. Der BGH bemerkte, dass die Voraussetzungen der Abfindungsforderung (Konkurs; Pfändung des Geschäftsanteils) in der Person des Zedenten nie mehr eintreten konnten; eine Abfindungsforderung konnte vielmehr nur noch dadurch entstehen, dass der Erwerber aus der Gesellschaft ausgeschieden ist; diese Forderung aber war nicht Gegenstand der Abtretung.320 Der BGH hat damit berücksichtigt, dass der Übergang der Mitgliedschaft eine Änderung der Identität der Forderung bewirkt, die sie aus ihrer Beschreibung in der GmbH-Satzung erhalten hatte. Die inhaltlichen Argumente leitete der BGH also aus Erwägungen ab, die erst Relevanz erhalten, wenn man das Modell einer gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung zugrunde legt. Die Forderung erforderte zu ihrer Entstehung einen Umstand gerade in der Person des Zedenten, der mit dem Übergang der Mitgliedschaft nicht mehr eintreten konnte. Die Erwerbsaussicht des Zessionars stand damit von Anfang an unter dem Vorbehalt, dass der Zedent Mitglied der Gesellschaft bleibt. Die Abfindungsforderung des Erwerbers war jedenfalls eine andere und nicht Gegenstand der Abtretung. Legt man das Modell der gegenwärtigen Abtretung künftiger Forderungen zugrunde, gelangt man also zu demselben Ergebnis wie der BGH. Auch das Argument, mit dem der BGH abschließend eine Analogie zu § 573 S. 2 a. F. BGB (heute: § 566b II BGB) zugunsten des Zessionars und zulasten des bösgläubigen Erwerbers ablehnte, ist interessant: Er hob nämlich hervor, dass diese Vorschrift eine Forderung, die nicht mehr entstehen kann, kaum existent werden lassen könnte. Damit lehnt es der BGH ab, die Vorschrift als Fiktion zu verstehen, und offenbart, dass die herrschende Erklärung der Vorschrift nicht zutreffend ist (vgl. oben S. 398 ff.).321
3. BGHZ 104, 351 Laut BGHZ 104, 351 soll eine Verfügung über eine künftige Forderung einer späteren Pfändung des sie beherbergenden Rechtsverhältnisses weichen. Der Zedent, ein Gesellschafter einer GmbH, tritt seine künftige Abfindungsforderung ab.322 319
BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 207. BGH, 19.09.1983 – II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 207 f. 321 Ferner könnte die Argumentation an dieser Stelle durchblicken lassen, dass der BGH davon ausgeht, dass die Vorausverfügung über Mietforderungen – ohne § 566b BGB – als wirksam anzusehen wäre, möglicherweise weil die Person des Gläubigers weniger wichtig ist; eindeutig äußert sich der BGH an dieser Stelle aber nicht. 322 Dieser tritt diese künftige Forderung erneut ab, was jedoch nichts zur Sache tut. 320
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Später lässt ein Vollstreckungsgläubiger den Geschäftsanteil des Zedenten pfänden. Daraufhin zieht die Gesellschaft den Geschäftsanteil ein. Der Vollstreckungsgläubiger und der Zessionar streiten um die entstandene Abfindungsforderung. Obwohl die Abtretung früher erfolgt war, nahm der BGH einen um das Pfändungspfandrecht belasteten Forderungserwerb des Zessionars und damit einen Vorrang der Pfändung an. Der BGH argumentierte zunächst schematisch mit den Begründungsmustern, auf die bereits BGHZ 88, 205 hauptsächlich aufgebaut hatte: Weil es dort hieß, dass die Vorausabtretung mit der Abtretung des Geschäftsanteils hinfällig werde, könne nichts anderes gelten, wenn der Geschäftsanteil anlässlich der Pfändung von der Gesellschaft eingezogen werde.323 Genauso schematisch begründete die Literatur ihre Zustimmung zur Entscheidung: Eine Pfändung könne nicht anders als eine Abtretung wirken.324 Darüber hinaus rechtfertigte der BGH sein Ergebnis mit den konstruktiven Zwängen des Vorausabtretungsmodells, wonach die Vorausabtretung erst mit der Entstehung der Abfindungsforderung wirksam werden konnte, während die Pfändung bereits früher wirksam war, weil sie kein künftiges, sondern ein bestehendes Recht (den Geschäftsanteil) betraf.325 Über diese schematische Argumentation gerieten die Grundlagen der Rechtsprechung aus dem Blick. Für den Vorrang der Verfügung über das Rechtsverhältnis sollte nach (schon damals) herrschender Meinung ausschlaggebend sein, dass die abgetretene Forderung nicht mehr beim Zedenten entstehen kann, weil das Schuldverhältnis übergegangen ist.326 Zu einem solchen Übergang kam es hier nicht, da auf die Pfändung keine Verwertung erfolgte, sondern der Geschäftsanteil eingezogen wurde. Die Vernichtung des Geschäftsanteils durch gesellschaftsrechtliche Einziehung steht einem Übergang des Schuldverhältnisses nicht gleich, da er die Forderung beim Zedenten so zur Entstehung bringt, wie sie von vornherein entstehen sollte. Deshalb stellte der BGH auch darauf ab, dass sich das Pfandrecht am Geschäftsanteil an der Abfindungsforderung fortsetze.327 Das ließ sich indes nur mit der Erwägung begründen, dass die Pfändung die künftige Forderung – über den Geschäftsanteil – zuerst erfasse, während eine Vorausabtretung nur die entstandene Forderung betreffen könne und daher zunächst ins Leere gehe. Gegenüber anderen Fällen, in denen nach stetiger Rechtsprechung die Abtretung einer künftigen Forderung über die spätere Pfändung dominiert (oben S. 389), unterschiedet sich dieser Fall also nur in einem Punkt: Die künftige Forderung soll durch die Pfändung des sie umgebenden Schuldverhältnisses bereits greifbar sein,
323
BGH, 16.05.1988 – II ZR 375/87, BGHZ 104, 351, 353 f. Flume, AT Bürgerliches Recht I 1, § 17 III S. 355. Dagegen überzeugend Marotzke, ZIP 1988, 1509, 1512 – 1514. 325 BGH, 16.05.1988 – II ZR 375/87, BGHZ 104, 351, 354. Ebenso BGH, 14.01.2010 – IX ZR 78/09, NZI 2010, 220, 221. 326 S. 396 f. 327 BGH, 16.05.1988 – II ZR 375/87, BGHZ 104, 351, 354. 324
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während ihre isolierte Pfändung keine Wirkung haben soll.328 Das klingt dogmatisch-konstruktiv plausibel, kann aber in der Sache nicht erklären, warum einem Zessionar in allen anderen Fällen die ihm im Voraus abgetretenen Forderungen gehören sollen, hier aber gerade nicht,329 zumal sich die Pfändung im vorliegenden Sachverhalt ohnehin von vornherein auf die Abfindungsforderung reduzierte, da der Geschäftsanteil zwangsläufig mit ihr untergehen musste.330 In der Sache ging es dem Vollstreckungsgläubiger also nur um die Pfändung der Abfindungsforderung, die er nach stetiger Rechtsprechung isoliert nicht hätte pfänden können, weil sie dem Zessionar versprochen war, wohl aber, wenn er sie im Mantel eines sonst nutzlosen Geschäftsanteils pfändet. Das ist widersprüchlich und nicht umsonst hatte der BGH Schwierigkeiten, das konstruktive Ergebnis mit teleologischen Argumenten abzusichern.331 So führt er an, dass der Zessionar noch keine gesicherte Rechtsposition gehabt hätte, da der Zedent die Abtretung durch Veräußerung des Geschäftsanteils habe verhindern können; das lässt sich jedoch über jede Vorausabtretung sagen, da grundsätzlich jeder Vertrag veräußert werden kann. Des Weiteren führt der BGH an, dass der Wert des Geschäftsanteils auch den Gläubigern zugänglich sein müsse, was eine petitio principii ist, da gerade in Frage steht, wem der Wert der in dem Geschäftsanteil verkörperten Abfindungsforderung gebührt. Nach alledem ist die Entscheidung des BGH keine konsequente Fortführung von BGHZ 88, 205 und nur auf konstruktive Erwägungen zu einer Vorausabtretung gestützt, die in der Sache nicht überzeugen können, weil sie zahlreiche Widersprüche enthalten. Wo in der Satzung steht, dass der Anteil bei Pfändung eingezogen wird, reduziert er sich von vornherein auf die Abfindungsforderung. Wem diese zuerst für den Fall abgetreten worden ist, dass sie entsteht, dem muss sie auch gebühren, solange sie als diejenige entsteht, die mit der Abtretungsvereinbarung gemeint war. Alles andere ist eine Missachtung der ersten Vorausverfügung, die der BGH nach stetiger Rechtsprechung gerade achten möchte. Legt man das Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung zugrunde, so würde man also zu einem anderen Ergebnis als mit dem Vorausabtretungsmodell gelangen. Der Zessionar hätte die künftige Forderung mit der Abtretung erworben, so dass sie im Zeitpunkt der Pfändung aus dem Geschäftsanteil bereits herausgelöst worden wäre. Das in der Erwerbsaussicht des Zessionars verkörperte Risiko, dass der Geschäftsanteil in andere Hände fällt, so dass die Forderung nicht mehr entstehen kann, hätte sich hier gerade nicht realisiert. 328
Vgl. Marotzke, ZIP 1988, 1509, 1510. Ebenso Marotzke, ZIP 1988, 1509, 1512: „Es ist nicht leicht einzusehen, weshalb der Umstand, daß der Auseinandersetzungsanspruch zur Zeit seiner Abtretung bzw. zur Zeit der Anteilspfändung noch nicht bestand, zwar zu Lasten des Zessionars, nicht aber auch zu Lasten des Pfändungsgläubigers wirken soll.“ 330 Ähnlich Marotzke, ZIP 1988, 1509, 1512 – 1514, der darauf hinweist, dass die Pfändung – anders als die Übertragung des Anteils – noch keinen Eintritt in die Pflichtenstellung mit sich bringt und daher nicht mit der Übertragung gleichzusetzen sei. 331 BGH, 16.05.1988 – II ZR 375/87, BGHZ 104, 351, 354 f. 329
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4. Vererbung der Mitgliedschaft Eine Abtretung künftiger Auseinandersetzungsforderungen soll sich nach der Rechtsprechung des BGH gegenüber der späteren Vererbung der Mitgliedschaft durchsetzen,332 obwohl die Mitgliedschaft vor dem Entstehen der Forderung auf eine andere Person, den Erben, übergegangen ist. Da dieses Ergebnis vom Dogma des Vorrangs der Verfügung über das Rechtsverhältnis abweicht und aus dem Schematismus ausbrechen muss, den das Vorausabtretungsmodell vorgibt, geriet der BGH in Begründungsnot. Aus dieser Verlegenheit nahm er eine systemfremde333 Bindung des Erblassers an seine Abtretungserklärung an, in die der Erbe nachfolgen würde.334 Betrachtet man die künftige Forderung demgegenüber selbst als einen Gegenstand, so lässt sich dasselbe Ergebnis systemgerechter begründen. Die künftige Forderung ist nach dieser Betrachtung bereits vor dem Erbfall aus dem Vermögen ausgeschieden und beim Zessionar entstanden. Da ein Erbe an die Stelle des Erblassers tritt und die Auseinandersetzung in casu nicht von einem Umstand abhängig war, der sich nur in der Person des Erblassers verwirklichen konnte, hat der Erbfall die Auseinandersetzungsforderung in ihrer Identität nicht berührt, so dass sie, obwohl das Rechtsverhältnis inzwischen in anderer Person besteht, immer noch diejenige ist, auf die sich die Abtretungsvereinbarung bezogen hat. Der Vorteil dieses Modells zeigt sich auch abseits einer Vorauszession. In Fällen, in denen die Mitgliedschaft durch Sondervererbung auf einen Erben übergeht, will der BGH die künftigen Auseinandersetzungs- bzw. Abfindungsforderungen nämlich einer nach dem Erbfall erfolgenden Pfändung gegen den Erben entziehen, indem er sie ausnahmsweise als Sondervermögen aus der Mitgliedschaft herausnimmt und dem Nachlass zuordnet.335 Diese Konstruktion ist erst dann plausibel, wenn man sich klar zur eigenen Existenz und Beweglichkeit dieser Forderungen bekennt, so dass diese Rechtsprechung mit dem Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung besser erklärt werden könnte.336
VII. Ergebnis zur Kollision mit einer späteren Verfügung über das Rechtsverhältnis Der Vorrang einer späteren Verfügung über das Rechtsverhältnis gegenüber einer früheren Verfügung über die dort beheimateten künftigen Forderungen, die erst nach der Verfügung über das Rechtsverhältnis entstehen, weicht vom 332 BGH, 14.07.1997 – II ZR 122/96, NJW 1997, 3370; BGH, 13.11.2000 – II ZR 52/99, NJW-RR 2001, 463. 333 Oben S. 356 f. 334 BGH, 14.07.1997 – II ZR 122/96, NJW 1997, 3370, 3371; BGH, 13.11.2000 – II ZR 52/99, NJW-RR 2001, 463, 464. 335 BGH, 25.05.1987 – II ZR 195/86, NJW-RR 1987, 989; Müller, ZIP 1994, 342, 343 f. 336 Ebenso: Marotzke, ZIP 1988, 1509, 1514.
G. Rechtsstellung des künftigen Schuldners
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Prioritätsprinzip ab. Dennoch ist dieser Vorrang im Grundsatz gerechtfertigt. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, hängt davon ab, wie man die Verfügung über eine künftige Forderung betrachtet – als Vorausverfügung oder als gegenwärtige Verfügung über die künftige Forderung selbst. Damit erlangt die Unterscheidung zwischen beiden Erklärungsmodellen sachliche Bedeutung. Der Unterschied ist allerdings nicht besonders groß, da nach beiden Modellen Voraussetzung ist, dass die Forderung beim Zedenten entstehen kann. Während man dies unter Zugrundelegung des Vorausabtretungsmodells bei einem Übergang des Rechtsverhältnisses schematisch verneinen müsste, bleibt bei dem Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung ein gewisser Spielraum für eine Auslegung. Dieser wird dem dynamischen Verhältnis zwischen einer abgetretenen Forderung und ihrem Stammrechtsverhältnis jedoch besser gerecht. Außerdem kann das Modell der gegenwärtigen Abtretung § 566b BGB stimmig erklären und steht deshalb mit dem Gesetz besser in Einklang. Schließlich vermeidet es die Widersprüche, in die das Modell der Vorausabtretung immer wieder gerät und die seine rechtliche Überzeugungskraft schwächen.
G. Rechtsstellung des künftigen Schuldners I. Problemstellung Aus §§ 404 ff. BGB, die herkömmlich dem Schuldnerschutz zugeordnet werden, seien an dieser Stelle § 404 und § 407 BGB herausgegriffen, um die Wirkungsweise der „Abtretung künftiger Forderungen“ aus dieser Perspektive zu untersuchen.337 Es geht um den Einfluss von Einwendungen des künftigen Schuldners, die nach der Abtretungsvereinbarung dem späteren Entstehen der Forderung und damit dem Erfolg der Zession entgegenwirken. Aus Sicht des Zessionars geht es um nachträgliche Einwendungen, weil sie nach der Abtretungsvereinbarung zu Tage treten; aus Sicht des potentiellen Schuldners aber wirken sie im Voraus, wenn sie die als künftig zedierte Forderung gar nicht mehr entstehen lassen bzw. im Vorhinein ihrer Durchsetzbarkeit berauben. Nach § 404 BGB kann der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die „zur Zeit der Abtretung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren.“ Wendet man die Vorschrift auf eine Vorauszession an, so wirft der Wortlaut die Frage auf, ob die „Zeit der Abtretung“ den Zeitpunkt der Abtretungsvereinbarung oder den der Forderungsentstehung meint. Der Zessionar wird gegen eine „nachträgliche“ Einwendung vorbringen, dass sie erst nach der Abtretungsvereinbarung entstanden ist und folglich nicht gegen ihn gelte; der Schuldner wird argumentieren, dass der Zeitpunkt der Forderungsentstehung maßgeblich sei, weil erst dann die abgetretene Forderung entsteht. Die Problematik wird komplexer, wenn die Einwendung auf einem 337
Zu § 406 BGB s. § 4 D.; zu § 408 BGB oben E.
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
nachträglichen Rechtsgeschäft zwischen Schuldner und Zedent beruht und der Zessionar dieses nach § 407 BGB nicht gegen sich gelten lassen will, weil der Schuldner bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts um die Vorausabtretung wusste. Dabei geht es etwa um einen Vermieter, der seine künftigen Raten an eine Bank abtritt, aber anschließend mit dem Schuldner eine Verkürzung der Vertragslaufzeit vereinbart, die die Bank nicht hinnehmen möchte, da sie mit weiteren Raten kalkuliert hat.338 Hier gilt als fallentscheidend, ob die künftigen Raten als künftige Forderungen („aufschiebend befristet“) oder als von Anfang an entstandene Forderungen („betagt“) abgetreten wurden, was den Entstehungszeitpunkt von Forderungen in den Vordergrund rückt.339 Dieser Fall mag prima facie dem soeben erörterten Einfluss einer Veränderung des Rechtsverhältnisses auf eine zeitlich frühere Vorauszession ähnlich sein. Beide Fälle handeln nämlich darüber, ob der Zedent weiterhin die Befugnis innehat, über das Schuldverhältnis zu verfügen (hier durch dessen Aufhebung, dort durch dessen Übertragung), obwohl die künftige Forderung, auf die sich diese Verfügung auswirken soll, womöglich bereits aus dem Schuldverhältnis ausgeschieden ist. Auch der BGH bringt beide Fälle in Verbindung.340 Gleichwohl sind beide Fragen klar voneinander abzugrenzen. Oben stand im Vordergrund, ob die nachträgliche Übertragung des Schuldverhältnisses über die frühere Zession einer künftigen Forderung dominiert; es ging um Gläubigerkonkurrenz zwischen dem Erwerber des Schuldverhältnisses und dem Zessionar. Die Position des Schuldners wurde nicht bedroht; er musste nur wissen, an wen er zu leisten hat. Im vorliegenden Kontext der Vertragsaufhebung nach Vorauszession sieht sich der Schuldner nur einem, dem neuen Gläubiger und Zessionar gegenüber. Dieser verlangt jedoch mehr von ihm als es der ursprüngliche Gläubiger tun würde, weil er die Vertragsabkürzung nicht gegen sich gelten lassen will. Hier geht es also um die Stellung des Schuldners.
II. § 404 BGB 1. Meinungsstand Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur341 wendet § 404 BGB auf Vorausabtretungen mit der Maßgabe an, dass dem Zeitpunkt der Abtretung in § 404 BGB der Zeitpunkt der Entstehung der Forderung gleichstehen 338
MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 407 Rz. 30. Emmerich, JuS 1990, 845 f. 340 Davon zeugt der Verweis in BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153, 1156, auf BGHZ 88, 205, die eine der Leitentscheidungen zum Vorrang der Verfügung über das Schuldverhältnis ist, oben S. 406. 341 Die Literatur behandelt die Anwendung von §§ 404, 407 BGB auf die Vorausabtretung allerdings eher karg; bezeichnend ist der knappe Abriss von Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 III. 339
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soll.342 Einwendungen, die nach der Vereinbarung der Abtretung begründet werden, müsste der Zessionar nach § 404 BGB also immer noch gegen sich gelten lassen. Weil man die Abtretung künftiger Forderungen als im Voraus erklärte Abtretung versteht, kann man § 404 BGB sogar direkt anwenden. Anderer Ansicht ist Serick, der nach dem Rechtsgrund der künftigen Forderung differenziert: Fehlt dieser, so teilt er die herrschende Auffassung von der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Forderungsentstehung.343 Bei bereits bestehendem Rechtsgrund knüpft er hingegen an den in der Literatur einem Anwartschaftsrecht zugeschriebenen Direkterwerb an und betrachtet die Abtretung mit ihrer Vereinbarung als beendet, so dass es in diesen Fällen für § 404 BGB auf den früheren Zeitpunkt der Abtretungsvereinbarung ankommen soll.344 Die BGHEntscheidung, die Serick für seine Auffassung anführt, bestätigt diese Sichtweise allerdings nicht, da die fragliche Einwendung dort ohnehin schon zu diesem (und daher allemal auch zum späteren) Zeitpunkt „begründet“ war.345 Inzwischen hat der BGH zudem deutlich gemacht, dass er für aufschiebend befristete Forderungen, an die Serick seinerzeit gedacht hatte, gerade keine Ausnahme machen will.346
2. Wortlaut Der Wortlaut von § 404 BGB spricht von den „zur Zeit der Abtretung“ begründeten Einwendungen. Da das BGB im Abtretungsrecht an die künftigen Forderungen nicht gedacht hat, bzw. §§ 398 ff. BGB auf der Vorstellung formuliert wurden, dass Erklärung und Wirkung der Abtretung zeitlich zusammenfallen, kann dem Wortlaut nicht entnommen werden, ob mit der Zeit der Abtretung ihre Vereinbarung oder aber ihre Wirkung gemeint ist. Es kommt also auf Sinn und Zweck von § 404 BGB an.
342 BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153, 1156; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 404 Rz. 12; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 404 Rz. 4; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II.1, § 60 V S. 394. 343 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 3 b. 344 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 4. Ebenso Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 50 – 52, der das Bestehen eines solchen Anwartschaftsrechts aber nicht, wie Serick, an den bloßen Bestand eines Schuldverhältnisses knüpft, sondern an das Vorliegen einer Bedingung/Befristung. Nachw. zum „Direkterwerb kraft Anwartschaftsrechts“ oben D.I.2.b. (S. 386 f.). 345 BGH, 27.04.1972 – II ZR 122/70, BGHZ 58, 327, 331: „Diese Möglichkeit muß ihm nach dem Zweck des § 404 BGB erhalten bleiben.“ 346 BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153.
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3. Ratio legis von § 404 BGB a) Herkömmlicher Ansatz: Schuldnerschutz Herkömmlich wird § 404 BGB mit dem Schutz des an der Abtretung nicht beteiligten Schuldners in Verbindung gebracht; die Vorschrift solle gewährleisten, dass der Gläubigerwechsel dem Schuldner keine rechtlichen Nachteile bringt.347 Unter diesem Blickwinkel ist es nicht falsch, wenn die herrschende Meinung auf den Zeitpunkt der Forderungsentstehung abstellt, da erst mit dieser der Gläubigerwechsel und damit das Schutzbedürfnis des Schuldners eintritt. Man befürchtet zudem, dass der Zedent und der Zessionar andernfalls den Schutz des Schuldners aushebeln könnten, indem sie möglichst früh die Abtretung erklären.348 Dennoch erscheint diese Auslegung, die schematisch auf einen Zeitpunkt abstellt, nicht mehr zeitgemäß, da sich auch die Anwendung von § 404 BGB auf die normale Abtretung nicht mehr allein an der Zeit orientiert, sondern einer teleologischen Deutung von § 404 BGB gewichen ist, bei der der Schuldnerschutz nicht immer im Mittelpunkt steht. b) § 404 BGB als Ausdruck identitätswahrender Sonderrechtsnachfolge Allmählich setzt sich die Auffassung durch, dass § 404 BGB in erster Linie Ausdruck der Identitätswahrung ist, auf deren Grundlage der abtretungsweise Forderungsübergang im BGB konzipiert wurde; der Schuldnerschutz sei nur ein Aspekt dieser Identitätswahrung.349 Zu Anfang dieser Arbeit wurde gezeigt, dass die Abtretung im BGB als Rechtsnachfolge des Zessionars in die Stellung des Zedenten konzipiert ist, so dass die Forderung in ihrer Identität nicht verändert wird (§ 398 S. 2 BGB).350 Der Zessionar tritt also in eine unverändert fortbestehende Rechtsstellung mitsamt der korrespondierenden Pflichtenstellung des Schuldners ein.351 Deshalb kann sich die Stellung des Schuldners schon gar nicht verschlechtern (genauso wenig wie sie sich verbessern kann352) und dementsprechend ist 347 BGH, 08.05.2013 – XII ZB 192/11, NJW 2013, 2592; BGH, 19.10.2005 – XII ZR 224/03, NJW 2006, 219, 220; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rz. 772, 774; Reichold, S. 74; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV; wohl auch Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, § 79 II 2, der den Schuldnerschutz als Grundgedanken der Regelung ansieht, obwohl er diese – in der Sache treffender (dazu sogleich) – unter der „Wirkung der Abtretung“ abhandelt. 348 BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153, 1156. 349 Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 404 Rz. 1; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 404 Rz. 1; Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 404 Rz. 2; Dörner, Dynamische Relativität, S. 225 – 246, ebd. S. 276: § 404 BGB ist „selbstverständliche Ausprägung des Identitätsprinzips“; Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 4 I, u. Scheyhing/Nörr, ebd., § 7. 350 § 2 C.III. (S. 23 ff.) 351 Dörner, Dynamische Relativität, S. 227 f. 352 Wenn die Forderung bei Abtretung einwendungsbehaftet war, bei ihrer Geltendmachung durch den Zessionar aber nicht mehr, so kann der Schuldner nicht darauf bestehen, dass der Zessionar die Forderung einwendungsbehaftet erworben hat, Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 404 Rz. 11.
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es für die Gültigkeit der Einwendung sogar unschädlich, wenn der Schuldner Kenntnis von der Abtretung hatte.353 Die Geltung von Einwendungen i. S. v. § 404 BGB – etwa einem Widerruf des Vertrags nach § 355 BGB – zeigt, dass der Zessionar mit der Forderung ein Produkt erwirbt, das trotz seines „Übergangs“ auf eine andere Person mit seinem identitätsprägenden Schuldverhältnis weiterhin verbunden bleibt. Das wird an der Abtretung der entstandenen Forderung deutlich: Selbst diese erwirbt der Zessionar nicht als ein endgültiges Recht, sondern stets unter dem Vorbehalt, dass sich das aus dem Schuldverhältnis ergebende Verlustrisiko nicht realisiert, das ihre Identität ausmacht.354 Der verbreitete Satz, dass die Forderung nach § 404 BGB in dem Zustand übergeht, in dem sie sich beim Abtretenden befindet,355 bringt zu wenig auf den Punkt, dass dieser Zustand auch dieses der Forderung immanente Risiko einschließt, noch verändert zu werden oder unterzugehen. Dörner spricht daher treffender von der „Konservierung des Vertragsprogramms“, die § 404 BGB bewirkt.356 Aus alledem erhellt, dass der Schuldnerschutz keineswegs der rechtspolitische Grund von § 404 BGB, sondern eine Folge der Konzeption der Abtretung als Rechtsnachfolge ist.357 c) Folge für die Anwendung von § 404 BGB auf die Abtretung entstandener Forderungen Entsprechend diesem Regelungshintergrund wird § 404 BGB so ausgelegt, dass der Schuldner dem neuen Gläubiger grundsätzlich alle Einwendungen entgegenhalten kann, die er – hätte es die Abtretung nicht gegeben – auch dem alten Gläubiger entgegenhalten könnte.358 Ob die Tatbestandsmerkmale einer Einwendung vor oder nach der Abtretung eintreten, ist bedeutungslos.359 Es schadet also nicht, dass der Schuldner einen Widerruf des Vertrags erst nach der Abtretung erklärt, eine Ausschlussfrist erst nach Abtretung ausläuft oder die Verjährung nach Abtretung einsetzt.360 Es ist unerheblich, wann der Einwand entsteht.361 Nur Einwendungen, die der Schuldner im Zusammenwirken mit dem Zedenten durch ein nachträgliches Rechtsgeschäft neu begründet hat, kann der Schuldner nicht in das Verhältnis zum Zessionar transportieren. Die unmittelbare Ursache dafür liegt im rechtlichen Können: Hat der Zedent die Forderung nämlich abgetreten, so fehlt ihm schlicht die Befugnis, den Inhalt oder den Bestand 353
Dörner, Dynamische Relativität, S. 227 f.; Bülow, JA 1983, 7, 12. Dörner, Dynamische Relativität, S. 240. 355 Statt vieler: Hattenhauer, in: HkK-BGB, 1. Aufl. 2007, §§ 398 – 413 Rz. 40. 356 Dörner, Dynamische Relativität, S. 229. 357 Dörner, Dynamische Relativität, S. 227 f.; Bülow, JA 1983, 7, 9. 358 Vgl. Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 404 Rz. 2. 359 Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 4 III. 360 Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 404 Rz. 4. 361 BGH, 04.11.2011 – V ZR 239/10, NJW-RR 2012, 502, 503; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 404 Rz. 4. 354
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der Forderung zu ändern (Verfügungsbefugnis).362 Daraus folgt, dass nur solche nachträglich entstehenden Einwände aus § 404 BGB herausfallen, die auf ein nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger vereinbartes Rechtsgeschäft (Abänderungsvertrag, Erlass, Stundung) zurückgehen.363 Für beiderseitig rechtsgeschäftlich begründete Einwendungen kommt es daher noch auf den Zeitpunkt der Abtretung an. d) § 404 BGB und die Abtretung künftiger Forderungen Aus diesen Vorgaben muss die Anwendung von § 404 BGB auf die Abtretung künftiger Forderungen entwickelt werden. In erster Linie hat man für rechtliche Einwände des potentiellen Schuldners gegenüber dem Zessionar also zu prüfen, ob er sie auch dem Zedenten hätte entgegenhalten können, wenn die Vorausabtretung nicht erfolgt wäre. Nur für Einwände, die durch Rechtsgeschäft zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger begründet worden sind, spielt die Frage, ob dieses Rechtsgeschäft vor oder nach der Abtretung lag, eine Rolle. Da dies darauf zurückzuführen ist, dass dem Zedenten nach der Abtretung für solche Rechtsgeschäfte die Verfügungsbefugnis fehlt, ist für die Abtretung künftiger Forderungen wesentlich, wann der Zedent seine Verfügungsbefugnis verliert. Dies geschieht nach der herrschenden Meinung nicht erst mit der Entstehung der Forderung, sondern bereits mit Vereinbarung der Abtretung.364 Das beweist, dass nicht schematisch auf den Zeitpunkt der Forderungsentstehung abgestellt werden kann. Vielmehr ist zunächst zu berücksichtigen, dass § 404 BGB das „Programm“ aufrechterhalten soll, nach dem die Forderung entstehen sollte; das kann der herrschenden Meinung, die auf den Zeitpunkt der Forderungsentstehung abstellt, in vielen Fällen im Ergebnis gleichkommen. Für beiderseitig rechtsgeschäftlich begründete Einwendungen ist allerdings auf den Zeitpunkt der Abtretungsvereinbarung als maßgebliche Zäsur abzustellen.
4. Rechtsprechungsanalyse Die eben gewonnenen Vorgaben seien nun anhand der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung überprüft.
362 Vgl. BGH, 04.11.2009 – XII ZR 170/07, NJW-RR 2010, 483, 484 (Tz. 25); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 3 c; Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 54 f.; Hennrichs, WM 1992, 85; Pick, AcP 172 (1972), 39, 53; Dörner, S. 268 – 272. 363 Pick, AcP 172 (1972), 39, 55; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 404 Rz. 10; Soergel/Schreiber, 13. Aufl. 2009, § 404 Rz. 3. 364 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 3 c; Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 54 f. Weitere Nachw. oben B.III.6.b. (S. 365).
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a) Argumentation des BGH Die herrschende Meinung stützt sich auf eine Entscheidung des BGH, in der es um die Vermietung von Räumen geht.365 Die Mieterin ist eine Gesellschaft, an der die Vermieterin beteiligt ist. Die Vermieterin tritt zur Sicherung eines Kredits alle künftigen Mietforderungen an einen Dritten (Zessionar) ab. Im Laufe der Zeit fällt die Mieterin in eine wirtschaftliche Krise, welche die Anwendung von § 32a GmbHG a. F. veranlasst. Nach § 32a GmbHG a. F. wird – wegen der gesellschaftsrechtlichen Verflechtung der Mietvertragsparteien – die Gebrauchsüberlassung „eigenkapitalersetzend“. Das bedeutet, dass dem vermietenden Gesellschafter während der Krise verwehrt ist, die Miete zu fordern; die Forderungen erlöschen zwar nicht, können aber nicht durchgesetzt werden.366 Der Zessionar, der die Miete für die Zeit während der Krise einfordert, will die eigenkapitalersetzende Funktion nicht gegen sich gelten lassen, weil sie sich nach der Vereinbarung der Abtretung ereignet hat. Der BGH stellte jedoch auf den Zeitpunkt der Forderungsentstehung ab, weil zu diesem die Abtretung wirksam werde.367 Damit kam es auf die Forderungsentstehungszeit von Mietforderungen an. Entscheidend war für den BGH, ob Immobilienmietforderungen zu Beginn des Mietverhältnisses entstehen oder künftige („aufschiebend befristete“) Forderungen sind, die erst mit dem jeweiligen Nutzungszeitraum entstehen. Da Immobilienmietforderungen nach stetiger Rechtsprechung künftige Forderungen sind,368 war die Eigenkapitalersetzung noch vor Entstehung der jeweiligen Forderung eingetreten, so dass das Interesse des Zessionars nach § 404 BGB zurücktreten musste, weil die Einwendung nach dieser Lesart noch „vor Abtretung“ begründet wurde.369 b) Kritik Die Entscheidung ist im Ergebnis richtig. Zweifelhaft ist aber, ob es wirklich etwas geändert hätte, wenn man im Beispiel künftige Leasingraten abgetreten hätte, die nach stetiger Rechtsprechung zu Beginn des Dauerschuldverhältnisses, also im Zeitpunkt der Abtretung bereits entstanden gewesen wären.370 Hätte der Zessionar dann trotz der Krise des Schuldners auf Zahlung bestehen dürfen? Das erscheint fragwürdig, da für die Unterscheidung zwischen einem Leasingund einem Mietvertrag Erwägungen über den Zeitpunkt der Gegenleistung eine Rolle spielen,371 die für § 404 BGB nicht wichtig sind. Es spricht vieles 365 BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 404 Rz. 10. 366 BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153, 1154 u. 1155 f. 367 BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153, 1156. 368 Nachweise oben § 2 S. 48 f. 369 BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153, 1156. 370 Vgl. BGH, 28.03.1990 – VIII ZR 17/89, BGHZ 111, 84 = NJW 1990, 1785, 1787 f.; zu dieser Entscheidung siehe noch S. 423. 371 § 2 F.3.
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dafür, dass der BGH nicht anders entschieden hätte, solange die Gefahr der Eigenkapitalersetzung wegen der gesellschaftlichen Verflechtung der Parteien den Forderungen von Anfang an anhaftete. Da es nicht um eine beiderseits rechtsgeschäftlich begründete Einwendung geht, muss allein maßgeblich sein, dass die Mieterin dasjenige, was sie ohne die Abtretung ihrem ursprünglichen Gläubiger hätte entgegenhalten dürfen, nun auch dem neuen Gläubiger entgegenhalten will.372 Dies spricht hier unabhängig davon, wann die Forderungen entstanden sind, zugunsten der Mieterin. Selbst die einmal entstandene Forderung ist nach Abtretung nicht davor gefeit, durch nachträglich entstehende Einwendungen nach § 404 BGB beeinträchtigt zu werden. Der Fall beweist zugleich, dass Serick nicht richtig liegen kann. Er will auf den Zeitpunkt der Abtretungsvereinbarung abstellen, wenn aufschiebend befristete Forderungen abgetreten werden, weil sie ein Anwartschaftsrecht verkörperten, das als solches nachträglich nicht mehr beeinträchtigt werden könne und welches der Zessionar direkt erwerbe.373 Aber gegen die Folgen der Eigenkapitalersetzung nach § 32a GmbHG a. F. war schon der Zedent nicht gesichert, einerlei ob man ihm wegen der aufschiebenden Befristung ein „Anwartschaftsrecht“ auf die Forderung zuschreibt oder nicht; und nur in diese Rechtsstellung tritt der Zessionar ein. Obwohl dem Zessionar in casu die Forderungen schon als aufschiebend befristete zustanden, konnte er sich also nicht darauf berufen, dass die Einwendung erst später entstanden ist.
5. Dogmatik a) Vorausabtretungsmodell Der BGH und die herrschende Meinung pflegen bei der Auslegung von § 404 BGB das Bild einer Vorausabtretung. Sie wirke erst, wenn die Forderung entsteht, und daher erwerbe der Zessionar die Forderung auch nur mit dem Inhalt, mit dem sie zur Entstehung gelangt.374 Der Schuldner sei vor dem Gläubigerwechsel zu schützen, und dieser trete erst ein, wenn die Forderung entsteht. § 404 BGB wird daher direkt angewandt.375 Für die geschilderte Entscheidung des BGH geht das auf, weil die abgetretenen Mietforderungen erst entstanden sind, nachdem die Mieterin in eine wirtschaftliche Krise geraten ist. Das Vorausabtretungsmodell führt allerdings zu einer starren Festlegung auf den Forderungsentstehungszeitpunkt, die 372 Oben S. 415 f. Um nachträglich per Rechtsgeschäft mit dem Zedenten begründete Einwendungen ging es hier nicht, was der BGH trefflich feststellte, als er an anderer Stelle die Anwendbarkeit von § 407 BGB knapp verneint hat, BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153, 1156 (Tz. 38). 373 Oben Fn. 344. Zur misslichen Figur des obligatorischen Anwartschaftsrechtsrechts siehe bereits § 2 S. 28 f. u. S. 38 ff. 374 Das zeigt nicht zuletzt der Verweis von BGH, 05.12.2007 – XII ZR 183/05, NJW 2008, 1153, 1156, auf die Entscheidung BGHZ 88, 205; zu dieser oben S. 406. 375 Oben S. 413.
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weder zeitgemäß (oben S. 414 f.) noch immer sachgerecht ist (Bsp.: Leasingraten). Darüber hinaus provoziert sie dogmatische Widersprüche: Während man bei § 404 BGB die Forderungsentstehung in die „Abtretung“ mit einbezieht, will man die Unschädlichkeit nachträglicher Verfügungsbeschränkungen gerade mit dem Argument erklären, dass die Abtretung mit der Vereinbarung bereits beendet sei.376 Auch die Lehre vom Anwartschaftsrecht stößt an Grenzen. Diese Figur soll eigentlich erklären, dass aufschiebend befristete Forderungen ausnahmsweise wie ein Gegenstand aus dem Vermögen des Zedenten ausscheiden,377 während ihnen im Kontext mit § 404 BGB eine rechtliche Sonderbehandlung versagt bleibt. Darüber hinaus müsste der BGH von der Maßgeblichkeit der Forderungsentstehung ohnehin abweichen, wenn beispielsweise der ursprüngliche Gläubiger und der Schuldner nach der Vorausabtretung einen Erlass der Forderung vereinbaren, da sie ansonsten die Position des Zessionars beliebig nachträglich beeinträchtigen könnten. Der BGH könnte solche Einwendungen zwar mit dem (zutreffenden!) Argument zurückweisen, dass der Zedent infolge der Vorausabtretung nach herrschender Meinung nicht mehr verfügungsbefugt ist.378 Das würde aber zu dem Widerspruch führen, dass die Verfügungsbefugnis durch die Abtretung verloren geht, obwohl die Abtretung bei § 404 BGB nach herrschender Dogmatik doch noch keine gegenwärtige Wirkung haben soll. b) Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung Das Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung erscheint demgegenüber überlegen. Auf dieser Basis muss man den Zessionar bereits als Inhaber der ihm übertragenen, gegenständlichen Erwerbsaussicht ansehen. Dann gilt – analog § 404 BGB – auch hier, dass der potentielle Schuldner dasjenige, was er ohne deren Abtretung dem Zedenten entgegenhalten könnte, nun auch dem Zessionar entgegenhalten kann. Diese moderne teleologische Auslegung von § 404 BGB bildet die Dynamik der Forderungsentwicklung in einem Schuldverhältnis ab. Eben diese Dynamik harmoniert mit der Struktur einer Erwerbsaussicht. Das Merkmal einer Erwerbsaussicht ist es gerade nicht, dass sie – immun gegenüber nachträglichen Veränderungen – zur Entstehung einer Forderung führt. Die Erwerbsaussicht beinhaltet vielmehr das in ihrem Sachverhalt oder Schuldverhältnis angelegte Risiko, ob die Forderung entsteht. Da die Abtretung Sondernachfolge ist und der Zessionar in die Stellung des Zedenten einrückt, muss die Erwerbsaussicht des Zessionars weiterhin von den Entwicklungen im Schuldverhältnis bzw. dem Lauf der Dinge so abhängig sein, wie sie es ohne Abtretung wäre. Im obigen Fall bestand die Aussicht auf den Erwerb einer Forderung aufgrund der Verflechtung der Mietvertragsparteien von vornherein 376
Oben Fn. 237. Oben S. 387. 378 Vgl. BGH, 04.11.2009 – XII ZR 170/07, NJW-RR 2010, 483, 484. 377
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nur mit dem Risiko, dass die Mieterin nicht in eine wirtschaftliche Krise gerät; mit diesem Risiko ist die Erwerbsaussicht auf den Zessionar übergegangen (§ 404 BGB analog). Rechtsgeschäften, mit denen Schuldner und Zedent nach der Abtretung Einwendungen kreieren, ist der Riegel vorgeschoben, weil der Zedent – nach dem Modell der gegenwärtigen Abtretung wesentlich überzeugender – über den Inhalt der künftigen Forderung nicht mehr verfügen kann; sie ist mit der Abtretung nämlich bereits aus seinem Vermögen ausgeschieden.
6. Ergebnis Entgegen der herrschenden Auffassung kann bei der Abtretung künftiger Forderungen der Begriff der „Abtretung“ in § 404 BGB nicht schematisch mit dem Zeitpunkt der Forderungsentstehung gleichgesetzt werden. Vielmehr ist für die Berechtigung der Einwendung des Schuldners in erster Linie zu prüfen, ob er sie – ohne die Abtretung – nach dem Schuldverhältnis auch seinem ursprünglichen Gläubiger hätte entgegenhalten dürfen. Nur wenn die Einwendung auf ein beiderseitiges Rechtsgeschäft zwischen Zedent und Schuldner zurückgeht, kommt es für deren Berechtigung auf einen Zeitpunkt an, und zwar auf den der Abtretungsvereinbarung. Im Nachgang zur Abtretungsvereinbarung scheitert die rechtsgeschäftliche Begründung solcher Einwendungen an der fehlenden Verfügungsbefugnis des Zedenten und berührt daher den Zessionar grundsätzlich nicht. Nur wenn der Schuldner bei Vornahme des Rechtsgeschäfts vom Wegfall der Verfügungsbefugnis in Gestalt der Abtretungsvereinbarung nichts wusste, kann sie ausnahmsweise Wirkung gegen den Zessionar entfalten. Dies folgt aus § 407 BGB und sei im Folgenden näher untersucht.
III. § 407 BGB Nach § 407 BGB muss der neue Gläubiger jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt.379 Das dient nun wirklich dem Schutz des Schuldners als Ausgleich dafür, dass er an der Abtretung nicht beteiligt wird.380 Als Prämisse geht man davon aus, dass Rechtsgeschäfte, welche die Forderung inhaltlich irgendwie verändern, nach der Abtretung unwirksam sind, weil der Zedent infolge der Abtretung über die 379 Die Variante der Leistung an den bisherigen Gläubiger spielt für noch künftige Forderungen keine Rolle, Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 3 c. 380 Motive = Mugdan, Bd. 2, S. 65; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV; Scheyhing/Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 7 I. Zur Rolle des Schuldnerschutzes für die Erklärung von § 404 BGB vgl. hingegen oben S. 414 f.
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Forderung nicht mehr verfügen kann.381 Da der Schuldner, der von der Abtretung nichts weiß, bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts darauf vertraut, dass der Zedent als sein ursprünglicher Gläubiger noch verfügungsbefugt ist, soll ihn § 407 BGB in seinem Vertrauen schützen und das Geschäft soll doch gelten. § 407 BGB ermöglicht damit einen gutgläubigen Einwendungserwerb, dessen Rechtsscheinsträger die ursprüngliche und im weiteren Verlauf nicht dementierte Berechtigung des Zedenten ist, über die Forderung zu verfügen.382 § 404 BGB könnte hier nicht weiterhelfen, da er nur wirksam vereinbarte Einwendungen in das Verhältnis mit dem Zessionar transportiert (oben S. 415). § 407 BGB ergänzt damit § 404 BGB.383 § 407 BGB erfasst durch Rechtsgeschäft begründete Einwendungen, die nicht unter § 404 BGB fallen. Das sind alle Einwendungen, die aus einem nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger geschlossenen Rechtsgeschäft erwachsen (Abänderungsvertrag, Erlass, Stundung).384 Ein nach der Abtretung erklärter Widerruf des Schuldners fällt unter § 404 BGB und ein nach Abtretung vereinbarter Erlass unter § 407 BGB.385 Im Folgenden sei die Anwendung von § 407 BGB auf die Abtretung künftiger Forderungen untersucht. Der Wortlaut wirft wiederum die Frage auf, ob § 407 BGB mit der Vornahme des Rechtsgeschäfts „nach der Abtretung“ den Zeitpunkt der Vereinbarung meint oder den Übergang der entstandenen Forderung.
1. Meinungsstand a) Literatur Nach der herrschenden Literatur sollen Rechtsgeschäfte zwischen dem Zedenten und dem Schuldner keinen Einfluss auf die im Voraus abgetretenen Forderungen haben, sobald der Schuldner von der Abtretungsvereinbarung weiß.386 Die Literatur subsumiert damit im Ergebnis auch solche Rechtsgeschäfte unter § 407 BGB, die nach der Abtretungsvereinbarung, also vor der Entstehung der Forderung getätigt werden. Damit liest die Literatur § 407 BGB („nach der 381
BGH, 04.11.2009 – XII ZR 170/07, NJW-RR 2010, 483, 484 (Tz. 25); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 3 c; Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 54 f.; Hennrichs, WM 1992, 85; Pick, AcP 172 (1972), 39, 53. Ebenso Dörner, S. 268 – 272, wonach der Zedent eben objektiv nichtberechtigt ist und seine – erst aus § 407 BGB folgende – Befugnis Fiktion aufgrund des guten Glaubens des Schuldners ist. 382 Dörner, S. 269. 383 Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV; Pick, AcP 172 (1972), 39, 53. Abzulehnen ist die Ansicht Hennrichs, WM 1992, 85, 86 f., der § 407 BGB als lex specialis gegenüber § 404 BGB sehen möchte, dabei aber lediglich die Variante der Leistung (§ 407 I Var. 1 BGB) berücksichtigt. 384 Pick, AcP 172 (1972), 39, 55; Larenz, Schuldrecht I, § 34 IV; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 404 Rz. 10; Soergel/Schreiber, 13. Aufl. 2009, § 404 Rz. 3. 385 Pick, AcP 172 (1972), 39, 54. 386 MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 407 Rz. 30; Hahnzog, Die Rechtsstellung des Zessionars, S. 54 f.; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 3 c.
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
Abtretung“) anders als sie § 404 BGB („zur Zeit der Abtretung“) liest und wendet § 407 BGB folglich, anders als § 404 BGB, nur analog an.387 b) Rechtsprechung Der BGH hatte im Jahr 1982 einmal beiläufig erwähnt, dass im Rahmen von § 407 BGB die Kenntnis von der Vorausabtretung der Kenntnis von der Abtretung gleichstehe.388 Das bezog sich allerdings wirklich nur auf die subjektive Frage, ob derjenige, der eine Vorausabtretung kennt, wie einer behandelt werden kann, der von der effektiven Abtretung weiß (dazu s. § 4 S. 130), während die Abtretung künftiger Forderungen in der Entscheidung sonst keine Rolle spielte.389 Die hier aufgeworfene Fragestellung könnte jedoch in den eingangs erwähnten Fällen (oben unter G.I.) eine Rolle spielen, in denen die Vertragsparteien eines Dauerschuldverhältnisses nach Abtretung der künftigen Zahlungsraten eine Verkürzung der Vertragslaufzeit vereinbaren, ohne den Zessionar einzubeziehen. Dieser erwartet Raten in höherem Umfang, wehrt sich gegen § 407 BGB und beruft sich darauf, dass er dem Schuldner die Abtretung angezeigt hatte und diesen folglich im Umfang der ursprünglich geltenden Laufzeit in Anspruch nehmen dürfe. Obgleich die Literatur ihre Auffassung zu § 407 BGB auf die zu diesen Sachverhalten ergangene Rechtsprechung390 stützt,391 hat der BGH zur Anwendung von § 407 BGB auf künftige Forderungen noch nicht entschieden, da es ein jedes Mal um die Abtretung entstandener Forderungen ging. Der BGH hat in seiner Leitentscheidung sogar ausdrücklich offen gelassen, ob bei Abtretung erst künftig entstehender Forderungen anders zu entscheiden wäre.392 Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Problematik existiert daher bislang nicht.
2. Stellungnahme Wie gezeigt, baut § 407 BGB darauf auf, dass der Zedent seine Verfügungsbefugnis mit der Abtretung der Forderung verliert und seine Rechtsgeschäfte über die Forderung deshalb unwirksam sind. Will man § 407 BGB daher auf die Abtretung 387
Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 3 c. BGH, 22.03.1982 – VIII ZR 92/81, NJW 1982, 2371, 2372: „Dabei kann, ohne daß dies hier einer abschließenden Entscheidung bedarf, zugunsten der Kl. davon ausgegangen werden, daß angesichts der gleichen Sach- und Interessenlage wie bei § 406 BGB auch im Rahmen des § 407 BGB die Kenntnis von der Vorausabtretung der Kenntnis von der Abtretung gleichsteht.“ 389 Das lag daran, dass die Forderung in casu zum Zeitpunkt der Einwendung bereits entstanden und übergegangen war. 390 BGH, 28.03.1990 – VIII ZR 17/89, BGHZ 111, 84 = NJW 1990, 1785, 1787; BGH, 04.11.2009 – XII ZR 170/07, NJW-RR 2010, 483, im Anschluss an OLG Rostock, 10.12.2007 – 3 U 7/07, NZM 2008, 449. 391 Vgl. MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 407 Rz. 30. 392 BGH, 28.03.1990 – VIII ZR 17/89, BGHZ 111, 84 = NJW 1990, 1785, 1787. 388
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künftiger Forderungen anwenden, so muss man an den Zeitpunkt ansetzen, zu dem der Zedent seine Verfügungsbefugnis verliert. Das geschieht nach ganz herrschender Auffassung bereits mit der Vereinbarung der Abtretung, auch wenn die Forderung erst später entsteht.393 § 407 I BGB müsste für die Abtretung künftiger Forderungen also wie folgt gelesen werden: „Der neue Gläubiger muss jedes Rechtsgeschäft, das nach der Vereinbarung der Abtretung einer künftigen Forderung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Vereinbarung bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt.“ Die Abtretung i. S. v. § 407 BGB meint also den Verlust der Verfügungsbefugnis. Der Gesetzgeber durfte freilich undifferenziert von der Abtretung sprechen, da das gesetzliche Leitbild einer Abtretung bestehender Forderungen immer zugleich den Verlust der Verfügungsbefugnis mit sich bringt. Damit ist der herrschenden Auffassung, die auf den Zeitpunkt der Abtretungsvereinbarung abstellt, zuzustimmen (in Bezug auf die von ihr referenzierten Einzelfälle siehe aber sogleich).
3. Rechtsprechungsanalyse Obwohl die genannte BGH-Entscheidung394 die Abtretung entstandener Forderungen betrifft, lässt sie aufhorchen, weil der BGH andeutete, dass die Entscheidung unterschiedlich ausfallen könnte, wenn es um die Abtretung künftiger Forderungen geht. Dementsprechend hatte der BGH die Abgrenzung von künftigen und entstandenen Forderungen in den Mittelpunkt seiner Erwägungen gerückt395 und maß ihr, auch in einer Folgeentscheidung,396 fallentscheidende Bedeutung zu. In der Grundentscheidung des BGH schließt der Leasinggeber (Zedent) einen Leasingvertrag mit einer Laufzeit von 48 Monaten. Seine Forderungen auf die künftigen Leasingraten tritt er an den Zessionar ab, zieht aber die Raten vereinbarungsgemäß weiterhin im eigenen Namen ein. Der Leasingnehmer (Schuldner) wird von der Abtretung in Kenntnis gesetzt. Nach mehr als zwei Jahren verständigt sich der Zedent mit dem Schuldner auf eine Verkürzung der Vertragslaufzeit. Nach Ende der verkürzten Laufzeit widerruft der Zessionar die Einziehungsermächtigung gegenüber dem Zedent und verlangt vom Schuldner Fortzahlung der Leasingraten mit dem Argument, dass die Verkürzung der Vertragslaufzeit keine Wirkung habe. Der BGH entschied unter Berufung auf § 407 BGB zugunsten des Zessionars und hielt hieran in seiner Folgeentscheidung aus dem Jahr 2009 fest.
393
S. o. Fn. 364. BGH, 28.03.1990 – VIII ZR 17/89, BGHZ 111, 84 = NJW 1990, 1785. 395 Vgl. die Anm. von Emmerich, JuS 1990, 845 f. 396 BGH, 04.11.2009 – XII ZR 170/07, NJW-RR 2010, 483. 394
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
a) Rechtsgeschäft in Ansehung der Forderung (§ 407 I BGB) Zunächst hatte der BGH richtigerweise geprüft, ob es sich um eine Einwendung i. S. v. § 404 BGB handelt, die ihre Grundlage im Leasingvertrag hat; das wäre der Fall, wenn der Vertrag ein Abkürzungsrecht vorgesehen hätte.397 Von diesem hätte der Schuldner nach § 404 BGB Gebrauch machen dürfen, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei den Leasingraten um künftige (aufschiebend befristete) oder betagte Forderungen handelt. Ein solches Abkürzungsrecht sah der Vertrag allerdings nicht vor. Daher handelt es sich um eine neu begründete Einwendung und es stellt sich die Frage, ob es um ein „Rechtsgeschäft in Ansehung der Forderung“ i. S. v. § 407 BGB geht. Der BGH bejahte dies viel zu knapp mit einem fragwürdigen Schluss a minori ad maius: Weil ein Erlass eine Verfügung in Ansehung der Forderung sei, sei es die Vertragsaufhebung allemal.398 Hierin liegt der Kern allen Übels, weil der BGH das Schuldverhältnis und die Forderung nicht auseinanderhält. Die Vertragsaufhebung berührt zwar den Bestand der Forderung, ist aber eine Verfügung in Ansehung des gesamten Schuldverhältnisses.399 Diesbezüglich besitzt der Zedent seine Verfügungsbefugnis weiterhin und kann dadurch der Forderung ihre Grundlage entziehen. Seine Befugnis, über den Vertrag im Gesamten zu verfügen, verliert der Zedent nicht mit der Abtretung einer Forderung, sondern erst, wenn er das Vertragsverhältnis im Gesamten überträgt.400 Zudem ließ der BGH einen ganz wesentlichen Punkt außer Acht: Würde der Zedent nämlich schon mit der Abtretung seine Befugnis verlieren, den Vertrag aufzuheben, dann verlöre der Schuldner mit der Abtretung seinen Vertragspartner, mit dem allein er über den Vertrag verfügen kann. Ein Schuldner kann nach dem BGB (und noch aus viel tiefergehenden Gründen) aber ohne seine Zustimmung keinen neuen Vertragspartner erhalten.401 Die Lösung des BGH würde den Schuldner allein durch seine Kenntnis von der Abtretung dazu zwingen, sich für Vertragsänderungen fortan an den Zessionar zu wenden; eine Information des Schuldners von der Abtretung würde genügen, dass er mit einer neuen Person, die er sich nicht ausgesucht hat, über Verkürzungen der Laufzeit sprechen muss; das lässt das BGB nicht zu. Wie widersinnig das 397
BGH, 28.03.1990 – VIII ZR 17/89, BGHZ 111, 84 = NJW 1990, 1785, 1788, dort unter 3.a). BGH, 28.03.1990 – VIII ZR 17/89, BGHZ 111, 84 = NJW 1990, 1785, 1787. 399 Zur Verfügung über ein Schuldverhältnis vgl. Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 17 III; Hau, Vertragsanpassung und Anpassungsvertrag, S. 35 – 41. 400 Dörner, Dynamische Relativität, S. 153 – 158, der allerdings richtigerweise hervorhebt, dass dieser Satz, wonach „die Abtretung den Zessionar zwar zum ‚Herrn der Forderung‘ macht, der Zedent jedoch ‚Herr über das Vertragsverhältnis‘ [. . .] bleibt.“ nicht von der Prüfung entbehrt, welche Befugnisse und Annexpflichten oder -obliegenheiten (Ausstellen einer Quittung oder Abnahme der Leistung) möglicherweise nach dem konkreten Vertragsverhältnis zusätzlich mit der Abtretung auf den Zessionar übergegangen sind. Der BGH stellte nichts dergleichen fest, hatte dafür aber auch keinen Spielraum, da in casu selbst die weitere Einziehung im fremden Namen dem Zessionar zugestanden hat und die Abtretung nur zur Sicherheit erfolgt ist. 401 Pieper, Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt, S. 191 – 194; Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 19 I; Dörner, Dynamische Relativität, S. 135 ff. 398
G. Rechtsstellung des künftigen Schuldners
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ist, wird deutlich, wenn der BGH in einer anderen Entscheidung mit gleichem Sachverhalt und gleicher Argumentation für die Kündigung des Vertrags durch den Zessionar eine Ermächtigung des Zedenten verlangt: Für die Aufhebung soll der Zedent nicht zuständig sein, aber für die Ermächtigung zur Kündigung schon?402 Ursächlich dafür, dass der BGH diese Dimension nicht berücksichtigt hat, war sein vorschneller Schluss von dem Erlass auf die Vertragsaufhebung. Richtig daran ist, dass, wer die Forderung weggibt, das Recht verliert, sie zu erlassen; er verliert aber nicht das Recht, sein Schuldverhältnis (mit all den darin enthaltenen Rechten und Pflichten!) aufzuheben.403 Dadurch steht eine Vorausabtretung zwar stets unter dem Risiko, dass der Zedent nachträglich in eine Vertragsaufhebung einwilligt. Unter diesem Risiko steht allerdings auch der Erwerb einer entstandenen Forderung, der nicht durch Übernahme des gesamten Vertrags erfolgt; die Forderung wird durch die Abtretung eben nicht gänzlich aus dem Schuldverhältnis entlassen, sondern bleibt diesem verbunden.404 Der Zedent kann also weiterhin über das Schuldverhältnis im Ganzen verfügen, unabhängig davon, ob der Schuldner von der Abtretung weiß oder nicht. Ob er es darf, entscheidet sein Verhältnis zum Zessionar, dem er ggf. zum Ersatz verpflichtet ist, wenn er den Erfolg der Abtretung zunichtemacht;405 zu Lasten des an diesem Verhältnis unbeteiligten Schuldners darf seine Vertragsverletzung allerdings nicht gehen. Dieser hat nie darin eingewilligt, dass er für die Änderung des Schuldverhältnis fortan die Bank seines Vertragspartners fragen müsse. All das zeigt, dass § 407 BGB in diesem Fall mangels eines Rechtsgeschäfts „in Ansehung der Forderung“ nicht anwendbar ist. b) Irrelevanz des Forderungsentstehungszeitpunkts Aus dem vorstehenden erhellt, dass der Entstehungszeitpunkt der Forderung, dem der BGH am meisten Aufmerksamkeit gewidmet hat, keine Rolle spielen kann.406 Weil die Verkürzung der Vertragslaufzeit kein Rechtsgeschäft in Ansehung der Forderung ist, wäre der Fall nicht anders zu entscheiden, wenn nicht Leasing‑, sondern Immobiliarmietforderungen zediert worden wären, die nach dem BGH erst in Zukunft entstehen.407 In beiden Fällen erhält der 402
BGH, 04.11.2009 – XII ZR 170/07, NJW-RR 2010, 483, 484. Nörr, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 4 IV, dort auch zur im Einzelnen mitunter schwierig zu bestimmenden Frage, welche Befugnisse dem Zedent noch verbleiben und zu dem Vorbehalt, dass vertraglich natürlich anderes vereinbart werden kann. Nicht überzeugend Christiansen, ZInsO 2010, 653, 663, der andenkt, dass eine Forderungsabtretung den Übergang der Verfügungsbefugnis über das gesamte Schuldverhältnis bedeute, sich aber zu Recht nicht auf diese These verlässt. 404 Dazu oben S. 414 f. 405 Die Haftung des Zedenten gegenüber dem Zessionar betont auch Dörner, Dynamische Relativität, S. 270. 406 Ebenso Christiansen, ZInsO 2010, 653, 662 f. 407 S. § 2 F.3. 403
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
Zessionar nur eine Position, die trotz Abtretung von ihrem identitätsstiftenden Schuldverhältnis abhängig bleibt, und muss sich gegen dieses Risiko anderweitig absichern; in beiden Fällen behält der Schuldner ohne weiteres die Möglichkeit, den Vertrag mit seinem Vertragspartner abzukürzen. Wohin der Glaube an die Relevanz des Entstehungszeitpunkts führt, zeigt die Folgeentscheidung aus dem Jahr 2009, welche dieselbe Problematik in Bezug auf einen Mietvertrag über bewegliche Sachen (Kopiergeräte) betraf. Dort heißt es: „Ob die [Schuldnerin] über die künftigen Mietzinsforderungen nach deren Abtretung noch verfügen durfte, hängt davon ab, welche Rechte durch die Abtretungen auf die [Zessionarin] übergegangen waren. Waren die künftigen Mietzinsforderungen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Abtretungsverträge noch nicht entstanden, wurde die Abtretung erst mit dem Entstehen der Forderungen vollendet. Dann stellt sich die vom BerGer. verneinte Frage, ob der Zedent künftiger Forderungen die Erwerbsaussicht des Zessionars im Stadium zwischen dem Abschluss des Abtretungsvertrags und dem Wirksamwerden der Verfügung mit Entstehen der Forderung noch durch gegenteilige Verfügungen beeinträchtigen kann. Auf diese Frage kommt es allerdings nicht an, wenn die Forderung auf künftige Miete bereits zum Zeitpunkt der Abtretung bestand.“408 Der BGH kam zu demselben fragwürdigen Ergebnis, da er die Mietforderungen, anders als sonst, aufgrund der konkreten vertraglichen Gestaltung als betagt (also entstanden) und nicht als aufschiebend befristet (also künftig) ansah. Der Grund hierfür war, dass die Parteien die Gewährleistung und Gefahrtragung des Vermieters in casu ausgeschlossen hatten. Diese Gründe aber stehen in keinem Zusammenhang mit den Wertungen von §§ 404, 407 BGB und können daher die Entscheidung nicht tragen. Die eigentliche Frage nach dem Umfang der Verfügungsbefugnis, die der BGH nur mehr konstatierte („der Zedent habe keine Verfügungsbefugnis mehr“409), geht dadurch unter.
4. Dogmatik Fraglich ist, welches der Modelle, mit der die Abtretung künftiger Forderungen beschrieben werden kann, § 407 BGB besser erklärt. a) Vorausabtretungsmodell Nach dem Vorausabtretungsmodell müsste jedes Rechtsgeschäft in Ansehung der künftigen Forderung, welches vor ihrem Entstehen getätigt wird (etwa ein Erlass), selbst eine Vorausverfügung darstellen. Entsteht die Forderung, wäre daher fraglich, welcher Vorauserklärung (der Abtretung oder dem späteren Erlass) 408
BGH, 04.11.2009 – XII ZR 170/07, NJW-RR 2010, 483. BGH, 04.11.2009 – XII ZR 170/07, NJW-RR 2010, 483, 484.
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der Vorzug gebührt, weil beide nur in derselben Sekunde wirken können. Wie im Fall zweier gegenläufiger, gleichzeitig wirkender Vorausabtretungen greift der nemo plus iuris-Grundsatz also nicht und man benötigt ein anderes Argument für den Vorrang der einen Vorauserklärung über die andere.410 Hier kursiert § 161 I BGB,411 der auf die unbedingte Verfügung jedoch nicht anwendbar ist.412 Ein Widerspruch wird zudem sichtbar, wenn man bedenkt, dass der BGH mit eben diesem Vorausabtretungsmodell in BGHZ 88, 205 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Zedent das Vertragsverhältnis als Ganzes übertragen darf und dies sogar Vorrang vor einer früheren Vorauszession hat,413 während er hier vertritt, dass der Zedent durch die Vorauszession die Befugnis verloren habe, den Vertrag aufzuheben. Der Zedent soll also die Befugnis behalten, den Vertrag zu übertragen, darf ihn aber nicht aufheben. Das ist widersinnig. b) Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung Das Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung funktioniert demgegenüber reibungsloser. Es harmoniert schon wesentlich besser mit der herrschenden Grundannahme, dass § 407 BGB zugrunde liegt, dass der Zedent seine Verfügungsbefugnis durch die Abtretung verloren hat. Dem Zedent, der eine künftige Forderung abtritt, dem gehört sie eben nicht mehr. Er kann nicht mehr über sie verfügen. Vereinbart der Zedent vor dem Entstehen der Forderung einen Erlass mit dem Schuldner, so kann er die künftige Forderung damit nicht aufheben bzw. nach § 407 BGB nur dann, wenn der Schein besteht, sie gehöre ihm noch. Verfügt der Zedent dagegen über das Schuldverhältnis im Ganzen und hebt es auf, so muss sich das auch auf die Erwerbsaussicht auswirken, da die Aussicht auf den Erwerb der Forderung gerade von dem Schuldverhältnis abhängt, weil dieses das Forderungsentstehungsprogramm festschreibt. In die von dieser Abhängigkeit geprägte Erwerbsaussicht rückt der Zessionar nach § 398 S. 2 BGB (analog) ein.
5. Fazit zu § 407 BGB Soll § 407 BGB auf Einwendungen angewandt werden, die nach der Abtretungsvereinbarung, aber vor der Entstehung der Forderung durch Rechtsgeschäft zwischen Schuldner und Zedent begründet werden, so kommt es, entsprechend 410
S. 393. Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 74. Staudinger/Busche, BGB, Neubearb. 2012, § 398 Rz. 74. Hennrichs, JZ 1993, 225, 330 f., gerät über die Anwendung von § 161 BGB sogar zu einer Gleichbehandlung der Fälle der Übertragung und der Aufhebung des Schuldverhältnisses und übersieht dabei, dass es einmal um Auflösung der Gläubigerkonkurrenz und einmal um den Schuldnerschutz geht, s. S. 412. 412 Christiansen, KTS 2003, 549, 554; Klinck, S. 178 f. Zur Unanwendbarkeit von § 161 BGB auf die gesetzliche Bedingung s. § 2 S. 39 f. 413 Oben S. 407. 411
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
der herrschenden Meinung, für die Kenntnis auf den Zeitpunkt der Abtretungsvereinbarung an. Dabei ist jedoch stets genau zu prüfen, inwieweit wirklich eine Verfügung in Ansehung der künftigen Forderung oder nicht vielmehr eine Verfügung über das gesamte Schuldverhältnis vorliegt. Letztere ist nämlich auch nach einer Zession noch wirksam, da der Zedent mit dem Verlust der Befugnis, über die Forderung zu verfügen, nicht auch die Verfügungsbefugnis bezüglich des gesamten Schuldverhältnisses einbüßt. Damit kann insbesondere eine zwischenzeitliche Vertragsaufhebung nicht einem Erlass gleichgestellt werden. Als Verfügung über das gesamte Schuldverhältnis betrifft sie zwar auch den Bestand der Forderung, allerdings bleibt der Zedent befugt, über das Schuldverhältnis zu verfügen. Wenn das im Einzelfall nicht interessengerecht ist, müssen die Parteien eben anderes vereinbaren.414 Dass der Zessionar damit eine künftige Forderung grundsätzlich nur unter dem Vorbehalt erwirbt, dass das Schuldverhältnis nicht aufgehoben wird, ist Ausdruck der Struktur einer Abtretung, welche die Forderung nie völlig aus ihrem Schuldverhältnis entlässt, sondern den Zessionar in die Position des Zedenten teilweise nachfolgen lässt (s. § 2 S. 23 ff.). Da für die Abtretung entstandener Forderungen nichts anderes gilt, befindet sich der BGH auf dem falschen Weg, wenn er die Wirksamkeit zwischenzeitlicher Vertragsaufhebungen davon abhängig macht, ob eine Forderung entstanden oder nur künftig ist. Auf den Entstehungszeitpunkt der Forderung kommt es für § 407 BGB nicht an. Was schließlich die Dogmatik der Abtretung künftiger Forderungen angeht, so kann § 407 BGB mit dem Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung wesentlich stimmiger beschrieben werden als mit dem Vorausabtretungsmodell.
IV. Ergebnis zur Schuldnerstellung nach Abtretung künftiger Forderungen Anders als gemeinhin dargestellt, geht es bei § 404 BGB nicht nur um den Schuldnerschutz, sondern im Wesentlichen um die Identitätswahrung einer zedierten Forderung. Das wirkt sich auf die Anwendung der Vorschrift auf die Abtretung künftiger Forderungen unmittelbar aus. Genauso wie in Bezug auf entstandene Forderungen steht nicht der Zeitpunkt, sondern die Struktur der Abtretung als Sondernachfolge im Mittelpunkt der Auslegung. Den Zessionar trifft diejenige Einwendung, die aufgrund des Schuldverhältnisses auch den Zedenten getroffen hätte, wenn die Forderung nicht abgetreten worden wäre. Einwendungen, die der Schuldner und der Zedent erst durch ein Rechtsgeschäft nach der Abtretungsvereinbarung begründen, muss das Gesetz nicht eigens untersagen. Sie sind bereits deshalb unwirksam, weil der Zedent durch die Vereinbarung, die künftige Forderung abzutreten, seiner Verfügungsbefugnis über die Forderung verlustig gegangen ist. Die Zession schafft also selbst eine Grenze 414
Zu dieser Möglichkeit siehe oben Fn. 400 und nach 403.
H. Dogmatik der Verfügung über künftige Forderungen im BGB
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für vom Zessionar nach § 404 BGB noch hinzunehmende Einwendungen. An diesen Befund knüpft § 407 BGB an, der in der Tat den Schuldner schützt. Er darf auf den Fortbestand der Verfügungsbefugnis des Zedenten vertrauen, aber nur so lange, wie er von der Vereinbarung, dass die künftigen Forderungen abgetreten sind, nichts weiß. Bei der Anwendung von §§ 404, 407 BGB auf die Abtretung künftiger Forderungen kommt damit der Abtretungsvereinbarung – nicht der Entstehung der Forderung – eine jeweils entscheidende Rolle zu. Deshalb wird es beiden Vorschriften besser gerecht, die Abtretung künftiger Forderung nicht als im Voraus erklärte Zession der entstandenen Forderung, sondern als gegenwärtige Zession der Erwerbsaussicht zu begreifen und §§ 404, 407 BGB – wie schon § 398 BGB – analog anzuwenden.
H. Dogmatik der Verfügung über künftige Forderungen im BGB Zu Beginn dieser Arbeit wurde der Anspruch der Rechtsdogmatik skizziert, durch systematische Arbeitsweise ein in sich widerspruchsfreies System zu repräsentieren sowie Prinzipien zu schaffen, auf die die Rechtspraxis neue Rechtssätze zurückführen kann.415 Die Untersuchung der Verfügung über künftige Forderungen hat gezeigt, dass die herrschende, am Modell der Vorausverfügung orientierte Dogmatik diesem Anspruch nicht gerecht wird. Schon früh ist das Modell der Vorausverfügung an seine Grenzen gestoßen und hat relativ schnell die Schwelle der kritisierten „Verstellhemmung“416 starrer Dogmatik erreicht. Die daraus resultierenden Widersprüche machen es an sich unmöglich, dass die Vorausverfügungsdogmatik im Rahmen des ohnehin begrenzten Wirkungskreises der Rechtsdogmatik zu weiterer juristischer Erkenntnis beitragen kann. Das steht freilich in auffälligem Gegensatz zu dem bedeutenden Einfluss, welcher der Vorausverfügungsdogmatik auch heute noch bei der Rechtserkenntnis auf gesetzlich nicht geregeltem Gebiet zugestanden wird. Die vorliegende Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass es wesentlich stimmiger ist, die Verfügung über künftige Forderungen – unabhängig von ihrem Rechtsgrund – als eine gegenwärtige Verfügung über eine Erwerbsaussicht zu betrachten, was mit dem BGB in Einklang zu bringen ist. Dafür ist es lediglich notwendig, von dem althergebrachten Axiom loszukommen, wonach die künftige Forderung im engeren Sinne nicht existiert. Zwischen der nicht existenten Forderung und dem gegenwärtigen subjektiven Recht gibt es die künftige Forderung, die ohne Rücksicht auf einen Rechtsboden als Erwerbsaussicht und als eigener Gegenstand übertragbar ist; ihre Vererblichkeit hat der BGH im Übrigen schon lange anerkannt.417 Während die künftige Forderung ohne Rechtsboden etwa schon im Bürgschaftsrecht 415
Nachw. oben § 1 II. Selb, FS Larenz, 1983, S. 605, 608. 417 BGH, 09.06.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367, 369 f. 416
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§ 11 Grundlagen der Verfügung über künftige Forderungen
als eigener Gegenstand in Erscheinung getreten ist, hat die Untersuchung des Abtretungsrechts klarere Konturen hervorgebracht, so dass an dieser Stelle zusammenzufassen ist, was eine künftige Forderung im sog. „engeren Sinne“418 ausmacht (dazu I.) und wie eine gegenwärtige Verfügung über sie zu begreifen ist (dazu II.).
I. Die künftige Forderung im engeren Sinne Die künftige Forderung ist eine Aussicht auf den Erwerb einer Forderung. Sie wird in dem Moment zu einem Gegenstand, in dem diese Forderung bestimmbar ist. Durch die Bestimmbarkeit erhält eine bislang vage Hoffnung eine rechtliche Funktion, eine juristische Identität und zugleich einen rechtlichen Inhalt, bestehend aus der Inhaberschaft und der Verfügungsbefugnis. Die Verfügungsbefugnis entsteht also mit der Bestimmbarkeit der künftig entstehenden Forderung. Da Inhaberschaft und Verfügungsbefugnis auch Bestandteile einer entstandenen Forderung sind, kann ab dem Zeitpunkt der Bestimmbarkeit von einer Teilverwirklichung der Forderung gesprochen werden. Das harmoniert mit der herrschenden Vorstellung, dass die vollendete Forderung ein Bündel von Befugnissen ist, die nicht auf einmal zusammen in die Rechtswelt treten, sondern Teil eines dynamischen Vervollständigungsprozesses sind, innerhalb dessen eine Befugnis nach einer anderen hinzu oder hinweg treten kann.419 Die künftige Forderung und die entstandene Forderung sind also nicht verschieden, sondern die eine ist Vorstufe, aus der sich die andere entwickelt; die künftige Forderung ist ein teilverwirklichter Rumpf der später entstehenden Forderung. Eine Verfügung über die künftige Forderung bezieht sich also notwendigerweise immer auch auf die Forderung, die einmal entstehen soll; sie sperrt als solche nicht nur weitere Verfügungen über die künftige Forderung selbst, sondern auch jegliche im Voraus erklärte Verfügung über die später entstehende Forderung.
II. Die Abtretung künftiger Forderungen Da die künftige bereits ein teilverwirklichter Rumpf der entstandenen Forderung ist, folgt ihre Abtretung den gleichen Regeln. Analog § 398 S. 2 BGB tritt der Zessionar in die Stellung des Zedenten ein. Die künftige Forderung steht nun ihm zu; die in ihr enthaltene Verfügungsbefugnis geht auf den Zessionar über und der Zedent verliert die Befugnis, über die künftige Forderung zu verfügen. Wenn die Forderung einmal entsteht, so geschieht dies selbstverständlich in der Person des Zessionars, da er die Erwerbsaussicht nun innehat. Da die Abtretung 418
S. § 2 S. 32. S. § 2 S. 19 ff.
419
H. Dogmatik der Verfügung über künftige Forderungen im BGB
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weniger Übertragung als vielmehr Rechtsnachfolge ist, verliert die künftige Forderung durch ihre Abtretung nicht ihre Identität, sondern erfährt lediglich hinsichtlich der Person ihres Inhabers eine inhaltliche Änderung. Im Übrigen bleibt sie ihrem Ausgangssachverhalt oder ihrem Schuldverhältnis genauso verbunden, wie eine entstandene Forderung nach ihrer Zession. Genauso wie eine Forderung gemäß § 404 BGB nach Abtretung durch ihr Schuldverhältnis weiterhin gerahmt und bestimmt wird, gilt das für die Erwerbsaussicht, die weiterhin in diesem Schuldverhältnis „reift“. Das Risiko künftiger Gegenentwicklungen gemäß § 404 BGB ist für die künftige Forderung freilich noch um das Risiko angereichert, ob sie überhaupt als subjektives Recht zur Entstehung gelangen wird. Würde man die künftige Forderung durch ihre Abtretung von diesem Risiko befreien, so wäre die Abtretung ein Vorgang, der etwas Neues schaffen würde, nämlich eine Erwerbsaussicht, die immun gegen Einwendungen ist, welche ihr beim Zedenten gedroht hätten. Genau das übersieht die herkömmliche Lehre, die direkt abtretbare künftige Forderungen mit Rechtsgrund von sonstigen künftigen Forderungen unterscheiden will. Die Abtretung einer Forderung mit Rechtsgrund macht aus dieser kein Anrecht auf den Erwerb der Forderung. Die Abtretung als identitätswahrende Sonderrechtsnachfolge lässt die Erwerbsaussicht vielmehr unverändert, so wie sie bei dem Zedenten bestanden hat. Das mit diesem dynamischen Organismus verbundene Risiko hat der Zessionar mit der künftigen Forderung übernommen. Es ist daher irrelevant, ob die Forderung ungewiss oder gewiss entstehen wird. Der Zessionar erhält die künftige Forderung „so wie sie angelegt war“ und ihm erwächst daraus die Forderung, „wenn alles so verläuft, wie es angelegt war“. Dieses Risiko steht ihm aber ohne weitere Bedingung zu. Die Abtretung künftiger Forderungen ist also endgültig, was die Zuweisung der Erwerbsaussicht angeht, und im übrigen – unter dem Blickwinkel von § 404 BGB – genauso unvollkommen wie jede andere Abtretung. Diese Dynamik wird erst durch das Modell der gegenwärtigen Abtretung der künftigen Forderung abgebildet, genauso wie das Verständnis der künftigen Forderung als gegenständliche Erwerbsaussicht die ihrerseits dynamische Struktur der Forderung besser widerspiegelt.
§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens finden eine Reihe von Vorschriften Anwendung, welche die Wirkungen der Verfahrenseröffnung regeln (§§ 80 ff. InsO). Dazu gehören namentlich § 81 InsO, wonach Verfügungen, die der Insolvenzschuldner nach Verfahrenseröffnung tätigt, unwirksam sind, sowie § 91 InsO, wonach Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse auch dann nicht wirksam erworben werden können, wenn dem keine Verfügung des Schuldners zugrunde liegt. Verfügungen, die vor Verfahrenseröffnung – in der Zeit der wirtschaftlichen Krise des Insolvenzschuldners – getätigt wurden, unterliegen dem Insolvenzanfechtungsrecht (§§ 129 ff. InsO), mittels dessen Rechtshandlungen, welche die Gläubiger benachteiligen, zugunsten der Masse beseitigt werden können. Damit eine Verfügung „insolvenzfest“ genannt werden kann, muss sie wenigstens vor diesen beiden Regelungsregimes Bestand haben. Damit Kreditsicherheiten, wie die Sicherungszession künftiger Forderungen, den Kreditgeber nicht nur gegen Zahlungsausfall, sondern auch gegen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners absichern, müssen sie sich also an diesen Regeln messen lassen. Eine klare Abgrenzung ihrer jeweiligen Anwendungsbereiche ist allerdings nur dann möglich, wenn sich die Abtretungsvereinbarung und die Entstehung der Forderung jeweils zusammen im Zeitraum entweder vor oder nach der Verfahrenseröffnung ereignen. Verfügt der Insolvenzschuldner aber vor Verfahrenseröffnung über seine künftigen Forderungen, die erst nach Verfahrenseröffnung entstehen, so sind prima facie sowohl §§ 80 ff. InsO als auch das Insolvenzanfechtungsrecht betroffen. Gleiches gilt, wenn die Forderung kraft Insolvenzeröffnung und damit weder vor noch nach ihr entsteht. Eine Überlappung beider Regelungsregimes darf jedoch nicht stattfinden: Denn entweder ist die Rechtshandlung wirksam, aber anfechtbar,1 oder eben von vornherein unwirksam. Aus diesem Grund müssen §§ 80 ff. InsO (dazu A.) und das Insolvenzanfechtungsrecht (dazu B./C.) auf einander abgestimmt sein.2 Das wird im Laufe der folgenden Untersuchungen deutlich. Dabei wird – aus sprachlichen Gründen3 – häufig von der „Vorausverfügung“ die Rede sein, ohne dass es auf ihre Konstruktion im Einzelnen ankommt; welches Modell 1 Die Insolvenzanfechtung führt nicht zur Unwirksamkeit der Rechtshandlung, sondern nur zu einer schuldrechtlichen Rückgabepflicht nach § 143 InsO, Bork, InsR-Einf., § 20 Rz. 245. 2 Dobmeier, NZI 2006, 144, 145 f.; Klinck, S. 172 f. 3 Dazu § 11 bei Fn. 39.
A. Insolvenzbeschlag (§§ 80 ff. InsO)
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der Verfügung über künftige Forderungen die jeweils ermittelte Rechtslage besser reflektiert, steht am Ende der jeweiligen Untersuchung (vgl. S. 457 f. und S. 486 f.).
A. Insolvenzbeschlag (§§ 80 ff. InsO) I. Problemstellung Der spätere Insolvenzschuldner soll eine Verfügung, sei es als Abtretung oder als Verpfändung, über seine künftige Forderung zugunsten des Verfügungsempfängers getroffen haben. Der Verfügungsempfänger sei fortan der „Erwerber“ genannt.4 Anschließend wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffnet. Nun erst gelangt die Forderung zur Entstehung. Das wirft die Frage auf, an wen der Drittschuldner bezahlen soll bzw. wem im Fall erfolgter Zahlung der Forderungsbetrag gebührt: Der Erwerber wird behaupten, dass ihm (etwa im Fall eines echten Factoringvertrags mit dem zedierenden Insolvenzschuldner) ein Aussonderungsrecht zukommt (§ 47 InsO), er mithin Inhaber der Forderung ist.5 War dem Erwerber die Forderung nur zur Sicherheit übertragen oder verpfändet worden, so wird der Erwerber auf sein Absonderungsrecht gemäß § 50/§ 51 Nr. 1 InsO pochen, das der Insolvenzverwalter gemäß § 170 I 2 InsO bevorzugt zu bedienen hat.6 Der Insolvenzverwalter wird sich dem Erwerber jedoch mit dem Argument widersetzen, dass die Vorausverfügung wegen §§ 80 ff. InsO unwirksam sei. Dann geht der Erwerber entweder leer aus oder bleibt auf die Beitreibung seiner vermeintlich gesicherten Hauptforderung gegen den Insolvenzschuldner angewiesen. Diese muss er zur Tabelle anmelden und erhält nur die Quote. Die vermeintlich übertragene Forderung käme ganz der Masse zugute, und die Verfügung, die dem Zessionar oder Pfandrechtsgläubiger an sich eine Sicherheit sein sollte, könnte nicht gegen die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sichern. Da sich Kreditsicherheiten vor allem in der Insolvenz bewähren müssen, hängt der Wert einer Sicherungszession ganz erheblich von dieser Problematik ab. Dieser Interessenwiderstreit hat den Bundesgerichtshof zu Beginn des 21. Jahrhunderts in besonderem Maße beschäftigt.7 Ein Grund dafür könnte sein, 4 Die Forderungsverpfändung spielt in der Rechtsprechung zu §§ 80 ff. InsO noch eine große Rolle, so dass nicht allein die Abtretung behandelt werden soll. 5 HK-Kreft/Lohmann, 5. Aufl. 2008, § 47 Rz. 15. 6 BGH, 13.03.2008 – IX ZR 14/07, NJW-RR 2008, 1007, 1008. 7 BGH, 27.05.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87 = NJW 2003, 2744; BGH, 11.05.2006 – IX ZR 247/03, NJW 2006, 2485; BGH, 13.03.2008 – IX ZR 14/07, NJW-RR 2008, 1007; BGH, 25.06.2009 – IX ZR 98/08, NJW 2009, 2677; BGH, 22.04.2010 – IX ZR 8/07, NZI 2010, 682; BGH, 10.11.2011 – IX ZR 142/10, NZI 2012, 17; BGH, 26.01.2012 – IX ZR 191/10, NJW 2012, 1510; BGH, 11.10.2012 – IX ZR 30/10, NJW-RR 2013, 51; BGH, 18.04.2013 – IX ZR 165/12, WM 2013, 1129; BGH, 25.04.2013 – IX ZR 62/12, WM 2013, 1040.
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
dass das mit der Insolvenzordnung bezweckte Anliegen, die Fortführung von Unternehmen zu erleichtern, Früchte trägt und deshalb die Insolvenzmasse immer häufiger auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Forderungen generiert. Bemerkenswert ist, dass die Rechtsprechung in diesen Jahren eine neue Richtung genommen hat bis hin zur Aufgabe früherer höchstrichterlicher Entscheidungen, der die Literatur bis dato einhellig gefolgt war, und zwar ohne, dass diese Änderung durch die Einführung der Insolvenz- anstelle der Konkursordnung motiviert war.8 Eine Ursache für Rechtsprechungsänderungen liefert aber nicht zuletzt die Vielfalt bestehender Erklärungsmodelle für die Vorausverfügung, die den Blick auf die Gleichartigkeit mancher Problemlagen durchaus verstellt. Gerade das letzte Jahrzehnt hat also neuen Stoff für die Anschauung der Verfügung über künftige Forderungen geliefert und hat den Bedarf für ein dogmatisches Grundgerüst erneut unter Beweis gestellt. An dieser Stelle sei noch einmal klargestellt, dass von der Verfügung über eine künftige Forderung die ihrerseits bedingte Verfügung über eine bestehende Forderung zu unterscheiden ist. Nur die bedingte Verfügung wird von § 161 I 2 BGB geregelt, der diese vor zwischenzeitlicher Insolvenz schützt. Wer hingegen über eine künftige Forderung verfügt, der will endgültig über sie verfügen und allenfalls unter einer Rechtsbedingung, auf die § 161 BGB nicht anwendbar ist.9 Der Unterschied zur bedingten Verfügung wird nicht immer beachtet.10 Das geht auch auf eine Entscheidung des BGH zurück, in der dieser über den Doppeltatbestand einer bedingten Verfügung über künftige Forderungen zu entscheiden hatte,11 was einer gewissen Verquickung der Begründungsmuster Vorschub geleistet hat.12
II. Meinungsstand Was die unbedingte Verfügung über künftige Forderungen angeht, ist bereits umstritten, an welcher Vorschrift von §§ 80 ff. InsO sie zu messen ist. Die herrschende Meinung, eingeschlossen die höchstrichterliche Rechtsprechung, zieht § 91 I InsO (früher: § 15 KO) heran,13 die im Vordringen begriffene Gegenansicht 8 Vgl. etwa BGH, 25.06.2009 – IX ZR 98/08, BGHZ 181, 362 = NJW 2009, 2677, 2678 Tz. 11. Als Beleg für den etwas unkritischen Meinungsschwenk in der Literatur: Kuleisa, InsVZ 2010, 203, 204. 9 Wie hier Christiansen, KTS 2003, 549, 554; Klinck, S. 178 f. 10 MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 3. Aufl. 2013, § 81 Rz. 10; BGH, 13.03.2008 – IX ZR 14/07, NJW-RR 2008, 1007, 1008. 11 BGH, 27.05.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87 = NJW 2003, 2744, 2746. 12 Dazu noch S. 440 ff. 13 St. Rspr.: BGH, 18.04.2013 – IX ZR 165/12, WM 2013, 1129, 1131; BGH, 10.11.2011 – IX ZR 142/10, NZI 2012, 17; BGH, 11.05.2006 – IX ZR 247/03, NJW 2006, 2485; BGH, 14.12.1989 – IX ZR 283/88, BGHZ 109, 368, 372; BGH, 05.01.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 544; BGH, 10.12.2009 – IX ZR 1/09, NZI 2010, 138; BT-Drucks. 12/2443, S. 138; Bork, InsR-Einf., § 15
A. Insolvenzbeschlag (§§ 80 ff. InsO)
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§ 81 I InsO.14 Unabhängig davon ist man sich aber einig, dass eine Vorausverfügung nach § 81/§ 91 InsO im Grundsatz unwirksam (!) sein soll, wenn die Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht. Erst bei der Beschreibung der Ausnahmen wird der Meinungsstand unübersichtlich; gerade hier ist die Kreditsicherungspraxis allerdings auf Rechtssicherheit angewiesen, da es um die Wirksamkeit der Verfügung über künftige Forderungen geht. Nach der Rechtsprechung hat die Vorausverfügung vor §§ 80 ff. InsO Bestand, wenn der Erwerber bereits vor der Verfahrenseröffnung eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der abgetretenen Forderung erlangt hat.15 Für die Ausfüllung dieses Begriffs konkurrieren im Wesentlichen drei Begründungsmuster: Eines lautet, dass es an der gesicherten Rechtsposition fehle, wenn der Insolvenzschuldner (also der Zedent oder Verpfänder) die Forderungsentstehung noch verhindern kann, weil dann die Forderung noch nicht aus seinem Vermögen ausgeschieden sei,16 wobei es hierfür neuerdings ausreichen soll, wenn dem Schuldner diese Verhinderungsmöglichkeit nur im Zeitraum vor der Verfahrenseröffnung zukommt.17 Ein anderes, immer häufigeres Begründungsmuster lautet, dass die Forderung betagt sein müsse, während vor Eröffnung lediglich aufschiebend bedingte oder aufschiebend befristete Forderungen für eine gesicherte Rechtsstellung nicht genügten,18 weil dann bei Eröffnung noch ein Teil des Erwerbstatbestandes fehle.19 Dieser Satz läuft darauf hinaus, dass die Forderung Rz. 176; Christiansen, S. 210; Furche, WM 2007, 1305, 1305 – 1310; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 91 Rz. 4; Jaeger/Henckel/A. Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 81 Rz. 3; Mylich, Aufrechnungsbefugnis bei Vorausabtretung, 2008, S. 10 f.; Simokat, NZI 2012, 57, 58 f.; Voß, S. 51 – 55. 14 OLG Dresden, 26.01.2006 – 13 U 1924/05, ZInsO 2006, 1057, 1058; MünchKommInsO/Ott/Vuia, 3. Aufl. 2013, § 81 Rz. 9 f.; Klinck, S. 177; Hmbg.Ko-InsO/Kuleisa, 4. Aufl. 2012, § 81 Rz. 10; HK-Kreft/Kirchhof, 5. Aufl. 2008, § 24 Rz. 8; Brinkmann, S. 167. Zu den (indirekten) Auswirkungen der Meinungsstreitigkeit im Bereich der Sicherung des schuldnerischen Vermögens im Zeitraum zwischen dem Eingang eines zulässigen Insolvenzantrages beim Insolvenzgericht und der Entscheidung über die Eröffnung OLG Köln, 30.04.2008 – 2 U 19/07, WM 2008, 1598, 1601; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 3. Aufl. 2013, § 81 Rz. 9. 15 BGH, 18.04.2013 – IX ZR 165/12, WM 2013, 1129, 1131; BGH, 26.01.2012 – IX ZR 191/10, NJW 2012, 1510, 1513; BGH, 08.01.2009 – IX ZR 217/07, WM 2009, 416, 417; BGH, 11.05.2006 – IX ZR 247/03, NJW 2006, 2485 f.; Bork, InsR-Einf., § 15 Rz. 176; MünchKommInsO/Ott/Vuia, 3. Aufl. 2013, § 81 Rz. 10. 16 BGH, 05.01.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 544; BGH, 07.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86 = NJW 1978, 538, 540; BGH, 26.01.2012 – IX ZR 191/10, NJW 2012, 1510, 1513 f.; BGH, 11.10.2012 – IX ZR 30/10, NJW-RR 2013, 51, 52. 17 BGH, 25.06.2009 – IX ZR 98/08, NJW 2009, 2677, 2678. Dazu treten Erwägungen in BGH, 10.11.2011 – IX ZR 142/10, NZI 2012, 17, 18 freilich in Widerspruch. 18 BGH, 14.12.1989 – IX ZR 283/88, BGHZ 109, 368, 372; BGH, 11.05.2006 – IX ZR 247/03, NJW 2006, 2485, 2486; BGH, 13.03.2008 – IX ZR 14/07, NJW-RR 2008, 1007, 1008; BGH, 10.11.2011 – IX ZR 142/10, NZI 2012, 17, 18; BGH, 20.09.2012 – IX ZR 208/11, NZI 2013, 42, 43 (Tz. 14); BGH, 18.04.2013 – IX ZR 165/12, WM 2013, 1129, 1131 (Tz. 19); BGH, 25.04.2013 – IX ZR 62/12, WM 2013, 1040, 1042 (Tz. 27); OLG Koblenz, 29.08.2012 – 5 U 347/12, ZInsO 2012, 1992, 1993. 19 BGH, 14.12.1989 – IX ZR 283/88, BGHZ 109, 368, 372.
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vor Insolvenzeröffnung entstanden sein muss, die Verfügung über künftige Forderungen als solche also generell nicht insolvenzfest wäre. So heißt es nicht umsonst in einer vereinzelten und eher uninspirierten Entscheidung, dass die gesicherte Rechtsposition fehle, wenn die Forderung erst nach Eröffnung bestimmt werden kann und entsteht.20 Dieser Ansatz spielt namentlich bei Dauerschuldverhältnissen eine Rolle, so dass hier wieder einmal der unterschiedliche Entstehungszeitpunkt von Miet- und Leasingforderungen eine Rolle spielt.21 Damit kontrastiert die Erläuterung des BGH in einer Entscheidung, wonach bei einer bedingten Forderung eine gesicherte Rechtsposition anzunehmen sei, während diese bei einer künftigen noch fehle.22 In einem dritten Begründungsmuster überträgt der BGH eine von ihm für die bedingte Abtretung einer bestehenden Forderung entwickelte Formel23 auf die unbedingte Verfügung über eine künftige Forderung: Danach stehe die Vorausverfügung im Einklang mit § 91 InsO, wenn das Recht aus dem Vermögen des Schuldners bereits zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ausgeschieden ist, so dass für ihn keine Möglichkeit mehr bestand, es auf Grund alleiniger Entscheidung wieder zurückzuerlangen.24 Diese Formel findet sich daraufhin auch in der Literatur zur (unbedingten) Verfügung über künftige Forderungen.25 In der Literatur26 herrscht der Ansatz vor, wonach – nicht selten unter Hinweis auf das Anwartschaftsrecht oder § 161 I 2 BGB – die Abgrenzung zwischen wirksamen und unwirksamen Verfügungen danach vorzunehmen sei, ob eine aufschiebend bedingte bzw. befristete Forderung oder eine lediglich künftige Forderung abgetreten worden ist.27 Bisweilen wird freilich darauf hingewiesen, dass hierauf nicht per se abgestellt werden dürfe, da Ausnahmen in Hinblick auf die Erfüllungswahl nach § 103 InsO gemacht werden müssten.28 Differenzierungen anhand der Konstruktion der Verfügung als Durchgangs- oder Direkterwerb sind nicht gänzlich verstummt;29 der BGH, der diesbezüglich eine Stellungnahme 20
BGH, 22.04.2010 – IX ZR 8/07, NZI 2010, 682, 683. BGH, 25.04.2013 – IX ZR 62/12, WM 2013, 1040, 1043. Dazu noch unten S. 452 f. 22 BGH, 27.05.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87 = NJW 2003, 2744, 2746. 23 Vgl. etwa BGH, 17.11.2005 – IX ZR 162/04, WM 2006, 144, 145. 24 BGH, 13.03.2008 – IX ZR 14/07, NJW-RR 2008, 1007, 1008; BGH, 08.01.2009 – IX ZR 217/07, WM 2009, 416, 417; obiter: BGH, 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 = NJW 2007, 1588, 1590. 25 Etwa: Hmbg.Ko-InsO/Kuleisa, 4. Aufl. 2012, § 91 Rz. 9. 26 Zur entsprechenden Auffassung im Schrifttum zu § 398 BGB oben § 11 S. 386 f. 27 Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, 45. EL, § 91 Rz. 23 ff., 27 ff.; Bork, InsR-Einf., § 15 Rz. 176; Muthorst, ZIP 2009, 1794, 1798; Uhlenbruck/ders., InsO, 13. Aufl. 2010, § 91 Rz. 4; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 3. Aufl. 2013, § 81 Rz. 10; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 10.24/26; Hmbg.Ko-InsO/Kuleisa, 4. Aufl. 2012, § 91 Rz. 9 ff.; Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 91 Rz. 57 ff.; Braun/Kroth, InsO, 5. Aufl. 2012, § 91 Rz. 4; Hess/Röpke, Insolvenzrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2013, § 91 Rz. 1 f. 28 Ausführlich Klinck, S. 179 – 181; Muthorst, ZIP 2009, 1794, 1798 mit Fn. 51. 29 Allen voran BT-Drucks. 17/11268, dort Begründung zu Nr. 15 (Aufhebung von § 114 InsO, dazu unten S. 448 f.); Dobmeier, NZI 2006, 144, 148; Voß, S. 58 – 64 (zu dessen ergänzendem Ansatz allerdings noch später). 21
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schon immer vermieden hat,30 ist immerhin der Argumentation mit der juristischen Sekunde nicht gänzlich abgeneigt,31 die bei dem Durchgangserwerb des Zedenten eine Rolle spielt. Allgemein hat sich jedoch in der Literatur mit Recht die Auffassung durchgesetzt, dass die Unwirksamkeit einer Vorauszession nach §§ 81/91 InsO mit einem Durchgangserwerb genauso erklärbar ist wie mit einem Direkterwerb und solchen Erwägungen folglich kein Aussagegehalt zukommt.32
III. Stellungnahme 1. Gesetzlicher Maßstab Die Suche nach dem gesetzlichen Maßstab hat bei § 81 InsO ihren Anfang zu nehmen, da § 91 InsO – seinem Wortlaut und Zweck nach – ein Auffangtatbestand ist.33 Keine Probleme bereitet die Verfügung über eine künftige Forderung, wenn die Forderung noch vor Verfahrenseröffnung entsteht; sie ist allenfalls Thema des Anfechtungsrechts, während §§ 80 ff. InsO schon gar nicht berührt sind, da die Verfügung vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist. Ebenso wenig problematisch ist die während des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzschuldner getätigte Verfügung. Sie scheitert an § 81 I InsO, soweit sie sich auf Forderungen bezieht, die während des laufenden Verfahrens entstehen (arg. e § 81 II 1 InsO „auch insoweit“). Probleme bereitet die vor Insolvenzeröffnung vereinbarte Verfügung über Forderungen, welche während des Insolvenzverfahrens entstehen. Sie unterfällt §§ 80 ff. InsO und nicht dem Insolvenzanfechtungsrecht, da der Bestand einer solchen Vorauszession kaum davon abhängen kann, ob sie zufällig mehr oder weniger als drei Monate (vgl. §§ 131 f. InsO) vor Verfahrenseröffnung vereinbart wurde. Jedoch erfassen weder § 81 I InsO noch § 91 InsO ausdrücklich eine Verfügung über künftige Forderungen: § 81 I InsO setzt voraus, dass der Schuldner „nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens [. . .] verfügt“ hat; § 91 InsO spricht zwar den Erwerb nach Eröffnung an, jedoch nur den eines Rechts an einem Gegenstand. § 81 II InsO zeigt allerdings, dass der Schuldner grundsätzlich auch während des Verfahrens über eine künftige Forderung verfügen darf, solange diese nach Abschluss des Insolvenzverfahrens entsteht (Ausnahme: Lohnforderungen i. S. v. § 81 II InsO); das beweist, dass bei § 81 InsO nicht der Zeitpunkt des Verfügungsakts ausschlaggebend ist, sondern der Zeitpunkt des Übergangs der Forderung. Verfügungen des Schuldners über künftige Forderungen, die noch 30
BGH, 05.01.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 544. BGH, 25.06.2009 – IX ZR 98/08, NJW 2009, 2677, 2678. 32 Lempenau, Direkterwerb oder Durchgangserwerb, passim; Klinck, S. 177 f.; Pöggeler, in: Gernhuber (Hrsg.), Sukzessionen, § 9 II; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 84; Egert, Die Rechtsbedingung, S. 61 f.; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, 45. EL, § 91 Rz. 29. 33 MünchKomm-InsO/Breuer, 3. Aufl. 2013, § 91 Rz. 2 f.; Voß, S. 52 f. 31
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während des Verfahrens entstehen, unterfallen also § 81 I 1 InsO.34 Der Wortlaut von § 81 I InsO („nach der Eröffnung“) steht diesem Ergebnis nicht entgegen, da er den gesetzlichen Regelfall, dass Verfügungsakt und -wirkung zusammenfallen, zugrunde legt. Daher drängt sich eine Anwendung von § 81 InsO auf. Vor diesem Hintergrund verwundert, dass die immer noch herrschende Meinung die Verfügung über künftige Forderungen gleichwohl an § 91 InsO (früher: § 15 KO) misst. Das geht auf eine frühe Entscheidung des BGH35 zurück, der § 15 KO ohne Begründung anwandte und es fehlerhaft unterließ, die Anwendbarkeit des systematisch, aber auch thematisch vorrangigen § 7 KO (heute: § 81 InsO) überhaupt anzusprechen. Der BGH stützte sich u. a. auf den Jaeger-Kommentar, der ebenso wenig eine Begründung gab.36 Die Heranziehung von § 15 KO mag vor dem Hintergrund verständlich sein, dass die Auslegungsstütze des § 81 II InsO seinerzeit nicht existierte und deshalb der Wortlaut von § 7 KO, der wie § 81 I InsO eine Rechtshandlung nach Verfahrenseröffnung verlangte, in der Tat ein Hindernis bereiten mochte. Bereits deshalb in § 15 KO/§ 91 InsO zu flüchten, ist jedoch deshalb keine Lösung, da deren Wortlaut ebenso wenig einschlägig ist, was die herrschende Meinung geflissentlich unterschlägt: Anders als § 81 InsO regelt § 91 InsO nämlich den Erwerb von „Rechte[n] an den Gegenständen der Insolvenzmasse“. Bei der Abtretung geht es aber gerade um eine Verfügung über einen Gegenstand (§ 81 I InsO) und nicht bloß über ein Recht an einem solchen Gegenstand (§ 91 I InsO). Soweit § 91 InsO mit dem Argument angewandt wird, dass mit der Abtretung die Inhaberschaft an der Forderung übertragen werde,37 ist das überholt: Forderung und Gläubigerschaft lassen sich nicht trennen (§ 2 S. 24). Des Weiteren gilt § 91 InsO nur, wenn dem Erwerb „keine Verfügung des Schuldners [. . .] zugrunde liegt.“; genau diese liegt dem Erwerb des Zessionars aber zugrunde und eben dieser Unterschied scheidet § 81 von § 91 InsO. Keineswegs sind die Vorschriften nach dem Zeitpunkt der Rechtshandlung abzugrenzen, wonach § 81 InsO nur Verfügungen erfassen würde, die nach Eröffnung getätigt sind, und § 91 InsO folglich für den Erwerb im Übrigen gelten würde.38 Eine Gesamtschau von §§ 80, 85, 89 und 91 InsO, in deren Kontext § 81 InsO steht, zeigt, dass sich der jeweils erwähnte Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung nicht auf die Vornahme der jeweiligen Rechtshandlung bezieht, sondern das zu schützende Massevermögen in zeitlicher Hinsicht eingrenzen soll. Das entspricht § 81 II InsO, wonach nicht entscheidend ist, wann der Schuldner verfügt, sondern wann sich die Verfügung vermögensbelastend auswirkt. Das ohnehin rein dogmatische 34 So ausdrücklich anlässlich der Schaffung von § 81 II InsO: BT-Drucks. 12/2443, S. 136; freilich widersprüchlich die Begründung zu § 102 des Entwurfs, ebd., S. 138. 35 BGH, 05.01.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 544. 36 Vgl. bereits Jaeger, KO, 5. Aufl. 1916, § 15 Anm. 23, zum gleichen Sachverhalt wie in der späteren BGH-Entscheidung. 37 FK-InsO/App, 7. Aufl. 2013, § 91 Rz. 4; MünchKomm-InsO/Breuer, 3. Aufl. 2013, § 91 Rz. 9. 38 Vgl. Simokat, NZI 2012, 57, 58 f.
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Argument des BGH gegen § 81 InsO, dass sich bei der Vorauszession der Erwerb nicht durch Verfügung vollziehe, weil die Verfügung mit dem Abschluss des Abtretungsvertrags beendet sei, während später nur der Rechtsübergang erfolge,39 zielt also in die falsche Richtung, weil §§ 81, 91 InsO nicht nach dem Zeitpunkt der Rechtshandlung abzugrenzen sind. Abgesehen davon ist die Dogmatik, auf die sich der BGH stützt, in sich nicht schlüssig. Sie steht in Widerspruch zu seiner Rechtsprechung im Insolvenzanfechtungsrecht, wo der Forderungsübergang dem Abtretungstatbestand zugerechnet wird,40 und provoziert nur die Frage, was eine beendete Verfügung ohne Rechtsübergang eigentlich sein soll. Sie ist erkennbar der Vorstellung einer im Voraus vereinbarten Verfügung über das entstandene Recht gezollt, dessen Wirkung später zwar „automatisch“ eintritt, erklärt aber nicht, warum dieser Automatismus nicht auf die Verfügung zurückgehen soll. Die Verfügung über künftige Forderungen ist daher entgegen der noch vorherrschenden Auffassung kein Thema von § 91 I InsO, sondern von § 81 I InsO. Maßgeblich ist nicht, wann der Schuldner verfügt, sondern wann sich die Verfügung vermögensbelastend auswirkt.
2. Schutz der Masse Dieses anhand von Wortlaut und Systematik gewonnene Ergebnis deckt sich auch mit den Zielen von § 81 InsO. § 81 InsO steht im Zusammenhang mit §§ 80, 85, 89 und 91 InsO. Gemeinsames Ziel dieser Vorschriften ist es, die Haftungszuweisung des Massevermögens zu verwirklichen: Diejenige Vermögensmasse des Schuldners, die bei Verfahrenseröffnung vorhanden ist (§ 35 InsO), soll den Zwecken des Insolvenzverfahrens dienen und ist daher vor Schmälerung zu schützen.41 § 80 InsO nimmt dafür dem Schuldner die Macht, nach der Eröffnung des 39 BGH, 18.04.2013 – IX ZR 165/12, WM 2013, 1129, 1131, und BGH, 26.01.2012 – IX ZR 191/10, NJW 2012, 1510, 1513: „Im Falle der Abtretung einer künftigen Forderung ist die Verfügung selbst bereits mit Abschluss des Abtretungsvertrags beendet. Der Rechtsübergang erfolgt jedoch erst mit dem Entstehen der Forderung.“; ebenso BGH, 22.04.2010 – IX ZR 8/07, NZI 2010, 682, 683; BGH, 14.01.2010 – IX ZR 78/09, NZI 2010, 220, 221; OLG Koblenz, 29.08.2012 – 5 U 347/12, ZInsO 2012, 1992, 1993. Ähnlich BGH, 08.01.2009 – IX ZR 217/07, WM 2009, 416, 417: „Im Falle vorinsolvenzlicher Abtretung oder Verpfändung einer künftigen Forderung ist die Verfügung mit Abschluss des Abtretungs- oder Verpfändungsvertrages beendet. Die Abtretung oder Verpfändung der künftigen Forderung enthält bereits selbst alle Merkmale, aus denen der Übertragungstatbestand besteht. Die Entstehung der abgetretenen oder verpfändeten Forderung selbst gehört sogar dann nicht dazu, wenn noch nicht einmal der Rechtsgrund für sie gelegt ist. Der Entstehung des vertraglichen Pfandrechts steht deshalb nicht schon § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO entgegen.“; s. auch Muthorst, ZIP 2009, 1794, 1798; Voß, S. 53 f. 40 Unten bei Fn. 161. 41 Bork, InsR-Einf., § 14 Rz. 140 ff.; MünchKomm-InsO/Breuer, 3. Aufl. 2013, § 91 Rz. 2; Dobmeier, NZI 2006, 144; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 10.01; Klinck, S. 179; Reischl, InsR, 2. Aufl. 2011, Rz. 306 ff. Vgl. auch BGH, 20.03.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140, 145, zu § 15 KO (§ 91 InsO).
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Insolvenzverfahrens sein Vermögen zu verwalten; § 81 InsO soll die Einwirkungsmöglichkeiten des Schuldners auf die Masse unterbinden.42 Daraus folgt, dass § 81 InsO jede vor der Insolvenz getätigte Verfügung des Schuldners unangetastet lassen muss, wenn sie den seit Eröffnung vorhandenen Massebestand nicht berührt; eine solche Verfügung sollen §§ 80 ff. InsO nicht verhindern (ihre Anfechtung steht freilich auf einem anderen Blatt, dazu B./C.). Hier ist der Vorbehalt des BGH zu verorten, dass die Verfügung über künftige Forderungen Bestand habe, wenn der Schuldner den Vermögensgegenstand bereits aus seinem Vermögen gegeben hat.43 Dass dies anzunehmen ist, wenn die im Voraus zedierte Forderung bereits vor Verfahrenseröffnung entsteht,44 ist aber eine Selbstverständlichkeit; § 81 InsO ist dann schon gar nicht eröffnet (oben 1.). Die entscheidende Frage ist vielmehr, wie die Fälle beschaffen sind, in denen die zedierte Forderung während des Verfahrens entsteht und der Schutz der Masse gleichwohl nicht berührt ist. Wie zu zeigen sein wird, ist dies immer dann der Fall, wenn die Entstehung der Forderung nicht mehr vom Willen des Insolvenzschuldners abhängig ist. a) Schwächen der vorhandenen Erklärungsansätze Die ganz herrschende Meinung bestimmt diese Fälle allerdings unter Rekurs auf die „gesicherte Rechtsposition“ des Erwerbers. Was diese gesicherte Rechtsposition ausmacht, wird dabei unterschiedlich beurteilt. Eine solche anzunehmen, wenn der Erwerber ein „Anwartschaftsrecht“ hat, führt jedenfalls nicht weiter, da die Eigenschaft einer Rechtsposition als Anwartschaftsrecht gerade für die Insolvenzfestigkeit steht, und diese hier erst zu beweisen ist.45 Ohnehin hat die Figur des Anwartschaftsrechts bei der Begründung einer künftigen Forderung keine klaren Konturen.46 Ebenso wenig trägt der Verweis auf § 161 I 2 BGB. In der Rechtsfolge bietet die Vorschrift zwar Schutz vor Insolvenz, jedoch geht es dabei nur um die bedingte Verfügung. Die unbedingte Übertragung einer künftigen Forderung regelt die Norm nicht. Allenfalls könnte man jene als Verfügung unter der Rechtsbedingung der Forderungsentstehung betrachten, aber auf Rechtsbedingungen ist § 161 BGB nicht anwendbar;47 die Norm könnte ohnehin keine gesicherte Position des Erwerbers begründen, weil die Forderungsentstehung Bedingung für jede Zession jedweder künftiger Forderungen ist, während die 42 Vgl. Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 37 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 62) zum Entwurf für die Vorgängernormen §§ 6, 7 KO; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 3. Aufl. 2013, § 80 Rz. 1. 43 BGH, 27.05.2003 – IX ZR 51/02, NJW 2003, 2744, 2746; übernommen durch BGH, 08.01.2009 – IX ZR 217/07, WM 2009, 416, 417 (Vorausverpfändung einer künftigen Forderung). 44 BGH, 07.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86, 94 – 96. Näher zu dieser Entscheidung noch bei Fn. 76 ff.; zur Berücksichtigung von § 103 InsO unten S. 448 ff. 45 Klinck, S. 178. 46 Dazu § 2 S. 28 f. u. S. 38 ff. 47 Oben A.I.
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Sicherheit des Erwerbs ganz entscheidend davon abhängt, wie weit die künftige Forderung jeweils gediehen ist.48 Was schließlich die in der Literatur angestellte Differenzierung anhand der aufschiebend bedingten Forderung angeht, so weicht sie von der Rechtsprechung ab und ist nicht über jeden Zweifel erhaben, was bisweilen zu unbefriedigenden Aussagen nötigt, dass in gewissen Fällen eine aufschiebend bedingte Forderung wie eine künftige zu behandeln sei.49 Aus der insolvenzverfahrensrechtlichen Gleichbehandlung aufschiebend bedingter mit bestehenden Forderungen (§ 191 I 1 InsO) dürfen jedenfalls keine Schlüsse für die materiell-rechtliche Insolvenzfestigkeit ihres Erwerbs geschlossen werden.50 Der Ansatz des BGH, dass die künftige Forderung aus dem Vermögen ausgeschieden ist, wenn für den Zedenten keine Möglichkeit mehr besteht, sie zurückzuerlangen,51 überzeugt nicht. Der BGH hat diesen Satz zur ihrerseits bedingten Verfügung entwickelt52 und nur dort gehört er hin. Wer hingegen endgültig und vorbehaltlos die Abtretung erklärt, hat damit zum Ausdruck gebracht, dass die Forderung, wenn sie entsteht, dem Zessionar zustehen soll, und hat eben keine Möglichkeit, die Forderung zurückzuholen. Die Masse ist quasi von vornherein um diesen Verlust belastet, da im Zeitpunkt der Eröffnung feststeht, dass nach dem Willen der Parteien die Forderung nicht dem Schuldner gehören soll. Das einzige, was bei einer unbedingten Abtretung einer künftigen Forderung beim Zedenten verbleiben kann, ist ggf. die Möglichkeit, die Entstehung der Forderung zu verhindern oder die einmal entstandene Forderung wieder zu zerstören.53 Damit lässt sich, entgegen der Auffassung des BGH,54 ein Verbleiben der Forderung im Vermögen des Schuldners aber ebenso wenig begründen. Die Masse hat nämlich nichts davon, wenn der Schuldner diesen Einfluss ausübt und die Forderung nicht entsteht. Sie wird dadurch nicht größer und, so gesehen, verliert sie auch nichts, wenn die Forderung, wie schon vor Eröffnung endgültig vereinbart, beim Zessionar entsteht. Das stand eben von vornherein fest. Das zeigt, dass diese Ansätze für die endgültig gewollte Verfügung über künftige Forderungen nicht geeignet sind. Ähnlich ungeeignet ist die Argumentation mit der gesicherten Rechtsstellung. Auch sie wurzelt in der bedingten Verfügung, namentlich in § 161 BGB, und passt nicht zur endgültigen Verfügung über eine künftige Forderung. Der Wille, die Forderung zu übertragen, steht von Anfang an fest und insofern ist jede Verfügung über eine künftige Forderung sicher; unsicher ist nur, ob die Forderung 48 Vgl. zur ähnlichen Argumentation bereits oben bei der Hypothek § 6 S. 231 f. Gegen § 161 InsO auch: Christiansen, KTS 2003, 549, 554; Klinck, S. 178 f. 49 OLG Hamm, 25.11.2010 – 27 U 191/09, ZIP 2011, 188, 189; Hmbg.Ko-InsO/Kuleisa, 4. Aufl. 2012, § 91 Rz. 9a. 50 Christiansen, KTS 2003, 549, 551 f.; Klinck, S. 178. 51 Oben bei Fn. 24. 52 Oben Fn. 11. 53 Letzteres Phänomen tritt etwa bei der Abtretung von Forderungen auf Rückgewähr einer Sicherheit im Falle einer weiten Sicherungsabrede auf, dazu S. 454 ff. 54 Oben Fn. 16.
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einmal entstehen wird. Der BGH will eine Vorauszession nicht anerkennen, wenn der Zessionar vor Verfahrenseröffnung nicht sicher sein konnte, ob die Forderung einmal entstehen wird.55 Damit stellt er nicht auf die Verfügung, sondern auf die Entstehung der Forderung ab, so dass der Zessionar nur dann sicher sein könnte, die Forderung zu erhalten, wenn sie befristet oder betagt ist. Das nähme alle von einem ungewissen Ereignis abhängenden Forderungen aus, und zwar unabhängig davon, ob ihre Durchsetzbarkeit oder ihr Entstehen ungewiss ist. Bis zum Eintritt des Ereignisses kann der Zessionar nämlich nicht sicher sein, dass er den durch die Forderung vermittelten Wert erhält. Mit dem Schutz der Masse hat das allerdings nichts zu tun, da die Unsicherheit des Zessionars, ob die endgültig abgetretene Forderung einmal entstehen wird, nichts darüber aussagt, wem sie gehört. Entsteht die Forderung einmal beim Zessionar, so ist das genauso ein Verlust für den Schuldner, einerlei, ob vorher Sicherheit über ihr Entstehen herrschte oder nicht; aber es bleibt ein Verlust, der schon mit der Endgültigkeit der Vorauszession, also vor Eröffnung angelegt war. All dies und das durchaus widersprüchliche Meinungsbild zeigen, dass keiner der herrschenden Begründungsansätze wirklich eine Lösung bietet, um den Konflikt zwischen der von den Parteien vor Insolvenzeröffnung vorgenommenen Neuzuordnung der künftigen Forderung und dem von §§ 80 ff. InsO bezweckten Masseschutz zu umschreiben. b) Einfluss des Insolvenzschuldners (= Forderungsgläubigers) auf die Entstehung der Forderung Das Defizit der herrschenden Argumentation liegt darin, dass sie bedenkenlos annimmt, dass die zedierte Forderung entstanden ist, um sodann gleich die Verteilungsfrage zu stellen. Das wird anhand folgender Rechtsprechungsbeispiele deutlich: Einem insolventen Geflügelmäster (und damit seinen Gläubigern), der noch nach Verfahrenseröffnung Hühner verkauft, soll der hieraus erlöste Kaufpreis zustehen – nicht dem Lieferanten, dem die Kaufpreisforderungen im Voraus abgetreten waren.56 Dem insolventen Arzt (und damit seinen Gläubigern), der noch nach Verfahrenseröffnung Patienten behandelt, soll das Honorar zustehen – nicht seiner Bank, der die Forderungen im Voraus abgetreten waren.57 Ein 55 BGH, 25.06.2009 – IX ZR 98/08, NJW 2009, 2677, 2678: Das Erwerbsverbot des § 91 InsO trete nur dann zurück, „wenn der Dritte bereits vor der Insolvenzeröffnung eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der ihm abgetretenen oder verpfändeten Forderung erlangt hat. Über eine solche Position verfügte die F-Bank [die Zessionarin] bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin nicht. Der allein entscheidende (starke) vorläufige Insolvenzverwalter der Schuldnerin und die Bekl., welche die laufende Rechnung fortgeführt haben, konnten vielmehr bis zur Beendigung des Kontokorrents durch weitere Verfügungen innerhalb desselben einen kausalen Saldoanspruch der Schuldnerin beseitigen.“ 56 BGH, 22.04.2010 – IX ZR 8/07, NZI 2010, 682. 57 BGH, 11.05.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 = NJW 2006, 2485 f.; BGH, 18.04.2013 – IX ZR 165/12, WM 2013, 1129, 1131.
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jedes Mal wurde Geld durch Leistung generiert und man entscheidet über die Verteilungsfrage, ohne die vorgelagerte Frage zu prüfen, warum dem generierten Geld überhaupt eine Forderung zugrunde liegen konnte. Die Entstehung von Forderungen des Insolvenzschuldners nach Verfahrenseröffnung ist ohnehin ein eher karg behandelter Bereich des Insolvenzrechts.58 Mit der Neufassung von § 7 KO in § 81 InsO ist die Problematik im Gesetz sogar noch etwas unsichtbarer geworden,59 obwohl sie wegen des Ziels der Insolvenzordnung, Unternehmensfortführung zu fördern, praktisch relevanter wird. Nach § 7 KO waren „Rechtshandlungen“ des Konkursschuldners „den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam“. § 81 InsO erklärt lediglich „Verfügungen“ des Schuldners für absolut unwirksam. Damals wie heute ist man sich indes einig, dass der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Verträge nur mit Wirkung für sein massefreies Vermögen abschließen darf:60 Weil der Schuldner die Masse nicht schmälern darf, soll er nicht unter Einsatz der Masse Verpflichtungen eingehen oder erfüllen; er verliert sämtliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Masse (§ 80 I InsO).61 Anderes gilt nur dann, wenn der Schuldner das Placet des Verwalters erhält, weil das Geschäft die Masse mehrt. Man denke nun an den Fall, dass sich der oben erwähnte Geflügelmäster vertraglich verpflichtet, die gelieferten Hühner unter Wert zu verkaufen. Der Vertrag wäre unwirksam, da seine Erfüllung Betriebsmittel beansprucht und zulasten der Masse geht (§ 80 InsO); der Insolvenzverwalter dürfte das Geschäft nicht billigen, da das Geschäft für die Masse ungünstig ist. Das aber gilt doch erst recht, wenn der Erlös aus einem Geschäft kraft Vorauszession gänzlich einem Dritten zufließen soll und damit Massevermögen eingesetzt würde, ohne dass ihm ein Gegenwert zufließt; der Insolvenzverwalter dürfte einem solchen Vertrag nicht zustimmen. Daraus folgt: Man kann das Entstehen einer Forderung in den genannten Fällen überhaupt nur denken, wenn man die Unwirksamkeit der Vorauszession annimmt. Wer die Entstehung solcher Forderungen zugrunde legt, hat in Wirklichkeit über die Unwirksamkeit der Vorauszession schon entschieden und muss die Zugehörigkeit der Forderung zur Masse nicht mehr begründen. Die Abtretung von künftigen Forderungen, die zu ihrer Entstehung ein Rechtsgeschäft des Insolvenzschuldners und den Einsatz der Masse erfordern, muss also unwirksam sein, damit die Forderung überhaupt wirksam entstehen kann.62 Forderungen, die nur mit der 58 Rechtsprechung, Gesetzgeber und Literatur betrachten die Entstehung von Forderungen nach Verfahrenseröffnung weitestgehend aus der Sicht der Gläubiger, die entweder eine wertlose Forderung gegen das massefreie Vermögen des Schuldners, eine Insolvenz- oder eine Masseforderung haben. 59 Aus diesem Grund kritisch v. Olshausen, ZIP 1998, 1093 f. 60 v. Olshausen, ZIP 1998, 1093; Simokat, NZI 2012, 57, 58 f. Vgl. auch Bork, InsR-Einf., § 14 Rz. 150. 61 MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 3. Aufl. 2013, § 81 Rz. 5. 62 Hinsichtlich des Einsatzes von Massemitteln ähnlich Voß, S. 69 f., der allerdings § 91 InsO anwendet und deshalb den rechtsgeschäftlichen Einfluss des Schuldners außer Acht lässt, vgl. ebd. S. 70: „Entscheidend für die Anwendung von § 91 InsO auf die Vorausabtretung ist das
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Willensbetätigung des Insolvenzschuldners und unter Einsatz der Masse hervorgebracht werden können, sind somit von vornherein nur als Vermögen der Masse denkbar, wenn sie nach Verfahrenseröffnung entstehen.63 Der bereits ganz früh, aber unter anderem Blickwinkel geäußerte Satz der Rechtsprechung, wonach die Vorauszession unwirksam sei, wenn die Entstehung der Forderung nach Verfahrenseröffnung vom Willen des Zedenten abhängig ist, setzt also den richtigen Akzent. Das rückt die Problematik schließlich in den richtigen Kontext, nämlich zu § 81 InsO und dem Schutz der Masse vor Beeinträchtigung durch Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners.
3. Einfluss des Zessionars oder des Drittschuldners auf die Forderungsentstehung – kein Erwartungsschutz des Zessionars Der Stand der bisherigen Untersuchung ist, dass die Forderung in ihrer Entstehung nicht mehr vom Willen des Insolvenzschuldners abhängig sein darf, damit die Vorausverfügung wirksam ist.64 Im Weiteren soll das Schicksal der Vorausverfügung untersucht werden, wenn die Entstehung der Forderung nicht mehr vom Willen des Insolvenzschuldners, aber von dem des Erwerbers oder Drittschuldners abhängt. a) BGH v. 08.01.2009 Diese Frage stand im Mittelpunkt einer jüngeren BGH-Entscheidung mit folgendem Sachverhalt:65 Der spätere Insolvenzschuldner ist Mitglied einer Genossenschaft, gegen die er laut Vereinbarung eine Forderung auf das Auseinandersetzungsguthaben erwirbt, falls ihn die Genossenschaft im Falle seiner Insolvenz ausschließt. Dieser Ausschluss erfolgt nicht automatisch, sondern liegt im Ermessen der Genossenschaft. Die künftige Forderung auf das Auseinandersetzungsguthaben verpfändet der Insolvenzschuldner noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Genossenschaft zur Sicherung eines ihm gewährten Kredits.66 Der BGH hielt die Vorausverfügung für unwirksam, da es an Werthaltigmachen der abgetretenen Forderung unter Verbrauch von Mitteln der Insolvenzmasse, die ohne Erfüllung für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung gestanden hätten.“ Zur Relevanz des Umstands, dass die künftigen Forderungen mit Mitteln der Masse begründet werden, Marotzke, KTS 1979, 40, 46 ff.; Ringstmeier, S. 113 f. 63 Im Ergebnis ebenso Voß, S. 64 – 70. 64 Die Einschränkung, dass dies nur gilt, wenn die Verträge unter Einsatz der Masse zu erfüllen sind, wird im Folgenden der einfachen Formulierung halber beiseite gelassen, zumal solche „massefreien“ Neuverträge in der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Rolle spielen. 65 BGH, 08.01.2009 – IX ZR 217/07, WM 2009, 416 = NJW-RR 2009, 755 = NZG 2009, 355. 66 Richtigerweise sieht der BGH bei der Verpfändung keine Besonderheiten gegenüber der Zession und berücksichtigte daher in seinen rechtlichen Ausführungen zum Pfandgläubiger stets auch parallel den Zessionar.
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einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gefehlt habe, weil das Entstehen der Forderung nicht ipso iure erfolgte, sondern von einer Willensbetätigung des Erwerbers (der Entscheidung des Vorstands der Genossenschaft über den Ausschluss)67 abhängig war.68 Dieser Ansatz überzeugt nicht und sollte nicht weiterbetrieben werden.69 Mit § 81 InsO hat er nichts zu tun, da § 81 InsO die Masse schützt, indem er die Einwirkungsmöglichkeiten des Insolvenzschuldners auf die Masse unterbinden möchte.70 Diese stehen hier nicht in Rede. Der vom BGH herangezogene § 91 InsO kann kein anderes Ergebnis rechtfertigen, da diese Vorschrift ebenso die Masse schützt. Diese ist hier jedoch nicht berührt, da schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens feststand, dass dem Erwerber ein Recht an der Forderung zustehen soll, wenn er sich entscheidet, sie zur Entstehung zu bringen, und ohne auf die Verfügungsbefugnis des Schuldners angewiesen zu sein. Nicht umsonst war für den BGH ein ganz anderer Aspekt als der Masseschutz maßgeblich, nämlich der Vertrauensschutz des Erwerbers. Der BGH rekurrierte ausdrücklich auf Gläubigerschutzerwägungen aus § 95 InsO, deren Berechtigung dort selbst zweifelhaft ist (vgl. § 4 S. 90 ff.); er sprach dem Erwerber eine gesicherte Rechtsposition ab, da dem Vorstand der Genossenschaft ein Ermessen hinsichtlich des Ausschlusses des Insolvenzschuldners verblieb und daher noch im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung unklar war, ob die Forderung entstehen werde.71 Über den Ansatz der „gesicherten Rechtsposition“, der dem fragwürdigen Vergleich mit § 161 I 2 BGB entstammt und an sich dazu gedacht war zu erklären, dass nicht zur Masse gehört, was bereits ausgeschieden ist, vollzog der BGH also einen Schwenk hin zur Perspektive des Erwerbers und damit einen Schwenk vom Masseschutz zum Vertrauensschutz des Erwerbers. Den BGH hat offenbar gestört, dem Erwerber etwas zuzusprechen, auf dessen Erhalt dieser bei Vornahme der Vorausverfügung nicht sicher vertrauen konnte. Bei §§ 80 ff. InsO geht es allerdings nicht darum, dem Erwerber all das abzuerkennen, von dem er noch nicht sicher glauben konnte, dass es entsteht. Für §§ 80 ff. InsO ist vielmehr bedeutsam, ob der Gegenstand, über den verfügt wurde, bei Eröffnung bereits aus dem Vermögen ausgeschieden war, weil sie den Schutz der bei Verfahrenseröffnung vorhandenen Masse für die Insolvenzgläubiger im Auge haben.72 Deren Schutz stand 67 Der Erwerber war hier zugleich der Drittschuldner, da es um ein Pfandrecht an der eigenen Schuld ging (dazu § 7 Fn. 7). Dem BGH ging es allerdings um den Einfluss des Pfandgläubigers auf die Forderungsentstehung, also um den Erwerber. 68 BGH, 08.01.2009 – IX ZR 217/07, WM 2009, 416, 417 f. 69 Im Ergebnis auch Christiansen, KTS 2003, 549, 553. 70 Vgl. Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 37 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 62) zum Entwurf für die Vorgängernormen §§ 6, 7 KO; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 3. Aufl. 2013, § 81 Rz. 1. 71 BGH, 08.01.2009 – IX ZR 217/07, WM 2009, 416, 418. 72 So der BGH selbst, 20.03.1997 – IX ZR 71/96, BGHZ 135, 140, 145; Klinck, S. 179; FKInsO/App, 7. Aufl. 2013, § 81 Rz. 2, 4; MünchKomm-InsO/Breuer, 3. Aufl. 2013, § 91 Rz. 2; ferner oben S. 439 ff.
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
hier nicht in Frage, da sich der Insolvenzschuldner bereits im Vorhinein durch die Vorausverfügung jeden Einflusses auf das Entstehen der Forderung begeben hat. Ökonomisch gesprochen hat der Schuldner seine Investitionsentscheidung schon vor der Verfahrensöffnung getroffen.73 Zwar rufen Verfügungssperren, wie auch § 81 InsO eine ist, per se Vertrauensschutzerwägungen auf den Plan.74 Diese dienen aber der Einschränkung der Verfügungssperren zugunsten des redlichen Verkehrs (vgl. nur §§ 81 I 2, 91 II InsO).75 Hier dehnt der BGH mit Vertrauensschutzerwägungen die Verfügungssperre aber gerade aus und wendet damit sogar den Vertrauens„schutz“ gegen den Erwerber. b) BGHZ 181, 362 Noch im gleichen Jahr setzte der BGH in BGHZ 181, 362 sein neues Verständnis von der gesicherten Rechtsposition fort und gab dabei explizit seine frühere Rechtsprechung zu einem gleichgelagerten Sachverhalt auf.76 Dass er sich zur Begründung – gleichermaßen – auf die eben kritisierte Entscheidung zum verbleibenden Einfluss des Zessionars sowie eine jüngere Entscheidung zum verbleibenden Einfluss des Insolvenzschuldners berief,77 zeigt, dass er sich der Unterschiede und damit der Dimension seiner Kurskorrektur nicht bewusst war. Eine Ursache hierfür mag sein, dass der BGH in der zugleich aufgegebenen Entscheidung keine klare Begründungslinie verfolgt hatte, sondern sich u. a. abstrakt darauf stützte, dass die zedierte Forderung eine aufschiebend bedingte sei, welche als solche von § 15 KO (heute: § 91 InsO) nicht betroffen sein könne.78 Die Literatur, welche die frühere Entscheidung noch unterstützt hatte, stimmte dem Meinungsumschwung des BGH und seiner Begründung sogleich zu.79 In dem komplexen Sachverhalt trat der spätere Insolvenzschuldner alle seine künftigen Forderungen gegen die Beklagte zur Sicherheit an den Zessionar ab. Die gegen die Beklagte laufend entstehenden Forderungen wurden in ein Kontokorrent nach § 355 HGB eingestellt.80 Im weiteren Verlauf wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter hielt die Abtretung für 73
Vgl. Klinck, S. 179 f. Vgl. Klinck, S. 169, dort zur Insolvenzanfechtung. 75 Klinck, S. 169 f. 76 BGH, 25.06.2009 – IX ZR 98/08, BGHZ 181, 362 = NJW 2009, 2677, 2678, unter Aufgabe von BGHZ 70, 86. 77 Verweis in Tz. 11 sowohl auf BGH, 11.05.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 = NJW 2006, 2485 (oben Fn. 57) als auch auf die eben kritisierte Entscheidung (BGH, 08.01.2009 – IX ZR 217/07, WM 2009, 416. 78 BGH, 07.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86 = NJW 1978, 538, 539 f.; zur dort ebenfalls angestoßenen Diskussion um die „juristische Sekunde“ BGH, 25.06.2009 – IX ZR 98/08, NJW 2009, 2677, 2678 Tz. 10 m. w. N. 79 Kuleisa, InsVZ 2010, 203, 204; HK-Kreft/Kayser, 6. Aufl. 2011, § 91 Rz. 21. Kritisch hingegen Huber, ZInsO 2012, 1343, 1348 f. 80 Zum praktischen Hintergrund dieser Kontokorrentabrede Huber, ZInsO 2012, 1343, 1347 f. 74
A. Insolvenzbeschlag (§§ 80 ff. InsO)
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unwirksam und reklamierte den Kontokorrentsaldo für die Masse. Die abstrakte Saldoforderung konnte in der Tat nicht wirksam abgetreten sein, da zu ihrem Entstehen noch die Anerkennung des Rechnungsabschlusses durch den – nun nicht mehr verfügungsbefugten – Insolvenzschuldner erforderlich war.81 Als Gegenstand der Vorausabtretung kam allenfalls die kausale Forderung auf den Schlusssaldo in Betracht. Diese konnte vor Verfahrenseröffnung wegen ihrer Kontokorrentbindung allerdings noch nicht von der Abtretung erfasst sein.82 Da die Kontokorrentbindung jedoch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach §§ 115, 116 InsO entfällt, war Gegenstand des Rechtsstreits, ob die mit Wegfall des Kontokorrents entstehende kausale Forderung auf den Schlusssaldo (§ 355 III HGB) Gegenstand einer Vorausabtretung sein kann. Es geht um den schwierigen Fall, dass die als künftig zedierte Forderung genau mit Verfahrenseröffnung entsteht. Die zentrale Frage war, ob § 91 InsO zurückzutreten habe, was der BGH früher noch bejaht hatte.83 Die Anwendbarkeit von § 91 InsO begründete der BGH damit, dass das Entstehen der Forderung gemeinsam mit der Verfahrenseröffnung nicht bedeute, dass sie vor Verfahrenseröffnung entstanden ist; die „juristische Sekunde“ ihrer Entstehung sei vielmehr in das Verfahren zu rechnen. Anders als früher sprach der BGH dem Zessionar eine gesicherte Rechtsposition ab. Grund dafür war, dass der Zedent und der beklagte Kontokorrentpartner bis zur Insolvenzeröffnung den Saldo durch weitere Verfügungen abbauen und die kausale Saldoforderung damit hätten beseitigen können.84 Mit anderen Worten konnte der Zessionar vor Insolvenzeröffnung nicht sicher sein, ob der Saldo überhaupt positiv ausfallen werde. Auffallend ist, dass es ausnahmslos um den Saldo aus solchen Forderungen ging, die vor Verfahrenseröffnung bereits entstanden waren. Hätte es die Kontokorrentabrede nicht gegeben, so wären daher alle Forderungen auf den Zessionar übergegangen, ohne dass §§ 80 ff. InsO berührt gewesen wären. Der nach § 81 InsO zu bannende Einfluss des Insolvenzschuldners auf die Entstehung der Forderung stand also nicht in Rede.85 Mit Eröffnung herrschte vielmehr bereits Klarheit darüber, in welcher Höhe die zedierten Forderungen existierten. Die Argumentation, dass der Zessionar nicht sicher sein konnte, ob eine Forderung entstehen werde, entrückt die Beurteilung der Vorauszession also vollends den §§ 80 ff. InsO hin zu einem Vertrauensschutz des Zessionars. Nach hier vertretener Auffassung hat der BGH nur die Abtretung der abstrakten Saldoforderung richtig bewertet, da zu ihrem Entstehen ein Rechtsgeschäft 81 Übereinstimmend BGH, 25.06.2009 – IX ZR 98/08, NJW 2009, 2677, 2678; BGH, 07.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86 = NJW 1978, 538, 540. 82 BGH, 25.06.2009 – IX ZR 98/08, NJW 2009, 2677, 2678 Tz. 9. 83 BGH, 07.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86 = NJW 1978, 538, 540 (Ziffer III.2.a/c), der auf derselben rechtlichen Prämisse entschied (d. h. keine wirksame abstrakte Saldoforderung, Kontokorrentbindung der kausalen Saldoforderung bis zur Konkurseröffnung und Schwankungsanfälligkeit der Saldoforderung in der Zeit vor Konkurseröffnung). 84 BGH, 25.06.2009 – IX ZR 98/08, NJW 2009, 2677, 2678 Tz. 11; Kuleisa, InsVZ 2010, 203, 204. 85 Zur Anfechtung von Kontokorrentverrechnungen Bork, FS Kirchhof, S. 57.
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
des Insolvenzschuldners erforderlich war. Die Vorauszession der kausalen Saldoforderung (§ 355 III HGB) muss hingegen wirksam sein,86 und zwar unabhängig davon, ob diese in der „Sekunde“ vor87 oder nach88 Insolvenzeröffnung entstanden ist, sowie unabhängig davon, ob sie vor Insolvenzeröffnung noch auf null reduzierbar89 war oder nicht90. Der Grund dafür ist, dass ihre Entstehung nicht mehr vom Willen des Insolvenzschuldners abhängig ist. c) Notwendigkeit einer Kurskorrektur Der BGH ist auf eine falsche Fährte geraten, als er die Auslegung der §§ 80 ff. InsO auf den Vertrauensschutz ausgerichtet hat. Bezeichnend ist, dass der BGH in einigen Entscheidungen auf den Gläubigerschutz der Aufrechnung Bezug genommen hat. Ein Vorbote dieser Entwicklung war seine Orientierung an der aufschiebend bedingten Verfügung über ein bestehendes Recht, an § 161 BGB und dem Anwartschaftsrechtsgedanken, der die Rechtsstellung des Erwerbers in das Blickfeld rückt. Gerade was die aufschiebend bedingte Verfügung über bestehende Forderungen angeht, findet häufig eine „Querverwertung“ von Begründungsmustern statt, obwohl die bedingte Verfügung genügend Unterschiede aufweist, kraft der man beide Konstruktionen streng auseinanderhalten sollte.91 Dadurch geraten Wertungen durcheinander, die ganz unterschiedlichen Interessenlagen gerecht werden müssen.92 Für die Zukunft gilt es, diesen Pfad wieder zu verlassen, die Vorauszession mit der im Vordringen begriffenen Auffassung an § 81 InsO zu messen und sie immer dann als wirksam anzusehen, wenn die Entstehung der Forderung nicht mehr vom einseitigen Willen des Insolvenzschuldners abhängig war.
4. Ausnahme in Hinblick auf §§ 103, 110 InsO, 114 InsO a. F.? § 110 InsO ist eine Spezialvorschrift; gleiches galt für § 114 InsO a. F.93 § 110 I InsO soll sicherstellen, dass die der Vorschrift unterfallenden Mietforderungen weitestgehend der Masse erhalten bleiben, so dass ihre Vorausabtretung nur für den bei 86 Voraussetzung ist freilich die präzise Auslegung des Wortlauts der jeweiligen Abtretungsklausel, ob sie sich nur auf die abstrakte oder auch auf die kausale Saldoforderung beziehen sollte, vgl. insoweit BGH, 07.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86 = NJW 1978, 538, 540. 87 BGH, 07.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86 = NJW 1978, 538, 540. 88 BGH, 25.06.2009 – IX ZR 98/08, NJW 2009, 2677, 2678. 89 BGH, 25.06.2009 – IX ZR 98/08, NJW 2009, 2677, 2678. 90 BGH, 07.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86 = NJW 1978, 538, 540. 91 Das hat bereits Serick, in: 100 Jahre KO, S. 271, 284, mit dem Hinweis angemahnt, dass es an einem „gemeinsamen Nenner“ zwischen beiden Erscheinungen fehlt. In diesem Sinne auch Eckardt, ZIP 1997, 957, 959 Fn. 18. 92 Speziell dazu Serick, in: 100 Jahre KO, S. 271, 284 – 286. 93 Aufgehoben mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BGBl. 2013-I, 2379.
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Verfahrenseröffnung laufenden Kalendermonat wirksam ist;94 § 114 I InsO betraf die Vorauszession über Forderungen aus einem Dienstverhältnis.95 Interessant ist, dass man § 114 I InsO noch auf der Vorstellung geschaffen hatte, dass solche Vorausverfügungen wirksam seien, während der Gesetzgeber infolge der neueren Rechtsprechung „zum Zeitpunkt des Rechtserwerbs bei Vorausverfügungen“ Zweifel an dieser Einschätzung hat.96 Solche Zweifel rechtfertigend, geht der BGH bei der Anwendung von § 110 I InsO davon aus, dass die Vorausverfügung ohne die Vorschrift unwirksam wäre.97 Wegen ihres Sondercharakters eignen sich die Vorschriften aber nicht zur Ermittlung der allgemeinen Voraussetzungen, unter denen eine Vorausverfügung insolvenzfest ist; sie ergeben sich allein aus §§ 80 ff. InsO.98 Anders verhält es sich mit dem Schutz des Wahlrechts des Insolvenzverwalters aus § 103 InsO, der in der Literatur als eine Art „Rückausnahme“ zur Insolvenzfestigkeit des Erwerbs aufschiebend bedingter Forderungen aufgeführt wird.99 Hier geht es um die Zession künftiger Forderungen, die aus Verträgen erwachsen, welche noch vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen, bis dahin aber noch nicht (vollständig) erfüllt worden sind. Beispielhaft ist die Leitentscheidung, die der BGH noch zu § 17 KO gefällt hatte,100 dem § 103 InsO ohne eine hier maßgebliche Änderung in der Sache entspricht: Der spätere Schuldner trat der finanzierenden Bank seine künftigen Forderungen aus dem Verkauf von Möbeln zur Sicherheit ab. Noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens schließt er mit Kunden entsprechende Kaufverträge, die bis dahin jedoch unerfüllt bleiben. Der Konkursverwalter wählt die Erfüllung dieser Verträge, liefert die Möbel und zieht die Kaufpreisforderungen ein. Der BGH ging zutreffend davon aus, dass die Kaufpreisforderungen mit Abschluss der Verträge und damit vor Verfahrenseröffnung entstanden sind und die Vorauszession daher unter dem Gesichtspunkt des § 15 KO (heute: § 91 InsO) an sich nicht zu beanstanden wäre.101 Nach damaliger Auffassung des BGH bewirkte die Konkurseröffnung allerdings, dass Forderungen aus noch nicht erfüllten Verträgen erlöschen und
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MünchKomm-InsO/Eckert, 3. Aufl. 2013, § 110 Rz. 1. Vgl. BGH, 20.12.2012 – IX ZR 130/10, ZInsO 2013, 337, 340; BGH, 20.09.2012 – IX ZR 208/11, NZI 2013, 42, 44; BGH, 11.05.2006 – IX ZR 247/03, NJW 2006, 2485, 2486; MünchKomm-InsO/Caspers, 3. Aufl. 2013, § 114 Rz. 2; Christiansen, ZInsO 2010, 653, 661. 96 BT-Drucks. 17/11268 v. 31.10.2012, dort zu Nr. 15; Grote, ZInsO 2010, 1974, 1975: „Der Gesetzgeber war sich bei der Schaffung des § 114 InsO über die Wirkungen der Vorschrift im Unklaren. “. 97 BGH, 25.04.2013 – IX ZR 62/12, WM 2013, 1040, 1042. Vgl. auch OLG Koblenz, 29.08.2012 – 5 U 347/12, ZInsO 2012, 1992, 1993. 98 Dementsprechend wendet BGH, 25.04.2013 – IX ZR 62/12, WM 2013, 1040, 1042, § 110 I InsO nicht an, wenn die Vorausverfügung schon nach § 91 InsO wirksam wäre. Zur Kritik an dieser Entscheidung aber noch sogleich unten 5.a. 99 Vgl. Klinck, S. 179 f. m. w. N. 100 BGH, 20.12.1988 – IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236 = NJW 1989, 1282. 101 BGH, 20.12.1988 – IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236 = NJW 1989, 1282, 1283. 95
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erst durch die Erfüllungswahl wieder neu entstehen.102 Deshalb ließ der BGH die Vorausverfügung doch an § 15 KO scheitern mit dem Argument, dass diese (neu entstandenen) Forderungen nach Verfahrenseröffnung entstanden seien.103 In Wirklichkeit war die Neuentstehung für die Frage der Konkursfestigkeit der Vorausverfügung allerdings nicht ausschlaggebend, sondern ein lediglich dogmatisches Argument. Das wurde spätestens deutlich, als der BGH von der „Erlöschenstheorie“ abrückte und zu der Auffassung überging, dass Forderungen aus noch unerfüllten Verträgen bestehen bleiben und lediglich ihre Durchsetzbarkeit verlieren.104 Hier kann nämlich von einer Entstehung der Forderung nach Verfahrenseröffnung nicht mehr die Rede sein und dennoch hielt der BGH daran fest, die Vorausverfügung über solche Forderungen als unwirksam anzusehen.105 In der Sache ging es dem BGH nämlich nicht um § 15 KO, sondern um den Schutz des Wahlrechts des Verwalters (§ 17 KO, § 103 InsO), mit dem dieser Verträge fortführen können soll, deren Ausführung im Sinne der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger die Masse bereichern würde:106 Dieser Wahl würde der Schuldner ihren Sinn nehmen, wenn durch seine im Voraus erklärte Verfügung die Gegenleistung aus solchen Verträgen der Masse gar nicht mehr zugutekommen könnte.107 Die Ausübung des Wahlrechts zugunsten der Erfüllung wäre schlechthin unwirksam, wenn dadurch nur der Zessionar begünstigt würde.108 Das liegt auf einer Linie mit der für § 81 InsO geltenden Erwägung, wonach die Vorausverfügung keine Geltung mehr beanspruchen kann, wenn die Entstehung der Forderung noch auf ein Rechtsgeschäft des Schuldners angewiesen ist.109 Daraus lässt sich als allgemeines Prinzip ableiten, dass die Anerkennung der Vorausverfügung im Insolvenzrecht weniger ein Problem des Entstehungsgrades der Forderung ist, als vielmehr die Abhängigkeit ihrer Durchsetzung vom Willen 102 BGH, 20.12.1988 – IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236 = NJW 1989, 1282, 1283 f.; vgl. auch BGH, 21.11.1991 – IX ZR 290/90, BGHZ 116, 156, 158. Zur sog. „Erlöschenstheorie“ und ihrer Aufgabe Huber, NZI 2002, 467. 103 BGH, 20.12.1988 – IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236 = NJW 1989, 1282, 1284; Voß, S. 83. 104 Zur Aufgabe der Erlöschenstheorie: BGH, 25.04.2002 – IX ZR 313/99, NJW 2002, 2783, 2785; Huber, NZI 2002, 467; Voß, S. 94 – 99. 105 BGH, 25.04.2002 – IX ZR 313/99, NJW 2002, 2783, 2785, und für die Insolvenzordnung BGH, 09.03.2006 – IX ZR 55/04, NJW-RR 2006, 990, 991. Im Ergebnis zustimmend Henckel, FS Kirchhof, S. 191, 206 f.; HK-Kreft/Kayser, 5. Aufl. 2008, § 91 Rz. 22, der in einem „Qualitätssprung“ der Forderung zur Masseforderung ihre Neuentstehung ausmacht. Das ist fantasievoll, aber abzulehnen, da die Forderung nicht neu entsteht und es einer solchen Konstruktion nicht bedarf. Kritisch in Hinblick auf § 166 II InsO HK-Kreft/Marotzke, 5. Aufl. 2008, § 103 Rz. 19. 106 Voß, S. 99. Zur Schutzrichtung von § 103 InsO im Dienst der Gläubigergleichbehandlung Uhlenbruck/Wegener, InsO, 13. Aufl. 2010, § 103 Rz. 1 – 3. 107 Ausdrücklich: BGH, 20.12.1988 – IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236 = NJW 1989, 1282, 1284. Ebenso Voß, S. 99 – 124 m. w. N. Zum „Gegenleistungsgrundsatz“, wonach bei Leistungen aus der Masse die Gegenleistung in die Masse fließen muss, Gerhardt, GS Knobbe-Keuk, S. 169, 176. 108 Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 20.20. 109 Voß, S. 124, spricht von der Fortwirkung des Insolvenzbeschlags gemäß §§ 80 ff. InsO auf die zur Erfüllung einzusetzenden Massemittel.
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des Insolvenzschuldners respektive des Insolvenzverwalters. Im Zusammenhang mit § 103 InsO macht es nicht einmal einen Unterschied, ob die Forderungen als künftig oder als bestehend abgetreten worden sind, da es um die Folgen der Insolvenzeröffnung zu einem Zeitpunkt geht, in dem auch als künftig abgetretene Forderungen häufig schon entstanden sind.110 Damit ist jedenfalls der Schutz des Wahlrechts – unter dogmatischen Gesichtspunkten – kein Spezifikum innerhalb der Dogmatik künftiger Forderungen, sondern allenfalls eine Bestätigung dafür, dass Verfügungen des Insolvenzschuldners vor Verfahrenseröffnung keinen Bestand in der Insolvenz haben können, wenn die Entstehung oder Durchsetzbarkeit der Forderung noch auf einen Willensakt des Insolvenzschuldners bzw. Insolvenzverwalters angewiesen ist.
5. Gegenprobe anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung Im Folgenden sollen die gewonnenen Ergebnisse anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Wirksamkeit der Vorausverfügung überprüft werden. Nach der Würdigung einiger Entscheidungen zu verschiedenen Sachverhalten (a.) verdient die Abtretung von künftigen Forderungen auf Rückgewähr einer Grundschuld eine gesonderte Darstellung, da sie in der Praxis bedeutend ist111 und ihrer Insolvenzfestigkeit besondere Aktualität zukommt (b.).112 a) Verschiedenes In der ältesten BGH-Entscheidung zur Thematik ging es um eine vor Konkurseröffnung abgetretene Kaufpreisforderung aus einem künftig vorzunehmenden Grundstücksverkauf, den der Konkursverwalter dann tatsächlich tätigte.113 Maßgeblich war für den BGH, dass die Forderung noch nicht aus dem Vermögen ausgeschieden sein könne, wenn der Schuldner bzw. Konkursverwalter durch Unterlassen des Geschäfts deren Entstehung noch verhindern konnte. Das deckt sich mit den hier ermittelten Vorgaben, da die Forderung seinerzeit vom Willen des Schuldners und dem Einsatz des Massevermögens abhängig war. Aus dem gleichen Grund verbleiben die im Voraus zedierten Honorarforderungen eines Kassenarztes für nach Insolvenzeröffnung vorgenommene Behandlungen bei der Masse114 sowie die Kaufpreisforderungen des Geflügelmästers aus seinen 110 Ringstmeier, S. 25. Denkbar sind freilich auch aufschiebend bedingt abgeschlossene Verträge, deren Bedingung erst nach Insolvenzeröffnung eintritt: Dann korrigiert § 103 InsO auch Forderungen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung noch nicht entstanden waren. 111 Kesseler, NJW 2012, 577. 112 BGH, 10.11.2011 – IX ZR 142/10, NZI 2012, 17; BGH, 09.03.2006 – IX ZR 11/05, BGHZ 166, 319 (zur Vormerkungsfähigkeit; dazu näher bereits § 5 S. 195 ff.). 113 BGH, 05.01.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 544. 114 BGH, 11.05.2006 – IX ZR 247/03, NJW 2006, 2488.
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
nach Insolvenzeröffnung vorgenommenen Verkäufen.115 Ebenso nicht weiter problematisch ist eine neuere Entscheidung des BGH, welche einer vor Insolvenzeröffnung erfolgten Abtretung einer künftigen Forderung des Schuldners auf den Rückkaufswert seiner Lebensversicherung gegenüber § 91 InsO Unbedenklichkeit attestiert.116 Hier verblieben dem Schuldner bzw. seinem Insolvenzverwalter kein Einfluss mehr auf das Entstehen der Forderung, da sie kein Kündigungsrecht mehr hatten und die Einstellung der Prämienzahlungen das Entstehen der Forderung nicht hätte beeinflussen können; auch die Erfüllungswahl nach § 103 InsO wurde durch die Vorausverfügung in casu nicht beeinträchtigt.117 Zu betonen gilt es indes, dass es – entgegen der Tendenz des BGH – nicht ausschlaggebend ist, dass der Insolvenzschuldner bereits vor Insolvenzeröffnung keinen Einfluss mehr auf das Entstehen der Forderung hatte; wichtig ist nur, dass im Zeitraum danach kein Rechtsgeschäft des Insolvenzschuldners mehr erforderlich ist. Mit diesem Grundsatz lässt sich auch die Insolvenzbeständigkeit der Vorausverfügung über künftige Forderungen aus Leasingverträgen erklären. Sie wird traditionell damit gerechtfertigt, dass Leasingforderungen betagt und nicht aufschiebend befristet seien.118 Das in der Sache erzielte Ergebnis lässt sich allerdings ebenso mit den hier ermittelten Vorgaben erklären. Es geht um Leasingraten für einen Nutzungszeitraum nach Verfahrenseröffnung, wenn der Vertragsschluss und die Überlassung des Leasingguts vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt und die Leasingforderungen im Voraus (i. d. R. an den Finanzierer) abgetreten worden sind. § 103 InsO ist nicht anwendbar (§ 108 I 2 InsO).119 Der BGH argumentiert, dass die Forderungen als nur noch betagte schon vor Eröffnung entstanden waren, so dass kein Erwerb nach Verfahrenseröffnung vorliege und § 91 InsO nicht entgegenstehe. Das gelte sowohl für die Forderungen aus der Grundmietzeit, wenn diese bei Eröffnung noch nicht abgelaufen war, als auch für Forderungen aus einer weiteren Vertragslaufzeit.120 Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man die Vorausverfügung richtigerweise an § 81 InsO misst, da die Forderungen – unabhängig davon, wann sie entstehen – in den vom BGH entschiedenen Fällen zu ihrer
115
BGH, 22.04.2010 – IX ZR 8/07, NZI 2010, 682, 683. BGH, 26.01.2012 – IX ZR 191/10, NJW 2012, 1510, 1513 f. (Tz. 31 f.). In casu ging es zwar um eine Pfändung vor Insolvenzeröffnung, da der BGH nach Auslegung der zeitlich früher vereinbarten Vorausabtretung zu dem Ergebnis gelangt war, dass diese die streitgegenständlichen Forderungen sachlich nicht erfasst. Der BGH stützte seine Ausführungen jedoch auf eine gedachte Vorausabtretung und übertrug diese Ergebnisse dann auf die Pfändung. 117 Ausdrücklich: BGH, 26.01.2012 – IX ZR 191/10, NJW 2012, 1510, 1513 f. (Tz. 33). 118 BGH, 25.04.2013 – IX ZR 62/12, WM 2013, 1040, 1043; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 91 Rz. 35; Hmbg.Ko-InsO/Kuleisa, 4. Aufl. 2012, § 91 Rz. 12. Allgemein zum Entstehungszeitpunkt dieser Forderungen § 2 S. 48 f. 119 Hmbg.Ko-InsO/Kuleisa, 4. Aufl. 2012, § 91 Rz. 12. Daher sichert § 108 InsO im Ergebnis die Vorausverfügung vor einer Unwirksamkeit nach §§ 80 ff. InsO, Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 91 Rz. 55. 120 BGH, 14.12.1989 – IX ZR 283/88, NJW 1990, 1113, 1115; vgl. auch BGH, 25.04.2013 – IX ZR 62/12, WM 2013, 1040, 1043. 116
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Durchsetzung nicht auf ein Rechtsgeschäft des Schuldners angewiesen waren; das gilt auch für die Zeit nach der Grundmietzeit, wenn die Laufzeitverlängerung automatisch erfolgt, solange der Leasingnehmer nicht gekündigt hat.121 Nicht zugestimmt werden kann dem BGH allerdings, dass – abgesehen von Normen wie § 110 InsO – die Abtretung aufschiebend befristeter Forderungen generell unwirksam sei,122 da hier der Einfluss des Insolvenzschuldners ebenso wenig in Rede steht.123 Scheinbar aus der Reihe fällt die folgende Entscheidung:124 Der Käufer und spätere Insolvenzschuldner kauft ein Grundstück. Dem Käufer wird ein vertragliches Rücktrittsrecht eingeräumt. Die sich aus einem potentiellen Rücktritt ergebende künftige Forderung auf Rückzahlung des Kaufpreises tritt der Käufer im Voraus an den Zessionar ab. Dieser hat den Kauf durch eine Vorleistung an den Verkäufer finanziert. Nach Insolvenzeröffnung übt der Käufer – durch einen im Voraus wirksam Bevollmächtigten – das Rücktrittsrecht aus. Das Berufungsgericht hatte die Wirksamkeit der Vorauszession abgelehnt, da die bedingte Rückzahlungsforderung nicht ohne Zutun des Insolvenzschuldners entstehen konnte bzw. von dessen Willen abhing.125 Der BGH widersprach dem – in der Argumentation nicht überzeugend –, indem er Zuflucht zum „Rechtsboden“ der Forderung nahm, der angeblich bereits mit Abschluss des Kaufvertrags und Zahlung des Kaufpreises gelegt gewesen sei.126 Warum der BGH dennoch richtig liegt, wird durch eine im Sachverhalt vergleichbare frühere Entscheidung deutlich, auf die er verweist: Dort hatte der BGH sogar zugestanden, dass es ob der Abhängigkeit der Forderungsentstehung vom Willen des Schuldners an einem Rechtsboden fehlte, dem aber folgendes hinzugefügt: „Das künftige Recht ist jedoch der Masse nicht nur dann vorweg entzogen, wenn der Zessionar an diesem eine Anwartschaft erlangt hatte; die durch § 15 KO [§ 91 InsO] gesicherte haftungsrechtliche Zuweisung des bei Konkurseröffnung vorhandenen Schuldnervermögens zur Masse (§ 1 KO [§ 35 InsO]) bleibt auch dann unberührt, wenn das abgetretene künftige Recht nur die Rückgewähr der Leistung zum Gegenstand hat, mit der das vorher wirksam abgetretene Recht erkauft worden war.“ Das bestätigt zweierlei: Erstens, dass es auf den Schutz der Masse ankommt, und zweitens, dass ein gesicherter Erwerb des Zessionars nicht erforderlich ist. Obwohl die Forderungsentstehung vom Willen des Insolvenzschuldners abhängig war, ist auch die Entscheidung für die Wirksamkeit der Vorausverfügung zutreffend, da der Zessionar den Kauf des Insolvenzschuldners vollständig finanziert hat und deshalb der Schutz der Masse vor nachteiligen Handlungen des Schuldners durch die Abtretung der Rückzahlungsforderung gar nicht betroffen 121
Vgl. BGH, 14.12.1989 – IX ZR 283/88, NJW 1990, 1113, 1115 f. BGH, 25.04.2013 – IX ZR 62/12, WM 2013, 1040, 1043 (in Bezug auf § 91 InsO). 123 Gegen die Differenzierung nach Betagtheit oder Befristung auch Christiansen, S. 211. 124 BGH, 27.05.2003 – IX ZR 51/02, NJW 2003, 2744. 125 Vgl. BGH, 27.05.2003 – IX ZR 51/02, NJW 2003, 2744, 2746. 126 Kritisch zur Argumentation in diesem Punkt auch Christiansen, KTS 2003, 549, 555 u. 556. 122
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
war.127 Wenn der Zessionar eine Leistung auf einen fremden Vertrag erbracht hat, soll er sie auch zurückerhalten, wenn der Vertrag nicht zur Ausführung kommt. Die Parteien hätten nämlich anstatt der Abtretung ebenso regeln können, dass der finanzierende Dritte die Leistung aufgrund eigenen Anspruchs zurückfordern können soll, ohne dass dann die Insolvenz des Käufers Probleme aufgeworfen hätte.128 Damit liegen auch diese beiden Entscheidungen ganz auf der Linie der oben erzielten Ergebnisse. b) Abtretung künftiger Forderungen auf Rückgewähr einer Grundschuld Wenn eine Grundschuld – wie üblich – nicht auflösend bedingt bestellt wird, verbleibt sie nach Erschöpfung des Sicherungszwecks beim Gläubiger; dem Sicherungsgeber steht lediglich ein Anspruch auf Rückgewähr zu.129 In der Praxis werden diese Rückgewährforderungen sehr häufig zu einem Zeitpunkt abgetreten, da diese noch künftig sind.130 Eine solche Abtretung erfolgt üblicherweise bei der Bestellung nachrangiger Grundschulden.131 Der Sicherungsgeber tritt dem nachrangigen Grundschuldgläubiger seine künftige Rückgewährforderung ab, so dass dieser die vorrangige Grundschuld verlangen kann, wenn diese nicht mehr benötigt wird; das hat eine rangverstärkende Wirkung.132 Die Rückgewährforderung entsteht, wenn der Sicherungsvertrag für die vorrangige Grundschuld beendet wird oder deren Sicherungszweck erschöpft ist. Wann dies der Fall ist, hängt von der konkreten Gestaltung dieses Sicherungsvertrags ab; das erklärt zugleich die Mannigfaltigkeit der Entstehungsursachen für solche Forderungen.133 Schwierigkeiten bringt vor allem eine weite Sicherungsabrede, wonach die Grundschuld jederzeit für neue Darlehen verwendet werden kann und eine an sich schon entstandene Rückgewährforderung durch erneute Valutierung der Grundschuld wieder erlischt und dem Zessionar entzogen ist.134 Der BGH spricht hier von einer Zurückverwandlung der an sich entstandenen Rückgewährforderung zu einer aufschiebend bedingten Forderung; vor möglicher Revalutierung stehe eine Rückgewährforderung also unter einer auflösenden 127
BGH, 27.05.2003 – IX ZR 51/02, NJW 2003, 2744, 2747. Christiansen, KTS 2003, 549, 559 f. 129 Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1739, 1741a; Kesseler, NJW 2007, 3466. 130 Kesseler, NJW 2012, 577. 131 Kesseler, NJW 2012, 577; BeckOForm-Vertragsrecht/Tilmann/Keith, 23. Ed. 2012, 8.4.2.1; Dieckmann, in: Hoffmann-Becking/Rawert (Hrsg.), Formularbuch, 11. Aufl. 2013, IV.A.26. Zur vergleichbaren Abtretung einer Forderung auf Rückgewähr von nicht mehr als Sicherheit benötigten (künftigen) Forderungen BGH, 11.10.2012 – IX ZR 30/10, NJW-RR 2013, 51 (m. Anm. Adolphsen/Hohl, NZI 2013, 278). 132 Behmer, in: Münchener Vertragshandbuch, 6. Aufl. 2010, IX.30 Anm. 19; Freckmann, BKR 2012, 133. 133 Müller, RNotZ 2012, 199, 200 f.; Kesseler, NJW 2012, 577, 578. 134 BGH, 10.11.2011 – IX ZR 142/10, NZI 2012, 17, 18 (Tz. 11); BGH, 11.10.2012 – IX ZR 30/10, NJW-RR 2013, 51, 52. 128
A. Insolvenzbeschlag (§§ 80 ff. InsO)
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Rechtsbedingung.135 Die darin liegende Rechtsunsicherheit wird dadurch verstärkt, dass die herkömmlichen Grundschuldbestellungsformulare allesamt zwar die Abtretung der Rückgewährforderung, jedoch nicht ihre Entstehung ausdrücklich regeln.136 Wenn sich der Sicherungszweck erst in der Insolvenz erschöpft und die Rückgewährforderung folglich erst dann entsteht, muss sich ihre vor Verfahrenseröffnung erfolgte Abtretung gegenüber §§ 80 ff. InsO bewähren: Der Zessionar begehrt die Absonderung (§§ 50, 51 Nr. 1 InsO), während der Insolvenzverwalter die Wirksamkeit der Vorauszession bestreitet.137 Der BGH hat dem Zessionar in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 eine gesicherte Rechtsposition abgesprochen, da es sich bei der konkreten Rückgewährforderung nicht lediglich um eine betagte, sondern um eine durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingte Forderung gehandelt habe, deren Abtretung dem § 91 InsO nicht standhalten könne.138 Die Literatur ist gespalten. Gerade mit dem Argument, dass es sich um eine aufschiebend bedingte Forderung handele, wird für die Wirksamkeit der Vorausverfügung plädiert,139 mit dem Gegenargument, dass die bedingte Forderung ausnahmsweise wie eine künftige zu behandeln sei, dagegen.140 Geht man davon aus, dass die Vorausverfügung an § 81 InsO zu messen und maßgeblich daher die Abhängigkeit der Forderungsdurchsetzung vom Willen des Schuldners ist, so gelangt man zu einer sachgerechten Lösung, die sich im Ergebnis mit der Entscheidung des BGH deckt. Soweit im Fall einer weiten Zweckerklärung die Sicherungsabrede zu ihrer Beendigung erst eine Kündigung oder sonst ein Rechtsgeschäft des Zedenten erfordert, kann die Vorausverfügung bei Beendigung der Sicherungsabrede während der Insolvenz wegen § 81 InsO in der Tat nicht wirksam sein. Wäre die Beendigung der Sicherungsabrede demgegenüber an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geknüpft und entstünde die Rückgewährforderung damit automatisch, so wäre die Vorausverfügung wirksam; das stellt auch der BGH am Rande fest, was umso erstaunlicher ist, als der Zessionar noch keine gesicherte Rechtsposition im Sinne der neueren – aber abzulehnenden – Rechtsprechung hätte und eine solche Rückgewährforderung – wie oben die Saldoforderung141 – gemeinsam mit der Eröffnung entstünde.142 Schwierigkeiten ergeben sich einzig, wenn die Grundschuld aktuell nicht 135
BGH, 10.11.2011 – IX ZR 142/10, NZI 2012, 17, 18 f. (Tz. 16). Nachw. oben Fn. 131 und 132. 137 Freckmann, BKR 2012, 133, 138. 138 BGH, 10.11.2011 – IX ZR 142/10, NZI 2012, 17, 18. Zustimmend: Kesseler, NJW 2012, 577, 578; Müller, RNotZ 2012, 199, 207. 139 Kübler/Prütting/Bork/Lüke, InsO, 45. EL, § 91 Rz. 26; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 91 Rz. 25. 140 Hmbg.Ko-InsO/Kuleisa, 4. Aufl. 2012, § 91 Rz. 9a (ebenso OLG Hamm, 25.11.2010 – 27 U 191/09, ZIP 2011, 188, 189). Ähnlich: Jaeger/Windel, InsO, 1. Aufl. 2007, § 91 Rz. 58. 141 Oben nach Fn. 82. 142 BGH, 10.11.2011 – IX ZR 142/10, NZI 2012, 17, 18 (Tz. 11 a. E.); Freckmann, BKR 2012, 133, 139. 136
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
sichert, aber der Insolvenzverwalter bei weiter Sicherungsabrede noch die Möglichkeit hätte, durch den Abruf eines neuen Darlehens und Revalutierung der Grundschuld den Fortbestand der an sich schon entstandenen und übergegangenen Rückgewährforderung zu verhindern. Wird trotz einer solchen Möglichkeit die Sicherungsabrede endgültig beendet, so kann nicht argumentiert werden, dass es zur Entstehung der Forderung noch eines Rechtsgeschäfts des Zedenten bedurft hätte; andererseits war der Erfolg der Zession von seinem Einfluss insofern abhängig, als er bis dahin die Revalutierung unterlassen hatte und die Zession jederzeit hätte in Frage stellen können. Der BGH erwähnte, dass in solch einem Fall ein Absonderungsrecht aus abgetretener Rückgewährforderung einmal entstanden wäre, diese(s) aber durch Eintritt der auflösenden Rechtsbedingung wieder vernichtet werde.143 Das bestätigt, dass die Zerstörbarkeit der einmal vorhandenen Rechtsposition durch den Zedenten die Wirksamkeit der Vorausverfügung nicht beeinträchtigt, solange es nicht dazu kommt. Das steht im Gegensatz zur verfehlten Rechtsprechung, wonach die Zerstörbarkeit mangels gesicherter Rechtsposition einer Abtretung entgegenstehe, liegt aber ganz auf der Linie der hier ermittelten Vorgaben, wonach die Vorausverfügung wirksam ist, wenn die Forderung ohne ein Rechtsgeschäft des Schuldners bzw. Insolvenzverwalters entstehen kann. Wegen der Vielfalt an denkbaren Vertragsgestaltungen ist indes genau zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen die Rückgewährforderung in der Insolvenz entsteht bzw. durchsetzbar wird.144 Sollte es sich in dem eben diskutierten Sachverhalt nämlich um eine sog. verhaltene Forderung handeln (dazu § 2 S. 50), welche der ausdrücklichen Geltendmachung bedarf, dann wäre wiederum der positive Einfluss des Zedenten erforderlich und die Vorausverfügung unwirksam. Die Lage hängt also sehr von der konkreten individuellen Gestaltung ab, wobei Rechtsunsicherheit daraus resultiert, dass die Entstehung der Rückgewährforderung oft nicht eigens geregelt ist.145 Insgesamt bestätigt die Entscheidung des BGH den hier ermittelten Ansatz. Sie, und genauso das gespaltene Meinungsbild in der Literatur, offenbart aber auch, dass eine formelle Einteilung in aufschiebend bedingte und betagte Forderungen nicht geeignet ist, um die Problematik dogmatisch zu bewältigen.
143
BGH, 10.11.2011 – IX ZR 142/10, NZI 2012, 17, 19 (Tz. 16). Der Satz von Freckmann, BKR 2012, 133, 134, wonach die Rückgewährforderung fällig ist, wenn der Sicherungszweck endgültig wegfällt, gilt nicht pauschal; sie kann vorher fällig werden oder durch Fristbestimmung nachher. 145 Zwar ist häufig geregelt, dass die Rückgewährforderung zu ihrer „Entstehung“ die ausdrückliche Geltendmachung erfordert, jedoch ausschließlich im verjährungsrechtlichen Kontext (so ausdrücklich Dieckmann, in: Hoffmann-Becking/Rawert (Hrsg.), Formularbuch, 11. Aufl. 2013, IV.A.26 Ziff. VI: „Ansprüche [. . .] auf Rückgewähr der Grundschuld [. . .] entstehen im Sinne der §§ 199, 200 BGB erst mit ihrer ausdrücklichen Geltendmachung gegenüber dem Gläubiger.“ Hervorhebung nicht im Original). Freilich besteht bei etwas weniger präzisen Klauseln die Gefahr, dass ein Gericht die ausdrückliche Geltendmachung auch im Übrigen für erforderlich hält und deshalb die Insolvenzfestigkeit der Vorausverfügung verneint. 144
A. Insolvenzbeschlag (§§ 80 ff. InsO)
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c) Ergebnis zur Auswertung der Rechtsprechung Nahezu alle der hier ausgewerteten Entscheidungen lassen sich mit der Vorgabe erklären, dass die Verfügung über künftige Forderungen in der Insolvenz dann keinen Bestand hat, wenn die Forderungen zu ihrer Entstehung und Durchsetzbarkeit auf einen Willensakt des Schuldners respektive des Insolvenzverwalters und den Einsatz des Massevermögens angewiesen sind. Nicht mit diesen Vorgaben zu vereinbaren sind einzig die Entscheidungen des BGH zur Verfügung über eine Forderung, deren Entstehung noch von einer Befristung i. S. v. § 163 BGB, vom Erwerber oder vom Drittschuldner selbst abhängig ist; diese Rechtsprechung steht aus den oben genannten Gründen nicht mit dem Gesetz im Einklang und ist zu korrigieren.
6. Dogmatische Neubewertung Die Rechtslage zum Bestand einer Vorausverfügung, wenn die Forderung in der Insolvenz des Zedenten entsteht, ist Ergebnis einer jahrelangen dogmatischen Fehlbewertung. Die Erklärungsansätze der herrschenden Meinung leiden allesamt daran, dass man das Entstehen der Forderung bedenkenlos als gegeben zugrunde legt. Daraus erwächst die argumentative Not zu begründen, warum die jeweilige Forderung eigentlich noch Massevermögen ist, obwohl der Schuldner vor Insolvenzeröffnung endgültig erklärt hatte, dass sie nicht mehr ihm, sondern dem Zessionar gehören soll. Unter fragwürdigem Rekurs auf § 91 InsO übergeht man diese Frage und hebt allein auf den Zeitpunkt des Erwerbs ab, ohne die Rechtfertigung durch den Masseschutz zu klären. Da dies die pauschale Annullierung sämtlicher Vorausverfügungen nach sich zöge, werden Ausnahmen nötig. Dabei lehnt man sich zur Begründung von Ausnahmen an die noch nicht endgültige Verfügung, an § 161 BGB oder das Anwartschaftsrecht an, obwohl der Vergleich jeweils hinkt. Auf diese Weise gelangt man zur gesicherten Rechtsstellung des Zessionars, die für Insolvenzfestigkeit stehen soll. Diese Rechtsstellung wird einmal mit der aufschiebend bedingten Forderung gleichgesetzt und ein anderes Mal nicht, wobei die Frage bleibt, was die Position des Zessionars eigentlich sicherer machen soll als die unbedingte Erklärung des Zedenten, dass jede künftig entstehende Forderung einmal dem Zessionar zustehen soll. In der Folge identifiziert man die mangelnde Sicherung des Erwerbs mit der Unsicherheit, mit der die Forderung entstehen wird: Wenn der Zessionar vor Eröffnung nicht sicher davon ausgehen konnte, dass die Forderung entstehen werde, so sei die Vorausverfügung unwirksam. Dadurch entfernt man sich vom Masseschutz der §§ 80 ff. InsO zu einem gesetzeswidrigen und dem Zessionar nachteiligen Vertrauens„schutz“. Erst wenn man beleuchtet, warum die Forderung überhaupt entsteht, erkennt man, dass die herrschende Meinung Ursache und Wirkung verkehrt: Die Vorauszession ist nicht unwirksam, weil die Forderung zum Massevermögen
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
gehört. Vielmehr kann die Forderung überhaupt nur Massevermögen werden, wenn die Vorauszession unwirksam ist. Immer dann, wenn die wirksame Entstehung der Forderung nur unter der Prämisse denkbar ist, dass die Vorausverfügung unwirksam ist, ist das Urteil zulasten der Vorauszession schon gefällt. Dahinter steht nicht eine ungesicherte Rechtsposition des Erwerbers, sondern dass die Forderung für ihre Entstehung auf die Verfügungsmacht des Schuldners angewiesen ist, welche durch die Insolvenz gerade Beschränkungen erfährt. Aus Sicht des Erwerbers der künftigen Forderung verwirklicht sich das Risiko, das er mit der Akzeptanz solcher künftigen Forderungen eingegangen ist, nämlich das Risiko, dass der Schuldner seinen Willen nicht immer unbeschränkt ausüben kann. Hat der Zessionar eine solche Erwerbsaussicht erworben, so kann der Forderungserwerb nicht insolvenzfest sein, da sich das in ihr enthaltene Risiko, dass der Schuldner seine Verfügungsmacht nicht unbeschränkt ausüben kann, gerade in der Insolvenz realisiert. Das schon früher angedachte Unterscheidungskriterium des Schuldverhältnisses146 ermöglicht demgegenüber keine verlässliche Bestimmung der künftigen Forderungen, deren Abtretung insolvenzfest ist. Zwar ist die Abtretung einer künftigen Forderung, die aus einem zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht bestehenden Schuldverhältnis herrührt, grundsätzlich nicht insolvenzfest, da dessen Begründung noch einen Willensakt des Insolvenzschuldners erfordern würde; jedoch schließt die Existenz eines Schuldverhältnisses auch nicht aus, dass zur Forderungsentstehung noch ein weiterer Willensakt des Insolvenzschuldners erforderlich sein kann. So kann es – einerlei ob gesetzliche oder vertragliche – Bedingung sein, dass der Insolvenzschuldner noch mitwirken muss, damit die Forderung entsteht oder ihre Durchsetzbarkeit erlangt; in diesem Fall kann das vorhandene Schuldverhältnis nicht verhindern, dass die Abtretung an der Insolvenz scheitert. Gleiches gilt, wenn die Forderung nur aufgrund einer Entscheidung des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO durchsetzbar wird. Aus diesen Gründen lässt sich die verbreitete Abgrenzung zwischen aufschiebend bedingten und künftigen Forderungen nicht aufrechterhalten. Bei der aufschiebend bedingten Forderung kommt es eben darauf an, worin die Bedingung für die Forderungsentstehung besteht. Die Bedingtheit der Forderung und die Ungewissheit ihres Entstehens bei Verfahrenseröffnung stehen als solche der Abtretung jedenfalls nicht entgegen. Daher beschränkt sich der Kreis an Forderungen, die trotz § 81 InsO im Voraus abgetreten werden können, auch nicht lediglich auf betagte Forderungen. Die Vorausverfügung über eine Forderung scheitert immer dann an § 81 I InsO, wenn dafür, dass die Forderung entsteht oder ihre Durchsetzbarkeit erlangt, der Einsatz des Massevermögens sowie ein Willensakt des Insolvenzschuldners respektive des Verwalters erforderlich sind. Was schließlich die Frage angeht, ob die Verfügung über künftige Forderungen angesichts von §§ 80 ff. InsO als im Voraus vorgenommene Verfügung oder als 146
Jaeger/Lent, KO, 8. Aufl. (1973), § 15 Anm. 23.
B. Anfechtungsrelevanter Zeitpunkt (§ 140 InsO)
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gegenwärtige Abtretung der künftigen Forderung zu erklären ist, führen beide Erklärungsmodelle zum Ziel, da es nicht auf den Zeitpunkt der Verfügung, sondern auf die Voraussetzungen ankommt, unter denen die Forderung entsteht.
IV. Ergebnis Nach § 81 I InsO ist eine vor Verfahrenseröffnung vereinbarte Verfügung über künftige Forderungen unwirksam, wenn die Forderung nur unter Einsatz der Masse und aufgrund des Willens des Insolvenzschuldners respektive seines Verwalters entsteht oder durchsetzbar wird. Nur dann würde sich die Zession der Forderung als ein Opfer der Masse erweisen, das § 81 InsO unterbinden will. Auf die wie auch immer geartete Sicherung der Rechtsposition des Gläubigers kommt es nicht an, so dass unschädlich ist, wenn die Entstehung der Forderung bis zum Eröffnungszeitpunkt noch verhindert, eine entstandene Forderung vom Insolvenzschuldner wieder einseitig zerstört werden oder der Erwerber aus anderen Gründen als dem Einfluss des Schuldners nicht sicher sein kann, ob die Forderung entsteht.
B. Anfechtungsrelevanter Zeitpunkt (§ 140 InsO) I. Problemstellung Im Zeitraum vor Einleitung des Insolvenz(eröffnungs)verfahrens ist der Schuldner noch verfügungsbefugt. In dieser Zeit ist die spätere Insolvenzmasse daher der besonderen Gefahr der Schmälerung durch Versuche des Schuldners ausgesetzt, Vermögen beiseite zu schaffen oder mittels unwirtschaftlicher Geschäfte kurzfristig Liquidität zu erzielen.147 Mit der Insolvenzanfechtung können Vermögensverschiebungen aus diesem Zeitraum, welche die Insolvenzgläubiger benachteiligen, nach Maßgabe der §§ 130 ff. InsO beseitigt werden (§ 129 InsO).148 Die Anfechtungsregeln erstrecken – unter erweiterten Voraussetzungen – die Wirkung eines Insolvenzverfahrens quasi auf den Zeitraum der wirtschaftlichen Krise149 und zum Teil darüber hinaus (anfechtungsrelevanter Zeitraum).150 Damit stehen die Regeln der Insolvenzanfechtung in engem Zusammenhang mit §§ 81, 91 InsO, die den Erwerb aus der Masse nach Insolvenzeröffnung betreffen. Wenn im anfechtungsrelevanten Zeitraum Forderungen aufgrund einer Vorausverfügung auf den Erwerber übergehen, treffen wiederum die Interessen 147
Bork, InsR-Einf., § 20 Rz. 244, 260; Braun/de Bra, InsO, 5. Aufl. 2012, § 129 Rz. 3. Bork, InsR-Einf., § 20 Rz. 260. 149 Zum Begriff der Krise Becker, InsR, 3. Aufl. 2010, Rz. 598 f. 150 Klinck, § 9 f.; Thole, Gläubigerschutz, 2010, S. 282. Zur ratio legis des Insolvenzanfechtungsrechts vgl. ebd. S. 279 – 283 und Klinck, § 2. 148
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
des Insolvenzverwalters auf diejenigen des Erwerbers: Jener möchte die Masse durch Anfechtung des Forderungsübergangs mehren, wohingegen der Erwerber die Forderungen für sich reklamiert, um wenigstens abgesonderte Befriedigung zu erlangen (§§ 50 f. InsO), anstatt auf die Quote angewiesen zu sein.151 Gegenstand der Insolvenzanfechtung ist eine Rechtshandlung, die jedenfalls vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist (§ 129 InsO). Damit die Verfügung über eine künftige Forderung einem der Anfechtungstatbestände (§§ 130 ff. InsO) unterfällt, ist durchgängig entscheidend, dass sie innerhalb einer gesetzlich festgelegten Frist vor der Verfahrenseröffnung „vorgenommen“ wurde. Das rückt die Regelung des anfechtungsrelevanten Zeitpunkts in § 140 InsO in den Vordergrund, der bestimmt, wann eine Handlung als vorgenommen gilt.152 Der gestreckte Charakter einer Verfügung über künftige Forderungen, die ggf. vor Jahren getätigt wurde, aber erst in den anfechtungsrelevanten letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag (§§ 130 f. InsO) wirkt, stellt die rechtliche Bestimmung dieses Zeitpunkts ein weiteres Mal vor Schwierigkeiten.
II. Werthaltigkeit als separate Fragestellung Der anfechtungsrelevante Zeitpunkt für die Vorausverfügung wird häufig in einen Zusammenhang mit dem sog. „Werthaltigmachen“ der Forderung gesetzt.153 Das Werthaltigmachen ist ein ökonomischer Betrachtung verhafteter Begriff für die rechtliche Durchsetzbarkeit einer Forderung. Er begegnet namentlich bei einer sicherungshalber erfolgenden Globalzession: Der Kreditnehmer tritt Geldforderungen aus Verträgen mit seinen Kunden (Kaufpreis, Werklohn u. ä.) an die finanzierende Bank ab. Sie sind der Bank aber solange keine Sicherheit, wie der Kreditnehmer seine Leistung aus diesen Verträgen noch nicht erbracht hat und die Kunden deshalb die Begleichung der Forderungen nach § 320 BGB verweigern dürfen. Selbst wenn die Forderungen durch Vertragsschluss schon entstanden sind und der Bank als Abtretungsempfängerin rechtlich zustehen, erlangen sie ihren Wert als Sicherheit also erst, wenn der Kreditnehmer seine Leistung erbracht hat und die Einrede des Kunden aus § 320 BGB entfällt. Die Forderung wird also mit der Erbringung der Gegenleistung „werthaltig“.154 Dieser tatsächliche Vorgang des Werthaltigmachens stellt im Insolvenzanfechtungsrecht eine eigene Rechtshandlung dar; ihr maßgeblicher Zeitpunkt ist die Bewirkung der Gegenleistung.155 Auch der Anfechtungsgegner ist ein eigener, und völlig anderer, nämlich der Kunde. Da das Werthaltigmachen eine eigene Rechtshandlung ist, gibt 151
Vgl. Feuerborn, ZIP 2002, 290. BT-Drucks. 12/2443, S. 166. § 140 InsO ist ohne Vorgängernorm in der Konkursordnung, BT-Drucks. 12/2443, S. 166; Klinck, S. 165 f. 153 Statt vieler: Kuleisa, InsVZ 2010, 203, 207. 154 Statt vieler: Jacoby, ZIP 2008, 385, 386; Reischl, InsR, 2. Aufl. 2011, Rz. 609, 665. 155 Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl. 2010, § 140 Rz. 6; Kuleisa, InsVZ 2010, 203, 207. 152
B. Anfechtungsrelevanter Zeitpunkt (§ 140 InsO)
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es für die Vorausverfügung also nicht etwa zwei anfechtungsrelevante Zeitpunkte, demzufolge die Zession einer künftigen Forderung einerseits angefochten werden könnte, wenn die Forderung entsteht, und andererseits, wenn sie werthaltig wird.156 Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise kann ein Zusammenhang allerdings nicht in Abrede gestellt werden: Da die Anfechtung gemäß § 144 I InsO bewirkt, dass der Forderung ihre Werthaltigkeit wieder entzogen wird, weil der Kunde die Bezahlung der ihm genommenen Leistung wieder nach § 320 BGB verweigern darf,157 hat die Anfechtung der einen Rechtshandlung (Leistungserbringung) zur Folge, dass die andere Rechtshandlung (Abtretung) ihren wirtschaftlichen Effekt (die Sicherung) verliert.158 Für die Insolvenzverwalter ist die Anfechtung der Leistungserbringung daher besonders interessant, wenn nicht nur die Globalzession, sondern auch die Forderungsentstehung außerhalb des anfechtungsrelevanten Zeitraums liegt, weil der Vertrag mit den Kunden schon früher als drei Monate vor dem Insolvenzeröffnungsantrag geschlossen worden ist. Dann war die seinerzeit noch über die künftige Forderung getroffene Verfügung nämlich bereits unanfechtbar abgeschlossen; die Anknüpfung an das Werthaltigmachen ermöglicht es aber, ihren wirtschaftlichen Erfolg dennoch in Frage zu stellen. Im wirtschaftlichen Ergebnis werden hierdurch die Anfechtungszeiträume der §§ 130, 131 InsO für eine Globalzession ausgedehnt, da sie auch dann vereitelt werden kann, wenn die als künftig zedierte Forderung früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag entstanden ist. Rechtlich betrachtet ist die Herbeiführung der Werthaltigkeit aber kein Problem des relevanten Zeitpunkts für die Anfechtung einer Vorausverfügung und insoweit ohne Relevanz. Auch die weiter unten (C.) untersuchte Qualifizierung der Vorausverfügung als kongruente oder inkongruente Deckung wird hiervon nicht berührt, da das Werthaltigmachen insoweit die Eigenschaft der Vorausverfügung teilt.159
III. Meinungsstand Nach dem BGH „ist im Allgemeinen geklärt, zu welchem Zeitpunkt eine Vorausabtretung ihre rechtliche Wirkung gem. § 140 I InsO entfaltet.“160 Dabei verweist er auf Entscheidungen, worin er die Vorausverfügung (Abtretung oder Verpfändung) als mehraktigen Tatbestand begreift: Die Vorausverfügung sei 156 HK-Kreft/Kreft, 6. Aufl. 2011, § 140 Rz. 4. Missverständlich ist daher die Feststellung, dass bei Auseinanderfallen von Entstehung und Werthaltigwerden der Forderung auf den späteren Zeitpunkt abzustellen sei (so Jacoby, ZIP 2008, 385, 386 f.); es ist schlichtweg auf die später erfolgende Rechtshandlung abzustellen. 157 Vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof, 3. Aufl. 2013, § 144 Rz. 7 ff. 158 Huber, ZInsO 2012, 1343, 1345 f. 159 BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 434; Jacoby, ZIP 2008, 385, 386 f.; Klinck, S. 355 f.; Hmbg.Ko-InsO/Rogge/Leptien, 4. Aufl. 2012, § 130 Rz. 40. 160 BGH, 08.12.2011 – IX ZR 57/08, NZI 2012, 81, 82.
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
mit der Entstehung der Forderung als letztem Teilakt dieses Tatbestands vorgenommen i. S. v. § 140 I InsO.161 Auffallend ist, dass der BGH im Bereich des Anfechtungsrechts die Vorausabtretung also als einen gesamten, mehraktigen Tatbestand, während er sie im Kontext von § 91 InsO mit den Abtretungserklärungen als beendet ansieht (S. 439). Die herrschende Literatur teilt die Auffassung des BGH und stellt entsprechend auf den materiell-rechtlichen Zeitpunkt der Forderungsentstehung ab; Ausnahmen werden durch umfangreiche Kasuistik dargestellt.162 Eine andere Auffassung differenziert nach bedingten und künftigen Forderungen.163 Danach komme es bei der Abtretung einer aufschiebend bedingten oder befristeten Forderung auf den Zeitpunkt der Abtretungsvereinbarung an, da der Zessionar „durch §§ 160 ff. BGB“ geschützt sei und folglich eine insolvenzfeste Rechtsposition erworben habe;164 die Abtretung künftiger Forderungen sei demgegenüber erst mit dem Entstehen der Forderung vorgenommen.165 Die in der Praxis wichtige revolvierende Globalverfügung unterliegt nach allen Auffassungen also der Insolvenzanfechtung, soweit ihre Forderungen innerhalb der drei Monate der §§ 130 f. InsO entstehen.166
IV. Stellungnahme Nach § 140 I InsO gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. § 140 III InsO sieht zwar Sonderregeln für eine bedingte oder befristete Rechtshandlung vor. Das betrifft allerdings nur die bedingte oder befristete Verfügung, nicht hingegen die Verfügung über künftige Forderungen, da diese gerade unbedingt erfolgt.167 161 BGH, 18.03.2010 – IX ZR 111/08, NZI 2010, 443, 444 (sowohl zur Abtretung als auch zur Verpfändung einer künftigen Forderung); BGH, 14.01.2010 – IX ZR 78/09, NZI 2010, 220, 223 (zu Abtretung, Verpfändung und Pfändung einer künftigen Forderung); Gehrlein, ZInsO 2013, 1169, 1170. Ebenso BGH, 19.05.2009 – IX ZR 37/06, NZI 2009, 574, 575 (zu § 8 I AnfG); BGH, 14.12.2006 – IX ZR 102/03, NJW 2007, 1588, 1590; OLG Karlsruhe, 08.04.2005 – 14 U 200/03, NZI 2006, 103, 104; OLG München, 08.06.2006 – 19 U 5587/05, NZI 2006, 530, 531. 162 Kübler/Prütting/Bork/Ehricke, InsO, 34. EL, § 140 Rz. 5; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 3. Aufl. 2013, § 140 Rz. 14 f.; HK-Kreft/Kreft, 6. Aufl. 2011, § 140 Rz. 4; Hmbg.Ko-InsO/Rogge/ Leptien, 4. Aufl. 2012, § 140 Rz. 14a; Blum, ZInsO 2007, 528, 530; G. Fischer, ZIP 2004, 1679, 1680; Furche, WM 2007, 1305, 1310; Kuleisa, InsVZ 2010, 203, 207; Berger, NZI 2007, 566, 570 bei Fn. 33; Reischl, InsR, 2. Aufl. 2011, Rz. 662; Gerhardt, GS Knobbe-Keuk, S. 169, 179; Schneider/ Güther, DB 2008, 279, 280; mittelbar auch Dobmeier, NZI 2006, 144, 145. 163 Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl. 2010, § 140 Rz. 6 f.; zur differenzierenden Ansicht von Klinck siehe sogleich unter IV. 164 Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl. 2010, § 140 Rz. 6. 165 Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl. 2010, § 140 Rz. 6A. 166 Hmbg.Ko-InsO/Rogge/Leptien, 4. Aufl. 2012, § 140 Rz. 14a. Zu den weiteren Voraussetzungen ihrer Anfechtung s. unter C. 167 Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl. 2010, § 140 Rz. 6; Klinck, S. 179; MünchKomm-InsO/ Kirchhof, 3. Aufl. 2013, § 140 Rz. 14. Das übersieht etwa G. Fischer, ZIP 2004, 1679, 1680, bei seiner (im Ergebnis aber zutreffenden) Argumentation.
B. Anfechtungsrelevanter Zeitpunkt (§ 140 InsO)
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Aus dem gleichen Grunde ist § 161 I 2 BGB unanwendbar.168 Die herrschende Auffassung könnte sich also auf den Wortlaut von § 140 I InsO stützen; das entspricht auch der Haltung in den Gesetzesmaterialien.169 Wie Klinck herausgearbeitet hat, kann dennoch nicht schematisch auf den letzten zur Wirksamkeit erforderlichen Teilakt abgestellt werden. Vielmehr kommt es allgemein auf den Zeitpunkt an, zu dem der Anfechtungsgegner eine – von der fraglichen Anfechtung einmal abgesehen – im Übrigen insolvenzfeste Rechtsposition erlangt hat.170 Zu diesem Zeitpunkt steht nämlich fest, dass – gäbe es die Anfechtung nicht – die Forderung für die Masse verloren wäre. Das deckt sich mit der ratio legis von § 140 I InsO, wonach der Zeitpunkt des Entstehens deshalb maßgeblich sein soll, weil eine Rechtsposition begründet wird, welche bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne die Anfechtung beachtet werden müsste.171 Gerade bei der Verfügung über künftige Forderungen fällt dies keineswegs immer mit der Entstehung der Forderung zusammen. Es gibt nämlich Vorausverfügungen, deren Forderungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, also außerhalb des Anfechtungszeitraums, entstehen, die von den für diesen Zeitraum geltenden §§ 80 ff. InsO aber gleichwohl nicht erfasst werden (oben A.). Würde man für diese Fälle weiterhin auf die Forderungsentstehung abstellen, käme es zu einem Bruch zwischen den Anfechtungsregeln und §§ 80 ff. InsO, der zur Folge hätte, dass der Schuldner in der Krise anfechtungsfrei Vorauszessionen tätigen könnte, die ob ihrer konkreten vertraglichen Gestaltung auch vor § 81/§ 91 InsO Bestand hätten. Auf diese Weise könnte die potentielle Masse schon in der wirtschaftlichen Krise des Insolvenzschuldners ausgehöhlt werden, was das Anfechtungsrecht eigentlich verhindern will, aber bei strikter Wortlautinterpretation nicht könnte, weil die Forderungen erst nach Eröffnung entstehen. Eine solche Schutzlücke ist nicht im Sinne des Gesetzes, nach dem sich das Insolvenzanfechtungsrecht einerseits und §§ 80 ff. InsO andererseits ergänzen.172 Mit einer teleologischen Definition des anfechtungsrelevanten Zeitpunkts wird diese Schutzlücke vermieden. Sie ermöglicht, Vorausverfügungen zu erfassen, deren Forderungen erst nach Verfahrenseröffnung entstehen und die gleichwohl vor § 81 I InsO Bestand haben, weil sich der Schuldner bereits vor Eröffnung allen Einflusses auf die Entstehung der Forderung begeben hat (näher oben A.). Das Abstellen auf die Forderungsentstehung mag in vielen Fällen richtig sein, eignet sich jedoch für die Vorausverfügung nicht als Grundsatz.173 Zeitliches Kriterium für die Erfassung durch das Anfechtungsrecht ist vielmehr der Zeitpunkt, zu dem der 168
Klinck, S. 179, und oben Fn. 9. BT-Drucks. 12/2443, S. 166. 170 Klinck, S. 172 f. u. 175 – 181. 171 BGH, 22.01.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 = NZI 2004, 206 (dort zur Pfändung einer künftigen Forderung); BGH, 26.06.2008 – IX ZR 87/07, DZWIR 2009, 34. 172 Dobmeier, NZI 2006, 144, 145 f.; Klinck, S. 172 f. 173 Eckert, Zeitpunkt, 2003, S. 103, in den Konsequenzen allerdings nicht in jeder Hinsicht überzeugend. 169
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Anfechtungsgegner eine – von der fraglichen Anfechtung einmal abgesehen – im Übrigen insolvenzfeste Rechtsposition erlangt hat.174 Der Zeitpunkt, zu dem diese Voraussetzungen erstmals vorliegen, entscheidet darüber, ob die Vorausverfügung in den Dreimonatszeitraum der §§ 130 f. InsO fällt.
C. Anfechtungsvoraussetzungen – Kongruenz oder Inkongruenz (§§ 130 f. InsO) I. Problemstellung Bei der Ermittlung der Anfechtungsvoraussetzungen stellen sich ebenfalls spezifische Auslegungsprobleme in Bezug auf künftige Forderungen. Es geht um die Einordnung einer aufgrund Vorausverfügung übertragenen Forderung als kongruente (§ 130 InsO) oder als inkongruente (§ 131 InsO) „Deckung“, d. h. Befriedigung oder Sicherung. Diese Einordnung ist wichtig, da eine inkongruente Deckung unter wesentlich geringeren Voraussetzungen angefochten werden kann als eine kongruente: Letztere ist nur anfechtbar, wenn sie in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags vorgenommen wurde, während für eine inkongruente Deckung unabhängig von einer solchen Kenntnis ausreichend ist, dass sie innerhalb des anfechtungsrelevanten Zeitraums vorgenommen worden ist.175 Im Fokus einer immer noch anhaltenden Diskussion steht die Globalzession, die der Zedent und spätere Insolvenzschuldner zur Sicherung einer Kreditlinie oft Jahre vor seiner wirtschaftlichen Krise gewährt hat und deren Forderungen dann innerhalb des Dreimonatszeitraums der §§ 130 f. InsO entstehen und übergehen.176 Die Anfechtung berührt freilich nicht die Globalzession als solche, sondern nur jeden einzelnen Forderungsübergang, der gemäß den zu § 140 I InsO ermittelten Vorgaben in die genannte Zeit fällt.177 Soll dieser als kongruent gelten, müsste ihm ein Anspruch178 des Erwerbers zugrunde liegen (arg e § 131 I InsO). Dies zu beurteilen bereitet Schwierigkeiten, da die Parteien einer Globalzession im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung zwar entschieden hatten, dass alle künftigen Forderungen dem Zessionar gebühren sollen, dabei im Einzelnen aber unklar war, welches konkrete Geschäft diese Forderungen einmal hervorbringen 174
Klinck, S. 172 f. u. 175 – 181. Bork, InsR-Einf., § 20 Rz. 261 f. 176 Huber, ZInsO 2012, 1343, 1345. 177 Kuleisa, InsVZ 2010, 203, 207. Das ist allerdings keine Besonderheit des Insolvenzrechts (so aber offenbar Eckert, Zeitpunkt, 2003, S. 103 f.), sondern Folge des sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes. 178 Wird im Folgenden zwischen dem „Anspruch“ auf die Deckung und den „Forderungen“ als Gegenstand dieser Deckung unterschieden, so dient diese begriffliche Unterscheidung lediglich der besseren Lesbarkeit, da nach dem hier zugrunde gelegten, herrschenden Anspruchsverständnis der Anspruch auf die Deckung auch eine Forderung genannt werden könnte. 175
C. Anfechtungsvoraussetzungen – Kongruenz oder Inkongruenz (§§ 130 f. InsO)
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werde. Noch heute sind die Kriterien unklar, mit der man die Kongruenz eines solchen Forderungsübergangs ermittelt. Die Findung plausibler Kriterien wird durch die Rechtsprechung erschwert, welche die globale Vorausverpfändung anders als die globale Vorauszession behandelt,179 was ein Großteil der Literatur ob der ähnlichen rechtlichen Strukturen beider Verfügungen nicht hinnehmen will.180 Hinter dieser Problematik verbergen sich gewichtige Interessen der Kreditsicherungspraxis. Für den Sicherungsnehmer würde eine Inkongruenz nämlich bedeuten, dass er im Fall der Zahlungsunfähigkeit seines Schuldners allenfalls mit dem Erwerb solcher Forderungen kalkulieren kann, welche mehr als drei Monate vor Stellung des Eröffnungsantrags entstanden sind, während ihm jüngere Forderungen nach § 131 InsO ohne weitere Voraussetzungen durch Anfechtung wieder genommen werden könnten. Da in der Praxis gerade die jüngeren Forderungen als die eigentlich werthaltigen gelten,181 befürchtete man nach Gerichtsentscheidungen, welche die Vorausverfügung als inkongruent bewerteten,182 einen enormen Wert- und Bedeutungsverlust des volkswirtschaftlich wichtigen Sicherungsmittels der Globalzession.183 Die Insolvenz(anfechtungs)festigkeit einer Verfügung über künftige Forderungen und damit ihr Wert als Sicherungsmittel überhaupt hängt also von der Einordnung als kongruente oder inkongruente Deckung ab.184
II. Gesetzliche Vorgaben Was Inkongruenz – bzw. im Rückschluss Kongruenz – ist, ergibt sich aus § 131 InsO.185 Danach ist jede gewährte oder ermöglichte Befriedigung oder Sicherung inkongruent, wenn ihr Erwerber sie nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Verfügt der spätere Insolvenzschuldners über seine künftige Forderung etwa per Zession oder Verpfändung, so ist für die Kongruenzermittlung also entscheidend, ob der Erwerber diese (Art von) Verfügung oder die konkret erworbene Forderung beanspruchen durfte. Ist das zu verneinen, so ist der Erwerb der künftigen Forderung inkongruent. 179
BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 431. Näher C.V. – VI. (S. 480 ff.). Klinck, S. 354 f.; Jacoby, ZIP 2008, 385, 389 – 391; Braun/de Bra, InsO, 5. Aufl. 2012, § 130 Rz. 11; Eckardt, ZIP 1999, 1417, 1419 f. 181 Blum, ZInsO 2007, 528, 531; Jacobi, ZIP 2006, 2351; Zeller/Edelmann, BB 2007, 1461. 182 OLG Karlsruhe, 08.04.2005 – 14 U 200/03, NZI 2006, 103, 104; OLG München, 08.06.2006 – 19 U 5587/05, NZI 2006, 530; OLG Dresden, 13.10.2005 – 13 U 2364/04, WM 2006, 2095, 2096. 183 Jacoby, ZIP 2008, 385, 386; Kuder, ZInsO 2006, 1065, 1070 f. Kritisch gegenüber den volkswirtschaftlichen Erwägungen Leithaus, NZI 2007, 545, 547. 184 Zu den Auswirkungen ihrer Insolvenzfestigkeit auf die Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung für Banken, Huber, ZInsO 2012, 1343, 1345. 185 § 130 I 2 InsO enthält keine hier relevanten Vorgaben; die Globalzession ist keine Finanzsicherheit i. S. dieser Vorschrift, Braun/de Bra, InsO, 5. Aufl. 2012, § 130 Rz. 40. 180
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III. Meinungsstand 1. Rechtsprechung Die heutige Rechtsprechung zur Frage ist das Ergebnis einer langen und kontroversen Entwicklung. Die Entscheidung BGHZ 33, 389 nimmt einen Platz am Anfang dieser Entwicklung ein.186 Sie rückte die Unbestimmtheit als Kriterium für die Inkongruenz in den Fokus der späteren Diskussion.187 Es ging allerdings nicht um eine Vorausverfügung, sondern um eine Klausel in einem Kreditvertrag zwischen einer Bank und ihrem späterem Schuldner, wonach erstere die Stellung einer „bankmäßigen Sicherheit“ vom Schuldner verlangen konnte (vgl. heute auch Nr. 13 AGB-Banken 2014).188 Während seiner wirtschaftlichen Krise bewilligte der Schuldner in Vollzug dieser Klausel der Bank eine Grundschuld. Der BGH sah darin eine inkongruente Deckung, da die Grundschuld keine Sicherung sei, welche die Bank gerade „in der Art“ (§ 30 Nr. 2 KO, heute: § 131 InsO) zu beanspruchen hatte. Da die Auswahl der Sicherungsmittel der freien Wahl des Schuldners unterlag, wäre der Anspruch der Bank zu unbestimmt gewesen, um annehmen zu können, dass sie gerade eine Grundschuld habe verlangen können.189 Der BGH führte das Bestimmtheitskriterium auf das Postulat einer engen Auslegung von § 30 Nr. 2 KO zurück.190 Auf eben diese Rechtsprechung hat sich der BGH gestützt, als er über die Kongruenz einer globalen Vorausverpfändung von Forderungen in Nr. 14 I AGB-Banken a. F. zu entscheiden hatte.191 Darin verpfändet der Kunde sämtliche künftigen für den Kunden entstehenden Forderungen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen die Bank. Der BGH hielt die Klausel für inkongruent, da sie auf nicht sogleich identifizierbare Gegenstände gerichtet und daher zu unbestimmt sei.192 Hieraus leiteten einige Oberlandesgerichte ab, dass eine Globalzession „aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus 186
BGH, 15.11.1960 – V ZR 35/59, BGHZ 33, 389. Vgl. auch BGH, 03.12.1998 – IX ZR 313 – 97, NJW 1999, 645 f. 188 BGH, 15.11.1960 – V ZR 35/59, BGHZ 33, 389, 390 ff. 189 BGH, 15.11.1960 – V ZR 35/59, BGHZ 33, 389, 393 – 395. Ein „inhaltlich völlig unbestimmter Anspruch“, so BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 432, in Bezug auf diese Entscheidung. 190 Angeregt hatte es seinerzeit Kuhn, WM 1957, 150, 152, dort aber ohne weitere Begründung. 191 BGH, 07.03.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 = NJW 2002, 1722. 192 BGH, 07.03.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 = NJW 2002, 1722, 1723; BGH, 02.06.2005 – IX ZR 181/03, NZI 2005, 622 f.; BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 431. Ebenso für die Globalzession in einem erweiterten und verlängerten Eigentumsvorbehalt: BGH, 17.03.2011 – IX ZR 63/10, NJW 2011, 1506. Keine Änderung bringt BGH, 08.12.2011 – IX ZR 57/08, NZI 2012, 81 („Inkongruenz einer Sicherungsabtretung“): Es ging um eine Sicherungsabtretung in der Krise, die zur Sicherung künftiger und auch bestehender Forderungen erfolgte, obwohl für die bestehenden Forderungen ursprünglich keine Sicherung vorgesehen war. Es ging also nicht um die Frage der Künftigkeit der als Sicherungsmittel eingesetzten Forderungen, sondern schlicht darum, dass eine Sicherheit gewährt wurde, auf die teilweise kein Anspruch bestand. 187
C. Anfechtungsvoraussetzungen – Kongruenz oder Inkongruenz (§§ 130 f. InsO)
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Lieferungen und Leistungen gegen alle Drittschuldner“ ebenso unbestimmt und damit inkongruent sein müsse, weil sie nicht auf einen von vornherein individualisierbaren Gegenstand gerichtet ist.193 Dem hat der BGH in einer viel beachteten Entscheidung eine Absage erteilt, die herkömmliche Globalzession („sämtlicher bestehenden und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen“) als kongruent bewertet und damit zugleich als Kreditsicherungsmittel rehabilitiert.194 Gleichwohl bestätigte er die eben genannte Rechtsprechung zur Inkongruenz der Vorausverpfändung nach Nr. 14 I AGB-Banken mit dem Argument, dass es dort völlig dem Ermessen der Beteiligten oder dem Zufall überlassen bleibe, ob und in welchem Umfang Gläubigerrechte entstehen.195 Für die Globalzession waren dem BGH neben rechtspolitischen Aspekten196 wichtig, dass die Begründung der Forderungen, anders als bei Nr. 13, 14 AGB-Banken, dem freien Belieben des Schuldners entzogen war.197 Etwas zusammenhanglos schob der BGH Äußerungen zur dogmatischen Konstruktion der Vorauszession hinterher, wonach die Abtretung künftiger Forderungen alle Merkmale des Übertragungstatbestands enthalte und die Entstehung der Forderung nicht hierzu gehöre,198 was seinem bei § 140 I InsO zugrunde gelegten Bild widerspricht (S. 461 f.).
2. Literatur a) Zur Bestimmtheit Zur Interpretation der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien ergibt sich ein sehr differenziertes Meinungsbild. Sogar von einer Verabschiedung des BGH vom Maßstab des Anspruchs, wie ihn § 131 InsO für die Kongruenz verlangt, ist die Rede.199 Besonders zum Bestimmtheitskriterium werden unterschiedliche Ansichten vertreten. Gestützt auf die Äußerungen des BGH zur Konstruktion 193 OLG Karlsruhe, 08.04.2005 – 14 U 200/03, NZI 2006, 103, 104; OLG München, 08.06.2006 – 19 U 5587/05, NZI 2006, 530; OLG Dresden, 13.10.2005 – 13 U 2364/04, WM 2006, 2095, 2096. Vgl. auch Braun/de Bra, InsO, 4. Aufl. 2010, § 131 Rz. 21a; Huber, ZInsO 2012, 1343, 1346. 194 BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430; Jacoby, ZIP 2008, 385; Klinck, S. 182; Kuder, ZIP 2008, 289, 290; Huber, ZInsO 2012, 1343, 1347. Dabei stellte der BGH zugleich klar, dass es sich bei der späteren Entstehung der global zedierten Forderungen entgegen einer Auffassung in der Literatur (mit unterschiedlichen Begründungsansätzen siehe etwa Kuder, ZInsO 2006, 1065, 1069; Blum, ZInsO 2007, 528, 529, und Zeller/Edelmann, BB 2007, 1461, 1463) in aller Regel auch nicht um ein anfechtungsfreies Bargeschäft gemäß § 142 InsO handelt, BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430. Fortgeführt von BGH, 17.03.2011 – IX ZR 63/10, NJW 2011, 1506, 1507 f. Vgl. auch Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2008, § 131 Rz. 36. 195 BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 431. 196 So auch die Deutung von Jacoby, ZIP 2008, 385, 389. 197 Auch zum folgenden BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 432 f.; BGH, 17.03.2011 – IX ZR 63/10, NJW 2011, 1506, 1507 f. 198 BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 432 (Tz. 27). 199 Jacoby, ZIP 2008, 385, 388.
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der Vorauszession bezieht eine Auffassung das Bestimmtheitskriterium auf die Vorausverfügung und nicht auf ihre causa, also den ihr zugrunde liegenden Anspruch.200 Diejenigen, die ausdrücklich zwischen der Bestimmtheit der dinglichen Verfügung nach § 398 BGB und der Bestimmtheit des schuldrechtlichen Anspruchs auf die Deckung unterscheiden, verlangen bisweilen, dass die schuldrechtliche Sicherungsabrede dem dinglichen Bestimmtheitsgrundsatz genügen müsse,201 oder schließen von der Bestimmtheit der Verfügung auf die Bestimmtheit des schuldrechtlichen Anspruchs bzw. auf die Kongruenz.202 Die wohl herrschende Auffassung entnimmt der Rechtsprechung hingegen die abstrakte Vorgabe, dass die schuldrechtliche Verpflichtung zur Deckung nicht so weit konkretisiert sein müsse wie die dingliche Einigung,203 wobei einige Autoren mit der Bestimmtheit wiederum die Klagbarkeit des Anspruchs auf die Deckung gleichsetzen.204 Des Weiteren diskutiert man, zu welchem Zeitpunkt die Bestimmtheit des Anspruchs vorliegen muss; insoweit wird vertreten, dass der Anspruch auf die Deckung auf einen von vornherein individualisierbaren Gegenstand gerichtet sein müsse.205 Die herrschende Literatur ist damit nur über die Interpretation des Bestimmtheitskriteriums uneinig. Demgegenüber beklagt Klinck dessen allenthalben unterbleibende fehlende dogmatische Fundierung und stellt, gerade was den Aspekt der Klagbarkeit angeht, seine Existenzberechtigung in Frage.206 b) Zur Ungleichbehandlung von Vorauszession und Vorausverpfändung Die Differenzierung des BGH zwischen der Vorausverpfändung gemäß Nr. 14 AGB-Banken und der Globalzession findet ein geteiltes Echo. Eine Auffassung sieht mit dem BGH den Unterschied gerade in der Vorhersehbarkeit der Art entstehender Forderungen aus einer bestimmten Geschäftsbeziehung im Falle der Globalzession, während die Vorausverpfändung gemäß den AGB-Banken weder zur Sicherung einer bestimmten Art von Forderungen gedacht sei, noch die Art 200 HK-Kreft/Kreft, 6. Aufl. 2011, § 131 Rz. 14; Hmbg.Ko-InsO/Rogge/Leptien, 4. Aufl. 2012, § 131 Rz. 22a. 201 Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2008, § 131 Rz. 37; Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, InsO, 34. EL, § 131 Rz. 91; Reischl, InsR, 2. Aufl. 2011, Rz. 664. 202 LG Berlin, 26.01.2007 – 23 O 32/06, NZI 2007, 247, 248; Blum, ZInsO 2007, 528, 529; Piekenbrock, NZI 2006, 685, 687; Schneider/Güther, DB 2008, 279, 281; Zeller/Edelmann, BB 2007, 1461, 1462. 203 MünchKomm-InsO/Kirchhof, 3. Aufl. 2013, § 131 Rz. 20; Furche, WM 2007, 1305, 1312; Hmbg.Ko-InsO/Rogge/Leptien, 4. Aufl. 2012, § 131 Rz. 22; Lange/Reimann, BKR 2006, 230, 231. 204 Kuhn, WM 1957, 150, 152; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 3. Aufl. 2013, § 131 Rz. 20; Kübler/Prütting/Bork/Schoppmeyer, InsO, 34. EL, § 131 Rz. 92. A. A. Cranshaw, DZWIR 2008, 221, 226. 205 Schoppmeyer, in: Bork (Hrsg.), Handbuch, Kap. 8 Rz. 84; Jacoby, ZIP 2008, 385, 390, der für die Individualisierbarkeit sogar verlangt, dass der Drittschuldner bereits feststehen muss. 206 Klinck, S. 350 ff.
C. Anfechtungsvoraussetzungen – Kongruenz oder Inkongruenz (§§ 130 f. InsO)
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des Pfandgutes festgelegt sei.207 Einige sehen die Differenzierung einzig rechtspolitisch motiviert und stellen solche Unterschiede in Abrede.208 Die Gegner, die die Gründe für diese Ungleichbehandlung von Vorausverfügung und -verpfändung in Abrede stellen, ziehen daraus allerdings nicht alle die gleiche Konsequenz: Während sich eine Ansicht für die Kongruenz der Vorausverpfändung ausspricht und die Aufgabe der Verpfändungsrechtsprechung verlangt,209 fordert eine andere Ansicht eine Orientierung gerade an der Verpfändungsrechtsprechung und betrachtet den Forderungsübergang kraft globaler Vorauszession weiterhin als inkongruent.210
IV. Stellungnahme Mit dem gesetzlichen Vorbehalt aus § 131 InsO, dass der Verfügungsempfänger die Deckung (d. h. die Verfügung über die künftigen Forderungen) nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, scheint das Kriterium der Bestimmtheit zunächst wenig in Verbindung zu stehen: Die Einschränkung auf die Art („in der Art“) legt sogar nahe, dass der Gegenstand, der letztlich geschuldet sein soll, gerade nicht exakt bestimmt sein muss. Und der Umstand, dass der Gläubiger auf den Erhalt einer konkreten Deckung nicht hätte klagen können, begründet nicht zwangsläufig den Verdacht, der Schuldner hätte sie ohne Grund gewährt.211 Daher kann der BGH in seiner Entscheidung zur Kongruenz der Globalzession mit Recht konstatieren, dass der Anspruch auf die Deckung nicht von Beginn an auf einen individualisierbaren Gegenstand gerichtet sein müsse.212 Gleichwohl ist es gerade der BGH, der die Diskussion um die Bestimmtheit angefacht hat.213 Die Problematik dieser Diskussion liegt in erster Linie in ihrer eigenen „Unbestimmtheit“. Bisweilen wird die dingliche Bestimmtheit i. S. v. § 398 BGB, ein andermal die Bestimmtheit auf schuldrechtlicher Ebene in Bezug genommen. Darüber hinaus kann Bestimmtheit mehrere Facetten haben: Beispielsweise kann unbestimmt sein, ob der Anspruch auf die Deckung entstehen soll. Ferner kann sein Inhalt unbestimmt sein: etwa die Art der zu beanspruchenden Deckung (Verpfändung oder Sicherungszession?) oder ihr 207
Leithaus, NZI 2007, 545, 547; Zeller/Edelmann, BB 2007, 1461, 1462. Jacoby, ZIP 2008, 385, 391; de Bra, LMK 2011, 319859; Jacobi, ZIP 2006, 2351, 2354. 209 Klinck, S. 354 f.; Eckardt, ZIP 1999, 1417, 1419 f. 210 Jacoby, ZIP 2008, 385, 389 – 391; Braun/de Bra, InsO, 5. Aufl. 2012, § 130 Rz. 11. 211 Klinck, S. 350 – 352. 212 „Eine Abgrenzung in der Weise, dass Vereinbarungen, die Sicherungen durch Vorausabtretung betreffen, auf bestimmte, sogleich wenigstens identifizierbare Gegenstände gerichtet sein müssen, um eine kongruente Deckung zu begründen, ist weder vom Wortlaut noch von der Entstehungsgeschichte des § 131 InsO vorgegeben.“, BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 431. 213 BGH, 15.11.1960 – V ZR 35/59, BGHZ 33, 389; BGH, 03.12.1998 – IX ZR 313 – 97, NJW 1999, 645 f. 208
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
Gegenstand (die erfasste Forderung; die Person des jeweiligen Drittschuldners); schließlich fügt der Rekurs auf die Klagbarkeit dem noch eigene Aspekte (etwa: § 253 II, § 259 ZPO) hinzu. Um beurteilen zu können, in welchem Bezug die Bestimmtheit zu § 131 InsO steht, muss daher zunächst einmal Klarheit über ihre Dimension gewonnen werden.
1. Bestimmbarkeit als Prinzip der Vertragsauslegung § 131 InsO rückt als Abgrenzung zu § 130 InsO nicht die Übertragung der Deckung, sondern den schuldrechtlichen Anspruch auf die Deckung in den Mittelpunkt. Der Wortlaut gibt also keinen Anlass, die verfügungsrechtliche Bestimmtheit fruchtbar zu machen. Die Bestimmtheit i. S. v. § 398 BGB will auch ganz anderen Grundsätzen Rechnung tragen als das Insolvenzanfechtungsrecht.214 Dennoch drehen sich einige der von der Rechtsprechung entschiedenen Sachverhalte um unbestimmt formulierte Verfügungen. Für die hier aufgeworfene Fragestellung bietet es sich daher an, die vom BGH entschiedenen Sachverhalte wie folgt zu unterteilen:215 Einerseits in Sachverhalte, in denen einer im Vertrag ausdrücklich geregelten, weniger bestimmt formulierten Verfügung kein ausdrücklich geregelter Anspruch gegenübersteht (a); andererseits in Sachverhalte, in denen der Anspruch auf eine künftige Verfügung ausdrücklich, aber weit formuliert ist, während die Verfügung konkret auf einen Gegenstand bezogen ist (b). a) Weniger bestimmt formulierte Verfügungen aa) Verfügung und Anspruch Tritt ein Schuldner vor der Krise ausdrücklich „alle Forderungen ab, die ihm je erwachsen werden“, so mag prima facie nahe liegen, dass der Zessionar – die Inhaltskontrolle einmal ausgeblendet – einen Anspruch auf Abtretung aller Forderungen hat. Dann wäre jeder später erfolgende Forderungsübergang kongruent. Inkongruenz läge nur dann vor, wenn der schuldrechtliche Anspruch hinter dieser weit formulierten Verfügung zurückbliebe. Es gilt also die Reichweite dieses Anspruchs zu ermitteln. Dabei darf schon wegen des Trennungsprinzips keineswegs ohne Weiteres von dem Umfang der Verfügungsklausel auf den ihr zugrunde liegenden Anspruch geschlossen werden. Dennoch bezieht man sich bisweilen auf die Verfügungsklausel mit dem Argument, dass der Anspruch auf die Übertragung gar nicht vorhanden sei, weil er erst mit Entstehung der vorauszedierten Forderung bestimmbar sei und in gleicher Sekunde, mit ihrem Übergang auf
214 Oben § 11 C.; Jacoby, ZIP 2008, 385, 389; Bülow, Kreditsicherheiten, 8. Aufl. 2012, Rz. 1381 ff. 215 So auch Jacoby, ZIP 2008, 385, 387.
C. Anfechtungsvoraussetzungen – Kongruenz oder Inkongruenz (§§ 130 f. InsO)
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den Zessionar, wieder erlöschen müsste (§ 362 BGB).216 Diese Annahme ist jedoch unzutreffend, da der Anspruch jedenfalls in seiner Funktion als Rechtsgrund für die Verfügung erhalten bleibt und daher ab Entstehung der Forderung, auf deren Erwerb er gerichtet ist, fortexistiert.217 Dass dieser Anspruch nicht eigens von den Parteien niedergeschrieben wurde, bedeutet ebenso wenig, dass er nicht existiert. Gerade bei einer globalen Vorauszession ist es üblich, dass diese und nicht etwa ein Anspruch auf Abtretung der Forderungen im Vertrag formuliert wird. Die grenzenlose Weite einer Verfügung mag allenfalls einen Verdacht (keine Vermutung!) begründen, dass Forderungen aufgrund der Klausel übergehen, die gar nicht geschuldet sind; es ist nicht auszuschließen, dass die Verfügungsklausel weiter formuliert ist, als die Parteien sich nach der Interessenlage verpflichten wollten. In solchen Fällen müssen der Anspruch und seine Reichweite durch ergänzende Vertragsauslegung ermittelt werden.218 Diese orientiert sich entweder an der Interessenlage im konkreten Fall oder an Gesichtspunkten, die für Rechtsgeschäfte dieser Art typisch sind.219 bb) Ergänzende Vertragsauslegung Die Ermittlung dieses Anspruchs im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung fällt leichter, wenn eine Verfügung eng formuliert ist: Wer „die Kaufpreisforderung aus dem künftigen Verkauf seines [exakt bezeichneten] Fahrzeugs“ abtritt und nur die Verfügung in den Vertrag schreibt, dem kann unschwer der Wille und das Interesse unterstellt werden, sich zu dieser Abtretung verpflichtet, also einen Anspruch auf sie eingeräumt zu haben. Bei globalen Vorausverfügungen fällt das schwerer. Hier ist nämlich unklar, auf welchen konkreten Gegenstand sich der Anspruch einmal beziehen soll, da zum Zeitpunkt seiner Vereinbarung noch nicht sicher ist, ob und wie bzw. wie viele abzutretende Forderungen überhaupt entstehen werden. Dann ist es möglich, dass später entstehende Forderungen unter die Globalverfügungsklausel subsumiert werden, an die die Parteien bei Formulierung der Klausel gar nicht gedacht hatten, so dass sie auch kaum einen Anspruch auf sie vereinbaren wollten. Dies offenbart, dass bei der Auslegung unbedingt der wirtschaftliche Rahmen zu berücksichtigen ist. Hier ist die Entscheidung des BGH über die Kongruenz der Globalzession einzuordnen. Einer weit formulierten Vorausverfügung stand die Absenz einer vertraglichen Formulierung des zugrundeliegenden Anspruchs gegenüber.220 Im Wesentlichen widmete sich der BGH den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einer Globalzessionsabrede; 216 So aber LG Berlin, 26.01.2007 – 23 O 32/06, NZI 2007, 247, 248; Piekenbrock, NZI 2006, 685, 686 f.; ders., WM 2007, 141, 144. 217 So auch Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2008, § 131 Rz. 36. 218 Furche, WM 2007, 1305, 1312. Ist unklar, welcher Teil einer globalen Verfügung beansprucht werden kann und welcher nicht, so kann das insgesamt zu Inkongruenz führen, BGH, 08.12.2011 – IX ZR 57/08, NZI 2012, 81. 219 Vgl. MünchKomm-BGB/Busche, 6. Aufl. 2012, § 157 Rz. 26, 38 ff. 220 BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430.
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seine Begründung rechtfertigt die Annahme eines Anspruchs auf die in der Krise des Zedenten entstandenen Forderungen. Der BGH stellte nämlich auf die Auffüllungsfunktion ab, die man mit der Abtretung künftiger Forderungen verfolgt:221 Die Abtretung auch der künftigen Forderungen dient als Ausgleich dafür, dass der Zessionar dem Zedenten weiterhin die Einziehungsbefugnis belässt. Damit würde der Zessionar die ihm zur Sicherheit abgetretenen Forderungen ständig verlieren, da sie mit Zahlung an den Zedenten nach §§ 362 I, 407 bzw. § 362 II BGB erlöschen. Hierzu ist der Zessionar nur deshalb bereit, weil er beanspruchen kann, dass ihm ständig neue Forderungen als Sicherheit zur Verfügung stehen werden, mit denen dieser Verlust an Sicherheit wieder „aufgefüllt“ wird.222 Dieser wirtschaftliche Rahmen ist die Grundlage, auf der man – ggf. im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung – für die globale Vorauszession einen Anspruch auf den jeweiligen Forderungsübergang annehmen kann. Eben dies rückte in der Entscheidung des BGH jedoch in den Hintergrund, da der BGH seine Ausführungen unter den konturenlosen Obersatz gestellt hatte, dass er die Inkongruenz in einem gegenüber dem früheren Recht „erweiterten Sinne“ verstehen wolle.223 cc) Bestimmbarkeit aus ex-ante-Sicht Die Kongruenzabrede muss nach ganz herrschender Meinung außerhalb der kritischen Zeit liegen.224 Könnten Schuldner und Gläubiger den Anspruch nämlich erst im anfechtungsrelevanten Zeitraum schaffen, so wäre es ihnen ein Leichtes, die Kongruenz einer Deckung erst in der Krise (stillschweigend) herzustellen. Bei der Ermittlung des Parteiwillens im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist daher auf den Zeitpunkt vor dem anfechtungsrelevanten Zeitraum abzustellen und demgemäß zu fragen, welche Verfügungen die Parteien bei der Vereinbarung der Klausel vor Augen hatten bzw. welche Forderungen der Zessionar schon aus damaliger Sicht beanspruchen konnte. Dadurch tritt zu der Ermittlung des Anspruchs noch die Aufgabe hinzu, den jeweiligen Forderungserwerb der (älteren) schuldrechtlichen Anspruchsvereinbarung zuzuordnen, um zu klären, ob die jeweilige Verfügung auf diesen Anspruch erfolgte. Das erfordert methodisch ein Mindestmaß an Bestimmbarkeit der jeweils entstehenden Forderung. Diese Bestimmbarkeit des Anspruchsgegenstandes ist kein Spezifikum des Insolvenzanfechtungsrechts, sondern bereits ein für die ergänzende Vertragsauslegung notwendiges Mittel, um einen späteren Vorgang 221
BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 434 f. Kuder, ZIP 2008, 289, 290; dies., ZInsO 2006, 1065, 1067. 223 BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 432. 224 Eckardt, ZIP 1999, 1417, 1418; Jacoby, ZIP 2008, 385, 390; Klinck, S. 348 f. m. w. N. und dem Hinweis auf die Ausnahme für den Fall eines Bargeschäfts i. S. v. § 142 InsO, welches für die Fälle der Globalzession genauso außer Acht bleiben kann (BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430; BGH, 17.03.2011 – IX ZR 63/10, NJW 2011, 1506, 1507 f.) wie überhaupt für die Frage nach der grundsätzlichen Einordnung einer Vorauszession (oben in Fn. 194). 222
C. Anfechtungsvoraussetzungen – Kongruenz oder Inkongruenz (§§ 130 f. InsO)
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dem früher geäußerten Parteiwillen zuordnen zu können.225 Daraus folgt: Die Bestimmbarkeit der jeweiligen Deckung zum Zeitpunkt der Begründung des Anspruchs außerhalb der Krise ist überhaupt Voraussetzung, um methodisch einen Anspruch auf die Übertragung einer während der Krise entstehenden Forderung ermitteln zu können. Diese Bestimmbarkeit erweist sich damit als Mindestvoraussetzung für die Kongruenz. Wie streng oder großzügig sie gehandhabt werden darf, ob etwa der Anspruch sogleich auf im Einzelnen identifizierbare Gegenstände gerichtet sein muss, muss die Auslegung von § 131 InsO ergeben (dazu noch unter 2.). b) Weniger bestimmt formulierte Ansprüche Die andere Fallgruppe betrifft vor der Krise vereinbarte und weit formulierte Ansprüche, die durch entsprechende Verfügungen während der Krise vollzogen werden können. Die Ermittlung des Anspruchs selbst bereitet hier keine Schwierigkeiten; diese liegen vielmehr bei der Ermittlung seiner Reichweite. Zur Verdeutlichung der Problematik möge die Klausel dienen, wonach die Bank (vereinfacht nach Nr. 13 AGB-Banken-2014) „für ihre Forderungen gegen den Kunden bankmäßige Sicherheit verlangen kann“. Jede Sicherheit, die der Kunde in seiner Krise stellt, wäre vordergründig von diesem Anspruch gedeckt und daher kongruent. Auf diese Weise wäre es möglich, dass der Schuldner die Bank durch grenzenlose Verschaffung von Absonderungsrechten in der Zeit vor der Insolvenz besser stellt (§§ 50 f. InsO). Allerdings können die Umstände der Anspruchsvereinbarung nicht außer Betracht bleiben (§§ 133, 157 BGB). Angesichts ihrer ist zu fragen, ob eine später getätigte Verfügung in Vollzug dieser Vereinbarung vorgenommen wurde. Damit stellt sich die gleiche Problematik wie bei der Fallgruppe der weniger bestimmt formulierten Verfügungen, nämlich die Zuordnung der Verfügung zum Anspruch und damit die Bestimmbarkeit des seinerzeit von den Parteien ins Auge gefassten Anspruchsgegenstands. Diese bejahte der BGH in seiner Ausgangsentscheidung BGHZ 33, 389 zu Nr. 13 AGB-Banken.226 Er ordnete im Wege der Vertragsauslegung die betreffende Verfügung dem außerhalb der Krise eingeräumten Anspruch zu. Dennoch nahm er Inkongruenz an und hob hierfür sogar auf die „völlige inhaltliche Unbestimmtheit“ des Anspruchs ab, weil dem Schuldner die freie Wahl hinsichtlich Umfang, Sicherungsmittel und Auswahl der Sicherungsgegenstände verblieben.227 Das zwingt zur oben bereits angedeuteten Untersuchung, ob §§ 130 f. InsO noch engere Anforderungen an die Bestimmbarkeit stellen, die über die aus der allgemeinen Vertragsauslegung folgende Zuordenbarkeit einer Verfügung zu einem früheren Anspruch hinausgehen (dazu sogleich unter 2.). 225
Vgl. oben § 11 C zur ähnlichen Erwägung in Bezug auf die Formulierung einer Verfügung. Zur Entscheidung oben bei Fn. 186. 227 Vgl. die Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung in BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 432 (Tz. 23). 226
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
c) Zwischenbilanz Unabhängig davon, ob außerhalb des anfechtungsrelevanten Zeitraums über künftige Forderungen oder innerhalb dieser Zeit über eine gegenwärtige Forderung verfügt wurde, stellt sich in jedem Fall die gleiche Aufgabe, den der Verfügung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Anspruch zu ermitteln bzw. einzugrenzen. Dort, wo dieser nicht ausdrücklich formuliert ist, muss dies im Wege der (ergänzenden) Vertragsauslegung geschehen. Die Formulierung etwaiger Verfügungsklauseln und deren Bestimmtheit i. S. v. § 398 BGB sind dabei nicht unmittelbar und nicht ohne weiteres ausschlaggebend. Vielmehr ist der wirtschaftliche Rahmen zu berücksichtigen und die ex-ante-Sicht der Parteien vor dem anfechtungsrelevanten Zeitraum zugrunde zu legen. Es muss im Ansatz bestimmbar sein, welche Verfügung der Erwerber von vornherein beanspruchen durfte, um beurteilen zu können, ob die Verfügung auf diesen Anspruch erfolgte.
2. Bestimmtheit und Bestimmbarkeit nach §§ 130, 131 InsO Fraglich bleibt, welche Maßstäbe §§ 130, 131 InsO an diese inhaltliche Bestimmtheit des Anspruchs auf die Deckung legen. Diese Frage drängt sich nicht zuletzt durch die Entscheidung BGHZ 33, 389 auf, welche trotz Zuordenbarkeit der Verfügung zum Anspruch die Deckung wegen Unbestimmtheit des Anspruchs für inkongruent erklärte. a) Sinn und Zweck des Anspruchserfordernisses Das in § 131 InsO aufgestellte Anspruchserfordernis dient der Abgrenzung von Kongruenz und Inkongruenz. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers rechtfertigt der fehlende Anspruch die Annahme, dass der Gläubiger von der wirtschaftlichen Lage des Schuldners oder dessen Begünstigungsabsichten hätte wissen können.228 Die Identifizierung der Deckung als geschuldet oder nicht geschuldet soll also Aufschluss über die Kenntnislage des Empfängers bezüglich der Situation des Schuldners geben. Insbesondere für den Fall der Gewährung einer nicht zu beanspruchenden Sicherheit tritt zu dieser vermuteten Kenntnis des Gläubigers der Aspekt hinzu, dass ein fehlender Anspruch den Verdacht begründet, der Gläubiger habe auf die Gewährung der Sicherheit gedrängt, weil er die Krise des Schuldners kannte oder voraussah.229 Die Gewährung einer Deckung, die nicht
228 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, S. 406; Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 126 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 134); BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 432 u. 433. Grundsätzlich auch Klinck, S. 328 (kritisch allerdings in Bezug auf einige im vorliegenden Rahmen nicht relevante Einzelfälle). 229 Klinck, S. 328 – 332.
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auf eine Schuld erfolgt, ist damit verdächtig, so dass eine nach § 131 InsO verschärfte Anfechtungsmöglichkeit gerechtfertigt ist.230 b) Bestimmtheit von Art, Zeit und „Ob“ der Deckung Wenn § 131 InsO an die Nichtexistenz des Anspruchs die Vermutung einer Kenntnis von der Krise und hieran die verschärfte Anfechtbarkeit knüpft, dann muss von allen Elementen eines Anspruchs jedenfalls die letztverbindliche Manifestation des Parteiwillens bereits außerhalb der kritischen Zeit vorgelegen haben. Wenn sich die Parteien nämlich binden, dann begeben sie sich der Möglichkeit, auf einen gegebenenfalls veränderten Kenntnisstand noch zu reagieren. Folglich kann unterstellt werden, dass all dasjenige, was sich später in Vollzug dieser Willenserklärungen ereignet, durch den Kenntnisstand motiviert war, den die Parteien zum Zeitpunkt ihrer Willensäußerung außerhalb der wirtschaftlichen Krise hatten. Haben die Parteien außerhalb der Krise ihren Willen verbindlich geäußert, rechtfertigt der Vollzug dieser Abrede durch Gewährung der Deckung innerhalb der Krise also nicht mehr den Verdacht, die Parteien hätten sich bei der Gewährung der Deckung von der Kenntnis über die Krise des Schuldners zum Nachteil der anderen Gläubiger leiten lassen.231 § 131 InsO verlangt jedoch seinem Wortlaut nach nicht in jeder Hinsicht Verbindlichkeit. Nach § 131 InsO muss lediglich ausgeschlossen sein, dass die Parteien hinsichtlich des „Ob“, der Art und der Zeit der Deckungsgewährung unter dem Eindruck der Krise anders gehandelt haben als sie es außerhalb der Krise vereinbart hatten. Wenn außerhalb der Krise offen gelassen wird, ob, welcher Art oder wann eine geschuldete Deckung zu erbringen ist, kann der Verdacht nicht mehr von der Hand gewiesen werden, dass der Schuldner die Deckung anders oder früher als wirtschaftlich vernünftig bzw. überhaupt erst unter dem Eindruck der Krise gewährt hat. Der Anspruch auf die Deckung muss also bereits in der Zeit vor der Krise hinsichtlich des „Ob“ der Schuld, der Art und der Zeit der Deckungsgewährung bestimmt gewesen sein.232 Umgekehrt ist es allemal unschädlich, wenn der vereinbarte Anspruch außerhalb der kritischen Zeit aus anderen als diesen drei Aspekten nicht „klagbar“ oder unbestimmt war und der konkrete Gegenstand erst innerhalb der Krise bestimmt werden kann. Anders als der Wortlaut („zu beanspruchen“) suggeriert, ist also nicht das „Forderndürfen“ der Maßstab, sondern die „Bindung“ im vorgenannten Sinn. Diese Bindung hinsichtlich „Ob, Art und Zeit“ der Deckungsgewährung bzw. die damit korrespondierende Bestimmtheit einer Vereinbarung bedeuten eine Einschränkung des Ermessens der Vertragsparteien. Es ist daher in der Sache richtig, wenn der BGH bei der Inkongruenzprüfung auf das verbleibende Ermessen abstellt und 230
Eckardt, ZIP 1999, 1417, 1418. Eckardt, ZIP 1999, 1417, 1418. Zum Zusammenhang von Kenntnis und Bindung siehe bereits oben zu § 406 BGB (§ 4 S. 128 ff.). 232 Eckardt, ZIP 1999, 1417, 1418. 231
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einen Anspruch für inkongruent hält, der es den Parteien offen lässt, ob und welche Deckung sie während der Krise gewähren.233 Der rechtsdogmatischen Fortentwicklung ist es jedoch dienlicher, dies mit den Kriterien der Bindung und der Bestimmtheit zum Ausdruck zu bringen. Die außerhalb der Krise getroffene Vereinbarung muss die Parteien hinsichtlich Art, Zeit und „Ob“ der Deckung binden, im Übrigen muss der Anspruch bei Eintritt der Krise nicht über die genannte Bindung hinaus gediehen oder bestimmt sein.234 c) Bestimmbarkeit der konkreten Deckung § 131 InsO möchte nicht in jeder Hinsicht ausschließen, dass die Parteien bei der Gewährung der Deckung unter dem Eindruck der Krise gehandelt haben könnten. Es wird ihnen immerhin nachgelassen, den späteren Gegenstand der Deckung vor der Krise nicht exakt, sondern lediglich „der Art“ nach festzulegen. Das Gesetz lässt also Raum für eine weitere, ggf. unter dem Eindruck der Krise erfolgende Willensentscheidung über die konkrete Deckung, die innerhalb dieser Art gewährt wird. Genauso verhält es sich mit der Zeit, da § 131 InsO nicht die Festlegung eines genauen „Zeitpunkts“ verlangt und damit den Parteien auch erlauben würde, einen „Zeitraum“ zu bestimmen. § 131 InsO lässt also einen gewissen Spielraum, innerhalb dessen die Parteien während der Krise des Schuldners über die nähere Erfüllung des Anspruchs entscheiden können, ohne dass deshalb die Deckung verdächtig wäre. Dementsprechend erlaubt die ganz herrschende Meinung eine geringfügige oder verkehrsübliche Abweichung von Deckung und Anspruch.235 Das Gesetz verlangt damit keine Bestimmtheit des konkreten Deckungsgegenstands und –zeitpunkts, sondern seine Bestimmbarkeit innerhalb der zuvor verbindlich festgelegten Art und Zeit. Soll die Deckung aus sicherungshalber abgetretenen Forderungen bestehen, so würde es der Wortlaut also erlauben, dass diese ex ante nur durch ihre Herkunft aus der Geschäftstätigkeit des Schuldners und/oder aus einem gewissen Zeitraum und/oder durch ihren Drittschuldner bestimmbar sind.236
3. Grenzen Die Obliegenheit der Parteien, die Deckung nur ihrer Zeit und Art nach zu bestimmen, eröffnet der Kautelarpraxis die Möglichkeit, Art und Zeit der Deckungsgewährung so weit zu definieren, dass der Spielraum bei der Deckungsgewährung 233
Oben Fn. 195. Im Ergebnis (jedoch in Bezug auf eine Vorausverpfändung) auch Eckardt, ZIP 1999, 1417, 1419 f. 235 Klinck, S. 343 f. m. w. N. 236 Zu in der Praxis üblichen Eingrenzungen des abgetretenen Forderungsbestands vgl. auch Jacoby, ZIP 2008, 385, 386; Jacobi, ZIP 2006, 2351, 2354; Lwowski/Fischer/Langenbucher/ Lwowski, Kreditsicherung, 9. Aufl. 2011, § 13 Rz. 81. 234
C. Anfechtungsvoraussetzungen – Kongruenz oder Inkongruenz (§§ 130 f. InsO)
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groß und dem Vorwurf, die Deckung sei der Art oder Zeit nach nicht geschuldet, der Boden entzogen würde. Das wirft die Frage auf, welche Grenzen einer solchen Vertragsgestaltung gesetzt sind. a) Vorhersehbarkeit Es ist das Wesen der Bestimmbarkeit, dass man sprichwörtlich „alles“ bestimmen und auf diese Weise sogar die Gewissheit darüber erhalten kann, was „alles“ ist: Nämlich „alles“. Es gäbe keinen Gegenstand, der nicht erfasst wäre, und damit keine Zweifel. Diese sprachliche Spielerei findet freilich ihre Grenze darin, dass das Gesagte und Vereinbarte immer einen tatsächlichen Rahmen hat und in jedem Rahmen anders verstanden werden kann. Wer heute sagt, dass er „alles“ abtritt, wird sich zu anderer Zeit fragen lassen müssen, ob davon wirklich Forderungen erfasst sind, die er damals – nach Zeit und wirtschaftlichem Kontext seiner Äußerung – unmöglich hätte bedenken können. Daraus ergibt sich das Erfordernis, dass im Falle weit formulierter Ansprüche der wirtschaftliche Rahmen, innerhalb dessen sie formuliert wurden, berücksichtigt werden muss, und zwar so, wie er sich außerhalb des anfechtungsrelevanten Zeitraums dargestellt hat.237 Die Bestimmbarkeit, die damit aus ex-ante-Perspektive zu beurteilen ist, ist folglich durch den Aspekt der „Vorhersehbarkeit“ eingegrenzt. Fraglich kann die Vorhersehbarkeit sein, wenn sich die Parteien in einer Rahmenvereinbarung vorab auf eine Globalzession von künftigen Forderungen einigen, um später abgerufene Kreditlinien zu sichern. Der aus der Rahmenvereinbarung in ergänzender Auslegung ermittelte Anspruch auf die Deckung ist hier entsprechend weit gefasst: Der Zessionar und Kreditgeber kann danach zwar alle in der Krise entstehenden Forderungen des Kreditnehmers zu seiner Sicherung beanspruchen. Problematisch wird das aber, wenn der Zessionar die Kreditlinie selbst erst während der Krise gewährt oder ausweitet. Hier könnte man die jeweils neu entstehenden Forderungen zwar mittels Auslegung dem Anspruch auf die Deckung zuordnen, jedoch fehlt es an dem Aspekt der Voraussehbarkeit. Die Parteien haben durch kein Verhalten außerhalb des anfechtungsrelevanten Zeitraums kundgetan, dass sich der Anspruch auch auf Forderungen zur Sicherung dieses Kreditgeschäfts beziehen sollte, wenn es dieses Geschäft in diesem Zeitraum noch gar nicht gab. Sicherungszessionen in der Krise für aufgrund von Rahmenvereinbarungen erst innerhalb der Krise eingeräumte oder ausgeweitete Kreditlinien sind daher inkongruent, wenn keine konkreten Anzeichen dafür bestehen, dass sich der Anspruch auf genau dieses Geschäft bezogen haben soll.238
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Oben Fn. 224. Im Ergebnis auch Eckardt, ZIP 1999, 1417, 1421; strikter noch Schoppmeyer, in: Bork (Hrsg.), Handbuch, Kap. 8 Rz. 78. 238
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b) Art der Sicherung als nicht beliebig dehnbarer Begriff Dem Erfordernis, wonach die Art der Sicherung bestimmt sein muss (§ 131 InsO), ist seinerseits eine Grenze gegen beliebig weit vereinbarte Sicherungsarten immanent. Betroffen sind namentlich Ansprüche, die – wie im Fall von BGHZ 33, 389 – lediglich auf Gewährung einer „bankmäßigen Sicherheit“ gerichtet sind. Sie legen nämlich die Gewährung einer Sicherheit, nicht aber ihre Art fest. Der Einwand, dass diese sich § 232 BGB entnehmen lasse und daher wenigstens Bestimmbarkeit gegeben sei,239 verfängt nicht: § 232 BGB macht mit dem Titel „Arten [der Sicherheitsleistung]“ gerade deutlich, dass die dort genannten Sicherheiten verschiedene Arten sind. Zur Beurteilung dessen, was eine von vornherein bestimmte „Art der Sicherung“ ist, wird man § 131 InsO so auslegen müssen, dass er auf die in der Rechtspraxis herkömmlich kategorisierten Arten von Sicherheiten (Verpfändung einer Forderung, Verpfändung einer Sache, Sicherungszession . . .) Bezug nimmt, wenn nicht die Parteien diese in ihrer Abrede weiter einschränken (etwa „Sicherungszession aller Forderungen mit den Anfangsbuchstaben L-Z“).240 Andernfalls könnten die Parteien die gebotene Bestimmung der Art durch weite Oberbegriffe so vornehmen, dass die vom Wortlaut sowie vom Sinn und Zweck von § 131 InsO intendierte Festlegung der Art der Sicherung verschwimmen würde. Unbedenkliche Einzelfälle können immer noch dadurch vermieden werden, dass man – wie die herrschende Meinung241 – eine geringe Abweichung zulässt, solange sie verkehrsüblich ist und nicht den Verdacht einer Begünstigung hervorruft. c) Ratio legis Schließlich zieht die ratio legis unmittelbar Grenzen gegenüber zu weiten Artoder Zeitbestimmungen. Den Parteien kann es nicht möglich sein, durch die Weite der formulierten Ansprüche jede danach erfolgende Deckung dem Anspruch zu unterwerfen, soweit sie sich dadurch der Notwendigkeit begeben würden, zu überdenken, ob eine Deckung nach Art und Zeit geschuldet ist oder nicht.242 Denn zu eben dieser Überlegung will der Gesetzgeber mit §§ 130, 131 InsO die Parteien anhalten, da er sich andernfalls in einer legislatorischen Zwickmühle befände. Diese besteht darin, dass er einerseits auf die Voraussetzung der Kenntnis des Erwerbers von der Krise zu dessen Schutz nicht verzichten dürfte (außer für die Schenkung), andererseits aber diese Kenntnis regelmäßig nicht beweisbar ist.243 Deshalb möchte 239 So auch die (letztlich aber vom BGH verworfene) Argumentation in BGH, 15.11.1960 – V ZR 35/59, BGHZ 33, 389, 394. 240 Ähnlich Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2008, § 131 Rz. 37. 241 Vgl. Klinck, S. 343 f. m. w. N. 242 Schoppmeyer, in: Bork (Hrsg.), Handbuch, Kap. 8 Rz. 78. 243 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 124 ff. (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 133 ff.); Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, S. 407.
C. Anfechtungsvoraussetzungen – Kongruenz oder Inkongruenz (§§ 130 f. InsO)
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§ 131 InsO, um dem Erwerber diese Kenntnis unterstellen zu können, wenigstens von ihm verlangen, dass er sich nach den bestehenden Verhältnissen des Schuldners erkundigt.244 Genau dieser Obliegenheit, Verdacht zu schöpfen, würden sich die Parteien durch weite Anspruchsformulierungen entledigen. Vereinbarungen, die den Parteien bei der Deckungsgewährung gewissermaßen Blauäugigkeit hinsichtlich der wirtschaftlichen Situation des Schuldners erlauben würden, können eine Deckung also nicht legitimieren, da sie auf eine Abbedingung der durch § 131 InsO auferlegten Obliegenheit hinausliefen, welche angesichts der Indisponibilität der Anfechtungstatbestände unzulässig ist. Der Erwerber kann sich – ganz im Sinne der auch dem Anfechtungsrecht zugrunde liegenden Gläubigergleichbehandlung245 – durch solche beliebig weiten Vereinbarungen nicht im Vorhinein Vermögen reservieren, welches der Schuldner während seiner Krise erwirtschaftet.246
4. Kongruenz und Klagbarkeit Die Klagbarkeit eines Anspruchs, auf die in der Literatur zur Kongruenzbestimmung häufig rekurriert wird (oben S. 468), spielt anhand der vorstehenden Ergebnisse keine Rolle bei der Kongruenzbestimmung. Mit der Klagbarkeit soll im Kontext der jeweiligen Auffassungen auf die Voraussetzungen von § 253 II oder § 259 ZPO angespielt werden. Beiden Vorschriften liegen jedoch andere Prämissen zugrunde als der Kongruenzbestimmung nach §§ 130 f. InsO: Die kraft §§ 253 II, 259 ZPO erforderliche Bestimmtheit orientiert sich nämlich an der Vollstreckbarkeit des Anspruchsinhalts, während die Frage nach einer Bindung der Parteien keine Rolle spielt.247 Zudem verlangt gerade ein Anspruch auf Abtretung in Hinblick auf § 894 ZPO ein viel höheres Maß an Konkretisierbarkeit der abzutretenden Forderungen als es anhand der oben entwickelten Vorgaben für § 130 InsO erforderlich ist.248 Mit dem Hinweis auf den, ohnehin häufig bezugslos verwendeten, Begriff „Klagbarkeit“ des Anspruchs kann die Kongruenz daher nicht erklärt werden.
244 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 126 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 134): „wenigstens wird man von ihm verlangen dürfen, dass er sich nach den bestehenden Verhältnissen erkundige.“ 245 Dazu und zugleich klarstellend, dass die par condicio creditorum für die Begründung der Inkongruenzanfechtung keine wesentlich größere Rolle spielt als für die Begründung der Kongruenzanfechtung, Klinck, S. 334 ff. 246 Schoppmeyer, in: Bork (Hrsg.), Handbuch, Kap. 8 Rz. 78; zum Aspekt der Gläubigergleichbehandlung vgl. auch Jacoby, ZIP 2008, 385, 391; Lange/Reimann, BKR 2006, 230, 231. 247 Zu § 253 II ZPO Wieczorek/Schütze/Assmann, § 253 ZPO Rz. 76; zu § 259 ZPO siehe § 10. 248 Zu § 894 ZPO vgl. Wieczorek/Schütze/Assmann, § 253 ZPO Rz. 80.
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
5. Zusammenfassung Ob eine Deckung geschuldet, welcher Art und in welchem Zeitraum sie zu erbringen ist, muss außerhalb des anfechtungsrelevanten Zeitraums verbindlich vereinbart worden sein; insoweit geht es um die Bestimmtheit des Anspruchs; im Übrigen genügt die Bestimmbarkeit seines Inhalts im Rahmen dieser Vereinbarung. Der konkrete Gegenstand und Zeitpunkt der Deckung müssen also nicht schon außerhalb der kritischen Zeit individualisierbar gewesen sein. Diese Kriterien ergeben sich unmittelbar aus § 131 InsO. Die Bindung und die Bestimmtheit stehen hinter dem, was der BGH in seiner neueren Rechtsprechung mit den Kriterien des Ermessens der Beteiligten bzw. des Zufalls zum Ausdruck bringt.249 Die Bestimmtheit und die Bestimmbarkeit sind anhand der Vorstellung der Parteien und des wirtschaftlichen Rahmens des Geschäfts außerhalb des anfechtungsrelevanten Zeitraums festzustellen und nach demjenigen, was die Parteien zu diesem Zeitpunkt in ihre Planungen einbeziehen bzw. voraussehen konnten. Was eine Art von Sicherungsmitteln ist, richtet sich nach der herkömmlichen Kategorisierung anerkannter Sicherungsmittel, wenn die Parteien sie nicht noch weiter eingeschränkt haben. Beliebig erweitern können die Parteien die Festlegung von Art und Zeit der Sicherung nicht. Unbestimmte Anspruchsvereinbarungen, durch die sich die Parteien ihrer Obliegenheit begeben würden, über das Geschuldetsein einer Deckung nachzudenken, und mittels derer sie sich bei der Deckungsgewährung gewissermaßen Blindheit gegenüber der wirtschaftlichen Situation des Schuldners erlauben würden, sind unzulässig. Anhand dieser Ergebnisse sollen nun die zwei in der Praxis bedeutenden Fälle der Verfügung über künftige Forderungen untersucht werden, die Globalzession (dazu V.) und die Globalverpfändung (dazu VI.), welche in Rechtsprechung und Literatur noch immer kontroverser Beurteilung unterliegen.
V. Anspruch auf die Deckung im Fall globaler Vorauszession Im Folgenden wird die Kongruenz von Forderungen untersucht, die kraft einer gewöhnlichen Globalzession übergehen, wie sie der Leitentscheidung des BGH zugrunde lag.250 Der BGH hat ihnen Kongruenz attestiert.251 Selbst wenn – wie häufig – nur die Abtretung ausdrücklich im Vertrag formuliert ist, kann hier der Anspruch auf die Deckung dem außerhalb des anfechtungsrelevanten Zeitraums geschlossenen Sicherungsvertrag im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung entnommen werden; eine Stütze dafür bietet, dass die Abtretung künftiger Forderungen erfolgt, um einen ansonsten absinkenden Sicherheitenbestand 249
Oben S. 467. BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430. 251 Im Einzelnen oben S. 467. 250
C. Anfechtungsvoraussetzungen – Kongruenz oder Inkongruenz (§§ 130 f. InsO)
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wiederaufzufüllen.252 Klargestellt sei, dass der Anspruch auf die Deckung hier nicht auf die Begründung neuer Forderungen durch den Zedenten durch Abschluss entsprechender Lieferverträge gerichtet ist, sondern auf den abtretungsweisen Übergang der Forderungen für den Fall, dass der Zedent – worin er frei ist – diese generiert hat.253
1. Künftige Natur des Anspruchs Bei genauerer Betrachtung handelt es sich bei dem Anspruch auf die Deckung um einen aufschiebend bedingten Anspruch. Der Erwerb einer Forderung durch den Zedenten ist ein künftiges Ereignis, welches wegen der Unwägbarkeiten seines Geschäftsbetriebes ungewiss ist. Von diesem Ereignis ist der Anspruch des Zessionars überhaupt abhängig, da er sich nur auf den Übergang solcher Forderungen bezieht, die in der Hand des Zedenten tatsächlich entstehen. Daraus folgt, dass der Anspruch auf die Deckung erst innerhalb des anfechtungsrelevanten Zeitraums (mit Erwerb der jeweiligen Forderung) entsteht. Wie oben dargetan, ist das jedoch unschädlich, solange die den Anspruch tragende Bindung der Parteien hinsichtlich des „Ob“, der Art und der Zeit der Deckung schon vorher gegeben ist. Dies trifft auf den hier in Rede stehenden Anspruch zu: Wenn der Zedent die Abtretung nämlich nicht aus Rationalisierungsgründen bereits im Voraus erklärt hätte, so dürfte man dem Sicherungsvertrag von Anfang an die Pflicht des Zedenten entnehmen, jede neue Forderung sicherungshalber abzutreten, die ihren Merkmalen nach der Sicherungsabrede unterfällt. Diese Einordnung des Anspruchs als aufschiebend bedingt findet ihre Bestätigung in den Motiven zur Konkursordnung, in denen man es für die Kongruenz einer Deckung als ausreichend ansah, dass ein außerhalb der kritischen Zeit aufschiebend bedingter Anspruch erst während der Krise entsteht.254
2. Zur Bestimmtheit und Bestimmbarkeit Dieser Anspruch steht im Einklang mit den oben dargelegten Bestimmtheits- und Bestimmbarkeitskriterien. Die Bestimmtheit hinsichtlich des „Ob“ ist gegeben; diese Frage ist untrennbar mit der eben festgestellten Bindung verbunden. Darüber darf nicht das Faktum hinwegtäuschen, dass die Entstehung des Gegenstands, auf den der Anspruch sich bezieht, unklar ist: Ob eine zu übertragende Forderung 252
S. o. im Text bei Fn. 221. Diesbezüglich geben manche Andeutungen des BGH in seiner Entscheidung zur Globalzession Anlass zur Verwirrung; diese Einschätzung teilen Mitlehner, ZIP 2008, 189 f. (Anm.), und Klinck, S. 354. 254 Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 127 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 135). 253
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
des Zedenten überhaupt entstehen wird, ist zwar ungewiss. Gewiss ist jedoch, dass der Zedent diese abzutreten verpflichtet ist, wenn sie entsteht: Nur hierauf bezieht sich der Anspruch des Zessionars.255 Bei den üblichen Modellen einer Globalzession verbleibt insofern kein Raum für eine (ggf. krisenbeeinflusste) Willensbildung des Zedenten dahingehend, ob er die Forderung nun abtritt oder nicht: Das wäre lediglich dann der Fall, wenn er die Wahl hätte, welche Forderungen er zur Auffüllung des Forderungsbestandes einsetzt und welche nicht; diese hat er aber – im Gegensatz zur Mantelzession – bei der Globalzession regelmäßig nicht.256 Der Forderungsübergang kraft Globalzession ist auch seiner Zeit nach bestimmt; er ist an das Entstehen der zu zedierenden Forderung geknüpft. Dafür sorgt ebenfalls der Automatismus der Vorauszession; dem Zedenten bleibt kein Ermessen dergestalt, dass er entscheiden könnte, wann – in der Zeit nach dem Entstehen der Forderung – er die Abtretung vornimmt. Die Deckung ist auch ihrer Art nach bestimmt, da der Anspruch aus Sicht vor der Krise auf das anerkannte Sicherungsmittel der Sicherungszession von Forderungen gerichtet ist. Soweit – wie in Globalzessionsverträgen üblich – die Person des Drittschuldners, und damit die Identität der Forderungen, unklar bleibt und eine Individualisierbarkeit erst während der Krise eintritt, ist das keine Frage der Art der Sicherung; insoweit ist lediglich eine gewisse Bestimmbarkeit erforderlich, um die jeweils entstehende Forderung dem Anspruch als diejenige zuordnen zu können, für welche der Anspruch auf die Deckung seinerzeit begründet worden war. Auch dies trifft auf die vom BGH geprüften Globalzessionen zu, da durch den wirtschaftlichen Kontext, in dem sie verabredet wurden, bestimmbar war, welche Sicherungszessionen von dem Anspruch gedeckt sind und welche (etwa die von Privatforderungen des Zedenten) nicht.257 Schließlich ist in dem der BGH-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit genüge getan, da die fraglichen, der Vorauszession gezollten Forderungsübergänge alle der Sicherung einer außerhalb der kritischen Zeit eingeräumten Kreditlinie dienten (vgl. zu diesem Erfordernis oben S. 477).258
VI. Divergenz von Pfandrechts- und Globalzessionsrechtsprechung? Die Literatur ist sich uneins über die Frage, ob es in der Sache richtig ist, dass der BGH in seiner Globalzessionsentscheidung an seiner Rechtsprechung zur Inkongruenz der Verpfändung in Nr. 14 AGB-Banken festhält.259 Daher seien 255
Oben Fn. 253. Vgl. Bülow, Kreditsicherheiten, 8. Aufl. 2012, Rz. 1396, und § 2 mit Fn. 281. 257 Dazu BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430, 432 f., insb. Tz. 26 f. 258 BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, NJW 2008, 430: Die globale Vorausabtretungsklausel befand sich in einer Rahmenvereinbarung; die konkrete Kreditlinie wurde innerhalb dieser Rahmenvereinbarung zwar Jahre später, aber außerhalb der kritischen Zeit vereinbart. 259 Siehe oben S. 468 f. 256
C. Anfechtungsvoraussetzungen – Kongruenz oder Inkongruenz (§§ 130 f. InsO)
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im Folgenden die Argumente des BGH zur Globalverpfändung aus seinen Leitentscheidungen aus den Jahren 2002 und 2007 gewürdigt. Nr. 14 AGB-Banken lautet in seinem relevanten Teil damals wie heute:260 „(1) Einigung über das Pfandrecht Der Kunde und die Bank sind sich darüber einig, dass die Bank ein Pfandrecht an den Wertpapieren und Sachen erwirbt, an denen eine inländische Geschäftsstelle im bankmäßigen Geschäftsverkehr Besitz erlangt hat oder noch erlangen wird. Die Bank erwirbt ein Pfandrecht auch an den Ansprüchen, die dem Kunden gegen die Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zustehen oder künftig zustehen werden (zum Beispiel Kontoguthaben). (2) Gesicherte Ansprüche Das Pfandrecht dient der Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche, die der Bank mit ihren sämtlichen in- und ausländischen Geschäftsstellen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen den Kunden zustehen. (. . .)“
1. Globalverpfändungsentscheidung (2002) Vorab ist anzumerken, dass jedenfalls die Begründung, die der BGH in seiner „Globalverpfändungsentscheidung“261 aus dem Jahr 2002 gegen eine Kongruenz angeführt hat, vor dem Hintergrund der oben entwickelten Vorgaben nicht richtig ist. Der BGH prüft auf Basis der Annahme, dass der Anspruch auf die Verpfändung der Verpfändungsklausel in Nr. 14 AGB-Banken entsprechen müsste, schließt also von der Verfügung auf den zugrunde liegenden Anspruch. Daran anknüpfend lehnt er die Kongruenz ab, da sich der Anspruch dann erst in demjenigen Zeitpunkt auf einen bestimmten Pfandgegenstand konkretisieren würde, in dem die verpfändete Forderung entsteht, und damit nicht auf sogleich wenigstens identifizierbare Gegenstände gerichtet wäre.262 Dieses Argument ist – wie der BGH selbst später erkennt (dazu sogleich) – nicht aufrechtzuerhalten: Der konkrete Verfügungsgegenstand bleibt bei der Globalzession genauso bis zuletzt offen, und dies ist, wie oben dargelegt (C.IV.), bereits nach dem Wortlaut von § 131 InsO, aber auch angesichts der ratio legis unschädlich. Ebenso wenig überzeugt daher der folgende Satz des BGH: „Solange Absprachen es dagegen dem Ermessen der Beteiligten oder dem Zufall überlassen, welche konkrete Sicherheit erfaßt werden wird, sind sie nicht geeignet, die Besserstellung einzelner Gläubiger im Konkurs unter Durchbrechung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu rechtfertigen.“263 Die konkrete Sicherheit nämlich kann – anders als die Art der Sicherheit – grundsätzlich dem Ermessen der Parteien überlassen bleiben. 260
Allgemeine Geschäftsbedingungen Banken in der Fassung vom Februar 2014. BGH, 07.03.2002 – IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122 = NJW 2002, 1722, s. bereits oben bei Fn. 192. 262 BGH, 07.03.2002 – IX ZR 223/01, NJW 2002, 1722 f. 263 BGH, 07.03.2002 – IX ZR 223/01, NJW 2002, 1723. 261
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
2. Globalzessionsentscheidung (2007) Es bedarf also der Würdigung des nachträglichen Obiter Dictum zu Nr. 14 AGBBanken in der „Globalzessionsentscheidung“264 des BGH, mit dem er an der Verpfändungsrechtsprechung festhält. Hier distanziert er sich von dem Argument der anfänglich fehlenden Identifizierbarkeit und stellt maßgeblich darauf ab, dass es bei Nr. 14 AGB-Banken „völlig dem Ermessen der Beteiligten oder dem Zufall überlassen bleibt, ob und in welchem Umfang die Gläubigerrechte entstehen“.265 Der BGH moniert also das auf grundsätzlicherer Ebene bestehende Ermessen, nämlich hinsichtlich des „Ob“ und des „Umfangs“ der Deckung. Während die Art der Sicherung im Fall von Nr. 14 AGB-Banken festgelegt ist (Verpfändung von Wertpapieren, Sachen und Forderungen), verhält es sich anders hinsichtlich des „Ob“ der Deckungsgewährung. Dem Verpfänder verbleibt hier in der Tat bei der Frage ein Ermessen, ob er einen gewissen Gegenstand verpfändet. Zwar besteht bei Nr. 14 AGB-Banken insoweit kein Ermessen, als dass durch die Vorausverpfändung – wie im Fall der Vorauszession – ein Automatismus entsteht, kraft dessen jede Forderung, die beim Verpfänder entsteht, von der Vorausverpfändung erfasst wird. Betrachtet man allerdings den wirtschaftlichen Rahmen dieses Bankvertrags, so wird das Ermessen deutlich. Anders als im Fall der Globalzession ist der vom BGH unterstellte Anspruch auf die Verpfändung nicht durch einen üblichen und abgrenzbaren Geschäftsbezug begrenzt. Vielmehr könnte der Verpfänder jedwede Vermögensgegenstände bei der Bank deponieren, Schecks einlösen, Einzahlungen auf das Konto selbst vornehmen oder seine eigenen Kunden dazu anweisen und auf diese Weise sich eine Forderung gegen die Bank und der Bank hieran ein Pfandrecht verschaffen.266 Der Verpfänder ist in der Tat völlig frei, der Bank Pfandrechte auch außerhalb einer etwaigen konkreten Kreditbeziehung zu verschaffen und beliebig zu entscheiden, ob und wofür er sein Konto nutzt. Nr. 14 AGB-Banken erlaubt es damit einem künftigen Insolvenzschuldner, seiner Bank (nachträglich) Sicherheiten zuzuführen, ohne dass die Bank dies konkret verlangt hätte oder verlangen hätte können. Demgegenüber liegt die Zuführung von Forderungen bei einer gewöhnlichen Globalzession stets im Rahmen dessen, was Bank und Zedent bei der Kreditgewährung avisiert hatten und nach der Interessenlage auch erwarten konnten.267 Der fehlende Bezug zu einem konkreten Geschäft verschafft den Parteien bei Nr. 14 AGB-Banken also ein uneingeschränktes Ermessen bei der Verschaffung von Sicherheiten. 264
BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 194, 297 = NJW 2008, 430, 431. BGH, 29.11.2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 194, 297 = NJW 2008, 430, 431; dort heißt es auch: „Entgegen der Annahme im Urteil vom 07.03.2002 (. . .) begründet die Entstehung künftiger Rechte jedoch nicht generell eine inkongruente Deckung, wenn sie nach dem Inhalt der getroffenen Vereinbarung nicht von Anfang an identifizierbar waren.“. 266 Blum, ZInsO 2007, 528, 529. Zum Pfandrecht der Bank an der eigenen Schuld siehe bereits § 7 Fn. 7. 267 Vgl. Kuder, ZInsO 2006, 1065, 1067. 265
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Da die Verpfändung einer jeden eingebrachten Sache bzw. eines durch jedwede Einzahlung begründeten Kontoguthabens möglich ist, fehlt es an der notwendigen Vorhersehbarkeit, und die Bank wäre von ihrer Obliegenheit entbunden, Vermögensübertragungen des Kunden in Hinblick auf dessen wirtschaftliche Lage zu hinterfragen (vgl. oben IV.3.a/c., S. 477 ff.). Gewissermaßen gibt – anders als im Fall der Globalzession – nicht der schuldrechtliche Vertrag den Rahmen für die weit gefasste Verfügung vor, sondern die Verfügung setzt den Rahmen für den Anspruch. Auf diese Weise würden sich die Parteien den für die Kongruenz erforderlichen Anspruch während der Krise selbst schaffen können.
3. Rechtfertigung der Rechtsprechungsdivergenz Nach alledem besteht ein Unterschied zur Globalzession, der es rechtfertigt, beide Rechtsinstitute in der Frage ihrer Kongruenz unterschiedlich zu behandeln. Wenn der Anspruch auf die Verpfändung so formuliert wäre wie in Nr. 14 AGB-Banken die Verfügung, wäre Inkongruenz anzunehmen. Allerdings ist dieser Befund unter den Vorbehalt zu stellen, dass dies nicht an der weiten Formulierung in Nr. 14 AGB-Banken liegt, da Nr. 14 AGB-Banken eben nur die Deckung regelt, nicht aber den ihr zugrunde liegenden Anspruch. Die Klausel fällt in die Kategorie der weniger bestimmten Verfügungen und der Anspruch auf die Deckung muss erst mittels ergänzender Vertragsauslegung in jedem Kontext eigens ermittelt und konturiert werden.268 Identisch formulierte Verpfändungen könnten also durchaus kongruent sein, wenn die Auslegung ergibt, dass hinter dieser Klausel ein hinsichtlich „Ob“, Art und Zeit bestimmter Anspruch steckt. Hierin offenbart sich die eigentliche argumentative Schwäche der Rechtsprechung. Der BGH baut seine Entscheidung auf die Annahme auf, dass es entweder eines Anspruchs gänzlich ermangelt oder dieser so weit reicht wie die Verpfändungsklausel.269 Demgegenüber hat er in der Globalzessionsrechtsprechung der weiten Verfügungsklausel einen im Umfang begrenzten schuldrechtlichen Anspruch gegenübergestellt, indem er aus den Parteiinteressen und dem wirtschaftlichen Hintergrund einen Rahmen des Geschäfts ermittelt hat, der außerhalb der Krise etabliert worden ist und während der Krise nicht mehr verändert werden konnte. Dass der BGH dies in der Globalverpfändungsentscheidung nicht getan hat, ist aber wohl damit zu erklären, dass die dem BGH zur Entscheidung vorliegende Geschäftsbeziehung zwischen Verpfänder und Bank derart viele verschiedene wirtschaftliche Sachverhalte abdeckte, dass ein solcher Rahmen nicht existiert hat 268
Siehe oben S. 470 ff. Vgl. BGH, 07.03.2002 – IX ZR 223/01, NJW 2002, 1722: „Sogar wenn man Nr. 14 Abs. 1 AGB-Banken (Nr. 21 Abs. 1 AGB-Sparkassen) dahin auslegt, daß die Bank und der Kunde sich nicht nur über die Pfandrechtsbestellung dinglich einig sind, sondern zugleich einen schuldrechtlichen Anspruch darauf begründen . . .“ (die weiteren Ausführungen sinngemäß zusammengefasst:) . . . liegt Inkongruenz vor. Ebenso die Einschätzung von Klinck, S. 353. 269
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§ 12 Abtretung künftiger Forderungen und Insolvenz des Zedenten
und in der Folge kein Anspruch ermittelt werden konnte, der in seinem Umfang hinter dem der Verfügung in Nr. 14 AGB-Banken zurückbleibt.270 In der Tat wird Nr. 14 AGB-Banken in aller Regel zu Beginn einer Geschäftsbeziehung mit einer Bank vereinbart, ohne dass dies mit der Aufnahme eines Kredits verbunden sein müsste, während sich der Globalzessionsvertrag in aller Regel auf eine konkrete Kreditgewährung bezieht.271 Auch die Globalverpfändungsentscheidung ist daher in der Sache richtig, aber zu kurz begründet. Auf Basis der vorstehenden Ausführungen ist eine Divergenz der Globalzessionsvon der Globalverpfändungsrechtsprechung also gerechtfertigt. Zu betonen gilt jedoch, dass die Unterscheidung nicht auf die Art der Verfügung zurückzuführen ist. Es macht keinen Unterschied, wenn der Kreditnehmer im Globalzessionsfall seine erworbenen Forderungen an die Bank verpfändet, statt abgetreten hätte. Auch wenn die Rechtsprechung bei schneller Lektüre dazu Anlass geben mag, ist der Schluss falsch, wonach die globale Vorausverpfändung stets inkongruent sei, während die globale und im Voraus erfolgende Sicherungszession stets kongruent sei. Entscheidend sind in solchen Fällen nicht die Art und die Formulierung der Verfügung, sondern die Bewertung des wirtschaftlichen Rahmens und die daran ausgerichtete Ermittlung des Anspruchs auf die Deckung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung.
VII. Fazit Die Kongruenzermittlung ist kein Problem der Verfügung über künftige Forderungen oder der rechtlichen Beschaffenheit der künftigen Forderungen. Ob eine Forderung gegenwärtig abgetreten wird oder die Abtretungsvereinbarung lange vorher erfolgt ist: Im Zentrum der Problematik steht ein jedes Mal die in § 131 InsO angelegte Ermittlung des Anspruchs auf die Abtretung der jeweiligen Forderung. Dieser muss nicht bereits außerhalb der Krise entstanden oder klagbar sein. Es genügt, dass sich die Parteien außerhalb der kritischen Zeit hinsichtlich des „Ob“, der Art und der Zeit der Deckung gebunden haben und der Anspruch insoweit bestimmt ist; eine innerhalb dieses Rahmens verbleibende bloße Bestimmbarkeit des konkreten Deckungsgegenstands schadet grundsätzlich nicht (zu den Grenzen oben S. 476 ff.). Im Fall einer globalen Verfügung über künftige Forderungen ist der Anspruch auf die Deckung also die längste Zeit selbst eine künftig entstehende Forderung. Bis zur Entstehung der Forderungen, auf deren Übertragung sie gerichtet ist, ist sie aufschiebend bedingt. Das auffälligste Merkmal 270 Nahe gelegen hätte möglicherweise auch, den Anspruch auf die Deckung aus Nr. 13 AGBBanken abzuleiten, der anerkanntermaßen zu unbestimmt ist für eine Kongruenz der Deckung, so Feuerborn, ZIP 2002, 290, 293. 271 Kuder, ZInsO 2006, 1065, 1067; Schneider/Güther, DB 2008, 279, 282; Zeller/Edelmann, BB 2007, 1461, 1462.
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dieses Anspruchs ist damit, dass der rechtsgeschäftliche Einfluss beider Parteien hinsichtlich seines Fundaments eingeschränkt ist, während seine Bedingung, nämlich die Entstehung der von der Verfügung erfassten künftigen Forderungen, durchaus dem Belieben des Zedenten und künftigen Insolvenzschuldners unterworfen sein kann. Legt man all diese Maßstäbe an die beiden prominenten BGHEntscheidungen zur Globalzession und zur Globalverpfändung nach Nr. 14 AGBBanken an, so ist die unterschiedliche Rechtsprechung gerechtfertigt, was aber an den jeweils entschiedenen Sachverhalten und nicht an der Art der Verfügung (Zession oder Verpfändung) liegt.
§ 13 Vollstreckung in künftige Forderungen Im Folgenden wird zu klären sein, unter welchen Voraussetzungen ein Gläubiger zwangsweise auf die künftigen Forderungen seines Schuldners zugreifen kann, und zwar entweder unmittelbar, wenn er als Vollstreckungsgläubiger die Einzelzwangsvollstreckung betreibt (dazu A.), oder mittelbar, wenn er als Insolvenzgläubiger an der Verteilung des schuldnerischen Vermögens im Insolvenzverfahren teilhat (dazu B.).
A. Einzelzwangsvollstreckung I. Problemstellung Mit der Zwangsvollstreckung darf der Vollstreckungsgläubiger auf das Vermögen des Vollstreckungsschuldners (im Folgenden: Schuldner) zugreifen, einschließlich der Geldforderungen, die dem Schuldner gegen einen Drittschuldner zustehen (§ 829 ZPO). Wie § 844 ZPO deutlich macht, betrachtet der Gesetzgeber auch Forderungen des Schuldners als Teil des pfändbaren Vermögens, die noch von einer Bedingung abhängig sind. Die Vollstreckung in noch nicht entstandene Forderungen entspricht einem praktischen Bedürfnis des Vollstreckungsgläubigers, der zur Befriedigung seiner titulierten Forderung bei dem Schuldner nicht genügend Außenstände vorfindet. Da der Schuldner in dieser Lage, anders als in seiner Insolvenz, grundsätzlich keiner Verwaltung unterliegt,1 kraft der künftiger Erwerb an den Gläubiger ausgeschüttet würde, müsste der Vollstreckungsgläubiger später einen neuen Pfändungsversuch unternehmen; dabei verlöre er allerdings die ihm aus dem Prioritätsprinzip erwachsenden Vorteile des ersten Zugriffs (§ 804 III ZPO), so dass ihm daran gelegen ist, bereits jetzt auf künftige Forderungen des Schuldners zuzugreifen.2 Wie weitgehend die ZPO dieses Bedürfnis anerkennt, hängt davon ab, wie weit diese künftigen Forderungen in ihrem rechtlichen Entstehungsprozess gediehen sein müssen, um als pfändbarer Gegenstand in Frage zu kommen. Die Rechtspraxis will neben der Pfändung „bedingter Forderungen“ in gewissen Grenzen die Pfändung von „künftigen Forderungen“ zulassen, die sie von nicht pfändbaren „Hoffnungen“ oder „Erwartungen“ des Schuldners 1
Ausnahme: Zwangsverwaltung bei der Immobiliarvollstreckung, §§ 866 ZPO, 146 ff. ZVG. Bruns, AcP 1971 (171), 358, 359 ff.
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A. Einzelzwangsvollstreckung
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abgrenzt.3 Es wird daher ein weiteres Mal Aufgabe der vorliegenden Arbeit sein, zu bestimmen, welche Forderungen sich hinter dieser Kategorisierung verbergen. Dass nicht jede künftige Forderung, die abtretbar ist, zugleich pfändbar sein soll,4 lässt eine eigene Kategorie künftiger Forderungen erwarten. Durch die Forderungspfändung erwirbt der Vollstreckungsgläubiger ein Pfändungspfandrecht (§ 804 I ZPO). Dieses Pfändungspfandrecht an einer künftigen Forderung ist von einem Pfändungspfandrecht wegen einer künftigen Forderung zu unterscheiden, wie es etwa bei einem Arrest entsteht (§ 930 I 2 ZPO5). Dort steht noch nicht fest, ob der Gläubiger einen Anspruch gegen den Schuldner hat. Er hat daher noch kein Recht zur Verwertung, da die Verwertungsbefugnis an die Durchsetzbarkeit der Forderung geknüpft ist, wegen der vollstreckt wird.6 Keine Ausnahme hiervon macht die Voraus- oder Dauerpfändung wegen noch nicht fälliger oder aufschiebend befristeter Forderungen (§ 850d III ZPO); wegen § 751 I ZPO wirkt sie nämlich erst mit Eintritt des Fälligkeitstermins.7 Sie erweist sich daher im Ergebnis als Pfändung wegen einer gegenwärtigen Forderung, die lediglich im Voraus auf den Weg gebracht wird, damit sie wirken kann, sobald die Vollstreckungsforderung durchsetzbar ist. In den hier zu untersuchenden Sachverhalten des Pfändungspfandrechts an einer künftigen Forderung steht hingegen fest, dass der Gläubiger materiell-rechtlich zur Verwertung des Schuldnervermögens berechtigt ist; die Rechtsordnung ist sich allerdings nicht sicher, inwieweit sie die künftige Forderung als solche als pfändbaren Vermögensbestandteil ansieht. Insoweit wird herauszufinden sein, wie man sich ein Pfändungspfandrecht an einer künftigen Forderung überhaupt zu denken hat. Schließlich können Forderungen besondere Probleme aufwerfen, die noch in anderer Hand bestehen und für den Schuldner deshalb künftig sind: Ein Beispiel sind gegenwärtige Kundenforderungen, die der Schuldner sicherungshalber seiner Bank abgetreten hat und deren Rückerhalt er bald erwartet. Werden sie ausdrücklich als künftige Forderungen des Schuldners gepfändet, so folgt ihre Pfändung keinen anderen als den im Folgenden untersuchten Regeln.8 Anderes gilt jedoch, wenn sie als Forderungen des Schuldners gepfändet werden, weil der Vollstreckungsgläubiger von ihrer Zession keine Kenntnis hat. Da die Vollstreckung darauf ausgerichtet ist, dass der Vollstreckungsgegenstand dem Schuldner gehört, ist diese Pfändung ein spezifisch vollstreckungsrechtliches
3 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 27 f.; Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 829 ZPO Rz. 13; Thomas/Putzo/Seiler, § 829 ZPO Rz. 10a, 27. 4 Statt vieler: Meller-Hannich, KTS 2000, 37, 42; Ullmann, S. 3. 5 Dazu oben § 9. 6 Zur gleichen Rechtslage im BGB, die nach der herrschenden gemischten Pfändungspfandrechtstheorie ohnehin maßgeblich ist (§ 804 II ZPO), s. § 7 S. 246. 7 Stöber, Forderungspfändung, Rz. 692. 8 Gierlach, S. 32.
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§ 13 Vollstreckung in künftige Forderungen
Problem und keines der Beschaffenheit künftiger Forderungen.9 Sie bleibt von der folgenden Untersuchung daher ausgespart.
II. Meinungsstand Herkömmlich unterscheidet man bedingte und künftige Forderungen, wobei man die Pfändung ersterer ohne weiteres für zulässig hält.10 Die Zwangsvollstreckung in künftige Forderungen soll nach einhelliger Auffassung zwar ebenso grundsätzlich zulässig sein, allerdings in geringerem Umfang als deren Abtretung.11 Als Grund für diese Einschränkung gilt zum einen § 829 II, III ZPO, der – anders als für eine Abtretung – die Bestimmung der Person des Drittschuldners nötig macht.12 Zum anderen will man vermeiden, dass Schuldner, Drittschuldner und Vollstreckungsorgane zu früh mit einer Pfändung behelligt werden.13 Den Drittschuldner treffen nämlich allein aufgrund seiner Verfahrensbeteiligung eine Verantwortlichkeit aus § 840 ZPO14 sowie gewisse Organisationslasten, um das aus § 829 I 1 ZPO resultierende Zahlungsverbot zu respektieren, falls die Forderung einmal entsteht.15 Für den Schuldner kann die zu frühe Pfändung eine Gängelung bedeuten oder Pflichten aus § 836 III ZPO mit sich bringen.16 Aus diesen Gründen möchte man unter dem Stichwort der Unpfändbarkeit bloßer Erwartungen vermeiden, dass künftige Forderungen gepfändet werden, deren Entstehung nicht absehbar ist.17 Wie eine künftige Forderung beschaffen sein muss, um diesen Vorgaben zu genügen, ist allerdings umstritten.18 Eine Auffassung verlangt die Existenz einer rechtlichen Grundlage bzw. eines Rechtsverhältnisses19 zwischen Schuldner und
9 Vgl. die Untersuchung von Gierlach, passim; Behr, Rpfleger 1990, 243; Tiedtke, DB 1976, 421, 422 ff. 10 BGH, 24.11.1988 – IX ZR 210/87, NJW-RR 1989, 286, 290; BGH, 29.10.1969 – VIII ZR 202/67, BGHZ 53, 29, 32; RG, 30.10.1931 – VII 116/31, RGZ 134, 225, 227. Stöber, Rz. 25; Stein/ Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 3 f.; Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 829 ZPO Rz. 10 f.; Wagner, WM 1998, 1657, 1660. 11 Statt vieler: Meller-Hannich, KTS 2000, 37, 42; Ullmann, S. 3. 12 Brox/Walker, ZVR, Rz. 509; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 54 Rz. 9; v. Tuhr, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts II 1, § 60 V S. 394 f. Zur Bestimmbarkeit des Schuldners bei der Abtretung oben § 11 C. 13 Brox/Walker, ZVR, Rz. 509; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 54 Rz. 9; Geißler, JuS 1986, 614, 615. 14 Gierlach, S. 229. 15 Vgl. Schuschke/Walker/Schuschke, ZPO, § 829 Rz. 7. 16 Stein/Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 8; Gierlach, S. 231. 17 Etwa: LG Koblenz, 27.03.2000 – 2 T 169/2000, NJOZ 2002, 207; Schuschke/Walker/ Schuschke, ZPO, § 829 Rz. 7; Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 829 ZPO Rz. 13. 18 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 54 Rz. 9. 19 BGH, 05.01.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 544; Stöber, Forderungspfändung, Rz. 27; Ullmann, S. 2 f.; Geißler, JuS 1986, 614, 615.
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Drittschuldner. Die Gegenauffassung sieht die Pfändbarkeit künftiger Forderungen als reines Bestimmtheitsproblem. Die Existenz eines Rechtsverhältnisses könne zwar für die Bestimmtheit der künftigen Forderung, insbesondere des Drittschuldners, wertvoll sein, sei aber keine Voraussetzung.20 Die Wahrung der Interessen von Schuldner, Drittschuldner und Vollstreckungsorganen gegen eine zu frühe Pfändung bewerkstelligt diese Auffassung über das Rechtsschutzbedürfnis oder das Verbot der Verdachts- bzw. Ausforschungspfändung.21 Die herrschende Auffassung will sich nicht eindeutig zur einen oder anderen Auffassung bekennen und spricht etwas kryptisch von einer Rechtsbeziehung, aus der die künftige Forderung nach ihrem Inhalt und der Person des Drittschuldners bestimmt werden kann.22 Der BGH geht aber in neuerer Zeit dazu über, neben der Bestimmtheit des Drittschuldners lediglich die Bestimmtheit des Rechtsgrunds zu verlangen,23 so dass es genügen würde, wenn dieser erst in Zukunft entsteht.24 Was das Pfändungspfandrecht angeht, differenziert man zwischen bedingten und künftigen Forderungen. An letzteren entstehe es erst, wenn die Forderung entsteht, wobei es gleichwohl von Anfang an rangwahrend sei und verhindere, dass der Schuldner über die künftigen Forderungen noch anderweitig verfügt.25
III. Zulässigkeit der Pfändung künftiger Forderung 1. Gesetzliche Grundlagen § 829 ZPO geht auf noch nicht entstandene Forderungen nicht ein. § 851 I ZPO lässt sich für ihre Pfändbarkeit nicht heranziehen, da die Vorschrift Forderungen, die nicht übertragbar sind, von der Pfändung ausschließen, nicht aber übertragbare 20 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 54 Rz. 9; Gerhardt, VollstreckungsR, § 9 I 1; Stürner/Münch, WuB VI E. § 829 ZPO 1.87. 21 OLG Köln, 17.09.1986 – 2 W 230/86, MDR 1987, 66; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 54 Rz. 9; Gerhardt, VollstreckungsR, § 9 I 1; BeckOK-ZPO/ Riedel, BGB, Ed. 9, § 832 Rz. 2.1; Stein/Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 7 f.; Gierlach, S. 172 ff.; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Bendtsen, § 829 ZPO Rz. 20; Stürner/Münch, WuB VI E. § 829 ZPO 1.87. 22 BGH, 29.10.1969 – VIII ZR 202/67, BGHZ 53, 29, 32; BGH, 29.03.2001 – IX ZR 34/00, NJW 2001, 1937, 1938; Stein/Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 6; MünchKomm-ZPO/Smid, 4. Aufl. 2012, § 829 Rz. 13; Schuschke/Walker/Schuschke, ZPO, § 829 Rz. 7; Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 829 ZPO Rz. 11; BeckOK-ZPO/Riedel, BGB, Ed. 9, § 832 Rz. 1; Musielak/Becker, § 829 Rz. 6. 23 BGH, 11.11.2010 – VII ZB 87/09, NJW-RR 2011, 283; BGH, 03.02.2011 – I ZB 2/10, NJW-RR 2011, 851. 24 MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 82. 25 Stein/Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 3, 5, 70; Stöber, Forderungspfändung, Rz. 30; Prütting/ Gehrlein/Ahrens, § 829 ZPO Rz. 10 u. 11; BeckOK-ZPO/Riedel, BGB, Ed. 9, § 832 Rz. 3.1; Brox/ Walker, ZVR, Rz. 509, 615; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Bendtsen, § 829 ZPO Rz. 23 f. Zum Entstehen des Pfandrechts mit dem Entstehen der Forderung auch: BGH, 26.01.2012 – IX ZR 191/10, NJW 2012, 1510, 1513; BGH, 26.06.2008 – IX ZR 87/07, NJW-RR 2008, 1441; Becker, Prioritätsprinzip im Zwangsvollstreckungsrecht, S. 46 f.
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§ 13 Vollstreckung in künftige Forderungen
Forderungen generell als pfändbar erklären soll.26 §§ 832, 833 ZPO, die die Pfändung von Forderungen auf wiederkehrende Leistungen ohne ausdrückliche Anordnung im Pfändungsbeschluss auch auf künftig fällig werdende Beträge erstrecken, belegen immerhin, dass aufschiebend befristete Forderungen pfändbar sind.27 Den deutlichsten Hinweis auf die Vorstellung des Gesetzgebers, dass noch nicht entstandene Forderungen generell der Pfändung unterliegen, gibt § 844 I ZPO.28 Dieser findet seinen Vorläufer ohne Änderung in § 743 CPO,29 wurde also nicht etwa erst mit der BGB-Novelle30 eingeführt.31 Für die herrschende begriffliche Differenzierung zwischen bedingten und künftigen Forderungen bestehen, wie schon bei § 916 II ZPO (S. 289), keine Anhaltspunkte im Gesetz. Sie überzeugt auch nicht, soweit man mit der bedingten Forderung § 158 BGB assoziiert und alle anderen Forderungen künftig nennt,32 da § 844 ZPO historisch früher als das BGB geschaffen wurde.33 Nur wenn man mit der Einbeziehung der „künftigen Forderungen“ zum Ausdruck bringen wollte, dass die Parteien noch kein Schuldverhältnis verbinden müsse, wäre sie dogmatisch stimmig; diesen Sinn legt man dem Begriff allerdings nicht bei. Immerhin wird erkannt, dass – sieht man von der Dogmatik des Pfändungspfandrechts einmal ab – mit der Differenzierung jedenfalls kein Unterschied in der Sache verbunden ist.34
2. Ratio legis § 844 ZPO gibt Aufschluss über den Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber der Pfändung künftiger Forderungen beimisst. Nach § 844 I ZPO kann das Gericht auf Antrag einer der Parteien35 an Stelle der Überweisung der bedingten Forderung (§ 835 ZPO) eine andere Art ihrer Verwertung anordnen (bspw. ihre Versteigerung, freihändigen Verkauf oder Überweisung an Zahlungs statt zum Schätzwert).36 Damit erkennt der Gesetzgeber zweierlei Funktionen der Pfändung 26 Meller-Hannich, KTS 2000, 37, 52; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 54 Rz. 9; übersehen von BGH, 11.12.2008 – IX ZB 232/08, ZInsO 2009, 202, 204. 27 Brox/Walker, ZVR, Rz. 630; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 54 Rz. 11; Schuschke/Walker/Schuschke, ZPO, § 829 Rz. 7. 28 Außerhalb der ZPO wird dies in § 46 VI 1 AO offenbar, vgl. dazu Stein/Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 9; Klein/Ratschow, Abgabenordnung, 11. Aufl. 2012, § 46 Rz. 36. 29 Civilprozessordnung v. 30.01.1877 (Hahn/Stegemann, Bd. 2, S. 1618, 1722). 30 Zu ihr etwa oben § 10 bei Fn. 8. 31 Die Materialien zur CPO geben allerdings keinen Aufschluss über die Pfändbarbarkeit künftiger Forderungen oder ihre Voraussetzungen, vgl. Hahn/Stegemann, Bd. 2, S. 457, 460, 851, 992. 32 Ausdrücklich Stöber, Forderungspfändung, Rz. 25. 33 Zum schon bei Schaffung der CPO verbreiteten Verständnis der rechtsbedingten Forderungen als bedingte Forderungen siehe oben § 4 S. 89. 34 Wieczorek/Schütze/Lüke, 3. Aufl., § 829 Rz. 10. 35 MünchKomm-ZPO/Smid, 4. Aufl. 2012, § 844 Rz. 4. 36 Vgl. MünchKomm-ZPO/Smid, 4. Aufl. 2012, § 844 Rz. 9 ff.
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noch nicht entstandener Forderungen an. Einerseits soll sie bereits jetzt zu Geld veräußert werden dürfen, obwohl ihre Einziehung noch unmöglich ist; der Gesetzgeber geht also davon aus, dass die bedingte Forderung einen gegenwärtigen Vermögenswert hat. Andererseits ist das nicht die einzige Funktion; der Vollstreckungsgläubiger kann sie auch pfänden, um ihre Einziehung abzuwarten; damit erlaubt der Gesetzgeber dem Gläubiger, sich die künftig entstehende Forderung zur Einziehung zu reservieren, falls sie entsteht. § 844 I ZPO ermöglicht also sowohl die Realisierung des gegenwärtigen Werts künftiger Forderungen als auch die Reservierung des künftigen Werts, den die Forderung verkörpert, wenn sie entstanden ist. Näher besehen, setzt § 844 I ZPO dem Rückschluss auf die Pfändbarkeit künftiger Forderungen aber Schranken: Die Vorschrift lässt lediglich den Schluss zu, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass der Gläubiger sich solche künftigen Forderungen zur Einziehung reservieren darf, die auch für eine andere Verwertung in Betracht kommen, weil sie bereits einen gegenwärtigen Vermögenswert haben.
IV. Anforderungen an eine pfändbare künftige Forderung 1. Bestimmtheit Die deutlichste Vorgabe für eine pfändbare künftige Forderung stellt der von der herrschenden Auffassung zu Recht betonte § 829 II, III ZPO auf. Da die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner konstitutiv ist, muss dessen Person bereits bestimmt sein.37 Zudem beeinflussen die Interessen konkurrierender Gläubiger die Bestimmtheitsfrage. Da das Pfändungspfandrecht dingliche Wirkung gegenüber jedermann hat (§ 804 II ZPO), muss jedermann ersichtlich sein, an welchem Gegenstand es besteht. Das gilt insbesondere für dritte Gläubiger, die in noch nicht gebundene Vermögenswerte vollstrecken wollen. Der Pfändungsbeschluss muss daher die künftige Forderung so genau bezeichnen, dass ihre Identifizierbarkeit eindeutig gegeben ist;38 dabei darf sich ihre Identität nur aus Umständen ergeben, die im Pfändungsbeschluss enthalten sind und einem jeden dritten Gläubiger die Feststellung ermöglichen, welche künftige Forderung von der Pfändung betroffen ist.39 Daraus resultiert die Schwierigkeit, dass die künftige Forderung zu jeder Zeit – also auch vor ihrem Entstehen – identifizierbar sein muss. Die Auswirkungen werden deutlich an der von der herrschenden Meinung getroffenen Unterscheidung in Bezug auf Forderungen aus künftigen Verträgen. Künftige Forderungen aus noch nicht geschlossenen Verträgen 37
Marotzke, KTS 1979, 40, 44; Gierlach, S. 170. Gierlach, S. 170; MünchKomm-ZPO/Smid, 4. Aufl. 2012, § 829 Rz. 13. 39 Derleder, JurBüro 1995, 11, 13; Gierlach, S. 170; MünchKomm-ZPO/Smid, 4. Aufl. 2012, § 829 Rz. 28. 38
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§ 13 Vollstreckung in künftige Forderungen
sollen grundsätzlich nicht pfändbar sein, da sie nicht eindeutig identifizierbar sind; etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der Schuldner innerhalb einer Geschäftsbeziehung immer wieder die gleichen Verträge schließt, da es dann möglich ist, die Forderungen aus den folgenden Verträgen genau zu umschreiben.40 Einen Vorgang aus der Zukunft bereits jetzt eindeutig zu identifizieren, erfordert also häufig belastbare Tatsachen aus Vergangenheit oder Gegenwart, an die der Vollstreckungsgläubiger anknüpfen kann, wenn er nicht riskieren will, dass seine Pfändung „daneben zielt“ und deshalb unwirksam ist.
2. Rechtsverhältnis? Es ist nicht weiter verwunderlich, dass man die Pfändbarkeit künftiger Forderungen zunächst an einem Rechtsverhältnis festgemacht hatte, das wegen seiner Verbindlichkeit und dem Bezug auf einen konkreten Sachverhalt die Bestimmtheit des Drittschuldners und die Identifizierbarkeit der Forderung am besten gewährleisten kann. Gerade aber das zuletzt genannte Beispiel künftiger Forderungen aus einer dauernden Geschäftsbeziehung hat gezeigt, dass ein rechtlicher Grund für die konkrete Forderung nicht zwingend ist, sondern auch eine tatsächliche Geschäftsbeziehung ausreichend sein kann, um die spätere Forderung zu identifizieren. Das Erfordernis eines Rechtsbodens würde die Pfändbarkeit solcher Forderungen stark einschränken und die durch die hohen Bestimmtheitserfordernisse ohnehin schon bestehende Lücke zur Abtretbarkeit zu groß werden lassen, die ausweislich §§ 851, 857 ZPO, 400 BGB möglichst gering bleiben soll.41 Auch die Rücksicht auf andere Gläubiger, die weniger vollstreckbares Vermögen vorfinden, zwingt nicht dazu, die Pfändung künftiger Forderungen auf solche mit einem Rechtsgrund zu beschränken.42 Das ist der Unterschied zum Vermögenszugriff wegen einer künftigen Forderung (S. 489); dort ist fraglich, ab wann der Gläubiger sich Vermögen zulasten anderer Gläubiger reservieren darf, weil der Schuldner gegenwärtig noch nicht in der Haftung ist. Hier gibt es hingegen aufgrund des Vollstreckungstitels keinen Zweifel, dass der Schuldner mit seinem Vermögen haftet und sich der Vollstreckungsgläubiger aus dem Vermögen des Schuldners befriedigen darf. In dieser Lage aber wird die Konkurrenz mit anderen Gläubigern durch das Prioritätsprinzip aufgelöst (§ 804 III ZPO). Dieses verkörpert nicht nur das Recht, zuerst zuzugreifen, sondern als ein Verteilungsprinzip gerade das Recht, als erster seine Forderungen im Ganzen zu 40 Vgl. etwa LG Koblenz, 27.03.2000 – 2 T 169/2000, NJOZ 2002, 207; Wieczorek/ Schütze/Lüke, 3. Aufl., § 829 Rz. 13, am Beispiel von Milchlieferungsverträgen eines Landwirts; MünchKomm-ZPO/Smid, 4. Aufl. 2012, § 829 Rz. 14; Stöber, Forderungspfändung, Rz. 27 f. 41 Stein/Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 4; Gerhardt, VollstreckungsR, § 9 I 1. 42 Stein/Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 8.
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befriedigen.43 Es spricht also aus Sicht späterer Gläubiger nichts dagegen, dem Vollstreckungsgläubiger die Reservierung von Vermögenswerten zu erlauben, zumal er bei Verweisung auf erneute Vollstreckungsversuche seinen Vorrang, der immer nur in Bezug auf konkrete Vermögensgegenstände besteht, einbüßen würde. Ebenso wenig ließe sich das Erfordernis eines Rechtsverhältnisses mit Sinn und Zweck der Zwangsvollstreckung rechtfertigen, da diese nicht auf die Verwertung von subjektiven Rechten des Schuldners, sondern auf die Verwertung seines Vermögens abzielt: Träger des geldwerten Vermögens sind zwar in der Regel subjektive Rechte, aber auch „bloße“ Erwerbsaussichten können einen wirtschaftlichen Wert aufweisen. Deshalb gehört auch die künftige Forderung, für die noch kein Rechtsgrund gelegt ist, zum Vermögen des Schuldners; er kann immerhin schon jetzt über sie verfügen (dazu oben § 11 B.).
3. Weitere Anforderungen über die Bestimmtheit hinaus? a) Notwendigkeit weiterer Einschränkung Auch wenn ein Rechtsgrund für die künftige Forderung nicht vorliegen muss, reicht das Bestimmtheitskriterium allein nicht aus. Andernfalls wäre es vom Einfallsreichtum des Gläubigers abhängig, welche künftigen Forderungen, die er von seinem Schuldner erwartet, der Pfändung unterworfen sind. Zwar betrachtet man als Gegenstand der Pfändung immer nur die „angebliche Forderung“, die der Vollstreckungsgläubiger als Vermögensbestandteil des Schuldners behauptet.44 Das ändert jedoch nichts daran, dass diese Behauptung eine tatsächlich bestehende Aussicht des Schuldners beschreiben muss; die Hinnahme einer Behauptung betrifft nämlich nur das formalisierte Vollstreckungsverfahren, während sie im Rechtsbehelfsverfahren anhand der Rechtswirklichkeit gegenwärtig voll überprüfbar sein muss.45 Schon deshalb ist wenigstens irgendein tatsächlicher Niederschlag in der Wirklichkeit erforderlich, an der sich die Behauptung der künftigen Forderung festmachen lässt. Auch wenn der Gläubiger – schon wegen drohender Kostennachteile46 – nur pfänden wird, wenn eine gewisse Realisierungschance besteht,47 zeigt die Rechtspraxis aber, dass darüber hinaus
43 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl. 2010, § 5 Rz. 84 – 98; Becker, Prioritätsprinzip im Zwangsvollstreckungsrecht, S. 27; Siebert, Prioritätsprinzip, S. 7; Welbers, S. 2. 44 Vgl. BGH, 19.03.2004 – Ixa ZB 229/03, NJW 2004, 2096, 2097; Zöller/Stöber, § 829 ZPO Rz. 4; Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 829 ZPO Rz. 16, 33; Wieczorek/Schütze/Lüke, 3. Aufl., § 829 Rz. 17; Schuschke/Walker/Schuschke, ZPO, § 829 Rz. 13. 45 Henckel, JuS 1985, 836; Wieczorek/Schütze/Lüke, 3. Aufl., § 829 Rz. 17. 46 AG Hamburg, 20.03.2003 – 29d M 434/03, DGVZ 2003, 94. 47 Gerhardt, VollstreckungsR, § 9 I 1.
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§ 13 Vollstreckung in künftige Forderungen
ein Bedürfnis für ein einschränkendes Kriterium besteht, um Schuldner und Drittschuldner vor einer zu frühen Pfändung zu bewahren.48 Der herrschenden Meinung geht es dabei im Wesentlichen darum, die Pfändbarkeit von künftigen Forderungen auszuschließen, deren Entstehung noch nicht absehbar ist:49 Als nicht pfändbare Hoffnungen gelten etwa die eventuellen Gebührenforderungen eines Rechtsanwalts gegen die Staatskasse für den Fall, dass er in künftigen Prozesskostenhilfeverfahren beigeordnet werden würde; der mögliche Erbauseinandersetzungsanspruch des möglichen Miterben vor dem Erbfall; die Forderung des Arbeitnehmers auf Insolvenzgeld, wenn der Arbeitgeber noch gar nicht insolvent ist; Forderungen auf Arbeitsentgelt aus noch nicht einmal vorliegenden Arbeitsvertragsangeboten.50 Als pfändbar gelten demgegenüber etwa künftige Entschädigungsforderungen von enteigneten Eigentümern von Ostvermögen, obwohl es zum Zeitpunkt der Pfändung die gesetzliche Rechtsgrundlage dieser Forderungen (den Einigungsvertrag) noch nicht gegeben hatte.51 b) Erfordernis eines gegenwärtigen Vermögenswerts Fraglich ist, wie dieses Bedürfnis rechtlich zu konturieren ist. Aus § 844 I ZPO folgt zunächst, dass die Ungewissheit als solche, ob die gepfändete Forderung einmal entstehen wird oder nicht, ihrer Pfändung nicht entgegenstehen kann;52 immerhin ist wegen des Formalisierungsprinzips auch die Pfändung bestehender Forderungen mit dem Risiko belastet, dass der Pfändungsgegenstand in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist.53 Das Korrektiv, welches Literatur und Rechtsprechung verbreitet bemühen, nämlich das Verbot der Verdachtsoder Ausforschungspfändung,54 ist kein passender Maßstab, da es voraussetzt, dass es dem Vollstreckungsgläubiger in erster Linie um die Ermittlung des Schuldnervermögens denn um seine eigentliche Befriedigung geht.55 Deutlich geeigneter, um die genannten Sachverhalte rechtlich zu bewältigen, ist eine Analogie zu § 916 II Hs. 2 ZPO, wonach künftige Forderungen den bestehenden nicht gleichgestellt werden, wenn sie wegen der entfernten Möglichkeit ihrer Entstehung keinen gegenwärtigen Vermögenswert haben. Das harmoniert nicht 48 Oben S. 490; vgl. auch BGH, 21.11.2002 – IX ZB 85/02, NJW 2003, 1457, gegen eine „Verewigung der Schuldhaft“ durch zu frühe Pfändung. 49 Thomas/Putzo/Seiler, § 829 ZPO Rz. 10a; Schuschke/Walker/Schuschke, ZPO, § 829 Rz. 7. Bspw. bei der Pfändung von Rentenansprüchen, deren Entstehung noch Jahrzehnte aussteht, David, NJW 1991, 2615, 2616, dazu auch Nieuwenhuis, NJW 1992, 2007. 50 Schuschke/Walker/Schuschke, ZPO, § 829 Rz. 7. 51 Bork, ZIP 1991, 988, 993. Zu diesen Forderungen bereits oben § 11 S. 378. 52 H. M.: Stein/Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 5; Stöber, Forderungspfändung, Rz. 27; Prütting/ Gehrlein/Ahrens, § 829 ZPO Rz. 11; Musielak/Becker, § 829 Rz. 6. 53 Stein/Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 5. 54 Oben Fn. 21. 55 Schuschke/Walker/Schuschke, ZPO, § 829 Rz. 35.
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nur mit dem Ziel der Zwangsvollstreckung, Befriedigung aus dem schuldnerischen Vermögen zu ermöglichen, sondern wird auch dem von § 844 I ZPO gesteckten Rahmen gerecht, der nur die Reservierung solcher künftig entstehender Forderungen ausspricht, die bereits einen gegenwärtigen Vermögenswert haben (oben S. 492 f.). Die Vorgabe des Vermögenswerts gewährleistet zudem, die Beschreibung der künftigen Forderung durch den Vollstreckungsgläubiger an überprüfbare Tatsachen aus der ökonomischen Realität des Schuldners zu koppeln. Schließlich sind die angesprochenen Fälle noch nicht absehbarer künftiger Forderungen mit den von § 916 II Hs. 2 ZPO geregelten Sachverhalten in einem maßgeblichen Punkt vergleichbar: Der Grund für den Vorbehalt des gegenwärtigen Vermögenswerts in § 916 II ZPO liegt nämlich darin, dass im Zeitpunkt der Anwendung der Vorschrift nicht klar ist, ob die Forderung überhaupt entsteht, während in anderen Rechtsbereichen die Beurteilung der Beschaffenheit einer künftigen Forderung aus der Gewissheit heraus erfolgen kann, dass sie letztlich entstanden ist (s. § 9 S. 286). Eben diese pro-futuro-Perspektive liegt auch bei der Pfändung vor, da ihre Wirksamkeit bereits beurteilt werden muss, wenn die Entstehung der künftigen Forderung noch unklar ist (S. 493).
V. These Analog § 916 II Hs. 2 ZPO dürfen künftige Forderungen, die nach Inhalt und Person des Drittschuldners identifizierbar sind, immer dann nicht gepfändet werden, wenn sie wegen der entfernten Möglichkeit ihres Entstehens keinen gegenwärtigen Vermögenswert haben. Wegen der Formalisierung der Zwangsvollstreckung wird dies allerdings erst in einem Rechtsbehelfsverfahren überprüft.
VI. Dogmatik 1. Gegenständlichkeit der künftigen Forderung Die vorstehenden Erkenntnisse stehen in Zusammenhang mit den zur Abtretung gewonnenen Erkenntnissen zur Gegenständlichkeit einer künftigen Forderung. Anhand der Abtretung wurde offenbar, dass allein die Bestimmbarkeit die künftige Forderung zu einem Gegenstand erhebt, der dem Vermögen des Zedenten zuzuordnen ist und ihm eine rechtliche Verfügungsbefugnis über die Erwerbsaussicht verleiht. Bei der Abtretung beschreiben zwei Parteien die künftige Forderung und weisen einer Erwerbsaussicht eine rechtlich, aber auch ökonomisch erhebliche Funktion zu; die Abtretungsvereinbarung und ihre Akzeptanz durch zwei Personen bilden zugleich den erforderlichen Anknüpfungspunkt in der Wirklichkeit, an den die Gegenständlichkeit einer künftigen Forderung anknüpfen kann. Bei der Pfändung würde dieser Bezugspunkt fehlen, wenn man
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§ 13 Vollstreckung in künftige Forderungen
die Beschreibung der künftigen Forderung allein dem Vollstreckungsgläubiger überließe. Den Bereich der Fiktion kann die künftige Forderung erst verlassen, wenn die Erwerbsaussicht auf Tatsachen aus der ökonomischen Realität des Vollstreckungsschuldners beruht: etwa auf einer Geschäftsbeziehung des Schuldners, aus der Forderungen, wie sie der Vollstreckungsgläubiger beschreibt, bereits einmal hervorgingen. Ohne solche Tatsachen müsste die Pfändung unwirksam sein, da künftige Forderungen ohne einen tatsächlichen Bezugspunkt nicht überprüfbar sind und nicht als existent betrachtet werden können. Gibt es hingegen solche Tatsachen, aus denen sich die Aussicht auf den Erwerb einer Forderung ergibt, so ist die künftige Forderung ein Gegenstand. Diese Sichtweise fügt sich in die herrschende Auffassung ein, wonach die Pfändung einer künftigen Forderung, die mangels Absehbarkeit ihrer Entstehung nicht pfändbar ist, keineswegs unwirksam, sondern lediglich anfechtbar sein soll.56 Wäre eine solche künftige Forderung nämlich ein Nullum, so hätte diese Pfändung ins Leere gehen müssen und wäre nichtig. Eine solche Pfändung soll aber sogar geheilt sein, wenn aus der künftigen entgegen der ursprünglichen Erwartung doch bald eine Forderung geworden ist.57 Das zeigt, dass man einer solchen künftigen Forderung, die man eine „bloße Hoffnung“ nennt, doch eine gewisse Gegenständlichkeit beimisst. In Wahrheit steckt also hinter jeder Erwerbsaussicht, die man hier bloße Erwartung, Hoffnung o. ä. nennt, eine künftige Forderung im engeren Sinne, solange sie einen gewissen tatsächlichen Anhaltspunkt in der Wirklichkeit findet. Sie ist jedoch erst dann pfändbar, wenn ihr Inhalt und die Person des Drittschuldners bestimmt sind und sie einen gegenwärtigen Vermögenswert hat; fehlt es ihr am gegenwärtigen Vermögenswert, so ist die Pfändung rechtswidrig, aber wirksam und wird – wenn die Forderung gleichwohl entsteht – geheilt. Erst wenn feststeht, dass die Forderung gar nicht mehr entsteht, ist die Pfändung unwirksam.58
2. Pfändungswirkungen Eine Pfändung hat die Verstrickung und das Entstehen eines Pfändungspfandrechts zur Folge. Betrachtet man die künftige Forderung als einen Gegenstand, lassen sich diese Wirkungen dogmatisch wesentlich besser erklären. Unter der Verstrickung versteht man die Beschlagnahme des Gegenstands, kraft der der Schuldner seine Verfügungsbefugnis über diesen verliert.59 Eben dies ereignet sich auch bei der Pfändung einer künftigen Forderung. Der in dieser verkörperten Verfügungsbefugnis geht der Schuldner verlustig, weshalb spätere Verfügungen des Schuldners über seine künftige Forderung – entsprechend der herrschenden 56
Stein/Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 8; Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 829 ZPO Rz. 13. Stein/Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 8; Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 829 ZPO Rz. 13. 58 Vgl. Wieczorek/Schütze/Lüke, 3. Aufl., § 829 Rz. 11. 59 Gierlach, S. 243. 57
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Meinung60 – unwirksam sind. Die herrschende Meinung gelangt zu diesem Ergebnis allerdings durch eine in sich widersprüchliche Dogmatik. Das beginnt mit der Auffassung, dass das Pfändungspfandrecht erst mit der Forderung entstehe.61 Da die Pfändung allerdings von Anfang wirken soll, arbeitet man mit einer Rückwirkung,62 die dogmatisch fragwürdig ist, weil damit spätere Verfügungen des Schuldners im Nachhinein unwirksam werden müssten. Zudem geht unter, dass sich ein Pfändungspfandrecht je nach Pfändungspfandrechtstheorie entweder auf die titulierte Forderung oder auf den Beschlagnahmeakt stützt und beides vorhanden ist. Es ist kaum zu erklären, dass der Vollstreckungsgläubiger zwar die Befugnis haben soll, eine künftige Forderung des Schuldners nach § 844 ZPO vor ihrem Entstehen zu verwerten, aber das Pfandrecht, das diese Verwertung rechtfertigt, noch nicht entstanden sein soll.63 Die Annahme, dass das Pfandrecht erst mit der Forderung entstehen soll, beruht denn auch auf der bekannten Vorstellung, dass die künftige Forderung ein Nullum sei.64 Das ist nicht nur generell unzutreffend (§ 11 S. 361 ff.), sondern tritt mit der von der herrschenden Meinung geteilten Annahme in Widerspruch, dass die Pfändung einer noch nicht absehbaren, künftigen Forderung lediglich rechtswidrig, aber wirksam ist (soeben unter 1.). Die Wurzel dieser Probleme liegt wieder einmal darin, dass man die künftige Forderung zu sehr aus der Warte des Sachenrechts und der noch nicht vorhandenen Sache denkt.65 Geht man hingegen von der Gegenständlichkeit der künftigen Forderung aus, gibt es keinen Grund, an der Existenz des Pfändungspfandrechts zu zweifeln, das an der künftigen Forderung genauso haftet wie es haften bleibt, wenn sich aus diesem „Rumpf“ eine Forderung entwickelt hat. Um diesen Fortbestand des Pfändungspfandrechts zu erklären, benötigt man nicht einmal § 1287 BGB analog, da die Forderung nicht an die Stelle der künftigen tritt, sondern sich aus ihr heraus entwickelt. Der Inhaber dieses Pfändungspfandrechts hat das Recht, die künftige Forderung gegenwärtig zu verwerten oder ihre Entstehung und Fälligkeit abzuwarten, um sie dann mit dem ursprünglichen Rang (§ 804 III ZPO) einzuziehen.
60 Stein/Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 5; Prütting/Gehrlein/Ahrens, § 829 ZPO Rz. 11; Wieczorek/Schütze/Lüke, 3. Aufl., § 829 Rz. 11. 61 Oben Fn. 25. 62 So Stein/Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 5. 63 Stein/Jonas/Brehm, § 829 ZPO Rz. 5, und Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Bendtsen, § 829 ZPO Rz. 24, behelfen sich wiederum mit einer Rückwirkung. 64 Wieczorek/Schütze/Lüke, 3. Aufl., § 829 Rz. 11. 65 So auch die Einschätzung von Gierlach, S. 443.
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§ 13 Vollstreckung in künftige Forderungen
B. Künftige Forderung als Bestandteil der Insolvenzmasse (§ 35 InsO) I. Problemstellung Soweit eine künftige Forderung des Schuldners66 selbst – als gegenwärtiger Gegenstand – einen Abnehmer findet, der das in ihr verkörperte Risiko gegen Geld übernimmt, fällt die künftige Forderung als verwertbarer Gegenstand in die Masse.67 Die künftige Forderung könnte durch den Insolvenzverwalter freihändig verkauft und dadurch zu Geld verwertet werden.68 § 35 InsO unterwirft nämlich nicht nur subjektive Rechte, sondern allgemein das „Vermögen“ des Schuldners dem Insolvenzverfahren. Dazu gehören alle Gegenstände, die auf einem von der Rechtsordnung anerkannten Wege grundsätzlich zu Geld veräußert werden können.69 Diese Massezugehörigkeit der künftigen Forderung findet ihre praktische Grenzen, wenn niemand bereit ist, bloße Aussichten für Geld zu erstehen. Daher ist von Interesse, inwieweit künftige Forderungen des Schuldners gemäß § 35 InsO noch Bestandteil des Massevermögens sein können, obwohl sie erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstehen. Es geht also – wie schon in der Einzelzwangsvollstreckung – um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die künftigen Forderungen des Schuldners für die Insolvenzgläubiger „reserviert“ sind. Würden sie nicht in die Masse fallen, so wären sie insolvenzfreies Vermögen, auf das – vorbehaltlich eines Restschuldbefreiungsverfahrens – sowohl die Altgläubiger (also gemäß § 201 InsO die vormaligen Insolvenzgläubiger sowie die Massegläubiger) als auch die Neugläubiger70 im Wege der Einzelzwangsvollstreckung zugreifen dürften.71
II. Jüngere Gesetzesgeschichte Im Zuge der Ablösung der Konkursordnung durch die Insolvenzordnung wurde der zeitliche Umfang der Masse ausgedehnt. Die Vorgängernorm von §§ 35 f. InsO, § 1 KO, definierte die Konkursmasse noch als das gesamte Vermögen 66 Zu unterscheiden von den gegen den Schuldner gerichteten Forderungen (dazu § 3), die bisweilen Passivforderungen genannt werden. Im vorliegenden Kapitel geht es also um die Aktivforderungen des Schuldners. 67 Im Ergebnis: Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, § 35 Rz. 51. Indirekt auch: Braun/Bäuerle, InsO, 5. Aufl. 2012, § 35 Rz. 25; Jaeger/Meller-Hannich, InsO, 1. Aufl. 2010, § 196 Rz. 6. 68 Jaeger/Meller-Hannich, InsO, 1. Aufl. 2010, § 196 Rz. 6. Zur Verwertung von Forderungen im Wege des freihändigen Verkaufs vgl. auch BGH, 18.10.2012 – IX ZR 10/10, WM 2013, 45 Tz. 2. 69 Vgl. Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 35 Rz. 8, und Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 35 Rz. 34 – 37, die zutreffend betonen, dass nicht erforderlich ist, dass der Gegenstand auch im konkreten Fall einen Geldwert hat. 70 Zum Begriff des Neugläubigers § 3 S. 58 f. 71 Becker, InsR, 3. Aufl. 2010, Rz. 1491; 1520 – 1522.
B. Künftige Forderung als Bestandteil der Insolvenzmasse (§ 35 InsO)
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des Gemeinschuldners, welches ihm „zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens“ gehört. Die Konkursgläubigerschaft (§ 3 KO; heute: § 38 InsO) und das hierfür haftende Vermögen orientierten sich also an dem gleichen Zeitpunkt, dem der Verfahrenseröffnung. Daher legte man an die Abgrenzung zwischen Masseund massefreiem Vermögen die gleichen Maßstäbe wie an die Ermittlung der Konkursgläubigerschaft, wie sie heute noch für die Begründung einer Forderung gemäß § 38 InsO gelten.72 Vor Konkurseröffnung begründete Forderungen des Gemeinschuldners waren also noch Bestandteil der Masse, auch wenn sie erst nach der Eröffnung zur Entstehung gelangt sind.73 Alle Forderungen, die der Gemeinschuldner erst während des Konkurses begründet hat, blieben als sog. Neuerwerb einer Verwertung außerhalb des Konkurses vorbehalten.74 Dieser Neuerwerb stand damit (auch) den Neugläubigern zur Verfügung. Dabei ging es – angesichts der eingeschränkten Verfügungsbefugnis des Schuldners – vornehmlich um sein Einkommen, Schenkungen oder Erbschaften.75 In der Realität fanden die Neugläubiger freilich deshalb weniger vor, da das oft einzig nennenswerte Neuvermögen, nämlich das Arbeitseinkommen, bereits vor dem Konkurs an alte Gläubiger im Voraus zur Sicherheit abgetreten oder gepfändet worden war.76 Zudem konnten die Altgläubiger den Neugläubigern Anteile am Neuerwerb nehmen (§ 164 I KO; heute: § 201 InsO), oder es kam zu einem sog. zweiten Konkurs77 über den Neuerwerb.78 Mit dieser Konkursfreiheit des Neuerwerbs nahm das deutsche Recht im internationalen Vergleich eine Sonderstellung ein.79 Diese beendete der Gesetzgeber mit der Einführung der Insolvenzordnung und zog den während des Insolvenzverfahrens erlangten Neuerwerb des Schuldners zur Masse (§ 35 InsO).80 Damit wurde die Gewichtung der Interessen von einerseits Insolvenz- und Massegläubigern und andererseits Neugläubigern neu justiert. Je mehr erstere an künftigen Positionen für sich reklamieren dürfen, desto weniger Vermögen finden Neugläubiger zu ihrer Befriedigung vor. Diese Zurücksetzung der Neugläubiger hat zu großer Kritik und in der Kommentarliteratur bisweilen
72 Vgl. BGH, 20.09.1974 – IV ZR 52/73, BGHZ 63, 74, 77; BFH, 21.09.1993 – VII R 68/92, ZIP 1993, 1892, 1894. 73 Zu den einzelnen Fallgruppen Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 1 Anm. 119 – 146. 74 Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 1 Anm. 117 – 123, dort auch zum Folgenden. 75 Das seitens des Verwalters neu begründete Vermögen fällt damals wie heute kraft Massesurrogation der Masse zu, Grub/Smid, DZWiR 1999, 2, 4; vgl. dazu auch Heinze, ZInsO 2012, 1606, 1607 f. Zur Surrogation unter der KO Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 6 Anm. 37. Zur InsO: Hmbg.Ko-InsO/Lüdtke, 4. Aufl. 2012, § 35 Rz. 50; Pech, Neuerwerb, 1999, S. 43. 76 Grub/Smid, DZWiR 1999, 2, 4; BT-Drucks. 12/2443, S. 122. 77 Dazu Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 1 Anm. 147. 78 BT-Drucks. 12/2443, S. 122; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 1. Aufl. 1992, S. 171. 79 Vgl. die rechtsvergleichenden Hinweise in BT-Drucks. 12/2443, S. 122, und die Erläuterungen zu den deutschen Partikulargesetzen vor der Konkursordnung in den Motiven zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 19 ff. (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 48 f.). 80 BT-Drucks. 12/2443, S. 122; Dieckmann, in: Leipold (Hrsg.), Insolvenzrecht im Umbruch, S. 127, 128.
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§ 13 Vollstreckung in künftige Forderungen
sogar noch Jahre danach zur Weigerung geführt, den neuen § 35 InsO zu akzeptieren.81 Die Kritik hat sich jedoch nicht durchgesetzt.82
III. Meinungsstand 1. Rechtsprechung Die Voraussetzungen der Massezugehörigkeit künftig entstehender Forderungen sind kaum Gegenstand der Rechtsprechung. Gleichwohl harren Fälle wie beispielsweise der einer Steuerrückerstattungsforderung des Schuldners, die einen Veranlagungszeitraum während des Insolvenzverfahrens betrifft, aber erst durch Festsetzung nach Aufhebung des Verfahrens entsteht, einer dogmatischen Fundierung. Die Rechtsprechung stellt insoweit auf den nicht weiter bestimmten „Rechtsgrund“ bzw. die aufschiebende Bedingung einer solchen Forderung ab, die bereits vorhanden sein müssten.83 Als weitere Beispiele kommen künftige Werklohnforderungen des Schuldners in Betracht, die den Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht aufhalten sollen,84 oder aber künftige Ruhegehaltsforderungen.85
2. Literatur Unter der Konkursordnung hatte sich die Massezugehörigkeit künftiger Forderungen unter zweierlei Fragen gestellt: Einerseits in Bezug auf künftige Forderungen des Schuldners, die erst während des Konkursverfahrens entstanden sind, und andererseits in Bezug auf künftige Forderungen, deren Massezugehörigkeit nach § 1 KO wegen ihres bereits vorhandenen Rechtsgrunds an sich zu bejahen wäre, die zum Zeitpunkt der Aufhebung des Verfahrens aber noch immer nicht entstanden waren.86 Während die erste, mit § 1 KO 81 Namentlich Jaeger/Henckel, InsO, 1. Aufl. 2004, § 35 Rz. 100, der die Darstellung seiner Kommentierung weiterhin am alten Recht orientiert hat und dies damit rechtfertigte, dass die Reform kaum Bestand haben dürfte. Vgl. auch die Kritik bei Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 9.27a; Kübler/Prütting/Bork/Holzer, InsO, 57. EL, § 35 Rz. 36; MünchKommInsO/Peters, 3. Aufl. 2013, § 35 Rz. 59 – 65; Pape/Uhlenbruck, InsR, 1. Aufl. 2002, Rz. 490; Pech, Neuerwerb, 1999, S. 154. Vgl. auch Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 199 f. 82 Ebenso wenig der Vorschlag für eine teleologische Reduktion der Massezugehörigkeit des Neuerwerbs auf die für den Fall einer Restschuldbefreiung nötigen laufenden Bezüge, dagegen ausführlich Pech, Neuerwerb, 1999, S. 61 – 74. 83 Vgl. BGH, 13.02.2014 – IX ZB 23/13, WM 2014, 569 Tz. 6; BGH, 12.01.2006 – IX ZB 239/04, NJW 2006, 1127, 1128; BGH, 21.07.2005 – IX ZR 115/04, NJW 2005, 2988, 2990 f. 84 Vgl. Braun/Pehl, InsO, 5. Aufl. 2012, § 196 Rz. 8. 85 BGH, 20.12.2012 – IX ZR 130/10, ZInsO 2013, 337, 340 (künftige Ruhegehaltsforderungen eines insolventen Notars). Zu weiteren Beispielen (Renten‑, Versicherungs‑, Schadensersatzforderungen . . .) Bork, ZIP 1991, 988, 990 – 993. 86 Vgl. Bork, ZIP 1991, 988.
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zu beantwortende Frage nach der Abgrenzung von Alt- und Neuerwerb im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Auseinandersetzung stand, wurde letztere Frage kaum beleuchtet, aber immerhin im Kommentar von Jaeger thematisiert.87 Genau diese Frage hat durch § 35 InsO nun an Bedeutung gewonnen. Die frühere Zweigleisigkeit der Fragestellung äußert sich heute noch in einer Zweigleisigkeit des Meinungsfeldes, obwohl sich erstere Frage mit § 35 InsO erübrigt hat. Ein Teil der Literatur zu § 35 InsO verfolgt den Ansatz, dass die Massezugehörigkeit einer mehraktig entstehenden Forderung anhand derselben Kriterien wie bei § 1 I KO ermittelt werde, welche ihrerseits der Auslegung des Begründungsmerkmals bei § 3 KO (heute: § 38 InsO) ähnlich sein sollten.88 Diese Auffassung verschiebt die zu § 1 KO diskutierte Abgrenzung von Alt- und Neuforderungen quasi auf einem gedachten Verfahrenszeitstrahl nach hinten auf den Zeitpunkt der Verfahrensaufhebung und sei daher Verschiebungsansatz genannt. In der Konsequenz orientiert sich diese Ansicht allein an dem Rechtsgrund der künftigen Forderung i. S. v. § 38 InsO zum Zeitpunkt der Verfahrensaufhebung und verlangt daher einen rechtlichen Boden für die künftigen Forderungen des Insolvenzschuldners.89 Ein anderer Teil der Literatur90 hat demgegenüber die unter der Konkursordnung von Jaeger thematisierte zweite Frage wiederbelebt, wonach Forderungen des Schuldners, die bei Verfahrensaufhebung noch nicht durchsetzbar waren, die Aufhebung des Konkursverfahrens nicht aufgehalten haben und durch einen Vorbehalt der Nachverteilung im Beschluss über die Schlussverteilung zur Masse gezogen werden konnten (im Folgenden: „masseerweiternder Ansatz“).91 Die Argumentation dieser Auffassung dreht sich daher weniger um die schuldrechtliche Reife der Forderung als vielmehr um die Auslegung der Vorschriften über die Beendigung des Insolvenzverfahrens. Holzer begründet die Zulässigkeit dieser Lösung mit einer Analogie zu § 203 I Nr. 1, § 197 I 2 Nr. 3 InsO, wobei das Wort „Beträge“ in § 203 I Nr. 1 InsO auch Forderungen erfassen solle, die im Schlusstermin einer Nachtragsverteilung vorbehalten worden sind.92 Obwohl der Zeitpunkt, zu dem mit einer Verwertung solcher Forderungen zu rechnen ist, durchaus Jahre betragen kann, soll der Insolvenzbeschlag bzgl. solcher Forderungen
87
Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl. (1973), § 161 Anm. 3, § 162 Anm. 6. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 9.20 ff.; Bork, InsR-Einf., § 14 Rz. 145 mit Fn. 17; Pech, Neuerwerb, 1999, S. 43; MünchKomm-InsO/Peters, 3. Aufl. 2013, § 35 Rz. 68, 71. Zur Abgrenzung nach alter Rechtslage s. Bork, ZIP 1991, 988, 989 ff. 89 Pech, Neuerwerb, 1999, S. 43 – 47; MünchKomm-InsO/Peters, 3. Aufl. 2013, § 35 Rz. 68, 71. 90 Kübler/Prütting/Bork/Holzer, InsO, 46. EL, § 196 Rz. 5c, § 203 Rz. 9; Braun/Pehl, InsO, 5. Aufl. 2012, § 196 Rz. 7 f., § 197 Rz. 18; Hmbg.Ko-InsO/Preß, 4. Aufl. 2012, § 196 Rz. 5, auch § 203 Rz. 7; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 203 Rz. 6; Westphal, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, §§ 203, 204 Rz. 6; Jaeger/Meller-Hannich, InsO, 1. Aufl. 2010, § 196 Rz. 6. 91 Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl. (1973), § 161 Anm. 3, § 162 Anm. 6, § 166 Anm. 2; ihm folgend OLG Celle, 05.05.1972 – 8 U 127/71, KTS 1972, 265, 266. 92 Kübler/Prütting/Bork/Holzer, InsO, 46. EL, § 196 Rz. 5c, § 203 Rz. 9. 88
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nach dieser Lösung also aufrechterhalten bleiben.93 Innerhalb des masseerweiternden Ansatzes ist umstritten, ob die Erklärung eines solchen Vorbehalts ausdrücklich erfolgen muss oder ob ein stillschweigender Vorbehalt genügt.94
IV. Stellungnahme Was gemäß § 35 InsO – wie auch immer – „während des Verfahrens erlangt“ ist, schließt an sich alles aus, was erst nach Abschluss des Verfahrens erlangt wurde. Damit steht § 35 InsO – anders als noch § 1 I KO – in direktem Zusammenhang mit den Vorschriften über den Abschluss des Insolvenzverfahrens (§§ 196 ff. InsO). Die rechtliche Problematik kann daher nicht einfach verschoben werden, ohne Ziel und Zweck der Vorschriften über die Beendigung des Insolvenzverfahrens einzubeziehen. Dem Verschiebungsansatz steht auch der unterschiedliche Charakter des Referenzzeitpunkts entgegen. Die Beendigung des Verfahrens ist nämlich ganz anders gestaltet als der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Während dieser als Zäsur konzipiert ist, erfolgt das Verfahrensende in Hinblick auf das Institut der Nachtragsverteilung (§ 203 InsO) nicht auf einmal, sondern gestreckt. Zwar geht es nach wie vor um die Abgrenzung der Masse zum insolvenzfreien Vermögen, da Forderungen, deren künftige Verwertung der Masse vorbehalten wird, dem Zugriff der Neugläubiger entzogen werden;95 aber die Problematik stellt sich unter der Insolvenzordnung eben in anderem Kontext. Diesem Umstand trägt der Verschiebungsansatz nicht hinreichend Rechnung. Die Problematik der Massezugehörigkeit künftig entstehender Forderungen des Insolvenzschuldners ist daher keine Fortführung der Abgrenzung von Alt- und Neuerwerb am Maßstab von § 1 KO, sondern hat sich – entsprechend dem masseerweiternden Ansatz – an der ratio legis der Vorschriften über die Verfahrensbeendigung zu orientieren.
1. Ratio legis der Vorschriften über die Beendigung des Insolvenzverfahrens Nach Prüfung der angemeldeten Insolvenzforderungen (§ 187 I InsO) tritt das Regelinsolvenzverfahren in die letzte Phase, nämlich die Verteilung des Erlöses an die Gläubiger.96 Sie dauert durchaus länger an, da keinesfalls zunächst alles verwertet 93 Herb, BWNotZ 1960, 264, 266 f.; Braun/Pehl, InsO, 5. Aufl. 2012, § 196 Rz. 8, § 197 Rz. 19; Hmbg.Ko-InsO/Preß, 4. Aufl. 2012, § 196 Rz. 5; MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 203 Rz. 20. 94 Für einen stillschweigenden Vorbehalt: OLG Celle, 05.05.1972 – 8 U 127/71, KTS 1972, 265, 266 (ohne jeglichen Beschluss der Gläubigerversammlung); Kübler/Prütting/Bork/Holzer, InsO, 46. EL, § 203 Rz. 9. Für einen ausdrücklichen Vorbehalt: Braun/Kießner, InsO, 5. Aufl. 2012, § 203 Rz. 9; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 203 Rz. 6 u. 9; Herb, BWNotZ 1960, 264, 266 f. Gegen einen stillschweigenden, aber für einen konkludenten Beschluss, Westphal, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, §§ 203, 204 Rz. 6. 95 MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 203 Rz. 20. 96 Bork, InsR-Einf., § 27 Rz. 349.
B. Künftige Forderung als Bestandteil der Insolvenzmasse (§ 35 InsO)
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und erst dann verteilt wird, sondern die Möglichkeit sog. Abschlagsverteilungen (§ 187 II InsO) immer dann bereits eine Auskehrung erlaubt, wenn ausreichend Barmittel vorhanden sind, ohne dass die vollständige Verwertung anderer Vermögenspositionen abzuwarten wäre.97 Sobald die bestehende Insolvenzmasse verwertet ist und nur noch laufendes Einkommen des Schuldners existiert, muss98 gemäß § 196 InsO die Schlussverteilung erfolgen.99 Sobald diese vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 I InsO).100 Mit der Aufhebung des Verfahrens erhält der Schuldner wieder die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen, endet das Amt des Insolvenzverwalters und verlieren Vollstreckungsverbote ihre Wirkung; die Gläubiger dürfen – vorbehaltlich der Ankündigung einer Restschuldbefreiung (§§ 289 II 2, 291 InsO) – ihre Forderungen in Höhe des nicht befriedigten Teiles unbeschränkt durchsetzen (§ 201 I InsO).101 Aber auch nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann es auf Anordnung des Insolvenzgerichts zu einer Nachtragsverteilung kommen, wenn gemäß § 203 InsO Erlöse erst später zur Verfügung stehen. Über die Fälle des § 203 InsO hinaus praktiziert man dies ebenso für Aktivprozesse, die der Insolvenzverwalter zur Einziehung von Forderungen des Schuldners führt, die bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens bereits fällig sind, deren gerichtliche Titulierung aber längere Zeit in Anspruch nimmt.102 In all diesen Fällen muss sichergestellt sein, dass solche nachträglich zu verteilenden Vermögenswerte der Masse haftungsrechtlich zugewiesen bleiben, obwohl der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen und damit an sich auch die Prozessführungsbefugnis für die Aktivprozesse wiedererhält.103 § 203 InsO trifft dazu keine Regelung; nach der herrschenden 97
Bork, InsR-Einf., § 27 Rz. 349 ff. Eine frühe Teilleistung ist dem Gläubiger oftmals auch eine bessere Befriedigung, Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 13.36: „Wer schnell gibt, gibt doppelt.“; Bork, ZIP 2009, 2077; Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, InsR, 2. Aufl. 2010, Kap. 35 Rz. 3. 98 Braun/Pehl, InsO, 5. Aufl. 2012, § 196 Rz. 5. 99 Becker, InsR, 3. Aufl. 2010, Rz. 389. Um eine Auslegung zu verhindern, wonach bei laufendem Einkommen des Schuldners die Verwertung nie abgeschlossen werden könnte, hatte der Gesetzgeber § 196 InsO nachträglich um den Vorbehalt des laufenden Einkommens ergänzt, BGBl. 2001‑I, 2710, 2712 Nr. 13. Zum Anlass für die Änderung von § 196 InsO vgl. AG Düsseldorf, 28.05.2001 – 502 IK 72/99, ZInsO 2001, 572 (m. Anm. Haarmeyer, diesem entgegnend Erdmann, ebd. S. 742). 100 MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 200 Rz. 6 – 9; Braun/Pehl, InsO, 5. Aufl. 2012, § 200 Rz. 2 f., 14. 101 MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 200 Rz. 30 – 36; Jaeger/Meller-Hannich, InsO, 1. Aufl. 2010, § 200 Rz. 12 – 24. 102 Ausführlich zur rechtlichen Zulässigkeit Bork, ZIP 2009, 2077, 2078; MünchKomm-InsO/ Füchsl/Weishäupl/Kebekus/Schwarzer, 3. Aufl. 2013, § 196 Rz. 3. A. A. Westphal, in: Nerlich/ Römermann, InsO, 25. EL, § 196 Rz. 10 – 14. 103 BFH, 06.07.2011 – II R 34/10, ZInsO 2012, 232 f.; BGH, 18.04.2013 – IX ZR 165/12, WM 2013, 1129, 1130. Die Prozessführungsbefugnis für Anfechtungsprozesse steht allerdings von vorneherein nur dem Insolvenzverwalter zu, MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 200 Rz. 41.
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§ 13 Vollstreckung in künftige Forderungen
Auffassung sollen die Verstrickung solcher Vermögenspositionen aber bestehen und die jeweiligen Erträge von der Wirkung des Aufhebungsbeschlusses ausgeklammert bleiben.104 Die schrittweise Verteilung, die Existenz der Nachtragsverteilung nach § 203 InsO und die Behandlung der Aktivprozesse zeigen, dass die Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht auf eine abschließende Festlegung der Masse angewiesen ist, sondern eine gestreckte Struktur aufweist. Dadurch werden verschiedene Regelungsziele und Interessen zum Ausgleich gebracht. Die Möglichkeit zur Verwertung und Verteilung trotz Verfahrensaufhebung entspricht dem primären Ziel des Insolvenzverfahrens, der Haftungsverwirklichung durch Verwertung des gesamten Schuldnervermögens (§ 1 S. 1 InsO; sog. Universalexekution).105 Vor allem ermöglicht sie eine weitgehende Entlassung des Schuldners in die wirtschaftliche Autonomie,106 was dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dient und hilft, das Verfahren schnell zur Abschlussreife zu bringen.107 Gleichwohl werden diese Ziele nicht uneingeschränkt verfolgt, da die Nachtragsverteilung unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit steht (vgl. § 203 III InsO).108 Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens ist damit keine starre Zäsur, sondern bietet eine flexible Handhabe, um die involvierten Interessen zu tarieren.109 Damit weist die Beendigung des Insolvenzverfahrens eine Struktur auf, die für die Berücksichtigung bereits begründeter, aber noch nicht entstandener Forderungen zugunsten der Masse empfänglich ist.
104 RG, 17.09.1891 – IV 136/91, RGZ 28, 68, 70; BGH, 12.01.2006 – IX ZB 239/04, NJW 2006, 1127, 1128; BFH, 06.07.2011 – II R 34/10, ZInsO 2012, 232, 233; Jaeger/Meller-Hannich, InsO, 1. Aufl. 2010, § 200 Rz. 10. Entsprechend soll der Insolvenzverwalter für Aktivprozesse nicht die Prozessführungsbefugnis verlieren, soweit für die aus dem Rechtsstreit zugesprochenen Vermögensgegenstände eine Nachtragsverteilung vorbehalten ist, RG, aaO; BFH, 06.07.2011 – II R 34/10, ZInsO 2012, 232, 233; Bork, ZIP 2009, 2077, 2078 f.; MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 200 Rz. 37 – 41; Jaeger/Meller-Hannich, InsO, 1. Aufl. 2010, § 200 Rz. 16 f. 105 BT-Drucks. 12/2443, S. 83; Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, InsR, 2. Aufl. 2010, Kap. 10 Rz. 1, 4. 106 Die Zwänge der Restschuldbefreiung stehen auf einem anderen Blatt und treten auch keinesfalls immer ein, dazu S. 509 ff. 107 Vgl. etwa BGH, 10.10.2013 – IX ZB 40/13, ZInsO 2013, 2492, 2493 Tz. 8. Zum Ausgleich der jeweils von Art. 14 I GG geschützten Interessen von Schuldner und Gläubiger Rothammer, Restschuldbefreiung, 2008, S. 19 f. 108 Abschlags- oder Nachtragsverteilungen, die mitunter einen beträchtlichen Kostenaufwand bedeuten können, sind nur in solchen Intervallen vorzunehmen, wie der angelaufene Betrag nicht unnötig durch die Kosten der Verteilung aufgezehrt wird, Bork, ZIP 2009, 2077, 2080; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl/Kebekus/Schwarzer, 3. Aufl. 2013, § 196 Rz. 6; Pape/ Uhlenbruck/Voigt-Salus, InsR, 2. Aufl. 2010, Kap. 35 Rz. 6; Hmbg.Ko-InsO/Preß/Henningsmeier, 4. Aufl. 2012, § 203 Rz. 15. 109 Bork, ZIP 2009, 2077, 2079.
B. Künftige Forderung als Bestandteil der Insolvenzmasse (§ 35 InsO)
507
2. Regelungslücke in der Insolvenzordnung Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, treffen die Vorschriften über die Beendigung des Insolvenzverfahrens keine Regelung zur Massezugehörigkeit künftiger Forderungen. Nach § 35 InsO gehört zur Masse, was „während des Verfahrens“, also bis zu seiner Aufhebung (§ 200 InsO) erlangt ist. Hiernach entstandenes Vermögen des Schuldners könnte also nur nach § 203 InsO berücksichtigt werden.110 § 203 InsO ist nach einhelliger Auffassung abschließend formuliert.111 § 203 I Nr. 1 InsO nimmt unmittelbar Bezug auf Beträge, die kraft gesetzlicher Anordnung einstweilen „zurückzubehalten“ sind, weil die Insolvenzgläubigerschaft noch unsicher war (§ 189 II, § 191 I 2 InsO112).113 Zurückbehalten wird nur, was bereits vor Verfahrensaufhebung vorhanden war, so dass nachträglich entstehendes Vermögen nicht hierunter fällt.114 § 203 I Nr. 2 InsO betrifft ebenfalls Massevermögen, das bis zum Zeitpunkt der Aufhebung des Verfahrens bereits vorhanden gewesen ist: Es geht um Beträge, die bis zum Schlusstermin aus der Masse gezahlt wurden und nun nachträglich an die Masse zurückfließen.115 § 203 I Nr. 3 InsO regelt schließlich die Verteilung von während des Verfahrens unentdeckt vorhandenem, aber erst nach dem Schlusstermin ermitteltem Vermögen; in der Praxis geht es hier meist um unbekanntes Auslandsvermögen.116 § 203 InsO unterwirft also insgesamt nur Vermögen der Nachtragsverteilung, welches vor Aufhebung des Verfahrens an sich verwertet hätte werden können, aber aus besonderen Gründen nicht verwertet wurde bzw. verteilt werden konnte. Damit erweitert § 203 InsO die Masse also nicht um Vermögensrechte, die erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstehen. Neben § 203 InsO wird auch § 197 I 2 Nr. 3 InsO zur Begründung des masseerweiternden Ansatzes herangezogen.117 § 197 I 2 Nr. 3 InsO hat jedoch keine masseerweiternde Wirkung. Das ergibt bereits der Wortlaut, der die Entscheidung über 110 MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 203 Rz. 12; Jaeger/Meller-Hannich, InsO, 1. Aufl. 2010, § 203 Rz. 2. 111 MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 203 Rz. 12; Kübler/Prütting/Bork/Holzer, InsO, 46. EL, § 203 Rz. 1. Zur nur redaktionell veränderten Vorgängernorm § 166 KO BGH, 22.02.1973 – VI ZR 165/71, NJW 1973, 1198, 1199. 112 § 191 InsO betrifft Passivforderungen und daher zurückbehaltene Beträge, die für andere Gläubiger frei werden, wenn sich ergibt, dass die Insolvenzforderung nicht mehr entstehen wird. 113 MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 203 Rz. 13. § 166 KO nahm auf § 168 KO Bezug, der die Fälle der Zurückbehaltung enumerativ aufzählte. Die dort enthaltenen Zurückbehaltungstatbestände sind nun in den einzelnen Vorschriften zu finden; für § 203 I InsO hat sich in der Sache nichts geändert, BT-Drucks. 12/2443, S. 187. 114 MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 203 Rz. 12 ff. 115 MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 203 Rz. 14. Gedacht ist etwa an die irrtümliche, erst später aufgeklärte Auszahlung an eine falsche Person, Jaeger/Meller-Hannich, InsO, 1. Aufl. 2010, § 200 Rz. 7. 116 MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 203 Rz. 15; HK-Kreft/Depré, 6. Aufl. 2011, § 203 Rz. 5. 117 Oben bei Fn. 92.
508
§ 13 Vollstreckung in künftige Forderungen
die „Unverwertbarkeit“ nennt. Nach einhelliger Auffassung dient § 197 I 2 Nr. 3 InsO dazu, die Freigabe eines vermeintlich unverwertbaren Gegenstands durch den Insolvenzverwalter zu bestätigen, um diesen haftungsrechtlich zu entlasten.118 Bei der Erstreckung der Masse auf später entstehende Positionen geht es um das Gegenteil zur Freigabe, nämlich um die Aufrechterhaltung der Verstrickung. Die Zugehörigkeit nachträglich entstehender Forderungen zur Masse ist damit im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Es handelt sich aber um eine planwidrige Regelungslücke, da aus der mit der Insolvenzordnung geschaffenen Masserelevanz des Neuerwerbs ein erhöhter Regelungsbedarf für die Massezugehörigkeit künftiger, erst nach Verfahrensbeendigung entstehender Forderungen des Schuldners resultiert.
3. Analoge Anwendung Die in der Literatur vertretene Rechtfertigung des masseerweiternden Ansatzes mit einer Rechtsanalogie119 zu §§ 196, 200, 203 InsO erscheint daher vordergründig plausibel. Die Hinzuziehung von Forderungen, die nach Verfahrensaufhebung entstehen, entspricht der Haftungsverwirklichung in optimaler Weise. Auch die Interessen des Schuldners werden gewahrt, da die jeweiligen künftigen Forderungen durch einen Vorbehalt einer nachträglichen Verwertung vorbehalten werden und im Übrigen das Verfahren mit samt seinen für den Schuldner einschneidenden Beschränkungen aufgehoben werden kann.120 Die Pfändungsfreigrenzen des § 36 InsO bleiben ebenso unberührt.121 Da die Generierung weiterer Forderungen in der Regel nur bei natürlichen Personen in Betracht kommt und die Massezugehörigkeit künftiger Forderungen daher vor allem diese betrifft,122 muss der masseerweiternde Ansatz aber darüber hinaus mit den Bestimmungen über das Restschuldbefreiungsverfahren in Einklang stehen, mit dem die Zuziehung anschließend entstehender Forderungen zwangsläufig in Konkurrenz tritt (dazu a.). Schließlich ist der masseerweiternde Ansatz noch daraufhin zu untersuchen, ob er mit schutzwürdigen Interessen der Neugläubiger zu vereinbaren ist (dazu b.).
118 Kübler/Prütting/Bork/Holzer, InsO, 46. EL, § 197 Rz. 13; Hmbg.Ko-InsO/Preß, 4. Aufl. 2012, § 197 Rz. 13; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 197 Rz. 14; Westphal, in: Nerlich/ Römermann, InsO, 25. EL, § 197 Rz. 11; Herb, BWNotZ 1960, 264, 267. Vgl. auch Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 381 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 341), dies fortführend BT-Drucks. 12/2443, S. 186. 119 Dazu Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 634. 120 S. oben bei Fn. 92. 121 Vgl. BGH, 20.12.2012 – IX ZR 130/10, ZInsO 2013, 337, 340. 122 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 122; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl. 2010, § 35 Rz. 120 – 122.
B. Künftige Forderung als Bestandteil der Insolvenzmasse (§ 35 InsO)
509
a) Restschuldbefreiung Wenn der Schuldner die Durchführung eines Restschuldbefreiungsverfahrens erfolgreich beantragt hat, schließt sich an das Insolvenzverfahren ein weiteres, eigenständiges123 Verfahren an, welches präzisen Regeln über die Verteilung des in dieser Zeit vom Schuldner erlangten Vermögens folgt. Einer Nachtragsverteilung in direkter Anwendung von § 203 InsO steht das Restschuldbefreiungsverfahren nicht entgegen, da es bei § 203 InsO um die (lediglich nachträglich durchgeführte) Verwertung eines Gegenstandes geht, den der Schuldner vor oder während des Insolvenzverfahrens erworben hat.124 Das Restschuldbefreiungsverfahren dreht sich demgegenüber um den Erwerb nach Abschluss des Insolvenzverfahrens;125 es tritt deshalb in Konflikt mit der Masseerweiterung um künftig entstehende Forderungen. Die Reichweite des Restschuldbefreiungsverfahrens wird durch §§ 294, 295 InsO abgesteckt. § 294 I InsO steht dem Vorgriff auf später neu erworbene Vermögenswerte allerdings nicht entgegen. Nach § 294 I InsO sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners während der weiteren Wohlverhaltensperiode zwar unzulässig. Dabei geht es aber nicht schlechthin um die Sicherung des weiteren Vermögenserwerbs des Schuldners,126 sondern – wie die Gesetzesüberschrift deutlich macht – um die Ausschaltung des Prioritätsprinzips für das Restschuldbefreiungsverfahren, innerhalb dessen individuelle Bevorteilungen ausgeschlossen sein sollen.127 Eben dies könnte aber auch eine in Konsequenz des masseerweiternden Ansatzes erfolgende Nachtragsverteilung nach § 203 InsO gewährleisten.128 Größere Schwierigkeiten bereitet indes § 295 InsO. Nach § 295 I Nr. 1 und 2 InsO hat der Schuldner seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis (vgl. § 287 II 1 InsO) sowie Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder respektive die Insolvenzgläubiger herauszugeben. Die Regelung ist abschließend und nach inzwischen herrschender Meinung auch nicht analog auf sonstigen Vermögenserwerb wie einen Lottogewinn oder Schenkungen anzuwenden.129 Alles was der Schuldner über Dienstbezüge und Erbschaften 123
Kothe/Ahrens/Grote/Busch, 2011, § 286 InsO Rz. 29; Preuß, Restschuldbefreiung, 2. Aufl. 2003, Rz. 263; Rothammer, Restschuldbefreiung, 2008, S. 11 f. Zum Verhältnis von Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren in der kurzen Zeit nach Rechtskraft des Antrags auf Eröffnung des Restschuldbefreiungsverfahrens bis zum Wirksamwerden des Aufhebungsbeschlusses BGH, 15.07.2010 – IX ZB 229/07, DZWIR 2010, 426. 124 LG Münster, 13.07.2009 – 5 T 296/09, NZI 2009, 657, 658; Römermann, in: Nerlich/ Römermann, InsO, 25. EL, § 294 Rz. 11. 125 BGH, 18.12.2008 – IX ZB 249/07, NJW-RR 2009, 632, 633 f. 126 So aber, nicht überzeugend, MünchKomm-InsO/Ehricke, 2. Aufl. 2008, § 294 Rz. 2. 127 Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 195 f.; Römermann, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, § 294 Rz. 3, 11; Vallender, ZIP 2000, 1288, 1290. 128 Vgl. Römermann, in: Nerlich/Römermann, InsO, 25. EL, § 294 Rz. 11. 129 Kothe/Ahrens/Grote/Busch, 2011, § 295 InsO Rz. 48. Prziklang, Verbraucherinsolvenz, S. 71. De lege ferenda a. A.: Rothammer, Restschuldbefreiung, 2008, S. 131.
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§ 13 Vollstreckung in künftige Forderungen
hinaus erlangt, darf er bei getreuer Einhaltung seiner Obliegenheiten für sich behalten und muss es nicht mehr für die Schuldentilgung einsetzen.130 Die Frage ist nun, ob die masseerweiternde Lösung diese Wertung unterlaufen würde, wenn man den Gläubigern bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens nachließe, solche Forderungen durch den Vorbehalt nachträglicher Verwertung noch zur Masse zu ziehen. In Bezug auf Dienstbezüge trifft das sicherlich zu; das folgt bereits aus § 89 II InsO. Auch ein Verwertungsvorbehalt künftiger erbrechtlicher Forderungen liefe wohl dem Zweck von § 295 I Nr. 2 InsO entgegen, da der dort vorgesehene Selbstbehalt von 50 % den Schuldner gerade von einer Ausschlagung der Erbschaft abhalten soll, welche letztlich auch dem Interesse der Gläubiger zuwiderliefe.131 Fraglich bleibt, ob damit auch andere hinzu erworbene Forderungen des Schuldners der Masseerweiterung entzogen sind. Das wäre der Fall, wenn § 295 InsO e contrario bestimmen würde, dass jeder andere als der in § 295 InsO genannte Vermögenserwerb dem Schuldner zusteht und von der Gläubigerbefriedigung ausgenommen ist. Das ist allerdings nicht der Fall. Die Beschränkung auf Dienstbezüge und den Erwerb von Todes wegen soll den Schuldner nicht vor einer übermäßigen Belastung sichern; darauf zielt erst die Restschuldbefreiung als solche ab, während § 295 InsO nur regelt, was der Schuldner zu tun hat, damit er sich dieses Ziel verdient.132 Für die Beschränkung von § 295 InsO auf die genannten Vermögenswerte war vielmehr ausschlaggebend, dass die Erfüllung der schuldnerischen Obliegenheiten leicht feststell- und überwachbar sein sollte; jeder andere als der in § 295 InsO genannte Vermögenserwerb hätte einen tieferen Einblick in die Vermögensumsetzungen des Schuldners während der Wohlverhaltensperiode erfordert, welche das Verfahren zu aufwändig und teuer sowie zu risikoreich für den Schuldner gemacht hätte.133 Aus diesem Grund steht § 295 InsO dem Vorbehalt der Verwertung von solchen künftig entstehenden Forderungen, die nicht in den sachlichen Anwendungsbereich von § 295 InsO fallen, nicht entgegen. Ein Beispiel hierfür wären etwa Steuererstattungsforderungen, da diese vom Restschuldbefreiungsverfahren nicht erfasst sind.134 Forderungen des Schuldners, welche erst nach erlangter Restschuldbefreiung entstehen, dürfen freilich nicht mehr verwertet werden.
130 Kothe/Ahrens/Grote/Busch, 2011, § 295 InsO Rz. 43; Zurlinden, Reform der Restschuldbefreiung, S. 26. Mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte (BGBl. 2013-I, 2379) sind insoweit keine Änderungen verbunden, vgl. auch BT-Drucks. 17/11268. 131 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 192; Prziklang, Verbraucherinsolvenz, S. 71; Rothammer, Restschuldbefreiung, 2008, S. 130. 132 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 267. 133 BT-Drucks. 12/2443, S. 267 (in Bezug auf S. 257); Kothe/Ahrens/Grote/Busch, 2011, § 295 InsO Rz. 43. 134 Steuererstattungsforderungen sind auch nicht analog § 287 II 1 InsO als Dienstbezüge abzuführen, BGH, 12.01.2006 – IX ZB 239/04, NJW 2006, 1127, 1128.
B. Künftige Forderung als Bestandteil der Insolvenzmasse (§ 35 InsO)
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b) Interessen der Neugläubiger Für die Masseerweiterung um künftig entstehende Forderungen, die dem Restschuldbefreiungsverfahren nicht unterfallen, ist die Vereinbarkeit mit den Interessen der Neugläubiger zu überprüfen. Anders als die Verwertung des bei Verfahrensaufhebung existenten Massevermögens, welches §§ 35, 203 InsO den Insolvenzgläubigern zuweist, greift die Zuziehung später entstehender Vermögenswerte nämlich in die Interessen der Neugläubiger ein, denen der spätere Erwerb des Schuldners vorenthalten wird.135 Das kann nicht bereits dadurch entkräftet werden, dass der Verwalter das Entstehen der Forderung einfach abwarten könnte, um erst anschließend das Verfahren aufzuheben: Wenn nämlich die gegenwärtig vorhandene verwertbare Masse verwertet ist, muss er das Verfahren aufheben (§ 196 InsO).136 Allerdings gebührt das spätere Vermögen ebenso wenig automatisch den Neugläubigern. Es unterliegt vielmehr der freien Konkurrenz zwischen Alt- und Neugläubigern, die beide gleichermaßen in das insolvenzfreie Neuvermögen vollstrecken dürfen (§ 201 I InsO). Da sich das Insolvenzverfahren aus Sicht der Neugläubiger als zeitlich vorher stattfindende, konzertierte Zwangsvollstreckung der Altgläubiger erweist, sollten für die Konkurrenz mit den Neugläubigern dieselben Regeln gelten wie für die Konkurrenz verschiedener Einzelzwangsvollstreckungen. Dies ist das zwangsvollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip, welches für das Insolvenzverfahren lediglich im Binnenbereich ausgeschlossen sein muss.137 Der Prioritätsgrundsatz im Vollstreckungsrecht der ZPO verkörpert aber nicht nur das Recht, zuerst zuzugreifen, sondern als ein Verteilungsprinzip gerade das Recht, als Erster seine Schuld im Ganzen zu befriedigen.138 Damit würden die Interessen der Neugläubiger nicht verletzt, wenn die Masserweiterung solche künftig entstehenden Forderungen betrifft, die sich ein Gläubiger auch mit einem zeitlich früher angestrengten Einzelzwangsvollstreckungsverfahren „reservieren“ dürfte. Aus diesem Grund kann der Vorbehalt der Verwertung künftig entstehender Forderungen nur in den Grenzen zulässig sein, in denen solche Forderungen zum Zeitpunkt der Schlussverteilung bereits nach der ZPO gepfändet werden dürften (dazu A.V., S. 497), zumal der dort geltende Vorbehalt eines gegenwärtigen Vermögenswerts dem Insolvenzrecht angesichts von § 191 II 1 InsO nicht fremd ist. Genauso wie das Interesse dritter Gläubiger bei der Pfändung künftiger Forderungen deren gegenwärtige Identifizierbarkeit verlangt (oben S. 493), muss das auch für den Insolvenzbeschlag gelten. Im Falle des Vorbehalts der Verwertung 135
MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 203 Rz. 20. Braun/Pehl, InsO, 5. Aufl. 2012, § 196 Rz. 5. 137 Zu letzterem Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rz. 2.23; Pape/Uhlenbruck/VoigtSalus, InsR, 2. Aufl. 2010, Kap. 10 Rz. 3 f. m. w. Nachw.; Rothammer, Restschuldbefreiung, 2008, S. 17. 138 Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl. 2010, § 5 Rz. 84 – 98; Becker, Prioritätsprinzip im Zwangsvollstreckungsrecht, S. 27; Siebert, Prioritätsprinzip, S. 7; Welbers, S. 2. 136
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§ 13 Vollstreckung in künftige Forderungen
künftig entstehender Forderungen muss die haftungsrechtliche Zuweisung nämlich über die Aufhebung hinaus gewährt werden und der betroffene Vermögensgegenstand über die Verfahrensaufhebung hinaus verstrickt bleiben. Für die Fälle nachträglicher Verwertung nach § 203 I Nr. 1 InsO und für fortgeführte Aktivprozesse wird dies ebenfalls angenommen.139 Betrachtet man diese Fälle, so tritt diese Aufrechterhaltung der Verstrickung grundsätzlich nach außen in Erscheinung (sei es durch die Hinterlegung gemäß § 198 InsO, sei es durch die Streitbefangenheit). Eine solche Offenkundigkeit ist nicht nur wegen des Auseinanderfallens von Rechtsträgerschaft und Verfügungsmacht erforderlich. Sie erscheint vor allem deshalb notwendig, da der Aufhebungsbeschluss den Rechtsschein einer Freigabe des Vermögens erzeugt, weil er die Wirkungen der Aufhebung, d. h. das Ende der Beschlagnahme des Massevermögens,140 gerade nach außen tragen soll.141 Um diesem Rechtsschein einer Gesamtfreigabe des verstrickten Vermögens entgegenzuwirken, sollte für den Fortbestand der Verstrickung künftiger Forderungen daher in der Tat ein ausdrücklicher Vorbehalt im Beschluss des Insolvenzgerichts erforderlich sein.142 Zwar verlangt das Gesetz im umgekehrten Fall – wenn der Insolvenzverwalter vor Aufhebung des Verfahrens einen einzelnen Gegenstand freigibt – keine besondere Publizität, da die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters auch konkludent erfolgen kann.143 Das ist allerdings deshalb vertretbar, da in diesem Fall die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Rechtsträger vereint ist und damit Normalzustand herrscht. Die Auffassung, die einen konkludenten oder gar stillschweigenden Vorbehalt für die Masseerweiterung um künftige Forderungen genügen lässt,144 ist daher abzulehnen. Der Vorbehalt der Verwertung künftig entstehender Forderungen kann nur dann Wirkungen haben, wenn er ausdrücklich in Bezug auf die jeweiligen künftigen Forderungen erklärt wurde.145
V. Thesen Der in der Literatur vertretene masseerweiternde Ansatz kann auf eine Rechtsanalogie zu §§ 196, 200, 203 InsO gestützt werden. Künftig entstehende Forderungen des Schuldners können zur Masse gezogen werden, auch wenn das Insolvenzverfahren vor ihrer Entstehung aufgehoben wird. Das gilt jedoch nur für solche 139
MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 203 Rz. 19 ff. Vgl. BGH, 26.01.2012 – IX ZB 111/10, NZI 2012, 271, 272; BGH, 03.04.2014 – IX ZA 5/14, NZI 2014, 501; MünchKomm-InsO/Hintzen, 3. Aufl. 2013, § 200 Rz. 30 ff. 141 Vgl. Motive zu dem Entwurf einer Konkursordnung, 1874, S. 381 (= Hahn/Mugdan, Bd. 4, S. 341). 142 Zum Meinungsstand in dieser Frage oben Fn. 94. 143 Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl. 2010, § 35 Rz. 73. 144 Oben Fn. 94. 145 Für einen ausdrücklichen Vorbehalt: Braun/Kießner, InsO, 5. Aufl. 2012, § 203 Rz. 9; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 203 Rz. 6 u. 9; Herb, BWNotZ 1960, 264, 266 f. 140
B. Künftige Forderung als Bestandteil der Insolvenzmasse (§ 35 InsO)
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Forderungen des Schuldners, die nicht in den sachlichen Anwendungsbereich von § 295 InsO fallen bzw. Gegenstand der Obliegenheiten des Schuldners in einem Restschuldbefreiungsverfahren sind. Der Vorbehalt der Nachtragsverteilung im Beschluss des Insolvenzgerichts muss ausdrücklich und in Bezug auf bestimmte Forderungen ergehen. Was die Beschaffenheit der künftigen Forderungen angeht, gelten die Anforderungen des Zwangsvollstreckungsrechts. Künftige Forderungen können daher nur dann einer Nachtragsverteilung vorbehalten werden, wenn sie im Zeitpunkt der Schlussverteilung einen gegenwärtigen Vermögenswert haben (s. o. A.V., S. 497).
Dritter Teil
Über eine Dogmatik künftiger Forderungen Der Leser, der am Schluss dieser Untersuchung Vorschläge zur Lösung einzelner Sachfragen erwartet, sei auf die Thesen am Ende der jeweiligen Kapitel verwiesen. Die Themen sind zu mannigfaltig, um sie hier einzeln aufzuzählen. Gemäß dem Auftrag dieser Arbeit, nach gemeinsamen Strukturen und einer einheitlichen Vorstellung von dem zu suchen, was eine künftige Forderung ist, sei abschließend ein Gerüst für das Recht der künftigen Forderungen präsentiert, wie es einem jeden der hier untersuchten Rechtsbereiche zugrunde liegt. Zunächst werden die Einsatzmöglichkeiten aufgezeigt, die eine künftige Forderung, abhängig von ihrem jeweiligen Entwicklungsstadium, bietet (§ 14.). Anschließend werden die Eckpfeiler für eine Dogmatik künftiger Forderungen skizziert (§ 15.). Ausgespart bleibt die frühklagefähige künftige Forderung (§§ 257 – 259 ZPO), da sie eigenen, verfahrensrechtlichen Vorgaben folgt (s. § 10).
§ 14 Entwicklungsstadien und Handlungsoptionen Unabhängig von ihrer dogmatischen Bezeichnung (dazu § 15) lassen sich verschiedene Stadien einer künftigen Forderung ausmachen, die jeweils neue Handlungsoptionen eröffnen. Die meisten Rechtsfragen beruhen auf der Unterscheidung der folgenden drei Etappen im Werdegang einer Forderung: Die künftige Forderung ohne Rechtsboden, die bislang allein durch ihre Beschreibung in die Rechtswelt getreten ist (dazu I.), die künftige Forderung mit einem Rechtsboden (dazu II.) und die entstandene Forderung (dazu III.). Daneben lassen sich bestimmbare und bestimmte künftige Forderungen (dazu IV.), künftige Forderungen mit und ohne einen gegenwärtigen Vermögenswert (dazu V.) sowie solche unterscheiden, die sich in der Insolvenz durchsetzen oder nicht (dazu VI.).
I. Künftige Forderungen ohne Rechtsboden 1. Vorbereitungsfunktion Von künftigen Forderungen ohne Rechtsboden lässt sich schon dann sprechen, wenn jemand glaubt, in Zukunft originär eine Forderung erwerben zu können. Soweit anhand allgemeiner Merkmale bestimmbar ist, um welche Art Forderung es geht, und ihr Entstehen nicht von vornherein unmöglich ist, kann sie rechtliche Relevanz erlangen. Beispielsweise kann zu ihrer Sicherung ein wirksamer Bürgschaftsvertrag geschlossen (§ 765 II BGB) oder ein Gegenstand als Pfand begeben werden.1 Hier offenbart sich die Mindestfunktion, die eine künftige Forderung hat: Sie dient der Vorbereitung eines Rechtsgeschäfts. Man könnte in der Tat von der Bürgschaft oder der Verpfändung „im Voraus“ sprechen. Die künftige Forderung fungiert als „Platzhalter“ für in Zukunft entstehende Forderungen. Es fehlt ihr noch an jeglichem nach außen manifestierten Rechtstatbestand, wie etwa einer Willenserklärung, aus der sie einmal hervorgehen soll. Immer wieder können verschiedene Forderungen an ihre Stelle treten, solange diese von der Beschreibung in der Sicherungsabrede gedeckt sind. Die künftige Forderung muss keinen eigenen Wert haben; man muss in ihr nicht mehr als ein rechtliches
1 Zu dieser eigentlichen Vorausverpfändung, die von § 1204 II BGB nicht geregelt ist, siehe S. 258 und noch unten § 15 III.1. (S. 531).
I. Künftige Forderungen ohne Rechtsboden
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Werkzeug sehen, um ihren (ggf. durch erloschene Forderungen frei werdenden) Platz mit neu entstehenden Forderungen zu besetzen. Da die Vertragsparteien dadurch ihre Sicherheit immer wieder „auffüllen“ können, ohne erneut tätig werden zu müssen, wird der Vorgang der Sicherheitenbestellung automatisiert und eine revolvierende Globalsicherung ermöglicht. Eine an sich unkomplizierte Kreditvergabe, bei der in einer dauernden Geschäftsbeziehung regelmäßig kurzfristige Kredite abgerufen werden, wäre aufwändig, wenn für jeden neuen Kredit erneut eine Bürgschaftsurkunde ausgestellt werden müsste. Die künftige Forderung senkt also Transaktionskosten. Diese Vorbereitungsfunktion kann auch bei der Zession in Erscheinung treten. Ein Beispiel dafür ist eine Vertragsgestaltung, die vielen Factoring-Verträgen zugrunde liegt: Bei ihr werden künftige Forderungen global abgetreten; der Übergang der jeweiligen Forderung auf den Zedenten wird allerdings unter die aufschiebende Bedingung gesetzt, dass der Zedent diese auch ankauft, wenn sie entstanden ist.2 Hier will man sich lediglich die Vorbereitungsfunktion der künftigen Forderung zunutze machen, um später einzeln vorzunehmende Abtretungserklärungen zu ersparen.3 Der Zuweisungsgehalt einer künftigen Forderung (dazu sogleich unten 3.) bleibt hingegen ungenutzt, da man durch die Abhängigkeit von der Bedingung gerade ausschließt, dass die künftige Forderung schon jetzt dem Erwerber zugewiesen wird. Diese Konstruktion dürfte man also allemal eine Vorausabtretung nennen, da die Abtretung der später entstehenden Forderung schon im Voraus erklärt wird.4
2. Anknüpfungsfunktion Mit dem Einsatz künftiger Forderungen bei der Vorbereitung einer Sicherheitenbestellung erhalten die Parteien zudem ein gewisses Maß an Rechtssicherheit im Innenverhältnis. Über den Vorteil des Platzhalters hinaus erlangt der Sicherungsnehmer (etwa der künftige Bürgschafts- oder der künftige Pfandgläubiger) bereits jetzt die Gewissheit über die Bereitschaft des Sicherungsgebers, seine Forderungen in Zukunft für dieses Geschäft einzusetzen. Damit kann er sich schon früh gegen opportunistisches Verhalten des Sicherungsgebers schützen.5 Das zeigt sich besonders gut am Bürgschaftsvertrag: Voraussetzung für seine Verbindlichkeit ist, dass die künftige Forderung bestimmbar und ihre Entstehung möglich ist; ein Bürgschaftsvertrag, dem sich keine Forderungen zuordnen lassen bzw. dessen gesicherte Forderungen unmöglich entstehen können, ist ohne 2 Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 1389 f.; MünchKomm-HGB/Brink, 2. Aufl. 2009, Art. 5 FactUe Rz. 7 ff.; Gehring, Asset-Backed Securities, S. 37, 146; auch oben § 11 A. 3 MünchKomm-HGB/Brink, 2. Aufl. 2009, Art. 5 FactUe Rz. 8. 4 Das Verfügungsgeschäft ist hier aufschiebend bedingt, so dass auch die Anwendung von § 161 BGB gerechtfertigt ist, vgl. MünchKomm-HGB/Brink, 2. Aufl. 2009, Art. 5 FactUe Rz. 8. 5 Zum Begriff des Opportunismus Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 549 – 552.
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§ 14 Entwicklungsstadien und Handlungsoptionen
Wirkung (oben § 8 S. 277). Gleiches gilt für den Verpfändungsvertrag: Der künftige Pfandgläubiger hat gegenüber dem Verpfänder ein Recht zum Besitz an der Sache, solange die beschriebenen künftigen Forderungen entstehen können (oben § 7 S. 258). Allein die Aussicht auf den Erwerb der Forderungen stützt das jeweilige Rechtsgeschäft. Künftige Forderungen ohne Rechtsboden dienen also auch als ein rechtlicher Bezugspunkt, an den Rechtsgeschäfte anknüpfen.
3. Zuweisungsfunktion und Gegenständlichkeit Die künftige Forderung ohne Rechtsboden dient nicht nur der Vorbereitung eines Rechtsgeschäfts oder als Anknüpfungspunkt für eine Sicherheit. Sie kann auch selbst eine Sicherheit darstellen. Wo ein Kreditnehmer noch kein oder kein freies Vermögen mehr hat, ist es dem Kreditgeber eine Sicherheit, wenn er die Forderungen des Kreditnehmers, die dieser mit dem kreditierten Projekt in Zukunft erwirtschaften will, sicherungshalber erhält. Die künftige Forderung ist hier mehr als ein Mittel zur Rationalisierung künftiger Vorgänge und Senkung der Transaktionskosten. Sie kann zwar selbst noch nicht eingezogen werden, wenn es tatsächlich zu einem Ausfall des Kreditnehmers kommt. Ihr Wert liegt aber darin, dass sie die Unsicherheit für den Kreditgeber so weit senkt, dass dieser auf den Kreditvertrag und die damit für ihn verbundenen Wohlfahrtsgewinne nicht verzichten muss.6 Sie reserviert ihm zukünftig entstehende Forderungen und verschafft ihm hierdurch schon gegenwärtig eine gewisse Sicherheit, die anhand des jeweiligen Wahrscheinlichkeitsgrads, mit dem die Forderung entstehen wird, ökonomisch berechenbar ist. Die Rechtsordnung stillt dieses Sicherungsbedürfnis, indem sie den Parteien ermöglicht, diese Erwerbsaussicht zu transferieren, und zwar unabhängig davon, ob die Handlung, der Vertrag oder die Rechtsgrundlage schon vorliegt, aus der die Forderung einmal erwachsen soll; Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass anhand allgemeiner Merkmale bestimmbar ist, um welche Forderung es geht, und die Entstehung dieser Forderung nicht von vornherein unmöglich ist. Damit wird die künftige Forderung ohne Rechtsboden allein durch ihre Beschreibung zu einem eigenen Gegenstand des Rechtsverkehrs, der übertragbar, weiterübertragbar und vererblich ist. Da in solchen Fällen – anders als im obigen Beispiel aus dem Factoring – der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, die Forderungen dem Erwerber zuzuweisen, ohne dass die Verfügung unter einer Bedingung erfolgt, äußert sich hier der „Zuweisungsgehalt“ einer künftigen Forderung: Wenn die Forderung entsteht, soll sie bei demjenigen entstehen, dem sie von den Parteien zugewiesen wurde, als sie noch künftig war. Sobald sich also ein anderer findet, der an die in der künftigen Forderung verkörperte 6 Unsicherheit führt zu Autarkielösungen und den Verzicht auf mögliche Wohlfahrtsgewinne durch Verträge, während jede Senkung von Unsicherheit Wohlfahrtsgewinne generiert, Adams, Ökonomische Analyse der Sicherungsrechte, S. 156.
II. Künftige Forderungen mit Rechtsboden
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Erwerbsaussicht glaubt und bereit ist, diese als Sicherheit oder Leistung zu akzeptieren, tritt die künftige Forderung als ein eigenes Phänomen in die Rechtswelt ein; sie löst sich von ihrer Eigenschaft als bloßer Platzhalter und wird selbst zum Gegenstand eines Rechtsgeschäfts. Ihre Besonderheit liegt darin, dass der neue Inhaber zwar die Aussicht hat, eine Forderung originär zu erwerben, er diese aber nicht selbst hervorbringen kann. Damit geht er ein zusätzliches Risiko ein; insbesondere in der Insolvenz des Zedenten, in der dieser seine Fähigkeit verliert, eine Forderung zu begründen, erweist sich dies als entscheidende Schwäche. Künftige Forderungen ohne Rechtsboden können nicht nur abgetreten und damit willentlich einem anderen zugewiesen werden. Sie unterliegen auch dem Vollstreckungszugriff anderer, die sich die daraus entstehenden Forderungen durch Pfändung „reservieren“ wollen, und zwar mit gegenwärtigem Rang und Verstrickungswirkung. Allerdings unterliegt nicht jede künftige Forderung, die übertragen und zur Kreditverschaffung eingesetzt werden kann, auch dem Vollstreckungszugriff anderer Gläubiger. Die Anforderungen des Vollstreckungsverfahrens bringen es mit sich, dass der Inhalt der Forderung und die Person des Drittschuldners bereits bestimmt sein müssen, damit eine künftige Forderung gepfändet werden darf. Zusätzlich ist wegen der Interessenlage erforderlich, dass die Entstehung der Forderung nicht gänzlich fern liegen darf, also eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ihr Entstehen vorliegt (§ 916 II ZPO analog). Einen Rechtsboden muss die künftige Forderung aber nicht aufweisen.
II. Künftige Forderungen mit Rechtsboden Den wohl markantesten Fortschritt innerhalb ihrer Entwicklung macht die künftige Forderung, wenn sie einen rechtlichen Boden erhält. Er eröffnet zahlreiche weitere Handlungsoptionen. Künftige Forderungen mit Rechtsboden zeichnet aus, dass ein wesentlicher Teil ihres Tatbestands bereits verwirklicht ist, dass etwa eine Willenserklärung einer der Parteien vorliegt oder – im Falle gesetzlicher Forderungen – die haftungsbegründende Handlung erfolgt ist. Dadurch kann die künftige Forderung bereits an einem konkreten Ausschnitt aus der Lebenswirklichkeit festgemacht werden. Die Besonderheit dieses Rechtsbodens liegt zudem darin, dass die eine oder andere Partei alles dafür getan hat, dass die Bedingungen gesetzt sind, unter denen die Forderung im Weiteren entsteht. Wenn das auf Seiten des künftigen Schuldners der Fall ist, so ist die künftige Forderung jedenfalls gemäß § 38 InsO begründet und gibt, falls nicht aus besonderen Gründen eine Masseforderung vorliegt, dem Gläubiger ein Recht auf anteilsmäßige Teilhabe an der Vermögensmasse, wenn die Entstehung der Forderung nicht so fernliegt, dass die Forderung zur Zeit der Verteilung keinen Vermögenswert hat (§ 191 II 1 InsO). Wenn demgegenüber der Gläubiger all das getan hat, damit die Forderung ohne seine Mitwirkung entstehen kann, so eignet sich die Forderung für die Sicherung durch Hypothek (§ 1113 II BGB)
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bzw. Pfandrecht (§ 1204 II BGB); zudem erhält eine künftige Aufrechnungslage besonderen Schutz vor Beschlagnahme (§ 392 BGB) oder Abtretung (§ 406 BGB) der Hauptforderung, wenn Haupt- oder Gegenforderung einen solchen Rechtsboden aufweisen. Wenn schließlich die Bedingungen für die Entstehung der Forderung sogar seitens des Schuldners und des Gläubigers gesetzt sind, die Entstehung der Forderung also etwa nur noch von einem externen Ereignis abhängt, so wird dieser Aufrechnungsschutz dem Gläubiger der Gegenforderung auch in der Insolvenz seines Gegenübers zuteil (§ 95 InsO). Außerdem kann für eine solche künftige Forderung unter den weiteren Voraussetzungen des § 916 II ZPO ein Arrestpfandrecht bewirkt werden. All diesen Rechtsböden fügt § 883 I 2 BGB noch einen eigenen Akzent hinzu: Für § 883 I 2 BGB genügt es nicht, dass der seitens des Schuldners erforderliche haftungsbegründende Akt erfolgt ist; es muss darüber hinaus ausgeschlossen sein, dass er diesen wieder zerstören kann. Damit eine künftige Forderung mit einer Vormerkung gesichert werden kann, ist also noch ein gewisser Bestandsschutz ihres Rechtsbodens erforderlich. Wie in allen anderen Fällen ist es aber auch hier unerheblich, wenn der Schuldner die Entstehung der Forderung noch verhindern kann; nur der Bestand der Erwerbsaussicht, also der Rechtslage, aus der die Forderung entstehen kann, muss seinem Einfluss entzogen sein.7
III. Entstandene Forderungen Das Gesetz stellt in vielen Fällen die künftige Forderung mit Rechtsboden einer entstandenen Forderung gleich. Der Unterschied zwischen einer künftigen Forderung mit Rechtsboden und einer entstandenen Forderung liegt darin, dass der künftige Gläubiger die Leistung noch nicht fordern darf und diese Befugnis erst erlangt, wenn die Forderung entsteht. Diese Befugnis, die Leistung zu fordern, nannte v. Tuhr den „Anspruch“.8 Eine solche Differenzierung zwischen der Forderung und dem Anspruch, der eine von vielen Befugnissen innerhalb einer Forderung ist, sei im Folgenden schon aus Gründen der sprachlichen Klarheit zugrunde gelegt. Bei einer entstandenen Forderung ist also gewiss, dass der Anspruch besteht, wenngleich er noch nicht zwingend durchsetzbar sein muss. Eine künftige Forderung mit Rechtsboden kann diese Gewissheit, dass der Gläubiger die Leistung verlangen dürfen wird, nicht bieten; ebenso wenig die aufschiebend befristete Forderung, da sie sich zwar durch die Gewissheit des Ereignisses auszeichnet, von dem sie abhängt, nicht aber durch die Gewissheit, 7
Siehe oben § 5 S. 173. Oben § 2 S. 21 f. § 194 I BGB wäre wie folgt zu lesen: „Die Befugnis, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung.“; § 241 I BGB: „Kraft der Forderung steht dem Gläubiger ein Anspruch gegen den Schuldner auf die Leistung zu. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.“ 8
IV. Bestimmbare und bestimmte künftige Forderungen
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dass bis zu seinem Eintritt sämtliche anderen Voraussetzungen weiterhin vorliegen: Beispielsweise kann ein Mietvertrag gekündigt werden, so dass der Anspruch auf die künftige Miete zwar aufschiebend befristet, aber eben nicht sicher entstanden ist. Überall dort, wo es auf die Gewissheit ankommt, dass der Anspruch entstanden ist, kann das Gesetz die künftige also nicht der entstandenen Forderung gleichstellen. Es handelt sich um Fälle, in denen ein besonderes Bedürfnis an Rechtssicherheit besteht bzw. eine Schwebelage nicht hinnehmbar ist. Das trifft etwa für das Vermieterpfandrecht bezüglich der „Entschädigungsforderungen“ zu (§ 562 II BGB)9 oder für die Aufrechnung, die unzulässig ist, solange eine der Forderungen noch künftig ist.10 Dort, wo es auf die Befugnis, die Leistung zu fordern, hingegen nicht ankommt, sondern lediglich auf den Abschluss der Grundlegung der Forderung, gleichen sich die künftige Forderung mit Rechtsboden und die entstandene Forderung. Das ist etwa bei §§ 883 I 2, 1113 II, 1204 II BGB der Fall, da hier bereits die potentielle Haftung des Schuldners genügt, um einen Gegenstand vor dem Zugriff anderer Gläubiger zu sichern, selbst wenn es wenig wahrscheinlich sein sollte, dass hieraus ein Anspruch entsteht. Auch in anderen Fällen, in denen der BGH entstandene von nicht entstandenen – insbesondere betagte von aufschiebend befristeten Forderungen – abgrenzt, hat sich gezeigt, dass dies in der Sache nicht gerechtfertigt ist, weil es nicht darauf ankommt, ob der Gläubiger gegenwärtig einen Anspruch hat oder nicht (vgl. § 11 S. 423 ff. u. § 12 S. 452 f.).
IV. Bestimmbare und bestimmte künftige Forderungen Bestimmtheit und Bestimmbarkeit haben im Recht der künftigen Forderungen verschiedene Facetten.11 Für künftige Forderungen bestellte dingliche Rechte (Vormerkung, Hypothek, Pfandrecht) benötigen eine bestimmte künftige Forderung; der für sie erforderliche Rechtsboden gewährleistet diese Bestimmtheit, da er die künftige Forderung an einen konkreten Lebenssachverhalt koppelt, aus dem die Forderung entstehen wird. Die Bestimmbarkeit genügt demgegenüber im Grundsatz immer dort, wo die künftige Forderung noch keinen Rechtsboden aufweisen muss, beispielsweise bei ihrer Abtretung oder Verpfändung, bei der Vorausverpfändung einer Sache zur Sicherung einer künftigen Forderung oder bei der Höchstbetragshypothek. Die wesentliche Funktion der Bestimmbarkeit ist die Zuordenbarkeit einer Forderung zu einer sie betreffenden Abrede, etwa einer globalen Abtretungsvereinbarung. Rechtsgeschäfte über künftige Forderungen können eben nur wirken, wenn ihnen ein Gegenstand zugeordnet werden kann. Auf schuldrechtlicher Ebene geht es bei der Bestimmbarkeit künftiger Forderungen 9
§ 7 (S. 264 f.). § 4 S. 80 f. 11 S. oben § 5 S. 165; § 6 S. 227; § 7 S. 259; § 8 S. 276; § 11 S. 367 ff.; § 12 S. 470 ff.; § 13 S. 493. 10
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zudem um die Fragen, ob eine Verfügung über künftige Forderungen über das hinaus geht, was geschuldet ist, oder die Verpflichtung zu einer solchen Verfügung für den Zedenten im Umfang absehbar und haftungsrechtlich zumutbar ist.12
V. Künftige Forderungen mit und ohne Vermögenswert Wenn es auf den Anspruch im v. Tuhr’schen Sinne nicht ankommt, so kann der Gesetzgeber eine künftige Forderung mit Rechtsboden der entstandenen Forderung gleichstellen (S. 520 f.). In vielen Fällen nimmt er dabei sogar hin, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist, mit der aus der künftigen Forderung überhaupt einmal ein Anspruch entsteht. Das gilt namentlich für §§ 765 II, 883 I 2, 1113 II, 1204 II BGB, die den Parteien erlauben, den Bürgen bzw. die jeweilige Sache auch für höchst ungewisse Fälle zu binden. Das wird besonders deutlich in der Vormerkungspraxis, in der man oftmals bewusst Forderungen sichert, deren Entstehungswahrscheinlichkeit äußerst gering ist.13 Soweit bei der Anwendung all dieser Vorschriften die Interessen dritter Gläubiger angemessen berücksichtigt werden, ist gegen diese gesetzgeberische Grundentscheidung nichts einzuwenden, da die Parteien das Risiko immerhin einvernehmlich bewerten und entscheiden können, ob sie die jeweilige Unsicherheit hinzunehmen bereit sind; zudem können sie vertraglich Vorsorge dagegen treffen, dass die Sache ihrer Disposition auf ewig entzogen ist. Das bedeutet aber auch, dass der Gesetzgeber überall dort, wo eine solche privatautonome Kalkulation und Akzeptanz nicht möglich ist, entsprechende Vorsicht walten lassen muss. So verhält es sich im Fall des Arrests wegen künftiger bzw. der Pfändung von künftigen Forderungen, bei der die Auswahl der künftigen Forderungen nicht einvernehmlich erfolgt: Das Gesetz schließt hier dementsprechend solche künftigen Forderungen aus, deren Entstehung so fern liegt, dass sie keinen gegenwärtigen Vermögenswert haben (§§ 916 II, 844 ZPO14). Im Fall des gegen den Willen des Mieters entstehenden Vermieterpfandrechts nach § 562 II BGB will der Gesetzgeber sogar jegliche Wahrscheinlichkeitsprognose vermeiden.15 Darüber hinaus gibt es andere Gründe, um wahrscheinlich von weniger wahrscheinlich entstehenden Forderungen zu trennen. § 191 II InsO und § 1986 II BGB akzeptieren nur Forderungen, deren Entstehung nach einer Prognose einigermaßen wahrscheinlich ist, damit die Vermögensverteilung nach Möglichkeit nicht auf alle Zukunft offen bleibt. Maßgeblich für den Vermögenswert, auf den es in jedem dieser Fälle ankommt, ist, wie fernliegend der Bedingungseintritt ist, was unter Berücksichtigung der jeweils schutzwürdigen Interessen zu beurteilen ist. Schließlich gibt es Fälle, in denen die künftige Forderung aus retrospektiver Sicht rechtliche Relevanz erlangt. Hier ist entscheidend, ob eine entstandene 12
Oben § 11 S. 375 ff. Siehe § 5 S. 142 f. 14 Zum Arrest § 9 E.; zur Zwangsvollstreckung § 13 S. 495 ff. 15 Siehe oben § 7 S. 264 ff. 13
VI. Künftige Forderungen in der Insolvenz
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Forderung zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit, zu dem sie noch künftig war, eine gewisse Beschaffenheit aufgewiesen hat und deshalb heute eine Sonderbehandlung verdient (§ 95 InsO, § 392 BGB, § 406 BGB; u. U. auch § 38 InsO, wenn die Forderung vor der Verteilung entstanden ist). Da hier schon die Gewissheit herrscht, dass aus der künftigen Forderung ein Anspruch entstanden ist, erübrigen sich Zweifel über ihren prognoseabhängigen Vermögenswert.16
VI. Künftige Forderungen in der Insolvenz Künftige Forderungen müssen sich im Insolvenzfall bewähren: Zum einen in der Insolvenz des künftigen Forderungsschuldners, und zwar aus Sicht des Gläubigers, dem wegen seiner künftigen Forderung eine Sicherheit bestellt wurde bzw. der mit einer vormals künftigen Gegenforderung aufrechnen will; zum anderen in der Insolvenz des künftigen Gläubigers, und zwar aus Sicht des Zessionars, dem der Insolvenzschuldner seine künftigen Forderungen als Sicherheit abgetreten hatte, bzw. aus Sicht dessen, der gegen eine Hauptforderung des Insolvenzschuldners aufrechnen will, die bei Verfahrenseröffnung noch nicht entstanden war.17 In all diesen Fällen geht es um Sicherheiten und ihren Wert, wenn die fragliche Forderung erst während des Insolvenzverfahrens entsteht. Die Untersuchungen zu den einzelnen Rechtsbereichen haben ergeben, dass sich das Schicksal der jeweiligen Sicherheit unabhängig davon, ob die künftige Forderung selbst die Sicherheit ist oder ihrerseits gesichert wird, nach den gleichen Grundsätzen bestimmt. Entscheidend ist, worin die Bedingung besteht, von der die Entstehung der Forderung abhängig ist. Wenn die Forderung zu ihrer Entstehung noch auf die Verfügungsmacht des Insolvenzschuldners angewiesen ist, können die sie betreffenden Sicherheiten in der Insolvenz grundsätzlich keinen Bestand haben, da die Erwerbsaussicht, die der Sicherungsnehmer hatte, von vornherein mit dem Risiko behaftet war, dass der andere die Forderung nicht massewirksam zustande bringen kann, wenn er gemäß §§ 80 ff. InsO durch die Insolvenz seine Verfügungsbefugnis verliert. Wenn nur der Insolvenzschuldner die Forderung hervorzubringen vermag, so steht die Verwirklichung der Erwerbsaussicht quasi noch zu einem gewissen Anteil in seinem „Vermögen“18 und ist deshalb auch wirtschaftlich der Insolvenzmasse noch zugehörig. Der Gläubiger, der seine Sicherheiten gegen Insolvenz absichern will, muss also vermeiden, dass die Entstehung der Forderung noch von der Verfügungsmacht des Schuldners abhängig ist. 16
Zu den Konsequenzen vgl. etwa § 4 S. 106 f. Die Gruppierung der Abtretung mit der Aufrechnung gegen eine künftige Forderung ergibt sich aus Folgendem: Wenn die Aufrechnung zulässig ist, dann steht die Hauptforderung den Insolvenzgläubigern nicht mehr als Massevermögen zur Verfügung, so dass die künftige Forderung in beiden Fällen aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners ausscheidet. 18 Etymologisch rührt das juristische Wort „Vermögen“ übrigens von dem Vermögen im Sinne der „Kraft, Macht oder Fähigkeit“ her, Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, S. 435. 17
§ 15 Eckpfeiler für eine Dogmatik künftiger Forderungen „[E]ine Sache kann nur existieren oder nicht existieren. Tertium non datur“.1 Mit diesem Satz wurde im Jahr 1911 die Nichtexistenz der künftigen Forderung belegt. Der Satz ist kein großer seiner Zeit, aber doch paradigmatisch für die Herangehensweise, mit der man sich das Recht künftiger Forderungen erschlossen hat und deren Defizite noch heute spürbar sind. Aus ihm erhellt einerseits die gedämpfte Bereitschaft, Vorstufen des subjektiven Rechts einen eigenen Inhalt zuzuerkennen. Mit diesem Misstrauen teilen wir die Rechtswelt in vorhandene und nicht vorhandene Rechte ein, erklären Vorwirkungen der Rechtsentstehung mit der Rückwirkung des entstandenen Rechts, betrachten die Verfügung über künftige Forderungen als vorab erklärte Verfügung über das entstandene Recht und verlieren dadurch den Blick für die eigenen Aufgaben und Wirkungen einer werdenden Forderung samt der sie prägenden Dynamik eines Rechtsentstehungsprozesses. Zum anderen wird an diesem Zitat deutlich, dass man sich das Recht künftiger Forderungen zumeist mit dem Sachenrecht erklärt hatte. Dieses hielt mit dem gestreckten Erwerb einer Sache, die zum Zeitpunkt der Verfügung noch nicht existiert, ein scheinbar hervorragendes Beispiel bereit, um die Abtretung künftiger Forderungen erklären zu können, aus der sich sodann die Dogmatik künftiger Forderungen entwickeln sollte. Im Folgenden soll diese Dogmatik anhand der in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse auf neue Füße gestellt werden. Zunächst werden die künftigen Forderungen ohne Rechtsboden dogmatisch erklärt („künftige Forderungen“), anschließend die künftigen Forderungen mit Rechtsboden, die man auch „bedingte Forderungen“ nennen kann (unten II.). Sodann sei die Verfügungsdogmatik dargestellt (unten III.), um schließlich die von der künftigen Forderung abhängigen Sicherungsrechte zu beleuchten (unten IV.).
I. „Künftige Forderungen“ (Künftige Forderungen ohne Rechtsboden) Eine künftige Forderung ist lediglich dann ein Nullum, wenn ihre Identität bzw. die Voraussetzungen ihrer Entstehung nicht bestimmbar sind oder wenn ihre Entstehung in Zukunft nicht nur unwahrscheinlich, sondern unmöglich ist.2 In ersterem Fall könnte nicht einmal konstatiert werden, ob und wann auch nur ein 1
Kochmann, S. 7. Dazu vgl. insb. oben § 11 S. 378 ff. u. § 8 S. 277 f.
2
I. „Künftige Forderungen“ (Künftige Forderungen ohne Rechtsboden)
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Tatbestandsmerkmal erfüllt ist; in letzterem Fall kann nur konstatiert werden, dass die Forderung, so, wie sie beschrieben ist, niemals entstehen wird. Deshalb die künftigen Forderungen dogmatisch nach bestimmbaren und nicht bestimmbaren zu kategorisieren,3 lohnt aber nicht, da letzteren keine rechtliche Relevanz zukommt.
1. Künftige Forderungen als Gegenstand Bestimmbare künftige Forderungen ohne Rechtsboden, deren spätere Entstehung nicht ausgeschlossen ist, sind demgegenüber kein Nullum. Sie treten in der Gegenwart rechtlich in Erscheinung, wenn etwa ihre Abtretung weitere Verfügungen über dieselben künftigen Forderungen blockiert, ihre Pfändung gegenwärtige Wirkungen entfaltet, oder sie einem Bürgschaftsvertrag einen rechtlichen Anknüpfungspunkt geben. Eine solche künftige Forderung ist eine durch ihre Beschreibung eingegrenzte Aussicht auf den Erwerb einer Forderung und selbst ein Gegenstand. Dabei hat sie zwei Merkmale, welche der späteren Forderung als ein „Bündel von Befugnissen“4 ebenfalls zu eigen sind, nämlich die Befugnis ihres Inhabers, über diese Aussicht zu verfügen, sowie die Inhaberschaft, also ihre Verbindung mit dem künftigen Gläubiger des Anspruchs. Die künftige ist damit ein teilverwirklichter Rumpf der entstandenen Forderung.5
2. Künftige Forderungen zwischen Fiktion und Lebenswirklichkeit Künftige Forderungen können existieren, wenn die Anspruchsgrundlage, die sie hervorbringen soll, schon als positives Recht vorhanden ist, aber der erforderliche Lebenssachverhalt noch aussteht, oder aber wenn der Lebenssachverhalt, der sie begründet, vorliegt, aber die Anspruchsgrundlage (sei es der Vertrag oder das Gesetz) noch nicht existiert, und schließlich, wenn weder der Sachverhalt noch die Anspruchsgrundlage vorhanden sind, aber durch Beschreibung bestimmbar ist, welche in Zukunft denkbare Forderung gemeint ist. Sie treten zu Tage, sobald zwei Personen eine Erwerbsaussicht beschreiben und diese zum Gegenstand eines Rechtsgeschäfts machen. Der einzige Anknüpfungspunkt in der Rechtswirklichkeit, den eine solche künftige Forderung aufweisen muss, ist diese rechtlich erhebliche Beschreibung, aus der heraus sie bestimmbar ist. Nur dort, wo diese Beschreibung nur einer Person vorbehalten ist, kann sie allein nicht genügen. Das zeigt sich in der Zwangsvollstreckung, bei der künftige Forderungen 3
So die Einteilung von Oertmann oben § 2 S. 31. Vgl. § 2 S. 19. 5 Mülbert spricht von einem „zeitlich segmentierte[n] Forderungspartikel“, siehe oben § 11 bei Fn. 74. 4
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§ 15 Eckpfeiler für eine Dogmatik künftiger Forderungen
des Schuldners allein auf Grundlage der Behauptung des Vollstreckungsgläubigers gepfändet werden. Hier bedarf es gegenwärtiger Anknüpfungstatsachen in der Lebenswirklichkeit des Schuldners (etwa eine ständige Geschäftsbeziehung), die die Behauptung des Vollstreckungsgläubigers stützen, dass der Schuldner in Zukunft pfändbare Forderungen erwerben könnte; andernfalls wäre die künftige Forderung Fiktion.6
3. Künftige Forderungen und Risiko Die künftige Forderung ohne Rechtsboden ist ein schwacher Gegenstand, der wie ein Kartenhaus in sich zusammen fallen kann. Sobald sich aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Umstände ergibt, dass die beschriebene Forderung nicht mehr entstehen kann, erlischt die Erwerbsaussicht (§ 275 BGB analog). Dieses Risiko ihrer Zerstörbarkeit gehört zur Identität einer Erwerbsaussicht. Es geht auf jeden über, dem sie übertragen wird,7 bzw. schlägt auf jedes Recht durch, das von ihr abhängig ist: Wem eine künftige Forderung aus einem Vertragsangebot abgetreten ist, verliert diese, wenn das Angebot abgelehnt oder zurückgezogen wird; wem für eine solche künftige Forderung ein Pfandrecht bestellt worden ist, verliert es, wenn das Angebot erlischt.8 Bei der Bestimmung dieses Risikos geht es immer nur darum, ob die Möglichkeit fortdauert, dass die Forderung entstehen kann („Erwerbsaussicht“); die Gewissheit oder Wahrscheinlichkeit, ob die Forderung entsteht, ist im Regelfall unerheblich. Das Risiko, dass die Erwerbsaussicht erlischt, kann einerseits immer mehr abnehmen, je mehr rechtliche und tatsächliche Grundlagen die künftige Forderung in ihrer weiteren Entwicklung erhält: Bei einer künftigen Forderung, die vormerkbar ist, ist etwa bereits das Risiko gebannt, dass der Schuldner die Erwerbsaussicht kraft eigener Willkür zerstört. Andererseits kann ein Minimum an Voraussetzungen, sprich eine denkbar weite Beschreibung der künftigen Forderung, für eine Langlebigkeit der Erwerbsaussicht sorgen: Je abstrakter die Beschreibung einer künftigen Forderung ist, desto schwieriger ist es auszuschließen, dass noch einmal eine Forderung entsteht, die unter diese Beschreibung fällt.9 Den hiermit verbundenen Gefahren steuert die Rechtsordnung auf der Verfügungsebene mit dem Kriterium der Bestimmbarkeit und Bestimmtheit entgegen sowie auf schuldrechtlicher Ebene mit den Grenzen uferloser Bindung oder Haftung.10
6
Vgl. oben § 13 S. 493 f. u. S. 497 f. Siehe etwa § 11 S. 430 f. 8 Siehe § 7 bei Fn. 21; entsprechend zur Vormerkung § 5 bei Fn. 159. 9 Siehe etwa § 11 bei Fn. 125. 10 Vgl. Becker-Eberhard, S. 278 f., und oben § 11 C. 7
I. „Künftige Forderungen“ (Künftige Forderungen ohne Rechtsboden)
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4. Künftige Forderung als Rumpf der entstandenen Forderung So sehr die künftige Forderung der „gedachten Welt“11 angehört, so wenig spektakulär ist es, sie als Gegenstand zu betrachten. Auch die entstandene Forderung ist nicht mehr als eine geistige Erfindung der Rechtsordnung und sie ist ebenso wie die künftige ein rechtlich verkörpertes Risiko: Jedes Rechtsgeschäft, selbst wenn es nur die Gegenwart betrifft, enthält Unsicherheitsfaktoren, da es auf subjektiven Vorstellungen beruht; es ist immer fraglich, ob die vorhandenen Tatsachengrundlagen fortbestehen oder ob die Vorstellung über sie überhaupt zutreffend ist.12 Daher lohnt es, die Struktur der entstandenen Forderung in Erinnerung zu rufen, wie sie am Anfang dieser Arbeit herausgearbeitet wurde.13 Daran wird ersichtlich, dass die entstandene die Fortentwicklung der künftigen Forderung ist, die, sobald sie in die Rechtswelt tritt, als teilverwirklichte Forderung vorhanden ist. Die entstandene Forderung vereint als subjektives Recht mehrere Befugnisse, darunter die Verfügungsbefugnis oder den Anspruch.14 Als solches ist sie nur das Mittel, um an die Leistung zu gelangen, die das Vermögen des Gläubigers mehren soll. Die entstandene Forderung ist also – im Hinblick auf die letztendlich begehrte Leistung – selbst nur eine Erwerbsaussicht mit einem künftigen Aspekt. Da sie einen eigenen Vermögenswert aufweist und in einer Bilanz als Aktivum gebucht wird, ist sie nicht nur eine personale Leistungsbeziehung, sondern von der Rechtsordnung auch als eigener Gegenstand anerkannt.15 Ihr gegenwärtiger Wert entspricht keinesfalls dem Wert der Leistung, da die Forderung als Erwerbsaussicht auch tatsächlichen oder rechtlichen Risiken unterworfen ist.16 Die Ungewissheit, ob die Forderung durchsetzbar ist, senkt den gegenwärtigen Wert der Leistung um das sog. Delkredererisiko, also das Risiko, dass der Schuldner ausfällt.17 Die Forderung kann zudem erlöschen, wenn ihre Erfüllung inzwischen unmöglich wird (§ 275 I BGB). In rechtlicher Hinsicht unterliegt die entstandene Forderung etwa dem Risiko, welches ihrem Vertrag immanent ist. Kann dieser widerrufen werden, so geht auch die Forderung verloren; produziert er Einreden, so kann ihr Anspruch gehemmt werden. Selbst wenn die Forderung abgetreten wird, bleibt dieses Risiko bestehen (§§ 398 S. 2, 404 BGB). Die künftige Forderung ist von gleicher Struktur. Sie enthält die Verfügungsbefugnis, sobald sie bestimmbar ist und dadurch in das Rechtsleben tritt.18 Sie 11
RG, 01.10.1907 – VII 524/06, RGZ 67, 166, 167. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 12. 13 § 2 C. 14 Oben § 14 S. 520 f. u. § 2 S. 19. 15 Vgl. oben § 2 S. 22 f. 16 Vgl. Oechsler, Vertr. Schuldverhältnisse, Rz. 159. 17 Vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 637; Oechsler, Vertr. Schuldverhältnisse, Rz. 585. 18 Dazu und zum Folgenden etwa oben § 11 S. 361 ff. 12
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§ 15 Eckpfeiler für eine Dogmatik künftiger Forderungen
ist gleichfalls eine Erwerbsaussicht, die einen gegenwärtigen Wert haben kann, und als solche ein Gegenstand. Ihr Wert ist freilich noch weiter gemindert, da das in ihr verkörperte Risiko größer ist als bei der entstandenen Forderung. In tatsächlicher Hinsicht tritt zum Delkredererisiko das Risiko hinzu, dass sich der Sachverhalt nicht ereignet, aus dem sie erwachsen soll. Steht nach einer Änderung der Sach- oder Rechtslage fest, dass die künftige Forderung, so wie sie beschrieben wurde, nicht mehr entstehen kann, so entfällt die Erwerbsaussicht und mit ihr die rechtlich erhebliche künftige Forderung (§ 275 I BGB analog). In rechtlicher Hinsicht tritt – vor allem bei der künftigen Forderung ohne Rechtsboden – das Risiko hinzu, dass den originären Parteien ein Einfluss auf die Begründung und Entstehung der Forderung verbleibt und deshalb nicht einmal sicher ist, ob sie einen Rechtsboden oder gar einen Anspruch erhalten wird. Der künftigen Forderung wohnt also ein viel größeres Verlustrisiko inne. Der Zessionar, der eine solche Erwerbsaussicht als Sicherheit akzeptiert, wird dieses Risiko jedoch gewogen haben, zumal es ihm analog §§ 398 S. 2, 404 BGB erhalten bleibt.
II. „Bedingte Forderungen“ (Künftige Forderungen mit Rechtsboden) 1. Begründung der Forderung (Rechtsboden) Die Untersuchungen der einzelnen Rechtsbereiche haben gezeigt, dass sich der in vielerlei Hinsicht erforderliche Rechtsboden einer künftigen Forderung immer um die gleiche Frage dreht. Es geht um den Einfluss der Parteien auf die Verwirklichung des Lebenssachverhalts, der die Bedingungen für das weitere Entstehen der Forderung festlegt („Begründung der Forderung“). Auch wenn dieser Einfluss in der Praxis häufig auf Seiten beider Parteien abgeschlossen sein wird, ist dies nicht immer erforderlich: Je nach Rechtsbereich muss dieser Lebenssachverhalt entweder seitens des Gläubigers oder seitens des Schuldners oder aber seitens beider Parteien verwirklicht worden sein, so dass die Forderung ohne deren Mitwirkung entstehen kann. Relativ leicht zu bestimmen ist dieser Moment im Fall der akzessorischen Immobiliarsicherheiten. Da hier rechtsgeschäftlich begründete Forderungen die Praxis dominieren, stellt die Willenserklärung der jeweils maßgeblichen Partei den zur Begründung der Forderung erforderlichen Lebenssachverhalt dar.19 Komplizierter liegt es etwa bei § 38 InsO, dem Schutz künftiger Aufrechnungslagen oder § 916 II ZPO, wo Forderungen eine große Rolle spielen, die kraft Gesetzes entstehen. Für diese muss der Sachverhalt, der für ihre Begründung erforderlich ist, jeweils einzeln ermittelt werden. Bei Schadensersatzforderungen handelt es sich um das haftungsbegründende Verhalten des Schuldners,20 bei Gewährleistungsforderungen 19
Vgl. etwa § 7 S. 252 ff. Vgl. schon § 2 S. 17.
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II. „Bedingte Forderungen“ (Künftige Forderungen mit Rechtsboden)
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um den Mangel bei Gefahrübergang.21 Ein dogmatisch interessantes Beispiel sind die künftigen Entschädigungsforderungen von enteigneten Eigentümern von Ostvermögen: Obwohl die gesetzliche Rechtsgrundlage für solche Forderungen noch gar nicht existierte, erhielten sie ihren Rechtsboden bereits mit dem Enteignungsakt, da zu diesem Zeitpunkt der auf Seiten des Forderungsgläubigers maßgebliche Lebenssachverhalt abgeschlossen war.22 Auch hinter dem, was der BFH in Bezug auf Vorsteuervergütungsforderungen den „zu Grunde liegenden zivilrechtlichen Sachverhalt“ nennt,23 steckt nichts anderes als die hier geschilderte Ermittlung des Rechtsbodens. Während die Vorsteuervergütungsforderung gegen das Finanzamt zu ihrer Entstehung nach § 15 I 1 Nr. 1 UStG voraussetzt, dass der Unternehmer im Besitz einer Rechnung ist, genügt für ihren Rechtsboden, dass der Vorlieferant seine Leistung an den Unternehmer erbracht hat, da ab diesem Zeitpunkt feststeht, dass der Unternehmer vom Vorlieferanten eine Rechnung verlangen (§ 14 II 1 UStG) und hieraus eine Vorsteuervergütungsforderung gegen das Finanzamt herleiten kann.24 Die Leistung des Vorlieferanten legt also die Bedingungen für das weitere Entstehen der Forderung fest, ohne dass die Parteien auf diese Bedingungen noch Einfluss nehmen könnten. Sehr häufig stellt auch ein Vertrag den Sachverhalt dar, der für die Begründung einer gesetzlichen Forderung erforderlich ist; ein Beispiel hierfür ist die Regressforderung des Bürgen gegen den Hauptschuldner, die mit Abschluss des Bürgschaftsvertrags begründet wird, wenngleich die Forderung erst entsteht, wenn der Bürge in Anspruch genommen wurde. Der Vertrag bringt hier die Forderung nicht hervor, markiert aber den Lebenssachverhalt, der zur Begründung der Regressforderung erforderlich ist. Der jeweils forderungsbegründende Sachverhalt hat zweierlei Funktion. Zum einen bezieht er die künftige Forderung auf einen bestimmten Lebenssachverhalt. Sie kann fortan anhand eines konkreten, nach außen manifestierten Rechtstatbestands individualisiert werden, was ihre Bestimmung ermöglicht. Zum anderen fixiert er die weiteren Bedingungen der Forderungsentstehung, indem er aus einer denkbaren Vielzahl einen gewissen Kreis von Normen zur Geltung bringt, die die rechtlichen Bedingungen aufstellen, zu denen die Forderung im Weiteren entstehen wird. Eine Forderung, die begründet ist, steht folglich für die verbindliche Unterworfenheit einer (ggf. noch künftigen) Personenbeziehung unter einen bestimmten Normenkomplex.
21
Siehe § 4 S. 105 ff. Bork, ZIP 1991, 988, 992. 23 BFH, 05.10.2004 – VII R 69/03, NZI 2005, 276; BFH, 21.09.1993 – VII R 119/91, DStR 1994, 95; BFH, 17.12.1998 – VII R 47 – 98, DStR 1999, 670, 671 f.; Bork, ZInsO 2003, 686, 690. 24 Siehe oben § 4 S. 104 f. 22
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§ 15 Eckpfeiler für eine Dogmatik künftiger Forderungen
2. Schuldverhältnis, „Rechtsboden“, „Rechtsgrund“ Für das hier unter dem Begriff der „Begründung“ der Forderung beschriebene Phänomen kursieren in der Rechtsdogmatik eine Fülle an Begriffen, u. a. der „Rechts-“ bzw. „Schuldgrund“, „Kern“ oder die „Grundlegung“ der Forderung; auch der vorstehend verwandte Begriff des „Rechtsbodens“ gehört hierher. Ihnen allen ist gemein, dass sie das, was sich hinter der „Begründung“ der Forderung verbirgt, etwas lebendiger wiedergeben. Daher sind sie taugliche Synonyme, solange der im Einzelfall zulässige Einfluss von Gläubiger oder Schuldner auf die Begründung der Forderung nicht ihnen, sondern den jeweiligen gesetzlichen Vorgaben entnommen wird. Die „Begründung“ der Forderung vermag sprachlich sicherlich nicht immer zu gefallen, ist allerdings im Hinblick auf § 38 InsO bzw. § 3 I KO ein ganz alter gesetzlicher Begriff, der das Recht der künftigen Forderungen stark beeinflusst hat; zudem liegt er näher an dem komplementären Begriff der Haftungsbegründung, der sich in der Rechtssprache etabliert und ein wertvoller Hinweis auf den für die Teilverwirklichung einer gesetzlichen Forderung erforderlichen Lebenssachverhalt sein kann.25 Der Begriff des Schuldverhältnisses ist demgegenüber, wie an anderer Stelle gezeigt wurde, zu unpräzise, um als Synonym für die Begründung einer Forderung gelten zu können.26
3. Begriff der „bedingten Forderungen“ Die Begründung einer Forderung beschreibt ein Stadium im Entstehungsprozess einer Forderung. Es hat sich gezeigt, dass sie nicht nur in der Gegenwart, sondern häufig auch rückblickend – aus der Warte der entstandenen Forderung – festgestellt werden muss. Daher muss die Rechtssprache sowohl mit künftigen Forderungen, die begründet sind, als auch mit entstandenen Forderungen, die zu einem vergangenen Zeitpunkt bereits begründet waren, differenziert umgehen können. Diese künftigen Forderungen, die schon begründet sind, nennt das Gesetz in den meisten Fällen die „bedingten Forderungen“, jedoch ohne Assoziation mit §§ 158 ff. BGB: Ob die Entstehung einer Forderung gemäß § 158 BGB aufschiebend bedingt, gemäß § 163 BGB aufschiebend befristet oder kraft Gesetzes bedingt ist: Es handelt sich immer dann um eine bedingte Forderung, wenn sie einen Rechtsboden im oben genannten Sinne aufweist. Auf der Basis dieses Verständnisses könnte man in der Tat zur häufig angestellten Unterscheidung zwischen bedingten Forderungen (solche mit Rechtsboden) und künftigen Forderungen (solche ohne Rechtsboden) gelangen. §§ 883 I 2, 1113 II, 1204 II BGB würden dann jeweils nur von einer bedingten Forderung sprechen müssen.27 25
§ 3 S. 73 u. § 2 S. 17. § 3 S. 72. 27 § 883 I 2 BGB wäre wie folgt zu lesen: „Die Eintragung einer Vormerkung ist auch zur Sicherung eines bedingten Anspruchs zulässig.“; §§ 1113 II, 1204 II BGB: „Die Hypothek/Das 26
III. Dogmatik der Verfügung über künftige Forderungen
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III. Dogmatik der Verfügung über künftige Forderungen 1. Künftige Forderungen bei der Vorbereitung von Verfügungsgeschäften Die künftige Forderung kann zur Vorbereitung von Verfügungsgeschäften eingesetzt werden und dient dabei vor allem der Automatisierung von Bestellungsvorgängen (s. o. § 14 I.1.). Diese Funktion tritt allerdings weit weniger in Erscheinung als herkömmlich angenommen. Insbesondere die Abtretung künftiger Forderungen lässt sich häufig nicht auf diese Funktion reduzieren. Wenn jemand seine künftigen Forderungen an eine andere Person abtritt, so zielt diese Abtretung in der Regel auf die Zuweisung der künftigen Forderungen an den Zessionar. Im Mittelpunkt steht dann aber die Übertragung der Erwerbsaussicht und nicht die Vorwegnahme der Abtretung der später entstehenden Forderung. Das wird deutlich, wenn man dem die bedingte Vorauszession gegenüberstellt, die im Factoring häufig vorkommt.28 Dort stellen die Parteien die Verfügung über die künftige Forderung unter die Bedingung, dass der Factor die Forderung ankauft, wenn sie entstanden ist. Damit schließen sie eine gegenwärtige Zuweisung der Forderung aus und machen sie von einem künftigen Ereignis abhängig; die Vorauszession dient also wirklich nur der Vorbereitung der späteren Abtretung. Bei der unbedingten Abtretung künftiger Forderungen an einen Sicherungsnehmer handelt es sich demgegenüber um eine gegenwärtige Abtretung der künftigen Forderung (zu ihr sogleich 2.). Genauso wie damit eine Abtretung künftiger Forderungen regelmäßig keine „Vorausabtretung“ im eigentlichen Sinne ist, ist die Verpfändung künftiger Forderungen in der Regel keine „Vorausverpfändung“, obwohl die herrschende Meinung sie so bezeichnet.29 Wer bedingungslos künftige Forderungen nach §§ 1273, 1279 BGB verpfändet, bereitet nicht lediglich ihre Verpfändung vor, sondern verfügt bereits jetzt über sie, indem er sie einer anderen Person als Pfand zuweist. Um eine eigentliche Vorausverpfändung vorbereitenden Charakters geht es im umgekehrten Fall der Verpfändung wegen künftiger Forderungen. Wer eine Sache als Pfand übergibt, um damit künftige Darlehensforderungen aus einer dauerhaften Geschäftsbeziehung zu sichern, schafft noch kein Pfandrecht, sondern bereitet dieses vor, damit nicht jedes Mal, wenn ein Darlehensvertrag geschlossen wird, eigens die Einigung über die Verpfändung gemäß § 1205 I 2 Pfandrecht kann auch für eine bedingte Forderung bestellt werden.“; § 562 II BGB: „Für bedingte Entschädigungsforderungen und für die Miete für eine spätere Zeit als das laufende und das folgende Mietjahr kann das Pfandrecht nicht geltend gemacht werden.“ 28 Oben § 14 I.1. (S. 517). 29 Die Verpfändung künftiger Forderungen sei eine im Voraus erklärte Verpfändung, die mit Entstehen der Forderung wirksam werde: BGH, 19.03.1998 – IX ZR 22 – 97, NJW 1998, 2592, 2597; Soergel/Habersack, BGB, 13. Aufl., § 1204 Rz. 24; Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2009, § 1273 Rz. 16; Wilhelm, Sachenrecht, Rz. 1892; Mitlehner, Mobiliarsicherheiten im Insolvenzverfahren, 3. Aufl. 2012, Rz. 731.
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§ 15 Eckpfeiler für eine Dogmatik künftiger Forderungen
BGB erklärt werden müsste. Ein eigentliches Pfandrecht würde aber erst mit dem Angebot des Gläubigers auf Abschluss eines Darlehensvertrags entstehen, da ein Pfandrecht auf eine bedingte Forderung angewiesen ist. Da § 1204 II BGB nach hier vertretener Auffassung nur dieses Pfandrecht regelt, ergibt sich die Zulässigkeit der Vorausverpfändung (im eigentlichen Sinne) aus § 1205 I 1 BGB.30 Zu den vorbereitenden Geschäften zählt auch die Höchstbetragshypothek, bei der die Bestellung bereits zu einem Zeitpunkt möglich ist, in dem die Forderung noch im weitesten Sinne künftig ist, während die Belastung zugunsten des Gläubigers davon abhängig ist, dass die künftige Forderung einen Rechtsboden erhält.31
2. Künftige Forderung als Verfügungsobjekt a) Zulässigkeit Die Abtretung künftiger Forderungen gilt als rechtspolitisch brisant, da sie das Risiko kollidierender Verfügungen steigert und den Handlungsspielraum des Zedenten einengt.32 Noch heute gibt es Stimmen, die ihre Einschränkung auf bedingte Forderungen favorisieren,33 obwohl die Abtretung künftiger Forderungen ohne Rechtsboden seit jeher zulässig ist.34 Dabei schwingt oft die Sorge mit, dass das, was früh übertragbar ist, den Insolvenzgläubigern nicht mehr zur Verfügung stehen würde.35 Aber solche Bedenken lassen sich zerstreuen, da selbst die Anerkennung der künftigen Forderung als Übertragungsgegenstand nicht bedeutet, dass die Forderung der Masse entzogen wird (oben § 14 VI.). Die künftige Forderung gibt ihrem Inhaber eben kein Erwerbsrecht, sondern lediglich eine Erwerbsaussicht. Die pauschale Unzulässigkeit der Abtretung künftiger Forderungen wäre darüber hinaus nicht begründbar. Heutzutage folgt dies aus Art. 2 I, 14 GG und dies wird erst offensichtlich, wenn man die künftige Forderung selbst als Wirtschaftsgut ins Auge fasst: Der Einzelne darf die ihm zugeordneten vermögenswerten Güter für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung so effektiv einsetzen, dass die wirtschaftliche Funktionsfähigkeit
30 Eine ausdrückliche Regelung wäre freilich besser; § 1205 BGB könnte etwa um einen dritten Absatz ergänzt werden, der wie folgt lauten könnte: „Die Bestellung des Pfandrechts kann bereits erfolgen, wenn die gesicherte Forderung noch eine künftige ist.“ 31 Dazu § 6 S. 225 ff. 32 Eidenmüller, AcP 204 (2004), S. 457, 463; MünchKomm-HGB/Brink, 2. Aufl. 2009, Art. 5 FactUe Rz. 6. Vgl. auch schon Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 189 f. 33 MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 87. Aus früherer Zeit insb. Westermann, Interessenkollisionen und ihre richterliche Wertung, S. 18 – 24; Schwerdtner, NJW 1974, 1785, 1788. 34 Dazu § 11 B.I. 35 Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 189 f.; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl. 2012, § 398 Rz. 87.
III. Dogmatik der Verfügung über künftige Forderungen
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seiner Position zum Tragen kommt.36 Das Recht muss also die Übertragung von all dem anerkennen, was Personen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung und der guten Sitten als fungibles Wirtschaftsgut ansehen und zum Gegenstand ihrer Geschäfte machen wollen. Wo die Aushöhlung des Vermögens im Einzelfall zu Problemen führt, kann die Rechtsordnung immer noch mit den Mitteln der Inhaltskontrolle korrigierend eingreifen. Das entspricht letztlich der Argumentation des Reichsgerichts aus dem Jahr 1903, das für die Abtretbarkeit schlicht die Bedürfnisse des Wirtschaftsverkehrs anführte,37 und dem Ansatz des BGH, Prioritätskonflikte nicht mit dem Recht der Verfügungen, sondern über § 138 BGB bzw. § 307 BGB zu lösen.38 b) Abtretungsdogmatik Da es das BGB zulässt, die künftige Forderung selbst als Gegenstand einer Verfügung zu betrachten,39 sollten wir ihre unbedingte Abtretung nicht länger als Vorausabtretung, sondern als gegenwärtige Abtretung der künftigen Forderung selbst wahrnehmen. Diese findet ihre Rechtsgrundlage in einer Analogie zu § 398 BGB, fügt sich – anders als die Vorausabtretung40 – ohne Brüche in §§ 398 ff. BGB ein und führt in den meisten Fällen zu den gleichen, aber belastbareren Ergebnissen.41 Durch die Abtretung der künftigen Forderung tritt der Zessionar in die Stellung des Zedenten ein und übernimmt die Erwerbsaussicht mit all ihren Risiken und Schwächen (§§ 398 S. 2, 404 BGB analog). Die gegenwärtige Abtretung der künftigen Forderung bildet also nur ab, was die Parteien wollen, nämlich eine Zuweisung der künftigen Forderung an eine andere Person, aber unter Beibehaltung des einer Erwerbsaussicht immanenten Risikos. Wenn alles so läuft, wie ursprünglich in Aussicht genommen, so entsteht die Forderung aus diesem Forderungsrumpf direkt beim Zessionar. Insofern kann man durchweg von einem „Direkterwerb“ sprechen, darf damit aber nicht die Insolvenzfestigkeit des Erwerbs assoziieren (dazu oben § 14 VI.). 42 Genauso wie die Abtretung einer Forderung ist also auch die Abtretung einer künftigen Forderung identitätswahrende Sondernachfolge.43 Die künftige Forderung verliert nicht ihre Anbindung an die sie generierende Beschreibung, die sie hervorbringenden Lebensverhältnisse oder ein sie einbettendes Schuldverhältnis. Das Entstehungsrisiko, das der Zedent hatte, liegt nun vollumfänglich 36
Sachs/Wendt, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 14 Rz. 21 u. 41 f. RG, 29.09.1903 – VII 198/03, RGZ 55, 334, 335; näher oben § 11 B.I. 38 Siehe dazu oben § 11 S. 375 ff. u. 392. 39 Oben § 11 S. 361 ff. 40 Schwarz, WM 2001, 2185, 2188, und ausführlich § 11. 41 Vgl. § 11 und § 12 A. passim. 42 So die – verbreitet geteilte – Befürchtung von Forkel, Grundfragen der Lehre vom privatrechtlichen Anwartschaftsrecht, S. 189 f., und soeben unter a). 43 Vgl. oben § 2 S. 23 ff. 37
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§ 15 Eckpfeiler für eine Dogmatik künftiger Forderungen
beim Zessionar, verstärkt um das Risiko, dass die Fähigkeit, die Forderung zur Entstehung zu bringen nicht in seiner Person liegt, sondern in den Händen des Zedenten bleibt. Wenn zur Entstehung der Forderung noch eine Willenserklärung des Zedenten erforderlich war, so trägt der Zessionar das Risiko, dass jener sie nicht mehr abgeben will oder in der Insolvenz seine Fähigkeit verliert, die Willenserklärung zulasten der Masse abzugeben. Gegen dieses Risiko, dass die Forderung nicht entsteht, muss sich der Zessionar einer künftigen Forderung auf andere Weise absichern, sei es durch Wahrscheinlichkeitskalkulation, Wertabschlag, Vertragsgestaltung oder weitere Sicherheiten.
IV. Künftige Forderungen und dingliche Sicherung Die Gegenständlichkeit einer künftigen Forderung setzt sich in der Dogmatik der akzessorischen Sicherungsrechte fort. Diese folgen der Forderung „von deren Wiege bis zur Bahre“. Akzessorietät ist folglich nicht auf eine entstandene Forderung angewiesen, sondern schon während des Werdegangs einer künftigen Forderung durchgängig verwirklicht. Die besonderen Anforderungen dinglicher Rechte im Hinblick auf Publizität oder Spezialität wirken sich auf die Beschaffenheit der künftigen Forderungen aus, die etwa durch eine Vormerkung, eine Hypothek oder ein Pfandrecht sicherbar sind (dazu 1.). Aber auch die dinglichen Rechte werden ihrerseits durch die besondere Natur der künftigen Forderung geprägt (dazu 2.).
1. Akzessorisch sicherbare künftige Forderungen Dingliche akzessorische Rechte benötigen durchweg eine „bedingte Forderung“44. Der hierfür jeweils notwendige Rechtsboden setzt mindestens voraus, dass eine (ggf. bedingte) Willenserklärung vorliegt, aus der die künftige Forderung hervorgehen wird. Das stellt zum einen sicher, dass die künftige Forderung konkret bestimmt werden kann: Durch den Bezug auf einen konkreten Lebenssachverhalt (die Willenserklärung) ist klar, für wie viele und welche künftigen Forderungen das Grundstück oder das Pfand gegenwärtig belastet sind; bei einer Belastung „für sämtliche künftige Forderungen aus einer Geschäftsbeziehung“ wäre diese Klarheit nicht gegeben.45 Zum anderen bedeutet dies, dass ein nach außen manifestierter Rechtstatbestand vorhanden ist, der in einem gewissen Maße Publizität gewährleistet. Die Anforderungen an den jeweils erforderlichen Rechtsboden tragen zunächst dem Sicherungsbedürfnis des Gläubigers Rechnung, der die Gewissheit haben 44
Siehe oben II. (S. 528 ff.) Zur Höchstbetragshypothek § 6 S. 228.
45
IV. Künftige Forderungen und dingliche Sicherung
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will, auf einen Sicherungsgegenstand zugreifen zu können, wenn der Schuldner ausfällt. Hypothek und Pfandrecht müssen daher jedenfalls schon dann bestehen, wenn der Schuldner die Forderung ohne Mitwirkung des Gläubigers hervorbringen könnte. Unerheblich ist, ob der Schuldner die Erwerbsaussicht des Gläubigers zerstören kann: Wird die Aussicht darauf zerstört, dass die Forderung entsteht, so sichern die Rechte zwar nicht, aber mit der Aussicht fällt eben auch das Bedürfnis für eine Sicherung weg, weil die zu sichernde Forderung nicht mehr entstehen kann. Für die Vormerkung gilt anderes: Damit sie überhaupt funktionieren kann, ist erforderlich, dass der Schuldner die Erwerbsaussicht nicht einseitig willkürlich zerstören kann. Die in der künftigen Forderung verkörperte Erwerbsaussicht benötigt hier zusätzlich zu dem Rechtsboden noch einen gewissen Bestandsschutz.46 Ganz anders verhält es sich mit der Bürgschaft; die gemäß § 765 II BGB sicherbare künftige Forderung benötigt nicht einmal einen Rechtsboden, da hier der dingliche Kontext fehlt.47
2. Von der künftigen Forderung abhängige Sicherungsrechte a) Funktionen akzessorischer Sicherungen für künftige Forderungen §§ 883 I 2, 1113 II, 1204 II BGB und auch § 765 II BGB sollen allesamt gewährleisten, dass der Zugriff auf das Grundstück, das Pfand oder den Bürgen möglich ist, falls die gesicherte Forderung entsteht. Bürgschaft, Vormerkung, Hypothek und Pfandrecht gewähren also Sicherung für einen Eventualfall und müssen deshalb an eine Rechtslage anknüpfen, die das Potential hat, dass aus ihr eine Forderung entsteht (die Erwerbsaussicht). Was die Vormerkung, die Hypothek und das Pfandrecht von der Bürgschaft abhebt, ist der Umstand, dass erstere den Zugriff auf das Grundstück bzw. das Pfand auch dann bewahren sollen, wenn die gesicherte Forderung noch nicht entstanden ist, aber noch entstehen kann; sie bieten also schon vor dem Entstehen der Forderung Sicherheit „nach außen“. Die Vormerkung muss sicherstellen, dass die Erfüllung der gesicherten Forderung noch möglich ist, wenn das Grundstück den Eigentümer wechselt; Hypothek und Pfandrecht müssen sicherstellen, dass das Pfand weiterhin verwertet werden kann, obwohl es einem neuen Eigentümer zusteht oder dem Zugriff Dritter ausgesetzt ist. Die Sicherheit soll sogar unabhängig davon gegenüber anderen Gläubigern verteidigt werden, ob die Entstehung der Forderung überhaupt gewiss ist oder angestrebt wird; allein die Aussicht, dass die Forderung entstehen kann, ist §§ 883 I 2, 1113 II, 1204 II BGB eine Sicherung wert. Die Bürgschaft nach § 765 II BGB bietet hingegen nur Sicherung „nach innen“.48 Schutz gegen Dritte
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Siehe oben § 5 S. 172 f. Oben § 8 S. 274 f. 48 Dazu und zum Folgenden oben § 8 S. 274 ff. 47
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§ 15 Eckpfeiler für eine Dogmatik künftiger Forderungen
gewährleistet sie nicht; sie sorgt etwa nicht dafür, dass ein entsprechender Anteil des Bürgenvermögens reserviert bliebe, wenn Dritte den Bürgen in Haftung nehmen. Hier äußert sich, dass die Bürgschaft Personalsicherheit ist und damit – anders als die dinglichen Sicherungsinstrumente – keine Wirkung gegen Dritte hat. Dieser Unterschied, wirkt sich, wie eben gezeigt, auf die Anforderungen an die künftige Forderung aus. b) Inhalte und Bestellung von akzessorischen dinglichen Sicherungen Während sich die Vormerkung in dieser Sicherungsfunktion erschöpft, da sie keinen eigenen Anspruch gewährt,49 sind Hypothek und Pfandrecht über ihre Sicherungsfunktion hinaus selbst auf Befriedigung gerichtet und enthalten mit § 1147 BGB einen eigenen Anspruch bzw. nach § 1204 I BGB die Befugnis zur Befriedigung aus der Sache. Sie sind also selbst subjektive Rechte. Weil ihre Befriedigungsbefugnisse aber davon abhängig sind, dass die gesicherte Forderung entstanden und durchsetzbar ist, sind sie – wie die Forderung – erst zu diesem Zeitpunkt vollkommen. Es ist dann eine Frage des Geschmacks, ob man die Hypothek und das Pfandrecht in der Phase, bis sie diese Befugnis hinzugewinnen, ein Anwartschaftsrecht nennen will. Jedenfalls sind sie bis dahin schon ein entstandenes dingliches Recht mit eigenen Befugnissen (etwa §§ 1133 f., 1219 BGB) und es ist dogmatisch insgesamt treffender, sie als „Hypothek bzw. Pfandrecht gemäß § 1113 II bzw. § 1204 II BGB“ zu bezeichnen.50 §§ 1113 II, 1204 II BGB sind damit Vorschriften, die nicht die Bestellung des jeweiligen Rechts regeln, sondern einem für eine künftige Forderung bestellten dinglichen Recht Existenz und einen Inhalt verleihen. Von ihrer Vorabexistenz ist der Modus der Bestellung solcher Rechte zu unterscheiden: Ein Pfandrecht kann durchaus im Voraus bestellt werden zu einer Zeit, zu der die künftigen Forderungen noch ohne Rechtsboden sind; es entfaltet dann aber noch keine dingliche Sicherungswirkung und wird erst zu einem Pfandrecht gemäß § 1204 II BGB, wenn die gesicherte Forderung einen Rechtsboden erlangt. Wiederum zu unterscheiden von den wegen künftiger Forderungen bestellten Rechten ist das Pfandrecht an künftigen Forderungen. Es entsteht, wenn künftige Forderungen wegen einer bereits bestehenden Forderung verpfändet51 oder gepfändet52 werden.53 Soweit die gesicherte Forderung durchsetzbar ist, besteht ein solches (Pfändungs‑)Pfandrecht unabhängig davon, ob die dem Pfandrecht 49
§ 5 S. 159 f. Zu den Gründen siehe oben § 7 S. 268 f. Die Bürgschaft gibt mit der Forderung aus § 765 I BGB ebenfalls einen eigenen Anspruch, der vor Entstehung und Durchsetzbarkeit der Hauptforderung eine bedingte Forderung darstellt, s. § 8 S. 278. 51 Ein Beispiel ist Nr. 14 AGB-Banken-2014, oben § 7 B. und § 12 S. 482 ff. 52 Oben § 13 A. 53 Es gibt freilich auch das Pfandrecht wegen künftiger an künftigen Forderungen, das beide Phänomene eint, siehe § 7 B. 50
IV. Künftige Forderungen und dingliche Sicherung
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unterliegende künftige Forderung einen Rechtsboden hat, da es wegen der Durchsetzbarkeit der gesicherten Forderung ihrem Inhaber alle Befugnisse vermittelt.54 Ob dieser seine Befugnis, das Pfand zu verwerten, ausüben kann, ist lediglich von der faktischen Frage abhängig, ob sich jemand findet, der bereit ist, im Pfandverkauf angebotene künftige Forderungen schon gegen Geld zu übernehmen. c) Akzessorietät Entgegen der an der entstandenen Forderung verhafteten herrschenden Auffassung enthalten §§ 765 II, 883 I 2, 1113 II, 1204 II BGB keine Durchbrechung der Akzessorietät. Alle Vorschriften bringen zum Ausdruck, dass das abhängige Recht in seinem Schicksal der künftigen Forderung durchweg verbunden ist und an ihrem Entwicklungsprozess teilhat. Wie die künftige Forderung kann auch das von ihr abhängige subjektive Recht im Laufe der Forderungsentstehung Befugnisse hinzu gewinnen. Paradigmatisch hierfür ist das Pfandrecht. Einige Befugnisse stehen dem Pfandrechtsinhaber schon vor dem Entstehen der Forderung zu (§ 1219 BGB), während die Verwertungsbefugnis ihrem Inhaber erst dann erwächst, wenn die gesicherte Forderung durchsetzbar ist (§ 1228 II 1 BGB).55 Allerdings sind nicht nur die Wirkungen der akzessorischen Sicherheit, sondern überhaupt ihr Bestand von der Erwerbsaussicht abhängig. Vormerkung, Hypothek, Pfandrecht und Bürgschaft erlöschen bzw. werden unwirksam, sobald die gesicherte Aussicht, dass die jeweilige künftige Forderung entstehen kann, wegfällt.56 Diese Abhängigkeit von der Erwerbsaussicht äußert sich auch im Grundbuchrecht: Wenn der für eine künftige Forderung erforderliche Rechtsboden fehlt oder die Aussicht auf den Erwerb der Forderung entfällt, so ist der Eintrag des akzessorischen Rechts eine bloße Buchposition und das Grundbuch wird falsch.57 Trotz ihrer Unterschiede verkörpern Bürgschaft, Vormerkung, Hypothek und Pfandrecht also allesamt ein umfassendes Akzessorietätskonzept. d) Akzessorische dingliche Sicherungsrechte in der Insolvenz Dingliche Sicherungsrechte für künftige Forderungen müssen sich in der Insolvenz des Schuldners grundsätzlich in zwei Richtungen bewähren. In erster Linie geht es um ihre Durchsetzung und die abgesonderte Befriedigung aus der Sache, wenn die Forderung im Insolvenzverfahren entstanden ist (dazu aa.). Wenn die gesicherte Forderung allerdings noch immer bedingt ist, ist der Gläubiger auf die Fortexistenz seiner Sicherungsrechte angewiesen, falls die Forderung weiterhin 54
Siehe oben § 13 S. 498 f. Siehe § 7 S. 246 u. S. 249 ff. 56 Siehe § 5 bei Fn. 159; § 6 bei Fn. 101; § 7 bei Fn. 21; § 8 S. 277. 57 Vgl. etwa § 6 S. 220 f. 55
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§ 15 Eckpfeiler für eine Dogmatik künftiger Forderungen
entstehen kann, aber der Insolvenzverwalter das haftende Grundstück oder Pfand verwerten will (dazu bb.). aa) Befriedigungsfunktion Der Gläubiger kann aus einer Hypothek, einem Pfandrecht oder der vormerkungsgesicherten Forderung nur Befriedigung erlangen, wenn die Forderung, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch eine künftige war, in der Zwischenzeit entsteht und durchsetzbar ist.58 Wenn dies infolge der Insolvenz nicht mehr möglich ist, weil die Forderung zu ihrer Entstehung auf die Verfügungsbefugnis des Schuldners angewiesen ist, können Vormerkung, Hypothek und Pfandrecht bereits aus diesem Grunde keine besondere Befriedigung nach § 50 InsO bzw. § 106 InsO ermöglichen. Solange die Forderung nicht entsteht, entsteht eben auch keine Befriedigungsbefugnis. Wäre das anders, so wären diese Rechte nicht akzessorische Sicherungs‑, sondern Erwerbsrechte, die der Forderung zur Entstehung verhelfen. Den Weg zu dieser an sich selbstverständlichen Erkenntnis verbaut sich, wer die dinglichen Sicherungen vor dem Entstehen der Forderung als nicht existent betrachtet und daher § 91 InsO anwendet oder ihre Insolvenzfestigkeit aus § 161 BGB ableitet; dies führt zwangsläufig zu Inkonsistenzen, die immer noch in der Feststellung münden, dass die Rechtslage insoweit „weitgehend ungeklärt“59 ist. bb) Sicherungsfunktion Wenn die gesicherte Forderung in der Zeit der Insolvenz noch nicht entstehungsreif ist, so wäre die dingliche Sicherung unvollständig, wenn einerseits die Aussicht fortbestünde, dass sie noch einmal entsteht, und andererseits der Insolvenzverwalter das belastete Grundstück oder das Pfand verwerten könnte und dadurch die Sicherheit verloren ginge. §§ 883 I 2, 1113 II, 1204 II BGB sollen dies vermeiden, indem sie die Sicherungswirkungen nicht nur an die durchsetzbare Forderung, sondern bereits an die Erwerbsaussicht knüpfen und dem Gläubiger seine Sicherheit für den Eventualfall erhalten, dass seine Forderung einmal entsteht. In dieser Phase sind das Pfandrecht und die Hypothek als Recht bzw. die Vormerkung als solche bereits existent (oben b.). An diese Existenz knüpft auch das Insolvenzrecht an. Solange die gesicherte Forderung noch entstehen kann, bleiben die Sicherungsrechte von der Verwertung seitens des Insolvenzverwalters unberührt. In der Praxis führt das Insolvenzverfahren freilich häufig dazu, dass die Erwerbsaussicht entfällt. Das sei am Beispiel eines noch unerfüllten Darlehensvertrags deutlich gemacht, dessen Rückzahlungsforderung 58 Zur umstrittenen Anwendung von § 41 InsO in diesem Fall, MünchKomm-InsO/Bitter, 3. Aufl. 2013, § 41 Rz. 14 f. 59 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 91 Rz. 13. Näher jeweils § 5 S. 183 ff., § 6 S. 230 ff., § 7 S. 246 ff.
IV. Künftige Forderungen und dingliche Sicherung
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durch ein Pfandrecht zugunsten des Gläubigers gesichert ist. Häufig wird bereits der Gläubiger selbst seine Aussicht auf den Erwerb der Rückzahlungsforderung durch Kündigung des Darlehensvertrags gemäß § 490 BGB zerstören;60 damit entfällt die dingliche Sicherung, aber eben auch sein Sicherungsbedürfnis. Wenn demgegenüber der Gläubiger nicht kündigt, aber der Insolvenzverwalter die Valutierung des Darlehens ablehnt (§ 103 InsO61), erlischt die Erwerbsaussicht des Gläubigers gleichermaßen und mit ihr das Pfandrecht.62 Auch in diesem Fall kann der Insolvenzverwalter den als Pfand ausgedienten Gegenstand also zur Masse ziehen und verwerten. Diese „Schutzlücke“ erweist sich aber nicht als Schwäche des Pfandrechts, sondern wiederum als Schwäche der künftigen Forderung, die von vornherein nicht insolvenzfest war. Entscheidet sich der Insolvenzverwalter hingegen für die Valutierung, weil das Darlehen etwa für die Fortführung der Geschäfte förderlich ist, so kann es normal weiterlaufen, wenn das Insolvenzverfahren beendet wird; in dieser Phase bleibt die Sicherheit bestehen und begleitet das Darlehen.63
60
MünchKomm-InsO/Huber, 3. Aufl. 2013, § 103 Rz. 69. Zur Anwendbarkeit von § 103 InsO auf den Darlehensvertrag Hmbg.Ko-InsO/Ahrendt, 4. Aufl. 2012, § 103 Rz. 7; MünchKomm-InsO/Huber, 3. Aufl. 2013, § 103 Rz. 69. 62 Vgl. MünchKomm-InsO/Kreft, 3. Aufl. 2013, § 103 Rz. 14 – 23. Sein Erfüllungsinteresse muss der Kreditgeber durch Anmeldung zur Tabelle geltend machen (§ 103 II 1 InsO). 63 Vgl. Hmbg.Ko-InsO/Ahrendt, 4. Aufl. 2012, § 103 Rz. 35; MünchKomm-InsO/Kreft, 3. Aufl. 2013, § 103 Rz. 43 ff. 61
§ 16 Schlussworte Je mehr das Wirtschaftsleben künftige Forderungen mobilisiert, die im Hinblick auf ihre künftige Verität erhebliche Risiken verkörpern, muss die Rechtswissenschaft erkennen, dass die rechtliche Wahrnehmung solcher Phänomene nicht auf das subjektive Recht und ihre Äquivalente (das Anwartschaftsrecht) beschränkt bleiben darf, sondern auch die Erwerbsaussicht in den Fokus der wissenschaftlichen Aufarbeitung rücken. Die künftige Forderung ausschließlich bei der Vorbereitung eines künftigen Rechtsgeschäfts zu verorten, würde übersehen, dass sie sich durch ihre Fungibilität längst von ihrer Platzhalterfunktion emanzipiert und zu einem Wirtschaftsgut materialisiert hat. Das erfordert, dass die Rechtsdogmatik ihr den Makel der Gegenstandslosigkeit nimmt und sich – auch auf Ebene akzessorischer Sicherungsrechte – von der Vorstellung lossagt, ein Recht müsste Ansprüche gewähren, um existent zu sein. Die Abneigung, vage Vorstufen eines Rechts als rechtserheblich anzuerkennen, verstellt den Blick dafür, dass es hier nicht darum geht, ein subjektives Recht kreieren zu wollen, sondern die Funktionen wahrzunehmen, die eine Vorstufe einer Forderung bereits haben kann, ohne dass sie Verbindlichkeit oder einen Anspruch benötigen würde. Das setzt unweigerlich voraus, sich nicht nur mit den Verästelungen des subjektiven Rechts zu befassen, sondern auch mit dessen Wurzeln und damit das subjektive Recht nicht an den Anfang, sondern in die Mitte eines Stammbaums der Rechte zu setzen; ein Ort, der seiner zentralen Bedeutung nicht minder gerecht würde.
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§ 160 § 161 § 162 § 163 § 177 § 185 § 194 § 199 § 216 § 229 § 230 § 232 § 241 § 242 § 271 § 273 § 275 § 280 § 281 § 283 § 285 § 292 § 305 § 305c
53, 55 404 304, 343 277 374 366 222, 272, 275, 375 f., 392 f., 404, 533 16, 43, 253, 255 254 158, 254 254 374 5, 16, 34 – 39, 41 – 43, 45 f., 48, 50, 62 f., 86 f., 89, 137, 142, 144, 147, 150 f., 155, 178, 231, 273, 281, 283, 299, 301, 306, 350 f., 492, 530 39 f., 147, 173, 272, 282, 462 5, 39, 230 – 232, 247 f., 272, 347, 384, 427, 434, 436, 440 f., 445, 448, 457, 463, 538 39 – 41, 107, 272 42 f., 45, 48, 285, 289, 457, 530 177 33, 347, 350 – 352, 354 f., 384, 386 20 f., 23, 43, 309 f. 43 44, 211, 213, 236, 244 310 310 478 12 – 14, 19 – 22, 72 41 47 f., 80 14, 93 105, 164, 225, 526 – 528 14, 105 105 105 50 14 275 272, 375 f., 404
§ 307 § 311 § 311a § 311b § 313 § 315 § 320 § 321 § 322 § 346 § 362 § 387 § 388 § 389 § 392 § 398 § 399 § 400 § 401 § 404 § 406 § 407 § 408 § 417 § 425 § 426 § 437 § 439 § 442 § 490 § 528 § 530 § 536 § 562 § 562b § 566 § 566b
222, 272, 375 – 377, 404, 533 16, 18, 71 40 140, 158, 277 222 46, 49 f. 327 – 329, 335 – 337, 341, 345, 460 f. 328 327 37 13, 22, 471 f. 75, 80 f., 83, 93, 96 80 f. 75 f., 110 74, 80 f., 88, 90 f., 94, 110 – 119, 124 f., 132 – 135, 520, 523 24 f., 33, 347 – 354, 366, 370, 401, 413 f., 427, 429 f., 468 – 470, 474, 527 f., 533 24, 26, 403 494 270 25, 119, 122, 124 – 126, 130 f., 348, 411 – 422, 424, 426, 428 f., 431, 527 f., 533 74, 80 f., 94, 110 f., 119 – 135, 520, 523 119, 125, 411 f., 420 – 429, 472 392 25 14 121 105 50, 135 105 539 150 150 402 1, 32, 263 f., 267, 280, 288, 521 f. 263 f. 396 349, 395 f., 399 – 401, 403 f., 407, 411
564 § 578a § 592 § 604 § 629 § 657 § 662 § 667 § 675 § 695 § 696 § 717 § 732 § 733 § 734 § 765 § 767 § 768 § 769 § 770 § 771 § 773 § 774 § 812 § 813 § 814 § 823 § 844 § 873 § 874 § 878 § 879 § 883
§ 884 § 885 § 886 § 888 § 894 § 929 § 985 § 986 § 1004 § 1113
§ 1115
Paragraphenverzeichnis 400 f., 403 1, 32 50 50 16 320 85, 108 f., 135 108 f. 50 50 349, 397, 404, 406 405 405 405 1, 32, 40, 51, 146, 208, 270 – 278, 516, 522, 535, 537 270 – 273, 275, 277 f. 275 121 304, 342 f. 343 f. 344 85, 271 17, 176, 371 47 f. 176 16 f., 128 341 176, 203, 207, 218, 356 f. 228 186 201, 212 f., 244 1, 5 f., 21, 32, 34, 45, 51, 138 – 140, 144, 146 – 160, 163, 168, 171 f., 178 – 180, 182 – 191, 193 f., 196 – 200, 204 f., 208 f., 218, 221, 223 – 226, 229, 233, 265, 271, 274, 287, 520 – 522, 530, 535, 537 f. 138, 172 160, 164, 167, 197 f., 287 f. 154 f., 172, 192 138, 151, 153, 155 – 157, 159 f., 173, 180 166, 169, 172, 220, 222 352 251, 253 251, 253 21 1, 21, 32, 34, 40, 51, 148, 150, 201 – 210, 212 – 221, 223 f., 227 – 236, 239, 244 f., 262, 268 f., 271, 274, 287, 519, 521 f., 530, 535 – 538 209, 218, 227 f.
§ 1120 § 1121 § 1122 § 1123 § 1124 § 1125 § 1126 § 1129 § 1133 § 1134 § 1135 § 1137 § 1138 § 1143 § 1147
201, 210, 212 f. 212 212 212 118, 212 112, 118 212 212 210 f., 213, 236, 244, 536 210 – 212, 214, 219, 229, 235 f., 536 210 f. 211, 214, 244 201 85 201, 208, 211, 214 f., 229, 234 – 236, 536 § 1153 236 § 1154 235 § 1161 235 § 1163 195, 203, 206, 210, 213, 215, 219 f., 222, 228, 231, 244 § 1177 203, 206, 210, 215, 220, 222, 229 – 231, 234 § 1179 1, 32, 34, 196 f. § 1179a 150, 195 – 197, 206, 213, 221, 224, 235 § 1180 225 § 1184 201 § 1185 201 f. § 1190 202, 226, 228, 234 § 1192 195, 202 § 1204 1, 21, 32, 34, 40, 51, 146, 148, 204 f., 208, 232, 236 – 254, 256 – 262, 265 – 269, 271, 274, 285, 287, 520 – 522, 530, 532, 535 – 538 § 1205 252, 259, 262, 266, 531 f. § 1209 1, 32, 34, 212, 237, 239, 242 – 244, 246, 252, 259, 262 f., 266 f. § 1211 244 § 1215 258, 262 § 1219 244, 249, 536 f. § 1228 237, 241, 246, 537 § 1256 244 § 1257 263 § 1273 237, 242, 347, 531 § 1279 531 § 1280 238, 258 § 1281 249 § 1287 499 § 1293 238 § 1378 288 § 1564 288 § 1600d 310 § 1602 320
Paragraphenverzeichnis § 1603 § 1836 § 1986 § 2033 § 2174 § 2205
320 70 1, 34, 51, 286, 314, 522 404 175 167
FamFG § 119 § 238
281 296, 321
GBO § 10 § 18 § 19 § 22 § 25 § 29 § 35 § 44 § 53 § 76 § 84
405
HGB § 355
446 – 448
InsO § 1 § 35 § 36 § 38 § 41 § 42 § 44 § 47 § 49 § 50 § 51 § 53 § 55 § 61 § 77 § 80
§ 82 § 85 § 88 § 89 § 90 § 91 § 94
164 168 168 168 – 170, 172, 175, 192, 194 168 168 – 170, 175, 177 170 164 168 168 168
GmbHG § 34
§ 81
506 59, 439, 453, 500 – 504, 507, 511 500, 508 5, 58, 60 – 63, 65 – 73, 87, 90, 96 – 100, 135 – 137, 186 f., 200, 234, 275, 501, 503, 519, 523, 528, 530 61 f., 187 61 61 f. 433 230, 234 243, 246, 251, 267, 433, 455, 460, 473, 538 433, 455, 460, 473 59, 187 59, 61, 63, 65, 68 f., 71, 99 59 40, 63 59, 61, 65 – 68, 94 – 96, 100, 116, 118, 184 f., 188, 233, 246, 248 f.,
§ 95
§ 96 § 103 § 106 § 108 § 110 § 115 § 116 § 129 § 130 § 131 § 132 § 140 § 144 § 165 § 166 § 170 § 171 § 178 § 187 § 189 § 191 § 196 § 197 § 198 § 200 § 201 § 203 § 287 § 289 § 291 § 294 § 295
565 432 – 435, 437 – 440, 442 f., 445, 447 – 449, 455, 457 f., 463, 523 231 – 233, 246 f., 432, 435, 437 – 440, 443 – 448, 450, 452, 455, 458 f., 463 233 438 f. 186 58, 82, 438 f., 510 59 230 – 232, 234, 243, 247, 432, 434 – 439, 445 – 447, 449, 452 f., 455, 457, 459, 462 f., 538 58, 75, 78, 80 – 82, 90 – 93, 95, 99, 115 1, 34, 40, 74, 78, 80 – 86, 88 – 91, 93 f., 96 – 110, 114 – 119, 125, 133 – 137, 283, 285 f., 289, 445, 520, 523 81 – 86, 90 f., 94 – 100, 103 – 105, 109 63, 98 f., 103, 184 f., 187, 436, 448 – 452, 458, 539 138, 172, 184 – 189, 196, 538 65, 102, 452 102 f., 448 f., 453 109, 447 109, 447 432, 459 f. 459 – 462, 464, 470, 473 f., 478 f. 437, 460 – 462, 464 – 467, 469 f., 473 – 476, 478 – 480, 483, 486 437 7, 43, 358, 459 – 464, 467 461 183, 185 251 82, 433 82 58 504 f. 507 1, 34, 40, 51, 58, 60 – 63, 67, 72, 146, 218, 275, 283, 286, 314, 441, 507, 511, 519, 522 504 f., 508, 511 f. 503, 507 f. 58, 512 505, 507 f., 512 58, 500 f., 505, 511 58, 503 – 509, 511 f. 509 505 505 509 509 f., 513
566
Paragraphenverzeichnis
KO § 1 § 3 § 7 § 15 § 17 § 21 § 24 § 30 § 53 § 54 § 55 § 59 § 65 § 67 § 69 § 70 § 164 § 171
§ 726 453, 500, 502 – 504 5 f., 58, 61, 69, 187, 501, 503, 530 438, 443 247, 434, 438, 446, 449 f., 453 449 f. 102 185 466 81, 91 f. 80, 83 – 85, 89, 93 f., 106 f., 111, 114 – 116 81, 84 f., 95, 103 69 80, 83 62, 89 83 83 501 83
UStG § 14 § 15
104, 529 104, 529
ZPO § 64 § 75 § 93 § 108 § 253 § 256 § 257 § 258 § 259 § 265 § 307 § 323 § 415 § 417 § 418 § 717 § 720a § 724
19 19 294, 313, 326 – 331, 337, 341, 345 43 470, 479 198, 265, 282, 284 f., 289, 302, 316, 338 2, 198, 265, 284, 291 – 300, 302 – 309, 311 – 316, 323 – 334, 336 f., 339, 341 – 345 198, 291 – 298, 300, 302 – 309, 311 – 316, 321, 323 – 337, 339, 341 f., 344 f. 198, 291 – 303, 306 – 309, 311 – 316, 323 – 332, 335 – 337, 339 – 345, 470, 479 297 330 f. 296, 321 319 319 319 37 279 315, 322 f.
§ 730 § 731 § 732 § 750 § 751 § 767 § 768 § 769 § 771 § 775 § 804 § 805 § 809 § 811 § 829 § 832 § 833 § 835 § 836 § 840 § 844 § 850 § 851 § 857 § 865 § 866 § 867 § 869 § 888 § 894 § 916 § 917 § 923 § 926 § 930 § 932 § 935 § 936 § 940 § 945
280, 292 f., 298, 304, 306, 311, 315 – 317, 319 f., 322 – 324, 331, 333 f., 336 – 344 319 316, 319, 333 319 319 280, 292 f., 304, 311, 315, 489 291, 317 – 319, 322, 324, 328, 343 319 181, 294 181, 250 294, 328 246, 279, 284 f., 288, 392, 488 f., 493 f., 499 250 250 289 124, 488, 490 f., 493 492 492 110, 492 490 19, 192, 254, 490 1, 34, 47, 488, 492 f., 496 f., 499, 522 489 491, 494 494 212 179 179, 202 179 26 479 1, 34, 47, 51, 146, 198, 279 – 289, 304, 306, 311, 313 f., 492, 496 f., 519 f., 522, 528 279 284 197 f., 280, 282, 284 f. 279, 284 f., 288 f., 489 279 279, 285 146, 280, 285 279, 285 280, 286
ZVG § 10 § 28 § 37 § 44
179 f., 182 180 180 f. 179 – 182, 215
567
Paragraphenverzeichnis § 45 § 46 § 47 § 48 § 49 § 50 § 51 § 52
180 180 180 179 – 183, 185, 218 179 f., 215, 222 180 – 183, 216, 218 180 f., 183 179 – 181, 216, 220
§ 53 § 91 § 92 § 111 § 119 § 120 § 172 § 174a
215 179, 220 180 46, 151 181 181 183 185
Sachregister Hochgestellte Zahlen beziehen sich auf Fußnoten. Absolutheitsprinzip 2284, 23, 159, 160 f., 162, 370 Abtretung bestehender Forderungen 23, 119 ff. – Bindung des Zedenten und Insolvenzschuldners – Einwendungen gegen die F. 25 f., 126 – Historie 23 f. – als identitätswahrende Sonderrechtsnachfolge 23 ff. – Schuldnerschutz 126 Abtretung künftiger Forderungen 5, 51, 119 ff., § 11, 531 ff. – anfechtungsrelevanter Zeitpunkt 459 ff. – Bestimmbarkeit 367 ff. – Dogmatik 5, 7 ff., 349 – 367, 380 f., 394, 411, 418 f., 426 f., 429 ff., 531 ff. – Durchgangs- und Direkterwerb 84, 130331, 348, 35442, 355 f., 360 f., 384 ff., 390, 397, 398, 436 – Globalzession s. dort – Historie 11, 349 f. – als identitätswahrende Sonderrechtsnachfolge 430 f., 533 f. – Inhaltskontrolle 375 ff., 392 – Insolvenzfestigkeit § 12 – Konvaleszenz 354 ff., 359, 36179 – künftige F. als Gegenstand der Abtretung 130, 35022, 353, 354, 360 – 367 – methodische Grundlage 351 ff., 533 – Priorität § 11 D – F (383 – 411) – Stammrechtsverfügung 396 – und Verfügung über das Rechtsverhältnis 390 f., 394 – 411 – Verfügungsbefugnis s. dort – Verfügungsbegriff 358, 363 ff. – Verfügungstatbestand und -erfolg 7, 130, 358 f., 365104, 366, 371, 389 f., 439, 461 f., 467 – Vertrauensschutz des Zessionars 445 – 448
– Vorausabtretungsmodell 352, 353 – 359, 367, 380, 386, 393, 394, 396 – 401, 403, 404, 407 – 411, 418 f., 426 f., 517, 531, 533 – Zeitpunkt der Bestimmbarkeit AGB-Banken 238, 466 f., 468, 473, 482 – 487, 53651 Akzessorietät 6230, 140, 154 – 159, 165, 171, 175, 198, 203, 209, 210, 221, 227, 229, 240, 243 f., 255, 260, 267, 270, 271, 274, 278, 534, 537 Anknüpfungsfunktion künftiger F. 276 f., 278, 517 f. Anspruch – Abgrenzung zur Forderung 19 – 22, 148 f., 520 – Anspruch im Sinne von v. Tuhr 21 f., 26117, 51, 148 f., 520, 522, 527 – Begriff 19 – 22 – BGB als allg. Anspruchsrecht 21, 43 Anwaltshonorar 64 Anwartschaft 28, 30, 73, 84, 235, 269, 379, 380, 387 Anwartschaftsrecht 5, 6, 9, 11, 18, 27 – 29, 37, 38 – 42, 45, 60, 72 f., 200, 220, 231, 235 f., 241, 268 f., 306, 307, 348, 355 f., 35761, 362, 36498, 383189, 385, 387, 397277, 399, 413, 418, 419, 436, 440, 448, 453, 457, 536, 540 – bedingte Forderung 38 – 42, 45 – Hoffnungen, s. dort – obligatorisches A. 28 f., 38 ff., 87, 418373 Arrest 197 f., § 9, 489, 520, 522 asset-backed securities 52 Aufrechnung § 4 – Aufrechnungsbefugnis 21, 76 f. – Aufrechnungslage als objektive Rechtsposition 77 – 80, 92 – 94, 112 f. – Funktionen 75 ff. – gegen oder mit künftigen F. 80 f. – Insolvenz 81 – 110 – subjektives Recht 77 f.
Sachregister – Vertrauensschutz 86, 87101, 88, 90 f., 92 – 94, 109, 112 f., 120, 126, 128 – 132, 445 f. aufschiebend bedingte F. s. bedingte F. aufschiebend befristete F. s. befristete F. Ausforschungspfändung s. Verdachtspfändung bedingte F. 1, 5, 26, 31 – 33, 34 – 42, 45 – 47, 50, 60, 62 f., 70, 72 f., 81, 82, 84 – 87, 89, 89 – 109, 114 f., 117 f., 121, 123, 135 f., 142, 144 f., 147 f., 149 – 151, 155, 173, 181 – 183, 197, 198, 200, 203, 205, 207, 229, 230 ff., 239, 242, 243, 247 – 249, 250, 252 – 258, 265, 271, 273, 277, 278, 280 – 285, 289 f., 299, 300 – 302, 303 – 306, 313 f., 318, 320, 321, 324, 332, 333, 337, 340, 344, 34915, 435 f., 441, 446, 454 – 458, 462, 481, 486, 488, 490, 492, 524, 528 – 530, 532, 534 – Aufrechnung mit oder gegen 80 f., 83, 111 – Kerntheorie 84 ff. – als künftige F. 31 – 33, 45, 155 – rechtsbedingte F. s. dort – Sicherung bedingter F. 173, 200, 277, 534 – 539 – Vermögenswert s. dort Befriedigungsfunktion – Aufrechnung 75 ff., 80, 82 – dinglicher Sicherungsrechte (auch: Verwertungsfunktion) 209, 214, 219, 24554, 246, 261, 536, 538 befristete F. 26, 31 – 33, 34167, 42 f., 44, 47 – 49, 73, 89, 103, 155114, 248, 264, 280, 285, 289, 301, 303 – 305, 307, 313, 332, 333, 412, 413, 417 – 419, 424, 426, 435 f., 442, 452 f., 462, 489, 492, 520 f., 530 – Verhältnis zu betagten F. 47 – 49, 305, 332, 412, 424, 426, 435 f., 442, 452, 453123, 521 Befugnis als Forderungselement s. Forderung Beschlagnahme 110 – 118, 124, 133, 498 f., 512, 520 Bestimmbarkeit 31, 54, 140, 146 f., 158, 165 f., 171, 194, 199, 205, 225, 227 f., 234, 241 f., 259 ff., 262, 267, 272, 273, 274, 276 – 278, 284, 302, 305, 306, 315, 331, 339, 347, 367 – 382, 394, 470 – 476, 477, 480, 481 f., 486, 497, 516, 517, 518, 521 f., 524 f., 527 – B. kraft Akzessorietät 158, 274, 276 – B. als Eigenschaft der künftigen F. 277, 378 ff., 430, 497, 516, 518, 524 f., 527 – Bestimmtheit 480 ff., 521
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– dingliche B. 161, 163, 225, 347, 370 ff. – Haftungsbegrenzungsfunktion 275, 375 ff., 526 – schuldrechtliche B. 163 f., 166, 276, 470 ff. – verfahrensrechtliche B. 164 f., 166 – Verfügungen 367 – 382, 526 – Vorhersehbarkeit 468, 477, 482, 485 Bestimmtheit s. Bestimmbarkeit betagte F. 2286, 26, 47 – 49, 103, 113, 150 f., 207, 265, 281 f., 284, 303, 305, 332, 34915, 412, 424, 426, 435, 442, 452, 453123, 455, 456, 458, 521 Bürgschaft 73, 101 f., 135, § 8, 304, 342 – 344, 362, 376, 429, 516 f., 522, 525, 535 f., 537 – Akzessorietät 271, 274, 278, 537 – bedingte B. 271 – Bestimmbarkeit 272, 273, 274, 276 – 278, 376 – Bürgschaftsvertrag und Bürgschaftsforderung 270, 278 – Funktionen der B. für künftige F. 274 – 278, 535 – Globalbürgschaft 270 f., 27318, – Rechtsboden 272, 275, 277, 278, 362, 429, 516, 535 – Regressforderungen des Bürgen 85, 101 f., 115, 121283, 128325, 135, 529 Darlehensvertrag (und Forderungen hieraus) 201, 208, 230, 231, 233, 239, 240, 247, 248, 255 – 258, 263, 267, 454, 456, 531 f., 538 f. Dingliche Rechte zur Sicherung künftiger F. 534 – 539 – Entstehung 198 f., 233 f., 267, 268 f., 499, 536 – Erlöschen 198 f., 234, 268, 537 Direkterwerb s. Abtretung künftiger Forderungen-Durchgangserwerb Durchgangserwerb s. Abtretung künftiger Forderungen-Durchgangserwerb einstweilige Verfügung 146, 197 f., § 9, 29314 erbrechtliche Forderungen 20, 175218, 281, 406, 410, 496, 510 Erwerbsaussicht 12, 27124, 29 f., 54, 72, 84, 153, 157 f., 161, 162 f., 165, 170, 171, 173, 178, 186, 189, 198 f., 209, 226, 234, 263, 268 f., 278, 289 f., 303, 36073, 361 – 363, 367, 381, 382, 401 f., 407, 409, 419, 426, 427, 429 – 431, 458, 495, 497 f., 518 – 520, 523, 525, 526 – 528, 531 – 539 – und Grundbuch 168 ff., 172, 199, 537
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Sachregister
Factoring 52, 347, 392253, 433, 517, 518, 531 Fälligkeitsbedingung 46, 273, 302, 303, 334, 340 Forderung – und Anspruch s. dort – als Bündel von Befugnissen 19, 21, 26, 43, 44, 51, 76 f., 201, 261, 291, 308, 362, 424400, 425403, 430, 520, 525, 527 – bedingte F. s. dort – befristete F. s. dort – Behaltensbefugnis 44 – derivativer Erwerb 33, 8796, 347 – Einforderungsbefugnis 26117, 44, 51, 148, 520 f., 527 – Entstehung 15 f., 32, 43 ff., 64, 520 f. – Gläubigerschaft/Inhaberschaft 22 f., 24 f., 430, 438, 525 – Identität 23 – 26, 372, 381, 401 – 403, 404, 407, 410, 414 f., 428, 430 f., 482, 493, 524, 526, 533 – Klagebefugnis 18, 291, 308 – 311 – originärer Erwerb 33 – Rechtsbedingung s. rechtsbedingte F. – relatives Recht 23, 29, 139 – und Schuldverhältnis 13 f., 15 f., 23 f., 25 f., 412 – 429, 431, 530, 533 – unbestimmte F. 26, 44, 49 f., 24343 – unvollständige F. 26, 33 – Verfügungsbefugnis s. dort – verhaltene F. 26, 44, 50 f., 456 – Vermögenswert s. dort Forderungen auf Rückgewähr einer Grundschuld s. Grundschuld Forderungspartikel 6, 360 f., 363, 5255 Frühklage 291, § 10 – Anerkenntnis, sofortiges 294, 326, 329 f. – Auslegung von §§ 257 – 259 ZPO 331 – 338 – als Ausnahmetatbestand 311, 326, 327, 329, 331, 332, 338 – bedingte Verurteilung 298 f., 30159, 318 – 321, 323, 324, 325, 336, 337, 338 f., 341 f., 343 f. – Beklagtenschutz 291, 303 f., 314, 317, 322, 326, 329, 330 f., 332, 337, 343, 345 – EEG 339 f. – Fallbeispiele 338 ff. – Initialleistung und § 258 BGB 333, 333 – 337, 344 – Initiativ- und Risikolast 294, 317 – 324, 331, 332, 334 f., 337, 339, 342 – 344 – Interessen 293 – 295 – und materielles Recht 307 – 313, 330 f., 344 – Prognose von Tatsachen 296, 297, 304, 318, 320 f., 324, 331, 334, 337
– Prüfungsstandort von §§ 257 ff. ZPO 297 f., 307 – 313 – Rechtsgeschichte 291 f. – Rechtsschutzbedürfnis 295 f., 304, 306, 324 – 329, 331, 335, 336, 337, 339 – 341 – Synallagma 296 f., 300, 327 – 329, 332, 333, 337, 341 f., 345 – Titulierungsinteresse 325, 326, 332, 341 – Zwangsvollstreckung 314 – 317, 331 future flow securitizations 52 Gegenstandsbegriff des BGB 53 – 55 Geschäftsbesorgung, Forderungen aus 85, 108 f., 135, Gesellschaftsrecht – Abfindungsforderungen 69, 107 f., 391, 405 – 410 – Auseinandersetzungsforderungen 37, 85, 107 f., 123293, 390, 395266, 397 f., 405 – 410, 444 f. Gewährleistungsforderungen 105 – 107, 135, 528 f. Gewissheit der Forderungsentstehung s. künftige F. gleichmäßige Gläubigerbefriedigung s. par condicio creditorum Globalzession 32, 51 f., 369, 376164, 378, 392, 460 f., 464 – 487, 517, 521 Grundschuld 21, 179, 201, 202, 223, 376163, 466 – Eigentümergrundschuld s. Hypothek – Forderung auf Rückgewähr der G. 45238, 454 – 457 – Löschungsanspruch 195 – 197, 221 Haftungsbegrenzung 275, 369, 375 – 377 Haftungszuweisung des Massevermögens 439 Hoffnungen 29, 30141, 145, 158, 199, 303, 307, 339, 381 f., 430, 488, 496, 498 Hypothek 201, § 6 – Akzessorietät 201, 203, 209 f., 221, 227, 229, 235 f. – Anwartschaftsrecht 220, 231, 235 f. – bedingte H. 203 – Bestimmbarkeit der künftigen F. 227 f. – Eigentümergrundschuld 203, 206, 210, 215 f., 21890, 219 f., 222, 228 ff., 231, 233 f., 244 – Entstehung der H. 228 f., 234 – 236 – Funktion der H. für künftige F. 215, 217 – 219, 535 – Grundbuch und H. für künftige F. 220 f., 537
Sachregister – Grundbuchsperre 221 f. – Höchstbetragshypothek 202, 206, 215, 218, 226, 228, 234, 521 – Insolvenz 215, 228, 230 – 233, 537 – 539 – materielle Deutung von § 1113 II BGB 217 – 219 – Rang 201, 208, 212 f., 217, 222 – Rechtsboden 221 – 226 – Spezialitätsprinzip 225 f. – Zwangsversteigerung 215 – 220, 228 Insolvenzanfechtung 7, 432, 437, 459 – 487 – Kongruenz und Inkongruenz 464 – 487 – relevanter Zeitpunkt 459 – 464 Insolvenzfestigkeit 183 f., 185266, 187 – 189, 256, 432, 440, 539 Insolvenzforderung § 3 (58 ff.) – Masseforderung/Massegläubiger 59 – Neuforderung/Neugläubiger 59 Klagbarkeit 26, 282, 284, 289, 297, 307 – 311, 314, 468, 470, 475, 479, 486 Klage auf künftige Leistung (§§ 257 ff.) s. Frühklage Klagebefugnis s. Forderung oder Klagbarkeit Klag(e)recht (Klagebefugnis) s. Forderung oder Klagbarkeit Kontokorrent 44255, 446 f. Künftige Forderung – und Akzessorietät 140, 154 – 159, 171, 175, 198 f., 203, 209, 221, 229, 240, 243 f., 261, 274, 278, 534 f., 537 f. – aufschiebend bedingte F. s. bedingte F. – aufschiebend befristete F. s. befristete F. – Begründung i. S. v. § 38 InsO 58 ff., § 3 – als Bestandteil der Insolvenzmasse 500 ff. – dingliche Sicherung von künftigen F. § 5, § 6, § 7, § 9, 534 – 539 – im engeren Sinne 32 – im Erbrecht s. erbrechtliche Forderungen – Existenz/künftige F. als existenter Gegenstand 24, 53 – 55, 80 f., 130, 153, 157 f., 171, 182, 198, 207, 235, 243 f., 268, 277 f., 35022, 353, 354, 360 – 367, 380 f., 382, 387, 393 f., 399283, 401, 419, 429 f., 488, 497 ff., 500, 518 f., 525 – Funktionen 516 – 519 – im Gesellschaftsrecht s. dort – Gewissheit/Wahrscheinlichkeit ihrer Entstehung 29139, 31 f., 34 f., 42 f., 61 – 63, 67, 86, 91, 101, 107, 139, 146, 153, 161, 173, 188, 200, 208, 217 f., 223, 229, 234, 245, 265, 272 f., 277 f., 280, 286 – 290, 299, 302, 303 f., 305, 306, 313 f., 331, 332, 338,
– – –
– – – – – – –
– – – – – – – – – –
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339, 342247, 343, 376, 382, 387, 431, 442, 458, 477 f., 496, 497, 518 f., 520 f., 522 f., 526, 527, 534, 535 Identität der künftigen F. 372, 381, 401 – 403, 428 – 431, 482, 493, 524, 526, 527, 533 Inhaberschaft/Gläubigerschaft 525 in der Insolvenz § 3 (58 – 73), 81 – 110, 183 – 189, 215 f., 230 – 233, 246 – 249, 251, 27529, § 12 (432 – 487), 500 – 513, 519, 523, 534, 537 ff. Klassifizierung 31 ff., 524 ff., 528 ff. Leasing s. dort im Mietrecht s. dort Platzhalterfunktion 226, 258, 262, 267, 276 – 278, 516 f., 540 Prozesskostenerstattung s. dort rechtsbedingte F. s. dort Rechtsboden 71 – 73, 135 – 137, § 5 passim u. 198 – 200, 221 – 226, 234 f., 252 – 258, 261 f., 267 f., 272, 278, 289, 494, 519 f., 528-530 Regressforderungen des Bürgen s. Bürgschaft Risiko 53, 526 im Steuerrecht s. steuerrechtliche F. Vererblichkeit 30, 362, 429, 518 Verfügungsbefugnis s. dort als Verfügungsobjekt § 11, 429 – 431, 531 – 534 Vergütungsforderung des Vormunds s. dort Vermögenswert s. dort als Vollstreckungsobjekt 488 ff. im weiteren Sinne 32
Leasingforderungen 48 f., 52, 379, 417, 419, 423 – 425, 436, 452 f. Maklervertrag, Forderungen aus 69 masseerweiternder Ansatz 503 f., 507 f., 509 f., 512 Masseforderung s. Insolvenzforderung Massegläubiger s. Insolvenzforderung Masseschutz 96, 439 – 444, 445, 453, 457 mietrechtliche Forderungen 33, 37, 48 f., 102 – 104, 118, 324, 339, 399 f., 402, 403, 412, 436, 448, 452 f., 521 – Aufrechnung 102 – 104, 118 – Entstehung 48 f., 436, 521 – Insolvenz 102 – 104, 448, 452 f. – Übergang des Mietverhältnisses und Vorauszession 394 ff., 399 f., 403, 407321 – Vermieterpfandrecht s. dort – Vorauszession 394 ff., 417 – 420, 425 f.
572
Sachregister
Nachtragsverteilung 58, 503 – 507, 509, 513 Naturalobligation 1533, 26, 308, 310 Nemo-plus-iuris-Grundsatz 392, 393 f., 394, 427 Neuerwerb 501, 50282, 503 f., 508 Neuforderung s. Insolvenzforderung Neugläubiger s. Insolvenzforderung pactum de non petendo 310 Pandektistik 4, 5, 13, 1425, 24, 36, 74, 349 f. par condicio creditorum/ Gläubigergleichbehandlung 58, 59, 5911, 83, 87, 95, 97, 138, 450106, 479, 483 Pfandrecht § 7 (237 ff.) – Akzessorietät 240, 243 f., 255, 260 f., 267 – an einer künftigen Forderung s. Verpfändung – bedingte Verpfändung 237 – Bestimmbarkeit 241 f., 259 – 261, 262, 267 – Entstehung 251 ff., 266 – 269 – Funktionen 246, 249, 535 – Insolvenz 246 – 249, 251, 537 – 539 – Praktische Bedeutung 238 – Rang 242, 246, 252, 259, 262, 266 f. – Rechtsboden 241, 242, 252 – 258, 261 f., 267 f. – Spezialitätsprinzip 257 f. – Vermieterpfandrecht s. dort – Vorausverpfändung (entgg. herrschender Terminologie) s. dort – Zwangsvollstreckung 249 f. Pfändung künftiger F. 488 – 499 – Pfändungspfandrecht an künftigen Forderungen 498 f. Planck, Gottlieb 114 f., 146 Potestativbedingung 35, 66 f., 70, 72, 136, 144, 147, 200 Prioritätsgrundsatz 35025, 356 – 362, 383 – 391 – gegenläufige Verfügungen 391 – 394 – gegenläufige Verfügung über das Rechtsverhältnis 394 – 411 – Nemo-plus-iuris-Grundsatz s. dort – Zwangsvollstreckungsrecht 288, 294, 488, 494, 509, 511, 533 Prozesskostenerstattungsforderung 1, 37, 102, 217, 281, 284, 286, 288 Publizitätsprinzip 162 f., 164 – 168, 171, 194, 199, 227, 270, 370, 512, 534 rechtsbedingte F. (gesetzlich bedingte F.) 34, 35 – 38, 41 f., 45, 60, 62, 70, 72, 84 – 87, 89, 89 – 109, 135 f., 150, 196, 242, 248, 278, 283, 286, 288, 289, 307, 399, 49233, 530 Rechtsboden s. künftige F.
Rechtsdogmatik § 1, 14, 46, 71 – 73, 134 – 137, 148, 149, 153, 166, 200, 234 – 236, 244, 267 – 269, 278, 289 f., 348, 355 – 359, 380 f., 384 f., 389, 418 – 420, 426 f., 429 – 431, 434, 457 – 459, 497 – 499, § 14, § 15 Rechtsgrund 530 Rechtsverhältnis 12, 394262 – Übergang 394 – 411 Regressforderungen des Bürgen s. Bürgschaft Restschuldbefreiung 500, 50282, 505, 508 – 513 Rückauflassungsforderung/Rückübertragun gsforderung s. Vormerkung Rückgewähr einer Grundschuld s. Grundschuld Rückgriffsforderungen des Bürgen s. Bürgschaft Saldoforderungen s. Kontokorrent Schuldverhältnis 11 – 18, 40 – 42, 54, 60, 64 f., 71 – 73, 78, 104 f., 205, 208, 242, 302, 305, 306, 336, 337, 341, 344, 412 – 429, 431, 458, 492, 530 – Dauerschuldverhältnis 30, 33, 64, 296, 417, 422, 436 – im engeren/weiteren Sinne 13 – Entstehung 15 ff., 43 – und Forderung 13 f., 15 f., 23 f., 25 f., 412 – 429, 431, 530, 533 – gesetzliches S. 17, 69, 128325, 148 – kontaktloses S. 136 – als normativer Begriff 14 – Rechtsverhältnis s. dort – Sonderverbindung s. dort – Übergang 394 – 411 Sicherungsfunktion 239, 249 f., 536, 538 Sonderbeziehung s. Sonderverbindung Sonderverbindung 12 f. Spezialitätsprinzip 161 f., 165, 167 f., 225 – 227, 229, 257 f., 370 f., 373, 377, 464177, 534 f. steuerrechtliche F. 91, 104 f., 136, 502, 510, 529 subjektives Recht 12, 14, 18 f., 22, 26, 27 f., 76 – 79, 214, 235, 362, 364, 495, 500, 527, 536, 537, 540 v. Tuhr, Andreas 21 f., 31 f., 44, 51, 76, 77, 129, 148, 350, 353, 355, 356, 397, 399, 402, 520, 522 Übergabeverträge s. Vormerkung Universalexekution 506
Sachregister Verdachtspfändung 491, 496 Vererblichkeit der künftigen F. s. künftige F. Verfügung über künftige F. s. künftige F. – Verfügungsobjekt Verfügungsbefugnis 7, 19, 116, 263, 357, 358, 362 f., 365, 365104, 107, 366, 367, 383190, 384, 390, 398, 399, 403, 416, 419, 420, 422 ff., 425403, 426 – 431, 445, 497, 498, 523, 527, 538 Vergütungsforderung des Vormunds 70 Vermieterpfandrecht 263 – 266, 267, 280, 521, 522 Vermögenswert einer F. 23, 34, 51, 58, 63, 146, 198, 280, 283 f., 286 – 290, 304, 313 f., 493, 496 – 498, 511, 513, 519, 522 f., 527 Verpfändung künftiger Forderungen 237, 267152, 346, 482 – 486, 531 – Begriff und Unterschied zur Vorausverpfändung 267152, 531 Verschiebungsansatz 503 f. Vorausabtretung s. Abtretung künftiger Forderungen Vorausverfügung 352 – 359, 367, 429 – 431, 517, 531 – 534, i. Ü. s. auch Abtretung künftiger Forderungen – Begriff 346, 432, 531 f. – Unterschied von „Vorausverfügung“ und Verfügung über eine künftige Forderung 352 – 359, 429 – 431, 531 – 534 – Unterschied zur „Vorausverpfändung“, s. dort Vorausverpfändung – eigentliche Vorausverpfändung 258, 259, 266 f., 267152, 3462, 531 f. – Unterschied zur Verpfändung künftiger Forderungen 267152, 531 Vorbereitungsfunktion 275 f., 278, 362, 516 f., 531 f., 540 Vormerkung § 5 (138 ff.), 534 – 539 – Absolutheit 159, 160 f., 162 – Akzessorietät 140, 154 – 159, 165, 171, 175, 198
573
– „Aufladung“ einer V. 149, 154, 157, 166 – 171, 194, 199 – Auflassungsvormerkung 142, 146, 167, 172, 180 f., 182, 185266, 190 f., 222 – Bestandsschutz 172 – 174, 178, 186, 190, 200, 225119, 226, 234, 268, 520, 535 – Bestimmbarkeit 140, 146 f., 158, 165 f., 171, 194, 199 – einstweilige Verfügung 146, 197 f. – Funktion der V. für künftige F. 535 – Grundbuchsperre 145, 147, 166, 190 – 194, 195, 199 – Insolvenz 183 – 189, 537 – 539 – Löschung 157, 168 – 171, 172, 174, 175 f., 177, 186, 192, 194 – Löschungsanspruch s. Grundschuld – Publizität 162 f., 164 – 168, 171, 194, 199 – Rechtsbodentheorie 140, 141, 143, 145 f., 171, 175 – 178, 189 ff., 198 – 200 – Rückauflassungsforderung 139, 141 – 143, 144, 150, 173, 178, 182256, 183258, 191, 195 f. – Spezialitätsprinzip 161 f., 165, 167 f. – Übergabeverträge 141 – 143, 191, 196 – Vorvertrag 178, 187, 189 – Zwangsvollstreckung 179 – 183 Vorsteuervergütungsforderung s. steuerrechtliche F. Wahrscheinlichkeit der Forderungsentstehung s. künftige F. Werthaltigkeit einer Forderung 460 f. (Insolvenzrecht), i. Ü. s. Vermögenswert Windscheid 20, 31, 307 – 309 Wollensbedingung 35, 38, 72, 136 f., 147, 177, 200 Zession s. Abtretung Zuweisungsfunktion 517, 518 f., 531, 533 Zwangsvollstreckung in künftige F. s. künftige F.‑Vollstreckungsobjekt